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Joe Vence 1.
Philip Hasard Killigrew — der Seewolf, wie sie ihn nannten — stand neben Kapitän Drake auf ...
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Seewölfe 34 1
Joe Vence 1.
Philip Hasard Killigrew — der Seewolf, wie sie ihn nannten — stand neben Kapitän Drake auf dem Achterkastell der „Golden Hind“ und starrte verbissen auf die Küste. Die „Golden Hind“ war ihnen als einziges von den fünf Schiffen geblieben, mit denen sie vor einem Jahr Plymouth verlassen hatten. Auch er hatte mit seiner Crew die „Isabella II.“ aufgeben müssen. So war er jetzt Lotse bei Francis Drake, sein erster Mann. Francis Drake wußte, warum er diesen harten Mann aus Cornwall mit seinen Leuten, die für den Seewolf durch die Hölle gehen würden, auf die „Golden Hind“ übernommen hatte. Es gab keine besseren Seeleute, keine zuverlässigeren Kerle auf einem Schiff, das für Englands Krone fuhr. Tagelang waren sie gegen den harten Nordost an der chilenischen Küste entlang nordwärts gesegelt. „Wird Zeit, daß wir Land sehen“, sagte Hasard. Doch Kapitän Drake zuckte nur mit den Schultern. Der Wind war fast abgeflaut und kräuselte nur noch leicht die See. Wie ein großer Schlitten glitten sie in eine kleine Bucht. Das Großsegel hatten sie aufgegeit, das Vormars- und Großmarssegel sowie der Besan standen noch. Die Nachmittagssonne des 4. Dezember 1578 zitterte über dem Wasser. Auf dem Vorderkastell stand die Ankercrew bereit. „Fallen Anker!“ Hasards Stimme schallte von achtern. „Aye, aye.“ Ben Brighton gab das Kommando weiter. Der Anker klatschte ins Wasser. Die Ankertrosse rauschte durch die Klüse. „Stopp!“ Ben Brighton beendete das Manöver. „Aye, aye“, antwortete Smoky für alle. „Sieht nicht einladend aus da“, sagte er und zeigte an Land. Der große Neger Batuti zeigte grinsend seine Zähne. „Gut, gut, viel Essen, viele Dons mit Silber.“
Der Überfall
Der pfiffige Donegal Daniel O’Flynn sauste die Wanten vom Ausguck herunter, fast ohne die Webeleinen, die Sprossen dazwischen zu benutzen. „Geht es nun endlich wieder los?“ Seine Augen strahlten vor Begeisterung. Es roch nach Land, nach Abwechslung. Ein schrilles Gekreische ließ ihre Köpfe nach oben fahren. An der Rah über ihnen hing, mit dem Kopf nach unten, sich nur mit dem Schwanz festhaltend, Arwenack, der Schimpansenjunge. Ihn hatten sie mitten im Atlantischen Ozean auf einem verlassenen Schiff gefunden und in die Mannschaft aufgenommen. Klettern konnte er besser als sie alle, doch er wollte einfach nicht lernen, die Segel zu bedienen. Jetzt zeigte er wieder seine Künste, lief auf der Rah entlang, kletterte bis zur Mastspitze, rutschte wieder herunter und landete auf Batutis Schultern. Dort saß er, als könnte er kein Wässerchen trüben. Sie hatten ihn Arwenack genannt nach dem Besitz der Killigrews in Cornwall. Aber Arwenack war auch ihr Schlachtruf, wenn sie enterten und drauflosschlugen. Francis Drake beachtete das Treiben nicht. Sie lagen in der Agujera-Bucht, fünfzehn Seemeilen nördlich vor dem Fischerdorf Valparaiso. Er betrachtete mißmutig den Horizont. Da war keine „Elisabeth“ zu sehen, die doch auch die Stürme im Süden überstanden haben mußte, und erst recht kein Spanier mit einer Gold- oder Silberladung im Schiffsbauch. Schlecht gelaunt stieg er den Niedergang zur Kuhl hinunter, um die Leute anzutreiben. Sie würden seinen Unmut spüren. Diese Bucht schien ihm günstig, die Segel abzuschlagen und zu wechseln. Sie konnten leichtere anschlagen, denn hier war Sommer auf der südlichen Halbkugel. Schließlich mußte er sparsam sein. Wo sollte er, noch dazu ohne Aussicht auf Beute, neues, schweres Segeltuch herkriegen? Er brauchte das gute Zeug für schlechtes Wetter. Wer wußte, was ihnen nach den wüsten Stürmen unten am Kap noch alles bevorstand! „Mr. Killigrew?“
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Hasard war ihm gefolgt. Sein Gesicht zeigte fast Ablehnung. Was scherte ihn die schlechte Laune seines Kapitäns. Seine Augen folgten jedoch der weisenden Hand Drakes. Ein Kanu schwabberte auf die „Golden Hind“ zu. Den Insassen konnten sie jedoch noch nicht genau erkennen. „Mr. Killigrew, der wird wohl kaum zu unserer Begrüßung erschienen sein.“ „Vielleicht hat er hier gefischt.“ Hasard beugte sich über die Reling und rief den Mann an. Doch der reagierte nicht. Er war damit beschäftigt, aus dem Radius der schwoienden Galeone herauszukommen. „Das haben wir gleich.“ Hasard nahm eine vom letzten Gefecht zerborstene Planke vom Deck und warf sie dem Kanu genau vor den Bug. Der Mann paddelte wie wild. Als er sich in ruhigerem Fahrwasser befand, reagierte er endlich. Er hob seine Rechte zum Gruß und beugte seinen ganzen Körper wie zum Gebet. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er den Zweig einer Araukanerpalme in der Hand. Er wandte sein Gesicht den Männern auf dem Schiff entgegen und rief: „Paz, paz! — Frieden, Frieden!“ „Der hält uns für Dons“, sagte Hasard. „Es scheint ein Pechuenche zu sein, ein Fichtenmann, wie die auf der MochaInsel.“ Drake rief: „Los, laßt die Jakobsleiter runter! Bringt den Mann an Bord.“ Inzwischen hatte sich die ganze Besatzung eingefunden, lärmte und winkte. Der Mann im Boot schien ihnen ein gutes Omen zu sein. Bald würde ihnen das Glück lachen. Sogar Carberry, der Profos, beeilte sich und half mit, die Leiter über die Bordwand zu werfen. Der Araukaner vertäute das Kanu an der Leiter und kletterte gewandt hoch. Noch immer hielt er den Palmenzweig in der Hand. Oben drückte er zur Begrüßung seine Linke an sein Herz. Wie beschwörend sagte er immer wieder: „Paz, paz.“ Francis Drake und Hasard verbeugten sich. Drake fragte: „Hablas espanol?“
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Der Indianer nickte und zeigte seinen kleinen Finger, was wohl bedeuten sollte: etwas. Drake zeigte auf sich und seine Besatzung: „Somos Ingléses.“ Ungläubig schüttelte der Braune den Kopf: „No, no, Philippos!“ Sie sahen seine Angst. Er legte den Palmenzweig Drake zu Füßen, zeigte nach Süden, wo die Bucht von Valparaiso lag, und sagte: „Gran valero.“ Hasards blaue Augen leuchteten auf: „Ein großes Schiff? Da liegt ja der Schatz direkt für uns bereit wie in einem großen Schuppen.“ Auch die Leute waren begeistert: „Es geht los, Männer!“ Batuti reckte sich stolz: „Haben gleich gesagt.“ In das Stimmengewirr herrschte Drakes Stimme: „Mac Pellew!“ „Sir?“ „Hol eine Axt.“ Pellew wandte sich zum Gehen. „Nein!“ rief Drake hinterher. „Hol auch noch ein Messer, ein blankes und scharfes, klar?“ Mac Pellew brummte: „Diesen Wilden Waffen geben? Damit sie uns dann die Kehle durchschneiden?“ „Tu, was ich befehle, los, beeile dich!Wenig später hielt Francis Drake Axt und Messer in den Händen, überreichte sie dem Araukaner und sagte nun ebenfalls: „Paz, paz con los ingléses.“ Um das noch zu unterstreichen, ballte Philip Hasard Killigrew. die Hand in Richtung Valparaiso: „Diabolos los Philippos!“ Der Indianer grinste. Jetzt hatte er verstanden. Diese Teufel, das war auch seine Meinung. Drakes schlechte Laune war verflogen. Er ging mit Hasard und dem Indio in die Kapitänskammer. Stolz betrachtete der Indianer die ihm geschenkten Waffen und fühlte sich als gleichberechtigter Partner. Francis Dranke wußte um die vielen Klippen und Untiefen an dieser Küste. War es doch auch nicht möglich, weiter als jetzt
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in die Agujera-Bucht zu segeln. Er war sich der Schwierigkeit bewußt, mit seiner Galeone in die Bucht von Valparaiso zu gelangen. Wenn er keinen Schaden nehmen wollte, brauchte er einen tüchtigen Lotsen. Dieser Mann schien der richtige für diese Aufgabe zu sein. Sie boten dem Indianer Platz auf einem bequemen Holzstuhl an. Doch er blieb stehen, legte beide Hände auf die Brust und sagte: „Yo Tetso.“ „So, Tetso heißt er also.“ Hasard zeigte auf Drake und dann auf sich: „Capitano Draque und ...“ Ihm wollte nichts Richtiges einfallen. Schließlich sollten die Leute den Namen auch aussprechen können. Doch dann sagte er lächelnd: „Yo ,Lobo del Mar`.“ Das heißt auf spanisch schließlich nichts anderes als „Seewolf“. Doch dann wurde er wieder ernst und erklärte dem Indianer: „Queremos a Valparasio.“ „Si, si“, sagte Tetso. „Du zeigst uns den Weg?“ Hasard konnte sich gut auf spanisch verständigen. „Si, si“, sagte Tetso immer wieder, „diabolos los Philippos!“ Man nannte die Spanier Philippos nach ihrem König Philipp. Doch dann kamen Hasard wieder Bedenken. „Wird doch wohl keine Falle sein?“ „Ach was, Mr. Killigrew, warum soll das eine Falle sein. Der Mann ist ehrlich. Alle Indianer hassen die Dons wie die Pest. Wir schlagen uns zwar mit den Dons herum, aber das ist so eine Art Turnier. Doch was die Spanier mit den Araukanern anstellen, ist unmenschlich. Wenn sie sie erwischen, martern sie diese zu Tode. Und alles nur wegen des gelben oder weißen Metalls.“ Hasard grinste. Tetso hatte voller Staunen die reich ausgestattete Kammer bewundert, wenn er es sich auch nicht anmerken ließ. Jetzt schenkte ihm Hasard ein Glas Wein ein, um mit ihnen anzustoßen auf einen guten Weg nach Valparasio. Der Indianer bot ihnen noch mehr an. Er sagte: „Ich“, und hielt ihnen zweimal seine beiden Hände entgegen, zweimal zehn Finger, „bringe euch so viele amigos con
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un Capitan.“ Offenbar konnte er sehr viel Spanisch. Hasard sagte zu Drake: „Sie haben recht, Sir, die Sache geht klar. Die Brüder wollen auch den Dons an den Kragen. Wir können sie gut gebrauchen, um den Dons das Gold abzunehmen. Denn auf das gelbe Metall legen die Indianer keinen Wert.“ „Si, si, si!“ Alle drei lachten. * Im Morgengrauen tauchten fünf Kanus aus dem Nebel vor der Küste auf. In einem stand ein über sechs Fuß großer Mann, ein schneeweißes Schaffell um die Schultern. Auch er trug einen Palmenzweig in der Hand. Sie ließen die Jakobsleiter herunter. Hasard, der schnell geweckt worden war, erschien an Deck. Der Häuptling verbeugte sich. „Ingléses?“ „Si, si.“ Der Häuptling übergab Hasard den Palmenzweig und sagte: „Der große Toqui möge dich beschützen.“ Die Boote schwabberten an der Jakobsleiter. Jetzt erschein auch Tetso an Bord, strahlte wie ein alter Bekannter und zeigte auf die Axt und das Messer. Immer mehr Indianer stiegen an Bord, lachten, schwatzten und schleppten große Körbe herauf. Die Männer konnten es nicht fassen. Alle Körbe waren voller Lebensmittel. Als letzte und größte Gabe wuchteten zwei Indianer einen riesigen Packen die Jakobsleiter hoch. Darin fanden sie ein geschlachtetes Lama. „Muß ja wohl in Ordnung sein“, meinte Francis Drake, der auch an Deck erschienen war. „Ich habe aber so etwas noch nicht gegessen.“ Doch der Kutscher, der auf der „Golden Hind“ als zweiter Koch in der Kombüse arbeitete, schnalzte mit der Zunge: „Männer, das wird ein Festessen!“ Der Häuptling trat vor: „Ingléses y Pechuenches todos tiempos amigos.“ „Ja, Engländer und Pechuenches sind immer Freunde“, sagte Drake.
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Auf dem Vorderkastell begannen sie den Anker zu hieven, nachdem die Araukaner die Boote abgestoßen hatten. Dann schob sich die „Golden Hind“ aus der AgujeraBucht nach Süden in Richtung Valparaiso. Die fünf Kanus der Indianer folgten ihnen. Die Araukaner hielten sich dicht unter der Küste, doch weit genug entfernt, um den Klippen zu entgehen. Tetso, der „Lotse“, stand neben dem Rudergänger am Kolderstock. Immer wieder warnte er, indem er auf die gischtige Küste zeigte: „Huecubu !“ Das mußte ein böser Teufel sein. Gestenreich, mit vielen unbekannten Worten brachte er sie sicher die Küste entlang. Auf der Höhe von San Juan rauschte wieder die Ankertrosse. Voller Staunen und Freude erblickten sie die große spanische Galeone. „Verdammt, da liegt ja der Teufelsbraten!“ Hasard rief zu Dan hoch: „He, reiß deine Augen auf! Wie heißt dieser schmucke Kasten?“ Dan O’Flynn, der gerissene Bursche, stammte wie der Seewolf aus Falmouth in Cornwall. Er war kaum erwachsen, hatte aber die schärfste Zunge und auch die schärfsten Augen von allen Männern an Bord. „ ,Los Reyos’ heißt dieser sturmreife Kasten! Denen werden wir es aber zeigen.“ „Halt an dich! Du wirst noch genug zu tun kriegen!“ rief Hasard zu ihm hoch. Dann kümmerte er sich um die Kanus. Er winkte den Araukanern zu, sich an die den Spaniern abgewandte Seite der „Golden Hind“ zu legen. Auf keinen Fall sollten die Spanier die Indianer sehen. Dabei strich er mit seinen kräftigen braunen Händen durch sein schwarzes Haar. Die tiefen Kerben in seinem Gesicht zeigten seine Entschlossenheit. Die Narbe quer über seine linke Wange, die er einem Indianerpfeil zu verdanken hatte, färbte sich wieder rot. Wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, daß die Narbe auch noch über Augenbraue und Stirn verlief. „Was ist, Mr. Killigrew?“
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„Ach nichts, Sir. Das da ist endlich ein fetter Brocken für uns. Wird Zeit, daß wir so etwas erwischen. Unsere Männer sind auch wild auf einen harten Kampf. Und diese Burschen“, er zeigte auf die fünf Kanus, „haben eine Wut auf die Philippos. Das ist gut für uns.“ „Lassen Sie ihnen ein paar Pinten Whisky in die Boote schicken, damit sie etwas Feuer unter den Hintern kriegen.“ Das war die richtige Aufgabe für Edwin Carberry, dem Profos. Grinsend sagte er auf englisch: „Der große Toqui soll euch schützen.“ Batuti wollte die Spanier wohl überrennen: „Spanier nix viel Bum-bum, sonst mit uns aus.“ Aber noch schien alles friedlich. 2.
Die Dons winkten von ihrem Schiff herüber. Sie freuten sich, einem anderen Schiff zu begegnen und mit ihm im selben Hafen zu liegen. Sie konnten sich nicht vorstellen, daß die „Golden Hind“ etwas anderes sein könnte als eben auch ein spanisches Schiff. Vielleicht war die Wache an Bord auch nicht mehr ganz nüchtern? Francis Drake meinte zynisch: „Warum sollen denn ausgerechnet diese Kerle die ganze Welt beherrschen.“ Killigrew grinste grimmig. Nur hundert Yards entfernt lag die spanische Galeone und schwoite um ihren Anker - keine Entfernung für seine harten Männer. Die Spanier auf der „Los Reyos“ wurden immer lebhafter und luden die vermeintlichen Landsleute zu sich ein. „Una botella de Malaga! Muchas botellas!“ Sie grölten, winkten mit den Flaschen und zeigten auf zwei große Fässer an Deck. Das konnten Drake und seine Männer auch mit bloßem Auge erkennen. „Venga! Venga!“ brüllten die Dons wieder und wieder. Hasard lachte und sagte: „Das könnt ihr haben. Aber nicht wie ihr denkt!“ Er hatte Mühe, die Leute ruhig zu halten.
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Am ungeduldigsten war natürlich Dan: „Ich will den Affen da drüben endlich die Helme über die Ohren ziehen, damit sie ihr eigenes Jammern nicht hören.“ Der Kutscher trat lachend aus der Kombüse: „He, Kleiner! Nimm doch lieber noch eine Portion, damit du nicht umfällst.“ „Ein Dan O’Flynn fällt nicht um! Wenn mein Alter mit seinem Holzbein ...“ Da jedoch keiner wissen wollte, was sein Alter mit dem Holzbein angestellt hatte, fiel Dan doch lieber über den Topf mit den Bohnen her. Hasard war auf das Vorderkastell gegangen und versuchte, die betrunkenen Spanier auf der „Los Reyos“ zu reizen. Er schrie: „Gleich kreuzt euer Comandante auf!“ Sie johlten. „Ach, der ist doch muy lejos weit weg - in Lima beim Gouverneur!“ „Aber eure Pilotos, die kommen und dann tribunal!“ Gelächter schallte herüber. „No, no! Keine pilotos! Alle muy lejos! Hier nur acht marineros! Venga! Venga! Wollt ihr nicht?“ „Bien! Vamos! Gut, wir kommen!“ Hasard berichtete Francis Drake: „Das kann ja wohl nicht besser sein. Da sind acht Mann an Bord.“ Die Männer rieben sich die Hände Smoky, Al Conroy, Blacky, Matt Davies, Stenmark und der Kutscher. Ben Brighton sagte: „Ich bin schon richtig scharf darauf, den Dons eins überzubraten.“ Auch Edwin Carberry leckte sich die Lippen und sah im Geist bereits die dicke Beute. Sie waren alle voller Tatendrang. Diese endlos lange Zeit auf See, die Plackerei an Bord, die Stürme unten am Kap, die nassen Klamotten, alles hatten sie in diesem Augenblick vergessen. Jetzt begann das Abenteuer, zu dem sie ausgezogen waren. Endlich konnten sie mit den Dons kämpfen. Sie würden Reichtümer erbeuten und bewundert auf ihre Insel heimkehren. Nur John Doughtys Gedanken waren anderer Art. Er schaute sehnsüchtig zum Land hinüber, wo sich neugierig gaffende
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Weibspersonen eingefunden hatten. Weiberfleisch, was für eine Beute! Wie gern wollte er einmal wieder so etwas unter seinen Fingern haben. Von diesen Wünschen des Mister John Doughty wußte keiner an Bord. Er wollte auch etwas erbeuten: lebendes, weibliches, weiches, spanisches oder sogar Indianerfleisch. Das gelbe Metall und die anderen Schätze? Darum würden sich die anderen kümmern. Zum Schluß würde alles geteilt werden. Er erhielt sowieso seinen Anteil an der Beute. Alle überprüften noch einmal die Waffen. Palaver und Gesang ertönten auf den fünf Kanus an der Steuerbordseite. Sie beugten sich über die Reling und lachten. Der Whisky hatte die Araukaner rede- und sangesfreudig werden lassen. Seltsame Töne klangen zu ihnen herauf. „Hahaa wuha wuh, iko quiero maku ...“ „Un canto de la guerra“, erklärte ihnen Tetso, „ein Kriegsgesang.“ Tetso schien es an Bord sehr gut zu gefallen, denn er wollte einfach nicht weichen. Francis Drake ließ an seine Leute ebenfalls Whisky ausgeben: „Aber nur ein Pint pro Kopf. Sonst laufen nachher Kopf und Rumpf getrennt durch die Gegend. Dann seid ihr alle Krüppel und nicht mehr zu gebrauchen. Und was soll ich dann tun?“ Überall an Bord war großes Gelächter. Sie fürchteten sich nicht. Die Dons waren es, die dieses Mal dran glauben mußten. So drängelten sie sich alle in die Kammer des Kapitäns, als sie dorthin befohlen wurden. Zufrieden sah Drake den Tatendrang seiner Männer, die kaum noch zu bremsen waren. Francis Drake erklärte, daß die „Los Reyos“ im Handstreich genommen werden solle. Thomas Moone und Hasard mit seinen Leuten sollten mit einer Pinasse dieser betrunkenen Wache einen freundschaftlichen Besuch abstatten. Und zwar solle der Überfall sofort erfolgen, da die Gelegenheit günstig sei. Voller Eifer eilten alle ans Deck. Nur der Affe Arwenack schien von der allgemeinen Unruhe nicht angesteckt
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worden zu sein. Er döste oben im Ausguck. Manchmal hielt er die Hand vor die Augen, wie er es wohl von Dan gesehen hatte. „He, Dan“, rief Ben Brighton nach oben. „Hier bin ich!“ erwiderte Dan wütend, weil ihn der Bootsmann mit Arwenack verwechselt hatte. Francis Fletcher, der Kaplan, stand an diesem 5. Dezember 1578 am Schott, als sie ins Freie traten. Mit der Bibel in der Hand schlug er jeweils ein Kreuz, wenn ein Mann die Gräting passierte: „Gott segne euch, ihr Brüder, bei eurem schweren Gang.“ Unentwegt murmelte er Bibelsprüche. Dann inspizierte der Profos noch einmal die Männer. Alle mußten ihre Waffen vorzeigen, das Pulver. Denn jetzt kam es darauf an. Das hier war ihre große Chance. Sie dachten daran, daß sie immer arme Schlucker gewesen waren. Sie hatten keine Schule besucht, nur selten satt zu essen gehabt und immer nur harte Arbeit geleistet. Ja, sie wollten reich werden! Sie wollten einmal Frauen in Seidenkleidern haben. Und ihre Kinder sollten niemals Hunger leiden. Mit großem Getöse wurde die Pinasse außenbords geschwungen. Hasard und Thomas Moone versammelten die Leute um sich. Der Seewolf sagte: „Mit den acht da drüben sollten wir fertig werden. Der Kapitän ist nicht an Bord. Dennoch seid vorsichtig. Vielleicht haben sie uns eine Falle gestellt. Denkt daran, daß die Spanier seit unserem Zusammenstoß mit ihnen auf der Mocha-Insel alarmiert sind. Wir können uns keine Ausfälle leisten, verstanden?“ Die Männer nickten. Vom Land herüber drang ein Geruch von Erde und Oleander, der auf sie wie ein Rausch wirkte. Eilig kletterten sie hinunter. Pete Ballie, Matt Davies, Batuti, Dan O’Flynn, Stenmark, Blacky, Smoky, Al Conroy, der Kutscher, Gary Andrews, Ben Brighton, Ferris Tucker, Thomas Moone und Hasard stiegen in die Pinasse.
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„Legt euch in die Riemen, Männer“, sagte Hasard. Francis Drake rief hinterher: „Auf einen guten Fang! Das Netz ist voll, ihr braucht es nur herüberzuholen.“ Sie pullten wir die Verrückten. Schon von weitem sahen sie an der offenen Relingspforte einen Don fröhlich winken. „Dir wird das Lachen schon noch vergehen“, brummte Matt Davies, der als erster die Jakobsleiter hochkletterte, die die Spanier freundlicherweise für sie hatten hängen lassen. „Vino, vino!“ schrie der Don wieder und trat zur Seite. Noch bevor die anderen an Deck waren, sprang ihn Matt Davies an und warf ihm eine hanfene Schlinge um den Hals. „Wo sind deine compadres, du verfluchter Don? Mach dein großes Maul auf! Sonst stirbst du an zuwenig Luft:’ Er schnürte ihm ein bißchen die Luft ab. Doch der Spanier schrie wie ein Besessener und versuchte sogar noch, sein Messer zu ziehen. „Laß mir den Kerl!“ Thomas Moone schob Matt Davies zur Seite und zog sein breites, machetenähnliches Schwert aus dem Schaft. Ein wohlgezielter Hieb, der Kopf des Dons flog über das Schanzkleid und verschwand mit einem Aufklatschen in der Bucht von Valparaiso. Dan O’Flynn kicherte: „Was hat unser Kapitän gesagt? Ein Mensch ohne Kopf ist ein Krüppel für sein Leben.“ Hasard stieß ihn an. „Los, da kommen sie!“ Sie schoben sich über das mit Unrat, Wein und jetzt mit Blut bedeckte Deck. Von dem Krach waren die Spanier aus ihrem Dösen erwacht. Nur langsam erkannten sie die Gefahr. Zuvor waren Engländer an dieser Küste gewesen. Sie konnten einfach nicht begreifen, woher diese Ketzer plötzlich aufgetaucht waren. Sie stülpten sich die Helme über und griffen zu ihren Waffen. „Madre dios „Arwenack!“ brüllte Dan und sprang mitten unter die Spanier. Und „Arwenack!“ Hasards Männer waren nicht
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mehr zu halten. Philip Hasard Killigrew hatte mit scharfen Augen den Offizier der Gruppe erkannt, der sich gerade vornehm zurückziehen wollte. Hasard zog seinen Kurzsäbel und sprang auf ihn zu. Doch der Spanier erwies sich als harter Gegner. Vielleicht hatte er nicht so viel getrunken wie die anderen. Oder es war einfach die Angst um sein Leben, die ihn seinen Degen so geschickt gebrauchen ließ. Der Kampf ging hin und her, die Klingen klirrten aufeinander. Doch dann — schneller als das Auge zu folgen vermochte — hatte Hasards Kurzsäbel sein Ziel erreicht. Aus der nur für einen Sekundenbruchteil ungeschützten Kehle des Dons schoß ein Blutstrahl. Ungläubig blickten seine Augen, als er wie eine Puppe in sich zusammensackte. Batuti hatte seine Waffen in der Pinasse vergessen und wollte nur mit einem Messer zwischen den Zähnen einem finster aussehenden Herkules an die Gurgel springen. Doch der hielt ihn sich mit einer zwei Yards langen Konquistadorenlanze, die vorn an der Spitze mit ekelhaften Widerhaken versehen war, vom Leibe. Aber Batuti wollte nicht aufgeben. Mit den bloßen Händen versuchte er, diese scheußliche Waffe dem Spanier zu entreißen. Doch bei einem neuerlichen Hieb stürzte er und fühlte schon die Spitze der Lanze auf seiner Brust. Da krachte die Muskete Smokys. Unter entsetzlichem Fluchen brach der spanische Herkules zusammen. Batuti hatte sich bei dem Sturz verletzt. Thomas Moone befahl: „Hau ab, Batuti! Versteck dich hinter den Weinfässern, bis alles vorbei ist.“ Batuti kroch über das Deck. Aber er war nicht froh. Zu gern hätte er mit seinem Messer diesen schrecklichen Don massakriert. Er schwor sich, beim nächsten Kampf ein ganz langes Messer mitzunehmen. Daniel O’Flynn hatte einen Gegner, der ihm im Gebrauch seiner Waffen weit überlegen war. Er setzte Dan mit seinem Degen ziemlich zu. Doch der Kleine gebrauchte seinen Säbel, so gut es ging.
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Dazu spie sein Mund immer neue und schrecklichere Schimpfworte aus — wie eine Kanone, die man nicht nachzuladen braucht. „Du dreckige Kröte! Du Bastard von einem Don! Du Indianerschinder! Du Silberaffe!“ Doch die meisten gingen unter in dem Geschrei und dem Getümmel ringsum. Dann eilte Al Conroy ihm zu Hilfe. Mit einem Hieb seiner Muskete streckte er den Spanier zu Boden. Der Rest war eine Kleinigkeit. Drei Spanier hoben die Arme: „Bastante! Genug! Wir ergeben uns.“ Sie bluteten und sahen erbärmlich aus. Thomas Moone zeigte auf eine saubere Stelle an Deck: „Hier die Waffen her!“ Die Spanier sammelten ohne Widerspruch alle Waffen, auch die der toten Kameraden, ein und brachten sie an die angegebene Stelle. „Ihr seid Gefangene des Don Franzisco Draque!“ „Lausige, dreckige, stinkende Dons!“ Dan konnte es nicht lassen. Hasard fluchte, als er bemerkte, daß ein Spanier fehlte. Während des Kampfes mußte er unbemerkt über Bord gesprungen sein. „Verdammt, der wird den Hafen alarmieren!“ Die Araukaner; die ihnen mit ihren Kanus gefolgt waren, stiegen an Bord. Sie waren enttäuscht, daß die Arbeit schon getan war. Sie hatten den Flüchtigen gesehen. Aber auch mit den Kanus hätten sie ihn nicht mehr einholen können. Inzwischen hatten Hasards Männer die Gefangenen gut verschnürt vor den Großmast gelegt und die Leichen über Bord geworfen. Die Indianer stürzten sich auf das eine Weinfaß, kippten es um und hielten ihre Hände darunter. Dann schlürften sie das köstliche Getränk in sich hinein. Von der „Golden Hind“ hatte man den Kampf beobachten können. Francis Drake stand auf dem Achterkastell in der Nähe des Kolderstocks und ließ die „Los Reyos“ keinen Augenblick aus den Augen.
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„Verdammt!“ Er schlug sich auf die Schenkel. „Jetzt haben die Kerle da drüben nicht bemerkt, daß ihnen einer entwischt ist. Das wollen nun meine besten Leute sein!“ Fluchend sprang er auf die Kuhl und kletterte an den Wanten hoch in den Mars. Von dort sah er den Spanier an Land waten. Der mußte so voller Todesangst sein, daß er sich keine Zeit für eine Pause nahm. Über Steine und Geröll lief er zu den wenigen Fischerhäusern. Denn aus mehr bestand das Fischerdorf Valparaiso nicht. Es war nur ein kleiner Hafen der Provinz Santiago. Die Bevölkerung bestand aus Nachkommen der ersten Konquistadoren und Indianer. Sehr viele Mischlinge lebten dort. Vor den hohen Bergen der Anden lag nur ein schmaler Landstreifen in der Ebene. Dahinter stieg es sanft an und verlor sich dann in schroffen Felsen. Die einzige Abwechslung der Dorfbewohner war der Kirchgang. Trotz der Armut der Einwohner beherbergte die Kirche viele Kostbarkeiten, Kelche und Leuchter aus Silber, wertvolle Altardecken und Gemälde. Doch in den Gewölben unter der Kirche, die auf natürlichem Felsen erbaut war, hatte man auch Gold versteckt. Francis Drake war es nicht sehr wohl unter der Haut. So hatte er der Überfall nicht geplant. An Land sollten die Einwohner nichts davon bemerken. Der Spanier hatte die erste Hütte erreicht. Drake konnte genau erkennen, wie er wild gestikulierte. Doch was er dann sah, konnte er kaum glauben. Aus allen Häusern stürzten die Menschen. Die Weiber mit fliegenden Röcken liefen voran ihre Kinder hinter sich her zerrend dahinter die Männer, die einen Teil ihrer Habseligkeiten mitschleppten Anscheinend hatten sie die Absicht sich in den Bergen in Höhlen zu verstecken, denn sie liefen landeinwärts. Francis Drake rief alle an Bord zusammen. „Nun seht euch das an. Wenn die Dons erst Bescheid wissen kriegen wir Zunder. Wir müssen die Zeit nutzen! Sobald unsere Pinasse zurück ist, gehen wir mit den
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anderen Booten an Land. Holt eure Waffen! Macht die Boote klar!“ * Auf der „Los Reyos“ war man indessen nicht untätig. Hasard holte den Kutscher, der nicht nur Koch sondern auch Feldscher war, und befahl ihm, sich um die Gefangenen zu kümmern. Der Kutscher holte Wasser, lockerte, wenn es sein mußte, die Fesseln und begann die Wunden zu säubern und zu verbinden. Gleichzeitig versuchte Hasard, die Gefangenen auszuhorchen. Einer von ihnen war vornehmer gekleidet, hatte ein edles Gesicht und seine Hände sahen aus, als ob sie nicht zuzufassen brauchten. „Soy Teniente - ich bin Leutnant, aus mir kriegst du nichts heraus.“ Die beiden anderen wirkten eingeschüchtert, denn der Teniente funkelte sie an, sobald sie nur Luft holten. So gab Hasard es auf. Er ließ die drei ins Kabelgatt schaffen und stellte Blacky als Posten davor auf. Dann entdeckten sie Batuti. Er war immer noch hinter den Weinfässern und stöhnte vor Schmerzen. Er hatte sich beim Kampf den Rücken verrenkt. Wieder mußte der Kutscher seine Kunst unter Beweis stellen. Batuti mußte sich auf den Bauch legen, daß heißt, sie drehten ihn mit drei Mann um, da er sich allein nicht bewegen konnte. Dann tastete der Kutscher die Wirbelsäule ab. Batuti erhielt von ihm einen Fußtritt ins Kreuz. Es war genau die richtige Stelle. Es knackte, ein fürchterlicher Schrei des Schwarzen. Dann sprang Batuti auf, lachte und klopfte dem Kutscher auf Arme und Schultern. „Du großer Medizinmann. Du alle machen gesund“, rief er. Davon war der Kutscher auch überzeugt. Er war ja nicht umsonst Kutscher und Hilfsmann bei dem besten Arzt von Plymouth gewesen, bevor ihn die Preßgang an Bord der „Marygold“ geholt hatte.
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Während die Araukaner um das große Weinfaß saßen, tranken und schwatzten, stand ihr großer Häuptling mit dem weißen Schaffell um die Schultern unbeweglich daneben. Doch jetzt sagte er einige unverständliche Worte, hob die Hände und ließ sie fallen. Die Araukaner verstummten und standen auf. Der Häuptling ging zu Hasard und sagte: „Genug der Feier, wir gehen zurück zu eurem Schiff, Lobo del Mar.“ Hasard konnte vor Verblüffung nicht antworten. Die Indianer kletterten bereits zu ihren Kanus hinunter. In der Zwischenzeit waren Thomas Moone mit Ben Brighton und den anderen Männern Hasards bereits schwer an der Arbeit. Sie trugen alles auf dem Deck zusammen, was für die „Golden Hind“ nur irgendwie von Wert war. Zuerst einmal holten sie die Schätze aus dem Schiffsbauch, vor allem eine beträchtliche Ladung Gold, doch natürlich auch die kostbaren Dinge aus den vornehmen Achterkammern. Daneben stapelten sie Waffen, Pulver, Kettenkugeln, Lebensmittel, abgeschlagene Segel aus bestem Tuch und nicht zu vergessen: die Fässer mit dem köstlichen Wein. Sie gingen daran, die Pinasse zu beladen. Während die übrigen weiter die „Los Reyos“ nach Schätzen durchsuchten und Blacky vor dem Kabelgatt Wache stand, pullten Hasard, Thomas Moone, Dan und Matt Davies zurück zur „Golden Hind“. 3. Auf der „Golden Hind“ warteten sie ungeduldig. Endlich erschienen wenigstens die Kanus der Araukaner. Als erster hantelte Tetso flink und gewandt die Jakobsleiter hoch, ihm folgte der Häuptling, die anderen warteten in ihren Kanus. „Pronto! Pronto!“ Tetso sprang hin und her und fuchtelte mit einem krummen, halblangen Sarazenendolch in der Luft herum.
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Der Häuptling trat jedoch ruhig und selbstbewußt vor Francis Drake. „Capitano Großer Drache, du Frieden mit Pechuenches. Wir dir helfen“, sagte er und zeigte auf Valparaiso. Francis Drake war stolz auf diesen Namen, „el Draque“ sagten die Spanier, der Drache. „Wir werden an Land gehen. Doch die Soldaten der Spanier werden kommen“, erwiderte er. Der Häuptling hob die Rechte und streckte vier Finger in die Höhe. „Sooft wird die Sonne über den Berg laufen. - Dann Philipps-Soldaten kommen.“ Das mochte stimmen. Sicher gab es nur miserable Pfade. Sonst lag kein Schiff in der Nähe. Da würde einige Zeit vergehen, bis die ersten Dons hier erschienen. Inzwischen hatte auch die Pinasse die „Golden Hind“ erreicht. Sie prallte gegen die Bordwand, daß es nur so krachte. Francis Drake wurde ärgerlich. Carberry beugte sich über das Schanzkleid und berichtete begeistert: „Die Pinasse ist bis oben hin voller Sachen, Sir.“ Lachend und stolz stiegen Dan O’Flynn, Hasard, Matt Davies und Thomas Moone schwer beladen an Deck. „Oha, was habt ihr denn da?“ Alle waren neugierig. „Nicht so hastig“, grinste Thomas Moone. Dann packte er und Dan aus. Vor ihnen lagen Silberbarren, Gefäße aus Gold, und aus einem Beutel, der aus Lammfell gefertigt war, rollten unzählige Goldreales über das Deck. Hasard berichtete. „Das ist nur ein winziger Teil. Unsere Leute drüben schaffen jetzt alle Wertsachen an Deck. Außerdem bewachen sie die’ Gefangenen.“ „Gefangene?“ fragte Francis Drake. Ihm schien es lieber zu sein, sich nicht mit Gefangenen herumärgern zu müssen. „Sie haben sich ehrenvoll ergeben. Wir konnten sie nicht umbringen. Wenn es allerdings nach den Indios gegangen wäre, lebten sie ,nicht mehr.“ Der Profos leckte mit seiner Zunge über seine vernarbten Lippen. Er war ärgerlich, daß er nicht hatte dabei sein können. Aber
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dafür ging es jetzt an Land, um Schätze zu heben. „Ein toller Brocken, Sir“, sagte Hasard. „Das kann man wohl sagen, Mr. Killigrew. Das wird ein schwerer Schlag für die Spanier sein.“ Hasard nickte. Francis Drake wurde aktiv. Kurz und knapp erteilte er seine Befehle. „Mr. Killigrew, Sie leichtern den spanischen Kasten. Den Jungen nehmen Sie mit. Mit den Männern, die noch drüben sind, schaffen Sie alles, was Wert hat, auf die ,Golden Hind`.“ „Aye, Sir!“ „Die übrige Besatzung nimmt unter Thomas Moone Valparaiso ein. Die Araukaner“, er nickte dem Häuptling zu, „unterstützen euch. Mr. Moone, lassen Sie alles zusammentragen, und stellen Sie Wachen auf. Die verdammten Dons sollen uns nicht überraschen.“ „Aye, Sir.“ Thomas Moone war wohl froh, daß ihm die Schinderei erspart blieb. Doch der Kapitän war noch nicht fertig. „Nachts bleiben sechs Wachen an Land, zwei auf der ,Los Reyos`. Morgen dürfen die anderen an Land. Tim Brewer, in den Ausguck!“ „Aye, aye, Sir!“ Lärmend drängten sie sich in die anderen Boote. Sogar der Kaplan mit seiner Bibel kletterte umständlich die Jakobsleiter hinunter, als gelte es, jemanden zu bekehren. „Los, Jungs, nicht so lahm!“ Sie legten sich in die Riemen. Schon bald knirschte der Sand unter dem Boden. Sie jumpten heraus aus den beiden Booten. Einige hatten nicht einmal solange warten können und wateten durch das seichte Wasser an den Strand. Thomas Moone ließ eine Wache bei den Booten. Dann verteilten sie sich. Die Männer begannen ihren Raubzug. Die Hütten waren leer, alle Menschen wie vom Erdboden verschluckt. Aber der Rausch des Raubens überfiel sie alle. Sie durchsuchten die ärmlichen Hütten und nahmen das Wenige, was sie dort fanden, mit. Werkzeuge jeder Art wurden
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mitgenommen, aber auch Frischfleisch, Obst und jede Art von Lebensmitteln. Die Araukaner schossen mit brennenden Pfeilen auf die aus Reisig und Lehm gefertigten Hütten. Alles, was die Männer der „Golden Hind“ und die Indianer erbeuteten, brachten sie an den Strand zu den Booten und stapelten es dort auf. Noch an einem Stück einer Wassermelone kauend, stieg Carberry in ein etwas höher gelegenes Haus. Er stieß einen Pfiff der Überraschung aus, denn ganz so ärmlich war das Inventar nicht. Er hörte Rumoren, und der Kopf von Matt Davies tauchte aus einem Loch im Boden auf. „Mann, Ed, soviel kannst du nicht schlucken, wie hier liegt.“ „Na, du alter Saufkopf, dann mal raus mit dem Saft.“ Aus dem Gewölbe holten sie zehn kleine Fässer Wein. „So ‘ne kleine Flasche wäre mir lieber. Da könnte ich doch mal einen Schluck nehmen“, sagte Matt. Der Profos starrte ihn giftig an: „Bist du nicht bei Trost? Hier wird nicht gesoffen! Wenn du nicht sofort die Fässer zu den Booten rollst, werde ich dich einsperren bis deine Kehle so trocken ist wie dein Gehirn!“ Murrend ging Matt Davies an die Arbeit. Der Profos stöberte noch einige Silberbecher, indianische Teppiche und Decken auf. Mehr war auch hier nicht zu holen. Die anderen Wertgegenstände hatten die Besitzer wohl in die Berge geschleppt. „Ihr lahmen Schnecken, kriecht mal etwas schneller!“ rief Carberry den anderen zu. „Seid ihr müde, ihr Rübenschweine, was, wie?“ Matt Davies zuckte mit den Schultern. „Denen fehlt wohl auch mal ein Schluck.“ Als die Sonne weit im Westen ins Meer zu sinken begann, fanden sich alle bei den Booten ein. Thomas Moone bestimmte die Wachen. Sie beluden die Pinassen und pullten zur „Golden Hind“ zurück.
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Am nächsten Tag ging auch Francis Drake an Land. Er begutachtete zwar die Beute, kümmerte sich jedoch nicht weiter darum. Mit Ben Brighton stieg er ein Stück den Berg hinauf, um die möglichen Wege zu erkennen, auf denen die Spanier sie überraschen könnten. „Der Häuptling hat wohl recht“, sagte der Kapitän. „Wenn dieser Kerl von der ,Los Reyos` sogar einen Esel haben sollte, um zur nächsten Siedlung zu reiten und Alarm zu schlagen, dauert es Tage, bis die Spanier hier sind. Wir haben ja selbst gesehen, wie wenige Dörfer es an der Küste gibt.“ Ben Brighton nickte. Sie ließen sich mit der nächsten Ladung zur „Golden Hind“ zurückbringen. Jetzt wurde schwer gearbeitet. Vom Strand und von der „Los Reyos“ wuchteten sie unentwegt die Beute in die Pinassen, pullten zur „Golden Hind“ und verstauten alles im Bauch ihres Schiffes. Hasard war mit Dan, Batuti und dem Kutscher ebenfalls an Land. Sie hielten sich nicht damit auf, die Häuser noch einmal zu durchsuchen, sondern erkundeten die weitere Umgebung. Vor ihnen hastete Kaplan Fletcher durch einen kühlen Pinienwald. Ob er noch immer fromme Sprüche murmelte, konnten sie nicht heraushören. Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, konnten es ebenso gut Flüche sein, zu denen er mit der Bibel in der Hand den Takt schlug. Er schien unzufrieden. Doch jetzt hatte ihm sein guter Engel offensichtlich den richtigen Weg gewiesen. Als sie eine Lichtung erreichten, stand vor ihnen die Kirche „La Matriz“. Vor der Kirchentür wartete der Kaplan. „Im Namen den Herrn“, sagte er, „laßt den Altar ganz. Alles andere ist unser und gehört jetzt unserer Kirche.“ Sie betraten das Gebäude und waren geblendet von dem hier nicht erwarteten Reichtum. Sie trugen die silbernen Leuchter, Kannen und Karaffen, die kostbare Altardecke und sämtlichen Zierrat vor das Kirchentor. Dann plünderten sie Schränke und Regale und fanden zuletzt
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noch den Goldschatz in dem Kellergewölbe. Kaplan Francis Fletcher sah zufrieden aus wie ein Kater, der Sahne geschleckt hatte. Wußte er doch, daß Francis Drake die Altardecke und das Kirchensilber ihm für seine Gottesdienste überlassen würde. Philip Hasard Killigrew stand vor dem Tor. Ihm war bei dem Tun seiner Männer nicht ganz wohl. Er strich über die Narbe auf seiner Wange und dachte, daß dies wohl letztlich Sache des Kaplans sei. Inzwischen holten die Indianer aus den Hütten, was die Leute der „Golden Hind“ übriggelassen hatten. Ihnen hatten die Spanier viel geraubt. Warum sollten sie sich jetzt nicht einen Teil zurückholen? Es gab ein großes Hallo, als Dan und der Kutscher erschienen und Mühe hatten, vier Schweine vor sich her zu treiben. „Schweinebraten!“ „Wo habt ihr die denn aufgetrieben?“ „Die braten wir hier am Strand!“ „Und dazu Wein!“ Sie jubelten durcheinander. Thomas Moone, der ehemalige Zimmermann, der sich zum Kapitän hochgedient hatte, entsann sich seines alten Berufes. Mit Pete Ballie und Blacky baute er einen Pferch. Dorthinein trieben sie die Schweine und äfften ihr Grunzen nach. Am Abend war die Beute noch nicht verladen. Es wurden erneut Wachen aufgestellt. Hasard stand neben Francis Drake auf dem Achterkastell und sah hinüber zu dem schwach erleuchteten Feuer der Wachen am Strand. „Sir, wir haben eine Menge erbeutet. Die Männer haben schwer geschuftet. Wir sollten ihnen erlauben, zu feiern.“ „Mr. Killigrew, erst die Arbeit. Wenn morgen alles verstaut ist, können die Leute meinetwegen die Schweine schlachten. Das meinen Sie doch? Lassen Sie auch noch ein Faß Rotwein öffnen. Aber es werden Wachen aufgestellt. Und zur zweiten Nachtwache sind alle wieder an Bord.“ „Aye, aye, Sir.“ Am nächsten Tag fiel den Männern die Arbeit leicht, denn es hatte sich
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herumgesprochen, daß der Kapitän dem Gelage zugestimmt hatte. Noch bevor die letzten Pinassen beladen waren, wurden die Schweine mit der Axt betäubt. Der Schwede nahm ein langes Schiffsmesser und schnitt ihnen fachgerecht die Kehle durch. Dann mußten die Köche, Mac Pellew und der Kutscher, die geschlachteten Tiere zerteilen. Andere schichteten Holz auf. Der Holzstoß wurde angezündet und das Fleisch an Holzgabeln darüber aufgehängt. Gary Andrews rollte das Weinfaß herbei. Sie konnten es kaum erwarten, daß es endlich losging. „Mal endlich kein Salzfleisch“, sagte Blacky lüstern. Dan O’Flynn schien vor Hunger fast umzufallen und jammerte: „Seht nur wie schwach ich bin, nie richtig satt zu essen.“ Batuti lachte: „Kleines O’Flynn noch viel wachsen.“ Doch das mochte Dan nun auch wieder nicht hören. „Ich wachse nicht mehr, du Opa.“ Sie waren schon lange bereit, palaverten und vertrieben sich die Zeit mit Würfelspielen, als Mac Pellew endlich sagte: „Jetzt ist das Fleisch gut. Aber keiner säbelt sich selbst etwas ab. Ich verteile den Braten. Das erste Stück ist für den Kapitän.“ Francis Drake stand mit Hasard bei den Booten. Er war beunruhigt wegen der Feier. Doch Hasard beruhigte ihn, er wollte selbst die Wachen kontrollieren. „Drei Hochs auf unseren Kapitän!“ Drake sah auf seine Leute. Es waren alles ehrliche Kerle, tapfere Männer. Sollten sie ihre Freude haben. Er hob die Hand. Damit war das Eis gebrochen. Mac Pellew und der Kutscher arbeiteten wie die Wilden. Das Fleisch wurde ihnen aus den Händen gerissen. Doch als erste empfingen die Wachen ihren Teil, dafür sorgte Hasard. Dann meldete sich Batuti: „Ich nix kriegen?“ Alles lachte, und der Kutscher grinste. „Du kriegst nur was, wenn du Hunger hast.“
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Batuti verdrehte die Augen. „Oh, ich großen Hunger. Ich essen kleines Schwein allein.“ Der Kutscher tat ganz ernst. „Das geht nicht. Du mußt dir eins mit kleines Dan teilen.“ In dem allgemeinen Lärm ging der Protest der beiden unter. Sie nahmen jeder mehr als einen Schluck aus der Korbflasche mit vino tinto, dem echten chilenischen Rotwein. Die Stimmung wurde immer ausgelassener. Nur wenige Schritte entfernt, nahe einem Felsen, hatten die Indianer ihr Lager aufgeschlagen. Auch sie tranken Wein. Einer kam zu ihnen herüber und sagte: „Wir auch Fleisch.“ „Aber sicher, sollt ihr haben“, sagte Mac Pellew. Die Indianer schleppten große Stücke, die von Fett trieften, zu ihrem Lager. Nach kurzer Zeit waren sie alle ziemlich angeheitert. 4. John Doughty war natürlich auch jeden Tag an Land gewesen. Als Gentleman brauchte er sich die Hände natürlich nicht zu beschmutzen. Schließlich gehörten er und sein Bruder Thomas zu den Geldgebern dieser Expedition, und sie waren Günstlinge am Hofe. Nachdem sein Bruder in Port St. Julian nach einer ordentlichen Gerichtsverhandlung wegen Meuterei vom Profos geköpft worden war, hatte auch er an Ansehen verloren. Ja, er war sogar froh, wenn Francis Drake ihn nicht weiter beachtete. Er hatte an dem Essen teilgenommen. Nachdem er satt war, durchstreifte er die Umgebung. Zu gern hätte er wieder einmal ein dralles Weib in seinen Armen gehabt. Doch die Spanierinnen hatten wohl alle den Ort verlassen. Hasard beteiligte sich nicht am Trinken. Trotz des schönen Abends, der sich mit einer roten Sonne im Westen verabschiedete, war ihm nicht wohl. Er überlegte, wie er diesen Haufen
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ausgelassener Kerle wieder an Bord schaffen sollte. Er dachte auch an mögliche Gefahren. Denn mit Windeseile würde sich an der ganzen Küste bis hinauf nach Lima die Nachricht verbreiten, daß die Ketzer aus dem Norden aufgetaucht und bereits wie Wölfe in die Schafherde eingebrochen seien. Hasard blickte hinüber zur „Golden Hind“. Er meinte, Francis Drake zu erkennen, wie er unruhig auf dem Achterkastell hin und her ging. Noch wollte er die Leute nicht aufscheuchen. Da lagen sie nun um das Lagerfeuer, satt, rülpsend und trinkend, vor ihnen nur noch ein kläglicher Schweinebratenbestand. Die Indianer schliefen bereits. So waren sie. Sie lebten von einem Tag in den anderen. Aufmerksam beobachtete Hasard seine Männer und begann sie in Gedanken zu zählen. Das konnte doch nicht wahr sein. Dan und Batuti fehlten. Unruhig wartete er eine Weile. Doch sie kehrten nicht zurück. Verdammt, seine Leute würde er nicht im Stich lassen. Er klopfte dem Profos auf die Schulter, der ihm noch leidlich nüchtern schien. „Los, Dan und Batuti sind verschwunden. Wir wollen sie suchen“, sagte er leise. Unbemerkt schlichen sie sich aus dem Kreis der anderen, um die Feier nicht zu stören. Sie stolperten über Geröll und Baumwurzeln. Der Profos wurde allmählich ärgerlich, große Landgänge waren nicht gerade seine Sache. „Verdammt, was bilden sich die Kerle denn ein? Wir sind doch hier nicht zu Hause!“ Sie durchsuchten die Hütten, doch ohne Erfolg. Sie erreichten den schmalen Pfad, der an Oleanderbüschen vorbei zu dem Pinienwald führte. * Dan O’Flynn war, was den Wein betraf, durchaus kein Kostverächter. Aber er hatte
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etwas dagegen, wenn die anderen merkten, daß er noch nicht so trinkfest war. Darum hatte er die Runde verlassen, ganz abgesehen davon, daß er sowieso einmal hinter den Büschen verschwinden wollte. Als er unschlüssig überlegte, ob er schon zurückgehen sollte, meinte er, Schreie aus dem Pinienwald zu hören. Neugierig lief er los. Er hatte sich nicht getäuscht. Jetzt hörte er ganz deutlich das Kreischen einer Frau und dazwischen die ärgerlichen Flüche einer Männerstimme. Seine Schritte wurden noch schneller. Dann sah er es. John Doughty lag auf dem Boden und sah mit widerlich grinsenden Lippen zu ihm auf, eine Teufelsgrimasse der Begierde. Unter ihm wehrte sich eine junge, hübsche Spanierin gegen seine Umklammerung. Er hatte ihr Mieder zerrissen. Die rechte nackte Brust lag in seiner Hand. Mit der anderen zerrte er an ihren Röcken. „Hau ab, du Milchgesicht“, schrie er. „Hau ab! Stör nicht mein Vergnügen!“ Dan fand seine Sprache wieder: „Dir werde ich zeigen, wer ein Milchgesicht ist! Dir werde ich das Maul stopfen!“ Er schlug auf Doughtys Kopf, trommelte auf seinen Körper. „Du Schwein! Du eklige Ratte! Laß die Frau los! Willst du wohl deine dreckigen Pfoten da wegnehmen!“ Doughty dachte nicht daran, seine Beute aufzugeben. Mit der einen Hand drückte er dem Weib die Kehle zu, mit der anderen versuchte er den rasenden Dan abzuwehren. Das wäre ihm auch fast gelungen, denn sein Hieb traf den überraschten Dan ans Ohr. Als Dan stürzte, versuchte Doughty, ihm die Finger in die Augen zu bohren. Die Frau hatte aufgehört zu schreien, einmal weil Doughty ihr die Luft abschnürte, aber auch, weil sie sich schon gerettet glaubte. Doch als Dan jetzt so hilflos neben ihr lag, begann sie erneut aus Leibeskräften zu schreien, stieß mit den Füßen und versuchte, das widerwärtige Gesicht über sich zu zerkratzen. „Weiber, die kratzen, mag ich besonders gern.“ Doughty leckte sich die Lippen. Er
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war ganz verrückt nach dem Weib und entwickelte Riesenkräfte. Dan, der sich aus dem hinterhältigen Griff befreien konnte, versuchte erneut, ihn von der Frau wegzuzerren. Er weinte fast vor Wut, weil er es nicht schaffte. „Du widerlicher Fettsack! Ich reiß dir die Ohren ab!“ Doch Doughty schleuderte ihn von sich. Dan prallte mit dem Kopf gegen einen Baum und blieb benommen liegen. Wieder wandte sich Doughty mit seinen gierigen Fingern seiner Beute zu. Speichel troff über seine Lippen. Aber da wurde sein Kopf nach hinten gerissen. Ein fürchterlicher Hieb ließ ihn die Besinnung verlieren. Batuti hatte mit seiner Faust den Kampf beendet. „Du nicht Frau schlagen! Nicht kleines Dan!“ Batuti war losgezogen, um Dan zu suchen, weil er sich um ihn sorgte. Da war er also gerade im richtigen Moment erschienen. Die Spanierin sprang sofort auf, raffte ihre Kleidung zusammen und hastete davon. Dabei schrie sie: „Dios mios! Dios mios! Diabolos! Madre mia!“ Doughty kam wieder zu sich und begann zu rasen. „Ihr Schweine!“ brüllte er. „Ihr Lumpenhunde! Was wäre schon dabei gewesen, wenn ich diese geile Spanierin umgelegt hätte!“ Das hörten auch Hasard und der Profos, die ihren Augen kaum trauen wollten. Der Lärm hatte ihnen den Weg hierher gewiesen. Gegen Hasard wagte Doughty sich nicht aufzulehnen. Der Profos befahl Batuti, Stricke zu holen, mit denen Doughty gefesselt wurde. Dann kümmerten sie sich um Dan. Doch der war schon wieder obenauf. Er wußte, daß Doughty bestraft werden würde. Zögernd kehrte die Spanierin zurück und sagte: „Gracias, senores, gracias, caballeros.“ Sie wollte ihnen die Hände küssen. Hasard wehrte ab. „Wir dulden nicht, daß ein Engländer so etwas tut. Auch nicht der Tochter eines Spaniers. Wir führen keinen
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Krieg gegen Frauen. Seien Sie unbesorgt. Es war übel, was dieser Mann versucht hat.“ Jetzt erst sahen sie, wie schön diese Frau war. Der Profos sagte zynisch: „Also das verstehen die Dons. Ich meine, schöne Weiber zu zeugen.“ „Das kann man wohl sagen. Aber deswegen fallen wir nicht über wehrlose Frauen her.“ Dan O’Flynn sonnte sich in der Dankbarkeit der schönen Spanierin. Schließlich hatte er sich tapfer für sie geschlagen. Doughty wurde bereits wieder arrogant. „Das werden Sie noch büßen, Killigrew“, sagte er. Hasard erwiderte kalt: „Für Sie bin ich Mr. Killigrew.“ Doughty lachte hämisch. „Ihr werdet sehen, was ihr davon habt. Mr. Drake wird mich beschützen und diesen Nigger da auspeitschen lassen, weil er mich angefaßt hat.“ „Das wird sich finden.“ Der Profos stieß ihn in Richtung des Lagers. Die Spanierin lief zu den Hütten zurück. Hasard bemerkte ein Feuer auf der „Golden Hind“, als sie den Wald hinter sich ließen. „Das bedeutet, daß wir zurück an Bord sollen. Wir wollen uns beeilen.“ Batuti klopfte Dan auf die Schulter. „Hauptsache, dir ist nichts passiert, Freund.“ „Mir ist nichts passiert. Du hast mir rechtzeitig geholfen.“ Sie erreichten mit John Doughty das Lagerfeuer. Dort war allerlei los. Der Wein hatte gewirkt. „Ist der auch so voll wie wir?“ fragte Mac Pellew und kicherte. Hasard, Batuti, der Profos und Dan antworteten nicht. Sie holten die Wachen zusammen und machten die Boote klar. „Francis Drake zeigte ein Feuer. Das deutet auf Gefahr!“ Hasard wies auf das geplünderte Valparaiso und auf die „Los Reyos“. „Damit haben wir die ganze Küste
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in Alarmzustand versetzt. Das wird noch Ärger geben.“ Torkelnd standen die Männer auf. „Was ist denn mit dem? Warum ist der gefesselt, Profos?“ fragte einer. „Das laß mal meine Sorge sein. Oder bist du der Profos an Bord?“ Obwohl sie alle angetrunken waren, schwiegen sie. Der Profos war ein gefürchteter Mann. Sie taumelten zu den Booten und besetzten die Riemen. John Doughty wurde auch verstaut. Der Profos blickte ihn an. „Das wird der Kapitän nie dulden. Das gibt eine Gerichtsverhandlung. Verlassen Sie sich darauf.“ Nur mühsam brachten sie die Boote voran. An der Backbordseite schwappte das Wasser über. Der Norder hatte aufgefrischt und peitschte ihnen das Salzwasser ins Gesicht. „Reißt. euch zusammen! Sonst könnt ihr was erleben! Oder seid ihr scharf auf die Neunschwänzige?“ „Hö, hö!“ brüllten einige, vom Wein leichtsinnig geworden. „Ihr pullt wie Schwachsinnige!“ Auf allen Booten wurde angetrieben. Matt Davies, der die Pinne in der Hand hatte, mußte sich sagen lassen, daß er Girlanden steuere. „Ich steuere richtig“, lallte Matt Davies. Pete Ballie unterstützte ihn noch: „Ja, er steuert richtig.“ Mit den Männern war einfach nichts mehr anzufangen. „War das ein Tag“, sagte Dan zu Batuti, als sie endlich die Steuerbordjakobsleiter erreichten. Die überkommende See und der steife Norder hatten sie in den Pinassen wieder etwas nüchterner werden lassen. Die erste Pinasse schnurrte an der Bordwand. Der gefesselte John Doughty war pitschnaß. „Ist Mr. Doughty krank?“ fragte Francis Drake von oben, als er das Bündel betrachtete. „Der hat Old England beleidigt“, brüllte Carberry, der Profos.
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„Hat spanische Frau lieben wollen“, erklärte Batuti. Der Kapitän schüttelte verständnislos den Kopf. Die „Golden Hind“ schwankte jetzt vom Norder gedrückt von Backbord nach Steuerbord und drehte sich um ihren Anker. John Doughty hatte in der Pinasse immer wieder geflucht. „Und das alles wegen so eines Weibes, gezeugt von einem miesen Don.“ Der Profos ließ sich auf keine Debatten ein. „Ich hau dir gleich was auf dein Schandmaul. Wir sind Männer und kämpfen gegen Männer. Solche Kerle wie du werden auf Ihrer Majestät Schiffen an die Rah gehängt.“ Doughty wurde wild. „Du bist nur hier auf dem Schiff Profos. Aber in England wird dir meine hohe Verwandtschaft einen Galgen in Dartmoor aussuchen. Darauf kannst du dich verlassen.“ „Du kannst mir keine Angst einjagen, du miese Ratte.“ Dann wurden ihm jedoch die Fesseln abgenommen, damit er sich die Jakobsleiter hochhangeln konnte. Francis Drake empfing ihn. „So etwas hat mir gerade noch gefehlt. Ich kann nicht dulden, daß Frauen vergewaltigt werden, nicht mal Indianerinnen. Wir sind keine Räuberbande.“ John Doughty entgegnete hochmütig: „Dieser verdammte Nigger und das wildgewordene Milchbaby haben mich zusammengeschlagen, mich, John Doughty, der am Hofe Ihrer Majestät empfangen wird. Ich verlange, daß die beiden entsprechend bestraft werden.“ Francis Drake ging auf diese Worte nicht ein, sondern sagte zu Hasard: „Schafft ihn ins Hospital ins Vorderkastell. Stellt ihm einen Brandy vor die Koje. Morgen werden wir dann die Angelegenheit entscheiden.“ Hasard protestierte. „Der Mann gehört ins Profosverlies neben dem Kabelgatt. Er ist über eine Frau hergefallen. Jetzt will er noch den Spieß umdrehen und meinen Leuten an den Kragen.“
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Francis Drake erklärte jedoch: „Er ist ein Abkömmling von Peers. In England würde man ihn kaum bestrafen. Batuti und Daniel O’Flynn sind von niederer Herkunft. Sie haben kein Recht, sich an ihm zu vergreifen.“ Hasards harter Blick ließ ihn verstummen. Dieser Killigrew war oft ein schwieriger Untergebener. Der ließ sich für seine Männer in Stücke hauen. Kein Wunder, daß der Seewolf so beliebt war. Was sollte er tun? Hasard wußte, daß es schwer sein würde, sich durchzusetzen. Aber wegen eines Adeligen ließ er seine Leute nicht im Stich. Es würde eine Machtprobe zwischen Drake und ihm werden. Aber er würde nicht nachgeben. Er würde nicht meutern, aber ihre Wege müßten sich trennen. Denn dann trennte ihn eine ganze Welt von seinem Kapitän. Drake gab vorerst nach. „Profos, schaffen Sie ihn ins Verlies neben dem Kabelgatt.“ Der Profos sagte leise und nachdenklich mehr zu sich selbst: „Hängen wird er zwar nicht. Aber sein Fell werde ich ihm bearbeiten, daß ihm Hören und Sehen vergeht. Das wird ihm die Lüsternheit austreiben. Schließlich ist Profos sein auch so etwas wie eine Aufgabe. Verdammt will ich sein, wenn der nicht seine Strafe kriegt.“ Er fühlte sich als Scharfrichter, der Profos von der „Golden Hind“. Viel zu lange war es schon her, daß er seine Macht hatte beweisen können. Am nächsten Morgen, dem 8. Dezember 1578, stieg die Sonne wieder strahlend über den Anden empor. Den Alkohol hatten der Wind und die vergangenen Stunden vergessen lassen. Jetzt wurde wieder gearbeitet und das Schiff aufgeklart. Die „Los Reyos“ lag verlassen in der Bucht. Keine lärmenden Spanier winkten zu ihnen herüber. Die Gefangenen waren auf die „Golden Hind“ gebracht worden. Eigentlich brauchten sie nur die Anker zu lichten und weiterzusegeln. Da war eben nur eine Kleinigkeit. Jetzt brannte die Sonne mit herzloser Energie auf die Decks.
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Später, wenn die Schatten der Felsen länger werden würden, sollte Gericht gehalten werden. Batuti war am Kalfatern und sang ein trauriges Lied. Da sauste etwas Braunes den Mast herunter, schwang sich über das Deck und legte seine langen braunen Arme dem Neger um den Hals. „Armes, kleines Arwenack, keine Feier.“ Er streichelte den Schimpansen. „Komm, gehen in Kombüse.“ Doch Mac Pellew war gar nicht begeistert. „Dieser Halunke schmeißt mit Töpfen, wenn ich nicht aufpasse.“ Schon saß Arwenack ihm im Nakken und zerrte an seinem rechten Ohr. „Ist ja schon gut. Hör auf, du verlauster Affe.“ Die Sanduhr in der Kapitänskammer zeigte die Stunde, da über John Doughty zu Gericht gesessen werden sollte. Bei Francis Drake saßen die Kapitäne Thomas Moone und Philip Hasard Killigrew. Als Zeugen waren erschienen Daniel O’Flynn und Batuti. Der Profos brachte John Doughty. Francis Drake fühlte sich nicht wohl. Er begann, Batuti und Dan über die Begebenheit auszufragen. Darin wandte er sich an John Doughty. „Stimmt es, was die beiden Männer meiner Besatzung hier aussagen, Mr. Doughty?“ John Doughty schien sich ganz sicher zu fühlen. „Das war meine Angelegenheit. Ich bin ein Mann aus vornehmen Hause. Die Kerle da haben sich nicht einzumischen. Ich will, daß sie bestraft werden, denn sie haben sich an mir vergriffen. Ihr werdet mir auch büßen, daß man mich gefesselt und eingesperrt hat.“ Francis Drake war unentschlossen. In England hätte man Doughty ganz sicher nicht bestraft. Die Zeugenaussagen eines Jungen und eines Niggers hätten nichts gegolten. Hasards blaue Augen sprühten Funken. Seine Narbe auf der linken Wange trat rot hervor. „Sir“, sagte er. „Das geht wohl zu weit! Batuti und Daniel O’Flynn sind Männer
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meiner alten Crew. Sie tun ihre Pflicht an Bord wie jeder andere. Dann haben sie auch die gleichen Rechte wie jeder andere Mann. Ich werde nicht zulassen, daß sie bestraft werden. Aber ich verlange, auch im Namen meiner Leute, daß John Doughty wegen versuchter Vergewaltigung und damit wegen eines schweren Verstoßes gegen die Disziplin bestraft wird. Ich fordere, daß er ausgepeitscht wird. Geschieht das nicht, werde ich noch hier in Valparaiso die ,Golden Hind` verlassen. Sie werden sehen, daß die Männer meiner alten Crew mit mir gehen werden.“ Francis Drake wurde trotz seiner sonnengebräunten Haut blaß. Er ahnte, daß der Seewolf nicht allein gehen würde. Wer sich so für seine Leute einsetzte, dem würden sie folgen, ganz gleich wohin. Dieser Philip Hasard Killigrew stand für seine Meinung ein, und wenn man ihn totschlagen würde. Sein Gesicht zeigte die Entschlossenheit und den Willen, für die Gerechtigkeit zu kämpfen. Francis Drake sah von einem zum anderen. Hier stand ein aufrechter Mann, dort ein mieser Günstling des Hofes. In diesem fremden Land brauchte er Männer vom Schlage Hasards. Er brauchte auch die Männer, die für Hasard durchs Feuer gingen. Denn sie alle waren ihm treu ergeben. John Doughty war ein Feigling, der sich an Frauen vergriff. Nicht viel besser als sein Bruder Thomas Doughty. Hier an Bord der „Golden Hind“ war sein, Francis Drakes, Wort Gesetz. Was er sagte, würde geschehen. Wieder ertönte Hasards Stimme. „Sir, glauben Sie mir. Es ist mir unmöglich, auf einem Schiff zu fahren, auf dem Frauenschänder mehr gelten als tapfere Männer. Ich bestehe auf der Bestrafung John Doughtys.“ Francis Drake preßte die Lippen zusammen, daß sie nur noch ein schmaler Strich bildeten. Er hatte sich entschlossen. Hier an Bord zählten nur wirkliche Männer. So einer war John Doughty nicht. „John Doughty wird bestraft! Mr. Moone, Mr. Killigrew, befinden Sie mit über die
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Art der Strafe. Sollen wir ihn kielholen lassen?“ Kielholen wäre eine furchtbare Strafe. Dem Delinquenten wurde ein Tampen um die Hände und ein anderer um die Füße gebunden. Den Tampen um die Füße zog man mittels einer Talje an, die man an der Nock befestigt hatte. Dann wurde der Mann langsam unter das Schiff gezogen. Thomas Moone sagte: „Dann können wir ihn auch gleich an der Rah aufhängen. Ich denke, zwanzig Hiebe werden genügen.“ Hasard bestätigte das. „Das stimmt, ich kenne niemanden, der kielgeholt wurde und mit dem Leben davonkam. Überlassen wir die Strafe dem Profos mit seiner Neunschwänzigen. Der wird ihn schon bearbeiten, daß er es niemals wieder vergißt. Außerdem schlage ich vor, wir sollten diesen spanischen Leutnant zusehen lassen. Er kann später überall erzählen, daß bei uns Gerechtigkeit herrscht.“ John Doughty starrte den Kapitän entsetzt an. „Nein, das können Sie nicht tun! Denken Sie an meine vornehme Verwandtschaft! Ich will Sie auch belohnen. Nein, nicht schlagen!“ „Schweigen Sie, Sie Feigling!“ herrschte Francis Drake den jammernden Doughty verächtlich an. „Die Strafe ist beschlossen. Der Teniente mag zusehen.“ Die Mannschaft war gerade dabei, die achtzehn Geschütze zu reinigen, als bekannt wurde, daß die Strafe an Doughty jetzt vollzogen würde. Die Sonne hing schon tief im Westen. Ein kühler Südwind wehte über das Deck und ließ die Männer frösteln. Sie holten den spanischen Leutnant an Deck. Er war nicht gefesselt, doch er schleppte eine Eisenkugel hinter sich her, die mit einer Kette an seinem rechten Fuß befestigt war. Francis Drake lächelte spöttisch: „Da ist also der Zeuge für die englische Gerechtigkeit.. Los, Mr. Killigrew, erklären Sie dem Mann, warum wir das tun.“ Hasard erklärte es dem Spanier. „Dieser Mann hat sich einer spanischen Frau gegenüber nicht als Herr gezeigt.“
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Der Leutnant mochte wohl angenommen haben, daß er jetzt gequält werden sollte. Denn sie waren ja auch nicht zimperlich, wenn sie von den Indianern etwas erfahren wollten. Er war verblüfft und konnte nicht fassen, daß er einer Bestrafung auf einem englischen Schiff zusehen sollte. „Ich bin erstaunt“, sagte er. Inzwischen wurde John Doughty an den Großmast geführt. Die ganze Besatzung mußte sich an die Wanten stellen. Hasard sagte: „Da kann euch der Südwind die Köpfe kühlen nach der Feierei.“ „Halt deine Flossen hoch!“ herrschte der Profos John Doughty an. Seine Hände wurden am Großmast festgezurrt. So konnte Doughty seiner Strafe nicht entgehen, aber auch nicht im Wahnsinn der Schmerzen über Bord springen. „Schau dich nicht um, du Hurensohn! Stecke deine Visage in die Ritzen des Mastes. Davon gibt es genug.“ Dann verlas Kapitän Drake noch einmal das Urteil. „Zwanzig Hiebe mit der Neunschwänzigen wegen Mißachtung der Disziplin. Bedingung: Sie sind mit äußerster Kraft auszuführen. Profos, walten Sie Ihres Amtes.“ Francis Drake, Thomas Moone und Philip Hasard Killigrew standen auf dem Achterkastell. Sogleich redete sich Carberry, der Profos, in Wut und schrie: „Dir werde ich deine Sucht nach Weibern austreiben!“ Und schon sauste der erste Hieb auf den weißen, weichlichen Rücken John Doughtys. Ein furchtbares Gebrüll ertönte. „Halts Maul, das ist erst der Anfang!“ Der Profos legte seine ganze Kraft in den nächsten Schlag. Schon hatten die Lederriemen rote Striemen auf der Haut hinterlassen. Beim nächsten Hieb platzte die Haut, Blut rann den Rücken herunter. Doughty schrie wie ein Tier, fast irrsinnig vor Schmerzen. Der Profos holte aus und schlug zu wie in einem Rausch. Die Mannschaft zählte die Hiebe. Die Schreie des Delinquenten, die Flüche des Profos, das Klatschen des Leders auf
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dem blutigen Fleisch, wer konnte den Anblick jemals vergessen? So mancher aus der Mannschaft hatte selbst einmal dort gestanden. Wenn der Profos vorher verkündet hatte, dieser Hurensohn hätte ein so dickes Fell und mindestens sieben Häute, so hatte er gut gearbeitet. Der Rücken vor ihm war eine einzige blutige Masse. John Doughty war verstummt, besinnungslos hing er in den Fesseln. Doch der Profos holte aus und schlug. „Zwanzig!“ „Genug! Aufhören!“ Hasard hielt eine Hand hoch. Jemand packte den Profos am Arm. Er hätte immer weiter geschlagen. So lange, bis der Mann vor ihm keinen Funken Leben mehr in sich gehabt hätte. Unwillig und den Kopf schüttelnd wandte Kapitän Drake sich ab. Wegen dieser Strafe würde er in England noch Schwierigkeiten kriegen. Das wußte er. Dazu konnte er nicht verwinden, daß der Seewolf sich durchgesetzt hatte. Hasard sah diese Strafen auch nicht gern. Doch er wußte, daß nur Härte die Disziplin unter diesen wilden Gesellen aufrechterhalten konnte. Der Profos war noch nicht zufrieden. „Hol die Salzkiste, Koch!“ Mac Pellew lief los, kehrte mit der Kiste unter dem Arm zurück und stellte sie neben den Delinquenten. Der Profos sagte: „Das erledigt ihr. Los Kutscher, los Dan!“ Doch die beiden brauchten nicht anzutreten, da fanden sich genug Freiwillige. „Los! Reibt ihn ein! Salzt ihm den Rücken!“ Sie begannen mit der grausamen Arbeit. John Doughty stöhnte, aber war wohl nicht richtig bei Bewußtsein. Immerhin war dieser grausame Brauch nicht brutale Quälerei. Das Salz sollte auch die riesige Wunde desinfizieren. Batuti hielt sich beide Hände vors Gesicht. „Seid grausam.“ „Halts Maul, Batuti!“ herrschte ihn Matt Davies an. „Der hat es verdient.“
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Hasard sagte: „Das sei euch allen eine Warnung. So ergeht es jedem, der über wehrlose Frauen herfällt. Wir kämpfen gegen die Spanier, aber nicht gegen ihre Frauen und Kinder. Bringt den Mann in seine Kammer. Und du, Profos, legst ihm morgen Lappen mit Olivenöl auf seine Wunden, damit sie heilen.“ Sie hatten Doughty losgebunden. Er konnte kaum noch stehen. Aber er sah Hasard voller Haß an. Niemals würde er vergessen, daß es Philip Hasard Killigrew gewesen war, dem er diese Strafe zu verdanken hatte. Er würde es ihm heimzahlen. Und wenn er Jahre warten mußte. Er war sein Feind. Hasard hatte den Blick gesehen und wußte, was er bedeutete. Doch er lächelte kalt. Männer wie diese Doughtys konnten ihn nicht erschüttern. Das Salz mußte in den Wunden entsetzlich brennen, John Doughty stöhnte bei jeder Bewegung. Er schleppte sich ein paar Schritte vorwärts. Dann schrie er auf und brach zusammen. Batuti und der Kutscher faßten ihn, trugen ihn in seine Kammer und legten ihn in seiner Koje vorsichtig auf den Bauch. Dort lag er mit seinen Schmerzen. Er sah vor sich den vom Rumpf getrennten Kopf seines Bruders Thomas Doughty. Er würde seinen Bruder rächen — und seine Schmach. In England würden Francis Drake und dieser Seewolf über die Klinge springen. Nur seine Rachegedanken ließen ihn die Schmerzen ertragen. 5. Der Südwind hatte aufgefrischt. Es war angenehm kühl an diesem Sommerabend. Drei Kanus umpaddelten die „Golden Hind“. Im ersten Boot stand Tetso und rief: „Gran diabolos!“ Sie wußten nicht, was es bedeuten sollte. Meinte er den Angriff auf die spanische Frau? Aber sie hatten sie doch auch gerettet. Francis Drake meinte: „Es ist nicht gut, wenn sie gesehen haben, daß einer unserer Leute so grausam bestraft wurde.“
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Der spanische Leutnant hatte keine Miene verzogen. Auch auf ihren Schiffen wurden die Leute der Besatzung bestraft. Bei den Indianern halfen sie noch mit ganz anderen Mitteln nach, um sie zum Sprechen zu bringen. Weichlinge waren sie, diese Ketzer. Diesen Mann hätten sie auf jeden Fall töten müssen. Denn jetzt hatte dieser große, schwarzhaarige Offizier mit der Narbe auf der Wange, der ihn gefangen genommen hatte, einen Todfeind. Er hatte den Blick wohl gesehen, den der Geschlagene ihm zuwarf. Der würde diese Schmach nie vergessen. Er zuckte mit den Schultern. Nun wußte er, daß sie sein Leben schonen würden. Das konnte er auch den Mitgefangenen erzählen. Pete Ballie und Matt Davies brachten ihn unter Deck. Francis Drake und Hasard blickten hinüber zum Land. Ihre Augen hefteten sich auf die Kirche „La Matriz“ in der Lichtung des Pinienwaldes. Sie sahen den schwachen Feuerschein. „Sie sind wieder da.“ „Ja, Mr. Killigrew, jetzt wird es lustig. Wir haben sie ja ganz schön erleichtert.“ „Sie werden ärgerlich sein und alles daran setzen, uns zu fangen.“ „Wir segeln“, entschied Francis Drake. „Sie, Ferris Tucker und ein paar Ihrer Leute nehmen die Kanus der Indios da unten und fahren zur ,Los Reyos`. Sie gehen ankerauf und folgen der ,Golden Hind’ in die freie See. Dann lassen Sie Pulver in die Kammern achtern und ins Vordeck schaffen. Vor dem Besan muß das Deck aufgerissen werden. Werft Holz und Tonnen über Bord. Denn wir wollen nachher die Spanier springen lassen. Daran können sie sich retten.“ Der Profos hatte die Unterhaltung mitgehört und sagte: „Besser wäre es, die Dons in die Hölle zu schicken.“ Drake erwiderte scharf: „Das ist nicht Ihre Sache, Profos. Wir sind ehrliche Kämpfer. Wer sich ergibt, erhält eine Chance.“ Ed Carberry zog sich mürrisch zurück. Hasard winkte dem Kanu mit Tetso. Ferris Tucker, Dan, Batuti, Al Conroy, Stenmark
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und Ben Brighton kletterten mit ihm die Jakobsleiter hinunter. Auf der „Golden Hind“ stiegen sie bereits in die Wanten, um die Zeisinge und Geitaue zu lösen. Tetso, der Pechuenche, winkte fröhlich mit der geschenkten Axt. Vorn unter der Ducht lagen das Messer und ein Sarazenendolch neben einem aus Hanf geflochtenen Korb. Die Ingléses waren seine Freunde. Sie hatten ihn großartig beschenkt und keinem Indianer etwas zuleide getan. „Gran diabolos“, sagte er wieder. Jetzt erkannte Hasard, daß dies eine Auszeichnung sein sollte. Sicher weil die Spanier ihre Feinde so nannten. Der Teufel der Pechuenches war ja auch der Huecubu. Hasard lachte freundlich. „Tetso, gut daß du da bist.“ Die „Golden Hind“ und die Ingléses schien den Indianern der große Toqui geschickt zu haben, ihr guter Gott. Darum wollte er auch in der Nähe sein. Die meisten seiner Stammesbrüder schliefen in einer Felsenhöhle noch ihren Rausch aus. Denn Carberry, dieser Satansbraten, hatte ihnen ein viertel Faß Whisky dagelassen. Er sagte, aus Freundschaft. Aber eigentlich wollte er sie damit für etliche Stunden mattsetzen. Tetso nahm sein schönes Messer aus der Ducht, rieb es an seinem Gürtel blank und ließ es in der untergehenden Sonne blinken. Dann strich er mit dem Rücken des Messers über seine Gurgel. „Philippos grrr“, sagte er. „Nein, Tetso, wir segeln. Adios.“ Tetsos eben noch frohe Augen wurden stumpf. Die Traurigkeit stand deutlich in seinem dunklen Gesicht. Nun sollte er plötzlich Abschied nehmen von seinen Freunden. Er sah ihnen nach, bis sie an Bord der verlassenen „Los Reyos“ kletterten. „Arwenack!“ schrie Batuti nach oben, denn an der Reling stand die Prisenwache Blacky und Gary Andrews. Auch sie antworteten mit ihrem alten Schlachtruf. Hasard hielt sich nicht lange auf. „Ist die ,Los Reyos` segelklar?“ „Aye, aye, Sir.“
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„Also dann los! Beeilt euch! Setzt die Plünnen!“ Angestachelt von der Freude, daß es wieder losgehen sollte, jumpten sie in die Wanten, rutschten an den Rahen entlang und lösten die Segel. Auch Hasard und Ferris Tucker legten sich mit ins Zeug. Voller Übermut rutschten sie an den Pardunen hinunter an Deck. Dann liefen sie auf das Vorderkastell und hievten mit einer doppelten Talje die beiden Anker. Die Spanier waren vorsichtige Leute. Sie kannten die gefährlichen Winde hier. Darum die zwei Anker, die das Schiff besser im Strom hielten. „Ferris, jetzt haben wir schwere Arbeit vor uns.“ „Aye, aye, Sir.“ Ja, es würde nicht leicht sein, die „Los Reyos“ bei dem jetzt lebhaften Südwest aus den Untiefen heraus in die freie See zu steuern. Ferris Tucker packte den Kolderstock, sah auf in die Segel und stellte mit Befriedigung fest, daß sie sich prall mit Wind füllten. Sie glitten heraus aus der Bucht des Fischerdorfes Valparaiso. Und da war es wieder. Über ihnen ächzten die Segel, knarrten und stöhnten die Rahen und Masten. Das war das Lied, das sie begleitete auf ihren Fahrten. Die „Los Reyos“ begann zu leben. Doch es würde für dieses stolze Schiff nur noch ein kurzes Leben sein. Die brennenden Feuer an Land wurden kleiner und kleiner. Hasard stand auf dem Achterkastell und blickte zurück. Tetso hatte sich mit seinem Kanu aus dem Sog der „Los Reyos“ befreit. Er stand in seinem Boot, das stark in den Wellen dümpelte, und winkte. Im Hintergrund ragten die riesigen Berge in den Himmel. Hasard sah auf die Planken unter sich. Er wünschte, er könnte wieder einmal über ein so stolzes Schiff befehlen. Aber Drake wollte, daß diese Galeone versenkt würde. Nur er allein wußte den Grund. Vielleicht wollte er dem Seewolf nach der Niederlage bei dem Bordgericht über John Doughty zeigen, wer der Kapitän war?
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Oder er wußte nicht, ob er ihm oder Thomas Moone das Schiff anvertrauen sollte. Hasard überlegte, daß sicher die Größe dieser Galeone ausschlaggebend war. Sie hätten beide Schiffe nicht ausreichend bemannen können. Francis Drake hatte es eben so bestimmt, da mußte er sich beugen. Die Achtung der Disziplin, die er von seinen Leuten verlangte, mußte er auch selber üben. Dan saß gelangweilt im Großmast und sah voraus auf die „Golden Hind“, die gute Fahrt lief. Ben Brighton wollte ihn ärgern und rief nach oben: „He, Arwenack! Möchtest du ‘ne Banane?“ Dan wurde giftig, und seine Stimme überschlug sich: „Warte nur ab, Onkel! Ich könnte dir ja mal auf den Kopf spucken. Aber vielleicht zieh ich auch die Hosen runter. Was meinst du, wie das klatscht, wenn ich deinen Schädel treffe!“ Ben Brighton lachte gutmütig. „Eines Tages kriegst du ordentlich dein Fell versohlt. Das ist sicher.“ Alle lachten. Im Grunde mochten sie Dan und seine scharfe Zunge. Niemand konnte ihm ernstlich böse sein. Wenn es darauf ankam, war er immer ein guter Kamerad, und man konnte sich unbedingt auf ihn verlassen. Im Kampf gegen die Dons war er immer der erste. Bei schwierigen Segelmanövern im Sturm kniff er nie. Er hatte ebenso wenig gemurrt wie sie, als sie nach dem Land Australis suchten und immer weiter nach Süden vertrieben wurden. Sie klapperten vor Kälte, waren tagelang ohne Schlaf und immer in nassen Klamotten. Wochenlang waren sie von Stürmen geschüttelt worden. Als sie den ersten Eisberg sahen, hatte Francis Drake endlich befohlen, nach Norden zu segeln. Damals hatten sie verschimmelten Zwieback geteilt und an Eisstückchen gelutscht. Und der Junge hatte sich gehalten wie ein Mann. Batuti hockte auf dem Vorderkastell und sang die traurigen Lieder seiner Heimat.
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Etwas hatte der Wind gedreht. Der Besan schlug back. Und sie liefen kaum mehr Fahrt. Sie drehten wieder in die Nähe der Bucht. Die Bucht von Valparaiso hatte ihre Eigenheiten. Ein Strom setzte land- und ein anderer Strom seewärts. Diese beiden Ströme waren niemals abhängig von Ebbe und Flut, seit Urzeiten war es so. Die Indianer, die mit ihren Booten umzugehen verstanden, wußten das, besser noch als die Philippos. Etwa zehn Seemeilen vom Land entfernt, rief Dan vom Ausguck: „Auf der ,Golden Hind` haben sie die Spanier an Deck geholt. Sie stehen an der Relingspforte. Jetzt lernen sie schwimmen, die lausigen Dons!“ Hasard scheuchte seine Männer hoch. „Los! Los! Werft Fässer, Holzbalken, und was ihr sonst noch finden könnt, über Bord. Der Kapitän wird jetzt die Dons ins Wasser springen lassen. Aber sie sollen eine Chance haben.“ * Auf der „Golden Hind“ starrten die Spanier nicht sehr entzückt hinunter in das schwarze Wasser. „Nun mal los, ihr müden Krieger! Zieht die Stiefel aus! Las botas!“ Der Profos stieß sie ins Kreuz. „Soll ich euch helfen?“ Er trat dem einen der Dons kräftig auf den Fuß und gegen das Schienbein. „Wir sind so gnädig mit euch, und ihr wollt nicht einmal!“ Die Spanier merkten, daß es Ernst wurde. Sie mühten sich ab, die engen Stiefel von den Füßen zu kriegen. Smoky lachte spöttisch. „Das kommt davon, wenn man so fein sein will. Wir haben die richtigen Stiefel!“ Und er zeigte auf seine ausgetretenen, völlig verdreckten, hohen Landsknechtsstiefel. Francis Drake wurde ungeduldig. „Auf der ,Los Reyos` wollen sie anfangen. Sie warten schon, daß die Spanier endlich springen.“
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Endlich hatten sich die Spanier von ihrer Fußbekleidung befreit. Der Profos und Smoky rissen ihnen die Hemden vom Leib. „Venga! Venga! Ab!“ So sprangen sie in die Tiefe, in das schwarze, kalte Wasser. Francis Drake war nicht sicher, ob der Profos nicht mit einem kräftigen Tritt nachgeholfen hatte. Als sie wieder auftauchten, war die „Golden Hind“ bereits fünfzig Yards voraus. * Jetzt begannen sie auf der „Los Reyos“ das Holz ins Wasser zu werfen. Sogar ein kleines, wenn auch nicht besonders sicher wirkendes Boot warfen sie über Bord. Sie setzten zusätzlich das Besansegel, um wieder etwas mehr Fahrt zu laufen. In der einbrechenden Dunkelheit konnten sie die um ihr Leben kämpfenden Spanier in der See nicht mehr erkennen. Sie richteten ihre Blicke voraus, wo ihnen die „Golden Hind“ den Weg zeigte. Sie sahen, als sie sich etwa zwanzig Seemeilen vor der Küste befanden, daß die „Golden Hind“ ihre .Segel nach Backbord schiftete. „Es ist soweit, Ferris. Jetzt lassen wir ein Schiff der königlichen spanischen Flotte in den königlichen spanischen Himmel fliegen. Da kann sich Philipp II. freuen.“ Ferris Tucker lachte. „Der gibt uns keinen Orden dafür.“ Er war Spezialist für Pulver und Lunten und Sprengladungen. Jetzt hatte er das Wort. Sie stiegen in die Pulverkammer und holten Fässer, Säcke und Lunten. Dann verteilten sie das gefährliche Zeug im Vorder- und Achterkastell, in der Nähe des Kolderstocks und unter der Kuhl. Ferris Tucker versah alles mit Lunten. Ben Brighton, der jetzt am Ruder stand, wartete auf Hasards Befehl. „Luv an! Wir bleiben im Wind liegen!“ Dann: „Fallen Anker!“ „Aye, aye, Sir“, hörte Hasard Blackys und Al Conroys Stimmen.
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Die Anker klatschten ins Wasser. Die Trossen spannten sich. Die „Los Reyos“ schwoite. Die Segel hingen jetzt schlaff. Der rote Wimpel kletterte zum letzten Mal die Pardunen hoch. Sie signalisierten: „Fertig!“ Sie sahen, wie die Pinasse von der Bordwand der „Golden Hind“ ablegte, um sie zu holen. Stenmark, Dan und Batuti waren unterdessen beschäftigt, alle nur brennbaren Möbel aus den Kammern und den Decks, jede noch verfügbare Planke mit den mitgebrachten Äxten zu zerhacken und die Stücke um den Groß- und Fockmast aufzuschichten. Sie öffneten die Geschützpforten und die Luken. Ferris Tucker hastete mit Blacky und Al Conroy in die Segellast. Sie fanden dort noch alte und zerrissene Segel, die sich nicht als Beute gelohnt hatten. Sie schleppten das Zeug an Deck und breiteten es über die Stapel aus Holz. Dann suchten sie Fässer mit Öl, Leim, Farbe und Teer zusammen. Dan O’Flynn holte sogar das Öl aus den Lampen. Dies alles gossen sie gut verteilt auf das Segeltuch. Batuti stieg die Wanten hoch und klatschte Öl an die Segel. Ferris Tucker sah zufrieden auf sein Werk. Inzwischen hatte die Pinasse der „Golden Hind” den Todeskandidaten erreicht. Alle außer Hasard und Ferris Tucker stiegen über. Dann pullten sie kräftig, um sich außer Reichweite der „Los Reyos“ zu bringen. Ferris Tucker hielt eine brennende Fackel an die Zündschnur zu den Pulverfässern und Pulversäcken im Vorderkastell. Die Lunte begann zu sprühen und zischen. Das Feuer fraß sich Zoll um Zoll weiter. Hasard tat das gleiche mit der Lunte zum Achterkastell. Jetzt standen sie an der Reling und warfen die brennenden Fackeln auf die Haufen am Fock- und Großmast. Fauchend schoß dort das Feuer in die Höhe. Sie drehten sich um und sprangen mit einem gewaltigen Sprung in die kalte See, die sie weit in die Tiefe zog. Als sie wieder
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auftauchten, stand bereits die ganze „Los Reyos“ im Flammen. Zuerst war das Vorderkastell mit ohrenbetäubendem Lärm buchstäblich in die Luft geflogen. Das Achterkastell wurde von der Explosion erschüttert, die immer neue Kaskaden von Trümmern weit über die See verstreuten. Das Feuer schoß von dem ölgetränkten Segeltuch am Groß- und Fockmast hoch und blähte die Segel. Durch den Sog der Hitze wurden beide eine gigantische Fackel. Die Flammensäule schien bis in den jetzt dunklen Himmel zu ragen und erhellte das Meer nach allen Seiten. Hasard spürte die Hitze auf seiner Haut, als er zur Pinasse schwamm. Ferris Tucker war schon an Bord. Sie pullten ihm entgegen und zerrten - ihn hinein. Dann sahen sie zu, aus der Nähe dieser Flammenhölle zu verschwinden. Nahe der „Golden Hind“ nahmen sie die Riemen hoch und blickten zurück. Wie gebannt starrten sie auf das Bild. Bei einer neuerlichen Explosion meinten sie zu erkennen, daß der Kolderstock und die Ruderanlage auseinanderflogen. Aus den Geschützpforten und Luken im Rumpf schlugen lodernde Flammen. Hasard wandte sich ab. Es war ein stolzes Schiff gewesen, wert, damit um die Welt zu segeln. 6. Selbst an der Küste war dieses Höllenfeuer zu sehen. Alle wußten, daß das „El Draque“ war, der Bastard aus England. Damit hatte er sich den Haß der gesamten spanischen Welt zugezogen wie nie einer zuvor. Sein ärgster Feind wurde der Gouverneur von Lima. Sämtliche Reiter und Schiffe wurden aufgeboten, um die ganze Küste zu warnen. Und der Ruf erging: „El Draque es aqui! Wir müssen ihn töten. Das ist eine Notwendigkeit.“ Die Menge Goldes, die auf seinen Kopf ausgesetzt wurde, übertraf bei weitem alles
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an Gold, was jemals in Santiago gelagert hatte. In Valparaiso wimmelte es von „Goldbehelmten“. Das war eine Spezialtruppe, die mit Schwefel und Feuer alles ausrottete, was gegen die Spanier war. Drei Karavellen liefen aus Arica mit Kurs Südwest aus. Aber sie konnten die „Golden Hind“ nicht einmal am Schwanz packen. Denn die steuerte Gegenkurs: Nord. * Ein trüber Morgen hatte die Männer der „Golden Hind“ aus ihren Kojen geholt, nach dem Abend, an dem Ferris Tucker sein großartiges Feuerwerk abgebrannt hatte. Die „Los Reyos“ war verschwunden. Nur wenige Planken trieben in den trägen Wellen. Der Dunst, hervorgerufen von der Kühle der Nacht und der aufkommenden Hitze, löste sich nur zögernd von der Küste. Der Wind war vollends abgeflaut. Francis Drake war unruhig, denn es galt jetzt, den Spaniern zu entwischen. Er sah hinauf in den sahnigen, toten Himmel. „Müssen abwarten, Mr. Killigrew.“ Doch nachdem eine halbe Stunde vergangen war, wurde der Himmel im Südwesten schweflig. „Das bedeutet Wind“, sagte Hasard. Sie saßen wie auf glühenden Kohlen. Immer wieder starrten sie in die Wolken. Dann endlich, ein Singen in den Segeln. Wind! Auf ihrem Weg nach Norden begegneten sie keinem Schiff. Die Spanier vermuteten nämlich, daß er denselben Weg zurück durch die Magellanstraße nehmen würde. Die spanischen Schiffe kreuzten weit im Süden, um die „Golden Hind“ dort abzufangen und zu versenken. Francis Drake war unentschlossen. Seine Gedanken zogen ihn nach Lima und dem traumhaften Panama. Doch er hatte noch nicht die Hoffnung aufgegeben, die „Marygold“ und die „Elizabeth“ wiederzufinden. Schließlich waren sie
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noch gemeinsam durch die Magellanstraße gesegelt. Zu Hasard sagte er: „Warum sollen die beiden Schiffe die Stürme nicht auch überstanden haben? Vielleicht befinden sie sich auf gleichem Kurs wie wir?“ Damals hatte er mit Kapitän Thomas und Kapitän Winter vereinbart, in der Höhe des 30. Breitengrades nahe der Küste aufeinander zu warten. Oder, so war beschlossen worden, später die Molukken anzusteuern. Sie hatten volles Zeug an den Rahen. Fock und Vormars, Großsegel und Großmars, alle waren prall gefüllt. Francis Drake hatte sogar das Bugsprietsegel setzen lassen. Das war sonst nicht seine Gewohnheit. Er richtete gern seinen Blick zum Horizont, um als erster, noch vor Dan O’Flynn im Mars, ein Schiff mit Beute zu entdecken. „Wir können zufrieden sein mit der ,Golden Hind`, Mr. Killigrew.“ Hasard nickte. Er war nicht ganz bei der Sache. Er sah John Doughty über die Kuhl schlurfen. Er schien doch arg malträtiert. Sein Rücken war noch verbunden. Eine Welle von Mitleid überfiel Hasard. Doch gleich besann er sich wieder und konzentrierte sich auf den Kurs. Dennoch fühlte er die haßerfüllten Augen seines Feindes. Ja, er hatte jetzt einen Feind an Bord, er würde sich vorsehen müssen. Dann hörte er wieder Francis Drake, sah dessen Hand, die auf das Besan zeigte. „Schauen Sie, Mr. Killigrew!“ In der Tat, was sonst nicht geschah, war jetzt der Fall. Das Lateinersegel blähte sich mehr und mehr. Ein steifer Südost pustete ganz ordentlich und schob sie seitlich von achtern. Genau darum hatten sie das Besansegel stehen lassen. Pete Ballie am Kolderstock hatte nicht viel Arbeit, denn das Schiff schob sich wie von selbst durch den Perustrom: Der Himmel war hell und klar. Die Zirruswolken zeigten die stetige Richtung des Windes. Ihre wenige Veränderung zeigte auch an, daß der Wind beständig bleiben würde. Der harte Südost zauste Hasards schwarzes Haar und strich über sein kantiges Gesicht.
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Er sagte: „Sind wir nicht ein bißchen weit von der Küste entfernt? Was meinen Sie, Sir?“ Drake erwiderte: „Wir kennen diese Gegend nicht. Sicher sind auch hier viele Untiefen und Klippen. Mir bereitet etwas anderes Sorgen. Unser Schiff müßte eigentlich überholt werden. Unten am Bauch haben sich sicher ganze Muschelvölker angesiedelt. Aber wo sollen wir die ,Golden Hind’ an Land setzen?“ Dann ging er zu Pete Ballie am Kolderstock und fragte: „Na, wie geht’s?“ „Hab kaum was zu tun, Sir, bei diesem schönen Wind.“ Am nächsten Tag faßte Francis Drake doch den Entschluß, näher an die Küste zu gehen. Dan O’Flynn saß im Mars, um Ausguck zu halten. Am Nachmittag dieses 19. Dezember ertönte dann von oben sein Ruf: „Land in Sicht! Land!“ Hasard lief ins Kartenhaus, nahm Zirkel und Lupe und steckte den Kurs ab. Dann berichtete er seinem Kapitän. „Sir, wir stehen vor der Mündung des Coquimbo, das ist ungefähr der 30. Breitengrad. Schätze, es müssen noch sechzehn bis zwanzig Seemeilen sein. Nach unseren Karten gibt es da keine Untiefen.“ Drake befahl, die Blinde vorn wegnehmen zu lassen, um bessere Sicht zu haben. Auch das Großsegel wurde jetzt aufgegeit, damit die „Golden Hind“ an Fahrt verlor. Vorsichtig wollten sie sich an das spanische Territorium heranpirschen. Doch sie liefen immer noch zu viel Fahrt. Drake entschloß sich, auch die Fock aufzugeien. Die Mannschaft war guter Dinge und bereitete sich keine Sorgen. Jeden Tag hatte Mac Pellew sein Können in der Kombüse bewiesen. Er und sein Hilfsmann, der Kutscher, wurden zur Zeit kaum gefrozzelt. Ade, Salzfleisch, ade braune Bohnen! Gestern waren sie dem Lama der Indianer zu Leibe gerückt. „Mann, das Vieh ist zäh wie ein alter Esel.“
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Blacky meckerte, er hatte wohl auch nicht die besten Zähne. Doch Dan O’Flynn ließ nichts auf den Braten kommen. „Mein Alter hatte denen auf Arwenack mal ein Wildschwein weggeschossen. Der alte Killigrew hat da vielleicht getobt. Also das schmeckte genauso. Man merkt, ihr habt keine Ahnung, ihr satten Kanalratten. Mac, gib mir noch ‘nen Schlag.“ Außer ihm und Batuti zogen alle lange Gesichter. „Lieber wieder Schweinebraten. Gib doch diesem lausigen Rahenhüpfer den Rest vom Braten.“ „Ja, sonst nagt der noch meine Stiefel an mit seiner großen Klappe.“ Francis Drake, Hasard und Thomas Moone stocherten auch nur lustlos in dem Essen herum und schickten die Hälfte wieder zurück. „Gib uns ‘ne Muck voll Bier, damit wir den Geschmack herunterspülen können“, verlangte Hasard und grinste. Und jetzt waren die Männer voller Erwartung auf die neuen Abenteuer. Sie warteten direkt auf die Befehle und starrten sich die Augen aus, als ob das Silber da an Land nur so herumläge. Francis Drake sah auf den glühenden Feuerball im Westen, der ins Wasser zu fallen schien. Es war noch immer warm. Der Wind war hier nicht so heftig wie auf freier See. „Wir müssen über Stag gehen auf der andern Bug“, sagte Hasard. Drake zögerte noch. „Man weiß nicht, was uns da in der Mündung erwartet. Sicher ist die ganze Küste alarmiert.“ Als es dann dämmerte, schwanden seine Befürchtungen. Sie hatten Dan im Mars ganz vergessen und waren überrascht, als er rief: „Feuer an Steuerbord!“ Sie sahen es auch. In der Mündung des Coquimbo hatte man ein Leuchtfeuer errichtet. „Jetzt müssen wir! Klar zum Wenden!“ rief Francis Drake. Am Winde segelnd, mit Kurs Ostsüdost, näherten sie sich der in der Dämmerung liegenden Küste.
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„Komm jetzt runter, Dan. Wir wissen ja Bescheid.“ Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Er sauste die Wanten hinunter und stieß beinahe mit Arwenack zusammen, der auch von oben hinunterturnte. Sicher meinte der Affe, sein Dienst sei jetzt auch beendet. Gemeinsam verschwanden beide in der Kombüse. „Batuti, du nimmst das Lot und sagst laufend die Tiefe an.“ Von der Kuhl rief er dann seine Messungen: „Sechzehn Faden, Sir vierzehn Faden, Sir - zwölf Faden, Sir zehn Faden, Sir ...“ Und so schoben sie sich in die Bucht. Um noch weniger Fahrt zu laufen, nahmen sie alle Segel weg bis auf den Besan. „Acht Faden“, meldete Batuti. „Fallen Anker!“ Der Wind war fast ganz abgeflaut. Durch die Bucht geschützt, fing die „Golden Hind“ an, um ihren Anker zu schwojen. Die Spanier hatten mit ihrem Feuer geholfen, sie gut in die Bucht zu bringen. Francis Drakes Furcht war also unbegründet. Bis hierher war die Kunde von „El Draque“ noch nicht gelangt, sonst hätten die Dons das Feuer nicht angezündet. Es war schon eine Kunst, so ein Leuchtfeuer zu unterhalten. Auf einem Turm wurde die Flamme durch in Öl getauchtes Holz genährt. Dabei war es schwierig, die Flamme später wieder zu löschen. Francis Drake befahl: „Kriegswache bleibt aufgezogen.“ Die Männer murrten, das war nicht nach ihrer Mütze. Erst als es am nächsten Morgen hell wurde, konnten sie die Umgebung richtig erkennen. Es sah sehr öde aus, gerade als ob es mit Schwierigkeiten verbunden sein würde, Frischwasser zu kriegen. Doch weiter im Osten wurde das Land bunter. Auf den sanften Hängen blühten, jetzt im Frühsommer auf der Südhalbkugel der Erde, unbekannte Sträucher.
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Doch die Männer hatten keinen Blick dafür. Wie viele fremde Küsten hatten sie schon gesehen! Und Blumen konnte man nicht essen. Um den Coquimbo sollten Lager an Gold und Silber sein. „Hier gibt es so viele Schätze“, erklärte Drake, „daß unsere Königin vor Neid erblassen würde. Aber wir werden den Dons ein Stück von diesem Kuchen abjagen, Mr. Killigrew.“ „Das wird ein hartes Ding.” Doch Hasard schien davor keine Angst zu haben. Er zeigte auf Stenmark, dessen blonde Haare in der Sonne wie helle Flammen leuchteten. „Sehen Sie sich den Wikinger an, Sir. Sieht er nicht aus wie der strafende Engel Gabriel?“ „Ja, wir werden die Dons strafen“, entgegnete Drake. Zum ersten Mal schien ihn die Unruhe verlassen zu haben. „Mr. Killigrew, es hat keinen Zweck, hier untätig auf unsere Schiffe, die ,Marygold` und die ,Elizabeth` zu warten. Wir werden eine Pinasse aussetzen. Sie werden mit neun unserer Männer die verschiedenen Buchten erkunden. Tauchen unsere Galeonen nicht mehr auf, müssen wir annehmen, daß sie im Sturm gesunken sind. Außerdem sehen Sie sich an Land ein wenig um. Vielleicht gibt es einen besseren Platz, wo wir die ,Golden Hind` verstecken können. Na, und es könnte ja auch sein, daß Sie ein wenig Beute reißen.“ „Aye, aye, Sir.“ Das war so recht ein Auftrag nach Hasards Geschmack. Er wußte, auch seine Leute würden froh sein, dem Gleichmaß an Bord entgehen zu können. Bevor sie die Pinasse bestiegen, schärfte Drake den Männern noch einmal ein, äußerst vorsichtig zu sein. „Braucht eure Augen und Ohren, Kerls. Es klappt nicht immer so wie in Valparaiso. Ihr habt keinen Grund, euch etwas einzubilden. Haut nicht einfach drauflos, sondern gebraucht euren Kopf. Und in zwei Ta- gen seid ihr wieder da, verstanden?“ „Aye, aye, Sir!“ Sie waren wirklich froh, wegzukommen.
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Proviant, Waffen und was man für zwei Tage braucht, wurden in der Pinasse verstaut. Als erster stieg natürlich Daniel O’Flynn ein. Er hatte Angst, daß Hasard ihn vielleicht an Bord zurücklassen könnte. Dann folgten Ben Brighton, Batuti, Blacky und Stenmark. Dessen blonder Bart zitterte vor Freude. „Endlich geht es den Dons wieder an den Kragen.“ Außerdem hatte Hasard noch Pete Ballie, Matt Davies und Gary Andrews ausgesucht. Als Hasard von Bord gehen wollte, hielt ihn Drake zurück. „Mr. Killigrew“, sagte er, „nehmen Sie noch Richard Minivy mit. Er ist zwar nicht gerade einer von den Klugen, aber er hat Kräfte, die nicht zu unterschätzen sind.“ Hasard lachte, denn Minivy stand mit finsterblickenden Augen an den Großmast gelehnt und brummte, als wolle man ihm ein großes Unrecht antun. „Komm schon. Du bist ein tüchtiger Mann, dich kann ich wirklich gebrauchen.“ Zu Drake sagte er dann: „Also das ist wahr. Wenn ich Minivy sage, er, soll das Stag vom Lateinersegel herunterreißen und mir vor die Füße legen, dann tut er das. Das können Sie mir glauben, Sir.“ „Na, na.“ Drake lächelte ungläubig. Seit langer Zeit hatten die Männer ihren Kapitän nicht mehr lachen sehen. „Der dreht zwei Dons gleichzeitig den Hals um, das ist sicher.“ Dan mußte auch wieder seinen Senf dazugeben. Hasard beendete die Lobeshymnen. „Er ist der beste Schlagmann, den wir haben.“ Richard Minivy stieg also in die Pinasse. Zu aller Erstaunen öffnete er seinen Mund, den er sonst nur zum Essen auseinanderbrachte. „Jetzt ist Mr. Killigrew mein Kapitän! Soll ich das Stag runterholen?“ „Nein, nein, Junge, laß das Schiff ganz. Du kriegst schon noch genug zu tun.“ Niemand störte sich an seinem Brummen. Er war in ihre alte Crew aufgenommen. Batuti betrachtete das lange Mambomesser, das er mitgenommen hatte.
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„Nun stört mich nicht“, sagte er. „Den nächsten Don — grrr.“ Sie legten ab und entfernten sich schnell von der „Golden Hind“. Philip Hasard Killigrew war froh, wieder einmal mit seiner alten Crew zusammen zu sein. Er sah auf den neuen Mann. Ja, der würde zu ihnen passen. Hasard staunte mit den anderen, wie sich Minivy in die Riemen legte. Da würde keiner mithalten können. Sein braunes Haar hing ihm wirr ins Gesicht. Die niedrige Stirn und die abgeplattete Nase zeigten nicht viel Intelligenz. Aber die Nase konnte natürlich auch von einigen verlorenen Kämpfen zeugen. Sein großer, schmaler Mund glich der Klappe der Bordkasse Ihrer Majestät Schiff, der „Golden Hind“. Jedenfalls öffnete er sich auch so selten. Die Ohren waren nur klein, aber dafür hatte er Hände so groß wie die Bratpfannen in der Kombüse Mac Pellews. Hasard bestimmte Minivy zum Schlagmann der Steuerbordseite, Batuti zum Schlagmann an Backbord. Blacky mußte den Kompaß hüten. Die Leute waren wie im Fieber. Sie gierten danach, die Pinasse mit Gold und Silber gefüllt zurückzubringen. „Was liegt an, Blacky?“ Der sah auf den Kompaß. „Süd, Sir.“ „Wir müssen uns etwas mehr von der Küste abhalten.“ Sicher machten sie zehn Knoten die Stunde, wozu allerdings auch die Strömung beitrug. Sie pullten schon sechs Stunden ohne Pause. Batuti und Minivy sah man keinerlei Anstrengung an. Minivy wirkte sogar ausgesprochen fröhlich, als gelte es, jedesmal einen Don zu sich heranzuziehen, um ihn dann mit einem Schlag niederzustrecken. Die anderen hatten Schweißtropfen auf der Stirn. Die Mittagssonne brannte unbarmherzig. 7. Nachdem Hasard mit seinen Leuten nicht mehr zu sehen war, begann Francis Drake die „Golden Hind“ zu inspizieren. Wie ein
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Tiger schlich er vom Vorderkastell über die Kuhl zum Achterkastell. Kritisch betrachtete er Besanmast und Besanstag. Dann ließ er Ferris Tucker holen. „Mr. Tucker, so geht das nicht. Sehen Sie sich das laufende Gut nur mal an!“ Die Hanfseile waren ausgedörrt wie das letzte vom Bauern weggeworfene Stroh. „Das kann ich nicht zulassen. Da kann es ja passieren, daß beim Segelsetzen plötzlich die Tampen reißen.“ Ferris Tucker verteidigte sich. „Sir, die alte ,Golden Hind` hat schließlich allerlei hinter sich, Sturm, Orkan, Regen, Hagel, Schnee und jetzt die dörrende Sonne.“ „Weiß ich, Mr. Tucker. Aber wir müssen den ganzen Besan schiften und auswechseln.“ „Sir, wir haben ja jetzt allerlei feines Tuch. Der spanische Teniente hat mir erzählt, das hätten sie den Sarazenen abgenommen.” „Na, Mr. Tucker, dann wollen wir uns mal den Kolderstock ansehen.“ Der war erst recht keine Freude. Er quietschte am Gelenk zum Ruder wie der schlechteste Sänger in der Zuchthauskirche von Dartmoor. „Mr. Tucker, wir haben doch genug Leute an Bord.“ „Sir, vergessen Sie nicht, daß wir bisher nur geastet und gekämpft haben.“ Doch Drake schien gar nicht zugehört zu haben. „Kommen Sie, Mr. Tucker.“ Drake stieg den Niedergang hinunter. Wie eine lichtscheue Eule hastete Tucker hinterher. Offenbar nahm er sich die Klagen seines Kapitäns sehr zu Herzen. Der hartgesottene Drake legte seine Hände auf den Mastring, an den noch vor wenigen Tagen Doughtys sündige Finger gefesselt waren, und sah auf die Ritzen des Großmastes. Dann schüttelte er den Kopf. „Mr. Tucker!“ „Ja, Sir?“ „Ach, lassen wir das. Das können wir später erledigen. Wir können ja nicht in den zwei Tagen, die Mr. Killigrew weg ist, das Schiff ganz und gar überholen. Am Großmast lassen Sie nur das laufende Gut
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mit Teer und Tran bearbeiten, natürlich auch die Schoten überprüfen.“ Bei dem Fockmast war es das gleiche. „Die Blinde lassen wir, wie sie ist. Dann segeln wir eben ohne. Ist mir sowieso lieber. Wir brauchen gute Sicht. Sonst hacken uns die Dons auf der Plaza in Lima noch mal den Kopf ab. Also, Mr. Tucker, alles überholen, wie gesagt.“ Und so scheuchte Tucker die Leute aus der Logis. „Auf, auf, ihr müden Leiber! Zapft ein Faß mit Tran an. Holt Holzteer aus dem Kabelgatt. Überprüft, was rostig ist und quietscht und knarrt. Los, schmiert die Gelenke der ,Golden Hind`. Ihre Hundesöhne, wer weiß, was noch kommt, wenn der Seewolf die cabelleros erst einmal aufgescheucht hat.“ Auch das noch. Und so krochen sie also, wieder wach geworden, in den Rahen und auf dem Schiff herum. Arwenack, der Affe, war freudig bewegt, daß die Menschen es ihm gleichtaten. Er sprang zwischen ihnen herum und krallte sich an ihnen fest, so daß sie fast das Gleichgewicht verloren. Aus Wut, weil keiner mit ihm spielen wollte, zog er sich auf die höchste Mastspitze zurück. Von dort bewarf er sie mit den kantigen Schalenresten seiner Tagesration an Kokosnüssen. Jeder Treffer begleitete er mit fürchterlichem Gekreisch. Ferris Tuckers Auge sah ganz schön lädiert aus. Aber er behauptete, daß Arwenack damit nichts zu tun hätte. Doch das wollte keiner so recht glauben. Carberry hatte einen saftigen Treffer im Rücken eingefangen. Immer wieder ballte er die Rechte und schrie: „Verdammter Affe!“ Von Land her wurde der Wind stärker. Mehr und mehr schwoite die „Golden Hind“ um ihren Anker. Francis Drake stand auf der Kuhl und betrachtete den sich immer mehr zuziehenden Himmel. Ferris Tucker verschwand mit wiegenden Schritten im Mitteldeck des Achterkastells, wo Doughty in der Kajüte lag und mal wieder vor Schmerzen wimmerte. Der Segelmacher Patrick Evarts schüttelte
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sein blondes Haar. Sein kantiges Gesicht nach oben gerichtet, suchten seine blauen Augen ständig die Rahen ab. Kann nicht mehr lange gut gehen, dachte er. Zu Francis Drake sagte er: „Die ,Golden Hind` müßte mal umgedreht werden. Wir sind schon ein Jahr unterwegs.“ Doch Francis Drake war in Gedanken versunken und reagierte nicht. Evarts war immer am Tüfteln, die „Golden Hind“ durch neue oder andere Segel noch schneller werden zu lassen. Doch das war sehr schwierig, da die „Golden Hind“ für eine Galeone sehr schlank gebaut war. Vielleicht könnte er es hier und da mit einem anderen Segelschnitt versuchen. Hier konnte man eigentlich alles segeln. Denn hier traf sich am Rande des Perustroms die Südwinddrift, die aus der Westwinddrift entstand, da sie der Küste folgte, etwa auf der Höhe von Santiago mit der Drift von Norden. Jetzt wehte jedoch von Land her ein kräftiger Nordnordost. Patrick Evarts studierte die Winde genau, denn umso leichter ließ sich jedes Schiff steuern. „Alles in Ordnung, Mr. Evarts?“ „Aye, aye, Sir. Nur das Wetter scheint umzukippen.“ Ferris Tucker tauchte auf und betrachtete auch kritisch den Himmel, der sich nun verdunkelte. „Sir, hoffentlich kriegen wir keinen auf die Mütze.“ Weit im Nordosten sahen sie die schwarze Wolke. Die See wurde kabbeliger. Die „Golden Hind“ riß an ihrem Anker. Die Männer stiegen die Wanten hinunter. „Da oben kann kein Aas mehr arbeiten!“ Plötzlich wehte der Wind aus Nord und drehte dann ebenso plötzlich zurück auf Nordnordost. Die anrollenden Seen drückten das Schiff in die Bucht. Francis Drake ließ einen zweiten Anker ausbringen. Aber auch an den beiden Ankern zerrte das Schiff wie wild. Vier Männer standen am Kolderstock und versuchten, das schwere Holz zu halten, um den Brechern nicht die Breitseite zu bieten.
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Alle waren mit dem Sturm beschäftigt. Niemand achtete zunächst auf den Krach, der aus dem Achterkastell ertönte. Dort wo die Schiffsführung wohnte, war auch die Kammer von John Doughty. Von dort drangen mit einer schier unmenschlichen Stimme zwischen den Böen immer neue Flüche an ihre Ohren. „Ihr Schweine! Ihr Lumpenhunde! Wo ist die dicke Qualle! Wo ist die feige Ratte, die Köpfe abschlagen und Wehrlose prügeln darf? Wo ist die aufgeblasene, häßliche Kröte?“ John Doughty stürzte hinaus. Im Sturm konnte er sich nicht halten und fiel den Niedergang hinunter. Sein Geschrei ließ alle aufhorchen. Jetzt hatte er Edwin Carberry entdeckt. Mit einem triumphierenden Aufschrei wollte er sich auf ihn stürzen, doch er fiel erneut hin. Aus seinem Mund lief Speichel, seine blutunterlaufenen Augen schienen nichts mehr zu sehen, sein Gehirn kannte nichts als Rache. „Komm her, du stinkender Henker! Komm her, du feiger Sack, ich beiß dir die Gurgel durch!“ Seine Stimme wurde immer schriller. „Du vergreifst dich nur an Wehrlosen, du Schwein! Aber ich kriege dich, ich kriege dich, und wenn es erst in England ist. Du bist jetzt schon tot!” Er lachte irre. Ed Carberry wurde rot vor Wut. Er schob sein Rammkinn vor und streichelte mit der Linken seine geballte Rechte. Dieser Doughty brauchte anscheinend noch eine Abreibung. Die zwanzig Peitschenhiebe hatten noch nicht gereicht. John Doughty rappelte sich hoch und rückte näher. „Wenn ich dich jetzt nicht kriege, wirst du in Dartmoor hängen. Dafür sorgt meine Familie!“ schrie er. Doch jetzt kümmerte sich auch Francis Drake nicht mehr um den Sturm und die heulende See. „Evarts! Tucker! Haltet ihn fest!“ Beide stürzten sich auf John Doughty, der wieder am Boden lag und mit den Fäusten
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aus Wut und Verzweiflung auf das Deck trommelte. Der Verband hatte sich gelöst. Sie konnten die entsetzlichen Wunden auf seinem Rücken sehen, einige waren blutverkrustete Streifen, andere dicke Schwären voller Eiter. „Sei vernünftig, wir bringen dich in die Koje, der Kutscher wird dich neu verbinden.“ John Doughty war in sich zusammengesackt. Willenlos ließ er sich forttragen. Drake sprach wie zu sich selbst: „Verrückter Kerl. Da hatte es sein Bruder besser, ein Hieb, und alles war vorbei.“ Der Profos wandte sich enttäuscht ab. Er hätte Doughty ungespitzt durch die Decksplanken geschlagen. Der Kutscher holte die Mixtur, die er für die Wunden der Männer gebraut hatte. An der Küste hatte er Algenpflanzen, nämlich den Palmenstrang Laminaria hyperborea, gesammelt. Aus den Haftkrallen am Stiel gewann er Gallertklumpen, die besonders jodhaltig waren. Das kochte er dann mit Olivenöl. Bisher hatte dieses Gebräu noch alle Wunden geheilt. Patrick Evarts sah auf den bewußtlosen John Doughty hinunter. „Na, wenn der das man durchhält.“ Der Kutscher versorgte die Wunden und verband alles neu. Als John Doughty wieder zu sich kam, erhielt er einige Pints Whisky, damit er die Schmerzen nicht so spürte. Inzwischen hatte sich unter der schwarzen Wolke ein grünlicher Pilz gebildet. Während sie mit John Doughty beschäftigt waren, hatte der Sturm nachgelassen, so plötzlich wie er gekommen war. Die Luft schien zu stehen, nichts bewegte sich. Schweißgebadet und müde standen die Leute herum, holten sich auch, wenn sie mit Mac Pellew gut standen, eine Muck Wasser aus der Kombüse. Noch hatte sich Francis Drake nicht an Land gewagt, um die Frischwasservorräte zu ergänzen.
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Dann war ein Brausen und Heulen in der Luft. Eine große Faust schien sich auf die „Golden Hind“ zu legen. Sie steckte das Vorschiff weg, ächzte und schlingerte, richtete sich stöhnend wieder auf und duckte sich erneut unter den aufgewühlten, schäumenden Wassermassen. Alle waren von diesen Böen überrascht worden. Es War ein Wunder, daß niemand über Bord gespült wurde. Sie klammerten sich an das Schanzkleid, die Wanten oder versuchten das Vorder- oder Achterkastell zu erreichen. Immer wieder wurde die Kuhl erneut von riesigen Wellen überschwemmt. Nach zwanzig Minuten war dieser Wirbelsturm wie ein Spuk vorüber. Schon suchte sich die Sonne wieder ihren Weg durch die Wolken. Ferris Tucker meinte aufatmend: „Sir, da haben wir aber noch einmal Glück gehabt. Hätte auch schiefgehen können. Dann hätten wir uns dort“, er zeigte in Richtung La Serena, wo mit einem Male viele Punkte zu sehen waren, „an Land wiedergefunden.“ Francis Drake lief in die Kammer, holte sein Fernrohr und betrachtete die Küste. „Verdammt.“ Da wimmelte es von Dons, und der Seewolf war nicht an Bord. Er konnte alles genau sehen, die Maultiere und die Wagen. Er glaubte sogar, die blinkenden Helme zu erkennen. Thomas Moone blickte auch hinüber zum Land. „Wir scheinen hier Aufruhr verursacht zu haben.“ „Scheint so, Mr. Moone.“ Drake drehte sich zu ihm um. „Wir werden wohl nicht sehr viel Freude hier erleben.“ Mit den Deckarbeiten war es zunächst einmal aus. Die Männer schoben Teer- und Tranfässer wieder in den Kabelgattspind und klarten nur etwas auf. Drake ließ Wachen aufstellen, damit ihnen von den Spaniern nicht irgendwelche unliebsamen Überraschungen drohten. Um die Leute bei Laune zu halten, gab es für jeden Mann drei Pints Whisky.
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Mac Pellew brummte beim Verteilen vor sich hin: „So gut möchte ich es auch einmal haben. Nichts tun, und auch noch mit Whisky belohnt werden.“ John Doughty schlief jetzt in seiner Kammer. In seinen Whisky hatte der Kutscher ein Tröpfchen Curare aus seinem Medikamentenschatz hineingetan. „Ob der wieder wird?“ Thomas Moone zeigt auf Doughtys Kammer. „Ach, die Doughtys sind ein zähes Geschlecht“, sagte Drake. „Er wird es schon überstehen. Außerdem halten ihn seine Rachegedanken am Leben. Denn Rache ist süß.“ „Sauer macht lustig.“ Ferris Tucker schien seine gute Laune wiedergefunden zu haben. „Dann können wir ja immer lachen“, sagte Francis Drake, „denn ein saures Leben haben wir ja.“ Fletcher, der Kaplan und Himmelslotse auf der „Golden Hind“, hatte auf einem roten Teppich an der Backbordseite der Kuhl seine ihm zugewiesenen Kirchenschätze aufgebaut. Gutgelaunt putzte er mit einem wollenen Lappen die silbernen und goldenen Geräte. Hin und wieder spuckte er darauf, rieb wieder und ließ dann das edle Metall in der Sonne blitzen. Sein spärliches, blondes Haar fiel ihm über die Augen. Hin und wieder nieste er, wenn ihm der Geruch der Putzpomade in die Nase stieg. Dann blies er die Backen auf und verdrehte fromm die Augen. „Ich hüte den Reichtum des Herrn. Dafür plage ich mich gern“, erklärte er gesalbt. Drake, der aus Neugierde sein Tun beobachtete, meinte: „Gut, gut, Sie hüten den Schatz für mich, Mr. Fletcher.“ „Nein, Sir, Sie scherzen. Ich diene nur dem Herrn da oben.“ Er zeigte himmelwärts auf eine Wolke, die mit einiger Phantasie sogar die Konturen eines Gesichtes hatte. Seine wasserhellen Augen zeigten einen Ausdruck von Ehrlichkeit, der reichlich übertrieben schien. Francis Drake lächelte in sich hinein, als er zurück zum Achterkastell ging. Das war schon der rechte Posaunenengel, dieser
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fade, dickliche Kaplan. Immer hatte er fromme Sprüche bei der Hand und segnete auch noch die geklaute Beute. Wenn es etwas Gutes zu essen gab, stopfte er in sich hinein, was er nur greifen konnte. Na ja, der konnte gute Reden halten, wenn sie einen Mann verloren hatten und ihn der See übergeben mußten. Doch dann wurde er wieder ernst. Besorgt dachte er an den Seewolf, und ob alle Männer nach dieser Erkundungsfahrt wohlbehalten zur „Golden Hind“ zurückkehren würden. 8. Hasard sah auf seine erschöpften Leute. Die Sonne brannte fast senkrecht vom Himmel. Er war froh, daß sie eine geschützte Bucht entdeckten, und beschloß, dort an Land zu gehen. Sie befanden sich ungefähr fünfunddreißig Seemeilen südlich des Coquimbo in der Tongoybucht. Die Abhänge - während der langen Trockenperiode eine kahle Wüste -waren mit unzähligen blühenden Pflanzen bedeckt. Auch die Kakteen hatten jetzt ihre Blütezeit und zeigten ihre großen Blütenglocken in den strahlendsten Farben. Vereinzelt standen riesige Bäume, unter denen sie Kastanien zu erkennen glaubten. Sie zogen die Pinasse an Land und versteckten sie unter Gestrüpp. Sie suchten sich keinen Weg zu diesen Abhängen hinauf, sondern kletterten über die felsigen Uferstreifen. Nach einiger Zeit erspähten sie von einem Hügel aus ein Indianerdorf. Um das Dorf zogen sich Kulturen von Wein, Felder mit Gemüse, Plantagen von Pfirsich- und Orangenbäumen weit hinein ins Land. Doch dieses Bild trog. Als sie sich näherten, sahen sie, daß die Hütten aus Pinienholz und Lehm zerstört, die Felder und Bäume verwüstet waren. Die Hütten waren leer. Über allem hing noch der Geruch von Rauch und Feuer. Dann sahen sie die Leichen - erschossene und massakrierte Indianer.
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Hasard trieb seine Männer an. Sie durchsuchten das ganze Dorf, doch überall das gleiche Bild - Zerstörung und Tod. Stumm sahen sie sich an. Da klang aus einer halbwegs erhaltenen Hütte am Ende des Dorfes ein leises Stöhnen. Hasard eilte als erster hinein. Auf einem Lager lag ein alter Indianer, das braune Gesicht vor Entsetzen entstellt. Er quälte sich hoch und warf sich Hasard zu Füßen. „Tenga piedad, soldato! - Habt Erbarmen, Soldat.“ Hasard versicherte: „Somos no Philippos.“ Er faßte den Alten beruhigend an der Schulter und fragte: „Donde Philippos? Wo sind sie?“ Der Alte zeigte nach Süden. Alle drängten sich in der kleinen Hütte zusammen. Sie waren voller Haß auf die Spanier, die unschuldigen Indianer ermordeten und ihre Dörfer zerstörten. Richard Minivy drohte mit seinen riesigen. Händen. „Verdammte Dons.“ An seinem grimmigen Gesicht konnte man erkennen, daß Gnade für ihn ein Fremdwort war. Der große Bär wirkte ausgesprochen gefährlich. Dan fragte kläglich: „Warum tun die das, diese dreckigen, lausigen Schneckenfresser von Dons?“ Hasard scheuchte sie aus der Hütte und erklärte dann: „Die Spanier haben Angst vor uns. Sie fürchten, wir Engländer könnten ihnen ihre Eroberung wieder abjagen. Sie wissen auch, daß die Indianer sie hassen, denn sie haben ihnen die Schätze gestohlen und waren auch nie zimperlich in ihren Methoden. Die Araukaner haben uns in Valparaiso geholfen. Und sie würden uns wieder helfen, denn sie hassen die Spanier wie ihre Teufel. Damit die Indios Angst kriegen, darum haben sie dieses Dorf zerstört und die Leute niedergemetzelt. Das soll bedeuten, jedem, der uns hilft, wird es genauso ergehen.“ Er sah auf die verwüsteten Felder, die rauchenden Trümmer. „Verbrannte Erde.“
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Daniel O’Flynn konnte sich vor Empörung kaum halten. „Los, die müssen wir erwischen“, stieß er hervor, „diese lausigen Indianerkiller. Denen werden wir es zeigen.“ Ben Brighton schüttelte den Kopf. „Deshalb sind wir nicht hier. Wir sollen das Land erkunden und Beute machen. Wir sind nicht genug, um uns mit allen Spaniern anzulegen.“ Hasard nickte. „Denkt an Francis Drakes Abschiedsworte. Gebraucht den Kopf, hat er gesagt.“ Er ging noch einmal zurück in die Hütte und beruhigte den alten Indianer. Dann verließen sie das Dorf. Hasard schickte Blacky zurück zum Boot. „Halte da Wache, bis wir zurückkehren. Ist zu unsicher hier. Aber penn bloß nicht ein!“ „Nein, nein, Sir, ich werde nicht schlafen.“ Blacky stapfte enttäuscht hinunter zum Wasser. Auch er wäre lieber auf Abenteuer gezogen. Die anderen schlugen die Richtung nach Südosten ein. Hasard ging voran, wachsam und vorsichtig. Einzeln folgten ihm die Männer, als letzter Batuti. Alle hatten ihre Waffen griffbereit. Hin und wieder blieben sie stehen und lauschten, immer bereit, einen möglichen Angriff abzuwehren. In der heißen Sonne erkletterten sie steile Hänge, zertraten, ohne sie zu beachten, die Blumen, quälten sich über Felder von Kakteen. Endlich sahen sie ein einladendes Tal mit einem Pinienwald am gegenüberliegenden Abhang. „In dem Tal rasten wir“, sagte Hasard. „Halt! Sieh mal - dort“, flüsterte Ben Brighton. Auch die anderen sahen es jetzt. Unter ein paar Bäumen lagerten zehn spanische Soldaten. „Das sind sie. Die haben die Dörfer angesteckt.“ Stenmarks Bart zitterte vor Kampfeslust. „Batuti dieses Mal gut, alle tot.“ Liebevoll betrachtete er sein langes Messer. Pete Ballie sagte kühl: „Wir haben da unten im Süden die Stürme überstanden, da
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werden wir doch mit den paar halben Portionen fertig.“ Hasard winkte alle zurück, damit sie in Ruhe beraten konnten. Ben Brighton blieb liegen, um die Spanier zu beobachten. Jetzt öffnete Richard Minivy seinen Mund und zischte: „Denen breche ich jeden Knochen einzeln. Das ist eine Freude, wenn es so schön knackt.“ Dan O’Flynn schauderte, denn Minivy unterstrich seine Worte noch mit seinen Händen. Man sah förmlich schon die Dons wie klapprige Puppen dazwischen zappeln. Hasard gab seine Anweisungen mit leiser Stimme. „Hört zu, wir sind gezwungen, die zehn Dons da unten zu erledigen. Zu leicht könnten sie uns wieder in die Quere geraten und gefährlich werden. Wir warten ab, was Ben berichtet. Batuti, hol den Proviant heraus, und gib mir einen Schluck aus der Wasserflasche.“ Während sie sich stärkten, hing jeder seinen Gedanken nach. Doch die schienen alle gleich, denn die freudige Erwartung, es den Spaniern zu zeigen, spiegelte sich in allen Gesichtern. Ben schlich heran. „Die Brüder sind völlig ahnungslos. Sie haben ihre Helme abgenommen und ihre Waffen zur Seite gelegt. Sie sind noch so dämlich und saufen bei dieser Hitze am hellichten Tag Wein. Der ist ihnen auch schon gehörig zu Kopf gestiegen, denn sie lachen und singen. Wenn wir uns hier auf der rechten Seite anschleichen, können wir sie von hinten überrumpeln.“ Sie schütteten das Pulver auf die Pfannen ihrer Musketen und stopften den Lauf. Ben Brighton nahm noch einen kräftigen Schluck aus der Flasche. „Alles klar?“ „Aye, aye, Sir.“ Gebückt schlichen sie in die von Ben Brighton angegebene Richtung, bis Hasard die Hand hob. „Halt! Jetzt vorsichtig und nur so weit, bis wir sie beobachten können. Ich gebe das Zeichen.“ Die Männer nickten und folgten Hasard, ohne irgendwelche Geräusche zu verursachen. Hinter Oleanderbüschen versteckt, nur wenige Schritte von den
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Spaniern getrennt, warteten sie auf Hasards Zeichen zum Angriff. Ein finster blickender Schwarzbärtiger schien der Anführer der spanischen Soldaten zu sein. Er stand auf und ging zu einer nahegelegenen Palme. Hasard und seine Leute erkannten, daß die Bündel, die dort lagen, zwei indianische Mädchen waren. Sie starrten den Spanier voller Angst an. Er betastete sie und langte sogar dorthin, wo kein caballero hinfaßt. Vor Erregung sah sein Gesicht aus, als wäre er gerade vor einer Minute aus dem Feuer gesprungen. Hasard dachte an John Doughty. Es war doch überall das gleiche auf dieser Welt. Stenmark wollte vor Wut anlegen und abdrücken. „Dir will ich das schon zeigen, du Schwein“, flüsterte er hitzig. Hasard hielt ihn ärgerlich davon ab. „Noch nicht!“ Er dirigierte Stenmark und Pete Ballie etwas entfernt hinter einen Felsen. Er selbst schlich vorsichtig in die Nähe des Anführers. Dann gab er das Zeichen und hob die Muskete. Die Männer seiner Crew taten es ihm nach. Neun Musketen donnerten. Mit Entsetzensschreien sprangen die Spanier in die Höhe und griffen nach ihren Helmen und Waffen. Vier von ihnen waren schwer getroffen. Sie taumelten, versuchten aber, diesem nicht erwarteten Feind entgegenzutreten. „Arwenack!“ Der Schlachtruf gellte. Die Kerle von der „Golden Hind“ sprangen mitten unter die Feinde, allen voran Richard Minivy. Während Hasard einen der Spanier mit einem wohlgezielten Schuß aus seiner Muskete erledigte, sah er ungläubig auf Richard Minivy. Der hatte seine Muskete von sich geworfen und sprang mit wenigen Schritten auf den bärtigen Anführer zu. Er legte ihm die bloßen Hände um den Hals und zischte: „So, das hast du verdient!“
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Dann drehte er dem entsetzen Don mit einem gewaltigen Ruck den Kopf zur Seite. Hasard meinte das Knacken ganz deutlich zu hören, obwohl er mehrere Schritte entfernt war. Der Kopf des Spaniers baumelte lose am Körper, als Richard Minivy ihn angewidert von sich warf und sich dem nächsten Feind zuwandte. Er zog sein Messer aus dem Gürtel und stieß es einem Spanier in den Unterleib. Als er es herauszog, sank der Spanier mit einem ersterbenden Gurgeln zu Boden. Batuti drang gleichfalls nur mit seinem langen Messer bewaffnet auf seinen Gegner ein. Grinsend zeigte er seine weißen Zähne. „Du tot!“ Voller Entsetzen sah der Spanier auf den riesigen Gambianeger und dann auf das große Messer in seiner Brust. Sein Degen zerteilte kraftlos die Luft. Die schon verwundeten Spanier wollten ihr Leben so teuer wie möglich verkaufen und wehrten sich mit dem Mut der Verzweiflung. Einen hatte Dan O’Flynn vor sich. Mit seinem nie stillstehenden Mund hieb er zu wie mit seinem Kurzsäbel. „Du Indianerkiller, du Mädchenschänder, dir werde ich zeigen, wo der Weg zur Hölle ist.“ Es gelang ihm, dem Don den Säbel in das Herz zu rennen. Dieser brach mit einem grauenhaften Stöhnen zusammen. Dan O’Flynn zog die Waffe aus der Wunde. Hellrotes Blut schoß hervor. Das Bürschchen schaute sich wild nach dem nächsten Gegner um. Matt Davies hatte wie immer kein Messer nötig. Die Hakenprothese, die seine rechte Hand ersetzte, war schlimmer als jede Waffe. Er hieb damit einem Spanier den Degen aus der Hand und riß ihm dann mit dem Haken die Kehle auf. Drei der Spanier hatten sich mit ihren Waffen hinter einem Felsblock verschanzt und schossen aus ihren Musketen. Plötzlich stöhnte Ben Brighton neben Hasard: „Verdammt, so ein Mist!“
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Seine Hand fuhr an den Oberschenkel und war voller Blut. Hasard schleppte ihn ein Stück zurück hinter einen Felsblock, um die Wunde zu untersuchen. „Hast Glück gehabt, Ben. Da fehlt zwar ein ganzes Stück, aber es ist nur eine Fleischwunde.“ Er zerriß sein Hemd und verband ihn damit. „Warte hier. Ich lasse dich zurückbringen.“ Inzwischen hatte auch Pete Ballie nach einem erbitterten Kampf einen Spanier erledigt. Stenmark und Gary Andrew versuchten, sich in den Rücken der hinter dem Felsen liegenden Spanier zu schleichen. Denn es war zu gefährlich, auch nur einen entwischen zu lassen. Die anderen lagen geschützt hinter Oleandersträuchern oder Felsen und schickten Schuß auf Schuß aus ihren Musketen zu den Spaniern hinüber. Zuerst achtete niemand auf Richard Minivy. Der stand einfach auf und ging auf den Felsen zu, hinter dem die Spanier lagen. Dann setzte er mit einem Sprung hinüber, den ihm keiner zugetraut hätte, und fuhr dem zunächst liegenden Spanier mit seinen Riesenhänden an die Gurgel. Die beiden anderen Spanier waren wie gelähmt, als sie sahen, wie ihrem Kameraden die Luft abgedrückt und dann mit einem Ruck das Genick gebrochen wurde. Schon waren Stenmark und Gary Andrews heran. Doch Richard Minivy hatte sich schon dem nächsten Feind zugewandt. Hasard schrie ihnen zu: „Wir brauchen einen Gefangenen! Stenmark, Andrews, laßt mir einen am Leben!“ Es war für die beiden ein leichtes, den völlig verstörten Spanier zu überwältigen und zu fesseln. Der konnte seine Augen nicht abwenden von diesem Riesen, der wie der verkörperte Haß die zerbrochene Puppe, die auch der letzte Spanier nur noch war, hin und her schlenkerte. Dann ließ er den kraftlosen Körper fallen und wischte an seinen Händen herum. Alle kamen herbei.
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Richard Minivy sagte zu Hasard: „Für meinen Kapitän, den Seewolf.“ Hasard war wie alle von dieser rohen Kraft beeindruckt. „Du bist ein guter Mann, Minivy. Ohne dich wäre es viel schlechter gegangen.“ Ein Leuchten ging über Minivys Gesicht. Wie ein Kind freute er sich über das Lob. Er würde dem Seewolf die Treue halten bis ins Grab. Hasard ließ Ben Brighton herbeischaffen. Er wurde noch einmal besser verbunden. Dabei erwies sich Batuti als halber Medizinmann. „Kutscher sagen, Batuti aufpassen, Batuti gut.“ Dan lachte am meisten von allen. „Batuti, du bald großer Zauberer.“ Sie befreiten die beiden Indianermädchen. Die gingen herum und betrachteten die toten Spanier. Sie blieben vor dem gefangenen und gefesselten Spanier stehen und spuckten ihm ins Gesicht. Dann traten sie zu Hasard, kreuzten die Arme und verneigten sich. Sie waren sehr jung. Ihre Gesichter hatten ebenmäßige edle Züge, und ihre Haut war wie brauner Samt. Ihre Figur konnte man durch die aus grobem Garn gewebten Röcke und Jacken nicht erkennen. Ohne Worte setzten sie sich zu Hasards Füßen. Die Männer durchsuchten das Lager. Doch die Beute war mager. Sie fanden nur drei Silberbarren und etliche Goldmünzen in einem Tuch verknotet. Dann machten sie sich auf den beschwerlichen Weg zurück zum Boot. Ben Brighton hatte seine Arme um Batutis und Richard Minivys Schultern gelegt, die ihn fast trugen. Pete Ballie und Matt Davies eskortierten den Gefangenen, wobei ihm Matt Davies hin und wieder seine Hakenprothese unter die Nase hielt. Der Spanier war ganz sicher, unter die Teufel gefallen zu sein. Die anderen Männer schleppten die Beute, die Waffen der Spanier und den Wein. Sogar die Mädchen trugen einige Lebensmittel eingeknüpft in ihre Tücher auf dem Kopf. Trotz eifrigen Suchens
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hatten sie die Reittiere der Spanier nicht finden können. Sicher hatten sie sich, von dem Kampflärm erschreckt, weit vom Lager entfernt. Blacky erwartete sie ungeduldig. Doch er mußte seine Neugier noch zügeln. Hasard schickte ihn fort, um den alten Pechuenche zu holen. Als er erschien, fielen ihm die Mädchen zu Füßen und küßten den Saum seines Ponchos. Man sah, wie glücklich er war, nicht allein diesem Blutbad entronnen zu sein. Dann saßen sie über dem spanischen Gefangenen zu Gericht. Der war halb wahnsinnig vor Angst und gestand, er sei Legionär ersten Grades Seiner spanischen Majetät Philipp II., sein Name sei Alfonso de Moreno Garcia. Er beteuerte seine Unschuld. Hasard fragte den alten Indianer: „Kennst du ihn wieder?“ „Er Mörder. Ich gesehen, er meinen Bruder und zwei altes Frau totgemacht.“ Der alte Mann bedeckte seine Augen. Hasard sprach das Urteil: „Wegen Mordes an unschuldigen Indianern verurteilen wir dich zum Tode durch die Muskete.“ Das Urteil wurde sogleich vollstreckt. Mit verbundenen Augen stand der Spanier an der Felswand. Drei Männer der „Golden Hind“ gaben ihren Schuß mit der Muskete ab. Den toten Spanier begruben sie unter Gestrüpp. Dem alten Indianer gab Hasard Waffen, auch jedem Mädchen ein Messer. Die Lebensmittel durften sie behalten. Dann sagte er: „Geht in die Berge. Dort seid ihr sicherer.“ „Si, si, amigos, dort ist es gut. Da leben viele alte Fichtenmänner an den warmen Quellen von Aqui Aqui, um ihre Glieder wieder jung zu machen.“ Alle drei verbeugten sich und gingen mit langsamen Schritten auf die blühenden Hänge zu. Als sie die erste Anhöhe erreicht hatten, wandten sie sich noch einmal um. Der Alte hob die Rechte, als wolle er alles Gute auf die Ingléses herabbeschwören. Sie saßen schon in der Pinasse und waren froh, diese Bucht zu verlassen.
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Batuti und Minivy trieben: „Ar -we nack!“ Am späten Nachmittag erreichten sie die kleine, paradiesische Ovallebucht. Hier wird es besser sein, dachten sie. Die Pinasse schoben sie an eine Stelle am Strand, wo sie unter Bäumen und Lianen gut versteckt war. Außer Ben Brighton mußte dieses Mal Dan O’Flynn bei der Pinasse bleiben. Er murrte, aber Hasard wies ihn zurecht. „Du bist der Jüngste, und du bist auch einmal dran.“ Nach einem kurzen Fußmarsch stießen sie auf erneute Greuel. Vor ihnen lagen die rauchenden Trümmer eines Fischerdorfes und gräßlich verstümmelte Leichen. Die Hütten waren ausgeraubt und angezündet worden. Selbst die einfachen Kanus lagen zertrümmert am Strand. Sie hatten keine Lust, nach Beute zu suchen. Hasard sagte: „Laßt uns noch einmal etwas weiter südlich an Land gehen. Ich hätte nicht übel Lust, auch dieses Dorf zu rächen.“ Dann flüsterte er: „Los, versteckt euch, gegen die können wir nichts ausrichten.“ Er zeigte ins Landesinnere, wo viele berittene Spanier einen Weg nach Norden suchten. Es mußten mindestens zweihundert sein. Auch Richard Minivy mußte sich fügen, als Hasard zur Eile trieb. Immer wieder sahen sie hinüber zu den blitzenden Helmen. Voller Wut erkannten sie deren Übermacht. Es tat ihnen weh, diese Untaten ungesühnt zu lassen. „Es ist besser so, Leute“, sagte Hasard. Dan O’Flynn fragte scheinheilig: „War nichts zu machen?“ Brummend schoben sie die Pinasse wieder ins Wasser. Hasard ließ an jeden drei Pints Whisky ausschenken. Außerdem gab es Schiffszwieback und Salzspeck. Richard Minivy dachte immer noch an die vielen Spanier und ließ seine Hände knacken. Für Hasard war es wichtiger, alle Männer gesund zur „Golden Hind“
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zurückzubringen. Der Kapitän würde ihm sonst den Kopf abreißen. Dann trieb Hasard sie wieder an, denn im Westen begann sich die sinkende Sonne glutrot zu färben. „Jetzt nichts wie weg hier. Sonst könnte es sein, daß wir die ,Golden Hind` nicht wiedersehen.“ Gerade als sie ablegen wollten, machten sich am Ufer zwei braune Männer bemerkbar. Sie hatten Palmenzweige in den Händen. Sie wollten Frieden. „Paz Philippos“, sagten sie beschwörend. „Somos Ingléses, paz”, sagte Hasard, konnte sie aber nicht überzeugen. Als er aussteigen wollte, verschwanden sie im Unterholz. „Da sieht man, was diese Spanier angerichtet haben. Die Indios halten jeden Weißen für einen Mörder. Wir wollen sehen, daß wir noch etwas erbeuten.“ 9. Sie segelten weiter südwärts. Es war inzwischen dunkel geworden. Dan hockte vorn im Boot und starrte voraus. Ben Brighton, der achtern bei Hasard saß, schien Schmerzen zu haben. Plötzlich meldete sich Dan O’Flynn aufgeregt. „Feuer voraus! Ich kann es deutlich sehen. Muß ganz in der Nähe der Küste sein.“ „Das könnte eine spanische Siedlung sein“, meinte Hasard und befahl, ein gutes Versteck für die Pinasse zu suchen. Sie befanden sich ungefähr auf der Höhe der Landspitze Punta Lengua de Vaca. Unter einem Felsenvorsprung, der mit weidenähnlichen Büschen bedeckt war, die mit ihren Blättern bis ins Wasser reichten, versteckten sie die Pinasse. „Eine gute Stelle“, sagte Hasard. „Ben, ich kann keinen weiter hierlassen. Ich brauche jeden Mann.“ Er befahl allen, sich mit Waffen einzudecken. Hinter dem Uferstreifen hackten sie noch Zweige ab und deckten sie als zusätzliche Tarnung über das Boot.
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„Hier bin ich so sicher wie in einer Zelle in Dartmoor“, sagte Ben Brighton und grinste breit. Hasard ermahnte ihn jedoch: „Schnarch wenigstens nicht so laut, wenn du einpennen solltest.“ Nachdem sich das Gelächter gelegt hatte, wurde Ben Brighton ernst. „Du kannst dich auf mich verlassen. Die kleine Wunde macht mir nichts aus.“ „Sollen die Tampen mit?“ fragte Stenmark. Hasard bestimmte: „Richard Minivy, du wirst sie tragen.“ Der lachte stolz. „Das ist ‘ne Kleinigkeit für mich, Sir.“ Er schwang sich das schwere Jolltau über die Schulter. Sie waren alle bei guter Stimmung, als sie loszogen, um das Feuer zu suchen, das Dan von der Pinasse aus gesehen hatte. Im Gänsemarsch marschierten sie in der Dunkelheit über Felder und durch Pinienhaine. Es war fast windstill, am Himmel zeigte sich keine Wolke. Ganz deutlich konnte Hasard, der voranging, das Kreuz des Südens erkennen. Ihm folgten Batuti, Stenmark, Pete Ballie und Matt Davies. Batuti streichelte liebevoll sein langes Mambomesser und sagte zu ihm: „Du gut, dich immer mit Donblut ölen, kein Rost.“ Matt Davies zeigte seine Hakenprothese und hielt sie drohend in die Luft. Er lachte stolz. „Ja, so etwas habt ihr nicht. Ist ein gutes Handwerkszeug und eine noch bessere Waffe. Damit werde ich die Dons von oben bis unten aufschlitzen.“ Dann betrachtete er die Hanf - schlinge, die er wie immer um die Ledermanschette gewickelt hatte. „Wenn es keinen Lärm machen soll, tut die auch gute Dienste.“ Pete Ballie konnte sich aber nicht verkneifen, zu sagen: „Wie auf der ,Los Reyos`. Der war auch so still wie ein toller Hund.“ „Da habe ich doch gar nicht richtig zugezogen. Der sollte doch noch reden.“ Matt war richtig beleidigt. Doch Pete knuffte ihn in die Seite, und Matt begann versöhnlich zu grinsen. Hinter Matt ging Daniel O’Flynn, der dauernd vor sich hin lachte.
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„Halt endlich dein Maul, Dan“, sagte Matt. „Schließlich weißt du nicht, ob die Dons in dieser Gegend sind. Die suchen uns doch wie eine alte geizige Frau ihre verlorene, verrostete Stricknadel.“ Nun fing Dan erst richtig an zu kichern. „Diese Grasaffen sollen aufpassen, daß ihre Helme nicht rosten.“ Hasard mußte sich einschalten, damit endlich wieder Ruhe herrschte. Hinter Dan ging Blacky, dann folgten Gary Andrews und als letzter Richard Minivy mit dem Jolltau. Ab und zu warf Richard Minivy vor Übermut das schwere Jolltau in die Luft. Dabei schleppte er genau wie die anderen seine Muskete, reichlich Munition und natürlich einen Säbel. Selbst hier in dem Pinienwald war es noch warm. Über ihnen kreischten Papageien. Heftig rudernd schienen sie ihnen mit gewaltigen Flügelschlägen zu folgen. Es ertönte ein heiseres, gehässiges Lachen, und dann schrie einer immer wieder: „Rapido, rapido, perros morenos! — Schnell, schnell, ihr braunen Hunde!“ Danach krächzte der Papagei nur noch unverständliches Zeug. Hasard überlegte, wo der Vogel diese Worte wohl aufgeschnappt hatte. Vielleicht hatte er eine Zeitlang bei Menschen gelebt und war dann wieder in die Freiheit geflüchtet, in den Urwald. Gary Andrews War nach vorn zu Hasard gekommen. „Schätze, wir werden allerlei Überraschungen erleben.“ Hasard nickte. „Wir können nicht vorsichtig genug sein.“ Richard Minivy stampfte immer noch als letzter. Das schwere Gewicht schien ihn nicht zu stören. Er zeigte auf das Jolltau und meinte zu Blacky: „Hiermit werde ich die Dons zusammenbinden. Um den Bauch jedes Don werde ich einen Webeleinenstek knüpfen, zwischen den Dons bleiben immer zwei Yards Tampen. So binde ich sie aneinander. Dann treiben wir sie vor uns her, eine Kette von Dons.“ Zu Batuti, der zurückgefallen war und jetzt neben ihm ging, sagte er: „Und du trittst
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den Dons von Zeit zu Zeit in den Hintern, damit sie frisch bleiben.“ „Mach ich“, erwiderte Batuti grinsend. „Maul halten!“ Hasard war stehengeblieben, um noch einmal allen seine Instruktionen mitzuteilen. „Mit den Dons wollen wir uns nicht weiter anlegen. Wir wollen ihr Silber und Gold. Nur wer uns in die Quere gerät, wird erledigt. Gefangene werden nicht gemacht.“ Dan O’Flynns scharfe Augen hatten inzwischen etwas entdeckt. „Hier, seht euch das an“, sagte er leise. Er kniete nieder, um genauer sehen zu können. Von ihnen bisher unbemerkt lag da ein schmaler Pfad, der aus dem dichten Gestrüpp verkrüppelter Araukanerpalmen und Lianen herausgeschlagen war. Einige verstaubte Kakteen ließen an den Seiten des Pfades traurig ihre Blüten hängen. Batuti lief eifrig herbei und kniete sich auf den Boden. Sie sahen, daß der Weg zertrampelt war, als wären dort viele Mensche gegangen. Batuti sagte: „Sir, hier Dons mit Maultier. Sehe genau Spuren.“ Er zeigte auf die fünfeckigen Abdrücke der Einhuf er im Sand. „Dan rief: „Rauch! Ich kann ihn sogar riechen. Da vorn sind die Grasaffen, die hinterlistigen Killer.“ Vor Aufregung kippte seine Stimme über, wie zu Zeiten seines Stimmbruchs. Hasard fuhr ihn an: „Nicht so laut! Wir stoßen gleich in ein Wespennest.“ Stenmark ergänzte in seiner ruhigen Art: „Wir wollen den Takt bestimmen, zu dem getanzt wird. Also, Kleiner, wenn du nicht ruhig bist,. gehst du zurück zum Boot, verstanden.“ Dan O’Flynn maulte, aber es kümmerte sich keiner darum. Sie waren alle erregt. Sie wußten, hier hatten sie eine wichtige Spur entdeckt. Jetzt galt es. Entweder fanden sie Beute, oder es ging ihnen an den Kragen. Unter Hasards Narbe auf der linken Wange sahen sie das Blut pochen. Sie wußten, der
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Seewolf würde sie heil zurückbringen. Jetzt gab es keine Extratouren. Was er sagte, wurde getan. Sie schlichen so geräuschlos über den Pfad, daß sie ihre eigenen Herzen klopfen hörten. Jetzt ging Batuti voran, denn er war ein guter Spurenleser. Er murmelte: „Ja, Maultiere, viele Dons.“ Von Zeit zu Zeit kniete er nieder. Dann wieder roch er an den Fichten, denn er hatte auch eine gute Nase. „Dons riechen anders“, verkündete er. Die Spannung war so groß, daß sie nicht einmal merkten, wie ein Puma durch das Gestrüpp ihren Weg kreuzte. Plötzlich endete der Pfad. Sie standen vor einem etwa sechs Fuß hohen Palisanderzaun. Ein großes verschlossenes Tor versperrte ihnen den Weg. Von der anderen Seite hörten sie Stimmen. Es waren barsche Befehle und demütige Antworten. In ihre Nasen drangen Rauch und Qualm. Hasard gebot den Männern zu schweigen und ihm zu folgen. Mühsam bahnte er sich entlang der Palisade einen Weg, weit genug, um von dem Trampelpfad aus nicht mehr entdeckt zu werden. Hasard winkte Richard Minivy zu sich, während die anderen zwischen den Fichten und Araukanerpalmen lagerten. Richard Minivy versuchte, die Palisaden auseinanderzureißen oder zu zerbrechen, damit sie sehen konnten, was sich da hinter dem Zaun abspielte. Nur mit einem Messer und seinen großen Händen gelang es ihm, ein Loch von der Größe zweier Männerköpfe zu wuchten. Die Geräusche gingen in dem Lärm unter, der von der anderen Seite des Zaunes zu ihnen drang. Hasard sah als erster hindurch. Zuerst konnte er sich keinen Reim auf die Dinge bilden, die er dort sah. „Dan, komm mal her. Du hast doch die besten Augen.“ Von vielen Fackeln gespenstisch erhellt, sahen sie Menschen, die sinnlos wie Ameisen hin und her zu eilen schienen. Dann erkannten sie Indianer mit Fußketten, die schwerste körperliche Arbeit verrichten
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mußten. Sie wurden von Bewachern mit langen Peitschen immer wieder angetrieben. Jenseits des eingezäunten Lagers erstreckten sich die Ausläufer des Urwaldes bis weit hinaus zu den düster emporragenden Anden. Dann begriff Hasard, daß hier ein Bergwerk der Spanier war. Erschrocken zogen er und Dan ihre Köpfe zurück. Nur wenige Schritte vom Palisadenzaun entfernt marschierten zwei schwerbewaffnete spanische Soldaten, mit langen Spießen in der Hand, laut schwatzend am Zaun entlang. Die Spanier erwarteten keine Gefahr von außen, auf den Zaun achteten sie nicht. Hier war also eins der Silberbergwerke, die die Spanier in Chile und Peru ausbeuteten. Sie lagen zwischen Valparaiso und dem Galeonenstützpunkt Antofagasta. Dieses Silber wurde dann von den Frachtgaleonen nach Panama transportiert. Ja, das waren die Schatzkammern Philipps II. Atemlos flüsterte Dan O’Flynn: „Wenn wir denen das da alles klauen könnten!“ „Halt deine vorlaute Klappe, Dan.“ Alle Männer der „Golden Hind“ sahen durch das Loch im Zaun auf die grausigen Vorgänge während der Arbeit in diesem Silberbergwerk. Ihre Wut auf die Dons wuchs ins Unermeßliche. Nervös knackte Richard Minivy mit den Fingern. Hasard winkte ab und beobachtete genau, was sich dort abspielte. Die Indianer sahen erbärmlich aus. Ihre Kleidung bestand nur noch aus Lumpen, die von einem Strick notdürftig zusammengehalten wurden. Selbst in dem spärlichen Fackellicht konnten sie erkennen, daß ihre braune Haut krank und grau aussah. Sie waren zu Gerippen abgemagert und schleppten sich nur mühsam mit den Fußfesseln weiter. Den Spaniern war das gleichgültig. Billigere Arbeitskräfte als diese Indianer gab es nicht. Fielen sie tot um, wurden sie verscharrt. Dann unternahm man einen Raubzug zu einem der Indianerdörfer. Die kräftigen jungen Männer wurden als neue
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Arbeitskräfte mitgenommen, alle anderen niedergemetzelt. Manchmal konnten sie natürlich auch eine hübsche junge Frau gebrauchen. Aber das Leben der Indianer war ihnen nichts wert, es gab genug von ihnen. Mindestens hundert Indianer waren damit beschäftigt, in großen Körben Roherz aus dem Stollen im Berg zu schleppen. Sie hatten sich in ihr Schicksal ergeben und sangen in dem stupiden Rhythmus ihrer Schritte ein monotones Lied: „Waka waku waniwani ...“ Am Bergabhang arbeiteten andere braune Sklaven, um einen neuen Stollen in den Berg zu treiben. Die vollbeladenen Karren schwankten, wenn die geschwächten Indianer Schutt und Erde herausbrachten. Ein Indianer stolperte, und die Karre kippte um. Voller Wut schwang der Aufseher die Peitsche. Hasard sah, daß er den Indianer zwang, auf dem Bauch zu ihm zu kriechen und seine Stiefel zu küssen. Während der ganzen Zeit klatschte das Leder der Peitsche auf den Indianerrücken. Erst als er sich erhob und die Karre neu belud, ließ der Spanier von ihm ab. Die Indianer mit den Körben brachten das Erz auf große Kreisflächen. Andere Indianer wurden mit Peitschen dorthin getrieben. Hier mußten die armen Hunde mit einem rechenähnlichen Gerät das Erz auseinanderharken. Die Aufseher schrien: „Rapido, rapido, perros morenos!“ Voller Schaudern fiel den Männern der „Golden Hind“ der Papagei ein, der in dem Pinienwald diese Worte gekreischt hatte.. Plötzlich flackerte ein großes Feuer auf. Der helle Schein ließ alles noch besser erkennen. Man hatte jetzt wohl den Schmelzofen angeheizt. Die Indianer mußten das Erz zum Ofen bringen, wo es in großen Tiegeln aus Eisen geschmolzen wurde. Das flüssige Silber wurde in Barren gegossen. Die Formen standen. neben dem Schmelzofen. Die Indianer mußten das Silber mit großen Schöpfkellen in die Formen füllen. Wenn nur ein Tröpfchen danebenging, erhielt der Missetäter die Peitsche oder einen Tritt.
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Oft gerieten die Indianer an das heiße Metall oder die heißen Formen und stöhnten vor Schmerz. Aber auch das wurde noch bestraft. Die Aufseher waren große, kräftige, wohlgenährte Kerle. Sie trugen rostbraune Hosen und ein grünes Wams. Jeder hatte im Gürtel ein langes Messer und in der Rechten eine lange Peitsche, die an die Neunschwänzige des Profos erinnerte. Es waren viele. Sie trieben die Sklaven an, und es bereitete ihnen Freude, sie zu quälen. Das alles wurde wiederum von dreißig Soldaten, jeder mit einer Pechfackel in der Hand, bewacht. Hasards Leute sahen mit Entsetzen, wie ein Soldat einem aufmuckenden Indianer die Pechfackel in den Rücken stieß. Der schrie um Erbarmen und wälzte sich auf dem Boden. Die Soldaten stießen nur ein rohes Gelächter aus. Bleich vor Wut verfolgten die Männer der „Golden Hind“ diese Roheiten und Mißhandlungen. Richard Minivy wollte über den Zaun springen, um die Spanier mit seinen bloßen Händen zu erwürgen. Mit Gewalt mußten sie ihn zurückhalten. Sicherlich hätte er einigen den Hals umgedreht, aber dann würden er und sie alle dran glauben müssen. Da hätte sie kein Francis Drake mehr retten können. Matt Davies faßte Minivy am Arm. Seine Stimme war heiser, als er zu erzählen anfing. „Die Dons sind grausamer als alles, was ich kenne. Pete Ballie und Gary, wißt ihr noch, wie uns die Dons in Mexiko im Hafen Don Juan de Ulua gefangengenommen hatten? Jeder kriegte fünfzig Hiebe. Später steckten sie uns auf die Kriegsgaleere ,Taures` im Mittelmeer.“ „Mann, Matt, seitdem hasse ich die Dons wie die Pest. Das kann man nicht vergessen“, sagte Gary Andrews. Und Pete Ballie nickte. Dan fragte: „Und konntet ihr nicht weg?“ Matt erzählte mit tonloser Stimme: „Wir drei saßen an einem Riemen. Es waren immer fünf auf jeder Seite. In der Mitte
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dazwischen war die Corsia, eine lange Brücke vom Bug bis zum Heck. Da liefen die Aufseher hin und her mit der Peitsche. Sie schlugen jeden, der das Tempo nicht mithalten konnte. Sie schlugen einfach aus Spaß, wenn sie eine Nase nicht leiden konnten – genauso wie später auf der ,Tortuga`.“ Seine Stimme wurde immer leiser. „Eines Tages war der Aufseher besonders schlecht gelaunt. Wir erhielten kein Trinkwasser. Dabei war es ein besonders heißer Tag. Wir waren verrückt vor Durst. Ich saß direkt am Mittelgang. Voller Wut sprang ich hoch und trommelte mit meiner Rechten auf die Corsia. Mit einem einzigen Hieb zerschmetterte der Bastard Raco, der Oberaufseher, meine Hand. Nur der Gnade des Kapitäns hatte ich es zu verdanken, daß ich nicht gleich den Fischen zum Fraß vorgeworfen wurde. Irgendein spanischer Arzt sägte ab, was von der Hand übriggeblieben war. Ich hatte Glück und wenig Fieber. Es gelang mir zu fliehen, und ich schlug mich nach Frankreich durch. Da traf ich einen Arzt, der war so eine Art Forscher und bastelte die Ledermanschette. Der gab mir auch Geld.“ Matt verstummte. Doch Pete Ballie beendete die Geschichte voller Hochachtung für Matt. „Matt hatte uns nicht vergessen. Als unsere Galeere an der französischen Küste auftauchte, erschienen französische Schiffe, die uns angriffen. Es gelang ihnen, das Sklavenschiff zu entern und die Spanier zu besiegen. Matt hatte den Franzosen den Tip gegeben, sein Lohn war unsere Freiheit. Wir schlugen uns wieder nach England und zu Kapitän Drake durch, der uns schon aufgegeben hatte.“ Batuti schüttelte sich: „Dons schlimmer als Profos. Profos nur zwanzig Schläge, dann Mixtur vom Kutscher. Dons schlagen ganzes Leben.“ Ihre Wut stieg ins Unermeßliche. Hasard winkte energisch ab und erklärte: „An Matts Geschichte könnt ihr erkennen, was uns blüht, wenn sie uns erwischen. Wenn sie merken, daß wir hier sind, werden sie nicht ruhen, bis der letzte von
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uns gefunden ist. Dann bleibt uns nur die Galeere oder so ein Bergwerk.“ Er zeigte auf das Loch im Zaun. „Ich kann euch nur sagen, daß ich liebend gern allen Dons hier ans Leder möchte. Aber wir haben gegen diese Übermacht keine Chance. Wir würden den armen Teufeln nicht helfen, sondern höchstens ihre Leidensgenossen sein.“ Stenmark in seiner besonnenen Art bestätigte: „Da ist nichts zu machen. Aber wir werden doch versuchen, ihnen was abzuluchsen, oder?“ „Klar! Wir müssen nur warten. Es ergibt sich bestimmt eine günstige Gelegenheit. Es wäre ja gelacht, wenn wir ohne Beute zu Kapitän Drake zurückkehrten.“ Batuti mußte am Loch in der Palisade aufpassen. Alle anderen steckten die Köpfe zusammen und beratschlagten, wie sie am besten vorgehen könnten. „Soviel, wie die da haben, können wir sowieso nicht mit uns schleppen“, meinte Matt Davies, der sich gedankenvoll mit seiner Hakenprothese den Rücken kratzte. Alle waren sich einig. Dies mußte eine der größten Silbererzgruben sein, die zwischen 34 Grad Süd und 26 Grad Süd lagen. „Mit List müssen wir an die Sache herangehen, damit wir die Burschen wenigstens etwas erleichtern“, sagte Gary Andrews, und sie sahen förmlich, wie er sich mühte, so eine List auszuhecken. Matt Davies hatte eine Idee. Er hob den Finger. Alle sahen ihn erwartungsvoll an. „Ich schlage vor, wir schnappen uns einen von den spanischen Aufsehern. Den können wir ausquetschen. Dafür werde ich schon sorgen, daß der redet.“ Aber damit war Hasard nicht einverstanden. „Mit schnellen Entschlüssen ist hier nichts zu schaffen.“ Er ging zu Batuti ans Loch und betrachtete aufmerksam das grausige Geschehen. Noch einmal überlegte er. Rechts im Berg war der Stollen, aus dem die Indianer das Erz holten. Daneben stand der Ofen, die Schmelze. Links war der kreisförmige Platz, zu dem das Erz erst einmal gebracht wurde. Es gab keine Angriffsfläche.
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Die Indianer schufteten ohne Pause. Je müder sie wurden, um so mehr schlugen die Aufseher. Nach ihrer Gesichtsfarbe schienen darunter sogar einige Mestizen zu sein. Hin und wieder überprüften sie die Fußfesseln der Indianer. Sie waren unermüdlich im Erfinden immer neuer Quälereien. Daran beteiligte sich auch der Kordon der spanischen Soldaten, deren Helme in dem flackernden Schein gespenstisch funkelten. Hasard beugte sich vor, um noch besser beobachten zu können. Jetzt sah er zwölf Goldhelme. Also wurden die Soldaten auch noch von Offizieren bewacht. Er schüttelte den Kopf. „Hier paßt einer auf den anderen auf.“ Batuti sah zu ihm hoch. „Nicht gedacht, Dons so grausam.“ Im fahlen Mondlicht sah es aus, als ob er seine Zähne fletschte. Dann ging Daniel O’Flynn auf Beobachtungsposten. Es fiel ihm schwer, so vielen Grausamkeiten tatenlos zuzusehen. „Hasard, schau mal!“ Nur mühsam konnte er seine Freude unterdrücken und seine Stimme bremsen. Hasard kam und wußte sofort, welche Chance sich ihnen nun doch bot. „Da kriegen wir sie.“ Unter der Aufsicht eines Goldbehelmten wurden Maultiere zusammengetrieben. Seine Männer hatten seine Worte nicht richtig verstanden. „Jetzt geht es den Dons an den Kragen!“ Pete Ballie lockerte schon sein Messer. Batuti lachte über das ganze Gesicht, riß einen Zweig einer Araukanerpalme ab, brach ihn entzwei und sagte: „Nix Frieden, alle Dons grrr!“ Hasard zuckte mit den Schultern. „Nein. Es geht nicht. Ich hätte diese braunen Burschen, die in Valparaiso unsere Freunde waren, gern befreit. Seid vernünftig. Das einzige, was wir tun können, ist, den Dons einen gehörigen Anteil Silber abzunehmen. Und das werden wir jetzt versuchen.“ Alle schwiegen und warteten auf die Befehle ihres Kapitäns.
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Hasard schärfte Dan ein, genau aufzupassen. „Das Wichtigste ist, wie viele Esel das Lager verlassen. Kannst du zählen, Dan?“ Der grinste von einem Ohr zum anderen. „Und ob ich das kann. Wir Flynns sind sieben Brüder, eine Schwester, meine tote Mutter und der Alte. Das sind zehn wie meine Finger. Wenn es noch mehr sind, fange ich wieder von vorn an.“ „Ich will mich mal auf deine Rechenkunst verlassen.“ Hasard wandte sich an die anderen. „Paßt auf. Ihr versteckt euch da, wo wir in den Trampelpfad eingebogen sind. Das ist weit genug vom Lager entfernt. Außerdem ist der Weg zur Pinasse nicht ganz so weit. Pete Ballie, Matt Davies, Blacky und Batuti, ihr baut euch auf der anderen Seite des Weges auf, die anderen bleiben auf dieser Seite bei mir. Hört genau zu. Es wird gemacht, wie ich es sage. Wir lassen. alle Maultiere vorbei bis auf das letzte, das schnappen wir uns. Bevor die etwas merken, können wir schon im Boot sein. Aber der Mann, der Maultiertreiber, gehört mir. Erst wenn ich angreife, kümmern sich Batuti und Blacky um das Maultier. Wehe, wenn es schreit! Aber tötet es nicht, es geht auch mit einem Schlag vor den Kopf. Alles verstanden?“ „Aye, aye, Sir!“ Fast enttäuscht schlichen sie durch das Unterholz zurück. Das war ja viel zu einfach. Dazu wollte der Seewolf auch noch alles allein erledigen. Sie versteckten sich im Gestrüpp, wo der Trampelpfad den Weg zum Wasser kreuzte. Dann harrten sie der Dinge, die da kommen sollten, nämlich auf die Maultiere. 10. Richard Minivy, der wieder seine Tampenrolle auf den Rücken genommen hatte, setzte sich jetzt ganz gemütlich darauf. Hasard blickte noch einmal auf die armen Kreaturen, die von den Spaniern so unmenschlich gequält wurden. Dann sah er noch zu, wie die Maultiere beladen wurden.
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Ihnen wurde eine indianische Decke über den Rücken gelegt, die unter dem Bauch zusammengebunden wurde. Dann wurden zwei zusammen vertäute Säcke darüber gepackt, so daß an jeder Seite des Tieres einer herunterhing. Sie sahen auch, daß noch einige Indianer damit beschäftigt waren, Säcke mit den Silberbarren zu füllen. Als jedoch die Riegel am Palisadentor zurückgeschoben wurden und sich das Tor knarrend öffnete, huschte auch Hasard durch den Wald an seinen Platz. Dan zählte: „Vater O’Flynn, Mutter O’Flynn, Tom O’Flynn ...“ Zur Kontrolle nahm er noch seine Finger. Nach Daniel und Gwendolyn mußte er noch einmal von vorn beginnen. Hasards Gedanken beschäftigten sich mit den Machenschaften der Spanier. Sie arbeiteten hier die ganze Nacht. Nachts gingen auch die Transporte ab. Wohin diese Maultiere wohl gebracht wurden? Vielleicht sogar zur „Los Reyos“? Die würden sie aber suchen müssen. Bei dem Gedanken wurde ihm richtig wohl zumute. Sein Plan war gut. Er würde nicht das Leben seiner Männer riskieren. Und sie erbeuteten genug. Ungeduldig warteten sie auf das erste Tier. Doch es war noch nichts zu hören. Maultiere sollten ja ziemlich langweilig und faul sein. Sie hatten dazu den ganzen Tag in der Sonne gestanden, denn Schatten gab es da im Lager nicht, höchstens im Stollen. Zuerst verließen vier Reiter mit Goldhelmen das Lager. Sie sollten den Transport führen und bewachen. Dann folgten nacheinander die Maultiere. Jedes wurde an einem Strick von einem Mann geführt, der immerhin mit Messer und Muskete bewaffnet war. Die Spanier waren jedoch ziemlich sorglos. Sie hatten zwar von „El Draque“ gehört. Aber was sollte er ihnen tun! Er war ja auf einem Schiff. Ganz sicher würden die verdammten Ketzer hier nicht erscheinen. Endlich hörten sie Getrappel. aber das waren doch keine Maultiere?
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Es erschienen die vier Goldbehelmten. Ihre Tiere gingen im Schritt. Sie schwatzten, daß es gut wäre, eine botella de vino zu lüften. Dann verschwanden sie drüben in einem ähnlichen Trampelpfad. Dan tauchte auf und zupfte Hasard am Arm. „Zwei mal meine ganze Familie“, flüsterte er. „Zweimal meine zehn Finger sind es, ohne diese Goldfatzken.“ „Bis du sicher, zwanzig Maultiere?“ „Ganz sicher, beim Holzbein meines Vaters.“ „Na, dann laß uns mal aufpassen.“ Minivy wollte sich in seiner Ungeduld auf das erste Maultier stürzen. Hasard hielt ihn wütend zurück. „Kannst du nicht tun, was ich sage? Du hetzt uns ja die ganze Bande auf den Hals, du Schwachkopf. Dieses Mal tust du überhaupt nichts, verstanden?“ Hasard schüttelte den Kopf und brummte vor sich hin: „Was andere im Kopf haben, hat der in Händen und Füßen.“ Langsam folgte ein Maultier dem anderen. Widerwillig ließen sie sich von ihren Treibern den Pfad entlang ziehen. Doch die Spanier waren auch müde, sie paßten nicht auf und schauten weder nach links noch nach rechts. Sie schienen Blei in den Füßen zu haben. Die Abstände zwischen den Tieren wurden immer größer. Batuti flüsterte heiser und aufgeregt: „Blacky, du wissen, Maultiere haben weißes Gold?“ „Aber sicher, wenn der Seewolf das sagt.“ Batuti stand schon sprungbereit. Blacky warnte ihn: „Du halber Medizinmann, erst wenn der Seewolf angreift.“ Batuti nickte. Er sah aus wie ein schwarzer Panther, der sprungbereit lauerte, um seine Beute zu reißen. Das Mondlicht geisterte über den Pfad, wenn sich die Wedel der Palmen bewegten. Es hatte sich kaum abgekühlt. Durch die Maultierkarawane geweckt, begannen jetzt die Papageien wieder zu kreischen und mit den Flügeln zu schlagen. Geräusche von Tieren, die die Männer aus
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Europa nicht kannten, ließen sie zusammenzucken. Hasard klopfte Matt Davies auf die Schulter. „Wir müssen vernünftig sein. Wir wollen ja schließlich heil zu Kapitän Drake zurückkehren.“ Matt Davies war ganz ruhig. „So ist es. Hat keinen Zweck, wild zu werden.“ Minivy brummte: „Hatte mich so gefreut, dem Seewolf zu zeigen, wie tüchtig ich bin.“ Matt beruhigte ihn jedoch. „Das weiß er doch. Er wird dich schon rufen, wenn er dich braucht. Ohne dich geht es doch gar nicht.“ Hasard schnitt für jedes Maultier, was passiert hatte, eine Kerbe in einen Stock. Nachdem schon achtzehn Tiere vorüber waren und sie überhaupt nichts mehr hörten, sah Hasard Dan mißtrauisch an. „Zweimal die ganze Familie, so wahr mich mein Vater immer mit seinem Holzbein verprügelt hat.“ Schließlich tauchte das neunzehnte Maultier auf, müde zerrte der Spanier es vorbei. Danach folgte wieder nichts. Die Männer wurden unruhig. Hasard sah den Pfad entlang. Dan war ganz unglücklich und nervös. Schnell zählte er an seinen Fingern noch einmal die Familie durch. Trotzig sagte er: „Da kommt doch noch eins!“ Daniel O’Flynn hatte richtig gezählt. Sie hörten jetzt Schnauben und leise Flüche des Mannes, der das Tier mit viel Mühe hinter sich herzog. Hasard war überrascht. Der Kerl war mindesten sechs Fuß groß und trug auch einen goldenen Helm. Das Maultier schien besonders schwer beladen zu seien und hatte auch noch zusätzlich einen großen Beutel auf dem Rücken. Er dachte, das wird vielleicht ein guter Fang. Als der Goldbehelmte auf gleicher Höhe war, sprang Philip Hasard Killigrew ihm vor die Füße und donnerte ihm die Faust ins Gesicht. Der Schlag traf, schaltete den Spanier aber nicht aus. Der ließ das
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Maultier fahren und warf sich nach vorn, um Hasard den behelmten Schädel vor die Brust zu rammen. Der Stoß brachte den Seewolf fast von den Füßen. Doch es gelang ihm, noch einen zweiten Treffer im Gesicht des Spaniers zu landen. Der Don wedelte mit den Armen und schlug wild um sich. Er hatte noch nicht begriffen, wer ihn eigentlich angriff und wer dieser Fremde sein konnte. Er nahm noch einmal alle Kraft zusammen. Mit beiden Händen bildete er eine Faust, einen Hammer, und schlug auf seinen Widersacher los. Da traf ihn Hasards Faust in den ungeschützten Magen, er knickte zusammen und sackte zusammengekrümmt zu Hasards Füßen in den Staub des Trampelpfades. Er sah bunte Kreise vor den Augen und lallte: „Soy Ramirez — ich bin doch Ramirez.“ Als der Don den Strick des Maultieres losließ, hatte Blacky ihn schon gegriffen. Batuti hielt dem Tier das Maul zu. Als das Vieh den Aufruhr bemerkte, wollte es einen Warnschrei in den Nachthimmel schicken. Dan kicherte, denn Batuti hatte große Schwierigkeiten damit. Das Tier sah ihn die ganze Zeit mit tückischen Augen an, Plötzlich schien es ganz sanft zu werden, so daß Batuti den Griff lockerte. Da riß doch das Vieh erneut das Maul auf, und Batuti mußte den Kampf wieder aufnehmen. Minivy beendete den seltsamen Kampf. Er versetzte dem Grautier einen kräftigen Schlag hinter das Ohr. Es verdrehte die Augen, und seine Beine knickten unter ihm ein. Matt Davies und Pete Ballie hatten inzwischen die indianische Decke losgebunden und sie mitsamt den Säcken in das Unterholz gezerrt. Dahin schleppten sie auch das Maultier. „Wenn es aufwacht, soll es weglaufen. Ist genauso arm dran wie die Indianer.“ Hasard schüttelte den Kopf. Wie konnte man die Tiere nur so schwer beladen!
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Dann wandte er sich an Minivy. „So, nun bist du dran. Schlepp den Kerl dort hinten in den Pinienwald. Hau ihm zusätzlich noch einen auf den Poller.“ Das ließ sich Richard Minivy nicht zweimal sagen. Sein gemäßigter Schlag war immerhin noch stark genug, dem Goldhelm eine erhebliche Beule zu verpassen. Dann zog er ihn an den Füßen weit in den Wald hinein. Gary Andrews und Stenmark nahmen ein langes Ende von dem Jolltau und wickelten den Spanier kunstgerecht ein. Zusätzlich erhielt er noch einen Knebel in den Mund. Batuti stand neben dem Maultier und sah es traurig an. „Armes Vieh, Futter für Puma.“ Hasard sah ihn erstaunt an. „Darum können wir uns jetzt nicht kümmern. Vielleicht läuft es zurück ins Lager oder hinter den anderen Tieren her. Aber nun los, an die Arbeit!“ „Aye, aye, Sir.“ Sie arbeiteten wie die Wilden und verschnürten die Säcke sowie den Beutel in der Decke. Hasard hatte in den Beutel gesehen. Sie hatten einen besonders guten Fang erwischt, denn der Beutel enthielt Goldstücke. Minivy schlang kreuzweise um das Paket den Tampen seines Jolltaus und knotete vier Schlingen daran. Stolz sah er auf sein Werk. „Vier Mann, vier Ecken.“ Batuti, Stenmark, Minivy und Blacky zogen sich die Schlingen über Kopf und Schulter und hoben das Paket an. „Richtige Menschenmulis, zweibeinige Grautiere“, sagte Dan. Sein Vergleich kam nicht gut an. „Noch ein Wort, und wir binden dir das Bündel auf deinen Buckel. Dann schleppst du alles allein“, sagte Blacky. Hasard trieb zur Eile. „Hier rechts runter zum Wasser. Bleibt nach Möglichkeit unter den Bäumen, damit man euch nicht sieht. Dan läuft voraus und macht mit Ben die Pinasse klar. Aber dalli, du Rahenhüpfer!“
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Damit sie ihn nicht doch noch zum Lastenschleppen verurteilten, sauste Dan in Windeseile davon. Es war erstaunlich, wie er im Dunkeln zwischen den Bäumen hindurchjagte, niemals stolperte oder anstieß. Er hatte wirklich die besten Augen der Besatzung. Hasard sah noch einmal auf den verschnürten Legionär. „Minivy, dem hast du, glaube ich, zuviel gegeben.“ „Ach, der lebt schon noch.“ „Ja, aber er wird noch lange im Land der Träume bleiben. Eigentlich wollte ich ihn noch ein bißchen ausquetschen. Hätte gern gewußt, wohin die Ladung geht. Aber wir haben dazu keine Zeit mehr. Also: auf und zurück.“ So machten sie sich auf den beschwerlichen Weg zurück zum Meer. Gary Andrews und Pete Ballie suchten den günstigsten Weg zwischen den Bäumen. Doch die vier Männer mit der schweren Last stießen immer wieder irgendwo an und stolperten über Wurzeln und Gestrüpp. Hasard und Matt Davies sicherten den Trupp nach hinten. Endlich machte der Weg eine Biegung, so daß man ihn vom Trampelpfad aus nicht mehr überblicken konnte. Erleichtert scheuchte sie Hasard. „Los, kommt jetzt auf den Weg. Gary, du wechselst dich mit Blacky ab, und Pete löst Stenmark ab.“ Batuti und Richard Minivy wehrten sich entschieden dagegen, auch abgelöst zu werden. „Ist ja schon gut. Bin ja froh, daß ihr noch schleppen könnt.“ Und dann ging es los. Sie hörten von weitem Pferdegetrappel und eine laute Stimme. „Ramirez, Ramirez! Venga tonto! Komm, du Dummkopf!“ Hasard und Matt Davies schlichen ein Stück zurück, um zu sehen, wie sich die Sache entwickelte. Sie versteckten sich im Unterholz und sahen den Reiter voller Unruhe wieder zurückreiten. Sie brauchten nicht lange zu warten, da erschienen alle Goldhelme. Sie saßen ab
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und banden ihre Pferde an einem Baum fest. Dann begannen sie systematisch, auf beiden Seiten des Trampelpfades das Unterholz abzusuchen. „Nichts wie weg!“ flüsterte Hasard. Hasard und Matt Davies eilten, so schnell sie konnten, ihren Kameraden nach. Hasard sagte: „Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, dann finden sie ihn.“ Und richtig, schon ertönte Geschrei. „Aqui, aqui! — Hierher! Hierher!“ Dann hatte es einer kapiert. „El Draque! — Perro malo! — Tenemos matar este monstruo! — Der Drache! — Der schlechte Hund! Wir müssen das Ungeheuer töten!“ Hasard und Matt Davies schlossen zu den anderen auf. Aus der Ferne hörten sie das Geschrei der Dons. Musketenkugeln peitschten in den Urwald, aber in die falsche Richtung. „Ihr irrt euch, Freunde“, sagte Hasard höhnisch. Jetzt packten sie alle mit an. Hasard, Matt Davies, Pete Ballie und Gary Andrews griffen in die Tampen der unhandlichen Last. Im Laufschritt legten sie die letzten hundert Yards zurück. Völlig ausgepumpt erreichten sie die Pinasse. Der jetzt aufkommende Wind trug immer noch das Brüllen der Dons zu ihnen herüber. Sie beluden die Pinasse mit der Beute, den Silberbarren und dem kleinen Sack mit Goldmünzen und verstauten alles seesicher. Minivy stieß das Boot vom Felsen ab in die schwer gegen das Ufer schlagende Brandung. Ben Brighton sagte: „Klar bei Riemen, Männer!“ Die Wunde schien ihm noch zuzusetzen. Doch sein gesunder, kräftiger Körper würde sich selber helfen. Der Wind wehte aus Nordost. Mit unerwarteter Geschwindigkeit trieb der Strom sie vom Ufer weg. Doch dann drückte er sie dwars gegen eine Sandbank, die ihnen jetzt bei auflaufendem Wasser den Weg in die freie See versperrte.
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„Da!“ brüllte Hasard und zeigte auf die jetzt nur eben überspülte Untiefe. Der Sog erfaßte sie, wie von einem Magneten gezogen trieben sie auf die Sandbank zu. Sie befanden sich in einer der gefährlichsten Situationen, die Philip Hasard Killigrew jemals erlebt hatte. „Los, fallen Anker.“ Der Anker saß sofort fest. „Da haben wir noch einmal Glück gehabt.“ Ben Brighton atmete auf. Im selben Augenblick rief Dan O’Flynn: „Sie haben uns entdeckt! Sie sind da, die Grasaffen!“ Am Ufer erschienen die vier Goldbehelmten. Sie liefen hin und her und brüllten gräßliche Flüche. Als sie die Schwierigkeiten bemerkten, die Hasard und seine Männer mit der Strömung hatten, ging ihr Gebrüll in freudiges Geschrei über. Hasard quälte sich nach achtern, wo sich Blacky am Ruder bemühte, die Pinasse richtig im Strom zu halten. „Los, jetzt den Mast hoch.“ Sie hoben den Mast, der in der Pinasse gelegen hatte, und steckten ihn mit großer Anstrengung in die Aussparung im Deck. Hasard brüllte Richard Minivy an, der sich nur für die Spanier an Land interessierte. „He, Minivy, nimm das Jolltau, schlag einen Törn um den Mast, dann zwei halbe Schläge Backbord und Steuerbord und befestige die Tampen über Kreuz an Backbord und Steuerbord der dritten Ducht. Batuti, hol das Stag durch!“ Minivy hatte seine Arbeit beendet. Hasard konnte zufrieden sein, denn der Mast hatte jetzt genug Halt. Die Spanier am Strand gebärdeten sich immer verrückter. Sie schossen ihre Musketen ab. Vorn und achtern der Pinasse spritzte das Wasser hoch. Da hatte Hasard eine Idee. „Richard Minivy, du bist doch ein Kerl?“ „Aye, aye, Sir. das will ich meinen, Sir.“ „Dann werden wir beide etwas unternehmen. Den Dons wird Hören und Sehen vergehen.“ Er lachte in sich hinein. Dann kroch er über die Duchten nach vorn und riß das Schott der Vorratskammer auf, worin sie
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Proviant und Munition aufbewahrten. Er suchte sich einen leeren Ölbeutel, schob den irdenen Topf mit Pulver heraus und was ihm sonst noch ins Auge fiel. „Ihr werdet eure Freude haben“, murmelte er zufrieden. Er legte alles auf die mittlere Ducht und begann mit seiner Arbeit. Zuerst füllte er reichlich Pulver in den Lederbeutel, darauf zwei Handvoll rostige Nägel und die gleiche Menge gehacktes Blei, wieder Pulver und zum Schluß noch ein wenig Schrotblei. Dann nahm er gut ein Yard Zündschnur, einen in Bleizucker getränkten Hanfstrick, und stopfte sie tief in die Lederbombe. Das alles verschnürte er nach bester Seemannsart. „Richard Minivy, du hast nur die eine Aufgabe, den Luntenschwamm zu entzünden, ihn immer mit deiner Rechten aus dem Wasser zu halten, wenn wir zum Strand waten, und mir zur rechten Zeit Feuer zu geben.“ „Aye, aye, Sir, das ist ‘ne feine Sache.“ Minivy strahlte über das ganze Gesicht. Nun hatte der Seewolf ihn wieder ausgesucht. Sie schlugen mit den kostbaren Flintsteinen aus Nordirland Feuer und entzündeten den Luntenschwamm. Dann jumpten sie ins Wasser. Sie mochten etwa zwanzig Yards vom Ufer entfernt sein. Jetzt, da fast Ebbe war, reichte ihnen das Wasser nur etwas über den Bauchnabel. Zuerst von den Spaniern unbemerkt, kämpften sie sich gegen die Strömung voran. Die kostbaren Gegenstände hielten sie hoch aus dem Wasser. Als jedoch die Spanier die beiden bemerkten, ließen sie ihre Musketen sinken. Vielleicht bildeten sie sich ein, Hasard hätte ein Friedensangebot bereit, weil seine Pinasse vor der Sandbank festsaß. Vielleicht wähnten sie in dem Lederbeutel die geraubten Goldmünzen. Jedenfalls traten sie näher und redeten aufgeregt durcheinander. „Jetzt“, flüsterte Hasard, als sie sich bis auf wenige Schritte dem Ufer genähert hatten.
Der Überfall
„Una reverencia del lobo del Mar. –Ein Gruß vom Seewolf!“ schrie Hasard in die erwartungsvolle Stille der Spanier. Sie hatten die Lunte gezündet. Mit kräftigem Schwung warf Hasard den Lederbeutel ans Ufer vor die Füße der Spanier. Nur wenige Augenblicke vergingen, dann krachte es ohrenbetäubend. Sie hörten das Gebrüll der Spanier. Als der Pulverqualm sich verzog, sahen sie den letzten humpelnd unter den Pinien verschwinden. „Das ist mal ein Ding!“ Minivy sah seinen Kapitän voller Ehrfurcht an. Dann schwammen sie mit kräftigen Zügen zurück zum Boot. Inzwischen waren die anderen nicht untätig. Ben Brighton hatte dafür gesorgt, daß das Segel angeschlagen und vorgeheißt worden war. Hasard und Minivy jumpten über das Dollbord ins Boot. Der vom Lande wehende Nordost hatte aufgefrischt und blähte die Segel. Der Mast quietschte und knarrte. Batuti sprach dankbar mit den Göttern seiner Heimat. Der große Gambianeger hatte bei Gefahr oder schlechtem Wind viel mehr Vertrauen zu ihnen, als zu diesem einen Gott der Weißen. Das war doch ganz klar, viele können immer mehr erreichen, als nur einer. Dabei hätte der Kaplan an Bord der „Golden Hind“ geschworen, dass aus Batuti längst ein guter Christ geworden wäre. Sie steuerten vorsichtig, und es gelang ihnen, die langgestreckte Sandbank zu umfahren. Bald liefen sie gute Fahrt. Als sie sich vier Meilen von der Küste entfernt hatten, gingen sie auf den anderen Bug, um an der Küste entlang noch weiter nach Süden zu segeln. Dennoch war ihre Aufgabe nicht erfüllt. Silber hatten sie erbeutet. Aber wo waren die „Marygold“ und die „Elizabeth“? Würden sie diese beiden Schiffe jemals wiedersehen?
Joe Vence
Seewölfe 34 47 ENDE
Der Überfall