Das Buch
Vor Jahrtausenden fand im Alpha-Quadranten eine apokalyptische Schlacht statt. Die Verlierer wurden ans ander...
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Das Buch
Vor Jahrtausenden fand im Alpha-Quadranten eine apokalyptische Schlacht statt. Die Verlierer wurden ans andere Ende der Galaxis verbannt. Aber was wurde aus den Siegern? Mit dieser Frage muß sich die Föderation beschäftigen, als man das Wrack der Defiant findet: 5000 Jahre lang war das Schiff der Raumstation Deep Space Nine im Kern eines Eiskometen eingeschlossen. Doch wann wird es zerstört und in die Vergangenheit versetzt? Erste Hinweise bieten Fragmente der Logbücher, die die Jahrtausende überdauert haben. Und alles deutet darauf hin, daß die Katastrophe beim nächsten Transit durch das bajoranische Wurmloch eintritt. Als jedoch ein vulkanisches Forschungschiff im Gamma-Quadranten vermißt wird, bleibt Captain Sisko keine Wahl: Er fliegt mit der Defiant durchs Wurmloch ...
L. A. GRAF
STARTREK
DEEP SPACE NINE
INVASION 3 DER FEIND DER ZEIT
Roman
Star Trek® Deep Space Nine Band 19
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Andreas Brandhorst Deutsche Erstausgabe
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
HEYNE SCIENCE FICTION & FANTASY
Band 06/5519
Besuchen Sie uns im Internet: http://www.heyne.de
Titel der amerikanischen Originalausgabe Invasion! - Time's Eney Deutsche Übersetzung von Andreas Brandhorst
Umwelthinweis: Dieses Buch wurde auf chlor- und säurefreiem Papier gedruckt.
2.Auflage Redaktion: Rainer-Michael Rahn Copyright © 1996 by Paramount Pictures All Rights Reserved STAR TREK is a Registered Trademark of Paramount Pictures Erstausgabe by Pocket Books/Simon & Schuster Inc., New York Copyright © 1998 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München Printed in Germany 1999 Umschlagbild: Pocket Books/Simon & Schuster Inc., New York Urnschlaggestaltung: Atelier Ingrid Schütz, München Technische Betreuung: M. Spinola Satz: Schaber Satz- und Datentechnik, Wels Druck und Bindung: Ebner Ulm ISBN 3-453-13994-1
VORHER Hier draußen, wo das Sonnenlicht nicht mehr war als ein fernes Glühen in der Schwärze des Alls, hielt sich Eis lange. Dunkle Eismassen bildeten einen weiten Orbitalen Ring - die Reste des rotierenden Nebels, aus dem dieses an Planeten reiche Sonnensystem entstanden war. Die kalte Finsternis hüllte jedes einzelne Fragment in einen Kokon aus Geborgenheit, bis sich zwei Brocken so nahe kamen, daß ihre Gravitation die Flugbahnen veränderte. Dann mochte es geschehen, daß eine Masse aus schmutzigem Eis mit einer langen Reise in Richtung der fernen Sonne begann, vorbei am eingefangenen neunten Planeten, vorbei auch an den vier Gasriesen und dem Ring aus Felsen, der an eine ungeborene Welt erinnerte. An dieser Stelle begann sie zu leuchten, angeregt von der zunehmenden Wärme des solaren Fusionsreaktors. Als sie den roten Wüstenplaneten passierte und sich jener von zarten Wolkenschleiern umhüllten Welt näherte, die Leben beherbergte, leuchtete die Masse heller als ein Stern. Mit einem langen Schweif zeigte sie sich am Nachthimmel des blauen Planeten, bestaunt von Primitiven, die jagten, sammelten und mit Stöcken den Boden aufkratzten, um Nahrung zu finden. Schon nach wenigen Tagen verblaßte das Schimmern des Kometen, und er verschwand wieder in der Dunkelheit am Rand des Sonnensystems. Ein Fragment war diesem Schicksal entkommen, obwohl das eigentlich nicht der Fall sein sollte. Es trug eine Last aus Stahl und Leere, gerade tief genug im Innern seines eisigen Herzens, um dafür zu sorgen, daß es nach einer Beinahe-Kollision mit einem anderen Brocken zur Kometenwolke zurückkehrte. Anschließend tanzte es jahrhundertelang mit wechselhaftem Kurs durchs All, bis es einen stabilen Orbit im Schatten des kleinen neunten Planeten erreichte. Weitere Jahrhunderte vergingen, während winzige Feuer auf der Nachtseite des blauen Planeten glommen, der Leben hervorgebracht hatte. Die Feuer wurden heller und breiteten sich aus, überquerten die Ozeane. Ihr Glanz gewann immer schneller an Intensität, und bald entstanden große Netzwerke aus Licht an Küsten, Seen und Flüssen. Es dauerte nicht lange, bis das Feuer ins All sprang. Zuerst erreichten sie den einzigen Mond des Planeten, dann den kalten roten Nachbarn und schließlich die Monde der Gasriesen. Noch weiter reisten sie, zu den Sternen. Während dieser Zeit blieben der Komet und seine sonderbare Last unbehelligt. Niemand bemerkte das winzige, flackernde Licht in seinem Innern. Bis Phaserstrahlen die Kruste aus Eis aufrissen und freilegten, was sich darunter befand. "Sie scheinen sich auf eine Invasion vorzubereiten«, sagte Jadzia Dax. Sisko brummte und blickte über eine weite Landschaft aus dunklem Kometeneis - die natürliche Hülle der Starbase Eins. Über dem gewölbten Horizont hätte sich in der dunklen Oort-Wolke das Leuchten von Sternen und das hellere Schimmern Sols zeigen sollen. Statt dessen glühten dort die Positionslichter von mehr als zehn Kurzstrecken-Kampfschiffen - ältere, kantigere Versionen der Defiant - sowie von zwei Raumschiffen der Gfl/flri/-Klasse, der Mukaikubo und Breedlove. Der erste Blick hatte Sisko genügt, um zu wissen: Routinemäßige Wartungsaufenthalte und Landurlaub konnten eine solche Streitmacht sicher nicht erklären. Starfleet schien sich auf eine Konfrontation vorzubereiten. Die Frage lautete: Wer war der Gegner? »Ich dachte, wir sind wegen eines nichtmilitärischen Notfalls hier.« In den Fenstern aus transparentem Aluminium sah Sisko Julian Bashirs Spiegelbild. Der Arzt hatte Platz genommen; das große Konferenzzimmer hinter ihm war noch ebenso leer wie vor zehn Minuten, als man sie hereingeführt hatte. »Sonst hätte uns Admiral Hayman bestimmt gebeten, mit der Defiant zu kommen anstatt mit einem Hochgeschwindigkeitskurier.« Sisko schnaubte leise. »Admirale bitten nie um etwas, Doktor. Und sie sagen einem nie mehr, als unbedingt nötig ist, um ihre Befehle auf eine effiziente Weise auszuführen.«
»Was insbesondere für diesen Admiral gilt«, fügte Dax hinzu, wobei in ihrer Stimme ein Hauch von unerwartetem Humor erklang. Sisko musterte sie und wölbte die Brauen, doch eine Sekunde später öffnete sich mit einem leisen Zischen die Tür. Gleichzeitig räusperte sich jemand, und herein kam eine langgliedrige Frau, gekleidet in einen gewöhnlichen Starfleet-Overall. Sie durchquerte das Zimmer, und Dax trat ihr mit ausgestreckter Hand entgegen. »Wie geht's, Judith?« »Man hat mich befördert.« Das Gesicht der grauhaarigen Frau erhellte sich ein wenig. »Es schafft einen gewissen Ausgleich dafür, alt zu werden.« Sie drückte Dax die Hand, wandte sich dann an Sisko. »Dies ist also der Benjamin Sisko, von dem mir Curzon so viel erzählt hat. Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen, Captain.« Sisko warf dem wissenschaftlichen Offizier einen kurzen Blick zu. »Die Freude ist ganz meinerseits. Äh... Dax?« »Benjamin, ich möchte Ihnen Konteradmiral Judith Hayman vorstellen«, sagte die Trill. »Wir - das heißt sie und Curzon - lernten uns vor einigen Jahren auf Vulkan kennen, während der klingonischen Friedensverhandlungen. Wenn ich vorstellen darf, Judith: Captain Benjamin Sisko von Deep Space Nine und unser Bordarzt Dr. Julian Bashir.« »Admiral...« Bashir nickte höflich. »In der Kom-Mitteilung war die Rede von einem Notfall der Priorität Eins«, sagte Sisko. »Daraus läßt sich vermutlich folgendes schließen: Was auch immer uns hierherbrachte - es handelt sich um eine dringende Angelegenheit.« Das Lächeln verschwand aus Haymans Gesicht. »Möglicherweise«, erwiderte sie. »Wobei >dringend< jedoch nicht die übliche Bedeutung hat.« Sisko runzelte die Stirn. »Bitte verzeihen Sie meine Unverblümtheit, Admiral. Man hat mich ohne irgendeine Erklärung aufgefordert, die von mir befehligte Raumstation zu verlassen. Beim Flug zur ältesten und nutzlosesten Starbase der Föderation...« Bei diesen Worten vollführte er eine Geste, die der öden Kometenlandschaft jenseits der Fenster galt. »... sollte ich unter keinen Umständen mein eigenes Schiff einsetzen. Und jetzt sagen Sie mir, daß Sie eigentlich gar nicht wissen, wie dringend die ganze Sache ist?« »Niemand ist sicher, Captain. Auch deshalb haben wir Sie hierhergeholt.« Die Stimme der Admiralin brachte eine seltsame Mischung aus Ernst und Kummer zum Ausdruck. »Nur in einem Punkt gibt es keinen Zweifel: Wir haben es mit einer Situation zu tun, die zu einer Katastrophe führen könnte.« Sie griff in die Brusttasche ihres Overalls, holte zwei gewöhnlich aussehende Datenchips hervor und legte sie auf den Tisch. »Zuerst sollten Sie und der Arzt sich diese Aufzeichnungen ansehen.« »Aufzeichnungen«, wiederholte Sisko und wählte dabei jenen neutralen Tonfall, den er so oft der überheblichen Kai Winn gegenüber benutzt hatte. »Entschuldigen Sie bitte, Admiral, aber wir sind wirklich davon ausgegangen, daß es sich um einen Notfall handelt.« Julian Bashir s offen zur Schau gestellte höfliche Verblüffung erinnerte Sisko an das aalglatte Gebaren Garaks. »Mit irgendwelchen Aufzeichnungen hätten wir uns bereits vor zehn Stunden befassen können. Es wäre sicher möglich gewesen, sie Deep Space Nine per Subraum-Kommunikation zu übermitteln.«
»Zu gefährlich, selbst bei Verwendung unserer sichersten Codes.« Die absolute Gewißheit in Haymans Stimme ließ Sisko überrascht blinzeln. »Und wenn Sie genau zugehört hätten, junger Mann, so wäre Ihrer Aufmerksamkeit sicher nicht entgangen, daß ich von >zuerst< gesprochen habe. Wenn Sie sich jetzt bitte setzen würden, Captain ...« Sisko nahm an einem der in den Tisch integrierten Terminals Platz und wartete, während sich die Admiralin an Bashir wandte und zu einer anderen Datenstation zeigte. Der Captain nahm zur Kenntnis, daß sie Dax nicht aufforderte, sich ihnen hinzuzugesellen, obgleich noch weitere Terminals zur Verfügung standen. »Wir gehen diesmal nicht auf die übliche Weise vor«, sagte Hayman ohne Einleitung. »Um die Authentizität gewisser Daten zu verifizieren, bitten wir Sie um folgendes: Überprüfen Sie die Logbücher und medizinischen Aufzeichnungen, ohne ihren Ursprung zu kennen. Wir möchten eine Analyse von Ihnen. Computer, starte die Datenkontrollprogramme Sisko-Eins und Bashir-Eins.« Der Monitor vor Sisko erhellte sich, zeigte jedoch keine Bilder, sondern ein breites Band aus vielschichtigen Symbolen und Abkürzungen, die langsam von links nach rechts glitten. Einige Sekunden lang betrachtete er das Band verwirrt, bis der fremdartige Eindruck plötzlich etwas Vertrautem wich. An der Starfleet-Akademie forderte man die Kadetten dazu auf, nach einem Ausfall des Computerdatenspeichers die letzten drei Flugtage eines Raumschiffs zu rekonstruieren. Die Lösung des Problems bestand darin, Computerdaten aus den individuellen Systempuffern wiederherzustellen. Solche Aufzeichnungen hatten ein derartiges Erscheinungsbild. »Dies sind multiple Pufferdaten aus individuellen Bordsystemen, geschrieben in der üblichen Starfleet-Maschinensprache«, sagte Sisko. Dax gab ein leises Geräusch von sich, das auf Interesse hindeutete, und trat an die Seite des Captains. »Jemand scheint die letzten Anweisungen für Lebenserhaltung, Schilde, Steuerung und Phaserbänke gespeichert zu haben. Es ist auch noch ein anderes System betroffen, aber ich kann es nicht identifizieren.« »Die Kontrollen der Photonentorpedos?« fragte Dax und beugte sich zum Bildschirm vor. »Nein, ich glaube nicht. Vielleicht ist ein Sensorpuffer betroffen.« Sisko behielt den vorbeiscrollenden Code aufmerksam im Auge. Die meisten Symbole ergaben nun einen Sinn, doch die Abkürzungen im Bereich der fünften Linie blieben rätselhaft. »Es gibt keine Hinweise auf die Navigation. Vielleicht wurden die Kommandopuffer jener Systeme von dem Faktor eliminiert, der den Ausfall des Hauptcomputers bewirkte.« Er brummte leise, als vier Aufzeichnungsbereiche starke Fluktuationen aufwiesen und dann zu schwarzen Linien schrumpften. »Damit wäre auch alles andere hinüber. An dieser Stelle scheint das Schiff kaum mehr zu sein als ein Wrack.« Dax nickte. »Offenbar wurde es von einem starken elektromagnetischen Impuls getroffen, der praktisch jeden Schaltkreis an Bord lahmlegte. Alle Anlagen verloren ihre Energie, bis auf die Lebenserhaltung - die auf Reservesysteme umgeschaltet werden mußte.« Die Trill sah zur Admiralin auf. »Sind das alle Aufzeichnungen? Sie betreffen nur einige Minuten.« »Es sind diejenigen, denen wir trauen«, betonte Hayman. »Es gibt auch einige visuelle Aufzeichnungen von der Brücke, die ich Ihnen gleich zeigen werde, aber sie könnten manipuliert sein. Wir sind ziemlich sicher, daß der Inhalt der Datenpuffer nicht verändert wurde.« Sie sah zu Bashir, der nun nicht mehr unruhig wirkte, sondern sich ganz auf die Daten konzentrierte, die ihm der Monitor seines Terminals zeigte. »Die medizinischen Informationen sind weitaus umfangreicher. Sie können sich in der Zwischenzeit diese Aufzeichnungen hier noch einmal ansehen, wenn Sie möchten.«
»Bitte«, sagten Sisko und Dax gleichzeitig. »Computer, wiederhole Datenprogramm Sisko-Eins.« Wieder kroch Maschinensprache über den Bildschirm, und diesmal versuchte Sisko nicht mehr, die einzelnen Symbole zu identifizieren. Er erinnerte sich vage an den Hinweis eines Akademie-Professors, der die Rekonstruktion der Aktivitäten eines Raumschiffs auf der Basis individueller Puffer-Outputs mit dem Lesen einer Partitur verglichen hatte. Es kam nicht darauf an, jede einzelne Zeile individuell zu analysieren, sondern einen Eindruck davon zu gewinnen, wie alles zusammenwirkte. »Dieses Schiff war in einen Kampf verwickelt«, sagte Sisko schließlich. »Aber ich glaube, es wollte nicht kämpfen, sondern entkommen. Bei den Phaserbänken kam es zu einer Entladung, nachdem bei den Schilden energetische Fluktuationen registriert wurden.« »Verteidigungsmaßnahmen«, pflichtete Dax dem Captain bei und deutete auf den Monitor. »Sehen Sie nur, wieviel Energie von den Lebenserhaltungssystemen abgezogen wurde, um die Schilde stabil zu halten. Was auch immer das Schiff bedrohte: Offenbar hatte es ein sehr großes energetisches Potential.« »Jetzt werden Ausweichmanöver eingeleitet...« Sisko unterbrach sich, als er etwas entdeckte, das er beim erstenmal im geheimnisvollen fünften Band übersehen hatte. In seiner Magengrube krampfte sich plötzlich etwas zusammen, als er jenes romulanische Symbol sah, das immer dann in den Displays erschien, wenn die Tarnvorrichtung der Defiant aktiviert wurde. »Ein getarntes Starfleet-Schiff!« Er drehte sich um und richtete einen durchdringenden Blick auf die Admiralin. »Soweit ich weiß, ist nur die Defiant offiziell mit einer romulanischen Tarnvorrichtung ausgestattet!« Hayman erwiderte den Blick mit unerschütterlicher Gelassenheit. »Ich kann Ihnen garantieren, daß Starfleet keine verbotenen Tarnvorrichtungen einsetzt. Sehen Sie sich die Daten noch einmal an, Captain.« Sisko wandte sich erneut dem Monitor zu. »Computer, wiederhole Programm Sisko-Eins mit fünfundzwanzig Prozent der bisherigen Geschwindigkeit.« Wieder krochen die fünf verschiedenen Aufzeichnungsbänder über den Bildschirm, und diesmal achtete Sisko auf die Interaktionen zwischen Steuerung und Phaserbänken. Vielleicht konnte er Klasse und Kategorie des unbekannten Schiffes bestimmen, indem er herausfand, zu welchen taktischen Manövern es imstande war. »Vergleichen Sie die Richtungsänderungen mit den Entladungen der Phaser«, sagte Dax hinter ihm. Sie sprach ungewöhnlich leise, und Sisko fragte sich, ob sie den gleichen, geradezu unheimlichen Verdacht hegte wie er. »Ja, ich weiß.« Während der letzten hundert Jahre waren die Geschwindigkeit von Kursänderungen einerseits und die Phaser-Refokussierung andererseits Grundlage der Gefechtstaktik gewesen. Siskos Blick huschte zwischen dem ersten und dritten Datenband hin und her, glitt dann zum Rand, wo eingeblendete Zahlen über die verstrichenen Millisekunden Auskunft gaben. Die Refokussierung der Phaser nahm erstaunlich wenig Zeit in Anspruch, aber noch verblüffender war die praktisch sofortige Reaktion des Schiffes auf Kursänderungen bei taktischen Manövern. Er kannte nur ein Schiff, das über ein ausreichend leistungsfähiges Warptriebwerk verfügte, um so riskante Manöver zu fliegen. Und er kannte nur einen Commander, der einen großen Teil seiner Freizeit investiert hatte, um festzustellen, wo die Grenzen lagen, wie weit man gehen konnte, bis aus Mut Leichtsinn wurde. Als sich Sisko diesmal zu Judith Hayman umdrehte, war aus seiner Besorgnis kalte Gewißheit geworden. »Wo haben Sie diese Daten gefunden, Admiral?«
Sie schüttelte den Kopf. »Zuerst Ihre Analyse, Captain. Ich brauche Ihre unvoreingenommene Meinung, bevor ich irgendwelche Fragen beantworten und Ihnen die visuellen Daten zeigen kann. Andernfalls wissen wir nie, ob wir diesen Informationen trauen dürfen.« Sisko atmete tief durch und versuchte, die richtigen Worte für Schlußfolgerungen zu finden, die ihm selbst unglaublich erschienen. »Dieses Schiff... Es verfügte nicht nur über eine Tarnvorrichtung wie die Defiant. Es war die Defiant.« Er hörte, wie Dax nach Luft schnappte. »Und als sie bei einem Kampf zerstört wurde, führte ich das Kommando.« »Captain Sisko würde es mir erlauben.« Wenn Kira während der vergangenen achtundvierzig Stunden jedesmal einen Streifen Latinum bekommen hätte, um sich diese unsinnigen Worte anzuhören, so wäre sie inzwischen imstande gewesen, die ganze Raumstation und alle geifernden Ferengi an Bord zu kaufen. Was keineswegs bedeutete, daß ihr die Aussicht gefiel, Eigentümerin von einem halben Dutzend verschrumpelter, großohriger Halunken zu werden. Aber bei Ferengi wußte man wenigstens, was man erwarten durfte. Sie waren nicht sofort beleidigt, wenn man gelassen auf ihre Kom-Mitteilungen reagierte und ihnen die Banalität ihrer Probleme verdeutlichte. Schließlich waren es Ferengi, was bedeutete: Alle Aspekte ihres Lebens, die nicht mit Geld in Zusammenhang standen, verdienten die Bezeichnung >banalAlte Liebe rostet nicht. interessanten< Dingen stand ihr derzeit nicht der Sinn. »Major?« Kira war erst halb aufgestanden, hatte O'Brien gerade für seine Mitteilung danken und dann den Kom-Kontakt beenden wollen. »Major, die Berechnungen des Computers zeigen, daß die Flugbahn des Objekts direkt durch die zentralen bajoranischen Erztransportrouten führt. Vielleicht sollten wir etwas unternehmen, solange es sich in der Reichweite unserer Phaser befindet.« Alles, was mit einem eigenen Bewegungsmoment aus dem Wurmloch kam, geriet früher oder später in die bajoranischen Verkehrsrouten. »Enthält das Fragment etwas, das negativ auf unsere Waffen reagieren könnte?« »Nein, Sir. Die Mineralien sind recht gleichmäßig verteilt. Das Objekt sollte problemlos verdampfen.« Kira strich den Schutzbezug des Sessels glatt und lächelte kurz, als Odo diese Geste bei der Konsole wiederholte. »In Ordnung, Chief. Minimale Energie. Ich möchte vermeiden...« Der immer noch aktive Bildschirm zeigte Bewegungen. Ärger regte sich in Kira, als sie daran dachte, daß O'Brien die Phaser eingesetzt hatte, ohne ihren Befehl abzuwarten. Dann begriff sie, daß sie gar keine Energieblitze gesehen hatte. Rasch trat sie am Pilotensessel vorbei und konzentrierte ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Projektionsfeld. Dort, wo sich eben noch ein einzelner funkelnder Punkt befunden hatte, zeigte sich nun eine glänzende Wolke. Kira verglich den Vorgang mit einem jähen Atemstoß, der die Samen eines Löwenzahns löste - aus Einem wurden Viele. O'Brien wartete nicht darauf, daß sie eine Frage an ihn richtete. »Ich schätze, wir können uns Schießübungen sparen. Das Ding ist auseinandergebrochen.« »Auseinandergebrochen?« wiederholte Odo und runzelte verwundert die Stirn. »Ja«, bestätigte der Chefingenieur. »Es gibt jetzt etwa hundertzwanzig einzelne Teile, keins davon größer als drei Meter.« Klein genug, um von den Schilden aller mit Sublicht fliegenden Raumschiffe aufgelöst zu werden. Der Constable wirkte nicht gerade begeistert, als er beobachtete, wie sich die Wolke im All verlor. »Auf der anderen Seite des Wurmlochs erstreckt sich interstellarer Raum«, erklärte Kira, die froh war,
daß sich das Problem auf diese Weise von selbst löste. »Vermutlich hat sich das Methaneis im hiesigen Sonnenwind aufgelöst, und daraufhin gab es nichts mehr, das den Asteroiden zusammenhielt.« Sie klopfte ihrem Begleiter kurz auf die Schulter. »So was passiert immer wieder.« Odos Gesicht wurde schmaler - auf diese Weise reagierte er manchmal, wenn sich seine Aufmerksamkeit von innen nach außen kehrte. »Und warum entfaltet das Wurmloch solche Aktivität?« Kira sah erneut zum Bildschirm und bemerkte eine vage bernsteinfarbene Korona dort, wo sich bei einem Transfer der strahlende Wirbel des Wurmlochs zeigte. Das sanfte, wogende Glitzern schien von Goldstaub zu stammen, den jemand in der Schwärze ausgestreut hatte. Die Bajoranerin schob den Schutzbezug der Konsole ein wenig beiseite, aktivierte die wissenschaftlichen Kontrollen und schickte eine Anfrage an den Ops-Computer. Selbst wenn die Sensoren des Runabouts in Betrieb gewesen wären - vom Innern des Hangars aus konnten sie keine Daten gewinnen. Die Antwort des Computers war auf die gleiche elegante Weise unromantisch wie alle angeblichen Wahrheiten der Wissenschaft: »Geringfügige Fluktuationen in der Subraum-Membran.« Kira deaktivierte die Kontrollen wieder und bedachte Odo mit einem beruhigenden Lächeln. »Wahrscheinlich fand sie keinen Gefallen am Geschmack des Asteroidenfragments. In ein oder zwei Stunden herrscht wieder Ruhe, warten Sie's ab.« Odo brummte nur, und Argwohn glomm in seinen Augen, als er sich von Kira in den Hangar führen ließ. »Constable...« Sie seufzte. »Sisko bleibt vielleicht noch viele Tage fort, und außerdem besteht die Gefahr, daß der bajoranische Widerstand direkt vor unserer Nase eine Bombe zusammenbastelt. Unter solchen Umständen machen Sie sich Sorgen um ein Asteroidenfragment, das sich selbst zerstörte, als es dieses Sonnensystem erreichte?« Kira schüttelte den Kopf und schaltete das Licht im Hangar aus. »Wenn doch nur alle unsere Probleme so einfach wären.«
Wenn man auf die Erfahrungen mehrerer Leben zurückgreifen konnte, so ergab sich nach Meinung von Jadzia Dax ein wichtiger Vorteil: Es existierte im Universum nur noch wenig, das einen überraschen konnte. Ein Nachteil bestand darin, daß man vergaß, mit Überraschungen fertig zu werden. Als erstaunlich neu erwies sich das Gefühl, mit einer so unwahrscheinlichen Realität konfrontiert zu sein, daß die Logik sie leugnete - während alle Sinne darauf hinwiesen, daß sie tatsächlich existierte. So verhielt es sich mit der Erkenntnis, gerade das Ende des eigenen Raumschiffs beobachtet zu haben. »Danke, Captain Sisko«, sagte Admiral Hayman. »Das bestätigt unsere Annahmen.« »Aber wie ist das möglich?« Dax straffte die Gestalt und wandte sich der älteren Frau zu. »Wenn diese Aufzeichnungen echt sind und nicht von einem Computer konstruiert wurden, Admiral... Es würde bedeuten, daß sie aus der Zukunft stammen!« »Oder aus einer alternativen Realität«, fügte Sisko hinzu. Er drehte seinen Sessel vor dem Terminal ebenso energisch wie den Kommandosessel an Bord der Defiant. »Wo haben Sie diese Datenübermittlungen empfangen, Admiral?« Haymans Lippen zuckten kurz. Jadzia konnte mit dieser Reaktion nichts anfangen, aber Curzons Erinnerungen interpretierten sie als ein Anzeichen von Bitterkeit. »Wir empfingen gar keine
Datenübermittlungen. Was Sie hier sehen, Captain ... sind die tatsächlichen Aufzeichnungen.« Dax brauchte ein oder zwei Sekunden, um zu begreifen, daß diese unerwarteten Worte von Bashir stammten. Der kultivierte Akzent war typisch für ihn, nicht aber der grimmigernste Tonfall. »Wie meinen Sie das, Doktor?« fragte Sisko. »Dies sind Originalaufzeichnungen, die direkt aus der Defiant stammen.« Dax drehte den Kopf und beobachtete, wie sich Bashir zu seinem Terminal vorbeugte. »Medizinische Logbücher in meinem Stil, für meine persönliche Verwendung bestimmt. Es gibt keinen Grund, Medo-Daten in diesem Format zu senden.« Die seltsame, von Überraschung geschaffene Benommenheit löste sich auf und wich einer ebenso stark ausgeprägten Neugier. Jadzia Dax trat am Tisch vorbei und näherte sich dem Arzt. »Um was für medizinische Daten handelt es sich, Julian?« Er sah so verblüfft zu ihr auf, als hätte er ganz vergessen, daß sie zu den Anwesenden zählte. Rasch erhob er sich. »Sie betreffen Patienten und sind vertraulich«, sagte er und versperrte ihr den Blick aufs Terminal. »Ich glaube nicht, daß Sie die Aufzeichnungen sehen sollten.« Der Dax-Symbiont hätte sich vielleicht mit dieser Erklärung abgefunden, aber Jadzia kannte den jungen Arzt zu gut. Die Sorge in seinem Gesicht wurzelte nicht in Berufsethik. »Betreffen die Daten mich?« fragte sie und klopfte Bashir auf den Arm, als er eine Grimasse schnitt. »Ich habe damit gerechnet, daß Sie so etwas finden, Julian. Wenn es unsere Defiant war, befanden wir uns vermutlich alle an Bord, als sie zerstört wurde. Wenn sie zerstört wird, meine ich.« »Ich verstehe das nicht«, brachte Sisko ungeduldig hervor. »Wie können wir Aufzeichnungen von einem Ereignis haben, das erst noch stattfinden muß?« »Niemand versteht es, Captain«, erwiderte Admiral Hayman. »Deshalb glaubte man bei Starfleet Command zunächst, die Daten seien irgendwie gefälscht.« Ihr durchdringender Blick glitt zu Bashir. »Doktor, sind Sie wirklich davon überzeugt, daß diese medizinischen Logbücher von Ihrem zukünftigen Selbst geschrieben wurden? Es sind keine Teile von früheren Aufzeichnungen, die jemand auf geschickte Weise zusammensetzte, um uns zu täuschen?« Bashir schüttelte mit Nachdruck den Kopf. »Meine hier beschriebenen Aktivitäten... Man kann frühere Aufzeichnungen unmöglich so verändert haben, um dies hier glaubwürdig erscheinen zu lassen. Die Logbücher müssen von einem zukünftigen Bashir geschrieben worden sein.« Er maß Dax mit einem kummervollen Blick. »Die Daten stammen aus einer Zukunft, von der ich hoffe, daß sie uns erspart bleibt.« »Diesen Wunsch wird die ganze Föderation teilen -jetzt, da wir wissen, daß die Informationen authentisch sind.« Hayman nahm am oberen Ende des Tisches Platz und berührte die Schaltflächen vor ihr. Ein Fenster in der gegenüberliegenden Wand verwandelte sich in einen Bildschirm. »Ich möchte Ihnen den Grund dafür zeigen.« Es flackerte blau, und dann erschien eine vertraute Szene: die Brücke der Defiant. Dax kannte diesen besonderen Blickwinkel aus nach Einsätzen stattfindenden Besprechungen, bei denen sie sich Aufzeichnungen ansahen, die vom automatischen Sensor in der Rückwand der Kontrollraums angefertigt worden waren. Bei dem derzeitigen Standbild konnte sie Siskos Schultern und Kopf über der Rückenlehne des Kommandosessels sehen. Sie erkannte auch sich selbst, an den Pilotenkontrollen. Das zentrale Projektionsfeld der Defiant zeigte die Schwärze des Alls und ferne Feuer, für Sterne zu groß und zu hell. Der Rand des Bildes war zerfranst und von blauen Flecken durchsetzt, wodurch die Gestalten an der Waffenstation und den technischen Kontrollen undeutlich blieben. Dax glaubte jedoch, in der visuellen Statik Kiras Ohrring auszumachen.
»Eigentlich sind die Bilder noch viel schlechter«, sagte Hayman. »Sie sehen hier eine Rekonstruktion des Computers auf der Grundlage jener wenigen Bytes, die wir dem Speicherpuffer des Sensors entnehmen konnten. Die Aufzeichnungen betreffen die letzten fünf Minuten, bevor die Energieversorgung der Brücke unterbrochen wurde. Alle vorher in den Hauptcomputer übertragene Daten gingen verloren.« Sisko nickte und bestätigte damit die Warnung in den Worten der Admiralin. »Wir erleben jetzt also den letzten Kampf der Defiant.« »Ja.« Haymans Finger berührten erneut einige Schaltelemente, und Kiras gepreßt klingende Stimme tönte durchs Konferenzzimmer. »Drei fremde Schiffe nähern sich mit hoher Geschwindigkeit von null neun sieben. Wir können ihnen nicht entkommen.« Aus den Feuern auf dem Bildschirm wurden Explosionen, die einen charakteristischen Anblick boten - sie wiesen auf katastrophale Warpkern-Kollapse hin. Dax versuchte, sie zu zählen, aber es waren zu viele, verstreut in einem zu großen Raumbereich, als daß sie den Überblick hätte bewahren können. Sie schauderte voller Fassungslosigkeit. Wie konnten so viele Raumschiffe so schnell zerstört werden? Hatte Starfleet für diese hoffnungslose Schlacht in der Zukunft alle Schiffe aufgeboten? »Sie sind zu schnell, um die Zielerfassung der Quantentorpedos auszurichten.« Dax hörte ihre eigene Stimme und staunte: Sie klang bemerkenswert ruhig, wenn man die Umstände berücksichtigte. Sie beobachtete, wie ihr zukünftiges Selbst zum Hauptschirm blickte. Der Gesichtsausdruck blieb verborgen; es ließ sich also nicht feststellen, was sie von den Darstellungen des Projektionsfelds hielt. »Unsere Kursänderung hat sie nicht abgeschüttelt. Vermutlich folgen sie unserer thermalen Spur.« »Tarnschirm deaktivieren.« Captain Siskos fast tonlose Stimme wies Dax auf den Ernst der Situation hin. »Die gesamte Energie in die Schilde und Phaser leiten.« Das Sensorbild flackerte blau und stumm, als es zu einem jähen Energieschub kam, stabilisierte sich dann wieder. Den vorherigen Flecken gesellten sich jetzt drei weitere auf dem Hauptschirm der Defiant hinzu. »Was ist das?« fragte Bashir und deutete darauf. Hayman schaltete auf Standbild um. »Damit weist der Computer darauf hin, daß er keine Struktur mit den betreffenden visuellen Bytes in Verbindung bringen konnte.« »Die drei fremden Raumschiffe«, sagte Dax. »Es sind also weder Klingonen noch Romulaner.« »Auch keine Cardassianer oder Jem'Hadar«, fügte Bashir leise hinzu. »Soweit wir bisher wissen, entspricht die Konfiguration keinem uns bekannten Schiffstyp«, betonte Hayman. »Und genau das beunruhigt uns.« Sisko stützte beide Ellenbogen auf den Tisch und betrachtete das Bild mit gerunzelter Stirn. »Müssen wir damit rechnen, von einer unbekannten Macht aus dem Gamma-Quadranten angegriffen zu werden?« »Vielleicht ist es noch schlimmer.« Die Admiralin räusperte sich, wie beschämt von ihren eigenen dramatischen Worten. »Vielleicht haben Sie Gerüchte über die Invasoren gehört, die Captain Picard mit der Enterprise bei der Brundage-Station abwehrte. Nun, Sie werden gleich sehen, wie die Fremden ihre Waffen gegen Sie einsetzen. Auf der Basis einer Spektralanalyse der energetischen
Entladungen hält es der Computer für möglich, daß es sich um eine weitere Invasionsflotte handelt.« Es erschien Dax noch immer seltsam, auf diese Weise von einer möglichen Zukunft zu sprechen. »Sie glauben, die Defiant wird bei einem in der Zukunft stattfindenden Kampf gegen die Furien zerstört?« »Wir wissen, daß sie diesen Raumbereich für ihre einstige Heimat halten«, erwiderte Hayman. »Wir wissen auch, daß sie hierher zurückkehren wollen. Darüber hinaus ist klar, daß wir bei der letzten Konfrontation nicht ihre ganze Flotte zerstörten, nur das künstliche Wurmloch, durch das sie zum Furien-Punkt gelangten. Wenn man bedenkt, daß die Defiant in der Nähe des bajoranischen Wurmlochs stationiert ist...« Die Admiralin unterbrach sich und deutete zum Bildschirm. »Ich sollte nichts vorwegnehmen. Sehen Sie sich den Rest der visuellen Aufzeichnungen an. Anschließend beantworte ich Ihre Fragen.« Sie zögerte kurz. »Wenn ich kann.« Hayman berührte eine Schaltfläche, und es kam wieder Bewegung in die Darstellungen. Fast sofort blitzte ungewöhnlich intensives Phaserfeuer. »Schäden an den Bugschildgeneratoren«, meldete O'Brien angespannt. »Kompensiere mit Energie aus den Heckdeflektoren.« »Feuer erwidern!« Siskos vom Computer rekonstruierte Gestalt verschwamm, als er aufsprang und zu Dax eilte. »Ausweichmanöver, Programm Delta!« Weitere Blitze gleißten über den Schirm und überstrahlten die Sterne. Bei Warpmanövern glitten die fernen Sonnen manchmal ziemlich abrupt hin und her, doch davon war in dem grellen Lodern nichts zu sehen. Das Phaserfeuer tauchte die Brücke der Defiant in so grelles weißes Licht, daß die Besatzungsmitglieder zu dunklen Silhouetten wurden. Unbehagen regte sich in Dax, als sie das Gefühl bekam, keine Personen zu beobachten, sondern Geister. Sie verstand nun, warum Starfleet diese Aufzeichnungen zunächst nicht für authentisch gehalten hatte. »Ausweichmanöver funktionieren nicht!« In Kiras Stimme ließ sich eine seltsame Mischung aus Zorn und Verzweiflung vernehmen. »Die Fremden feuern in alle Richtungen, nicht nur auf uns!« »Der gegenwärtige Kursvektor bringt sie in unmittelbare Nähe der Defiant, und zwar in zwölf Sekunden«, warnte Dax. »Elf, zehn, neun ...« »Bugschilde werden instabil!« rief O'Brien. Ein dumpfes Donnern folgte seinen Worten, und dann zischte es - sicherer Hinweis auf einen Riß in der Außenhülle, durch den Luft ins All entwich. »Sektoren siebzehn und einundzwanzig sind nicht mehr geschützt ...« »Sechs, fünf, vier...« »Drehen Sie das Schiff, damit die Heckschilde in Richtung der Angreifer zeigen!« befahl Sisko. »Jetzt sofortl« »Zwei, eins ...« Erneut donnerte es - eine zweite Öffnung in der Außenhülle war entstanden, näher bei der Brücke. Ein weiterer Energieschub füllte das Projektionsfeld mit waberndem Blau. Dax hielt unwillkürlich den Atem an und rechnete mit einer Schwärze, die auf das Ende der Defiant hinwies. Doch das Blau wich erneut den vertrauten Konturen des Kontrollraums. Notlichter glühten jetzt an den einzelnen Stationen; in ihrem matten Schein wirkten Sisko und die anderen noch schemenhafter und unwirklicher. »Schadensbericht«, sagte der Captain.
»Risse in der Außenhülle bei allen Sektoren über fünfzehn«, meldete O'Brien ernst. »Außerdem haben wir die linke Warpgondel verloren.« »Die fremden Schiffe drehen mit Vektor fünf eins sechs Komma neun ab.« Kira klang sowohl überrascht als auch mißtrauisch. Ihre Silhouette zeichnete sich vor der Waffenstation ab, und ein Ohrring funkelte kurz. »Nach den Sensoranzeigen zu urteilen, feuern sie noch immer in alle Richtungen. Und aus irgendeinem Grund versagen ihre Schilde.« Weit entfernt entstand der rote Feuerball einer Explosion, und es folgten noch mehr. »Es ist nicht zu fassen, Captain - die fremden Raumer explodieren einfach!« Dax beobachtete, wie sie selbst sich umdrehte und zu Kira sah. Dadurch bekam sie zum erstenmal Gelegenheit, ihre eigenen Züge zu erkennen. Soweit sie es feststellen konnte, unterschieden sie sich kaum von denen, die sie an diesem Morgen im Spiegel gesehen hatte. Jene Ereignisse konnten also nicht sehr weit in der Zukunft liegen. »Vielleicht richteten unsere Phaser ebenso großen Schaden bei ihnen an wie die Waffen der Fremden bei uns«, sagte sie hoffnungsvoll. »Oder sogar noch größeren.« »Das bezweifle ich.« O'Briens Stimme klang jetzt noch grimmiger. »Ich habe versucht, unsere Heckschübe wieder zu stabilisieren, aber irgend etwas stimmt nicht. Ein externer Faktor leitet Energie ab.« Der Chefingenieur legte eine kurze Pause ein und fügte dann verblüfft hinzu: »Die Energie des Warpkerns wird direkt durch die Schildgeneratoren abgesaugt!« »Eine neue Waffe?« fragte Sisko. »Etwas, das wir mit den Phasern neutralisieren können?« »Nein«, brachte O'Brien hervor. »Es ist kein Energiestrahl. Es sieht eher nach ...« An dieser Stelle wurde der Bildschirm schwarz, mit einer Plötzlichkeit, die ein flaues Gefühl in Dax' Magengrube entstehen ließ. Sie versteifte sich unwillkürlich und hörte, wie sich Bashir neben ihr bewegte. Sisko fluchte leise. »Ich weiß«, erwiderte Hayman schlicht. »Die zentralen Schaltkreise wählten einen denkbar schlechten Zeitpunkt, um auszufallen. Mehr Daten haben wir leider nicht.« »Da irren Sie sich.« Bashir sprach fast monoton, und in seinen Worten kam keine Zufriedenheit zum Ausdruck. Dax vermutete, daß er es vorgezogen hätte, die nächsten Informationen für sich zu behalten. »Die meisten medizinischen Logbücher muß ich mir erst noch ansehen, aber ich habe bereits welche gefunden, deren Einträge sich auf die Zeit nach der Schlacht beziehen.« Hayman musterte ihn verblüfft, und in ihrem Blick zeigte sich weitaus mehr Respekt als noch vor wenigen Sekunden. »Es gibt medizinische Daten, die den Kampf und die Zeit danach betreffen? Das hat niemand bemerkt.« »Weil ich private Abkürzungen für die Namen der Besatzungsmitglieder verwendet habe«, erklärte Bashir. »Ich habe in den Logbüchern nach den Bezeichnungen für die Personen gesucht, von denen ich glaubte, daß sie sich vielleicht an Bord befanden. Von den sechs Mitgliedern der üblichen Crew wurde Odo nicht erwähnt. Ich nehme an, er blieb auf Deep Space Nine. Was Kira und O'Brien betrifft... Aus den Aufzeichnungen geht hervor, daß sie bei einem Kampf ums Leben kamen, der an Bord gegen Angreifer stattfand. Sisko scheint dabei verletzt worden und später gestorben zu sein, aber der genaue Zeitpunkt läßt sich nicht feststellen. Was Dax betrifft...« Er räusperte sich. »Zum Schluß der Auseinandersetzung wurde Jadzia so intensiver Strahlung ausgesetzt, daß ihr nur noch einige wenige Stunden blieben. Sie brach mit einer Rettungskapsel auf und lenkte so die Fremden ab, die uns
angriffen. Dadurch konnte das Schiff entkommen.« »Entkommen?« entfuhr es Sisko ungläubig. »Soll das heißen, jemand überlebte die Schlacht, die wir eben gesehen haben?« Bashir verzog das Gesicht. »Wie sind diese medizinischen Logbücher wohl entstanden, Captain? Ich habe nicht nur die Schlacht überlebt, sondern bin auch später noch für ziemlich lange Zeit am Leben geblieben. Die Logbücher betreffen einen Zeitraum von mehreren Jahren.« »Von mehreren Jahren?« wiederholte Dax erstaunt. »Nach der Schlacht blieben Sie mehrere Jahre lang an Bord der Defiant? Und niemand kam, um Sie zu retten?« »Nein.« »Das ist doch unmöglich!« Sisko sprang auf, schien nicht imstande zu sein, seine Unruhe länger unter Kontrolle zu halten. »Selbst ein Wrack kann ein automatisches Notsignal senden«, knurrte er. »Wenn es keine Starfleet-Schiffe mehr gab, so hätte irgendein Föderationsraumer darauf reagieren müssen. Wurde unsere ganze Zivilisation vernichtet?« »Nein«, sagte Hayman ernst. »Der Grund ist viel einfacher und auch schlimmer. Kommen Sie; ich zeige es Ihnen.« Kalter Dunst wogte, als sich die Tür des Fusionsgewölbes öffnete. Dax schauderte und verharrte auf der Schwelle. Sisko blieb neben ihr stehen und beobachtete das Innere mit einer Mischung aus Vorahnung und Ehrfurcht. Diese gewaltige dunkle Kaverne spielte eine ganz besondere Rolle in der menschlichen Geschichte. Hier war das erste Fusionstriebwerk eines Raumschiffs gezündet worden ein notwendiger Schritt, der schließlich zur Mitgliedschaft des Sol-Systems in der Föderation führte. Dax spähte durch die Schlieren aus Wasserdampf und Kohlendioxid, konnte jedoch nichts weiter erkennen als ein fernes Gerüst mit einigen matt leuchtenden Lampen. »Bitte entschuldigen Sie das Kondensat«, sagte Admiral Hayman. »Wir haben die Wände nicht versiegelt, da die Temperaturen hier für gewöhnlich weit unter dem Gefrierpunkt liegen.« Sie öffnete ein Fach neben der Tür und reichte ihren Begleitern Antriebsgürtel. Dann stieß sie sich ab und sprang in die dunstige Leere. Sisko folgte ihrem Beispiel, wirkte dabei jedoch nicht ganz so elegant. Auch Bashir tauchte hinein in die grauen Schlieren. Dax atmete noch einmal tief durch und sprang ebenfalls, spürte dabei, wie sich der Symbiont in ihrem Innern bewegte, als Schwerelosigkeit sie erfaßte. »Hier entlang.« Haymans Stimme warf ein Echo, als sie durch den Dunst schwebten. Die Wände blieben auch weiterhin in der Dunkelheit verborgen. Jadzia betätigte die Kontrollen des Antriebsgürtels, ließ sich dabei von Admiral Haymans rauher Stimme den Weg weisen. Kalte Luft strich ihr über Wangen und Nacken. Im Licht der Gerüstlampen zeichneten sich vor ihr drei Schemen in den Nebelschlieren ab. Dax tastete erneut nach dem Gürtel und gab sich ein zusätzliches Bewegungsmoment, um zu den anderen aufzuschließen. »Nun, Admiral«, begann sie, »was ...« Sie unterbrach sich, als sie sah, was sich weiter vorn befand. Die Wärme der Lampen vertrieb den Dunst und schuf einen freien Bereich, mit einem dunklen Objekt in der Mitte. Zuerst bemerkte Dax nur einen großen Klumpen Kometeneis, unter dessen schwarzer Kruste sich hier und dort gletscherblauer Glanz zeigte. Dann fiel ihr Blick auf Metall im Eis, auf seltsam vertraut anmutende Konturen. Jenseits davon erstreckte sich etwas, bei dem es sich um eine stummelförmige Tragfläche zu handeln schien, durchzogen von Rissen.
Dax holte tief Luft, als sie plötzlich verstand. »Das ist die Defiant !« »Beziehungsweise das, was von ihr übrig ist.« Siskos ernste Stimme hallte dumpf von den fernen Wänden wider. Dax wußte sofort, daß er recht hatte. Nach der Identifizierung des dunklen Objekts fiel es ihr nicht weiter schwer, Einzelheiten zu erkennen. Die linke Warpgondel fehlte, und auf der rechten Seite zeigte sich ein großes Loch im Rumpf, das wahrscheinlich von einem Torpedo stammte. Energiestrahlen hatten Dutzende von Brandspuren auf einer Außenhülle hinterlassen, die an mehreren Stellen geborsten war. Dax sah zu Hayman. »Wo haben Sie das Wrack gefunden?« »Hier in der Oort-Wolke des Sol-Systems«, antwortete die Admiralin und blickte dabei auch weiterhin zu dem im Eis steckenden Raumschiff. »Eine Bergbauexpedition von den Lagrange-Kolonien auf Pluto suchte nach Kometen mit Kernen aus Wassereis. Zwei Tage nach Beginn der Phaserbohrungen entdeckte sie das hier. Man erkannte die Starfleet-Symbole und verständigte uns. Die Struktur des Schiffes war zu instabil, um es dort draußen vom Eis zu befreien. Deshalb brachten wir es hierher - um den Kometenkern langsam schmelzen zu lassen.« »Aber wenn die Schiffsstruktur so instabil ist...« Jadzia Dax runzelte die Stirn, als die Wissenschaftlerin in ihr mit der Berechnung von Materialermüdung im All begann. Der andere, emotionale Teil ihres Ichs konnte noch immer kaum fassen, was sich ihren Augen darbot. »Es würde bedeuten, das Wrack hat sich mehrere Jahrtausende lang in dem Kometen befunden!« »Fast fünftausend Jahre«, pflichtete ihr Hayman bei. »Dieser Wert ergibt sich aufgrund einer thermospektralen Untersuchung des Eises und einer radiometrischen Analyse der ... äh ... organischen Reste im Schiff.« »Sie meinen die Leichen«, warf Bashir ein und beendete damit sein Schweigen. »Ja.« Hayman aktivierte den Antriebsgürtel und flog zur gegenüberliegenden Seite des eisumhüllten Schiffes. Das hellere Licht mehrerer Lampen fiel dort auf die Hauptschleuse der Defiant. »Es gibt eine geringfügige Diskrepanz beim Radiokarbonalter von zwei Überlebenden, vermutlich wegen...« »...unterschiedlich langer Überlebenszeiten«, beendete Bashir den Satz. Dax nahm an, daß er diese Information bereits den medizinischen Logbüchern entnommen hatte. Sie sah ihn an, als sie Hayman zum Tisch folgten. Mit seltsam drängend klingender Stimme fragte der Arzt: »Wie groß war die Diskrepanz? Mehr als hundert Jahre?« »Nein, etwa die Hälfte.« Die Admiralin drehte den Kopf und richtete einen verwunderten Blick auf Bashir. »Normalerweise ist die Lebenserwartung von Menschen nicht hoch genug, als daß ein Mensch einen Gleichaltrigen um mehr als hundert Jahre überleben könnte, Doktor.« Dax hörte, wie Bashir zischend Luft holte - er schien überrascht zu sein. »Die... sterblichen Überreste stammten also in beiden Fällen von Menschen?« »Ja.« Hayman verharrte vor der offenen Schleuse und streckte den Arm aus, als Sisko an ihr vorbeifliegen wollte. »Ich sollte Sie besser warnen. Abgesehen von einigen Mikroproben für die C14-Altersbestimmung haben wir alle Reste so gelassen, wie wir sie in der Krankenstation vorfanden. Im einen Fall gab es ein Stasisfeld, im anderen ... nicht.« »Verstehe.« Sisko glitt an der Admiralin vorbei in die dunkle Schleuse. Ein gewisser Unterton in seiner Stimme teilte Dax mit, wie sehr es verabscheute, das erste Raumschiff unter seinem Kommando zerstört zu sehen. Bashir folgte dem Captain, die eine Hand so fest um den Tricorder
geschlossen, daß die Knöchel weiß hervortraten. Als Dax einmal mehr nach den Kontrollen des Antriebsgürtels tastete, berührte Hayman sie an der Schulter. »Ich weiß, daß Ihr neuer Wirt Wissenschaftlerin ist, Dax. Bedeutet das, Sie wissen bereits, was hier passiert ist?« Dax musterte die Admiralin neugierig. »Mir erscheint es offensichtlich. In einer zukünftigen Zeitlinie wird die Defiant bei einer gewaltigen Schlacht sowohl zerstört als auch in die Vergangenheit und auf die andere Seite der Galaxis versetzt. Deshalb kam niemand, um Julian zu retten.« Hayman nickte und senkte die Stimme. »Bevor Sie sich das Innere des Schiffes ansehen ... Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß die höchste Priorität von Starfleet darin besteht, jene Zeitlinie zu meiden. Um jeden Preis.« Sie drückte noch einmal Dax Schulter und ließ dann los. »Denken Sie daran.« »In Ordnung.« Zwar sprach sie gelassen, doch tief in ihrem Innern machten sich Zweifel breit. Curzons Erinnerungen teilten Jadzia folgendes mit: Als er Hayman damals gekannt hatte, war sie ein besonders pragmatischer und unerschütterlicher Starfleet-Captain gewesen. Eine mögliche Zukunft, die Haymans Stimme mit einer solchen Intensität erfüllte, mußte ziemlich abscheulich sein. Und jetzt stand Dax ein Blick in eben jene Zukunft bevor. Im Innern der Defiant schufen Stasisgeneratoren eine Kette aus roten Lichtern im zentralen Turboliftschacht. Dax vermutete, daß allein die vage glühenden Stasisfelder einen Kollaps der metallenen Wände verhinderten. In diesem Teil des Schiffes schien sich durch einen der vielen Risse in der Außenhülle das Vakuum des Alls ausgewirkt zu haben. Vielleicht war es auch zu einer größeren Explosion gekommen. Die Transferkapsel des Turbolifts zeigte sich als ein Haufen aus oxidierter Stahlschlacke und gesplitterten Keramikplatten. Dax schob sich in den Schacht und achtete darauf, nichts zu berühren, als sie vom Antriebsgürtel getragen nach oben schwebte.»Captain?« rief sie in die Dunkelheit. »Auf der Brücke.« Seine Stimme hallte seltsam dumpf zu Dax herab, was an den Stasisfeldern liegen mochte. Kurz darauf erreichte sie das Ende des Schachtes, schaltete dort auf lateralen Schub um und passierte die geborstene Tür. Wärmelampen waren hier installiert worden, um jenes Eis zu schmelzen, das noch immer am Navigationspult und an den wissenschaftlichen Stationen haftete. Das Summen der Heizfäden und das ständige Tröpfeln von Schmelzwasser schufen eine seltsame Geräuschkulisse. Sisko schwebte stumm und mit steinerner Miene in der Mitte des Kontrollraums. Bashir hatte vermutlich die kleine Krankenstation aufgesucht. »Kaum zu glauben, daß diese Defiant wirklich fünftausend Jahre alt ist«, sagte Dax und hörte ein verräterisches Vibrieren in ihrer Stimme. Die vertrauten schwarzen Displays und Datenstationen der Brücke waren weniger stark beschädigt worden als der Rest des Schiffes. Abgesehen von dem Feuchtigkeitsfilm auf ihnen erweckten sie den Eindruck, nur ein wenig Energie zu brauchen, um wieder zu funktionieren. Sie blickte zur vereisten wissenschaftlichen Station und schauderte. Erst vor zwei Tagen hatte sie O'Brien geholfen, neue Sensoren in jener Konsole zu installieren. Unter dem Eis bemerkte sie das rote Display - nagelneue Sensoren, die jetzt älter waren als der Symbiont in ihrem Innern. Dax schüttelte das Gefühl der Unwirklichkeit ab und gesellte sich Sisko hinzu, der noch immer neben dem Kommandosessel schwebte. Der Gedanke an die neuen Sensoren hatte sie auf eine Idee gebracht. »Sehen Sie irgendwelche Modifikationen, die Ihnen nicht vertraut sind?« fragte sie den Captain, davon überzeugt, daß er sich alle Einzelheiten der Brücke eingeprägt hatte. »Solche Dinge könnten uns einen Hinweis darauf geben, wie weit sich die Defiant in unserer Zukunft befand, als sie in die Vergangenheit versetzt wurde.«
Sisko betätigte die Kontrollen des Antriebsgürtels und drehte sich langsam um die eigene Achse. »Mir fällt nichts auf. Hier sieht alles wie an Bord jenes Schiffes aus, das wir bei Deep Space Nine zurückließen. Woraus sich vielleicht der Schluß ziehen läßt, daß der Angriff der Furien - wenn wirklich die Furien dahinterstecken - bald erfolgt.« Haymans Brummen erklang von der Tür her. »Das sind genau die Informationen, die wir uns von Ihnen erhofft haben, Captain. Wir möchten herausfinden, wo und wann sie erscheinen. Damit wir uns vorbereiten und sie in Empfang nehmen können.« »Und dieses... dieses Phantom aus der Zukunft.« Sisko streckte die Hand aus, um die Pilotenkonsole zu berühren, ließ sie aber wieder sinken, als er die warnende Lumineszenz eines Stasisfelds bemerkte. »Sie glauben, hiermit können wir herausfinden ...« Das Zirpen seines Insignienkommunikators unterbrach ihn. »Bashir an Sisko.« Der Captain runzelte die Stirn und klopfte auf das kleine Kom-Gerät. »Hier Sisko. Haben Sie die Leichen identifiziert, Doktor?« »Ja, Sir.« Bashirs Stimme klang ausgesprochen sonderbar, fand Dax. Nun, es war sicher nicht einfach, seine eigene Leiche oder die der besten Freunde zu untersuchen. »Die in der Leichenkammer des Schiffes erlitt starke Verletzungen, bevor man sie in der Stasis unterbrachte, aber sie ist noch immer erkennbar - offenbar handelt es sich um Sie, Captain. Von der anderen Person ist nicht viel übriggeblieben, doch eine erste genetische Analyse anhand einiger Knochenfragmente deutet darauf hin, daß dies meine Leiche ist.« Der Arzt seufzte leise. »Es gibt hier noch etwas anderes, Captain. Etwas, das Sie und... auch Jadzia sich ansehen sollten.« Dax wechselte einen nachdenklichen Blick mit Sisko. Julian Bashir mochte jung sein, aber wenn es um medizinische Dinge ging, konnte ihn normalerweise kaum etwas erschüttern. »Wir sind unterwegs«, sagte der Captain. »Sisko Ende.« Sie kehrten in den dunklen Schacht des Turbolifts zurück. Als das Licht der Wärmelampen im Kontrollraum hinter ihnen zurückblieb, zeigte sich ein anderer, matterer Schein, den Dax auf dem Weg nach oben übersehen hatte. Er stammte von den Notlichtern in der kleinen Krankenstation der Defiant, ein Deck unterhalb der Brücke. Sie folgte Sisko durch einen schmalen, feuchten Korridor. »Steht in diesem Bereich des Schiffes noch immer die ursprüngliche Energie zur Verfügung?« fragte sie ungläubig. In der Dunkelheit hinter ihr schnaubte Hayman. »Ja - was dem enorm hohen energetischen Potential Ihres Schiffes zu verdanken ist. Da abgesehen von der Lebenserhaltung alle anderen Bordsysteme ausgefallen waren, blieb der Energieverbrauch außerordentlich gering. Unsere Techniker glauben, Beleuchtung und Geräte in diesem Bereich hätten noch einmal tausend Jahre lang funktionieren können.« Die Admiralin näherte sich, schwebte dann neben Dax und Sisko im Zugang der Krankenstation. »Ein Beweis für die Qualität der Starfleet-Technik. Und für Ihre Tüchtigkeit, Dr. Bashir.« Der junge Arzt sah überrascht auf. Er hatte sich über eine der beiden Stasiseinheiten gebeugt und schien erst jetzt zu merken, daß er nicht mehr allein war. Im sanften Glühen der grünen Notlichter sah Dax in Bashirs Gesicht eine sehr ungewöhnliche Mischung aus Hilflosigkeit und Selbstvorwürfen. »Derzeit bin ich mir nicht sicher, ob ich stolz auf mich sein soll«, sagte er, und es klang fast zornig. Er deutete auf die Stasiseinheit, die ganz offensichtlich verändert worden war. Jemand hatte ihr mehrere Pumpen und Minigeneratoren hinzugefügt, sie anschließend mit einem gläsernen Gehäuse umgeben.
Eine jähe Ahnung erfaßte Dax, und sie schauderte erneut, heftiger als vorher. »Warum haben Ihre Leute in dieser Hinsicht nichts unternommen?« wandte sie sich an die Admiralin. Hayman wandte sich ihr zu. »Weil wir auf Sie gewartet haben.« Das genügte Dax als Bestätigung. Sie glitt an Sisko vorbei und spürte, wie ihr Gewicht zurückkehrte, als sie das Schwerkraftfeld der Krankenstation erreichte. Sie schätzte die künstliche Gravitation auf etwas weniger als ein G und fühlte sich deshalb seltsam leicht, als sie zur anderen Seite der modifizierten Stasiseinheit trat. »Julian, ist es ...?« Dax blickte über den gläsernen Kasten hinweg in die braunen Augen des Arztes. »Ich fürchte, ja«, erwiderte er leise, bewegte die Hand und wischte Kondensfeuchtigkeit von der Außenseite des Kastens. Darunter kam zum Vorschein, was Bashir bereits gesehen hatte - die unverkennbare grauweiße Masse eines nackten Trill-Symbionten. Er ruhte in einer Flüssigkeit, in der sich das erstarrte Muster bioelektrischer Aktivität abzeichnete. Dax mußte tief Luft holen, um ihre Stimme wiederzufinden. Diesmal kam ihr die langjährige Erfahrung des Symbionten zustatten. »Nun«, sagte sie langsam und sah auf jenen Teil ihres Selbst hinab, der unermeßlich älter war, »jetzt weiß ich, warum ich hier bin.« JR1, TG6, 2340 Patient bewegungslos + ohne Reaktion. Begrenzter Kontakt + Manipulation des Subjekts aufgrund physischer Fragilität und wahrscheinlicher Strahlenschäden, keine invasive px/tx solange unerläßlich, Tokal-Benar-Stabilisierung. Isoboraminwerte in der Flüssigkeit < 47 %, biospektraler Scan - kortikale Aktivität < vorh. Beobachtete Norm, lonenkonzentration noch immer instabil, (siehe Lab.- + ehem. Analysen) Bisher noch keine Abfallprodukte. Nährstoffmischung um 10 % angepaßt, um Aufnahme zu verbessern. Ich fürchte allmählich, daß ich ihn nicht am Leben erhalten kann.
Julian Bashir blickte in die grauen Schatten des Stasisbehälters und blinzelte, als er sich an diesen Eintrag in den medizinischen Logbüchern erinnerte. Behutsam strich er mit der Hand über die unsichtbare Barriere zwischen den beiden Realitäten. Das Stasisfeld verursachte ein sanftes Prickeln, so als kröchen winzige Käfer über die Haut. »Offenbar habe ich mich geirrt.« »Bedeutet das, Ihrer Meinung nach steckt kein Leben mehr in ihm?« Bashir hob den Kopf. Er bedauerte plötzlich, daß jemand seine halblaut gesprochenen Worte gehört hatte, und aus der Verlegenheit wurde ein vages Schuldgefühl, als ihm die Bedeutung von Haymans Frage klar wurde. Er zog die Hand vom Kraftfeld zurück. »Nein, ich bin ziemlich sicher, daß der Symbiont noch lebt.« Darauf deuteten zumindest die Anzeigen der Stasiseinheit hin. »Jedenfalls lebte er, als das Feld vor fünftausend Jahren aktiviert wurde. Den heutigen Zustand kann ich erst nach Beendigung der Stasis beurteilen.« Er erschauerte innerlich bei der Vorstellung, den Symbionten in die Hand zu nehmen. Die Admiralin stand auf der anderen Seite des Tisches, verschränkte die Arme und starrte auf den Behälter hinab. Das wäßrige Grün der Notlichter verlieh ihren Augen einen gefühllosen bronzefarbenen Ton und verwandelte einige silbergraue Haarsträhnen in Neonstreifen. »Wenn er sich in einem einigermaßen stabilen Zustand befindet: Welche Instrumente brauchen Sie, um diesen Symbionten in einem Trill-Wirt unterzubringen?«
Die Frage traf ihn wie ein Fausthieb in den Magen. »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!« platzte es aus ihm heraus, obwohl er eigentlich gar nicht daran zweifelte, daß Hayman es tatsächlich ernst meinte. »Admiral, Trill-Symbionten kann man nicht so einfach wechseln wie ein Paar Socken! Mit der Verpflanzung sind große Risiken verbunden, wenn keine vollständige Kompatibilität gewährleistet ist...« »Welche Risiken?« Mit einer Hand deutete Hayman auf Dax, die stumm neben ihr stand. »Es ist der gleiche Symbiont, den sie jetzt in sich trägt!« Bashir erinnerte sich einmal mehr daran, daß er diese Frau nicht mochte. Er fragte sich, was Curzon Dax jemals in ihr gesehen hatte. »Es handelt sich um einen genetisch identischen Symbionten, der fünftausend Jahre älter istl Durch die physiologischen Ähnlichkeiten zwischen den beiden Dax-Versionen könnte es Jadzia noch schwerer fallen, sich den psychologischen Unterschieden anzupassen.« Dax hatte sich gleich zu Anfang aus der Diskussion zurückgezogen. Ihre Aufmerksamkeit galt dem Stasisbehälter und seinem Inhalt. Bashir fragte sich, welche ihrer Persönlichkeiten für die Mischung aus Zuneigung und Kummer in ihrem Gesicht verantwortlich war. Konnte er Hayman irgendwie erklären, was es bedeutete, mit einem Geschöpf zu spielen, das Jahrtausende alt war? »Wir sprechen hier von Leben, Admiral, nicht von irgendwelchen Unannehmlichkeiten. Wenn wir versuchen, was Sie vorschlagen ... Es könnte den Tod für einen der drei bedeuten.« Hayman musterte ihn mit einer kühlen Überheblichkeit, die Bashir gut kannte. Mit einem solchen Blick teilten hochrangige Offiziere den Bordärzten von Raumschiffen oder Raumstationen mit, daß sie nur deshalb zu Ärzten geworden waren, weil sie nicht für den >richtigen< Starfleet-Dienst taugten. »Wenn wir nicht herausfinden, wer die Defiant zerstört und in die Vergangenheit versetzt hat, kommen vielleicht Millionen von Personen ums Leben«, sagte die Admiralin frostig. Bashir preßte die Lippen zusammen und schwieg. Das ist der Unterschied zwischen uns, dachte er. Als Offizierin im >richtigen< Starfleet-Dienst konnte sich Hayman den Luxus erlauben, intelligentes Leben auf Zahlen und Abstraktionen zu reduzieren: Es war wichtiger, eine Million Leben zu retten als nur eins; und wer nach dem Krieg die meisten Überlebenden hatte, errang den Sieg. Als Arzt hatte Bashir nur einen Patienten. Selbst eine Million Patienten wurden zu einem und immer wieder einem. Arithmetische Vergleiche irgendeiner Art konnten ihn nicht veranlassen, seine Pflicht zu ignorieren dem Himmel sei Dank dafür. Hayman schnaufte verärgert, als er nicht antwortete, verlagerte ihr Gewicht aufs andere Bein und nahm eine bedrohliche Haltung an. »Muß ich Ihnen einen Befehl erteilen, Dr. Bashir?« Er schob trotzig das Kinn vor. »Ich bin der ranghöchste anwesende Medo-Offizier, Sir. Die Starfleet-Vorschriften gestatten es mir, jeden Ihrer Befehle außer Kraft zu setzen, von dem ich glaube, daß er nicht den besten Interessen meines Patienten gerecht wird.« Bashir nickte kurz in Richtung Stasisbehälter. »Dies ist ein solcher Befehl.« Überraschung und Zorn huschten durch Haymans Miene. Ein oder zwei schreckliche Sekunden lang stellte sich Bashir vor, wegen Insubordination in eine Arrestzelle gesteckt zu werden, was der Admiralin Gelegenheit gab, ganz nach Belieben mit dem Symbionten zu verfahren. Er wollte nicht, daß die Dinge einen solchen Verlauf nahmen, aber es geschah auch nicht zum erstenmal, daß ihm die Konsequenzen seiner Äußerungen erst einige Sekunden später klar wurden. Er öffnete den Mund, um die scharfen Worte wenigstens teilweise zurückzunehmen, doch Hayman kam ihm zuvor und wandte sich an Sisko. »Möchten Sie mit dem Doktor reden, Captain?«
Sisko hob die Brauen. »Warum denn?« Er trat vom zweiten Untersuchungstisch fort - dort lagen Knochen, die Bashir nur kurz untersucht hatte, um sie dann ganz bewußt zu ignorieren. »Er kommt auch ohne meine Hilfe gut zurecht.« Die Admiralin ließ verärgert den Atem entweichen, der sofort zu einer weißen Fahne kondensierte. Wie Drachenodem, dachte Bashir. »Muß ich Sie daran erinnern, daß Starfleet Sie hierher holte, um Ihnen dabei zu helfen, Ihren Tod zu verhindern?« fragte Hayman. »Wie auch immer die Situation beschaffen sein mag«, warf Bashir ein. »Ich lasse nicht zu, daß Jadzia oder die beiden Dax-Symbionten wie Opfer behandelt werden.« Dax erwachte aus ihrer Starre. »Darf ich etwas dazu sagen?« Bashir hielt den Blick auf Hayman gerichtet, als könnte er sie auf diese Weise festhalten. »Ich bitte darum.« »Julian, ich weiß Ihre Sorge um mein Wohlergehen zu schätzen, ebenso die Mühe, die es Sie gekostet hat, den Symbionten so lange am Leben zu erhalten...« Dax streckte die Hand aus, um seine Finger zu berühren, und erst daraufhin merkte Bashir, daß seine eigene Hand wieder im Stasisfeld steckte. »Aber ich glaube, diese Entscheidung steht nicht Ihnen zu.« Er glaubte zu spüren, wie Eis nach seinem Herzen tastete. »Jadzia...« »Dax.« Sie schloß die Hand um sein Handgelenk, drückte sanft zu. »Ich bin Dax, Julian. Und dies ...« Sie deutete auf den Inhalt des Behälters. »Dies ist ebenfalls Dax.« Die graue Masse ruhte in spezieller Flüssigkeit, wie der Fötus in einer Gebärmutter. »Ich vertraue Ihnen und weiß, daß Sie in dieser Sache keine akademische Übung oder etwas in der Art sehen. Ihnen muß klar gewesen sein, daß die Erhaltung des Symbionten meinen - beziehungsweise Dax - Wünschen entsprach. Meiner Ansicht nach gibt es dafür nur eine Erklärung: Ich wäre nur dann bereit, Jahrtausende in einem derartigen Behälter zu verbringen, wenn es irgendwann die Möglichkeit gäbe, uns zu warnen und dadurch zu verhindern, was geschehen ist oder geschehen wird.« Sisko trat durchs Zimmer und blieb hinter Dax stehen. Zwar blieben seine Arme unten, aber etwas wies auf den Wunsch hin, sie an den Schultern zu ergreifen. »Wir können nicht sicher sein, alter Knabe. Wenn wir Jadzia und die Symbionten beim Überprüfen einer Theorie verlieren ...« Er sprach nicht weiter. Die Erkenntnis, daß Sisko ebenso besorgt war wie er selbst, ermutigte Bashir nicht gerade. »Wir sprachen von einem vorübergehenden Austausch«, beharrte Dax. »Julian hat einen Bruttümpel offenbar gut genug simuliert, um meinen derzeitigen Symbionten für ein oder zwei Stunden am Leben zu erhalten.« Das stimmte vielleicht, aber es blieben dennoch Zweifel in Bashir. »Wir dürfen den psychologischen Aspekt nicht vergessen«, sagte er. »Wir wissen nicht, wie sich die lange Isolation auf die psychische Stabilität des Symbionten ausgewirkt hat.« Etwas versteifte sich in ihm. »Er könnte Ihr eigenes inneres Gleichgewicht bedrohen.« Dax fing seinen Blick ein, und ihr angedeutetes Lächeln wies auf ein gemeinsames Geheimnis hin. Diesmal griff sie nach beiden Händen, wie eine Mutter, die versuchte, ihr Kind zu trösten. »Ich weiß,
daß ein Trill mit sieben Leben nicht einmal dann Schaden nimmt, wenn er sechs Monate lang geistiger Instabilität ausgesetzt ist. Sechs Stunden mit einem anderen Aspekt meines Selbst werden mich wohl kaum dem Wahnsinn anheimfallen lassen.« Ihr Lächeln wuchs in die Breite. »Das versichere ich Ihnen.« »Wenn Sie nicht bereit sind, die Verpflanzung vorzunehmen, Doktor...«, ließ sich Hayman vernehmen. »Bestimmt gibt es in dieser Starbase einen anderen Arzt, der sich darum kümmern könnte.« Zorn entflammte in Bashir, als er diese Worte der Admiralin hörte. Dax drehte sich abrupt um. »Nein, Judith!« sagte sie. »Er soll nicht dazu gezwungen werden.« Die Schärfe in Dax Stimme schien Hayman mehr zu erstaunen als zu verärgern. Stumm verschränkte sie die Arme, und Bashir glaubte, in dieser Geste eine gewisse Unsicherheit zu erkennen. Insgeheim freute er sich darüber. Er wollte nicht der einzige sein, der unter den gegebenen Umständen unsicher war. »Vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit«, wandte er sich an Dax. Sie öffnete den Mund, um zu antworten, und Bashir fuhr rasch fort: »Symbionten können auch miteinander kommunizieren, ohne einen Wirt zu teilen, oder? In den Bruttümpeln auf Trill läßt sich das bewerkstelligen. Dort ist auch Ihnen die Kommunikation mit anderen Symbionten möglich, oder?« Das war ihr offenbar noch nicht in den Sinn gekommen. Dax wölbte eine elegant geschwungene Braue, und für einige Sekunden blickte sie ins Leere. »Dabei wird nicht das gesamte Wissen des Symbionten transferiert, so wie bei einer Vereinigung«, sagte sie nach einigen Sekunden. »Aber eine direkte Kommunikation ist tatsächlich möglich.« Hoffnung keimte in Bashir. »Bei einer wahren Vereinigung würde Jadzia alle Erinnerungen des Symbionten behalten, auch nach seiner Entfernung.« Dax nickte nachdenklich. »Das stimmt.« »Also könnte es nichts schaden, es zuerst damit zu versuchen.« »Womit wollen Sie es zuerst versuchen?« Allem Anschein nach war Haymans Selbstvertrauen nicht sehr stark erschüttert worden, denn ihre Stimme klang nun wieder ungeduldig. »Wovon reden Sie da?« Bashir blickte über Dax Schulter hinweg zur Admiralin und versuchte, in einem möglichst neutralen Tonfall zu sprechen, um professioneller zu wirken. »Wenn sie sich nicht in einem Wirt befinden, verwenden Trill-Symbionten elektrochemische Signale, um sich in der Flüssigkeit zu verständigen, in der sie leben. Selbst der Symbiont eines Wirts kann mit seinen Artgenossen auf diese Weise Kontakt aufnehmen, wenn der Wirt in die Flüssigkeit eines Bruttümpels taucht.« Er blickte in die Stasiseinheit, und seine Gedanken rasten plötzlich. »Wenn wir die Nährlösung für den Symbionten replizieren und einen ausreichend großen Behälter damit füllen, sollten die beiden Dax-Versionen fähig sein ...« Er zögerte kurz und entschied sich dann für einen leicht verständlichen Ausdruck, »...miteinander zu reden, ohne daß Jadzias derzeitiger Symbiont entfernt werden muß.« Hayman schürzte die Lippen. »Könnten wir dem nicht an einen Wirt gebundenen Symbionten Fragen stellen? Wäre er fähig, durch Dax zu uns zu sprechen?« »Durch Jadzia«, berichtigte Bashir automatisch. Seine Wangen begannen zu glühen, als die Admiralin einen mißbilligenden Blick auf ihn richtete. »Ja, das müßte möglich sein«, fügte er hinzu.
»Julian hat recht«, bestätigte Dax. »Es sollte eigentlich funktionieren.« »Und wenn es nicht funktioniert?« Hayman musterte Bashir so argwöhnisch, als rechnete sie damit, daß er sie belog. »Wie groß ist das Risiko, den Symbionten zu verlieren?« »Ich weiß es nicht«, gestand der Arzt. Er wünschte, die Wahrheit wäre hilfreicher gewesen. »Mir ist nicht bekannt, wie empfindlich das Geschöpf in der Stasiseinheit ist, welcher Strahlendosis es damals ausgesetzt war. Vielleicht stirbt es unmittelbar nach der Deaktivierung des Stasisfelds. Außerdem habe ich keine Ahnung, wie sich der Transfer von einem Behälter in einen anderen auswirken könnte.« Er blickte Dax in die Augen, damit sie sehen konnte, daß er es ehrlich meinte, als Arzt ebenso wie als Freund. »Vielleicht ist ein solcher Vorgang nicht weniger traumatisch als der Versuch, unter solchen Umständen eine Vereinigung durchzuführen.« Dax deutete ein verständnisvolles Lächeln an und nickte kurz, legte dann die Hände auf den Rücken. »Lassen Sie es uns trotzdem versuchen.« »Ganz meine Meinung.« Hayman bedachte Bashir mit einem anerkennenden Lächeln - sie bekam jetzt, was sie wollte, und deshalb vergab sie ihm alle seine Sünden. Dadurch fühlte sich der Arzt um so schuldiger. »Verlieren wir keine Zeit. Lieutenant...« Sie winkte Dax und Sisko zu sich. »Von Ihnen und dem Captain möchte ich wissen, wieviel Flüssigkeit notwendig ist und wie groß der Behälter sein muß. Anschließend können Sie mir helfen, alle notwendigen Dinge hierherzuschaffen. Doktor, Sie wecken den Symbionten.« Sie beugte sich vor und klopfte Bashir auf die Schulter, was dem Arzt ganz und gar nicht gefiel. »Es wird Zeit, daß Sie zu Ende bringen, was Sie vor fünftausend Jahren begannen.«
»Oh, wie aufregend! Mein Bruder hat überall im Kasino Schnüffler installiert, aber jetzt sehe ich zum erstenmal legale Überwachungsgeräte!« Ferengi. Während der letzten Tage war Kira zu dem Schluß gelangt, daß die Propheten sie für ihre Sünden dadurch bestraften, daß sie die Gesellschaft unerträglicher Ferengi hinnehmen mußte, noch dazu an Bord einer Raumstation, die sie nicht einfach so verlassen konnte. Es war die einzige Erklärung, die sich mit ihrem Sinn für Gerechtigkeit vereinbaren ließ. Alles in ihr sträubte sich gegen die Vorstellung, daß reiner Zufall sie nach Deep Space Nine geführt hatte und es keine Hoffnung gab, ihr Schicksal könnte sich jemals ändern. Als sie jetzt in das grinsende Gesicht Roms sah, dachte sie darin, daß sie unmöglich so viel verbrochen haben konnte, um eine solche Strafe zu verdienen. »Verschwinden Sie, Rom«, sagte O'Brien. Er lag halb zur Seite gedreht in einem schmalen Wartungsschacht. »Der Major und ich haben Arbeit zu erledigen.« Die fast gleichgültig klingende Abfuhr des Chefingenieurs erstaunte Kira - man hätte meinen können, daß es ihnen nur darum ging, einen defekten Schaltkreis zu reparieren. Sie kannte diesen besonderen Tonfall von Leuten, die jahrelang zur Widerstandsbewegung gehört hatten. Nun, vielleicht unterschied sich Starfleet gar nicht so sehr davon. Ein guter verbaler Trick -wenn Rom imstande gewesen wäre, derartige Hinweise zu verstehen. »Das ist ein EM-Schnüffler, nicht wahr?« Er drückte sich seine kleine Werkzeugtasche mit beiden Händen an den Bauch und ging in die Hocke, um in den kleinen Schacht zu spähen. »Was wollen Sie überwachen? Befindet es sich auf diesem Deck?« Das begeisterte Grinsen verschwand aus seinem Gesicht, und er lachte kurz. »Nun, das muß es wohl. Mit dem Ding können Sie keine Energiequelle
orten, die weiter als einige hundert Meter entfernt ist.« O'Brien warf Kira einen fragenden Blick zu und gefährdete damit seinen Status als Quasi-Mitglied des Widerstands. Hinter Roms Rücken zuckte sie mit den Achseln und wandte sich dann ab. Es wäre ihr sicher gelungen, Rom durch Drohungen zu vertreiben, doch damit verrieten sie und der Chefingenieur, daß es sich nicht um einen gewöhnlichen Wartungseinsatz handelte. Vermutlich hätte Rom bei Quark darüber gejammert, daß die unhöfliche Kira ihn nicht mit O'Brien über Überwachungsgeräte reden lassen wollte - ein Hinweis, der jeden wirklich intelligenten Ferengi argwöhnisch werden ließ. So etwas galt es zu vermeiden. Alles hatte ganz einfach und diskret sein sollen - warum wurde jetzt ein Problem daraus? Es war Kiras Idee gewesen. Das gab die Bajoranerin gern zu, denn sie hielt ihre Idee noch immer für gut. Wenn sie von der Annahme ausgingen, daß sich tatsächlich Angehörige der Miliz an Bord von Deep Space Nine befanden, so folgte daraus: Sie konnten nicht die Replikatoren der Station benutzen, um die notwendigen Teile für eine Plasmabombe herzustellen. Immerhin waren die hiesigen Standard-Replikatoren mit speziellen Schaltkreisen ausgestattet, die eine Replikation bestimmter Teile verhinderten, unter ihnen Zünder und Zielvorrichtungen. Die Milizionäre mußten also einen eigenen Replikator mitgebracht haben, und zwar ein Exemplar ohne die integrierten Schutzkomponenten. Kiras erster Gedanke hatte darin bestanden, mit den Sensoren von Deep Space Nine nach einer Energiequelle zu suchen, die nicht zum allgemeinen energetischen Versorgungssystem der Raumstation gehörte. Doch O'Brien wies darauf hin, daß sich ein solcher Scan selbst mit dem billigsten auf dem Schwarzmarkt erhältlichen Horchgerät registrieren ließ. Die Milizionäre würden sich bestimmt fragen, warum Starfleet die eigene Raumstation sondierte. Eine Diskussion darüber, wie man unbemerkt Ortungen vornehmen konnte, führte schließlich zu dem handtellergroßen Gerät, das O'Brien gerade zu installieren versuchte. Es handelte sich um eine sehr empfindliche Sensorweiche, die selbst auf geringfügige Fluktuationen des Energiestroms an Bord reagierte. Damit sollte Kira in der Lage sein, von Siskos Büro aus die Aktivitäten eines unabhängigen Replikators zu bemerken und ihn zu lokalisieren. Eine sehr elegante Lösung für das Problem, die Möchtegern-Terroristen zu entlarven. Bis Rom erschien. »Darf ich raten, nach welchem EM-Feld Sie damit scannen wollen?« Der Ferengi schnaubte mit geschickt geheuchelter Bescheidenheit. »Ich habe vielleicht keine guten Ohren fürs Geschäft, aber bei Ratespielen bin ich immer sehr gut gewesen.« »Rom ...« Kira beugte sich zu ihm herab. »Haben Sie jemals daran gedacht, daß Überwachung auch ein gewisses Maß an Diskretion erfordert?« Es schien Rom zu schockieren, daß sie ihn daran erinnern mußte. »Ich verrate niemandem etwas!« »Wenn wir noch länger an diesem Ort verweilen und dieses Gespräch fortsetzen, gibt es an Bord von Deep Space Nine bald niemanden mehr, der nicht Bescheid weiß!« Kira griff nach Roms Schultern und stellte verblüfft fest, wie dünn und fragil sie sich anfühlten. Waren die Ferengi so geizig, daß sie sogar bei der eigenen Ernährung sparten? Sie achtete darauf, nicht zu fest zuzudrücken. »Dies ist eine geheime Starfleet-Angelegenheit, Rom. Wenn ich Sie für ein Sicherheitsrisiko halte, könnte ich Sie von Odo einsperren lassen, bis alles vorbei ist. Haben Sie verstanden?« Rom klappte den Mund zu, schnitt eine verdrießliche Grimasse und nickte stumm. »Gut. Kehren Sie jetzt zu Ihrer Arbeit zurück. Und kein Wort zu Quark, wenn Sie nicht die nächsten
Jahre in einer Zelle verbringen wollen.« »Aber...« Kira hielt ihm die Hand auf den Mund, fühlte dabei kalte, ledrige Haut. »Kein. Einzelnes. Wort.« Rom brummte unglücklich, und Kira bedauerte es kurz, ihm diese eine, ehrliche Freude nehmen zu müssen. Es war bestimmt nicht einfach, in Quarks Schatten zu leben. Der Ferengi trat vom einen Bein aufs andere und schien nicht recht zu wissen, wie er sich verhalten sollte. Schließlich schlang er die Arme noch fester um seine Werkzeugtasche, trat an O'Brien vorbei und eilte zur Promenade. Nach einigen Metern blieb er unschlüssig stehen, drehte sich um und hastete in Richtung Habitatring, kam dadurch erneut an O'Brien und Kira vorbei. Die Bajoranerin drehte den Kopf und sah, wie er hinter einer Ecke verschwand. »Rom!« Der haarlose Kopf mit den großen Ohren geriet wieder in Sicht. »Zum Kasino geht's dort lang«, sagte Kira und deutete mit dem Daumen in die entsprechende Richtung. Rom lächelte, nickte und wurde dann wieder ernst. Er zeigte um die Ecke. »Aber ich habe hier zu tun.« Kira runzelte die Stirn. »Sie meinen die Gästequartiere?« »Ja.« Rom kam wieder näher, angetrieben von seinem Enthusiasmus. »Nebenbei erledige ich Reparaturarbeiten für Gäste. Dadurch kann ich Nog etwas mehr Geld schicken. Wenn kein Unterricht stattfindet, geht er gern mit seinen menschlichen Freunden aus.« Jähe Bestürzung veränderte seinen Gesichtsausdruck. »Aber bitte sagen Sie meinem Bruder nichts davon! Wenn er wüßte, daß ich während der Arbeit im Kasino Gäste als Kunden gewinne ... Er würde bestimmt die Hälfte meiner Einnahmen verlangen!« O'Brien kroch aus dem Wartungsschacht und setzte sich auf. »Ich weiß nicht, ob ich Ihr Verhalten befürworten kann.« »Es ist vollkommen in Ordnung«, verteidigte sich Rom. Wieder trat er vom einen Bein aufs andere und brummte. »Im wesentlichen. Eigentlich. Sozusagen. Gibt es bei Menschen keine Erwerbsregel, die lautet: >Wenn dein Bruder nichts weiß, kann er dir nichts wegnehmen?