Scan by Schlaflos
Buch Unheil gärt unter der scheinbar friedlichen Oberfläche im Königreich Crothenien: In den tiefen ...
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Scan by Schlaflos
Buch Unheil gärt unter der scheinbar friedlichen Oberfläche im Königreich Crothenien: In den tiefen Wäldern des Landes zieht der Gryffin, ein schreckliches Untier aus fast vergessenen Legenden, eine Schneise aus Tod und Vernichtung. Ein wandernder Mönch entdeckt, dass die Kirche sich schreckliche und unheilige Texte zu Eigen macht. Und am Königshof drohen Intrigen und Zwistigkeiten die Herrscherfamilie zu entzweien. Als ein bislang äußerst loyaler Ritter der Königin plötzlich versucht, seine Herrin zu ermorden, wird offenkundig, dass es nirgends mehr Sicherheit vor der schwelenden magischen Bedrohung gibt, die das ganze Land ins Unheil reißen könnte. Eine Bedrohung, die sich durch das Erwachen des mythischen Dornenkönigs aus seinem Jahrhunderte währenden Schlaf zu bestätigen scheint... Autor Greg Keyes lernte schon als Kind die Kultur und Sprache der Navajo-Indianer kennen und entwickelte hierdurch eine große Faszination für Sprache, Rituale und Mythen. Nach einem Anthropologie-Studium veröffentlichte er unter dem Namen J. Gregory Keyes seinen ersten Fantasy-Roman »Aus Wasser geboren«, mit dem er sofort in die Riege der jungen Erneuerer des Genres aufstieg. Weitere Bände sind in Vorbereitung
Greg Keyes
Der Dornenkönig Die verlorenen Reiche 1 Ins Deutsche übertragen von Marie-Luise Bezzenberger BLANVALET Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »The Briar King. The Kingdoms of Thorn and Bone« (Book One) bei Del Rey, Ballantine Publishing Group, New York. Umwelthinweis: Alle bedruckten Materialien dieses Taschenbuches sind chlorfrei und umweltschonend. Blanvalet Taschenbücher erscheinen im Goldmann Verlag, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH. 1. Auflage Deutsche Erstveröffentlichung Juli 2004 Copyright © der Originalausgabe 2003 by J. Gregory Keyes Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2004 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH Umschlaggestaltung: Design Team München Umschlagillustration: Schluck/Alison Eldred Artists (Crabb, Gordon) Satz: deutsch-türkischer fotosatz, Berlin Druck: GGP Media, Pößneck Verlagsnummer: 24260 Redaktion: Alexander Groß UH • Herstellung: Peter Papenbrok Printed in Germany ISBN 3-442-24260-6 www.blanvalet-verlag.de
Für meinen Bruder Timothy Howard Keyes Wisse, o stolzes Herz der Furcht, dass es in jenen Tagen keine Könige und Königinnen gab, keine Fürsten und Vasallen. In den unzähligen Jahrtausenden vor Everon, auch bekannt als das Zeitalter der Menschen, gab es nur Herren und Sklaven. Die Herren waren uralt und so geübt in Grausamkeiten, wie die Sterne es im Scheinen sind. Sie waren mächtiger als Götter, und sie waren keine Menschen. Ihre Sklaven waren ohne Zahl, doch all unsere Mütter und Väter waren unter ihnen. Menschen waren ihr Vieh und ihr Spielzeug. Doch selbst Sklaven der tausendsten Generation mögen mit Herzen geboren werden, die hell genug leuchten, um zu hoffen, und finster genug sind, um zu tun, was getan werden muss. Selbst ein Sklave mag
sich aus dem Staub erheben, seinen Blick zu einem Messer schleifen und seinem Herrn sagen: »Du wirst mich niemals besitzen.« Zeugnis des Heiligen Anemlen am Hofe des Schwarzen Narren, kurz bevor er der Folter überantwortet wurde Präludium Die Geborene Königin Der Himmel riss auf, und Blitze stürzten zwischen den gezackten Rändern herab. Mit ihnen kam schwarzer Hagel, der nach Rauch, Kupfer und Schwefel schmeckte. Mit ihnen kam ein Geheul wie ein Höllensturm. Carsek richtete sich auf. Er presste die Hand gegen den blutigen Verband und hoffte, dass er seine Eingeweide an ihrem Platz halten würde, bis er das Ende dieser Geschichte erlebte, auf die eine oder andere Weise. »Sie muss bald den Befehl zum Angriff geben«, knurrte er und stemmte sich mithilfe seines Speerschafts auf die Beine. Eine Hand riss an Carseks Knöchel. »Bleib unten, du Narr, wenn du bis zum Angriff am Leben bleiben willst.« Carsek sah seinen Gefährten an, einen Mann in zerrissenem Kettenhemd und ohne Helm. Blaue Augen flehten durch den verfilzten Wust seines nassen, schwarzen Haares. »Duck du dich ruhig, Thaniel«, brummte Carsek. »Ich habe mich lange genug geduckt. Vierzehn Tage hocken wir jetzt schon in diesen Rattenlöchern, schlafen in unserer eigenen Scheiße, in unserem eigenen Blut. Hörst du das nicht? Da vorn wird gekämpft, und das werde ich mir ansehen, jawohl, das werde ich.« Er spähte durch den peitschenden Regen und versuchte zu erkennen, was sich dort abspielte. »Du wirst sehen, wie der Tod dir zur Begrüßung zuwinkt«, meinte Thaniel. »Das ist alles, was du sehen wirst. Unsere Zeit kommt noch früh genug.« »Ich habe es satt, in diesem Dreck auf dem Bauch zu kriechen. Ich bin dazu ausgebildet worden, auf meinen Füßen zu kämpfen. Ich will 11 einen Gegner, einen mit Blut, das ich vergießen, mit Knochen, die ich ihm brechen kann. Ich bin ein Krieger, bei Taranos! Man hat mir einen Krieg versprochen, nicht dieses Gemetzel, keine Wunden, die uns von Gespenstern zugefügt werden, die wir nie zu Gesicht bekommen, von Geisternadeln und eisernen Winden.« »Wünschen kannst du nach Herzenslust. Ich wünsche mir, dass ein dralles Mädchen, das Alis heißt oder Gunsthild oder Wie-kann-ich-Euch-erfreuen, auf meinem Schoß sitzt und mich mit Pflaumen füttert. Ich wünsche mir zehn Krüge Bier. Ich wünsche mir ein Bett mit Schwanendaunen. Und trotzdem stecke ich immer noch hier im Schlamm, mit dir. Was nützt dir dein Wünschen? Siehst du deinen Feind?« »Ich sehe rauchende Felder, die sich bis zum Horizont erstrecken, sogar in diesem Pissregen. Ich sehe diese Leichengräben, die wir uns selbst gegraben haben. Ich sehe die verdammte Festung, so groß wie ein Berg. Ich sehe -« Er sah eine Wand aus Schwärze, die mit unvorstellbarer Geschwindigkeit größer wurde. »Mordwind!«, brüllte er und warf sich wieder in den Graben. In seiner Hast landete er mit dem Gesicht im Schlamm, der nach Ammoniak und Wundbrand stank. »Was?«, fragte Thaniel, doch schon war die rauchig-graue Sonne über ihnen verschwunden und ein Geräusch wie von tausendmal tausend Klingen auf tausendmal tausend Schleifsteinen schabte an der Innenseite ihrer Schädel. Zwei Männer, die sich nicht rasch genug geduckt hatten, fielen geköpft in den Schlamm; Blut spritzte aus ihren Hälsen. »Wieder so eine verdammte Skasloi-Zauberei«, sagte Thaniel. »Ich hab's dir ja gesagt.« Carsek heulte vor Wut und Hilflosigkeit. Thaniel packte ihn am Arm. »Halt durch, Carsek. Warte. Jetzt wird es nicht mehr lange dauern. Wenn sie kommt, wird die Magie der Skasloi wie leere Luft sein.« »Sagst du. Ich habe noch keine Beweise dafür gesehen.« »Sie hat die Macht.« Carsek schob Thaniels Hand von seiner Schulter. »Du bist einer 12 der ihren, ein Geborener. Sie ist deine Königin, deine Zauberin. Natürlich glaubst du an sie.« »Oh, sicher«, erwiderte Thaniel. »Wir glauben alles, was man uns sagt, wir Geborenen. Wir sind nun mal so blöd. Aber du glaubst auch an sie, Carsek, sonst wärst du nicht hier.« »Sie hatte die richtigen Worte. Aber wo ist der Stahl? Deine Geborene Königin hat uns alle geradewegs in unseren Tod hineingeredet.« »Wäre der Tod nicht besser als die Sklaverei?« Carsek schmeckte Blut im Mund. Er spuckte aus und sah, dass sein Speichel schwarz war. »Siebenmal sieben Generationen meiner Väter haben als Sklaven der Skasloi-Herren gelebt und sind als ihre Sklaven gestorben«, höhnte er. »Ich weiß nicht mal all ihre Namen. Ihr Geborenen seid erst seit zwanzig Jahren hier. Die meisten von euch wurden woanders geboren, ohne die Peitsche, ohne die Herren. Was wisst ihr schon von Sklaverei? Du oder deine rothaarige Hexe.« Einen Augenblick lang sagte Thaniel nichts, und als er schließlich sprach, war von seinem üblichen spöttischen Tonfall nichts zu bemerken. »Carsek, ich kenne dich noch nicht lange, aber wir haben zusammen die VhomarRiesen an der Furt des Schweigens niedergemacht. Wir haben so viele getötet, dass wir eine Brücke aus ihren Leichen gebaut haben. Du und ich, wir sind über die Gorgonen-Ebene marschiert, wo ein Viertel unserer
Kompanie zu Staub zerfallen ist. Ich habe dich kämpfen sehen. Ich kenne deine Leidenschaft. Du kannst mich nicht täuschen. Dein Volk lebt schon länger in der Sklaverei, ja, aber es ist dasselbe - Sklave ist Sklave. Und wir werden siegen, Carsek, du rothändiges Ungeheuer. Also trink das und sei froh, dass wir überhaupt so weit gekommen sind.« Er reichte Carsek eine Feldflasche. Darin war etwas, das wie Feuer schmeckte, aber die Schmerzen linderte. »Danke«, sagte Carsek und gab die Flasche zurück. Er zögerte, dann fuhr er fort: »Tut mir Leid. Es ist nur die verdammte Warterei. Wie damals in meinem Käfig, bevor die Herren mich zum Kampf rausgeschickt haben.« Thaniel nickte, nahm seinerseits einen Schluck aus der Feldflasche 13 und stöpselte sie wieder zu. Ganz in der Nähe kreischte Findos der Halbhändige, tief in seinem Fieber versunken, wie in irgendeinem Albtraum oder einer Erinnerung auf. »Ich habe mich übrigens schon immer über etwas gewundert, aber nie gefragt«, sagte Thaniel nachdenklich. »Wieso nennt ihr Vhiri Croatani uns eigentlich die Geborenen?« Carsek wischte sich mit dem Handrücken den Regen aus den Augen. »Seltsame Frage. So nennt ihr euch doch selbst, oder? Vhiri Genians. Und eure Königin, die Erstgeborene eures Volkes, heißt sie nicht Genia, >Die Geborene