Atlan ‐ Im Auftrag der Kosmokraten Nr. 712 Das neue Konzil
Dawaggor, Welt der Geister von Peter Tefrid
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Atlan ‐ Im Auftrag der Kosmokraten Nr. 712 Das neue Konzil
Dawaggor, Welt der Geister von Peter Tefrid
Der Konzilsfeind wird gejagt
Auf Terra schreibt man die Jahreswende 3818/19, als der Arkonide sich nach einer plötzlichen Ortsversetzung in einer unbekannten Umgebung wiederfindet, wo unseren Helden alsbald ebenso gefährliche Abenteuer erwarten wie etwa in Alkordoom. Atlans neue Umgebung, das ist die Galaxis Manam‐Turu. Und das Fahrzeug, das dem Arkoniden die Möglichkeit bietet, die Spur des Erleuchteten, seines alten Gegners, wiederaufzunehmen, ist ein hochwertiges Raumschiff, das Atlan auf den Namen STERNSCHNUPPE tauft. Das Schiff sorgt für manche Überraschung – ebenso wie Chipol, der junge Daila, der zum treuen Gefährten des Arkoniden wird. In den drei Monaten, die inzwischen verstrichen sind, haben Atlan und der Daila schon manche Gefahr bestanden – immer auf der Spur jener Kräfte, die schon an andern Orten des Universums für Leid und Unfrieden verantwortlich waren. Der Handlungsspielraum Atlans und seines Gefährten ist gegenwärtig jedoch sehr beschnitten. Erst als der Angriff der Piraten auf BASTION‐V, die Raumfestung der Ligriden, erfolgt, kommt es für den Arkoniden und den jungen Daila zu einer unerwarteten Wende. Unsere beiden Helden können fliehen, und sie erreichen DAWAGGOR, WELT DER GEISTER …
Die Hauptpersonen des Romans: Atlan ‐ Der Arkonide auf der Welt der Geister. Chipol ‐ Der junge Daila im Bann der Hyptons. Halphar ‐ Atlans unerbittlicher Jäger. Khodar ‐ Ein Ligride mit Todesahnungen. Sspordon ‐ Kommandant der Händler von Manam‐Turu.
1. Khodar wußte, daß er in diesem Jahr sterben würde. Er wußte, daß es unvermeidlich war. Die Geschichte seiner Familie ließ sich über fünfzehn Generationen hinweg verfolgen: in all dieser Zeit war es nicht einem einzigen männlichen Nachkommen der Sippe gelungen, älter als höchstens vierzig Jahre zu werden. Die meisten waren wesentlich früher gestorben. Woran das lag, hatten auch die besten ligridischen Wissenschaftler nicht herauszufinden vermocht, zumal die Todesarten so unterschiedlich waren, daß sie sich schwerlich auf einen gemeinsamen Nenner bringen ließen. Selbstmorde hatten sich in der Liste gefunden, Unglücksfälle, Krankheiten. Einer der ersten von Khodars bekannten Vorfahren war hingerichtet worden. Irgendwann, so schien es, hatte sich die Familie damit abgefunden und nicht weiter nachgeforscht. Dieses Phänomen aber war in doppelter Hinsicht zu einer Art Fluch für die Familie geworden. Irgendwie war die Sache bekannt geworden, und seit jenem Zeitpunkt war es auch keinem Mitglied der Familie mehr gelungen, in eine wirklich gehobene Position aufzusteigen. Khodar stieß einen leisen Seufzer aus. Nun, wenigstens für die nächsten Tage war das Risiko eines gewaltsamen Todes nicht sehr groß. Als Ortungstechniker tat Khodar Dienst an Bord der DUNG AR, dem Flaggschiff von
Halphar, dem Kommandanten der BASTION‐V. Vor etwas mehr als einer Stunde war die DUNGAR in diesem Raumsektor aufgetaucht, auf der Suche nach einem flüchtigen Verband der Piraten von Manam‐Turu. Khodar warf einen Blick hinüber auf die beeindruckende Gestalt des Kommandanten. Hoch aufgerichtet stand Halphar hinter dem Sitz des Piloten und starrte mit gleichgültigem Gesicht auf den großen Panoramaschirm. Was dort zu sehen war, hatten Khodars Instrumente erfaßt und auf den Monitor eingespielt – eine Sonne, wie es sie in dieser Art zu Millionen in der Galaxis Manam‐Turu gab, diese gekennzeichnet durch einen leichten Grünstich in ihrem Spektrum, dazu ein System von sechs Planeten, von denen einer dazu taugte bewohnt zu werden, des weiteren eine beachtlich große Flotte kleiner, wendiger Schiffe, die zweifellos zu den Verbänden der Piraten gehörten. Nach den Meßergebnissen war diese Flotte in heilloser Flucht begriffen. Ihr Ziel war augenscheinlich der fünfte Planet des Systems, jene Welt, die nach den Ortungsdaten bewohnt war. »Sollen wir Verstärkung anfordern?« fragte der Pilot seinen Kommandanten. Halphar machte eine Geste der Verneinung. »Noch nicht«, bestimmte er. Mit hoher Fahrt jagte die DUNGAR auf jenen Koordinatenpunkt zu, an dem sich augenscheinlich die Flotte der Piraten versammelt hatte und von dem aus die Schiffe jetzt wie ein aufgescheuchter Insektenschwarm auseinanderstoben. Halphar schien sehr genau zu wissen, welches Schiff er verfolgen wollte. Mit leiser Stimme gab er dem Piloten seine Anweisungen. Khodar bemerkte, daß seine Hände feucht geworden waren. Er wischte sie an seiner Uniform ab, dann sah er sich um. Niemand hatte die Bewegung bemerkt, mit der er, peinlich genug für einen Ligriden, Nervosität und vielleicht sogar Furcht zu erkennen gegeben hatte. In den Räumen der DUNGAR war das Schrillen der Alarmsirenen zu hören. Halphar ließ das Schiff gefechtsklar machen.
Khodar wußte, daß Halphar der Oberkommandierende aller ligridischen Kräfte in diesem Raumsektor war und zweifelsfrei ein Könner allererster Klasse. Er wußte auch, daß bisher in einem offenen Raumkampf noch nie ein ligridisches Schiff von Piratenverbänden hatte bezwungen werden können. Dennoch erschien es ihm außerordentlich leichtsinnig, mit nur einem Schiff in die Flotte der Piraten hineinzustoßen. Die Ortung hatte angemessen, daß sich mindestens vier‐ bis fünfhundert Schiffe in diesem Raumsektor aufhielten. Gleichsam im Vorbeigehen ließ Halphar auf einen der drei großen Raumtransporter feuern, die schwerfällig ihre Bahn durchs All zogen. Das Schiff wurde getroffen und aus dem Kurs geworden. Khodar fand dieses Verhalten seines Kommandanten unbegreiflich. Die Trefferwirkung war nur sehr gering gewesen, dafür aber mußte der Zorn der Piraten beachtlich gestiegen sein. Was versprach Halphar sich davon, die Piraten derart zu reizen? Die Piraten hatten ohnehin vermutlich den Schock zu verdauen, daß die Ligriden ihr Versteck gefunden hatten. Wollte Halphar diesen Schock durch sein provozierendes Verhalten noch vertiefen? Während Halphar den Piloten der DUNGAR hinter einem ganz bestimmten Piratenschiff herjagen ließ, fütterte Khodar die Positronik mit den Daten des gerade angeflogenen Sonnensystems. Er wartete auf die Auswertung. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Zeilen über den Bildschirm flimmerten. Genaugenommen konnte von einem Versteck keine Rede sein – das Sonnensystem war seit Jahrzehntausenden in Manam‐Turu bekannt. Allerdings genoß es, wie die Daten auswiesen, einen überaus schlechten Ruf. Immer wieder hatten Völker von Manam‐Turu dieses Sonnensystem angeflogen und einen Versuch unternommen, sich dort anzusiedeln, denn die Bedingungen waren nicht schlecht. Aber offenbar hatte jede dieser Unternehmungen in einer Katastrophe
geendet. Ein paar Jahrhunderte lang hatten Raumfahrer aus allen Bereichen von Manam‐Turu scheu von dem Gespenstersystem geredet. Danach war das Sonnensystem in Vergessenheit geraten. Die Daten, die Khodar lesen konnte, zeigten auf, daß seit mindestens zwei Jahrtausenden niemand mehr einen offiziellen Versuch unternommen hatte, das System zu erkunden. Khodar stutzte. Das Wort Gespenster irritierte ihn. Wie Halphar, sein Kommandant, war Khodar ein Diener des Gwyn. Wie viele Ligriden verwandte er Meditationsund Entspannungsübungen, um eine vollendete Kontrolle über seinen Körper zu erlangen. Die Diener des Gward wiederum setzten gymnastische und Turnübungen ein, um ihre geistigen Fähigkeiten vervollkommnen zu können. Khodar war bei einem der berühmtesten Gward‐Meister ausgebildet worden. Dieser hatte bei besonders intensiven geistigen Übungen einen Zustand halluzinatorischer Trance erreicht, in der er Kontakt mit Verstorbenen aufnehmen konnte und seltsame Geistererscheinungen hatte. Bei aller Verehrung für seinen Meister hatte Khodar jedoch solche Phänomene immer wieder als mystischen Unfug abgetan. Das Wort Gespensterwelt ließ ihn nun wieder an diesen Meister denken. Gab es dergleichen vielleicht doch? Khodar beschloß, seinen Kommandanten auf die Eigentümlichkeiten des Systems aufmerksam zu machen. »Kommandant«, begann er, aber Halphar gebot ihm mit einer herrischen Bewegung zu schweigen. »Dranbleiben!« forderte der Ligride den Piloten auf. Khodar verzichtete auf einen zweiten Versuch, da er sich von Halphar keinen Tadel einhandeln wollte. Statt dessen betrachtete er das Geschehen auf den Monitoren. Es war offenkundig, daß Halphar alles daran setzte, seine Beute unversehrt zu fangen. Obwohl die DUNGAR längst auf Kernschußweite herangekommen
war, verzichtete Halphar darauf, auf das verfolgte Piratenschiff das Feuer eröffnen zu lassen. Das machte die Jagd allerdings schwieriger, denn das Piratenschiff war erheblich flinker und wendiger, vor allem im Kurvenflug, als die große DUNGAR. Immer wieder kam das ligridische Schiff beinahe so dicht auf, daß man hätte Traktorstrahlen einsetzen können, um das Piratenschiff zu fangen; aber im letzten Augenblick gelang es dem Piratenpiloten immer wieder zu entkommen. Währenddessen waren die anderen Piraten nicht untätig geblieben. Nachdem sie sich von ihrem ersten Schrecken erholt hatten, war ihnen aufgefallen, daß nur ein einziges ligridisches Schiff ihre Kreise störte. Infolgedessen machten sie sich daran, sich zu einem Angriff zu formieren und geschlossen die DUNGAR anzugreifen. Dieses Mal fragte Khodar nicht erst bei Halphar nach. Er nahm eine Schaltung vor, die dafür sorgte, daß auf dem großen Panoramaschirm eine verkleinerte Darstellung der sich formierenden Piratenflotte eingeblendet wurde. »Mögen sie nur kommen«, stieß Halphar hervor. Khodar versuchte sich vorzustellen, was an dem kleinen Piratenschiff so wichtig war, daß Halphar über dessen Verfolgung alles andere zu vergessen schien. Es sah ganz danach ausʹ, als handele es sich bei dieser Verfolgungsjagd um eine Angelegenheit der persönlichen Ehre des Kommandanten. Wieder einmal hatte sich das von Halphar verfolgte Schiff mit einem abenteuerlichen Manöver zeitweilig in Sicherheit bringen können. Jetzt stieß es mit hoher Fahrt hinab auf den Planeten. Die Taktik des Piraten war klar zu erkennen – auf dem Weg hinunter zur Planetenoberfläche gab es eine Ansammlung von Wracks, die als loser Pulk in einem stabilen Orbit um den Planeten kreisten. Für einen erfahrenen Piloten in einem kleinen, wendigen Schiff waren die Lücken in diesem Pulk gerade groß genug, um hindurchschlüpfen zu können. Die DUNGAR hätte entweder einen
Haken um den Pulk herum schlagen müssen, oder aber versuchen müssen, frontal durchzubrechen. Ob die Schutzschirme der DUNGAR einer solchen Belastung gewachsen waren, wagte Khodar zu bezweifeln. Halphar löste das Problem auf seine Weise. Er ließ die Wracks unter Beschuß nehmen und zerstörte so alle Objekte, die in der Flugbahn der DUNGAR lagen. Khodar warf wieder einen Blick auf seinen Monitor. Die Flotte der Piraten hatte sich formiert und näherte sich mit hoher Geschwindigkeit. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis die ersten Schiffe auf Schußweite an die DUNGAR herangekommen sein mußten. Wieder schlug das verfolgte Schiff einen Haken und zwang so auch die DUNGAR zu einer Kursänderung. Der Sinn des Manövers war sehr bald klar: Der Pilot des Piratenschiffs wollte die DUNGAR dazu zwingen, bei ihrer Verfolgung genau vor die Geschütze der heranjagenden Flotte zu laufen. Khodar warf einen Blick auf den Kommandanten. Halphar zeigte sich von diesem Manöver nicht im geringsten beeindruckt. Übertrieben leichtsinnig war Halphar allerdings nicht. Er ließ Gefechtsalarm der Stufe 2 auslösen. Das bedeutete, daß sämtliche Abteilungen der DUNGAR abgeschottet wurden. Falls es doch zu einem Treffer kam, und damit zu einem Vakuumeinbruch, wurde davon nur der unmittelbar getroffene Raum beeinflußt. In allen anderen Räumen des Schiffes blieben die lebenswichtigen Versorgungssysteme intakt. Mit versteinertem Gesicht betrachtete Khodar die Entfernungsangaben auf dem Ortungsschirm. Sie wurden immer geringer, und dann war jene Grenze erreicht, an der die Geschütze der Händler die Schutzschirme der DUNGAR erreichen konnten. Ein paar Augenblicke später schlugen die ersten Treffer in den Schirmen der DUNGAR ein. Ihre Wirkung war geradezu lächerlich gering. Trotz mehrerer
gleichzeitiger Treffer wurden die Schirmfelder der DUNGAR nur bis zu einem Drittel beansprucht. Zu Khodars Verwunderung ging ein großer Teil des Feuers der Piratenflotte sogar an dem Flaggschiff unter Halphars Kommando vorbei. Das war mehr als erstaunlich, denn auch die Geschütze der Piraten wurden von Positroniken gesteuert, die ihre Daten wiederum von ebenfalls positronisch gesteuerten Ortungssystemen bekamen. Da die DUNGAR ihren Kurs geradezu stur beibehielt, ließen sich diese Fehlschüsse mit normalen Umständen kaum erklären. Unwillkürlich warf Khodar wieder einen Blick auf den Schirm, auf den er sich die Daten über das System hatte einspeichern lassen. Eine Zeile des Textes schlug ihn förmlich in den Bann. In Raumfahrerkreisen, konnte Khodar lesen, wird von einem Fluch von Dawaggor gemunkelt. Khodar spürte, wie lähmendes Entsetzen ihn packte. Fluch von Dawaggor, das klang wie mystischer Hokuspokus, ähnlich den Geister gestalten, die sein Ausbilder gesehen hatte. So etwas wie Gespenster oder magisch wirksame Flüche gab es nicht: Khodar war naturwissenschaftlich geschult und wußte, daß alles Gerede über solche Phänomene blanker Unsinn war. Wenn er aber an sich selbst dachte, bekam dieser Ausdruck ein ganz anderes Gewicht. Konnte man das Verhängnis, das auf seiner Familie seit Generationen lastete, nicht ebenfalls als einen Fluch bezeichnen? Als Khodar zum ersten Mal von diesem Verhängnis gehört hatte, hatte er reagiert wie sein Vater und wie zuvor vermutlich alle männlichen Angehörigen der Familie. Er hatte versucht, das Phänomen aus seinem Bewußtsein zu verdrängen. Immer wieder hatte er in sich die Hoffnung aufgebaut, daß er der erste sein würde, der diese katastrophale Serie vorzeitiger Todesfälle unterbrach. Zum erstenmal wurde Khodar in diesen Augenblicken bewußt, daß der Tod ihn nicht in absehbarer Zeit, in Kürze oder bald treffen würde, sondern daß er bereits in den nächsten Stunden sterben
konnte, und dieser Gedanke lähmte den jungen Ligriden. Er schrak erst auf, als ein heftiger Ruck durch die DUNGAR ging und er einen empörten Ruf des Piloten vernahm. Khodar starrte auf seine Instrumente und erstarrte ein zweites Mal. Wenn die Anzeigen stimmten, dann hatte sich der Schutz des Schirmfelds rapide vermindert. Die Intensität des energetischen Feldes war um mindestens achtzig Prozent gesunken und der heftige Ruck, der die DUNGAR erschüttert hatte, stammte von ersten Treffern, die die Piraten hatten landen können. »Was hat das zu bedeuten?« fragte Halphar scharf. Khodar machte eine hilflose Geste. »Ich weiß es nicht«, stieß er hervor. In der Zentrale der DUNGAR machte sich Nervosität breit. Halphars Flaggschiff war eine der stärksten Schiffseinheiten, über die die ligridische Flotte verfügte. In der Zentrale konnte man sich sehr sicher fühlen, vor allem dann, wenn man von so unterlegenen Gegnern angegriffen wurde. Doch in diesen Minuten durchschlug Treffer auf Treffer die Schirme des Flaggschiffs. Aus allen Sektionen trafen Schadensmeldungen in der Zentrale ein. »Die Steuerung reagiert nicht mehr richtig«, warf der Pilot ein. Halphar stieß einen Fluch aus. Die Rettungsautomatiken griffen in das Geschehen ein. Automatisch wurden Sicherheitsgurte angelegt und fesselten die Besatzung an ihre Stühle. Wieder wurde das Schiff getroffen. Khodar wurde mit furchtbarer Gewalt nach vorne geworfen und spürte schmerzhaft, wie sein Körper auf die Gurte aufprallte, die ihn hielten. In der Zentrale der DUNGAR wurden Schreie laut. »Ruhe!« schrie Halphar. Seine Stimme war laut, aber sie verriet keinerlei Unsicherheit oder Angst. Khodar versuchte sich an der Unerschütterlichkeit seines Kommandanten innerlich aufzurichten, aber es gelang ihm nicht. Panik hatte ihn erfaßt. »V‐Antrieb starten!« bestimmte Halphar. Khodar stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
Der Raum‐Zeit‐Antrieb versetzte das gesamte Schiff um einige Sekundenbruchteile in die Zukunft und machte es damit für die Piraten nahezu unangreifbar. Khodar wußte allerdings, daß diese Maßnahme im gegenwärtigen Fall in Halphars Augen einer kleinen Niederlage gleichkam. Halphars Sorgen aber waren Khodar in diesem Augenblick völlig gleichgültig; er wollte nur so schnell wie möglich aus dieser gefährlichen Lage heraus. Um so größer war sein Erschrecken, als der Pilot plötzlich hervorstieß: »V‐Antrieb defekt, Kommandant!« Halphar fuhr herum. Fassungslos starrte er den Piloten an. »Was hat das zu bedeuten?« fragte er scharf. Khodar schloß die Augen. Er wußte, was es zu bedeuten hatte. Die DUNGAR hatte sich dem Planeten Dawaggor zu sehr genähert. Der Fluch von Dawaggor hatte sie erfaßt. 2. Ich konnte es kaum glauben. Noch vor wenigen Minuten hatte es so ausgesehen, als gäbe es für uns keinerlei Möglichkeit mehr, Halphar zu entkommen. Und niemand anders als der Ligride Halphar mußte der Befehlshaber des Schiffes sein, das ausgerechnet jenes Händlerschiff so hartnäckig verfolgte, in dem ich versuchte, Dawaggor zu erreichen. Der Pilot unseres Schiffes war zweifelsfrei ein Könner, aber er hatte gegen das riesenhafte Flaggschiff von Halphar keinerlei Chance. Wäre der Ligride nicht so versessen darauf gewesen, uns lebend einzufangen, wäre diese ungleiche Jagd schon nach sehr kurzer Zeit zu Ende gegangen. So aber hatten wir es immer wieder geschafft, einer Gefangennahme knapp zu entgehen. Die Jagd hatte sich umgekehrt. Jetzt war es Halphars Schiff, das
von der Händlerflotte attackiert wurde. Mit beträchtlicher Verwunderung stellte ich fest, daß die Schutzschirme von Halphars Schiff offenbar nicht ausreichten, den Schiffskörper gegen den massiven Beschuß abzuschirmen. Immer wieder wurde Halphars Schiff getroffen, und diese Treffer zeigten Wirkung. Die Oberfläche von Halphars Schiff war übersät mit Flecken, die in allen Schattierungen von weiß bis dunkelrot schimmerten. Auch ein Teil der Bewaffnung von Halphars Schiff schien außer Gefecht gesetzt zu sein. Unverständlich war mir, daß Halphar noch keinen Notruf abgeschickt hatte. Es konnte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis er mit seinem Schiff völlig vernichtet war. Ich warf einen Blick auf Sspordon, der den Platz des Kopiloten eingenommen hatte und fasziniert auf die Darstellung der Kämpfe auf dem großen Hauptmonitor starrte. »Was habt ihr mit ihm vor?« fragte ich den Grelldyrer. Sspordons Stimme klang mitleidslos, als er antwortete: »Wir werden ihn vernichten.« Ich preßte die Lippen aufeinander. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, daß die Händler von Manam‐Turu unter dem Regime der Ligriden viel zu leiden gehabt hatten. Auch der Erfolg, den Sspordon gerade verzeichnen konnte, die erfolgreiche Befreiung der Gefangenen in BASTION‐V, hatte viele Opfer gekostet, und die Erbitterung der Händler war daher nur verständlich. Auf der anderen Seite aber war das, was sich im Weltraum in der Nähe von Dawaggor abspielte, längst kein Kampf mehr, sondern wurde mehr und mehr zum Gemetzel. Die Besatzung des ligridischen Schiffes mußte längst die Kontrolle über die Funktionen des Raumers verloren haben. Die Antriebsaggregate arbeiteten unregelmäßig, und immer wieder wurde das Schiff von Treffern zur Seite geworden. »Wollt ihr nicht versuchen, Halphar gefangenzunehmen?« fragte ich Sspordon. Der Grelldyrer machte eine abwehrende Geste.
»Aussichtslos«, antwortete er knapp. »Einen normalen Ligriden lebend zu fangen, ist schon schwierig genug, Halphar werden wir so nie bekommen.« »Gerade bei Halphar bin ich mir nicht so sicher«, antwortete ich. Der Grelldyrer warf mir einen Blick zu, der mir offenes Mißtrauen verriet. »Du scheinst Halphar sehr gut zu kennen«, bemerkte Sspordon. »In BASTION‐V habe ich meine Erfahrungen mit ihm gemacht«, antwortete ich. Ich warf einen Blick zur Seite, auf Chipol, den jungen Daila. Wir mußten vorsichtig mit ihm umgehen, denn er war einige Male an Bord von BASTION‐V von Hyptons verhört worden, die höchstwahrscheinlich seinen Willen entscheidend geändert hatten. Chipol selbst hatte natürlich von dieser Manipulation nichts gespürt, und er war sich ihrer auch nicht bewußt. Wahrscheinlich war Chipol zu diesem Zeitpunkt bereits so manipuliert worden, daß er mehr auf Seiten der Hyptons stand als auf einer anderen, mich eingeschlossen. Unter diesen Umständen war allerdings verwunderlich, mit welch unverhohlener Freude der junge Daila zusah, wie die Händler Halphars Schiff attackierten. Ich verzichtete darauf, einen weiteren Versuch zu unternehmen, etwas für Halphar zu tun. Die Händler schienen fest entschlossen, sich an dem Ligriden zu rächen. Unser Schiff steuerte nun auf geradem Kurs Dawaggor an, und der Pilot leitete das Landemanöver ein. Mit optischen Mitteln war von dem Kampf um Halphars Schiff jetzt nichts mehr zu erfassen, nur die Energieortung zeigte noch an, daß im Raum um Dawaggor gekämpft wurde. Während des Landeanflugs ließ sich der Pilot unseres Schiffes Zeit und gab mir damit Gelegenheit, Dawaggor etwas näher zu betrachten. Der Bereich des Planeten, den ich aus der Zentrale des Schiffes heraus beobachten konnte, war reich bewaldet. Doch aus der Luft
heraus war schon zu sehen, daß dies nicht immer der Fall gewesen sein konnte. Deutlich erkennbare Strukturen in der Oberfläche der Waldgebiete zeigten an, daß darunter vermutlich ausgedehnte Ruinenfelder zu finden waren, die der Wald überwuchert hatte. Ab und zu waren auch Ruinen zu sehen, in der Regel die Überreste von hohen, schlanken Türmen, die schon vor langer Zeit eingestürzt sein mußten. Ich hatte den Verdacht, daß unter dem Grün des Waldes die Überreste von Städten lagen, die vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden einmal eine zahlreiche Bevölkerung gehabt haben mußten. Ich wandte mich an Sspordon. »Wer außer den Händlern wohnt noch auf diesem Planeten?« fragte ich. Sspordon gab einige Laute der Heiterkeit von sich. »Gespenster«, sagte er dann trocken. »Aber du brauchst dich nicht zu fürchten, uns tun sie nichts.« »Gespenster?« fragte ich verblüfft. »Richtig«, bestätigte Sspordon. »Warte es ab, du wirst sie noch kennenlernen. Nur eines mußt du wissen, wenn sie dich auffordern, ihnen zu folgen, dann bleib, wo du bist. Einige unserer Leute haben solche Angebote angenommen und sind auf Nimmerwiedersehen verschwunden.« Der Pilot unseres Schiffes hatte die Fahrt inzwischen so verlangsamt, daß das Schiff gemächlich auf den Boden zu sank. Ich konnte allerdings keine Landefläche erkennen, auf der das Schiff hätte aufsetzen können. Unter uns war nur ein dichtes Laubdach. Das Schiff sank langsam tiefer, schob sich durch das Dach, und dann sah ich unter mir die Stadt der Händler. »Deshalb hat man uns hier nie finden können«, verkündete Sspordon stolz. In der Tat war dieser Bereich von Dawaggor als Versteck für eine Händlerflotte geradezu ideal. Unwillkürlich hatte ich den Begriff Wald mit dem Verbunden, was ich beispielsweise von der Erde, her kannte. Auf Dawaggor waren die Verhältnisse anders. Selbst die größten Bäume auf der Erde, die ich je gesehen hatte, waren vergleichsweise winzig, verglichen mit den Riesen, die den
Boden von Dawaggor bedeckten. Einige dieser Giganten hatten an der Wurzel Durchmesser von hundert und mehr Metern und ragten fast einen halben Kilometer hoch in die Atmosphäre. Auf dem großen Teil der Länge waren diese Stämme völlig glatt, nur an der Spitze gab es gewaltig ausufernde, dicht belaubte Kronen. Während dieser Wald aus der Luft einen kompakten, ja nahezu undurchdringlichen Eindruck machte, bot er in Bodennähe einen gänzlich anderen Anblick. Zwischen den riesenhaften Stämmen gab es genügend Platz, um Gebäude zu errichten, ja sogar Landefelder zu erstellen für Raumschiffe bis zu einer beachtlichen Größe. Der Pilot hatte inzwischen die Belüftung umgestellt. Wir bekamen unsere Atemluft jetzt nicht mehr aus den Tanks des Schiffes, sondern von der Außenwelt. Der Unterschied war sofort zu spüren. Der Geruch, der jetzt wahrzunehmen war, schmeckte ein wenig nach Moder. Die Luft war kühl und ein wenig feucht. Der Pilot zog sie in tiefen Zügen ein. »Unverkennbar Dawaggor«, sagte der Pilot. Das Schiff hatte inzwischen aufgesetzt und war zur Ruhe gekommen. Bevor wir die Zentrale verließen, warf ich einen letzten Blick auf die Anzeigen der Energietaster. Die Meßwerte verrieten, daß es draußen im Raum eine heftige Freisetzung großer Energiemengen gegeben hatte – ich vermutete, daß dies das Ende von Halphars Schiff bedeutete. Daß damit das Kapitel der Ligriden ein für allemal beendet war, wagte ich nicht zu hoffen. Ich ahnte, daß ich mit diesem kriegerischen Volk noch des öfteren in Manam‐Turu zu tun haben würde. Wir verließen das Händlerraumschiff und traten ins Freie. Der Boden war nicht zu sehen, denn das Gelände wurde von einer kniehohen Nebelschicht bedeckt, die keinen Blick auf den Untergrund zuließ. Der leichte Modergeruch, den ich bereits in der Zentrale des Händlerschiffs hatte wahrnehmen können, fiel hier noch stärker auf. Dazu kam die seltsame Beleuchtung. Das Blätterdach über unseren
Köpfen ließ zwar genügend Licht durch, um alle Dinge erkennbar werden zu lassen, aber mehr als ein dämmriges Zwielicht war auf diese natürliche Weise nicht zu erreichen. Dawaggor machte augenscheinlich seinem Beinamen alle Ehre. In der Tat wirkte die Szenerie eher wie einem Gruselfilm entlehnt. Chipol sah sich scheu um. Ich sah, daß er ein wenig fröstelte. »Komm mit«, bestimmte Sspordon. »Ich werde dir die Stadt zeigen.« Wir mußten zu Fuß gehen, denn alle verfügbaren Gleiter waren im Einsatz, um aus den landenden Händlerschiffen die Verwundeten zu bergen und in die Krankenstationen zu schaffen. Ein Schiff nach dem anderen suchteʹ diesen seltsamen Raumhafen auf. »Auf der anderen Seite von Dawaggor gibt es einen Platz, der groß genug ist, um sogar die Transporter dort zu verstecken«, bemerkte Sspordon. »Glaubst du uns jetzt, daß die Ligriden dieses Versteck niemals entdecken werden?« »Sie haben es bereits entdeckt«, merkte ich an. Sspordon machte eine abwehrende Geste. »Halphar ist nicht mehr dazu gekommen, einen Funkspruch abzusetzen«, widersprach er mir. Ich nickte. »Aber er wird in BA‐STION‐V wenigstens eine Nachricht hinterlassen haben, wohin er fliegt«, wandte ich ein. »Früher oder später werden andere ligridische Schiffe hier auftauchen.« »Sollen sie«, meinte Sspordon. »Sie werden uns nicht finden, und selbst wenn – sie werden den Fluch von Dawaggor schon zu spüren bekommen. Uns ist dieser Planet freundlich gesinnt.« Nach einer halben Stunde Marsch erreichten wir den Rand der Sfadt. Sie wurde Warddon genannt und bot nach Sspordons Angaben Platz genug für annähernd zehntausend Händler, die hier lebten. Ein Teil der Gebäude entstammte ersichtlich der Produktion der Händler selbst. Die Mehrzahl der Häuser aber zeigte einen architektonischen Stil, der sich vom Geschmack der Händler kraß unterschied. Außerdem war vielen dieser Gebäude das hohe Alter
deutlich anzusehen. »Ich werde euch zum Händlerrat führen«, erklärte Sspordon. »Dort wird sich entscheiden, was weiter aus euch werden soll.« Er warf mir einen scheelen Blick zu. »Ich rate dir, etwas mehr über den Erleuchteten zu erzählen«, merkte er dann an. Ich ging darauf nicht ein. Chipol ging unmittelbar neben mir, und ich wußte nicht, auf welcher Seite er stand. Noch konnte ich nicht abschätzen, in welchem Maß die Hyptons den Willen des jungen Daila bereits beeinflußt hatten. Sspordon schien meinen kurzen Seitenblick auf Chipol bemerkt und richtig interpretiert zu haben. »Das bekommen wir wieder hin«, verkündete er. »Schließlich haben wir auch unsere Erfahrungen mit den Hyptons gemacht.« Ich konnte sehen, daß Chipol ein wenig zusammenschrak. Für den jungen Daila mußte die Lage bedrückend sein. Seine Gedanken waren vermutlich so verwirrt, daß er nicht mehr wußte, an was oder wen er sich halten sollte. In seiner Vorstellungswelt war er vermutlich nur von Feinden umgeben. In der Stadt schien niemand von uns Notiz zu nehmen. Die Händler waren mit ihren eigenen Geschäften mehr als ausreichend beschäftigt, und in der Vielfalt der Völker, die hier anzutreffen waren, fielen weder der junge Daila noch ich besonders auf. Ein wenig erinnerte mich Dawaggor mit seiner buntscheckigen Bevölkerung an den Planeten Lepso in der heimatlichen Milchstraße. Allerdings ging es auf Dawaggor erheblich gesitteter zu als auf Lepso. Streithähne und Raufhändel gab es auf beiden Welten. Ein paar Dutzend Schritte von mir entfernt sah ich zwei Gestalten, die miteinander kämpften. Die Köpfe waren von ledernen Helmen bedeckt, die Leiber steckten in dicken, ledernen Rüstungen mit wattierten Polstern, und die beiden gingen mit langen, nach vorne gekrümmten Säbeln aufeinander los. Zu meiner Verwunderung machte Sspordon keinerlei Anstalten, in dieses Gefecht einzugreifen.
Auch die anderen Händler, die wir sehen konnten, kümmerten sich nicht um die Kontrahenten. Den Grund begriff ich erst, als Sspordon weitermarschierte und dabei einfach durch die beiden hindurchspazierte, als gäbe es sie gar nicht. Ich sah, wie Chipol schluckte. »Kommt!« rief Sspordon und winkte uns zu. »Um die beiden braucht ihr euch nicht zu kümmern, das sind nur Gespenster.« Die beiden Kämpfer wirkten völlig lebensecht. Und trotz Sspordons Hinweis verspürte ich ein gewisses Unbehagen, als ich auf sie zuging. Mühelos glitt ich durch einen der Körper hindurch. Das einzige, was ich spürte, war ein sanftes Prickeln. »Das sind die Geister von Dawaggor?« fragte ich Sspordon. Das Krakenwesen machte eine Geste der Bestätigung. »Sie tauchen überall auf«, berichtete er. »Zu jeder Tages‐ und Nachtzeit. Man braucht ein paar Wochen, um sich an sie zu gewöhnen. Gefährlich sind sie nicht, nur ab und zu ein bißchen lästig.« Sspordon hatte durchaus recht. Auch ich brauchte einige Zeit, um die Vorgänge einordnen zu können. Ebenso wenig wie die Händler um die Geister kümmerten sich die Gespenster um die Händler. Sie setzten ihren Zweikampf fort, als existierten die Händler gar nicht. Ich blieb eine Weile stehen, um den beiden zuzusehen. Die Darstellung wirkte verblüffend realistisch. Ich sah Funken sprühen, wenn die Klingen aufeinander trafen, ich hörte den keuchenden Atem der beiden Kämpfer, konnte das Leder und einen starken Schweißgeruch wahrnehmen. Auf der anderen Seite machte der Zweikampf einen unwirklichen Eindruck, denn die beiden Kontrahenten begannen plötzlich, sich in einer Art und Weise zu bewegen, die mit den Gesetzen der Natur nicht mehr in Einklang zu bringen waren. Sie stiegen imaginäre Treppen hinauf und kämpften plötzlich mitten in der Luft. »Lustig, nicht wahr?« fragte Sspordon. »Sie müssen irgend etwas
mit der Vergangenheit dieses Planeten zu tun haben. Unsere Gebäude nehmen sie nicht wahr, sie spazieren einfach hindurch. Die altert Häuser aber sind für sie existent.« Die nächsten Aktionen der Duellanten bestätigten, was Sspordon gesagt hatte. Das Extrahirn half mir dabei, die unsichtbare Realität der beiden Kämpfer zu rekonstruieren. Wenn ich die Vorgänge richtig begriff, dann standen die beiden auf einer Terrasse und trugen ihr Gefecht dort aus. Einer der beiden wurde an die Brüstung gedrängt, ließ sich hintenüber fallen und landete drei Meter tiefer auf dem Boden. Daß er dabei in einen Gleiter hineinstürzte, der diesen Ort gerade passierte, schien der Gestalt nichts auszumachen. Auch der Pilot des Gleiters nahm den Vorfall ungerührt zur Kenntnis und fuhr einfach weiter. »Dort hat vor ein paar Jahren noch ein Haus gestanden«, informierte mich Sspordon. »Wir haben es abgerissen, um Platz für die Straße zu bekommen. Die beiden haben das offenbar noch nicht mitbekommen.« »Wie viele dieser Gespenster gibt es?« wollte Chipol wissen. Der Klang seiner Stimme verriet mir, daß der Anblick der Geister von Dawaggor an den Nerven des jungen Daila zerrte. »Unzählige«, antwortete Sspordon. »Sie können überall auf dem Planeten auftreten. Meist kommen sie in kleinen Gruppen, aber ab und zu feiern sie richtige Feste. Einmal im Jahr müssen wir die Stadt regelrecht räumen, denn dann veranstalten sie hier in unserer Hauptstadt ein Fest mit soviel Lärm, daß an Schlaf nicht mehr zu denken ist. Aber ansonsten lassen sie uns in Ruhe und wir lassen sie in Ruhe.« Ich hätte gern noch mehr über diese Geister gewußt, aber Sspordon trieb uns zur Eile. »Kommt!« rief er. »Der Händlerrat wartet.« Wir setzten uns wieder in Bewegung. Der Rat der Händler war in einem Gebäude im Herzen der Stadt untergebracht. Dieses Bauwerk stammte, wie ich auf den ersten
Blick feststellen konnte, noch aus der Zeit der Urbewohner des Planeten. Es war ein hoher Kuppelbau, umringt von einer Gruppe von mindestens sechzig Türmen, die schlank und seltsam gedrechselt in den Himmel hinaufragten. Das Material, aus dem dieses Gebäude bestand, zeigte jenen gleißenden, goldenen Farbton, den man auf der Erde mitunter jsehen konnte, wenn bei sinkender Sonne ein ruhiges Gewässer bestrahlt wurde. Getrübt wurde dieser beeindruckende Anblick allerdings durch das geschäftige Treiben der Händler, das mich an die Zustände auf einem orientalischen Basar erinnerte. Bei den im Weltraum kämpfenden Händlern hatte ich eine bewundernswerte Disziplin festgestellt, hier aber waren die Verhältnisse gänzlich anders. Der Trubel wirkte, als habe eine mittelalterliche Räuberbande sich ein verlassenes Königsschloß zum Hauptquartier gewählt. Am Eingang des Gebäudes wurden wir von nüchtern dreinblickenden Wachen in Empfang genommen und mußten unsere Waffen abgeben. Danach führte Sspordon uns durch die Hallen und Gänge des Palasts. Die Händler hatten sich in dem Gebäude eingerichtet und dabei sehr wenig Rücksicht auf die früheren Verwendungsmöglichkeiten der Zimmer genommen. In einer großen Halle, die mich an die großartigen Thermen des Diokletian erinnerte, war lebende Fracht untergebracht worden – Tausende von Tieren von allen nur denkbaren Welten der Galaxis Manam‐Turu. In einem anderen Raum, an den Wandgemälden unschwer als Speiseraum zu identifizieren, waren bis unter die Decke Waffen gestapelt. Sspordon führte uns in einen Seitentrakt des Palastgebäudes. Dort wurden uns Wohnräume zugewiesen. Sie waren anheimelnder und gemütlicher als alles, was ich in der letzten Zeit an Unterkunft hatte benutzen müssen. Aber in einem Punkt unterschied sich diese Unterbringung in nichts von den Räumen an Bord der ZYRPHʹOʹSAT oder der BASTION‐V. Welche Aufgabe die mitunter
recht skurril aussehenden Beuterobots hatten, die sich in der Nähe unserer Quartiere aufhielten, war nicht zu übersehen – sie sollten uns bewachen. Sspordon ließ uns eine halbe Stunde Zeit, die Kleidung zu wechseln, dann setzten wir unseren Marsch durch den Palast der Händler fort. Chipol machte dabei ein sehr mürrisches Gesicht, und aus der Art und Weise, wie er seine Blicke wandern ließ, folgerte ich, daß der junge Daila unablässig daran dachte, wie er wohl entkommen konnte. Der Rat der Händler, dem uns Sspordon vorstellte, bestand aus je einem Exemplar jeder Spezies, die an dem buntscheckigen Gemisch der Völker bei den Händlern beteiligt war. Es waren mehr als fünfzig. Der Rat tagte in einer schmucklosen Halle, und die Atmosphäre in diesem Raum war sachlich kühl. Die Blicke, die mich trafen, verrieten Neugierde und Interesse, aber auch ruhiges Abwägen. Ich begann zu ahnen, daß ich vor diesem Gremium einen schweren Stand haben würde. 3. Khodar zitterte am ganzen Leib. Er hatte die linke Hand an die rechte Schulter gepreßt, und zwischen seinen Fingern sickerte Blut hervor. Sein Atem ging fliegend, und sein Blick wanderte unstet durch das, was einmal die Zentrale der DUNGAR gewesen war. »Wrack« wäre noch eine hochtrabende Bezeichnung für das gewesen, was die Piraten aus Halphars stolzem Flaggschiff gemacht hatten. Das ligridische Schiff war nicht mehr als ein glühender Schrotthaufen, der antriebslos im Raum schwebte und allen Angriffen der Piraten schutzlos preisgegeben war. Alle Kontakte nach außen waren längst abgerissen. Der weitaus größte Teil der DUNGAR war hoffnungslos zerstört. Daß die Zentrale der
DUNGAR noch keinen Volltreffer abbekommen hatte, konnte Zufall sein. Vielleicht war es aber auch eine boshafte Taktik der Händler, die sich dadurch an Halphar rächen wollten, daß sie die endgültige Vernichtung seines Schiffes solange wie möglich hinauszögerten. Khodar hatte sich mit den Beinen an einem Trümmerstück festgeklammert, um nicht weggetrieben zu werden. Die künstliche Schwerkraft war ebenso ausgefallen wie das Licht. In kurzer Zeit würde vermutlich auch die Lufterneuerung endgültig ausfallen. Die einzige Beleuchtung, die es noch gab, bestand in irisierenden Entladungen, die über die Wände der halbzerstörten Zentrale der DUNGAR tanzten. In diesem geisterhaften Licht konnte Khodar sehen, daß es außer ihm vermutlich nur noch einen einzigen Überlebenden an Bord des Flaggschiffs gab – Halphar selbst. Mehr als einmal war Khodar nahe daran gewesen, den Verstand zu verlieren. Angst und Entsetzen schüttelten den jungen Ligriden. Aber er wagte nicht, diese Gefühle auszudrücken. Die unerschütterliche Gelassenheit, mit der Halphar eine Katastrophennachricht nach der anderen entgegengenommen hatte, hatte Khodar davon abgehalten. Auch jetzt, vermutlich nur wenige Augenblicke vor dem Ende, verrieten Halphars geisterhaft beleuchtete Gesichtszüge keinerlei Gemütsregung. Wieder wurde das Schiff getroffen. Khodar verlor den Halt und segelte quer durch den Raum. Er prallte gegen die Wand und stieß einen Schrei aus, als er mit der verletzten Schulter gegen das Metall stieß. »Ruhe!« erklang die Stimme Halphars. »Wozu noch?« schrie Khodar zurück. Eine unbändige Wut brandete in dem jungen Ligriden hoch. Wut auf alles und jedes – vor allem natürlich auf Halphar, seinen Kommandanten. Khodar öffnete gerade den Mund, um diese Wut Halphar entgegenzuschreien, als er etwas sah, was ihn augenblicklich erstarren ließ. Eine kleine, schwach leuchtende Wolke erschien mitten in der
Zentrale, wuchs und schwoll an und gewann dabei an Konturen. Khodar ruderte mit der unverletzten Hand und fand endlich etwas, woran er sich festhalten konnte. Den Blick hielt er unverwandt auf das Phänomen in der Mitte der Zentrale gerichtet. Die Gestalt wurde deutlicher. Die Umrisse eines Lebewesens schälten sich aus dem leuchtenden Gebilde, und nach einiger Zeit erkannte Khodar eine Gestalt, die ihn unwillkürlich an seinen Gward‐Lehrer erinnerte. Hochgewachsen, mit zwei Armen und Beinen, gekleidet in einen lose fallenden Umhang, den Kopf bedeckt mit einer tief ins Gesicht gezogenen Kapuze. »Kommt«, wisperte eine kaum vernehmbare Stimme. »Kommt!« »Was ist das?« stieß Khodar hervor. Halphar machte eine Gebärde der Ratlosigkeit. »Wir werden es bald wissen«, sagte er entschieden und ruderte auf die Gestalt zu. Zum erstenmal seit geraumer Zeit konnte Khodar wieder die Augen des Kommandanten sehen, und Halphars Blick verriet, daß auch der Kommandant von BASTION‐V Angst empfinden konnte. Schwerelos trieb Halphar auf die Gestalt zu, erreichte sie und hielt sich daran fest. Khodar konnte sehen, wie die Gestalt in der langen Kutte die Arme ausbreitete und Halphar damit einhüllte. Ein paar Sekundenbruchteile später sah Khodar entsetzt, wie sich Halphar gleichsam aufzulösen begann. Der Körper des Kommandanten wurde nebelhaft weiß, verschmolz mit der Gestalt des Kapuzenträgers, die sich ebenfalls aufzulösen begann, und dann verwehte dieser Nebel scheinbar ins Nirgendwo. Feine Schwaden ʹtrieben davon und versickerten in den Wänden. Khodar preßte eine Hand vor den Mund, um zu verhindern, daß seine Zähne zu klappern begannen. Was hatte dieses gespenstische Phänomen zu bedeuten? Es gab in der ligridischen Mystik eine Erscheinung, die als der personifizierte Tod bezeichnet wurde und von der es hieß, daß sie besonders tapfere und befähigte Ligriden am Ende eines heldenhaft geführten
Lebens zu sich holte in die Gefilde der Siegreichen. Khodar hatte solchen Unfug niemals geglaubt – aber jetzt? Er hielt den Atem an, als ein paar Augenblicke später sich wieder eine Gestalt in der Mitte der Zentrale zu formen begann. Wieder erschien der Kapuzenträger, und wieder erklang die leise Stimme. »Komm, wir spielen ein neues Spiel.« Khodar wußte nicht, was er tun sollte. Er wußte nur eines – wenn er noch länger an diesem Ort blieb, würde er die nächsten Minuten nicht überleben. Selbst wenn die Piraten von der DUNGAR abließen, würde dies sein Leben nicht retten. Khodar stieß sich von der Wand ab und glitt auf die Gestalt zu. Als er die Hände ausstreckte, um sich an dem Körper festzuhalten, verspürte er eine fürchterliche Kälte, die von seinen Fingerspitzen ausging und in der Zeit eines Herzschlags hinaufschoß bis zu den Armen. Unwillkürlich wollte Khodar sich wieder abstoßen, aber das brachte er nicht mehr fertig. Das Phantom streckte die Arme aus und schloß Khodar ein. Diese gräßliche Kälte verbreitete sich weiter in Khodar, bis sie seinen ganzen Körper erfüllte. Auch seine Gedanken und Empfindungen schienen gleichsam einzufrieren bis auf einen winzigen Rest, und dieser Rest bestand aus schierer Angst. Khodar konnte nichts mehr hören, nichts mehr sehen, nichts mehr fühlen. Eine ungeheure Müdigkeit bemächtigte sich seiner, eine Müdigkeit, die ihn in einen Schlaf hinabzuzerren schien, aus dem es kein Erwachen mehr geben konnte. Er spürte, wie der letzte wache Rest seines Bewußtseins sich gleichsam aufzulösen begann, und dann war da nur noch Dunkelheit. * Halphar erwachte bei strahlendem Sonnenschein. Unwillkürlich machte er als erstes jene Geste, die bei allen Ligriden wohlbekannt war, bei fremden Völkern allerdings immer wieder auf
Unverständnis stieß. Er überprüfte den Sitz seines Helmes. Die Hinterköpfe der Ligriden waren extrem empfindlich, und das Tragen eines Helmes daher unbedingt erforderlich, um Unfälle zu vermeiden. Aus dieser Notwendigkeit hatten die Ligriden einen Kult gemacht und ihn in ihren Ehrenkodex integriert. Ohne Kopfbedeckung gesehen zu werden, war für einen Ligriden eine Schande, und das Recht abgesprochen zu bekommen, einen Helm zu tragen, kam einem gesellschaftlichen Todesurteil gleich. Halphar stieß einen leisen Seufzer aus, als er den vertrauten Helm unter seinen Fingern spürte. Danach erst machte er sich daran, seine Umgebung zu erkunden. Er lag der Länge nach ausgestreckt auf einem weichen Boden auf einer Waldlichtung. Ringsum war nichts zu sehen, was gefährlich oder bedrohlich hätte sein können. Halphar schloß kurz die Augen und überprüfte auf meditativem Weg seine Körperfunktionen. Er war ein wenig geschwächt, aber ansonsten unverletzt und im Vollbesitz seiner Kräfte. Da er sich alleine wußte, nahm sich Halphar die Freiheit, einen tiefen Seufzer der Erleichterung auszustoßen. Er wußte selbst nicht, wie er es fertiggebracht hatte, das Ende seines Flaggschiffs zu überleben, aber das war in dieser Situation für ihn nicht entscheidend. Wichtig war nur, daß er noch lebte und hoffentlich bald wieder in der Lage war, seine Jagd auf Atlan fortsetzen zu können. Halphar stand auf. Geräusche in der Nähe verrieten ihm, daß sich ein Lebewesen seinem Standort näherte. Halphars Hand fuhr zur Waffe. Erleichtert ließ der Kommandant die Waffe sinken, als er in dem Näherkommenden einen Ligriden erkannte. Da es in diesem Raumgebiet keinen Ligriden gab, der Halphar nicht untergeordnet gewesen wäre, fiel der Kommandant sofort wieder in seine alte Befehlshaltung zurück. »Wo sind wir?« fragte er den Näherkommenden, ohne dessen Gruß zu beantworten.
»Auf Dawaggor«, antwortete der Ligride. Er setzte sich, ohne auf Halphars Erlaubnis zu warten. Unter anderen Umständen hätte Halphar diesen Frechling dafür Strafdienst leisten lassen, aber für diesmal wollte er die Unverschämtheit durchgehen lassen. Außerdem konnte er kaum glauben, daß es außer ihm auf Dawaggor überhaupt einen Ligriden geben sollte. Dawaggor war ein Versteck der Piraten, und Halphar konnte sich nicht vorstellen, daß ein Ligride mit diesem Gesindel zusammenarbeiten konnte. »Bist du sicher, daß dies Dawaggor ist?« fragte er sein Gegenüber. »Völlig sicher«, antwortete der Ligride. »Schließlich bin ich hier geboren.« Halphar konnte sein Erstaunen nur mühsam verbergen. »Eine ligridische Siedlung auf Dawaggor?« fragte er entgeistert. »Ich bin kein Ligride«, antwortete sein Gegenüber. »Ich habe nur diese Gestalt angenommen, weil ich vermute, daß sie dir am vertrautesten ist.« Der falsche Ligride beschrieb mit den Händen seltsame Bewegungen in der Luft. Und wenig später tauchten wie aus dem Nichts zwei Stühle, ein Tisch und auf dem Tisch verschiedene Mahlzeiten auf. »Setz dich, und bediene dich! Du wirst Hunger haben.« Halphar war tatsächlich sehr hungrig, und er folgte der Aufforderung. Einige von den Speisen erschienen ihm nicht sonderlich schmackhaft, und er ließ sie stehen. Andere hingegen waren nach ligridischen Begriffen kleine Delikatessen. Sein Gegenüber wartete, bis Halphar seinen Hunger und seinen Durst gestillt hatte. Halphar seinerseits nutzte die Pause, um in gewohnter Manier Informationen über sein Gegenüber zu sammeln und die Lage geistig zu erkunden. Einmal mehr kam er mit den Daten, die er fand, nicht ganz zurecht. So fiel ihm beispielsweise auf, daß die Sonne, die am Himmel zu sehen war, eine erheblich hellere Farbe hatte, als sie es nach seinen Erinnerungen haben durfte. Halphar
folgerte daraus, daß sein Gegenüber ihn belog. »Wenn du kein Ligride bist, was bist du dann?« fragte Halphar schließlich, als er seine Mahlzeit beendet hatte. »Ein Bewohner dieses Planeten Dawaggor«, antwortete der falsche Ligride. »Gefällt dir unsere Welt?« Halphar war es nicht gewohnt, Lebewesen oder Planeten nach ästhetischen Kriterien zu beurteilen. »Nun ja«, meinte der Kommandant von BASTION‐V. Sein Gegenüber lächelte. »Du kannst es auch anders haben.« Halphar glaubte Haluzinationen zu haben, als sich die Szenerie binnen weniger Augenblicke grundlegend veränderte. Statt auf einer Waldlichtung befand er sich nun mit seinem Gesprächspartner in einer Felswüste. »Oder magst du es so lieber?« Wieder veränderte sich die Szenerie. Diesmal fand sich Halphar auf einer Terrasse wieder. Ein paar Schritte vor ihm und fünfzig Meter tiefer brandete eine wilde See gegen Felsen. Hinter der Terrasse war ein prachtvolles Gebäude zu erkennen. Halphar beschloß, sich seine Verblüffung nicht anmerken zu lassen. »Teleportation?« fragte er knapp. Sein Gegenüber lachte wieder. »Du wirst es noch begreifen«, sagte der falsche Ligride. »Laß dir nur Zeit.« Das letzte, was Halphar in dieser Situation tun wollte, war Zeit verlieren. Seine Aufgabe war es, Atlan zu finden und zu stellen. »Daß du kein echter Ligride bist, will ich dir glauben«, sagte Halphar. »Ein wirklicher Ligride würde mir mit mehr Respekt begegnen. Was ich dir hingegen nicht glaube, ist, daß dies Dawaggor ist. Dawaggors Sonne ist erkennbar dunkler.« Sein Gegenüber machte eine Geste der Verneinung. »Richtig«, sagte er. »Dies ist nicht der Planet, den du kennst. Es ist unser Dawaggor.«
Halphar unterdrückte den Impuls, seinem Gegenüber klarzumachen, daß ein Planet, auf dem erst einmal ein Ligride gelandet war, früher oder später ein ligridischer Planet sein würde. »Unser?« wiederholte er daher fragend. »Wer seid ihr?« »Die Ureinwohner von Dawaggor«, wurde ihm geantwortet. »Das, was du jetzt sehen kannst, ist der Planet, wie wir ihn kennen. Dein Dawaggor mag anders aussehen.« »Und worin liegt der grundsätzliche Unterschied?« wollte Halphar wissen. »Du kennst nur ein Dawaggor, das real existierende«, antwortete sein Gegenüber. »Wir kennen viele Planeten, die alle Dawaggor sind. Wir erschaffen uns unsere Welt selbst. Aber das wirst du noch begreifen.« Der falsche Ligride stand auf. »Es wird Zeit«, sagte er, »daß ich dir die Spielregeln erkläre.« »Regeln für welches Spiel?« fragte Halphar trocken zurück. Er hatte nicht die leiseste Absicht, auf irgendwelche Spiele einzugehen. »Nun«, begann der falsche Ligride zögernd. »Wenn ich ehrlich sein soll, muß ich dir gestehen, daß du bereits mitten in dem Spiel drin bist.« »Was für ein Spiel?« wollte Halphar wissen. »Unser Spiel«, antwortete der falsche Ligride. »Wir spielen unablässig, seit vielen tausend Jahren tun wir nichts anderes als spielen.« Halphar konnte nicht verstehen, daß jemand an einem solchen närrischen Treiben Gefallen fand. Und er hatte auch keine Lust, an diesem Unfug teilzunehmen. »Ich denke nicht daran mitzuspielen«, antwortete er daher schroff. »Ich habe Wichtigeres zu tun.« Sein Gegenüber lächelte milde. »Das wichtigste, was du in der nächsten Zeit zu tun haben wirst«, erklärte er, »wird darin bestehen, überhaupt am Leben zu bleiben. Und das wird dir schwer genug fallen.«
»Das nennst du Spiel?« sagte Halphar sarkastisch. »Für uns ist es ein Spiel«, antwortete der falsche Ligride. »Ich will dir das Wesentliche kurz erklären.« Halphars Gegenüber machte eine kleine Pause. »Alles, was du hier wahrnehmen kannst, ist nicht wirklich, jedenfalls nicht wirklich in dem Sinn, wie du ihn wahrscheinlich gebrauchen wirst. Was du wahrnehmen kannst, sind lediglich die Informationen über Dinge der wirklichen Welt.« Halphar machte eine heftige Geste der Verneinung. »Unsinn«, protestierte er. »Ich kann sehen, hören, schmecken. Ich habe von den Informationen, wie du sie nennst, sogar gegessen und getrunken.« Sein Gegenüber brach in Lachen aus. »Du gehst von einer falschen Prämisse aus«, sagte er. Halphar schloß die Augen und dachte nach. War es möglich, daß man ihn hypnotisch beeinflußt hatte und daß er davon nichts bemerkte? Die Möglichkeit bestand zweifelsfrei. Es war durchaus denkbar, daß er in Wirklichkeit jetzt in irgendeinem Raum lag und mit einem Hypnoprojektor verbunden war, der ihm all das vorgaukelte, was er zu erleben glaubte. Halphar erinnerte sich zurück an die letzten Augenblicke, die er an Bord der DUNGAR erlebt hatte. Mitten in der Zentrale seines Flaggschiffs war eine Gestalt materialisiert, die ebenso real ausgesehen hatte wie das, was Halphar jetzt umgab. Er hatte diese Gestalt anfassen und berühren können. Und auf die gleiche, geheimnisvolle Art und Weise, mit der diese Gestalt in der Zentrale der DUNGAR materialisiert war, hatte sein gespenstischer Besuch ihn von Bord des Flaggschiffs geholt. Halphar mußte an Transmitter denken, in deren Technologie er sich allerdings nicht besonders gut auskannte. Und dann erinnerte er sich, was sein Gegenüber zuletzt gesagt hatte. Prämissen überprüfen, schoß es Halphar durch den Kopf. Gesetzt den Fall, er befand sich in diesem Augenblick in der realen dinglichen Welt und saß auf einem Stuhl, den er deutlich spüren
konnte. Dann hatte sein Ich keinen tatsächlichen Kontakt mit dem Stuhl, denn das war unvorstellbar. Sein Gehirn bekam lediglich über Augen und andere Wahrnehmungsmöglichkeiten Informationen über ein Ding namens Stuhl. Halphar faßte den Gedanken noch schärfer. Über Nervenbahnen seines Kopfes gelangten irgendwelche Daten in sein Gehirn und wurden dort vollautomatisch gleichsam mit dem gespeicherten Inhalt seiner Erinnerungen verglichen. Irgendwo in seinem Gehirn gab es einen Datensatz, der in seinen wesentlichen Punkten mit dem übereinstimmte, was das Gehirn gerade gemeldet bekam. Und dieser Datensatz hatte dann den Namen »Stuhl«. Für den gedanklichen Prozeß war es völlig gleichgültig, ob Halphar den Stuhl sinnlich wahrnahm oder ob ihm diese Daten mit anderen Methoden – beispielsweise hypnotischen – in sein Gehirn unmittelbar eingefüttert wurden. Die Technik von Psychosonden beispielsweise beruhte darauf, daß ganz gezielt bestimmte Speicherbereiche in einem Gehirn von ihren alten Informationen geleert und mit neuen gefüllt wurden. Für das Opfer einer solchen Behandlung war es völlig unmöglich, die echten von den verfälschten Erinnerungen zu unterscheiden. Halphar öffnete wieder die Augen. Er fixierte sein Gegenüber. »Einverstanden«, sagte er dann. »Ich glaube dir. Alles, was ich wahrnehme, ist nichts weiter als Information. Auch du bist nicht mehr als eine Sammlung von Daten.« »Völlig richtig«, antwortete der falsche Ligride. »Und das gleiche gilt für dich.« Wieder schloß Halphar die Augen. Er versuchte zu begreifen, was man ihm gerade gesagt hatte. Der Ligride hatte ein fast telepathisch anmutendes Gespür dafür, ob sein Gegenüber jeweils die Wahrheit sagte oder nicht. Und in diesem Fall hatte Halphar keine Zweifel, daß der falsche Ligride die Wahrheit sagte. Für die augenblickliche Situation gab es daher nur eine Erklärung:
Auf irgendeine geheimnisvolle und erschreckende Weise hatte man Halphars Bewußtsein in einen riesigen Datenspeicher eingepflanzt, in dem unzählige andere Datensätze ebenfalls enthalten waren und bei einem Kontakt Halphar so wirklich erscheinen mußten, als handelte es sich dabei um Dinge aus der wirklichen Dingwelt. Und irgend jemand – vielleicht sein Gegenüber – war in der Lage, diese Datensätze innerhalb des Speichers nach Belieben zu verschieben. Ein kurzer Befehl genügte, um eine völlig neue Landschaft erschaffen zu können. Es brauchten dazu in dem riesenhaften Speicher nur einige Datensätze verschoben zu werden. Da Halphar in dieses System integriert war, gab es für ihn nach allen Regeln der formalen Logik keinerlei Möglichkeit, eine gültige Aussage über das System als Ganzes zu machen. Unter anderen Umständen hätte es Halphar vielleicht Vergnügen bereitet, sich mit diesem Problem der formalen Logik herumzuschlagen, aber in diesem Augenblick war er an Gedankenspielen nicht mehr interessiert. Denn, wenn die Prämissen seiner neuen Wirklichkeit so stimmten, wie er sie in diesem Augenblick empfand, dann hatte das System aus Halphars Blickwinkel einen entsetzlichen Fehler. Irgend jemand hatte die Kontrolle über den riesigen Datenspeicher. Irgend jemand konnte die Daten verschieben und ändern. Und irgendjemand konnte sie auch löschen. Halphar spürte, wie ihn Entsetzen packte, wenn er sich vorzustellen versuchte, daß ein unbekanntes Wesen an diesem Datenspeicher herummanipulierte und mit einem Kommando seine Existenz unwiderruflich auslöschen konnte. »Begreifst du nun das Spiel?« fragte sein Gegenüber. Halphar machte eine Geste der Zustimmung. »Ich begreife es«, sagte er müde. Er hatte in seiner strengen Erziehung des öfteren zu hören bekommen, daß es Dinge gäbe, die schlimmer seien als der Tod –
Entehrung beispielsweise, Schande gebracht zu haben über die Familie. Halphar hatte diese Weisheiten auswendig gelernt und praktiziert. Geglaubt hatte er sie nie. Jetzt aber begriff er, daß es tatsächlich etwas Schlimmeres gab. Was ihn am meisten entsetzte, war nicht der Gedanke daran, daß ein unbekannter Programmierer ihn mit einem Befehl auslöschen konnte. Was ihn namenlos erschrecken ließ, war die Überlegung, daß man ihn für alle Ewigkeit in diesem Speicher gefangenhalten konnte, ohne daß er auch nur das geringste daran zu verändern vermochte. 4. »Freunde hast du dir damit nicht gemacht«, bemerkte Sspordon anzüglich, als wir den Raum verließen. Zwei Stunden lang hatte mich der Rat der Händler befragt. Was am Anfang noch eine freundliche Unterhaltung gewesen war, hatte sich bei Fortdauer des Gesprächs mehr und mehr als unerfreuliches Verhör entpuppt. Ziemlich bald hatte ich herausgefunden, worauf es den Händlern eigentlich ankam. An mir waren sie nicht sonderlich interessiert. Ich hatte sie allerdings auch nicht gerade mit Informationen über meine Person gefüttert. Nach dem, was ich an Bord von BASTION‐V erfahren hatte, mußte die oberste Maxime meines Handelns lauten: die Erde unter allen Umständen vor einem Angriff des Neuen Konzils zu schützen. Da ich über die Machtstrukturen in der Galaxis Manam‐Turu noch immer viel zu wenig wußte, mußte ich mit Informationen geizen. Es war schlimm genug, daß die Ligriden und Hyptons überhaupt wußten, daß ich von der Milchstraße kam und ihnen vielleicht den Weg dorthin weisen konnte. Während die Ligriden vermutlich hinter mir her waren, um mein
Wissen in ihrem insgeheim geführten Kampf mit den Hyptons auszunutzen, wollten mich die Fledermauswesen dazu verwenden, mit meiner Hilfe einen Weg in die Milchstraße zu finden. Von diesen Zusammenhängen hatte ich den Händlern allerdings so gut wie nichts erzählt. So war es nicht verwunderlich, daß sie zu völlig falschen Schlußfolgerungen gekommen waren. Sie hatten zwei mal zwei auf ihre Art und Weise zusammengerechnet und waren zu dem Ergebnis gekommen, daß das Interesse der Hyptons und Ligriden an meiner Person etwas mit dem Erleuchteten zu tun hatte. Es hatte nichts genutzt, daß ich des langen und breiten erklärt hatte, welches Schreckensregime der Erleuchtete in Alkordoom errichtet hatte. Im Gegenteil: Für die Händler war nur das eine interessant gewesen, daß der Erleuchtete nämlich über eine große Macht in Alkordoom geboten hatte. Daß die Händler von Manam‐Turu untereinander aufopferungsvolle Freunde waren, hatte ich in BASTION‐V mehr als deutlich erleben können. Unglaubliche Risiken war Sspordons Kommandounternehmen eingegangen, um einige hundert gefangener Freunde aus den Händen der Ligriden zu befreien. Und während des Kampfes und des Rückzugs hatten die Händler nicht einen einzigen Verwundeten den Ligriden überlassen. Außerhalb ihrer eigenen Gruppierung aber schienen mir die Händler von Manam‐Turu um kein Deut besser zu sein als andere Machtgruppen. Um die Ligriden und die Hyptons aus Manam‐Turu vertreiben zu können, waren die Händler vermutlich bereit, mit Satan persönlich zu paktieren. Deswegen hatten sie mir auch um so interessierter zugehört, je eindringlicher ich die Gefahren heraufbeschworen hatte, die der Erleuchtete mit sich brachte. Meine Schlußfolgerung war, daß die Händler entweder unglaublich naiv waren, wenn sie annahmen, den Erleuchteten für ihre Zwecke gebrauchen zu können, oder aber dem Erleuchteten hinsichtlich Skrupellosigkeit um kein Deut nachstanden. Weder hatte ich vor, den Hyptons den Weg zur Milchstraße zu
öffnen, noch war ich gewillt es zuzulassen, daß der Erleuchtete über Manam‐Turu ein ähnliches Schreckensregime errichtete wie früher über Alkordoom. In der holzschnittartigen Weltsicht der Händler gab es nur wenige Alternativen. Wenn ich ein Feind der Ligriden und Hyptons war, dann mußte ich notwendigerweise ein Freund der Händler sein. Die Händler wiederum wollten sich mit dem Erleuchteten zusammentun, und meine Pflicht als Freund der Händler hätte es eigentlich geboten, daß ich ihnen den kürzesten Weg zum Erleuchteten zeigte. Daß ich das nicht tat, ließ mich in den Augen der Händler langsam, aber sicher zum Freund der Ligriden werden. Daß meine Person beachtlich an Wert eingebüßt hatte, konnte ich den Blicken entnehmen, mit denen Sspordon mich betrachtete. Ich konnte das Krakenwesen ziemlich gut verstehen. Meine Befreiung und die von Chipol war im ursprünglichen Plan von Sspordon gar nicht enthalten gewesen. Er hatte sich spontan dazu entschlossen, als er in BASTION‐V davon erfahren hatte, daß Halphar sich ganz besonders für uns beide interessiert hatte. Daß die Aktion, die Chipol und mich befreit hatte, Opfer auf Seiten der Händler gekostet hatte, verpflichtete mich in den Augen von Sspordon dazu, bedingungslos mit den Händlern zusammenzuarbeiten. Vermutlich hätte ich Sspordon mein Verhalten erklären können, aber nur dann, wenn ich ihm wirklich alles erzählt hätte. Dazu aber war ich nicht bereit. Ich konnte beim besten Willen nicht abschätzen, was aus dem Konflikt in Manam‐Turu wurde, wenn ich, durch meine Erzählungen, in das Weltbild der Bewohner dieser Galaxis Begriffe einführte, die ihnen bisher unbekannt gewesen waren. Ich brauchte nur den Versuch zu unternehmen, mir vorzustellen, wie die Händler reagierten, wenn sie etwas von den Kosmokraten erfuhren – und dann die Enttäuschung erleben mußten, daß ich diese gewaltige Macht ebensowenig wie den Erleuchteten zu ihrem
Verbündeten machen konnte. Meine Lage war ziemlich verfahren, und einstweilen fand ich keine Möglichkeit, die Situation zu verbessern. Es gab allerdings Möglichkeiten, das Klima zwischen uns und den Händlern noch zu verschlechtern, und Chipol hatte die Gelegenheit genutzt. Als ich bei unserem Quartier ankam und Chipol aufsuchen wollte, stellte ich fest, daß der Daila verschwunden war. Wie er es fertiggebracht hatte, an den Wachrobots vorbeizukommen, war mir ein Rätsel. Ich ahnte aber, daß er irgend etwas plante, was unsere augenblickliche Lage nur verschlimmern konnte. Ich zögerte daher nicht, und ließ eine Interkom‐Verbindung zu Sspordan herstellen. Das Krakenwesen hörte sich meinen Bericht fassungslos an. »Chipol ist nicht euer Feind«, beschwor ich den Grelldyrer zum Schluß. »Er ist nur durch die Hyptons total verwirrt worden.« »Ob verwirrt oder nicht«, antwortete Sspordon kurz, »wenn er anfängt, uns gefährlich zu werden, wird er es bereuen.« »Kann er aus dem Palast entkommen sein?« fragte ich Sspordon. Der Grelldyrer zögerte. »Möglich ist es«, antwortete er dann. »Aber gleichgültig, wohin er geflohen ist, wir werden ihn finden.« Sspordon legte eine kleine Pause ein. »Es könnte die Stimmung etwas heben«, sagte er dann, »wenn du ihn selbst finden und zurückbringen würdest.« Ich nickte. Für ein paar Augenblicke überließ ich die Analyse der Lage meinem Extrasinn. Die Antwort des Logiksektors ließ nicht lange auf sich warten. Chipol wird versuchen, die Hyptons um Hilfe anzufunken, gab der Logiksektor durch. Ich wußte, daß Chipol ein findiger Bursche war. Der junge Daila war mit Sicherheit nicht blindlings losgerannt, er hatte sich höchstwahrscheinlich einen Plan zurechtgelegt. Irgendwie mußte er erfahren haben, wo es eine Möglichkeit gab, ein Hyperfunkgerät zu benutzen.
»Wo könnte Chipol an ein Hyperkom herankommen?« fragte ich daher Sspordon. Der Grelldyrer sah mich entgeistert an. »Nimmst du ernsthaft an, daß er versuchen wird, einen Funkspruch abzusetzen?« fragte er. Ich nickte. »Dann wird es für diel} und deinen Freund besser sein, wenn wir ihn finden, bevor er dazu Gelegenheit hat«, meinte der Grelldyrer. »Hier in der Stadt wird er kaum eine Gelegenheit finden. Die Funkstationen hier sind ständig bewacht.« »Und außerhalb?« fragte ich. Sspordon dachte kurz nach. »Es gibt in der Nähe zwei, drei Notlandeplätze für beschädigte Raumschiffe«, sagte er dann. »Und dort gibt es auch Hyperfunkanlagen.« Zu durchsichtig, meldete das Extrahirn. Diesen Gedankengang kann Chipol vorhersehen. Er wird sich etwas anderes einfallen lassen. Ich hatte eine Idee. »Welches ist der verrufenste Platz auf diesem Planeten?« fragte ich Sspordon. »Peltrin«, antwortete Sspordon. »Gibt es dort in der Nähe eine Hyperfunkstation?« wollte ich wissen. Sspordon machte eine Geste der Bejahung. »Dann werde ich Chipol an dieser Stelle suchen«, entschied ich. »Kann ich einen Gleiter bekommen?« Sspordon zögerte. »Einverstanden«, sagte er dann. »Aber gib auf dich acht, dieser Ort ist nicht ohne Grund verrufen, und merke dir, folge keinem der Gespenster. Du tauchst sonst nie wieder auf.« Ich versuchte mir vorzustellen, was in Chipols Kopf wohl vorgehen mochte. Daß er versuchen würde, an ein Hyperkom heranzukommen, lag für mich auf der Hand. Die Frage war nur, an welcher Stelle er es versuchen würde. In der Stadt selbst vermutlich nicht, denn dort hatte er nur geringe Chancen. Außerdem konnte er sich ausrechnen, daß sehr bald nach seinem Verschwinden eine allgemeine Suche nach ihm beginnen würde. Nach ihm fahnden
würde man voraussichtlich auch in allen Hyperkom‐Stationen, die in unmittelbarer Nähe der Stadt gelegen waren. Mein Verdacht war, daß Chipol in einem solchen Fall sich einen Platz aussuchen würde, von dem er annahm, daß man dort zuletzt nach ihm suchen würde. Peltrin schien mir daher der geeignete Platz zu sein, den jungen Daila abzufangen, bevor er Unheil anrichten konnte. Hatte Chipol überhaupt eine Chance, Namen und Ort ausfindig zu machen? Das Extrahirn bestätigte mir, daß es ihm gelingen würde. Eine Zeitlang konnte sich Chipol in dem buntrassigen Gemisch auf Dawaggor gut verstecken, und er war gerissen und findig. Sicherlich würde er nicht lange brauchen, um die Information zu bekommen, die er brauchte. »Ich werde Anweisung geben, daß man dir einen Gleiter zur Verfügung stellt«, sagte Sspordon. »Eine Karte wirst du nicht brauchen, sie ist in der Steuerpositronik eines jeden Gleiters enthalten. Du wirst also keine Schwierigkeiten haben, Peltrin zu finden.« Sspordon zögerte. »Gibt es noch etwas?« fragte ich. »Allein kann ich dich nicht fliegen lassen«, sagte Sspordon dann. »Ich vertraue dir, der Rat allerdings nicht. Aus diesem Grund werde ich dir einen Robot mitgeben, und dieser Robot wird die Anweisung bekommen, zu schießen, wenn dein Freund tatsächlich Unsinn macht. Verräter in unseren Reihen können wir nicht dulden.« Ich wog rasch meine Chancen ab. Der Gedanke, daß mein Leben von Chipols Leichtsinn womöglich abhing, hatte nichts sehr Anheimelndes. Aber so wie die Dinge standen, gab es für mich nur eine Möglichkeit, ihn von unbesonnem Tun abzuhalten. Auf die Händler würde er bestimmt nicht hören. Allerdings waren auch die Chancen, daß er sich von mir überreden ließ, ziemlich gering. »Einverstanden«, sagte ich. »Dann wünsche ich dir viel Glück«, meinte Sspordon. Chipol war mit sich zufrieden.
Er wußte genau, daß er jetzt der einzige war, der noch etwas für Atlan tun konnte. Unter allen Umständen mußte er die Hyptons herbeirufen, damit sie den Arkoniden vor den Piraten schützen konnten. Die Ausführung seines Plans war dem jungen Daila leichter gefallen, als er es sich vorgstellt hatte. An den Wachrobots vorbeizukommen, hatte Chipol gar nicht erst versucht. Aber er hatte entdeckt, daß es in seiner Unterkunft ein Fenster gab, das nach draußen führte. Von den Piraten war bisher wohl keiner auf die Idee gekommen, durch ein solches Fenster zu kriechen, in schwindelnder Höhe einen bröckligen Sims entlangzuturnen und dann an einer Mauerspalte hinab auf den Boden zu klettern. Die Sorge um Atlan hatte den Mut des jungen Daila beflügelt. Chipol ahnte, daß man sein Verschwinden bereits bemerkt hatte und daß jetzt eine allgemeine Suche nach ihm im Gange war. Nun, mochten die Piraten auch suchen, finden würden sie ihn nicht. Auch der nächste Teil seiner Flucht hatte erstaunlich gut geklappt. In einer üblen Kaschemme, die Chipol aufgesucht hatte, um dort Informationen zu sammeln, hatte er nicht nur einen berauschten Händler gefunden, der ihm alles Nötige verraten hatte, der Zufall hatte es gewollt, daß der Händler auch einen Gleiter besaß, dessen Schlüssel Chipol geschickt an sich gebracht hatte. Langst hatte der junge Daila die Grenzen der Stadt hinter sich gelassen. Einige Zeit hatte Chipol mit der Versuchung gekämpft, den Gleiter hochsteigen zu lassen, das Blätterdach zu durchbrechen und auf der Oberfläche den kürzesten Weg zu seinem Ziel zu nehmen. Dann aber hatte er sich gesagt, daß man ihn dort oben wunderbar beobachten konnte, und so hatte er es vorgezogen, sich seinen Weg durch den Wald zu bahnen. Die Zwischenräume zwischen den einzelnen Baumriesen waren groß genug, um den Gleiter passieren zu lassen. Es gehörte allerdings einige Steuerkunst dazu, diese abenteuerliche Kurvenfahrt auch zügig und schnell abzuwickeln.
Da Chipol den Verdacht hatte, daß es eine Verbindung zwischen der Positronik im Gleiter und einem Großrechner in der Stadt gab, der alle Bewegungen der Gleiter kontrollieren konnte, hatte er die Steuerpositronik abgeschaltet und selbst die Lenkung des Fahrzeugs übernommen. Ein‐, zweimal hatte er nur mühsam eine Kollision vermeiden können, aber inzwischen hatte er Übung bekommen und eine ausreichend hohe Geschwindigkeit erreicht. Mit jedem Kilometer, den er zwischen sich und die Hauptstadt von Dawaggor brachte, fühlte sich Chipol leichter und freier. Ab und zu begann er sogar darüber zu spekulieren, ob er es mit Hilfe der Hyptons vielleicht schaffen konnte, zu seiner Familie zurückzukehren. Das einzig Bedauerliche bei der ganzen Aktion war, daß es Chipol nicht geschafft hatte, sich in den Besitz einer Waffe zu bringen. Über diesen Teil des Planeten zog allmählich die Nacht herauf und Chipol hatte munkeln hören, daß es auf Dawaggor nicht nur recht seltsame Gespenster gab, um die man sich allerdings nicht zu kümmern brauchte, sondern auch einige sehr handfeste Kreaturen, die den nächtlichen Wald unsicher machten. Ab und zu sah sich Chipol während der Fahrt um, aber bisher hatte er nichts entdecken können, was ihm bedrohlich erschienen wäre. Unter dem Blätterdach wurde es nun rasch dunkel. Chipol schaltete die Beleuchtung des Gleiters ein. Obwohl die Scheinwerfer weit in den Wald hineinstrahlten, mußte Chipol sein Tempo reduzieren. Bei diesen Sichtverhältnissen wurde ein schnelles Herumkurven zwischen den Stämmen allmählich lebensgefährlich. Außerdem bemerkte Chipol, daß in der Nacht der Bodennebel, der für Dawaggor typisch war, in die Höhe zu steigen begann. Von seiner Umgebung bekam Chipol daher immer weniger zu sehen. Er überlegte, ob er eine Rast einlegen sollte. Den Gleiter einfach irgendwo abzustellen wagte er nicht, denn dazu hätte er mit dem Fahrzeug in das Nebelgebräu hineintauchen müssen. Nach einigem
Suchen fand Chipol eine Lichtung, auf der er den Gleiter stoppen konnte. Das Antigrav‐Triebwerk blieb eingeschaltet und sorgte dafür, daß der Gleiter einen knappen Meter oberhalb des Nebels in der Luft schwebte. Chipol öffnete die Nahrungsmittelpakete, die er gestohlen hatte, und begann zu essen. Es war kalt geworden, und Chipol fröstelte. Zudem stellte er fest, daß die Scheinwerfer des Gleiters nur einen begrenzten Raum seiner Umgebung ausleuchteten. Der Rest blieb im Dunkel. Und irgendwo in diesem Dunkel erklangen seltsame, bedrohliche Geräusche. Geräusche, die sich näherten … Chipol fuhr herum. Ein gespenstisch leuchtender Gegenstand raste von hinten auf ihn zu. Unwillkürlich versuchte Chipol auszuweichen, aber der Reflex kam zu spät. Zwar konnte er verhindern, daß er in die ausgestreckten Fänge der angreifenden Flugechse geriet, aber er konnte nicht vermeiden, daß der Körper des Nachträubers heftig gegen seinen Leib prallte und er das Gleichgewicht verlor. Wild mit beiden Armen rudernd, versuchte Chipol Halt zu finden, aber es gelang ihm nicht. Er kippte über die Seitenwand des Gleiters und stürzte hinab in den Nebel. Der Aufprall auf den Boden war schmerzhaft hart. Chipol stöhnte auf. Ächzend kam er wieder auf die Beine. Obwohl ihn jedes Körperteil zu schmerzen schien, stellte er einigermaßen zufrieden fest, daß er sich offenbar nichts gebrochen hatte. Chipol blickte nach oben. Unerreichbar hoch über ihm hing der Gleiter in der Luft. Es gab keinerlei Möglichkeit, wieder an Bord zu kommen. Chipols Stimmung sackte rapide ab. Einmal mehr fühlte er sich einsam, verlassen und verzweifelt. Nur der Gedanke, daß er einen Auftrag zu erfüllen hatte, verhinderte, daß der junge Daila sich seiner Stimmung völlig hingab. Im Freien wollte Chipol unter gar keinen Umständen bleiben, das
war ihm zu gefährlich. Er erinnerte sich, daß er kurze Zeit vor der Rast an einem Gemäuer vorbeigeflogen war. Im Dunkeln machte sich Chipol auf den Weg zu diesem Zufluchtsort. Es war ein überaus beschwerlicher Marsch. Chipol konnte nichts sehen und stolperte immer wieder. Jede Unebenheit des Bodens mußte er erst mit den Fußspitzen ertasten, bevor er sich weiter vorwärts bewegen konnte. Dennoch konnte er nicht verhindern, daß er immer wieder stürzte und sich eine Prellung nach der anderen zuzog. Als er wieder einmal schmerzhaft hart stürzte und unter sich etwas krachen hörte, kam ihm ein Einfall. Er tastete auf dem Boden herum und bekam einige Stücke trockenen Holzes zu fassen. Chipol suchte die Kleidung ab, die die Piraten ihm überlassen hatten und entdeckte zu seiner größten Erleichterung unter verschiedenem anderen auch ein Feuerzeug. Nach dem dritten Versuch hatte er es geschafft, ein Scheit in Brand zu setzen, und besaß nun wenigstens eine Leuchte. Langsam schritt Chipol weiter. Er brauchte fast eine Stunde, bis er sein Ziel erreicht hatte. Von dem Gebäude aus uralter Zeit war nicht mehr viel übriggeblieben. Die Grundmauern waren gerade noch zu erkennen, von den Wänden standen nur noch wenige. Chipol ging näher heran. Im Licht seiner improvisierten Fackel sah er etwas glitzern. Es waren die Bruchkanten des Mauerwerks. Es sah so aus, als wären Edelsteine oder sonst etwas Glitzerndes in die Gesteinsmasse eingebettet. Chipol suchte weiter. Was er brauchte, war ein Ort, in dem er einigermaßen sicher vor dem Nachtgetier des Waldes war. Nach einigem Suchen sah er schließlich einen Raum, von dem zumindest noch drei Wände zu stehen schienen. Vorsichtig umkreiste Chipol das Gemäuer. Obwohl er glaubte, auf alles vorbereitet zu sein, erschrak er doch heftig, als sich im Lichtschein seiner Fackel plötzlich etwas zu regen
begann. Eine dunkle Masse, die auf dem Boden gekauert hatte, richtete sich plötzlich auf. Chipol stockte der Atem. Er begann zu zittern, denn die Gestalt, die sich da vor ihm aufrichtete und ihn intensiv anstarrte, war unverkennbar ein Ligride. Wie er an diesen Ort gekommen war, wußte Chipol nicht, aber er ahnte, daß sein Gegenüber vor dem gleichen Problem gestanden hatte wie er selbst. Auch der Ligride hatte offenbar versucht, in dem Gemäuer Schutz vor den Tieren der Nacht zu finden. Chipol machte einen Schritt auf den Ligriden zu. Er hielt die Fackel hoch, um das Gesicht seines Gegenübers besser sehen zu können. Der Ligride war noch recht jung und er schien ebenso viel Furcht zu empfinden wie Chipol. Allerdings war der Ligride im Vorteil – Chipol sah, daß er noch eine Waffe besaß. Bei jedem Schritt, den Chipol auf den Ligriden zu machte, wich dieser einen Schritt zurück. Irgendwo im Dunkeln heulte eine Tierstimme. Chipol fröstelte. Auch der Ligride schrak heftig zusammen. »Wir sollten uns zusammentun«, sagte Chipol. Der Ligride machte eine Geste der Bejahung. Wind war aufgekommen und strich feucht und kalt durch das Gemäuer. Chipol machte ein paar Schritte, bis er einen der Winkel der früheren Kammer erreicht hatte. Dort hockte er sich auf den Boden und war so einigermaßen vor dem unangenehmen Wind geschützt. Der Ligride folgte Chipols Beispiel und suchte sich die andere Ecke aus. Der Nebel, der über der Landschaft lag, war so dicht, daß Chipol trotz der Enge des Raumes sein Gegenüber gerade noch erkennen konnte. Chipol fröstelte. Das Kältegefühl wurde immer stärker. Unwillkürlich wollte Chipol aufspringen und ein paar Bewegungen
machen, die seine Glieder wärmen sollten, aber er schaffte es nicht. Mit Entsetzen spürte Chipol, wie sich diese Kälte immer mehr in seinem Körper ausbreitete und ihn zu lähmen begann. Und in diesem Augenblick wußte Chipol, daß diese Kälte nichts mit dem Nebel zu tun hatte, sondern eine ganz andere Ursache haben mußte. Die Gespensterwelt war dabei, ihn zu verschlingen. 5. Hoch über den Wipfeln der Bäume zog mein Gleiter seine Bahn. Es war Nacht über diesem Teil von Dawaggor, und die einzige Beleuchtung, die ich außer den Scheinwerfern meines Gleiters hatte, war das Licht der beiden Monde, die hoch über mir standen. Sie waren zwar erheblich kleiner als der irdische Mond, aber ihre Albedo war so hoch, daß das Licht für meine Zwecke völlig ausreichte. Das Land, das unter mir hinwegzugleiten schien, machte wirklich einen gespenstischen Eindruck. Unter mir erstreckte sich eine endlos erscheinende Fläche aus schwarzem dunklem Grün, aus der ab und zu weißliche Schwaden in die Höhe brodelten. Außer meinem Gleiter schien kein Fahrzeug in diesem Bereich von Dawaggor unterwegs zu sein. Ich wußte, daß sich kurz nach unserer Landung der größte Teil der Händlerflotte abgesetzt hatte, um andere Verstecke der Händler aufzusuchen. Die Schiffe, die im System geblieben waren, standen jetzt auf dem Boden von Dawaggor und waren von außen praktisch nicht mehr zu entdecken. Versuchsweise hatte ich einige der Detektoren meines Gleiters in Tätigkeit treten lassen und dabei zu meiner Verwunderung festgestellt, daß die gesamte Oberfläche des Planeten derart von Metallen durchsetzt war, daß selbst die kompakten Stahlmassen der Händlerschiffe vom Raum aus mit Materietastern praktisch nicht mehr zu entdecken waren. Nach
meiner Ansicht hatten die Händler mit Dawaggor einen Planeten gefunden, der sich als Versteck selbst für größere Flotten hervorrangend eignete. Mir war allerdings auch klar, daß dieser Vorteil von Dawaggor für mich zum Nachteil wurde. Ich war sicher, daß Halphar vor seinem Abflug von BASTION‐V dort eine Nachricht hinterlassen hatte, aus der hervorging, wo man ihn suchen sollte, falls er nicht zurückkehrte. Früher oder später mußten also ligridische Einheiten in diesem System auftauchen, um nach Halphar zu suchen. Finden konnten sie ihn nicht. Von der DUNGAR war nichts mehr übriggeblieben, wie mir Sspordon verraten hatte, als eine Wolke verdampften Metalls, die sich mit großer Geschwindigkeit ausbreitete. Mit ihren Ortungssystemen würden die ligridischen Schiffe auf dem Planeten nichts Bemerkenswertes feststellen können. Vermutlich würden sie ihre Suche nach einiger Zeit abbrechen und nach einem anderen System Ausschau halten, das als Versteck für die Händler dienen konnte. Die Aussichten waren groß, daß das Geheimnis von Dawaggor lange Zeit ungelüftet bleiben würde. Die Händler taten selbstverständlich das Ihrige dazu, dieses Geheimnis so gut wie möglich zu verbergen. Nicht zuletzt sie waren es gewesen, die in Manam‐Turu die Geschichten vom Fluch von Dawaggor wieder in Umlauf gebracht hatten. Auch wenn sie selbst nicht zu sagen vermochten, worin dieser Fluch eigentlich bestand und was er bewirkte. Mit dem Vertrauen meiner Retter aus BASTION‐V in meine Person war es nicht mehr weit her. Und durch Chipols Aktivitäten wurde das Mißtrauen im Rat der Händler noch weiter gesteigert. Ich hatte große Zweifel, ob sie unter diesen Umständen bereit sein würden, mich und Chipol wieder ziehen zu lassen, falls uns der Sinn danach stand. Um Dawaggor verlassen zu können, waren wir in jedem Fall auf die Hilfe der Händler angewiesen. Bis jetzt hatten sie uns
wenigstens einigermaßen freundlich behandelt, aber das konnte sich jederzeit ändern. Unwillkürlich warf ich einen Blick auf die Kampfmaschine, die hinter mir saß. Ständig hielt sie ihre Waffe schußbereit auf mich gerichtet. Stunde um Stunde raste der Gleiter durch die Dunkelheit, bis am Rande meines Gesichtskreises die Sonne von Dawaggor langsam am Himmel emporzusteigen begann. Das Kartenmaterial, das ich mir auf einem Monitor einblenden lassen konnte, verriet mir, daß mein Ziel nicht mehr sehr weit entfernt war. Peltrin lag nur eine halbe Wegstunde voraus. Wenn Chipol tatsächlich nach Peltrin aufgebrochen war, um dort ein Hyperfunkgerät erreichen zu können, dann hatte er seinen Weg nicht über die Oberfläche von Dawaggor genommen, so wie ich, sondern er hatte es vorgezogen, unterhalb der Baumwipfel zu fliegen. Das mußte seine Geschwindigkeit ganz erheblich drosseln. Ich war daher sicher, lange vor Chipol in Peltrin einzutreffen. Fast alle Händler, mit denen ich vor meinem Abflug noch Kontakt gehabt hatte, hatten mich eindringlich vor Peltrin gewarnt. Die Stadt der tanzenden Seelen, wie dieser Ort auch genannt wurde, hatte bei den Händlern einen ähnlich schlechten Ruf, wie Dawaggor beim Rest der Galaxis Manam‐Turu. Wenn die Händler, die sich vom Fluch von Dawaggor offenkundig nicht beeindruckenʹ ließen, vor Peltrin eine solche Scheu empfanden, dann mußte an den Erzählungen etwas dran sein. Ich war daher auf alles gefaßt, auch wenn ich mir tanzende Geister nicht mehr gut vorstellen konnte. Vorsichtshalber drosselte ich meine Geschwindigkeit und ließ den Gleiter ein Stück tiefer sinken. Peltrin lag, wie ich den Karten entnommen hatte, auf einer Insel in einem großen Meer. Ich ließ den Gleiter noch tiefer sinken, bis dicht über die Wasseroberfläche, und jagte so auf die geheimnisvolle Stadt zu. Nach kurzer Zeit tauchte sie am Horizont auf. Ich verlangsamte meine Geschwindigkeit noch mehr. Die Konturen von Peltrin wurden jetzt langsam deutlicher. Vor
mir lag eine Stadt, die nach meiner Schätzung einige Millionen Einwohner in ihrer Blütezeit gehabt haben mußte. Peltrin lag auf einer Insel, die knapp fünfzig Quadratkilometer groß war, wie die Karten bewiesen, und für mich sah es so aus, als würde dieses gesamte Areal von der Stadt bedeckt. Unwillkürlich mußte ich schmunzeln, als der Gleiter die Küste erreichte. Es war gewiß ein Zufall, daß ich Peltrin ausgerechnet von dieser Seite aus anflog und dabei genau auf den Hafen der großen Stadt zugehalten hatte. Für weniger zufällig hielt ich die Tatsache, daß die früheren Bewohner von Peltrin offenbar auf einen ähnlichen Gedanken gekommen waren wie die Griechen im antiken Rhodos. Offenbar hatte es auch in Peltrin eine riesenhafte Statue gegeben, die den Hafeneingang überwölbt hatte. Bei der Einfahrt sah ich rechts und links je eine große Mole, aus riesenhaften Quadern nahezu nahtlos zusammengefügt. Von der Statue selbst waren nur noch der rechte und der linke Fuß zu sehen. Der Rest war vermutlich der Zerstörungskraft der Zeit zum Opfer gefallen. Ich vermutete, daß noch einige Stunden vergehen würden, bevor Chipol diesen Ort erreichen konnte, und ich wollte diese Zeit dazu nutzen, mir die verlassene Stadt einmal näher anzusehen. Ich ließ den Gleiter an einem Quai halten und stieg aus. Der Anblick, den Peltrin bot, war außerordentlich verwirrend. Viele der Gebäude waren recht gut erhalten, obwohl auch ihnen anzusehen war, daß die Stadt seit sehr langer Zeit keine Bewohner mehr hatte. Etliche Gebäude waren eingestürzt, und an freistehenden Statuen konnte ich ermessen, wie lange Zeit, Wind und Wasser an dem Gestein genagt hatten. Aus dem, was trotz der Erosion von Peltrin erhalten geblieben war, ließ sich für mich nicht deutlich ablesen, auf welcher Kulturstufe das Volk der Bewohner früher einmal gestanden haben mochte. Ein großer Teil der Gebäude verriet ein eher archaisches Stilgefühl und war, ähnlich wie die Hafenmolen, aus großvolumigen Quadern zusammengesetzt worden. Andere
Bauwerke hingegen wiesen eher futuristisch anmutende Züge auf. Mauerwerk und Fugen waren dort nicht zu erkennen, es sah vielmehr so aus, als seien diese schlanken, gedrechselt wirkenden Bauwerke mit ihren zahlreichen Türmchen und Erkern in einem Stück aus dem Gestein gemeißelt worden. Das seltsame Glitzern, das ich überall dort bemerken konnte, wo Steine aus dem Gemäuer herausgebrochen waren und die Bruchstellen freilagen, interessierte mich. Ich kletterte zu einer Ruine hinüber. Der Robot, den man mir zu meiner Bewachung beigegeben hatte, hatte einige Mühe, über die Trümmer hinwegzusteigen, aber er schaffte es. Die Anweisung, mich nicht aus den Augen zu lassen, nahm er offenkundig wortwörtlich. Ich nahm meine Waffe zur Hand und klopfte mit dem Kolben gegen ein Mauerbruchstück. Ein paar Splitter fielen herunter und lösten den verwitterten Oberflächenteil des Steins. Ich sah genau hin. Auf den ersten Blick sah das Gestein aus wie eine sehr seltsame Mischung aus reinweißem Marmor und Eisenerz – eine weiße Masse, durchsetzt von Abermillionen winziger metallischer Partikel. Kein natürliches Gestein, gab das Extrahirn durch. Ich faßte das Material noch schärfer ins Auge, und jetzt fiel mir auf, daß die Verteilung der glitzernden Metallpartikel in dem weißen Grundmaterial durchaus nicht so regellos und zufällig war, wie ich im Anfang vermutet hatte. Im Gegenteil, es schälten sich allmählich gewisse Strukturen heraus, und ich versuchte verzweifelt herauszufinden, woran mich dieses Gebilde erinnerte. Das Extrahirn spiegelte ein Bild in mein Bewußtsein, und ich wußte sofort, woran ich war. Das Bild, das aus meinem fotografischen Gedächtnis aufgestiegen war, mutete auf den ersten Blick an wie der Stadtplan einer riesigen Stadt, die keine Häuser zu haben schien, statt dessen aber jede Menge von Straßen, die sich kreuzten, überschnitten und in
mehreren Ebenen verliefen. Woran ich mich erinnerte, war aber kein Stadtplan, es handelte sich vielmehr um den Schaltplan eines mikroelektronischen Bausteins. An diesen einen Schaltplan konnte ich mich sogar besonders genau erinnern. Er stellte nichts anderes dar, als den Plan des ersten Megabytechips, an dessen Entwicklung bei der Firma Shibumi ich mitgearbeitet hatte, einige Monate, bevor ein gewisser Perry Rhodan zu seinem Legende gewordenen Mondflug aufgebrochen war. Dieser Chip stellte das Äußerste dar, was mit normalen technischen Mitteln auf der Erde zu dieser Zeit hatte hergestellt werden können. Er war allerdings nie in Großserie gegangen, da nach Perry Rhodans Landung auf dem Mond und seinem Kontakt mit den Arkoniden die Erde von einem Jahrzehnt zum anderen unvermittelt ins Zeitalter der Positroniken eingetreten war. Unwillkürlich hielt ich für ein paar Sekunden den Atem an. Langsam dämmerte es mir, was es mit dem Geheimnis von Dawaggor auf sich hatte. Ich setzte meine Suche in der Stadt fort. Gleichgültig, bei welchem Gebäude ich die Probe auch vornahm, das Ergebnis war in jedem Fall das gleiche, und es ließ in mir den Verdacht aufkeimen, daß diese ganze Stadt, daß sämtliche Gebäude in dieser Stadt nichts anderes waren als ein einziger riesenhafter Computer. Verglichen mit der irdischen Positronentechnologie, war dieses gigantische Rechengehirn technisch zwar eher primitiv zu nennen, aber dank seiner unglaublichen Dimensionen dennoch ein überaus beeindruckendes Gebilde. Ich sah kurz auf meine Uhr. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis Chipol hier eintraf. Für mich wurde es Zeit, die Hyperfunkstation aufzusuchen, die am anderen Ende der Insel zu finden war. Ich wandte mich daher um und wollte zu meinem Gleiter zurückkehren. Wie angewurzelt blieb ich stehen. In den dichten Wäldern in der Nähe von Warddon mochten die kniehoch den Boden bedeckenden Nebelschwaden noch
einigermaßen seltsam anmuten, wirkten aber nicht unnatürlich. Hier, auf dem felsigen Boden, hatte ein solcher Nebel nichts zu suchen. Dennoch war er deutlich zu sehen, und er stieg immer höher an mir empor. Eine eisige Kälte griff nach meinen Füßen und stieg in gleichem Maß in mir hoch, wie auch der Nebel an mir hochkroch. Ich erinnerte mich an Sspordons Warnung. Aber jetzt war es für eine Reaktion zu spät. Als ich versuchte, die Füße zu bewegen, bemerkte ich, daß meine Glieder mir nicht mehr gehorchten. Ich hatte es nur meinem Extrahirn zu verdanken, daß ich bei diesem Vorgang nicht in Panik verfiel. Ich drehte den Kopf und suchte mit den Augen nach dem Robot. Er stand zwei Schritte hinter mir. »Trage mich hier heraus!« wies ich ihn an, aber die Maschine reagierte nicht. Statt dessen begannen auf der Oberfläche des Robots plötzlich kleine blaue Flammen zu tanzen. Aus dem Innern der Maschine war ein Ächzen zu hören, und ein paar Augenblicke später blieb das Gebilde steif stehen und rührte sich nicht mehr. Ich ahnte, daß der geheimnisvolle Nebel den Robot außer Gefecht gesetzt hatte. »Komm!« hörte ich leise Stimmen wispern. »Komm, spiel mit uns!« Ich schloß die Augen. Wieder erklangen die Stimmen, und ich stellte fest, daß ich sie nicht etwa über meine Ohren wahrnahm, daß sie vielmehr aus meinem Innern zu kommen schienen. Irgend jemand, irgend etwas versuchte auf diese erschreckende Art und Weise, mit mir Kontakt aufzunehmen. Was diese geheimnisvollen Wesen unter dem Begriff »spielen« verstanden, wußte ich nicht. Ich ahnte aber, daß es mit dem, was ich unter Spiel verstand, nicht sehr viel zu tun haben würde. Immerhin verrieten mir diese Wisperstimmen, daß irgend jemand dabei war, in meinem Bewußtsein herumzufingern. Dagegen konnte
ich etwas unternehmen. Meine Schulung auf diesem Gebiet lag Jahrtausende zurück. Fartuloon, der Bauchaufschneider, hatte mich darin unterwiesen. Ich schottete den weitaus größten Teil meines Bewußtseins vor den neugierigen Impulsen von außen ab. Die unsichtbaren Schnüffler schienen das gespürt zu haben, denn sie zogen sich plötzlich zurück. Der Nebel um mich herum wurde dichter und stieg noch weiter an mir empor. Er hüllte mich schon bis zum Hals ein. Zu meiner Überraschung hörte dieses Ansteigen plötzlich auf. Wie auf ein geheimes Kommando hin, begann der Nebel wieder abzufließen. Ein Teil von ihm zog sich allerdings in meinem Blickfeld zusammen und verdichtete sich. Es dauerte ungefähr eine halbe Minute, dann stand vor mir eine Person, die mir zum Verwechseln ähnlich sah. Wer immer dieses Gebilde geschaffen haben mochte, er schien mit meiner Mimik recht gut vertraut zu sein. Atlan grinste mich herausfordernd an. »Wie gefällt dir das, mein Freund?« sagte mein Ebenbild. Ich nickte anerkennend. »Keine schlechte Leistung«, antwortete ich. »Wozu soll das Ganze dienen?« »Warte einen Augenblick«, bat mein Doppelgänger. »Ich muß erst die Daten sichten.« Mein Abbild schloß die Augen. Wenn ich beim Nachdenken ein ähnliches Gesicht aufsetzte, dann konnte ich froh sein, daß mich niemals jemand bei dieser Tätigkeit fotografiert hatte. Einen sonderlich intelligenten Eindruck machte ich dabei jedenfalls nicht. Atlan II öffnete die Augen und sah mich intensiv an. Der Gesichtsausdruck meines Gegenübers hatte plötzlich etwas Flehendes bekommen. »Ich glaube, du bist es«, sagte mein Ebenbild leise. »Auf dich haben wir gewartet, jahrtausendelang.«
* »Setz dich«, bat mein Abbild. Es machte eine einladende Handbewegung. »Leider kann ich dir hier unter diesen Umständen nicht den Komfort bieten, der unter anderen Bedingungen möglich wäre.« Er lachte kurz. »Aber ich kann dir wenigstens zeigen, was ich dir hätte bieten können«, fuhr er fort. Er machte ein paar Handbewegungen, und wie aus dem Nichts herbeigezaubert, erschienen Möbelstücke, Stühle und ein reich gedeckter Tisch. Er hat nicht auf dein Gedächtnis zurückgegriffen, meldete das Extrahirn. Zu dieser Überlegung wäre ich auch ohne die Hilfe des Extrasinns gekommen. Das, was mein Gegenüber herbeigezaubert hatte, sah zwar recht gut aus, entsprach aber nicht völlig meinem Geschmack. Hätte man bei der Gestaltung dieser Szene auf mein Gedächtnis zurückgegriffen, wären die einzelnen Teile wahrscheinlich anders ausgefallen. »Leider nur Projektionen«, meinte mein Gegenüber entschuldigend. »Für mich real, für dich leider nicht.« Ich begann allmählich zu begreifen. »Du bist von dort gekommen«, vermutete ich und deutete auf das Gemäuer ringsum. Mein Gegenüber nickte anerkennend. »Richtig«, sagte er. »Und du bist der erste, der das erkannt hat.« Das war zwar schmeichelhaft, half mir aber nicht weiter. Ich sah auf die Uhr. Es konnte nicht mehr lange dauern, dann mußte Chipol hier erscheinen. Und was aus dem Verstand des jungen Daila wurde, wenn er hier auf zwei Atlans traf, konnte ich nicht vorherschätzen. Mein Doppelgänger sah mich eindringlich an. »Ich wünschte, du hättest Vertrauen zu mir«, sagte er nachdenklich. Ich wölbte die Brauen.
»Was würde das ändern?« wollte ich wissen. »Es würde uns die Arbeit erheblich erleichtern«, sagte Atlan II. »Ich brauchte dir nicht viel zu erzählen, du könntest das alles selbst nachprüfen.« »Was müßte ich dazu tun?« wollte ich wissen. »Erstens mir vertrauen, zweitens mir folgen. Ich nehme an, daß man dich speziell davor gewarnt hat, mir zu folgen.« Ich mußte auflachen. »Richtig«, sagte ich kichernd. »Du bist genau der Bursche, vor dessen Umgang mich meine Eltern immer gewarnt haben.« Mein Gegenüber fiel in mein Gekicher ein. Dann wurde er mit einem Schlag wieder ernst. »Ich bitte dich, mir zu vertrauen«, sagte er dann leise und eindringlich. »Es ist unglaublich wichtig. Nicht für dich, wohl aber für uns. Das Schicksal meines Volkes steht auf dem Spiel.« Ich stieß einen tiefen Seufzer aus. War es ein Zufall, oder hatte das Wesen, das mich so exakt kopiert hatte, doch so tief in meinen Gedanken herumwühlen können, um die einzige Art von Falle zu finden, auf die ich immer wieder hereinfiel? Der Atlan, der vor zwölftausend Jahren eine arkonidische Schlachtflotte kommandiert hatte, hätte über ein solches Ansinnen nur achselzuckend gelacht; der Atlan aber, der jahrtausendelang unter den seltsamen Barbaren von Terra gelebt hatte, konnte nur sehr schlecht nein sagen, wenn ihn jemand ernstlich um Hilfe bat. Nein, dieser zweite Atlan, der mir gegenüber saß in einem imaginären Sessel, den ich zwar sehen, aber nicht anfassen konnte, dieser Atlan war nur mein äußerliches Abbild. Die Persönlichkeit, die darin steckte, Motorik und Gestik steuerte, der Sprache Färbung und Nuancen verlieh, war ein ganz anderes Wesen. Ein Fremder, von dem ich nicht mal wußte, wie er aussah. »Welche Art von Hilfe erwartest du von mir?« fragte ich. Mein Gegenüber grinste.
»Es ist nicht viel«, sagte er dann. »Alles, was wir von dir wollen, ist ein Wort.« »Was für eine Art Wort?« wollte ich wissen. Mein Mißtrauen mußte in meiner Stimme deutlich hörbar mitgeschwungen haben. Mein Gegenüber sah mich ratlos an. »Kein bestimmtes Wort«, sagte er dann nachdenklich. »Irgendeines. Eines, das wir nicht kennen, aber du.« Selbst der Extrasinn vermochte keine Logik in dieses seltsame Spiel zu bringen. Was hatte mein Doppelgänger vor? Wozu brauchte er ein Wort? Und wieso war dieses Wort, wie er sagte, entscheidend für die Existenz seines Volkes? »Ich bitte dich noch einmal, mir zu vertrauen und mir zu folgen«, sagte der zweite Atlan. »Ich weiß nicht, was du als Belohnung für deine Dienste haben möchtest. Wenn es in unserer Macht steht, werden wir dir jeden Wunsch erfüllen.« »Mmh«, machte ich. Ahnte mein Gegenüber, wie verlockend das Angebot war, das er mir da machte? »Wir könnten handelseinig werden«, antwortete ich. »Was möchtest du haben?« fragte mein Doppelgänger. Meine Antwort bestand aus zwei Worten. »Ein Raumschiff.« Sekundenlang starrte mich mein Gegenüber fassungslos an. Dann sah ich, wie sich seine Augen mit Tränen zu füllen begannen. Und jetzt begriff ich überhaupt nichts mehr. 6. Ich brauchte nicht erst mein fotografisches Gedächtnis zu bemühen, um den Raum wiederzuerkennen, den ich in diesem Augenblick betrat. Es war die gleiche Halle, in der der Rat der Händler getagt hatte. In dieser Halle aber hatten die Mosaiken keine Schäden und
die Farben der Wandgemälde leuchteten frisch und klar. Und diesmal betrat ich den Raum nicht, um peinlich befragt zu werden; vielmehr wurde ich zu dem obersten Gremium eines Volkes geleitet, das in gewisser Weise seit Jahrtausenden ausgestorben war, auf eine unbegreifliche Art und Weise aber heute noch existierte. Die Wesen, die dort auf mich warteten, stammten ersichtlich von Reptilien ab, wie ihre Köpfe bewiesen. Auffällig war das dritte Auge, hoch auf der Stirn, faustgroß und in dunklem Rot leuchtend. Mein Begleiter hatte mir verraten, daß sich diese Gruppe von Wesen die »Gilde der Denker« nannte. Die dreizehn Mitglieder dieser Gilde saßen im Halbkreis um einen leeren Sessel herum, auf dem ich Platz nahm. Der Sprecher der Gilde sah mich erwartungsvoll an. Die Stimme des Gildensprechers klang knarrend und tief, als er mich anredete. »Unser Freund sagte uns, daß du das Wesen bist, auf das wir seit Jahrtausenden warten. Wir bitten dich um deine Hilfe.« »Ich bin bereit, zu tun, was ich kann«, antwortete ich. »Allerdings begreife ich noch immer nicht die Zusammenhänge.« »Wir werden dir alles berichten, was du wissen mußt«, antwortete der Gildensprecher. »Es ist eine lange und sehr seltsame Geschichte, bis zu diesem Tag mit einem traurigen Ende.« Aufmerksam hörte ich zu und versuchte zu begreifen, was der Sprecher der »Gilde der Denker« mir zu sagen hatte. Das Volk der Qalbyten war auf diesem Planeten vor undenkbar langer Zeit entstanden und hatte im Lauf vieler Jahrtausende eine eigene, hoch entwickelte Zivilisation hervorgebracht. Schon früh in der Entwicklung der Qalbyten hatte sich gezeigt, daß sie eine besondere Begabung zur Lösung wissenschaftlicher Probleme besaßen. Vielleicht hing es mit ihrem dritten Auge zusammen, das sie zu einem besonders klaren und tiefen Denken befähigte. Die Qalbyten hatten dabei niemals eine besondere Neigung zu hoch entwickelter Technik hervorbringen können. Das Hauptaugenmerk ihrer
intensiven Forschungen hatte auf wissenschaftlich logischen Problemen und dem Gebiet der Biologie und Chemie gelegen. Auch Astronomie hatten sie betrieben und dabei sehr bald herausgefunden, daß ihre Sonne nur eine von Abermillionen war, die zusammen die Galaxis Manam‐Turu bildeten. Obwohl sie aufgrund ihrer immensen Kenntnisse geschlußfolgert hatten, daß sie in dieser Galaxis mit Sicherheit nicht die einzigen intelligenten Geschöpfe waren, hatten die Qalbyten niemals den Versuch unternommen, eine überlichtschnelle Raumfahrt zu entwickeln. Sie hatten sich darauf beschränkt, ihr eigenes System ein wenig zu erkunden und einmal einen Kolonisierungsversuch zu unternehmen, der aber kläglich gescheitert war. So hatten die Qalbyten einige Jahrzehntausende friedlich forschend zusammengelebt, als ihr Schicksal eine jähe Wende nahm. Eines Tages wurde das Dawaggor‐System von einem Raumschiff angeflogen. Es war ein Erkundungsschiff, das vom Imperium der Kurguten ausgeschickt worden war, um mit fremden Intelligenzen Kontakte zu schließen. Zu jener Zeit hatten die Kurguten in Manam‐Turu ein gewaltiges Sternenreich aufgerichtet, in dem viele zehntausend verschiedene Völker friedlich zusammenleben konnten. Das besondere, ja fast geniale Talent der Kurguten hatte darin bestanden, die unvermeidlichen Rivalitäten zwischen den einzelnen Völkern in eine für alle Beteiligten gewinnbringende, friedliche Auseinandersetzung zu verwandeln. Die Qalbyten hatten daher nicht lange gezögert und sich einverstanden erklärt, sich in das Imperium der Kurguten eingliedern zu lassen. Auch für die Qalbyten hatten die Kurguten sehr schnell einen Verwendungszweck gefunden, der den Qalbyten gefiel und gleichzeitig zum Aufblühendes Imperiums beitrug. Es hatte nicht lange gedauert, bis aus Dawaggor gleichsam das Gehirn von Manam‐Turu geworden war. Kundschafterschiffe der Kurguten durchstreiften jeden Winkel von Manam‐Turu. Sie sammelten Informationen, die sie dann nach Dawaggor weiterleiteten und die dort von den Qalbyten gesammelt und ausgewertet wurden. Immer wieder geschah es, daß die Qalbyten mit ihrer speziellen Begabung Lösungen fanden für Probleme, die anderen Völkern als absolut
unlösbar erschienen waren. Zum Ausgleich für diese Geistesarbeit versorgten die anderen Völker im Imperium Dawaggor mit hochwertiger Technik, deren die sich die Qalbyten bedienten, ohne jemals den Versuch zu unternehmen, Produktionsstätten für solche Produkte selber herzustellen. Sie begnügten sich damit, die Funktionsweise solcher Technik zu verstehen und eventuell zu verbessern. »Wie lange liegt das alles zurück?« fragte ich den Sprecher der Gilde. Ich hatte noch nie etwas von den Kurguten gehört. Auch Chipol hatte mir niemals etwas von diesem Volk erzählt. »Viele hunderttausend Jahre«, antwortete der Gildensprecher. »Wir wissen von den Besuchern, die es zur Zeit auf Dawaggor gibt, daß das Imperium der Kurguten längst nicht mehr besteht. Vielleicht sind wir Qalbyten die einzigen, die überhaupt noch etwas von der Existenz dieses Sternenreiches wissen.« Nach einigen Jahrtausenden friedlichen Zusammenlebens im Sternenreich der Kurguten machte sich auf Dawaggor ein Problem bemerkbar. Im Laufe dieser langen Zeit waren so ungeheure Datenmengen nach Dawaggor geschafft worden, daß es kaum noch eine Möglichkeit gab, sie zu verarbeiten. Aber auch für dieses Problem hatten die genialen Qalbyten nach einiger Zeit eine überraschende Lösung gefunden. Noch in der Zeit, in der sie ohne Kontakt zu anderen Völkern gelebt hatten, war den Qalbyten aufgefallen, daß es auf ihrem Planeten Mikroben gab, die die seltsame Begabung besaßen, in ihren Körpern Metalle anzureichern und zu sammeln. Mit gezielten Eingriffen in den genetischen Kode dieser Mikroben hatten es die Qalbyten fertiggebracht, diese Begabung der Mikroben zu steigern und sich nutzbar zu machen. Nach der Aufnahme ins Imperium der Kurguten war diese Technik in den Hintergrund getreten, weil die Qalbyten zum Ausgleich für ihre Arbeit von den Kurguten alles bekommen konnten, was sie für ihr Leben brauchten. Einige Forscher hatten es allerdings nie aufgegeben, die Züchtung dieser Mikroben immer weiter zu verbessern und voranzutreiben. Sie waren es auch, die eine Lösung für das Problem der Datenfülle fanden.
Sie züchteten in ihren Labors hochspezialisierte Mikroben, die nicht nur aus der Planetenkruste von Dawaggor die benötigten Materialien sammelten und in ihren Körpern anreicherten, sondern die sie auch auf vorherkalkulierbaren Bahnen wieder ausschieden. Das erste verwendungsfähige Endprodukt dieser Forschung war ein Würfel mit einer Kantenlänge von zehn Metern, der allerdings mit seiner primitiven Technik einer nur faustgroßen Positronik hoffnungslos unterlegen war. Eine Positronik aber war kompliziert herzustellen und obendrein sehr teuer. Die Mikroben arbeiteten im Dienst der Qalbyten, indem sie einfach lebten. Lange wurde in der »Gilde der Denker« darüber beraten, ob das große Projekt fortgeführt werden sollte. Schließlich entschieden sich die Qalbyten dazu, das Wagnis einzugehen. In riesigen Mengen wurden die spezialisierten Mikroben gezüchtet und auf die Oberfläche des Planeten Dawaggor losgelassen. Wieder vergingen Jahrtausende. Im Lauf dieser gewaltigen Zeitspanne änderten die Mikroben praktisch die gesamte Oberfläche des Planeten Dawaggor. Aus den Tiefen des Erdreichs förderten die unermüdlichen Mikroben die Elemente zu Tage, die sie dann später an jeweils vorhandenen Strukturen anbauten. Meter um Meter verwandelte sich die Oberfläche von Dawaggor in ein riesiges Computernetz. »Wie tief reicht diese Schicht hinab?« wollte ich wissen. »Mehrere Kilometer inzwischen«, antwortete der Sprecher der Gilde. In diesem ungeheuerlich großen Datenspeicher nun konnten die Qalbyten all das gesammelte Wissen der Galaxis Manam‐Turu einspeisen. Der Planet selbst, so schien es, saugte die Daten auf wie ein Schwamm. Danach dauerte es nicht mehr lange, bis die Qualbyten eine Technik ersannen, in der sie auf sehr seltsame Art und Weise diese Daten verarbeiten konnten. Sie schufen Schnittstellen, an denen ihre Bewußtseinsinhalte in das riesige Datennetz eindringen und. dort gleichsam herumreisen konnten.
»Wenn ich das Ganze richtig begreife«, sagte ich, »dann sind wir in diesem Augenblick in dem Datennetz von Dawaggor.« »So ist es«, bestätigte mir der Sprecher der Gilde. »Alles, was du siehst, was du wahrnimmst, auch du selbst: es ist nichts weiter als Information.« Ich brauchte einige Zeit, um diesen Bericht geistig zu verdauen. Die Tatsachen als solche begriff ich sehr rasch, schwieriger war es, mit den Gefühlen fertig zu werden. Es war ein entsetzlicher Gedanke, daß meine Existenz in diesem Augenblick vom perfekten Funktionieren primitiver Schaltkreise abhing, daß jeder Programmierfehler, jede technische Störung meine Existenz mit einem Schlag vollkommen auslöschen konnte. »Und wie ging es weiter?« wollte ich wissen. Nach ihrer Zeitrechnung lebten die Qalbyten im zweiundzwanzigsten Jahrtausend nach der ersten Kontaktaufnahme mit dem Imperium, als plötzlich beunruhigende Nachrichten nach Dawaggor getragen wurden. Unversehens war dem Sternenimperium der Kurguten ein Feind entstanden. Aus den Tiefen des Alls kommend, griff er tückisch an, und es kam diesem Feind zustatten, daß das Imperium nach einer so langen Friedensdauer an das Kämpfen nicht mehr gewöhnt war. Lawinenartigerlitten die Kurguten eine Niederlage nach der anderen, und es zeichnete sich ab, daß sie dem Feind nicht mehr lange Widerstand leisten konnten. Besser als jedes andere Volk konnten die Qalbyten abschätzen, was es bedeutete, wenn dieser Feind jemals nach Dawaggor gelangte. Das Wissen einer ganzen Galaxis schlummerte in den unendlichen Archiven von Dawaggor, und dieses Wissen stellte eine Macht dar, die niemals dem Feind in die Hände fallen durfte. In der Blütezeit des Imperiums war dieser Wissensschatz ein Werkzeug zum Fortschritt der Völker des Imperiums gewesen. Jetzt aber zeichnete sich ab, daß man dieses Werkzeug ebenso gut dazu benutzen konnte, diese Völker auf fürchterliche Art und Weise zu versklaven. Die Führung des Imperiums der Kurguten war zu ähnlichen Überlegungen gekommen und tat das ihre, um Dawaggor zu schützen.
Kein Schiff durfte Dawaggor mehr anlaufen. In sämtlichen Archiven, positronischen Speichern, in kosmonavigatorischen Unterlagen wurden die Koordinaten des Dawaggor‐Systems gelöscht. Niemand durfte mehr über den Planeten sprechen. Die Qalbyten aber wußten, daß diese Maßnahmen nicht ausreichten. Früher oder später würde der Feind Dawaggor finden. »Ihr hättet die Speicher leeren können«, warf ich ein. Der Gildensprecher machte eine heftige Geste der Verneinung. Diesen Gedanken haben unsere Vorväter nicht für einen Sekundenbruchteil erwogen. Die Geschichte des Imperiums hat uns gelehrt, daß kein Sternenreich auf ewig bestehen kann, auch das dieses Feindes nicht. Gewiß, es stand zu befürchten, daß den Völkern von Manam‐Turu eine lange Nacht der Tyrannei bevorstand. Aber auch das Imperium des Feindes mußte irgendwann einmal fallen, und dann war der Wissensschatz in den Archiven von Dawaggor von unermeßlichem Wert für die Völker von Manam‐Turu. Die »Gilde der Denker« entschloß sich zu einer gänzlich anderen Lösung. Der Weg für den sie sich entschieden, war auch aus einem anderen Grund nahezu unvermeidlich. Die Bewohner von Dawaggor waren inzwischen so sehr abhängig von den ständigen Güterlieferungen des Imperiums, daß sie aus eigener Kraft ihren Lebensstandard nicht mehr halten konnten. Die »Gilde der Denker« beschloß daher, daß sich das gesamte Volk der Qalbyten, dem Vorbild der Wissenschaftlerfolgend, in das Datensystem des Planeten integrieren sollte. »Und das hat dein Volk wirklich getan?« fragte ich erschüttert. Der Gildensprecher machte eine Geste der Bejahung. »Du kennst diese Form des Lebens noch nicht«, sagte er dann. »Sie ist völlig anders als alles, was du vielleicht bis jetzt erlebt hast. Sie ist einmalig. Sie gibt uns Freiheiten, von denen andere Existenzen nur träumen können.« Die Stimme des Gildensprechers bekam einen fast verträumten Ausdruck, als er fortfuhr: »Sieh dich um. Du kannst sehen, hören, fühlen. Du kannst essen
und trinken. Du kannst mit uns reden. Wärest du einer von uns, könntest du dir deinen Körper aussuchen. Fremde Planeten, exotische Landschaften – alles, was in den unermeßlichen Datenbergen an Informationen schlummert, steht dir zur Verfügung. Du kannst Kunstwerke erschaffen, du kannst Reisen unternehmen, du kannst Abenteuer erleben – die Möglichkeiten scheinen wirklich unbegrenzt zu sein. Wir genießen dieses Leben. Wir wollen keine andere Existenzform mehr haben.« Ich erinnerte mich an die ersten beiden Qalbyten, die ich gesehen hatte, die beiden Kämpfer in der Hauptstadt des Planeten. »Könnt ihr euch auch in normale Lebewesen zurückverwandeln?« wollte ich wissen. »Nein«, antwortete der Gildensprecher. »Das ist nicht mehr möglich. Wir können Projektionen von uns herstellen, die du vielleicht auf unserer Oberfläche schon gesehen hast. Für uns sind sie real, für euch nicht. Um in dieser Gestalt leben zu können, brauchen unsere Projektionen unbedingt den Kontakt zur Planetenoberfläche. In dem Augenblick, in dem keine Datenverbindung mehr zwischen der Projektion und der Oberfläche besteht, verschwindet die Projektion unwiderruflich.« »Und der betreffende Qualbyte ist dann tot?« fragte ich. »Nein,« lautete die Antwort. »Was du hier von dir siehst, sind die Kopien von Bewußtseinsinhalten, die tief im Herzen von Dawaggor unlöschbar gespeichert sind.« »Und was ist mit mir?« fragte ich. »Bin ich jetzt dazu verdammt, ewig unter euch zu leben?« »Dein Bewußtseinsinhalt war uns nicht zugänglich, aber selbst wenn wir ihn hätten erreichen können, hätten wir ihn nicht in unseren Kernspeicher integriert. Du kannst, wenn du willst, zurückkehren in deinen normalen sterblichen Körper. Aber ich muß dich warnen. Wenn deinem Imago in dieser Existenzebene etwas zustößt, wenn dein Bewußtsein zerstört wird, dann ist auch dein Körper zum Tod verurteilt.«
»Das habe ich begriffen«, antwortete ich. »Und jetzt möchte ich wissen, welche Hilfe erwartet ihr von mir?« Der Gildensprecher schwieg eine Zeitlang. »Dieses riesige Datenarchiv, von dem du nur einen winzig kleinen Teil gesehen hast, ist von uns in drei völlig unterschiedliche Bereiche aufgeteilt worden. Was du in diesem Augenblick wahrnimmst, ist der erste Teil. Es ist eine gewaltige Menge zusammenhangloser Informationen aus unterschiedlichen Quellen. Sollte dieses Material einem Feind in die Hände fallen, wird es ihm wenig nutzen. Eine zweite Speichereinheit enthält unsere Bewußtseinsinhalte. Darum können wir uns selbst kümmern. In diesem Fall brauchen wir deine Hilfe nicht. Es gibt aber auch noch eine dritte Sektion, und dieses Archiv enthält Daten, die für jeden von unermeßlichem Wert wären. Dort behüten wir die Geheimnisse von Manam‐Turu, soweit wir sie in der Vergangenheit gesammelt haben.« »Ich sehe das Problem nicht«, sagte ich. »Wir haben diesen Speicherbereich so gut gesichert, wie wir es nur können, aber es gibt noch immer einen Zugang zu dem Speicher. Bevor auf diese Informationen zurückgegriffen werden kann, muß der Verwaltung des Speichers ein Kodewort gegeben werden. Es wird in einem sehr komplizierten Verfahren immer wieder gewechselt, aber es bietet uns keinen absoluten Schutz. Das Problem ist, daß wir nichts denken können, was wir nicht denken können. Jede begriffliche Vorstellung, die wir dort als Schlüsselbegriff ablegen, schwirrt gleichzeitig außerhalb dieses Speichers im allgemeinen Informationsnetz ebenfalls herum, und kann gefunden werden. Wir können uns keine Sperre ausdenken, die wir nicht selbst auch wieder außer Kraft setzen könnten. Das aber ist unbedingt nötig.« »Ihr wißt von dem Neuen Konzil?« fragte ich. »Wir wissen Bescheid«, sagte eine Stimme hinter mir. Ich wandte den Kopf und sah dort, wo die ganze Zeit mein Ebenbild gestanden
hatte, nun einen Artgenossen von Sspordon. »Immer wieder einmal«, erklärte der Gildensprecher, »laden wir Vertreter der Händler ein, in unser Leben einzusteigen. Von ihnen wissen wir, was in Manam‐Turu vorgeht und von ihnen wissen wir auch, welche furchtbare Macht die Hyptons besitzen. Unter gar keinen Umständen dürfen diese Wesen an unseren Wissensschatz herankommen.« »Augenblick«, warf ich ein. »Wenn es mir tatsächlich gelingt, den fraglichen Speicher mit einem Begriff zu versiegeln, den ihr nicht kennt und nicht erraten könnt, dann kommt ihr doch selbst nicht mehr an diese Informationen heran. Dann könntet ihr das Archiv ebenso gut löschen.« »Du hast recht«, sagte der Gildensprecher. »Diese Möglichkeit steht uns offen. In diesem Speicherbereich aber ist aus Sicherheitsgründen auch das gesamte Betriebssystem für dieses Datennetz enthalten. Wenn wir diesen Speicher löschen, vernichten wir damit uns selbst.« Ich holte tief Luft. Die Qalbyten hatten sich offenbar in eine beträchtliche Zwickmühle hineinmanövriert. Ich deutete auf das Krakenwesen. »Könnte er nicht …«, fragte ich. »Er gehört jetzt zu uns und ist damit ein Bestandteil des Problems«, sagte der Gildensprecher. »Als wir den Kontakt zu dir herstellten, spürten wir sofort, daß du in der Lage bist, einen großen Teil deines Bewußtseins vor uns abzusperren. Aber das, was, wir über dich erfahren haben, reicht, daß wir dir vertrauen. Willst du uns unseren Wunsch erfüllen?« Ich brauchte mir die Antwort nicht lange zu überlegen. »Ja«, antwortete ich. Der Gildensprecher sah mich ernst an. »Ich muß dich aber warnen«, sagte er eindringlich. »Wir haben vor kurzer Zeit den Fehler begangen, ein Bewußtsein zu uns zu holen, das uns feindlich gesinnt ist. Dieses Bewußtsein ist stark und
mächtig, und es hat sehr schnell herausgefunden, wo wir verletzbar sind. Dieses Bewußtsein wird sich dir in den Weg stellen, wenn du uns zu helfen versuchst.« »Und was ist das für ein Bewußtsein?« wollte ich wissen. Die Antwort des Gildensprechers machte mir sofort klar, daß ich es mit einem erbitterten Feind zu tun haben würde. »Er gehört zum Volk der Ligriden«, sagte der Gildensprecher, »und er nennt sich Halphar.« 7. Halphar ließ die Waffe sinken. Sein Gegner machte noch einen Schritt und stürzte dann, zu Tode getroffen, in den Sand der Arena und blieb dort liegen. Aus den Reihen der Zuschauer kam lauter Beifall. Der Ligride war am Ende seiner Kräfte. Zehn verschiedenen Gegnern war er mit den unterschiedlichsten Waffen im Lauf dieses Tages entgegengetreten, und er hatte jeden Kampf bestanden. Nicht einen seiner Widersacher hatte er verschont. Halphar war sich sicher, daß er in dieser Schreckensvision tatsächlich um sein Leben kämpfte. Ob das für seine Gegner zutraf, wußte er nicht. Er nahm aber an, daß sie das Ganze wirklich als Spiel betrachteten. Für ihn war es tödlicher Ernst. Halphar wußte auch, daß alles, was ihn umgab, nichts weiter war als eine Sammlung von Informationspaketen, die man gleichsam um ihn herum gruppiert hatte. Die Arena gehörte dazu mit ihrem hellen Sand, der an einigen Stellen dunkel gefärbt war. Die Bestien gehörten dazu, gegen die er hatte antreten müssen. Auch die Zuschauer auf den steinernen Rängen waren nichts weiter als Informationspakete. Verzweifelt suchte Halphar nach einer Möglichkeit, aus dem Spiel auszubrechen.
Auf der gegenüberliegenden Seite der Arena tauchte plötzlich eine große elektronische Uhr auf, mit einer Schrift, die Halphar verriet, daß man ihm zehn Minuten Rast gönnte. Der Ligride konnte das nicht als Freundlichkeit akzeptieren. Er sah darin lediglich eine Maßnahme, die das vorhersehbare Ende hinauszögern sollte. Auf quietschenden Rollen kam ein Roboter auf Halphar zu. Es war eine lächerliche Karikatur eines ligridischen Modells und diente offensichtlich dazu, Halphar zu demütigen. In einem seiner Greifarme hielt der Robot einen Becher mit Flüssigkeit. Halphar hatte schon zweimal während seines Kampfspiels davon getrunken, und er hatte spüren können, daß der Saft ihn erfrischte und seine Körperkräfte wiederherstellte. Halphar holte tief Luft. Wieviel Entscheidungsfreiheit besaß er in dieser Lage noch? Konnte er sein Schicksal überhaupt noch beeinflussen? Mit der für ihn charakteristischen Kaltblütigkeit faßte der Ligride einen Entschluß. Er würde nichts von der Flüssigkeit zu sich nehmen, und er war auch entschlossen, den nächsten Kampf absichtlich zu verlieren. Wenn er dabei unwiderruflich starb, dann hatte wenigstens diese demütigende Prozedur ein Ende. Halphar hob das Schwert, das er in der rechten Hand hielt. Mit einer raschen Bewegung schlug er dem Robot den Becher aus der Greifhand. Dann begann er mit aller Kraft auf den metallenen Körper einzudreschen. Der Robot quiekte und wandte sich zur Flucht. Wieherndes Gelächter erklang von den Zuschauerbänken. Halphar machte weiter. Er setzte dem Robot nach. Er hatte gesehen, daß die Maschine aus einem Torbogen hervorgerollt war. Normalerweise war dieses Tor mit einem schweren eisernen Gitter abgeriegelt. Im Laufen konnte Halphar sehen, daß das Gitter gerade angehoben wurde, um den Robot passieren zu lassen. Mit etwas Glück war es vielleicht möglich, auf diese Weise die Arena zu verlassen und das Spiel zu durchbrechen.
Halphars Plan schlug fehl. Bevor der Robot den Ausgang erreicht hatte, fuhr das Gitter ratternd wieder in seine alte Stellung zurück. Halphar stieß einen Fluch aus. Der Robot blieb unmittelbar vor dem Gitter stehen und winselte, während Halphar mit aller Kraft auf ihn einschlug, bis er die Arme kaum mehr zu heben vermochte. Beschädigt hatte er die Maschine dabei nicht. Halphar wandte sich zur Seite. Wütend führte er einen Hieb gegen die grauen Umfassungsmauern der Arena. Mit einem häßlichen Klirren zerbrach sein Schwert. Gleichzeitig flogen ein paar Steinsplitter umher. Halphar ließ die nutzlos gewordene Waffe in den Sand fallen. Körperlich völlig erschöpft und geistig niedergedrückt, lehnte er sich gegen die Mauer. Zufällig fiel sein Blick auf die Stelle, die er mit dem Schwert getroffen hatte. Dort, wo die Klinge ein Stück des Gesteins herausgeschlagen hatte, war nun eine weißlich glitzernde Struktur zu erkennen. Halphar wußte selbst nicht recht, was ihn dazu trieb, diese Stelle mit den Fingerspitzen zu berühren. Aber als er es tat, spürte er mit einem Schlag alle Müdigkeit von sich abfallen. Mehr noch, in seinem Hirn bildete sich der Gedanke, daß jenseits dieser Mauerstelle ein unermeßlich großer Raum auf ihn wartete, in dem es keine Arena, keine Kämpfe und keinen Tod gab. Unwillkürlich wünschte sich Halphar dorthin. Halphar stieß einen tiefen Seufzer aus. Die Arena war verschwunden. Die ganze Szenerie hatte sich mit einem Schlag geändert. Der Ligride stand jetzt auf einer ungeheuer großen, scheinbar grenzenlosen, dunkelblauen Fläche? die überwölbt wurde von einem hellblauen Himmel. Als Halphar sich selbst kurz betrachtete, stellte er fest, daß sein ganzer Körper und seine Kleidung schneeweiß geworden waren. Halphar versuchte zu begreifen, was geschehen war. Eine Landschaft wie diese konnte er sich auf keinem denkbaren Planeten
vorstellen. Befand er sich jetzt auf einem anderen Existenzniveau? Vielleicht auf einer anderen Dimensionsebene? Der Ligride wußte es nicht; er wußte nur das eine, daß er so schnell wie möglich handeln mußte. Prüfend machte der Ligride einige Schritte, und für einen kurzen Augenblick spürte er die Angst, daß der Boden unter seinen Füßen nachgeben konnte. Im gleichen Augenblick öffnete sich unter ihm eine abgrundtiefe Schwärze, in die Halphar schreiend hinabstürzte. Er fiel und fiel, und der Sturz schien kein Ende nehmen zu wollen. Unwillkürlich fühlte sich Halphar an Träume erinnert, die er in früher Jugend gehabt hatte. Auch damals war er ins Bodenlose gestürzt und nach dem Ende des Traumes jedesmal schweißgebadet aufgewacht. Erst durch die intensive meditative Schulung als Diener des Gwyn hatte Halphar gelernt, solche Alpträume unter Kontrolle zu bringen. Die gleiche Technik wandte er auch jetzt an. Er zwang sich dazu, zu erwachen. Der Lidgride stieß einen Seufzer aus. Er befand sich nun an Bord von BASTION‐V und lag in seinem Bett in seiner Kabine. War dies ein neues Spiel? Oder hatten sich die Bedingungen grundsätzlich geändert? Halphar machte sofort eine Probe. Er stellte sich die Zentrale der DUNGAR vor, die es längst nicht mehr gab, wie er wußte. Im nächsten Augenblick befand er sich dort, wohin er sich gewünscht hatte. Auch hier stimmte jedes Detail. Allerdings kamen die Gesichter seiner Untergebenen Halphar merkwürdig unfertig vor. In diesem Augenblick wurde Halphar klar, daß diese Scheinrealität nicht von außen erzeugt worden war, sondern daß er sie selbst mit seinen Gedanken geschaffen hatte. Selbstverständlich konnte er nur das als Scheinwirklichkeit entstehen lassen, woran er sich erinnert. Das erklärte auch die Lücken in seiner Wahrnehmung. Halphar wußte, daß er sich in dieser Lage nicht ausruhen konnte. Wieder befand er sich in einer Scheinrealität, diesmal in einer
selbstgeschaffenen. Die Gefahr bestand darin, daß seine gedanklichen Projektionen von seiner Wahrnehmung erfaßt wurden und sich so in einer Art Kurzschluß aufschaukeln konnten, bis er entweder den Verstand verlor oder daran starb. Halphar mußte so schnell wie möglich aus dieser Scheinrealität einen Ausweg finden. »Nach Hause«, murmelte der Ligride. Im nächsten Augenblick befand er sich wieder in seiner Kabine in BASTION‐V. Ohne zu zögern, schaltete Halphar den Kommunikator ein und stellte eine Verbindung her zur Zentralpositronik von BASTION‐V. Dabei stellte er sich eindringlich vor, daß diese Schaltung ihn nicht mit der Positronik von BASTION‐ V verband, sondern vielmehr mit dem gigantischen Rechner, der die Oberfläche von Dwaggor bedeckte. Mit einigen knappen Kommandos forderte Halphar den Rechner auf, Informationen über seine eigene Struktur preiszugeben. In sehr kurzer Zeit war es Halphar gelungen, zwei Existenzebenen hinter sich zu bringen. Ursprünglich war er nicht mehr gewesen als eine Figur in einem positronischen Spiel, auf das er keinerlei Einfluß hatte. Dann war es ihm gelungen, seine eigene Identität innerhalb des Rechners beizubehalten. Jetzt galt es, sich in die Steuerung dieses Gigantrechners einzuschleichen und das Kommando über den Informationsfluß zu übernehmen. Der Versuch gelang besser, als Halphar erwartet hatte. Seine Tätigkeit als Verhörspezialist kam ihm in dieser Situation sehr zugute. Gründlich und systematisch erforschte Halphar, was er zu wissen wünschte. Und in kurzer Zeit hatte er einen Überblick über die Gesamtstruktur der seltsamen Doppelexistenz von Dawaggor gefunden. Halphar war noch damit beschäftigt, als plötzlich in seiner Kabine ein Lebewesen materialisierte, das ihn drohend anzusehen schien, Halphar zögerte keinen Augenblick, griff zur Waffe und schoß den Besucher nieder.
Er wußte, daß man ihm auf der Spur war. Vordringlich mußte er sich jetzt in den riesigen Systemen des Rechners ein neues Versteck suchen. Als erstes fischte sich der Ligride aus dem schier unerschöpflichen Fundus verschiedener Lebewesen eine neue Körperidentität heraus, die er annahm. Als Ligride war er danach nicht mehr zu erkennen. Danach fädelte sich Halphars Bewußtsein in die Leiterbahnen von Dawaggor ein und suchte sich einen neuen Standort, von dem aus er zu operieren gedachte. Die einzigartige Konstruktion der Großanlage von Dawaggor machte es möglich, auf dieser Existenzebene Dinge zu erschaffen, die technisch einwandfrei funktionierten, sofern der Schöpfer in der Lage war, solche Gegenstände bis ins kleinste Detail gedanklich zu erfassen. Halphar hatte sehr schnell begriffen, auf welchen unglaublichen Schatz er gestoßen war, und entsprechend intensiv und gründlich ging er an die Arbeit. Um sich herum ließ er eine Kopie von BASTION‐V erstehen. Um Lebenserhaltungsanlage und ähnliches brauchte er sich nicht zu kümmern. Um so größere Sorgfalt wandte Halphar dabei auf, die Abwehrwaffen bis ins kleinste Detail nachkonstruieren und vielfach duplizieren zu lassen. An dieser waffenstarrenden Bastion mochten sich die Phantombewohner Dawaggors nur die Zähne ausbeißen. Außerdem rekonstruierte Halphar in Gedanken einen Kampfrobotertypus, den er bei seiner Ausbildung genau hatte studieren müssen. Sobald er die Maschine auf ihre Funktionsfähigkeit getestet hatte, gab er seiner Umgebung den Befehl, von diesem Typus zehntausend Kopien herzustellen, die er in BASTION‐V verteilte. Damit hatte er sich in dem Datennetz von Dawaggor eine Festung erschaffen, in der er geraume Zeit vor unliebsamen Störungen geschützt war. Für die abstrakten Bewohner Dawaggors mußte dieses Bollwerk ebenso real sein, wie es zuvor die Arena für Halphar gewesen war.
Danach suchte sich Halphar schnellstens einen neuen Standort. Mit annähernder Lichtgeschwindigkeit durchraste er die Leiterbahnen unter der Oberfläche von Dawaggor und suchte sich einen neuen Platz, von dem aus er operieren konnte. Er hatte sich zwei Ziele gesteckt. Das eine war, Atlan zu finden und gefangenzunehmen. Dabei träumte der Ligride von der Möglichkeit, den Bewußtseinsinhalt seines Erzfeinds in das Datennetz von Dawaggor einzuspeisen und dort zu seiner Verfügung zu haben. Die zweite Aufgabe erschien Halphar jedoch ungleich verlockender. Durch sein geschicktes Fragen hatte er sehr früh festgestellt, daß es im Speichersystem des Riesenrechners Dawaggor einige Sektoren gab, die besonders gesichert worden waren. Er hatte auch in Erfahrung bringen können, welche Daten dort gespeichert waren – Billionen von Informationen über Manam‐Turu. Wenn es ihm gelang, diese Informationen in ligridische Hände zu spielen, dann stand dem weiteren Vordringen der Ligriden in Manam‐Turu nichts mehr im Wege. Es wäre ein Triumph gewesen, der alles übertraf, was die ligridische Geschichte jemals zu verzeichnen gehabt hatte. Und Halphars Karriere in der ligridischen Gesellschaft würde so kometenhaft weitergehen, wie sie begonnen hatte. Mit einer solchen Beute als Geschenk für sein Volk konnte Halphar darauf rechnen, den höchsten Gipfel der Macht bei den Ligriden zu erreichen. »Langsam«, murmelte Halphar. Er durfte sich nicht dem Rausch eines Erfolgs hingeben, den er hoch gar nicht erreicht hatte. Vor allem sah Halphar zu, daß er für den Fall der Fälle eine Rückzugsmöglichkeit fand. Auch für dieses Problem entdeckte er nach einigem Nachdenken eine brauchbare Lösung. Halphar hatte herausgefunden, daß er sich überall dort auf Dawaggor frei bewegen konnte, wo die mikroskopisch feinen Leiterbahnen des riesigen Rechensystems verliefen. Überall dort, wo es möglich war, diesen Informationsfluß auch in andere Systeme
hinein fortzusetzen, konnte er sich dieser Systeme ebenfalls bedienen. Nach einigem Suchen hatte Halphar ein Händlerschiff gefunden, das ihm für seine Zwecke geeignet erschien. Danach brauchte er nichts mehr zu tun, als das elektronische System dieses Schiffes mit einer Fülle von Impulsen zu überschütten, die dazu führten, daß sämtliche Inneneinrichtungen funktionsgestört wurden, und die Besatzung nach kurzer Zeit glauben mußte, in einem elektronischen Tollhaus zu leben. Halphar brauchte nur eine Viertelstunde lang zu arbeiten, dann hatte die Besatzung das Schiff fluchtartig verlassen und sich in Sicherheit gebracht. Der nächste Schritt bestand darin, Halphars eigene Körperidentität in der Nähe dieses Schiffes abzuspeichern und dort verfügbar zu halten. Im Notfall hatte Halphar jetzt die Möglichkeit, binnen weniger Mikrosekunden zu seinem gespeicherten Körper zurückzukehren, aus dem Leitungssystem von Dawaggor herauszumaterialisieren und dann als ganz normaler Ligride in das Schiff zu steigen und es zu starten. Dabei war ein gewisses Risiko unvermeidlich – die Piraten von Dawaggor würden natürlich den Start registrieren und vermutlich sofort die Verfolgung aufnehmen. Aber Halphar war sich sicher, daß er die lästigen Piraten würde abschütteln können. Halphar stieß einen tiefen Seufzer aus. Die Vorarbeiten waren abgeschlossen. Jetzt konnte er sich an seine eigentliche Aufgabe machen. * Niemals zuvor in seinem Leben hatte Khodar sich so wohl gefühlt. Er lag bäuchlings auf warmem Sand, hatte den Kopf in die Arme vergraben und ließ sich von der Sonne den Rücken bestrahlen. Hinter ihm schlugen die Wellen an den Strand.
Es gab nichts, was seinen inneren Frieden jetzt noch hätte stören können. Wenn es ihm hier nicht mehr gefiel, dann konnte er sich jederzeit einen anderen Ort zusammendenken, an dem er leben konnte. Vielleicht fand er Gefallen an einem dicht bewachsenen Dschungel, unmittelbar in der Nähe des Ufers, angefüllt mit gefährlichem Leben, mit dem er aufregende Kämpfe zu bestehen hatte. Wenn ihm der Sinn mehr nach Müßiggang stand, hatte er auch dazu jede nur denkbare Möglichkeit. Es schien nichts zu geben, was in diesem Leben nicht möglich war. In diesem Augenblick allerdings stand Khodar nicht der Sinn nach Abenteuern. Er genoß die Ruhe und den Frieden der Landschaft, vor allem aber das Bewußtsein, daß der Fluch endgültig von seiner Familie genommen war. Irgendwo, tief im Innern von Dawaggor, war sein Bewußtsein für alle Zeiten festgehalten. Selbst wenn er an diesem Ort den Tod fand, konnte er dabei nicht mehr verlieren als einige Erinnerungen. Unmittelbar danach konnte er eine neue Kopie seines Bewußtseins auf die Reise in ein neues Leben schicken. Eine Sorge allerdings war dem jungen Ligriden verblieben. Er wußte, daß Halphar auf die gleiche Art und Weise gerettet worden war wie er selbst. In der Welt, in der Khodar nun lebte, gab es auch einen Halphar, und Khodar hatte keinen Zweifel, daß der Ligride seinen Charakter nicht im mindesten geändert hatte. Sollten die beiden jemals zusammentreffen, würde Halphar von Khodar sicherlich die übliche Unterwerfung fordern. Khodar hatte zu schwitzen begonnen. Er wünschte sich ein Erfrischungsgetränk herbei, bekam es auch und trank es langsam und genußvoll. Khodar war immer wieder von der Fülle der Möglichkeiten überwältigt, die ihm nun offenstanden. Er ahnte aber, daß es noch sehr lange dauern würde, bis er im Umgang mit dem System die gleiche Fertigkeit erreicht haben konnte wie die anderen Bewohner von Dawaggor. Vielleicht würde er als erstes bei den Spielen
anderer als Teilnehmer agieren, bevor er soweit war, aus dem unermeßlichen Zutatenrepertoire Dawaggors selbst eine Landschaft oder einen Planeten zusammenzubauen, und ihn mit aufregenden Szenen anzufüllen, mit kostbaren Schätzen und allem anderen, was für ein unterhaltsames Abenteuer nötig war. Khodar begann zu kichern. Vor wenigen Stunden noch hatte er mit der Gewißheit leben müssen, in jedem Augenblick sterben zu können. Und jetzt ertappte er sich dabei, daß er sich selbst eine Frist von drei Jahrhunderten setzte, die er zur Vorbereitung nutzen wollte, bevor er einem seiner Mitbewohner ein selbsterdachtes Abenteuerleben zu präsentieren gedachte. Obwohl im gleichen Augenblick auf vielen hunderttausend Spielebenen in Dawaggors System gekämpft, gelacht, gestritten, geliebt und getötet wurde, war dieses Dawaggor die friedfertigste Welt, die man sich nur vorstellen konnte. Alles war hier Spiel, selbst der Tod. Das Leben hier war von ganz anderen Regeln geprägt, als Khodar es von den Ligriden her gewohnt war. Khodar dehnte und reckte sich. Das Sonnenbad hatte ihn ein wenig schläfrig gemacht. Der junge Ligride setzte die Temperatur seiner Landschaft auf angenehmere Werte herab und entschloß sich dann, ein paar Jahrhunderte lang zu schlafen. 8. Langsam bewegte sich die schwere Maschine vorwärts. Über mir wölbte sich das grüne Feld des HÜ‐Schirms. Ich wußte, daß Halphar ein fürchterlicher Gegner sein konnte und daß ich alles aufbieten mußte, um diesem Feind standzuhalten. Den Ligriden aufstöbern zu wollen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Die Leiterbahnen, auf denen sich das Leben Dawaggors abspielte, waren nur einige Zehntausendstel Millimeter
dick. Das gesamte Netz umspannte den Planeten und reichte tief in die Kruste der Oberfläche hinab. Wenn man die Längen all dieser Einzelleitungen zusammenaddierte, dann kamen dabei Strecken von wahrhaft astronomischer Größenordnung heraus. Selbst wenn Halphar sich in dem Leitungsnetz nicht bewegt hätte, hätte ich wahrscheinlich Jahrtausende dafür gebraucht, ihn aufzustöbern. Dennoch war ich sicher, daß ich früher oder später auf Halphar stoßen würde. Ich war mir sicher, daß Halphar, seit er in das Netz eingedrungen war, mindestens ebenso viele Informationen hatte sammeln können wie ich. Auch er wußte inzwischen von der Existenz des geheimen Archivs, und ein Ligride seines Ranges brauchte sicherlich nicht lange, um die Bedeutung dieses Wissensschatzes zu ermessen. An der Zugangsstelle zu diesem Speicher würde ich Halphar treffen. In einem Fall wie diesem war man immer gut beraten, wenn man versuchte, sich in die Gedankengänge seines Gegners hineinzuversetzen. Halphar konnte sich ausrechnen, daß die Qalbyten sicherlich nicht damit einverstanden waren, wenn er sich ihres geheimen Archivs bemächtigte. Sie würden ihm Widerstand entgegensetzen, und Halphar würde das Seine tun, diesen Widerstand niederzukämpfen. Der Ligride war gerissen und skrupellos; ich mußte daher mit jeder Überraschung rechnen. Daß ich mich daher mit einem selbstbeweglichen Desintegratorgeschütz durch die Pseudoweit von Dawaggor bewegte, hatte einen guten Grund. Mit dem Desintegrator konnte ich Hindernisse aus dem Weg räumen, die mir Halphar vermutlich entgegenstellen würde. Auf der anderen Seite war ich durch das HÜ‐Feld einigermaßen vor seinen Angriffen geschützt. Am liebsten hätte ich natürlich ein Paratronfeld eingesetzt, dessen Schutzwirkung erheblich höher lag als die des HÜ‐Schirms. Aber das Konstruktionsprinzip eines solchen Feldes bewirkte, daß auftreffende Energien in den Hyperraum abgelenkt wurden. Unter
den besonderen Bedingungen, unter denen ich im Augenblick lebte, hätte das bedeutet, daß alles, was mit diesem Feld in Kontakt kam, auf Nimmerwiedersehen verschwand. Da aber die ganze Pseudoweit von Dawaggor aus nichts anderem bestand als aus informationsträchtigen Energieimpulsen, hätte ich mit dieser Abwehrwaffe verheerende Wirkung erzielen können. Was die Qalbyten dazu bewogen haben mochte, den Zugang zu ihrem Geheimarchiv ähnlich einer archaischen Tempelanlage zu gestalten, blieb ihr Geheimnis. Die Informationspakete, die ich wahrnehmen konnte, wurden, wie ich wußte, aus dem Innern des Geheimarchivs gespeist und waren daher von außen nicht veränderbar. Was ich zu sehen bekam, war zunächst ein endlos erscheinendes Wolkenmeer. Aus diesen hellen Schwaden führte eine lange gewundene Rampe hinauf zu einem großen Tempelbezirk, der im Licht einer unsichtbaren Sonne glitzerte und glänzte. Außer mir und meinem Fahrzeug war auf dieser Straße nichts zu sehen. Ich hütete mich aber, daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, daß Halphar nicht in der Nähe war. Hoch über meinem Kopf zog eine Schar beutegieriger Raubechsen ihre Kreise. Das klatschende Geräusch ihrer großen Schwingen übertönte schwach das leise Brummen, mit dem sich das Geschütz Meter um Meter weiter bewegte. Ich drehte den Kopf und sah nach hinten. Auch dort war von Halphar nichts zu sehen. Er ist mit großer Wahrscheinlichkeit vor dir, gab das Extrahirn durch. Die Vermutung lag auf der Hand; Halphar war etliche Stunden vor mir in das Leitungsnetz von Dawaggor eingetaucht, und der Ligride hatte sicherlich keinerlei Zeit verloren und sich an die Arbeit gemacht. Als ich die Hälfte der Strecke bis zum Tempel zurückgelegt hatte, begann mir langsam mulmig zu werden. Was mochte Halphar für mich vorbereitet haben?
Meine qalbytischen Freunde hatten mich darüber aufgeklärt, daß für diesen Speicherbereich besondere Regeln galten. Es war verboten, irgendwelche Waffen in diesen Sektor mitzunehmen, und ein ausgeklügeltes Kontrollsystem sorgte dafür, daß alle Versuche dieser Art unterbunden wurden. Dasʹ galt allerdings nur für solche Waffen, die die Kontrollen erkennen konnten. Terranische und ligridische Waffenkonstruktionen hingegen waren diesem System nicht bekannt und konnten daher von Halphar und mir eingesetzt werden. Ich wußte von der ligridischen Waffentechnologie viel zu wenig, um abschätzen zu können, was Halphar gegen mich aufzubieten hatte. Nachdem ich drei Viertel der Strecke zurückgelegt hatte, mußte ich zu meinem Bedauern feststellen, daß zwar die Qalbyten nichts über Desintegratoren wußten, wohl aber das Kontrollsystem. Das Geschütz blieb stehen und begann sich aufzulösen und zu verschwinden. Der Projektor für das HÜ‐Schirm‐feld war von mir in die Konstruktion des Geschützes integriert worden und daher ebenfalls von der Auflösung betroffen. So schnell wie möglich kletterte ich von dem Geschütz herunter und sah zu, daß ich festen Boden unter die Füße bekam. Ich hatte noch keine hundert Meter zurückgelegt, als sich Halphar zum erstenmal bemerkbar machte. An dem großen Tor, das den Zugang zum Tempelbezirk bildete, entstand ein kleiner schwarzer Punkt, der sich zu bewegen begann. Mit steigender Geschwindigkeit glitt er die Rampe herunter. Unwillkürlich mußte ich grinsen. Bei meinen persönlichen Kontakten mit Halphar war mir schon sehr früh aufgefallen, daß der Ligride eine verhängnisvolle Neigung hatte, sich selbst in Paradoxien zu verstricken. Und er besaß allem Anschein nach einen äußerst grimmigen Humor. Das Spiel, mit dem er das Duell zu eröffnen begann, hatte große Ähnlichkeit mit einem uralten religionswissenschaftlichen
Paradoxon: Kann ein allmächtiges Wesen einen Gegenstand erschaffen, der so schwer ist, daß er ihn selbst nicht mehr aufheben kann? Was Halphar da einige Kilometer von mir entfernt auf die Reise geschickt hatte, war vermutlich eine riesige Kugel, die mit steigender Geschwindigkeit die Rampe herabdonnerte und mich unweigerlich zermalmen mußte, wenn ich sie nicht vorher zerstörte. Werde nicht leichtsinnig, warnte der Logiksektor. Ein wenig erschreckt machte ich eine Probe. Durch Gedankenkraft schuf ich einige kleine Gegenstände, die ich in immer größerem Abstand von mir in der Luft materialisieren ließ. Entsetzt mußte ich feststellen, daß das Wirkungsfeld, in dessen Bereich ich die Scheinrealität nach Belieben verändern konnte, nur noch zwei, drei Schritte durchmaß. Ich wandte mich zur Seite, um Halphars Geschoß an mir vorbeirasen zu lassen. Eine neue Überraschung wartete auf mich. Über die Rampe, auf der ich stand, spannte sich ein unsichtbares Gewölbe, auf das ich keinerlei Einfluß hatte. Mir blieben nur noch wenige Sekunden. Ich schloß die Augen und konzentrierte mich mit aller Kraft auf ein Feld, das den heranrasenden Block auflösen sollte, sobald er in das Feld eindrang. Das Poltern, mit dem Halphars Geschoß auf mich herabstürzte, wurde lauter und lauter, bis es in meinen Ohren zu schmerzen begann. Und dann, von einem Augenblick auf den anderen, verschwand das Geräusch. Ich öffnete die Augen. Knapp fünfzig Schritte von mir entfernt sah ich einen kompakten Block aus Metall, etwa drei Meter lang und so groß und breit, daß er fast die gesamte Wölbung ausfüllte. Einen Sekundenbruchteil später war der Klotz verschwunden. Ich stieß einen tiefen Seufzer aus. Das Kontrollsystem hat dich gerettet, gab der Extrasinn lakonisch durch. Offenbar war der elektronische Wächter dieses Speicherbereiches
bei der Auslegung des Begriffe »Waffe« sehr penibel. Und das hatte mich gerettet. Ich marschierte weiter. Halphar unternahm weitere Versuche, mich auszuschalten. Offenbar hatte der Ligride erkannt, daß er wegen des Kontrollsystems nicht in der Lage war, mein Leben ernsthaft zu gefährden. Statt dessen mühte sich Halphar, mir das Vorwärtsmarschieren so schwer wie möglich zu machen. Nach einiger Zeit begann er damit, eine Flüssigkeit die Rampe herunterfließen zu lassen. Es war von der Menge her nicht genug, um mich hinwegzuspülen, aber dafür verwandelte sich die Rampe in eine seifenglatte Rutschbahn, auf der ich mich kaum zu halten vermochte. Ich konterte, indem ich mein Schuhwerk mit Spikes versah, die mir wieder Halt geben konnten. Während ich mich Meter um Meter vorwärtsarbeitete, versuchte ich mir vorzustellen, was sich der Ligride hatte einfallen lassen, um in das Innere des Datenspeichers gelangen zu können. Die Kodewörter, mit denen man während der nächsten Stunden die Sperre überwinden konnte, hatten die Qalbyten mir verraten. Sie ruhten, jederzeit abrufbar, in meinem fotografischen Gedächtnis. Halphar konnte sie hingegen unmöglich kennen. Ich wußte: Der Ligride war gerissen und ging kein unnötiges Risiko ein. Als eiskalt kalkulierender Denker konnte er sich auch ausrechnen, daß gerade der Zugang zum Geheimarchiv der Qalbyten jener Ort war, an dem man mit der größten Erfolgsaussicht auf ihn warten konnte. Erfolgsaussichten für Halphar: eine Million zu eins gegen ihn, gab das Extrahirn durch. Wahrscheinlichkeit hundert zu eins, daß Halphar einen Einfall gehabt hat, der das Risiko zu seinen Gunsten entscheidend umkehrt. Ich mußte mich beeilen. Da ich meinem tatsächlichen Körper damit nicht schaden konnte, verschaffte ich mir einige Aufputschmittel, mit deren Hilfe ich meinen Marsch zur Tempelanlage beschleunigen konnte.
Einige Zeit später hatte ich mein Ziel erreicht. Beim ersten Hinsehen entpuppte sich das Portal als eine plumpe Konstruktion aus schmutziggrauem Gestein. Ich war darüber nicht wenig verwundert, denn nach allem, was ich in der elektronischen Welt der Qalbyten erlebt hatte, hatte ich damit gerechnet, daß dieser Ort etwas von der Würde und der Bedeutung des Platzes ausstrahlen würde. Unwillkürlich begann ich mich an vergleichbare Orte zu erinnern, und im gleichen Augenblick änderte das Portal grundlegend seine Gestalt. In einem hypnosuggestiven Rückkoppelungsprozeß mit meiner Psyche veränderte sich das Aussehen, bis das Portal einen Ausdruck so erhabener Größe und Ruhe erhielt, daß ich davon fast überwältigt war. Unwillkürlich fragte ich mich, welche Bilder Halphar wohl gesehen hatte, als er an dieser Stelle gestanden hatte. Mit langsamen Bewegungen durchschritt ich das Portal. Soweit ich das Gelände betrachten konnte, erinnerte der Tempelbezirk in jeder Hinsicht an das Portal. Bei nüchterner Betrachtungsweise glich diese Anlage eher einer Festung als einem geheiligten Ort. Wenn ich mich allerdings meiner Stimmung überließ, dann wurde daraus eine Stätte der Andacht und des Friedens, wie ich sie nie zuvor erlebt hatte. Dieses Gefühl der Ehrfurcht schloß auch die Gestalt ein, die nur wenige Schritte von mir entfernt stand und mich ansah. Halphar, der Ligride. In der Stimmung, die mich erfaßt hatte, sah ich ihn in des Wortes ursprünglicher Bedeutung als einzigartig. In diesem Augenblick begriff ich, warum Philosophen des öfteren ein Lebewesen als ein Universum in sich selbst beschrieben hatten, räumlich begrenzt, aber geistig unauslotbar. Vorsicht! warnte der Logiksektor. Mit einem Schlag kehrte ich aus meinen Träumen in die
Scheinrealität Dawaggors zurück. Halphar stand etwa fünf Meter von mir entfernt und starrte mich haßerfüllt an. »Ich habe gehofft, dich hier zu finden«, stieß er hervor. »Aber ich habe nicht daran geglaubt, daß mein Traum auch Wirklichkeit werden könnte.« »Ich wußte, daß ich hier auf dich treffen würde«, gab ich zurück. Halphar stieß ein höhnisches Lachen aus. »Du weißt sehr viel«, spottete er. »Auch, daß du hier sterben wirst?« In Halphars Händen tauchte eine Waffe auf, ein Schwert, mit einer blitzenden, scharfen Klinge. Einen Sekundenbruchteil später war ich mit einem stabilen Schild bewaffnet. Halphar holte zum Schlag aus. Aber noch bevor seine Waffe meinen Schild treffen konnte, war das Schwert verschwunden. Halphar stieß einen Fluch aus. Ich nutzte seine Verwirrung und sprang ihn an. Im ersten Aufprall riß ich ihn von den Beinen. Aber der Ligride war ein überaus wendiger Kämpfer. Er reagierte sofort und stieß mich weg. Schnell waren wir wieder auf den Beinen. Ich ließ den nutzlosen Schild verschwinden und wartete auf Halphars nächste Aktion. Sein Fausthieb, unter dem ich mich gerade noch rechtzeitig wegducken konnte, verriet mir, daß die Kontrollautomatik des Tempelbezirks diese Art von Waffen nicht behinderte. Über Halphars Gesicht flog ein boshaftes Grinsen. »Gut so!« stieß er hervor. »Dann werde ich dich erwürgen.« Der Ligride war einwandfrei im Vorteil. Er war größer und kräftiger als ich, und er beherrschte seinen Körper so perfekt, daß er die zwölf Jahrtausende Erfahrung in solchen Kämpfen, die ich aufweisen konnte, damit mehr als wett machte. Ich mußte all meine Geschicklichkeit und Erfahrung aufbieten, um seinen ersten wütenden Angriffen standhalten zu können. Zu Beginn des Kampfes beschränkte ich mich darauf, seine Attacken abzuwehren. Aber sehr bald mußte ich einsehen, daß Halphar damit nicht beizukommen war.
Außerdem fügte Halphar dieser Auseinandersetzung eine zweite Kampfebene hinzu. Ich wollte gerade einige Schritte zur Seite machen, um Luft zu schöpfen, als Halphar um meine Füße herum ein Schlinggewächs entstehen ließ, das mir die Beine fesselte. Völlig überrascht stürzte ich hintenüber. Gerade noch rechtzeitig brachte ich es fertig, in Halphars Weg eine Wolke aus Pfefferstaub zu legen, die dem Ligriden fürs erste das Atmen verschlug. Wäre dieser Kampf nicht tödlich ernst gewesen, hätte ich meine Freude daran haben können. Es war das skurrilste Gefecht, das ich je erlebt hatte. Mit neuen Einfällen setzten wir einander zu. So ließ Halphar urplötzlich an meinem zum Schlag erhobenen Arm ein Fünfzigkilogewicht auftauchen, das mir den Arm herunterriß. Zur Antwort ließ ich unmittelbar vor seinen Füßen einen großen Trog entstehen, dem Halphar in der Hektik nicht mehr ausweichen konnte. Er stürzte hinein. Den Trog selbst ließ er zwar in Sekundenbruchteilen durch Gedankenkraft verschwinden, aber von dem Mehl, das darin gewesen war, blieb ein beachtlicher Teil an seinem Körper haften. Einige Minuten lang rannte er hinter mir her und räumte dabei teils mit Körper‐, teils mit Geisteskraft eine Fülle von Möbelstücken aus dem Weg, die ich dort hatte entstehen lassen. In dieser Art des Kampfes war ich ihm zweifelsfrei überlegen. Mein fotografisches Gedächtnis kam mir zur Hilfe und lieferte mir immer neue Szenen aus den zahllosen Spielfilmen, die ich im Lauf meines Lebens gesehen hatte. Halphar konnte zwar nicht auf das Repertoire Hollywoods zurückgreifen, aber auch er schaffte es, mir das Leben sehr sauer zu machen. Er verwandelte den Boden vor mir und verschaffte mir so eine Rutschpartie, die mit einem unangenehm harten Aufprall an einer Wand endete. Ein paar Augenblicke lang blieb ich wie betäubt
liegen. Meine Kraft reichte gerade noch, um vor Halphar, der sich auf mich stürzen wollte, eine Reihe von zentimeterdicken Glaswänden auftauchen zu lassen, die dem Ligriden einen ähnlichen Zusammenstoß bescherten. Die Sekunden, die Halphar brauchte, um einige Hindernisse aus dem Weg zu räumen, reichten, daß ich wieder aufstehen und Luft schnappen konnte. Der kalte Haß, mit dem Halphar diesen Zweikampf eröffnet hatte, verwandelte sich allmählich in eine immer heißer lodernde Wut. Ich beschloß, seine Gemütserregung weiter aufzuheizen, in der Hoffnung, ihn damit so aus der Fassung zu bringen, daß ich endlich eine Chance bekam, diesen Kampf zu beenden. Als erstes türmte ich einen Berg stinkenden Unrats vor ihm auf. Außerdem erschuf ich in Windeseile ein paar hundert olivfarbener leicht geschuppter Bälle, knapp handspannengroß, die ziellos über den Boden kollerten und dabei ununterbrochen Geräusche produzierten – das ligridische Äquivalent eines höhnischen Kicherns. Halphar stieß einen Schrei höchster Wut aus. Mit aller Kraft setzte er mir. zu. Und einige Minuten lang konnte ich nichts anderes tun, als mit höchster Konzentration seine Attacken abwehren. Tellereisen und Fangschnüre setzte er ein, mit ätzenden Gasen und blutgierigen Insekten versuchte er mich zu schwächen. Dann aber fand Halphar einen Trick, der mich so überraschte, daß ich keine Zeit mehr fand, irgendeine Abwehrmaßnahme zu ergreifen. Unversehens fand ich mich auf einer großen runden Scheibe wieder, die mit solcher Geschwindigkeit rotierte, daß ich im Bruchteil einer Sekunde den Halt verlor und dann mit einer solchen Wucht zur Seite geschleudert wurde, daß der Aufprall auf die nächste Wand mich nahezu völlig betäubte. Bevor ich auch nur einen klaren Gedanken fassen konnte, war Halphar bei mir und streckte seine Finger nach meinem Hals aus.
9. »Ihr habt ihn allein gehen lassen?« schrie Chipol in höchster Erregung. »Keiner von euch ist auf die Idee gekommen, Atlan zu begleiten und ihm bei dem Kampf zu helfen?« Der Sprecher der »Gilde der Denker« machte eine Geste, die Verlegenheit ausdrücken sollte. »Es war Atlans Wille«, erklärte er dann. »Außerdem – wir Qalbyten könnten Atlan nicht helfen, selbst wenn wir es wollten. Der Ort ist uns heilig, seine Wirkung auf uns macht jeden Kampf unmöglich.« Fassungslos schüttelte der junge Daila den Kopf. »Ich kann es nicht glauben«, murmelte er. Seit er in das Leitungssystem von Dawaggor eingedrungen war, hatte sich Chipol vor allem darum bemüht, in den Informationen etwas über sein Volk und seine Heimat zu finden. Es war ihm nicht gelungen – zum einen waren die Datenmengen, die er hätte durchforsten müssen, einfach zu gewaltig, zum anderen hinkten die Archive der Qalbyten etliche Jahrzehntausende hinter der Realität zurück. Lediglich die Daten, die sie von den Händlern bekommen hatten, waren auf dem neuesten Stand gewesen. Mitten in dieser Suche hatte Chipol eine Nachricht erreicht, die alle Bewohner des D‐Netzes dazu aufforderte, sich an einem Ort zu versammeln. Chipol hatte der Anweisung gehorcht, und jetzt stand er auf einer Ebene, die angefüllt war mit Millionen von D‐ Bewohnern. Die gesamte Bevölkerung des Systems hatte sich eingefunden und wartete allem Anschein nach darauf, daß Atlan für sie effolgreich sein Leben riskierte. »Jämmerlinge«, entfuhr es dem jungen Daila. Der Gildensprecher wiegte den Kopf. »Würdest du uns besser kennen, würdest du anders über uns reden«, sagte er leise. »Seit undenklich langen Zeiten leben wir
dieses Leben, und in all dieser Zeit haben wir nicht ein einziges Leben wirklich ausgelöscht. Wir wissen sehr wohl zwischen gefährlichen Spielen und einem wirklichen Tod zu unterscheiden. Keiner von uns wäre imstande, ein anderes Wesen zu töten – nicht einmal den Ligriden Halphar.« »Halphar?« stieß Chipol hervor. Unwillkürlich sah er sich um, als erwarte er den Ligriden im nächsten Augenblick neben sich auftauchen zu sehen. »Atlan vermutet, daß er sich ihm in den Weg stellen will«, sagte der Gildensprecher. »Bleibt ihr nur hier.«, stieß Chipol hervor. »Ich werde Atlan zu Hilfe kommen.« Für Chipol gab es jetzt kein Halten mehr. Ohne zu zögern, machte er sich auf den Weg. Wenn Atlan und Halphar aufeinandertrafen, dann war ein tödlicher Zweikampf unvermeidlich. Chipol traute seinem Freund Atlan vieles zu, aber nicht, mit einem Geschöpf wie Halphar fertig zu werden. Wenn er doch nur die Hyptons hätte herbeirufen können. Sie hätten es sicherlich geschafft, Halphar zurückzuhalten. »Wahnsinn«, keuchte Chipol. Der Weg bis in die Nähe des geheimen Archivs war leicht zurückzulegen, in annähernder Lichtgeschwindigkeit. Sobald ein Besucher aber in den unmittelbaren Wirkungsbereich dieses Speichers geriet, änderten sich die Bedingungen. Chipol merkte es, als er am Fuß einer langen, gewundenen Rampe stand, die in eine dichte Wolkendecke hinaufführte. Die ersten Meter der Rampe waren mit einem glitschigen Schleim bedeckt, auf dem der Daila des öfteren ausrutschte und hinstürzte. Sobald er stabilen Boden unter sich spürte, rannte Chipol los. Der Weg erschien ihm entsetzlich lang. Höher und höher wand sich die Rampe, durchstieß die Wolkendecke und führte auch dann immer weiter in die Höhe. Chipol mußte gegen seinen Willen eine Pause einlegen. Seine
Beine schmerzten, und die Luft schien in seinen Lungen förmlich zu brennen. Bald aber setzte er seinen Sturmlauf fort. Er wußte, daß er keine Zeit zu verlieren hatte. Das große Portal des heiligen Bezirks kam in Sicht. Chipol warf nur einen flüchtigen Blick darauf und stürmte weiter. Der Anblick, der sich ihm wenige Augenblicke später bot, ließ den jungen Daila sekundenlang erstarren. Atlan lag seltsam verkrümmt auf dem Boden, sein linkes Bein zuckte. Über ihn gebeugt stand der Ligride Halphar und streckte gerade beide Hände nach Atlans Hals aus. Chipol rannte los. Er überlegte nicht lange, was er tun sollte – er stürmte einfach nach vorn, holte aus und schlug mit aller Kraft, die er noch hatte, nach dem Ligriden. Halphar mußte Chipols keuchenden Atem gehört haben. Einen Sekundenbruchteil, bevor Chipol einen Treffer hätte landen können, fuhr er hoch und wandte sich um. Chipols Hieb verfehlte sein Ziel. Statt den Ligriden entscheidend zu treffen und kampfunfähig zu machen, erreichte der Daila nur, daß dem Ligriden der Helm vom Kopf gerissen wurde. Die Wirkung war verblüffend. Halphar erstarrte mitten in der Bewegung, und sein Gesicht zeigte einen Ausdruck so maßloser Bestürzung, daß Chipol die Fäuste sinken ließ, die er schon zum zweiten Schlag erhoben hatte. »Jetzt!« ächzte Atlan. Mit dem Kopf machte er eine heftige Bewegung in Halphars Richtung. Der Ligride schien sich von seinem Schock noch nicht erholt zu haben – ohne daß er auch nur einen Versuch der Gegenwehr unternahm, mußte er einen Griff hinnehmen, den Chipol von Atlan gelernt hatte und der den Ligriden im Bruchteil einer Sekunde betäubte. Halphar schwankte ein paar Augenblicke hin und her, dann stürzte er auf den Boden und blieb mit dem Gesicht nach unten liegen.
Ächzend kam Atlan auf die Beine. Halphars letzte Attacke hatte den Arkoniden sichtlich mitgenommen. »Gerade noch rechtzeitig«, murmelte Atlan. Er streckte und dehnte sich. »Was machen wir mit Halphar?« wollte Chipol wissen. Atlan beugte sich zu dem Ligriden hinab. »Hhmm«, machte der Arkonide. »Töten?« fragte Chipol, der den Ligriden haßerfüllt anstarrte. »Unter keinen Umständen«, antwortete Atlan scharf und sah Chipol verweisend ab. »Ich überlegte gerade, ob man ihm ein Betäubungsmittel verabreichen kann. Aber ich kenne den Metabolismus eines Ligriden nicht. Leicht könnten wir ihn mit einer Droge ungewollt töten. Es muß auch so gehen.« Atlan untersuchte den Körper des Ligriden kurz und setzte dann einen Griff an. »Das müßte ausreichen, ihn für mindestens zwei bis drei Stunden schlafen zu lassen«, verkündete Atlan und richtete sich auf. Der Arkonide drehte sich um. Auf der gegenüberliegenden Seite des großen Platzes waren breite Stufen zu sehen, die zu einem geheimnisvoll aussehenden Tempel hinaufführten. Langsam setzte sich der Arkonide in Bewegung. Chipol folgte ihm, nachdem er einen letzten wütenden Blick auf Halphar geworfen hatte. Im Innern des Tempels war nichts weiter zu sehen als ein mannshoher Kubus aus einer blau strahlenden Energie, die Chipol nicht kannte. Auf der Oberfläche des Kubus waren verwirrende Linienmuster zu sehen, die sich fortwährend änderten. »Der Zugang zum Geheimarchiv«, sagte Atlan leise. Chipol hielt unwillkürlich den Atem an. Atlan schloß kurz die Augen und schien sich zu konzentrieren. Ein paar Sekunden danach gab es in dem blauen Feld eine schwarze Lücke. Atlan schritt darauf zu, Chipol folgte ihm auf dem Fuß. Der junge Daila hatte ein wenig Angst, denn die Schwärze wirkte auf ihn ungemein bedrohlich, aber
nichts geschah, als er mit Atlan zusammen eintrat. Eine Treppe war zu sehen, die in einen endlos großen schwarzen Raum hinabführte, und mitten in diesem Raum erkannte Chipol eine hellstrahlende Kugel. Da es keinen Maßstab für einen Größenvergleich gab, konnte Chipol nicht abschätzen, wie groß diese Kugel war. Er ahnte aber, daß sie gewaltige Ausmaße hatte. »Die Geheimnisse von Manam‐Turu«, murmelte Atlan. Chipol spürte seine Hände naß werden. Nur zu gerne hätte er in diesem Archiv herumgestöbert. Als er aber einen Schritt nach vorn machte, hielt der Arkonide ihn zurück. »Dieses Wissen ist nicht für uns bestimmt«, sagte Atlan eindringlich. »Es gehört den Qalbyten, und sie wollen nicht, daß irgend jemand in Zukunft Zutritt erhalten kann.« Ein paar Minuten lang blieben Atlan und Chipol stehen, dann stieß der Arkonide einen tiefen Seufzer aus und drehte sich um. »Gehen wir«, sagte er flüsternd. Sie stiegen die wenigen Stufen zurück und erreichten wieder die Tempelhalle. Noch immer war in dem Kubus die düstere Öffnung zu sehen. Atlan stellte sich unmittelbar davor und schloß wieder die Augen. Ein paar Sekunden später war die Lücke in der Oberfläche des energetischen Kubus wieder geschlossen. »Was für einen Schlüsselbegriff …«, begann Chipol. Atlan lachte kurz. »Würde ich es dir verraten, wäre es kein Geheimnis mehr«, antwortete der Arkonide. »Dann bist du das einzige Wesen, das diesen Speicher jemals wieder öffnen kann?« fragte Chipol. »Es sieht so aus«, antwortete Atlan nachdenklich. »Um deine Neugierde wenigstens ein bißchen zu befriedigen, will ich dir verraten, daß ich kein Wort als Kode verwendet habe, sondern die Erinnerung an ein Gefühl.« »Welches?« fragte Chipol eifrig. »Liebe? Trauer? Haß?«
Wieder lachte der Arkonide. »Du willst es aber sehr genau wissen«, meinte er erheitert, dann wurde er mit einem Schlag wieder ernst. »Schluß jetzt. Wir haben noch anderes zu tun. Unsere Freunde an der Oberfläche von Dawaggor warten auf uns.« »Glaubst du wirklich, daß sie unsere Freunde sind?« fragte Chipol zweifelnd. »Das wird sich erst noch herausstellen müssen«, meinte Atlan nachdenklich. Die beiden verließen den Tempel. Auf dem großen Platz wartete eine Überraschung auf sie – Halphar war verschwunden. * In Halphar schien jedes Gefühl abgestorben zu sein. Obwohl er hellwach war, wirkte er wie benommen. Es war etwas geschehen, das er nicht für möglich gehalten hatte. Daß er Atlan beinahe besiegt und dann doch wieder den Kampf verloren hatte, war eine entsetzliche Demütigung, aber in keiner Weise vergleichbar mit der Katastrophe, dieʹ der junge Daila dem Ligriden bereitet hatte. Er hatte ihm den Helm vom Kopf geschlagen, seinen entblößten Hinterkopf gesehen. Halphar wußte, daß er die Zeugen dieser Schmach beseitigen mußte. Niemand durfte jemals davon erfahren – einem Ligriden den Helm vom Kopf zu schlagen, seinen Hinterkopf zu entblößen, kam der Zerstörung seiner Person gleich. Wenn diese Schmach ruchbar wurde, würde man in Halphars Volk von ihm nicht einmal mehr im Tonfall der Verachtung reden. Man würde seine Person aus der ligridischen Geschichte auslöschen, als habe es ihn nie gegeben. Der Schock über diese Entweihung hatte den Ligriden so gepackt,
daß auch der Betäubungsgriff des Arkoniden nicht ausgereicht hatte, Halphar für mehr als ein paar Minuten zu lähmen. Als er erwacht war, hatte Halphar den Schauplatz seiner Zerstörung leer gefunden. Er hatte nicht lange zu suchen brauchen, um die Spuren der beiden Feinde zu finden. Abgründiger Haß hatte es Halphar ermöglicht, in dieser Lage kaltes Blut zu bewahren. Er hatte darauf verzichtet, den beiden in das Geheimarchiv zu folgen. Sollten sich die beiden ruhig in Sicherheit wiegen – wahrscheinlich ahnten sie nicht einmal, was sie Halphar angetan hatten. Der Ligride suchte sich ein Versteck. Von dort aus sah er zu, wie Atlan und der Daila den Tempel wieder verließen. Halphar brachte genügend Selbstbeherrschung auf, den Impuls zu unterdrücken, sich in blinder Wut auf die beiden zu stürzen. Der Ligride hatte eine andere Rache im Sinn. Wenn er erst die Geheimnisse von Dawaggor an sich gerissen hatte, dann wollte er mit den Mitteln dieses Systems dafür sorgen, daß Atlan und Chipol für Ewigkeiten dafür bestraft wurden, daß sie ihm den Helm genommen hatten. Längst hatte Halphar begriffen, daß das Leben in den elektronischen Leiterbahnen eine unablässige Folge von Genüssen sein konnte – das Gegenteil aber war ebenso leicht möglich, wenn man das System beherrschte. Genau das war die Absicht des Ligriden. War er erst Herr von Dawaggor, hatte er erst die Bewußtseinsinhalte seiner Feinde in dem System verankert, dann konnte nicht einmal der Tod die beiden vor Halphars Rache schützen. Für Ewigkeiten würden sie all seinen Einfällen preisgegeben sein. Die Aussicht auf diese einmalige Form der Rache gab dem Ligriden die Kraft, sich zu beherrschen. Er wartete, bis Atlan und der Daila den Tempelbezirk verlassen hatten. Vorsichtig spähte Halphar ihnen nachgelassen schritten die beiden die lange Rampe hinab. Jetzt konnte sich Halphar daranmachen, seinen Plan in die Wirklichkeit umzusetzen.
Er ging in die Tempelhalle. Wie er nicht anders erwartet hatte, war der eigentliche Zugang zum Geheimarchiv mit einem Energiefeld gesichert worden. »Lächerlich«, murmelte Halphar. Er mußte sich jetzt sehr konzentrieren. Einen Fehler durfte er sich nicht erlauben. Die Aufgabe war gewaltig, ein anderer als Halphar hätte sie schwerlich zu lösen vermocht. Die Grundbegriffe der Technik, die Halphar anzuwenden gedachte, waren jedem qualifizierten Ligriden vertraut, aber in diesem Fall war es ungemein wichtig, auch über alle Details genau Bescheid zu wissen. Langsam nahm die Maschine Gestalt an. Verbissen arbeitete Halphar weiter. Die geistige Anstrengung war so groß, daß sein Körper zu zittern begann. Er brauchte mehr als zwei Stunden, dann hatte er sein Ziel erreicht. Der V‐Projektor war einsatzbereit. Dies war der Trick, den Halphar sich hatte einfallen lassen. Der V‐ Projektor sollte ihn um ein paar Sekundenbruchteile in die Zukunft versetzen und damit die Wirkung des Schutzfelds aufheben. Ein Restrisiko blieb – Halphar wußte, daß er beim ersten Mal Erfolg haben mußte. Jeder noch so kleine Fehler würde ihn töten. Halphar stieß ein boshaftes Lachen aus, als er sich bewußt wurde, daß ausgerechnet sein Haß auf Atlan und den Daila ihm die Kraft gab, das Experiment zu wagen. Ein feines Kribbeln rieselte durch Halphars Körper, als er den Projektor aktivierte. In dem blau leuchtenden Kubus entstand eine Lücke – keine klar abgegrenzte Lücke, wie er sie zuvor bei Atlan gesehen hatte, aber die verbliebenen schlierenartigen Strukturen erschienen dem Ligriden nicht sonderlich gefährlich. Er machte zwei Schritte nach vorn. Der Schmerz, der durch seinen Körper raste, war kaum zu ertragen. Halphar stieß ein Ächzen aus und machte noch einen
Schritt. Mit einem Schlag hörte der Schmerz auf. Halphars Augen begannen zu leuchten. Triumph – er war am Ziel. Vor ihm lag das Geheimarchiv der Qalbyten, und damit die unumschränkte der Macht der Ligriden über alle Völker von Manam‐Turu. Und vermutlich auch die unumschränkte Macht des Kommandanten von BASTION‐V über die Ligriden. Nichts konnte Halphars Triumph jetzt noch aufhalten. Der Ligride eilte in die Tiefe. Er wollte seine Beute aus der Nähe betrachten, in den Schätzen wühlen. Ein paar Kostbarkeiten gedachte er mitzunehmen, wenn er zu seiner Raumstation zurückkehrte. Vielleicht die Koordinaten einiger Planeten, auf denen Ligriden siedeln konnte, vielleicht die Konstruktionsunterlagen einer Waffe, die den Ligriden das Niederkämpfen ihrer Feinde erleichterte. Erst beim Näherkommen begann Halphar zu ahnen, wie gewaltig seine Beute wirklich war. Die schimmernde Kugel wurde so langsam scheinbar größer, daß Halphar fast den Eindruck bekam, sich einem kleinen Planeten zu nähern. »Mein Besitz«, stieß der Ligride hervor. Ein Rausch hatte ihn erfaßt, wie er ihn nie zuvor gespürt hatte. Er erreichte die Oberfläche der Kugel, durchdrang sie und tauchte in ein Meer von geheimem Wissen ein. Er ließ die Daten an sich vorbeitreiben. Um Einzelinformationen kümmerte sich der Ligride nicht, zuerst wollte er die überwältigende Fülle dieses Schatzes auskosten. Stundenlang schwelgte Halphar in diesem Rausch. Er sah Daten über Planeten, deren Schönheit ihn entzückten. Er durchflog die Konstruktionspläne von Raumschiffen, deren Perfektion ihn begeisterte. Die Bilder von zahllosen Fremdlebewesen zogen an ihm vorbei, und Halphar ergötzte sich an dem Bewußtsein, daß er in kurzer Zeit über all diese Völker gebieten konnte. Der ligridische Pseudokörper, den er für dieses Unternehmen
gewählt hatte, begann vor Erregung förmlich zu glühen. Was er erlebte, war keine Allmachtsphantasie, wie er sie nicht selten in seinen Träumen durchlebt hatte; was er spürte, war keine Illusion – es war das Bewußtsein einer Machtfülle, die alles übertraf, was der Ligride jemals zu denken vermocht hatte. Diese unumschränkte Macht war greifbar, sie umgab ihn. Er brauchte nur auszuwählen, wonach ihm der Sinn stand. Halphar faßte einen Entschluß: Die Kernwelt des ligridischen Imperiums, das er zu gründen und zu beherrschen gedachte, würde Dawaggor sein. Von hier aus würde er seine Befehle geben, wollte er über sein Reich herrschen. Nur das Ende aller Zeiten würde seiner Herrschaft ein Ende setzen – und vielleicht nicht einmal das. Halphar ahnte, daß in diesem Archiv auch Wissen über die gewaltigsten Zusammenhänge von Raum und Zeit enthalten waren. Jäher Schrecken packte den Ligriden. Auch Sonnen lebten nicht ewig – was wurde aus ihm, wenn die Sonne dieses Systems erkaltete oder, schlimmer noch, in einer Nova verging? Halphar begann zu lachen. Überflüssige Sorgen, dachte er. Er konnte viele solcher Planeten erschaffen lassen. In jeder Galaxis vielleicht zwei oder drei, und so immer weiter – von Galaxis zu Galaxis. Er freute sich schon jetzt darauf, die Galaxis Milchstraße erobern zu lassen. Und danach? Weiter, immer weiter – bis an die Grenzen des bekannten Universums. Oder noch weiter …? Halphar schwindelte. Er mußte sich beherrschen. Noch war es nicht soweit – aber es war nur eine Frage der Zeit. Und dann geschah etwas, das Halphar bis ins Mark erschütterte. Von allen Seiten drang ein leises, kaum wahrnehmbares Seufzen an sein Ohr. Und Halphar wußte mit einem Schlag, was dieses Geräusch zu
bedeuten hatte. 10. Khodar versuchte sich darauf zu konzentrieren, daß er ganz ruhig war, aber es gelang ihm nicht. »Es ist nicht möglich«, stieß er hervor. Der Gildensprecher sah den jungen Ligriden mit einem Ausdruck tiefen Bedauerns an. »Es ist so«, sagte er leise. »Wir haben getan, was uns möglich war – es hat nicht ausgereicht.« In Khodars Kehle saß ein trockenes Würgen. Hilflos bewegte er den Kopf in einer Gebärde der Verneinung. Ein erster Schrecken hatte ihn gepackt, als plötzlich sein Traumland um ihn herum verschwunden war. Khodar hatte ein paar Mal versucht, den Sonnenstrand neu zu schaffen, aber er hatte es nicht vermocht. Auf der Suche nach der Ursache war er anderen Qalbyten begegnet, die ihn mitgenommen hatten zu der großen Versammlung aller Bewohner Dawaggors. Was er dort zu hören bekommen hatte, hatte den Ligriden in einen Zustand tiefster Verzweiflung gestürzt. »Aber dieser Fremde, Atlan heißt er, hat doch …«, stammelte er. »Ja, er hat unser Geheimarchiv mit einem Kode gesichert, den keiner von uns löschen kann. Wir sind ihm sehr dankbar dafür.« »Aber dann …?« »Aber dann ist es dennoch jemandem gelungen, in das Archiv einzudringen. Wir wissen nicht, wie er es bewerkstelligt hat – aber er ist dort, und wir sehen keine Möglichkeit, ihn daran zu hindern, immer wieder dorthin vorzudringen.« »Tötet ihn«, stieß Khodar hervor. »Das können wir nicht«, antwortete der Gildensprecher sanft. Khodar sah sich gehetzt um.
Er konnte nur einen winzigen Bruchteil der Gesamtbevölkerung sehen, von der er wußte, daß sie vollständig hier eingetroffen war. Die Gesichter, die Khodar zu sehen bekam, gehörten zu sehr unterschiedlichen Lebensformen. Ihnen gemeinsam war ein Ausdruck großen Mitleids. »Ich kann es tun«, antwortete Khodar heftig. Er hatte nie zuvor ein anderes Geschöpf mit eigener Hand getötet, und er konnte sich so etwas auch nicht recht vorstellen. Aber in dieser Situation war er zu allem bereit. Der Gildensprecher lächelte schwach. »Auch das wäre keine Lösung des Problems«, antwortete er. »Es besteht nicht darin, daß es einem Wesen gelungen ist, dort einzudringen. Für uns entscheidend ist, daß es keinerlei Gewähr mehr für die Sicherheit unserer Geheimnisse gibt. Selbst wenn wir diesen einen daran hindern könnten, sein Wissen weiterzugeben – jeder andere könnte auf den gleichen Einfall kommen wie er.« »Und wer ist dieses Wesen?« fragte Khodar. Er fragte nicht aus Neugierde, mehr um Zeit zu gewinnen. Längst hatte er die Absichten des Gildensprechers erahnt. »Er gehört zu deinem Volk und heißt Halphar.« Khodar schauderte. Er wußte nicht, wie er sich in dieser Lage verhalten sollte. Khodar hatte keine Lust, jemals wieder mit Halphar zusammenzutreffen. Auf der anderen Seite waren beide Ligriden, und die Tradition der Ligriden gebot es Khodar, alles zu wagen, selbst das Leben, wenn er damit seinem Volk einen Dienst erweisen konnte. Es war eine Notlage, die so entsetzlich war, daß Khodar sie vor diesem Zeitpunkt nicht einmal in seinen gräßlichsten Alpträumen hätte erahnen können. Wie er sich auch entscheiden mochte – in jedem Fall war die Entscheidung verhängnisvoll. »Wir haben daher beschlossen, diese furchtbare Gefahr ein für allemal zu bannen«, sagte der Gildensprecher. »Ich habe den
Vorschlag gemacht, und die anderen haben ihm zugestimmt.« »Alle?« fragte Khodar entgeistert. Der Gildensprecher machte eine Geste der Bejahung. »Uns fällt es nicht gar so schwer«, sagte er leise. »Wir leben seit undenklich langer Zeit, wir haben in dieser Welt alles ausgekostet, was das Schicksal zu bieten hat.« Khodar wußte, wovon der Gildensprecher redete – von dem nicht zurückrufbaren Befehl, der das ganze Datensystem Dawaggors löschen würde – das geheime Archiv ebenso wie die Existenz aller Bewohner des Systems. »Und die anderen?« fragte Khodar. »Die Händler, die in der letzten Zeit zu uns gestoßen sind …?« »Es sind Händler, und sie hassen und fürchten die Ligriden«, antwortete der Gildensprecher. »Bevor sie es zulassen, daß die Ligriden alle Völker Manam‐Turus versklaven, wollen sie lieber ihre Existenz aufgeben.« Jedes seiner Worte schmerzte Khodar tief. Er hatte sein Volk nie in diesem Licht gesehen, und er wußte, daß der Gildensprecher seine Worte aufrichtig meinte. »Sowenig wie wir Halphar töten könnten, sowenig könnten wir ein anderes Leben auslöschen – auch das deine nicht.« Khodar glaubte spüren zu können, wie das Blut in seinen Adern gefror. »Du meinst … wenn ich mich weigere …?« Der Gildensprecher machte langsam und ernst eine Geste der Bejahung. Khodar wandte sich ab. Er hatte die Augen geschlossen. Er glaubte dem Gildensprecher jedes Wort. Von ihm allein hing nun das Schicksal der Qalbyten ab – ebenso wie das der anderen Völker von Manam‐Turu. Aber dieser Aspekt interessierte den Ligriden nicht. Er konnte den Gedanken nicht einmal richtig erfassen, die Last auf seinen Schultern war entschieden zu groß, als daß er sie hätte begreifen
können. Er wußte nur eines: Wenn er sich weigerte, dann war sein Leben gerettet. Selbst wenn der Gildensprecher recht hatte und das Archiv tatsächlich in ligridische Hände geriet, bedeutete das für Khodar keine Veränderung. Khodar öffnet die Augen. Er betrachtete die Gesichter der Wesen in seiner Nähe. Er erwartete, Aufforderung darin zu lesen; er hoffte darauf, daß irgendeiner ihm mit einem Blick zu verstehen gab, daß er sich für das Leben entscheiden sollte. Nichts davon war zu sehen. Fassungslos mußte Khodar erkennen, daß alle, die er sehen konnte, ihre Entscheidung bereits getroffen hatten und damit einverstahden waren. Niemand drängte ihn in irgendeine Richtung. Noch einmal unternahm Khodar einen Versuch, sich aus der Zwangslage herauszuwinden. »Was ist mit Atlan?« fragte er. »Wir haben ihn und seinen Begleiter fortgeschickt. Er hat mit dieser Entscheidung nichts zu tun. Sie betrifft nur uns – und dich.« Khodar holte tief Luft. »Ich möchte allein sein«, sagte er leise. »Du kannst gehen, wohin du willst«, antwortete der Gildensprecher sanft. »Wenn du eine Entscheidung getroffen hast, dann laß sie uns wissen.« Ein paar Augenblicke später war Khodar dort, wohin er sich gewünscht hatte. Wieder lag er auf dem warmen Sand und spürte die Strahlen der Sonne auf seinem Körper. Khodar richtete sich auf und sah hinaus auf das leichtbewegte Meer. Er warf ein paar Steine ins Wasser, die klatschend auftrafen, versanken und nach kurzer Zeit keine Spur mehr hinterließen. »Grotesk«, murmelte der Ligride. Seltsamerweise war es nicht der Gedanke an den Tod, der ihn so maßlos entsetzte; ihn plagte mehr die Sinnlosigkeit dieses Endes. Er wußte, daß er nicht mit den anderen Qalbyten zusammenleben
konnte, wenn er sich für das Leben entschied und das Archiv tatsächlich Fremden in die Hände fiel. An anderem Ort, zu einer anderen Zeit hätte es Khodar nicht schwer gefunden, die Entscheidung zu fällen. Sie hätte ihm unsterblichen Ruhm eingebracht, und seiner Familie zu Wohlstand und Ansehen verholfen. So aber? Die einzigen Mitwisser seiner Wahl würden mit ihm verschwinden. Wie die Steine, die er ins Meer geworfen hatte, würde er aus diesem Universum verschwinden, ohne auch nur eine kurzfristige Spur seiner Existenz hinterlassen zu haben. Noch schrecklicher als bei seinen Vorfahren würde er dem Fluch seiner Familie zum Opfer fallen. * Nein, von Freundschaft konnte nicht die Rede sein. Was ich in den Gesichtern der Ratsmitglieder sehen konnte, war Abscheu, Verachtung und ein hohes Maß an Fassungslosigkeit. Nur mit äußerster Mühe brachten es die Händler fertig, die Nachrichten zu verdauen, die sie bekommen hatten. An den Grenzen des Systems war ein Händlerschiff auf der Flucht, das scheinbar ohne Besatzung gestartet war. Ich wußte, wer dieses Schiff steuerte – allein die Geschicklichkeit, mit der der Pilot sich allen Verfolgungsversuchen entzogen hatte, sprach dafür, daß Halphar in dem Raumer saß. Der Ligride hatte es geschafft, allen Hindernissen auszuweichen, jetzt war er nicht mehr einholbar. Für die Händler von Dawaggor bedeutete das, daß ihr Versteck sehr bald den Ligriden bestens bekannt sein mußte. Das allein hätten sie mit einiger Mühe noch verkraften können. Aber es hatte noch mehr zu berichten gegeben. Der Gildensprecher der Qalbyten hatte sich auf vage Andeutungen beschränkt, als er Chipol und mich ebenso sanft wie
nachdrücklich aufgefordert hatte, in die dingliche Realität von Dawaggor zurückzukehren. Chipol hatte bis jetzt nicht begriffen, was den Gildensprecher dazu bewogen hatte, uns zu solcher Eile anzutreiben. Dem Extrahirn aber war sehr rasch klargeworden, was hinter diesem Wunsch steckte. Es gab nur eine Erklärung: Halphar mußte es geschafft haben, in das Archiv einzudringen. Welcher Mittel er sich dazu bedient hatte, wußte ich nicht. »Es war nicht meine Absicht, das herbeizuführen«, sagte ich ruhig. »Aber es ist so, und ihr werdet sehr bald feststellen können, daß ich die Wahrheit gesagt habe. Der Fluch von Dawaggor wird bald nicht mehr existieren.« »Das bedeutet, daß wir von hier verschwinden und uns ein neues Versteck suchen müssen?« fragte Sspordon fassungslos. »Ist das der Dank dafür, daß wir dich aus Halphars Macht gerettet haben?« Ich versuchte gar nicht erst, den Händlern die Zusammenhänge klarzumachen. Hätte ich ihnen erzählen sollen, daß ich in kurzer Zeit ein Rätsel hatte lösen können, dem sie niemals auf den Grund gegangen waren? Ich verzichtete auf den Einwand, daß ich die Händler schließlich nicht gebeten hatte, sich so für mich einzusetzen. Sie hatten mir, aus welchen Beweggründen auch immer, geholfen, mir wahrscheinlich sogar das Leben gerettet. Es schmerzte mich, daß ich mich dafür nicht erkenntlich zeigen konnte. Vielleicht zu einer anderen Zeit, schoß es mir durch den Kopf. »Wenn du uns wenigstens …«, sagte der Sprecher des Rates beschwörend. Ich schüttelte den Kopf. Selbst wenn ich gewußt hätte, wo der Erleuchtete zu finden war, hätte ich dieses Wissen nicht an die Händler weitergegeben. Kühl sahen mich die Händler an. Ich entnahm ihren Mienen, daß sie mir nicht glaubten, daß es den
schützenden Fluch von Dawaggor nicht mehr gab. Vielleicht würden die nächsten Tage sie eines Besseren belehren. »Mehr hast du uns nicht zu sagen?« fragte der Sprecher. »Nein«, antwortete ich. »Allerdings …« Ich zögerte einen Augenblick. »Laß mich raten«, sagte Sspordon giftig. »Du möchtest ein Schiff haben, um uns verlassen zu können?« Ich nickte. Sspordon sah kurz in die Runde. »Unsere Schiffe brauchen wir selbst«, sagte er dann boshaft. »Nicht zuletzt, um uns gegen Halphar schützen zu können, falls er sich hier zeigen sollte. Du kannst ein Beiboot haben.« Ich hatte ein solches Schiff bereits gesehen; es war rund dreißig Meter lang und lanzettenförmig. »Kann ich damit Zyrph erreichen?« wollte ich wissen. »Die Reichweite ist zu gering«, antwortete Sspordon. »Sie beträgt nur knapp hundert Lichtjahre. Aber ich werde dir genaue Kursanweisungen für Aklard geben, etwa achtzig Lichtjahre entfernt. Vielleicht findest du auf dem Planeten der Daila Freunde, mit denen du besser zurechtkommst.« Ich ahnte, daß ich nicht mehr würde erreichen können. Nun, auf Aklard ergab .sich vielleicht eine Möglichkeit, in die Nähe von Zyrph zu gelangen und Kontakt zur STERNSCHNUPPE zu bekommen. »Ich danke euch«, sagte ich höflich. Begleitet von einem eisigen Schweigen der Versammlung verließ ich den Raum. Für Chipol und mich war das Kapitel Dawaggor abgeschlossen. Allerdings ahnte ich, daß ich früher oder später wieder mit Halphar zusammenstoßen würde – der Ligride würde nicht rasten und ruhen, bis er mich zur Strecke gebracht hatte. Im Hinausgehen wandte ich mich an Sspordon. »Habt ihr Möglichkeiten, Halphar verdeckt eine Botschaft
zukommen zu lassen?« »Willst du ihn grüßen lassen?« »Spielt ihm zu, daß ich Dawaggor verlassen habe, mit unbekanntem Ziel. Das lenkt ihn vielleicht von dem Planeten ab.« »Wir wissen deine Fürsorge zu schätzen«, konterte das Krakenwesen. »Überlaß unsere Probleme uns.« Vielleicht kamen die Händler noch einmal davon. Halphars überstürzte Flucht bewies mir eindeutig, daß er mitbekommen hatte, daß sich der Lebensbereich der Qalbyten unwiderruflich auslöschte. Damit war Dawaggor für Halphar nicht mehr sehr interessant. Um so intensiver allerdings würde er dann hinter mir herjagen. * Khodar wußte, daß es nicht mehr lange dauern konnte. Er konnte die Leere, die sich in Dawaggor auszubreiten begann, förmlich spüren. Speicherbereich nach Speicherbereich wurde gelöscht, für alle Ewigkeit. Khodar war seltsam ruhig. Er wußte, daß die Entscheidung richtig war, die er getroffen hatte. Und er war zu der Überzeugung gelangt, daß es ausschließlich für ihn wichtig war, ob er richtig gehandelt hatte oder nicht. Was andere von ihm dachten, interessierte den Ligriden nicht mehr – wichtig war nur, daß er mit sich selbst im Einklang war. Er hatte sich von den anderen abgesondert, soweit diese anderen überhaupt noch existierten. Khodar hatte sich an seinen Lieblingsplatz zurückgezogen. Dort wollte er das Ende abwarten. In dem Augenblick, in dem sich weit entfernt das Meer aufzulösen begann, schoß jäh ein Gedanke durch Khodars Kopf, eine Einsicht von solcher Gewalt, daß er an nichts anderes mehr denken konnte.
Der einzige Gedanke, der ihn in Zusammenhang mit seinem Tod wirklich gequält hatte, war die Vorstellung, auf Nimmerwiedersehen aus dem Universum zu verschwinden. In diesem Augenblick aber spürte Khodar, daß die Dinge gänzlich anders lagen. Nicht er verschwand – das Universum löste sich auf, und mit ihm alle Fragen und Probleme, Begriffe und Wertvorstellungen. Das urewige Rätsel des Lebens in Raum und Zeit … seine Lösung lag außerhalb von Raum und Zeit. Die Lösung des Problems offenbarte sich im Verschwinden des Problems. Genaugenommen gab es das Rätsel gar nicht, dachte Khodar als letztes. ENDE Mit einem Raumschiff, das nicht viel mehr ist als ein Beiboot, können Atlan und Chipol Dawaggor, das Versteck der Piraten, verlassen. Aklard, die Heimatwelt der Daila, ist von der »Welt der Geister« rund 80 Lichtjahre entfernt. Der Arkonide und der Daila, die Aklard ansteuern, wissen es noch nicht – aber dort gelten sie als verfolgt und vogelfrei … VERFOLGT UND VOGELFREI – das ist auch der Titel des nächsten Atlan‐ Bandes. Der Roman wurde von Falk‐Ingo Klee geschrieben.