John Grey
Der Feuerreiter Ronco Band Nr. 310/43
Version 1.0
Ronco erzählt seine eigene Geschichte Im Jahre 1967 sti...
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John Grey
Der Feuerreiter Ronco Band Nr. 310/43
Version 1.0
Ronco erzählt seine eigene Geschichte Im Jahre 1967 stießen Bauarbeiter bei Abbrucharbeiten in einer kleinen Geisterstadt im Süden New Mexicos unter einem ausgebrannten Boardinghouse auf eine zugemauerte Kellernische. Sie fanden darin einen alten Revolver, der noch mit drei Patronen geladen war, ein silbernes US-Marshal-Abzeichen und einen indianischen Ledersack. Der mit Stachelschweinborsten und Perlen verzierte Sack enthielt fünf mit Lederriemen zusammengeschnürte Bündel alter Schulhefte. Es handelte sich um das Tagebuch eines Mannes, der in der Pionierzeit Amerikas gelebt hat. Dieser Mann ist nicht in die Geschichte eingegangen. Er hat sich auch nicht darum bemüht, Geschichte zu machen. Trotzdem hat er aufgeschrieben, was er erlebt hat. Vielleicht, weil er niemanden hatte, mit dem er über sein Leben sprechen konnte. Er nannte sich RONCO. Wir wissen nicht, ob das sein richtiger Name war. Vielleicht hat er aus Scham oder Stolz seinen Namen verschwiegen. Denn er war ein Outlaw, ein Gesetzloser, der Grund hatte, seinen Namen manchmal zu verschweigen. Obwohl aus seinen Aufzeichnungen hervorgeht, daß er unschuldig in die Mühlen der Behörden geriet und verzweifelt um seine Rehabilitation kämpfte. Aber seine Berichte zeigen mehr: Sie sprengen den Rahmen unserer Vorstellungen von der Pioniergeschichte der USA. Sie schildern diese Zeit wesentlich härter, rauher und wilder, als wir sie bisher gesehen haben. Basierend auf diesen Unterlagen wurde die Romanreihe RONCO gestaltet. Jedoch handelt es sich bei den für die Serie ausgewerteten Aufzeichnungen nur um einen Teil der Tagebücher. Um Ihnen, unseren Lesern, die ganze Geschichte dieses faszinierenden Mannes RONCO offenzulegen, haben wir uns entschlossen, in Abständen von fünf Wochen die Tagebuchaufzeichnungen dieses Geächteten zu veröffentlichen. Bearbeitet von den Autoren der RONCO-Serie. In diesen Romanen erzählt der Mann, der sich RONCO nannte, seine
eigene Geschichte.
Die Hauptpersonen des Romans Ronco – Wird Scout in Fort Calhoun und sofort vor eine Aufgabe gestellt, die ihm alles abverlangt. Jicarilla – Ein versoffener Halbblut-Scout, mit dem sich Ronco auf Anhieb versteht. Hampton Lester – Colonel und Fortkommandant. Er hat schwere Sorgen, weil er mit einem Indianeraufstand rechnet. Mulligan – Ein Sergeant, der meint, der liebe Herrgott zu sein. Bill Fanning – Der zwölfjährige Junge wird in einer Brandnacht zum Vollwaisen. Linda Carson – Eine Frau, die an ihrem Haß auf die Indianer fast erstickt.
Der Feuerreiter 15. August 1881 Ich bin wieder so weit, daß ich an einen neuen Anfang denken kann. Zwar liegen sicherlich noch große Hindernisse vor mir, aber das Wichtigste ist mir gelungen: Jellico ist wieder bei mir. Ich habe ihn gefunden und befreien können. Er liegt in eine Decke gehüllt neben mir am Feuer und schläft bereits, während ich hier sitze und im Schein der Flammen mein Tagebuch fortführe. Ich habe vor, mit Jellico zurück nach Texas zu gehen. Wir stecken ziemlich tief in Mexiko, und zum Rio Grande ist der Weg noch immer am kürzesten. In Texas hat für mich seinerzeit alles angefangen, was meine Fährte dann so tief ins Dunkel geführt hat, so daß ich zeitweise glaubte, daß die Nacht, in der ich mich bewegte, nie mehr einen Morgen haben würde. Als mein langer Trail der Hoffnungslosigkeit begann, war ich neunzehn Jahre alt. Es war im Spätsommer 1865, als ich nach SüdTexas ins Indianergebiet ritt. Mein Ziel war Fort Calhoun. Hier sollte ich Scout werden, aufgrund meiner Erfahrungen mit den Apachen, bei denen ich zeitweise gelebt hatte und zum Kämpfen erzogen worden war, und aufgrund meiner militärischen Kenntnisse aus der Zeit des Bürgerkrieges. Ich hatte eine ganze Menge gegen die Armee, und ich hatte noch mehr dagegen, wie sie mit den Indianern umging. Aber man hatte mir gesagt, daß ein Mann wie ich, der viele Apachen kannte und sicherlich auch das Vertrauen der Indianer besaß, etwas gegen das viele Blutvergießen würde tun können. Illusionen! Ich konnte gar nichts tun. Das Überleben von Indianer-Stämmen wurde genauso wie ihr Untergang woanders entschieden. Aber das alles wußte ich damals noch nicht, damals, als alles anfing …
1.
Ich sah Rauch vor mir. Erst hielt ich ihn für Nebel, denn es war früh am Tag, graue Dunstschwaden hielten sich in den Niederungen. Dann erhob sich ein leichter Wind, der mir von den Hügeln entgegenstrich und den scharfen Geruch des Feuers mitbrachte. Der Wind vertrieb auch die Grauschleier des anbrechenden Tages. Die Luft wurde klarer. Ich glaubte, über dem Rauch ein paar dunkle Punkte vor dem Hintergrund des Morgenhimmels schweben zu sehen. Aasvögel. Wahrscheinlich Krähen. Unwillkürlich glitt meine Rechte zur Halfter, aus der der abgegriffene Kolben meines alten Navy Colts Modell 1851 ragte. Aber das Land um mich herum war still. Ich war allein hier, mit meinem grauen Wallach und Shita, meinem Hund. Ich überlegte, ob ich einen Bogen um das Feuer vor mir schlagen sollte. Dann trieb ich meinen Wallach an und ritt auf die Hügel zu. Gefahren hatte man besser vor sich als hinter sich. Shita sprang mit großen Sätzen vor mir her und erreichte die Hügelkette, die mir den Blick auf den Brandherd verwehrte. Er blieb auf einem der Hügelbuckel stehen, die Rute hochaufgerichtet, die Ohren gespitzt. Der Wind frischte auf. Der Brandgeruch verstärkte sich. Ich zügelte den Wallach auf der Kuppe des Hügels und spähte über die weite Ebene nach Süden. Ich sah das Feuer in knapp anderthalb Meilen Entfernung. Es brannte bereits nieder. Eine kleine Farm. Drei Gebäude, die jetzt bis auf die Adobelehmfundamente und einige Reste wuchtiger Balken schwarzverkohlter Ruinen waren. Ich entdeckte nirgends ein Lebenszeichen, kein Mensch, kein Tier, nur die Krähen, die hoch über dem Rauch schwebten. Ab und zu bemerkte ich ein Blinken, wenn zerborstenes Fensterglas die Morgensonne einfing und reflektierte. Ich zögerte einen Moment, bevor ich den Wallach antrieb, in die Ebene hinunterritt und ihn auf die brennende Farm zulenkte. Shita blieb hinter mir zurück und bellte, als wolle er protestieren.
Wenig später holte er mich ein und trabte sichtlich unwillig neben mir her. * Der Wind drückte den beißenden Rauch nach unten und hüllte den Farmhof in dichte Schwaden. Glühende Ascheteilchen schwebten mir entgegen, als ich den Wallach am Rand des Hofes zügelte und aus dem Sattel glitt. Es stank penetrant nach verbranntem Fleisch, nach Ruß und nach Tod. Ich zog meinen Spencer-Karabiner aus dem Scabbard und schaute mich um. Es herrschte eine unglaubliche Hitze rings um die Farm. Der Wind brachte keine Kühlung. Die Luft über dem Hof schien zu kochen. Sie flimmerte und ließ die Konturen der Ruine vor meinen Augen verschwimmen. Rauch trieb mir ins Gesicht. Gerade fiel das letzte Stallgebäude krachend in sich zusammen. Eine Wolke von Ruß und Asche stob auf, für einen Sekundenbruchteil zuckte eine Flammensäule hoch, die sofort wieder in sich zusammensank. Das Feuer wurde kleiner. Hier und da schwelten neue Brände, erloschen aber sofort wieder. Hinter mir scheute der Wallach und schnaubte. Ich ging über den Hof. Unweit des Stalles sah ich ein paar Hühner liegen, sie waren schwarzverkohlt. Zwischen den Trümmern entdeckte ich die verbrannten Überreste von ein paar Schweinen und einer Kuh. Der Leib der Kuh war geplatzt. Sie lag auf dem Rücken, ihre Läufe ragten kohlrabenschwarz nach oben. Der Gestank, der sich in der Hitze wie eine Pestwolke zusammenballte, wurde immer unerträglicher. Hoch über dem Rauch kreischten die Krähen. Dicht beim Brunnen fand ich den ersten Toten. Es war ein Mann. Er lag neben einem angekohlten Holzeimer mit dem Gesicht nach unten. Sein Hinterkopf war von einem mächtigen Keulenhieb zerschmettert worden. Ich ging weiter und fand neben der Haustür noch drei Leichen. Zuerst sah ich eine Frau, unweit von ihr lagen zwei tote Kinder. Die
Kinder hatten sich einander umarmt, bevor sie gestorben waren und lagen fest aneinandergekrallt im Staub. Das Mädchen war von hinten erschossen worden. Den Jungen hatte ein Keulenhieb mitten ins Gesicht getroffen. Die Frau war von einer großkalibrigen Kugel – wahrscheinlich aus einer 52er Sharps – dahingerafft worden. Ich sah nicht zum erstenmal Tote. Ihr Anblick war mir von Kindesbeinen an vertraut. Trotzdem war ich nicht abgestumpft, und ich war froh darüber, obwohl ich in diesem Moment spürte, wie sich in mir ein Ekelgefühl zusammenballte. Ich hatte das starke Bedürfnis, mich zu übergeben. In meinen Schläfen hämmerte das Blut, der Reiz auf meine Schleimhäute wurde so stark, daß ich mir fast die Seele aus dem Leib hustete. Ich hörte Shita bellen, achtete aber nicht darauf. Rauch hüllte mich ein, für ein paar Sekunden ergriff mich ein Schwindelgefühl. Ich tappte etwas unsicher aus dem Rauch und sah vor mir einen Schatten auftauchen, einen Reiter auf einem mittelgroßen, breitbrüstigen Pony mit langer Mähne. Ich hob meinen SpencerKarabiner zur Hüfte. Bevor ich durchrepetieren konnte, sah ich, daß der Mann auf dem Pferd bereits sein Gewehr in den Händen hielt und auf mich zielte. Shita bellte wie rasend und sprang an dem Pony hoch, aber der Reiter wirkte unbeeindruckt, und sein Pferd beachtete den Hund nicht. Ein Windstoß jagte den Rauch plötzlich hoch. Der Lauf des Sharps-Karabiners, den der Reiter in den Fäusten hielt, blinkte bläulichschwarz in der Sonne. Der Mann war Indianer, ein Apache. Seine Gestalt war untersetzt, muskulös und strahlte Kraft aus, sein Gesicht war breitflächig und ausdruckslos. Um die Stirn hatte er sich ein breites Wolltuch von verwaschener Farbe gewunden. Darunter hervor floß dichtes, blauschwarzes Haar bis auf die breiten Schultern. Der Sharps-Karabiner in seinen Fäusten hatte einen zerbeulten Kolben, das Schloß Rostnarben. Es war vermutlich sehr oft Wind und Wetter ausgesetzt, aber diese Gewehre waren unverwüstlich, das wußte ich aus eigener Erfahrung. Um die Hüften trug er einen Revolvergurt, das war ungewöhnlich
für einen Apachen. Links steckte ein Tomahawk im Gürtel, rechts baumelte eine Halfter mit einem schweren Army Colt. Der Revolver war vernickelt und glänzte in der Sonne wie Silber. Über dem nackten Oberkörper trug der Apache eine Uniformjacke aus verblichenem, blauem Stoff, an den Ärmeln hatte er einige gelbe Winkel. Meine Haltung entspannte sich. Ich ließ das Gewehr sinken und wußte jetzt, was ich für einen Mann vor mir hatte. Der Apache war Scout der Armee, genau wie ich. »Geh zurück, Shita«, befahl ich. Shita reagierte sofort, wenn auch mit offensichtlichem Widerwillen. Ich blickte dem Reiter fest in die Augen. Er hielt nach wie vor sein Gewehr auf mich gerichtet und musterte mich prüfend. Ich bemerkte dunkle Ringe unter seinen Augen, sein Gesicht wirkte etwas aufgedunsen, was auf regelmäßigen erheblichen Alkoholgenuß schließen ließ. Seine Haut war bronzefarben, trotzdem hatte ich plötzlich Zweifel, ob er ein reinblütiger Indianer sei, auch wenn er äußerlich ganz so wirkte. Aber seine Augen waren nicht schmal genug, sein Mund hatte keinen indianischen Schnitt, und seine Nase war schmal und ziemlich groß, im Gegensatz zu den kurzen, breiten Nasen der meisten Apachen. Ich hatte Cochise gekannt und einige andere Krieger, die keine typischen Apachengesichter gehabt hatten, aber bei diesem Mann war die Mischung aus weißem und indianischem Blut zu deutlich erkennbar, je länger ich ihn betrachtete. Ich sagte: »Fort Calhoun?« In seinem Gesicht zuckte kein Muskel, aber seine Augen weiteten sich kaum merklich. Er war überrascht. »Mein Name ist Ronco«, sagte ich. »Ich hab mich für Fort Calhoun als Scout anwerben lassen.« Ich griff in die Brusttasche meines Hemdes und zog den zerknitterten Begleitbrief hervor, den mir Colonel Warwick mit auf den Weg gegeben hatte. »Ich kann nicht lesen.« Der Reiter ließ den Sharps-Karabiner sinken und glitt geschmeidig wie eine Wildkatze aus dem Sattel. Er sprach ohne den geringsten Akzent.
»Du bist angekündigt worden. Wir reiten zusammen nach Fort Calhoun. Wenn du gelogen hast, würde ich an deiner Stelle schnell verschwinden.« »Ich lüge nicht«, sagte ich scharf. Der Apache ging an mir vorbei, ohne mich zu beachten. Shita knurrte leise, rührte sich aber nicht vom Fleck. Der Mann bewegte sich über den Farmhof. Ich schaute ihm nach. Er blickte sich sorgfältig um und kehrte dann zurück. »Jicarilla«, sagte er. Er streckte mir die Rechte hin. »Wie?« fragte ich. »Mein Name«, sagte er. Ich ergriff seine Hand. Er schien durch mich hindurchzuschauen. Seine Augen schimmerten ein wenig glasig, das fiel mir jetzt erst auf. Er ging an mir vorbei zu seinem Pferd. Es war ein Indianerpony, scheckig, kräftig, ausdauernd. Er öffnete die Satteltasche und zog eine Flasche ohne Etikett heraus. Sie war zur Hälfte mit einer hellen, gelblich schimmernden Flüssigkeit gefüllt. »Willst du einen Schluck?« Er hielt sie mir hin. »Brandy?« fragte ich. »Nein, danke, nicht so früh am Tag, und nicht bei dieser Hitze.« »Je früher, je besser«, sagte er. Er entkorkte die Flasche, trank, schob den Korken in den Flaschenhals zurück und grinste breit. »Wir sollten die Toten begraben«, sagte ich. Er zuckte mit den Schultern und sagte: »Entweder werden sie von den Krähen gefressen oder von den Würmern. Eins ist so gut wie das andere.« »Ich werde ein Grab schaufeln.« Ich ließ ihn stehen und schritt suchend über den Farmhof. Das Feuer war jetzt erloschen. Die Rauchschwaden wurden dünner. Shita trottete mir nach. Ich fand einen Spaten mit angesengtem Stiel, der aber sonst völlig in Ordnung war, und begann ein Stück hinter dem Haus zu graben. Nach ein paar Minuten gesellte sich Jicarilla zu mir. Er hatte einen kurzen Feldspaten mitgebracht, schaute mir eine Weile zögernd zu und half dann beim Ausschachten eines großen Grabes. Wir arbeiteten eine Zeitlang schweigend, dann sagte er: »Ronco heißt du?«
»Ja.« »Das ist kein Name, wie Weiße ihn gewöhnlich tragen.« »Nein.« Ich schwitzte. Über uns schrien die Krähen. Ihr Gekrächz wurde immer lauter. Sie schienen zu ahnen, daß wir sie um ihre Beute bringen wollten. Ich hielt einen Moment inne und zog mein Hemd aus. Jicarilla beobachtete mich. Ich war ziemlich groß, maß über sechs Fuß und hatte kein Gramm Fett an meinem Körper, dafür aber einige Narben. Ich war schlank, fast hager, hatte schmale Hüften und breite Schultern. Meine Arme waren lang und muskulös, wenn ich sie anwinkelte, wölbten sich Sehnenstränge unter der Haut. Ich war ein ziemlich zäher Brocken, das konnte man wohl sagen. Wer Augen hatte, um zu sehen, und wer das Land kannte und Erfahrungen mit Menschen besaß, konnte mir ansehen, was für ein Leben ich hinter mir hatte. Es hätte für manchen Greis ausgereicht, auf ereignisreiche Jahrzehnte zurückzublicken. Ich aber war noch keine zwanzig. Jicarilla schien das alles zu sehen, als er mich taxierte. Aber er wußte nicht, welche Stationen in meinem Leben es gewesen waren, die mich zu dem geformt hatten, was ich war. »Bist du schon lange bei der Armee?« fragte er mich unvermittelt. »Zu lange«, sagte ich. »Und du?« »Ein Jahr.« Er hörte auf zu arbeiten. Die Sonne hatte fast den Zenit erreicht. Der Wind hatte nachgelassen. Es war unerträglich heiß. Der Gestank nach Asche und Tod hatte sich verstärkt. Der Krähenschwarm, der über der Farm kreiste, war größer geworden. Das Geschrei der schwarzen Vögel wurde immer lauter. Auch ich richtete mich auf, das Grab war fertig. »Warum willst du nach Fort Calhoun?« fragte er. »Die Armee hängt mir zum Hals raus«, sagte ich. »Aber ich bin bei Apachen aufgewachsen, ich kann einige Stammesdialekte, und ich glaube, das sie im Recht sind. Vielleicht kann ich etwas für sie tun, vielleicht kann ich vermitteln. Irgendwann muß das ständige Blutvergießen aufhören.«
»Vergiß es!« Er stieg aus der Grube. »Meine Mutter war eine Mescalero, mein Vater ein Weißer. Man hat es nicht leicht als Mann ohne Farbe. Irgendwann wollten mich die Mescaleros nicht mehr haben. Die Weißen wollten mich auch nicht. Als Halbblut kannst du in diesem Land nur verrecken oder als Scout zur Armee gehen. Ich bin Scout geworden, weil mir einer gesagt hat, ich könne für meinen Stamm etwas tun. Alles Quatsch. Für die Soldaten bin ich nur interessant, weil ich Spurenlesen kann, für die Apachen bin ich ein Verräter. Manchmal denke ich mir, es ist besser, zu verrecken.« »Säufst du deswegen?« fragte ich. Er antwortete nicht. Er drehte sich um, ließ den Feldspaten fallen und ging, um die Leichen zu holen. Er brachte erst den Mann. Als er ihn in die Grube hinunterstieß, stieg ich rasch nach oben. Gemeinsam mit Jicarilla legte ich die Frau ins Grab und holte die toten Kinder. Dann schaufelten wir die Grube zu. »Wir können gar nichts tun«, sagte Jicarilla plötzlich. Er arbeitete, ohne aufzusehen. »Die Armee weiß selber nicht genau, was sie eigentlich will. Hinter jedem General steht ein anderer General. Der eine sagt dies, der andere das. Am Schluß sind sie sich nur in einem einig: Die Indianer müssen weg. Wir können nichts dabei tun.« Ich antwortete nicht, aber was er sagte, traf mich stark. »Wahrscheinlich wird es Krieg geben«, sagte Jicarilla. Er klopfte die Erde des Grabhügels fest, den wir aufgeworfen hatten. »Dieser Überfall hier war der vierte in den letzten Wochen. Die Siedler schreien danach, daß die Apachen bestraft werden müssen. Die Armee wird bald nicht mehr anders können.« »Es war kein großer Überfall«, sagte ich. »Höchstens zwei oder drei Krieger, vielleicht sogar nur einer.« »Das interessiert die Siedler nicht.« Jicarilla holte seine Flasche. Er trank den Brandy wie Wasser. »Wenn ein Apache etwas tut, müssen alle bestraft werden. Das ist die Logik des weißen Mannes. Versuch, etwas dagegen zu tun.« »Hast du schon was herausgekriegt?« »Nichts«, erwiderte Jicarilla. »Das Land ist groß, ich bin allein. Die weißen Siedler nennen die Brandstifter die Feuerreiter. Gesehen hat sie noch niemand. Sie reiten nachts, suchen sich abgelegene
Farmen aus und verschwinden sehr schnell wieder. Dabei verwischen sie ihre Spuren.« »Gibt es viele Stämme in der Nähe?« »In der Nähe vom Rio Doro liegen einige kleine Dörfer«, erwiderte Jicarilla. »Alles Mescaleros, alle friedlich. Ab und zu dringen von Mexiko aus Chiricahuas ein, aber nur sehr selten, und die reiten nicht so weit nach Norden. Vielleicht sind es ein paar versprengte junge Krieger, die sich in den Bergen versteckt haben.« Er zuckte mit den Schultern und sagte: »Es werden auch Apachen ermordet. Krieger, Frauen, Kinder und Greise. Einmal ist ein Dorf aus Reisighütten angezündet worden. Darum kümmert sich keiner.« Er steckte die Flasche wieder weg. Es war kaum noch etwas darin. Er roch jetzt schon penetrant nach dem billigen Fusel, seine Stimme klang schwerfällig. »Wir sollten reiten, hier gibt es nichts mehr zu tun.« Er verstaute den Feldspaten. Ich nickte Shita zu, der sich im Schatten der Ruine in den Sand gelegt und uns beobachtet hatte. Er erhob sich, gähnte, als ob er die halbe Welt verschlingen wolle und trottete lustlos hinter mir her. Ich erreichte den Wallach und zurrte den Sattelgurt fest. Jicarilla schwang sich auf sein Pony. Im selben Moment fiel der Schuß. Als die Detonation verhallt war, lag ich bereits flach am Boden und hielt mein Spencer-Gewehr in den Fäusten. Das schrille Gekreisch der Krähen war verstummt.
2. Shita bellte, nachdem der Schuß gefallen war. Jicarillas Pony bäumte sich auf. Sein Wiehern glich einem grellen Trompetenstoß. Die Augenbälle quollen fast aus den Höhlen. Blutiger Schaum stand vor den Nüstern des Tieres. Fast unwirklich langsam kippte es zur Seite. Jicarilla warf sich im letzten Moment aus dem Sattel, bevor das Pony schwer am Boden aufschlug und ihn unter sich begraben konnte. Jicarilla blieb hinter dem Tier liegen. Er zerrte seinen Sharps-Karabiner aus dem
Scabbard und spähte über den Leib des toten Pferdes nach Südwesten zu einem Waldgürtel. Von dort mußte der Schuß gefallen sein. Aus der breiten Brust des Ponys sickerte Blut. Ich robbte auf allen vieren durch den heißen Staub in Richtung Brunnen. Genauso unvermittelt wie beim ersten Mal fiel der zweite Schuß. Ich hörte den peitschenden Knall. Zwei Fußbreiten von mir entfernt schlug die Kugel in den Boden. Instinktiv schloß ich die Augen und drehte den Kopf zur Seite. Eine Fontäne aus feinkörnigem Sand wirbelte hoch und hüllte meinen Kopf ein. Ich schmeckte Staub auf meinen Lippen. Bevor der Schuß verhallt war, sprang ich auf und lief geduckt über den Farmhof. Ich lief im Zickzack. Wieder fiel ein Schuß. Die Kugel zupfte an meinem rechten Stiefelabsatz, bevor sie sich in den Sand grub und eine armlange Scharte in den Boden des Farmhofes pflügte. Ich erreichte den Brunnen und warf mich mit einem Hechtsprung hinter die steinerne Einfassung. Wer immer der Heckenschütze war, der uns hier unter Feuer nahm – er konnte schießen. Schweißbahnen rannen mir über das Gesicht. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Mein Atem ging stoßweise. Die Ebene rings um die Farm war leer und ohne Leben. Ich hob die flache Rechte zum Schutz gegen die stechenden Sonnenstrahlen an die Stirn und schloß meine Augen zu engen Schlitzen. Am Waldrand, gut fünfhundert Yards entfernt, glaubte ich ein blasses grauweißes Wölkchen zu entdecken, wie es nach einem Schuß aus einer Gewehr- oder Revolvermündung aufsteigt. Aber ich konnte mich täuschen. Im nächsten Moment knallte es wieder, zwei-, dreimal hintereinander. Eine Kugel schlug unweit von meinem Kopf in die steinerne Brunneneinfassung. Ein Regen von Gesteirissplittern ging auf mich nieder. Ich zog den Kopf ein und sah, daß die beiden anderen Geschosse den Leib des toten Ponys trafen. Jicarilla preßte sich hart gegen den Boden. Eins der Geschosse zerriß den Sattelgurt. Ich war sicher, diesmal das Mündungsfeuer gesehen zu haben,
schob meinen Spencer-Karabiner über den Rand der Brunneneinfassung und feuerte in rascher Folge viermal auf den Waldrand. Es geschah nichts. Ich hatte es auch nicht erwartet. Der SpencerKarabiner war ein gutes Gewehr, aber die Entfernung war für einen genauen Schuß zu groß. Ich hätte eine langläufige Rifle benötigt, und Patronen mit besonders schwerer Ladung, um Wirkung zu erzielen. Shita erhob sich unvermittelt aus dem Schatten der Stallruine. Das Fell in seinem Nacken hatte sich gesträubt, er hatte die Ohren steif aufgerichtet. Auf einmal schoß er aus dem Stand los und sprang auf die Ebene hinaus. »Zurück!« schrie ich. »Du Idiot, komm zurück!« Er hörte nicht. Ich sah seinen geschmeidigen Leib durch das hohe Gras huschen. Dann war er auf einmal verschwunden. Mich fröstelte trotz der Hitze. Ich suchte mit Blicken den Rand des Waldgürtels ab, bis meine Augen zu tränen begannen. Nichts. Alles blieb still. Nichts regte sich. Ich schaute zu Jicarilla hinüber. Er lag reglos hinter seinem toten Pony. Das Geschrei der Krähen war wieder zu hören. Ich hob den Kopf. Der Krähenschwarm hatte sich aufgelöst. Nur noch etwa ein Dutzend der schwarzen Vögel kreiste über dem Farmhof, die anderen waren in Richtung Wald abgedreht. Die Zeit schien stillzustehen. Der Wind wurde schwächer und flaute schließlich fast ganz ab. Die Sonne hatte den Zenit überschritten, trotzdem wurde es noch heißer. Jicarilla rührte sich plötzlich. Er langte nach seiner Feldflasche, löste sie vom Sattel und zog sie über den Pferdeleib zu sich. Er bemühte sich danach, den Sattel vom Rücken des Ponys zu zerren. Aber das Gewicht des Pferdes ruhte schwer auf dem zerschossenen Sattelgurt. Jicarilla schaffte es lediglich, die Satteltasche freizukriegen, die das Tier beim Sturz unter sich begraben hatte. Er öffnete sie und langte hinein. Ich hörte ihn leise fluchen und sah, wie er den verkorkten Hals seiner Brandy-Flasche hervorzog. Der Rest der Flasche war offensichtlich beim Sturz zerbrochen. Jicarilla schleuderte den scharfgezackten Flaschenrest wütend von sich. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Im selben Moment begann in der Ferne die Sharps wieder zu dröhnen. Ich dachte an Shita und zog instinktiv den Kopf ein, als die Geschosse im Farmhof einschlugen. Sie bestrichen die freie Fläche zwischen dem Brunnen und dem toten Pony Jicarillas. Es waren nur ein paar Schüsse, aber sie lagen gut und hatten wohl nur den Zweck, uns zu zeigen, daß der Heckenschütze noch da war. Jicarilla schob seinen Sharps-Karabiner über den Pferdeleib und begann zu schießen. Ich tat es ihm nach, bis ich auf einmal aus weiter Ferne Shita bellen hörte. Ich ließ den Spencer-Karabiner sinken und lauschte. Wieder fiel ein Schuß, nachdem auch Jicarilla sein Feuer eingestellt hatte. Aber diesmal schlug keine Kugel auf dem Farmhof ein. Ich fühlte einen scharfen Stich im Herzen, dann hörte ich Shita wieder bellen, und sofort war mir leichter. Es vergingen einige Minuten, vielleicht eine Viertelstunde. Dann tauchte der Hund plötzlich am Waldrand auf und hetzte mit großen Sätzen durch das Gras zurück zur Farm. Er steuerte zielsicher den Brunnen an und rannte mich glatt um. Ich fiel auf den Rücken. Er stellte sich breitpfotig über mich und leckte mein Gesicht ab, bis ich mich zur Seite gewälzt und ihn weggestoßen hatte. »Verrückter Kerl! Laß mich in Ruhe!« Ich richtete mich keuchend auf. Er stand hechelnd da, und ich sah neben ihm ein Stück Stoff liegen, einen blaßblauen Fetzen, der naß von Shitas Speichel war. Ich nahm ihn auf und betrachtete ihn. Es war Calico-Stoff, wie Apachen ihn gern verwendeten, aber das besagte nicht viel. Auch Weiße trugen Calico-Hemden. »Geh in Deckung!« rief Jicarilla. »Keine Gefahr mehr«, sagte ich. Ich wedelte mit dem Stoffetzen. »Wer immer der Bursche war: Er hat keine Lust, sich auf einen Ringkampf mit Shita einzulassen und uns dabei aus den Augen zu verlieren.« Jicarilla mißtraute der ganzen Sache. Er blieb hinter dem toten Pony liegen, während ich den Wallach holte und mich in den Sattel schwang. Die ganze Zeit über geschah nichts. Es blieb still. Ich grinste Shita zu, und er ließ die Zunge aus dem Maul hängen und
schien zurückzugrinsen. Ich stieß dem Wallach die Absätze in die Weichen und ritt vom Hof auf den Waldgürtel zu. »He, wo reitest du hin?« rief Jicarilla hinter mir. Ich winkte nur und ritt weiter, ohne zu antworten. Shita überholte mich nach ein paar Minuten und sprang zum Wald voraus. Er wartete hier auf mich und bellte. Ich zügelte den Wallach neben ihm und stieg ab. Auch wenn es den Anschein hatte: Ich bewegte mich keineswegs unbekümmert oder unvorsichtig. Aber ich kannte Shita lange genug, und ich kannte mich in der Wildnis aus und konnte abschätzen, wann ein Gegner das Feld räumte. Wäre ich der geheimnisvolle Heckenschütze gewesen, so wäre ich genauso verschwunden wie er. Er hatte zwei Gegner vor sich gehabt, die – wie er an unseren Reaktionen hatte erkennen können – keine unerfahrenen Grünschnäbel waren. Er hatte uns nur unter Kontrolle halten und eventuell ausschalten können, wenn er uns ständig im Auge behielt und uns in allem, was wir taten, ständig zuvorkam. Das Auftauchen des Hundes hatte sein Konzept zerstört. Shita hatte ihn abgelenkt, und nachdem es ihm nicht gelungen war, den Hund zu töten, hatte er es vorgezogen, sich zurückzuziehen, bevor wir seine Unaufmerksamkeit bemerken und ausnutzen konnten. Kein Zweifel: Der Mann war erfahren und vorsichtig. Das machte ihn, neben seinen Fähigkeiten im Umgang mit dem Gewehr, doppelt gefährlich. Ich ging an Shita vorbei und drang geduckt ins Unterholz ein. Nur zwei Schritte weiter fand ich die Spuren des Kerls. Hier hatte er mit Shita gekämpft. Der weiche Boden war zerwühlt. Ein paar tiefhängende Zweige waren abgeknickt. Ich fand zwei Stachelschweinborsten, wie sie an Mokassins getragen werden. Auch die Abdrücke im Boden ließen auf hochschäftige Mokassins mit weichen Sohlen schließen. An einem Dornenbusch entdeckte ich ein Stückchen blaßblauen Stoff, wie Shita ihm mitgebracht hatte. Ich tätschelte Shitas Kopf. Er wedelte hoheitsvoll mit dem Schwanz. »Du warst gut wie immer, alter Junge«, sagte ich. Ich folgte der Spur tiefer ins Unterholz. Knapp zwanzig Schritte
hinter seiner Deckung, von der aus er auf uns geschossen hatte, mußte Shita ihn noch einmal angefallen haben. Auch hier war der Boden zerwühlt. Auf einem Blatt entdeckte ich ein paar dunkle Flecke – Blut. Dann war der Mann schnell gelaufen. Seine Schritte waren groß gewesen. Die Spur war klar zu verfolgen. Sie führte zu einer Lichtung, die fast sechzig Yards vom Waldrand entfernt lag. Hier fand ich die Fährte eines unbeschlagenen Pferdes. Der Mann hatte es bestiegen und war damit nach Südwesten geritten, nicht übermäßig schnell, wie die Spur auswies. Der Waldboden war weich, daher hatten wir auf der Farm keinen Hufschlag gehört. Ich hielt es für sinnlos, die Fährte weiter zu verfolgen. Wahrscheinlich schloß sich an den Waldgürtel harterdiges Steppengebiet an, auf dem Spuren ohnehin schlecht zu verfolgen waren. Der Unbekannte würde zudem sicherlich alles tun, seine Fährte zu verwischen. Mir war aufgefallen, daß er trotz seines überstürzten Aufbruches keine der abgeschossenen leeren Patronenhülsen zurückgelassen hatte. Wer so handelte, verfügte über Kaltblütigkeit und Überlegung. Außer dem Stoffetzen und den beiden Stachelschweinborsten gab es keinen persönlichen Hinweis auf den Schützen. Ich betrachtete die Fußspur noch einmal. Die Eindrücke waren nicht sehr tief. Der Mann war entweder nicht sonderlich schwer gebaut, oder er bewegte sich sehr leichtfüßig. Die wenigen Anhaltspunkte deuteten auf einen Indianer hin. Die niedergebrannte Farm und die Art, wie die Familie dort getötet worden war, fügten sich logisch in dieses Bild ein. Aber Apachen waren keine Einzelgänger, und ich hatte noch nie einen gesehen, der so gut mit einer Sharps umgehen konnte. Die ganze Sache blieb für mich nebelhaft verschwommen und folgte keiner klaren Linie. Ich verließ den Wald, schwang mich wieder in den Sattel und lenkte den Wallach zurück zur Farm. Jicarilla hockte auf der Brunnenmauer, als ich die Farm erreichte. Seine Ausrüstung lag sorgfältig aufeinandergepackt neben ihm am Boden.
»Er ist weg«, sagte ich. »Keine Chance, ihn zu kriegen.« »Hat er Spuren hinterlassen?« »Nicht viel. Es reicht gerade, um sicher zu sein, daß er kein Geist ist.« »Er ist ein Apache«, sagte Jicarilla. »Ich habe seine Spur schon öfter gefunden. Es war nie sehr viel, aber alles deutet darauf hin.« Er erhob sich und blickte Shita an. »Du hast einen guten Hund.« »Das kannst du laut sagen. Reiten wir nach Fort Calhoun?« Er bückte sich nach seiner Ausrüstung und hob sie auf. Er sagte: »Wir sind gegen Abend da.« Er stieg hinter mir auf. Der Wallach schnaubte unwillig, trabte aber dann mit der Last von zwei Reitern an. »Südwärts«, sagte Jicarilla. »Du hast nicht zufällig eine Flasche Brandy dabei?« »Ich trinke sehr wenig.« »Wie hältst du das aus?« »Das frage ich mich auch«, erwiderte ich. »Wenn es besonders schlimm wird, trinke ich einen Schluck Wasser.« »Ein Mann sollte seinem Pferd nicht das Wasser wegtrinken«, sagte Jicarilla. »Wie sollen wir miteinander auskommen, wenn du keinen Brandy bei dir hast?« »Du solltest in jeder Satteltasche eine Flasche haben«, sagte ich. »Dann kann gar nichts mehr passieren. Dann ist es völlig egal, nach welcher Seite dein Pferd stürzt.« Jicarilla schwieg. Die Sonne war weit nach Westen gerückt, die Schatten wurden länger. Ich lenkte den Wallach in stetigem Tempo nach Süden. Die Ebene hatten wir längst verlassen. Das Land wurde unübersichtlich und hügelig. Ich versuchte, mir besondere Merkmale der Landschaft einzuprägen. Es war wichtig, daß ich mich rasch hier zurechtfand. Hier war das Gebiet, in dem ich arbeiten sollte. Ich mußte das Land kennen, und in diesem Teil von Texas war ich noch nicht gewesen. Aber es gab so gut wie keine Besonderheiten. Süd-Texas war fast überall gleich. Außerdem war Jicarilla da, der mir das Land zeigen konnte. Ich war sicher, daß ich mich gut mit ihm verstehen würde. Er mochte ein Säufer sein, aber er war ein guter Mann. Ich irrte mich
nur selten in meinen Einschätzungen. Ich dachte an das, was er auf der Farm gesagt hatte. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, die Anwerbung als Scout zu unterschreiben. Ich hatte noch nie als Scout im Indianergebiet gearbeitet. Vielleicht hatte ich wirklich große Illusionen. Ein leichtes Unwohlsein beschlich mich, aber zum Umkehren war es jetzt zu spät.
3. Als Jicarilla und ich das Hügelland verließen, hörte ich in der Ferne ein blechernes Trompetensignal. Der Zapfenstreich wurde geblasen. Wenig später sah ich im Licht der Abendsonne Fort Calhoun vor mir. Das Fort war einer der am weitesten nach Süden vorgeschobenen Militärposten, eine typische Grenzgarnison im Indianerland. Im allgemeinen einer der ödesten, tristesten und gottverlassensten Plätze der Welt, im Krisenfall aber Zufluchtort aller weißen Siedler im Umkreis von fast zweihundert Meilen. Fort Calhoun war eine kleine Festung. Ich sah die Dächer von sieben oder acht langgestreckten Hütten. Das Gelände war von einer Palisade umgeben. Es gab zwei Wachtürme. An einem dritten wurde gebaut, was darauf schließen ließ, daß die ganze Palisade noch ziemlich neu war. Ich lenkte den Wallach über die Ebene zu einem ausgefahrenen Wagenweg, der direkt auf das nach Osten zeigende Tor des Forts zuführte. Auf der Palisade über dem Tor bemerkte ich eine Bewegung, wenig später zügelte ich den Wallach. Shita blieb neben mir stehen, die Zunge hing ihm weit aus dem Maul. Eine Gestalt beugte sich über die Palisadenbrüstung. Eine Männerstimme fragte: »Wer da?« »Jicarilla«, sagte das Halbblut hinter mir. Seine Stimme klang müde und ausgetrocknet. »Auf was für einem Gaul sitzt du? Wer ist der andere?« »Er gehört zu mir«, erwiderte Jicarilla. »Öffne das Tor, oder ich schlitz dir den Bauch vom Nabel bis zum Kinn auf.«
»Deine Stimme hört sich an wie ein leeres Faß«, sagte der Posten. »Du hast wohl lange nichts zu saufen gekriegt.« Ich hörte, wie das Tor entriegelt wurde. Dann schwangen die beiden großen Flügel nach innen. Ich trieb den Wallach an. Shita schlüpfte mit uns durch das Tor. Wir ritten an zwei Posten vorbei quer über den Exerzierplatz. Ich war nicht zum erstenmal in einem Fort und hatte es nicht schwer, die Stallgebäude zu finden. Hier hielt ich wieder an. Jicarilla glitt sofort zu Boden und lud sich seine Ausrüstung auf die Schulter. »Die Kommandantur ist dort drüben«, sagte er. Er deutete auf ein langgestrecktes Gebäude, das zentral zwischen den anderen Bauten lag. Hinter den Fenstern brannte noch Licht. »Wir sehen uns noch.« Er hob grüßend die Hand und schritt davon. Ich stieg ab, nahm die Zügel des Wallachs und zog ihn hinter mir her auf eins der Stallgebäude zu. Vor einem der geschlossenen Tore stand ein Infanterist Posten. Er war nicht viel älter als ich. »Ist noch jemand wach?« fragte ich. »Ich schlafe nicht im Stehen«, erwiderte er. »Das soll auch nicht gesund sein«, sagte ich. Er grinste und sagte: »Die Stalleute liegen schon in der Falle. Wer bist du?« »Ronco«, sagte ich. »Ich bin der neue Scout.« »Unglaublich«, sagte er. »Ich dachte immer, es gebe keinen Menschen auf der Welt, der freiwillig hierbleiben will.« »Du bist doch auch da.« »Nicht mehr lange«, erklärte er. »Ich hatte mich für ein Jahr gemeldet. Wegen des Handgeldes. In zwei Monaten bin ich hier fertig.« Er setzte sein Gewehr ab und streckte mir die Rechte hin. »Ich bin Joey Wilson. Ich laß dich rein. Du kannst dein Pferd unterstellen.« »Fein, Joey«, sagte ich und ergriff die Hand. Er blickte an mir vorbei auf Shita. »Du hast einen Hund?« »Ja.« »Ich mag Hunde«, sagte Joey. »Ich hätte auch gern einen. In zwei Monaten, wenn ich die Uniform los bin, kaufe ich mir einen.«
Er bückte sich zu Shita, reckte auch ihm die Hand hin und tätschelte ihm den Kopf, nachdem Shita die Hand hoheitsvoll, aber durchaus wohlwollend beschnuppert hatte. Joey Wilson drehte sich um und öffnete das Stalltor. Ich führte den Wallach hinein, stellte ihn in eine leere Box, entsattelte ihn, nahm ein Strohbüschel und rieb dem Grauen gründlich das Fell ab. »Ein Scheißleben hier«, sagte Joey. Er stand vor der Box und schaute mir zu. »Jeden Tag der gleiche Kram. Früh raus, Strammstehen, Marschübungen, Strammstehen, Griffe kloppen, Strammstehen, Schießübungen, Strammstehen, Bajonettübungen, Strammstehen. Dazu von früh bis spät eine Affenhitze, das man sich am Abend wie ein durchgebratenes Steak fühlt. Das Essen ist miserabel, ein Schlangenfraß. Zum Besaufen reicht das Geld nicht. Ganze neun Dollar zahlen die mir im Monat, lausige neun Dollar. Als ich mich gemeldet habe, gab's mehr. Da war Krieg, Kein Mensch hat mir vorher gesagt, daß ich nach dem Krieg hier unten am Arsch der Welt landen und der Sold gekürzt werden würde. Wenn das kein Betrug ist!« »Ein Scout kriegt dreißig oder vierzig Dollar«, sagte ich. »Ich lade dich mal zum Whisky ein.« Er grinste wieder. »Du bist in Ordnung. Paß auf, in vier Wochen hängt dir hier alles genauso zum Hals raus wie mir.« »Ich hab auch mal Illusionen gehabt.« Ich war fertig, gab dem Wallach einen Klaps und verließ die Box. Shita hielt sich dicht bei mir. »Das Gute bei der Armee ist, daß man hier seine Illusionen schneller los wird als irgendwo sonst auf der Welt. Mach's gut, Joey.« Ich ging an ihm vorbei aus dem Stall. Mein Magen knurrte unvermittelt, aber ich hatte wenig Hoffnung, um diese Zeit noch etwas Eßbares zu erhalten. Vielleicht konnte mir Jicarilla weiterhelfen. Ich steuerte die Kommandantur an und ging die drei Stufen des überdachten Vorbaus hinauf. Ich überlegte, ob ich Shita draußenlassen sollte, dann öffnete ich die Tür, und er schlüpfte an mir vorbei ins Innere. Das Licht im Raum blendete mich im ersten Moment ein wenig.
Dann entdeckte ich hinter einem abgewetzten Schreibtisch einen Corporal, der ziemlich müde zu sein schien. »Guten Abend«, sagte ich. »Bist du der neue Scout?« fragte er, ohne meinen Gruß zu erwidern. »Ja.« »Du hast dir Zeit gelassen«, erklärte er tadelnd. »Ich habe mein Pferd versorgt.« »Du hättest dich sofort melden müssen«, sagte er. »Ich versorge immer zuerst mein Pferd«, erwiderte ich. »Wenn es ernst wird, brauche ich nämlich das Pferd zuerst. Auf Leuten wie Ihnen kann ich nicht reiten.« Er schnitt ein Gesicht, als wenn er sich gleich übergeben würde. Offensichtlich fiel ihm keine Antwort ein. Stumm deutete er mit dem Daumen über die Schulter zu einer Tür. Ich ging mit Shita an seinem Schreibtisch vorbei, klopfte an und stieß die Tür auf. Ich trat in einen großen Raum, in dem es nach würzigem Tabak roch. An den hellen Kiefernwänden hingen Landkarten. Hinter einem wuchtigen Schreibtisch aus schwarzer Mooreiche saß ein Offizier in blauer Uniform, ein Colonel, ein Mann wie ein Klotz. Alles an ihm war kantig. Er sah aus, wie ein grob zugehauener Felsblock. Sein Schädel war fast kahl, die Augen unter den buschigen Brauen wirkten kieselartig. Trotz allem glaubte ich, in seinem Gesicht einen gutmütigen, fast geduldsamen Zug zu entdecken, der sichtlich mit seinen Aufgaben im Widerstreit lag. Ich schloß die Tür und blieb unweit des Schreibtisches stehen. »Guten Abend, Sir«, sagte ich. »Mein Name ist Ronco.« Ich hatte den Mann noch nie gesehen, wußte aber, wer er war: Colonel Hampton Lester, der Kommandant von Fort Calhoun. Ein verdienter Offizier des Bürgerkriegs, der sich aus dem Unteroffiziersstand hochgedient hatte. Das hatte Jicarilla mir auf dem Weg hierher erzählt. Er hob den massigen Kopf und musterte mich. Ich sah alles andere als militärisch korrekt aus. Meine Kleidung war abgewetzt, der Hut, den ich jetzt abnahm, war verbeult und speckig. Das blonde Haar hing mir wie eh und je bis auf die Schultern hinunter. Ein zwei Tage
alter Stoppelbart bedeckte Kinn und Wangen. Colonel Lester erhob sich, umrundete den Schreibtisch und reichte mir die Hand. »Ich freue mich, Sie zu sehen. Jicarilla war bereits bei mir und hat Bericht erstattet. Sie sind ja sofort mit einigen unserer Probleme in Berührung geraten.« »Es war nicht angenehm, Sir«, sagte ich. »Ich nehme an, Jicarilla hat Ihnen alles erzählt. Aber während des Krieges habe ich häufig Dinge gesehen, die noch schlimmer waren.« Er nickte nachdenklich. »Manchmal glaube ich, ich bin hier auf den Mond geraten. Hier ist alles ganz anders. Während des Krieges habe ich in Tennessee gestanden. Das ist eine andere Welt, wenn ich heute daran denke. Das alles ist sehr weit weg. Die Probleme sind grundverschieden, die Konflikte, die Menschen, das Land. Aber ich habe gehört, daß Sie sich in Texas auskennen?« »Nordwest-Texas, Sir«, sagte ich. »Auch im Südwesten ein wenig, und in Arizona und Mexiko. Aber das liegt ein paar Jahre zurück. Ich bin bei den Apachen aufgewachsen, bei Chiricahuas, Sir.« Ich zog den Empfehlungsbrief von Colonel Warwick aus der Tasche und reichte ihn Lester. Er entfaltete ihn und überflog die Zeilen. »Ich habe bereits, bevor Sie eingetroffen sind, einen Bericht über sie angefordert«, sagte er dann. »Sie sind noch jung, aber sie werden außerordentlich gut beurteilt. Aufgrund Ihrer Vergangenheit werden Sie uns gerade hier gute Dienste leisten können. Ich möchte, daß Sie gleich morgen beginnen, sich mit Ihren Aufgabe hier vertraut zu machen. Wir befinden uns in einer kritischen Lage. Die ständigen Mordanschläge und Brandschatzungen in den letzten Wochen haben die Stimmung angeheizt. Entweder finden wir die Mordbrenner, oder wir müssen eine größere Strafexpedition unternehmen. Mir wäre die erste Möglichkeit erheblich lieber. Aber Jicarilla tritt seit Wochen auf der Stelle.« Lester wandte sich um und trat an eins der Fenster, während er weitersprach: »Es ist nicht seine Schuld. Er ist ein guter Mann, auch wenn er säuft. Solange er seine Pflicht erfüllt, kümmere ich mich nicht darum. Aber er ist ein Halbblut. Die meisten weißen Siedler in
dieser Gegend mögen ihn nicht besonders. Er kriegt von keiner Seite Hilfe.« Colonel Lester drehte sich wieder zu mir um. »Ich möchte, daß Sie gleich morgen beginnen, sich mit der Angelegenheit zu befassen. Wir haben nicht viel Zeit. Aufklären brauche ich Sie nicht. Das hat Jicarilli wahrscheinlich schon getan, und Sie haben ja selbst miterlebt, was hier vorgeht. Ich hoffe, Sie trauen sich das zu. Jicarilla hat alle Informationen, auch wenn es nicht viele sind.« »Ich werde tun, was ich kann, Sir«, sagte ich. Er trat auf mich zu und blickte mich fest an. »Fort Calhoun ist nur eine kleine Garnison, Ronco. Mir stehen drei Kompanien Infanterie, eine Kompanie Artillerie und eine Kompanie Kavallerie zur Verfügung. Die Truppe hat nicht ihre Sollstärke. Wenn ich bei der Infanterie und der Kavallerie für jede Kompanie fünfzig oder sechzig Mann zusammenkriege, bin ich noch gut bestückt. Was ich sagen will: Ich habe einfach nicht die Truppe, um einen Krieg gegen die Apachen zu führen. Auch wenn die Siedler danach schreien: Ich kann keinen Krieg führen, ich will es auch nicht. Ich muß und will diesen Konflikt anders lösen. Ich setze großes Vertrauen in Sie.« »Danke, Sir«, sagte ich. »Ich glaube auch, daß allen Seiten gedient ist, wenn es so wenig Blutvergießen wie möglich gibt.« »Sie haben mich verstanden.« Lester streckte mir noch einmal die Hand hin. »Ich bin sicher, daß wir gut zusammenarbeiten werden.« »Das hoffe ich auch, Sir.« Er war mir wirklich sympathisch, das konnten nur wenige Offiziere von sich behaupten. Er blickte zu Shita hinunter, der die ganze Zeit über neben mir am Boden gesessen hatte. »Ihr Hund?« Er lächelte. »Ein feiner Kerl. Jicarilla hat mir alles erzählt.« Er schaute mich wieder an. »Corporal Jones wird Ihnen Ihr Quartier zuweisen. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.« »Danke, Sir.« Ich wandte mich ab und verließ mit Shita das Office. Der Corporal draußen in der Schreibstube blickte mir griesgrämig entgegen. »Sie sollen mir ein Quertier zuweisen«, sagte ich. »Kann ich vielleicht noch irgend etwas zu essen kriegen?«
Er blätterte in einer zolldicken Kladde und brummte dann: »Block B, die letzte Tür. Sie teilen Ihr Quartier mit Sergeant Mulligan.« Er grinste auf einmal. Warum, das konnte ich mir nicht erklären. »Die Küche ist geschlossen. Außerhalb der Essenszeiten werden keine Rationen ausgegeben.« Er schien sehr zufrieden über diese Regelung zu sein, beugte sich vor, befaßte sich intensiv mit einigen Papieren und gab sich große Mühe, meine Existenz zu vergessen. Ich entschloß mich, ihn dabei zu unterstützen und verließ mit Shita grußlos die Kommandantur, wobei ich es mir nicht verkneifen konnte, die Tür zuzuknallen. Als ich draußen am hellerleuchteten Fenster vorbeiging, konnte ich Corporal Jones wie ein aufgeschrecktes Huhn an seinem Schreibtisch sitzen sehen. * Die Tür war aus hellen Kiefernbrettern. Die Gardinen des Fensters daneben waren zugezogen. Über der Tür hing an einem Dachbalken eine rostige Stallaterne, die einen trüben Schein verbreitete. Mein Magen knurrte ziemlich heftig, und ich war sicher, daß es Shita nicht anders ging. Aber ich hatte mich damit abgefunden, daß ich heute nichts mehr zwischen die Zähne kriegen würde. Ich drückte die Klinke nach unten, aber die Tür war verschlossen. Ich klopfte und hörte von drinnen ein dumpfes Knurren. Hinter der Gardine ging Licht an. Wenig später knackte ein Schlüssel im Schloß, die Tür wurde aufgerissen. Vor mir auf der Schwelle stand ein Mann von etwa dreißig Jahren. Er war einen halben Kopf kleiner als ich, hatte einen Schädel wie ein Büffel und einen Stiernacken. Sein Körper war breit und massig, sein Bauch hatte einen stattlichen Umfang. Plötzlich wußte ich, warum Corporal Jones so höhnisch gegrinst hatte, als er mir das Quartier zugewiesen hatte. »Sergeant Mulligan?« fragte ich. Er trug nur eine abgewetzte Uniformhose. Die gelben Hosenträger hatte er sich über den nackten, dicht behaarten Oberkörper gezogen. Er war barfuß. Das Haar hing ihm in Büscheln in die niedrige Stirn.
Seine Nase war kurz und breit und erinnerte mich an den Rüssel eines Schweins. »Ich hab geschlafen«, erklärte er. »Das will ich auch gern«, sagte ich. »Tut mir leid, daß ich Sie geweckt habe. Ich bring nur meine Sachen rein, dann können Sie weiterschlafen.« »Ich hör wohl nicht recht«, sagte er. Er wollte die Tür wieder zuknallen. Ich schob blitzschnell meinen linken Fuß dazwischen. »Nimm deine Quadratlatschen aus der Tür«, fauchte er. »Nein«, sagte ich. »Mein Name ist Ronco. Ich bin der neue Scout. Mir ist hier ein Quartier zugewiesen worden. Es gefällt mir auch nicht, aber es ist so.« »Einen Tritt in den Arsch kannst du kriegen«, sagte Mulligan. »Nimm deine Latschen weg, oder ich knall die Tür drauf, daß dein Fuß in keinen Stiefel mehr paßt.« »Ich kann auch den Colonel holen«, sagte ich. »Den Colonel?« Er schien unsicher zu werden. Aber das war ein Trick. Ich bemerkte, wie er blitzschnell den rechten Fuß anhob, um mir mit aller Kraft auf die Zehen zu treten. Ich zog meinen Fuß weg. Mulligans nackte Ferse krachte wuchtig auf die Holzdielen. Sein Gesicht verzerrte sich, seine Augen wurden groß. Er ächzte wie ein sattes Schwein und schwankte, während ich meinen Fuß wieder in die Tür schob. »Du hast ein zweites Bett bei dir drin«, sagte ich. »Dieses Bett gehört jetzt mir, und ich kriege es.« Er öffnete die Tür wieder und trat ein Stück vor. Er musterte mich von oben bis unten. Dann sah er Shita. »Dein Köter?« »Mein Hund.« »Ich hasse diese verlausten Köter«, sagte er. »Sie sind laut und stinken wie die Pest. Dieses Quartier ist kein Schweinestall.« »Warum wohnst du dann hier?« fragte ich. »Die Ställe sind da drüben, dort würdest du ganz gut hinpassen.« »Willst du damit sagen, daß ich ein Schwein bin?« Er legte seine niedrige Stirn in Falten und stemmte die Fäuste in die Hüften. Seine
Unterarme glichen fetten Schinken. »Mein Hund ist kein Köter«, sagte ich. »Er hat keine Läuse, und er stinkt nicht. Er ist ein Hund, und er sieht aus wie ein Hund. Aber du siehst aus wie ein Schwein und benimmst dich auch so, obwohl du so tust, als seist du ein Sergeant.« Er starrte mich sprachlos an. Ihm war anzusehen, daß ihm so etwas noch nie passiert war. Er war es gewohnt, zu befehlen und dabei niemals Widerspruch zu erhalten. Er war vermutlich ein Schleifer, und ich dachte an Joey, der diesem Monstrum auf dem Exerzierplatz hilflos ausgeliefert war. »Was hast du gesagt?« knurrte Mulligan. Seine Augen verengten sich. »Also doch ein Schwein«, sagte ich. »Du hast zwar Ohren so groß wie ein alter Esel, aber du hörst ziemlich schwer. Du solltest dich mal waschen. Mich wundert, daß du nicht längst schon mal von einem Metzger aus Versehen geschlachtet worden bist.« »Du dreckige Mistkröte!« brüllte er. Sein Gesicht lief rot an. Ich sah seine Faust hochfliegen und duckte mich, so daß ich nur den Luftzug des Schlages spürte. Mulligan stolperte und verlor für einen Moment das Gleichgewicht, vom Schwung des Hiebes mitgerissen. Ich hörte Shita knurren, glitt einige Schritte zurück und richtete mich wieder auf. Mulligan schrie. Shita hatte ihn angesprungen und ihn in den rechten Oberschenkel gebissen. Mulligan plumpste wie ein Sack zu Boden, während Shita sich mit einem Fetzen Stoff zurückzog und ich durch das Loch in Mulligans Hose die Abdrücke von Shitas Zähnen im Fleisch des Sergeants sehen konnte. Ich hörte Schritte hinter mir und wandte den Kopf. Ein paar Posten liefen zusammen und blieben unsicher in einiger Entfernung stehen. Mulligan richtete sich schwerfällig auf. Er wirkte im Moment ziemlich jämmerlich. »Was steht ihr rum, ihr Arschgeigen?« schrie er, als er die Soldaten sah. »Knallt diesen Köter ab, er ist lebensgefährlich. Und schafft den Kerl in den Bau. Da soll er schmoren, bis er schwarz wird.« Die Posten rührten sich nicht.
»Setzt euch in Bewegung, sonst reiße ich euch den Arsch auf!« brüllte Mulligan. »Das ist der neue Scout«, sagte einer. Ich schaute mich um. Es war Joey. »Von mir aus der Präsident!« schrie Mulligan. »Er hat mich angegriffen …« »Langsam, Fettsack«, sagte ich. »Du widersetzt dich einem Befehl von Colonel Lester. Mir ist dieses Quartier zugewiesen worden, und du willst mich nicht reinlassen.« »Wie hast du mich genannt?« Mulligans Gesicht war so rot, daß ich befürchtete, sein Schädel würde gleich in Flammen aufgehen. Mulligan schien zu begreifen, daß er im Moment keine sehr glückliche Figur machte. Wahrscheinlich befürchtete er, seine Autorität zu verlieren, wenn er vor mir zurücksteckte. Er hatte seine Fäuste gehoben und näherte sich mir langsam. »Du wirst dich entschuldigen«, sagte er. »Mir ist noch nie ein so dämlicher Fettsack begegnet«, sagte ich. »Das bißchen Hirn, das du vielleicht irgend wann einmal gehabt hast, muß sich längst in Fett aufgelöst haben.« Mulligan grunzte vor Wut. Seine Fäuste begannen zu schwingen. Shita bellte. »Zurück, Shita!« rief ich. Dann wich ich aus, sprang leichtfüßig zur Seite und ließ Mulligan voll gegen meine Fäuste rennen. Ich traf seinen Bauch und hatte das Gefühl, in einen zähen Pudding zu schlagen. Mulligan schnaufte nur und fuhr herum. Seine linke Faust streifte mich am Schädel. Ich taumelte und sah für einen Sekundenbruchteil dunkle Schleier vor meinen Augen, dann war ich außer Reichweite des Sergeants und hob meine Fäuste. »Weich mir nicht aus, du Großmaul«, keuchte Mulligan. »Bleib stehen!« »Ein bißchen Bewegung tut dir gut, Fettsack«, sagte ich. Ich wich abermals einem seiner Schläge aus und rief den Soldaten, die einen Halbkreis um uns gebildet hatten, zu: »Hüpft er auf dem Exerzierplatz genauso herum? Wie nennt man diesen Tanz, Fettsack? Ist das die Schweinepolka?«
Die Soldaten begannen zu lachen. Mulligans Kopf fuhr herum. »Euch wird das Lachen noch vergehen!« schnaubte er. »Ich laß euch morgen springen, bis ihr eure Seelen ausspuckt, ihr Hundesöhne!« Ich glitt auf ihn zu und hämmerte ihm beide Fäuste seitlich gegen den Schädel. Ein Stechen durchzuckte meine Oberarme und meine Handgelenke. Ich hatte das Gefühl, gegen einen Holzklotz zu schlagen. Aber Mulligan zeigte Wirkung. Er taumelte unsicher, seine Fäuste sanken etwas nach unten. Sofort setzte ich nach und drosch ihm meine Rechte voll gegen die Kinnspitze. Er schüttelte sich wie eine gebadete Katze, ließ einen weiteren Hieb an seiner Deckung abprallen und marschierte auf mich los wie ein Büffel. Ich sah in seine Augen und wußte: Dieser Mann würde mich totschlagen. Ich wich zwei, drei Schläge aus und wurde von einer linken Gerade seitlich gegen den Oberkörper getroffen. Ich verlor den Boden unter den Füßen und kippte japsend zur Seite. Die Füße knickten mir weg. Ich landete im Staub, hörte jemanden etwas rufen und sah plötzlich den nackten Fuß Mulligans auf mich zuschießen. Ich versuchte, dem Tritt auszuweichen, schaffte es aber nicht ganz und wurde gegen den linken Oberarm getroffen, daß ich dachte, meine Schulter würde brechen. »Warte nur, Bürschchen«, hörte ich Mulligan über mir keuchen. »Dich dreh ich durch den Wolf. Dich krieg ich ganz klein, bis du auf Brustwarzen über den Exerzierplatz kriechst und darum bettelst, meine Stiefel ablecken zu dürfen.« Ich stemmte mich hoch. Rosarote Schleier umwogten meinen Kopf. Ich sah nur verschwommene Schatten, konnte im letzten Moment den nächsten Fußtritt sehen, ihm aber nicht mehr ausweichen. Diesmal erwischte mich Mulligan voll an der Brust. Ich glaubte, meine Rippen knacken zu hören. Ich hatte das Gefühl zu schweben und stürzte mit ausgebreiteten Armen auf den Rücken. Verzweifelt rang ich nach Atem. »Du schaffst es«, hörte ich eine Stimme. »Gib nicht auf!«
Ich war sicher, daß es Joey war, der da rief, und ich wußte, obwohl mein Schädel völlig umnebelt war, was er damit tat: Er zog sich den Haß Munigans zu und würde für jedes Wort bezahlen müssen. Ich mußte handeln, auch wenn sich langsam eine bleiernde Lähmung durch meinen Körper fraß. Mulligan kämpfte nicht nur, um zu siegen, er kämpfte, um zu zerstören. Er kämpfte mit allen Mitteln. Mir blieb nichts anderes übrig, als es genauso zu tun, wenn ich auch nur den Hauch einer Chance haben wollte. Ich krallte meine Hände in den Sand und biß die Zähne zusammen. Mir wurde schlagartig bewußt, wie ernst die ganze Sache geworden war: Entweder stand ich in ein paar Sekunden wieder auf den Beinen, oder ich war in zehn Minuten tot. Ich richtete den Oberkörper auf. Die Schleier vor meinen Augen lichteten sich. Ich sah Mulligan geduckt dastehen. Seine Fäuste hingen herab. Aber er nahm sorgfältig Maß, um nach meinem Kopf zu treten, sowie ich wieder halb oben war. Ich riß in einer verzweifelten Kraftanstrengung beide Arme hoch und schleuderte Mulligan zwei Hände voll Sand ins Gesicht. Ich warf mich herum, stützte mich auf und erhob mich schwankend. Verschwommen sah ich die starren Gesichter der Posten, die den Kampf beobachteten. Sie hatten sich vorgebeugt, ihre Züge waren angespannt. Joey Wilson stand ganz vorn, hob die Rechte und winkte mir ermutigend zu. Ich nickte und drehte mich zu Mulligan um. Der massige Mann stand zusammengekrümmt da und rieb mit beiden Händen seine Augen. Ich ging auf ihn zu und trat ihm voll in den Leib. Es ging mir gegen den Strich, aber ich hatte zu oft ums Überleben kämpfen müssen und kannte die Gesetze der Wildnis. Mulligan selbst hatte die Regeln der Fairneß durchbrochen. Wenn ich ihm jetzt auch nur die geringste Chance ließ, würde er sie nutzen, um mich totzuschlagen. Mulligan verstand nur die Sprache der Gewalt, alles andere hielt er für Schwäche. Er beugte sich weit vor und würgte. Ich hämmerte ihm meine Rechte seitlich gegen den Hals und gleich darauf gegen die Stirn. Er torkelte zur Seite, fiel aber nicht um. Seine Fäuste sanken nach unten. Mit einer linken Geraden traf ich ihn voll auf dem rechten Auge. Die Braue platzte auf. Ein dünner Blutfaden rann Mulligan
über das Gesicht, gleichzeitig schwoll das Auge an. Aus Mulligans Brust drang ein tierischer Schrei. Seine Arme schwangen wie Windmühlenflügel. Halbblind versuchte er, auf mich loszugehen. Ich traf Mulligan mit der Rechten auf den Mund, dann gegen die Stirn. Mulligan brach unvermittelt in die Knie und sackte mit dem Oberkörper nach vorn. Er stützte die Ellenbogen auf den Boden, seine Stirn sank in den Staub. In dieser Haltung verharrte er. Ich hatte gewonnen, aber ich fühlte mich nicht als Sieger. Ich hatte Schmerzen im ganzen Körper. In den Gesichtern der jungen Soldaten, die den Kampf beobachtet hatten, las ich Anerkennung, fast sogar Dankbarkeit und Genugtuung. Aber keiner äußerte seine Zufriedenheit laut, auch Joey Wilson nicht mehr. Sie wußten, daß morgen früh Mulligan wieder der Stärkere sein würde. Ich sah Jicarilla in einiger Entfernung. Er hatte alles beobachtet und setzte sich in Bewegung. Bevor er den Halbkreis der Posten erreichte, drängten sich zwei Männer in Uniform durch. Einer war Corporal Jones, der Schreibstubenhengst bei Colonel Lester. Der andere war ein junger Lieutenant mit scharfen Zügen. »Was ist hier los?« Seine Stimme klang schneidend. »Warum seid ihr nicht auf euren Posten?« Er schaute sich um. »Mißachtung von Befehlen, Ungehorsam. Ihr schiebt morgen alle eine Sonderschicht. Weg mit euch!« Sie spritzten auseinander, als hätte eine Granate bei ihnen eingeschlagen. Der Lieutenant, Jones und ich standen allein da, und natürlich Shita und Mulligan, aber der kniete immer noch am Boden, obwohl er den Oberkörper aufgerichtet hatte. Er bot ein Bild des Jammers. Ich blickte den Corporal scharf an. Er war bleich und sichtlich nervös. »Sie sind der neue Scout, ich habe Sie vorhin gesehen«, sagte der Lieutenant. »Was ist hier los?« »Corporal Jones hat mir ein Quartier in der Stube von Sergeant Mulligan zugewiesen«, erwiderte ich. »Der Sergeant hat etwas gegen meine Gesellschaft. Er hat den Streit begonnen.«
Ich musterte Jones wieder und sagte: »Wollten Sie, das es Streit gibt? Sie müssen doch gewußt haben, daß der Sergeant solche Überraschungen nicht mag?« »Ich habe gar nichts gewußt«, erklärte Jones. Ich sah ihm an, daß er innerlich bebte. Er hatte vermutlich erwartet, mich zu Brei geschlagen anzutreffen, und nun das! »Sie wollen also sagen, Sergeant Mulligan habe gegen die Einquartierung Widerstand geleistet?« fragte der Lieutenant. »Totschlagen wollte er mich«, sagte ich. »Stehen Sie auf, Sergeant!« befahl der Lieutenant scharf. Mulligan ächzte herzerweichend und quälte sich auf die Beine. »Sir«, sagte er. Seine Stimme war kaum zu verstehen. Er hatte Mühe beim Sprechen und lispelte. Seine Lippen waren verschwollen und blutig. »Sir, dieser Kerl hat mich angegriffen. Er hat seinen Köter auf mich gehetzt. Ich protestiere gegen diese Untergrabung meiner Autorität. Er hat mich vor Angehörigen der Mannschaft beleidigt und beschimpft.« »Spielen Sie kein Theater, Sergeant!« Die Stimme des Lieutenants klirrte geradezu. »Wir kennen uns zu gut. Sie haben sich wieder einmal einem Befehl widersetzt, weil er Ihnen nicht in den Kram paßte. Sie haben eine Schlägerei vom Zaun gebrochen. Ihr Verhalten spricht jeglicher Disziplin Hohn. Ich habe Sie schon ein paarmal gewarnt, Mulligan. Sie wissen, es ist nicht das erste Mal.« »Sir!« Mulligan schwankte, seine Stimme bebte. »Sir, ich bin seit fünfzehn Jahren in der Armee. Ich habe Anspruch auf eine Kammer für mich allein, ich …« »Wir reden morgen weiter, Sergeant.« Der Lieutenant wandte sich mir zu. »Wollen Sie Ihr Quartier nun beziehen?« »Danke«, sagte ich. »Lieber schlafe ich im Stall.« »Du schläfst bei mir«, sagte eine Stimme hinter mir. Es war Jicarilla. Er trat neben mich. »Bei mir ist genug Platz.« Jicarilla grinste. »Ich hab auch nichts gegen Hunde.« »Einverstanden«, sagte ich. Ich trat ein paar Schritte auf Corporal Jones zu. »Hören Sie zu, Corporal. Sie haben mir dieses Quartier zugewiesen, weil Sie gehofft haben, daß der Sergeant auf mich losgeht. Das nächste Mal halte ich mich an Sie, und dann sehen Sie
schlimmer aus als Mulligan.« »Ich weiß nicht, von was Sie sprechen. Wagen Sie es nur nicht, mich zu bedrohen.« Corporal Jones drehte sich mit der Geschwindigkeit eines Kreisels um und eilte mit großen Schritten davon. Ich nickte dem Lieutenant zu, warf einen letzten Blick auf Mulligan und ging mit Jicarilla davon. Shita trottete hinter uns her. »Was hat Jones gegen dich?« fragte Jicarilla. »Ich weiß nicht«, erwiderte ich. »Ich glaube, er hat sich geärgert, daß ich erst mein Pferd gestriegelt habe, statt bei ihm anzutanzen. Das nächste Mal werde ich zuerst ihn striegeln, vielleicht gefällt ihm das besser.« »Mulligan ist ein Schläger«, sagte Jicarilla. »Er haßt Hunde und Pferde, Indianer, Neger und Mexikaner. Er haßt Soldaten, die nicht mindestens Corporal sind, und er haßt Zivilisten. Ich glaube, er haßt alles, was lebt oder was tot ist auf dieser Welt, nur nicht sich selbst, und selbst da bin ich mir nicht so sicher. Vielleicht haßt er sich selbst am meisten.« Jicarilla drehte sich um, blieb stehen und musterte mich, als sähe er mich zum erstenmal. »Du mußt ganz schön hart sein. Ich habe Männer gesehen, die vor Mulligan schreiend auf dem Bauch gekrochen sind.« »Ich fühl mich auch nicht besonders«, sagte ich. »Mag sein. Aber frag mal, wie Mulligan sich jetzt fühlt.« »Zum Teufel mit ihm«, sagte ich. Jicarilla grinste. Wir gingen weiter und erreichten sein Quartier. Eine Schnapswolke wehte mir entgegen, als ich die Kammer betrat. Eine Kerze brannte auf einem Tisch. Ich sah leere Flaschen, Waffen, Lederzeug, Kleidungsstücke, eine Waschschüssel und allerlei Krimskrams in einem unglaublichen Durcheinander herumliegen. Shita drängte sich an mir vorbei, schnüffelte hier, schnüffelte da und rümpfte dann die Nase. »Sehr schön«, sagte ich, um Jicarilla nicht vor den Kopf zu stoßen. »Gibt's hier im Fort noch mehr Rumpelkammern?« Jicarilla antwortete nicht. Ich seufzte. Ich hatte Hunger und Durst, war hundemüde, und mir taten alle Knochen weh. Ich wischte Jicarillas Klamotten von dem zweiten Bett und hockte mich hin,
während er eine neue Flasche entkorkte und genüßlich eine gewaltige Ladung Brandy in sich hineinkippte. »Schlafmittel«, brummte er, als er die Flasche absetzte. »Es gibt nichts Besseres.« Er blies die Kerze aus. Geräuschvoll ließ sich Shita neben meinem Lager auf den Fußboden plumpsen, und auch ich legte mich zurück und streckte mich aus, nachdem ich die Stiefel abgestreift hatte. Ich hatte keine Lust, noch mehr auszuziehen. Mein Gott, dachte ich, was für ein Tag. Dann schlief ich auf der Stelle ein.
4. Der Reiter trieb sein Pferd in den Rio Doro. Das Wasser schimmerte silbrig im Licht der Mondsichel. Es war eine klare Nacht. Der Himmel war wie eine Kuppel aus blauschwarzem Samt, mitten darin ein glitzerndes Sternenmeer. Es herrschte fast Windstille. Das Wasser reichte dem Pferd nicht mal bis zum Bauch. Mitten im Fluß zügelte der Reiter das Tier und ließ es saufen. Dann ritt er weiter und trieb das Pferd am Nordufer aus dem Wasser. Der Reiter wirkte im bleichen Mondlicht fast wie ein gespenstisch realer Schattenriß. Die Gesichtszüge waren nicht zu erkennen. Sie lagen im Schatten eines breitrandigen Sombreros, den der Reiter tief in die Stirn gezogen hatte. Er war mittelgroß und von schlanker Statur. Seine Gestalt wurde von einem Poncho eingehüllt. Im Sattelscabbard steckte ein schwerkalibriges, langläufiges Sharps-Gewehr. Sein Poncho flatterte im Reitwind wie die Schwingen eines übermächtig großen Nachtvogels. Der Reiter trug kniehohe Mokassins mit Stachelschweinborsten als Verzierungen. Unter dem Hut quoll langes, dunkles Haar hervor. Nachdem er den Fluß eine Meile hinter sich gelassen hatte, ritt er quer über die Ebene in das Hügelland der Ausläufer der HalconBerge. Er lenkte sein Pferd in eine nordwestwärts gestreckte Bodenfalte und erreichte nach einigen hundert Yards eine dichte Buschinsel. Hier hielt er an und spähte über die Ebene am Fluß der zerklüfteten
Höhen. Oberhalb eines Seitenarms des Rio Doro lag eine Farm – ein Wohnhaus, zwei Scheunen, ein Stall- und ein Magazingebäude. Das Wohnhaus war aus Adobelehmziegeln gebaut und hatte ein flaches Dach. Der Reiter beobachtete die Farm fast eine halbe Stunde lang. Es rührte sich nichts. Das Land ringsum war still und leer. Der Reiter trieb sein Pferd an, umrundete die Buschinsel und ritt langsam auf die Farm zu. Der Boden war weich und schluckte das Hufgeräusch des kleinen, zäh wirkenden Indianerpferdes. Hundert Yards vor der Farm hielt der Reiter an und glitt aus dem Sattel. Als er zu Fuß weiterging, trottete das Pferd dicht hinter ihm her, ohne daß er es am Zügel ziehen brauchte. Seitlich der Farmgebäude stand eine mächtige, von Wind und Wetter zerfressene Grannenkiefer. Der Reiter ließ das Pferd hier zurück und bewegte sich geschmeidig und schnell über den Hof zur ersten der beiden Scheunen, Er hob den Sperrbalken aus der Halterung, ließ ihn geräuschlos zu Boden gleiten, öffnete das Tor einen Spalt und schlüpfte hindurch. Er tastete sich durch die Dunkelheit, riß ein Zündholz am Daumennagel an und sah im flackernden Schein des Flämmchens zwei Petroleumlaternen an einem Wandhaken neben dem Tor hängen. Er langte danach und löschte die Streichholzflamme. Im Dunkel tastete er sich weiter zu einigen aufgestapelten Strohballen. Hier öffnete er die Laternen und verschüttete das penetrant stinkende Petroleum über das Stroh. Dann stellte er die Lampen sorgfältig wieder auf den Boden, riß ein zweites Zündholz an, nachdem er einige Schritte zurückgetreten war, und warf das Zündholz auf die Strohballen. Mit einem fauchenden Geräusch zuckte eine bläulich schimmernde Stichflamme hoch. Die dunkle Gestalt hatte sich bereits umgedreht, um nicht vom Feuerschein geblendet zu werden. Die Stichflamme wurde kleiner, dafür breitete sich das Feuer in rasender Geschwindigkeit aus. Als der Reiter wieder auf den Hof eilte, leckten Flammen aus den
Strohballen bereits nach den Stützbalken des Daches und nach den hölzernen Wänden der Vorratsboxen. Der Reiter hastete über den Hof. Er blieb neben der Haustür stehen und preßte sich hart gegen die rauhe Lehmziegelwand. Unter dem Poncho zuckte der rechte Arm des Reiters hervor. In der Faust hielt er eine Kriegskeule, wie Prärieindianer sie benutzen: ein geschmeidiger, biegsamer, in eine feingegerbte Lederhaut genähter Schaft mit einem Stein als Schlagteil, der eine länglich runde Form hatte und mit schmalen Lederriemen so fest an den Schaft gebunden war, daß es schien, als sei er hier festgewachsen. In gespannter Haltung verharrte der Fremde. Er lauschte ins Haus, während er aus den Augenwinkeln beobachtete, wie dichte Rauchwolken aus dem offenen Scheunentor drangen. Das Knistern und Knacken des Feuers wurde lauter. Nach wenigen Minuten leckten die Flammen aus dem Tor und krochen an den hölzernen Außenwänden zum Dach hoch. Das Innere der Scheune, die fast völlig mit Stroh- und Heuballen gefüllt war, verwandelte sich in eine Hölle. Dachsparren sprangen unvermittelt und bogen sich in der Hitze. Klirrend zersprangen die Scheiben eines Fensters. Im Wohnhaus ging Licht an. Der Mann vor der Tür rührte sich nicht. Irgendwo wurde ein Fenster geöffnet. Aufgeregte Stimmen waren zu hören. Schritte näherten sich der Tür. Die Haustür wurde aufgerissen. Ein halbnackter Mann trat über die Schwelle und starrte zu der brennenden Scheune hinüber. Er stieß einen Fluch aus. Er war von untersetzter Statur, hatte nur noch wenig Haare, aber einen dichten Schnauzbart. Mit schreckgeweiteten Augen fuhr er herum. Da sah er den Fremden. Er konnte das Gesicht des anderen nicht erkennen, er sah nur eine Reihe makellos weißer Zähne, als der andere leise lachte. Dann flog der Schädelbrecher hoch. Der Farmer versuchte dem mörderischen Hieb auszuweichen. Es gelang ihm nicht. Das steinerne Schlagteil der Keule traf ihn oberhalb der Nasenwurzel und zertrümmerte seine Stirnplatte. Das Leben wich aus seinem Körper von einer Sekunde zur anderen. In
verkrümmter Haltung sank er zu Boden. Der Mörder drehte sich um und sah eine hohe Gestalt im Türrahmen auftauchen, einen jungen Mann, gleichfalls halbnackt. Sein hagerer, sehniger Oberkörper schimmerte hell im Mondlicht. Der grelle Flammenschein der brennenden Scheune blendete ihn im ersten Moment. Dennoch schien er wahrzunehmen, daß jemand vor ihm stand. »Vater?« Er hob die Hände vor die Augen, seine Stimme klang unsicher. Der Fremde wirbelte den Schädelbrecher herum und schlug damit dem jungen Mann in den Leib. Der Junge schrie und klappte zusammen wie ein Taschenmesser. Sekunden später traf ihn ein Hieb auf den Hinterkopf und tötete ihn auf der Stelle. Der Mörder wandte sich ab und eilte über den Hof, der jetzt von den hochschlagenden Flammen fast taghell erleuchtet wurde. Das Dach der brennenden Scheune stürzte ein, brennende Strohbüschel wirbelten durch die Luft, blieben auf dem Dach des Magazingebäudes und des Stalles liegen und setzten auch diese Bauten in Brand. Ein weiterer Mann erschien in der Tür und starrte wie gelähmt auf die beiden Leichen vor dem Haus. Er war noch sehr jung, vielleicht siebzehn. Er stürmte auf den Hof und sah neben der alten Grannenkiefer ein Pferd, daneben eine Gestalt. »Wer sind Sie?« schrie er. Seine Stimme schnappte fast über. »Was haben Sie getan?« Ein Sharps-Gewehr donnerte. Das Geschoß traf den Jungen in die Brust und riß ihn von den Beinen. Der Aufprall des Projektils schleuderte ihn wie ein Bündel Lumpen gegen die Hauswand, wo er reglos liegenblieb. Vom Haus her knallte ein Schuß. Die Kugel schlug in die Kiefer ein. Der Reiter daneben rührte sich nicht. Er wartete, die Sharps im Anschlag. Unvermittelt feuerte er. Eine Fensterscheibe zersplitterte. Beim zweiten Schuß fuhr im Innern des Hauses eine Gestalt hinter einem Fenster hoch, eine Frau. Sie kippte langsam nach hinten weg. Es wirkte gespenstisch. Als die Schüsse verhallt waren, war nur noch das Prasseln des
Feuers zu hören. Im Stall begannen Kühe laut und angstvoll zu blöken. Ein Pferd hämmerte mit den Hufen wie wahnsinnig gegen die Wände seiner Box. Der Mörder schwang sich in den Sattel und ritt quer über den Farmhof. Er hielt die schwere Sharps-Rifle in den Fäusten, zügelte sein Pferd vor der Haustür und sprang noch einmal zu Boden. Das Pferd scheute etwas vor den Leichen. Der Reiter störte sich nicht daran. Er betrat das Farmhaus, warf einen Blick auf die tote Frau hinter dem zerschossenen Fenster und ging dann weiter. Er ging durch alle Räume. Sie lagen im Dunkel, nur der Schein des Feuers fiel durch die Fenster ins Innere des Hauses. Mittlerweile brannte auch die zweite Scheune. Nur das Wohnhaus war noch von den Flammen verschont geblieben. Der Mörder riß auch im Wohnhaus einige Petroleumlampen von der Decke, zerschlug sie und sah zu, wie sich die stinkende Flüssigkeit auf den Bodendielen ausbreitete. Er ließ ein Zündholz fallen und ging hinaus, während das Feuer auch hier zu fressen begann. Draußen schwang er sich wieder auf den Rücken seines Ponys und trieb es an. Ohne sich umzuschauen, lenkte er sein Tier an den brennenden Farm vorbei. Die dunkle Gestalt ritt auf die Halcon-Berge zu und tauchte in die Schatten der Nacht ein. Hinter ihr loderte das Feuer immer höher.
5. Ich wälzte mich auf meinem harten Lager herum und blinzelte in die Sonne, deren Strahlen durch ein kleines Fenster ins Innere der Stube drangen. Ich gähnte und fühlte Schmerzen im ganzen Körper. Ich hatte das Gefühl, unter einer Stampede geraten zu sein. Stöhnend hob ich den Kopf. Eine warme Zunge fuhr mir über das Gesicht. Ich zuckte zurück, schüttelte mich und blickte in Shitas dunkle Augen. Er hatte die Vorderpfoten auf die Bettkante gestemmt und seinen Kopf dicht an meinem Gesicht. Sein Maul stand weit offen. Er schien mich anzulachen und wedelte mit dem Schwanz.
Ich schob ihn weg und richtete den Oberkörper auf. »Hallo«, sagte Jicarilla. Er hockte auf seinem Lager und hielt eine Brandy-Flasche in der Rechten. »'n Morgen«, sagte ich. »Guten Appetit zum ersten Frühstück.« Er grinste. »Wie hast du geschlafen?« »Nur im Sarg schläft man besser«, sagte ich. Ich schwang die Beine aus dem Bett. Ein heißer Schmerz durchfuhr meinen Rücken hin hinauf zum Genick. Ich verzog das Gesicht. »Schmerzen?« Jicarilla hielt mir die Flasche hin. »Sergeant Mulligan wird Krücken brauchen. Trink einen Schluck und vergiß es. Je mehr du dich bewegst, um so schneller bist du sie los.« »Nicht auf nüchternen Magen«, sagte ich. »Ich hab Hunger.« »Dann komm mit.« Jicarilla erhob sich. Ich schlüpfte in die Stiefel. »Ich hab mich noch nicht gewaschen«, sagte ich. »Waschen?« Er hatte die Tür schon geöffnet und wandte den Kopf. »Das kannst du immer noch, dein ganzes Leben lang. Und vergiß nicht: Du wirst jedesmal danach wieder schmutzig. Man soll es also nicht übertreiben.« »Mit deiner Hilfe werde ich es schon schaffen, eines Tages auf einem Misthaufen zu landen«, sagte ich und folgte Jicarilla. Shita drängte sich neben mir aus der Tür. Am Himmel stand keine Wolke. Er hatte eine blaßblaue Tönung und strahlte Hitze aus. Die Sonne stand schräg über dem Land. Es war früher Vormittag. Ich hatte glatt das Signal zum Wecken verschlafen. Die Fahne am Mast war bereits hochgezogen. Ein paar Posten schauten herüber, als ich mit Jicarilla an den Mannschaftsbaracken vorbeiging. Mein Magen knurrte entsetzlich. Jicarilla betrat vor mir einen langgestreckten Hüttenbau, der sich nicht von den anderen Gebäuden unterschied. Ich folgte ihm mit Shita und betrat einen großen Mannschaftsspeisesaal. Wir waren allein hier bis auf einige junge Soldaten, die mit großen Rutenbesen zwischen den langen Tischen und Bankreihen hantierten. Sie hielten alle in ihrer Arbeit inne und starrten mich an wie ein Weltwunder. Ich vermutete, daß sich die Prügelei vom gestrigen Abend schon herumgesprochen hatte.
Jicarilla lotste mich zur Essensausgabe und brüllte einen Namen. Wenig später erschien ein dicker Mann mit einer weißen Haube auf dem Kopf und einer Schürze vor dem Bauch, der Jicarilla schweigend zuhörte und mich dabei von oben bis unten musterte. Es dauerte keine fünf Minuten, dann saß ich an einem blankgescheuerten Tisch, hatte eine dicke weiße Porzellankanne mit Kaffee vor mir stehen und einen riesigen Teller mit Eiern und Speck. Dazu gab es frisches Brot. Shita kauerte neben dem Tisch und nagte an einem mächtigen Kalbsknochen. Jicarilla grinste selbstzufrieden. Er saß mir gegenüber, hatte sich zurückgelehnt und betrachtete fast liebevoll die Flasche vor sich auf dem Tisch. »Du bist ein berühmter Mann in Fort Calhoun«, sagte er. Ich stopfte das Ei und den Speck in mich hinein, schob große Stücke Brot hinterher und brummte etwas Unverständliches. »Wie fühlst du dich?« fragte er. »Mit jedem Bissen besser. Die Schmerzen lassen auch nach.« »Das ist gut«, sagte er. »Halt dich gerade, wenn du nachher dein Pferd holst. Du mußt herumlaufen, als wenn dir die kleine Prügelei gestern abend überhaupt nichts ausgemacht hätte. Mulligan ist heute nur noch halb so groß, und du mußt allen zeigen, daß du ihn nicht nur verprügelt hast, sondern daß dir die ganze Sache auch nichts anhaben konnte.« Er trank einen Schluck und lehnte sich wieder zurück. »Hast du schon eine Aufgabe?« »Der Colonel will, daß ich mich um den Kerl kümmere, der die Farmen anzündet, Leute umbringt und gestern auf uns geschossen hat.« »Hab ich mir fast gedacht.« Jicarilla wirkte für einen Moment etwas melancholisch. Er trank wieder. Seine Augen schimmerten etwas glasig. Ich bin seit vier Wochen hinter dem Kerl her. Ich hätte ihn längst kriegen müssen.« »Der Colonel hält dich für einen guten Mann«, sagte ich. »Ich bin ein Säufer. Aber ich tue meinen Job.« »Es geht nicht gegen dich«, sagte ich. »Ich kann Colonel Lester auch bitten, den Auftrag zurückzunehmen.«
»Blödsinn. Der Colonel wird mir andere Aufgaben zuteilen. Hier ist genug zu tun für zwei Scouts, verlaß dich darauf. Wir werden nie arbeitslos sein. Es gibt Dinge, die ich wirklich besser kann. Weißt du, ich habe wahrscheinlich keine Feinde hier, aber Freunde auch nicht. Die weißen Siedler mögen keine Mischlinge, die Indianer sind auch nicht gerade begeistert von einem Halbblut, das für die Armee arbeitet. Aber es gibt Situationen und Probleme, dafür braucht man mich. Wenn ich dagegen einer Spur folge, hilft mir niemand. Colonel Lester weiß schon, warum ich den Feuerreiter bis jetzt nicht gekriegt habe und warum er dir den Auftrag gegeben hat.« »Wenn du es so siehst …« Ich schenkte mir Kaffee ein. Mein Teller war leer. »Es ist so«, sagte Jicarilla. Er hämmerte einen Korken in den Flaschenhals. »Wenn du ausgetrunken hast, sollten wir losziehen und ein bißchen für unsere Dollar arbeiten.« Ich leerte meine Tasse, schenkte nach und leerte sie abermals. Dann stand ich auf. Shita hatte seinen Kalbsknochen bis auf einen Rest abgenagt. Er schaute mich vorwurfsvoll an, aber er ließ den Knochen liegen und folgte mir, als ich mit Jicarilla das Gebäude verließ. Die Sonne war ein Stück höher am Horizont gerückt. Gluthitze lag auf dem Vorplatz des Forts und auf dem weiten, sandigen Rund des Exerzierplatzes. Das Tor war weit offen. Vor einem im Fort gelegenen Handelsposten stand ein flacher Farmwagen, der gerade von einem schwarzen Clerk beladen wurde. Ein weiterer Wagen näherte sich dem Fort und passierte die Torwachen. Auf dem Bock saß eine schlanke, aber kräftig wirkende Frau von etwa dreißig Jahren. Sie trug ein kariertes Männerhemd und grobleinene Hosen. Langes, tiefschwarzes Haar umrahmte ein schmales, sonnengebräuntes Gesicht, in das sich einige Falten gekerbt hatten. Sie wirkte ziemlich zäh, aber sie war alles andere als häßlich. Sie erwiderte kühl die Grüße der Soldaten und lenkte ihren Wagen zum Store. »Linda Carson«, sagte Jicarilla, der meine Blicke bemerkt hatte.
»Sie ist Witwe, lebt allein und hat eine Farm zwanzig Meilen südlich von hier. Sie haßt Indianer.« Aus engen Augen beobachtete er, wie die Frau vom Bock stieg und den Store betrat. Ihre Bewegungen waren geschmeidig und katzenhaft. Wir gingen weiter. Jicarilla sagte: »Dies ist ein offenes Fort, solange Frieden herrscht. Die nächste Stadt ist gut hundert Meilen entfernt. Wir sind zwar zum Schutz der Siedler da, aber in erster Linie zu ihrer Versorgung. Einmal im Jahr erscheinen Händler aus Austin, San Antonio oder Dallas und verhandeln mit den Farmern wegen eines Aufkaufs der Ernte. Dann werden Frachtwagen geschickt, und die Farmer liefern ihren Mais, ihre Gerste, ihren Roggen und ihre Kartoffeln hier ab. Hier wird alles verladen. Einen richtigen Krieg haben wir hier noch nie geführt. Ab und zu stoßen mal Patrouillen auf versprengte Apachenbanden, die aus Mexiko einfallen. Sonst aber geht es hier sehr friedlich zu.« Hinter Block A der Mannschaftsbaracken tauchte eine Kompanie Infanterie auf. Die Soldaten trugen volles Marschgepäck und hatten langläufige, schwere Springfield-Gewehre geschultert. An ihrer Spitze marschierte Sergeant Mulligan. Sein rechtes Auge war zugeschwollen und dunkel verfärbt, seine Unterlippe war so dick wie ein Finger, und auch sonst glich sein Gesicht einem aufgequollenen Hefekloß. Er sah mich, und ich beobachtete, wie seine Hände sich zu Fäusten schlossen. »Vorwärts, ihr Lahmärsche!« brüllte er über die Schulter. »Ich werde euch die Sohlen schon zum Rauchen bringen.« Seine Stimme klang heiser, ab und zu lispelte er auch noch. Ich sah in der zweiten Reihe der Soldaten Joey marschieren und nickte ihm zu, aber er reagierte nicht. »Laufschritt!« schrie Mulligan in diesem Moment. »Zehnmal um den Exerzierplatz! Los, los!« Die Kompanie schwenkte auf den Exerzierplatz ein und begann zu laufen. Mulligan blieb zurück, die Fäuste in die Hüften gestemmt. Jicarilla lotste mich zu den Ställen hinüber und öffnete eins der Stalltore. Wir traten ein. Der Graue war gut versorgt worden. Ich sattelte ihn und führte ihn hinaus. Jicarilla war mit einem
Indianerpony bereits draußen. Shita stand neben ihm und ließ sich den Kopf tätscheln. In diesem Moment klang Hufschlag auf. Wenig später sprengte ein Reiter durch das offene Tor, zügelte einen abgetriebenen Braunen auf dem Vorplatz der Mannschaftsgebäude und glitt aus dem Sattel. Er taumelte, stolperte, fing sich und hastete über den Platz zur Kommandantur. Sein Pferd blieb mit hängenden Zügeln stehen. Es schwankte. Schaumflocken tropften von seinen Nüstern. Jicarilla setzte sich in Bewegung, ich folgte ihm und zog den Wallach hinter mir her. Wir gingen zur Kommandantur. Noch bevor wir sie erreichten, wurde die Tür aufgerissen. Corporal Jones erschien auf dem Vorbau, blickte sich suchend um und winkte mir aufgeregt zu, als er mich entdeckte. »Da sind Sie ja, schnell, der Colonel erwartet Sie!« Er wirkte im Moment verstört und betroffen. »Was ist passiert?« Ich ließ den Wallach stehen und eilte auf ihn zu. »Der Feuerreiter«, sagte er. »Er war wieder unterwegs, letzte Nacht.« Ich schloß für einen Sekundenbruchteil die Augen. Der Tag fing gut an.
6. Das Feuer war niedergebrannt. Nur der Gestank von Rauch und Tod hing wie eine Pestwolke in der glühenden Hitze über der Farm. Ich zügelte den Wallach und stieg ab. Mein Gewehr ließ ich im Scabbard stecken. Gewohnheitsgemäß lüftete ich den Colt in der Halfter leicht an, während ich über den Hof ging. Hier drohte mir keine Gefahr mehr. Neben der wuchtigen Grannenkiefer, abseits der Gebäude, fand ich die Spuren eines unbeschlagenen Pferdes und eines Reiters in Mokassins. Mehr brauchte ich nicht zu sehen, ich wußte schon Bescheid. Das Wohnhaus stand noch, was mich wunderte. Das Dach war leicht angesengt, aber die Schindeln schienen dem Feuer keine
Nahrung geboten zu haben. Eine Fensterscheibe war zerborsten. Ich warf einen Blick hindurch und entdeckte eine tote Frau dahinter. Ich fragte mich, was einen Menschen dazu trieb, so etwas zu tun. Es gab in diesem Augenblick für mich keinen logischen Grund dafür. Jicarilla hatte mir gesagt, daß bei allen Anschlägen in den letzten Wochen – soweit es danach noch feststellbar war – nichts geraubt worden war. Der Mörder war erschienen, hatte zugeschlagen, Feuer gelegt, getötet, und war wieder verschwunden. Ein Wahnsinniger, ein tollwütiger Killer, der Spaß am Töten hatte? Ich untersuchte noch einmal alle Spuren, dann betrat ich das Wohnhaus. Wind frischte auf, strich um die Gebäudeecken und sang leise. Unter meinen Stiefeln knarrten die Dielen. Als ich über die Schwelle trat, sah ich sofort ein großes, eichenes Holzkreuz im Gang an der Wand hängen. Shita war draußen auf dem Hof geblieben. Er hatte sich die ganze Zeit nicht um meine Spurensicherung gekümmert, sondern sich im Schatten des Ziehbrunnens ausgestreckt. Er bewegte nicht mal den Kopf, als ich ins Haus trat. Ich ging von Raum zu Raum. Meine Rechte ruhte auf dem Griff des Navy Colts. Ich schaute mich gründlich um. Nichts. Ich würde mich an die Spuren halten müssen, die ich auf dem Hof gefunden hatte. Leben hatte ich ohnehin nicht zu finden gehofft. Meine Vermutungen fand ich bestätigt: Hier war nichts gestohlen worden. In einer Ecke lag ein Gewehr, an einer Wand entdeckte ich einen Revolver, daneben Munition. Wenigstens die Waffen hätte ein Apache mitgenommen. Ich war am Ende des Ganges angelangt und wandte mich um. Draußen bellte Shita, der Wallach schnaubte. Ich hastete zur Tür. Das Sonnenlicht blendete mich, als ich aus dem Haus eilte. Ich sah eine Gestalt über den Hof huschen, einen Jungen, höchstens zwölf Jahre alt. Er rannte wie ein Wiesel auf den Wallach zu und versuchte, sich in den Sattel zu schwingen. »Bleib stehen!« schrie ich. Er hörte nicht. Er krallte die Fäuste um das Sattelhorn und versuchte, sich hochzuziehen. Sein magerer Körper krümmte sich zusammen wie eine Sprungfeder. Er zog die Beine an den Leib und
versuchte, den linken Fuß in den Steigbügel zu kriegen. Er rutschte ab und heulte vor Wut auf. Der Wallach scheute und tänzelte zur Seite. Der Junge hielt sich krampfhaft am Sattelhorn fest, wurde mitgeschleift, ließ aber nicht los. Er versuchte es wieder. Dann erwischte ihn Shita und verbiß sich im Stoff seines rechten Hosenbeins. Der Junge brüllte wie am Spieß. Der Wallach begann sich zu drehen und versuchte, seine Last abzuschütteln. Der Junge aber ließ nicht los, und Shita ließ den Jungen nicht los. Sie wirbelten herum wie auf einem Karussell. Der Stoff des Hosenbeines riß unvermittelt mit häßlichem Knirschen, und Shita torkelte ein Stück über den Hof, bis er zu Boden plumpste. Er war sofort wieder auf den Beinen, aber der Junge hatte ebenfalls den Halt verloren und stürzte bäuchlings in den Sand. Der Wallach warf schnaubend den Kopf hoch und trabte auf die Kiefer zu. Der Junge sprang auf. Seine Hemdsärmel waren zerrissen, die Unterarme hatte er sich beim Sturz aufgeschrammt. Sein Gesicht war schweiß- und dreckverschmiert. Ich packte ihn, als er auf den Füßen stand. Er wirbelte herum und schlug mit beiden Fäusten nach mir. In ihm steckte eine erstaunliche Kraft, und er bewegte sich schnell wie eine Katze. Seine Fäuste trafen mich im Gesicht. Ich spürte den Schmerz und schlug reflexartig zurück. Der Junge schrie auf, wurde von meiner Faust am Kinn getroffen und stürzte rücklings zu Boden. Einen Sekundenbruchteil später stand Shita neben ihm und knurrte ihn mit gefletschten Zähnen an. Der Junge blieb flach auf dem Rücken liegen und starrte mit angstgeweiteten Augen auf mich und den Hund. »Sei ja friedlich«, sagte ich, »sonst wirst du gefressen.« »Der verdammte Hund«, sagte er. Seine Stimme war hell und kratzte dabei wie ein Reibeisen. »Vorsichtig«, sagte ich. »Shita versteht dich, er hat es nicht gern, sich beschimpfen zu lassen. Ich sah, daß der magere Körper des Jungen wie unter einem Krampf erzitterte und Tränen aus seinen Augen über das verschmierte Gesicht rollten.
* »Er hat mich gesucht, aber er hat mich nicht gefunden«, sagte der Junge. Er hieß Bill Fanning. Die Toten waren sein Vater, seine Mutter und seine Brüder. Er war der einzige Überlebende. Nach allem, was ich von Jicariila wußte, hatte es bisher nie Überlebende gegeben, wenn der Feuerreiter zugeschlagen hatte. »Trink das«, sagte ich. Ein Feuer brannte auf dem Hof der zerstörten Farm. Ich hatte ein Dreibein darüber aufgestellt und Kaffee aufgebrüht. Ich reichte Bill einen Becher. Er war dreizehn Jahre alt und etwas verhärmt für sein Alter, was aber für den Farmerjungen einer Präriefarm, nicht außergewöhnlich war. Er stand nun ganz allein auf der Welt. Er trank. Ich beobachtete ihn. Er schlürfte den heißen Kaffee in kleinen Schlucken. »Ich bin in den Kamin geklettert«, sagte er. »Es war eng, aber ich habe hineingepaßt. Ich hatte nur Angst, runterzufallen. Es ist da eine Eisenstange eingemauert, daran hat Dad immer mit großen Haken das Fleisch zum Räuchern aufgehängt. An der Stange hab ich mich festgehalten, bis ich gedacht habe, meine Arme fallen ab.« »Hast du ihn gesehen?« fragte ich. »Den Feuerreiter?« »Ja.« »Nein«, sagte er. »Gehört habe ich ihn. Zweimal ist er dicht am Kamin vorbeigegangen. Er hatte keine Stiefel an. Seine Schritte waren sehr leise.« »Mokassins«, sagte ich. »Du hast ihn bestimmt nicht gesehen? Auch vorher nicht? Ich meine, wenn er erst deinen Vater und deine Brüder ermordet hat, habt ihr da nicht aus dem Fenster geschaut, deine Mutter und du?« »Ma hat ein Gewehr genommen«, erklärte Bill. »Ich war bei ihr. Als sie getroffen wurde, bin ich in den Kamin gekrochen.« »Und vorher?« Ich versuchte ganz ruhig zu bleiben. Der Junge war aufgeregt und stand unter einem Schock. Es hatte eine Weile gedauert, bis er sich hatte überzeugen lassen, daß er von mir nichts
zu befürchten hatte. »Vorher?« Er schaute mich verständnislos an und trank wieder. Seine Augen waren hinter dem feuchten Glanz der Tränen stumpf und leer. »Es war ein Mann, er stand bei der Kiefer und schoß auf das Haus. Er hatte langes Haar und einen großen Hut auf dem Kopf.« »Ein Indianer?« »Ich weiß nicht. Vielleicht. Alle sagen, der Feuerreiter sei ein Apache.« »Hast du sein Gesicht nicht gesehen?« »Es war dunkel.« Seine Stimme war leise. »Ich hatte Angst.« »Wie groß war er?« »Kleiner als du.« »War er hager, war er breit?« »Ich glaube, er trug einen Poncho«, erwiderte Bill. »Ich habe keine Ahnung, wie er aussieht.« Ich gab es auf, schenkte mir Kaffee ein und trank, während ich überlegte. Dann fragte ich: »Du meinst, er hat nach dir gesucht?« »Er ging durch das ganze Haus, ein paarmal.« »Dann müßte er gewußt haben, daß noch jemand da war, den er vergessen hatte.« Bill antwortete nicht. Ich dachte still für mich weiter. Wußte der Killer, wie viele Personen er jeweils auf einer Farm antreffen würde? Wenn ja, woher kannte er sich so gut aus? Jede neue Spur ließ die ganze Sache hinter immer dichteren Nebelschwaden versinken. Statt zur Klärung beizutragen, schuf jede Information neue Widersprüchlichkeiten, neue Fragen, auf die es keine Antwort gab. Ich trank meinen Becher leer und richtete mich auf. »Hilf mir beim Zusammenpacken«, sagte ich. »Wir reiten.« »Wohin?« »Ich bring dich ins Fort. Du brauchst ein Dach über dem Kopf und mußt versorgt werden.« »Und du?« »Ich muß die Fährte verfolgen.« »Ich will mit«, sagte Bill. Er stand ebenfalls auf. Sein magerer Körper straffte sich. »Ich nehm das Gewehr von Mutter mit.«
»Du wirst den Teufel tun«, sagte ich. »Ich hab keine Lust, auch noch auf dich aufzupassen.« »Auf mich brauchst du nicht aufzupassen.« Ich blickte ihn ernst an. »Ich weiß, wie du dich fühlst. Aber du tust weder deinem Vater, noch deiner Mutter, noch deinen Brüdern einen Gefallen, wenn du versuchst, den Rächer zu spielen. Das ist keine Hasenjagd. Dazu bist du zu jung. Ich bring dich nach Fort Calhoun, dort kannst du auf mich warten. Sei ganz sicher: Ich kriege den Kerl. Es ist kein Spaß, Scout in einem Krieg zu sein. Ich will nicht, daß es Krieg gibt. Deshalb kriege ich dieses Schwein.« Bill antwortete nicht. Er half mir auch nicht, als ich meinen Kram zusammenpackte und das Feuer löschte. Er stand nur einfach da. Seine Schultern hingen herab, sein Blick ging ins Leere. Er schien gar nicht zu bemerken, daß ich die Leichen vom Hof ins Haus zerrte und die Tür verriegelte. Ich hatte keine Zeit zu verlieren und konnte mich diesmal nicht damit aufhalten, ein Grab auszuheben. Von Fort Calhoun konnten ein paar Soldaten herreiten und die Toten unter die Erde bringen. »Steig auf, Bill«, sagte ich. Er hörte es nicht. Ich mußte ihn dreimal anreden, bis er reagierte. Er bewegte sich wie eine Marionette. Ich nahm ihn vor mir in den Sattel. Ich hatte den Gallagher-Karabiner aus dem Haus geholt, der neben der toten Frau gelegen hatte. Bill sah ihn und umklammerte ihn so fest, als sei er das Stück einer anderen Welt, in der er bis zur vergangenen Nacht gelebt hatte, die er jetzt krampfhaft festhalten wollte. »Eins versteh ich nicht«, sagte ich, während ich den Wallach antrieb. Shita trottete neben uns her. Die Sonne kroch langsam über den Zenit hinaus nach Westen, die Schatten wurden länger. »Warum ist das Wohnhaus nicht abgebrannt? Bis jetzt hat der Kerl nie ein Gebäude unbeschädigt zurückgelassen? Ich hab im Haus zwei Petroleumlampen gefunden, die zerbrochen am Boden lagen. Der Fußboden war angesengt, das Dach auch.« »Kupfervitriol«, sagte Bill leise. »Dad wollte ganz sicher gehen. Im nächsten Jahr wollte er auch die Scheunen und den Stall damit streichen. Dann hätte der Kerl es nicht so leicht gehabt. Es hat nur
ein bißchen im Haus gebrannt. Als ich aus dem Kamin geklettert bin, war das Feuer fast schon wieder tot, den Rest hab ich gelöscht.« Er wandte unvermittelt den Kopf und blickte mich an. Er sagte: »Ich habe ein Recht auf den Schweinehund.« »Wir reiten nach Fort Calhoun«, sagte ich. »Der Kerl kriegt seine Strafe, aber ich möchte, daß du länger lebst als er. Der Bursche ist ein erfahrener Kämpfer. Egal ob er ein Weißer oder ein Indianer ist: Er ist gefährlich wie eine Giftschlange, zu gefährlich für dich.«
7. Der Reiter trieb sein Pferd die schmale Paßstraße von den HalconBergen hinunter in die Ebene. Das Pferd bewegte sich sicher und schnell. Es war ein mittelgroßes, kräftig gebautes Indianerpony. Seine unbeschlagenen Hufe verursachten auf dem steinigen Untergrund kaum ein Geräusch. Der Reiter saß locker und leicht nach vorn gebeugt im Sattel. Ein Poncho verhüllte seine Gestalt. Das lange, dunkle Haar, das bis auf seine Schultern fiel, wippte leicht im Rhythmus des Pferdetritts. Ein großer, breitrandiger Sombrero beschattete das Gesicht des Reiters. Bevor er die weite Ebene erreichte, lenkte er sein Pferd von der Paßstraße einen Hang hinunter in eine langgestreckte Bodensenke und ritt schnurgerade nach Süden, wo sich in gut zwei Meilen Entfernung ein dichter Buschgürtel wie eine schwarze Mauer aus der Nacht erhob und das Land zu teilen schien. Der Reiter erreichte das Buschland und ritt langsam zwischen dicht stehenden Bäumen und Sträuchern und unter tiefhängenden Ästen hindurch. Er konnte kaum noch die Hand vor Augen sehen, verließ sich ganz auf sein Pferd und beugte sich weit nach vorn auf den Pferdehals, um nicht von herabhängenden Ästen und Zweigen verletzt zu werden. Der Reiter folgte einem Wildpfad und erreichte wenig später den Ash Fork, der weiter östlich in den Rio Doro mündete. Der Fluß war nicht sehr breit. Der Reiter zügelte sein Pferd und spähte über den Fluß. Er zog sein Pony herum und folgte dem Verlauf des Flusses nach Osten. Er ritt fast eine Stunde, ohne daß
sich der Buschgürtel seitlich des Flusses merklich lichtete. Dann änderte sich der Flußverlauf plötzlich. Der Ash Fork zog in einer weiten Schleife nach Süden, schwenkte dann wieder nach Osten und floß schließlich weiter in östliche Richtung. Inmitten der Senke, die von der Flußschleife eingeschlossen wurde, keine hundert Yards von der Baumgrenze des Buschgürtels entfernt, lagen die Laubhütten. Es waren zwölf Hütten, die in der Form halbierten, umgestürzten Bällen glichen. Wickiups. Apachenbehausungen. Rings um die kleine Siedlung wuchs hohes Gras. Seitlich der Laubhütten standen ein paar Ponys in einem Seilkorral. Ein schwacher Wind strich über den Fluß und fing sich im dunklen Buschwerk, vor dessen Hintergrund sich der Reiter fast gar nicht abhob. Er hatte sein Pferd gezügelt und beobachtete die Siedlung eine Weile. Er zählte die Ponys im Seilkorral und wußte, daß die Männer des Dorfes nicht da waren. Es war Jagdzeit. Der Reiter stieg ab und zog sein Sharps-Gewehr aus dem Scabbard. Geräuschlos glitt er durch das hohe Gras auf die Hütten zu. Als er sich kaum zwanzig Schritte von den Wickiups entfernt auf die Knie niederließ, verschwand er bis zu den Schultern im Gras. Er riß dichte Büschel aus und preßte sie zu einem dicken, festen Bündel zusammen, dann huschte er weiter. Als er die erste Laubhütte erreichte, verschwand seine Rechte unter dem Poncho. Sie tauchte mit einem Zündholz wieder auf. Das Flämmchen zuckte mit leisem Zischen auf, das dicke Grasbüschel brannte sofort. Die dunkle Gestalt warf das brennende Gras auf das gewölbte Dach des Wickiups. Einen Sekundenbruchteil später war er wieder im hohen Gras verschwunden und riß erneut einige Büschel aus. Die Wickiups standen auf steinigem, fast vegetationslosem Untergrund, der nahezu ohne Übergang an die dicht bewachsene Grasfläche anschloß. Der Fremde hastete zwischen den Laubhütten umher und warf brennende Grasbüschel auf die Dächer. Als er die fünfte Hütte in Brand steckte, stand die erste bereits in hellen Flammen. Stimmen ertönten, hell und verzweifelt, angstvoll
und in Panik. Der Wind, der vom Fluß heranstrich, drückte den Rauch nach unten. Die Flammen loderten. Der Fremde verließ die kleine Siedlung und tauchte im dichten Gras unter. Er ließ sich zu Boden gleiten und verharrte, die SharpsRifle im Anschlag. Aus der ersten Hütte taumelte eine Squaw, hustend und schreiend, ein kleines Kind im Arm. Hinter ihr krochen zwei Kinder ins Freie. Überall wurden jetzt Schreie laut. Der Rauch ballte sich zu immer dichteren Wolken zusammen, wurde eins mit der Dunkelheit und trieb vor dem Wind her über das Grasgebiet. Minuten später wimmelte es von Frauen und Kindern inmitten der brennenden Hütten. Schrilles, klagendes Weinen von Kindern hallte durch die Nacht. Ein paar Männer waren zu sehen, alt, hilflos. Der Killer im Gras begann zu schießen. Er handelte ruhig und kaltblütig wie auf einem Schießstand. Die schwere Sharps krachte im Abstand von wenigen Sekunden. Der erste Schuß traf eine Squaw in den Rücken. Die Kugel durchschlug ihren Körper und streckte einen knapp zehnjährigen Apachenjungen nieder. Mit dem zweiten Schuß traf der Mörder einen alten Mann. Das dritte Projektil durchbohrte den Körper eines Säuglings, den eine verzweifelt schreiende Squaw in den Armen hielt, und tötete auch die Mutter. Der Schütze feuerte wahllos in die sich zusammendrängenden Indianer. Nach zehn Schüssen huschte er geduckt ein Stück nach links, ließ sich wieder fallen und feuerte weiter. Zwei, drei Schüsse fielen vom Dorf her. Der Killer traf einen jungen Krieger, der ein altes Springfield-Gewehr in den Fäusten hielt. Der Aufschlag des Geschosses hob den Jungen hoch und schleuderte ihn gegen einen der brennenden Wickiups. Die Hütte brach unter dem Anprall zusammen. Das Feuer stürzte auf den Jungen nieder, dessen gellendes Geschrei Sekunden später verstummte. Die Squaws rissen ihre schreienden Kinder an sich und hasteten das kahle Gelände zum Fluß hinunter. Mehrere Kugeln holten sie ein und trafen sie in vollem Lauf.
Mehrere ältere Krieger hasteten durch das hohe Gras und schwangen alte Kriegskeulen. Der Killer feuerte, traf einen der Männer, erhob sich und wechselte blitzschnell seine Deckung. Dann schoß er weiter und traf abermals zwei Krieger, bevor die anderen hinter ihren Frauen herliefen, um sich am Fluß in Deckung zu bringen. Die orangefarbenen Mündungsblitze der Sharps leckten gierig durch die Nacht. Eine Squaw riß am Flußufer die Arme hoch und stürzte ins Wasser. Der Killer im Gras erhob sich und huschte zurück zum Waldrand. Er feuerte noch einige Schüsse zum Flußufer hinunter. Hier lagen die Squaws, die Kinder und die alten Männer am Boden. Die Hütten brannten wie Fackeln. Der Wind trug das klagende Weinen eines Kindes über die Bodensenke. Irgendwo zwischen den brennenden Hütten lagen Verwundete. Ab und zu stießen auch sie schrille Schreie aus und übertönten das Lodern, Knacken und Prasseln der Flammen. Der Mörder schwang sich in den Sattel und zog das Indianerpony herum. Er hielt die Sharps-Rifle fest in den Fäusten und lenkte das Pony durch den Druck seiner Oberschenkel. Er ritt im raschen Trab westwärts am Saum des Waldes entlang. Wenig später tauchte er im Unterholz unter und verschwand in der Dunkelheit. * Der Nebel hing in dichten Schwaden über dem Land und nistete grau, kalt und feucht zwischen dem Unterholz wie nasse Watte. Ich war seit einer halben Stunde wach und fachte ein Lagerfeuer an. Ich hockte auf den Absätzen vor den trockenen, übereinandergeschichteten Reisern und blies in die schwache Glut. Als ich sah, daß kleine Flämmchen aufzuckten und sich in das Holz fraßen, stellte ich das Dreibein auf, hängte den rußigen Kessel daran und füllte Wasser aus der Feldflasche hinein. Dann drehte ich mich zu Bill um. Er schlief noch. »He, wach auf.«
Er blinzelte und wälzte sich unter seiner Decke herum. Er hatte geschlafen wie ein Stein, nachdem er bis Mitternacht wachgelegen und den Himmel angestarrt hatte. Ich fragte ihn: »Kaffee? Ein Steak mit Salat? Kuchen als Nachtisch?« Er wischte sich mit der Rechten über das Gesicht und schälte sich schwerfällig aus der Decke, in die er sich gerollt hatte. »Heute nicht«, sagte er. »Ich bin noch satt von gestern.« Das Wasser im Kessel begann zu kochen. Ich warf ArbuckleKaffee hinein, ließ das Gebräu eine Weile sieden und nahm den Topf dann vom Feuer. »Wir sind gegen Mittag im Fort«, sagte ich. »Von mir aus müssen wir nicht dorthin.« »Wir brauchen nicht weiter darüber zu reden.« Ich füllte zwei Becher mit Kaffee und reichte ihm einen. »Im Fort kriegst du was Vernünftiges zwischen die Zähne. Ich hab nur Kaffee.« Er antwortete nicht. Vorsichtig trank er. Die Nebelschwaden lichteten sich ein wenig. Ich hörte ein Geräusch und legte den Kopf auf den Boden. Ich preßte das rechte Ohr gegen die feuchte Erde und richtete mich sofort wieder auf. »Ein Reiter«, sagte ich. Ich lockerte meinen Navy Colt in der Halfter. Bill setzte den Becher ab. Er wollte nach seinem GallagherGewehr greifen, aber ich winkte ab, und er gehorchte erstaunlicherweise. Die Minuten verstrichen jäh. Irgendwann tauchte ein Schatten im Nebel auf. Ein Pferd schnaubte. »Hallo, Feuer!« rief eine Stimme. Ich entspannte mich. »Der Kaffee ist fertig«, rief ich zurück. »Beeil dich, bevor er kalt wird.« Bills Augen waren groß und rund. Er verstand kein Wort und starrte unruhig in den Nebel. Der Schatten stieg ab und näherte sich, während er sein Pferd am Zügel hinter sich herzog. Die Konturen der Gestalt wurden schärfer. Dann trat er ans Feuer: klein, breitschultrig, muskulös. Die verblichene Armeejacke hatte er trotz der Morgenkühle nur locker
um den Oberkörper hängen. »Setz dich, Jicarilla«, sagte ich. »Wie hast du uns gefunden?« Er setzte sich und schaute zu Bill hinüber, der ihn unsicher musterte. »Das Feuer«, sagte Jicarilla. »Der Rauch.« Meine Hochachtung vor ihm stieg gewaltig. Er mochte ein Säufer sein, aber als Fährtensucher und Scout mußte er phantastische Arbeit leisten. Ich hatte bewußt sehr trockenes Holz für das Feuer gesucht. Es gab so gut wie keinen Rauch, und der Morgennebel schwächte solche Gerüche. Jicarilla mußte über sehr feine Sinne verfügen, wenn er dennoch den Rauchgeruch wahrgenommen hatte, und er hatte einen ungewöhnlichen Orientierungssinn, daß er uns anhand des schwachen Geruchs im Nebel gefunden hatte. »Das ist Bill Fanning«, sagte ich während, ich Jicarilla einen Becher mit Kaffee reichte. »Ein verdammt feiner Junge.« »Hey, Bill«, sagte Jicarilla. Er zog eine Flasche Brandy hervor und kippte sich eine gehörige Ladung in den Kaffee. Dann trank er einen gewaltigen Schluck pur, bevor er den so präparierten Kaffee schlürfte. Jicarilla fragte nicht lange. Er begriff, was es mit Bill auf sich hatte. »Ich hab eine Spur«, sagte ich. »Kannst du Bill mit ins Fort nehmen? Er muß versorgt werden, er braucht ein Dach über dem Kopf.« Ich blickte Bill Fanning an. »Jicarilla ist Scout wie ich.« »Ich nehm ihn mit«, sagte Jicarilla. »Du hast eine Spur?« »Ja.« »Das ist gut«, sagte er. »Ich hab auch eine. Vergangene Nacht ist eine kleine Apachen-Siedlung niedergebrannt worden. Die Männer waren zur Jagd. Fünf alte Krieger, die zurückgeblieben sind, sind tot, sechs Squaws hat es erwischt, drei Kinder. Einige andere sind verletzt.« »Wer war das?« Er zuckte mit den Schultern. »Ich bin an dem Lager vorbeigeritten. Es liegt am Ash Fork. Es waren höchstens zwei, die das getan haben, wahrscheinlich nur einer. Die Apachen sind völlig durcheinander.« »Der gleiche, der die Farmen niederbrennt?«
»Anscheinend.« »Dann ist es also kein Apache?« Jicarilla antwortete nicht. »Wo, zum Teufel, ist der Sinn?« fragte ich. »Ich hab dich gesucht«, sagte Jicarilla. »Colonel Lester hat mich geschickt.« »Noch Kaffee?« Ich sah, daß er seinen Becher leer hatte. Bill nippte an seinem, er war noch halb voll. Jicarilla entkorkte seine Flasche wieder und füllte seinen Becher mit Brandy. »Kein Kaffee«, sagte er. Sein Blick war melancholisch. »Seit gestern sind einige Farmer im Fort. Es werden immer mehr. Sie haben Angst, und du kannst dir denken, was sie wollen.« »Der Colonel soll seine Truppen antreten lassen und gegen die Indianerdörfer marschieren«, sagte ich. »Genau«, erwiderte Jicarilla. »Colonel Lester hat sich erst verleugnen lassen, dann hat er versucht, sie zu beruhigen. Es ist aussichtslos. Sie brauchen ein Opfer, daß ihnen zum Fraß hingeworfen werden kann. Wenn sie das nicht kriegen, wollen sie alle Indianer ausrotten, die ihnen unter die Augen geraten.« »Kein Mensch weiß, ob es wirklich ein Indianer ist«, sagte ich. »Und wenn jetzt auch eine Apachensiedlung dran war …« »Es sieht schlimm dort aus«, sagte Jicarilla. »Es würde mich nicht wundern, wenn die Krieger nach ihrer Rückkehr ihre Waffen nehmen und sich einer jener Banden anschließen, die ab und zu über die Grenze reiten. Dann Gnade uns Gott, dann lernen die weißen Farmer erst einmal kennen, was ein richtiger Krieg mit den Apachen ist.« »Ich verstehe. Sie wollen Blut sehen, und Colonel Lester kann sie nicht mehr lange aufhalten. Na gut.« Ich richtete mich auf und zertrat die Glut des Feuers mit dem Stiefelabsatz. »Ich werde mich beeilen. Das kannst du Colonel Lester ausrichten.« »Der Colonel kann sich dem Druck der Farmer nicht mehr lange entgegenstellen«, sagte Jicarilla. »Es ist seine Pflicht, sie zu schützen, und wenn eine Farm nach der anderen niedergebrannt wird, muß er etwas tun, selbst wenn es das Falsche ist.« »Ich verstehe schon«, sagte ich wieder. Ich begann, meinen Kram
zusammenzupacken. »Nimm Bill mit ins Fort, paß gut auf ihn auf, er hat es verdient.« Shita trottete zu Jicarilla und hockte sich neben ihn. Er tätschelte dem Hund den Kopf. »Feiner Hund«, sagte er. »Es gibt auch eine gute Nachricht. Dein Freund Mulligan kriegt Ärger.« »Von mir aus.« »Wegen dir«, erklärte er. »Wegen der Schlägerei und der Befehlsverweigerung. Gegen ihn ist ein Disziplinarverfahren angestrengt. Wenn er zum Corporal degradiert wird, hat er noch Glück gehabt. Vielleicht verliert er auch alle Streifen.« »Der Kerl ist mir egal«, sagte ich und ging zu Bill. Er stand auf. Aus traurigen Augen blickte er mich an. »Du reitest jetzt mit Jicarilla«, sagte ich. »Wir sehen uns im Fort, Billy, in ein paar Tagen.« Er ergriff meine Hand, als ich sie ihm reichte. Sein Gesicht war sehr ernst. Seine Augen glänzten verdächtig feucht. »Wir vertragen uns schon, Bill«, sagte Jicarilla. Ich ging zu meinem Wallach, legte ihm den Sattel auf und zog die Gurte fest. Ich schwang mich auf den Rücken des Grauen und pfiff nach Shita. »Du hast vor zwei Tagen gesagt, der Killer sei ein Apache!« rief ich Jicarilla zu. »Glaubst du das immer noch?« »Jetzt nicht mehr«, erwiderte er. »Ich hab's sofort nicht geglaubt«, sagte ich. »Und wenn du ehrlich bist, hast du es auch nicht ernsthaft geglaubt. Du hast nur so getan als ob, weil du sämtliche weißen Farmer gegen dich hast, wenn du etwas anderes sagst, als sie glauben. Ich fange auch an zu ahnen, was das alles soll. Hier will einer einen Krieg anheizen. Er schlachtet auf indianische Weise Farmer ab, damit die anderen in Panik geraten und wütend werden, damit sie nach der Armee schreien und sie auf die Apachen hetzen. Weil ihm das nicht schnell genug geht, bringt er jetzt auch Apachen um, um die Indianer zu unüberlegten Taten zu treiben. Wie man es dreht und wendet: Die Richtung bleibt die gleiche, und es ist die einzige, die erkennbar ist. Vielleicht verdient der Killer an einem Aufstand oder einem kleinen Indianerkrieg. Oder
er wird von einem anderen bezahlt, der daran verdient. Vielleicht hat er auch nur ganz einfache Motive. Oder er ist verrückt.« »Wahrscheinlich alles«, meinte Jicarilla. Er steckte seine BrandyFlasche weg. »Viel Glück.« »Danke. Und sag im Fort, daß ein paar Mann zur Fanning-Farm reiten. Es müssen ein paar Gräber ausgehoben werden.« Ich tippte an meine Hutkrempe und zog den Wallach herum. Der Nebel hatte sich stark gelichtet. Nur vereinzelte graue Fetzen schwebten noch über den Niederungen. Ich warf Bill einen letzten Blick zu, dann ritt ich davon. Shita sprang neben mir her.
8. Die Sonne stand hoch. Der Wind schwieg, und die Luft schmeckte nach Staub. Das kleine Farmhaus war aus Adobeziegeln gebaut. Die Fassade wirkte grau und etwas schäbig, aber das Anwesen war sonst in einem ordentlichen Zustand. Das Dach war flach, Grassoden bedeckten die Bretter, die zusätzlich mit großen Steinen beschwert waren, damit der Wind sie nicht wegreißen konnte. In einem Korral standen mehrere Pferde, auch zwei gescheckte Indianerponys ohne Eisenbeschlag. Ich zügelte den Wallach und glitt aus dem Sattel, als sich die Tür des Hauses knarrend öffnete. Eine Frau trat über die Schwelle. Shita bellte. Ich sah, wie sich das Fell in seinem Nacken sträubte. Er knurrte leise und wich steifbeinig ein wenig zurück. Die Frau war schlank, wirkte aber kräftig. Sie mochte um die Dreißig sein und trug ein Männerhemd aus festem Leinen und abgewetzte Levi's-Hosen. Ihr Gesicht war schmal und sonnengebräunt. Es hatte einige Falten und wurde von langem, tiefschwarzem Haar umrahmt. Ich hatte die Frau in Fort Calhoun gesehen. »Guten Tag, Mistreß Carson«, sagte ich. Sie musterte mich aus schmalen Augen. Ihre Blicke waren fest, beinahe stechend. »Wer sind Sie? Woher kennen Sie mich?« Ihre Stimme klang dunkel, ein wenig rauh.
»Mein Name ist Ronco. Ich bin Scout in Fort Calhoun. Ich hab Sie gestern dort gesehen.« Ihre Haltung veränderte sich nicht, ihr Gesicht blieb unnahbar und maskenhaft starr. »Was wollen Sie?« »Wasser«, sagte ich. »Meine Feldflasche ist leer, und mein Pferd muß saufen.« Shita knurrte noch immer. Ich warf ihm einen überraschten Blick zu. Das war sonst nicht seine Art. Er stand breitpfotig da, als ob er zum Sprung ansetzen wolle, und hatte die Lefzen etwas hochgezogen. Die Ohren waren steil aufgerichtet, der Schwanz auch. Linda Carson beachtete ihn nicht. Sie blickte nur mich an. »Die Tränke ist dort!« Sie zeigte auf einen ausgehöhlten Baumstamm neben dem Brunnen. Ich nahm die Zügel des Wallachs und führte ihn zu dem Trog. Er senkte sofort den Kopf und begann zu saufen, während ich die Blockierung der Brunnenwinde löste und den Holzeimer am Ende der Kette in den Schacht hinunterließ. Ich wandte den Kopf. »Shita!« Er folgte nur zögernd, ohne die Frau aus den Augen zu lassen, trottete zur Tränke und soff gemeinsam mit dem Wallach. Die Winde quietschte leise, und die Kette klirrte, als ich den Eimer wieder nach oben zog. Ich stellte ihn auf den Rand der Brunnenfassung und füllte meine Feldflasche. »Sind Sie neu im Fort?« fragte die Frau unvermittelt. »Seit zwei Tagen. Hier ist einiges los.« Ich verstaute die Feldflasche, schöpfte dann mit beiden Händen Wasser aus dem Eimer und spülte mir das verschwitzte Gesicht ab. »Haben Sie letzte Nacht etwas gesehen oder gehört?« »In der Nacht schlafe ich«, sagte sie. »Glauben Sie, die Arbeit auf einer Farm ist ein Kinderspiel für eine Frau? Ich bin allein hier. Mir fällt nichts in den Schoß.« »Sie haben keinen Hufschlag gehört.« »Wenn ich schlafe, dann schlafe ich richtig«, erwiderte sie. »Der Feuerreiter war unterwegs«, sagte ich. »Bei mir war er nicht.« »Die Spur führt in diese Richtung. Vor gut drei Meilen hörte sie
auf. Der Boden ist hart am Rande der Berge.« »Vor drei Meilen?« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Dann kann er überall hingeritten sein, ohne hier vorbeizukommen.« »Es hätte sein können«, meinte ich. »Am Ash Fork hat er eine Apachensiedlung niedergebrannt und Frauen und Kinder getötet.« »Apachen?« Sie spuckte das Wort geradezu aus. Ich hatte fast den Eindruck, daß ihr Gesicht sich noch mehr verhärtete. »Dann sind wahrscheinlich endlich ein paar Leute aufgewacht und haben das getan, was schon lange fällig war. Die Armee tut ja nichts.« »Es war ein Mann«, sagte ich. »Ein einzelner Reiter. Ich habe die Fährte gesehen. Unbeschlagene Hufe. Es war der gleiche, der die Farmen angezündet hat.« »Das glaube ich nicht«, erklärte sie. »Die Farmen sind von gottverdammten Rothäuten angezündet worden, während die Blauröcke in Fort Calhoun auf ihrem faulen Hintern hocken, sich die Ohren zuhalten und zu feige sind, gegen die Apachen vorzugehen.« »Ich glaube nicht, daß jemandem gedient ist, wenn man sich gegenseitig die Schädel einschlägt«, sagte ich. »Die Apachen gehören ausgerottet!« Ihre Stimme klirrte. »Sie sind nicht besser als Ungeziefer, sie sind sogar schlimmer. Sie müssen verschwinden. Das Land hier ist nichts für sie. Das ist Farmland. Sie aber sind nur auf der Welt, um zu rauben, zu morden, zu brennen und zu stehlen.« »Niemand weiß bis jetzt, wer der Feuerreiter ist«, sagte ich. »Ich glaube nicht, daß er ein Apache ist. Ich glaube, er ist ein Weißer.« »Kein Weißer kann solche Dinge tun, kein Weißer kann so grausam sein wie diese Wilden.« »Sehen Sie sich die Indianersiedlung an«, sagte ich. »Vielleicht ändern Sie dann Ihre Meinung.« »Es ist keine Sünde, Indianer zu vernichten. Sie haben kein Recht zu leben. Die Weiber nicht und die Kinder auch nicht. Die Weiber gebären immer neue Kinder, und aus Nissen werden Läuse.« »Ich glaube, daß es nur deshalb immer wieder Mord und Totschlag gibt, weil zu viele so denken wie Sie.« Auch meine Stimme klang jetzt hart. »Mein Mann ist von diesen roten Teufeln ermordet worden!« Ihre
Stimme zitterte plötzlich, ich sah, daß sie die Hände zu Fäusten geballt hatte. »Meine Kinder haben sie weggeschleppt. Und mich – mich haben sie …« Sie sprach nicht weiter. »Es tut mir leid, daß solche Dinge passieren«, sagte ich. »Aber haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was Indianer empfinden, wenn ihnen ihr Land genommen wird, wenn sie aus einem Gebiet verjagt werden, in dem schon ihre Väter und Vorväter und deren Väter gelebt haben? Haben Sie jemals gesehen, was weiße Skalpjäger angerichtet und wie weiße Milizsoldaten sich bei Strafexpeditionen gegen Indianer aufgeführt haben? Es sind nicht immer nur die einen, die leiden müssen. Es gibt zuviel Haß.« »Verschwinden Sie, sonst schieße ich Sie aus dem Sattel!« schrie sie. Shita knurrte und tappte auf sie zu. »Zurück!« rief ich. Er blieb stehen und fletschte die Zähne. »Sie haben mir alles genommen, diese roten Schweine!« schrie sie. »Sie haben mein Leben zerstört. Wenn diese Scheißarmee nicht in der Lage ist, mit diesen Wilden aufzuräumen, wird es genug Männer geben, die das Land säubern können. Und ich bin dabei!« Ich antwortete nicht. Ich bestieg den Wallach und zog ihn herum. Shita bellte hinter mir, dann folgte er mir, als ich nordwestwärts auf die Halcon-Berge zuritt. Ich wußte, daß mir nicht mehr viel Zeit blieb. * Die Schüsse weckten mich. Es waren rasch aufeinanderfolgende Detonationen eines schweren Kalibers. Ich zog die Decke zur Seite und richtete den Oberkörper auf. Ich lagerte im Schatten einer überhängenden Felsklippe auf einem Plateau der Halcon-Berge. Es war ein guter Platz. Die ganze südwestliche Ebene war von hier aus zu überblicken. Shita stand ein Stück abseits des Lagers und bellte leise, als ich mich aufrichtete. Ich trat neben ihn und blickte ins Land hinunter. In vier oder fünf Meilen Entfernung brannte ein Feuer. Wieder fielen Schüsse. Der Wind wehte von Süden und brachte den belfernden
Klang der Detonationen mit. »Eine Sharps«, sagte ich leise, ich drehte mich um, lief zu meinem Lager und packte meine Decken zusammen. Shita bellte wieder. »Wir kriegen den Kerl schon«, sagte ich. Ich schwang mich in den Sattel. Shita schien nur darauf gewartet zu haben. Er sprang aus dem Stand los und hetzte vor mir her den Hang hinunter, der seitlich von der in die Berge führenden Wagenstraße anstieg. Ich schwenkte wenig später auf die Straße ein und ritt ins Tal. Sowie der Weg besser wurde, hämmerte ich dem Wallach die Absätze in die Weichen und beugte mich weit nach vorn. Der Graue wurde schneller und galoppierte mit mir durch die Ausläufer der Halcons. Reitwind peitschte mein Gesicht. Die Flammensäule in der Dunkelheit war ein gutes Orientierungsmerkmal. Shita war längst ein Stück zurückgeblieben. Ab und zu hörte ich ihn hinter mir bellen. Ich ritt zwischen Hügeln hindurch in dichtes Grasland. Der Graue schien zeitweise zu fliegen, ich hatte das Gefühl, seine Hufe berührten kaum noch den Boden. Seitlich von mir tauchte ein Buschgürtel auf. Ich bemerkte plötzlich weit vor mir im milchigen Mondlicht einen Reiter. Er preschte auf den Buschgürtel zu. Ein Umhang flatterte um seine Gestalt, ein Poncho. Ich war sicher: Er war es, der Feuerreiter. Ich riß den Wallach im vollen Galopp herum. Der Graue strauchelte, schwankte, stürzte fast. Ich klammerte mich in seiner Mähne fest und beugte mich noch weiter nach vorn. Er fing sich und jagte weiter. Ich richtete mich im Sattel auf und ließ die Zügel los. Bei den Apachen hatte ich gelernt, freihändig zu reiten und im Sattel zu kämpfen. Ich riß meinen Spencer-Karabiner aus dem Scabbard und hob ihn an die Schulter. Ein genaues Zeil war unmöglich, der Gewehrlauf schwankte auf und ab, trotzdem begann ich zu feuern. Ich riß den Repetierbügel immer wieder herum. Das Peitschen des Karabiners übertönte das dumpfe Stakkato des Hufschlags. Ich schoß, bis das Magazin leer war, und sah dann plötzlich vor mir ein kurzes Aufblitzen. Einen Sekundenbruchteil später spürte ich den
Luftzug eines Geschosses und ließ mich wieder auf den Pferdehals fallen. Aber ich hielt nicht an. Ich schob den Karabiner zurück und zog den Colt. Im selben Moment verschwand der Reiter vor mir im Unterholz des Buschgürtels. Kurz darauf krachte wieder ein Schuß. Die Kugel lag erheblich besser als die erste. Ich stoppte den Wallach nicht. Es knallte wieder. Der Graue wieherte schrill. Die Kugel zupfte an meinem linken Hosenbein. Der Wallach bäumte sich auf. Ich verlor den Halt und wirbelte in hohem Bogen aus dem Sattel. Die Welt drehte sich vor meinen Augen, dann prallte ich am Boden auf. Der Schlag war unglaublich hart. Ich versank in tiefe Bewußtlosigkeit. * »Beruhige dich, Hund«, hörte ich eine bekannte Stimme sagen. »Er lebt.« Ich fragte mich, wer damit gemeint war, und riß die Augen auf. Grelles Sonnenlicht blendete mich, mein ganzer Körper zitterte sekundenlang wie in einem Krampf. Konturenlose Schemen tauchten vor meinen Augen auf. Nach und nach wurde mein Blick klarer. Mein Schädel brummte. Jicarilla starrte mich an. Sein Atem traf mich, er stank nach Brandy. Neben Jicarillas Gesicht schob sich der Kopf von Shita. Er stieß mich mit seiner kalten Nase gegen die Stirn. »Bist du in Ordnung?« Jicarillas Stimme klang besorgt. »Brandy?« Er hielt mir seine Flasche hin. »Danke«, sagte ich. »Ich möchte nicht noch einmal das Bewußtsein verlieren. Wie viele Jahre hab ich geschlafen?« »Höchstens ein paar Stunden«, erwiderte Jicarilla. Er trank und verkorkte die Flasche. »Du hättest dir alle Knochen brechen können.« »So was tue ich nicht«, sagte ich. »Was soll ich mit gebrochenen Knochen?« »Dein Hund hat mich geholt«, sagte Jicarilla.
»Aus Fort Calhoun?« »Nein, vom Ash Fork.« Jicarilla schnitt ein betretenes Gesicht. »Es ist nämlich – der Junge, Billy, ist davongelaufen.« »Wie?« Mit einem Schlag war ich hellwach. Pochender Kopfschmerz setzte ein, klang aber gleich wieder ab. Ich richtete den Oberkörper auf und wunderte mich nicht einmal, daß ich mich bewegen konnte. »Hör zu«, sagte Jicarilla. »Es ging alles gut. Ich hab ihn ins Fort gebracht. Er hat nicht viel geredet, alles war in Ordnung. Colonel Lester hat gut für ihn sorgen lassen. Ein paar Offiziersfrauen haben sich um ihn gekümmert. Oh, ich wünschte, daß es mir nur einmal eine einzige Stunde lang so gut gehen würde, wie es dem Jungen gegangen ist. Aber in der ersten Nacht ist dieser undankbare Bengel abgehauen. Er ist über die Palisade geklettert. Sein Gewehr hat er mitgenommen.« »Hornochse«, sagte ich. »Wie?« »Nicht du, Billy«, sagte ich. »Wenn er tatsächlich eine Fährte des Feuerreiters findet, überlebt er das nicht.« »Was glaubst du, warum ich ihn suche?« »Dann finde ihn!« schrie ich. »Nur ruhig«, sagte er. »Erst hab ich dich gefunden.« »Wo ist der Graue?« »Da steht er«, sagte Jicarilla. Er deutete auf den Wallach, der in einiger Entfernung stand und graste. »Ich dachte, es hätte ihn erwischt«, sagte ich. »Ein Streifschuß links«, erklärte Jicarilla. »Keine große Sache. Ich hab mich darum gekümmert.« »Danke. Ich muß weiter.« Ich stemmte mich hoch. Sofort setzten die Kopfschmerzen wieder ein, und jedes Glied in meinem Leib tat mir weh. »Es hat gebrannt in der Nähe.« Meine Stimme klang gepreßt, ich erkannte sie selbst kaum wieder. »Eine Farm«, sagte Jicarilla. »Das Übliche. Aber diesmal ist nur ein Mann getötet worden. Die anderen haben zurückgeschossen. Die Farmer gehen neuerdings nicht mehr zu Bett, ohne Wachen
auszustellen. Eine Scheune ist abgebrannt. Aber im Fort ist die Hölle los. Die Farmer sind dabei, eine Liste mit Unterschriften aufzustellen, um gegen Colonel Lester beim obersten Militärdepartment in Fort Worth zu protestieren. Lester hält sie hin. Er hat Patrouillen ausrücken lassen, um so zu tun, als ob er gegen die Apachen vorgehen wolle. Aber die Farmer lassen sich nicht täuschen.« »Ich war ihm in der letzten Nacht sehr nahe«, sagte ich. »Er ist in den Buschgürtel geritten. Ich finde seine Spur. Hat keiner auf der brennenden Farm ihn gesehen?« »Ein Reiter im Poncho, langes Haar, Sombrero. Das ist alles«, erwiderte Jicarilla. »Die Spuren sind immer die gleichen. Unbeschlagene Hufe, Mokassins.« Ich stand aufrecht und zwang mich, ruhig zu atmen. Der Schmerz in meinem Körper klang ab, nur ein dumpfer Druck im Schädel blieb, aber er war zu ertragen. »Sieh dich nach Billy um«, brummte ich. »Ich bleibe auf der Fährte von dem Kerl.« »Ich habe dem Colonel erklärt, daß du den Feuerreiter für einen Weißen hältst«, sagte Jicarilla. »Er hat nichts dazu geäußert.« »Das ist auch nicht nötig«, sagte ich. »Es wird schon viel zuviel geredet.« Ich ging zu meinem Wallach und betrachtete die Schramme auf seiner linken Flanke, die mich in der Nacht fast den Hals gekostet hätte. Sie war etwa zwei Finger breit, aber nicht tief. Der Graue schnaubte und stieß mich mit dem Kopf an. Ich überprüfte die Sattelgurte, ging dann zurück zu Jicarilla und suchte im Gras, bis ich meinen Navy Colt fand. Ich steckte ihn ein und hob auch meinen Hut auf. »Bis später«, sagte ich zu Jicarilla. »Komm, Alter.« Ich nickte Shita zu. »Bis später.« Jicarilla hatte bis jetzt am Boden gehockt. Er erhob sich und ging mit schweren Schritten zu seinem Pony. Ich bestieg den Wallach und ritt mit ihm auf das Buschland zu. Jicarilla sprengte hinter mir über die Ebene in Richtung der Berge. Wenig später fand ich die Spur des Killers, Abdrücke von
unbeschlagenen Hufen. Ich trieb den Wallach durch das Unterholz. Shita huschte vor mir her.
9. Mulligan wälzte seinen massigen Körper wie ein Elefant über den Hof der Fanning-Farm. Die Sonne stand hoch. Mulligan schwitzte. Er hatte seine blaue Uniformbluse geöffnet und wischte sich mit seinem gelben Halstuch immer wieder über das Gesicht. Seine Unterlippe war noch immer sehr dick, das linke Auge quoll nur langsam ab und hatte sich von einem dunklen Blau zu einem rötlichen Braun verfärbt. Mulligan erreichte ächzend die mächtige Grannenkiefer seitlich der niedergebrannten Ruinen und hockte sich seufzend in den Schatten der weitausladenden Äste. »He, beeilt euch!« brüllte er über den Hof. »Das ist kein Erholungsausflug!« Die Soldaten seitlich des von den Flammen verschont gebliebenen Wohnhauses blickten mißmutig zu ihm hinüber und hantierten etwas schneller mit ihren Spaten. Sie standen bereits in einer knietiefen Grube. Ihre Uniformen trugen dunkle Schweißflecke. »In einer Stunde sind die Kadaver unter der Erde, sonst könnt ihr euch gleich mit begraben!« schrie Mulligan aus dem Schatten. Er zog einen Tabakbeutel aus der Tasche und drehte sich mit einer für seine Wurstfinger erstaunlichen Geschicklichkeit eine Zigarette. »Privat Wilson!«, brüllte er, nachdem die Zigarette brannte. »Einen Eimer Wasser, aber flott.« Die schmale Gestalt Joey Wilsons löste sich von der Soldatengruppe und bewegte sich zum Brunnen. »Schneller! Schneller, zum Teufel!« Joey ließ den Eimer in den Brunnenschacht und zog ihn gefüllt wieder herauf. Er hob ihn über die Brunnenfassung und schleppte ihn zu Mulligan hinüber. Mit jedem Schritt schwappte etwas Wasser über den Rand. Joey setzte den Eimer ab. Mulligan musterte ihn von unten nach oben und von oben nach unten. Joey blickte unsicher zur Seite.
»Das Wasser, Sergeant«, sagte er schließlich. »Ich bin nicht blind«, sagte Mulligan. »Und es heißt: Das Wasser, Sir!« »Jawohl, Sergeant, äh, Sir.« »Schon besser«, sagte Mulligan. »Du wirst uns bald verlassen, nicht wahr, Wilson?« »Jawohl, Sir.« »Es ist eine Schande, daß du bis heute nicht gelernt hast, Haltung anzunehmen.« Joeys Gestalt straffte sich sofort. »Entschuldigung, Sir.« Dicke Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn. »Du magst mich nicht, wie, Wilson?« »Das würde ich nicht sagen, Sir.« »Was würdest du denn sagen, Wilson?« Mulligan tunkte sein Halstuch in den Wassereimer, wand es aus und legte es sich auf die Stirn, nachdem er den zerknautschten Hut abgenommen hatte. »Ich, nun, ich würde sagen, daß Sie ein strenger Vorgesetzter sind, Sir.« »So, würdest du sagen? Streng, aber gerecht, Wilson!« Joey schwieg. »Ich höre nichts, Wilson.« »Streng, aber gerecht, Sir«, quetschte Joey hervor. »Deine Uniformbluse steht offen, Wilson. Soll das eine korrekte Uniform sein?« »Entschuldigung, Sir. Es ist so heiß.« »Disziplin hat nichts mit Hitze oder Kälte zu tun, Wilson. Ich verlange, daß ihr Wanzen auch bei der Arbeit eure Uniform korrekt tragt. Sag das auch den anderen!« »Jawohl, Sir, aber, Sir, Sie haben doch auch …« »Was willst du sagen?« Mulligan musterte den jungen Soldaten scharf. »Willst du Ratte dich etwa mit mir vergleichen?« »Nein, Sir, bestimmt nicht, Sir.« Joeys Kopf war hochrot. Er knöpfte sich mit zitternden, Fingern die Uniformbluse zu. Mulligans Haltung entspannte sich. »Wegtreten, Wilson. Disziplin ist alles. Beeilt euch da drüben!«
»Jawohl, Sir.« Joey drehte sich um und marschierte über den Hof zurück. Mulligan beobachtete zufrieden, wie die anderen Soldaten ihre Uniformblusen zuknöpften. Er öffnete die seine noch mehr und tauchte erneut sein Halstuch in den Wassereimer. Genüßlich zog er an seiner Zigarette. Er hatte Zeit, nachzudenken. Er wußte, daß der Befehl, mit acht Soldaten zur Fanning-Farm zu marschieren und die Toten zu bestatten, ein Strafkommando war, Dreckarbeit, die er normalerweise nie hätte übernehmen brauchen. Das alles verdankte er dem neuen Scout, glaubte er. Der Kerl hatte ihn vor Angehörigen der Mannschaft, die er ohnehin verachtete, verprügelt und so zugerichtet, daß er noch immer die Zeichen seiner Niederlage trug. Jetzt wartete ein Disziplinarverfahren auf ihn. Mulligan kannte die Armee. Er war lange genug dabei und hatte genügend gesehen und gelernt. Er wußte, daß er diesmal dran war. Die Prügelei mit dem neuen Scout war kein Einzelfall gewesen. Diesmal war er seine Streifen los. Corporal konnte er bleiben, wenn, er Glück hatte. Wenn er Pech hatte, wurde er zum einfachen PrivatSoldier degradiert, ein Abstieg zu jenen, die er bis jetzt mit wahrer Freude am Schinden und Quälen auf dem Exerzierplatz geschliffen hatte. Mulligan wußte, daß er keine Chance hatte, aber er gedachte nicht, das alles ruhig hinzunehmen. Noch war er Sergeant. Er warf die Zigarette in den Staub und lehnte sich noch weiter zurück. Er hatte einen Plan. Solange er seine gelben Streifen an der Uniform hatte und niemand da war, der im Rang über ihm stand, gaben ihm diese Streifen eine Fülle von Möglichkeiten, etwas zu unternehmen, um das Schlimmste für seine weitere Laufbahn abzuwenden. Die Soldaten waren mit dem Grab fertig. Ihre Uniformen waren schweißdurchtränkt und verdreckt. Sie stiegen aus der Grube, gingen zum Haus hinüber und holten die Leichen. Mulligan schaute zu, wie die Leichen in der Grube verschwanden und die Soldaten dann wieder nach ihren Spaten griffen, um die Grube zu schließen. Es waren alles junge Männer, so wie Joey Wilson. Keiner war dabei, der länger als anderthalb Jahre bei der Armee war. Keiner würde es wagen, sich ihm, Mulligan, zu widersetzen.
Mulligan richtete sich auf die Knie auf und steckte den massigen Kopf in den Wassereimer. Prustend kam er wieder hoch. Das Wasser lief in dünnen Bächen über sein Gesicht und sickerte in seine Uniformbluse, Mulligan strich sich das triefende Haar zurück und stülpte seinen Hut drüber. Dann stand er auf. Das Grab war fertig. Ein flacher Hügel wölbte sich über den Toten. Mulligan ließ den Eimer stehen und schlurfte über den Hof. Die Soldaten nahmen sofort Haltung an, als er zu ihnen trat. Mulligan bemerkte Haß in ihren Augen. Das stimmte ihn fröhlich. Er freute sich darüber, wenn andere ihn haßten, vor allem dann, wenn sie schwächer waren als er. Der Haß von Schwachen gab ihm das Gefühl noch größerer Stärke. »Sollen wir ein Kreuz auf das Grab setzen, Sir?« fragte ein junger Soldat. »Wozu? Glaubst du etwa an das ewige Seelenheil?« Mulligan lachte. »Für solche Kinkerlitzchen haben wir keine Zeit. Wir müssen los.« »Wir schaffen es nicht mehr bis zum Abend ins Fort, Sir«, sagte Joey Wilson. »Was ihr schafft, bestimme ich«, erklärte Mulligan. »Wer sagt euch, daß wir ins Fort marschieren?« »Nun, Sir, wir dachten …« »Ihr könnt gar nicht denken«, sagte Mulligan. »Denken stand nicht in eurem Ausbildungsplan. Zum Denken sind Leute wie ich da. Wir marschieren nach Südwesten.« »Zu den Halcon-Bergen, Sir?« »Genau. Holt euer Marschgepäck. Wir haben keine Zeit zu verlieren.« »Verzeihen Sie, Sir, aber was tun wir da?« Mulligan wandte den Kopf und starrte Joey Wilson fassungslos an. »Seit wann werden Fragen gestellt, wenn ich etwas anordne? Ein Befehl ist ein Befehl. Wenn ich einen Befehl gebe, dann habt ihr Schlappsäcke die Stelzen in die Hand zu nehmen und loszulaufen.« »Wir sind nur acht, Mann, Sir«, sagte Joey Wilson. »Im Land herrscht Unruhe. Niemand weiß, ob die Rothäute nicht etwas
vorhaben.« »Der Herr scheißt sich wohl vor Angst in die Hosen, wie?« Mulligan grinste. Er wurde wieder ernst. »Genau darum geht es, ihr Wanzen. Sonderauftrag von Colonel Lester. Unsere beiden Scouts, dieser plattfüßige, versoffene Mischling und der Neue haben auf der ganzen Linie versagt. Zivilisten.« Er spuckte verächtlich aus. »Lester meint, daß Soldaten dieses Problem erledigen müssen. Kein großer Krieg, aber eine kleine, unauffällige Strafexpedition. Der Feuerreiter stammt aus einem der kleinen Indianernester. Denen werden wir ein bißchen einheizen, solange, bis die den Kerl freiwillig rausgeben.« »Das glaube ich nicht«, sagte Joey Wilson. Ihm war anzusehen, daß er die Bemerkung im selben Moment bereute, aber es war nichts mehr zurückzunehmen. Sergeant Mulligan holte tief Luft und wandte sich Joey in seiner ganzen Breite zu. Er wirkte in diesem Moment wie ein Gigant, und Joey schrumpfte zu einem mickrigen Zwerg zusammen. »Was hast du gesagt?« fragte Mulligan sanft. Joey antwortete nicht. »Lauter!« sagte Mulligan. »Ich höre nichts.« »Es war nichts, Sir. Entschuldigung, Sir.« »Du hältst mich wohl für bescheuert?« Mulligan reckte den massigen Schädel vor. Die anderen Soldaten wichen langsam Schritt für Schritt zurück. Joey blieb wie angewachsen stehen. »Du glaubst mir also nicht?« Mulligans Stimme grollte wie ein fernes, aber sich stetig näherndes Gewitter. »Du kleiner Stinker zweifelst an dem was, ich sage. Ist es so?« »Nein, Sir.« »Nein, Sir?« Mulligan stemmte die Fäuste wieder in die Hüften. »Du hast aber gesagt, daß du mir nicht glaubst, du Mistpfützenwurm! Ich weiß genau, daß du schon immer versucht hast, meine Befehle zu sabotieren. Du meinst wohl, jetzt kannst du dich aufplustern, weil deine Dienstzeit bald vorbei ist, wie? Ich weiß genau, wer den neuen Scout, diesen Rotzlöffel, angefeuert hat, als er mich mit unfairen, hinterhältigen und hundsgemeinen Tricks umgelegt hat. Das warst du, Wilson. Du bist mir noch etwas schuldig. Warum, glaubst du, sage ich nicht die Wahrheit?«
Joey blickte den Sergeant an. Er sah die kleinen, tückischen Augen, die rüsselartige, breite Nase, das ganze grobschlächtige Gesicht. Er wußte, daß er nicht mehr viel zu verlieren hatte. Mulligan würde ihn verprügeln, so oder so. »Sir, ich glaube nicht, daß Colonel Lester Sie mit so etwas beauftragt hat, Sir. Nicht jetzt, weil-weil …« »Weil?« Mulligans Stimme hob sich. »Du bildest dir also ein, in den Kopf unseres Colonels schauen zu können. Du glaubst, ich sei erledigt, wegen des Disziplinarverfahrens gegen mich, was? Du irrst dich, du Klugscheißer. Sergeant Mulligan hat ganz andere Sachen überstanden. Gerade deshalb habe ich den Auftrag gekriegt. Bewährungsauftrag, verstehst du?« Seine Rechte schoß plötzlich vor und krallte sich in Joeys Uniformbluse. Er zerrte den Jungen zu sich heran. »Lassen Sie mich los, Sir!« Joeys Stimme bebte. »Sie haben nicht das Recht …« Mulligan ließ Joey los und knallte ihm die Rechte voll ins Gesicht. Joey wurde nach hinten geschleudert, überschlug sich fast und stemmte sich betäubt wieder hoch. Er, schmeckte Blut auf seinen Lippen. »Aufstehen!« brüllte Mulligan. »Strammstehen! Dir binde ich noch die Beine zu einem Knoten im Genick zusammen, bevor du die Uniform ausziehst, Wilson!« Joey stand auf. Er schwankte ein wenig. Seine Unterlippe schwoll an. Er sagte: »Sir, ich weiß nicht, warum Sie das tun. Ich glaube nicht, daß wir den Auftrag haben, von hier aus weiterzumarschieren. Das ist Ihre Idee. Ich möchte zurück ins Fort.« »Es ist nicht meine Idee«, sagte Mulligan. »Und wenn es meine Idee wäre, dann müßtet ihr auch gehorchen. Ich bin der Sergeant, und ihr …« Er bückte sich und nahm eine Handvoll Staub auf. Er hielt sie hoch. »Ihr seid Dreck! Versteht ihr? Dreck!« Er schleuderte Joey den Sand mitten ins Gesicht und schlug abermals zu. Diesmal traf er Joeys ungedeckten Brustkorb mit voller Wucht. Joey war geblendet durch den Sand und sah den Hieb nicht kommen. Er wurde vom Anprall der Faust hochgehoben und flog wie ein Geschoß durch die Luft. Er landete rücklings auf dem frischen
Grabhügel. »Noch ein Wort«, sagte Mulligan, »und ich mach aus deinem Arsch einen Kochtopf, ich reiß dir die Haut in Lappen und putz mir damit die Stiefel.« Er drehte sich um. »Das gilt für euch alle! Vorwärts jetzt. Wir haben genug Zeit durch diesen Sandfloh verloren. Marschgepäck aufnehmen! Du auch, Wilson!« Joey quälte sich auf die Beine. Er würgte und rang nach Atem, aber er humpelte hinter den anderen her zum Brunnen, in dessen Nähe die Soldaten ihre Ausrüstung abgelegt und die Gewehre zu Pyramiden zusammengestellt hatten. Sie schulterten ihr Gepäck und nahmen die Gewehre auf, so traten sie in einer Reihe an – acht junge Männer. »So gefällt ihr mir«, sagte Mulligan. »Stramm, still, gehorsam, mit geschlossener Schnauze. Soldaten sollte man bei Dienstantritt gleich das Maul zunähen und erst wieder öffnen, wenn sie Corporal geworden sind. Rechts um!« Die Soldaten drehten sich nach rechts, auch Joey. Er bewegte sich wie in Trance. Fast schien es so, als ob ihn nur das schwere Marschgepäck auf seinem Rücken geradehielt. Er hatte sein Gewehr geschultert wie die anderen. Sein Blick war leer. »Vorwärts marsch! Wehe dem, der schlappmacht!« sagte Mulligan. Er setzte sich an die Spitze und schulterte sein Gewehr. Hinter ihm setzten sich die jungen Soldaten in Bewegung und marschierten an den verbrannten Farmgebäuden vorbei in die Steppe hinaus.
10. Am Nachmittag hatte ich die Fährte verloren und war umgekehrt. Jetzt war es Abend, und ich sah den Feuerschein. Die Farm Linda Carsons! Ich dachte an die Frau mit dem heißen Haß im Herzen und spürte kein Mitleid. Als ich über einen Hügel ritt, sah ich die brennende Farm vor mir. Fast gleichzeitig entdeckte ich den Reiter. Er war schon ein gutes Stück entfernt und jagte auf das Bergland zu. Shita bellte wütend. Ich
hämmerte dem Grauen die Absätze in die Weichen. Diesmal sollte der Kerl mir nicht entwischen. Ich beugte mich weit im Sattel vor. Shita hetzte mir bereits voraus. Ich holte ihn rasch ein. Wir preschten in einigem Abstand an der brennenden Farm vorbei. Es blieb keine Zeit, die in Flammen stehenden Gebäude zu inspizieren. Wenn Linda Carson zu Haus gewesen war, dann war sie jetzt tot. Daran bestand kein Zweifel. Ihr war nicht mehr zu helfen. Der dunkle Reiter weit vor mir verschwand in den Ausläufen der Berge. Minuten später erreichte ich das hügelige Land. Der Atem des Grauen ging rasselnd. Ich hatte ihn während des Tages nicht geschont. Jetzt holte ich alles aus ihm heraus. Ich trieb ihn durch die Ausläufer der Berge, immer höher in die Halcons hinein. Unvermittelt tauchte ein zunehmender Mond hinter einigen dunklen Wolkenballungen auf. Eine Flut silbrigen Lichts floß aus der Wölbung des Nachthimmels. Ich sah den Reiter wieder vor mir. Er hatte den Vorsprung verloren, so schien es. Aber das konnte täuschen. Ich glaubte, ihn deutlicher zu sehen. Eine mittelgroße Gestalt, in einen Poncho gehüllt, der im Reitwind wie die Flügel eines großen Nachtvogels flatterten. Ein breitrandiger Sombrero, langes Haar. Der Reiter saß auf einem untersetzten Indianerpony. Wenig später war er wieder verschwunden. Das Land wurde unübersichtlicher. Ich preschte einen Hang hinauf und galoppierte über eine Reihe von Plateaus, die sich wie Perlen an einer Schnur aneinanderreihten. Dann wurde das Gelände zerklüfteter. Rechts von mir erhob sich ein dichter Hangwald, links lagen Geröllhalden, überall wucherte Krüppelholz zwischen dem Gestein. Ab und zu rutschten die Hufe des Wallachs auf dem felsigen Untergrund ab oder schlugen mit den Eisen Funken. Auf einem Höhenkamm zügelte ich den Wallach, richtete mich steil im Sattel auf und blickte mich um. Ich lauschte in die Nacht. Das Singen des Nachtwindes war zu hören. Die Flanken des Grauen waren schweißbedeckt, aber auch mir klebte das Hemd am Körper. Shita holte mich wenig später ein und blieb keuchend und hechelnd stehen. Die Zunge hing ihm fast bis zum Boden. Rings um mich erhoben sich stumm und gewaltig die Berge im
blassen Mondlicht. Irgendwo in mir fühlte ich leise Verzweiflung aufsteigen. Hatte ich ihn wieder verloren? Im selben Moment fiel vor mir ein Schuß. Das vielhundertfach verstärkte Echo ließ die Detonation wie einen Kanonendonner durch die Berge rollen. Kurz darauf folgte ein zweiter Schuß. Das dumpfe, wummernde Dröhnen zerriß die Nacht. Ein schweres Kaliber, eine Sharps-Rifle. Ich prüfte die Windrichtung und wußte, aus welcher Richtung die Schüsse gefallen waren. Ich trieb den Wallach an. Ein Hohlweg tauchte vor mir auf. Ich sprengte ohne zu zögern hinein. Der Hufschlag des Grauen klang zwischen den steilen Wänden wie das Knattern eines Maschinengewehrs. Der Weg stieg leicht an. Als ich ihn nach wenigen Minuten wieder verließ, sah ich in einiger Entfernung eine mit Büschen und Wald bewachsene Hochebene vor mir liegen. Ich drosselte das Tempo des Grauen und ritt langsam weiter. Meine Haltung war gespannt. Ich saß leicht gekrümmt im Sattel. Meine Sinne waren fast schon überreizt. Ich zog den SpencerKarabiner aus dem Sattelscabbard und hielt ihn schußbereit in den Fäusten, während ich das Gefühl hatte, mit dem Wallach über die hauchdünne Eisschicht eines tiefen Sees zu reiten, die jeden Moment splittern und brechen konnte. Ich erreichte unbehelligt die Hochebene, ließ meine Blicke über das weite Rund schweifen und sah in fast hundert Yards Entfernung ein Pferd. Untersetzt, stämmig, mit langer Mähne, ein Indianerpony. Es stand zwischen zwei Mesquite-Sträuchern und graste. Sonst war nichts zu sehen, es schien kein Leben hier zu geben. * Der Körper lag unweit des Waldrandes im Gras. Shita fand ihn zuerst, aber er bellte nicht. Er schien zu spüren, daß wir in Gefahr schwebten und jeder überflüssige Laut neue Gefahren verursachen konnte. Er blieb einfach stehen und knurrte leise. Dann scheute der Wallach, als ich die Stelle erreichte. Ich glitt aus dem Sattel und sah den Mann auf dem Bauch liegen. Er trug eine
ausgeblichene Armeejacke. Ich kniete mich zu Boden und griff nach seiner linken Schulter. Ich spürte Feuchtigkeit, zog die Hand rasch zurück und hielt sie hoch. Blut. Ich griff wieder zu und drehte den Körper herum. Das Mondlicht fiel in das starrte Gesicht Jicarillas. Er war nicht tot. Ein glatter Schulterschuß, obwohl das mächtige Sharps-Geschoß eine große Wunde gerissen und er viel Blut verloren hatte. Ich wußte, daß wir uns nicht lange auf der Lichtung aufhalten durften. Der Killer konnte noch immer in der Nähe sein und uns vom Wald aus beobachten. Solange Shita sich ruhig verhielt, konnte ich einigermaßen sicher sein, daß alles in Ordnung war, aber wohl war mir nicht. Ich lief zu Jicarillas Pferd und suchte in den Satteltaschen nach einer Flasche Brandy. Ich fand sie, und sie war fast leer. Mit dem Rest tränkte ich ein Halstuch und wusch damit die Wunde ab. Soweit ich es beurteilen konnte, war kein Knochen gesplittert. Er hatte Glück gehabt. Die Wunde blutete nur noch schwach, aber für mein Gefühl war das immer noch zuviel. Außerdem konnte sie sich entzünden, wenn sie nicht desinfiziert wurde. Ich hätte sie ausbrennen müssen, hatte aber weder Zeit noch Gelegenheit, jetzt erst ein Feuer anzufachen. Das Risiko war auch zu groß. Ich holte meine Pulverflasche, schüttete ein wenig Schwarzpulver auf die Wundränder und zündete es an. Es brannte rasch ab, dann stank er nach verbranntem Fleisch, und Jicarilla bäumte sich in der Bewußtlosigkeit auf, sank aber sofort wieder zurück. Ich fand in meinen Satteltaschen einen Rest Verbandsstoff, so daß ich Jicarilla eine feste Bandage anlegen konnte. Nachdem ich ihm aus meiner Feldflasche etwas Wasser eingeflößt hatte, bewegte er sich und schlug die Augen auf. Er mußte Schmerzen haben. Ein paar tiefe Falten kerbten sich in sein Gesicht. Aber er gab durch nichts zu erkennen, wie groß seine Pein war. »Ach, du«, sagte er schwach. Sein Blick schien ein wenig umnebelt zu sein. »Was hast du mir zu trinken gegeben?« »Wasser.«
Er würgte. »Ich sterbe, wenn ich Wasser trinke – Scheißzeug!« »Quatsch«, sagte ich. »Tut mir leid, du mußt hoch. Wir können nicht auf dem Präsentierteller sitzenbleiben, wenn der Kerl zurückkehrt. Hast du ihn gesehen?« »Wen?« »Den Feuerreiter.« Er stöhnte leise. »Wo ist mein Brandy?« »Ich hab damit die Wunde ausgewaschen.« »Es ist eine Schande«, murmelte er. »Sei still.« Ich wurde langsam wütend. »Du wärst verblutet, du Schnapsdrossel, du hättest eine Blutvergiftung kriegen können.« »Mich vergiftet nichts«, sagte er. »Ich habe zuviel Alkohol in mir.« Wir erreichten sein Pony. Ich schaute ihn an. Er hielt sich mit der Rechten am Sattelhorn fest. Er war verdammt zäh. »Warum bist du überhaupt hier?« fragte ich. »Ich suche Billy«, erwiderte er. »Sag bloß, der Bengel ist hier?« »Er ist in die Berge geritten. Ich hab ihn zuletzt gesehen, als das Feuer unten im Tal losging. Wer ist es diesmal?« »Die Carson-Farm«, sagte ich. »Wo hast du ihn gesehen?« »Hier in der Nähe, auf einem Plateau. Er war gut dreihundert Yards von mir weg und lief davon, als er mich sah, in Richtung dieses Waldes.« »Dann nicht mehr?« »Dann nicht mehr«, sagte Jicarilla. Eine Schwäche erfaßte ihn. Er schwankte gegen sein Pferd. Ich stützte ihn. Es dauerte nur ein paar Sekunden. »Dann«, fuhr er fort, »habe ich einen Reiter gesehen, auch nur von weitem. Das Feuer brannte unten im Tal schon ziemlich heftig. Hier am Wald hat es mich erwischt.« Auf seiner Stirn perlte Schweiß. »Ach so! Ich glaube, ich hab ihn auch noch erwischt, mit dem Colt.« »Den Feuerreiter?« »Ja, wen sonst? Er traf mich mit dem ersten Schuß nicht, erst mit dem zweiten. Vorher konnte ich noch einmal schießen.« »Hast du ihn schwer getroffen?«
»Keine Ahnung, ich bin nicht mal sicher, ob ich überhaupt getroffen habe, aber ich denke schon.« »Du bist wirklich ein gottverdammter Kerl«, sagte ich. »Ich muß weiter. Warte hier, du kannst nicht reiten.« »Ich kann alles«, erklärte Jicarilla. Er drehte sich um und zerrte sich unter Aufbietung aller Kräfte in den Sattel. Da oben saß er dann und schwankte wie ein Blatt im Wind. Sein linker Arm hing schlaff nach unten. Die Rechte hatte er um die Zügel gekrampft. Ich betrachtete ihn skeptisch von unten. »Hör zu«, sagte ich. »Wenn du aus dem Sattel kippst, kann ich nicht zurückbleiben. Ich kann den Kerl nicht wieder entwischen lassen.« »Hau ab«, sagte Jicarilla. Ich zuckte mit den Schultern, ging zu meinem Wallach zurück und führte ihn am Zügel bis zum Waldrand. Jicarilla ritt mir langsam nach. Ich untersuchte im Unterholz, so gut es ging, die Spuren. Als ich mich aufrichtete, fühlte ich eine tiefe Befriedigung in mir. Ich wandte mich zu Jicarilla um und sagte: »Du hast ihn erwischt. Er hat geblutet wie ein Schwein. Diesmal kriegen wir ihn.« Shita schnüffelte an der Blutspur am Boden und stürmte vor uns her in den Wald, die Nase dicht an der Erde. Ich schwang mich in den Sattel und ritt los, Jicarilla folgte mir. * »Hört zu, ihr Affen, und sperrt eure Ohren auf, sonst dreh ich sie euch zu Spiralen«, sagte Sergeant Mulligan. Er hatte die Soldaten antreten lassen und sich vor ihnen wie ein Felsklotz aufgebaut. Ihre Gesichter wirkten übernächtigt und bleich. Sie machten einen erschöpften Eindruck. Nur Mulligan wirkte frisch und erholt wie nach einem langen Schlaf. Dabei war er mit den Männern die ganze Nacht marschiert. »Wir sind müde Sir«, sagte einer. »Entschuldigen Sie, Sir, aber wir haben seit gestern abend nichts mehr gegessen und seit gestern morgen nicht mehr geschlafen.« »Noch ein Wort, und ich laß dich Gras fressen und sorge dafür,
daß du ewig schlafen kannst«, sagte Mulligan. »Wann ihr müde seid, entscheide ich. Gute Infanteristen marschieren tausend Meilen, ohne auszuruhen, schlafen einmal im Monat und kommen wöchentlich mit einem Stück Brot aus.« Mulligan holte tief Luft. Niemand widersprach mehr. »Noch zweihundert Yards, vielleicht dreihundert, dann erreichen wir ein Apachennest. Ich weiß nicht, wie groß es ist, aber nicht mehr als zwanzig Hütten. Das bedeutet etwa dreißig Krieger, dazu Weiber und ihre Brut. Jeder Infanterist der glorreichen Armee nimmt es mit mindestens vier feigen Rothäuten auf. Ihr seid acht, mit mir zusammen sind wir neun Marin. Wir sind den roten Scheißern also haushoch überlegen. Wenn wir das Nest erreichen, bilden wir einen Halbkreis. Das Dorf liegt am Fuß eines Berghangs. An der Südseite fließt der Ash-Fork. Ich weiß das, weil ich vor einem Jahr schon mal hier war. Wenn wir es richtig anfangen, können wir die roten Affen in die Enge treiben. Sie haben den Berg und den Fluß im Rücken, und von vorn stoßen wir vor. Wir liquidieren sie in einem Handstreich, wenn sie sich nicht ergeben. Ihr werdet euch jetzt zusammenreißen und euer Bestes geben, sonst werdet ihr es noch bereuen, geboren worden zu sein. Wenn es soweit ist, kann nicht mehr viel geredet werden. Dann müßt ihr funktionieren wie gut geölte Maschinen. Ich habe euch dazu erzogen, und ich weiß, daß ihr es könnt. Wenn einer sich zu blöd anstellt, betrachte ich das als persönliche Beleidigung. Ihr wißt ja, was denen blüht, die mich beleidigen.« Mulligan schwieg einen Moment. Er ließ seine Blicke über die Gesichter der Soldaten wandern. »Ihr bildet also einen Halbkreis«, fuhr er fort. »Ihr sucht euch gute Deckungen und gute Schußpositionen, so daß ihr das ganze Dorf bestreichen könnt. Die Apachen haben schlechte Waffen, sie können damit auch nicht umgehen. Die Wickiups halten keine Kugeln ab. Wir sind also in jeder Hinsicht im Vorteil.« »Sir, wenn die Apachen schlecht schießen können, Sir, warum wird dann immer gesagt, daß der Feuerreiter so ein guter Schütze sei?« fragte einer der Infanteristen. »Noch so ein Klugscheißer!« Mulligan fuhr herum. »Ich dachte, Wilson sei der einzige. Halt die Schnauze, wenn dir deine Zähne
etwas wert sind. Ist das Antwort genug?« »Jawohl, Sir. Entschuldigen Sie, Sir.« »Weiter im Text«, sagte Mulligan. »Ihr bringt euch also in Deckung. Dann wartet ihr auf mein Zeichen. Ich entscheide, wann wir angreifen. Auf mein Zeichen beginnt ihr zu schießen, auf mein Zeichen hört ihr auf, und wenn es nötig sein sollte, stürmt ihr auf mein Zeichen das Dorf. Alles klar?« Sie nickten. »Ihr höre nichts?« brüllte Mulligan. »Habt ihr etwa eure Sprache verloren? Wenn es darum geht, an meinen Befehlen herumzumeckern, könnt ihr ja euer Maul nicht weit genug aufreißen. Ist alles klar?« »Jawohl, Sir!« antworteten sie im Chor. »Dann los«, sagte Mulligan. »Vorwärts, marsch!« Er setzte sich in Bewegung. Die jungen Soldaten folgten ihm. Sie marschierten durch das Hügelland. Frühnebel stieg in dichten Dunstschwaden aus den Niederungen. Ihre Füße waren schwer wie Blei, die Augen fielen ihnen fast zu. Ihre Bewegungen waren steif und hölzern. Die Last ihrer Ausrüstung drückte sie fast in die Knie. Sie fühlten sich hohl und ausgebrannt, aber sie wagten nicht, stehenzubleiben. Vor ihnen ging Sergeant Mulligan. Sie waren fertig, und sie fürchteten sich vor dem Kampf mit dem Tod. Aber vor Sergeant Mulligan fürchteten sie sich noch mehr. Sie marschierten durch einen dichten Buschgürtel und hörten das leise Glucksen eines nahen Flusses. Wenig später tauchten Laubhütten aus dem Frühnebel vor ihnen auf. Die runden Kuppeln ragten wie die Buckel riesiger schlafender Tiere in die grauen Schwaden. Mulligan blieb stehen. Die jungen Soldaten taten, wie er es ihnen befohlen hatte. Sie verteilten sich in einem Halbkreis um das Dorf. Mulligan drehte sich um und sah Joey Wilson. Er hob wortlos die Rechte und winkte ihn heran. Joey folgte zögernd, in seinen Augen stand Angst. »Dir traue ich nicht, Schlappsack«, flüsterte Mulligan. »Du bleibst bei mir.«
Seine schwere Rechte legte sich wie ein Schraubstock um Joeys schmale Schulter. Mulligan zerrte ihn mit und zwang ihn hinter einem natürlichen Steinwall in Deckung. Er hockte sich neben ihn und grinste Joey mit der Freundlichkeit eines Büffels an. »Wir werden Schulter an Schulter kämpfen, Joey-Boy«, sagte er leise. »Wie findest du das? Großartig, wie? Ich wette, wir werden noch richtige Freunde.« Er grinste noch breiter. Joey antwortete nicht. Aus großen Augen starrte er auf die Hütten des Apachendorfes.
11. Der Schuß krachte vor uns vom Rand eines Hochwaldes. Das Projektil grub sich schräg hinter mir in einen Baumstamm und fetzte große Splitter aus der Rinde. Ich hatte den heißen Luftzug der Kugel gespürt und ließ mich instinktiv aus dem Sattel fallen. Der Wallach warf schnaubend den Kopf hoch und trabte davon. Er wußte, wie er sich in solchen Situationen zu verhalten hatte. Shita bellte wie rasend. Er stürmte über den flachen Hang auf den Wald zu. »Zurück!« brüllte ich. »Sofort zurück mit dir!« Ausnahmsweise gehorchte er. Er wirbelte herum und jagte den Hang wieder hinunter. Hinter ihm fiel ein Schuß, der die Grasnarbe unweit des Hundes aufriß. Jicarilla war mir nur langsam gefolgt und brachte sein Pferd hinter einem Felsvorsprung zum Halten, als der Schuß krachte. Er sackte im Sattel nach vorn, richtete sich aber sofort wieder auf. Sein Gesicht wirkte spitz und eingefallen. Ich robbte zu der Baumgruppe, in die die erste Kugel eingeschlagen hatte und brachte mich hier in Deckung. Wieder krachte ein Schuß. Das Projektil bohrte sich höchstens drei Handbreiten vor meinem Kopf in den Boden. Ein Regen von Erde, Gesteins- und Holzsplittern prasselte auf mich nieder. Dann lag ich in Deckung. Sekunden später war Shita neben mir. Ich drückte ihm den Kopf nach unten, als ich es am Waldrand wieder aufblitzen sah. Die Kugel fegte dicht über unsere Köpfe weg
und riß ein Loch in eine schlanke Douglas-Tanne, ein weiterer Schuß traf eine Felswand. Mit jaulendem Laut raste der Querschläger davon. Noch lagen Nebelschwaden über dem Hang und dem Wald, aber im Osten brach bereits die Sonne durch. Der graue Dunst lichtete sich. Aus den Augenwinkeln sah ich, daß Jicarilla schwerfällig vom Pferd glitt, mit der Rechten sein Gewehr aus dem Scabbard zog und hinter dem Felsvorsprung, wo er mit seinem Pferd angehalten hatte, in Deckung ging. Ich hob den Spencer-Karabiner an die Schulter und visierte den Waldrand an. Ich hoffte, die Stelle zu treffen, wo der Schütze sich verbarg. Ich feuerte dreimal. Es rührte sich nichts. Dann schoß Jicarilla. Sofort darauf blitzte es am Waldrand wieder auf. Jicarilla feuerte zurück, traf aber nur einen Baum dicht bei der Stelle, wo der Mündungsblitz aufgezuckt war. Ein Geschoß schlug über Jicarillas Deckung ein und wirbelte Steinstaub auf ihn hinunter. Er lehnte sich ächzend gegen den Fels und quälte sich damit ab, mit einer Hand sein Gewehr nachzuladen. Ich wartete den nächsten Schuß des Killers ab und feuerte dann auf den Mündungsblitz. Ein spitzer Schrei, war zu vernehmen. Ich setzte einen weiteren Schuß an dieselbe Stelle und wollte mich erheben. Im selben Moment krachte die Sharps wieder und zwang mich erneut in Deckung. »Komm raus!« schrie ich den Hang hinauf. »Gib es auf. Es hat keinen Sinn! Wir wissen, daß du verletzt bist. Du hältst es nicht mehr lange durch. Wirf das Gewehr raus und hör auf zu kämpfen! Diesmal schaffst du es nicht mehr!« Die Antwort war ein Schuß, der über meinem Kopf einen dünnen Ast abriß. Der Ast fiel auf mich herunter. Ich spürte einen Schlag im Genick und fluchte wütend. »Wie du willst!« rief ich. »Es geht auch anders!« Ich schoß, duckte mich wieder und blickte mich um. Das Gelände war für den Killer äußerst günstig. Er konnte vom Wald her alles übersehen und mit seiner Sharps bestreichen. Es gab keine
Möglichkeit, ihn zu umgehen. Die Bäume, hinter denen ich lag, und der Felsvorsprung, der Jicarilla als Deckung diente, waren die einzigen Stellen, von denen aus ein Erwidern des Feuers möglich war. Es war eine beschissene Lage. Wir waren im Vorteil und waren es wiederum auch nicht. Wir mußten entweder darauf warten, bis der Mörder sich ergab, oder bis er an seinen Wunden verblutete. Ich hatte lange nicht geschlafen und lange nichts mehr gegessen. Jicarilla mußte verpflegt werden. Wir hatten nicht unbegrenzt Zeit. – Ich dachte an Shita, der neben mir lag. Er hätte vielleicht eine Chance gehabt, den Kerl zu umgehen und anzugreifen. Er hatte es schon einmal getan. Damals aber waren die Voraussetzungen günstiger gewesen. Das Gelände hatte sich besser dazu geeignet, und der Killer hatte Shita nicht gekannt und nicht gewußt, inwieweit der Hund eine Gefahr darstellte. Ich war sicher, daß der Killer versuchen würde, Shita abzuknallen, bevor er den Hangwald erreichte. Auch wenn er verletzt war, konnte er mit seiner Sharps erstklassig umgehen. Ich hatte keine Lust, Shita zu opfern. Ich verwarf den Gedanken. Der Morgennebel löste sich auf. Die Sonne stieg höher. Ich sah zu Jicarilla hinüber. Er lehnte mit dem Rücken an der Felswand, saß in der Hocke und hatte die Augen geschlossen. Ein dünner Schweißfilm bedeckte sein Gesicht. Ich bemerkte unvermittelt eine Bewegung über mir am Waldrand. Ich hob das Gewehr und wartete ab. Wieder bewegten sich einige Zweige. Ich schoß. Ein Schuß aus der Sharps war die Antwort. Ich schoß ebenfalls sofort zurück, anscheinend aber ohne Wirkung zu erzielen. Vorsichtig robbte ich ein Stück zurück, lehnte mich seitwärts und zog das Magazin des Spencer-Karabiners heraus. Ich lud die Waffe neu auf. Im selben Moment, als ich das Magazin verschlossen hatte, fiel oben im Wald ein Schuß. Ich zog den Kopf ein, aber nirgends schlug eine Kugel ein, und dann erst fiel mir auf: Es war nicht die Sharps gewesen, die gekracht hatte. Es war ein anderes Gewehr gewesen, ein Karabiner. Es blieb eine Weile still. Ich beobachtete den Wald und lauschte angespannt. Nichts geschah.
»Es ist was passiert«, sagte ich zu Jicarilla hinüber. Er antwortete nicht, aber er hatte mich verstanden. Unvermittelt teilte sich oben das Unterholz. Ich riß den SpencerKarabiner hoch und ließ ihn sofort wieder sinken. Dann erhob ich mich, und Shita bellte, während er den Hang hinaufsprang. Auch Jicarilla zwang sich auf die Beine. Gestützt auf sein Gewehr bewegte er sich aus seiner Deckung, während ich hinter den Bäumen hervortrat und den Hang hinaufstapfte. »Billy!« Bill Fanning hob unsicher die Rechte und winkte. Er stand da, klein, mager, verhärmt, in abgewetzter, zerrissener Kleidung, bleich und schmal. In der Linken hielt er den Gallagher-Karabiner. Shita sprang um ihn herum. Billy blickte mir entgegen. Ich sah Tränen auf seinen Wangen. »Ich hab ihn erwischt«, sagte er, als ich heran war. Seine Stimme zitterte. »Ich hab ihn voll erwischt. Er rührt sich nicht mehr.« Ich legte ihm die Rechte auf die Schulter und nickte ihm zu. »Du bist großartig, Billy. Mach dir keine Gedanken.« Ich ging an ihm vorbei in den Wald. Shita folgte mir. Wir fanden den Körper im Unterholz liegen, daneben eine Menge abgeschossener Patronenhülsen. Der Mörder lag auf dem Bauch, mit dem Gesicht nach unten. Die mittelgroße Gestalt war in einen weiten, blutdurchtränkten Poncho gehüllt, unter dem der Schaft eines indianischen Schädelbrechers hervorragte. An den Füßen trug er kniehohe Mokassins, die mit Stachelschweinborsten verziert waren. Der große Sombrero war ihm vom Kopf gerutscht. Eine Flut schwarzen Haares war sichtbar. Ich wußte, wir hatten ihn. Es war der Feuerreiter. Ich bückte mich. Shita knurrte und hielt sich zurück, während ich nach der Schulter langte und den Körper umdrehte. Ich erstarrte, als ich in das wachsbleiche Gesicht von Linda Carson blickte. Ihre Augen standen weit offen. Aller Haß war aus ihnen gewichen. Sie schimmerten gläsern. Sie war tot. Ich ging wie in Trance den Hang hinunter. Billy stand bereits unten bei Jicarilla und schien von einem Weinkrampf geschüttelt zu
werden. Ich dachte an den Tag, als ich auf ihrer Farm gewesen war. Ich dachte an ihren Haß, und an die Geschichte, die sie mir erzählt hatte. Sie hatte sich einen Vernichtungskrieg gegen die Apachen gewünscht. Sie hatte alles getan, um den Konflikt heraufzubeschwören, sie war von Rache zerfressen gewesen. Nachdem die Farmer ihre Höfe bewachten, und sie keine Chance gehabt hatte, weiterhin als Apache zu morden und zu brennen, um ihr Ziel, einen Feldzug der Armee gegen die Indianer, zu erreichen, hatte sie ihre eigene Farm angezündet. Ich war blind gewesen. Shita hatte sie erkannt, als wir auf ihrer Farm gewesen waren, aber ich hatte nicht begriffen, woher seine Abneigung gegen sie kam. Er hatte mit ihr gekämpft. Ich hatte nie geglaubt, daß der Feuerreiter eine Frau hätte sein können. Aber die genauen Kenntnisse des Landes, die der Killer gehabt hatte, das Wissen über seine Opfer, vor allem aber der Fanatismus der Frau hätte mir zu denken geben sollen. Ich erreichte Jicarilla und Billy. Er zitterte am ganzen Leib. »Ich wollte meine Eltern rächen«, sagte er. »Ich wollte …« »Es ist gut, Billy«, sagte ich. »Vergiß es. Du hast getan, was du tun mußtest. Es war nicht recht von mir, es dir zu verbieten.« »Wer ist es?« fragte Jicarilla. »Linda Carson«, sagte ich. »Aber – sie hat doch ihre eigene Farm …« »Die anderen Farmen wurden bewacht«, sagte ich. »Und ihr war es egal, was sie niederbrannte, wenn es nur dazu führte, daß die Wut im Land immer größer wurde und die Armee einen Krieg gegen die Apachen beginnen würde. Sie hat sich ja selbst geopfert. Vielleicht hat sie sogar Erfolg gehabt. Vielleicht ist nichts mehr aufzuhalten. Vielleicht kommen wir zu spät, wenn wir mit ihr Fort Calhoun erreichen. Dann war alles umsonst.« Jicarilla schwankte unvermittelt und brach zusammen. Ich kniete mich sofort neben ihn. Er war bewußtlos. Auf dem Verband an der Schulter erschien ein dunkler Fleck, der langsam größer wurde. Die Wunde war aufgebrochen. »Hilf mir«, sagte ich zu Billy. »Vorwärts, hör auf zu weinen. Es
gibt nichts, für das du dich schämen müßtest. Wir müssen Jicarilla auf sein Pferd setzen. Nicht weit von hier ist ein Indianerdorf. Vielleicht kriegen wir dort Hilfe.« Billy packte mit an. Wir schleppten Jicarilla zu seinem Tier und luden ihn mit Mühe in den Sattel. Hier schnürte ich ihn mit seinen Lasso fest. Dann eilte ich den Hang hinauf, um nach dem Pferd Linda Carsons zu suchen und ihre Leiche zu holen. Es galt, keine Zeit zu verlieren. Ich hatte keine Lust, mit zwei Toten nach Fort Calhoun zu reiten. Jicarilla hatte es verdient, weiterzuleben.
12. Ich hörte vor mir Schüsse. Schwere Springfield-Gewehre krachten. Menschen schrien durcheinander, Kinder weinten, und ich sah Männer in blauen Uniformen. Zu spät, dachte ich, Colonel Lester hat eine Strafexpedition befohlen. Der Krieg ist da. Alles war umsonst. Dann sich ich Sergeant Mulligan, Ich sah ihn nur von hinten, aber er war unverkennbar. Er stand auf einem natürlichen Steinwall, hielt eine Springfield in der Faust und brüllte wie ein Stier. »Vorwärts, ihr Lahmärsche! Auf sie! Schickt diese verdammten roten Hunde in die ewigen Jagdgründe!« Ich sah tote Gestalten zwischen einigen Wickiups liegen. Squaws und Kinder flüchteten zum Ash Fork, der an dieser Stelle sehr flach war, und wateten schreiend durch das Wasser, um aufs andere Ufer zu gelangen. An die zwanzig Krieger hatten sich zwischen den Hütten formiert und hielten alte Gewehre und Tomahawks in den Fäusten. Ich sah eine Handvoll Soldaten aus Sträuchern oder hinter Felsvorsprüngen auftauchten und in das Dorf stürmen und begriff, daß das alles keine Strafexpedition war und ich im richtigen Moment eingetroffen war. Mulligan packte gerade einen jungen Soldaten am Kragen seiner Uniformbluse und brüllte ihn an. »Du willst dich wohl drücken, wie? Habe ich dir nicht gesagt, daß es sich nicht lohnt, meine Befehle zu sabotieren? Hast du das noch
immer nicht gelernt mit deinem verblödeten Schädel? Setz dich in Bewegung, oder du bist dran!« Er versetzte dem Soldaten einen Stoß. Der junge Mann taumelte, fing sich und sprang über den Steinwall. Da erst erkannte ich ihn. Es war Joey. »Hört auf!« schrie ich. Ich riß meinen Revolver aus der Halfter. »Verdammt, hört auf!« Schüsse fielen. Einige Tomahawks wirbelten durch die Luft. Ich sah Joey plötzlich straucheln. Er taumelte ein paar Schritte weiter. Seitlich in seinem Hals steckte ein Tomahawk. Er stürzte zu Boden und blieb liegen. »Paß auf Jicarilla und die Pferde auf«, sagte ich zu Billy, der vor mir im Sattel saß. Dann sprang ich zu Boden und hastete auf das Apachendorf zu. Sergeant Mulligan schrie erneut einige Befehle, dabei drehte er sich um und sah mich. Er verstummte sofort. Sekunden später flog seine Springfield hoch. »Shita, pack ihn!« rief ich. Shita jagte an mir vorbei und schoß wie ein Pfeil auf Mulligan zu. Er drückte noch ab, aber sein Schuß ging in den Boden. Dann warf sich Shita gegen seine Brust und riß ihn von den Beinen. Ich eilte an ihm vorbei und bestieg den Steinwall. »Aufhören!« schrie ich. »Hört sofort auf zu schießen!« Die Soldaten drehten sich um und blieben stehen. Es waren sechs. Außer Joey lag noch ein zweiter Mann am Boden. Die Indianer verharrten mißtrauisch, überrascht und abwartend. Ich zählte zwei tote Krieger, mehrere Verletzte und ein totes Kind. Mulligan lag am Boden und wagte nicht, sich zu rühren. Shita stand sprungbereit vor ihm und hatte die Zähne gefletscht. »Paß gut auf ihn auf«, sagte ich, als ich vorbeiging. »Wenn er sich muckst, reiß ihm die Kehle auf.« Ich ging zu Joey. Er lag reglos da und blutete. Als ich mich über ihn beugte, sah ich, daß seine Augen offenstanden. Er lebte noch und röchelte leise. »Joey!« Ich strich ihm das Haar aus der Stirn. »Joey, hörst du mich?«
Er reagierte nicht. Dann plötzlich verzog sich sein Mund zu einem schwachen Lächeln. »Noch – zwei – Monate«, flüsterte er. »Ich wollte doch – einen – Hund und …« Sein Kopf sank zur Seite. Joey war tot. Ich fühlte einen unglaublichen Zorn in mir, als ich mich aufrichtete. Ein galliger Geschmack war in meinem Mund. »Was war hier los?« Ich ging an Joey vorbei zu einem der Soldaten, die abgekämpft, müde und irgendwie ängstlich am Rande des Apachendorfes standen. »Wir können nichts dafür«, erwiderte der Infanterist. »Es ist alles seine Schuld.« Er deutete auf Mulligan. »Wir hatten nur den Auftrag, die Toten auf der Fanning-Farm zu bestatten. Er hat uns gezwungen, weiterzumarschieren. Er wollte den Feuerreiter fangen. Ein Sonderauftrag von Colonel Lester, hat er gesagt.« »Der Feuerreiter ist tot«, sagte ich. »Es war kein Apache, und es wird keinen Krieg geben. Es gibt auch keine Sonderaufträge von Colonel Lester.« Ich ging zu Mulligan. Im Hintergrund sah ich Billy mit den Pferden und Jicarilla. Er hielt sich zurück und schaute abwartend herüber. Mulligan wurde noch immer von Shita bewacht und rührte sich nicht. »Nimm deinen Köter weg«, sagte er. Shita knurrte. »Wolltest du deinen fetten Hals retten, Mulligan?« Ich blickte ihn ohne Mitleid an. »Hast du geglaubt, du rettest deine Streifen, wenn du ein paar Indianer abschlachtest? Joey Wilson ist tot. Zwischen den Hütten liegt noch einer, wahrscheinlich nicht älter als Joey. Ich sollte dir eine Kugel in den Schädel jagen, du Drecksack!« »Soldaten sind zum Sterben da«, sagte Mulligan zynisch. Ich beugte mich vor und schlug Mulligan mit dem Revolver, den ich noch immer in der Faust hielt, mitten ins Gesicht. Er brüllte und sackte zurück. Seine rüsselartige Nase brach, seine rechte Augenbraue platzte auf, und auf seiner linken Wange zeigte sich ein Riß. Ich bückte mich und riß Mulligan den Waffengurt ab. Dann drehte
ich mich wortlos um und ging zu den Indianern hinüber. Den Navy Colt schob ich in die Halfter. Es waren Mescaleros. Ich besann mich darauf, daß ich ihren Dialekt einmal gekonnt hatte. Vor einem untersetzten, grauhaarigen Krieger mit einer Haut wie faltiges Leder blieb ich stehen und sprach ihn in seinem Dialekt an. »Bist du der Häuptling?« »Ich bin Pa-o-tehp«, erwiderte er. »Bist du der neue Scout in der Festung der langen Messer?« Ich wunderte mich nicht, daß er von mir gehört hatte. Neuigkeiten dieser Art sprachen sich schnell herum. »Ich bin Ronco«, sagte ich. »Ich bin ein Freund der Apachen und komme in Frieden. Auch der Häuptling der Langmesser in Fort Calhoun will Frieden. Er hat den Angriff auf euer Dorf nicht befohlen. Das war nur dieser Mann.« Ich zeigte auf Mulligan. »Er ist erledigt. Er wird bestraft werden. Sei sicher: Auch die weißen Männer kennen Gerechtigkeit. Der Feuerreiter wollte, daß es Krieg gibt zwischen euch und den Weißen. Der Feuerreiter ist tot. Es wird keinen Krieg geben!« Ich streckte dem Häuptling meine Rechte hin. Pa-o-tehp zögerte. Dann ergriff er sie. »Ich möchte, daß du mich nach Fort Calhoun begleitest«, sagte ich. »In Fort Calhoun sind weiße Siedler, die Angst haben und aufgeregt sind. Sie sollen wissen, daß es keinen Krieg gibt und sie keine Angst haben müssen. Vorher aber bitte ich dich um Hilfe.« Ich deutete auf Jicarilla. Billy trieb die Pferde an und ritt ins Dorf. Er saß auf meinem Wallach. Er führte Jicarillas Pony am Zügel. Jicarilla war noch immer bewußtlos. Dahinter trottete das gescheckte Pony Linda Carsons mit ihrer Leiche. Ich ging zu Mulligan und rief nach den Soldaten. »Fesselt ihn«, befahl ich. »Er muß ständig bewacht werden.« »Ich rate keinem, mich anzufassen«, sagte Mulligan. »Ihr werdet es bereuen, ihr Stinkflöhe. Noch bin ich Sergeant.« »Bald bist du gar nichts mehr«, sagte ich. »Wenn du nicht still bist, erschieße ich dich jetzt sofort.« Er sah mich an und begriff, daß ich es ernst meinte. Er sagte kein Wort mehr.
* Ich träumte in einem weichen Bett zu liegen, in einem sauberen Zimmer, in dem es nach Seife roch. Ein Badezuber stand bereit. Jemand brachte heißes Wasser und hielt eine Bürste in der Hand, um mir den Rücken zu schrubben. Dann wurde mir ein Frühstück gebracht. Eier mit Speck und frisches Brot, süße Pfannkuchen und Kaffee. Der Mann, der das alles für mich tat, sah aus wie ein Indianer. Er hatte das Gesicht von Jicarilla. Eine rauhe Stimme weckte mich. Brummig wälzte ich mich herum und schlug die Augen auf. Da stand Jicarilla. Aber die Stube war eng und dreckig und roch nach Brandy. Das Bett war hart und ein Stück zu kurz. Es stand kein heißes Bad bereit, und Jicarilla brachte mir auch kein Frühstück. Shita stand neben meinem Bett und wedelte erfreut mit dem Schwanz. Jicarilla tätschelte ihm den Kopf. Er sah ziemlich gesund aus und trug den linken Arm in einer Lederschlinge. »Guten Morgen«, sagte er. »Gute Nacht«, erwiderte ich. »Hau ab und laß mich schlafen. Ich habe tagelang nicht geschlafen. Und du solltest auch in einem Bett liegen und dir jeden Tag dreimal die Schulter mit einer stinkenden Salbe einreihen lassen.« »Du hattest tagelang nicht geschlafen«, sagte Jicarilla. »Mittlerweise hast du zwei Tage fast ohne Unterbrechung geschlafen. Ich habe genauso lange in einem Bett gelegen und mich mit stinkender Salbe behandeln lassen. Das reicht jetzt. Steh auf. Der Colonel will dich sehen.« »Ach, geh zum Teufel!« Ich schob die Decke weg und richtete mich auf. »Sergeant Mulligan ist vor einer Stunde in den Bau geführt worden«, sagte Jicarilla. Er hockte sich auf seine Pritsche. »Er bleibt in verschärftem Arrest. Er muß nach Fort Worth, ins Arbeitslager. Mindestens für drei Jahre. Das hält er nicht durch, ich weiß, wie es da zugeht.«
»Mir egal.« sagte ich. »Davon wird keiner mehr lebendig.« »Der Colonel will dich sehen«, wiederholte Jicarilla. »An deiner Stelle würde ich mich beeilen. Er ist sehr zufrieden. Du hast ihm einen Krieg erspart.« »Wen interessiert das?« Ich stand auf und fröstelte, obwohl die Mittagssonne durch das Fenster schien. Ich langte nach meinem Hemd und zog mich an. »Die meisten wären sehr zufrieden gewesen, wenn hundert Apachen totgeschlagen worden wären.« »Der Colonel nicht«, sagte Jicarilla. »Er ist ein vernünftiger Mann.« »Ein vernünftiger Mann unter tausend Idioten«, sagte ich. »Er ist auch nur ein Teil der Armee. Am Ende entscheidet nicht er, sondern irgendeine Dienststelle, die weit weg sitzt und gar nicht beurteilen kann, was hier vorgeht. Hast du nicht die langen Gesichter der Farmer gesehen, als wir Linda Carson ins Fort gebracht haben? Die hatten geglaubt, der Killer sei ein Indianer. Sie waren enttäuscht, daß er es nicht war. Einige waren sogar wütend, daß wir Linda Carson gestellt haben. Auf einmal waren alle Morde, die sie begangen hat, nicht mehr so schlimm. Sie wollte ja nur das Beste – einen kleinen Krieg provozieren, um stinkende Apachen auszurotten.« »Es ist nicht passiert«, sagte Jicarilla. »Vergiß es. Ich habe mich an so was gewöhnt, du wirst dich auch daran gewöhnen.« »Nie«, sagte ich. Er lachte leise und sagte: »Geh zum Colonel und hol dir dein Lob ab. Du hast es verdient. Sei zufrieden damit. Wenn du willst, daß die Leute dich lieben, mußt du dich im Himmel um einen Posten als Engel bewerben. Übrigens: Billy freut sich auch, dich zu sehen. Er wohnt im Store bei Mister Gutzman und fühlt sich sauwohl.« Ich grinste. »Er ist ein guter Junge.« Als ich die Waschschüssel in der Kammer suchte, dachte ich voller Sehnsucht an meinen Traum. »Schau mal«, sagte Jicarilla. Er hielt eine graue Flasche in den Händen. Seine Augen leuchteten stolz, vielleicht leuchteten sie auch nur, weil er schon wieder betrunken war. »Stahlblech«, sagte er. »Sehr praktisch. Die Flasche hat mich drei Dollar gekostet. Sie hat einen Schraubverschluß mit eingesetztem Korken. Wenn mir das nächstemal ein Pferd unter dem Hintern
weggeschossen wird, zerbricht garantiert nichts mehr. Und wenn die Flasche mal leer sein sollte und ich dringend einen Schluck brauche, so wie neulich, als du meine Wunde mit dem schönen Brandy ausgewaschen hast, dann brauche ich nur diesen Knopf zu drücken.« Er deutete auf einen unauffällig angebrachten Stahlstift. »Ein Reservetank«, erklärte er. »In der Flasche ist ein doppelter Boden. Für alle Fälle sind immer ein paar Schlucke da.« Er grinste wie ein Honigkuchenpferd und nahm einen großen Schluck. Ich vergaß die Suche nach der Waschschüssel und riß die Tür auf. »Shita, raus!« befahl ich. »Ich brauche Luft!« Ich rannte auf den Vorplatz des Forts hinaus, während Jicarilla hinter mir meckernd lachte. Wenn ich eine Bestätigung gebraucht hätte, daß das Leben kein Traum war, dann hatte ich sie jetzt. Langsam schlenderte ich mit Shita zur Kommandantur hinüber …
ENDE
Vorschau Fox schnaubte leise, als Ronco sich weit vorbeugte, um das Feuer zu entfachen. Er überhörte das Schnauben schon zum zweiten Male, weil er in Gedanken zu sehr mit seinem Jungen beschäftigt war. Dann riß ihm eine Kugel den Ast mit den beiden Blechtassen aus der Hand, ehe er die Schußdetonation von den Geröllhalden zurückrollen hörte. Das Echo, das von allen Seiten auf ihn einstürmte, verwirrte ihn. Und so drehte er sich in die verkehrte Richtung, den Colt in der Rechten, die Linke gestreckt über dem Hammer. Er hörte ein häßliches Lachen hinter sich. »Hier spielt die Musik, Gringo! Und ich denke, sie gefällt dir ganz und gar nicht!« Ronco stöhnte innerlich auf, während er geduckt über der Feuerstelle stand, den Colt in der Faust, die schmutzigen Kalkhänge vor Augen, deren Scheitel von der untergehenden Sonne rot eingefärbt war … Die Jagd auf Ronco geht weiter. Lesen Sie nächste Woche Band 311 dieser großen deutschen Western-Serie:
Flucht durch Mexiko