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Frank Borsch
Das Stardust-Attentat 804 Millionen Menschen wollen eine neue Welt aufbauen - doch ein blut...
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E X T R A
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Frank Borsch
Das Stardust-Attentat 804 Millionen Menschen wollen eine neue Welt aufbauen - doch ein blutiges Attentat erschüttert ihre neue Heimat Seit drei Jahren kämpfen die Terraner bereits gegen ihren bisher mächtigsten Feind — die Terminale Kolonne TRAITOR, die von den Mächten des Chaos aufgestellt wurde. So groß ist die von TRAlTOR ausgehende Gefahr, dass die SuperinteIIigenz ES den Bewohnern des Solsystems ein ganz besonderes Angebot macht: die Evakuierung der Menschheit in die »Fernen Stätten«, einen ihnen bislang unbekannten Teil der Mächtigkeitsballung von ES. Über achthundert Millionen Menschen folgen dem Rat der Superintelligenz und fliehen vor TRAITOR ins Stardust-System, wo ihnen mehrere Planeten eine neue Heimstatt bieten sollen; die genaue Lage kennen sie nicht, lediglich den Namen des das System umgebenden Sternhaufens; Far Away. Und sie wissen, dass es ihnen unmöglich sein wird, Kontakt mit Terra zu halten. Das Stardust-System bietet viele Geheimnisse: Weltraumwesen, die Hyperkristalle liefern, die fischmenschlichen Indochimi, in der Gegenwart gestrandete Zeitreisende aus dem Volk der Rokinger, wandernde Städte, verbotene Zonen und ein neues »Galaktisches Rätsel«, das demjenigen, der es Iöst, zwei Unsterblichkeit verheißende Zellaktivatoren in Aussicht stellt. Doch ehe die StardustMenschheit sich richtig einleben und die neuen Wunder genießen kann, geschieht DAS STARDUSTATTENTAT … .
PERRY RHODAN-Extra 8
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13. November 1346 NGZ Die Teletrans-Weiche ist erloschen. Es gibt kein Zurück mehr. Weder für mich noch für die anderen Millionen. Ich gehe nach draußen und sehe hinauf in den Himmel von Zyx. Die Nacht ist warm, wie es sich für das Paradies gehört. Durch die Zweige sehe ich die Sterne von Far Away. Sie sind fremd. Sie sind jetzt meine Heimat. Ich rauche eine letzte Zigarette. Dann gehe ich nach drinnen und hole den Strahler Ich richte ihn auf die Zigarettenschachtel, anschließend auf das Trivideogerät, das Kommunikatonsmodul des Gleiters, die Containerpositroniken. Nacheinander gehen sie in Flammen auf. Ich sehe in die Feuer; atme den beißenden Rauch und bin glücklich. Das hier ist das Paradies. Mein Paradies PS: Gemüsebeet angelegt. 1. 10. Mai 1347 NGZ »Da ist sie!« Sharud erblickte die Stadt als Erster. Der junge Rokinger mit den scharfen Augen war an der Bordwand der NEW GOOD HOPE hinaufgeklettert, klammerte sich an Leitungsbündel, die entlang der stählernen Wandung verliefen, und streckte den Kopf den warmen Winden Avedas entgegen. Die Prallfeldkuppel des SKARABÄUS war abgeschaltet, seine Dachfläche glich einem offenen Boot. Ein Aufschrei der Besatzung antwortete dem Ausruf des Rokingers, und wie ein
Mann stürmten die acht Männer und Frauen zu Sharud. Wäre nicht die Positronik gewesen, die NEW GOOD HOPE hätte sich unter der plötzlichen Gewichtsverlagerung zur Seitegelegt. Doch Timber F. Whistler jr., Eigner des SKARABÄUS-Raumschiffs und vormals einer der reichsten Männer des Solsystems, nun, seit einigen Monaten reichster Mann von Stardust, nahm seiner Mannschaft die Disziplinlosigkeit nicht übel -im Gegenteil: Er nahm an ihr teil. Whistler folgte den Männern und rauen, die längst seine Kameraden geworden waren, und drängte sich wischen sie. Seine tastenden Hände fanden ein starkes Kabelbündel, und r zog sich hoch. Vergeblich. Seine Sohlen fanden keinen Halt, er rutschte ab … ... und plötzlich griff eine kräftige, übermenschlich große Hand nach ihm. Zwei Finger drangen unter seine linke Achsel, zwei weitere schlossen sich um seine Schulter. Ein Ruck, und Whistler fand sich in Augenhöhe mit Sharud ,wieder. Das lange Gesicht des Rokingers war, gerötet vor Aufregung und Hitze und zeigte ein zutiefst verwegenes Lächeln, das sich der Junge in den letzten Wochen bei der Crew der NEW GOOD HOPE abgeschaut hatte. »Komm, das musst du sehen!«, rief Sharud und warf den Kopf herum, um Whistler die Richtung zu zeigen. Und dann sah Whistler die Stadt. Sie schalte sich langsam aus dem morgendlichen Dunst des Ashawar Deltas, während die Positronik den SKARABÄUS in einem weiten Bogen. An der Stadt entlangführte, als fühle der seelenlose Computer, nach wel-
Das Stardust-Attentat
chem Anblick die Seelen der Menschen dürstete. Stardust City Whistler erkannte die Stadt kaum wieder Vier Wochen lang war er mit seinen Kameraden auf Kristalljagd gewesen, hatten sie zwischen den Bahnen der beiden innersten Planeten des Stardust-Systems gekreuzt. Als lebende Köder hatten sie Howanetze angelockt, Energiewesen, die ein Boot wie die NEW GOOD HOPE innerhalb von Augenblicken zu vernichten mochten. Zu vernichten - oder seine mutige Besatzung reich zu · machen. Die Energiewesen schieden Hyperkristalle aus, die Grundlage jeder fortgeschrittenen Technik der Stardust - Menschheit, die Grundlage ihres Überlebens insgesamt, auf sich allein gestellt im Sternhaufen Far Away. Whistler und seine Kameraden hatten sich als flinker und klüger als die Howanetze erwiesen. Sie kehrten mit einer Ladung von Hyperkristallen zurück, die jeden freien Fleck innerhalb der NEW GOOD HOPE ausfüllte, und mit wertvollen Erfahrungen, die der Stardust-Menschheit den Verlust vieler Leben ersparen und zahllose Möglichkeiten eröffnen sollten. Die Hyrperkristalle und nicht der Fels, der unter der Humusschicht verborgen war, stellten das eigentliche Fundament der wundersamen Stadt dar, die sich zu ihren Füßen erstreckte. Stardust City war gewachsen in den vergangenen Wochen. Nein, das war nicht der passende Ausdruck: Sie war förmlich explodiert. Wo sich vor kurzer Zeit noch Grasland und Wälder befunden hatten, fanden sich jetzt lange Reihen von Wohncontainern wieder Sie waren entlang der Straßen aufgereiht, die kilometerweit aus der
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Stadt reichten und sich verästelten, als wollten sie das Delta des Ashawar nachahmen oder sogar übertreffen. Sie waren die Linien, an denen entlang die. Stadt wachsen würde, Zufallsprodukte für das menschliche Auge, aber tatsächlich sorgfältig geplant und den Gegebenheiten des Geländes angepasst. Whistler mutete es an, als wäre er jahrelang auf Fahrt gewesen. Nicht zu Unrecht: Hier, im Stardust-System, begann . die Geschichte der Menschheit von Neuem - in einem stürmischen Tempo, in dem einige Wochen einem ganzen Zeitalter entsprachen. in Die NEW GOOD HOPE schwenkte herum, nahm in diesem Augenblick Kurs auf das Stadtzentrum. Sharud keuchte. »Sieh nur die Türme!«, brüllte er. Seine Worte waren so laut, dass sie Whistler in den Ohren schmerzten. »Sind sie nicht ...«· Dem jungen Rokinger fehlten die Worte. ... unglaublich!, führte Whistler den Satz in Gedanken zu Ende. Stardust City war in die Höhe gewachsen. Unterhalb des Plateaus, auf dem Whistler eigenhändig vor Mona ten den Mast mit der Flagge der Liga Freier Terraner in den Boden gerammt und diese gehisst hatte, zu Füßen der Stardust-Felsnadel, war ein Meer von Türmen entstanden. Sie ähnelten der Felsnadel, von der die Stadt ihren Namen hatte. Die Häuser glichen Raketen. Ihre Dächer mündeten in schlanke, nadelgleiche Spitzen. Aus den Seiten ihrer Rümpfe ragten Deltaflügel, ihre Fundamente waren breit und rund. Whistler wurde an eine Flotte von Schiffen erinnert, bereit dazu, im nächsten Augenblick die Fesseln des Planeten abzuschütteln und in das
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Unbekannte aufzubrechen, in das Abenteuer. Sein Herz schlug schneller, als die NEW GOOD HOPE in den Landeanflug ging. Inmitten der Raketenhäuser wart ein freier Fleck geblieben. Auf den ersten Blick erschien er als eine Brache, ein vergessener Ort, an dem sich die Baumeister dieser Stadt all dessen entledigt hatten, was sie für ihre himmelstürmenden Pläne nicht hatten gebrauchen können. Ein Sammelsurium von schmutzigen und in der Sonne längst ausgebleichten Containern breitete sich über das Gelände aus. Diese Container bildeten das Hauptquartier der Whistler-Stardust .& Co., der mächtigsten und einflussreichsten Firma der Stardust-Menschheit, und ihre jämmerliche Erscheinung betrübte ihren Eigner nicht im Geringsten. Sie hatte auf seine ausdrückliche Anordnung Bestand. Whistler sah sich selbst als Pionier - und Pioniere verschwendeten ihre Zeit und Energie nicht auf Äußerlichkeiten, ganz gleich, wie sehr ihm der Anblick der aufblühenden Stadt imponieren mochte. »Was ist da los?«, riss ihn Sharud aus den Gedanken. Der junge Rokinger war noch höher geklettert. Er hatte den langen Oberkörper über die Bordwand gestreckt, die er und Blaine Fishbaugh stets »Reling« nannten, und sah senkrecht nach unten. Ein Mensch hätte an seiner Stelle längst das Gleichgewicht verloren, aber der starke Rokinger hielt sein Gewicht mühelos. »Was soll da los sein?«, entgegnete Whistler. Der Tonfall des Rokingers riss ihn aus seiner freudigen Erwartung. Whistler zog sich hoch, folgte dem Beispiel. seines Freundes, wenn
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auch vorsichtiger: Er war nur ein Mensch. Whistler sah nach unten. Man erwartete sie. Tausende erwarteten sie. Die Landefläche unter ihnen war mit Menschen übersät. Dicht an dicht standen sie, sahen der landenden NEW GOOD- HOPE entgegen und ... Vom Rand der Menschenmenge löste sich fauchend ein Strahl aus grellem Licht und Rauch. Er kam direkt auf das Kleinraumschiff zu und verfehlte es. Knisternd entstand der HÜ-Schirm des Raumers, stabilisierte sich innerhalb eines Sekundenbruchteils und bildete eine nahezu undurchdringliche Barriere aus Energie um die NEW GOOD HOPE. Mit einem Ruck drehte der SKARABÄUS ab, von der Positronik aus dem Gefahrenbereichgebracht. Mit ganzer Kraft an die Bordwand geklammert, verfolgte Whistler, wie dem ersten Strahl, der in den Himmel schoss, ein Dutzend weitere folgten. Es waren Raketen, ungefähr so groß wie ein Mensch. Sie ritten auf Feuerstrahlen an dem Kleinraumschiff vorbei und explodierten über den Köpfen der Crew am Himmel. In gleißender Helligkeit, die spielend diejenige der Sonne ausstach, explodierten sie und schrieben riesige Buchstaben in den Morgenhimmel. »Ein herzliches Willkommen unserem zukünftigen Administrator!«. Verblüfft las die Crew der NEW GOOD HOPE die Botschaft, Verarbeitete sie - und brach ebenfalls in Jubel aus. Whistler, hin- und hergerissen zwischen Fassungslosigkeit und Empörung über diesen Unfug, schüttelte den Kopf und flüsterte der Positronik zu: »Landen! So schnell wie möglich!«
Das Stardust-Attentat
* Sharud ließ es sich nicht nehmen, die NEW GOOD HOPE eigenhändig hinunterzubringen. Mit einem wilden Aufschrei, so freudig, als hätte Whistler ihm befohlen, in dieser Nacht in der Kältekammer des Raumers zu übernachten, machte er sich von der Reling los. Mit ein paar großen Sprüngen war er im Kommandomodul der NEW GOOD HOPE und nahm der Positronik die Steuerung ab. Whistler ließ ihn machen. Es hatte wenig Zweck, mit seinem jungen Freund zu diskutieren, hatte er sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt. Und Technik hatte es dem Rokinger angetan. Aufgewachsen in einer künstlich in diesem Zustand gehaltenen - Primitivgesellschaft, war Sharud eine unerschöpfliche Freude an allem Technischem zu eigen. Gab es einen Knopf zu drücken, drückte ihn Sharud. Gab es ein Gerät, das man auseinandernehmen konnte, nahm es Sharud auseinander und versuchte es wieder zusammenzubauen. Und gab es- die Gelegenheit, ein Raum schiff zu steuern, nahm es der Rokinger in die Hand. Zuerst geschah nichts. Die NEW GOOD HOPE schwebte über der Menschenmenge, während über ihnen die glühenden Buchstaben der Willkommens-Botschaft ausbrannten. Dann, am Himmel stand nur noch ein einsames »Administrator!«, ging es los. Das Kleinraumschiff sackte durch. Geistesgegenwärtig klammerte sich Whistler an die Bordwand. Neben ihm fluchte Yulanda Tatis, die Kommandantin der NEW GOOD HOPE, als sie gegen den Stahl knallte und sich eine blutende Nase einhandelte.
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Rasend schnell fielen sie dem Boden entgegen. Whistler blickte in Tausende weit aufgerissene Augen, in Tausende offene Münder, und er glaubte über das Brausen des Fahrtwinds hinweg tausendfache Rufe der Überraschung und des Entsetzens zu hören. Als er schon das Weiße in den Augen der Menschen sah, kam plötzlich Bewegung in die Menge. Wie die Glieder eines einzigen Körpers stoben die Menschen nach allen Seiten davon. Eine freie Fläche entstand … … und Sharud setzte die NEW GOOD HOPE zentimetergenau in ihrer Mitte auf. Ein einziger, glühend heißer Schubstoß der Antigravtriebwerke genügte, um die Fahrt aufzuzehren. Das Kleinraumschiff setzte mit einem kaum merklichen Ruck auf. Stille lag über dem Platz, untermalt nur von einem fernen Grollen, dem Echo der tosenden Impulstriebwerke, zurückgeworfen und verfremdet vom Labyrinth der Raketenhäuser. Die Menschen verharrten in der Bewegung, die Rücken der NEW GOODHOPE zugewandt, zusammengekauert oder nach vorne gebeugt, die Arme um die Köpfe geschlungen, um sich vor dem heißen Sturm zu schützen, den die Impulstriebwerke entfacht hatten. Ein Teil von Timber F. Whistler hätte in diesem Augenblick alles dafür gegeben, dem Planeten und seinen Menschen, der Zivilisation von Stardust den Rücken zu kehren, sich wieder in das Abenteuer zu stürzen. Doch ein anderer Teil hielt ihn zurück. Auch wenn ihm die Aufmerksamkeit, ja die Verehrung der Menschen unangenehm war, musste er sich eingestehen, dass sie nicht aus der Luft gegriffen war Er hatte die Stardust-Menschheit quasi erschaffen.
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Er war mutig vorangegangen. Und der würde es auch jetzt tun. Er ließ sich an der Bordwand hinabgleiten. »Aussteigen!«, rief er seinen Kameraden zu, die sich auf dem Deck des Raumschiffs versammelt hatten. Yulanda machte den Anfang. Sie zog sich an einem Kabelbündel hoch, ließ sich über die Reling kippen und fiel. Die übrigen Männer und Frauen folgten. Den Abschluss machte Blaine Fishbaugh, der Orter und Funker Er winkte dem Rokinger, der aus dem Kommandomodul zurückgekehrt war lässig zu, dann war er über die Reling verschwunden. Blaine und Sharud verband einen Freundschaft, die über die Kameraderie der übrigen Crew hinausging. Blaine war ein geborener Geschichtenerzähler - und Sharud, der sein kurzes Leben in einer engen primitiven Stammesgemeinschaft auf dem kalten Planeten Katarakt verbracht hatte, der perfekte Zuhörer Die Bereitschaft des Rokingers, dem Funker zu lauschen, schien unerschöpflich, ebenso wie der Vorrat an Geschichten, die Blaine zu erzählen wusste. Sharud spann sie weiter - wie etwa die Geschichten von den Wikingern. Die Vorstellung von starken Männern, die in der Kälte hausten und nur auf ihren Mut und ihre schnellen Boote gestützt hinaus in die Welt fuhren, entzückte den Rokinger Er versuchte ihnen nachzueifern, und es war seine Idee gewesen, die NEW GOOD HOPE mit ausgeschaltetem Prallschirm in den Landeanflug auf Stardust City zu bringen. Keine üble Idee, wie sich herausgestellt hatte, sogar eine hervorragende, wie Whistler fand, der immer noch den warmen Fahrtwind in den Haaren zu spüren glaubte.
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Doch gelegentlich musste man den jungen Rokinger bremsen. Whistler legte Sharud eine Hand auf den Arm, bevor er sich über die Reling wuchten konnte. »Sharud«, sagte er »Beherrsch dich, ja? « »Natürlich«, kam die Antwort. »Was denkst du von mir?« Dann machte sich Sharud los. Whistler folgte ihm. Er zog sich an der Bordwand hoch, brachte den Oberkörper über die Reling und ließ sich nach vorne kippen. Die Positronik fing ihn mit einem Traktorstrahl auf und setzte ihn beinahe zwanzig Meter tiefer sicher auf dem Boden ab. Die Crew! der NEW GOOD HOPE bildete einen schützenden Kreis um Whistler: »Los!«, befahl er »Noch sind die Leute benommen.« Sie setzten sich in Bewegung, dem Container entgegen, der Whistlers Büro beherbergte. Es war eine Strecke von knapp hundert Metern – ihnen versperrt von mehreren tausend Leibern. Anfangs kamen sie mühelos voran. Sharud machte die Spitze. Sanft, aber nachdrücklich schob der riesenhafte Rokinger die Menschen zur Seite. Sie ließen es mit sich geschehen, der vermeintliche Absturz der NEW GOOD HOPE hatte sie zu sehr geschockt. Aber dann, Whistler und seine Crew hatten vielleicht die Hälfte der Strecke zurückgelegt, verblasste der Schock. »Whistler!«, rief ein Mann aus der Menge. »Wann gibst du deine Kandidatur offiziell bekannt?« Whistler reagierte nicht. »Whistler!«, brüllte eine Frau. »Wieso beteiligst du dich nicht am Wahlkampf?«
Das Stardust-Attentat
»Whistler!«, brüllte eine weitere Stimme. »Sprich zu uns!« Yulanda, die sich ein Tuch vor die blutige Nase hielt, warf ihm einen fragenden Blick zu. Er schüttelte den Kopf. Sie arbeiteten sich weiter durch die Menge. Die einzelnen Fragen gingen in ein vielstimmiges Gebrüll über Whistler konnte nur noch Fetzen heraushören. Egal. Sollten sie sich einen anderen suchen, um ihn zu verehren. Es kümmerte ihn nicht. Im Gegensatz zu Sharud. Der junge Rokinger liebte Geschichten, doch Gerede und Menschenmengen konnte er nicht ausstehen. Whistler verfolgte, wie die Bewegungen Sharuds mit jedem Schritt fahriger wurden, wie der Rokinger sich zu beherrschen versuchte. Es gelang ihm - bis jemand den Fehler machte, sich ihm in den Weg zu stellen. Ein einzelner Mann, das Logo auf seiner Brust wies ihn als Reporter einer Trividstation aus, wollte nichtweichen. »Timber!«, rief der Mann. »Die Stardust-Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, welche Pläne du ...« Weiter kam er nicht. Sharud blieb vor dem Mann stehen. Er war der größte und schwerste Angehörige der Crew der NEW GOOD HOPE - und der furchterregendste. Whistler war manchmal an einen irdischen Gorilla erinnert. Nur dass der junge Rokinger perfekt gerade stand, kein einziges Haar am Körper hatte, mit seinen über zwei Metern Größe jeden Gorilla überragte, noch weiter wachsen würde und er lauter brüllte. Viel lauter. Sharud stieß einen Schrei aus. Es war, als hätte er den Mann vor ihm mit seinen Schaufelhänden geschla-
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gen. Der Mann kippte nach hinten weg, blieb einen Augenblick wie gelähmt liegen, dann sah er zu, dass er dem Ungeheuer entkam, und kroch davon. Eine Schneise in der Menge öffnete sich vor Whistler und seinen Kameraden. »Weiter!«, befahl Whistler, der ihre Chance erkannt hatte, unbehelligt bis zum Büro zu gelangen. Sie rannten los. Niemand wagte es mehr, sich ihnen entgegenzustellen, bis auf einen Roboter, der sich unmittelbar vor der Tür zu Whistlers Büroaufgebaut hatte. »Whistler!«, rief er »Bist du für eine starke Stardust-Menschheit?« Sharud stieß erneut einen Laut aus, der irgendwo zwischen Kampf- und Freudenschrei angesiedelt war, und rammte die Maschine mit voller Wucht. Der Roboter wurde gegen die Wand geschleudert und sank an ihr herunter, als die stählernen Beine unter ihm nachgaben. Rauchfäden stiegen aus der Verkleidung des Brustteils auf. Die Wucht des Aufpralls hatte sie eingedrückt. Sharud klatschte eine Schaufelhand auf den Öffnungssensor der Tür. Yulanda und die übrige Crew bildeten einen Halbkreis. und schirmten Whistler für den Fall ab, dass irgendjemand den Mut oder die Verrücktheit besitzen sollte, ihm nachzusetzen. Die Tür glitt zur Seite, und Whistler und der Rokinger stürzten in den Container Sharud, an Kälte gewöhnt und unfähig zu schwitzen, hechelte hastig. Im Gesicht stand ihm dieses verwegene Grinsen, das er vorzugsweise dann zeigte, wenn die NEW GOOD HOPE wieder einmal um Haaresbreite einem Howanetz entwischt war, das sie hatte verschlingen wollen.
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»Verdammt!«, fuhr Whistler ihn an. »Ich habe gesagt, du sollst dich beherrschen!« »Das habe ich!« »Ja, das habe ich gesehen!« »Ich habe mir Mühe gegeben!« Der Rokinger wirkte plötzlich eingeschnappt. »Blaine sagt immer, das wäre das Einzige, was zählt ...« Er schwieg einen Augenblick, dann kehrte das Grinsen in sein grobes Gesicht zurück. »Aber weißt du was?«, sagte er. »Es hat Spaß gemacht. Machen wir das bald wieder?« »Nicht, wenn es nach mir geht« antwortete Whistler: »Diese ldioten kö…« Eine Stimme unterbrach ihn. Sie kam vom anderen Ende des Raumes, dort, wo Whistler seinen Schreibtisch hatte. ‘ »Administrator Whistler«, sagte die Stimme. »Es freut mich, dass du einige Minuten deiner wertvollen Zeit gefunden hast, unser Anliegen anzuhören! « 1. Januar 1347 NGZ Ein neues Jahr ist angebrochen. Ich feiere es mit einer Flasche Wein, die ich mir aufgespart habe. Sie ist von der Erde, aus Australien. Jeder Schluck erinnert mich daran, was gewesen ist. Die Leute haben mich mit Knüppeln weggejagt. Ich war ihnen unheimlich. Ich bin allen Menschen unheimlich. Niemand weiß, wer ich bin, niemand kennt mich, niemand interessiert sich, geschweige denn empfindet etwas für mich. Es sei denn Angst oder Ekel. Die Menschen spüren, dass ich anders bin. Dass ich getötet habe, viele Male.
Was sie vergessen: Ich habe es für sie getan. An ihrer Stelle. Ich habe die Schuld auf mich geladen, damit sie ihr Leben unbefleckt leben können. Ich zerschmettere die leere Flasche an einem Stein. Es ist meine letzte, aber das stört mich nicht. Ich brauche keinen Wein mehr. Ich brauche keinen Menschen mehr. Niemanden. Nie mehr. PS: Gieße jeden Tag das Beet.
2. 10. Mai 1347 NGZ New Tahiti war ein Traum. Ein Traum von einer Stadt, der sich vom Strand die grünen, dicht bewaldeten Hänge hinaufzog sowie zu beiden Seiten entlang der tief in das Land eingeschnittenen Tholion Bucht. Gelegen auf Zyx, dem dritten Planeten des Stardust-Systems, einer Welt, die in ihrer Gänze einer irdischen Südsee-Träumerei entsprungen schien. Sigurd Echnatom, dem NochAdministrator der StardustMenschheit, mutete dieser Traum in diesem Moment, als er im Hafen von New Tahiti stand und darauf wartete, dass seine Mission begann, fast zu gut an, um wahr zu sein. Echnatom kam nur ungern nach Zyx. Vielleicht, wie er sich selbst in stillen Stunden eingestand, weil die Paradieswelt seinen, eigenen Lebensentwurf infrage stellte. Im Paradies gab es weder Notwendigkeit für Gesetze und Paragrafen noch für Menschen, die über ihre Umsetzung wachten. Mit anderen Worten: keinen Platz für ihn, Sigurd Echnatom.
Das Stardust-Attentat
Mehr noch aber, weil Zyx trügerisch war Echnatom war für das Wohlergehen von über 80,0 Millionen Menschen zuständig. Auf Zyx, dessen Landfläche verschwindend gering war, siedelte nur ein Bruchteil von ihnen. New Tahiti, das sich selbst stolz »Stadt« nannte, brachte es gerade einmal auf sechstausend Einwohner zu gegeben, sie lebten vorbildlich. Streitigkeiten und Konflikte, wie sie auf den übrigen Planeten des Stardust-Systems an der Tagesordnung waren und die einen guten Teil der Zeit des Administrators aufzehrten, waren auf Zyx unbekannt. Man lebte und ließ leben im Paradies. Und das galt nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Ureinwohner des Planeten. Das klare blaue Wasser neben der Pier wühlte sich auf. Gleich darauf schob sich ein gedrungener, stählerner Turm aus der Gischt, gefolgt von einem über zwanzig Meter langen Rumpf. Ein U-Boot. Das Boot, auf das Echnatom wartete und das ihn zu, den vielleicht wichtigsten Verhandlungen bringen würde, die er je geführt hatte. Im Turm des Boots, einem Geschenk der Stardust-Menschheit an die Ureinwohner von Zyx, öffnete sich eine Aussparung. Echnatom zwängte sich durch. Er war ein schlanker Mann, aber der Tauchanzug blähte seinen Leib auf. Im Innern des Bootes erwartete ihn ein einzelner Indochimi. Das Wesen sagte etwas. Es war ein sanfter Klang, ein leises Zischen, das nicht zu den großen, kalten Augen passen wollte. »Sigurd Echnatom?«, übersetzte der Translator, der im Nackenwulst seines Taucheranzugs untergebracht war. »Ja«, antwortete er. »InterimsAdministrator des Stardust-Systems,
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ausgestattet mit unbeschränkter Verhandlungsvollmacht in den Grenzen der Verfassung der Liga Freier Terraner« »Gut. « Das Wesen wandte sich ab und ging zum Cockpit des Bootes. Echnatom überlegte einen Moment und folgte ihm. Der Indochimi ging aufrecht. Sein Gang wirkte unbeholfen und watschelnd. Für gewöhnlich zogen es die amphibischen Wesen vor an Land zu kriechen. Ihre Glieder waren seitlich angewinkelt, was es für sie schwierig machte, aufrecht zu stehen, geschweige denn zu gehen. Dass der Indochimi es trotzdem tat, mochte eine Geste der Ehrerbietung oder einfach der terranischen Konstruktion des Bootes geschuldet sein. Sie legten ab. Der Indochimi konzentrierte sich auf die Steuerung und schwieg. Echnatom nahm auf dem Sitz des Kopiloten Platz und nutzte die Gelegenheit, seinen Begleiter unauffällig zu mustern. Der Umriss des Wesens war verblüffend menschenähnlich, aber dieser Eindruck hatte nur für einen Augenblick Bestand. Seine Haut war blau und am Bauch von einer Vielzahl Pickeln übersät, von denen Echnatom wusste, dass es sich um Drüsen handelte. Am übrigen Körper war die Haut zerfurcht und glänzte feucht. Das U-Boot sank tiefer und nahm Kurs entlang der Küste. Echnatom kannte nicht das genaue Ziel, er wusste nur, dass die Fahrt zu einer Ansiedlung der Amphibien ging, die sie Aaugen nannten. Und er hoffte, dass ihn dort jemand erwartete, dessen Stellung der seinen gleichkam. Er hatte in den vergangenen Wochen einen erheblichen Teil der knappen Ressourcen der Stardust-Menschheit darauf ver-
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wendet, dass es zu einer solchen Begegnung kam. Der Indochimi steuerte das U-Boot ohne merkliche Anstrengung. Die Indochimi nahmen die terranische Technologie, ohne zu zögern, an. Das Wunder eines U-Boots, das mit hundert Stundenkilometern die Ozeane ihrer Welt queren konnte, ließ sie unbeeindruckt. Ebenso wie die Zugänge zu den Kommunikationsnetzen des Stardust-Systems, die Echnatom in allen den Terranern bekannten Indochimi-Siedlungen hatte einrichten lassen. Es war seine umstrittenste Entscheidung in einer Zeit zahlloser umstrittener Entscheidungen gewesen. Wochenlang hatte man Echnatom auf Schritt und Tritt vorgeworfen, er zerstöre eine unberührte Kultur, er verschenke Glasperlen an unbedarfte Eingeborene, um sie den Terranern gefügig zu machen. Echnatom, hatte sich nicht beirren lassen. Der Kontakt mit den Indochimi war zu jenem Zeitpunkt längst hergestellt gewesen. Es hatte gegolten, sich den Konsequenzen zu stellen, statt aus Angst, etwas falsch zu machen, den Kopf in den Sand zu stecken. Nicht zu handeln war auch eine Handlung. Sich dieser Erkenntnis nicht zu stellen bedeutete Feigheit. Und Feigheit war ein Vorwurf, den Echnatom nicht auf sich sitzen lassen wollte. Der Indochimi zischte etwas. »Wir sind da«, übersetzte der Translator. »Komm!« . Das Amphibienwesen überließ es der Positronik, das Boot an Ort und Stelle zu halten, und ging nach hinten. Es öffnete eine Schleusenkammer und bedeutete Echnatom einzutreten.
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Der Administrator, der weder eine Vorliebe für Wasser noch für enge Räume hatte, schluckte, verschloss den Taucheranzug und trat in die Kammer. Das Schott fuhr hinter ihm wieder zusammen, und Meerwasser flutete die Kammer, trug Echnatom hinaus in die See. Es war dunkel in der Tiefe. Er konnte nichts sehen. Überall war Grau, nur über ihm war das Grau heller. Wo war er? Wo waren die Indochimi? Echnatom schlug um sich – und holte sich einen Verweis. »Sachte, mein Lieber!«, drang eine weibliche Stimme aus den Akustikfeldern seines Helms. »Oder willst du, dass dich unsere amphibischen Freunde zum Mittagessen verspeisen?« Sie gehörte Indra, seiner Assistentin. Indra würde ihn auf seiner Mission begleiten, durch die Instrumente des Anzugs sehen, was er sah, hören, was erhörte. Die Indochimi hatten darauf bestanden, dass er alleine kam. Und Sigurd Echnatom befolgte ihre Forderung peinlich genau – ohne sich unnötigerweise der Vorteile terranischer Technik berauben zu lassen. »Was Willst du damit sagen?«, fragte er. »Ich dachte, unsere XenoEthnologen haben das Angebot gründlich geprüft! « »Natürlich. Aber das heißt nicht, dass die Indochimi ihre Meinung nicht ändern könnten. Vergiss nicht, sie sind Amphibien und Fleischfresser. Um Kräfte zu sparen, lauern sie ihrer Beute auf.« »Ich bin keine Beute, ich bin offizieller Vertreter der StardustMenschheit! « »Nicht mehr lange, wenn du weiter so rumzappelst. Heftige Bewegungen könnten die Indochimi dazu verleiten, zuzuschnappen.«
Das Stardust-Attentat
»Ist das dein Ernst?« »Natürlich. Was sonst?« Was sonst? Echnatom wusste nie zu entscheiden, wann Indra Ernst machte und wann nicht. Seit er sie vor drei Monaten zu seiner Assistentin ernannt hatte, war er in dieser Sache keinen Deut schlauer geworden. Manchmal meinte Indra es todernst, manchmal machte sie sich einen Spaß daraus, ihn in die Irre zu führen. Es war ein Wunder, dass sie miteinander auskamen. Echnatom wurde nachgesagt, dass er noch nie von dem Wort »Humor« gehört hatte, Vielleicht war das der Grund, dass er seine Assistentin nicht längst entlassen hatte. Er bewies sich selbst und der übrigen StardustMenschheit damit, dass er nicht der staubtrockene Bürokrat war, für den man ihn hielt. Echnatom hörte auf, mit Armen und Beinen zu schlagen, schwebte reglos im Wasser »Zufrieden?«, fragte er »Ja. Paddel vorsichtig herum. Wetten, dass sich gleich etwas tut?« »Ich wette nicht!«, versetzt Echnatom, aber tat wie ihm aufgetragen. Wenige Augenblicke später schälten sich zwei Indochimi aus dem Grau. Echnatom ignorierte Indras »Na, was hab ich dir gesagt?« und folgte ihnen. * Nach einigen Minuten, in denen Echnatom zwischen den Gedanken schwankte, die beiden Indochimi auf keinen Fall aus den Augen zu verlieren und sich keineswegs hastig zu bewegen, erreichten sie Aaugen, die Stadt der Indochimi. Viel war nicht zu sehen. Einige verstreute Lichter, die ihre Ausdehnung
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kennzeichneten, einige Dutzend Höhleneingänge, ansonsten schien der Fels unberührt. Aber mehr hatte Echnatom auch nicht erwartet. Die Amphibienwesen benutzten nur wenige Werkzeuge, und der Drang, ihre Umwelt nach den eigenen Vorstellungen umzukrempeln, wie er Terranern zu eigen war, schien ihnen fremd. Die beiden Indochimi hielten auf eines der Lichter in der unterseeischen Felswand zu. Der vordere beschleunigte mit einem Schlagen seines ganzen Körpers, das an die Schwimmbewegung eines irdischen Otters erinnerte, in eine der Öffnungen im Fels. Der zweite lndochimi wartete neben der Öffnung und bedeutete dem Terraner, ihm zu folgen. Echnatom zögerte einen Augenblick. Er warf einen letzten Blick nach oben zur Wasseroberfläche, von der ihn vielleicht hundert Meter trennen mochten. Sie war hell. Und in der Helligkeit schwebten Hunderte von Rümpfen von Schiffen und schwimmfähigen Gleitern. Sie hatten auf Echnatoms Anordnung von überall her auf Zyx diejenigen Indochimi eingesammelt, die er für die Anführer ihrer Gemeinschaften hielt. »Was ist los? Etwa Angst?«, fragte Indra, als der Augenblick sich in die Länge zog. »Nein.« Er schüttelte den Kopf, ohne daran zu denken, dass seine Assistentin seine Geste nicht mitbekommen würde. »Dem Augenblick angemessene Ehrfurcht.« Ein helles Auflachen antwortete ihm. Aber es war nicht spöttisch, sondern anerkennend. »Du wirst auf deine alten Tage richtiggehend schlagfertig, Administrator!« Echnatom ging nicht auf die Bemerkung ein. Er schwamm in die Öffnung.
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Es war dunkel, aber das machte ihm wenig aus. Der Tunnel verengte sich rasch und ließ ihm ohnehin keine Wahl, als sich an den Vorsprüngen des Felsens nach vorne zu ziehen. Einige Minuten lang arbeitete sich der Terraner durch die Dunkelheit. Schließlich kam das Licht. Zuerst war es nur ein Punkt, das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels. Aber als er das Ende des Tunnels hinter sich ließ, war es plötzlich überall. Es ging vom Grund des Beckens aus, in das der Tunnel mündete. Es glitzerte rot, grün, gelb, orange oder auch einfach weiß. Echnatom nahm am Rande wahr, wie er den Atem anhielt, hörte, wie Indra, die sah, was er sah, es ihm gleichtat. Mit sachten Schwimmbewegungen stieg er an die Oberfläche. Echnatom klappte den Helm ein und beäugte das Wunder. Das Becken erwies sich als See. Ein unterirdischer See, über den sich der wundersamste Himmel spannte, den Echnatom erblickt hatte. Eine Felskuppel bildete ihn, und sie mochte in Luftlinie keine zwanzig Kilometer von New Tahiti entfernt sein. Doch sie gehörte einer anderen Welt, an. Sterne standen am Himmel dieser Welt, bildeten Bilder und Haufen und warfen ihr vielfarbiges Licht auf den See. Und sie bewegten sich, als lebten sie. Echnatom kniff die Augen zusammen und erkannte an Krebse erinnernde Tiere als ihre Quelle, die Spinnen gleich an der Decke hingen und der Schwerkraft trotzten. »Biolumineszenz«, flüsterte Indra. »Unsere Wissenschaftler haben sie bereits bei mehreren Arten auf Zyx beobachtet. Die hohe Konzentration
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von Tieren mag ein Zufall sein oder von den Indochimi bewusst herbeigeführt.« »Was eine einleuchtende Erklärung für ihren zögerlichen Einsatz von Werkzeugen wäre. Sie haben das umständliche Zeug nicht nötig.« »Ja«, stimmte Indra zu. »Aber zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Du . wirst erwartet.« »Wo? « »Am Ostende. der Höhlenkuppel ist eine Art Strand. Dort warten die Indochimi auf dich.« Echnatom fragte nicht, woher seine Assistentin das wusste. Sie hatte vollen Zugriff auf die Instrumente seines Anzugs, sie sah, was er sah - und dank ihres Abstands nahm sie Dinge wahr, die ihm entgingen. Der Terraner schwamm an den Strand und betrat festes Land. Nach der langen Zeit im Wasser fühlten sich seine Glieder schwer an. Tausende Indochimi lagen am Strand, reglos, die Augen geschlossen. Die Meister der Amphibienwesen, die zu dem zusammengekommen waren, was die Translatoren als »Konvent« übersetzten. Um ihn anzuhören, hoffte Echnatom. Aber waren sie das tatsächlich? Echnatom zögerte. Seine beiden Führer hatten sich längst davongemacht. Niemand sonst schien an ihm interessiert. »Na los!«, drängte Indra. »Sag deinen Spruch!« »Und dann?« »Werden wir sehen. Mach schon!« Echnatom räusperte sich. »Mein Name ist Sigurd Echnatom. Ich bin Administrator der StardustMenschheit. Das heißt, ich bin für eine gewisse Zeit Anführer der Menschen.«
Das Stardust-Attentat
Seine Stimme, die der Translator in die sanften Zischlaute der Amphibienwesen umwandelte, hallte durch die Höhle. Die Indochimi schienen sie nicht zu hören. Sie regten sich nicht. »Ich habe euch zusammengerufen, um eine Abmachung mit eurem Volk zu treffen«, fuhr er fort. »Ich will, dass Menschen und Indochimi auf alle Zeiten in Frieden leben. Ich will, dass ihr Indochimi dieselben Rechte und Pflichten besitzt, wie sie für die Menschen gelten. Doch um diese Abmachung zu treffen, brauche ich ein Gegenüben Ich bitte euch, einen aus eurem Kreis zu bestimmen.« Keine Reaktion. Echnatom zwang sich, abzuwarten, den Indochimi Zeit zu geben, seine Worte zu verarbeiten, nicht dem Gefühl des Versagens nachzugeben, das ihn plötzlich überfiel. Nicht Indra um Hilfe zu bitten. Und dann, genau in dem Moment, in dem seine Zweifel die Überhand zu gewinnen drohten, glitt ein Indochimi ins Wasser Es war eine übergangslose, pfeilschnelle Bewegung. Echnatom war an einen irdischen Pinguin erinnert, der sich ins Meer stürzte. Und wie bei Pinguinen löste die Handlung des ersten Indochimi eine Kettereaktion aus: Wenige Augenblicke später fand sich Echnatom allein am Ufer wieder, als die Amphibienwesen in einer einzigen, schnellen Bewegung wie eine Welle aus Leibern in den See platschten. Echnatom blieb allein zurück. »Habe ... habe ich etwas Falsches gesagt?«, fragte er »Nein«, antwortete Indra. »Du hast gesagt, was zu sagen war. Die Indochimi beraten sich jetzt.« »Sicher? «
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»Sicher. Zumindest glauben das sieben der neun Xeno-Ethnologen, die mit mir im Raum sind. Viel mehr Sicherheit ist in diesem Universum nicht zu haben.« »Können die Indochimi unter Wasser sprechen?« »Jaein. Das wissen wir nicht genau. Die Indochimi produzieren Töne, das ist sicher: Und sie können der Kommunikation dienen, wie unsere Translatoren beweisen. Aber ...« »Aber?« »Das ist wahrscheinlich nur ein Teil. Figuren, die sie im Wasser schwimmen, spielen mit hinein. Und die Drüsen, die über ihre Bauche verteilt sind, Indochimi können eine schlicht unglaubliche Bandbreite non Pheromonen absondern.« Echnatom blickte über den unterirdischen See. Die Figuren, welche die Indochimi schwammen, wühlten das Wasser auf, beinahe, als peitsche ein Sturm darüber Wenn es eine Diskussion war; schien es eine heftige. »Und was jetzt?«, fragte er »Abwarten? Oder kann ich etwas tun?« »Hm einen Augenblick.« Echnatom hörte Stimmen wie von ferne, als Indra sich mit den Xeno-Ethnologen beriet. Schließlich sagte sie; »Sigurd, hier ist unser Rat: Zieh einen Handschuh aus und tauche die Hand in das Wasser. « »Wozu das?« »Geruchsprobe. Mit etwas Glück öffnest du den entscheidenden Kommunikationskanal.« «Mit etwas Glück?« »Ja.« Indra lachte glucksend. »Einer der Ethnologen meint, dass die Indochimi nur auf die Gelegenheit lauern, deine leckere Hand abzubeißen« »Sehr witzig!«
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Echnatom zog einen Handschuh von den Fingern, ging in die Hocke und tauchte die Hand ins Wasser. Es war viel wärmer, als er erwartet hatte, und fühlte sich ölig an. Nichts geschah. Kein Indochimi kam auf ihn zu, weder um ihm die Hand abzubeißen, noch um mit ihm zu sprechen. Nach einer Minute wurde es Echnatom zu dumm. Er war auf einen Scherz Indras reingefallen. Er stand auf und drehte sich um. Vor ihm kauerte ein Indochimi. Er war an Land gekrochen, ohne dass Echnatom ihn bemerkt hätte. Das Amphibienwesen öffnete das Maul und zischte: »Ich bin Meister Lailavi. Derjenige, den du suchst.« 4. Januar 1347 NGZ Das Bruchholz ist zu Ende. Ich fälle den ersten Baum. Ich mache es ungern, aber meine Seele braucht ein Feuer; um sich zu wärmen, auch wenn es auf Zyx nie kalt ist. Ich fälle ihn mit eigenen Händen, mit einer einfachen Axt. Meine Hände zittern. Vor Anstrengung, glaube ich zuerst. Dann, als der Stamm knirschend fällt, sticht es in meinem Herzen. Ich höre einen Schrei. Mir wird schwarz vor Augen. I Als ich wieder zu mir komme, liege ich quer über dem Stamm. Seine Rinde ist weich. Sie fühlt sich wie die Haut eines Tieres an. Ich streichle sie, und es ist, als erschütterten Explosionen meinen Verstand, legten frei, was tief verschüttet war. Nein. Dieser Baum ist zu schade, um ihn zu verbrennen.
Ich sage den Stamm in mannslange Stücke und zerre sie mit ganzer Kraft in das Herz meines Reiches. Dann hole ich die übrigen Werkzeuge und beginne mit der Arbeit, PS: Im Beet sprießen erste grüne Halme.
3. 10. Mai 1347 NGZ Whistler wirbelte herum. Im Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch saß ein Mann. Er war dick, hatte einen Glatzkopf, und das Flehen in seinem Blick war so intensiv, dass Whistler um ein Haar die wieder geöffnet und nach draußen geflohen wäre. Er hatte Bittsteller noch nie ausstehen können. »Wer bist du?«, fragte er Lauter als gewöhnlich, aber ohne zu brüllen. »Wie bist du hier hereingekommen? Und was willst du von mir?« »Das sind eine Menge Fragen auf einmal«, antwortete der Mann mit einer Gelassenheit, die sein flehender Blick nicht hätte vermuten lassen. »Ich werde versuchen, sie eine nach der anderen zu beantworten.« Er zeigte auf sich selbst. »Mein Name ist Telmach Istban. Ich bin einer von 804 Millionen Menschen, die deinem Ruf gefolgt, alles hinter sich zurückgelassen und nach Stardust gekommen sind.« Er machte eine Pause. »In dein Büro gekommen bin ich, indem ich gefragt habe. Unter deinen Angestellten befinden sich viele, die ähnlich denken wie wir. Sie haben mich hereingelassen. Und wieso ich hier bin? Ganz einfach: Ich will versuchen, dich für das Wohl der StardustMenschheit zu gewinnen. «
Das Stardust-Attentat
»Für dieses Wohl arbeite ich bereits.« Whistler gab Sharud ein Zeichen, sich zurückzuhalten. Der junge Rokinger hätte den ungebetenen Besucher ohne Anstrengung in hohem Bogen hinauswerfen können. Aber Whistler war kein Mann, der Gewalt schätzte. Er würde diesen Istban loswerden, ja. Aber er würde ihn mit seinen eigenen. Waffen schlagen: mit Worten. »Ich bin soeben von einer fünfwöchigen Expedition zurückgekehrt«, sagte er. »Und das mit der größten Beute von Hyperkristallen, die je eingebracht wurde. Meine Firma, Whistler-Stardust & Co., dient keinem an deren Zweck, als Hyperkristalle aufzuspüren und zu sichern.« Istban ließ sich nicht beirren.,»Das sind erhebliche Verdienste«, sagte er. »Ich will sie in keiner Weise kleinreden. Aber seien wir ehrlich: Es gibt genug andere Menschen, die auf Kristalljagd gehen können. Und würde nicht deine Firma die Vorkommen ausbeuten, täte es eine andere.« Whistler zuckte die Achseln. »Mag sein, Aber das ist kein Argument. Wieso sollte ich es lassen, nur weil andere es ebenfalls könnten?« »Weil du für Höheres gebraucht wirst. Die Stardust-Menschheit benötigt einen Anführer.« »Wir haben bereits einen«, entgegnete Whistler »Er heißt Sigurd Echnatom, ist unser Administrator und sitzt wahrscheinlich in diesem Augenblick in seinem Büro in der provisorischen Administration und heckt irgendwelche neuen Vorschriften aus, mit denen er Leuten, die tatsächlich etwas vollbringen wollen, Knüppel zwischen die Beine wirft.«
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»Ich wünschte, ich könnte dir widersprechen. Doch Echnatom hat nicht das nötige Format. Er ist nur ein Verwalter. Das genügt nicht. Nicht in unserer Lage. « »Meine Meinung zu Sigurd Echnatom ist bekannt. Aber ich begreife nicht, was die Aufregung soll. In ein paar Wochen, am l8. Juni, werden die ersten Wahlen im System sein. Dann ist Echnatom Geschichte.« »Ja. Aber die Frage ist: Wer kommt nach Echnatom?« »Ist das so wichtig?« »Es ist lebenswichtig. Und deshalb ollen wir, dass du für uns anrittst!« Eines musste Whistler diesem Istan lassen. Er war hartnäckig. Er ließ ich nicht einfach von seinen Zielen abbringen. Whistler musste sich eingestehen, dass es einen gewissen Eindruck auf ihn machte. Genug jedenfalls, um das Spiel weiterzuspielen. »Wer sind >wir