Raumpiraten Das Erbe der Johnsons Marco G. Kaas
'Raumpiraten Das Erbe der Johnsons' von
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Raumpiraten Das Erbe der Johnsons Marco G. Kaas
'Raumpiraten Das Erbe der Johnsons' von
Marco G. Kaas 2001 Ein kostenloser Science Fiction Roman von www.WARP-online.de, dem Fantastik Magazin. Alle Rechte der Geschichten und Bilder verbleiben bei den jeweiligen Autoren und Künstlern.
Raumpiraten - Das Erbe der Johnsons Copyright 2003 WARP-online Herausgeber: www.WARP-online.de Satz und Layout: Bernd Timm Alle Texte und Bilder sind bereits jeweils einzeln bei www.WARP-online.de erschienen und zur Veröffentlichung durch WARP-online freigegeben. Die Magazin-Reihe ist eine Sammlung von Beiträgen, die zusätzlichen Kreis interessierter Leser anspricht und die Namen der Autoren und Künstler bekannter macht. Weder das Fehlen noch das Vorhandensein von Warenzeichenkennzeichnungen berührt die Rechtslage eingetragener Warenzeichnungen.
1000 Seiten Fantastik www.WARP-online.de bringt das ganze Spektrum der Fantastik: Bilder, Geschichten, Artikel, Projekte, Reportagen, Interviews, Wissenschaft, Comic, Kostüme, SF-Kabarett, Lyrik, Film-& TV-Projekte, Modelle und mehr!
Abschnitt 1 Die "Phoenix" war das größte Trägerraumschiff der United Terran Space Force. Lautlos schwebte das zwei Kilometer durchmessende, mantaförmige Kriegsschiff vor dem schillernden Nebel, der sich wie eine gigantische Wand aus Licht hinter dem Schiff erhob. "'Chameleon I' an 'Phoenix'. Startbereit." "Phoenix an 'Chameleon', Sie haben Startfreigabe", bestätigte der Captain des Trägers. "Roger", war die Stimme des Testpiloten David Johnson zu vernehmen, "beginne Testflug." Mit atemberaubender Geschwindigkeit raste die im Vergleich zur Phoenix geradezu winzige Korvette Chameleon I aus dem Bug ihres Mutterschiffs und steuerte direkt auf die Farbenpracht zu, die von tausenden Sternen in ihrem Inneren beleuchtet wurde. "Chameleon I ist gestartet", hörte der Pilot des Testschiffes die Stimme einer Offizierin der Phoenix über die Koms. "Alle Systeme okay", stellte er fest, "leite Hyperraumflug ein." "Roger, Chameleon." Johnson ließ seine Finger über die Flugkontrolle der Chameleon huschen, kurz darauf erhellte ein typischer Hyperraum-Eintrittsblitz das Cockpit. Als Johnson Sekundenbruchteile später wieder sehen konnte, schien der Nebel einen gewaltigen Satz auf ihn zu gemacht zu haben und füllte nun das gesamte Sichtfeld aus, und er kam immer näher. "Trete gleich in Nebel ein", meldete er, "bereite mich auf Kom-Ausfälle vor." "Verstanden. Wir lassen unsere Scanner auf ihre Position gepeilt. Aktivieren Sie nun die Tarnkappe." "Roger." "Ich habe Chameleon I von den Schirmen verloren", meldete der Sensorenoffizier erwartungsgemäß. "Soweit, so gut", meinte der Captain, "behalten Sie den Nebel im Auge. Chameleon müsste in wenigen Sekunden in die Randbereiche eintreten." Schweigend beobachtete der Offizier seinen Bildschirm, bis er schließlich sagte: "Noch immer nichts. Ich kann keine Verdrängung der Nebelpartikel entdecken, wie es aussieht, funktioniert es." "Hervorragend. Schmidt, versuchen Sie, Johnson zu rufen." "Aye", bestätigte die zuständige Offizierin. Als Reaktion auf die Meldung war ein Rauschen zu hören, das hin und wieder von dröhnenden Geräuschen hinterlegt war. "Besser krieg ich's nicht", erklärte sie, "der Nebel stört unsere Frequenzen." "Nun gut. Senden Sie trotzdem: Experiment läuft bisher erfolgreich. Setzen Sie Testflug wie geplant fort." Johnson hatte die letzte Meldung von der Phoenix empfangen, zumindest verzerrt, aber der Träger schien ihn nicht mehr zu verstehen. Das war vorhersehbar gewesen. In der nächsten Stunde führte David Johnson an die 20 verschiedenen Manöver durch, auch im Normalraum und letztendlich auch in der Nähe von Planeten, und es würde sich zeigen, ob die Tarnkappe erfolgreich war, oder nicht. Nach gut einanhalb Stunden erschien etwas auf seinen eigenen Scannerschirmen. Von der anderen Seite des Planeten näherten sich drei kleine Raumschiffe, die im Nebel nicht genau identifiziert werden konnten. "Hier spricht Commander David Johnson von der Space Force. Dies ist ein militärisches Testgebiet, verlassen Sie es sofort." Die Antwort war Beschuss. Die drei kleinen Schiffe, wahrscheinlich Jäger, waren dreiecksförmig und hatten eine gewölbte Oberfläche, sowie im Heck leuchtende Triebwerksöffnungen und je ein großes Geschütz am Bug. Die drei formten sich zu einer Klammer, während sie das Terranische Schiff beschossen, das sofort nach oben zog und das Feuer erwiderte. Die Jäger wichen aus, folgten dem Manöver und brachten sich so hinter die Korvette, die nun einen Zickzackkurs verfolgte, aber trotzdem direkte Treffer ins Heck erhielt. Der Terraner setzte die Heckkanonen ein, feuerte blindlings in die Formation und raste dann in einem engen Bogen in die andere Richtung. Die feindlichen Schiffe, die den Sichtkontakt zur getarnten Chameleon verloren
hatten, änderten Sekunden später nach Gutdünken den Kurs nach oben und erhielten alle drei volle Treffer an den großflächigen Oberseiten. Die Schutzschilde leuchteten auf, einer der Jäger explodierte unter dem Beschuss und wurde in Fetzen gerissen. Die anderen beiden richteten sich auf den Terraner aus, flogen ihm direkt entgegen und erwiderten das Feuer, dieser konzentrierte sich allein auf den Staffelführer und vernichtete ihn, raste direkt durch die Explosionswolke des Feindes. Seine Schutzschilde blitzten grell auf, wurden durch das Feuer des dritten Jägers zusätzlich geschwächt und brachen schließlich zusammen. Die Kontrollen im Cockpit der Chameleon sprühten Funken, dann erloschen die Bildschirme. "Bordcomputer!" rief Johnson sofort. "Ja, Dave?" antwortete eine freundliche Stimme. "Ab jetzt direkte Ausführung meiner verbalen Befehle!" "Verstanden." "Fluchtkurs auf die andere Seite des Planeten, weiterer Beschuss des Feindes!" "Verstanden." Die Chameleon raste auf den Horizont des grauen, kraterübersäten Planeten zu, der eben noch als reines Übungsobjekt für taktische Manöver gedient hatte. Der feindliche Jäger folgte der Korvette und schoss, erhielt aber immer wieder Treffer aus deren Geschütz. Trümmer wurden aus dem Heck der Chameleon gesprengt, der Jäger wollte ihnen ausweichen, doch es blieb bei dem Versuch. Die Wrackteile beschädigten die Außenhülle des kleinen Raumschiffs und zerrissen es schließlich in Trümmer. "Ziele zerstört", meldete der Bordcomputer. Johnson seufzte. "Gut gemacht. Was waren das für Schiffe?" "Kein ID-Code gesendet, Bauart Geecedianisch." "Kein Wunder", murmelte der Pilot vor sich hin. Das Terranische Imperium befand sich in einem erbitterten Krieg mit den Cilthroiden und den Geecedianern, möglicherweise saß er tief in der Tinte. "Und was haben die hier gemacht, so ganz alleine?" "Unbekannt", erwiderte der Computer, "es handelte sich eventuell um einen Aufklärungsflug." "Eventuell...", stöhnte Johnson ratlos. "Revidierung vorheriger Aussage", meldete der Computer plötzlich. "Es handelte sich bei den Jägern mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Eskorte." Johnson zog die Augenbrauen hoch. "Wieso?" "Ich habe soeben zwei Raumschiffe von bedeutender Größe lokalisiert, auf der sonnenzugewandten Seite des Planeten. Es handelt sich der Bauart nach um Geecedianische Kühlmittel-Tankschiffe." "Das nächste Mal bitte sofortige Information über neu entdeckte Ziele", entgegnete Johnson genervt und wollte weiter sprechen, doch der Computer unterbrach ihn: "Komet von unbekannter Masse auf Vektor 792-342. Größere Ansammlung mikroskopischer Felsfragmente..." "Nur taktisch relevante Ziele. Bitte." "Verstanden." Zwei Tanker also. Es war einleuchtend, Kühlmitteltransporte in Nebeln zu verstecken, aber wenn sie hier waren, in Terranischem Territorium, warteten sie auf irgend etwas, vielleicht waren es sogar Versorgungsschiffe für eine Angriffsflotte. Ein beunruhigender Sachverhalt, die Zerstörung der Schiffe schien unumgänglich. "Taktische Analyse!" befahl Johnson. "Zwei schwere Kühlmitteltransporte, Geecedianische Teeg-Klasse. Je 21 Besatzungsmitglieder, keine Eigenbewaffnung..." "Eskortenschiffe erkennbar?" "Negativ." "Dann werden wir die Tanker vernichten. Kurs auf feindliche Tankschiffe, multipler Angriffsplan A-5." "Verstanden. Ziele setzen sich in Bewegung." "Verfolgung aufnehmen, feuern wenn in Reichweite." Nach fünf Minuten hatte die Chameleon den ersten der Tanker durch Dauerfeuer vernichtet, der zweite, offenbar leichter befüllte und daher schnellere, setzte Kurs auf ein Asteroidenfeld im Nebel und ging auf Sub-Hyperantrieb. Sofort befahl Johnson, die Verfolgung aufzunehmen. "Ziel tritt nun in Asteroidenfeld ein und verlässt Sub-Hyperraum", meldete der Computer, und im gleichen Augenblick fiel auch die Chameleon in den Normalraum zurück. Vor der Cockpit-Sichtkuppel schwebten unzählige Lichtpunkte und auch deutlich erkennbare Felsbrocken. "Ziel verloren", ertönte die Stimme des Computers niederschmetternd durch das Cockpit. Johnson knallte mit der Faust auf das Terminal. "Der versteckt sich..." Zwischen metallischen Asteroiden und in einem ionisierten Nebel war ein solcher Versuch durchaus vielversprechend. "Im Nebel..." wiederholte Johnson seine eigenen Gedanken, dann grinste
er. "Bordcomputer. Wenn wir einen Schuss abgeben, der die Nebelteilchen in Bewegung versetzt, müsste die Druckwelle doch am Tanker abprallen. Können wir ihn so lokalisieren?" "Positiv." "Dann tun wir das jetzt!" Vor der Cockpit-Sichtkuppel der Korvette blitzte etwas auf, dann raste eine glühende Plasmaladung in die Ferne. Der Computer schwieg für Sekunden, dann für Minuten. "Alles in Ordnung?" wollte Johnson schließlich wissen. "Es ist alles in Ordnung, Dave", erwiderte der Computer, und wenige Sekunden danach: "Die Position des Tankers ist nun bekannt." "Kurs setzen, vernichten!" Das kleine Raumschiff beschleunigte und flog gezielt auf einen Punkt in der Ferne zu. Es manövrierte geschickt an den kilometergroßen Himmelskörpern aus Metall und Stein vorbei, bis es schließlich direkt über einem Asteroiden abbremste, dahinter nach unten stach und feuerte. Vom einen Moment auf dem nächsten erschien das gigantische Tankschiff im Blickfeld der Sichtkuppel. Johnson zuckte zusammen, als das drei Kilometer lange, röhrenförmige Raumschiff direkt vor ihm auftauchte, dann beobachtete er den stationären Beschuss durch sein eigenes Schiff, während sich der Tanker schwerfällig in Bewegung setzte. Die Schutzschilde des Feindes blitzten auf, dann fielen sie endgültig, die Plasmaladungen rissen gewaltige Brocken aus der Hülle des Transporters. "Auf Triebwerk zielen", murmelte Johnson gebannt vor sich hin, und der Computer folgte seinem Befehl. Die 20 000°C heißen Ladungen wurden nun auf die hinten am Schiff angebrachte, gigantische Kastenkonstruktion abgefeuert, nach zwei Schüssen war die Hülle durchdrungen, woraufhin eine gewaltige Explosion ein klaffendes Loch in das Triebwerksmodul riss. Langsam führte der Fluchtkurs des gewaltigen Raumschiffes in einem Bogen wieder zurück zum Asteroiden, der den Tanker mit seiner Gravitation nun endgültig an sich fesselte. "Entfernung zum Asteroiden auf 20 Kilometer vergrößern", befahl Johnson dem Computer, was dieser sofort ausführte. Wenige Sekunden später schlug das Zielschiff auf dem Planetoiden auf. Riesige Gesteinsfragmente wurden bei der Kollision aus dem Asteroiden katapultiert, der Bug mit dem Besatzungsmodul regelrecht zerquetscht, dann kippte der Tanker langsam, wie in Zeitlupe, um und prallte mit der Backbord-Flanke auf die Oberfläche, doch die erwartete Explosion blieb aus. Das Wrack blieb einfach liegen, stumm und leblos, auf einem Himmelskörper, der nur zehnmal so groß war, wie das Schiff selbst. "Analyse", sagte Johnson, fast ein wenig entsetzt. "Keine Lebenszeichen. Kein Unterlicht- oder Sub-Hyperraum-Potential mehr, mehrere Frakturen an der Außenhülle, Tanks halten dicht. Ladung insgesamt: 500 Millionen Kubikmeter Hyperraum-Kühlmittel, Standard nach..." "Analyse beenden." Johnson lehnte sich in seinen Sitz zurück und atmete tief durch. Nach einigen Minuten machte sich ein Grinsen auf seinem Gesicht breit. "Position?" fragte er den Computer, der ihm daraufhin eine lange Zahlenreihe nannte. Johnson zog sein persönliches MPC-Gerät aus dem Gürtel, gab die Position ein und nahm sich vor, sie sich nie wieder in seinem Leben anzusehen. Dann steckte er den Computer wieder ein, öffnete das Erste-Hilfe-Fach und kramte eine Flasche hervor, die lediglich mit "L-500" beschriftet war. Normalerweise befand sich das Medikament in jedem militärischen Lazarett, um schwere Schocks zu behandeln. Johnson hatte etwas Anderes damit vor. Er setzte die Flasche auf seine Haut an, spritzte sich einige Milliliter in die Poren und verstaute die Flasche dann wieder sorgfältig. Es würde einige Zeit dauern, bis die Wirkung einsetzte, genug Zeit. "Bordcomputer: Selbstzerstörung aktivieren, Zeit bis zur Vernichtung: 5 Minuten." In diesem Augenblick führte der Computer von der Stimmanalyse über den DNS-Scan bis zum Scan der Hirnströme alle Identitätstests durch, die sich in zwei Sekunden nur durchführen ließen, und kam zu dem Schluss, dass tatsächlich Commander David Johnson diesen Befehl erteilt hatte. "Verstanden", bestätigte das Quantenhirn und besiegelte damit sein eigenes Todesurteil. Johnson grinste zufrieden, setzte sich in seinen Pilotensessel und befahl: "Notabsprengung des Cockpitmoduls."
Das Cockpit wurde vom Bug der Korvette katapultiert und begann, durch das Asteroidenfeld treibend Notsignale zu senden. Fünf Minuten später ging der Rest der Chameleon I in einem gigantischen Feuerball auf. Abschnitt 2 23 Jahre später, auf einer Terranischen Kolonie namens Beteigeuze City. Sorgfältig verstaute Doktor Ivanow ihre medizinische Ausrüstung in den Latrinen ihrer Praxis, als die Türklingel piepste. "Die Sprechzeiten sind vorbei", rief sie so freundlich, wie sie um 25.00 Uhr noch konnte. Erneut piepste es. Sie fluchte in sich hinein und ging ins Vorzimmer. Die Sprechstundenhilfen waren schon längst alle gegangen, also schaltete sie den Computer wieder an und ließ sich das Bild der Überwachungskamera zeigen. Die beiden Gestalten, die vor der Tür standen, ließen sie unwillkürlich zusammen zucken. Es waren zweifellos Geecedianer. In der mittlerweile unbeleuchteten Türnische zeichneten sich deutlich der dreieckige, flache Kopf und der schlanke, in einem langen Schwanz auslaufende Körper mit insgesamt vier Armen ab. "Was wollen Sie?" fragte Ivanow. "Wir sind von der Geecedianischen Botschaft", erklärte eines der Wesen und hielt einen MPC mit einem Botschaftsausweis in die Kamera. Ivanow zog die Augenbrauen hoch. Wenn es Kriminelle waren, würden sie sowieso in die Praxis kommen, und wenn nicht, war es vielleicht ganz interessant, was sie zu sagen hatten. "Aufmachen", befahl sie dem Computer, woraufhin sich die Tür öffnete. Die beiden über zwei Meter großen und mit Schwanz noch längeren Geecedianer betraten den Raum. Die Gangart der Wesen erinnerte irgendwie an einen Dinosaurier, überhaupt hatten die Botschafterinnen - falls es wirklich welche waren irgendetwas Raubtierhaftes an sich. "Sind sie Doktor Julia Ivanow?" wollte die eine wissen. "Ja, die bin ich. Machen Sie bitte schnell, ich bin müde." Die zweite Geecedianerin setzte sich unaufgefordert auf den Tisch der Sprechstundenhilfe. "Sagt Ihnen der Name Johnson etwas?" wollte sie wissen. "Soll das ein Witz sein", entgegnete die Ärztin, "die halbe Kolonie heißt Johnson." "David Johnson", erklärte das Wesen genauer, "Commander David Johnson, er ist nach ihrer Zeitrechnung am 7.1.3100 mit seiner Frau Gillian Johnson hier gewesen." "Das war vor 23 Jahren!" "Ganz recht. Aber Sie sind doch für Ihr gutes Gedächtnis bekannt. Mrs. Johnson war damals schwanger, am 9.9. des gleichen Jahres kamen die Zwillinge Sam und Celeste Johnson zur Welt." "Ja, ich erinnere mich." "Hervorragend", ergriff die erste Botschafterin wieder das Wort, "und wir wissen von Ihrer steuerfreien kleinen Nebenbeschäftigung." "Ich verstehe nicht, was Sie meinen", kam die prompte Antwort. "Doktor, machen Sie es uns doch nicht so schwer! Wir wissen, dass Sie auf Verlangen der Johnsons hin die DNS von Sam und Celeste verändert haben, und dass Sie derartige Methoden noch immer praktizieren. Alles was wir noch wissen wollen, ist, was Sie konkret im Falle der Johnsons getan haben. Dann wird niemand etwas davon erfahren." Ivanow stöhnte und ließ sich in den nächstbesten Stuhl fallen. "Es war keine wirkliche Beeinflussung der Erbanlagen", begann sie, "Mr. Johnson wollte eine Art Code in seine Kinder einspeichern, ein einfacher Binärcode, vielleicht ein simples Computerprogramm." "Wo haben Sie das in ihren Computern gespeichert?" "Nirgends, natürlich!" Sie sprang auf. "Glauben Sie im Ernst, ich bin scharf darauf, dass jemand erfährt, dass ich Customs produziere?" "Aber, aber, reden Sie doch nicht so abfällig über diese Menschen, schließlich können sie nichts dafür", tadelte sie die zweite Geecedianerin, "wissen Sie was? Ich glaube, Sie sagen uns nicht die ganze Wahrheit." Ivanow sah dem Wesen tief in die pechschwarzen Augen. Konnten diese Augen etwa Gedanken lesen, oder was? "Ich habe diesen Code durch einen Computer laufen lassen, aber ich habe ihn wirklich nirgendwo mehr gespeichert. Die einzelnen Codes, die in je einem der Föten gespeichert waren, ergaben keinen Sinn, aber zusammen ergab sich fast so etwas, wie eine Positionsangabe. Es könnte eine Art Karte sein." "So, so, und das ist alles?" "Ich schwöre es ihnen." "Sie schwört es uns", nickte die eine Botschafterin der anderen zu, worauf
diese das Wort ergriff. "Sie strahlt wirklich viel Vertrauenswürdigkeit aus. Charisma. Außerdem hat sie sich für ihr Alter sehr gut gehalten, findest du nicht auch? Ein Musterexemplar eines Menschen." Ivanow hatte das Gefühl, als ob sich ihre Kehle zuschnüren würde. Sie schluckte. "Tatsächlich. Ob es ihrer Karriere wohl schadet, wenn die Kolonie erfährt, warum sie auf der Universität Jahrgangsbeste war?" "Ach, Unsinn. Menschen gehen doch ausgesprochen tolerant mit so etwas um." "Ihr Schweine!" "Möchten Sie uns denn noch etwas sagen, Doktor?" "Gehen Sie jetzt. Sofort. Oder ich rufe das TOS." "Dann fliegt aber alles auf. Möchten Sie das denn? Stehen Sie zu dem, was Sie sind?" "Was kann ich denn dafür?!" brüllte sie. "Nichts. Ich sage ja auch nichts dagegen. Aber vielleicht andere Menschen." "Es war eine Position irgendwo im Cerrim-Nebel. Ich bin keine Astronomin und auch keine Navigatorin, okay? Irgendwo dort, ich habe keine Ahnung, wo genau, und jetzt lassen Sie mich in Frieden!" "Na also, es geht doch. Dein kleines Geheimnis ist bei uns gut aufgehoben, Custom." Das Heck des Frachters der Starlight-Klasse war ein einziger Haufen aus miteinander verschmolzenen Trümmern. Manövrierunfähig trieb der Transporter im All, an ihn angedockt hatten die "Lebensquell", ein kleiner Cilthroidscher Transporter der ST-300-Klasse, und die "Savage Eagle", ein Terranischer Jäger der Dragonfly-Klasse, dessen Oberseite mit einer gigantische Adlersilhouette bemalt war. Yxo war ein Cilthroide, mit dem typischen, flachen Gesicht, und der orange-blau-weiß gefleckten Haut ohne Behaarung. Er hob sein Blastergewehr, nickte Sam Johnson zu und feuerte dann direkt auf das Schott vor ihnen. Ein ohrenbetäubendes Zischen gellte durch die enge Schleuse, als das Material getroffen wurde, die Vorderseite schmolz und verteilte sich am Boden, aber das Schott blieb insgesamt in einem Stück. "Tja, das war wohl nichts", grinste Sam. "Klugscheißer." Yxo trat einen Schritt zurück, holte mit dem Bein aus und trat dann mit dem gepanzerten Stiefel gegen das Schott. Er sprang blitzartig wieder zurück, als sich die weiche Masse nach außen bog, und die Oberseite des Schotts auf den Boden bröckelte. Dann schoss er noch einmal und brachte sich danach genau wie Sam in Deckung, als ein regelrechtes Feuerwerk aus Schüssen durch die Explosionswolke blitzte und die Rückwand der Schleuse verkohlte. Yxo richtete sein Gewehr, nach dem er es schwächer eingestellt hatte, blindlings in die Rauchwolke und feuerte, das Gleiche tat Sam mit seiner Pistole. Stöhnende Geräusche waren von der anderen Seite zu hören, als der Beschuss aufgehört hatte, blickte Sam den Cilthroiden fragend an. "Heute gehst du nachsehen", forderte ihn dieser auf. "Ich war aber schon letztes Mal." "Blödsinn." "Sag' eine Zahl", meinte Sam. "Was?" Yxo sah ihn verdutzt an. "Sag' irgendeine Zahl", wiederholte er. "Sieben mal Zehn hoch 23." "Meine Zahl ist höher, also gehst du." Yxo wurde es zu blöd, also legte er sein Gewehr an und sprang aus der Deckung. Die heiße Luft war von Qualm regelrecht geflutet, aber man konnte trotzdem noch den Gang überblicken. Vier Menschen lagen bewusstlos am Boden, neben ihnen waren ihre Pistolen verteilt. "Die Luft ist rein", rief er. "Bitte, verschwinden Sie", ertönte eine Lautsprecherstimme, "lassen Sie uns in Frieden." "Klar, aber erst, wenn wir Ihre Ladung haben." Yxo drehte sich zu Sam um, der sich über eine der bewusstlosen Gestalten gebeugt hatte. "Was ist?" Sam musterte die Terranerin eindringlich, dann sah er Yxo entsetzt an und sprang auf. "Raus hier!" "Warum?" "Ich hab' gesagt, raus hier!" Yxo folgte Sam, der wieder in die Luftschleuse sprang, ohne weiter zu fragen. "Wir hauen ab", beschloss Sam, "ich kenne diese Frau von der Akademie. Das ist Lieutenant Ndegwa." "Verdammt", fluchte der Kommandant des Frachters und wandte seinen Blick von den Überwachungsmonitoren ab, "Schilde hoch, zerstörtes Sekundärtriebwerk abwerfen. Geschütze bereit halten! Piratenschiffe an den Andockluken verankern!" Der verkohlte Trümmerhaufen am Heck des tonnenförmigen Frachters wurde durch mehrere winzige Sprengladungen vom Rumpf getrennt, zum Vorschein kam ein vollkommen
intaktes Gravitonentriebwerk. An unzähligen Stellen des Rumpfes klappten Geschütze nach außen. "Hier spricht Captain Kinte von der United Terran Space Force. Sie sind verhaftet!" Die "bewusstlosen" Menschen, die ihr Schiff so tapfer verteidigt hatten, sprangen auf und feuerten, gerade rechtzeitig konnte sich Yxo noch in der Luftschleuse in Deckung bringen. "Wäre ja auch fast zu einfach gewesen..." murmelte er vor sich hin und gab blindlings einige Schüsse in den Gang ab. "Wenn wir abdocken, sind wir ideale Ziele", stellte Sam fest, der sich schützend gegen die Wand gepresst hatte. "Wenn wir bleiben, auch", entgegnete Yxo, "wir verziehen uns." Sam und Yxo kletterten jeweils die Leitern zu ihren angedockten Schiffen nach oben, Sam zur "Savage Eagle" und Yxo zur "Lebensquell". Sam klammerte sich an der Kante der Deckenluke fest und schwang sich wie an einem Reck in seinen Jäger, um im entgegengesetzt ausgerichteten Schwerkraftfeld richtig herum in seinem Pilotensitz zu landen. Sofort ließ er den Finger auf die Taste zum Schließen der Luke fallen, das Cockpit verriegelte sich, Sekundenbruchteile darauf konnte er die Treffer der feindlichen Blaster auf seiner Luke hören. Hastig hackte er auf seinen Kontrollen herum, um sein Schiff zu starten. "Alles in Ordnung, Terraner?" wollte Yxo über das Kom wissen. "Mir ging's schon besser." Ein Ruck fuhr durch das Schiff, doch es blieb angekoppelt. "Verdammt. Wir hängen fest." "Das war ja vorherzusehen", seufzte Yxo, "was jetzt? Lange hält meine Schleuse den Beschuss nicht mehr aus." "Meine auch nicht." Ein ununterbrochenes Zischen war von der anderen Seite der Decke zu hören, eine Alarmleuchte blinkte auf Sams Armaturen. "Geben Sie doch auf", ertönte Captain Kintes Stimme über das Kom, "Sie haben keine Chance, überhaupt abzukoppeln, geschweige denn, in den Hyperraum zu starten." Sam grinste bis über beide Ohren. "Yxo?" "Terraner?" "Ich bin genial." "Vielleicht für einen Terraner. Warum?" Sam antwortete gar nicht erst, sondern ließ seinen Sub-Hyperantrieb anlaufen. "Was hast du vor?" "Sie sind wahnsinnig", rief Captain Kinte, "Sie sind noch an uns gekoppelt. Sie werden sich umbringen!" "Richtig, aber Ihr Schiff wird auch nicht gerade ohne einen Kratzer bleiben." Sam warf einen Blick auf seinen Scannerschirm. Nun startete scheinbar auch Yxo seine Hyperspulen. "Sie haben die Wahl", meinte Sam, "entweder wir alle, oder keiner." "Der blufft nur", vermutete die erste Offizierin des vermeintlichen Frachters. "Und wenn nicht?" wollte der Captain wissen. Als er keine Antwort erhielt, befahl er: "Verankerungen lösen!" Ein metallisches Knirschen war zu hören, dann war die Savage Eagle frei. Ein Blick nach links durch die Panorama-Sichtkuppel verriet Sam, dass die Lebensquell sich ebenfalls gelöst hatte und senkrecht nach oben zog. Er folgte Yxos Beispiel. Sofort feuerte das Space-Force-Schiff. Die Plasmaladungen hagelten geradezu auf die Piratenschiffe ein, bis sie nach wenigen Sekunden im Hyperraum verschwunden waren. Abschnitt 3 Der Captain knallte die Faust auf die Armlehne seines Kommandosessels und fluchte. "Verfolgung aufnehmen!" "Wow", brachte Sam hervor, als auf seinen Schadenskontrollbildschirm sah. Die hinteren Schilde waren komplett zusammen gebrochen, der Rumpf leicht beschädigt. "Kein schlechter Einfall", gab Yxo zu. "Ich hab' doch gesagt, ich bin genial." "Ich habe gesagt, kein schlechter Einfall, und nicht ein genialer Einfall." "Hier spricht Captain Kinte!" "Der schon wieder." "Stoppen Sie sofort Ihre Maschinen und lassen Sie uns an Bord kommen!" "Was noch", wollte Sam wissen, "vielleicht eine kostenlose Nagelmaniküre?" "Ich warne Sie.
Unterschätzen Sie uns nicht." "Also keine Nagelmaniküre. Hab' ich's mir doch gedacht." Mit diesen Worten schloss Sam den Kom-Kanal zum Captain und sah sich die taktische Situation am Scannerschirm an. Das UTSF-Schiff hatte aufgeholt und folgte den beiden jetzt mit konstanter Geschwindigkeit in einigen Lichtjahren Entfernung, es schien also keine hyperraumfähigen Waffen zur Verfügung zu haben. "Wir kriegen Besuch", murmelte Yxo plötzlich vor sich hin, "sieht nach einem Geecedianischen Schiff aus, auf Abfangkurs." Wenige Sekunden später erschien das Schiff auch auf Sams Schirmen. Es bewegte sich auf einem Kurs, der ihren eindeutig schneiden würde. "Ich stell' mal die Lauscher auf Empfang", meinte Yxo, "vielleicht haben die Geecedianer der Space Force was zu sagen." Sam fragte sich gar nicht erst, wo Yxo die menschliche Redewendung mit den Lauschern her hatte, sondern hörte still in die Koms. Tatsächlich konnte Yxo etwas empfangen, die Geecedianer schienen nichts vor den Piraten verbergen zu wollen. "Hier spricht Subkommandantin Tilchaa von der Geecedianischen Marine. Wir übernehmen die weitere Verfolgung dieser Subjekte." "Aus welchem Grund?" fragte Captain Kinte misstrauisch. "Der Cilthroide wird von uns der Piraterie in drei Fällen beschuldigt, und der Terraner unterstützt ihn. Wir werden beide in Gewahrsam nehmen." "Wir sind Ihnen für Ihre Unterstützung dankbar, aber wir fordern die nachfolgende Auslieferung der beiden." "Tut mir leid, das ist nicht möglich." "Was soll das heißen, nicht möglich?!" "Tut mir leid, ich handle auch nur auf Befehl." Mit diesen Worten schien die Unterhaltung beendet zu sein, das Geecedianische Schiff schwenkte direkt vor die Piraten und ließ im gleichen Moment zwei Minen ab. Die Alarmsirene in Sams Cockpit hatte kaum Zeit, zu heulen anzufangen, bevor die Hyperraum-Schockwelle die Savage Eagle erfasste und in den Normalraum zurück riss. Die wenigen Sterne vor der Cockpit-Sichtkuppel drehten sich wild durcheinander, hin und wieder kam die grünliche Lebensquell ins Blickfeld. Als Sam seinen Jäger wieder unter Kontrolle hatte, war es zu spät. Der Geecedianische Zerstörer schwebte langsam genau zwischen die beiden Schiffe. Das gut 200 Meter lange Raumschiff mit genau soviel Spannweite bestand aus drei größeren, dreieckigen Rumpfsegmenten, die hintereinander angeordnet und durch Streben verbunden waren. Vom mittleren aus verlief je ein Pylon nach Steuerbord und Backbord, an dessen Ende je eine große, runde Geschützplattform saß. Das Schiff richtete sich so aus, dass jede Geschützplattform auf ein Piratenschiff zielte. "Hier spricht Subkommandantin Tilchaa von der Geecedianischen Marine. Der Hyperraum-Blockier-Effekt wird noch für mehrere Stunden anhalten, jeglicher Fluchtversuch ist sinnlos. Halten Sie Ihre Schiffe auf Position und lassen Sie uns andocken, Sie sind verhaftet." Kinte musste zusehen, wie die Geecedianer erst an der Savage Eagle, dann an der Lebensquell ankoppelten. Sam und Yxo wurden, nachdem sie aus ihren Schiffen geführt wurden, von zwei Wachen in einen Raum eskortiert, den Sam auf den ersten Blick als einen Briefingraum bezeichnet hätte. Die einzigen Einrichtungsgegenstände waren einige Reihen von Stühlen, die für Menschen allerdings viel zu groß waren. Zwei Geecedianerinnen hatten bereits Platz genommen und drehten sich zu den Neuankömmlingen um. "Was soll das?" wollte Yxo sofort wissen. "Sie haben uns ohne jegliche Berechtigung fest genommen. Wir haben noch nie weder als Piraten noch in irgend einer anderen Weise gegen Ihre Gesetze verstoßen." Sam zog die Augenbrauen hoch. Er hätte gedacht, dass Yxo irgendwie der Übeltäter war. "Ich hätte gedacht, Sie wären uns etwas dankbarer, in Anbetracht der Situation, in der Sie sich befanden", seufzte die eine Geecedianerin. "Ich bin Subkommandantin Tilchaa", stellte sich die andere vor, "und das ist Agentin Ocbey. Sie sind nicht unsere Gefangenen." Sie sah Yxo an. "Wenn Sie wünschen, können Sie jederzeit wieder gehen, Yxo." Der Cilthroide grinste und warf Sam dabei einen fast unmerklichen Blick zu. Ganz toll. "Nein danke, Sie haben meine Neugierde geweckt." "Wie Sie wollen." Sie Subkommandantin wandte sich an Sam. "Sind Sie Fähnrich Sam Johnson?" "a.D." "Setzen Sie sich. Sie auch, Yxo." Nachdem die beiden der Aufforderung
nachgekommen waren, fuhr sie fort: "Wie heißt Ihr Vater?" Sam sah etwas verdutzt drein, dann sah er Yxo ratlos an. "Ich weiß nicht, wie dein Vater heißt", grinste der Cilthroide. "Klugscheißer", gab Sam die Beleidigung von vor fünfzehn Minuten zurück, "mein Vater ist David Johnson." "Gut. Er ist bei der Space Force, richtig?" "Korrekt." "Vor 23 Jahren hat er die Testflüge für ein Tarnschiffprojekt mit Namen Chameleon durchgeführt. Das Projekt wurde später auf Eis gelegt, weil das Schiff trotz Tarnung im Cerrim-Nebel von unseren Schiffen entdeckt wurde, ebenfalls vor 23 Jahren." "Damals herrschte Krieg, nicht wahr?" "Allerdings. Wir hatten in diesem Nebel zwei Kühlmitteltanker versteckt, die Aufklärungsschiffe versorgen sollten, und die Eskorte dieser Tanker hat die Korvette Chameleon I, die von Ihrem Vater geflogen wurde, entdeckt und angegriffen. Ihr Vater hat die Eskortenschiffe vernichtet und schließlich die Tanker angegriffen, aber sein Schiff war so schwer beschädigt, dass es nach der Zerstörung des letzten Tankers mit einem Asteroiden kollidierte und selbst vernichtet wurde. Ihr Vater konnte sein Cockpit gerade noch rechtzeitig absprengen und wurde drei Tage später vom Terranischen Träger Phoenix gerettet." "Das weiß ich alles bereits." "Gut, das war die offizielle Version. Die inoffizielle ist Folgende: Der letzte Tanker wurde nicht zerstört. Der Transporter ist auf einen Asteroiden abgestürzt, das belegen Flugschreiberdaten, die noch einige Stunden lang an uns gesendet wurden. Allerdings war es uns in dieser Zeit unmöglich, die genaue Position des Tankers festzustellen. Der betreffende Asteroidengürtel ist sehr groß, und wir wissen nicht einmal, auf welcher Seite des Sterns das Cockpit Ihres Vaters geborgen wurde. Es ist so gut wie unmöglich, den Tanker auf konventionelle Weise zu finden, zumindest ließe sich der Aufwand nicht rechtfertigen." "Sie unterstellen meinem Vater, dass er seine Vorgesetzten belogen hat?" "Ich unterstelle ihrem Vater nichts, ich weiß, dass es so ist. Ich denke, Ihr Vater wollte nicht, dass irgendjemand von dem Wrack erfährt. Er behauptete, sich nicht mehr an die Koordinaten erinnern zu können, und das ist wahr. Auch unter Hypnose konnte man ihm nicht entlocken, wo sich die Trümmer des Tankers befinden, also hat er vermutlich ein entsprechendes Medikament genommen." "Warum sollte er das getan haben?" wollte Sam wütend wissen. "Das ergibt absolut keinen Sinn." "Das haben wir uns auch gedacht. Wir sind jeder noch so kleinen Spur nachgegangen, und schließlich fanden wir Doktor Julia Ivanow auf Beteigeuze City. Sie haben eine Zwillingsschwester namens Celeste?" "Ja, ich habe eine Zwillingsschwester namens Celeste, was soll das?" "Doktor Ivanow hat auf Wunsch Ihrer Eltern Ihre DNS und die Ihrer Schwester umgeformt." "Wollen Sie behaupten, ich bin ein Custom?!" Sam wäre fast aufgesprungen. "Was hat das alles überhaupt miteinander zu tun?!" "Nein, Sie sind kein Custom, wie Sie es nennen. Ihr Vater hat eine Art Code auf die DNS von Ihnen und Celeste Johnson verteilt, der eine Positionsangabe bildet. Eine Positionsangabe im Cerrim-Nebel." "Und damit ergibt alles wieder Sinn", stellte Yxo fest. Sam nickte. "Haben Sie Beweise?" wollte er wissen, jetzt eher interessiert als misstrauisch. Subkommandantin Tilchaa deutete wortlos auf die Vorderwand des Raumes, die offenbar ein gewaltiger Bildschirm war. Die beiden Agentinnen hatten das Verhör in Doktor Ivanows Praxis aufgenommen. Nach der Vorführung zog Sam die Augenbrauen hoch und schnalzte mit der Zunge. "Cool. Mein Vater ist kriminell." "Scheint bei euch in der Familie zu liegen", merkte Yxo an. "Sie sind nun also überzeugt?" wollte Tilchaa wissen. "Überzeugt. Und Sie wollen Ihr teures Kühlmittel jetzt zurück haben?" "Sie haben es erfasst. Sehen Sie, ich bewundere in gewisser Weise die Dreistigkeit Ihres Vaters. Wenn Sie uns unterstützen, bekommen Sie und Ihre Schwester fünf Prozent vom Gegenwert des noch zu gebrauchenden Kühlmittels." "Das wären?" "Nach heutigen Marktpreisen hat die gesamte Ladung einen Wert von etwa zwei Millionen Trenomien. Das wären für Sie beide 100 000." "Da Sie ein 'Nein' vermutlich sowieso nicht akzeptieren würden, helfe ich Ihnen. Wie stellen Sie sich das vor?" "Sie überreden Ihre Schwester, mit uns zu kommen und von unseren Leuten einen Gentest vornehmen zu lassen." "Einverstanden. Meine Schwester befindet sich gerade auf der Space-Force-Akademie auf der Erde." "Dann fliegen wir zur Erde." Yxo räusperte sich. "Ich will mit dabei sein." "Das stört nicht weiter", meinte Tilchaa,
"aber Sie brauchen nicht erwarten, von uns auch irgendetwas zu bekommen." "Das tue ich auch nicht." "Gut. Passen Sie auf, Agentin Ocbey wird Ihnen den Ablauf der Mission erklären." Die Geecedianerin ergriff das Wort. "Mir ist vollkommen klar, dass es für Sie nicht sehr sicher ist, sich auf der Erde blicken zu lassen. Außerdem könnten Sie sich vielleicht selbst davon machen. Ich werde Sie also begleiten, während Sie auf der Suche nach Ihrer Schwester sind. Für den Fall, dass es Komplikationen geben sollte, steht ein Geecedianischer 'Frachter' am Raumhafen bereit, den wir im Falle einer Verfolgung durch Terranische Ordnungskräfte als 'Geisel' nehmen werden. Selbstverständlich wird die Geecedianische Regierung nicht zulassen, dass diese Geiseln durch polizeiliche Aktionen gefährdet werden, also wird sie fordern, dass der Frachter frei in Geecedianisches Gebiet gelassen wird. So einfach ist das." "Was passiert mit unseren Raumschiffen?" wollte Yxo wissen. "Die dürfen Sie vorher an einem beliebigen Ort postieren. Sie verstehen wohl, dass es etwas zu viel Aufmerksamkeit auf uns lenken würde, wenn wir mit zwei Piratenschiffen auf der Erde ankommen." Abschnitt 4 Seit New York City zur Hauptstadt des Terranischen Imperiums erklärt wurde, hat die Metropole den gesamten gleichnamigen Bundesstaat praktisch komplett überwuchert. Die Stadt war zwischen 2000 Meter unter und sieben Kilometer über dem Meeresspiegel gebaut, bildete - wie fast jede Stadt auf der Erde - eine Art gigantische Delle, der Tiefpunkt im historischen Kern mit Gebäuden, die nicht über 400 Meter hoch waren, der höchste in den Randbereichen mit modernsten architektonischen Meisterwerken. Wie ein Wächter stand der United Terran Empire Tower, das Kapitol, vor der Bucht von Manhattan, dahinter die Freiheitsstatue. Gut 20 Verkehrsebenen waren in den schwindelerregenden Häuserschluchten im Durchschnitt übereinander gestockt, die Gebäude waren kunstvoll mit Sauerstoff erzeugenden Algen verziert, um wenigstens teilweise auf die teuren Photosynthetiker verzichten zu können. Yxo las laut aus dem Prospekt vor, den er auf seinen MPC kopiert hatte. "New York City, Provinz USA, Erde, System Sol, Milchstraße. Klingt eindrucksvoll, für so ein Kuhkaff." "Das ist kein Kuhkaff", widersprach ihm Sam mit zusammengebissenen Zähnen. Seit er, Yxo und Ocbey hier waren, hatte Yxo nichts weiter getan, als Witze über die menschliche Zivilisation zu reißen. "Hier ist es!" unterbrach sie der Pilot und setzte sein Taxi mit einem kräftigen Ruck auf dem Parkplatz auf. Agentin Ocbey hielt ihm ihren MPC entgegen, damit er das Fahrgeld abbuchen konnte. "Kein Trinkgeld?" wollte der Pilot wissen. "Tatsächlich", stellte Sam fest und stieg aus dem Jet. Yxo und Ocbey, die nicht so ganz begriffen hatten, was los war, folgten ihm mit ihren Koffern. Der Parkplatz war direkt an einen gewaltigen Wolkenkratzer angebaut, der sich viele hundert Meter in den Himmel erhob, zumindest von der Höhe aus, in der sich der Parkplatz befand. Darunter war es auch noch gut ein Kilometer bis zur Oberfläche. Hinter den dreien startete das Taxi wieder, und nahm Kurs auf den regelrecht verstopft dichten Verkehrsstrom. Der Pilot probierte aus, ob sein Jet noch zwischen einen Van und einen Kombi passte und hatte Glück damit. Hinter ihren Masken musterten sich die beiden schwarzgekleideten Gestalten aufmerksam, jeder zugleich angriffs-, als auch sprungbereit. Sie streckten einander die Pressorknüppel entgegen und traten vorsichtig einige Schritte umeinander herum. Die eine Gestalt feuerte, die andere warf sich auf den Boden, um dem flimmernden Gravitonenstrahl auszuweichen, und prallte der ersten ihren eigenen Gravitonenstrahl gegen das rechte Schienbein, so dass diese zu Boden stürzte. Selbst stand sie auf, hielt der am Boden liegenden Gestalt ihren Knüppel entgegen und wurde von dem ihres Feindes zwei Meter weit durch die Luft und gegen die
Wand geschleudert. Sekundenbruchteile später sah sie dem gegnerischem Pressorknüppel direkt in die Mündung. Der Sieger senkte seine Waffe und riss sich die Dämpfungsmaske vom Kopf, die Verliererin ebenfalls. "Sie sind tot, Kadett", sagte der Commander überflüssigerweise, worauf die Kadetten und zivilen Clubmitglieder, die um den Ring herum saßen, pro forma klatschten. Kadettin Celeste Johnson stand auf, schüttelte ihrem Ausbilder die Hand und setzte sich wieder zurück zu den anderen Kadetten. Sie war ein sehr dunkler Hauttyp und ihrem Bruder wie aus dem Gesicht geschnitten. "Schlecht", flüsterte ihr irgendjemand zu, woraufhin der Commander auf jemanden aus der Reihe hinter ihr deutete und fragte: "Sie möchten also als nächstes, Kadett Valborel?" "Ähm..." gatzte dieser. "Also ja. Kommen Sie." "Schlecht", murmelte Celeste vor sich hin, während er an ihr vorbei ging und sich seine Dämpfermaske überzog. "Ich geh' was trinken", erklärte sie der Kadettin neben ihr, ohne auf großes Interesse zu stoßen, und verließ den Raum. Sie ging in den Umkleideraum und zog eine Flasche aus ihrer Space-Force-Tasche. "Du warst schlecht", meinte Sam. Sie hielt in der Bewegung inne, dann drehte sie sich zu ihrem Bruder um. "Wenn ich jetzt den Sicherheitsdienst rufe, wird das der Commander bei meinem nächsten Test bestimmt berücksichtigen", meinte sie. "Das bringst du nicht fertig", entgegnete er. "Warum, es ist doch einfach. Ich muss nur etwas lauter sagen: 'Commander, Eindringlingsalarm', und fertig." "Die Sprach-Identifizierung hier funktioniert nicht mehr." "So ein Aufwand? Ich bin deine Schwester." "Eben." "Warum wagst du dich... Sagen wir, in die Höhle des Löwen?" "Weil ich nicht allein bin." "Was zum Teufel ist los?" Sam erklärte ihr in Kurzfassung alles, von der Tat ihres Vaters, bis hin zum Angebot der Geecedianer. "Und ich soll das glauben..." "Kennst du Doktor Ivanow?" "Ja, das ist die Genetikerin von Beteigeuze City." Sam hielt ihr wortlos seinen MPC entgegen, in der Hoffnung, dass sie das Gerät nicht benutzte, um Dinge auf seinen Namen zu kaufen, und meinte: "Abspielen." Auf dem Display wurden die Aufnahmen von dem Gespräch zwischen der Ärztin und den Geecedianerinnen abgespielt, dann sah Celeste Sam abschätzend an. "Das ist gefälscht." "Nein, ist es nicht." "Du erwartest also, dass ich einfach so auf ein Geecedianisches Raumschiff mitkomme und mich untersuchen lasse." "So ungefähr hab' ich mir das vorgestellt." "Pech für dich." "Dann müssen wir dich entführen." "Ach ja?" "Ja." "Ach ja?" "Ja." "Commander, Eindringlingsalarm!" "Ich hasse dich." "Danke." Sam zog seine Impulspistole und wich einem Tritt aus, den er genauso bei dem gleichen Commander gelernt hatte, dann versetzte er ihr den gleichen Tritt ins Schienbein, was sie durch den Dämpferanzug allerdings lediglich irritierte, sprang hinter sie, legte ihr den Arm unters Kinn und presste damit gegen ihren Hals. Er hielt ihr die Pistole an den Kopf. "Du bist schlecht", meinte er. "Na toll. Du hattest immerhin schon die ganze Ausbildung." Der Commander und zwei bewaffnete Sicherheitskräfte stürzten in den Raum, hinter ihnen versammelten sich die aufgeregten Kadetten. "Waffe runter!" schrie der Commander ihn an. "Ich würde an Ihrer Stelle die Waffe runternehmen. Sir." Das letzte Wort spuckte er verachtend hervor. "Oder was? Johnson, seien Sie vernünftig, Mann! Wollen Sie Ihre eigene Schwester töten?" "Ha, jetzt hast du die Arschkarte", kommentierte Celeste. "Na und", zischte er, "dafür weiß jetzt jeder, dass ich dein Bruder bin." "Er hat gesagt, Sie sollen die Waffen runternehmen!" bekräftigte Yxo, der sich in der Duschkabine versteckt hatte, Sams Aufforderung und richtete sein Gewehr auf den Commander. "Sie müssen dieser Yxo sein", stellte der Offizier fest, "Sie beide haben die Space Force in letzter Zeit ziemlich zum Narren gehalten." Was als nächstes passierte, ging in Sekundenbruchteilen vor sich. Noch im Sprung entriss Agentin Ocbey, die sich oben auf den Spinds versteckt hatte, mit drei langen, schlanken Tentakeln, die ihren Ansatz unter den Armen hatten, den Bewaffneten ihre Pistolen, warf sie sich selbst in die Hände und richtete sie auf die Offiziere. Als sie sich fast lautlos am Boden abfederte, schnellten die Fangarme bereits in ihren Körper zurück, genau wie die auffaltbaren Flügel, die Sam erst jetzt bemerkte. Um fliegen waren diese evolutionären Überreste sicher nicht mehr
geeignet, waren aber beim Sprung eine nützliche Hilfe. "Kommt!" befahl sie Sam und Yxo und stieß sich nach vorne ab, um genau zwischen den Sicherheitskräften hindurch zu springen. Im Flug streckte sie sämtliche Fäuste aus und schmetterte die Offiziere zu Boden. Der Commander, in den Magen getroffen, welcher von seinem Dämpferanzug geschützt wurde, ergriff den Pressorknüppel, den er noch immer in seinem Gürtel stecken hatte, drückte ab, im gleichen Moment, in dem Ocbey ihren Tentakel darum legte. Der Fangarm wurde von dem Gravitonenstrahl in der Mitte abgeknickt, das etwa einen Meter lange Ende schleuderte wie eine Peitsche durch den Raum und riss sich schließlich vom Rest los, um gegen die Decke zu prallen und dort kleben zu bleiben. Ocbey schrie auf und rammte dem Commander die Faust gegen die Stirn, so dass dieser regungslos liegen blieb. Zwei Kadetten attackierten die Geecedianerin von hinten und sackten ohnmächtig zusammen, als zwei Schüsse aufblitzten. Yxo senkte sein Gewehr und nickte Ocbey zu, während die anderen Kadetten wie versteinert stehen blieben. Sam zerrte Celeste mit sich, die entsetzt auf den an der Decke klebenden Tentakel starrte, aus dem noch immer bläuliches Blut tropfte. Ocbey, eine klebrige Blutspur hinter sich ziehend, sowie Sam und Celeste gingen vor, den Gang entlang, während Yxo sich immer wieder umdrehte, um die Kadetten mit dem Gewehr in Schach zu halten. Vor einem großen Panoramafenster blieb Ocbey schließlich stehen und starrte abschätzend nach draußen. Mehrere Polizeijets versammelten sich gerade in der Luft vor dem Gebäude. "Was machen wir jetzt?" wollte Sam wissen. "Weiß ich nicht", keifte ihn Celeste an, "es ist doch euer toller Plan." "Yxo, herkommen!" rief die Geecedianerin und beobachtete die Polizei. "Einheit 450 an Zentrale, Beobachtungsposition eingenommen", meldete die Pilotin des Polizeijets, "sie befinden sich direkt an der Außenwand des Gebäudes..." "Nicht schießen", drang eine anderen Stimme aus dem Polizeifunk, "sie scheinen eine Geisel zu haben!" "Bestätigt, Foster. Außerdem scheint einer der Täter verletzt zu sein." Yxo rannte den Gang entlang auf Ocbey zu. "Was ist?" Als Antwort wurde ein Tentakel um ihn geschlungen und die Geecedianerin presste ihn mit dem dazugehörigen Arm an sich, das gleiche tat sie mit Sam und Celeste. "Was soll das?!" "Einheit 450, was haben die vor?" "Keine Ahnung!" Während Sam und Yxo durcheinander maulten und Celeste wild um sich schlug, richtete Ocbey mit dem freien Arm den Pressorknüppel auf die Panorama-Scheibe und feuerte. Das Material zerbarst und regnete in die Tiefe, der fast unerträgliche Verkehrslärm war auf einmal zu hören. Die Geecedianerin stieß sich ab, faltete ihre Flügel auf und sprang wie ein Geschoss aus dem Fenster. Sie landete auf der Motorhaube eines der Polizeijets und versuchte, einen Blick ins Innere zu erhaschen, doch die schwarze Windschutzscheibe war von außen undurchsichtig. Etwas Blut tropfte auf den Jet, dann sprang Ocbey endgültig in die Tiefe. Der einen guten Kilometer tiefer liegende Boden und die gewaltigen Häuserschluchten begannen, sich wild zu drehen, Jets hupten, dann wurde irgendetwas immer größer und kam direkt auf die Stürzenden zu, oder umgekehrt. Ocbey schaltete den Pressorknüppel ein und ließ in wenigen Sekundenbruchteilen praktisch den gesamten Energievorrat auslaufen. Vom Gravitonenstrahl des Knüppels abgebremst, landete Ocbey mit einem krachenden Laut auf dem Dach des Busses, presste Sam, Yxo und Celeste gegen das Metall und gab sie schließlich frei, um in sich einer unmöglich anmutenden Bewegung die Wirbelsäulen wieder einzurenken. Abschnitt 5
"Sie Wahnsinnige!" kreischte Celeste und sprang auf. Die Geecedianerin konnte sie gerade noch mit einem der Tentakeln am Bein festhalten, bevor die Terranerin sich vollkommen aufrichten und vom Flugwind in die Tiefe geschleudert werden konnte. Celestes Körper prallte rücklings gegen das Metall, ihr Kopf wurde in den Nacken geschleudert, als er auf keinen Widerstand stieß. "Das war verdammt knapp," rief ihr Ocbey zu, "Sie sind verdammt leichtsinnig!" "Leichtsinnig?!" quietschte sie und kroch vorsichtig weiter in die Mitte des Daches, immer noch an Ocbeys Fangarm hängend. "Ich bin leichtsinnig?! Was hätten Sie gemacht, wenn Ihnen nicht zufällig dieser Bus in den Weg gekommen wäre?!" "Darüber denken wir besser nicht nach", murmelte Sam vor sich hin, was aber durch den schneidenden Wind, der mit gut 200 Kilometern pro Stunde über sie hinweg fegte, nicht zu hören war. Sogar der Verkehrslärm und die Maschinen des Busses waren kaum wahrnehmbar. "Wir müssen ins Cockpit!" stellte Yxo fest und deutete auf die kuppelförmige Aufbaute vorne am Rumpf. Langsam und vorsichtig begann er, auf dem Dach zu robben. Sam wagte es nicht, sich zu bewegen, er hatte den Eindruck, auch so jeden Moment weggeweht zu werden. Er sah zurück zu Ocbey und Celeste. Seine Schwester war total verstört, Ocbeys Stimmung ließ sich so gut wie überhaupt nicht aus ihrem Gesicht lesen, aber sie schien immer noch kühl und rational zu denken. "Der Bus wird langsamer!" brüllte Yxo, der bereits einige Meter voran gekommen war. "Vielleicht eine Haltestelle?!" vermutete Sam. "Nein! Ich glaube, wir haben ein Problem!" Yxo versuchte, mit dem Finger in eine bestimmte Richtung zu deuten, wagte es aber nicht, mehr als den Unterarm zu heben. Doch Sam konnte auch so sehen, was er meinte: Eine regelrechte Flotte von Polizeijets näherte sich dem Bus, mit den Lackierungen des New York Police Department über das Terran Office of Security TOS, bis hin zum Blau der UTSF. "Achtung, hier spricht die Militärpolizei!" übertönte eine mächtige Stimme den pfeifenden Sturm. "Legen Sie sich flach auf das Flugobjekt, so dass wir Ihre Hände sehen können!" Inzwischen hatte Yxo das Cockpit erreicht. Er hackte auf der Öffnungstaste der Luke herum, doch er erreichte nichts. "Es geht nicht!" rief er den anderen zu, woraufhin Ocbey sofort auf ihre Art reagierte. Nicht schon wieder, dachte sich Sam, als er von einem Fangarm erfasst wurde, aber da hatte ihn die Geecedianerin auch schon fest umschlossen und sprang zusammen mit ihm und Celeste mehrere Meter weiter nach vorne. Mit dem übrigen unverletzten Tentakel erfasste sie das noch weiter bugwärts liegende Cockpit und sprang dorthin, direkt vor die Luke. Sie rammte die Faust in die Schaltfläche daneben, so dass diese zerbarst, dann hantierte sie mit den Kabeln dahinter herum, bis sich die Cockpitluke schließlich teilte und in die Wand fuhr. Sie sprang zusammen mit allen anderen ins Innere des Busses und stieß den entsetzt dreinblickenden Piloten von seinem Sitz. Es handelte sich bei ihm eindeutig um keinen Menschen. Das Wesen hatte einen gedrungenen, braunen, schuppigen Körper mit vier Gliedmaßen und drei Augen, die auf fühlerartigen Auswüchsen am Kopf saßen. Offenbar ein als harmlos eingestufter Kriegsgefangener. Als sich die Luke von selbst wieder schloss, konnte man sich endlich in vernünftiger Lautstärke unterhalten. "Bring' uns hier irgendwie weg!" forderte Yxo Sam auf und deutete auf die Flugkontrolle. "Ihr seid irrsinnig!" kommentierte Celeste, während Sam sich in den Pilotensitz hockte und den Steuerknüppel in die Hand nahm. "Können Sie das Ding fliegen?" wollte Ocbey wissen. "Ja, im Grunde ist es die Steuerung eines einfachen Aerojets, aber die Bullen haben die Kontrolle!" Er hantierte etwas mit dem Steuerknüppel herum, aber der Bus wurde trotzdem immer langsamer und schien Kurs auf einen Parkplatz zu nehmen. "Wie geht die Fernsteuerung raus?!" schnauzte Ocbey den Buspiloten an. "Nix verstehen!" "Er hat kein Übersetzungsimplantat", stellte Sam fest, "das ist Kriegsgefangenen verboten." Dann sah er das Wesen fragend an. "Sprechen Sie englisch?" "Englisch. Gut." "Na also. Wie kriege ich Zugriff auf die Kontrollen?!" "Zugriff nix gut. Polizei sagt: Kein Zugriff. Wir müssen kein Zugriff." "Ich will aber Zugriff haben!" Unsicher stand der Pilot auf, trat an das Terminal heran und tippte einen Code in die Konsole ein. "Zugriff!" freute er sich. "Na also", meinte Sam, "es geht doch." Er zog den Bus wieder nach oben und beschleunigte, aber der
Kriegsgefangene fuchtelte vor den Kontrollen herum. "Jetzt Mach 0,2. Mach 0,2: Gut. Mach 0,5: Schlecht, weil Strafzettel. Mach 1: Schlecht, weil Innenstadt. Mach 2: Schlecht, weil Triebwerk kaputt." "Alles klar", nickte Sam und beobachtete die Geschwindigkeitsanzeige, die auf über 500 Stundenkilometer stieg. "Hier spricht die Militärpolizei! Stoppen Sie umgehend das Flugobjekt!" "Polizei sagt: Halt. Polizei gut. Halt gut." "Halt Schnauze", entgegnete Yxo, "Sam, kannst du die abhängen?" "Ich werd's versuchen!" "Ihr wollt die Bullen abhängen, mit einem Linienbus?!" schrie Celeste. "Bitte Celeste, ich muss mich konzentrieren!" "Pah!" Sam zog den Bus fast senkrecht nach oben, raste mitten durch drei Verkehrsebenen, brach dann nach links weg und jagte in eine enge Häuserschlucht. Nur zwei Jets des NYPD reagierten schnell genug, um dem Manöver zu folgen und rasten dem Bus nun direkt hinterher, zwischen Gebäuden, die nur wenige Meter auseinander standen, und in einer Höhe von mehr als einem Kilometer. "Einheit 309 an Zentrale: Flüchtiges Flugobjekt hat soeben die Schallmauer durchbrochen. Wir bleiben dran." "Verstanden, Einheit 309. Gefährden Sie aber nicht die Passagiere, seien Sie vorsichtig!" "Verstanden, Zentrale. Erbitten Unterstützung durch Pressorstrahlennetz." "Wir sind die meisten von ihnen los", stellte Sam fest. "Du kannst mitten in New York doch nicht der Polizei entkommen, und erst recht nicht in einem Bus! Wenn's sein muss, werden die uns auch abschießen." "Moment mal. Sind in einem Bus nicht normalerweise auch Passagiere?" Der eigentliche Pilot nickte. "Passagiere. Nix mehr Fahrplan einhalten." Sam, Yxo und Ocbey blickten sich verdutzt an. "Wir gehen runter in die Passagierkabine", beschloss Ocbey schließlich, "und wir nehmen die Geisel mit. Du und der Pilot, ihr bleibt hier." "Ich gehe keinen Schritt mehr!" keifte Celeste die Geecedianerin an, um von einem Tentakel erfasst und mitgeschleift zu werden. Eine Leiter führte ins untere Deck, wo hinter einer Tür die Passagierkabine lag. Yxo öffnete sie per Knopfdruck und stürmte mit seinem Gewehr hinein, einige entsetzte Schreie waren zu hören. "Jeder bleibt, wo er ist!" brüllte er die völlig verstörten Leute an. Manche Passagiere schrieen auf, andere redeten wild durcheinander oder starrten die drei an. "Ich bin nur die Geisel!" entschuldigte sich Celeste sofort. "Schnauze halten!" befahl Ocbey gleichzeitig ihr und den Passagieren, "wenn Sie ruhig bleiben, wird niemandem etwas passieren!" "Ist das eine Geiselnahme?!" wollte jemand entgeistert wissen. "Nach was sieht's denn aus?" "Mein Gott, die werden uns alle umbringen!!" "Halten Sie die Klappe!" schrie Yxo gereizt. "Mach 1: Schlecht, weil Innenstadt." "Ja, ja ich weiß!" Aus dem Kom ertönten die Aufforderungen der Polizei, stehen zu bleiben. Mit atemberaubender Geschwindigkeit rasten die Häuserfassaden links und rechts knapp am Bus vorbei, hin und wieder kreuzte ein Verkehrstrom die absolut leere Häuserschlucht, nach kurzer Zeit konnte man wieder das Blinken von Blaulichtern sehen: Einige Kilometer weiter vorne bog der Rest der Polizeistaffel in die Straße ein und hielt die Position. "Warum bleiben die stehen?" wollte Sam wissen. "Vielleicht Plan. Polizei immer hat Plan." "Kann schon sein, aber was für einen?" Die Jets und die Einmündung in die Hauptstraße kamen immer näher, bis der Bus schließlich zwischen den auf der Stelle schwebenden Polizeijets hindurch raste. Aus den Gebäuden links und rechts griffen Pressorstrahlen nach dem Flieger, doch ein 50 Tonnen schweres Etwas, das mit einanhalb-facher Schallgeschwindigkeit rast, lässt sich nicht durch ein einfaches Verkehrssicherheitssystem stoppen. Der Bus wurde in Sekundenbruchteilen auf knappe 300 Kilometer pro Stunde abgebremst, geriet ins Trudeln und wurde unkontrolliert quer durch den Verkehrsstrom geschleudert, Sam versuchte, den Jet zum Stillstand zu bringen. Die Leute kreischten, Yxo wurde von den Füßen gerissen und zu Boden geschleudert. "Was machst du da oben?!" brüllte er durch den Bus. "Sorry!" lautete die knappe Antwort.
Die Gravitonenpolster des Busses falteten sich gleichzeitig mit denen des Taxis auf, das direkt auf den am Himmel hängenden Bus zugerast kam. Es brach nach rechts weg, um einen direkten Zusammenstoß zu verhindern und wurde von den Gravitonenpolstern abgefangen, aber es schrappte trotzdem mit den unten angebrachten Triebwerken am Rumpf des Busses entlang. Die Maschinen des kleinen Jets heulten protestierend auf, dann erloschen sie. Sofort baute sich ein Pressorstrahlennetz auf, um das Taxi an einem Sturz in die Tiefe zu hindern. "Einheit 603 an alle, der Bus hatte eine Kollision mit einem Taxi! Ich wiederhole, die haben einen Jet gerammt! Verdammte Scheiße!" "Hier Einheit 90. Ich versuche, Kontakt zum Piloten des Taxis herzustellen." Eine kurze Pause im Polizeifunk, während die Staffel sich durch den jetzt unregelmäßigen und langsameren Verkehrsfluss in Richtung des Unfallortes bewegte. "Der Pilot und der Fluggast sind wohlauf. Was ist mit dem Bus?" "Er ist zum Stillstand gekommen... Nein, verdammt, jetzt fliegt er weiter! Verfolgung wieder aufnehmen!" "Hier spricht der Einsatzleiter, ab jetzt keine Pressorstrahlennetze mehr!" "Was ist mit den Passagieren?" wollte Sam wissen, als Yxo das Cockpit betrat. "Die Passagiere beruhigen sich etwas, aber ich wollte dich fragen, ob ich deine hysterische Schwester K.O. schlagen darf." "Nein, das mach' ich später." "Na gut, dann eben noch was: Gibt es hier so etwas, wie ein Kom-Gerät?" "Klar." "Dann will ich einen offenen Kanal zur Polizei." Sam drückte auf eine Schaltfläche, dann nickte er. "Hören Sie mir gut zu", sprach Yxo ohne lange Begrüßung, "wir wollen einen freien Korridor von hier zum Raumhafen. Ziehen Sie Ihre Einheiten ab, wir verlangen freien Flug. Dann passiert den Geiseln auch nichts." "Was glauben sie?" fragte der Polizeichef im Einsatzleitwagen den Commander, der seine Verletzung provisorisch hatte behandeln lassen. "Ich glaube nicht, dass Mr. Johnson den Geiseln etwas Schwerwiegendes antun würde", erklärte er, "und was diesen Yxo angeht, so halte ich ihn auch für - vergleichsweise - harmlos. Aber ich weiß natürlich nicht, wie er auf Stress reagiert, außerdem ist diese Geecedianerin offenbar äußerst skrupellos. Ich würde sagen, wir folgen ihren Anweisungen und sorgen aber dafür, dass sie vom Raumhafen aus nirgendwohin kommen." Abschnitt 6 "Hier ist Janine Perkins und ich melde mich live vom Ida Atkinson Spaceport vor New York City, wo sich im Moment ein unbeschreibliches Polizei- und Space-Force-Aufgebot versammelt, um einem Massaker vorzubeugen. Vor einigen Minuten hat eine Gruppe von gesuchten Piraten in einer spektakulären Aktion einen Linienbus gekapert, um eine sichere Passage zum Raumhafen zu erpressen. Es ist im Augenblick nicht bekannt, wie viele Geiseln sich in der Gewalt der Erpresser befinden, aber man muss davon ausgehen, dass sie sich in großer Gefahr befinden, denn nach Angaben der Polizei sind die Geiselnehmer schwer bewaffnet. Es soll sich außerdem eine Space-Force-Kadettin in der Hand der Terroristen befinden, wie ein Sprecher der UTSF verlauten ließ. Es ist momentan nicht bekannt, welches ziel die Piraten verfolgen, nichtsdestoweniger werden hier schärfste Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Sämtliche Raumschiffe werden zum Start aufgefordert, des Weiteren..." Ein Mann in dunkelroter TOS-Uniform trat ins Bild und sagte irgend etwas zu der Reporterin. Sie lächelte, wie es vor der Kamera eben sein muss, und sagte noch hastig: "Des Weiteren werden die Terminals auf der Nordseite evakuiert. Wir melden uns in Kürze wieder, Damen und Herren. Ich bin Janine Perkins für Terran Empire News."
"Verdammt, warum geht das so langsam?" wollte der Einsatzleiter wissen. Er, der Commander und einige Polizisten saßen im Inneren der mobilen Leitstelle, die momentan Teil der Polizeistaffel war, die dem Bus in respektvollem Abstand folgte. "Ist Ihnen klar, was es bedeutet, die ganze Nordseite des Raumhafens zu evakuieren?" entgegnete der leitende Fluglotse über eine visuelle Kom-Verbindung. "Es geht primär um die Raumschiffe, die Passagiere in den Terminals dürften weniger in Gefahr sein." "Das ist mir auch klar, aber wir können eben nicht alle gleichzeitig starten lassen. Einige weigern sich sogar, ein Kommandant von Intertrans will seinen Frachter nicht starten, bis nicht die Crew an Bord ist, die Crew eines Chemysanischen Tramp-Schiffes will erst für ihren Flug bezahlt werden und ein Geecedianischer Frachterkommandant besteht darauf, erst seine Ladung zu löschen. Aber auch so können wir unmöglich so viele Raumschiffe rechtzeitig evakuieren." Der Einsatzleiter lehnte sich seufzend zurück und sah aus dem Fenster. Die Polizeistaffel befand sich bereits über dem Atlantik, sie würden es niemals schaffen rechtzeitig zu evakuieren. Wenigstens war die Flugroute geräumt. "Wie weit noch?" erkundigte sich Yxo, als er erneut das Cockpit betrat. "Wir sind so gut wie da", antwortete Sam und deutete nach vorne. Auf dem Meeresspiegel befand sich eine gewaltige, graue Fläche, die mit Gebäuden, Raumschiffen und Fahrzeugen übersäht war. Die Routen Richtung Süden waren mit Aerojets gestopft voll, Raumschiffe starteten ununterbrochen, und über allem schwebte der stromlinienförmige, mit Aufbauten und Geschützen bestückte Rumpf eines Zerstörers, der mit seinen Deltaflügeln einem Rochen ähnelte. Yxo sah Sam missbilligend an. "Der Shark war nicht ausgemacht", stimmte der Mensch zu. "Shark-Klasse. Zerstörer", kommentierte der Buspilot. "Ja, ja." Yxo presste den Finger auf die Kom-Schaltfläche. "Der Zerstörer muss weg!" "Worin sehen Sie die Bedrohung?" wollte der Einsatzleiter kaltschnäuzig wissen. "In den fünf Plasmageschützen. Ziehen Sie diese Einheit ab!" Yxo ließ ihm keine Zeit, zu antworten, sondern schaltete das Kom ab. Er starrte einige Sekunden angespannt auf das Kriegsschiff, dem sie immer näher kamen, bis es den Bug umdrehte und beschleunigte, um schließlich hinter dem Horizont zu verschwinden. Yxo bezweifelte, dass er auch außer Sichtweite weiter flog, aber die direkte Bedrohung bestand nicht mehr. Also musterte Yxo nun das Landefeld. Noch immer waren unzählige Raumschiffe bis zu einer Größe von etwa 300 Metern auf dem Raumhafen verteilt, zwischen ihnen wuselten Sicherheitskräfte und Polizeijets herum. "Da!" rief Sam und zeigte auf einen Geecedianischen Frachter, mit einem gewaltigen Frachtmodul in einer komplizierten geometrischen Form und einem oben sitzenden, viel kleineren dreieckigen Segment mit den Triebwerken. "Volltreffer, das ist er", stellte Yxo fest, dann zog er die Show für die Geiseln ab und schrie nach unten: "Hey, vielleicht ist es clever, einen von euren zu kapern!" "Ist mir scheißegal!" rief Ocbey zurück, "Hauptsache, ihr dockt an irgendeiner Luke an." "Also, mach' schon", forderte er Sam auf. Der Bus wurde langsamer, senkte sich herab und landete schließlich direkt auf dem Geecedianischen Transporter. "War 'ne nette Spritztour", bedankte sich Yxo bei dem Buspiloten und schlug ihn K.O. Das Wesen stürzte zu Boden, Sam und Yxo verließen das Cockpit. "Na endlich!" begrüßte Ocbey die beiden. Sie schien sich schon mit der Konstruktion des Busses vertraut gemacht zu haben, jedenfalls stand sie vor einer offenen Bodenluke, die wahrscheinlich für Wartungsarbeiten gedacht war. "Und jetzt darf ich wohl wieder mal mitkommen..." maulte Celeste vor sich hin, die sich in die Ecke neben der Tür zum Cockpit gekauert hatte. "Nein, dieses Mal müssen Sie mich nicht begleiten", lächelte Ocbey. "Was soll das heißen?" wollte Yxo sofort wissen. "Keine Sorge." Sie holte einen mobilen DNS-Scanner hervor, den sie irgendwie unter einem Arm versteckt hatte, und warf ihn spielerisch von der einen in die andere Hand. "Es war mir ein Vergnügen, mit ihnen zusammen zu arbeiten." Mit den anderen beiden Armen zog sie ihr Gewehr, schneller, als ein Mensch reagieren konnte,
und schoss. Yxo war aber kein Mensch. Er ließ sein Gewehr los, packte Sam und Celeste fest an den Haaren, so dass er die Geschwister mit sich zog, und warf sich flach auf den Boden. Die drei spürten die sengende Hitze über sich, der Schuss zerfetzte die vordere Kabinenwand in glühende Trümmer und legte die Elektronik frei. Die Passagiere, die sich mittlerweile größtenteils gefasst hatten, brachen von neuem in Panik aus. Ocbey ließ sich in die Bodenluke fallen, worauf Yxo Sam und Celeste los ließ und ihr nach sprang. "Blieb stehen, du...!" Als Antwort war ein dumpfes Klatschen zu hören, Yxo flog aus der Bodenluke, prallte gegen die Decke und landete auf einem glücklicherweise freien Doppel-Sitzplatz. Er atmete tief ein, schüttelte den Kopf und kletterte dann träge in den Gang zurück. "Na warte, mich macht niemand nicht so leicht fertig..." Yxo beugte sich etwas abwesend über die Bodenluke, um hinein zu klettern. Sam machte sich darauf gefasst, dass der Cilthroide von einem weiteren Schlag zurück geworfen würde, doch es geschah nichts. Yxo richtete sich wieder auf, lehnte sich an eine Haltestange und atmete tief durch. Sams fragenden Blick beantwortete er mit: "Die Luke des Schiffs ist zu." "Das habe ich eigentlich nicht gemeint", erklärte der Mensch, während er sich wieder aufraffte, und blickte Yxo eindringlich an. Dieser tastete in seinem Gesicht herum und warf dann einen Blick auf das Blut an seinen Fingern. "Das bleibt unter uns", beschloss er kompromisslos, dann drehte er sich zu den schockierten, laut redenden und schreienden Leuten um. "Und ihr haltet verdammt nochmal das Maul!!" brüllte er, so laut er konnte. Vom einen Moment auf den nächsten wurde es totenstill, bis irgendjemand anfing, zu schluchzen, und schließlich zu weinen. Er schnaufte. "Nicht alle Geiselnehmer fressen kleine Kinder, okay?" Dann stapfte er an Sam und Celeste vorbei, hob sein Gewehr auf, marschierte durch die Tür in der verbrannten Wand, zurück zum Cockpit. "Die hat uns verarscht, ich würde sagen, wir machen, dass wir hier weg kommen." "Bleiben Sie ruhig, Sie kommen bald hier heraus", redete Sam beruhigend auf die Leute ein, als Yxo weg war, und sah dann auf Celeste herab, die noch immer mit verzerrtem Gesicht am Boden lag, man konnte aber schwer erkennen, ob vor Schmerz oder Wut. "Komm' schon." Sam streckte seine Hand aus, doch sie keifte ihn an: "Ich kann selber aufstehen!" Sie richtete sich langsam auf sah nur kurz, wenig überrascht, die zerstörte Kabinenwand an. "Ihr seid alle bekloppt!" schrie sie ihren Bruder an. "Ihr entführt mich, nehmt Geiseln, macht Sachen kaputt... Die Verrückte schießt hier in der Gegend rum, dieser Alien versucht, mir die Haare auszureißen... Die Frisur war neu!" "Celeste, beruhige dich!" Sie starrte wütend auf ihn. Wenn Blicke töten könnten... "Die Frisur ist sowieso hässlich." "Ist sie überhaupt nicht!" "Doch, bei der Space Force wärst du dafür verarscht worden." "Aber die Ausbilderinnen haben auch solche Frisuren..." "Dann werden die auch verarscht. Ich geh' jetzt ins Cockpit, mach', was du willst." "Dann komm' ich mit." "Okay. Meinetwegen." "Ja, okay." "Ja." Sam kletterte die Leiter nach oben, konnte es sich aber nicht verkneifen, mit verstellter, kindlicher Stimme und im Rhythmus zu sagen: "Hä, hä, die Johnson macht den Lehrern nach, die Johnson macht den Lehrern nach." "Halt die Klappe!" "Haltet beide die Klappe", forderte Yxo sie auf, als sie wieder im Cockpit waren, "wir stecken in der Scheiße." Sam wurde wieder ernst. "Wir starten besser, bevor die Bullen merken, dass hier irgendwas nicht so läuft, wie wir uns das gedacht haben." "Das merken sie auch, wenn wir starten", hielt Celeste dagegen. Sam ignorierte das, setzte sich in den Pilotensitz und startete den Bus wieder. Das Landefeld verschwand, als sich die Nase hob und der Jet gen Himmel raste. "Was ist da jetzt schon wieder los?" wollte der Einsatzleiter wütend wissen. "Die Aufklärung meldet..." Der Operator wurde von einem Kollegen unterbrochen, der seine Meldung offenbar für die Wichtigste von allen hielt. "Der Geecedianische Frachter sendet einen Notruf, sie werden gekapert!" "Geecedianisches Hoheitsgebiet, das ist das Problem der UTSF und der Botschaft", beschloss der Einsatzleiter eiskalt, "Connor?" Der erste Operator sprach wieder: "Die Aufklärung meldet, dass die Scanner nur noch zwei Geiselnehmer an Bord des Busses ausmachen können, Sir. Ein Mensch und ein Cilthroide." "Commander?" wandte sich der
Einsatzleiter erwartungsvoll an den Space-Force-Ausbilder. "Was denn?" "Halten Sie eine Verfolgung für sicher für die Geiseln?" wollte er ungeduldig wissen. "Ich kenne zwar Johnson, aber nicht diesen Yxo." Der Commander machte eine Pause und atmete tief ein. "Vielleicht", sagte er schließlich. "Vielleicht oder ja?" "Das ist verdammt nochmal Ihr Job, die Verantwortung zu übernehmen", entgegnete der Commander gereizt und legte den Kopf in den Nacken. "Ja", sagte er schließlich, woraufhin der Einsatzleiter grinste. "Zentrale an alle Einheiten. Los!" Abschnitt 7 "Die kommen uns nach!" stellte Sam fest, der den Bus mit Höchstgeschwindigkeit auf die Küste mit der Skyline von New York zu jagte. "Dann machen wir wieder einen auf skrupellos", beschloss Yxo und öffnete einen Kom-Kanal zum Einsatzleiter. "Ziehen Sie sofort Ihre Einheiten zurück. Ich warne Sie nur einmal." "Hier spricht die Polizei. Stoppen Sie das Flugobjekt, oder wir werden Maßnahmen ergreifen!" "Der Typ langweilt", murmelte Yxo vor sich hin und unterbrach sie Verbindung. "Tja", grinste Celeste, "eure geniale Aktion scheint euch etwas aus dem Ruder zu laufen, nicht wahr?" "Klugscheißerin", sagten Sam und Yxo gleichzeitig. "Fliegt das Ding nicht schneller?" wollte Yxo wissen. "Mach 2 schlecht, weil Triebwerk kaputt", wiederholte Sam die Worte des Buspiloten. Der Bus raste dicht über dem Meeresspiegel, stieg dann etwas nach oben, um in den Häuserschluchten der Altstadt zwischen den Verkehrsebenen zu verschwinden, dicht gefolgt von der Polizeistaffel, die immer weiter aufholte. Mit wahnwitziger Geschwindigkeit rasten die Gebäude und Verkehrsströme am Bus vorbei. "Ich will ja nichts sagen", keuchte Celeste, "aber mit fast doppelter Schallgeschwindigkeit durch die Stadt zu rasen, ist fast so lebensmüde, wie aus dem 386. Stockwerk zu springen." Der Jet begann, zu vibrieren. "Was ist das?" fragte Celeste unsicher. "Die Bullen", stellte Sam fest und drückte den Steuerknüppel vorsichtig nach unten, dann zog er ihn sachte wieder nach oben, nach links und rechts. Der Bug richtete sich in die entsprechenden Richtungen aus, doch der Flugvektor änderte sich nicht, das Vibrieren wurde nur noch stärker. Der Bus verlor an Geschwindigkeit. "Sie haben angedockt und bremsen uns ab", erklärte Sam hastig. Er nahm den Schubhebel etwas zurück, woraufhin die Geschwindigkeit noch schneller sank. "Jetzt ist es Zeit für Trick 17, haltet euch gut fest", warnte er. "Warum..." setzte Celeste an. "Tu's einfach!" unterbrach sie Yxo. Sam wartete, bis der Bus "nur" noch knapp über Schallgeschwindigkeit flog und passte ungefähr die nächste Einmündung ab. Dann schob er gleichzeitig den Schubhebel bis zum Anschlag nach vorne und riss den Steuerknüppel nach links. Die Maschinen heulten protestierend auf, als der Bus nach links gierte und einen gewaltigen Satz nach vorne machte. Die Polizeijets wurden mitgerissen, der linke verlor den Pressorstrahlen-Kontakt und geriet ins Trudeln. Sam starrte die enge Schlucht zwischen den beiden Wolkenkratzern an und presste den Steuerknüppel verkrampft an den linken Anschlag. Die Wand des rechten Gebäudes schoss direkt auf ihn zu, er registrierte nur am Rande das Aufblitzen des Steuerbord- und des BugGravitonenpolsters kurz vor der Kollision. Der Einsatzleiter sprang auf und starrte aus dem Panoramafenster der mobilen Leitstelle. Der Bus rammte das Gebäude, Funken stoben, Trümmer wurden aus der Konstruktion gerissen und stürzten in die Tiefe. Die rechte Hälfte des Jets pflügte einfach mehrere zig Meter weit durch die Wand, bevor ihn sein weiter Wendekreis wieder aus dem Gebäude führte. Irgendwo zwischen den Resten der Gebäudeflanke schimmerte die dunkelrote Lackierung eines TOSJets, blaue und rote Lichter blitzten in unregelmäßigen Abständen auf, bevor sie endgültig erloschen. Die Sirene gab einen letzten kläglichen Laut von sich, während der Bus in die nächste Einmündung bog. "Operation gescheitert", meldete der Pilot des betreffenden Jets
über eine stark rauschende Kom-Verbindung, mit einem Unterton in der Stimme, der leichte Frustration zum Ausdruck brachte. "Das war genial", freute sich Yxo, "das gibt uns einige Zeit. Wo müssen wir jetzt lang?" Im gleichen Moment erschien der Wegweiser auch schon auf dem Kom-Bildschirm, zusätzlich zu gut einem halben Dutzend weiterer Verkehrszeichen und Werbespots. "Es ist nicht mehr weit." Celeste hatte sich in einer Ecke zusammen gekauert und rang um ihre Beherrschung. "Wo sind sie jetzt", wollte der Einsatzleiter hastig wissen, "wo? Geben Sie mir einen Satellitensscan!" Auf dem Bildschirm erschien ein Tachyonen-Scannerbild von New York City, dann wurde ein kleinerer Ausschnitt drastisch vergrößert. Er zeigte ein längliches Objekt, das sich schnell zwischen den Gebäuden bewegte. "Da sind sie", kommentierte eine Polizeioperatorin, "sie fliegen direkt auf den nächsten Eingang zum City Tunnel zu. Sollen wir die Verfolgung wieder aufnehmen?" "Nein." Der Commander sah den Einsatzleiter abschätzend an. "Sie haben recht", meinte er, "da drinnen ist der Verkehr zu dicht, um sie sicher aufhalten zu können. Darauf spekulieren sie wahrscheinlich auch." "Ja, aber von dort kommen sie auch nicht mehr raus." Er wandte sich etwas lauter an sämtliche Operatoren. "Postieren Sie Einheiten an sämtlichen Ausgängen des City Tunnels, halten sie dort die Pressorstrahlennetze bereit. Bewachen Sie sämtliche Notausgänge des Tunnels! Wenn Sie dabei nicht den Verkehr behindern, merken die nicht einmal, was draußen auf sie wartet!" Die Pressorstrahlen am schräg nach oben gerichteten Tunnelausgang erfassten den eher langsam fliegenden Bus in dem Verkehrsstrom zielgenau, der Flieger wurde sofort praktisch zum Stillstand gebracht, um mehr oder weniger sanft auf der Oberfläche aufzusetzen, direkt neben einem schweren Mannschaftstransporter. Die Steuerbord-Flanke des Busses war von vorne bis hinten zerkratzt und verbeult, die rechte Hälfte der Front war zu einem unebenen Etwas deformiert. Gezielte Schüsse zerstörten die Cockpitscheibe des Busses, das Sturmkommando ließ sich von den Antigravitationsrucksäcken in die Luft tragen und mit militärischer Präzision durch die zerstörte Scheibe fallen. Mit vorgehaltenen Waffen stürmte das Kommando den Bus, dann öffnete der Leiter vom Cockpit aus die Passagiertüren, um den Notärzten und Psychologen zutritt zu verschaffen. Er tippte etwas auf den Konsolen herum, musste aber feststellen, dass der Flugschreiber gelöscht war. "Was zum Teufel ist hier passiert?" murmelte er vor sich hin. Im gleichen Moment bemerkte er aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Der Rest der Truppe befand sich unten. Blitzartig wirbelte er herum, riss sein Gewehr nach oben und zielte auf den Piloten, der sich aufgerichtet hatte. "Nix schießen!" Der Leiter seufzte und steckte seine Waffe wieder in die Halterung. "Sind Sie der Pilot?" "Pilot", bestätigte ihm das Wesen, "froh. Cilthroide und Geecedianer und Mensch gekommen mit Waffen, gezwungen, ich sagen Polizei gut, halt gut, aber nix wollen. Dann haben mich geschlagen, gegen Kopf, obwohl gefährlich, und ich tun, als ob tot, aber nix wirklich tot, weil..." "Ist das der Pilot?" Der Leiter drehte sich zu seiner Vorgesetzten um, die gerade ins Cockpit kam. "Ja. Ich denke, er kann uns nützliche Informationen geben." "Das hoffe ich. Ihre Leute haben den Bus gestürmt, nur leider sind keine Geiselnehmer da. Die Passagiere berichten, dass sie im Tunnel durch die Bodenluke auf einen anderen Jet umgestiegen sind, aber sie konnten nicht sehen, auf was für einen." "Oh, verdammt." "Hallo. Ich haben sehen." Der Pilot schob sich zwischen die beiden. "Sie haben den Jet gesehen?" "Durch Fenster. Rot Jet." "Rot Jet. Und?" "Rot Jet", bekräftigte der Pilot. "Toll", seufzte die Polizeiinspektorin, "können Sie sich annähernd vorstellen, wie viele rote Jets es in New York City gibt?!" "Rot Jet!" "Hören Sie, wir haben Übersetzungsimplantate", erklärte der Truppkommandant mit erzwungener Geduld, "sagen Sie uns doch mal in ihrer Muttersprache, wie der Jet aussah." "Muttersprache!" freute sich der Pilot. "Ja, Muttersprache. Also, was rot Jet, na?" "Es war ein weinroter Pegasus Coupé mit erweiterten
Gravitonenemittern, wahrscheinlich Baujahr '19 oder '20, jedenfalls hatte er die Triebwerksverankerung, die heute nur noch im Kombi üblich ist. Die Maschinen hörten sich recht dumpf an, wahrscheinlich hatte er einen Geschwindigkeitsbegrenzer eingebaut. Das lässt darauf schließen, dass es ein Miet-Jet war, und soweit ich weiß hat nur Terra-Rent den Pegasus in weinrot, zumindest den mit den erweiterten Gravitonenemittern. Die ID-Kennung konnte ich nicht genau erkennen, aber es war sicher ein New Yorker." "Öhm. Danke." "Sie haben den Pegasus gefunden!" rief einer der Operatoren. "Wo?" Der Einsatzleiter drehte sich erwartungsvoll um. "Auf einem Parkplatz in Manhattan. Keine Spur von unseren Freunden." Celeste lehnte sich in die Sitzpolster und seufzte. "Das muss euch bei Terra-Rent ja eine ganze Menge Geld gekostet haben. Vom Bus in den Pegasus, vom Pegasus in den Hawk, vom Hawk in den Minivan." "Das Geld ist gut angelegt, würd' ich sagen", grinste Sam. "Und dann auch noch drei Jetpiloten engagieren..." setzte sie fort. "Jetpiloten?" wiederholte Sod beleidigt und hob herausfordernd seinen krokodilähnlichen Reptilienkopf. "Ich bin der beste Pilot, der..." "Ja, ja..." unterbrach ihn Svenia Huygens. Sod, der Esialo, Svenia Huygens und der Oren Celtros saßen vorne im Minivan, Yxo, Sam und Celeste auf der Rückbank. "Na gut. Vielleicht wäre eine Erklärung mal ganz nett", schlug Celeste vor. "Darf ich vorstellen", begann Sam, "Sod, ein ganz angemessener Pilot, Svenia, eine ganz angemessene Technikerin und Celtros, ein ganz angemessener Techniker. Sozusagen Kollegen von uns." "Aha. Und die waren zufällig mit drei Miet-Jets hier, um euren misslungenen Fluchtplan zu retten?" "Nein, nicht zufällig. Celeste, ich hab' dir die Story mit den Geecedianern erzählt. Glaubst du im Ernst, ich hätte gedacht, dass uns eine Regierung Kühlmittel im Wert von 100 000 Trenomien überlässt, einfach so, nur weil sie die Courage unseres Vaters bewundert. Yxo und ich haben uns heimlich mit unseren drei Freunden hier in Verbindung gesetzt und eine Art AllroundFluchtplan ausgearbeitet, für einen Fall wie diesen." "Und eure drei Freunde hier helfen euch, einfach so, nur weil sie die Courage unseres Vaters bewundern?" "Nicht so ganz." "Ah, ja." "Wir sind uns noch nicht so ganz einig, über die Beteiligung am Gewinn", erklärte Sod, "aber jeder kriegt auf jeden Fall mehr, als diese Geecedianer nur für euch zwei 'vorgeschlagen' hatten. Dafür ist allemal genug da." "Naja. Mit dem tollen Plan könnt ihr euch sowieso den Hintern abputzen, weil unsere tentakeligen Freunde mit meinem DNS-Code wahrscheinlich längst über alle Berge sind. Also könnt ihr mich sowieso gleich hier raus lassen, die nächste U-Bahn-Station ist ganz in der Nähe." Sam grinste. "Sie sind zwar über alle Berge, aber das mit dem DNS-Code stimmt nicht so ganz." Er zog eine kleine Kapsel aus dem Gürtel und hielt sie triumphierend hoch. "Was ist das?" "Das sind ein paar Mikroliter 'Eden'. Celtros war so freundlich, das auf der Raumhafentoilette für mich zu deponieren, so dass ich es ohne Ocbeys wissen mitnehmen konnte." "Moment, Moment. Willst du damit etwa sagen, dass..." Celeste sprach nicht weiter sondern lief rot an. "Nur wenige Mikroliter, keine Sorge. Ich hab's dir gespritzt, während ich dich als Geisel genommen hatte. Mir übrigens auch." "Du verdammtes Arschloch hast mir Eden gespritzt?! Bist du wahnsinnig?!" Sam zuckte zusammen. "Hey, du müsstest es schon milliliterweise haben, um etwas zu merken, oder um süchtig zu werden. Mikroliter sind total harmlos, im Krankenhaus kriegt man das Zeug auch." "Total harmlos?" Sie sprach nun wieder etwas leiser und in gemäßigtem Tonfall. "Wie soll bitte schön etwas, das meine DNS für Stunden für Scanner unidentifizierbar macht, harmlos sein?" "Bitte, wahrscheinlich hat dein Körper das Zeug schon längst wieder abgebaut." "Okay. Aber wehe, ich wach' heut' Nacht auf und hab' das Bedürfnis, wie ein Vogel in der Gegend rum zu fliegen, dann dreh' ich dir den Hals um!" Abschnitt 8
Verbinde: Terranisches Imperium\Beteigeuze\UTSF\Beteigeuze-Flotte\TSS Falcon; Verbindung besteht. "Captain, eine Nachricht für Sie", meldete der Kommunikationsoffizier dem Kommandanten, "als privat und streng vertraulich ausgewiesen." Captain Johnson sah ihn verwundert an. "Ursprung?" "IG-25, Sir." Der Captain kaute kurz auf der Unterlippe herum und stand dann auf. "Stellen Sie die Nachricht in meine Kabine durch, ich nehme sie dort an." Er verließ die Brücke, begab sich zu seiner Kabine und öffnete einen sicheren Kanal. Auf dem Bildschirm erschienen seine Kinder. Er war nicht so überrascht, wie er normalerweise hätte sein müssen, setzte sich in einen bequemen Sessel und lächelte. "Hallo", sagte er. "Hi, Dad", begrüßten ihn Sam und Celeste. "Ich weiß, das muss dir jetzt ziemlich seltsam vorkommen", wollte Sam seine Erklärung anfangen. Sein Vater legte den Kopf in die Handflächen. "Hey, auch dein alter Herr kann noch eins und eins zusammen zählen", lachte er, "und ich schau' auch jeden Tag Nachrichten." Er seufzte. "Die Geecedianer wissen also über alles bescheid, und ihr auch?" "Ja. Eine Subkommandantin Tilchaa hat sich an mich gewandt, ich sollte den Geecedianern dabei helfen, an Celestes DNS heran zu kommen." "Und was ist dann passiert? Die Nachrichten haben ziemlich wilde Spekulationen angestellt, was los war." "Nachdem die Geecedianer unseren DNS-Code hatten, haben sie uns den Bull... Ordnungshütern überlassen." "Nachdem sie glaubten, ihn zu haben", verbesserte ihn Celeste. "Ja, eben. Sie haben ihn nicht. Aber wir haben ihn, und wir haben ihn hier auf IG-25 vom Stationsarzt untersuchen lassen. Er ist vertrauenswürdig, er nimmt seinen Job sehr ernst." "Tja", meinte Captain Johnson, "im Grunde war es sowieso für euch gedacht. Ich wette, ihr seid nicht allein." "Nein, Yxo und drei Freunde helfen uns." "Was meinst du mit 'im Grunde war es sowieso für euch gedacht'?" wollte Celeste wissen. "Tja. Weißt du, wenn man bei der Space Force ist, muss man immer damit rechnen, im Gefecht zu fallen, oder bei einem Unfall getötet zu werden. Ich denke, darüber seid ihr euch beide im Klaren. Ich liebe euch über alles, das wisst ihr ganz genau, egal, was ihr gerade tut. Damit das klar ist, Sam, ich sehe nur ungern, was du machst. Aber um euch etwas hinterlassen zu können, das ihr verdient, hab' ich das mit diesem Tanker gemacht. Nicht, um mich selbst zu bereichern. Ich habe keine Ahnung, wie die Koordinaten lauten, und dass eure DNS die Informationen enthält, steht nur in meinem Testament." "Weiß Mom davon?" "Ja, natürlich. Sie war am Anfang dagegen, aber es war eben schon geschehen." "Also..." "Keine Sorge. Es ist immerhin genug da, nicht einmal ihr könntet alles in ein paar Jahren verbraten. Passt auf: Fliegt mit euren Freunden dort hin und nehmt euch das Kühlmittel. Verkauft das Zeug und teilt das Geld gerecht auf, aber es wird nicht die ganze Knete für zielsuchende Raketen und so Kram ausgegeben. Und auch nicht für Anziehsachen." Sam und Celeste lachten, ihr Vater grinste schief. "Danke, Dad." "Passt auf euch auf, ja? Und denk' daran, Celeste, du bist eine Geisel, spazier' nicht einfach so auf der Station rum." "Sicher." "Dann macht's gut. Viel Glück." "Und wie stellst du dir das dann vor", wollte Yxo von Sod wissen, "sollen wir etwa einfach drauf los fliegen, in der Hoffnung, dass uns schon zufällig ein leerer Tanker ohne Eskorte über den Weg fliegen wird, oder was?" Yxo, Sod, Celtros und Svenia saßen im "Starlight", der Bar der Raumstation IG-25, Sam betrat gerade den Raum. "Quatsch", widersprach Sod Yxo, "wir mieten uns hier einen Tanker." "Mieten?" "Mieten." "Aber sicher doch." "Ja." "Wo ist das Problem?" wollte Sam wissen. "Unsere beiden genialen Taktiker können sich nicht einigen, wie wir das Kühlmittel transportieren wollen", seufzte Svenia. "Warum mieten wir nicht einfach einen Tanker?" fragte er. "Ha", machte Sod triumphierend. "Wie stellt ihr euch das denn bitte vor?" Yxo produzierte einen kleinen Dialog mit sich selbst: "-Hallo, ich möchte gerne einen Tanker mieten. -Sicher, was ist das voraussichtliche Flugziel? -Der Cerrim-Nebel. -Und die voraussichtliche Fracht? -Nichts, wir fliegen einfach so mit einem Tanker in den Cerrim-Nebel." "Und was sollen wir deiner Meinung nach tun?" erkundigte sich Sam bei
Yxo. "Wir stehlen von hier einen Tanker." "Also mieten", stimmte Sam Sod zu. "Hey!" "Wer ist für mieten?" fragte Sod in die Runde und hob die Hand, genau wie Sam. "Wer ist für kapern?" Nur Yxo hob die Hand. "Seid ihr jetzt fertig?" wollte Svenia wissen. "Nein", knirschte Yxo, "haben wir hier jetzt plötzlich ein spießige kleine Demokratie, oder was? Man geht da nicht so einfach hin, verlangt einen Tanker und kriegt den ID-Code, wie bei TerraRent. Das kostet richtig viel Geld." "Hör zu", seufzte Sod, "wenn wir hier ein Raumschiff klauen, dann ist das nicht unbedingt das Beste für unser Ansehen hier, kommst du soweit mit?" Er wartete keine Antwort ab und erklärte weiter, als ob er mit einem Kleinkind spricht. "Wenn wir aber einen Tanker mieten, dann fliegen wir unter neutraler Flagge, und das ist gut. Also ist es gut einen Tanker zu mieten. Stehlen ist aber schlecht..." "Ja, ja, ich hab's begriffen, verarschen kann ich mich selber..." unterbrach ihn Yxo. "Also, seid ihr JETZT fertig?" fragte Svenia ungeduldig. "Ja", knurrte der Cilthroide. "Dann essen wir jetzt alle was." "Eigentlich sollte ich Celeste was mitbringen", meinte Sam, während er sich an den Tisch setzte, "aber die wird schon nicht verhungern..." Celeste befand sich in der Kabine von Sods, Svenias und Celtros Schiff "Rattlesnake II". Sie trug nicht mehr ihren Dämpfungsanzug, sondern Hosen, Top und eine Weste, alles hatte sie sich nach der überstürzten Flucht von Svenia ausgeliehen. Mit einem Teller in der Hand öffnete sie den Küchen-Stauraum und begutachtete den Inhalt. Neben einige Konserven, die nanotechnisch verändert werden mussten, um sie essbar zu machen, befanden sich nur ein kompakter, klebrig aussehender Würfel und eine Flasche mit hellblauem Inhalt im Kühlfach, also entschied sich Celeste, die Konserven in die engere Wahl zu ziehen. Sie knallte die Schiebetür wieder hastig vor den Stauraum und ließ sich in den Sessel fallen, der direkt dahinter stand, als sich die Tür der engen Kabine öffnete und Sod, Svenia und Sam den Raum betraten. "Na, was machst du gerade?" wollte Sam wissen und stellte einen mit Folie bedeckten Teller auf den Tisch. "Ach, nichts, ich sitz' hier so rum." "Das ist was zu Essen, ich weiß nicht, was, aber es sieht ein bisschen nach Suppe aus", erklärte ihr Sam, "ich hab gesagt: 'Bedienung, ich hätte gerne das, was die auf Silizium basierende Lebensform da drüben isst.' Ach ja, und ich hoffe, du hast dich mit Svenia angefreundet, ihr verbringt die nächsten Tage auf einem Schiff." "Warum?" fragte sie, schien es aber zu akzeptieren, denn sie machte sich ohne aufzublicken über das suppenartige Zeug her. "Weil ich mit dem Tanker fliegen werde", erklärte die Terranerin, "und ich denke, es ist weniger langweilig, mit einem anderen menschlichen Wesen beziehungsweise mit einer anderen Frau zusammen zu sein." "Das bedeutet, du sollst nicht mir auf die Nerven gehen", merkte Sam an. "Da bin ich aber traurig", entgegnete sie wenig überzeugend, "wieso durfte ich überhaupt so lang auf mein Essen warten?" "500 Millionen Kubikmeter..." wiederholte der Esialo hinter dem Schreibtisch seufzend, "soviel kann vielleicht ein Großtanker aufnehmen." "Ich weiß", erwiderte Sod, "aber es ist von ausgesprochener Wichtigkeit, und wir sind durchaus bereit, den nötigen Preis zu zahlen." Er und Svenia saßen dem Geschäftsmann gegenüber, dessen krokodilartiger Schädel Sod ziemlich ähnlich sah. Zumindest aus der Sicht eines Menschen. "Unter Umständen können wir auch auf zwei kleinere Frachter zurück greifen", fügte Svenia hinzu. "Das Problem ist nicht das Geld", erklärte der Esialo, "sondern das, was Sie wollen. Wir haben einen Tanker zu vermieten, ein Schiff der Starlight-Klasse. Das Fassungsvermögen beträgt etwas über 70 000 Kubikmeter." "Das ist aber zu wenig", beharrte Svenia. "Hören Sie, ich kann Ihnen nicht helfen. Was wollen Sie denn mit der Mission erreichen?" Svenia sah Sod aus den Augenwinkeln fragend an, und er nickte. "Es handelt sich um ein Bergung", erklärte die Terranerin. "Wenn Sie über 500 Millionen Kubikmeter Gas oder Flüssigkeit bergen wollen, empfehle ich Ihnen, eine Schleppereinheit und eine entsprechende Anzahl an Frachtzugcontainern zu mieten, in die sie das Zeug dann unter niedrigerem Druck einfüllen."
"Und lassen Sie mich raten", ergänzte Sod, "das kommt zufällig teurer, als soundsoviele Tanker zu mieten." "Tja. Leider ist es Ihre einzige Möglichkeit." Der Frachtzug war eine Esialosche Konstruktion, was durch die dunkle, fast schwarze Lackierung und den kantigen Aufbau des Rumpfes deutlich wurde. Die Schleppereinheit besaß eine flache, stumpfe Keilform, an deren Spitze die Triebwerke angebracht waren. Entgegen der gängigeren Konstruktionsart, die Antigravitonen-Emitter am Heck vorsah, besaß der Schlepper Gravitonenemitter am Bug, um hinten so viele Container wie nötig zuzulassen. Jeder der gigantischen, rechteckigen Container wurde von einer noch enormeren Roboterkonstruktion an den jeweils vorhergehenden gekoppelt, dann wurde der gesamte Zug von den Trockendockanlagen etwa hundert Meter weiter nach vorne geschoben, um Platz für den nächsten Container zu machen. Sam, Yxo, Celeste und Svenia beobachteten die vollautomatische Anlage durch ein breites Panoramafenster bei ihrer Tätigkeit. "Das sieht sowas von verdammt teuer aus..." seufzte Yxo. "Ist es auch", bestätigte Svenia, "außerdem sind Frachtzüge träge, langsam, empfindlich, schwer zu steuern, ..." "Ja, ja, reicht schon wieder." "Hey, Leute", meinte Sam, "bin ich hier der einzige, der es zu fragen wagt, wie wir das Ding in einem Astroidenfeld manövrieren wollen?" "Ja." "Toll." "Das schaffen wir schon", hoffte Celeste, "nicht vergessen: Ich bin Pilotin." "Bald", korrigierte sie Sam. "Sie haben mich schon in echte Dragonflies gelassen", beharrte seine Schwester. "Ja, die alten müssen schließlich auch irgendwie verschrottet werden." Celeste holte tief Luft, doch Svenia entschärfte die Situation: "Die Anlage hat aufgehört, alle Container sind dran. Ich würde vorschlagen, wir holen unsere Sachen und starten so schnell, wie möglich." Abschnitt 9 "Okay, alle Systeme im grünen Bereich", stellte Svenia fest. Sie saß am MaschinenkontrollTerminal auf der Brücke des Frachtzuges, Celeste im Pilotensitz. Die beiden wirkten in dem gigantischen Raum etwas verloren, aber rein theoretisch könnte das Schiff sogar komplett unbemannt fliegen. "Navigationskontrolle positiv", fügte Celeste hinzu. "Yxo, hier ist Svenia. Wir sind startbereit." "Sehr interessant", war Yxos Stimme über das Kom zu hören, "aber da kann ich wenig tun." Svenia seufzte und sprach: "Frachtzug 'RAS-25 B' an IG-25 Flight Control. Erbitten Starterlaubnis." "Hier spricht Flight Control. Starterlaubnis erteilt. Abflugvektor 427-311." "Verstanden, Flight Control. Celeste, dein Job." Die Pilotin beugte sich über das Terminal, dessen Kontrollen sie auf die gewohnte Terranische Anordnung umgestellt hatte und hackte darauf herum. Ein heller Schimmer leuchtete von unten her ins Cockpitfenster, als sich der Zug langsam in Bewegung setzte. Die Wände des Spezialhangars verschwanden aus dem Sichtfeld, das nun von schwarzem Weltraum erfüllt wurde. Langsam und träge entfernte sich das kilometerlange, aus der Ferne dünn und zerbrechlich wirkende Vehikel von der immensen Raumstation. "Leute", meldete sich Svenia, "bereit halten für Sub-Hyperraumflug." Die Lebensquell, die Savage Eagle und die Rattlesnake II bestätigten. Ein gewaltiger und drei schwächere Entrittsblitze erhellten die Umgebung der Station, als die kleine Flotte in den Hyperraum startete. "Tja", seufzte Svenia und lehnte sich zurück, "jetzt heißt's langweilen." Celeste drehte sich mitsamt dem Pilotensitz zu ihr um. "Wie findest du meine Frisur?" wollte sie wissen. Svenia blickte etwas verwirrt drein, bis sie begriff, das die Frage nichts Technisches war. Sie musterte den Knoten über Celestes Stirn, dann meinte sie unsicher: "Ähm, ja. Doch." "Na also", grinste Celeste gewinnerisch, "Sam hat keine Ahnung von überhaupt nichts."
Der Cilthroide und die Terranerin in den beigefarbenen Uniformen, auf deren gepanzerten Rücken "IG-25 Security" stand, rannten den Gang entlang. "Hier ist Ciyoc", sprach der Cilthroide hastig in ein Kom-Gerät, "wir sind am nächsten dran. Was genau ist los?" "Es wurde ins Medilab eingebrochen", lautete die Meldung aus dem Kom, "die Überwachungskameras sind irgendwie außer Betrieb gesetzt worden. Seid vorsichtig." "Verstanden." Der Cilthroide steckte das Kom-Gerät wieder ein, als sie an einer Tür ankamen. Die beiden Sicherheitskräfte postierten sich rechts und links davon, zogen ihre Blaster und nickten sich zu. "Aufmachen", befahl die Terranerin dem Schott und stürmte direkt nach dem Cilthroiden mit vorgehaltener Waffe in den Raum. "Licht", murmelte der Cilthroide vor sich hin, worauf das stockfinstere Zimmer erhellt wurde. In den Wänden befanden sich einige Vitrinen und Schränke, in der Mitte des Raumes stand ein kompliziertes Gerät, das für verschiedene medizinische Zwecke benutzt werden konnte. "Hier spricht der Sicherheitsdienst, geben Sie sich zu erkennen", forderte die Terranerin und drehte sich mit ihrer Waffe im Kreis. Der Cilthroide stieß einen Schrei aus, ehe sie reagieren konnte, wickelte sich etwas um ihren Hals und brach ihr das Genick. Doktor O'Hare, der Chefarzt der Station, begann zu rennen, als er den Schrei hörte. "Ciyoc, ist Ihnen etwas zugestoßen?!" rief er und lief auf die offene Tür zu. Er hielt in der Bewegung inne, als eine Geecedianerin aus dem Medilab gesprungen kam. In einer raubtierhaften Bewegung, die O'Hare das Blut in den Adern gefrieren ließ, drehte sie ihren Kopf zu ihm und starrte ihm in die Augen. Als er den Schock überwunden hatte, war es zu spät. Vier Fangarme schnellten auf ihn zu und umschlossen ihn, dann wurde ihm schwarz vor Augen. Ocbey bezweifelte, dass die drei endgültig tot waren, aber hoffentlich würde die Wiederbelebung lange genug dauern, um ihr eine sichere Flucht von der Station zu gewährleisten. Sam verschränkte die Arme hinterm Kopf, lehnte sich zurück und beobachtete den Nebel. Das glitzernde, atemberaubende Farbenspiel wuchs und wuchs, je näher sie kamen. Mittlerweile stand der Cerrim-Nebel wie eine Wand vor dem Schiff und füllte den gesamten vorderen Bereich der Panorama-Kuppel aus. Die Sicht wurde schlechter. "Hier ist Yxo", meldete sich der Cilthroide seit Stunden das erste Mal wieder über das Kom, "ich habe vereinzelte Sensorenausfälle. Könnt ihr durch den Nebel hindurch scannen?" "Negativ", meinte Sam und beugte sich über sein Terminal, "ich sehe zwar, dass Objekte im Nebel sind, die der Größe nach wahrscheinlich Sterne sind, aber die Reichweite für Materialanalysen ist verschwindend niedrig." "Auf unseren Schirmen das gleiche Bild", fügte Sod hinzu. "Haltet die Augen offen." Im gleichen Moment wurde es draußen plötzlich viel dunkler, ein Schleier schien über die Savage Eagle gefallen zu sein. Bei Überlichtgeschwindigkeit war der eigentlich fließende Übergang zwischen einem Inneren und einem Äußeren des Nebels doch recht deutlich. "Okay, Leute, wir sind bald bei den gegebenen Koordinaten", bemerkte Sam, "haltet euch zum Rückfall bereit." Ein Licht machte sich in der Ferne durch den Schleier hindurch bemerkbar, wurde größer und intensiver, bis man es schließlich als Stern erkennen konnte. Dann fielen die Schiffe aus dem Hyperraum. Ein winziger Meteorit ließ die Schutzschilde der Savage Eagle aufblitzen, als er davon wegkatapultiert wurde, in ein Meer aus tausenden steiniger Asteroiden. "Wow", murmelte Celeste vor sich hin, "da soll ich den Kahn reinfliegen?" "Und wieder raus", ergänzte Svenia, "sind wir hier wenigstens richtig?" "Wenn man Umlaufzeit der Planetoiden und Eigenbewegung des Stern bedenkt, sind wir hier goldrichtig", bestätigte Sod, "könnt ihr irgendwas entdecken?" "Steine", lautete Sams Kommentar, "irre viele Steine." Yxo ignorierte ihn und erklärte: "Ich hab' hier was auf den Schirmen. Es ist durch den Nebel nur schwach zu erkennen, aber es könnte etwas Metallisches sein." "Dann fliegen wir da hin und sehen's uns an", beschloß Sam, "wo?" "839140." "Gut. Celeste, ihr bleibt hier, ihr solltet das Ding nur dann durch den Asteroidengürtel bewegen, wenn's wirklich nötig ist." "Klar."
Die Savage Eagle, Lebensquell und die mit buntem Graffiti bemalte Rattlesnake II beschleunigten, manövrierten an einigen Asteroiden vorbei und kamen schließlich wieder über einem eher kleinen der Brocken zum Stillstand. Die dunkle Oberfläche war auf einer Hemisphäre praktisch vollkommen mit Trümmern bedeckt. Wortlos schaltete Sam den Suchscheinwerfer der Savage Eagle an und ließ den Lichtkegel über das Trümmerfeld wandern, beleuchtete eine gewaltige Ansammlung von verkohlten Wrackteilen. Hier und dort war ein restlicher bläulicher Schimmer zu erkennen, auf einem der Fetzen standen groß die Buchstaben "NITED TERR". "Das war die Chameleon I", stellte Sam abwesend fest und starrte gebannt auf den Bildschirm, der den Blick nach unten zeigte. "Was ist da?" wollte Celeste ungeduldig wissen. "Wrackteile", antwortete Sam, "und zwar von Dads Korvette. Wir müssen verdammt nah dran sein." Dann blinkte auf dem Scannerschirm eine gewaltige Metallansammlung auf. Sam richtete seinen Blick nach oben durch die Sichtkuppel und starrte den weit entfernt schwebenden Planetoiden an, der zig Kilometer groß sein musste. Am Horizont des Himmelskörpers zeichnete sich ein länglicher, unnatürlicher Umriß ab, der sich durch die Rotation des Brockens langsam auf die beobachtbare Seite bewegte, ein gigantisches Raumschiff, von der Gravitation für immer an den Asteroiden gefesselt. "Cool", grinste Sam, "ich hab' den Jackpot gefunden." Abschnitt 10 "Das ist der Tanker", jubelte Sod, "das ist tatsächlich der Tanker!" "Wo, wo?" rief Celeste. "Direkt vor unserer Nase", entgegnete Sam hastig, "ich kann zwar keinen genauen Scan durchführen, aber der Masse nach, die meine Scanner anzeigen, müsste er voll sein." "Sieht so aus", bestätigte Sod, während Sam bereits weiterredete: "Passt auf: Sod, Celtros, ihr landet mit mir auf dem Planetoiden, wir suchen nach Einfüllluken und Öffnungsmechanismen am Tanker. Dann docken Celeste und Svenia die Schläuche dort an und pumpen das Kühlmittel an Bord des Frachtzugs. Celeste, glaubst du, du kannst das Ding dort hin manövrieren, ohne einen Asteroiden zu rammen, und es dann auf einem geostationären Orbit halten?" "Nein. Aber ich werd's wohl trotzdem tun müssen." "Dann los." Niemand hatte Sam zum Boss über diese Operation ernannt, aber es war jedem klar, dass sein Vorschlag sinnvoll war: Celeste hatte den Frachtzug zu fliegen, Svenia musste dessen Systeme bedienen und Yxo war auf dem Asteroiden überflüssig. Eigentlich auch Sam, aber sein Enthusiasmus war verständlich. Während sich der weiter entfernt schwebende Transportzug langsam in Bewegung setzte, rasten die Savage Eagle und die Rattlesnake II auf den rotierenden, unförmigen Himmelskörper zu. Der Asteroid wuchs immer mehr, je näher ihm die Savage Eagle kam. Sam schaltete wieder den Suchscheinwerfer ein und richtete ihn auf den grauen, kalten Rumpf des Tankschiffes, das unbeweglich auf der Oberfläche des Planetoiden lag. Die vorderen Module waren komplett zerstört, ihre Fetzen waren im Umkreis von mehreren hundert Metern verteilt, während der größte Teil des Schiffs, darunter die Tanks, praktisch komplett intakt war. "Merkwürdig", kommentierte Sod über das Kom, der vermutlich das gleiche Szenario beobachtete. "Wie's aussieht, hat der Tanker den Asteroiden erst frontal gerammt und ist dann umgekippt", vermutete Sam. Er ging in einen Tiefflug über und ließ den Suchscheinwerfer über die steinige Oberfläche des Asteroiden wandern, um sich schließlich für einen Landeplatz in einem kleinen Krater zu entscheiden, der frei von Trümmern war. Langsam sank die Savage Eagle auf den gigantischen Felsbrocken nieder, fuhr drei Landestützen aus und setzte schließlich auf der kalten, grauen Oberfläche auf. Die Rattlesnake hatte keine hundert Meter weiter entfernt aufgesetzt, so dass sich Sam sowie Celtros und Sod schnell trafen. Der Oren trug einen gewöhnlichen Oren-Raumanzug, doch
Sods Helm besaß kein Visier. Sam vermutete, dass in Esialoschen Raumanzügen eine Art Head-Up-Display oder Gedankenprojektor integriert war, so wie bei den Soldaten- und Techniker-Versionen der Space Force. Sod stand regungslos da, seine Worte ließen darauf schließen, dass er den gewaltigen Berg aus Metall anstarrte, der den Tanker darstellte. "Hat einer von euch eine Vorstellung, wie wir da rein kommen?" Alle drei trugen ihre Waffen, aber es schien unwahrscheinlich, damit den Rumpf aufbrennen zu können, doch das war auch unnötig. Im vorderen Bereich war der Rumpf komplett zerquetscht, zwischen dem Trümmerhaufen und dem unbeschädigten Teil klafften unzählige Lecks. "Wir gehen durch die Lecks in das Wrack und suchen uns einen Weg nach oben", schlug Celtros vor. "Scheint die einzige Möglichkeit zu sein", stimmte Sam zu. "Was genau macht ihr jetzt?" erkundigte sich Yxo über das Kom. "Wir gehen durch die Lecks in das Wrack und suchen uns einen Weg nach oben", wiederholte Sam Celtros Worte. "Aha." Die drei schalteten ihre Helmscheinwerfer ein und begannen, durch die Trümmer zu waten. Die weitreichende UTSFAusbildung kam Sam nun einmal mehr zu Gute, denn er konnte abschätzen, wie er sich in dieser Beinahe-Schwerelosigkeit bewegen musste. Sie kletterten zwischen den HauptStützstreben hindurch, von denen die Hülle weggerissen worden war und quälten sich über Berge von Schrott, bis Sam einen Korridor entdeckte, der in den noch intakten Teil des Rumpfes zu führen schien. "Hey, Leute." Er deutete in den Gang, der offenbar auch zu diversen Räumen führte. "Einen Versuch ist's Wert", stimmte Sod zu, während Sam bereits in den Korridor kletterte. Der Gang hatte einen röhrenförmigen Querschnitt, was ganz nützlich war, denn das Schiff lag eigentlich kaum auf der Flanke, eher schon fast auf der Oberseite. Das hätte bei einem gewöhnlichen Gang einige Probleme bedeutet, da der Boden schief gewesen wäre, doch hier war das kaum störend. Türen führten allerdings nach oben und unten, was sehr irritierend war. Einige andere Korridore mündeten in diesen. "Oben oder unten?" grinste Sam. "Oben natürlich", erwiderte Sod, stieß sich leicht in die Höhe und schwebte über einen kurzen Durchgang in einen der dunklen Räume. Er griff nach irgendetwas, um sich fest zu halten, dann kam die Geecedianerin auf ihn zu gesprungen. Er rammte die Füße gegen die Wand und katapultierte sich zurück, zog blitzartig seine Waffe und schoss. Unsanft prallte er gegen den Boden, oder besser gesagt, gegen die Decke des Ganges, die Geecedianerin folgte ihm langsam und träge nach unten, ihre Tentakeln schlugen umher, während sie sich durch den Schuss aus Sods Blaster um sich selbst drehte. Sam ließ die angehaltene Luft entweichen, als der tote Körper den Boden berührte und schlaff liegen blieb. Sod raffte sich wieder auf, steckte den Blaster ein und musterte die Leiche, die von ihren eigenen Tentakeln umschlungen war und deren schwarze Augen ins Leere blickten. "Sie ist wahrscheinlich beim Absturz gestorben", vermutete er, "oder erstickt." "Oder verstrahlt worden oder erfroren", fügte Sam hinzu, während ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief. "Gehen wir weiter", meinte Sod unsicher. In der nächsten halben Stunde erkundete die Gruppe den noch begehbaren Teil des Schiffes und suchte nach der Brücke, was unter diesen Schwerkraftbedingungen kein Problem darstellte. Ganze Decks konnten im wahrsten Sinne des Wortes übersprungen werden, hohe Hindernisse im beschädigten Raumschiff ließen sich problemlos überwinden. Sie entdeckten Besatzungsquartiere, Lagerräume, Wartungsröhren und um die fünfzehn tote Crewmitglieder, doch sie fanden nichts, das wirklich nützlich erschien. Schwerfällig schwenkte der Frachtzug in eine Umlaufbahn um den Asteroiden ein. "Kannst du uns in einen geostationären Orbit bringen?" wollte Svenia wissen. "Schwierig", antwortete Celeste unsicher, "das geht hier nicht so schnell, ich kann nicht einfach davon ausgehen, dass wir den Planetoiden umkreisen wie einen Planeten, ich muss einen gemeinsamen Schwerpunkt bedenken und das Schiff auf exakt die richtige Position und Geschwindigkeit bringen, und das, ohne dass wir irgendeinen der Meteoriten-Monde rammen."
"Hier waren wir noch nicht", stellte Sam fest, als er den Kopf in einen geradezu winzigen Raum steckte, der mit Kabeln und Leitungen vollgestopft war. Celtros drängte sich mit durch die Luke und sah sich um. "Ist das hier eine Rümpelkammer für alte Drähte, oder was?" "Vielleicht ist es eine Art Knotenpunkt für Leitungen", vermutete Celtros. "Was seht ihr?" wollte Sod wissen, der unten im Gang stand. "Kabel", erwiderte Celtros. "Und eine Wartungsluke", fügte Sam triumphierend hinzu, kletterte endgültig in den Raum, gefolgt von Celtros, und klopfte prüfend gegen die Metallplatte vor sich. Dann zog er seine Impulspistole und schoss auf die Luke. Ein Lichtblitz zuckte durch die Kammer, mit einem Geräusch von reißendem Metall löste sich die Platte und wurde in den Raum geschleudert, der dahinter lag. "Leute, hier ist Sam, wir haben die Brücke gefunden", stellte er zufrieden fest und zwängte sich durch die enge Luke in den mit Kontrollterminals und Monitoren übersäten Raum, Celtros folgte ihm. Hier lagen die übrigen fünf toten Crewmitglieder regungslos im Raum oder hingen noch an ihren fast kopfüber stehenden Sesseln, mit den Fangarmen daran festgeklammert. "Willkommen an Bord der 'Teeg-Deedos'", begrüßte Agentin Ocbey Sam und Celtros. Sie, Subkommandantin Tilchaa und zwei weitere Geecedianerinnen in Raumanzügen erhoben sich aus ihren Verstecken hinter den Terminals. "Ihr verdammten Tentakellutscher", spuckte Sam wütend aus und blieb regungslos stehen. "Ich gebe zu, Sie haben auf sich warten lassen", kommentierte die Subkommandantin, "wir haben uns schon Sorgen gemacht." "Hey, was zum Teufel ist da los?!" brüllte Yxo und übertönte das wilde Durcheinanderreden von Sod, Celeste und Svenia. "Was haben Sie jetzt vor", wollte Sam unbeirrt wissen, "uns festnehmen? Um uns an unsere Behörden auszuliefern? Damit Ihr kleines Geheimnis auffliegt?" "Wessen kleines Geheimnis? Unseres, oder das Ihres Vaters? Wir haben nichts mehr zu verbergen, es besteht keine Gefahr mehr, dass uns die Menschen mit der Bergung des Tankers zuvor kommen." "Der Cerrim-Nebel ist seit Kriegsende offiziell Terranisches Territorium", widersprach Celtros, "Sie dürfen uns nicht verhaften." "Sehen Sie", lachte Ocbey und sah sich auf der Brücke des Tankers um, "deswegen haben Sie ja auch freiwillig Geecedianisches Territorium betreten." "Und was Ihre Freunde da oben angeht", fügte Subkommandantin Tilchaa hinzu, "ich glaube, die Menschen werden es uns nicht allzu übel nehmen, wenn wir eine miese kleine Piratenbande aus ihrem Territorium entfernen." Die Subkommandantin winkte Sam und Celtros mit ihrem Blastergewehr in eine Ecke und sah dann die Agentin befehlend an. "Ocbey, kümmern Sie sich um den Esialo da unten!" Blitzartig zückte Sod seine Waffe und richtete sie auf die kleine Öffnung, in der Sam und Celtros verschwunden waren. Sobald die Geecedianerin versuchen würde, sich durch die Luke zu quetschen, würde er schießen, sie hatte keine Chance. "Es hört sich an, als wären Celtros und Sam in Schwierigkeiten", murmelte Sod ins Kom. "Nicht antworten!" zischte Subkommandantin Tilchaa. Yxo sagte irgendetwas, doch ein krachendes Geräusch ließ Sod seine Aufmerksamkeit wieder voll auf die Luke richten. Ein schwarzer Schatten bewegte sich in dem kleinen Raum, dann rasten die Fangarme auf Sod zu. Während ihn die Tentakeln bereits berührten und begannen, ihn zu umschlingen, schoss er in die Öffnung, sofort zogen sie sich wieder zurück. Er schien nicht richtig getroffen zu haben, aber die Geecedianerin war vorsichtiger geworden. Nächstes Mal würde sie gleich seine Waffe ergreifen, also drehte er sich um und stieß sich schräg vom Boden ab, so dass er den Gang entlang katapultiert wurde, dann trat er die Beine gegen die Decke, um sich wie ein Gummiball den Korridor entlang zu bewegen. Die Geecedianerin war hier – wie auch in jedem anderen Terrain – klar im Vorteil, doch wenn es Sod gelang, in den zerstörten Teil des Schiffes zu kommen, würde ihm vielleicht seine geringere Größe von Nutzen sein. Abschnitt 11
"Warum zum Teufel sagt denn niemand, was da unten vorgeht", keifte Yxo, "das ist doch zum Fressen!" "Es hört sich jedenfalls nicht gut an", meinte Svenia, "da unten scheinen Geecedianer zu sein." "Und wo kommen die her?" Wie auf Kommando erhob sich der Geecedianische Zerstörer aus dem aufgerissenen Triebwerkssegment des Tankers und stieg in den dunklen Himmel auf. "Hier spricht die Geecedianische Marine", war eine Stimme über die Koms zu hören, "kapitulieren Sie umgehend, oder wir werden polizeiliche Maßnahmen ergreifen." "Hey, was soll das?" wollte Celeste wissen, wieder mit etwas Hysterie in der Stimme. "Wir fliegen unter neutraler Flagge, niemand darf uns festnehmen!" "Unfair, nicht wahr?" seufzte die Geecedianische Offizierin. Sam starrte Tilchaa fassungslos an. "Keine Sorge, Sie werden auch noch früh genug auf unser Schiff gebracht. Zunächst muss sich meine erste Offizierin aber erst einmal um Ihre Freunde da oben kümmern. Wenn Sie solange bitte Ihre Waffen ablegen würden..." Widerwillig warf Celtros seinen Blaster, den er immer noch in der Hand hielt, in Richtung der Geecedianerin. Nach kurzem Zögern schleuderte auch Sam seine Pistole in die Beinahe-Schwerelosigkeit. Sod hielt sich an einer hervorstehenden Strebe fest, so dass ihn sein Schwung darum wirbelte, im richtigen Moment ließ er los, um in einen nach unten führenden Korridor geschleudert zu werden, ein durch Gewehrbeschuss explodierender Teil der Wand zeigte ihm, dass die Geecedianerin aufgeholt hatte. Yxo musterte seinen Scannerschirm. Der Zerstörer war nun gestartet und näherte sich langsam der Lebensquell, die einige Kilometer vor dem Frachtzug den Asteroiden umkreiste. "Was für eine beschissenen Situation", murmelte er vor sich hin, riss sein Schiff herum und raste auf den Frachtzug zu. "Deaktivieren Sie sofort Ihr Triebwerk", forderte die Geecedianische Stimme energisch, "oder wir eröffnen das Feuer!" "Ich glaub's nicht, der will uns als Deckung benutzen", murmelte Svenia über das Kom, so dass es Yxo eigentlich nicht hören sollte. "Also, Schilde auf Maximalstärke", seufzte Celeste und beschloss, der Situation ab jetzt ruhig und gelassen ins Auge zu blicken, "lass' uns ein bisschen Zeit schinden." Ganz langsam drehte sich der Frachtzug um, schlug den gleichen Kurs ein, wie die Lebensquell, und setzte sich in Bewegung. Mit voller Wucht rammte Sod sich gegen ein aus der Decke hängendes Gewirr aus Stützstreben, das ihm den Weg versperrte. Schmerz durchzuckte seinen Arm, doch das Trümmerstück schwebte wieder nach oben. Ohne zu zögern stieß sich Sod in den Gang, der direkt dahinter nach oben abzweigte, um nicht in Ocbeys Schussfeld zu kommen, die immer knapp eine Ecke hinter ihm war. Er landete in einem Bündel aus Kabeln und Wrackteilen und wühlte sich durch das Trümmerfeld, in dem er gelandet war, bis ihn das Kabel aufhielt, das sich um seinen Fuß gewickelt hatte. Ohne lange zu zielen richtete er seinen Blaster hinter sich und schoss mehrmals. Funken sprühten, und als sich das Kabel lockerte, kletterte er weiter durch die Wrackteile nach oben, um ins Freie zu kommen. Das Geecedianische Kriegsschiff eröffnete das Feuer. Die Partikelladungen aus den Geschützplattformen des Zerstörers trafen die Lebensquell ins Heck, Schilde blitzten auf, für einige Sekunden geriet das kleine Schiff ins Trudeln, dann tauchte Yxo unter dem mächtigen Rumpf des Frachtzuges ab, der nun ins Geschützfeuer geriet. Der hinterste der Container wurde in Stücke gerissen, woraufhin die Geecedianer das Feuer einstellten. Alarmsirenen heulten auf, die Brücke schien hin und her zu schwanken. "Verdammt", schrie Celeste, "ich hab' doch gesagt: Schilde auf Maxim..." "Ab einem Kilometer Container hinten dran scheinen die Schilde nicht mehr sehr wirksam zu sein", entschuldigte sich Svenia hastig.
Die Geecedianische erste Offizierin fluchte lautlos in sich hinein. Das kleine, wendige Cilthroiden-Schiff würde sich stets hinter dem Transporter verstecken können, egal, welches Manöver sie ausführen würde - die Zerstörung des offiziell neutralen Frachtzuges allerdings wäre nicht zu verantworten. "Kann der Frachtzug nach Achtern Scannen?" wollte Sie von der Operatorin wissen. "Negativ. Die Container sorgen für einen Sensorschatten, der sich von der Zentralachse des Schiffes in jede Richtung im 19-Grad-Winkel nach Achtern erstreckt." Die Offizierin grinste. Sie manövrierte ihr Schiff so dicht wie möglich an den Transporter heran, um im Sensorschatten so viel Spielraum wie möglich zu haben und so überraschend wie möglich zuschlagen zu können, wenn der Cilthroide auch nur ein unüberlegtes Manöver durchführte. "Sie sind in unserem Sensorschatten!" rief Svenia gereizt. Celeste hob die Hände und rieb sich beruhigend die Schläfen, dann kam ihr der Einfall. "Die drei wichtigsten Regeln im Stadtverkehr von New York: Zeige niemals den Bullen den Finger. Lass' dich niemals auf ein Rennen mit einem Taxi ein." Sie drehte sich zu Svenia um und sprach langsam: "Und halte immer - unter allen Umständen - den größtmöglichen Sicherheitsabstand!" Dann aktivierte Sie den Gegenschub. Die Geecedianer hatten keine Chance, auszuweichen. Ungebremst bohrte sich der Zerstörer ins Heck des Frachters. Die ersten Zwei Container wurden von den Schutzschilden zermalmt, der nächste riss den Steuerbord-Geschützpylon weg, im vierten schließlich blieb das Kriegsschiff endgültig stecken. Svenia musste schreien, um das protestierende Kreischen des Sub-Hyperspulen-Reaktors zu übertönen. "Die Kollision hat den gesamten Zug nach vorne geschoben und in die Kühlmitteltanks der Schleppereinheit gerammt! Die Tanks wurden mitbewegt und haben den Haupt-Zuleitungsschlauch gerissen, so dass..." "Dann halt die Klappe und reparier's!" Svenia sprang auf und verließ die Brücke. Als der Zerstörer Gegenschub einleitete, um sich zu befreien, löste sich auch der zweite Waffenpylon, doch weder die Offizierin an Bord des Schiffes noch der Container ließen locker. Langsam begann der Frachtzug mitsamt dem Zerstörer zu rotieren und sank in eine immer niedrigere Umlaufbahn ab. "Ihr habt ein Problem", stellte Yxo fest. "Für einen Cilly bist du ganz schön clever", keifte ihn Celeste an, die irgendwelche Kommentare jetzt absolut nicht gebrauchen konnte, "Svenia, beeil dich! Wenn ich nicht bald das Triebwerk wieder starten kann, stürzen wir ab!" Svenia antwortete nicht. Es hätte auch wenig Sinn gehabt, denn im Maschinenraum strömte Kühlmittel laut rauschend aus einer Leitung, vielleicht sogar einem Tank, und zielte genau auf die Sub-Hyperspule. Hier war das Problem, die gesamte Spule wurde regelrecht eingefroren. Wenn es Svenia gelang, das Leck zu stopfen, würde sie die Spule wieder in Betrieb nehmen können, aber das wäre nicht so einfach. Sie schloss den Reißverschluss ihrer Isojacke, zerrte den Schutzmantel aus dem Kragen und zog ihn sich über den Kopf. Dann wagte sie sich in die Randbereiche der Kühlmittelwolke zum Werkzeugschrank, um eine Flasche mit flüssigem Plastin heraus zu holen. Ihre Beine wurden schwerer und schwerer, sie hatte das Gefühl, dass die Haut, die nur von normaler Kleidung geschützt war, zu Eisklumpen zerbröselte. Sie wagte es nicht, sich vorzustellen, wie kalt es im Inneren der Wolke sein musste, während sie mit der Plastin-Flasche in den Armen durch den Dunst an der Wand stapfte. Schließlich lichtete sich der Nebel am anderen Ende des Raumes, wo das Kühlmittel unter gewaltigem Druck aus einem Leck im Tank in die Mitte des Maschinenraums geschossen wurde. Sie zog den Schlauch aus der Flasche, richtete ihn auf das Leck und betätigte den Abzug. Das Plastin spritzte in das Leck, binnen weniger Sekunden stoppte der Kühlmittelfluss, als sich der Werkstoff verfestigte, doch Svenia beschoss den Tank so lange, bis sich eine gut einen Meter
durchmessende Plastinschicht um das ehemalige Leck gebildet hatte. Dann sank sie auf die Knie. "Svenia, wie weit bist du?" drang Celestes beunruhigte Stimme aus dem Kom, "es sieht mies aus." "Fertig... Mir ist kalt." "Das Triebwerk funktioniert aber immer noch nicht!" Die momentane Kommandantin des Zerstörers hatte den Versuch, sich zu befreien, aufgegeben, als sie bemerkt hatte, dass die durch den Rückschub ständig sinkende Geschwindigkeit den Transporter zum Absturz brachte und die Befreiungsmanöver ihn immer unkontrollierbarer rotieren ließen. Die Front des Frachtzuges raste etwa hundert Meter über die Oberfläche hinweg, bei der nächsten halben Umdrehung näherte sich der im Heck steckende Zerstörer dem Asteroiden bis auf knapp fünfzig Meter. Svenia richtete sich wieder auf, taumelte an das Hauptkontrollpult und berührte einige der eiskalten Tasten. "Ein sofortiger Kaltstart der Sub-Hyperspule ist nicht empfehlenswert", leuchtete ihr ein Schriftzug entgegen. Sie ignorierte die Warnung und bestätigte, die Spule heulte laut auf. "Celeste, starten! Los!" Der Bug der Schleppereinheit schaufelte zentimeterdick Staub von der Oberfläche, kurz bevor die Gravitonentriebwerke anliefen. Langsam schob sich der Frachtzug in die Höhe, bremste die Drehung mit den Manövertriebwerken ab und erhob sich schließlich deutlich von dem Planetoiden. "Wow", stieß Celeste hervor, "das war cool!" "Cool? Wenn ich wieder raufkomm', dreh' ich dir den Hals um!" versprach Svenia. Dann begann das Schiff erneut zu vibrieren. "Unsere Freunde wollen sich wohl wieder losreißen", vermutete die Technikerin. "Jetzt hab' ich aber langsam genug!" beschloss Celeste, schaltete das Triebwerk auf Gegenschub und ließ das Schiff erneut rotieren. Augenblicklich sackte der Frachtzug ab, bewegte sich wieder auf den Planetoiden zu, und begann zu rotieren, so dass sich das Heck durch die Drehbewegung langsam nach oben bewegte, nach einer halben Umdrehung wieder nach unten, um immer schneller zu werden. Im allerletzten Moment koppelte Celeste die letzten beiden Container ab und ließ den Rest des Frachtzuges wieder nach oben starten, während die hintersten Container mitsamt dem Zerstörer hart auf der Oberfläche aufschlugen. "Irre", freute sich Yxo, "das hab' ich Mal mit einem Chemysanischen Offizier und einer Theke gemacht, aber der Typ hatte wenigstens noch seine Infanteriepanzerung!" "Was hast du jetzt schon wieder kaputt gemacht, dass sich Yxo so freut?" wollte Svenia von Celeste tonlos wissen. "Das lässt du dir am besten von Yxo erzählen", antwortete Celeste, "ich bin zu bescheiden, um dir dieses geniale Manöver zu schildern!" Abschnitt 12 Wütend blickte Subkommandantin Tilchaa von ihrem Missionscomputer auf. "Der Kontakt zum Schiff ist abgebrochen!" Kaum hatte sie den Satz vollendet, begann das gesamte Wrack für ein oder zwei Sekunden zu vibrieren. "Hört sich an, als würde sich Ihre erste Offizierin doch nicht um unsere Freunde da oben kümmern", grinste Sam kalt. "Ruhe!" Sie drehte sich weg, doch die Wachen ließen Sam und Celtros nicht aus den Augen. "Passt auf, Leute, wir machen einen kleinen Spaziergang. Zytancu, Sie gehen vor, wir fliegen mit den beiden Piratenschiffen zur Absturzstelle. Ocbey, Sie bleiben dem Esialo auf den Fersen!" Tilchaa hatte schon, als ihr Schiff gestartet war, Sams und Celtros Kom-Verbindung zu den Piraten unterbrechen lassen, doch sie hielt noch immer Verbindung mit Ocbey, Ocbey jedoch mit Sod und Sod mit Yxo. Jetzt unterbrach die Subkommandantin die Verbdingung zu Ocbey, doch die Piraten hatten alles mitgehört. "Okay, Leute", meinte Svenia, "dann wollen wir sie doch mal überraschen. Celeste, kannst du die Rattlesnake und die Savage Eagle gleichzeitig fernsteuern?" "Wenn sie nicht gerade Kunstflugmanöver drehen müssen... ja." "Dann bereite dich darauf vor, Telemetrie rüber zu
kriegen!" "Was wollt ihr mit meinem Schiff machen?" war Sods Stimme zu hören. Er klang erschöpft, aber wenigstens schien er Zeit zum Sprechen zu haben. "Wessen Schiff, he?" Die Technikerin hackte auf ihre Konsole ein, rief die beiden Schiffe. "Ich hab' die Rattlesnake", freute sich Celeste und begann mit dem ferngesteuerten Startmanöver, "was ist mit der Savage Eagle?" "Sam hat uns mal seinen Sicherheitscode gesagt, als er im Knast war und wir auf sein Schiff aufgepasst haben, wie war der doch gleich?" "Irgendwas mit 4228", meldete sich Sod hastig. "Nein, nein. 4227. 42279!" Sie gab den Code ein und übergab Celeste die Kontrolle. "Tja, Subkommandantin Tilchaa", grinste Celeste und betonte extra den Titel, "jetzt wirst du wohl laufen müssen." "Verstanden, setze Jagd fort", bestätigte Ocbey knapp die Meldung ihrer Kommandantin und schaltete den Kanal wieder ab. Der Esialo war erneut zwischen zwei Stützstreben verschwunden, Ocbey musste sie mühselig zur Seite schieben, um ihm folgen zu können. Sie erreichte den äußersten Wartungsgang des Tankers, der noch relativ intakt war, bis auf ein großes Loch in der Decke, durch das der Esialo eben verschwunden war. "Allmählich gehst du mir auf die Nerven", murmelte Ocbey vor sich hin und folgte ihm weiter. Sod, der sich nach oben gestoßen hatte, prallte mit voller Wucht auf eine lose Abdeckplatte in der Decke. Er wusste nicht, ob er vor Schmerz oder Überraschung aufschrie, als die Platte nachgab. Er griff nach einem der unzähligen Kabelbündel, welche die Abdeckplatte säumten, doch die Leitungen rissen einfach aus der Verankerung. Er fuchtelte wild um sich, ein zweites Kabelbündel war etwas stabiler befestigt und hielt ihm stand. Er zog sich daran wieder nach unten und stellte entsetzt fest, dass er in freien Raum hinausgetrieben wäre, hätte er keinen Halt gefunden. Der Gedanke kam ihm innerhalb von Sekundenbruchteilen: Er legte die lose hängende Abdeckplatte wieder in das Leck, dann packte er die übrigen Kabelbündel und rüttelte daran. Gerade, als er die Hand zurück zog, raste der massige Körper der Geecedianerin an ihm vorbei, prallte gegen die lose Rumpfplatte und katapultierte sie mit nach draußen. Sofort griffen Fangarme nach allem, das sie ergreifen konnten, rissen es mit. Das letzte Bündel Leitungen löste sich aus der Wand, nach einigen Metern hielt es jedoch. Sod keuchte und spähte vorsichtig durch das Leck. In gut zehn Metern Höhe schwebte Ocbey, an einem Kabelstrang hängend, mit den Tentakeln panisch um sich schlagend. Der Esialo atmete tief ein. Er zog seinen Blaster und legte auf das zappelnde Anhängsel an. Mit den Worten "Allmählich gehst du mir auf die Nerven." schoss er. "Die Luft ist jetzt rein", meldete Sod. "Wo bist du?" wollte Yxo wissen. "Ich bin oben auf dem Wrack, bei einem kleinen Leck. Holt mich am besten von dort ab, ich will nicht den anderen Geecedianern in die Hände laufen." "Einverstanden. Terranerin, ich werde an euer Schiff andocken. Ihr zieht euch Raumanzüge an, nehmt euch Waffen und kommt zu mir rüber, wir landen auf dem Asteroiden, sammeln Sod auf und holen Sam und Celtros da raus." "Ich will ja nichts sagen", seufzte Sod, "aber irgendwie haben die beiden ein Talent, immer in den unpassendsten Situationen zu stecken." "Krieg' ich eigentlich auch 'ne Waffe?" erkundigte sich Celeste. Als Antwort stand Svenia auf, öffnete den Not-Waffenschrank und warf Celeste die etwa zehn Zentimeter große Pistole zu. "Ist die wenigstens stärker, als sie aussieht?" "Nein. Los, wir ziehen jetzt die Raumanzüge an." "Ja, aber warte kurz. Ich geh' noch schnell in meine Koje, was holen." "Captain, eine Nachricht vom Kommando!" rief der Kommunikationsoffizier. "Auf meinen Bildschirm schalten." Der Monitor am Kommandosessel flammte auf und zeigte das Porträt des Flottenadmirals. "Admiral, Sir?" "Captain Johnson", begann der Admiral, "es sieht so aus, als müssten Sie Ihre Patrouille abbrechen." "Das ist aber Schade. Dabei ist es doch gerade so spannend." Der Admiral räusperte sich. "Der Frachter New Zealand hat vor ein paar Minuten einen Notruf eines Geecedianischen Zerstörers empfangen und an uns weiter geleitet. Es ist
ein automatischen Hyperfunkfeuer, vermutlich in einem Geecedianischen Code verschlüsselt, aber es stammt aus dem Cerrim-Nebel." Ein Kloß bildete sich in Johnsons Hals. "Sind wir das nächste Schiff?" "Nein, aber normale Schiffe hätten vermutlich kaum eine Chance, im Nebel etwas zu entdecken. Die Gründe, warum ich Sie in den Cerrim-Nebel schicke, sind erstens, weil Ihr Schiff der einzige voll ausgerüstete Aufklärer in der Nähe ist, und zweitens, weil Sie, soweit ich weiß, im Krieg eine Geecedianische Versorgungseinheit im Cerrim-Nebel vernichtet haben. Der Notruf stammt aus dem gleichen Sonnensystem, vielleicht hat es irgend etwas damit zu tun. Wäre ich Sie, würde ich darauf brennen zu erfahren, was da los ist." Der erste Offizier beobachtete Johnson aus den Augenwinkeln und flüsterte der Pilotin etwas zu. "Aye, Sir", bestätigte der Captain und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, "was genau ist unsere Mission?" "Sie kriegen die Koordinaten des Funkfeuers übermittelt. Fliegen Sie dorthin und finden Sie heraus, was los ist, und warum sich die Geecedianer in unserem Territorium befinden." "Aye, Sir. Wir setzen umgehend einen Kurs." Er nickte dabei der Pilotin zu. "Auf Wiedersehen, Captain." "Sir." Der Admiral unterbrach die Verbindung und Johnson gab den Startbefehl. Nachdem die Falcon in den Hyperraum eingetreten war, stand die Pilotin, Lieutenant Loginow, auf. "Können wir Sie einen Augenblick sprechen, Sir?" wollte der erste Offizier Gyuhama wissen und trat an die Seite der Pilotin. "Sicher. Kommen Sie mit." Die drei verließen die Brücke und gingen in den Korridor. "Also?" "Sir, wir stellen Ihre Autorität, dieses Schiff zu führen, in Frage", sagte der erste Offizier frei heraus. Johnsons Augen blitzten vor Wut auf, doch er fragte kühl: "Und warum stellen Sie meine Autorität in Frage, Commander?" "Weil Kriminelle nicht das Recht besitzen, das Kommando über ein Raumschiff der United Terran Space Force zu führen", erklärte die Loginow. Sie war eindeutig wütend, klang aber nicht angreifend, sondern eher persönlich überzeugt. "Sie stecken zusammen mit Ihrem Sohn und vermutlich auch Ihrer Tochter in kriminellen Machenschaften", setzte der erste Offizier kalt fort, "Ihr Alleingang gegen eine gesamte Geecedianische Versorgungseinheit im Cerrim-Nebel endete nicht mit deren Zerstörung, wie Sie es uns glauben machen wollen, sondern vermutlich nur mit deren Deaktivierung. Nun wollen Sie sich die Ladung der Einheit mit Hilfe Ihrer Kinder zu eigen machen." "Zeigen Sie mir sofort einen einzigen Beweis für diese abstruse Theorie", begann der Captain, anfangs ruhig, "oder ich lasse Sie beide wegen Meuterei in eine Arrestzelle werfen und für den Rest Ihres Lebens Bildschirme auf Müllfrachtern putzen!!" "Zufällig fällt Ihr Navigationscomputer aus, und Sie können sich nicht mehr an den Ort Ihrer glorreichen Schlacht erinnern. Zwei Jahrzehnte später entführen Ihr Sohn, der dummerweise auf die schiefe Bahn geraten ist, und ein Kumpane von ihm in New York City Ihre Tochter und einen Bus, um, zusammen mit einer Geecedianerin, sicher den Planeten zu verlassen. Zufälligerweise finden Sie am Raumhafen gerade einen Geecedianischen Frachter. Wenige Tage später nehmen Sie eine streng vertrauliche Meldung von IG-25 an. Das hat mich etwas irritiert, aber es ist noch nicht verdächtig und ergibt noch keinen Sinn. Doch weil ich ein braver Offizier bin, habe ich Nachforschungen angestellt und heraus gefunden, dass kurz darauf eine Raumschiffvermietung auf IG-25 einen Frachtzug vermietet hat, um leer in den Cerrim-Nebel zu fliegen." "Das ist alles?" Johnsons rang um seine Beherrschung. "Auf diesen lächerlichen Zufällen bauen Sie eine Verschwörungstheorie auf, und wagen es auch noch, mich kaltschnäuzig als Verbrecher zu beschuldigen?" "Es wäre sicher genug, um vor einem Kriegsgericht ein Verfahren gegen Sie zu eröffnen. Und genug, um Ihnen jetzt das Kommando zu nehmen." "Das wollen Sie also. Auf mein Kommando sind Sie scharf. Na los: Halten Sie eine Rede zur Crew. Sagen Sie, dass Sie jetzt das Kommando über dieses Schiff haben, Begründung: Paranoia. Los, leben Sie Ihren Größenwahn aus!" "Jetzt noch nicht", beschloss Commander Gyuhama, "wenn wir im Cerrim-Nebel ankommen, gibt es genügend Beweise, Sie aus Ihrem Kommandosessel direkt in die Arrestzelle zu setzen." "Oh, solange verschonen Sie mich." "Ja." "Dann werden Sie nun einmal sehen, wie gnädig ich bin. Ich habe in letzter Zeit den Eindruck, dass die Scannerschüssel nicht richtig funktioniert. Es kann auch
nur ein kleiner Fehler in irgendeinem Kabel sein, vielleicht ist es wirklich nichts. Überprüfen Sie das." "Eine Computerdiagnose?" wollte die Pilotin wissen. "Nein, Sie werden in die Scannerschüssel kriechen und jedes beschissene kleine Kabel Zentimeter für Zentimeter durchchecken, jeden einzelnen der 1600 Quadratmeter." "Das dauert Tage!" beschwerte sie sich. Jetzt rang sie um ihre Beherrschung, während der Commander seinen Vorgesetzten aus halb geschlossenen Augen anblickte. "Richtig, und deswegen dürfen Sie sogar zu zweit arbeiten. Wegtreten." Abschnitt 13 Ein leuchtender Punkt stieg mit hoher Geschwindigkeit in den schwarzen Himmel, gefolgt von einem weiteren, um sich irgendwo zwischen den Asteroiden zu verstecken. Dann ein dritter. "Das müssen unsere Rettungskapseln sein", vermutete die Geecedianerin, die von der Subkommandantin vorher Zytancu genannt worden war, "wir gehen also in die richtige Richtung." Tilchaa bezweifelte nicht, dass sie in die richtige Richtung gingen, zumindest glaubte sie, Zytancu könne mit dem Scannergerät umgehen, das sie führte. "Die Vierte ist noch nicht gestartet", stellte Tilchaa fest, "offenbar warten sie auf uns." Plötzlich hielt die Geecedianerin mit dem Scannergerät inne. "Energieanzeichen von dort drüben!" meinte sie und deutete irgendwo in die zerklüftete Landschaft. Das gefiel der Subkommandantin nicht. Das graue, kraterübersäte Terrain war gut genug, sich fast überall zu verschanzen, jedoch gab es keine langgezogeneren Schluchten, so dass man als bewegliches Ziel wie auf dem Präsentierteller stand. "Deckung, nehmen Sie die Gefangenen mit", befahl Tilchaa ihren Untergebenen, woraufhin sich jede der beiden anderen Geecedianerinnen auf eine der Geiseln stürzte und sie mit sich riss, jede sprang in eine andere Grube. Tilchaa hob blitzartig ihr Gewehr, legte auf die Richtung an, in der Zytancu die verräterischen Signale aufgefangen hatte und feuerte, deckte das gesamte Gebiet mit einem Vorhang aus Energie ein. Sie schoss noch immer, als sie einen gewaltigen Satz nach vorne machte, nahm den Finger erst vom Abzug, als sie in den schroffen Krater blickte, der ihrer Meinung nach das Versteck der Piraten war. Doch sie erblickte nur ein blinkendes kleines Gerät. Sie fluchte und setzte an, um aus dem Wirkungsbereich der Granate zu springen, als sie realisierte, dass es gar keine Granate war. Es war nichts weiter als irgendein Ersatzteil für ein Raumschiff, das an eine Batterie gekoppelt war, um für Scannergeräte nach einer Waffe oder einem Raumanzug auszusehen. "Das ist nicht das einzige Signal dieser Art", meldete ihr Zytancu, es gibt gut zehn weitere, alle ungefähr in dieser Richtung. Tilchaa legte wütend auf das Gerät an und schoss darauf, um sich danach flach in den Krater zu pressen. "Ihr seid höchstens zu viert", murmelte sie vor sich hin, "zwei von euch sind nicht ernst zu nehmen, weil ihr lächerliche Kreaturen seid, und die anderen zwei nicht, weil ihr männlich seid. Aber wo versteckt ihr euch...?" "Vier der Signale bewegen sich leicht, sie scheinen vorzurücken." "Das sind sie", vermutete Tilchaa, "sie gehen wohl in Feuerposition. Ein nettes Ablenkungsmanöver, ihr habt mich uns ganz schön zum Narren gehalten." "Sie halten jetzt wieder die Position." "Können sie auf uns schießen?" "Nicht, wenn wir in Deckung bleiben." "Können wir auf sie schießen?" "Nicht, wenn sie in Deckung bleiben." "Ein Patt", stellte Zytancu fest und musterte ihr Scannergerät. Sam warf einen Blick auf den Rand der Grube. Jetzt oder nie. Er gab sich einen leichten Schubs, wurde aus dem Versteck katapultiert und landete langsam und weich auf der Oberfläche. So unüberlegt, wie er es sich erhofft hatte, sprang ihm die Geecedianerin nach und griff nach ihm, einige zum Teil gefährlich schlecht gezielte Schüsse deckten die Umgebung ein und ließen den Raumanzug der Geecedianerin Funken sprühen. Das Wesen wurde knappe zwei Meter weit weg geschleudert, krachte gegen einen Felsen und blieb regungslos liegen. Sam entriss der Offizierin ihr Gewehr und sprang in Deckung. Er stellte sein helminternes Kom auf Yxos Frequenz ein und fragte: "Situation?" "Zum Fressen." In diesem Moment regnete glutflüssiges
Gestein auf Sam herab. Irgendeine der Geecedianerinnen beschoss sein Versteck. "Scheiße. Gebt mir Deckung!" "Geht nicht, die hat Celtros mit in ihrer Verschanzung." In diesem Moment katapultierte sich der Oren, um dessen Taille sich ein Fangarm der Geecedianerin gewickelt hatte, mit der gesamten Kraft seiner Beine aus dem Graben. Sie stellte das Feuer ein, in etwa zwei Metern Höhe hielt ihn der Tentakel auf, und während ihn seine Geiselnehmerin, die den Fehler ihrer Kollegin nicht wiederholen wollte, wieder zurück in den Graben zog, hatte Yxo jedoch schon auf Celtros geschossen. Ein elektrisches Zischen fuhr durch die Koms, als die Elektronik beider Raumanzüge versagte. Als die Piraten wieder in Deckung waren und einen Gegenangriff erwarteten, schleuderte sich die Subkommandantin aus ihrem Versteck in Richtung ihres abgestürzten Schiffes. Entweder sie würde in der Nähe wieder auf der Oberfläche aufkommen, oder die enorme Kraft ihrer Beine und Tentakeln hatte sie in eine Umlaufbahn geschleudert, aber so oder so würde bald Verstärkung von ihrem Schiff hier sein, sofern sich nicht die gesamte gestrandete Crew schon in den Rettungskapseln befand. Die Geecedianerin gab von oben noch einige unpräzise Schüsse ab, die ihr Ziel jedoch genauso verfehlten, wie das Gegenfeuer der Piraten. Alle sprangen aus ihrer Deckung und liefen auf Celtros zu. Svenia ging vor ihm mit einer Plastin-Flasche in die Hocke und musterte den Raumanzug nach Lecks, fand jedoch keine. Sie packte ein Kabel am Versorgungsteil ihres eigenen Raumanzugs und steckte es gezielt in die Elektronik von Celtros Schutzanzug. Sie fingerte mit den klobigen Handschuhen in den Kabeln herum, bis der Helmscheinwerfer wieder zu leuchten begann. "Wir müssen ihn aufs Schiff bringen", beschloss Sod, "er ist bewusstlos." "Die hier ist wohl auch im Tiefschlaf", stellte Yxo fest und sah die Geecedianerin an. Celeste ging einige Meter weiter zur anderen Offizierin, hockelte sich hin und musterte den regungslos daliegenden Körper. "Im Grunde faszinierende Wesen. Was für eine Evolution..." Das faszinierende Wesen sah seine Chance gekommen, schnellte ihre Tentakeln hervor, drückte Celeste fest an sich und packte die Waffe der Terranerin. Sie richtete die Pistole direkt auf Celestes Kopf. "Wenn einer von euch die Waffe hebt, ist sie tot!" Alle blieben wie angewurzelt stehen und blickten auf die zwei, die zusammengekauert im Krater saßen, nur Sods Hand zuckte unsicher. Aber schließlich war auch ihm klar, dass seine Reaktionszeit bei weitem geringer war, als die der Geecedianerin. "Fallen lassen! Alle!" Sam, Celtros und Svenia ließen ihre Waffen los, wenige Sekunden später auch Yxo und Sod. Celeste begann, hysterisch zu brüllen, was die Offizierin zum Anlass nahm, sie noch fester an sich zu pressen. Schmerzerfüllt ließ die Geisel ihre Arme schlaff hängen, der eine fiel zufällig in die Nähe des Stiefels, so dass die Hand zufällig den Pressorknüppel packte, und ihn in einem weiten Bogen nach oben schleuderte, dass der Gravitonenstrahl gegen das Helmvisier der Geiselnehmerin prallte. Reflexartig hielt sich die Geecedianerin schützend alle vier Ellenbogen vors Gesicht. Eigentlich wäre sie körperlich auch einem Menschen mit Pressorknüppel überlegen gewesen, doch auch die Wesen, die wohl zu den körperlich perfektesten der Andromeda-Galaxie gehörten, waren vor Reflexen und Panikreaktionen offenbar nicht sicher, denn Celeste kam auch zu einem zweiten Stoß. Der Strahl schoss direkt in den Bauch der Geecedianerin, die nicht einmal begriff, von was sie eigentlich getroffen wurde, und ließ sie schmerzerfüllt aufschreien. Schließlich löste sie ihren Griff um Celeste, die sofort aufsprang. Sie feuerte noch einen Strahl ab, die Geecedianerin verstummte. "Das ist dafür, dass du dich mit mir angelegt hast, du Kraken-Raptor-Bastart!" spuckte Celeste verächtlich hervor und blickte auf den Pressorknüppel. "Ich hab' doch gewusst, dass du mir nützlich sein wirst!" Dann hörte sie das Geräusch. Es war das Geräusch, das jedem Raumfahrer auf einer luftlosen Welt das Blut in den Adern gefrieren ließ: Ein leises, kontinuierliches Zischen. Jeder starrte sofort auf seine Kontrollanzeige, dann packte Svenia die Flasche mit Flüssig-Plastin und sprühte der Bewusstlosen gut einen halben Liter aufs Helmvisier, bis das Zischen aufhörte. In die schnell fest werdende Masse schrieb sie mit dem Finger in normalem Englisch "Gern geschehen", doch sie bezweifelte, dass die Geecedianerin sich später die Mühe machen würde, das übersetzen zu lassen. "So, und das krieg' ich." Sie
ergriff die Waffe und steckte sie ein. "Wir gehen jetzt besser", beschloss Yxo, "die Subkommandantin wird Hilfe holen." Abschnitt 14 "Position eingenommen!" bestätigte Sod. "Kanonen bereit", ergänzte Celtros. "Ich bin auch soweit", meinte Sam. "Seid ihr sicher, dass nichts mehr rein passt?" erkundigte sich Yxo. "Sicher", bejahte Svenia etwas gereizt, "wir haben soviel hochgepumpt, wie rein passt. Noch ein Tropfen, und die Container platzen." Sam warf noch einen letzten Blick auf den Asteroiden. Das Wrack des Zerstörers lag einige Kilometer unter ihm, absolut flugunfähig, doch letztendlich war noch eine vierte Rettungskapsel gestartet, und Yxo hatte beschlossen, sie mit den Worten "Sagt euren Leuten, sie können uns mal fressen" ziehen zu lassen. Celtros und Sam hatte es nicht gefallen, dass Tilchaa noch ihre Waffen hatte, allerdings war das Yxo relativ egal gewesen. "Bereit?" wollte er jetzt wissen. "Ja, wie oft den noch?!" "Dann: Feuer." Vier Raketen rasten aus den Verankerungen der Savage Eagle, vier aus denen der Lebensquell, alle acht schlugen einen anderen Kurs ein. Die Hyperraum-Strukturbrecher der Rattlesnake feuerten in kurzen Impulsen zum Teil auf die Wracks, zum Teil auf die Oberfläche des Planetoiden, die Hyperraum-Verzerrungen bohrten sich in die Kruste. Gewaltige Spalten und Canyons bildeten sich, wo der Beschuss sich konzentrierte, schließlich schlugen fast gleichzeitig sämtliche Raketen auf verschiedenen stellen des Felsbrockens ein. Der Asteroid wurde von den gewaltigen Detonationen regelrecht zerrissen, brach in gut ein halbes Dutzend großer Brocken auseinander, Millionen kleinere wurden in alle Himmelsrichtungen wegkatapultiert, die Wracks zerrissen und in den Weltraum geschleudert. Die Trümmer drifteten durcheinander, wurden zum Spielball der Gravitationskräfte. "Wow, das ist irre..." murmelte Celeste vor sich hin. "Ja, ganz nett", stimmte Yxo zu, "um den Rest kümmern sich die Geecedianer selbst. Lasst uns von hier verschwinden." "Mit dem größten Vergnügen", bestätigte Sam, "Kurs IG-25. Bye, Cerrim-Nebel." Eines nach dem Anderen verschwanden die Piratenschiffe im Hyperraum. Die schillernde Farbenpracht des Nebels kam immer näher. Captain Johnson hatte diesen atemberaubenden Anblick mehr als einmal genießen dürfen, doch nun erinnerte er sich wieder an den Commander David Johnson, der auf der Chameleon I genau dieses Bild vor sich hatte. Damals traf er das erste Mal in seiner Karriere bei der UTSF auf die Geecedianer, und heute vielleicht das letzte Mal... Er rutschte unruhig auf seinem Sitz hin und her. "Quelle des Notrufs war ein Sternensystem auf Richtung 31° Backbord, 2° nach unten", meldete der erste Offizier, für die Sensoren zuständig, "der Sender ist wohl nicht mehr aktiv. Sir, es ist tatsächlich das Sternensystem, in dem Sie damals die Geecedianischen Unterstützungsschiffe abgefangen haben." Johnson warf einen flüchtigen Blick auf Gyuhamas grinsendes Gesicht. "Wir wissen nicht, was uns erwartet", kommentierte die Einsatzleiterin, "soll ich vorsichtshalber Gefechtsalarm geben?" "Nein, kein Gefechtsalarm. Pilot, Kurs auf das System, Sensoren: Standart-Scan im in Frage kommenden Bereich." Der Fähnrich am Navigationsterminal änderte den Kurs. Die Chefpilotin Loginow arbeitete vermutlich noch an der Scannerschüssel. Irgendwie tat sie dem Captain leid, sie glaubte wenigstens an Werte, und Gyuhama hatte sie offensichtlich auch noch den größeren Teil der Strafe abarbeiten lassen und sich weniger anstrengenden Aufgaben gewidmet. "Metallische Fragmente entdeckt, im Asteroidengürtel des Systems", meldete Gyuhama, "vermutlich Wrackteile. Außerdem ist da ein Geecedianischer Zerstörer, gleich bei dem Trümmerfeld." Die Leistung der neuesten Scannerschüssel, die Fähigkeit, durch ionisierte Nebel Lichtjahre weit zu scannen, oder im leeren Raum tausende Lichtjahre weite exakte Materialscans durchzuführen, erstaunte Johnson immer wieder. "Fallen Sie in der Nähe des Zerstörers aus dem Hyperraum", befahl er. "Aye, Sir." Eine halbe Minute später tauchten aus dem Rückfallblitz unzählige Trümmer
auf, sowie der segmentierte Rumpf eines Geecedianischen Raumschiffes. Johnson biss sich auf die Zunge. Was auch immer hier passiert war, vermutlich hatten es Sam und seine Freunde verursacht, und ein etwas genauerer Scan würde zeigen, dass die Trümmer erst wenige Stunden alt sind. Johnson spuckte die klassische Befehl-Rede-Folge aus: "Kanal öffnen! Hier spricht Captain Johnson vom Terranische Aufklärer TSS Falcon, identifizieren Sie sich und nennen Sie den Grund Ihrer Anwesenheit in unserem Territorium." Tilchaa hegte keinen Zweifel, dass es DER Captain Johnson war. Sie musterte das Terranische Raumschiff auf dem Bildschirmen, das scheinbar eine Abwandlung der SharkKlasse war. Es hatte den klassischen rochenförmigen Zerstörer-Rumpf, doch auf den hier sehr flach gehaltenen Aufbauten saß eine gigantische, kreisrunde Schüssel, Scannerkapseln waren an Bug und Pylonen verteilt. Ein eindrucksvolles Schiff, so eines hätten wir damals gebraucht, dachte sich Tilchaa, hast du das für den Mord an unseren Leuten gekriegt? "Was dieser Mensch getan hat, war auch für seine Gesetze illegal", erklärte sie der Kommandantin des Zerstörers, der sie aufgesammelt hatte, "wir sollten der Crew dieses Schiffs die ganze Geschichte erzählen." "Vielleicht wissen sie es bereits und halten zu ihm", widersprach diese, "ich will mich nicht auf ein Gefecht einlassen." "Das ist doch absurd!" widersprach Tilchaa heftig und fuchtelte missbilligend mit den Tentakeln herum. "Subkommandantin, ich will ehrlich zu Ihnen sein: Wir können es uns nicht leisten. Als der Krieg vorbei war, hätten wir die Terraner über das Tankerwrack informieren müssen, aber wir haben es 20 Jahre lang geheim gehalten und unseren eigenen Bergungsversuch gestartet, in dessen Verlauf wir unzählige Vereinbarungen gebrochen haben, und wahrscheinlich einen Haufen anderer Terranischer Gesetze, von denen wir nicht einmal wissen. Eine derartige diplomatische Krise wäre ein gewaltiger Rückschritt in den Beziehungen zwischen unseren Völkern." "Kommandantin, Sie tun ja gerade so, als ob wir einen Krieg auslösen würden! Johnson ist ein Kriegsverbrecher. Die Terraner werden über unsere Vertragsbrüche hinweg sehen, wenn wir dafür einen Kriegsverbrecher entlarven, der sich Jahrzehnte lang als der treue Musteroffizier ausgegeben hat, in Wahrheit jedoch mit Piraten zusammen arbeitet. Vielleicht würden sie uns sogar helfen, unser Kühlmittel wieder zu finden!" "Sind ihre Koms beschädigt?" fragte Johnson schließlich, als der Zerstörer nicht antwortete. "Negativ." "Schilde?" fragte die Einsatzleiterin knapp. "Noch nicht", widersprach der Captain. Er zuckte fast zusammen, als er die Stimme der Geecedianerin hörte. "Terranischer Zerstörer, uns war nicht klar, dass wir uns in Terranischem Raum befinden." "Erklären Sie das bitte. Wir haben einen Notruf von hier empfangen." "Durch die ionisierten Partikel im Nebel sind unsere Computer kurzzeitig ausgefallen und wir haben die Orientierung verloren. Daraufhin haben wir einen Notruf ausgesandt. Wenige Tage später entdeckten wir ein auf SubHyperraum-Ebene verschlüsseltes Geecedianisches Funkfeuer und haben uns danach gerichtet, doch es handelte sich lediglich um den codierten Notruf einer Jahrzehnte alten Rettungskapsel. Wir haben Sie hier in dem Trümmerfeld gefunden, das von einem unserer Tanker stammt. Er ist im Krieg als vermisst gemeldet worden, das passt zu unseren Scans, denen zufolge die Trümmer über 20 Jahre alt sind. Wir wollten hier auf Hilfe warten, und wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns unsere genaue Position mitteilen könnten." "Aber selbstverständlich", versicherte Johnson bereitwillig, "übermitteln Sie den Geecedianern alle nötigen Daten. Eine kurze Pause, dann meinte die Geecedianerin: "Vielen Dank. Wir verlassen nun umgehend Ihr Gebiet." Johnsons Kehle schnürte sich zu. Wenn sie jetzt einfach gingen, wäre er so gut wie erledigt. "Geecedianisches Raumschiff!" "Bitte?" "Sind Sie eventuell an der Bergung der Wrackteile interessiert? Ich kann Sie mit meinem Vorgesetzten verbinden, und ich bin sicher, dass es möglich wäre, ein Abkommen auszuhandeln, das ihnen die Bergungsrechte überlässt." Etwa fünf Sekunden Schweigen trieben den Captain an den Rand des Wahnsinns. "Das klingt nach einem fairen Angebot", stimmte die Geecedianische
Kommandantin schließlich zu, "eine Bergung wäre sinnvoll." Johnsons hörte, wie Gyuhama einen missbilligenden Ton von sich gab, sah ihn jedoch nicht an. Noch war es nicht ausgestanden, aber die Situation sah zumindest besser aus. "Hervorragend. Ich lasse umgehend eine Verbindung zu meinem Hauptquartier herstellen." Ein greller Lichtkegel fiel in die Dunkelheit des gigantischen Laderaums, als sich die Personaltür öffnete. Sam, Celeste und Svenia betraten die riesige, mit Containern vollgestellte Halle. "Und was hast du jetzt mit dem Geld vor?" fragte Svenia Celeste wie nebenbei. "Ich lass' es jetzt vorerst auf dem Konto hier auf IG-25. Wenn ich mit der Akademie fertig bin, sehen wir weiter. Wo hat Yxo den Tanker eigentlich hin gebracht? So 'ne Menge Kühlmittel lässt sich doch nicht einfach verscherbeln." "Ich soll's dir ja nicht sagen", seufzte Sam, "aber er hat es einer Chorck-Händlerin verkauft. Ein komisches Wesen, zieht im Weltraum rum und kauft alle möglichen Sachen. Ich war 'mal bei einem Handel mit ihr dabei, sie zahlt ganz faire Preise." Svenia grinste. "Ich freu' mich schon drauf, wenn sie zurück kommen und dieser Esialo sieht, was mit seinem Frachtzug passiert ist." Vor einer Wand, an der eine Leitung für Atmosphärengas verlief, blieben sie stehen. "Das ist es", meinte Sam. Celeste musterte das Rohr misstrauisch und meinte: "Und ihr seid euch sicher, dass hier bald jemand kommt?" "Pünktlich um fünf werden die Container verladen, da finden sie dich", versicherte ihr Sam. "Na dann..." Sie hockelte sich hin, lehnte sich an die Leitung und legte dahinter die Hände übereinander, so dass Sam sie mit einem Plastikband daran fesseln konnte. "Ist es fest?" fragte er. Celeste versuchte, ihre Hände zu bewegen, es gelang ihr jedoch nicht. "Fest." "Also, weißt du noch, was passiert ist?" Celeste grinste und keuchte: "Oh, mein Gott, bin ich froh, dass Sie hier sind! Sie haben mich entführt! Ich wurde von meinem eigenen Bruder und diesen beiden widerlichen Aliens entführt und verschleppt! Ich kann mich erinnern, dass ich auf IG-25 war, und sie wollten irgendwas von mir wissen... Ich denke, sie wollten aktuellere Space-ForceCodes haben, aber ich wusste doch nichts!" Sie blickte sehr überzeugend gedemütigt drein und flüsterte dann: "Sie haben mir Drogen eingeflößt. Sie haben mir irgendwelches Zeug gespritzt, um mich zum Reden zu bringen, was zum Teufel ist passiert?!" Sam lächelte mitleidig. "Hören Sie, Miss Johnson. Wir haben Rückstände einer Substanz namens 'Eden' in Ihrem Blut gefunden. Dieser Stoff hat Auswirkungen auf die DNS und kann schon in kleinen Mengen zu rauschartigen Zuständen und Gedächtnisausfällen führen." "Nein, diese Schweine!" Svenia klatschte ein paar Mal in die Hände. "Ziemlich überzeugend." "Danke." "Also, dann viel Spaß noch", lachte Sam. "Danke", knurrte seine Schwester und sah Svenia an. "Ciao. War nett, dich kennen zu lernen." "Dich auch." Als sich die Tür hinter den beiden Piraten wieder schloss, wurde es wieder finster in dem Frachtraum. "Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem diplomatischen Erfolg, Captain." Johnson blieb stehen und drehte sich um. Im Gang stand Commander Gyuhama, mit eisiger Miene. "Beziehen Sie sich auf die Bergungsrechte der Geecedianer, Commander? Es ist nun deren Problem, wir haben hier nichts mehr verloren, während sie ihren Dreck wegräumen." "Wessen Dreck?" gab der erste Offizier kaltschnäuzig zurück. Johnson verschränkte die Arme. "Hören Sie zu. Ich muss mir das von Ihnen nicht anhören. Wir können vernünftig zusammen arbeiten, oder nicht, und letzteres kann sich nur negativ auf Sie auswirken. Tun Sie Ihre Pflicht, und nichts weiter." "Ich tue doch meine Pflicht als Offizier der United Terran Space Force." "Dann passen Sie auf, dass Sie sich nicht überarbeiten. Sie dürfen jetzt wegtreten, Commander." Mit atemberaubender Geschwindigkeit ließ die Falcon das Lichtspiel aus ionisierten Gasen hinter sich und raste den Sternen entgegen. ENDE