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Seewölfe 356 1
John Curtis 1.
Karl von Hutten stand auf einer der Beobachtungsplattformen des Felsendoms und blickte nach Südwesten. Araua, die Tochter Arkanas und des Seewolfs, stand neben ihm. Auch sie spürte die Spannung, jenes eigenartige Kribbeln und die Unruhe, die ihren gesamten Körper befallen hatte, seitdem der Himmel über der Schlangeninsel sich derartig verändert hatte. Zu beschreiben war das alles eigentlich gar nicht. Die rötlichen Farben der Abenddämmerung wichen mehr und mehr einem schwefligen Gelb, das sich auf sonderbare Weise mit zunächst zarten, dann aber sich mehr und mehr verdichtenden violetten Farbtönen vermischte. Er sah unheimlich aus, der Himmel, der sich dort im Südwesten über den Horizont schob und bereits innerhalb weniger Augenblicke eine bedrohliche Ausdehnung erlangt hatte. „Ein Unwetter, Araua“, sagte Karl von Hutten, der Mann mit dem indianisch geschnittenen Gesichtszügen und dem schulterlangen blonden Haar. Er wirkte neben der Araukanerin Araua wie ein Exote – aber doch war der indianische Anteil in seinem Blut unübersehbar. Araua, die mittlerweile in die Aufgaben ihrer Mutter, der Schlangenpriesterin hineingewachsen war und die trotz ihrer siebzehn Jahre schon nahezu erwachsen wirkte, nickte. „Du hast recht, da braut sich etwas zusammen. Ein Sturm, ein Gewitter, ein Hurrikan vielleicht. Aber dort hinten, genau dort, wo es über der See emporsteigt, befindet sich Arkana, meine Mutter, mit ihren Schlangenkriegerinnen!“ Arauas Züge hatten sich verdüstert. Sie lebte schon viele Jahre auf der Schlangeninsel, sie wußte, welche verheerenden Stürme und Unwetter die Karibik mitunter von einer Stunde auf die andere zu gebären vermochte - und sie hatte diese Unwetter, den zornigen Atem der mächtigen Götter, fürchten gelernt.
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Karl von Hutten, der in Abwesenheit des Seewolfs, der Roten Korsarin, des Wikingers, Jean Ribaults und Arkanas für die Sicherheit der Insel verantwortlich war, schwieg. Er beobachtete stattdessen sehr genau die sich ständig weiter ausdehnenden Wolkenformationen. Was er sah, bereitete ihm Sorge, denn diese Wolken quirlten nicht nur heftig durcheinander, sondern sie verfärbten sich von Minute zu Minute mehr auf eine geradezu unheimliche Weise, wie er es zuvor noch nie gesehen hatte. Da braute sich ein Unwetter zusammen, auf das sie sich schleunigst vorbereiten mußten. Auch auf der Schlangeninsel. Nicht ohne Sorge dachte er wie Araua im gleichen Augenblick auch an Arkana, die sich mit ihrer „Mocha II“ genau in diesem Seegebiet befinden mußte. Zwar verstanden Arkana und ihre Schlangenkriegerinnen von der Tempelwache sich mittlerweile hervorragend auf Seemannschaft - aber ihr Schiff war alt und taugte nicht mehr viel. Jedenfalls glaubte sich Karl von Hutten daran zu erinnern, daß der alte Ramsgate dieses Urteil über die „Mocha II“ abgegeben hatte, nachdem sie von ihm und seinen Männern auf der neuen Werft im hinteren Teil der Schlangenbucht gründlich überholt worden war. Hesekiel Ramsgate hatte dringend zu einem Neubau geraten, noch bevor Arkana mit der „Mocha II.“ die Schlangenbucht verließ, um das Schiff und die Veränderungen und Neuerungen, die der alte Ramsgate daran vorgenommen hatte, einer Prüfung auf See zu unterziehen. Aber das war noch nicht alles - denn ausgerechnet irgendwo dort hinten, mit Kurs auf Tortuga, segelten auch der Wikinger mit seinem Schwarzem Segler, Siri-Tong mit „Roter Drache“, Jean Ribault mit seiner brandneuen „Le Vengeur III.“ und Jerry Reves, der die ebenfalls neue und als Schwesternschiff der „Le Vengeur III.“ zu bewertendes „Tortuga“ befehligte. Sie alle wollten auf Tortuga den für die Schlangeninsel in vielerlei Bereichen notwendigen
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Nachschub von Diego, dem ihnen allen sehr befreundeten Schildkrötenwirt, besorgen. Denn Diego trieb auf Tortuga einen schwunghaften Handel mit allem, was entweder von den Bewohnern Tortugas oder aber von denen der Schlangeninsel benötigt wurde. Und seltsamerweise hatten ihn bisher auch die übelsten Schnapphähne, die sich von Zeit zu Zeit auf Tortuga einnisteten, in Ruhe gelassen. Denn ohne Diego ging auf dieser Insel einfach gar nichts mehr, und das wußten sie alle. Außerdem aber wollten Siri-Tong, Jean Ribault und auch der Wikinger in Erfahrung bringen, was sich alles während ihrer langen Abwesenheit von der Schlangeninsel in der Karibik getan und ereignet hatte. Das war lebenswichtig, und Tortuga, insbesondere Diego und seine Felsenkneipe, die „Schildkröte“, stellten eine außerordentlich zuverlässige Nachrichtenbörse dar. Das alles schoß Karl von Hutten durch den Kopf, während er das sich immer bedrohlicher gestaltende Unwetter im Südwesten der Insel beobachtete und sich nicht darüber klar zu werden vermochte, welcher Natur es sei. Ein Hurrikan war das nicht, ein normaler Sturm ebenfalls nicht und ein schwerer Gewittersturm kündigte sich ebenfalls durch andere Anzeichen an. „Komm Araua“, sagte er. „Wir müssen zur Bucht hinunter. Das Unwetter wird mit dem nächsten Mahlstrom viel Wasser in die Schlangenbucht treiben. Wir müssen die ,Wappen von Kolberg` dagegen sichern, daß sie sich losreißt, oder sie zerschellt am Ende der Bucht in den Klippen!“ Araua nickte nur kurz. Daß Karl von Hutten ihre unausgesprochene Frage nicht beantwortet hatte, wie er die Gefahr einschätzte, in der sich Arkana und ihre Schlangenkriegerinnen auf der „Mocha II.“ befanden, sagte ihr genug. Und flüchtig dachte sie in diesem Moment daran, daß sich außer von Hutten, Arne von Manteuffel, dem Vetter des Seewolfs, ihren Schlangenkriegern und Schlangenkriegerinnen, soweit sie sich
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nicht an Bord der „Mocha II.“ bei Arkana befanden, und dem alten Hesekiel Ramsgate samt seinen Schiffbauern niemand weiter auf der Schlangeninsel befand. Als Araua und Karl von Hutten den Felsendom verließen, brannte im Westen das Abendrot über der See, und es war, als ob die Götter Feuer vom Himmel ins Meer schütteten. Aber südlich davon - da hatte der Himmel jetzt eine teils schwefliggelbe, teils düster-violette Färbung angenommen. Schwere Wolkentürme, in denen es immer wieder aufblitzte, schoben sich höher und höher über die Kimm empor. Manchmal vernahm Araua das noch sehr leise und sehr ferne Grollen des den gewaltigen Entladungen folgenden Donners. * Der alte Ramsgate streckte behaglich die Beine aus. Die Flammen des Lagerfeuers leckten gierig an den Holzscheiten empor, die seine Männer zu einer Art Pyramide aufgetürmt hatten. Die Flammen zauberten tanzende Schatten und Lichter auf das Gesicht des Schiffbaumeisters, das durch den schlohweißen Bart ein schon fast ehrwürdiges, biblisches Aussehen angenommen hatte. Der alte Ramsgate fühlte sich auf der Schlangeninsel sauwohl, genau wie seine Männer auch. Er war froh, dem Angebot des Seewolfs, der Roten Korsarin und des Wikingers gefolgt zu sein, von Raine Head, seiner einstigen Werft in der Nähe von Plymouth, auf die Schlangeninsel zu übersiedeln. Denn hier gab es keine adeligen Laffen, keine Hofschranzen und auch keine Schergen der englischen Krone, die ihm und seinen Männern oft genug das Leben zur Hölle gemacht hatten. Hesekiel Ramsgate dachte noch mit Schaudern an die letzten Ereignisse auf seiner Werft, und, verdammt noch mal, es war verflixt heiß hergegangen vor den Ausrüstungskais seiner Werft und auch auf dem Werftgelände selbst.
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Hesekiel Ramsgate richtete sich aus seiner bequemen Haltung auf. Er sah seine Männer an, allesamt wie er erfahrene Schiffbauer, aber auch rauhe Kämpfer, sofern sie zur Waffe greifen mußten. Er hob seinen schweren Humpen, der randvoll mit Wein gefüllt war. „Auf unsere neue Heimat, Männer“, sagte er mit dunkler, wohlklingender Stimme. „Auf sie und auf alle Bewohner dieser Insel, denen wir unverbrüchliche Treue halten werden, gleich, was geschieht! Denn dies hier ist für uns alle ja wie ein Paradies, fast wie ein Traum!“ Beistimmendes Gemurmel erhob sich in der Runde, und auch die Männer des alten Ramsgate erhoben ihre Humpen. Recht hatte er, der alte Hesekiel. Die Insel wirkte auf sie wie ein Juwel. Das begann mit dem wirklich paradiesischen Klima, verglichen mit den rauhen Stürmen, die oft Rame Head umtobt hatten, und verglichen mit dem kalten, grauen Nebel, der nur allzu oft das ganze Land und die See tagelang eingehüllt hatte. Es setzte sich fort mit der Schlangenbucht, ihren langen sandigen Stränden, dem azurblauen Wasser der Bucht, den Palmen, die diesen Strand säumten und dem gewaltigen Felsendom, der alles überragend wie das Wahrzeichen der Insel in den Himmel zu wachsen schien. Hesekiel Ramsgate warf einen Blick zu seiner neuen Werft hinüber, für die man im hinteren Teil der Schlangenbucht einen hervorragenden Platz gefunden hatte. Sie machte gute Fortschritte. Die Helling, groß genug, um auch einen Viermaster wie den Schwarzen Segler aufzuslippen, war fast fertig. Ebenfalls wuchsen die Schuppen für Werkzeuge und Zubehör, für die Lagerung wertvoller Hölzer, die zum Schiffbau unerläßlich waren, empor. Aber alles fügte sich harmonisch in die Schlangenbucht ein. Hesekiel Ramsgate und seine Männer waren zufrieden - mehr noch, sie waren geradezu glücklich, hier, auf der sagenund legendenumwobenen Schlangeninsel ihre neue Heimat gefunden zu haben. Eine Heimat, die ihnen im Gegensatz zu
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England allen Frieden gewährte und in der sie mit jedermann, auch mit den Schlangenkriegern und Schlangenkriegerinnen Arkanas, gut auskamen. Die Männer Ramsgates hatten es schon bald gespürt: Dies hier war eine Gemeinschaft, in der jeder für den anderen eintrat, ohne lange zu fragen. Und das gefiel ihnen allen besonders. Der alte Ramsgate warf einen Blick zur “Wappen von Kolberg” hinüber, die vor der Werft ankerte. Der kommende Tag würde eine Menge Arbeit bringen, denn auch die Galeone Arne von Manteuffels sollte aufgeslippt und dann vom Kielschwein bis zu den Toppen überholt werden. Außerdem hatte Ramsgate einige Modernisierungen vorgeschlagen. Zum Beispiel sollte die „Wappen von Kolberg“ anstelle des bisherigen Kolderstocks eine Ruderanlage erhalten, wie sie die „Isabella IX.“ und auch die anderen Neubauten bereits hatten. Außerdem sollte die Galeone mit höheren Masten und breiteren Rahen ausgerüstet werden, was ihre Geschwindigkeit bestimmt um einige Meilen erhöhen würde. Denn vom Rumpf her vertrug sie die größere Segelfläche leicht. Hesekiel Ramsgate, der es trotz seiner Jahre noch mit vielen jüngeren ohne weiteres aufnahm, dabei aber zusätzlich über die Erfahrungen seines langen und bewegten Schiffbauerlebens verfügte, hob abermals seinen Humpen und trank den Männern am Feuer zu. Aber dann setzte er den Humpen plötzlich ab, und seine, wie die Blicke der übrigen Männer, richteten sich auf die beiden Ankömmlinge, die eben aus dem Dunkel in den Lichtkreis des Lagerfeuers vor der Werft traten. „Araua, von Hutten - was führt euch denn noch hierher?“ fragte er und stand gleichzeitig auf. Mit seinem feinen Gespür für Menschen hatte er an den Gesichtern der beiden sofort erkannt, daß irgendetwas nicht in Ordnung war. Von Hutten verlor keine Zeit. Er trat in den Lichtkreis des Feuers, und seine hellblonden Haare, die einen seltsamen
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Kontrast zu seiner indianisch-braunen Gesichtsfarbe bildeten, schienen kleine Blitze auf die Männer zu schleudern, sobald sie den Schein der lodernden und zuckenden Flammen reflektierten. „Im Südwesten unserer Insel braut sich ein schweres Wetter zusammen. Aber es ist kein Hurrikan und auch kein gewöhnlicher Gewittersturm. Es ist irgendetwas anderes, ich habe dergleichen, solange ich in der Karibik lebe, noch nicht gesehen. Die Wolken haben eine schweflig-gelbe Farbe, die sich aber mehr und mehr mit einem düsteren Violett vermischt. Außerdem quirlen die riesigen Wolkentürme, die sich schneller und schneller über die Kimm emporschieben und den Himmel schon zum großen Teil bedecken, wie in einem Wirbelsturm durcheinander. Nein - ich habe so etwas noch nie gesehen!“ Ramsgates Männer waren ebenfalls aufgesprungen. Zwar lebten sie erst seit kurzer Zeit in der Karibik, aber was es bedeutete, wenn sich so ein schweres Wetter zusammenbraute, das wußten sie. Der alte Ramsgate ergriff auch sofort die Initiative. „Los, Männer, wir müssen die ,Wappen von Kolberg` sichern. Schafft starke Trossen herbei, holt die Galeone an die Werft heran und vertäut sie dort so fest, daß sie kein Sturm loszureißen vermag!“ Die Männer ließen ihre Humpen Humpen sein und rannten sofort zur Helling hinüber. Der alte Ramsgate, der ihnen folgen wollte, wurde jedoch von Araua und von Hutten zurückgehalten. „Die ,Mocha II.` befindet sich wahrscheinlich genau dort, wo das Wetter in diesem Moment schon tobt. Was ist mit dem Schiff, Hesekiel? Das Urteil, das du Arkana abgegeben hast, war nicht sonderlich gut.“ Ramsgate warf der Tochter Arkanas einen raschen Blick zu, und er sah, daß sie ihn aus großen, schwarzen Augen anstarrte, in denen in diesem Moment die Angst der Tochter um die Mutter flackerte. Araua war oft genug mit dem Wikinger oder mit Siri-Tong auf See gewesen, um die Gefahren eines schweren Sturmes
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richtig einschätzen zu können. Besonders dann, wenn ein Schiff wie die „Mocha II.“ in einen solchen Sturm geriet. Hesekiel Ramsgate fuhr sich mit der Hand über die hohe Stirn. „Es hat keinen Zweck, euch etwas vorzumachen. Die Galeone Arkanas ist alt. Die Verbände des Rumpfes sind nicht mehr die besten, auch die Beplankung weist schwache Stellen auf. Es hatte keinen Sinn, das alles zu reparieren, darum schlug ich einen Neubau vor. Meine Männer und ich haben getan, was wir konnten. Ich kann für Arkana nur hoffen, daß sie das Wetter beizeiten erkannt und einen Nothafen angelaufen hat. Aber vielleicht ist sie ja auch gar nicht so weit ins offene Meer hinausgesegelt ...“ Er spürte den brennenden Blick Arauas, und er sah das Araukanermädchen an. Wie immer war sie fast nackt. Sie trug lediglich einen knappen Lendenschurz - so wie alle Schlangenkriegerinnen auf der Insel. „Du hättest sie mit diesem Schiff nicht segeln lassen dürfen, Hesekiel“, sagte sie dumpf. „Ich verstehe das nicht, du bist doch sonst kein Mann, der ...“ Ramsgate trat dicht an Araua heran, dann legte er ihr seine Rechte schwer auf die Schultern. „Ich hätte deine Mutter auch nicht segeln lassen, Araua“, erwiderte er. „Aber sie sagte, der Schlangengott habe ihr aufgetragen, mit diesem Schiff noch eine Fahrt zu unternehmen. Arkana bat mich, darüber Stillschweigen zu bewahren. Und das habe ich bis zur Stunde getan, so daß alle denken mußten, es handele sich um eine ganz normale' Erprobungsfahrt. Nur habt ihr alle eines übersehen: Wäre das so gewesen, dann hätte ich mich an Bord der ,Mocha II.` befunden. Doch meinen diesbezüglichen Wunsch lehnte Arkana freundlich, aber bestimmt ab. Das ist alles, was ich dir dazu sagen kann.“ Araua sah den alten Ramsgate überrascht an. Dann wechselte sie jedoch mit Karl von Hutten rasch ein paar Worte in einer Sprache, die Ramsgate nicht verstand. Anschließend sah sie den Schiffbaumeister an.
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„Verzeih“, sagte sie, „ich habe dir Unrecht getan. Ich schäme mich, denn ich hätte es besser wissen müssen ...“ Araua drehte sich um und war gleich darauf in der Dunkelheit verschwunden. „Was ist mit ihr, wo ist sie hin?“ fragte Ramsgate Karl von Hütten entgeistert, der ihr ebenfalls nachblickte. „Araua will in den Schlangentempel, um den Schlangengott zu befragen“, antwortete er nach einer Weile. Er sah, wie sich die Stirn Ramsgates furchte, und wie er nachdenklich, aber voller Zweifel in die Dunkelheit starrte, dorthin, wo Araua verschwunden war. Von Hutten berührte ihn sacht an der Schulter. „Dir ergeht es wie uns allen dereinst“, sagte er. „Wir alle, auch der Seewolf, fanden keine Erklärung für die merkwürdigen Vorgänge im Schlangentempel, und anfangs hielten wir den Schlangengott sogar für einen Götzen. Nur Siri-Tong ermahnte uns immer wieder, den Schlangengott ernst zu nehmen, und dann taten wir es schließlich auch. Ich sage dir, Hesekiel, dieser Schlangengott ist alles andere als ein Götze. Seine Voraussagen und seine Prophezeiungen haben sich noch immer erfüllt. Und wenn du im Tempel vor ihm stehst, wenn seine grünen Augen dich anglühen, dann weißt du plötzlich, daß er über Kräfte verfügt, für die uns jede Erklärung fehlt. Ich sage dir, dieser Schlangengott ist ein lebendiger Gott, und wehe dem, der sich seinen Zorn zuzieht!“ Der alte Ramsgate starrte den Halbindianer von Hutten an. Er wußte, daß gerade von Hutten niemals auch nur ein Wort mehr sagen würde, als er verantworten konnte. Aber es war auch das erstemal, daß er so zu ihm gesprochen hatte. „Komm jetzt, wir sollten uns wirklich um die ,Wappen von Kolberg` kümmern, das Wetter wird bald losbrechen ...“ Und als ob er mit seiner Prophezeiung recht behalten sollte, zuckte in diesem Moment ein erster, greller Blitz über den dunklen, düster leuchtenden Himmel. Anschließend fuhr eine Bö durch die
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Schlangenbucht, die so heftig war, daß sie die beiden Männer beinah umwarf. Hastig löschten von Hutten und Ramsgate das Feuer, dann rannten sie ebenfalls zur Werft hinüber. 2. Knapp 100 Seemeilen südwestlich der Schlangeninsel, dort wo sich das Unwetter über der Karibik zusammengebraut hatte, befand sich die „Mocha II.“ mit Arkana und ihren Schlangenkriegerinnen. Die Schlangenpriesterin hatte den Himmel schon eine ganze Weile vor Sonnenuntergang zu beobachten begonnen. Sie lebte jetzt schon so lange in der Karibik, daß sie Anzeichen wie diese durchaus richtig zu deuten wußte. So war weder ihr noch den Schlangenkriegerinnen, die die Ausgucks besetzt gehalten hatten, jene zunächst nur winzig kleine Verfärbung des Himmels entgangen. Schwefelgelb schob es sich über die Kimm empor, wuchs dann aber rasch weiter zu einer respektablen Wolke an, in deren Färbung sich noch vor Sonnenuntergang düstere violette Töne mischten. Aber noch blieb die See ruhig, und noch wehte ein beständiger Wind aus Süd. Tatona, die Unterführerin Arkanas, zugleich Anführerin der Tempelwache auf der Schlangeninsel, stand neben Arkana auf dem Achterkastell der „Mocha II.“, und auch sie beobachtete den Himmel angespannt. „Wir sollten eine der Caicos-Inseln anlaufen, Arkana“, sagte sie schließlich und ließ ihren Blick über die kleine Galeone wandern. Die „Mocha II“, eigentlich nur ein provisorischer Ersatz für die im Kampf um die Schlangeninsel verlorengegangene „Mocha“, war ein bereits betagter Segler. Zwar hatte die Galeone bisher durchaus genügt, um damit die wenigen Fahrten zu unternehmen, zu denen es die Schlangenpriesterin von Zeit zu Zeit trieb, aber mittlerweile hätte sie längst gegen ein größeres, stärkeres Schiff ersetzt werden müssen. Denn auch auf Arkana und ihre Araukaner, männlich wie
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weiblich, konnte es eines Tages zukommen, sich gegen einen mächtigeren Feind behaupten zu müssen. Das aber vermochte die „Mocha II.“ nicht - denn auch ihre Bewaffnung, sechs 17pfünder und vier Drehbassen, reichte dazu nicht aus. Hinzu kam auch noch, daß die alte Galeone alles andere als ein schneller Segler war. Und da hatte auch die ganze Kunst des alten Ramsgate nicht viel zu ändern vermocht, auch wenn die neue Takelage ihr nur einige Meilen mehr in der Stunde verschaffte. Die „Mocha II.“ war und blieb, gemessen an den anderen Schiffen der Schlangeninsel, das schwächste Glied in der Verteidigungskette. Arkana wußte das. Und natürlich hatte sie Hesekiel Ramsgate recht gegeben, daß die „Mocha II.“ durch einen Neubau ersetzt werden mußte, und sie gedachte auch, dieses Problem nach ihrer Rückkehr sofort mit ihm zu besprechen. Aber da war noch jener rätselhafte Auftrag, den sie vom Schlangengott, tief im Innern des Tempels, erhalten hatte. „Besteige dein Schiff, Arkana“, hatte der Schlangengott gesagt. „Segle in Richtung Südwest. Der Schlangeninsel droht Gefahr, schwerer und schlimmer als jemals zuvor. Du wirst diejenige sein, die sie erkennt...“ Alles Fragen hatte nichts geholfen, nur die grünen Augen des Schlangengottes leuchteten immer zorniger, je mehr Arkana zu erfragen versuchte. Und schließlich glommen sie abermals auf, schienen den ganzen Tempel mit ihrem drohenden grünen Licht zu erfüllen, und Arkana hatte das Gefühl, daß tausend brennende. Augenpaare sie zugleich anstarrten. Da sank sie vor der Statue des Schlangengottes inmitten der züngelnden Flammen des heiligen Feuers, das die Statue kreisförmig umgab und von ihr wie vor jeder Meditation mit dem Schlangengott entzündet worden war, in sich zusammen. „Tu jetzt, was ich dir sage. Arkana. Nimm einen Teil deiner Kriegerinnen mit. Ihr werdet Schweres erdulden, es wird eine harte Prüfung sein, die ich euch auferlege,
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aber nur so vermag ich euch und allen, die eure Freunde sind, zu helfen ...“ Die Augen des Schlangengottes erloschen, zugleich mit ihnen auch die Flammen des heiligen Feuers - und so segelte Arkana mit dem nächsten Mahlstrom durch den Felsendom hinaus aufs weite Meer. Aber niemand wußte um den Auftrag, den ihr der Schlangengott gegeben hatte. Alle, die sich auf der Schlangeninsel befanden und ihr nachblickten, dachten, daß es sich um eine Erprobungsfahrt der überholten „Mocha II.“ handelte. Das alles ging Arkana durch den Kopf, als Tatona sie ansprach. Und so dauerte es eine Weile, ehe sie antwortete. „Der Schlangengott hat nicht befohlen, wohin wir zu segeln haben. Vielleicht schickt er uns dieses Unwetter, und deshalb wird es auch seinem Willen entsprechen, daß wir die nächstgelegene Insel anlaufen, um dort Schutz zu suchen. Veranlasse das alles, Tatona, du weißt, welche Insel wir vielleicht noch erreichen können. Wir laufen dort in jene Bucht ein, in der wir schon einmal vor einem Sturm Zuflucht gesucht haben ...“ Tatona, schlank und bildschön wie alle Kriegerinnen der Tempelwache, nickte. Sie kannte Arkana schon lange, und sie war auch die älteste Kriegerin der Tempelwache. Tatona war noch auf der Insel Mocha geboren worden, sie hatte wie Arkana den Kampf um die Todesbucht an der Seite des Seewolfs miterlebt und auch die Befreiung Arauas aus den Händen des machtgierigen Alkalden, als der Seewolf die Mocha-Insel zum zweitenmal anlief und von der Existenz seiner kleinen Tochter Araua erfuhr... Tatona war neben Araua die engste Vertraute Arkanas, sie teilte mit ihr alle Geheimnisse. Jetzt gab sie die nötigen Anweisungen, während Arkana wie geistesabwesend auf dem Achterdeck stand. Aber dieser Eindruck, das wußte Tatona nur zu gut, täuschte, denn Arkanas Sinne waren gerade jetzt hellwach. Sie befand sich in jenem Zustand, der das Vorstadium zur Meditation mit dem Schlangengott bildete.
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Flüchtig erschien das Bild Arauas vor Tatonas geistigem Auge. Bei Araua war vieles anders als bei ihrer Mutter Arkana. Sie vermochte bisweilen ohne jede Meditation Verbindung zum Schlangengott aufzunehmen. Er konnte ihr von einer Sekunde zur anderen erscheinen. Ein Vorgang, der bei Arkana nur recht selten zu verzeichnen war. Doch dann mußte Tatona sich auf die Führung der „Mocha II.“ konzentrieren. Der Himmel hatte sich nun bezogen, die ersten Blitze zuckten vom Firmament ins Meer hernieder, begleitet vom krachenden, betäubenden Donner, der ihnen folgte. Die ersten harten Böen griffen nach der „Mocha II.“ und ließen sie weit nach Backbord krängen. Auf einen Befehl von Tatona enterten die Schlangenkriegerinnen auf und bargen einen Teil der Segel. Gerade noch rechtzeitig, denn kaum, daß sie sich wieder an Deck befanden, setzte der Sturm ein. Ein düsterer, violetter Schimmer lag über der See, ein gespenstisches Leuchten, wie aus den Grüften ungezählter Toter geboren. Arkana riß sich aus ihrer Meditation, denn der Schlangengott schwieg. Sie trat an die Schmuckbalustrade. Tatona und sie kannten diesen Teil der Karibik genau. Die Insel mußte schon bald vor ihnen auftauchen. Das düstere Leuchten und das grelle, gleißende Licht, das ,die immer wieder herniederzuckenden Blitze abgaben, ermöglichte es ihnen, trotz der bereits untergegangenen Sonne und der in diesen Breiten schnell einfallenden Dunkelheit die an der Kimm auftauchende Silhouette der von ihnen angesteuerten Caicos-Insel zu erkennen. Sie sollte später einmal den Namen Providenciales erhalten. „Wir schaffen es noch, bevor das Unwetter richtig losbricht, Arkana!“ sagte Tatona und klammerte sich im gleichen Augenblick an einem der inzwischen gespannten Strecktaue fest, als eine gigantische Woge von achtern heranrollte und die „Mocha II.“ fast bis in den Himmel zu heben schien.
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Brecher fluteten über die Decks, Rufe erschallten, aber dann lief das Wasser auch schon gurgelnd und zischend durch die Speigatten ab. Der Sturm nahm jetzt rasch an Stärke zu. Er heulte in den Wanten, in den Pardunen und Stagen, und die „Mocha II.“ begann schwer in der groben See zu arbeiten. Sie erreichten die Einfahrt der Bucht, noch bevor das Unwetter, das nun mit seinen wild quirlenden Wolken den ganzen Himmel überspannte, voll losbrach. Aber die Araukanerinnen wußten auch, daß zu langwierigen Manövern in der Bucht jetzt keine Zeit mehr blieb. Die Schlangenkriegerinnen enterten abermals auf, um auch die restlichen Segel zu bergen, während eine andere Gruppe den Anker ausrauschen ließ, als Arkana den Befehl dazu gab. Die „Mocha II.“ wurde von der Ankertrosse gestoppt. Durch das Schiff ging ein Ruck, es knarrte und ächzte in allen Verbänden, und unablässig zuckten Blitze hernieder, heulten Sturmböen in die Bucht. Vom offenen Meer drückte der Sturm das Wasser in die Bucht, donnernd brachen sich gischtende Brecher an den Klippen. Dann, als sich die Schlangenkriegerinnen und ihre Hohepriesterin bereits in Sicherheit wähnten, geschah es: Eine gigantische Woge wälzte sich aus der Karibik heran. In den düstern Lichtern des auf unheimliche, gespenstische Art glühenden Himmels leuchtete die Gischtkrone durch die Dunkelheit. Die Woge wurde vom hohlen Brausen des Sturms begleitet, und sie war so gewaltig, daß sie die der Bucht vorgelagerten Klippen glatt überrollte und gischtend und donnernd in die Bucht stürmte. Himmelhoch schoß der Gischt bei dem Anprall empor. Arkana, Tatona und die anderen sahen sie. Aber es war viel zu spät, um irgendetwas gegen diese Urgewalt zu unternehmen, und sie wußten es. Sie spürten, wie die gigantischen Wassermassen die „Mocha II.“ packten, wie sie das Schiff hochhoben,
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und sie hörten, wie die Ankertrosse mit berstendem Knall brach. Arkana und Tatona klammerten sich auf dem Achterdeck fest, die anderen Schlangenkriegerinnen suchten sich Halt zu verschaffen, wo sie ihn gerade noch erwischten. Sie hatten noch einmal Glück, denn die Galeone schwamm auf der Woge dahin wie ein Korken. Aber sie wurde auch herumgewirbelt wie ein Kreisel, Titanenfäuste hatten sie ergriffen und trieben ihr wildes Spiel mit ihr. Der Rumpf, die Planken, das stehende wie das laufende Gut ächzte und stöhnte, und Arkana wußte, daß dies die Todesstunde der „Mocha II.“ sein würde. Die Woge erreichte das Ufer. Sie warf die „Mocha II.“ wie ein Spielzeugschiff zwischen die Klippen. Viele der Araukanerinnen wurden über Bord geschleudert. Sie trug das wirbelnde, gischtende Wasser zwischen den zerklüfteten Felsen noch weiter zum Strand hinauf. Dann prallte die „Mocha II.“ auf die Klippen. Es war wie ein gewaltiger Donnerschlag. Der Fock- und der Großmast zersplitterten unter der Wucht dieses Aufpralls, der Rumpf zerplatzte wie eine Nußschale unter dem Hieb eines Schiffshauers. Drei der 17pfünder rissen sich aus ihren Laschungen, und auch die Brooktaue hielten dieser plötzlichen Belastung nicht stand. Mit ungeheurer Wucht wurden sie in die Aufbauten des Achterkastells katapultiert und schlugen die schweren Bohlen des Achterkastells kurz und klein. Eine der Kanonen durchschlug anschließend die Bordwand an Steuerbord und verschwand zwischen den Felsen im gurgelnden Wasser. Die anderen beiden Kanonen blieben in den Trümmern des Achterkastells stecken. Arkana und Tatona klammerten sich immer noch an einem der Strecktaue fest. Es war die Hölle, die sie erlebten. Wassermassen überfluteten ihre Körper, zerrten an ihnen, und sie wußten, daß sie nicht loslassen durften, wenn sie überleben wollten.
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Dann traf der nächste Schlag die „Mocha II.“. Er war so gewaltig, daß sowohl Arkana als auch Tatona den Halt verloren und vom Achterdeck aufs Hauptdeck hinabgeschleudert wurden. Zwischen den Trümmern von Masten, Rahen, Stengen, Segeltuch, zwischen dem Gewirr der einstigen Wanten, Pardunen und Stagen blieben sie wie betäubt liegen. Und daß sie auch diesen Sturz noch überlebten, das war wie ein Wunder. Dann setzte der trommelnde Regen ein, während die Wassermassen der gigantischen und für die „Mocha II.“ tödlichen Woge gurgelnd und gischtend in die Bucht zurückquirlten. Tatona und Arkana rappelten sich auf. Sie mußten von diesem Schiff zum Land hinüber, und zwar so schnell wie möglich. Eine weitere Woge, die die Klippen am Eingang der Bucht übersprang, würde die „Mocha II.“ vollständig zertrümmern, das aber würde niemand, der sich noch an Bord befand, überleben. „Du an Backbord, ich an Steuerbord!“ sagte Arkana zu Tatona, die sich eben aus den Trümmern wieder hochquälte. Tatona wußte sofort, was Arkana meinte - sie mußten das Hauptdeck nach Überlebenden' absuchen, bevor sie das Schiff verließen. Verletzte oder Bewußtlose galt es zu bergen... Die beiden Araukanerinnen nutzten das gleißende Licht der pausenlos herniederzuckenden Blitze, um nach weiteren Überlebenden zu suchen. Im Getöse der hallenden Donnerschläge und unter den aus den jagenden Wolken hernieder prasselnden sintflutartigen Regenfluten, die fast das Atmen zur Unmöglichkeit werden ließen, gelang es ihnen, etliche der Schlangenkriegerinnen aus den Trümmern zu bergen. Lebend und wie durch ein Wunder nahezu unverletzt. Einmal war es Arkana und Tatona, als ob sie die grünen, glühenden Augen des Schlangengottes anstarrten, während sie mehr und mehr ihrer Kriegerinnen um sich scharten und dann schließlich das Wrack der „Mocha II.“ verließen.
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Und wieder war der Schlangengott mit ihnen. Der wütende Sturm legte eine Pause ein, als sie sich zwischen den Klippen entlang auf das sandige Ufer zuarbeiteten, wo ihnen bereits weitere Schlangenkriegerinnen entgegen liefen. Sie verkrochen sich zwischen den weiter oben am Strand gelegenen Felsen - und dann, nachdem Arkana und Tatona zu ihrem Erstaunen wußten, daß sie keine ihrer Kriegerinnen verloren hatten, brach der Sturm von neuem los. Diesmal aber mit einer Wucht, gegen die alles, was sie vorher erfahren hatten, noch wie ein harmloses Maienlüftchen wirkte. Aber der Schlangengott wachte über sie es geschah ihnen nichts. Zwei Tage und zwei Nächte wütete das Unwetter über der Karibik. Und als es endlich abzuflauen begann, lagen Arkana und ihre Schlangenkriegerinnen im tiefen Schlaf der Erschöpfung zusammengerollt zwischen den Felsen, die ihnen Zuflucht gewährt hatten. Aber ihre Prüfung war noch nicht zu Ende - der Schlangengott hatte andere Pläne mit ihnen und ihrer Hohepriesterin. * Zwar hatte sich die Schlangeninsel selbst nicht im Zentrum des Unwetters befunden - aber die Wucht, mit der es auf die Schlangenbucht herniedergefahren war, hatte auch so gereicht. Brüllend war der Sturm durch den Felsendom gefahren und hatte das Wasser wie einen gischtenden, tosenden Berg vor sich hergetrieben. Dieser Wasserberg war dann in die Bucht hineingewalzt, hatte die Ufer der Schlangenbucht überrannt und alle Boote, die dort lagen oder auf Strand gezogen worden waren, zertrümmert. In den unterseeischen Stollenund Höhlensystemen der Insel hatte es geheult, geächzt und gebraust, als ob dort ganze Heere von Geistern herumgetobt wären. Erst kurz vor dem Gewölbe, in dem sich die Statue des Schlangengottes befand, machte das Wasser halt. Um die „Wappen von Kolberg“, die dicke Trossen am Ausrüstungskai der Werft
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festhielten, kämpften der alte Ramsgate und seine Männer wie auch Arne von Manteuffel und seine Crew verbissen. Die sonst so friedliche Schlangenbucht hatte sich in einen wahren Hexenkessel verwandelt. Überall entstanden Strudel, die alles in die Tiefe zogen, was ihnen zu nahe geriet. Wilde Strömungen und Verwirbelungen zerrten am großen Rumpf der Galeone. Sturmböen von nie gekannter Stärke packten das Schiff und versuchten es entweder zum Kentern zu bringen oder aber die dicken Trossen, die es am Kai festhielten, zu sprengen. Es war wirklich, als sei die Hölle losgebrochen, um die Schlangeninsel samt ihren Bewohnern zu verschlingen. Im Araukanerdorf wirbelten die Hütten der Araukaner davon. Daß es auch dort keine Toten, sondern lediglich einige Verletzte gab, grenzte an ein Wunder. Sogar die finsteren und gefährlichen Bewohner des Höllenriffs, die gewaltigen Kalmare, hatte das durch den Felsendom hereinbrechende Wasser bis in den hinteren Teil der Bucht gespült. Und dort hockten sie jetzt auf den Klippen, immer wieder von schweren Brechern überspült und klammerten sich mit ihren riesigen Fangarmen dort fest. Ängstlich und vollständig verwirrt glotzten sie mit ihren großen Augen in die Finsternis und das unvorstellbare Wüten der Elemente. Denn auch sie hatten dergleichen noch nie erlebt. Unterdessen kniete Araua im Gewölbe des Schlangengottes. Sie war nackt bis auf den Lendenschurz. In ihrem Haar funkelte der Reif mit den zwei Schlangenköpfen, und die beiden Schlangenleiber schien Leben zu erfüllen, sie schienen sich im Haar der jungen Schlangenpriesterin zu ringeln. Arauas junger, biegsamer Körper schien sich vor dem Schlangengott in einem geheimnisvollen Tanz zu bewegen. Unablässig huschten die zuckenden Lichter der heiligen Flammen, die Araua und die Statue des Schlangengottes wie ein magischer Kreis umgaben, über die braune Haut ihrer Glieder. Aber das täuschte, Araua bewegte sich nicht. Sie hatte die Augen geschlossen und
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beide Arme dem Schlangengott entgegengestreckt. Sie spürte, daß der Schlangengott zu ihr sprechen würde, und nun wartete sie geduldig darauf, seine Stimme zu vernehmen. Denn Angst war in Araua. Sie hatte das Unwetter auf der Schlangeninsel miterlebt, und sie wußte, daß ihre Mutter und ihre Schlangenkriegerinnen sich in seinem Zentrum befunden haben mußten. „Sag mir, ob sie noch leben, Schlangengott, der du über ungezählte Generationen unseres Volkes gewacht hast. Sag mir, was ich tun kann, um sie zu retten ...“ Araua hatte das nicht gesprochen, nicht einmal geflüstert, sie hatte es lediglich gedacht. Und sie spürte, wie schwer es war, dies alles nun ganz allein tun zu müssen, allein, ohne den Rat und ohne die Hilfe Arkanas, der Hohepriesterin des Schlangengottes. „Öffne deine Augen, Araua, Tochter Arkanas und des Seewolfs, geboren auf Mocha, wie es meinem Willen entsprach“, vernahm sie die Stimme des Schlangengottes in ihrem Innern, und sie klang freundlich. Araua öffnete die Augen, und sie blickte geradewegs in die grünen, von eigentümlichem Leuchten erfüllten Augen des Schlangengottes. „Du wirst auf SiriTong warten, auf die Rote Korsarin. Sobald sie eintrifft, führst du sie zu mir. Ich, der Schlangengott, will mit ihr reden. Du, Araua, wirst hören, was ich ihr zu sagen habe, denn die Rote Korsarin ist die einzige von den Fremden auf dieser Insel, die an mich glaubt. Ich werde euch dann sagen, wo ihr Arkana findet. Aber es wird eine Zeit der schweren Prüfungen für euch alle werden. Wenn ihr die aber so besteht, daß ich zufrieden mit euch bin, dann werdet ihr eine lange Reise zusammen unternehmen, und auch Arkana wird euch begleiten auf dieser Reise.“ Der Schlangengott schwieg einen Moment lang, und das Glühen seiner Augen schwächte sich ab. Aber dann wurde es wieder stärker.
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„Siri-Tong, die diese Insel schon lange vor euch allen kannte, und du, ihr werdet mit der Roten Korsarin von hier aus genau nach Südwesten segeln. Wenn es an der Zeit ist, werde ich euch ein Zeichen senden, und ihr werdet wissen, was anschließend zu tun ist. Ich werde dich schützen, kleine Araua, denn ich habe mit dir noch viel vor. Aber du wirst dennoch vorsichtig sein müssen, sehr vorsichtig. Laß mich jetzt allein, denn ich muß alles noch genau überdenken. Und tu, wie ich dir gesagt habe. Laß das heilige Feuer brennen, bis es von selbst verlöscht.“ Araua verließ das Gewölbe. Sie war verwirrt. Was der Schlangengott ihr soeben gesagt hatte, begriff sie noch nicht so recht. Was bedeutete es - daß sie mit Siri-Tong eine lange Reise machen würde, an der dann auch Arkana teilnehmen würde? Und was meinte der Schlangengott damit, daß ihnen allen schwere Prüfungen bevorstehen würden, die sie aber zu seiner Zufriedenheit bestehen müßten? Und warum wollte er mit Siri-Tong sprechen? Das geschah zum erstenmal, seit sie denken konnte. Wahrlich, es geschahen merkwürdige Dinge auf der Schlangeninsel, und alles war in Fluß geraten... Als Araua aus dem Schlangentempel trat, traf sie auf Karl von Hutten. Er blieb vor ihr stehen. . „Wir hatten Sorge um dich, Araua. Sieh dir die Insel an, das Unwetter hat viele Verwüstungen angerichtet. Auch oben im Dorf der Araukaner. Wir werden eine Weile zu tun haben, bis alles wieder seine alte Ordnung haben wird. Was ist geschehen, Araua, du siehst so verändert aus? Sag es mir ...“ Araua lächelte ihn an. Dann schüttelte sie den Kopf. „Siri-Tong wird mit ,Roter Drache' bald nach dem Sturm in die Schlangenbucht einlaufen. Ich werde sie erwarten, denn der Schlangengott hat mir aufgetragen, SiriTong sofort zu ihm zu führen, sobald sie wieder hier ist.“ Karl von Hutten blickte das Mädchen, das da fast nackt und in voll erblühter
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Schönheit vor ihm stand, an, zweifelnd und ungläubig. „Der Schlangengott will Siri-Tong sprechen, Araua?“ Araua nickte. „Ja, ich soll mit ihr zusammen genau nach Südwesten segeln. Er wird uns dann, sobald es an der Zeit ist, ein Zeichen schicken, das uns helfen wird, Arkana und die Schlangenkriegerinnen zu finden. Aber der Schlangengott sagte auch, daß uns schwere Prüfungen bevorstehen, die wir zu seiner Zufriedenheit lösen müßten, bevor ...“ „Bevor ... bevor was, Araua?“ fragte Karl von Hutten und warf gleichzeitig einen scheuen Blick zum Eingang des Schlangentempels hinüber. Doch Araua schüttelte den Kopf: Sie berührte ihn leicht mit den Fingerspitzen ihrer rechten Hand und begann dann den beschwerlichen Aufstieg zur Beobachtungsplattform auf dem Felsendom. Trotz der heftigen Böen, die immer noch durch die Schlangenbucht pfiffen. Stunden später tauchte der „Rote Drache“ von Siri-Tong an der Kimm auf und nahm sofort Kurs auf die Schlangeninsel. Dann warf die Rote Korsarin Anker, denn sie mußte auf das Einsetzen des Mahlstroms warten, bevor sie durch den Felsendom in die Schlangenbucht einsegeln konnte. Araua aber wartete nicht solange. Sie ließ sich von ihren Schlangenkriegerinnen mit einem der noch intakten Boote zum Viermaster Siri-Tongs hinauspaddeln. Auch „Roter Drache“ wies einige Schäden auf, auch der große Viermaster war noch in die Ausläufer des Unwetters geraten. Nur wenig später befand sich auch die Rote Korsarin auf der Schlangeninsel, denn Araua hatte nicht lockergelassen. Der Schlangengott hatte ihr aufgetragen, SiriTong sofort nach ihrer Ankunft zu ihm zu bringen, und die Rote Korsarin widersetzte sich dem nicht. Ihren Viermaster würde der Boston-Mann durch den Felsendom segeln. Der Wikinger hatte ihn Siri-Tong mitgegeben, weil er mit dem alten Ramsgate die Überholung des Schwarzen
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Seglers vorbereiten sollte, nachdem alle notwendigen Materialien nunmehr vorhanden waren. * Karl von Hutten empfing die beiden in der Schlangenbucht. Er trat auf die Rote Korsarin zu. „Wieso bist du allein zurückgesegelt, SiriTong“, fragte er. „War es nicht ausgemacht, daß ihr alle im Konvoi zurückkehren würdet?“ Die Rote Korsarin nickte. „Das schon, aber Diego hatte einige Schwierigkeiten, alles das, was wir benötigen, rasch genug zu besorgen. Deshalb sind der Wikinger, Jean Ribault und Jerry Reves mit ihren Schiffen noch im Hafen von Tortuga geblieben. Sie werden zurückkehren, sobald Diego alles das aufgetrieben hat; was wir hier brauchen. Tauwerk, Segeltuch und andere Dinge habe ich an Bord von ,Roter Drache'. Der Boston-Mann hat Anweisung, das Schiff bis zur Werft von Ramsgate zu verholen und dort zu löschen.“ Die Rote Korsarin schwieg, während Araua bereits ungeduldig die Hand SiriTongs nahm, um sie zum Eingang des Schlangentempels hinüberzuziehen. Araua wußte nur zu gut, wie schnell man sich den Zorn des Schlangengottes zuziehen konnte, wenn man seine Anweisungen nicht so befolgte, wie er das wollte. Siri-Tong griff jedoch nach Arauas Hand und hielt sie fest. „Araua hat mir berichtet, was inzwischen geschehen ist und was ihr der Schlangengott für einen Auftrag erteilt hat, Araua und mir. Ich werde mit ‚Roter Drache' segeln, sobald das Schiff entladen ist. Aber da ist noch etwas, was du und was alle hier auf der Schlangeninsel wissen sollten: Auf Tortuga hat sich eine Piratin eingenistet. Sie scheint schon seit einiger Zeit ihr Unwesen in der Karibik zu treiben, und man nennt sie die ,Black Queen'. Sie ist eine Schwarze, und sie scheint verdammt gefährlich zu sein, wenn das stimmt, was wir bei Diego gehört haben. Zu Gesicht bekommen haben wir sie nicht,
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aber sie beansprucht die Herrschaft über Tortuga.“ Ein hartes Lächeln kerbte die Züge der Roten Korsarin. „Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie Thorfin darauf reagiert hat. Ich denke, wir werden mit dieser ,Black Queen' noch einen harten Strauß auszufechten haben, sobald sie sich auf Tortuga wieder blicken läßt.“ Wieder schwieg Siri-Tong, während Araua an ihrer Seite immer ungeduldiger wurde. Aber das störte die Rote Korsarin im Moment überhaupt nicht. „Was mich beunruhigt, ist, Karl, daß diese ,Black Queen' irgendwo noch einen geheimen Stützpunkt haben soll und daß sie versucht, alle anderen Schnapphähne der Karibik, sofern sie Farbige sind, unter ihr Kommando zu bringen. Weiße scheint sie nicht bei sich zu dulden. Das ist auch der Grund, warum ich schon früher zurückgesegelt bin. Ich wollte die Schlangeninsel nicht so lange alleine und ohne Schutz auch zur See wissen. Aber jetzt ist wieder alles anders geworden. Es wird gut sein, Karl, wenn sich sofort eine Schaluppe auf den Weg nach Tortuga begibt, um Thorfin und Jean zu informieren. Ich habe so eine dunkle Ahnung, als ob ihre Anwesenheit hier schon sehr bald dringend notwendig sein wird.“ Siri-Tong ahnte in diesem Moment gar nicht, wie recht sie mit dieser Voraussage behalten sollte. Karl von Huttens Gesicht hatte sich verdüstert. „Ich wollte mit dir segeln, mit dir und Araua. Siri-Tong. Aber daraus wird jetzt nichts. Ich selbst werde mit einer Schaluppe nach Tortuga hinübersegeln, denn ich glaube, daß du recht hast. Außerdem hat mich das, was ich von Araua erfahren habe, auch nicht ruhiger werden lassen. Über unserer Schlangeninsel braut sich etwas zusammen, das spüre ich. Ich werde sofort die notwendigen Vorbereitungen treffen. Aber wer kümmert sich um die
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Schlangeninsel, solange auch ich noch fort bin?“ Siri-Tong sah Araua an. „Ich werde den Boston-Mann auf unserer Insel zurücklassen. Araua wird mit Tomota, dem Häuptling der Schlangenkrieger sprechen. Außerdem ist auch noch Arne von Manteuffel da mit seinem Kapitän O'Brien und der alte Ramsgate mit seinen Männern. Das reicht, um die Insel gegen jeden Angreifer eine Weile zu verteidigen. Der Boston-Mann kennt alle Befestigungen dieser Insel so gut wie ich, außerdem kommt er mit allen Araukanern sehr gut aus.“ Sie wandte sich ab. „Araua hat recht - wir sollten den Schlangengott jetzt nicht mehr länger warten lassen. Wir sehen uns nachher noch.“ Araua und die Rote Korsarin gingen über das Plateau des Ratsfelsens in Richtung Schlangentempel davon. Dann verschwanden sie in dem dunkel gähnenden Eingang, der von Araua nicht wieder verschlossen worden war. Die Rote Korsarin war gespannt darauf, was der Schlangengott ihr zu sagen haben würde. Denn es war das erstemal, daß er sich mit ihr direkt in Verbindung setzte. 3. Das Unwetter hatte sich gelegt: Zwar fuhren immer noch vereinzelt heftige Böen durch die Bucht jener Caicos-Insel, an deren Klippen die „Mocha II.“ ihr Ende gefunden hatte, aber als es hell wurde, als ein neuer Tag über der Karibik emporstieg, rissen die schweren Wolken auf. Erste Sonnenstrahlen tasteten sich über das Bild der Verwüstungen, die das Unwetter hinterlassen hatte. Arkana hatte sich zwischen den Felsen erhoben, und auch ihre Kriegerinnen blickten auf die Bucht hinab. Sie erkannten das Wrack ihres Schiffes, das zwischen den Klippen steckte und einen traurigen Anblick bot. Bis auf den Besan, an dem noch die Fetzen des Gaffelsegels flatterten, war die
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Galeone entmastet. Der Haupt- und der Fockmast hingen über Bord. Tauwerk, laufendes und stehendes Gut, Rahen wie Spieren und auch zerfetztes Segeltuch verwandelten das Hauptdeck der „Mocha II.“ in ein einziges Chaos. Als Arkanas scharfe Augen die Galeone weiter abtasteten, und als die Erinnerungen an jene Riesenwoge wieder lebendig wurden, die sie auf die Klippen geworfen hatte; wußte sie, daß sie mit diesem Schiff niemals mehr von dieser Insel fortsegeln konnten. Denn auch der Rumpf der „Mocha II.“ war geborsten, wie die Rippen eines Skeletts standen zum Teil die Spanten heraus. Tatona berührte Arkana am Arm. „Man wird nach uns suchen. Karl von Nutten weiß, daß wir in Richtung CaicosInseln gesegelt sind, und auch Araua weiß es. Wir werden warten müssen, Arkana. Überleben können wir auf dieser Insel ...“ Tatona unterbrach sich in diesem Augenblick. Und auch durch Arkanas hochgewachsenen, schlanken Körper ging ein Ruck. Gleichzeitig fuhren die Köpfe der Schlangenkriegerinnen in die Richtung, in die Tatona jetzt voller Erregung deutete. Im hinteren Teil der Bucht, dort, wo eben noch dichte Nebelschleier die Küste verdeckt hatten, wuchs aus den Nebeln plötzlich wie von Geisterhand gezeichnet ein großer Dreimaster hervor. Ein düster wirkendes, unheimliches Schiff. Weit größer als ihre „Mocha II.“, größer auch als die „Isabella IX.“ des Seewolfs, zumindest wirkte sie so. Ihr Rumpf ragte hoch aus dem Wasser, und irgendwie wirkte er fast so mächtig wie „Eiliger Drache über den Wassern“, wie der Schwarze Segler Thorfin Njais, des Wikingers. Arkana stand wie erstarrt. Wo kam dieses Schiff her? Wahrscheinlich hatte es diese Insel schon vor ihnen angelaufen, um vor dem Unwetter Schutz zu suchen. Und natürlich war es völlig unmöglich gewesen, es während der zuckenden Blitze, des sintflutartigen Regens und ihrem verbissenen Kampf ums nackte Überleben zu entdecken.
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„Wir sind nicht allein auf dieser Insel“, sagte Tatona. „Dort ist ein Schiff, das Schiffbrüchigen seine Hilfe gewiß nicht versagen wird, Arkana ...“ Arkana bedeutete Tatona durch eine Handbewegung zu schweigen. „So einfach ist das nicht, Tatona“, erwiderte sie schließlich. „Auch wenn jene bereit wären, uns zur Schlangeninsel zu segeln, so dürften wir das Geheimnis unserer Insel dennoch nicht preisgeben. Nein, wir müssen zuvor erkunden, wer sich auf jener Galeone dort befindet. Es werden eher Feinde sein als Freunde, fürchte ich!“ Arkana hatte das auf Araukanisch gesagt, und das war ihr Glück, nur wußte sie es nicht. Denn in diesem Augenblick wurden sie und ihre Schlangenkriegerinnen von vielen Augenpaaren beobachtet. Ganz besonders aber von zwei kohlschwarzen Augen, die zu einer großen, athletisch gebauten Negerin mit pechschwarzer Haut gehörten. Ihr Oberkörper war nackt, genau wie der Arkanas und ihrer Schlangenkriegerinnen. Um die Hüfte trug sie einen breiten Ledergürtel, der zugleich ein lendenschurzähnliches Kleidungsstück hielt, das ihre Scham bedeckte. Im Gürtel steckte eine doppelläufige Pistole, deren feine Ziselierungen sie als eine äußerst wertvolle und sorgfältig gefertigte Waffe aus Meisterhand auswiesen. In der Rechten hielt sie eine Art Entermesser, dessen Klinge jedoch länger und breiter war, als bei diesen Waffen normalerweise üblich. Wenn sie sich bewegte, dann spielten unter ihrer pechschwarzen Haut Muskeln, die auch dem stärksten Mann zur Ehre gereicht hätten. Neben ihr, ebenfalls sorgfältig in Deckung hinter den Felsen, stand ein riesiger Schwarzer, dem jeder auf den ersten Blick ansah, wie stark und gefährlich er war. Sein Gesicht stellte eine merkwürdige Mischung aus Brutalität und Intelligenz, aus Unerschrockenheit und Verschlagenheit dar. Ein krauser, aber dennoch wild wirkender Bart umrahmte sein Kinn. Gekleidet war er ähnlich wie die
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Negerin an seiner Rechten, und auch seine Bewaffnung entsprach der ihren. Die Negerin beugte sich jetzt zu dem Schwarzen hinüber. „Zum Teufel, was sind das für Weiber, Caligula?“ fragte sie leise, ohne Arkana und ihre Kriegerinnen aus den Augen zu lassen. „Hast du jemals von Indianern etwas gehört, die mit einer verdammten Galeone durch die Karibik segeln?“ Caligula - so hieß der riesige Schwarze neben der Negerin, die offenbar auch die Anführerin des Trupps von Negern, Kreolen, Mestizen und anderen, undefinierbaren Farbigen war, kam nicht mehr dazu, zu antworten, denn in diesem Moment entdeckte Arkana einen der Schwarzen, der sich zu weit aus seiner Deckung hervorgewagt hatte. Er hatte die fast nackten Schlangenkriegerinnen, von denen eine so bildschön war wie die andere, genauer betrachten wollen. Arkana entging der lüsterne, gemeine Gesichtsausdruck, mit dem dieser Kerl sie und Tatona anstarrte, nicht. Sie wußte sofort, daß diese Kerle ihr und ihren Kriegerinnen alles andere als freundlich gesonnen waren. Sie stieß einen schrillen Ruf aus, und sofort verschwanden ihre Kriegerinnen zwischen den Felsen. Die Negerin stieß einen Fluch aus. Aber dann sprang sie aus ihrer Deckung hervor. „Drauf!“ befahl sie. Und schon jagte sie in wilden Sätzen auf die Stelle zu, an der Arkana sich eben noch befunden hatte aber sie fand die Schlangenpriesterin nicht mehr vor. Arkana war klug genug gewesen, sich sofort aus den Felsen zurückzuziehen und zum offenen Strand hinabzustürmen, gefolgt von ihren Kriegerinnen. Sie wollte nicht zwischen den Felsen, sondern im offenen Gelände den Kampf aufnehmen. Denn weder Arkana, noch Tatona oder eine andere der Schlangenkriegerinnen wußte, ob die Kerle sie in den Felsen nicht längst umzingelt hatten und ob sie sich dort nicht viel besser auskannten als sie und ihre Schlangenkriegerinnen.
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Außerdem ließ sich der Feind im offenen Gelände viel leichter einschätzen, als zwischen den unübersichtlichen Klippen, wo hinter jeder Felsnase ein neuer Gegner lauern konnte. Daß Arkana mit ihrem Ausweichen zum Strand genau das Richtige getan hatte, erkannte sie an dem unartikulierten Wutschrei, den die Negerin ausstieß und an dem wilden Gebrüll, in das ihre Kerle jetzt verfielen. Arkana und ihre Kriegerinnen erreichten den Strand. Es gelang ihnen, als Deckung eine der Palmengruppen zu erreichen, mit denen der ganze Strand bestanden war. Nur Augenblicke später erreichten auch die Negerin, ihr Unterführer und die anderen Kerle ihres Trupps den Strand. Verblüfft blieben sie stehen; als sie Arkana und ihre Schlangenkriegerinnen gewahrten, die sich bereits zum Kampf formiert hatten. Das Schlangendiadem in Arkanas schwarzem Haar funkelte in der Sonne, auch ihre goldenen Armreifen, ebenfalls Nachbildungen von sich um die Unterarme Arkanas ringelnden Schlangen, blitzten in den Strahlen der noch tief stehenden Sonne. Die Schwarze starrte Arkana an. Dann aber schritt sie auf Arkana zu. Ihre Männer, die ihre Waffen bereits kampfbereit in den Fäusten hielten, stoppte sie mit einer einzigen knappen Handbewegung. Auch Caligula, ihr Unterführer, blieb zurück und beobachtete die Szene mit wachsamen Blicken, ließ aber die Schlangenkriegerinnen dabei nicht aus den Augen. Arkana ging der Schwarzen mit der gleichen Furchtlosigkeit entgegen. Auch ihre Schlangenkriegerinnen, die Waffen in den Händen und jederzeit bereit, sich gegen diesen übermächtigen Gegner bis zum letzten Blutstropfen zur Wehr zu setzen, verhielten sich still. Sie beobachteten den so plötzlich und völlig unerwartet erschienenen Feind aus wachsamen Augen. Die Luft über der Bucht schien vor Spannung zu knistern. Jeder wußte, daß es ein erbarmungsloser, tödlicher Kampf werden würde, falls eine
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der beiden Seiten die Feindseligkeiten eröffnete. Dicht voreinander blieben die beiden Frauen stehen. Braunhäutig, schlank, hochgewachsen und biegsam die eine pechschwarz, muskulös und im ganzen herkulisch gewachsen die andere. Eine ganze Weile musterten sie sich schweigend - dann brach die Schwarze das Schweigen. „Man nennt mich die ,Black Queen' - was hast du in meinem Herrschaftsbereich zu suchen, und wer. bist du?“ Arkana zuckte mit keiner Wimper. „Wir stammen aus einem Land, das weit von hier im Süden liegt. Die Meere sind für jedermann frei“, sagte sie stolz. Sie vermied es zu lügen, aber sie verschwieg natürlich auch die Wahrheit. „Wenn du uns die Meere streitig machen willst, dann wirst du kämpfen müssen, Black Queen. Mein Volk ist daran gewöhnt, zu kämpfen.“ Die Black Queen musterte Arkana erneut. „Deine Zunge ist stolz: Du sprichst von deinem Volk. Besteht dein Volk nur aus Weibern? Wo sind deine Krieger?“ Wieder rührte sich Arkana nicht. „Mein Volk hat mehr Krieger als du zählen kannst“, erwiderte sie. „Sie werden kommen, wenn ich es will. Aber bei uns verstehen auch die Mädchen und Frauen zu kämpfen, so wie du es offenbar auch verstehst. Falls du uns angreifst, wirst du es bald erfahren. Aber üblich ist es bei meinem Volk, daß man Schiffbrüchigen Hilfe leistet, anstatt sie zu überfallen und zu bedrohen. Entscheide dich, Black Queen!“ Die Black Queen deutete mit einer Kopfbewegung auf die „Mocha II.“, die unweit von ihnen, aber halb im Wasser der Bucht, auf den scharfen Klippen hing. „Das Schiff dort spricht nicht für dein Volk. Es ist alt, schwach bewaffnet und morsch. Und wenn dein Volk Hunderte solcher Schiffe hätte, damit könntest du mir keine Furcht einjagen. Aber wenn du so stolz bist, wie du tust, warum verschweigst du mir dann deinen Namen?“ Arkana blitzte die Schwarze an.
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„Ich bin Arkana, die Hohepriesterin der Araukaner. Du wirst die Macht unseres Gottes zu spüren kriegen, denn er beschützt uns. Und jetzt entscheide dich. Wählst du den Frieden oder den Krieg?“ „Ich wähle den Kampf, denn für uns beide ist kein Platz in der Karibik. Noch nie hat jemand die Black Queen besiegt, und auch dir wird es nicht gelingen ...“ Bei den letzten Worten stürzte sich die Schwarze auf Arkana. Ihr schweres Entermesser zuckte vor, aber es stieß ins Leere. Arkana war gedankenschnell zur Seite gewichen, und ihr Kriegsbeil, das sie blitzschnell aus dem Gürtel gerissen hatte, verfehlte die Black Queen nur Knapp. Neben und hinter ihnen wurde jetzt das Gebrüll der Piraten laut, die sich mit gierigen Blicken auf die Schlangenkriegerinnen stürzten. Aber sie holten sich beim ersten Anlauf blutige Nasen. Wann immer sie eine der Schlangenkriegerinnen zu packen glaubten, griffen sie ins Leere. Die Streitäxte der Kriegerinnen rissen blutige Wunden, und dann lagen auch schon die ersten Toten im weichen Sand des Strandes. Der Kampf wogte hin und her. Wieder und wieder versuchten die Piraten von ihren Pistolen Gebrauch zu machen, aber zu ihrer größten Wut versagte das feuchte Pulver ihnen den Dienst. So wurde es ein wilder Kampf Mann gegen Kriegerin, und auch Caligula, der riesige Unterführer der Black Queen, mußte verwirrt erkennen, wie hartnäckig diese kleine Gruppe von Schlangenkriegerinnen allen Versuchen der Piraten energischen Widerstand entgegensetzte, sie ins Wasser der Bucht oder aber zwischen die Felsen zu drängen. Die Luft war erfüllt vom Gebrüll der Piraten, während Arkanas Kriegerinnen lautlos kämpften. Ihre Streitäxte wirbelten, ihre Messer blitzten, und manch einer der Angreifer sank blutüberströmt in den Sand der Bucht. Zwischen Arkana und der Black Queen tobte der Kampf mit einer Heftigkeit, wie auch Arkana ihn noch nie zuvor erlebt hatte. Sie spürte, eine wie gefährliche und
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unberechenbare Gegnerin diese Schwarze war, aber immer wieder gelang es ihr, die wilden Attacken der Queen zu unterlaufen, der sausenden Klinge ihres Entermessers auszuweichen. Die Queen wurde mit jedem Hieb, mit jedem Angriff, der an den blitzschnellen Kontern der Schlangenpriesterin scheiterte, zorniger. Noch nie hatte es einen Gegner gegeben, der ihr so hartnäckig zu widerstehen verstand. Egal, was sie tat diese Araukanerin war schneller. Und dann traf die Black Queen der erste Hieb der Streitaxt Arkanas. Sie spürte den Schmerz, der ihre Schulter durchzuckte, und sie spürte die Lähmung, die sich von ihrer linken Schulter über ihren Körper ausbreitete. Die schwarzen Augen Arkanas tauchten vor ihr auf, während sich ihr eigenes Gesicht vor Schmerz verzog. Sie sah das Blitzen des Diadems, die grünen Augen der Schlange, die sie bösartig anzufunkeln schienen, und in diesem Moment traf sie der zweite Hieb. Er hätte jeden Gegner gefällt, und auch die Black Queen taumelte unter der Wucht dieses Schlages. Sie fuhr sich über die Augen, um das Blut fortzuwischen, das ihren Blick verdunkelte. Sie sah Arkana in diesem Moment nur noch als dunklen Schemen vor sich, der zurückzuckte und dann wieder auf sie zusprang. Aber da packte die Black Queen jener Zorn, den ihre Gegner kannten und den sie fürchteten. Er setzte geradezu unmenschliche Kräfte in ihr frei. Mit einem wilden Satz warf sie sich Arkana entgegen. Sie sprang mitten in den Hieb, der schon auf sie herniedersauste und der ihr den Tod gebracht hätte. Die Streitaxt Arkanas glitt an der Klinge des Entermessers ab, dann war die Black Queen über ihr, und ihre Hände, gespreizt wie die Krallen eines Leopards, packten Arkana. Ihr Entermesser hatte sie fallen lassen. Arkana brachte einen wilden und mit aller Kraft geführten Kopfstoß an, und er traf die Black Queen in den Leib.
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Unter der Wucht dieses Stoßes ging die Black Queen in die Knie, aber sie riß Arkana, die sie gepackt hielt und nicht losließ, mit sich zu Boden und begrub sie unter sich. Doch wieder gelang es Arkana, sich herumzuwerfen, sich aus dem eisernen Griff der Black Queen zu befreien - aber da traf sie ein furchtbarer Schlag auf den Kopf. Die Streitaxt entfiel ihrer Hand, sie sank in den Sand zurück und ihre Glieder streckten sich. So sah sie nicht mehr, daß ihre Schlangenkriegerinnen, einen Moment lang in dem Glauben, sie sei tot, erschlagen, wie erstarrt stehen blieben, sich dann aber mit wildem Geheul einen Weg durch die Piraten zu ihrer Anführerin und Hohepriesterin zu bahnen versuchten. Das benutzten die Piraten. Erneut fielen sie über das zusammengeschrumpfte Häuflein der Schlangenkriegerinnen her, und diesmal hatten sie keine Chance mehr. Tatona wurde von Caligula überwältigt, auf jede der anderen stürzten sich drei bis vier Piraten. Damit war der Kampf entschieden. Die Schlangenkriegerinnen wurden gebunden und dann in den Sand geworfen. Die Black Queen hatte sich erhoben. Blut lief ihr aus drei Wunden über den Körper. Sie starrte ihre Gegnerin an, die Caligula in diesem Moment ebenfalls fesseln ließ. Dann bückte sie sich und untersuchte den Schädel Arkanas. Anschließend richtete sie sich wieder auf, und ihre Augen starrten die Piraten wütend an. „Wer war das?“ fragte sie mit vor Zorn heiserer Stimme. „Wer hat diese Araukanerin heimtückisch und von hinten niedergeschlagen?“ fragte sie. Einer der Männer wich zurück, angstvoll starrte er seine Anführerin an. „Black Queen, ich ... ich wollte doch nur ... ich ...“ Das war das letzte, was er in seinem Leben über die Lippen brachte. Blitzschnell hatte sich die herkulische Schwarze gebückt, ihr Entermesser aus dem Sand emporgerissen und es ihm in die Brust gestoßen.
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Dann starrte sie auf den am Boden Liegenden. „So ergeht es jedem“, sagte sie drohend, „der sich ohne meine Erlaubnis in einen Kampf einmischt, den ich mit einem Gegner austrage. Glaubt ihr vielleicht, sie hätte mich besiegen können? Aber jetzt wird sie das glauben! Niemand besiegt die Black Queen, niemand!“ brüllte sie die Männer an, die nun allesamt vor ihr zurückwichen. „Und wenn auch nur einer von euch der Meinung ist, stärker zu sein als ich, die Black Queen, die künftige Beherrscherin der Karibik, dann soll er vortreten, und ich schicke ihn augenblicklich zur Hölle!“ Caligula, der einzige, der nicht vor ihr zurückgewichen war, sah die Black Queen aus schmalen Augen an. Er wußte genau, was in ihr vorging, denn er kannte sie besser als jeder andere der Männer. Zum erstenmal war die Black Queen an eine Gegnerin geraten, die ihr nicht nur gewachsen, sondern die ihr möglicherweise sogar überlegen war. Das irritierte sie und machte sie wütend. Sie fürchtete jetzt, den Respekt bei den Männern zu verlieren. Die Black Queen war klug genug, um zu wissen, daß die erste Schwäche, die sie zeigte, ihr leicht zum Verhängnis werden konnte. Nein, sie konnte sich weder eine Niederlage noch eine Schwäche leisten, darauf lauerten einige dieser Halsabschneider schon lange. Aber er, Caligula, würde auf diese Kerle ein Auge haben, denn die Black Queen war seine Geliebte, auch wenn er sich ihr bedingungslos unterordnete. Und mehr noch - sie war eine Frau nach seinem Herzen, und sie war die einzige, die er kannte, mit der er die Herrschaft über die Karibik erringen konnte. Das aber wollte er, Caligula, unbedingt. So, wie Caligu, sein Vater, sie dereinst besessen hatte... Er wandte sich der bewußtlosen Arkana zu, dann sah er die Black Queen an. „Das da, Queen, ist ihre Unterführerin“, sagte er und deutete auf Tatona, die ebenfalls bewußtlos im Sand der Bucht lag. An Händen und Füßen gebunden wie die anderen auch. „Du solltest diese
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Kriegerinnen dort hinten an die Palmen binden, aber laß diese beiden nebeneinander binden. Ich habe da einen Plan ...“ Die Black Queen sah ihn aufmerksam an, während sie sich wieder und wieder das Blut aus dem Gesicht wischte, das aus ihrer Stirnwunde lief. „Was soll das, was führst du im Schilde, Caligula?“ fragte sie dumpf. „Ich will wissen, wer diese Araukaner sind, ich bin solchen Kriegerinnen noch nie zuvor begegnet. Da - sieh dich um: Neun Tote bei uns, aber nur Verletzte bei ihnen - wie erklärst du dir das? Sind unsere Männer denn plötzlich Memmen geworden? Haben sie verlernt, zu kämpfen?“ Caligula schüttelte den Kopf. „Nein, Queen, das nicht. Aber die Sache verhält sich, wie ich fürchte, völlig anders. Erinnerst du dich an diesen geschwätzigen Kreolen, der in der Schildkröte und vor allem unten am Hafen so idiotische Geschichten von braunhäutigen riesengroßen Kriegern erzählte, die es auf einer Insel irgendwo in der Karibik gäbe? Sie würden jene Insel auf schreckliche Weise bewachen, und ihre Augen würden Feuer sprühen. Er selbst sei auf jener Insel gewesen, an deren Klippen sein Schiff gestrandet sei, vom Satan persönlich in die Felsen geschleudert. Und dann - nach seiner wunderbaren Errettung - habe er gesehen, wie unheimliche Schiffe durch einen Felsendom gesegelt seien. Durch ein wahres Höllentor, das kein normaler Mensch lebend zu passieren vermöchte. Nur er, er sei später von dieser Hölleninsel, auf der in graue Felle gehüllte Männer, die merkwürdige Helme trügen, nächtelang wilde Feste feierten und auf der nackte, braunhäutige Mädchen mit Schlangen an den Armen tanzten und den schrecklichen Kriegern zu Willen seien, mit einem Boot geflohen. Der Teufel selber habe ihn durch diesen Felsendom gezogen ...“ Caligula unterbrach sich, dann bückte er sich und streifte einer der Schlangenkriegerinnen, die sich selbst in ihren Fesseln noch aufbäumte und sich wütend gegen ihn wehrte, einen der
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Schlangenreifen ab und hielt ihn der Black Queen hin. Sie nahm ihn und sah ihn sich an, und dann begriff sie. „Caligula, du glaubst, daß diese Kriegerinnen dort, daß sie ...“ „Sie sind jene, die dieser Narr gesehen hat. Schade, daß ich ihm schließlich eins aufs Maul geschlagen habe, als mir sein Gefasel zu dumm wurde. Ich hätte den Kerl reden lassen sollen, denn weißt du, wovon er geredet hat? Von der geheimnisvollen Schlangeninsel, von jener Insel, auf der der Seewolf und auf der diese Rote Korsarin und der, Wikinger hausen.“ Der Black Queen verschlug es für einen Moment den Atem. Das war ja geradezu ungeheuerlich, was Caligula da behauptete. Das war... Sie dachte diesen Gedanken gar nicht zu Ende, sondern starrte ihren Unterführer und Geliebten an. „Caligula“, sagte sie leise. „Wenn es uns gelänge, diese Insel in unsere Gewalt zu bringen! Ich habe gehört, daß dort unvorstellbare Schätze gehortet werden und daß sie so gut wie uneinnehmbar ist ...“ Caligula nickte. „Das stimmt, viele haben es bereits versucht, aber alle sind an dieser Insel und jenen, die auf ihr hausen, gescheitert. Aber wir, wir werden das anders anfangen. Wir haben durch diesen Fang dort, den wir rein zufällig gemacht haben, bessere Chancen als jemals einer vor uns ...“ Die Black Queen unterbrach Caligula. „Halt, nicht so rasch. Ich bin nicht so närrisch und so dumm wie die anderen, diesen Teufeln in die Falle zu gehen. Das alles will gut überdacht und noch besser eingefädelt sein. Aber diese Mädchen und vor allem jene dort, diese Hohepriesterin der Araukaner, wie sie sich nannte, wer sind sie, und was haben sie mit jener Schlangeninsel zu tun?“ Caligula hob die Schultern. „Noch weiß ich es nicht, aber wir werden es erfahren. Wir werden sie befragen, ich kenne da einige Methoden, sage ich dir. Du wirst sehen. Und wenn das nicht hilft, dann habe ich noch einen Plan. Hör zu, ich
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denke mir das so ...“ und er sandte verstohlene Blicke zu Arkana und Tatona hinüber, die man nebeneinander an zwei Palmen gefesselt hatte. Die Black Queen hörte ihm aufmerksam zu. Dann sah sie ihn an. „Vor dir sollte man sich hüten, Caligula“, sagte sie leise, aber nicht ohne Zärtlichkeit, und sie fuhr ihm durch das krause, schwarze Haar. „Aber du hast recht, wenn wir durch unsere Befragungen nichts erfahren, dann werden wir tun, wie du vorgeschlagen hast. Und das wird klappen, ich spüre es. Danach werden wir wissen, was dran ist an diesen Legenden um die Schätze jener Insel...“ 4. Siri-Tong und Araua befanden sich im Gewölbe des Schlangengottes. In der Roten Korsarin kämpften immer noch die Zweifel mit dem Wissen, daß diese Statue mehr war als tote Materie. Die Rote Korsarin sah den Schlangengott an. Wieder fiel ihr auf, wie sehr die überlebensgroße Frauenstatue, um die sich die goldene Schlange ringelte, Arkana glich. Zufall - oder handeltes es sich bei den Schlangenpriesterinnen der Araukaner um eine Art Dynastie, deren Abkömmlinge immer wieder aus den gleichen Familien hervorgingen? Aber Siri-Tong verwarf diese Überlegung sofort wieder, denn wie hätte dann die Vaterschaft des Seewolfs über Araua in dieses Bild gepaßt? Nein, wahrscheinlicher war, der Schlangengott suchte die Erzeuger der künftigen Hohepriesterinnen immer wieder selber aus... Die Rote Korsarin schüttelte unwillig den Kopf, denn sie begriff, daß sich ihre Überlegungen an diesem Punkt im Kreise drehten. Aber dann blieb ihr zu weiteren Überlegungen auch keine Zeit mehr. Araua hatte das heilige Feuer entzündet, und das Gewölbe, in dessen Felsen überall kostbare Edelsteine eingelassen waren, die nun wie tausend Augen im Schein der tanzenden Flammen zu glitzern begannen, wurde von einem betäubenden Duft erfüllt.
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Siri-Tong spürte, wie ihre Sinne von irgendetwas Unbekanntem umfangen wurden, wie die Umgebung vor ihren Augen verschwamm. Bilder aus längst vergangenen Zeiten stiegen vor ihrem geistigen Auge auf, und nur im Unterbewußtsein gewahrte sie Araua, die inmitten des Flammenkreises kniete, die Arme dem Schlangengott entgegengestreckt. Wie unter einem hypnotischen Zwang wandte auch die Rote Korsarin dem Schlangengott ihre Blicke zu - und wieder geschah das, was sie auch schon mit dem Seewolf zusammen erlebt hatte: Die Augen des Schlangengottes glühten sie an. SiriTong spürte, wie sie von dieser grünlichen Helligkeit, von diesem gespenstischen Leuchten umfangen wurde. Und dann befand sie sich plötzlich wieder auf der Insel Mocha, jener Insel vor der Westküste Südamerikas, auf der der Seewolf und Arkana sich dereinst vor siebzehn Jahren begegnet waren. Sie sah sich zusammen mit Arkana und Araua durch die Felsen der Insel steigen. Immer höher ins Gebirge hinauf, bis schließlich tief unter ihr das heilige Tal der Araukaner lag. Aber die Insel schien ohne menschliches Leben zu sein. Keine Araukaner lebten mehr dort, stattdessen segelte ein Geschwader spanischer Galeonen von der Seeseite auf die Insel zu. Merkwürdigerweise erschien in diesem Moment auch der Schwarze Segler des Wikingers - aber wo befand sich der Seewolf? Verschwommen erschien Siri-Tong auch sein Bild, aber seine „Isabella IX.“ wirkte wie ein Geisterschiff, das irgendwo zwischen den Wogen und am Himmel entlangjagenden Wolken dahinglitt... Dann begann der Abstieg ins Tal - und schließlich stand die Rote Korsarin mit Arkana und Araua vor einer riesigen Statue. Unzweifelhaft stellte sie wiederum den Schlangengott dar, aber weitaus prächtiger, kostbarer und noch viel beeindruckender als die, die sich im Tempel der Schlangeninsel befand.
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Die Rote Korsarin spürte, wie sie erschauerte. Sie versuchte, sich aus dem Netz jener unsichtbaren Fäden zu befreien, die sie schon wie ein Kokon umgaben und die sich auf geheimnisvolle Weise immer dichter und dichter zu weben schienen. Aber es war vergeblich - ihre Kräfte reichten nicht aus. Weiter und weiter versank sie in diese gespenstische Welt jenes riesigen Tempels auf der MochaInsel. Sie erblickte Arkana und den Seewolf, sie sah, wie Araua aus den Flammen des heiligen Feuers, das auch diese Statue wie ein lodernder Kranz umgab, gleich einem Lichtwesen emporzusteigen schien. „Was du dort siehst, Siri-Tong, ist Vergangenheit für dich, aber es ist Gegenwart für mich, denn Vergangenheit und Gegenwart sind für mich eins. Dieser Tempel, in dem du dich jetzt befindest, ist in Gefahr. Die Spanier haben von seiner Existenz erfahren, und sie beabsichtigen ihn zu schänden und zu berauben. Darum habe ich dich, Arkana, meine Hohepriesterin, und Araua dazu bestimmt, jenes Bildnis von mir, das aber zugleich mich, den Schlangengott, beherbergt wie das Bildnis in diesem Tempel auch, von der Mocha-Insel zu holen und hierher zu schaffen. Es wird in einem Gewölbe Platz finden, das bisher keiner von euch kennt, das tief im Innern dieser Insel verborgen liegt und zu dem ihr den Zugang nur durch mich finden werdet, wenn es an der Zeit ist. Dieses Gewölbe, in dem ihr mein Bildnis von der Mocha-Insel aufstellen werdet, wird euch allen dereinst das Leben retten.“ Der Schlangengott schwieg, aber Siri-Tong spürte, daß er noch nicht zu Ende gesprochen hatte. So wartete sie, und es war der unwirklichste, der unheimlichste Moment, den sie je in ihrem Leben erlebt hatte. Tausend Bilder stürzten durch ihr Bewußtsein, und sie zeigten offenbar Ereignisse, die noch weit in der Zukunft lagen. Düstere wie helle. Dann vernahm sie die Stimme des Schlangengottes aufs neue.
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„Ich werde euch ein Zeichen senden, wenn es an der Zeit sein wird, zur Mocha-Insel zu reisen. Wirst du meiner Bitte entsprechen, Siri-Tong, denn ich habe keine Gewalt über dich, auch wenn ich dich und alle deine Freunde zu schützen vermag?“ Die Rote Korsarin wandte sich langsam um, und sie blickte in die großen, dunklen Augen Arauas. Da nickte sie dem Schlangengott zu. „Ich werde zur Mocha-Insel segeln, wenn du es mir aufträgst“, antwortete sie, und sie wußte nicht, ob sie diese Worte gesprochen oder lediglich gedacht hatte. Aber der Schlangengott hatte verstanden, das spürte sie sofort. „Aber ich habe noch eine Frage an dich“, fuhr sie fort, und sofort begannen die Augen in dem Schlangenkopf, die sie aber von überall im Gewölbe des Tempels anzublicken schienen, wieder zu glühen. „Frage!“ vernahm sie seine Aufforderung. „Warum beauftragst du nicht den Seewolf an meiner Stelle? Er hat Araua gezeugt ...“ „Er wird ebenfalls mit euch zur MochaInsel segeln, aber er wird sich in großer Gefahr befinden. Und nur wenn es euch gelingt, mein Bildnis vor den Spaniern zu retten, wird auch er zu retten sein. Dies alles ist unabänderlich, aber ich werde euch helfen. Und jetzt segelt, wie ich Araua angewiesen habe, denn Arkana und meine Schlangenkriegerinnen befinden sich in großer Gefahr. Und auch ihr müßt auf der Hut sein. Alles, was du unternimmst, um sie zu befreien, mußt du sehr genau überdenken. Man wird euch eine Falle stellen, die tödlich sein kann ...“ Die Augen des Schlangengottes erloschen, so wie der Kranz des heiligen Feuers plötzlich in sich zusammensackte. Nach und nach erwachte Siri-Tong aus ihrem tranceähnlichen Zustand. Die grünliche Helligkeit, die ihr Inneres erfüllte und der (eingesponnene Kokon, der sie umgab, lösten sich auf. Die Rote Korsarin kehrte in die Wirklichkeit zurück - aber alles, was sie erlebt und gesehen hatte, blieb in ihrer Erinnerung bestehen.
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Langsam wandte sie sich Araua zu, die auch aus ihrer Trance erwacht war. „Araua - was war das? Wieso hat der Schlangengott gerade zu mir gesprochen, wieso ...“ Die Rote Korsarin schüttelte den Kopf. Was war das alles? Traum - Wirklichkeit? Aus dem Reich des Großen Chan, wo sie geboren worden war, wußte Siri-Tong, daß es mächtige Götter gab, auch wenn die unwissenden Menschen jenseits der Meere das nicht wahrhaben wollten. Dennoch war dieses Erlebnis unheimlich, und sie wußte, daß sie noch eine ganze Weile brauchen würde, um damit innerlich fertig zu werden. Araua hatte sich an sie geschmiegt, so, wie sie es oft als kleines Mädchen getan hatte. „Jetzt weißt du, Siri-Tong, daß es unseren Schlangengott gibt! Vergiß es nie, wir werden nur solange auf der Schlangeninsel unseren Frieden und unser Glück finden, wie er bei uns wohnt. Und eines Tages, Siri-Tong, werde ich seine Hohepriesterin sein - aber ich fürchte mich vor diesem Tag ...“ Siri-Tong fuhr Araua durchs schwarze Haar. „Komm jetzt“, sagte sie dann leise. „Wir wollen jetzt tun, was der Schlangengott uns aufgetragen hat. Deine Mutter befindet sich mit allen ihren Kriegerinnen in Gefahr, beeilen wir uns!“ Sie zog Araua mit sich empor, und dann verließen die beiden Frauen das Gewölbe des Schlangentempels. Die Statue des Schlangengottes aber stand dort, scheinbar ohne jedes Leben. Doch Siri-Tong wußte es besser. * Am späten Nachmittag dieses Tages verließen zwei Schiffe die Schlangeninsel. Der Viermaster „Roter Drache“ und eine große, seetüchtige Schaluppe. An Bord der Schaluppe befanden sich Karl von Hutten und ein paar Männer aus der Crew Arne von Manteuffels. Sie würden so rasch wie möglich nach Tortuga segeln, um dem Wikinger, Jean Ribault und Jerry Reves zu
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berichten, was sich zugetragen hatte und um sie zur schnellstmöglichen Rückkehr zur Schlangeninsel anzuhalten. „Roter Drache“ hingegen nahm Südwestkurs. Noch eine ganze Weile leuchteten seine roten Segel zur Schlangeninsel im Licht der tiefer und tiefer sinkenden Sonne hinüber. Der Boston-Mann, der das Kommando über die Schlangeninsel zusammen mit dem Häuptling des Araukanerdorfes, Tomota, übernommen hatte, blickten den beiden Seglern vom Felsendom aus nach. Erst als die beiden Schiffe in der Ferne und in der einsetzenden Dämmerung verschwunden waren, kehrten sie zur Schlangenbucht zurück. Ohne viele Worte begannen sie mit ihrer Arbeit - und im Verlauf der nächsten Stunden verwandelte sich die Schlangeninsel in eine nahezu uneinnehmbare Festung. * Als Arkana wieder zu sich kam, begriff sie sofort, daß sie sich mit ihren Schlangenkriegerinnen in einer Lage befand, die nichts Gutes ahnen ließ. Sie stand gefesselt am Stamm einer Palme. Deutlich erkannte sie weiter unten das Wrack der „Mocha II.“. Weiter hinten in der Bucht ankerte jene fremde Galeone, deren Namen sie nicht kannte, die aber jener „Black Queen“ gehörte, mit der sie gekämpft hatte. Arkana sah sich um, und neben ihr, zur Linken, stand Tatona, gefesselt wie sie. Arkana tauschte mit ihrer Unterführerin einen Blick, und die beiden Frauen verstanden einander sofort. „Gib das geheime Zeichen an alle auf deiner Seite weiter, für den Fall, daß sie uns foltern und verhören. Nichts über die Schlangeninsel darf über unsere Lippen, kein Wort, verstanden, Tatona?“ Tatona nickte, dann warf sie einen Blick auf den kleinen Ring an ihrer Hand, den man ihr vorläufig noch nicht abgenommen hatte. Ihr nicht und auch keiner der anderen Schlangenkriegerinnen.
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„Wer von uns verhört wird, muß losgebunden werden. Dieser Augenblick genügt. Dann mögen sie fragen, Tatona. Sie werden uns wach finden, aber wir werden keine Schmerzen leiden und auch keine Erinnerung mehr an irgendetwas haben, was wichtig für sie ist. Sie werden nicht wissen, was das zu bedeuten hat, und sie wissen auch nicht, wie lange das Gift benötigt, um unsere Körper wieder zu verlassen. Wer starb von uns in dem Kampf?“ fragte Arkana, denn sie wußte, daß sie länger bewußtlos gewesen war als Tatona. Die wilden Schmerzen in ihrem Kopf ignorierte sie. „Niemand, Arkana. Niemand starb, der Schlangengott hat uns beschützt, und ich spüre, daß er uns auch weiterhin beschützen wird. Aber diese ,Black Queen' ist gefährlich. Ich weiß, daß wir mit ihr noch einen erbitterten Kampf führen werden.“ Arkana sah Tatona erleichtert an. „Du hast recht, der Schlangengott wird uns auch weiterhin beschützen. Und vergiß nicht - wir beherrschen nur die Sprache der Araukaner, wir...“ Arkana unterbrach sich. Sie entsann sich des schweren Fehlers, den sie der Black Queen gegenüber begangen hatte, denn sie hatte ihr auf Spanisch geantwortet, als die Black Queen gefragt hatte, wer sie sei. „Nein, das geht nicht, jedenfalls nicht für mich, und alle anderen provozieren damit nur, gefoltert zu werden. Es ist mein Fehler, ich hätte nicht reden dürfen ...“ Am Strand hatte sich die „Black Queen“ erhoben. Gefolgt von Caligula, ihrem Unterführer, stieg sie die wenigen Meter zu den Palmen, an die die Piraten die Schlangenkriegerinnen gefesselt hatten, empor. „Rasch, Tatona, gib das Zeichen“, flüsterte Arkana und wandte gleichzeitig den Kopf nach rechts. Dann vollführten ihre Lippen ein paar Bewegungen, die aber sofort von allen anderen Araukanerinnen verstanden und denen, die Arkana nicht hatten sehen können, weitergegeben wurden.
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Dann war die Black Queen heran. Sie blieb vor Arkana stehen. Ihre dunklen Augen hatten sich zu Spalten verengt. „Was hast du eben den anderen für ein Zeichen gegeben?“ fragte sie. „Ich rate dir, zu antworten, denn ich habe es deutlich gesehen. Mich kannst du nicht täuschen!“ Arkana schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, wer mir den Hieb heimtückisch und von hinten auf den Kopf verpaßt hat, aber der Schmerz wütet in meinem Hirn, und da waren es sicherlich unkontrollierte Zuckungen, von denen ich selbst nicht einmal etwas bemerkt habe. Aber was willst du? Wenn du uns töten willst, dann tu es. Man wird uns rächen, und du wirst nicht soweit segeln können, daß meine Krieger dich nicht finden.“ „Stolz ist sie, diese Araukanerin“, sagte die Queen. Ihre Stimme sollte höhnisch klingen, aber es schwang eine Menge Respekt in ihr mit. „Und zu kämpfen versteht sie auch. Aber jetzt will ich wissen, woher ihr kommt. Das Märchen mit dem Land weit im Süden nehme ich dir nämlich nicht ab. Ihr werdet reden, verlaßt euch darauf. Entscheide dich - also?“ Die Black Queen war gerissen genug, Arkana nicht wissen zu lassen, daß der Kreole, der sich offenbar wirklich auf der Schlangeninsel befunden und einige ihrer Geheimnisse belauscht hatte, in seinem Suff weit mehr ausgequatscht hatte, als der Schlangeninsel gut tat. Das hätte den feinen Plan, den Caligula ihr entwickelt hatte, sofort gefährdet. Arkana schwieg, doch dann schüttelte sie schließlich abermals den Kopf. „Es war die Wahrheit. Wir sind Araukanerinnen und stammen aus einem Land, das so weit im Süden liegt, daß du es nicht kennst. Wir fürchten weder deine Verhöre, noch deine Folter, die du sicher anwenden wirst. Du kannst bei mir beginnen, und du wirst erfahren, daß ich dir nichts anderes sagen kann.“ Die Black Queen starrte ihre Widersacherin an, und für einen Moment wurde sie unsicher. Denn von Arkana strömte soviel Selbstsicherheit und Ruhe aus, wie das unter normalen Umständen
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gar nicht möglich gewesen wäre. Jeder fürchtete die Folter, und sogar sie selbst schloß sich davon nicht aus. Aber sie gab noch lange nicht auf. Zog das eine bei dieser unheimlichen Indianerin nicht, dann doch vielleicht die andere Methode. Sie trat noch näher an Arkana heran. „Du hast noch etwas nicht bedacht, Araukanerin“, sagte sie. „Was glaubst du, wie scharf meine Kerle auf euch sind? Die würden sich mit dir und den anderen Mädchen gerne einen Spaß machen. Bisher habe ich das verhindert, und sie haben sich knurrend gefügt. Ihr habt eben Glück, daß ich eine Frau und kein Kerl bin. Aber ich muß es nicht verhindern, klar?“ Sie sah, wie Arkana erbleichte. Doch dann blitzten Arkanas Augen wütend auf, denn die Schmach, mit der diese Piratin sie und ihre Schlangenkriegerinnen bedrohte, war für Arkana einfach unvorstellbar. Es hatte auch eine Weile gedauert, bis sie und ihre Kriegerinnen den wilden Kerlen auf der Schlangeninsel beigebracht hatte, daß eine Schlangenkriegerin sich zwar freiwillig verschenken konnte, daß aber jede Andeutung von Gewalt schlimme Folgen für die Männer hatte. Sie alle hatten ihre Lektion gelernt, und am schlimmsten waren die Burschen vom Schwarzen Segler gewesen. Aber jetzt herrschte wieder Friede und bestes Einvernehmen unter ihnen allen, auch und ganz besonders in diesem Punkt. Aber das hier, was ihr diese Queen androhte, das ließ sie zunächst erblassen, doch dann trieb es ihr das Blut ins Gesicht. „Das wirst du nicht wagen, Black Queen. Wer von deinen Kerlen Hand an mich oder eine von uns legt, der wird tausend Tode sterben, das sollst du wissen, und es ist mein voller Ernst. Der Schlangengott wird euch verfluchen, und du wirst erfahren, was das bedeutet. Und jetzt tu, wie du willst, aber ich habe dich gewarnt. Du und alle, die zu dir gehören, ihr werdet ausgelöscht sein, so, als hätte es euch nie gegeben, unter tausend Qualen werdet ihr jenes dunkle Reich betreten, das auf uns alle eines Tages wartet.“
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Was es war, wußte die Black Queen nicht zu sagen, aber unwillkürlich trat sie ein paar Schritte zurück. Sie spürte eine unheimliche Kraft, die nach ihr griff, die sich ihr um Brust und Schultern legte, die ihr das Herz. wie mit einer eisernen Faust zusammenzudrücken schien. Aus hervorquellenden Augen starrte sie Arkana an, aber sie war unfähig, auch nur ein einziges Wort hervorzubringen. Dann ließ jener unheimliche Druck wieder nach, unter dem auch Caligula in sich zusammengekrochen war und jetzt mit wild rollenden Augen um sich starrte. „Was, zum Teufel, was war das ... „, ächzte er, aber Arkana schnitt ihm das Wort ab. „ ... das war nur eine Warnung, mehr nicht. Foltert uns, tut was ihr wollt, aber wenn deine Kerle uns besudeln, dann werdet ihr bereuen, uns jemals begegnet zu sein.“ Die Black Queen blickte immer noch verstört um sich. Dann trat sie wieder auf Arkana zu. „Also die Folter duldet euer seltsamer Gott?“ fragte sie lauernd, und die Wut blitzte tückisch aus ihren Augen. „Versucht es, aber ihr werdet keinerlei Erfolg haben, denn der Schlangengott wird verhindern, daß auch nur ein einziges Wort über unsere Lippen kommt, von dem er nicht will, daß ihr es erfahrt.“ Wieder wich die Black Queen einen Schritt zurück. „Du willst mich provozieren, Araukanerin. Ich soll dich foltern. Aber so dumm bin ich nicht - du bist zu wertvoll für mich. Nein, wir nehmen diese da!“ Sie wies auf Tatona. „Pack sie, Caligula, binde sie los und bringe sie zum Feuer. Dann werden wir sehen.“ Sie wandte sich an Arkana. „Mal sehen, ob dir deine großen Sprüche nicht doch noch vergehen. Caligula versteht sich darauf, Menschen genau das zu entlocken, was er wissen will. Du wirst das gleich erfahren!“ Die Black Queen ließ sich nichts anmerken, daß sie Tatona absichtlich ausgewählt hatte, 'weil sie ein Teil des Planes war, den Caligula ausgebrütet hatte.
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Tatona würde das Werkzeug sein, das sie brauchten, um an die Schätze der Schlangeninsel heranzukommen. Wobei es aber gar nicht die Schätze waren, die die Black Queen am meisten interessierten, jedenfalls jetzt noch nicht. Denn sie besaß selber Gold und Silber und Edelsteine in großer Menge. Nein - darum ging es ihr nicht, wohl aber um die Geheimnisse, die jene legendäre Insel barg. Sie zog ihre Pistole und richtete sie auf Tatona, als Caligula ihre Fesseln löste. „Wenn du zu fliehen versuchst, werde ich dich töten“, sagte sie. „Und es ist mir gleich, was euer Schlangengott dazu meint. Also, sei hübsch vorsichtig bei allem, was du tust ...“ Caligula hatte ihre Fesseln gelöst. Wie unabsichtlich fuhr Tatona sich mit der Rechten langsam über das Gesicht, aber sie tat alles so langsam, daß auch die Black Queen keinen Einspruch erhob. Weder sie noch Caligula bemerkten, daß aus ihrem Ring bei einer bestimmten Bewegung ihres Zeigefingers ein kleiner nadelartiger Dorn hervorschnellte und sich in ihre Lippen bohrte. Dann zuckte er zurück und verschwand, unsichtbar für jeden Uneingeweihten, wieder zwischen den grünen Augen des winzigen Schlangenkopfes. Die Black Queen trieb Tatona jetzt zum Strand hinab, dann ließ sie vier Pfähle in den Sand rammen und man band Tatona mit gespreizten Armen und Beinen an den Pfählen fest. Andere Piraten schürten grinsend ein Feuer, das rasch entzündet worden war, und dann hockte sich Caligula neben Tatona. Die Black Queen wandte sich um, blickte Arkana an. „Noch kannst du reden“, sagte sie. „Noch ist es nicht zu spät. Sie ist hübsch, Arkana, so hübsch, wie ich nur selten eine junge Frau gesehen habe. Ich bin nicht wild darauf, sie durch Narben entstellen zu lassen, also?“ Aber Arkana schwieg, sie wußte, was geschehen würde. Und richtig - Caligula
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sprang plötzlich auf. Wütend stampfte er mit den Füßen in den Sand. „Da, sieh dir das an, Queen!“ brüllte er voller Zorn. „Mit der können wir anstellen, was wir wollen, die wird nicht reden! Sieh dir ihre Augen an, sie sieht nichts, sie hört nichts, und sie wird auch nichts spüren! Es ist sinnlos, daß wir sie foltern!“ Die Black Queen war mit einigen Sätzen bei Caligula. Er beugte sich über Tatona und dann richtete sie sich plötzlich wieder auf. Ihre dunklen Augen glühten vor Zorn. „Caligula, hol die nächste, und dann wieder die nächste, ich will doch sehen, ob diese verdammte Araukanerbrut über unerklärliche Kräfte verfügt, oder ob ihr Gott wirklich so mächtig ist, wie sie behaupten!“ Caligula tat, wie ihm geheißen - aber bei allen geschah genau das gleiche. Sie lagen da, die Pupillen weit geöffnet und starrten blicklos in den Himmel. Nicht einmal ein glühendes Eisen vermochte sie wecken, und auch nicht die Peitsche, mit der Caligula voller Wut auf sie einschlug. Aber sie lebten, das fand Caligula schnell heraus. Alle wurden erneut gefesselt und dann, weil sie nicht zu stehen vermochten, weiter hinten an den Strand gelegt. Tatona abseits von allen anderen. „Ich habe so etwas noch nicht erlebt, Queen“, sagte Caligula und kniff die Augen zusammen. „Wir sollten jetzt unseren Plan durchführen, er wird klappen, da bin ich ganz sicher.“ Die Black Queen nickte - und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Und dieser Plan war so raffiniert, daß nicht einmal Arkana oder Tatona ihn durchschauten. Daß aber die Ereignisse auf der Schlangeninsel dabei der Black Queen und Caligula wie von selbst fast alle Vorteile in die Hände spielten, das ahnte auch Arkana nicht, und auch der Schlangengott gab ihr kein Zeichen. 5. Tatona erwachte aus ihrer Paralyse erst gegen Abend dieses Tages. Sie brauchte
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auch noch eine Weile, bevor sie wieder wirklich klar im Kopf und Herr über ihre Glieder war. Eine Eigenart des Giftes bestand jedoch darin, daß sie zwar während seiner Wirkung unfähig war sich zu rühren oder sonstige Aktivitäten zu entfalten, daß sie aber ähnlich wie eine Scheintote dennoch alles in sich aufnahm, was um sie herum geschah. Und so wußte sie auch, was sich ereignet hatte, seitdem das Gift des Schlangenringes in ihren Körper eingedrungen war. Mehr und mehr brannte ihr jetzt die Zeit unter den Nägeln. Die Black Queen und ihre Kerle wußten irgendetwas - aber was? Auf jeden Fall drohte der Schlangeninsel von der Black Queen Gefahr. Sie mußte es irgendwie schaffen, Hilfe herbeizuholen, oder Arkana und alle Schlangenkriegerinnen waren verloren. Ohne einen genauen Plan zu haben, ohne jede Vorstellung zunächst, wie sie die Flucht von dieser Insel überhaupt bewerkstelligen sollte, begann Tatona, ihre Fesseln zu überprüfen. Sie tat das sehr sorgfältig - und ihr fuhr ein freudiger Schreck durch die Glieder, als sie spürte, daß sich die Handfesseln zwar unter großen Mühen, aber eben doch weiter und weiter lockern ließen. Tatona blickte sich vorsichtig um. Die Piraten saßen weiter hinten am Feuer. Wie üblich ließen sie die Becher kreisen. Diese Kerle hatten scheinbar nichts anderes zu tun, als zu saufen. Als Tatona daran dachte, was ihnen bestimmt noch mehr Spaß gemacht hätte, als zu saufen, spürte sie sofort die Gänsehaut, die ihren Körper überlief. So sehr sie alle Zärtlichkeiten Karl von Huttens genoß, die er ihr schenkte, so unvorstellbar war für Tatona, daß irgendjemand es wagen könnte, sich von ihr mit Gewalt zu nehmen, was sie freiwillig zu geben nicht bereit war. Noch immer dachte sie mit Grauen an jene Galeone voller junger Schlangenkriegerinnen, über die die Spanier nahe der Insel Mocha einst hergefallen waren, und auch daran, was
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diese Bestien mit den jungen Mädchen angestellt hatten. Die Spanier hatten bezahlt - von ihnen lebte keiner mehr. Aber die jungen Kriegerinnen auch nicht, sie waren schlimmer gestorben, als Tatona sich das vorzustellen vermochte. Nein - sie mußte Hilfe herbeiholen, so schnell wie möglich. Vielleicht suchte man bereits nach ihnen, denn auf der Schlangeninsel wußte man bestimmt, in welch ein Unwetter sie mit der alten Galeone geraten waren. Doch, man suchte sie bestimmt - es würde also ein Schiff bereits unterwegs sein und das Gebiet um die Caicos-Inseln absuchen. Denn Arkana hatte gesagt, daß sie dorthin segeln wollten, schon, um sich Coral Island anzusehen, die künftige Plantageninsel, die der Seewolf ausfindig gemacht hatte. Der Seewolf! Tatona dachte in diesem Augenblick an ihn. Sie mochte diesen großen dunkelhaarigen Mann mit den eisgrauen Augen, der der Vater Arauas war. Wo mochte er sein? Irgendwo weit im Süden des neuen Kontinents, denn er suchte ja nach einem geeigneten Indianerstamm, den man nach Coral Island umsiedeln konnte, um so die Versorgungsprobleme der Schlangeninsel zu lösen. Die Indianer würden frei sein, wie es die Araukaner waren, sie würden Partner der Bewohner der Schlangeninsel sein und unter ihrem Schutz gegen jeden Feind stehen. Tatona schüttelte unwillig den Kopf. Keine Zeit, jetzt an all dies zu denken. Verbissen arbeitete sie weiter - und dann mußte sie plötzlich aufhören, denn Schritte näherten sich aus dem Dunkel. Caligula und die Queen kamen auf sie zu. Caligula warf Tatona einen Blick zu. Dann bückte er sich und riß an ihren Beinfesseln. „Fest, Queen. Mit der beschäftigen wir uns morgen weiter. Heute werden wir erstmal unseren Sieg feiern.“ Er versetzte Tatona noch einen Tritt in die Seite und dann tat er, als wollte er weitergehen. Doch plötzlich blieb er noch mal stehen. „Was ist mit dem Boot für morgen früh, Queen? Ist es fertig ausgerüstet? Ich muß
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frühzeitig hinüber zur anderen Bucht, du weißt ja ...“ „Es ist fertig. Es liegt fix und fertig vertäut beim Wrack da unten, und dort liegt es gut. Aber ich will, daß die Fesseln der anderen Gefangenen auch noch kontrolliert werden. Besonders die dieser Arkana, sie ist die gefährlichste von allen. Komm, die hier, die nehmen wir uns gleich selber noch mal vor!“ Caligula und die Queen untersuchten die Fesseln der anderen Schlangenkriegerinnen, die gleich Tatona wegen ihrer angeblichen Bewußtlosigkeit in den Sand gebettet worden waren. „Alles in Ordnung“, sagte Caligula schließlich. „Um die brauchen wir uns bis morgen früh nicht mehr zu kümmern. Also los dann, untersuchen wir jetzt auch die anderen, und dann nichts wie ans Feuer, oder diese verdammten Kerle saufen uns den Wein aus!“ Die Queen und Caligula entfernten sich. Tatona atmete auf - aber sie sah nicht, daß Caligula sich nach einer Weile wieder vom Feuer entfernte. Arkanas Unterführerin und Kornmandantin der Tempelgarde arbeitete jetzt rasch. Die Fesseln schnitten tief, in ihre Haut - aber dann hatte sie es geschafft. Sie konnte erst die eine, dann die andere Hand herausziehen. Alles andere war das Werk eines Augenblicks. Als auch die Beinfesseln gelöst waren, blieb sie still liegen und wartete. Aber es rührte sich nichts, nur am Feuer grölten die Piraten. Tatona hoffte inständig, daß diese Piratenbrut nicht doch noch irgendwann damit beginnen würde, sich an den Kriegerinnen zu vergreifen. Und allein bei diesem Gedanken knirschte sie schon mit den Zähnen. Ein Boot hatten sie also am Wrack liegen! Ausgezeichnet, denn dort war es stockfinster, besser hätte es gar nicht sein können. Tatona überlegte. Wie groß war das Boot konnte sie es allein segeln? Nein, das war zu unsicher, und so beschloß sie, auch die Schlangenkriegerinnen zu befreien, die unweit von ihr auf dem Sand lagen.
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Vorsichtig, Stück um Stück, kroch sie über den Sand. Dann hatte sie die erste der Kriegerinnen erreicht. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sie deren Fesseln gelöst hatte. Sofort kroch Tatona zurück, denn Naurana würde die nächste befreien, und die dann wieder ihre Nachbarin. So war es am unauffälligsten. Anschließend würden sie auch nicht alle zusammen verschwinden, sondern ebenfalls einzeln. Tatona fiel dabei die Aufgabe zu, das Boot vom Wrack zu lösen, es auf die Bucht hinauszupaddeln oder zu rudern. Die anderen würden das Boot dann schwimmend erreichen. Tatona warf einen Blick in. die Richtung, in der sie Arkana wußte - und sie erschrak. Vor Arkanas Palme, an die man sie gefesselt hatte, brannte ein Feuer, und eine Wache saß an diesem Feuer. Sie konnte also Arkana nicht einmal verständigen, ohne ihre Flucht zu gefährden. Tatona handelte. Sie kroch zum Wasser hinab, und gleich darauf war sie verschwunden. Dann schwamm sie in die Richtung, in der sie das Wrack der „1Vlocha 11.“ wußte, und sie erreichte es schon nach kurzer Zeit. Und wie die Black Queen behauptet hatte, lag. dort ein Boot. Aber ein freudiger Schreck durchzuckte Tatona - denn dieses Boot war ein Langboot mit Auslegern, wie es die Eingeborenen der Karibik benutzten. Sogar ein Segel befand sich an Bord und Paddel. Außerdem ein Wasserfäßchen, das bei sparsamen Gebrauch sogar mehrere Tage reichen konnte. Tatona löste das Boot, dann paddelte sie es behutsam auf die im Dunkeln daliegende Bucht hinaus. Sie hütete sich dabei, irgendwo in den Schein der am Strand brennenden Feuer zu geraten. Danach wartete sie, und es dauerte nicht lange, bis ihre Kriegerinnen eintrafen, eine nach der anderen. Vier insgesamt. Sofort begannen die Schlangenkriegerinnen zu paddeln. So gelangten sie aus der Bucht. Aber sie ahnten nicht, daß ihre Flucht von Caligula beobachtet worden war.
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Der Mond war aufgegangen, als Tatona das offene Meer erreicht hatte, und sie atmete auf. Viel später hätten sie ihre Flucht nicht mehr bewerkstelligen können, dann nämlich hätte der Mond schon über den Felsen gestanden, die die Bucht umgaben. Sein bleicher Schein wäre an ihnen zum Verräter geworden. Caligula ließ sie aus der Bucht paddeln. Erst als sie hinter dem Felsvorsprung verschwunden waren, gab auch er das Kommando zum Ablegen. Die große Galeone der Black Queen, die über zwei übereinander liegende Geschützdecks verfügte und die den Namen „Caribian Queen“ trug, blieb hinter ihnen zurück. Caligula grinste. Nein, diese Schlangenkriegerinnen würden 'ihn nicht entdecken. Denn sein Boot war pechschwarz gestrichen, und es hatte ein ebensolches Segel. Es würde mit der Nacht verschmelzen, während das, in dem die Schlangenkriegerinnen flohen, von heller Farbe war. Außerdem hoffte Caligula, daß Tatona irgendwann eine Schiffslaterne setzen würde, um rechtzeitig gesehen zu werden. Denn daß irgendjemand so verrückt sein würde, ihre Verfolgung bei Nacht aufzunehmen, damit brauchte sie nicht zu rechnen. Caligulas Rechnung ging auf - er war ein gerissener, gefährlicher Gegner, der zwar über gewaltige Körperkräfte verfügte und ein Meister aller Waffen war, der aber auch ein Gehirn sein eigen nannte, das bestens funktionierte und das schon manchem Gegner zu seinem Untergang verholfen hatte. * An Bord von „Roter Drache“ verhielten sich die meisten schweigsam. Der große Viermaster der Roten Korsarin segelte auf Südwestkurs dahin, und Vor- wie Großmars waren mit scharfäugigen Ausgucks versehen. Auf dem Achterdeck befanden sich SiriTong, Araua, Mister Boyd, der Erste Offizier, und Mike Wimpole, der dürre Rudergänger. Der Viermaster hatte alles an
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Segeln gesetzt, was Rahen und Masten zu tragen vermochten. Aber der Viermaster kam trotzdem nicht so rasch voran, wie die ungeduldige Rote Korsarin sich das wünschte. Das große Schiff mußte gegen den fast aus Südwest blasenden Wind immer wieder in langen Schlägen kreuzen. Aber kein Mann der Besatzung murrte bei der Knochenarbeit, die das bedeutete. Alle brannten darauf, Arkana zu finden, der zumindest das Unwetter arg mitgespielt haben mußte. Die Ausläufer, in die sie selbst mit „Roter Drache“ geraten waren, hatten ihnen das gezeigt. Dabei vertrug der große Viermaster Siri-Tongs ganz bestimmt eine Menge mehr als die viel kleinere „Mocha II.“, die zudem auch noch viel älter war. Jeder Mann an Bord schuftete wie ein Berserker, und die Rote Korsarin war nicht gewillt, auch nur eine einzige Meile unnötig zu verschenken. Sie stand auf dem Achterdeck und kontrollierte jedes der Segelmanöver persönlich. Wo ihr etwas zu langsam ging, griff sie sofort ein, und auch ihrem Rudergänger schaute sie auf die Finger. Stunde um Stunde verging. Die Nacht verstrich, und als sich der erste, schwache Silberstreif am Westhimmel abzeichnete, der zaghaft. verkündete, daß die Nacht sich ihrem Ende näherte und ein neuer Tag beginnen würde, atmete mancher an Bord des Viermasters auf. Denn sie hatten es schon oft erlebt, daß sich auch der Wind mit dem neuen Morgen zu drehen begann. Aber das geschah nicht, und sie mußten weiter und weiter kreuzen, Schlag um Schlag. Längst war Araua aus freien Stücken in den Kreuzmars empor geentert und von dort weiter bis in den Topp, um so weit wie möglich die See überblicken zu können. Es war eigenartig - eine innere Unruhe hatte sie dazu getrieben. Die Nacht begann der Morgendämmerung zu weichen - dann plötzlich schienen sie die grünen Augen des Schlangengottes geradewegs aus dem Himmel heraus anzuglühen. Araua wandte den Kopf - und in diesem Moment entdeckte sie das winzige Boot,
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dessen Insassen in diesem Moment auch den Viermaster entdeckt haben mußte, denn das Boot änderte den Kurs und hielt direkt auf „Roter Drache“ zu. Araua geriet in unbeschreibliche Erregung. Der Schlangengott - er schickt uns sein Zeichen! jubelte sie innerlich. Wir werden Arkana finden und ihr helfen, der Schlangengott ist mit uns! Araua enterte ab, dann stürmte sie auf das Achterdeck. „Ein Boot, Siri-Tong. Ein Langboot, wie es die Eingeborenen segeln, mit einem Ausleger. Das Zeichen, das uns der Schlangengott versprochen hat. Dort, dort drüben ist es, laß Ruder hart Backbord legen!“ Siri-Tong zog Araua einem ersten Impuls folgend an sich. Aber dann gab sie dem Rudergänger sofort Anweisung, und Mister Boyd scheuchte die Männer an die Brassen. Barba, ihr Erster Steuermann, der die Nacht über auf dem Hauptdeck verbracht und die Segelmanöver geleitet hatte, enterte zum Achterdeck auf. Er war ein Riese von Gestalt, und sein Gesicht war über und über mit Narben bedeckt. Er sah aus wie ein fürchterlicher Schlagetot reinsten Wassers, aber dieser Barba genoß das Vertrauen der Roten Korsarin. Er war ein grundehrlicher Kerl, der sich jederzeit für die Rote Korsarin in Stücke schlagen ließ, bevor er duldete, daß auch nur irgendjemand seine Pfoten nach ihr ausstreckte, ohne daß sie es selber erlaubt hätte. Darüber hinaus verfügte Barba aber auch über ein paar Augen, die es an Schärfe mit denen Dan O'Flynns auf der „Isabella IX.“ aufnahmen. „Ich habe es auch gesehen, Siri-Tong“, sagte er. „Schlangenkriegerinnen befinden sich an Bord, wenn mich nicht alles täuscht, Tatona.“ Die Rote Korsarin, die bestimmt ebenfalls über hervorragende Augen verfügte, blickte Barba nur an. Es war nicht das erstemal, daß dieser Riese sie in Erstaunen versetzte. Aber sie sagte nichts - sie war jedoch gespannt darauf, wie Barba das hatte sehen können, denn die Sonne war
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noch nicht hoch, über der See lag noch graue Dämmerung. Barba lächelte, denn er las den Unglauben auf dem Gesicht der Roten Korsarin. „Sie haben an Bord eine Schiffslaterne entzündet. Sie schwenken sie hin und her, und das gibt genügend Licht für Barbas Augen!“ Die Rote Korsarin eilte zum Schanzkleid, während der große Viermaster nach Backbord herumschwang und dann sah sie es auch. Das Auslegerboot, das beinahe vor dem. Wind herlief und ein großes Dreiecks-Mattensegel gesetzt hatte, näherte sich „Roter Drache“ rasend schnell. „Tatona - es ist Tatona!“ Araua konnte sich nicht beherrschen. Siri-Tong ließ sie lächelnd gewähren, denn überdeutlich hatte sie gespürt, wie die Sorge um ihre Mutter Araua bedrückt hatte. Aber nicht nur die um ihre Mutter, sondern auch die um alle anderen Schlangenkriegerinnen, die Araua alle seit langem kannte und die sich oft um sie gekümmert hatten, als sie noch ein Kind war. Die sie vieles gelehrt hatten, als aus dem kleinen Mädchen eine heranwachsende junge Kriegerin wurde. Diese Schlangenkriegerinnen der Tempelwache, das wußte Siri-Tong nur zu gut, lebten miteinander wie eine große Familie, sie hatte genügend Beispiele davon erlebt. Das Auslegerboot vollführte eine rasche Wendung, dann schor es auch schon längsseits, und eine der Schlangenkriegerinnen fing geschickt die Leine auf, die ihnen von Bord des Viermasters zugeworfen wurde. Eine Jakobsleiter klatschte die Bordwand herab, dann enterten die fünf Schlangenkriegerinnen auf. Noch ehe Tatona etwas zu sagen vermochte, war die Rote Korsarin heran. Alle Schlangenkriegerinnen, Tatona ausgenommen, wiesen Brandmale und Peitschenstriemen auf, die noch nicht einmal vernarbt waren. Das Gesicht Siri-Tongs wurde hart, und auch über Arauas Nasenwurzel gruben sich
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zwei steile Falten in ihre sonst makellos glatte Haut. „Man hat euch gefoltert!“ stellte die Rote Korsarin fest, und der Zorn schoß in ihr empor. „Was ist sonst noch geschehen, Tatona?“ fragte sie, und Tatona wußte sofort, worauf Siri-Tong anspielte. Doch sie schüttelte den Kopf. „Nein, das nicht, Siri-Tong. Sie haben es nicht gewagt, jedenfalls nicht vor unserer Flucht. Arkana hat ihnen ihre Macht demonstriert, und das war ein Schock für sie. Der Black Queen sind vor Schreck fast die Augen aus den Höhlen gequollen, und ich weiß, daß Arkana sie hätte töten können. Aber auch Caligula, ihr Unterführer, hat vor Entsetzen die Augen gerollt. Ich denke, sie haben es nicht wieder versucht. Wenn ja, dann werden sie es büßen. Beim Schlangengott, Rote Korsarin, dann wird unsere Rache sie treffen, alle, ohne jede Ausnahme!“ Siri-Tong störte der Kreis, den ihre Crew um sie und die Schlangenkriegerinnen gebildet hatte, in diesem Moment nicht, obwohl sie dergleichen sonst nicht duldete. Bis auf Barba bestand ihre Crew aus Engländern, die aber inzwischen als solche rein äußerlich gar nicht mehr zu erkennen waren. Siri-Tong hatte diese Männer einst aus der Gewalt El Supremos, des größenwahnsinnigen Herrschers über Bora-Bora, befreit, und die Männer hatten sich entschieden, bei ihr zu bleiben. Siri-Tong war einen Schritt zurückgetreten. „Black Queen, Caligula? Hast du eben diese Namen genannt, Tatona?“ vergewisserte sie sich. Tatona nickte, dann beschrieb sie die beiden, und auch die große dreimastige Galeone, die in der Bucht geankert hatte. Anschließend schilderte sie alles, was sich zugetragen hatte, seit das Unwetter über der Karibik losgebrochen war. Siri-Tong und die anderen hörten schweigend zu. Dann legte die Rote Korsarin Tatona die Rechte schwer auf die Schulter. „Diese Black Queen ist gefährlich. Sie will die Herrschaft über die Karibik. Nun, wir werden sehen, ob sie sie erringen kann.
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Wir nehmen jetzt Kurs auf die CaicosInseln, aber wir werden erst in der kommenden Nacht über die Piraten der Black Queen herfallen. Das aber wird so plötzlich geschehen, daß sie keine Chance mehr zur Gegenwehr hat. Sie kann jetzt noch nicht damit rechnen, daß Hilfe kommt, zumal sie wohl auch nicht weiß, daß Arkana und ihr alle zur Schlangeninsel gehört.“ Tatona sah die Rote Korsarin an. „Vergiß nicht, sie hat Arkana und die anderen als Geiseln. Sie wird nicht zögern, sie zu töten, und wir werden nicht schnell genug sein, das zu verhindern.“ Die Rote Korsarin lächelte. „Arkana wird zur gleichen Stunde frei sein, in der mein Viermaster mit geöffneten Stückpforten in die Bucht einsegelt. Keine Sorge, Tatona, Barba versteht sich auf solche Unternehmen, du und ich, wir werden ihn mit deinen Schlangenkriegerinnen begleiten ...“ „Ich ebenfalls, Siri-Tong, das bin ich meiner Mutter ...“ Siri-Tong drehte sich um. „Nein, Araua, du bleibst an Bord. Ich habe die Verantwortung für dich. Niemand zweifelt an deinem Mut, aber Arkana würde es mir nie verzeihen, wenn dir etwas zustößt. Die Black Queen ist samt Caligula eine der gefährlichsten Gegnerinnen, die ich mir vorstellen kann. Du bleibst hier, und wenn ich dich an einen der Masten binden lassen muß! Mein letztes Wort.“ Araua stand wie erstarrt. Sie kannte die Rote Korsarin; und sie wußte, daß es unmöglich war, sie um den Finger zu wickeln, wie sie es beim Wikinger stets vermocht hatte, wenn sie etwas durchsetzen wollte. Tatona nahm Araua zur Seite. „Siri-Tong hat recht, Araua. Du solltest auf Siri-Tong hören, sie meint es gut, und sie ist wirklich für dich verantwortlich. Füge dich, Araua, mach uns keine Schande, versprichst du mir das?“ Araua fügte sich, auch wenn es ihr so schwer fiel wie noch nie zuvor. Tatona strich ihr übers Haar.
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„Du bist erwachsen, Araua. Du wirst einst unsere Hohepriesterin sein. Niemand von uns kann dir noch Befehle erteilen. Aber als Hohepriesterin mußt du wissen, daß vor dem Gefühl der Verstand zu siegen hat. Dies hat deine Mutter immer befolgt - nur so überlebten wir die Hölle von Mocha. Sei unbesorgt – wir retten Arkana. Und noch weißt du ja gar nicht, ob der Schlangengott dir nicht eine ganz besondere Aufgabe zugedacht hat. Warte es ab ... ` Araua blickte Tatona an. Immer hatte Tatona es verstanden, ihr bei all den kleinen und auch großen Schwierigkeiten ihres jungen Lebens mit Rat und Tat zu helfen. „Warte, Tatona, ich möchte dir noch etwas erzählen. Im Schlangentempel hat sich etwas zugetragen ...“ Und sie berichtete der überraschten Tatona, daß der Schlangengott verlangt hatte, Siri-Tong zu ihm in seinen Tempel zu führen. Tatona erfuhr auch von dem Auftrag, den der Schlangengott ihr, Araua, Siri-Tong und seiner Hohepriesterin Arkana gegeben hatte. Eine ganze Weile, nachdem Araua ihr alles berichtet hatte, schwieg Tatona. Dann fuhr sie Araua wieder über das schwarze, lange Haar. „Höre immer gut darauf, was Siri-Tong dir sagt, Araua. Sie gehört jetzt zu den Vertrauten des Schlangengottes. Daran solltest du immer denken. Und beachte auch, daß du Vorsicht üben sollst, wenn wir zu jener Insel gelangen, auf der sich die Black Queen und ihre Piraten befinden. Noch nie hat der Schlangengott eine Warnung ausgesprochen, die sich als unbegründet erwies.“ Tatona zog Araua mit sich fort, und SiriTong blickte den beiden entgegen. Sie zog Araua zu sich heran. „Ich war sehr grob zu dir, Araua. Aber es gibt noch so vieles, was du lernen mußt, Du bleibst an Bord, von ‚Roter Drache', gleich, was geschieht, hörst du?“ Araua nickte, und vieles ging ihr in diesem Moment durch den Kopf.
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„Roter Drache“ nahm wieder Fahrt auf aber jeder an Bord war sich im klaren darüber, daß ihnen allen noch ein schwerer Kampf bevorstand. Sie hatten über die Black Queen und diesen Caligula genug auf Tortuga gehört, um sich in dieser Hinsicht keinerlei Illusionen zu machen. Dennoch brannten alle darauf, es der Black Queen zu besorgen, aber gründlich. Sie hatten schließlich schon gegen manchen gekämpft, der es auf ihre Schlangeninsel abgesehen hatte. Bisher waren jedoch noch alle gescheitert. 6. Caligula hatte das alles von seinem Boot aus beobachtet. Zwar keine Einzelheiten, aber immerhin hatte er erkennen können, daß die Schlangenkriegerinnen an Bord des Viermasters geentert waren. Danach war er so rasch wie möglich davongesegelt. Er stieß manchen erbitterten Fluch aus, während er, so schnell es der Wind erlaubte, wieder Kurs auf jene Insel nahm, auf der die Black Queen auf ihn wartete. Er segelte einen anderen Kurs als zuvor, dazu zwang ihn der Wind, denn sein Auslegerboot lief zwar vor dem Wind hervorragend, aber das Mattensegel war keineswegs dazu geeignet, mit dem Boot hoch an den Wind zu gehen. Caligula war aber ein ausgezeichneter Seemann, und er wurde mit diesem Problem fertig, indem er den sich mit Sonnenaufgang langsam drehenden Wind benutzte, um dann einige Stunden später, weit vom Roten Segler entfernt, wieder geradewegs auf die Caicos-Insel zuzusegeln, in deren Bucht schon bald der Teufel los sein würde. Wieder verfinsterten sich Caligulas Züge denn diesen verfluchten Viermaster, den hatte er erkannt, obwohl er diesem Schiff in seinem Leben noch nie begegnet war. Der gehörte Siri-Tong, der Roten Korsarin. Jedermann in der Karibik wußte das, und jedermann hatte höllischen Respekt vor ihr und dieser Galeone mit den blutroten Segeln. Bei Caligula kam auch noch hinzu, daß sie es gewesen war, die seinen Vater
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während der Schlacht in der Windward Passage getötet hatte, im Kampf Mann gegen Mann … Mann gegen Mann! Caligula lachte bitter auf. Das war es ja eben! Er begriff nach all den Jahren noch nicht, wieso es dieser Frau gelungen sein konnte, seinen Vater zu überwinden. Denn Caligu, der Pirat und Herrscher über Tortuga und die gesamte Karibik, war ein Kämpfer gewesen, wie er keinen zweiten kannte. Und doch hatten ihn der Seewolf, der Wikinger und diese Rote Korsarin gejagt und geschlagen. Geschlagen? Nein, vernichtet hatten sie Caligu. Seine ganze Flotte in dieser einen, entsetzlichen Schlacht vernichtet und in alle Winde verstreut. In jener Schlacht, über die man auch heute noch immer wieder an den Lagerfeuern der Karibik sprach. Und dann dieser verrückte Wikinger mit seinem Helm, seinen Fellen, seinem unheimlichen Schwarzen Segler! Er war vor aller Augen mit seinem ganzen damaligen Schiff, einer riesigen Galeone, in die Luft geflogen, während jener Schlacht. Wieso lebte dieser Kerl denn noch, wieso war er wieder da? Fragen über Fragen - und Caligula wußte sie sich nicht zu beantworten. Aber er verspürte plötzlich so ein Gefühl in der Magengrube, das ihn warnte, sich mit diesen Gegnern anzulegen. Denn indem nun auch noch die Rote Korsarin eingriff, stand für Caligula fest, daß auch diese rätselhaften Araukaner zu den Bewohnern dieser geheimnisvollen Insel gehörten. Die Piraten erzählten auf Tortuga, daß dieser dreimal verfluchte Seewolf, der noch schlimmer sein sollte als alle übrigen zusammengenommen, die Insel nur durch einen Pakt mit dem Teufel bekommen habe. Das sei auch der Grund, warum ihn niemand je hatte besiegen können. Caligu nicht, die Spanier nicht, Don Bosco nicht, der ihn schon in Ketten gelegt hatte und bis ins Innere der Insel vorgedrungen sein sollte. Auch sonst keinem von all denen, die es versucht hatten, war das geglückt. Wieder fluchte Caligula vor sich hin, aber dann begann er nachzudenken. Dabei kam er zu einem Ergebnis, das sich für die Rote
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Korsarin und alle, die sich an Bord ihres Schiffes befanden, noch höchst bedrohlich auswirken sollte. Ja - so würde es klappen! Diesmal sollte die Rote Korsarin dran glauben und dann die Schlangeninsel. Hatte man sie erst erledigt, war man schon mal einen verdammt gefährlichen Feind los. Vom Seewolf aber wußte man in der Karibik, daß er sie verlassen hatte, und es war ungewiß, wann er wieder zurückkehren werde. Die Zeit bis dahin jedoch - die mußte man nutzen. Caligula grinste plötzlich, dann feuerte er seine Männer an. Trotz des Segels griffen sie zu den Paddeln und beschleunigten die Fahrt des Auslegerbootes noch, dem seine pechschwarze Farbe hervorragende Dienste erwiesen hatte. Denn es war von Bord des Viermasters der Roten Korsarin so wenig bemerkt worden, wie es Tatona und ihre Schlangenkriegerinnen bemerkt hatten. * Caligula erreichte die Bucht, in der die Black Queen schon unruhig auf ihn wartete, gegen Mittag. Er verlor keine Zeit, sondern eilte sofort zu ihr. Auch sie stieß erbitterte Verwünschungen aus, als sie hörte, wer sich da im Anmarsch auf die Insel befand. Nicht, daß sie sich vor der Roten Korsarin fürchtete, aber sie war eine gerissene und äußerst gefährliche Gegnerin, das war der Queen sofort klar. Nein, leichtes Spiel würden sie mit dieser Siri-Tong nicht haben. Und wehe ihr, wenn sie gar unterlag... Die Black Queen dachte diesen Gedanken gar nicht erst zu Ende. Außerdem ließ ihr Caligula auch gar keine Zeit dazu. „Wir locken sie in eine Falle. Ist ihr Viermaster erst zum Teufel, dann haben wir sie. Und er wird zum Teufel segeln, mit vollem Press, das verspreche ich dir!“ „Wie willst du das anstellen, Caligula? Gut, meine Galeone ist nicht schwächer als die von dieser gelbhäutigen Schlange. Aber hast du denn nie davon gehört, daß
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sie Feuer vom Himmel regnen lassen kann, das niemand zu löschen vermag?“ Caligula nickte. „Doch, das habe ich vernommen, Queen. Aber auch wenn ich nicht recht daran glauben mag, wir müssen uns auf so etwas einstellen. Und deshalb werden wir gar nicht erst von Schiff zu Schiff mit ihr kämpfen, sondern sie ganz anders vernichten. Auf eine Art, bei der wir händereibend zuschauen können, bevor wir dann über sie und über die, die danach noch leben, herfallen!“ Die Queen sah ihren Unterführer an. „Was führst du im Schilde, Caligula? Wenn du so sprichst, dann weißt du auch schon, wie du's anstellen willst! Raus damit, und wenn wir diese Rote Korsarin in unsere Gewalt bringen, dann verspreche ich dir eine. Nacht, wie du sie noch nie in deinem Leben erlebt hast. Mein Wort darauf !“ Caligula grinste. Seine großen Hände fuhren über die Brüste der Black Queen, aber sie bremste ihn. „Wenn wir die Rote Korsarin haben, sagte ich“, wehrte sie ihn ab, aber ihr Gesicht strafte sie Lügen. Doch Caligula ging auf ihr Spiel ein. „Gut, unser Handel gilt. Und nun hör mir gut zu, Queen!“ Er beugte sich vor und begann zu sprechen. „Diese Arkana, diese Hohepriesterin der Araukaner, verbringen wir auf dein Schiff. Mit ihr eine Anzahl ihrer Kriegerinnen. Der Rest bleibt hier. Sie werden gut sichtbar für jedermann an die Palmen gebunden. Sie werden aussehen, als hätten wir sie umgebracht. Ich werde das arrangieren. Sie werden die Lockvögel sein, dem diese verfluchte Rote Korsarin auf den Leim geht. Denn sie wird die Kriegerinnen sehen. Sie wird vor lauter Zorn irgendwo dort vorne, in der Nähe des Wracks, ankern, denn auch das wird sie sehen. Ich werde dafür sorgen, daß es sie interessiert, trotzdem sie weiß, was geschehen ist.“ Die Queen rückte näher an ihn heran.
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„Und wie willst du das anstellen, Caligula?“ fragte sie. „Sie wird denken, wir hätten einige der Schlangenkriegerinnen dort an den Rahen hochgezogen, so jedenfalls wird das aussehen. Es wirklich zu tun, das rate ich dir allerdings nicht“, fügte er hinzu nach einem scheuen Blick auf Arkana, die weiter oben immer noch gefesselt am Stamm ihrer Palme hing. Die Black Queen gab ihm recht. „Und weiter, was weiter, Caligula?“ „Du kennst diese Wildkatze nicht so gut wie ich, Queen. Ich habe mich mit ihr beschäftigt, denn sie hat meinen Vater zur Hölle geschickt. Mich hat immer interessiert, wie sie das nur fertigkriegen konnte.“ Caligulas Züge hatten sich verdüstert. „Also“, fuhr er fort, „sie wird nicht so dumm sein, in die Bucht einzusegeln, bevor sie nicht das Gelände erkundet hat. Wahrscheinlich wird sie selbst diesen Spähtrupp führen oder aber einen ihrer besten Männer dafür auswählen. Wenn die Luft rein ist, wird man ihr das signalisieren, und deshalb, um von uns nicht zu früh bemerkt zu werden, wird sie auch erst im Laufe der Nacht eintreffen. Schon deshalb, weil wir dann alle bereits besoffen am Feuer liegen, denn wir können trotz der Flucht der Schlangenkriegerinnen mit einer derartigen Überraschung ja gar nicht rechnen.“ „Weiter, Caligula, weiter!“ Aber Caligula ließ sich nicht bitten, er war jetzt gerade richtig in Fahrt. „Du, Queen, verschwindest mit deinem Dreimaster aus der Bucht. Du legst dich hinter der Insel auf die Lauer. Dadurch, daß diese Wildkatze die Schlangenkriegerinnen als Führer und Lotsen an Bord hat, wird sie auch nicht erst um die Insel herum- segeln, um sie abzusuchen. Sie wird nicht auf dich stoßen. Außerdem kannst du auch auf See draußen warten, bis es soweit ist. Aber leg dich so, daß du günstigen Wind in den Segeln hast und rasch hier sein kannst.“ „Gemacht, Caligula. Aber du, was ist mit dir?“
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„Ich werde hier bleiben, mit dem schwarzen Auslegerboot und ein paar zuverlässigen Männern. Diese Siri-Tong wird nicht einmal ahnen, daß wir hier sind. Sie wird annehmen, wir seien längst abgesegelt. Aber sie mußte sich um die Schlangenkriegerinnen kümmern. Sie muß, ehe sie uns wut- und racheschnaubend nach Tortuga folgt, um uns dort zu erwischen. Denn sie wird vermuten, daß wir dorthin gesegelt sind. Tollkühn genug ist sie dazu. Nur - sie wird das gar nicht mehr können. Ohne Schiff ist Tortuga wohl doch ein bißchen zu weit entfernt. Ich kann mir nicht denken, daß sie auch noch eine so gute und ausdauernde Schwimmerin ist, von den Haien mal ganz abgesehen, die sich einen solchen Leckerbissen, ein so appetitliches Weibstück gewiß nicht entgehen lassen werden ...“ Caligula lachte leise in sich hinein, und wahrhaftig, er rieb sich im Vorgeschmack dessen, was sich in dieser Bucht ereignen würde, schon die Hände. „Und nun hör zu, Queen, denn jetzt kommt das, was uns die Rote Korsarin ans Messer liefern wird. Sie wird diese Falle weder ahnen noch ihr ausweichen können ...“ Caligula beugte sich ganz dicht zur Black Queen hinüber und begann zu flüstern. Erst stutzte die Queen, dann aber sprang sie plötzlich auf. Lange sah sie ihren Unterführer an. Dann sagte sie: „Ich möchte dich nicht zum Feind haben, Caligula. Bei allen Teufeln der Hölle, du bist gefährlicher als alle, die ich kenne! Man sollte vor dir auf der Hut sein, Caligula!“ Wieder lachte Caligula leise in sich hinein. „Du wirst mich nie zum Feind haben, Queen. Nie - wir beide, du und ich, wir werden die Herrscher der Karibik sein. Und diese Schlangeninsel unsere Festung ...“ Die Black Queen starrte ihn noch immer an. Ihre Augen glitzerten, und es war nicht der Schein der flackern. den Feuer, der sie glitzern ließ. „Auf diesen teuflischen Plan wäre nicht einmal ich verfallen“, sagte sie dann. Dann
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trat sie auf Caligula zu. Langsam, Schritt für Schritt. Dicht vor ihm blieb sie stehen und küßte ihn. Lange und leidenschaftlich. „Ich glaube, du wirst jene Nacht, die ich dir vorhin versprach, kriegen. Komm, auch heute werde ich dich umarmen, aber das wird nur ein Vorgeschmack dessen sein, was dich erwartet, wenn du uns diese Rote Korsarin ans Messer lieferst!“ Sie zog Caligula mit sich fort. Gemeinsam schwammen sie zur in der Bucht ankernden Galeone hinüber. Später, als die Sonne schon im Westen stand, begann Caligula mit seinen Vorbereitungen. Wieder lachte er in sich hinein, denn er hatte recht behalten: Von der Roten Korsarin und ihrem Viermaster mit dem gewaltigen Drachen auf dem Großsegel war weit und breit nichts zu sehen. Und doch mußte sie ganz in der Nähe sein, und sie würde dort irgendwo auf die hereinbrechende Dunkelheit lauern. Aber sie sollte eine Überraschung erleben, und diesmal würde es auch für sie kein Entkommen mehr geben... * Caligula behielt recht. Siri-Tong verhielt sich fast so, wie er es vorausgesagt hatte. Mit ihrem Viermaster hatte sie eine Bucht auf North Caicos angelaufen. Dort ließ sie den Anker werfen, und dann ging sie mit Barba und einer weiteren Gruppe von Männern daran, die Vorbereitungen für die Nacht zu treffen. Aber es hatte durchaus Probleme gegeben. Das Boot, das den Spähtrupp an Land setzen sollte, mußte vor „Roter Drache“ auf jener Insel landen, die noch von den Piraten der Black Queen beherrscht wurde. Trotzdem durfte der Viermaster nicht viel später zur Stelle sein. Siri-Tong beschloß daher, das Boot erst in der Nähe der Insel auszusetzen und „Roter Drache“ dann durch Lichtsignale von der Insel zu verständigen, daß er in die Bucht einlaufen konnte, daß die Luft rein sei. Das Wetter kam der Roten Korsarin am späten Nachmittag entgegen. Der Himmel bezog sich, Wolken kamen auf. Das war
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eines der Hauptprobleme gewesen, denn bei hellem Mondschein war ein Schiff von der Größe ihres Viermasters meilenweit auszumachen. Weiter draußen durfte ihr Schiff jedoch auch nicht bleiben, denn sonst würde es zu unsicher sein, ob die Lichtsignale von der Insel auch wirklich gesehen werden konnten. Sie zu beantworten, schloß sich von selber aus, denn die Schiffslaterne, mit der sie von der Insel gegeben wurden, mußte an ihrer Rückseite sowieso geschwärzt sein, sollte sie nicht von vornherein zum Verräter werden. Denn daß auch die Piraten der Black Queen Wachen ausgestellt haben würden, war völlig klar. So verging der Nachmittag, und die Abenddämmerung fiel ein. Die Arbeiten waren abgeschlossen. Jedermann an Bord wartete nur noch voller Ungeduld darauf, daß Siri-Tong den Anker lichten und die Segel wieder setzen ließ. In den Männern, in den fünf Schlangenkriegerinnen, in Araua und auch in Siri-Tong brodelte der Zorn über diesen dreisten Überfall der Black Queen, der sich gegen Schiffbrüchige gerichtet hatte, die ohnehin nur knapp dem Tode entronnen waren. Die Rote Korsarin hatte sich geschworen, der Black Queen diese Gemeinheit heimzuzahlen, und zwar gründlich. Einmal hatte sie allerdings das Gefühl, daß die grünen Augen des Schlangengottes sie anstarrten. Das war, als sie sich für ein paar Stunden in ihre Kammer zurückgezogen hatte, um noch ein wenig zu ruhen, denn die Nacht würde ihr alle Kräfte abverlangen. Sie vernahm im Unterbewußtsein noch mal seine Warnung vor der Falle, die auf sie alle lauerte - aber dann versanken die warnenden Bilder wieder in der Tiefe ihres Schlafes. Beim Erwachen dachte Siri-Tong noch einmal an diese Warnung. Sie blieb auf dem Achterdeck stehen. „Wir werden vorsichtig sein, alles ist besprochen. Wir werden nicht blind in eine Falle tappen - es ist ja nicht das erstemal, daß ich gegen Gesindel wie diese Black
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Queen zu kämpfen habe. Sei also ohne Sorge, Schlangengott ...“, murmelte sie. Der Wind stand günstig für den Viermaster. Am Firmament waren die Sterne erloschen, auch der Mond verbarg sich hinter dichten Wolken. Es regnete jedoch nicht. „Anker auf, setzt Segel!“ kommandierte die Rote Korsarin, und alle an Bord atmeten auf. Die Stunde der Entscheidung war angebrochen, dieses verfluchte Warten endlich vorüber Der Viermaster verließ die Bucht. Der Wind füllte seine blutroten Segel, die aber in der Nacht nur wie riesige, dunkle Schwingen durch die Nacht glitten. Auch der mächtige Drache auf dem Großsegel schien noch faul zu schlafen. Nur einmal, als der Wind plötzlich schralte, bewegte er sich träge. Barba blieb an Deck stehen. Er starrte zu dem Drachen empor. „O Lord“, murmelte er. „Huan Chan ist übler Laune. Ein böses Omen für uns alle ...“ Aber er behielt seine Weisheit für sich, denn er wußte nur zu gut, wie die Rote Korsarin darauf reagiert hätte. Der Mond hatte den Zenit noch nicht überschritten, er verbarg sich nach wie vor hinter dicken Wolken und hatte nur ein paarmal durch Wolkenlöcher auf den Viermaster herabgeblinzelt, da erreichte der Viermaster die von Siri-Tong festgelegte Position. Sofort enterten die Männer auf und bargen den größten Teil der Segel. Langsam würde der Viermaster sich der Insel nähern, denn die Meeresströmung lief im Bogen an ihrer südlichsten Spitze vorbei. Das war günstiger, als die Rote Korsarin erwarten konnte, und sie nahm das als gutes Omen. „Boot abfieren!“ befahl sie verhalten. Dann trat sie auf Mister Boyd, ihren Ersten Offizier zu. „Sie warten auf jeden Fall unser Lichtzeichen ab. Lassen sie alle Marse doppelt besetzen, Mister Boyd. Sollte etwas Unvorgesehenes geschehen, oder wenn Sie von Land Schüsse hören sollten, dann handeln Sie wie besprochen. Ohne Rücksicht auf mich oder
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irgendjemand anderen. Ist das klar, Mister Boyd?“ „Aye, Madam“, erwiderte der drahtige Engländer. „Sie können sich auf uns alle verlassen.“ „Danke, Mister Boyd.“ Sir-Tong zog Araua nochmal an sich heran. „Du weißt, welche Aufgabe ich dir zugeteilt habe, Araua. Ich hoffe, du wirst Glück genug haben, um sie zu lösen.“ Gleich darauf enterte die Rote Korsarin ab. Es gab nichts mehr zu sagen. Außer Barba begleiteten sie acht Mann ihrer Besatzung. Alle bestens für den bevorstehenden Einsatz ausgerüstet. Musketen und ähnliche Waffen verboten sich von selbst. Wurde gekämpft, dann mußte es lautlos geschehen. Außerdem enterten auch noch die fünf Schlangenkriegerinnen ins Boot ab. Sie würden die Führung des kleinen Trupps auf der Insel übernehmen, denn sie kannten sich dort aus. Das Boot stieß ab. Die Männer legten sich in die umwickelten Riemen, die Ray Chiswell, der Schiffszimmermann außerdem noch sorgfältig gefettet hatte. Auf diese Weise ver- ursachten sie nicht das geringste Geräusch. 7. Barba hatte sich im Bug des Bootes postiert. Mit Argusaugen suchte er die See vor dem Boot ab. Dann, als sich die dunkle Silhouette der Insel aus der Dunkelheit hervorzuheben begann, aber so schwach, daß gerade er es sehen konnte, wandte er sich um. „Wir sollten jetzt mehr Backbord halten, Madam. Und langsam, langsam Männer, damit unser Boot keine Spur in der See zieht. Wenn man auf einem Berg steht und die See beobachtet, sieht man sehr viel, Männer, denkt daran.“ Die im Takt hin und her schwingenden Oberkörper der Männer an den Riemen verlangsamten ihr Tempo. Daß sie dennoch den wachsamen Augen Caligulas nicht entgingen, ahnten sie nicht. Denn Caligula hatte genau das getan, wovor
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Barba die Männer eben gewarnt hatte. Er hockte auf einem der Felsen und beobachtete unablässig die See. Er erspähte das sich langsam nähernde Boot, als die Wolkendecke für einen einzigen Augenblick aufriß und das Mondlicht über die unablässig heranrollenden Wogen der See huschte. „Achtung - sie sind da!“ flüsterte er, obwohl ihn niemand weit und breit hätte hören können außer den Männern, die .hinter ihm auf dem Felsen kauerten. „Verhaltet euch ruhig, und bleibt wo ihr seid. Du, Juan, läufst jetzt runter zum Strand und entzündest das Feuer am Strand. Achte aber darauf, daß es die Schlangenkriegerinnen gut beleuchtet. Dann gehst du zu den Kriegerinnen hinauf. Falls eine bei Bewußtsein ist, gibst du ihr eins über den Schädel. Aber töte sie nicht, wir brauchen sie noch, alle. Und wenn du Hund auch nur eine von ihnen anfaßt, dann bringe ich dich um. Ich habe keine Lust, mir diese Arkana auf den Hals zu hetzen. Sie nicht, und ihren verdammten Schlangengott auch nicht. Kapiert? Oder, beim Satan in der Hölle, ich schlitze dich auf, merk dir das!“ Juan nickte, und die nackte Angst stand in seinen Augen. Er war von allen Männern der Queen derjenige, der am stärksten unter seiner Furcht vor Geistern und Meermännern und anderen Ungeheuern zu leiden hatte. Aber gerade deswegen hatte Caligula ihn dafür ausgesucht. Er wußte, daß Juan nichts riskieren würde. Der Mulatte verschwand. Caligula verhielt sich wieder still. Er beobachtete, wie das Boot näher und näher an die Insel heranglitt. Als Schatten war es gerade noch zu erkennen. Aber noch einmal war der Mond sein Bundesgenosse, denn wieder schickte er seine bleichen Strahlen durch ein Loch in der Wolkendecke. Unglücklicherweise trafen sie die Rote Korsarin und ihre Mannen voll, so daß Caligula sie für einen Moment alle deutlich sehen und auch zählen konnte. Er grinste befriedigt. „Wir könnten sie doch gleich jetzt erledigen, Caligula“, hörte er einen seiner
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Männer sagen. Gedankenschnell fuhr Caligula herum und packte den Mann. „Du hast genau das zu tun, was wir besprochen haben. Wir wollen sie alle samt diesem verdammten Viermaster. Oder glaubst du Rindvieh, ich habe den ganzen Nachmittag wie ein Wilder geschuftet, daß mir so ein Dummkopf wie du jetzt alles verdirbt?“ Caligula ließ den Mann los, der sofort in sich zusammenkroch. Er kannte Caligula genau, und er wußte auch, wie gewalttätig der werden konnte, wenn man nicht genau tat, was er befahl. „Ja, ist in Ordnung, Caligula. ich meinte ja nur ...“ „Beim Satan, halt jetzt dein verdammtes Maul, oder ich stopfe es dir“, erwiderte Caligula. Danach rührte sich eine ganze Weile auf dem Felsen gar nichts mehr. Die Männer Caligulas verschmolzen mit ihrer Umgebung wie er selbst. Unterdessen hatte die Rote Korsarin das Boot unter der dichten Ufervegetation verborgen. Zwei Mann ließ sie als Wache zurück, schärfte ihnen aber ein, keinen Laut von sich zu geben und sich nicht von der Stelle zu rühren. Dann verschwand sie mit den restlichen sechs Rudergasten, mit Barba und den fünf Schlangenkriegerinnen. Aber so einfach, wie sie sich das erhofft hatte, wurde die Sache nicht. Sie hatten eine Reihe von Felsen zu überwinden, ehe sie einen Blick auf die Bucht werfen konnten. Und als ob der Satan seine Hand im Spiel hatte, riß in diesem Moment die Wolkendecke auf, und der Mond warf sein fahles Licht über die Bucht. Siri-Tong und ihre Begleiterinnen blieben wie angewurzelt stehen - denn unten am Strand erblickten sie ein noch loderndes, aber doch schon weit heruntergebranntes Feuer, das sein Licht auf eine Reihe von Schlangenkriegerinnen warf, die allesamt in merkwürdig schlaffer oder auch verrenkter Haltung an den Stämmen von Palmen hingen. Der Sand zu ihren Füßen war dunkel von ihrem Blut, jedenfalls sah das für die Rote Korsarin so aus.
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Tatona, die neben ihr stand, knirschte hörbar mit den Zähnen. „Sie haben sie ermordet, bevor sie die Bucht verließen!“ stieß sie hervor. „Aber das sind nicht alle, Siri-Tong. Arkana fehlt. Auch andere fehlen! Rasch, wir müssen ...“ „Warte, Tatona, warte!“ Siri Tong hielt die Unterführerin Arkanas mit hartem Griff zurück. „Wenn sie tot sind, hilft keine Eile mehr, Tatona. Wir müssen erst sicher wissen, ob die Piraten wirklich die Bucht verlassen haben, oder ob das eine Falle ist. Vielleicht versuchen sie uns zu täuschen!“ Tatona bezwang sich mühsam, aber die Rote Korsarin hatte recht. Sie hielt auch die anderen vier Schlangenkriegerinnen davon ab, loszustürmen. „Barba - siehst du irgendwo ihre Galeone?“ fragte Siri-Tong ihren hünenhaften Ersten Steuermann. Es dauerte eine Weile, ehe er antwortete. „Nein, Madam, in der Bucht ist sie nicht. Das ist sicher. Aber das allein würde nichts bedeuten, denn man kann leicht vortäuschen, abgesegelt zu sein, und in Wirklichkeit lauert man irgendwo. Nein, das würde mich nicht so sicher machen. Diese Black Queen ist nach allem, was wir inzwischen von ihr wissen, eine gefährliche Gegnerin, der jeder Trick zuzutrauen ist. Aber da ist doch dieses Feuer, Madam. Die- Äste - sie liegen schon lange im Feuer, und auch die Spuren um das Feuer zeigen deutlich, daß es schon vor Stunden verlassen worden sein muß. Kurz nachdem man die Kriegerinnen Arkanas getötet hat.“ Siri-Tong überlegte einen Moment. Was sie zu tun beabsichtigte, war gefährlich. Aber eine andere Möglichkeit und einen besseren Schutz für sie alle gab es nicht. Außerdem führte ihr Viermaster für den Notfall auch noch jene Brandsätze an Bord mit sich, gegen deren Feuer nichts, aber auch gar nichts mehr half, wenn die Brandsätze ein Schiff getroffen hatten. „Barba, gib ,Roter Drache' das verabredete Zeichen. Wir werden hier auf dich warten ...“ Sie packte Tatona wieder energisch am Arm, als diese aufbegehren wollte, und
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wieder fügte sich die Unterführerin der Roten Korsarin. Barba verschwand. Er nahm die präparierte Schiffslaterne mit sich. Auf einer Felsenkuppe, von der aus er die See übersehen konnte, entzündete er die Laterne, dann gab er das vereinbarte Signal. Er wiederholte es zur Vorsicht dreimal. Er konnte nicht ahnen, daß Caligula und seine Männer ihn von ihrer Felsenkuppe dabei beobachten konnten. „Wie ich es mir gedacht habe. Es wird nicht lange dauern, dann wird dieser dreimal verdammte Viermaster der Roten Korsarin in die Bucht einlaufen. Dann ist unsere Stunde gekommen. Wir warten, bis dieser Kerl dort verschwunden ist, dann rasch zur Bucht hinunter!“ Caligula flüsterte nur, und seine Männer verhielten sich so still, als gäbe es sie gar nicht. Barba kehrte zu Siri-Tong zurück und nickte ihr zu. „Zum Strand hinab!“ befahl die Rote Korsarin gleich darauf, und der kleine Trupp von Männern und Frauen setzte sich in Bewegung. * Auf „Roter Drache“ hatte man das Signal gesehen. Araua war in den Großtopp geentert. Sie erblickte die hin und her schwingende Lampe, die außerdem noch in kurzen Intervallen mit der Hand immer wieder abgedeckt wurde, zuerst. Wie der Blitz sauste sie wieder aufs Hauptdeck hinab, und gleich darauf waren die Männer dabei, die Segel zu setzen. „Roter Drache“ nahm Kurs auf die Insel. Der immer noch kräftig wehende Wind trieb ihn rasch auf die Insel zu. Unterdessen ereigneten sich mehrere Dinge zugleich. Siri-Tong erreichte den Strand mit ihrem Trupp. Aus der Nähe sahen die an den Stämmen hängenden Schlangenkriegerinnen noch fürchterlicher aus als von den Felsen. Die fünf Schlangenkriegerinnen ließen alle Vorsicht
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außer acht - sie rannten auf ihre Gefährtinnen zu, so schnell sie ihre Füße trugen. Siri-Tong und die anderen folgten ihnen. „Barba, mehr Holz in das Feuer, wir brauchen mehr Licht!“ rief sie dem Hünen zu, der nicht von ihrer Seite gewichen war. Barba nickte nur, dann bog er zum Strand hinunter ab. Er fand genügend Holz, und er warf soviel davon hinein, daß die Flammen hoch aufloderten. Dabei sah er aus den Augenwinkeln, wie Tatona plötzlich mitten in ihrer Bewegung erstarrte - und den anderen Schlangenkriegerinnen erging es ebenso. Irgendetwas stimmte dort nicht - das spürte er sofort. Unterdessen hatte Caligula den Strand ebenfalls erreicht. „Los, Chico“, sagte er. „Zum Wrack. Nimm dir zwei Männer mit, zieht sie hoch. Und dann runter vom Wrack, oder euch holt der Teufel. Alle anderen zum Boot, aber laßt euch nicht sehen. Wer mir jetzt den Spaß noch vermasselt, den bringe ich um!“ Der mit Chico Angeredete, ein braunhäutiger, kleiner und wieselflinker Bursche, schnappte sich zwei seiner Spießgesellen, dann flitzte er los. Caligula hockte sich unterdessen hinter einen der Felsen, von dem aus er das Wrack der „Mocha II.“ gut im Auge hatte, und legte einen großen Bogen mit einem Köcher voller Pfeile neben sich. Ein Bogen, wie ihn Batuti oder Big Old Shane von der „Isabella IX.“ benutzten. Dann wartete er. Als die Flammen des Feuers hoch aufloderten, grinste er nur. Alles lief genau nach Plan. Jetzt fehlte nur noch dieser verdammte Viermaster der Roten Korsarin. Er hatte das kaum zu Ende gedacht, da schob sich auch schon die Silhouette der großen Galeone durch die Einfahrt der Bucht. Caligula hielt den Atem an. Er warf einen Blick zum Wrack der Araukaner-Galeone hinüber, und wieder grinste er. Denn dort hingen jetzt fein säuberlich nebeneinander an der Gaffelrute des Besans die leicht im nächtlichen Wind hin und her pendelnden
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Körper von vier Schlangenkriegerinnen. Im Schein des riesigen Feuers, das Barba am Strand entfacht hatte und dessen Flammen er durch immer neues Holz noch höher schürte, erkannte man sie auf Anhieb. Es war ein makabrer, ein geradezu unheimlicher Anblick, der seine Wirkung ganz gewiß nicht verfehlen würde. Daß es sich bei den Gehenkten um Puppen handelte, die Caligula täuschend echt angefertigt hatte, das konnte man bei dem herrschenden Licht nicht erkennen. Weder das Feuer noch der Mond reichten dazu aus. Caligula mußte ein dröhnendes Gelächter gewaltsam unterdrücken, als er jetzt die Reaktion Siri-Tongs und ihrer Gefährten weiter unten am Strand bemerkte. Die Verwirrung, die dort herrschte, war offenbar gar nicht mehr zu überbieten. Der Viermaster glitt heran. Caligula hörte das schwache Rauschen seiner Bugwelle und dann änderte das große Schiff plötzlich seinen Kurs und lief auf das Wrack der „Mocha“ zu. Noch immer wartete Caligula. Er war jetzt eiskalt. Dann, als er den schweren Anker ins Wasser klatschen hörte, war es soweit. Caligula griff in den Köcher und entnahm ihm einige der Pfeile. Rasch und geübt schlug er mit seinem Flintstein Funken und setzte den schon bereitliegenden Zunder in Brand. Dann hielt er einen der Pfeile über die Flammen, und die mit Pech präparierte Spitze, die zudem noch in Schießpulver gewälzt worden war, entzündete sich mit leisem Puffen. Gleich darauf beschrieb der Pfeil seine feurige Bahn durch die Nacht. Ihm folgte ein zweiter und ein dritter - und dann tauchte Caligula schleunigst in die Deckung der dicken Felsen, zwischen denen er hockte... * Mr. Boyd und Araua befanden sich auf dem Achterdeck von „Roter Drache“, als der Viermaster in die Bucht einlief. Araua war unruhig. Sie spürte, daß von irgendwoher Gefahr drohte. Doch so sehr sie ihre Sinne auch anspannte, sie
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vermochte nicht zu erfassen, wo die Gefahr auf sie lauerte. Sie dachte an die Warnung des Schlangengottes - aber Siri-Tong hatte signalisieren lassen, also mußten sie in die Bucht einlaufen. „Roter Drache“ umrundete die Felsnase, die in die Einfahrt der Bucht hineinragte, und dann erblickten sie das Feuer am Strand. Sie sahen auch Siri-Tong und Barba, der Holz in. das Feuer warf, so daß die Flammen hoch in die Nacht aufstiegen und ein dichter Regen von Funken emporstieg, wenn eines der dicken Holzstücke krachend in der Hitze der Flammen platzte. „Mister Boyd - da sehen Sie ...“, Araua deutete außer sich auf die Schlangenkriegerinnen, die an den Stämmen der Palmen hingen. Sie beobachtete, wie Tatona, Siri-Tong und auch die anderen vier Schlangenkriegerinnen von einer zur anderen rannten, ratlos, betroffen, wie sie ihre Ohren an die Körper der Kriegerinnen legten und dann hastig begannen, sie loszuschneiden. Araua spürte die Schauer, die ihr über den jungen Körper rannen - denn ob sich auch ihre Mutter unter jenen dort an den Palmenstränden befand, das vermochte sie von Bord des Viermasters aus nicht zu erkennen. Das Wrack der „Mocha“ kam in Sicht. Es schien in den Reflexen, die die Flammen des riesigen Feuers auf dem Wasser der Bucht hervorriefen, auf den Klippen einen gespenstischen Tanz aufzuführen. Arauas Blicke irrten umher - dann erfaßten sie die vermeintlichen gehenkten Schlangenkriegerinnen, deren entseelte Körper im Wind an der Besanrute hoch über dem Achterdeck schaukelten. In diesem Moment hielt Araua nichts mehr. Keine Befehle Siri-Tongs, kein Zureden Tatonas - sie stieß einen schrillen Schrei aus und hechtete über Bord. Der Ruf Mister Boyds verhallte ungehört hinter ihr, denn Araua verschwand im Wasser der Bucht und begann sofort aus Leibeskräften zu schwimmen. Sie war eine ausgezeichnete Schwimmerin - und das
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war ihr Glück. Sie hielt auch nicht auf das zwischen den dunklen Felsen auf den Klippen liegende Wrack der „Mocha“ zu sondern sie kraulte dem Strand entgegen, so rasch sie konnte. Dorthin, wo sich SiriTong, Tatona und die anderen befanden. Als sie sich einmal umwandte, hörte sie das Klatschen, mit dem der große Anker von „Roter Drache“ ins Wasser der Bucht tauchte. Sie sah, daß Mr. Boyd den Anker in der Nähe des Wracks der „Mocha“ geworfen hatte, und sie ahnte, daß er sofort ein Kommando hinüberschicken würde. Doch dann gewahrte sie noch etwas anderes - und für einen Augenblick hielt sie mit ihren Schwimmbewegungen inne. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen, denn Araua begriff innerhalb eines Sekundenbruchteils, was jetzt geschehen würde. Es war, als ob ein sechster Sinn ihr das signalisierte. Ein glühender Pfeil schoß aus den dunklen Felsen zur Mocha hinüber. Er brannte sprühend und zog eine helle Spur durch die Nacht. Ihm folgten gedankenschnell ein zweiter und dann noch ein dritter, und alle schlugen auf dem Wrack der „Mocha“ ein. Einen Moment lang, während Araua den Atem anhielt und ihr Herz vor Schreck fast stehen bleiben wollte, geschah nichts. Es war, als hätte es diese drei Pfeile nie gegeben. Aber dann puffte auf der „Mocha“ plötzlich eine Flamme empor. Sie tauchte das Wrack in ein unheimliches Licht, und sie fraß sich blitzschnell über das Hauptdeck. „Die Falle, das ist die Falle, vor der der Schlangengott uns gewarnt hat!“ Araua schrie diese Worte in die Nacht hinaus, aber sie wußte gar nicht, daß sie das tat. Denn im nächsten Augenblick ging die Welt um sie herum in einem grellen, alles verschlingendem Blitz unter, der sich zu einem riesigen Glutball ausweitete. Dem Blitz und dem Glutball folgte ein ohrenbetäubender Donnerschlag. Araua sah, wie das Wrack der „Mocha“ auseinander flog. Die volle Wucht dieser Explosion aber traf den Viermaster SiriTongs.
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Araua schrie abermals auf, und in diesem Schrei mischten sich Zorn, Schreck und alles, was sie bisher an Angst und Sorge um ihre Mutter und um die ihr seit ihrer Kindheit vertrauten Schlangenkriegerinnen ausgestanden hatte. Araua starrte halb geblendet durch den grellen Detonationsblitz zur Galeone SiriTongs hinüber, und sie sah die Masten fallen, sie hörte die Schreie der Männer an Deck, sie erlebte das Chaos, das jetzt über die Bucht hereinbrach, aus allernächster Nähe. Dann regnete es Trümmer vom Himmel. Glühende, brennende Trümmer in allen Größen. Araua war geistesgegenwärtig. genug, sofort zu tauchen, so tief sie konnte. Und dort, in der schwarzen Tiefe verharrte sie, bis ihr die Lungen zu platzen drohten, erst dann wagte sie sich an die Oberfläche der Bucht zurück. Das Wrack der „Mocha“ war verschwunden, aber auf „Roter Drache“ loderten überall Brände. Der stolze Viermaster sah entsetzlich aus. Alle Masten waren zersplittert, nicht ein einziger hatte die Explosion der „Mocha“ überstanden. Der Rumpf wies schwere Beschädigungen auf - „Roter Drache“, der stolze Viermaster der Roten Korsarin, war innerhalb weniger Augenblicke jetzt selber zum Wrack geworden. Araua zögerte nicht. Sie durfte nicht zum Strand hinüberschwimmen. Wenn es dort überhaupt noch etwas zu helfen gab, dann waren Siri-Tong und die anderen da. Sie wurde jetzt auf „Roter Drache“ gebraucht. So schnell sie konnte, schwamm sie zurück und enterte an Bord. Sie traf auf Verletzte, aus vielen Wunden blutende Männer, deren rauchgeschwärzte Gesichter sie nicht zu erkennen vermochte. Aber diese Männer bargen andere aus den Trümmern der Rahen und Spieren, zogen sie unter dem an vielen Stellen brennenden Segeltuch hervor, zerrten sie aus dem Gewirr des einstigen stehenden und laufenden Guts. Einer, dessen Kleidung Feuer gefangen hatte, rannte halb irrsinnig vor Panik und Schmerz über das Deck.
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Araua stellte ihm ein Bein, dann packte sie ihn und warf ihn über Bord. Zischend erloschen die Flammen im Wasser der Bucht, und Araua sprang hinterher. Sie packte den Mann, und mit aller Kraft, über die sie durch das harte Training bei den Schlangenkriegerinnen der Tempelwache verfügte, rettete sie den wild um sich schlagenden Mann vor dem sicheren Tod. Es war Mister Scrutton, der Stückmeister der Roten Korsarin, und er vergaß Araua seine Rettung sein Leben lang nicht mehr. Auch wenn die Brandwunden, die später nur nach und unter der guten Pflege der Schlangenkriegerinnen verheilten, ihm zum Teil entstellten. Aber er blieb am Leben. Danach begann der zähe Kampf um das, was von „Roter Drache“ noch übrig war. Araua bewies Umsicht, und zusammen mit Mister Boy d schaffte sie es, die zum Teil arg mitgenommenen Männer so einzusetzen, daß es gelang, die Brände einzudämmen. Doch dann - Ewigkeiten schienen inzwischen vergangen - drang plötzlich vom Ufer wüstes Geschrei zu den Männern und Araua an Bord von „Roter Drache“ hinüber. Araua stürzte ans Steuerbordschanzkleid und sie mußte mit ansehen, wie die Piraten über Siri-Tong und ihre Gefährten herfielen. Ein erbitterter Kampf tobte dort, aber die Übermacht war einfach zu groß, einer nach dem anderen fiel oder mußte, in die Enge getrieben, aufgeben. Zum Schluß kämpften nur noch die Rote Korsarin und Barba wie die Berserker. * Als Siri-Tong sah, was mit „Roter Drache“ geschah, war sie für einen Moment wie gelähmt. Doch dann begriff auch sie, in welch eine teuflische Falle die Black Queen sie gelockt hatte. Dazu paßte auch, daß keine der Schlangenkriegerinnen tot war, wie es zunächst den Anschein gehabt hatte, sondern daß man sie lediglich bewußtlos geschlagen hatte, um so
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zumindest aus der Entfernung ihre Ermordung vorzutäuschen und den Gegner dazu zu verleiten, jede Vorsicht außer acht zu lassen. Das aber war dieser schwarzen Teufelin gelungen. Siri-Tong, noch wie betäubt durch den Donnerschlag und den grellen Blitz der Explosion, die die „Mocha“ zerriß, sah die Masten ihres Seglers fallen, sie hörte die wilden Schreie, die von Bord zu ihr herüberdrangen - und sie wußte, daß sie gefangen waren. Alle, ohne jede Ausnahme. Zu spät erkannte sie, daß der Schlangengott sie aus guten Grund gewarnt hatte, aber sie hatte das nicht ernst genug genommen, sieggewohnt, wie sie seit vielen Jahren war. Siri-Tong sah die Brände auf „Roter Drache“, die an vielen Stellen zugleich aufloderten - und schon wollte sie Barba Anweisungen geben, da fielen Caligula und seine Männer über sie her. Das geschah so überraschend, daß selbst die Rote Korsarin kaum noch Zeit fand, ihren Degen zu ziehen. Ein wilder Hieb Caligulas traf sie gleich zu Anfang des Kampfes, der jetzt zwischen Siri-Tong und ihren Männern und den Piraten zu toben begann. Barba packte einen der Piraten und wirbelte ihn brüllend in die Felsen, den nächsten erwischte er an den Beinen, riß ihn um und schleuderte ihn dann ebenfalls nach ein paar wilden Drehungen um die eigene Achse auf die in diesem Moment aus dem Dunkel der Felsen hervorbrechenden Piraten. Der Mann, der sich unter den gewaltigen Kräften Barbas in ein fast zwei Zentner schweres Wurfgeschoß verwandelt hatte, riß eine breite Lücke in die anrückenden Piraten, aber dann beendete Caligula den ungleichen Kampf auf seine Weise. Er sprang Siri-Tong in einem Moment, in dem sie sich ohnehin gegen zwei sie hart bedrängende Gegner zu erwehren hatte, von hinten an und riß sie zu Boden. Im nächsten Moment preßte er ihr den Lauf seiner schußbereiten Pistole gegen den Kopf.
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„Ergebt euch - oder sie stirbt!“ brüllte er. Barba fuhr herum - er sah die Rote Korsarin am Boden liegen und Caligula, der ihr die Mündung seiner Waffe ins lange, blauschwarze Haar preßte. Mit einem Wutschrei warf er sich herum, aber in diesem Augenblick erwischte ihn der Hieb mit einem Musketenkolben. Er warf den Hünen Barba auf der Stelle in den Sand, und ein anderer Schädel, als der von Barba, hätte diesem Hieb nicht standgehalten. Das entschied den ungleichen Kampf. Caligula lachte dröhnend, während seine Männer die Rote Korsarin banden und dann über Tatona und die anderen Schlangenkriegerinnen herfielen, um auch ihnen Fesseln anzulegen. „Die Black Queen wird sich freuen dich zu sehen, Rote Korsarin“, sagte Caligula, „sieh mich genau an - erinnere ich dich nicht an jemand, den du gut gekannt hast? So gut, daß du vor aller Augen an Bord von deinem Roten Segler mit ihm geschlafen hast, bevor er dich auspeitschen ließ im Hafen von Tortuga? He, rede, oder ich löse dir die Zunge!“ Siri-Tong schloß die Augen. Blitzartig überfiel sie die entsetzliche Erinnerung an die größte Erniedrigung, die ihr je ein Mann in ihrem Leben angetan hatte. Die Erinnerung daran, daß der Pirat Caligu sie heimtückisch auf ihrem Schiff überfallen, sie vor aller Augen vergewaltigt und sie dann nackt und geschändet, wie sie war, auch noch hatte auspeitschen zu lassen. Sie war einfach nicht imstande, diesen Kerl anzusehen, der sie so schlimm an Caligu erinnerte. Aber sie zwang sich, die Augen wieder zu öffnen. Ein Blick voller Haß traf Caligula, und unwillkürlich wich er einen Schritt zurück. „Caligu!“ stieß Siri-Tong hervor und bäumte sich in ihren Fesseln auf. „Du hast es gewagt, mich an diesen Hundesohn zu erinnern. Damit hast du dein Todesurteil gesprochen. Du wirst sterben von meiner Hand, genauso wie Caligu gestorben ist!“ Die Rote Korsarin spuckte vor ihm aus. „Caligu, Caligula - du könntest ein Sohn
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sein von ihm. Schon das bedeutet den Tod, denn wer seinen Namen trägt, der hat sein Leben bei mir verwirkt.” Die Rote Korsarin wandte sich ab - sie wollte es tun, aber in diesem Moment brach abermals die Hölle in der Bucht los. Ein großer Dreimaster segelte in die Bucht ein. Düster wie der Tod, und seine Geschützpforten waren geöffnet. Ohne jede Warnung feuerte er eine Breitseite auf den vor Anker liegenden Viermaster der Roten Korsarin ab. Die Breitseite lag aus der kurzen Entfernung voll im Ziel, und sie hatte eine verheerende Wirkung. Der Rumpf zersplitterte unter den Einschlägen der schweren Kaliber, gurgelnd schoß das Wasser in die Laderäume. Nur wenige Augenblicke später löste sich donnernd die zweite Breitseite aus dem unteren Geschützdeck des Dreimasters, und auch sie lag nahezu voll im Ziel. Was dereinst der „Le Vengeur II.“ Ribaults geschehen war, geschah nun Siri-Tongs „Roter Drache“. Das Schiff nahm durch die vielen zum Teil halbyard großen Lecks soviel Wasser, daß es wie in Zeitlupe weiter und weiter nach Steuerbord krängte. Mister Boyds, Araua und den übrigen Männern der Besatzung blieb keine andere Möglichkeit, als über Bord zu springen. Mister Boyds Stimme schallte über die Decks, und die Männer sprangen. Araua mit ihnen. Verzweifelt versuchten sie aus der Nähe des sinkenden Viermasters zu gelangen, und den meisten von ihnen gelang es auch. Dann kenterte „Roter Drache“ mit einem Ruck. Für einen Moment lag er still im Wasser der Bucht, während die Piraten an Bord der Galeone der Black Queen in wildes Triumphgeschrei ausbrachen. Doch dann wälzte der Viermaster sich herum, als sei er seines langen Lebens auf allen Meeren der Welt überdrüssig geworden. Über das Heck kippte „Roter Drache“ ab und verschwand im nachtschwarzen Wasser der Bucht. Die Reflexe des am Strand immer noch lodernden Feuers tanzten Dämonen gleich über die Stelle seines Untergangs.
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Wrackteile schossen empor, eine gewaltige Luftblase zerplatzte an der Oberfläche der Bucht mit lautem Schmatzen, und dann begann ein wilder Strudel über der Stelle zu kreisen, an der eben noch der einstige stolze Viermaster der Roten Korsarin geankert hatte. Die Piraten ließen ihre Boote zu Wasser. Unter Führung der Black Queen begannen sie ihre4 Treibjagd auf die Schiffbrüchigen. Sie kriegten nicht alle, aber sie erwischten Araua, als sie unglücklicherweise halb erstickt und halb ohnmächtig vor Atemnot vor einem der Piratenboote auftauchte, denn der Strudel hatte sie mit sich in die Tiefe gerissen. Ein derber Hieb mit einem der Riemen raubte ihr auf der Stelle das Bewußtsein. Dann wurde sie von derben Fäusten gepackt und unter Hohngelächter an Bord gezogen. Lüsterne Blicke tasteten ihren jungen Körper ab - aber dennoch wagte es keiner, sie zu berühren. Der Schlangenreif in ihrem dunklen Haar warnte sie. „Wir werden sie der Black Queen bringen“, sagte einer der Männer. „Sie hat uns alle Strafen der Hölle angedroht, wenn wir eines dieser verdammten Indianermädchen anfassen. Der Geier mag wissen, warum, aber ihr alle wißt, daß die Black Queen keinen Spaß versteht, wenn man ihre Befehle mißachtet.“ Unwilliges Gemurmel war die Antwort aber dann fügten sich die Männer und kehrten zur Galeone der Queen zurück. Die Black Queen stand auf dem Achterdeck. Ihre Augen glitzerten. Dann blickte sie zum Ufer hinüber, dort, wo Caligula stand und ihr zuwinkte und gleichzeitig die gefesselte Siri-Tong mit beiden Armen emporhob, so sehr sie sich auch sträubte. Dann ließ er sie in den weißen Sand fallen und lachte dröhnend. „Wir haben sie, Black Queen, ich' werde dir die Rote Korsarin in Fesseln auf dem Achterdeck vor die Füße legen! Und dann, dann wirst du dein Wort einlösen, das du Caligula, dem Sohn Caligus, gegeben hast!“ Er lachte dröhnend, und sein Lachen hallte von den Wassern der Bucht wider und kam
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als schauriges Echo aus den Felsen der Berge zurück. Die Rote Korsarin spürte den wilden Schmerz, der ihre Seele durchschnitt, und nur mühsam unterdrückte sie ein Stöhnen. Es war eine der schwärzesten Nächte, die sie je erlebt hatte, mit Ausnahme einer einzigen, die wohl nie verging und sie bis an ihr Lebensende zu verfolgen schien. Irgendwann schaffte man sie an Bord des Dreimasters der Black Queen. Und wahrhaftig, Caligula, dieser Hund, wagte es, sie, die Rote Korsarin, dieser pechschwarzen Piratin in Fesseln, blutüberströmt auf dem Achterdeck vor die Füße zu werfen. Die Queen lachte, dann versetzte sie ihr einen Tritt - und da sah Siri-Tong plötzlich rot. Sie warf sich in ihren Fesseln herum, krümmte sich zusammen und trat Caligula, der sich ihr am nächsten befand, die gefesselten Beine in den Leib. Sie legte soviel Kraft in diesen Tritt, daß er der Länge nach über das Achterdeck katapultiert wurde und schwer gegen die Schmuckbalustrade krachte. Dort blieb er einen Augenblick wie betäubt liegen, aber dann sprang er auf. Mit einem Wutschrei wollte er sich auf die Rote Korsarin stürzen, aber die Black Queen hielt ihn zurück. „Laß sie, sie gehört mir. Aber das soll sie mir büßen!“ Sie fuhr herum. „Legt sie in Eisen. Kettet sie an den Besanmast, ich will sie in meiner Nähe haben. Sie kriegt weder zu essen noch zu trinken, ich will sehen, wie sie zu winseln beginnt, aber auch das wir ihr nicht helfen. Vorwärts, holt den Schmied!“ Es geschah, wie die Black Queen befohlen hatte. Der Schmied kettete sie an den Besanmast - und damit war an eine Flucht für die Rote Korsarin nicht mehr zu denken. Als der Morgen graute, setzte die „Caribian Queen“ Segel und verließ die Bucht des Unheils. Der Wind sang in der Takelage, und die tiefbraunen, düster wirkenden Segel standen prall im Wind.
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Der Dreimaster schob einen mächtigen weißen Bart als Bugwelle vor sich her. Die Black Queen und Caligula standen auf dem Achterdeck. Ihre Blicke glitten über die Gefangenen, die man wie die Heringe auf dem Hauptdeck nebeneinander gelegt hatte, und ihre Gesichter leuchteten vor Triumph. Arkana befand sich unter den Gefangenen ebenso wie Araua, ihre Schlangenkriegerinnen, Barba, Mister Boyd, der Erste Offizier der gesunkenen Viermastgaleone der Roten Korsarin. Es lagen außer Mister Boyd auch noch eine ganze Reihe anderer Besatzungsmitglieder von „Roter Drache“ auf dem Hauptdeck. Aber bei weitem nicht alle. Viele hatten es geschafft, der Treibjagd der Piraten zu entkommen - nur hatten sie nicht die geringste Chance gehabt, etwas zur Befreiung der Roten Korsarin zu unternehmen, Unter den Verletzten, die sich an Bord der „Caribian Queen“ befanden, war auch der einstige Stückmeister des Viermasters der Roten Korsarin, Mister Scrutton. Er benötigte wegen seiner Verletzungen dringend Hilfe, denn die Schmerzen, die er auszuhalten hatte, waren nahezu unmenschlich. Dennoch drang kein Laut der Klage über seine Lippen. Und in einer Anwandlung von Großmut hatte die Black Queen ausgerechnet Araua in Unkenntnis dessen, daß es sich um die Tochter Arkanas handelte, die Fesseln soweit lockern lassen, daß sie sich um den Verletzten zu kümmern vermochte. Araua verhielt sich still und unauffällig - aber sie lauerte und wartete auf ihre Chance. Doch schien die nicht zu kommen. Die Black Queen trat an die Schmuckbalustrade, die das Achterdeck ihrer Galeone vom langen Hauptdeck trennte. Noch einmal musterte sie voller Triumph die Gefangenen. „Herhören, alle!“ befahl sie dann. „Ich, die Black Queen, die euch zu besiegen vermochte, habe euch folgendes zu verkünden: Ob ihr alle sterben müßt oder am Leben bleibt, hängt ganz allein von
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euch und euren Freunden auf der Schlangeninsel ab. Wenn ihr ihnen das Lösegeld wert seid, das ich festsetze, dann lebt ihr, wenn nicht, dann sterbt ihr. Das gilt auch für den Fall, daß jene da, die sich die Rote Korsarin nennt, sich weigern sollte, mein Schiff zur Schlangeninsel zu segeln.“ Die Black Queen wandte sich um und starrte Siri-Tong aus glitzernden Augen an. „Du wirst meinem Rudergänger den Kurs angeben. Weigerst du dich, dann stirbt diese da zuerst!“ Sie deutete auf Araua, die halb aufgerichtet neben dem Stückmeister kniete. „Damit du weißt, daß es mir ernst ist, hast du jetzt Zeit für deine Entscheidung, bis ich bis zehn gezählt habe. Caligula - einen Strick über die Großrah. Leg dieser Araukanerin die Schlinge um den Hals. Hat die Rote Korsarin nicht zugestimmt, wenn ich zehn sage, dann ziehst du sie hoch. Vorwärts!“ Da half kein Sträuben. Araua wurde die Schlinge über den Kopf gestreift. Kräftige Fäuste packten sie und stellten sie auf die Planken, und Caligula zog den Strick leicht an. Araua schloß für einen Moment die Augen, aber dann öffnete sie sie wieder und, suchte erst den Blick ihrer Mutter, dann den Siri-Tongs. Und dann spuckte sie aus, genau in Richtung der Black Queen. Danach stand sie still und hörte, wie die Piratin langsam zählte. Bei fünf hatte sich Siri-Tong entschieden. „Ich werde den Kurs angeben. Aber du wirst es bereuen, Black Queen, denn unsere Freunde werden dich jagen, bis du tot bist!“ Ungerührt blickte die Piratin Siri-Tong an. „Nehmt ihr die Schlinge ab. Aber sie stirbt, sobald ich merke, daß du mich zu täuschen versuchst. Das ist mein Ernst. Und falls deine Freunde - pardon, eure Freunde, denn wir wissen längst, daß auch diese Araukaner zu den Bewohnern der Schlangeninsel gehören, falls also eure Freunde irgendetwas versuchen sollten, dann sterbt ihr alle, und wenn ich dabei zur
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Hölle fahre. Mich, die Black Queen, legt niemand herein.“ An Bord des Dreimasters herrschte Schweigen. Es war eine teuflische Lage, in die sie alle unversehens geraten waren. Hinzu kam. auch noch, daß sie ja alle genau wußten, daß sich weder der Seewolf, noch der Wikinger oder Jean Ribault auf der Insel befanden. Auch Jerry Reves nicht. Arne von Manteuffel allein vermochte jedoch mit den Schlangenkriegern und den Männern Hesekiel Ramsgates gegen diese zu allem entschlossene Black Queen ganz sicher nichts auszurichten. Denn sie hatte wirklich eine Menge erstklassiger Geiseln in ihrer Gewalt. 8. Die Schlangeninsel glich einer Kriegsgaleone, hinter deren Stückpforten die Kanoniere auf den Feind lauerten. Die ganze Insel hatte sich in eine Festung verwandelt, die fest entschlossen war, jedem Gegner zu trotzen. Auch des Boston-Mannes hatte sich diese Stimmung bemächtigt. Er konnte nicht einmal sagen warum, und er hatte auch mit dem alten Ramsgate und Arne von Manteuffel darüber gesprochen. „Ich weiß nicht recht“, hatte Hesekiel Ramsgate gesagt, „aber seit dieses Unwetter sich ausgetobt hat und seit wieder Ruhe in der Karibik eingekehrt ist, kommt mir das alles vor wie die Ruhe vor dem Sturm.“ Er hatte den Boston-Mann angesehen und war sich dann mit der rechten Hand durch den schlohweißen Bart gefahren. „Irgendetwas braut sich zusammen“, fuhr er fort. „Was es ist, weiß ich nicht, aber mir ist das Ganze nicht geheuer. Dieser Auftrag, den Arkana vom Schlangengott erhielt“, wieder wanderten seine Blicke etwas ratlos in Richtung Schlangentempel, dessen Zugang wieder fest verschlossen war, „diese unglückselige Reise der ,Mocha`, der Umstand, daß der Seewolf, der Wikinger, die Rote Korsarin, Jean Ribault und auch Jerry Reves sich
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irgendwo weit entfernt von der Schlangeninsel befinden, das alles beunruhigt mich merkwürdigerweise von Stunde zu Stunde mehr.“ Der Boston-Mann nickte. Er warf einen Blick zur „Wappen von Kolberg“ hinüber, deren Überholung man sowohl wegen des Unwetters, das eine Menge Schäden auf der Insel hinterlassen hatte, als auch deswegen verschoben hatte, weil sie praktisch das einzige mit Kanonen bestückte Schiff darstellte, das zur Zeit überhaupt noch zur Verfügung stand. Die „Wappen von Kolberg“ in dieser Situation aufzuslippen, das konnte man sich nicht leisten. Vielleicht brauchte man sie noch dringend. Wieder nickte der Boston-Mann, der ja selten ein Wort mehr von sich gab als unbedingt erforderlich war. „Ich werde jetzt auf den Felsendom steigen. Die Rote Korsarin muß in Kürze irgendwo an der Kimm auftauchen. Sie kennt unsere Situation, und sie wird so schnell wie möglich hierher zurückkehren.“ Der Boston-Mann nickte Hesekiel Ramsgate und einigen seiner Männer zu, die sich um ihn geschart hatten, dann ging er davon. Und noch im Gehen war ihm klar, daß der Alte gar nicht so unrecht hatte: Nie durfte die Schlangeninsel ohne ausreichenden Schutz bleiben. Die Befestigungsanlagen waren dank SiriTongs Initiative ja wirklich als außerordentlich wirksam und kampfstark zu bezeichnen, aber sie ersetzten keineswegs die Schiffe, die einem Angreifer entgegensegeln und ihn auf Distanz halten konnten. Mit solchen und ähnlichen Gedanken erreichte der Boston-Mann schließlich den Felsendom, und er wollte gerade den Aufstieg zur Beobachtungsplattform beginnen, als ihm eine Schlangenkriegerin der Tempelwache entgegeneilte. Sie sah den Boston-Mann und blieb stehen. „Eine große Galeone nähert sich der Schlangeninsel“, „ sagte sie. „Aber es ist nicht ,Roter Drache' von Siri-Tong. Es ist ein großer Dreimaster, den keiner von uns
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je in der Karibik gesehen hat. Ein düsteres Schiff, Boston-Mann, mit zwei übereinander liegenden Geschützdecks. Häuptling Tomota wartet auf dich, ich sollte dich verständigen!“ Der Boston-Mann unterdrückte eine Verwünschung. Aber er bewegte den Kopf so heftig, daß sein großer goldener Ohrring heftig zu schaukeln begann. „Ich werde sofort zur Plattform hinaufsteigen“, sagte er, und dann begann er zu laufen. Er hatte eine Kondition, um die ihn sogar der Wikinger beneiden konnte, und das wollte etwas heißen. Er schaffte den Aufstieg in Rekordzeit. Tomota stand mit vor der Brust gekreuzten Armen auf der Plattform. Er bewegte sich nicht, ein großer, sehniger Mann mit langen schwarzen Haaren und scharfgeschnittenem Gesicht. Stumm wies er nach Südwesten, aber das wäre nicht nötig gewesen, denn der Boston-Mann entdeckte die heransegelnde Galeone sofort. Seine scharfen Augen vermochten mühelos Details zu erkennen. Es stimmte, dieses Schiff wirkte düster und drohend, darin glich es dem Schwarzen Segler des Wikingers. Außerdem wirkte es durch die hohen Bordwände massig, die hohen Maste mit den breiten Rahen und den dunkelbraunen Segeln vervollständigten das Bild. Diesmal stieß der Boston-Mann eine Verwünschung aus, und wieder begann sein goldener Ohrring zu schaukeln. „Die meinen uns“, sagte er knapp. „Die segeln hierher, und es wird Arger geben. Tomota, bleib du hier und kümmere du dich um die Insel. Schick einen deiner Läufer zu Arne von Manteuffel. Ich werde mir ein paar Männer besorgen und diesem Schiff entgegensegeln. Vor dem Felsendom in der Schlangenbucht liegt eine kleine Schaluppe, gerade richtig für diesen Zweck, denn sie rutscht auch beim augenblicklichen Wasserstand noch übers Höllenriff. übrigens - wir sollten bald einmal im Felsendom ein Fallgatter anbringen, das auch vor ungebetenen Besuchern, die sich mit einem kleinen Boot einschleichen wollen, schützt. Du
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solltest mit Arkana darüber reden, sobald sie wieder auf der Insel ist . . Der Häuptling des Araukanerdorfes sah den Boston-Mann aus seinen schwarzen, unergründlichen Augen an. Dann nickte er kaum merklich und wandte sich sofort wieder der Galeone zu. Der Boston-Mann rannte den steilen Pfad, den er gerade erst hinaufgestiegen war, wieder hinab. Und jetzt saß auch ihm das Gefühl nahenden Unheils im Nacken. * Die Black Queen starrte zur Schlangeninsel herüber, die sich höher und höher aus der Karibik erhob, je näher sie mit ihrer Galeone heransegelte. Wilder Triumph brannte in ihren Augen, aber ihr entgingen auch nicht die Blicke, die die Rote Korsarin ihr zuwarf. Denn Siri-Tong kochte. Es war ihr auch keineswegs ein Trost, daß der Seewolf ebenso wie sie von der Queen dereinst von Don Bosco gezwungen worden war, diesen Halunken zur Schlangeninsel zu segeln. Nein, die Rote Korsarin empfand das als eine Demütigung, die nach Rache schrie. Aber sie wußte auch, daß sie im Moment gegen die Black Queen und diesen verfluchten Caligula, der sie immer wieder mit höhnischen Blicken bedachte, nichts auszurichten vermochte. Das aber steigerte ihren Zorn nur noch mehr. Die Schlangeninsel war schon deutlich in allen Details zu erkennen: der hohe Felsendom, das dunkle Tor, groß genug um einen Segler hindurchzulassen. Es wirkte wie der Schlund der Hölle, in dem der Satan schon lauerte, um den Unvorsichtigen, der die Einfahrt wagte, sofort in sein Höllenreich zu zerren. Diese und ähnliche Gedanken schossen der Black Queen durch den Kopf, als sie staunend den gigantischen Felsendom betrachtete, der den Eingang zu einem geheimnisvollen Paradies für den Eingeweihten, den sicheren Tod und Untergang für den ungebetenen Eindringling bedeutete.
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Ja - das war die Insel, die sie haben mußte, von der aus sie die ganze Karibik beherrschen würde! Die Black Queen gab sich keinen Illusionen hin - diese Insel war befestigt. Es würde nicht ratsam sein, zu dicht heranzusegeln. Sie winkte Caligula zu sich heran, nachdem sie einen letzten Blick auf das tintenschwarze Wasser vor dem unheimlichen Felsendom geworfen hatte. „Segel bergen lassen, Caligula“, sagte sie. „Ankertiefe ausloten lassen. Hier dürften wir noch Ankergrund finden, dort vorne aber, wo das Wasser dunkel ist wie die Nacht, mit Sicherheit nicht. Beeil dich, Caligula, und vergewissere dich, daß der Anker gut faßt, denn es soll merkwürdige Strömungen vor dieser Insel geben. Merkwürdig und gefährlich!“ Caligula nickte. Er gab umgehend die notwendigen Befehle, und die Piraten enterten sofort auf, während eine andere Gruppe ans Ankerspill stürzte. Dann aber wandte sich Caligula an die Rote Korsarin. Höhnisch blickte er sie an. „Du hast wohl geglaubt, wir wären so dumm wie dieser Don Bosco, was? Sicher, eines Tages segeln wir durch diesen Dom dort hindurch, aber dann sind wir die Herren auf eurer Insel. Heute haben wir etwas anderes vor. Mal sehen, wie das Spielchen läuft, oder ob du am Ende dort oben an der Großrah baumelst, wenn ich nicht noch eine ganz andere, bessere Verwendung für dich habe!“ Caligula lachte dröhnend, aber die Rote Korsarin ignorierte ihn zu seinem Ärger völlig. Nur einmal, bei seiner letzten Bemerkung, blitzten ihn ihre dunklen Augen an. Es war ein Blick, unter dem er zusammenzuckte, wie unter einem Peitschenhieb, und der ihn ahnen ließ, wie unversöhnlich der Haß war, den er bei SiriTong geschürt hatte. Der Anker rauschte aus - und die Black Queen hatte Glück. Sie erwischte noch festen Ankergrund, bevor sich der Meeresboden rings um die Schlangeninsel in unauslotbare Tiefen absenkte. Das war der Moment, in dem die Schaluppe mit dem Boston-Mann im
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gähnenden Schlund des Felsendorns erschien. Wie eine Nußschale wirkte sie aber trotzdem reagierte die Black Queen sofort. Sie gab Caligula ein Zeichen, und der verstand sie sofort und enterte zum Hauptdeck ab. Dort verschwand er in einem der Niedergange, die zum unteren Geschützdeck hinabführten. Siri-Tong preßte die Lippen zusammen, und Araua, die zwar gefesselt war, jedoch einige Bewegungsfreiheit besaß, tauschte mit ihr einen raschen Blick. Arkana, ihre Mutter, lag wie die anderen auf dem Hauptdeck, an Händen und Füßen gebunden. Der Boston-Mann segelte näher heran. Siri-Tong, die vom Achterdeck der Galeone alles genau erkennen konnte, sah, wie er zusammenzuckte, denn er hatte sie erkannt. Ihre schlanke Gestalt mit der roten Bluse und den blauen Leinenhosen hob sich deutlich genug dazu vom Besanmast der „Caribian Queen“ ab. Doch dann zuckte auch die Rote Korsarin zusammen. Sie hörte, wie die Geschützpforten des unteren Geschützdecks aufflogen und die schweren Kanonen ausgerannt wurden. Gleich darauf rollte der Donner einer Breitseite über die See. Lange Mündungsfeuer fuhren aus den Schlünden der 20pfünder hervor und dichter Pulverqualm wölkte auf. Die Kugeln trafen nicht, denn die Schaluppe des Boston-Mannes befand sich außerhalb der Reichweite der Kanonen der „Caribian Queen“. Aber trotzdem schossen die Fontänen der einschlagenden neun 20pfünder doch schon bedenklich nahe an der Schaluppe aus der See. Der Boston-Mann stieß einen ellenlangen Fluch aus, bei ihm eine Seltenheit. Aber er drehte nicht um und segelte nicht zurück. Er starrte zu der fremden Galeone hinüber und immer wieder zu jener Gestalt, die man auf diesem Schiff an den Besanmast gefesselt hatte, und von der er wußte, daß es die Rote Korsarin war. „Da ist eine ganz verdammte Menge schiefgegangen, Arne“, sagte er zum Vetter des Seewolfs, der dem Seewolf fast wie ein Zwillingsbruder im Äußeren glich.
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„Aber warum verschwendet man eine ganze Breitseite auf uns, ganz abgesehen davon, daß man uns doch nicht für so dumm halten sollte, daß wir bis auf Schußentfernung heransegeln!“ Der Boston-Mann war wütend - und Arne von Manteuffel packte auch der Zorn. „Wir müssen Siri-Tong da rausholen!“ sagte er. „Aber ich fürchte, sie haben SiriTong nicht allein. Du hast recht, BostonMann, da muß wirklich der Satan seine Hand im Spiel gehabt haben!“ Wieder blickten sie zur „Caribian Queen“ hinüber - und in diesem Augenblick zeigte sich die Black Queen am Schanzkleid ihrer Galeone. Auch sie war zornig, daß ihre Breitseite auf diese Kerle da offenbar nicht den geringsten Eindruck gemacht hatte, und deshalb griff sie zu einem anderen Mittel. „Die sollen das Winseln schon noch lernen, Caligula. Los, hoch mit den Gefangenen. Stellt sie auf das Schanzkleid, damit sie zu sehen sind. Aber laßt mir keinen entwischen, haltet sie fest und sichert vor allem diese Hohepriesterin der Araukaner mit einem Tau. Der traue ich alles zu. Auch diesen Riesen da, das ist ein gefährlicher Bursche!“ Sie zeigte auf Barba. Die Männer führten ihren Befehl prompt aus, und wenige Augenblicke später standen alle Gefangenen in langer Reihe auf dem Schanzkleid des Haupt- und Achterdecks. Und diesmal verfehlte die Aktion der Black Queen ihre Wirkung nicht. Denn Arne von Manteuffel und sogar der Boston-Mann erbleichten bis unter die Haarwurzeln. Eine Weile verschlug ihnen der Anblick, der sich ihren Augen bot, glatt die Sprache. Dann begann der BostonMann erbittert zu fluchen, und, die Rote Korsarin hörte seine Flüche noch am Besanmast. „Bei allen Teufeln der Hölle“, sagte Arne von Manteuffel und kniff die Augen ungläubig zusammen, „sie haben die Rote Korsarin, Arkana, Araua, die Schlangenkriegerinnen und einen großen Teil der Crew von ,Roter Drache' als
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Gefangene! Da muß sich ein Drama abgespielt haben, denn weder Arkana, noch Siri-Tong noch Barba lassen sich so mir nichts dir nichts fangen ...“ Der Boston-Mann nickte düster. „Sie haben sie, und sie werden sie als Geiseln benützen. Das ist sicher, und keiner ist hier, der uns gegen diese verfluchte Piratin helfen kann. Wir haben es mit der ,Black Queen' zu tun, Arne. Man hat mir dieses pechschwarze Satansweib auf Tortuga beschrieben. Und der da, der Riese neben ihr, das muß Caligula sein, ihr Unterführer!“ Der Boston-Mann kniff ebenfalls die Augen zusammen, um gegen die blendende Sonne besser sehen zu können. „Verdammt, der Kerl sieht aus, als wäre Caligu persönlich aus seinem nassen Grab in der Windward Passage gestiegen ... tobte der Boston-Mann, doch dann verstummte er. Denn in diesem Moment vernahmen sie die Stimme Caligulas. „Sagt euren Freunden auf der Schlangeninsel, daß jeder der Gefangenen gegen Gold und Edelsteine aufgewogen werden muß. Die Rote Korsarin und Arkana, die Hohepriesterin der Araukaner, und der da“, er zeigte auf Barba, „ums Dreifache ihres eigenen Gewichts. Das fordern wir als Lösegeld. Ihr habt Zeit bis Sonnenuntergang. Sind dann die Schätze nicht an Bord, dann töten wir alle Gefangenen vor euren Augen.“ Caligula gab ein Zeichen - und wie ein Spuk verschwanden die Gefangenen wieder von der Bildfläche. Erneut begann der Boston-Mann ganz gegen seine Gewohnheit lauthals zu fluchen. Doch Caligula erschien noch einmal am Schanzkleid des Achterdecks. „Sie sterben auch, wenn ihr irgendeine List versucht oder wenn ihr uns zu betrügen versucht. Daß wir die Wahrheit sprechen, beweise ich euch jetzt. Fragt diesen Mann!“ Caligula hob einen Mann der Besatzung von „Roter Drache“ empor und warf ihn kurzerhand über das Schanzkleid ins Meer.
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„Holt ihn euch, wir erlauben es euch!“ brüllte er und lachte dann dröhnend. „Aber bringt ihn wieder mit, wenn wir die Schätze auswiegen, denn dieser Mann gehört zu den Geiseln, die ihr auslösen müßt!“ Arne von Manteuffel und der BostonMann spürten den namenlosen Grimm, der sie wie eine rote Woge zu überschwemmen drohte. Aber dann ließen sie die Schaluppe anluven und segelten dem Mann entgegen, der, so schnell er konnte, auf sie zuschwamm. Wenige Augenblicke später zogen sie ihn an Bord. Es war Mister Boyd, der Erste Offizier Siri-Tongs. Sie erfuhren von dem Drama; das sich in der Bucht jener Caicos-Insel zugetragen hatte - und sie spürten, daß dort drüben eine Gegnerin mit ihrer Galeone lag, die gefährlicher, entschlossener und gerissener war, als jeder Gegner, der zuvor die Schlangeninsel bedroht hatte. Als Mister Boyd mit seinem Bericht fertig war, starrte der Boston-Mann eine Weile schweigend vor sich hin. „Es hilft nichts, wir müssen zur Insel zurück“, sagte er dann. „Die Sonne hat längst ihren höchsten Punkt am Himmel überschritten. Ich bin überzeugt, daß diese verfluchte Black Queen und dieser Caligula ihre Drohung wahrmachen werden. Aber was wir tun sollen, um dieser Schwarzen Bestie da drüben die Gefangenen wieder zu entreißen, ohne auf ihre Forderungen einzugehen, das weiß ich noch nicht. Und ich fürchte, wir haben auch nicht die geringste Chance ...“ * Die donnernde Breitseite war nicht ungehört verhallt. Schwach, sehr schwach und fern nahm sie der Wikinger auf seinem Schwarzen Segler wahr. Und auch Karl von Hutten, der sich bei ihm an Bord befand, hörte sie. „Das war Kanonendonner!“ konstatierte der Wikinger und kratzte sich einer alten Gewohnheit folgend verblüfft am Helm.
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„Kanonendonner“, echote der Stör, der sich in seiner unmittelbaren Nähe befand, und handelte sich damit sofort einen wütenden Blick des Wikingers ein. Denn der konnte es nicht ausstehen, daß der Stör oft bruchstückweise wiederholte, was er sagte. „Ich habe es auch gehört, Thorfin“, stimmte Karl von Hutten ihm zu. „Und er kam genau von dort, wo die Schlangeninsel liegt ...“ „Schlangeninsel liegt, jawohl ...“, echote der Stör, brachte sich aber schleunigst in Sicherheit, als der Wikinger wütend herumfuhr und ihn packen wollte. Aber dann lenkte ihn die „Le Vengeur III.“ Jean Ribaults ab, die von Luv herangesegelt und dann auf Rufweite verblieb. „Da hat jemand eine Breitseite abgefeuert!“ schrie der schlanke und für seine Wildheit berüchtigte Franzose. „Verdammt, wenn mich nicht alles täuscht, Wikinger, dann ist bei der Schlangeninsel der Teufel los! Setz jeden Lappen, den du hast, ich laufe voraus. Wenn das die Queen sein sollte, dann wird sie der Teufel lotweise holen!“ Jean Ribault brüllte ein paar Befehle, und die „Le Vengeur III.“, ranker und schneller als der mächtige Schwarze Segler, ging noch höher an den Wind und zog davon. Jerry Reves, der alles verstanden hatte, folgte ihr mit der „Tortuga“, die nahezu baugleich und ein Schwesterschiff der „Le Vengeur III.“ war. Der Wikinger fluchte, daß sogar Karl von Hutten und die vier Wikinger, die sich ebenfalls auf dem Achterdeck befanden, erbleichten. „Ramsgate wird das ändern!“ brüllte er voller Wut, und weckte damit seine junge Frau Gotlinde auf“ die sich in ihre gemeinsame Kammer zurückgezogen hatte. Sie fuhr aus der breiten Koje empor, und eine steile Falte erschien über ihrer Nasenwurzel. „Das wäre ja gelacht“, hörte sie ihren Thorfin brüllen, „wenn mir in Zukunft jede lausige Nußschale auf und davon segeln würde. Beim großen Chan und bei allen seinen verdammten
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Zopfmännern, ich werde mit Ramsgate ein ernstes Wörtchen darüber reden!“ Doch dann fuhr er herum. „Verdammt, was steht ihr da herum?“ fuhr er seine Wikinger an. „Sorgt dafür, daß jeder verdammte Lappen, den die Masten und Rahen tragen, gesetzt wird. Oder glaubt ihr, ich will erst bei der Schlangeninsel auftauchen, wenn die ,Le Vengeur III.` und die ,Tortuga` alles kurz und klein geschossen haben!“ Die Wikinger sausten los. Es war nicht gut, dem Wikinger bei einer solchen Laune zu widersprechen. „Kurz und klein ... „, wiederholte der Stör, und sprang kurzerhand über die Schmuckbalustrade aufs Hauptdeck hinab. Langsam beruhigte Thorfin sich wieder, und .als seine Gotlinde endlich an Deck erschien, verzog er sein bärtiges Gesicht sogar zu einem freundlichen Lächeln. Aber das gelang ihm nicht so recht, denn die Sorge um die Schlangeninsel plagte ihn weit mehr, als er zuzugeben bereit war. Denn was er auf Tortuga alles erfahren hatte, das war keineswegs dazu angetan, ihn zu beruhigen. Auch der Schwarze Segler ging hoch an den Wind, und er schob eine gischtende, gewaltige Bugwelle vor sich her. * Unterdessen wartete die Black Queen. Und sie wurde immer ungeduldiger, denn auf der Schlangeninsel rührte sich nichts. Eine Stunde nach der anderen verging und schließlich kochte sie über. Mit einem Satz war sie auf dem Hauptdeck. Sie sprang genau wie der Stör einfach über die Schmuckbalustrade. „Packt sie!“ brüllte sie unbeherrscht, denn tief im Innern spürte sie, daß irgend etwas nicht mehr. stimmte, daß man versuchte, sie hereinzulegen. Sie zeigte auf Arkana, und sofort waren zwei ihrer finsteren Gesellen da und rissen die Schlangenpriesterin von den Decksplanken hoch. „Bindet sie ans Großwant, aber so, daß man es auf der Schlangeninsel sieht. Nein -
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halt, legt ihr eine Schlinge um die Füße und zieht sie an der Großrah hoch. Und dann peitscht sie solange aus, bis sich da drüben etwas rührt. Das wollen wir doch mal sehen, ob die nicht zu Kreuze kriechen!“ Caligula stand plötzlich neben der Queen. „Nein, Queen, nicht sie. Die Rote Korsarin, nimm die Rote Korsarin, diese Araukanerin ...“ Die Black Queen fuhr herum. „Ich gebe hier an Bord die Befehle, Caligula. Und wenn ich sage, zieht diese da hoch, dann wird sie hochgezogen. Sie und keine andere, verstanden ...“ Die Piraten hatten Arkana schon die Schlinge um die Füße gelegt. Aber einer der Kerle konnte es nicht lassen. Er packte den Lendenschurz und wollte ihn Arkana vom Körper reißen. Er kam nicht mehr dazu. Mitten in der Bewegung erstarrte er. Die Augen traten ihm aus den Höhlen, sein Herz begann zu jagen, und dann brach er plötzlich, wie vom Blitz gefällt zusammen. Gleich darauf packte dieselbe unheimliche Kraft die Black Queen. Sie spürte, wie ihr Herz sich im Brustkorb plötzlich zusammenkrampfte, wie ihr der Schweiß ausbrach und wie ihr die Augen aus den Höhlen quollen. Ächzend sank sie auf die Planken des Hauptdecks, und ihr Körper verfiel in wilde Zuckungen. Die Piraten brüllten, wichen zurück. Einer behinderte den anderen, sie fielen zum Teil übereinander. Caligula traute seinen Augen nicht. Und als er endlich begriff, was sich da vor seinen Augen abspielte, war es für ihn zu spät. Araua war heran. Mit dem Belegnagel schlug sie zu, ihre Fesseln hatte sie wie durch ein Wunder plötzlich abgestreift. In Caligulas Schädel explodierte etwas und er dachte plötzlich wieder an den grellen Blitz, der die „Mocha“ zerrissen hatte, nachdem er mit seinen Brandpfeilen die Pulverfässer gezündet hatte, zu denen die breite, ausgestreute Pulverspur gelegt
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worden war. Dann wußte er nichts mehr ganz im Gegensatz zur Black Queen. Sie sah die böse glühenden grünen Augen des Schlangengotts, und sie hörte seine Stimme, die schrecklicher war als jeder Donner, als jedes Unwetter und jede Seeschlacht, die sie erlebt hatte. „Ich verfluche dich, Black Queen. Mein Fluch wird dir überallhin folgen! Du hast es gewagt, dich an meiner Hohepriesterin zu vergreifen, dafür wirst du sterben ... sterben ... sterben ...“ Wie ein schauriges Echo klang dieses letzte Wort in ihr nach, und die Queen sackte ächzend zusammen. Wieder wand sich ihr Körper auf den Planken in wilden Krämpfen. Schaum trat ihr auf die Lippen. Immer noch brüllten und schrien die Piraten wild durcheinander, und das Gebrüll steigerte sich zum infernalischen Geheul, als Araua jetzt mit ein paar Schnitten ihrer Mutter die Fesseln durchtrennte. Aber das brachte die Piraten auch wieder zu sich, und sie stürmten vor, Schiffshauer, Entermesser und Belegnägel in den Fäusten. Araua und Arkana hatten keine Wahl - sie jagten über das Hauptdeck und hechteten über das Steuerbordschanzkleid ins Meer. Als ob alle tausend Teufel der Hölle losgelassen worden seien, so brüllten die Piraten vor Wut auf. Sie stürzten ans Schanzkleid, einige von ihnen hielten Musketen in den Fäusten und knackend spannten sie die Hähne. Aber Araua und Arkana tauchten nicht wieder auf, sie waren verschwunden, als habe das Meer sie verschluckt. Die Black Queen erhob sich taumelnd. Sie war kaum imstande, einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Dann sah sie Caligula an Deck wie tot liegen und begriff, daß Arkana und Araua verschwunden waren. Sie sah auch den anderen Mann, der ebenfalls bewußtlos auf den Planken lag. Da erlitt die Black Queen einen Wutanfall, wie ihn noch kein Mann ihrer Besatzung erlebt hatte - und schon glaubten alle, sie werde jetzt jeden der Gefangenen eigenhändig umbringen. Aber in diesem Augenblick erblickte sie die Segel der „Le
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Vengeur III.“ und die der „Tortuga“. Und noch weiter hinten wuchsen erst gewaltige Masten über der Kimm empor, die pechschwarze Segel trugen, und ihnen folgte ein ebenso gewaltiger pechschwarzer Rumpf. Die Black Queen hielt vor Schreck den Atem an. Denn wenn sie jetzt auch nur den geringsten Fehler beging, dann nahte dort hinten bereits der Tod, der ihr prophezeit worden war. Caligula rappelte sich ebenfalls fluchend auf. Auch er erkannte die Segel und dann auch den Schwarzen Segler. „Thorfin Njal, der Wikinger!“ stieß er betroffen hervor - und er hatte recht. Es war alles zu spät für die Black Queen. Weder würde es ihnen gelingen, noch rechtzeitig Segel zu setzen, noch konnten sie es schaffen, diesen schnell segelnden Gegnern zu entkommen. Selbst dann nicht, wenn sie die Ankertrosse kappten. „Die Geiseln - paßt auf die Geiseln auf, nur sie sind jetzt unsere Rettung!“ brüllte die Black Queen, und gleichzeitig flog ihr Blick zur Roten Korsarin hinüber, die jetzt ihr kostbarstes Faustpfand war. Aber die stand immer noch gefesselt am Besan. Doch jetzt blickte sie die Black Queen höhnisch an. „Es ist aus mit dir, Black Queen. Früher oder später, denn wir alle werden dich jagen, wie wir einst Caligu jagten. Und am Ende der Jagd war Caligu tot.“ Siri-Tong wandte sich ab. Sie blickte den drei Schiffen entgegen, die jetzt dabei waren, die „Caribian Queen“ einzukreisen und ihr jeden Fluchtweg abzuschneiden. * Als Thorfin plötzlich Arkana und Araua vor sich triefend naß auf dem Achterdeck erscheinen sah, glaubte er an Halluzinationen. Er griff sich völlig verstört an den Helm,- kratzte sich dann ausgiebig und schüttelte den Kopf. Aber als er dann erfuhr, was sich ereignet hatte, und wen alles die Black Queen immer noch als Geiseln an Bord hatte, da bekam er fast einen Tobsuchtsanfall, den Gotlinde
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dann aber energisch zu stoppen versuchte. Doch diesmal hatte sie keinen Erfolg, denn Thorfin Njal, der Wikinger, blitzte sie an. „Das ist eine so verdammte Sache“, brüllte er, „daß sie beflucht werden muß, und da lasse ich mir nicht dreinreden. Zum Donner, bei Odin und Thor, dem Gott des Blitzes - bin ich noch Herr auf meinem Schiff oder nicht?“ brüllte er dickköpfig. Diesmal kroch sogar Gotlinde in sich zusammen und schwieg, denn das war im Moment der bessere Teil der Klugheit. So gut kannte sie ihren Thorfin inzwischen doch. Aber Thorfin Njal hielt sich mit alledem nicht auf. Der Schwarze Segler drehte in den Wind, und der Wikinger sprang ans Schanzkleid. Er sah die Black Queen, und sie sah ihn. „Black Queen“, brüllte er, daß es bis zur Schlangeninsel hinüberdröhnte. „Gib die Geiseln frei. Du hast keine Wahl, ich verhandle nicht. Ich zähle bis zwanzig, dann sind alle frei, oder wir schießen dich zusammen. Eins, zwei, drei ...“ Die Black Queen spürte, wie ihr eiskalte Schauer über den Körper jagten. „Du hast freien Abzug, Black Queen“, brüllte der Wikinger, „mehr biete ich dir nicht an, und das ist mein letztes Wort!“ Eiskalt zählte er weiter. Bei sieben flogen die Geschützpforten hoch. Bei zehn stieg zischend ein Brandsatz in die Höhe, und unweit der „Caribian Queen“ regnete Feuer in roter, grüner und blauer Farbe vom Himmel, das auf dem Wasser weiterbrannte, ohne je zu verlöschen. Da begriff die Queen. „Ich gebe auf, Wikinger“, brüllte sie zurück und bebte vor Wut. „Die Geiseln gegen freien Abzug!“ Der Wikinger atmete insgeheim auf, und er hörte auf zu zählen. Es dauerte nicht lange, bis sich alle einstigen Geiseln unversehrt bei ihm an Bord befanden. Die Black Queen lichtete den Anker, die dunkelbraunen Segel bauschten sich im Wind. Sie passierte den schwarzen Segler in einer Kabellänge Abstand. Die Black Queen starrte ihn an, und Thorfin Njal packte abermals die Wut.
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„Wir werden um Tortuga miteinander kämpfen, Black Queen!“ brüllte er, und sogar sein Helm dröhnte dabei. „Dann werden wir sehen, wer der Herr der Karibik ist!“ „Ja, Wikinger“, schallte es zurück. „Wir werden miteinander kämpfen, du Ausgeburt der Hölle. Aber nicht um Tortuga, sondern um die Schlangeninsel. Und um alles, was sich auf ihr an Schätzen befindet. Ihr werdet sterben, alle. Heute war der Satan mit euch im Bunde, aber nächstesmal wird auch er nicht helfen können. Mir wird die Schlangeninsel gehören, Wikinger, ganz allein mir, der Black Queen, das schwöre ich!“ * Der Schwarze Segler verlor keine Zeit. Nachdem die „Tortuga“ eine Reihe von Verletzten übernommen hatte, segelte der Wikinger sofort zu jener Bucht auf der Caicos-Insel, wo Siri-Tongs „Roter Drache“ sein Grab gefunden hatte. Thorfin Njal nahm die Überlebenden, die sich noch auf der Insel befanden, an Bord und segelte
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anschließend sofort zur Schlangeninsel zurück. Aber an Bord des Schwarzen Seglers herrschte gedrückte Stimmung, der sich niemand zu entziehen vermochte, vor allem die Rote Korsarin nicht. Denn es hatte Tote gegeben. Fünf Männer ihrer Besatzung hatte „Roter Drache“ mit sich in die Tiefe genommen. Der Wikinger legte der Roten Korsarin den Arm um die Schulter, und nicht einmal seine Frau Gotlinde erhob Einspruch. „Uns steht ein schwerer Kampf bevor, SiriTong“, sagte er. „Diese Black Queen und dieser Caligula sind gefährlicher als alle, mit denen wir vorher gekämpft haben. Ich wünschte, der Seewolf käme bald zurück.“ Damit hatte er ausgesprochen, was in diesem Moment alle dachten. „Aber jetzt, Rote Korsarin“, fuhr er fort, „spendiere ich ein Faß Rum, das wird uns allen gut tun. Und ich will, bei Odin, von niemandem auch nur ein einziges Wort dagegen hören!“ Ihm entging, daß sich in Gotlindes Gesicht ein Lächeln stahl. So war er, ihr dickschädeliger Thorfin, dieser Bär von Mann. Aber genauso wollte sie ihn auch...
ENDE