Christina Fink Der Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung
Christina Fink
Der Übergang von der Schule i...
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Christina Fink Der Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung
Christina Fink
Der Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung Perspektiven für die kommunale Bildungslandschaft
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Zugl. Diss. an der Pädagogischen Hochschule Weingarten 2010 Erstgutachter: Prof. Dr. Diemut Kucharz, Pädagogische Hochschule Weingarten Zweitgutachter: Prof. Dr. Thorsten Bohl, Eberhard Karls Universität Tübingen Gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dorothee Koch | Priska Schorlemmer VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-18149-3
Inhalt
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
11
Teil I – Theoretischer Rahmen
17
1
Einleitung
19
2
Bildungslandschaften
25
2.1 2.1.1 2.1.2
Begriff und Entstehung Entwicklungsansätze Zwischenfazit und Definition
25 26 30
2.2 2.2.1
Bezugspunkte einer Theorie der Bildungslandschaft Veränderte Steuerungskonzepte im Bildungsbereich: Governanceforschung und Netzwerkforschung Bildungsbiografien im Mittelpunkt: Bildungsgangforschung, erweiterter Bildungsbegriff, Sozialraum- und Lebensweltorientierung Schulentwicklungsforschung: Die Bedeutung der Einzelschule in der Bildungslandschaft
32
2.2.2
2.2.3 2.3 2.3.1
33
35 37
2.3.4
Empirische Ergebnisse Schulzentrierte Entwicklungsvariante: Ergebnisse der Projekte „Schule & Co“ und „Selbstständige Schule“ Netzwerkorientierte Entwicklungsvariante: Ergebnisse aus dem Programm „Lernende Regionen – Netzwerke gestalten“ Kooperationszentrierte Entwicklungsvariante: Das Forschungsprojekt „Lokale Bildungslandschaften“ Ergebnisse kommunaler Bildungsberichterstattung
44 46
2.4
Internationale Ansätze
48
2.5
Zusammenfassung
50
2.3.2 2.3.3
39 39 42
6 3
Inhalt Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung
55
3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5
Übergänge Der Übergang als Statuspassage Der Transitionsansatz nach Welzer Das Transitionskonzept von Griebel Der Übergang aus systemtheoretischer Perspektive Zwischenfazit
55 56 58 59 60 61
3.2
Exkurs: Das deutsche Berufsbildungssystem
63
3.3
Empirische Ergebnisse zum Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung Statistik und Forschung am Übergang in Ausbildung Hintergrund: Entwicklung des Arbeits- und Ausbildungsmarktes Einflussfaktoren auf den Übergang in Ausbildung Übergangswege von Jugendlichen mit Hauptschulbildung Wahrnehmungen und Deutungsmuster Jugendlicher in schwierigen Übergangssituationen
3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.4 4
65 66 73 77 85 89
Zusammenfassung
91
Gestaltung von Übergängen
95
4.1 4.1.1 4.1.2
Berufsorientierung Begriffsklärung Empirische Ergebnisse
4.2 4.2.1 4.2.2
Berufsvorbereitung Die schulische Berufsvorbereitung Empirische Ergebnisse
109 109 112
4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3
Gestaltung von Übergängen im regionalen Kontext Beispiele regionaler und kommunaler Initiativen Das Projekt „Regionales Übergangsmanagement“ Gestaltung des Übergangs in der „Region des Lernens“
116 117 118 120
4.4
Zusammenfassung
122
5
Entwicklung eines Untersuchungsrahmens
95 96 98
125
Inhalt
7
Teil II – Untersuchung
129
6
131
6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3
Vorüberlegungen zum Aufbau der Untersuchung Zum Kontext der empirischen Untersuchung Die Bildungsoffensive der Stadt Ulm Einbettung in verschiedene Forschungskontexte Folgerungen für die methodische Konzeption des Gesamtprojekts
131 131 133 136
7
Das methodische Vorgehen im Überblick
139
8
Datenerhebung
145
8.1 8.1.1 8.1.2
Die Dokumentenanalyse Ziele und Fragestellung Datenbasis
145 145 145
8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3
Experteninterviews Ziele und Fragestellung Erhebungsinstrumente Auswahl der Experten
146 146 146 147
8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4 8.3.5
Die quantitative Fragebogenerhebung Ziele und Fragestellung Entwicklung des Erhebungsinstruments Stichprobe Durchführung der Datenerhebung Rücklauf und Stichprobenbeschreibung
147 147 148 150 152 152
8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.4.4 8.4.5
Die qualitative Interviewstudie Ziele und Fragestellung Vorüberlegungen zum Erhebungsinstrument Beschreibung des Erhebungsinstruments Fallauswahl Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Interviews
154 154 155 159 161
9 9.1 9.1.1 9.1.2
Datenaufbereitung und Datenauswertung Dokumentenanalyse Datenaufbereitung Datenauswertung
162 165 165 165 166
8
Inhalt
9.2 9.2.1 9.2.2
Experteninterviews Datenaufbereitung Datenauswertung
167 167 167
9.3 9.3.1 9.3.2
Die quantitative Fragebogenerhebung Datenaufbereitung Datenauswertung
169 169 169
9.4 9.4.1 9.4.2
Die qualitative Interviewstudie Datenaufbereitung Datenauswertung
170 170 170
10 10.1 10.1.1 10.1.2 10.1.3 10.1.4 10.1.5 10.1.6 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.2.4 10.2.5 10.2.6 10.2.7 10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.3.4 10.3.5 10.3.6 10.3.7
Ergebnisse Dokumentenanalyse und Experteninterviews Gründung, Selbstverständnis, Bedeutung der Bildungsoffensive Steuerung und Verwaltung Ziele und Maßnahmen Kooperation von Schule und Jugendhilfe Das Handlungsfeld „Übergang Schule – berufliche Ausbildung“ Zusammenfassung, Interpretation, Diskussion
179 179 179 179 182 183 185 191
Quantitative Fragebogenuntersuchung Gesamtprojekt „Bildungsoffensive“ Beschreibung der Stichprobe der Schulabgängerbefragung Schulerfolg, Bildungswege, Schulerfahrungen der Jugendlichen Wünsche und aktuelle Perspektiven der Jugendlichen Unterstützungsangebote am Übergang Wichtige Personen am Übergang Zusammenfassung, Interpretation, Diskussion
195 195 202
Qualitative Interviewstudie Fallübersicht Fallbeschreibungen Von Konflikten und Misserfolgen geprägte Schulerfahrungen Das Berufsvorbereitungsjahr als Neuanfang und Chance? Berufsorientierung und Berufswahl Systematisierung der Fälle im Hinblick auf erklärende Faktoren Zusammenfassung, Interpretation, Diskussion
242 242 243 254 257 258
206 211 220 231 234
261 268
Inhalt
9
Teil III – Schlusskapitel
271
11
273
Zusammenfassung – Diskussion – Ausblick
Literatur
287
Teil IV – Anhang
305
1 2 3
Ergänzende Tabellen zur Dokumentenanalyse Ergänzende Tabellen zur quantitativen Befragung (Gesamtprojekt) Ergänzende Tabellen zur quantitativen Schulabgängerbefragung
307 309 315
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle 14: Tabelle 15:
Tabelle 16: Tabelle 17: Tabelle 18: Tabelle 19: Tabelle 20: Tabelle 21: Tabelle 22: Tabelle 23:
Aktuelle Studien zum Übergang bzw. zu Übergangsverläufen 70 Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge 2006 nach Berufssegmenten und Anteilen schulischer Vorbildung 75 Regionale Untersuchungen zu Anschlüssen von Hauptschulabsolventen 83 Überblick über das forschungsmethodische Vorgehen im Gesamtprojekt 136 Fragen und Erhebungsmethoden der Untersuchung 140 Untersuchungsphasen 143 Dokumente und Personen, die in die Untersuchung einbezogen wurden 144 Fragebogenbereiche der Befragung zum Übergang 149 Rücklauf und relevante Stichprobenmerkmale (vgl. Kucharz u.a. 2009; gekürzt und angepasst) 153 Interviewverläufe im Vergleich 156 Geplanter Verlauf des problemzentrierten Interviews 160 Beispiel für eine induktive Ergänzung der Analysekriterien 167 Erstellung des Kategoriensystems (Beispiel) 168 Arbeitsschritte bei der Entwicklung des Kategoriensystems 172 Vergleich der Kodierungen und Berechnung des Reliabilitätskoeffizienten am Beispiel des Interviews mit Denis 173 Beispiel Tugba – bildungsbiografischer Verlauf und zentrale Themen 175 Beispiel – Reduktion auf Kernthemen 176 Schematische Darstellung der Einzelfälle mit dem Ziel der Typenbildung 176 Struktur des kommunalen Bildungsberichts 181 Bildungspolitische Leitlinien im Jahr 2000 und im Jahr 2003 182 Zuordnung von Maßnahmen zu Leitlinien 183 Gremien am Übergang 187 Klassifizierung zentraler Aktivitäten von 2000 bis 2006 188
12 Tabelle 24: Tabelle 25: Tabelle 26: Tabelle 27:
Tabelle 28: Tabelle 29: Tabelle 30: Tabelle 31: Tabelle 32: Tabelle 33: Tabelle 34: Tabelle 35: Tabelle 36: Tabelle 37: Tabelle 38: Tabelle 39:
Tabelle 40: Tabelle 41: Tabelle 42: Tabelle 43: Tabelle 44: Tabelle 45: Tabelle 46: Tabelle 47:
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Klassifizierung der Aktivitäten der Schulen Häufigste Kooperationspartner der (Ganztags-) Hauptschulen (n=6) Rangfolge der bedeutsamsten Ziele (Plätze 1 bis 3) und Zielerreichung Förderung von Kindern und Jugendlichen: Bedeutung der Ziele und Einschätzung der Zielerreichung aus Sicht der Befragten (Lehrkräfte; Eltern) Zusammensetzung der Stichprobe nach Schularten Bildungsgang und Migrationshintergrund der Jugendlichen (n=476) Bildungsgang und Bildungsabschluss der Eltern (n=387) Bildungsabschluss der Eltern und Migrationshintergrund (n=386) Deutsch- und Mathematiknoten nach Geschlecht Deutsch- und Mathematiknoten nach Migrationshintergrund Klassenwiederholungen nach den Bildungsgängen der Jugendlichen (n=478) Brüche in der Bildungsbiografie der Jugendlichen und Schulabschluss (nur berufsvorbereitende Bildungsgänge) Erfahrung von Unterstützung in der Schule Sichere Perspektiven und Noten in den Fächer Deutsch und Mathematik Jugendliche ohne sichere Perspektive nach Bildungsgängen (n=496) Sichere Perspektiven im Hinblick auf das kommende Schuljahr und Schulabschluss (nur berufsvorbereitende Bildungsgänge; n=109) Deutsch- und Mathematiknoten Realisierung des Ausbildungswunsches nach Bildungsgängen Teilnahme an der Bildungsmesse nach Bildungsgängen Besuch der Bildungsmesse und sichere Perspektive im Juni Beratung durch die Schulsozialarbeit (nach Bildungsgang) Teilnahme an der Beratung durch die Schulsozialarbeit und sichere Perspektive Schüler ohne Abschluss: Beratung durch die Schulsozialarbeit und sichere Perspektive Ausgewählte Merkmale der untersuchten Haupt- und Werkrealschulen
189 198 199
200 202 204 205 205 206 207 207 209 210 215 216
216 219 220 224 225 226 227 227 230
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Tabelle 48: Tabelle 49: Tabelle 50: Tabelle 51: Tabelle 52: Tabelle 53: Tabelle 54: Tabelle 55: Tabelle 56: Tabelle 57: Tabelle 58: Tabelle 59: Tabelle 60: Tabelle 61: Tabelle 62: Tabelle 63: Tabelle 64: Tabelle 65: Tabelle 66: Tabelle 67: Tabelle 68: Tabelle 69: Tabelle 70: Tabelle 71: Tabelle 72: Tabelle 73: Tabelle 74: Tabelle 75: Tabelle 76: Tabelle 77: Tabelle 78: Tabelle 79:
Bedeutung der Eltern nach Bildungsgängen Bedeutung der Eltern bei der Ausbildungsplatzsuche Bedeutung der Eltern bei der Ausbildungsplatzsuche (nur Hauptschule Klasse 9) Bedeutung der Lehrer nach Bildungsgängen Fallübersicht Auswahl der analysierten Fälle Erste Übersicht Übersicht im Hinblick auf die aktuelle Situation der Jugendlichen Aktivitäten vor und nach 2000 Bekanntheit des Begriffs: nach Einrichtungsformen getrennt Bekanntheit der Ziele: nach Einrichtungsformen getrennt Bekanntheit der Ziele: nach Personengruppen getrennt Leitbild/Konzeption nach Einrichtungsformen getrennt Integration der Maßnahmen und Leitgedanken der Bildungsoffensive in das Leitbild zw. die Konzeption Verwendung des Begriffs in der Einrichtung Bedeutung der Zielsetzungen der Bildungsoffensive und Grad der Zielerreichung (Sekundarschulen) Bedeutung der Zielsetzungen der Bildungsoffensive und Grad der Zielerreichung (nur Hauptschule) Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit mit dem Träger Veränderung der Zusammenarbeit mit dem Träger Geschlecht Geschlecht nach besuchter Schulform Alter Alter nach besuchtem Bildungsgang Überalterung ( 6 Jahre+Bildungsgang +2) Überalterung ( 6 Jahre + Bildungsgang +2) Migrationshintergrund Migrationshintergrund und Schulform (alle) Migrationshintergrund und Schulform (allgemeinbildende Schulen) Bildungsabschluss der Eltern Bildungsabschluss und besuchte Schulform Noten in den Fächern Deutsch und Mathematik (alle Jugendlichen) Klassenwiederholungen
13 232 233 233 234 243 244 263 265 307 309 309 310 310 311 311 311 313 314 314 315 315 315 316 316 317 317 317 318 318 318 319 319
14 Tabelle 80: Tabelle 81: Tabelle 82: Tabelle 83: Tabelle 84: Tabelle 85: Tabelle 86: Tabelle 87: Tabelle 88: Tabelle 89: Tabelle 90: Tabelle 91: Tabelle 92: Tabelle 93: Tabelle 94: Tabelle 95: Tabelle 96: Tabelle 97: Tabelle 98: Tabelle 99: Tabelle 100: Tabelle 101: Tabelle 102: Tabelle 103: Tabelle 104: Tabelle 105: Tabelle 106: Tabelle 107: Tabelle 108:
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Klassenwiederholungen nach Bildungsgängen Schulische Herkunft der Jugendlichen in berufsvorbereitenden Bildungsgängen Schulabschlüsse der Jugendlichen in den berufsvorbereitenden Bildungsgängen Schulabschlüsse der Jugendlichen und schulische Herkunft (nur BV) Zuvor besuchte Klassenstufe an einer Hauptschule (nur BV) Einstellungen gegenüber der Schule Einstellungen gegenüber der Schule (nur BV) Wünsche der Jugendlichen im Überblick (Mehrfachantworten) Wünsche der Jugendlichen in einem BV Bildungsgang nach dem Schulabschluss Wunsch Ausbildung und Bildungsabschluss der Eltern Wunsch Ausbildung und Noten in Deutsch und Mathe Wunsch weiterführende Schule und Geschlecht Wunsch weiterführende Schule und Migrationshintergrund Wunsch weiterführende Schule und Bildungsniveau Wunsch weiterführende Schule und Noten Wunsch weiterführende Schule und Haltungen/Bildungserfahrungen/Einstellungen Wunsch weiterführende Schule und besuchte Haupt- und Werkrealschule Wunsch Ausbildung und besuchte Haupt- und Werkrealschule Wunsch Ausbildung und besuchte Realschule Wunsch Ausbildung und besuchte Realschule Situation der Jugendlichen im Juni (Mehrfachantworten) Stand der Berufsentscheidung im Juni Verwirklichung des Wunsches Ausbildung Verwirklichung des Wunsches Schule Verwirklichung des Wunsches Ausbildung und Bildungsgang Verwirklichung des Wunsches Ausbildung nach Besuch einer weiterführenden Schule Verwirklichung des Wunsches Schule und Bildungsgang Sichere Perspektiven im Hinblick auf das kommende Schuljahr Klassenwiederholung und sichere Perspektive
319 320 320 320 321 321 321 322 322 323 323 323 324 324 324 325 325 326 326 326 327 327 327 328 328 328 329 329 329
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Tabelle 109: Tabelle 110: Tabelle 111: Tabelle 112: Tabelle 113: Tabelle 114: Tabelle 115: Tabelle 116: Tabelle 117: Tabelle 118: Tabelle 119: Tabelle 120: Tabelle 121: Tabelle 122: Tabelle 123: Tabelle 124: Tabelle 125: Tabelle 126: Tabelle 127: Tabelle 128:
Verwirklichung des Wunsches Schule und Noten in Deutsch und Mathematik Verwirklichung des Wunsches Ausbildung und Geschlecht Verwirklichung des Wunsches Ausbildung und Migrationshintergrund Verwirklichung des Wunsches Ausbildung und Klassenwiederholungen Zusammenhang Realisierung des Ausbildungswunsches und Status der Berufsentscheidung Verwirklichung des Wunsches Ausbildung und Klassenwiederholungen Teilnahme an berufsvorbereitenden Angeboten (Mehrfachantworten) Struktur der wahrgenommenen Angebote nach Bildungsgängen Anzahl der wahrgenommenen Angebote zur Berufsorientierung Wahrnehmung v. Angeboten – Unterschiede zwischen Haupt- und Werkrealschulen Wahrnehmung von Angeboten – Unterschiede zwischen einzelnen Realschulen Wahrnehmung von Angeboten: Unterschiede zwischen beruflichen Schulen Bewertung der wahrgenommenen Angebote durch die Jugendlichen Besuch der Bildungsmesse und Realisierung des Ausbildungswunsches Teilnahme an der Bildungsmesse: Einschulen (Haupt- und Werkrealschulen) Teilnahme an der Bildungsmesse: Einzelschulen (Realschulen) Teilnahme an der Bildungsmesse: Einzelschulen (Berufliche Schulen) Beratung durch die Schulsozialarbeit (Teilnahmequoten alle Schulen) Bewertung der Beratung durch die Schulsozialarbeit (HWRS) Angebot Schulsozialarbeiter Bewertung (Berufliche Schule)
15
330 330 330 331 331 331 332 333 333 334 335 335 336 337 337 337 338 339 340 340
16 Tabelle 129: Tabelle 130: Tabelle 131: Tabelle 132: Tabelle 133: Tabelle 134: Tabelle 135: Tabelle 136: Tabelle 137: Tabelle 138: Tabelle 139: Abbildung 1: Abbildung 2:
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Beratung durch die Schulsozialarbeit (ausgewählte HWRS: Teilnahme > 30%) Beratung durch die Schulsozialarbeit (ausgew. Berufl. Schulen: Teilnahme > 30%) Wichtige Personen in der Berufsorientierung Bedeutung der Eltern für die Jugendlichen mit bzw. ohne Schulabschluss (nur berufsvorbereitender Bildungsgang) Bedeutung der Eltern für die Jugendlichen mit bzw. ohne Migrationshintergrund Bedeutung der Eltern und Erfüllung des Ausbildungswunsches (HWRS 10) Bedeutung der Eltern und Erfüllung des Ausbildungswunsches (RS 10) Bedeutung der Eltern und Erfüllung des Ausbildungswunsches (BV-Bild.gang) Bedeutung der Eltern und Erfüllung des Ausbildungswunsches (2j BFS) Bedeutung der Lehrer für die Jugendlichen mit bzw. ohne Migrationshintergrund Bedeutung der Lehrer nach Einzelschulen
Neuzugänge in das berufliche Ausbildungssystem 2006 Bekanntheit des Begriffs und der Ziele der Bildungsoffensive (%) Abbildung 3: Wünsche der Jugendlichen im Juni (n=467) Abbildung 4: Perspektiven der Jugendlichen im Juni (n=469) Abbildung 5: Überblick: Realisierung von Ausbildungs- und Schulwünschen Abbildung 6: Im Rahmen der Schule wahrgenommene Angebote zur Berufsorientierung (n=469) Abbildung 7: Bewertung der wahrgenommenen Angebote durch die Jugendlichen Abbildung 8: Struktur der wahrgenommenen Angebote Abbildung 9: Wahrnehmung von Angeboten an den einzelnen Haupt- und Werkrealschulen Abbildung 10: Wichtige Personen im Prozess der Berufsorientierung und bei Bewerbungen (=474)
340 341 341 341 342 342 342 343 343 343 344 76 196 212 214 218 221 222 223 228 231
Teil I – Theoretischer Rahmen
1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit verbindet zwei aktuelle Themen: den Übergang von Jugendlichen von der Schule in die berufliche Ausbildung und die Entstehung von Bildungslandschaften im kommunalen bzw. regionalen Kontext. Beide sind in der pädagogischen und bildungspolitischen Diskussion zu verorten, gehen gleichzeitig aber auch über deren Grenzen hinaus. Bildungslandschaften zwischen Globalisierung und Regionalisierung Bildung ist in der globalisierten Welt zu einem Entwicklungsfaktor geworden, der sowohl für den Einzelnen als auch für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaften und Staaten von elementarer Bedeutung ist. Bildung ist sowohl individuelles als auch kollektives Gut und die Arbeit an der Qualität des Bildungssystems zentrales Anliegen jeder Nation (vgl. Eichert 2007, S. 14). Nicht zuletzt angesichts des fortschreitenden demografischen Wandels ist es im Hinblick auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der Staaten von zunehmender Bedeutung, die Potenziale der nachkommenden Generationen auszuschöpfen (vgl. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. 2007). Internationale Bildungsrankings wie PISA oder TIMMS zeigen, dass der Wettbewerb um gute Bildungssysteme längst begonnen hat und dass Bildung das Merkmal eines weichen Standortfaktors verloren hat (vgl. Eichert 2007, S. 22). In Deutschland haben die internationalen Bildungsrankings das Vertrauen der Gesellschaft in das deutsche Schulsystem nachhaltig erschüttert (vgl. Kahl 2007, S. 5); der daraus resultierende Handlungsdruck führte zu Reaktionen auf unterschiedlichen Ebenen:
Auf Bundesebene wurde beispielsweise das Investitionsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ verabschiedet, mit dem der Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen gefördert werden sollte. Mit dem Programm „Lernende Regionen“ wurde die Bildung regionaler Netzwerke für lebenslanges Lernen angeregt. Auch die Bundesländer, die im Zuge der Föderalismusreform von 2006 ihren bildungspolitischen Einfluss ausweiten konnten, entdeckten Bildung
C. Fink, Der Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung, DOI 10.1007/978-3-531-93208-8_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
20
Einleitung als Standortfaktor, erneuerten Bildungspläne (z.B. Baden-Württemberg im Jahr 2004) und loteten „in erstarktem Selbst- und Verantwortungsbewusstsein die regional passenden institutionellen Formen und Strukturen aus“ (Knauer 2007, S. 9f). Auf regionaler und kommunaler Ebene betraten ganz neue Akteure die „Bildungsbühne“ (vgl. Kahl 2007, S. 5). Vereine, Stiftungen, Unternehmen und nicht zuletzt die Kommunen übernahmen im Hinblick auf ihre Zukunftsfähigkeit zunehmend Verantwortung für die Bildungsangebote vor Ort und erhoben Anspruch auf eine erweiterte Mitgestaltung der lokalen Bildungspolitik.
In der bildungspolitischen Debatte werden diese Initiativen aktuell unter dem Begriff der „Bildungslandschaften“ diskutiert. Sie machen deutlich, dass das Bildungsmonopol der öffentlichen Hand in seiner Ausschließlichkeit der Vergangenheit angehört (vgl. Kahl 2007, S. 6) und dass neue Steuerungsmodelle im Bildungsbereich entstehen, die verstärkt auf regionale Selbststeuerung setzen. Dieser Wandel wird unter dem Begriff von „Governance“, der für neue Formen des Regierens steht (vgl. Benz 2004), auch für andere Politikfelder1 beschrieben; und zwar überall dort, wo der Staat an „unilateral wirksamer Steuerungsfähigkeit“ verliert und zum „Spieler unter anderen Spielern“ wird (vgl. Kussau/Brüsemeister 2007a, S. 22). Dabei wird die Wahrnehmung von Aufgaben, die in den bestehenden Strukturen nicht mehr zufriedenstellend bewältigt werden können (z.B. in der Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik) auch auf die lokale bzw. regionale Ebene verlagert. Der Aufbau von Bildungslandschaften in regionaler bzw. kommunaler Initiative steht damit auch für eine sich ausweitende Diskussion um geeignete Steuerungsformen im Bildungssystem, die im Rahmen einer erweiterten Autonomie der Schulen, dem systematischen Aufbau regionaler Unterstützungssysteme oder neuen Formen der Zusammenarbeit von Schulträgern und Schulaufsicht bereits vielfältig erprobt werden. Der Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung Der zweite Themenkomplex, dem sich die vorliegende Arbeit widmet, ist der Übergang von der Schule in eine berufliche Ausbildung. Dieser wird aktuell sowohl im Kontext von Übergängen im stark gegliederten deutschen Schulsystem diskutiert, als auch im Zusammenhang mit arbeitsmarktpolitischen, soziologischen und sozialpolitischen Aspekten: 1
z.B. die Überlegungen von Heinelt (2004, S. 36 -39) zu ‚local governance‘ in der Arbeitsmarktpolitik
Einleitung
21
Aus bildungspolitischer Sicht wurde in den vergangenen Jahren häufig auf die Entstehung sozialer Disparitäten an Übergängen im stark gegliederten deutschen Schulsystem aufmerksam gemacht (u.a. Baumert/Köller 2005, S. 19; Eckert 2007, S.7; Walther 2006, S. 38). In der Sorge um den notwendigen Fachkräftenachwuchs melden sich beim Thema „Übergänge in Ausbildung“ immer häufiger Vertreter der Wirtschaft zu Wort. Sie sehen angesichts des demografischen Wandels und einer als unzureichend eingeschätzten Ausbildungsfähigkeit von Jugendlichen die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit gefährdet. Gleichzeitig standen in den vergangenen Jahren nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung, sodass trotz Ausbildungspakt und anderen Maßnahmen viele Jugendlichen im Übergangssystem aufgefangen werden mussten – verbunden mit dem Risiko, auch auf Dauer ausbildungslos zu bleiben. Auch aus soziologischer und psychologischer Sicht interessiert der Übergang von der Schule in das Berufsleben, geht es hier doch auch um die Frage, wie jungen Menschen der Übergang in den Erwachsenenstatus gelingt, der in Deutschland eng mit dem Übertritt in die berufliche Erwerbstätigkeit verbunden ist. Und nicht zuletzt aus sozialpolitischer und finanzieller Sicht sind gelingende Übergänge in Ausbildung auch die Kommunen von Interesse, da Ausbildungslosigkeit häufig mit unregelmäßiger Beschäftigung bzw. Arbeitslosigkeit verbunden ist und erhebliche Kosten verursacht.
Damit zeigt sich der Übergang in die berufliche Ausbildung als Querschnittsthema, das interdisziplinär diskutiert wird und das Anlass zum gemeinsamen Handeln ist – insbesondere auf regionaler und kommunaler Ebene, wo Betriebe (Fachkräftenachwuchs) und Kommunen (Sozialkosten, Standortattraktivität) direkt von den Auswirkungen gelingender bzw. misslingender Übergänge betroffen sind. Die Bildungsoffensive der Stadt Ulm Die im Jahr 2000 initiierte „Bildungsoffensive“ der Stadt Ulm kann als Beispiel einer kommunalen Initiative für bessere Bildungsangebote vor Ort verstanden werden. Angesichts der diagnostizierten Schwierigkeiten im nationalen Bildungssystem und an den Schulen sowie den Betrieben vor Ort hat sich die Stadt Ulm mit der „Bildungsoffensive“ dem Thema Bildung zugewandt und lässt ihm einen hohen Stellenwert zukommen. Im einem Gründungsdokument aus dem
22
Einleitung
Jahr 2000 heißt es dazu: „Bildung ist Voraussetzung für eine humane Zukunft. Unsere Stadt muss zu einer ‚lernenden Stadt’ mit einer neuen Lernkultur werden. Wir wollen die Schulen in ihr gesellschaftliches Umfeld einbinden und ein tragfähiges Fundament für ihre Gemeinwesensarbeit schaffen. Die Vorbereitung auf die Berufs- und Arbeitswelt, Bildung und Weiterbildung, sind entscheidende Entwicklungsfaktoren für den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel.“ (Zukunftsmanifest der Stadt Ulm 1999, zitiert nach: Stadt Ulm 2000, GD 289/00, Anlage 1, S. 1). In den Jahren 2006 und 2007 wurden die bisherigen Entwicklungen der „Bildungsoffensive“ untersucht. Da eine Evaluation bei der Gründung der „Bildungsoffensive“ im Jahr 2000 jedoch noch nicht angelegt wurde, konnten Wirkungen im strengen Sinne für den Zeitraum von 2000 bis 2006 nicht erfasst werden. Das Evaluationsprojekt wurde daher als Querschnittsstudie konzipiert, deren Ziel es war, die gesamte inhaltliche Breite und Komplexität der kommunalen Initiative in den Blick zu nehmen. Damit ist die vorliegende Untersuchung auch von einem kommunalen Bildungsbericht abzugrenzen, wie ihn beispielsweise die Städte Ravensburg, Freiburg und Dortmund vorlegten. Während diese Bildungsberichte anhand regelmäßig erhobener statistischer Daten einen quantitativen Überblick über Bildungseinrichtungen und Entwicklungen vor Ort geben, setzte die Evaluation der Bildungsoffensive ihren Schwerpunkt auf Einblicke, wie die Bildungsoffensive in den verschiedenen Bereichen wahrgenommen wurde und warum, sowie auf Hinweise für deren Weiterentwicklung (vgl. Kucharz u.a. 2009, S. 7). Kennzeichnend für das Forschungsdesign des Evaluationsprojekts waren die Kombination unterschiedlicher methodischer Verfahren (z.B. Dokumentenanalyse, standardisierte schriftliche Befragung, qualitative Interviews), eine multiperspektivische Betrachtungsweise (z.B. Sichtweise von Lehrkräften, von Erziehern und Erzieherinnen, von Eltern, von Schülerinnen und Schülern, von Schulleitungen und Leitungen der Kindertageseinrichtungen und von Vertretern der Stadtverwaltung) und die Vertiefung von drei inhaltlichen Schwerpunkten entlang der Bildungsbiografien von Kindern und Jugendlichen: vorschulische Bildung, Ganztagsschule und Übergang Schule – berufliche Ausbildung (vgl. Kucharz u.a. 2009, S. 6f). Zum Aufbau der Arbeit Das folgende Kapitel (Kapitel zwei) greift das Thema der Bildungslandschaft auf und analysiert zunächst verschiedene Entwicklungsansätze im Hinblick auf ihre Besonderheiten und Gemeinsamkeiten. Anhand der hier abgeleiteten Leitgedan-
Einleitung
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ken wird die Bildungslandschaft in der pädagogischen und bildungspolitischen Diskussion verortet und es werden empirische Ergebnisse zu verschiedenen kommunalen und regionalen Initiativen dargestellt. Das dritte Kapitel widmet sich dem Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung. Es beleuchtet Theorieansätze unterschiedlicher Disziplinen zum Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung und in Erwerbstätigkeit bzw. von der Jugend in den Erwachsenenstatus und stellt anhand aktueller Studien die Situation von Jugendlichen am Übergang in die Ausbildung dar. Dabei wird zunächst der Erfolg bzw. Misserfolg einzelner gesellschaftlicher Gruppen betrachtet. Im Anschluss daran werden Umwege und Sackgassen auf dem Weg in Ausbildung beleuchtet. Auch die subjektive Sicht von Jugendlichen auf Übergänge kommt zur Sprache. Nicht berücksichtigt wird im Rahmen der Arbeit der Übergang von der Ausbildung in Beschäftigung, wenngleich sich auch hier in den vergangenen Jahren zunehmend Schwierigkeiten zeigten (vgl. Hillmert 2006, S. 10; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 180). Eine Zusammenführung der beiden Themenkomplexe findet im vierten Kapitel statt, das die Gestaltung von Übergängen thematisiert. Hier wird entlang der Bildungsbiografien der Jugendlichen zunächst die Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen betrachtet, dann die Berufsvorbereitung an beruflichen Schulen. Dabei wird deutlich, dass dem jeweiligen Kontext, beispielsweise der einzelnen Schule und dem Engagement sowie der Kooperation der beteiligten Akteure, eine wichtige Bedeutung zukommt. Im dritten Abschnitt werden daher regionale bzw. kommunale Initiativen zur Gestaltung von Übergängen betrachtet und es werden erste empirische Ergebnisse aufgezeigt. Das fünfte Kapitel führt die zentralen Ergebnisse des ersten Teils zusammen und skizziert einen Rahmen für die Untersuchung des Übergangs von der Schule in die berufliche Ausbildung im Kontext kommunaler bzw. regionaler Bildungslandschaften. Der zweite Teil der Arbeit dokumentiert die Untersuchung des Übergangs von der Schule in die berufliche Ausbildung, die im Rahmen der Evaluation der „Bildungsoffensive Ulm“ durchgeführt wurde. Zentrale Frage der Untersuchung war, inwiefern es der Stadt Ulm im Rahmen der Bildungsoffensive bereits gelingt, Jugendliche, insbesondere Jugendliche mit Hauptschulbildung, am Übergang in Ausbildung gezielt zu unterstützen bzw. welche Entwicklungsmöglichkeiten die „Bildungsoffensive“ als Bildungslandschaft im Hinblick auf eine verbesserte Förderung und Unterstützung bieten kann. Kapitel sechs beschreibt den Kontext der empirischen Untersuchung, die Stadt Ulm und ihre Bildungsoffensive, und stellt Vorüberlegungen zum Aufbau der Untersuchung an. Kapitel sieben skizziert das methodische Design der For-
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schungsarbeit im Überblick, das in den Kapiteln acht und neun dann ausführlich beschrieben und begründet wird. Dabei wird der Ebene des subjektiven Erlebens ein hoher Stellenwert eingeräumt. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in Kapitel zehn dargestellt. Im Schlusskapitel (Kapitel elf) werden die Ergebnisse abschließend zusammengefasst und diskutiert. Darüber hinaus werden Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Bildungsoffensive Ulm bzw. zur Gestaltung von Übergängen im Kontext kommunaler Bildungslandschaften abgeleitet.
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Der Begriff der Bildungslandschaft ist in der bildungspolitischen Debatte ebenso schillernd wie aktuell (vgl. Kahl 2007, S. 5). Unter dem Anspruch bessere Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen zu schaffen und in Sorge um einen ausreichend qualifizierten Fachkräftenachwuchs für die Wirtschaft, entstanden in den vergangenen Jahren immer häufiger regionale und kommunale Initiativen zur Bewältigung aktueller Herausforderungen der Bildungspolitik. Diese werden im Folgenden unter dem Begriff der Bildungslandschaften ausführlicher betrachtet. Ausgehend von in der Praxis entwickelten Ansätzen werden zunächst gemeinsame Elemente solcher Bildungslandschaften identifiziert und zu einer Definition verdichtet (vgl. 2.1). Anhand der hier herausgearbeiteten Leitgedanken werden im Anschluss Bezugspunkte einer Theorie der Bildungslandschaft skizziert (vgl. 2.2). Schließlich werden die bislang vorliegenden empirischen Ergebnisse projektweise dargestellt und anhand der Leitgedanken zusammengeführt (vgl. 2.3). Nach einem kurzen Blick auf ähnliche Entwicklungen in den Niederlanden, Großbritannien, Schweden und Italien (vgl. 2.4) werden abschließend die wesentlichen Ergebnisse des Kapitels zusammengefasst (vgl. 2.5). 2.1 Begriff und Entstehung Während der Begriff der deutschen Bildungslandschaft weitgehend synonym für das gesamte institutionalisierte deutsche Bildungswesen steht, drückt der Zusatz regional, kommunal oder lokal mehr aus als eine Begrenzung des räumlichen Kontextes: Er ist Ausdruck eines neuen Verantwortungsbewusstseins, das Bildung stärker als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreift und das Kommunen ebenso wie andere gesellschaftliche Akteure dazu veranlasst, sich aktiv an der Gestaltung von Bildungsprozessen und Bildungsangeboten vor Ort zu beteiligen. Die im Folgenden dargestellten Projekte bzw. Programme zeigen solche Initiativen und Entwicklungsansätze, die sich bereits über einen längeren Zeitraum in der Praxis bewährt haben und die dabei, trotz unterschiedlicher Wege, perspektivisch sehr ähnliche Ziele verfolgen. Dabei wird auch deutlich, dass die hohe Bereitschaft der neuen Akteure in der Bildungspolitik an die Grenzen einer geC. Fink, Der Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung, DOI 10.1007/978-3-531-93208-8_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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setzlichen geregelten Zuständigkeit stößt: Gemeinden, Städte und Kreise sind als Schulträger zwar für die äußeren Schulangelegenheiten (z.B. Schulgebäude, Ausstattung der Schulen) verantwortlich, die inhaltliche Gestaltung, beispielsweise von Bildungsplänen und Fortbildungsprogrammen, obliegt jedoch der staatlichen Schulaufsicht. 2.1.1 Entwicklungsansätze Derzeit werden zwei idealtypische Varianten der Entwicklung von Bildungslandschaften unterschieden: eine „schulzentrierte“ und eine „kooperationszentrierte“ Entwicklungsvariante (vgl. Stolz 2007a). Beide werden im Folgenden dargestellt und mit dem Programm der „Lernenden Regionen“ (vgl. BMBF 2008e) um einen dritten Ansatz ergänzt, der über die Bildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen hinausgeht und mit dem Lebenslangen Lernen die (Weiter-)Bildung aller gesellschaftlichen Gruppen fokussiert. Von der Einzelschule über die regionale Schullandschaft zur Regionalen Bildungslandschaft: die schulzentrierte Entwicklungsvariante Im Zentrum der schulzentrierten Entwicklungsvariante (vgl. Stolz 2007a) stehen die in Entwicklungsprozesse eingebundenen Schulen. Ihre herausragende Stellung wird dabei durch ihre gesetzliche Verankerung und ihren verpflichtenden Charakter begründet; sie ermöglichen es, alle Kinder und Jugendlichen einer Region zu erreichen (vgl. Lohre 2005; Lohre u.a. 2008, S. 24). Beispielhaft für diesen Ansatz stehen die von der Bertelsmann Stiftung und dem Land Nordrhein-Westfalen initiierten Projekte „Schule & Co“ (1997–2002) bzw. „Selbstständige Schule“ (2002–2008), sowie die in anderen Bundesländern in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung durchgeführten Projekte zum Aufbau Regionaler Bildungslandschaften.2 Den Projekten ist gemeinsam, dass jede einzelne teilnehmende Schule aufgefordert ist, die Qualität ihrer Arbeit durch Schulentwicklung zu verbessern und sich mit anderen Schulen zu einer regionalen Schullandschaft zu vernetzen. Aus dieser Schullandschaft soll, so die Projektidee, durch die Gewinnung weiterer Kooperationspartner vor Ort schließlich die Regionale Bildungslandschaft entstehen. Der Weg über die Entwicklung der Einzelschulen und die regionale Schullandschaft wird dabei wie folgt begründet: „Gelingt es in einer Region nicht, das Schulangebot vor Ort zu einem 2
Darunter zwei Regionen in Baden-Württemberg: Freiburg (2005 – 2008); Ravensburg (2006 – 2008) (vgl. Stern u.a. 2008).
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inhaltlichen-pädagogischen Ganzen auszubauen, d. h. gelingt es nicht, insbesondere die Anschlussfähigkeit zwischen den verschiedenen Schulformen herzustellen und Lernkompetenzzuwächse bei den Kindern und Jugendlichen kontinuierlich und möglichst bruchlos zu erzeugen, wird es auch nicht gelingen, ein kohärentes Bildungswesen unter Einschluss der anderen Akteure vor Ort aufzubauen.“ (Lohre u.a. 2008, S. 24) Regionalisierung wird damit als Voraussetzung und Ziel zugleich verstanden: Voraussetzung, weil davon ausgegangen wird, dass die Einzelschulen in diesem Prozess auf regionale Unterstützungs- und Beratungsstrukturen angewiesen sind; Ziel, weil eine zunehmende Vernetzung der Schulen und schließlich auch anderer Bildungseinrichtungen angestrebt wird (vgl. Lohre u.a. 2008, S. 10f). Zur besseren Unterstützung der Schulentwicklungsprozesse durch Fortbildungskonzepte, Schulentwicklungsberater, schulübergreifende Workshops und Regionalkonferenzen (vgl. Stern u.a. 2008) wurden in den Projekten neue Strukturen auf regionaler Ebene geschaffen: darunter eine Steuergruppe aus Vertretern der Schulen, der Schulaufsicht und der Schulträger, ein Bildungsbüro als Ansprechpartner und „Dienstleister“ für die Schulen bzw. Bildungsinstitutionen und ein Entwicklungsfonds (vgl. Lohre u.a. 2008, S. 100f). Als besonders bedeutsam wurde dabei die Etablierung neuer Steuerungsformen auf der Basis einer „staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft“ (vgl. u.a. Stern u.a. 2008, S. 9; Schönstein 2008, S. 52) hervorgehoben. Das heißt, „Schulträger und Schulaufsicht treten in neue Kooperationen, um einen größtmöglichen Bildungserfolg für alle Kinder und Jugendlichen in ihrer Region sicherzustellen“ (Schönstein 2008, S. 52). In der Praxis bedeutete das, dass regionale Entscheidungen im Rahmen der Projekte von der Schulaufsicht und den Schulträgern im Konsens getroffen wurden und dass gleichzeitig den Einzelschulen ein erweiterter Entscheidungsspielraum zugestanden wurde (vgl. Schönstein 2008). Lokale Bildungslandschaften in Kooperation von Schule und Jugendhilfe: die kooperationszentrierte Entwicklungsvariante Im Zentrum der kooperationszentrierten Entwicklungsvariante steht die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe im kommunalen Raum (vgl. Stolz 2007a). Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) beschreibt solche kooperationszentrierten Konzepte kommunaler Jugend- und Bildungspolitik unter dem Begriff der „Lokalen Bildungslandschaft“. Dabei wird Bildung als kommunale Gestaltungsaufgabe verstanden, durch die versucht wird, „Kindern und Jugendlichen im kommunalen Raum bessere Bedingungen und vielfältige Gelegenheiten für ihre Bil-
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dung zu bieten“ (Mack u. a. 2006, S. 7; vgl. auch Mack 2007, S. 31). Hintergrund der kommunalen Anstrengungen ist dabei meist die Überzeugung, dass gute Bildungsbedingungen einen Standortvorteil verschaffen, sowohl hinsichtlich der Ansiedlung von Unternehmen als auch hinsichtlich des demografischen Wandels (vgl. Mack 2007, S. 31). Als konkreten Auslöser bzw. Katalysator für den Aufbau solcher Bildungslandschaften sehen Mack u.a. (2006; vgl. auch Mack 2007) in vielen Kommunen den Ausbau der Ganztagsschulen, der eine verstärkte Kooperation von Schule und Jugendhilfe erforderlich machen und vielerorts dazu führen, dass die Kommunen Aufgaben übernehmen, die über ihre Schulträgerschaft hinaus gehen. Auch das Konzept der Sozialraumorientierung in der Jugendhilfe und die Diskussion um den erweiterten Bildungsbegriff des Zwölften Kinder- und Jugendberichts tragen zu einer veränderten Wahrnehmung von Bildungsprozessen im kommunalen Raum bei. Dabei rückt verstärkt das Zusammenspiel verschiedener, sowohl formaler als auch informeller Lernorte und -gelegenheiten in den Blickpunkt (vgl. Mack 2007, S. 18). Die Schaffung einer integrierten Infrastruktur für Bildung im kommunalen Raum steht damit im Zentrum der Lokalen Bildungslandschaft, für die die Kooperation von Schule und Jugendhilfe Strategie und Bedingung zugleich ist. Im Kontext solcher Aushandlungs- und Kooperationsprozesse erhoben Kommunen in letzter Zeit immer wieder die Forderung nach einer Kommunalisierung von Schulen, die sie mit einer besseren Verzahnung der Bereiche des zersplitterten Bildungswesens, der Vermeidung von Reibungsverlusten und einem effektiveren und effizienteren Einsatz der Ressourcen begründeten (z.B. Celler Thesen zur kommunalen Bildungspolitik; vgl. Niedersächsischer Städtetag 2007). Eine einheitliche Trägerstruktur führe, so die Celler Thesen, zu einer besseren Vernetzung der Schule mit ihrem kommunalen Umfeld und zu einer echten Integration des Schulwesens in die kommunale Selbstverwaltung. Dies käme letztlich den Schulen und den Schülerinnen und Schülern zu Gute. (vgl. Niedersächsischer Städtetag, S. 12) Ungeachtet der bildungspolitischen Frage einer Kommunalisierung von Schulen können mit Stolz (2007a) vier Dimensionen einer so verstandenen Lokalen Bildungslandschaft beschrieben werden (vgl. Stolz 2007a; auch Deutsches Jugendinstitut 2008):
Eine integrierte lokale Fachplanung ermöglicht die Kooperation von Schule und Jugendhilfe (Planungsdimension). Durch die Konstitution öffentlich verantworteter, partizipativ orientierter Bildungsnetzwerke können vielfältige einrichtungsübergreifende Angebote gemacht werden (zivilgesellschaftliche Dimension).
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Anregende Lern- und Lebensumgebungen werden als Gelegenheitsstrukturen informellen Lernens betrachtet. Zu diesem Zweck werden Schulgelände, Quartier und der kommunale Raum als Ganzes so gestaltet, dass sie selbstbestimmte und kreative Aneignungsformen zulassen (Aneignungsdimension). Inter-institutionell koordinierte Fortbildungsprogramme für Leitungs- und Fachkräfte ermöglichen die flächendeckende Fortbildung von Praxistandems (Professionsdimension).
Die Bildungslandschaft als regionales Bildungsnetzwerk für lebenslanges Lernen: ein netzwerkorientierter Ansatz Das im Jahr 2000 ins Leben gerufene Programm der Bundesregierung „Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken“ stellt das lebenslange Lernen in den Mittelpunkt. Dabei geht es von der Annahme aus, dass insbesondere auf der Ebene der Regionen ein wichtiger Beitrag zur Verwirklichung der Idee des lebenslangen Lernens geleistet werden kann. Das Programm der „Lernenden Regionen“ verfolgt damit einen dezentralen Ansatz, der es jedem Netzwerk ermöglichen soll, sich möglichst optimal auf die Situation vor Ort einzustellen. (vgl. BMBF 2008e, S. 6) Der Zusammenhang von Region und Bildung lässt sich dabei auf zweierlei Weise beschreiben: Zum einen wird die räumliche Struktur zur lernenden Struktur (lernende Region) zum anderen findet Lernen immer im Kontext einer räumlichen Gegebenheit statt (lernen in der Region). In Bezug auf die Festlegung der Region wird mit Minderop/Solzbacher (2007) eine Offenheit für situativ und geografisch sinnvolle Abgrenzungen vorgeschlagen. (vgl. Tippelt u.a. 2009b, S. 32) Zentral für die „Lernende Region“ ist die Idee des Netzwerks. Es wird als „moderne Organisationsform“ eingeschätzt, die es ermöglicht, sowohl den Herausforderungen der Globalisierung als auch der Regionalisierung zu begegnen: „Es bietet eine flexible Kooperationsebene für Partnerschaften zwischen den regional wichtigen Akteuren in den zentralen Handlungsfeldern der Bildung, Politik, Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Kultur und Gesellschaft.“ (BMBF o.J.) Als relevante Akteure der regionalen Bildungsnetzwerke gelten neben Akteuren aus dem Bildungsbereich solche aus Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Verwaltung, Kultur und Politik (vgl. BMBF o.J.). Im Hinblick auf Schulen im Netzwerk wird auf deren besondere Stellung angesichts der staatlichen Schulaufsicht verwiesen und ihr Spielraum, sich in regionale Initiativen einzubringen, kritisch eingeschätzt (vgl. Forschungskonsortium Lernende Regionen 2004, S. 16).
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Mit der zentralen Idee des lebenslangen Lernens geht das Programm über die Bildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen hinaus. Auch der Begriff der „Bildungslandschaft“ wird nur selten verwendet. Zienert (2007) spricht von der „Lernenden Region“ als „integrierter Bildungslandschaft“ bzw. als „Bildungslandschaft für lebenslange Lernprozesse“ (Zienert 2007, S. 35; 38), häufiger wird von „regionalen Bildungsnetzwerken“ (vgl. u.a. BMBF o.J.) gesprochen. 2.1.2 Zwischenfazit und Definition Der Vergleich der oben dargestellten Ansätze zeigt aufgrund der Fokussierung auf Kinder und Jugendliche zunächst eine größere Nähe von schul- zentrierter und kooperationszentrierter Entwicklungsvariante. Davon unterscheidet sich die Idee der „Lernenden Region“, da sie das Lebenslange Lernen in den Mittelpunkt stellt und sich damit an alle Menschen in der Region wendet. Trotz der unterschiedlichen Entwicklungswege liegen den Ansätzen aber gemeinsame Ideen zugrunde, die sich schlagwortartig in zwei Leitgedanken zusammenfassen lassen: Leitidee „Aufbau von Vernetzungsstrukturen“ Alle Ansätze gehen davon aus, dass Bildungslandschaften im Zusammenwirken ganz unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteure entstehen. Dabei wird der Aufbau von Vernetzungsstrukturen als zentrale Strategie für die Zusammenarbeit und Steuerung der Bildungslandschaft erachtet.3 Schule ist aus dieser Perspektive „kein losgelöster, unangefochtener Eigenraum mehr“ (Knauer 2007, S. 12). Während den Schulen im schulzentrierten und im kooperationszentrierten Ansatz jedoch eine zentrale Stellung im Netzwerk und damit in der Bildungslandschaft zukommt, sind sie in den „Lernenden Regionen“ mögliche, wenn auch besondere (Schulaufsicht!) Netzwerkpartner neben anderen.
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Während Minderop und Solzbacher von Netzwerken als einer „mögliche[n] Entwicklungsstufe auf dem Weg zur regionalen Bildungslandschaft“ (Minderop/Solzbacher 2007, S. 4), wird das Netzwerk hier eher als „Strategie“ verstanden.
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Leitidee „Orientierung an den Bildungsbiografien der Lernenden“ Alle Ansätze stellen die Lernenden mit ihren individuellen Biografien in den Mittelpunkt. Während die schul- und die kooperationszentrierte Entwicklungsvariante (vgl. Stolz 2007a) dabei die Kinder und Jugendlichen in den Vordergrund stellen, geht es in der „Lernenden Region“ um lebenslanges Lernen bzw. um die Bildungsbiografien aller Bürgerinnen und Bürger. Mit der Orientierung an den individuellen Bildungsbiografien wird in allen Ansätzen außerdem die Bedeutung von Übergängen im Bildungssystem hervorgehoben, die sowohl zwischen Bildungseinrichtungen (z.B. Grundschule – Sekundarschule, Sekundarschule – Berufliche Schule) als auch zwischen Bildungsbereichen (formal, informell) stattfinden und die den Aufbau möglichst passgenauer Bildungs- und Beratungsangebote erfordern. Definition Die Ausrichtung an den oben beschriebenen Leitgedanken wird im Folgenden als konstitutiv für den Aufbau einer Bildungslandschaft gesehen. Dabei geht die Bildungslandschaft über Kooperationsverbünde und Netzwerke hinaus: sie zeichnet sich durch ihre regionale Zielsetzung, den gemeinsamen Entwicklungsprozess aller Beteiligten und ihre „weitergehende, systematischere und stärker organisierte oder gar ‚verrechtlichte’ Form“ aus (vgl. Minderop/Solzbacher 2007, S. 4). Während Bildungslandschaften prinzipiell als offen für lebenslanges Lernen verstanden werden, wird im Folgenden ein Schwerpunkt auf dem Bereich der Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche gelegt. Damit sind perspektivisch alle Bildungseinrichtungen entlang der Biografien der Kinder und Jugendlichen in die Bildungslandschaft einbezogen (vgl. Minderop/Solzbacher 2007, S. 4) – sowohl im formellen als auch im informellen Bildungsbereich (vgl. Mack 2007). Als verpflichtenden Bildungseinrichtungen entlang der Biografien der Kinder und Jugendlichen kommt den Schulen in der Bildungslandschaft eine zentrale Bedeutung zu. Aufgrund ihrer besonderen rechtlichen Stellung wird jedoch davon ausgegangen, dass der systematische Einbezug der Schulen eine darauf ausgerichtete Steuerung der Bildungslandschaft erfordert – beispielsweise eine stärkere kommunale Verantwortung für die Schulen (vgl. die Forderung der Celler Thesen; Niedersächsischer Städtetag 2007) oder eine verstärkte und systematische Kooperation von Schulträgern und Schulaufsicht (vgl. die Steuerung im Projekt „Selbstständige Schulen; Lohre u.a. 2008).
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Regional, lokal, kommunal oder integriert? Der Begriff der Bildungslandschaft wird häufig durch die Attribute lokal (vgl. u.a. Mack u.a. 2006; 2007; Maykus 2007; Stolz 2007a), regional (vgl. u.a. Lohre u.a. 2006; 2008; Lehmpfuhl/Pfeiffer 2008), kommunal (vgl. u.a. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 2007) oder integriert (vgl. u.a. Baumheier/Warsewa 2007; Zienert 2007) näher bestimmt:4
Der Begriff der „Regionalen Bildungslandschaft“ wird häufig in Zusammenhang mit den schulzentrierten Ansätzen der Bertelsmann Stiftung verwendet (vgl. 2.1.1). Projektunabhängig bezeichnet das Adjektiv „regional“ eine Bildungslandschaft, die in ihren Grenzen nicht definitiv festgelegt ist, sondern ihre Aufgabe vor allem in der „Ausbalancierung der Verantwortlichkeiten zwischen Schulen, Land und Kommunen“ sieht (vgl. Minderop/Solzbacher 2007, S. 7).5 Der Begriff der „Lokalen Bildungslandschaft“ steht häufig in Verbindung mit den vom Deutschen Jugendinstitut beschriebenen kooperationszentrierten Ansätzen (vgl. 0) und bezeichnet Ansätze kommunaler Jugend- bzw. Bildungspolitik, bei denen die kommunale Verwaltung und Politik zentraler Akteur ist (vgl. Mack 2007, S. 16). Gezielt an Kommunen wendet sich auch das Papier des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. (2007). Hier wird mit Bezug auf den kommunalen Raum jedoch vom Aufbau „kommunaler Bildungslandschaften“ gesprochen (vgl. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. 2007). Der Zusatz integriert bezieht sich bei Baumheier und Warsewa (2007, S. 78) auf die Einbindung von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen in ein „stadtteil- und quartiersorientiertes Netzwerk“.
2.2 Bezugspunkte einer Theorie der Bildungslandschaft Die Entstehung aus der Praxis kann maßgeblich dafür verantwortlich gemacht werden, dass eine eigenständige Theorie der Bildungslandschaft bislang nicht vorliegt. Ausgehend von den Leitgedanken Aufbau von Vernetzungsstrukturen 4
Im Zusammenhang mit einem spezifischen Projekt werden die Attribute regional bzw. lokal groß geschrieben (vgl. auch 2.1.1). Geht es um eine projektunabhängige Charakterisierung, scheint die Kleinschreibung dagegen eher angebracht. 5 Minderop und Solzbacher (vgl. 2007, S. 7) charakterisieren den Begriff der Region dabei als „offen für situativ und geografisch sinnvolle räumliche Abgrenzungen“, der auch in anderen Handlungsfeldern (z.B. Raumordnungspolitik, Wirtschaft) von Bedeutung ist.
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und Orientierung an den Bildungsbiografien der Lernenden werden daher im Folgenden verschiedene Bezugspunkte einer Theorie der Bildungslandschaft skizziert: 1.
2.
3.
Bildungslandschaften auf der Grundlage von Netzwerken sind nur denkbar, wenn die Steuerung nicht ausschließlich vom Staat ausgeht. Im Blick auf veränderte Steuerungskonzepte können daher sowohl die Netzwerkforschung als auch die Governanceforschung Bezugspunkte einer Theorie der Bildungslandschaft sein (vgl. 2.2.1). Bildungslandschaften rücken Kinder bzw. Jugendliche und ihre Bildungsbiografien ins Zentrum der gemeinsamen Arbeit. Hier deutet sich eine Verbindung zur Bildungsgangforschung ebenso an wie zum Diskurs um einen erweiterten Bildungsbegriff und einen stärkeren Lebensweltbezug schulischen Lernens (vgl. 2.2.2). Schulen sind als zentrale Elemente der Bildungslandschaft aufgefordert, sich mit anderen Schulen und Partnern zu vernetzen und auf eine veränderte Zeitstruktur (Ganztagsschule) zu reagieren. Dabei scheinen (gezielte) Schulentwicklungsprozesse unerlässlich. Insbesondere der schulzentrierte Ansatz, setzt explizit auf Schulentwicklungsprozesse zur Verbesserung der Qualität schulischer Arbeit (vgl. 2.2.3).
2.2.1 Veränderte Steuerungskonzepte im Bildungsbereich: Governanceforschung und Netzwerkforschung Die Steuerung im Bildungsbereich ging bislang fast ausschließlich vom Staat aus und war von einer Differenz zwischen dem ‚Steuerungssubjekt’ (Staat) und den ‚Steuerungsobjekten’ (z.B. Lehrerinnen und Lehrer) gekennzeichnet. Dies führte bzw. führt regelmäßig zu Problemen bei der Implementierung neuer Inhalte, Methoden und Konzepte. (vgl. Kussau/Brüsemeister 2007a, S. 23) Angesichts der großen Herausforderungen im Bildungsbereich richtet sich der Blick daher auf die Entwicklung neuer Formen der Steuerung, die verstärkt das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit berücksichtigen und dieses neu gestalten.
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Governanceforschung Aus Sicht der Educational Governanceforschung werden im Hinblick auf die Steuerung im Bildungswesen aktuell folgende Entwicklungen beschrieben (vgl. Kussau/Brüsemeister 2007a, S. 42):
Die staatliche Detailsteuerung wird zugunsten einer erweiterten Autonomie von Bildungseinrichtungen reduziert; gleichzeitig gibt der Staat durch Bildungsstandards substanzielle Außenziele vor. Teamorientierte Formen lösen zunehmend individual-professionelle Strukturen im Lehrerberuf ab. Leitungspositionen werden gestärkt. Innerhalb gewisser Grenzen werden Wettbewerbselemente eingeführt.
Brüsemeister (2007) sieht in diesem Prozess eine Entwicklung der schulischen Steuerung hin zu einer Governance-Konzeption, in der „nicht einseitig auf den Staat oder den Markt gesetzt“ wird, „sondern auf die Abstimmung zwischen unterschiedlichen Ebenen und Akteuren: von der Bildungsadministration, über kommunale Behörden, die Lehrerprofession, bis zu privatwirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren“ (Brüsemeister 2007, S. 141). Schulische Steuerung im Sinne einer Governance-Konzeption umfasst daher mehr als die Umsetzung und Abstimmung einzelner Maßnahmen. Im Vordergrund steht die Koordination von Akteuren mit unterschiedlichen Handlungslogiken auf verschiedenen Ebenen des Schulsystems, die gemeinsam am Ziel der Bildung von Kindern und Jugendlichen arbeiten (vgl. Brüsemeister 2007, S. 143). Während sich aus diesem veränderten Bild von Steuerung neue Aufgaben, aber auch neue Gestaltungsmöglichkeiten ergeben, bewegen sich die unterschiedlichen Handlungslogiken unterworfenen Akteure gleichzeitig in einem „in vielen Bereichen rechtlich und organisatorisch ungeklärten Raum“ (Minderop/Solzbacher 2007, S. 5). Die Ähnlichkeit von Bildungslandschaften mit Governance-Mustern beschreibt Fürst (2004) am Beispiel der „Regionalen Bildungslandschaften“ im Projekt „Selbstständige Schulen“ (z.B. Integration regionaler Akteure, „Promotoren“, organisatorischer Kern). Gleichzeitig sieht er anhand dieses Beispiels noch einen deutlichen Entwicklungsweg zur Verwirklichung „echter“ Governance-Formen. Als wichtige Schritte nennt er unter anderem eine stärkere Fokussierung der Selbststeuerung, eine Erweiterung des Akteurskreises und eine intensivere „Evolutionsdynamik“ (z.B. über regionale Diskurse zu Leitbildern). (vgl. Fürst 2004)
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Netzwerkforschung Arbeitet eine Vielzahl von Akteuren auf der Basis von abgestimmten Strategien und zur Durchsetzung gemeinsamer Ziele zusammen, wird von einem Netzwerk gesprochen. Netzwerke stellen die Autonomie der Partner nicht in Frage und sind häufig weniger stark formalisiert als die Institutionen aus denen sie sich zusammensetzen. (vgl. Minderop/Solzbacher 2007, S. 4f; Tippelt u.a. 2009b, S. 28) Im Unterschied zu anderen, häufig weniger verbindlichen Beziehungsgeflechten, verfügen Netzwerke über ein Mindestmaß an Dauerhaftigkeit, Belastbarkeit und akteursübergreifenden kollektiven Strukturen (vgl. Tippelt u.a. 2009b, S. 28f). Auch im Bildungsbereich lässt sich angesichts der Herausforderungen eine gewachsene Bedeutung von Netzwerken feststellen (vgl. Dedering 2007, S. 40), die als „ideale Antwort auf aktuell wichtige Fragen“ (Minderop/Solzbacher 2007, S. 5) erscheinen: Sie bündeln Kompetenzen und Ressourcen, „um gemeinsam Ziele zu erreichen, mit denen jeder Partner für sich allein überfordert wäre.“ (Minderop/Solzbacher 2007, S. 3; auch Tippelt u.a. 2009b, S. 31) Dabei ist die Zusammenarbeit im Netzwerk nach Baitsch und Müller (2001) und Tippelt (2005) von verschiedenen Faktoren abhängig (vgl. Tippelt u.a. 2009b, S. 30f): darunter die Identifikation der Beteiligten mit dem Netzwerk, dauerhafte und tragfähige Kommunikationsstrukturen, die Orientierung der Aktivitäten an gemeinsamen Zielen, die Herausbildung von Regeln und Routinen der Netzwerkorganisation, aber auch der Konfliktbewältigung und die Stabilität über einen längeren Zeitraum. Bereits im Abschnitt 2.1.2 wurden Netzwerke als konstitutiver Teil von Bildungslandschaften herausgearbeitet. Im Hinblick auf die Autonomie der einzelnen Partner (z.B. Schulen) wird aber deutlich, dass es hier Unterschiede gibt, die in der Netzwerkorganisation berücksichtigt werden müssen bzw. die dazu führen, dass Bildungslandschaften mehr sind als Netzwerke gleichberechtigter Partner. 2.2.2 Bildungsbiografien im Mittelpunkt: Bildungsgangforschung, erweiterter Bildungsbegriff, Sozialraum- und Lebensweltorientierung Die Perspektive der Bildungsgangforschung Ausgangspunkt der Bildungsgangforschung ist die Erfahrung, „dass Schüler und Lehrer zwar sehr viel Mühe aufwenden, um den jeweiligen Unterrichtsstoff zu lehren, zu lernen und zu verstehen, dass jedoch ein großer Teil dieser Anstren-
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gungen vergeblich bleibt und oftmals nur die ‚Oberfläche’ des lernenden Menschen erreicht“ (Hericks 1998, S. 173). Eine am Bildungsgang der Schüler orientierte Gestaltung schulischer Lernprozesse bezieht Lernen daher auf den Entwicklungsprozess des Einzelnen und betrachtet ihn „in Relation zu allgemeinen oder typischen Entwicklungsaufgaben“ (Bastian u.a. 2007, S. 30; vgl. auch Hericks 1998, S. 178f). Im Kontext der Institution Schule berücksichtigt die Bildungsgangforschung daher drei Aspekte: (1) die Perspektive der Schüler, (2) die biografische Dimension des Lernens, verstanden als Einbettung von Lernprozesse in einen längerfristigen lebensgeschichtlichen Kontext und (3) das Spannungsverhältnis zwischen objektiven, beispielsweise gesellschaftlichen Anforderungen und der subjektiven individuellen Auseinandersetzung des Lernenden mit eben diesen Anforderungen (vgl. Koller 2008, S. 7). Dabei steht vor allem die Frage im Zentrum, „in welcher Weise und unter welchen Bedingungen Schülerinnen und Schüler den Inhalten und Formen schulischen Unterrichts biografisch bedeutsamen Sinn zuschreiben“ (Koller 2008, S. 7). Damit geht es aus der Perspektive des bildungsgangspezifischen Forschungsparadigmas einerseits um die Einmaligkeit und Individualität von Bildungsbiografien im Sinne schulischer Lerngeschichten, andererseits wird aber auch die Normiertheit von Bildungslaufbahnen thematisiert, die durch die Möglichkeiten, Zugangsregelungen und Zwänge im (lokalen) Schulsystem offen und beschränkt zugleich sind (vgl. Bastian u.a. 2007, S. 30). Ausgehend vom Leitgedanken der Orientierung an den Bildungsbiografien der Lernenden (vgl. 0) zeigt sich die Bildungsgangforschung für die Bildungslandschaft damit in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Zum einen bei der Frage, wie Lernumgebungen innerhalb von Bildungseinrichtungen strukturiert werden können, damit an der Biografie von Kindern und Jugendlichen ausgerichtete Lernprozesse möglichst optimal gefördert werden. Zum anderen verweist die Thematik der Bildungsgangforschung auf die Bedeutung der Übergänge im Bildungssystem und die Frage, wie die einzelnen Bildungseinrichtungen des lokalen Schulsystems miteinander vernetzt sein müssen, damit möglichst bruchlose Übergänge im Interesse der Kinder und Jugendlichen gelingen können. Die Diskussion um einen erweiterten Bildungsbegriff An die Perspektive der Bildungsgangforschung, die die individuellen Lerngeschichten der Kinder und Jugendlichen in den Mittelpunkt stellt, schließt sich die Frage nach einem Bildungsbegriff an, der sich nicht ausschließlich auf formales schulisches Lernen bezieht, sondern offen für subjektiv bedeutsame Lernprozesse ist. Anhaltspunkte hierfür bietet der erweiterte Bildungsbegriff des Zwölften
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Kinder- und Jugendberichts, der neben formellen schulischen Lernprozessen auch informelles Lernen außerhalb der Schule, in der Jugendarbeit oder in der Familie, einschließt (vgl. u.a. Mack 2007) und damit den Blick über die Institution Schule hinaus öffnet. Im Kontext der Bildungslandschaft stellt sich damit die Frage, wie formelle und informelle Bildungsprozesse bzw. die entsprechenden Bildungsinstitutionen eingebunden werden können, sodass sich die Lerngeschichten der einzelnen Kinder und Jugendlichen positiv entwickeln können. Sozialraum- und Lebensweltorientierung Der Begriff der Lebenswelt ist seit Mitte der 1970er Jahre Teil des sozialwissenschaftlichen Sprachgebrauchs (vgl. Mack u.a. 2003, S. 39) und bezieht sich auf „Alltag und Alltäglichkeit von Handeln und Handlungsmustern und auf Milieus, also auf Fragen sozialkultureller Lebensführung und ihrer sozialräumlichen Verankerung“ (Mack u.a. 2003, S. 51). Dabei wird davon ausgegangen, dass unterschiedliche soziale Räume die Entwicklung bzw. die Chancen von Kindern und Jugendlichen unterschiedlich, positiv wie auch negativ, beeinflussen können (vgl. Mack 2007, S. 20). Mit sozialräumlichen Ansätzen wird daher insbesondere in der Jugendhilfe versucht, diese Unterschiede zu berücksichtigen (vgl. Mack 2007, S. 20f). Die Bildungslandschaft lenkt den Blick von der einzelnen Bildungsinstitution auf das gesamte Angebot vor Ort, das den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen – gerade auch im Hinblick auf ihre Verschiedenheit – gerecht werden will. Verstanden als Ort der Bildung, ist daher nach der Struktur des kommunalen Raums zu fragen bzw. nach den Möglichkeiten der Gestaltung des (kommunalen) Raums als Bildungsraum (vgl. Mack 2007, S. 23). Auf institutioneller Ebene sind hier insbesondere Schule und Jugendhilfe angesprochen, einen Beitrag zur Qualität dieses Bildungsraums zu leisten, indem sie stärker kooperieren und sich dabei mit ihren Angeboten auf den jeweiligen sozialräumlichen Kontext beziehen (vgl. Mack 2007, S. 23). 2.2.3 Schulentwicklungsforschung: Die Bedeutung der Einzelschule in der Bildungslandschaft Die Einzelschule als pädagogische Gestaltungsebene spielt seit Beginn der 1980er Jahre eine zentrale Rolle in der Weiterentwicklung bzw. Reform des Bildungswesens (vgl. Mack u.a. 2003, S. 25). Dazu trugen insbesondere die Studien von Fend bei, der zeigen konnte, dass sich einzelne Schulen derselben
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Schulform zum Teil stärker von einander unterscheiden als solche verschiedener Schulformen (vgl. Fend 1986). Aus dieser Erkenntnis entwickelte sich eine verstärkt mikropolitische Denkweise auf der Ebene der Einzelinstitution, die die bis in die 1970er Jahre vorherrschende Fokussierung von Reformmaßnahmen auf Systemebene ablöste (vgl. Rahm 2005, S. 32; Heinrich 2007, S. 15). Damit wurde die Schulentwicklung auf der Ebene der Einzelschule ab den 1980er-Jahren zu einer zentralen Größe der Reform des Bildungswesens (vgl. Mack u.a. 2003; Heinrich 2007). Verstanden als Trias von Organisationsentwicklung, Personalentwicklung und Unterrichtsentwicklung setzt eine systematische Schulentwicklung auf Einzelschulebene eine erweiterte Autonomie der Einzelschulen voraus, die es den einzelnen Einrichtungen ermöglicht, Ziele und Methoden ihrer Entwicklung innerhalb der Grenzen von Rahmenrichtlinien und im Hinblick auf ihre konkrete Situation selbst zu gestalten (vgl. Bastian 1998a; Rolff u.a. 2000; Mack u.a. 2003). Diese Autonomiediskussion wurde ab den 1980er und 1990er-Jahren jedoch durchaus kontrovers geführt: während einerseits Chancen einer Reform von unten gesehen wurden, zeigten sich andererseits Befürchtungen einer „Verschleierung von Ressourcenkürzungen“ (vgl. Bastian 1998a, S. 17), von Mehrarbeit, wachsender Ungleichheit und vermehrter Kontrolle durch zentrale Produktund Terminvorgaben der Kultusministerien (Bastian 1998a; kritisch zur Autonomiediskussion äußert sich auch Heinrich 2007). Dass Schulentwicklungsprozesse Veränderungsprozesse voranbringen können, konnte inzwischen anhand verschiedener Forschungsprojekte (z.B. Holtappels u.a. 2008a, Bohl 2005, Kucharz 2005) gezeigt werden. Dabei wurden sowohl Wirkungen auf der Ebene des Unterrichts (z.B. Holtappels u.a. 2008a; vgl. auch 2.3.1) als auch Veränderungen der „Schule als Ganzes“ (Bohl 2005, S. 95) festgestellt. Die Nähe zur Idee der Bildungslandschaft zeigt sich dabei sowohl auf der Ebene der untersuchten Schulentwicklungsprojekte, in denen sich meist mehrere Schulen in räumlicher Nähe gemeinsam auf einen Entwicklungsprozess einließen (z.B. Holtappels u.a. 2008a, Bohl 2005, Bastian/Rolff 2002), als auch auf theoretischer Ebene: Als zentrale Akteure der Bildungslandschaft sind insbesondere die Schulen aufgefordert, sich im Hinblick auf die Förderung der Bildungsprozesse aller Kinder und Jugendlichen zu entwickeln und ihre Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf die konkrete Situation Lebenswelt ihrer Schüler zu nutzen (vgl. dazu auch das Konzept einer Lebensweltbezogenen Schulentwicklung von Mack u.a. 2003, das mit der Thematisierung des Sozialraums und der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen einen besonders engen Bezug zur Bildungslandschaft weist).
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Gleichzeitig muss mit der Bildungslandschaft als neuer Steuerungseinheit im Bildungswesen aber auch die Frage nach der Autonomie der Einzelschule kritisch diskutiert werden. Zu klären wäre im Blick auf die verschiedenen Ansätze, inwiefern sich mit der zunehmenden Bedeutung der Kommune eine neue Steuerungsebene im Bildungswesen bildet, die im „Verteilungskampf um Autonomie“ (Heinrich 2007, S. 24) die neu entstandenen Handlungsspielraum der Schulen beschneiden kann bzw. inwiefern die Bildungslandschaft tatsächlich als Netzwerk verstanden wird, das von den Bildungseinrichtungen vor Ort in erster Linie als Unterstützungsstruktur im Hinblick auf eine möglichst optimale Ausrichtung an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen vor Ort wahrgenommen wird. Die aktuellen Entwicklungsansätze zeigen Anhaltspunkte für beide Positionen. 2.3 Empirische Ergebnisse Die Erforschung von Bildungslandschaften steht noch am Anfang. Mit der Veröffentlichung von Ergebnissen der wissenschaftlichen Begleitforschung einzelner Projekte (z.B. „Schule & Co“, „Selbstständige Schule“, „Lernende Regionen – Netzwerke gestalten“) erschienen in den vergangenen Jahren jedoch wichtige Forschungsberichte, die Hinweise zu Voraussetzungen, Bedingungen und Hemmnissen bei der Entwicklung von Bildungslandschaften geben und die daher als wichtige Eckpunkte auf dem Weg zu einer systematischen Erforschung von Bildungslandschaften bezeichnet werden können (vgl.2.3.1 bis 2.3.3). Von diesen Forschungsberichten zu unterscheiden sind die seit 2006 entstandenen kommunalen Bildungsberichte, die überwiegend auf statistischen Daten des Landes und der jeweiligen Stadt beruhen und für die nur teilweise weitergehende Untersuchungen durchgeführt wurden (vgl. 2.3.4).6 2.3.1 Schulzentrierte Entwicklungsvariante: Ergebnisse der Projekte „Schule & Co“ und „Selbstständige Schule“ Für die Projekte „Schule & Co“ und „Selbstständige Schule“, die ausgehend von der Entwicklung der Einzelschulen den Aufbau regionaler Bildungslandschaften anstrebten (vgl. 0), liegen Ergebnisse einer wissenschaftlichen Begleitforschung 6
Die Stadt München veröffentlichte 2006 als erste deutsche Stadt einen kommunalen Bildungsbericht (Stadt Dortmund 2008, S. 12). Auskunft über weitere kommunale Bildungsberichte gibt die Internetplattform „Deutscher Bildungsbericht“ (Online: URL: http://www.bildungsbericht.de/ zeigen. html?seite=7374 [Datum der Recherche: 23.09.2009]).
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vor. Im Folgenden interessieren insbesondere diejenigen Ergebnisse, die die Entwicklung regionaler Schul- bzw. Bildungslandschaften thematisieren. Das Projekt „Schule & Co“ Ziel des Projektes „Schule & Co“ war die „Entwicklung und Erprobung eines regionalen Schulentwicklungskonzeptes“ (Bastian/Rolff 2002, S. 30). Dabei kam der Region die Funktion einer Ressource für Unterstützungsleistungen zu, sodass nur von einer Annäherung an die Idee der Bildungslandschaft gesprochen werden konnte (vgl. Bastian/Rolff 2002, S. 22). Dies spiegelt sich auch in den Ergebnissen wider:7 Die Autoren der Studie konnten einerseits zeigen, dass das Projekt zur Unterrichtsentwicklung beigetragen hat (z.B. größere Vielfalt von Lernformen; vgl. Bastian/Rolff 2002, S. 30). Andererseits wurde deutlich, dass Ansätze zur Entwicklung Regionaler Bildungslandschaften noch wenig strukturiert waren. Als wichtige Bausteine einer Regionalisierung bzw. des Aufbaus Regionaler Bildungslandschaften, die erst allmählich als bedeutsam erkannt wurden, wurden derweil die Einrichtung eines regionalen Qualifizierungssystems, einer „Organisationsplattform“ bzw. eines „Regionalen Bildungsbüros“8 und eines Entwicklungsfonds identifiziert (vgl. Bastian/Rolff 2002, S. 22; 30f). Ausgehend von den Ergebnissen der Studie benannten die Autoren zentrale Arbeitsfelder einer systematischen Weiterentwicklung der Projektidee: der Ausbau des regionalen Aspekts, der stärkere Einbezug der vorschulischen und außerschulischen Bildung und der Weiterbildung, die verstärkte Partizipation von Eltern, Schülern und Vereinen, eine systematische Personalentwicklung und eine veränderte kommunale Bildungspolitik, die äußere und innere Schulangelegenheiten auf der Basis eines kommunalen Leitbildes koordiniert (vgl. Bastian/Rolff 2002, S. 31f). Das Projekt „Selbstständige Schule“ Für das Nachfolgeprojekt „Selbstständige Schule“ liegen ein Zwischenbericht (Lohre u.a. 2006) und ein Abschlussbericht (Holtappels u.a. 2008a) der wissenschaftlichen Begleitforschung sowie ein Abschlussbericht der Projektleitung 7
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Qualitativ: z.B. Berichte der Projektschulen und der Schulaufsicht; quantitativ: z.B. schriftliche Befragung von über 3000 Schülern. Der Begriff des „Regionalen Bildungsbüros“, der heute auch außerhalb des Projektkontextes verwendet wird, geht auf den Namen der in Herford eingerichteten Organisationsplattform für die Regionale Bildungslandschaft zurück (vgl. Bastian/Rolff 2002, S. 22).
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(Lohre u.a. 2008) vor. Im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Begleitforschung standen dabei zwei zentrale Zielbereiche: die einzelschulische Unterrichts- und Qualitätsentwicklung und der Aufbau regionaler Schul- und Bildungslandschaften (vgl. Lehmpfuhl/Pfeiffer 2008, S. 195). Dabei kam der Regionalisierung im Projektverlauf eine wachsende Bedeutung zu, da sich die Unterstützung schulischer Entwicklungsprozesse auf regionaler Ebene (z.B. geeignete Rahmenbedingungen und Steuerungsinstrumente) als zentral erwies (vgl. Lehmpfuhl/Pfeiffer 2008, S. 195; dazu auch Lohre u.a. 2006). Im Hinblick auf das Ziel der Regionalisierung wurde der Schritt zur Regionalen Bildungslandschaft in einem Stufenschema dann als erreicht angesehen, wenn sowohl die Schulen als auch außerschulische Bildungs- und Erziehungseinrichtungen (z.B. im Elementarbereich oder in der Berufsvorbereitung) in ein gemeinsames regionales Netzwerk eingebunden waren.9 Insgesamt konnte die Begleitforschung zeigen, dass sich der Austausch zwischen den Schulen einer Region zwar verbessert hatte (vgl. Lehmpfuhl/Pfeiffer 2008, S. 223), dass zwischen den einzelnen Regionen zum Teil jedoch signifikante Unterschiede bestanden. Der Weg zur Regionalen Bildungslandschaft wurde in den meisten Regionen noch als weit eingeschätzt (vgl. Lehmpfuhl/Pfeiffer 2008, S. 223; auch Lohre u.a. 2006, S. 80; 2008, S. 119). Als positive Bedingungen für einen gelingenden Regionalisierungsprozessen wurden dabei identifiziert:
„Selbstverständnis als Region bzw. regionale Einheit Einbeziehung aller betroffenen Ebenen Regionales Leitbild bzw. Vereinbarung von Zielen Engagement von öffentlich wirksamen Personen Leitung der beteiligten Institutionen durch von der Sache überzeugte Personen Einrichtung einer Vermittlungs- und Serviceagentur quer zu bestehenden Strukturen Zuverlässig und gut erreichbare, als hilfreich erlebte Unterstützungsstrukturen (…)“ (Lehmpfuhl/Pfeiffer 2008, S. 222).
Über den Aspekt der regionalen Entwicklung hinaus konnte die wissenschaftliche Begleitung zeigen, dass die Selbstständigen Schulen „im internen Management hoch entwickelt“ und „gut aufgestellt“ waren (vgl. Holtappels u.a. 2008a, 9
Stufe 1: Aufbau geeigneter Steuerungsstrukturen zur Überwindung der traditionellen Aufteilung „innerer“ und „äußerer“ Schulangelegenheiten; Stufe 2: Aufbau einer regionalen Schullandschaft, die durch ein regionales Angebot (z.B. Beratung, Fortbildung) bedarfsgerecht unterstützt wird; Stufe 3: Regionale Bildungslandschaft (vgl. Lehmpfuhl/Pfeiffer 2008, S. 196f).
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S. 331). Darüber hinaus gab es Hinweise darauf, dass in den Projektschulen auch die Ebene des Unterrichts bzw. der Schülerinnen und Schüler erreicht werden konnte:
Die verbesserte Innovationsbereitschaft der Kollegien und eine vermehrte Kooperation unter den Lehrern beeinflusste zentrale Merkmale schulischer Qualität (z.B. eine differenzierte Lernkultur) (vgl. Holtappels u.a. 2008a, S. 331; 2008b, S. 321). Das Organisationslernen wirkte sich positiv auf das Klassenmanagement und die Individualisierung von Unterricht aus (vgl. Holtappels u.a. 2008a, S. 331). An den Selbstständigen Schulen zeigten sich Zusammenhänge zwischen dem Schulleitungshandeln, dem Entwicklungsstand der schulischen Evaluationskultur, der Unterrichtsqualität und einer verbesserten Leseleistung der Schüler (vgl. Holtappels u.a. 2008a, S. 332). Beim Leseverständnis deutete sich eine Verringerung der sozialen Ungleichheit im Hinblick auf die Herkunft der Schüler an (vgl. Holtappels u.a. 2008a, S. 332).
2.3.2 Netzwerkorientierte Entwicklungsvariante: Ergebnisse aus dem Programm „Lernende Regionen – Netzwerke gestalten“ Die wissenschaftliche Begleitung des Programms „Lernende Regionen – Netzwerke gestalten“ stellte im Jahr 2009 zentrale Ergebnisse vor (vgl. Tippelt u.a. 2009a). Dabei interessieren im Hinblick auf die Leitgedanken der Bildungslandschaft (vgl. 0) insbesondere Ergebnisse zur regionalen Netzwerkarbeit (Erfolgsfaktoren, Rolle von Schulen und Kommunen), Erkenntnisse zur Regionalentwicklung durch die Netzwerkarbeit und, im Hinblick auf die Förderung von Bildungsbiografien, Ergebnisse zum Themenfeld „Übergänge in Lern- und Bildungsphasen“. Erfolgsfaktoren für die Arbeit in regionalen Netzwerken Im Hinblick auf die Arbeit in regionalen Netzwerken wurde zunächst festgestellt, dass sich sowohl der Netzwerkansatz als auch der Ansatz der Regionalisierung bewährt haben (vgl. Strobel u.a. 2009, S. 133): Zum einen zeigte sich die Region als geeignete Ebene für die Verknüpfung verschiedener Lernformen, Lernorte und Bildungsbereiche, zum anderen konnten durch die Vernetzung von Akteuren
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Synergie- und Produktivitätsvorteile erzielt werden (vgl. Strobel u.a. 2009, S. 133). Strobel u.a. (2009) stellten abschließend ein Set von Erfolgsfaktoren vor, von denen sich jeder einzelne für den Gesamterfolg unverzichtbar zeigte: (1) die Netzwerkidentität (z.B. gemeinsame Ziele, gegenseitiges Vertrauen), (2) der Bezug zur Umwelt (z.B. Einbezug möglichst vieler regionaler Akteure), (3) die Adressierbarkeit bzw. zielgerichtete Ansprechbarkeit von Partnern und Nutzern (z.B. durch eine regionale Ausgangsdiagnose), (4) die Selbstorganisation auf der Basis klarer Regeln, (5) Systemvertrauen (z.B. durch Abbau von Konkurrenzdenken), (6) dauerhafte und tragfähige Kommunikationsstrukturen (z.B. regelmäßige Treffen, Arbeitsgruppen) und ein hohes Maß an zeitlicher Stabilität (z.B. kontinuierliche Netzwerkarbeit, geringe personale Fluktuation von Schlüsselpersonen). Als hinderlich wurden aus Sicht der Beteiligten am häufigsten Veränderungen in den Rahmenbedingung (z.B. durch Hartz IV) und Schwierigkeiten bei der Gewinnung bestimmter Partner, vor allem von Kommunen und Betrieben, wahrgenommen. (vgl. Strobel u.a. 2009, S. 148 - 150) Akteure im Netzwerk Die Analyse der Akteure im Netzwerk führte zur Identifikation von Netzwerkpartnern, die mit besonders vielen anderen Partnern vernetzt waren. Solche „Netzwerkknoten“ waren vor allem Weiterbildungseinrichtungen, Kommunen, Wirtschafts- und Unternehmensverbände bzw. Kammern und „regionale Initiativen“. Schulen dagegen befanden sich lediglich auf den hinteren Rangplätzen. (vgl. Reupold u.a. 2009b, S. 156) Während die Einbindung der Weiterbildungseinrichtungen in die Netzwerkarbeit insgesamt als gut gelungen bewertet wurde, stellte die wissenschaftliche Begleitung für die Kooperation mit Unternehmen und Kommunen trotz ihrer Knotenfunktion ein noch nicht ausgeschöpftes Kooperationspotenzial fest. Dabei wurde im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Transfer insbesondere die Bedeutung der Anbindung des Netzwerks an die Kommunalpolitik hervorgehoben. Eine zu große Dominanz der Kommunen wurde gleichzeitig jedoch als hinderlich wahrgenommen. (vgl. Reupold u.a. 2009b, S. 169f) Anders stellte sich die Situation für die Schulen im Netzwerk dar: Schulen waren zwar meist in die Netzwerkarbeit einbezogen, zeigten sich aber selten als Netzwerkknoten. Als Erklärung wurden insbesondere langwierige Entscheidungsprozesse an Schulen herangezogen, die als Hindernis bei der Netzwerkarbeit wahrgenommen wurden und die eine weitergehende Integration der Schulen erschwerten. Gleichzeitig zeigte sich, dass das Programm den Austausch der Schulen untereinander anstoßen konnte und dass gute Kontakte zur Schulverwal-
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tung (z.B. Schulamt) die Beteiligung an den Netzwerken erhöhte. Inhaltlich betrachtet, waren Schulen insbesondere in diejenigen Netzwerke integriert, die Übergänge fokussierten (z.B. Schule – Beruf, Kindergarten – Grundschule). (vgl. Forschungskonsortium Lernende Regionen 2004; Reupold u.a. 2009b) Handlungsfeld „Übergänge in Lern- und Bildungsphasen“ Der Bereich der Übergänge und ihres Managements konnte als bedeutsames Handlungsfeld der Netzwerke der Lernenden Regionen identifiziert werden (vgl. Reupold u.a. 2009a, S. 75). Insbesondere die Zusammenarbeit der Schulen untereinander bzw. mit anderen Einrichtungen zur Optimierung des Übergangs in Ausbildung und Beruf wurde häufig thematisiert (vgl. Reupold u.a.2009a, S. 70f). Als förderliche Faktoren einer gelingenden Netzwerkarbeit an Übergängen wurden dabei das Engagement der beteiligten Akteure, eine stabile Vertrauensbasis zwischen den Kooperationspartnern, gemeinsame Ziele, „systemische Regularien“ (z.B. Arbeitskreise, gemeinsame Veranstaltlungen) und eine Orientierung am regionalen Bedarf genannt. Hemmend wirkten sich dagegen nicht ausreichende Ressourcen für große Projekte, kurze Förderzeiträume oder die wenig kontinuierliche Unterstützung der Agentur für Arbeit aus. Auch „verkrustete Strukturen (z.B. in Schulen)“ und Konkurrenz zwischen Bildungseinrichtungen wurden als ungünstig beschrieben. (vgl. Reupold u.a. 2009a, S. 72 - 76) 2.3.3 Kooperationszentrierte Entwicklungsvariante: Das Forschungsprojekt „Lokale Bildungslandschaften“ Im Rahmen des Forschungsprojektes „Lokale Bildungslandschaften“ des Deutschen Jugendinstituts formulierten Mack u.a. (2006) anhand von Fallbeispielen förderliche Bedingungen und Perspektiven für den Aufbau von Bildungslandschaften in Kooperation von Jugendhilfe und Schule:
Es gibt einen kommunalen Konsens, dass Bildung als kommunale Aufgabe verstanden wird und dass sich die Kommune mit ihren Möglichkeiten für die Schaffung besserer Bedingungen einsetzt (vgl. Mack u.a. 2006, S. 79; auch Mack 2007, S. 31). Es gibt verbindliche Ziele, die von allen beteiligten Akteuren mitgetragen werden. Gleichzeitig gewährleisten partizipative Planungs- und Entscheidungsverfahren einen möglichst weitgehenden Konsens (vgl. Mack u.a. 2006, S. 79; Mack 2007, S. 32).
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Kommunale Jugend- und Bildungspolitik wird als „Chefsache“ verstanden und erfährt dadurch Aufmerksamkeit und Durchsetzungskraft (vgl. Mack u.a.2006, S.80; Mack 2007, S. 32). Die Akteure der verschiedenen Institutionen (v. a. Schule und Jugendhilfe, aber auch Sozialamt, Kulturamt u. a.) kooperieren auf unterschiedlichen Ebenen (z.B. auf Verwaltungs-, Leitungs- und Mitarbeiterebene) (vgl. Mack u.a. 2006, S. 79; Mack 2007, S. 32). Verbesserte Rahmenbedingungen erleichtern die Kooperation von Schule und Jugendhilfe auf kommunaler Ebene (z.B. die Zusammenlegung von Schulverwaltungsamt und Jugendamt, eine integrierte Schulentwicklungsund Jugendhilfeplanung, die Integration von Schul- und Jugendhilfeausschuss und die Einrichtung eines Bildungsbüros) (vgl. Mack u.a. 2006, S. 80f; Mack 2007, S.32f). Es gibt Verfahren der Qualitätssicherung, die sowohl Monitoring auf der Basis statistischer Daten als auch regelmäßige Evaluationen umfassen (vgl. Mack u.a. 2006, S. 82; Mack 2007, S. 33). Es gibt externe Unterstützung, beispielsweise in Form einer Teilnahme an Bundes- und Landesprojekten, von Wissenstransfer in (über)regionalen Netzwerken oder (gemeinsamen) Fortbildungen für die beteiligten Akteure (vgl. Mack u.a. 2006, S. 82).
Die integrierte Planung von Schulentwicklung und Jugendhilfearbeit wird im Rahmen der „Lokalen Bildungslandschaften“ zur Strategie: einerseits zur Erweiterung der kommunalen Gestaltungsmöglichkeiten im Bildungsbereich, andererseits für eine bessere Ausrichtung der Bildungsangebote an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen vor Ort (vgl. Mack u.a. 2006, S. 81). Als besondere Herausforderungen wurden im Rahmen der bisherigen Studien die Trennung von innerer und äußerer Schulaufsicht, Charakteristika der kommunalen Planung (separierte Planungshorizonte, wenig pädagogische Expertise) und fehlende Strategien im Hinblick auf Partizipation, soziale Durchmischung und Qualitätssicherung identifiziert (vgl. Deutsches Jugendinstitut, Juli 2009; Mack u.a. 2006, S. 80). Weitere Ergebnisse einer systematischen Erforschung lässt das Forschungsprojekt des Deutschen Jugendinstituts „Lokale Bildungslandschaften in Kooperation von Ganztagsschule und Jugendhilfe“ erwarten (vgl. Deutsches Jugendinstitut, Juli 2009).
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2.3.4 Ergebnisse kommunaler Bildungsberichterstattung Die immer zahlreicher erscheinenden kommunalen Bildungsberichte können als Ausdruck eines wachsenden Interesses von Kommunen an der Qualität von Bildungsinstitutionen und -prozessen vor Ort verstanden werden. Da ein Gesamtüberblick über die kommunalen Bildungsberichte deutscher Städte an dieser Stelle weder möglich noch sinnvoll ist, werden mit den Berichten der Städte Dortmund (Nordrhein-Westfalen), Osnabrück (Niedersachsen) und Ravensburg (Baden-Württemberg) exemplarisch drei, in ihrer Form sehr unterschiedliche Bildungsberichte betrachtet.10 Alle drei Berichte bieten einen datenbasierten Überblick über zentrale Bildungseinrichtungen bzw. -themen der jeweiligen Stadt. Entstehungskontext Die Bildungsberichte der Städte Dortmund und Ravensburg verweisen auf die Teilnahme an einem Projekt zum Aufbau Regionaler Bildungslandschaften (Dortmund: „Selbstständige Schulen“; Ravensburg: „Bildungsregion Landkreis Ravensburg“11), die als Anstoß für die Erstellung des Berichts diente. Für die Stadt Osnabrück gibt es keinen Hinweis auf einen entsprechenden Entstehungskontext. Auf der Basis eines erweiterten Bildungsbegriffs wurde hier das Ziel der „Vermessung“ der lokalen Bildungslandschaft formuliert, um daraus „Ansatzpunkte für eine kommunalpolitische Bildungsplanung zu ermitteln“ (Stadt Osnabrück 2007, S. 12). Methodischer Zugang Unterschiede zeigen sich auch beim methodischen Zugang. Während der Bericht der Stadt Ravensburg ausschließlich auf statistischen Daten der Stadt und des Landes aufbaut (vgl. Stadt Ravensburg 2009, S. 15), wurden in Dortmund und Osnabrück zusätzlich (quantitative) Befragungen durchgeführt: In Dortmund wurden Eltern und Schülern befragt, mit dem Ziel einen Sozialindex zu erstellen (vgl. Stadt Dortmund 2008, S.131 - 136). In Osnabrück richtete sich die Befra10
Im Folgenden wird aus Gründen der Lesbarkeit lediglich der Stadtname als Quellenverweis verwendet. Die ausführlichen Angaben befinden sich im Literaturverzeichnis: Stadt Ravensburg (2009); Stadt Dortmund, der Oberbürgermeister (2008); Stadt Osnabrück, der Oberbürgermeister (2007). 11 Der Bildungsbericht bezieht sich dagegen lediglich auf die Stadt Ravensburg.
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gung an die Einrichtungs- bzw. Schulleitungen, um auf diese Weise Strukturdaten, Einrichtungsinformationen, sowie Stärken und Problemlagen der Einrichtungen zu erheben (vgl. Stadt Osnabrück 2007, S. 31f). Bildungsbereiche Im Hinblick auf die untersuchten Bildungsorte bzw. –bereiche werden unterschiedliche Schwerpunkte sichtbar. In Dortmund stehen die allgemeinbildenden Schulen und die Situation am Übergang in die berufliche Bildung im Vordergrund. Ein systematischer Einbezug nonformaler (z.B. Kinder- und Jugendhilfe) und frühkindlicher Bildung findet nicht statt. (vgl. Stadt Dortmund 2008) Demgegenüber beziehen die Berichte der Städte Ravensburg und Osnabrück sowohl den frühkindlichen als auch den außerschulischen Bildungsbereich mit ein, wenngleich auch hier der Schwerpunkt auf dem schulischen Bereich liegt. (vgl. Stadt Osnabrück 2007; Stadt Ravensburg 2009) Empfehlungen Alle drei Berichte formulieren ausgehend von den analysierten Daten ein Fazit. Dabei zeigen sich Unterschiede in der Intention: Während der Bildungsbericht der Stadt Ravensburg zusammenfassend Stärken und Herausforderungen benennt, aber keine Empfehlungen ausspricht (vgl. Stadt Ravensburg 2009), verweisen die Berichte für Dortmund und Osnabrück nicht nur auf Problembereiche, sondern schlagen auch konkrete Handlungsschritte vor (vgl. Stadt Osnabrück 2007; Stadt Dortmund 2008). Trotz unterschiedlicher Hintergründe und Vorgehensweisen, die einen direkten Vergleich wenig sinnvoll machen, zeigen sich in den Empfehlungen bzw. Problembereichen Übereinstimmungen, die Hinweise auf grundlegende Schwierigkeiten des Bildungssystems bzw. kommunaler Bildungslandschaften geben können. Für die Städte Osnabrück (2007, S. 11) und Dortmund (2008, S. 24f) sind dies:
die Koordination der Aktivitäten an Übergängen im Bildungssystem, ein „zielgenauer“ (Dortmund) bzw. „selektiver“ (Osnabrück) Einsatz kommunaler Ressourcen und die Erarbeitung von Lösungen zur Vermeidung schulischen Scheiterns.
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2.4 Internationale Ansätze Der Blick über die Grenzen Deutschlands hinaus zeigt, dass die Suche nach einem Schulsystem, das den aktuellen Herausforderungen gewachsenen ist, auch in anderen europäischen Staaten vorangetrieben wird. Die Ansätze aus den Niederlanden („Vensterscholen“) und aus Großbritannien („Extended Schools“) (vgl. Baumheier/Warsewa 2007) machen dies ebenso deutlich wie die Beispiele aus Schweden und Italien (vgl. Mack u.a. 2006). Kennzeichnend für alle genannten Beispiele sind auch hier die Ideen des Netzwerks, der Orientierung an den individuellen Lebenslagen und Lernbiografien der Kinder und Jugendlichen und der gemeinsamen gesellschaftlichen Verantwortung für Bildung und Erziehung. Damit kann mit Blick auf die Definition und die Leitgedanken von Bildungslandschaften (vgl. 0) zunächst von vergleichbaren Ansätzen gesprochen werden. Während die „Vensterscholen“ in Groningen ihren Schwerpunkt dabei auf eine bessere Förderung aller Kinder im Stadtteil legen und eine „continuous line of learning and upbringing“ anstreben (vgl. Baumheier/Warsewa 2007, S. 80), zielen die „Extended Schools“ in Großbritannien in erster Linie auf die Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern durch qualitativ hochwertige Kinderbetreuung und Unterstützung der Eltern bei Schulübergängen (vgl. Baumheier/Warsewa 2007, S. 86f). Ohne die verschiedenen Ansätze im Einzelnen zu beschreiben (vgl. dazu die ausführlichen Darstellungen von Mack u.a. 2006 und Baumheier/Warsewa 2007), geht es im Folgenden vorrangig um die Klärung von Voraussetzungen und Bedingungen für den Aufbau solcher Bildungslandschaften bzw. -netzwerke sowie um deren Organisation. Anstoß für Veränderungen in den Schulsystemen gaben in allen Beispielen soziale Faktoren: ungleiche Bildungschancen für Kinder aus verschiedenen sozialen Schichten (NL)12, Verbesserung der konkreten Lebensbedingungen der Kinder (GB) bzw. ein zunehmender Druck auf die Sozialsysteme (S) (vgl. Mack u.a. 2006, S. 66 bzw. Baumheier/Warsewa 2007, S. 84; 86). Voraussetzungen Unterschiede im Hinblick auf die Initiierung von Veränderungsprozessen gibt es aufgrund der jeweiligen Organisation der Schulsysteme: In Schweden entwickelte sich im Rahmen einer grundlegende Reform ab den 1960er Jahren ein dezentralisiertes Bildungssystem, das die Kommunen sowohl mit Gestaltungsmöglich12
Zur leichteren Lesbarkeit erfolgt die Zuordnung zu einem bestimmten Projekt anhand des jeweiligen Landes: Großbritannien (GB), Niederlande (NL), Italien (I), Schweden (S).
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keiten (Finanzierung, Auswahl des Schulpersonals, Stundenplangestaltung) als auch mit erheblicher Verantwortung ausstattete (vgl. Mack u.a. 2006, S. 66). In den Niederlanden, die ebenfalls über ein dezentral organisiertes Schulsystem verfügen, haben die einzelnen Schulen einen großen Freiraum bei der Unterrichtsgestaltung und der Verteilung der Finanzmittel. Die hier beschriebenen „Vensterscholen“ wurden dabei auf kommunaler Ebene gegründet und erfuhren durch Vertreter der Kommunalpolitik erhebliche Unterstützung (vgl. Baumheier/Warsewa 2007, S. 82; 84). Eine deutliche kommunale Initiative zeigte sich auch in Turin (I), wo das Thema Bildung und Erziehung mit dem Beitritt zur „Associazione Internazionale delle Città Educative (AICE) auf die „kommunalpolitische Agenda“ gesetzt wurde (vgl. Mack u.a. 2006, S. 71). Während Baumheier und Warsewa (2007) in der dezentralen Organisation eine günstige Voraussetzung sehen, zeigt das Beispiel aus Großbritannien, dass auch über zentral gesteuerte Impulse, die den Kommunen Gestaltungsfreiräume lassen, Veränderungsprozesse im Hinblick auf eine lokale Vernetzung angestoßen werden können (Baumheier/Warsewa 2007, S. 84; 89). Aufbau, Verwaltung und Steuerung der Netzwerke Übereinstimmend kommt den Kommunen in allen Ansätzen eine zentrale Aufgabe bei der Steuerung und im Hinblick auf die Verantwortung für das lokale Bildungssystem zu. Unterschiede gibt es dagegen bei den einbezogenen Partnern. Während in den Niederlanden in erster Linie öffentliche Institutionen mit den Schulen kooperieren vgl. Baumheier/Warsewa 2007, S. 80f), sind die „Extended Schools“ aufgefordert mit „lokalen privaten oder sozialen Dienstleistern zusammenarbeiten“ (vgl. Baumheier/Warsewa 2007, S. 90). Die internationalen Beispiele zeigen auch, dass zur Steuerung, Organisation und Verwaltung der ganz unterschiedlich entstandenen und funktionierenden Bildungsnetzwerke neue Stellen geschaffen wurden, die für die Koordination und Verwaltung zuständig sind: In Großbritannien wurden zur Entlastung der Schulleiter Koordinatoren eingestellt, die die Vernetzung der Schulen mit lokalen Partnern vorantreiben und neue Angebote entwickeln (vgl. Baumheier/Warsewa 2007, S. 91). In den Groningen (NL) gibt es an jeder „Schule“ einen „location manager“ zur Initiierung und Steuerung der Kooperation, darüber hinaus wurde auf kommunaler Ebene die Stelle einer Schulmanagerin geschaffen, die direkt der Leitung der Bildungsbehörde zugeordnet ist (vgl. Baumheier/Warsewa 2007, S. 83). Auch in Turin wurde ein offizielles Büro „Turin – erziehende Stadt“ eingerichtet, das für die Sammlung von Informationen und die
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Betreuung einer Datenbank zuständig ist und das als Ansprechpartner für Fragen und Unterstützung zur Verfügung steht (vgl. Dokument der Stadt Turin, zit. nach Mack u.a. 2006, S. 77). Die Beispiele zeigen, dass in der Bildungspolitik anderer europäischer Länder bereits stärker und systematischer auf die kommunale Ebene gesetzt wird. Dies gilt insbesondere dort, wo ein dezentral organisiertes Schulsystem den Kommunen Freiräume und Verantwortung in der Bildungspolitik überträgt. Zusammenfassend können übereinstimmend mit den Ideen der in Deutschland entstanden Bildungslandschaften zwei zentrale Charakteristika hervorgehoben werden: (1) die Einbindung der Schulen in Netzwerke und (2) das Ziel der Förderung von Kindern und Jugendlichen aller sozialen Schichten bzw. der Verbesserung der konkreten Lebensbedingungen der Kinder und Jugendlichen vor Ort. 2.5 Zusammenfassung Ausgehend von den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen und den damit verbundenen Erwartungen an das Bildungssystem zeigte das Kapitel im ersten Abschnitt anhand von drei Entwicklungsansätzen auf, welche Anstrengungen auf lokaler Ebene unternommen wurden bzw. werden, um die Qualität des Bildungsangebots für die Kinder und Jugendlichen (perspektivisch für alle Bürgerinnen und Bürger) zu verbessern. Über diese verschiedenen Ansätze hinweg wurden schließlich zwei übergreifende, zentrale Gedanken herausgearbeitet, die im Folgenden als konstitutiv für den Aufbau von Bildungslandschaften betrachtet wurden bzw. werden: der Aufbau von Netzwerkstrukturen und die Orientierung an den Bildungsbiografien der Kinder und Jugendlichen (perspektivisch: aller Lernenden). Die daran anschließende Definition betonte, dass Bildungslandschaften gleichzeitig aber mehr sind als Netzwerke und Kooperationsverbünde: sie zeichnen sich darüber hinaus durch ihre regionale Zielsetzung, einen gemeinsamen Entwicklungsprozess aller Beteiligten und eine systematischer und stärker organisierte, teilweise auch verrechtlichte Form aus (vgl. Minderop/Solzbacher 2007, S. 4). Unterschiede zeigten sich im Vergleich der Entwicklungsansätze vor allem im Hinblick auf die Gewichtung und das Zusammenspiel der Akteure, insbesondere dem Einfluss von Kommunen, Schulen und Schulaufsicht. Ungeklärt blieb daher die Frage nach der Bedeutung und Stellung der Schulen im Netzwerk: Während der schulzentrierte Ansatz der „Regionalen Bildungslandschaften“ die Schulen in den Mittelpunkt stellte, waren die Schulen im netzwerkorientierten Ansatz der „Lernenden Regionen“ lediglich ein Partner unter vielen. Der kooperationszentrierte Ansatz der „Lokalen Bildungslandschaften“ setzte einerseits an kommunalen Strukturen und der Gestaltung
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des kommunalen Raums an, zielte aber gleichzeitig auch auf eine Gestaltung der Schule als „Lern- und Lebensort“ (Maykus 2007, S. 44). Ausgehend von den oben genannten Leitgedanken wurden die Bildungslandschaften im zweiten Abschnitt in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion verortet. Da eine eigene Theorie der Bildungslandschaften bislang nicht vorliegt, wurden drei theoretische Bezugspunkte beschrieben:
Aus der Governance-Perspektive betrachtet, wurde deutlich, dass die Entstehung von Bildungslandschaften im kommunalen bzw. regionalen Kontext als Teil einer Entwicklung verstanden werden kann, in der die staatliche Detailsteuerung zurückgeht und die dezentralen Ebene (Schulen, Kommunen) an Bedeutung bzw. an Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten gewinnt. Während dies in anderen Staaten bereits auf Schulsystemebene realisiert wurde (vgl. 2.4), zeigte sich anhand der Beispiele, dass die in Deutschland entstandenen Bildungslandschaften auf regionaler bzw. kommunaler Ebene neue, intermediäre Steuerungsformen entwickelten, die auf Kooperation und Netzwerkarbeit basierten. Dabei wurde insbesondere der Kooperation von Schulträgern und Schulaufsicht eine zentrale Bedeutung beigemessen. Aus der Perspektive der Bildungsgangforschung, die wie die Bildungslandschaften die Bildungsbiografien der Kinder und Jugendlichen thematisiert, konnten zwei Fragen an den Aufbau von Bildungslandschaften gestellt werden: (1) die Frage nach der Gestaltung von Lernumgebungen, die es Schülerinnen und Schülern ermöglichen, dem schulischen Unterricht biografisch bedeutsamen Sinn zuzuschreiben (vgl. Koller 2008) und (2) die Frage nach der Vernetzung von Bildungseinrichtungen des lokalen Schulsystems, damit möglichst bruchlose Übergänge im Interesse der Kinder und Jugendlichen gelingen können. Ausgehend von den Lernprozessen der Kinder und Jugendlichen wurde dabei der Blick über formelle schulische Lernprozesse hinaus geöffnet, sodass sich für die Bildungslandschaft die Frage nach einer Integration formeller und informeller Bildungsbereiche und ihrer –institutionen stellte. Außerdem rückten mit dem Fokus auf die individuellen Lernprozesse auch die (unterschiedlichen) Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen in den Blickpunkt: Wenn unterschiedliche soziale Räume die Entwicklung bzw. die Chancen von Kindern und Jugendlichen unterschiedlich – positiv wie auch negativ – beeinflussen können (vgl. Mack 2007, S. 20), dann ist die Bildungslandschaft aufgefordert, diesen unterschiedlichen Voraussetzungen mit sozialräumlich ausgerichteten Ansätzen zu begegnen (vgl. Mack 2007, S. 20f).
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Bildungslandschaften Mit der Schulentwicklung wurde darüber hinaus ein Ansatz aufgenommen, der der Bedeutung der Einzelschule im Schulsystem Rechnung trägt (vgl. Fend 1986). Im Hinblick auf die Leitgedanken der Bildungslandschaften sind die einzelnen Schulen sowohl beim Aufbau von Vernetzungsstrukturen (z.B. systematische Zusammenarbeit mit schulischen und anderen Kooperationspartnern) als auch bei der Gestaltung von Lernumgebungen, die sich an den Bildungsbiografien der Lernenden orientieren, gefordert. Die Bildungslandschaft kann den Einzelschulen dabei als Unterstützungsstruktur bei der Weiterentwicklung der Schule und des Bildungssystems vor Ort dienen (vgl. beispielsweise die Idee der „Selbstständigen Schulen“). Inwiefern sie die Autonomie der Einzelschulen auch beschneiden und damit in Konkurrenz zu den erworbenen Freiräumen treten kann, ist bislang nicht geklärt.
Der dritte Abschnitt zeigte anhand von empirischen Ergebnissen, dass die Projekte zum Aufbau von Bildungslandschaften je nach Entwicklungsansatz unterschiedliche Stärken entwickeln konnten. Legt man die Leitgedanken der Vernetzung und der Orientierung an den Bildungsbiografien zugrunde, wird deutlich, dass die Ansätze je nach Ausgangspunkt zwar unterschiedliche Wege nahmen, perspektivisch aber – nicht zuletzt aufgrund der Ergebnisse der Begleitforschung – zu ähnlichen Entwicklungen führten. Gleichzeitig können die Ergebnisse eines Projektes wichtige Anhaltspunkte für die (Weiter-)Entwicklung anderer Bildungslandschaften geben. Dabei zeigten sich über die verschiedenen Ansätze hinweg vor allem folgende Elemente eines gelingenden Aufbaus von Bildungslandschaften:
das Engagement öffentlich wirkender Personen; die Ausrichtung an gemeinsamen Zielen und die Identifikation der Akteure mit dem gemeinsamen Ziel; die Ausrichtung der Arbeit an der spezifischen lokalen Situation; der Aufbau dauerhafter Strukturen, die Kommunikation erleichtern, Transparenz schaffen und Unterstützung ermöglichen: o sowohl die Einrichtung eines ‚organisatorischen Kerns’ für Moderations- und Koordinationsaufgaben (Minderop/Solzbacher 2007, S. 4), beispielsweise eines „Bildungsbüros“ (vgl. Bastian/Rolff 2002, S. 22) o als auch der Aufbau neuer Formen der Abstimmung und Steuerung im Bildungsbereich, die alle relevanten Akteure einbeziehen (z.B. Kommune, Schule, Schulaufsicht) und die Einführung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung (z.B. Monitoring und Evaluation).
Bildungslandschaften
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Kaum thematisiert wurde in den bisherigen Untersuchungen, die eher Steuerungsfragen in den Vordergrund stellten, die Frage nach der Wirksamkeit der Bildungslandschaft im Hinblick auf die Lernprozesse der Lernenden. Lediglich im Projekt „Selbstständige Schulen“ wurden Auswirkungen auf die Ebene des Unterrichts untersucht. Hier deutete sich ein positiver Einfluss auf die Innovationsbereitschaft der Kollegien, auf den Unterricht (v.a. Individualisierung und Klassenmanagement) und auf die Leseleistungen der Schüler (v.a. Verringerung der sozialen Ungleichheit) an (vgl. Holtappels 2008a). Will sich die Bildungslandschaft als Steuerungsebene im Bildungssystem dauerhaft etablieren, wären aber gerade hier weitere Ergebnisse von Bedeutung – insbesondere im Hinblick auf die von den Bildungslandschaften häufig thematisierten Punkte: die hohe Zahl von Bildungsverlierern im Schulsystem und die Übergange von der Schule in die berufliche Ausbildung.
3 Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung
Bildungsexpansion, kulturelle Modernisierung, neue Technologien und eine konsequent vorangetriebene Rationalisierung führten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem Rückgang des Arbeitsvolumens einerseits und einer Ausweitung und Flexibilisierung der Arbeitszeiten andererseits (vgl. Brock 1991). Diese veränderten Arbeitsmarktbedingungen und die damit einhergehende Aufweichung des Normalarbeitsverhältnisses als Bezugspunkt beruflicher Ausbildungsanstrengungen (vgl. Brock 1991, S. 18) führten auch in Deutschland, wo der Übergang in den Beruf im internationalen Vergleich als relativ stark reguliert und robust galt (vgl. Hillmert 2006, S.10), zu bedeutenden Instabilitäten am Übergang von der Schule in die Berufstätigkeit. Insbesondere die Engpässe auf dem Lehrstellenmarkt und die zunehmend komplexen Wege in Ausbildung und Beruf rückten die Übergänge im Anschluss an die allgemeinbildende Schule in den Blick der deutschen Übergangsforschung. Diese befasst sich seit dem Ende der 1970er-Jahre mit dem Übergang in das Beschäftigungssystem und seinen teilweise einschneidenden sozialen Folgen für die Betroffenen (vgl. Brock 1991, S. 9). Im Folgenden liegt der Fokus auf Übergängen in Ausbildung. Dabei wird zunächst fragt, welche Ansätze zur Beschreibung von Übergängen in verschiedenen Disziplinen vorliegen (vgl. 3.1), dann folgt ein Exkurs zum beruflichen Bildungssystem in Deutschland (vgl. 3.2). Dieser dient als Hintergrundfolie für die Interpretation der empirischen Ergebnisse, die im Abschnitt 3.3 dargestellt werden. Abschließend werden die zentralen Gedanken und Aspekte des Kapitels zusammengefasst und im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gestaltung kommunaler bzw. regionaler Bildungslandschaften beleuchtet (vgl. 3.4). 3.1 Übergänge Im Bildungsbereich wird der Begriff des Übergangs meist in Zusammenhang mit dem Wechsel von Bildungsinstitutionen verwendet (vgl. Ilg/Weingardt 2007, S. 19). Typische Beispiele sind der Eintritt ins formale Schulsystem, der Wechsel C. Fink, Der Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung, DOI 10.1007/978-3-531-93208-8_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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von der Grundschule in eine weiterführende Schule oder die Aufnahme einer beruflichen Ausbildung im Anschluss an die allgemeinbildende Schule (vgl. Tippelt 2004; 2007). Darüber hinaus sind Übergänge jedoch weder auf Bildungsinstitutionen noch auf die schulischen Lebensjahre beschränkt (vgl. Tippelt 2004; 2007). Sie erstrecken sich über die gesamte Lebensspanne und umfassen neben Übergängen im Kontext von Bildung und Ausbildung auch Übergange in anderen Lebensbereichen: z.B. den Übergang von der Jugend zum Erwachsensein, von der Partnerschaft zur Elternschaft oder von der Berufstätigkeit ins Rentenalter (vgl. Griebel 2004, S. 26). Im Folgenden werden Übergänge aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen beschrieben und auf den Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung zugespitzt. Ausführlich dargestellt werden:
der Ansatz der Statuspassagen, der auf Glaser und Strauss (1971) zurückgeht und auf soziologischen Studien aufbaut (vgl. 3.1.1); der Transitionsansatz als Forschungsgegenstand der Soziologie und Sozialpsychologie, der im deutschsprachigen Raum insbesondere durch H. Welzer (1990; 1993) aufgegriffen wurde (vgl. 3.1.2); das Transitionskonzept von Griebel (2004; 2008), der den ökopsychologischen Ansatz nach Bronfenbrenner, die Stressforschung, die Entwicklungspsychologie der Lebensspanne und das Konzept der kritischen Lebensereignisse zugrunde legt (vgl. 3.1.3); der systemtheoretische Ansatz von Bührmann (2008), der Ergebnisse ganz unterschiedlicher Forschungsbereiche und -disziplinen aufnimmt (u.a. die Übergangs- und Verbleibsforschung, die betriebliche Sozialisationsforschung und die Stress- und Belastungsforschung) und zu einer systemischen Betrachtung zusammenführt (vgl. 3.1.4).
Nicht vertieft wird der Ansatz des französichen Ethnologen van Gennep, der den Übergang als Ritus („rites des passage“) beschreibt, da dieser in modernen Gesellschaften weitgehend vom Konzept der Statuspassage abgelöst wurde (vgl. Friebertshäuser 2005, S. 128f; auch Walther 2000, S. 51). 3.1.1 Der Übergang als Statuspassage Das von Glaser und Strauss entwickelte Konzept der Statuspassage (vgl. u.a. Glaser/Strauss 1971) wurde vor dem Hintergrund der ethnologischen Forschung (z.B. van Gennep) entwickelt und nimmt Übergänge von einem gesellschaftli-
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chen Status in einen anderen in den Blick (vgl. Tosana/Faulstich-Wieland 2005, S. 151). Dabei wird der Status als sozialer Zustand eines Individuums in einem sozialen System verstanden (z.B. Student/Studentin, Schüler/Schülerin), die Statuspassage dagegen als Übergang von einem Zustand in einen anderen (z.B. vom Schüler bzw. Studenten zum Absolventen). Übergänge lassen sich damit als „Bewegungssequenzen von normativ definierten Lebensabschnitten in andere“ (Bührmann 2008, S. 23) bezeichnen, die sowohl Anforderungen an die Gesellschaft als auch an die Individuen, die Übergänge zu bewältigen haben, selbst stellen (vgl. Bührmann 2008, S. 24). Stauber und Walther (2004) vergleichen die Statuspassage mit dem Bild einer Schleuse: „Zur Überbrückung von Höhenunterschieden in einem Flusslauf wird ein Schiff in eine Wasserkammer gelotst, diese hermetisch abgeschlossen und dann durch Zuführung von Wasser (Bildung, Arbeitsplatz) auf das höhere Niveau gehievt.“ (Stauber/Walther 2004, S. 52) Den Schleusenwärtern („Gatekeeper“) kommt dabei die Funktion zu, den Übergängern verschiedene Lebenslaufbahnen zuzuweisen. Dabei können sie Übergänge nach oben ebenso einleiten wie Übergänge nach unten (z.B. durch die Feststellung mangelnder Ausbildungsreife und die Überweisung ins System der Jugendberufshilfe) (vgl. Stauber/Walther 2004, S. 52). Aktuell werden folgende Kennzeichen von Statuspassagen beschrieben (vgl. Bührmann 2008, S. 24; Tosana/Faulstich-Wieland 2005; S. 152): 1.
2.
Moderne Statuspassagen sind stark individualisiert. Sie sind im Vergleich zu den „rites de passage“ weniger vorbestimmt und rituell geregelt, sondern müssen vom Einzelnen „weitgehend in eigener Regie“ (Bührmann 2008, S. 24) vollzogen werden. Der Einzelne ist damit zur aktiven Mitgestaltung seiner Übergänge aufgefordert und verantwortet diese mit. Trotzdem wird davon ausgegangen, dass sich auch in den individualisierten Statuspassagen moderner Gesellschaften gesellschaftliche Reproduktion vollzieht (vgl. Tosana/Faustich-Wieland 2005, S. 152). Moderne Stauspassagen sind durch Pluralität und Gleichzeitigkeit gekennzeichnet. Dabei wird Pluralität als Ausdifferenzierung und Vervielfachung von Möglichkeiten verstanden, während der Aspekt der Gleichzeitigkeit auf die Überlappung von Übergängen in verschiedenen Lebensbereichen hinweist und zu einer „permanenten Veränderungsanforderung an die Subjekte“ führt (vgl. Bührmann 2008, S. 24).
Am Übergang in den Beruf hat die zunehmende Individualisierung und Pluralisierung zur Folge, dass kollektive Muster im Sinne eines Normallebenslaufes kaum mehr zur Verfügung stehen und dass Entscheidungen angesichts der Wahlmöglichkeiten immer mehr selbst verantwortet werden müssen. Darin lie-
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gen für den Einzelnen nicht nur Chancen, sondern auch Risiken, da viele nur scheinbar unter vermehrten Möglichkeiten wählen können. (vgl. Stauber/Walther 2004, S. 58; Walther 2006, S. 38) Angesichts der zunehmenden Unsicherheit an Übergängen – insbesondere am Übergang in Arbeit – geriet das Konzept der Statuspassage, das häufig mit der Vorstellung von „(sozial)technologischer Machbarkeit“ und mit Normalitätsannahmen verbunden ist, in die Kritik (vgl. Stauber/Walther 2004, S. 53; dazu auch Heinz 1995, S. 6613). Insbesondere dort, wo einst lineare und institutionell abgesicherte Statuspassagen zu Übergängen auf Dauer werden (z.B. in Warteschleifen am Übergang von der Schule in den Beruf), eignet sich das Bild der Schleuse, das die Idee der Statuspassage beschreibt, nicht mehr. Stauber und Walter schlagen für den Übergang in Ausbildung und Beruf bzw. in das Erwachsenenleben daher das Bild des „Yoyos“ vor. (vgl. Stauber/Walther 2004; Walther 2006; Stauber u.a. 2007) Darin kommt zum Ausdruck, dass sich Übergänge aus Teilübergängen zusammensetzen, die häufig reversibel sind: „Schritte in Richtung Erwachsenenstatus“ werden also getan und können später teilweise zurückgenommen werden; gleichzeitig werden junge Menschen in manchen Lebensbereichen noch als Jugendliche behandelt, während sie in anderen schon einen Erwachsenenstatus erreicht haben (vgl. Walther 2006, S. 38). Aufgrund der Kritik am Konzept der „Statuspassage“ wird aktuell zunehmend von „Übergängen“ gesprochen. Dabei schwingt im neuen Begriff auch die veränderte Wahrnehmung von Übergängen mit, und zwar im Sinne einer Zunahme von Ungewissheit in Dauer und Richtung sowie im Sinne einer aktiven Mitwirkung der Übergänger selbst (vgl. Stauber u.a. 2007, S.24). 3.1.2 Der Transitionsansatz nach Welzer Im deutschsprachigen Raum wurde der Transitionsansatz insbesondere durch Welzer (1990; 1993) aufgegriffen und weitergeführt. Konkrete Anwendung fand er in Studien zu Übergangsprozessen von Hochschulabsolventen (vgl. Welzer 1990) und in Einzelfallanalysen der Transitionsprozesse ehemaliger DDRBürger (vgl. Welzer 1993). Unter Transitionen versteht Welzer Übergänge im Lebenslauf bzw. den Wechsel „von Individuen aus eingelebten Lebensabschnitten und -zusammenhängen in andere“ (Welzer 1993, S. 8). In Abgrenzung zum Konzept der Statuspassage, das er angesichts der häufigen Veränderungsaufgaben nur noch als 13
Heinz (1995, S. 64) geht davon aus, dass die „Denkfigur der Normalbiographie“ in der Bundesrepublik nur in der Periode des Wirtschaftswachstums der 1950er und 1960er Jahre der Realität entsprochen hat.
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begrenzt tauglich einschätzt, beschreibt Welzer Transitionen als „sozial prozessierte, verdichtete und akzelerierte Phasen in einem in permanentem Wandel befindlichen Lebenslauf“ (Welzer 1993, S. 37). Während Adams und Hopson (1976, zit. nach Bührmann 2008) ein Phasenmodell der Transitionen auf der individuellen Ebene entwickelten, wandte sich Welzer verstärkt den sozialen Prozessen zu und berücksichtigte insbesondere das gesellschaftliche und persönliche Umfeld des Übergängers sowie dessen Biografie (vgl. Welzer 1993, S. 37; Bührmann 2008). Ausgehend von diesem Verständnis betrachtet die Transitionsforschung, die Welzer der Soziologie und Sozialpsychologie bzw. der Lebenslaufforschung zuordnet, zwei Ebenen von Übergängen (vgl. Welzer 1993; Bührmann 2008, S. 26; 29):
die Ebene der sozialen Prozesse bzw. der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen, in die der einzelne Transitionsprozess eingebettet ist (z.B. Arbeitsmarktlage, Familie, Freunde) und die Ebene des individuellen Handlungs- und Bewältigungsvermögens (z.B. Bewerbungsstrategien).
Im Unterschied zur Statuspassage, die Bewegungssequenzen von einem normativ definierten Lebensabschnitt in einen anderen beschreibt, lassen sich Ausgangs- und Zielpunkt der Transition nicht mehr genau bestimmen. Vielmehr gehen Bewegungssequenzen ineinander über – überblenden sich. (vgl. Welzer 1993, S. 36f) So kann beispielsweise der Übergang von der Schule in eine berufliche Ausbildung bereits während der Schulzeit beginnen, wenn der Jugendliche Bewerbungen verschickt oder Praktika in einem Betrieb absolviert oder erst mit dem Erhalt des Abschlusszeugnisses. Entsprechend kann der Abschluss sehr schnell erfolgen, wenn der Jugendliche direkt eine Ausbildung beginnt und sich rasch auf die neuen Anforderungen einstellen kann (z.B. weil er bereits im Betrieb mitgearbeitet hat). Gleichzeitig kann sich der Abschluss des Übergangs aber auch hinauszögern, wenn der Jugendliche Wartezeiten in Form von berufsvorbereitenden Maßnahmen oder Arbeitslosigkeit hinnehmen muss.14 3.1.3 Das Transitionskonzept von Griebel Griebel legt seinem Transitionskonzept den ökopsychologischen Ansatz nach Bronfenbrenner, die Stressforschung, die Entwicklungspsychologie der Lebensspanne und das Konzept der kritischen Lebensereignisse zugrunde legt (vgl. 14
Beispiel analog zu Bührmann (2008, S. 29), der den Übergang von der Hochschule in die Erwerbtätigkeit thematisiert.
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Griebel 2004; 2008). Transitionen werden hier in erster Linie als Entwicklungsaufgaben betrachtet. Sie gelten dann als abgeschlossen, wenn auch die zugehörigen Entwicklungsaufgaben bewältigt wurden und eine erfolgreiche Reorganisation der Passung zwischen dem Einzelnen und seiner Umgebung stattgefunden hat (vgl. Griebel 2004, S. 34; 2008). Griebel, der das Transitionskonzept Untersuchungen zum Eintritt in die Grundschule zugrunde legte, unterscheidet dabei drei Ebenen von Anforderungen (vgl. Griebel 2004, S. 34):
eine individuelle Ebene (z.B. Bewältigung starker Emotionen wie Vorfreude, Neugier, Angst), eine interaktionale Ebene (z.B. Aufnahme neuer Beziehungen, beispielsweise zu Lehrern und Mitschülern) und eine kontextuelle Ebene (z.B. die Integration der Lebensbereiche Familie und Schule.
Darüber hinaus führt Griebel (2004) den Begriff der „Schutzfaktoren“ als Ressourcen für eine erfolgreiche Bewältigung von Übergängen ein. Diese lassen sich wiederum den oben genannten Ebenen zuordnen: z.B. ein positives Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen als „biologische Schutzfaktoren“; stabile emotionale Beziehungen und warmes Erziehungsklima als „familienbezogene Schutzfaktoren“ und ein guter sozioökonomischer Status und positive Erfahrungen in Schule und Kindergarten als „kontextuelle Schutzfaktoren“ (vgl. Griebel 2004). „Transitionskompetenz“ benötigen nach Griebel folglich nicht nur die Übergänger selbst15, sondern auch die am Übergang beteiligten Akteure (vgl. Griebel 2004, S. 38). 3.1.4 Der Übergang aus systemtheoretischer Perspektive Bührmann (2008) legt seiner Arbeit zum Übergang von der Hochschule in den Beruf eine systemische Betrachtungsweise von Übergängen zugrunde, die er aus der Personalen Systemtheorie sowie aus Ansätzen im Bereich der Berufs- und Laufbahnberatung und des Übergangscoachings herleitet (vgl. Bührmann 2008, S. 34 - 38). Dabei geht er von folgenden Annahmen aus (vgl. Bührmann 2008, S. 39 - 42):
15
Im Beispiel von Griebel (2004) ist dies das Kind am Eintritt ins Schulsystem.
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Soziale Systeme setzen sich aus beteiligten Individuen zusammen. Der Übergang bringt für den Absolventen einen Wechsel der Systemelemente mit sich. Die Personen im Übergang werden als handelnde Subjekte gesehen, die sich Gedanken über sich und andere Personen machen. Der Übergang bedeutet für den Übergänger daher eine Veränderung subjektiver Deutungen. Das Verhalten von sozialen Systemen ist durch wiederkehrende Verhaltensmuster (z.B. Regeln, Regelkreise) bestimmt. Beim Übergang muss der Übergänger die Regeln des alten Systems ablegen und sich die des neuen Systems aneignen. Soziale Systeme grenzen sich von ihrer Umwelt ab. Der Übergang fällt umso leichter, je mehr die beiden Systeme miteinander verzahnt sind. Soziale Systeme entwickeln sich. Mit dem Eintritt in das neue System ändern sich nicht nur der Übergänger und seine Deutungen; auch das Umfeld verändert sich.
Eine systemtheoretische Perspektive betrachtet Übergange damit weder linearkausal noch losgelöst von sozialen Prozessen, sondern richtet den Blick auf das Zusammenwirken einzelner Personen, ihrer subjektiven Deutungen, ihrer sozialen Regeln und Regelkreise, ihrer Umwelt (material und sozial) und die bisherigen Entwicklungen (vgl. Bührmann 2008, S. 42). 3.1.5 Zwischenfazit Für die Beschreibung des Übergangs in Ausbildung wird im Folgenden vor allem auf die ersten beiden Ansätze zurückgegriffen: den Ansatz der Statuspassage (vgl. 3.1.1) und den Transitionsansatz von Welzer (vgl. 3.1.2). Die Stärke des Transitionskonzepts von Griebel (vgl. 3.1.3) und der systemtheoretischen Perspektive von Bührmann (vgl. 3.1.4), die viele der dort genannten Merkmale aufgreifen, wird dagegen im Hinblick auf die Gestaltung des Übergangs in Ausbildung gesehen. Ausgehend von den oben beschriebenen Ansätzen werden für den Übergang in Ausbildung damit folgende Merkmale angenommen:
Übergänge in Ausbildung werden als prozesshaft verstanden. Sie umfassen sowohl soziale Prozesse (z.B. Integration in einen Betrieb) als auch individuelle Prozesse (z.B. Treffen einer Berufsentscheidung). Dabei ist ihr Beginn und ihr Abschluss nicht immer genau zu bestimmen (z.B. Prozesscharakter der Berufsorientierung) (vgl. 3.1.2).
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Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung Übergänge in Ausbildung und Erwerbstätigkeit verlaufen parallel zu anderen Übergängen (z.B. Übergang in den Erwachsenenstatus) und sind (teilweise) reversibel (z.B. Abbruch einer Ausbildung und Besuch einer berufsvorbereitenden Maßnahme, Anschluss eines Studiums; vgl. das dazu Bild des „Yoyos“ in Abschnitt 3.1.1). Damit können sich Übergänge in Ausbildung und Erwerbstätigkeit zum einen in die Länge ziehen, zum anderen können sich parallel verlaufende Übergänge gegenseitig beeinflussen oder behindern (z.B. fehlende finanzielle Selbstständigkeit behindert den Übergang in den Erwachsenenstatus). Übergänge in Ausbildung sind durch Individualisierung und Pluralisierung gekennzeichnet. Die Jugendlichen müssen ihre Übergangswege also (zumindest teilweise) selbst gestalten und verantworten. Dabei gibt es einerseits eine Fülle von Möglichkeiten, andererseits stehen diese Möglichkeiten aber nicht allen offen (vgl. die Vorstellung vom „Gatekeeper“ in Abschnitt 3.1.1). Durch die Aufweichung des Normalarbeitsverhältnisses bzw. des Normallebenslaufs und die Möglichkeit, dass auch Übergänge nach unten eingeleitet werden können (vgl. Stauber/Walther 2004), werden Übergänge in Ausbildung und Erwerbstätigkeit für den Einzelnen damit auch risikoreicher.
Konkrete Hinweise für die Gestaltung von Übergängen geben vor allem die Ansätze von Bührmann (vgl. 3.1.4) und Griebel (vgl. 3.1.3), die abschließend auf den Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung zugespitzt werden:
Der systemtheoretische Ansatz (Bührmann 2008) geht davon aus, dass Übergänge dann gelingen können, wenn eine enge Verzahnung der Systeme existiert. Übertragen auf den Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung kann dies bedeuten, dass eine enge Zusammenarbeit von allgemeinbildender Schule und dem System der beruflichen Ausbildung (z.B. Betriebe, Berufliche Schulen, Agentur für Arbeit) dazu beitragen kann, dass Übergange in Ausbildung gelingen. Aus systemtheoretischer Sicht könnten die Übergänger durch eine Verzahnung der Systeme bereits im alten System (hier: Schule) Elemente und Regeln des neuen Systems (hier: Berufsschule und Betrieb) kennenlernen und ihre subjektiven Deutungen im Hinblick auf eine zukünftige Integration in das neue System langsam verändern. Griebel (2004; 2008) formuliert „Schutzfaktoren“ als Ressourcen einer erfolgreichen Bewältigung von Übergängen. Während er einerseits davon ausgeht, dass die Übergänger ihre Transitionen, verstanden als Entwicklungsaufgaben, selbst bewältigen müssen, sieht er andererseits eine Verantwortung des Umfeldes. Daraus lässt sich nicht zuletzt ein pädagogischer
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Auftrag zur Gestaltung und Begleitung von Übergängen ableiten. Übertragen auf den Übergang in Ausbildung könnten die Aufgaben von Lehrern, Eltern und anderen Akteuren am Übergang folgendermaßen formuliert werden: die Förderung eines positiven Selbstwertgefühls und die Vermittlung positiver Erfahrungen in Schule und Ausbildung sowie die Gewährung von Unterstützung und Rückhalt in Entscheidungssituationen. 3.2 Exkurs: Das deutsche Berufsbildungssystem Unter dem Begriff der Berufsbildung bzw. der beruflichen Bildung werden in Deutschland in der Regel die institutionalisierten Lern- und Ausbildungsprozesse unterhalb der Hochschulebene verstanden, die zwischen dem Abschluss der allgemeinbildenden Schule und dem Eintritt in die Erwerbstätigkeit liegen (vgl. Baethge/Wieck 2006, S. 165; Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, S. 2; Baethge u.a. 2007, 13). Dieses institutionell und funktional sehr heterogene System von Ausbildungsgängen lässt sich insgesamt in drei Teilsysteme gliedern (vgl. BMBF 2003; Baethge/Wieck 2006, S. 165; Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, S. 79; Baethge u.a. 2007, 13f):
Im dualen Ausbildungssystem wird eine betriebliche Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf (BBiG, HwO) durch den Unterricht an einer Teilzeitberufsschule begleitet. Das Schulberufssystem umfasst Ausbildungen in gesetzlich anerkannten Berufen (BBiG, HwO), die in vollzeitschulischer Form erfolgen und in alleiniger Verantwortung des Ausbildungsträgers durchgeführt werden. Zum Übergangssystem (vgl. Baethge u.a. 2007, Konsortium für Bildungsberichterstattung 2006) oder Chancenverbesserungssystem (vgl. BMBF 2003), gehören Bildungsangebote, die nicht zu einem anerkannten Ausbildungsabschluss führen, sondern auf eine Verbesserung der individuellen Kompetenzen, beispielsweise des Allgemeinbildungsniveaus, zielen (vgl. Baethge/Wieck 2006, S. 166; Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, S. 79; Baethge u.a. 2007, S. 14). Ziel der Bildungsgänge des Übergangssystems, die sowohl Maßnahmen außerschulischer Träger (z.B. der Bundesagentur für Arbeit) als auch schulische Bildungsgänge umfassen, ist es damit, die Jugendlichen zur Aufnahme einer Ausbildung, unter Umständen auch einer Beschäftigung, zu befähigen (vgl. Baethge u.a. 2007, S. 14; Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, S. 79). Insgesamt werden unter dem Begriff des Übergangssystems Bildungsgänge sehr unterschiedlicher
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Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung Qualität zusammengefasst (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, S. 81). Baethge u.a. (2007, S. 22f) unterscheiden dabei drei Bereiche: 1. Berufsfachschulen, die keinen beruflichen Abschluss vermitteln (Ziel: Erfüllung der Berufsschulpflicht oder Erwerb des mittleren Bildungsabschlusses); 2. Berufsvorbereitende Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit und 3. weitere schulische Maßnahmen, wie z.B. das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) und das Berufsgrundbildungsjahr (BGJ), soweit diese nicht als erstes Ausbildungsjahr anerkannt werden.
Besonderheiten des deutschen Berufsbildungssystem im internationalen Vergleich Kennzeichnend für das deutsche Berufsbildungssystem ist die Bedeutung der dualen Ausbildung, die dem deutschen Berufsbildungssystem zeitweise „zum Nimbus eines Musterlandes der beruflichen Bildung“ verhalf (vgl. BMBF 2003, S. 36). Im Vergleich zu schulischen Ausbildungsmodellen (z.B. in Frankreich) oder reinen Marktmodellen (z.B. in Großbritannien) zeichnet sich das korporatistische deutsche Modell insbesondere durch die gemeinsame Steuerung des Staates und der großen Korporationen des Beschäftigungssystems aus (vgl. Greinert 1998). Darüber hinaus gilt das deutsche Ausbildungssystem im internationalen Vergleich als robust und stark reguliert (vgl. Hillmert 2006, S. 10). Als weitere deutsche Besonderheit wird häufig auch die institutionelle Trennung (z.B. Finanzierung, Ziele, Funktion, Professionalität und Status des Personals) von höherer Allgemeinbildung (Gymnasium, Universität) und Berufsbildung genannt (vgl. Baethge u.a. 2007).16 Im Hinblick auf die Organisation des Übergangs zeigen sich ebenfalls Unterschiede zwischen den Staaten. Für das auf Erwerbsarbeit zentrierte deutsche Übergangssystem arbeiteten Walther und Stauber (vgl. 2007, S. 35f) in der Gegenüberstellung verschiedener Systeme das Kennzeichen der Spaltung zwischen „normal“ und „prekär“ in Bezug auf Bildung, Ausbildung oder Lebenslauf heraus. Die Ursache dieser Spaltung sehen sie insbesondere in der Verbindung eines selektiven Schulsystems und eines standardisierten Berufsbildungssystems (vgl. Walther/Stauber 2007).17 16 17
Baethge u.a. (2007) sprechen vom „deutschen Bildungs-Schisma“. Insgesamt unterscheiden Walther und Stauber (2007, S. 25f) vier Typen von Übergangsregimes: ein universalistisches Übergangsregime (v.a. nordische Länder wie Dänemark, Schweden u.a.), ein
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Aktuelle Diskussion Während die Stärken des dualen Systems in der aktuellen Diskussion vor allem in der Verknüpfung der Lernorte Betrieb und Schule, dem günstigen Allokationsmechanismus beim Übergang von der Ausbildung in die Beschäftigung und in einem hohen durchschnittlichen Qualifikationsniveau gesehen werden (vgl. BMBF 2003, S. 36f), wurde in den vergangenen Jahren vermehrt auch auf Schwächen dieses Systems hingewiesen. Nicht zuletzt aufgrund der Auswirkungen der schwierigen konjunkturellen Situation auf die Zahl der verfügbaren Ausbildungsplätze, standen in den vergangenen Jahren insbesondere zwei Fragen im Vordergrund: 1.
2.
Die Frage, inwiefern das duale System im Hinblick auf Jugendliche aus bildungsschwächeren Familien seine Integrationsfähigkeit, und damit seine einstige Stärke, verloren hat (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 158; Beicht u.a. 2008, S.307f). Die Frage, inwiefern die zunehmende Nachfrage akademischer Qualifikation im zweigeteilten System (Berufsbildung unterhalb der Hochschulebene einerseits und höhere Allgemeinbildung andererseits) angemessen bedient werden kann (vgl. Baethge u.a. 2007).
Auch im internationalen Vergleich steht das deutsche Ausbildungssystem zunehmend unter Druck. Eine vergleichende Studie zur Steuerung dualer Ausbildungssysteme (Dänemark, Deutschland, Österreich, Schweiz) zeigte für Deutschland dringenden Reformbedarf. Dieser wurde insbesondere im Hinblick auf die unüberschaubare Vielzahl der Akteure und gesetzlichen Regelungen und im Hinblick auf die geringe Gestaltungsfreiheit der lokalen Organisationen formuliert. (vgl. Rauner 2008) 3.3 Empirische Ergebnisse zum Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung Der Übergang von der Schule in Ausbildung und Erwerbstätigkeit erweist sich seit Ende der 1970er- Jahre als intensiv beachteter und erforschter Übergangsprozess (vgl. Brock 1991; Ilg/Weingardt 2007). Dies hängt zum einen damit zusammen, dass der Übergang in Ausbildung in den vergangenen Jahren komliberales Übergangsregime (v.a. angelsächsische Länder wie USA, Großbritannien u.a.), ein erwerbsarbeitszentriertes Übergangssystem (Deutschland u.a. kontinentale europäische Länder) und ein unterinstitutionalisiertes Übergangsregime der südeuropäischen Länder.
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plizierter, vielfältiger und zeitlich ausgedehnter wurde (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 161; auch Walther u.a. 2007, S. 104). Zum anderen wird eine qualifizierte berufliche Ausbildung mehr denn je als Voraussetzung für eine stabile Erwerbstätigkeit betrachtet (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 206). Trotzdem offenbart sich die Datenlage an manchen Stellen als lückenhaft und teilweise wenig transparent. Im Folgenden wird daher zunächst die Datensituation am Übergang in Ausbildung (vgl. 3.3.1) thematisiert. Dann wird die Entwicklung des Arbeits- und Ausbildungsmarktes als Hintergrund für die Interpretation der Daten skizziert (vgl. 3.3.2) und es werden Ergebnisse zum Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung thematisch geordnet dargestellt und verglichen (vgl. 3.3.3 bis 3.3.5). 3.3.1 Statistik und Forschung am Übergang in Ausbildung Statistische Daten Die Daten der Schulstatistik und der Berufsbildungsstatistik ermöglichen bislang keine systematische Erfassung des Übergangs von der Schule in die berufliche Ausbildung (vgl. Weishaupt 2006, S. 47). Während die Schulstatistik bei der Erfassung der Abgänger und ihrer Schulabschlüsse endet, beginnt die Berufsbildungsstatistik bei den Neuzugängen in das System der beruflichen Bildung. Dies hat zur Folge, dass Jugendliche, die nach dem Verlassen der allgemeinbildenden Schule nicht in das berufliche Bildungssystem einmünden, aktuell nicht systematisch erfasst werden. Ihre genaue Zahl bleibt ebenso unklar wie ihr konkreter Verbleib (z.B. Praktika, Arbeitslosigkeit, Wehr- bzw. Zivildienst). Darüber hinaus erfolgt eine positive Selektion der Datengrundlage der beruflichen Bildung, da Jugendliche, die nach vergeblicher Ausbildungsplatzsuche in Arbeitslosigkeit münden, gar nicht erfasst werden (vgl. Baethge/Wieck 2006, S. 177). Auch Aussagen darüber, zu welchen Übergangswegen sich die Bildungsgänge, berufsvorbereitenden Maßnahmen und anderen Aktivitäten vor Beginn einer Berufsausbildung verbinden (vgl. BMBF 2007), sind anhand der amtlichen Statistiken des Bundes und der Länder bislang nicht möglich. Schwierigkeiten zeigen sich auch innerhalb der einzelnen Systeme:
Für die Datensituation in der beruflichen Bildung stellen Baethge und Wieck (2006) fest, dass nicht nur Verlaufsdaten fehlen, sondern dass selbst die Bestandsdaten nicht kompatibel und „mit Unsicherheiten und Ungenauigkeiten behaftet“ sind (Baethge/Wieck 2006, S. 172). Tiefer gehende
Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung
67
Analysen, beispielsweise zu individuellen oder betriebsbezogenen Merkmalen, seien daher nicht möglich (vgl. Baethge/Wieck 2006).18 Für den Schulbereich verweist Weishaupt (2006) insbesondere auf Mängel in Bezug auf Angaben zur sozialen Herkunft und zum Migrationsstatus der Schüler (vgl. Weishaupt 2006, S. 48)
Diese Lücken bei der statistischen Erfassung des Übergangs von der Schule in die berufliche Ausbildung werden auch in der indikatorengestützten Bildungsberichterstattung (national, regional, kommunal) sichtbar, die sich weitgehend auf regelmäßig verfügbares statistisches Material stützt. Während der aktuelle nationale Bildungsbericht von 2008 diese Lücken durch vertiefende Untersuchungen des Berufsbildungsinstituts reduzieren konnte (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008), zeigen sich die Schwierigkeiten auf kommunaler Ebene deutlich. So schlägt der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung herausgegebene „Anwendungsleitfaden zum Aufbau eines Kommunalen Bildungsmonitorings“(BMBF 2008d) lediglich Datenquellen (u.a. amtliche Schulstatistik für die allgemeinbildenden bzw. für die beruflichen Schulen, Beschäftigten- und Betriebstatistik der Bundesagentur für Arbeit) vor, die aktuell keine Aussagen über tatsächliche Bildungsverläufe oder Angaben zu Kontextfaktoren (z.B. soziale Herkunft, Migrationsstatus) ermöglichen. Dies wird beispielhaft am Bildungsbericht der Stadt Ravensburg (Stadt Ravensburg 2009) deutlich: Hier wird dem Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung zwar ein eigener Abschnitt gewidmet, der Übergang selbst und seine Probleme können aber nur unzureichend abgebildet werden. Ein auf statistische Daten angewiesenes kommunales bzw. regionales Monitoring des Übergangs in die berufliche Ausbildung ist daher aktuell eingeschränkt. Sollte die Einführung landes- bzw. bundesweit einheitlicher Hashcodes gelingen, könnten sich zukünftig jedoch neue Möglichkeiten einer Berichterstattung zu Übergängen in Ausbildung erschließen (vgl. DIPF 2007, S. 17).19
18
19
Baethge und Wieck (2006) zeigen die Problematik exemplarisch an zwei Indikatoren des nationalen Bildungsberichts auf: „Ausbildungsanfänger“ und „Angebot und Nachfrage in der dualen Ausbildung“. Für jede Einzelperson soll über konstante Merkmale (z.B. Geburtsdatum, Geschlecht, Name) ein über die Schuljahre identischer Code (Hashcode) errechnet werden, der die Zusammenführung zu Bildungsverläufen ermöglichen soll (vgl. DIPF 2007, S. 17f).
68
Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung
Daten zum Ausbildungsmarkt Neben den statistischen Daten der Länder bzw. des Bundes geben auch die Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) wichtige Einblicke in die Situation am Übergang. Dabei steht die Angebot-Nachfrage-Relation (ANR), die zur Beobachtung der Entwicklungen auf dem Ausbildungsmarkt eine wichtige Rolle spielt, zunehmend in der Kritik, die Situation nur unvollständig zu beleuchten und die tatsächliche Ausbildungslücke damit systematisch zu unterschätzen (vgl. Ulrich 2006b; Birkelbach 2007; BMBF 2007, S. 36).20 Zur Begründung wird argumentiert:
Die Freiwilligkeit der Inanspruchnahme von Vermittlungsleistungen der BA, führe dazu, dass Ausbildungsangebote und Nachfrager, die bei der BA nicht gemeldet sind, in der Statistik nicht berücksichtigt würden (vgl. u.a. Ulrich 2006b). Jugendliche, die nach erfolgloser Bewerbung auf berufsvorbereitende Maßnahmen ausweichen, zählten in der ANR nicht mehr zu den Nachfragern – trotz Vermittlungswunsch (vgl. u.a. Ulrich 2006b). Umorientierungsprozesse der Jugendlichen, die ihre Wünsche bereits vor dem Verlassen der Schule an die schwierige Situation anpassten, könnten nicht berücksichtigt werden (vgl. u.a. Birkelbach 2007).
Darüber hinaus ist auch die Interpretation der Daten zum Ausbildungsmarkt Gegenstand kontroverser Diskussionen (vgl. Ulrich 2006a, S. 22): Während die einen in der Zahl der gesunkenen Ausbildungsverträge ein kurzsichtige Personalpolitik der Unternehmen sehen, interpretieren andere den Rückgang als Folge einer mangelnden Ausbildungsreife der Schulabgänger. In der Folge werden einerseits sanktionierende Maßnahmen des Staates (z.B. Ausbildungspflicht für Betriebe) gefordert, andererseits wird nach höheren Investitionen in die schulische Bildung gerufen. (vgl. Ulrich 2006a, S. 22) Damit wird deutlich, dass nicht nur ein kritischer Umgang mit den Daten erforderlich ist, sondern angesichts der unterschiedlichen Interessenlagen der Akteure am Übergang in Ausbildung auch mit den daraus abgeleiteten Interpretationen und Maßnahmen.
20
Nach den Berechnungen von Ulrich (2006b) lag die tatsächliche Angebots-Nachfrage-Relation für das Jahr 2005 damit nicht bei 95,2%, sondern nur bei 81,1%.
Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung
69
Studien zum Verbleib von Schulabsolventen und zu Übergangsverläufen Ergänzend zu den Daten der amtlichen und nicht-amtlichen Statistik liefern Studien, die den Verbleib von Schulabsolventen und den Verlauf von Übergangsprozessen in den Blick nehmen, wichtige Daten zu (institutionellen) Übergangsverläufen von der Schule in die berufliche Ausbildung. Dabei werden neben Fragen nach dem Verbleib der Schulabgänger auch individuelle Determinanten von Übergangsschwierigkeiten und Übergangsverläufen einbezogen. Tabelle 1 gibt einen Überblick über vier zentrale Studien und verweist auf Unterschiede (z.B. befragte Personen, Erhebungsart, Erhebungszeitraum), die beim Vergleich der Ergebnisse zu berücksichtigen sind. So handelt es sich bei den Schulabgänger- und Bewerberbefragungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BiBB)21 beispielsweise um Querschnittsuntersuchungen, die im Abstand von ein bis zwei Jahren wiederholt werden und die auf diese Weise Veränderungen am Übergang in Ausbildung aufzeigen können. Dagegen ermöglicht das Übergangspanel des Deutschen Jugendinstituts (DJI) das Aufzeigen von Übergangswegen, wenngleich auch nicht auf individueller Ebene. Auch in der Übergangsstudie des BiBB wurden Übergangsverläufe erhoben – im Vergleich zum Übergangspanel des Deutschen Jugendinstituts jedoch auf der Basis retrospektiver Längsschnittdaten (vgl. Tabelle 1). Ergänzend gibt die Lebensverlaufsstudie des Max-Planck-Instituts Informationen zu Übergangsverläufen der Geburtsjahrgänge 1964–1971 (vgl. Hillmert 2006). Die aktuelle Übergangssituation ist hier jedoch nicht mehr berücksichtigt. Im kommunalen bzw. regionalen Kontext gibt es bislang wenige Untersuchungen. Beispielhaft können hier die Studien für Stuttgart, Leipzig, Jena, Halle und Frankfurt (Oder) genannt werden, die vom Deutschen Jugendinstitut durchgeführt wurden (vgl. Gaupp/Prein 2007; Gaupp/Geier 2008; Kuhnke/Reißig 2007; Kuhnke u.a. 2008) und die aufgrund ähnlicher Untersuchungsdesigns Vergleichsmöglichkeiten bieten. Auch Hiller (2000) untersuchte am Beispiel der Stadt Reutlingen (Baden-Württemberg) die Übergänge von Jugendlichen auf kommunaler Ebene.
21
Die Bewerberbefragung erfolgt regelmäßig in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit (BA).
70
Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung
Tabelle 1: Aktuelle Studien zum Übergang bzw. zu Übergangsverläufen22
Design und Datenerhebung
BiBBSchulabgängerbefragungen Querschnittstudie zu beruflichen Plänen im Frühjahr (retrospektiv) und zur aktuellen Situation: ein Erhebungszeitpunkt (seit 2004); computergestützte Telefoninterviews; repräsentativ durch Ist-SollGewichtung.
Zeitraum
22
jährlich seit 1990
BA/BiBBBewerberbefragungen
BiBBÜbergangsstudie
DJIÜbergangspanel
Querschnittstudie zur Situation von Ausbildungsstellenbewerbern:
Retrospektive Längsschnittdatenerhebung zur Bildungsund Berufsbiographie:
Längsschnittstudie:
schriftlichpostalische Befragung im Spätherbst; repräsentativ durch Ist-SollGewichtung.
ein Erhebungszeitpunkt; computergestützte Telefoninterviews; repräsentativ durch Ist-SollGewichtung.
sieben Befragungen zwischen 1997 und 2006
einmalige Erhebung in der Zeit von Juni bis August 2006
Basiserhebung: schriftliche Befragung; Folgebefragungen: Telefoninterviews; eingeschränkt repräsentativ: keine Zufallsstichprobe, Auswahl von Schulen mit hohem Anteil Benachteiligter. Basiserhebung: März 04; Folgeerheb.: Jun 04–Nov 07 halbjährlich, dann jährlich.
Quellenangaben: DJI-Übergangspanel: BMBF 2008a, Kuhnke 2005; BiBB Übergangsstudie: Bundesinstitut für Berufsbildung 2008a, BMBF 2007, Beicht/Friedrich/Ulrich 2008; BiBB Schulabgängerbefragung: Bundesinstitut für Berufsbildung 2008b; BMBF 2007; BiBBBewerberbefragungen: Friedrich/Eberhard/Ulrich 2008.
Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung Befragte Personen
Sonstige Angaben
Schulabgänger aus allgemeinbildenden Schulen, Fachoberschulen, Fachgymnasien und berufl. Vollzeitschulen, die nicht zu einem Berufsabschluss führen. jährlich ca. 1.500 Aufgrund zu geringer Fallzahl keine differenzierten Ergebnisse zu Jugendlichen ohne Schulabschluss.
Ausbildungsstellenbewerber, die bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldet sind und als ausbildungsreif eingestuft wurden. 2006 ca. 4.600 Jugendliche (Nettostichprobe)
Jugendliche mit max. mittlerem Schulabschluss (Schwerpunkt), aber auch Gymnasiasten und Studierende der Altersjahrgänge 1982– 1988. 7.230 Jugendliche Die Analysen beziehen sich schwerpunktmäßig auf nichtstudienberechtigte Jugendliche, die bei erstmaligem Verlassen der allgemeinbildenden Schule eine betriebliche Ausbildung suchten.
71 Jugendliche in Hauptschulen bzw. Hauptschulzügen im letzten Schulbesuchsjahr Basiserhebung: 3.900 Jugendliche Jun 04: 2.400 Jugendliche Nov 07: 1.450 Jugendliche Verringerung der Befragten im Untersuchungszeitraum führte zu einer Veränderung der Stichprobe (positive Selektion).
Quelle: eigene Darstellung.
Die subjektorientierte Übergangsforschung Die Übergangsforschung „beschäftigt sich mit dem Übergang der Jugendlichen von der schulischen Ausbildung in das Beschäftigungssystem“ (Brock 1991, S. 9). Sie entwickelte sich ab dem Ende der 1970er-Jahre bzw. Anfang der 1980erJahre mit dem Ziel, die Übergänge in das Beschäftigungssystem zu analysieren, biographische und gesellschaftliche Folgeprobleme herauszuarbeiten und nach Lösungsmöglichkeiten (sozialpolitisch, institutionell) zu fragen (vgl. Brock 1991, S. 9f). Ausgehend von der These, dass die aktuellen ökonomischen und
72
Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung
kulturellen Entwicklungen für die Jugendlichen selektiv wirken und sich die Lebenskonzepte und Lebenslagen der jungen Menschen in der Folge immer stärker auffächern, schlägt Brock eine interdisziplinäre Ausrichtung der Übergangsforschung vor, die verstärkt auf eine biografische Perspektive setzt und damit die subjektive Bedeutsamkeit der Übergangsphase für die Betroffenen in den Blick nimmt (vgl. Brock 1991, S. 13 - 15). Dieser Ansatz spiegelt sich auch in dem von Stauber u.a. (2007) vorgelegten Band „Subjektorientierte Übergangsforschung“ wider, in dem der Anspruch formuliert wird, gesellschaftliche Wandlungsprozesse auf die Lebenslagen von jungen Frauen und Männern zu beziehen. Die Orientierung am Subjekt wird dabei mit der Entstandardisierung und Pluralisierung von Übergangsverläufen begründet (vgl. Stauber u.a. 2007, S. 8). Diese Perspektive legt eine qualitative, am Subjekt orientierte Untersuchung von Übergängen nahe, die beispielsweise die Forschungsprojekte prägt, die im Rahmen des europäischen Netzwerkes EGRIS23 durchgeführt wurden (vgl. Stauber u.a. 2007). Ausblick: das Nationale Bildungspanel Zukünftig soll das Nationale Bildungspanel24 durch Längsschnittdaten zur Kompetenzentwicklung und zu Bildungsprozessen bzw. Bildungsentscheidungen (vgl. Blossfeld u.a. 2008, S. 2) dazu beitragen, Lücken in der statistischen Datenerfassung zu schließen (vgl. Weishaupt 2006, S. 48; auch .Blossfeld u.a. 2008, S. 24). Durch Längsschnittanalysen sowie durch die Erfassung individueller Bildungsverläufe und die Erhebung von Kontextmerkmalen (z.B. soziale Herkunft, Migrationsstatus) sollen damit zum einen die (kritischen) Übergänge zwischen den Institutionen des Bildungssystems sichtbar werden, zum anderen sollen Einblicke in die Struktur von Bildungsprozessen und ihre wesentlichen Einflussfaktoren ermöglicht werden (vgl. Weishaupt 2006, S. 48; Blossfeld u.a. 2008, S. 6). Damit sind vom Bildungspanel auch Ergebnisse zum Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung zu erwarten, die bislang in diesem Umfang und dieser Systematik nicht verfügbar waren (vgl. Blossfeld u.a. 2008, S. 8). Aufgrund des Stichprobendesigns (vgl. Blossfeld u.a. 2008) werden jedoch keine flächendeckenden Daten vorliegen, sodass kleinräumige Analysen auf
23
Einzelprojekte waren: „Misleading Trajectories“, „Integration through Training“, „Youth Policy an Participation (YOYO)“, “Families and Transitions in Europe (FATE)” (vgl. Stauber u.a. 2007). 24 Die Haupterhebungen für die Kindergartenkohorte, die Kohorten der Sekundarstufe 1 (Klassen 5 und 9) und die Studierendenkohorte werden im Herbst 2010 beginnen (vgl. Blossfeld u.a. 2008, S. 17).
Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung
73
kommunaler Ebene oder auf Schulebene auch mit Hilfe des Bildungspanels nicht möglich sein werden. 3.3.2 Hintergrund: Entwicklung des Arbeits- und Ausbildungsmarktes Die Betrachtung des Übergangs von der Schule in die berufliche Ausbildung muss immer auch eine Bestandsaufnahme der aktuellen Arbeits- und Ausbildungsmarktsituation beinhalten, da nicht nur individuelle Faktoren, sondern auch äußere Umstände Einfluss auf das Gelingen von Übergangen haben. Dies gilt auch für die Interpretation von Untersuchungsergebnissen zum Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung, die „nur vor dem Hintergrund der beträchtlichen Veränderungen seit der Wiedervereinigung verstanden werden können“ (Ulrich/Eberhard 2008, S. 14). Grundlage der Einschätzung der Lage auf dem Ausbildungsmarkt sind dabei die Daten der Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA), sowie des Statistischen Bundesamtes und dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB). Entwicklung von Angebot und Nachfrage seit Beginn der 1990er-Jahre Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage bzw. zur Angebots-Nachfrage-Relation beruhen auf einer gesetzlichen Definition (§86 Abs. 2 BBiG; vgl. BMBF 2007, S. 10) und stützen sich in erster Linie auf die der BA gemeldeten Ausbildungsstellen und Bewerber (vgl. BMBF 2007, S. 10). Seit Beginn der 1990er-Jahre zeigten sich hier erhebliche Veränderungen. Auf der quantitativen Ebene sind dabei vor allem zwei Abschnitte zu unterscheiden (vgl. BMBF 2006a, 2007, 2008b, 2009):
Eine angespannte Ausbildungssituation bis 2006: Der deutliche Rückgang des Ausbildungsangebots von 1992 bis 2005 (-22%) führte bei gleichzeitigem Anstieg der Absoventenzahlen (+23,6%) zu einem Rückgang der Angebots-Nachfrage-Relation von 119% (1992) auf ca. 95% (2004 – 2006). Eine Verbesserung der Situation ab 2006: In den Jahren 2006 und 2007 nahm die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge deutlich zu, die Zahl der Absolventen aus allgemeinbildenden Schulen bzw. der Nachfrager ging ab 2007 bzw. 2008 zurück (vgl. BMBF 2008b, S. 50 BMBF 2009, S. 13). In der Folge verbesserte sich die Angebots-NachfrageRelation auf 98% (2007) bzw. 101% (2008). Dadurch lag die Einmün-
74
Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung dungsquote in Ausbildung in den Jahren 2007 bzw. 2008 erstmals wieder über 66% (vgl. vgl. BMBF 2008b; BMBF 2009).25
Gleichzeitig war die Entwicklung der vergangenen Jahre durch regionale Unterschiede gekennzeichnet: So konnte in den günstigsten Bezirken eine ANR von über 105% erreicht werden, während die ungünstigen Bezirke nur auf durchschnittlich 94% kamen. Darüber hinaus zeigte sich in manchen der günstigen Regionen eine „überdurchschnittliche Beteiligung von Betrieben an der Ausbildung“. (vgl. BMBF 2008b, S. 67) Tertiarisierung und Segmentierung des Ausbildungsangebots Neben der Veränderung von Angebot und Nachfrage ist der Ausbildungsmarkt durch weitere Entwicklungen gekennzeichnet. Hier ist zum einen die Tertiarisierung des Ausbildungsangebots zu nennen, d.h. die Stärkung des Dienstleistungssektors bei gleichzeitigem Rückgang der Ausbildungsplätze im Fertigungsbereich (v.a. Baubereich).26 (BMBF 2009. S. 9) Zum anderen zeichnete sich in den vergangenen Jahren eine zunehmende Segmentierung des Ausbildungsmarktes in Abhängigkeit vom Schulabschluss der Bewerber ab (vgl. Tabelle 2).
25
Langfristige Erfahrungen führten zu der Faustregel, dass bei einer Einmündungsquote von mind. 66% eine ausreichende Versorgung gewährleistet ist (vgl. BMBF 2008b, S. 46). 2007 lag die Einmündungsquote bei 66,2% (vgl. BMBF 2008b), 2008 bei 67,7% (vgl. BMBF 2009, S. 13). 26 Aktuell: 55% der Ausbildungsplätze im Dienstleistungsbereich und 39% im Fertigungsbereich. Die Ausbildungsplätze im Baubereich gingen seit 1994 auf die Hälfte zurück. (vgl. BMBF 2009, S.9)
Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung
75
Tabelle 2: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge 2006 nach Berufssegmenten und Anteilen schulischer Vorbildung27 darunter (in Prozent)
61.995
Ohne Schulabschluss 0,1
Hauptschulabschluss 6,9
Mittlerer Abschluss 37,9
(Fach-) Hochschulreife 52,3
Sonstige/ ohne Angabe 2,8
100.082
0,3
13,7
56,4
25,8
3,8
Untere Mitte
126.093
0,8
31,8
55,3
8,5
3,6
Unteres Segment Sonstige Berufe Insgesamt
147.084
3,7
57,8
32,0
3,0
3,5
145.927
4,4
37,5
40,1
13,1
4,8
581.181
2,3
34,0
43,9
15,9
3,8
Berufssegmente
Anzahl (100%)
Oberes Segment Obere Mitte
Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 285 (gekürzt).
Tabelle 2 zeigt, dass Jugendliche mit und ohne Hauptschulabschluss weitgehend auf die Ausbildungsberufe der „unteren Mitte“ bzw. des „unteren Segments“ (vgl. Fußnote) verwiesen sind und im Vergleich zu Jugendlichen mit mittlerem bzw. höherem Bildungsabschluss damit einem deutlich eingeschränkten Angebot an Ausbildungsberufen gegenüberstehen. Strukturverschiebungen im beruflichen Bildungssystem Die Schwierigkeiten am Ausbildungsmarkt hatten eine Strukturverschiebung zwischen den drei Sektoren des beruflichen Bildungssystems (vgl. auch 3.2) zur Folge. Dabei ging der Anteil der Neuzugänge in die duale Ausbildung von 51% 27
Beispielberufe: Oberes Segment: Kaufmann/-frau für Marketingkommunikation, Industriekaufmann/-frau, Fachinformatiker/in; Obere Mitte: Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte(r), Kaufmann/-frau für Spedition und Logistikdienstleistung, Chemielaborant/in, Chemikant/in; Untere Mitte: Medizinische(r), Zahn- und Tiermedizinische(r) Fachangestellte(r), Industriemechaniker/in, Einzelhandels- und Automobilkaufmann/-kauffrau; Unteres Segment: Metallbauer/in, Verkäufer/in, Bäcker/in, Fleischer/in, Maurer/in, Maler/in und Lackierer/in, Fahrzeuglackierer/in (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 111; 285).
76
Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung
(1995) auf 43% (2004) zurück (2006: 44%), während das Übergangssystem im gleichen Zeitraum eine Ausweitung von 32% auf ca. 40% (2004, 2005, 2006) erfuhr. Der Anteil des Schulberufssystems blieb dagegen weitgehend stabil bei ca. 17%. Die wachsende Zahl der Neuzugänge wurde damit vor allem vom Übergangssystem aufgefangen. (vgl. Baethge u.a. 2007, S. 22) Neuzugänge in das berufliche Ausbildungssystem 200628
Abgänger ohne Schulabschluss
79% 21% 6J.
Individuelle Potenziale und Belastungen
Schulabschluss
Migrationshintergrund
Geschlecht
Auswahlfaktoren
Datenaufbereitung und Datenauswertung
177
Abschließend wurden die Interviews im Hinblick auf das Vorliegen der herausgearbeiteten Faktoren systematisiert (vgl. Tabelle 54)). Darüber hinaus wurden die einzelnen Faktoren auf der Basis der Interviews und der bisherigen Forschungsergebnisse (vgl. 3.3) auf ihren positiven bzw. negativen Einfluss eingeschätzt.
10 Ergebnisse
10.1 Dokumentenanalyse und Experteninterviews 10.1.1 Gründung, Selbstverständnis, Bedeutung der Bildungsoffensive In den bildungspolitischen Leitlinien, die als Gründungsdokument der Bildungsoffensive verstanden werden können, bekennt sich die Stadt zu einem Bildungsverständnis, das Bildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sieht, das nur in einer „Verantwortungsgemeinschaft für Kinder und Jugendliche“ verwirklicht werden kann (vgl. Stadt Ulm 2000: GD 289/00, Anlage 1, S. 1). Während bereits vor der Bildungsoffensive gezielt in Schulen und Bildungseinrichtungen investiert wurde (vgl. Experteninterview IV, Z. 20ff), sollte Bildung durch die Gründung der „Bildungsoffensive“ zu einem Schwerpunkt kommunaler Politik werden, und zwar „über die traditionelle Schul- und Sachaufwandsentschädigung hinaus“ (Stadt Ulm 2008: GD 289/00). Dass Bildung damit zur „Chefsache“ erklärt wurde, zeigt auch die Präsenz des Bildungsthemas in den Schwörreden des Oberbürgermeisters.95.So beispielsweise im Jahr 2008: „Wir müssen noch mehr unternehmen, um noch früher mit Bildung und Betreuung der Kinder zu beginnen, um das Aussortieren und das Einsortieren in vorgefertigte Schulschubladen zu vermeiden. Das gemeinsame Lernen und die Förderung individueller Talente, das war und ist Leitlinie unserer Bildungsoffensive.“ 96 10.1.2 Steuerung und Verwaltung Bei der Gründung der Bildungsoffensive durch den Gemeinderat im September 2000 wurden zunächst zwei Elemente zur Steuerung des bildungspolitischen Vorhabens festgeschrieben: die Bildungspolitischen Leitlinien und das Bildungs95
96
In seiner jährlichen „Schwörrede“ legt der Oberbürgermeister traditionell Rechenschaft über das vergangene Jahr ab und stellt seine politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Pläne für die kommende Zeit vor. Aus der Schwörrede des Oberbürgermeisters Ivo Gönner vom 21.07.08. http://www.ulm.de/ politik_verwaltung/rathaus/2008.54078.3076,3571,3744,3521,4105,54078.htm [Datum der Recherche: 21.11.08]
C. Fink, Der Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung, DOI 10.1007/978-3-531-93208-8_10, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
180
Ergebnisse
forum. Im Jahr 2006 kam mit der kommunalen Bildungsberichterstattung ein weiteres Steuerungselement hinzu. Darüber hinaus wurden Veränderungen auf der Verwaltungsebene vorgenommen, die zu einer besseren Kooperation und Umsetzung der Maßnahmen und Ziele beitragen sollten. Bildungspoltische Leitlinien Die Bildungspolitischen Leitlinien beschreiben im Sinne einer Zielbestimmung wie Bildung und Weiterbildung in der Stadt aussehen sollen und wollen die Handlungsspielräume der Kommune im Hinblick auf die gesetzlichen Bestimmungen ausloten (vgl. Stadt Ulm 2000: GD 289/00, S. 6). Die Bedeutung der Bildungspolitischen Leitlinien als Steuerungselement auf kommunalpolitischer Ebene beschreibt ein Vertreter der Stadt zum einen als Diskussionsanlass im Hinblick auf eine gemeinsame Zielbestimmung:„… wir haben erreicht, durch die Bildungsoffensive, dass der Gemeinderat sich einmal überhaupt Gedanken macht und darüber debattiert: Wo stehen wir und wo wollen wir überhaupt hin….“ (Experteninterview I, Z. 115 - 127); zum anderen als notwendige Leitlinie im Hinblick auf den gezielten Einsatz von Ressourcen: „Also viele wollen letztlich die Maßnahme haben, da gibt es jetzt natürlich schon sehr viele, die auf diesen fahrenden Zug aufspringen und sagen: Ich hätte da auch irgendetwas (…) Wenn man dann rückfragt: Was soll das denn letztlich bringen ... das dann oft im Unklaren belassen wird.“ (Experteninterview I, Z. 132 – 136). Bildungsforum Das Bildungsforum wurde im Jahr 2000 als Gesprächs- und Beratungsverbund unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters gegründet. Die Geschäftsordnung des Bildungsforums vom 26.01.2001 sieht das Gremium als „Bündnis für Bildung“, das sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Träger von Bildungs- und Weiterbildungseinrichtungen, von Tätigen im Schulverbund und von Vertreterinnen und Vertretern von Wirtschaft und Wissenschaft zusammensetzt. Als Ziele der Arbeit im Gremium wurden in den Dokumenten vor allem die Entwicklung von Vorschlägen, Initiativen und Konzeptionen und die Beratung des Gemeinderats und der Stadtverwaltung in bildungspolitischen Fragen genannt. (vgl. Stadt Ulm 2000: GD 289/00, S. 5f)
Ergebnisse
181
Kommunaler Bildungsbericht Im Jahr 2006 wurde erstmals ein Bildungsbericht vorgelegt, der von der Stadtverwaltung auf der Basis von Kennzahlen erstellt wurde (vgl. Tabelle 19). Die Daten sollten „der wirkungsorientierten Analyse, Planung, Organisation und Steuerung geeigneter Handlungsschritte im Bereich der Bildungsoffensive“ (Stadt Ulm 2006: GD 02/06, S. 15) dienen. Begründet wurde diese Form der Berichterstattung mit ihrer wirkungsorientierten Sichtweise auf Bildung sowie ihrer Transparenz. (vgl. Stadt Ulm 2006: GD 02/06) Tabelle 19 zeigt die Struktur des kommunalen Bildungsberichts, der die bildungsbiografischen Stationen von der vorschulischen Bildung bis zum Übergang in den Beruf thematiert. Tabelle 19: Struktur des kommunalen Bildungsberichts 1. Zugang zu Bildung ermöglichen – Vorschulischer Bereich 2. Bildungspotenziale ausschöpfen – Schulpflichtige 3. Übergang Schule – Beruf 4. Kommunale Finanzierung 5. Demografische Entwicklung 6. PC-Ausstattung an Schulen in städtischer Trägerschaft
Quelle: eigene Darstellung. Umstrukturierung der Fachbereiche Auf der operativen Ebene (z.B. Vorbereitung von Sitzungen, Information, Umsetzung) konnten die Abteilungen „Bildung und Sport“ und „Familie, Kinder und Jugendliche“ als zuständige kommunale Akteure identifiziert werden. Die Zusammenlegung der beiden Abteilungen im gemeinsamen Fachbereich „Bildung und Soziales“ zeigte sich dabei als wichtige Maßnahme zur Verbesserung der Identifikation der Kinder- und Jugendhilfe mit der „Bildungsoffensive“ und zur Ausweitung der Kooperation von kommunaler Schulverwaltung und kommunaler Kinder- und Jugendhilfe: „…also Bildungsoffensive war was, was bis vor einigen Jahren, sag ich jetzt mal, ziemlich separat von der Abteilung BS [Bildung und Sport, cf] betrieben worden ist. (…) Wenn wir inzwischen über die Bildungsoffensive diskutieren, spielt da durchaus so was wie Bildungspartnerschaft mit rein.“ (Experteninterview 5, Z. 1016 – 1018 bzw. Z.1032 – 1034)97 97
Der Begriff der Bildungspartnerschaft wurde vom Interviewpartner immer dann gebraucht, wenn es im weitesten Sinne um die Zusammenarbeit der Bereiche Schule und Jugendhilfe ging.
182
Ergebnisse
10.1.3 Ziele und Maßnahmen Die Bildungspolitischen Leitlinien beschreiben die Ziele der Bildungsoffensive. Gleichzeitig waren sie im Verlauf der Bildungsoffensive Gegenstand eines fortlaufenden Diskussionsprozess, in dem die Leitlinien aus dem Jahr 2000 immer wieder verändert und an die aktuelle Situation angepasst wurden (vgl. Tabelle 20). Zum Zeitpunkt der Untersuchung galten die Leitlinien aus dem Jahr 2003. Allerdings fiel der letzte Punkt, „Förderung der Weiterbildung im Hinblick auf lebenslanges Lernen“ (vgl. Tabelle 20) ab dem Jahr 2004 weg, sodass fünf Leitlinien blieben. Der Vergleich der Leitlinien aus den Jahren 2000 und 2003 zeigt dabei eine deutliche Konkretisierung und Hinwendung zum Aspekt der Orientierung an den Bildungsbiografien der Kinder und Jugendlichen, und zwar von der vorschulischen Bildung, Förderung und Betreuung (vgl. Leitlinie 2 und 3), über den Bereich der allgemeinbildenden Schulen (vgl. Leitlinie 2 und 3) bis hin zum Übergang in das Berufsleben und darüber hinaus (Leitlinie 4 und 6). Tabelle 20: Bildungspolitische Leitlinien im Jahr 2000 und im Jahr 2003 Bildungspolitische Leitlinien 2000
Bildungspolitische Leitlinien 2003
1.
1.
2. 3. 4. 5. 6. 7.
Bildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe Bildung braucht Partner u. Kooperation Bildung fördert Chancengleichheit und Integration Bildung vermittelt Werte, Leitbilder und Schlüsselkompetenzen Bildung im internationalen Kontext Bildung heißt „qualifizierte“ Ausbildung Bildung heißt „lebenslanges Lernen“
2. 3. 4. 5. 6.
Bildungsinfrastruktur zeitgemäß weiterentwickeln Ungleichen Bildungschancen begegnen Betreuungs- und Förderangebote ausbauen Unterstützung der SchülerInnen am Übergang in das Berufsleben Aufbau vernetzter Strukturen Förderung der Weiterbildung im Hinblick auf lebenslanges Lernen (nur 2003)
Quellen: Leitlinien 2000: vgl. GD 289/00, Anlage 1; Leitlinien 2003: vgl. GD 12/03; GD 02/04
Dass die sechste Leitlinie ab 2004 in den Dokumenten nicht mehr explizit genannt wurde, kann als Hinweis auf eine vorübergehende Konzentration der Anstrengungen auf den vorschulischen und allgemeinbildenden Bildungsbereich verstanden werden. Dies kam auch in den Experteninterviews zum Ausdruck.
Ergebnisse
183
Die in den Bildungspolitischen Leitlinien formulierten Ziele waren in der Folge auch Richtschnur zur Entwicklung von Strategien und zur Umsetzung von Maßnahmen und Projekten. Dies wird in Tabelle 21 deutlich, die zeigt, dass jeder Leitlinie anhand der Dokumente Maßnahmen oder Projekte zugeordnet werden konnten. Tabelle 21: Zuordnung von Maßnahmen zu Leitlinien 1. Bildungsinfrastruktur zeitgemäß weiterentwickeln
Ausbau der Medienausstattung an Schulen Bauliche Maßnahmen an Schulgebäuden
2. Ungleichen Bildungschancen begegnen Sprachfördermaßnahmen in Kindertageseinrichtungen Schulsozialarbeiter zur Förderung von Jugendlichen in Hauptschulen am Übergang 3. Ausbau von Betreuungs- und Förderangeboten
Ausbau von Ganztagsschulen und Verlässlichen Grundschulen Ausbau von Plätzen für unter dreijährige Kinder
4. Unterstützung von Kindern und Jugendlichen beim Übergang in das Berufsleben Unterstützung der Schüler beim Übergang in den Beruf (z. B. Projekt „Starthilfen“) Ausrichtung einer Bildungsmesse im Zweijahresrhythmus 5. Ausbau vernetzter Strukturen
Aufbau von sozialraumspezifischen Arbeitskreisen (z. B. „AK Wiki“) Intensivierung der Kooperation von Schule und Jugendhilfe
Quelle: Kucharz u.a. 2009; variiert.
10.1.4 Kooperation von Schule und Jugendhilfe Als zentrales Element der kommunalen Kooperation im Rahmen der Bildungsoffensive (vgl. Tabelle 21) und als Merkmal einer kooperationszentrierten Entwicklungsvariante von Bildungslandschaften (vgl. Mack u.a. 2006; Mack 2007) wird im Folgenden die Kooperation von Schule und Jugendhilfe genauer betrachtet. Während die Dokumente lediglich die Bedeutung und Absicht einer Kooperation Schule-Jugendhilfe betonten, konnte das Interview mit einem leitenden Vertreter der Jugendhilfe ergänzend konkrete Formen der Zusammenarbeit aufzeigen. Dabei wurde deutlich, dass die Kooperation von Schule und Ju-
184
Ergebnisse
gendhilfe im Rahmen der „Bildungsoffensive“ bereits auf verschiedenen Ebenen etabliert werden konnte:
auf der kommunalpolitischen Entscheidungsebene (z.B. Zusammenlegung von Ausschüssen); auf der Ebene der Mitarbeiter (z.B. Zusammenlegung der Abteilungen in einem Fachbereich; Kooperationen bzw. Koordinierungsgruppen auf Sozialraumebene; Schulsozialarbeit); auf der Planungsebene (zum Zeitpunkt der Untersuchung noch nicht umgesetzt, aber angestrebt: Verbindung von Schulentwicklungs- und Jugendhilfeplanung zu einer kleinräumigen kommunalen Bildungsplanung).
Wichtig war dem Experten dabei vor allem die Ebene der Mitarbeiter: Dass „man einfach vom andern mehr weiß“ (Experteninterview V, Z. 398 - 401), war aus Sicht des Vertreters der Jugendhilfe eine zentrale Voraussetzung für eine intensive Vernetzung und Zusammenarbeit, die – wie im Interview ebenfalls deutlich wurde – bisher vor allem auf Sozialraumebene realisiert werden konnte und jeweils vom konkreten Einzelfall ausging (vgl. Experteninterview V, Z. 392 - 396; 404 - 411). Ziel dieser Kooperation sei es, „die Kinder und Jugendlichen in ihrer Entwicklung weiter zu bringen“ (Experteninterview V, Z. 363 364). Neben der Unterstützung im Einzelfall wurde auch das Ziel genannt, Aktivitäten auf der Ebene der Mitarbeiter transparent zu machen und Formen der Zusammenarbeit zu finden, mit denen langfristig Synergieeffekte erzielt werden können (vgl. Experteninterview V, Z. 196 - 200). Als positive Beispiele für das Gelingen einer solchen Kooperation nannte der Experte:
die regelmäßigen Treffen der „Koordinierungsgruppen Sozialer Raum“, in denen Schulleiter, Schulsozialarbeiter und Vertreter der Jugendarbeit zusammenarbeiten (vgl. Experteninterview V, Z. 174 - 184) und die „Bildungspartnerschaften“, die von Lehrkräften und Vertreterinnen bzw. Vertretern der Jugendarbeit und der Schulsozialarbeit getragen werden.98
Gleichzeitig wurden im Interview Schwierigkeiten angesprochen, die in den unterschiedlichen Traditionen und Aufträgen der Akteure Schule und Jugendhilfe begründet sind und die es in der Zusammenarbeit so auszubalancieren gilt, 98
Konkret berichtete der Befragte über den Bau eines Jugendhauses auf dem Gelände einer Hauptschule (vgl. Experteninterview V, Z. 150 – 156).
Ergebnisse
185
damit beide Akteure ihrem Auftrag treu bleiben können (vgl. Experteninterview V, Z. 443 - 445). Exemplarisch machte der Experte dies am Beispiel des Verpflichtungsgrades von Angeboten deutlich: Schule ist verpflichtend, Jugendarbeit aber freiwillig. Dadurch werden Kompromisse notwendig bzw. müssen gemeinsame Bildungsziele vereinbart werden, hinter denen Schule und Jugendhilfe gleichermaßen stehen (vgl. Experteninterview V, Z. 290 - 297). So wurde zum Beispiel die Vereinbarung getroffen, dass ein Schüler mit Schulausschluss weiterhin den Schulsozialarbeiter zur Beratung aufsuchen darf (vgl. Experteninterview V, Z. 146 - 153). 10.1.5 Das Handlungsfeld „Übergang Schule – berufliche Ausbildung“ Bedeutung des Handlungsfeldes „Übergang“ im Gesamtkontext Das Handlungsfeld des Übergangs von der Schule in die berufliche Ausbildung bzw. den Beruf wurde bereits in den Gründungsdokumenten als Schwerpunkt der „Bildungsoffensive“ thematisiert. Hier wurde ein gelingender Übergang in eine qualifizierte Ausbildung als Voraussetzung für die gesellschaftliche Integration des Einzelnen und eine positive wirtschaftliche Entwicklung hinsichtlich des demografischen Wandels beschrieben. (vgl. Stadt Ulm 2000: GD 289/00, Anlage 1; Experteninterview IV). Darüber hinaus wurden positive Auswirkungen auf die finanziellen Verpflichtungen der Kommune erwartet: „Je gebildeter eine Bürgerschaft ist, desto niedriger die Arbeitslosenquote und desto niedriger die Sozialhilfeausgaben des Sozialhilfeträgers, Stadt Ulm, im konkreten Fall.“ (Experteninterview I, Z. 89 - 91) Ausgehend von dieser Bedeutung des Übergangs wurde zu Beginn der „Bildungsoffensive“ das Ziel formuliert, „möglichst allen Jugendlichen eine Berufsausbildung einschließlich eines Abschlusses zu ermöglichen“ (Stadt Ulm 2000: GD 289/00, Anlage1, S.9). Auch im weiteren Verlauf wurde dem Übergang in Ausbildung und qualifizierte Erwerbstätigkeit ein hoher Stellenwert zugemessen, der sich unter anderem in den Bildungspolitischen Leitlinien ab 2003 (vgl. Tabelle 20) und im Bildungsbericht der Stadt (ab 2006) widerspiegelte. Auch zukünftig wird Handlungsbedarf gesehen: Ein leitender Vertreter der Stadt Ulm stellte im Experteninterview eine zweite Bildungsoffensive in Aussicht, die in erster Linie die „Schnittstelle Schulende – Eintritt ins Berufsleben“ (Experteninterview IV, S. 11) thematisieren soll.
186
Ergebnisse
Ziele des Handlungsfeldes „Übergang Schule – berufliche Ausbildung“ Neben den übergeordneten Zielen, Jugendliche am Übergang zu unterstützen und möglichst allen eine Berufsausbildung zu ermöglichen, wurden im Rahmen der Dokumente und in den Experteninterviews weitere Ziele benannt:
Zum einen wurden strategische Ziele formuliert: z.B. die Kooperation von Schule und Jugendhilfe, der Ausbau der Zusammenarbeit von Schulen und Betrieben und die Unterstützung der Schulen bei der Durchführung von Maßnahmen zur Berufsorientierung (vgl. Stadt Ulm 2000: GD 289/00, Anlage 1). Zum anderen wurden Ziele im Hinblick auf die Bildungsbiografien der Jugendlichen, insbesondere der Hauptschülerinnen und Hauptschüler, formuliert. Konkret benannt wurden unter anderem die Verringerung des Anteils der Jugendlichen ohne Schulabschluss, die Verbesserung der Schulabschlüsse im Hauptschulbereich und die Förderung direkter Wege in Ausbildung. (vgl. Stadt Ulm 2006: GD 02/06; Stadt Ulm 2007: GD 02/07; Stadt Ulm 2008: GD 02/08)
Umsetzung Zur Umsetzung dieser Ziele wurden im Rahmen der „Bildungsoffensive“ konkrete Schritte unternommen, die sich zum einen an die verantwortlichen Akteure und zum anderen direkt an die Jugendlichen wandten: Auf der Ebene der Akteure ist dabei insbesondere das Netzwerk „Übergang Schule – Beruf“ hervorzugeben, das 2007 gegründet wurde und das regelmäßig Vertreter der Schulen, der Jugendhilfe, der Kommune, der Agentur für Arbeit und der Ausbildungsbetriebe zusammenführt. Ziel des Netzwerkes ist in erster Linie die gegenseitige Information und die Abstimmung von konkreten Projekten. Im Vergleich zu früheren Gremien (vgl. Tabelle 22) beschäftigt sich das neue Netzwerk ausschließlich mit dem Übergangsthema und führt diejenigen zusammen, „die direkt mit Jugendlichen zu tun haben“ (Experteninterview V, Z. 570 - 572). Vom befragten Experten wurde es aus diesem Grund als „praxisbezogen“ und „sehr fruchtbar“ wahrgenommen (Experteninterview V, Z. 709). Nach der Erfahrung des Experten zeigte sich das Netzwerk in den Zeit seit seiner Gründung geeignet, die Aufnahme von Beziehungen, die gegenseitige Information und die direkte Abstimmung von Handlungsschritten zu erleichtern und führte zu einer Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren (z.B. Schule, Jugendhilfe) und den verschiedenen Ebenen (z.B. operative Ebene,
Ergebnisse
187
Entscheidungsebene) (vgl. Experteninterview V, Z. 495f; Z. 707; 782 – 786; 801- 803). Tabelle 22: Gremien am Übergang99 Gremium
Bildungsforum
AK Jugendhilfeplanung
Netzwerk „Übergang Schule-Beruf“ von der Bürgermeisterin als „Arbeitsebene“ ins Leben gerufen (seit 2007)
Initiative (seit…)
Oberbürgermeister und Schulleiter (seit 2000)
Gremium nach dem KJHG (~ seit 1970)
Ziel
Verbesserung der Zusammenarbeit, Informationsaustausch, Diskussion zu Themen der gesamten Bildungsoffensive
demokratisches Instrument der Sozialräume
Information, Abstimmung und Vereinbarung konkreter Projekte/ Maßnahmen/Kooperationen am Übergang
Teilnehmer
OB (Vorsitz), SchulleiterInnen, Fachbereich Bildung u. Soziales, IHK, HK, andere Bildungsträger
Vertreter der Jugendhilfeplanung (Leitung), Vertreter d. Sozialräume; geschäftsführende Schulleiter
Stadt Ulm (Leitung), Staatl. Schulamt, geschäftsf. Schulleiter, Lehrer, Kinderund Jugendhilfe, Agentur f. Arbeit, Ausbildungsberater der HK u. IHK
Treffen
2-3x pro Jahr
4-5x pro Jahr
4-5x pro Jahr
Quellen: Dokumente der Stadt Ulm; Experteninterview V.
Dies wurde unter anderem am Beispiel der Schulsozialarbeit an beruflichen Schulen (vgl. Experteninterview V, Z. 522 - 540) und an den Projekten „Xenos“ und „Jugendberufshelfer“ (vgl. Experteninterview V, Z. 1446 – 1469) deutlich. Hier konnten durch das Netzwerk Doppelstrukturen vermieden und die trägerund ressourcenübergreifende Zusammenarbeit erleichtert werden. Neben dem Aufbau des Netzwerks und der Intensivierung der Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe wurden auch Projekte ins Leben gerufen, die sich direkt an die Jugendlichen am Übergang wandten. Dabei gestaltete sich der Versuch, über die Dokumentenanalyse ein Bündel von Maßnahmen der „Bildungsoffensive“ am Übergang zu identifizieren, als schwierig, da für viele der 99
Abkürzungen in der Tabelle: AK: Arbeitskreis, OB: Oberbürgermeister, IHK: Industrie- und Handelskammer, HK: Handwerkskammer; KJHG: Kinder- und Jugendhilfegesetz
188
Ergebnisse
genannten und beschriebenen Projekte nicht deutlich wurde, ob und in welcher Beziehung sie zur „Bildungsoffensive“ standen. Als Hinweise auf einen Zusammenhang mit der „Bildungsoffensive“ wurden interpretiert: die Finanzierung durch Mittel der „Bildungsoffensive“, die Entwicklung im Hinblick auf bestimmte Ziele der „Bildungsoffensive“; die Umsetzung an allen (Haupt-)Schulen der Stadt. Ausgehend von den Dokumenten zeigten sich damit die folgenden zentralen, weil häufig genannten Maßnahmen und deren Schwerpunkte (vgl. Tabelle 23; zu weiteren Maßnahmen vgl. Anhang, Tabelle 56). Tabelle 23: Klassifizierung zentraler Aktivitäten von 2000 bis 2006100 Schwerpunkte Sibille International Bildungsmesse Jugendberufshelfer Starthilfen JAZzMentoren programm Berufl. Qualifizierungsnetzwerk Koop. klasse HS/BVJ
Information
Beratung/ Begleitung
Vermittlung in Ausbildung
X X
Lernförderung/ Schulabschluss
Mädchen mit Migrationshintergrund
X
Jugendliche aller Schularten HauptschülerInnen und Jugendl. im BVJ
X X
X
X
X
X
Zielgruppe
HauptschülerInnen X
HauptschülerInnen Jugendliche mit Migrationshintergrund
X
X
HauptschülerInnen, deren Abschluss in Gefahr ist
Quelle: Stadt Ulm (vgl. Kucharz u.a. 2009)
100
Die Klassifizierung orientiert sich an den Schwerpunkten, die aus den Beschreibungen in den Dokumenten hervorgingen. Dies bedeutet nicht, dass ein Projekt nicht auch andere Aspekte aufweisen kann. Kein Anspruch auf Vollständigkeit. Insbesondere Aktivitäten, die nach 2006 hinzukamen (z.B. Kompetenzagentur ab Juli 2007) konnten im Rahmen der Evaluation nicht mehr systematisch berücksichtigt werden. Auch das Projekt „Individuelle Lernbegleitung“ wurde nicht aufgenommen, da es lediglich an einer Schule durchgeführt wird und keine weiteren Informationen vorlagen.
Ergebnisse
189
Aufgrund der genannten Schwierigkeiten wurde auch eine Liste der Aktivitäten der Hauptschulen ausgewertet, die von der Abteilung Bildung und Sport nach Selbstauskunft der Schulen erstellt wurde (vgl. Tabelle 24). Tabelle 24: Klassifizierung der Aktivitäten der Schulen101 Schule
Info
Beratung
Vermittl. in Ausb.
Lernförderung
Training
A
X
Start
Start
JAZz
X
Vermittl. von Praktika X
B
X
Start
Start
X
X
C
X
Start
Start
X
X
X
X
X
X
X
HSBVJ
X
X
BS,JB
X
X
X
X
X
X
x
D E
X
Start
Start
F
X
x
JBH
JAZz u.a JAZz,I L
X
x
G H I
JAZz
B. messe
Start
Start
Start
Start
X
Eltern
Kooperation
X BS,IH K
JB
Quelle: Abt. Bildung u. Sport, Stadt Ulm 2007
Der Vergleich der Ergebnisse zeigt dabei, dass sich Projekte, die in den Dokumenten zur „Bildungsoffensive“ besonders hervorgehoben wurden (z.B. Bildungsmesse oder Jugendberufshelfer), in den Angaben der Schulen nur teilweise widerspiegeln: Während das Projekt „Starthilfen“ häufig als Teil der schulischen Vorbereitung auf den Übergang in Ausbildung genannt wurde, wurde die Bildungsmesse, die sich laut der Dokumente explizit an die Schulen aller Schulformen wendet, nur von einer Hauptschule als Element der schulischen Berufsorientierung genannt. 101
Abkürzungen: Starthilfen (Start), Berufliche Schule (BS), Hauptschule (HS), Berufsvorbereitungsjahr (BVJ), Bildungsmesse (B.messe), Jugendbegleiter (JB), individuelle Lernförderung (IL), Industrie- und Handelskammer (IHK), Jung und Alt Zukunft zusammen (JAZz); anderes Angebot der Kategorie (X).
190
Ergebnisse
Die Lernförderung, die gerade im Hinblick auf das Ziel der Verbesserung von Schulabschlüssen von Bedeutung ist, zeigte sich anhand der Auskünfte der Schulen nur in Form von JAZz e.V., einem Mentorenprogramm zur Begleitung und Förderung von Schülern. Aufgrund der breiten Angebotspalette des Vereins ist aus der Angabe der Schulen jedoch nicht ersichtlich, ob es sich immer um eine kontinuierliche Lernförderung handelt. Dies ist insbesondere dort zu bezweifeln, wo JAZz als einmaliges Seminar (ein- oder mehrtägig) angeboten wird. Lediglich zwei Schulen (vgl. Tabelle 24; Schulen E und F) nennen hier weitere Angebote. Konkrete Anhaltspunkte zur Erklärung der Unterschiede zwischen den Zielen und Maßnahmen der „Bildungsoffensive“ und den Angeboten der Schulen gaben weder die Dokumente noch die Experteninterviews. Ursachen können an dieser Stelle daher nur vermutet werden: Zum einen könnte es sein, dass unterschiedliche Definitionen von Unterstützung am Übergang bzw. schulischer Berufsorientierung vorliegen, sodass Elemente der „Bildungsoffensive“ von den Schulen nicht im Zuge der Vorbereitungsaktivitäten genannt wurden; zum anderen ist aber auch denkbar, dass die Kommune die Schulen zwar als selbstverständliche Akteure der „Bildungsoffensive“ ansieht, dass sich die Schulen den Angeboten und Zielen der „Bildungsoffensive“ aber nicht gleichermaßen verpflichtet sehen, da die Stadt als Schulträgerin lediglich für die äußeren Schulangelegenheiten zuständig ist. Schwierigkeiten und Grenzen Bezogen auf das Handlungsfeld des Übergangs zeigten sich anhand des Experteninterviews (V) weitere Schwierigkeiten:
102
unabhängige Entscheidungen der Bundesagentur für Arbeit, die häufig nicht beeinflusst werden können (vgl. Experteninterview V)102 Grenzen der sozialräumlichen Struktur bei der Einbindung der beruflichen Schulen (vgl. Experteninterview V) und
Beispielhaft wurde dies an der Zuständigkeit der Agentur für Arbeit (vgl. Experteninterview V, Z. 454 - 496) und an der Vergabe der Jugendberufshilfe/Berufshilfeangebote nach „den Gesetzen des Marktes“ durch die Agentur für Arbeit in Ulm bzw. in Nürnberg deutlich. Hier hat die Jugendhilfe vor Ort keinen Einfluss. Die jährliche Neuvergabe führt u.a. dazu, dass sich Träger und Namen der Angebote z.T. jährlich ändern (vgl. Experteninterview V, Z. 993 - 998), was die Undurchsichtigkeit des „Berufshilfedschungels“ (Experteninterview V, Z. 971) erhöht.
Ergebnisse
191
Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Projekten durch langwierige Antragsverfahren und ungewisse sowie befristete Finanzierungszusagen (vgl. Experteninterview V, Z. 1524 - 1585).
Als weiterer, nicht zu unterschätzender Faktor bei der Umsetzung von Maßnahmen zeigte sich nach Ansicht des Experten (V) außerdem der „Faktor Mensch“: „Das geht nicht alles per Rezept und Konzept […] Sondern es hat schon auch was mit … der Kooperationsfähigkeit der einzelnen Personen selber zu tun.“ (Experteninterview V, Z. 1142 - 1145). In der Folge führten, so die Erklärung des Experten, gleiche Konzepte nicht immer zum gleich guten Erfolg. Nach Einschätzung des Experten waren die verschiedenen Sozialräume zum Zeitpunkt des Interviews daher auf unterschiedlichem Stand in Bezug auf die Umsetzung der Ziele und Maßnahmen der „Bildungsoffensive“ (z.B. Bildungspartnerschaften, Schulsozialarbeit; vgl. Experteninterview V). 10.1.6 Zusammenfassung, Interpretation, Diskussion Die „Bildungsoffensive“ – auf dem Weg zur kommunalen Bildungslandschaft Mit der „Bildungsoffensive“ erklärte die Stadt Ulm Bildung zu einem kommunalpolitischen Schwerpunkt und drückte ihre Bereitschaft aus, Verantwortung über die traditionelle Schulträgerschaft hinaus zu übernehmen. Die ersten Dokumente zur „Bildungsoffensive“ aus dem Jahr 2000 (z.B. die Bildungspolitischen Leitlinien in GD 289/00) zeigten dabei ein weites Bildungs- und Aufgabenverständnis sowie eine Ausrichtung an den in Abschnitt 2.1.2 vorgeschlagenen Leitgedanken. So wurde der „Aufbau vernetzter Strukturen“ ab 2003 als „Bildungspolitische Leitlinie“ festgeschrieben und auch die „Orientierung an den Bildungsbiografien der Kinder und Jugendlichen“ erfuhr im Zuge der Weiterentwicklung der Leitlinien im Jahr 2003 eine deutliche Aufwertung: Sowohl die Ausweitung der „Bildungsoffensive“ auf die (frühkindliche) Förderung als auch die Unterstützung der Schülerinnen und Schüler am Übergang in das Berufsleben und das Ziel, ungleichen Bildungschancen zu begegnen (vgl. Tabelle 20), können in diese Richtung interpretiert werden. Zum Zeitpunkt der Untersuchung konnten anhand der Dokumente vor allem Ähnlichkeiten zur kooperationszentrierten Entwicklungsvariante von Bildungslandschaften festgestellt werden (vgl. Mack u.a. 2006; Mack 2007):
192
Ergebnisse Die kommunale Bildungspolitik wurde mit der „Bildungsoffensive“ zur „Chefsache“ erklärt: Sie wurde seit 2000 regelmäßig im Gemeinderat thematisiert und vom Oberbürgermeister auch nach außen engagiert vertreten. Mit den „Bildungspolitischen Leitlinien“ wurden Ziele zugrunde gelegt, die im Folgenden immer wieder diskutiert und angepasst wurden. Der Kooperation von Schule und Jugendhilfe wird eine zentrale Bedeutung innerhalb der „Bildungsoffensive“ zugemessen: auf Verwaltungsebene wurden die für Jugendhilfe und Schule zuständigen Ämter zusammengelegt, auf der politischen Ebene wurden die zugehörigen Ausschüsse verschmolzen. Gleichzeitig konnten auf Mitarbeiterebene zahlreiche Formen der Zusammenarbeit entstehen bzw. gefördert werden (z.B. Schulsozialarbeit, Zusammenarbeit in Sozialraumteams, Bau eines neuen Jugendhauses auf dem Gelände einer Hauptschule). Mit den jährlichen Bildungsberichten (ab 2006) und der Evaluation des Gesamtprojekts wurden Verfahren der Qualitätssicherung initiiert. Externe Unterstützung wurde als Teilnahme an Schulversuchen (z.B. Kooperationsklasse Hauptschule – BVJ) und an Bundes- und Landesprojekten (z.B. Berufliches Qualifizierungsnetzwerk) einbezogen. Partizipative Elemente zeigten sich vor allem auf der Ebene der Sozialräume, aber auch in Form von Gremien und Arbeitskreisen wie beispielsweise dem Bildungsforum.
Elemente einer gemeinsamen Schul- und Unterrichtsentwicklung, die den schulzentrierten Entwicklungsansatz von Bildungslandschaften prägen, konnten in Ulm dagegen nicht identifiziert werden. Während die verschiedenen Dokumente zur „Bildungsoffensive“ einerseits die Bedeutung der Schulen als zentrale Bildungseinrichtungen der Stadt betonten, erschöpfte sich ihr Einbezug, soweit aus den Dokumenten und Expertengesprächen ersichtlich, bislang in gezielten Investitionsmaßnahmen zur Verbesserung der Bildungsinfrastruktur und der Finanzierung von Einzelmaßnahmen (z.B. Maßnahmen am Übergang in die berufliche Ausbildung). Auch eine verbindliche Kooperation von kommunaler Schulverwaltung und staatlicher Schulaufsicht konnte für die „Bildungsoffensive“ nicht identifiziert werden. Es wurden zwar Gremien geschaffen, in denen sowohl Schulaufsicht als auch Schulverwaltung vertreten waren (z.B. Bildungsforum, Netzwerk „Übergang Schule – Beruf“), eine rechtliche Absicherung der Zusammenarbeit konnte bislang aber nicht nachgewiesen werden. Anhand der Dokumente und Interviews wurde darüber hinaus deutlich, dass den kommunalpolitischen Akteuren, insbesondere dem Gemeinderat und den Abteilungen der kommunalen Verwaltung, eine hohe Bedeutung und Steuerungsfunktion zukam. Andere Akteure (z.B. Schulleiterinnen und Schulleiter,
Ergebnisse
193
Vertreterinnen und Vertreter der Kammern, Schulaufsicht) wurden im Rahmen verschiedener Gremien (z.B. Bildungsforum) zwar einbezogen, ihre Funktion blieb aber „beratend“. Damit sprechen insbesondere die Orientierung an den oben genannten Leitgedanken und die lokale Ausrichtung der „Bildungsoffensive“ dafür, dass in Ulm eine Bildungslandschaft entstehen konnte. Für weitere Voraussetzungen wie den systematischen und rechtlich abgesicherten Einbezug der zentralen Bildungseinrichtungen, insbesondere der Schulen, konnten anhand der Dokumente dagegen keine überzeugenden Hinweise gefunden werden. Es wird daher vorgeschlagen, die „Bildungsoffensive“ als Initiative auf dem Weg zu einer kommunalen Bildungslandschaft zu verstehen, in der dem ordnungspolitischen Raum der Stadt Ulm und den kommunalen Gremien (Initiierung, Organisation und Entwicklung der „Bildungsoffensive“) eine zentrale Funktion zukommt. Der Übergang in Ausbildung als Handlungsfeld der kommunalen Bildungslandschaft Der Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung bzw. die Erwerbstätigkeit zeigte sich im Gesamtkontext als wichtiges Thema bzw. Handlungsfeld der Bildungsoffensive, das von Anfang an in den Dokumenten (z.B. Bildungspolitische Leitlinien, spezifische Maßnahmen) präsent war und das auch in den Experteninterviews in seiner Bedeutung hervorgehoben wurde. Ein Schwerpunkt wurde dabei auf die Jugendlichen der Hauptschulen gesetzt. Für die formulierten Ziele und – zumindest teilweise – für die entwickelten Maßnahmen konnte ebenfalls eine Ausrichtung an den Leitlinien der Vernetzung und der Orientierung an Bildungsbiografien festgestellt werden. Vernetzung unterschiedlicher Partner. Der Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung wird von vielen Akteuren beeinflusst. Die Vernetzung dieser Akteure wird daher sowohl für die Bildungslandschaft im Allgemeinen (vgl. 2.1.2) als auch für die Gestaltung von Übergängen im Besonderen (vgl. u.a. Reißig 2009; Tippelt 2009) als zentral eingeschätzt. Die Akteure am Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung zusammenzubringen war von Beginn an formuliertes Ziel der „Bildungsoffensive“. Neben einer verstärkten Zusammenarbeit der Abteilungen für Schule und Jugendhilfe, beispielsweise beim gezielten Einsatz von Schulsozialarbeit bei der Beratung und Begleitung am Übergang, zeigten sich Bestrebungen der Vernetzung vor allem in der Schaffung neuer Gremien, wie zum Beispiel dem 2007 gegründeten „Netzwerk Übergang Schule – Beruf“.
194
Ergebnisse
Das neu geschaffene Netzwerk ermöglicht, so ein Experte, den direkten Austausch, die persönliche Kontaktaufnahme sowie die Entwicklung gemeinsamer Strategien und Projekte und trägt durch gezielte Absprachen zur Vermeidung von Doppelstrukturen bei. Auf diese Weise, so wurde deutlich, konnten Schwierigkeiten aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten zumindest teilweise überwunden werden. Die Schulen als zentrale Bildungseinrichtungen, sowohl am Übergang in Ausbildung als auch darüber hinaus, waren in den Gremien meist durch die (geschäftsführenden) Schulleiter vertreten. Hinweise darauf, dass die Schulen selbst zu Knotenpunkten der Vernetzung werden sollten (z.B. durch eine systematische Kooperation mit Betrieben und anderen Bildungseinrichtungen), gab es anhand der Dokumente keine. Orientierung an den Bildungsbiografien der Kinder- und Jugendlichen. Anhand der Zielformulierungen wurde deutlich, dass die Bildungswege der Jugendlichen durch das Schulsystem bzw. ihre Bildungsbiografien als wichtige Voraussetzungen für gelingende Übergänge in Ausbildung und qualifizierte Erwerbstätigkeit gesehen wurden (z.B. Verbesserung von Schulabschlüssen, Verminderung der Quote der Jugendlichen ohne Schulabschluss). Während in der Folge Angebote zur Beratung und Begleitung von Jugendlichen ins Leben gerufen wurden, die eine Berücksichtigung der individuellen Erfahrungen und der konkreten Situation des Einzelnen ermöglichten (zumindest für die Jugendlichen der Hauptschulen im Projekt „Starthilfen“), wurde anhand der Dokumente auch deutlich, dass mit den neuen Maßnahmen vor allem der Übergang direkt in den Blick genommen wurde (z.B. das Projekt „Starthilfen“ für die Abschlussklassen 9 der Hauptschulen und die „Bildungsmesse“ als Informations- und Kontaktforum für die Jugendlichen am Ende der allgemeinbildenden Schulzeit). Weitere Anhaltspunkte für eine systematische Umsetzung von Lernförderung im Hinblick auf eine Verbesserung der Schulabschlüsse gab es anhand der Dokumente nicht. Auch Hinweise auf eine gezielte Schul- und Unterrichtsentwicklung mit dem Schwerpunkt der kontinuierlichen Förderung wurden anhand der Dokumente und Interviews nicht sichtbar. Damit deuten sich anhand der Dokumente zwar erste Ansätze einer Integration der Übergangsgestaltung in eine umfassendere Strategie für bessere Bildungsbedingungen vor Ort an, von einer vollständigen Integration und Ausrichtung an gemeinsamen Zielen kann aber noch nicht gesprochen werden.
Ergebnisse
195
10.2 Quantitative Fragebogenuntersuchung Aus den Ergebnissen der Dokumentenanalyse ging hervor, dass im Rahmen der Bildungsoffensive Ziele formuliert und Maßnahmen zu deren Umsetzung initiiert wurden. Dabei gab es Hinweise auf Schwierigkeiten im Hinblick auf eine systematische Umsetzung von Zielen und Maßnahmen an den Schulen. Inwiefern die kommunale Initiative bei den Bildungseinrichtungen und ihren Mitgliedern ankam, war daher Thema der Fragebogenuntersuchung, die sich an die Leitungen, das pädagogisches Personal und die Eltern der verschiedenen Bildungseinrichtungen wandte (Befragung I). Mit Blick auf den bisherigen Schwerpunkt der Bildungsoffensive und das Thema der vorliegenden Arbeit wurden in die folgenden Auswertungen nur die allgemeinbildenden Schulen einbezogen (vgl. 10.2.1).103 In einer zweiten Befragung (Befragung II) wurden die Jugendlichen nach Angeboten zur Gestaltung von Übergängen und nach ihren Wünschen und aktuellen Perspektiven gefragt. Dabei standen insbesondere Jugendliche mit Hauptschulbildung im Vordergrund (vgl. 10.2.2 bis 10.2.6). 10.2.1 Gesamtprojekt „Bildungsoffensive“ Einbindung der Schulen in die „Bildungsoffensive“ Die Identifikation der Bildungseinrichtungen mit der „Bildungsoffensive“ wurde zum einen über die Bekanntheit des Begriffs und der Ziele bei Leitungen, pädagogischem Personal und Eltern bestimmt, zum anderen wurde nach der Verwendung des Begriffes in den Einrichtungen bzw. nach der Integration der Leitgedanken und Ziele in die Konzeptionen der Einrichtung gefragt. Abbildung 2 zeigt, dass der Begriff der „Bildungsoffensive“ den Schulleitungen besser vertraut war als den Lehrkräften. Zwar gaben knapp zwei Drittel der Lehrkräfte an, den Begriff zu kennen, über die Hälfte der befragten Lehrerinnen und Lehrer kannte die Ziele der Bildungsoffensive nach eigenen Angaben aber nicht. Noch weniger bekannt waren Begriff und Ziele bei den Eltern. Darüber hinaus gaben 90% der Schulleitungen und Lehrkräfte an, dass der Begriff der „Bildungsoffensive“ in der Einrichtungen bislang nur selten oder gar nicht verwendet wurde (vgl. Anhang, Tabelle 62). Und nur 36% der Schulleitungen sagten aus, dass Ziele und Maßnahmen der Bildungsoffensive im Leitbild
103
Zu Ergebnissen zur frühkindlichen Bildung und Betreuung vgl. Kucharz u.a. 2009.
196
Ergebnisse
bzw. der pädagogischen Konzeption der Einrichtung verankert seien (vgl. Anhang, Tabelle 61).104 Abbildung 2:
100
Bekanntheit des Begriffs und der Ziele der Bildungsoffensive (%)105 95,8 87,5
80 64,3 60 43,6 40
38,9 27,8
20 0 Leitung
Lehrkräfte
Eltern
Schule Bekanntheit des Begriffs (n=893) Bekanntheit der Ziele (n=883) Quelle: Kucharz u.a. 2009, S. 49, gekürzt.
Die geringe Bekanntheit von Begriff und Zielen, insbesondere bei Lehrkräften und Eltern, lässt vermuten, dass die „Bildungsoffensive“ noch kein gemeinsam getragenes und verantwortetes Bildungsprojekt ist, wie es dem in den Leitlinien beschriebenen Ideal entspräche. Die geringe Verwendung des Begriffes im schulischen Alltag und die in vielen Einrichtungen fehlende Integration von Zielen in das Leitbild bzw. die Konzeption deuten außerdem darauf hin, dass sich viele
104
Die Ergebnisse für die Kindertageseinrichtungen unterscheiden sich zum Teil signifikant von den Ergebnissen der Schulen. Für die Gegenüberstellung von Schulen und Kitas vgl. Anhang, Tabelle 57 bis Tabelle 62 und Kucharz u.a. 2009). 105 Anteil der Personen, denen Begriff bzw. Ziele der Bildungsoffensive bekannt sind in %. Die Ergebnisse beziehen sich auf die Befragten der Schulen (Leitungen, pädagogisches Personal, Eltern).
Ergebnisse
197
Schulen auch aus Sicht der jeweiligen Schulleiter nicht als Teil der Bildungsoffensive sehen. Hier deuten sich auch Unterschiede zwischen den Schulen an, die sich anhand weiterer Ergebnisse bestätigen lassen (vgl. Kucharz u.a. 2009):106
106
Finanzieller Input im Rahmen der Bildungsoffensive: Die Entwicklung einer zeitgemäßen Bildungsinfrastruktur gehörte zu den zentralen Zielen der Bildungsoffensive. Dazu wurde ab dem Jahr 2000 gezielt in die Bildungseinrichtungen vor Ort investiert. Die Befragung der Schulleitungen (n=24) zeigte, dass die Bildungseinrichtungen in unterschiedlichem Umfang von den Leistungen profitierten. Insgesamt gaben 75% der Schulen an, finanzielle Unterstützung im Rahmen der Bildungsoffensive erhalten zu haben (vgl. Kucharz u.a. 2009, S. 53). Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen der Bildungsoffensive: Die Schulleitungen (n=24) wurden gebeten, Maßnahmen und Projekte im Rahmen der Bildungsoffensive zu nennen, die an ihrer Einrichtungen durchgeführt wurden: Während die Schulen im Mittel vier Maßnahmen umsetzten, reichten die Angaben der Schulleiter von null bis zwölf Maßnahmen pro Einrichtung. (vgl. Kucharz u.a. 2009, S. 52) Von den Maßnahmen zum Übergang in die berufliche Ausbildung wurden von den Schulleitern der Hauptschulen (n=6) im Mittel drei Maßnahmen pro Einrichtung genannt. Auch hier zeigte sich eine Spannbreite von null bis sechs Maßnahmen.107 Kooperationen auf kommunaler Ebene: Im Rahmen der Untersuchung wurden die Schulleitungen auch nach Kooperationspartnern der Schule gefragt (vgl. Kucharz u.a. 2009, S. 113). Tabelle 25 gibt einen Überblick über die häufigsten Kooperationspartner der befragten (Ganztags-)Hauptschulen (n=6). Unterschiede zeigten sich vor allem in der Anzahl der Kooperationsbeziehungen, die bei den befragten Hauptschulen zwischen sechs und zwanzig lag (M=12; n=6).108
Die entsprechend gekennzeichneten Ergebnisse sind dem Projektbericht zur Evaluation der Bildungsoffensive (Kucharz u.a. 2009) entnommen. 107 Das Ergebnis zu Maßnahmen im Bereich des Übergangs ist nicht dem Projektbericht entnommen. Es wurde im Hinblick auf den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit zusätzlich aufgenommen. Aufgrund der kleinen Fallzahlen müssen die Ergebnisse vorsichtig interpretiert werden. 108 Aufgrund der kleinen Fallzahlen müssen die Ergebnisse vorsichtig interpretiert werden.
198
Ergebnisse
Tabelle 25: Häufigste Kooperationspartner der (Ganztags-)Hauptschulen (n=6) A. Schulunterstützender Dienst
B. Kommunale Einrichtungen
x
Schulpsychologischer Dienst/ x Sportvereine (5) Psychologen (4) x Arbeitsagentur/ Berufsberatung x Sozialer Dienst des Sozialraum(5) teams (4) x Gericht/Polizei/Feuerwehr (4) x Jugendamt (4) x Gemeindeverwaltung/ x Schulsozialarbeit (4) Ämter (4) x Fachbereiche der Stadt (4) x Erziehungsberatungsstellen (3) x Betriebe/IHK (4) x Mobile Jugendarbeit (3) Anmerkung: In Klammern ist die Anzahl der Schulen angegeben, die mit der jeweiligen Einrichtung kooperieren Quelle: Kucharz u.a. 2009, S. 113; veränderte Darstellung.
Zusammenarbeit von Schulen und kommunalem Träger: Die Dokumentenanalyse machte deutlich, dass die Verbesserung von Kommunikations- und Vernetzungsstrukturen zu den zentralen Gedanken der Bildungsoffensive gehört. Aus diesem Grund wurden die Schulleiter nach ihrer Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit mit dem städtischen Träger und nach Veränderungen in der Kooperation gefragt. Dabei zeigten sich über 80% mit der Zusammenarbeit zufrieden. Gleichzeitig gab die Hälfte der Schulleiter an, die Zusammenarbeit habe sich in den letzten Jahren verbessert (vgl. Anhang, Tabelle 66).109
Bedeutung zentraler Ziele des Handlungsfeldes „Übergang Schule – berufliche Ausbildung“ und Einschätzung des bereits erreichten Standes Das pädagogische Personal und die Eltern wurden gebeten, die Bedeutung verschiedener Ziele, die aus den Dokumenten zur Bildungsoffensive hervorgingen, sowie den Stand der Zielerreichung einzuschätzen. Dabei zeigte sich, dass die Vorbereitung auf den Übergang von der Schule in den Beruf bei allen Befragtengruppen an erster bzw. zweiter Stelle stand (vgl. Tabelle 26).
109
Für die Gegenüberstellung von Schulen und Kitas vgl. Kucharz u.a. (2009, S. 53f).
Ergebnisse
199
Tabelle 26: Rangfolge der bedeutsamsten Ziele (Plätze 1 bis 3) und Zielerreichung110 Alle Sekundarschulen alle Befragten 1. 2. 3.
Vorbereitung auf den Übergang in den Beruf (3,7; 2,8) Schaffung gleicher Bildungschancen (3,7; 2,3) Förderung von leistungsschwachen Kindern (3,6; 2,3)
Lehrerinnen u. Lehrer 1. 2. 3.
Schaffung gleicher Bildungschancen (3,7; 2,1) Vorbereitung auf den Übergang in den Beruf (3,7; 2,7) Förderung von leistungsschwachen Kindern (3,6; 2,2)
Eltern 1.
2. 3.
Vorbereitung auf den Übergang in den Beruf (3,8; 2,9) Schaffung gleicher Bildungschancen (3,7; 2,3) Förderung von leistungsschwachen Kindern (3,7; 2,3)
Hauptschulen alle Befragten 1. 2. 3.
Vorbereitung auf den Übergang in den Beruf (3,8; 3,1) Schaffung gleicher Bildungschancen (3,8; 2,3) Förderung von leistungsschwachen Kindern (3,7; 2,4)
Lehrerinnen und Lehrer 1. 2. 3.
Vorbereitung auf den Übergang in den Beruf (3,8; 2,8) Förderung von leistungsschwachen Kindern (3,7; 2,4) Abbau von Sprachdefiziten (3,8; 2,3)
Eltern 1.
2. 3.
Vorbereitung auf den Übergang in den Beruf (3,8; 3,1) Schaffung gleicher Bildungschancen (3,8; 2,4) Förderung von leistungsschwachen Kindern (3,7; 2,5)
Anmerkung: Erste Zahl (fett): Zielwichtigkeit (Mittelwert); 1 = sehr unwichtig; 4=sehr wichtig. Zweite Zahl: Zielerreichung (Mittelwert); 1 = nicht erreicht; 4 = erreicht. Quelle: eigene Darstellung.
Tabelle 26 macht darüber hinaus deutlich (vgl. jeweils die zweite Zahl), dass das Ziel der Vorbereitung auf den Beruf mit Bewertungen von 2,8 (alle Sekundarschulen) bzw. 3,1 (Hauptschulen) dabei als eher erreicht beurteilt wurde. Die auf Förderung bezogenen Ziele (z.B. Förderung leistungsschwacher Kinder, Abbau von Sprachdefiziten) wurden im Vergleich weniger positiv bewertet. 110
Abgefragt wurden insgesamt 12 Ziele. Eine Übersicht über alle Ziele und den Stand der jeweiligen Zielerreichung aus der Sicht der Lehrkräfte und der Eltern befindet sich im Anhang (vgl. Tabelle 63 und Tabelle 64).
200
Ergebnisse
Da gerade die Förderung lernschwächerer Kinder und Jugendlicher im Hinblick auf das Erreichen von (besseren) Schulabschlüssen als Zielbereich des Handlungsfeldes „Übergang Schule – berufliche Ausbildung“ gesehen wird (vgl. 10.1.3), wird dieser Bereich anhand der Aspekte „Förderung von leistungsschwachen Kindern“, „Abbau von Sprachdefiziten“ und „Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund“ im Folgenden noch genauer betrachtet (vgl. Tabelle 27). Tabelle 27: Förderung von Kindern und Jugendlichen: Bedeutung der Ziele und Einschätzung der Zielerreichung aus Sicht der Befragten (Lehrkräfte; Eltern)111 Alle Sekundarschulen Ziele
Wichtigkeit
Zielerreichung
Grundschulen Wichtigkeit
Zielerreichung
n s n s n s n s M M M M Abbau von 1,03 544 3,5 ,80 435 2,5 307 3,7 ,70 253 2,7 ,95 Sprachdefiziten Förderung leistungs551 3,6 ,62 447 2,3 ,95 308 3,8 ,78 265 2,7 ,90 schwacher Kinder u. Jugendl. Förderung von 530 3,3 ,80 375 2,3 304 3,4 ,76 224 2,5 ,97 1,00 Migr. kindern Anmerkungen: Wichtigkeit: 1 = sehr unwichtig; 4=sehr wichtig; Zielerreichung: 1 = nicht erreicht; 4 = erreicht. Quelle: eigene Darstellung.
111
Da Förderung entlang der Bildungsbiografien als kontinuierlich über alle Klassenstufen hinweg verstanden wird, werden an dieser Stelle sowohl Grundschulen als auch Sekundarschulen betrachtet. Ausgewertet wurden die Daten für die Sekundarschulen (Hauptschule mit Werkrealschule, Realschule, Gymnasium) und die Daten für die Grundschulen. Die Daten für die Hauptschule weichen nur geringfügig ab (vgl. Anhang, Tabelle 64).
Ergebnisse
201
Tabelle 27 macht deutlich, dass bei allen Zielen, die sich auf die Förderung von Kindern und Jugendlichen beziehen, eine Kluft zwischen der Bedeutung aus Sicht der Befragten (alle Bewertungen 3,3) und einer erfolgreichen Umsetzung (alle Bewertungen 2,7) besteht. Insbesondere an den Sekundarschulen wird die Zielerreichung mit max. 2,5 noch als unbefriedigend eingeschätzt, aber auch an den Grundschulen zeigt sich ein deutlicher Abstand zwischen den beiden Bewertungen. Diese Kluft zwischen der Bedeutung und der Zielerreichung kann als Hinweis verstanden werden, dass hier noch Handlungsbedarf besteht. Zwischenfazit Anhand der Daten kann vermutet werden, dass die Schulen noch nicht systematisch in die „Bildungsoffensive“ eingebunden sind. Dies zeigte sich insbesondere anhand der noch nicht als zufriedenstellend eingeschätzten Bekanntheit des Begriffs und der Ziele der „Bildungsoffensive“. Darüber hinaus deutete sich an, dass die Schulen unterschiedlich stark einbezogen sind: Insbesondere die Angaben der Schulleitungen zur Integration der Ziele der „Bildungsoffensive“ in die Konzeption der jeweiligen Einrichtung können in diese Richtung gedeutet werden. Und auch für die Umsetzung spezifischer Maßnahmen deuteten sich Unterschiede zwischen den einzelnen Schulen an. Ebenso können Unterschiede in der finanziellen Unterstützung der Schulen entsprechend gedeutet werden; sie könnten aber auch Ausdruck unterschiedlicher Bedarfslagen sein. Im Hinblick auf das Handlungsfeld des Übergangs in Ausbildung wurde anhand der Einschätzung der Bedeutung verschiedener Ziele der „Bildungsoffensive“ deutlich, dass der Vorbereitung auf diesen Übergang aus Sicht von Eltern und Lehrkräften eine hohe Bedeutung zugemessen wird. Damit zeigt sich der Schwerpunkt, den die „Bildungsoffensive“ hier setzt, einerseits als gerechtfertigt, andererseits verweisen die Ergebnisse auf eine Bedeutung des Themas über die Hauptschule hinaus. Dass auch die Bewertung der Zielerreichung als befriedigend eingeschätzt wurde, zeigt darüber hinaus, dass die Anstrengungen der „Bildungsoffensive“ bzw. der Schulen für die Eltern und die Lehrkräfte bereits sichtbar sind. Gleichzeitig verweist die Kluft zwischen Zielwichtigkeit und Zielerreichung auf weiteren Handlungsbedarf. Ein etwas anderes Bild zeigte sich beim Aspekt der Förderung, der im Rahmen der „Bildungsoffensive“ auch im Hinblick auf gelingende Übergänge für wichtig erachtet wird (vgl. 10.1.5): Hier wurden im Hinblick auf die Zielerreichung deutlich niedrigere Werte gemessen. Auch hier verweist die Kluft zwischen der Wichtigkeit und der Einschätzung der Zielerreichung auf Handlungsbedarf – sowohl an Sekundarschulen als auch an Grundschulen.
202
Ergebnisse
10.2.2 Beschreibung der Stichprobe der Schulabgängerbefragung Bei der Auswahl der Stichprobe der Schulabgängerbefragung wurde ein Schwerpunkt auf die Jugendlichen mit Hauptschulbildung gelegt: Befragt wurden sowohl Jugendliche der Hauptschulabschlussklassen 9 als auch Jugendliche in daran anschließenden Bildungsgängen (Werkrealschule Kl. 10; Zweijährige Berufsfachschule, berufsvorbereitende Bildungsgänge). Darüber hinaus wurden Jugendliche der Abschlussklassen der Realschulen befragt.112 Bildungsgänge Tabelle 28: Zusammensetzung der Stichprobe nach Schularten113 Häufigkeit
Prozente
HWRS 9
169
35,1
HWRS 10
47
9,8
96
19,9
BV Bildungsgänge
125
25,9
2j.BFS
45
9,3
482
100,0
RS 10 114
Gesamt Quelle: eigene Darstellung.
Tabelle 28 gibt einen Überblick über die verschiedenen Befragtengruppen nach den derzeit besuchten Bildungsgängen. Sie zeigt, dass der größte Teil der Jugendlichen (44,9%; n=482) zum Zeitpunkt der Befragung eine Haupt- und Werkrealschule besuchte. Die zweitgrößte Gruppe (25,9%) besuchte einen berufsvor-
112
Aufgrund der Stichprobenwahl entspricht die Verteilung bestimmter Merkmale nicht der Verteilung innerhalb der gesamten Schülerschaft der Stadt Ulm, sodass die Prozentangaben nicht auf die Gesamtpopulation übertragen werden können. Auch die Fachrichtungen bzw. Schwerpunkte der gewählten beruflichen Schulen hatten Einfluss auf die Verteilung der Variablen Geschlecht oder Migrationshintergrund. 113 Abkürzungen: HWRS 9 bzw. 10: Haupt- und Werkrealschule, Klasse 9 bzw. 10; RS 10: Realschule, Klasse 10; BV Bildungsgänge: Berufsvorbereitende Bildungsgänge; 2j.BFS: Zweijährige Berufsfachschule. 114 Aufgrund kleiner Fallzahlen wurden die Jugendlichen im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ), im Berufseinstiegsjahr (BEJ), im Einstiegsqualifikationsjahr (EQJ) und in der Kooperationsklasse Hauptschule - BVJ zur Gruppe „Berufsvorbereitende Bildungsgänge“ zusammengefasst.
Ergebnisse
203
bereitenden Bildungsgang, 19,9% waren an einer Realschule, und 9,3% an einer Zweijährige Berufsfachschule115. Geschlecht Insgesamt wurden mehr junge Männer als junge Frauen befragt. Der erhöhte Anteil an männlichen Befragten (54,5%; n=482) ist dabei sowohl auf die Anteile der jungen Männer an den Beruflichen Schulen (59,9%; n= 162)116 als auch auf den erhöhten Anteil in Haupt- und Werkrealschulen (52,5%; n=216) zurückzuführen (vgl. Anhang, Tabelle 67 und Tabelle 68). Alter Das Alter der Jugendlichen (M=16,4; s=1,0) reichte zum Zeitpunkt der Befragung von 14 Jahren in der Hauptschule (Klasse 9) bis zu 23 Jahren in der Zweijährigen Berufsfachschule (vgl. Anhang, Tabelle 69 und Tabelle 70). Bezogen auf ihren Bildungsgang konnten dabei insgesamt 14,8% der befragten Jugendlichen (n=479) als „überaltert“ bezeichnet werden, in den berufsvorbereitenden Bildungsgängen sogar 21,6% (n=125) (vgl. Anhang, Tabelle 71).117 Der größte Teil dieser Jugendlichen, nämlich 84,1% (n=69), hatte einen Migrationshintergrund (vgl. Anhang; Tabelle 72). Migrationshintergrund Insgesamt hatten 62,6% der befragten Jugendlichen (n=476) einen Migrationshintergrund (vgl. Anhang, Tabelle 73).118 Tabelle 29 zeigt insbesondere für die 115
Die Zweijährige Berufsfachschule schließt an den Hauptschulabschluss an und ermöglicht Abgängern mit gutem Abschlusszeugnis innerhalb von zwei Jahren den Erwerb eines mittleren Bildungsabschlusses an einer Beruflichen Schule. 116 Es wurden Jugendliche einer kaufmännischen und einer gewerblich-technischen Schule befragt. Insbesondere die gewerblich-technische Schule mit den Schwerpunkten Fahrzeugtechnik, Metalltechnik, Elektro- und Informationstechnik wurde deutlich häufiger von männlichen Jugendlichen besucht. 117 Als „überaltert“ werden Jugendliche bezeichnet, die das „erwartete Alter“ (6 Jahre + Dauer des Bildungsganges) um mindestens zwei Jahre überschritten hatten. 118 Der Migrationshintergrund wurde bestimmt über die Nationalität des Jugendlichen, das Geburtsland der Eltern und die Verkehrssprache in der Familie. Ein Migrationshintergrund liegt vor, wenn die Nationalität des Jugendlichen nicht deutsch ist und/oder mindestens ein Elternteil im Ausland geboren wurde und/oder eine der angegebenen Sprachen in der Familie nicht deutsch ist.
204
Ergebnisse
Bildungsgänge der Haupt- und Werkrealschule und für und die berufsvorbereitenden Bildungsgänge einen erhöhten Anteil an Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Tabelle 29: Bildungsgang und Migrationshintergrund der Jugendlichen (n=476) Migrationshintergrund
HWRS 9
HWRS 10
RS 10
BV Bild.gang
2j.BFS
Ohne
31,0%
23,4%
57,9%
23,1%
71,1%
Mit
69,0%
76,6%
42,1%
76,9%
28,9%
Gesamt
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
n
168
47
95
121
45
Anmerkung: chi²= 56,313; df=4; p0,05; befragte Personen: Leitungen, päd. Personal, Eltern. Quelle: eigene Darstellung.
Tabelle 58: Bekanntheit der Ziele: nach Einrichtungsformen getrennt Kita
Schule
Trifft überhaupt nicht zu 31,2% 30,0% Trifft eher nicht zu 35,7% 36,6% Trifft eher zu 23,9% 26,2% Trifft voll und ganz zu 9,2% 7,2% Gesamt 100,0% 100,0% n 987 883 Anmerkungen: chi2=3,456; df=3; p>0,05; befragte Personen: Leitungen, päd. Personal, Eltern Quelle: eigene Darstellung.
C. Fink, Der Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung, DOI 10.1007/978-3-531-93208-8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
310
Anhang
Tabelle 59: Bekanntheit der Ziele: nach Personengruppen getrennt KitaLeitung
Schulleitung
ErzieherInnen
LehrerInnen
Eltern
Trifft überhaupt 0,0% 0,0% 10,6% 21,9% 35,0% nicht zu Trifft eher 9,1% 12,5% 25,7% 34,4% 38,2% nicht zu Trifft eher 42,4% 45,8% 31,9% 35,2% 21,9% zu Trifft voll und ganz 48,5% 41,7% 31,9% 8,6% 4,9% zu Gesamt 100,0 100,0 100,0% 100,0% 100,0% N 33 24 113 256 1444 Anmerkungen: chi2=281,967; df=12; p0,05; befragte Personen: Leitungen. Gefragt wurde: „Liegt an Ihrer Kindertageseinrichtung/Schule ein Leitbild bzw. eine Konzeption vor, welche(s) die Leitideen, Ziele und grundsätzlichen Arbeitsweisen Ihrer Einrichtung wiedergibt?“ Quelle: eigene Darstellung.
Anhang
311
Tabelle 61: Integration der Maßnahmen und Leitgedanken der Bildungsoffensive in das Leitbild zw. die Konzeption Kita
Schule
Trifft überhaupt nicht zu 14,3% 18,2% Trifft eher nicht zu 14,3% 45,5% Trifft eher zu 46,4% 31,8% Trifft voll und ganz zu 25,0% 4,5% Gesamt 100,0 100,0% n 28 22 Anmerkungen: Kein Signifikanztest aufgrund zu kleiner Fallzahlen; befragte Personen: Leitungen. Quelle: eigene Darstellung.
Tabelle 62: Verwendung des Begriffs in der Einrichtung Kita
Schule
trifft überhaupt nicht zu 19,9% 39,2% trifft eher nicht zu 36,9% 50,7% trifft eher zu 26,2% 8,6% trifft voll und ganz zu 17,0% 1,4% Gesamt 100,0% 100,0% n 141 278 Anmerkungen: chi2=68,519; df=3; p