Duale Reihe
Chirurgie Herausgeber: Doris Henne-Bruns Michael Dürig Bernd Kremer
mit Beiträgen von: Harald Barth Arnd ...
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Duale Reihe
Chirurgie Herausgeber: Doris Henne-Bruns Michael Dürig Bernd Kremer
mit Beiträgen von: Harald Barth Arnd Böhle Hans-Dietrich Bruhn Jochen Cremer J. Marek Doniec Michael Dürig Ronald Elfeldt Reni Ellerbeck Hinnerk Gebhardt Alexander Gerbes Horst Grimm
Doris Henne-Bruns Stefan Hirt Andreas Hückstädt Hartmut Juhl Hans-Jürgen Klomp Heike Kraemer-Hansen Bernd Kremer Thomas Kreusch Uwe Krüger Thomas Küchler Mathias Löhnert
Wolfgang Mengel Bernd Nemsmann Hans-Jörg Oestern Horst Schaube Andreas Schmid Ralf Schön Jörg Schröder Eva Schweizer Ilka Vogel Peter Vogt Hubert Voßmann
2., korrigierte Auflage 1780 Abbildungen, 230 Tabellen
Georg Thieme Verlag Stuttgart Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
Doris Henne-Bruns, Michael Dürig, Bernd Kremer Duale Reihe Chirurgie
Die überdurchschnittliche Ausstattung dieses Buches wurde durch die großzügige Unterstützung von einem Unternehmen ermöglicht, das sich seit langem als Partner der Mediziner versteht.
Wir danken der
MLP Marschollek, Lautenschläger & Partner AG Nähere Informationen hierzu siehe am Ende des Buches. Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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Duale Reihe
Chirurgie Herausgeber: Doris Henne-Bruns Michael Dürig Bernd Kremer
mit Beiträgen von: Harald Barth Arnd Böhle Hans-Dietrich Bruhn Jochen Cremer J. Marek Doniec Michael Dürig Ronald Elfeldt Reni Ellerbeck Hinnerk Gebhardt Alexander Gerbes Horst Grimm
Doris Henne-Bruns Stefan Hirt Andreas Hückstädt Hartmut Juhl Hans-Jürgen Klomp Heike Kraemer-Hansen Bernd Kremer Thomas Kreusch Uwe Krüger Thomas Küchler Mathias Löhnert
Wolfgang Mengel Bernd Nemsmann Hans-Jörg Oestern Horst Schaube Andreas Schmid Ralf Schön Jörg Schröder Eva Schweizer Ilka Vogel Peter Vogt Hubert Voßmann
2., korrigierte Auflage 1780 Abbildungen, 230 Tabellen
Georg Thieme Verlag Stuttgart Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < http://dnb.ddb.de > abrufbar.
Für die Verfasser: Prof. Dr. Doris Henne-Bruns Abteilung für Viszeral- und Transplantationschirurgie Universitätsklinikum Ulm Steinhövelstr. 9 89075 Ulm Anschrift der Reihenherausgeber Dr. med. Alexander Bob Weschnitzstraße 4 69469 Weinheim
Dr. med. Konstantin Bob Weschnitzstraße 4 69469 Weinheim
Zeichnungen: Gay & Sender, Bremen; Emil Wolfgang Hanns, Schriesheim; Gerhard Kohnle, Bad Liebenzell Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe Umschlagfoto: Imageshop Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handele.
q 2001, 2003 Georg Thieme Verlag Rüdigerstraße 14, D-70469 Stuttgart Unsere Homepage: www.thieme.de Printed in Germany 2003 Satz: Fotosatz Sauter GmbH, 73072 Donzdorf Druck: Appl, Wemding ISBN 3-13-125292-8
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Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
V
Inhalt Teil A Allgemeine Chirurgie 1
Wunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.2 1.2.1
1 1 1 2 6 6 7 10
1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4 1.5.5 1.5.6
Wundheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechanismen der Wundheilung . Physiologie der Wundheilung . . . Formen der Wundheilung . . . . . . . Wundarten und ihre Heilung . . . . Traumatische Wunden . . . . . . . . . . Mechanische Verletzungen . . . . . Thermische Verletzungen . . . . . . . Verletzungen durch elektrischen Strom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chemische Verletzungen . . . . . . . . Strahlenschäden . . . . . . . . . . . . . . . . Iatrogene Wunden . . . . . . . . . . . . . . Chronische Wunden . . . . . . . . . . . . Die Wundheilung beeinflussende Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustand der Wunde . . . . . . . . . . . . . Alter des Patienten . . . . . . . . . . . . . Ernährungszustand des Patienten Begleiterkrankungen . . . . . . . . . . . Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rauchen und Drogen . . . . . . . . . . . Wundheilungsstörungen . . . . . . . . Wundinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . Hämatom und Serom . . . . . . . . . . . Gestörte Gewebeneubildung . . . . Wundbehandlung . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien der Wundbehandlung Anästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wundvorbereitung . . . . . . . . . . . . . Wundausschneidung . . . . . . . . . . . Wundverschluss . . . . . . . . . . . . . . . . Wundverbände . . . . . . . . . . . . . . . . .
14 14 15 15 15 15 16 16 16 18 19 20 20 20 20 21 21 22
2
Asepsis und Antisepsis . . . . .
23
3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.2.8 3.2.9 3.2.10 3.2.11 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.11.1
2.1
Methoden der Asepsis und Antisepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sterilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Desinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hospitalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursachen des Hospitalismus . . . . Typische Hospitalkeime . . . . . . . . Vermeidung von Hospitalinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 23 24 25 25 25
3.11.2 3.11.3 3.12 3.12.1 3.12.2 3.12.3 3.13
1.2.2 1.2.3 1.3
2.1.1 2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3
12 12 12 12 13
3
Chirurgische Infektionen . .
27
3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.1.7 3.2 3.2.1
Allgemeine Infektionslehre . . . . . Allgemeine Pathophysiologie . . . Lokale Infektionen . . . . . . . . . . . . . . Systemische Infektionen . . . . . . . . Prädispositionen . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infektionsformen . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Infektionen . . . . . . . Wundinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . Harnwegsinfekte . . . . . . . . . . . . . . . Infektionen durch Venenkatheter Pneumonien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intraabdominelle Infektionen . . . Sepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abszess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empyem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erysipel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phlegmone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erysipeloid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Follikulitis/Furunkel/Karbunkel . Lymphangitis/-adenitis . . . . . . . . . Gangrän . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fremdkörperinfektionen . . . . . . . . Bissverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . Gasgangrän . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tetanus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tuberkulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktinomykose . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrotisierende Fasziitis . . . . . . . . Milzbrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wunddiphtherie . . . . . . . . . . . . . . . . Syphilis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virale Infektionen . . . . . . . . . . . . . . Human immunodeficiency virus (HIV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hepatitis B, C, D, E und G . . . . . . . . Tollwut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parasitäre Infektionen . . . . . . . . . . Echinokokkose . . . . . . . . . . . . . . . . . Amöbiasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Askaridiasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pilzinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . .
27 27 28 29 29 30 30 31 31 31 31 32 33 33 34 34 35 35 36 37 37 38 38 39 39 39 39 41 43 45 46 47 48 48 48 48 52 52 53 53 55 55 56
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VI
Inhaltsverzeichnis
4
Antibiotika . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.2.7 4.3 4.4 4.5 4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.6.4 4.6.5 4.7 4.8 4.8.1 4.8.2 4.8.3 4.8.4
Die häufigsten Erreger . . . . . . . . . . Antibiotikaübersicht . . . . . . . . . . . . b-Lactam-Antibiotika . . . . . . . . . . . Aminoglykoside . . . . . . . . . . . . . . . . Lincosamide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glykopeptide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fluorochinolone . . . . . . . . . . . . . . . . Nitroimidazole . . . . . . . . . . . . . . . . . Sulfonamide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungsspektrum . . . . . . . . . . . . . Antibiogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antibiotikatherapie . . . . . . . . . . . . . Therapieprinzipien . . . . . . . . . . . . . Kalkulierte Therapie . . . . . . . . . . . . Gezielte Therapie . . . . . . . . . . . . . . . Synergismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nebenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . Antibiotikaprophylaxe . . . . . . . . . . Antimykotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erreger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht der Antimykotika . . . . . Nebenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59 59 59 61 61 61 62 62 62 62 63 63 63 63 64 64 64 64 66 66 67 67 67 68
5
Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
5.1 5.1.1 5.1.2
Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen der Makro- und Mikrozirkulation . . . . . . . . . . . . . . . Schockmediatoren . . . . . . . . . . . . . . Schockspezifische Organ- und Stoffwechselstörungen . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Therapierichtlinien . Schockformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volumenmangelschock . . . . . . . . . Septischer, septisch-toxischer Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anaphylaktischer Schock . . . . . . . Kardiogener Schock . . . . . . . . . . . . Seltene Schockformen . . . . . . . . . .
69 69
5.1.3 5.1.4 5.2 5.3 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5
6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3
6.1.4
6.2
Perioperativer Flüssigkeitsund Volumenersatz . . . . . . . . . Flüssigkeitstherapie . . . . . . . . . . . . Wasser- und Elektrolythaushalt . Säure-Basen-Haushalt . . . . . . . . . . Veränderungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-BasenHaushaltes in der perioperativen Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkungen auf den Wasser-, Elektrolyt- und Säure-BasenHaushalt bei ausgewählten chirurgischen Erkrankungen . . . . Volumentherapie . . . . . . . . . . . . . . .
69 72 73 76 77 79 79 84 88 91 93
95
6.2.1 6.2.2 6.2.3
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kristalloide Lösungen . . . . . . . . . . . Künstliche kolloidale Volumenersatzmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie mit Blutkomponenten . Transfusionsserologie . . . . . . . . . . . Durchführung einer Bluttransfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zelluläre Präparate . . . . . . . . . . . . . Plasmapräparate (natürliche Kolloide) . . . . . . . . . . . . Gerinnungspräparate . . . . . . . . . . . Gefahren der Bluttransfusion . . . . Massivtransfusion . . . . . . . . . . . . . . Notfalltransfusion . . . . . . . . . . . . . . Autologe Transfusion . . . . . . . . . . . Präoperative Vorbereitung von Bluttransfusionen . . . . . . . . . . . . . . Blutersatz bei Tumorpatienten . . Blutersatz bei Transplantationen Rechtliche Probleme . . . . . . . . . . . .
129 130 130 131
7
Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
133
7.1
Grundlagen der parenteralen Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Substrate der Ernährung . . . . . . . . Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . . . . . Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrolyte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vitamine und Spurenelemente . . Parenterale Ernährung bei verschiedenen Krankheitsbildern Postaggressionsstoffwechsel . . . . Hungerstoffwechsel . . . . . . . . . . . . Parenterale Ernährung bei Niereninsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parenterale Ernährung bei Leberinsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infusionstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enterale Ernährung . . . . . . . . . . . . . Sondenkost . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugangswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . Frühe enterale Ernährung . . . . . . .
6.2.4
7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.1.5 7.1.6 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.2.6 7.2.7 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5
95 95 103
8
107
8.1 8.1.1 8.1.2 8.2 8.2.1
110 110
8.2.2
Blutgerinnung, Thrombose, Embolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blutgerinnung und Fibrinolyse . . Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . Pathologische Blutungsneigung . Störungen der Gerinnungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen des thrombozytären Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110 112 114 115 115 116 118 121 123 124 126 127 128
133 133 133 134 134 134 134 135 135 137 138 138 138 138 139 139 139 139 140 141 141
143 143 143 146 148 149 154
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
Inhaltsverzeichnis 8.2.3 8.3 8.3.1 8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.4.4 8.4.5 8.4.6
8.4.7
Störungen der Blutgefäße (Vasopathien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thrombose und Embolie . . . . . . . . Lungenembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamentöse Prophylaxe und Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thrombininhibitoren . . . . . . . . . . . Cumarine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapeutische Defibrinogenierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fibrinolysetherapie . . . . . . . . . . . . . Inhibitorentherapie bei Hyperfibrinolyse . . . . . . . . . . . . . . . Substitution von Gerinnungsinhibitoren bei Inhibitorenmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thrombozytenfunktionshemmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155 156 159 163 163 166 168 168 172
10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.2.4 10.2.5 10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.4 10.4.1 10.4.2 10.4.3
172 10.4.4 172
Ileus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peritonitis/Perforation . . . . . . . . . . Blutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchblutungsstörungen . . . . . . . Traumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Retroperitoneale Erkrankungen . Gefäßchirurgisch bedingte Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urologische Erkrankungen . . . . . . Veränderungen des Lymphsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . Extraabdominelle Erkrankungen Kardiale Erkrankungen . . . . . . . . . Pulmonale Erkrankungen . . . . . . . Stoffwechselerkrankungen und Intoxikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . Veränderungen der Bauchdecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
202 209 212 213 214 216 216 217 217 217 217 217 217 217
9
Chirurgische Diagnostik . . .
175
11
Verbrennungen . . . . . . . . . . . . .
219
9.1 9.1.1
175 175 175 176 177 178 178 178 179 180 181 181 181 182 184 184 185 185
11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.3
219 219 222
11.4.3
Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tiefenbestimmung . . . . . . . . . . . . . Oberflächenbestimmung . . . . . . . . Schweregrade der Brandverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . Lokale Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . Systemische Schäden . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präklinische Versorgung . . . . . . . . Ambulante klinische Versorgung Stationäre klinische Versorgung . Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schockphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phase der Verbrennungskrankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reparationsphase . . . . . . . . . . . . . .
187 187 190 193
12
Chirurgische Onkologie . . . .
235
10
Akutes Abdomen . . . . . . . . . . . .
195
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Topographische Differenzialdiagnose des akuten Abdomens . 10.1.4 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.5 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Intraperitoneale Erkrankungen . .
195 195 196
12.1 Benigne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . 12.1.1 Charakteristika benigner Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Maligne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.1 Charakteristika maligner Tumoren . . . . . . . . . . . . . . 12.2.2 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.3 Tumormarker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Tumorbiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.1 Karzinogene Faktoren . . . . . . . . . . . 12.3.2 Tumorimmunologie . . . . . . . . . . . . 12.3.3 Theorie der Tumorentstehung . . . 12.3.4 Metastasierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4 Therapie maligner Tumoren . . . . . 12.4.1 Chirurgische Therapie . . . . . . . . . . 12.4.2 Chemotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.3 Strahlentherapie . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.4 Multimodale Therapiekonzepte . 12.4.5 Palliative Therapieverfahren . . . . 12.5 Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
235
9.6 9.7 9.7.1 9.7.2
Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktuelle Beschwerden . . . . . . . . . . Schmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionsstörungen . . . . . . . . . . . . Erbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dysphagie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Singultus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gastrointestinale Blutung . . . . . . . Persönliche Anamnese . . . . . . . . . . Familienanamnese . . . . . . . . . . . . . Körperliche Untersuchung . . . . . . Untersuchungsgang . . . . . . . . . . . . Lokalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beurteilung der Operabilität . . . . Aufklärung und Dokumentation . Apparative Diagnostik . . . . . . . . . . Ultraschall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Computertomographie (CT) . . . . . Magnetresonanztomographie (MRI, MRT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konventionelle Radiologie . . . . . . Kontrastmitteluntersuchungen . . Angiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nuklearmedizinische Untersuchungen (Szintigraphie) . . . . . . Endoskopische Diagnostik . . . . . . Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationsstellung . . . . . . . . . . . . . Indikationsformen . . . . . . . . . . . . . .
9.1.2 9.1.3 9.2 9.2.1 9.2.2 9.3 9.4 9.5 9.5.1 9.5.2 9.5.3 9.5.4 9.5.5 9.5.6 9.5.7
10.1 10.1.1 10.1.2 10.1.3
193 193 194 194 194
196 197 201 202
11.2 11.2.1 11.2.2 11.3 11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.4 11.4.1 11.4.2
VII
223 225 225 225 226 226 228 230 232 232 233 234
235 235 235 237 241 241 242 244 246 247 247 248 250 251 252 253 255
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VIII
Inhaltsverzeichnis 12.5.1 12.5.2 12.5.3 12.5.4 12.5.5
13
Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Therapie . . . . . . . . . . Immuntherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . Gentherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere therapeutische Ansätze .
Aspekte der Lebensqualität
13.1 13.2
Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . Determinanten der Bewertung von Lebensqualität . . . . . . . . . . . . . 13.2.1 Erlebnisdimensionen . . . . . . . . . . . 13.2.2 Zeitdimension und Bezugsdimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Bedeutung des Lebensqualitätskonzeptes für die Chirurgie . . . . . 13.4 Methoden der Messung von Lebensqualität . . . . . . . . . . . . . . . . .
255 256 256 257 257
259 259 259 259 262 262 263
13.5 13.6
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritische Anmerkungen . . . . . . . . .
264 264
14
Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . .
267
14.1 14.2
Ärztliche Aufklärungspflicht . . . . Haftpflichtversicherung . . . . . . . . .
267 269
15
Versicherungswesen und chirurgische Begutachtung . . . . 271
15.1 Versicherungswesen . . . . . . . . . . . . 15.1.1 Gesetzliche Krankenversicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1.2 Gesetzliche Unfallversicherung . 15.1.3 Gesetzliche Rentenversicherung . 15.1.4 Private Versicherungen . . . . . . . . . 15.2 Chirurgische Begutachtung . . . . . .
271 271 272 272 273 273
1.8.2 1.8.3 1.9 1.9.1 1.9.2
Traktionsdivertikel . . . . . . . . . . . . . Epiphrenales Divertikel . . . . . . . . . Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benigne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . .
295 296 297 297 297
2
Zwerchfell . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
303
2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.4 2.5
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwerchfellhernien . . . . . . . . . . . . . . Angeborene Hernien . . . . . . . . . . . . Hiatushernien . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwerchfellruptur . . . . . . . . . . . . . . . Relaxatio diaphragmatica . . . . . . . Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
303 304 304 305 309 311 312
3
Magen und Duodenum . . . . .
313
3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.4 3.4.1 3.4.2
Anatomie und Physiologie . . . . . . Topographische Anatomie . . . . . . Physiologie und Pathophysiologie Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Röntgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionsuntersuchungen . . . . . . Fehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypertrophe Pylorusstenose . . . . Magenvolvulus . . . . . . . . . . . . . . . . . Duodenalatresien und -stenosen Duodenal- und Magendivertikel . Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mallory-Weiss-Syndrom . . . . . . . . Magen- und Duodenalruptur . . . .
313 313 314 317 317 317 319 319 319 320 320 320 321 321 321 322
Teil B Spezielle Chirurgie 1
Ösophagus . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
275
1.1 1.1.1 1.1.2 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.4 1.4.1 1.4.2 1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Topographische Anatomie . . . . . . Funktionelle Anatomie . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Röntgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endosonographie . . . . . . . . . . . . . . . CT, NMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ösophagusmanometrie . . . . . . . . . pH-Metrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Missbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Ösophagusatresie . . . . . . . . . . . . . . . Dysphagia lusoria . . . . . . . . . . . . . . Kongenitale Ösophagusstenose . . Schatzki-Ring . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ösophagitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Plummer-Vinson-Syndrom . . . . . . Motilitätsstörungen . . . . . . . . . . . . Krikopharyngeale Achalasie . . . . . Achalasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Idiopathischer Ösophagusspasmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gastroösophagealer Reflux und Kardiainsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . Primärer (endogener) Brachyösophagus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spontane Ösophagusperforation . Traumatische Perforation . . . . . . . Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laugen- und Säureverätzungen . . Divertikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zenker-Divertikel . . . . . . . . . . . . . .
275 275 275 276 277 278 278 279 279 279 280 280 280 280 281 281 281 282 282 282 282
1.5.4 1.6 1.7 1.7.1 1.7.2 1.7.3 1.7.4 1.8 1.8.1
284 284 288 289 290 290 291 292 293 294
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Inhaltsverzeichnis 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.5 3.5.1 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3
3.6.4 3.6.5 3.7 3.7.1 3.7.2 3.8 3.8.1 3.8.2 3.9 3.9.1 3.9.2 3.9.3 3.9.4 3.9.5 3.9.6 3.9.7 3.9.8
4
Verätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezoar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündliche Erkrankungen . . . . . Gastritiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulkuskrankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute Ulzera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronische Ulzera . . . . . . . . . . . . . . Ulcera ventriculi . . . . . . . . . . . . . . . . Ulcus duodeni . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen des Ulkusleidens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . Benigne Magentumoren . . . . . . . . Maligne Magentumoren . . . . . . . . Tumoren des Duodenums . . . . . . . Benigne Duodenaltumoren . . . . . . Maligne Duodenaltumoren . . . . . . Syndrome nach Operationen am Magen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frühdumpingsyndrom . . . . . . . . . . Spätdumpingsyndrom . . . . . . . . . . Postvagotomie-Syndrom . . . . . . . . Schlingensyndrome . . . . . . . . . . . . . Magenstumpfkarzinom . . . . . . . . . Rezidivulkus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulcus pepticum jejuni . . . . . . . . . . Refluxgastritis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
323 323 324 325 325 327 327 328 330 330 333 334 340 343 343 344 351 351 351 352 352 352 353 353 354 354 355 356
Mesenterialverletzungen . . . . . . . Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dünndarmoperationen . . . . . . . . . Dünndarmresektion . . . . . . . . . . . . Dünndarmstomata . . . . . . . . . . . . .
376 377 378 378 379
5
Appendix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
381
5.1 5.2 5.2.1 5.2.2
381 381 385
5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Appendizitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Atypische Appendizitis . . . . . . . . . Komplikationen der Appendizitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronische Appendizitis . . . . . . . . Primäre maligne Tumoren der Appendix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karzinoid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muzinöses Zystadenokarzinom . . Adenokarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . Adenokarzinoid-Tumor . . . . . . . . .
388 388 388 389 389
6
Kolon und Rektum . . . . . . . . . .
391
6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Symptome . . . . . . . . . . Diagnostische Verfahren bei Dickdarmerkrankungen . . . . . . . . . Kongenitale Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Divertikulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Divertikulitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Colitis ulcerosa . . . . . . . . . . . . . . . . . Morbus Crohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ischämische Kolitis . . . . . . . . . . . . . Pseudomembranöse Kolitis . . . . . Dickdarmtumoren . . . . . . . . . . . . . . Kolonpolypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neoplastische Polypen . . . . . . . . . . Kolorektales Karzinom . . . . . . . . . . Karzinoid des Rektums . . . . . . . . . Intestinale Polyposis-Syndrome . Familiäre adenomatöse Polyposis-Syndrome . . . . . . . . . . . . Familiäre, hamartomatöse Polyposis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht familiäre gastrointestinale Polyposis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intestinale Non-PolyposisSyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Kolon- und Rektumerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angiodysplasie . . . . . . . . . . . . . . . . . Kolonvolvulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rektumprolaps . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronische Verstopfung des Erwachsenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rektumverletzungen . . . . . . . . . . .
391 391 392 392
5.2.3 5.3
6.2
Dünndarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
357
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physiologie und Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Malassimilationssyndrom (Maldigestion/Malabsorption) . . . 4.2.1 Blindsacksyndrom/Syndrom der blinden Schlinge . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Kurzdarmsyndrom . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Strahlenenteropathie . . . . . . . . . . . 4.3 Missbildungen/Lageanomalien . . 4.4 Dünndarmdivertikel . . . . . . . . . . . 4.4.1 Meckel-Divertikel . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Divertikulose des Dünndarms . . . 4.5 Entzündungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Morbus Crohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Dünndarmtuberkulose . . . . . . . . . . 4.6 Dünndarmulzera . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Pneumatosis cystoides intestinalis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8 Dünndarmfisteln . . . . . . . . . . . . . . . 4.9 Dünndarmtumoren . . . . . . . . . . . . . 4.9.1 Benigne Dünndarmtumoren . . . . . 4.9.2 Maligne Dünndarmtumoren . . . . . 4.9.3 Karzinoid-Syndrom . . . . . . . . . . . . . 4.10 Intestinale Ischämie . . . . . . . . . . . . 4.11 Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.1 Stumpfe und perforierende Bauchverletzungen . . . . . . . . . . . . .
357 357
4.1 4.1.1 4.1.2
4.11.2 4.12 4.13 4.13.1 4.13.2
357 358 361 362 362 363 363 363 365 366 366 371 371
6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.3.6 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.6
371 372 373 373 374 374 375 375
6.7 6.7.1 6.7.2 6.7.3 6.7.4 6.7.5
IX
387 387
393 394 394 394 395 399 404 406 407 408 408 408 409 421 421 422 424 425 426 426 426 427 429 430 431
375
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X
Inhaltsverzeichnis
7
Anus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
433
Anatomie und Physiologie . . . . . . Proktologische Untersuchung . . . Analerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . Hämorrhoiden . . . . . . . . . . . . . . . . . Perianalvenenthrombose . . . . . . . Marisken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypertrophe Analpapillen . . . . . . Kondylome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündliche Erkrankungen des Analbereichs . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.7 Proktitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.8 Perianaldermatitis (Analekzem) . 7.3.9 Prolaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.10 Tumoren des Analbereichs . . . . . . 7.3.11 Defäkationsstörungen . . . . . . . . . . 7.3.12 Anorektale Schmerzsyndrome . .
433 434 437 439 443 444 445 446
7.1 7.2 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5 7.3.6
8 8.1 8.1.1
Gallenblase und Gallenwege . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Topographische Anatomie der Gallenblase und der Gallenwege 8.1.2 Physiologie und Pathophysiologie 8.1.3 Apparative Diagnostik . . . . . . . . . . 8.2 Anomalien der Gallenblase und Gallengänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1 Gallengangszysten . . . . . . . . . . . . . . 8.2.2 Caroli-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Ikterus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1 Hämolytischer Ikterus (prähepatisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2 Hepatozellulärer Ikterus (intrahepatisch) . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.3 Cholestatischer Ikterus . . . . . . . . . 8.4 Cholezysto-/Choledocholithiasis 8.4.1 Ätiologie und Pathogenese der Steinbildung . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.2 Cholezystolithiasis . . . . . . . . . . . . . 8.4.3 Choledocholithiasis . . . . . . . . . . . . . 8.5 Cholezystitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.1 Akute Cholezystitis . . . . . . . . . . . . . 8.5.2 Chronische Cholezystitis . . . . . . . . 8.5.3 Emphysematöse Cholezystitis . . . 8.5.4 Posttraumatische Cholezystitis . . 8.6 Cholangitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.1 Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) . . . . . . . . . . . . . . . 8.7 Gallengangsstrikturen . . . . . . . . . . 8.8 Papillenstenose . . . . . . . . . . . . . . . . 8.9 Tumoren der Gallenblase und der Gallenwege . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.9.1 Benigne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . 8.9.2 Maligne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . 8.10 Papillentumoren . . . . . . . . . . . . . . . 8.10.1 Benigne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . 8.10.2 Maligne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . 8.11 Differenzialdiagnose des rechtsseitigen Oberbauchschmerzes . . . 8.11.1 Funktionsstörungen (Dyskinesien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
447 456 458 458 461 462 466
469 469 469 471 471 473 474 474 476 477 477 478 479 479 479 483 485 485 486 487 487 488 489 490 491 491 491 492 496 496 497 498 498
8.12 Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . 8.12.1 Cholezystektomie . . . . . . . . . . . . . . 8.12.2 Choledochotomie und Choledochusrevision . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.12.3 T-Dränage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.12.4 Biliodigestive Anastomosen . . . . . 8.12.5 Endoskopische Eingriffe an der Papille . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.12.6 Papillenplastik und Papillenresektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.12.7 Palliative operative Maßnahmen 8.12.8 Postcholezystektomiesyndrom . .
499 499 500 501 501 503 503 503 504
9
Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
505
9.1 9.2 9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.4 9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.4.4 9.5 9.5.1 9.5.2 9.6
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische Untersuchung . . . . . . . . . Labordiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . Apparative Diagnostik . . . . . . . . . . Lebertumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumorartige Läsionen . . . . . . . . . . . Benigne Lebertumoren . . . . . . . . . . Maligne Lebertumoren . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebertrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung/Schweregrade . . . . . . . Therapieverfahren . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Komplikationen in der Leberchirurgie . . . . . . . . . . .
505 506 507 507 508 508 512 512 516 519 523 527 527 528
Portale Hypertension . . . . . . .
533
10
530
10.1
Klassifikation und Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Therapie bei gastroösophagealen Varizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.1 Primärprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2 Akute Varizenblutung . . . . . . . . . . 10.4.3 Prophylaxe der Rezidivblutung . . 10.5 Therapie des Aszites . . . . . . . . . . . .
538 538 538 542 543
11
Pankreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
547
Topographische Anatomie . . . . . . Gefäßversorgung . . . . . . . . . . . . . . . Lymphabfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pankreasgangsystem . . . . . . . . . . . Missbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Pancreas divisum . . . . . . . . . . . . . . . Pancreas anulare . . . . . . . . . . . . . . . Ektopes Pankreas . . . . . . . . . . . . . . . Pankreasagenesie/Pankreashypoplasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.5 Pankreaszysten . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.1 Exokrines Pankreas . . . . . . . . . . . . .
547 547 548 549 549 550 550 550
11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.3 11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.3 11.2.4
533 534 534
551 551 551 552
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Inhaltsverzeichnis 11.3.2 Endokrines Pankreas . . . . . . . . . . . . 11.4 Angeborene Pankreaserkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5 Pankreatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5.1 Akute Pankreatitis . . . . . . . . . . . . . . 11.5.2 Chronische Pankreatitis . . . . . . . . . 11.6 Pankreasverletzungen . . . . . . . . . . 11.7 Pankreastumoren . . . . . . . . . . . . . . . 11.7.1 Benigne Pankreastumoren . . . . . . 11.7.2 Hormonaktive Tumoren . . . . . . . . 11.7.3 Maligne Pankreastumoren . . . . . .
552
13.4
552 552 552 557 565 566 566 567 568
13.4.1 13.4.2 13.4.3
Milz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
573
12.1 12.1.1 12.1.2 12.2 12.2.1 12.2.2
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Anatomie . . . . . . . . . Funktionelle Anatomie . . . . . . . . . . Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen des Milzverlustes . . . . . . . . Postsplenektomiesepsis/ OPSI-Syndrom (overwhelming postsplenectomy infection) . . . . . Apparative Diagnostik . . . . . . . . . . Erkrankungen der Milz . . . . . . . . . Splenomegalie . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypersplenismus (Hyperspleniesyndrom) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenständige Erkrankungen der Milz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milzbeteiligung an hämatologischen Erkrankungen . . . . . . . . . . . . Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP; Morbus Werlhof) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hämolytische Anämien . . . . . . . . . Maligne Lymphome, chronisch lymphatische Leukämie (CLL) und Haarzell-Leukämie . . . . . . . . . Operationen an der Milz . . . . . . . . Milzerhaltende Operationstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Splenektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . .
573 573 574 575 576
12.4.3 12.5 12.6 12.6.1
12.6.2 12.6.3
12.7 12.7.1 12.7.2 12.7.3
13
Endoskopie in der Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13.1 Allgemeines und Indikationen . . . 13.2 Fremdkörperentfernung . . . . . . . . 13.2.1 Art der Fremdkörperentfernung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.2 Spontanverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.3 Indikation zur endoskopischen Entfernung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.4 Vorgehen bei der endoskopischen Fremdkörperentfernung . . . . . . . . 13.2.5 Ergebnisse der Endoskopie . . . . . . 13.3 Ösophagusstenosen . . . . . . . . . . . . 13.3.1 Benigne Strikturen . . . . . . . . . . . . . 13.3.2 Maligne Stenosen . . . . . . . . . . . . . .
13.5 13.5.1 13.5.2
12
12.3 12.4 12.4.1 12.4.2
13.4.4 13.4.5
577 578 578 578
13.5.3 13.5.4 13.5.5 13.5.6 13.6 13.6.1 13.7
13.7.1 579 580 581
13.7.2 13.7.3 13.7.4 13.8
584 13.8.1 584 585
13.8.2 13.8.3 13.8.4
585 586 586 586 587
589 589 589 589 590 590 591 592 592 592 594
13.8.5 13.9
14
Therapie der Ösophagus- bzw. Fundusvarizen . . . . . . . . . . . . . . . . . Behandlungsverfahren . . . . . . . . . . Akute Varizenblutung . . . . . . . . . . Therapie im blutungsfreien Intervall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prophylaktische Therapie . . . . . . . Komplikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht varizenbedingte Blutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbereitung für die Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische Befunde . . . . . . . . . Endoskopische Therapiemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehen nach endoskopischer Blutstillung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) . . . . . . . . . . . . . Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische Therapie an der Papilla Vateri und am Gallengangssystem . . . . . . . . . Endoskopische Papillotomie (ETP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische Papillektomie . . . Endoskopische Steinextraktion . . Gallengangsdränage . . . . . . . . . . . . Endoskopische Therapie am Pankreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische Papillotomie (EPT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pankreasgangdränage . . . . . . . . . . . Entfernung von Pankreasgangsteinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dränage von Pseudozysten und Abszessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fistelverklebung . . . . . . . . . . . . . . . . Polypektomie im Gastrointestinaltrakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI
597 598 600 601 601 601 601 601 602 602 603 605 605 605 606
607 607 608 609 611 615 615 615 616 616 618 619
Minimal-invasive Chirurgie
623
14.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.1 Operative Prinzipien, technische und apparative Ausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.2 Pathophysiologische Aspekte . . . 14.1.3 Vor- und Nachteile, laparoskopiespezifische Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Laparoskopische Cholezystektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3 Laparoskopische Appendektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Minimal-invasive Hernienreparation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.1 Inguinal- und Femoralhernien . . 14.4.2 Narbenhernien . . . . . . . . . . . . . . . . .
623
623 625
625 626 628 630 630 632
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XII
Inhaltsverzeichnis 14.5 14.6
Laparoskopische Adhäsiolyse . . . Laparoskopische Antirefluxchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.7 Laparoskopische Vagotomie . . . . . 14.8 Laparoskopische bzw. laparoskopisch assistierte Kolonchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.9 Laparoskopische Chirurgie des Rektumprolaps und der Beckenbodeninsuffizienz . . . . . . . 14.10 Minimal-invasive Adrenalektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.11 Weitere laparoskopische Eingriffe und Entwicklungen . . . .
639
15
Hals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
641
15.1 15.1.1 15.1.2 15.1.3 15.1.4 15.1.5 15.2 15.2.1 15.2.2 15.3 15.4 15.4.1 15.4.2 15.5 15.6 15.7
Topographische Anatomie . . . . . . Halsregionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halsfaszien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eingeweidestrang . . . . . . . . . . . . . . Leitungsbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . Lymphknoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halszysten und -fisteln . . . . . . . . . Halsrippe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muskulärer Schiefhals . . . . . . . . . . Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perforierende Verletzungen . . . . . Andere Verletzungsmechanismen Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tracheotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
641 641 642 643 643 644 645 645 647 649 649 649 650 650 652 653
16
Schilddrüse und Nebenschilddrüsen . . . . . . . . .
16.1 Schilddrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.1 Anatomie und Physiologie . . . . . . 16.1.2 Schilddrüsenerkrankungen . . . . . Störungen der Schilddrüsenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Euthyreote Struma . . . . . . . . . . . . . Funktionelle Autonomie . . . . . . . . Morbus Basedow . . . . . . . . . . . . . . . Thyreoitiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schilddrüsentumoren . . . . . . . . . . . 16.1.3 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Therapie . . . . . . . . . . Medikamentöse Therapie . . . . . . . Radiojodtherapie . . . . . . . . . . . . . . . Andere Therapieformen . . . . . . . . . 16.2 Nebenschilddrüsen . . . . . . . . . . . . . 16.2.1 Anatomie und Physiologie . . . . . . 16.2.2 Erkrankungen der Nebenschilddrüsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primärer Hyperparathyreoidismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärer Hyperparathyreoidismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
632 633 634
MEN-Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Nebenschilddrüsentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypoparathyreoidismus . . . . . . . . 16.2.3 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
683 684 684 685 687
17
Nebenniere . . . . . . . . . . . . . . . . . .
691
17.1 17.2 17.2.1 17.2.2
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nebennierenrinde (NNR) . . . . . . . . Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nebennierenrindenüberfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom) . . . . . . . . . . . . . Primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) . . . . . . . . . . . . . . . Adrenogenitales Syndrom (AGS) . Nebennierenrindeninsuffizienz . Tumoren der Nebenniere . . . . . . . Nebennierenrindenkarzinom . . . . Tumoren des Nebennierenmarks: Phäochromozytom . . . . . . Hormoninaktive Nebennierentumoren (Inzidentalom) . . . . . . . .
691 691 691
634
635 637
655 655 655 658 658 659 661 662 665 666 669 673 673 676 677 678 678 678 680 680 682
17.2.3 17.3 17.3.1 17.3.2 17.3.3
18
693 693 696 698 699 701 701 701 704
Retroperitoneum . . . . . . . . . . .
707
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnose und Therapie . . . . . . . . . Spezifische Erkrankungen des Retroperitoneums . . . . . . . . . . . . . . 18.2.1 Entzündliche Erkrankungen . . . . . 18.2.2 Retroperitoneale Blutung . . . . . . . 18.2.3 Neubildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
707 707 707 709 709 710 711
19
Brustdrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
713
19.1 Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2 Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . 19.2.1 Wachstumsbedingte Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.2 Anlagebedingte Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3 Entzündungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3.1 Laktationsbedingte Entzündungen (Mastitis puerperalis) . . . . . . . 19.3.2 Laktationsunabhängige Entzündungen (Mastitis nonpuerperalis) . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4 Gutartige Erkrankungen der weiblichen Brust . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.1 Mastopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.2 Fibroadenom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.3 Hamartom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.4 Adenom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.5 Lipom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.6 Zysten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.7 Sklerosierende Adenose . . . . . . . .
713 716
18.1 18.1.1 18.1.2 18.2
716 716 716 716
716 717 717 718 719 719 719 719 720
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
Inhaltsverzeichnis 19.4.8 19.4.9 19.5 19.5.1 19.5.2 19.5.3 19.5.4 19.5.5
Milchgangspapillom . . . . . . . . . . . . Milchgangsektasie . . . . . . . . . . . . . . Mammakarzinom . . . . . . . . . . . . . . . Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lokalisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologisches Erscheinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.5.6 Prognosefaktoren . . . . . . . . . . . . . . . 19.5.7 Tumorausbreitung . . . . . . . . . . . . . . 19.5.8 TNM-Klassifikation (UICC) . . . . . . 19.5.9 Chirurgische Therapie . . . . . . . . . . 19.5.10 Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . 19.5.11 Rezidive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.5.12 Nachsorgemaßnahmen . . . . . . . . . 19.6 Erkrankungen der männlichen Brust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.6.1 Gynäkomastie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.6.2 Karzinom der männlichen Brust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
720 720 721 721 722 723 724 728 730 731 734 735 739 740 741 742 742
22.1.2 22.1.3 22.1.4 22.1.5 22.1.6 22.1.7 22.2 22.2.1 22.2.2 22.2.3 22.2.4 22.2.5 22.2.6 22.3 22.4 22.5
743 22.5.1
20
Hernien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
745
20.1 20.1.1 20.1.2 20.1.3
Allgemeine Hernienlehre . . . . . . . Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bruchformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Hernienlehre . . . . . . . . . . Hernien der vorderen Bauchwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brüche der Leistenregion . . . . . . . Indirekter und direkter Leistenbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schenkelhernie (Hernia femoralis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seltene Bruchformen . . . . . . . . . . . Innere Hernien . . . . . . . . . . . . . . . . . Narbenbrüche . . . . . . . . . . . . . . . . . .
745 745 746
20.1.4 20.1.5 20.1.6 20.1.7 20.2 20.2.1 20.2.2
20.2.3 20.2.4 20.2.5
746 746 747 747 749 751 751 753 753 759 762 763 764
21
Weichteiltumoren . . . . . . . . . .
765
21.1 21.2 21.3 21.4 21.4.1 21.4.2 21.4.3 21.4.4
Definition und Einteilung . . . . . . . Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Therapie . . . . . . . . . . Strahlentherapie . . . . . . . . . . . . . . . Chemotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Therapieformen . . . . . . . . .
765 766 767 771 771 773 773 773
22
22.5.2 22.6 22.6.1 22.6.2
23
Kinderchirurgie . . . . . . . . . . . .
23.1
Erkrankungen und Missbildungen des Neugeborenenalters . . . Zystisches Lymphangiom . . . . . . Halszysten und -fisteln . . . . . . . . Schiefhals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ösophagusatresie . . . . . . . . . . . . . . Ösophagotracheale Fistel . . . . . . Tracheomalazie/Trachealstenose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kongenitale Lungenfehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kongenitales lobäres Emphysem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kongenitale Zwerchfelldefekte . Brustwanddeformitäten . . . . . . . Relaxatio diaphragmatica (Zwerchfelllähmung) . . . . . . . . . . Omphalozele/Gastroschisis (Laparoschisis) . . . . . . . . . . . . . . . . Gallengangsatresie . . . . . . . . . . . . Lageanomalien des MagenDarm-Trakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . Duplikaturen des MagenDarm-Trakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . Duodenalatresie/-stenose, Pancreas anulare . . . . . . . . . . . . . . Atresien des Jejunums, Ileums und Kolons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anal- und Rektumatresie . . . . . . . Anal- und Rektumprolaps . . . . . . Mekoniumileus . . . . . . . . . . . . . . . .
23.1.1 23.1.2 23.1.3 23.1.4 23.1.5 23.1.6 23.1.7 23.1.8 23.1.9 23.1.10 23.1.11 23.1.12 23.1.13 23.1.14 23.1.15 23.1.16 23.1.17
Transplantation . . . . . . . . . . . . .
775
22.1 Organspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.1.1 Lebendorganspende . . . . . . . . . . . .
775 775
Verstorbenenorganspende . . . . . Hirntod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . Organisation der Organspende und Organtransplantation . . . . . . Organspendeoperation . . . . . . . . Gewebespende . . . . . . . . . . . . . . . . Transplantationsimmunologie . Transplantationsantigene . . . . . . Immunantwort gegen Alloantigene . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arten der Transplantatabstoßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immunsuppression . . . . . . . . . . . . Überwachung der Abstoßungsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differenzialdiagnosen . . . . . . . . . Nierentransplantation . . . . . . . . . Lebertransplantation . . . . . . . . . . Pankreas- und Dünndarmtransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pankreas- und Inseltransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dünndarmtransplantation . . . . . Herz-/Lungentransplantation . . Herztransplantation . . . . . . . . . . . Lungen- und Herz-Lungentransplantation . . . . . . . . . . . . . . . .
23.1.18 23.1.19 23.1.20
XIII
776 776 777 778 779 779 780 780 781 784 784 788 789 789 798 802 802 806 807 807 813
819
819 819 820 820 820 821 822 822 824 825 827 827 829 830 831 834 834 836 838 840 840
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
XIV
Inhaltsverzeichnis 23.1.21 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2 Kinderchirurgische Erkrankungen im Säuglingsalter . . . . . . . . . . 23.2.1 Hypertrophe Pylorusstenose . . . 23.2.2 Hiatushernie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.3 Invagination . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.4 Appendizitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.5 Megacolon congenitum . . . . . . . . 23.2.6 Nabelhernie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.7 Persistierender Ductus omphaloentericus/MeckelDivertikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.8 Urachusfistel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.9 Leistenhernie/Hydrozele . . . . . . . 23.2.10 Wilms-Tumor . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.11 Neuroblastom . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3 Urologische Erkrankungen im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3.1 Zystische Nierenerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3.2 Kongenitale Urethralklappen . . . 23.3.3 Ureterabgangsstenose . . . . . . . . . 23.3.4 Ureterostiumstenose . . . . . . . . . . 23.3.5 Doppelureter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3.6 Vesikoureteraler Reflux . . . . . . . . 23.3.7 Ureterozele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3.8 Hypospadie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3.9 Phimose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3.10 Maldescensus testis . . . . . . . . . . . 23.3.11 Hodentorsion . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3.12 Varikozele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
Gefäßchirurgie . . . . . . . . . . . . .
24.1
Erkrankungen des Arteriensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute Arterienverschlüsse der Extremitäten . . . . . . . . . . . . . . Akrale Ischämiesyndrome . . . . . . Chronische Verschlussprozesse der Extremitäten . . . . . . . . . . . . . . Neurovaskuläre Kompressionssyndrome, Thoracic-outletSyndrom (TOS) . . . . . . . . . . . . . . . . Chronische Verschlussprozesse der supraaortalen Gefäße . . . . . . Zerebrovaskuläre Insuffizienz . . Vertebrobasiläre Insuffizienz . . . Ischämiesyndrome der Viszeralarterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renovaskuläre Insuffizienz . . . . . Arterienverletzungen . . . . . . . . . . Arterielle Aneurysmen . . . . . . . . . Arteriovenöse Fisteln . . . . . . . . . . Sonderform der AV-Fistel: der Hämodialyseshunt . . . . . . . . . Angiome und Angiodysplasien . Erkrankungen der Venen . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thrombophlebitis . . . . . . . . . . . . .
24.1.1 24.1.2 24.1.3 24.1.4 24.1.5
24.1.6
24.1.7 24.1.8 24.1.9 24.1.10 24.1.11 24.1.12 24.1.13 24.2 24.2.1 24.2.2
24.2.3
844 844 845 846 849 849 851
24.2.4
852 854 854 856 858
24.3 24.3.1 24.3.2
Chronische Erkrankung des oberflächlichen Venensystems, Varikosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute Erkrankung des tiefen Venensystems, BeckenBeinvenenthrombose . . . . . . . . . . Sonderformen der tiefen Venenthrombose . . . . . . . . . . . . . . Chronische Erkrankung des tiefen Venensystems – das postthrombotische Syndrom (PTS) . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgie der Lymphgefäße . . . . Entzündliche Erkrankung des Lymphsystems . . . . . . . . . . . . . . . . Lymphödeme . . . . . . . . . . . . . . . . .
859
25
Herzchirurgie . . . . . . . . . . . . . .
947
859 861 862 863 864 865 866 867 868 869 870 871
25.1 25.1.1 25.1.2 25.1.3
Grundlagen der Herzchirurgie . . Geschlossene Herzoperation . . . Operation am offenen Herzen . . Prinzip der extrakorporalen Zirkulation (EKZ) . . . . . . . . . . . . . . Kongenitale Fehlbildungen . . . . . Aortenisthmusstenose (Coarctatio aortae) . . . . . . . . . . . . Aortenbogenanomalien . . . . . . . . Kongenitale Aortenstenosen . . . Kongenitale Pulmonalstenosen . Kongenitale Herzfehler mit Links-rechts-Shunt auf Vorhofebene und Fehleinmündungen der Lungenvenen . . . . . . . . . . . . . . Ostium-primum-Defekt (ASD I) Ostium-secundum-Defekt (ASD II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sinus-venosus-Defekt . . . . . . . . . Partielle Lungenvenenfehleinmündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Totale Lungenvenenfehleinmündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kongenitale Herzfehler mit Links-rechts-Shunt auf Ventrikelebene . . . . . . . . . . . . . . . . Ventrikelseptumdefekt (VSD) . . Ductus arteriosus Botalli . . . . . . . Aortopulmonales Fenster . . . . . . Cor triatriatum . . . . . . . . . . . . . . . . Kongenitale Herzfehler mit Rechts-links-Shunt . . . . . . . . . . . . Transposition der großen Arterien (TGA) . . . . . . . . . . . . . . . . Fallot-Tetralogie . . . . . . . . . . . . . . . Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt . . . . . . . . . . . . . . . . . Double outlet right ventricle (DORV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Truncus arteriosus communis . . Trikuspidalatresie . . . . . . . . . . . . . Ebstein-Erkrankung . . . . . . . . . . . Fehleinmündung der Hohlvenen
947 947 948
842
24.2.5 24.2.6
25.2 25.2.1 25.2.2 25.2.3 25.2.4 25.2.5
873
873 873 888 892 893
25.2.6
900 901 902 905 906 911 912 915 922 924 925 927 927 929
25.2.7
931
934 938
941 942 942 943
948 955 955 958 959 962
965 966 968 968 969 969
970 970 971 972 973 974 974 976 978 979 980 981 982 983
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
Inhaltsverzeichnis 25.3 25.3.1 25.3.2 25.3.3 25.3.4 25.3.5 25.3.6 25.3.7 25.3.8
Erworbene Herzerkrankungen . Erworbene Herzklappenfehler . Koronare Herzkrankheit (KHK) . Herzwandaneurysmen . . . . . . . . . Chirurgie bei Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herztumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen des Perikards . . . . Thorakales Aortenaneurysma . . Verletzungen des Herzens . . . . .
984 984 987 991 992 995 995 996 999
27.1.2
27.1.3
26
Thoraxchirurgie . . . . . . . . . . . . 1001
26.1 26.1.1 26.1.2 26.2 26.2.1
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenanatomie . . . . . . . . . . Anatomie der Brusthöhle . . . . . . Pathophysiologie der Atmung . . Verfahren zur Untersuchung der Lungenfunktion . . . . . . . . . . . . Ventilationsgrößen . . . . . . . . . . . . Störungen der Lungenfunktion . Störungen des Säure-BasenHaushaltes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Risikoabschätzung vor lungenresezierenden Eingriffen . . . . . . . Untersuchungsmethoden . . . . . . Bildgebende Verfahren . . . . . . . . Endoskopische Verfahren . . . . . . Thoraxwand und Pleura . . . . . . . . Angeborene Thoraxdeformitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pleuraerguss . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pleuraempyem . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren der Thoraxwand und der Pleura . . . . . . . . . . . . . . . . Mediastinum . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thymus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bronchien und Lunge . . . . . . . . . . Fehlbildungen von Lunge und Bronchien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spontanpneumothorax . . . . . . . . Emphysem des Erwachsenen . . . Entzündliche Erkrankungen der Lunge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren der Lunge . . . . . . . . . . . . Thoraxverletzungen . . . . . . . . . . . Stumpfe Thoraxverletzungen . . Penetrierende Thoraxverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26.2.2 26.2.3 26.2.4 26.2.5 26.3 26.3.1 26.3.2 26.4 26.4.1 26.4.2 26.4.3 26.4.4 26.5 26.5.1 26.5.2 26.5.3 26.6 26.6.1 26.6.2 26.6.3 26.6.4 26.6.5 26.7 26.7.1 26.7.2
1001 1001 1001 1006 1006 1007 1008
27.1.4
27.1.5
1009 1009 1011 1011 1012 1016
27.2 27.2.1
1016 1018 1021 1022 1024 1024 1025 1026 1029 1029 1032 1035 1036 1042 1054 1054
27.2.2
1058
27
Traumatologie . . . . . . . . . . . . . 1065
27.1 27.1.1
Allgemeine Traumatologie . . . . . Frakturenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . Frakturmechanismen . . . . . . . . . . Frakturformen . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompressions- oder Stauchungsbruch . . . . . . . . . . . . . . AO-Klassifizierung der Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1065 1065 1065 1065 1068 1070
27.2.3 27.2.4
Frakturen im Kindesalter . . . . . . Fraktursymptomatik . . . . . . . . . . . Begleitverletzungen . . . . . . . . . . . Knochenheilung . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen der Frakturbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Untersuchungstechnik des Bewegungsapparates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gelenkverletzungen . . . . . . . . . . . Knorpelverletzungen . . . . . . . . . . Verletzungen der Bandstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Luxationen (Verrenkungen) . . . . Gelenkerguss . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knochen- und Gelenkinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Osteitis/Osteomyelitis . . . . . . . . . Gelenkinfektionen . . . . . . . . . . . . . Verletzungen und Erkrankungen der Weichteile . . . . . . . . . . . . Verletzungen der Muskulatur . . Sehnenverletzungen . . . . . . . . . . . Schleimbeutelentzündungen . . . Spezielle Traumatologie . . . . . . . Schultergürtel und Oberarm . . . Untersuchungstechniken . . . . . . Sternoklavikulargelenkluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klavikulafraktur . . . . . . . . . . . . . . . Akromioklavikulargelenkluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skapulafraktur . . . . . . . . . . . . . . . . Schultergelenkluxation . . . . . . . . Impingementsyndrom . . . . . . . . . Ruptur der Bizepssehne . . . . . . . . Distale Ruptur der Bizepssehne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humeruskopffraktur . . . . . . . . . . . Kindliche proximale Oberarmfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humerusschaftfrakturen . . . . . . . Distale Oberarmfrakturen . . . . . . Kindliche distale Humerusfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ellenbogengelenk und Unterarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungstechniken . . . . . . Ellenbogengelenkluxation . . . . . Epicondylitis humeri radialis . . . Olekranonfraktur . . . . . . . . . . . . . . Radiusköpfchenfraktur . . . . . . . . Radiushalsfraktur . . . . . . . . . . . . . . Unterarmschaftfraktur . . . . . . . . . Unterarmluxationsfrakturen . . . Distale Radiusfraktur . . . . . . . . . . Kindliche distale Unterarmfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handgelenk und Hand . . . . . . . . . Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungstechniken . . . . . .
XV
1072 1075 1075 1077 1079 1086
1092 1093 1096 1100 1101 1102 1103 1103 1109 1110 1110 1113 1114 1115 1115 1115 1118 1119 1120 1122 1124 1129 1130 1132 1132 1135 1136 1138 1139 1142 1142 1144 1145 1146 1147 1148 1150 1151 1153 1155 1156 1157 1157 1158
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
XVI
Inhaltsverzeichnis
27.2.5
27.2.6
27.2.7
27.2.8
Verletzungen der oberen Halswirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen der unteren Halswirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen der Brust- und Lendenwirbelsäule . . . . . . . . . . . . Neurologische Zusatzverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Becken und Oberschenkel . . . . . . Beckenfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungstechnik Hüftgelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hüftgelenkluxation . . . . . . . . . . . . Proximale Femurfrakturen . . . . . Oberschenkelschaftfraktur . . . . . Distale Oberschenkelfraktur . . . Kniegelenk und Unterschenkel . Untersuchungstechniken . . . . . . Ligamentäre Verletzungen des Kniegelenkes . . . . . . . . . . . . . . Kniegelenkluxation . . . . . . . . . . . . Meniskusverletzungen . . . . . . . . . Patellaluxation . . . . . . . . . . . . . . . . Patellafraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . Rupturen der Quadrizeps- und Patellarsehne . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschenkelfrakturen . . . . . . . Sprunggelenk und Fuß . . . . . . . . . Untersuchungstechniken . . . . . . Achillessehnenruptur . . . . . . . . . . Bandverletzungen am Sprunggelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . Talusluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprunggelenkfrakturen . . . . . . . . Fußwurzelfrakturen . . . . . . . . . . . Zehenfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . Polytrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Maßnahmen an der Unfallstelle . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle präklinische Maßnahmen beim Polytrauma . Diagnostik in der Klinik . . . . . . . . Therapie in der Klinik . . . . . . . . . .
1160 1164 1167 1172 1173 1173 1184 1186 1188 1198 1201 1203 1203 1205 1206 1207 1210 1211 1212 1214 1223 1223 1224 1225 1227 1227 1237 1240 1241 1242 1243 1245 1246
28.3.4 28.3.5 28.3.6 28.3.7 28.3.8 28.3.9 28.3.10 28.3.11 28.4 28.4.1 28.4.2 28.4.3 28.4.4 28.4.5 28.4.6 28.4.7 28.4.8 28.5 28.5.1 28.5.2 28.5.3 28.6 28.7 28.8 28.8.1 28.8.2
28.8.3 28.8.4
Handchirurgie . . . . . . . . . . . . . . 1249
28.1 28.1.1 28.1.2 28.1.3 28.2
Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische Untersuchung . . . . . . . . Apparative Diagnostik . . . . . . . . . Bildgebende Verfahren . . . . . . . . Allgemeine perioperative Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operative Zugänge . . . . . . . . . . . . Verbände, Ruhigstellung, postoperative Maßnahmen . . . . Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . Handverletzungen . . . . . . . . . . . . . Fingerspitzenverletzungen . . . . . Nagelverletzungen . . . . . . . . . . . . Haut- und Weichteilmantelverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28.2.1 28.2.2 28.2.3 28.2.4 28.3 28.3.1 28.3.2 28.3.3
1249 1249 1251 1251 1253 1254 1256 1256 1257 1259 1259 1259 1260
1263 1265 1266 1274 1278 1282 1285 1285 1285 1286 1286 1286 1287 1288 1288 1288 1288 1289 1289 1290 1291 1291 1294 1295 1295
1297 1297 1298
29
Plastische Chirurgie . . . . . . . 1299
29.1 29.1.1 29.2
Wundbehandlung . . . . . . . . . . . . . Operationstechniken . . . . . . . . . . Atypische Wundheilung, Narben, Tätowierungen . . . . . . . . Keloide, hypertrophe Narbenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Narben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tätowierungen . . . . . . . . . . . . . . . . Plastisch-chirurgische Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exzisionen und Plastiken . . . . . . . Freies Hauttransplantat . . . . . . . . Spalthauttransplantate . . . . . . . . Vollhauttransplantate . . . . . . . . . Hautlappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weichteillappen . . . . . . . . . . . . . . . Fasziokutanlappen . . . . . . . . . . . . . Muskellappen und myokutane Lappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kombinierte Lappenplastiken . . Insellappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rotationslappen . . . . . . . . . . . . . . . Gewebeexpander . . . . . . . . . . . . . . Lokale Lappenplastiken . . . . . . . .
29.2.1
28
Amputation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Replantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sehnenverletzungen . . . . . . . . . . . Nervenverletzungen . . . . . . . . . . . Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gelenkverletzungen . . . . . . . . . . . Komplexe Handverletzungen . . Besondere Verletzungen . . . . . . . Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paronychie (Umlauf) . . . . . . . . . . . Panaritium subunguale . . . . . . . . Panaritium cutaneum . . . . . . . . . . Panaritium subcutaneum . . . . . . Panaritium articulare . . . . . . . . . . Panaritium ossale . . . . . . . . . . . . . Panaritium tendinosum (Sehnenscheidenphlegmone) . . Hohlhandphlegmone . . . . . . . . . . Erkrankungen der Sehnen und Sehnenscheiden . . . . . . . . . . . . . . . Tendovaginitis stenosans . . . . . . Tendovaginitis de Quervain . . . . Tenosynovialitis . . . . . . . . . . . . . . . Dupuytren-Kontraktur . . . . . . . . . Algodystrophie . . . . . . . . . . . . . . . . Nervenkompressionssyndrome an der Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karpaltunnelsyndrom (CTS) . . . . M.-pronator-teres- und N.-interosseus-anteriorSyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M.-ulnaris-Kompressionssyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N.-radialis-Kompressionssyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29.2.2 29.2.3 29.3 29.3.1 29.3.2
29.3.3
1299 1299 1300 1300 1301 1301 1302 1302 1303 1304 1306 1306 1306 1308 1308 1308 1308 1310 1310 1311
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
Inhaltsverzeichnis 29.4 29.5 29.5.1 29.5.2 29.5.3 29.6 29.6.1 29.6.2 29.6.3 29.6.4 29.6.5
Bauchwandrekonstruktion . . . . . Plastische Chirurgie der weiblichen Brust . . . . . . . . . . . . . . Augmentationsplastik . . . . . . . . . Reduktionsplastik . . . . . . . . . . . . . Brustrekonstruktion . . . . . . . . . . . Ästhetische Chirurgie . . . . . . . . . . Blepharoplastik . . . . . . . . . . . . . . . Rhinoplastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otoplastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Facelift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fettabsaugung (Liposuction, Suction lipectomy) . . . . . . . . . . . .
1312 1313 1313 1314 1314 1316 1316 1317 1318 1318
31.2.8 31.3 31.3.1 31.3.2 31.3.3 31.4 31.5 31.5.1 31.5.2
1319 31.5.3
30 30.1 30.1.1 30.1.2 30.1.3 30.1.4 30.1.5 30.2 30.2.1 30.2.2 30.3 30.3.1 30.3.2 30.3.3 30.4 30.4.1
Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie . . . . . . . . . . 1321
30.4.2 30.4.3 30.5 30.5.1 30.5.2 30.6 30.6.1 30.6.2
Entzündungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Furunkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odontogene Abszesse . . . . . . . . . . Osteomyelitis . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktinomykose . . . . . . . . . . . . . . . . . Speicheldrüsenentzündungen . . Zysten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kieferzysten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weichteilzysten . . . . . . . . . . . . . . . Gutartige Tumoren . . . . . . . . . . . . Weichgewebetumoren . . . . . . . . . Knochentumoren . . . . . . . . . . . . . . Speicheldrüsentumoren . . . . . . . Bösartige Tumoren . . . . . . . . . . . . Haut- und Schleimhauttumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Speicheldrüsentumoren . . . . . . . Knochentumoren . . . . . . . . . . . . . . Gesichtsverletzungen . . . . . . . . . . Weichteilverletzungen . . . . . . . . . Gesichtsschädelfrakturen . . . . . . Angeborene Fehlbildungen . . . . . Lippen-Kiefer-Gaumenspalten . Pierre-Robin-Sequenz . . . . . . . . .
31
Neurochirurgie . . . . . . . . . . . . . 1341
31.1 31.1.1
Grundlagen der Neurochirurgie Entwicklung der Neurochirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gehirnerkrankungen allgemein Neurochirurgische Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurzgefasste topographische Anatomie des Gehirns . . . . . . . . . Knöcherner Schädel und kraniospinaler Übergang . . . . . . . Hirnnerven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hirngefäße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motorischer und sensibler Kortex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleinhirn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenhirn . . . . . . . . . . . . . . . . . Hirnstamm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31.1.2 31.1.3 31.2 31.2.1 31.2.2 31.2.3 31.2.4 31.2.5 31.2.6 31.2.7
1321 1321 1321 1322 1323 1324 1325 1325 1326 1327 1327 1328 1329 1330 1330 1332 1332 1333 1334 1334 1339 1339 1339
31.5.4 31.6 31.6.1 31.6.2 31.6.3 31.6.4
31.6.5 31.7 31.7.1 31.7.2 31.7.3 31.7.4 31.7.5 31.8 31.8.1 31.8.2 31.8.3 31.8.4 31.8.5 31.8.6 31.9 31.9.1
1341 31.9.2 1341 1341
31.9.3
1344 1345 1346
31.10 31.10.1 31.10.2 31.10.3 31.10.4 31.10.5 31.10.6
1349 1352 1352 1352
31.10.7 31.11 31.11.1 31.11.2
1342 1344
Liquorräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik in der Neurochirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische Diagnostik und Notfalluntersuchung . . . . . . . . . . . Spezielle Untersuchungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Apparative Diagnostik . . . . . . . . . Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . Intrakranielle Drucksteigerung . Hirnödem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamentöse Therapie der Hirndrucksteigerung . . . . . . . . . . . Intensivmedizinische Behandlungsansätze . . . . . . . . . . . Operative Therapiemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schädel-Hirn-Trauma (SHT) . . . . Beurteilung des Verletzten . . . . . Bewusstseinsstörungen . . . . . . . . Klassifikation des SHT . . . . . . . . . Verletzungsfolgen . . . . . . . . . . . . . Verletzungen der Kopfschwarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gedecktes SHT . . . . . . . . . . . . . . . . Offenes SHT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten des SHT im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . . . Rückenmarktrauma . . . . . . . . . . . . Ätiologie und Pathogenese . . . . . Klinische Symptomatik . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen, Rehabilitation, Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hirntumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . Ätiopathogenese . . . . . . . . . . . . . . Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren des knöchernen Schädels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primäre Tumoren des Schädels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundäre Tumoren des Schädels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht neoplastische tumorähnliche Läsionen . . . . . . . . . . . . . Spinale Tumoren . . . . . . . . . . . . . . Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Extradurale Tumoren . . . . . . . . . . Intradurale extramedulläre Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intramedulläre Tumoren . . . . . . . Strahlentherapie . . . . . . . . . . . . . . Perkutane Strahlentherapie . . . . Interstitielle Strahlentherapie . .
XVII
1352 1353 1353 1358 1360 1363 1364 1365 1368 1370 1370 1371 1372 1375 1380 1381 1382 1383 1389 1395 1397 1399 1399 1400 1400 1402 1404 1405 1405 1405 1405 1406 1406 1406 1419 1419 1420 1421 1421 1421 1422 1423 1424 1424 1426 1428 1429 1430 1432
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
XVIII
Inhaltsverzeichnis 31.12 31.13 31.13.1 31.13.2 31.13.3 31.13.4 31.14 31.14.1 31.14.2 31.14.3 31.14.4 31.14.5 31.14.6 31.15 31.15.1 31.15.2 31.15.3 31.16 31.16.1 31.16.2 31.17 31.17.1 31.17.2 31.17.3 31.17.4 31.17.5
Chemotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündliche Erkrankung des ZNS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hirnabszess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subdurales Empyem . . . . . . . . . . . Zerebraler epiduraler Abszess . . Spinaler epiduraler Abszess . . . . Hydrozephalus . . . . . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten des Hydrozephalus im Säuglingsalter . . . . . Komplikationen nach Shuntoperation . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische Verfahren . . . . . . Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlbildungen des kraniozervikalen Übergangs . . . . . . . . . . Dysrhaphische Störungen . . . . . . Kraniostenosen . . . . . . . . . . . . . . . . Zerebrale Gefäßmissbildungen . Aneurysmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arteriovenöse Angiome . . . . . . . . Spontane intrazerebrale Hämatome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ätiologie und Pathogenese . . . . . Klinische Symptomatik . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1432
31.18
1433 1433 1434 1435 1435 1436 1436 1436
31.19 31.20
1441 1442 1442 1442 1443 1444 1447 1452 1454 1454 1462 1466 1466 1467 1470 1471 1472
31.20.1 31.20.2 31.20.3 31.20.4 31.20.5 31.20.6 31.21 31.21.1 31.21.2 31.21.3 31.22 31.22.1 31.22.2 31.22.3 31.22.4 31.22.5
Arterielle Verschlusserkrankungen der Hirngefäße . . . . . . . . Therapie der Spastik . . . . . . . . . . . Neurochirurgische Schmerztherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nervenblockade . . . . . . . . . . . . . . . Neurolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stimulierende Verfahren . . . . . . . Peridurale intrathekale Pharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . Operative Verfahren . . . . . . . . . . . Trigeminusneuralgie . . . . . . . . . . . Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie und Pathogenese . . . . Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . Spinale radikuläre Syndrome . . . Periphere Nervenkompressionssyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karpaltunnelsyndrom . . . . . . . . . Nervus-ulnaris-Kompressionssyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seltene Kompressionssyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thoracic-outlet-Syndrom . . . . . . Tumoren peripherer Nerven . . .
1473 1475 1476 1477 1477 1477 1478 1478 1479 1480 1480 1482 1483 1492 1493 1493 1493 1494 1494
Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . 1497 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1499
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XIX
Adressliste der Autoren Dr. med. Harald Barth Klinik für Neurochirurgie Universitätsklinikum Kiel Weimarer Str. 8 24106 Kiel
PD Dr. med. Horst Grimm Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum Kiel Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel
PD med. Arnd Böhle Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum Kiel Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel
Prof. Dr. med. Doris Henne-Bruns Abteilung für Viszeral- und Transplantationschirurgie Universitätsklinikum Ulm Steinhövelstr. 9 89075 Ulm
Prof. Dr. med. Hans-Dietrich Bruhn Zentrallabor Universitätsklinikum Kiel Schittenhelmstr. 12 24105 Kiel
Dr. med. Stephan Hirt Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie Universitätsklinikum Kiel Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel
Prof. Dr. med. Jochen Cremer Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie Universitätsklinikum Kiel Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel
Dr. med. Andreas Hückstädt Städtisches Krankenhaus Kiel Chemnitzer Str. 33 24116 Kiel
Dr. med. J. Marek Doniec Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum Kiel Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel Prof. Dr. med. Michael Dürig Klinik f. Allgemein- und Viszeralchirurgie Krankenhaus St. Josef-Stift Schwachhauser Heerstr. 54 28209 Bremen PD Dr. med. Ronald Joachim Elfeldt Abteilung Thoraxchirurgie Friedrich-Ebert-Krankenhaus Friesenstr. 11 24534 Neumünster Dr. med. Reni Ellerbeck Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin Universitätsklinikum Kiel Schwanenweg 21 24105 Kiel PD Dr. med. Hinnerk Gebhardt Praxis für MIC Am St. Elisabeth-Krankenhaus Kiel Königsweg 14 24103 Kiel Prof. Dr. med. Alexander Gerbes Ludwig-Maximilians-Universität München Klinikum Großhadern Medizinische Klinik II Marchioninistr. 15 81337 München
Prof. Dr. med. Hartmut Juhl Israelitisches Krankenhaus in Hamburg Orchideenstieg 14 22297 Hamburg PD med. Hans-Jürgen Klomp Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum Kiel Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel Dr. med. Heike Kraemer-Hansen Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum Kiel Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel Prof. Dr. med. Bernd Kremer Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum Kiel Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel Prof. Dr. med. Dr. dent. Thomas Kreusch Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Klinikum Nord-Heidberg Tangstedter Landstr. 400 22417 Hamburg Dr. med. Uwe Krüger Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum Kiel Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
XX PD Dr. phil. Thomas Küchler Referenzzentrum Lebensqualität Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum Kiel Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel PD Dr. med. Mathias Löhnert Städtische Kliniken Bielefeld gem. GmbH Klinikum Rosenhöhe Chirurgische Klinik An der Rosenhöhe 27 33647 Bielefeld Prof. Dr. med. Wolfgang Mengel Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum Kiel Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel Dr. med. Bernd Nemsmann Langkoppel 2 24161 Altenholz Prof. Dr. med. Hans-Jörg Oestern Allgemeines Krankenhaus Celle Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Siemensplatz 4 29223 Celle Prof. Dr. med. Horst Schaube Abteilung Chirurgie Kreiskrankenhaus St. Marienberg Conringstr. 26 38350 Helmstedt
Adressliste der Autoren Dr. med. Andreas Schmid DRK-Krankenhaus Chirurgie Röpersberg 2 23909 Ratzeburg Dr. med. Ralf Schön Städtisches Klinikum Dessau Neurochirurgie Auenweg 38 06822 Dessau PD Dr. med. Jörg Schröder Marien-Krankenhaus gGmbH Chirurgie Dr.-Robert-Koch-Str. 18 51465 Bergisch Gladbach Dr. med. Eva Schweizer † PD Dr. med. Ilka Vogel Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum Kiel Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel Prof. Dr. med. Peter Vogt Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Klinikum Hannover Oststadt Podbielskistr. 380 30659 Hannover Dr. med. Hubert Voßmann Klinik für Plastische und Handchirurgie Zentralkrankenhaus St.-Jürgen-Straße St.-Jürgen-Str. 1 28205 Bremen
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XXI
Vorwort der Bandherausgeber Ziel des vorliegenden Lehrbuchs ist es, den zunehmenden Wissensstand der Chirurgie übersichtlich zu vermitteln. Hierfür bot sich das bewährte Konzept der »Dualen Reihe« an, um eine schnelle und kompetente Orientierung zu ermöglichen. Eine großzügige Ausstattung mit einprägsamen Zeichnungen und klinischen Abbildungen sollen einen bleibenden Eindruck der wichtigsten Krankheitsbilder und aktuellen Behandlungsverfahren vermitteln. Die Integration des Repetitoriums ermöglicht darüber hinaus eine rasche Wiederholung des Prüfungsstoffes. Während einige Fachgebiete trotz ihrer Bezugspunkte zur Chirurgie aufgrund der zu erwartenden eigenen Darstellung nicht berücksichtigt wurden, fanden andere Kapitel, wie »Aspekte der Lebensqualität«, die »Chirurgische Onkologie« oder die »Transplantation« bei zunehmender Bedeutung jedoch noch fehlender Prüfungsrelevanz ihren Platz in dem vorliegenden Werk. Wir hoffen, dass das Konzept den gesetzten Erwartungen gerecht wird und dem Studenten einen einprägsamen Eindruck über die Chirurgie vermittelt. Wir hoffen darüber hinaus, dass es dem Berufsanfänger unterschiedlicher medizinischer Disziplinen als kurzes Nachschlagewerk dienen kann. Durch die enge Zusammenarbeit mit unseren Lesern haben wir Korrekturvorschläge erhalten, die wir in der 2. Auflage berücksichtigen konnten. Wir bitten auch weiterhin alle Leser regen Gebrauch von der Möglichkeit zu machen, uns Verbesserungs- und/oder Korrekturvorschläge mitzuteilen und sind allen Lesern für eine konstruktive Kritik dankbar.
Prof. Dr. D. Henne-Bruns
Prof. Dr. B. Kremer
Prof. Dr. M. Dürig
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Teil A Allgemeine Chirurgie A-1 A-2 A-3 A-4 A-5 A-6 A-7 A-8 A-9 A-10 A-11 A-12 A-13 A-14 A-15
Wunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Asepsis und Antisepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antibiotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blutgerinnung, Thrombose, Embolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akutes Abdomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbrennungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Onkologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aspekte der Lebensqualität . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versicherungswesen und chirurgische Begutachtung . . . . . . . . . . . . . . .
1 23 27 59 69 95 133 143 175 195 219 235 259 267 271
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1
Wunde
1
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Wunde
Uwe Krüger
n Definition. Die Wunde ist ein pathologischer Zustand, bei dem Gewebe mit mehr oder minder ausgeprägtem Substanzverlust und entsprechender Funktionseinschränkung voneinander getrennt oder zerstört ist.
1.1
Wundheilung
n Definition. Die Wundheilung ist der Defektverschluss durch vernarbendes Bindegewebe und Epithelregeneration.
1.1.1
Mechanismen der Wundheilung
Definition
1.1
Wundheilung
Definition
1.1.1 Mechanismen der Wundheilung
Jeder Organismus ist bestrebt, eine Wunde so schnell wie möglich zu verschließen, um die Funktion des Gewebes wiederherzustellen. Außer den Zähnen sind alle Gewebearten zur Wundheilung fähig. Sie erfolgt durch zwei Mechanismen:
Außer den Zähnen sind alle Gewebearten zur Wundheilung fähig. Sie erfolgt durch zwei Mechanismen:
Regeneration
Regeneration
Unter Regeneration versteht man den gewebespezifischen Ersatz, der bei Säugetieren und insbesondere beim Menschen im Bereich der Epithelien vollständig (Epidermis, Schleimhäute des Magen-Darm- und Urogenitaltraktes) und in parenchymatösen Organen eingeschränkt möglich ist.
Regeneration ist der gewebespezifische Ersatz (vollständig im Bereich der Epidermis und der Schleimhäute, eingeschränkt bei parenchymatösen Organen).
Reparation
Reparation
Während der Reparationsphase wird defektes oder fehlendes Gewebe durch unspezifisches Binde- bzw. Stützgewebe ersetzt, welches dann vernarbt. Die Knochenheilung nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als die bindegewebige Matrix später gewebespezifisch (Knochenneubildung) umgebaut wird.
Während der Reparationsphase wird defektes oder fehlendes Gewebe durch unspezifisches Binde- bzw. Stützgewebe ersetzt, welches dann vernarbt (Sonderstellung Knochen).
1.1.2
Physiologie der Wundheilung
1.1.2 Physiologie der Wundheilung
Der Heilungsvorgang einer Wunde verläuft in drei Phasen:
Der Heilungsvorgang einer Wunde verläuft in drei Phasen:
Exsudationsphase
Exsudationsphase
Im Bereich der Wunde sind kleine Blut- und Lymphgefäße eröffnet, austretendes Blut und Gewebewasser füllen die Wundlücke auf. Durch einsetzende Blutgerinnung und Vasokonstriktion wird der Blutaustritt gestoppt. Fibrin verklebt die Wunde. Aus den Kapillaren ausgetretene weiße Blutzellen (Granulozyten) und Bindegewebszellen (Histiozyten) phagozytieren abgestorbenes Gewebe sowie in die Wunde gelangte Keime. Die Exsudationsphase dauert ca. 4 Tage.
Im Wundbereich sind Blut- und Lymphgefäße eröffnet. Durch Blutgerinnung und Vasokonstriktion wird der Blutaustritt gestoppt. Fibrin verklebt die Wunde. Granulozyten und Histiozyten phagozytieren abgestorbenes Gewebe und Keime. Die Exsudationsphase dauert ca. 4 Tage.
Proliferationsphase
Proliferationsphase
Aus dem Wundrand sprießen Kapillaren in das Wundbett ein. Ortsständige Fibroblasten proliferieren und produzieren Proteoglykane und wasserunlösliche Kollagenfasern als Grundsubstanz des Bindegewebes. Ein Teil der Fibroblasten wandelt sich zu Myofibroblasten, die kontraktile Elemente ent-
Aus dem Wundrand sprießen Kapillaren ein. Ortsständige Fibroblasten produzieren Kollagenfasern. Myofibroblasten enthalten kontraktile
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1 Wunde
Elemente. Diese verursachen eine Reduktion des Wunddurchmessers bis zu 2 mm täglich. Die Proliferationsphase dauert einige Tage.
halten. Diese verursachen eine Reduktion des Wunddurchmessers bis zu 2 mm täglich. Die Proliferationsphase dauert einige Tage.
Regenerationsphase
Regenerationsphase
In der Regenerationsphase werden Kollagenfasern vernetzt und stabilisiert. Die Wundoberfläche verschließt sich durch Epithelisation, Hautanhangsgebilde fehlen. Die maximale Belastbarkeit ist nach ca. 3 Monaten erreicht.
In der Regenerationsphase werden die Kollagenfasern vernetzt und stabilisiert. Die Wundoberfläche verschließt sich durch Epithelisation. In der resultierenden Narbe fehlen die Hautanhangsgebilde. Die maximale Belastbarkeit einer Narbe ist nach ca. 3 Monaten erreicht.
1.1.3 Formen der Wundheilung
1.1.3
Gewebeneubildung, Kontraktion und Epithelisation sind abhängig von Schwere und Zustand des Defektes.
Alle Wunden heilen nach den beschriebenen Gesetzmäßigkeiten. Gewebeneubildung, Kontraktion und Epithelisation sind abhängig von Schwere und Zustand des Defektes. Man unterscheidet 4 Formen der Wundheilung: π Primärheilung (Sanatio per primam intentionem = p.p.-Heilung) π verzögerte Primärheilung π Sekundärheilung (Sanatio per secundam intentionem = p.s.-Heilung) π regenerative Heilung oberflächlicher Wunden.
Man unterscheidet 4 Formen der Wundheilung: π Primär- (p.p.-)Heilung π verzögerte Primärheilung π Sekundär- (p.s.-)Heilung π regenerative Heilung oberflächlicher Wunden.
Formen der Wundheilung
Primärheilung
Primärheilung
Primärheilung ist zu erwarten bei: π glatten, eng aneinander liegenden Wundrändern π sauberen Wunden π guter Durchblutung. Sie kommt vor bei: π chirurgischen Wunden π Verletzungen durch scharfkantige Gegenstände. Bei zerklüfteten oder nekrotischen Wunden wird die Voraussetzung für eine Primärheilung durch Wundausschneidung oder Débridement geschaffen ( 1 A-1.1 a). Die Wunde wird spannungsfrei verschlossen. Ist die Wunde älter als 6—8 Stunden, erfolgt die offene Wundbehandlung.
Primärheilung ist zu erwarten bei: π glatten Wundrändern, die eng aneinander liegen π sauberen Wunden ohne Fremdkörper, Keime oder Nekrosen π guter Durchblutung des Wundgebietes. Die Primärheilung ist die Regel bei chirurgisch gesetzten Wunden wie überhaupt bei allen, die durch saubere, scharfkantige Gegenstände verursacht wurden. Bei zerklüfteten oder nekrotischen Wunden kann durch eine operative Versorgung die Voraussetzung zur Primärheilung geschaffen werden, indem die Wundränder 1–2 mm im gut durchbluteten Gewebe en bloc ausgeschnitten werden ( 1 A-1.1 a). Unter entsprechenden Wundverhältnissen reicht eine Anfrischung der Wundränder (Débridement) aus ( 1 A-1.1 b), um die Voraussetzung für eine Primärheilung zu schaffen. Nach Mobilisation der Haut auf oberflächlichen Faszien ist ein spannungsfreier Wundverschluss möglich. Diese Methode kommt wegen zu erwartender Keimbesiedlung nur innerhalb von 6–8 Stunden nach Verletzung in Betracht. Ältere Wunden werden daher offen behandelt. Kontraindikationen für eine primäre chirurgische Wundversorgung zeigt 2 A-1.1.
Kontraindikationen für einen Primärverschluss s. 2 A-1.1.
2 A-1.1
Kontraindikationen für eine primäre chirurgische Wundversorgung
N tiefe Schnittwunden n N Bisswunden n N stark verschmutzte Wunden n N infizierte Wunden n N Wunden mit Fremdkörpern n
Für die Bereiche des Gesichts und der Gelenke sind bei Wundausschneidungen und Débridement stets mögliche Veränderungen der Physiognomie bzw. Bewegungsbeeinträchtigungen zu bedenken und evtl. ganz zu unterlassen.
Für die Bereiche des Gesichts und der Gelenke ist bei Wundausschneidung und Débridement stets zu bedenken, dass diese Eingriffe zu Veränderungen der Physiognomie bzw. Bewegungsbeeinträchtigungen führen können. Es kommt deshalb allenfalls eine äußerst sparsame Reduktion des Hautgewebes in Betracht; u. U. ist sie ganz zu unterlassen und ggf. dem Spezialisten (plastischer Chirurg) zu übertragen.
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2
1 Wunde
Elemente. Diese verursachen eine Reduktion des Wunddurchmessers bis zu 2 mm täglich. Die Proliferationsphase dauert einige Tage.
halten. Diese verursachen eine Reduktion des Wunddurchmessers bis zu 2 mm täglich. Die Proliferationsphase dauert einige Tage.
Regenerationsphase
Regenerationsphase
In der Regenerationsphase werden Kollagenfasern vernetzt und stabilisiert. Die Wundoberfläche verschließt sich durch Epithelisation, Hautanhangsgebilde fehlen. Die maximale Belastbarkeit ist nach ca. 3 Monaten erreicht.
In der Regenerationsphase werden die Kollagenfasern vernetzt und stabilisiert. Die Wundoberfläche verschließt sich durch Epithelisation. In der resultierenden Narbe fehlen die Hautanhangsgebilde. Die maximale Belastbarkeit einer Narbe ist nach ca. 3 Monaten erreicht.
1.1.3 Formen der Wundheilung
1.1.3
Gewebeneubildung, Kontraktion und Epithelisation sind abhängig von Schwere und Zustand des Defektes.
Alle Wunden heilen nach den beschriebenen Gesetzmäßigkeiten. Gewebeneubildung, Kontraktion und Epithelisation sind abhängig von Schwere und Zustand des Defektes. Man unterscheidet 4 Formen der Wundheilung: π Primärheilung (Sanatio per primam intentionem = p.p.-Heilung) π verzögerte Primärheilung π Sekundärheilung (Sanatio per secundam intentionem = p.s.-Heilung) π regenerative Heilung oberflächlicher Wunden.
Man unterscheidet 4 Formen der Wundheilung: π Primär- (p.p.-)Heilung π verzögerte Primärheilung π Sekundär- (p.s.-)Heilung π regenerative Heilung oberflächlicher Wunden.
Formen der Wundheilung
Primärheilung
Primärheilung
Primärheilung ist zu erwarten bei: π glatten, eng aneinander liegenden Wundrändern π sauberen Wunden π guter Durchblutung. Sie kommt vor bei: π chirurgischen Wunden π Verletzungen durch scharfkantige Gegenstände. Bei zerklüfteten oder nekrotischen Wunden wird die Voraussetzung für eine Primärheilung durch Wundausschneidung oder Débridement geschaffen ( 1 A-1.1 a). Die Wunde wird spannungsfrei verschlossen. Ist die Wunde älter als 6—8 Stunden, erfolgt die offene Wundbehandlung.
Primärheilung ist zu erwarten bei: π glatten Wundrändern, die eng aneinander liegen π sauberen Wunden ohne Fremdkörper, Keime oder Nekrosen π guter Durchblutung des Wundgebietes. Die Primärheilung ist die Regel bei chirurgisch gesetzten Wunden wie überhaupt bei allen, die durch saubere, scharfkantige Gegenstände verursacht wurden. Bei zerklüfteten oder nekrotischen Wunden kann durch eine operative Versorgung die Voraussetzung zur Primärheilung geschaffen werden, indem die Wundränder 1–2 mm im gut durchbluteten Gewebe en bloc ausgeschnitten werden ( 1 A-1.1 a). Unter entsprechenden Wundverhältnissen reicht eine Anfrischung der Wundränder (Débridement) aus ( 1 A-1.1 b), um die Voraussetzung für eine Primärheilung zu schaffen. Nach Mobilisation der Haut auf oberflächlichen Faszien ist ein spannungsfreier Wundverschluss möglich. Diese Methode kommt wegen zu erwartender Keimbesiedlung nur innerhalb von 6–8 Stunden nach Verletzung in Betracht. Ältere Wunden werden daher offen behandelt. Kontraindikationen für eine primäre chirurgische Wundversorgung zeigt 2 A-1.1.
Kontraindikationen für einen Primärverschluss s. 2 A-1.1.
2 A-1.1
Kontraindikationen für eine primäre chirurgische Wundversorgung
N tiefe Schnittwunden n N Bisswunden n N stark verschmutzte Wunden n N infizierte Wunden n N Wunden mit Fremdkörpern n
Für die Bereiche des Gesichts und der Gelenke sind bei Wundausschneidungen und Débridement stets mögliche Veränderungen der Physiognomie bzw. Bewegungsbeeinträchtigungen zu bedenken und evtl. ganz zu unterlassen.
Für die Bereiche des Gesichts und der Gelenke ist bei Wundausschneidung und Débridement stets zu bedenken, dass diese Eingriffe zu Veränderungen der Physiognomie bzw. Bewegungsbeeinträchtigungen führen können. Es kommt deshalb allenfalls eine äußerst sparsame Reduktion des Hautgewebes in Betracht; u. U. ist sie ganz zu unterlassen und ggf. dem Spezialisten (plastischer Chirurg) zu übertragen.
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3
1.1.3 Formen der Wundheilung
1 A-1.1
Synopsis Operative Versorgung von zerklüfteten oder nekrotischen Wunden
b Débridement ist das sorgfältige gewebeschonende Ausschneiden einer Wunde. a Wundausschneidung en bloc. In der Wunde vorhandene Erreger können sich im umgebenden gesunden Gewebe ausbreiten. Um ein praktisch keimfreies Wundgebiet zu gewährleisten, sollte der Zeitraum von 6–8 Stunden für die Wundausschneidung eingehalten werden.
n Merke. Größere, tiefreichende Defekte sind schichtweise in gewebeschonender Weise zu revidieren. Nach der chirurgischen Versorgung der Wunde sollte diese erst verschlossen werden, wenn keine Infektion zu erwarten ist.
Bei der Primärheilung werden die adaptierten Wundränder durch sehr wenig Bindegewebe miteinander verbunden. Das Ergebnis ist eine schmale, strichförmige, oft kaum sichtbare Narbe ( 1 A-1.2).
1 A-1.2
Primär heilende Wunde
Merke
Die adaptierten Wundränder werden durch sehr wenig Bindegewebe miteinander verbunden. Ergebnis ist eine schmale, strichförmige, oft kaum sichtbare Narbe ( 1 A-1.2).
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4
1 Wunde
Verzögerte Primärheilung
Verzögerte Primärheilung
Bei Verdacht auf Kontamination wird die Wunde mit feuchter Gaze offen gehalten. Bestehen keine Hinweise auf eine Infektion, kann die Wunde mittels vorgelegter Fäden ( 1 A-1.3) nach 2–3 Tagen adaptiert werden. Kommt es nach Wundverschluss zu einer Infektion, sind die Nähte wieder zu öffnen; die Heilung erfolgt p.s.
Bei Verdacht auf Kontamination wird die Wunde nicht sofort verschlossen, sondern mit feuchter Gaze offen gehalten; die Nähte werden bereits vorgelegt ( 1 A-1.3). Bleiben Hinweise auf eine Infektion aus, können die Wundränder nach 2–3 Tagen adaptiert werden. Die Wundheilung erfolgt per primam. Kommt es nach Wundverschluss zu einer Infektion, sind die Nähte wieder zu öffnen, die Heilung erfolgt dann per secundam.
1 A-1.3
Verzögerte Primärheilung Wunde mit verzögerter Primärheilung (Wunde mit feuchter Kompresse aufgefüllt).
Sekundärheilung
Sekundärheilung
Wunden mit großen Gewebedefekten füllen sich durch Granulationsgewebe auf, das sich in Narbengewebe umdifferenziert ( 1 A-1.4). Kontraktion führt zur Wundverkleinerung (kosmetisch unbefriedigend und funktionell störend in Gelenkbereichen).
Wunden mit großen Gewebedefekten heilen auch ohne mechanischen Verschluss spontan. Der Defekt wird durch Granulationsgewebe aufgefüllt, welches sich in Narbengewebe umdifferenziert. Hat der Wundgrund nach unterschiedlich langer Zeitspanne das Hautniveau erreicht, schließt sich der verbleibende Defekt durch Epithelisation ( 1 A-1.4). Diese Art der Wundheilung führt meist zu großflächigen, kosmetisch unbefriedigenden Narben, die insbesondere in Gelenkbereichen funktionelle Störungen verursachen. In nachstehenden Fällen kommt unter Verzicht auf den Wundverschluss die Sekundärheilung in Frage: π Wundränder klaffen fetzig weit und lassen sich nicht anfrischen π großer Gewebedefekt, bei fehlender Möglichkeit der Hauttransplantation lassen sich die Wundränder nicht spannungsfrei adaptieren π trophische Störungen, z. B. Ulcus cruris π stark eiternder Defekt π Verschmutzung mit Fremdkörpern π Infektion der primär verschlossenen Wunde π Möglichkeit eines befriedigenderen funktionellen und/oder kosmetischen Ergebnisses (z. B. kleiner Defekt an der Fingerkuppe).
Eine Sekundärheilung wird bei folgenden Wunden abgewartet: π zerfetzte, klaffende Wunden ohne Anfrischungsmöglichkeit π große, durch Hauttransplantate nicht deckbare Wunden π trophische Störungen π stark eiternde Wunden π mit Fremdkörpern verschmutzte Wunden π primär verschlossene, infizierte Wunden π bei funktionell und kosmetisch zu erwartenden besseren Ergebnissen. Regenerative Wundheilung
Regenerative Wundheilung
Oberflächliche Wunden heilen durch Regeneration des Epithels von der Basalzellschicht aus ( 1 A-1.5). Sie sind vom umgebenden Gewebe kaum zu unterscheiden.
Bei oberflächlichen Hautwunden, z. B. Schürfungen, werden nur die Epidermis und geringe Anteile der Lederhaut beschädigt. Bleiben die Basalzellen intakt, kann sich die Epidermis vollständig regenerieren ( 1 A-1.5). Dieser Vorgang entspricht der Epithelisation. Das Regenerat unterscheidet sich kaum vom umgebenden Gewebe.
Heilung unter dem Schorf
Heilung unter dem Schorf
Die Heilung unter dem Schorf kommt vor bei primär und sekundär heilenden Wunden und bei Epithelisation. Bei sekundär heilenden Wunden kann er die Granulation und den Sekretabfluss behindern.
Die schützende Schorfbildung ist erwünscht bei oberflächlichen Schürfungen, bei denen sich die Kruste nach Wiederherstellung des Epithels spontan ablöst. Heilung unter dem Schorf kommt vor bei primär und sekundär heilenden Wunden und bei Epithelisation. Probleme bereitet der Schorf bei sekundär heilenden Wunden, da er die Bildung des Granulationsge-
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1.1.3 Formen der Wundheilung
5
webes und den Sekretabfluss behindern und damit die Heilung verzögern kann.
1 A-1.4
Synopsis Sekundär heilende Wunde (nach Exzision eines malignen Melanoms)
Operationssitus.
Nach 2 Tagen ist am Wundgrund Granulationsgewebe auszumachen.
Am 21. Tag hat sich die Wundfläche durch Kontraktion deutlich verkleinert.
Nach 2 Jahren ist die Wunde verschlossen und epithelisiert. Die auf den Wundmittelpunkt zulaufenden, durch Kontraktion verursachten Spannungsstreifen sind gut zu erkennen.
1 A-1.5
Epithelisation Oberflächliche Wunde, die durch Epithelisation heilt.
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6 1.2
1 Wunde 1.2
Wundarten und ihre Heilung
Wundarten und ihre Heilung
Nach ihrer Entstehungsursache unterscheidet man 3 große Gruppen von Wunden: π traumatische π iatrogene π chronische Wunden.
Nach ihrer Entstehungsgeschichte werden 3 große Gruppen von Wunden unterschieden: π traumatische, unfallbedingte Wunden π iatrogene, z. B. operative Wunden π chronische Wunden, z. B. Dekubitalulzera.
1.2.1 Traumatische Wunden
1.2.1
Traumatische Wunden lassen sich nach morphologischen ( 2 A-1.2) und ätiologischen ( 2 A-1.3) Kriterien klassifizieren.
Traumatische Wunden lassen sich nach morphologischen ( 2 A-1.2) und ätiologischen ( 2 A-1.3) Kriterien klassifizieren.
Traumatische Wunden
2 A-1.2
Morphologische Einteilung der Wunden
N offene Verletzung n
π π π
oberflächlich penetrierend kompliziert
N geschlossene Verletzung n N Ablederung (Décollement) n N Abtrennung (Amputation) n
2 A-1.3
Ätiologische Einteilung der Wunden
N mechanische Verletzungen n π
Schürfungen
π
Stichwunden
π
Risswunden
π
Blasen
π
Hiebwunden
π
Kratzwunden
π
Schnittwunden
π
Pfählungsverletzungen
π
Prellungen und Quetschungen
π
Quetsch- und Platzwunden
π
Bisswunden
π
Insektenstiche
π
Schusswunden
π
Ablederungen
π
Amputationen
N thermische Verletzungen n π
Verbrennungen/Verbrühungen
π
Erfrierungen
N Verletzungen durch elektrischen Strom n N chemische Verletzungen n π
Säureverätzungen
π
Laugenverätzungen
N Strahlenschäden n
Bei offenen Wunden wird zwischen oberflächlichen (beschränkt auf die Epidermis), penetrierenden (in die Tiefe reichend) oder komplizierten (Mitverletzung von Nerven, Sehnen, Muskeln, Knochen) unterschieden. Geschlossene Wunden sind auf die Einwirkung stumpfer Gewalt zurückzuführen. Bei weitgehend intakter Haut resultieren Hämatome, Schwellungen und Schmerzen. Ablederungen sind Folge flacher, tangentialer Gewalteinwirkung. Eine traumatische Amputation liegt bei Abtrennung eines Körpergliedes vor.
Bei offenen Wunden ist die Haut durch äußere Einwirkung durchtrennt. Abschürfungen beschränken sich auf die Epidermis. Reicht die Wunde in die Tiefe oder werden Körperhöhlen eröffnet, bezeichnet man sie als penetrierend. Bei Mitverletzung von Nerven, Sehnen, Muskeln oder Knochen spricht man von komplizierten Wunden. Geschlossene Wunden sind auf die Einwirkung stumpfer Gewalt zurückzuführen. Bei weitgehend intakter Haut finden sich Verletzungen ihrer Gefäße, Nerven und/oder der darunterliegenden Gewebe. Hieraus resultiert die Ausbildung von Hämatomen, Schwellungen und starken Schmerzen. Bei flacher, tangentialer Gewalteinwirkung können ganze Hautlappen abgehoben werden (Ablederung oder Décollement). Liegt die Abtrennung eines Körpergliedes vor, spricht man von einer traumatischen Amputation.
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7
1.2.1 Traumatische Wunden
Mechanische Verletzungen
Mechanische Verletzungen
Wunden durch äußere Gewalteinwirkung stellen den Großteil aller Unfallverletzungen. Eine adäquate Versorgung setzt die Kenntnis von der Entstehungsursache der Verletzung voraus, um z. B. das Kontaminationsrisiko abschätzen zu können.
Schürfwunden
Schürfwunden
Schürfwunden entstehen durch Entlangstreifen eines rauhen Gegenstandes an der Haut, wobei die Epidermis weggerissen wird. Die Lederhaut und die Subkutis bleiben unverletzt. Durch in die Epidermis vorspringende Kapillaren entstehen punktförmige Blutungen.
Sie entstehen durch Entlangstreifen eines rauhen Gegenstandes an der Haut, wobei die Epidermis abgerissen wird. Die Abheilung erfolgt narbenlos.
Therapie. Nach sorgfältiger Reinigung heilen Schürfungen unter dem Schorf narbenlos ab.
Blasen
Blasen
Blasen sind auf gleichzeitigen Druck und Reibung zurückzuführen. In dem sich zwischen Epidermis und Corium bildenden Hohlraum sammelt sich Gewebeflüssigkeit, manchmal auch Blut. Diese Läsionen heilen in der Regel folgenlos ab.
Sie entwickeln sich unter gleichzeitiger Einwirkung von Druck und Reibung. Die Epidermis hebt sich ab, darunter sammelt sich Gewebeflüssigkeit. Die Läsionen heilen folgenlos ab.
Therapie. Nach Eröffnung sollte eine Blase steril abgedeckt werden.
Schnittwunden
Schnittwunden
Schnittwunden treten beim Eindringen scharfer, schneidender Gegenstände in die Haut auf. Meist liegen klaffende, oft stark blutende Wunden mit glatten Rändern vor. Sind in Abhängigkeit von der Eindringtiefe Gefäße, Nerven, Muskeln oder Sehnen mitbetroffen, spricht man von komplizierten Schnittverletzungen.
Sie treten beim Eindringen scharfer, schneidender Gegenstände in die Haut auf. Die Wundränder sind glatt. Nach Adaptation heilt der Defekt in der Regel primär. Komplizierte Schnittverletzungen liegen vor, wenn Gefäße, Nerven, Muskeln oder Sehnen mitbetroffen sind.
Therapie. Im Regelfall liegt kein wesentlicher Hautsubstanzverlust vor, sodass Schnittwunden nach Adaptation der Wundränder überwiegend primär heilen.
Hiebwunden
Hiebwunden
Hiebwunden durch scharfes Werkzeug führen zu schnittwundenartigen Verletzungen, meistens mit Knochenbrüchen; bei stumpfer Gewalt imponieren häufig Impressionsfrakturen.
Stichwunden
Hiebwunden durch scharfes Werkzeug führen zu schnittwundenartigen Verletzungen, meistens mit Knochenbrüchen; bei stumpfer Gewalt imponieren häufig Impressionsfrakturen. Stichwunden
Stichwunden werden durch tief in die Haut eindringende Gegenstände verursacht.
Sie werden durch tief in die Haut eindringende Gegenstände verursacht.
n Merke. Trotz eines äußerlich harmlos aussehenden Defekts kann durch in den Stichkanal gelangte Keime ein hohes Infektionsrisiko bestehen.
Merke
Exzidierte Wunden heilen primär, infiJe nach seiner Länge und Lokalisation können innere Organe mitverletzt zierte sekundär. sein. Bei tiefen Stichwunden sowie bei Verdacht der Kontamination muss der Stichkanal exzidiert werden; Fremdkörper sind ggf. zu entfernen. Bei Stichverletzungen in Gelenknähe kommt zur Unterstützung der Heilung die Ruhigstellung der betroffenen Extremität in Betracht. Ohne Infektion heilen Stichwunden (verzögert) primär. Pfählungsverletzungen stellen eine Sonderform der Stichverletzungen dar. Pfählungsverletzungen als Sonderform der Stichverletzungen bedürfen Sie entstehen, wenn ein pfahlartiger Gegenstand in den Körper eindringt. In der operativen Versorgung, weil innere der Regel gehen diese Unfälle mit einer Verletzung innerer Organe einher; Organe mitbetroffen sind. sie bedürfen der operativen Versorgung. Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
8 Merke
1 Wunde
n Merke. Bei Stich- und Pfählungsverletzungen sollte der Verletzungsgegenstand erst in der versorgenden Klinik entfernt werden, sofern dies technisch möglich ist.
Risswunden
Risswunden
Sie sind charakterisiert durch starke Blutungen und zerfetzte Wundränder. Oberflächliche Risse heilen durch Epithelisation, tiefere aufgrund des Substanzdefektes sekundär.
Häufig sind stark blutende Risswunden charakterisiert durch zerfetzte Wundränder, die beim Aufreißen der Haut und der darunter liegenden Weichteile entstehen. Oberflächliche Risswunden heilen durch Epithelisation, tiefere nach Débridement in Abhängigkeit von Kontamination und Substanzverlust primär, verzögert primär oder sekundär.
Kratzwunden
Kratzwunden
Sie entsprechen oberflächlichen Risswunden.
Kratzwunden, überwiegend von Tieren verursacht, entsprechen oberflächlichen Risswunden.
Prellungen und Quetschungen
Prellungen und Quetschungen
Geschlossene Wunden, bei denen die Haut äußerlich intakt erscheint. Folgen stumpfer Gewalt sind Hämatom, Ödem und Schmerz.
Prellungen und Quetschungen sind geschlossene Verletzungen durch stumpfe Gewalt, wobei die Haut äußerlich intakt bleibt. Bei Prellungen erfolgt die Gewalteinwirkung senkrecht zur Haut, bei Quetschungen hingegen wirkt die Gewalt aus zwei entgegengesetzten Richtungen auf die Haut ein. Blutungen und Flüssigkeitsaustritt ins Gewebe führen zu Schwellungen. Zugleich treten starke Schmerzen auf, die aus der Mitverletzung von Nerven und Nervenendigungen resultieren.
Therapie. Die Therapie besteht in Ruhigstellung, Hochlagerung und Kälteanwendung.
Therapie. Die Abheilung lässt sich durch Ruhigstellung, Hochlagerung und
Merke
Kälteanwendung günstig beeinflussen.
n Merke. Prellungen im Rumpfbereich müssen stets zu der Frage einer Mitbeteiligung innerer Organe führen, z. B. Pneumothorax bei Thoraxprellung, Milzruptur bei stumpfem Bauchtrauma.
Quetsch- und Platzwunden
Quetsch- und Platzwunden
Sie entstehen wie Prellungen. Im Zentrum der Gewalteinwirkung platzt die Haut auf ( 1 A-1.6); tiefer gelegene Strukturen werden gequetscht und zerfetzt.
Quetsch- und Platzwunden entstehen wie Prellungen, jedoch wird die Elastizitätsgrenze der Haut überschritten. Das Gewebe platzt im Zentrum der Gewalteinwirkung auf ( 1 A-1.6). Die Umgebung von Quetschwunden ist häufig durch zusätzliche Hautabschürfungen charakterisiert; in der Tiefe können Gefäße, Nerven, Muskeln, Sehnen und Faszien mitbetroffen sein.
1 A-1.6
Lippenplatzwunde
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1.2.1 Traumatische Wunden
9
Platzwunden sind meist dort lokalisiert, wo die Haut ohne Weichteilpolster den Knochen aufliegt wie z. B. am Schädel und Schienbein. Quetsch- und Platzwunden bedürfen wegen der unregelmäßigen Wundränder überwiegend der operativen Versorgung (Wundausschneidung und Adaptation der Wundränder).
Platzwunden sind meist dort lokalisiert, wo die Haut ohne Weichteilpolster den Knochen aufliegt (Schädel, Schienbein). Überwiegend ist eine operative Versorgung notwendig.
Bisswunden
Bisswunden
Bisswunden, verursacht durch Tiere mit spitzen Zähnen, können wie Rissoder Stichwunden imponieren, Bisse von Tieren mit Mahlzähnen dagegen wie Quetschwunden.
Sie können wie Stich- oder Quetschverletzungen imponieren.
n Merke. Bei Bissverletzungen besteht stets eine hohe Infektionsgefahr durch hochvirulente Keime des Speichels, die in die Tiefe des Hautgewebes eingebracht werden. Dies gilt auch für Menschenbissverletzungen.
Merke
Therapie. Bisswunden sollten, wenn möglich, exzidiert werden. Nach Ver-
Therapie. Nach Exzision und Verschluss heilen die Wunden überwiegend primär. Engmaschige Kontrollen sind unverzichtbar. Der Tetanusschutz muss gewährleistet sein. Die Möglichkeit einer Tollwutübertragung ist zu bedenken. Bei Wundinfektion sind Antibiotikatherapie, Ruhigstellung und Hochlagerung der betroffenen Körperregion (sofern möglich) notwendig. Bei Infektion primär verschlossener Bisswunden sind diese wieder zu eröffnen. Bei Schlangenbissen steht die lebensbedrohende Intoxikation im Vordergrund.
Insektenstiche
Insektenstiche
Insektenstiche sind in der Regel Bagatellverletzungen, sie können jedoch chirurgisch relevant werden, wenn der Stachel in der Haut verbleibt und lokale Entzündungen verursacht. Neben Inflammation können jedoch auch schwere allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock durch Insektengifte auftreten.
Sie sind überwiegend Bagatellverletzungen. Verbleibende Stachel können lokale Entzündungen, Insektengifte allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock auslösen.
Schusswunden
Schusswunden
Bei Schusswunden handelt es sich in der Regel um komplizierte Verletzungen, deren Beschaffenheit von der Schussentfernung sowie von Kaliber, Art und Geschwindigkeit des Geschosses abhängt. Man unterscheidet Streif-, Durch- und Steckschüsse. Besondere Sorgfalt ist der Frage nach dem Verletzungsausmaß innerer Organe zu widmen, insbesondere können mehrere Organe bzw. Körperhöhlen betroffen sein. Das Infektionsrisiko ist deutlich erhöht, da das Projektil häufig weiteres Fremdmaterial (z. B. Bekleidungsfetzen) mit sich führt. Aus diesen Gründen ist in nahezu allen Fällen eine operative Revision notwendig.
Streif-, Durch- und Steckschüsse sind komplizierte Verletzungen. Es besteht ein erhebliches Infektionsrisiko. Sie bedürften stets der chirurgischen Versorgung, da mit dem Projektil meist weiteres Fremdmaterial eindringt (Bekleidungsfetzen).
schluss heilen sie oft primär, oberflächliche und nicht revidierbare Wunden per secundam. Wegen der erhöhten Infektionsgefahr ist bei allen Bisswunden eine engmaschige Kontrolle unverzichtbar. Wie bei allen Wunden ist insbesondere bei Bisswunden auf einen ausreichenden Tetanusschutz zu achten. Des weiteren muss an die Möglichkeit einer Tollwutübertragung gedacht, und ggf. entsprechende prophylaktische Maßnahmen eingeleitet werden. Bei infizierten Bisswunden sollte eine Antibiotikatherapie (nach Antibiogramm) durchgeführt werden. Der betroffene Körperteil muss ruhig gestellt und hoch gelagert werden, sofern dies möglich ist. Infiziert sich eine primär verschlossene Bisswunde, muss diese wieder eröffnet werden. Bei Schlangenbissen steht eher die lebensbedrohende Intoxikation im Vordergrund.
n Merke. Aufgefundene Projektile (auch Teile davon) sind aufzubewahren, vor Verlust zu sichern und den Strafverfolgungsbehörden zu übergeben.
Merke
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1 Wunde
Ablederungen
Ablederungen
Ablederungen (Décollement) entstehen durch tangentiale Quetschungen. Die Haut wird von der Faszie abgerissen ( 1 A-1.7); die Replantation sollte angestrebt werden. Sonderformen sind die Aushülsungsund Skalpierungsverletzungen.
Ablederungen (Décollement) entstehen durch starke tangentiale Quetschung der Haut, wobei das subkutane Fettgewebe von der Faszie abgerissen wird ( 1 A-1.7). Eine Replantation ist anzustreben; ihre Möglichkeit hängt von der Durchblutungssituation der Haut ab. Sonderformen der Ablederung sind die Aushülsungsverletzungen an den Fingern, die meist durch Hängenbleiben mit Ringen entstehen, oder Skalpierungsverletzungen.
1 A-1.7
Décollement Ausgedehntes Décollement am Bein nach einem Motorradunfall.
Amputationen
Amputationen
Das sind totale oder subtotale Abtrennungen von Gliedmaßen, die u. U. replantiert werden können.
Amputationen sind totale oder subtotale Abtrennungen ganzer Körperteile. Unter bestimmten Bedingungen ist eine Replantation möglich. Deshalb ist bei der Erstversorgung des Patienten stets zu beachten:
Merke
n Merke. Traumatisch amputierte Gliedmaßen sollten immer, auch wenn sie verschmutzt sind, steril verpackt und möglichst unter Kühlung dem Verletzten in die erstversorgende Klinik mitgegeben werden. Für die Kühlung ist zu beachten, dass kein direkter Gewebekontakt zu dem Kühlmittel besteht. Eine Replantation erfolgt in entsprechenden Spezialabteilungen.
Thermische Verletzungen
Thermische Verletzungen
Eiweiße denaturieren ab ca. +56 Ω C; als Gewebeschädigung resultiert die Verbrennung. Bei tiefen Temperaturen führen Durchblutungsstörungen zu Gewebenekrosen. Verbrennungen s. Kap. A-11.
Bei ca. +56 ΩC beginnt die Gewebeschädigung durch Denaturierung der Eiweiße, es resultiert eine Verbrennung. Sind Körperteile längere Zeit tieferen Temperaturen ausgesetzt, mindert sich in diesen Bereichen die Durchblutung und Nekrose des Gewebes ist die Folge. Wegen ihrer Bedeutung werden die Verbrennungen gesondert behandelt (Kap. A-11).
Erfrierungen
Erfrierungen
Sie werden in 3 Schweregrade unterteilt.
Die Erfrierungen werden in 3 Schweregrade unterteilt. Diese Einteilung betrifft nur die Tiefe der Verletzung, nicht ihre Ausdehnung. Für die Prognose sind beide Kriterien entscheidend. Erfrierungen 1. Grades entstehen durch kurzzeitige Kälteeinwirkung von ca. 1 Stunde; sie bleiben auf die Haut beschränkt. Meist sind die Akren betroffen. Sie erscheinen durch die Minderdurchblutung blass. Nach Wiedererwärmen löst sich der Gefäßspasmus und eine Hyperämie setzt ein, mit der eine Schwellung einhergeht.
Erfrierungen 1. Grades: Auf die Haut beschränkte Kälteeinwirkung beeinträchtigt die Durchblutung. Bei Wiedererwärmung wird die Haut hyperämisch. Therapie. Die Behandlung besteht in schonender Erwärmung.
Therapie. Es muss lediglich schonend erwärmt werden.
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1.2.1 Traumatische Wunden Bei Erfrierungen 2. Grades werden die Kapillaren durch die Kälte so sehr geschädigt, dass ihre Permeabilität steigt, Wasser- oder Blutblasen sind die Folge ( 1 A-1.8). Da Erfrierungen 2. Grades auf die Epidermis beschränkt sind, heilen sie ohne Narbenbildung ab.
1 A-1.8
Erfrierung 2. Grades
a Erfrierungen 2. Grades durch eine defekte Kältespraydose.
b Die enorme Wasserblase wurde abgetragen.
Therapie. Die Blasen müssen unter sterilen Bedingungen eröffnet werden. Die Gewebeschädigung durch Erfrierungen 3. Grades erstreckt sich weit über die Haut in die Tiefe. Infolge Minderdurchblutung kommt es zu einer Nekrose ( 1 A-1.9). Sie demarkiert sich vom gesunden Gewebe im Verlauf von Wochen.
1 A-1.9
Erfrierungen 2. Grades: Kapillarwände werden für Plasma und Blutzellen durchlässig. Es entstehen Wasser- oder Blutblasen ( 1 A-1.8).
Therapie. Die Eröffnung der Blasen muss unter sterilen Bedingungen erfolgen. Erfrierungen 3. Grades: Strukturen unter der Haut sind mitbetroffen. Es entstehen Gewebsnekrosen ( 1 A-1.9), die sich nach Wochen demarkieren.
Erfrierung 3. Grades Teile der Finger sind aufgrund der Gefäßschädigung und der damit einhergehenden Unterversorgung abgestorben.
Therapie. Die Therapie besteht in der Exzision oder Amputation. Wenn
möglich sollte das Stadium der trockenen Gangrän (Mumifizierung) abgewartet werden, da hierdurch eine limitierte Resektion (sog. Grenzzonenamputation) ermöglicht wird. n Merke. Bei gleichzeitiger Unterkühlung hat die zentrale Erwärmung Vorrang vor jeder lokalen Maßnahme.
Therapie. Meist ist eine Amputation oder Exzision notwendig. Kann das Stadium der trockenen Gangrän abgewartet werden, ist ein Grenzzonenamputation möglich. Merke
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1 Wunde
Verletzungen durch elektrischen Strom Bei Stromunfällen wird elektrische Energie in Wärme umgewandelt mit der Folge thermischer Schäden. Stromspannung, -stärke und -art spielen eine Rolle. Niederspannungsunfälle verlaufen eher tödlich, während Kontakt mit Hochspannungsströmen oft zu schweren Verbrennungen führt. Daneben können elektrisch ausgelöste Muskelkontraktionen Muskel-, Sehnenund Kapselrisse, sogar Luxationen und Frakturen verursachen. Beim Blitzschlag stehen Verbrennungen und durch die Druckwelle entstandene Begleitverletzungen im Vordergrund.
Verletzungen durch elektrischen Strom
Chemische Verletzungen
Chemische Verletzungen
Die Einwirkung von Säuren oder Laugen auf die Haut führt zu Hautverätzung.
Säuren und Laugen verursachen durch Zerstörung der Eiweiße mehr oder minder schwere Hautverätzungen, deren Umfang von der Konzentration und Einwirkzeit der Substanz abhängt. Säuren führen zu einer Koagulationsnekrose. Das betroffene Gewebe gerinnt, stirbt ab und bildet einen festen, trockenen Schorf. Laugen verursachen eine Kolliquationsnekrose. Hier verflüssigt sich das Gewebe und bildet schließlich einen weichen, weißen Schorf. Verätzungen werden in 3 Grade unterteilt und wie Verbrennungen behandelt. An erster Stelle der Behandlung steht allerdings die Neutralisation, die aber die Kenntnis von der einwirkenden Chemikalie voraussetzt. Ist sie nicht bekannt, sollte auf jeden Fall mit reichlich Wasser gespült werden, um ein weiteres Eindringen in die Tiefe zu verhindern. Die Wundheilung erfolgt per secundam.
Säuren verursachen Koagulationsnekrosen, Laugen Kolliquationsnekrosen. Erstmaßnahme sollte stets die Neutralisation sein, sofern die einwirkende Chemikalie bekannt ist; andernfalls wird mit reichlich Wasser gespült. Die Wundheilung erfolgt per secundam.
Bei Stromunfällen wird die elektrische Energie in Wärme umgewandelt mit der Folge thermischer Schäden. Die Gefährlichkeit des Stromschlags hängt von verschiedenen Bedingungen ab. Stromspannung, -stärke und -art spielen dabei vornehmlich eine Rolle. Der Kontakt mit Strömen im Niederspannungsbereich (bis 1000 V) verläuft eher tödlich, während Unfälle im Hochspannungsbereich (ab 1000 V) oft zu schweren Verbrennungen führen. Typisch für die Mehrzahl aller Unfälle sind die charakteristischen Strommarken an den Stromein- und -austrittsstellen (kleine, kreisrunde, grauweiße bis gelbliche Hautstellen). Neben den bereits erwähnten Verbrennungen können die elektrisch ausgelösten Muskelkontraktionen Muskel-, Sehnen- und Kapselrisse, sogar Luxationen und Frakturen verursachen. Beim Blitzschlag beträgt die nur einige Mikrosekunden einwirkende Spannung mehrere Kilovolt. Neben Verbrennungen treten durch die enorme Druckwelle bedingte Begleitverletzungen auf.
Strahlenschäden
Strahlenschäden
Ionisierende Strahlen verändern die chemischen Strukturen der Zellbestandteile. Die Schädigungen ähneln Verbrennungen. Es werden je nach Strahlenexposition 4 Schweregrade unterschieden: π Früherythem: Hautrötung, Abschuppung, lokaler Haarausfall π Dermatitis erythematodes: akute Dermatitis mit passagerem Haarausfall π Dermatitis bullosa: Verbrennungen 2. Grades mit irreversiblem Haarausfall und Untergang der Talgdrüsen π Dermatitis gangraenosa: Strahlenulkus
Sie werden hervorgerufen durch ionisierende Strahlen wie Röntgen-, a-, boder g-Strahlung, die die chemische Struktur der Zellbestandteile verändern, sodass das betroffene Gewebe zugrunde geht. Klinisch unterscheidet man 4 Schweregrade: π Früherythem mit Hautrötung, Abschuppung, lokalem Haarausfall, aber voller Reversibilität (Strahlenexposition < 6 Gy) π Dermatitis erythematodes mit akuter Dermatitis und passagerem Haarausfall (Strahlenexposition > 6 Gy) π Dermatitis bullosa mit Verbrennungen 2. Grades, irreversiblem Haarausfall und Untergang der Talgdrüsen (Strahlenexposition zwischen 8 und 10 Gy) π Dermatitis gangraenosa mit schwer heilendem Strahlenulkus, das Ausgangspunkt maligner Entartung sein kann (Strahlenexposition > 10 Gy). Die angegebenen Strahlendosen sind nur Richtwerte. Die Strahlenschäden können sowohl bei einmaliger als auch fraktionierter Exposition auftreten. Des weiteren spielen auch individuelle Faktoren, wie z. B. Hauttyp, Vorschädigungen und Medikamenteneinnahmen, bei der Schwere eines Strahlenschadens eine Rolle. Strahlenschäden werden im Prinzip wie Verbrennungen behandelt.
Strahlenschäden werden wie Verbrennungen behandelt.
Iatrogene Wunden
1.2.2 Iatrogene Wunden
1.2.2
Ärztlich verursachte Wunden wie Inzisionen, Punktionen, Laserungen, Spalthautentnahmen und Amputationen.
Zu den ärztlich verursachten Wunden gehören Inzisionen, Punktionen, Maßnahmen mit dem Laser, Ätzungen mit Höllenstein, Spalthautentnahmen und therapeutische Amputationen.
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1 Wunde
Verletzungen durch elektrischen Strom Bei Stromunfällen wird elektrische Energie in Wärme umgewandelt mit der Folge thermischer Schäden. Stromspannung, -stärke und -art spielen eine Rolle. Niederspannungsunfälle verlaufen eher tödlich, während Kontakt mit Hochspannungsströmen oft zu schweren Verbrennungen führt. Daneben können elektrisch ausgelöste Muskelkontraktionen Muskel-, Sehnenund Kapselrisse, sogar Luxationen und Frakturen verursachen. Beim Blitzschlag stehen Verbrennungen und durch die Druckwelle entstandene Begleitverletzungen im Vordergrund.
Verletzungen durch elektrischen Strom
Chemische Verletzungen
Chemische Verletzungen
Die Einwirkung von Säuren oder Laugen auf die Haut führt zu Hautverätzung.
Säuren und Laugen verursachen durch Zerstörung der Eiweiße mehr oder minder schwere Hautverätzungen, deren Umfang von der Konzentration und Einwirkzeit der Substanz abhängt. Säuren führen zu einer Koagulationsnekrose. Das betroffene Gewebe gerinnt, stirbt ab und bildet einen festen, trockenen Schorf. Laugen verursachen eine Kolliquationsnekrose. Hier verflüssigt sich das Gewebe und bildet schließlich einen weichen, weißen Schorf. Verätzungen werden in 3 Grade unterteilt und wie Verbrennungen behandelt. An erster Stelle der Behandlung steht allerdings die Neutralisation, die aber die Kenntnis von der einwirkenden Chemikalie voraussetzt. Ist sie nicht bekannt, sollte auf jeden Fall mit reichlich Wasser gespült werden, um ein weiteres Eindringen in die Tiefe zu verhindern. Die Wundheilung erfolgt per secundam.
Säuren verursachen Koagulationsnekrosen, Laugen Kolliquationsnekrosen. Erstmaßnahme sollte stets die Neutralisation sein, sofern die einwirkende Chemikalie bekannt ist; andernfalls wird mit reichlich Wasser gespült. Die Wundheilung erfolgt per secundam.
Bei Stromunfällen wird die elektrische Energie in Wärme umgewandelt mit der Folge thermischer Schäden. Die Gefährlichkeit des Stromschlags hängt von verschiedenen Bedingungen ab. Stromspannung, -stärke und -art spielen dabei vornehmlich eine Rolle. Der Kontakt mit Strömen im Niederspannungsbereich (bis 1000 V) verläuft eher tödlich, während Unfälle im Hochspannungsbereich (ab 1000 V) oft zu schweren Verbrennungen führen. Typisch für die Mehrzahl aller Unfälle sind die charakteristischen Strommarken an den Stromein- und -austrittsstellen (kleine, kreisrunde, grauweiße bis gelbliche Hautstellen). Neben den bereits erwähnten Verbrennungen können die elektrisch ausgelösten Muskelkontraktionen Muskel-, Sehnen- und Kapselrisse, sogar Luxationen und Frakturen verursachen. Beim Blitzschlag beträgt die nur einige Mikrosekunden einwirkende Spannung mehrere Kilovolt. Neben Verbrennungen treten durch die enorme Druckwelle bedingte Begleitverletzungen auf.
Strahlenschäden
Strahlenschäden
Ionisierende Strahlen verändern die chemischen Strukturen der Zellbestandteile. Die Schädigungen ähneln Verbrennungen. Es werden je nach Strahlenexposition 4 Schweregrade unterschieden: π Früherythem: Hautrötung, Abschuppung, lokaler Haarausfall π Dermatitis erythematodes: akute Dermatitis mit passagerem Haarausfall π Dermatitis bullosa: Verbrennungen 2. Grades mit irreversiblem Haarausfall und Untergang der Talgdrüsen π Dermatitis gangraenosa: Strahlenulkus
Sie werden hervorgerufen durch ionisierende Strahlen wie Röntgen-, a-, boder g-Strahlung, die die chemische Struktur der Zellbestandteile verändern, sodass das betroffene Gewebe zugrunde geht. Klinisch unterscheidet man 4 Schweregrade: π Früherythem mit Hautrötung, Abschuppung, lokalem Haarausfall, aber voller Reversibilität (Strahlenexposition < 6 Gy) π Dermatitis erythematodes mit akuter Dermatitis und passagerem Haarausfall (Strahlenexposition > 6 Gy) π Dermatitis bullosa mit Verbrennungen 2. Grades, irreversiblem Haarausfall und Untergang der Talgdrüsen (Strahlenexposition zwischen 8 und 10 Gy) π Dermatitis gangraenosa mit schwer heilendem Strahlenulkus, das Ausgangspunkt maligner Entartung sein kann (Strahlenexposition > 10 Gy). Die angegebenen Strahlendosen sind nur Richtwerte. Die Strahlenschäden können sowohl bei einmaliger als auch fraktionierter Exposition auftreten. Des weiteren spielen auch individuelle Faktoren, wie z. B. Hauttyp, Vorschädigungen und Medikamenteneinnahmen, bei der Schwere eines Strahlenschadens eine Rolle. Strahlenschäden werden im Prinzip wie Verbrennungen behandelt.
Strahlenschäden werden wie Verbrennungen behandelt.
Iatrogene Wunden
1.2.2 Iatrogene Wunden
1.2.2
Ärztlich verursachte Wunden wie Inzisionen, Punktionen, Laserungen, Spalthautentnahmen und Amputationen.
Zu den ärztlich verursachten Wunden gehören Inzisionen, Punktionen, Maßnahmen mit dem Laser, Ätzungen mit Höllenstein, Spalthautentnahmen und therapeutische Amputationen.
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1.2.3 Chronische Wunden 1.2.3
Chronische Wunden
1.2.3 Chronische Wunden
Die chronischen Wunden resultieren meistens aus einer Mangelversorgung des Hautgewebes. Diese trophischen Defekte können verschiedene Ursachen haben: π Gangrän , meist an der unteren Extremität auf dem Boden arteriosklerotischer oder diabetischer Angiopathie. Man unterscheidet die trockene, nicht infizierte und die feuchte, infizierte Gangrän. Bei einer Gangrän muß die Nekrose entfernt werden, d. h. im Regelfall Amputation, wobei die Amputationsgrenze in gut durchblutetem Gewebe liegen soll. U. U. muss zuvor eine Angiographie zur Festlegung der Amputationshöhe durchgeführt werden. π Dekubitus, bei bettlägerigen Patienten an den Aufliegestellen wie z. B. Steißbein, Wirbelsäule oder Fersen. Bei Dekubitalulzera ist die erste Maßnahme das häufige Umlagern des Patienten, um eine Druckentlastung zu erreichen. Die meist infizierten Wunden müssen gereinigt werden, dazu stehen neben der mechanischen Reinigung insbesondere Fibrinolytika und Dextromere zur Verfügung. π Ulcus cruris venosum als Folge einer chronischen venösen Insuffizienz.
Therapie. Bei sauberen Wundverhältnissen und guter Granulation lässt sich
der Heilungsverlauf in vielen Fällen durch plastische Eingriffe verkürzen. 1 A-1.10 zeigt einen Verschiebe-Schwenklappen zur Deckung eines Dekubitalulkus (s.a. Kap. B-29, 1 A-29.11).
1 A-1.10
Chronische Wunden sind trophische Defekte verschiedener Ursachen: π
Gängran (infiziert oder nicht infiziert) als Folge von Durchblutungsstörungen. Bei einer Gangrän muß eine Amputation erfolgen. Die Amputationshöhe muss u. U. durch eine Angiographie festgelegt werden.
Dekubitus bei Bettlägerigen an den Aufliegestellen. Die Behandlung der Dekubitalulzera besteht in einer konsequenten Lagerung des Patienten zur Druckentlastung sowie einer mechanischen und/oder medikamentösen Wundreinigung. π Ulcus cruris bei chronisch venöser Insuffizienz. Therapie. Bei sauberen Wunden mit guter Granulation können plastische Eingriffe zur Deckung der Defektwunden erfolgen ( 1 A-1.10, s.a. Kap. B-29, 1 A-29.11). π
Synopsis Dekubitalulkus
Dekubitalulkus mit sauberem Grund.
Vor (links) und nach (rechts) chirurgischer Deckung mit einem Verschiebe-Schwenklappen.
Bei der Ulcus-cruris-Therapie muss neben der Behandlung der Defektwunde die Therapie des Grundleidens erfolgen; d. h. im Regelfall die Durchführung gefäßchirurgischer Eingriffe, um die Blutströmungsverhältnisse möglichst wiederherzustellen. Schmierig-belegte Ulzera mit guter Heilungstendenz lassen sich z.B. mit Okklusivverbänden (CutinovaQ) behandeln. Wenn ein gut vaskularisierter Granulationsrasen erkennbar wird, kann der Defekt mit Spalthaut definitiv gedeckt werden ( 1 A-1.11).
Bei der Ulcus-cruris-Therapie muss neben der Wundbehandlung eine Therapie des Grundleidens erfolgen (gefäßchirurgische Maßnahmen). Bei schmierig-belegten Wunden kann nach Einsatz von z.B. Okklusivverbänden bei beginnender Granulation der Defekt mit Spalthaut gedeckt werden ( 1 A-1.11).
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1 Wunde
1 A-1.11
Synopsis Ulcus cruris
b Befund nach Behandlung mit Okklusivverbänden (Cutinova Q ). a Befund vor Behandlungsbeginn.
c Zur Vorbereitung des Transplantatbettes gehören die Anfrischung der Wundränder mit dem Skalpell.
d »Aufrauhen« des Wundgrundes mit dem hochtourigen Schleifgerät.
e Danach wird die Spalthaut eingepasst, zirkulär durch Einzelnähte fixiert und für den ungehinderten Sekretabfluss skarifiziert.
f Heilungsergebnis nach 3 Monaten.
Decken eines sekundär heilenden Ulcus cruris mit Spalthaut.
1.3
Die Wundheilung beeinflussende Faktoren
1.3
Die Wundheilung beeinflussende Faktoren
Der Heilungsverlauf einer Wunde hängt im Wesentlichen von ihrem Zustand und der Art der Verletzung ab.
Zustand der Wunde
1.3.1 Zustand der Wunde
1.3.1
Der Heilungsverlauf einer Wunde ist abhängig von: π der Art, Tiefe und Ausdehnung der Verletzung π der Lokalisation der Wunde π dem Verschmutzungsgrad π der Beschaffenheit des umliegenden Gewebes und π von der Durchblutung des Wundgebietes.
Hier spielen folgende Faktoren eine Rolle: π Art, Tiefe und Ausdehnung der Verletzung: Sie bestimmen die notwendigen Maßnahmen und die Dauer der Wundheilung. π Lokalisation der Wunde: Gesichtswunden heilen schneller als Wunden z. B. über dem Schienbein, da die Durchblutungssituation im Gesicht sehr gut ist. Die Heilung ist außerdem abhängig von der Art des Gewebes; bradytrophe Gewebe wie Sehnen oder Faszien haben eine langsamere Heilungstendenz. π Verschmutzungsgrad: Eingedrungene Fremdkörper können über Kontamination zu Infektionen führen, die die Heilung verzögern. π Beschaffenheit des umliegenden Gewebes: Nekrosen im Wundgebiet, Ödeme und auch dicker Schorf vermögen durch Behinderung des Blutund Nährstofftransportes die Wundheilung stark zu verzögern. U. U. sind deshalb die chirurgische Revision (Abtragung des Schorfs) und Lagerungsmaßnahmen (Druckentlastung bei Dekubitus) in Erwägung zu ziehen. π Durchblutung des Wundgebietes: Überhaupt stehen alle reparativen und regenerativen Vorgänge in Abhängigkeit von der allgemeinen Durchblutungssituation, d. h. von der Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen.
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1 Wunde
1 A-1.11
Synopsis Ulcus cruris
b Befund nach Behandlung mit Okklusivverbänden (Cutinova Q ). a Befund vor Behandlungsbeginn.
c Zur Vorbereitung des Transplantatbettes gehören die Anfrischung der Wundränder mit dem Skalpell.
d »Aufrauhen« des Wundgrundes mit dem hochtourigen Schleifgerät.
e Danach wird die Spalthaut eingepasst, zirkulär durch Einzelnähte fixiert und für den ungehinderten Sekretabfluss skarifiziert.
f Heilungsergebnis nach 3 Monaten.
Decken eines sekundär heilenden Ulcus cruris mit Spalthaut.
1.3
Die Wundheilung beeinflussende Faktoren
1.3
Die Wundheilung beeinflussende Faktoren
Der Heilungsverlauf einer Wunde hängt im Wesentlichen von ihrem Zustand und der Art der Verletzung ab.
Zustand der Wunde
1.3.1 Zustand der Wunde
1.3.1
Der Heilungsverlauf einer Wunde ist abhängig von: π der Art, Tiefe und Ausdehnung der Verletzung π der Lokalisation der Wunde π dem Verschmutzungsgrad π der Beschaffenheit des umliegenden Gewebes und π von der Durchblutung des Wundgebietes.
Hier spielen folgende Faktoren eine Rolle: π Art, Tiefe und Ausdehnung der Verletzung: Sie bestimmen die notwendigen Maßnahmen und die Dauer der Wundheilung. π Lokalisation der Wunde: Gesichtswunden heilen schneller als Wunden z. B. über dem Schienbein, da die Durchblutungssituation im Gesicht sehr gut ist. Die Heilung ist außerdem abhängig von der Art des Gewebes; bradytrophe Gewebe wie Sehnen oder Faszien haben eine langsamere Heilungstendenz. π Verschmutzungsgrad: Eingedrungene Fremdkörper können über Kontamination zu Infektionen führen, die die Heilung verzögern. π Beschaffenheit des umliegenden Gewebes: Nekrosen im Wundgebiet, Ödeme und auch dicker Schorf vermögen durch Behinderung des Blutund Nährstofftransportes die Wundheilung stark zu verzögern. U. U. sind deshalb die chirurgische Revision (Abtragung des Schorfs) und Lagerungsmaßnahmen (Druckentlastung bei Dekubitus) in Erwägung zu ziehen. π Durchblutung des Wundgebietes: Überhaupt stehen alle reparativen und regenerativen Vorgänge in Abhängigkeit von der allgemeinen Durchblutungssituation, d. h. von der Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen.
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15
1.3.5 Medikamente 1.3.2
Alter des Patienten
Im höheren Lebensalter laufen immunologische Reaktionen verzögert ab. Vermindert sind die Fibroblastenaktivität und die Kollagensynthese, sodass Wundkontraktion und Epithelisation langsamer erfolgen. Zusätzlich können Arteriosklerose und Stoffwechselerkrankungen die Wundheilung beeinträchtigen.
1.3.3
Ernährungszustand des Patienten
Bei kachektischen Patienten heilen Wunden aufgrund der katabolen Stoffwechsellage in der Regel schlechter. Auch der Mangel nur einer essenziellen Substanz kann Wundheilungsstörungen bedingen. π Proteine: Eiweiße und Aminosäuren werden für den Gewebeaufbau und die Synthese von Antikörpern benötigt. π Kohlenhydrate: Zucker sind als Energielieferant (Atmungskette-ATP) für alle Reaktionen essenziell. π Fette: Sie dienen ebenfalls als Energielieferant, sind daneben aber auch für den Aufbau der Zellmembranen notwendig. π Vitamine: Insbesondere wird Vitamin C im Rahmen der Kollagensynthese bei Hydroxylierungsvorgängen benötigt. π Mineralstoffe und Spurenelemente: Eisen und Kupfer sind Kofaktoren der Kollagenvernetzung. Zink ist maßgeblich für die Fibroblasten- und Epidermiszellproliferation verantwortlich.
1.3.4
Begleiterkrankungen
Alle Erkrankungen, die mit einer Gewebehypoxie einhergehen, z. B. Diabetes mellitus, Arteriosklerose, chronische Veneninsuffizienz, wirken sich negativ auf die Wundheilung aus. Bei einer Vielzahl chronischer Erkrankungen ist die zelluläre Immunantwort verzögert, was insbesondere neben der Mikroangiopathie (besonders beim Diabetes mellitus) die allgemeinen Heilungsvorgänge und die lokale Infektabwehr beeinträchtigt. Die Inzidenz, Wundinfektionen zu erleiden, ist beim Diabetiker 5-mal höher als bei stoffwechselgesunden Patienten.
1.3.5
Medikamente
Die Wundheilung kann durch Medikamente beeinflusst sein, vornehmlich wird sie durch die 4 nachfolgenden Medikamentengruppen beeinträchtigt: Immunsuppressiva unterdrücken die körpereigene Immunabwehr, sodass erhöhte Gefahr für Wundinfektionen besteht. Außerdem hemmen sie Zellproliferation und -differenzierung mit der Folge verzögerter Wundheilung. Zytostatika blockieren die Zellteilung in proliferierenden Geweben und haben einen ähnlichen wundheilungsverzögernden Effekt wie Immunsuppressiva. Antiphlogistika, insbesondere Glukokortikoide, aber auch nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) haben eine entzündungshemmende Wirkung und können die Wundheilung stören. Steroide beeinflussen die Fibroblastenaktivität, nichtsteroidale Antirheumatika hemmen die Prostaglandinsynthese. Wenn möglich – dies ist jedoch nur selten medizinisch vertretbar – sollten Kortikosteroide vor einer geplanten Operation abgesetzt werden. Antikoagulanzien wie Cumarine und Heparine haben durch ihre gerinnungshemmende Wirkung Einfluss auf die Wundheilung. Bei kreislaufwirksamen Blutungen erhält der Patient ein Antidot (bei Cumarinen Vitamin K, bei Heparinen Protaminsulfat). Für die die Thrombozytenaggregation behindernde Acetylsalicylsäure (AspirinQ) steht ein Antidot nicht zur Verfügung.
1.3.2 Alter des Patienten Im höheren Lebensalter laufen alle Heilungsvorgänge verlangsamt ab.
1.3.3 Ernährungszustand des Patienten Kachexie, aber auch Mangel nur einer essenziellen Substanz kann Wundheilungsstörungen bedingen. Allgemein notwendige Substanzen sind: π Proteine π Kohlenhydrate π Fette π Vitamine (v.a. Vitamin C) π Mineralstoffe und Spurenelemente (z.B. Eisen, Kupfer, Zink).
1.3.4 Begleiterkrankungen Alle Erkrankungen, die eine Hypoxie verursachen, können die Wundheilung verzögern (z. B. Diabetes mellitus, Arteriosklerose etc.).
1.3.5 Medikamente Vornehmlich wirken 4 Medikamentengruppen negativ auf die Wundheilung: Immunsuppressiva unterdrücken die körpereigene Immunabwehr, hemmen die Zellproliferation und -differenzierung. Zytostatika blockieren die Zellteilung und haben einen ähnlichen wundheilungsverzögernden Effekt wie die Immunsuppressiva. Antiphlogistika (Kortikosteroide und nichtsteroidale Antirheumatika) haben eine entzündungshemmende Wirkung und können die Wundheilung stören.
Antikoagulanzien (Cumarine, Heparine und Thrombozytenaggregationshemmer) haben durch ihre gerinnungshemmende Wirkung Einfluss auf die Wundheilung. Bei kreislaufwirksamen Blutungen muss u. U. das Antidot appliziert werden.
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1 Wunde
Rauchen und Drogen
1.3.6 Rauchen und Drogen
1.3.6
Bei Drogenabhängigen und Alkoholikern ist die Wundheilung meist durch Mangelernährung beeinträchtigt. Nikotinabusus behindert die Wundheilung durch Vasokonstriktion.
Bei Drogenabhängigen einschließlich den Alkoholikern wird die Wundheilung durch den geschwächten Allgemeinzustand und die Mangelernährung beeinträchtigt. Nikotinabusus führt durch Vasokonstriktion und arteriosklerotische Veränderungen zu Durchblutungsstörungen, die die Wundheilung behindern.
1.4
1.4
Wundheilungsstörungen
1.4.1 Wundinfektion
1.4.1
Wundinfektion
Kontaminierte Wunden müssen sich nicht in jedem Fall infizieren. Entscheidend sind die Wundbeschaffenheit, die Immunlage des Patienten und insbesondere die Virulenz der Keime. Kardinalsymptome einer Entzündung sind: π Rötung (rubor) π Erwärmung (calor) π Schwellung (tumor) π Schmerz (dolor) π Funktionsstörung (functio laesa).
Eine kontaminierte Wunde muss sich nicht in jedem Fall infizieren. Entscheidend sind Anzahl, Art und Virulenz der eingedrungenen Keime, die Beschaffenheit der Wunde und der Immunstatus des Patienten.
Wundheilungsstörungen
Viren, Pilze und Bakterien können Wundinfektionen verursachen, wobei insbesondere den Bakterien eine Bedeutung zukommt.
Pyogene Wundinfektionen sind eitrig, sie sind meist durch Kokken verursacht ( 1 A-1.12). Putride Wundinfektionen werden durch Fäulniserreger hervorgerufen, klinisch imponieren sie als Gangrän. Anaerobe Wundinfektionen entstehen bevorzugt in Wunden mit ausgedehnten Nekrosen.
Kardinalsymptome einer Entzündung sind: π Rötung (rubor) π Erwärmung (calor) π Schwellung (tumor) π Schmerz (dolor) π Funktionsstörung (functio laesa). Ursächlich für eine Wundinfektion können Viren, Pilze und Bakterien sein: π Viren und Pilze: ihnen kommt eine untergeordnete Bedeutung zu. Die bei den Pilzen gelegentlich genannten Aktinomyzeten sind Bakterien. π Bakterien: Sie spielen mit Abstand die bedeutendste Rolle für die Entstehung von Wundinfektionen, bei denen man 3 Gruppen unterscheidet: Pyogene Wundinfektionen zeichnen sich durch starke Eiterbildung aus und sind überwiegend durch Kokken verursacht ( 1 A-1.12). Putride Wundinfektionen werden durch Fäulniserreger hervorgerufen, die die Körperzellen zersetzen, wobei sich faulig übelriechende Gase entwickeln und klinisch sich das Bild einer feuchten Gangrän bietet. Anaerobe Wundinfektionen entstehen unter Sauerstoffausschluss bevorzugt in Wunden mit ausgedehnten Nekrosen, können aber auch unter aeroben Bedingungen bei Mischinfektionen auftreten.
1 A-1.12
Gefährlich sind Clostridien als Erreger des Gasbrandes und des Tetanus. Die Erreger kommen ubiquitär vor.
Stark eiternde pyogene Wunde
Zu lebensbedrohlichen Krankheitsbildern können die ubiquitär vorkommenden Erreger des Gasbrandes (Clostridium perfringens) und des Wundstarrkrampfes (Clostridium tetani) führen.
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1.4.1 Wundinfektion
Gasbrand (vgl. Kap. A-3.3)
Gasbrand (vgl. Kap. A-3.3)
Beim Gasbrand besteht eine Wundinfektion, bei der es durch Toxämie zu einem ausgedehnten lokalen Ödem, massivem Gewebszerfall und Gasbildung kommt. Die Eintrittspforte für die Erreger liegt fast immer im Gebiet traumatisch zerstörten Gewebes, besonders der Muskulatur (typische Wundinfektion in Kriegszeiten). Die Inkubationszeit liegt zwischen 18 Stunden und 3 Tagen. Wichtiges klinisches Zeichen des Gasbrandes ist der ausgeprägte Wundschmerz. Des weiteren bestehen eine lokale Schwellung und ein Ödem. Bei Palpation lässt sich oft ein Knistern nachweisen. Aus der Wunde entleert sich wässriges, faulig stinkendes Sekret. Im Röntgenbild sieht man eine typische Fiederung der Muskulatur.
Beim Gasbrand liegt eine Wundinfektion vor, bei der durch Toxämie ein ausgedehnt lokales Ödem, massiver Gewebszerfall und Gasbildung bestehen. Mit einer Inkubationszeit von 18 Stunden bis 3 Tagen treten die Erreger meist über traumatisch zerstörtes Gewebe (Muskeln) ein. Der ausgeprägte Wundschmerz ist ein wichtiges Zeichen. Neben lokaler Schwellung und einem Ödem ist bei Palpation ein Knistern festzustellen. Aus der Wunde entleert sich faulig stinkendes Sekret. Im Röntgenbild sieht man eine Fiederung der Muskulatur. Therapie. Zuerst muss das gesamte befallene Gewebe chirurgisch entfernt werden, bis hin zur Amputation oder Exartikulation. Weiter werden eine Antibiotikatherapie (Penicillin) und alle intensivmedizinischen Maßnahmen durchgeführt. Durch eine hyperbare Oxygenation (Druckkammer) soll den obligat anaeroben Gasbranderregern die Lebensgrundlage entzogen werden. Nur durch eine rechtzeitige Wundversorgung mit sorgfältigem Débridement, sowie dem Offenlassen suspekter Wunden kann eine Gasbrandinfektion vermieden werden.
Therapie. An erster Stelle stehen chirurgische Maßnahmen, d. h. breites
Eröffnen der Wunde und Entfernung sämtlichen makroskopisch als nekrotisch erscheinenden Gewebes. Im Extremitätenbereich muß im Gesunden amputiert oder exartikuliert werden. Oft wird die Diagnose eines Gasbrandes erst bei der Operation gestellt. Zu den weiteren therapeutischen Maßnahmen gehören die Antibiotikabehandlung (Penicillin), alle intensivmedizinischen Maßnahmen und die hyperbare Oxygenation (Druckkammer). Durch Sauerstoffanreicherung im Gewebe sollen den obligat anaeroben Erregern die Lebensbedingungen entzogen werden. Diese Maßnahme kann die chirurgische Therapie nur flankieren, nicht ersetzen. Grundsätzlich sind eine rechtzeitige Wundversorgung mit sorgfältigem Wunddébridement und der Verzicht auf einen um jeden Preis erzwungenen Wundverschluss die beste Prophylaxe gegen das Virulentwerden der ubiquitären Clostridien.
Tetanus (vgl. Kap. A-3.4)
Tetanus (vgl. Kap. A-3.4)
Der Tetanus ist charakterisiert durch eine krampfartige Muskelstarre infolge Intoxikation des ZNS durch Clostridium tetani. Die Tetanuserreger sind obligate Anaerobier mit außergewöhnlicher Resistenz gegen Hitze, Trockenheit und chemische Desinfizienzien. Aus Sporen entwickeln sich in anaerobem Milieu vegetative Keime, die Exotoxine produzieren: Das Tetanolysin ist ein Hämolysin, das Tetanospasmin gehört zu den stärksten bekannten Giften. Das Tetanospasmin gelangt über die motorische Endplatte in das ZNS und verursacht eine Blockade aller an die Vorderhornzellen gehenden hemmenden Impulse. Dies bewirkt eine tonische Starre und erhöhte Krampfbereitschaft. Die Inkubationszeit schwankt zwischen Tagen und mehreren Wochen, im Schnitt liegt sie bei 1–3 Wochen. Die Schwere des Krankheitsverlaufs korreliert mit der Kürze der Inkubationszeit. Das klinische Bild bietet anfangs vegetative Allgemeinerscheinungen. Oft wird initial über Schluckstörungen geklagt. Im Verlauf steigt der Muskeltonus, meist zuerst in der Kiefer- und Schlundmuskulatur. Ist die gesamte mimische Muskulatur erfasst, entsteht das schmerzverzerrte, weinerlich grinsende Gesicht, der Risus sardonicus. Im weiteren ist der Gang spastisch, der Rücken hyperlordosiert und der Kopf nach hinten gebeugt (Opisthotonus). Bei geringsten Reizen treten äußerst schmerzhafte Krampfparoxysmen tonisch-klonischer Art hinzu. Die Diagnose wird klinisch gestellt und kann bakteriologisch gesichert werden. Für den Erkrankungs- und Todesfall besteht Meldepflicht.
Die Erreger des Tetanus sind obligate Anaerobier mit hoher Resistenz gegen Hitze, Trockenheit und chemische Desinfizienzien. Sie verursachen durch Intoxikation (Tetanolysin und Tetanospasmin) des ZNS eine krampfartige Muskelstarre. Tetanospasmin verursacht im ZNS eine Blockade aller hemmenden Impulse an die Vorderhornzellen, Folge sind eine tonische Starre und erhöhte Krampfbereitschaft. Die stark variierende Inkubationszeit beträgt im Mittel 1–3 Wochen, je kürzer sie ist, desto schwerer verläuft die Krankheit. Am Anfang der Klinik stehen vegetative Allgemeinerscheinungen und Schluckstörungen. Im Verlauf steigt der Muskeltonus, beginnend an der Kieferund Schlundmuskulatur (Risus sardonicus). Der Gang ist spastisch, der Rücken hyperlordosiert und der Kopf nach hinten gebeugt (Opisthotonus). Bei geringsten Reizen treten schmerzhafte Krampfparoxysmen tonischklonischer Art hinzu. Tetanus ist im Erkrankungs- und Todesfall meldepflichtig. Therapie. Die Therapie besteht in lokalen und allgemeinen Maßnahmen sowie in der aktiven und passiven Immunisierung zur Rezidivprophylaxe. Lokal soll eine Wundexzision erfolgen, um die Toxinquelle auszuschalten. Zu den allgemeinen Maßnahmen gehören Krampfprophylaxe und Kupierung der Krampfanfälle durch Sedierung. Bei schwerem Verlauf kommen
Therapie. Die Therapie umfasst die lokale und allgemeine Behandlung sowie die aktive und passive Immunisierung zur Rezidivprophylaxe. Bei der lokalen Therapie soll durch Wundexzision und ausgedehnte Säuberung die Toxinquelle ausgeschaltet werden. Antibiotika haben auf die Toxine keinen Einfluss, können aber durch Beseitigung einer Mischinfektion für aerobe Wundverhältnisse sorgen. Die allgemeine Behandlung besteht in der Krampfprophylaxe und Kupierung der Krampfanfälle durch Sedierung. Bei schwerem Verlauf mit generalisierten Krampfanfällen und Atem- und Kreislaufkomplikationen muss u. U. der Patient relaxiert und kontrolliert beatmet werden, wie auch alle übrigen
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18 alle intensivmedizinischen Maßnahmen zum Einsatz. Trotz der heutigen Möglichkeiten liegt die Letalität bei 10–30 %.
1 Wunde intensivmedizinischen Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die Letalität der Tetanuserkrankung liegt trotz der heutigen Möglichkeiten bei 10–30 %.
Merke
n Merke. Tetanusinfektionen können sich auch auf dem Boden von Bagatellverletzungen entwickeln, weshalb in jedem Fall der Wundversorgung die Kontrolle des Impfschutzes unerlässlich ist.
Merke
n Merke Tetanusprophylaxe π
π
π
Grundimmunisierung: 3 i.m. Gaben von je 0,5 ml Tetanus-Toxoid (Tetanol) in einem 4-Wochen-Abstand bzw. 1-Jahr-Abstand. Auffrischimpfungen sollten mindestens alle 10 Jahre vorgenommen werden. Im Verletzungsfall: Bei vollständig vorimmunisierten Patienten, deren Impfung länger als 1 Jahr zurückliegt, erfolgt eine Auffrischimpfung mit Tetanus-Toxoid bei verschmutzten oder zerfetzten Wunden und stets bei verspäteter Versorgung. Bei fehlender oder unvollständiger Grundimmunisierung wird regelhaft eine Simultanimpfung mit humanem Tetanus-Hyperimmunglobulin (250 IE Tetagam) und mit 0,5 ml Tetanus-Toxoid i.m. an kontralateralen Körperstellen durchgeführt. Nach 2–4 Wochen und nach 1 Jahr ist die aktive Impfung mit Tetanol zu wiederholen. Kontraindikationen: Kontraindikationen gegen eine prophylaktische (aktive) Grundimmunisierung bestehen bei eitrigen Hauterkrankungen und bei vorausgegangener Impfung gegen Gelbfieber oder Pocken. Das Impfintervall sollte hier mindestens 4 Wochen betragen. Kontraindikationen gegen eine passive Immunisierung sind nicht bekannt.
Hämatom und Serom
1.4.2 Hämatom und Serom
1.4.2
Hämatome und Serome können durch mechanisches Auseinanderdrängen der Wundränder zur Beeinträchtigung der Wundheilung führen. Die Infektionsgefahr ist erhöht. Alle größeren Operationswunden sollten mit Saugdränagen versorgt werden ( 1 A-1.13).
Hämatome infolge Trauma oder unzulänglicher Blutstillung beim chirurgischen Eingriff und Serome können die Wundheilung beeinträchtigen, da sie die Wundränder bis hin zur Wundruptur auseinanderdrängen. Außerdem stellen sie einen guten Nährboden für Keime dar. Alle Operationswunden, bei denen sich ein Hämatom bilden kann, sollten deshalb mit Saugdränagen versorgt werden ( 1 A-1.13).
1 A-1.13
Postoperatives Hämatom Ein postoperativ entstandenes Hämatom behindert die Wundheilung durch Auseinanderdrücken der Wundränder.
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18 alle intensivmedizinischen Maßnahmen zum Einsatz. Trotz der heutigen Möglichkeiten liegt die Letalität bei 10–30 %.
1 Wunde intensivmedizinischen Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die Letalität der Tetanuserkrankung liegt trotz der heutigen Möglichkeiten bei 10–30 %.
Merke
n Merke. Tetanusinfektionen können sich auch auf dem Boden von Bagatellverletzungen entwickeln, weshalb in jedem Fall der Wundversorgung die Kontrolle des Impfschutzes unerlässlich ist.
Merke
n Merke Tetanusprophylaxe π
π
π
Grundimmunisierung: 3 i.m. Gaben von je 0,5 ml Tetanus-Toxoid (Tetanol) in einem 4-Wochen-Abstand bzw. 1-Jahr-Abstand. Auffrischimpfungen sollten mindestens alle 10 Jahre vorgenommen werden. Im Verletzungsfall: Bei vollständig vorimmunisierten Patienten, deren Impfung länger als 1 Jahr zurückliegt, erfolgt eine Auffrischimpfung mit Tetanus-Toxoid bei verschmutzten oder zerfetzten Wunden und stets bei verspäteter Versorgung. Bei fehlender oder unvollständiger Grundimmunisierung wird regelhaft eine Simultanimpfung mit humanem Tetanus-Hyperimmunglobulin (250 IE Tetagam) und mit 0,5 ml Tetanus-Toxoid i.m. an kontralateralen Körperstellen durchgeführt. Nach 2–4 Wochen und nach 1 Jahr ist die aktive Impfung mit Tetanol zu wiederholen. Kontraindikationen: Kontraindikationen gegen eine prophylaktische (aktive) Grundimmunisierung bestehen bei eitrigen Hauterkrankungen und bei vorausgegangener Impfung gegen Gelbfieber oder Pocken. Das Impfintervall sollte hier mindestens 4 Wochen betragen. Kontraindikationen gegen eine passive Immunisierung sind nicht bekannt.
Hämatom und Serom
1.4.2 Hämatom und Serom
1.4.2
Hämatome und Serome können durch mechanisches Auseinanderdrängen der Wundränder zur Beeinträchtigung der Wundheilung führen. Die Infektionsgefahr ist erhöht. Alle größeren Operationswunden sollten mit Saugdränagen versorgt werden ( 1 A-1.13).
Hämatome infolge Trauma oder unzulänglicher Blutstillung beim chirurgischen Eingriff und Serome können die Wundheilung beeinträchtigen, da sie die Wundränder bis hin zur Wundruptur auseinanderdrängen. Außerdem stellen sie einen guten Nährboden für Keime dar. Alle Operationswunden, bei denen sich ein Hämatom bilden kann, sollten deshalb mit Saugdränagen versorgt werden ( 1 A-1.13).
1 A-1.13
Postoperatives Hämatom Ein postoperativ entstandenes Hämatom behindert die Wundheilung durch Auseinanderdrücken der Wundränder.
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1.4.3 Gestörte Gewebeneubildung 1.4.3
Gestörte Gewebeneubildung
1.4.3 Gestörte Gewebeneubildung
Wulstförmige, kosmetisch unbefriedigende Narben entstehen meist, wenn starke Zugkräfte auf das sich neu bildende Gewebe einwirken. n Merke. Die Narbenhypertrophie lässt sich vermeiden, wenn bei Operationen die Schnittführung parallel zu den Langer-Linien gewählt wird ( 1 A-1.14).
1 A-1.14
Narbenhypertrophien entstehen, wenn Zugkräfte auf eine Wunde einwirken. Merke
Synopsis Synopse zum Verlauf der Langer-Spaltlinien
Die roten/dunklen Linien markieren die wichtigsten Schnittführungen
a
b
In anderen Fällen, insbesondere bei ausgedehnten Verbrennungen, kann ein maßgefertigter Kompressionsverband eine Narbenwucherung reduzieren. Bei der Keloidbildung greifen die Narbenwucherungen auf benachbartes, gesundes Gewebe über ( 1 A-1.15). Vermutlich liegt in diesen Fällen eine Kollagensynthesestörung vor, bei der sich die Kollagenfasern kaum vernetzen und sich in das lösliche Kollagen vermehrt Wasser einlagert. Betroffen sind überwiegend junge Patienten und Farbige deutlich häufiger als Weiße. Die chirurgische Korrektur solcher Keloide ist mit einer hohen Rezidivrate behaftet.
Kompressionsverbände können u. U. Narbenwucherungen reduzieren. Narbenwucherungen werden als Keloid bezeichnet, sie greifen auf umgebendes gesundes Gewebe über ( 1 A-1.15). Keloidkorrekturen sind mit einer hohen Rezidivrate behaftet. Gelegentlich lassen sich die Ergebnisse durch maßgefertigte Kompressionsverbände verbessern.
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20
1 Wunde
1 A-1.15
1 A-1.16
Narbenwucherungen
Narbenkontraktur
Kontraktur im Fingermittelgelenk durch eine flächige Narbe nach Verbrennung.
Tumorähnliche Keloidbildung.
Großflächige Defektwunden heilen unter Einziehung des Gewebes. Kosmetische Probleme und Kontrakturen in Gelenknähe sind die Folgen ( 1 A-1.16).
Großflächige Defektwunden, oft nach Verbrennungen, heilen unter Einziehung des Gewebes. Kosmetische Probleme und im Gelenkbereich auch Kontrakturen sind die Folge ( 1 A-1.16). Bei Korrekturoperationen ist ebenfalls mit einer hohen Rezidivrate zu rechnen. Plastische Eingriffe in Form von Hauttransplantationen gehören in die Hand des Spezialisten.
1.5
1.5
Wundbehandlung
Wundbehandlung
Ziel ist die Vermeidung einer Wundinfektion.
Ziel der Wundbehandlung ist die Vermeidung einer Wundinfektion und Schaffung guter Voraussetzungen für eine primäre Wundheilung. Dadurch sollen funktionell und kosmetisch akzeptable Ergebnisse erzielt werden.
1.5.1 Prinzipien der Wundbehandlung
1.5.1
Prinzipien der Wundbehandlung
Der Umfang der chirurgischen Maßnahmen richtet sich nach Verletzungsart und -ausdehnung.
Alle Wundversorgungen müssen unter sterilen Bedingungen, möglichst in einem Operationssaal erfolgen. Die bei der Erste-Hilfe-Maßnahme angelegten Schutzverbände sollten erst vor der endgültigen Versorgung entfernt werden. Grundsätzlich richtet sich der Umfang der chirurgischen Maßnahmen nach der Verletzungsart und -ausdehnung, d.h. ggf. hat die Versorgung von Begleitverletzungen zu erfolgen, wie z.B. Frakturen oder innere Verletzungen.
1.5.2 Anästhesie
1.5.2
Bei einfachen Wunden reicht eine Infiltrationsanästhesie. Bei komplizierten Wunden erfolgt eine Leitungsanästhesie oder eine Allgemeinanästhesie.
Bei einfachen Wunden ist nach Desinfektion die Applikation einer Infiltrationsanästhesie oft ausreichend. Bei komplizierten Wunden beispielsweise an den Extremitäten können Leitungsanästhesien (z.B. Oberst an den Fingern) angewandt werden. Bei Verletzungen am Thorax oder Abdomen, wie auch bei kindlichen Verletzungen muss die Wundversorgung oft in Allgemeinanästhesie erfolgen.
1.5.3 Wundvorbereitung
1.5.3
Zunächst Wundreinigung mit physiologischer NaCl-Lösung, Ringer-Lösung oder H2 O2 , anschließend Hautdesinfektion und Blutstillung. Bei Wunden an Extremitäten kann die chirurgische Versorgung in Blutleere
An erster Stelle steht die Wundreinigung durch Waschen und Ausspülen mit physiologischer NaCl-Lösung, Ringer-Lösung oder H2O2. Anschließend folgt die Hautdesinfektion und Maßnahmen zur Blutstillung, um eine gute Übersicht zu erlangen. Bei Wunden an den Extremitäten kann die chirurgische Versorgung in Blutleere oder Blutsperre durchgeführt werden. Bei der Blutleere wird die Extre-
Alle Wundversorgungen müssen unter sterilen Bedingungen erfolgen.
Anästhesie
Wundvorbereitung
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1 Wunde
1 A-1.15
1 A-1.16
Narbenwucherungen
Narbenkontraktur
Kontraktur im Fingermittelgelenk durch eine flächige Narbe nach Verbrennung.
Tumorähnliche Keloidbildung.
Großflächige Defektwunden heilen unter Einziehung des Gewebes. Kosmetische Probleme und Kontrakturen in Gelenknähe sind die Folgen ( 1 A-1.16).
Großflächige Defektwunden, oft nach Verbrennungen, heilen unter Einziehung des Gewebes. Kosmetische Probleme und im Gelenkbereich auch Kontrakturen sind die Folge ( 1 A-1.16). Bei Korrekturoperationen ist ebenfalls mit einer hohen Rezidivrate zu rechnen. Plastische Eingriffe in Form von Hauttransplantationen gehören in die Hand des Spezialisten.
1.5
1.5
Wundbehandlung
Wundbehandlung
Ziel ist die Vermeidung einer Wundinfektion.
Ziel der Wundbehandlung ist die Vermeidung einer Wundinfektion und Schaffung guter Voraussetzungen für eine primäre Wundheilung. Dadurch sollen funktionell und kosmetisch akzeptable Ergebnisse erzielt werden.
1.5.1 Prinzipien der Wundbehandlung
1.5.1
Prinzipien der Wundbehandlung
Der Umfang der chirurgischen Maßnahmen richtet sich nach Verletzungsart und -ausdehnung.
Alle Wundversorgungen müssen unter sterilen Bedingungen, möglichst in einem Operationssaal erfolgen. Die bei der Erste-Hilfe-Maßnahme angelegten Schutzverbände sollten erst vor der endgültigen Versorgung entfernt werden. Grundsätzlich richtet sich der Umfang der chirurgischen Maßnahmen nach der Verletzungsart und -ausdehnung, d.h. ggf. hat die Versorgung von Begleitverletzungen zu erfolgen, wie z.B. Frakturen oder innere Verletzungen.
1.5.2 Anästhesie
1.5.2
Bei einfachen Wunden reicht eine Infiltrationsanästhesie. Bei komplizierten Wunden erfolgt eine Leitungsanästhesie oder eine Allgemeinanästhesie.
Bei einfachen Wunden ist nach Desinfektion die Applikation einer Infiltrationsanästhesie oft ausreichend. Bei komplizierten Wunden beispielsweise an den Extremitäten können Leitungsanästhesien (z.B. Oberst an den Fingern) angewandt werden. Bei Verletzungen am Thorax oder Abdomen, wie auch bei kindlichen Verletzungen muss die Wundversorgung oft in Allgemeinanästhesie erfolgen.
1.5.3 Wundvorbereitung
1.5.3
Zunächst Wundreinigung mit physiologischer NaCl-Lösung, Ringer-Lösung oder H2 O2 , anschließend Hautdesinfektion und Blutstillung. Bei Wunden an Extremitäten kann die chirurgische Versorgung in Blutleere
An erster Stelle steht die Wundreinigung durch Waschen und Ausspülen mit physiologischer NaCl-Lösung, Ringer-Lösung oder H2O2. Anschließend folgt die Hautdesinfektion und Maßnahmen zur Blutstillung, um eine gute Übersicht zu erlangen. Bei Wunden an den Extremitäten kann die chirurgische Versorgung in Blutleere oder Blutsperre durchgeführt werden. Bei der Blutleere wird die Extre-
Alle Wundversorgungen müssen unter sterilen Bedingungen erfolgen.
Anästhesie
Wundvorbereitung
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1.5.6 Wundverbände mität mit einer Gummibinde von der Peripherie ausgewickelt und proximal eine Manschette mit einem Druck von 300 mmHg für Oberarm oder 500 mmHg für Oberschenkel angelegt. Die maximale Zeit sollte 1,5 Stunden nicht überschreiten. Bei der Blutsperre wird die betroffene Extremität 2 min hochgehalten und dann die Manschette angelegt.
1.5.4
Wundausschneidung
1.5.4 Wundausschneidung
Vor der Naht der Wunde muss die Exzision oder das Débridement erfolgen. In Abhängigkeit von den Wundverhältnissen muss eine verzögerte primäre oder sekundäre Wundheilung angestrebt werden (s. 5.2 ff.).
1.5.5
oder Blutsperre durchgeführt werden.
Wundverschluss
Vor der Wundnaht immer Exzision oder Débridement. Je nach Wundverhältnis ist eine verzögerte primäre oder sekundäre Wundheilung anzustreben (s. 5.2 ff.). 1.5.5 Wundverschluss
Bei jedem Wundverschluss sollen die Wundränder locker und spannungsfrei adaptiert werden. Für Hautnähte steht resorbierbares und nichtresorbierbares Nahtmaterial zur Verfügung. Letzteres kann aus Seide, Zwirn, synthetischen Stoffen oder Metall bestehen. Resorbierbare Fäden gibt es gefärbt oder ungefärbt mit unterschiedlichen Resorptionszeiten. Natürliche resorbierbare Materialien sind Katgut und Chromkatgut. Wegen häufig auftretender entzündlicher Reaktionen um das Fadenmaterial werden diese zunehmend durch hydrolytisch spaltbare, synthetische Fäden ersetzt. Grundsätzlich sollte atraumatisches Nahtmaterial Verwendung finden, bei welchem der Faden derart in die Nadel eingearbeitet ist, dass Hautschäden an den Einstichstellen gering bleiben.
Beim Wundverschluss sollen die Wundränder spannungsfrei und locker adaptiert werden. Bei Hautnähten sollte atraumatisches Nahtmaterial verwendet werden.
Nahttechniken ( 1
Nahttechniken ( 1 A-1.17)
1 A-1.17
A-1.17)
Synopsis Nahttechniken
Knopfnaht.
Rückstichnaht nach Donati. Intrakutannaht nach Halsted.
Rückstichnaht nach Allgöwer.
Knopfnaht: Einstich von außen unter Mitnahme des Coriums und der Epidermis, Rückstich auf der Gegenseite in umgekehrter Reihenfolge. π Rückstichnaht nach Donati: Einstich wie Knopfnaht, Rückstich auf der Gegenseite unter Mitnahme nur des Coriums. π
π π
Knopfnaht Rückstichnaht nach Donati
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22 π π
Rückstichnaht nach Allgöwer Intrakutannaht nach Halsted.
Alle genannten Nahttechniken können als Einzel- oder fortlaufende Naht durchgeführt werden. Weitere Möglichkeiten zum Wundverschluss liegen in der Verwendung von Klammern, Wundpflastern und speziellen Klebstoffen.
1 Wunde Rückstichnaht nach Allgöwer: Einstich transkutan, Rückstich auf der Gegenseite intradermal. Diese Methode zeitigt sehr zufriedenstellende kosmetische Ergebnisse, da die Wundränder sich gut adaptieren und Schnürfurchen auf der Haut nur einseitig auftreten. π Intrakutannaht nach Halsted: Einstich und Rückstich nur intrakutan. Alle Nähte sind in fortlaufender Form ausführbar. Der Hautverschluss ist auch mittels Metallklammern möglich (nicht im Gesicht!), wobei sich nicht immer befriedigende kosmetische Resultate erzielen lassen. Für nahtlose Wundverschlüsse stehen sog. Steristrips, die quer über die Wundränder auf die trockene Haut geklebt werden, und spezielle Klebstoffe zur Verfügung. Steristrips können insbesondere bei kleinen Wunden oder Wunden bei Kindern verwandt werden. Die Wahl der Nahttechnik richtet sich nach der Wunde und ihrer Lokalisation. π
Wundverbände
1.5.6 Wundverbände
1.5.6
Frische Gelegenheitswunden und chirurgisch primär versorgte Wunden werden mit einem sterilen Schutzverband bedeckt. Schutzverbände müssen täglich gewechselt und ärztlich kontrolliert werden.
Frische Gelegenheitswunden und chirurgisch primär versorgte Wunden werden mit einem sterilen Schutzverband bedeckt. Nach 24 Stunden sind nicht kontaminierte Wunden verklebt und somit gegen Infektionen geschützt. Weitere Schutzverbände müssen täglich gewechselt werden, zumal ohnehin eine tägliche ärztliche Wundkontrolle durchgeführt werden muss, um Komplikationen der Wundheilung rechtzeitig zu erkennen. Wenn die Hautnaht mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial durchgeführt wurde, hängt der Zeitpunkt der Nahtentfernung von der Lokalisation ab ( 2 A-1.4).
Der Zeitpunkt der Nahtentfernung ist je nach Lokalisation unterschiedlich ( 2 A-1.4).
2 A-1.4
Um eine primäre Wundheilung zu erreichen können Gipsschienen oder Gipsverbände notwendig sein.
Richtzeiten der Hautnahtentfernung in Abhängigkeit von der Lokalisation
Lokalisation
Richtzeit der Nahtentfernung
N Hals (Kocherscher Kragenschnitt) n
N n
3– 5 Tage
N Kopf n
N n
6– 9 Tage
N Leiste (Hernien) n
N n
5– 7 Tage
N mediane Laparotomie n
N 10–12 Tage n
N Rippenbogenrandschnitt n
N n
8 Tage
N Thorakotomie n
N n
12 Tage
N Extremitäten n
N n
12 Tage
N gelenknah n
N n
14 Tage
N Hand n
N n
8–12 Tage
Um bei bestimmten Wunden, die z.B. über Gelenken liegen, eine primäre Wundheilung zu erreichen, kann es notwendig sein, eine Schienung der Extremität mittels einer Gipsschiene vorzunehmen.
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Asepsis und Antisepsis
2
2
Asepsis und Antisepsis
Uwe Krüger
n Definition. Asepsis bedeutet durch Sterilisation erzielte Keimfreiheit. Sie verhindert mikrobielle Kontamination durch asepsisgerechtes Verhalten. Antisepsis bedeutet lediglich das Unschädlichmachen der Krankheitserreger durch Desinfektion.
Definition
2.1
Methoden der Asepsis und Antisepsis
2.1
2.1.1
Sterilisation
2.1.1 Sterilisation
n Definition. Sterilisation heißt Abtötung aller lebenden Substanzen einschließlich der Bakteriensporen.
Die Wahl des Sterilisationsverfahrens hängt von der Materialbeschaffenheit ab. In 2 A-2.1 werden die verschiedenen Verfahren aufgeführt.
2 A-2.1
Methoden der Asepsis und Antisepsis
Definition
Die Wahl des Sterilisationsverfahrens hängt vom Material ab ( 2 A-2.1).
Sterilisationsverfahren
Methoden
Anwendungsbereich
Einwirkungstemperatur
Einwirkungsdruck
Einwirkungszeit
Heißluft
thermostabile Materialien
180 Ω C 160 Ω C
normaler atmosphärischer Druck
30 min 200 min
Dampf
thermostabile Materialien
134 Ω C 134 Ω C 121 Ω C
2,9 bar 2,9 bar 1,9 bar
5 min 10 min 25 min
für chirurgische Instrumente, Wäsche, Gummi, Glas, Kunststoff usw.
Gas Äthylenoxyd (EO)
thermolabile Materialien
60 min bzw. 180 min
Niederdruck (100 % EO)
60 Ω C
normaler atmosphärischer Druck 4,5 bar
120 min
Hochdruck (6 % EO, 94 % CO 2 )
Formaldehyd
thermolabile Materialien
60 Ω C
200 bar
120 min
alternierendes Vorvakuum
Kathodenstrahlung
thermolabile Materialien
55 Ω C bzw. 37 Ω C
Bemerkungen – –
Dampfsterilisation
Dampfsterilisation
Benutzt wird strömender, gesättigter und gespannter Wasserdampf, der maximal 10 % Luft enthalten darf. Zu beachten sind die unterschiedlichen Thermoresistenzstufen der Erreger, die sich aus 2 A-2.2 ergeben. Der Resistenzstufe IV kommt für den klinischen Bereich keine Bedeutung zu, da die (thermophilen) Erdsporen nicht zu den Krankheitserregern zählen.
Benutzt wird strömender, gesättigter und gespannter Wasserdampf. Die Thermoresistenzstufen der Krankheitserreger müssen beachtet werden ( 2 A-2.2).
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2 Asepsis/Antisepsis
2 A-2.2
Resistenzstufen für die Dampfsterilisation
Keime
Dampfresistenz
Resistenzstufe
Viren, Pilze, vegetative Bakterienformen
100 Ω C
s bis min
I
Milzbrandsporen
100 Ω C
15 min
II
pathogene anaerobe Sporenbildner
100 Ω C
10–50 h
III
thermophile Erdsporen
ab 120 Ω C
10 min
IV
Heißluftsterilisation
Heißluftsterilisation
Für die Heißluftsterilisation mit 180 Ω C über 30 Minuten sind nicht alle Materialien geeignet.
Heißluftsterilisation benötigt einen geringeren apparativen Aufwand, erfordert jedoch höhere Temperaturen als die Dampfsterilisation. Sie ist nicht für alle Materialien geeignet. Um die erforderliche Temperatur von 180 ΩC im gesamten Material zu erreichen, ist eine Sterilisationsdauer von 30 Minuten aufzuwenden.
Gassterilisation mit Äthylenoxyd
Gassterilisation mit Äthylenoxyd
Bei der Gassterilisation mit Äthylenoxyd ist eine Absaugung oder lange Entlüftung notwendig.
Die Gassterilisation wird mit Äthylenoxyd durchgeführt. Zur Gasentfernung ist eine Absaugung oder lange Entlüftung (mindestens 24 Stunden) erforderlich; andernfalls kann es zu Schädigungen des Patienten kommen (z.B. Schleimhautnekrosen bei Gassterilisation von Beatmungsschläuchen).
Formaldehydsterilisation
Formaldehydsterilisation
Die Formaldehydsterilisation muss wegen der Toxizität in geschlossenen Behältern erfolgen.
Die Sterilisation mit Formaldehyddampf wird in speziellen, wegen der hohen Toxizität geschlossenen Behältern mit alternierenden Vorvakuumphasen vorgenommen.
Strahlensterilisation
Strahlensterilisation
Sterilisation mit b - und g -Strahlen findet nur in der Industrie bei bestimmten Pharmazeutika, Einwegund Nahtmaterial Anwendung.
Strahlensterilisation mit Kathodenstrahlen (b- und g-Strahlen) ist mit einem erheblichen apparativen und technischen Aufwand verbunden und der Industrie vorbehalten. Das Verfahren findet bei bestimmten Pharmazeutika, Einweg- und Nahtmaterial Verwendung.
2.1.2 Desinfektion
2.1.2
Definition
Desinfektion
n Definition. Desinfektion bedeutet das Unschädlichmachen von Krankheitserregern. Sie erzielt keine Keimfreiheit, schädigt die Mikroorganismen aber so, dass sie nicht mehr infizieren können.
Desinfektion kommt in Betracht, wenn Sterilisation nicht möglich ist (Hände, Hautoberflächen des Patienten).
Desinfektion kommt in Betracht, wenn Sterilisation nicht möglich ist, z.B. Händedesinfektion des Chirurgen, Hautdesinfektion beim Patienten. Außerdem stellt sie die erste Maßnahme bei der Aufbereitung mikrobiell kontaminierter Instrumente, Geräte und Materialien dar. Flächen, Fußböden und Container müssen nach Gebrauch, ggf. nach Bedarf, desinfiziert werden.
Physikalische Desinfektion
Physikalische Desinfektion
Physikalische Desinfektion durch Auskochen ist geeignet für Instrumente, Geschirr und Wäsche.
Die physikalische Desinfektion erfolgt durch mindestens 15-minütiges Auskochen mit Wasser unter Zusatz von 0,5 % Soda. Das Verfahren eignet sich für Instrumente, Geschirr und kochbare Wäsche.
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2.2.2 Typische Hospitalkeime
Chemische Desinfektion
Chemische Desinfektion
Material einerseits und die Haut andererseits erfordern den Einsatz unterschiedlicher Mittel. Für die Flächendesinfektion und die Desinfektion von Instrumenten, Wäsche, Ausscheidungen usw. verwendet man Phenol-, Formaldehyd- oder Chlorverbindungen in wässriger Lösung. Die vorgeschriebenen Verdünnungen und Einwirkzeiten sind strikt einzuhalten. Bei der Sprühdesinfektion ist auf eine vollständige Benetzung aller Flächen zu achten. Zur Hände- und Operationsfelddesinfektion werden vorwiegend Präparate auf alkoholischer Basis oder mit organisch gebundenem Jod (Polyvidon-Jod) verwendet. Bei den Händen gibt es die hygienische und chirurgische Desinfektion. Die hygienische Händedesinfektion beseitigt die hautfremden und vermindert die Zahl der hauteigenen Keime, während diese bei der chirurgischen Händedesinfektion ebenfalls weitgehend eliminiert werden.
Für die Desinfektion von Flächen, Instrumenten, Wäsche und Ausscheidungen verwendet man Phenol-, Formaldehyd- oder Chlorverbindungen. Verdünnungsvorschriften und Einwirkzeiten sind strikt einzuhalten. Bei der Sprühdesinfektion ist auf vollständige Benetzung aller Flächen zu achten. Hände- und Operationsfelddesinfektion erfolgen mit Präparaten auf alkoholischer Basis oder mit organisch gebundenem Jod. Hygienische Händedesinfektion reduziert, chirurgische beseitigt die hauteigenen Keime fast vollständig.
Raumluftdesinfektion
Raumluftdesinfektion
Die Raumluft»desinfektion« tötet Keime nicht ab, sondern reduziert durch horizontalen und vertikalen Flow lediglich ihre Zahl.
Sie vermindert die Keimzahl durch horizontalen und vertikalen Flow.
2.2
Hospitalismus
n Definition. Hospitalismus ist die Bezeichnung für alle in Krankenhäusern, Arztpraxen und anderen Behandlungseinrichtungen erworbenen Infektionen.
2.2.1
Ursachen des Hospitalismus
Die Ursachen des Hospitalismus sind nicht so sehr in mangelhafter Asepsis und Antisepsis zu suchen, als eher im allzu reichlichen und teilweise sorglos unbedachten Gebrauch der Antibiotika. Die resistenten Keime werden hauptsächlich übertragen durch Luft, Staub, Gebrauchsgegenstände, das Essen und insbesondere das Krankenhauspersonal.
2.2.2
Typische Hospitalkeime
Häufigste Erreger von Hospitalinfektionen sind grampositive Kokken, z.B. Staphylococcus aureus und epidermidis. Eine nicht unbedeutende Rolle spielen auch gramnegative Keime, vorwiegend Enterobakterien wie Klebsiellen und Proteus-Bakterien. Pseudomonas aeruginosa ist wegen seiner leichten Übertragbarkeit ein besonders gefürchteter Infektionserreger. Bei kontaminiertem Wasser (Dusch- und Klimaanlagen) kann auch Legionella pneumophila epidemisch zu einem Hospitalkeim werden. Zur Prophylaxe sollte bei Wasserleitungen eine Vorlauftemperatur von 80 ΩC herrschen, weiterhin sollten Filteranlagen installiert sein. Allgemeine weitere Erregerreservoire in Kliniken sind u.a. Ausgüsse, Waschbecken, Abfalleimer, Urinflaschen, Katheter, medizintechnische Geräte und Feuchtkammern.
2.2
Hospitalismus
Definition
2.2.1 Ursachen des Hospitalismus Ursächlich kommt für den Hospitalismus die Übertragung antibiotikaresistenter Keime in Betracht
2.2.2 Typische Hospitalkeime Typische Hospitalkeime sind Staphylococcus aureus und epidermidis, Pseudomonas aeruginosa, Proteus-Bakterien, aber auch Klebsiellen und Legionellen. Zur Prophylaxe von Legionellen im Brauchwasser sollte die Vorlauftemperatur 80 Ω C betragen und Filteranlagen installiert sein. Erregerreservoire sind u.a. Ausgüsse, Waschbecken, Abfalleimer, Urinflaschen, Katheter, medizintechnische Geräte und Feuchtkammern (Duschund Klimaanlagen).
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26 2.2.3 Vermeidung von Hospitalinfektionen Hygienische Regeln sollten zur Vermeidung von Hospitalinfektionen stets beachtet und strikt eingehalten werden. Der zurückhaltende und gezielte Einsatz von Antibiotika hat einen ebenso hohen Stellenwert. Bei der Patientenversorgung sollte mit Schutzkleidung und Handschuhen gearbeitet werden. In Operationssälen sind Kopfbedeckung und Mundschutz zu benutzen. Für Operations- und Intensivpflegeeinheiten sind bei der Planung aseptische und antiseptische Regeln zu beachten. Die Einhaltung aseptischer und antiseptischer Regeln wird durch Hygienebeauftragte überwacht.
2 Asepsis/Antisepsis 2.2.3
Vermeidung von Hospitalinfektionen
Zu den vorbeugenden Maßnahmen gehören die bakteriologische Kontrolle des Krankenhauspersonals, die regelmäßige gründliche Desinfektion der Fußböden und Flächen sowie der Betten und Wäsche. Ein besonderer Stellenwert kommt der Einschränkung im Gebrauch der Antibiotika zu (nur zurückhaltende und gezielte Anwendung!). Die hygienische Händedesinfektion ist unerlässlich. Außerdem sollte bei der Patientenversorgung konsequent mit Schutzkleidung und Handschuhen gearbeitet werden (auch zum Schutz des Personals, insbesondere im Hinblick auf Hepatitis- und HIVInfektion). In Operationssälen, auf Intensiv- und Dialysestationen ist ggf. Kopfbedeckung und Mundschutz zu benutzen. Schon die Planung von Operations- und Intensivpflegeräumen hat die baulichen Voraussetzungen für die Einhaltung der aseptischen und antiseptischen Regeln zu schaffen. Sämtliche Mitarbeiter sind mit diesen Regeln vertraut zu machen, und ihre Einhaltung ist fortlaufend zu überwachen (Hygienebeauftragte/r).
Allgemeine Infektionsursachen
Allgemeine Infektionsursachen
Grundsätzlich können neben den antibiotikaresistenten Erregern des Hospitalismus alle Keime auf der Basis mangelhafter Asepsis und Antisepsis allgemeine Infektionen verursachen.
Grundsätzlich können neben den antibiotikaresistenten Erregern des Hospitalismus alle Keime (Bakterien, Pilze, Viren) auf der Basis mangelhafter Asepsis und Antisepsis allgemeine Infektionen verursachen. In chirurgischen Einheiten sind sie vor allem für Wundinfektionen, sonst aber auch für Pneumonien, Harnwegsinfekte oder Kathetersepsis (bei liegenden Venenwegen) verantwortlich.
Übertragungswege
Übertragungswege
Erreger werden direkt durch Hände, Narkosetuben, Katheter usw. und aerogen durch Staub oder Sekrettröpfchen beim Husten, Niesen und Sprechen übertragen. Ursachen für eine Kontamination können auch beim Patienten selbst liegen.
Die Erreger werden auf dem Wege der direkten mikrobiellen Kontamination durch Hände, Narkosetuben, Katheter, Kathetergleitmittel usw. und aerogen durch Staub oder beim Husten, Niesen, Sprechen freigesetzte Sekrettröpfchen übertragen. Ursachen für eine Kontamination können auch beim Patienten liegen, z.B. durch Schmierinfektion, wenn Darmkeime in eine Wunde gelangen, bei der traumatischen Eröffnung keimhaltiger Hohlorgane, durch Schwächung der Immunabwehr bei Tumorpatienten oder Organtransplantierten, bei Durchwanderung von Darmkeimen im Rahmen einer Ileussituation.
Vermeidung von Infektionen
Vermeidung von Infektionen
Zur Operationsvorbereitung gehören die Infektsanierung, perioperativ eine kurzzeitige Antibiotikaprophylaxe und unmittelbar vor dem Eingriff Körperreinigung und Enthaarung des Operationsgebietes.
Zur Vorbereitung des Patienten auf die Operation gehört der Ausschluss bzw. die Behandlung von bestehenden Infektionen der Haut, der Atemund der ableitenden Harnwege. Perioperativ soll kurzzeitig eine Antibiotikaprophylaxe betrieben werden (»single shot«, bei länger dauernden Operationen Wiederholung nach 3 Stunden). Die Wahl des Präparates richtet sich nach der Operation. Körperreinigung und Enthaarung des Operationsgebietes gehören zu den Maßnahmen, die unmittelbar vor dem Eingriff zu erfolgen haben.
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Chirurgische Infektionen
3
3
Chirurgische Infektionen
Jörg Schröder n Definition. Eine Infektion (lat. inficere: anstecken, vergiften) beinhaltet die Anhaftung, das Eindringen sowie die Vermehrung von Mikroorganismen in einem auf die Infektion reagierenden Makroorganismus. Eine chirurgische Infektion ist eine Infektion, die in der Mehrzahl der Fälle chirurgisch behandelt wird, die inzidiert oder dräniert werden muß (z.B. Abszesse, Empyeme), die nicht vaskularisiertes Gewebe betrifft (z.B. Gasbrand) oder die als Folge einer Operation (z.B. postoperative Wundinfektionen) auftritt.
3.1
Allgemeine Infektionslehre
Ätiologie. Erreger sind die Verursacher von Infektionen. Bekannt sind Bakterien, bakterienähnliche Mikroorganismen, Pilze, Protozoen, Würmer und Viren.
Definition
3.1
Allgemeine Infektionslehre
Ätiologie. Erreger von Infektionen sind Bakterien, bakterienähnliche Mikroorganismen, Pilze, Protozoen, Würmer und Viren.
n Definitionen. Primärinfektion: Die Entstehung einer Infektion ohne erkennbare Ursache nach (Mikro-)Verletzung nennt man Primärinfektion. π Sekundärinfektion: Eine Sekundärinfektion ist eine Infektion nach akzidentell entstandener oder iatrogen gesetzter Wunde. π Mischinfektion: Eine Mischinfektion wird durch mehrere gleichzeitig im Organismus auftretende Erreger verursacht. π Pyogene Infektion: Eine pyogene Infektion ist eine durch sogenannte Eitererreger ausgelöste Entzündung. Ein schädigendes Agens wie z.B. ein Bakterium wird von phagozytierenden Leukozyten aufgenommen, die selbst zugrunde gehen und Eiter bilden.
Definitionen
π
3.1.1
Allgemeine Pathophysiologie
Eine Infektion ist eine komplexe Abwehrreaktion des Organismus auf verschiedene gewebsschädigende Reize allergischer, physikalischer (z.B. Verbrennungen), chemischer (z.B. Säuren und Laugen) oder biologischer (Mikroorganismen und ihre Produkte) Natur. Das schädigende Agens löst die Entzündungsreaktion nicht unmittelbar aus, sondern wirkt über Vermittlersubstanzen, sogenannte Mediatoren, die von den geschädigten Zellen produziert werden. Die bedeutsamsten Mediatoren sind ( 2 A-3.1): π Amine, z.B. das vasodilatierende und permeabilitätssteigernd wirkende Histamin π Kinine, z.B. Bradykinin mit ebenfalls gefäßerweiternder Wirkung und Steigerung der Permeabilität π Proteasen, z.B. Plasmin, Kallikrein, die bei der Bildung der Kinine mitwirken π Zytokine, z.B. der Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) oder verschiedene Interleukine (IL) wie IL-1, IL-6 und IL-8, die lokal und systemisch eine komplexe Abwehrreaktion hervorrufen. Die folgenden von Mikroorganismen gebildeten Produkte beeinflussen wesentlich eine Entzündung: π Exotoxine: hitzelabile Proteine, welche die Bakterienzelle durch die Zellmembran in die Umgebung abgibt π Endotoxine: hitzestabile komplexe Moleküle, die nach Zerstörung der Bakterienzelle bei gramnegativen Bakterien aus der Zellwand freigesetzt werden
3.1.1 Allgemeine Pathophysiologie Entzündungsreize können allergischer, physikalischer, chemischer oder biologischer Natur sein. Die Entzündungsreaktion wird indirekt durch Vermittlersubstanzen, sogenannte Mediatoren, ausgelöst. Die bedeutsamsten Mediatoren sind ( 2 A-3.1): π Amine π
Kinine
π
Proteasen
π
Zytokine.
Mikroorganismen können Exotoxine, Endotoxine und extrazelluläre Enzyme produzieren. Diese beeinflussen wesentlich eine Entzündung.
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3 Chirurgische Infektionen
2 A-3.1
Mediatoren der Entzündungsreaktion
Gruppe
Mediatoren
Abkürzungen
N aktivierte Komplementfaktoren n
Anaphylatoxine
C3a, C5a
N aktivierte Gerinnungs- und Fibrinolyseprodukte n
Thrombin
N aktivierte Amine und Kinine n
Histamin Bradykinin
N Proteasen n
Plasmin Kallikrein Elastase Cathepsin B
N Zytokine n
Tumor-Nekrose-Faktor a Interleukine Interferone
TNF IL-1, -6, -10, -12 g -IFN
N Phospholipide n
plättchenaktivierender Faktor Thromboxane Prostaglandine Leukotriene
PAF TxA2 PGI2 , PGE 2 LTB 4 , LTC 4
N freie Sauerstoffradikale n
Superoxid Hydroxykation
O2— HO—
N vasoaktive Endothelfaktoren n
Stickstoffmonoxid Endothelin
NO
Der Organismus besitzt eine Vielzahl innerer und äußerer Schutzmechanismen gegen Infektionen durch Bakterien, Viren und Parasiten. Zu den äußeren Schutzmechanismen zählen z.B. die unverletzte Haut, die physiologische Bakterienflora und die Bakterizidie des sauren Magensaftes.
Innere Schutzmechanismen umfassen die unspezifische zelluläre und die spezifische humorale Abwehr.
Extrazelluläre Enzyme: zu dieser Gruppe gehört z.B. die von Staphylokokken gebildete Koagulase, welche gerinnungsaktivierend wirkt, die Fibrinbildung um Staphylokokken fördert und somit die Bakterien schützt. Der menschliche Organismus besitzt eine Vielzahl von äußeren und inneren Schutzmechanismen gegen chirurgische Infektionen durch Bakterien, Viren und Parasiten. Zu den äußeren Schutzmechanismen zählen: π Gewebedurchblutung π unverletzte Haut π Schleimhäute (z.B. Nase, Rachen) mit Flimmerhärchen π physiologische Bakterienflora π Bakterizidie des sauren Magensaftes und π Sphinkterfunktionen. Innere Schutzmechanismen umfassen die unspezifische zelluläre und die spezifische humorale Abwehr. Die unspezifische Immunität, die die Phagozytose durch Makrophagen und Granulozyten beinhaltet, dient als eine der ersten Maßnahmen zur Bekämpfung abszessformierender und nekrotisierender Infektionen. Funktion der spezifischen humoralen Abwehr ist die Synthese spezifischer Antikörper durch B-Lymphozyten nach Antigenpräsentation durch Makrophagen und Stimulation durch T-Lymphozyten. Diese Antikörper vernichten Bakterien und Viren, bevor sie in Zellen eindringen. π
Lokale Infektionen
3.1.2 Lokale Infektionen
3.1.2
Lokale Entzündungen sind durch die natürliche Gewebearchitektur begrenzt. Klassische Symptome lokaler Infektionen sind:
Lokale Entzündungen sind durch die natürliche Gewebearchitektur begrenzte Infektionen. Die Entzündungsreaktion stellt die biochemische und morphologische Antwort auf einen Entzündungsreiz dar. Die lokale Entzündungsreaktion führt zu den von Galen und Celsus beschriebenen klassischen Kardinalsymptomen: π Rubor (Rötung) π Calor (Überwärmung) π Tumor (Schwellung) π Dolor (Schmerz) und π Functio laesa (eingeschränkte Funktion). Verbunden mit den genannten Kardinalsymptomen können allgemeine Reaktionen des Organismus wie Erhöhung der Körpertemperatur, Fieber, Leukozytose, Anstieg der BSG und eine Aktivierung des Stoffwechsels auftreten.
π π π π π
Rubor Calor Tumor Dolor Functio laesa.
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3.1.4 Prädispositionen 3.1.3
Systemische Infektionen
3.1.3 Systemische Infektionen
Systemische Infektionen sind durch eine lebensbedrohliche Reaktion des Organismus mit Dysfunktion oder Versagen eines oder mehrerer Organsysteme (Lunge, Niere, Herz/Kreislauf, Leber usw.) charakterisiert. Die Organdysfunktion wird durch die vermehrte systemische Freisetzung verschiedener Zytokine wie z.B. Tumor-Nekrose-Faktor oder Interleukin-1 und -6 hervorgerufen. Auslösende Faktoren können bei bakteriellen Infektionen Endotoxine (z.B. diffuse Peritonitis), große Gewebstraumen (Verbrennungen, Polytrauma) oder eine abakterielle schwere Pankreatitis sein. Der Verlauf lokalisierter und systemischer Infektionen ist im Wesentlichen von 3 Faktoren abhängig: π Art und Virulenz der Erreger: Bestimmte Erreger können charakteristische Infektionen hervorrufen, z.B. Streptokokken ein Erysipel. In Mischinfektionen können verschiedene Erreger ihre virulente Wirkung, d.h. den Grad der Aggressivität gegenüber dem Makroorganismus, potenzieren. π Keimzahl der Erreger: Größere Erregerzahlen erhöhen die Schwere der Infektionen und beschleunigen den Verlauf. π Lokale und systemische Immunität des Patienten: Periphere Durchblutungsstörungen, Hämatome, postoperative Schwellungen oder Kontusionen können lokalisierte Infektionen begünstigen, Diabetes mellitus, Alkoholabusus, Malignome, Bestrahlung, Steroid- und Zytostatikatherapie können lokale und systemische Infektionen begünstigen. Lokalisierte Infektionen können sich durch verschiedene Mechanismen zu einer systemischen Infektion ausbreiten, die dem Krankheitsbild der Sepsis entsprechen: π Nekrotisierende Infektionen können sich in anatomisch präformierten Wegen ausbreiten. Die Myonekrose des Gasbrandes breitet sich durch eine zunehmende Muskelnekrose und die nekrotisierende Fasziitis entlang der minderperfundierten Faszie und des Subkutangewebes aus. Toxine der Erreger können eine systemische Reaktion hervorrufen. π Phlegmonen und oberflächliche Entzündungen der Haut können sich nicht nur durch Nekrosen, sondern auch durch Metastasen ausbreiten. π Abszesse, die nicht rechtzeitig dräniert werden, können sich vergrößern, ihre Begrenzungen (Abszessmembran) überschreiten und z.B. Blutgefäße penetrieren. π Infektionen durch Streptokokken und manche Staphylokokkeninfektionen können sich entlang der Lymphabflusswege (Lymphangitis und Lymphadenitis) ausbreiten und somit Anschluss an den systemischen Kreislauf finden.
3.1.4
Prädispositionen
Risikofaktoren postoperativer Infektionen
Patientenfaktoren
Perioperative Faktoren
Intraoperative Faktoren
N Alter n
N lange Hospitalisation n
N intraoperative n Kontamination
N Antibiotikatherapie n
N Dauer der Operation n
N Unterernährung n N Übergewicht n
Der Verlauf lokaler und systemischer Infektionen ist von der Art, Zahl und Virulenz der Erreger sowie von der Abwehrlage der Patienten abhängig.
Die Ausbreitung lokalisierter Infektionen zu systemischen Entzündungen kann durch nekrotisierende Infektionen, Phlegmonen, oberflächliche Entzündungen der Haut, Abszesse, eine Ausbreitung über das Lymphsystem oder die Blutbahn (Bakteriämie) erfolgen.
3.1.4 Prädisposition
Das Risiko einer postoperativen Infektion ist neben operativen und perioperativen Faktoren von einigen Patientenfaktoren abhängig ( 2 A-3.2).
2 A-3.2
Systemische Infektionen sind durch die lebensbedrohliche Dysfunktion eines oder mehrerer Organsysteme gekennzeichnet. Die Organdysfunktion wird durch die vermehrte systemische Freisetzung verschiedener Zytokine oder Interleukine hervorgerufen.
N Immunsuppression n
N Fremdmaterial n
N Diabetes mellitus n
N Wunddränage n
Eine Vielzahl operativer, perioperativer und patientenbedingter Faktoren erhöht das postoperative Infektionsrisiko ( 2 A-3.2).
N intraoperative n Hypotonie N massive Transfusion n
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30 3.1.5
3 Chirurgische Infektionen Diagnostik
3.1.5
Diagnostik
Grundlage der Therapie chirurgischer Infektionen ist die Diagnostik mit richtiger Probenentnahme, dem richtigen Transportmedium und Kooperation mit einem mikrobiologischen Labor.
Grundlage der Therapie chirurgischer Infektionen ist die Diagnostik der auslösenden bakteriellen, viralen, parasitären Entzündungen oder der Pilzerkrankungen. Die richtige Probenentnahme, das richtige Transportmedium und vor allem die Kooperation mit dem mikrobiologischen Labor sind Voraussetzungen einer effektiven Behandlung.
π
Blutkulturen: Sie sind im Temperaturanstieg bei Fieber unklarer Genese indiziert. Es sollten zwei Entnahmen erfolgen, eine für eine aerobe und eine für eine anaerobe Bebrütung.
π
Material aus dem Respirationstrakt: Dazu gehören Rachenabstriche, Sputum, Tracheal- oder Aspirationssekret.
π
π
Blutkulturen: Blutkulturen sind bei Fieber unklarer Genese (z.B. Sepsis, infizierte Verbrennungen oder postoperativ), möglichst vor der Antibiotikagabe, indiziert. Unter aseptischen Bedingungen sollten venös zwei Entnahmen, eine für eine aerobe und eine für eine anaerobe Bebrütung, in kommerziell erhältlichen Blutkulturflaschen erfolgen. Optimale Erfolgsaussichten zum Nachweis von Erregern in einer Blutkultur bestehen im Fieberanstieg zwischen 37 ΩC und 39 ΩC. Erreger wie Mykobakterien oder Mykoplasmen werden in konventionellen Blutkulturen nicht erfasst. Material aus dem oberen Respirationstrakt: Nach Mundspülung mit NaCl oder Wasser können Rachenabstriche entnommen und in dem vorgesehenen Transportmedium versandt werden.
Material aus dem unteren Respirationstrakt: Materialien aus dem unteren Respirationstrakt sind Sputum, Trachealsekret oder Aspirationssekret, welches durch Bronchiallavage oder Bronchoskopie gewonnen wird.
π
Wunden/Abszesse: Aus Nekrosematerial, Flüssigkeit oder Eiter können die verursachenden Erreger von Wundinfektionen oder Abszessen isoliert werden. Nekrosematerial und Flüssigkeit können auf Medium gebracht und Eiter kann im sterilen Reagenzglas transportiert werden.
π
Wunden/Abszesse: Gewebe, Flüssigkeit oder originärer Eiter aus einer Wunde oder einem Abszess sind optimale Materialien.
π
Urin: Mittelstrahlurin, suprapubisches Blasenpunktat und in Ausnahmefällen eine Einmalkatheterprobe sind Materialien zur Urinuntersuchung.
π Urin: Zur mikrobiologischen Untersuchung sind Mittelstrahlurin, suprapubisches Blasenpunktat (nach sorgfältiger Hautdesinfektion) und in Ausnahmefällen (z.B. Querschnittslähmung) die Einmalkatheterurinprobe geeignet. Aufgrund der Gefahr der Keiminvasion in die Blase sollte die Einmalkatheterprobe die Ausnahme sein.
π
Liquor: nach Punktion in einem sterilen Röhrchen einsenden.
π
π
Intravenöse Katheter: bei unklarem Fieber Katheterspitzen einsenden.
π
π Stuhlproben: bei Verdacht auf eine bakterielle Darmerkrankung sind Stuhlproben einzusenden.
π
π Serologische Diagnostik: ein Antikörpernachweis im Serum kann bei Verdacht auf Legionellose, Mykoplasmen- oder Chlamydieninfektionen, Hepatitis, HIV-Infektion oder bei systemischen Mykosen erfolgen.
π
3.1.6 Therapie
3.1.6
Die Mehrzahl der chirurgischen Infektionen erfordert eine chirurgische Sanierung mit z.B. Dränage eines Abszesses oder Débridement devitalisierten Gewebes.
Die Mehrzahl der chirurgischen Infektionen erfordert eine chirurgische Therapie mit Sanierung eines Fokus (z.B. Darmperforation und Peritonitis), mit Dränage eines Abszesses (z.B. intraabdominell oder subkutan) oder Débridement devitalisierten Gewebes. Eine Abszessdränage kann chirurgisch (z.B. via Laparotomie oder Hautinzision) oder durch eine sonographisch oder CT-gesteuerte Plazierung eines großlumigen Spülkatheters in einen Abszess erfolgen.
π
Liquor: Liquor kann nach Punktion unter streng aseptischen Bedingungen in einem sterilen Röhrchen eingesandt werden. Intravenöse Katheter: Katheterspitzen werden nach aseptischer Entfernung eines intravenösen Katheters abgetrennt und in einem sterilen Behälter eingesandt.
Stuhlproben: Bei Verdacht auf eine bakterielle Darmerkrankung (z.B. Salmonellen, Shigellen, Yersinien, Clostridium difficile) oder bei Darmparasiten wird eine Stuhlprobe in einem Stuhlröhrchen eingesandt. Serologische Diagnostik: Ein Antikörpernachweis im Serum kann durchgeführt werden, wenn bei bakteriellen (z.B. Legionellose, Erkrankungen durch Mykoplasmen oder Chlamydien) und viralen Infektionen (Hepatitis oder HIV) oder bei systemischen Mykosen (Candida und Aspergillus) kein direkter Erregernachweis möglich ist.
Therapie
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31
3.2.1 Postoperative Infektionen Chirurgische Infektionen, die durch eine Inzision oder Dränage ausreichend therapiert sind (z.B. Furunkel, unkomplizierte Wundinfektion) benötigen keine Antibiotikatherapie. Sich ausbreitende Infektionen oder solche, die persistieren, müssen zusätzlich antibiotisch therapiert werden, um entweder die lymphatische Ausbreitung oder die Bakteriämie zu verhindern. Die Therapie chirurgischer Infektionen beinhaltet neben der lokalen und antibiotischen Therapie die Ruhigstellung eines entzündeten Körperteils.
3.1.7
Fieber
Fieber ohne Allgemeinsymptome tritt häufig in der unmittelbaren postoperativen Phase auf und gibt keinen Anlass zur Therapie. Bei Fieber mit Allgemeinsymptomen können während der ersten 2 Tage folgende Ursachen vorliegen: π Atelektase oder Pneumonie π Wundinfektionen (z.B. Streptokokken) π Sepsis. Die häufigsten Ursachen von später auftretendem Fieber sind: π Wundinfektionen (z.B. durch Staphylokokken) π Pneumonien π katheterbedingte Infektionen (zentrale Katheter, Blasenkatheter) π Anastomoseninsuffizienzen, Sepsis oder Abszesse. Auch Phlebitiden, eine Cholezystitis, Kolitis, Sinusitis oder Meningitis können postoperatives Fieber verursachen. Medikamentenreaktionen sollten jedoch differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden.
3.2
Infektionsformen
3.2.1
Postoperative Infektionen
Antibiotika sind bei systemischer Reaktion oder bei sich ausdehnenden bzw. persistierenden Infektionen angezeigt.
Die Ruhigstellung eines entzündeten Körperteils unterstützt die genannten Maßnahmen. 3.1.7 Fieber Postoperatives Fieber ohne Allgemeinsymptome bedarf keiner Therapie. Ursachen von Fieber mit Allgemeinsymptomen können in den ersten 2 Tagen sein: π Atelektase oder Pneumonie π Wundinfektionen π Sepsis. Später auftretendes Fieber kann Folge sein von: π Wundinfektionen π Pneumonie π katheterbedingten Infektionen π Anastomoseninsuffizienz oder Abszess. Weitere Ursachen können Phlebitis, Cholezystitis, Kolitis, Sinusitis oder Meningitis sein. Auch Medikamentenreaktionen sind in Betracht zu ziehen. 3.2
Infektionsformen
3.2.1 Postoperative Infektionen
Der Chirurg wird mit 2 Kategorien von Infektionen konfrontiert, solchen, mit denen sich der Patient bei Aufnahme präsentiert, und solchen, die sich nach Notfall- oder Elektivoperationen entwickeln. Die letztgenannten, im Krankenhaus erworbenen (nosokomialen) Infektionen sind vorwiegend: π Wundinfektionen π Harnwegsinfekte π Infektionen durch Venenkatheter π Pneumonien π intraabdominelle Infektionen π Sepsis. Die Rate an nosokomialen Infektionen ist auf Intensivstationen 5–10-mal höher als auf chirurgischen Normalstationen. Risiken bei Intensivpatienten sind die Abwehrschwäche bei schwerer Grunderkrankung (z.B. Pankreatitis, schweres Polytrauma, Verbrennungen) und invasive intensivmedizinische Maßnahmen wie Beatmung, intravenöse bzw. intraarterielle Katheter oder Harnwegskatheter. Die häufigsten Erreger nosokomialer Infektionen sind gramnegative Enterobakterien (z.B. Escherichia coli, Klebsiella), Staphylokokken, Pseudomonas aeruginosa und Enterokokken.
Zu den postoperativen, nosokomialen Infektionen zählen Wundinfektionen, Harnwegsinfekte, Infektionen durch Venenkatheter, Pneumonien, intraabdominelle Entzündungen und die Sepsis.
Wundinfektionen
Wundinfektionen
Ätiologie und Klassifikation. Postoperative Wundinfektionen resultieren
Ätiologie und Klassifikation. Wundinfektionen sind Folge der bakteriellen Kontamination der Wunde. Abhängig von der Klassifikation einer Wunde steigt das Wundinfektionsrisiko.
aus einer bakteriellen Kontamination während oder nach einer Operation. Sie bleiben trotz aseptischer und atraumatischer Techniken ein ernsthaftes Problem und sind abhängig von der Klassifikation operativer Wunden. Man unterscheidet: π Aseptische Wunden: nichttraumatische, nichtinfizierte Wunden; elektive Operationen ohne Eröffnung des Respirations-, des Harnwegs-/Genitaloder des Gastrointestinaltraktes (z.B. Leistenhernie, Struma).
Die Rate an nosokomialen Infektionen ist auf Intensivstationen 5–10-mal höher als auf chirurgischen Normalstationen. Die häufigsten Erreger nosokomialer Infektionen sind gramnegative Enterobakterien (z.B. E. coli, Klebsiella), Staphylokokken, Pseudomonas aeruginosa und Enterokokken.
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32 Klassifiziert werden Wunden nach den Kriterien π aseptisch π bedingt aseptisch π kontaminiert und π septisch.
3 Chirurgische Infektionen π
π
π
Die Inzidenz der Infektionen steigt entsprechend der Klassifikation der Wunden ( 2 A-3.3).
Bedingt aseptische Wunden: Notfalloperation, die ansonsten sauber ist; Operation mit Eröffnung des nicht infizierten Respirations-, Harnwegs-/ Genital- oder des oberen Gastrointestinaltraktes (z.B. Cholezystektomie). Kontaminierte Wunden: offene, frische traumatische Wunden; Eröffnung der Harnwege, der Gallenwege bei infiziertem Urin bzw. infizierter Galle; akute, nicht purulente Entzündung (z.B. akute, nicht gangränöse und nicht perforierte Appendizitis). Septische Wunden: traumatische Wunden mit devitalisiertem Gewebe, Fremdkörpern, fäkaler Kontamination oder Dreck; Perforation des Gastrointestinaltraktes; purulente Entzündungen; Abszesse (z.B. perforierte Appendizitis mit Abszess).
Die Inzidenz der Infektionen steigt entsprechend der Klassifikation der Wunden ( 2 A-3.3).
2 A-3.3
Inzidenz der Wundinfektionen
Klassifikation
Wundinfektionsrate
N aseptisch n
< 2%
N bedingt aseptisch n
< 10 %
N kontaminiert n
20 %
N septisch n
40 %
Symptome. Wundinfektionen treten meist zwischen dem 5. und 7. postoperativen Tag auf. Schmerzen, eine Wundrötung, Fluktuation (Abszess!) und ein Ödem sind weitere mögliche Zeichen der Wundinfektion. Therapie. Die Behandlung der Wahl ist die Eröffnung der Wunde und Einleitung einer offenen Wundbehandlung.
Symptome. Wundinfektionen manifestieren sich meist zwischen dem 5. und 7. postoperativen Tag. Postoperatives Fieber zu dem genannten Zeitpunkt macht eine Kontrolle der Wunde erforderlich. Schmerzen, eine Wundrötung, Fluktuation (Abszess!) und ein Ödem sind weitere mögliche Zeichen der Wundinfektion.
Prophylaxe. Eine Antibiotikaprophylaxe ist bei aseptischen Wunden und der minimalen Infektionsrate nicht indiziert. In den Wundkategorien »bedingt aseptisch« und »kontaminiert« ist eine Antibiotikaprophylaxe empfehlenswert. »Septische Wunden« bedürfen einer längerdauernden Therapie mit Antibiotika.
Prophylaxe. Eine Antibiotikaprophylaxe ist bei aseptischen Wunden und
Merke
Harnwegsinfekte
Therapie. Die Behandlung der Wahl ist die Eröffnung der Wunde und Einleitung einer offenen Wundbehandlung. Antibiotika sind nur bei einer systemischen Ausbreitung erforderlich. der minimalen Infektionsrate nicht indiziert. Ausnahmen sind Prothesenimplantationen und Operationen bei alten, adipösen oder immunsupprimierten Patienten. In den Wundkategorien »bedingt aseptisch« und »kontaminiert« ist eine Antibiotikaprophylaxe empfehlenswert, da es operationsbedingt zu einer Kontamination der Wunde kommt. Die prophylaktische Gabe von Antibiotika senkt in diesen Gruppen die Rate an Wundinfektionen deutlich (< 5 % bei »bedingt aseptischen« und < 10 % bei »kontaminierten« Wunden). »Septische Wunden« bedürfen keiner Prophylaxe, sondern einer längerdauernden Therapie mit Antibiotika. n Merke. Die Antibiotikaprophylaxe mit der nachgewiesenen Wirksamkeit, die Wundinfektionsrate zu verringern, kann eine saubere chirurgische Technik, eine strenge Asepsis und eine optimale Patientenvorbereitung nicht ersetzen.
Harnwegsinfekte
Harnwegsinfekte sind die häufigste nosokomiale Infektion (30–40 %). Abgesehen von Fällen mit Obstruktionen der Harnwege sind sie gut therapierbar. Die Infektionsrate (Bakteriurie > 105 Keime) weist eine eindeutige Relation zu der Zeit auf, die ein Harnwegskatheter in der Blase verbleibt. Die Rate steigt bereits nach einer Woche Versorgung mit einem Katheter deutlich an. Die häufigsten Erreger sind E. coli und Spülung mit Antiseptika oder Antibiotika bzw. die systemische Antibiotikaandere gramnegative Bakterien. gabe verzögern das Auftreten der katheterassoziierten Harnwegsinfekte oder verschieben das Erregerspektrum, verhindern die Infektion jedoch nicht. Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden! Die Rate an Harnwegsinfekten weist eine eindeutige Relation zu der Zeit auf, die ein Katheter in der Harnblase verbleibt.
33
3.2.1 Postoperative Infektionen Ausgangspunkt der Bakteriurie sind die Perianal- und Periurethralregion. E. coli und andere gramnegative Bakterien sind die häufigsten Erreger.
Therapie. Die Inzidenz von Harnwegsinfektionen ist bei suprapubischer Harnableitung als Alternative zum Harnwegskatheter deutlich geringer. Die Behandlung einer Bakteriurie erfolgt durch eine kalkulierte Antibiotikatherapie bzw. bei Problemkeimen durch eine gezielte Behandlung nach Antibiogramm. Bei unkomplizierten Harnwegsinfekten bietet sich eine orale Therapie mit z.B. Cotrimoxazol, Amoxicillin (+ Clavulansäure) oder Chinolone (z.B. Ciprofloxacin) an.
Therapie. Die Behandlung einer Bakteriurie erfolgt durch eine kalkulierte bzw. gezielte Antibiotikatherapie.
Infektionen durch Venenkatheter
Infektionen durch Venenkatheter
Venenkatheter sind vor allem auf Intensivstationen ein wesentlicher Bestandteil der therapeutischen Maßnahmen (z.B. parenterale Ernährung, Messung des ZVD oder Hämodialyse). Mikroorganismen können intraluminal oder entlang der Katheteraußenseite in die Blutbahn gelangen und eine systemische Reaktion hervorrufen. Staphylococcus aureus und epidermidis sind die häufigsten Erreger. Bei fehlendem Nachweis anderer Infektionen weisen hohes Fieber und eine Leukozytose auf eine katheterbedingte Infektion hin.
Staphylococcus aureus und epidermidis sind die häufigsten Erreger, die intraluminal oder entlang des Katheters in die Blutbahn gelangen können.
Therapie. Die wirkungsvollste Maßnahme ist die Entfernung des Katheters
Therapie. Durch Entfernung des Katheters gehen die Symptome schnell zurück.
(Katheterspitze zur mikrobiologischen Untersuchung einsenden!). Fieberrückgang nach Entfernung bestätigt den Verdacht der katheterbedingten Infektion. n Merke. Eine klare Indikationsstellung, gute Desinfektion der Punktionsstelle bzw. aseptisches Vorgehen beim Legen und der Pflege der zentralen Katheter, regelmäßige Kontrolle der Punktionsstelle und eine befristete Liegedauer sind wirkungsvolle Maßnahmen, um katheterbedingten Infektionen vorzubeugen.
Unkomplizierte Harnwegsinfekte können oral z.B. mit Cotrimoxazol, Amoxicillin oder Chinolone behandelt werden.
Fieber und Leukozytose sind erste Zeichen der systemischen Reaktion.
Merke
Pneumonien
Pneumonien
Pneumonien gehören zu den schweren nosokomialen Infektionen, die isoliert oder mit anderen Infektionen nach 2–3 Tagen Krankenhausaufenthalt auftreten können. Die Entstehung wird u.a. durch Hypoventilation, Atelektasen oder ein vorbestehendes Lungenleiden begünstigt. Die nosokomiale Pneumonie ist nach den Wund- und Harnwegsinfektionen die häufigste der im Krankenhaus erworbenen Infektionen. Nosokomiale Pneumonien erweisen sich als eine
Nosokomiale Pneumonien können nach 2–3 Tagen auftreten. Begünstigend sind Hypoventilation, Atelektasen oder ein chronisches Lungenleiden. Die nosokomiale Pneumonie ist nach den Wund- und Harnwegsinfektionen die häufigste der im Krankenhaus erworbenen Infektionen. (Letalität: 20–40 %).
1 A-3.1
Pneumonie rechter Unterlappen Auf der rechten Seite kommt die Kammer eines Port-Katheters zur Abbildung. Links thorakal besteht ein Zustand nach Perikardfensterung mit Dränagen bei malignem Perikarderguss.
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34
3 Chirurgische Infektionen zunehmende, mit einer Letalität von 20–40 % verbundene Komplikation bei einer ständig wachsenden Zahl älterer Patienten mit chirurgisch behandelbaren Erkrankungen, die an Störungen der Immunabwehr leiden oder der apparativen Intensivmedizin bedürfen.
Diagnose. Neben einer Röntgenthoraxaufnahme ( 1 A-3.1) erfolgt die Diagnose durch den Erregernachweis im Sputum oder durch eine bronchoalveoläre Lavage. Pseudomonas, Enterobakterien und Staphylokokken sind die häufigsten Erreger.
Diagnose. Neben einer Röntgenthoraxaufnahme ( 1 A-3.1) erfolgt die
Therapie. Die Therapie erfolgt mit Breitspektrumpenicillinen (+ b -Lactamase-Inhibitor) oder -cephalosporinen, die bei schweren Verläufen oder Therapieresistenz mit Aminoglykosiden kombiniert werden können.
Therapie. Die Therapie erfolgt antibiotisch mit Breitspektrumpenicillinen (+ b-Lactamase-Inhibitor) oder -cephalosporinen, die bei schweren Verläufen
π Atypische und Pilzpneumonien: Die bedeutendsten Erreger sogenannter atypischer Pneumonien sind Legionella pneumophilia, Mycoplasma pneumoniae oder Chlamydia pneumoniae. Als Erreger von Pilzpneumonien kommen Hefepilze wie Candida, Cryptococcus oder Schimmelpilze wie Aspergillus in Betracht.
π
Merke
Diagnose durch den Erregernachweis im Sputum oder durch eine bronchoalveoläre Lavage. Pseudomonas aeruginosa, Escherichia coli, Enterobacter und Klebsiella pneumoniae sind die häufigsten gramnegativen, Staphylococcus aureus, Streptokokken und Pneumokokken die häufigsten grampositiven Erreger nosokomialer Pneumonien.
oder Therapieresistenz mit Aminoglykosiden kombiniert werden können. Pseudomonaswirksam sind z.B. Piperacillin oder Ceftazidim (+ Aminoglykosid). Als Reserveantibiotikum steht Imipenem zur Verfügung, und bei Aspirationspneumonien ist Clindamycin indiziert.
Atypische und Pilzpneumonien: Sog. atypische Pneumonien und Pilzpneumonien als nosokomiale Pneumonien spielen vor allem auf chirurgischen Intensivstationen eine zunehmende Rolle. Die bedeutendsten Erreger sind Legionella pneumophilia, Mycoplasma pneumoniae oder Chlamydia pneumoniae. Als Erreger von Pilzpneumonien kommen Hefepilze wie Candida, Cryptococcus oder Schimmelpilze wie Aspergillus in Betracht.
n Merke. Bei Patienten mit unklaren Lungenprozessen, die auf die übliche Antibiotikabehandlung nicht reagieren, sind Legionellen, Mykoplasmen, Chlamydien und Pilze ätiologisch in Betracht zu ziehen.
Intraabdominelle Infektionen
Intraabdominelle Infektionen
als postoperative Komplikationen umfassen Abszesse, Anastomoseninsuffizienzen bzw. die postoperative Peritonitis.
Diese Kategorie umfasst postoperative Komplikationen wie Abszesse, Nahtinsuffizienzen bzw. die postoperative Peritonitis. Insbesondere die postoperative Peritonitis ist ebenso wie die nosokomiale Pneumonie eine schwere Infektion, die mit einer hohen Letalität einhergeht.
Therapie. Chirurgische Intervention und Behandlung mit Breitspektrumantibiotika und anaerob wirksamen Antibiotika.
Therapie. Neben der chirurgischen Therapie erfolgt eine Behandlung mit
Sepsis
Sepsis
Definition
Breitspektrumantibiotika (z.B. Breitspektrumcephalosporine in Kombination mit Aminoglykosiden) in Kombination mit Metronidazol oder Clindamycin.
n Definition. Als Sepsis wird eine systemische Reaktion des Organismus definiert mit: π Hyper- und Hypothermie π Tachykardie π Tachypnoe/Beatmungspflichtigkeit und π systolischem Blutdruck < 90 mmHg (Schock) oder π Insuffizienz von mindestens 2 Organsystemen (z.B. Lunge, Niere, Herzkreislaufsystem, Leber).
Kennzeichnend für eine Sepsis ist das Versagen oder die Dysfunktion mehrerer Organsysteme.
Charakteristisch für die Sepsis ist das Versagen oder die Dysfunktion mehrerer Organsysteme, verbunden mit einer hohen Letalität.
Therapie. Chirurgische Intervention und/oder intensivmedizinisch und antibiotisch.
Therapie. Bei Nachweis einer infektiösen Ursache erfolgt die chirurgische Intervention (z.B. Behandlung einer Anastomoseninsuffizienz) und/oder eine unterstützende intensivmedizinische und antibiotische Behandlung.
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3.2.3 Empyem
35
Die gezielte antibiotische Behandlung ist häufig problematisch, da Blutkulturen nur in bis zu 30 % der Fälle einen positiven Befund (Bakteriämie) liefern. Bei bekanntem Erregerspektrum der jeweiligen Intensivstation erfolgt vor der Erregerisolierung eine kalkulierte Antibiotikatherapie.
Die gezielte antibiotische Behandlung ist häufig problematisch, da Blutkulturen nur in bis zu 30 % der Fälle einen positiven Befund (Bakteriämie) liefern.
3.2.2
Abszess
3.2.2 Abszess
n Definition. Die Ansammlung von Eiter in einem durch Gewebszerfall entstandenen Hohlraum wird als Abszess bezeichnet. Das geschädigte Gewebe wird durch bakterielle und körpereigene Enzyme eingeschmolzen und grenzt sich durch eine Abszessmembran gegenüber dem gesunden Gewebe ab.
Definition
Die stark reduzierte Sauerstoffversorgung schafft gute Wachstumsbedingungen für anaerobe Bakterien. Beispiele: Schweißdrüsenabszess, periproktitischer Abszess, intraabdominelle Abszesse ( 1 A-3.2).
1 A-3.2
Unterschiedlich lokalisierte Abszesse
a Hirnabzesse als seltene Foci bei einer chirurgischen Sepsis mit Multiorganversagen.
b Intraabdomineller subhepatisch gelegener Abszess unklarer Dignität im CT.
Therapie. Die Therapie der Wahl ist die Inzision bzw. Dränage und Spülung eines Abszesses. Eine antibiotische Behandlung ist primär nicht erforderlich (ubi pus, ibi evacua), sie kann hingegen systemische Reaktionen kupieren. Die Therapie von Abszessen sollte möglichst in Allgemeinanästhesie erfolgen, da regionale Anästhesieverfahren zu einer Verschleppung von Keimen in gesundes Gewebe führen können. 3.2.3
Empyem
n Definition. Eine Eiteransammlung in einer präformierten, geschlossenen Höhle ohne Abflussmöglichkeit des infizierten Materials wird als Empyem bezeichnet.
Therapie. Die Therapie der Wahl ist die Inzision bzw. Dränage und Spülung eines Abszesses.
3.2.3 Empyem Definition
Beispiele: Pleuraempyem ( 1 A-3.3), Gallenblasenempyem, Gelenkempyem.
Therapie. Die Therapie des Empyems besteht in der Entfernung des Eiters durch eine Dränage (z.B. Bülau-Dränage bei Pleuraempyem), Cholezystektomie bzw. Spülung eines Gelenkes unter antibiotischer Therapie (z.B. Clindamycin oder Breitspektrumpenicilline oder -cephalosporine in Kombination mit Metronidazol).
Therapie. Entfernung des Eiters durch eine Dränage, Cholezystektomie bei Gallenblasenempyem, Gelenkspülung, Antibiotika (z. B. Clindamycin).
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3.2.3 Empyem
35
Die gezielte antibiotische Behandlung ist häufig problematisch, da Blutkulturen nur in bis zu 30 % der Fälle einen positiven Befund (Bakteriämie) liefern. Bei bekanntem Erregerspektrum der jeweiligen Intensivstation erfolgt vor der Erregerisolierung eine kalkulierte Antibiotikatherapie.
Die gezielte antibiotische Behandlung ist häufig problematisch, da Blutkulturen nur in bis zu 30 % der Fälle einen positiven Befund (Bakteriämie) liefern.
3.2.2
Abszess
3.2.2 Abszess
n Definition. Die Ansammlung von Eiter in einem durch Gewebszerfall entstandenen Hohlraum wird als Abszess bezeichnet. Das geschädigte Gewebe wird durch bakterielle und körpereigene Enzyme eingeschmolzen und grenzt sich durch eine Abszessmembran gegenüber dem gesunden Gewebe ab.
Definition
Die stark reduzierte Sauerstoffversorgung schafft gute Wachstumsbedingungen für anaerobe Bakterien. Beispiele: Schweißdrüsenabszess, periproktitischer Abszess, intraabdominelle Abszesse ( 1 A-3.2).
1 A-3.2
Unterschiedlich lokalisierte Abszesse
a Hirnabzesse als seltene Foci bei einer chirurgischen Sepsis mit Multiorganversagen.
b Intraabdomineller subhepatisch gelegener Abszess unklarer Dignität im CT.
Therapie. Die Therapie der Wahl ist die Inzision bzw. Dränage und Spülung eines Abszesses. Eine antibiotische Behandlung ist primär nicht erforderlich (ubi pus, ibi evacua), sie kann hingegen systemische Reaktionen kupieren. Die Therapie von Abszessen sollte möglichst in Allgemeinanästhesie erfolgen, da regionale Anästhesieverfahren zu einer Verschleppung von Keimen in gesundes Gewebe führen können. 3.2.3
Empyem
n Definition. Eine Eiteransammlung in einer präformierten, geschlossenen Höhle ohne Abflussmöglichkeit des infizierten Materials wird als Empyem bezeichnet.
Therapie. Die Therapie der Wahl ist die Inzision bzw. Dränage und Spülung eines Abszesses.
3.2.3 Empyem Definition
Beispiele: Pleuraempyem ( 1 A-3.3), Gallenblasenempyem, Gelenkempyem.
Therapie. Die Therapie des Empyems besteht in der Entfernung des Eiters durch eine Dränage (z.B. Bülau-Dränage bei Pleuraempyem), Cholezystektomie bzw. Spülung eines Gelenkes unter antibiotischer Therapie (z.B. Clindamycin oder Breitspektrumpenicilline oder -cephalosporine in Kombination mit Metronidazol).
Therapie. Entfernung des Eiters durch eine Dränage, Cholezystektomie bei Gallenblasenempyem, Gelenkspülung, Antibiotika (z. B. Clindamycin).
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3 Chirurgische Infektionen
1 A-3.3
Postpneumonisches Pleuraempyem Linker Unterlappen im CT mit Darstellung des Hauptbronchus und begleitender Kompressionsatelektase.
3.2.4
3.2.4 Erysipel
Erysipel
n Definition. Das Erysipel ist eine scharf begrenzte, schmerzhafte intrakutane Entzündung der Lymphbahnen durch b-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A. Eintrittspforten sind meist kleine Ulzera, kleinste Hautverletzungen (Rhagaden, Schürfwunden), Mazerierungen der Haut (z.B. bei Interdigitalmykose). Besonders betroffen sind Gesicht, Beine und Hände ( 1 A-3.4).
Definition
1 A-3.4
Erysipel
b Fortgeschrittenes Erysipel des gesamten Unterschenkels.
a Beginnendes Erysipel mit mäßig ausgeprägtem entzündlichem Erythem ohne wesentliche Schwellung.
Symptome. Bei hohem Fieber und Beteiligung der regionalen Lymphknoten besteht eine ausgeprägte Allgemeinsymptomatik. Ein unbehandeltes Erysipel besitzt eine hohe Letalität.
Symptome. Das Erysipel kann bei Patienten mit einer Abwehrschwäche
oder Diabetes mellitus mit einer Blasen- und Nekrosenbildung einhergehen. Bei hohem Fieber und Beteiligung der regionalen Lymphknoten besteht eine ausgeprägte Allgemeinsymptomatik und die Gefahr einer systemischen Manifestation mit Streptokokkensepsis und Endokarditis. Ein unbehandeltes Erysipel besitzt eine hohe Letalität. Bei Formen mit Lymphödem durch Obliteration der Lymphgefäße besteht eine hohe Rezidivrate (etwa 30 %).
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3.2.6 Erysipeloid
Therapie. Die Therapie besteht in einer konsequenten Ruhigstellung und
hochdosierten systemischen Antibiotikagabe (Mittel der Wahl: Penicillin GQoder VQ).
3.2.5
Phlegmone
3.2.5
n Definition. Die fortschreitende Ausbreitung einer Infektion, begleitet von einer Zellnekrose, bezeichnet man als Phlegmone.
1 A-3.5
3.2.6
Beugesehnenphlegmone mit Schwellung des Armes und unscharfer Begrenzung der Hautrötung
Therapie. Wichtigste Maßnahmen sind die Ruhigstellung und die hochdosierte, systemische Penicillingabe.
Phlegmone
Definition
Ätiologie und Symptome.
Ätiologie und Symptome. Ursächliche Erreger sind vorwiegend hämolysierende Streptokokken, seltener Staphylokokken. Die Phlegmone ist durch die unscharfe Abgrenzung gegenüber der Umgebung gekennzeichnet ( 1 A-3.5).
Therapie. Wichtigste Maßnahmen sind die konsequente Ruhigstellung und systemische Antibiotikatherapie (Penicilline).
Therapie. Ruhigstellung und Antibiotika (Penicilline).
Ursächliche Erreger sind vorwiegend hämolysierende Streptokokken, seltener Staphylokokken. Die Phlegmone ist durch die unscharfe Abgrenzung gegenüber der Umgebung gekennzeichnet. Die Ausbreitung erfolgt bevorzugt im lockeren Bindegewebe der Subkutis, zwischen Muskeln, unter dem Periost und im Knochenmark. Beispiel: Hohlhandphlegmone, Beugesehnenphlegmone ( 1 A-3.5).
Erysipeloid
n Definition. Das Erysipeloid ist eine scharf begrenzte violett-rote Verfärbung der Haut mit Schwellung an den Fingern und der Hand (Schweinerotlauf), vorwiegend bei Schlachtern, Landwirten, Arbeitern der Fischindustrie und Tierärzten.
3.2.6 Erysipeloid Definition
Ätiologie und Symptome. Der Erreger ist Erysipelothrix rhusiopathiae, ein
Ätiologie und Symptome. Der Erreger ist Erysipelothrix rhusiopathiae, der bei Schweinen, Geflügel oder Fisch eine systemische Infektion verursacht, beim Menschen eine lokale Infektion mit leichtem Fieber.
Therapie. Ruhigstellung und Antibiotika (Mittel der Wahl: Penicillin V). Bei einer Penicillinallergie können Tetracyclin oder Erythromycin gegeben werden.
Therapie. Ruhigstellung und Antibiotikagabe (Penicillin V).
grampositives aerobes Stäbchen. Dieser Keim ruft bei Schweinen, Geflügel, Wild oder Fisch eine systemische Infektion hervor. Die Infektion beim Menschen erfolgt über Hautläsionen im Umgang mit infiziertem Tiermaterial, geht mit leichtem Fieber einher (im Gegensatz zum Erysipel) und zeigt selten systemische Manifestationen.
n Merke. Inzision und Dränage sind kontraindiziert und können den Verlauf verlängern.
Merke
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38 3.2.7
3 Chirurgische Infektionen Follikulitis/Furunkel/ Karbunkel
Definition
3.2.7
Follikulitis/Furunkel/Karbunkel
n Definition. Die Follikulitis ist eine Entzündung der Talgdrüsen, beim Furunkel sind der Haarbalg und die entsprechende Talgdrüse entzündet, und beim Karbunkel handelt es sich um konfluierende Furunkel mit ausgedehnter epifaszialer Nekrosenbildung. Unter einer Furunkulose versteht man das gleichzeitige und rezidivierende Auftreten von Furunkeln.
Pathogenese. Häufig besteht bei Furunkeln und Karbunkeln eine Abwehrschwäche (z.B. Diabetes mellitus).
Pathogenese. Häufig besteht bei Furunkeln und Karbunkeln eine Abwehr-
Therapie. Eine chirurgische Inzision ist bei Abszessen und Lymphangitis, eine Exzision in toto beim Karbunkel erforderlich.
Therapie. Bei Einschmelzung und lokaler Ausbreitung (Abszesse, Lymphangitis) ist eine chirurgische Inzision indiziert. Beim Karbunkel erfolgt die Exzision in toto bis auf die Faszie der Muskulatur.
schwäche (z.B. Diabetes mellitus) oder eine mangelnde Hygiene (Autoinfektionen). Die Furunkulose bei Jugendlichen ist durch hormonelle Veränderungen mit einer verminderten Hautabwehrfunktion bedingt.
n Merke. Oberlippen-, Wangen- und Nasenfurunkel müssen zunächst streng konservativ behandelt werden (kein Ausdrücken!). Es besteht die Gefahr des Übergreifens auf die V. angularis via V. ophthalmica zum Sinus cavernosus mit Entwicklung der gefürchteten Sinuscavernosus-Thrombose und eitriger Meningitis.
3.2.8
Lymphangitis/-adenitis
Definition
3.2.8
Lymphangitis/-adenitis
n Definition. Als Komplikation einer lokalen Entzündung an den Extremitäten kann sich ein charakteristischer roter Streifen (im Volksmund »Blutvergiftung«) im Verlauf der Hautlymphgefäße entwickeln, eine Lymphangitis ( 1 A-3.6). Schreitet die Entzündung fort und erreicht die regionalen Lymphknoten, die dann druckdolent anschwellen, handelt es sich um eine Lymphadenitis.
1 A-3.6
Lymphangiitis Streifenförmige, schmerzhafte und überwärmte Hautrötung bei Patientin mit Lymphangiitis.
Ätiologie und Pathogenese. Erreger sind vorwiegend Streptokokken, aber auch Staphylokokken. Eintrittspforten sind meist kleine Verletzungen.
Ätiologie und Pathogenese. Erreger sind vorwiegend Streptokokken, aber
Therapie. Wichtig sind Ruhigstellung der betroffenen Extremität, feuchte Verbände und Behandlung der aus
Therapie. Im Vordergrund steht die Behandlung der auslösenden Entzün-
auch Staphylokokken. Eintrittspforten sind kleine Verletzungen, Insektenstiche, Bissverletzungen an den Extremitäten, Entzündungen des Nagelwalles oder -bettes.
dung. Die Therapie der Lymphangitis erfolgt durch Ruhigstellung der betroffenen Extremität. Bei Allgemeinsymptomen, als Zeichen der systemi-
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3.3 Gasgangrän schen Beteiligung z.B. der Lymphadenitis, sollte ein Antibiotikum parenteral appliziert werden (Mittel der Wahl: Penicillin), um eine Sepsis zu vermeiden. Bei Einschmelzung und Abszedierung sind chirurgische Maßnahmen indiziert.
3.2.9
Gangrän
lösenden Entzündung. Bei Lymphadenitis sollte ein Antibiotikum appliziert werden, bei Abszedierungen ist eine Inzision erforderlich.
3.2.9
n Definition. Eine trockene Gangrän ist eine Nekrose des Gewebes ohne Verflüssigung bzw. Verjauchung. Die trockene Nekrose kann durch eine bakterielle Besiedlung in eine feuchte Gangrän übergehen.
Gangrän
Definition
Symptome. Kennzeichnend für eine feuchte Gangrän sind der faulige, süßli-
Symptome. Kennzeichnend für eine feuchte Gangrän sind der faulige, süßliche Geruch und die grau-grünschwarze Verfärbung. Durch Kontamination mit Erregern kommt es zur Verflüssigung des nekrotischen Gewebes.
Therapie. Bei einer trockenen Gangrän kann bis zur Demarkierung der
Therapie. Therapie der Wahl ist die Abtragung der Nekrosen bis in gesundes Gewebe. An den Extremitäten bedeutet dies oft eine Amputation.
che Geruch und die grau-grün-schwarze Verfärbung von nekrotischem Gewebe. Durch Kontamination mit Erregern wie Staphylokokken, aeroben und anaeroben Streptokokken, Clostridien und gramnegativen Keimen (z.B. Bacteroides, Proteus, Pseudomonas aeruginosa) tritt eine Verflüssigung oder Verjauchung des nekrotischen Gewebes auf.
Nekrosen abgewartet werden. Eine Abtragung der Nekrosen bis in gut durchblutetes Gewebe ist die Therapie der Wahl der feuchten Gangrän. An den Extremitäten bedeutet dieses oft eine Amputation. Eine Amputation bei zudem bestehender Arteriosklerose erfordert aufgrund der Gefahr einer Gasbrandinfektion eine perioperative Antibiotikaprophylaxe.
3.2.10
Fremdkörperinfektionen
3.2.10 Fremdkörperinfektionen
Fremdkörper führen zu einer lokalen entzündlichen Reaktion, die sich als Lymphangitis und Lymphadenitis ausbreiten kann.
Fremdkörper verursachen lokale Infektionen, evtl. auch Lymphangitis und Lymphadenitis.
Therapie. Wichtigste Maßnahme ist die Revision der Wunde. Eine Tetanusprophylaxe ist obligat.
Therapie. Wundrevision, Tetanusprophylaxe.
3.2.11
Bissverletzungen
3.2.11 Bissverletzungen
Tier- und Menschenbisse gelten als primär stark kontaminiert, und es besteht bei den durch die Zähne verursachten Stich-Quetsch-Wunden eine hohe Infektionsgefahr.
Bissverletzungen gelten als primär kontaminiert, und es besteht eine hohe Infektionsgefahr.
Therapie. Eine sorgfältige Wundrevision geht der offenen Wundbehandlung voraus. Extremitäten sollten, wenn möglich, ruhiggestellt werden. Tetanusimpfschutz ist obligat, ggf. muss bei Verdacht eine Tollwutprophylaxe erfolgen.
Therapie. Wundrevision und Einleitung einer offenen Wundbehandlung. Tetanusimpfschutz, evtl. Tollwutprophylaxe.
3.3
Gasgangrän
3.3
n Definition. Die eigentliche Gasgangrän bzw. der sog. Gasbrand ist eine Clostridieninfektion mit Nekrose der Muskulatur, die sich diffus ausbreitet.
Als weitere Formen sind zu unterscheiden: Lokalisierte Clostridienmyonekrose: Das betroffene Muskelgewebe wird nekrotisch wie bei der eigentlichen Gasgangrän, es fehlen jedoch die systemischen Zeichen der Entzündung. π Toxische Clostridienzellulitis: Das subkutane Gewebe einschließlich der Faszie ist nekrotisch, während die Muskulatur nicht betroffen ist. Eine π
Gasgangrän
Definition
Weiterhin werden unterschieden: π lokalisierte Clostridienmyonekrose
π
toxische Clostridienzellulitis und
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40
π
nicht toxische Clostridienzellulitis
3 Chirurgische Infektionen
π
Gasbildung tritt frühzeitig auf, und die systemisch-toxischen Reaktionen gleichen der eigentlichen Gasgangrän. Nicht toxische Clostridienzellulitis: Die Zellulitis ist lokalisiert ohne systemisch-toxische Reaktionen.
Ätiologie. Clostridium perfringens ist bei mehr als 90 % Erreger der eigentlichen Gasgangrän bzw. des Gasbrands.
Ätiologie. Mehr als 90 % aller Fälle mit der eigentlichen Gasgangrän oder
Pathogenese. Anaerobe Bedingungen bieten ein optimales Milieu für die Erreger der Gasgangrän. Exotoxine weisen eine aggressive Wirkung gegenüber dem Gewebe auf.
Pathogenese. Die Erreger der Gasgangrän benötigen anaerobe Bedingungen
Tiefe, zerfetzte, verdreckte und nekrotische Wunden sind prädisponierend. Etwa 50 % der Infektionen treten posttraumatisch auf.
Symptome. Die Inkubation der Gasgangrän beträgt meist weniger als 24 Stunden. Erste Symptome sind starke Wundschmerzen. Weiterhin kommt es zur Weichteilschwellung, Entleerung von Exsudat aus der Wunde, zu Fieber, Tachykardie und Desorientiertheit. Kupfer- oder bronzefarbene Haut sowie süßlich riechendes Wundsekret sind festzustellen ( 1 A-3.7). Spätsymptome sind Krepitationen der Haut und Organinsuffizienz.
dem sog. Gasbrand werden durch Clostridium perfringens verursacht. Seltene Erreger der Gasgangrän sind Clostridium novyi und C. septicum. Clostridien sind obligat anaerobe, grampositive Sporenbildner, die ubiquitär vorkommen. Die erkrankte Gallenblase und das Kolon enthalten eine große Zahl von Clostridien, ebenso die Perianalregion bei 40 % gesunder Individuen.
und bilden verschiedene Exotoxine, die eine aggressive, enzymatisch zersetzende Wirkung gegenüber dem betroffenen Gewebe aufweisen. Das aggressivste der mehr als 20 Exotoxine ist das a-Toxin, eine Lezithinase, die die Gewebsnekrose und Hämolyse durch Zerstörung von Zellmembranen von z.B. Endothel- oder Blutzellen hervorruft. Ein optimales Milieu bieten tiefe, zerfetzte und verschmutzte Wunden. Kleine Wunden oder Laparotomiewunden nach Darmresektionen oder in der Gallenwegschirurgie können ebenfalls Ausgangspunkt einer Gasgangrän sein. Die Mehrzahl der Fälle (etwa 50 %) tritt nach einem Trauma, etwa ein Drittel postoperativ und ein geringer Teil ohne erkennbare Ursache auf. Risikopatienten sind solche nach Amputation aufgrund einer peripheren Verschlusskrankheit. Bei Patienten mit Diabetes mellitus, Durchblutungsstörungen oder Neoplasma kann sich die Gasgangrän spontan als primäre Infektion entwickeln.
Symptome. Die Inkubationszeit der Gasgangrän ist mit weniger als 3 Tagen,
meist weniger als 24 Stunden kurz. Eines der ersten Symptome sind starke Wundschmerzen, die im Gegensatz zu einer unauffälligen Wunde stehen. Kurze Zeit später wird die Wunde ödematös, und es entleert sich ein seröses, manchmal blutig tingiertes Exsudat. Zu diesem Zeitpunkt ist der Patient bereits desorientiert, tachykard und hat Fieber bis über 40 ΩC. Im weiteren Verlauf wird die Haut kupfer- oder bronzefarben, es können sich Blasen entwickeln, und es entleert sich Wundsekret mit einem sehr charakteristischen süßlichen Geruch ( 1 A-3.7). Ein spätes Zeichen sind Krepitationen der Haut durch Gasbildung. Es bestehen lebensbedrohliche Symptome mit Ateminsuffizienz, Hypotonie, später Anurie, Anämie und Ikterus als Folge der Hämolyse.
1 A-3.7
Gasgangrän Hautnekrose einer posttraumatischen Gasgangrän am Oberschenkel bei Monoinfektion mit Clostridium perfringens.
Diagnose. Sie wird in erster Linie klinisch gestellt. Der bakteriologische Nachweis aus dem Wundsekret sichert die Diagnose.
Diagnose. In erster Linie gründet sich die Diagnose auf das beschriebene
klinische Bild mit seinen lokalen und systemischen Symptomen. Der bakteriologische Nachweis gelingt durch eine Gram-Färbung aus dem Wund-
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41
3.4 Tetanus sekret oder aus Pusteln/Bullae oder aus Probeexzisionen der betroffenen Muskulatur. Die Gasbildung führt im Röntgenbild zur typischen Muskelfiederung.
Die Gasbildung führt im Röntgenbild zur typischen Muskelfiederung.
Differenzialdiagnose. Eine Vielzahl von gasbildenden Infektionen ähneln der Gasgangrän. Der Nachweis von subkutanem Gas durch Palpation oder radiologisch ist längst nicht immer mit einer Clostridieninfektion gleichzusetzen. Auch Escherichia coli, Peptostreptokokken und Bacteroides spec. bilden unter entsprechenden metabolischen Bedingungen Gas. Differenzialdiagnostisch kommen folgende Infektionen in Frage, die sich durch den Nachweis des jeweiligen Erregers differenzieren lassen: π nekrotisierende Fasziitis (s. S. 46) π anaerobe Streptokokkenmyositis π b-hämolysierende Streptokokkengangrän π Meleneys-Gangrän (anaerobe Streptokokken im Synergismus mit Staphylokokken).
Differenzialdiagnose. Auch E. coli, Peptostreptokokken und Bacteroides spec. können subkutan Gas bilden.
Therapie
Gasgangrän/Gasbrand: Die heute geltende Behandlung besteht aus einer chirurgischen, antibiotischen und intensivmedizinischen Therapie, sowie aus einer Therapie mit hyperbarem Sauerstoff. Das wichtigste chirurgische Ziel ist die breite Freilegung der Infektion (z.B. durch Fasziotomie an den Extremitäten) und die Entfernung der Nekrosen. Eine Amputation der betroffenen Extremitäten ist bei Ausbreitung der Infektion manchmal unumgänglich. Das Problem sind jedoch die schweren systemischen Reaktionen, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen, und die schnell fortschreitende Phlegmone, die mit hyperbarem Sauerstoff zu behandeln ist. Die Wirkung des hyperbaren Sauerstoffs beruht auf der Bildung freier Sauerstoffradikale, die die Toxinproduktion der Clostridien stoppen. Penicillin ist das Mittel der Wahl bei der Clostridium-perfringens-Monoinfektion. Drei Viertel der Gasgangränerkrankungen sind jedoch multimikrobielle Infektionen mit C. perfringens als Haupterreger und häufig E. coli, Bacteroides, Streptococcus faecalis und weiteren Enterobakterien. Bei diesen Mischinfektionen sollten die applizierten Antibiotika gegen anaerobe und aerobe Bakterien empfindlich sein. Mittel sind u.a. Clindamycin, Metronidazol, Gentamicin oder Tobramycin. π Lokalisierte Clostridienmyonekrose: Die lokalisierte Exzision der betroffenen Muskulatur unter der antibiotischen Therapie ist ausreichend. π Toxische Clostridienzellulitis: Die Behandlung entspricht der der eigentlichen Gasgangrän. π Nicht toxische Zellulitis: Inzision, Dränage und Antibiotikatherapie sind ausreichende Maßnahmen. π
3.4
Tetanus
n Definition. Der Erreger des Tetanus, Clostridium tetani, ist ein anaerob wachsendes, grampositives und sporenbildendes Stäbchenbakterium, welches ubiquitär im Erdreich, aber auch im menschlichen Darm zu finden ist.
Pathogenese. Sporen des ubiquitär vorkommenden Erregers gelangen über kontaminierte Wunden in den menschlichen Organismus. Weitere Eintrittspforten können Laparotomiewunden, Verbrennungen, Hautulzerationen, Otitis media oder Zahninfektionen sein. Sonderformen sind der Nabelschnurtetanus und der Tetanus post abortum. Die Toxinproduktion in Wunden wird durch Nekrosen, Fremdkörper und aerobe Mischinfektionen, die Sauerstoff verbrauchen und anaerobe Bedingungen schaffen, begünstigt.
Differenzialdiagnostisch kommen folgende Infektionen in Frage: π nekrotisierende Fasziitis (s. S. 46) π anaerobe Streptokokkenmyositis π b -hämolysierende Streptokokkengangrän π Meleneys-Gangrän.
Therapie Gasgangrän/Gasbrand: Die Behandlung besteht aus chirurgischer, antibiotischer, intensivmedizinischer Therapie und der Therapie mit hyperbarem Sauerstoff. Das wichtigste chirurgische Ziel ist die breite Freilegung der Infektion und die Entfernung der Nekrosen. Das Problem sind jedoch die schweren systemischen Reaktionen, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Penicillin ist das Mittel der Wahl bei der Clostridium-perfringens-Monoinfektion. Drei Viertel der Gasgangränerkrankungen sind jedoch multimikrobielle Infektionen. Bei diesen Mischinfektionen sollten die applizierten Antibiotika gegen anaerobe und aerobe Bakterien empfindlich sein (z.B. Clindamycin, Metronidazol, Gentamicin, Tobramycin). π Lokalisierte Clostridienmyonekrose: Exzision der betroffenen Muskulatur und Antibiotika. π Toxische Clostridienzellulitis: Die Behandlung entspricht der der Gasgangrän. π Nicht toxische Zellulitis: Inzision, Dränage und Antibiotika. π
3.4
Tetanus
Definition
Pathogenese. Kontaminierte Wunden sind die häufigste Eintrittspforte des ubiquitär vorkommenden Erregers. Die Toxinproduktion wird durch aerobe Mischinfektionen, die Sauerstoff verbrauchen, begünstigt.
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3.4 Tetanus sekret oder aus Pusteln/Bullae oder aus Probeexzisionen der betroffenen Muskulatur. Die Gasbildung führt im Röntgenbild zur typischen Muskelfiederung.
Die Gasbildung führt im Röntgenbild zur typischen Muskelfiederung.
Differenzialdiagnose. Eine Vielzahl von gasbildenden Infektionen ähneln der Gasgangrän. Der Nachweis von subkutanem Gas durch Palpation oder radiologisch ist längst nicht immer mit einer Clostridieninfektion gleichzusetzen. Auch Escherichia coli, Peptostreptokokken und Bacteroides spec. bilden unter entsprechenden metabolischen Bedingungen Gas. Differenzialdiagnostisch kommen folgende Infektionen in Frage, die sich durch den Nachweis des jeweiligen Erregers differenzieren lassen: π nekrotisierende Fasziitis (s. S. 46) π anaerobe Streptokokkenmyositis π b-hämolysierende Streptokokkengangrän π Meleneys-Gangrän (anaerobe Streptokokken im Synergismus mit Staphylokokken).
Differenzialdiagnose. Auch E. coli, Peptostreptokokken und Bacteroides spec. können subkutan Gas bilden.
Therapie
Gasgangrän/Gasbrand: Die heute geltende Behandlung besteht aus einer chirurgischen, antibiotischen und intensivmedizinischen Therapie, sowie aus einer Therapie mit hyperbarem Sauerstoff. Das wichtigste chirurgische Ziel ist die breite Freilegung der Infektion (z.B. durch Fasziotomie an den Extremitäten) und die Entfernung der Nekrosen. Eine Amputation der betroffenen Extremitäten ist bei Ausbreitung der Infektion manchmal unumgänglich. Das Problem sind jedoch die schweren systemischen Reaktionen, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen, und die schnell fortschreitende Phlegmone, die mit hyperbarem Sauerstoff zu behandeln ist. Die Wirkung des hyperbaren Sauerstoffs beruht auf der Bildung freier Sauerstoffradikale, die die Toxinproduktion der Clostridien stoppen. Penicillin ist das Mittel der Wahl bei der Clostridium-perfringens-Monoinfektion. Drei Viertel der Gasgangränerkrankungen sind jedoch multimikrobielle Infektionen mit C. perfringens als Haupterreger und häufig E. coli, Bacteroides, Streptococcus faecalis und weiteren Enterobakterien. Bei diesen Mischinfektionen sollten die applizierten Antibiotika gegen anaerobe und aerobe Bakterien empfindlich sein. Mittel sind u.a. Clindamycin, Metronidazol, Gentamicin oder Tobramycin. π Lokalisierte Clostridienmyonekrose: Die lokalisierte Exzision der betroffenen Muskulatur unter der antibiotischen Therapie ist ausreichend. π Toxische Clostridienzellulitis: Die Behandlung entspricht der der eigentlichen Gasgangrän. π Nicht toxische Zellulitis: Inzision, Dränage und Antibiotikatherapie sind ausreichende Maßnahmen. π
3.4
Tetanus
n Definition. Der Erreger des Tetanus, Clostridium tetani, ist ein anaerob wachsendes, grampositives und sporenbildendes Stäbchenbakterium, welches ubiquitär im Erdreich, aber auch im menschlichen Darm zu finden ist.
Pathogenese. Sporen des ubiquitär vorkommenden Erregers gelangen über kontaminierte Wunden in den menschlichen Organismus. Weitere Eintrittspforten können Laparotomiewunden, Verbrennungen, Hautulzerationen, Otitis media oder Zahninfektionen sein. Sonderformen sind der Nabelschnurtetanus und der Tetanus post abortum. Die Toxinproduktion in Wunden wird durch Nekrosen, Fremdkörper und aerobe Mischinfektionen, die Sauerstoff verbrauchen und anaerobe Bedingungen schaffen, begünstigt.
Differenzialdiagnostisch kommen folgende Infektionen in Frage: π nekrotisierende Fasziitis (s. S. 46) π anaerobe Streptokokkenmyositis π b -hämolysierende Streptokokkengangrän π Meleneys-Gangrän.
Therapie Gasgangrän/Gasbrand: Die Behandlung besteht aus chirurgischer, antibiotischer, intensivmedizinischer Therapie und der Therapie mit hyperbarem Sauerstoff. Das wichtigste chirurgische Ziel ist die breite Freilegung der Infektion und die Entfernung der Nekrosen. Das Problem sind jedoch die schweren systemischen Reaktionen, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Penicillin ist das Mittel der Wahl bei der Clostridium-perfringens-Monoinfektion. Drei Viertel der Gasgangränerkrankungen sind jedoch multimikrobielle Infektionen. Bei diesen Mischinfektionen sollten die applizierten Antibiotika gegen anaerobe und aerobe Bakterien empfindlich sein (z.B. Clindamycin, Metronidazol, Gentamicin, Tobramycin). π Lokalisierte Clostridienmyonekrose: Exzision der betroffenen Muskulatur und Antibiotika. π Toxische Clostridienzellulitis: Die Behandlung entspricht der der Gasgangrän. π Nicht toxische Zellulitis: Inzision, Dränage und Antibiotika. π
3.4
Tetanus
Definition
Pathogenese. Kontaminierte Wunden sind die häufigste Eintrittspforte des ubiquitär vorkommenden Erregers. Die Toxinproduktion wird durch aerobe Mischinfektionen, die Sauerstoff verbrauchen, begünstigt.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
42 Merke
Tetanospasmin, das neurotoxisch wirkt, ist das verursachende Exotoxin. Das Tetanustoxin wandert zu den Vorderhörnern des Rückenmarks und hemmt die Freisetzung inhibitorisch wirkender Transmitter. Symptome. Durch Hemmung der inhibitorisch wirkenden Transmitter kommt es innerhalb von 24–72 h zu den typischen klinischen Symptomen: π Erhöhung der Muskelrigidität π Krampf der Kiefer- und Zungenmuskulatur π Kontraktion des M. masseter (Trismus) π scharf ausgezogene Mundwinkel (Risus sardonicus) π Krämpfe der Nacken-, Rücken- und Bauchmuskulatur (Opisthotonus) π Ateminsuffizienz. Schwere Verläufe (ca. 1⁄ 3 der Patienten) sind durch eine Herz-Kreislauf-Instabilität und pulmonale Komplikationen gekennzeichnet. Letalität bei manifestem Tetanus ca. 10–30 %. Merke
3 Chirurgische Infektionen
n Merke. Jede Wunde ist potenziell tetanusgefährdet. Die Mehrzahl der Infektionen tritt bei unzureichendem Impfschutz bei Patienten über 50 Jahren auf. Der unzureichende Impfschutz trifft für 25 % der Bevölkerung in Mitteleuropa zu.
Vom Erreger des Tetanus werden unterschiedliche Exotoxine gebildet, wobei das Tetanospasmin das eigentliche Tetanustoxin darstellt und neurotoxisch wirkt. Das Tetanustoxin bindet mit hoher Affinität an Nervenzellen, wandert entlang der Nervenbahnen zu den Vorderhörnern des Rückenmarks und hemmt die Freisetzung inhibitorisch wirkender Transmitter.
Symptome. Tetanusinfektionen treten gehäuft nach Bagatelltraumen (z.B. Schnitt- oder Splitterverletzungen) auf. In 10–20 % der Fälle ist keine Ursache nachweisbar. Erregende Impulse durch Hemmung der inhibitorisch wirkenden Transmitter führen innerhalb von 24–72 Stunden zu den typischen klinischen Symptomen mit einem tonischen Krampf der Kiefer- und Zungenmuskulatur, einer kontrahierten Massetermuskulatur (Trismus), einem scharf ausgezogenen Mundwinkel (Teufelslachen oder Risus sardonicus) und Krämpfen der Nacken-, Rücken- und Bauchmuskulatur (Opisthotonus). Tonische Kontraktionen der Atemmuskulatur führen zur Hypoxie und Ateminsuffizienz. Bereits leichte akustische oder optische Reize können schmerzhafte Krämpfe auslösen. Schwere Formen des Tetanus bei etwa einem Drittel der Patienten sind durch eine Instabilität der Herz- und Kreislauffunktion sowie pulmonale Komplikationen gekennzeichnet. Bei klinisch manifestem Tetanus beträgt die Gesamtletalität ca. 10–30 %. n Merke. Je kürzer die Inkubationszeit, um so schlechter ist die Prognose.
Diagnose. Die Diagnose wird klinisch gestellt anhand der typischen Symptomatik.
Diagnose. Die Diagnose der Tetanusinfektion wird klinisch anhand der typi-
Therapie. Die primäre Therapiemaßnahme besteht in der chirurgischen Behandlung der verursachenden Läsionen. Zur Neutralisation des zirkulierenden Toxins sind 500 IE humanes Tetanusimmunglobulin in einmaliger Anwendung ausreichend. Die Gabe von Antibiotika (Penicillin oder Metronidazol) kann die Nachproduktion von Tetanustoxin verhindern. Weitere Maßnahmen sind Sedierung, Muskelrelaxierung und bei Bedarf Beatmung.
Therapie. Die primäre Therapiemaßnahme besteht in der chirurgischen
Prophylaxe (s. Kap. A-1.4, S. 18).
schen Symptomatik gestellt. Der kulturelle Nachweis von Clostridium tetani ist ebenso wie der Tierversuch mit Gewebeproben oder Serum zweitrangig.
Behandlung der verursachenden Läsionen, der Entfernung von Nekrosen, von Fremdkörpern oder in der Dränage von Abszessen. Zur Neutralisation des zirkulierenden Toxins sind 500 IE humanes Tetanusimmunglobulin in einmaliger Anwendung ausreichend. Die Therapie mit Antibiotika wie Penicillin, alternativ Cephalosporine bzw. Doxycyclin oder mit Metronidazol kann die Nachproduktion von Tetanustoxin durch Abtötung der Erreger verhindern. Bei Hypoxie und Ateminsuffizienz ist eine Beatmung notwendig. Um den Effekt sensorischer Stimuli zu verringern, sollte neben der Sedierung eine Muskelrelaxierung erfolgen. Die kardialen Komplikationen werden durch eine erhöhte Katecholaminfreisetzung hervorgerufen, die erfolgreich mit hochdosierter Gabe von Magnesium zu therapieren ist.
Prophylaxe (s. Kap. A-1.4, S. 18).
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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3.5 Tuberkulose
3.5
Tuberkulose
3.5
Tuberkulose
Epidemiologie. Nach deutlichem Rückgang der Tuberkulose in den Indus-
Epidemiologie. Die Zahl der Tuberkuloseerkrankungen ist seit 1980 wieder beträchtlich angestiegen. Ursachen sind eine zunehmende Zahl von immunsupprimierten Patienten, u.a. durch HIV-Infektionen. Mehrfachresistenzen der Erreger kommen komplizierend hinzu.
Ätiologie. Mycobacterium tuberculosis ist für die Mehrzahl aller Erkran-
Ätiologie. Mycobacterium tuberculosis ist der häufigste Erreger, M. bovis und M. africanum treten vereinzelt und regional auf.
Pathogenese. Die Lunge stellt in den meisten Fällen die Eintrittspforte und
Pathogenese. Die Lunge ist in der Mehrzahl der Fälle Erstmanifestationsort der Tuberkulose. Innerhalb einiger Wochen bilden sich kleine Granulome oder Tuberkulome (Primärkomplex) aus, von denen aus lymphogen die regionären Lymphknoten befallen werden. Die Erreger persistieren bei intakter Abwehr lange im Organismus. Knochen- und Gelenktuberkulose oder eine Peritonealtuberkulose können durch eine lymphogene oder hämatogene Aussaat entstehen. Die gastrointestinale Tuberkulose wird meist durch Ingestion von Mycobacterium tuberculosis verursacht. Die Symptomatik ist unspezifisch. Komplikationen sind Blutungen, Ileus, Perforationen oder Fisteln. Der häufigste Manifestationsort ist die Ileozäkalregion.
trieländern durch den Einsatz effektiver Antituberkulostatika in den 60er und 70er Jahren hat die Zahl der Erkrankungen seit 1980 wieder beträchtlich zugenommen. Ursachen sind eine zunehmende Zahl von Einwanderern aus Ländern mit einer hohen Tuberkuloseprävalenz, die ansteigende Zahl von Patienten mit AIDS, von Immunsupprimierten anderer Genese (z.B. Alkoholoder Drogenabhängigkeit, verbunden mit einem schlechten Ernährungszustand), die zunehmende Armut, Obdachlosigkeit und die Zahl an alten und gebrechlichen Menschen. Verschärft wird die Situation durch eine rasche Zunahme an resistenten Erregerstämmen.
kungen in den Industrieländern verantwortlich. Mycobacterium bovis ruft in Ländern mit Rinderdurchseuchung häufig Tuberkulose hervor. Mycobacterium africanum kommt in einigen Ländern Afrikas als Erreger in Frage. den Manifestationsort der Tuberkulose dar. Innerhalb einiger Wochen bilden sich kleine Granulome oder Tuberkulome (Primärkomplex) aus, von denen aus lymphogen die regionären Lymphknoten befallen werden. Ein Gleichgewicht zwischen Abwehrkräften und Persistenz der Mykobakterien kann über Jahre bestehen bleiben. Bei einer Schwächung des Immunsystems wird die Tuberkulose klinisch apparent.
Eine lymphogene oder hämatogene Streuung von Tuberkelbakterien kann zu einer Knochen- und Gelenktuberkulose oder zur Peritonealtuberkulose führen. Die Lungentuberkulose ist der häufigste Primärherd der Spondylitis tuberculosa als hämatogen streuende Infektion. Hauptlokalisationen des entzündlichen Befalls der Wirbelsäule sind die untere BWS und LWS, während die HWS nur selten befallen ist. Das Krankheitsbild der gastrointestinalen Tuberkulose wird in den meisten Fällen durch Ingestion von Mycobacterium tuberculosis verursacht. Bei einer unspezifischen Symptomatik wird die Diagnose sehr spät und vor allem bei Komplikationen wie Blutungen, Ileus, Perforation oder Fistelbildung gestellt. Häufigster Manifestationsort ist die Ileozäkalregion. Jejunum, Kolon, Magen und Duodenum sind weniger häufig befallen.
Symptome. Bei einer Schwächung des Immunsystems, insbesondere des
Symptome. Bei einer Schwächung der Immunabwehr kann die Erkrankung klinisch apparent werden. Die Initialsymptome sind unspezifisch mit Fieber, Husten, Bauchschmerzen oder einem tastbaren Bauchtumor. Die pulmonale Form der Tuberkulose kann sich als Pneumonie, Pleuritis, Kaverne oder Miliartuberkulose äußern, die gastrointestinale Form mit Blutungen, Stenosen, Obstruktionen oder Perforationen. Ein Senkungsabszess ist nicht selten Erstmanifestation einer Wirbelsäulenoder Urogenitaltuberkulose. Die Röntgenbefunde sind vielfältig ( 1 A-3.8).
Diagnose. Die Diagnose einer Tuberkulose erfolgt mikroskopisch durch
Diagnose. Der Nachweis säurefester Stäbchen, die PCR-Analyse oder der histologische Nachweis spezifischer Granulome sichern die Diagnose.
spezifischen Systems, kann die Erkrankung auch Jahre nach der Infektion ausbrechen. Bei Immunsupprimierten (z.B. AIDS) hingegen liegen Infektion und Erkrankung zeitlich eng zusammen. Die Initialsymptome sowohl der Lungen- als auch der gastrointestinalen Tuberkulose sind unspezifisch mit Fieber, Husten, Bauchschmerzen, Nachtschweiß oder einem tastbaren Bauchtumor. Die pulmonale Form kann sich als Pneumonie, Pleuritis, als lokalisierte Kaverne oder generalisiert als Miliartuberkulose äußern, die gastrointestinale, ulzerierende Form mit Blutungen, häufig mit aktiver Lungentuberkulose vergesellschaftet, die hypertrophische Form mit Stenosen, Obstruktionen oder Perforationen. Nicht selten findet sich auch als Erstmanifestation einer Wirbelsäulen- oder Urogenitaltuberkulose ein Senkungsabszess entlang des M. psoas. Die Röntgenbefunde sind vielfältig ( 1 A-3.8). Nachweis säurefester Stäbchen (Ziehl-Neelsen-Färbung) im Wundsekret, im Sputum, im Magensaft oder histologisch durch Nachweis spezifischer Granulome. Ein empfindliches Nachweisverfahren ist heutzutage die PCRAnalyse. Der Tuberkulintest hat in den Ländern mit hoher Tuberkulosedurchseuchung bezüglich der Diagnose einer aktiven Form wenig Aussagekraft. Bei
Der Tuberkulintest hat eine hohe Rate falsch negativer Reaktionen.
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3 Chirurgische Infektionen pulmonaler Tuberkulose kann die Rate falsch negativer Reaktionen 20–25 % betragen. Der Nachweis auf Spezialnährböden oder der Nachweis im Tierversuch sind weitere diagnostische Möglichkeiten.
1 A-3.8
Radiologische Befunde des Thorax bei Tuberkulose
a Residuen einer Tuberkulose mit verkalkten Granulomen und einer Pleuraschwarte rechtsseitig.
b Tuberkulöse Kaverne rechts pulmonal mit Abszess, Spiegelbildung in der Kaverne als Zeichen der Grenzfläche von Luft und Flüssigkeit.
Röntgenologische Untersuchungen und Biopsien sind weitere diagnostische Hilfsmittel.
Die röntgenologische Kolonuntersuchung ist bei gastrointestinaler Tuberkulose für die Lokalisation unentbehrlich, Biopsien können durch Endoskopie, Laparoskopie oder operative Verfahren gewonnen werden.
Therapie π Chirurgie: Operative Verfahren sind Teilresektionen von Lunge oder Darm. Blutungen können endoskopisch oder operativ gestillt werden, Abszesse werden dräniert und Fisteln operativ saniert.
Therapie
π Chemotherapie: Die kausale Therapie der Tuberkulose erfolgt medikamentös mit einer Drei- oder Vierfachtherapie (Isoniacid, Rifampicin, Pyrazinamid, Streptomycin, Ethambutol).
Prophylaxe. Die BCG-Impfung wird von der STIKO nicht mehr empfohlen (Stand: 1/2000). Für gefährdete Personenkreise wird eine Chemoprophylaxe mit INH empfohlen.
Chirurgie: Zum differenzialdiagnostischen Ausschluss eines Malignoms kommen sowohl Lungenteil- als auch Darmteilresektionen in Frage. Bei pulmonalen oder gastrointestinalen Blutungen sind endoskopische und operative Verfahren möglich. Bei Stenosen oder Obstruktionen sind Resektionen des betroffenen Darmabschnittes Mittel der Wahl. Abszesse werden operativ oder sonographisch bzw. CT-gesteuert dräniert und Fisteln operativ saniert. π Chemotherapie: Die Kausaltherapie der Tuberkulose erfolgt medikamentös. Bei einer hohen Spontanresistenz gegen Antituberkulostatika werden bei einer Monotherapie Mutanten selektioniert. Bei einer langfristigen (6–12 Monate) Dreifach- oder Vierfachtherapie ist die Gefahr der Resistenzentwicklung gering. Die wichtigsten Antituberkulostatika sind: π Isoniazid π Rifampicin π Pyrazinamid π Streptomycin π Ethambutol. π
Prophylaxe. Aufgrund der epidemiologischen Situation in Deutschland, der
nicht sicher belegbaren Wirksamkeit der BCG-Impfung und den nicht selten auftretenden schweren unerwünschten Arzneimittelwirkungen wird die BCG-Impfung in Deutschland von der STIKO nicht mehr empfohlen (Stand: 7/2002) Für gefährdete Personenkreise, z. B. bei abwehrgeschwächten Kontaktpersonen Tuberkulose-Infizierter oder bei Tuberkulintest-Konvertern, wird eine Chemoprophylaxe über 3–6 Monate mit Isoniazid (5 mg/kg/d) empfohlen.
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3.6 Aktinomykose
3.6
Aktinomykose
3.6
n Definition. Die Aktinomykose ist eine chronisch verlaufende, mit Nekrosen und Fisteln einhergehende Entzündung.
Aktinomykose
Definition
Ätiologie. Erreger ist Actinomyces Wolff-Israel, ein grampositives anaero-
Ätiologie. Erreger ist das anaerobe grampositive Bakterium Actinomyces Wolff-Israel (kein Pilz). Die Infektion manifestiert sich am häufigsten orozervikal, seltener in der Lunge oder im Gastrointestinaltrakt.
Pathogenese. Voraussetzung einer Infektion sind z.B. Mundschleimhaut-
Pathogenese. Voraussetzung einer Infektion sind z.B. Mundschleimhautverletzungen, Zahnfleischtaschen mit Periodontitis oder Läsionen nach Zahnextraktion, Ulzera und Divertikel.
Symptome. Die Entzündung verläuft chronisch, indurierend, tumorähnlich,
Symptome. Die Entzündung verläuft chronisch, indurierend, drusenbildend und erscheint tumorähnlich wachsend ( 1 A-3.9). Im Gesicht und den Halsweichteilen entstehen knotige Infiltrate, die meist aus einer Tonsillitis oder aus Infektionen der Zähne bzw. des Zahnfleisches entstehen (s.a. Kap. B-30.1.4).
bes Bakterium (kein Pilz). Der Keim kommt ubiquitär auf den Schleimhäuten des Mund-, Nasen- und Rachenraumes, der Luftwege sowie des Verdauungstraktes vor. Die Infektion manifestiert sich zu 60 % oro-faszial und zervikal, zu 20 % in der Lunge und zu weiteren 20 % im Gastrointestinaltrakt.
verletzungen, Zahnfleischtaschen mit Periodontitis (=ˆ Parodontitis apicalis) oder Läsionen nach Zahnextraktion. Im Verdauungstrakt können Ulzera und Divertikel Ursachen der Infektion sein. Die häufigste Lokalisation im Verdauungstrakt ist die Zäkalregion. Bei Frauen mit einem Intrauterinpessar können auch die Beckenorgane betroffen sein.
drusenbildend mit Tendenz zu Abszess- und Fistelbildung ( 1 A-3.9). Charakteristisch sind brettharte Infiltrate, livide Verfärbung der Haut und zahlreiche Fisteln. Im Gesicht und den Halsweichteilen entstehen harte, knotige Infiltrate, die meist per continuitatem durch eine Infektion der Tonsillen, der Zähne oder des Zahnfleisches entstehen (s.a. Kap. B-30.1.4).
1 A-3.9
Aktinomykose bei einer jungen Frau mit Intrauterinpessar als Ursache der Infektion
a Im CT des Abdomens zeigt sich ein Tumor ( Á), der das kleine Becken ausfüllt und als maligner Tumor imponiert.
b Intraoperativ wurde im histologischen Schnellschnitt die Diagnose einer Aktinomykose gestellt. Unter der antibiotischen Therapie heilte dieser »Tumor« (Á) vollständig aus.
Die thorakale Form kann Symptome wie Husten, Fieber, Gewichtsverlust, Hämoptysen und Pleuritis hervorrufen. Rippen werden bei einer lokalen Ausbreitung infiltriert, und chronische Fisteln können sich ausbilden. Die abdominelle Aktinomykose entwickelt sich häufig nach Appendektomien, bei perityphlitischen Abszessen oder nach traumatischen Perforationen des Darmes. Häufigste Lokalisation ist die Ileozäkalregion. n Merke. Bei chronischen Fisteln orozervikal, thorakal und abdominal muss eine Aktinomykose in Betracht gezogen werden.
Unspezifische Symptome beim Lungenbefall sind u.a. Husten, Fieber, Hämoptysen und Pleuritis. Die häufigste Lokalisation im Abdomen ist die Ileozäkalregion.
Merke
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46
3 Chirurgische Infektionen
Diagnose. Die Diagnose erfolgt histologisch oder mikrobiologisch.
Diagnose. Die Diagnose erfolgt histologisch durch den Nachweis von gelb-
Differenzialdiagnose. Bei Therapieversagen kommt die klinisch und mikroskopisch ähnliche Nokardiose differenzialdiagnostisch in Betracht.
Differenzialdiagnose. Bei Versagen der Therapie muss an die sehr seltene
Therapie. Zunächst wird Penicillin intravenös für 4–6 Wochen und anschließend für 2–6 Monate oral verabreicht.
Therapie. Die intravenöse Penicillin-GQ-Gabe erfolgt über 4–6 Wochen, dann sollte Penicillin VQ für mindestens 2–6 Monate verabreicht werden. Bei
3.7
3.7
Nekrotisierende Fasziitis
Definition
lichen Granula im Eiter (Drusen) oder den mikrobiologischen Erregernachweis.
Nokardiose gedacht werden, die klinisch und mikroskopisch ähnlich ist. Die Therapie der Nokardiose wird mit Sulfonamiden, Cotrimoxazol und selten auch mit Imipenem durchgeführt.
Mischinfektionen mit anderen Anaerobiern sind z.B. Penicillin mit Metronidazol, Flucloxacillin, Clindamycin oder bei Penicillinallergie Doxycyclin empfehlenswert.
Nekrotisierende Fasziitis
n Definition. Die nekrotisierende Fasziitis ist eine schwere Weichteilinfektion mit hoher Letalität (etwa 30 %), die durch eine Nekrose der Faszie ohne primäre Muskelbeteiligung charakterisiert ist.
Ätiologie. Erreger sind Streptokokken der Gruppe A.
Ätiologie. Streptokokken der Gruppe A sind die Erreger der nekrotisieren-
Symptome. Eine schmerzhafte Rötung der Haut mit Ödem, die bis zur Gangrän fortschreitet, ist das initiale Symptom ( 1 A-3.10). Die Patienten sind schwerkrank mit hohem Fieber. Schmerzlosigkeit ist ein Zeichen der fortgeschrittenen Entzündung.
Symptome. Die klinischen Zeichen der nekrotisierenden Fasziitis sind eine charakteristische schmerzhafte Rötung der Haut ohne Randsaum, Ödem und Induration, eine livide landkartenartige Mangeldurchblutung der Haut bis zur Gangrän, hohes Fieber und eine Leukozytose ( 1 A-3.10). Eine schmerzlose Entzündung ist Zeichen der fortgeschrittenen Nekrose mit Zerstörung der sensiblen Neurone. In diesem Stadium dominieren septische Komplikationen mit Bewusstseinseintrübung und Organdysfunktion.
den Fasziitis. Ausgangspunkt sind Verletzungen der Haut.
1 A-3.10
Bläulich livide Verfärbung mit Hautnekrose am Fußrücken nach einer Lymphographie Diese Hautverfärbung gilt als pathognomonisches Zeichen einer nekrotisierenden Fasziitis und erfordert eine sofortige operative Revision.
Diagnose. Die nekrotisierende Fasziitis ist eine klinische Diagnose, die bei Fasziennekrose beweisend ist.
Diagnose. Die nekrotisierende Fasziitis ist eine klinische Diagnose ( 1 A-3.10). Die intraoperativ festgestellte Nekrose der Faszie beweist die Diagnose.
Differenzialdiagnose. Abzugrenzen sind differenzialdiagnostisch die progressive bakterielle Gangrän, eine langsam fortschreitende Mischinfektion, die die Haut und Subkutis, aber nie die tiefen Faszien betrifft. Die nekrotisierende Fasziitis befällt primär nicht die Muskulatur, sodass die Unterscheidung zur Myonekrose (z.B. Gasbrand) eindeutig ist. Eine Sonderform der nekrotisierenden Fasziitis stellt die Fournier-Gangrän dar, die die Faszien des Hodens betrifft. Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
Differenzialdiagnose. Die progressive bakterielle Gangrän betrifft nie die Faszien, die Myonekrose (z.B. Gasbrand) weist eine primäre Muskelbeteiligung auf. Die Fournier-Gangrän ist eine Sonderform der nekrotisierenden Fasziitis mit Beteiligung der Hodenfaszien.
47
3.8 Milzbrand
Therapie. Die unverzügliche operative Therapie mit konsequenter Exzision
des nekrotischen Gewebes ist die Therapie der Wahl. Unterstützend erfolgt die intensivmedizinische Behandlung und Antibiotikatherapie, die in erster Linie Streptokokken eliminieren muss (z.B. durch Penicilline oder Clindamycin). Innerhalb von 24 Stunden sollte das betroffene Infektionsgebiet in Narkose revidiert werden, um ein Fortschreiten frühzeitig zu therapieren. Amputationen sind bei rechtzeitiger Therapie die Ausnahme, Weichteilinfekte können sekundär plastisch gedeckt werden.
3.8
Milzbrand
Therapie. Die unverzügliche Operation und radikale Exzision der nekrotischen Faszie und Weichteile ist die Therapie der Wahl. Unterstützend erfolgt die intensivmedizinische Behandlung inklusive Antibiotikatherapie.
3.8
Milzbrand
Synonym: Anthrax
Synonym: Anthrax
Ätiopathogenese. Bacillus anthracis ist der Erreger des Milzbrandes. Der
Ätiopathogenese. Erreger des Milzbrandes ist der grampositive Sporenbildner Bacillus anthracis. Oberflächliche Hautverletzungen und Staubinhalation sind die häufigsten Infektionswege. Unterschieden werden Haut-, Lungenund Darmmilzbrand.
Symptome. In über 95 % manifestiert sich der Milzbrand an der Haut mit
Symptome. Die Haut ist Hauptmanifestationsort mit Pusteln und einem bläulichschwarzen zentralen Bläschen ( 1 A-3.11). Systemische Infektionen mit Fieber, Schüttelfrost bis hin zur Sepsis mit ZNS-Beteiligung können auftreten.
grampositive aerobe Sporenbildner findet sich bei Rind, Ziege, Pferd und Schwein. Gefährdet sind daher in erster Linie Veterinäre, Landwirte und Arbeiter in der tierverarbeitenden Industrie (z.B. Schlachthof). Infektionswege sind oberflächliche Hautverletzungen oder die Inhalation von sporenhaltigem Staub. Entsprechend der Eintrittspforte kann Hautmilzbrand, Lungenmilzbrand oder Darmmilzbrand auftreten.
Pusteln, deren zentrales Bläschen bläulich-schwarz verschorft. Pusteln oder auch kleine Knötchen breiten sich schnell zu einer hämorrhagisch-nekrotisierenden Läsion mit Satellitenbläschen aus (Pustula maligna), begleitet von einer Lymphangitis und -adenitis ( 1 A-3.11). Bei systemischer Infektion mit Fieber, Schüttelfrost bis hin zur seltenen Sepsis können das ZNS (Meningitis) und die Lunge befallen sein. Namentliche Meldepflicht besteht bei Verdacht, Erkrankung und Tod sowie bei direktem oder indirektem Erregernachweis (§ 6, § 7 IfSG).
1 A-3.11
Milzbrand
a Beginnendes Milzbrandkarbunkel mit zentraler Ulzeration und schwärzlicher Schorfbildung, die von einem konfluierenden Pustelsaum umgeben ist.
b Schwarze, festhaftende tiefe Nekrose, von einem noch teilweise erkennbaren Pustelsaum sowie Rötung und Schwellung umgeben.
Diagnose. Der Erregernachweis erfolgt mikroskopisch und kulturell in
Diagnose. Der Erregernachweis erfolgt mikroskopisch oder kulturell.
Therapie. Patienten sind im Krankenhaus zu isolieren. Ein chirurgisches
Therapie. Wichtigste Maßnahmen sind Isolation im Krankenhaus, ruhigstellende Verbände und Penicilline.
Wundsekret, Blutkultur, Liquor oder Sputum.
Vorgehen kann zur Ausbreitung der Infektion führen. Die Behandlung besteht in der Ruhigstellung der betroffenen Region und einer antibiotischen Behandlung mit Penicillinen. n Merke. Inzisionen sind kontraindiziert und können den Verlauf verlängern.
Merke
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48 3.9
3 Chirurgische Infektionen Wunddiphtherie
3.9
Wunddiphtherie
Schmutzig-graue Beläge und Nekrosen auf schlecht heilenden Wunden sind charakteristisch. Erreger ist Corynebacterium diphtheriae.
Die durch Corynebacterium diphtheriae verursachte Wundinfektion ist heute extrem selten. Schmutzig-graue Beläge und eine tiefreichende Nekrose bei schlecht heilenden Wunden sind charakteristisch. Der Erreger kann mittels Abstrich nachgewiesen werden. Die Therapie besteht in der Gabe von Antitoxinen und Antibiotika bei Ruhigstellung der betroffenen Region.
3.10
3.10
Syphilis
Syphilis
Synonyme: Lues, harter Schanker Ätiopathogenese. Der Erreger der Syphilis ist Treponema pallidum. Die Infektion entsteht durch Kontakt mit erregerhaltigen Läsionen über Hautoder Schleimhautverletzungen.
Ätiopathogenese. Der Erreger der Syphilis ist Treponema pallidum. Die
Symptome. Im Primärstadium entsteht das Ulcus durum häufig im Gesicht, an den Genitalien und am Anus.
Symptome. Im Primärstadium (Lues I) entsteht 2–4 Wochen nach der
Im Sekundärstadium sind vielgestaltige Hautausschläge (Syphilide) charakteristisch. Zudem u. a. Fieber, Gelenkschmerzen, Lymphadenopathie. Im Tertiärstadium manifestieren sich kutane Syphilide und Gummen an den Organen.
Infektion wird meist sexuell übertragen und entsteht durch direkten Kontakt mit erregerhaltigen Läsionen über feine Verletzungen der Haut oder Schleimhaut.
Infektion eine derbe, indolente, bald geschwürig zerfallende Infiltration, das Ulcus durum (harter Schanker). Häufige Lokalisationen sind das Gesicht, die Genitalien und der Anus. 4–8 Wochen nach Auftreten des Primäraffektes beginnt das Sekundärstadium (Lues II) mit u.a. Fieber, Gliederschmerzen, Lymphadenopathie, Splenomegalie und typischen, vielgestaltigen Hautausschlägen (sogenannte Syphilide). Das Sekundärstadium erstreckt sich mit erscheinungsfreien Intervallen über Monate bis Jahre. Das Tertiärstadium (Lues III) kann sich an Haut und Schleimhäuten sowie an fast allen Organen manifestieren. Typisch ist das kutane Syphilid. Ferner können sich an Haut, Subkutis, Muskulatur, Knochen und an inneren Organen (z.B. Mesaortitis luica mit Manifestation an Aorta ascendens und Aortenbogen) Granulome, sogenannte Gummen, manifestieren.
Diagnose. Mikroskopischer Nachweis der Treponemen im Dunkelfeldmikroskop. Ein Antikörpernachweis ist im Sekundär- und Tertiärstadium möglich.
Diagnose. Die Diagnose wird durch den mikroskopischen Nachweis der Tre-
Therapie. Die antibiotische Therapie der Wahl ist die intravenöse Penicillingabe.
Therapie. Das Antibiotikum der Wahl ist in jedem Stadium Penicillin GQ.
3.11
3.11
Virale Infektionen
3.11.1 Human immunodeficiency virus (HIV)
3.11.1
Human immunodeficiency virus (HIV)
HIV-Infektionen und AIDS konfrontieren Chirurgen in zunehmendem Maße.
Die Zunahme an HIV-Infektionen und Manifestation von AIDS (acquired immune deficiency syndrome) konfrontiert Chirurgen in zunehmendem Maße mit HIV-positiven Patienten und mit AIDS-spezifischen Komplikationen wie z.B. Organperforationen.
Virale Infektionen
Klassifikation. Die Infektion mit HIV wird in verschiedene Stadien eingeteilt ( 2 A-3.4).
ponemen (Dunkelfeldmikroskopie) sowie durch Bestimmung von Antikörpern, vor allem im Sekundär- und Tertiärstadium, gestellt.
Alternativen bei Penicillinallergie sind Cephalosporine, Tetracycline oder Erythromycin. Die Syphilis ist selten eine chirurgisch zu behandelnde Infektion (Ausnahme: Mesaortitis luica).
Klassifikation. Die Infektion mit HIV wird in verschiedene Stadien einge-
teilt ( 2 A-3.4):
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3.11.1 Human immunodeficiency virus (HIV)
2 A-3.4
49
AIDS-Klassifikationen nach der Centers-of-Disease-Control-(CDC-) Einteilung
CDC-Stadium
Beschreibung
Gruppe I akute Infektion
akute HIV-Infektion
Gruppe II (positive Serologie) A
asymptomatisch
asymptomatisch
B
+ pathologische Laborbefunde
Lesser-AIDS (bei Thrombopenie)
Gruppe III (positive Serologie) A
generalisierte Lymphadenopathie (Lymphadenopathie-Syndrom; LAS)
B
+ pathologische Laborbefunde
LAS
Gruppe IV A
Allgemeinsymptome
ARC (AIDS-related Complex)
B
neurologische Symptome
C1
opportunistische Infektionen (z.B. Pneumocystis-carinii-Pneumonie, Tuberkulose, Aspergilluspneumonie, Cryptococcus-Abszesse, Viruspneumonien wie Zytomegalie)
AIDS
C2
andere Infektionen (z.B. Herpes zoster, Candida-Stomatitis)
Lesser-AIDS
D
Malignome (Kaposi-Sarkom, Lymphome)
AIDS
E
anderes
Epidemiologie. Homosexuelle oder bisexuelle Männer und Drogenabhän-
gige stellen zur Zeit 80–90 % aller HIV-Infizierten dar, von denen Frauen etwa 10 % ausmachen. Kinder von infizierten Müttern sowie heterosexuelle Partner stellen Gruppen mit erhöhtem Infektionsrisiko dar.
Ätiologie. Die Infektion erfolgt mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV), einem RNS-Virus aus der Gruppe der Retroviren. Das Virus kann bei infizierten Patienten aus Blut und Körperflüssigkeiten isoliert und durch diese übertragen werden. Unterschieden werden HIV-1- und -2-Viren. Die meisten Erkrankungen werden durch HIV 1 verursacht, während HIV-2Infektionen selten sind. Die Zeit zwischen Infektion und dem Auftreten von Antikörpern beträgt im allgemeinen 6–12 Wochen. Die Latenzzeit bis zur Ausbildung des klinischen Bildes von AIDS kann Monate bis Jahre betragen. In der Chirurgie spielt die Übertragung durch Blut, Blutbestandteile, kontaminierte Sekrete und Organtransplantate eine Rolle. Der sicherste Weg des Patienten, sich vor dem Infektionsrisiko durch Blutkonserven zu schützen, ist die Eigenblutspende. Das Infektionsrisiko für medizinisches Personal ist gering, jedoch nicht zu vernachlässigen. 0,4 % aller registrierten Nadelstich- und Schnittverletzungen mit HIV-kontaminiertem Material führten zu einer Infektion.
Epidemiologie. Homo- und bisexuelle Männer und Drogenabhängige machen den größten Anteil der HIV-Infizierten aus. Kinder infizierter Mütter sowie heterosexuelle Partner besitzen ein erhöhtes Infektionsrisiko. Ätiologie. Die Infektion erfolgt mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV), einem RNS-Virus aus der Gruppe der Retroviren. Die Infektion erfolgt durch infiziertes Blut oder Körperflüssigkeiten. Die Latenzzeit bis zum Auftreten von Symptomen kann Monate bis Jahre betragen. In der Chirurgie spielt die Übertragung durch Blut, Blutbestandteile, kontaminierte Sekrete und durch Organtransplantate eine Rolle. Der sicherste Weg des Patienten sich vor dem Infektionsrisiko durch Blutkonserven zu schützen, ist die Eigenblutspende.
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50
3 Chirurgische Infektionen
Symptome. Nach einem asymptomatischen Stadium entwickelt sich bei den meisten Patienten ein Lymphadenopathie-Synrom (LAS). In der schweren Ausprägung wird dieses Krankheitsbild als AIDS-related Complex (ARC) bezeichnet ( 1 A-3.12). Fortgeschrittene HIV-Infektionen, die durch opportunistische und neurologische Erkrankungen charakterisiert sind, werden als AIDS bezeichnet. AIDS-Manifestationen in der Chirurgie Manifestationen von AIDS-Erkrankungen sind die akute Cholezystitis, die Splenomegalie, die akute Appendizitis, Hohlorganperforationen und Lymphome. π
1 A-3.12
Chirurgische Therapie. Die häufigsten Indikationen zur Operation sind:
π
π
Tumorobstruktion mit Ileus oder Ikterus Tumorblutungen aus Lymphomen
Dünn- und Dickdarmblutungen, hämorrhagische Nekrosen mit Perforation, toxisches Megakolon
π
gangränöse Appendizitis
π
akute Cholezystitis
π
den, welches einer Mononukleose, selten einer aseptischen Meningitis ähnelt. Nach einem asymptomatischen Stadium entwickelt sich bei den meisten Patienten ein Lymphadenopathie-Syndrom (LAS) mit Fieber, Lymphknotenschwellung, Schwächegefühl und bereits opportunistischen Infektionen (z.B. Mundsoor, Zoster, Pneumonien, z. B. mit Pneumocystis carinii). In der schweren Ausprägung wird dieses Krankheitsbild als AIDSrelated Complex (ARC) bezeichnet ( 1 A-3.12). Fortgeschrittene HIV-Infektionen, die durch opportunistische und neurologische Erkrankungen charakterisiert sind, werden als AIDS bezeichnet. π AIDS-Manifestationen in der Chirurgie Klinische Krankheitsbilder im Endstadium (AIDS) spielen in der Chirurgie eine vorrangige Rolle. Biopsien, operativ entnommene Probeexzisionen, die Anlage zentral-venöser Katheter sind einige der chirurgischen Maßnahmen bei Patienten mit HIV-Infektionen. Manifestationen von AIDS-Erkrankungen sind die akute Cholezystitis, die Splenomegalie, die akute Appendizitis, Hohlorganperforationen und Lymphome.
Synopsis Typische opportunistische Infekte bei AIDS
Soor von Zunge und Rachen.
π
Symptome. Wochen nach Ansteckung kann sich ein Krankheitsbild ausbil-
perianale Abszesse, Fisteln, Analfissuren, Kondylome
Thorax-Röntgenbild a.p. unspezifisch, diffuse Dichteerhöhung perihilär (Á) bei einem Patienten mit PCP (Pneumocystis-carinii-Pneumonie) und AIDS.
CT der Lunge einer PCP bei AIDS. Über die ganze Lunge verteilte diffuse inhomogene Dichteerhöhung mit dazwischen liegenden Bereichen normalen Lungengewebes.
Chirurgische Therapie. Eine chirurgische Intervention ist angezeigt, wenn
z.B. ein Kaposi-Sarkom zur Obstruktion des Dünn- oder Dickdarmes mit mechanischem Ileus führt. Kaposi-Sarkome verlegen gelegentlich die Gallengänge mit konsekutivem Ikterus. Tumorblutungen aus Lymphomen des Magens, Ileums und rechtsseitigen Hemikolons sowie aus Kaposi-Sarkomen können zu Komplikationen führen, die eine chirurgische Therapie erfordern. Eine Indikation zur Splenektomie kann bei einer therapierefraktären Thrombozytopenie bestehen. Zytomegalie-Virus-(CMV-)induzierte Ulzerationen vorwiegend im Ileum und rechten Hemikolon können Massenblutungen, hämorrhagische Nekrosen, ein toxisches Megakolon oder Hohlorganperforationen auslösen, die akut chirurgisch behandelt werden müssen. Mycobacterium avium oder tuberculosis und Cryptococcus neoformans können ebenfalls eine Perforation mit Peritonitis hervorrufen. Zirkulationsstörungen und/oder eine Obstruktion der Appendix mit gangränöser Appendizitis erfordern eine Appendektomie. Eine Cholezystitis ohne Konkremente durch z.B. Candida oder CMV kann eine Indikation zur Cholezystektomie sein. Die Inzidenz anorektaler Manifestationen wie perianale Abszesse, Fisteln, Proktitis, Analfissuren, Kondylome und Karzinome liegt bei etwa einem Drittel. Die Komplikationsrate ist mit etwa 90 % Wundheilungsstörungen und einer Letalität von 20 % ausgesprochen hoch.
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3.11.1 Human immunodeficiency virus (HIV) Im Rahmen der bei zwei Drittel der AIDS-Patienten vertretenen pulmonalen Affektionen können z.B. durch Pneumocystis-carinii-Pneumonie induzierte Pneumothoraxe oder der Verschluss persistierender Bronchialfisteln chirurgische Maßnahmen sein. n Merke. Chirurgische Maßnahmen sind mit einer hohen Komplikationsrate und einer Krankenhausletalität von 30–70 % (Ausnahmen: Cholezystektomie, Appendektomie und Splenektomie mit einer Letalität unter 20 %) assoziiert. Dies sollte bei Notfalloperationen Anlass zu dem kleinstmöglichen Eingriff sein, und Elektivoperationen sollten nur in Ausnahmefällen vorgenommen werden.
Infektionsprophylaxe. Ein erhöhtes Kontaminationsrisiko besteht für chi-
rurgisches Personal durch den Kontakt mit Blut und durch Verletzungen mit scharfen oder spitzen Instrumenten (z.B. Skalpelle, Nadeln, scharfe Haken). Die Aufklärung des Personals und ein eingespieltes Operationsteam sind neben den in 2 A-3.5 genannten Maßnahmen im Umgang mit HIV-infizierten Patienten eine wesentliche Voraussetzung, das Risiko einer Kontamination gering zu halten.
2 A-3.5
π π
Pneumothorax persistierende Bronchialfisteln.
Merke
Infektionsprophylaxe. Ein Kontaminationsrisiko besteht für chirurgisches Personal durch Blutkontakt und Verletzungen mit Instrumenten. Maßnahmen und Voraussetzungen, um das Kontaminationsrisiko gering zu halten zeigt 2 A-3.5.
Maßnahmen zur Minimierung des HIV-Kontaminationsrisikos
N beim Umgang mit Schleimhäuten, Sekreten und Blut Handschuhe tragen n N Tragen eines Mundschutzes und einer Schutzbrille bei Kontaminationsgefahr n durch Aerosole N vorsichtiger Umgang mit Skalpellen, Nadeln und anderen scharfen oder n spitzen Instrumenten. Nach Gebrauch müssen scharfe Instrumente in verletzungssicheren Behältern gesammelt werden (Injektionsnadeln nach Verwendung nicht wieder mit der Schutzkappe versehen)
N intraoperativ doppelte Handschuhe, Schutzmasken und wasserdichte n Operationskleidung verwenden N kein Einsatz von medizinischem Personal bei Eingriffen von HIV-infizierten n Patienten oder in der Patientenversorgung, wenn offene Hautläsionen oder Dermatitiden vorliegen Vorgehensweise bei Stichverletzung: N Tätigkeit sofort unterbrechen n N Stichkanal und Wunde zum Bluten bringen n N mit den üblichen Desinfektionsmitteln desinfizieren n N Verletzung als Arbeitsunfall aufnehmen lassen (D-Arzt-Bericht) n N bei akzidenteller HIV-Exposition Vorstellung in einer HIV-Ambulanz innerhalb n von 2 Stunden und Empfehlung einer anti-retroviralen Therapie
n Merke. Im Gegensatz zu dem relativ geringen Risiko der HIV-Infektion von 0,4 % ist das Risiko einer Hepatitisinfektion nach Stichverletzungen (Hepatitis B, C und D) für medizinisches Personal mit 10–30 % deutlich höher.
Merke
Die aufgeführten allgemeinen Hygienemaßnahmen zur Verhinderung der HIV-Infektion gelten auch zum Schutz vor Hepatitisinfektionen.
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3 Chirurgische Infektionen
Hepatitis B, C, D, E und G
3.11.2 Hepatitis B, C, D, E und G
3.11.2
Ein Infektionsrisiko besteht bei Bluttransfusionen, Applikation von Blutprodukten und bei Verletzungen mit infiziertem Material oder bei infizierten Patienten.
Hepatitis B und C, früher auch als Non-A-non-B-Hepatitis bezeichnet, können durch Transfusionen, Applikation von Blutprodukten oder nach Hautverletzungen mit einem durch ein Virus verunreinigtes Instrument, z.B. intraoperativ durch Perforation der Handschuhe mit Instrumenten oder beim Umgang mit infiziertem Material übertragen werden. Eine weitere durch Blut übertragbare Form ist die wesentlich seltenere Hepatitis D, die bei 5 % der Hepatitis-B-Träger als Ko- oder als Superinfektion auftritt. Hepatitis E wird wie Hepatitis A fäkal-oral übertragen, während eine Kontamination mit Hepatitis G parenteral erfolgt. π Hepatitis B: Hepatitis B wird durch ein DNA-Virus verursacht, das serologisch nachgewiesen werden kann. 90 % der Infektionen heilen spontan aus. π Hepatitis C: Erreger ist das C-Virus, ein RNA-Virus, welches sich ebenfalls serologisch nachweisen lässt. 30–70 % der Infektionen sind durch chronische Verläufe gekennzeichnet. π Hepatitis D: Koinfektionen des serologisch nachweisbaren Hepatitis-DVirus mit Hepatitis B verlaufen in bis zu 30 % der Infektionen als fulminante Hepatitis. Chronische Formen sind ebenfalls vermehrt beschrieben. π Hepatitis E: Das Hepatitis-E-(RNA-)Virus wird fäkal-oral übertragen und tritt vorwiegend in Nepal, Indien und Afrika und nur gelegentlich in Europa auf. Diese akute Form der Hepatitis kann fulminant verbunden mit einer hohen Letalität bei schwangeren Frauen verlaufen. π Hepatitis G: Hepatitis G (RNA-Virus) tritt mit einer hohen Inzidenz bei hämodialysierten und nierentransplantierten Patienten in einer akuten Form auf. Es existiert eine im Serum nachweisbare chronische Viruspräsenz, aber keine chronische Verlaufsform dieser Hepatitisform.
π Hepatitis B: heilt in 90 % der Fälle spontan aus. π Hepatitis C: verläuft in 30–70 % der Infektionen chronisch.
π Hepatitis D: weist in Koinfektion mit Hepatitis B vermehrt chronische und fulminante Verläufe auf. π Hepatitis E: fäkal-oral, akut, schwerer Verlauf bei schwangeren Frauen.
π Hepatitis G: häufig akut, bei hämodialysierten und nierentransplantierten Patienten.
Prophylaxe. Bei Exposition kann eine passive Immunisierung mit einem Hepatitis-B-Immunglobulin erfolgen. Eine aktive Immunisierung zur Induktion protektiver Antikörper sollte bei medizinischem Personal erfolgen. Die Antikörperproduktion kann serologisch kontrolliert werden.
3.11.3 Tollwut
Prophylaxe. Bei Stichverletzungen oder Schleimhautkontakt mit virushal-
tigem Material (z.B. Blut) sollte innerhalb von 12 (maximal 36) Stunden eine passive Immunisierung mit einem Hepatitis-B-Immunglobulin erfolgen. Eine Impfung mit inaktivierten, hochgereinigten Partikeln des Hepatitis-BAntigens (z.B. Gen-HB-VaxQ) oder mit einem Impfstoff, der aus rekombinanter DNA hergestellt wird, induziert protektive Antikörper. Eine Impfung und ein ausreichender Impfschutz sollten bei Personen mit erhöhtem Risiko der Infektion, bei ärztlichem und Pflegepersonal selbstverständlich sein. Die Impfung besteht aus 3 Injektionen, wobei die 1. Impfung nach 1 und 6 Monaten wiederholt werden muss. Der ausreichende Impfschutz kann serologisch durch Bestimmung der Antikörperspiegel überprüft werden.
3.11.3
Tollwut
Synonyme: Lyssa, Rabies Definition
Epidemiologie. Sehr selten.
n Definition. Die Tollwut ist eine sehr seltene Infektionskrankheit und verläuft nach Beginn klinischer Symptome tödlich.
Epidemiologie. Zwischen 1977 und 1992 sind in den alten und neuen Bundesländern 4 Todesfälle durch diese seltene Infektion aufgetreten.
Ätiologie. Erreger ist ein Rabiesvirus aus der Gruppe der Rhabdoviren. Pathogenese. Erregerreservoir sind Wildtiere. Eintrittspforten für den Menschen können Läsionen der Haut, z.B. durch Bissverletzungen, aber auch intakte Schleimhäute sein.
Ätiologie. Erreger ist ein Rabiesvirus aus der Gruppe der Rhabdoviren. Pathogenese. Erregerreservoir sind Wildtiere, insbesondere Füchse, aber in
Endemiegebieten auch Haustiere wie Katzen und Hunde. Bei infizierten Tieren befindet sich der Erreger im zentralen Nervensystem, im Speichel, im Urin oder auch in der Milch. Die Pathogenität ist für den Menschen geringer als für die Tiere. Eintrittspforte können Verletzungen der Haut, z.B. Bissverletzungen, aber auch intakte Schleimhäute sein. Das Virus tritt nach Befall in die Nervenbahnen über und verursacht eine akute Entzündung. Bei der
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3.12.1 Echinokokkose
53
aggressiven Form ist vornehmlich das Gehirn, bei der paralytischen (stillen) Form ist das Rückenmark befallen.
Die aggressive Form befällt vornehmlich das Gehirn, die paralytische (stille) Form das Rückenmark.
Symptome. Die Inkubationszeit beträgt 10 Tage bis zu 1 Jahr, meistens 1–3
Symptome. Die Inkubationszeit beträgt meistens 1–3 Monate. Nach unspezifischen Symptomen treten Wesensveränderungen (u.a. Speichelfluss, Schluckstörungen, Hydrophobie, Schlingkrämpfe, Lähmungen) auf.
Diagnose. Die Diagnose der Tollwut erfolgt nach Krankheitsbeginn anhand
Diagnose. Die Diagnose der Tollwut erfolgt klinisch. Ein Antikörpernachweis ist nach Krankheitsbeginn erst 7–10 Tage verzögert möglich.
Monate. Nach unspezifischen Reaktionen an der Verletzung mit Schmerzen, Fieber und einer Leukozytose treten Wesensveränderungen wie Nervosität, Depression, Speichelfluss, Schluckstörungen, Hydrophobie, Schlingkrämpfe und Lähmungen auf.
des klinischen Bildes. Bei anfänglich unspezifischen Symptomen ist die Diagnose schwierig. Bei Patienten mit Aufenthalten in einem Endemiegebiet sollte bei verdächtigen neurologischen Symptomen die Tollwut differenzialdiagnostisch bedacht werden. Bei klinisch manifester Infektion besteht die Möglichkeit des spezifischen Nachweises von Antikörpern im Serum und Liquor. Antikörper sind jedoch erst verzögert 7–10 Tage nach Krankheitsbeginn nachweisbar. Haustiere sollten bei Verdacht 10 Tage unter tierärztlicher Überwachung und Quarantäne beobachtet werden. Bei klinischen Zeichen der Tollwut müssen die Tiere getötet werden, und das Rabiesantigen muss im Hirn nachgewiesen werden.
n Merke. Es ist bislang nicht möglich, einen Exitus nach Beginn der klinischen Symptome zu verhindern, so dass die beste Therapie in einer konsequenten Tollwutprophylaxe besteht.
Therapie. Wunden müssen gründlich versorgt, gereinigt und bei Bissverlet-
zungen offen behandelt werden. Die Impfung mit einem inaktivierten Tollwutimpfstoff induziert schnell und zuverlässig hohe Titer neutralisierender Antikörper. Die Impfung kann postexponentiell als Simultanimpfung mit einem Tollwutimmunglobulin und dem Tollwutimpfstoff (Wiederholung am 3., 7., 14., 30. und 90. Tag) oder bei gefährdeten Personen (u.a. Tierärzte, Jäger, Metzger) auch präexponentiell (3 Injektionen des Impfstoffes in wöchentlichem Abstand und nach 1 Jahr) erfolgen.
Haustiere sollten bei Verdacht 10 Tage unter tierärztlicher Überwachung und Quarantäne beobachtet werden.
Merke
Therapie. Wunden gründlich versorgen und reinigen. Bissverletzungen offen behandeln. Die Impfung mit einem inaktivierten Tollwutimpfstoff induziert schnell und zuverlässig hohe Titer neutralisierender Antikörper. Sie kann postexponentiell als Simultanimpfung erfolgen (Tollwutimmunglobulin und Tollwutimpfstoff).
3.12
Parasitäre Infektionen
3.12
3.12.1
Echinokokkose
3.12.1 Echinokokkose
Ätiologie und Pathogenese. Die alveoläre Echinokokkose wird durch die
Eier des kleinen Fuchsbandwurms (Echinococcus multilocularis/alveolaris) hervorgerufen. Die Eier des Hundebandwurms (Echinococcus granulosus/cysticus/unilocularis) verursachen die zystische Echinokokkose. Die Erkrankungen unterscheiden sich durch das morphologische Bild. Die Echinococcus-granulosus-Infektion dominiert als scharf begrenzte, zystische Raumforderung (zystische Echinokokkose) und findet sich insbesondere in den Mittelmeerländern. Die Echinococcus-multilocularis-Infektion mit einer Inkubationszeit von über 10 Jahren findet sich in Süddeutschland bzw. den Alpenländern und ist durch eine schwammartige, bläschenreiche Wucherung mit tumorähnlichem Wachstum charakterisiert, die sich primär in der Leber findet. Der Erreger lebt im Darm von Hunden, Katzen und Füchsen. Die Finnen von Echinococcus multilocularis bzw. granulosus entwickeln sich im Darm ihres Wirtes zum Adultwurm. Über den Kot gelangen Eier, vom Wurm abgestoßene Endglieder oder ganze Würmer in den Verdauungstrakt des Zwischenwirtes (Mensch, Schaf, Schwein, Rind). Die freigesetzten Onkosphären, die Larvenform des Parasiten, durchdringen die Darmwand und gelangen via Portalvene in die Leber, selten auch in Gehirn, Milz, Niere, Knochen oder
Parasitäre Infektionen
Ätiologie und Pathogenese. Die alveoläre Echinokokkose tritt endemisch in Süddeutschland und den Alpenländern auf und wird durch die Eier des Echinococcus multilocularis (kleiner Fuchsbandwurm) verursacht. Die Eier des Echinococcus granulosus (Hundebandwum) verursachen die zystische Echinokokkose. Beide Formen unterscheiden sich durch das unterschiedliche morphologische Bild mit einer schwammartigen, bläschenreichen bzw. zystischen Raumforderung. Die Finnen von Echinococcus multilocularis bzw. granulosus entwickeln sich im Darm ihres Wirtes (Hunde, Katzen und Füchse) zum Adultwurm. Über den Kot gelangen Eier, Endglieder oder ganze Würmer in den Verdauungstrakt des Zwischenwirtes (Mensch, Schaf, Schwein, Rind).
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3.12.1 Echinokokkose
53
aggressiven Form ist vornehmlich das Gehirn, bei der paralytischen (stillen) Form ist das Rückenmark befallen.
Die aggressive Form befällt vornehmlich das Gehirn, die paralytische (stille) Form das Rückenmark.
Symptome. Die Inkubationszeit beträgt 10 Tage bis zu 1 Jahr, meistens 1–3
Symptome. Die Inkubationszeit beträgt meistens 1–3 Monate. Nach unspezifischen Symptomen treten Wesensveränderungen (u.a. Speichelfluss, Schluckstörungen, Hydrophobie, Schlingkrämpfe, Lähmungen) auf.
Diagnose. Die Diagnose der Tollwut erfolgt nach Krankheitsbeginn anhand
Diagnose. Die Diagnose der Tollwut erfolgt klinisch. Ein Antikörpernachweis ist nach Krankheitsbeginn erst 7–10 Tage verzögert möglich.
Monate. Nach unspezifischen Reaktionen an der Verletzung mit Schmerzen, Fieber und einer Leukozytose treten Wesensveränderungen wie Nervosität, Depression, Speichelfluss, Schluckstörungen, Hydrophobie, Schlingkrämpfe und Lähmungen auf.
des klinischen Bildes. Bei anfänglich unspezifischen Symptomen ist die Diagnose schwierig. Bei Patienten mit Aufenthalten in einem Endemiegebiet sollte bei verdächtigen neurologischen Symptomen die Tollwut differenzialdiagnostisch bedacht werden. Bei klinisch manifester Infektion besteht die Möglichkeit des spezifischen Nachweises von Antikörpern im Serum und Liquor. Antikörper sind jedoch erst verzögert 7–10 Tage nach Krankheitsbeginn nachweisbar. Haustiere sollten bei Verdacht 10 Tage unter tierärztlicher Überwachung und Quarantäne beobachtet werden. Bei klinischen Zeichen der Tollwut müssen die Tiere getötet werden, und das Rabiesantigen muss im Hirn nachgewiesen werden.
n Merke. Es ist bislang nicht möglich, einen Exitus nach Beginn der klinischen Symptome zu verhindern, so dass die beste Therapie in einer konsequenten Tollwutprophylaxe besteht.
Therapie. Wunden müssen gründlich versorgt, gereinigt und bei Bissverlet-
zungen offen behandelt werden. Die Impfung mit einem inaktivierten Tollwutimpfstoff induziert schnell und zuverlässig hohe Titer neutralisierender Antikörper. Die Impfung kann postexponentiell als Simultanimpfung mit einem Tollwutimmunglobulin und dem Tollwutimpfstoff (Wiederholung am 3., 7., 14., 30. und 90. Tag) oder bei gefährdeten Personen (u.a. Tierärzte, Jäger, Metzger) auch präexponentiell (3 Injektionen des Impfstoffes in wöchentlichem Abstand und nach 1 Jahr) erfolgen.
Haustiere sollten bei Verdacht 10 Tage unter tierärztlicher Überwachung und Quarantäne beobachtet werden.
Merke
Therapie. Wunden gründlich versorgen und reinigen. Bissverletzungen offen behandeln. Die Impfung mit einem inaktivierten Tollwutimpfstoff induziert schnell und zuverlässig hohe Titer neutralisierender Antikörper. Sie kann postexponentiell als Simultanimpfung erfolgen (Tollwutimmunglobulin und Tollwutimpfstoff).
3.12
Parasitäre Infektionen
3.12
3.12.1
Echinokokkose
3.12.1 Echinokokkose
Ätiologie und Pathogenese. Die alveoläre Echinokokkose wird durch die
Eier des kleinen Fuchsbandwurms (Echinococcus multilocularis/alveolaris) hervorgerufen. Die Eier des Hundebandwurms (Echinococcus granulosus/cysticus/unilocularis) verursachen die zystische Echinokokkose. Die Erkrankungen unterscheiden sich durch das morphologische Bild. Die Echinococcus-granulosus-Infektion dominiert als scharf begrenzte, zystische Raumforderung (zystische Echinokokkose) und findet sich insbesondere in den Mittelmeerländern. Die Echinococcus-multilocularis-Infektion mit einer Inkubationszeit von über 10 Jahren findet sich in Süddeutschland bzw. den Alpenländern und ist durch eine schwammartige, bläschenreiche Wucherung mit tumorähnlichem Wachstum charakterisiert, die sich primär in der Leber findet. Der Erreger lebt im Darm von Hunden, Katzen und Füchsen. Die Finnen von Echinococcus multilocularis bzw. granulosus entwickeln sich im Darm ihres Wirtes zum Adultwurm. Über den Kot gelangen Eier, vom Wurm abgestoßene Endglieder oder ganze Würmer in den Verdauungstrakt des Zwischenwirtes (Mensch, Schaf, Schwein, Rind). Die freigesetzten Onkosphären, die Larvenform des Parasiten, durchdringen die Darmwand und gelangen via Portalvene in die Leber, selten auch in Gehirn, Milz, Niere, Knochen oder
Parasitäre Infektionen
Ätiologie und Pathogenese. Die alveoläre Echinokokkose tritt endemisch in Süddeutschland und den Alpenländern auf und wird durch die Eier des Echinococcus multilocularis (kleiner Fuchsbandwurm) verursacht. Die Eier des Echinococcus granulosus (Hundebandwum) verursachen die zystische Echinokokkose. Beide Formen unterscheiden sich durch das unterschiedliche morphologische Bild mit einer schwammartigen, bläschenreichen bzw. zystischen Raumforderung. Die Finnen von Echinococcus multilocularis bzw. granulosus entwickeln sich im Darm ihres Wirtes (Hunde, Katzen und Füchse) zum Adultwurm. Über den Kot gelangen Eier, Endglieder oder ganze Würmer in den Verdauungstrakt des Zwischenwirtes (Mensch, Schaf, Schwein, Rind).
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3 Chirurgische Infektionen
In der Leber erfolgt die Differenzierung zur flüssigkeitsgefüllten Hydatide.
Brustdrüse. In der Leber erfolgt die Differenzierung zur flüssigkeitsgefüllten Hydatide. Im Inneren der Bläschen entwickeln sich Kopfanlagen, sogenannte Protoscolices (Vorköpfe), die die Strukturen des Adultwurmes erkennen lassen.
Symptome. Ein Drittel der Patienten klagt über uncharakteristische Oberbauchschmerzen, ein Drittel weist Cholestasezeichen mit und ohne Ikterus auf, und bei dem restlichen Drittel ist die Diagnose zufällig.
Symptome. Ein Drittel der Patienten klagt über uncharakteristische Oberbauchschmerzen, Appetitverlust und Gewichtsabnahme bzw. bei pulmonalem Befall über Husten, Dyspnoe oder Thoraxschmerzen. Ein weiteres Drittel weist Cholestasezeichen mit oder ohne Ikterus bei Lokalisation der Tumoren im Leberhilus auf. Bei dem restlichen Drittel der Patienten ist die Diagnose zufällig. Symptome der Raumforderung durch die Zysten sind typisch für die zystische Echinokokkose ( 1 A-3.13).
Zysten können bei Größenzunahme lokale Schmerzen verursachen ( 1 A-3.13).
1 A-3.13
Echinokokkuszyste Intraoperatives Bild einer Echinokokkuszyste der Leber bei Echinococcus-granulosus-Infektion.
Diagnose. Die Diagnose kann durch das typische morphologische Bild mittels Sonographie oder CT mit Kontrastmittel gestellt werden.
Ein serologischer Antikörpernachweis ergänzt die diagnostischen Maßnahmen.
Diagnose. Verkalkungen, Fibrosen sowie Zerfallshöhlen ergeben ein unioder multizystisches Bild bei der alveolären Echinokokkose, welches nicht mit der zystischen Echinokokkose zu verwechseln ist. Die Ultraschalldiagnostik lässt frühzeitig überwiegend echoreiche Veränderungen mit echoarmem Randsaum erkennen. Die Abgrenzung vom gesunden Lebergewebe ist schwer, Gefäße können infiltriert und die Gallenwege komprimiert sein. Zur Abgrenzung infiltrativer oder organüberschreitender Prozesse stellt die Computertomographie (CT) mit Kontrastmittel die Methode der Wahl dar. Serologische Untersuchungsmethoden wie der Hämagglutinationstest oder die Komplementbindungsreaktion sind weitere diagnostische Maßnahmen. n Merke. Eine Zystenpunktion ist wegen der Gefahr einer Keimverschleppung bzw. Gefahr einer anaphylaktischen Reaktion absolut kontraindiziert.
Merke
Therapie (s.a. Kap. B-9.4.1, S. 513 ff.) Alveoläre Echinokokkose: Die operative Entfernung durch eine radikale En-bloc-Resektion ist die einzige kurative Maßnahme. Durch die Kombination mit einer medikamentösen Dauertherapie (Albendazol, Mebendazol) konnte die Prognose deutlich verbessert werden (5-Jahres-Überlebensrate > 90 %). π Zystische Echinokokkose: Die Entfernung der Hydatide ist die Therapie der Wahl. π
Therapie (s.a. Kap. B-9.4.1, S. 513 ff.)
Alveoläre Echinokokkose: Die Prognose der alveolären Echinokokkose hat sich im letzten Jahrzehnt durch die Kombination chirurgischer Maßnahmen mit medikamentöser Dauertherapie mit Albendazol oder Mebendazol deutlich verbessert. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt über 90 %. Die radikale operative En-bloc-Resektion der Parasitengeschwulst, entsprechend einer onkologisch-kurativen Entfernung, ist die einzige kurative Maßnahme. π Zystische Echinokokkose: Grundprinzip der Therapie ist die Entfernung der Hydatide, die Hydatektomie. π
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3.12.3 Askaridiasis 3.12.2
Amöbiasis
3.12.2 Amöbiasis
Epidemiologie und Ätiologie. Die besonders in Regionen mit mangelhafter
Epidemiologie und Ätiologie. Die Infektion mit Entamoeba histolytica erfolgt fäkal-oral, insbesondere in (sub)tropischen Ländern (Urlaubsreise!).
Symptome. Nach Infektion kommt es in einem Teil der Fälle zur Bildung
Symptome. Invasive Formen rufen Dickdarmulzera und Diarrhöen (Amöbenruhr) hervor. Bei Ausbreitung über die Pfortader können sich Leberabszesse bilden ( 1 A-3.14).
Hygiene verbreiteten Parasiten Entamoeba histolytica gelangen auf fäkaloralem Weg in den menschlichen Darm. Die Amöbiasis ist in Deutschland selten. Insbesondere Urlauber infizieren sich in (sub)tropischen Ländern und stellen sich mit dem Krankheitsbild hier vor.
invasiver Formen, die in die Dickdarmwand eindringen, Ulzera bzw. eine Kolitis hervorrufen und Diarrhöen (Amöbenruhr) auslösen können. Als Komplikation kann sich bei Ausbreitung über die Pfortader ein Leberabszess (< 10 % der Patienten mit Amöbenruhr; bei 90 % im rechten Leberlappen) ausbilden ( 1 A-3.14), bei schwerer Kolitis können Perforationen mit Peritonitis entstehen. Bei Befall eines Darmsegmentes, gewöhnlich Zäkum oder Sigma, können Stenosen bei granulomatösen Massen auftreten.
1 A-3.14
Mehrkammeriger Amöbenabszess des rechten Leberlappens im CT
Diagnose. Die Symptome sind meist unspezifisch mit Fieber, Leukozytose
Diagnose. Unspezifische Symptome und anamnestisch Urlaubsreise bieten Hinweise, Serologie, Stuhluntersuchungen, Sonographie oder CT können die Erkrankung bestätigen.
Therapie. Die Mehrzahl der Abszesse kann medikamentös behandelt wer-
Therapie. In der Mehrzahl der Fälle kann medikamentös behandelt werden (Mittel der Wahl ist Metronidazol). Bei großen Abszessen ist die Einlage einer Dränage sinnvoll, bei Therapieresistenz erfolgt eine operative Freilegung.
und rechtsseitigen Oberbauchschmerzen. Ein Aufenthalt in den Tropen ist ein wichtiger anamnestischer Hinweis. Die Serologie (85–100 % positiv bei einem Leberabszess), Stuhluntersuchungen (frischer Stuhl, der zum Nachweis der invasiven Form innerhalb einer Stunde untersucht werden muss), Abdomensonographie oder Computertomographie (CT) können die Diagnose erhärten. den. Mittel der Wahl ist Metronidazol. Alternativen sind Tinidazol oder bei Unverträglichkeit bzw. Therapieversagen Resochin. Bei großen Abszessen ist die sonographisch- oder CT-gesteuerte Einlage eines Spülkatheters indiziert. Als Komplikation können sich (rechts)thorakale, peritoneale oder perikardiale Fisteln ausbilden. Ein operativer Eingriff kann bei medikamentöser Therapieresistenz notwendig werden (s. Kap. B-9.4.1, S. 515 ff.).
3.12.3
Askaridiasis
Der Spulwurm Ascaris lumbricoides kann zum sogenannten Askaridenileus führen oder selten zur Verlegung der Gallenwege mit Ikterus. Bei Ileus und Ikterus besteht die Therapie in der Notfalllaparotomie und Ausstreichen des Darmes bzw. der Gallenwege. Konservativ wird mit Anthelminthika behandelt.
3.12.3 Askaridiasis Ascaris lumbricoides kann zum Askaridenileus oder -ikterus führen.
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56 3.13
3 Chirurgische Infektionen
Pilzinfektionen
3.13
Pilzinfektionen
Die Inzidenz der Pilzinfektionen nimmt in der Chirurgie besonders bei Patienten mit einer Abwehrschwäche bzw. auf Intensivstationen zu.
Die Inzidenz von Pilzinfektionen nimmt in der Chirurgie zu, wobei Infektionen im allgemeinen chirurgischen Patientengut seltener sind als bei abwehrgeschwächten Patienten bzw. Patienten auf Intensivstationen. Die Letalität ist jedoch in beiden Gruppen, wenn eine systemische Infektion vorliegt, mit 40–80 % sehr hoch.
Ätiologie. Die häufigsten Erreger sind Candidaspezies. Selten verursachen Aspergillus fumigatus oder Cryptococcus neoformans eine Infektion.
Ätiologie. Die Erreger sind primär apathogene saprophytäre Keime. Die
Pathogenese. Der Übertritt von Pilzen in die portale Zirkulation bei unzureichender Filterung in der Leber wird als Pathomechanismus angenommen (Fungämie). Prädisponierende Faktoren einer Pilzinfektion zeigt 1 A-3.6.
häufigsten Pilzerreger, die bei einer systemischen Infektion im Blut identifiziert werden, sind in der Chirurgie Candida albicans, Candida parapsilosis, Candida tropicalis, Candida glabrata, selten sind Aspergillus (Aspergillus fumigatus) und Cryptococcus (Cryptococcus neoformans).
Pathogenese. Der Übertritt von Pilzen durch die Darmwand in die portale
Zirkulation (Translokation) und in den systemischen Kreislauf bei insuffizienter Filterung in der Leber führt bei schwerkranken Patienten zu einer Fungämie. Prädisponierende Faktoren einer Pilzinfektion zeigt 2 A-3.6.
2 A-3.6
Prädisponierende Faktoren einer Pilzinfektion
N Dreifach-Antibiotikatherapie über > 7 Tage n
N Diabetes mellitus n N Behandlung mit Steroiden n N Vorliegen eines Neoplasmas n N Alter ( > 50 Jahre) n N intensivmedizinische Therapie/Verweilkatheter n N Alkoholabusus n N Organtransplantation n N Operationen des Gastrointestinaltraktes n
Die großzügige Therapie mit Breitspektrumantibiotika führt zu einer Überwucherung von Pilzen im Darm durch Suppression der normalen bakteriellen Flora. Eine häufige Ursache einer Candida-Infektion und -Fungämie sind intravaskuläre Katheter. Symptome π Candidainfektionen: Klar unterschieden werden müssen mukokutane Formen (Mundsoor, Soorvaginitis, etc.) ( 1 A-3.15) und Kolonisationen von systemischen, invasiven Infektionen (Candidasepsis, Meningitis, Leberabszess, Pneumonie oder Augenfundusbefall).
Symptome
Candidainfektionen: Candidainfektionen manifestieren sich in einer mukokutanen Form, mit Beteiligung von Haut und Schleimhäuten (z.B. Mundsoor, Soorvaginitis, Soorbalanitis, Kolonisation des Ösophagus oder des Tracheostomas bei Intensivpatienten [ 1 A-3.15]). Diese Form zeigt keinen Hinweis auf eine Allgemeinerkrankung, im Gegensatz zu der systemischen Form, die sich als Candidasepsis, Meningitis, Leberabszess, Pneumonie oder Augenfundusbefall äußern kann. Candida albicans lässt sich mit einer Prävalenz von 20 % in Abstrichen verschiedener Körpersekrete nachweisen. Dabei handelt es sich um eine reine Kolonisation ohne Krankheitszeichen. π
Aspergillusinfektionen: Bei schwerer Abwehrschwäche können Aspergilluspneumonien oder eine Aspergillussepsis vorkommen. Ein Aspergillom ist keiner Chemotherapie zugänglich und muss operiert werden.
π Aspergillusinfektionen: Die seltenen Aspergillusinfektionen können sich als Aspergillom, Pneumonie oder Sepsis äußern.
π
π Cryptococcusinfektionen: Ebenfalls selten als Pneumonie oder Meningitis, vor allem bei Immunsuppression (z.B. AIDS).
π
Cryptococcusinfektionen: Die häufigsten Formen der seltenen Cryptococcusinfektionen sind Pneumonien und Meningitis. Als opportunistische Infektion bei AIDS sind diese Formen häufig zu finden.
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57
3.13 Pilzinfektionen
1 A-3.15
Mundsoor Mundsoor bei einem immunsupprimierten Patienten nach Lebertransplantation.
Diagnose. Die Grenzen zwischen Kolonisation und Infektion sind nicht immer scharf zu trennen, sodass eine sichere Diagnose nach wie vor schwierig ist. Die folgenden Bedingungen werden heute für die Diagnose einer systemischen Mykose, im speziellen der Candidiasis, gefordert: π 2 positive Blutkulturen innerhalb von 24 Stunden π Pilznachweis in einem Organparenchym (z.B. Leber) π Nachweis in einer primär sterilen Körperhöhle (z.B. Blase). n Merke. Eine positive Blutkultur hat immer Krankheitswert und darf nicht als transiente Fungämie verharmlost werden.
Diagnose. Bei Nachweis von Pilzen in zwei Blutkulturen innerhalb von 24 Stunden und bei Pilznachweis in einem Organ oder in einer primär sterilen Körperhöhle wird eine systemische Infektion angenommen.
Merke
Die serologische Diagnostik mit Nachweis eines Antikörpertiters ist für die Diagnose einer systemischen Infektion und Differenzierung gegenüber einer Kolonisation unzureichend. Der Antigentiter hat ebenfalls eine hohe Fehlerquote, ist jedoch aussagekräftiger als der Antikörpernachweis.
Die serologische Diagnostik mit Nachweis von Antigen oder Antikörper weist eine hohe Fehlerquote auf.
Therapie. Die medikamentöse Standardtherapie der Pilzinfektionen ist die systemische Gabe von Amphotericin B. Die Kombination mit Flucytosin vermindert die Rate der Nebenwirkungen, besonders die der Nephrotoxizität, und zeigt einen Synergismus mit einer verbesserten therapeutischen Wirkung. Fluconazol hat eine nachgewiesene Wirkung bei der mukokutanen Form der Candidainfektionen und wird in der kontrovers diskutierten Prophylaxe bei Immunsupprimierten (z.B. Organtransplantationen) verwendet. Bei nicht immunsupprimierten Patienten scheinen Fluconazol mit geringeren Nebenwirkungen und Amphotericin B gleichwertig. Bei katheterassoziierten Candidainfektionen ist die Entfernung des Katheters häufig als Therapie ausreichend.
Therapie. Standardtherapie ist die Kombination von Amphotericin B mit Flucytosin. Fluconazol besitzt eine nachgewiesene Wirkung bei mukokutanen Formen und in der kontrovers diskutierten Prophylaxe. Fluconazol als Alternative zu Amphotericin B bei nicht immunsupprimierten Patienten. Bei katheterassoziierter Infektion reicht die Katheterentfernung oft aus.
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Antibiotika
4
4
Antibiotika
4.1
Die häufigsten Erreger
Jörg Schröder
Die häufigsten Erreger
4.1
Bakterielle chirurgische Infektionen werden am häufigsten von grampositiven Staphylokokken, gramnegativen E. coli und anaeroben Bacteroides fragilis verursacht. Die 2 A-4.1 gibt einen Überblick über die wichtigsten Erreger chirurgischer Infektionen:
2 A-4.1
Die wichtigsten Erreger chirurgischer Infektionen
Grampositiv
Gramnegativ
Anaerobier
N n
Staphylokokken
N n
E. coli
N n
Bacteroides fragilis
N n
Enterokokken
N n
Klebsiellen
N n
Peptostreptokokken
N n
Streptokokken
N n
Proteus
N n
Pseudomonas
4.2
Antibiotikaübersicht
Antibiotika werden nach der chemischen Struktur, ihrer biologischen Herkunft und der therapeutischen Anwendung klassifiziert. Antibiotika der gleichen Gruppe ähneln sich im Wirkungsspektrum, im Wirkungsmechanismus und besitzen eine ähnliche Toxizität. Eine Übersicht der in der Chirurgie wichtigsten Antibiotikagruppen zeigt 2 A-4.2.
4.2.1
Die häufigsten Erreger chirurgischer Infektionen sind Staphylokokken, E. coli und Bacteroides fragilis ( 2 A-4.1).
b -Lactam-Antibiotika
4.2
Antibiotikaübersicht
Antibiotika der gleichen Gruppe ähneln sich in ihrem Spektrum, ihrem Wirkungsmechanismus und der Toxizität ( 2 A-4.2).
4.2.1 b -Lactam-Antibiotika
Penicilline, Cephalosporine und Carbapeneme sind die wichtigsten Vertreter der b-Lactam-Antibiotika, die die Peptidoglykansynthese in der Bakterienzellwand hemmen.
Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme sind Vertreter der b -Lactam-Antibiotika.
Penicilline
Penicilline
Die verschiedenen Gruppen von Penicillinen unterscheiden sich hinsichtlich des Erregerspektrums und der Empfindlichkeit gegenüber b-Lactamasen. b-Lactamasen sind Enzyme (z.B. Penicillinasen oder Cephalosporinasen), die ein Antibiotikum hydrolysieren und somit unwirksam machen. Benzylpenicillin hat die stärkste Wirkung gegen grampositive Bakterien, ist jedoch gegenüber b-Lactamasen empfindlich. Isoxazolylpenicilline sind resistent gegen die von Staphylokokken gebildeten b-Lactamasen (penicillinasefest), haben hingegen eine schwächere Wirksamkeit gegenüber anderen grampositiven Erregern. Aminopenicilline sind nicht penicillinasefest und besitzen eine erweiterte Wirksamkeit gegenüber gramnegativen Stäbchen. Acylaminopenicilline weisen eine noch stärkere antibakterielle Aktivität gegenüber gramnegativen Stäbchen einschließlich Pseudomonas aeruginosa auf und sind ebenfalls nicht penicillinasefest. Das Wirkspektrum der Penicilline lässt sich durch b-Lactamase-Hemmer (Clavulansäure in Kombination mit Amoxicillin [AugmentanQ], Sulbactam [CombactamQ] als Einzelsubstanz oder in Kombination mit Ampicillin [UnacidQ] oder Tazobactam kombiniert mit Piperacillin [TazobacQ]), die keine eigene antibakterielle Wirkung aufweisen, erweitern.
Penicilline unterscheiden sich hinsichtlich des Erregerspektrums und der Empfindlichkeit gegenüber b -Lactamasen. Benzylpenicillin hat die stärkste Wirkung gegen grampositive Bakterien (nicht penicillinasefest). Isoxazolylpenicilline sind penicillinasefest, aber weniger wirksam gegenüber anderen grampositiven Erregern. Aminopenicilline und Acylaminopenicilline sind nicht penicillinasefest, haben jedoch erweiterte Wirksamkeit gegenüber gramnegativen Stäbchen. b -Lactamase-Hemmer können das
Wirkspektrum von Penicillinen erweitern.
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4 Antibiotika
2 A-4.2
Die wichtigsten Antibiotikagruppen und deren in der Chirurgie am meisten verwendeten Derivate
Gruppe N Penicilline n π Benzylpenicilline
Derivate (Handelsname als Beispiel)
Wirkungsspektrum
Penicillin G (diverse)
insbesondere Streptokokken, Pneumokokken, Meningokokken
π
Aminobenzylpenicilline
Ampicillin (Binotal Q ) Amoxicillin (Amoxypen Q )
grampositive (wie Penicillin G, zusätzlich Enterokokken, nicht Staph. aureus) und gramnegative Keime (z.T. E. coli, Proteus, nicht Klebsiella, Pseudomonas)
π
Acylaminopenicilline
Mezlocillin (BaypenQ )
wie Ampicillin, erweitert um Proteusstämme, Enterobacter, Klebsiella, Pseudomonas, Anaerobier (nicht Staph. aureus) speziell Pseudomonas, Proteus, E. coli, z.T. Klebsiella, Enterobacter, Bacteroides
Piperacillin (Pipril Q ) π
Oxacillin (Stapenor Q ) Flucloxacillin (Staphylex Q )
penicillinasebildende Staphylokokken
Cefazolin (Gramaxin Q , ElzogramQ )
grampositive (nicht Enterokokken) und gramnegative Bakterien (z.B. E. coli, Proteus, Klebsiella, nicht Pseudomonas, Enterobacter)
Intermediärcephalosporine
Cefuroxim (Zinacef Q ) Cefotiam (Spizef Q )
wirksamer bei gramnegativen Erregern, unwirksam bei Enterokokken, Pseudomonas
Breitspektrumcephalosporine
Cefotaxim-Gruppe (Claforan Q )
bei grampositiven Bakterien weniger wirksam, wesentlich wirksamer bei gramnegativen
Ceftazidim-Gruppe (FortumQ )
wie Cefotaxim, insbesondere Pseudomonas
Cefepim (MaxipimeQ )
4. Generationscephalosporin mit breiter Wirkung gegenüber grampositiven und -negativen Erregern
Imipenem (ZienamQ )
grampositive (nicht oxacillinresistente Staph. aureus) und gramnegative Keime (einschließlich Pseudomonas)
Isoxazolylpenicilline
N Cephalosporine n π Basiscephalosporine
π
π
N Carbapeneme n
Meropenem (MeronemQ ) N b -Lactamase-Hemmer n
Clavulansäure Sulbactam Tazobactam
s. Text
N Aminoglykoside n
Gentamicin (RefobacinQ )
grampositive (nicht Streptokokken, Enterokokken, Pneumokokken) und gramnegative Erreger wie Gentamicin, besonders wirksam bei Pseudomonas aeruginosa
Tobramycin (Gernebcin Q ) N Lincosamide n
Clindamycin (Sobelin Q )
Streptokokken, Staphylokokken, Pneumokokken, Bacteroides u.a. Anaerobier (nicht Enterokokken)
N Glykopeptide n
Vancomycin (Vancomycin Q ) Teicoplanin (Targocid Q )
vor allem oxacillinresistente Staphylokokken, Streptokokken, Enterokokken, Clostridium difficile
N Fluorochinolone n
Norfloxacin (Barazan Q ) Ofloxacin (TarividQ ) Ciprofloxacin (Ciprobay Q ) Levofloxacin (Tavanic Q )
nahezu alle grampositive und -negative Erreger von Harnwegsinfekten (nicht Anaerobier, geringe Wirksamkeit gegen Pseudomonas, Enterokokken, Streptokokken, Staphylokokken)
N Nitroimidazole n
Metronidazol (Clont Q )
Anaerobier, Amöben
N Sulfonamide n
Cotrimoxazol (BactrimQ , EusaprimQ )
Staphylokokken, Streptokokken, Pneumokokken, E. coli, Proteus, Klebsiellen (nicht Enterokokken, Enterobacter, Pseudomonas)
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4.2.4 Glykopeptide In der Praxis stößt dieses Konzept schnell an seine Grenzen, da optimale Dosierungen nicht immer erzielt werden und andere Formen der Resistenz eine Rolle spielen oder b-Lactamasen selbst induziert werden können.
Cephalosporine
Cephalosporine
Bei den Cephalosporinen werden Basiscephalosporine, Intermediär- und Breitspektrumcephalosporine unterschieden. Basiscephalosporine haben eine gute Wirksamkeit gegen grampositive Erreger, während Intermediärund Breitspektrumcephalosporine eine stärkere antibakterielle Wirksamkeit gegenüber gramnegativen Erregern besitzen und die Aktivität gegenüber grampositiven Bakterien reduziert ist. Der Vorteil der neuen Breitspektrumcephalosporine wie z.B. Ceftazidim liegt in der besseren Wirksamkeit gegen gramnegative Problemkeime wie z.B. Pseudomonas aeruginosa. Cephalosporine hemmen die Zellwandsynthese sensibler Mikroorganismen und sind wie Penicilline im allgemeinen bakterizid auf proliferierende, aber nicht auf ruhende Keime wirksam. Cephalosporine sind überwiegend gegenüber Penicillinasen stabil, weshalb sie gegenüber penicillinresistenten Keimen wirksam sein können.
Bei den Cephalosporinen werden Basiscephalosporine, Intermediär- und Breitspektrumcephalosporine unterschieden. Basiscephalosporine haben eine gute Wirksamkeit gegen grampositive Erreger, während Intermediärund Breitspektrumcephalosporine eine stärkere antibakterielle Wirksamkeit gegenüber gramnegativen Erregern besitzen und die Aktivität gegenüber grampositiven Bakterien reduziert ist.
Carbapeneme
Carbapeneme
Carbapeneme erfassen fast das gesamte Erregerspektrum (Ausnahmen: Enterokokken, oxacillinresistente Staph. aureus), vereinigen die Wirkung von Penicillinen und Cephalosporinen in sich und sind zusätzlich gegen Anaerobier wirksam. Diese Substanzen gelten als Reservemittel bei komplizierten Infektionen (z.B. Pneumonien, Peritonitis, Sepsis), evtl. in Kombination mit einem Aminoglykosid.
Carbapeneme erfassen nahezu alle grampositiven und -negativen Erreger.
4.2.2
Aminoglykoside
Aminoglykoside hemmen die ribosomale Proteinsynthese in der Bakterienzelle und wirken besonders gegen Enterobakterien und Staphylokokken. Die neueren Substanzen wie z.B. Gentamicin und Tobramycin besitzen zudem eine Aktivität gegen Pseudomonas aeruginosa. Aminoglykoside wirken im Gegensatz zu b-Lactam-Antibiotika nicht nur in der Proliferation der Bakterien, sondern auch in der Ruhephase.
4.2.3
Lincosamide
Clindamycin hemmt die Proteinsynthese von Bakterien wie Streptokokken, Staphylokokken, Pneumokokken und Bacteroides fragilis und wirkt konzentrationsabhängig bakteriostatisch oder bakterizid. Clindamycin ist ein wichtiges Antibiotikum bei Anaerobiermischinfektionen (z.B. Empyem, Abszesse, Peritonitis) und aufgrund seiner guten Knochengängigkeit bei ossären Infektionen.
4.2.4
Glykopeptide
Die Glykopeptide Vancomycin und Teicoplanin sind Mittel der Wahl bei oxacillinresistenten Staphylokokkeninfektionen. Die zunehmende Zahl von Staphylokokkeninfektionen ist schwerer therapierbar geworden, da koagulasenegative Staphylokokken zu etwa 40 % oxacillinresistent sind, und die Häufigkeit von oxacillinresistenten Staphylococcus-aureus-Stämmen deutlich angestiegen ist.
4.2.2 Aminoglykoside Aminoglykoside besitzen eine antibakterielle Aktivität gegenüber Enterobakterien und Staphylokokken, neuere Substanzen wie Gentamicin und Tobramycin auch gegen Pseudomonas aeruginosa.
4.2.3 Lincosamide Clindamycin ist ein bedeutsames Antibiotikum bei Mischinfektionen mit anaeroben Erregern sowie bei ossären Infektionen.
4.2.4 Glykopeptide Vancomycin und Teicoplanin sind Mittel der Wahl bei oxacillinresistenten Staphylokokkeninfektionen.
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62
4 Antibiotika
Fluorochinolone
4.2.5 Fluorochinolone
4.2.5
Fluorochinolone (Norfloxacin, Ciprofloxacin, Ofloxacin, Levofloxacin) wirken bakterizid und sind wirksam gegenüber Pseudomonas aeruginosa.
Fluorochinolone hemmen die bakteriellen DNA-Gyrasen, die zur Nukleinsäuresynthese notwendig sind. Die neuen Gyrasehemmer wie Norfloxacin, Ciprofloxacin oder Ofloxacin bzw. Levofloxacin als linksdrehende Form des Ofloxacin wirken bakterizid und besitzen eine Wirksamkeit gegen Pseudomonas aeruginosa. Bevorzugtes Einsatzgebiet der »Chinolone« sind Harnwegsinfektionen, wobei neben einer parenteralen Applikationsform auch eine orale Gabe mit ausreichenden Wirkspiegeln möglich ist.
4.2.6 Nitroimidazole
4.2.6
Metronidazol wirkt bakterizid gegenüber anaeroben Erregern.
Metronidazol weist eine starke bakterizide Wirkung bei anaeroben Bakterien durch Hemmung der Nukleinsäuresynthese auf. Die vorwiegende Indikation für die Applikation dieser Substanz sind Anaerobierinfektionen. Da es sich jedoch häufig um aerobe/anaerobe Mischinfektionen handelt, wird zusätzlich zum Metronidazol ein aerobierwirksames Breitspektrumantibiotikum wie z.B. Cephalosporin eingesetzt.
4.2.7 Sulfonamide
4.2.7
Die Kombination von Trimethoprim mit dem Sulfonamid Sulfamethoxazol (Cotrimoxazol) spielt vorwiegend in oraler Form bei Harnwegsinfektionen in der Chirurgie eine Rolle.
Die Kombination von Trimethoprim mit dem Sulfonamid Sulfamethoxazol (= Cotrimoxazol) spielt vorwiegend in oraler Form bei Harnwegsinfektionen in der Chirurgie eine Rolle. Trimethoprim gehört wie das Malariamittel Pyrimethamin zur Gruppe der Diaminopyrimidine. Beide Substanzen hemmen die Folsäuresynthese von Bakterien, wirken alleine nur bakteriostatisch und in Kombination teilweise bakterizid.
4.3
Wirkungsspektrum
Es gibt kein Antibiotikum, welches alle Erreger erfasst ( 2 A-4.3).
4.3
Nitroimidazole
Sulfonamide
Wirkungsspektrum
Die bei chirurgischen Infektionen therapeutisch eingesetzten Antibiotika erfassen die häufigsten pathogenen Bakterien, was in 2 A-4.3 nochmals in der Übersicht dargestellt ist. Es existiert kein Antibiotikum, welches alle entzündungsverursachenden Erreger erfassen kann.
2 A-4.3
Antibiotikaübersicht nach Wirkungsspektrum
Erreger
Antibiotika
N Streptokokken n
N Penicillin G n
N Staphylokokken n
n N N n N n N n
N Enterokokken n
n Ampicillin N N Amoxicillin n
N Darmbakterien (E. coli, n Klebsiellen, Proteus, Anaerobier)
n Cephalosporine N N Metronidazol n
N Pseudomonas aeruginosa n
n Piperacillin N N Ceftazidim n N Aminoglykoside n
Flucloxacillin Basiscephalosporine Vancomycin Teicoplanin
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63
4.6.1 Therapieprinzipien
4.4
Antibiogramm
Die Empfindlichkeit von Erregern, aus infektiösem Material (z.B. Eiter, Sekret, Urin, Blut) isoliert, gegenüber Antibiotika zeigt das Antibiogramm. Die Untersuchungen geben an, ob Bakterien sensibel, intermediär oder resistent auf bestimmte Antibiotikakonzentrationen reagieren. Als Referenzmethode gilt die Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration (MHK).
4.5
Resistenz
Resistenzen gegenüber Antibiotika können auf Veränderungen in der Zellwand, der Zellmembran (erschwerte Penetration zum Wirkort) oder auf der Inaktivierung von b-Lactamasen beruhen. Bakterien können durch Chromosomenmutationen oder Plasmide resistent werden. Mutationen treten spontan auf und breiten sich von einer Bakteriengeneration zur nächsten aus. Die Mutanten sind häufig instabil, sodass nach Absetzen der Antibiotikatherapie (Wegfall des Selektionsdruckes) eine empfindliche Restpopulation die Infektion bestimmen kann. Bei einer plasmidvermittelten Resistenz kann sich diese innerhalb einer Population ausbreiten und unabhängig vom Selektionsdruck lange bestehen bleiben. Bei einer primären oder »natürlichen« Resistenz liegt eine genetisch bedingte Unempfindlichkeit einer Bakterienart gegen ein bestimmtes Antibiotikum vor. Die seltene sekundäre Resistenz entsteht während der Therapie. Durch den Kontakt mit dem Antibiotikum kommt es zur Selektion resistenter Varianten. Bestimmte »lückenhafte Antibiotika« begünstigen die Selektion resistenter Bakterienarten, die zum Auftreten von Sekundärinfektionen führen können. Antibiotika mit einem hohen Selektionsdruck wie z.B. Ampicillin oder Amoxicillin müssen daher gezielt eingesetzt werden.
4.4
Antibiogramm
Das Antibiogramm gibt die Empfindlichkeit klinisch isolierter Erreger gegenüber bestimmten Antibiotika an.
4.5
Resistenz
Resistenzen gegenüber Antibiotika können auf Veränderungen in der Zellwand, der Zellmembran (erschwerte Penetration zum Wirkort) oder auf der Inaktivierung von b -Lactamasen beruhen. Bakterien können durch Chromosomenmutationen oder Plasmide resistent werden.
Primäre Resistenz: »natürliche«, genetisch bedingte Unempfindlichkeit. Sekundäre Resistenz: entsteht während der Antibiotikatherapie.
4.6
Antibiotikatherapie
4.6
4.6.1
Therapieprinzipien
4.6.1 Therapieprinzipien
Aus chirurgischer Sicht müssen u. a. die Infektionen antibiotisch behandelt werden, die nicht komplett operativ saniert werden können (z. B. eine Phlegmone), die nicht primär chirurgisch behandelbar sind (z. B. postoperative Pneumonie) und jede Form einer bakteriellen Sepsis. π Bei klinischen Zeichen einer manifesten mikrobiellen Infektion sollte ein Antibiotikum so rasch wie möglich intravenös verabreicht werden.
Aus chirurgischer Sicht müssen u. a. die nicht komplett operativ sanierbaren und primär chirurgisch behandelbaren Infektionen sowie jede bakterielle Sepsis antibiotisch behandelt werden. π Bei einer manifesten mikrobiellen Infektion sollte eine rasche intravenöse Antibiotikagabe erfolgen.
n Merke. Fieber allein ist keine Indikation, ein Antibiotikum zu verabreichen, da dieses kein Antipyretikum ist.
Bei jedem unklaren Fieber sollten Blutkulturen entnommen werden. Die Erregerisolierung aus infektiösem Material sollte immer vor Gabe des Antibiotikums erfolgen, wozu die richtige Probeentnahme und ein suffizientes Transportmedium (z.B. Blutkulturflaschen) unabdingbare Voraussetzungen sind. π Nach parenteraler Gabe eines Antibiotikums werden rasch dosisabhängig hohe und lang andauernde Serumkonzentrationen erzielt. Die parenterale Gabe ist daher bei schweren Infektionen (z.B. Pneumonien, Peritonitis, Sepsis) die Applikationsform der Wahl, um einen sicheren und schnellen Effekt zu erzielen. Bei Harnwegsinfektionen ist auch eine orale Gabe von z.B. Fluorochinolonen oder Cotrimoxazol indiziert, die einen ausreichenden Wirkspiegel bei dieser Applikationsform erzielen. π Bei fehlender Ansprechbarkeit der Therapie muss überprüft werden, ob das gewählte Antibiotikum sensibel ist, ob es den Ort der Infektion erreicht π π
Antibiotikatherapie
Merke
Bei jedem unklaren Fieber sollten Blutkulturen entnommen werden. π Die Erregerisolierung sollte vor Gabe des Antibiotikums erfolgen. π
Die parenterale Gabe eines Antibiotikums ist zur raschen Erregerelimination bei schweren Infektionen notwendig (Ausnahme: orale Gabe bei Harnwegsinfekten).
π
Bei Ausbleiben einer Reaktion an Abszesse, Viren, Legionellen,
π
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64 Chlamydien, Mykoplasmen und Pilze denken. π Antibiotika sollten nicht zu kurz gegeben und nicht zu häufig gewechselt werden. Eine Wirkung mit Entfieberung wird meist erst nach 2–3 Tagen erzielt.
Merke
4 Antibiotika (z.B. Abszess), ob virale Infektionen oder seltene Infektionen mit Erregern wie Legionellen, Chlamydien, Mykoplasmen bzw. ob Pilzinfektionen vorliegen. π Eine Therapie versagt, wenn Antibiotika zu kurz gegeben und zu häufig gewechselt werden (z.B. alle 2 Tage). Eine Wirkung mit Entfieberung wird meist erst nach 2–3 Tagen erzielt. n Merke. Die gezielte, zeitlich optimale antibiotische Behandlung chirurgischer Infektionen senkt zudem die Behandlungskosten.
Kalkulierte Therapie
4.6.2 Kalkulierte Therapie
4.6.2
Eine kalkulierte Therapie erfasst die wahrscheinlichsten Erreger einer Infektion vor Kenntnis der bakteriologischen Untersuchung.
Eine Antibiotikatherapie sollte erregerorientiert sofort nach der Diagnose einer Infektion als sogenannte kalkulierte Behandlung erfolgen, bevor das Ergebnis der bakteriologischen Untersuchung vorliegt, und richtet sich gegen die wahrscheinlichsten Erreger einer bestimmten Erkrankung. Die typischen Keimspektren der verschiedensten Infektionen müssen durch eine mikrobiologische Testung unter optimaler Erregerisolierung bekannt sein.
4.6.3 Gezielte Therapie
4.6.3
Die genaue Erfassung der verursachenden Erreger und der wirksamen Antibiotika im Antibiogramm erlaubt eine gezielte Therapie.
Die gezielte Erfassung von Erregern und wirksamen Antibiotika im Antibiogramm erlaubt eine Bekämpfung der Bakterien, die u. U. durch die kalkulierte Therapie ausgespart wurden und für eine Persistenz der Symptome verantwortlich sind.
Merke
Gezielte Therapie
n Merke. Eine Therapie bis zu 5 Tagen nach Entfieberung ist in den meisten Fällen (Ausnahme z.B. Tuberkulose) ausreichend. Dann sollte die Antibiotikagabe abgeschlossen werden, um der Selektion von Pilzen, von resistenten Bakterien und Nebenwirkungen entgegenzuwirken.
Synergismus
4.6.4 Synergismus
4.6.4
Synergismus beinhaltet die sich gegenseitig verstärkende antibakterielle Wirkung von z.B. Aminoglykosiden mit b -Lactam-Antibiotika. Dieser Mechanismus vermindert Nebenwirkungen und verzögert die Resistenzentwicklung.
Unter Synergismus versteht man die sich gegenseitig verstärkende antibakterielle Wirkung zweier Substanzen. Aminoglykoside als Beispiel wirken in Kombination mit bestimmten b-Lactam-Antibiotika (z.B. Piperacillin oder Ceftazidim) bei einigen Bakterien wie Pseudomonas, Enterobakterien oder Enterokokken synergistisch. Dieser Wirkungsmechanismus verzögert die Resistenzentwicklung und vermindert die u.a. nephrotoxischen Nebenwirkungen.
4.6.5 Nebenwirkungen
4.6.5
Lokale, systemisch-toxische, allergische und biologische Nebenwirkungen sind bei Antibiotika bekannt.
Antibiotika sind im Allgemeinen gut verträglich und weisen leichte und vorübergehende lokale oder systemische Nebenwirkungen auf, die selten einen vorzeitigen Therapieabbruch erfordern. Einige wenige Antibiotika sind durch eine erhöhte Toxizität und Nebenwirkungsrate gekennzeichnet. Neben toxischen sind allergische und biologische Nebenwirkungen bedeutsam. Lokale Unverträglichkeiten können nach intravenöser Anwendung auftreten. Schmerzen und Phlebitiden bis hin zur Thrombophlebitis bilden sich meist nach Venenkatheterwechsel und unspezifischen Maßnahmen (z.B. kühle Umschläge) zurück. Bei rascher intravenöser Gabe können Hitzegefühl, Schwindel und Übelkeit auftreten. Paravenöse Injektionen führen zu lokalen entzündlichen Reaktionen. Bei Antibiotika mit geringer therapeutischer Breite wie Aminoglykoside oder Vancomycin können toxische Nebenwirkungen (z.B. Nephro- oder
Phlebitiden, Schmerzen und lokale entzündliche Reaktionen in den Weichteilen sind lokale Unverträglichkeitsreaktionen.
Toxische Nebenwirkungen können durch Konzentrationsbestimmung
Nebenwirkungen
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4.6.5 Nebenwirkungen Ototoxizität) durch Serumspiegelbestimmungen vor bzw. nach Gabe minimiert werden. Effektive Spiegel sind auch Voraussetzung einer optimalen Therapie bei z.B. schwerkranken Patienten in der Sepsis. Bei Patienten mit einer Niereninsuffizienz, bei Säuglingen und Kindern können Nebenwirkungen vermindert werden. Bei Antibiotika, die renal ausgeschieden oder in der Leber verstoffwechselt werden, müssen die Substanzen bei Insuffizienz der Organe in ihrer Dosierung drastisch reduziert werden, um nephro- oder hepatotoxische Nebenwirkungen zu verhindern. Eine Verschlechterung der Nierenfunktion mit Verminderung der Kreatinin-Clearance oder ein Anstieg der Leberfunktionsparameter (GOT, GPT, alkalische Phosphatase) können bei z.B. Penicillinen, Cephalosporinen und Imipenem auftreten. Allergische Nebenwirkungen in Form von Exanthemen in Verbindung mit Hitzegefühl und Pruritus, Arzneimittelfieber, Gelenkschwellungen, Gesichts-, Zungen- oder Glottisschwellungen bis hin zum anaphylaktischen Schock sind bei Penicillinen häufig und kommen bei Cephalosporinen selten vor. Sie müssen vor Beginn einer erneuten Therapie anamnestisch erfragt werden. Biologische Nebenwirkungen entstehen durch Beeinflussung der normalen Bakterienflora auf Haut und Schleimhäuten mit Störung der Bakterienhomöostase und können z.B. eine Kolitis als Folge dieser Störung induzieren. Potente Antibiotika wie z.B. Breitspektrumcephalosporine oder Imipenem bewirken eine Selektion von Pilzen, da es aufgrund der breiten Wirksamkeit gegen aerobe und anaerobe Darmbakterien zu einer Imbalance und intestinalen Pilzüberwucherung kommt. In unterschiedlicher Häufigkeit können nahezu alle Antibiotika gastrointestinale Nebenwirkungen wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Meteorismus oder Diarrhöen (mehr als 3 Entleerungen eines ungeformten Stuhls pro Tag) auslösen. Vor allem kommen Aminopenicilline und andere b-Lactam-Antibiotika mit breitem Wirkungsspektrum und hoher biliärer Ausscheidung in Betracht. Diarrhöen treten bei bis zu 10 % aller Patienten auf. Sie sind in den allermeisten Fällen eine harmlose Begleiterscheinung, können aber auch Ausdruck einer schweren pseudomembranösen Kolitis sein. Eine Differenzierung zwischen blander Diarrhö und einer pseudomembranösen Kolitis erfolgt durch eine Koloskopie. Clostridium difficile gilt als bedeutendster Erreger der Kolitis und das Enterotoxin von C. difficile als Hauptverursacher. Eine Kolonisierung und Infektion mit C. difficile ist u.a. Folge der Beseitigung von hemmender Darmflora, z.B. Enterokokken oder Laktobazillen, durch Antibiotika. Die pseudomembranöse Kolitis wird bei weit weniger als 1 % aller Patienten beobachtet. Die Symptomatik zeigt unterschiedliche Schweregrade mit Meteorismus, Erbrechen, schmerzhaften Diarrhöen bis zu schleimigen, wässrigen, eitrigen oder blutigen Durchfällen während oder bis 1 Monat nach der Therapie. Ein toxisches Megakolon oder Kolonperforationen sind selten. Die auslösenden Antibiotika sollten umgehend abgesetzt werden. Schwere Verläufe einer Kolitis werden mit Vancomycin oder Metronidazol oral therapiert. Allergische oder toxische Wirkungen auf das Blutbild mit Leukopenie, Anämie, Agranulozytose oder hämolytischer Anämie sind nach Absetzen des Antibiotikums (z.B. Cephalosporine, Aminoglykoside, Clindamycin, Vancomycin) reversibel. Blutgerinnungsstörungen (z.B. bei Cephalosporinen) oder neurotoxische Veränderungen wie Sehstörungen, Schwindel, Schlaflosigkeit, Krämpfe (z.B. bei Ciprofloxacin) sind weitere mögliche Nebenwirkungen von Antibiotika.
der Substanzen verringert werden.
Bei Nieren- oder Leberinsuffizienz müssen renal bzw. über die Leber ausgeschiedene Antibiotika in der Dosierung reduziert werden, um nephro- oder hepatotoxische Nebenwirkungen zu verhindern. Allergische Nebenwirkungen sind besonders bei Penicillinen bekannt.
Biologische Nebenwirkungen entstehen durch eine Störung der Bakterienhomöostase auf Haut und Schleimhäuten (z.B. Kolitis). Bei Antibiotika mit breiter Wirksamkeit gegen aerobe und anaerobe Darmbakterien kann eine Selektion von Pilzen hervorgerufen werden.
Diarrhöen und die pseudomembranöse Kolitis sind Ausdruck der veränderten Bakterienhomöostase unter Antibiotikatherapie mit Kolonisierung und Infektion durch Clostridium difficile. Bei der pseudomembranösen Kolitis sollen auslösende Antibiotika sofort abgesetzt werden.
Schwere Verläufe einer Kolitis werden mit Vancomycin oder Metronidazol oral therapiert. Allergische oder toxische Nebenwirkungen können sich in Blutbildveränderungen, Störung der Gerinnung oder neurotoxischen Veränderungen äußern.
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66 4.7
4 Antibiotika
Antibiotikaprophylaxe
Aufgabe der perioperativen Prophylaxe ist die Senkung der Wundinfektionsrate. Eine Eindosisprophylaxe mit Basiscephalosporinen bei Narkoseeinleitung erfüllt diese Aufgabe. Eine Kombination mit Metronidazol bei Anaerobierbeteiligung ist empfehlenswert.
4.7
Antibiotikaprophylaxe
Zur Prävention von Infektionen in der Chirurgie gelten primär die Regeln der Asepsis und Antisepsis. Durch eine perioperative Antibiotikaprophylaxe kann zudem bei Operationen mit erhöhtem Infektionsrisiko die Rate an Wundinfektionen signifikant gesenkt werden. Eine Eindosisprophylaxe bei Narkoseeinleitung bzw. eine wiederholte Gabe bei langandauernden Eingriffen (nach 2–3 Stunden) mit Basiscephalosporinen erfüllt das genannte Ziel, zum Zeitpunkt des chirurgischen Eingriffs, eine ausreichende Antibiotikakonzentration im Gewebe zu erreichen, um die Wundinfektionsrate zu senken. Eine Kombination mit z.B. Metronidazol bei Beteiligung von Anaerobiern ist empfehlenswert. n Merke. Eine einmalige Gabe ist ebenso effektiv wie eine mehrfache bzw. mehrtägige Gabe. Basiscephalosporine haben sich gegenüber Intermediär- oder Breitspektrumcephalosporinen als gleich wirksam erwiesen und erfassen alle zu erwartenden Erreger. Die kurze Dauer der Prophylaxe vermindert die Resistenzentwicklung sowie toxische Reaktionen und ist kostengünstig.
Merke
Eine Antibiotikaprophylaxe gegen Katheter- oder Dränageinfektion ist unmöglich, da eine Besiedlung mit Mikroorganismen nicht verhindert werden kann. Indikationen zur perioperativen Antibiotikaprophylaxe zeigt 2 A-4.4.
Eine Antibiotikaprophylaxe gegen Katheter- oder Dränageinfektionen ist unmöglich, da eine Besiedlung mit Mikroorganismen nicht verhindert werden kann. 2 A-4.4 gibt eine Übersicht der anerkannten Indikationen zur perioperativen Antibiotikaprophylaxe in der Chirurgie.
2 A-4.4
Indikationen zur perioperativen Antibiotikaprophylaxe in der Chirurgie
N Operationen an Ösophagus und Magen/Duodenum n N Pankreas-, Leberresektionen (Operationen > 4 h) n N elektive Dickdarmchirurgie n N Appendektomie (akute Appendizitis) n N komplizierte Gallenwegschirurgie n N penetrierende abdominelle Verletzungen n N offene Frakturen n N Osteosynthesen bei Infektionsvorgeschichte, bei Operationen > 2 h n N Fremdkörperimplantation n N Risikofaktoren: n π Alter über 70 Jahre π Adipositas π Diabetes mellitus π Immunsuppression (z.B. Radiatio, Chemotherapie, Unterernährung)
4.8
Antimykotika
Pilzinfektionen gewinnen in der Chirurgie vor allem bei Immunsuppression und langandauernder Intensivtherapie an Bedeutung. Wesentlicher Risikofaktor der Intensivtherapie ist die Veränderung der Darmflora durch Antibiotika mit folgender Pilzselektion.
4.8
Antimykotika
Pilzinfektionen gewinnen in der Chirurgie insbesondere bei immunsupprimierten Patienten (z.B. Karzinomleiden, Zytostatikatherapie, nach Transplantation) und bei langandauernder Intensivtherapie zunehmend an Bedeutung. Ein wesentlicher Risikofaktor der Intensivtherapie ist die Veränderung der Darmflora durch Antazida zur Ulkusprophylaxe und vor allem durch Antibiotika mit der Folge einer Pilzselektion.
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4.8.3 Nebenwirkungen 4.8.1
Erreger
4.8.1 Erreger
Folgende fakultativ pathogene Pilze spielen bei Infektionen in der Chirurgie eine Rolle: π fakultativ pathogene Hefen (z.B. Candidaspezies ) π fakultativ pathogene Schimmelpilze (z.B. Aspergillus).
4.8.2
Übersicht der Antimykotika
4.8.2 Übersicht der Antimykotika
Bei den Antimykotika ist zwischen einer lokalen, oralen/lokalen (z.B. Mund, Rachen) und einer systemischen Applikation zu unterscheiden. Eine Übersicht der bei Pilzinfektionen in der Chirurgie verwendeten Antimykotika gibt 2 A-4.5.
2 A-4.5
Handelsname (Beispiel)
N Amphotericin B n (in Kombination mit 5-Flucytosin)
Amphotericin BQ »Squibb« (+ AncotilQ )
N Nystatin n
MoronalQ
N Azole n oral/systemisch:
π π π
Itraconazol Fluconazol Clotrimazol
π π
Eine Übersicht der bei Pilzinfektionen in der Chirurgie verwendeten Antimykotika gibt 2 A-4.5.
π
SemperaQ DiflucanQ CanestenQ
Nystatin und Amphotericin B wirken durch eine Veränderung der Permeabilität der Zytoplasmamembran von Pilzen. Azole sind chemisch sehr unterschiedliche Derivate, die alle das Cytochrom-P 450-System hemmen. Die fungistatische Wirkung von Flucytosin beruht auf der Umwandlung in das Zytostatikum 5-Fluorouracil in der Pilzzelle. Mit Amphotericin B kombiniert wirkt es synergistisch. Nystatin kann aufgrund seiner Toxizität nur lokal oder oral verabreicht werden. Amphotericin B und Azole wie z.B. Itraconazol oder Fluconazol können sowohl oral als auch parenteral appliziert werden, während das Azol Clotrimazol z.B. nur zur lokalen Behandlung geeignet ist. In der systemischen Therapie bei lebensbedrohlichen Pilzinfektionen gilt Amphotericin B in Kombination mit Flucytosin als Therapie der Wahl. Azole wie z.B. das fungistatische Fluconazol stellen eine Alternative bei weniger schweren Infektionen dar. Amphotericin B muss aufgrund der hohen Toxizität langsam in der Dosis gesteigert werden und sollte einer strengen Indikationsstellung unterliegen. Eine parenterale Gabe von Amphotericin B bei Besiedlung von Haut oder Schleimhäuten ohne Hinweis einer systemischen Infektion ist aufgrund der Toxizität nicht indiziert.
4.8.3
Antimykotika werden lokal und systemisch appliziert.
Übersicht der Antimykotika
Generikum
lokal:
Candida- und Aspergillusspezies spielen eine Rolle.
Nebenwirkungen
Fieber, Schüttelfrost, Erbrechen, Thrombophlebitis, nephrotoxische Nebenwirkungen wie z.B. Hämaturie, Proteinurie, Hyperkaliurie, Hypokaliämie, selten Arrhythmien, Blutbildungsstörungen oder Hepatotoxizität sind mögliche Nebenwirkungen von Amphotericin B. Aufgrund der hohen Toxizität sollte nach einer Initialdosis eine tägliche Dosissteigerung bis zur Höchstdosierung (cave: Niereninsuffizienz) erfolgen. Flucytosin kann reversible Blutbildungsstörungen, einen Anstieg der Leberenzyme und selten gastrointestinale oder ZNS-Nebenwirkungen hervorrufen. Nebenwirkungen von Fluconazol sind vorwiegend gastrointestinale und ZNS-Symptome, Exantheme und selten Leberfunktionsstörungen. Itracon-
Amphotericin B (+ Flucytosin), Nystatin und Azole werden bei Pilzinfektionen verwendet.
Nystatin kann aufgrund seiner Toxizität nur lokal oder oral verabreicht werden. Amphotericin B sowie Itraconazol und Fluconazol dagegen sowohl oral als auch parenteral. Clotrimazol ist nur lokal geeignet. Amphotericin B in Kombination mit Flucytosin gilt als das Mittel der Wahl bei schweren systemischen Pilzinfektionen.
4.8.3 Nebenwirkungen Amphotericin B: Fieber, Erbrechen, nephrotoxische und hepatotoxische Nebenwirkungen sowie Blutbildungsstörungen.
Flucytosin: Blutbildungsstörungen, Leberenzymanstieg, gastrointestinale und ZNS-Symptome. Fluconazol: gastrointestinale und ZNS-Symptome, Exantheme.
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4 Antibiotika
Itraconazol: Bluthochdruck, Hypokaliämie, Nebenniereninsuffizienz.
azol kann ferner bei hoher Dosierung Bluthochdruck, schwere Hypokaliämien und eine Nebenniereninsuffizienz verursachen.
4.8.4 Therapie
4.8.4
Einen Überblick der Indikationen zur Antimykotikatherapie gibt 2 A-4.6.
Einen Überblick der Indikationen zur Antimykotikatherapie bei lokalen und systemischen Infektionen gibt 2 A-4.6.
Therapie
2 A-4.6
Indikationen zur Antimykotikatherapie
Erreger
Infektionsort
Medikament
Candidaspezies
N Haut n
π π π
N Schleimhaut n
π π π
N Atemwege n
π
π
N Harntrakt n
π
π
N Sepsis n
π
π
Aspergillus
π
π
Nystatin Amphotericin B Clotrimazol Azole Nystatin Amphotericin B Amphotericin B + 5-Flucytosin Fluconazol Amphotericin B + 5-Flucytosin Fluconazol Amphotericin B + 5-Flucytosin Fluconazol Amphotericin B + 5-Fluorcytosin Itraconazol
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Schock
5
5
Schock
Pathophysiologie
Andreas Hückstädt 5.1
Pathophysiologie
5.1
5.1.1
Einführung
5.1.1 Einführung
n Definition. Der Schock ist definiert als akute Minderdurchblutung (Ischämie) des Gesamtorganismus und beruht auf einem – durch körpereigene Gegenregulation nur kurzfristig kompensierbaren – Ungleichgewicht von Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf.
Das Vollbild des Schocks geht mit einer Sauerstoff- und Substratminderversorgung der Zellen lebenswichtiger Organe einher und führt unbehandelt zum Multiorganversagen und zum Tod. Entsprechend der Ätiologie und der zugrunde liegenden Pathophysiologie unterscheidet man folgende Schockformen ( 2 A-5.1): π Volumenmangelschock π septischer, septisch-toxischer Schock π anaphylaktischer Schock π kardiogener Schock π seltene Schockformen. Ob ein Schock reversibel verläuft oder ob er irreversibel bzw. therapierefraktär ist, d.h. ob sich durch die Therapie das Organversagen nicht verhindern lässt, hängt von der Dauer der einwirkenden Noxe, der individuellen Reaktion des Organismus und dem Zeitpunkt der einsetzenden Therapie ab. Mit der Möglichkeit des frühzeitigen, präklinischen Beginns der Therapie trägt das moderne Rettungswesen sehr viel zur Vermeidung von Folgeschäden durch Schockzustände bei. n Merke. Versäumnisse am Anfang der Therapie haben schwere Organschäden, einen langwierigen Krankheitsverlauf und eine schlechte Prognose zur Folge.
Vom Schock abzugrenzen ist der orthostatische Kollaps. Er geht zwar mit Blutdruckabfall einher, ist aber spontan reversibel und führt nicht zu bleibenden Organschäden.
5.1.2
Störungen der Makro- und Mikrozirkulation
Störungen der Makro- und Mikrozirkulation im Schock zeigt
1
Definition
Der Schock führt unbehandelt zum Multiorganversagen und zum Tod. Man unterscheidet ( 2 A-5.1): π π π π π
Volumenmangelschock septischer, septisch-toxischer Schock anaphylaktischer Schock kardiogener Schock seltene Schockformen.
Ein Schock kann reversibel oder irreversibel, d.h. therapierefraktär sein. Entscheidend für den Verlauf sind die Dauer der Noxe, die Reaktion des Organismus und der Zeitpunkt des Therapiebeginns.
Merke
Abzugrenzen ist die orthostatische Dysregulation. Sie ist kein Schockzustand und führt nicht zu Organschäden. 5.1.2 Störungen der Makro- und Mikrozirkulation ( 1 A-5.1).
A-5.1.
Makrozirkulationsstörung
Makrozirkulationsstörung
Im Schock liegt ein im Verhältnis zum Bedarf des Körpers reduziertes Herzminutenvolumen vor. Ursächlich sind eine verringerte Herzleistung, eine Verminderung des Blutvolumens und/oder ein Verlust des Gefäßtonus. Es kommt zu einer Minderperfusion der kapillaren Strombahn. Der Organismus versucht durch sympathoadrenerge Gegenregulation dem verminderten Herzzeitvolumen und der Hypotonie entgegenzusteuern. Die vermehrte Freisetzung von Adrenalin und Noradrenalin, die neben anderen »Stresshormonen« (ADH, STH, Renin-Angiotensin, Glukokortikoide u.a.) exzessiv ausgeschüttet werden, bewirkt eine periphere Vasokonstriktion. Dies führt zur Zentralisation des Kreislaufes: Das verminderte Herzzeitvolumen wird auf Kosten der Durchblutung des Splanchnikusgebietes, der
Dem Schock liegt ein reduziertes Herzzeitvolumen mit kapillarer Minderperfusion zugrunde. Die Ursachen sind eine Verringerung der Herzleistung, Verminderung des Blutvolumens und/oder der Verlust des Gefäßtonus. Die sympathoadrenerge Gegenregulation verursacht eine periphere Vasokonstriktion mit Umverteilung der Durchblutung zugunsten von Herz und Gehirn auf Kosten von Splanchnikus-
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5 Schock
2 A-5.1
Die verschiedenen Schockformen und ihre Ursachen
Schockform
Ursachen
Volumenmangelschock N hypovolämischer Schock n
N Verluste von Wasser und Elektrolyten, Plasma und/oder n Blut ohne wesentliches Trauma π prolongiertes Erbrechen π Diarrhö π Ileus π Aszitesbildung π gastrointestinale Blutung π Blutungen bei Gerinnungsstörungen π Blutungen in der Geburtshilfe π intra- und postoperative Blutverluste
N traumatisch-hämorrhagischer Schock n
N Verluste von Blut bei schwerem Trauma n π Polytrauma π Rupturen innerer Organe π Frakturen des Beckens oder großer Röhrenknochen π Gefäßverletzungen, Aneurysmarupturen
N Verbrennungsschock n
N Verbrennungen (2.–3. Grades > 15–20 % der Körperobern fläche)
N septischer, septisch-toxischer Schock n
N Infektionen durch Mikroorganismen, Toxinwirkung n π Peritonitis π Pankreatitis π Cholezystitis, Cholangitis π Pyelonephritis π Pneumonie π Infektionen durch Fremdmaterial (z.B. Venenkatheter) π Infektionen bei Immunsuppression π Verbrennungskrankheit
N anaphylaktischer Schock n
N anaphylaktisch-anaphylaktoide Reaktionen n π Fremdeiweiß (Blutprodukte, Antisera) π Insektengifte π Medikamente (Antibiotika, Analgetika, Lokalanästhetika u.v.a.) π Röntgenkontrastmittel
N kardiogener Schock n
N kardiale Ursachen n π Myokardinfarkt π Kardiomyopathie π maligne Herzrhythmusstörungen π Herzvitien π low cardiac output nach Herzoperation N extrakardiale Ursachen n π Lungenembolie π Perikardtamponade π Spannungspneumothorax
seltene Schockformen N neurogener Schock n
N endokriner Schock n
N Intoxikationsschock n
N ZNS-Dysfunktionen n π Trauma (Rückenmark, Hirnstamm) π Tumoren π Meningitis, Enzephalitis π totale Spinal- oder Epiduralanästhesie N Hormonunter- oder -überfunktionen n π Addison-Krise π akute Hypophysenvorderlappeninsuffizienz π Coma diabeticum π thyreotoxische Krise π akutes Cushing-Syndrom π Diabetes insipidus π akuter Hypoparathyreoidismus N Vergiftungen n π Medikamente, Gifte u.a.
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5.1.2 Störungen der Makro- und Mikrozirkulation
1 A-5.1
Synopsis Pathophysiologie des Schocks
Volumenverlust
Vasodilatation (Sepsis)
Verminderung des venösen Rückstromes
Plasmaverlust Pooling
Vasomotion Dilatation der präkapillaren Sphinkter
Freisetzung von Kininen, Zytokinen (Interleukine, TNF), PAF, Arachidonsäuremetaboliten
kardiales Versagen
reduziertes Herzzeitvolumen (in Relation zum Bedarf)
Stress, Schmerz
ZNS
Makrozirkulationsstörung
sympathoadrenegene Reaktion (Konstriktion der prä- und postkapillaren Sphinkter)
Zellfunktionsstörung
disproportionale Verteilung des HZV
Mikrozirkulationsstörung
Abnahme der Zellnutrition
Gerinnungsaktivierung DIC Reaktion der Leukozyten Endothelschädigung
Hypoxie, Azidose
Organdysfunktion (Niere, Lunge, Leber, Darm, ZNS)
irreversibles Multiorganversagen (MOV)
Unabhängig von der Ursache mündet der unbehandelte Schock infolge von Störungen der Makro- und Mikrozirkulation über Organdysfunktionen in das irreversible Multiorganversagen.
Muskulatur, der Haut und der Nieren zugunsten von Gehirn und Herz umverteilt ( 1 A-5.1). Die Zentralisation kann aber einen Abfall des Herzzeitvolumens und die resultierende Hypotonie nur kurzfristig kompensieren. Sie verstärkt die Störungen der Makrozirkulation in den jetzt minderperfundierten Organen.
gebiet, Haut, Muskulatur und Nieren. (Zentralisation) ( 1 A-5.1).
Mikrozirkulationsstörung
Mikrozirkulationsstörung
Anfänglich findet sich eine kombinierte (prä- und postkapillare) Vasokonstriktion mit drastischer Einschränkung der Kapillardurchblutung. Es resultieren eine inhomogene Verteilung und eine Verlangsamung des Blutstromes. Dabei kommt es – als körpereigene Kompensation des verminderten Blutvolumens – zum Einstrom von Gewebeflüssigkeit in das Gefäßsystem.
Zu Beginn des Schockgeschehens kommt es zu einer prä- und postkapillaren Vasokonstriktion. Gewebeflüssigkeit strömt in das Kapillarbett. Ohne Therapie entwickelt sich eine zuneh-
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72 mende metabolische Azidose durch in großen Mengen anfallendes Laktat. Die Ansprechbarkeit der Rezeptoren auf Katecholamine nimmt stark ab. Im weiteren Verlauf resultiert eine präkapillare Vasodilatation bei fortbestehender postkapillarer Vasokonstriktion. Der Strom der Gewebeflüssigkeit kehrt sich bei länger andauernder Gewebehypoxie um: es entwickelt sich ein Gewebeödem, und der Blutfluss stagniert. Der Schock wird therapierefraktär ( 1 A-5.2).
5 Schock Wenn die Schockursache persistiert oder die Kompensationsmechanismen nicht ausreichen, führt die zunehmende Minderversorung der Zellen mit Sauerstoff und Substraten zur metabolischen Azidose. Die Azidose ist Ausdruck der Umstellung des Zellstoffwechsels von der aeroben zur anaeroben Glykolyse. Das in großer Menge anfallende Laktat löst die Konstriktion der präkapillaren Sphinkter, da die Ansprechbarkeit der a-Rezeptoren auf Katecholamine im sauren Milieu stark nachlässt. Bei gleichzeitigem Fortbestehen der postkapillaren Vasokonstriktion (Ausstrombehinderung durch Aggregation von Zellen im Blutstrom) und einer hypoxisch bedingten Steigerung der Gefäßpermeabilität entwickelt sich durch Flüssigkeits-, Protein- und Ionenverlust in das Interstitium ein Gewebeödem, welches die Zellhypoxie weiter verstärkt. In dem Kapillargebiet kommt es zur Stase des Blutflusses. Das Schockgeschehen mündet in einen Circulus vitiosus, und der Schock geht vom reversiblen in den therapierefraktären Zustand über ( 1 A-5.2).
1 A-5.2
Synopsis Schockspezifische Vasomotion
Kapillarbett Arteriolen
Venolen
Normalzustand: Der Flüssigkeitseinstrom aus dem Gewebe in das Kapillarbett steht mit dem Flüssigkeitsausstrom aus dem Gefäßsystem in das Gewebe im Gleichgewicht.
Phase der kombinierten Vasokonstriktion im Schock: Der Flüssigkeitsstrom ist als Kompensation der intravasalen Volumenverminderung aus dem Gewebe in das Kapillarbett gerichtet.
Phase der präkapillaren Vasodilatation im Schock: Bei Fortbestehen der postkapillaren Vasokonstriktion tritt Flüssigkeit aus dem Kapillarbett in das Gewebe mit Ödembildung, Stase und Zellhypoxie.
Schockmediatoren
5.1.3 Schockmediatoren
5.1.3
Als Schockfolge kommt es neben der Aktivierung der Gerinnung (lokal, später auch disseminiert) zu einer Aggregation von Thrombozyten und
Im Gefolge der Stase, der Gewebsazidose und der Einschwemmung von Gewebsthromboplastin kommt es zu einer – zunächst nur lokalen – Aktivierung des Gerinnungssystems. Durch ein gestörtes Gleichgewicht pro- und antikoagulatorischer Aktivität kann im weiteren Verlauf eine disseminierte
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5.1.4 Schockspezifische Organ- und Stoffwechselstörungen intravasale Gerinnung (DIC) ausgelöst werden. Aus Thrombozytenaggregaten, aktivierten Leukozyten und geschädigten Endothelzellen werden hochwirksame, zelltoxische Substanzen freigesetzt, die man zusammenfassend Schockmediatoren nennt. Diesen Substanzen (z.B. Gerinnungsfaktoren, Komplementfaktoren, Kinine, Zytokine [Interleukine, Tumornekrosefaktor – TNF], plättchenaktivierender Faktor [PAF], Arachidonsäuremetabolite [Thromboxan, Prostaglandine], Endorphine) kommt eine zentrale Rolle in der Entstehung der schockbedingten Organfunktionsstörungen zu, die bis zum terminalen Multiorganversagen führen können. Die Funktionsminderung oder der Funktionsverlust eines oder mehrerer Organe tritt meist mit einer Verzögerung von Stunden oder Tagen nach dem auslösenden Schockereignis auf.
5.1.4
Schockspezifische Organ- und Stoffwechselstörungen
n Merke. Das Organversagen nach einem Schockereignis betrifft die Lunge, die Nieren, die Leber, den Magen-Darm-Trakt, das Gehirn und das Immunsystem. Man unterscheidet Einschränkungen der Organstoffwechselleistung im Schock (Organ im Schock), die funktionell und reversibel sind, und strukturelle Veränderungen der Organe bei protrahiertem Schockgeschehen (Schockorgan, z.B. Schocklunge, Schockniere), die schwer oder gar nicht reversibel sind.
Leukozyten mit Schädigung von Endothelzellen und der Freisetzung zelltoxischer Substanzen (Schockmediatoren). Diese Mediatoren (z.B. Gerinnungsfaktoren, Komplementfaktoren, Kinine, Zytokine, plättchenaktivierender Faktor, Arachidonsäuremetabolite) sind mitverantwortlich für schockbedingte Organfunktionsstörungen oder Organversagen.
5.1.4 Schockspezifische Organund Stoffwechselstörungen Merke
Lunge
Lunge
In der Frühphase des Schocks ist das Ventilations-Perfusions-Verhältnis infolge pulmonaler Hypoperfusion (HZV-Reduktion) verändert. Mit sinkendem arteriellen PO2 setzt eine kompensatorische Hyperventilation (Abfall des PCO2, Hypokapnie) ein. Bei anhaltender Erniedrigung des Herzzeitvolumens, Azidose, Stase und Hyperventilation mit kleinen Atemzugvolumina kommt es über Ausbildung von Atelektasen zu einer weiteren Abnahme des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses mit Erhöhung des intrapulmonalen Rechts-links-Shunts. Die arterielle Hypoxie nimmt zu. Die pulmonale Vasokonstriktion setzt zusammen mit einer Thrombozytenund Granulozytenaggregation und Mikrothrombenbildung (klinisch: Anstieg des Pulmonalarteriendruckes) als Reaktion auf die Hypoxie ein. Verminderung des Surfactant fördert weitere Atelektasenbildung (klinisch: ausgeprägte arterielle Hypoxie bei deutlich reduzierter pulmonaler Compliance). Die Mediatorenaktivierung mit Kapillarendothelschädigung (klinisch: diffuses interstititelles und alveoläres Lungenödem) führt zu einer strukturellen, nur schwer reversiblen Lungenschädigung, dem ARDS (adult respiratory distress syndrome; früher bezeichnet als »Schocklunge«). Im weiteren Verlauf imponiert neben der gestörten O2-Aufnahme eine zunehmende Beeinträchtigung der CO2-Abgabe mit Entwicklung einer Hyperkapnie. Wird das Lungenödem nicht therapiert und persistiert die arterielle Hypoxie, entwickelt sich ein Circulus vitiosus mit morphologischer Schädigung: Das Lungengerüst verändert sich schließlich im Sinne einer Lungenfibrose. Diesem Verlauf kann iatrogen durch falsche Therapiestrategie (unter der Beatmung hohe inspiratorische Drücke und unnötig hohe Sauerstoffkonzentration) Vorschub geleistet werden. Das ARDS hat bei voll ausgebildetem Krankheitsbild auch heute noch eine Letalität von 50–80 %. Die frühzeitige, adäquate Therapie ist für Prognose und Verlauf entscheidend. Wird das ARDS überlebt, können alle Veränderungen der Lunge nach Monaten bis Jahren komplett reversibel sein.
Die funktionellen Veränderungen in der Lunge im Schock führen über eine anfänglich milde Hypoxie zur Hyperventilation, im weiteren Verlauf zur massiven Hypoxie.
Bei anhaltender Schädigung der Lunge bildet sich das ARDS (früher: Schocklunge) aus, das mit schwerer arterieller Hypoxie, drastischer Einschränkung der pulmonalen Compliance und deutlich erhöhten Pulmonalarteriendrücken einhergeht.
Im Spätstadium verändert sich das Lungengerüst.
Die Letalität des ARDS beträgt 50–80 %. Bei Überlebenden können die Lungenveränderungen komplett reversibel sein.
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5 Schock
1 A-5.3
Röntgenaufnahme bei ARDS (»weiße Lunge«) Thorax im Liegen a.p.
Klinischer Fall 1 A-5.3 zeigt ein Röntgenbild des Thorax bei vollausgeprägtem ARDS (»weiße Lunge«). Der 28-jährige Patient (180 cm, 85 kg) war 48 Stunden zuvor mit beidseitiger Oberschenkelfraktur, Milzruptur und Lungenkontusion im Schock aufgenommen worden. Primär wurden eine Splenektomie und die Fixation der Frakturen durchgeführt. Beatmungsparameter zu Beginn der Therapie: inspiratorische O2-Konzentration 80 %, pinsp 33 mmHg, Atemzeitverhältnis 2,5:1, PEEP 12 mmHg, Atemfrequenz
22/min, Atemzugvolumen 470 ml. Arterielle Blutgasanalyse als Ausdruck schwerer Störung des pulmonalen Gasaustausches: PO2 70 mmHg, PCO2 54 mmHg, SaO2 92,7 %. Bei druckgesteuerter Beatmung mit positivem endexspiratorischem Druck (PEEP), forcierter Diurese und Lagerungstherapie (intermittierende Bauchlage) ist das ARDS innerhalb von 6 Tagen reversibel, und der Patient kann am 9. Tag der Spontanatmung zugeführt werden.
Nieren
Nieren
Ein akutes Nierenversagen ist zu 80 % schockbedingt. Durch renale Vasokonstriktion (Vas afferens) sistiert die Urinauscheidung als wichtige Kompensation in der Frühphase des Schocks (Niere im Schock). Eine Ischämie von 60–120 Minuten kann von gesunden Nieren bei guter Reversibilität toleriert werden. Längere Hypoperfusion der Nieren (> 2 h) führen zu Obstruktion der Tubuli, Einblutungen und Tubuluszellnekrosen (Schockniere).
Ein akutes Nierenversagen (ANV) ist zu 80 % schockbedingt. Die renale Hypoperfusion durch die sympathoadrenerge Konstriktion des Vas afferens führt schnell zu einem Sistieren der Urinausscheidung und ist in der Frühphase des Schocks ein wichtiger Kompensationsmechanismus (Niere im Schock). Gesunde Nieren tolerieren eine inkomplette Ischämie im Schock bei normaler Körpertemperatur über 60–120 Minuten bei voller Reversibilität der Funktionseinschränkung. Bei weiterbestehendem Schockgeschehen werden aus den funktionellen Veränderungen strukturelle Schäden (Schockniere). Die tubuläre Hypoxie führt zur Obstruktion der Tubuli mit Zylinderbildung, Hemmung der Natriumrückresorption und Aktivierung des Renin-Angiotensin-AldosteronSystems, das die Vasokonstriktion des Vas afferens unterhält. Es folgen interstitielle Einblutungen und Tubuluszellnekrosen.
Leber
Leber
Die im Schock verminderte Durchblutung der Leber führt zuerst zur Funktionseinschränkung (verminderte Produktion von Gerinnungsfaktoren, herabgesetzte Elimination von Toxinen), dann zu zellulären Schädigungen wie Verfettung und Nekrosen (Schockleber). Klinisches Leitsymptom der Schockleber ist der »postaggressive« Ikterus.
Die Leberdurchblutung wird durch den reduzierten Zufluss sowohl über die A. hepatica als auch über die V. portae im Schock gedrosselt. Die Reduktion der Leberperfusion beeinträchtigt wichtige Leberfunktionen. Sie führt zur Verminderung der Synthese von Gerinnungsfaktoren, Herabsetzung der Laktataufnahme und -metabolisierung (Unterhaltung der metabolischen Azidose) sowie Einschränkung der Clearancefunktion des RES für Bakterien und Toxine. Länger anhaltender Sauerstoffmangel der Leber (hier gibt es keine feste zeitliche Zuordnung) führt zu zentraler Verfettung, Vakuolisierung und lobulärer Nekrose (Schockleber). Klinisches Leitsymptom der Schockleber ist der »postaggressive« Ikterus.
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5.1.4 Schockspezifische Organ- und Stoffwechselstörungen
Gastrointestinaltrakt Die Durchblutung des Splanchnikusgebietes wird vor allem durch a-adrenerge Innervation gesteuert. Daher ist das Versorgungsgebiet der A. mesenterica superior von der sympathoadrenergen Reaktion des Organismus im Schock besonders stark betroffen. Als Folge der Mikrozirkulationsstörung und Endothelläsion erhöht sich die Permeabilität der Intestinalgefäße, und es bildet sich ein interstitielles Ödem der gesamten Darmwand aus. Große Flüssigkeitsmengen (mehrere Liter!) können in die Darmwand, das Darmlumen und sogar in die Peritonealhöhle übertreten und eine bestehende Hypovolämie verstärken. Hiermit sind häufig ausgeprägte Motilitätsstörungen des Magen-Darm-Traktes (Darmatonie) verbunden. Im oberen Gastrointestinaltrakt kann es zu ischämisch bedingten Ulzerationen und sekundär zu Blutungen kommen. Ebenso können eine ischämische Kolitis, eine akute Pankreatitis oder eine Cholezystitis als Schockfolge auftreten. Die Minderdurchblutung der Darmwand verursacht einen Zusammenbruch der Mukosabarriere, wodurch die Möglichkeit des Übertrittes von Bakterien und Endotoxinen aus dem Darmlumen in die Blutbahn gegeben ist. In Verbindung mit der reduzierten Clearancefunktion des RES in der Leber kann sich aus einem primär nichtseptischen Zustandsbild (z.B. kardiogener oder traumatisch-hämorrhagischer Schock) eine Sepsis oder sogar ein septischtoxischer Schock entwickeln. Dieser als Translokation bezeichnete Vorgang wird beim Menschen als mögliche Mitursache eines Multiorganversagens nach einem Schock angesehen. n Merke. Eine nach Trauma und Schock frühzeitig wiederhergestellte normale gastrointestinale Funktion mit Beseitigung einer bestehenden Darmatonie und alsbaldiger enteraler Ernährung ist geeignet, Häufigkeit und Schwere posttraumatischer Infektionen zu verringern.
Gastrointestinaltrakt Der Gastrointestinaltrakt reagiert sehr ausgeprägt auf die sympathoadrenerge Reaktion im Schock mit Ausbildung eines interstitiellen Ödems der gesamten Darmwand (dadurch weitere Verstärkung der Hypovolämie) und mit Störung der Darmmotilität. Der Übertritt von Flüssigkeit in das Darmlumen und die Peritonealhöhle verstärkt die Hypovolämie.
Ein Schock kann zu Ulzerationen, Blutungen und Veränderungen an Kolon, Pankreas und Gallenblase führen. Infolge der Ischämie der Darmepithelien kommt es zum Zusammenbruch der Mukosabarriere und somit zum Übertritt von Toxinen und Bakterien in die Blutbahn (sog. Translokation). Sie scheint Mitursache eines Multiorganversagens nach einem Schock zu sein.
Merke
Immunsystem
Immunsystem
Postoperativ und posttraumatisch ist die humorale Abwehr geschwächt und das retikulohistiozytäre System durch den vermehrten Anfall von Gewebetrümmern überlastet. Es entsteht eine Immunsuppression mit dem Risiko nachfolgender Infektionen und Sepsis (insbesondere nach traumatischhämorrhagischem Schock).
Als Schockfolge tritt eine Störung der Immunabwehr im Sinne einer Immunsuppression auf (Risiko: nachfolgende Infektionen und Sepsis).
Gehirn
Gehirn
In der Frühphase des Schocks bleibt die Gehirndurchblutung infolge der Autoregulation konstant, die einen gleichbleibenden zerebralen Blutfluss bei arteriellen Mitteldrücken zwischen 60 und 150 mmHg gewährleistet. Durch die Kreislaufzentralisation nimmt der relative Anteil der Gehirndurchblutung am verminderten Herzzeitvolumen zu. Durch zusätzlich vermehrte O2-Ausschöpfung kann die Sauerstoffversorgung anfänglich gewährleistet werden. Bei weiterem Abfall des arteriellen Blutdrucks mit Zunahme der arteriellen Hypoxie und der Azidose wird die Autoregulation aufgehoben und die Durchblutung des Gehirns erfolgt perfusionsdruckabhängig. Die resultierende zerebrale Minderperfusion führt zu Bewusstseinsstörungen und ohne suffiziente Therapie im weiteren Verlauf zu irreversiblen Schädigungen des Gehirns.
Anfänglich hält die Autoregulation der Hirnperfusion die zerebrale Durchblutung konstant. Durch Zentralisation nimmt ihr Anteil am (verminderten) HZV zu. Die O2 -Ausschöpfung ist anfänglich gesteigert. Wird die Autoregulation bei weiterbestehendem Schock aufgehoben, treten Bewusstseinsstörungen und irreversible Hirnschäden auf.
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76 5.2
5 Schock
5.2
Diagnostik
Klinische Diagnose. Sie erfolgt durch die Erhebung von: π Pulsqualität und Herzfrequenz π Blutdruck und Blutdruckamplitude π Beurteilung der Kapillarfüllungszeit π Venenfüllung π Hautfarbe π Atemfrequenz und -tiefe π Bewusstseinslage π Eigen- oder Fremdanamnese. Kardinalsymptome des Schock sind Tachykardie und verminderte Blutdruckamplitude. Hinzu kommen blasszyanotische kaltschweißige Haut (nicht beim hyperdynamen septischen Schock), Tachypnoe, verlängerte kapillare Füllungszeit und reduzierte Venenfüllung. Der Patient ist unruhig, ängstlich und wird zunehmend somnolent. Apparative Diagnose. Die Anlage eines Pulmonalarterienkatheters ermöglicht die Differenzialdiagnose einzelner Schockformen ( 2 A-5.2) und dient der Therapieüberwachung.
2 A-5.2
Diagnostik
Klinische Diagnose. Auf den folgenden mit wenigen Hilfsmitteln zu erfas-
senden Parametern fußt die frühzeitige Diagnose: Pulsqualität und Herzfrequenz π Blutdruck und Blutdruckamplitude π Beurteilung der Kapillarfüllungszeit π Venenfüllung π Hautfarbe π Atemfrequenz und Atemtiefe π Bewusstseinslage π Eigen- oder Fremdanamnese. Frühe Kardinalsymptome des Schocks sind die Tachykardie (HF > 100–120/ min) und die verminderte Blutdruckamplitude (< 30 mmHg), während der systolische Blutdruck noch im Normalbereich liegen kann. Ferner ist der Schockzustand erkennbar an einer blasszyanotischen, schlecht durchbluteten, kaltschweißigen Haut (nicht beim hyperdynamen septischen Schock; s. S. 86) und tachypnoische, flache Atmung. Der Patient sieht »schockig« aus, ist unruhig, ängstlich und verwirrt. Die kapillare Füllungszeit ist deutlich verlängert, die Venenfüllung reduziert. Im weiteren Verlauf trübt das Bewusstsein des Patienten ein. π
Apparative Diagnose. Es ist oftmals notwendig, die Differenzialdiagnose
der einzelnen Schockformen und den Grad der Schockausprägung mit der Anlage eines Pulmonalarterienkatheters (PAK) zu erfassen. Über diesen werden das Herzzeitvolumen, der Herzindex, das Schlagvolumen, der Schlagindex, der pulmonalarterielle Druck, der pulmonalkapillare Verschlussdruck (»Wedge-Druck«), die gemischtvenöse Sauerstoffsättigung und ggf. die rechtsventrikuläre Ejektionsfraktion ermittelt. Die Befunde bei den verschiedenen Schockformen zeigt 2 A-5.2.
Hämodynamische Parameter im Schock. Veränderungen hämodynamischer Größen bei den verschiedenen Schockformen
Normalwerte N Volumenmangeln schock
Intravasales Volumen
MAP
HF
70–80 ml/kg KG
80–95 mmHg
80–95/ min
CI
TPR
2,5–3,5 900–2000 l/min/m2 KOF dyn « s « cm–5
ZVD
PCWP
4–8 mmHg
12–18 mmHg
/
N septischer Schock n π
hyperdynam
π
hypodynam
N anaphylaktischer n Schock
/ / /
N kardiogener n Schock
/
/
MAP = mittlerer arterieller Blutdruck, HF = Herzfrequenz, CI = Herzindex, TPR = total-peripherer Gefäßwiderstand, ZVD = zentralvenöser Druck, PCWP = pulmonalkapillarer Verschlußdruck. /
Merke
: erniedrigt oder stark erniedrigt,
: unverändert, /
: erhöht oder stark erhöht.
n Merke. Die arterielle und pulmonalarterielle Druckmessung sowie die Bestimmung des Herzzeitvolumens ermöglichen die Analyse der meisten Kreislaufstörungen und die Überwachung ihrer Therapie.
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5.3 Allgemeine Therapierichtlinien Ferner sollten zur Abschätzung der Schwere eines Schockzustandes folgende Laboruntersuchungen durchgeführt werden: π arterielle und/oder zentral- bzw. gemischtvenöse Blutgasanalyse mit Bestimmung von pH, Sauerstoffsättigung, PO2 und PCO2 π Hämatokrit bzw. Hämoglobinkonzentration π Laktat. Laborparameter, die durch Schock ausgelöste Organinsuffizienzen anzeigen, haben in der Akutphase keine Aussagekraft und werden erst nach 12–24 Stunden relevant. Dann sind Enzymdiagnostik (GOT, GPT, GLDH) für die Einschätzung des Ausmaßes eines Leberschadens und Bestimmung von Kreatinin- und Harnstoffkonzentration im Serum für die Einschätzung der Nierenfunktion wichtig.
5.3
Allgemeine Therapierichtlinien
n Merke. Die Vermeidung des Schocks durch frühzeitige Diagnosestellung und rasche sowie effektive Behandlung der Frühstadien ist das entscheidende therapeutische Prinzip. Je eher die Therapie zum Erfolg führt, desto weniger Folgeschäden treten bei einem Schockpatienten auf. Nach zügiger Statuserhebung ist sofort mit einer effektiven Therapie zu beginnen!
Das Ziel einer jeden Schockbehandlung ist die Beseitigung der Ursache und die Wiederherstellung einer ausreichenden Versorgung der Gewebe mit Sauerstoff. Das Sauerstoffangebot des Organismus, das abhängig ist von π Herzzeitvolumen π arterieller Sauerstoffsättigung π Hämoglobinkonzentration sollte in der Frühphase nach einem Schock bis 30 % oberhalb des Normalen liegen (Normalwert: 550–650 ml/min/m2 KOF). Zugleich muss zur Sicherstellung der Perfusion der Organe und zur Vermeidung von Organversagen ein ausreichender mittlerer arterieller Blutdruck vorliegen. n Merke. Die Zielgrößen sind: mittlerer arterieller Druck > 70 mmHg π pulmonalkapillarer Verschlußdruck 14–18 mmHg π zentralvenöser Druck 10–12 mmHg π Hämoglobinkonzentration 10–12 g/dl π arterielle Sauerstoffsättigung ≥ 96 % π Herzindex im nichtseptischen Schock > 2,2 l/min/m2 , im septischen Schock > 4,5 l/min/m2 π Laktatspiegel im Blut < 1,8 mmol/l π Urinausscheidung > 1 ml/kg KG/h.
An Laboruntersuchungen sind Blutgasanalysen und Bestimmungen von Hämatokrit und Laktatkonzentration wichtig.
Die Enzymdiagnostik bzw. die Bestimmung von Kreatinin- und Harnstoffkonzentration im Serum zur Feststellung von Leber- oder Nierenschäden durch Schock sind erst nach 12–24 Stunden relevant.
5.3
Allgemeine Therapierichtlinien
Merke
Die Beseitigung der Schockursache und die Wiederherstellung einer ausreichenden Sauerstoffversorgung der Gewebe sind Ziel der Schocktherapie. Ein Sauerstoffangebot bis 30 % oberhalb der Norm sollte in der Frühphase nach einem Schock angestrebt werden. Ausreichender arterieller Blutdruck ist essenziell.
Merke
π
Sauerstofftherapie
Sauerstofftherapie
Als erste Maßnahme der Schockbehandlung wird eine Sauerstoffzufuhr durchgeführt, um eine bestehende arterielle Hypoxie zu beheben. Dies erfolgt über eine Sauerstoffmaske mit Zufuhr von 8–10 l O2 pro Minute oder nach endotrachealer Intubation durch kontrollierte Beatmung mit einer inspiratorischen Sauerstoffkonzentration von 100 %.
Über Maske oder durch kontrollierte Beatmung wird für eine ausreichende Sauerstoffzufuhr gesorgt.
Volumentherapie
Volumentherapie
Die einfachste Form der Volumentherapie besteht in Beinhochlagerung, Kopftieflage und der Anwendung von Kompressionshosen. Nach Anlegen mehrerer großlumiger peripherer Venenzugänge wird eine Volumentherapie mittels Infusionen durchgeführt, um einen absoluten (z.B. traumatisch-
Anschließend wird eine rasche Volumensubstitution zum Ausgleich eines absoluten oder relativen Volumenmangels durchgeführt. Ausnahme ist der kardiogene Schock.
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5 Schock
Präklinisch kommen kristalline oder kolloidale Lösungen, in der Klinik bei Bedarf Blutkomponenten zur Anwendung.
hämorrhagischer Schock) oder relativen (z.B. septischer Schock) Volumenmangel auszugleichen. Hier kommen im präklinischen Bereich kristalline (NaCl, Ringer-Lösung) oder kolloidale Volumenersatzmittel (Dextrane, Gelatine, Hydroxyäthylstärke, Plasmaproteinlösung), in der Klinik dann zusätzlich nach Bedarf Erythrozytenkonzentrate und Frischplasmapräparate zur Anwendung (s. Kap. A-6.2.4, S. 119, 121). Eine Ausnahme bildet der kardiogene Schock, bei dem eine Volumentherapie primär in der Regel nicht angezeigt ist.
Medikamentöse Therapie
Medikamentöse Therapie
Katecholamine mit unterschiedlichen Wirkungen auf Herz- und Gefäßsystem sind zur differenzierten Therapie der verschiedenen Schockformen indiziert ( 2 A-5.3).
Nach suffizienter Volumentherapie kommen zur Aufrechterhaltung von Herzzeitvolumen und arteriellem Blutdruck vasoaktive und positiv inotrop wirkende Medikamente (Katecholamine) zur Anwendung. Die genaue Kenntnis der unterschiedlichen Wirkung der verschiedenen Katecholamine auf das Herz einerseits und das Gefäßsystem andererseits ist zur differenzierten Therapie der einzelnen Schockformen unabdingbar ( 2 A-5.3).
2 A-5.3
Wirkung verschiedener Katecholamine auf Herz- und Gefäßsystem Wirkung Herz
Substanz
N Dopamin n
N Dobutamin n N Adrenalin n
N Noradren nalin
Gefäßsystem
Dosisbereich Frequenz
Kontraktilität
Vasokonstriktion
Vasodilatation
( b 1 -Rezeptoren)
( b 1 - und a Rezeptoren)
( a -Rezeptoren)
( b 2 -Rezeptoren)
mesenteriale und renale Vasodilatation (Dopaminrezeptoren [DA1 ])
1–4 m g/kg KG/min
+
+
0
++
++++
4–10 m g/kg KG/min
++++
++
+
+
++
> 10 m g/kg KG/min
++
+++
+++
0
+
1–10 m g/kg KG/min
++
++++
+
++
0
1–2 m g/min
+++
+++
++
+++
0
2–10 m g/min
++++
++++
+++
++
0
> 10 m g/min
++++
++++
++++
+
0
2–8 m g/min
++
++
++++
0
0
Erläuterung: Wirkstärke von 0 (keine Wirkung) bis ++++ (sehr starke Wirkung). Ist für einen Dosisbereich eines Katecholamins, z.B. für Vasodilatation ++ und für Vasokonstriktion + angegeben, so liegt zusammen eine schwache vasodilatatorische Wirkung vor.
Zur medikamentösen Therapie des Schocks gehören Analgetika und Sedativa.
Merke Die metabolische Azidose bessert sich unter suffizienter Therapie oft spontan. Bei andauernder Kreislaufinsuffizienz mit Zunahme der metabolischen Azidose ist einer Puffertherapie – unter Kontrolle der Säure-Basen-Parameter – indiziert. Ziel ist eine pH-Erhöhung auf > 7,2.
Eine suffiziente Schmerztherapie und eine Stressabschirmung des Patienten durch Analgetika und Sedativa gehören ebenso zur initialen Schocktherapie. Aus diesem Grunde ist die Durchführung einer Narkose, z.B. am Unfallort bei polytraumatisierten Patienten, eine Maßnahme zur Prävention späterer Organschäden. n Merke. Die Korrektur einer metabolischen Azidose sollte erst nach Bestimmung ihres Ausmaßes erfolgen.
Unter suffizienter Schocktherapie bessert sich die Azidose oft spontan. Bei andauernder Kreislaufinsuffizienz kommt es jedoch zu einer Zunahme der metabolischen Azidose, welche die Gabe von Puffersubstanzen (Natriumbikarbonat) erforderlich macht. Die Puffertherapie sollte immer unter Kontrolle der Säure-Basen-Parameter erfolgen. Ziel dieser Korrektur ist das Anheben des pH-Wertes auf > 7,2. Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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5.4.1 Volumenmangelschock
n Merke. Medikamente wie Glukokortikoide, Naloxon, nichtsteroidale Antiphlogistika, TRH, Glukagon, Prostaglandine, Pentoxifyllin und Immunglobuline haben sich in der Akuttherapie des Schocks nicht als vorteilhaft erwiesen.
Merke
Monitoring
Monitoring
Die Überwachung des Schockpatienten erfolgt im präklinischen Bereich durch EKG, nichtinvasive Blutdruckmessung, Messung der arteriellen Sauerstoffsättigung duch Pulsoxymetrie und klinische Beobachtung, wozu auch die regelmäßige Kontrolle der Pupillenreaktion auf Licht gehört. In der Klinik wird das Monitoring durch invasive Blutdruckmessung, Messung des zentralvenösen Drucks, Kontrolle der Diurese, ggf. Anlage eines Pulmonalarterienkatheters (PAK) sowie durch laborchemische Blutuntersuchungen (Hämatokrit, Blutgasanalysen, Elektrolyte, Laktat u.a.) ergänzt.
Zur Überwachung gehören EKG, Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie und klinische Beobachtung. In der Klinik kommen invasive Blutdruckmessung, ZVD-Messung, Diuresekontrolle, Laborkontrollen und ggf. Messungen über einen PAK hinzu.
Reanimation
Reanimation
Bei Eintreten eines schockbedingten Herz-Kreislauf-Stillstandes muss unverzüglich mit der kardiopulmonalen Reanimation begonnen werden.
Bei Herz-Kreislauf-Stillstand muss unverzüglich mit der kardiopulmonalen Reanimation begonnen werden.
5.4
Schockformen
5.4
5.4.1
Volumenmangelschock
5.4.1 Volumenmangelschock
Hypovolämischer Schock n Definition. Der »einfache« hypovolämische Schock entsteht durch akute Reduktion des zirkulierenden Blutvolumens, ausgelöst durch Wasser-, Plasma- und/oder Blutverluste ohne wesentliche Traumatisierung des Organismus. Sein Verlauf ist nach Beseitigung der Ursache und adäquater Volumentherapie rasch positiv zu beeinflussen.
Pathophysiologie. Wasser- und Plasmaverluste können eine Schocksymp-
tomatik hervorrufen (auch bezeichnet als Dehydratationsschock). In Frage kommen π schwere Enteritis mit Diarrhö π nicht stillbares Erbrechen π Ileus π Aszites π gastrointestinale Fisteln. Akute Blutverluste können für einen hypovolämischen Schock (dann auch bezeichnet als hämorrhagischer Schock) die Ursache sein. Beispiele sind π Blutungen in der Geburtshilfe (Placenta praevia, Uterusruptur u.a.) π Blutungen bei Gerinnungsstörungen π gastrointestinale Blutungen (Ulzera, Ösophagusvarizen u.a.) π intra- und postoperative Blutungen. Infolge des akuten Volumenverlustes führt die Verminderung des Herzzeitvolumens (HZV) über sympathoadrenerge Stimulation zu Tachykardie, Tachypnoe, peripherer Vasokonstriktion und Zentralisation. Durch rechtzeitige Therapie können in dieser Phase die Schockauswirkungen ohne strukturelle Organschäden problemlos abgefangen werden. Reichen die körpereigenen Kompensationsmechanismen nicht aus, fallen HZV und arterieller Blutdruck ab, die Zentralisation nimmt zu, und die Perfusionsstörungen verschiedener Organe verstärken sich. Ohne therapeutische Maßnahmen tritt das Stadium der Vasoplegie mit Stase in den Kapillaren ein, der Schock wird therapierefraktär und mündet in das Multiorganversagen.
Schockformen
Hypovolämischer Schock Definition
Pathophysiologie. Wasser- und Plasmaverluste werden z.B. durch Diarrhö, Erbrechen, Ileus, Aszites oder Fistelverluste verursacht (Dehydratationsschock).
Akute Blutverluste können perioperativ oder als gastrointestinale Blutungen, im Rahmen der Geburtshilfe sowie bei Gerinnungsstörungen zu Hypovolämie und Schock führen (hämorrhagischer Schock).
Die Verminderung des HZV führt zur sympathoadrenergen Gegenregulation mit Tachykardie und Zentralisation. Ohne Therapie nehmen die Perfusionsstörungen zu, und es kommt zu strukturellen Organschäden.
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5.4.1 Volumenmangelschock
n Merke. Medikamente wie Glukokortikoide, Naloxon, nichtsteroidale Antiphlogistika, TRH, Glukagon, Prostaglandine, Pentoxifyllin und Immunglobuline haben sich in der Akuttherapie des Schocks nicht als vorteilhaft erwiesen.
Merke
Monitoring
Monitoring
Die Überwachung des Schockpatienten erfolgt im präklinischen Bereich durch EKG, nichtinvasive Blutdruckmessung, Messung der arteriellen Sauerstoffsättigung duch Pulsoxymetrie und klinische Beobachtung, wozu auch die regelmäßige Kontrolle der Pupillenreaktion auf Licht gehört. In der Klinik wird das Monitoring durch invasive Blutdruckmessung, Messung des zentralvenösen Drucks, Kontrolle der Diurese, ggf. Anlage eines Pulmonalarterienkatheters (PAK) sowie durch laborchemische Blutuntersuchungen (Hämatokrit, Blutgasanalysen, Elektrolyte, Laktat u.a.) ergänzt.
Zur Überwachung gehören EKG, Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie und klinische Beobachtung. In der Klinik kommen invasive Blutdruckmessung, ZVD-Messung, Diuresekontrolle, Laborkontrollen und ggf. Messungen über einen PAK hinzu.
Reanimation
Reanimation
Bei Eintreten eines schockbedingten Herz-Kreislauf-Stillstandes muss unverzüglich mit der kardiopulmonalen Reanimation begonnen werden.
Bei Herz-Kreislauf-Stillstand muss unverzüglich mit der kardiopulmonalen Reanimation begonnen werden.
5.4
Schockformen
5.4
5.4.1
Volumenmangelschock
5.4.1 Volumenmangelschock
Hypovolämischer Schock n Definition. Der »einfache« hypovolämische Schock entsteht durch akute Reduktion des zirkulierenden Blutvolumens, ausgelöst durch Wasser-, Plasma- und/oder Blutverluste ohne wesentliche Traumatisierung des Organismus. Sein Verlauf ist nach Beseitigung der Ursache und adäquater Volumentherapie rasch positiv zu beeinflussen.
Pathophysiologie. Wasser- und Plasmaverluste können eine Schocksymp-
tomatik hervorrufen (auch bezeichnet als Dehydratationsschock). In Frage kommen π schwere Enteritis mit Diarrhö π nicht stillbares Erbrechen π Ileus π Aszites π gastrointestinale Fisteln. Akute Blutverluste können für einen hypovolämischen Schock (dann auch bezeichnet als hämorrhagischer Schock) die Ursache sein. Beispiele sind π Blutungen in der Geburtshilfe (Placenta praevia, Uterusruptur u.a.) π Blutungen bei Gerinnungsstörungen π gastrointestinale Blutungen (Ulzera, Ösophagusvarizen u.a.) π intra- und postoperative Blutungen. Infolge des akuten Volumenverlustes führt die Verminderung des Herzzeitvolumens (HZV) über sympathoadrenerge Stimulation zu Tachykardie, Tachypnoe, peripherer Vasokonstriktion und Zentralisation. Durch rechtzeitige Therapie können in dieser Phase die Schockauswirkungen ohne strukturelle Organschäden problemlos abgefangen werden. Reichen die körpereigenen Kompensationsmechanismen nicht aus, fallen HZV und arterieller Blutdruck ab, die Zentralisation nimmt zu, und die Perfusionsstörungen verschiedener Organe verstärken sich. Ohne therapeutische Maßnahmen tritt das Stadium der Vasoplegie mit Stase in den Kapillaren ein, der Schock wird therapierefraktär und mündet in das Multiorganversagen.
Schockformen
Hypovolämischer Schock Definition
Pathophysiologie. Wasser- und Plasmaverluste werden z.B. durch Diarrhö, Erbrechen, Ileus, Aszites oder Fistelverluste verursacht (Dehydratationsschock).
Akute Blutverluste können perioperativ oder als gastrointestinale Blutungen, im Rahmen der Geburtshilfe sowie bei Gerinnungsstörungen zu Hypovolämie und Schock führen (hämorrhagischer Schock).
Die Verminderung des HZV führt zur sympathoadrenergen Gegenregulation mit Tachykardie und Zentralisation. Ohne Therapie nehmen die Perfusionsstörungen zu, und es kommt zu strukturellen Organschäden.
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5 Schock
Diagnose. Sie erfolgt mit einfachen klinischen Mitteln (Puls- und Blutdruckmessung, Atmung, Hautdurchblutung, Venenfüllung). Die Beziehung von Volumenverlust und klinischem Bild zeigt 2 A-5.4.
Diagnose. Sie erfolgt mit einfachsten Hilfsmitteln klinisch. Die Tachykardie (HF > 100/min), die Tachypnoe (AF > 20/min), die blasse, kaltschweißige,
evtl. marmorierte Haut mit deutlich verlängerter Kapillarfüllungszeit und die verringerte Blutdruckamplitude sowie eine fehlende Halsvenenfüllung weisen auf eine bestehende Hypovolämie hin. Die Beziehung zwischen klinischem Bild und Höhe des Volumenverlusts zeigt 2 A-5.4. n Merke. Der »Schockindex« (Quotient von Herzfrequenz und systolischem arteriellem Blutdruck) bietet keine sinnvolle diagnostische Hilfe und sollte nicht mehr angewendet werden! Noch bei einem Wert < 1,4 kann das HZV bereits um über 50 % vermindert sein. Der systolische arterielle Blutdruck kann, insbesondere bei jungen Patienten, lange unverändert bleiben und über das wahre Ausmaß eines Volumenmangels hinwegtäuschen!
Merke
Weitere Kennzeichen sind niedriger ZVD und pulmonalkapillarer Verschlussdruck bei erniedrigtem HZV. Hilfreich ist die Bestimmung der gemischtvenösen Sauerstoffsättigung. Später folgen Oligo- bzw. Anurie, Azidose und Gerinnungsstörung.
2 A-5.4
Weitere hämodynamische Parameter sind niedriger ZVD und pulmonalkapillarer Verschlussdruck sowie ein erniedrigtes HZV. Die kontinuierliche Messung der gemischtvenösen Sauerstoffsättigung zeigt frühzeitig einen Abfall unter 72 % bei beginnendem Absinken des HZV an. Die renale Vasokonstriktion und die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Mechanismus führen zur Oligurie bis hin zur Anurie. Im fortgeschrittenen Stadium des Schocks kommt es zu einer ausgeprägten metabolischen Azidose und Störung der Gerinnung.
Beziehung zwischen Volumenverlusten und klinischem Bild beim hypovolämischen Schock
Volumenverlust (ml)
Schweregrad des Schocks
Klinische Zeichen des Schocks
N 0–500 n
N kein Schock n
N keine n
N 500–1200 n
N kompensierter Schock n
N geringer Blutdruckabfall n N Herzfrequenzanstieg n N leichte periphere Vasokonstriktion n
N 1200–1800 n
N mäßiger Schock n
N fadenförmiger Puls n N Herzfrequenz 100–120/min n N systolischer Blutdruck ä 90 mmHg n N Schwitzen, Angst, Unruhe n N verminderte Urinausscheidung n
N 1800–2500 n
N schwerer Schock n
N fadenförmiger Puls n N Herzfrequenz > 120 min n N systolischer Blutdruck < 60 mmHg n N starke Vasokonstriktion und Schwitzen n N Verwirrtheit n N Anurie n
Therapie. Die Volumensubstitution ist der Grundpfeiler der Therapie und muss direkt nach Diagnosestellung in ausreichendem Maße erfolgen. Zusätzlich muss die inspiratorische Sauerstoffkonzentration erhöht werden, entweder über die Zufuhr von 6–10 l/min Sauerstoff mittels einer Maske oder, falls dies nicht ausreicht, über eine Respiratortherapie.
Therapie. Die konsequente, ausreichende Volumensubstitution ist der
erste und wichtigste Schritt in der Therapie des hypovolämischen Schocks. Auch bei Blutverlusten ist die Reexpansion des intravasalen Volumens (z.B. durch Volumenersatzmittel) primär wichtiger als die Gabe von Erythrozyten. Bei ausreichend hohem HZV wird eine kurzfristige Anämie bis zu einem Hämatokrit von 18 (Hb Ä 6 g/dl) von ansonsten gesunden Patienten ohne Schaden überstanden. Wird während der Gabe von Volumen (Elektrolytlösungen, kolloidale Plasmaersatzmittel, Blutprodukte) die Ursache behoben (z.B. Stillung einer oberen gastrointestinalen Blutung), so ist die Dekompensation des Schocks gut zu verhindern. Die begleitende Gabe von erhöhten inspiratorischen Sauerstoffkonzentrationen über eine Sauerstoffmaske (6–10 l/min) oder eine Respiratortherapie ist immer angezeigt.
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5.4.1 Volumenmangelschock
n Merke. Die Prognose des Patienten hängt weit mehr vom Zeitintervall zwischen Schockbeginn und Einsatz einer adäquaten Therapie ab als vom Ausmaß des Volumenverlustes!
Traumatisch-hämorrhagischer Schock n Definition. Der traumatisch-hämorrhagische Schock entsteht aus der Kombination von ausgedehnten Weichteilverletzungen und massivem Blutverlust und ist wegen seines dramatischen Verlaufes vom »einfachen« hypovolämischen Schock zu unterscheiden.
Pathophysiologie. Die häufigste Ursache des traumatisch-hämorrhagischen Schocks ist das Polytrauma. Ein Polytrauma liegt vor bei der gleichzeitig entstandenen Verletzung von 2 oder mehr Organsystemen, wenn mindestens 1 Verletzung oder die Kombination mehrerer Verletzungen als für den Patienten lebensbedrohlich anzusehen ist. Der Ablauf des Schockgeschehens ist neben großen Blutverlusten durch starke bis stärkste Schmerzen und ausgedehnte Gewebstraumatisierungen gekennzeichnet. Diese Kombination führt schon in der Frühphase zur Aktivierung diverser Mediatoren. Es wurde als Ausdruck der Eigenständigkeit dieses Krankheitsbildes der Begriff der Verletzungskrankheit geprägt. Der in 1 A-5.1 dargelegte Circulus vitiosus setzt bei dieser Schockform sehr schnell und dramatisch ein, sodass bei ausbleibender, adäquater Therapie der traumatisch-hämorrhagische Schock rasch einen irreversiblen Verlauf mit konsekutivem Organversagen nimmt. Eine Besonderheit im Verlauf eines Polytraumas ist das Fettemboliesyndrom (FES), das nach multiplen Frakturen (insbesondere langer Röhrenknochen, speziell der unteren Extremitäten und des Beckens) mit einer Latenz von bis zu 48 Stunden posttraumatisch auftreten kann. Eine massive arterielle Hypoxie und Verwirrtheit sind die frühesten Symptome. Die Wechselwirkung von Schock und FES bedingt eine erhebliche Gefährdung des Patienten. Der genaue Pathomechanismus ist noch ungeklärt. Symptome und Diagnose. Die Diagnose erfolgt klinisch unter denselben
Aspekten wie beim einfachen hypovolämischen Schock! Schon zu Beginn der Therapie ist die Abschätzung des Blutverlustes beim polytraumatisierten Patienten essenziell. Nach zügiger, orientierender klinischer Untersuchung ist anhand des Verletzungsmusters und der beteiligten Organsysteme grob das Ausmaß des Blutverlustes und somit der Bedarf an Volumenersatz abzuschätzen ( 1 A-5.4). n Merke. In dieser frühen Phase des Schocks gibt eine Bestimmung des Hämatokrits keinerlei Aufschluss über das tatsächliche Ausmaß des Blutverlustes!
Die Kompensation des intravasalen Volumenmangels durch Einstrom von Flüssigkeit aus dem Gewebe setzt gerade erst ein, sodass der Hämatokrit in dieser Phase einen falsch hohen Wert aufweist. Erst wenn durch angemessene Infusionstherapie das Blutvolumen reexpandiert wird, demaskiert sich über das Absinken des Hämatokrits der eigentliche Blutbedarf. Die Störung der Nierenfunktion setzt bereits nach 15 Minuten mit Stagnation der Urinproduktion ein. Die Minderperfusion der Lunge durch Vasokonstriktion (Volumenmangel, Mediatorenwirkung), Stase und Minderbelüftung (Schmerzen, Bewusstlosigkeit nach Schädel-Hirn-Trauma) führt schnell zur arteriellen Hypoxie.
Merke
Traumatisch-hämorrhagischer Schock Definition
Pathophysiologie.Die häufigste Ursache des traumatisch-hämorrhagischen Schocks ist das Polytrauma. Kennzeichen der Verletzungskrankheit ist die Kombination von Blutverlust, starken bis stärksten Schmerzen sowie ausgedehnten Gewebstraumatisierungen.
Der traumatisch-hämorrhagische Schock nimmt ohne adäquate Therapie sehr schnell einen fatalen Verlauf (s. 1 A-5.1). Die Kombination von Schock und Fettemboliesyndrom, das insbesondere nach Frakturen langer Röhrenknochen auftritt, stellt eine besondere Gefährdung des polytraumatisierten Patienten dar (Latenz bis zu 48 Stunden).
Symptome und Diagnose. Die Diagnose erfolgt nach denselben Kriterien wie beim einfachen hypovolämischen Schock. Sofort zu Beginn ist durch eine orientierende klinische Untersuchung grob das Ausmaß des Blutverlustes abzuschätzen ( 1 A-5.4).
Merke
Erst nach angemessener Infusionstherapie zur Wiederherstellung des Blutvolumens sinkt der Hämatokrit auf die Werte, die dann das wahre Ausmaß des Blutmangels zeigen. Rasch einsetzende arterielle Hypoxie, extreme Zentralisation mit Hypothermie und frühe Einschränkung der Urinproduktion sind Kennzeichen des traumatisch-hämorrhagischen Schocks.
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5 Schock
1 A-5.4
Synopsis Ausmaß der Blutverluste bei Verletzungen verschiedener Organsysteme (Organrupturen und Frakturen)
Lungeneinriss (Hämatothorax) 1000–2000 ml Leberruptur, Milzruptur, Nierenruptur, Mesenterialgefäßeinriss (einzeln oder kombiniert) 500–5000 ml Beckenfraktur 500–4000 ml
Oberarmfraktur 100–800 ml
Unterarmfraktur 50–400 ml
Oberschenkelfraktur 1000–2000 ml
Unterschenkelfraktur 100–1000 ml
Therapie Merke
Erste therapeutische Maßnahme ist die neben der Blutstillung entschlossen durchzuführende Volumentherapie.
Am Unfallort werden Ersatzlösungen, in der Klinik Blutprodukte unter kontinuierlicher Messung arterieller, zentralvenöser und ggf. pulmonalarterieller Blutdrücke infundiert.
Therapie n Merke. Die Sicherung der Herz-Kreislauf-Funktion des Polytraumatisierten erfolgt initial durch Wiederherstellung eines ausreichenden zirkulierenden Kreislaufvolumens, Sicherung der Oxygenierung und effektive Schmerztherapie.
Bereits mit Beginn der Infusionstherapie muß die Stillung relevanter Blutungen versucht werden. Dies ist bei offenen Extremitätenverletzungen machbar, bei intrakavitären Blutungen (z.B. intraabdominelle Blutung bei Leberruptur) jedoch unmöglich. Die Volumentherapie muß entschlossen durchgeführt werden und erfolgt am Unfallort durch Plasmaersatzpräparate und Elektrolytlösungen. In der Klinik kommen Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentrate als Blutzellenersatz sowie Frischplasmapräparate zur Stabilisierung der Gerinnung zur Anwendung. Im weiteren Verlauf wird die Therapie differenziert durch invasive arterielle Blutdruckmessung, Bestimmung von ZVD und ggf. pulmonalarteriellen Druckwerten sowie durch die Erfassung verschiedener Laborwerte (Hkt, Laktat, Gerinnungsparameter, Blutgasanalysen u.a.) gesteuert.
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5.4.1 Volumenmangelschock Zur erweiterten Kreislauftherapie kommen neben Volumengabe auch Katecholamine zur Anwendung. Dopamin (Dosierung 4–10 mg/kg KG/min) und Adrenalin als Infusion (Dosierung 2–5 mg/min) oder Bolusgabe (fraktioniert 0,1 mg/Bolus) sind Medikamente erster Wahl. Reine Vasokonstriktoren (Noradrenalin) kommen bei der Therapie des traumatisch-hämorrhagischen Schocks nur als kurzfristig einzusetzende Überbrückungsmaßnahme bei ausgeprägter Kreislaufinstabilität zur Anwendung. Vasodilatatoren (z.B. Nitrate, Nifedipin) werden in der klinischen Versorgung unter weiterer Volumenzufuhr angewendet mit der Zielsetzung, die Zentralisation zu durchbrechen und die Erwärmung des meist hypothermen Patienten zu unterstützen. Diese Therapie darf jedoch nur unter kontinuierlich hämodynamischem Monitoring bei stabiler Makrohämodynamik durchgeführt werden. Im weiteren Verlauf ist zu vermeiden, dass es bei zu forcierter Volumengabe zur Überladung des Kreislaufs kommt. Da durch die überschießende sympathoadrenerge Reaktion die Compliance des gesamten Gefäßsystems stark erniedrigt ist, kann der zentrale Venendruck deutlich ansteigen, obwohl das verlorengegangene Blutvolumen noch nicht vollständig ersetzt ist. Die Sicherstellung der Ventilation und der Oxygenierung ist der zweite Pfeiler in der Therapie des traumatisch-hämorrhagischen Schocks. n Merke. Eine in der Frühphase des Schocks auftretende, schwere Hypoxie ist fatal für den weiteren Verlauf und beeinflusst die Prognose ausgesprochen negativ.
Deshalb erfolgt die Oxygenierung durch die frühzeitige endotracheale Intubation mit anschließender kontrollierter Beatmung mit hoher inspiratorischer Sauerstoffkonzentration (initial 100 %). Die adäquate Schmerztherapie ist der dritte Schwerpunkt der Therapie, da Schmerzen und Stress die Schocksymptomatik unterhalten und verschlimmern. Über eine analgetische und sedative Medikation hinausgehend, ist oftmals die Durchführung einer Narkose bis zur endgültigen klinischen Versorgung notwendig. Dazu werden Medikamente mit den nachgewiesenermaßen geringsten kardiodepressiven Nebenwirkungen ausgewählt. Sie sollten in ihrer Wirkung gut steuerbar sein. Als Hypnotikum wird Etomidat, als Analgetika werden synthetische, stark wirksame Opioide (Fentanyl, Piritramid) oder Ketamin, als Sedativa kurzwirksame Benzodiazepine (Midazolam) appliziert. n Merke. Die Dosierungen von Analgetika und Sedativa müssen immer vorsichtig nach Wirkung titriert werden.
Neben der Volumentherapie kommen zur Stabilisierung des Kreislaufes Katecholamine, in der weiteren klinischen Versorgung nach ausreichender Volumensubstitution zusätzlich mit Vasodilatatoren zur Anwendung.
Zu vermeiden ist eine Überladung des Kreislaufs bei forcierter Volumengabe.
Die Sicherstellung der Ventilation und der Oxygenierung des Patienten parallel zur Volumentherapie ist essenziell. Merke
Es erfolgt eine frühzeitige endotracheale Intubation mit anschließender kontrollierter Beatmung. Der dritte Schwerpunkt der Therapie liegt in der adäquaten Schmerztherapie, die bis zur Durchführung einer Narkose geht. Zur Anwendung kommen Opioide, Etomidat, Ketamin und als Sedativa kurzwirksame Benzodiazepine.
Merke
Klinischer Fall Ein 50-jähriger Mann verunglückt mit seinem Pkw ohne Beteiligung weiterer Fahrzeuge auf einer Landstraße. Der 14 Minuten nach der Meldung eintreffende Notarzt findet den Fahrer des Wagens angegurtet, hinter der Lenksäule eingeklemmt vor. Er blutet mäßig aus verschiedenen kleinen Gesichtswunden. Er ist ansprechbar, klagt über Atemnot und gibt Schmerzen im Abdomen an. Sein Hautkolorit ist blass ohne Zyanose, der Puls tachykard (HF 135/min) und kaum tastbar (RR ca. 60 mmHg, palpatorisch gemessen). Noch im Fahrzeug werden 2 großlumige periphere Venenzugänge gelegt und 1000 ml Plasmaexpander infundiert. Nach Bergung durch die Feuerwehr unter analgetischer Therapie (0,15 mg Fentanyl i.v.) und Verbringung des Patienten in den Rettungswagen wird der Patient zunehmend somnolent, und es bestehen alle
Anzeichen eines massiven hämorrhagischen Schocks (HF 145/min; RR ca. 70 mmHg systolisch) mit zunehmender Zyanose. Die Palpation des Abdomens ergibt einen heftigen, diffusen Druckschmerz. Es werden folgende vorläufige Diagnosen gestellt: Polytrauma mit schwerem traumatisch-hämorrhagischem Schock, dringender Verdacht auf intraabdominelle Blutung, Thoraxtrauma, SchädelHirn-Trauma 1.–2. Grades, multiple Prellungen mit ausgedehnten Weichteilhämatomen, diverse Schnittverletzungen im Gesicht. Unter Zufuhr von 100 % Sauerstoff und weiterer Infusion von 1000 ml Plasmaexpander (HAES 6 %) und 1000 ml Ringer-Lösung wird umgehend eine Narkose eingeleitet (20 mg Etomidat, 5 mg Midazolam und 0,2 mg Fentanyl), der Patient wird intubiert und mit reinem Sauerstoff kontrolliert beatmet. 20 ml Blut werden zur Kreuzprobe
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5 Schock
mit der Polizei in das aufnehmende Krankenhaus vorausgeschickt. Wegen Abschwächung des Atemgeräusches auf der linken Thoraxseite wird eine Pleuradränage unter dem Verdacht auf Hämatopneumothorax angelegt, zugleich erfolgt die Anlage von 2 weiteren Venenzugängen. Da der Kreislauf weiter instabil bleibt, werden auf dem inzwischen gestarteten Transport weitere 3000 ml Humanalbumin 5 % und Ringer-Lösung infundiert und Katecholamine (Dopamin über Perfusor in der Dosis von 8 mg/kg KG/min und intermittierende Bolusgaben von 0,1 mg Adrenalin) gegeben. In der Klinik wird der Patient mit den Diagnosen Leberruptur (Hb bei Aufnahme 3,8 g/dl), Lungenkontusion mit Hämatothorax und Rippenserienfraktur rechts sowie
blutende Kopfplatzwunden unter der Massivtransfusion von 14 Erythrozytenkonzentraten, 10 Frischplasmen und 6 Thrombozytenkonzentraten umgehend operativ versorgt. Der Ersatz erfolgt mit Blutkomponenten, bis der Hämatokrit 30 erreicht, die Aktivität der Gerinnungsfaktoren II und V 40 % und die Zahl der Thrombozyten 50 000/ml überschreiten. Es werden Erythrozytenkonzentrate und Plasmen nicht im festen Verhältnis, sondern nach Laborkontrollen substituiert. Der Kreislauf stabilisiert sich noch im Verlauf der Operation, der Patient kann am 3. postoperativen Tag extubiert und weitere 13 Tage später ohne Schockfolgeschäden der Organe nach Hause entlassen werden.
Verbrennungsschock
Verbrennungsschock
Pathophysiologie. Ein durch thermische Schädigung verursachtes KapillarLeck-Syndrom führt zu massiven Plasma- und Wasserverlusten mit der Ausbildung eines hypovolämisch-toxischen Schocks (Verbrennungskrankheit).
Pathophysiologie. Durch ausgedehnte Verbrennungen 2.–3. Grades (ab
Therapie. Nach Abschätzung der zu infundierenden Menge (ParklandFormel: 4 ml/kg KG/% VKOF in den ersten 24 Stunden) wird unter Überwachung der Urinproduktion die Infusionstherapie durchgeführt.
Therapie. Der intravasale Flüssigkeitsverlust ist so erheblich, dass schon ab
Sicherstellung der Oxygenierung und die adäquate Schmerztherapie sind essenzielle Therapiemaßnahmen im Verbrennungsschock.
5.4.2 Septischer, septisch-toxischer Schock Definition
Pathophysiologie. Auslöser des septischen Schocks sind Infektionen durch Bakterien, Pilze und Viren oder ausgedehnte Gewebstraumatisierungen über die Aktivierung verschiedener Mediatorsysteme.
15–20 % verbrannter Körperoberfläche [VKOF]) wird eine Vielzahl von Mediatoren aktiviert, die über die Ausbildung eines Kapillar-Leck-Syndroms neben einem lokalen zu einem generalisierten Ödem führen (Verbrennungskrankheit). Es resultiert ein Eiweiß- und Flüssigkeitsverlust, der zu einem hypovolämisch-toxischen Schock führt.
einer verbrannten Körperoberfläche von 10 % eine parenterale Substitution erfolgen muss. Zur Abschätzung der zu verabreichenden Menge in der Erstversorgungsphase wird z.B. die Parkland-Formel herangezogen: Die Infusionsmenge beträgt in den ersten 24 Stunden 4 ml/kg KG/% VKOF, wovon die Hälfte in den ersten 8 Stunden infundiert wird. Diese Berechnung dient nur der groben Orientierung, denn in der Praxis muss die zuzuführende Menge oft nach oben korrigiert werden. Als Ersatz sollten in den ersten 24 Stunden nur Kristalloide (Ringer-Laktat) gegeben werden. Als Indikator einer ausreichenden Flüssigkeitstherapie dient die Urinproduktion, die in der akuten Phase 1 ml/kg KG/h betragen sollte. Die weitere Schocktherapie (Beatmung, Analgesie) wird nach denselben Kriterien durchgeführt, die für die Therapie des traumatisch-hämorrhagischen Schocks gelten.
5.4.2
Septischer, septisch-toxischer Schock
n Definition. Der septische Schock ist definiert als Hypotension (systolischer Blutdruck < 90 mmHg) in Kombination mit Zeichen verminderter Organperfusion oder Organfunktionsstörungen bei Vorliegen einer Sepsis oder eines SIRS (systemic inflammatory response syndrome). SIRS ist das Syndrom der systemischen entzündlichen Antwort des Organismus auf verschiedene Schädigungen auch ohne nachgewiesene Infektion (z.B. nekrotisierende Pankreatitis, multiple Weichteilverletzungen, Massivblutung oder Verbrennung). Sepsis ist die systemische inflammatorische Antwort des Organismus auf eine Infektion durch Bakterien (meistens), Viren, Pilze oder Parasiten.
Pathophysiologie. Schwere Gewebstraumatisierung oder Einschwemmung von Mikroorganismen (Bakterien, Viren, Pilze u.a.) bzw. deren Endo- oder Exotoxine aktivieren verschiedene Mediatorkaskaden und führen über die Ausschüttung vasoaktiver und zelltoxischer Substanzen eine Reaktion des Körpers im Sinne einer systemischen Entzündungsreaktion herbei. Auslöser sind gramnegative Bakterien (z.B. E. coli, Klebsiellen, Pseudomonas) in 30–80 %, grampositive Bakterien (z.B. Streptokokken, Staphylokokken) in 6–24 % und seltener Pilze in 1–16 %. Virale Infektionen (z.B. Zytome-
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5.4.2 Septischer, septisch-toxischer Schock galie) spielen als Auslöser eines septischen Schocks bei Patienten unter immunsuppressiver Therapie eine bedeutsame Rolle. Die hochgradige, oft schwer therapierbare Vasodilatation ist eine für den septischen Schock charakteristische Grundstörung. Sie wird durch abnorm hohe Konzentrationen von Stickstoffmonoxid (NO) in den Zellen der Gefäßmuskulatur hervorgerufen, die einen regional unterschiedlich ausgeprägten, teilweise kompletten Verlust des Vasomotorentonus nach sich ziehen (Vasoplegie). Es kommt zu einer pathologischen Umverteilung des Blutvolumens (Maldistribution) mit der Ausbildung von arteriovenösen Kurzschlüssen (AV-Shunts) und charakteristischen Störungen der Mikrozirkulation (Fibrinablagerungen, Zellaggregationen, Schädigung der Gefäßwand). Durch Endothelläsionen entsteht eine ausgeprägte Permeabilitätssteigerung mit massiver Extravasation von Plasma und Proteinen in das Interstitium (Kapillar-Leck-Syndrom). Der Rückstrom zum Herzen ist daher vermindert; es besteht ein erheblicher Volumenmangel. Trotz gesteigerter Makrozirkulation des Organismus (hohes HZV) kommt es zu einer unzureichenden nutritiven Versorgung der Gewebe. Zusätzlich findet man eine mangelhafte Sauerstoffextraktion. Aus diesem Grund entwickeln sich intrazelluläre Sauerstoffschuld und metabolische Azidose. Die kardiale Insuffizienz, ausgelöst durch myokarddepressive Wirkungen von Toxinen bzw. zelltoxischen Substanzen, ist eine weitere wichtige Grundstörung. Auch in der Hyperzirkulation ist regelmäßig eine biventrikuläre Dilatation nachweisbar, d.h. die Pumpfunktion des Herzens ist eingeschränkt. Es liegt eine septische Kardiomyopathie vor ( 1 A-5.5).
1 A-5.5
Die charakteristische Grundstörung im septischen Schock ist eine exzessive, regional unterschiedlich ausgeprägte Vasodilatation mit pathologischer Umverteilung des Blutvolumens mit Ausbildung von AV-Shunts und Störungen der Mikrozirkulation.
Durch Endothelläsionen entsteht eine massive Extravasation von Plasma und Proteinen. Der Rückstrom zum Herzen ist daher vermindert, es besteht eine Hypovolämie. Die unzureichende nutritive Versorgung der Zellen geht mit Sauerstoffmangel, metabolischer Azidose und Zellschädigung einher. Eine weitere Grundstörung ist die ausgeprägte Myokarddepression im septischen Schock (septische Kardiomyopathie, 1 A-5.5).
Synopsis Pathogenese des septischen Schocks
Infektquelle • Peritonitis • Pneumonie, Fremdmaterial u.a.
Mikroorganismen
Toxine (Endotoxin, Exotoxin, Wandbestandteile u.a.)
Myokard • negative Inotropie • biventrikuläre Dilatation
Schock relativ zum Bedarf erniedrigtes HZV
Tod
endogene Mediatoren (Kinine, Zytokine, plättchenaktivierender Faktor [PAF], Komplement u.a.)
kardiovaskuläre Insuffizienz
Multiorganversagen
Gefäßsystem • Dilatation • Maldistribution • Endothelläsion Erholung
Beim septischen Schock unterscheidet man die hyperdyname und die hypodyname Verlaufsform. Bei der hyperdynamen Form liegen ein hohes HZV (Herzindex > 4 l/min/m2) und ein deutlich erniedrigter totalperipherer Gefäßwiderstand (TPR < 600 dyn « s « cm–5) vor. Zunehmende Myokarddepression und schwere transkapillare Volumenverluste führen zur hypodynamen Form des septischen Schocks mit erniedrigtem HZV (Herzindex 2,5 l/min/m2) und erhöhtem totalperipherem Gefäßwiderstand (TPR > 1500 dyn « s « cm–5). Sie kann auch ohne vorausgehende hyperdyname Phase isoliert auftreten. Die Prognose des hypodynamen septischen Schocks ist sehr schlecht. Hypodyname Verlaufsformen wie auch die biphasische Verlaufsform (Übergang von der hyperdynamen in die hypodyname Form) werden aufgrund rasch einsetzender symptomatischer Therapie nur noch selten gesehen.
Man unterscheidet 2 Formen der Dekompensation im septischen Schock: die hyperdyname Form mit hohem HZV und die hypodyname Form mit niedrigem HZV und sehr schlechter Prognose.
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86 Können die Störungen des Zellstoffwechsels nicht ausgeglichen werden, kommt es zum irreversiblen Sauerstoffdefizit mit Entwicklung eines Multiorganversagens. Eine fulminant verlaufende Form des septischen Schocks ist das Toxic shock syndrome. Es wird durch exotoxinbildende Staphylokokken (aureus) oder Streptokokken ausgelöst.
Symptome und Diagnose. Der Patient im hyperdynamen Schock hat warme Extremitäten, eine rote Gesichtsfarbe und erfüllt die Kriterien der Sepsis, verbunden mit Hypotension und Organinsuffizienz. Merke
5 Schock Kommt zu den ischämischen und metabolisch-toxischen Schädigungen noch eine fulminante disseminierte intravasale Gerinnung, so kann das fatale Zusammenspiel von Entzündungs- und Schockmediatoren zu akutem Lungenversagen (ARDS), Nierenversagen, Leberversagen, kardiogenem Schock und septischer Enzephalopathie, also zum Multiorganversagen (MOV) führen. Eine besondere Form des septischen Schocks ist das 1978 beschriebene Toxic shock syndrome (TSS). Es wird ausgelöst durch Infektion mit exotoxinbildenden Staphylococcus-aureus-Stämmen. Der Verlauf ist außerordentlich dramatisch mit früh einsetzendem Organversagen und hoher Letalität. Ein ähnlich schwer verlaufendes Krankheitsbild wird seit 1987 bei systemischen Streptokokkeninfekten beobachtet und aufgrund einer vergleichbaren Klinik als Streptokokken-TSS (streptococcal toxic shocklike syndrome) bezeichnet.
Symptome und Diagnose. Der Patient im hyperdynamen septischen
Schock hat rote und warme (scheinbar gut durchblutete) Extremitäten, eine rote Gesichtsfarbe und erfüllt die Kriterien der Sepsis, d.h., er zeigt mindestens 2 der folgenden Symptome: n π π π π
Als Zeichen der Organinsuffizienz sind Oligurie, Hypoxie, Gerinnungsstörung und Laktatazidose zu werten. Eine einsetzende Thrombopenie und ein Abfall des Quick-Wertes sowie des Antithrombins III (AT III) sind Hinweise auf eine Gerinnungsstörung im Sinne einer Verbrauchskoagulopathie (DIC) und Störung der Leberfunktion. Beim Patient im hypodynamen septischen Schock steht neben der Sepsis die Myokardinsuffizienz im Vordergrund, mit blasszyanotisch-kühlen Extremitäten. Die Differenzierung zwischen der hyper- und hypodynamen Dekompensation erfolgt durch hämodynamische Messungen mittels PAK. Leitsymptome des TSS sind: hohes Fieber, Exanthem, Erbrechen, Hypotension, respiratorische Insuffizienz und Desquamation der Handflächen und Fußsohlen. Therapie. Ziele sind die Erhöhung des globalen Sauerstoffangebotes und ein ausreichender Perfusionsdruck.
Merke
Merke. Kriterien der Sepsis sind Körpertemperatur > 38 ΩC oder < 36 ΩC Tachykardie (HF > 100/min) Tachypnoe (AF > 20/min oder PCO2 < 32 mmHg) Leukozytose (> 12 000 Zellen/ml) oder Leukopenie < 4000 Zellen/ml).
Hinzu kommen eine Hypotension mit systolischem Blutdruck < 90 mmHg und Zeichen von zumindest einem Parameter inadäquater Organfunktion. Als Zeichen der Niereninsuffizienz ist der Patient oligo- oder anurisch, Verwirrtheit oder Somnolenz deuten auf eine zerebrale Funktionseinschränkung hin, arterielle Hypoxie auf eine akute respiratorische Insuffizienz. Eine einsetzende Thrombopenie und ein Abfall des Quick-Wertes sowie des Antithrombins III (AT III) sind Hinweise auf eine Gerinnungsstörung im Sinne einer Verbrauchskoagulopathie (DIC) und Störung der Leberfunktion. Als Ausdruck der Maldistribution des Blutflusses und des Sauerstoffdefizites sind die arteriovenöse O2-Differenz erniedrigt und der Laktatspiegel im Blut erhöht (über 3 mmol/l) mit Zeichen einer metabolischen Azidose. Beim Patienten im hypodynamen septischen Schock steht neben den Zeichen der Sepsis die Myokardinsuffizienz im Vordergrund. Seine Extremitäten sind eher blasszyanotisch und kühl. Die genaue Differenzierung erfolgt über hämodynamische Messungen mittels eines Pulmonalarterienkatheters (PAK). Leitsymptome des Toxic shock syndrome (TSS) sind hohes Fieber, Exanthem, Erbrechen, Diarrhö, Hypotension und früh einsetzende respiratorische Insuffizienz mit im Verlauf auftretender Desquamation im Bereich der Handflächen und Fußsohlen.
Therapie. Ein Ziel der Behandlung des septischen Schocks ist die Erhöhung
des globalen Sauerstoffangebotes, da dies oft zu einer Steigerung der Sauerstoffausschöpfung und somit zu einer Reduktion des Sauerstoffdefizites führt. Liegt keine Sauerstoffschuld vor, kann der Entwicklung eines Defizites so vorgebeugt werden. Weiterhin muss ein ausreichender Perfusionsdruck erreicht werden. n Merke. In der Behandlung des septischen Schocks werden folgende Werte angestrebt: π Herzindex > 4,5 l/min/m2 π Sauerstoffangebot > 750 ml/min/m2 π mittlerer arterieller Druck > 70 mmHg.
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5.4.2 Septischer, septisch-toxischer Schock Eine großzügige Volumentherapie ist aufgrund des relativen und absoluten Volumenmangels durch Vasodilatation sowie des kapillaren Lecks mit Sequestration von Wasser und Plasmaproteinen frühzeitig einzuleiten. Es sollte eine sinnvolle Kombination aus Proteinersatz (Plasmaersatzstoffe, Plasmaproteinlösungen, ggf. Frischplasma) auf der einen und kristallinem Volumenersatz (Ringer-Lösung) auf der anderen Seite gefunden werden. In den ersten 3 Tagen der Therapie können durchaus Mengen von 10–20 Litern zur Volumensubstitution notwendig sein. Daneben ist auf die Erhaltung eines ausreichenden Erythrozytengehaltes zu achten. Der optimale Hämatokrit liegt zwischen 32 und 35. Hier liegt der beste Kompromiss zwischen Sauerstofftransportkapazität auf der einen und einer wünschenswerten günstigen Rheologie des Blutes durch niedrige Viskosität auf der anderen Seite. Ist ein Patient stark blutungsgefährdet (z.B. postoperativ), so ist bei einem Thrombozytenabfall auf Werte < 50 000/ml der Thrombozytenersatz angezeigt. Liegt keine akute Gefahr einer Blutung vor, sind Thrombozytenkonzentrationen im Blut bis 20 000/ml tolerabel. Aufgrund der nicht seltenen Ausbildung von Antikörpern gegen Thrombozyten ist die Indikation der Substitution eng zu stellen. Die Katecholamintherapie muss parallel zur Volumentherapie (auch in der hyperdynamen Phase mit initial hohem HZV) begonnen werden. Derzeit wird die Kombination von Dobutamin in einer Dosis von 5–10 mg/kg KG/min (Steigerung des HZV) und Noradrenalin in einer Dosis von 2–8 mg/min (Steigerung des arteriellen Mitteldruckes durch Vasokonstriktion) eingesetzt. Die zur Kreislaufstabilisierung notwendigen Dosierungen der Katecholamine können individuell sehr verschieden sein und durchaus auch noch höher liegen. Die Katecholamintherapie muss unter kontinuierlicher system- und pulmonalarterieller Blutdruckkontrolle, zusätzlichen hämodynamischen Messungen über einen Pulmonalarterienkatheter (HZV, kapillarer Verschlussdruck, gemischtvenöse Sauerstoffsättigung) und Kontrolle respiratorischer und metabolischer Parameter (Blutgase, Säure-Basen-Haushalt) erfolgen. Bei nicht ausreichendem Erfolg ist auch der Einsatz von Adrenalin indiziert. Der Wert des neu eingeführten synthetischen Katecholamins Dopexamin und der Phosphodiesterasehemmer (Inodilatoren) in der Therapie des septischen Schocks ist noch nicht abschließend zu beurteilen. Die Indikation zur kontrollierten Beatmung ist sehr frühzeitig zu stellen (PO2 < 60 mmHg in Verbindung mit einer Tachypnoe), da im septischen Schock die verschiedenen Störungen im pulmonalen Gasaustausch regelhaft zu einer Abnahme des arteriellen O2-Partialdruckes führen! Eine ausreichende Oxygenierung des arteriellen Blutes (Ziel: arterielle Sauerstoffsättigung > 96 %) von Beginn der Therapie an ist essenziell. n Merke. Die Fokussanierung steht unmittelbar nach der Kreislaufstabilisierung als wichtigste therapeutische Maßnahme an, wenn eine chirurgisch therapierbare Infektion (z.B. Abszess, Peritonitis) der Ausgangsort einer Sepsis oder eines septischen Schocks ist.
Sollte sich trotz ausreichender Flüssigkeitssubstitution und Kreislauftherapie ein akutes Nierenversagen einstellen, so ist frühzeitig mit der kontinuierlichen venovenösen Hämofiltration (CVVH) als Nierenersatztherapie zu beginnen. Der CVVH ist aufgrund der kontinuierlichen Elimination von Wasser und harnpflichtigen Substanzen gegenüber dem diskontinuierlichen Verfahren der Hämodialyse (wegen der mit der Hämodialyse verbundenen erheblichen Volumenschwankungen) der Vorzug zu geben. Die Gabe von Antibiotika muss begleitend zur Schocktherapie bei Verdacht auf mikrobielle Genese der Sepsis erfolgen. Bei Nachweis von Keimen in Wundabstrichen oder Blutkulturen ist eine gezielte Therapie nach Resistenzbestimmung erforderlich. Liegt kein Erregernachweis vor, sollten Antibiotika mit breitem Spektrum (z.B. Penicilline, Cephalosporine, Imipenem) in Kombination mit einem Aminoglykosid (z.B. Gentamicin, Tobramycin) gegeben werden.
Die Volumentherapie besteht aus der Kombination von synthetischen Plasmaersatz-, Protein- und Elektrolytlösungen. Gegebenenfalls müssen auch Erythrozyten und Thrombozyten ersetzt werden.
Der optimale Hkt liegt zwischen 32 und 35.
Ist ein Patient stark blutungsgefährdet, ist bei Thrombozytenkonzentrationen < 50 000/ m l die Substitution von Thrombozyten angezeigt.
Die Katecholamintherapie sollte mit Dobutamin und Noradrenalin erfolgen. Bei Bedarf ist auch der Einsatz von Adrenalin indiziert. Die Therapie ist unter erweitertem hämodynamischem Monitoring (PAK) durchzuführen.
Die Indikation zur kontrollierten Beatmung zur Therapie der respiratorischen Insuffizienz ist sehr frühzeitig zu stellen.
Merke
Bei beginnender Niereninsuffizienz muss rechtzeitig mit einer Ersatztherapie in Form der kontinuierlichen venovenösen Hämofiltration (CVVH) begonnen werden.
Begleitend zur Schocktherapie müssen bei Verdacht auf mikrobielle Genese der Sepsis Antibotika verabreicht werden.
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88 Eine hochdosierte AT-III-Gabe in der Frühphase der Sepsis und im septischen Schock scheint von Vorteil zu sein.
5 Schock Die hochdosierte Substitution von AT III in der frühen Phase der Sepsis und im septischen Schock scheint nach neueren Untersuchungen vorteilhaft für das Outcome der Patienten zu sein. Liegt der Wert des AT III unter dem Normbereich (70–100 %), so sollte mit der Gabe von 6 000 bis 12 000 Einheiten in den ersten 3 Tagen die Serumkonzentration auf 120–140 % angehoben werden. Die genauen Gründe für die bessere Prognose unter dieser Therapie sind bislang jedoch noch nicht hinreichend bekannt. Eventuell spielt die frühzeitige Unterbindung einer DIC eine Rolle. Der Einsatz von Immunglobulinen, monoklonalen Antikörpern (z.B. gegen Endotoxin, TNF, Interleukine), C1-Esterase-Inhibitor oder Pentoxifyllin im septischen Schock wird kontrovers diskutiert.
Klinischer Fall Eine 55-jährige Patientin mit bekanntem Gallensteinleiden kommt mit akuten Oberbauchschmerzen, Fieber (38,9 ΩC) und ausgeprägtem Krankheitsgefühl zur Aufnahme. Anamnestisch gibt die Patientin über Monate hinweg rezidivierende Oberbauchschmerzen an. Die akute Symptomatik begann 3 Tage vor Aufnahme. Die körperliche Untersuchung zeigt eine Tachykardie (HF 130/min), Hypotonie (RR 95/60 mmHg), eine Tachypnoe (AF 25/min) und ein geblähtes, druckschmerzhaftes Abdomen ohne Darmgeräusche. In der Sonographie des Oberbauches sieht man eine vergrößerte Gallenblase mit deutlicher Wandverdickung und mehreren, verschieden großen Gallensteinen. Das Pankreas stellt sich deutlich geschwollen mit Verdacht auf Nekrosezonen im Schwanzbereich dar. Das CT zeigt Nekrosen im Pankreasschwanz mit peripankreatischer Ausdehnung in das Retroperitoneum. Laborchemisch sind folgende Befunde auffällig: Hämatokrit (Hkt) 47 %, Leukozyten 22 000/ml, Lipase 1300 U/l. Unter der Diagnose akut-nekrotisierende lithogene Pankreatitis mit septischem Schock erfolgt noch am Aufnahmetag die Laparotomie mit Ausräumung der
5.4.3 Anaphylaktischer Schock Definition
Pathophysiologie. Die anaphylaktischanaphylaktoide Reaktion wird durch Freisetzung verschiedener Mediatoren aus Mastzellen ausgelöst.
5.4.3
Nekrosen und Anlage einer Spüldränage. Mit Diagnosestellung wurde die Patientin umgehend intubiert und beatmet. In den folgenden Stunden entwickelt sich das Vollbild eines hyperdynamen septischen Schocks mit folgenden hämodynamischen Befunden: HF 140/min, RR 75/40 mmHg, Herzindex 4,2 l/min, PCWP 12 mmHg. Zur adäquaten Volumensubstitution sind 8750 ml Hydroxyäthylstärke (HAES), Humanalbumin 5 % und Frischplasmen (aufgrund einer vorliegenden Gerinnungsstörung: Quickwert 33 %, Aktivität Faktor V 28 %) sowie 10 500 ml Ringer-Lösung innerhalb der ersten 60 Stunden notwendig. Unter Katecholamintherapie mit Dobutamin (8 mg/kg KG/min) und Noradrenalin (3 mg/min) und Respiratortherapie mit inspiratorischen O2-Konzentrationen von anfänglich 80 % bessert sich der Zustand von Tag zu Tag. Nach einer Phase der Oligurie in den ersten 24 Stunden (Urinproduktion 200 ml) normalisiert sich die Nierenfunktion. Nach 3 Tagen kann die Katecholamintherapie beendet werden, weitere 4 Tage später wird die Patientin nach kurzer Entwöhnungsphase vom Respirator extubiert und am folgenden Tag auf die Allgemeinstation verlegt.
Anaphylaktischer Schock
n Definition. Der anaphylaktische Schock ist die Maximalvariante einer Sofortreaktion aus immunologischer (Anaphylaxie) oder auch, seltener, nichtimmunologischer (Pseudoallergie) Ursache. Alle unerwünschten Reaktionen des Körpers, die unter dem klinischen Bild einer Anaphylaxie ablaufen, kann man ungeachtet ihres ursächlichen Pathomechanismus als anaphylaktisch-anaphylaktoide Reaktion bezeichnen.
Pathophysiologie. Eine anaphylaktisch-anaphylaktoide Reaktion wird durch die Liberation von Histamin, Serotonin, Bradykinin und verschiedenen weiteren Mediatoren durch Degranulation von Mastzellen in Blut und Gewebe ausgelöst. Diese kann über verschiedene Wege erfolgen: π durch Einwirkung von IgE-Antikörpern nach spezifischer Sensibilisierung (Reaktion erst nach der 2. Exposition) π durch Einwirkung von Komplementfaktoren (Anaphylatoxinen), nach Aktivierung über IgG- und IgM-Globuline (vorherige Exposition nicht immer nachweisbar) π durch direkte Einwirkung eines Agens (z.B. Medikament) ohne vorherige Sensibilisierung oder Komplementaktivierung.
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5.4.3 Anaphylaktischer Schock Diese Mediatoren vermitteln in der Endstrombahn eine weitgehend einheitliche Reaktion, wobei dem Histamin eine Schlüsselstellung zukommt. Innerhalb von Sekunden kommt es zu einer Permeabilitätserhöhung der Kapillaren mit nachfolgender Plasmaexsudation in das Interstitium und einer überwiegend präkapillaren Vasodilatation. Die initiale Vasodilatation wird durch H1-Rezeptoren vermittelt, während die lang anhaltende Vasodilatation durch H2-Rezeptorstimulierung verursacht ist. Es resultieren eine relative und absolute Hypovolämie mit einer im Verhältnis zum Volumen des Gefäßsystems zu geringen Blutmenge. Die Symptome manifestieren sich im Wesentlichen an Haut, Lunge, Herz-Kreislauf-System und Gastrointestinaltrakt. Auslösende Agenzien für eine anaphylaktisch-anaphylaktoide Reaktion können sein: π Medikamente (Antibiotika, nichtsteroidale Antiphlogistika, Lokalanästhetika, Muskelrelaxanzien, Chemotherapeutika, Enzyme u.a.) π Blutprodukte und Antisera (Blutkonserven, Immunglobuline, Impfstoffe, Antitoxine) π Kontrastmittel π Nahrungsmittel π tierische und pflanzliche Stoffe.
Sie führt zu Permeabilitätssteigerung der Kapillaren und präkapillarer Vasodilatation. Die Symptome manifestieren sich an Haut, Lunge, Herz und Kreislauf sowie Gastrointestinaltrakt.
Symptome und Diagnose. An Haut und Schleimhäuten zeigen sich Urtika-
Symptome und Diagnose. Die klinische Symptomatik besteht in Haut- und Schleimhautreaktionen bis zu Ödembildung, Bronchospastik, Hypotension bis zum Kreislaufstillstand sowie Störungen der Darmmotorik. Hinzu kommen zentralnervöse Symptome.
ria, Erythem und Ödem. An der Lunge führen die verschiedenen Mediatoren zur Bronchokonstriktion bis hin zum Status asthmaticus mit begleitender respiratorischer Insuffizienz. Die Kreislaufsymptomatik variiert von leichter Hypotension über Schock bis hin zum Herz-Kreislauf-Stillstand. Im Gastrointestinaltrakt führt die Permeabilitätserhöhung zu einer Verstärkung der Hypovolämie. Über Stimulation der Histaminrezeptoren wird die Darmmotorik gesteigert (Harn- bzw. Stuhldrang, Blasenentleerung, Defäkation, Uteruskrämpfe). Zentralvenöse Symptome sind Unruhe, zerebrale Krämpfe, Somnolenz bis hin zur Bewusstlosigkeit. n Merke. Bei fulminantem Verlauf eines anaphylaktischen Schocks kann primär ein Kreislaufstillstand eintreten, ohne dass zuvor kutane oder pulmonale Reaktionen zu beobachten wären.
Therapie. Einfache klinische Kriterien ermöglichen eine schnelle Orientie-
rung über die Schwere der Reaktion und erleichtern den frühzeitigen Beginn einer adäquaten Therapie ( 2 A-5.5). Für das Therapiekonzept spielt die Unterscheidung zwischen immunologisch bedingten und nicht immunologisch bedingten Reaktionen keine Rolle. Die Therapie richtet sich nach dem vorliegenden Stadium und den im jeweiligen Stadium vorherrschenden Organfunktionsstörungen. n Merke. Die Unterbrechung der Zufuhr des auslösenden Agens muss als erste Maßnahme erfolgen.
Schon im Stadium I sollte man bei drohender Progredienz der Symptomatik einen großlumigen Venenzugang anlegen. Die Volumentherapie mittels Plasmaersatz- oder Elektrolytlösungen muss frühzeitig begonnen werden. Sauerstoffzufuhr über Maske bei erhaltener, unbehinderter Spontanatmung oder nach erfolgter Intubation ist obligat. Sollte der Pharynx durch massive Ödembildung verlegt sein, kann zum Sichern der Atemwege eine Koniotomie notwendig werden. H1-Rezeptorantagonisten (z.B. Clemastin, Dimetinden) und H2-Rezeptorantagonisten (z.B. Cimetidin, Famotidin), blockieren die Histaminwirkung. Die Kombination beider Substanzgruppen kommt sowohl in der Prävention als auch in der Therapie anaphylaktisch-anaphylaktoider Reaktionen zur Anwendung. Glukokortikoide sind spezifisch als Inhibitoren einer immunologischen Reaktion (Hemmung der IgE-induzierten Histamin- und Arachidonsäureli-
Auslösende Agenzien einer anaphylaktisch-anaphylaktoiden Reaktion können sein: π Medikamente π Blutprodukte, Antisera π Kontrastmittel π Nahrungsmittel π tierische und pflanzliche Stoffe.
Merke
Therapie. Sie richtet sich nach dem Schweregrad der Symptomatik ( 2 A-5.5).
Merke
Neben Volumentherapie und Sauerstoffzufuhr kommen im Stadium I und II Histaminrezeptorantagonisten, Glukokortikoide, b -Mimetika und Theophyllin zur Anwendung.
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5 Schock
2 A-5.5
Stadieneinteilung, Symptomatik und Therapie anaphylaktisch-anaphylaktoider Reaktionen
Stadieneinteilung und Symptomatik Stadium
Symptomatik
Maßnahmen in der Akuttherapie anaphylaktisch-anaphylaktoider Reaktionen bei kutaner Reaktion
0
lokal
lokal begrenzte kutane Reaktion
I
leichte Allgemeinreaktion
disseminierte kutane Reaktion, Schleimhautreaktion, Allgemeinreaktion
H 1 - und H 2 -Antagonisten (Glukokortikoide; bei bekannter Disposition)
II ausgeprägte Allgemeinreaktion
Hypotonie, Luftnot, Harnund Stuhldrang
H 1 - und H 2 -Antagonisten (Glukokortikoide bei bekannter Disposition)
III bedrohliche Allgemeinreaktion
Schock, Bronchospastik mit Dyspnoe, Bewusstseinstrübung
IV vital bedrohliches Organversagen
Atem- und Kreislaufstillstand
In der medikamentösen Therapie des anaphylaktischen Schocks ist Adrenalin das Medikament erster Wahl. Es führt über Stimulation von a -Rezeptoren zur Vasokonstriktion und über die b -mimetische Wirkung zur Bronchodilatation. In der weiteren Kreislauftherapie kann es mit Dopamin kombiniert werden, bei fehlender Kreislaufstabilisierung auch mit Noradrenalin.
bei pulmonaler Reaktion
bei Herz-Kreislauf-Reaktion
bei Progredienz der Symptomatik
i.v. Zugang, Sauerstoff, Glukokortikoide i.v. i.v. Zugang, Sauerstoff 1. b -Mimetika inhalativ 2. Glukokortikoide i.v.
i.v. Zugang, Sauerstoff 1. Ringer-Laktat 2. Kolloide
Kortikoide i.v. Adrenalin i.v.,
i.v. Zugang, Sauerstoff 1. b -Mimetika/ Adrenalin inhalativ 2. Glukokortikoide i.v. 3. Theophyllin i.v.
i.v. Zugang, Sauerstoff 1. Kolloide 2. Ringer-Laktat 3. Katecholamine (Adrenalin, Dopamin i.v.)
nach 1 mg Adrenalin: 1. Noradrenalin 2. H 1 - und H 2 Antagonisten
Reanimation allgemeine Maßnahmen π Adrenalin, Dopamin (Noradrenalin) π Volumentherapie
Reanimation π allgemeine Maßnahmen π Adrenalin, Dopamin (Noradrenalin) π Volumentherapie
π
beration) und unspezifisch »membranstabilisierend« und antiödematös wirksam. Sie werden in hoher Dosierung (500–1000 mg) i.v. appliziert. Da die spezifische Wirkung frühestens nach 1–2 Stunden klinisch bedeutsam wird, müsste der prophylaktische Einsatz frühzeitig, d.h. einige Stunden vor der Exposition, erfolgen. In der Akuttherapie der anaphylaktisch-anaphylaktoiden Reaktion ist die antiödematöse Wirkung vorrangig, die mit einer Latenz von 10–30 Minuten einsetzt. b-Mimetika (z.B. Fenoterol, Salbutamol, Terbutalin) werden bei Auftreten einer Bronchospastik im Stadium II und III als Aerosole gegeben. Theophyllin ist in seiner Anwendung bei anaphylaktisch-anaphylaktoiden Reaktionen auf die adjuvante Therapie der Bronchospastik begrenzt. Man beginnt mit einer Dosis von 5 mg/kg KG und setzt die Therapie, falls erforderlich, mit 10 mg/kg KG über 24 Stunden fort. Die Nebenwirkungen bei Entwicklung einer Tachykardie begrenzen die Dosis. Katecholamine kommen im anaphylaktischen Schock (Stadium III der anaphylaktisch-anaphylaktoiden Reaktion) zur Anwendung. Das Medikament erster Wahl ist Adrenalin. Es führt über eine Stimulation der a-Rezeptoren zur Vasokonstriktion und über die b-mimetische Wirkung zur Bronchodilatation. Sein Einsatz ist bei zunehmender Hypotension schon im Stadium II indiziert (fraktioniert 0,5–1 mg mit 0,1 mg/min). Vor Anlage eines Venenzuganges kann Adrenalin zur Schocktherapie auch direkt über einen Endotrachealtubus verdünnt in die Trachea gegeben werden. In der weiteren Kreislauftherapie kann Adrenalin mit Dopamin (4–8 mg/kg KG/min) kombiniert
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5.4.4 Kardiogener Schock werden. Ist durch Adrenalin oder Dopamin keine Kreislaufstabilisierung zu erzielen, empfiehlt sich nach spätestens 10 Minuten zusätzlich der Einsatz von Noradrenalin. n Merke. Kalzium i.v. ist bei systemischen anaphylaktisch-anaphylaktoiden Reaktionen nicht indiziert.
Merke
Kalzium kann im Schock unter hochdosierter Adrenalintherapie Myokardkontraktur, irreversibles Kammerflimmern und eine Verstärkung der zerebralen Minderperfusion verursachen. Angesichts dieser potenziell gefährlichen Folgen muss von einer Anwendung von Kalzium dringend abgeraten werden.
5.4.4
Kardiogener Schock
n Definition. Dem kardiogenen Schock liegt eine direkte oder indirekte Beeinträchtigung der Pumpfunktion des Herzens zugrunde. Ursächlich sind kardiale oder extrakardiale Faktoren.
Pathophysiologie. Im kardiogenen Schock liegt eine ausgeprägte Ein-
schränkung der Kontraktilität des Myokards (z.B. Myokardinfarkt) oder eine Behinderung der Ventrikelfüllung oder des Auswurfes (z.B. Perikardtamponade, Lungenembolie) vor. Bei vielen Menschen ist die Kompensationsmöglichkeit eines erhöhten myokardialen Sauerstoffverbrauchs infolge koronarer Herzkrankheiten stark eingeschränkt; es kommt rasch zu einem Sauerstoffdefizit der Herzmuskelzelle. Wird die bestehende Sauerstoffimbalance des Myokards nicht innerhalb kurzer Zeit ausgeglichen, werden weitere Anteile kontraktilen Gewebes geschädigt, und das kardiogene Kreislaufversagen wird therapierefraktär. Der kardiogene Schock wird durch einen Circulus vitiosus unterhalten: Myokardischämie, Kontraktilitätsstörung, Blutdruckabfall, Abnahme der Koronardurchblutung und Zunahme der Ischämie. n Merke. Der akute Myokardinfarkt ist die häufigste Ursache des kardiogenen Schocks (10–15 % aller Infarktpatienten).
5.4.4
Kardiogener Schock
Definition
Pathophysiologie. Dem kardiogenen Schock liegt eine Einschränkung der myokardialen Kontraktilität, eine Behinderung der ventrikulären Füllung oder eine Behinderung des Auswurfes zugrunde.
Merke
Bei chirurgischen Patienten ist die akute, massive Lungenembolie meist im Gefolge einer tiefen Becken-Beinvenenthrombose eine häufige Ursache für die Entwicklung eines kardiogenen Schocks. Ein Fünftel aller postoperativen Todesfälle wird durch eine Lungenembolie verursacht. Frühzeitige Diagnose und sofortige Therapie können die Letalität der schweren Lungenembolie von 40 % auf 8 % senken. Im kardiogenen Schock ist das Herzzeitvolumen drastisch reduziert, und es kommt zu einer exzessiven sympathoadrenergen Gegenregulation mit frühzeitiger Kreislaufzentralisation.
Bei chirurgischen Patienten ist die akute, massive Lungenembolie eine häufige Ursache für einen kardiogenen Schock.
Symptome und Diagnose. Das klinische Bild zeigt die klassische Sympto-
Symptome und Diagnose. Klinische Symptome sind: π Somnolenz π blasszyanotische und kaltschweißige Haut π Tachyarrhythmie mit geringer Pulsamplitude (selten auch Bradykardie) π Oligurie oder Anurie. Hämodynamische und laborchemische Kriterien sind: 2 π CI < 2 l/min/m π PCWP > 20 mmHg π ZVD > 15 mmHg π EF < 35 %
matik des Schocks. Der Patient ist somnolent, die Haut blasszyanotisch und kaltschweißig. Es liegt oft eine Tachykardie oder Tachyarrhythmie mit Herzfrequenzen deutlich >100/min (seltener auch Bradykardie) bei fadenförmigem, kaum tastbarem Puls mit geringer Blutdruckamplitude vor. Dem Schockzustand geht häufig ein akutes Schmerzereignis mit Vernichtungsgefühl als Ausdruck eines Myokardinfarktes oder einer Lungenembolie voraus. Der Patient ist oligurisch (Urinmenge < 20 ml/h) oder anurisch. Ausdruck der gestörten Pumpleistung des Herzens sind ein erniedrigter Herzindex (CI) < 2 l/min/m2, ein ZVD > 15 mmHg, ein pulmonalkapillarer Verschlussdruck (PCWP) > 20 mmHg und eine Ejektionsfraktion (EF) < 35 %. Der totale periphere Gefäßwiderstand (TPR) ist deutlich erhöht. Die Messung erfolgt über einen Pulmonalarterienkatheter. Laborchemisch liegt eine
Das HZV ist drastisch reduziert. Durch eine exzessive sympathoadrenerge Gegenregulation setzt frühzeitig eine Zentralisation ein.
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91
5.4.4 Kardiogener Schock werden. Ist durch Adrenalin oder Dopamin keine Kreislaufstabilisierung zu erzielen, empfiehlt sich nach spätestens 10 Minuten zusätzlich der Einsatz von Noradrenalin. n Merke. Kalzium i.v. ist bei systemischen anaphylaktisch-anaphylaktoiden Reaktionen nicht indiziert.
Merke
Kalzium kann im Schock unter hochdosierter Adrenalintherapie Myokardkontraktur, irreversibles Kammerflimmern und eine Verstärkung der zerebralen Minderperfusion verursachen. Angesichts dieser potenziell gefährlichen Folgen muss von einer Anwendung von Kalzium dringend abgeraten werden.
5.4.4
Kardiogener Schock
n Definition. Dem kardiogenen Schock liegt eine direkte oder indirekte Beeinträchtigung der Pumpfunktion des Herzens zugrunde. Ursächlich sind kardiale oder extrakardiale Faktoren.
Pathophysiologie. Im kardiogenen Schock liegt eine ausgeprägte Ein-
schränkung der Kontraktilität des Myokards (z.B. Myokardinfarkt) oder eine Behinderung der Ventrikelfüllung oder des Auswurfes (z.B. Perikardtamponade, Lungenembolie) vor. Bei vielen Menschen ist die Kompensationsmöglichkeit eines erhöhten myokardialen Sauerstoffverbrauchs infolge koronarer Herzkrankheiten stark eingeschränkt; es kommt rasch zu einem Sauerstoffdefizit der Herzmuskelzelle. Wird die bestehende Sauerstoffimbalance des Myokards nicht innerhalb kurzer Zeit ausgeglichen, werden weitere Anteile kontraktilen Gewebes geschädigt, und das kardiogene Kreislaufversagen wird therapierefraktär. Der kardiogene Schock wird durch einen Circulus vitiosus unterhalten: Myokardischämie, Kontraktilitätsstörung, Blutdruckabfall, Abnahme der Koronardurchblutung und Zunahme der Ischämie. n Merke. Der akute Myokardinfarkt ist die häufigste Ursache des kardiogenen Schocks (10–15 % aller Infarktpatienten).
5.4.4
Kardiogener Schock
Definition
Pathophysiologie. Dem kardiogenen Schock liegt eine Einschränkung der myokardialen Kontraktilität, eine Behinderung der ventrikulären Füllung oder eine Behinderung des Auswurfes zugrunde.
Merke
Bei chirurgischen Patienten ist die akute, massive Lungenembolie meist im Gefolge einer tiefen Becken-Beinvenenthrombose eine häufige Ursache für die Entwicklung eines kardiogenen Schocks. Ein Fünftel aller postoperativen Todesfälle wird durch eine Lungenembolie verursacht. Frühzeitige Diagnose und sofortige Therapie können die Letalität der schweren Lungenembolie von 40 % auf 8 % senken. Im kardiogenen Schock ist das Herzzeitvolumen drastisch reduziert, und es kommt zu einer exzessiven sympathoadrenergen Gegenregulation mit frühzeitiger Kreislaufzentralisation.
Bei chirurgischen Patienten ist die akute, massive Lungenembolie eine häufige Ursache für einen kardiogenen Schock.
Symptome und Diagnose. Das klinische Bild zeigt die klassische Sympto-
Symptome und Diagnose. Klinische Symptome sind: π Somnolenz π blasszyanotische und kaltschweißige Haut π Tachyarrhythmie mit geringer Pulsamplitude (selten auch Bradykardie) π Oligurie oder Anurie. Hämodynamische und laborchemische Kriterien sind: 2 π CI < 2 l/min/m π PCWP > 20 mmHg π ZVD > 15 mmHg π EF < 35 %
matik des Schocks. Der Patient ist somnolent, die Haut blasszyanotisch und kaltschweißig. Es liegt oft eine Tachykardie oder Tachyarrhythmie mit Herzfrequenzen deutlich >100/min (seltener auch Bradykardie) bei fadenförmigem, kaum tastbarem Puls mit geringer Blutdruckamplitude vor. Dem Schockzustand geht häufig ein akutes Schmerzereignis mit Vernichtungsgefühl als Ausdruck eines Myokardinfarktes oder einer Lungenembolie voraus. Der Patient ist oligurisch (Urinmenge < 20 ml/h) oder anurisch. Ausdruck der gestörten Pumpleistung des Herzens sind ein erniedrigter Herzindex (CI) < 2 l/min/m2, ein ZVD > 15 mmHg, ein pulmonalkapillarer Verschlussdruck (PCWP) > 20 mmHg und eine Ejektionsfraktion (EF) < 35 %. Der totale periphere Gefäßwiderstand (TPR) ist deutlich erhöht. Die Messung erfolgt über einen Pulmonalarterienkatheter. Laborchemisch liegt eine
Das HZV ist drastisch reduziert. Durch eine exzessive sympathoadrenerge Gegenregulation setzt frühzeitig eine Zentralisation ein.
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92 π π π
TPR > 2200 dyn « s « cm—5 Laktat > 3 mmol/l Hypokapnie, arterielle Hypoxie.
Therapie. Die Therapieziele im kardiogenen Schock sind: HZV-Steigerung, Sicherung des koronaren Perfusionsdrucks und Senkung der Herzarbeit.
Merke
An erster Stelle der Therapie steht die Sauerstoffzufuhr.
Die Kombination von Katecholaminen und Vasodilatatoren sowie der Einsatz von Phosphodiesterasehemmern (Inodilatoren) sind zur Stabilisierung des Kreislaufes geeignet.
Merke
Tachykarde und bradykarde Herzrhythmusstörungen sollten behandelt werden. Zur Senkung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs ist die ausreichende Analgesie und Sedierung wichtig (vorsichtig titrieren aufgrund hämodynamischer und respiratorischer Nebenwirkungen!).
Als kausale Ansätze der Therapie kommen die Lyse von Thromben und operative Verfahren zur Anwendung.
5 Schock schwere metabolische Azidose mit arterieller Hypoxie, Hypokapnie und einem pH < 7,25 vor. Der Laktatwert im Serum beträgt > 3 mmol/l.
Therapie. Die Ziele der Therapie des kardiogenen Schocks sind Erhöhung
des HZV, Sicherung eines ausreichenden koronaren Perfusionsdrucks (Steigerung des myokardialen O2-Angebotes) und Senkung der Herzarbeit (Senken des myokardialen O2-Verbrauchs). Die Herzfrequenz sollte um 100/min liegen. Die Vorlast des Herzens (Preload) sollte optimiert und der periphere Gefäßwiderstand (Afterload) gesenkt werden. Zugleich muss die sympathoadrenerge Reaktion gedämpft werden. Der Sauerstoffgehalt des Blutes sollte im hochnormalen Bereich liegen. n Merke. Beim kardiogenen Schock ist die primäre Volumensubstitution in der Regel kontraindiziert. Eine Volumengabe in der weiteren Therapie darf nur vorsichtig unter engmaschigem Monitoring erfolgen.
Als erste Maßnahme wird dem Patienten Sauerstoff über eine Maske (6–10 l/min) oder nach endotrachealer Intubation in hoher Konzentration (initial 100 %) über ein Beatmungsgerät zugeführt. Liegen Stauungszeichen vor, so ist eine Oberkörperhochlagerung von 20 Ω–30 Ω hilfreich. Durch Vasodilatatoren (z.B. Nitrate, Nifedipin) kann über eine Senkung des peripheren Gefäßwiderstandes die Herzarbeit durch Abnahme des Sauerstoffverbrauches vermindert werden. Unter dieser Therapie ist die kontinuierliche, blutige Messung des arteriellen Blutdruckes und des pulmonalkapillaren Verschlussdruckes (PCWP) erforderlich. n Merke. Der über den Pulmonalarterienkatheter gemessene PCWP ermöglicht durch seine enge Korrelation mit dem linken Vorhofdruck eine gute Aussage über das Preload.
Die Gabe von Vasodilatatoren wird mit der Applikation von Katecholaminen (z.B. Dopamin, Dobutamin) kombiniert. Auch die Anwendung von Inodilatoren, den Phosphodiesterasehemmern (z.B. Amrinon, Enoximon, Milrinon u.a.) kommt in Frage, deren Wirkung in einer Kombination aus positiver Inotropie mit pulmonaler und peripherer Vasodilatation besteht. Digitalis hat in der Akuttherapie des kardiogenen Schocks nur eine Indikation in der Behandlung einer Tachyarrhythmia absoluta. Tachykarde wie auch bradykarde Rhythmusstörungen sollten korrigiert werden (Kardioversion, Antiarrhythmika, Vagolytika, Schrittmacheranlage u.a.). Analgesie und Sedierung dienen der Senkung des gesamten und myokardialen Sauerstoffverbrauchs. Sie erfolgen in erster Linie durch synthetische, stark wirksame Opioide (z.B. Piritramid oder Fentanyl) und Benzodiazepine (z.B. Midazolam). Die jeweilige Dosis muss nach Wirkung unter kontinuierlichem hämodynamischem Monitoring vorsichtig titriert werden. Zur kurzfristigen Überbrückung eines therapierefraktären Herzversagens werden intra- und extrakorporale Unterstützungssysteme eingesetzt (z.B. intraaortale Ballonpumpe, Kunstherz u.a.). Kausale Therapie. Wenn möglich, wird der kardiogene Schock parallel zur symptomatischen Therapie auch kausal therapiert. Kausale Therapieansätze stellen bei einem Myokardinfarkt die Lysetherapie, bei einer akuten Lungenembolie die Lyse oder die pulmonalarterielle Thrombektomie, bei einer Perikardtamponade die Entlastung durch Punktion oder Dränage dar. Bei einem akut dekompensierten Herzklappenvitium kann der sofort durchgeführte Herzklappenersatz lebensrettend sein.
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93
5.4.5 Seltene Schockformen 5.4.5
Seltene Schockformen
5.4.5 Seltene Schockformen
Neurogener Schock
Neurogener Schock
Pathophysiologie und Symptome. Der neurogene Schock wird durch eine Läsion der vegetativen Zentren der Medulla oblongata ausgelöst, die für die zentrale Steuerung des Herz-Kreislauf-Systems verantwortlich sind. Das medulläre Vasomotorenzentrum, dessen aktivierende Impulse über sympathische Bahnen zu den Gefäßen und zum Herzen verlaufen, ist in seiner Funktion gestört. Der Schädigung können Blutungen im Bereich des Hirnstammes im Rahmen von Schädel-Hirn-Traumata oder Gefäßschäden, Ödembildung (lokal oder generalisiert) oder infiltratives oder komprimierendes Tumorwachstum zugrunde liegen. Die Kreislaufsituation im neurogenen Schock ist gekennzeichnet durch eine Erniedrigung des Gefäßtonus im arteriellen wie im venösen Schenkel (Sympathikolyse) mit Reduktion des Herzminutenvolumens bei stabiler oder nur leicht erhöhter Herzfrequenz. Dies ist der wesentliche Unterschied zu anderen Schockformen mit erniedrigtem Gefäßwiderstand (anaphylaktischer Schock, septischer Schock). Die myokardiale Kontraktilität ist als Folge der Sympathikolyse reduziert.
Pathophysiologie und Symptome. Der neurogene Schock wird durch eine Schädigung des Kreislaufzentrums des Hirnstammes ausgelöst. Ursächlich für eine Läsion in diesem Bereich sind Blutungen, Ödembildung oder Tumoren.
Therapie. Bei Vorliegen eines Hirnödems mit Bewusstseinseinschränkung werden frühzeitig Intubation und kontrollierte Beatmung durchgeführt. Gleichzeitig wird mit einer Osmotherapie zur Abschwellung des Gehirngewebes begonnen. Eingesetzt wird hierzu eine 20 %ige Mannitlösung in der Dosierung von 3–6 « 125 ml unter Kontrolle des intrakraniellen Drucks. Bietet der Patient Zeichen des erhöhten intrakraniellen Drucks, erfolgt die kontinuierliche Hirndrucküberwachung mittels einer intrakraniellen Sonde. Das Monitoring der zerebralen Sauerstoffversorgung kann ergänzend durch die jugularvenöse Sauerstoffsättigungsmessung vorgenommen werden. Alle weiteren Maßnahmen zur Schocktherapie unterscheiden sich nicht von denen der Therapie des Schocks im Allgemeinen. Sind Tumor oder Blutung die Ursache des Schocks, erfolgt soweit möglich eine operative Entlastung.
Therapie. Ein Hirnödem wird durch entwässernde und hirndrucksenkende Maßnahmen behandelt, ein Tumor oder eine Blutung werden durch operative Entlastung therapiert.
Spinaler Schock
Spinaler Schock
Pathophysiologie und Symptome. Eine Sonderform des neurogenen
Der spinale Schock entwickelt sich durch eine komplette Schädigung des Rückenmarks.
Schocks ist der spinale Schock. Er entwickelt sich im Rahmen eines Rückenmarkstraumas, wenn eine komplette Schädigung des Rückenmarkes vorliegt. Durch Sympathikusdenervation distal der Läsion tritt eine Dilatation der Kapazitätsgefäße sowie der Arteriolen ein. Klinisch imponieren eine Hypotension, die sich bei Aufrichten des Oberkörpers verstärkt, eine Bradykardie, manchmal verbunden mit AV-Blockierungen, und mit zunehmender Dauer ein Abfall der Körperkerntemperatur. Bei Schädigung des Rückenmarkes in Höhe C3–C5 kommt es durch Funktionsausfall der Nn. phrenici zu schweren Atemfunktionsstörungen (Ausfall der Zwerchfellatmung).
Die Kreislaufsituation ist gekennzeichnet durch einen Abfall des peripheren Gefäßwiderstandes mit eingeschränkter myokardialer Kontraktilität bei normaler Herzfrequenz.
Alle Therapiemaßnahmen des Schocks im Allgemeinen kommen zur Anwendung.
Er ist gekennzeichnet durch Hypotension, Bradykardie und Hypothermie.
Eine Schädigung in Höhe von C3–C5 führt zu respiratorischer Insuffizienz.
Therapie. Die allgemeinen Therapiemaßnahmen im Schock (Sicherung der
Ventilation, Sauerstoffgabe, Volumensubstitution und Gabe von vasoaktiven Medikamenten) kommen zum Einsatz.
Therapie. Die allgemeinen Therapiemaßnahmen im Schock kommen zum Einsatz.
Endokriner Schock
Endokriner Schock
Pathophysiologie. Endokrin-metabolische Krisen durch Funktionsausfall
Pathophysiologie. Endokrin-metabolische Krisen mit dominierender Schocksymptomatik liegen vor bei: π Addison-Krise π akuter Hypophysenvorderlappeninsuffizienz. Folgende endokrin-metabolische Krisen führen erst später zu einer akzessorischen Schocksymptomatik: π Coma diabeticum
eines oder mehrerer endokriner Organe können primär zu einer Schocksymptomatik führen. Krisen mit dominierender Schocksymptomatik sind: π akute Nebennierenrindeninsuffizienz (Addison-Krise) π akute Hypophysenvorderlappeninsuffizienz. Bei der Mehrzahl der endokrin-metabolischen Krisen tritt ein Schock erst im späteren Verlauf als akzessorische Schocksymptomatik ein. Dies gilt für folgende Störungen: π ketoazidotisches oder hyperosmolares Coma diabeticum
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94 π π π π
thyreotoxische Krise Cushing-Syndrom Diabetes insipidus akuter Hypoparathyreoidismus.
5 Schock π π π π
thyreotoxische Krise akutes Cushing-Syndrom Diabetes insipidus akuter Hypoparathyreoidismus.
Symptome und Therapie. Die Symptomatik wird durch Hypotonie und Hypovolämie bestimmt. Die Therapie erfolgt durch Hormonsubstitution oder -blockade und symptomatische Schockbehandlung.
Symptome und Therapie. Neben metabolischen Veränderungen stehen die
Intoxikationsschock
Intoxikationsschock
Pathophysiologie und Symptome. Medikamentenintoxikationen durch Barbiturate, Narkotika oder Tranquilizer führen zu Myokarddepression, Ateminsuffizienz mit arterieller Hypoxie und Hypovolämie.
Pathophysiologie und Symptome. Intoxikationen zeichnen sich durch
CO und Zyanid führen über Störungen des Sauerstofftransportes bzw. der -verwertung zum Schock.
Merke
Therapie. Sie erfolgt durch Entgiftung, Beatmung, Volumensubstitution und Gabe von vasoaktiven und positiv inotropen Medikamenten.
schwer beherrschbare Hypotonie und eine meist ausgeprägte Hypovolämie im Vordergrund. Die Therapie erfolgt kausal durch Hormonsubstitution oder -blockade in Verbindung mit einer symptomatischen Schocktherapie.
unterschiedliche pathophysiologische Angriffspunkte aus. So führt die Zufuhr hoher Dosen von Barbituraten, Narkotika oder Tranquilizern zur Myokarddepression mit Abfall des Herzzeitvolumens. Eine Lähmung des Atemzentrums (häufig bei Opioid- oder Barbituratintoxikationen) kann zu einer die Schocksymptomatik drastisch verstärkenden arteriellen Hypoxie führen. Tritt eine medikamentös bedingte Darmatonie ein, kommt es über eine Sequestration von Flüssigkeit zu einer absoluten Hypovolämie. Diese nimmt mit Steigerung der Kapillarpermeabilität in druckgeschädigten Körperzonen bei längerem Liegen und durch Flüssigkeitsverluste infolge Erbrechens verbunden mit fehlender Flüssigkeitszufuhr in der Zeit zwischen Medikamenteneinnahme und Auffinden des Patienten zu. Bei Vergiftung durch Kohlenmonoxid liegt der Schockentwicklung eine verminderte Sauerstofftransportkapazität durch Hb-gebundenes CO zugrunde, bei der Zyanidvergiftung eine Hemmung der Sauerstoffutilisation der Zelle durch Blockade der Zytochromoxidase in den Mitochondrien. n Merke. Der Verlauf der Schocksymptomatik ist abhängig von der Substanz, mit der die Intoxikation herbeigeführt wurde, von der Dosis, die aufgenommen wurde, von der Zeit zwischen Aufnahme des Giftes und Therapiebeginn sowie von Organvorschäden.
Therapie. Grundlagen der Therapie sind die zügige Entgiftung (Magenspülung, forcierte Diurese, Hämodialyse, Hämoperfusion, Antidotgabe), die symptomatische Behandlung einer Ateminsuffizienz durch kontrollierte Beatmung sowie die Kreislauftherapie durch Volumensubstitution und Gabe von vasoaktiven und positiv inotropen Medikamenten (Katecholamine).
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Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz
6
Perioperativer Flüssigkeitsund Volumenersatz
6.1
Flüssigkeitstherapie
Reni Ellerbeck 6.1
Flüssigkeitstherapie
6.1.1
Wasser- und Elektrolythaushalt
6.1.1 Wasser- und Elektrolythaushalt
Wasserhaushalt
Wasserhaushalt
Der prozentuale Wassergehalt eines Mannes mittleren Alters schwankt bei unterschiedlichem Depotfettanteil von 40 % (sehr adipös) bis 65 % (mager). Der prozentuale Wassergehalt bei Frauen ist, durch den höheren Depotfettanteil bedingt, etwas geringer. Das Gesamtkörperwasser verteilt sich auf verschiedene Kompartments, zwei Drittel sind im Intrazellulärraum (IZR), ein Drittel ist im Extrazellulärraum (EZR) gebunden. Während sich im IZR die Stoffwechselvorgänge der Zellen abspielen, gilt der EZR als Transportmedium und Vermittler zwischen den Zellen und der Außenwelt. Den EZR unterteilen wir dabei in 3 Kompartments, den intravasalen (Blut- und Lymphgefäßsystem), interstitiellen und transzellulären Raum ( 1 A-6.1). Der intravasale Anteil entspricht dem Plasmavolumen (Blutvolumen minus Erythrozytenvolumen gleich Plasmavolumen) und beträgt etwa ein Fünftel des EZR. Das interstitielle Kompartment (ca. vier Fünftel des EZR) dient dabei als Volumenpuffer des Intravasalraumes. Der transzelluläre Anteil umfasst die Flüssigkeiten in den Hohlräumen des Organismus wie Liquor cerebrospinales, Gallenflüssigkeit und Flüssigkeiten im Magen-Darm-Trakt, wobei die Flüssigkeitssekretion in den Magen-Darm-Trakt mit ca. 8 l/Tag den größten Teil ausmacht. Dieser Teil wird jedoch fast vollständig wieder rückresorbiert. Bei einigen Krankheiten nimmt dieses sonst zu vernachlässigende 3. Kompartment erheblich zu. Beispiele hierfür sind Ileus, Aszites und Pleuraergüsse. Eine Wasserbilanz des menschlichen Körpers können wir erstellen, indem wir Einfuhr und Ausfuhr miteinander vergleichen ( 2 A-6.1). Bei der Einfuhr müssen neben der Aufnahme durch Getränke noch versteckte Flüssigkeiten in den Nahrungsmitteln und das sogenannte Oxidationswasser (Entstehung durch Oxidation von Wasserstoff bei den Stoffwechselvorgängen) berücksichtigt werden. Die durchschnittliche Wassereinfuhr eines Erwachsenen beträgt ca. 2,5 l und setzt sich wie folgt zusammen: Getränke ca. 1 100 ml, Speisen 1100 ml und Oxidationswasser ca. 300 ml.
Der Wasserhaushalt eines Menschen schwankt zwischen 40 und 60 % der Gesamtkörpermasse.
1 A-6.1
Das Gesamtkörperwasser teilt sich in verschiedene Kompartments auf: π Intrazellulärraum (IZR): enthält 2 ⁄ 3 des Gesamtkörperwassers π Extrazellulärraum (EZR): enthält 1 ⁄ 3 des Gesamtkörperwassers Der EZR wird unterteilt in 3 Kompartments ( 1 A-6.1): π intravasaler Raum (ein Fünftel des EZR) π interstitieller Raum (vier Fünftel des EZR) π transzellulärer Raum (zu vernachlässigen).
Die durchschnittliche Wasserzufuhr/ Tag (2,5 l) setzt sich wie folgt zusammen: Getränke 1100 ml, Speisen 1100 ml, Oxidationswasser 300 ml.
Synopsis Verteilung des Gesamtkörperwassers
Gesamtkörperwasser
Intrazellulärraum (2/3)
Extrazellulärraum (1/3)
intravasal (1/5 EZR)
interstitiell (4/5 EZR)
transzellulär (zu vernachlässigen)
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96 Der Wasserverlust/Tag ergibt sich aus: 1500 ml über die Niere, 500 ml über die Lunge, 300 ml über die Haut, 200 ml über den Darm ( 2 A-6.1). Verluste über Lunge und Haut werden als Perspiratio insensibilis bezeichnet.
6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz Der menschliche Körper verliert Flüssigkeiten nicht nur über Niere und Darm, sondern auch durch Lunge und Haut (Perspiratio insensibilis). In 24 Stunden werden durchschnittlich 1 500 ml über die Niere, 500 ml über die Lunge, 300 ml über die Haut und ca. 200 ml über den Darm abgegeben, sodass wir im Normalfall von einer ausgeglichenen Flüssigkeitsbilanz ausgehen können.
2 A-6.1
Tägliche Wasserbilanz des menschlichen Körpers
N Wassereinfuhr n davon als
π π π
N Wasserverluste n über
π π π π
Elektrolythaushalt Im menschlichen Körper sind im Wesentlichen folgende Elektrolyte vorhanden: π Kationen: Natrium, Kalium, Kalzium, Magnesium π Anionen: Chlorid, Hydrogenkarbonat und -phosphat, Sulfat, Proteine, organische Säureanionen. Die Verteilung der Elektrolyte in den Kompartments zeigt 1 A-6.2.
Getränke Speisen Oxidationswasser
ca. 2 500 ml ca. 1100 ml ca. 1100 ml ca. 300 ml
Niere Lunge Haut Darm
ca. 2 500 ml ca. 1500 ml ca. 500 ml ca. 300 ml ca. 200 ml
Elektrolythaushalt Im menschlichen Körper sind im Wesentlichen folgende Elektrolyte vorhanden: π Kationen: Natrium, Kalium, Kalzium und Magnesium π Anionen: Chlorid, Hydrogenkarbonat und -phosphat, Sulfat, Proteine und organische Säureanionen wie z.B. Acetat, Pyruvat und Laktat. Die Verteilung der verschiedenen Elektrolyte in den einzelnen Kompartments ist in 1 A-6.2 zu sehen.
1 A-6.2
Synopsis Verteilung der Kationen und Anionen in den einzelnen Kompartments des menschlichen Körpers
mval/l
180
Na+ K+ Ca2+ Mg2+
HCO3– Cl– HPO42– (H2PO4–) 2– SO4
160
HCO3– 24
140
organische Säuren Protein HCO3–
HCO3– 27
120 K+
HPO42– H2PO4–
100
80
Na+ 142
Cl– 104
Na+ 146
60
Cl– 117
SO42–
Mg2+
40
Protein
20
+
Ca2+
Na
Protein 15
0 Plasma mval/l
interstitielle Flüssigkeit mval/l
Extrazellulärraum (EZR)
zelluläre Flüssigkeit mval/l Intrazellulärraum (IZR)
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6.1.1 Wasser- und Elektrolythaushalt
97
Im Extrazellulärraum sind vorwiegend Natrium, Chlorid und Hydrogenkarbonat zu finden. Die zelluläre Flüssigkeit beinhaltet im wesentlichen Kalium (160 mval/kg), Magnesium (26 mval/kg), Phosphat (100 mval/kg) und Proteine (65 mval/kg).
Im EZR sind vorwiegend Natrium, Chlorid und Hydrogenkarbonat zu finden. Die zelluläre Flüssigkeit beinhaltet im wesentlichen Kalium, Magnesium, Phosphat und Proteine.
Natrium
Natrium
Natrium befindet sich zu 98 % im EZR und zu 2 % im IZR. Es ist für die Osmolarität und das Volumen des EZR verantwortlich. Die Plasmakonzentration beträgt 135–150 mmol/l. Bei schneller Veränderung der Natriumplasmakonzentration verändert sich der IZR durch Wasserentzug oder -aufnahme. Es können sowohl Dehydratationen (hyper- und hypoton) als auch Hyperhydratationen (hyper- und hypoton) entstehen. Das Natriumion ist von großer Bedeutung für das Aktionspotenzial des Herzens, der Nerven und der Muskulatur. Über die Na+/K+-ATPase regelt es auch den Ein- und Ausstrom von Ionen in die Zellen. Die Ausscheidung des Natriums erfolgt zu 95 % über die Nieren.
Natrium ist vorwiegend im EZR zu finden. Die Plasmakonzentration beträgt 135–150 mmol/l. Es hat wesentliche Bedeutung für die Regulations des Wasserhaushalts und für das Aktionspotenzial des Herzens, der Nerven und der Muskulatur.
Kalium
Kalium
Kalium befindet sich im Gegensatz zum Natrium zu 98 % intrazellulär und nur zu 2 % im EZR. Somit ist Kalium verantwortlich für die Größe des IZR. Die tägliche Kaliumaufnahme beträgt ca. 70 mmol. Die normale Plasmakonzentration wird laborabhängig mit 3,6–5,0 mmol/l angegeben. Eine wesentliche Bedeutung hat Kalium für das Membranpotenzial und somit für die Erregbarkeit des Herzens und der Muskulatur. Veränderte K+-Konzentrationen können zu Rhythmusstörungen führen. Hypokaliämische Lähmungen der quergestreiften Muskulatur sind ebenfalls bekannt. Das Kaliumion hat ebenso Einfluss auf transepitheliale Transportprozesse und über die Na+/K+-ATPase auf den Natrium-Wasserstoffionen-Austausch und somit den Säure-Basen-Haushalt. Die Kaliumaufnahme und -abgabe der Zellen ist dabei vom Energiestoffwechsel der Zelle abhängig. Eine Abgabe in den EZR erfolgt z.B. bei katabolen Zuständen, Diabetes, Azidose und Zelluntergang, während eine vermehrte intrazelluläre Aufnahme von Kalium bei verbesserter Glukoseverwertung unter Insulin, anabolen Zuständen, Alkalose und zellulärer Rehydratation beobachtet wird. Die Ausscheidung des Kaliums erfolgt zu 90 % renal und zu 10 % über die Fäzes.
Kalium ist vorwiegend im IZR zu finden. Die Plasmakonzentration beträgt 3,6–5 mmol/l.
n Merke. Bei der Interpretation der Plasmakaliumkonzentration ist Vorsicht geboten, da trotz allgemeinen Kaliummangels die Werte im Plasma erhöht sein können. Dies ist z.B. bei katabolen Stoffwechselzuständen oder Zelluntergängen der Fall. Die Plasmakonzentration ist abhängig von der Verteilung des Kaliums im EZR und IZR.
Kaliummangel kann verursacht sein durch mangelhafte Aufnahme, Verluste über den Magen-Darm-Trakt (Erbrechen, Fisteln, Laxanzien) oder renale Verluste (z.B. sekundärer Aldosteronismus bei Leberzirrhose). Symptome sind Veränderungen der Erregungsausbreitung des Herzens (Vorhofflimmern, Extrasystolen), Tonusverlust der Skelettmuskulatur sowie des MagenDarm-Traktes, Konzentrationsschwäche der Nieren und Apathie. Die Kaliumsubstitution kann entweder als Kaliumsalz oral oder per Infusion erfolgen, wobei molare Kaliumlösung intravenös nie unverdünnt gegeben werden sollte und engmaschige Plasmakontrollen notwendig sind. Zur Substitution einer schweren Hypokaliämie können je nach Schweregrad 20–40 mmol Kalium/h infundiert werden. Wegen der Gefahr von Herzrhythmusstörungen darf die Zufuhr 40 mmol/h nicht überschreiten. Hyperkaliämie (d.h. Plasmakonzentrationen > 5,5 mmol/l) können ihre Ursache im Nierenversagen, einer Nebennierenrindeninsuffizienz und vermehrter Freisetzung aus dem Gewebe haben (Trauma, Verbrennung). Symptome sind dabei schwere Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzstill-
Es hat wesentliche Bedeutung für das Membranpotenzial, Einfluss auf transepitheliale Transportprozesse und die Na+ /K+ -ATPase sowie den Säure-Basen-Haushalt.
Eine Kaliumaufnahme in die Zellen erfolgt bei Alkalose, anabolen Zuständen, in Verbindung mit Insulin, eine Kaliumabgabe der Zellen bei katabolen Zuständen, Schock, Diabetes und Azidose.
Merke
Hypokaliämie entsteht bei Verlusten über den Magen-Darm-Trakt. Symptome sind Vorhofflimmern, Extrasystolen des Herzens, Tonusverlust der quergestreiften und glatten Muskulatur, evtl. Apathie und Somnolenz. Therapie: Kaliumsubstitution p.o. oder per Infusion mit engmaschigen Laborkontrollen (nie unverdünnt). Bei schwerer Hypokaliämie Infusion von 20–40 mmol/h möglich. Wegen Gefahr der Herzrhythmusstörung darf die Zufuhr 40 mmol/h nicht überschreiten. Hyperkaliämie entsteht bei Niereninsuffizienz, Verbrennungen und Nebennierenrindeninsuffizienz. Symptome sind Herzrhythmusstörungen bis zum Herzstillstand, Erbrechen, Durchfälle,
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6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz
Müdigkeit. Therapie: Kalziumgabe, Infusion von 40 %iger Glukoselösung mit Insulinzusatz, Hämofiltration oder -dialyse, Klysma mit Kationenaustauscher.
stand, Erbrechen, Durchfälle, Müdigkeit sowie Verwirrtheitszustände. Eine Azidose verstärkt eine Hyperkaliämie. Neben der Behandlung der Grundkrankheit sind die Injektion von Calcium gluconicum 10 %, die Infusion 40 %iger Glukoselösung mit Insulinzusatz, die Hämodialyse und evtl. Kationenaustauscher (Polystyrensulfat) in Form eines Klysmas (Kontraindikation: Ileus) als Therapie zu wählen.
Kalzium
Kalzium
Die Plasmakonzentration des Gesamtkalziums beträgt 2,2–2,5 mmol/l, die des ionisierten Kalziums 1,1–1,4 mmol/l. Biologisch wirksam ist nur das ionisierte Kalzium. Wesentliche Funktionen sind Kontraktion der Muskulatur, Blutgerinnung, Aktivierung von Enzymen. Regulation durch Parathormon, Kalzitonin, Vitamin D.
Kalzium liegt im menschlichen Körper zu 50 % ionisiert, also diffusabel durch Membranen, und zu 45 % nicht ionisiert, an Eiweiß gebunden, vor. In diesem Fall kann es nicht durch Membranen diffundieren. 5 % des Kalziums ist an organische Säure gebunden (nicht ionisiert, aber diffusabel). Zwischen den einzelnen Kalziumfraktionen besteht ein labiles Gleichgewicht. Biologisch wirksam ist nur das ionisierte Kalzium. Demzufolge wäre es sinnvoll, auch dieses zu bestimmen. Die Plasmakonzentration des Gesamtkalziums beträgt 2,2–2,5 mmol/l, die des ionisierten Kalziums sollte 1,1–1,4 mmol/l betragen. Kalzium hat im menschlichen Körper mannigfaltige Aufgaben, die bis heute noch nicht vollständig geklärt sind. Bei der Muskelkontraktion ist es ein wichtiger Mittler zwischen Erregung und Kontraktion. Außerdem ist es ein wichtiger Faktor bei der Blutgerinnung. Kalzium ist bei der Aktivierung von Enzymen beteiligt und in den Metabolismus des cAMP eingebunden. Parathormon, Kalzitonin und Vitamin D regulieren die Kalziumaufnahme und -abgabe sowie den Metabolismus zwischen den einzelnen Fraktionen. Hypokalzämien können als Ursachen Nierenerkrankungen, Vitamin-DMangel, herabgesetzte enterale Aufnahme oder Parathormoninkretion (primärer Hypoparathyreoidismus), eine akute Pankreatitis oder Transfusionen großer Mengen zitrathaltigen Blutes haben. Symptome sind dabei Hyperreflexie, Muskelkrämpfe, verringerte Muskelkraft des Herzens und evtl. Chvostek-Zeichen. Als Therapie werden Kalziumionen i.v. appliziert (Calcium gluconicum, Kalziumchlorid). Die Ursachen für eine Hyperkalzämie können vielfältig sein. Primärer und tertiärer Hyperparathyreoidismus, Morbus Addison und das paraneoplastische Syndrom sind hierbei nur einige wenige. Das Nervensystem reagiert mit einer Verminderung der neuromuskulären Erregung. Übelkeit, Erbrechen und paralytischer Ileus von gastroenterologischer Seite und eine Arrhythmieneigung des Herzens sind neben der vermehrten Nierensteinbildung weiter zu erwähnen. Eine Hyperkalzämie > 4 mmol/l ist durch die allgemeine Muskelschwäche und Somnolenz lebensgefährlich. Eine Therapie der Hyperkalzämie ist – neben der Beseitigung der Grundkrankheit – mit ausgiebiger Flüssigkeitszufuhr (0,9 %ige NaCl-Lösung, 3–6 l/Tag), Förderung der Diurese (z. B. durch Furosemid), der Gabe von Kalzitonin, Phosphatinfusion oder Hämodialyse durchzuführen.
Hypokalzämie entsteht bei Vitamin-DMangel, primärem Hypoparathyreoidismus, Massentransfusionen. Symptome sind Hyperreflexie, Muskelkrämpfe, verringerte Muskelkraft des Herzens, Chvostek-Zeichen. Therapie: Kalziumionen i.v. (Calcium gluconicum) oder p.o. Hyperkalzämie entsteht bei primärem und tertiärem Hyperparathyreoidismus, Morbus Addison und paraneoplastischem Syndrom. Symptome sind Verminderung der neuromuskulären Erregung, Übelkeit, Erbrechen, paralytischer Ileus, Arrhythmieneigung des Herzens. Eine Hyperkalzämie > 4 mmol/l ist durch Muskelschwäche und Somnolenz lebensgefährlich. Therapie: ausgiebige Flüssigkeitszufuhr mit Infusion von 0,9 %iger NaClLösung (3–6 l/Tag), Förderung der Diurese, Kalzitonin, Phosphatgabe, Hämodialyse. Magnesium
Magnesium
Die normale Plasmakonzentration beträgt 0,8–1,0 mmol/l. Magnesium hat eine wichtige Funktion bei der neuromuskulären Übertragung. Hypermagnesiämie entsteht bei Nierenerkrankungen und Hyperparathyreoidismus. Symptome sind Übelkeit, Obstipation, Lethargie und verminderte kardiale Reizleitung. Therapie: Applikation von Kalzium oder Glukose mit Insulin. Hypomagnesiämie entsteht bei chronischem Alkoholabusus, Symptome sind gesteigerte neuromuskuläre Erregbarkeit mit Tachykardie und intestinale Spasmen. Therapie: Applikation von Magnesiumsulfat.
Der tägliche Basisbedarf eines Menschen beträgt 10–20 mmol. Magnesium ist ein wichtiger Elektrolyt bei der neuromuskulären Übertragung. Die normale Plasmakonzentration beträgt 0,8–1,0 mmol/l. Hypermagnesiämien, vor allen Dingen verursacht durch Nierenerkrankungen, übermäßige orale Aufnahme, Hyperparathyreoidismus und Nebenniereninsuffizienz können zu Übelkeit, Obstipation, Herabsetzung der kardialen Reizleitung und Lethargie führen. Als Therapie wäre außer der Behandlung des Grundleidens Calcium gluconicum oder eine Glukoseinfusion mit Insulinzusatz zu nennen. Magnesiummangel kann verursacht sein durch chronischen Alkoholismus und vermehrte intestinale oder renale Verluste. Eine gesteigerte neuromuskuläre Erregbarkeit mit Tetanie, tachykarde Rhythmusstörungen und intestinale Spasmen können die Folgen sein. Neben der Behandlung der Grundkrankheit ist die parenterale oder enterale Gabe von Magnesiumsulfat die Therapie der Wahl.
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6.1.1 Wasser- und Elektrolythaushalt
Chlorid Chlorid kommt im menschlichen Organismus nur in ionisierter Form vor, dabei sind 88 % im EZR zu finden. Es ist das wichtigste Gegenion des Natriums und so mitverantwortlich für die Größe des Extrazellulärraumes. Die normale Plasmakonzentration beträgt 95–112 mmol/l. Eine Erniedrigung des Chloridwertes finden wir bei intestinalen Verlusten von HCl, exzessiver Alkalizufuhr und Applikation von Diuretika, die die tubuläre Rückresorption von Chlorid beeinflussen. Große Verluste bikarbonathaltiger Sekrete mit folgender systemischer Azidose wie z.B. bei Durchfällen, Pankreas- und Dünndarmfisteln können zu einer Erhöhung des Chloridwertes im Serum führen.
Chlorid Chorid kommt vorwiegend extrazellulär vor. Die Plasmakonzentration beträg 95–112 mmol/l. Erniedrigung bei intestinalen Verlusten von HCl oder Alkalizufuhr. Erhöhung bei großem Verlust bikarbonathaltiger Sekrete mit folgender Azidose wie bei Durchfällen, Pankreasund Dünndarmfisteln.
Phosphat
Phosphat
Das anorganische Phosphat im Organismus liegt zu über 85 % im Skelettsystem und den Zähnen in Form des Hydroxylapatits vor. Reguliert wird der Phosphatstoffwechsel durch Parathormon, Kalzitonin und Vitamin D. Die Plasmakonzentration beträgt 0,8–1,6 mmol/l. Wichtige Aufgaben sind u.a. mit Kalzium zusammen die Stützfunktion für den Knochen, der Einbau des Phosphats in ATP sowie als cAMP die enzymatische Funktion in den Zellmembranen. Außerdem ist Phosphat ein wichtiger intrazellulärer Puffer. Phosphatmangel tritt bei verminderter Aufnahme (Malabsorption, chronisches Erbrechen), erhöhten renalen Verlusten (Hyperparathyreoidismus, Phosphatdiabetes) und chronischem Alkoholabusus auf. Außer neuromuskulären Symptomen (Parästhesien, Apathie) und hämatologischen Störungen wie Verschlechterung der Sauerstoffabgabe der Erythrozyten und Thrombozytopenien können auch Osteomalazien auftreten. Die intravenöse Phosphatapplikation sollte dann engmaschig laborchemisch kontrolliert werden (cave: Nierenfunktion). Hyperphosphatämien treten u.a. bei Niereninsuffizienz, Zelluntergang (Hämolyse, Zytostatikatherapie) und Mobilisation von Phosphat aus dem Knochen auf. Die Therapie richtet sich nach der Ursache der Erkrankung. Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz können neben der phosphatreduzierten Diät mit Kalziumacetat behandelt werden. Weitere Phosphatbinder sind Kalziumkarbonat, Kalziumzitrat und Magnesiumsalze.
Die Regulation erfolgt durch Parathormon, Kalzitonin und Vitamin D. Die Plasmakonzentration beträgt 0,8–1,6 mmol/l. Wichtige Aufgaben hat es bei der Stützfunktion im Knochen, dem Energiestoffwechsel (ATP, cAMP) und als intrazellulärer Puffer. Hyperphosphatämien entstehen bei Niereninsuffizienz und Zelluntergang. Therapie: Phosphatbinder, Kalziumkarbonat, Kalziumzitrat und Magnesiumsalze.
Regulation des Wasser- und Elektrolythaushaltes Die Regulation des Wasser- und Elektrolythaushaltes dient zur Aufrechterhaltung der Homöostase. Angriffspunkt der Regulation ist der Extrazellulärraum. Beteiligt an der Regulation sind vorrangig die Nieren, das Endokrinium und das Gehirn (Durstgefühl).
Regulation des Wasser- und Elektrolythaushaltes Die Aufrechterhaltung der Homöostase erfolgt über die Nieren, das Gehirn (Durstgefühl) und das Endokrinium.
Nieren
Nieren
Sie sind das wichtigste Organ zur Aufrechterhaltung der Homöostase und der Osmolarität. Die Nieren können durch die Produktion eines verdünnten oder konzentrierten Urins (Urinosmolarität von 150–1 400 mosmol/kg) entscheidend in den Wasser- und Elektrolythaushalt eingreifen.
Sie erhalten die Homöostase und Osmolarität aufrecht durch Veränderung der Urinosmolarität (Produktion eines verdünnten oder konzentrierten Urins).
Hormonelle Regulationsmechanismen
Hormonelle Regulationsmechanismen
Endokrine Regulationsmechanismen regeln den osmotischen Druck und das Volumen des Extrazellulärraumes. Die Rezeptoren zur Überwachung der Osmolarität befinden sich im Hypothalamus. Dort wird auch das antidiuretische Hormon (ADH) produziert, gespeichert und bei steigender Plasmaosmolarität freigesetzt. ADH hat seinen Angriffspunkt am distalen Tubulussystem und den Sammelrohren der Niere. Die Wasserdurchlässigkeit wird erhöht. Steigender osmotischer Druck führt zur vermehrten ADH-Sekretion und zur Wasserretention und somit wieder zum Absinken der Osmolarität. Zusätzlich befinden sich Volumenrezeptoren im linken Herzvorhof. Eine Volumenzunahme führt über diese zu verminderter ADH-Sekretion und somit zu vermehrter Diurese.
Hypophosphatämien entstehen bei Malabsorption und erhöhten renalen Verlusten. Symptome sind Parästhesien, Apathie, Osteomalazie und Blutbildveränderungen. Therapie: intravenöse Phosphatgabe.
Endokrine Regulationsmechanismen regeln den osmotischen Druck und das Volumen des Extrazellulärraumes. Im Hypothalamus wird ADH produziert, gespeichert und bei steigender Plasmaosmolarität freigesetzt. Steigender osmotischer Druck führt zur vermehrten ADH-Sekretion und zur Wasserretention und somit wieder zum Absinken der Osmolarität.
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100 Mit dem Renin-Angiotensin-Kreislauf besitzt der menschliche Körper einen weiteren Regulationsmechanismus des Wasserhaushaltes ( 1 A-6.3).
Die myoendokrinen Zellen der Herzvorhöfe produzieren das ANH, das die Natrium- und Wasserdiurese fördert. Zusätzlich existiert ein endogener Hemmstoff der Na+ /K+ -ATPase, der über Enzymhemmung Na+ aus dem extrazellulären Raum entfernt (funktioneller Aldosteronantagonist).
Zwischen den einzelnen Regulationsmechanismen gibt es Interaktionen.
6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz Mit dem Renin-Angiotensin-Kreislauf besitzt der menschliche Körper einen weiteren Regulationsmechanismus des Wasserhaushaltes ( 1 A-6.3). Das zirkulierende Blutvolumen reguliert über die renale Perfusion die Reninfreisetzung des juxtaglomerulären Apparates der Nieren. Das in der Leber produzierte Angiotensinogen wird durch Renin in Angiotensin I und durch das im Plasma befindliche »Angiotensin converting enzyme« (ACE) in das aktive Angiotensin II umgewandelt. Durch Angiotensin II wird Aldosteron, ein Mineralkortikoid, welches im Tubulussystem der Nieren die Na+-Rückresorption gegen K+- und H+-Ionen fördert, aus der Nebennierenrinde freigesetzt. Die myoendokrinen Zellen der Herzvorhöfe produzieren ein weiteres Hormon, das Atriale Natriuretische Hormon (ANH), welches die Natrium- und Wasserdiurese fördert über eine Hemmung der Aldosteronsekretion. In den letzten Jahren wurde zusätzlich ein endogener Hemmstoff der Na+/K+-ATPase entdeckt. Dieser führt über die Hemmung des Enzyms zu einer Entfernung von Natrium aus dem extrazellulären Raum. Er gilt als funktioneller Aldosteronantagonist. Bei Anstieg der Plasmaosmolarität (Entwässerung der Zellen oder rasche Abnahme des EZR) entsteht über eine Reizung der Osmorezeptoren des Hypothalamus das Durstgefühl. Zwischen den einzelnen Regulationsmechanismen gibt es Interaktionen.
1 A-6.3
Synopsis Renin-Angiotensin-System
Blutvolumen
Natriurese der Niere
Aldosteronfreisetzung aus der Nebenniere
durch ACE Umwandlung von Angiotensin I in Angiotensin II
Pathologische Veränderungen und Therapie im Wasser- und Natriumhaushalt Wir unterscheiden 6 Störungen. Dehydratation und Hyperhydratation können jeweils hyperton, isoton und hypoton sein.
Perfusion des juxtaglomerulären Apparates
Reninfreisetzung
Umwandlung von Angiotensinogen in Angiotensin I
Pathologische Veränderungen und Therapie im Wasser- und Natriumhaushalt Je nach der Osmolarität und Größe des Wasserbestandes unterscheiden wir 6 verschiedene Störungen des Wasser-Natrium-Haushaltes. Sowohl die Dehydratation (Wassermangel) als auch die Hyperhydratation (Wasserüberschuss) können hyperton, isoton und hypoton sein.
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101
6.1.1 Wasser- und Elektrolythaushalt
Hypertone Dehydratation n Definition. Verlust von Wasser, aber kein Verlust gelöster Teilchen: erhöhte Plasmaosmolarität.
Ätiologie. Verluste hypotoner Flüssigkeiten durch Fieber und Schweißaus-
brüche oder wässrige Stühle, polyurisches Stadium des akuten Nierenversagens, Coma diabeticum hyperosmolare, Diabetes insipidus.
Symptome. Die Patienten haben ein großes Durstgefühl. Apathie oder Som-
nolenz können ebenso wie geistige Verwirrtheit und Halluzinationen im Vordergrund stehen. Haut und Schleimhäute sind trocken. Die Nieren reagieren mit einer Oligurie. Die Kreislaufwirkung ist zunächst gering, da wegen der erhöhten Osmolarität Flüssigkeit aus dem IZR nachgeliefert wird. Als Laborbefunde finden wir eine Plamaosmolarität > 295 mosmol/kg und Natriumwerte > 150 mmol/l.
Therapie. Die Therapie richtet sich nach dem Schweregrad der Dehydrata-
tion und sollte mit Voll- bzw. Zweidrittelelektrolytlösungen, nicht mit elektrolytfreien Lösungen (z.B. Glukose 5 %), durchgeführt werden. n Merke. Bei zu raschem Abfall der Plasmanatriumkonzentration besteht die Gefahr eines Hirnödems. Je höher die Natriumkonzentration ist, desto langsamer sollte der Ausgleich erfolgen (bei Natriumwerten um 170 mmol/l 2–3 Tage für den Ausgleich).
Isotone Dehydratation n Definition. Verlust von Wasser und gelösten Teilchen im physiologischen Verhältnis: normale Plasmaosmolarität.
Hypertone Dehydratation Definition
Ätiologie. Verlust hypotoner Flüssigkeiten bei Fieber und Schweißausbrüchen, polyurisches Stadium des Nierenversagens, Coma diabeticum hyperosmolare, Diabetes insipidus. Symptome. Durstgefühl, Apathie, Somnolenz, Halluzinationen, Oligurie, geringe Kreislaufwirkung, Plasmaosmolarität > 295 mosmol/kg, Na > 150 mmol/l.
Therapie. Infusion von Voll- bzw. Zweidrittelelektrolytlösungen (keine elektrolytfreien Lösungen).
Merke
Isotone Dehydratation Definition
Ätiologie. Verluste isotoner Flüssigkeit bei Erbrechen, Durchfällen oder Fisteln des Magen-Darm-Traktes sowie Sequestrierung in den sog. transzellulären Raum bei Ileus können ebenso die Ursache sein wie größere Blutverluste oder isosthenurische Verluste über die Nieren.
Ätiologie. Ursachen können sein: Erbrechen, Durchfälle, Fisteln im MagenDarm-Trakt, Ileus.
Symptome. Da nur der EZR betroffen ist, treten schnell Kreislaufdepressio-
Symptome. Symptome sind Müdigkeit, Apathie, Kreislaufdepression, Schock.
Therapie. Da der Schock im Vordergrund des Krankheitsbildes steht, ist dessen Behandlung (s. Kap. A-5.3) die Therapie der 1. Wahl.
Therapie. Behandlung des Schocks (s. Kap. A-5.3).
Hypotone Dehydratation
Hypotone Dehydratation
nen und Schock auf. Müdigkeit und Apathie mit anschließendem Koma können ebenfalls die Folge sein.
n Definition. Verlust von Wasser und im Verhältnis dazu ein noch größerer Verlust an gelösten Teilchen: Abfall der Plasmaosmolarität.
Definition
Ätiologie. Hypotone Dehydratationen können durch Verluste von Körper-
Ätiologie. Hoher Verlust von Körperflüssigkeiten mit nachfolgend elektrolytfreiem Flüssigkeitsersatz. Auch ein Morbus Addison kann Ursache sein.
Symptome. Da der Extrazellulärraum bei gleichbleibendem IZR verkleinert
Symptome. Desorientiertheit, Verwirrtheit, Kreislaufdepression und Tachykardie.
flüssigkeiten mit nachfolgendem Ersatz durch elektrolytfreies Wasser entstehen. Beispiele hierfür sind starke Schweißausbrüche und Flüssigkeitsersatz mit Wasser oder Tee. Eine Nebenniereninsuffizienz (Morbus Addison) kann ebenfalls Ursache großer Salzverluste sein.
ist, stehen die Kreislaufprobleme wie bei der isotonen Dehydratation im Vordergrund (Blutdruckabfall mit Tachykardie). Zerebrale Symptome mit
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6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz Desorientiertheit und Verwirrtheitszuständen können ebenfalls die Folge sein. Die Nieren reagieren mit einer Oligurie.
Therapie. Vollelektrolytlösungen. Das Natriumdefizit lässt sich berechnen:
Therapie. Die Behandlung der Grundkrankheit steht im Vordergrund. Die
Na-Defizit = [Na+ -Istwert] – [NA+ -Sollwert] « 0,2 kg KG
Natriumdefizit = [Na+-Istwert] – [Na+-Sollwert] « 0,2 kg KG
Zunächst wird nur die Hälfte langsam (< 10 mmol/l Na+ -Anstieg in 24 h) ersetzt, da es sonst zu einer zentralen pontinen Myelinolyse kommen kann.
Zunächst wird hierbei nur die Hälfte langsam (< 10 mmol/l Na+-Anstieg in 24 h) ersetzt, da ein zu schneller Anstieg des Natriums zu einer zentralen pontinen Myelinolyse (neurologisches Erkrankungsbild mit Sprachstörungen, Schluckbeschwerden und psychischer Alteration) führen kann. Das extrazelluläre Wasserdefizit kann nach folgender Formel berechnet werden:
Das EZR-Wasserdefizit wird berechnet:
Wasserdefizit (EZR) = [Na+ -Istwert] – [NA+ -Sollwert] « 0,2 kg KG geteilt durch [Na+ -Sollwert]
Hypertone Hyperhydratation Definition
Therapie wird mit Vollelektrolytlösungen durchgeführt. Das Natriumdefizit des EZR berechnet sich hierbei nach folgender Formel:
Wasserdefizit (EZR) = [NA+-Istwert] – [Na+-Sollwert] « 0,2 kg KG [Na+-Sollwert]
Hypertone Hyperhydratation n Definition. Überschuss an Wasser und ein im Verhältnis dazu noch größerer Überschuss an gelösten Teilchen: erhöhte Plasmaosmolarität.
Ätiologie. Die hypertone Hyperhydratation kann postoperativ durch Anstieg der ADH- und Aldosteronsekretion entstehen.
Ätiologie. Die hypertone Hyperhydratation kann durch das Trinken salzrei-
Symptome. Lungenödem, Herzinsuffizienz, Durst, Hautrötung, zerebrale Erregungszustände.
Symptome. Die klinischen Symptome werden durch die Erhöhung der
Therapie. Diuretika, Halb- bzw. Drittelelektrolytlösungen, evtl. Hämofiltration oder Dialyse.
Therapie. Neben der medikamentösen Therapie mit Diuretika steht die Gabe von Halb- bzw. Drittelelektrolytlösungen unter laborchemischer Kontrolle des osmotischen Druckes des Plasmas im Vordergrund. Bei schweren Störungen ist eine Hämofiltration oder Dialyse angezeigt.
Isotone Hyperhydratation
Isotone Hyperhydratation
Definition
cher Lösungen und postoperativ oder posttraumatisch durch Erhöhung von ADH und Aldosteron entstehen.
Osmolarität im EZR verursacht. Lungenödem, kardiales Versagen, Durst, Hautrötung mit Hyperthermie und zerebrale Erregung können klinisch auf die hypertone Hyperhydratation hinweisen.
n Definition. Überschuss an Wasser und gelösten Teilchen im physiologischen Verhältnis: normale Plasmaosmolarität.
Ätiologie. Ursachen sind Herz- und Niereninsuffizienz, Leberzirrhose mit portaler Hypertension.
Ätiologie. Bei diesem Krankheitsbild ist im wesentlichen der EZR mit dem
Symptome. Ödeme und Aszites.
Symptome. Leitsymptome sind Ödeme und Aszites.
Therapie. Diuretika, Ausgleich des Plasmaalbumins.
Therapie. Bei der Behandlung sollte zunächst die auslösende Ursache besei-
interstitiellen Anteil betroffen. Ursachen können eine parenterale übermäßige Zufuhr von Vollelektrolytlösungen, eine Herz- oder Niereninsuffizienz oder eine Leberzirrhose mit portaler Hypertension sein.
tigt werden. Eine Förderung der Wasser- und Salzausscheidung durch Diuretikagabe mit eventuellem Ausgleich des Plasmaalbumindefizites, besonders bei Leberzirrhose oder Hungerödem, ist hierbei die Therapie der Wahl.
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6.1.2 Säure-Basen-Haushalt
Hypotone Hyperhydratation n Definition. Überschuss an Wasser, jedoch ohne Vermehrung der gelösten Teilchen: Abfall der Plasmaosmolarität.
Hypotone Hyperhydratation Definition
Ätiologie. Die Überwässerung betrifft vorrangig den Intrazellulärraum. Als Ursache kann die vermehrte Zufuhr hypotoner Flüssigkeiten, z.B. bei Polydipsie mit eingeschränkter Nierenleistung oder beim TUR-Syndrom (vermehrtes Einschwemmen der elektrolytfreien Spüllösung bei transurethraler Resektion der Blase oder Prostata), in Frage kommen. Krankheiten mit erhöhter ADH-Sekretion, z.B. bei Pankreas- oder Bronchialkarzinomen, führen ebenfalls zur »Wasservergiftung«.
Ätiologie. Ursachen können sein: Polydipsie, TUR-Syndrom oder Erhöhung der ADH-Sekretion bei Pankreas- oder Bronchialkarzinom.
Symptome. Die klinischen Symptome sind hauptsächlich durch Vergröße-
Symptome. Müdigkeit, Erbrechen, evtl. Koma sind die wichtigsten Symptome.
Therapie. Neben der Behandlung der Grundkrankheit mit Einschränkung
Therapie. Einschränkung der Wasserzufuhr, Applikation einer molaren Natriumchloridlösung mit Furosemid. Bei schwerem Verlauf evtl. Dialyse.
rung des IZR bedingt. Die zerebralen Zeichen wie Müdigkeit, Erbrechen, Verwirrungszustände bis hin zum Koma und zerebrale Krämpfe stehen im Vordergrund. Krankheiten mit Ödembildung sind zunächst meist durch eine isotone Hyperhydratation bedingt. Diese kann jedoch durch zu reichliche Gabe reiner Glukoselösungen in die hypotone Form übergehen. Die Diagnostik, welche Hyperhydratationsform vorliegt, ist oft schwierig. Zerebrale Symptome sprechen dabei meistens für die hypotone Form der Störung.
der Wasserzufuhr ist die Gabe einer molaren Natriumchloridlösung mit Furosemidgabe zur Entfernung des überschüssigen freien Wassers als Therapie angezeigt. Bei schweren Verlaufsformen kann auch eine Dialyse (Dialysat mit hohem Glukosegehalt) angezeigt sein.
6.1.2
Säure-Basen-Haushalt
Regulation des Säure-Basen-Haushaltes Die chemischen Reaktionen im menschlichen Körper können nur regelrecht ablaufen, wenn die Wasserstoffionenkonzentration der Gewebe in engen Grenzen gehalten wird (pH 6,9–7,7). Im Stoffwechsel fallen Wasserstoffionen und Anionenreste dissoziierender Säuren an. Intra- und extrazellulär stehen verschiedene Puffersysteme zur Verfügung, die die Wasserstoffionen binden und zu den Eliminationsorganen Lunge und Niere transportieren. Die wichtigsten Puffersysteme im menschlichen Organismus sind der Kohlensäure-Hydrogenkarbonat-Puffer, Phosphate (vorwiegend intrazellulär), Proteine und das Hämoglobin. Wasserstoffionen treten mit Hydrogenkarbonat nach dem Massenwirkungsgesetz ins Gleichgewicht mit Kohlendioxid. Dieses wird über die Lunge ausgeschieden. Natrium- und Bikarbonationen werden in der Niere rückresorbiert, während Wasserstoffionen sezerniert und somit der Urin gesäuert wird. Entscheidende Parameter zur Beurteilung des Säure-Basen-Haushaltes sind der pH des arteriellen Blutes (7,37-7,42), der Kohlensäurepartialdruck PaCO2 (36–44 Torr) für die respiratorische und der Basenüberschuss bzw. das Basendefizit (Base exzess, BE = –2,5 – +2,5 mmol/l H+-Äquivalent) sowie Standardbikarbonat (HCO3— = 22—26 mmol/l) für die metabolische Komponente, wobei letzterer Berechnungsgrundlage für die Therapie ist.
Störungen und Therapie des Säure-Basen-Haushaltes Die Störungen des Säure-Basen-Haushaltes können metabolisch und respiratorisch bedingt sein. Sie können jeweils zu einer Azidose (pH < 7,37) bzw. zu einer Alkalose (pH > 7,42) führen.
6.1.2 Säure-Basen-Haushalt Regulation des Säure-Basen-Haushaltes Die chemischen Reaktionen im menschlichen Körper können nur regelrecht ablaufen, wenn die Wasserstoffionenkonzentration der Gewebe in engen Grenzen gehalten wird (pH 6,9–7,7). Puffersysteme des menschlichen Körpers sind Kohlensäure-Hydrogenkarbonat, Phosphate, Proteine und Hämoglobin. Die Aufgabe der Puffersysteme ist die Eliminierung der Wasserstoffionen über Lunge und Niere. Wichtige Laborparameter des SäureBasen-Haushaltes mit Normbereichen sind: π pH: 7,37–7,42, PaCO : 36–44 Torr 2 — π Standardbikarbonat (HCO 3 ): 22–26 mmol/l π Basenüberschuss bzw. -defizit (Base exzess, BE): –2,5 bis +2,5 mmol/l. Störungen und Therapie des SäureBasen-Haushaltes Die Störungen können metabolisch und respiratorisch bedingt sein. Sie können zu einer Azidose bzw. Alkalose führen.
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104 Metabolische Azidose Definition
6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz
Metabolische Azidose n Definition. Bei der metabolischen Azidose ist der pH < 7,37, das Basendefizit (BE) < –2,5 mmol/l, das Standardbikarbonat < 22 mmol/l und der PaCO2 normal bzw. bei Kompensation vermindert.
Ätiologie. Ursachen sind entgleister Diabetes, Schock (Laktatazidose), Urämie, Massentransfusion, Pankreasund Dünndarmfisteln.
Ätiologie. Ursachen können ein erhöhter Anfall von Säuren wie bei diabetischer Azidose oder im Schock (Laktatazidose) sein. Eine urämische Azidose finden wir bei Niereninsuffizienz. Eine erhöhte Zufuhr fixer Säuren wie z.B. bei Massentransfusion mit ACD-stabilisierten Konserven kann ebenfalls der Grund für eine metabolische Azidose sein. Eine Verlustazidose entsteht dagegen durch hohe Bikarbonatverluste (Pankreas- und Dünndarmfisteln).
Symptome. Die Patienten neigen zu Rhythmusstörungen, Hyperkaliämie und Hyperventilation. Die Kompensation erfolgt über: Hyperventilation (PaCO2 ), Niere (Abgabe von H+ -Ionen, Bildung von H2 CO3 ) und Pufferung. Therapie. Natriumhydrogenkarbonat oder Trometamol. Die Berechnung der Korrekturlösungen richtet sich nach folgenden Formeln: BE « kg KG « 0,3 = ml der molaren Lösung (z.B. NaHCO 3 8,4 %) oder BE « kg KG = ml der 0,3molaren Lösung Trometamol.
Symptome. Die Patienten neigen zu Rhythmusstörungen, Hyperkaliämie
Merke
und Hyperventilation. Kompensationsmechanismen des Körpers sind die Lunge (Hyperventilation und dadurch Senkung des PaCO 2-Wertes), die Niere (vermehrte Abgabe von H+-Ionen und Bildung von Hydrogenkarbonat) und Pufferung durch die genannten Puffersysteme.
Therapie. Neben der Behandlung der Grundkrankheit erfolgt die Gabe von Natriumhydrogenkarbonat oder Trometamol (organische Base mit der Fähigkeit, H+-Ionen aufzunehmen, danach renale Elimination des ionisierten Anteils). Die Berechnung der zu applizierenden Menge erfolgt nach folgenden Formeln: Basendefizit (BE) (mmol H+-Äquivalent) « kg KG « 0,3 = ml der molaren Lösung (z.B. NaHCO3 8,4 %) oder Basendefizit (BE) « kg KG = ml der 0,3molaren Lösung Trometamol. n Merke. Zunächst sollte nur die Hälfte des errechneten Basendefizites ersetzt werden, da eine metabolische Alkalose für die Zellen ungünstiger ist. Die Applikation muss langsam erfolgen (maximal 1,5 mmol/kg KG). Eine Kontraindikation für Trometamol ist die Niereninsuffizienz.
Beispiel: Metabolische Azidose bei einem beatmeten Patienten (70 kg) im septischen Schock: pH: 7,13 PCO2: 25,8 mmHg (Torr) HCO3: 10,3 mmol/l BE: –19,1 mmol/l Nach der angegebenen Formel müssten 400 ml einer molaren Lösung Natriumbikarbonat appliziert werden. Es werden jedoch zunächst nur ca. 200 ml einer molaren Natriumbikarbonatlösung infundiert, und es wird eine neue Gasanalyse durchgeführt. Danach erfolgt gegebenenfalls eine langsame erneute Gabe von Natriumbikarbonat. Metabolische Alkalose Definition
Ätiologie. Ursachen sind Magensaftverluste oder sekundärer Aldosteronismus.
Metabolische Alkalose n Definition. Eine metabolische Alkalose ist gekennzeichnet durch folgende Laborparameter: pH > 7,42, Basenüberschuss > +2,5 mmol/l und Standardbikarbonat > 26 mmol/l. Der PaCO2 befindet sich im Normbereich. Bei der respiratorischen Kompensation mit Hypoventilation erhalten wir für den PaCO2 erhöhte Werte.
Ätiologie. Als Ursachen sind neben der Additionsalkalose durch reichliche
Zufuhr von Hydrogenkarbonat bzw. Laktat, Zitrat oder Acetat auch Wasserstoffionenverluste anzusehen. Diese sogenannte Verlustalkalose kann durch große Verluste sauren Magensaftes, sekundären Aldosteronismus mit rena-
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105
6.1.2 Säure-Basen-Haushalt len Wasserstoff- und Kaliumverlusten oder Kaliummangelzustände entstehen.
Symptome. Das klinische Bild dieser Stoffwechselstörung ist uneinheitlich.
Symptome. Die Kompensation erfolgt über Hypoventilation oder vermehrte Hydrogenkarbonat- und Kaliumausscheidung der Niere.
Therapie. Neben der Behandlung der Grundkrankheit steht die Korrektur des Flüssigkeits- und Elektrolytdefizits im Vordergrund. Die Berechnung der zu infundierenden molaren Elektrolytlösung wird nach folgender Formel vorgenommen: Basenüberschuss (BE) « kg KG « 0,3 = ml einer molaren Korrekturlösung. Als Korrekturlösungen stehen molare Salzsäurelösungen und molare Natrium- bzw. Kaliumchloridlösungen zur Verfügung. Regelmäßige Laborkontrollen sind hierbei unerlässlich.
Therapie. Molare HCl-Lösung, molare NaCl- bzw. KCl-Lösung. Die Berechnung der Korrekturlösung richtet sich nach folgender Formel: BE « kg KG « 0,3 = ml einer molaren Lösung.
Der Körper versucht, die Alkalose mit verschiedenen Mechanismen zu kompensieren. Eine Verringerung der Ventilation führt zu einem Anstieg des PaCO2-Wertes. Die Niere reagiert mit vermehrter Hydrogenkarbonat- und Kaliumausscheidung.
n Merke. Die Salzsäuregabe sollte verdünnt (50–100 mmol/l) über einen zentralen Venenzugang erfolgen. Die Infusionsgeschwindigkeit darf 0,25 mmol/kg KG/h nicht überschreiten.
Merke
Beispiel: Metabolische Alkalose bei einem 70 kg schweren Patienten (spontan atmend) mit hohen Magensaftverlusten nach großer Bauchoperation: pH: 7,52 PCO2: 36,7 mmHg (Torr) HCO3: 28,1 mmol/l BE: +5,1 mmol/l Nach der angegebenen Formel müßten 100 ml einer molaren HCl-Lösung zum vollständigen Ausgleich des Basenüberschusses appliziert werden. Auch hier ersetzen wir zunächst nur die Hälfte (50 ml) und kontrollieren den Säure-Basen-Status des Patienten erneut.
Respiratorische Azidose n Definition. Die respiratorische Azidose ist durch folgende Laborparameter gekennzeichnet: pH < 7,37, der PaCO2-Wert ist erhöht. BE und Standardbikarbonat befinden sich zunächst im Normbereich, steigen jedoch nach Kompensation an.
Respiratorische Azidose Definition
Ätiologie. Ursachen dieser Azidoseform sind entweder Ventilationsstörungen und Diffusionsstörungen der Lunge (ARDS) oder eine Depression des Atemzentrums, die medikamentös bedingt sein kann, bzw. muskuläre Erkrankungen.
Ätiologie. Ursachen liegen meist in Störungen der Lungenfunktion (ARDS) oder einer Depression des Atemzentrums (Medikamente).
Symptome. Die Nieren versuchen, diesen Zustand mit erhöhter Bikarbonatrückresorption und vermehrter Wasserstoffionenabgabe zu kompensieren. Ein völliger Ausgleich wird jedoch auch nach Tagen nicht erreicht.
Symptome. Kompensation erfolgt über erhöhte Bikarbonatrückresorption der Nieren.
Therapie. Die Behandlung der respiratorischen Störung steht im Vordergrund (z. B. künstliche Beatmung).
Therapie. Behandlung der respiratorischen Störung (z.B. künstliche Beatmung).
n Merke. Die teilweise medikamentöse Neutralisation der respiratorischen Azidose ist nur in Ausnahmefällen, z.B. beim Kreislaufstillstand als Ausdruck einer gemischten respiratorischen und metabolischen Störung, durchzuführen.
Merke
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6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz Beispiel: Respiratorische Azidose eines spontan atmenden Patienten mit schwerer Pneumonie: pH: 7,31 PO2: 55 PCO2: 56,2 HCO3: 27,1 BE: 1,5 In diesem Fall sollte nicht ein medikamentöser Ausgleich der Azidose, sondern evtl. eine künstliche Beatmung erfolgen
Respiratorische Alkalose
Respiratorische Alkalose n Definition. Die respiratorische Alkalose ist durch folgende Laborparameter gekennzeichnet: der pH-Wert ist erhöht (> 7,42), der PaCO2Wert erniedrigt, das Standardbikarbonat und der BE sind zunächst normal, nach Kompensation erniedrigt.
Definition
Ätiologie. Ursachen können Fieber, Hyperventilation oder künstliche Beatmung sein. Die Kompensation erfolgt über eine erhöhte Natriumbikarbonatausscheidung über die Nieren.
Ätiologie. Ursachen der Hyperventilation sind z.B. Fieber, psychische Faktoren (Hyperventilationstetanie) oder eine künstliche Beatmung. Der Körper versucht diese Form der Alkalose durch vermehrte Ausscheidung von Natriumbikarbonat über die Nieren zu kompensieren.
Symptome. Die Patienten fallen klinisch durch eine schnelle vertiefte Atmung auf.
Symptome. Die Patienten fallen klinisch durch eine schnelle vertiefte
Therapie. Kausal, z.B. Sedierung bei Übererregbarkeit des Atemzentrums.
Therapie. Sie erfolgt kausal, z.B. Sedierung bei Übererregbarkeit des Atem-
Atmung auf. Eine Tetanie kann die Folge sein.
zentrums.
Beispiel: Respiratorische Alkalose einer Patientin mit Hyperventilation: pH: 7,51 PO2: 97,1 PCO2: 29,4 HCO3: 22,6 BE: 0,7 Auch hier steht nicht der medikamentöse Ausgleich der Alkalose, sondern die Therapie der Hyperventilation, z.B. durch Sedierung, im Vordergrund.
2 A-6.2
Laborveränderungen bei verschiedenen Störungen des Säure-Basen-Haushaltes
Störung
pH
PaCO 2
Standardbikarbonat
BE
Kompensation
N respiratorische n Alkalose (
)
( )
( )
( )
metabolisch pH Bikarbonat
(
)
( )
( )
( )
metabolisch pH Bikarbonat
(
)
( )
( )
( )
respiratorisch pH PCO2
(
)
( )
( )
( )
respiratorisch pH PCO2
N respiratorische n Azidose
N metabolische n Alkalose
N metabolische n Azidose
(
)
= Dekompensation = Kompensation
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6.1.2 Säure-Basen-Haushalt Die verschiedenen Störungen des Säure-Basen-Haushaltes können sowohl aus respiratorischen als auch gleichzeitig metabolischen Anteilen bestehen. Die Behandlung wird anhand der Klinik und der Laborergebnisse vorgenommen. 2 A-6.2 zeigt die Veränderungen der Laborparameter der verschiedenen Störungen im Säure-Basen-Haushalt im Stadium der Dekompensation und Kompensation, Ziel der Kompensation ist hierbei die Normalisierung des pH-Wertes (die Kompensationsmechanismen sind hierbei vereinfacht dargestellt). 2 A-6.3 zeigt eine Übersicht therapeutischer Maßnahmen bei Störungen im Wasser- sowie Säure-Basen-Haushalt.
2 A-6.3
2 A-6.2 zeigt die Laborveränderungen bei verschiedenen Störungen des Säure-Basen-Haushalts im Stadium der Dekompensation (Kompensation). Ziel der Kompensationsmechanismen ist die Normalisierung des pH-Wertes.
Therapeutische Maßnahmen bei Störungen im Wasser- sowie Säure-Basen-Haushalt
Wasserhaushalt N hypertone Dehydratation n
Voll- bzw. Zweidrittelelektrolytlösungen (auf keinen Fall elektrolytfreie Lösungen wie Glukose 5 %, cave: Hirnödem!)
N isotone Dehydratation n
Schocktherapie (s. Kap. A-5.3)
N hypotone Dehydratation n
Vollelektrolytlösungen (cave: neurologische Störungen durch Wasserentzug aus den Hirnzellen bei zu rascher Natriumkorrektur)
N hypertone Hyperhydratation n
Diuretika, Halb- bzw. Zweidrittelelektrolytlösungen, in schweren Fällen Hämofiltration bzw. Dialyse
N isotone Hyperhydratation n
Diuretika, Beschränkung der Natrium- und Wasserzufuhr, Ausgleich des Plasmaalbumins
N hypotone Hyperhydratation n
Einschränkung der Wasserzufuhr, Gabe einer einmolaren Natriumchloridlösung sowie eines Diuretikums, evtl. Dialyse
Säure-Basen-Haushalt N metabolische Azidose n
Natriumhydrogenkarbonat oder Trometamol
N metabolische Alkalose n
molare HCl-Lösung oder NaCl- bzw. KCl-Lösungen
N respiratorische Azidose n
Behandlung der respiratorischen Störung (Hypoventilation) durch künstliche Beatmung
N respiratorische Alkalose n
Behandlung der respiratorischen Störung (Hyperventilation) durch z. B. Sedierung
6.1.3
Veränderungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushaltes in der perioperativen Phase
Die pathophysiologischen Veränderungen des Stoffwechsels nach chirurgischen Eingriffen oder Traumata sind heute weitgehend bekannt. Durch eine verbesserte intensive präoperative Behandlung können somit viele intrabzw. postoperative Komplikationen vermieden werden. Auf die veränderten Bedingungen des Energiestoffwechsels (z.B. Postaggressionssyndrom) soll in diesem Kapitel nicht näher eingegangen werden. Gegenstand dieses Abschnitts sollen lediglich die Veränderungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushaltes sein. Die perioperative Phase zeichnet sich durch eine erhöhte Aldosteronsekretion aus. Präoperativ können Erbrechen oder Durchfälle durch die entscheidende Hyponatriämie und Hypovolämie zu einer Stimulierung der Nebennieren und Aldosteronfreisetzung mit nachfolgender Wasser- und Natriumretention führen. Intraoperativ können Schmerzreize, Narkose oder Blutund Flüssigkeitsverluste ebenfalls über eine Stimulierung des sympathikoadrenergen Systems über die Nieren zu vermehrter Reninausschüttung und somit ansteigender Aldosteronsekretion führen. Postoperativ sind als Faktoren für einen Hyperaldosteronismus z.B. Dränagen- und Fistelverluste anzuführen. Zusätzlich führt eine Erhöhung der Adiuretinsekretion zu einer vermehrten Natrium- und Wasserretention.
6.1.3 Veränderungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushaltes in der perioperativen Phase Durch eine verbesserte intensive präoperative Behandlung können viele intra- bzw. postoperative Komplikationen vermieden werden.
Die perioperative Phase zeichnet sich durch eine erhöhte Aldosteronsekretion aus. Präoperativ können Erbrechen oder Durchfälle, intraoperativ Schmerzreize, Narkose oder Blut- und Flüssigkeitsverluste zu einer Aldosteronfreisetzung führen. Postoperativ sind als Faktoren für einen Hyperaldosteronismus z.B. Dränagen- und Fistelverluste anzuführen.
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6.1.2 Säure-Basen-Haushalt Die verschiedenen Störungen des Säure-Basen-Haushaltes können sowohl aus respiratorischen als auch gleichzeitig metabolischen Anteilen bestehen. Die Behandlung wird anhand der Klinik und der Laborergebnisse vorgenommen. 2 A-6.2 zeigt die Veränderungen der Laborparameter der verschiedenen Störungen im Säure-Basen-Haushalt im Stadium der Dekompensation und Kompensation, Ziel der Kompensation ist hierbei die Normalisierung des pH-Wertes (die Kompensationsmechanismen sind hierbei vereinfacht dargestellt). 2 A-6.3 zeigt eine Übersicht therapeutischer Maßnahmen bei Störungen im Wasser- sowie Säure-Basen-Haushalt.
2 A-6.3
2 A-6.2 zeigt die Laborveränderungen bei verschiedenen Störungen des Säure-Basen-Haushalts im Stadium der Dekompensation (Kompensation). Ziel der Kompensationsmechanismen ist die Normalisierung des pH-Wertes.
Therapeutische Maßnahmen bei Störungen im Wasser- sowie Säure-Basen-Haushalt
Wasserhaushalt N hypertone Dehydratation n
Voll- bzw. Zweidrittelelektrolytlösungen (auf keinen Fall elektrolytfreie Lösungen wie Glukose 5 %, cave: Hirnödem!)
N isotone Dehydratation n
Schocktherapie (s. Kap. A-5.3)
N hypotone Dehydratation n
Vollelektrolytlösungen (cave: neurologische Störungen durch Wasserentzug aus den Hirnzellen bei zu rascher Natriumkorrektur)
N hypertone Hyperhydratation n
Diuretika, Halb- bzw. Zweidrittelelektrolytlösungen, in schweren Fällen Hämofiltration bzw. Dialyse
N isotone Hyperhydratation n
Diuretika, Beschränkung der Natrium- und Wasserzufuhr, Ausgleich des Plasmaalbumins
N hypotone Hyperhydratation n
Einschränkung der Wasserzufuhr, Gabe einer einmolaren Natriumchloridlösung sowie eines Diuretikums, evtl. Dialyse
Säure-Basen-Haushalt N metabolische Azidose n
Natriumhydrogenkarbonat oder Trometamol
N metabolische Alkalose n
molare HCl-Lösung oder NaCl- bzw. KCl-Lösungen
N respiratorische Azidose n
Behandlung der respiratorischen Störung (Hypoventilation) durch künstliche Beatmung
N respiratorische Alkalose n
Behandlung der respiratorischen Störung (Hyperventilation) durch z. B. Sedierung
6.1.3
Veränderungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushaltes in der perioperativen Phase
Die pathophysiologischen Veränderungen des Stoffwechsels nach chirurgischen Eingriffen oder Traumata sind heute weitgehend bekannt. Durch eine verbesserte intensive präoperative Behandlung können somit viele intrabzw. postoperative Komplikationen vermieden werden. Auf die veränderten Bedingungen des Energiestoffwechsels (z.B. Postaggressionssyndrom) soll in diesem Kapitel nicht näher eingegangen werden. Gegenstand dieses Abschnitts sollen lediglich die Veränderungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushaltes sein. Die perioperative Phase zeichnet sich durch eine erhöhte Aldosteronsekretion aus. Präoperativ können Erbrechen oder Durchfälle durch die entscheidende Hyponatriämie und Hypovolämie zu einer Stimulierung der Nebennieren und Aldosteronfreisetzung mit nachfolgender Wasser- und Natriumretention führen. Intraoperativ können Schmerzreize, Narkose oder Blutund Flüssigkeitsverluste ebenfalls über eine Stimulierung des sympathikoadrenergen Systems über die Nieren zu vermehrter Reninausschüttung und somit ansteigender Aldosteronsekretion führen. Postoperativ sind als Faktoren für einen Hyperaldosteronismus z.B. Dränagen- und Fistelverluste anzuführen. Zusätzlich führt eine Erhöhung der Adiuretinsekretion zu einer vermehrten Natrium- und Wasserretention.
6.1.3 Veränderungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushaltes in der perioperativen Phase Durch eine verbesserte intensive präoperative Behandlung können viele intra- bzw. postoperative Komplikationen vermieden werden.
Die perioperative Phase zeichnet sich durch eine erhöhte Aldosteronsekretion aus. Präoperativ können Erbrechen oder Durchfälle, intraoperativ Schmerzreize, Narkose oder Blut- und Flüssigkeitsverluste zu einer Aldosteronfreisetzung führen. Postoperativ sind als Faktoren für einen Hyperaldosteronismus z.B. Dränagen- und Fistelverluste anzuführen.
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6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz
In der perioperativen Phase sind sowohl metabolische als auch respiratorische Veränderungen des SäureBasen-Haushaltes zu beobachten. Metabolische Veränderungen: Entstehung einer metabolischen Azidose durch den Postaggressionsstoffwechsel. Respiratorische Veränderungen: Eine Azidose entsteht durch Narkoseüberhang und Wundschmerz, eine Alkalose durch Hyperventilation bei Angstzuständen.
Eine übermäßige Zufuhr der genannten Substanzen verursacht dann die Ausbildung von Ödemen. Natrium kann in die Zellen diffundieren. Im Urin wird in dieser Phase vermehrt Kalium und Magnesium ausgeschieden. Erniedrigte plasmatische Werte beider Elektrolyte können die Folge sein. In der perioperativen Phase sind sowohl metabolische als auch respiratorische Veränderungen des Säure-Basen-Haushaltes zu beobachten. Metabolisch steht eine Azidose, ausgelöst durch den Postaggressionsstoffwechsel mit verminderter Glukoseverwertung, gesteigertem Fettabbau und Steigerung des Proteinabbaus und somit vermehrtem Anfall saurer Stoffwechselprodukte im Vordergrund. Respiratorische Veränderungen können sowohl zur Azidose als auch zur Alkalose führen. Eine Azidose kann ausgelöst werden durch einen Überhang von Sedativa, Analgetika und Muskelrelaxanzien. Wundschmerzen, besonders bei chirurgischen Eingriffen im Oberbauch oder Thorax, sind ursächlich für eine Hypoventilation anzusehen. Alkalotische Stoffwechselveränderungen treten z.B. bei postoperativen Angstzuständen mit Hyperventilation auf.
Erhaltungstherapie
Erhaltungstherapie
Definition
n Definition. Die Erhaltungstherapie dient zur Deckung des normalen täglichen Bedarfs an Wasser, Elektrolyten, Spurenelementen, Vitaminen und einem Minimum an Nährstoffen. Sie berücksichtigt den physiologischen Verlust durch Urin, Stuhl und Perspiratio insensibilis.
Basisflüssigkeitsbedarf eines Erwachsenen: 40 ml/kg KG. Basisbedarf der Elektrolyte: Natrium 2 mmol/kg KG, Kalium 1 mmol/kg KG, Kalzium 0,1–0,2 mmol/kg KG, Phosphat 0,2–0,5 mmol/ kg KG und Magnesium 0,1–0,2 mmol/ kg KG. Als Infusionslösungen stehen Voll-, Zweidrittel-, Halb- und Drittelelektrolytlösungen sowie elektrolytfreie Infusionslösungen zur Verfügung.
Der Basisflüssigkeitsbedarf eines Erwachsenen beträgt 1,5 l/m2 Oberfläche = 40 ml/kg KG. Der Tagesbasisbedarf der Elektrolyte ist unterschiedlich und wird in der Literatur wie folgt angegeben: Natrium 2 mmol/kg KG, Kalium 1 mmol/kg KG, Kalzium 0,1–0,2 mmol/kg KG, Magnesium 0,1–0,2 mmol/kg KG und Phosphat 0,2–0,5 mmol/kg KG. Als Infusionslösungen stehen Voll-, Zweidrittel-, Halb- und Drittelelektrolytlösungen sowie elektrolytfreie Infusionslösungen zur Verfügung. Spurenelemente, Vitamine und Nährstoffe sind dieser Therapie hinzuzufügen (s. Kap. A-7).
Ersatzbehandlung
Ersatzbehandlung
Definition
n Definition. Die Ersatzbehandlung soll zusätzliche pathologische Wasser- und Elektrolytverluste decken, die durch die Erhaltungsbehandlung nicht erfasst werden.
Bei Fieber und starkem Schwitzen wird hypotone Flüssigkeit ausgeschieden. Diese Verluste können mit einer Halbelektrolytlösung ersetzt werden. Magensaftverluste > 500 ml sollten mit einer Vollelektrolytlösung ersetzt werden.
Bei Fieber und starkem Schwitzen wird hypotone Flüssigkeit ausgeschieden. Ein Temperaturanstieg von 1 ΩC über den Normalwert (37 ΩC) hat einen zusätzlichen Flüssigkeitsverlust von ca. 500 ml zur Folge. Diese Verluste müssen unbedingt, z.B. mit einer Halbelektrolytlösung, ersetzt werden. Eine Ersatzbehandlung muss ebenfalls bei hohen Magensaftverlusten (> 500 ml) erfolgen. Die Infusion sollte hierbei mit einer Vollelektrolytlösung, z.B. Ringerlösung vorgenommen werden. Verluste von Darmsekreten, z.B. bei Fisteln und Diarrhö oder Verlust von Galleflüssigkeit über die T-Drainage, werden ebenfalls mit einer Vollelektrolytlösung ersetzt. Zu beachten ist hierbei der Elektrolyt- sowie der Säure-Basen-Status des Patienten. Die Ersatzbehandlung bei Blutverlusten wird auf S. 110ff näher erläutert.
Korrektivbehandlung
Korrektivbehandlung
Merke
n Merke. Die präoperative Korrektivbehandlung spielt für die Vorbereitung eines Patienten zur Operation eine entscheidende Rolle.
Bei einer großen Anzahl von Patienten, die an schweren konsumierenden Erkrankungen (z.B. Tumorleiden) oder Erkrankungen mit Umverteilungen
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6.1.2 Säure-Basen-Haushalt des Flüssigkeitshaushaltes (z.B. Ileus) leiden, finden wir korrekturbedürftige pathologische Befunde des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushaltes. Eine Mangel- bzw. Fehlernährung bedarf dabei ebenfalls der Therapie durch parenterale Ernährung (s. Kap. A-7). Das Ziel der Korrektivbehandlung besteht somit in folgenden Punkten: π Korrektur des intravasalen Volumens π Korrektur des Säure-Basen-Haushaltes π Korrektur des Elektrolythaushaltes π Korrektur des Wasserhaushaltes π Korrektur einer Mangelernährung.
Ziele der Korrektivbehandlung π Korrektur des intravasalen Volumens π Korrektur des Säure-Basen-Haushaltes π Korrektur des Elektrolythaushaltes π Korrektur des Wasserhaushaltes π Korrektur einer Mangelernährung.
Perioperative Infusionstherapie
Perioperative Infusionstherapie
Präoperative Therapie
Präoperative Therapie
Die präoperative Therapie stützt sich im Wesentlichen auf die Korrekturbehandlung pathologischer Veränderungen. Bei Patienten ohne Zeichen einer Malnutrition oder pathologischer Befunde im Wasser-, Elektrolyt- oder Säure-Basen-Haushalt, die nicht essen dürfen oder können, wie z.B. vor Ösophagusresektionen, ist durch die präoperative Infusionstherapie das Entstehen pathologischer Zustände (wie z.B. Malnutrition) zu vermeiden.
Bei pathologischen Zuständen ist präoperativ eine Korrekturbehandlung dringend erforderlich. Die Entstehung einer Malnutrition, z.B. infolge oraler Nahrungskarenz, ist ebenfalls durch geeignete Infusionstherapie zu vermeiden.
Intraoperative Therapie
Intraoperative Therapie
Die intraoperative Infusionstherapie dient zur Sicherung des zirkulierenden Blutvolumens, der Erhaltung des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens und der Erhaltung einer ausreichenden Diurese. Bei thorax- und bauchchirurgischen Eingriffen erfolgt eine Flüssigkeitssubstitution (ca. 300 ml/h) mit einer Vollelektrolytlösung zum Ersatz von Flüssigkeitsverlusten aus dem operierten Bereich. Arterieller Blutdruck, ZVD, Hämatokrit und die Diurese geben weitere Anhaltspunkte für die intraoperative Therapie und sind situationsbedingt zu variieren.
Sie dient zur Sicherung des zirkulierenden Blutvolumens und zur Erhaltung einer ausreichenden Diurese. Bei großen thorax- und bauchchirurgischen Eingriffen ist Flüssigkeitssubstitution von ca. 300 ml/h mit Vollelektrolytlösung nötig.
Postoperative Therapie
Postoperative Therapie
Eine postoperative Infusionstherapie ist notwendig, wenn, durch die Operation oder den Zustand des Patienten bedingt, eine längere orale Flüssigkeitsund Nahrungsaufnahme nicht möglich ist (z.B. bei großen bauchchirurgischen Eingriffen). Die Gefahr der postoperativen Infusionstherapie liegt in der Entstehung einer hypotonen Hyperhydratation (s. S. 103).
Die Gefahr der postoperativen Infusionstherapie liegt in der Entstehung einer hypotonen Hyperhydratation.
n Merke. Postoperative Antidiurese und Katabolie können eine Überdosierung der postoperativen Infusionsmenge verstärken und so zu Ödemen (z.B. der Lunge) führen.
Eine Dosierung von 1,5 l/m2 = 40 ml/kg KG Flüssigkeitsersatz mit Lösungen, die einen geringen Wasserüberschuss aufweisen, ist als ausreichender Basisersatz für den 0. und 1. postoperativen Tag bei vorherbestehender Isohydratation anzusehen (Ersatzbedarf ausgenommen). Durch die Katabolie anfallende Stoffwechselprodukte können so auch bei leicht eingeschränkter Nierenfunktion eliminiert werden. Eine stufenweise dem Postaggressionssyndrom angepasste Ernährung erfolgt dann in den nächsten postoperativen Tagen (s. Kap. A-7.2.1).
Merke
40 ml/kg KG Flüssigkeitsersatz mit Lösungen, die einen geringen Wasserüberschuss aufweisen, sind für die ersten beiden postoperativen Tage ausreichend. Ein zusätzlicher Ersatzbedarf, z.B. bei größeren Verlusten in Dränagen, muss gedeckt werden. Eine dem Postaggressionsstoffwechsel angepasste Ernährung (s. Kap. A-7.2.1) erfolgt dann in den nächsten Tagen.
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6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz
Auswirkungen auf den Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalt bei ausgewählten chirurgischen Erkrankungen
6.1.4 Auswirkungen auf den Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt bei ausgewählten chirurgischen Erkrankungen
6.1.4
Akute Pankreatitis und Peritonitis
Akute Pankreatitis und Peritonitis
Große Flüssigkeitsverluste bis zu mehreren Litern in den sog. dritten Raum. Entstehung einer metabolischen Azidose als Schockfolge oder einer metabolischen Alkalose bei hohen Magensaftverlusten.
Durch Flüssigkeitsverluste bis zu mehreren Litern in die freie Bauchhöhle und in das Darmlumen kann es zu einer schweren Dehydratation bis zum Schock kommen. Natrium- und Kaliumverluste durch Transmineralisation können die Dehydratation begleiten (hypotone Dehydratation). Eine metabolische Azidose (Laktatanfall durch Störung der Mikrozirkulation sehen wir ebenfalls oft bei diesen Krankheitsbildern. Durch erhöhte Magensaftverluste kann jedoch auch eine metabolische Alkalose entstehen.
Ileus
Ileus
Große Flüssigkeitsverluste in Peritoneum und Darm. Natrium- und Kaliummangel durch Verlust von Verdauungssekreten.
Metabolische Alkalosen (Magensaftverluste) und Azidosen (Bikarbonatverluste) sind möglich.
Wie schon bei der Pankreatitis und Peritonitis beschrieben, ist der Ileus durch eine Umverteilung des Körperwassers in den Darm, die Darmwand und das Peritoneum gekennzeichnet. Ein Schockzustand kann auch hier die Folge sein. Ein Anstieg des Hämatokrits und somit der Blutviskosität führt zu einer Störung der Kapillarperfusion. Natrium- und Kaliumverluste entstehen u.a. durch Verlust von Verdauungssekreten. Der Kaliummangel verstärkt dann wiederum die Darmatonie. Sowohl metabolische Alkalosen (durch hohe Magensaftverluste) als auch metabolische Azidosen (Bikarbonatverluste) können die Folge eines Ileus sein.
6.2
6.2
Volumentherapie
6.2.1 Grundlagen
6.2.1
Grundlagen
Anhand des in 1 A-6.4 dargestellten Nomogramms lässt sich das Sollblutvolumen eines Erwachsenen bestimmen.
Das Blutvolumen, bestehend aus Plasma- und Erythrozytenvolumen, macht ca. 6 % der Körpermasse eines erwachsenen Menschen aus. Anhand von Diagrammen kann mit Hilfe der Größe, des Gewichts und somit der Körperoberfläche relativ genau das Sollblutvolumen bestimmt werden. Mit dem in 1 A-6.4 dargestellten Nomogramm lässt sich z.B. das Blutvolumen eines Erwachsenen ermitteln. Eine vereinfachte Formel zur Berechnung des Blutvolumens lautet: 67 ml/kg KG für Frauen und 77 ml/kg KG für Männer. Das heißt, eine 60 kg schwere Frau besitzt ein Blutvolumen von ca. 4 000 ml, ein Mann mit einem Gewicht von 80 kg eines von 6 000 ml. Landerer führte 1881 die erste erfolgreiche Kochsalzinfusion am Menschen durch. Eine hochgradige Schwellung interstitieller Gewebe war jedoch als unerwünschte Nebenwirkung zu verzeichnen. Die Kochsalzinfusion mit nicht vorhandener kolloidosmotischer Wirkung wurde dann in späteren Jahren durch Infusionslösungen mit kolloidosmotischer Wirkung ersetzt. Wir unterscheiden heute natürliche (Humanalbumin, Plasmaproteinlösung) und künstliche Kolloide (Dextrane, Gelatine, Hydroxyäthylstärke). Nach Bekanntwerden des AB0- und Rhesusblutgruppensystems 1901 bzw. 1940 durch Landsteiner konnte der Volumenersatz auch mit Blutpräparaten durchgeführt werden. Über den Ersatz mit Vollblut hat sich in den letzten Jahren die Therapie mit Blutkomponenten durchgesetzt. Es soll nur das ersetzt werden, was »wirklich gebraucht« wird. Dabei führte gerade die Ausweitung der Infektion mit dem HIV-Virus zu einer sehr restriktiven Handhabung der einzelnen Komponenten. In den letzten Jahren konnten erhebliche Neuerungen zur Vermeidung von viralen Infektionen eingeführt werden. Lundsgaard-Hansen stellte bereits 1980 das Konzept der abgestuften elektiven Komponententherapie akuter Blutverluste vor (sog. »Berner Konzept«) ( 1 A-6.5). Dieses Therapiekonzept richtet sich nach kritischen Schwellenwerten für einzelne Blutbestandteile. Die Hämatokritschwelle von 80 % des Ausgangs-
Volumentherapie
Eine vereinfachte Formel zur Berechnung des Blutvolumens lautet: 67 ml/kg KG für Frauen und 77 ml/kg KG für Männer.
Man unterscheidet natürliche (Humanalbumin, Plasmaproteinlösung) und künstliche Kolloide (Dextrane, Gelatine, Hydroxyäthylstärke). Über den Ersatz mit Vollblut hat sich in den letzten Jahren die Therapie mit Blutkomponenten durchgesetzt. Es soll nur das ersetzt werden, was »wirklich gebraucht« wird. 1 A-6.5 zeigt das Konzept der abgestuften elektiven Komponententherapie akuter Blutverluste (sog. »Berner Konzept«).
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6.2.1 Grundlagen
1 A-6.4
111
Synopsis Nomogramm zur Ermittlung des Sollblutvolumens in ml bei Erwachsenen
Eine direkte Verbindung zwischen Gewicht und Größe ergibt die Körperoberfläche (KOF), waagerecht wird dann eine Verbindung zum Sollblutvolumen (SV) des Mannes (`) bzw. der Frau (´) hergestellt. Beispiel: Im Nomogramm eingezeichnet ist das Beispiel eines 170 cm großen und 70 kg schweren Menschen. Die Körperoberfläche beträgt 1,8 m 2 , das Sollblutvolumen einer Frau ca. 4 l, das eines Mannes ca. 4,8 l.
Größe cm
SV ml
200 7 000 190 6 500 180 6 000
KOF m2 2,8 2,7 2,5
5 500
5 000
150
4 500
4 000
110 100
4 500 90 4 000
3 500
80
70
1,5 60
1,4 130
130
1,7 1,6
140
5 000
1,9 1,8
140
120
2,1 2,0
160
5 500
2,4 2,3
Gewicht kg 150
6 000
2,6
2,2 170
SV ml
3 000 3 500
1,3 50 1,2
120 3 000
2 500 1,1 40 1,0
110 2 500
0,9 100
2 000 30
wertes kommt bei einem normalen Durchschnitt des Zellanteils von 43 % einem gemessenen Hämatokrit von 35 % gleich. Ein Serumgesamteiweiß von 67 % der Norm, entsprechend 50 g/dl, hat sich ebenfalls als ausreichend erwiesen, ebenso eine 35 %ige Aktivität der Gerinnungsfaktoren. Mindestens 50 000 Thrombozyten/ml Blut werden ebenfalls als kritische Grenze für Operationen mit flächenhaften Sickerblutungen angesehen.
Als kritische Schwellenwerte der einzelnen Blutbestandteile gelten: π Hämatokrit: 80 % des Ausgangswertes (ca. 35 % Hkt) π Serumgesamteiweiß: 67 % der Norm (50 g/dl) π Gerinnungsfaktor: 35 % der Norm π Thrombozyten: 50 000/ m l.
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6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz
1 A-6.5
Synopsis Ursprüngliches »Berner Konzept« der Komponententherapie
kritische Schwellenwerte
Sollblutvolumen (SV) in %
Therapie
100
Ersatz mit kristalloiden und künstlichen 90 Kolloiden Ersatzlösungen (½ kristalloid, Verhältnis 3:1) Ersatzlösungen (½ kolloidal, Verhältnis 1:1) 80 kritische Grenze des 70 künstliche Kolloide und Kristalloide zusätzlich Erythrozytenkonzentrate Hämatokrits ca. 80% der Norm 60
kritische Grenze des Gesamteiweißes ca. 67% der Norm (50g/l)
Erythrozytenkonzentrate und natürliche 50 Kolloide wie PPL und Humanalbumin 40
kritische Grenze des Gerinnungsfaktoren ca. 35%
35 30 Erythrozytenkonzentrate und Frischplasma 20
kritische Grenze der Thrombozyten ca. 50 000/μl
bei Verlusten von > 75% des Sollblutvolumens 10 zusätzliche Gabe von Thrombozyten 0
Merke
n Merke. Bei einem Verlust bis zu 20 % des Sollblutvolumens (SV) wird die Substitution mit Kristalloiden und künstlichen Kolloiden durchgeführt. Weitere Verluste bis zu 40 % des SV werden mit Erythrozytenkonzentraten vorgenommen. Eine Therapie mit Humanalbumin ist zusätzlich bei Verlusten von 60 % angezeigt. Erst ab 65 % Verlust ist die Therapie mit Frischplasma zur Substitution von Gerinnungsfaktoren und ab ca. 75 % Verlust des SV der Ersatz von Thrombozyten durchzuführen.
Die Komponententherapie muss jedoch dem einzelnen Patienten individuell angepasst werden. Bei nicht vorerkrankten jüngeren Patienten tolerieren wir heute sogar Verluste von zirkulierenden Erythrozyten bis zu 35 % (d.h. ca. 1000–2000 ml) und führen den Ersatz stattdessen mit künstlichen und natürlichen Kolloiden wie z.B. Humanalbumin und Plasmaproteinlösung durch (nicht jedoch mit Frischplasma, wegen der möglichen Übertragung von Infektionen und der Gefahr von Transfusionsreaktionen.
Kristalloide Lösungen
6.2.2 Kristalloide Lösungen
6.2.2
Intraoperative Volumenverluste bis zu 1000 ml können bei präoperativ normalem Hämatokrit mit isotoner Vollelektrolytlösung (z.B. Ringerlaktat) ersetzt werden.
Nach Ahnefeld und Schmitz können intraoperative Volumenverluste bis zu 1000 ml bei präoperativ normalem Hämatokrit mit isotoner Vollelektrolytlösung, z.B. Ringerlaktat, ersetzt werden. Ein gesunder Organismus kann den plötzlichen Verlust von 430 ml Blut im Verlauf von 4 Minuten ohne pathologische Veränderungen alleine durch Vasokonstriktion und Mobilisierung von Blut aus dem venösen Anteil kompensieren.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz
1 A-6.5
Synopsis Ursprüngliches »Berner Konzept« der Komponententherapie
kritische Schwellenwerte
Sollblutvolumen (SV) in %
Therapie
100
Ersatz mit kristalloiden und künstlichen 90 Kolloiden Ersatzlösungen (½ kristalloid, Verhältnis 3:1) Ersatzlösungen (½ kolloidal, Verhältnis 1:1) 80 kritische Grenze des 70 künstliche Kolloide und Kristalloide zusätzlich Erythrozytenkonzentrate Hämatokrits ca. 80% der Norm 60
kritische Grenze des Gesamteiweißes ca. 67% der Norm (50g/l)
Erythrozytenkonzentrate und natürliche 50 Kolloide wie PPL und Humanalbumin 40
kritische Grenze des Gerinnungsfaktoren ca. 35%
35 30 Erythrozytenkonzentrate und Frischplasma 20
kritische Grenze der Thrombozyten ca. 50 000/μl
bei Verlusten von > 75% des Sollblutvolumens 10 zusätzliche Gabe von Thrombozyten 0
Merke
n Merke. Bei einem Verlust bis zu 20 % des Sollblutvolumens (SV) wird die Substitution mit Kristalloiden und künstlichen Kolloiden durchgeführt. Weitere Verluste bis zu 40 % des SV werden mit Erythrozytenkonzentraten vorgenommen. Eine Therapie mit Humanalbumin ist zusätzlich bei Verlusten von 60 % angezeigt. Erst ab 65 % Verlust ist die Therapie mit Frischplasma zur Substitution von Gerinnungsfaktoren und ab ca. 75 % Verlust des SV der Ersatz von Thrombozyten durchzuführen.
Die Komponententherapie muss jedoch dem einzelnen Patienten individuell angepasst werden. Bei nicht vorerkrankten jüngeren Patienten tolerieren wir heute sogar Verluste von zirkulierenden Erythrozyten bis zu 35 % (d.h. ca. 1000–2000 ml) und führen den Ersatz stattdessen mit künstlichen und natürlichen Kolloiden wie z.B. Humanalbumin und Plasmaproteinlösung durch (nicht jedoch mit Frischplasma, wegen der möglichen Übertragung von Infektionen und der Gefahr von Transfusionsreaktionen.
Kristalloide Lösungen
6.2.2 Kristalloide Lösungen
6.2.2
Intraoperative Volumenverluste bis zu 1000 ml können bei präoperativ normalem Hämatokrit mit isotoner Vollelektrolytlösung (z.B. Ringerlaktat) ersetzt werden.
Nach Ahnefeld und Schmitz können intraoperative Volumenverluste bis zu 1000 ml bei präoperativ normalem Hämatokrit mit isotoner Vollelektrolytlösung, z.B. Ringerlaktat, ersetzt werden. Ein gesunder Organismus kann den plötzlichen Verlust von 430 ml Blut im Verlauf von 4 Minuten ohne pathologische Veränderungen alleine durch Vasokonstriktion und Mobilisierung von Blut aus dem venösen Anteil kompensieren.
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113
6.2.2 Kristalloide Lösungen
n Merke. Durch den Verlust von Plasma und Erythrozyten kommt es jedoch intravasal zu einem onkotischen Defizit, welches durch die alleinige Gabe kristalloider Lösungen nicht verhindert werden kann. Für 1 ml Plasmaverlust sind ca. 3 ml einer isotonen kristalloiden Lösung zu applizieren.
Merke
Es kommt durch die Absenkung des kolloidosmotischen Druckes (KOD) zum raschen Austritt der kristalloiden Lösung in den extravasalen Raum mit anschließender renaler Elimination, sodass die Volumenverluste auf längere Sicht weiter ersetzt werden müssen. Deshalb hat sich die Verwendung künstlicher Kolloide in Kombination mit kristalloiden Lösungen im Verhältnis ein Drittel zu zwei Drittel bewährt.
Durch Absenkung des KOD kommt es zu einem raschen Austritt der kristalloiden Lösung in den extravasalen Raum. Deshalb hat sich die Kombination von kristalloiden Lösungen mit künstlichen Kolloiden im Verhältnis 2 ⁄3 : 1 ⁄ 3 bewährt.
Ringerlaktat
Ringerlaktat
Ringerlaktat enthält 130 mmol/l Natrium, ca. 5,4 mmol/l Kalium, je nach Präparat zwischen 1,8–3,7 mmol/l Kalzium, 112 mmol/l Chlorid und 27 mmol/l Laktat. Die Lösung ist leicht hypoton, pH-neutral, preisgünstig und schnell verfügbar. Sie normalisiert nicht die Hypoproteinämie, fördert somit evtl. die Ödembildung und kann durch Laktatabbau zu einer metabolischen Alkalose führen.
Ringerlaktat enthält: 130 mmol/l Natrium, 5,4 mmol/l Kalium, 1,8–3,7 mmol/l Kalzium, 112 mmol/l Chlorid und 27 mmol/l Laktat. Ringerlaktat ist leicht hypoton, normalisiert nicht die Hypoproteinämie und kann zu einer metabolischen Alkalose führen.
n Merke. Bei Leberinsuffizienz wird das Laktat dagegen nicht abgebaut, und es entsteht eine Laktatazidose.
Merke
Small volume resuscitation
Small volume resuscitation
Das Ziel einer optimalen Primärtherapie sollte es sein, eine rasche Normalisierung der Makro- und Mikrohämodynamik zu erreichen. Es muss schnell ein Fortbestehen des Volumenmangels, aber ebenso eine Überwässerung vermieden werden. Das neue Konzept der Small volume resuscitation soll beiden Anforderungen Rechnung tragen. Das Konzept sieht eine Gabe kleiner Volumina einer hochkonzentrierten Kochsalz-Dextranlösung vor. Die Applikationsdauer sollte 2 Minuten betragen. Studien haben gezeigt, dass bei schwerer hämorrhagisch bedingter Hypotension mit Verlust von 50 % des Blutvolumens eine Infusion von 4 ml/kg 7,2–7,5 %iger hypertoner Kochsalzlösung in 2–5 Minuten ausreicht, um das Herzzeitvolumen zu normalisieren. Wird dem Natriumchlorid noch 6 %iges bzw. 10 %iges Dextran 60 zugesetzt, kann so eine Verlängerung des Kreislaufeffektes erzielt werden. Folgende Wirkmechanismen liegen hierbei zugrunde: π Der osmotische Druck des Plasmas wird erhöht, es kommt zu einer Verschiebung von Flüssigkeit aus dem extra- in den intravasalen Raum. π Durch den intravasalen Zustrom und die somit erzielte Hämodilution kommt es zu einer verbesserten Kapillardurchblutung. π Hypertone Lösungen bewirken durch einen Anstieg der Plasmaosmolarität einen positiv inotropen Effekt am Herzen. Eine Relaxation der glatten Gefäßmuskulatur ist ebenfalls beschrieben. Die Small volume resuscitation stellt in Hinblick auf Praktikabilität, Effektivität und Sicherheit (Vermeidung von Volumenüberladung) ein neues Konzept in der Primärtherapie des hämorrhagischen Schocks dar. Eine bilanzierte Volumentherapie muss jedoch im weiteren Verlauf folgen. Weitere Studien müssen in der Zukunft zeigen, ob dieses neue Konzept zu einer Senkung des multiplen Organversagens und der Letalität nach einem Trauma mit schwerem hämorrhagischem Schock führen kann.
Dies ist ein neues Therapiekonzept zur schnellen Beseitigung des Volumenmangels unter Vermeidung einer Überwässerung. Es werden kleine Volumina (4 ml/kg KG) einer hochkonzentrierten (7,2–7,5 %igen) hypertonen Kochsalzlösung, welcher Dextran 60 zugesetzt wird, appliziert.
Wirkmechanismen sind: Flüssigkeitsverschiebung vom extrain den intravasalen Raum π Hämodilution und verbesserte Kapillardurchblutung π durch Anstieg der Plasmaosmolarität positiv inotroper Effekt auf das Herz. π
Eine bilanzierte Volumentherapie muss der Small volume reuscitation angeschlossen werden. Weitere Studien müssen zeigen, ob dieses neue Konzept des Volumenersatzes wirklich zu einer Senkung des multiplen Organversagens und der Letalität nach einem Trauma führt.
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114 6.2.3 Künstliche kolloidale Volumenersatzmittel Dextrane Dextrane bestehen aus Glukosemolekülen in kettenartiger Verbindung. Die Lösungen sind hyperonkotisch. Die Ausscheidung erfolgt über die Nieren, der Rest wird in Leber und Milz abgebaut. Die Volumenwirkung hängt vom kolloidosmotischen Druck und dem Wasserbindungsvermögen der Lösung ab. Die intravasale Persistenz beträgt 3,5–5 h. Wirkungen: Senkung des Hämatokrits und der Viskosität und dadurch Verbesserung der peripheren Zirkulation, antithrombotische Wirkung.
Nebenwirkungen: Es können anaphylaktische Reaktionen bis zum schweren Schock auftreten.
Merke
Die Höchstdosis beträgt 1,5 g Dextran/ kg KG/Tag (wegen der Wirkung auf das Gerinnungssystem).
6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz 6.2.3
Künstliche kolloidale Volumenersatzmittel
Dextrane Dextrane bestehen aus 200–450 kettenartig aufgebauten Glukosemolekülen mikrobieller Herkunft in a-1,6-glykosidischer Bindung. Die Molekülmasse liegt zwischen 40 000 und 200 000 Dalton. Die Lösungen sind hyperonkotisch und elektrisch neutral. Die Ausscheidung erfolgt bis zu 50 000 Dalton über die Nieren (ca. 64 %), der Rest wird in Leber, Milz und Nieren zu CO2 abgebaut. Nach ca. 10 Tagen sind 90 % eliminiert. Die Volumenwirkung hängt vom kolloidosmotischen Druck und dem Wasserbindungsvermögen der Lösung ab. 1 g Dextran bindet ca. 25 ml Wasser. Der Volumenfülleffekt beträgt für Dextran 60 ca. 1,0 und für Dextran 40 ca. 1,35 im Verhältnis zum zugeführten Volumen. Dextran 60 hat jedoch aufgrund der höheren Molekülgröße einen länger anhaltenden Volumeneffekt mit ca. 5 Stunden im Gegensatz zum Dextran 40 mit 3,5 Stunden. Da der Hämatokrit und die Blutviskosität sinken und sich somit die periphere Zirkulation verbessert, werden Dextrane auch bei peripheren und zentralen Durchblutungsstörungen eingesetzt. Weiter besitzen Dextrane eine antithrombotische Wirkung über eine Aggregationsminderung von Thrombozyten und eine Verminderung der Freisetzung des Plättchenfaktors 3. Die plasmatische Gerinnung wird ebenfalls beeinflusst, wobei es sowohl zu einer Hemmung einiger Faktoren als auch einer Aktivierung des Gerinnungssystems kommen kann. Nierenfunktionsstörungen bei vorher bestehender Nierenerkrankung bzw. dehydrierten Patienten sind ebenfalls beschrieben. Künstliche Kolloide führen ebenfalls zur Hemmung der Proteinsynthese, vor allem des Albumins. Deswegen ist eine längere Anwendung obsolet. Nebenwirkungen: Die dextraninduzierte anaphylaktische Reaktion wird mit bis zu 4,7 % in der Literatur angegeben und kann von leichten Hauterscheinungen bis zum schweren Schock mit Herz- und Kreislaufstillstand führen. Bei 70 % der Menschen finden wir dextranreaktive Antikörper, die z.B. gegen Verunreinigungen in Lebensmitteln entstanden sind. Weiter besitzen einige Bakterienkapseln die gleichen antigenen Determinanten wie Dextrane. n Merke. Diese Antigen-Antikörper-Reaktionen können durch vorherige Gabe von 20 ml eines monovalenten Haptens (z.B. PromitQ) verhindert oder abgeschwächt werden. Die Bindungsstellen möglicher Antikörper werden dabei blockiert.
Die Haptene wirken selbst nicht immunogen, Unverträglichkeitsreaktionen sind äußerst selten und nicht stark ausgeprägt. Wegen der Wirkungen auf das Gerinnungssystem und die Nierenfunktion sollte nicht mehr als 1,5 g Dextran/kg KG/Tag verabreicht werden.
Gelatine
Gelatine
Gelatine besteht aus Peptidketten mit einer Molekülmasse von 30 000–35 000 Dalton. Die Lösung hat keinen volumenexpandierenden Effekt, da sie isoonkotisch ist. Die Ausscheidung erfolgt renal. Die intravasale Persistenz beträgt 2–3 Stunden.
Gelatinelösungen bestehen aus Peptidketten mit unterschiedlicher Vernetzung. Die mittlere Molekülmasse beträgt 30 000–35 000 Dalton. Die Lösungen werden 3–5 %ig hergestellt, sind isoonkotisch und besitzen somit keinen volumenexpandierenden Effekt. Die Elimination erfolgt vorwiegend renal, ein kleiner Teil wird über den Darm ausgeschieden oder durch Peptidasen abgebaut. Die intravasale Persistenz ist mit 2–3 Stunden kürzer als bei anderen künstlichen Kolloiden. Hämatokrit und Plasmaviskosität werden gesenkt, die Nierenfunktion wird nicht beeinflusst. Eine Wirkung auf das Gerinnungssystem konnte bis jetzt nicht nachgewiesen werden. Nebenwirkungen: Schwere Unverträglichkeitsreaktionen durch Histaminfreisetzung sind beschrieben worden. Eine Vorbehandlung mit H1- und H2-Blockern kann die Reaktion vermindern. Gelatine-Antikörper wurden ebenfalls gefunden. Das Auftreten einer Unverträglichkeitsreaktion wird in der Literatur mit 0,064–21,3 % angegeben.
Wirkungen: Senkung von Hämatokrit und Plasmaviskosität, keine Wirkung auf die Blutgerinnung. Nebenwirkungen: schwere Unverträglichkeitsreaktionen sind beschrieben worden, jedoch sehr selten. Eine Vorbehandlung mit H1 - und H2 Blockern kann die Reaktion vermindern.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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6.2.4 Therapie mit Blutkomponenten
Hydroxyäthylstärke (HAES) Hydroxyäthylstärke besteht aus hochverzweigten kugeligen Stärkemolekülen mit einer Masse von 200 000–450 000 Dalton. Die Glukosemoleküle sind in unterschiedlichen Substitutionsgraden hydroxyäthyliert. Die a-Amylase in der Blutbahn spaltet die HAES-Moleküle. Die Elimination erfolgt dann über die Nieren. HAES-Moleküle werden auch im RES gespeichert und können sich in Hepatozyten und Tubuluszellen der Niere befinden. Negative Auswirkungen auf das RES konnten bis jetzt jedoch nicht nachgewiesen werden. Der volumenexpandierende Effekt von HAES wird mit 1,3–1,4 angegeben. Die Auswirkungen auf die Hämodynamik und die plasmatische Gerinnung sind denen des Dextrans vergleichbar, jedoch wird von HAES nur die kollageninduzierte Thrombozytenaggregation gehemmt. Nebenwirkungen: In der Literatur weist HAES die geringste Nebenwirkungsrate der künstlichen Kolloide auf. Unverträglichkeitsreaktionen sind mit einer Häufigkeit von 0,005–2,7 % selten und erreichen nie den Schweregrad wie bei den Dextranen. Der Mechanismus der Reaktionen ist unbekannt. Nach langdauernder Therapie wie z.B. im HNO-Bereich kann es zu Juckreiz durch Ansammlung von HAES-Molekülen in der Haut kommen. Die maximale Dosierung liegt bei 1,5–2 g Kolloid/kg KG/Tag. Die Nierenfunktion wird durch die niedrig- und mittelmolekularen, niedrig substituierten HAES-Präparate (z.B. HAES 200 000) nicht beeinträchtigt. Unter der Anwendung hochmolekularer und hoch substituierter HAES (z.B. 450 000) können Schädigungen der Niere auftreten. Die Therapie der Unverträglichkeitsreaktionen der künstlichen Kolloide richtet sich nach dem Schweregrad. Die Gabe von Antihistaminika, H1- und H2-Blockern, Kortikosteroiden und evtl. eine Schockbehandlung (s. Kap. A-5.3) sind in schweren Fällen durchzuführen. Zusammenfassende Beurteilung: HAES ist das derzeit in Deutschland am häufigsten eingesetzte künstliche kolloidale Volumenersatzmittel wegen der niedrigsten Inzidenz allergischer Reaktionen. Gelatine hat den Vorteil, dass es keine Begrenzung der täglichen Dosierung gibt bei dem Problem der kurzen Wirksamkeit und dem eher niedrigen Volumeneffekt. Dextran hat aufgrund hoher Nebenwirkungsraten in der operativen Medizin keinen Stellenwert.
Hydroxyäthylstärke (HAES) HAES besteht aus Stärkemolekülen mit einer Molekülmasse von 200 000– 450 000 Dalton. Die Ausscheidung erfolgt renal.
Der volumenexpandierende Effekt beträgt 1,3–1,4. Wirkungen: wie die des Dextrans, jedoch wird nur die Thrombozytenaggregation gehemmt. Nebenwirkungen: Unverträglichkeitsreaktionen sind selten und verlaufen zumeist leicht. In schweren Fällen Gabe von H1 - und H2 -Blockern, Kortikosteroiden. Die maximale Dosierung beträgt 1,5–2 g Kolloid/kg KG/Tag.
Künstliches Blut: Fluorocarbon (FC), »Stroma-free Hemoglobin« (SFH-Lösungen)
Künstliches Blut: Fluorocarbon (FC) »Stroma-free Hemoglobin« (SFH-Lösungen)
In den letzten Jahren wurde vermehrt nach einem sicheren und effektiven Erythrozytenersatz gesucht, um u.a. das Infektionsrisiko bei Bluttransfusionen zu senken. Diese Substanz müsste Sauerstoff und Kohlendioxid transportieren, nicht toxisch, temperaturstabil und universell kompatibel sein. Außerdem sollte sie eine lange intravasale Verweildauer besitzen. 2 chemische Produkte sind in den letzten Jahren näher untersucht worden: Fluorocarbon (FC) und zellfreie Hämoglobinlösungen (SFH-Lösungen).
Fluorocarbon (FC) und »Stroma-free Hemoglobin« (SFH) sind zur Zeit in der Erprobung als Blutersatzstoffe. Zum jetzigen Zeitpunkt steht jedoch kein »künstliches Blut« mit Sauerstoffträgerfunktion zur Verfügung.
6.2.4
Therapie mit Blutkomponenten
6.2.4 Therapie mit Blutkomponenten
Grundlage für die Vorbereitung und Durchführung der Therapie mit Blutkomponenten sind die »Richtlinien zur Blutgruppenbestimmung und Bluttransfusion«, aufgestellt vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer.
Transfusionsserologie
Transfusionsserologie
Blutgruppen werden durch Alloantigene auf den roten Blutkörperchen bestimmt. Sie sind mit spezifischen Antikörpern nachweisbar. Die für die Transfusion wichtigsten Systeme sind das AB0- und das Rhesussystem. Im
Die wichtigsten Blutgruppensysteme für die Transfusion sind das AB0- und das Rhesussystem.
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6.2.4 Therapie mit Blutkomponenten
Hydroxyäthylstärke (HAES) Hydroxyäthylstärke besteht aus hochverzweigten kugeligen Stärkemolekülen mit einer Masse von 200 000–450 000 Dalton. Die Glukosemoleküle sind in unterschiedlichen Substitutionsgraden hydroxyäthyliert. Die a-Amylase in der Blutbahn spaltet die HAES-Moleküle. Die Elimination erfolgt dann über die Nieren. HAES-Moleküle werden auch im RES gespeichert und können sich in Hepatozyten und Tubuluszellen der Niere befinden. Negative Auswirkungen auf das RES konnten bis jetzt jedoch nicht nachgewiesen werden. Der volumenexpandierende Effekt von HAES wird mit 1,3–1,4 angegeben. Die Auswirkungen auf die Hämodynamik und die plasmatische Gerinnung sind denen des Dextrans vergleichbar, jedoch wird von HAES nur die kollageninduzierte Thrombozytenaggregation gehemmt. Nebenwirkungen: In der Literatur weist HAES die geringste Nebenwirkungsrate der künstlichen Kolloide auf. Unverträglichkeitsreaktionen sind mit einer Häufigkeit von 0,005–2,7 % selten und erreichen nie den Schweregrad wie bei den Dextranen. Der Mechanismus der Reaktionen ist unbekannt. Nach langdauernder Therapie wie z.B. im HNO-Bereich kann es zu Juckreiz durch Ansammlung von HAES-Molekülen in der Haut kommen. Die maximale Dosierung liegt bei 1,5–2 g Kolloid/kg KG/Tag. Die Nierenfunktion wird durch die niedrig- und mittelmolekularen, niedrig substituierten HAES-Präparate (z.B. HAES 200 000) nicht beeinträchtigt. Unter der Anwendung hochmolekularer und hoch substituierter HAES (z.B. 450 000) können Schädigungen der Niere auftreten. Die Therapie der Unverträglichkeitsreaktionen der künstlichen Kolloide richtet sich nach dem Schweregrad. Die Gabe von Antihistaminika, H1- und H2-Blockern, Kortikosteroiden und evtl. eine Schockbehandlung (s. Kap. A-5.3) sind in schweren Fällen durchzuführen. Zusammenfassende Beurteilung: HAES ist das derzeit in Deutschland am häufigsten eingesetzte künstliche kolloidale Volumenersatzmittel wegen der niedrigsten Inzidenz allergischer Reaktionen. Gelatine hat den Vorteil, dass es keine Begrenzung der täglichen Dosierung gibt bei dem Problem der kurzen Wirksamkeit und dem eher niedrigen Volumeneffekt. Dextran hat aufgrund hoher Nebenwirkungsraten in der operativen Medizin keinen Stellenwert.
Hydroxyäthylstärke (HAES) HAES besteht aus Stärkemolekülen mit einer Molekülmasse von 200 000– 450 000 Dalton. Die Ausscheidung erfolgt renal.
Der volumenexpandierende Effekt beträgt 1,3–1,4. Wirkungen: wie die des Dextrans, jedoch wird nur die Thrombozytenaggregation gehemmt. Nebenwirkungen: Unverträglichkeitsreaktionen sind selten und verlaufen zumeist leicht. In schweren Fällen Gabe von H1 - und H2 -Blockern, Kortikosteroiden. Die maximale Dosierung beträgt 1,5–2 g Kolloid/kg KG/Tag.
Künstliches Blut: Fluorocarbon (FC), »Stroma-free Hemoglobin« (SFH-Lösungen)
Künstliches Blut: Fluorocarbon (FC) »Stroma-free Hemoglobin« (SFH-Lösungen)
In den letzten Jahren wurde vermehrt nach einem sicheren und effektiven Erythrozytenersatz gesucht, um u.a. das Infektionsrisiko bei Bluttransfusionen zu senken. Diese Substanz müsste Sauerstoff und Kohlendioxid transportieren, nicht toxisch, temperaturstabil und universell kompatibel sein. Außerdem sollte sie eine lange intravasale Verweildauer besitzen. 2 chemische Produkte sind in den letzten Jahren näher untersucht worden: Fluorocarbon (FC) und zellfreie Hämoglobinlösungen (SFH-Lösungen).
Fluorocarbon (FC) und »Stroma-free Hemoglobin« (SFH) sind zur Zeit in der Erprobung als Blutersatzstoffe. Zum jetzigen Zeitpunkt steht jedoch kein »künstliches Blut« mit Sauerstoffträgerfunktion zur Verfügung.
6.2.4
Therapie mit Blutkomponenten
6.2.4 Therapie mit Blutkomponenten
Grundlage für die Vorbereitung und Durchführung der Therapie mit Blutkomponenten sind die »Richtlinien zur Blutgruppenbestimmung und Bluttransfusion«, aufgestellt vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer.
Transfusionsserologie
Transfusionsserologie
Blutgruppen werden durch Alloantigene auf den roten Blutkörperchen bestimmt. Sie sind mit spezifischen Antikörpern nachweisbar. Die für die Transfusion wichtigsten Systeme sind das AB0- und das Rhesussystem. Im
Die wichtigsten Blutgruppensysteme für die Transfusion sind das AB0- und das Rhesussystem.
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6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz
Im AB0-System werden 4 Blutgruppen unterschieden ( 2 A-6.4).
AB0-System können mit spezifischen Antiseren 4 Blutgruppen unterschieden werden ( 2 A-6.4).
2 A-6.4
Blutgruppen im AB0-System Blutgruppe
Anti-A-Serum
Anti-B-Serum
A (44 %)
+
–
B (14 %)
–
+
0 (36 %)
–
–
AB ( 6 %)
+
+
Eine Agglutination ist durch + gekennzeichnet; erfolgt keine Agglutination, ist ein – angegeben. Die Angabe in % hinter den Blutgruppen gibt die prozentuale Verteilung in Mitteleuropa an.
Im Rhesussystem liegen mehrere über 3 gekoppelte Genorte gesteuerte Merkmale vor. Das Merkmal D ist wegen seiner starken Immunität von größter klinischer Bedeutung. Liegt es vor, ist der Patient rhesuspositiv. (83 % der Europäer sind Rh-positiv).
Bluttransfusionen müssen AB0- und Rhesus-D-identisch durchgeführt werden. Ein zusätzlicher Antikörpertest (indirekter Coombs-Test) wird beim Empfänger durchgeführt. Bei der Transfusion von Erythrozyten ist die zusätzliche »Kreuzprobe« zwischen Empfänger- und Spenderblut notwendig ( 1 A-6.6).
1 A-6.6
Im Rhesussystem liegen mehrere Merkmale vor, die über 3 gekoppelte Genorte gesteuert sind. Das Merkmal D ist wegen seiner starken Immunität von größter klinischer Bedeutung. Beim Vorliegen dieses Merkmals wird der Patient als »rhesuspositiv« (»Rh-positiv«) bezeichnet, anderenfalls als »rhesusnegativ« (»Rh-negativ«). Eine schwache Variante ist das Merkmal Du, es kann bei der Transfusion auf Rh-negative Patienten zur Antikörperbildung führen. Deshalb wird Blut mit dem Merkmal Du als »Rh-positiv« bezeichnet; als Empfänger werden Patienten mit dem Merkmal Du als »Rh-negativ« angesehen. 83 % der Mitteleuropäer sind Rh-positiv, 17 % Rh-negativ. Auf weitere Systeme wie Kell, Duffy oder Kidd soll in diesem Rahmen nicht näher eingegangen werden. Bluttransfusionen müssen AB0- und Rhesus-D-identisch durchgeführt werden. Bei den Empfängern sollte zusätzlich ein Antikörpersuchtest (indirekter Coombs-Test) durchgeführt werden, da Antikörper der Klassen IgM und IgG gegen Blutgruppenmerkmale existieren. Bei der Transfusion von Erythrozyten ist zusätzlich eine serologische Verträglichkeitsprobe (sog. »Kreuzprobe«) zwischen Spendererythrozytenkonzentrat und Empfängerblut durchzuführen ( 1 A-6.6).
Blutgruppentest
a AB0- und D-(Rhesus-)Identitätstest (A, Rh+).
b Wiederholung des AB0-Idenitätstests vor der Transfusion.
Durchführung einer Bluttransfusion
Durchführung einer Bluttransfusion
Blutbestandteile sind verschreibungspflichtige Arzneimittel. Die Identität von Empfänger, Blutprobe und Konserve muss eindeutig sein.
Blut- und Blutbestandteilkonserven sind verschreibungspflichtige Arzneimittel. Die Indikation ist kritisch zu stellen. Durchführung und Überwachung einer Transfusion fallen in den Verantwortungsbereich des transfundierenden Arztes. Die Regeln der ärztlichen Aufklärungspflicht sind zu
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6.2.4 Therapie mit Blutkomponenten beachten. Die Identität von Empfänger, Blutprobe und Konserve muss stets eindeutig und gesichert sein. Verwechslungen, besonders auf der Station bei Entnahme des Blutes zur Blutgruppenbestimmung oder des Kreuzblutes, sind mit die häufigste Komplikation bei Bluttransfusionen. Vor Beginn der Transfusion hat der verantwortliche Arzt den AB0- und Rhesus-Identitätstest (Bedside-Test) am Empfänger auf speziellen Testkarten vorzunehmen. Somit werden die AB0- und Rhesusmerkmale des Empfängers erneut bestätigt. Dieser Test ist ebenfalls bei der zu transfundierenden Konserve durchzuführen. (In neuerer Zeit wird über die Notwendigkeit dieses Tests diskutiert.) Die Konservennummer ist neben den Patientendaten auch auf dem Begleitschein der Kreuzprobe zu überprüfen. Vor der Transfusion müssen noch das Verfallsdatum und die Beschaffenheit der Konserve überprüft werden. Die Konserve darf nicht hämolytisch sein. Bei bakterieller Kontamination sehen wir eine violette Plasmaverfärbung. Dann erst kann mit der Transfusion begonnen werden. Die Einleitung der Transfusion erfolgt wegen evtl. Transfusionsreaktionen durch einen Arzt. Der Blutbehälter ist für 24 Stunden aufzubewahren. n Merke. Alle Blutbestandteilkonserven sowie alle Präparate, die aus Blut hergestellt werden, unterliegen der Chargendokumentationspflicht. Eine patienten- und produktbezogene Dokumentation ist erforderlich (Name des Präparates, Unternehmen, Chargenbezeichnung, Name des Empfängers, Dosis und Datum der Applikation).
Die Durchführung des Bedside-Tests von Patient und Konserve vor jeder Transfusion ist obligat. Konservennummer und Patientendaten sind zu überprüfen, wie auch Verfallsdatum und Beschaffenheit der Konserve. Die Einleitung der Transfusion muss wegen evtl. Transfusionsreaktionen durch einen Arzt erfolgen. Der Blutbehälter ist danach für 24 Stunden aufzubewahren. Merke
Transfusionsbestecke
Transfusionsbestecke
Da sich trotz der Zuführung der Stabilisatoren während der Lagerung Mikroaggregate aus Fibrin, Leukozyten, Thrombozyten und Erythrozyten bilden, sollten Erythrozytenkonserven mit speziellen Transfusionsbestecken und Filtern eingesetzt werden. Wir verwenden für die Transfusion vereinzelter Konserven Filter mit einer Porengröße von 170–230 m. Die Verwendung sog. Mikrofilter (Porengröße 10–40 m) ist nach neuesten Erkenntnissen obsolet, da die buffycoatfreien Erythrozytenkonzentrate (EK) keine klinisch bedeutenden Mengen an Mikroaggregaten enthalten und außerdem deren klinische Bedeutung nicht gesichert ist. Die Transfusion über spezielle Leukozytenfilter ermöglicht die Reduktion der Leukozyten in den Erythrozytenkonzentraten auf unter 1 %. Dadurch wird das Risiko einer Immunisierung gegen leukozytäre Antigene stark vermindert und die Gefahr der Übertragung bestimmter intrazellulärer Viren wie z.B. Zytomegalieviren verhindert.
Die Transfusion erfolgt über spezielle Filter mit der Porengröße 170–230 m . Mikrofilter der Größe 40 m sind heute obsolet.
Konservierung von Blutbestandteilen
Konservierung von Blutbestandteilen
Die Verhinderung der Blutgerinnung ist für die Blutkonservierung eine wichtige Voraussetzung. 1914 wurde erstmals Natriumzitrat zur Hemmung der Blutgerinnung eingesetzt. Es folgte das Heparin, welches aber wegen seiner starken hämolytischen Wirkung nicht für die Langzeitkonservierung geeignet ist. Über den ACD-Stabilisator (bestehend aus Zitronensäure, Natriumzitrat und Dextrose) und den CPD-Stabilisator (Zitrat, Phosphat, Dextrose) wurden die Blutkonserven in den 50er Jahren durch den Zusatz von Purinbasen (Adenin, Inosin) stabilisiert (sog. CPDA-1-Stabilisator). Somit konnte die Lebensfähigkeit der Erythrozyten verlängert werden. Heute wird die Konservierung z.T. durch eine Zweistufenmethode vorgenommen. Die Hämolyserate nach 6 Wochen Lagerung konnte so auf weniger als 1 % reduziert werden. Die Erythrozyten haben bei dieser Methode eine 24-Stunden-Überlebenszeit in vivo von über 75 %. Das Blut wird zunächst in einen CPD-Beutel (Zitrat, Phosphat, Dextrose gefüllt, danach werden die Erythrozyten vom Plasma getrennt und in einer SAGM-Lösung (Sodium, Adenin, Glukose, Mannitol) auf einen Hämatokrit von 62 % aufgeschwemmt. Das freie Hämoglobin steigt nach 4 Wochen an, sodass auch diese Konserven nur 42–49 Tage gelagert werden sollten.
Heute wird die Konservierung z.T. durch eine Zweistufenmethode vorgenommen. Die Hämolyserate nach 6 Wochen Lagerung konnte so auf weniger als 1 % reduziert werden. Die Erythrozyten haben bei dieser Methode eine 24-Stunden-Überlebenszeit in vivo von über 75 %. Das Blut wird zunächst in einen CPD-Beutel (Zitrat, Phosphat, Dextrose) gefüllt, danach werden die Erythrozyten vom Plasma getrennt und in einer SAGM-Lösung (Sodium, Adenin, Glukose, Mannitol) auf einen Hämatokrit von 62 % aufgeschwemmt.
Zur Reduktion der Leukozyten können bei speziellen Indikationen spezielle Leukozytenfilter eingesetzt werden.
Das freie Hämoglobin steigt nach 4 Wochen an, sodass auch diese Konserven nur 42–49 Tage gelagert werden sollten.
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6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz
Ein weiteres Konservierungssystem (PAGGS-Sorbit) mit 78 % Überlebenszeit der Erythrozyten nach 24 Stunden und niedrigeren Hämolyseraten kommt demnächst auf den Markt.
Neben der Konservierung in diesem CPD/SAGM-System wird in nächster Zeit ein weiteres Konservierungssystem, PAGGS-Sorbit (saure Phosphate, Adenin, Guanosin, Glukose, Sorbit), mit einer 78 %igen Überlebenszeit der Erythrozyten nach 24 Stunden und niedrigerer Hämolyserate freigegeben werden. Auf die Möglichkeit der Tiefkühlkonservierung wird bei den Erythrozytenkonzentraten (s. S. 120) eingegangen.
Lagerung
Lagerung
Die Kühlkette darf nicht unterbrochen werden. Kühlschränke müssen schüttelfrei sein.
Bei der Lagerung von Blut und Blutbestandteilen ist auf die Dauer der Verwendbarkeit und bestimmte Lagertemperaturen sowie -bedingungen zu achten. Die Temperaturen müssen dabei fortlaufend gemessen und dokumentiert werden. Die Kühlschränke zur Aufbewahrung der Präparate müssen schüttelfrei sein. Die Kühlkette darf bei Blutkonserven nicht unterbrochen werden. Die genauen Lagertemperaturen und die Lagerzeit werden bei den einzelnen Präparaten angegeben.
Blutwärmegeräte
Blutwärmegeräte
Bei vereinzelter Gabe sollten EK aufgrund einer Schädigung der Erythrozyten durch Hämolyse und Eiweißdenaturierung nicht angewärmt werden. Gabe von mehreren EK macht die Anwärmung erforderlich (nicht über 38 Ω C). Mikrowellengeräte zur Erwärmung zellhaltiger Präparate sind obsolet.
Bei der vereinzelten Gabe von Erythrozytenkonzentraten sollten diese wegen evtl. Schädigungen der Erythrozyten nicht angewärmt werden. Die schnelle Gabe mehrerer EK macht jedoch eine Anwärmung notwendig, da sonst mit einer Unterkühlung des Patienten zu rechnen ist. Mikrowellengeräte sind heute für zellhaltige Konserven obsolet. Elektrische Blutwärmer dürfen wegen möglicher Denaturierung von Eiweißen nicht über 38 ΩC wärmen.
Zelluläre Präparate
Zelluläre Präparate Erythrozytenpräparate
Erythrozytenpräparate
Die Hauptaufgabe der roten Blutkörperchen ist der O2- und CO2-Transport im Rahmen der »inneren Atmung«. Sauerstoff wird dabei an Hämoglobin gebunden. Die O2-Transportkapazität oder O2-Verfügbarkeit hängt laut folgender Formel von verschiedenen Faktoren ab: DO2 = (SaO2 « 1,39 « Hb) + (PaO2 « 0,0031) « CI « 10 ml/m2/min DO2 = O2-Transportkapazität SaO2 = O2-Sättigung des Blutes PaO2 = arterieller O2-Partialdruck CI = Herzindex. Merke
Wichtig für die Indikation zur Erythrozytentransfusion sind klinischer Zustand, Ursache der Anämie und Alter des Patienten.
n Merke. Für die Indikation zur Erythrozytentransfusion lassen sich keine universell anwendbaren unteren Grenzwerte für Hämoglobin oder Hämatokrit festlegen.
Bei nicht vorerkrankten Patienten kann nach heutigen Gesichtspunkten der Verlust von 25–35 % der Erythrozyten (d.h. 1000–2000 ml) ohne Blut- oder Blutkomponenten ersetzt werden. Entscheidend für die Indikation zur Transfusion von Erythrozyten ist neben den Labordaten (Hb, Hkt) die Dauer, Schwere und Ursache der Anämie, der klinische Zustand sowie das Alter. Niereninsuffiziente Patienten tolerieren durch einen 2,3-DPG-Anstieg wesentlich niedrigere Hb- und Hkt-Werte. Bei Störung der Lungenfunktion sowie kardialen oder schwer konsumierenden Erkrankungen sollte die Indikation zur Transfusion dagegen eher gestellt werden. Ein Hb von 10 g/dl kann u.U. für einen Patienten mit schwerer koronarer Herzkrankheit für die Sauerstoffversorgung des Herzens nicht ausreichend sein. Bei jungen Patienten ohne klinische Zeichen des Sauerstoffmangels der Organe ist dagegen bei einem Hb von 6 g/dl und einem Hkt von 20 % die Indikation zur Transfusion noch nicht gegeben. Gerade in der letzten Zeit haben Patienten, die z.B. aus Glaubensgründen die Transfusion verweigern, Hb-Werte von 2–3 g/dl mit Hilfe der modernen Intensivmedizin (z.B. künstliche Beatmung) überlebt.
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6.2.4 Therapie mit Blutkomponenten Die Indikation zur Gabe von Erythropoetin (früher Behandlung der Anämie bei Niereninsuffizienz) ist auf die schnellere Anhebung des Hämoglobins bei Eigenblutspende und zur Vermeidung von Transfusionen bei größeren Operationen erweitert worden. Diese Möglichkeit wird besonders von den Zeugen Jehovas präoperativ genutzt. Die Behandlung ist jedoch kostenintensiv und nicht risikolos. Hypertonus, sensomotorische Störungen und eine Thrombozytose können die Folge sein.
Durch Erythropoetin kann der Hämoglobingehalt des Blutes präoperativ angehoben werden. Mit der Entstehung eines Hypertonus muss jedoch gerechnet werden.
Vollblut, Frischblut, Warmblut
Vollblut, Frischblut, Warmblut
Nach den neuesten Richtlinien dürfen Vollblut- (eine bestimmte Menge Vollblut mit Stabilisator versetzt), Frischblut- (Vollblut mit Stabilisator, maximal 72 Stunden alt), Warmblut- (Vollblut mit Stabilisator, jedoch nicht gekühlt, maximal 4 Stunden alt) und Heparinblutkonserven (Vollblut ohne Stabilisator, jedoch mit 500 IE Heparin/500 ml versetzt, 12 Stunden haltbar) in Deutschland nicht mehr hergestellt werden, denn sie sind medizinisch entbehrlich und mit erheblichem Risiko verbunden. Die Therapie mit Einzelbestandteilen ist gezielter, risikoärmer und besser. Die Transfusion von homologem Vollblut ist in Deutschland ebenfalls obsolet.
Die Herstellung von Vollblut, Warmblut und Frischblut ist heute in Deutschland obsolet. Heutzutage wird die Therapie mit Blutkomponenten durchgeführt.
Erythrozytenkonzentrate (EK)
Erythrozytenkonzentrate (EK)
Folgende Erythrozytenkonzentrate werden heute hergestellt: π buffycoatfreies EK π buffycoatfreies EK in additiver Lösung π leukozytenarmes EK π gewaschenes EK π kryokonserviertes EK.
Folgende Erythrozytenkonzentrate werden heute hergestellt: π buffycoatfreies EK π buffycoatfreies EK in additiver Lösung π leukozytenarmes EK π gewaschenes EK π kryokonserviertes EK.
Buffycoatfreie Erythrozytenkonzentrate: Sie enthalten den größten Teil der Erythrozyten einer Blutspende. Nach Zentrifugation wird der Buffycoat (Plasma, Leukozyten und Thrombozyten) soweit wie möglich entfernt. Die Stabilisierung erfolgt mit CPD (Zitrat, Phosphat, Dextrose) bzw. CPD mit Zusatz von Adenin (CPDA-1). Zur Verbesserung der Konservierung wird dem EK 40–70 ml des autologen Plasmas wieder zugesetzt. Die Leukozyten sind in diesen EK auf ca. 50 % reduziert. Der Hkt liegt zwischen 60 und 80 %. Für die Lagerung und Transfusion gelten die gleichen Bestimmungen wie für die buffycoatfreien EK in additiver Lösung (s.u.). Die Lagerungsfähigkeit beträgt 28–35 Tage bei +2 bis +6 ΩC.
Buffycoatfreies EK: besteht aus Erythrozyten einer Volblutspende mit CPD-Stabilisator und 40–70 ml Plasma. Die Leukozyten sind auf 50 %, das Plasma ist auf 20–30 % reduziert. Die Lagerungsfähigkeit beträgt 28–35 Tage bei +2 – +6 Ω C. Die EK sind AB0und rhesuskompatibel zu transfundieren.
π
Buffycoatfreie Erythrozytenkonzentrate in additiver Lösung: Sie werden durch Zentrifugation und teilweise Entfernung des Buffycoats (Plasma, Leukozyten und Thrombozyten) aus der Erythrozytenschicht hergestellt. Sie enthalten 170–210 ml Humanerythrozyten einer einzelnen Blutspende, 3–5 ml CPD-Stabilisatorlösung, 12–20 ml Plasma und 100 ml Additivlösung SAGM (s. S. 117). Der Hämatokrit beträgt ca. 50–70 %. Die Leukozyten sind auf ca. 20 % reduziert. Bei sachgerechter Lagerung (+2 – +6 ΩC) sind diese EK ca. 42–49 Tage haltbar, ab dem 10. Tag kommt es durch eine Abnahme des 2,3-DPG-Gehaltes zu einer Linksverschiebung der Sauerstoffdissoziationskurve. Im Organismus wird jedoch der 2,3-DPG-Gehalt in den transfundierten Zellen wiederhergestellt. Granulozyten verlieren ihre Wirkung innerhalb von Stunden ebenso wie Thromobozyten, die bei +4 ΩC aggregieren. EK müssen AB0- und rhesuskompatibel transfundiert werden (Ausnahme s. Notfalltransfusion). Durch die niedrigere Leukozyten- und Thrombozytenkonzentration konnte die Frequenz febriler Transfusionsreaktionen gesenkt werden. π
Gewaschene Erythrozytenpräparate: Diese werden durch mehrmaliges Aufschwemmen und Zentrifugieren in geeigneter Waschlösung (z.B. NaCl) hergestellt. Dabei wird der größte Teil des Plasmas (ca. 99 %), der Leukozyten (ca. 95 %) und der Thrombozyten entfernt. Die gewaschenen EK sind indiziert bei Plasmaproteinunverträglichkeit, besonders bei Patienten mit IgA-Mangel durch Reaktion mit Anti-IgA und bei paroxysmal nächtlicher Hämolyse (PNH).
π
Die Therapie mit Einzelbestandteilen ist gezielter, risikoärmer und besser.
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Buffycoatfreies EK in additiver Lösung: besteht aus Erythrozyten einer Vollblutspende mit weniger CPD-Stabilisator und weniger Plasma als die EK ohne additive Lösung. Sie enthalten 100 ml SAGM-Lösung. Die Leukozyten sind auf 20 %, das Plasma auf 15 % reduziert. Die Lagerungsfähigkeit beträgt bei +2 – +6 Ω C ca. 42–49 Tage. Die EK sind AB0- und rhesuskompatibel zu transfundieren.
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Gewaschene EK: Indikation: Plasmaunverträglichkeit, IgA-Mangel. Lagerung: nach Waschen maximal 6 Stunden, da Kontaminationen möglich sind. Durch das Waschen wird der größte Teil des Plasmas (ca. 99 %), der Leukozyten (ca. 95 %) und der Thrombozyten entfernt.
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6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz Da das Konservensystem zum Waschen geöffnet werden muss und somit eine Kontamination nicht auszuschließen ist, sind diese Präparate nur 6 Stunden lagerfähig und müssen danach verworfen werden.
π Leukozytenarme EK: enthalten < 3 Leukozyten/m l. 99 % der Leukozyten und 98 % der Thrombozyten sind entfernt. Hierdurch wird das Risiko einer Immunisierung gegen leukozytäre Antigene vermindert. Indikation: Patienten vor oder nach Transplantationen und solchen, bei denen eine Immunisierung gegen HLA vermieden werden soll oder Gefahr nichthämolytischer Transfusionsreaktion besteht. CMV wird nach Filtration durch die speziellen Leukozytenfilter nicht übertragen.
Leukozytenarme Erythrozytenkonzentrate: Sie können aus buffycoatfreien EK mit und ohne additive Lösung mittels Filtration hergestellt werden. Es werden bis zu 99 % der Leukozyten und 98 % der Thrombozyten abfiltriert. Dadurch wird das Risiko einer Immunisierung gegen leukozytäre Antigene, vor allem des HLA-Systems vermindert und die Gefahr der Übertragung bestimmter Viren wie z.B. des Zytomegalievirus (CMV) weitgehend ausgeschaltet. Dies ist besonders wichtig bei immunsupprimierten CMVnegativen Patienten. Die Indikation für die Herstellung dieser Präparate sind Patienten vor oder nach Transplantationen und Patienten, bei denen eine Immunisierung gegen HLA vermieden werden soll oder leukozytäre Antikörper schwere febrile nichthämolytische Transfusionsreaktionen hervorrufen. π
Tiefgefrorene EK: Die Lagerung erfolgt bei < –80 Ω C in flüssigem Stickstoff nur in speziellen Zentren. Die Haltbarkeit beträgt 10 Jahre. Leukozyten und Thrombozyten sind zu 99 % entfernt. Indikation: 0-Universalblut im Katastrophenfall, sehr spezielle Genotypformeln, autologes Blut für Empfänger mit ubiquitären Antikörpern, Eigenblutspende zur Vermeidung der Übertragung von Infektionen.
Tiefgefrorene (kryokonservierte) Erythrozytenkonzentrate: Sie werden mit der »low glycerol/Schnellgefriermethode« (16–20 % Glyzerin, Lagerung < –80 ΩC in flüssigem Stickstoff) hergestellt und können mehrere Jahre gelagert werden. Proteine, Leukozyten und Thrombozyten sind bis zu 99 % entfernt. Vor der Anwendung müssen die Konzentrate einem umständlichen Auftauprozess unterzogen werden. Die Kosten für die Herstellung dieser Konserven sind beträchtlich höher als für normale Erythrozytenkonzentrate. Das Indikationsspektrum umfasst seltene Genotypformeln, autologes Blut für Empfänger mit ubiquitären Antikörpern, die Bereithaltung von 0-Universalblut im Katastrophenfall und evtl. die Eigenblutspende zur Vermeidung der Übertragung von Infektionen wie z.B. HIV. Das Hepatitisrisiko soll bei der Gabe tiefgefrorener Konzentrate vermindert sein. Die Herstellung und Lagerung dieser Präparate wird nicht in jedem transfusionsmedizinischen Institut, sondern nur in einigen speziellen Zentren vorgenommen. Die Lagerungsfähigkeit beträgt 10 Jahre.
Thrombozytenkonzentrate (TK)
Thrombozytenkonzentrate (TK)
Sie können aus plättchenreichem Plasma einer Konserve gewonnen werden und enthalten ca. 50–80 « 10 9 Thrombozyten/50 ml. TK aus Hämopherese enthalten ca. 200–400 « 10 9 Thrombozyten/300 ml. Lagerung bei Raumtemperatur. Die Haltbarkeit beträgt ca. 5 Tage bei Agitation (leichter Bewegung).
Thrombozytenkonzentrate können aus plättchenreichem Plasma einer Frischblutkonserve hergestellt werden. Weiterhin können TK durch Hämopherese gewonnen werden (Zellseparationsverfahren zur Abtrennung von Thrombo- und Leukozyten, wobei die übrigen Blutbestandteile dem Spender wieder zugeführt werden). Erstere enthalten ca. 50–80 « 109 Thrombozyten/ 50 ml, letztere je nach Spender 200–400 « 109 Thrombozyten/300 ml Plasma. Die Lagerung erfolgt bei Raumtemperatur (22 ± 2 ΩC) und Agitation (leichter Bewegung) in PVC-Beuteln mit erhöhter Durchlässigkeit für O2 und CO2. Die maximale Lagerzeit beträgt 5 Tage, wobei nach 5 Tagen nur ca. 77 % der Thrombozyten im menschlichen Organismus wieder funktionsfähig werden. Die Indikation für die Gabe von Thrombozyten ist relativ eng umrissen und umfasst Thrombozytopenien und Thrombozytopathien. Die Thrombozytopenie kann dabei durch Mangelbildung wie bei akuter Leukämie, nach Zytostatikabehandlung oder als Folge von Verdünnung (Massivtransfusion) oder durch Verbrauch (DIC, Sepsis) entstanden sein. Thrombozytopathien durch Fehlbildung (z.B. Thrombasthenie) oder durch Medikamentengabe (wie ein Zustand bis zu 2 Tagen nach dem Absetzen von Acetylsalicylsäure) zählen ebenfalls zu den Indikationen. Die Konzentrate sollten AB0-kompatibel transfundiert werden, da diese Antigene auf der Thrombozytenoberfläche vorhanden sind. Das D-Antigen ist nicht auf den Thrombozyten zu finden, einige Studien jedoch zeigen, dass eine Bildung von Anti-D-Antikörpern stattfinden kann. So sollten die Konzentrate bei rhesusnegativen Patienten auch Rh-kompatibel transfundiert werden. Als Grenzwerte sind im internistischen Bereich 20 000, im chirurgischen Bereich 50 000 Thrombozyten/ml Plasma anzusehen.
π
Indikation: Thrombozytopenien (Zytostatikatherapie, Massivtransfusion), Thrombozytopathien (Thrombasthenie, Zustand bis zu 2 Tage nach Absetzen von Acetylsalicylsäuregabe vor akuter Operation).
Die Konzentrate sollten AB0-kompatibel transfundiert werden, da diese Antigene auf der Thrombozytenoberfläche vorhanden sind. Da Bildung von Anti-D-AK stattfinden kann, sollte auch Rh-kompatibel transfundiert werden. Als Grenzwerte sind im internistischen Bereich 20 000, im chirurgischen Bereich 50 000 Thrombozyten/m l Plasma anzusehen.
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Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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6.2.4 Therapie mit Blutkomponenten
n Merke. Besteht kein erhöhter Umsatz von Thrombozyten, so rechnet man bei einem Patienten mit 70 kg Körpergewicht bei der Gabe eines Pherese-TK bzw. 4–6 Einheiten frischer Einzelspende-TK mit einem Anstieg der Thrombozytenzahl um 20 000 – 30 000/ml 1 Stunde nach Substitution.
Merke
Da die Präparate nicht leukozytenfrei sind, ist bei wiederholter Anwendung von Thrombozyteninfusionen mit einer HLA-Immunisierung zu rechnen. n Merke. Steigt die Thrombozytenzahl 1 Stunde nach Applikation eines Pherese-TK bzw. 4–6 Einheiten frischer Einzelspende-TK nicht um 20 000–30 000/ml an, muss mit einem erhöhten Umsatz oder einer HLAImmunisierung gerechnet werden. Im letzten Fall sind HLA-gekreuzte TK zu transfundieren. Der Leukozytenanteil der Präparate ist über spezielle Filter um mehr als 99 % zu reduzieren.
Merke
Granulozytenpräparate
Granulozytenpräparate
Granulozytenpräparate können durch Hämopherese mit Zellseparatoren hergestellt werden. Sie sind nicht lagerungsfähig und müssen sofort AB0und Rh-kompatibel (falls möglich, auch HLA-kompatibel) transfundiert werden. Als Indikation gelten heute nur Granulozytopenien mit weniger als 500 Zellen/ml durch reversible Bildungsstörungen wie nach Chemotherapie oder bei Leukämie, wenn länger als 3 Tage Sepsis, Fieber über 39 ΩC oder schwere Organinfekte bestehen, die mit Hilfe von Antibiotika nicht zu beherrschen sind. Der Herstellungsaufwand der Präparate ist beträchtlich und für den Spender nicht ungefährlich. Durch das Zusetzen von Erythrozyten-Sedationsbeschleunigern, z.B. Hydroxyäthylstärke oder niedermolekularem Dextran, kann es bei der Pherese zu anaphylaktoiden Reaktionen des Spenders kommen. Beim Empfänger sind schwere pulmonale Komplikationen, eine Alloimmunisierung gegen HLA-Antigene und u.a. eine Graft-versus-hostReaktion möglich. Da die Granulozyten im Empfänger nur eine biologische Halbwertszeit von 6 Stunden haben, konnten in einigen Studien 1 Stunde nach Transfusion nur noch 3–11 % der zugeführten Granulozyten nachgewiesen werden. Eine Anhebung der Zellzahl von ca. 350/ml war die Folge. Granulozytenpräparate werden deshalb heute nur noch äußerst selten hergestellt und transfundiert und meist durch Gabe von granulozytenstimulierendem Faktor ersetzt.
Transfusion: AB0- und Rh-kompatibel. Granulozytenpräparate sind nicht lagerungsfähig und müssen sofort transfundiert werden. Indikation: Granulozytopenien mit < 500 Zellen/ m l durch reversible
Bildungsstörung (z. B. Chemotherapie), wenn länger als 3 Tage Sepsis, Fieber über 39 ΩC oder schwere Organinfekte bestehen, die nicht antibiotisch beherrschbar sind. Die Überlebenszeit im Empfänger beträgt ca. 6 Stunden. Nebenwirkungen: anaphylaktische Reaktionen beim Spender und schwere pulmonale Komplikationen sowie Graft-versus-host-Krankheit oder Immunisierung gegen HLA-Antigene beim Empfänger. Granulozytenpräparate werden heute nur noch selten eingesetzt und meist durch Gabe von granulozytenstimulierendem Faktor ersetzt.
Plasmapräparate (natürliche Kolloide)
Plasmapräparate (natürliche Kolloide)
Frischgefrorenes Plasma (FFP)
Frischgefrorenes Plasma (FFP)
Frischgefrorenes Plasma kann entweder aus einer Vollblutkonserve oder durch Plasmapherese (die bei der Entnahme gewonnenen zellulären Anteile des Blutes werden dem Spender retransfundiert) hergestellt werden. Die Lagerungstemperatur sollte –30 ΩC oder tiefer und die Lagerdauer maximal 1 Jahr betragen. Nach dem Auftauen ist Plasma sofort AB0-kompatibel (der Rhesusfaktor kann vernachlässigt werden) zu transfundieren. Frischplasma enthält alle Plasmaproteine (Immunglobuline, Kolloide, Gerinnungsfaktoren) und Elektrolyte.
Herstellung aus einer Vollblutkonserve oder durch Plasmapherese. Lagerung bei –30 ΩC. Lagerdauer max. 1 Jahr. Transfusion AB0-kompatibel. FFP enthält alle Plasmaproteine und Elektrolyte.
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122 Merke
6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz
n Merke. Da bei der Gabe von FFP mit dem Auftreten von Transfusionsreaktionen gerechnet werden muss und das Präparat bis auf das sog. neu eingeführte »Quarantäneplasma« nicht infektionssicher ist, sollte die Indikation zur Applikation sehr eng gestellt werden. Auf keinen Fall ist die Gabe von FFP als reine kolloidale Volumentherapie oder als Proteinnahrung gerechtfertigt.
Indikationen: Globale Gerinnungsdefekte wie bei der Verbrauchskoagulopathie, Faktor-V- und -XI-Mangel und Massivtransfusion.
Globale Gerinnungsdefekte wie bei der disseminierten intravasalen Gerinnung oder ein Faktorenmangel, der nicht durch Konzentrate behoben werden kann (Faktor XI oder V), sind heute ebenso als Indikation anzusehen wie die Gabe bei Massivtransfusion im Rahmen der gezielten Komponententherapie. Dabei wird keine Empfehlung wie in früherer Zeit über die Anzahl der zu transfundierenden FFP im Verhältnis zu Erythrozytenkonzentraten mehr gegeben. Die Entscheidung erfolgt im Einzelfall nach Klinik und Labordaten (Hb, Hkt, Gerinnungsparameter).
Virussichere Plasmapräparate
Virussichere Plasmapräparate
»Quarantäneplasma« wird vor Verwendung 6 Monate gelagert. Der Spender wird erneut getestet (Hepatitis, HIV), um das sog. »diagnostische Fenster« auszuschließen. »Virusinaktiviertes Plasma« (VIP) wird durch Zugabe von Methylenblau und Bestrahlung mit sichtbarem Licht virusinaktiviert. Das Virusinaktivierungsverfahren SDI wird in modifizierter Form neuerdings ebenfalls zur Herstellung »virussicherer« FFP eingesetzt.
Unter dem Begriff »Quarantäneplasma« wird FFP, welches zunächst 6 Monate gelagert und nicht verwendet werden darf, verstanden. Nach 6 Monaten werden die Spender erneut auf HIV, Hepatitis usw. getestet, um das sog. »diagnostische Fenster« auszuschalten. Fallen alle Untersuchungsbefunde negativ aus, wird das Plasma freigegeben. Neben dem »Quarantäneplasma« wird neuerdings »virusinaktiviertes Plasma« (VIP) hergestellt. Durch die Zugabe von Methylenblau (auf 250 ml ca. 5 ml einer 50-mM-Lösung) und Bestrahlung mit sichtbarem Licht (1 Stunde bei 50 000 lx) sollen besonders lipidumhüllte Viren inaktiviert und so die Übertragung von HIV, Hepatitis usw. vermieden werden. Durch den Zusatz von Methlyenblau treten nach Angaben des Herstellers (DRK Niedersachsen) keine zusätzlichen Nebenwirkungen beim Empfänger auf. Das Virusinaktivierungsverfahren SDI (solvent detergent inactivation) für Gerinnungskonzentrate wurde in jüngster Zeit auch zur Virusinaktivierung für Frischplasmen in modifizierter Form angewandt (Verfahren nach Horowitz), sodass zur Zeit ein weiteres Plasmapräparat zur Verfügung steht, welches »virussicher« sein soll.
Humanalbumin (5 % und 20 %)
Humanalbumin (5 % und 20 %)
Bestehend aus Albumin, Entstehung durch »Pooling« mehrerer Plasmapräparate.
Humanalbuminlösungen bestehen aus Albuminen mit einem Reinheitsgrad von 96 %; alle Moleküle besitzen die gleiche Masse und Eigenschaften. Sie werden durch das »Pooling« mehrerer Plasmapräparate hergestellt.
Merke
Die Präparate sind blutgruppenunspezifisch, virussicher und bei Lagerung von +2 – +20 Ω C 3–5 Jahre haltbar. Indikation: Volumenmangel mit Hypalbuminämie. Kritische Grenze des Serumalbumins 25 g/l. Anaphylaktische Reaktionen sind selten. Auf die Möglichkeit der Entstehung einer Hypervolämie mit kardialer Belastung sollte geachtet werden.
n Merke. Albumine sind zu 70 % Träger des kolloidosmotischen Druckes und üben wichtige Transportfunktionen für Hormone, Vitamine und Arzneimittel aus.
Humanalbuminlösungen expandieren das Plasmavolumen und senken die Viskosität des Blutes. Die Präparate sind blutgruppenunspezifisch und nach heutigem Kenntnisstand durch spezielle Reinigungsverfahren virussicher. Die Lagerung sollte bei +2 – +20 ΩC erfolgen. Die Haltbarkeit beträgt 3–5 Jahre. Indikation: Anwendungsgebiete der 5 %igen (isoonkotischen) Humanalbuminlösung sind der Volumenmangel mit Hypalbuminämie aufgrund verschiedenster Ursachen und internistischen Krankheitsbilder wie das nephrotische Syndrom oder das chronische Leberversagen. Auf die Möglichkeit der Entstehung einer Hypervolämie mit kardialer Belastung, besonders bei herzinsuffizienten Patienten, sollte jedoch bei der Infusion geachtet werden. 20 %ige Lösungen eignen sich zur Ödemtherapie bei Hypalbuminämie. Als kritische Grenzen werden Serumalbuminwerte < 25 g/l, ein Serum-
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6.2.4 Therapie mit Blutkomponenten gesamteiweiß < 50 g/l und ein kolloidosmotischer Druck von 20 mmHg angesehen. Anaphylaktische Reaktionen nach Humanalbumingaben sind selten und werden mit < 0,014 % angegeben.
Gerinnungspräparate
Gerinnungspräparate
Durch Plasmafraktionierung werden heutzutage hochkonzentrierte virusinaktivierte Gerinnungsfaktorkonzentrate hergestellt. In diesem Kapitel sollen nur einige für das chirurgische Krankengut wichtige Präparate erörtert werden.
Durch Plasmafraktionierung werden heutzutage hochkonzentrierte virusinaktivierte Gerinnungsfaktorkonzentrate hergestellt.
Faktor-VIII-Komplex
Faktor-VIII-Komplex
Er besteht aus 2 Molekülen mit 2 verschiedenen Funktionen, der Faktor-VIIIclotting-Aktivität (fehlt oder vermindert bei Hämophilie A) und dem FaktorVIII-related-Antigen (Träger der Von-Willebrand-Aktivität). Die »Virussicherheit« wird durch eine Viruselimination während der Herstellung und eine Pasteurisierung bei 60 ΩC (10 Stunden) erreicht (spezielles »SolventDetergent-Verfahren«). Als Indikation gilt die Hämophilie A. Am Op-Tag sollte die Faktor-VIII-Aktivität mindestens 50 % betragen. Als Dosierungsrichtlinie kann die Zunahme um 1 % Aktivität je Einheit pro kg Körpergewicht angenommen werden.
Indikation: bei Hämophilie A Anhebung der Aktivität um 1 % bei Gabe von 1 IE/kg KG.
Prothrombinkonzentrat
Prothrombinkomplex (PPSB)
Es besteht aus den Faktoren II, VII, IX und X sowie den antikoagulatorischen Faktoren Protein C, S und Z. Als Indikation zur Gabe des Präparates werden u.a. Patienten mit MarcumarQ-Therapie angesehen, die sich einer akuten Operation unterziehen müssen sowie Gerinnungsstörungen wie z.B. die disseminierte intravasale Gerinnung (DIC). Als Dosierungsrichtlinie gilt auch hier 1 IE/kg KG, um den Quickwert um 1 Punkt anzuheben.
Faktoren II, VII, IX und X. Indikation präoperativ bei marcumarisierten Patienten, die sich einer akuten Operation unterziehen müssen oder Patienten mit Gerinnungsstörungen. Anhebung des Quickwertes um 1 Punkt bei der Gabe von 1 IE/kg KG.
Antithrombin III (AT III)
Antithrombin III (AT III)
Dieser Inhibitor der Gerinnung wirkt mit Heparin synergistisch und ist bei der Thromboseprophylaxe in der operativen Medizin von großer Bedeutung.
Wirkt mit Heparin synergistisch im Sinne einer Thromboseprophylaxe.
n Merke. Heparin wirkt nur in Anwesenheit ausreichender AT-III-Konzentrationen. Als Grenzwert wird eine Aktivität um 70 % der Norm angesehen.
Merke
Nach neuesten Untersuchungen spielt AT III auch im septischen Schock eine große Rolle (s. Kap. A-5.4.2). Die Infektionsrisiken und Dosierungen sind vergleichbar mit Faktor VIII und dem Prothrombinkomplex.
Wichtige Position im septischen Schock. Infektionsrisiken und Dosierungen wie PPSB.
Faktor-XIII-Konzentrat
Faktor-XIII-Konzentrat
Es wird ebenfalls aus menschlichem Plasma hergestellt und ist für die Stabilisierung des Fibringerinnsels durch Quervernetzung verantwortlich. Intraund postoperative sekundäre Blutungen können bei Aktivitäten < 30 % der Norm auftreten. Wundheilungsstörungen sind bei Aktivitäten < 10 % beschrieben, bei höheren Aktivitäten fraglich.
Dies ist wichtig für die Quervernetzung der Fibringerinnsel. Fragliche Indikation bei schweren Wundheilungsstörungen.
n Merke. Da in jüngster Zeit wieder Unsicherheiten bezüglich Virussicherheit der Faktorenkonzentrate der verschiedenen Hersteller aufgekommen sind, sind alle diese Präparate nur unter strengster Indikationsstellung zu verabreichen.
Merke
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6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz
Gefahren der Bluttransfusion
Gefahren der Bluttransfusion
Man unterscheidet immunologisch und nicht immunologisch ausgelöste Reaktionen.
Transfusionsreaktionen lassen sich in immunologisch ausgelöste und nicht immunologisch bedingte Reaktionen einteilen.
Immunreaktionen
Immunreaktionen
π Hämolytische Reaktionen werden durch Alloantikörper gegen Erythrozyten ausgelöst. Man unterscheidet: Sofortreaktionen (0,014 %): ausgelöst durch reguläre IgM-Antikörper gegen A und B. Klinik: Atemnot, Brechreiz, Unruhe, Tachykardie, Schüttelfrost, Kreuz- und Kopfschmerzen, Blutdruck , evtl. Schock, Hämolyse, K , LDH , Bilirubin , Verbrauchskoagulopathie, Nierenversagen. Therapie: Abbruch der Transfusion, Asservieren von Blut zur Labordiagnostik (Antikörperbestimmung), Behandlung des Schocks, der Verbrauchskoagulopathie, Diuresesteigerung mit Mannitol oder Furosemid.
Hämolytische Reaktionen: Sie werden durch Alloantikörper gegen Erythrozyten ausgelöst und in Sofortreaktionen und Reaktionen vom verzögerten Typ eingeteilt. Die Sofortreaktionen (Häufigkeit 0,014 %), ausgelöst durch reguläre IgMAntikörper gegen A und B, sind zu 80 % auf Zuordnungsfehler (Verwechslung von Kreuzblut oder Konserven) zurückführen. Klinische Zeichen dieser erythrozytären Unverträglichkeit sind Wärmegefühl, Hautblässe, Frösteln mit Temperaturanstieg, Kreuz- und Kopfschmerz, Brustschmerz, Atemnot, Brechreiz, Unruhe, Tachykardie, Blutdruckabfall, evtl. Schock und letaler Ausgang. Bei den Laborbefunden sehen wir einen Abfall der Hb-Konzentration, Bilirubinämie, erhöhte Hämolyse, erhöhte Kalium- und LDH-Werte durch die Zerstörung der Erythrozyten mit nachfolgender Hämoglobinurie (der Coombs-Test ist positiv). Dadurch bedingt sind schwere Gerinnungsstörungen und ein Nierenversagen. Verzögerte hämolytische Transfusionsreaktionen (Häufigkeit 0,15 %) werden ausgelöst durch irreguläre Antikörper der IgG-Klasse und treten im Verlauf von ca. 3–8 Tagen nach der Transfusion auf. Klinische Symptome sind Fieber, Hämoglobinabfall und leichter Ikterus. Ein akutes Nierenversagen tritt selten auf, doch sind auch letale Ausgänge bei dieser Reaktion beschrieben. Während bei der Reaktion vom verzögerten Typ außer labordiagnostischen (Antikörperbestimmung) selten therapeutische Maßnahmen durchgeführt werden müssen, ist die akute Reaktion sofort zu behandeln. Nach dem Abstellen der Transfusion und dem Asservieren von Blut zur Labordiagnostik (Testung von Patienten- und Konservenblut mit Frage der Verwechslung) steht die Behandlung des Schocks (s. Kap. A-5.3) und der metabolischen Azidose im Vordergrund. Eine Heparinisierung bei beginnender Verbrauchskoagulopathie wird ebenso empfohlen wie ein Versuch der Diuresesteigerung durch Furosemid oder Mannitol. Ist dies nicht möglich, sollte eine Hämofiltration oder Hämodialyse durchgeführt werden. Die Therapie richtet sich dabei nach der Schwere der Symptome.
Reaktionen vom verzögerten Typ (0,15 %): ausgelöst durch irreguläre Antikörper der IgG-Klasse. Klinik: Fieber, Hämoglobinabfall und leichter Ikterus einige Stunden nach Transfusion. Therapie: selten notwendig, Labordiagnostik zur Antikörperbestimmung.
π Febrile, nicht hämolytische Reaktionen: (0,5–1 %) werden durch Alloantikörper ausgelöst. Klinik: Fieberanstieg von mehr als 1 Ω C 30 min bis 2 h nach Transfusion. Therapie: Abbruch der Transfusion, Labordiagnostik zur Antikörperbestimmung, Antipyretikagabe. Die Transfusion leukozytenarmer Erythrozytenkonzentrate (gewaschene oder filtrierte EK) kann das Auftreten febriler Reaktionen verhindern. π Allergische Reaktionen (1–3 %): Das klinische Bild entspricht der einer anaphylaktischen Reaktion unterschiedlicher Ausprägung. Therapie: Abbruch der Transfusion, H1 - und H2 -Antagonisten, Kortikosteroide, evtl. Adrenalingabe. π Graft-versus-host-Krankheit (GVHD): Ursache: Ansiedlung immunkompetenter Spenderlymphozyten beim immunsupprimierten Empfänger. Klinik: Fieber, Hautausschläge, Hepatitis, Darmkrämpfe, allergieartige Symptome. Als vorbeugende Maßnahme kommt die Bestrahlung der zellhaltigen Blutkomponenten in Betracht.
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Febrile, nicht hämolytische Reaktionen: Diese (0,5–1 %) werden durch Alloantikörper ausgelöst. Das klinische Bild zeigt 30 Minuten bis 2 Stunden nach Transfusionsbeginn einen plötzlichen Temperaturanstieg um mindestens 1 ΩC. Die Transfusion muss sofort unterbrochen werden. Zwischenfälle mit Hämolyse oder bakterieller Kontamination sind auszuschließen. Das Fieber spricht gewöhnlich gut auf die Gabe von Antipyretika an. Die Transfusion leukozytenarmer Erythrozytenkonzentrate (gewaschene und filtrierte EK) kann das Auftreten febriler Reaktionen verhindern. π
Allergische Reaktionen: Diese (1–3 % bei Transfusion) werden durch Alloantikörper gegen Plasmaproteine oder andere Plasmabestandteile ausgelöst. Das klinische Bild entspricht dem anderer anaphylaktischer Reaktionen. Die Transfusion ist zu unterbrechen und die Behandlung der allergischen Reaktion nach üblichen Maßstäben einzuleiten (H1-, H2-Antagonisten, Kortikosteroide, evtl. Adrenalin, wenn notwendig). π
Graft-versus-host-Krankheit (GVHD): Sie kann eine weitere Reaktion auf eine Transfusion sein. Sie ist eine Folge der Ansiedlung immunkompetenter Spenderlymphozyten bei immundefizienten oder immunsupprimierten Empfängern. Klinische Symptome sind Fieber, Hautausschläge, Hepatitis, Darmkrämpfe und allergieartige Erscheinungen sowie Infekte. Der Ausgang kann letal sein. Als Diagnostik wird der Nachweis von Spenderlymphozyten im Empfänger über genetische Marker durchgeführt. Die GVHD kann verhindert werden durch Bestrahlung aller zellhaltigen Blutkomponenten mit 30 Gy. So wird die Replikationsfähigkeit von 85–95 % der Lymphozyten aus-
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6.2.4 Therapie mit Blutkomponenten geschaltet, ohne die Funktion der anderen Blutbestandteile zu verändern. Besonders bei Patienten mit Immundefekten (z.B. Knochenmarksempfängern oder Patienten mit Chemotherapie und Bestrahlung bei Leukämien oder malignen Lymphomen) ist diese Maßnahme indiziert. π TRALI-Syndrom: Eine weitere Reaktion auf eine Transfusion ist das TRALISyndrom (transfusion related acute lung injury). Ausgelöst wird dieses Syndrom vermutlich durch Leukozytenantikörper. In welchem Ausmaß welche Kaskadensysteme bei dieser Reaktion mitbeteiligt sind, ist nicht bekannt. Klinische Symptome sind Husten, Kurzatmigkeit und häufig Fieber. Die respiratorische Insuffizienz mit Lungenödem kann im extremsten Fall bei dieser Transfusionsreaktion entstehen. Therapeutische Maßnahmen sind neben dem Abbruch der Transfusion die Gabe von H1- und H2-Antagonisten sowie evtl. eine Kortikoidtherapie. Eine Stabilisierung des Kreislaufs mit Katecholaminen sowie eine Sauerstoffapplikation bis zur künstlichen Beatmung sind in besonders schweren Fällen notwendig. Zu vermeiden ist diese Reaktion durch die Verringerung der Leukozyten in den Blutkomponenten, z.B. durch Waschen, Filtern oder Einfrieren der Erythrozyten.
Posttransfusionelle Purpura (PTP): Sie kann innerhalb einer Woche nach Transfusion thrombozytenhaltiger Präparate in Erscheinung treten und ist durch eine akute Thrombozytopenie mit Blutung gekennzeichnet. Die Reaktion ist sehr selten und wird mit hochdosierter IgG-Gabe oder Plasmapherese therapiert. Verantwortlich für die Reaktionen sind Thrombozytenautoantikörper.
π TRALI-Syndrom (transfusion related acute lung injury): Ursache: vermutlich Leukozytenantikörper. Klinik: Husten, Kurzatmigkeit, respiratorische Insuffizienz mit Lungenödem. Therapie: Kortikosteroide, H1 - und H2 -Blocker, Diuretika, Katecholamine und künstliche Beatmung.
Die Reaktion ist durch eine Verringerung der Leukozyten in den Blutkomponenten zu vermeiden.
Posttransfusionelle Purpura (PTP): Klinik: Es kommt zur akuten Thrombozytopenie mit Blutung. Therapie: IgG-Gabe und Plasmapherese. Ursache sind Thrombozytenautoantikörper.
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Nicht immunologisch ausgelöste Transfusionsreaktionen
Nicht immunologisch ausgelöste Reaktionen π Bakterielle Kontaminationen: sind insgesamt selten. Die Klinik ist unterschiedlich und reicht vom leichten Fieber bis zum schweren septischen Schock. Therapie: s. Kap. A-5.4.2.
Bakterielle Kontaminationen von Blutderivaten: Sie sind selten. Endotoxine und gramnegative Keime in den Präparaten können jedoch über Fieber bis zum Schock mit Nierenversagen und Verbrauchskoagulopathie führen. Zur Diagnostik sollten Blutkulturen der Konserve und vom Patientenblut angefertigt werden. Die Therapie besteht in der Schockbehandlung. Sterile Kautelen und vorschriftsmäßige Lagerung der Blutkonserven sind die wichtigste Prävention. Therapie s. Kap. A-5.4.2.
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Physikalische und chemische Reaktionen nach Transfusionen: Sie sollen hier nur kurz erwähnt werden. Eine zu schnelle Transfusion kann zur Hypervolämie führen, Detritus-Mikroembolien können ebenfalls auftreten. Durch das Einfrieren von Erythrozyten ohne kryoprotektiven Zusatz oder eine Erwärmung über 50 ΩC kann es zur Hämolyse kommen. Die Zitratintoxikation durch Senkung des verfügbaren ionisierten Kalziums kann bei Massivtransfusionen auftreten. Die Transfusions hämosiderose entsteht bei Patienten, die oft Erythrozyten erhalten, ohne zu bluten (z.B. bei aplastischen Anämien). Außerdem wird der im Plastikmaterial der Blutbeutel vorhandene Weichmacher für toxische Reaktionen verantwortlich gemacht. π
Übertragung von Infektionen: Eine weitere Gefahr bei der Gabe von Blutkomponenten ist die Übertragung von Mikroorganismen (Bakterien, Viren und Protozoen). Albumin und die Kryopräzipitate (Gerinnungsfaktoren) gelten nach heutigem Kenntnisstand, obwohl diese Präparate »gepoolt« sind, durch spezielle Reinigungsverfahren als »sichere« Präparate. Da in letzter Zeit jedoch wieder Zweifel bezüglich der Sicherheit entstanden sind, sollte auch hier die Indikationsstellung für eine Anwendung sehr eng gestellt werden. Alle zellulären Präparate und frischgefrorenes Plasma (FFP) können jedoch Mikroorganismen übertragen.
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n Merke. Jede Konserve muss deswegen auf Malariaantikörper, HBsAg (Hepatitis B), HCV-Antigen (Hepatitis C), Lues- und HIV-Antikörper sowie auf das Zytomegalievirus untersucht werden.
Physikalische und chemische Reaktionen nach Transfusion wie Hypervolämie, Mikroembolie, Hämolyse, Zitratintoxikation und Hämosiderose können auftreten.
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Übertragung von Infektionen: Durch Blutkomponenten ist die Übertragung von Bakterien, Viren und Protozoen möglich. Als sog. »sichere« Präparate gelten Albuminlösungen und Gerinnungsfaktoren.
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Merke
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126 Mögliche parasitäre Infektionen: Malariaplasmodien und Toxoplasmose. Mögliche bakterielle Infektionen: Treponema pallidum.
Mögliche virale Infektionen: Zytomegalie (CMV), Posttransfusionshepatitis (Hepatitis B, Hepatitis C), HIV-Virus. Durch Verwendung von Leukozytenfiltern kann die CMV-Infektion verhindert werden.
6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz Mögliche parasitäre Infektionen: Malariaplasmodien und Toxoplasmen können mit Blutbestandteilen transfundiert werden. Die Inzidenz liegt bei 0,2–0,8 pro 106 Transfusionen. Mögliche bakterielle Infektionen: Unter den durch Transfusionen übertragenen Bakterien spielt Treponema pallidum die größte Rolle. Durch Seroteste beim Spender und die Einführung der Blutkonservierung ist die Übertragung sehr selten. Mögliche virale Infektionen: Ca. 50 % der Bevölkerung weisen Anti-CMVAntikörper auf, aber 10 % beherbergen das CMV-Virus in den Granulozyten und können es an immundefiziente Patienten weitergeben. Deswegen sollten die Risikogruppen wie z.B. auch CMV-negative Transplantatempfänger nur CMV-negative Konserven erhalten. Eine Alternative ist die konsequente Verwendung von Leukozytenfiltern. Die Posttransfusionshepatitis (PTH) wird in weniger als 10 % der Fälle durch das Hepatitis-B-Virus ausgelöst. Die Erkrankungsrate an Hepatitis B liegt bei 1–2 pro 1000 Transfusionsbehandlungen und ist seit Einführen des Spenderscreenings stark zurückgegangen. Für ca. 90 % der PTH-Fälle wird die Hepatitis C angeschuldigt. Die Angaben zur Inzidenz, bezogen auf die Transfusionen, variieren hierbei zwischen 0,2 % und 20 %. Das HCV-Virus ist ebenso widerstandsfähig wie das HBV-Virus und bis jetzt durch kein Verfahren aus zellulären Blutprodukten und FFP zu eliminieren. Ein neuerer Test auf HCV-Antikörper scheint jedoch die Anzahl der Hepatitis-C-Virusübertragungen zu verringern.
Merke
n Merke. Bei frischen Hepatitis-B- bzw. Hepatitis-C-Infektionen sind die Blutspender bereits einige Tage bis Wochen kontagiös, bevor der Nachweis der Antikörper gelingt. Es besteht also eine sog. »diagnostische Lücke«. Deshalb wird durch besondere Auswahl und Betreuung der Spender versucht, ein Kollektiv mit möglichst niedriger Inzidenz transfusionsbedingter Infektionen sicherzustellen.
Merke
n Merke. Das HIV-Virus wird durch alle zellulären Blutkomponenten einschließlich des Frischplasmas übertragen und verursacht die Immunschwäche AIDS. Durch HIV-Antikörperuntersuchungen der Spender konnte das Risiko der Übertragung erheblich verringert, aber nicht ausgeschlossen werden, da die Serokonversion ebenfalls erst einige Wochen nach der Infektion auftritt und die Viren nicht direkt nachgewiesen werden können. Demzufolge entsteht eine sog. »diagnostische Lücke«. Das Risiko der Übertragung wird heute mit 1:300 000 bzw. 1:3 000 000 angegeben.
Massivtransfusion Definition
Mögliche Nebenwirkungen einer Massivtransfusion sind: Abfall der Körpertemperatur, passagere Zitratintoxikation mit Hypokalzämie und Hypomagnesiämie, Abnahme des 2,3-DPG-Gehaltes der Erythrozyten mit folgender Zunahme der Sauerstoffaffinität des Hämoglobins und Entstehung einer Azidose mit Hyperkaliämie.
Massivtransfusion n Definition. Die Übertragung des 1,5fachen körpereigenen Blutvolumens innerhalb von 24 Stunden bezeichnet man als Massivtransfusion.
Trotz der heute durchzuführenden Komponententherapie kann eine Massivtransfusion mit erheblichen Folgeschäden für den Patienten verbunden sein. Die Ursache der Massivtransfusion mit Art und Ausdehnung der Gewebsverletzung, die Schockphase und die Funktion der vitalen Organe sind dabei von entscheidender Bedeutung. Durch die Lagerung der einzelnen Komponenten müssen wir u.a. mit einem Abfall der Körpertemperatur rechnen. Falls es zeitlich möglich ist, sollten die Blutbestandteile in speziellen Geräten angewärmt werden. Eine passagere Zitratintoxikation mit Hypokalzämie und Hypomagnesiämie kann ebenfalls durch die Stabilisatoren bedingt sein. Lagerungsbedingt sinkt der 2,3-DPG-Gehalt der Erythrozyten ab, sodass es zu einer Zunahme der Sauerstoffaffinität des Hämoglobins kommt (Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve). Die gleichzeitig auftretende Azidose (infolge der anaeroben Stoffwechselre-
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6.2.4 Therapie mit Blutkomponenten aktion des Blutes) sollte deshalb als Ausgleich nicht überkorrigiert werden. Von besonderer klinischer Relevanz sind die stetig zunehmende Aggregationsbereitschaft und der Zellzerfall von Leukozyten, Thrombozyten und Erythrozyten. Hierdurch kommt es zur Freisetzung von Mediatoren wie Histamin, Serotonin, ADP und Leukotrienen und zum Entstehen eines endothelialen Lecks der Lunge und der Kapillarstrombahn. Eine Hyperkaliämie kann ebenfalls als Folge des Zellzerfalls angesehen werden. Herzrhythmusstörungen sind die Folge. Nierenfunktionsstörungen sind nach Massivtransfusionen ebenfalls beschrieben. Hämolyse und Mediatorenfreisetzung in Kombination mit Schock können als Ursache angesehen werden. Wie schon bei den Plasmapräparaten erwähnt, erfolgt die Gabe der einzelnen Blutkomponenten (EK, FFP, TK) rein nach klinischen Gesichtspunkten (Labordaten: Hb, Hkt, Thrombozytenanzahl, Gerinnungsparameter) und nicht mehr in einem starren Verhältnis (die alte Regel lautete: FFP : EK = 2 : 1).
Durch Zellzerfall und Freisetzung von Mediatoren können endotheliale Lecks in der Lunge und der Kapillarstrombahn entstehen. Nierenfunktionsstörungen sind ebenfalls beschrieben.
Notfalltransfusion
Notfalltransfusion
Es wird ca. 1 Stunde benötigt, um Erythrozytenkonzentrate für einen Patienten bereitzustellen, von dem weder Blutgruppe noch Testblut für die Kreuzung der Konserven verfügbar sind. Steht dieser Zeitraum im Notfall, z.B. bei einem Polytrauma mit schwerer intraabdomineller Blutung, nicht zur Verfügung, sind die in 1 A-6.7 beschriebenen Maßnahmen zu ergreifen.
Es wird ca. 1 Stunde benötigt, um Erythrozytenkonzentrate für einen Patienten bereitzustellen, von dem weder Blutgruppe noch Testblut für die Kreuzung der Konserven verfügbar sind. Maßnahmen in Notfällen zeigt 1 A-6.7.
Hämolyse und Mediatorenfreisetzung in Kombination mit Schock können als Ursache angesehen werden. Die Gabe der einzelnen Blutkomponenten erfolgt nach rein klinischen Gesichtspunkten.
n Merke. Ist die Blutgruppe eines Patienten nicht bekannt und können vor einer Transfusion das Ergebnis der Blutgruppenbestimmung und die Kreuzprobe nicht abgewartet werden, sind Erythrozytenkonzentrate der Gruppe 0 rh-negativ zu transfundieren.
1 A-6.7
Merke
Synopsis Vorgehen bei Transfusionen in der Notfallsituation
Notfall: Polytrauma im schweren hämorrhagischen Schock mit >20 % Verlust des Sollblutvolumens
Bedside-Test nicht möglich
Transfusion 0 rh-neg. EK
Bedside-Test möglich
Bedside-Test eindeutig
Bedside-Test nicht eindeutig durch Gabe künstlicher Kolloide Blutdepot vorhanden
kein Blutdepot vorhanden
Transfusion 0 rh-neg. EK Gabe ungekreuzter EK AB0 und Rh-kompatibel
, jung (im gebärfähigen Alter)
und älter
Transfusion Rh-kompatibel, AB0 auf 0 ändern
Transfusion AB0-kompatibel, Rh-Faktor ändern
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6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz Chirurgische Kliniken ohne eigenes Blutgruppendepot sollten auf alle Fälle Erythrozytenkonzentrate der Blutgruppe 0 rh-negativ auf Vorrat halten.
Autologe Transfusion
Autologe Transfusion
Präoperative isovolämische Hämodilution, maschinelle Autotransfusion, Plasmapherese und Eigenblutspende stellen die heutigen Möglichkeiten der autologen Transfusion dar.
Trotz der erheblichen Verbesserungen im Bereich der Transfusionsmedizin in den letzten Jahren ist jede Transfusion mit einem Risiko verbunden (s. S. 124 ff.). Fremdblutsparende Maßnahmen können zu erheblichen Risikoeinschränkungen beitragen. Es wird eine durch Fremdblut induzierte Immunsuppression diskutiert. Hierbei kann noch nicht ausgeschlossen werden, dass die Metastasierung bei Karzinomen der Mamma, der Lunge und des Kolons durch Fremdblut begünstigt wird. Präoperative isovolämische Hämodilution, maschinelle Autotransfusion, Plasmapherese und Eigenblutspende stellen die heutigen Möglichkeiten der autologen Transfusion dar. Auf eine weitere fremdblutsparende Maßnahme durch präoperative Erhöhung des Hämoglobins mit Hilfe des Erythropoetins wurde bereits auf S. 119 eingegangen.
Präoperative isovolämische Hämodilution Abnahme von 500–1500 ml Warmblut in einen mit Stabilisatorlösung vorgefüllten Eigenblutbeutel bei Narkoseeinleitung. Vorteil: Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes, Verminderung des Thromboembolierisikos, Verminderung des Infektionsrisikos. Kontraindikationen: Anämie, Gerinnungsstörungen, Hypovolämie, Einschränkung der Koronarreserve, ausgeprägte Lungenfunktionseinschränkung.
Präoperative isovolämische Hämodilution Im Rahmen der Narkoseeinleitung werden bei Operationen, bei denen mit hoher Wahrscheinlichkeit Blut transfundiert werden müsste, 500–1500 ml Warmblut in einen mit Stabilisatorlösung vorgefüllten Eigenblutbeutel gefüllt. Der Volumenverlust wird mit künstlichen kolloidalen Lösungen ersetzt, sodass eine Normovolämie erreicht wird. Die Vorteile dieser Methode sind neben einer Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes und einer verbesserten O2-Utilisation ein vermindertes Thromboembolierisiko. Kontraindikationen sind in einer vorbestehenden Anämie, Gerinnungsstörungen, Hypovolämie, einer ausgeprägten Einschränkung der Koronarreserve und einer ausgeprägten Lungenfunktionseinschränkung zu sehen.
Maschinelle Autotransfusion
Maschinelle Autotransfusion
Intra- oder auch postoperativ verlorenes Blut wird unter Heparinzugabe abgesaugt, gefiltert und zentrifugiert, sodass ein gewaschenes EK entsteht. Vorteil: schnelle Verfügbarkeit, Verminderung des Infektionsrisikos. Kontraindikation: Absaugen von infiziertem und tumorhaltigem Material bei Patienten mit vorliegenden malignen Tumoren.
Bei der maschinellen Autotransfusion wird intraoperativ oder auch postoperativ verlorenes Blut mittels eines Doppellumensaugers unter Heparinzugabe abgesaugt, gefiltert und zentrifugiert, sodass ein gewaschenes Erythrozytenkonzentrat entsteht. Vorteile sind in der schnellen Verfügbarkeit, z.B. bei Polytraumen oder Aortenaneurysmen, und dem Ausschluss von Verwechslungen neben den sonstigen Vorteilen der autologen Transfusion zu sehen. Als Kontraindikation gilt das Absaugen infizierten und tumorzellenkontaminierten Materials, da Tumorzellen beim Zentrifugieren, Waschen und auch mit Leukozytenfiltern nicht mit absoluter Sicherheit zurückgehalten werden. Neuere Studien zeigen jedoch, dass eine zusätzliche Bestrahlung des gewonnenen Erythrozytenkonzentrates mit 50 Gy eine Teilung von Karzinomzellen unmöglich macht. Über die Kontraindikation der maschinellen Autotransfusion bei Karzinompatienten muss somit unter der Voraussetzung der zusätzlichen Bestrahlung in nächster Zeit erneut diskutiert werden. Die durch Autotransfusion gewonnenen Erythrozytenkonzentrate weisen geringere Veränderungen auf, als nach längerer Lagerung mit Stabilisatorzusatz.
Eigenplasmapherese
Eigenplasmapherese
Präoperative Plasmapherese im Abstand von mindestens 10 Tagen mit Entnahme von max. 900 ml Plasma pro Sitzung. Das mit Antikoagulans versetzte Plasma wird sofort schockgefroren und wie FFP gelagert. Vorteil: Komplette Substitution von Gerinnungsfaktoren und Immunglobulinen.
Bei Patienten wird im Abstand von mindestens 10 Tagen jeweils eine Plasmapherese durchgeführt (max. 900 ml pro Sitzung), wobei das mit Antikoagulans versetzte Plasma sofort schockgefroren und wie FFP bei –30 ΩC gelagert wird. Am Operationsende wird das so gewonnene Plasma retransfundiert. Vorteile dieser Methode sind in der kompletten Substitution von Gerinnungsfaktoren und der Gabe von Immunglobulinen zu sehen.
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6.2.4 Therapie mit Blutkomponenten Durch die längere Haltbarkeit dieser Präparate bis zu 1 Jahr ist die Terminplanung einfacher zu gestalten als bei der Eigenblutspende. Kontraindikationen sind Gerinnungsstörungen, Sepsis und Hypoproteinämien.
Lange Haltbarkeit dieser Präparate bis zu 1 Jahr (dadurch einfachere Terminplanung). Kontraindikationen: Gerinnungsstörungen, Sepsis, Hypoproteinämien.
Eigenblutspende
Eigenblutspende
Bei chirurgischen Wahleingriffen mit einem zu erwartenden Blutverlust von > 1000 ml (bzw. der Wahrscheinlichkeit der Bluttransfusion > 5 %) ist die Indikation für eine Eigenblutspende gegeben, wenn der Operationstermin 5–6 Wochen im Voraus festzulegen ist. Der technische Ablauf entspricht einer normalen Blutspende. Je nach zu erwartendem perioperativen Blutverlust werden im Abstand von mindestens 1 Woche 450 ml Eigenblut entnommen und in Komponenten (Erythrozytenkonzentrate und FFP aufgeteilt. Nach der 1. Blutspende wird ein Eisenpräparat verabreicht. Auch Eigenblutkonserven durchlaufen die an jeder Blutkonserve routinemäßig durchgeführten Untersuchungen. Absolute Kontraindikationen der Eigenblutspende sind Anämie (Hb < 11 g/dl), frischer Herzinfarkt (< 3 Monate), instabile Angina pectoris, koronare Hauptstammstenose, klinisch wirksame Aortenstenose, dekompensierte Herzinsuffizienz und Infektionen mit der Möglichkeit der hämatogenen Streuung. Starre Altersgrenzen existieren nicht. Bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) kann mit Hilfe besonderer Überwachungsmethoden auch Eigenblut entnommen werden. Gravidität und Tumorleiden mit schnellem Wachstum bedürfen ebenso wie Hypertonie, zerebrale Durchblutungsstörungen, Herzrhythmusstörungen und Asthma bronchiale einer strengen Risikoabwägung (Fremdblut versus Eigenblut). Der Nutzen der Eigenbluttransfusion liegt neben der Reduzierung der Infektionsrisiken und der Antigen-Antikörper-Reaktion in einer Stimulation der Erythropoese. Ein Risiko bei der Blutentnahme ist der vasovagale Kollaps. Die Letalität infolge einer vasovagalen Reaktion bei Eigenblutspende wird mit 1:10 000 000 Spenden angegeben. Ein weiteres Risiko ist in der Verwechslung der Konserven anzusehen. Dies ist nicht anders als bei Fremdblut. Nach einem BGH-Urteil vom Dez. 1991 sind Patienten, für welche die Möglichkeit einer Eigenblutspende besteht, auf diese hinzuweisen. Der organisatorische Ablauf, die Koordination zwischen Spende und Operation, ist sehr personalintensiv und besonders in größeren Häusern mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.
Im Abstand von mindestens 1 Woche werden 450 ml Eigenblut entnommen und in Komponenten (EK, FFP) aufgeteilt. Die Anzahl der Eigenblutspenden richtet sich dabei nach dem zu erwartenden Blutverlust und dem Hb des Patienten. Verabreichung eines Eisenpräparates zwischen den Spenden. Indikation: Wahleingriffe mit einem zu erwartenden Blutverlust > 1000 ml bzw. der Wahrscheinlichkeit der Bluttransfusion > 5 %. Vorteil: wie bei allen fremdblutsparenden Maßnahmen. Nachteil: genaue Op-Planung notwendig, da Erythrozytenkonzentrate nur 35 Tage haltbar sind. Absolute Kontraindikationen: Anämie (Hb < 11 g/dl), frischer Herzinfarkt (< 3 Monate), instabile Angina pectoris, koronare Hauptstammstenose, klinisch relevante Aortenstenose, dekompensierte Herzinsuffizienz, Infektion mit hämatogener Streuung. Strenge Indikationsstellung bei Gravidität, schnell wachsendem Tumorleiden, Hypertonie, zerebralen Durchblutungsstörungen, Herzrhythmusstörungen, Asthma bronchiale. Risiken: vasovagaler Kollaps, Verwechslung der Konserven.
Präoperative Vorbereitung von Bluttransfusionen
Präoperative Vorbereitung von Bluttransfusionen Die präoperative Bereitstellung liegt in der Hand des Chirurgen und des Anästhesisten. Besteht keine Einigkeit über die Anzahl der Blutkomponenten, wird die größere Anzahl bereitgestellt.
Die präoperative Bereitstellung der Blutkomponenten liegt sowohl in der Hand des Chirurgen als auch des Anästhesisten. Der Patient ist in einem präoperativen Aufklärungsgespräch über die Möglichkeit und die Risiken einer Bluttransfusion aufzuklären. Wie viele Blutkomponenten für die jeweilige Operation bereitgestellt werden sollen, entscheiden Anästhesist und Chirurg gemeinsam. Besteht keine Einigkeit, wird die größere Anzahl der Blutkomponenten bereitgestellt. Die Bedarfsplanung bereitgestellter Komponenten wird von Klinik zu Klinik unterschiedlich gehandhabt. 2 A-6.5 gibt einen Überblick über die heute gängigen Präparationen der einzelnen Blutkomponenten mit Lagerung, Haltbarkeit sowie den notwendigen Transfusionskompatibilitäten.
2 A-6.5 gibt einen Überblick über die heute gängigen Präparationen der einzelnen Blutkomponenten.
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6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz
2 A-6.5
Präparationen der einzelnen Blutkomponenten
Präparat
Volumen (ml)
Hkt (%)
Leukozytenreduktion %
Lagerungsfähigkeit, Lagerungstemperatur
Kompatibilität
N buffycoatfreies n EK
200–300
60–80
> 50
28–35 Tage +2 – +6 Ω C
AB0 und Rh
N buffycoatfreies n EK in additiver Lösung
250–350
50–70
> 80
42–49 Tage +2 – +6 Ω C
AB0 und Rh
N leukozytenn armes EK
200–350
50–80
> 99
+2 – +6 Ω C
AB0 und Rh
N gewaschenes EK n
200–300
50–70
> 95
keine +2 – +6 Ω C
AB0 und Rh
N kryokonsern vierte EK
200–300
50–70
> 99
10 Jahre
AB0 und Rh
ca. 50
–
Leukozytenzahl < 0,2 « 10 9 pro TK
5 Tage 22 ± 2 Ω C
AB0 und, wenn möglich, auch Rh
bis zu 300
–
Leukozytenzahl 0,1–5 « 10 8 pro TK
5 Tage 22 ± 2 Ω C
AB0 und, wenn möglich, auch Rh
50–300
–
< 500/ m l
1 Jahr –30 Ω C
AB0
N Humanalbumin n 5%
meistens 250
–
keine
3–5 Jahre +2 – +20 Ω C
nein
N Humanalbumin n 20 %
meistens 50
–
keine
3–5 Jahre +2 – +20 Ω C
nein
N Thrombozytenn konzentrat (TK) aus Einzelspende N Thrombozytenn konzentrat (TK) durch Pherese N Frischplasma n
< –80 Ω C
Blutersatz bei Tumorpatienten
Blutersatz bei Tumorpatienten
Vermutlich durch Immunsuppression bei Gabe homologen Blutes ist die Remetastasierungsrate erhöht. Zur Diskussion steht der Einsatz der maschinellen Autotransfusion in der Tumorchirurgie, wobei die EK bestrahlt und mit Leukozytenfiltern transfundiert werden sollten.
Nicht nur die Anästhesie und die Operation selbst, sondern auch die Gabe homologen Blutes soll eine perioperative Immunsuppression verursachen und somit das Metastasierungsrisiko erhöhen. Evtl. ist die vermehrte Gabe von Antigenen mit der homologen Transfusion für die Immunmodulation verantwortlich. Einige Autoren befürworten deshalb die Transfusion mit Leukozytenfiltern bei Tumorpatienten. Auch wird der Einsatz der maschinellen intraoperativen Autotransfusion in der Tumorchirurgie diskutiert. Zusammen mit dem Blut abgesaugte Zellen werden mit den heutigen Apparaturen nicht vollständig zurückgehalten. Über das Schicksal retransfundierter Tumorzellen und deren Metastasierungspotenzial ist jedoch bis jetzt wenig bekannt. Evtl. könnte die Retransfusion lebensfähiger maligner Zellen durch g-Bestrahlung (50 Gy) der Erythrozytenkonzentrate und den Einsatz geeigneter Filtersysteme (z.B. Leukozytenfilter) verhindert werden. Erst weitere Studien müssen in nächster Zeit Klarheit über den Nutzen der autologen Transfusion (präoperative Eigenblutentnahme eingeschlossen) bringen.
Blutersatz bei Transplantationen
Blutersatz bei Transplantationen
Wie bereits erwähnt, führen homologe Bluttransfusionen zu einer Immunmodulation. In einigen Studien wird eine günstigere Transplantatfunktion bei
Wie bereits erwähnt, führen homologe Bluttransfusionen zu einer Immunmodulation. In einigen Studien wird eine günstigere Transplantatfunktion bei homologen Transfusionen im Gegensatz zu autologen Transfusionstechniken beschrieben. In multizentrischen Studien wurde sogar eine Korrela-
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6.2.4 Therapie mit Blutkomponenten tion zwischen der Anzahl der Transfusionen und dem Transplantationserfolg nachgewiesen. Jedoch sollten die negativen Auswirkungen (Infektionen, GVH-Krankheit usw.) einer homologen Blutübertragung nicht außer Acht gelassen werden. Durch eine heutzutage verbesserte immunsuppressive Therapie sind die positiven Nebeneffekte der homologen Bluttransfusion auf das Immunsystem aufzuheben und autologe Transfusionsmethoden vorzuziehen. Kontraindiziert ist jedoch auf alle Fälle z. Z. die maschinelle Autotransfusion bei immunsupprimierten transplantierten Karzinompatienten.
homologen Transfusionen im Gegensatz zu autologen Transfusionstechniken beschrieben.
Rechtliche Probleme
Rechtliche Probleme
Für die vorsorgliche Bereitstellung von Blutkomponenten vor Operationen sind Chirurg und Anästhesist gleichermaßen verantwortlich. Kann über die Anzahl der bereitzustellenden Einheiten keine Einigkeit erzielt werden, so ist die größere Anzahl zu bestellen. Soweit der erforderliche zeitliche Spielraum besteht und sofern keine Kontraindikationen vorliegen, ist bei der Vorbereitung von Operationen zu bedenken, ob Eigenblut in ausreichender Menge bereitgestellt werden kann. Ggf. muss der primär behandelnde Fachvertreter (d.h. der Chirurg) die Eigenblutspende veranlassen. Er hat auch dafür zu sorgen, dass die Information über verfügbares Eigenblut anderen Fachdisziplinen, soweit sie im Krankheitsverlauf hinzugezogen werden (z.B. Anästhesiologie), rechtzeitig und auf geeignete Weise zur Kenntnis gelangen. Intraoperativ entscheidet der Änasthesist, ob und zu welchem Zeitpunkt eine Bluttransfusion angezeigt ist. In der postoperativen Phase ist die Zuständigkeit davon abhängig, ob der Patient im Aufwachraum, auf der Intensivstation oder der chirurgischen Bettenstation liegt. Der Patient ist vor einer Transfusion vom Chirurgen und Anästhesisten über diesbezügliche Risiken aufzuklären, sofern sein Gesundheitszustand und die Dringlichkeit dies zulassen. Vor Operationen ist ggf. mit dem Patienten zu erörtern, ob er eine Eigenblutspende wünscht. Dies hat rechtzeitig durch den Fachvertreter der primär behandelnden Fachdisziplin (im allgemeinen also dem Chirurgen) zu geschehen. In diesen Fällen ist der Patient vom primär behandelnden Fachvertreter auch auf die Grenzen der Eigenblutspende und auf die Möglichkeit, dass dennoch eine Fremdbluttransfusion erforderlich werden könnte, aufmerksam zu machen. Sofern der Wunsch einer Eigenblutspende erst gegenüber dem Anästhesisten im Rahmen der unmittelbaren anästhesiologischen Vorbereitung einer Allgemein- oder Regionalanästhesie geäußert wird, ist der Patient darauf hinzuweisen, dass diesem Wunsch nicht entsprochen werden kann, ohne die Operation aufzuschieben. Wünscht der Patient die Operation dennoch zum geplanten Zeitpunkt, ist die Einwilligung zu einer Transfusion von Fremdblut im anästhesiologischen Aufklärungsbogen ausdrücklich zu vermerken. Sollte der Patient dagegen wegen unterbliebener Eigenblutspende nicht in eine Fremdbluttransfusion einwilligen, so ist die Operation aufzuschieben.
Präoperative Vorbereitung und Aufklärung erfolgen durch Chirurg und Anästhesist.
n Merke. Wird jegliche Bluttransfusion vom Patienten abgelehnt, so ist diese Ablehnung selbst dann bindend, und zwar für alle an der Behandlung beteiligten Ärzte, wenn sie aus rational nicht nachvollziehbaren Gründen geschieht wie etwa bei den Zeugen Jehovas. Steht es außerhalb jedes vernünftigen Zweifels fest, dass intra- oder postoperativ ein Blutverlust eintreten wird, der ohne Bluttransfusion tödlich ist, so muss die Operation unterbleiben, wenn der Patient trotz eingehender Belehrung auf seiner Verweigerung der Bluttransfusion beharrt. Dies gilt auch dann, wenn die Operation vital indiziert und dringend ist.
Kontraindiziert ist jedoch auf alle Fälle z. Z. die maschinelle Autotransfusion bei immunsupprimierten transplantierten Karzinompatienten.
Die Möglichkeit der Eigenblutentnahme ist rechtzeitig vom Chirurgen zu erörtern.
Merke
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132 Erfordert eine Operation nicht mit absoluter Sicherheit eine Transfusion, so kann sie durchgeführt werden, auch wenn der Patient eine Transfusion ablehnt.
Jugendliche (14.–18. Lebensjahr) können über Transfusionen selbst entscheiden. Bei Minderjährigen ist bei Verweigerung der Transfusion das Vormundschaftsgericht einzuschalten.
6 Perioperativer Flüssigkeits- und Volumenersatz Soll eine Operation durchgeführt werden, die zwar im Allgemeinen Blutersatz erfordert, bei der jedoch im konkreten Fall die Aussicht besteht, unter dem Vorbehalt gewisser Risiken eine Transfusion vermeiden zu können, so kann die Operation durchgeführt werden, sofern darüber Einvernehmen zwischen den an der Operation beteiligten Fachgebieten, z.B. dem Chirurgen und dem Anästhesisten, besteht. Dieses Einvernehmen ist von der primär behandelnden Fachdisziplin rechtzeitig herbeizuführen. Auf Eingriffe, bei denen eine Bluttransfusion zwingend notwendig ist, muss der Arzt verzichten. Diese Operationen sind beim Zeugen Jehovas kontraindiziert. Manche Zeugen Jehovas tolerieren die autologe Transfusion mit Hilfe eines CellSavers, falls das Blut innerhalb eines geschlossenen Kreislaufes retransfundiert wird. In einem solchen Fall ist vor Operationen das Einverständnis des Patienten zur Retransfusion mittels Cell-Saver schriftlich festzuhalten. Bei Minderjährigen oder bei fehlender geistiger Reife ist bei Verweigerung der Erziehungsberechtigten in lebensgefährdenden Situationen das Vormundschaftsgericht einzuschalten. Da mit Vollendung des 14. Lebensjahres Religionsmündigkeit besteht, können Jugendliche zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr bei normaler geistiger Konstitution und entsprechender Darlegung des Sachverhaltes selbst eine Entscheidung treffen. Die rechtlichen Probleme des Bluttransfusionswesens sind jedoch inzwischen so vielschichtig, dass ihre Aufarbeitung einer sehr viel umfassenderen Darstellung vorbehalten bleiben muss.
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133
Ernährung
7
7
Ernährung
7.1
Grundlagen der parenteralen Ernährung
Jörg Schröder 7.1
Grundlagen der parenteralen Ernährung
n Definition. Parenterale Ernährung bedeutet eine an die Stoffwechselsituation angepasste intravenöse Zufuhr der Komponenten der täglichen Ernährung.
Die Form der parenteralen Ernährung ist abhängig vom Ernährungszustand π von der Dauer der Nahrungskarenz und π von der Schwere der Verletzung, der Operation oder Erkrankung. Indikationen zur parenteralen Ernährung sind gegeben, wenn π der Gastrointestinaltrakt nicht funktionsfähig ist (z.B. nach großen operativen Eingriffen) π eine orale Ernährung nicht möglich ist (z.B. bei Stenosen, Verätzungen).
Definition
π
7.1.1
Substrate der Ernährung
Die Wahl der eingesetzten Substrate der Ernährung erfolgt in Abhängigkeit von der pathophysiologischen Situation des Patienten (z.B. Operation, Trauma, Leber- oder Niereninsuffizienz). Unterschieden werden: π Kohlenhydrate – Glukose – Nicht-Glukose-Kohlenhydrate (Fruktose, Xylit) π Aminosäuren – essenzielle Aminosäuren – nichtessenzielle Aminosäuren π Fette – langkettige Triglyzeride – mittelkettige Triglyzeride. Alle genannten Energieträger können bei einer vollständigen parenteralen Ernährung zugeführt werden. Die Zusammensetzung des Nährstoffangebotes muss an Art und Ausmaß der vorhandenen Stoffwechselveränderung angepasst werden (bedarfsadaptierte Ernährung).
7.1.2
Kohlenhydrate
Indikationen zur parenteralen Ernährung sind gegeben, wenn π der Gastrointestinaltrakt nicht funktionsfähig ist π eine orale Ernährung nicht möglich ist.
7.1.1 Substrate der Ernährung Substrate der parenteralen Ernährung sind Kohlenhydrate in Form von Glukose oder sog. Nicht-GlukoseKohlenhydraten, Fette und Aminosäuren.
Die Zusammensetzung des Nährstoffangebotes muss an Art und Ausmaß der vorhandenen Stoffwechselveränderung angepasst werden (bedarfsadaptierte Ernährung). 7.1.2 Kohlenhydrate
Glukose
Glukose
Glukose ist das wichtigste und am schnellsten verfügbare Substrat im Energiehaushalt. Das Zentralnervensystem, Blutzellen und partiell die Nieren decken unter normalen Bedingungen ihren Energiebedarf fast ausschließlich mit Glukose. Glukose stimuliert die Insulinfreisetzung und wirkt unter normalen Stoffwechselbedingungen anabol.
Glukose ist das bedeutendste Substrat im Energiehaushalt. Das ZNS, Blutzellen und partiell die Nieren decken unter normalen Bedingungen ihren Energiebedarf fast ausschließlich mit Glukose.
Nicht-Glukose-Kohlenhydrate
Nicht-Glukose-Kohlenhydrate
Nicht-Glukose-Kohlenhydrate sind alternative Energielieferanten, die Glukose teilweise ersetzen können und insulinunabhängig verstoffwechselt werden. Unter bestimmten Stoffwechselveränderungen wie z.B. im Postaggressionsstoffwechsel führen diese Substanzen in Kombination mit Glukose zu einer niedrigeren Katabolierate. π Fruktose ist als Bestandteil des Rohrzuckers (Haushaltszucker) täglicher Nahrungsbestandteil. Cave: Fruktoseintoleranz!
Nicht-Glukose-Kohlenhydrate werden insulinunabhängig verstoffwechselt und können als alternative Energielieferanten Glukose zum Teil ersetzen. Dazu zählen: Fruktose (cave: Fruktoseintoleranz!)
π
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7 Ernährung
π
Xylit
π
π
Sorbit.
π
Merke
Xylit wird als Zwischenprodukt des Pentosephosphatzyklus der Glykolyse zugeführt. Sorbit wird im Organismus in Fruktose umgewandelt und über den Zitratzyklus und die Atmungskette oxidiert. n Merke. Fruktose und Sorbit sind bei bekannter Fruktoseintoleranz und bei bewusstlosen Patienten, bei denen möglicherweise eine Intoleranz vorliegen könnte, kontraindiziert.
Aminosäuren
7.1.3 Aminosäuren
7.1.3
Aminosäuren sind wesentliche Bestandteile von Proteinen. Unterschieden werden essenzielle von nichtessenziellen Aminosäuren.
Aminosäuren sind Bestandteil von Strukturproteinen (z.B. Zellwandproteine, Kollagen), von Hormonen, von Mediatoren, von Enzymen und von Transportproteinen. Aminosäuren werden u.a. in essenzielle, vom Körper nicht synthetisierbare und nichtessenzielle Aminosäuren eingeteilt. Unter pathophysiologischen Bedingungen müssen neben den essenziellen auch nichtessenzielle Aminosäuren substituiert werden, da die Synthese der nichtessenziellen Aminosäuren sehr energieaufwendig und z.T. gestört ist. Zu den klassischen essenziellen Aminosäuren, die vom Körper nicht synthetisiert werden können und zugeführt werden müssen, gehören: π Isoleuzin π Phenylalanin π Leuzin π Threonin π Lysin π Tryptophan und π Methionin π Valin.
Essenzielle Aminosäuren sind Isoleuzin, Leuzin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan und Valin.
7.1.4 Fette
7.1.4
Fette in der parenteralen Ernährung werden vorwiegend aus Sojaöl gewonnen und mit Ei- oder Sojaphosphatidemulgatoren als Emulsionen hergestellt, die sich hinsichtlich der Fettsäuren (mittel- oder langkettig), der Art des Emulgators und der Fettkonzentration (10 % oder 20 %) unterscheiden.
Parenteral verwendbare Fette werden vorwiegend aus Sojaöl gewonnen und mit Ei- oder Sojaphosphatidemulgatoren als Emulsion appliziert. Diese Transportform der Fette sind sog. Liposomen, die aus einem Triglyzeridkern und einer Phospholipidhülle bestehen. Die kommerziell erhältlichen Fettemulsionen unterscheiden sich prinzipiell hinsichtlich der Fettkonzentration (10 % oder 20 %), hinsichtlich ihrer Grundsubstanz, der Fettsäuren, und der Art und Menge des Emulgators. Unterschieden werden bei den mit einem Glyzerolmolekül veresterten Fettsäuren langkettige (LCT) von mittelkettigen (MCT) Fettsäuren. Eine 20 %ige Fettemulsion ist durch ein günstigeres Emulgator-Fett-Verhältnis besser geeignet als eine 10 %ige Emulsion. Mit einem hohen Brennwert von 9 kcal/g sind Fette sehr ergiebige Energieträger, auf die neben der gestreiften Muskulatur und der Herzmuskulatur vor allem die Leber angewiesen ist. Durch die hohe Energiedichte kann mit Fett eine große Energiemenge pro zugeführtem Volumen appliziert werden, was sowohl bei der parenteralen als auch bei der enteralen Ernährung wichtig ist.
Mit einem hohen Brennwert von 9 kcal/g sind Fette sehr ergiebige Energieträger, auf die neben der gestreiften Muskulatur und der Herzmuskulatur vor allem die Leber angewiesen ist.
Fette
7.1.5 Elektrolyte S. Kap. A-6.1.1
7.1.5 Elektrolyte S. Kap. A-6.1.1
7.1.6 Vitamine und Spurenelemente
7.1.6
Wasserlösliche und fettlösliche Vitamine sind ebenso essenziell in der parenteralen Ernährung wie die Spurenelemente. Ein Mangel an Vitaminen und Spurenelementen kann bei langfristiger parenteraler Ernährung metabolische Störungen induzieren. Zu den Spurenelementen gehören Arsen, Chrom, Kobalt, Kupfer, Fluor,
Vitamine sind organische Verbindungen, die der Organismus nicht oder nur in unzureichendem Maße synthetisieren kann. Lang andauernde und schwere Mangelzustände (z.B. Mangel an Thiamin, Vitamin B1) können zu irreversiblen und schweren metabolischen Störungen führen. Wasserlösliche Vitamine (B-Komplex und Vitamin C) und fettlösliche Vitamine (Vitamine A, D, E und K) sollten daher bei parenteraler Ernährung von Beginn an täglich appliziert werden. Spurenelemente sind wie Vitamine wichtige Koenzyme oder Kofaktoren einer Vielzahl von Steuer- oder Regelstoffen (z.B. Zink für RNA- und DNA-
Vitamine und Spurenelemente
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7.2.1 Postaggressionsstoffwechsel
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Polymerase, alkalische Phosphatase usw.) im Organismus. Zu den Spurenelementen gehören Arsen, Chrom, Kobalt, Kupfer, Fluor, Eisen, Jod, Mangan, Molybdän, Nickel, Selen, Silizium, Vanadium, Zink und Zinn.
Eisen, Jod, Mangan, Molybdän, Nickel, Selen, Silizium, Vanadium, Zink und Zinn.
7.2
7.2.1
Parenterale Ernährung bei verschiedenen Krankheitsbildern Postaggressionsstoffwechsel
7.2
Parenterale Ernährung bei verschiedenen Krankheitsbildern
7.2.1 Postaggressionsstoffwechsel
Stoffwechselveränderungen
Stoffwechselveränderungen
Belastungen wie Unfall, Verbrennungen, Sepsis oder Operationen rufen über bestimmte Regulationsmechanismen (neuroendokrin, Hormone, Mediatoren) metabolische Veränderungen im Körper hervor, welche die Vitalfunktionen sichern und Energie bereitstellen sollen. Nach der initialen Akutoder Stressphase, die einige Stunden anhält, folgt die Postaggressionsphase oder adrenerg-kortikoide Phase, die 1–3 Tage, bei Komplikationen aber auch Wochen andauern kann. Daran schließt sich zwischen dem 4. und 10. Tag die anabole Phase an. Im Postaggressionsstoffwechsel wird der Energiebedarf vorwiegend durch Fettoxidation gedeckt, die Glukoneogenese aus z.B. Laktat oder Aminosäuren wird gesteigert und über eine verminderte Insulinwirksamkeit der Verbrauch an Glukose, welche für die auf S. 133 genannten Organe wesentlich ist, gebremst. Einen Überblick über die Stoffwechselveränderungen im Postaggressionsstoffwechsel gibt 2 A-7.1.
Postaggressionsstoffwechsel beinhaltet die metabolische Antwort auf Operationen, Traumen, Verbrennungen oder Sepsis. Nach der initialen Akut- oder Stressphase (Stunden) folgt die Postaggressionsphase (1–3 Tage). Daran schließt sich die anabole Phase an (4–10 Tage).
2 A-7.1
Einen Überblick über die Stoffwechselveränderungen im Postaggressionsstoffwechsel gibt 2 A-7.1.
Stoffwechselveränderungen im Postaggressionsstoffwechsel
N Glukoseverwertungsstörung n π Hyperglykämie π Glukosurie π verminderte Insulinwirksamkeit N Proteinstoffwechselstörung n π vermehrte Harnstoffbildung π Stickstoffverlust π Eiweißkatabolie N Fettstoffwechselstörung n π vermehrte Lipolyse π Ketonkörperbildung N Elektrolythaushalt n π Wasserretention π Natriumretention π vermehrte Kaliumausscheidung
Hormone
Hormone
Ein Konzentrationsanstieg von Adrenalin, Noradrenalin, ACTH und Kortisol ist schon während einer Operation messbar und dient der Energiebereitstellung von Glukose, Fettsäuren und Aminosäuren durch Glykogenolyse, Glukoneogenese, Lipolyse und Proteolyse. Die Katecholaminkonzentrationen normalisieren sich meist innerhalb eines Tages, während die ACTH- und Kortisolproduktion mehrere Tage (z.B. 2–4 Tage nach Magenteilresektion) andauern kann. Adrenalin wirkt durch eine Steigerung der Glykogenolyse und Lipolyse ebenso antiinsulinär wie Kortisol, welches überwiegend auf den Kohlenhydrat- und Eiweißstoffwechsel wirkt. Glukagon wird verzögert nach 24–48 Stunden vermehrt ausgeschüttet und erhöht durch Glykogenolyse, Glukoneogenese und Lipolyse die Konzentration von Glukose. Durch den erhöhten Katecholaminspiegel kommt es in der Frühphase zu einer Steigerung der Herzfrequenz, des Herzminutenvolumens und des Blutdrucks.
Adrenalin, Noradrenalin, ACTH und Kortisol dienen der Energiebereitstellung von Glukose, Fettsäuren und Aminosäuren durch Glykogenolyse, Glukoneogenese, Lipolyse und Proteolyse. Glukagon wird zeitlich verzögert (nach 24–48 Stunden) vermehrt ausgeschüttet und erhöht die Konzentration von Glukose. Durch den erhöhten Katecholaminspiegel kommt es in der Frühphase zu einer Steigerung der Herzfrequenz, des Herzminutenvolumens und des Blutdrucks.
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7.2.1 Postaggressionsstoffwechsel
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Polymerase, alkalische Phosphatase usw.) im Organismus. Zu den Spurenelementen gehören Arsen, Chrom, Kobalt, Kupfer, Fluor, Eisen, Jod, Mangan, Molybdän, Nickel, Selen, Silizium, Vanadium, Zink und Zinn.
Eisen, Jod, Mangan, Molybdän, Nickel, Selen, Silizium, Vanadium, Zink und Zinn.
7.2
7.2.1
Parenterale Ernährung bei verschiedenen Krankheitsbildern Postaggressionsstoffwechsel
7.2
Parenterale Ernährung bei verschiedenen Krankheitsbildern
7.2.1 Postaggressionsstoffwechsel
Stoffwechselveränderungen
Stoffwechselveränderungen
Belastungen wie Unfall, Verbrennungen, Sepsis oder Operationen rufen über bestimmte Regulationsmechanismen (neuroendokrin, Hormone, Mediatoren) metabolische Veränderungen im Körper hervor, welche die Vitalfunktionen sichern und Energie bereitstellen sollen. Nach der initialen Akutoder Stressphase, die einige Stunden anhält, folgt die Postaggressionsphase oder adrenerg-kortikoide Phase, die 1–3 Tage, bei Komplikationen aber auch Wochen andauern kann. Daran schließt sich zwischen dem 4. und 10. Tag die anabole Phase an. Im Postaggressionsstoffwechsel wird der Energiebedarf vorwiegend durch Fettoxidation gedeckt, die Glukoneogenese aus z.B. Laktat oder Aminosäuren wird gesteigert und über eine verminderte Insulinwirksamkeit der Verbrauch an Glukose, welche für die auf S. 133 genannten Organe wesentlich ist, gebremst. Einen Überblick über die Stoffwechselveränderungen im Postaggressionsstoffwechsel gibt 2 A-7.1.
Postaggressionsstoffwechsel beinhaltet die metabolische Antwort auf Operationen, Traumen, Verbrennungen oder Sepsis. Nach der initialen Akut- oder Stressphase (Stunden) folgt die Postaggressionsphase (1–3 Tage). Daran schließt sich die anabole Phase an (4–10 Tage).
2 A-7.1
Einen Überblick über die Stoffwechselveränderungen im Postaggressionsstoffwechsel gibt 2 A-7.1.
Stoffwechselveränderungen im Postaggressionsstoffwechsel
N Glukoseverwertungsstörung n π Hyperglykämie π Glukosurie π verminderte Insulinwirksamkeit N Proteinstoffwechselstörung n π vermehrte Harnstoffbildung π Stickstoffverlust π Eiweißkatabolie N Fettstoffwechselstörung n π vermehrte Lipolyse π Ketonkörperbildung N Elektrolythaushalt n π Wasserretention π Natriumretention π vermehrte Kaliumausscheidung
Hormone
Hormone
Ein Konzentrationsanstieg von Adrenalin, Noradrenalin, ACTH und Kortisol ist schon während einer Operation messbar und dient der Energiebereitstellung von Glukose, Fettsäuren und Aminosäuren durch Glykogenolyse, Glukoneogenese, Lipolyse und Proteolyse. Die Katecholaminkonzentrationen normalisieren sich meist innerhalb eines Tages, während die ACTH- und Kortisolproduktion mehrere Tage (z.B. 2–4 Tage nach Magenteilresektion) andauern kann. Adrenalin wirkt durch eine Steigerung der Glykogenolyse und Lipolyse ebenso antiinsulinär wie Kortisol, welches überwiegend auf den Kohlenhydrat- und Eiweißstoffwechsel wirkt. Glukagon wird verzögert nach 24–48 Stunden vermehrt ausgeschüttet und erhöht durch Glykogenolyse, Glukoneogenese und Lipolyse die Konzentration von Glukose. Durch den erhöhten Katecholaminspiegel kommt es in der Frühphase zu einer Steigerung der Herzfrequenz, des Herzminutenvolumens und des Blutdrucks.
Adrenalin, Noradrenalin, ACTH und Kortisol dienen der Energiebereitstellung von Glukose, Fettsäuren und Aminosäuren durch Glykogenolyse, Glukoneogenese, Lipolyse und Proteolyse. Glukagon wird zeitlich verzögert (nach 24–48 Stunden) vermehrt ausgeschüttet und erhöht die Konzentration von Glukose. Durch den erhöhten Katecholaminspiegel kommt es in der Frühphase zu einer Steigerung der Herzfrequenz, des Herzminutenvolumens und des Blutdrucks.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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7 Ernährung
Renin, Angiotensin II, Aldosteron und ADH werden im Postaggressionsstoffwechsel vermehrt freigesetzt und dienen der Natrium- und Wasserretention (Á Oligurie). Kohlenhydratstoffwechsel
Renin, Angiotensin II, Aldosteron und ADH werden im Postaggressionsstoffwechsel vermehrt freigesetzt und dienen der Natrium- und Wasserretention bei vermehrter Kaliumausscheidung (s. a. Kap. A-6, S. 99 ff.).
Eine Einschränkung der Insulinwirkung ist für den Kohlenhydratstoffwechsel im Postaggressionsstoffwechsel charakteristisch. Bei Steigerung der Glykogenolyse und Glukoneogenese mit Einschränkung der Glukoseverwertung kommt es zu Hyperglykämie und Hyperinsulinämie.
Eine Einschränkung der Insulinwirkung ist für den Kohlenhydratstoffwechsel im Postaggressionsstoffwechsel charakteristisch. Bei Steigerung der Glykogenolyse und Glukoneogenese mit Einschränkung der Glukoseverwertung kommt es zu Hyperglykämie und Hyperinsulinämie. Die Organaufnahme der Glukose ist ungestört, Ursache der veränderten Glukoseverwertung ist die Antagonisierung der vorhandenen Insulinmenge durch den Einfluss der antiinsulinären Faktoren wie Adrenalin, Noradrenalin, Glukokortikoide oder Glukagon, vor allem in der Muskulatur. Bei vermehrt zirkulierenden Fettsäuren ist zudem die Insulinwirksamkeit vermindert. Die exogene Glukosezufuhr in dieser Phase kann die Glukosebildung aus Aminosäuren nicht verhindern. Glukose wird nicht energetisch im Gewebe verstoffwechselt und führt bei erhöhter Zufuhr zur Leberverfettung, besonders unter erhöhter externer Insulinzufuhr (keine Insulinzufuhr in dieser Phase!).
Die exogene Glukosezufuhr in dieser Phase kann die Glukosebildung aus Aminosäuren nicht verhindern und führt bei erhöhter Zufuhr zur Leberverfettung, besonders unter erhöhter externer Insulinzufuhr (keine Insulinzufuhr in dieser Phase!).
Kohlenhydratstoffwechsel
Fettstoffwechsel
Fettstoffwechsel
Im Postaggressionsstoffwechsel kommt es zu einer Zunahme an freien Fettsäuren, die in der Leber die Bildung von Ketonkörpern induzieren.
Im Postaggressionsstoffwechsel wird der Stoffwechsel zunehmend auf die Verwertung von Substraten aus dem Fettstoffwechsel umgestellt. Dies bedingt eine Zunahme an freien Fettsäuren, die in der Leber die Bildung von Ketonkörpern induzieren.
Eiweißstoffwechsel
Eiweißstoffwechsel
Der Umsatz im Eiweißstoffwechsel ist von der Schwere einer Operation bzw. Verletzung oder Erkrankung abhängig und lässt sich mit Hilfe der Stickstoffausscheidung im Urin als Maß der Eiweißkatabolie messen.
Der Umsatz im Eiweißstoffwechsel ist von der Schwere einer Operation bzw. Verletzung oder Erkrankung abhängig und lässt sich mit Hilfe der Stickstoffausscheidung im Urin als Maß der Eiweißkatabolie messen. Bei kleinen Eingriffen beträgt die Ausscheidung > 5–10 g/d, nach schweren Eingriffen > 15 g/d. Verantwortlich für die Proteinkatabolie sind vor allem Glukagon und Glukokortikoide. Sie inhibieren die Proteinsynthese in der Muskulatur, wirken katabol, d.h. bewirken je nach Dauer und Ausmaß der Postaggressionsveränderungen einen z.T. erheblichen Muskelschwund. In der Leber wirken sie durch die Synthese von Akutphase-Proteinen hingegen anabol.
Parenterale Ernährung im Postaggressionsstoffwechsel Bei einer kurzfristigen oralen Nahrungskarenz ist ein Wasser- und Elektrolytersatz ausreichend.
Parenterale Ernährung im Postaggressionsstoffwechsel
Bei einer Nahrungskarenz über 3–6 Tage sollte eine parenterale niedrigkalorische Ernährung mit Lösungen (2- oder 3-Liter-Kombinationslösungen) erfolgen, die den Bedarf an Kohlenhydraten, Aminosäuren und Elektrolyten decken.
Bei einer kurzfristigen oralen Nahrungskarenz (z.B. nach Leistenhernien-, Schilddrüsen- oder Mammaoperationen, nach kleinen gefäßchirurgischen oder unfallchirurgischen Eingriffen) ist ein Wasser- und Elektrolytersatz (s. Kap. A-6.1) ausreichend. Eine orale Flüssigkeitszufuhr ist bei den aufgeführten Operationen am Operationstag oder oft am 1. postoperativen Tag möglich. Bei einer Nahrungskarenz über 3–6 Tage bei größeren operativen Eingriffen (z.B. Magenteilresektion) ist eine niedrigkalorische parenterale Ernährung empfehlenswert, die peripher-venös appliziert werden kann. 1–1,5 g Aminosäuren/kg KG und 150 – max. 200 g Kohlenhydrate/d werden neben Elektrolyten bei der niedrigkalorischen Ernährung appliziert. Der restliche Kalorienbedarf wird aus körpereigenen Fettdepots gedeckt. Niedrigkalorische Infusionslösungen, die dem speziellen postoperativen Kohlenhydrat-, Aminosäure- und Elektrolytbedarf angepasst sind, werden kommerziell hergestellt und angeboten. In der täglichen Praxis stehen 2und 3-Liter-Kombinationslösungen zur Verfügung, die den postoperativen Bedarf eines 60–70 kg schweren Patienten decken. Die Verwendung des Zuckeraustauschstoffes Xylit anstelle von Glukose bietet sich an, um glukoseinduzierte Stoffwechselveränderungen zu verhindern. Das Konzept der niedrigkalorischen Ernährung ist auch bei großen abdominalchirurgischen Operationen als günstig zu betrachten, vorausgesetzt, dass
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7.2.2 Hungerstoffwechsel keine postoperativen Komplikationen auftreten und nach einem Zeitraum von 5–8 Tagen eine ausreichende enterale Ernährung möglich ist. Eine Nahrungskarenz bis zu 1 Woche und länger erfordert eine totale parenterale Ernährung, die nach Beendigung der Postaggressionsphase, nach 2–4 Tagen, begonnen werden sollte. Die maximale Zufuhr sind 4–6 g Glukose/kg KG. Höhere Mengen führen zur kohlenhydratinduzierten Fettleber. Fett (1–2 g/kg KG/d, entspricht etwa 30–40 % der Nichteiweißkalorien) ist als weiterer Energieträger ein fester Bestandteil der totalen parenteralen Ernährung. Bei einer Aminosäuresubstitution von 1–1,5 g/kg KG/d kann eine ausgeglichene Stickstoffbilanz erreicht werden. Eine Relation der Energieträger Kohlenhydrate, Fett und Eiweiß von 50 : 30 : 20 gilt als optimal.
7.2.2
Hungerstoffwechsel
Eine Nahrungskarenz von 1 Woche und länger erfordert eine totale parenterale Ernährung, die nach Beendigung der Postaggressionsphase, nach 2–4 Tagen, begonnen werden sollte. Die totale parenterale Ernährung sollte eine Relation der Energieträger Kohlenhydrate, Fett und Eiweiß von 50 : 30 : 20 aufweisen. Maximal sollten 4–6 g Glukose 1–2 g Fett und 1–1,5 g Aminosäuren pro kg KG/d zugeführt werden. 7.2.2 Hungerstoffwechsel
Stoffwechselveränderungen
Stoffwechselveränderungen
Der Hungerstoffwechsel ist charakterisiert durch das Fehlen oder die unzureichende Zufuhr von Energie und Nahrungsbestandteilen. Der Metabolismus wird in seinem Umfang reduziert, um vitale Funktionen aufrechtzuerhalten. Dies geschieht durch Verminderung des Blutzuckerspiegels, vermehrte Ketonkörperproduktion, Verminderung der Proteinsynthese, Absenken der Körpertemperatur, des Muskeltonus und der Herzleistung. Das unterschiedliche Stoffwechselverhalten im Hungerstoffwechsel im Vergleich zum Postaggressionsstoffwechsel zeigt 2 A-7.2.
Der Hungerstoffwechsel zeichnet sich im Vergleich zum Postaggressionsstoffwechsel durch Reduktion des Stoffwechsels mit verminderter Blutzuckerund Harnstoffproduktion sowie erhöhter Ketonkörperbildung aus ( 2 A-7.2).
2 A-7.2
Stoffwechselverhalten im Hunger- und im Postaggressionsstoffwechsel Hungerstoffwechsel
N Kohlenhydrate n π Blutzucker π Harnzucker π Ketonkörper
Postaggressionsstoffwechsel
/ /
N Proteine n π Harnstoffproduktion π kurzlebige Proteine N Fette n π Triglyzeride π freie Fettsäuren
Parenterale Ernährung im Hungerstoffwechsel Mangelernährte, kachektische Patienten, z.B. Karzinompatienten, weisen perioperativ eine erhöhte Komplikationsrate mit Wundheilungsstörungen, Pneumonien oder intraabdominellen Infektionen auf. Verbunden mit einer Mangelernährung sind Stoffwechselveränderungen ( 2 A-7.2), Gewichtsabnahme, Erniedrigung der Kreatininausscheidung und Erniedrigung der Konzentrationen von Funktionsproteinen (z.B. Albumin). Die Komplikationsrate bei mangelernährten Patienten kann durch eine präoperative parenterale Ernährung nicht gesenkt werden. Allenfalls ist es möglich, das Ausmaß der Stoffwechselveränderungen, z.B. eine ausgeprägte Hypalbuminämie, zu reduzieren. Die präoperative Ernährung muss bedarfsorientiert erfolgen und dauert meist 8–10 Tage. Einen positiven Effekt der präoperativen Ernährung in Bezug auf eine Reduktion der Komplikationen scheint es nur bei extrem kachektischen Patienten zu geben, bei denen postoperativ auch mit einer längeren Nahrungskarenz zu rechnen ist.
Parenterale Ernährung im Hungerstoffwechsel Eine Mangelernährung mit Veränderungen des Hungerstoffwechsels ist mit einer erhöhten Komplikationsrate verbunden (z. B. Wundheilungsstörungen, Pneumonie). Eine präoperative parenterale Ernährung ist nicht in der Lage, die Komplikationsrate zu senken. Allenfalls gelingt es, das Ausmaß der Stoffwechselveränderungen zu reduzieren. Die präoperative Ernährung muss bedarfsorientiert erfolgen und dauert meist 8–10 Tage.
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138 7.2.3 Parenterale Ernährung bei Niereninsuffizienz Die Energiezufuhr im akuten Nierenversagen sollte 35–45 kcal/kg KG/d betragen mit bis zu 6 g Glukose, 1–2 g Fett und 1–1,5 g Aminosäuren pro kg KG und Tag.
Im Gegensatz zur chronischen Niereninsuffizienz ist bei der akuten Niereninsuffizienz keine Reduktion der Aminosäuren bzw. von Eiweiß notwendig.
7 Ernährung 7.2.3
Parenterale Ernährung bei Niereninsuffizienz
Beim akuten Nierenversagen muss der Organismus ausreichend mit energiereichen Substraten (35–45 kcal/kg KG/d) versorgt werden. Glukose dient als Hauptenergieträger beim akuten Nierenversagen. In Abhängigkeit vom Blutzuckerspiegel kann Glukose in einer Menge von bis zu 6 g/kg KG/d appliziert werden. Aminosäurelösungen, die neben essenziellen Aminosäuren Histidin, Arginin, Glyzin, Serin und Tyrosin enthalten, sind gegenüber der Gabe von Lösungen mit nur essenziellen Aminosäuren vorteilhaft, da der Organismus auch unspezifische Stickstoffträger benötigt. Die empfohlene Menge an Aminosäuren beträgt 1–1,5 g/kg KG/d, die an Fett 1–2 g/kg KG/d. Im Gegensatz zur chronischen Niereninsuffizienz ist bei der akuten Niereninsuffizienz keine Reduktion der Aminosäuren bzw. von Eiweiß notwendig.
Parenterale Ernährung bei Leberinsuffizienz
7.2.4 Parenterale Ernährung bei Leberinsuffizienz
7.2.4
In der Leberinsuffizienz beträgt der Energiebedarf 30–35 kcal/kg KG/d.
Der Energiebedarf bei Patienten mit Lebererkrankungen beträgt 30–35 kcal/ kg KG/d. Die Umsatzkapazitäten für Xylit und Fett sind bei Insuffizienz der Leber erhalten, so dass diese energieliefernden Substrate genutzt werden sollten. Eine Imbalance der Aminosäuren mit Abfall der verzweigtkettigen Aminosäuren und Anstieg der aromatischen Aminosäuren, die in der Leber verstoffwechselt werden (z.B. Phenylalanin, Tyrosin), tritt bei chronischer Leberinsuffizienz auf. Spezifische Leberlösungen mit einem hohen Anteil verzweigtkettiger und einem niedrigen Anteil aromatischer Aminosäuren scheinen einen günstigen Einfluss auf die hepatische Enzephalopathie zu haben. Bei normalem Ammoniakspiegel sind 0,8–1,3 g Aminosäuren/kg KG/d empfehlenswert. Ferner sollte die Glukosemenge auf 2–4 g/kg KG/d und die Applikation von Fett auf 0,5–1 g/kg KG/d reduziert werden.
Aminosäurelösungen mit einem hohen Anteil verzweigtkettiger und einem niedrigen Anteil aromatischer Aminosäuren scheinen einen günstigen Einfluss auf die hepatische Enzephalopathie zu haben. Bei normalem Ammoniakspiegel sind 0,8–1,3 g Aminosäuren/kg KG/d empfehlenswert. Die Glukosemenge sollte auf 2–4 g/kg KG/d, die Applikation von Fett auf 0,5–1 g/kg KG/d reduziert werden.
Infusionstechnik
7.2.5 Infusionstechnik
7.2.5
Infusionslösungen können π periphervenös oder π zentralvenös appliziert werden.
Infusionslösungen können periphervenös oder zentralvenös (z.B. V. subclavia, V. jugularis externa oder interna) appliziert werden. Die Infusion sollte pumpengesteuert kontinuierlich über 24 Stunden erfolgen. Die Katheter sind regelmäßig zu kontrollieren, um katheterbedingte Infektionen (s. a. Kap. A-3) frühzeitig zu erkennen.
7.2.6 Komplikationen
7.2.6
Bei den Komplikationen der parenteralen Ernährung sind vor allem katheterbedingte und metabolische Störungen zu unterscheiden. Katheterbedingte Komplikationen sind Fehllagen, Thrombosen oder Infektionen. Zu den metabolischen Komplikationen gehören: π Flüssigkeitsbelastung π Elektrolytentgleisungen π Hyperosmolarität π Hyperglykämie π Harnstoffbelastung π Hypertriglyzeridämie π Mangelsymptome π Cholestase π Fettleber.
Bei der parenteralen Ernährung können zum einen katheterbedingte Komplikationen wie Fehllagen, Thrombosen und Infektionen auftreten oder bei Anlage arterielle Blutungen oder ein Pneumothorax verursacht werden. Zum anderen können metabolische Komplikationen, eine mikrobielle Kontamination der Lösungen oder Inkompatibilitäten von Medikamenten mit Infusionslösungen vorkommen. Metabolische Komplikationen sind: π Flüssigkeitsbelastung (z.B. bei Niereninsuffizienz) π Elektrolytentgleisungen (bei Störung des Säure-Basen-Haushaltes) π Hyperosmolarität (bei erhöhtem Blutzuckerspiegel) π Hyperglykämie (durch Veränderung der Insulinwirkung im Postaggressionsstoffwechsel und bei erhöhter Glukosezufuhr) π Harnstoffbelastung (bei zu rascher Aminosäurezufuhr) π Hypertriglyzeridämie (bei zu rascher Fettapplikation) π Mangelsymptome (z.B. durch Mangel an Aminosäuren, Vitaminen, Spurenelementen)
Komplikationen
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7.3.2 Indikationen π
π
Cholestase (durch fehlende orale Nahrungsaufnahme, toxische Aminosäurenwirkung bei Imbalancen oder einen überhöhten Fettanteil der Ernährung) Fettleber (bei inadäquater Glukosezufuhr, z.B. im Postaggressionsstoffwechsel).
7.2.7
Monitoring
Das sorgfältige Monitoring mit klinischer Überwachung und Kontrolle der Laborparameter bei der parenteralen Ernährung erhöht die Effizienz der Infusionsbehandlung und vermindert die Komplikationsrate. Körpergewicht, Blutbild (Hämatokrit), kolloidosmotischer Druck und Natriumspiegel im Serum geben über den Flüssigkeitshaushalt Auskunft. Die unmittelbare postoperative Ernährung verlangt eine Kontrolle von Blutzucker (bis max. 250 mg/dl werden toleriert), Elektrolyten (Natrium, Kalium, Kalzium, Magnesium und Phosphat) und vor Gabe von Fett eine Kontrolle der Triglyzeridkonzentrationen (bis 300 mg/dl). Die Effektivität der Proteinzufuhr kann mit der Bestimmung der Stickstoffbilanz und dem Verhalten kurzlebiger Proteine wie z.B. Transferrin und Prothrombin überwacht werden.
7.2.7 Monitoring Das Monitoring des Flüssigkeits-, Kohlenhydrat-, Eiweiß- und Fetthaushaltes mit klinischer Überwachung und Kontrolle der Laborparameter erhöht die Effizienz der Therapie und vermindert die Komplikationsrate.
7.3
Enterale Ernährung
7.3
7.3.1
Sondenkost
7.3.1 Sondenkost
Grundsätzlich werden folgende Formen der Sondenkost unterschieden: π Chemisch definierte Sondenkost, bei der es sich um eine chemisch definierte Diät aus Oligopeptiden, monomolekularen Kohlenhydraten, essenziellen Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen handelt. Als Stickstoffquelle enthalten sie Oligopeptide, wodurch die Diäten niedermolekular sind. Bei zudem ballaststofffreier Zusammensetzung können die einzelnen Bausteine unabhängig von Verdauungsfermenten in den oberen Dünndarmabschnitten absorbiert werden. π Nährstoffdefinierte Sondenkost besteht aus Nahrungsgemischen, die in optimaler Relation intakte Nährstoffe wie Proteine, Fette oder Kohlenhydrate enthalten, hochmolekular sind und mit oder ohne Ballaststoffe hergestellt werden. Sie sollten isoosmolar sein, um Diarrhöen zu vermeiden. Durch Zusatz von Geschmackskomponenten eignen sie sich auch zur oralen Applikation.
7.3.2
Indikationen
Bei einem funktionsfähigen Gastrointestinaltrakt sollte grundsätzlich, falls keine Kontraindikationen bestehen, eine enterale Ernährung bevorzugt werden, da diese im Vergleich zur parenteralen Ernährung die physiologische Form darstellt. Indikationen zur enteralen Sondenernährung sind zum einen Erkrankungen, bei denen der normale Schluckvorgang nicht möglich ist oder vermieden werden soll (z.B. neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Apoplex oder postoperativ z.B. nach Ösophagusresektionen, nach Trauma, bei Langzeitbeatmung. Eine künstliche Ernährung wird zum anderen notwendig bei irresektablen Tumoren z.B. des Pharynx, des Ösophagus und des Magens, die keine regelrechte Nahrungspassage erlauben. Kontraindikationen sind z.B. eine Obstruktion des Darmes, ein Ileus, schwere Diarrhöen oder eine massive gastrointestinale Blutung.
Enterale Ernährung
Folgende Formen der Sondenkost werden unterschieden: π Chemisch definierte Sondenkost, bei der es sich um eine Diät aus Oligopeptiden, monomolekularen Kohlenhydraten, essenziellen Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen handelt.
Nährstoffdefinierte Sondenkost besteht aus Nahrungsgemischen, die in optimaler Relation intakte Nährstoffe wie Proteine, Fette oder Kohlenhydrate enthalten.
π
7.3.2 Indikationen Bei einem funktionsfähigen Gastrointestinaltrakt sollte grundsätzlich, falls keine Kontraindikationen bestehen, eine enterale Ernährung bevorzugt werden. Indikationen zur enteralen Sondenernährung sind gegeben bei π Störung des normalen Schluckvorganges π irresektable Tumoren, die keine regelrechte Nahrungspassage erlauben. Kontraindikationen sind z.B. eine Obstruktion des Darmes, ein Ileus, schwere Diarrhöen oder eine massive gastrointestinale Blutung.
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7.3.2 Indikationen π
π
Cholestase (durch fehlende orale Nahrungsaufnahme, toxische Aminosäurenwirkung bei Imbalancen oder einen überhöhten Fettanteil der Ernährung) Fettleber (bei inadäquater Glukosezufuhr, z.B. im Postaggressionsstoffwechsel).
7.2.7
Monitoring
Das sorgfältige Monitoring mit klinischer Überwachung und Kontrolle der Laborparameter bei der parenteralen Ernährung erhöht die Effizienz der Infusionsbehandlung und vermindert die Komplikationsrate. Körpergewicht, Blutbild (Hämatokrit), kolloidosmotischer Druck und Natriumspiegel im Serum geben über den Flüssigkeitshaushalt Auskunft. Die unmittelbare postoperative Ernährung verlangt eine Kontrolle von Blutzucker (bis max. 250 mg/dl werden toleriert), Elektrolyten (Natrium, Kalium, Kalzium, Magnesium und Phosphat) und vor Gabe von Fett eine Kontrolle der Triglyzeridkonzentrationen (bis 300 mg/dl). Die Effektivität der Proteinzufuhr kann mit der Bestimmung der Stickstoffbilanz und dem Verhalten kurzlebiger Proteine wie z.B. Transferrin und Prothrombin überwacht werden.
7.2.7 Monitoring Das Monitoring des Flüssigkeits-, Kohlenhydrat-, Eiweiß- und Fetthaushaltes mit klinischer Überwachung und Kontrolle der Laborparameter erhöht die Effizienz der Therapie und vermindert die Komplikationsrate.
7.3
Enterale Ernährung
7.3
7.3.1
Sondenkost
7.3.1 Sondenkost
Grundsätzlich werden folgende Formen der Sondenkost unterschieden: π Chemisch definierte Sondenkost, bei der es sich um eine chemisch definierte Diät aus Oligopeptiden, monomolekularen Kohlenhydraten, essenziellen Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen handelt. Als Stickstoffquelle enthalten sie Oligopeptide, wodurch die Diäten niedermolekular sind. Bei zudem ballaststofffreier Zusammensetzung können die einzelnen Bausteine unabhängig von Verdauungsfermenten in den oberen Dünndarmabschnitten absorbiert werden. π Nährstoffdefinierte Sondenkost besteht aus Nahrungsgemischen, die in optimaler Relation intakte Nährstoffe wie Proteine, Fette oder Kohlenhydrate enthalten, hochmolekular sind und mit oder ohne Ballaststoffe hergestellt werden. Sie sollten isoosmolar sein, um Diarrhöen zu vermeiden. Durch Zusatz von Geschmackskomponenten eignen sie sich auch zur oralen Applikation.
7.3.2
Indikationen
Bei einem funktionsfähigen Gastrointestinaltrakt sollte grundsätzlich, falls keine Kontraindikationen bestehen, eine enterale Ernährung bevorzugt werden, da diese im Vergleich zur parenteralen Ernährung die physiologische Form darstellt. Indikationen zur enteralen Sondenernährung sind zum einen Erkrankungen, bei denen der normale Schluckvorgang nicht möglich ist oder vermieden werden soll (z.B. neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Apoplex oder postoperativ z.B. nach Ösophagusresektionen, nach Trauma, bei Langzeitbeatmung. Eine künstliche Ernährung wird zum anderen notwendig bei irresektablen Tumoren z.B. des Pharynx, des Ösophagus und des Magens, die keine regelrechte Nahrungspassage erlauben. Kontraindikationen sind z.B. eine Obstruktion des Darmes, ein Ileus, schwere Diarrhöen oder eine massive gastrointestinale Blutung.
Enterale Ernährung
Folgende Formen der Sondenkost werden unterschieden: π Chemisch definierte Sondenkost, bei der es sich um eine Diät aus Oligopeptiden, monomolekularen Kohlenhydraten, essenziellen Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen handelt.
Nährstoffdefinierte Sondenkost besteht aus Nahrungsgemischen, die in optimaler Relation intakte Nährstoffe wie Proteine, Fette oder Kohlenhydrate enthalten.
π
7.3.2 Indikationen Bei einem funktionsfähigen Gastrointestinaltrakt sollte grundsätzlich, falls keine Kontraindikationen bestehen, eine enterale Ernährung bevorzugt werden. Indikationen zur enteralen Sondenernährung sind gegeben bei π Störung des normalen Schluckvorganges π irresektable Tumoren, die keine regelrechte Nahrungspassage erlauben. Kontraindikationen sind z.B. eine Obstruktion des Darmes, ein Ileus, schwere Diarrhöen oder eine massive gastrointestinale Blutung.
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7 Ernährung
Zugangswege
7.3.3 Zugangswege
7.3.3
Als Zugangswege kommen π nasogastrale π nasoduodenale π nasojejunale Sonden π PEG (perkutane endoskopische Gastrostomie) oder π Katheterjejunostomie in Frage.
Als Zugangswege kommen vorübergehend und zeitlich begrenzt nasogastrale, nasoduodenale oder nasojejunale Sonden aus Polyurethan oder Silikonkautschuk zur Anwendung, die endoskopisch oder röntgenologisch kontrolliert gelegt werden. Weitere Möglichkeiten sind perkutan gelegte Katheter im Magen (perkutane endoskopische Gastrostomie = PEG), die endoskopisch platziert werden, oder die intraoperativ eingelegte, submukös getunnelte und am Peritoneum fixierte Katheterjejunostomie.
Nasoenterale Ernährungssonden
Nasoenterale Ernährungssonden
Das distale Ende nasoenteraler Sonden kann im Magen, im Duodenum oder im Jejunum platziert werden. Die Positionierung von Sonden postpylorisch mittels Endoskopie oder durch aufblasbare Ballons, die durch die Peristaltik vorwandern, vermindert das Problem des Erbrechens bei Dysfunktion des Pylorus. Magensonden sollten nur bei wachen und nicht bewusstseinsgetrübten Patienten verwendet werden.
Das distale Ende nasoenteraler Sonden kann im Magen, im Duodenum oder im Jejunum platziert werden. Die Positionierung von Sonden postpylorisch mittels Endoskopie oder durch aufblasbare Ballons, die durch die Peristaltik vorwandern, vermindert das Problem des Erbrechens bei Dysfunktion des Pylorus (z.B. postoperativ bei Intensivpatienten). Eine enterale Sondenernährung über Magensonden sollte nur bei wachen und nicht bewusstseinsgetrübten Patienten durchgeführt werden, da regelrechte laryngeale Reflexe bei diesen Patienten Aspirationen verhindern. Eine gastrale Sondenernährung erfolgt als Bolusgabe diskontinuierlich mit der Hand ohne Infusionspumpe, da der Magen als Speisereservoir erhalten ist. Eine duodenale oder jejunale Ernährung erfolgt hingegen mit Infusionspumpen, die kontinuierlich mit konstanten oder pulsativen Pumpflusssystemen arbeiten.
Merke
Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) Die beste Technik der langfristigen enteralen Ernährung ist die PEG. (s. a. Kap. B-13.6 ).
Kontraindikationen sind: π Gerinnungsstörungen π Peritonitis π Ileus π Anorexia nervosa. Komplikationen sind selten und beinhalten vorwiegend lokale Infektionen (3–15 %) oder Schmerzen (10 %).
n Merke. Die Lage der Sonden sollte röntgenologisch kontrolliert bzw. dokumentiert werden, um eine Fehllage der Sonden (z.B. endotracheal) zu erkennen.
Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) Die beste Technik der langfristigen enteralen Ernährung ist die perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG), die in Lokalanästhesie durchgeführt werden kann. Unter endoskopischer Sicht wird der Magen perkutan punktiert, ein Faden von außen eingeführt, vom Endoskop gefasst, herausgezogen und der Gastrostomiekatheter eingeführt, der an der Haut fixiert wird (s. Kap. B-13.6). Kontraindikationen sind: π Gerinnungsstörungen π Peritonitis π Ileus π Anorexia nervosa. Komplikationen sind selten und beinhalten vorwiegend lokale Infektionen (3–15 %) oder Schmerzen (10 %). Blutungen oder Fisteln sind sehr selten.
Katheterjejunostomie
Katheterjejunostomie
Diese Technik ist für eine längerfristige Ernährung geeignet und erfordert eine Laparotomie. Sie minimiert die Risiken der Fehllage und der intraperitonealen Leckage. Eine weitere Indikation ist die frühe enterale Ernährung postoperativ.
Diese Technik ist für eine längerfristige Ernährung geeignet und erfordert eine Laparotomie, um den Katheter durch einen etwa 10 cm langen submukösen Tunnel im Jejunum zu platzieren. Die Technik minimiert die Risiken der Fehllage und der intraperitonealen Leckage. Als weitere Indikation wird die frühe enterale Ernährung postoperativ z.B. nach Ösophagusresektionen oder bei polytraumatisierten Patienten, die laparotomiert wurden, angesehen.
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7.3.5 Frühe enterale Ernährung 7.3.4
Komplikationen
Bei den Komplikationen der enteralen Ernährung sind sondenbedingte von sondenkostassoziierten zu unterscheiden. Sondenbedingte Komplikationen sind: π Reflux in den Magen bei enteralen Sonden π Säurereflux bei Kardiainsuffizienz durch gastrale Sonden π Retention der Kost im Magen, Regurgitation, Erbrechen, Aspirationsgefahr π Sondenperforation. Ein Fremdkörpergefühl im Rachen ist für wache Patienten oft störend. Sondenkostassoziierte Komplikationen sind: π Durchfälle durch osmotischen Reiz (z.B. bei chemisch definierten Diäten) oder durch mangelnde Verträglichkeit der Bestandteile π hyperosmolar oder hyponatriämisch wirkende Flüssigkeitsverluste in den Darm durch konzentrierte Sondenkost.
7.3.5
Frühe enterale Ernährung
Eine frühzeitige enterale Ernährung, schrittweise ab dem 1. posttraumatischen Tag begonnen, reduziert den Hypermetabolismus im Postaggressionsstoffwechsel, erhält die normale Darmschleimhaut, verhindert dadurch eine Mukosaatrophie und kann die Rate infektiöser Komplikationen senken. Studien zeigten diese Effekte bei schwerverletzten, polytraumatisierten Patienten. Eine Indikation kann sich jedoch auch postoperativ z.B. nach Ösophagusresektionen ergeben. Als Zugangsweg bietet sich die Katheterjejunostomie bei einer Laparotomie an. Eine möglichst frühzeitige posttraumatische oder postoperative, wenn auch nur partielle enterale Ernährung als natürliche Art der Nahrungsaufnahme zeigt gegenüber der totalen parenteralen Ernährung eindeutige Vorteile, die sich in einer Reduktion von Komplikationen ausdrücken. Ein positiver Effekt durch Zusatz von immunstimulierenden Substanzen wie Arginin, Ribonukleinsäure oder v-3-Fettsäuren wird in klinischen Studien überprüft.
7.3.4 Komplikationen Komplikationen der enteralen Ernährung sind zum einen Retention und Reflux der Kost mit Aspirationsgefahr (sondenbedingte Komplikationen) und zum anderen Durchfälle oder Flüssigkeitsverluste in den Darm (sondenkostassoziierte Komplikationen).
7.3.5 Frühe enterale Ernährung Eine frühzeitige enterale Ernährung reduziert den Hypermetabolismus im Postaggressionsstoffwechsel, erhält die normale Darmschleimhaut, verhindert dadurch eine Mukosaatrophie und kann die Rate infektiöser Komplikationen senken.
Die Vorteile zeigen sich in einer Reduktion von Komplikationen.
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Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
8
8
Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
Blutgerinnung und Fibrinolyse
Hans-Dietrich Bruhn 8.1
Blutgerinnung und Fibrinolyse
8.1
8.1.1
Physiologie
8.1.1 Physiologie
Unter den Bedingungen der Gesundheit garantiert ein gut funktionierendes Gerinnungssystem eine rasche und wirkungsvolle Stillung einer Blutung nach Verletzungen. 1 A-8.1 zeigt, dass hierbei sowohl die Faktoren des endogenen als auch die Faktoren des exogenen Gerinnungssystems wirksam werden. Bei einer Verletzung wird vor allem das exogene Gerinnungssystem durch Freisetzung von Gewebethromboplastin aktiviert. Das Gewebethromboplastin aktiviert zusammen mit Faktor VII seinerseits den Faktor X zu Faktor Xa, der wiederum zusammen mit Kalziumionen und Faktor V das Prothrombin in das Gerinnungsenzym Thrombin umwandeln kann, welches die proteolytische Abspaltung von Fibrinopeptid A und B vom Fibri-
1 A-8.1
Bei Stillung einer Blutung nach Verletzungen werden sowohl die Faktoren des endogenen als auch die Faktoren des exogenen Gerinnungssystems wirksam ( 1 A-8.1).
Synopsis Schematische Darstellung des endogenen und exogenen Gerinnungssystems
exogene Aktivierung
endogene Aktivierung
Verletzung
gerinnungsaktive Oberfläche
Ca 2+ XIIa Gewebethromboplastin VII a
XI a
IXa
VII
Ca 2+- VIIa-P-Lip
X
XII
XI
IX
P-Lip-Ca 2+- IXa-VIIIa
VIII
Xa
Fibrinbildung P-Lip-Ca 2+- Xa-Va
II Prothrombin
V
IIa Thrombin
XIII
Fibrinogen
Fibrinmonomer
XIIIa vernetztes Fibrin
Fibrinopeptide
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144 Eine katalytische Beschleunigung der Reaktionen des exogenen Gerinnungssystems erfolgt durch Gewebethromboplastin, die des endogenen Gerinnungssystems durch Phospholipide aus Thrombozyten (Thrombozytenfaktor 3) ( 2 A-8.1).
8 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie nogenmolekül bewirkt und dadurch die Bildung von Fibrin induziert. Dieses Fibrin wird in Form seiner Fibrinmonomere durch Faktor XIII zu einem festen Fibringerinnsel verknüpft und dadurch stabilisiert. Das endogene Gerinnungssystem kann auch ohne äußerliche Aktivierung des Faktors XII zu Faktor XIIa an einer entsprechenden gerinnungsaktiven Oberfläche, z.B. im Bereich einer Arterienwandveränderung durch Arteriosklerose aktiviert werden. Der Faktor XIIa aktiviert seinerseits nun den Faktor XI zu XIa, der wiederum den Faktor IX zu IXa, der wiederum Faktor VIII zu Faktor VIIIa, der schließlich – wie schon im exogenen Gerinnungssystem besprochen – Faktor X zu Faktor Xa aktivieren kann. Während im exogenen Gerinnungssystem das Gewebethromboplastin (welches biochemisch ein Lipoprotein darstellt) eine katalytische Funktion ausübt, ist im endogenen Gerinnungssystem die Freisetzung von Phospholipiden aus Thrombozyten (Thrombozytenfaktor 3) katalytisch und damit beschleunigend für den Reaktionsablauf wirksam. Üblicherweise wirken die entscheidenden Gerinnungsfaktoren als Enzyme (Proteinasen) ( 2 A-8.1).
2 A-8.1
Gerinnungsfaktoren: enzymatische Klassifizierung
N Enzyme n π
π
Proteinasen F II Prothrombin F VII Prokonvertin F IX Christmas-Faktor FX Stuart-Faktor
ƒ © ª
Prothrombinkomplex
F XI F XII PK
ƒ © ª
Kontaktfaktoren
Plasma-Thromboplastin-Antezedens Hagemann-Faktor Präkallikrein
Transglutaminase F XIII fibrinstabilisierender Faktor (FSF)
N Kofaktoren n FV Proakzelerin F VIII antihämophiles Globulin HMW-K hochmolekulares Kininogen N Katalysatoren n Kalziumionen Phospholipide Gewebefaktor (TF) Thrombozyten N Substrate n FI
Die Regulation der Blutgerinnung erfordert das Zusammenwirken verschiedener Elemente ( 2 A-8.2). Die Regulation der Blutgerinnung soll dafür sorgen, dass nur eine erwünschte Gerinnselbildung eintritt (z.B. Blutstillung während einer Operation), eine unerwünschte Gerinnselbildung (Thrombosebildung) nicht stattfindet. 2 A-8.3 gibt einen Überblick über die Inhibitoren des Hämostasesystems.
Fibrinogen
Die Regulation der Blutgerinnung (Regulation der Hämostase) erfordert ein Zusammenwirken von Gerinnungsfaktoren (Proteinasen), Kofaktoren, katalytisch wirksamen Phospholipiden und Hemmkörpern der Blutgerinnung (z.B. Heparin, aktiviertes Protein C, exogener Pathway-Inhibitor) ( 2 A-8.2). So erwünscht eine effiziente Blutstillung unter den Bedingungen einer Verletzung während einer Operation ist, so unerwünscht ist eine unkontrolliert und überschießend ablaufende Blutgerinnung, welche die Gefahr einer unerwünschten Gerinnselbildung, d.h. Thrombosebildung beinhalten würde. Hier müssen also hemmende Mechanismen eingreifen, die eine unkontrollierte Gerinnselbildung verhindern. Die wichtige Funktion der Inhibitoren der plasmatischen Gerinnung ist hierin begründet. 2 A-8.3 gibt einen Überblick über die Proteinaseinhibitoren des Hämostasesystems. Allen voran ist hier der globale Gerinnungshemmkörper Antithrombin III anzuführen, der die Faktoren des endogenen Gerinnungsweges hemmen kann.
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8.1.1 Physiologie
2 A-8.2
Regulation der Hämostase, Regulationsproteine und Regulationsmechanismen
Steuerungselemente N Proteinasen n (PK, F XII, XI, X, IX, VII, II)
N Kofaktoren n (F πVa, F VIIIa)
π
N exogener Pathway-Aktivator n (TF-F VII/F VIIa)
2 A-8.3
π
π
N Phospholipide n π F II-Aktivator (Prothrombinase) π F X-Aktivator π Phospholipasen
PK = Präkallikrein;
Regulation durch
π
Wirkungsprinzip
Proteinaseinhibition z.T. mit Heparin als Kofaktor aktiviertes Protein C Proteinase Annexine (Ca2+ -abhängige Lipidbindung)
π
Neutralisation der Proteinasen
π
proteolytische Inaktivierung
π
π
π
EPI (exogener Pathway-Inhibitor)
TF = Gewebefaktor, als Lipidkomplex (Thromboplastin);
π
Verdrängung des Prothrombinkomplexes Hemmung der ThromboxanBildung gekoppelte Neutralisation von F Xa und TF-F VII/F VIIa
F = Gerinnungsfaktor
Regulation der Hämostase, Proteinaseinhibitoren
Proteinaseinhibitoren
Wirkungsspektrum
N Antithrombin III (Heparin-Kofaktor I) n
Faktoren des endogenen Gerinnungsweges
N C1-Inaktivator n
Faktoren der Kontaktphase
N a 2 -Makroglobulin n
polyvalent
N Heparin-Kofaktor II n
Thrombin
N Kunitz-Inhibitor (aus Thrombozyten und Hep-G2-Zellen n isoliert, MG 120 kD)
F XIa, Thromboplastin-Antezedens
N hochmolekulares Kininogen (HMW-K) n
SH-Proteinaseninhibitor
Ein weiteres wichtiges proteolytisches System übt seine Kontrollfunktion im Hinblick auf das unerwünschte Auftreten von Gerinnseln dadurch aus, dass es diese Gerinnsel sofort nach ihrer Entstehung proteolytisch wieder abbaut: Es handelt sich um das System der Fibrinolyse mit seinem Enzym Plasmin, welches aus dem Proenzym Plasminogen entsteht, und welches in der Lage ist, Fibringerinnsel proteolytisch abzubauen. 1 A-8.2 zeigt schematisch die Umwandlung von Plasminogen zu Plasmin durch einen entsprechenden Aktivator (u-PA = urokinaseähnlicher Plasminogen-Aktivator). Aber auch Faktor XIIa sowie Kallikrein können Plasminogen aktivieren. Das dabei entstehende Plasmin räumt einerseits Blutgerinnsel auf, wirkt aber auch in Bereichen einer entzündlichen Reaktion, d.h. im Entzündungsfeld, proteolytisch bzw. thrombolytisch. Die Aktivierung von Plasminogen durch Urokinase beispielsweise wird durch einen Plasminogen-Aktivator-Inhibitor (= PAI, 1 A-8.2) gehemmt, sodass unter physiologischen Bedingungen keine überschießende Plasminogenaktivierung zustande kommen kann. Im Übermaß entstandenes Plasmin kann durch einen weiteren Inhibitor, nämlich durch a-Antiplasmin, ebenfalls gehemmt werden, um eine überschießende plasminvermittelte Proteolyse unter Kontrolle zu halten. Zusammenfassend ist also im Hinblick auf die Physiologie des Blutgerinnungs- und des Fibrinolysesystems festzuhalten, dass sowohl Aktivatoren als auch Inhibitoren beide Systeme je nach den Bedürfnissen der Aufrechterhaltung eines ungestörten Hämostasesystems im Dienste der Gesundheit des Gesamtorganismus beeinflussen und kontrollieren.
Das Fibrinolysesystem wirkt antagonistisch zum Gerinnungssystem, indem es ein einmal entstandenes Gerinnsel wieder proteolytisch durch Plasmin abbauen kann ( 1 A-8.2).
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8 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
1 A-8.2
Synopsis Schema der plasminvermittelten Proteolyse
Fibrinolyse
u-Pa Plasminogen
Plasmin PAI
Aktivierung von
Kollagenase Proteoglykanase
perizelluläre Proteolyse
• Zellmigration • Einschmelzung und Umbau von Gewebe • invasives Wachstum
u-Pa = urokinaseähnlicher Plasminogen-Aktivator PAI = Plasminogen-Aktivator-Inhibitor
8.1.2
Pathophysiologie
Bei einer Störung des Gleichgewichts der Hämostase kann es zu einer Blutungsneigung oder zu einer Thromboseneigung kommen.
Ursächlich sowohl für eine Blutungsneigung als auch für eine Thromboseneigung kommen Störungen des Thrombozytensystems, Störungen der Gerinnungsfaktoren, Gefäßwandstörungen und krankhafte Veränderungen des Fibrinolysesystems in Betracht ( 1 A-8.4). Folgende Trias der Thromboseentstehung formulierte Virchow (VirchowTrias): π gestörte Blutströmung π Gefäßwandschädigung π veränderte Blutzusammensetzung.
8.1.2
Pathophysiologie
Sobald es zu einer krankhaften Störung sowohl im System der Aktivatoren und Inhibitoren der plasmatischen Gerinnung als auch der Aktivatoren und Inhibitoren der Fibrinolyse kommt, kann es zu einer Blutungsneigung, aber auch zu einer Thromboseneigung kommen. Das Gleichgewicht der hämostaseologischen Regulation ist hierbei gestört, sodass entweder eine Blutungsneigung (hämorrhagische Diathese) oder eine Thromboseneigung (thrombotische Diathese) resultiert. 1 A-8.4 zeigt schematisch, dass eine solche Blutungsneigung oder auch Thrombosierung bei Störungen des Thrombozytensystems, der Gerinnungsfaktoren, bei Gefäßwandstörungen und bei krankhaften Veränderungen des Fibrinolysesystems resultieren kann. Hinzu kommen noch Einflüsse des Herz-Kreislauf-Systems (z.B. Thromboseneigung bei verlangsamter Blutströmung) und der Blutviskosität (z.B. Thromboseneigung bei krankhaft erhöhter Erythrozytenzahl, beispielsweise auf dem Boden einer Polycythaemia vera). Der Pathologe Rudolf Virchow hat 1865 seine Trias der Thromboseentstehung formuliert: gestörte Blutströmung, Gefäßwandschädigung und Änderung der Zusammensetzung des Blutes führen danach zu einer Gerinnselbildung, die unerwünscht ist, das heißt zu einer »Blutstillung am falschen Orte«. Zwischenzeitlich sind unter modernen Gesichtspunkten all jene Ursachen einer Thrombose weitgehend definiert und charakterisiert worden, die aufgrund neuerer Untersuchungen zu berücksichtigen sind (s. S. 156 ff.). Wie 1 A-8.4 zeigt, ist eine Thromboseneigung auf dem Boden einer erheblichen Vermehrung der Thrombozytenzahl aber auch einer Steigerung der Thrombozytenfunktion möglich, eine Zunahme der Aktivitäten von Gerinnungsfaktoren (aber auch eine Abnahme von Hemmkörpern der Gerinnungsfaktoren) kann in gleicher Weise zur Thromboseneigung führen, wie eine verminderte fibrinolytische Aktivität (Hypofibrinolyse, angeboren oder erworben). Entzündliche (Endangiitis) oder degenerative (Arteriosklerose) Gefäßwandveränderungen bedingen ebenfalls eine Thromboseneigung. Verlangsamte Blutströmungsgeschwindigkeit (bei Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, bradykarden Herzrhythmusstörungen) führt ebenfalls zur Thromboseneigung. Eine gesteigerte Blutviskosität (Polyglobulie, Polycythaemia vera, Diuretika) bedingt in gleicher Weise eine thrombotische Diathese. Im chirurgischen Bereich sind folgende Risikofaktoren, besonders für das venöse Thromboembolierisiko, relevant: bekannte Varikosis, früher schon durchgemachte venöse Thrombosen (postthrombotisches Syndrom), fortge-
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8.1.2 Pathophysiologie schrittenes Lebensalter, Übergewicht, körperliche Immobilisierung, Operationen im Bereich besonders gerinnungsaktiver Gewebe (Lungenoperationen, Kolonchirurgie). Wie 1 A-8.4 zeigt, kann die Blutungsneigung einmal bedingt sein durch einen Thrombozytenmangel, aber auch durch eine Thrombozytenfunktionsstörung; ein Mangel an Gerinnungsfaktoren ist ebenso relevant für eine Blutungsneigung wie eine Zunahme von Gerinnungshemmkörpern (z.B. Heparin-Therapie oder Gerinnungshemmkörper bei Autoimmunerkrankung). Eine Hyperfibrinolyse (z.B. bei Prostatakarzinom, Leberzirrhose) bedingt ebenfalls eine Blutungsneigung. Eine Vasopathie (Gefäßwandfunktionsstörung) ist als Blutungsursache gleichfalls nach Ausschluss anderer Blutungsursachen zu diskutieren. Liegt ein Mangel an Gerinnungsfaktoren bzw. an einem Gerinnungsfaktor vor (plasmatisch bedingte hämorrhagische Diathese = Koagulopathie), so sind einerseits Synthesestörungen von Gerinnungsfaktoren zu diskutieren, wobei angeborene Synthesestörungen (Defektkoagulopathien) von erworbenen Koagulopathien (z.B. Störungen der Leberfunktion) zu unterscheiden sind. Von diesen Koagulopathien auf dem Boden einer Synthesestörung von Gerinnungsfaktoren ist ein Mangelzustand an Gerinnungsfaktoren als Folge einer Umsatzstörung zu unterscheiden. Bei manchen Zuständen einer verstärkten Aktivierung des Gerinnungssystems, beispielsweise infolge einer Sepsis mit Aktivierung und Zerfall der Thrombozyten, kommt es zu einer generalisierten Gerinnung, besonders im Bereich der Kapillaren (disseminierte intravaskuläre Koagulation). Diese generalisierte Gerinnung mit der Ausbildung von Mikrothrombosen besonders im Kapillarbereich (z.B. bei einer Sepsis) resultiert in einem verstärkten Verbrauch von Gerinnungsfaktoren. Dieser Verbrauch durch generalisierte Gerinnung wird auch als Verbrauchskoagulopathie bezeichnet, wobei also Mikrothromben im Bereich der Kapillaren einerseits und eine Blutungsneigung andererseits nachweisbar sind. Von der Pathophysiologie her liegt in diesen Fällen eine Umsatzstörung vor im Sinne der Verbrauchskoagulopathie (s. a. S. 152). Auf dem Boden einer Verbrauchskoagulopathie kann es zu einer reaktiven Hyperfibrinolyse mit zusätzlicher Inaktivierung von Fibrinogen und anderen Gerinnungsfaktoren kommen (s. S. 154). 1 A-8.3 zeigt Mikrothrombosen im Bereich der Niere, und zwar in Glomerulumkapillaren, die dort auf dem Boden einer Staphylokokken-Sepsis entstanden sind (Mikrothrombosen und Verbrauchskoagulopathie).
1 A-8.3
147 Auf chirurgischem Gebiet sind folgende Risikofaktoren für die Entstehung einer venösen Thrombose oder Embolie von Bedeutung: π Varikosis π früher schon einmal durchgemachte venöse Thrombosen π fortgeschrittenes Lebensalter π Übergewicht π körperliche Immobilisierung π Operationen im Bereich besonders gerinnungsaktiver Gewebe wie Lungen- und Kolonoperationen. Ursache einer Blutungsneigung können sein: π Thrombozytenmangel π Thrombozytenfunktionsstörung π Mangel an Gerinnungsfaktoren π Zunahme von Gerinnungshemmkörpern (z.B. Heparin, Gerinnungshemmkörper bei Autoimmunerkrankung) π Hyperfibrinolyse π Gefäßwandfunktionsstörung (Vasopathie). Bei den Synthesestörungen von Gerinnungsfaktoren (Koagulopathie) sind angeborene von erworbenen Ursachen zu unterscheiden. Durch generalisierte Gerinnung, besonders im Kapillarbereich mit der Ausbildung von Mikrothrombosen (z.B. bei einer Sepsis) resultiert ein Verbrauch von Gerinnungsfaktoren (= Verbrauchskoagulopathie, DIC) ( 1 A-8.3).
Mikrothromben in der Niere bei Staphylokokken-Sepsis mit Verbrauchskoagulopathie 23-jährige Patientin nach septischem Abort mit Staphylokokken-Sepsis: Die im Rahmen der disseminierten intravasalen Koagulation (DIC) entstandenen Mikrothromben befinden sich in den Glomerulumkapillaren. Durch HE-Färbung (Hämatoxylin-Eosin) wurde das thrombotische Material rot angefärbt.
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148 8.2
Pathologische Blutungsneigung
Merke
Mit dem sog. kleinen Gerinnungsstatus (Quickwert, PTT, Thrombinzeit, Thrombozytenzahl, Fibrinogenspiegel) wird präoperativ die Frage einer systemischen Blutungsursache abgeklärt.
Nicht erfasst werden: π Faktor-XIII-Mangel π Störung der Gefäßwandfunktion π Thrombozytenfunktionsstörungen (z.B. Von-Willebrand-JürgensSyndrom).
8 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
8.2
Pathologische Blutungsneigung
n Merke. Besonders bei der Blutungsneigung auf dem Gebiet der Chirurgie muss in jedem Einzelfall exakt differenziert werden, ob es sich um eine Blutung auf dem Boden einer lokalen Blutungsursache handelt, z.B. aus einem operativ eröffneten Blutgefäß, ob es sich um eine systemische Blutungsneigung durch einen Mangel an Gerinnungsfaktoren, durch einen Mangel an Thrombozyten, um eine durch gesteigerte fibrinolytische Aktivität (Hyperfibrinolyse) bedingte Blutungsneigung oder um eine Blutungsneigung durch Gefäßwandschaden handelt. Vor jedem chirurgischen Eingriff muss durch Analyse des sog. Gerinnungsstatus eine systemische Blutungsneigung zuverlässig ausgeschlossen werden, um ein intraoperatives Blutungsrisiko zu vermeiden!
Hierzu dient der sog. kleine Gerinnungsstatus, bei dem die Thromboplastinzeit (Quickwert) zur Analyse des exogenen Gerinnungssystems, die partielle Thromboplastinzeit (= PTT) zur Erfassung des endogenen Gerinnungssystems, die Thrombinzeit als Globaltest der Endphase des Gerinnungsablaufs sowie Fibrinogenspiegel und Thrombozytenzahl im Blut bestimmt werden. Durch Analyse dieses sog. kleinen Gerinnungsstatus werden die wichtigsten Blutungsursachen vor, während und nach einer Operation erfasst, sodass bei perioperativen Blutungen eine Aussage über deren Ursache (systemische oder lokale Blutungsursache, s.o.) gemacht werden kann. Nicht erfasst werden die folgenden Blutungsursachen: Faktor-XIII-Mangel (Mangel an fibrinstabilisierendem Faktor, FSF), Störung der Gefäßwandfunktion, bestimmte Thrombozytenfunktionsstörungen (z.B. Von-WillebrandJürgens-Syndrom mit seinem Mangel an Faktor-VIII-assoziiertem Protein). Hier sind dann zusätzliche Analysen in einem spezialisierten Gerinnungslaboratorium erforderlich!
Klinischer Fall Bei einem 18-jährigen Patienten wird eine Tonsillektomie wegen chronisch rezidivierender Tonsillitiden mit chronisch entzündlichen Veränderungen der Tonsillen durchgeführt. Die Blutstillung ist zunächst intraoperativ problemlos und scheinbar unauffällig. Postoperativ kommt es zu einer erheblichen Nachblutung. Eine zunächst befürchtete operative Eröffnung eines arteriellen Gefäßes der Nachbarschaft kann angiographisch ausgeschlossen werden. Der Gerinnungsstatus (Quick, PTT, Thrombinzeit und Fibrinogen) ist unauffällig. Die genauere Befragung ergibt jedoch eine Neigung zu Nachblutungen, auch nach Bagatellverletzungen. Angehörige des Patienten (Vater und ein Bruder) hatten bei vergleichbaren operativen Eingriffen schwerste Blutverluste Merke
Bei Blutungsnotfällen ist parallel zur Blutgruppe und zum Blutbild auch der Gerinnungsstatus bei Aufnahme des Patienten in eine chirurgische Abteilung sofort zu analysieren.
erlitten. Eine spezielle Gerinnungsanalyse zeigt dann einen Faktor-XIII-Mangel von 5 % der Norm, der durch den normalen Gerinnungsstatus nicht erfasst worden war. Eine bessere Erhebung der Blutungsvorgeschichte hätte zweifellos zu einer genaueren präoperativen Analyse des Gerinnungsstatus geführt. Typisch für den Faktor-XIII-Mangel ist intraoperativ eine zunächst scheinbar regelrechte Blutstillung, der dann jedoch erhebliche Nachblutungen folgen. Therapeutisch ist die Substitution des Faktors XIII durch entsprechende Hochkonzentrate, die schon präoperativ verabreicht werden, jederzeit möglich. Darüber hinaus können auch Fibrinolysehemmer zusätzlich therapeutisch eingesetzt werden.
n Merke. Grundsätzlich gilt als oberste Regel vor geplanten operativen Eingriffen, dass der Patient genau befragt werden muss, ob er an einer Blutungsneigung leidet, d.h. ob er schon bei Bagatellverletzungen oder sogar spontan in früheren Jahren geblutet hat, ob bei früheren Operationen schon eine unerwünschte verstärkte Blutungsneigung beobachtet wurde, oder ob in der Familie des Patienten Familienmitglieder mit einer verstärkten Blutungsneigung bekannt sind.
Bei Notfällen mit starkem Blutverlust (z.B. offene schwere Oberschenkelfraktur, traumatologische Patienten nach schweren Unfällen) ist bei der Klinikaufnahme sofort parallel zur Blutgruppe und zum Blutbild auch der Gerinnungsstatus zu analysieren und – soweit möglich – die Blutungsvor-
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8.2.1 Störungen der Gerinnungsfaktoren geschichte zu erfragen (bei Bewusstlosen müssen Angaben der Angehörigen und die Ergebnisse des sofort ermittelten Gerinnungsstatus verwertet werden). In den ersten Stunden nach einem starken Blutverlust stellen Hb- und Hkt-Wert keine verlässlichen Werte zur Beurteilung des tatsächlichen Ausmaßes der Blutung dar. Auch nach der derzeitigen Rechtsprechung wird von einem Chirurgen erwartet, dass er präoperativ die Frage abklärt, ob eine Blutungsneigung besteht bzw. ob der vorgesehene operative Eingriff duch eine Blutungsgefahr kompliziert werden könnte. Liegen entsprechende Analysen nicht vor, und kommt es intraoperativ oder postoperativ zu einer schweren Blutung mit Komplikationen (z.B. Schocksyndrom) als Folge einer bis dahin nicht erkannten Blutungsneigung, so wird dem Operateur zur Last gelegt werden, dass er sich nicht schon präoperativ über das Vorliegen einer Blutungsneigung anhand entsprechender Gerinnungsanalysen informiert hat. Sowohl für den Chirurgen als auch für den Anästhesisten gehört also der Gerinnungsstatus zu den unverzichtbaren präoperativen Analysen, welche der Feststellung der Operabilität eines Patienten dienen! Nachfolgend abgehandelte Ursachen einer systemischen Blutungsneigung müssen – nach Ausschluss einer lokalen Blutungsursache – jeweils differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden ( 1 A-8.4).
1 A-8.4
Der Gerinnungsstatus gehört zu den unverzichtbaren präoperativen Analysen zur Klärung der Operabilität eines Patienten. 1 A-8.4 führt die Ursachen einer systemischen Blutungsneigung auf.
Synopsis Schematische Darstellung der Ursachen einer Blutungsund Thromboseneigung
Blutungsneigung
Thromboseneigung Thrombozyten Gerinnungsfaktoren Gefäßwand Fibrinolyse
Blutungsneigung durch: π verminderte Thrombozytenzahl oder -funktion ( ) π verminderte oder nicht funktionierende Gerinnungsfaktoren ( ) π Gefäßwandstörungen ( ) π Hyperfibrinolyse ( ). Thromboseneigung durch: erhöhte Thrombozytenzahl oder -funktion ( ) π erhöhte Gerinnungsfaktorenkonzentration oder Faktorenaktivierung ( ) π thrombogene Gefäßwandfunktion (Arteriosklerose, Endangiitis), ( ) π verminderte Fibrinolyse ( ). π
8.2.1
Störungen der Gerinnungsfaktoren
8.2.1
Störungen der Gerinnungsfaktoren
Defektkoagulopathien
Defektkoagulopathien
Ein Mangel an Gerinnungsfaktoren kann angeboren oder erworben auftreten.
Ein Mangel an Gerinnungsfaktoren kann angeboren oder erworben auftreten.
Angeborene Defektkoagulopathien
Angeborene Defektkoagulopathien
Angeborene Mangelzustände an einem Gerinnungsfaktor sind z.B. die Hämophilie A (Mangel an Faktor VIII), die Hämophilie B (Mangel an Faktor IX) und die Hämophilie C (Mangel an Faktor X). Als Suchtest für diese Hämophilien kann die partielle Thromboplastinzeit (PTT) zum Einsatz kommen.
Angeborene Mangelzustände an einem Gerinnungsfaktor (z.B. Hämophilie A = Mangel an Faktor VIII, Hämophilie B = Mangel an Faktor IX) sind durch die
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8.2.1 Störungen der Gerinnungsfaktoren geschichte zu erfragen (bei Bewusstlosen müssen Angaben der Angehörigen und die Ergebnisse des sofort ermittelten Gerinnungsstatus verwertet werden). In den ersten Stunden nach einem starken Blutverlust stellen Hb- und Hkt-Wert keine verlässlichen Werte zur Beurteilung des tatsächlichen Ausmaßes der Blutung dar. Auch nach der derzeitigen Rechtsprechung wird von einem Chirurgen erwartet, dass er präoperativ die Frage abklärt, ob eine Blutungsneigung besteht bzw. ob der vorgesehene operative Eingriff duch eine Blutungsgefahr kompliziert werden könnte. Liegen entsprechende Analysen nicht vor, und kommt es intraoperativ oder postoperativ zu einer schweren Blutung mit Komplikationen (z.B. Schocksyndrom) als Folge einer bis dahin nicht erkannten Blutungsneigung, so wird dem Operateur zur Last gelegt werden, dass er sich nicht schon präoperativ über das Vorliegen einer Blutungsneigung anhand entsprechender Gerinnungsanalysen informiert hat. Sowohl für den Chirurgen als auch für den Anästhesisten gehört also der Gerinnungsstatus zu den unverzichtbaren präoperativen Analysen, welche der Feststellung der Operabilität eines Patienten dienen! Nachfolgend abgehandelte Ursachen einer systemischen Blutungsneigung müssen – nach Ausschluss einer lokalen Blutungsursache – jeweils differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden ( 1 A-8.4).
1 A-8.4
Der Gerinnungsstatus gehört zu den unverzichtbaren präoperativen Analysen zur Klärung der Operabilität eines Patienten. 1 A-8.4 führt die Ursachen einer systemischen Blutungsneigung auf.
Synopsis Schematische Darstellung der Ursachen einer Blutungsund Thromboseneigung
Blutungsneigung
Thromboseneigung Thrombozyten Gerinnungsfaktoren Gefäßwand Fibrinolyse
Blutungsneigung durch: π verminderte Thrombozytenzahl oder -funktion ( ) π verminderte oder nicht funktionierende Gerinnungsfaktoren ( ) π Gefäßwandstörungen ( ) π Hyperfibrinolyse ( ). Thromboseneigung durch: erhöhte Thrombozytenzahl oder -funktion ( ) π erhöhte Gerinnungsfaktorenkonzentration oder Faktorenaktivierung ( ) π thrombogene Gefäßwandfunktion (Arteriosklerose, Endangiitis), ( ) π verminderte Fibrinolyse ( ). π
8.2.1
Störungen der Gerinnungsfaktoren
8.2.1
Störungen der Gerinnungsfaktoren
Defektkoagulopathien
Defektkoagulopathien
Ein Mangel an Gerinnungsfaktoren kann angeboren oder erworben auftreten.
Ein Mangel an Gerinnungsfaktoren kann angeboren oder erworben auftreten.
Angeborene Defektkoagulopathien
Angeborene Defektkoagulopathien
Angeborene Mangelzustände an einem Gerinnungsfaktor sind z.B. die Hämophilie A (Mangel an Faktor VIII), die Hämophilie B (Mangel an Faktor IX) und die Hämophilie C (Mangel an Faktor X). Als Suchtest für diese Hämophilien kann die partielle Thromboplastinzeit (PTT) zum Einsatz kommen.
Angeborene Mangelzustände an einem Gerinnungsfaktor (z.B. Hämophilie A = Mangel an Faktor VIII, Hämophilie B = Mangel an Faktor IX) sind durch die
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150 Vorgeschichte des Patienten (Blutungsneigung in frühester Jugend) und durch die Familienvorgeschichte zu erfassen. Beim Fehlen des Faktor-VIII-assoziierten Proteins liegt das Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom als Blutungsursache vor, wobei die Symptomatologie durch Kombination des hämophilen mit dem petechialen Blutungstyp charakterisiert ist.
Charakteristisch für den Blutungstyp bei Hämophilie sind Gelenkblutungen, intraperitoneale Blutungen, Blutungen im Mund- und Nierenbereich, zerebrale Blutungen usw. Der angemessene Ersatz (Substitution) eines fehlenden Gerinnungsfaktors z.B. bei einer Hämophilie orientiert sich am Körpergewicht des Patienten und an der für die Durchführung einer Operation als notwendig erachteten Anhebung der Faktorenaktivität im Patientenplasma bzw. -blut.
8 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie Bei deutlicher Verlängerung der PTT muss dann die jeweilige Einzelfaktorenanalyse (Faktor-VIII-Aktivität, Faktor-IX-Aktivität, Faktor-X-Aktivität) folgen. Im Allgemeinen wird die individuelle Vorgeschichte des Patienten oder die Familienvorgeschichte Hinweis auf eine angeborene Blutungsneigung bei diesen Hämophilien geben. Aber auch alle anderen Gerinnungsfaktoren können grundsätzlich von Geburt an stark vermindert sein oder gar fehlen (Fibrinogen, Faktor II, Faktor V, Faktor VII sowie die Faktoren XI, XII und Faktor XIII). Besonders hervorzuheben ist das Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom, welches eine pathogenetisch uneinheitliche Blutungsneigung auf dem Boden eines Fehlens oder einer fehlerhaften Struktur des Von-Willebrand-Faktors (des Faktor-VIII-assoziierten Proteins) darstellt, wobei die Symptomatologie durch Kombination des hämophilen mit dem petechialen Blutungstyp charakterisiert ist. Charakteristisch für den Blutungstyp bei Hämophilie A und B sind vor allem Gelenkblutungen, aber auch intraperitoneale Blutungen (Differenzialdiagnose des akuten Abdomens), Blutungen im Mundbereich, Blutungen im Nierenbereich, zerebrale Blutungen usw. Präoperativ und bei Blutungskomplikationen ist bei Patienten mit Hämophilie A oder B oder C eine adäquate Substitution des fehlenden Gerinnungsfaktors durchzuführen. Die Dosierung erfolgt in Einheiten, wobei eine Einheit der mittleren Aktivität von 1 ml Normalplasma entspricht. Die erforderliche Initialdosis bei der Substitution wird aus der Formel A « G « F berechnet, wobei A den gewünschten Anstieg in Einheiten, G das Körpergewicht in Kilogramm und F einen Faktor bedeutet, der bei der Hämophilie A 0,6, bei der Hämophilie B 1,0 beträgt. Als Erhaltungsdosis wird die Hälfte der Initialdosis bei Hämophilie A alle 6–12 Stunden, bei Hämophilie B alle 12–14 Stunden verabreicht (bedingt durch die unterschiedlichen Halbwertszeiten der verabreichten Gerinnungsfaktoren). Kontrollen der Faktoren-Blutspiegel bzw. der partiellen Thromboplastinzeit sind parallel zur Substitution erforderlich. Das gilt auch für die seltene Hämophilie C, bei der mit einem Prothrombinkonzentrat der erforderliche Faktor X substituiert wird. Dabei dürfen nur virusinaktivierte Substitutionspräparate verwendet werden! Die Übertragung der Hepatitis B sowie der Hepatitis C und der HIV-Infektion durch infektiöse Faktor-VIII- bzw. Faktor-IX-Präparate sollte auf jeden Fall durch Auswahl geeigneter virusinaktivierter Faktorenpräparationen vermieden werden. Bei der Hämophilie A oder B sind bei Gelenkblutungen und kleinen Hämatomen Faktor-VIII- bzw. Faktor-IX-Aktivitäten von 5–15 % zu erzielen, bei Zahnextraktionen und kleinen chirurgischen Eingriffen sollten 30–40 % Faktor-VIII- bzw. Faktor-IX-Aktivität im Blut erreicht werden, bei Mundhöhlenblutungen, gastrointestinalen Blutungen sowie bei Schädeltraumata müssen 50–80 % Faktorenaktivität erzielt werden und bei großen chirurgischen Eingriffen sollte die Faktorenaktivität 100 % betragen! Kleinere Eingriffe wie Zahnextraktionen (1–2 Zähne) können auch durch zusätzlichen Einsatz eines Antifibrinolytikums (z.B. Tranexamsäure; s. S. 154) im Hinblick auf das Blutungsrisiko optimiert werden.
Erworbene Defektkoagulopathien
Erworbene Defektkoagulopathien
Von den angeborenen müssen die erworbenen Defektkoagulopathien abgegrenzt werden. Blutungen vom Hämophilie-Typ werden durch Störungen der Leberfunktion verursacht.
Von den angeborenen müssen die erworbenen Defektkoagulopathien abgegrenzt werden. Blutungen vom Hämophilie-Typ werden durch Störungen der Leberfunktion verursacht. Diese führen in Abhängigkeit von ihrem Schweregrad zu komplexen Gerinnungsstörungen. Am empfindlichsten reagieren bei gestörter Leberfunktion die Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren VII, IX, X und II sowie Protein C und Protein S, sodass aus dem Verhalten dieser Gerinnungsfaktoren Rückschlüsse auf die Intensität der Leberschädigung gezogen werden können. Bei schweren Leberparenchymschäden kommen dann auch Verminderungen der übrigen Gerinnungsfaktoren, besonders des Faktors V und des Antithrombin III, gelegentlich auch des Fibrinogens vor. Die Kontrolle des Plasmaspiegels der Faktoren II, V, VII und X kann mit Hilfe des Quickwerts erfolgen, der Faktor-IX- und Faktor-X-Mangel werden auch anhand der PTT-Verlängerung empfindlich erfasst. Bei schweren Leberfunktionsstörungen kann auch das Antithrombin III substitutionsbedürftig werden. Bei niedrigen AT-III-Werten (Normwert 70–120 %)
Bei schweren Leberschäden kommt es zur Verminderung der Gerinnungsfaktoren II, V, VII, IX und X sowie zu einem Abfall von Antithrombin III. Ein alimentärer oder antibiotikabedingter Vitamin-K-Mangel führt zum Abfall der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X.
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8.2.1 Störungen der Gerinnungsfaktoren besteht ein erhöhtes Thromboserisiko. Heparin benötigt zur Entfaltung einer antithrombotischen Wirkung AT III als Kofaktor. Ein alimentärer Vitamin-K-Mangel kann zu vergleichbaren Mangelzuständen der Faktoren II, VII, IX und X führen infolge einer totalen parenteralen Ernährung, bei gestörter Resorption, bei heftigen Durchfällen, bei Malabsorptionssyndromen jeder Genese, bei Gallengangsverschluss und Änderungen der Darmflora durch Antibiotika. Hier ist dann der Versuch einer oralen Substitution mit Vitamin K1 (10–20 mg) zu machen. n Merke. Die intravenöse Vitamin-K-Applikation (KonakionQ) kann zu schweren allergischen Reaktionen führen und sollte daher Notfällen sowie Intensivpatienten mit totaler parenteraler Ernährung vorbehalten bleiben. Die Injektion sollte unter Bereithaltung von Antihistaminika, Kortison und Notfallmedikamenten langsam erfolgen.
Vitamin-K-Antagonisten (Cumarinderivate wie z.B. MarcumarQ) blockieren die Vitamin-K-abhängige Karboxilierung der Faktoren II, VII, IX und X in der Leber und führen zum Absinken dieser Faktoren im Plasma. Die orale Antikoagulation auf dem Boden einer oralen Cumarinapplikation ist also auch durch den Quickwert zu überwachen ( 1 A-8.5) (s. S. 166).
1 A-8.5
Merke
Vitamin-K-Antagonisten (Cumarinderivate) führen zum Absinken (Abnahme der Funktionsfähigkeit) der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X im Plasma (Kontrolle durch Quickwertanalyse) ( 1 A-8.5) (s. S. 166).
Hämatombildung bei Cumarinlangzeitbehandlung Hämatombildung am Oberschenkel nach Bagatelltrauma bei Langzeitbehandlung mit Cumarinen (Quickwert des Patienten zum Zeitpunkt der Traumatisierung 12 %).
Patienten, die unter einer oralen Antikoagulation mit Cumarinderivaten stehen, die einen schweren Unfall oder einen anderen akuten Blutungsnotfall erleiden, bedürfen der sofortigen Unterbrechnung der Wirkung dieser oralen Antikoagulation vom Cumarintyp, indem intravenös entsprechende Faktorenkonzentrate appliziert werden, welche die abgesenkten Faktoren II, VII, IX und X in ausreichender Menge enthalten (z.B. PPSB = Prothrombin, Proconvertin, Stuart-Faktor B). Der Effekt der Substitution muss anhand des Faktoranstieges, hier am besten durch Analyse des Quickwerts, dokumentiert werden. n Merke. Vor einer geplanten Operation muss die Cumarinbehandlung so rechtzeitig abgesetzt werden, dass am Operationstag ein Quickwert von mindestens 40 % erreicht wird, wobei dann überlappend sicherheitshalber niedrig dosiertes Heparin appliziert wird (in niedriger prophylaktischer Dosierung von ca. 15 000–20 000 Einheiten Heparin intravenös als Dauerinfusion). Eine Steuerung dieser überlappenden Heparinprophylaxe mit der partiellen Thromboplastinzeit (PTT) ist unverzichtbar.
Bei schweren Verletzungen bzw. Blutungen während einer oralen Antikoagulation mit Cumarinderivaten ist die sofortige Normalisierung des Gerinnungsstatus durch Substitution der Faktoren II, VII, IX und X (z.B. PPSB) notwendig.
Merke
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8 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
Bei Patienten, die unter einer Heparinbehandlung stehen, kann die entsprechende Blutungsneigung durch intravenöse Applikation von Protaminchlorid neutralisiert werden (s. S. 165).
Bei Patienten, die unter einer Heparinbehandlung stehen, kann die entsprechende Blutungsneigung durch intravenöse Applikation von Protaminchlorid neutralisiert werden. Die Heparinwirkung wird anhand der Verlängerung der Thrombinzeit und der partiellen Thromboplastinzeit (PTT) erkannt. Nach Neutralisation durch Protaminchlorid müssten diese beiden Parameter sich dann wieder normalisieren (s. S. 165).
Immunkoagulopathien
Immunkoagulopathien
Immunkoagulopathien entstehen durch Antikörper gegen Gerinnungsfaktoren oder Thrombozyten bei Autoimmunerkrankungen (LE, rheumatoide Arthritis). Diese sog. Hemmkörperhämophilien werden mit Prednisolon oder Cyclophosphamid, ggf. auch durch Plasmapherese behandelt.
Immunkoagulopathien werden durch Antikörper (IgG oder IgM) verursacht, die entweder einen Gerinnungsfaktor oder einen Rezeptor an der Thrombozytenmembran, der für einen Gerinnungsfaktor wirksam ist, inaktivieren. Ursächlich handelt es sich häufig um Autoimmunerkrankungen wie Lupus erythematodes (LE), rheumatoide Arthritis usw. Man spricht auch von einer Hemmkörperhämophilie. Nach längerer Substitution mit Faktor-VIII- oder Faktor-IX-Konzentraten können auch bei Patienten mit Hämophilie A oder Hämophilie B Hemmkörper entstehen, die mit Prednisolon oder Cyclophosphamid, in schweren Fällen auch durch Plasmapherese, zu behandeln sind.
Verbrauchskoagulopathie, disseminierte intravaskuläre Koagulation (DIC)
Verbrauchskoagulopathie, disseminierte intravaskuläre Koagulation (DIC)
Definition
n Definition. Hierbei handelt es sich um eine Umsatzstörung im Sinne eines erhöhten Umsatzes an Gerinnungsfaktoren auf dem Boden einer intravasalen Gerinnungsaktivierung mit resultierender Thrombose- und Blutungsneigung. Wie schon im Kap. Pathophysiologie (s. S. 146) dargestellt, kommt es hierbei zur Ausbildung von Mikrothromben und Mikrozirkulationsstörungen mit Organnekrosen und einem Schocksyndrom.
Ätiologie. In der Chirurgie kommen DIC besonders nach schweren Unfällen und Sepsis vor.
Ätiologie. Auf dem Gebiet der Chirurgie kommen charakteristische Verbrauchskoagulopathien besonders nach schweren Unfällen (traumatologische Patienten) und bei Sepsis vor. Aufgrund der generellen Heparinprophylaxe sind heutzutage große chirurgische Eingriffe meist keine Ursache mehr für die Entstehung einer Verbrauchskoagulopathie.
Symptome. Bei Autounfällen kann es durch Muskelquetschungen und Zerreißungen parenchymatöser Organe zur Freisetzung von Thromboplastin kommen. Folge ist letztendlich eine DIC. Bei einer Sepsis schädigen die Erreger die Thrombozyten, wodurch diese ihr gerinnungsaktives Material (PF 3) freisetzen und eine DIC resultiert (s. 1 A-8.3).
Symptome. Bei schweren Autounfällen kommt es z.B. zu Muskelquet-
schungen und Zerreißungen parenchymatöser Organe mit der Freisetzung von Thromboplastin, sodass eine generalisierte Gerinnungsaktivierung mit der Ausbildung einer Verbrauchskoagulopathie und dem Bild einer disseminierten intravaskulären Koagulation (DIC) resultiert. Bei schweren eitrigen Prozessen mit resultierender Sepsis können die Eitererreger (z.B. Staphylokokken) die zirkulierenden Thrombozyten schädigen, sodass diese Thrombozyten ihr gerinnungsaktives Material (Phospholipide = Plättchenfaktor 3, PF 3) freisetzen. Es resultiert eine generalisierte Gerinnungsaktivierung mit der Folge einer schweren Verbrauchskoagulopathie (s. 1 A-8.3).
Diagnose. Sie orientiert sich am Abfall der Thrombozytenzahl π Abfall des AT III π Abfall des Fibrinogenspiegels π gleichzeitigen Anstieg der Thrombinmarker ( 1 A-8.6).
Diagnose. Die Diagnose einer akuten Verbrauchskoagulopathie gründet sich einerseits auf dem rasch (innerhalb weniger Stunden) erfolgenden Abfall der Thrombozytenzahl, des Antithrombin III und ggf. auch des Fibrinogenspiegels bei gleichzeitigem Anstieg der Thrombinmarker (Fibrinopeptid A, Thrombin-Antithrombin-III-Komplexe [TAT] und Fibrinmonomere = Fibrinspaltprodukte). Diese sog. Thrombinmarker, welche die Anwesenheit von Thrombin höchst empfindlich nachzuweisen gestatten, gelten heutzutage als die empfindlichsten Parameter zum Nachweis einer Verbrauchskoagulopathie ( 1 A-8.6).
Prophylaxe. Die Prophylaxe der Verbrauchskoagulopathie erfolgt durch Heparingabe, ggf. durch Substitution von Antithrombin III.
Prophylaxe. Zur Prophylaxe einer Verbrauchskoagulopathie ist eine recht-
π
zeitige Heparingabe – soweit möglich – anzustreben. Beim Abfall von Antithrombin III (= Kofaktor von Heparin) und gleichzeitigem Anstieg der Thrombinmarker als Ausdruck der Thrombinämie ist ebenfalls Antithrombin III zu substituieren.
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153
8.2.1 Störungen der Gerinnungsfaktoren
1 A-8.6
Synopsis Diagnostische Hinweise auf eine DIC
Plasmakonzentration Fibrinopeptid A TAT Fibrinmonomere
Thrombozytenzahl Antithrombin III Fibrinogen 1
2
3
h
Für eine disseminierte intravasale Koagulation (DIC = Verbrauchskoagulopathie) ist das sog. »Kreuzungsphänomen« charakteristisch: Thrombozytenzahl, Fibrinogen- und Antithrombin-III-Konzentration fallen ab, die Thrombinmarker (Fibrinopeptid A, Thrombin-Antithrombin III-Komplexe = TAT, Fibrinmonomere) steigen als Hinweis auf das generalisierte intravaskuläre Gerinnungsgeschehen an.
π Chronische Verbrauchskoagulopathien: Sie finden sich bei malignen Tumoren, wobei die Verbrauchskoagulopathien durch operative Eingriffe akzentuiert werden können, ebenfalls durch Strahlentherapie und durch Chemotherapie. Auch hier sind die Thrombinmarker als Nachweismethode sehr empfindlich und können zur Dokumentation dieses Zustandsbildes eingesetzt werden. Der Wert einer Heparinprophylaxe der chronischen Verbrauchskoagulopathie auf dem Boden maligner Prozesse wird je nach Tumorart und Krankheitsverlauf unterschiedlich beurteilt.
n Merke. Gelegentlich kann es auf dem Boden einer Verbrauchskoagulopathie über besondere biochemische Mechanismen (z.B. über das Kontaktsystem der Blutgerinnung mit seinem Faktor XII) zur Aktivierung des Fibrinolysesystems mit einer Hyperfibrinolyse kommen.
Chronische Verbrauchskoagulopathien: Sie finden sich bei malignen Tumoren und können durch Operationen, Strahlen- und Chemotherapie akzentuiert werden.
π
Merke
Hier kann das metastasierende Prostatakarzinom als Beispiel angeführt werden. Bei schweren Hyperfibrinolysen auf dem Boden chronischer Verbrauchskoagulopathien ist besonders die Behandlung der Ursache der Verbrauchskoagulopathie anzustreben, also die operative oder chemotherapeutische Beeinflussung des Prostatakarzinoms. Fibrinolysehemmer bringen keinen Erfolg und können sogar die Verbrauchskoagulopathie gefährlich verstärken. Heparin kann in vorsichtiger niedriger Dosierung indiziert sein.
Hyperfibrinolysen finden sich z.B. beim Prostatakarzinom. Operationen oder Chemotherapie des Prostatakarzinoms können die DIC günstig beeinflussen.
Therapie. Durch Beseitigung der Ursache einer Verbrauchskoagulopathie
Therapie. Die durch Sepsis hervorgerufene DIC kann durch eine erfolgreiche Antibiose beseitigt werden. Auch die operative Entfernung eines bösartigen Tumors kann eine bestehende DIC positiv beeinflussen.
ist die beste therapeutische Möglichkeit zur Beseitigung der Verbrauchskoagulopathie gegeben. Wird z.B. bei Vorliegen einer Sepsis durch eine entsprechende erfolgreiche Antibiotikabehandlung die Sepsis beseitigt, evtl. die Sepsisursache (z.B. eine vereiterte Gallenblase bei Cholezystolithiasis) erfolgreich operativ entfernt, so verschwinden die Symptome der Verbrauchskoagulopathie, der Gerinnungsstatus normalisiert sich wieder. Auch
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Zusätzliche symptomatische Maßnahmen wie die Substitution von AT III bei dessen Abfall in Kombination mit Heparin können zur Normalisierung des Gerinnungsstatus führen. Eine Fibrinolysetherapie zur Beseitigung vorhandener Mikrothrombosen der Lunge bei ARDS kann erfolgreich sein.
8 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie durch vollständige operative Entfernung eines bösartigen Tumors (z.B. eines Kolonkarzinoms) kann die chronische Verbrauchskoagulopathie auf dem Boden des Karzinoms erfolgreich zum Verschwinden gebracht werden. Neben der Beseitigung der Ursache einer Verbrauchskoagulopathie sind weiterhin symptomatische Maßnahmen zusätzlich bei der Behandlung manchmal von entscheidender Bedeutung. Beim Abfallen des wichtigsten Gerinnungsfaktors, des Antithrombin III, auf dem Boden einer Verbrauchskoagulopathie kann durch Substitution des Antithrombin III (Dosierung: z.B. Kybernin HSQ initial 1000 IE als Bolus i.v.) und gleichzeitiger Heparingabe (Dosierung: Low-dose-Heparinisierung mit ca. 400 IE/h über Perfusor i.v.; engmaschige TZ- und PTT-Kontrolle, ggf. Dosisreduktion) der Gerinnungsstatus nachhaltig im Sinne einer Normalisierung beeinflusst werden. Eine Fibrinolysetherapie zur Beseitigung vorhandener Mikrothrombosen, z.B. im Lungenbereich bei der schweren Schocklunge, ist immer wieder versucht worden und kann in entsprechenden Fällen Erfolg bringen.
Hyperfibrinolyse
Hyperfibrinolyse
Die induzierte Hyperfibrinolyse beim therapeutischen Einsatz von Urokinase, Streptokinase oder von rtPA führt zur Blutungsneigung. Nach operativen Eingriffen ist daher eine Fibrinolysetherapie, z.B. zur Beseitigung einer Beinvenenthrombose in den ersten 12 postoperativen Tagen nicht möglich.
Beim therapeutischen Einsatz von Urokinase, Streptokinase oder Gewebsplasminogenaktivator (rtPA = recombinant tissue plasminogen activator) kommt es im Rahmen der induzierten Hyperfibrinolyse zu einer z.T. erheblichen Blutungsneigung. Dieser Aspekt ist besonders zu berücksichtigen, wenn beispielsweise nach einem operativen Eingriff eine Fibrinolysetherapie wegen einer Beinvenenthrombose oder wegen Lungenarterienembolie durchgeführt werden soll. Aufgrund von Tierversuchen (Kaninchen) ist bekannt, dass nach operativen Eingriffen, z.B. im Abdominalbereich, mit einer Fibrinolysetherapie mindestens 12 Tage gewartet werden muss, damit es nicht zu erheblichen Blutungen im Bereich der frischen Wunde kommt. Natürlich besteht auch umgekehrt unter einer laufenden Fibrinolysetherapie das Problem, dass ein operativer Eingriff akut wegen der bestehenden Blutungsgefahr nicht durchgeführt werden kann. Hier ist vorerst durch Applikation von Fibrinolyseinhibitoren (Tranexamsäure; Aprotinin [z.B. TrasylolQ], Dosierung: einmalig 200 000 IE) die fibrinolytische Aktivität zu unterbrechen und ggf. auch eine Faktorensubstitution durchzuführen, bevor notfallmäßig ein operativer Eingriff durchgeführt werden kann. Hyperfibrinolysen können auch auf dem Boden einer Verbrauchskoagulopathie (disseminierte intravaskuläre Koagulation = DIC), entstehen.
Bei akut notwendiger Operation unter laufender Fibrinolysetherapie kann die Fibrinolyse durch Gabe von Inhibitoren (z.B. Aprotinin) unterbrochen werden.
Eine Hyperfibrinolyse kann auch auf dem Boden einer DIC entstehen.
8.2.2 Störungen des thrombozytären Systems Bei Thrombozytopenien von < 50 000/ m l sowie bei Funktionsstörungen der Thrombozyten (Thrombozytopathien) kommt es zur Blutungsneigung ( 1 A-8.7).
Eine durch Acetylsalicylsäure (ASS) induzierte Thrombozytenfunktionsstörung führt zur Blutungsneigung. Daher sollte ASS möglichst 5 Tage vor einem operativen Eingriff abgesetzt werden.
8.2.2
Störungen des thrombozytären Systems
Blutungsneigungen bei Störungen des thrombozytären Systems sind bedingt durch Verminderung der Thrombozytenzahl (Thrombozytopenie) auf < 50 000 Thrombozyten/ml Blut, aber auch durch Funktionsstörungen der Thrombozyten (Thrombozytopathien) ( 1 A-8.7). Gelegentlich können auch hämatologische Erkrankungen mit Vermehrung der Thrombozytenzahl (z.B. Thrombocythaemia haemorrhagica) eine Blutungsneigung verursachen. Wichtig ist vor allem, dass trotz normaler Thrombozytenzahl auch eine Blutungsneigung auf dem Boden einer ausschließlichen Thrombozytenfunktionsstörung zustande kommen kann. Hierbei sind nicht nur angeborene Thrombozytopathien und immunologisch ausgelöste Störungen der Thrombozytenfunktion zu berücksichtigen, sondern auch iatrogen induzierte Funktionsstörungen der Blutplättchen. In diesem Zusammenhang ist besonders die durch Acetylsalicylsäure (ASS) induzierte Thrombozytenfunktionsstörung hervorzuheben! Die ASS-Wirkung auf die Thrombozytenfunktion kann auch zu verstärkter Blutungsneigung bei Operationen führen! Auch nach Absetzen von ASS hält die dadurch ausgelöste Thrombozytenfunktionsstörung noch mindestens 5 Tage an, so dass vor geplanten operativen Eingriffen das Absetzen der ASS-Medikation rechtzeitig erfolgen soll.
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8.2.3 Störungen der Blutgefäße (Vasopathien)
1 A-8.7
155
Thrombozytopenische Purpura Punktförmige Blutungen bei einem 54-jährigen Patienten nach Einnahme des Antiarrhythmikums Chinidin (medikamentös-toxisch induzierte Thrombozytopenie).
8.2.3
Störungen der Blutgefäße (Vasopathien)
Vasopathien beruhen entweder auf umschriebenen morphologischen Wandveränderungen oder auf generalisierten Veränderungen der Gefäßpermeabilität und -fragilität. Der Blutungstyp ist dabei häufig petechial (Purpura) an Haut, Schleimhäuten und Serosa. Angeborene Vasopathien sind selten (z.B. hämorrhagische Teleangiektasie des Morbus Osler: vorwiegend an Mund, Lippe ( 1 A-8.8) und Nase finden sich petechienähnliche blutende Läsionen, aber auch Magenblutungen und Lungenblutungen sowie Hämaturien kommen vor). Eine Blutungsneigung findet sich auch beim EhlersDanlos-Syndrom sowie beim Marfan-Syndrom. Eine schwere Blutungsneigung kann bei diesen Erkrankungen vorliegen, bei Operationen ist besondere Vorsicht am Platz. Erworbene Vasopathien sind gelegentlich medikamentös und infektiöstoxisch bedinge Vaskulitiden, aber auch bei Dys- und Paraproteinämien kann es zu entsprechenden vergleichbaren petechialen Blutungen kommen. Die Purpura Schoenlein-Henoch ist eine akute allergische Vaskulitis klei-
1 A-8.8
8.2.3 Störungen der Blutgefäße (Vasopathien) Gefäßwandfunktionsstörungen finden sich als Vasopathien angeboren (z.B. Morbus Osler, 1 A-8.8) oder erworben nach Streptokokkeninfekten (Purpura Schoenlein-Henoch) meist vom petechialen Blutungstyp (= punktförmige Hautblutungen) oder gelegentlich medikamentös bedingt. Auch beim Ehlers-Danlos-Syndrom und beim Marfan-Syndrom ist aufgrund einer möglichen gefäßbedingten Blutungsneigung bei Operationen Vorsicht geboten.
Morbus Osler Charakteristischer Befund bei einem 49-jährigen Patienten mit Telangiektasien (stecknadelkopfgroße, flache, rote, petechienähnliche, aber wegdrückbare Läsionen) im Bereich der Lippe und Wangenhaut. Es handelt sich hier um umschriebene Ausweitungen der Kapillaren und Arteriolen.
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8 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
Auch die thrombotische Mikroangiopathie Typ Moschcowitz (thrombotischthrombozytopenische Purpura) und das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) können petechiale Blutungen induzieren. Differenzialdiagnostisch ist jeweils eine Verbrauchskoagulopathie auszuschließen.
ner Kapillaren und Arteriolen mit erhöhter Permeabilität und Blutungsneigung nach Streptokokkeninfekten der oberen Luftwege, aber auch nach Viruserkrankungen, bei Nahrungs- und Arzneimittelallergien. Im akuten Stadium des Streptokokkeninfekts können Penicillin und Glukokortikoide helfen. Auch die thrombotische Mikroangiopathie Typ Moschcowitz (thrombotischthrombozytopenische Purpura) und das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) können petechiale Blutungen induzieren. Differenzialdiagnostisch ist jeweils eine Verbrauchskoagulopathie auszuschließen. Erworbene Vasopathien durch Vitamin-C-Mangel (Skorbut) oder durch Alterungsprozess (Purpura senilis) sind jeweils entsprechenden Krankheitsbildern zuzuordnen.
8.3
8.3
Thrombose und Embolie
Definition
Thrombose und Embolie
n Definition. Unter einer Thrombose versteht man die intravitale Ausbildung eines Blutpfropfes in der Blutstrombahn. Vor allem im arteriellen oder im venösen Gefäßsystem, aber auch in den Herzhöhlen können sich solche Blutpfropfbildungen etablieren. Nach dem Ort der Entstehung unterscheidet man arterielle, venöse, intrakardiale und – z.B. bei der Verbrauchskoagulopathie – kapillare Thrombosen.
Die teilweise vollständige Verlegung des Gefäßlumens durch einen Thrombus behindert die Blutzirkulation. Das Ausmaß der Strömungsbehinderung und die organbezogene Lokalisation des thrombotischen Gefäßverschlusses bestimmen Art und Schwere der klinischen Symptomatik. Definition
n Definition. Eine Embolie ist definiert als der plötzliche Verschluss einer Gefäßlichtung durch thrombotisches Material, das über die Blutbahn verschleppt wurde und aus einer anderen Körper- bzw. Organregion stammt.
Das Auftreten einer Lungenembolie bei tiefer Beinvenenthrombose sowie das Auftreten arterieller Embolien, z.B. kardiogener Hirnembolien, sind von großer klinischer Bedeutung.
Das Auftreten einer Lungenarterienembolie beim Vorliegen venöser Thrombosen der unteren Extremitäten sowie das Auftreten arterieller Thromboembolien sind von großer klinischer Bedeutung, wenn sie z.B. von Thromben in den Herzhöhlen abgelöst in die Hirnarterien verschleppt werden. Auch die Verschleppung von Thromben im Bereich arteriosklerotischer Wandläsionen, z.B. der Aorta, in die unteren Extremitäten ist klinisch bedeutsam.
Häufigkeit. Venöse Thrombosen und Lungenarterienembolien gehören zu den häufigsten und am meisten gefürchteten postoperativen Komplikationen.
Häufigkeit. Venöse Thrombosen, besonders der unteren Extremitäten, und
In der inneren Medizin sind arterielle Thromboembolien (Herzinfarkte, Schlaganfälle) gefürchtete Krankheitsbilder. Ätiopathogenese. Die Entstehung venöser und arterieller Thrombosen und Embolien folgt den Gesetzen der Virchow-Trias:
daraus resultierende Lungenartierenembolien gehören zu den häufigsten und am meisten gefürchteten postoperativen Komplikationen in der Chirurgie. Die Häufigkeit venöser Thrombosen wird im operativen Bereich wie folgt angegeben: Abdominalchirurgie 3–51 %, Thoraxchirurgie 20–45 %, Gynäkologie 7–45 %, Prostataoperationen transurethral 7–10 %, Prostataoperationen transvesikal 29–51 %, Hüftgelenksendoprothetik 30–65 %, Schenkelhalsfraktur 40–49 %. In der inneren Medizin finden sich demgegenüber venöse Thrombosen beim Myokardinfarkt in 10–38 %, beim zerebralen Insult mit Hemiplegie in 33–53 %. Sämtliche hier angegebenen Zahlen gelten für Patienten, die keine Thromboseprophylaxe erhielten. Im Gegensatz zum venösen Bereich sind arterielle Thromboembolien ebenfalls von großer praktischer Bedeutung: 36 % der Bundesbürger mit Z.n. arterieller Thromboembolie sterben am Myokardinfarkt, d.h. an einer Koronarthrombose, 12 % an einer zerebralen Zirkulationsstörung.
Ätiopathogenese. Virchow postulierte die folgende Trias der Pathogenese
von Thrombosen: gestörte Blutströmung – Gefäßwandschädigung – Änderung der Zusammensetzung des Blutes. Bettlägerigkeit, Herzinsuffizienz sowie bradykarde Herzrhythmusstörungen führen zu einer solchen Verlang-
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8 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
Auch die thrombotische Mikroangiopathie Typ Moschcowitz (thrombotischthrombozytopenische Purpura) und das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) können petechiale Blutungen induzieren. Differenzialdiagnostisch ist jeweils eine Verbrauchskoagulopathie auszuschließen.
ner Kapillaren und Arteriolen mit erhöhter Permeabilität und Blutungsneigung nach Streptokokkeninfekten der oberen Luftwege, aber auch nach Viruserkrankungen, bei Nahrungs- und Arzneimittelallergien. Im akuten Stadium des Streptokokkeninfekts können Penicillin und Glukokortikoide helfen. Auch die thrombotische Mikroangiopathie Typ Moschcowitz (thrombotischthrombozytopenische Purpura) und das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) können petechiale Blutungen induzieren. Differenzialdiagnostisch ist jeweils eine Verbrauchskoagulopathie auszuschließen. Erworbene Vasopathien durch Vitamin-C-Mangel (Skorbut) oder durch Alterungsprozess (Purpura senilis) sind jeweils entsprechenden Krankheitsbildern zuzuordnen.
8.3
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Thrombose und Embolie
Definition
Thrombose und Embolie
n Definition. Unter einer Thrombose versteht man die intravitale Ausbildung eines Blutpfropfes in der Blutstrombahn. Vor allem im arteriellen oder im venösen Gefäßsystem, aber auch in den Herzhöhlen können sich solche Blutpfropfbildungen etablieren. Nach dem Ort der Entstehung unterscheidet man arterielle, venöse, intrakardiale und – z.B. bei der Verbrauchskoagulopathie – kapillare Thrombosen.
Die teilweise vollständige Verlegung des Gefäßlumens durch einen Thrombus behindert die Blutzirkulation. Das Ausmaß der Strömungsbehinderung und die organbezogene Lokalisation des thrombotischen Gefäßverschlusses bestimmen Art und Schwere der klinischen Symptomatik. Definition
n Definition. Eine Embolie ist definiert als der plötzliche Verschluss einer Gefäßlichtung durch thrombotisches Material, das über die Blutbahn verschleppt wurde und aus einer anderen Körper- bzw. Organregion stammt.
Das Auftreten einer Lungenembolie bei tiefer Beinvenenthrombose sowie das Auftreten arterieller Embolien, z.B. kardiogener Hirnembolien, sind von großer klinischer Bedeutung.
Das Auftreten einer Lungenarterienembolie beim Vorliegen venöser Thrombosen der unteren Extremitäten sowie das Auftreten arterieller Thromboembolien sind von großer klinischer Bedeutung, wenn sie z.B. von Thromben in den Herzhöhlen abgelöst in die Hirnarterien verschleppt werden. Auch die Verschleppung von Thromben im Bereich arteriosklerotischer Wandläsionen, z.B. der Aorta, in die unteren Extremitäten ist klinisch bedeutsam.
Häufigkeit. Venöse Thrombosen und Lungenarterienembolien gehören zu den häufigsten und am meisten gefürchteten postoperativen Komplikationen.
Häufigkeit. Venöse Thrombosen, besonders der unteren Extremitäten, und
In der inneren Medizin sind arterielle Thromboembolien (Herzinfarkte, Schlaganfälle) gefürchtete Krankheitsbilder. Ätiopathogenese. Die Entstehung venöser und arterieller Thrombosen und Embolien folgt den Gesetzen der Virchow-Trias:
daraus resultierende Lungenartierenembolien gehören zu den häufigsten und am meisten gefürchteten postoperativen Komplikationen in der Chirurgie. Die Häufigkeit venöser Thrombosen wird im operativen Bereich wie folgt angegeben: Abdominalchirurgie 3–51 %, Thoraxchirurgie 20–45 %, Gynäkologie 7–45 %, Prostataoperationen transurethral 7–10 %, Prostataoperationen transvesikal 29–51 %, Hüftgelenksendoprothetik 30–65 %, Schenkelhalsfraktur 40–49 %. In der inneren Medizin finden sich demgegenüber venöse Thrombosen beim Myokardinfarkt in 10–38 %, beim zerebralen Insult mit Hemiplegie in 33–53 %. Sämtliche hier angegebenen Zahlen gelten für Patienten, die keine Thromboseprophylaxe erhielten. Im Gegensatz zum venösen Bereich sind arterielle Thromboembolien ebenfalls von großer praktischer Bedeutung: 36 % der Bundesbürger mit Z.n. arterieller Thromboembolie sterben am Myokardinfarkt, d.h. an einer Koronarthrombose, 12 % an einer zerebralen Zirkulationsstörung.
Ätiopathogenese. Virchow postulierte die folgende Trias der Pathogenese
von Thrombosen: gestörte Blutströmung – Gefäßwandschädigung – Änderung der Zusammensetzung des Blutes. Bettlägerigkeit, Herzinsuffizienz sowie bradykarde Herzrhythmusstörungen führen zu einer solchen Verlang-
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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8.3 Thrombose und Embolie samung der Blutströmung. Auch lokale Ursachen (Aneurysmen, Beckenvenensporn) können die Blutströmung im Sinne einer Thromboseneigung beeinflussen. Auch die Blutviskosität (erhöhter Hämatokritwert, erhöhte Fibrinogenspiegel) ist als Thromboseursache anzuschuldigen. Bei den Gefäßwandveränderungen sind Endothelveränderungen als Thromboseursache zu diskutieren: verminderte Synthese von heparinähnlichen Substanzen im Endothel, verminderte Freisetzung des Fibrinolyseaktivators. Eine Gerinnungsaktivierung bzw. Thromboseneigung durch »Übergerinnbarkeit« (Hyperkoagulabilität) ist ebenfalls in der Pathogenese der venösen und arteriellen Thrombosen zu berücksichtigen. Folgende Faktoren können Ursachen venöser Thrombosen sein: π hohes Lebensalter π Immobilisation π Operationen π Traumen und Verbrennungen π Malignome π vorbestehende Venenerkrankungen, z.B. Varikosis π frühere venöse Thromboembolien π Adipositas π Gravidität π Wochenbett π Einnahme hormonaler Kontrazeptiva π angeborener Inhibitorenmangel (s.u.). Ein angeborener Mangel an Inhibitoren der Blutgerinnung (Mangel an Protein C, Protein S, Antithrombin III) kann zu einer Thromboseneigung auch bei jüngeren Erwachsenen, d.h. vor dem 30. Lebensjahr, führen. Patienten mit einem solchen Inhibitorenmangel haben ein ebenso erhöhtes Thromboserisiko wie Patienten mit ausgeprägtem Faktor-XII-Mangel, einem Mangel an Fibrinolyseaktivator oder Patienten mit einem Lupus-Antikoagulans. n Merke. Alle Patienten der genannten Risikogruppen mit erhöhter Neigung zu venösen Thrombosen müssen einer konsequenten perioperativen Thromboseprophylaxe unterzogen werden.
π π π
gestörte Blutströmung Gefäßwandschädigung veränderte Blutzusammensetzung.
Bettlägerigkeit, Herzinsuffizienz und erhöhte Blutviskosität sind Ursache verlangsamter Blutströmung. Bei den Gefäßwandschäden sind Endothelveränderungen zu nennen. Eine Hyperkoagulabilität ist ebenfalls als Ursache zu berücksichtigen. Ursachen venöser Thrombosen sind vor allem: π hohes Lebensalter π Immobilisation π Operationen π Traumen und Verbrennungen π Malignome π vorbestehende Venenerkrankungen, z.B. Varikosis π frühere venöse Thromboembolien π Adipositas π Gravidität π Wochenbett π Einnahme hormonaler Kontrazeptiva π angeborener Inhibitorenmangel. Ein angeborener Mangel an Inhibitoren der Blutgerinnung (Protein C, Protein S, AT III) kann zu einer erhöhten Thromboseneigung führen.
Merke
Die häufigste angeborene Ursache für venöse Thromboembolien stellt die Resistenz des durch Mutation veränderten Gerinnungsfaktors V (= Faktor-VMutation) gegenüber seinem Hemmkörper Protein C dar. Man nennt diese Resistenz des Faktors V gegenüber Protein C auch abgekürzt APC-Resistenz. Andere nennen den durch Mutation veränderten Faktor V nach dem Ort der Entdeckung dieser Faktor-V-Mutation in der Stadt Leiden in Holland auch Faktor-V-Leiden. 6–7 % der Bevölkerung haben eine solche APC-Resistenz (diese Häufigkeit entspricht der Häufigkeit des Vorkommens des Diabetes mellitus). Da diese angeborene Thromboseneigung im Gerinnungslabor festgestellt werden kann, wird zur Zeit diskutiert, ob die APC-Resistenz z.B. vor Einnahme von Kontrazeptiva analysiert werden sollte, um thromboembolische Komplikationen zu vermeiden, besonders bei Häufung thromboembolischer Komplikationen in der Familienvorgeschichte. In der 1 A-8.4 wurde bereits zusammenfassend dargestellt, dass eine Zunahme der Thrombozytenzahl, aber auch eine Aktivierung der thrombozytären Funktion in gleicher Weise zur Thromboseneigung führt wie eine Zunahme (quantitativ) oder Aktivierung von Gerinnungsfaktoren sowie eine Veränderung der Gefäßwand, z.B. durch Arteriosklerose oder Endangiitis. Weiterhin ist eine Hypofibrinolyse (verminderte Freisetzung des Fibrinolyseaktivators aus dem Venenendothel, Erhöhung von Hemmkörpern der Fibrinolyse) ätiologisch in der Thrombogenese von Bedeutung.
Die häufigste angeborene Ursache für venöse Thromboembolien stellt die Resistenz des durch Mutation veränderten Faktors V gegenüber seinem Hemmkörper Protein C dar (APCResistenz).
Symptome. Ein thrombotischer (oder auch embolischer) akuter Verschluss einer größeren (aber auch kleineren) Schlagader, der oberen oder unteren Extremitäten, führt zu einem akuten Schmerzereignis. Ist eine größere Schlagader thrombotisch oder embolisch verschlossen, so kann es zur aus-
Symptome. Arterielle Embolien führen an den Extremitäten zu einem akuten Schmerzereignis, zur Blässe der Extremität distal vom Verschluss, zum
6–7 % der Bevölkerung haben eine solche APC-Resistenz.
1 A-8.4 zeigt, dass Thrombozytose, Aktivierung thrombozytärer Funktionen, Zunahme oder Aktivierung von Gerinnungsfaktoren und andere Veränderungen zu einer Thromboseneigung führen.
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158 Fehlen tastbarer Pulse. Die komplette peripher-arterielle Ischämie ist gekennzeichnet durch die 6 P’s (s. a. Kap. B24.1.2, S. 889 ff.). Zerebrale Embolien verursachen Schlaganfälle, mesenteriale Embolien Abdominalschmerzen mit blutigen Diarrhöen.
Venöse Thrombosen verursachen eine Blauverfärbung, Umfangsvermehrung und ein Schwere- oder Spannunsgefühl im Arm oder Bein ( 1 A-8.9).
8 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie geprägten Blässe der Extremität distal vom Verschluss kommen, mit dem Fehlen tastbarer Pulse und einer palpablen Abkühlung der nicht mehr durchbluteten Hautpartien. Eine komplette Ischämie ist gekennzeichnet durch Schmerz (Pain), Blässe (Paleness), Gefühlsstörungen (Paraesthesia), Pulsverlust (Pulslessness), Bewegungsverlust (Paralyses) und Schock/ Erschöpfung (Prostration) (s. a. Kap. B-24.1.2, S. 889 ff.). Zerebrale Embolien in die Schlagadern des Gehirns, z.B. ausgehend von krankhaft veränderten Herzklappen oder von Thrombosen der Herzhöhlen, führen zu plötzlichen Schlaganfällen mit Lähmungen. Embolien in die Mesenterialarterien können zu heftigen Abdominalschmerzen mit blutigen Diarrhöen führen. Venöse Thrombosen der oberen oder unteren Extremitäten führen zur charakteristischen Blauverfärbung der betroffenen Extremität bei gleichzeitiger Umfangsvermehrung. Die Patienten klagen dabei über ein Schwere- oder Spannungsgefühl im Arm oder Bein. Gelegentlich können oberflächliche Venen als Ausdruck eines sich ausbildenden Kollateralkreislaufes hervortreten ( 1 A-8.9).
1 A-8.9
Beinvenenthrombose links Verschluss der V. iliaca und V. femoralis links bei einer 43-jährigen Patientin mit Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 vor 8 Tagen. Die übliche perioperative Prophylaxe mit niedrig dosiertem Heparin war durchgeführt worden; die Gerinnungsanalyse ergab einen AT-III-Mangel von 50 %. Familienanamnestisch konnte eine Häufung venöser Thrombosen (Mutter und Schwester der Patientin) eruiert werden.
Diagnostik. Arteriographie und Phlebographie gelten als Referenzmethoden der Thrombosediagnostik. Die Kompressionssonographie ist weniger belastend, und beliebig oft wiederholbar.
Therapie. Eine Fibrinolysetherapie hat den besten Erfolg bei Becken-Beinvenenthrombosen in den ersten 5 bis maximal 7 Tagen nach Entstehung einer solchen Thrombose. Bei arteriellen Thrombosen und Embolien muss selbstverständlich sofort fibrinolysiert, operiert oder interventionell (Lysetherapie über liegenden Katheter) behandelt werden (s. a. Kap. B-24.1.1, S. 881 ff). Bei venösen Thrombosen wird heute in den meisten Fällen eine Fibrinolysetherapie der unteren (ggf. auch der oberen) Extremität durchgeführt. Bei Kontraindikationen gegen die Fibrinolysetherapie (Schlaganfall, Gravidität) ist der venösen Thrombektomie der Vorzug zu geben.
Diagnostik. Die Arteriographie bzw. Phlebographie gilt als Referenzme-
thode der Thrombosediagnostik. Sie erlaubt neben dem Nachweis eine exakte Beurteilung der Lokalisation und Ausdehnung eines Thrombus und ist in der Regel unerlässlich, wenn ein aktives therapeutisches Vorgehen wie Operation (Thrombektomie) oder Fibrinolysetherapie geplant ist. In jüngster Zeit gewinnt die Fibrinolysetherapie auch beim Nachweis von Thrombosen und Embolien als nicht belastendes und beliebig wiederholbares Verfahren zunehmend an Bedeutung (Realtime-Sonographie, Duplexsonographie). Mit der Doppler-Sonographie werden funktionelle Auswirkungen eines Abflusshindernisses im arteriellen oder venösen Blutstrom und damit hämodynamisch wirksame Thrombosen erfasst.
Therapie. Eine Fibrinolysetherapie hat den besten Erfolg bei Becken-Bein-
venenthrombosen in den ersten 5 bis maximal 7 Tagen nach Entstehung einer solchen Thrombose. Bei arteriellen Thrombosen und Embolien muss selbstverständlich sofort fibrinolysiert, operiert oder interventionell (Lysetherapie über liegenden Katheter) behandelt werden (s. a. Kap. B-24.1.1, S. 881 ff). Venöse Thrombosen können ohne Behandlung in späteren Jahren zu einem unangenehmen postthrombotischen Syndrom mit chronischer Schwellungsneigung des betroffenen Beines und Ausbildung eines Ulcus cruris führen. Daher ist zur Vermeidung derartiger Folgezustände entweder der Fibrinolysetherapie (s. S. 168) oder – bei Kontraindikationen gegen eine Fibrinolysetherapie, z.B. bei Schlaganfall oder während einer Gravidität – der venösen Thrombektomie der Vorzug zu geben.
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8.3.1 Lungenembolie
Phlegmasia coerulea dolens
Phlegmasia coerulea dolens
n Definition. Eine besonders dramatische Verlaufsform der tiefen Bein- und Beckenvenenthrombosen ist die Phlegmasia coerulea dolens mit akutem thrombotischem Verschluss der gesamten venösen Abflussbahn eines Beines.
Symptome. Das klinische Bild der Phlegmasia coerulea dolens ist durch
Definition
Symptome bretthartes Ödem π ausgeprägte Zyanose π persistierende Schmerzen π Zeichen der arteriellen Ischämie.
bretthartes Ödem, ausgeprägte Zyanose und persistierende Schmerzen charakterisiert. Zusätzlich treten Zeichen der arteriellen Ischämie auf, die auf Gefäßspasmus und -kompression zurückzuführen sind. Folge ist die distale Nekrose, die sog. »venöse Gangrän«. Das Krankheitsbild kann durch eine hypovolämische Schocksymptomatik (Blutversacken, Flüssigkeitsextravasation) kompliziert sein.
π
Therapie. Therapeutisch ergibt sich eine absolute und dringliche Indikation
Therapie. Absolute, dringliche Indikation zur venösen Thrombektomie.
Paget-von-Schroetter-Syndrom
Paget-von-Schroetter-Syndrom
zur venösen Thrombektomie bei diesem Krankheitsbild, das durch hohe Letalität und Amputationsrate belastet ist. Bei fehlender Operabilität kann auch einmal eine Fibrinolysetherapie in Frage kommen.
n Definition. Hierbei handelt es sich um die tiefe Venenthrombose der oberen Extremität. Die Axillar-Subklaviavenen-Thrombose ist im Vergleich zur tiefen Bein-Beckenvenenthrombose ein seltenes Ereignis.
Definition
Ätiologie. Tumoröse Erkrankungen (lokale Kompression und/oder paraneoplastische Thromboseneigung), Schultergürtelkompressionssyndrom und eine katheterinduzierte Phlebitis (diese Fälle nehmen in letzter Zeit zu) kommen in Betracht. Anamnestisch besteht häufig ein Zusammenhang mit Tätigkeiten in Provokationsstellung der Arme wie Über-Kopf-Arbeiten mit erhobenen Armen.
Ätiologie. Tumoröse Erkrankungen, Schultergürtelkompressionssyndrom und katheterinduzierte Phlebitis kommen in Betracht.
Symptome. Die klinische Symptomatik ist oft wenig eindrucksvoll und besteht in Schwellung, Schweregefühl, evtl. Schmerz und Zyanose in der Arm- und Schulterregion. Bei älteren Thrombosen sind oberflächliche venöse Kollateralen im Schulter-, Brust- und Halsbereich erkennbar.
Symptome. Schwellung, Schweregefühl, evtl. Schmerz und Zyanose in der Arm- und Schulterregion.
Diagnose. Die Diagnose wird durch Doppler- und/oder Realtime-Sonogra-
Diagnose. Doppler- und/oder Realtime-Sonographie, ggf. Phlebographie.
Therapie. Sie besteht im Allgemeinen in einer Heparin-Antikoagulation
Therapie. Initial Heparin-Antikoagulation, anschließend orale Antikoagulation für 3–6 Monate. Kurzfristige Ruhigstellung, Hochlagerung, Kompressionsverband.
phie, ggf. phlebographisch gesichert. Lungenarterienembolien und schwere postthrombotische Spätschäden sind selten.
initial, anschließend dann fortgesetzt durch eine orale Antikoagulation für 3–6 Monate nach initial kurzfristiger Ruhigstellung, Hochlagerung und Anlegen elastischer Kompressionsverbände. Eine Fibrinolysetherapie ist nur ausnahmsweise bei jüngeren Patienten bei frischer Thrombose und erheblicher Symptomatik indiziert. Nach erfolgreicher Rekanalisation und bei Nachweis eines Schultergürtelkompressionssyndroms ist zur Vermeidung von Rezidiven die Resektion einer Halsrippe bzw. der 1. Rippe zu erwägen.
8.3.1
Lungenembolie
n Definition. Unter einer Lungenembolie (Lungenarterienembolie) versteht man den akuten Verschluss einer Lungenarterie durch embolisch verschlepptes venös-thrombotisches Material.
8.3.1 Lungenembolie Definition
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160 Eine Lungenembolie entsteht durch embolisch verschlepptes venös-thrombotisches Material, meist der unteren Extremitäten und des Beckens.
8 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie Der Embolus besteht dabei meistens aus losgelösten venösen Thromben der unteren Extremität und des Beckens, seltener aus dem rechten Herzen. Pulmonale Thromboembolien sind in den chirurgischen Fächern, aber auch in der inneren Medizin sehr häufig: Kleinere und ältere Embolien werden bei 64 % von Sektionsfällen nachgewiesen. Es ist anzunehmen, dass ca. 80 % aller Lungenarterienembolien klinisch nicht erkannt werden, da sie symptomlos verlaufen bzw. die Symptome verkannt werden. Als Todesursache ist eine Lungenarterienembolie bei ca. 2–15 % der Verstorbenen anzunehmen.
Klinischer Fall Eine 20-jährige Patientin gerät aus vollem Wohlbefinden heraus in einen Schockzustand und wird reanimationspflichtig. Auf dem Boden des begleitenden Bewusstseinsverlustes wird zunächst an eine Intoxikation gedacht. Durch Analyse der denkbaren Medikamentenspiegel im Blut kann jedoch das Vorliegen einer Intoxikation ausgeschlossen werden. Trotz einer versuchten intensivmedizinischen Therapie verstirbt die Patientin im Kreislaufschock. Bei der Sektion finden sich mehrere Thrombosen in den Beckenvenenplexus, die zu keiner venös-thrombotischen Beinschwellung geführt hatten. Todesursache waren mehrere Lungenembolien. Die nachträglich aus dem venös entnommenen Zitratblut durchgeführte Pro-
Merke
tein-C-Analyse ergab einen Protein-C-Mangel als Thromboseursache. Zusätzlich hatte die Patientin orale Kontrazeptiva eingenommen, sodass Protein-C-Mangel und orale Kontrazeptiva hier als Thromboseursache anzusehen waren. Der Patientin war die orale Kontrazeption verordnet worden, obwohl die Mutter der Patientin und eine Schwester der Mutter der Patientin ebenfalls im mittleren Lebensalter Beinvenenthrombosen durchgemacht hatten (wahrscheinlich auch auf dem Boden eines Protein-C-Mangels). Eine verantwortungsvolle Erhebung der Familienanamnese vor Verordnung der oralen Kontrazeptiva hätte das familiäre Thromboserisiko aufgedeckt und eine Gerinnungsanalyse initiiert.
n Merke. Lungenembolien können aus völligem Wohlbefinden heraus, d.h. ohne vorangehende Symptomatik einer Bein-Beckenvenenthrombose, auftreten. Die Verordnung von Kontrazeptiva erfordert daher stets eine vorherige sorgfältige Erhebung der Eigen- und Familienanamnese der Patientin im Hinblick auf das Thromboembolierisiko.
Klinischer Fall Ein 42-jähriger Mann erkrankt akut mit einem rechtsseitigen Brustkorbschmerz. Die Lungenszintigraphie ergibt die Diagnose einer akuten Lungenembolie. Aus der Vorgeschichte des Patienten ist von Bedeutung, dass er vor 4 Wochen eine Fußgelenkprellung mit Anriss von Bändern
Merke
Symptome. Akut auftretende Atemnot, atemabhängige Thoraxschmerzen (Entwicklung einer Pleuritis), Husten, Hämoptyse, Zyanose, Tachykardie und Tachypnoe sowie Zeichen der akuten Rechtsherzbelastung. Akutes Rechtsherzversagen kann zum plötzlichen Tode führen. Eine chronische Rechtsherzinsuffizienz ist nach Lungenembolie Folge der pulmonalen Hypertonie. Schweregrade ( 2 A-8.4).
erlitt und daher eine Immobilisierung des betroffenen Beines durch einen entsprechenden Stützverband durchführen musste. Eine antithrombotische Prophylaxe mit Heparin war bei dem Patienten nicht durchgeführt worden.
n Merke. Auch sog. Bagatelltraumen wie z.B. Sprunggelenksdistorsionen, die zur Anlage immobilisierender Verbände führen, sollten stets Anlass zu einer Thromboseprophylaxe, z.B. mit niedrig dosiertem Heparin geben, um die Entwicklung einer Ober- oder Unterschenkelthrombose mit nachfolgender Lungenembolie zu verhindern.
Symptome. Leitsymptom ist häufig die Atemnot. Atemabhängige Schmer-
zen und die Entwicklung einer Pleuritis können folgen. Weitere mögliche Symptome sind Husten, Hämoptyse und Zyanose. Im Allgemeinen entwickeln sich eine Tachykardie und Tachypnoe. Es kommt zu den Zeichen der akuten Rechtsherzbelastung, die sogar zum akuten Rechtsherzversagen führen kann. Nach Überleben einer Lungenembolie kann sich dann eine chronische Rechtsherzbelastung entwickeln, evtl. auch mit chronischer Rechtsherzinsuffizienz und Entstehung eines Hochdrucks im Bereich der Pulmonalarterien. Die Schweregrade der Lungenembolie zeigt 2 A-8.4.
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161
8.3.1 Lungenembolie
2 A-8.4
Schweregrade der Lungenembolie (nach Grosser)
Schweregrad
klein I
submassiv II
massiv III
fulminant IV
N Klinik n
unauffällig
Angst Tachykardie Hyperventilation
Dyspnoe Kollaps
Dyspnoe Schock
N systemischer n arterieller Druck
normal
normal oder leicht erhöht
erniedrigt
stark erniedrigt
N pulmonalarterieller n Druck
normal
normal oder leicht erhöht
> 30 mmHg
> 30 mmHg
N PO 2 n (Raumluft)
normal
< 80 mmHg
< 65 mmHg
< 50 mmHg
N PCO 2 n (Raumluft)
normal
< 35 mmHg
< 30 mmHg
< 30 mmHg
N Score nach Miller n
< 10
10–16
17–24
> 24
N Spontanprognose n
nicht tödlich: ohne Reduktion der kardiopulmonalen Reserven
nicht tödlich: mit Reduktion der kardiopulmonalen Reserven
tödlich: protrahiertes Rechtsherzversagen
tödlich: akutes Rechtsherzversagen
Diagnose. Im EKG kann sich ein P-pulmonale ( 2 A-8.5) und eine Rechtsach-
senabweichung entwickeln. Ein normales EKG schließt eine Lungenembolie keineswegs aus. Die Analyse des Röntgen-Thorax ist bei der Lungenembolie wenig aussagekräftig! Eine keilförmige Verschattung basal kann charakteristischerweise auftreten, meist sind es jedoch nur wenig aussagekräftige basale Belüftungsstörungen, Pleuraergussbildungen und evtl. auch ein Zwerchfellhochstand auf der betroffenen Seite, die dokumentiert werden können. In der Echokardiographie finden sich ein vergrößerter und dilatierter rechter Vorhof und Ventrikel sowie paradoxe Septumbewegungen. Darüber hinaus kann die Dilatation des Pulmonalarterienhauptstammes und der Pulmonalarterien erfasst werden. Die Blutgasanalyse zeigt einen Abfall des PO2 und PCO2.
2 A-8.5
Diagnose. Im EKG ( 2 A-8.5) können sich ein P-pulmonale und eine Rechtsachsenabweichung entwickeln.
Mögliche EKG-Befunde bei akutem Cor pulmonale
N S I – Q III Typ n N ST-Hebung mit terminal negativem T in III n
ƒ © ª
McGinn-White-Syndrom
N P-dextroatriale n N Rechtsschenkelblock n N T-Inversion in V1 – V3 n
Die Sicherung der Diagnose erfolgt durch die Pulmonalisangiographie (Füllungsdefekte, Gefäßabbrüche) und die Lungenperfusionsszintigraphie mit 99m Technetium-markierten Humanalbuminmikrosphären. Die Dignität der Perfusionsausfälle kann noch durch ein zusätzliches Ventilationsszintigramm erhöht werden. Bei Patienten mit schwerer klinischer Symptomatologie (Schock!) kann im Hinblick auf die rasche Einleitung therapeutischer Schritte die Anfertigung einer digitalen Subtraktionsangiographie (DSA) entscheidend sein.
Pulmonalisangiographie und Lungenperfusionsszintigraphie sichern die Diagnose einer Lungenembolie.
Differenzialdiagnose. Folgende Erkrankungen sind von einer Lungenembo-
Differenzialdiagnose. Abzugrenzen sind: π Myokardinfarkt π Pneumonie
lie abzugrenzen: π Myokardinfarkt π Pneumonie
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162 π π π
Pneumothorax schwerer Asthmaanfall andere Formen der Lungenembolie (Fettembolie, Fruchtwasserembolie, Luftembolie).
Therapie. Entweder hochdosierte Heparinbehandlung mit 30 000– 50 000 IE/24 Stunden oder – bei lebensbedrohlichen Fällen – chirurgische Beseitigung des Embolus aus der verschlossenen Lungenarterie (Trendelenburg-Operation).
Häufig wird auch eine systemische oder lokale Fibrinolysetherapie durchgeführt! Die bekannten Kontraindikationen einer Fibrinolysetherapie sind zu berücksichtigen.
Bei Kontraindikationen zur Thrombolysetherapie muss eine chirurgische Embolektomie Vorrang haben.
Bei mittelschweren Embolien wird im Allgemeinen (bei fehlenden Kontraindikationen) eine systemische Fibrinolysetherapie bevorzugt.
8 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie π π π
Pneumothorax schwerer Asthmaanfall andere Formen der Lungenembolie (Fettembolie, Fruchtwasserembolie, Luftembolie).
Therapie. Sie richtet sich nach dem Schweregrad der Lungenembolie! Sind
die Kreislaufverhältnisse sowie die Blutgase im Normbereich geblieben, so ist in der Regel eine Antikoagulanzientherapie mit Heparin als Therapie der Wahl anzusehen. Heparin verhütet ein appositonelles Wachstum der in die Lungenstrombahn verschleppten Thromben, verhindert die Neuentstehung venöser Thromben und dient damit der Rezidivprophylaxe. Nach einem intravenösen Bolus von 5000–10 000 IE Heparin folgt eine Dauerinfusion mit 30 000–50 000 IE Heparin pro 24 Stunden. Die partielle Thromboplastinzeit (PTT) als Kontrollmethode der Heparintherapie sollte dabei auf das 1,5fache des Ausgangswertes verlängert sein. Bei massiver bzw. fulminanter Lungenarterienembolie (Blutdruckabfall, Schocksymptomatik, erniedrigter PO2) ist eine rasche Desobliteration der betroffenen verlegten Lungenarterie vordringlich. Dies kann auf chirurgischem Wege geschehen (Trendelenburg-Operation!) oder durch eine systemische oder lokale Thrombolysetherapie. Bei der lokalen Fibrinolysetherapie wird das Fibrinolytikum, z.B. Streptokinase, Urokinase, HPA, lokal über einen Katheter, der vor dem Embolus platziert wird, zugeführt. Kontraindikationen der Fibrinolysetherapie (und damit Indikationen für ein chirurgisches Vorgehen) sind: chirurgischer Eingriff innerhalb der letzten 10 Tage vor Fibrinolysetherapie, schlecht eingestellte arterielle Hypertonie, zerebrovaskulärer Insult innerhalb der letzten 3 Monate, akute Blutungen bei hämorrhagischer Diathese, schwere Leber- und Niereninsuffizienz, Gravidität, frische bakterielle Endokarditis und proliferative diabetische Retinopathie. Bei Verschlechterung des Zustandes trotz thrombolytischer Therapie oder bei Kontraindikationen zur Thrombolysetherapie muss eine chirurgische Embolektomie Vorrang haben. Durch die Trendelenburg-Operation können in solchen Fällen die embolischen Massen erfolgreich aus der A. pulmonalis entfernt werden. Dadurch kann besonders die akute Rechtsherzinsuffizienz, aber auch die resultierende chronische Rechtsherzbelastung günstig beeinflußt werden. Bei mittelschweren Embolien wird man im Allgemeinen (bei fehlenden Kontraindikationen) der Fibrinolysetherapie den Vorzug geben: initial werden 250 000 IE Streptokinase oder Urokinase über 20 Minuten intravenös infundiert, anschließend erfolgt die intravenöse Gabe von jeweils 100 000 IE Streptokinase oder Urokinase stündlich über 24 Stunden. In schweren Akutsituationen mit Schocksymptomatik kann auch eine Boluslyse mit bis zu 1,5 Mio. IE Streptokinase oder Urokinase als Kurzinfusion über 30 Minuten durchgeführt werden. Bei der neueren thrombolytischen Therapie mit Gewebsplasminogenaktivator (HPA) werden 100 mg intravenös über 2 Stunden appliziert.
Komplikationen. Tod durch akutes Rechtsherzversagen, chronische Rechtsherzbelastung.
Komplikationen. Die akute Lungenembolie kann durch ein akutes Rechts-
Prognose. Sie hängt vom Schweregrad der Lungenembolie und vorbestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen ab.
Prognose. Die Prognose der akuten Lungenembolie hängt vom Schweregrad des Krankheitsbildes sowie von zusätzlich vorbestehenden Erkrankungen des kardiopulmonalen Systems ab. Lungenembolien mit Schocksymptomatik und schweren respiratorischen Störungen (stark herabgesetzter PO2) haben eine schlechte Prognose.
herzversagen kompliziert werden, welches zum Exitus letalis führen kann. Wird die akute Lungenembolie überlebt, so kann in der Folge eine chronische Rechtsherzbelastung mit sog. chronischen Cor pulmonale resultieren. Chronische restriktive Ventilationsstörungen und Rechtsherzinsuffizienzen können auftreten.
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163
8.4.1 Thrombininhibitoren
8.4
Medikamentöse Prophylaxe und Therapie
8.4
8.4.1
Thrombininhibitoren
8.4.1 Thrombininhibitoren
Besonders geeignet zur Prophylaxe und Therapie der Thromboembolien sind die sog. Thrombininhibitoren, zu denen Heparin und Hirudin gehören. Heparin verbindet sich mit dem in menschlichem Blutplasma enthaltenen Eiweißkörper Antithrombin III (AT III = Gerinnungsinhibitor) zum HeparinAntithrombin-III-Komplex, der eine antithrombotische Wirkung sowohl auf das Gerinnungsenzym Thrombin als auch auf die einzelnen Gerinnungsfaktoren XII, XI, X, IX hat. Für den klinischen Gebrauch stehen unfraktioniertes Standard-Heparin (Molekulargewicht 10 000–20 000 Dalton) und niedermolekulares Heparin (MG 4000–9000 Dalton) zur Verfügung. Das unfraktionierte Standard-Heparin wirkt vorwiegend auf Thrombin, das niedermolekulare Heparin hemmt vorwiegend den Faktor Xa (d.h. den aktivierten Faktor X). Bei Gabe von unfraktioniertem Heparin ist daher vorwiegend die Thrombinzeit verlängert, bei Gabe von niedermolekularem Heparin ist die Analyse des Faktors Xa die Kontrollmethode der Wahl. Der aus Blutegeln (Hirudo medicinalis) stammende Thrombininhibitor Hirudin wird ebenfalls in seiner Wirkung durch Analyse der Thrombinzeit kontrolliert. Hirudin hemmt Thrombin selektiv, ohne dass eine Bindung des Hirudins an Antithrombin III erfolgt.
Heparin übt seine Hemmwirkung auf die Gerinnung (auf Thrombin und die Einzelfaktoren XII, XI, X und IX) nach Bindung an einen Plasmaeiweißkörper (AT III) aus.
Unfraktioniertes Standard-Heparin wirkt vorwiegend auf Thrombin, niedermolekulares Heparin hemmt vorwiegend den Faktor Xa. Kontrollmethode für unfraktioniertes Heparin ist die Thrombinzeit, für niedermolekulares Heparin die Analyse des Faktors Xa. Hirudin hemmt Thrombin selektiv (ohne sich an Antithrombin III zu binden).
n Merke. Hirudin ist in seiner Wirkungsweise unabhängig vom Vorhandensein eines normalen Antithrombin-III-Spiegels im Blut, im Gegensatz zum Heparin, das zu einer optimalen Wirkung einen normalen Antithrombin-III-Spiegel im Plasma (70–120 %) benötigt.
Prophylaktische Dosierung. Unfraktioniertes Standard-Heparin wird in
Medikamentöse Prophylaxe und Therapie
Merke
Prophylaktische Dosierung unfraktioniertes Standard-Heparin: 3 x 5 000 IE s.c. (8-stündlich) oder 2 x 7500 IE s.c. (12-stündlich) π niedermolekulares Heparin: 1 x 2 500 IE s.c.
einer tägliche Dosierung von 3 « 5 000 IE (d.h. 8-stündlich) bzw. von 2 « 7 500 IE (d.h. 12-stündlich) subkutan appliziert. Vom niedermolekularen Heparin wird eine 1-malige tägliche Dosis von 2 500 IE (s.c. = Anti-Xa-Einheiten) zur prophylaktischen Gabe empfohlen. Dabei sind bei den niedermolekularen Heparinen unterschiedliche Molekulargewichte und Dosierungen zu beachten! Durch eine niedrig dosierte Heparinprophylaxe (Lowdose-Heparin) kann in der Chirurgie eine erfolgreiche Reduzierung postoperativ auftretender tiefer Beinvenenthrombosen von 24,9 % auf 6,4 % erreicht werden, in der Gynäkologie von 23,8 % auf 2,5 % sowie in der inneren Medizin von 30,5 % auf 6,2 %. Bei Hüftgelenksoperationen sind wegen einer erhöhten Thromboemboliegefahr 3 « 7 500 IE unfraktioniertes Heparin täglich subkutan erforderlich. Damit kann das Auftreten tiefer Venenthrombosen von 60 % in der Kontrollgruppe auf 10,5 % in der Prophylaxegruppe reduziert werden.
π
Therapeutische Dosierung. Die therapeutische Heparindosierung beträgt
Therapeutische Dosierung. Sie erfolgt mit unfraktioniertem Standard-Heparin 30 000–50 000 IE/d (high-dose). Kontrollmethode zum Nachweis einer effizienten Heparinisierung ist die partielle Thromboplastinzeit (PTT), die 1,5–2fach verlängert sein sollte.
Nebenwirkungen. Auch bei prophylaktischer Dosierung der angeführten
Nebenwirkungen. Heparin und Hirudin
täglich ca. 30 000–50 000 IE (high-dose). Sie erfolgt im allgemeinen als intravenöse Dauerinfusion, kann jedoch auch in 3 Dosen subkutan appliziert werden. Die partielle Thromboplastinzeit (PTT) soll dabei auf das 1,5–2fache verlängert werden. Bei einer derartigen Verlängerung der PTT ist von einer effizienten antithrombotischen Therapie auszugehen. Indikationen für eine solche therapeutische Dosierung sind: π akute Becken-Beinvenenthrombose π akute Lungenarterienembolie π akuter Myokardinfarkt.
Durch das niedrig dosierte Heparin kommt es zur Reduzierung postoperativ auftretender tiefer Beinvenenthrombosen.
können eine schon vorhandene Thrombininhibitoren kann eine schon vorhandene hämorrhagische Diahämorrhagische Diathese verstärken these jederzeit erheblich verstärkt werden, sodass es zu gefährlichen Bluund zu Blutungskomplikationen tungskomplikationen kommen kann. Für die therapeutische Dosierung gilt führen. diese Aussage in noch stärkerem Maße. Insofern sind sowohl bei der prophyDie Kontraindikationen sind daher laktischen als auch bei der therapeutischen Heparinapplikation die jeweils streng zu beachten. geltenden Kontraindikationen streng zu beachten! Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
164 Heparininduzierte Thrombozytopenien Ermittlung in 2 Verlaufsformen: Typ I: harmlose Form, kurzfristig reversibel π
Typ II: klinisch relevante Form mit arteriellen und venösen Thromboembolien.
Merke
8 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie Heparininduzierte Thrombozytopenien: Die heparininduzierten Thrombozytopenien werden neuerdings in 2 Verlaufsformen eingeteilt: Die heparininduzierte Thrombozytopenie Typ I ist harmlos, weil sie kurzfristig reversibel ist und sich unter laufender Heparinbehandlung sogar normalisiert. Mechanismus dieser Thrombozytopenie Typ I ist eine heparininduzierte Aktivierung des cAMP der Thrombozyten. Die Plättchen fallen nicht unter 100 000/ml Blut ab! Die heparininduzierte Thrombozytopenie Typ II ist klinisch relevant und kann sogar für den Patienten gefährlich sein: es kommt zu einer immunologisch ausgelösten Plättchen-Zerfallsreaktion mit Ablaufen von Gerinnungsprozessen, d.h. die Thrombozytopenie wird begleitet von venösen Thrombosen, Lungenembolien, aber auch von arteriellen Komplikationen (Herzinfarkte und Schlaganfälle sind möglich.
π
n Merke. Die heparininduzierte Thrombozytopenie Typ II kann durch einen ELISA-Test nachgewiesen werden und sollte zum sofortigen Absetzen des Heparins Anlass geben!
Das Krankheitsbild kann auch bei scheinbar normalen Thrombozytenzahlen auftreten, wenn nämlich vorher eine Thrombozytose bestand. Merke
Niedermolekulare Heparine führen seltener zu heparininduzierten Thrombozytopenien als unfraktionierte Standardheparine und sollten daher bei Risikopatienten bevorzugt therapeutisch eingesetzt werden. Bei Diagnose einer heparininduzierten Thrombozytopenie Typ II muss Heparin sofort abgesetzt und statt dessen eine Hirudininfusion verabreicht werden.
Merke
Alternativ zum Hirudin kann bei heparininduzierter Thrombozytopenie Typ II auch Orgaran R eingesetzt werden.
n Merke. Aufgrund der gefährlichen Komplikationen bei heparininduzierter Thrombozytopenie Typ II sollte bei Heparinbehandlungen regelmäßig, mindestens 2 « wöchentlich, die Thrombozytenzahl kontrolliert werden!
Da niedermolekulare Heparine seltener (0,5 %) als unfraktionierte Standardheparine (2,5 %) zu derartigen heparininduzierten Thrombozytopenien führen, sollten bei Risikopatienten (Schock, Sepsis) bevorzugt niedermolekulare Heparine therapeutisch eingesetzt werden (oder auch Hirudin, welches neuerdings ebenfalls zur subkutanen Applikation zugelassen ist). Bei Diagnose einer heparininduzierten Thrombozytopenie Typ II muss das Heparin sofort abgesetzt werden. Es wird dann eine Hirudininfusion angesetzt in folgender Dosierung: Zur Behandlung von arteriellen oder venösen thromboembolischen Komplikationen wird ein initialer i.v. Bolus von 0,4 mg Hirudin/kg KG verabreicht, gefolgt von einer kontinuierlichen i.v. Infusion von 0,15 mg Hirudin/kg KG/Stunde für 2–10 Tage. Diese Hirudindosierung gilt also für die alleinige Hirudintherapie bei arteriellen oder venösen thromboembolischen Erkrankungen. Sofern das Hirudin begleitend parallel zu einer Thrombolysetherapie verabreicht wird, wird der intravenöse initiale Hirudinbolus niedriger dosiert, und zwar mit 0,2 mg Hirudin/kg KG, gefolgt von einer kontinuierlichen i.v. Infusion von 0,1 mg Hirudin/kg KG/Stunde für 2–10 Tage. Hirudin und thrombolytische Medikation sollten über separate intravenöse Zugänge appliziert werden. n Merke. Da Hirudin hauptsächlich renal eliminiert wird, ist während der Therapie mit Hirudin ein Monitoring der Nierenfunktion unerlässlich!
Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist die Hirudindosis anzupassen, d.h. bei Kreatininwerten von 1,6–2,0 mg/dl werden nur noch 50 % der Hirudindosis appliziert, bei Kreatininwerten von 2,1–2,5 mg/dl nur noch 25 % Hirudin der üblichen Dosierung und bei höheren Kreatininwerten nur noch 10 % der üblichen Dosierung. Alternativ zum Hirudin kann bei heparininduzierter Thrombozytopenie Typ II auch Orgaran R eingesetzt werden in folgender Dosierung:
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8.4.1 Thrombininhibitoren Bei akuter heparininduzierter Thrombozytopenie ohne Thromboembolie wird Orgaran bei Patienten mit einem Gewicht von ≤ 90 kg in einer Dosierung von 750 Anti-Xa-Einheiten subkutan appliziert 2- oder 3-mal täglich eingesetzt, und zwar für 10 Tage. Bei Patienten mit einem Gewicht von > 90 kg ist die Dosierung auf 1 250 Anti-Xa-Einheiten subkutan täglich, 2- oder 3-mal appliziert, zu erhöhen. Die Entscheidung, das Medikament 2- oder 3-mal täglich zu verabreichen, hängt von dem Thromboserisiko ab. Ein Monitoring kann mit Hilfe des Anti-Xa-Spiegels erfolgen (die Anti-Xa-Spiegel im Plasma sollte 0,4 Einheiten/ml nicht übersteigen). Hat ein Patient im Rahmen einer heparininduzierten Thrombozytopenie eine tiefe Venenthrombose oder Lungenembolie erlitten, so wird Orgaran R maximal 5 Tage nach dem Auftreten der Thromboembolie in einer Dosierung von 2 500 Anti-Xa-Einheiten zunächst intravenös als Bolus appliziert, danach 4 Stunden lang intravenöse Infusion von 400 Einheiten Orgaran R pro Stunde, dann über weitere 4 Stunden 300 Einheiten pro Stunde, anschließend eine Erhaltungsinfusion von 150–200 Einheiten pro Stunde für 5–7 Tage. Dieses Dosierungsschema wird für Patienten mit einem besonders hohen Risiko der Thromboseausdehnung empfohlen. Nach mehrtägiger intravenöser Erhaltungstherapie kann der Patient entweder auf orale Antikoagulanzien oder auf Orgaran R mit 750 Anti-Xa-Einheiten subkutan 2oder 3-mal täglich umgestellt werden. π
Weitere Nebenwirkungen: Eine harmlose Nebenwirkung nach längerer Heparinbehandlung ist ein meist wenig ausgeprägter, temporärer, immer reversibler Haarausfall bei 5–40 % der Patienten. Selten sind auch gelegentliche Temperaturanstiege und Urtikaria, abdominelle und kolitische Beschwerden, Symptome im Sinne eines Asthma bronchiale oder eines Quincke-Ödems während einer Heparinbehandlung zu beobachten. Eine hochdosierte Heparinbehandlung, die länger als 6 Monate durchgeführt wird, kann Knochenveränderungen im Sinne einer Osteoporose herbeiführen. Diese Problematik gilt besonders bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz, die im Hämodialyseprogramm stehen, wobei auch die Niereninsuffizienz schon eine Osteopathie hervorrufen kann. Selten treten Kopfschmerzen, Übelkeit, vegetative Sensationen, Pruritus und rheumatoide Schmerzen unter einer Heparinbehandlung auf.
Weitere mögliche Nebenwirkungen sind: π reversibler Haarausfall π Temperaturanstieg π Urtikaria π abdominelle Beschwerden π Bronchospastik π Quincke-Ödem π Osteoporose π Kopfschmerzen π Übelkeit π vegetative Sensationen π Pruritus π rheumatoide Schmerzen.
Kontraindikationen
Kontraindikationen
n Merke. Besonders im chirurgischen Bereich sind manifeste lokale Blutungsquellen bei Einleitung einer Behandlung mit Thrombininhibitoren auszuschließen, weil es sonst zu unerwünschten schweren Blutungskomplikationen kommen kann!
Als Kontraindikationen der Behandlung mit Thrombininhibitoren haben zu gelten: π manifeste hämorrhagische Diathese π blutende Magen-Darm-Ulzera π manifeste schwere Hypertonie, v.a. bei hypertoner Enzephalopathie und Blutungen des Augenhintergrunds π bakterielle Endokarditis π unmittelbar vorangegangene operative Eingriffe an Gehirn oder Rückenmark bei gleichzeitig bestehender signifikanter Blutungsneigung.
Antagonisierung. Bei allen gefährlichen oder gar lebensbedrohlichen Blu-
tungskomplikationen während einer Heparinbehandlung ist diese sofort abzubrechen und das zirkulierende Heparin durch Gabe von Protaminhydrochlorid zu inaktivieren. Dosierung: 1000 IE Protamin neutralisieren 1000 IE Heparin. Bei sofortiger Antagonisierung nach i.v. Gabe wird Protamin entsprechend 100 % der Heparindosis verabreicht, nach 60 Minuten werden 50 %, nach 120 Minuten 25 % der i.v. Heparindosis gegeben. Nach subkutaner Heparingabe wird Protaminsulfat (50 % der letzten Heparindosis) verabreicht.
Merke
Kontraindikationen sind: manifeste hämorrhagische Diathese π blutende Magen-Darm-Ulzera π manifeste schwere Hypertonie π bakterielle Endokarditis π unmittelbar vorausgegangene Operationen an Gehirn oder Rückenmark. π
Antagonisierung. Als Antidot gegen Heparin wird Protaminhydrochlorid i.v. verabreicht.
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8 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
Bei hirudininduzierten Blutungen wird die Gabe von Prothrombinkonzentraten empfohlen. Dabei ist zu beachten, dass die Halbwertszeit von Hirudin durchschnittlich zwischen 1,6–2,6 Stunden beträgt. Durch Hämodialyse kann das Hirudin auch kurzfristig aus dem zirkulierenden Blut eliminiert werden. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist zu beachten, dass das Hirudin eine deutlich verlängerte Halbwertszeit hat, da Hirudin über die Nieren eliminiert wird.
Auch beim Einsatz von niedermolekularem Heparin kann Protaminchlorid als Antidot verwendet werden. Bei hirudininduzierten Blutungen wird die Gabe von Prothrombinkonzentraten empfohlen. Dabei ist zu beachten, dass die Halbwertszeit von Hirudin durchschnittlich zwischen 1,6–2,6 Stunden beträgt. Durch Hämodialyse kann das Hirudin auch kurzfristig aus dem zirkulierenden Blut eliminiert werden (als Notfalltherapie bei Hirudinüberdosierung mit Blutungsfolgen). Je nach Körpergewicht und je nach PTT-Verlängerung in Folge einer Hirudinüberdosierung und -blutung sollten mindestens 4–6 Prothrombinkonzentrate (zu jeweils 500 IE Gerinnungsfaktorenaktivität) im Notfall intravenös appliziert werden. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist zu beachten, dass das Hirudin eine deutlich verlängerte Halbwertszeit hat, da Hirudin über die Nieren eliminiert wird.
8.4.2
8.4.2
Cumarine
Cumarine
Cumarinderivate verdrängen das Vitamin K aus den Leberzellen und führen dadurch zu einer Synthesestörung der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X. Dadurch fällt der Quickwert ab, der die Cumarinwirkung kontrolliert.
Cumarinderivate wie z.B. das Phenoprocoumon (MarcumarQ) verdrängen das Vitamin K aus den Leberzellen und führen dadurch zu einer Synthesestörung der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X. Durch den Mangel an Vitamin K wird die Karboxilierung von Glutaminsäureresten der angeführten Gerinnungsfaktoren nicht mehr katalysiert, so dass diese Gerinnungsfaktoren ihre Funktionsfähigkeit einbüßen. Es kommt also zu einem messbaren Abfall der Aktivität der Faktoren II, VII, IX und X im Plasma, welche durch Analyse der Thromboplastinzeit (= Quickwert) erfasst werden kann.
Prophylaktische Dosierung. Angestrebte therapeutische Bereiche zur Rezidivprophylaxe ( 2 A-8.6): π Becken-Beinvenenthrombose: QuickWert um 30 % π Mitralklappenvitien: Quick-Wert 20–25% π Aortenklappenvitien: Quick-Wert 25–30%.
Prophylaktische Dosierung. Bei verschiedenen Indikationen sind verschie-
Statt des Quick-Wertes wird heute häufig die INR angegeben ( 2 A-8.7).
dene therapeutische Bereiche der Cumarintherapie anzustreben: Bei der Becken-Beinvenenthrombose reichen im Allgemeinen zur Rezidivprophylaxe Quick-Werte um 30 % aus. Bei Mitralklappenvitien sind QuickWerte um 20–25 % zur antithrombotischen Thromboembolieprophylaxe einzustellen, bei Aortenklappenvitien Quick-Werte um 25–30 %. Diese Aussagen gelten für die Kunstklappen in den angeführten Positionen ( 2 A-8.6).
2 A-8.6
Empfehlungen zu den verschiedenen indikationsabhängigen therapeutischen Bereichen der oralen Antikoagulation
Indikation
INR
Quick-Wert (Thromborel Q S)
N primäre venöse Thromboembolieprophylaxe n (z.B. perioperativ)
1,5–2,5
ca. 30–40 %
N sekundäre venöse Thromboembolieprophylaxe n Herzklappenbioprothesen (nichtrheumatisches Vorhofflimmern)
2,0–3,0
ca. 25–35 %
N kardiale und arterielle Thromboembolien prophylaxe (z.B. mechanische Herzklappen)
3,0–4,5
ca. 15–25 %
Statt des Quick-Wertes wird heutzutage häufig die International Normalized Ratio (INR) angegeben ( 2 A-8.7).
2 A-8.7
Bestimmung der International Normalized Ratio (INR) TPZ des Patientenplasmas in s
PR
=
ISI
= International Sensitivity Index, bezogen auf das jeweilige WHO-Referenzthromboplastin
INR
= PR ISI
TPZ von Normalplasma in s
PR = Prothrombinzeit-Ratio
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8.4.2 Cumarine Bei normalem Quickwert (als Ausgangswert) kann bei Erwachsenen die Dosierung z.B. nach folgendem Schema erfolgen (MarcumarQ, 1 Tabl. = 3 mg): π 1. Behandlungstag: 4 Tabletten π 2. Behandlungstag: 3 Tabletten π 3. Behandlungstag: Dosierung nach Quickwert, INR. Überlappend ist eine Heparintherapie bis zur erfolgreichen Einstellung des Quickwertes notwendig.
Interaktionen. 1⁄3 der mit oralen Antikoagulanzien behandelten Patienten nehmen aufgrund anderer Indikationen interferierende Medikamente ein.
Eine Wirkungssteigerung der Cumarine erfolgt z.B. durch: NSAR (Verdrängung aus der Eiweißbindung) π Antibiotika (verminderte enterale Vitamin-K-Bildung und Resorption) π Thrombozytenaggregationshemmer π Heparin π Pyrazolderivate π Clofibrat π Cimetidin π Lokalanästhetika. π
Eine Wirkungsminderung der Cumarine erfolgt z.B. durch: Barbiturate (Enzyminduktion in der Leber) π Antiepileptika (Enzyminduktion in der Leber) π Rifampicin (Enzyminduktion in der Leber) π Digitalis π Diuretika π Kortikosteroide π Vitamin-K-reiche Ernährung.
Interaktionen. Bei der oralen Antikoagulation mit Cumarinderivaten sind Interaktionen mit anderen Medikamenten möglich. Wirkungssteigerung: π NSAR π Antibiotika π Thrombozytenaggregationshemmer π Heparin π Pyrazolderivate π Clofibrat π Cimetidin π Lokalanästhetika. Wirkungsverminderung: Barbiturate π Antiepileptika π Rifampicin π Digitalis π Diuretika π Kortikosteroide π Vitamin K.
π
π
Eine regelmäßige Kontrolle der Wirkung der Cumarinderivate durch eine Quickwertanalyse ist notwendig. Auf diese Weise sind unerwünschte Interaktionen mit anderen Medikamenten am besten zu erfassen.
Über- oder Unterdosierungseffekte können durch eine regelmäßige Quickwertkontrolle erfasst werden.
Kontraindikationen. Vergleichbar der Heparintherapie sind folgende
Kontraindikationen. Wesentliche Kontraindikationen einer Cumarinprophylaxe sind: π manifeste hämorrhagische Diathesen π manifeste Magen-Darm-Ulzera mit Blutungsneigung π Lebererkrankungen mit signifikanter Faktorensynthesestörung π manifeste schwere, therapieresistente Hypertonie ( 1 A-8.10). π Z.n. zerebralem Insult π intrazerebrale Metastasen π blutende Nephrolithiasis π Gravidität (1. Trimenon) π blutende Hämorrhoiden π Malabsorptionssyndrome π blutende Lungentuberkulose π Retinopathie mit Fundusblutungen π bakterielle Endokarditis π traumatische Blutungen oder chirurgische Eingriffe am ZNS π mangelnde Mitarbeit des Patienten π Dauerkatheter mit Blutungsneigung π schwerer Alkoholismus π Leukämien.
wesentliche Kontraindikationen einer Cumarinprophylaxe anzuführen: π manifeste hämorrhagische Diathesen π manifeste Magen-Darm-Ulzera mit aktueller Blutungsneigung π Lebererkrankungen mit signifikanter Faktorensynthesestörung (Faktoren II, VII, IX und X) π manifeste, schwere, therapieresistente Hypertonie ( 1 A-8.10). π wenige Wochen zurückliegender zerebraler Insult π intrazerebrale Metastasen π blutende Nephrolithiasis π Gravidität (vor allem in den ersten Monaten wegen der Gefahr von Missbildungen) π blutende Hämorrhoiden π Malabsorptionssyndrome π kavernöse und ggf. blutende Lungentuberkulose π Retinopathie mit Fundusblutungen π bakterielle Endokarditis π traumatische Blutungen oder chirurgische Eingriffe am ZNS (innerhalb der ersten 8–10 Tage) π mangelnde Mitarbeit des Patienten (Debilität) π Dauerkatheter mit Blutungsneigung π schwerer Alkoholismus π Leukämien.
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8 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
1 A-8.10
Linkshirnige Massenblutung unter oraler Antikoagulation Pathologischanatomisches Hirnpräparat einer 74-jährigen Patientin mit schlecht eingestellter arterieller Hypertonie.
Antagonisierung. Vitamin K wirkt der Cumarintherapie entgegen, hat jedoch keinen Soforteffekt. Erst nach 36 Stunden sind relevante Erhöhungen des Quick-Wertes nach oraler Vitamin-K-Gabe zu verzeichnen.
Merke
Antagonisierung. Durch Vitamin-K-Gabe kann die Wirkung der Cuma-
rinderivate aufgehoben bzw. weitgehend reduziert werden. Dabei hat Vitamin K keinen Soforteffekt! Erst nach 36 Stunden sind relevante Erhöhungen des Quick-Wertes nach oraler Vitamin-K-Gabe zu verzeichnen (eine intravenöse Gabe ist wegen Nebenwirkungen vom Hersteller als gefährlich eingestuft worden, angeblich sind nach intravenöser Vitamin-K-Applikation Schockzustände aufgetreten). n Merke. Bei Blutungen unter Cumarintherapie bei zu niedrigen Quick-Werten ist als einzige Sofortmaßnahme die Applikation von Prothrombinkonzentraten anzusehen.
Dosierung PPSB: Substitutionseinheiten = (Differenz zwischen aktuellem Quickwert und gewünschtem Quickwert) « kg KG. Beispiel: Um bei einem 70 kg schweren Patienten den Quickwert um 20 % zu erhöhen, sind 1400 IE PPSB notwendig. Langsame intravenöse Applikation über 5 Minuten.
Therapeutische Defibrinogenierung
8.4.3 Therapeutische Defibrinogenierung
8.4.3
Ziel der Therapie mit Ancrod und Batroxobin ist die langsame Senkung des Fibrinogenspiegels und damit Senkung der Blutviskosität zur Behandlung peripherer arterieller Verschlüsse der unteren Extremitäten.
Die aus Schlangengiften gewonnenen Fraktionen Ancrod (ArwinQ) und Batroxobin (DefibraseQ) wirken prokoagulatorisch, indem sie nur das Fibrinopeptid A vom Fibrinogen abspalten. Dadurch entstehen leicht lösliche Fibrinmonomere, die vom körpereigenen fibrinolytischen Potenzial rasch eliminiert werden. Ziel der Therapie ist die langsame Senkung des Fibrinogenspiegels durch subkutane Injektionen und damit Senkung der Blutviskosität (Plasmaviskosität) mit entsprechender Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes. Diese Therapie wird vor allem bei der Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit eingesetzt. Zur Verlaufskontrolle genügt hierbei die Fibrinogenbestimmung; Messungen der Blutviskosität (Plasmaviskosität) sind natürlich auch geeignet.
Diese Therapie wird vor allem bei der Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit eingesetzt.
Fibrinolysetherapie
8.4.4 Fibrinolysetherapie
8.4.4
Folgende Fibrinolyseaktivatoren können Plasminogen in Plasmin umwandeln, welches Fibrinthromben proteolytisch abbaut: Streptokinase, Urokinase und rt-PA.
Durch die Fibrinolyseaktivatoren Streptokinase, Urokinase oder rt-PA (= recombinant tissue plasminogen activator, Fibrinolyseaktivator aus Gewebszellen) kann das Proenzym Plasminogen, das im menschlichen Blut bzw. Plasma enthalten ist, in seine aktive Enzymform, das Plasmin, umgewandelt werden. Plasmin ist in der Lage, Fibrinthromben fibrinolytisch aufzulösen und dadurch bei der Beinvenenthrombose, bei der Lungenarterienembolie und beim Herzinfarkt therapeutisch wirksam zu werden. Wichtig ist bei den
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1 A-8.10
Linkshirnige Massenblutung unter oraler Antikoagulation Pathologischanatomisches Hirnpräparat einer 74-jährigen Patientin mit schlecht eingestellter arterieller Hypertonie.
Antagonisierung. Vitamin K wirkt der Cumarintherapie entgegen, hat jedoch keinen Soforteffekt. Erst nach 36 Stunden sind relevante Erhöhungen des Quick-Wertes nach oraler Vitamin-K-Gabe zu verzeichnen.
Merke
Antagonisierung. Durch Vitamin-K-Gabe kann die Wirkung der Cuma-
rinderivate aufgehoben bzw. weitgehend reduziert werden. Dabei hat Vitamin K keinen Soforteffekt! Erst nach 36 Stunden sind relevante Erhöhungen des Quick-Wertes nach oraler Vitamin-K-Gabe zu verzeichnen (eine intravenöse Gabe ist wegen Nebenwirkungen vom Hersteller als gefährlich eingestuft worden, angeblich sind nach intravenöser Vitamin-K-Applikation Schockzustände aufgetreten). n Merke. Bei Blutungen unter Cumarintherapie bei zu niedrigen Quick-Werten ist als einzige Sofortmaßnahme die Applikation von Prothrombinkonzentraten anzusehen.
Dosierung PPSB: Substitutionseinheiten = (Differenz zwischen aktuellem Quickwert und gewünschtem Quickwert) « kg KG. Beispiel: Um bei einem 70 kg schweren Patienten den Quickwert um 20 % zu erhöhen, sind 1400 IE PPSB notwendig. Langsame intravenöse Applikation über 5 Minuten.
Therapeutische Defibrinogenierung
8.4.3 Therapeutische Defibrinogenierung
8.4.3
Ziel der Therapie mit Ancrod und Batroxobin ist die langsame Senkung des Fibrinogenspiegels und damit Senkung der Blutviskosität zur Behandlung peripherer arterieller Verschlüsse der unteren Extremitäten.
Die aus Schlangengiften gewonnenen Fraktionen Ancrod (ArwinQ) und Batroxobin (DefibraseQ) wirken prokoagulatorisch, indem sie nur das Fibrinopeptid A vom Fibrinogen abspalten. Dadurch entstehen leicht lösliche Fibrinmonomere, die vom körpereigenen fibrinolytischen Potenzial rasch eliminiert werden. Ziel der Therapie ist die langsame Senkung des Fibrinogenspiegels durch subkutane Injektionen und damit Senkung der Blutviskosität (Plasmaviskosität) mit entsprechender Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes. Diese Therapie wird vor allem bei der Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit eingesetzt. Zur Verlaufskontrolle genügt hierbei die Fibrinogenbestimmung; Messungen der Blutviskosität (Plasmaviskosität) sind natürlich auch geeignet.
Diese Therapie wird vor allem bei der Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit eingesetzt.
Fibrinolysetherapie
8.4.4 Fibrinolysetherapie
8.4.4
Folgende Fibrinolyseaktivatoren können Plasminogen in Plasmin umwandeln, welches Fibrinthromben proteolytisch abbaut: Streptokinase, Urokinase und rt-PA.
Durch die Fibrinolyseaktivatoren Streptokinase, Urokinase oder rt-PA (= recombinant tissue plasminogen activator, Fibrinolyseaktivator aus Gewebszellen) kann das Proenzym Plasminogen, das im menschlichen Blut bzw. Plasma enthalten ist, in seine aktive Enzymform, das Plasmin, umgewandelt werden. Plasmin ist in der Lage, Fibrinthromben fibrinolytisch aufzulösen und dadurch bei der Beinvenenthrombose, bei der Lungenarterienembolie und beim Herzinfarkt therapeutisch wirksam zu werden. Wichtig ist bei den
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8.4.4 Fibrinolysetherapie angeführten drei Indikationen, dass der Patient der fibrinolytischen Therapie rasch zugeführt wird, dass also unnötige Verzögerungen, die den therapeutischen Erfolg verhindern können, unterbleiben.
Voraussetzungen. Wichtigste Voraussetzungen zur Durchführung einer
Thrombolysetherapie ist die sofortige Diagnosestellung nach Auftreten der ersten Symptome bei akutem Herzinfarkt ( 1 A-8.11), akuter Becken-Beinvenenthrombose, Lungenembolie und akutem arteriellen (thrombotischen oder embolischen) Verschluss. Die rasche Diagnosestellung mit der Konsequenz einer sofortigen Therapie ist von großer praktischer Bedeutung, da das Ausmaß akuter ischämischer Organschäden bei arteriellen Verschlüssen (z.B. Myokardnekrose beim Herzinfarkt) durch eine sofort einsetzende Fibrinolysetherapie (z.B. schon präklinisch im Notarztwagen) signifikant gesenkt werden kann. Bei venösen Becken-Beinvenenthrombosen ist eine rasch einsetzende Thrombolysetherapie wesentlich, da mit zunehmender Organisation des Thrombus durch einwachsende Fibroblasten eine Lyse erschwert bzw. unmöglich wird.
1 A-8.11
Voraussetzungen. Wichtigste Voraussetzung ist die sofortige Diagnosestellung bei akutem Herzinfarkt ( 1 A-8.11), akuter Becken-Beinvenenthrombose, Lungenembolie und akutem arteriellen Verschluss.
Lokale Fibrinolysetherapie bei Hinterwandinfarkt
a Koronarangiographisch dargestellter Verschluss (Á) der A. coronaria dextra.
b Z.n. lokaler koronarer Fibrinolyse über liegenden Koronarkatheter mit Wiedereröffnung der A. coronaria dextra.
n Merke. Wird mit einer Thrombolysetherapie erst nach dem 5. Tag nach Entstehung einer Thrombose begonnen, ist die Prognose im Hinblick auf den Behandlungserfolg eingeschränkt im Vergleich zu einem sofortigen Behandlungsbeginn.
Dies gilt auch für die alternativ zur Verfügung stehende chirurgische Methode der venösen Thrombektomie. Da die charakteristische Symptomatik (Schwellung, Blauverfärbung, Druckschmerz im Verlauf der betroffenen Vene) nur in ca. 50 % zu beobachten ist, sollte stets eine Phlebographie zur Diagnosestellung bzw. Dokumentation von Lokalisation und Größe des Thrombus bereits im Verdachtsfall durchgeführt werden. Zusätzlich kann der Einsatz der Duplex-Sonographie erfolgen.
Techniken. Neben der systemischen Fibrinolyse kommt heute zunehmend
auch die lokale Fibrinolysetherapie mittels eines vor den Thrombus bzw. Embolus platzierten Katheters zum Einsatz ( 1 A-8.12). Die perkutane transluminale Angioplastie (PTA) in Kombination mit einer lokalen Fibrinolysetherapie gewinnt bei der Therapie der chronisch-arteriellen Verschlusskrankheit zunehmend an Bedeutung. Eine lokale intraarterielle Fibrinolyse hirnversorgender Arterien befindet sich noch im Stadium der experimentellen Therapie. Erste Erfolge konnten bei vertebrobasilären Verschlüssen, Verschlüssen im Karotisstromgebiet und Zentalarterien- oder Zentralarterienastverschlüssen erzielt werden.
Merke
Die rasche Diagnosestellung bei venösen Becken-Beinvenenthrombosen erfolgt mittels Phlebographie.
Techniken. Zum Einsatz kommen systemische Fibrinolyse π lokale Fibrinolyse ( 1 A-8.12). π
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170 1 A-8.12
8 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
Fibrinolysetherapie bei Beinvenenthrombose rechts
a Frische rechtsseitige venöse Thrombosierung der V. femoralis und V. saphena magna.
b Nach 3-tägiger Fibrinolysetherapie mit Streptokinase teilweise Wiedereröffnung der V. saphena, jedoch nicht der V. femoralis.
c Nach 6-tägiger Fibrinolysetherapie vollständige Wiedereröffnung der V. saphena und V. femoralis; phlebographische Dokumentation der intakten Venenklappen.
48-jährige Patientin mit Z. n. 2-wöchiger Immobilisation aufgrund eines grippalen Infektes.
Therapieschemata. Die systemische Lyse bei Becken-Beinvenenthrombosen kann als π konventionelle StreptokinaseTherapie π oder ultrahochdosierte Streptokinase-Therapie π oder konventionelle UrokinaseTherapie π oder als rt-PA-Therapie erfolgen.
Therapieschemata. Systemische Lyse bei Becken-Beinvenenthrombosen:
Die Lysetherapie bei akutem Herzinfarkt (systemische Notfall-Lyse) erfolgt mit rt-PA. Ab dem 2. Behandlungstag wird bei konventioneller Streptokinase- und Urokinasetherapie zusätzlich Heparin verabreicht.
Lysetherapie bei akutem Herzinfarkt (systemische Notfall-Lyse): initiale Gabe von 15 mg rt-PA i.v. als Bolus über 2 Minuten, anschließend zunächst Infusion von 50 mg rt-PA über 30 Minuten, dann Infusion von 35 mg rt-PA über 1,5 Stunden (= sog. »2-Stunden-Lyse«). Bei den konventionellen Streptokinase- und Urokinase-Dosierungsschemata wird im Allgemeinen ab dem 2. Lysetag (bei rückläufiger Verlängerung der zur Kontrolle eingesetzten Thrombinzeit) zusätzlich Heparin verabreicht. Die Dosierung des Heparins beträgt je nach Thrombinzeit, PTT oder auch Reptilasezeit 15 000–20 000–30 000 IE/24 h, wobei sich die jeweilige Heparindosis an der ausreichenden oder unzureichenden Verlängerung von Thrombinzeit oder PTT orientieren muss. Dieser Gesichtspunkt gilt besonders für niedriger dosierte Urokinase- oder rt-PA-Lysetherapien.
Bei der lokalen Fibrinolyse erfolgt initial die Applikation von Heparin, eine Kompressionstherapie und Hochlagerung der Extremität. Um das Fibrinolytikum am Wirkort der phlebographisch lokalisierten Thrombose zu konzentrieren, werden am Bein verschiedene »Staustufen« mit unterschiedlichen Druckmanschetten und unterschiedlichen Drücken eingerichtet.
Lokale Fibrinolysetherapie: Nach Sicherung der Diagnose erhalten alle Patienten sofort Heparin intravenös (30 000 IE/24 Stunden), eine Kompressionstherapie (Thrombosestrümpfe) sowie eine Hochlagerung der betroffenen Extremität. Um das Fibrinolytikum am Wirkort der phlebographisch lokalisierten Thrombose zu konzentrieren, werden am Bein verschiedene »Staustufen« mit unterschiedlichen Druckmanschetten und unterschiedlichen Drücken eingerichtet, wobei der proximale Abfluss zumindest teilweise offen sein muss, da der freie Blutfluss eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Lyse ist. So kommen bei einer Oberschenkelvenenthrombose drei verschiedene Stauebenen in Frage: auf der Höhe des Knöchels, der
π
π
π
π
konventionelle Streptokinase-Therapie mit initial 250 000 IE/20–30 Minuten, dann Erhaltungsdosis von 100 000 IE/h i.v. über 3–6 Tage alternativ ultrahochdosierte Streptokinase-Therapie mit 1,5 Mio. IE/h i.v. in 1–3 Zyklen über 6 Stunden alternativ konventionelle Urokinase-Therapie mit initial 500 000 IE/20 Minuten, dann Erhaltungsdosis von 100 000 IE/h i.v. über 7–14 Tage. alternativ Lysetherapie mit rt-PA mit initial 5–15 mg/1–2 Minuten, dann Erhaltungsdosis von ca. 0,3–0,5 mg/kg KG/d über 7 Tage.
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8.4.4 Fibrinolysetherapie Boyd- und der Dodd-Perforansvenen, wobei Kinder-, Normal- und Großmanschetten eingesetzt werden. Die Patienten erhalten pro Lysezyklus innerhalb von 8 Stunden 20 mg Alteplase zusammen mit 8 000 IE Heparin über einen venösen Zugang am Fußbzw. Handrücken. Zwischen den einzelnen Zyklen wird Heparin intravenös in einer Dosis von ca. 1500–2000 IE pro Stunde gegeben, bzw. anhand der Verlängerung der PTT gesteuert, bis diese auf das 1,5- bis 2fache der Norm verlängert ist. Nach dem ersten Behandlungszyklus wird die Therapie am nächsten Tag wiederholt, danach erfolgt eine phlebographische Kontrolle. Bleibt der Lyseerfolg aus, so folgen weitere Zyklen, bei denen die rt-PA-Dosis auf 40 mg pro Zyklus erhöht werden kann.
Pro Lysezyklus werden Alteplase und Heparin über einen venösen Zugang am Fuß- bzw. Handrücken appliziert. Zwischen den Zyklen wird Heparin PTT-gesteuert verabreicht.
Therapiekontrolle. Die Kontrolle der Fibrinolysetherapie erfolgt durch Messung der Fibrinspaltprodukte und der Thrombinzeit (Ziel 2–3fache Erhöhung gegenüber dem Ausgangswert) unter gleichzeitiger Kontrolle der PTT (Ziel 1,5–2fache Erhöhung gegenüber dem Ausgangswert) und des Quickwertes. Bei gleichzeitiger Gabe von Fibrinolytika und Heparin können fibrinolytischer Effekt und Heparinwirkung durch die parallele Bestimmung von Thrombinzeit und Reptilasezeit voneinander abgegrenzt werden: Heparin verlängert die Thrombinzeit, nicht jedoch die Reptilasezeit, während Fibrinolytika sowohl Thrombinzeit als auch Reptilasezeit verlängern.
Therapiekontrolle. Die Kontrolle der Fibrinolysetherapie erfolgt durch Messung der Fibrinspaltprodukte und der Thrombinzeit unter gleichzeitiger Kontrolle der PTT und des Quickwertes.
Nachbehandlung. Nach fibrinolytischer Therapie eines akuten Herzinfark-
Nachbehandlung π Z.n. Herzinfarkt: Cumarinderivat oder ASS π Z.n. arteriellem Verschluss: Cumarinderivat oder ASS π Z.n. venöser Thrombose: Cumarinderivat π Z.n. Lungenembolie: Cumarinderivat.
Kontraindikationen. Entscheidend für den Erfolg einer fibrinolytischen
Kontraindikationen. Absolute Kontraindikationen sind: π hämorrhagische Diathese π gastroduodenale Ulzera π Hämaturie π manifeste Hypertonie π Retinopathia diabetica III–IV π vorausgegangene enzephalomalazische Insulte π Mitralvitien mit nachgewiesenen Vorhofthromben π Z.n. frischen operativen Eingriffen π Z.n. konventioneller Arteriographie π Gravidität im 1. Trimenon.
Zu den relativen, wenig beachteten Kontraindikationen gehören intramuskuläre Injektionen während der zurückliegenden 7 Tage, wobei in diesen Fällen individuell über das Vorgehen entschieden werden muss.
Relative Kontraindikationen sind eine intramuskuläre Injektion während der zurückliegenden 7 Tage.
tes sowie nach lokaler oder systemischer Thrombolyse arterieller Verschlüsse erfolgt entweder unter überlappender Heparintherapie die Einstellung auf ein Cumarinderivat (Ziel: Quick 15–30 %) oder die Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS) 100 mg/d. Nach fibrinolytischer Behandlung venöser Thrombosen, v.a. im BeinBeckenbereich, wird eine mindestens 3-monatige Cumarintherapie angeschlossen. Bei schlechtem Erfolg der Fibrinolyse mit noch bestehenden Thrombosen kann eine Cumarintherapie von bis zu mehreren Jahren notwendig werden. Die Gabe von ASS ist hier wirkungslos! Auch nach einer Lungenembolie erfolgt die Durchführung einer Cumarinprophylaxe für 3–6 Monate.
Therapie ist auch die Beachtung der Kontraindikationen, die für alle Fibrinolytika gelten. Absolute Kontraindikationen sind: π hämorrhagische Diathese π gastroduodenale Ulzera π Hämaturie π manifeste Hypertonie (fixierte diastolische Werte > 110 mmHg oder Fundus hypertonicus III–IV) π Retinopathia diabetica III–IV π vorausgegangene enzephalomalazische Insulte π Mitralvitien mit nachgewiesenen Vorhofthromben π Z.n. frischen operativen Eingriffen (in Abhängigkeit von Art und Dauer; Fibrinolyse meist erst nach 12 Tagen möglich) π Z.n. konventioneller Arteriographie (Fibrinolyse nach 7 Tagen möglich) π Gravidität im 1. Trimenon (Gefahr eines Aborts).
Fibrinolytischer Effekt und Heparinwirkung können durch die parallele Bestimmung von Thrombinzeit und Reptilasezeit voneinander abgegrenzt werden.
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8 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
Inhibitorentherapie bei Hyperfibrinolyse Indikation zur Verabreichung von Aprotinin oder Tranexamsäure ist vor allem die hyperfibrinolytische Blutung, z.B. nach Einsatz der Herz-LungenMaschine.
8.4.5
8.4.6
8.4.6
8.4.5
Substitution von Gerinnungsinhibitoren bei Inhibitorenmangel
Einer durch AT-III-Mangel induzierten Thrombosegefahr kann durch AT-IIISubstitution entgegengewirkt werden.
Auch bei Protein-C- oder Protein-SMangel kann eine entsprechende Substitution die Entstehung einer Thrombose verhindern.
8.4.7
Thrombozytenfunktionshemmer
Sie wirken der Thromboseneigung durch gesteigerte Thrombozytenfunktion, besonders im arteriellen Gefäßsystem, entgegen. Am wirksamsten ist die Acetylsalicylsäure (ASS). Tägliche Gaben von 100 mg ASS schützen vor zerebralen Durchblutungsstörungen und Herzinfarkt. Auch als Rezidivprophylaxe nach Operationen peripherer arterieller Gefäße ist ASS in der genannten Dosierung wirksam.
Nebenwirkungen. ASS kann zu einer erosiven Gastritis führen. Auch in anderen Bereichen (z.B. Darm) können Blutungskomplikationen auftreten, jedoch deutlich seltener als bei Heparin- oder Cumarintherapie. Merke
Inhibitorentherapie bei Hyperfibrinolyse
Fibrinolytische Blutungen können mittels Antifibrinolytika zum Stehen gebracht werden. Im Bereich der Chirurgie sind vor allem die hyperfibrinolytischen Blutungen nach Einsatz der Herz-Lungen-Maschine eine Indikation zum Einsatz der Fibrinolysehemmer Aprotinin (z.B. TrasylolQ), ein Serinproteaseninhibitor, und Tranexamsäure (z.B. Ugurol). Das Aprotinin wird wegen seiner gleichzeitig plättchenstabilisierenden Wirkung seit einigen Jahren vermehrt bei Operationen, insbesondere in der Thoraxchirurgie, eingesetzt.
Substitution von Gerinnungsinhibitoren bei Inhibitorenmangel
Besonders bei vorangegangenen Verbrauchskoagulopathien oder Leberschäden kann es zum Antithrombin-III-Mangel (< 70 %) kommen, der wiederum eine vermehrte Thrombosegefahr darstellt. Hierbei ist heute eine Antithrombin-III-Substitution möglich, um einen solchen Inhibitorenmangel und die daraus resultierende Thromboseneigung zu verhindern. Bei AT-IIISubstitution (z.B. mit KyperninQ) bewirkt die Gabe von 1 IE/kg KG eine Anhebung des AT-III-Spiegels um 1 %. In gleicher Weise können heute auch andere Gerinnungsinhibitoren, deren Mangel (angeboren oder bei Leberschaden) zu einer Thromboseneigung führt (Protein-C-Mangel, Protein-S-Mangel), durch entsprechende therapeutische Präparate substituiert werden. Die jeweilige Indikationsstellung sollte sich an entsprechenden Spezialanalysen orientieren.
8.4.7
Thrombozytenfunktionshemmer
Eine krankhaft gesteigerte Thrombozytenfunktion kann wesentlich zur Thromboseneigung, besonders im Bereich des arteriellen Gefäßsystems beitragen. Thrombozytenfunktionshemmer sind also in der Lage, die dadurch ausgelöste Thromboseneigung antithrombotisch zu beeinflussen. Am bekanntesten und weltweit am besten untersucht ist als Thrombozytenfunktionshemmer die Acetylsalicylsäure (ASS). Acetylsalicylsäure (ASS) hemmt die Zyklooxygenase, so dass die thrombosefördernde Substanz Thromboxan weniger gebildet wird, d.h. antithrombotischer Effekt erreicht wird. Zwischenzeitlich konnte in großen klinischen Studien nachgewiesen werden, dass die tägliche Gabe von 100 mg Acetylsalicylsäure einen wirksamen Schutz gegen das Auftreten einer zerebralen Zirkulationsstörung oder eines Herzinfarktes darstellt. Aber auch nach der Operation peripherer Gefäße wird als Rezidivprophylaxe Acetylsalicylsäure verabreicht. Im venösen Bereich ist die Acetylsalicylsäure allerdings weniger wirksam und sollte daher in der Prophylaxe venöser Thrombosen nicht eingesetzt werden, da hierbei Heparin und Cumarine deutlich überlegen sind. Weitere Thrombozytenfunktionshemmer sind: Dextran (wird intravenös verabreicht, z.B. bei Thrombosen im Bereich des Augenhintergrundes), Dipyridamol und Ticlopidine.
Nebenwirkungen. ASS kann zu einer erosiven (hämorrhagischen) Gastritis
führen. Auch in anderen Bereichen (z.B. Darm) können Blutungskomplikationen auftreten, jedoch deutlich seltener als bei Heparin- oder Cumarintherapie.
n Merke. ASS sollte 5 Tage vor operativen Eingriffen abgesetzt werden, da die ASS-induzierte Blutungsneigung nach Absetzen noch mindestens 5 Tage andauert.
Bei prädisponierten Patienten kann es zur Auslösung eines Bronchospasmus (asthmoide Überempfindlichkeitsreaktion) kommen. Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
8.4.7 Thrombozytenfunktionshemmer
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Antagonisierung von ASS präoperativ durch Desmopressin (DDAVP)
Antagonisierung von ASS präoperativ durch Desmopressin (DDAVP)
Eine Normalisierung der Thrombozytenfunktion wurde bei Patienten mit ASS-induzierter Thrombopathie unter DDAVP-Gabe mehrfach beschrieben. Die Normalisierung der Plättchenfunktion erfolgte schon eine Stunde nach i.v. Gabe von DDAVP (0,3 mg/kg KG), d.h. eine Ampulle pro 10 kg Körpergewicht. In gleicher Weise kann die Gabe von Desmopressin (MinirinQ) nicht nur bei ASS-Therapie antagonistisch wirken, sondern auch beim Von-Willebrand-Syndrom die Plättchenfunktion normalisieren.
Durch Gabe von DDAVP kann eine Normalisierung der Thrombozytenfunktion erreicht werden.
Neuere Thrombozytenfunktionshemmer nach kardiovaskulären Eingriffen
Neuere Thrombozytenfunktionshemmer nach kardiovaskulären Eingriffen
Der Einsatz der neueren Plättchenfunktionshemmer erfolgt zur Zeit vorwiegend noch im kardiologischen Bereich. Nach Stent-Implantationen, nach Einsatz von Gefäßprothesen usw. wird sich die Therapie mit diesen neueren Thrombozytenfunktionshemmern in absehbarer Zeit auch im kardiovaskulären chirurgischen Bereich durchsetzen, wobei erste Studien positive Ergebnisse signalisieren ( 1 A-8.13).
Der Einsatz der neueren Plättchenfunktionshemmer erfolgt zur Zeit vorwiegend noch im kardiologischen Bereich.
1 A-8.13
Synopsis Sequenzielle Schritte der Plättchenaktivierung und ihre pharmakologische Beeinflussung durch Acetylsalicylsäure (ASS), Thienopyridine (Ticlopidin, Clopidogrel) und GP-IIb-IIIa-Antagonisten (Abciximab, Integrilin, Tirofiban)
endotheliale Dysfunktion
GP Ib-IX vWF GP IIb-IIIa
Plättchenadhäsion Clopidogrel Ticlopidin
ADP Plättchenaktivierung
ASS
TXA2 Plättchensekretion
GP IIb-IIIa
Plättchenaggregation
Abciximab Integrilin Tirofiban
GP = Glykoprotein vWF = von-Willebrand-Faktor ADP = Adenosindiphosphat TXA2 = Thromboxan A2 (nach Schrör 1998).
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Chirurgische Diagnostik
9
9
Chirurgische Diagnostik
Michael Dürig Die chirurgische Diagnostik umfasst: π die Erhebung der Vorgeschichte einschließlich der aktuellen Beschwerden π die gezielte Untersuchung des lokalen Krankheitsbefundes π die allgemeine körperliche Untersuchung π die befundbezogene bildgebende Untersuchung π die endoskopische Darstellung des krankhaften Befundes π die Beurteilung der Operabilität und Überprüfung der Operationsindikation.
9.1
Anamnese
Aus dem ersten Kontakt zwischen Arzt und Patient ergeben sich wichtige psychodynamische Interaktionen, die das weitere Verhältnis wesentlich bestimmen. Erst durch Vertrauen in die ärztliche Fachkompetenz als auch durch die persönliche Akzeptanz wird der Patient die Compliance gewährleisten, die unabdingbare Voraussetzung jeder Therapie ist. Der Kontakt zwischen Arzt und Patient wird am schnellsten aufgebaut, wenn der Patient den Grund seines Arztbesuches, nämlich die aktuellen Beschwerden, zuerst frei schildern kann und später auf die π persönliche Anamnese π Familienanamnese π das soziale Umfeld eingegangen wird. n Merke. Der exakten Anamneseerhebung ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen, da ca. 50 % aller Diagnosen aufgrund der Anamnese und 30 % aufgrund der klinischen Untersuchung gestellt werden.
9.1.1
Aktuelle Beschwerden
Sie umfasst die π Erhebung der Vorgeschichte einschließlich der aktuellen Beschwerden π gezielte Untersuchung des lokalen Krankheitsbefundes π die allgemeine körperliche Untersuchung π die befundbezogene bildgebende Untersuchung π die endoskopische Darstellung des krankhaften Befundes π die Beurteilung der Operabilität. 9.1
Anamnese
Zunächst sollte der Patient seine aktuellen Beschwerden frei schildern, danach sollte auf die π persönliche Anamnese π die Familienanamnese π das soziale Umfeld eingegangen werden. Merke
9.1.1
Aktuelle Beschwerden
Schmerzen
Schmerzen
Für die Beurteilung von Schmerzangaben geben der Beginn, die Intensität, der Schmerzverlauf (Dauerschmerz, rezidivierender Schmerz), die Lokalisation, die Schmerzausstrahlung und gegebenenfalls Begleitsymptome richtungweisende Anhaltspunkte für die differenzialdiagnostischen Überlegungen. Bei der Beurteilung von Schmerzempfindungen muss berücksichtigt werden, dass sie über zwei Systeme vermittelt werden.
Der viszerale Schmerz wird über die Fasern des vegetativen Nervensystems aus Eingeweiden und Peritoneum viscerale vermittelt. Hauptursachen sind rasche, massive Druckerhöhung oder Ischämie in Hohlorganen, Kapselspannung parenchymatöser Organe sowie intensive Kontraktionen der glatten Muskulatur. Zu den vegetativen Nebenerscheinungen gehören Unruhe, Nausea, Erbrechen, Blässe und Schwitzen. Die Schmerzempfindung ist diffus und nicht organbezogen ( 1 A-9.1 a). Der somatische Schmerz findet seine Ursache im Peritoneum parietale und dem Mesenterialansatz. Die Schmerzleitung erfolgt segmental und seitengetrennt und kann gut lokalisiert werden ( 1 A-9.1 b). Durch Bewegung und Palpation kann eine Intensivierung des Schmerzes ausgelöst werden. Ursache ist eine lokale Reizung des Peritoneums oder Mesenterialansatzes (z.B. Entzündung, Tumorinfiltration, Verletzung).
Viszeraler Schmerz: Er wird über die Fasern des vegetativen Nervensystems aus Eingeweiden und Peritoneum viscerale vermittelt. Hauptursachen sind rasche, massive Druckerhöhung oder Ischämie in Hohlorganen, Kapselspannung parenchymatöser Organe sowie intensive Kontraktionen der glatten Muskulatur. Zu den vegetativen Nebenerscheinungen gehören Unruhe, Nausea, Erbrechen, Blässe und Schwitzen. Die Schmerzempfindung ist diffus und nicht organbezogen ( 1 A-9.1 a). Somatischer Schmerz: Er findet seine Ursache im Peritoneum parietale und dem Mesenterialansatz. Die Schmerzleitung erfolgt segmental, seitengetrennt und kann gut lokalisiert werden ( 1 A-9.1 b). Durch Bewegung und Palpation kann eine Intensivierung des Schmerzes ausgelöst werden. Ursache ist eine lokale Reizung des Peritoneums oder Mesenterialansatzes (z.B. Entzündung, Tumorinfiltration, Verletzung).
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9 Chirurgische Diagnostik
1 A-9.1
Synopsis Schmerzleitungsbahnen
Von den Bauchorganen ausgehende Schmerzqualitäten sind der (a) viszerale Anfangs- und der somatische (b) Folgeschmerz. Die Schleimhautentzündung des Wurmfortsatzes ist Ursache des viszeralen Oberbauchschmerzes. Erreicht die Entzündung die Serosa der Appendix, tritt über den Peritonealreiz der somatische Schmerz im rechten Unterbauch auf.
a
b
1 A-9.2 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Synopsis Zuordnung der Head-Zonen zu Organen
Zwerchfell (C 4 ) Herz /Th3–4 ) Ösophagus (Th4–5 ) Magen (Th8 ) Leber–Gallenblase (Th8–11 ) Dünndarm (Th10 ) Dickdarm (Th11 ) Harnblase (Th11 –L 1 ) Niere und Hoden (Th10 –L 1 )
1
Th 4
2 3
Th 8 4 Th 10 Th 12 L1
5 6 7 8 9
Übertragene Schmerzen (referred pain) sind Schmerzreize, die von inneren Organen auf entsprechende Dermatome der Haut (Head-Zonen) projiziert und dort fälschlicherweise empfunden werden (Abb. A-9.2).
Da afferente, vegetative Fasern aus den inneren Organen mit den afferenten somatischen Fasern aus entsprechenden Dermatomen gemeinsam in das Hinterhorn einstrahlen, können Schmerzreize auf entsprechende Dermatome der Haut (Head-Zonen) projiziert und dort fälschlicherweise als übertragener Schmerz (referred pain) empfunden werden (Abb. A-9.2).
Funktionsstörungen
Funktionsstörungen
Hierzu gehören Unregelmäßigkeiten des willkürlichen Systems, als auch Funktionsstörungen des vegetativen Systems.
Hierzu gehören Unregelmäßigkeiten des willkürlichen Systems wie Gang, Körperhaltung und Kraftübertragung auf die Muskulatur als auch Funktionsstörungen des vegetativen Systems wie Atmung, Verdauung, Miktion und Kreislauf.
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9.1.1 Aktuelle Beschwerden
Erbrechen
Erbrechen
n Definition. Unter Erbrechen (Vomitus) wird der retrograde Transport von Magen- oder Dünndarminhalt über Speiseröhre und Mund nach außen verstanden. Der Vorgang wird durch Übelkeit (Nausea) und Würgen eingeleitet.
Abdominalerkrankungen und Störungen anderer Organsysteme können akutes oder chronisches Erbrechen verursachen. Um das klinische Bild einer Erkrankung zuordnen zu können, ist es wichtig, Qualität und Quantität des Erbrochenen zu erfassen ( 2 A-9.1).
2 A-9.1
Definition
Die Qualität und Quantität des Erbrochenen können dem klinischen Bild einer Erkrankung zugeordnet werden ( 2 A-9.1).
Erbrechen bei gastrointestinalen Passagehindernissen in Relation zur Lokalisation des Hindernisses
Zeitpunkt des Erbrechens
Passagehindernis
Aussehen/Geruch des Erbrochenen
N bei Nahrungsaufnahme n
n Ösophaguskarzinom N N peptische Ösophagusstriktur n N Achalasie n
unverdaute Nahrung/ neutral
N während oder direkt nach n den Mahlzeiten
n Ulcus ad pylorum N N psychogen n
angedaute Nahrung/ sauer
N bis 1 h postprandial n
N Syndrom der zuführenden n und abführenden Schlinge
angedaute Nahrung/ gallig
N Intervalle bis 12 h n
n Postvagotomiestase N N stenosierendes Magenkarzinom n N Duodenalstenose n
angedaute Nahrung/ gallig-faulig
N Intervall > 12 h n
n Magenausgangsstenose N N diabetische Gastroparese n N Dünndarmileus n
alte Nahrungsreste/ faulig-fäkulent
Zeitintervall zwischen Erbrechen und Nahrungsaufnahme Erbrechen während oder kurz nach der Nahrungsaufnahme spricht für psychogenes Erbrechen, kann jedoch auch bei Patienten mit einem pylorusnahen peptischen Ulkus beobachtet werden. Verzögertes Erbrechen (> 1 Stunde nach Nahrungsaufnahme) ist, insbesondere wenn es wiederholt auftritt, charakteristisch für eine Magenausgangsstenose oder eine Motilitätsstörung des Magens (z.B.: Diabetes mellitus, Gastroparese nach Vagotomie), während Erbrechen 12 Stunden nach der Nahrungsaufnahme ein sicherer Hinweis auf eine Magenausgangsstenose oder Magenatonie ist. Morgendliche Übelkeit und Erbrechen vor der Nahrungsaufnahme sind Zeichen einer bestehenden Schwangerschaft, können jedoch auch bei Patienten nach einer totalen Gastrektomie, bei einer Urämie, erhöhtem Hirndruck und bei Alkoholikern auftreten.
Wichtig sind: das Zeitintervall zwischen Erbrechen und Nahrungsaufnahme π eine Schmerzlinderung nach dem Erbrechen π die Zusammensetzung des Erbrochenen π der Geruch des Erbrochenen. π
Schmerzlinderung Schmerzlinderung nach dem Erbrechen ist vornehmlich bei der peptischen Ulkuskrankheit zu beobachten. Schmerzen, die ihre Ursache in einer Pankreatitis oder im biliären System finden, lassen hingegen nicht nach.
Zusammensetzung Die Zusammensetzung des Erbrochenen kann wesentliche Hinweise auf die Ursache geben, Beimengungen von Nahrungsresten deuten auf eine Magenausgangsstenose, Motilitätsstörung des Magens oder einen hohen Dünndarmverschluss hin. Vollständig unverdaute Nahrungsreste beruhen in
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9 Chirurgische Diagnostik der Regel auf einer Ösophagusstenose (z.B. Karzinom, Achalasie) oder einem Zenker-Divertikel. Beimengung von Galle lässt eine Magenausgangsstenose oder einen proximalen Verschluss des Duodenums ausschließen. Bluterbrechen (Hämatemesis), sei es in frischer oder hämatinisierter Form (Kaffeesatzerbrechen), deutet auf eine obere gastrointestinale Blutung hin.
Geruch Ein fäkulenter Geruch kann durch einen Ileus, eine gastrokolische Fistel, eine Dünndarmischämie oder eine Magenausgangsstenose mit bakterieller Überwucherung verursacht werden.
Dysphagie
Dysphagie
n Definition. Die Dysphagie ist eine schmerzlose Behinderung des Schluckakts. Schmerzen beim Schlucken wird als Odynophagie bezeichnet.
Definition
Von chirurgischer Bedeutung ist die ösophageale Dysphagie, bei der das Passagehindernis im Ösophagus liegt und immer an ein Ösophaguskarzinom gedacht werden muss ( 2 A-9.2).
2 A-9.2
Von chirurgischer Bedeutung ist die ösophageale Dysphagie, bei der das Passagehindernis im Ösophagus liegt, wobei immer an ein Ösophaguskarzinom gedacht werden muss ( 2 A-9.2).
Ursachen von Dysphagien
Mechanische Läsionen
Neuromuskuläre Motilitätsstörungen
Schleimhautläsionen (Odynophagie)
N Ösophagustumoren n
N neurogene und myogene Funktionsn störungen
N Ösophagusulkus n
N mediastinale Prozesse n N peptische Stenosen n N Narben, Membranen n N Zenker-Divertikel n
N Achalasie n
N Ösophagitis n
N diffuser Ösophagusspasmus n N Kollagenosen n
N Osteophyten n N Hiatushernie n
Bei einer Dauer von wenigen Wochen besteht der Verdacht auf einen malignen Prozess.
Bei einer Dauer von mehr als einem Jahr ist ein Karzinom eher unwahrscheinlich. Demgegenüber besteht bei Beschwerden von wenigen Wochen der dringende Verdacht auf einen malignen Prozess, insbesondere dann, wenn beim Schluckakt zusätzlich Schmerzen auftreten.
Singultus
Singultus
Er ist in der Regel harmlos. Jedoch kann er auch Ausdruck einer schweren Erkrankung sein. Ursache sind meist zwerchfellnahe Prozesse wie ein subphrenischer Abszess, eine Cholangitis, eine Magendilatation, eine Hiatushernie, Pleuritis oder Perkarditis.
Er ist in der Regel harmlos. Peripher ausgelöst und damit oft therapierefraktär kann er Ausdruck einer schweren Erkrankung sein. Ursache sind meist zwerchfellnahe Prozesse, wie ein subphrenischer Abszess, eine Cholangitis, eine Magendilatation, eine Hiatushernie, Pleuritis oder Perikarditis. Er kann jedoch auch erstes Zeichen einer intraabdominalen Sepsis (z.B. Anastomoseninsuffizienz) sein.
Gastrointestinale Blutung
Gastrointestinale Blutung
Man unterscheidet obere von unteren gastrointestinalen (GI) Blutungen. 90 % aller GI-Blutungen entwickeln sich oberhalb des Treitz-Bandes (= obere GI-Blutung), nur 10 % distal davon (= untere Blutung) ( 2 A-9.3). Blutungen des Gastrointestinaltraktes treten in 5 unterschiedlichen Manifestationsarten auf ( 1 A-9.3).
Blutungen des Magen-Darm-Traktes werden in obere und untere gastrointestinale (GI) Blutungen eingeteilt. Zu den oberen GI-Blutungen werden alle Blutungen proximal des Treitz-Bandes gerechnet. Sie machen ca. 90 % aller GI-Blutungen aus. Alle Blutungen distal des Treitz-Bandes zählen zu den unteren GI-Blutungen ( 2 A-9.3). Eine genaue Blutungsanamnese ist, da diagnostisch richtungweisend, unerlässlich. Neben Dauer, Häufigkeit, Menge und Farbe der Blutung ist gezielt nach Bluterbrechen oder Absetzen von
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9.1.2 Persönliche Anamnese Teerstuhl zu fragen, da je nach Lokalisation und Stärke der Blutung diese in unterschiedlichen Manifestationsarten auftritt ( 1 A-9.3).
2 A-9.3
Blutungsquellen und ihre Häufigkeit
Obere GI-Blutungen 50 % 30 % 10 % 5%
Ulcus ventriculi/duodeni erosive Gastritis Ösophagusvarizen Mallory-Weiss-Syndrom Ï Ösophagus-/Magenkarzinom Ösophagusdivertikel 5 % Ì Ösophagusverletzungen Ösophagitis Ó u.a. seltene Ursachen
Untere GI-Blutungen (s. S. 330, 333) (s. S. 325) (s. S. 533) (s. S. 321) (s. S. 297, 345) (s. S. 293) (s. S. 289) (s. S. 281)
(s. S. 439) (s. S. 394) Angiodysplasien (s. S. 426) Morbus Crohn, Colitis ulcerosa (s. S. 366, 399) Kolon-/Rektumkarzinom (s. S. 409) 20 % Ì Analfissuren (s. S. 447) Mesenterialinfarkt (s. S. 906) infektiös: z.B. Shigellen, Salmonellen Ó u.a. seltene Ursachen
80 %
Hämorrhoiden
Ï Divertikulose
Hämatemesis ist Erbrechen frischen, hellroten oder braunen, bereits präzipitierten (»Kaffeesatz«) Blutes. Alleiniges Kaffeesatzerbrechen deutet auf eine relativ geringgradige Blutung proximal des Pylorus oder eine massive Blutung distal des Pylorus hin. Hierbei fließt das Blut jedoch vorwiegend in den Dünndarm und das Kolon ab. Als Meläna wird der peranale Abgang schwarz gefärbten Blutes bezeichnet (Teerstuhl). Die Schwarzfärbung beruht auf der bakteriellen Umwandlung des Blutes im Dickdarm. Sie darf nicht auf exogene Einflüsse wie z.B. Eisensubstitution oder eine Wismuttherapie zurückgeführt werden. Teerstuhl findet sich meist bei oberen GI-Blutungen, kann bei verlängerter Darmpassage aber auch bei unteren GI-Blutungen vorkommen. Hämatochezie ist der peranale Abgang von Frischblut in Form von Blutkoageln, blutigen Diarrhöen oder Blutbeimengungen im Stuhl. In der Regel tritt sie bei unteren GI-Blutungen auf, aber auch massive Blutungen des oberen Gastrointestinaltrakts können zur Hämatochezie führen. Eine okkulte Blutung ist Zeichen eines chronischen Blutverlusts und wird häufig durch Neoplasmen (z.B. Kolonkarzinom) ausgelöst. Bei der okkulten Blutung kann der Blutverlust nur durch chemischen Nachweis gesichert werden. Schließlich kann eine Blutung ohne objektivierbare Zeichen vorliegen und sich nur durch die Symptome des Blutverlustes manifestieren (Kollaps, Dyspnoe, Angina oder Schock). Hinsichtlich der Altersverteilung gastrointestinaler Blutungen ist beim Kind primär an eine Invagination, Meckel-Divertikel oder einen Ileus zu denken, beim jungen Erwachsenen an einen Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Polypen oder Hämorrhoiden und beim älteren Erwachsenen (> 60 Jahre) an Angiodysplasien, Hämorrhoiden, eine Divertikulose oder an eine ischämische Darmerkrankung.
9.1.2
Persönliche Anamnese
Nach Erfassung der führenden Symptome sollte der Patient frühere Erkrankungen und deren Folgezustände einschließlich Kinderkrankheiten schildern. Aus chirurgischer Sicht sind insbesondere vorausgegangene Operationen und gegebenenfalls deren Komplikationen von Bedeutung. Darüber hinaus muss sich der Chirurg über evtl. Risikofaktoren wie Alkohol-, Nikotin-, Drogen-, Medikamentenabusus und Allergien informieren. Die persönliche Anamnese wird durch Fragen über die familiären, beruflichen (Berufskrankheiten) und sozialen Verhältnisse vervollständigt.
Hämatemesis ist Erbrechen von frischem, hellroten ober braunen, bereits präzipitierten (»Kaffeesatz«) Blut π Als Meläna wird der peranale Abgang schwarz gefärbten Blutes bezeichnet (Teerstuhl). π Hämatochezie ist der peranale Abgang von Frischblut in Form von Blutkoageln, blutigen Diarrhöen oder Blutbeimengungen im Stuhl π okkulte Blutung π Blutung ohne objektivierbare Zeichen, die sich nur durch die Symptome des Blutverlustes manifestieren (Kollaps, Dyspnoe, Angina oder Schock). π
9.1.2
Persönliche Anamnese
Sie bezieht sich auf vorausgegangene Erkrankungen, Operationen und eventuelle Komplikationen, die Risikofaktoren (Drogenabusus, Allergien), Berufskrankheiten und die sozialen Verhältnisse.
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9 Chirurgische Diagnostik
1 A-9.3
Synopsis Lokalisation und Aspekt von Blutungsquellen
Hämatemesis
massive Blutung
Ösophagus
• hellrotes Blut (geringer peranaler Blutabgang)
• Kaffeesatzerbrechen (okkultes Blut im Stuhl)
Magen
• hell- bis dunkelrotes Blut, Koagel möglich (peranaler Blutabgang fakultativ)
• Kaffeesatzerbrechen (Meläna)
Duodenum
• dunkelrotes Blut mit Koageln (peranale Blutabgänge massiv)
• Kaffeesatzerbrechen (Meläna)
Hämatochezie
massive Blutung
a
Familienanamnese
Die Familienanamnese erstreckt sich auf Erbkrankheiten in der Familie, unlängst in der Familie aufgetretene Erkrankungen, das Alter und die Todesursache naher Verwandter.
9.1.3
geringe Blutung
Duodenum
• dunkelrot bis schwarz (geringer peranaler Blutabgang)
Kolon
• hell- bis dunkelrotes Blut
Sigma
• hellrotes Blut mit Tenesmen
• Blutkoagel auf normalem Stuhl oder okkultes Blut
Rektum
• hellrot mit starken Tenesmen
• Blutauflagerungen auf braunem Stuhl (evtl. okkult)
Analkanal
• hellrote Spontanblutung
• Spontanabgang • Kontaktblutung • Nachtropfen
b
9.1.3
geringe Blutung
• geformte Meläna
Familienanamnese
Die Familienanamnese erstreckt sich auf Erbkrankheiten in der Familie, unlängst in der Familie aufgetretene Erkrankungen, das Alter und die Todesursache naher Verwandter.
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9.2.2 Lokalbefund
9.2
Körperliche Untersuchung
9.2
Körperliche Untersuchung
Bei der klinischen Untersuchung ist es vorrangig, die Privatsphäre des Patienten zu respektieren. Entkleiden in unpassender Umgebung muss, ebenso wie die Anwesenheit unbeteiligter Personen, vermieden werden. n Merke. Um kein Misstrauen beim Patienten hervorzurufen, sollten ihm alle Untersuchungen angekündigt und erläutert werden.
9.2.1
Untersuchungsgang
Der Untersuchungsgang beinhaltet folgende Schritte: π Inspektion: Allgemeinzustand, Ernährungszustand, Bewusstseinslage, Atemexkursionen, Hautkolorit, Farbe der Lippen und Fingernägel (Zyanose, Anämie), Symmetrie der Bauchdecken (Hernien, Tumoren), Genitalien, neurologische Ausfälle (z.B. Fallhand bei Radialisparese) π Auskultation: Lunge, Herz, Abdomen, Gefäße π Perkussion: Lunge, Herz, Abdomen (Aszites) π Palpation: bimanuell (Verschieblichkeit pathologischer Befunde gegen die Umgebung oder Unterlage, Schluckakt am Hals bei Schilddrüsenveränderungen), digital (Mund, Rektum, Vagina) π Messungen: Puls, Blutdruck, Atemfrequenz (Vitalzeichen). Temperatur, Körpermaße, Bauchumfang, Umfangsmessung an Extremitäten, Gelenkmessungen (s. Kap. B-27.1.2). n Merke. Jede Untersuchung muss die Symmetrie zahlreicher Organe berücksichtigen und immer im Seitenvergleich erfolgen. Die digitale, rektale Untersuchung ist ungeachtet der primär beklagten Beschwerden unabdingbar.
9.2.2
Lokalbefund
Die Erhebung des Lokalbefundes wird zeitlich von der aktuellen Situation bestimmt. Bei einem Notfallpatienten kann sie, um Zeitverlust zu vermeiden und erforderliche Zusatzuntersuchungen einzuleiten, allen anderen Untersuchungen vorausgehen. n Merke. Bei der Palpation eines schmerzhaften Befundes muss beachtet werden, dass diese immer am Schluss der Untersuchung erfolgt, um durch unnötige Abwehr den weiteren Untersuchungsgang nicht zu behindern.
Diagnose oder Verdachtsdiagnose werden sich aus der Synthese von unspezifischen Befunden (z.B.: Schwellung, Hypertrophie, Krepitation, Fisteln) und spezifischen Befunden (z.B.: Entzündung, Kontusion, Fraktur, Distorsion, Luxation, Tumor) ergeben.
Merke
9.2.1
Untersuchungsgang
Der Untersuchungsgang beinhaltet folgende Schritte: π Inspektion: Allgemeinzustand, Ernährungszustand, Bewusstseinslage, Atemexkursionen, Hautkolorit, etc. π Auskultation: Lunge, Herz, Abdomen, Gefäße π Perkussion: Lunge, Herz, Abdomen (Aszites) π Palpation: bimanuell und digital π Messungen: Puls, Blutdruck, Atemfrequenz (Vitalzeichen) etc.
Merke
9.2.2
Lokalbefund
Die Erhebung des Lokalbefundes wird zeitlich von der aktuellen Situation bestimmt. Bei einem Notfallpatienten kann sie allen anderen Untersuchungen vorausgehen. Merke
Diagnose oder Verdachtsdiagnose werden sich aus der Synthese von unspezifischen Befunden und spezifischen Befunden ergeben.
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182 9.3
9 Chirurgische Diagnostik
Beurteilung der Operabilität
Sie stützt sich auf begleitende pathologische Organveränderungen, allgemeine und organspezifische Risikofaktoren.
Eine grobe Risikoeinschätzung der Morbidität bietet die ASA-Klassifizierung mit der Einteilung in 5 Risikogruppen.
9.3
Beurteilung der Operabilität
Ist ein operativer Eingriff erforderlich, gilt es begleitende pathologische Organveränderungen zu erfassen und sie entsprechend der Dringlichkeit der Operation zu behandeln, um den präoperativen Zustand des Patienten zu verbessern. Neben den allgemeinen Risikofaktoren (s.o.) können organspezifische Risikofaktoren, insbesondere kardiale (z.B. Angina pectoris, abgelaufener Myokardinfarkt) und pulmonale Vorerkrankungen (z.B. obstruktive und restriktive Lungenveränderungen) von Bedeutung sein und weitere Untersuchungen erforderlich machen. Eine grobe Risikoeinschätzung der Morbidität bietet die ASA-Klassifizierung mit der Einteilung in 5 Risikogruppen: π ASA I: gesunder Patient π ASA II: leichte Systemerkrankung π ASA III: schwere Systemerkrankung und Leistungseinschränkung π ASA IV: schwerste Systemerkrankung, konstante Lebensbedrohung π ASA V: moribunder Patient, der voraussichtlich mit und ohne Operation 24 Stunden nicht überlebt.
Die ASA-Klassifikation berücksichtigt nicht Art und Umfang des geplanten Eingriffs. Eine diesbezügliche Risikoerfassung kann nur durch die organbezogene Funktionsanalyse erfolgen.
Dieser Einteilung gelingt es jedoch nicht, das präoperative Risiko der Art und dem Umfang des geplanten Eingriffs zuzuordnen. Aus diesem Grund werden sowohl die Therapieplanung als auch die postoperative Behandlung wesentlich von den aktuellen Organfunktionen des einzelnen Patienten beeinflusst.
Lungenfunktion
Lungenfunktion
Die Häufigkeit pulmonaler Komplikationen beträgt durchschnittlich 5 %. Sie kann sich in Relation zum Eingriff auf 30 % erhöhen. Im Vordergrund stehen hierbei Atelektasen, Bronchospasmen, Sekretretention und die Infektion. Je nach Ausmaß der geplanten Operation kann eine erweiterte Diagnostik erforderlich werden. Hierzu gehören: π Blutgasanalyse (PaO , PaCO und 2 2 O2 -Sättigung) bei Raumluft π Vitalkapazität (VC).
Die Häufigkeit pulmonaler Komplikationen beträgt, bezogen auf alle operativen Eingriffe annähernd 5 %. Vorbestehende Erkrankungen des Respirationstraktes, thorakale Eingriffe, Operationen am oberen Gastrointestinaltrakt oder Kombinationseingriffe erhöhen die Komplikationsrate auf 30 %. Im Vordergrund stehen hierbei Atelektasen, Bronchospasmen, Sekretretention und die Infektion. Da in Abhängigkeit von der Größe des Eingriffs unvermeidlich mit Funktionseinschränkungen unterschiedlichen Ausmaßes zu rechnen ist, kann eine erweiterte Diagnostik erforderlich sein. Hierzu gehören: π Blutgasanalyse (PaO , PaCO und O -Sättigung) bei Raumluft. 2 2 2 π Vitalkapazität (VC).
Grenzwerte: π VC ≥ 90 % π PaO > 70 mmHg. 2
Grenzwerte: π VC ≥ 90 % π PaO > 70 mmHg. 2
Bei Unterschreiten der Grenzwerte ist eine Ganzkörperplethysmographie zur Objektivierung der Ventilationsstörung erforderlich.
Bei Unterschreiten der Grenzwerte ist eine Lungenfunktionsprüfung (Ganzkörperplethysmographie) zur Objektivierung der Ventilationsstörung erforderlich.
Kardiovaskuläre Funktion
Kardiovaskuläre Funktion
Kardiale Vorerkrankungen stellen ein ausgesprochen hohes Risiko dar. In 3 % aller operationsabhängigen Todesfälle liegt eine ischämische Herzerkrankung zugrunde. Folgende Untersuchungen sind sinnvoll: π Belastungs-EKG (Objektivierung einer koronaren Herzkrankheit) π Herzkatheter (bei pathologischem EKG) π Langzeit-EKG (Rhythmusstörungen) π Herzecho (Klappenfunktion, Perikarderguss). Ein zusätzliches Risiko stellt die arterielle Hypertension dar.
Kardiale Vorerkrankungen stellen insbesondere beim älteren Patienten ein ausgesprochen hohes Risiko dar. In 3 % aller operationsabhängigen Todesfälle liegt eine ischämische Herzerkrankung zugrunde. Ein postoperativer Herzinfarkt ist beim Mann in 30 % und bei der Frau zu 25 % letal. Bei entsprechender Anamnese sind folgende Untersuchungen ratsam: π Belastungs-EKG (Objektivierung einer koronaren Herzkrankheit) π Herzkatheter (bei pathologischem EKG) π Langzeit-EKG (Rhythmusstörungen) π Herzecho (Klappenfunktion, Perikarderguss). Ein zusätzliches Risiko stellt die arterielle Hypertension dar (Normwert nach WHO systolisch: ≤ 135, diastolisch: ≤ 85 mmHg). Sie ist bei 10–20 % aller Erwachsener diagnostizierbar und nicht selten Ursache kardiovaskulärer Komplikationen (z.B. Myokardischämie, Schlaganfall).
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9.3 Beurteilung der Operabilität
Nierenfunktion
Nierenfunktion
Als Grenzwerte einer normalen Nierenfunktion gelten: π Kreatinin: < 1,3 mg/dl π Harnstoff: < 20 mg/dl π Kreatininclearance > 40 ml/dl.
Als Grenzwerte einer normalen Nierenfunktion gelten: π Kreatinin: < 1,3 mg/dl π Harnstoff: < 20 mg/dl π Kreatininclearance > 40 ml/dl.
Liegt eine Niereninsuffizienz vor, ist es erforderlich, die ätiologische Klassifikation zu erfassen. Die Ursachen werden unterteilt in: π prärenal (z.B. Hypovolämie, Schock) π renal (z.B. Intoxikation, Medikamente, Myoglobin!, genuine Nierenerkrankungen) π postrenal (z.B. retroperitoneale Fibrose, Blasenmalignome, Tumoren im kleinen Becken, Steine, Prostatahyperplasie).
Die Ursachen der Niereninsuffizienz werden unterteilt in: π prärenal (z.B. Hypovolämie, Schock) π renal (z.B. Intoxikation, Medikamente, Myoglobin!) π postrenal (z.B. retroperitoneale Fibrose, Blasenmalignome).
Leberfunktion
Leberfunktion
Funktionseinschränkungen der primär gesunden Leber sind selten (< 1 %). Sie lassen sich ätiologisch in drei Gruppen einteilen: π Überproduktion von Bilirubin (z.B. hämolytische Anämie, Bluttransfusionen, Resorption großer Hämatome, Sepsis mit Hämolyse [Clostridium perfringens], offene Herzchirurgie) π hepatozelluläre Fehlfunktion (z.B. Hepatitis, totale parenterale Ernährung, Medikamente) π extrahepatische biliäre Obstruktion (z.B. Gallengangsverletzungen, Choledochussteine, postoperative Pankreatitis).
Funktionseinschränkungen der primär gesunden Leber sind selten ( < 1 %). Sie lassen sich ätiologisch in drei Gruppen einteilen: π Überproduktion von Bilirubin (z.B. hämolytische Anämie, Bluttransfusionen, Resorption großer Hämatome) π hepatozelluläre Fehlfunktion (z.B. Hepatitis, Medikamente) π extrahepatische biliäre Obstruktion (z.B. Gallengangsverletzungen, Choledochussteine). Quick (> 60 %), Bilirubin (< 2 mg/dl) und Gesamteiweiß ( > 5 g/dl) geben einen Hinweis auf die aktuelle Leberfunktion, die bei Nachweis einer manifesten Funktionsstörung der Abklärung bedarf.
Weit folgenschwerer können Operationen bei vorbestehenden Lebererkrankungen verlaufen. Zu den Hauptkomplikationen gehören die peri- und postoperative Blutung und die Infektion. Unter den einfachen Laborparametern geben Quick (> 60 %), Bilirubin (< 2 mg/dl) und das Gesamteiweiß (> 5 g/dl) einen Hinweis auf die aktuelle Leberfunktion. Bei Nachweis einer manifesten Funktionsstörung muss eine weitergehende Abklärung erfolgen.
Vorbehandlung
Vorbehandlung
Ziel der präoperativen Risikoerfassung muss es sein, therapeutischen Einfluss auf vorbestehende Erkrankungen nehmen zu können. Pulmonale Störungen im Sinne restriktiver Ventilationsstörungen sind therapeutisch kaum zugänglich. Bei diesen Patienten ist es jedoch sinnvoll, bereits präoperativ die Atemtechnik auf die postoperativen Bedürfnisse anzuleiten (z.B. apparative Unterstützung der Spontanatmung). Liegen obstruktive Lungenerkrankungen (z.B. Asthma, COPD) vor, ist in Abhängigkeit von der Lungenfunktionsprüfung eine medikamentöse antiobstruktive Therapie (b-2-Sympathomimetika, Anticholinergika) in Kombination mit antientzündlichen und sekretolytischen Medikamenten erforderlich. Der Therapieerfolg sollte nach einer Woche durch eine Lungenfunktionskontrolle überprüft werden. Unter den kardialen Risiken nimmt die koronare Herzkrankheit eine hervorragende Stellung ein. Die Vorbereitung einer bereits bekannten Erkrankung wird sich auf die Überprüfung oder Ergänzung der bestehenden Medikation beschränken müssen. Die neu entdeckte Ischämie muss in Abhängigkeit von der Dringlichkeit des Eingriffs einer weiteren Diagnostik gegebenenfalls mit einem Revaskularisationsversuch unterzogen werden. Die präoperative Behandlung einer manifesten Herzinsuffizienz und von Herzrhythmusstörungen sollte dem Kardiologen anvertraut werden. Die Behandlung der Leberfunktionsstörung führt zu einer signifikanten Reduktion der operativen Morbidität und Mortalität. Sie erstreckt sich auf: π die Korrektur von Gerinnungsstörungen (z.B. Vitamin K, fresh-frozen plasma – FFP) π die Verbesserung des Ernährungsstatus (Gesamteiweiß)
Ziel der präoperativen Risikoerfassung muss es sein, therapeutischen Einfluss auf vorbestehende Erkrankungen nehmen zu können. Pulmonale Störungen im Sinne restriktiver Ventilationsstörungen sind therapeutisch kaum zugänglich. Die Patienten können jedoch zu einer geeigneten Atemtechnik angeleitet werden. Liegen obstruktive Lungenerkrankungen vor, ist in Abhängigkeit von der Lungenfunktionsprüfung eine medikamentöse antiobstruktive Therapie in Kombination mit antientzündlichen und sekretolytischen Medikamenten erforderlich. Der Therapieerfolg sollte nach einer Woche durch eine Lungenfunktionskontrolle überprüft werden. Unter den kardialen Risiken nimmt die koronare Herzkrankheit eine hervorragende Stellung ein. Die Vorbereitung einer bereits bekannten KHK beschränkt sich auf eine optimale medikamentöse Einstellung, wohingegen die neu entdeckte Ischämie – je nach Dringlichkeit des Eingriffs – einer weiteren Abklärung bedarf (z.B. Revaskularisationsversuch).
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
184 Die präoperative Behandlung einer manifesten Herzinsuffizienz und von Herzrhythmusstörungen sollte dem Kardiologen anvertraut werden. Die Behandlung der Leberfunktionsstörung führt zu einer signifikanten Reduktion der operativen Morbidität und Mortalität. Sie erstreckt sich auf: π Korrektur von Gerinnungsstörungen π Verbesserung des Ernährungsstatus π Behandlung einer begleitenden Niereninsuffizienz π Therapie eines Infektes. Laboruntersuchungen vor Elektiveingriffen ( 2 A-9.4).
9 Chirurgische Diagnostik π π π
die Behandlung einer begleitenden Niereninsuffizienz das Ausschwemmen eines bestehenden Aszites und die Therapie eines Infektes.
Laboruntersuchungen vor Elektiveingriffen Das Standardprogramm zu bestimmender Laborwerte vor einem Elektiveingriff zeigt 2 A-9.4.
2 A-9.4
Laboruntersuchungen vor elektiven Eingriffen
N Blutbild (Hb, Hkt, Leukozyten, Thrombozyten) n N Gerinnung (Quick, INR, PTT, Fibrinogen) n N Elektrolyte (K, Na, Ca) n N Blutzucker, Ck, Harnstoff, Kreatinin n N Bilirubin, Transaminasen, g -GT, alkalische Phosphatase n N Blutgruppe n N Blutgasanalyse in Abhängigkeit von der Art des Eingriffs n
9.4
Aufklärung und Dokumentation
Merke
Die Aufklärungspflicht betrifft diagnostische Maßnahmen, die Krankheit, Behandlungsmöglichkeiten einschließlich Alternativmethoden und mögliche Konsequenzen eines operativen Eingriffs. Die Einzelheiten des Aufklärungsgesprächs müssen zur Absicherung eventueller Rechtsansprüche in der Krankengeschichte mit Datum dokumentiert werden. Auch der Krankheitsverlauf ist dokumentationspflichtig, um Veränderungen des Krankheitsbildes für nachfolgende Untersucher beurteilbar zu machen. 9.5
Apparative Diagnostik
Nach einer eingehenden Untersuchung des Patienten können weitergehende, apparative Untersuchungen zur topographischen Lokalisation eines pathologischen Befundes oder zur Bestimmung des Verletzungsausmaßes erforderlich werden. Im Vordergrund stehen die nicht invasiven bildgebenden Verfahren (Ultraschall, Computertomographie, Magnetresonanztomographie etc.) mit unterschiedlicher Aussagekraft.
9.4
Aufklärung und Dokumentation
n Merke. Die Aufklärung ist heute ein fester Bestandteil jeder ärztlichen Handlung.
Die Aufklärungspflicht betrifft diagnostische Maßnahmen, die Krankheit, Behandlungsmöglichkeiten einschließlich evtl. vorhandener Alternativmethoden und mögliche Konsequenzen eines operativen Eingriffs. Die Informationen müssen dem Intellekt und dem aktuellen psychischen Zustand des Patienten angepasst werden, wobei sich der Arzt versichern muss, dass die angesprochene Problematik vom Patienten verstanden wurde. Die Einzelheiten des Aufklärungsgesprächs müssen in der Krankengeschichte mit Datum dokumentiert werden. Bei evtl. Rechtsansprüchen durch den Patienten ist diese Dokumentation wichtiger als die vom Patienten unterschriebene Einwilligungserklärung. Da sich Krankheitsbilder im Verlauf erheblich verändern können, müssen auch der klinische Befund und diagnostisch relevante Erhebungen schriftlich dokumentiert werden, um Veränderungen des Krankheitsbildes auch für nachfolgende Untersucher beurteilbar zu machen.
9.5
Apparative Diagnostik
Nach einer eingehenden Untersuchung des Patienten können weitergehende apparative Untersuchungen zur topographischen Lokalisation eines pathologischen Befundes oder zur Bestimmung des Verletzungsausmaßes erforderlich werden. Im Vordergrund stehen die nicht invasiven bildgebenden Verfahren (Ultraschall, Computertomographie, Magnetresonanztomographie in Ergänzung der konventionellen Röntgenuntersuchung, Kontrastmitteluntersuchungen von Hohlorganen und Anigiographie) mit unterschiedlicher Aussagekraft. Hierbei muss dem anfordernden Arzt klar sein, ob die gewünschte Untersuchung die klinische Diagnose sichern oder erweitern und eine Behandlung beeinflussen kann. Ferner ist die Belastung des Patienten durch das jeweilige Verfahren abzuwägen und eine unnötige Strahlenbelastung (Kinder, Schwangere) bei gleicher Aussagekraft durch alternative Methoden zu verhindern. Um Wiederholungsuntersuchungen zu vermeiden, müssen Vorbefunde erfragt bzw. angefordert werden.
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184 Die präoperative Behandlung einer manifesten Herzinsuffizienz und von Herzrhythmusstörungen sollte dem Kardiologen anvertraut werden. Die Behandlung der Leberfunktionsstörung führt zu einer signifikanten Reduktion der operativen Morbidität und Mortalität. Sie erstreckt sich auf: π Korrektur von Gerinnungsstörungen π Verbesserung des Ernährungsstatus π Behandlung einer begleitenden Niereninsuffizienz π Therapie eines Infektes. Laboruntersuchungen vor Elektiveingriffen ( 2 A-9.4).
9 Chirurgische Diagnostik π π π
die Behandlung einer begleitenden Niereninsuffizienz das Ausschwemmen eines bestehenden Aszites und die Therapie eines Infektes.
Laboruntersuchungen vor Elektiveingriffen Das Standardprogramm zu bestimmender Laborwerte vor einem Elektiveingriff zeigt 2 A-9.4.
2 A-9.4
Laboruntersuchungen vor elektiven Eingriffen
N Blutbild (Hb, Hkt, Leukozyten, Thrombozyten) n N Gerinnung (Quick, INR, PTT, Fibrinogen) n N Elektrolyte (K, Na, Ca) n N Blutzucker, Ck, Harnstoff, Kreatinin n N Bilirubin, Transaminasen, g -GT, alkalische Phosphatase n N Blutgruppe n N Blutgasanalyse in Abhängigkeit von der Art des Eingriffs n
9.4
Aufklärung und Dokumentation
Merke
Die Aufklärungspflicht betrifft diagnostische Maßnahmen, die Krankheit, Behandlungsmöglichkeiten einschließlich Alternativmethoden und mögliche Konsequenzen eines operativen Eingriffs. Die Einzelheiten des Aufklärungsgesprächs müssen zur Absicherung eventueller Rechtsansprüche in der Krankengeschichte mit Datum dokumentiert werden. Auch der Krankheitsverlauf ist dokumentationspflichtig, um Veränderungen des Krankheitsbildes für nachfolgende Untersucher beurteilbar zu machen. 9.5
Apparative Diagnostik
Nach einer eingehenden Untersuchung des Patienten können weitergehende, apparative Untersuchungen zur topographischen Lokalisation eines pathologischen Befundes oder zur Bestimmung des Verletzungsausmaßes erforderlich werden. Im Vordergrund stehen die nicht invasiven bildgebenden Verfahren (Ultraschall, Computertomographie, Magnetresonanztomographie etc.) mit unterschiedlicher Aussagekraft.
9.4
Aufklärung und Dokumentation
n Merke. Die Aufklärung ist heute ein fester Bestandteil jeder ärztlichen Handlung.
Die Aufklärungspflicht betrifft diagnostische Maßnahmen, die Krankheit, Behandlungsmöglichkeiten einschließlich evtl. vorhandener Alternativmethoden und mögliche Konsequenzen eines operativen Eingriffs. Die Informationen müssen dem Intellekt und dem aktuellen psychischen Zustand des Patienten angepasst werden, wobei sich der Arzt versichern muss, dass die angesprochene Problematik vom Patienten verstanden wurde. Die Einzelheiten des Aufklärungsgesprächs müssen in der Krankengeschichte mit Datum dokumentiert werden. Bei evtl. Rechtsansprüchen durch den Patienten ist diese Dokumentation wichtiger als die vom Patienten unterschriebene Einwilligungserklärung. Da sich Krankheitsbilder im Verlauf erheblich verändern können, müssen auch der klinische Befund und diagnostisch relevante Erhebungen schriftlich dokumentiert werden, um Veränderungen des Krankheitsbildes auch für nachfolgende Untersucher beurteilbar zu machen.
9.5
Apparative Diagnostik
Nach einer eingehenden Untersuchung des Patienten können weitergehende apparative Untersuchungen zur topographischen Lokalisation eines pathologischen Befundes oder zur Bestimmung des Verletzungsausmaßes erforderlich werden. Im Vordergrund stehen die nicht invasiven bildgebenden Verfahren (Ultraschall, Computertomographie, Magnetresonanztomographie in Ergänzung der konventionellen Röntgenuntersuchung, Kontrastmitteluntersuchungen von Hohlorganen und Anigiographie) mit unterschiedlicher Aussagekraft. Hierbei muss dem anfordernden Arzt klar sein, ob die gewünschte Untersuchung die klinische Diagnose sichern oder erweitern und eine Behandlung beeinflussen kann. Ferner ist die Belastung des Patienten durch das jeweilige Verfahren abzuwägen und eine unnötige Strahlenbelastung (Kinder, Schwangere) bei gleicher Aussagekraft durch alternative Methoden zu verhindern. Um Wiederholungsuntersuchungen zu vermeiden, müssen Vorbefunde erfragt bzw. angefordert werden.
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9.5.2 Computertomographie (CT)
185
Grundsätzlich sollte jeder weiteren Untersuchung eine klare klinische Diagnose oder Verdachtsdiagnose mit einer gezielten Fragestellung zugrunde liegen.
Jeder zusätzlichen Untersuchung muss eine gezielte Fragestellung zugrunde liegen.
n Merke. Für alle Untersuchungen gilt, dass sie nur dann indiziert sind, wenn sie die klinische Behandlung beeinflussen können. Das heisst, dass sie dem klinischen Problem angepasst werden müssen.
9.5.1
Ultraschall
Als primär nicht invasive Untersuchung mit hoher Sensitivität und Spezifität hat die Sonographie einen hohen diagnostischen Stellenwert im Rahmen der bildgebenden Verfahren. Mit den Vorteilen der Ökonomie und der Strahlenhygiene ist sie die Untersuchung der ersten Wahl. Die Treffsicherheit in der pathologisch sonographischen Detailerfassung ist von der Untersuchungsbedingung (z.B. Adipositas des Patienten, Darmgasüberlagerungen) und der Erfahrung des Untersuchers abhängig, beträgt in der Regel jedoch 90–95 %. Durch die Kombination von Endoskopie und Sonographie können Ultraschallköpfe unter Sicht in den Gastrointestinaltrakt eingeführt werden. Die Endosonograpie gestattet es, die Ausdehnung gastrointestinaler Tumoren am oberen (Ösophagus, Magen, oberen Duodenum, Pankreas, Gallengang) und unteren (Kolorektum) Gastrointestinaltrakt präziser als mit anderen Verfahren darzustellen, sodass diese Befunde wesentlichen Einfluss auf die Therapieentscheidung, die Verlaufskontrolle und prognostische Aussage haben. die Korrelation zwischen endosonographischem Befund und der histologischen Klassifikation beträgt bei Rektumtumoren 81 % und erhöht sich bei Kolontumoren auf 93 %. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit bietet die intraoperative Sonographie mit sterilen Ultraschallköpfen an parenchymatösen Organen wie Leber und Pankreas. Insbesondere bei Lebertumoren können mit diesem Verfahren 40 % perioperativ nicht palpabler Veränderungen zusätzlich gesichert werden. Mit der interventionellen Sonographie ist es möglich, perkutan Flüssigkeitsansammlungen wie Abszesse in Thorax und Abdomen zu dränieren. Eine chirurgische Intervention mit ihrer größeren Morbidität, Mortalität und den höheren Kosten kann oft vermieden oder aber so weit verzögert werden bis der Allgemeinzustand des Patienten einen Eingriff gestattet. Die Erfolgsrate liegt bei 75–85 %. Sie gestattet ferner perkutane Biopsien, Nephrostomien, Gallengangsdränagen und Pankreatographien. Am peripheren arteriellen und venösen Gefäßsystem hat die Doppler-Sonographie erheblichen Einfluss auf angiographische Verfahren genommen und bei der Diagnostik der Beinvenenthrombose die Venographie weitestgehend verdrängt. Die diagnostische Sicherheit bei Erkrankungen der extrakraniellen A. carotis beträgt 92–95 %.
9.5.2
Computertomographie (CT)
Der Vorteil der CT ist es, dass sie eine gute Darstellung des Gewebes ohne Überlagerungen bietet und Krankheitsprozesse in einem früheren Stadium als herkömmliche Verfahren erfassen kann. Da keine organspezifische Einschränkung besteht, kann sie für die Suche nach krankhaften Prozessen eingesetzt werden. Obwohl Erkrankungen diagnostiziert und lokalisiert werden können, ist aufgrund der CT-Darstellung keine artspezifische Diagnose möglich, sodass Biopsien erforderlich werden. Kontrastmittelgaben während der Untersuchung können auf spezifische Prozesse unterschiedlicher Durchblutung hinweisen. Ähnlich wie beim Ultraschall sind mit der CT interventionelle Eingriffe möglich, mit dem Vorteil, Gebiete erreichen zu können, die dem Ultraschall nicht zugänglich sind.
Merke
9.5.1
Ultraschall
Mit den Vorteilen der Ökonomie und der Strahlenhygiene ist sie die Untersuchung der ersten Wahl. Die Treffsicherheit in der pathologisch sonographischen Detailerfassung ist von der Untersuchungsbedingung und der Erfahrung des Untersuchers abhängig, beträgt in der Regel jedoch 90–95 %. Die Endosonographie gestattet es, die Ausdehnung gastrointestinaler Tumoren am oberen und unteren Gastrointestinaltrakt präziser als mit anderen Verfahren darzustellen. Die Korrelation zwischen endosonographischem Befund und der histologischen Klassifikation beträgt bei Rektumtumoren 81 % und erhöht sich bei Kolontumoren auf 93 %. Mit der intraoperativen Sonographie können ca. 40 % perioperativ nicht palpabler Veränderungen zusätzlich gesichert werden. Mit der interventionellen Sonographie ist es möglich, perkutan Flüssigkeitsansammlungen wie Abszesse in Thorax und Abdomen zu dränieren. Die Erfolgsrate liegt bei 75–85 %. Sie gestattet ferner perkutane Biopsien, Nephrostomien, Gallengangsdränagen und Pankreatographien. Am peripheren arteriellen und venösen Gefäßsystem hat die Doppler-Sonographie erheblichen Einfluss auf angiographische Verfahren genommen. Die diagnostische Sicherheit bei Erkrankungen der extrakraniellen A. carotis beträgt 92–95 %.
9.5.2
Computertomographie (CT)
Die CT bietet die Möglichkeit, Krankheitsprozesse in einem früheren Stadium als herkömmliche Verfahren zu erfassen. Kontrastmittelgaben während der Untersuchung können auf spezifische Prozesse unterschiedlicher Durchblutung hinweisen.
Mit der CT sind interventionelle Eingriffe möglich, die Gebiete erreichen können, die dem Ultraschall nicht zugänglich sind.
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9.5.2 Computertomographie (CT)
185
Grundsätzlich sollte jeder weiteren Untersuchung eine klare klinische Diagnose oder Verdachtsdiagnose mit einer gezielten Fragestellung zugrunde liegen.
Jeder zusätzlichen Untersuchung muss eine gezielte Fragestellung zugrunde liegen.
n Merke. Für alle Untersuchungen gilt, dass sie nur dann indiziert sind, wenn sie die klinische Behandlung beeinflussen können. Das heisst, dass sie dem klinischen Problem angepasst werden müssen.
9.5.1
Ultraschall
Als primär nicht invasive Untersuchung mit hoher Sensitivität und Spezifität hat die Sonographie einen hohen diagnostischen Stellenwert im Rahmen der bildgebenden Verfahren. Mit den Vorteilen der Ökonomie und der Strahlenhygiene ist sie die Untersuchung der ersten Wahl. Die Treffsicherheit in der pathologisch sonographischen Detailerfassung ist von der Untersuchungsbedingung (z.B. Adipositas des Patienten, Darmgasüberlagerungen) und der Erfahrung des Untersuchers abhängig, beträgt in der Regel jedoch 90–95 %. Durch die Kombination von Endoskopie und Sonographie können Ultraschallköpfe unter Sicht in den Gastrointestinaltrakt eingeführt werden. Die Endosonograpie gestattet es, die Ausdehnung gastrointestinaler Tumoren am oberen (Ösophagus, Magen, oberen Duodenum, Pankreas, Gallengang) und unteren (Kolorektum) Gastrointestinaltrakt präziser als mit anderen Verfahren darzustellen, sodass diese Befunde wesentlichen Einfluss auf die Therapieentscheidung, die Verlaufskontrolle und prognostische Aussage haben. die Korrelation zwischen endosonographischem Befund und der histologischen Klassifikation beträgt bei Rektumtumoren 81 % und erhöht sich bei Kolontumoren auf 93 %. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit bietet die intraoperative Sonographie mit sterilen Ultraschallköpfen an parenchymatösen Organen wie Leber und Pankreas. Insbesondere bei Lebertumoren können mit diesem Verfahren 40 % perioperativ nicht palpabler Veränderungen zusätzlich gesichert werden. Mit der interventionellen Sonographie ist es möglich, perkutan Flüssigkeitsansammlungen wie Abszesse in Thorax und Abdomen zu dränieren. Eine chirurgische Intervention mit ihrer größeren Morbidität, Mortalität und den höheren Kosten kann oft vermieden oder aber so weit verzögert werden bis der Allgemeinzustand des Patienten einen Eingriff gestattet. Die Erfolgsrate liegt bei 75–85 %. Sie gestattet ferner perkutane Biopsien, Nephrostomien, Gallengangsdränagen und Pankreatographien. Am peripheren arteriellen und venösen Gefäßsystem hat die Doppler-Sonographie erheblichen Einfluss auf angiographische Verfahren genommen und bei der Diagnostik der Beinvenenthrombose die Venographie weitestgehend verdrängt. Die diagnostische Sicherheit bei Erkrankungen der extrakraniellen A. carotis beträgt 92–95 %.
9.5.2
Computertomographie (CT)
Der Vorteil der CT ist es, dass sie eine gute Darstellung des Gewebes ohne Überlagerungen bietet und Krankheitsprozesse in einem früheren Stadium als herkömmliche Verfahren erfassen kann. Da keine organspezifische Einschränkung besteht, kann sie für die Suche nach krankhaften Prozessen eingesetzt werden. Obwohl Erkrankungen diagnostiziert und lokalisiert werden können, ist aufgrund der CT-Darstellung keine artspezifische Diagnose möglich, sodass Biopsien erforderlich werden. Kontrastmittelgaben während der Untersuchung können auf spezifische Prozesse unterschiedlicher Durchblutung hinweisen. Ähnlich wie beim Ultraschall sind mit der CT interventionelle Eingriffe möglich, mit dem Vorteil, Gebiete erreichen zu können, die dem Ultraschall nicht zugänglich sind.
Merke
9.5.1
Ultraschall
Mit den Vorteilen der Ökonomie und der Strahlenhygiene ist sie die Untersuchung der ersten Wahl. Die Treffsicherheit in der pathologisch sonographischen Detailerfassung ist von der Untersuchungsbedingung und der Erfahrung des Untersuchers abhängig, beträgt in der Regel jedoch 90–95 %. Die Endosonographie gestattet es, die Ausdehnung gastrointestinaler Tumoren am oberen und unteren Gastrointestinaltrakt präziser als mit anderen Verfahren darzustellen. Die Korrelation zwischen endosonographischem Befund und der histologischen Klassifikation beträgt bei Rektumtumoren 81 % und erhöht sich bei Kolontumoren auf 93 %. Mit der intraoperativen Sonographie können ca. 40 % perioperativ nicht palpabler Veränderungen zusätzlich gesichert werden. Mit der interventionellen Sonographie ist es möglich, perkutan Flüssigkeitsansammlungen wie Abszesse in Thorax und Abdomen zu dränieren. Die Erfolgsrate liegt bei 75–85 %. Sie gestattet ferner perkutane Biopsien, Nephrostomien, Gallengangsdränagen und Pankreatographien. Am peripheren arteriellen und venösen Gefäßsystem hat die Doppler-Sonographie erheblichen Einfluss auf angiographische Verfahren genommen. Die diagnostische Sicherheit bei Erkrankungen der extrakraniellen A. carotis beträgt 92–95 %.
9.5.2
Computertomographie (CT)
Die CT bietet die Möglichkeit, Krankheitsprozesse in einem früheren Stadium als herkömmliche Verfahren zu erfassen. Kontrastmittelgaben während der Untersuchung können auf spezifische Prozesse unterschiedlicher Durchblutung hinweisen.
Mit der CT sind interventionelle Eingriffe möglich, die Gebiete erreichen können, die dem Ultraschall nicht zugänglich sind.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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9 Chirurgische Diagnostik
Spiral-CT Neben einer deutlich verminderten Strahlenbelastung gegenüber der herkömmlichen CT ist sie in der Lage, pathologische Befunde dreidimensional darzustellen ( 1 A-9.4).
1 A-9.4
Eine erweiterte Indikationsstellung kann die CT duch Spiral-CT erfahren. Neben einer deutlich verminderten Strahlenbelastung gegenüber der herkömmlichen CT ist sie bei geringerem Zeitaufwand in der Lage, pathologische Befunde dreidimensional so aufzurichten, dass eindeutige Organbeziehungen erkennbar werden. Dieser Vorteil dürfte Konsequenzen auf die rekonstruktive Traumatologie, insbesondere der Gelenke und bei Frakturen des Gesichtsschädels haben ( 1 A-9.4).
Synopsis Radiologische Diagnostik bei Tibiakopfimpressionsfraktur Der Patient beklagt Kniegelenksschmerzen nach einem Fahrradsturz bei unbehinderter Beweglichkeit des Gelenkes. Die Nativaufnahme des Gelenkes (a) gibt keinen sicheren Anhalt für eine Fraktur (Á), während die Spiral-CT eine tiefe Tibiakopfimpression (Á) nachweist (b).
a
b
c Das gesamte Ausmaß des Defektes wird in der dreidimensionalen Rekonstruktion der Gelenkfläche erkennbar (Á).
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187
9.5.4 Konventionelle Radiologie
9.5.3
Magnetresonanztomographie (MRI, MRT)
Die MRT bleibt speziellen Fragestellungen überlassen.
9.5.4
Konventionelle Radiologie
9.5.3
MRI, MRT
Die MRT bleibt speziellen Fragestellungen überlassen. 9.5.4
Konventionelle Radiologie
Die radiologische Übersichtsaufnahme hat in der chirurgischen Praxis auch heute nicht an Bedeutung verloren. Das Thoraxbild stellt den Schlüssel für die präoperative kardiopulmonale Risikoabklärung und den postoperativen Verlauf dar. Es unterrichtet ferner über: π primäre und sekundäre Tumoren von Lunge, Pleura und Mediastinum π Infektionen der Lunge (Pneumonie, Tuberkulose, Abszesse) π obstruktive Lungenerkrankungen π Herzerkrankungen π Ergüsse, pathologische Luftansammlungen (Pneumothorax, Pneumoperitoneum). Das postoperative Thoraxbild ist indiziert bei: π respiratorischer Insuffizienz (Belüftungsstörungen: »Plattenatelektase«, Aspiration, Pneumothorax, ARDS = Adult respiratory distress syndrome) π kardialer Insuffizienz (Lungenödem, Hyperhydratation, deren Folge schließlich eine respiratorische Insuffizienz sein kann) π unklarem Temperaturanstieg (Belüftungsstörungen, Pneumonie, subphrenische Infektion mit Zwerchfellhochstand) π zur Verlaufskontrolle nach thorakalen und thorakoabdominalen Eingriffen (Erguss, Pneumothorax, Zwerchfellhochstand durch Phrenikusparese). Die Abdomenübersichtsaufnahme kann bei Patienten mit gastrointestinalen Erkrankungen wichtige diagnostische Hinweise liefern. Die Aufnahme im Stehen ist ein wichtiger Anteil der Untersuchung, evtl. kombiniert mit einer Thoraxübersicht, da Erkrankungen von Lunge und Pleura abdominale Schmerzen auslösen können. Die Aufnahme in Linksseitenlage kann bei Verdacht auf freie Luft im Abdomen zusätzliche Informationen liefern.
Das Thoraxbild stellt den Schlüssel für die präoperative kardiopulmonale Risikoabklärung und den postoperativen Verlauf dar. Es unterrichtet ferner über: π Tumoren von Lunge, Pleura und Mediastinum π Infektionen der Lunge π obstruktive Lungenerkrankungen π Herzerkrankungen π Ergüsse, pathologische Luftansammlungen. Das postoperative Thoraxbild ist indiziert bei: π respiratorischer Insuffizienz π kardialer Insuffizienz π unklarem Temperaturanstieg π zur Verlaufskontrolle nach thorakalen und thorakoabdominalen Eingriffen.
Pneumoperitoneum
Pneumoperitoneum
Das spontane Pneumoperitoneum weist auf die Perforation eines Hohlorganes (Magen- oder Duodenalulkus, Divertikel, akute Kolitis, Karzinom, Trauma) hin. Eine spontane Dünndarmperforation ist ungewöhnlich. Mit dieser Aufnahmetechnik kann in 60–90 % freie intraperitoneale Luft nachgewiesen werden. In Abhängigkeit von der radiologischen Technik kann bereits 1 ml Luft nachgewiesen werden. Sie präsentiert sich in der stehenden Thoraxaufnahme als kleine Luftsichel zwischen Leberkuppe und Zwerchfell, in der liegenden Position als Luftansammlung zwischen Leber und Abdominalwand ( 1 A-9.5).
Das spontane Pneumoperitoneum weist auf die Perforation eines Hohlorgans (z.B. Magen- oder Duodenalulkus) hin. Die Luft präsentiert sich in der stehenden Thoraxaufnahme als kleine Sichel zwischen Leberkuppe und Zwerchfell, in liegender Position als Luftansammlung zwischen Leber und Abdominalwand ( 1 A-9.5).
1 A-9.5
Die Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen kann bei Patienten mit gastrointestinalen Erkrankungen wichtige diagnostische Hinweise liefern. Die Aufnahme in Linksseitenlage kann bei Verdacht auf freie Luft im Abdomen zusätzliche Informationen liefern.
Pneumoperitoneum Thoraxübersicht mit pathologischer Luftsichel unter dem Zwerchfell bei gastrointestinaler Perforation.
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9 Chirurgische Diagnostik
Dünndarmverschluss
Dünndarmverschluss
Die häufigsten Ursachen für einen Dünndarmverschluss sind Verwachsungen, Briden, Hernien, entzündliche Veränderungen und Tumoren. Charakteristisch sind distendierte, luftgefüllte Darmschlingen, die in der Regel die Mittellinie überkreuzen. Sind die Darmschlingen mit Flüssigkeit gefüllt, zeigt sich durch kleine Gasansammlungen über dem Flüssigkeitsspiegel das klassische Bild der »Perlschnur« als diagnostisches Zeichen bei fehlender Distension ( 1 A-9.6).
Die häufigsten Ursachen für einen Dünndarmverschluss sind Verwachsungen, Briden, Hernien, entzündliche Veränderungen (periappendizitischer Abszess, Divertikulitis, Morbus Crohn) und Tumoren. 60–70 % derartiger Verschlüsse können in der stehenden Übersicht nachgewiesen werden. Charakteristisch sind distendierte, luftgefüllte Darmschlingen, die in der Regel die Mittellinie überkreuzen. Der Luftgehalt des Kolons ist aufgrund der Passagestörung vermindert. Sind die Darmschlingen mit Flüssigkeit gefüllt, zeigt sich durch kleine Gasansammlungen über dem Flüssigkeitsspiegel das klassische Bild der »Perlschnur« als diagnostisches Zeichen bei fehlender Distension ( 1 A-9.6).
1 A-9.6
Dünndarmileus
a Bridenileus mit distendierten und luftgefüllten Darmschlingen ( Á).
Der isolierte Verschluss einer einzelnen Darmschlinge stellt sich radiologisch als eine luft- und/oder flüssigkeitsgefüllte, runde oder ovale Schlinge in konstanter Position dar. Charakteristische Erscheinungsform eines Gallensteinileus: Bild des Darmverschlusses mit einem kalkdichten Gallenstein an atypischer Stelle sowie evtl. Luft in den Gallenwegen ( 1 A-9.7).
b Ileus. Die Darmschlingen sind mit Flüssigkeit gefüllt ( Á). In den Scheitelpunkten zeigen sich kleine Gasansammlungen, die zum Bild der »Perlschnur« (Á Á) führen.
Bei einem hohen Verschluss mit Erbrechen oder einem rezidivierenden Verschluss kann das Röntgenbild jedoch einen normalen Eindruck machen. Liegt ein isolierter Verschluss einer einzelnen Darmschlinge vor, findet sich radiologisch eine luft- und/oder flüssigkeitsgefüllte, runde oder ovale Schlinge in konstanter Position. Die charakteristische Erscheinungsform eines Gallensteinileus (Dünndarmobstruktion durch einen perforierten Gallenstein) zeigt neben dem Bild des Darmverschlusses meist den kalkdichten Gallenstein an atypischer Stelle und bei einem Drittel der Patienten Luft in den Gallenwegen (Aerobilie) ( 1 A-9.7). Es kann schwierig sein, den mechanischen vom paralytischen Ileus zu differenzieren. Als auslösende Ursachen kommen die intestinale Ischämie, Sepsis, intraperitoneale Entzündung (akute Appendizitis, Cholezystitis, Pan-
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9.5.4 Konventionelle Radiologie
1 A-9.7
Gallensteinileus Pneumcholangiogramm ( Á) bei Gallensteinileus (Ausschnitt aus einer Abdomenübersichtsaufnahme, stehend).
kreatitis), das retroperitoneale Hämatom, Wirbelfrakturen, Ureterkoliken, die basale Pneumonie, Rippenfrakturen und der Myokardinfarkt in Betracht. Die Anamnese und der klinische Befund sind für das weitere Vorgehen ausschlaggebend.
Aus auslösende Ursachen für einen paralytischen Ileus kommen verschiedene Ursachen wie intestinale Ischämie, Sepsis, intraperitoneale Entzündung etc. in Betracht.
Dickdarmverschluss
Dickdarmverschluss
Das radiologische Erscheinungsbild des Dickdarmileus wird durch die Suffizienz der Bauhin-Klappe bestimmt. Bei suffizienten Klappenverhältnissen liegt eine beachtenswerte Dilatation des Dickdarms einschließlich des Zäkums ohne Dünndarmdilatation vor. Ist die Klappe wie in den meisten Fällen insuffizient, liegt eine Dilatation sowohl des Dünn- als auch des Dickdarms vor, wobei das Zäkum nur gering distendiert ist. Flüssigkeitsansammlungen zeigen sich dann, wenn der Verschluss proximal der linken Kolonflexur liegt. Grundsätzlich lässt der Übergang von luft- oder flüssigkeitsgefülltem, distendiertem Darmlumen zu weniger gefüllten Dickdarmanteilen die Lokalisation des Hindernisses vermuten. In Zweifelsfällen ist ein Kontrasteinlauf erforderlich. Ein Zäkumvolvulus darf angenommen werden, wenn auf der Übersichtsaufnahme eine große distendierte Darmschlinge in das Abdomen verlagert ist, eine geblähte Dünndarmschlinge rechts vom Zäkum liegt und der rechte untere Quadrant radiologisch leer erscheint (hochgeschlagenes, mobiles Zäkum). Auch der Sigmavolvulus sollte keine weitere Abklärung erforderlich machen. Charakteristisch ist eine distendierte, luftgefüllte Sigmaschlinge, die sich vom kleinen Becken gegen die rechte oder linke Flanke erhebt und das Zwerchfell anheben kann. Im Bereich der Stenose können häufig drei Darmwände identifiziert werden ( 1 A-9.8).
Bei suffizienter Bauhin-Klappe liegt eine Dilatation des Dickdarms und Zäkums ohne Dünndarmdilatation vor. Liegt der Verschluss proximal der linken Kolonflexur, zeigen sich Flüssigkeitsansamlungen.
Grundsätzlich lässt der Übergang von luft- oder flüssigkeitsgefülltem, distendiertem Darmlumen zu weniger gefüllten Dickdarmanteilen die Lokalisation des Hindernisses vermuten. In Zweifelsfällen ist ein Kontrasteinlauf erforderlich. Charakteristisch für einen Zäkumvolvulus ist: große distendierte Darmschlinge, geblähte Dünndarmschlinge, »leerer« rechter unterer Quadrant. Charakteristisch für ein Sigmavolvulus ist eine distendierte, luftgefüllte Sigmaschlinge, die sich gegen die rechte oder linke Flanke erhebt ( 1 A-9.8).
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9 Chirurgische Diagnostik
1 A-9.8
Sigmavolvulus Zur Demonstration des Drehpunktes ( Á) wurde wasserlösliches Kontrastmittel eingeführt.
Akute Kolitis
Akute Kolitis
Bei der akuten Colitis ulcerosa liegt ein luftgefüllter, distendierter Dickdarm mit Verlust der Haustrierung vor.
Bei der akuten Colitis ulcerosa liegt ein luftgefüllter, distendierter Dickdarm mit Verlust der Haustrierung vor. In Abhängigkeit vom Schweregrad der Entzündung ist in dem befallenen Dickdarmsegment kein Stuhl nachweisbar.
Mesenterialinfarkt (s. a. Kap. B-24.1.7) Kurz nach Einsetzen der Symptome lassen sich distendierte Dünndarmschlingen nachweisen. Allmählich bilden sich die spezifischen Zeichen von Wandödem, Luftansammlung in der Darmwand und im portalen System aus.
Mesenterialinfarkt (s. a. Kap. B-24.1.7)
9.5.5
9.5.5
Kontrastmitteluntersuchungen
Kontrastmitteluntersuchungen des Gastrointestinaltrakts dienen der Beurteilung von Ösophagus, Magen, Duodenum sowie Kolon und stellen ergänzende Verfahren zur endoskopischen Diagnostik dar.
Kurz nach Einsetzen der Symptome lassen sich distendierte Dünndarmschlingen nachweisen. Anzahl und Größe der Schlingen nehmen mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Grundereignis zu, wobei sich die spezifischen Zeichen von Wandödem, Luftansammlung in der Darmwand und präfinal im portalen System ausbilden.
Kontrastmitteluntersuchungen
Konstrastmitteluntersuchungen des Gastrointestinaltrakts dienen der Beurteilung von Ösophagus, Magen, Duodenum sowie Kolon und stellen ergänzende Verfahren zur endoskopischen Diagnostik dar. Sie gelten als Verfahren der Wahl, wenn endoskopisch unpassierbare Organstenosen vorliegen. Als Kontrastmittel dient in der Regel eine Bariumsulfatsuspension, die in Kombination mit luft- oder CO2-freisetzenden Substanzen zur Doppelkontrastdarstellung führt. n Merke. Bei Verdacht auf Perforation, bei Aspirationsgefahr, bei frischen Verätzungen, bei ösophagomediastinalen oder ösophagobronchialen Fisteln und unmittelbar nach chirurgischen Eingriffen ist Bariumsulfatsuspension kontraindiziert und muss durch wasserlösliche Kontrastmittel ersetzt werden.
Merke
Ösophagus
Ösophagus
Indikationen π Dysphagie π gutartige Strikturen π Hiatushernien π Lage- und Verlaufsanomalien.
Indikationen π
π π π
Dysphagie (Divertikel, Ösophaguskarzinom, Magenfunduskarzinom oder auf den Ösophagus übergreifendes Karzinom) gutartige Strikturen (gastroösophagealer Reflux) Hiatushernien Lage- und Verlaufsanomalien (Veränderungen des Ösophagus infolge von Erkrankungen der Nachbarorgane, Impression, Verformung, Infiltration).
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9.5.5 Kontrastmitteluntersuchungen
Magen, Duodenum
Magen, Duodenum
Die endoskopischen Untersuchungsverfahren haben die Indikation zur Röntgenuntersuchung des Magens wesentlich verändert. Tumorsuche und Ulkusdiagnostik werden primär endoskopisch erfolgen. Erst bei unklaren Befunden oder einer Behinderung der endoskopischen Technik kann die sekundäre, ergänzende radiologische Untersuchung erforderlich werden. Aus chirurgischer Sicht kann jedoch Lage und Umgebungsbeziehung des Magens von wesentlicher Bedeutung sein und damit eine Röntgenuntersuchung erforderlich machen.
Die endoskopischen Untersuchungsverfahren haben die Indikation zur Röntgenuntersuchung des Magens wesentlich verändert. Erst bei unklaren Befunden oder einer Behinderung der endoskopischen Technik kann die sekundäre, ergänzende radiologische Untersuchung erforderlich werden.
Indikationen π π π
π
Entwicklungs- und Lageanomalien Motilitäts- und Entleerungsstörungen raumfordernde, infiltrierende und penetrierende Prozesse der Magenwand oberflächliche Schleimhautveränderungen.
Indikationen π Entwicklungs- und Lageanomalien π Motilitäts- und Entleerungsstörungen π raumfordernde, infiltrierende und penetrierende Prozesse der Magenwand π oberflächliche Schleimhautveränderungen.
Dünndarm
Dünndarm
Da der Dünndarm endoskopisch nicht erreichbar ist, hat die Kontrastmitteluntersuchung bei bekannten oder vermuteten Erkrankungen in diesem Bereich eine besondere Bedeutung. Technisch hat sich die selektive Dünndarmpassage über eine im Duodenum platzierte Sonde bewährt ( 1 A-9.9).
Da der Dünndarm endoskopisch nicht erreichbar ist, hat die Kontrastmitteluntersuchung bei bekannten oder vermuteten Erkrankungen in diesem Bereich eine besondere Bedeutung. Technisch bewährt hat sich die selektive Dünndarmpassage über eine im Duodenum platzierte Sonde ( 1 A-9.9).
1 A-9.9
Selektive Dünndarmpassage Distension des Magens ( Á) bei endoskopisch nicht passierbarer Duodenalstenose. Zur weiteren Abklärung erfolgte die Kontrastmitteldarstellung über eine in den Dünndarm eingelegte Sonde (Verfahren nach Sellink). Als Ursache stellt sich hinter dem Bulbus duodeni ( Á Á) eine extreme Verengung der Pars descendens ( Á Á Á) des Duodenums durch einen Morbus Crohn heraus. Die Sonde wurde bereits entfernt.
Indikationen π
π π
Abklärung von morphologischen Veränderungen (entzündliche Darmerkrankungen, Tumoren, Strahlenenteritis, Meckel-Divertikel, Dünndarmdivertikel, Ischämie) abdominale Raumforderungen mit Lageveränderungen des Dünndarms Passagebehinderungen.
Indikationen π Abklärung von morphologischen Veränderungen π abdominale Raumforderungen mit Lageveränderungen des Dünndarms π Passagebehinderungen.
Dickdarm
Dickdarm
Die Kolonkontrastuntersuchung stellt ebenfalls ein ergänzendes Verfahren zur endoskopischen Diagnostik dar. Jeder Kontrastmitteldarstellung des Kolons sollten eine digitale Untersuchung des Rektums und eine Sigmoidoskopie vorangestellt werden.
Jeder Kontrastmitteldarstellung des Kolons sollten eine digitale Untersuchung des Rektums und eine Sigmoidoskopie vorangestellt werden.
Indikationen π π π π
endoskopisch unpassierbare Stenosen Verdacht auf organische Kolonerkrankungen Motilitätsstörungen Abgang von Schleim, Blut, Eiter
Indikationen endoskopisch unpassierbare Stenosen π Verdacht auf organische Kolonerkrankungen π Motilitätsstörungen π Abgang von Schleim, Blut, Eiter π
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192 π π
π
9 Chirurgische Diagnostik
palpable Raumforderungen entzündliche Darmerkrankungen ( 1 A-9.10). Planung des operativen Vorgehens.
π π π π
palpable Raumforderungen entzündliche Darmerkrankungen (innere Fistelbildungen 1 A-9.10). Polyposis- und Non-Polyposissyndrome Planung des operativen Vorgehens (z.B. langstreckige Crohn-Stenosen des Kolons, innere Fistelbildungen, Organverdrängungen).
1 A-9.10
Crohn-Stenose Crohn-Stenose ( Á) des terminalen Ileums mit enterokolischer Fistelbildung ( Á Á).
n Merke. Als Kontraindikationen für eine Kolonkontrastuntersuchung gelten: π das toxische Megakolon π die akute Colitis ulcerosa π der Verdacht auf Dickdarmperforation π die akute Divertikulitis. In diesen Fällen muss eine Bariumsuspension und Luftinsufflation vermieden werden (wasserlösliche Kontrastmittel).
Merke
1 A-9.11
Superselektive Angiographie bei unklarer gastrointestinaler Blutungsquelle
b Ausschnitt aus a: Selektive Darstellung der Angiodysplasie. a Akute Kolonblutung bei einem 18-jährigen Patienten, die endoskopisch nicht lokalisiert werden konnte. Die anschließende Zöliakographie weist als Blutungsquelle eine Angiodysplasie in Höhe der rechten Kolonflexur nach.
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9.6 Endoskopische Diagnostik 9.5.6
Angiographie
Eine Indikation zur Angiographie besteht neben Herz- und Gefäßerkrankungen, Gefäßverletzungen und gastrointestinalen Blutungen, wenn die Blutungsquelle endoskopisch nicht gesichert werden konnte. Bei persistierender Blutung ist mit einer Treffsicherheit von 90 % zu rechnen. Zusätzlich ergibt sich die Möglichkeit der Embolisation, wenn der Zustand des Patienten keinen operativen Eingriff gestattet. Einen besonderen Stellenwert genießt die superselektive Angiographie bei Blutungen im Dünndarm, da sie endoskopisch nicht zugänglich sind und derartige Blutungen operativ nur schwer zu lokalisieren sind sowie bei Verdacht auf eine intestinale Ischämie ( 1 A-9.11).
9.5.7
Nuklearmedizinische Untersuchungen (Szintigraphie)
Die Szintigraphie verlangt eine exakte Fragestellung, da je nach Organ und Organfunktion unterschiedliche Radiopharmazeutika erforderlich sind.
9.6
Endoskopische Diagnostik
Die endoskopische Untersuchung ist im oberen Gastrointestinaltrakt radiologischen Verfahren an Sensitivität und Spezifität überlegen. Die Möglichkeit der gezielten Biopsie erhöht ihren diagnostischen Wert.
Indikationen
persistierende Oberbauchbeschwerden (in Kombination mit Anorexie, Gewichtsverlust, Anämie) π therapieresistenter gastroösophagealer Reflux π Schluckbeschwerden π persistierendes Erbrechen unklarer Ursache π Verlaufskontrolle maligner Tumoren bei Hochrisikopatienten π Abklärung unklarer Anämien π Abklärung unklarer Befunde (Ulkus, Striktur, Tumor), die mit Kontrastmitteluntersuchungen erhoben wurden. Zu den Kontraindikationen gehören die Perforation, schwere respiratorische Insuffizienz und die Gerinnungsstörung. Eine spezielle Form der endoskopischen Diagnostik ist die endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP). Die ERCP ist eine kombinierte endoskopische und radiologische Untersuchung, die bei Erkrankungen der Gallenwege (extrahepatische Gallengangsverschlüsse) und des Pankreas (z.B. Pankreastumoren, Gangverschlüsse) eingesetzt wird. Eine vorausgehende Ultraschalluntersuchung ist erforderlich. Absolute Kontraindikationen bestehen nicht. π
Die endoskopische Diagnostik des unteren Gastrointestinaltrakts erfolgt mit der Prokto-, Rekto-, Sigmoido- und Koloskopie. Diese Methoden sind den radiologischen Verfahren insofern überlegen, als sie kleine Tumoren (< 1 cm) und Schleimhautveränderungen besser nachweisen lassen und diagnostische Biopsien erlauben.
Indikationen π
π
π π π π
Abklärung wichtiger klinischer Veränderungen oder Abnormitäten eines Kolonkontrasteinlaufs Überwachung von Risikopatienten (Tumoranamnese, familiäre Belastung, Polyposis, Non-Polyposis Syndrome, Colitis ulcerosa) Abklärung okkulter Blutabgänge oder unklarer Anämien Überwachung im Rahmen der Tumornachsorge Abklärung chronischer Diarrhöen Abklärung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen.
9.5.6
Angiographie
Eine Indikation zur Angiographie besteht neben Herz- und Gefäßerkrankungen, Gefäßverletzungen und gastrointestinalen Blutungen, wenn die Blutungsquelle endoskopisch nicht gesichert werden konnte. Zusätzlich ergibt sich die Möglichkeit der Embolisation ( 1 A-9.11).
9.5.7
Nuklearmedizinische Untersuchungen (Szintigraphie)
Die Szintigraphie verlangt eine exakte Fragestellung, da je nach Organ und Organfunktion unterschiedliche Radiopharmazeutika erforderlich sind. 9.6
Endoskopische Diagnostik
Die endoskopische Untersuchung ist im oberen Gastrointestinaltrakt radiologischen Verfahren an Sensitivität und Spezifität überlegen. Die Möglichkeit der gezielten Biopsie erhöht ihren diagnostischen Wert. Indikationen π persistierende Oberbauchbeschwerden π therapieresistenter gastroösophagealer Reflux π Schluckbeschwerden π persistierendes Erbrechen unklarer Ursache π Verlaufskontrolle maligner Tumoren bei Hochrisikopatienten π Abklärung unklarer Anämien. Zu den Kontraindikationen gehören die Perforation, schwere respiratorische Insuffizienz und die Gerinnungsstörung. Die ERCP ist eine kombinierte endoskopische und radiologische Untersuchung, die bei Erkrankungen der Gallenwege und des Pankreas eingesetzt wird. Die endoskopische Diagnostik des unteren Gastrointestinaltrakts erfolgt mit der Prokto-, Rekto-, Sigmoido- und Koloskopie.
Indikationen Abklärung wichtiger klinischer Veränderungen oder Abnormitäten eines Kolonkontrasteinlaufs π Überwachung von Risikopatienten π Abklärung okkulter Blutabgänge oder unklarer Anämien π Überwachung im Rahmen der Tumornachsorge π Abklärung chronischer Diarrhöen π Abklärung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen. π
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9 Chirurgische Diagnostik
Zu den Kontraindikationen gehören die akute Kolitis und die akute Sigmadivertikulitis wegen der Perforationsgefahr durch Luftinsufflation und der Verdacht auf eine Perforation.
Zu den Kontraindikationen gehören die akute Kolitis und die akute Sigmadivertikulitis wegen der Perforationsgefahr durch Luftinsufflation. Die Koloskopie darf ebenfalls nicht bei Verdacht auf eine Perforation eingesetzt werden und ist bei verunreinigtem Darm ohne Aussagewert.
9.7
Indikation
9.7
Indikation
9.7.1
Indikationsstellung
9.7.1
Indikationsstellung
n Merke. Bei allen Maßnahmen müssen Risiko und Aufwand im Vergleich zu alternativen Verfahren gegeneinander abgewogen werden, insbesondere dann, wenn durch andere Methoden das spezifische Risiko des Eingriffs vermindert werden kann. Dieses Grundprinzip gilt für alle diagnostischen und operativen Eingriffe
Merke
Merke Im Wesentlichen wird die Indikationsstellung durch π das krankheitsspezifische Risiko π die Risikofaktoren des Patienten π die spezifischen Risiken des Eingriffs π die Prognose der Krankheit unter konservativem oder operativem Vorgehen beeinflusst.
Das Gleiche gilt für die alternative Abwägung zwischen konservativen und operativen Maßnahmen. Im Wesentlichen wird die Indikationsstellung durch π das krankheitsspezifische Risiko π die Risikofaktoren des Patienten (Anamnese, Begleiterkrankungen) π die spezifischen Risiken des Eingriffs π die Prognose der Krankheit unter konservativem oder operativem Vorgehen beeinflusst.
9.7.2
9.7.2
π
π
π
π
π
π
Indikationsformen
Elektiv sind Eingriffe, die zum Zeitpunkt der Wahl vorgenommen werden können. Eine vitale Indikation liegt dann vor, wenn der geringste zeitliche Aufschub die Überlebenschancen des Patienten in Frage stellt. Als absolut wird die Indikation betrachtet, wenn die zugrunde liegende Erkrankung nur durch einen operativen Eingriff geheilt oder Organfunktionen erhalten werden können. Relativ ist die Indikation dann, wenn auch andere als chirurgische Maßnahmen oder gar keine Therapie zur Heilung führen. Eine soziale Indikation kann dann gegeben sein, wenn ohne chirurgische Intervention die Grundversorgung einer Familie nicht mehr gewährleistet ist. Als präventive (prophylaktische) Indikation werden Eingriffe betrachtet, die funktionelle oder organische Störungen oder Veränderungen beheben, bevor sie zu einem Dauerschaden oder einer Komplikation führen.
Indikationsformen
Der Zeitpunkt eines operativen Eingriffs wird durch seine Dringlichkeit bestimmt, wobei die Übergänge fließend sein können. Hieraus ergeben sich folgende Indikationen: π Elektiv sind Eingriffe, die zum Zeitpunkt der Wahl vorgenommen werden können. π Eine vitale Indikation liegt dann vor, wenn der geringste zeitliche Aufschub die Überlebenschancen des Patienten in Frage stellt (z.B. perforiertes abdominales Aortenaneurysma, akute hämodynamisch wirksame Blutung, Gasbrand). π Als absolut wird die Indikation betrachtet, wenn die zugrunde liegende Erkrankung nur durch einen operativen Eingriff geheilt oder Organfunktionen erhalten werden können (z.B. Magenausgangsstenose, Verschlussikterus, progrediente Einengung des Wirbelkanals). π Relativ ist die Indikation dann, wenn auch andere als chirurgische Maßnahmen oder gar keine Therapie zur Heilung führen (z.B. Cholezystolithiasis, unkomplizierte Hämorrhoiden). π Eine soziale Indikation kann dann gegeben sein, wenn ohne chirurgische Intervention (wie z.B. Tubenligatur oder Vasektomie) die Grundversorgung einer Familie nicht mehr gewährleistet ist. Sie kann auch unter forensischen Gesichtspunkten gestellt werden. π Als präventive (prophylaktische) Indikation werden Eingriffe betrachtet, die funktionelle oder organische Störungen oder Veränderungen beheben, bevor sie zu einem Dauerschaden oder einer Komplikation führen (z.B. Inguinalhernie zur Vermeidung der Inkarzeration, Entfernung des Kolon bei familiärer adenomatöser Polyposis).
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195 10
Akutes Abdomen
10
Akutes Abdomen
Bernd Nemsmann
n Definition. Eine Vielzahl von Erkrankungen können einen Symptomenkomplex verursachen, der unter dem Begriff »Akutes Abdomen« subsummiert wird. Charakteristisch für das akute Abdomen ist eine zunehmend lebensbedrohliche Situation, die mit plötzlich auftretenden starken Bauchschmerzen einhergeht und rasches Handeln erfordert. Dieses ist meistens, aber nicht generell chirurgisch.
Das akute Abdomen stellt kein eigenes Krankheitsbild dar, sondern ist eine Reaktion des Organismus auf Veränderungen mit hohem Krankheitswert. Läsionen des Abdomens mit eindeutigem Befund und primär sicherer Diagnose, wie z.B. akute Appendizitis, Uretersteinkolik oder akute gastrointestinale Blutung gehören streng genommen nicht zu dem Symptomenkomplex des akuten Abdomens. Jedes akute Abdomen erfordert eine sofortige diagnostische Abklärung und schnelles therapeutisches Handeln.
Definition
Bei eindeutigem Organbefund oder primär sicherer Diagnose liegt streng genommen kein akutes Abdomen vor. Jedes akute Abdomen erfordert eine sofortige diagnostische Abklärung und Therapie.
10.1
Allgemeines
10.1
10.1.1
Ätiologie
10.1.1 Ätiologie
Die Ursachen, die für die Entstehung eines akuten Abdomens verantwortlich sind, können sehr mannigfaltig sein. Die wesentlichen lassen sich fünf Gruppen zuordnen: π lleus π Blutungen π Perforation/Peritonitis π Durchblutungsstörungen π Traumen. Anatomisch-topographisch werden diese Ursachen dem Intraperitonealraum zugeordnet. Mögliche retroperitoneale Ursachen eines akuten Abdomens sind: π gefäßchirurgisch bedingte Erkrankungen π urologische Erkrankungen π Veränderungen des Lymphsystems. Zu den extraperitonealen Ursachen zählen: π kardiale Erkrankungen π pulmonale Erkrankungen π Stoffwechselerkrankungen und Intoxikationen π Veränderungen der Bauchdecken. Extraperitoneale Ursachen täuschen allerdings nur die Symptome eines akuten Abdomens vor, daher handelt es sich hier um ein »pseudo-akutes Abdomen«.
Allgemeines
Die fünf wichtigsten, dem Intraperitonealraum zuzuordnenden Ursachen eines akuten Abdomens sind: π Ileus π Blutungen π Perforation/Peritonitis π Durchblutungsstörungen π Traumen. Mögliche retroperitoneale Ursachen sind: π gefäßchirurgische Erkrankungen π urologische Erkrankungen π Lymphsystemveränderungen. Zu den extraperitonealen Ursachen zählen: π kardiale Erkrankungen π pulmonale Erkrankungen π Stoffwechselerkrankungen/Intoxikationen π Veränderungen der Bauchdecken. Extraperitoneale Ursachen sind bei nur vorgetäuschter Symptomatik eines akuten Abdomens als »pseudo-akutes Abdomen« zu bezeichnen.
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10 Akutes Abdomen
Symptomatik
10.1.2 Symptomatik
10.1.2
Als Leitsymptome mit unterschiedlicher Ausprägung gelten Schmerzen, Peristaltikstörungen und vegetative Begleitsymptome. Abdominalschmerzen, die sich fast ausnahmslos finden, lassen eine Unterscheidung in einen viszeralen und somatischen Schmerz zu (s. Kap. A-9, S. 175 ff.).
Die Symptome eines akuten Abdomens gestalten sich so vielfältig wie dessen Ursachen. Als Leitsymptome, die beinahe immer auftreten, aber je nach Ätiologie der Erkrankung unterschiedlich ausgeprägt sein können, gelten Schmerzen, Peristaltikstörungen und vegetative Begleitsymptome. Bei einem akuten Abdomen dominieren fast ausnahmslos Schmerzen. Im Abdominalbereich ist hierbei der sog. viszerale vom sog. somatischen Schmerz zu unterscheiden (s. Kap. A-9, S. 175 ff.)
10.1.3 Topographische Differenzialdiagnose des akuten Abdomens
10.1.3
Eine Zuordnungshilfe für abdominelle Läsionen teilt das Abdomen horizontal in 3 Etagen ein. π die kranial liegende Etage π die mittlere Etage π die kaudal liegende Etage.
Bezüglich der Schmerzlokalisation von abdominellen Läsionen lassen sich diese entsprechend der topographischen Lage intraabdomineller Organe verschiedenen Regionen zuordnen. Eine dieser Zuordnungshilfen teilt das Abdomen horizontal in 3 Etagen ein. In die kranial liegende Etage werden Schmerzen ausgehend von den Oberbauchorganen Leber, Galle, Magen, Duodenum projiziert. Der mittleren Etage sind Schmerzen von Dünndarm und rechtem Kolonanteil zuzuordnen. Im kaudalen Drittel äußern sich Läsionen von Nieren und ableitenden Harnwegen, vom linken Hemikolon und Sigma sowie von den Adnexen. Eine modernere Aufgliederung teilt das Abdomen in 4 Quadranten ein. Zusätzlich wird noch ein Bereich des mittleren Abdomens (periumbilikal) berücksichtigt. In den rechten Oberbauch werden Schmerzen bedingt durch Duodenalläsionen, Gallenwegerkrankungen oder Leberaffektionen, Pfortaderthrombosen oder entzündliche Nierenerkrankungen rechts projiziert; in den linken Oberbauch Schmerzen durch Abszesse, Milzerkrankungen oder durch Nierenaffektionen links; in den rechten Unterbauch Schmerzen durch eine Appendizitis, Adnexitis oder andere rechtsseitige Adnexveränderungen und inkarzerierte Leistenhernien rechts; in den linken Unterbauch Sigmaveränderungen und Erkrankungen der linken Adnexe und der linken Leiste; schließlich werden in den Mittelbauch (periumbilikal) Veränderungen des Pankreas und der intra- und retroperitonealen Gefäße projiziert ( 1 A-10.1).
Eine modernere Aufgliederung teilt das Abdomen in 4 Quadranten ein: π rechter Oberbauch π linker Oberbauch π rechter Unterbauch π linker Unterbauch π mittleres Abdomen (periumbilikal) ( 1 A-10.1).
Topographische Differenzialdiagnose des akuten Abdomens
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10.1.4 Diagnostik
1 A-10.1
Synopsis Zuordnung der intraabdominellen Schmerzangaben nach dem »Quadrantenschema«
1 rechter Oberbauch Cholezystitis Cholelithiasis Choledocholithiasis Papillenstenose Courvoisier-Zeichen Stauungsleber Pfortaderthrombose Ulcus duodeni Nephrolithiasis Niereninfarkt
2 linker Oberbauch akute Pyelitis Pyelonephritis Pankreaskopftumor Kolontumor subphrenischer Abszess basale Pleuritis Pneumonie atypische Appendizitis Divertikulitis
Magenulkus Pankreatitis Pankreasnekrose Milzinfarkt Milzruptur Kolontumor
1
3
4 rechter Unterbauch Appendizitis perityphlitischer Abszess Ileitis Kolontumor Divertikulitis Adnexitis
2
4
Ovarialzysten Torsionsovar Extrauteringravidität Uretersteine inkarzerierte Leistenhernien Hodentorsion
5
Myokardinfarkt rupturiertes Aortenaneurysma Nephrolithiasis Niereninfarkt akute Pyelitis Pyelonephritis subphrenischer Abszess basale Pleuritis Pneumonie
5 linker Unterbauch Divertikulitis Kolontumor Kolitiskomplikationen Adnexitis Ovarialzysten
Torsionsovar Extrauteringravidität Uretersteine inkarzerierte Leistenhernien Hodentorsion
3 periumbilikal
Appendizitis Pankreasnekrose
10.1.4
Pankreatitis Nabelhernie
rupturiertes Aortenaneurysma
Diagnostik
Meckel-DivertikelKomplikationen
10.1.4 Diagnostik
Zur Diagnostik eines akuten Abdomens bedarf es für den Erfahrenen weniger Hilfsmittel. Viele kleine »versteckte« Hinweise sichern die Diagnose, welche klinisch zu stellen ist. Nur ausnahmsweise kann die Diagnose allein auf Grund von laborchemischen Ergebnissen und von bildgebenden Verfahren gestellt werden.
Die Diagnose des akuten Abdomens ist klinisch zu stellen.
Klinische Untersuchung
Klinische Untersuchung
Vor der klinischen Untersuchung eines Patienten mit einem akuten Abdomen wird eine exakte Anamnese erhoben. Hierbei kann schon häufig die Ursache des akuten Abdomens eruiert werden. Dabei ist die Dauer der Symptome sowie die Intensität und Charakteristik des Schmerzes zu erfragen. Die Schmerzqualität kann Aufschluss über die Erkrankungsursache geben. Die anschließende körperliche Untersuchung mit Inspektion des Abdomens zeigt den Zustand der Bauchdecken, ggf. Veränderungen, wie z.B. Narben von Voroperationen oder bereits eine sichtbare spastische Steife von Darmschlingen vor einer Stenose (Wahl-Zeichen). Die Palpation des Abdomens kann weitere richtungweisende Erkenntnisse bringen und sollte zunächst die als besonders schmerzhaft empfundenen Regionen meiden. Ein bestehender Druckschmerz kann auf einen nicht fortgeleiteten Prozess hindeuten, der lokale Peritonismus auf einen fortgeleiteten entzündlichen Prozess (z.B. bei Appendizitis), während das brettharte Abdomen Zeichen
Im Rahmen einer exakten Anamnese ist die Dauer der Symptome und Charakteristik des Schmerzes zu erfragen.
Die anschließende körperliche Untersuchung mit Inspektion des Abdomens zeigt ggf. vorliegende Veränderungen (z.B. Narben oder bereits eine sichtbare spastische Steife von Darmschlingen vor einer Stenose [Wahl-Zeichen]). Die folgende Palpation des Abdomens kann richtungweisend sein. Der lokale Peritonismus deutet auf einen fortgeleiteten entzündlichen Prozess hin, das
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198 brettharte Abdomen auf eine Peritonitis. Bei letzterer kann die Untersuchung des Patienten infolge der schmerzhaften Bauchdecke unmöglich sein, und eine apparative Diagnostik erforderlich werden. Die Auskultation erlaubt eine Beurteilung der Darmperistaltik. So finden sich beim mechanischen Ileus hochgestellte klingende Darmgeräusche, wohingegen die sog. »Grabesstille im Abdomen« den paralytischen Ileus kennzeichnet.
Unerlässlich ist die rektal digitale Untersuchung, unter Beachtung des Douglas-Raumes, der Ampullenfüllung und evtl. tastbarer Resistenzen.
Laborchemische Diagnostik Die notfallmäßige laborchemische Diagnostik umfasst die Bestimmung von: π Hb (Blutung?) π Leukozyten (Entzündung?) π Elektrolyte (Substitution?) π Gerinnungsstatus (Blutungsneigung?) π Amylase (Pankreatitis?)
10 Akutes Abdomen einer Peritonitis ist. Bei letzterer ist eine Untersuchung des Patienten bei schmerzhafter, abwehrgespannter Bauchdecke häufig nicht mehr möglich. In diesen Fällen muss in Abhängigkeit vom Handlungszwang auf apparative Diagnosemaßnahmen zurückgegriffen werden. Die Auskultation des Abdomens lässt eine Beurteilung der Darmperistaltik zu. So finden sich z.B. beim mechanischen Ileus hochgestellte klingende Darmgeräusche, eine Hypoperistaltik lässt an einen entzündlichen Herd im Abdominalbereich denken und die sog. »Grabesstille im Abdomen« bei aufgehobener Peristaltik kennzeichnet den paralytischen Ileus. Der bei der Auskultation erhaltene Eindruck einer Hypo- oder Hyperperistaltik unterliegt der individuellen Erfahrung. Zwar lassen sich peristaltische Kontraktionen apparativ definieren und dokumentieren, im klinischen Alltag jedoch erlangt die Empirie des Untersuchers eine ausreichende Sicherheit zur Beschreibung einer nicht »normalen« Peristaltik. Unerlässlich ist die rektal digitale Untersuchung im Rahmen der Notfalldiagnostik. Hierbei sind der Douglas-Raum, der Füllungszustand der Ampulle und evtl. tastbare Resistenzen zu beachten. An einen möglichen Harnverhalt, der schnell zum Vollbild des akuten Abdomens führen kann, ist zu denken. Sollte das Ergebnis der klinischen Untersuchung eine eingeschränkte Dringlichkeit der operativen Therapie ergeben, kann die Möglichkeit der apparativen Diagnosehilfen ausgeschöpft werden.
Laborchemische Diagnostik Die notfallmäßige laborchemische Diagnostik umfasst die Bestimmung des Hb (Blutung?), der Leukozyten (Entzündungsparameter?) – wobei die Leukozytenzahl nicht notwendigerweise mit dem Schweregrad der Erkrankung korreliert –, der Elektrolyte (Substitution?), des Gerinnungsstatus (Blutungsneigung?) und der Amylase (Pankreatitis?).
Bildgebende Verfahren (s.a. Kap. A-9.5)
Bildgebende Verfahren (s. a. Kap. A-9.5)
Mit verhältnismäßig einfachem apparativen Aufwand ist eine aussagekräftige Information zur Ergänzung der klinischen Untersuchung zu bekommen. Die Einführung der Sonographie in die Diagnostik des akuten Abdomens hat eine wesentliche Erleichterung und Sicherheit gebracht, weil sie rasch durchführbar und ubiquitär anwendbar ist. Besonders in der Diagnostik von freier Flüssigkeit im Abdomen besitzt sie einen hohen Stellenwert.
Bildgebende Verfahren sind heute in der Diagnostik akuter Zustände nicht mehr wegzudenken. Mit den zur Verfügung stehenden Verfahren ist es möglich, mit verhältnismäßig einfachem apparativem Aufwand aussagekräftige Informationen zur Ergänzung der klinischen Untersuchung zu bekommen. Die Einführung der Sonographie in die Diagnostik des akuten Abdomens hat eine wesentliche Erleichterung und Sicherheit gebracht. Der Erfolg dieses Verfahrens ist in der raschen Durchführbarkeit und ubiquitären Anwendung begründet. Generell kann gesagt werden, dass die Sonographie an die erste Stelle aller Verfahren der bildgebenden Diagnostik getreten ist. Besonders die Diagnostik von freier Flüssigkeit im Abdomen (Aszites oder Blut) zeigt den Wert der Sonographie. Wird in Folge eines Traumas oder einer anderen Läsion freies Blut im Abdomen vermutet, wird als erste diagnostische Maßnahme eine Sonographie mit Inspektion des »Morrison-Pouches« (Spatium zwischen Leber und rechter Niere) durchgeführt. Mit Hilfe der Sonographie ist es heute möglich, organspezifische Informationen zu erhalten. Die Organdiagnostik ist bei meteoristischen und sehr adipösen Patienten eingeschränkt. Im Rahmen der Ileusdiagnostik erlaubt sie ggf. die Differenzierung zwischen einem mechanischen und einem paralytischen Ileus (s.u.).
Die Sonographie ermöglicht eine Organdiagnostik, die jedoch bei adipösen Patienten eingeschränkt ist. Im Rahmen der Ileusdiagnostik erlaubt sie ggf. die Differenzierung zwischen einem mechanischen und einem paralytischen Darmverschluss.
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10.1.4 Diagnostik
199
Neben der Sonographie ist die Röntgenthorax- und Abdomenübersichtsaufnahme Standard bei Vorliegen eines akuten Abdomens. Je nach Zustand der Patienten werden diese Bilder liegend oder stehend angefertigt. Beide Verfahren zeigen Vor- und Nachteile, sodass in Abhängigkeit vom Zustand des Patienten und je nach Fragestellung eine Röntgenart favorisiert werden kann. Wird bei Verdacht auf Perforation eines lufthaltigen Hohlorgans freie Luft im Abdomen gesucht, lässt sich diese im Abdomenbild des auf der linken Seite liegenden Patienten in geringeren Mengen nachweisen als beim stehenden Patienten, weil die freie Luftmenge, die nachgewiesen werden soll, unter den Zwerchfellkuppen größer sein muss als die freie Luftmenge zwischen Leberkuppe und lateraler Bauchdecke. Sollen röntgenologische Zeichen eines IIeus dokumentiert werden, ist eine Darstellung des Abdomens auch in Rechtsseitenlage aussagekräftig.
Neben der Sonographie ist bei Vorliegen eines akuten Abdomens die Röntgenthorax- und Abdomenübersichtsaufnahme Standard. Wird bei Verdacht auf Perforation eines lufthaltigen Hohlorgans freie Luft im Abdomen gesucht, lässt sich diese im Abdomenbild des auf der linken Seite liegenden Patienten in geringeren Mengen nachweisen, als beim stehenden Patienten. Sollen röntgenologische Zeichen eines Ileus dokumentiert werden, ist eine Darstellung des Abdomens in Rechtsseitenlage aussagekräftig.
1 A-10.2
Enterothorax bei traumatischer Zwerchfellruptur
a Vor Beseitigung des Hämatothorax links.
b Nach Beseitigung des Hämatothorax links. (Die gelegte Magensonde projiziert sich in den Bereich des linken Ventrikels.)
Durch eine Thoraxübersichtsaufnahme lassen sich Veränderungen erkennen, die in den Thoraxorganen selbst liegen oder sich in den Thorax projizieren, wie z.B. der Enterothorax ( 1 A-10.2). Besonders beim traumatisierten Abdomen kann die Röntgenaufnahme des Thorax oder Abdomens Hinweise für eine unfallbedingte intraabdominelle Schädigung geben. Bei basalen Rippenfrakturen kann eine Milz- oder Leberruptur vorliegen; bei Zwerchfellhochstand, obliteriertem Zwerchfellwinkel oder einer nach kranial verlagerten Magenblase eine Zwerchfellruptur; freie Luft intra- oder retro-peritoneal ist ein Hinweis auf eine Hohlorganperforation ( 2 A-10.1).
n Merke. Zur Dokumentation der Durchgängigkeit oder Perforation eines Hohlorgans darf die Röntgendarstellung nur mit wasserlöslichem Kontrastmittel (z.B. Gastrografin) vorgenommen werden. Ein Gebrauch von Barium verbietet sich bei unklarem Abdomen, da Barium im Falle einer Hohlorganperforation intensiv auf dem Peritoneum haftet und dadurch die gefürchtete »Bariumperitonitis« verursacht.
Durch eine Thoraxübersichtsaufnahme lassen sich Veränderungen erkennen, die in den Thoraxorganen selbst liegen oder sich in den Thorax projizieren, wie z.B. der Enterothorax ( 1 A-10.2). Die Röntgenaufnahme des Thorax oder Abdomens kann Hinweise auf intraabdominelle Schädigungen geben ( 2 A-10.1).
Merke
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200
10 Akutes Abdomen
2 A-10.1
Radiologische Hinweise auf mögliche abdominelle Läsionen
Röntgenbefund
Mögliche Schäden
N basale Rippenfraktur links n n basale Rippenfraktur rechts N
N Milzruptur n n Leberruptur N
N Zwerchfellhochstand n n obliterierter Rippen-Zwerchfellwinkel N
N Zwerchfellruptur n n Zwerchfellruptur N
N Verlagerung der Magenblase n π nach links oben π nach rechts medial
n Zwerchfellruptur N N Milzruptur n
N Verdrängung der linken Kolonflexur n
N Milzruptur n
N retroperitoneale Luft n
N Duodenum- oder Rektumruptur n
N verwaschener Psoasschatten rechts n n verwaschener Psoasschatten links N
N Duodenum- oder Nierenruptur n n Pankreasschwanz- oder Nierenruptur N
N freie intraabdominelle Luft n
N Perforation des Magen-Darm-Traktes (außer Rektum) n
Die Peritoneallavage ist durch die Sonographie zwar in den Hintergrund getreten, stellt aber bei unklaren Sonographiebefunden zum Ausschluss einer intraperitonealen Blutung immer noch eine entscheidende Ergänzung dar. In der Notfallchirurgie hat die Endoskopie einen hohen Stellenwert erlangt. Sie wird sowohl diagnostisch als auch therapeutisch eingesetzt. Sehr selten ist die Endoskopie Ursache eines akuten Abdomens (iatrogene Perforation).
Gefäßbedingte Ursachen eines akuten Abdomens können angiographisch diagnostiziert werden. Mit zunehmend verbesserter Technik lässt sich die Laparoskopie zur Diagnostik und Therapie des akuten Abdomens einsetzen.
Der Nachweis einer Perforation eines Hohlorgans kann mittels Kontrastdarstellung mit Gastrografin erfolgen, wobei Gastrografin-Kristalle im Sedimentbefund laborchemisch nachgewiesen werden können. Diese Methode hat sich jedoch nicht durchgesetzt. Die Peritoneallavage besitzt eine hohe Sensitivität, ist jedoch durch Einführung der (nicht invasiven) Sonographie in den Hintergrund getreten. Bei unklaren Sonographiebefunden stellt sie zum Ausschluss einer intraperitonealen Blutung immer noch eine entscheidende Ergänzung dar. Vor ihrer Durchführung müssen die bekannten Kontraindikationen (Verwachsungen, Schwangerschaft) und Voraussetzungen (Blasenkatheterisierung) berücksichtigt werden. Durch die technische Weiterentwicklung der Geräte hat die Endoskopie auch in der Notfallchirurgie einen hohen Stellenwert erlangt. Sie wird sowohl diagnostisch (V.a. Perforation) als auch therapeutisch (Entfernung von ingestierten Fremdkörpern) eingesetzt. So ermöglicht die Gastroskopie das Entfernen verschluckter Fremdkörper aus Magen und Duodenum (s. a. Kap. B-13.2) und stellt damit eine effektive Prophylaxe eines akuten Abdomens dar, da verschluckte Fremdkörper eine Perforation eines Hohlorgans auslösen können. Sehr selten ist die Endoskopie Ursache eines akuten Abdomens (iatrogene Perforation). Gefäßbedingte Ursachen eines akuten Abdomens können angiographisch diagnostiziert werden. Da dieses Röntgenverfahren apparativ und zeitlich aufwendig ist, lässt es sich nur in Situationen anwenden, die von minderer Dringlichkeit sind. Mit zunehmend verbesserter Technik und wachsendem Know-how lässt sich die Laparoskopie zur Diagnostik und Therapie des akuten Abdomens einsetzen. Auf diesem Weg kann das Ausmaß einer Traumaschädigung (z.B. perforierende Verletzung) erkannt werden. Ebenso kann ein Ileus oder eine lokalisierte Durchblutungsstörung z.B. durch eine Bride erkannt und effektiv therapiert werden.
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10.1.5 Therapie 10.1.5
Therapie
Das therapeutische Ziel bei Vorliegen eines akuten Abdomens ist ein möglichst endgültiges Beheben des Schadens mit Wiederherstellung stabiler Lebensfunktionen. Ggf. muss eine dadurch bedingte passagere Einschränkung der Lebensqualität in Kauf genommen werden, wie z.B. die passagere Anlage eines protektiven Anus praeter bei einer Kolonperforation.
10.1.5 Therapie Das therapeutische Ziel bei Vorliegen eines akuten Abdomens ist ein möglichst endgültiges Beheben des Schadens mit Wiederherstellung stabiler Lebensfunktionen.
Allgemeine Therapieprinzipien Die allgemeinen Parameter der Therapie richten sich im Rahmen der Operationsvorbereitung nach dem Ausmaß des Schockgeschehens (s. Kap. A-5). Jeder Patient mit dem Bild eines akuten Abdomens benötigt eine Infusionstherapie (s. Kap. A-6), da sich eine enterale Ernährung über kurz oder lang verbietet. Darüber hinaus ist das Legen einer Magensonde sowie eines Blasenkatheters Standard und sollte nur in Ausnahmefällen unterbleiben. In den meisten Fällen ist die perioperative Antibiotika-Prophylaxe indiziert. Je nach Konstellation der Blutwerte sind Elektrolytdefizite oder Blutmengendefizite auszugleichen. Es darf nicht vergessen werden, dass ein Patient mit einem akuten Abdomen schmerzbedingt einer Therapie mit Analgetika bedarf. Werden diese Analgetika im Rahmen einer notfallmäßigen Erstversorgung gegeben, so ist zur Information des weiterbehandelnden Arztes Art, Dosis und Zeit des verabreichten Schmerzmittels zu übermitteln. Da in der Regel die Therapie eines Patienten mit akutem Abdomen einen Notfall darstellt, hat hier Aufklärungspflicht und Einverständniserklärung eine andere Wertigkeit als bei Wahleingriffen.
Neben den therapeutischen Maßnahmen die sich nach dem Ausmaß des Schockgeschehens zu richten haben (s. Kap. A-5), benötigt jeder Patient mit einem akuten Abdomen eine Infusionstherapie (s. Kap. A-6), da sich eine enterale Ernährung verbietet. Darüber hinaus ist das Legen einer Magensonde und eines Blasenkatheters Standard. Je nach Konstellation der Blutwerte sind Elektrolytdefizite oder Blutmengendefizite auszugleichen. An Analgetikagaben zur Schmerzbekämpfung ist zu denken.
Operative Therapie
Operative Therapie
Das Standardvorgehen bei Vorliegen eines akuten Abdomens ist die Operation. In begründeten Fällen gibt es jedoch Ausnahmen. Eine dieser Ausnahmen stellt die Therapie des paralytischen Ileus dar. Die Therapieform dieser funktionellen Passagebehinderung richtet sich nach der dafür verantwortlichen Ursache. Als Zugangsweg für eine Laparotomie stellt die mediane Inzision die vielseitigste Möglichkeit dar. Es sind jedoch Varianten je nach vermutetem Ort der Läsion möglich. Bei Vorliegen einer akuten Gallenblasenaffektion wird z.B. der rechtsseitige Rippenbogenrandschnitt favorisiert, bei einer Milzruptur ein Rippenbogenrandschnitt links. Je nach Ursache stehen verschiedene operative Versorgungsmöglichkeiten zur Verfügung ( 2 A-10.2). In Ausnahmen kann bei einem aktuen Abdomen eine Thorakotomie notwendig werden, wie z.B. bei Vorliegen eines Enterothorax oder einer Ösophagusläsion.
Das Standardvorgehen bei Vorliegen eines akuten Abdomens ist die Operation. Eine Ausnahme hiervon stellt der paralytische Ileus dar. Als Zugangsweg für eine Laparotomie stellt die mediane Inzision die vielseitigste Möglichkeit dar. Je nach Ursache stehen verschiedene operative Versorgungsmöglichkeiten zur Verfügung ( 2 A-10.2). In Ausnahmen kann bei einem akuten Abdomen eine Thorakotomie notwendig werden (z.B. Enterothorax).
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202
10 Akutes Abdomen
2 A-10.2
Möglichkeiten der operativen Versorgung bei verschiedenen abdominellen Läsionen Ileus
Blutung
Perforation
Peritonitis
Trauma
N Magen n
Stenteinlage, Ernährungsfistel
(1. Wahl: endoskopische Blutstillung) Umstechung, Teilresektion, Y-Roux, Gastrektomie
Exzision, Übernähung
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, Teilresektion, Gastrektomie
N Duodenum n
Gastroenterostomie (GE)
Umstechung, BI, Y-Roux
Übernähung
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, Gastroenterostomie (GE)
N Dünndarm n
Enteroanastomose, Segmentresektion
Segmentresektion
Übernähung, Resektion
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, Segmentresektion
N Leber n
Übernähung, Teilresektion
Übernähung
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, Kompression, Resektion
N Galle n
Exstirpation
Exstirpation
Herdsanierung, Lavage
Exstirpation
N Milz n
Exstirpation, Erhaltungsversuch
Übernähung, Exstirpation
Herdsanierung, Lavage
Erhaltungsversuch, Exstirpation
N Appendix n
Exstirpation
Exstirpation
Herdsanierung, Lavage
Exstirpation
Segmentresektion
Übernähung, Resektion
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, Resektion, Anus praeter (AP)
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, (Teil-)Resektion, Dränage
N Kolon n
Anus-praeterAnlage, Resektion, Enteroanastomose
N Pankreas n
N Gefäße n
10.2
Intraperitoneale Erkrankungen
10.2.1 Ileus Definition
(Teil-) Exstirpation s. Kap. B-24
Herdsanierung, Lavage
10.2
Intraperitoneale Erkrankungen
10.2.1
Ileus
n Definition. Unter einem Ileus versteht man einen mechanischen oder funktionellen Darmverschluss. Das bedeutet eine lebensbedrohliche Unterbrechung der Darmpassage durch Verengung oder Verlegung der Darmlichtung oder durch eine Darmlähmung. Je nach Lage des Passagestopps spricht man von einem hohen (Duodenal- oder Dünndarmileus) oder einem tiefsitzenden (Dickdarmileus) Darmverschluss ( 1 A-10.3). Eine unvollständige Ausprägung des Darmverschlusses bezeichnet man als Subileus. Dieser unterscheidet sich vom Ileus durch eine röntgenologisch nachweisbare Darmmotilitätsstörung (Spiegelbildung) ohne klinische Zeichen eines Passagestopps.
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10 Akutes Abdomen
2 A-10.2
Möglichkeiten der operativen Versorgung bei verschiedenen abdominellen Läsionen Ileus
Blutung
Perforation
Peritonitis
Trauma
N Magen n
Stenteinlage, Ernährungsfistel
(1. Wahl: endoskopische Blutstillung) Umstechung, Teilresektion, Y-Roux, Gastrektomie
Exzision, Übernähung
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, Teilresektion, Gastrektomie
N Duodenum n
Gastroenterostomie (GE)
Umstechung, BI, Y-Roux
Übernähung
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, Gastroenterostomie (GE)
N Dünndarm n
Enteroanastomose, Segmentresektion
Segmentresektion
Übernähung, Resektion
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, Segmentresektion
N Leber n
Übernähung, Teilresektion
Übernähung
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, Kompression, Resektion
N Galle n
Exstirpation
Exstirpation
Herdsanierung, Lavage
Exstirpation
N Milz n
Exstirpation, Erhaltungsversuch
Übernähung, Exstirpation
Herdsanierung, Lavage
Erhaltungsversuch, Exstirpation
N Appendix n
Exstirpation
Exstirpation
Herdsanierung, Lavage
Exstirpation
Segmentresektion
Übernähung, Resektion
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, Resektion, Anus praeter (AP)
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, (Teil-)Resektion, Dränage
N Kolon n
Anus-praeterAnlage, Resektion, Enteroanastomose
N Pankreas n
N Gefäße n
10.2
Intraperitoneale Erkrankungen
10.2.1 Ileus Definition
(Teil-) Exstirpation s. Kap. B-24
Herdsanierung, Lavage
10.2
Intraperitoneale Erkrankungen
10.2.1
Ileus
n Definition. Unter einem Ileus versteht man einen mechanischen oder funktionellen Darmverschluss. Das bedeutet eine lebensbedrohliche Unterbrechung der Darmpassage durch Verengung oder Verlegung der Darmlichtung oder durch eine Darmlähmung. Je nach Lage des Passagestopps spricht man von einem hohen (Duodenal- oder Dünndarmileus) oder einem tiefsitzenden (Dickdarmileus) Darmverschluss ( 1 A-10.3). Eine unvollständige Ausprägung des Darmverschlusses bezeichnet man als Subileus. Dieser unterscheidet sich vom Ileus durch eine röntgenologisch nachweisbare Darmmotilitätsstörung (Spiegelbildung) ohne klinische Zeichen eines Passagestopps.
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203
10.2.1 Ileus
1 A-10.3
Synopsis Differenzierung der Ileuslokalisation
hoher Dünndarmileus
tiefer Dünndarmileus
a Schematische Darstellung unterschiedlicher Ileuslokalisationen.
b Meteoristisch geblähte Dünndarmschlingen mit Spiegelbildung (Á) bei Ileus in der Adomenleeraufnahme.
Paralytischer Ileus Ätiologie. Der paralytische Ileus kann in eine primäre und sekundäre Form
unterteilt werden. Der primär paralytische Ileus wird bei Gefäßverschlüssen durch Mesenterialgefäßthrombosen oder -embolien mit hämorrhagischer Infarzierung der Darmwand gefunden. Seltener ist er Ausdruck von Gefäßkompressionen durch Mesenterialwurzelhämatom, -hämangiom oder -tumordruck. Die häufiger vorkommenden sekundären Formen sind reflektorisch (z.B. nach Koliken, Laparotomien, stumpfen Bauchtraumen, Peritonitis, Sepsis), bei Stoffwechselerkrankungen (z.B. akute intermittierende Porphyrie, Diabetes mellitus, Urämie, Hypokaliämie) nach Medikamentenapplikationen (z.B. Spasmolytika) oder toxisch im Endstadium eines mechanischen Ileus (s. u.). Darüber hinaus ist auch ein idiopathischer paralytischer Ileus (Synonym: Ogilvie-Syndrom) von Ogilvie beschrieben worden. Dieser tritt überwiegend bei älteren Menschen besonders im Bereich des Zäkum und Colon ascendens auf, ohne dass eine Ursache gefunden wird. Deshalb wird diese Ileusform auch als »idiopathische Pseudoobstruktion« bezeichnet. Das Ogilvie-Syndrom zeigt als Leitsymptom eine massive Kolondilatation ( 1 A-10.4), die unbehandelt zu einer Zäkumperforation führen kann. Im Gegensatz zu Ogilvie (1948), der ursächlich ein Überwiegen der parasympathischen Impulse aus dem Plexus sacralis annahm, wird heutzutage ätiologisch ein Überwiegen des Sympathikotonus mit konsekutiver Peristaltikhemmung angenommen. Dadurch ließe sich das Vorkommen eines Ileus z.B. nach operativen Eingriffen im Wirbelsäulen-Beckenbereich, bei Polytraumen, bei septischen Zuständen oder bei Affektionen des Retroperitoneums erklären.
Paralytischer Ileus Ätiologie. Der primär paralytische Ileus kommt bei Gefäßverschlüssen der Mesenterialgefäße, seltener bei Gefäßkompressionen vor.
Der häufiger auftretende sekundäre paralytische Ileus tritt reflektorisch, bei Stoffwechselerkrankungen, nach Medikamentenapplikation oder toxisch auf. Eine Sonderform stellt der idiopathische paralytische Ileus dar, der ohne erkennbare Ursache auftritt. Deshalb wird diese Ileusform auch als idiopathische Pseudoobstruktion bezeichnet (Synonym: OgilvieSyndrom)) ( 1 A-10.4).
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204
10 Akutes Abdomen
1 A-10.4
Extrem geblähtes Colon ascendens und Zäkum bei einem Patienten mit Ogilvie-Syndrom
b Intraoperativer Situs.
a Abdomenleeraufnahme.
Mechanischer Ileus
Mechanischer Ileus
Ätiologie. Als Ursache eines mechanischen Ileus kommt die Strangulation und Obstruktion in Frage. π Strangulation bezeichnet die Abschnürung eines Darmabschnittes mit gleichzeitiger Durchblutungsstörung der Darmwand infolge: – Darmabknickung bei Verwachsungen ( 1 A-10.5) – Einklemmung in eine innere oder äußere Hernie ( 1 A-10.6) – Ausbildung eines Volvulus – Invagination ( 1 A-10.7).
Ätiologie. Ein mechanischer Ileus wird durch ein Hindernis in der Darmpas-
1 A-10.5
sage ausgelöst. Als Ursachen für ein solches Hindernis kommen Strangulation und Obstruktion in Frage. π Strangulation : Die Abschnürung eines Darmabschnittes mit gleichzeitiger Durchblutungsstörung der Darmwand wird als Strangulation bezeichnet. Diese Situation kann auftreten: – infolge einer Darmabknickung bei Verwachsungen (Adhäsionen bzw. Briden oder Peritonealkarzinosen) ( 1 A-10.5) – durch Einklemmung in eine innere oder äußere Hernie (Inkarzeration) ( 1 A-10.6) – durch Ausbildung eines Volvulus – durch Invagination ( 1 A-10.7).
Strangulationsileus durch Bride
a Deutlich sichtbare Einschnürung ( Á) mit Ileusdarm links und Hungerdarm rechts davon.
b Nach Durchtrennung der Bride deutlich sichtbare Schnürfurche mit Angleichen des unterschiedlich dicken Darmdurchmessers.
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10.2.1 Ileus
1 A-10.6
Bauchnarbenbruch
a Seitenansicht.
1 A-10.7
b Kontrastdarstellung des Bruchinhaltes.
Strangulationsileus durch eine ileo-ileale Invagination
a Die eingeführte Klemme demonstriert die Invaginationstiefe.
b An dem Dünndarmpräparat deutet die Pinzette die Tiefe des Invaginats an, das schon Zeichen einer irreversiblen Durchblutungsstörung hat.
Die häufigsten Ursachen des mechanischen Ileus sind Briden und Adhäsionen (50 %), gefolgt von Hernien (25 %) und Tumoren (10 %). Andere Ursachen (z.B. Invagination, Volvulus, Fremdkörper) sind selten. π Obstruktion: Die Verlegung des Darmes ohne Durchblutungsstörung wird als Obstruktion bezeichnet. Auch hierbei sind mehrere Ursachen möglich. – Verlegung der Darmlichtung z.B. durch Fremdkörper (Haare, unverdaute Nahrungsmittel, Parasiten, Gallen- oder Kotstein, Atresien (Obturationsileus) ( 1 A-10.8) – Verdickung der Darmwand, z.B. durch Tumoren oder Entzündungen ( 1 A-10.9) – durch Kompression von außerhalb der Darmwand, wie z.B. durch Lymphome oder gynäkologische Tumoren (Okklusionsileus) ( 1 A-10.10).
Pathophysiologie. Gemeinsames Merkmal der verschiedenen Ileusformen
ist die Stase. In Abhängigkeit von der Höhe des Verschlusses sowie seiner primären Ursache (z.B. Strangulationsileus) kommt es zu einer unterschiedlichen Reihe von pathophysiologischen Abläufen, die unbehandelt jeweils zum Multiorganversagen führen. Während bei hohen Dünndarmileusformen die Gefährdung des Patienten hauptsächlich durch den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust (u.a. durch stasebedingten Reflux und Erbrechen) bedingt ist, kommt es bei den anderen
Häufigste Ursachen des mechanischen Ileus sind: – Briden, Adhäsionen (50 %) – Hernien (25 %) – Tumoren (10 %). π Obstruktion ist die Verlegung des Darmes ohne Durchblutungsstörungen durch: – Verlegung der Darmlichtung z.B. durch Fremdkörper, Parasiten, Gallen-oder Kotsteine, Atresien (Obturationsileus) ( 1 A-10.8) – Verdickung der Darmwand, z.B. durch Tumoren oder Entzündungen ( 1 A-10.9) – Kompression von außerhalb der Darmwand, z.B. durch Lymphome oder gynäkologische Tumoren (Okklusionsileus) ( 1 A-10.10). Pathophysiologie. Eine schematische Darstellung der wichtigsten pathophysiologischen Vorgänge bei unterschiedlichen Ileusformen zeigt 1 A-10.11.
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10 Akutes Abdomen Ileusformen hauptsächlich zu einer durch Mukosaschädigung bedingten Endotoxinämie und/oder Durchwanderungsperitonitis. Die einzelnen pathophysiologischen Abläufe sind in 1 A-10.11 zusammengestellt.
1 A-10.8
Dünndarmileus durch einen Gallenstein im Jejunum
a Der Gallenstein wird von einer Overholt-Klemme in einer Dünndarmeröffnung gefasst.
1 A-10.9
Dickdarmileus
Dickdarmileus durch einen entzündlichen Sigmatumor (Divertikulitis) mit entsprechendem Röntgenkontrastbild.
b Obstruktionsileus durch Darmwandverdickung mit fast totaler Verlegung des Darmlumens durch Entzündung im aufgeschnittenen Dünndarmsegment.
1 A-10.10
Okklusionsileus
Okklusionsileus durch einen Desmoidtumor in der Mesenterialwurzel mit dadurch saitenartig aufgespanntem Dünndarm.
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10.2.1 Ileus
1 A-10.11
Synopsis Wichtige pathophysiologische Vorgänge bei unterschiedlichen Ileusformen Stase
hoher Dünndarmileus
tiefer Dünndarmileus
Strangulationsileus
Dickdarmileus
Abnahme Resorption, Zunahme Sekretion
Abnahme Resorption, Zunahme Sekretion
Durchblutungsstörung, Darmwandhypoxie
Darmdistension
Wasser- und Elektrolytverlust
Zunahme fäkulenter bakterieller Flora
Mukosaschädigung
Hypovolämie
Mukosaschädigung
Niereninsuffizienz, Schock
Endotoxinämie
Mikrozirkulationsstörung
intraabdominelle Drucksteigerung
Zwerchfellhochstand
Durchwanderung, Perforation
verminderter kardialer Rückstrom
respiratorische Insuffizienz
Peritonitis
Hypovolämie
Multiorganversagen
Symptome. Führende Symptome der Ileuskrankheit sind abdominelle
Schmerzen, Erbrechen, Meteorismus, Stuhl- und Windverhalt. In Abhängigkeit von Ursache und Lokalisation des Ileus stellen sie sich in unterschiedlicher Ausprägung und Reihenfolge dar ( 2 A-10.3).
2 A-10.3
Symptome. Die führenden Symptome der Ileuskrankheit und den Grad ihrer Ausprägung zeigt 2 A-10.3.
Symptomatik bei unterschiedlichen Ileusformen Schmerz
Erbrechen
Stuhl-/ Windverhalt
Meteorismus
Peristaltik
N hoher Dünndarmileus n
eher gering
sofort, voluminös
fehlt
fehlt
regelrecht
N tiefer Dünndarmielus n
kolikartig
vorhanden
vorhanden
vorhanden
hochgestellt, klingend, Durchspritzgeräusche
N Dickdarmileus n
krampfartig
spät
vorhanden
vorhanden
hochgestellt, klingend, Durchspritzgeräusche
Strangulation
oft plötzlicher Beginn
oft anfangs
zunehmend
zunächst gesteigert, später fehlend
Paralyse
fehlt
vorhanden
vorhanden
fehlt (Grabesstille)
Obstruktion
vorhanden
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10 Akutes Abdomen
Diagnose. Die Sonographie und die Abdomenübersichtsaufnahme gehören zu den diagnostischen Standardverfahren (s.a. Kap. A-9).Die Sonographie lässt ggf. eine Differenzierung in paralytischen oder mechanischen Ileus zu. Letzterer zeigt im Frühstadium eine Hyperperistaltik und Luft und flüssigkeitsgefüllte Darmschlingen ( 1 A-10.12 a), im Spätstadium ist bei aufgehobener Peristaltik die Unterscheidung zum paralytischen Ileus nicht mehr möglich. Durch distendierte Dünndarmschlingen kann sonographisch das Bild eines Strickleitermusters entstehen ( 1 A-10.12 b). Radiologisch kann die Anordnung der Flüssigkeitsspiegel auf die Verschlusslokalisation hinweisen.
1 A-10.12
Diagnose. Die Sonographie und die Abdomenübersichtsaufnahme – in Linksseitenlage oder im Stehen – gehören zu den diagnostischen Standardverfahren (s. a. Kap. A-9.5). Die Sonographie lässt eine Beurteilung der Peristaltik, und damit ggf. eine Differenzierung in paralytischen oder mechanischen Ileus zu. Im Frühstadium des mechanischen Ileus zeigt sich eine Hyperperistaltik (Pendelperistaltik) und mit Luft und Flüssigkeit gefüllte Darmschlingen ( 1 A-10.12a ). Im Spätstadium des mechanischen Ileus lässt sich dieser nicht mehr vom paralytischen unterscheiden. In beiden Fällen zeigen sich extrem dilatierte Darmschlingen bei aufgehobener Peristaltik. Gelegentlich findet sich im Sonographiebild ein sog. Strickleitermuster ( 1 A-10.12 b), ein Phänomen, das bei ditendierten Dünndarmschlingen beobachtet wird, letztlich aber keine ileusspezifische Bedeutung besitzt. Die radiologische Darstellung kann bei charakteristischer Anordnung der Flüssigkeitsspiegel einen Rückschluss auf die Verschlusslokalisation zulassen (z.B. hoher Verschluss: wenig Spiegel, tiefer Verschluss: multiple Spiegel, Dickdarmverschluss: Kolonrahmen).
Ultraschalluntersuchung des Abdomens bei Ileus
a Sonographisch sichtbare distendierte und flüssigkeitsgefüllte Dünndarmschlingen ( Á).
Therapie. Die Häufigkeit der Ileusoperationen liegt bei 0,3 % aller Laparotomien. Die postoperative Letalität ist mit 25 % hoch, entscheidend ist der frühzeitige operative Eingriff (Ausnahme: paralytischer Ileus).
Merke
Die therapeutischen Möglichkeiten der operativen Therapie zeigt 2 A-10.2.
Beim paralytischen Ileus steht die Ursachenbeseitigung an erster Stelle. Daneben besteht die konservative Therapie in einer Dekompression des Darmes und ggf. in der medikamentösen Peristaltikanregung. Bei den meisten funktionellen Ileusformen handelt es sich streng genommen um
b Die Kerckring-Falten zeigen das Bild des »Strickleitermusters« (Á).
Therapie. Im chirurgischen Krankengut wird die Häufigkeit der Ileusopera-
tionen mit 0,3 % aller Laparotomien angegeben. Die postoperative Letalität ist mit 25 % heute immer noch hoch. Bei der Behandlung des Ileus ist der möglichst frühzeitige operative Eingriff (Ausnahme: paralytischer Ileus) entscheidend, um die Entwicklung einer bakteriellen Peritonitis zu vermeiden. n Merke. Auf keinen Fall darf bei einem mechanischen Ileus eine Therapie mit peristaltikanregenden Medikamenten (z.B. Neostigmin) durchgeführt werden. Dies würde einen desolaten Verlauf beschleunigen.
Die therapeutischen Möglichkeiten und Notwendigkeiten der operativen Therapie sind in 2 A-10.2 zusammengefasst. Vorbereitend zur operativen Therapie stehen die allgemeinen Maßnahmen für Patienten mit akutem Abdomen wie sie oben dargestellt wurden (Elektrolytsubstitution, Magen-, Blasendränage usw.). Beim paralytischen Ileus steht die primäre Ursachenbeseitigung an erster Stelle. Die Therapieform muss sich dabei nach der verantwortlichen Ursache richten. Daneben besteht die konservative Therapie in einer Dekompression des paralytisch gestauten Darms und ggf. in der medikamentösen Peristaltikanregung. Streng genommen liegt bei den meisten funktionellen IIeusformen, dem paralytischen Ileus (nach Traumen, Laparotomien, Peritonitiden), keine echte Paralyse vor, sondern eine sympathikotone Hemmung
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10.2.2 Peritonitis/Perforation u.a. der Rezeptoren des Auerbach-Plexus. Deshalb sollte der erste therapeutische Schritt die Lösung dieser Hemmung darstellen und nicht die Stimulation einer Paralyse. Diese Hemmung lässt sich nachhaltig durch eine Spinaloder Periduralanästhesie beheben. Alternativ ist eine medikamentöse Sympathikolyse (z.B. durch Dihydroergotamin) mit evtl. anschließender Gabe von Peristaltika (z.B. Neostigmin) möglich. Eine absolute Operationsindikation ergibt sich z. B. bei fortgeschrittenem Krankheitsbild mit bestehender Peritonitis.
10.2.2
Peritonitis/Perforation
n Definition. Eine Peritonitis stellt eine entzündliche Erkrankung des Bauchfells dar.
Physiologie und Pathophysiologie. Das Peritoneum überzieht alle intraab-
dominellen Organe (P. viscerale) sowie alle diese Organe begrenzenden Strukturen (P. parietale). Das Peritoneum besteht aus einer Schicht sog. Mesothelzellen, die infolge ihres besonderen histologischen Aufbaus (einschichtiger, mikrovillireicher Zellverband mit reichlich Blut- und Lymphgefäßen sowie Nervenfasern) und der großen Oberfläche (ca. 2 m2) für eine Resorption und Exudation prädestiniert sind. Infolge des Zusammenwirkens der Mesothelzellschicht mit den angrenzenden Zellschichten (Kapillaren, RES, vegetative Nerven) entsteht ein gerichteter Flüssigkeitsstrom. Bei einer Peritonitis bewirkt dieser Flüssigkeitsstrom, dass dadurch bevorzugte Lokalisationsorte der Abszessbildung entstehen: Der Oberbauch wird nach kranial, der Mittel- und Unterbauch nach kaudal dräniert. Außer der Unterscheidung in eine primäre und eine sekundäre Peritonitis lässt diese sich in akut oder chronisch-exsudativ differenzieren, durch Hinweis auf ihre Ätiologie unterscheiden (gallig, purulent, karzinomatös), oder nach der Ausdehnung in lokalisiert oder generalisiert (diffus) einteilen.
Ätiologie. Die primäre Peritonitis ist ein seltenes Krankheitsbild und
betrifft nur ca. 1 % aller Peritonitiden. Dieses Krankheitsbild wird gehäuft bei Kindern, besonders bei Mädchen beobachtet. Die Erreger, meist Streptokokken oder Pneumokokken, gelangen hämatogen oder aszendierend via Adnexe in das Peritoneum. Darüber hinaus wird eine primäre Peritonitis infolge einer Tuberkelinfektion beobachtet. Diese betrifft alle Altersgruppen. Der Nachweis dieser Diagnose bedarf im Verdachtsfall einer peritonealen Punktion zur Keimgewinnung mit folgender bakteriologischer Untersuchung. Im Gegensatz zur sekundären Peritonitis erfolgt die Therapie der ersten Wahl bei der primären Peritonitis ausschließlich konservativ, antibiotisch. Bei den weitaus häufigsten Peritonitisformen handelt es sich um eine sog. sekundäre Peritonitis. Diese Form der Peritonitis setzt also eine weitere Schädigung im Abdomen mit folgender Keimbesiedlung voraus. In der Regel stellt der Gastrointestinaltrakt das Erregerreservoir dar ( 1 A-10.13). Die Kontamination kann durch Perforation eines Hohlorgans, iatrogen (z.B. durch Nahtinsuffizienz oder direkt durch Abklatsch) oder infolge einer Durchwanderung stattgefunden haben. Die mit dem Peritoneum in Kontakt gekommenen Erreger werden auf verschiedenen Wegen eliminiert: Im Bereich des lymphatischen Endothels kann eine direkte Absorption der Bakterien durch Lücken der Zellgrenzen besonders an der kranialen Begrenzung des Abdomens stattfinden. Daraus kann eine Sepsis resultieren, da die Keime nach Einschwemmen in die Blutbahn über mediastinale Lymphbahnen bzw. Ductus thoracicus der systemischen Abwehr zugeführt werden. Die zweite Möglichkeit der Elimination von Erregern bei der sekundären Peritonitis stellt die Phagozytose von Bakterien dar. Vereinfacht dargestellt kommt es nach Fremdkörperreiz durch die eingedrungenen Bakterien zur Freisetzung einer Kaskade von Mediatoren (s. Kap. A-5.1.3). Aus der dadurch initiierten Permeabilitätserhöhung der mesothelnahen Gefäße wird durch Einstrom von Granulozyten die Phagozytose von Keimen
eine sympathikotone Hemmung. Erste therapeutische Maßnahme sollte daher deren Beseitigung sein (z.B. Spinalanästhesie). Alternativ ist eine medikamentöse Sympathikolyse möglich. Eine absolute Operationsindikation ergibt sich z.B. bei fortgeschrittenem Krankheitsbild mit bestehender Peritonitis.
10.2.2 Peritonitis/Perforation Definition
Physiologie und Pathophysiologie. Das Peritoneum ist für die Resorption und Exsudation gut geeignet. Bei entzündlichen Prozessen kommt es durch den gerichteten Flüssigkeitsstrom zur Abszessbildung an prädisponierten Lokalisationen: Der Oberbauch wird nach kranial, Mittel- und Unterbauch nach kaudal dräniert.
Man unterscheidet eine primäre und sekundäre Peritonitis, neben einer akuten oder chronisch-exsudativen Form. Ätiologie. Die primäre Peritonitis ist selten. Die Erreger, Streptokokken oder Pneumokokken, gelangen hämatogen oder aszendierend, z.B. via Adnexe in das Peritoneum. Auch Tuberkel können eine primäre Peritonitis auslösen. Im Gegensatz zur sekundären Peritonitis erfolgt die Therapie bei der primären Form konservativ mittels Antibiotikagabe.
Die weitaus häufigere sekundäre Peritonitis setzt eine weitere Schädigung im Abdomen mit folgender Keimbesiedlung voraus. In der Regel stellt der Gastrointestinaltrakt das Erregerreservoir dar ( 1 A-10.13). Die Kontamination kann durch Perforation eines Hohlorgans, iatrogen (z.B. durch Nahtinsuffizienz oder direkt durch Abklatsch) oder infolge einer Durchwanderung stattgefunden haben.
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210
10 Akutes Abdomen
1 A-10.13
Schwere Peritonitis mit putriden Fibrinbelägen
begonnen. Letztlich kann durch Permeabilitätssteigerung eine Exsudation eiweißreichen Ödems eingeleitet werden. Dadurch kann es infolge der großen Oberfläche des Peritoneums zu einem erheblichen intravasalen Volumenmangel kommen. Durch die Ödembildung findet eine Abgrenzung der peritonealen Infektion mit Abszessbildung statt. Die dadurch gestartete lokalisierte Fibrinbildung kann in Verbindung mit einer völlig aufgehobenen fibrinolytischen Komponente zu einer generalisierten Fibrinbildung im Peritoneum führen. Dadurch kommt es zwar zum Abkapseln der Bakterienrasen ggf. mit Abszessbildung, aber auch zum erschwerten Phagozytieren der Keime oder zu fehlender Medikamentenwirkung. Symptome. Je nach Ausdehnung der Peritonitis reichen die Symptome von einer lokalisierten, willentlich durchbrechbaren Abwehrspannung (Défense) bis zu brettharten Bauchdecken mit Allgemeinsymptomen und Schockzeichen.
Therapie. Die drei Säulen der Peritonitisbehandlung sind: π operative Herdsanierung π intensivmedizinische Nachbehandlung π suffiziente Antibiotikatherapie.
Symptome. Je nach Ausdehnung der Peritonitis reichen die Symptome von einer lokalisierten, willentlich durchbrechbaren Abwehrspannung (Défense) bis zu brettharten, äußerst berührungsempfindlichen Bauchdecken mit begleitenden Allgemeinsymptomen und Schockzeichen. Um eine Aussage über die Intensität der Peritonitiserkrankung machen zu können, sind sog. Prognose-Indizes erstellt worden. Diese sind der Mannheimer Peritonitis Index und der APACHE-II-Score. Der Wert des MPI und des APACHE-Scores rekrutiert sich aus klinischen Angaben über den Patienten (MPI), kombiniert mit Laborwerten (APACHE). Therapie. Knapp 90 % aller Peritonitiden lassen sich durch einen einmaligen
operativen Eingriff erfolgreich behandeln. Außer dieser operativen Herdsanierung kommt der anschließenden intensivmedizinischen Nachbehandlung ein hoher Stellenwert zu. Diese beiden Parameter ergeben zusammen mit einer suffizienten Antibiotikatherapie die drei Säulen der Peritonitisbehandlung.
Abszesse
Abszesse
Bei lokalisierten Peritonitiden des Oberbauches ist ein subphrenischer oder subhepatischer Abszess zu erwarten, bei Mittel- oder Unterbauchperitonitiden ein Douglasabszess ( 1 A-10.14). Das Keimspektrum der bakteriellen Peritonitis besteht zu ca. 2 ⁄ 3 aus Stämmen der Kolibakterien, gefolgt von Streptokokken, Anaerobiern und Mischinfektionen. Die abakterielle Peritonitis tritt z.B. bei Peritonealkarzinose, Fremdkörperkontakt oder Stoffwechselerkrankungen auf.
Die Bildung eines intraabdominellen Abszesses zeigt typische Lokalisationen: bei lokalisierten Peritonitiden des Oberbauches wird ein subphrenischer oder subhepatischer Abszess zu erwarten sein, bei Mittel- oder Unterbauchperitonitiden ein Douglasabszess ( 1 A-10.14). Das Keimspektrum, das durch Abstriche bei einer bakteriellen Peritonitis gefunden wird, besteht zu ca. 2⁄3 aus Stämmen der Kolibakterien, gefolgt von Streptokokken, Anaerobiern und Mischinfektionen. Dieses Keimspektrum ist aber nicht mit der physiologischen Flora des Magen-Darm-Traktes identisch. Außer diesen, bakteriellen sekundären Peritonitiden sind auch sekundäre abakterielle Peritonitiden bekannt. Diese werden z.B. bei einer Peritonealkarzinose, bei Fremdkörperkontakt (z.B. Galle, Puder, Barium) oder bei Stoffwechselerkrankungen beobachtet.
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10.2.2 Peritonitis/Perforation
1 A-10.14 1 2 3 4 5 6 7
Synopsis Typische Lokalisationen von intraabdominellen Abszessen
subphrenischer Abszess rechts (mit Pleuraerguss) subhepatischer Abszess perityphlitischer Abszess subphrenischer Abszess links (mit Pleuraerguss) Schlingenabszesse parasigmoidaler Abszess (auch retroperitoneal) Douglas-Abszess
1
4
2 5 6 3
7
Perforationen
Perforationen
Bezüglich der Perforationen eines Hohlorgans sollen in diesem Kapitel nicht traumatisch entstandene Perforationen besprochen werden.
Ätiologie. Die Ulkusperforation betrifft fast ausschließlich den Magen und
das Duodenum. Nach der Definition eines »Ulkus« (= Epitheldefekt) ist natürlich auch jeder andere Darmabschnitt geschaffen, eine Perforation auszubilden. Die Perforationshäufigkeit eines Ulkus wird mit ca. 10 % angegeben ( 1 A-10.15). Außer Magen- und Duodenalperforationen im Rahmen einer Ulkuserkrankung sind Perforationen besonders im proximalen Dünndarm bekannt, die Folge von Medikamentengaben (z.B. Kaliumdragees), iatrogen (z.B. bei ERCP), von lokalen Durchblutungsstörungen und von Peritonitiden sein können. In fortgeschrittenen Stadien einer Malignomerkrankung kann es zu freien Perforationen des Tumors kommen ( 1 A-10.16). Ebenso sind gedeckte Perforationen in ein Nachbarorgan möglich. Auf diese Art und Weise entstehen Fistelbildungen unterschiedlichster Kombination: gastrokolisch, cholezystoduodenal bzw. cholezystokolisch usw.
Symptome. Die Symptome einer Hohlorganperforation zeigen sich im All-
gemeinen mit schlagartiger Heftigkeit. Jedoch wird gelegentlich eine zeitlich verzögerte und sich allmählich steigernde Schmerzsymptomatik beobachtet. Diese kann beispielsweise nach einer Polypektomie eines Kolonpolypen mit der Diathermieschlinge nach ca. 3–5 Tagen auftreten. Erst dann wird die Kolonperforation auf Grund der Wandnekrose im Diathermiebereich relevant.
Ätiologie. Die Ulkusperforation betrifft fast ausschließlich den Magen und das Duodenum ( 1 A-10.15). Außer dieser Möglichkeit sind Perforationen besonders im proximalen Dünndarm, z.B. als Folge von Medikamentengaben (Kaliumdragees), iatrogen (ERCP) oder als Folge von Peritonitiden bekannt.
Im fortgeschrittenen Stadium einer Malignomerkrankung kann es zur freien Perforation kommen ( 1 A-10.16). Ebenso sind gedeckte Perforationen in ein Nachbarorgan möglich (Cave: Fistelbildung). Symptome. Die Symptome zeigen sich meist mit schlagartiger Heftigkeit. Gelegentlich wird eine zeitlich verzögerte und sich allmählich steigernde Schmerzsymptomatik beobachtet.
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212
10 Akutes Abdomen
1 A-10.15
Perforiertes Magenulkus Große Perforationsöffnung eines präpylorischen Magenulkus.
1 A-10.16
Perforiertes Magenkarzinom Spontanperforation eines Magenkarzinoms (aufgehaltene Perforationsöffnung).
Therapie. In der Regel ist die operative Sanierung Methode der Wahl.
Therapie. In der Regel wird die Methode der Wahl die operative Sanierung
10.2.3 Blutungen
10.2.3
Ätiologie. Isolierte intraabdominelle Blutungen sind selten. Freies Blut in der Peritonealhöhle kann ein akutes Abdomen auslösen ( 1 A-10.17).
Ätiologie. Isolierte intraabdominelle Blutungen sind selten. Da freies Blut in der Peritonealhöhle wie ein Fremdkörper wirkt, wird nur diese Form der Blutung ein akutes Abdomen auslösen ( 1 A-10.17).
der Läsion darstellen. Denkbar sind jedoch auch in Ausnahmen konservative Behandlungskonzepte.
Blutungen
1 A-10.17
Isolierte intraabdominelle Blutung Intraabdominelle Einblutung nach Perforation eines Lebertumors.
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10.2.4 Durchblutungsstörungen
1 A-10.18
213
Rupturierte Zyste Rupturierte »Schokoladenzyste« bei einer 60-jährigen Patientin.
Es ist jedoch möglich, dass Blutungen aus dem Retroperitoneum ein akutes Abdomen erzeugen. Dabei kann es durch Ruptur des Peritoneums oder durch Diapedese zur intraabdominellen Ansammlung freien Blutes kommen. Entsprechendes gilt für massive Blutungen in die Bauchdecken: Rektusscheidenhämatome können ein akutes Abdomen vortäuschen. Als nicht traumatische Ursachen für eine intraperitoneale Blutung kommen Spontanrupturen von Tumoren in Frage. Hierbei handelt es sich besonders um Veränderungen parenchymatöser Organe, wie Leber (z.B. Hämangiome, Adenome), Milz (z.B. zweizeitige Milzruptur, Perforation bei Milztumoren) oder um gynäkologische Erkrankungen (z.B. rupturierte Zysten, Extrauteringravidität) ( 1 A-10.18) ( 2 A-10.4).
2 A-10.4
Ursachen intra- und retroperitonealer Blutungen
N häufige Ursache n
Follikelsprung, Extrauteringravidität, traumatische Milz- oder Leberruptur
N seltene Ursachen n
traumatischer Mesenterialeinriss, rupturiertes Aneurysma, Nierenlagerblutung
Symptome und Diagnose. Die Symptome eines akuten Abdomens durch
freie Blutmengen im Peritonealraum unterscheiden sich nicht spezifisch von denen anderer Ursachen. Die Diagnose lässt sich im Idealfall durch Kombination von Sonographiebefunden und Laborbefunden erhalten. Die Therapie ist fast ausnahmslos operativ.
10.2.4
Auch Blutungen aus dem Retroperitoneum können ein akutes Abdomen erzeugen. Entsprechendes gilt für massive Blutungen in die Bauchdecken. Als nicht traumatische Ursache intraperitonealer Blutungen kommen Spontanrupturen von Tumoren in Frage ( 1 A-10.18). Die Ursachen intra- und retroperitonealer Blutungen sind in 2 A-10.4 dargestellt.
Durchblutungsstörungen (s. a. Kap. B-24)
Symptome und Diagnose. Die Symptome unterscheiden sich nicht von denen anderer Ursachen eines akuten Abdomens. Die Diagnose kann im Idealfall durch Sonographie und Labor gestellt werden. Die Therapie ist operativ. 10.2.4 Durchblutungsstörungen (s.a. Kap. B-24)
Die gefäßchirurgisch bedingten Ursachen eines akuten Abdomens sind fast ausschließlich in Veränderung der Arterien begründet. Hier steht das Aortenaneurysma im Vordergrund (s.S. 915), gefolgt von zentral liegenden Gefäßverschlüssen der Viszeralarterien.
Die gefäßchirurgisch bedingten Ursachen eines akuten Abdomens sind fast ausschließlich in Veränderungen der Arterien begründet.
Ätiologie. Ätiologisch kommen Embolien, akute Thrombosen, Gefäßtrau-
Ätiologie. Embolien, akute Thrombosen, Gefäßtraumata und disseziierende Aneurysmen. Symptome und Diagnose. Überschreiten die Durchblutungsstörungen eine Toleranzzeit von 2–3 Stunden, zeigt sich das Bild eines Mesenterialinfarktes ( 1 A-10.19). Hierbei besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem schlechten Zustand des Patienten und dem allgemeinen Untersuchungsbefund. Die Indikation zur Exploration ist großzügig zu stellen.
mata und disseziierende Aneurysmen in Frage.
Symptome und Diagnose. Obgleich das Intestinum infolge der Gefäßarka-
denbildung in ganzer Länge eine gute Durchblutung garantiert, können zentral liegende Arterienverschlüsse relevante Durchblutungsstörungen auslösen. Haben diese Durchblutungsstörungen eine Toleranzzeit von 2–3 Stunden überschritten, werden sie klinisch manifest. Sie zeigen sich dann unter dem Bild eines Mesenterialinfarktes ( 1 A-10.19) Hierbei besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem schlechten Zustand des Patienten und dem klinischen Untersuchungsbefund. Daher ist die Indikation zur Exploration, ggf. auch laparoskopisch, großzügig zu stellen.
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10.2.4 Durchblutungsstörungen
1 A-10.18
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Rupturierte Zyste Rupturierte »Schokoladenzyste« bei einer 60-jährigen Patientin.
Es ist jedoch möglich, dass Blutungen aus dem Retroperitoneum ein akutes Abdomen erzeugen. Dabei kann es durch Ruptur des Peritoneums oder durch Diapedese zur intraabdominellen Ansammlung freien Blutes kommen. Entsprechendes gilt für massive Blutungen in die Bauchdecken: Rektusscheidenhämatome können ein akutes Abdomen vortäuschen. Als nicht traumatische Ursachen für eine intraperitoneale Blutung kommen Spontanrupturen von Tumoren in Frage. Hierbei handelt es sich besonders um Veränderungen parenchymatöser Organe, wie Leber (z.B. Hämangiome, Adenome), Milz (z.B. zweizeitige Milzruptur, Perforation bei Milztumoren) oder um gynäkologische Erkrankungen (z.B. rupturierte Zysten, Extrauteringravidität) ( 1 A-10.18) ( 2 A-10.4).
2 A-10.4
Ursachen intra- und retroperitonealer Blutungen
N häufige Ursache n
Follikelsprung, Extrauteringravidität, traumatische Milz- oder Leberruptur
N seltene Ursachen n
traumatischer Mesenterialeinriss, rupturiertes Aneurysma, Nierenlagerblutung
Symptome und Diagnose. Die Symptome eines akuten Abdomens durch
freie Blutmengen im Peritonealraum unterscheiden sich nicht spezifisch von denen anderer Ursachen. Die Diagnose lässt sich im Idealfall durch Kombination von Sonographiebefunden und Laborbefunden erhalten. Die Therapie ist fast ausnahmslos operativ.
10.2.4
Auch Blutungen aus dem Retroperitoneum können ein akutes Abdomen erzeugen. Entsprechendes gilt für massive Blutungen in die Bauchdecken. Als nicht traumatische Ursache intraperitonealer Blutungen kommen Spontanrupturen von Tumoren in Frage ( 1 A-10.18). Die Ursachen intra- und retroperitonealer Blutungen sind in 2 A-10.4 dargestellt.
Durchblutungsstörungen (s. a. Kap. B-24)
Symptome und Diagnose. Die Symptome unterscheiden sich nicht von denen anderer Ursachen eines akuten Abdomens. Die Diagnose kann im Idealfall durch Sonographie und Labor gestellt werden. Die Therapie ist operativ. 10.2.4 Durchblutungsstörungen (s.a. Kap. B-24)
Die gefäßchirurgisch bedingten Ursachen eines akuten Abdomens sind fast ausschließlich in Veränderung der Arterien begründet. Hier steht das Aortenaneurysma im Vordergrund (s.S. 915), gefolgt von zentral liegenden Gefäßverschlüssen der Viszeralarterien.
Die gefäßchirurgisch bedingten Ursachen eines akuten Abdomens sind fast ausschließlich in Veränderungen der Arterien begründet.
Ätiologie. Ätiologisch kommen Embolien, akute Thrombosen, Gefäßtrau-
Ätiologie. Embolien, akute Thrombosen, Gefäßtraumata und disseziierende Aneurysmen. Symptome und Diagnose. Überschreiten die Durchblutungsstörungen eine Toleranzzeit von 2–3 Stunden, zeigt sich das Bild eines Mesenterialinfarktes ( 1 A-10.19). Hierbei besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem schlechten Zustand des Patienten und dem allgemeinen Untersuchungsbefund. Die Indikation zur Exploration ist großzügig zu stellen.
mata und disseziierende Aneurysmen in Frage.
Symptome und Diagnose. Obgleich das Intestinum infolge der Gefäßarka-
denbildung in ganzer Länge eine gute Durchblutung garantiert, können zentral liegende Arterienverschlüsse relevante Durchblutungsstörungen auslösen. Haben diese Durchblutungsstörungen eine Toleranzzeit von 2–3 Stunden überschritten, werden sie klinisch manifest. Sie zeigen sich dann unter dem Bild eines Mesenterialinfarktes ( 1 A-10.19) Hierbei besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem schlechten Zustand des Patienten und dem klinischen Untersuchungsbefund. Daher ist die Indikation zur Exploration, ggf. auch laparoskopisch, großzügig zu stellen.
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10 Akutes Abdomen
Therapie. Sie reicht von der Segmentresektion über eine Gefäßembolektomie bis zur alleinigen Exploration.
1 A-10.19
Therapie. Die operativen Möglichkeiten reichen von einer Segmentresektion eines Darmabschnittes über eine Gefäßembolektomie, -thrombektomie bis zur reinen Exploration ohne Möglichkeit einer sinnvollen operativen Therapie.
Durchblutungsstörung des Darmes
a Segmentaler (peripherer) Gefäßverschluss.
10.2.5 Traumen Definition
10.2.5
b Zentraler Gefäßverschluss.
Traumen
n Definition. Ein traumatisch bedingtes akutes Abdomen liegt dann vor, wenn eine äußere Gewalt auf die Bauchwände eingewirkt und zu Verletzungen der Bauchorgane geführt hat. Je nach Art und Ursache dieser Gewalteinwirkung wird ein stumpfes Trauma von einer perforierenden Verletzung unterschieden.
Das Verhältnis zwischen stumpfen zu perforierenden Bauchverletzungen beträgt ca. 8 : 1.
Das Verhältnis zwischen stumpfen und perforierenden Bauchverletzungen beträgt im »normalen« Umfeld (keine Kriegsereignisse) ca. 8 : 1. Allgemein sind Männer häufiger betroffen als Frauen.
Stumpfe Bauchverletzungen
Stumpfe Bauchverletzungen
Ätiologie. Wirken physikalische Kräfte auf die Abdominalwände ein, können diese, angefangen mit dem Auffangen durch Verformung der Bauchwände bis zum Bersten, eine breite Palette von Schäden hervorrufen ( 1 A-10.20).
Ätiologie. Wirken physikalische Kräfte auf die Abdominalwände ein, kön-
nen diese, angefangen mit dem Auffangen durch Verformung der Bauchwände bis zum Bersten, eine breite Palette von Schäden hervorrufen ( 1 A-10.20). Als Kriterium für die Schadensintensität müssen z.B. die Oberfläche des traumatisierenden Gegenstandes (Fuß- oder Pferdetritt, Fahrrad-
1 A-10.20
Stumpfe Bauchverletzung Gurtprellmarken einer verunfallten Pkw-Fahrerin mit intraabdominellen Verletzungen (blutiger Lavage-Katheterschlauch).
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10.2.5 Traumen lenker), die Aufprallgeschwindigkeit (Lenkrad beim Dezelerationstrauma, Sturz aus unterschiedlich großer Höhe) und der Aufprallort am Rumpf (paravertebral, paraumbilikal) berücksichtigt werden. Der Unfallmechanismus bedingt, dass bei stumpfen Bauchtraumen häufig weitere Verletzungen außerhalb des Abdomens vorliegen.
Symptome. Die Symptome sind abhängig vom Verletzungsausmaß und werden vorrangig durch die bestehende intraperitoneale Blutung (Cave: Schock) oder Organperforation bestimmt.
Symptome. Die intraperitoneale Blutung oder die Organperforation bestimmen vorrangig die Symptomatik.
Diagnose. Besonders die parenchymatösen Organe in der Reihenfolge Milz, Leber, Pankreas, Dünndarm mit Mesenterialwurzel und Nieren können bei stumpfen Bauchtraumen verletzt sein. Ein wesentliches diagnostisches Hilfsmittel zur Erkennung intraabdomineller Läsionen stellt die Sonographie dar. Sie zeigt eine hohe Sensitivität und Spezifität für Flüssigkeiten (ca. 90 %).
Diagnose. Besonders die parenchymatösen Organe in der Reihenfolge Milz, Leber, Pankreas, Dünndarm mit Mesenterialwurzel und Nieren sind betroffen. Wesentliches diagnostisches Hilfsmittel ist die Sonographie.
n Merke. Engmaschige Kontrollen von Hb und Bauchumfang können keine suffiziente Aussage über eine intraabdominelle Verletzung geben und sollten für diese Indikation nicht mehr verwendet werden!
Merke
Mithilfe der Sonographie ist besonders der schmale Raum zwischen Leberrand und Peritoneum ventral der Nierenkapsel (Morrison-Pouch), der Bereich zwischen linkem Zwerchfell und Milz sowie der Douglas-Raum zu untersuchen.
Therapie und Prognose. Sofern die Diagnostik den Verdacht einer intraab-
Therapie und Prognose. Eine intraabdominelle Blutung verlangt eine operative Intervention. Neben der Blutungsquellensuche müssen alle Bauchorgane inspiziert werden. Stumpfe Bauchverletzungen zeigen eine Letalität zwischen 20 % und 60 %.
Perforierende Bauchverletzungen
Perforierende Bauchverletzungen
Ätiologie. Bei einer perforierenden Bauchverletzung hat der Fremdkörper die Bauchdecken durchstoßen und das Peritoneum verletzt. Allein aus dieser Tatsache heraus ergibt sich die Indikation zur operativen Revision.
Ätiologie. Hierbei hat ein Fremdkörper die Bauchdecken durchstoßen und das Peritoneum verletzt, damit ergibt sich die Indikation zur operativen Revision.
Diagnose und Therapie. Selbst bei scheinbar harmlosen Läsionen der
Diagnose und Therapie. Auch scheinbar harmlose Läsionen bedürfen bei fehlender totaler Sondierbarkeit des Stichkanals der weiteren Abklärung.
dominellen Blutung erhärtet, besteht die Indikation zur operativen Intervention. Außer der Suche nach der vermuteten Blutungsquelle sind alle Bauchorgane zu inspizieren, kombiniert mit dem bestmöglichen Ausschluss traumatisch bedingter Läsionen im Retroperitoneum. Allein auf die stumpfen Bauchverletzungen bezogen wird allgemein eine Letalität zwischen 20 % und 60 % angegeben.
Bauchdecken wie z.B. Messerstichverletzungen in einem Schlachtereibetrieb, ist eine oberflächliche Wundversorgung bei fehlender totaler Sondierbarkeit des Stichkanals ein grober Fehler. Die gute Verschiebbarkeit der Bauchwandschichten lässt nur in Ausnahmefällen eine Sondierbarkeit bis zum Ende des Stichkanals zu. n Merke. Eine mangelnde Sondierbarkeit eines Stichkanals schließt eine perforierende Bauchdeckenverletzung nicht aus.
Prinzipiell muss jeder Patient mit Verdacht auf ein perforierendes Bauchtrauma laparotomiert werden. Alternativ kann bei fehlendem diagnostischen Hinweis einer intraabdominellen Läsion bei perforierenden Bauchtraumen eine Laparoskopie durchgeführt werden. n Merke. Ist ein die Bauchdecken perforierender Gegenstand in situ verblieben, darf dieser nicht vom Notarzt oder von dem Arzt, der die Erstversorgung durchführt, entfernt werden.
Merke
Prinzipiell muss jeder Patient mit Verdacht auf ein perforierendes Bauchtrauma laparotomiert werden.
Merke
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10 Akutes Abdomen
Perforierende Gegenstände dürfen erst im Rahmen der operativen Revision herauspräpariert werden ( 1 A-10.21). Prolabierte Organe dürfen erst intraoperativ reponiert werden ( 1 A-10.22). Als notfallmäßige Erstversorgungsmaßnahme werden sie keimarm bzw. keimfrei abgedeckt.
1 A-10.21
Dieser Gegenstand soll im Rahmen einer operativen Revision herauspräpariert werden. Nur so sind die Läsionen, die durch die Perforation entstanden sind, sofort erkennbar und behandelbar ( 1 A-10.21). Entsprechendes gilt für prolabierte Organe ( 1 A-10.22). Diese werden als Erstversorgungsmaßnahme bis zur definitiven chirurgischen Versorgung keimarm bzw. keimfrei abgedeckt. Erst im OP erfolgt die Reposition der prolabierten Organe.
Perforierende Bauchdeckenverletzung
In situ belassener Gegenstand (Küchenmesser) wird intraoperativ aus dem Abdomen herauspräpariert.
Die allernotwendigsten diagnostischen Verfahren vor Operation sind die Abdomenübersichtsaufnahme und die Sonographie.
10.3
Retroperitoneale Erkrankungen
Veränderungen im Retroperitoneum können eine abdominelle Symptomatik hervorrufen.
1 A-10.22
Organprolaps
Netzprolaps bei Nabelperforation (Aszites).
Die Vordiagnostik der perforierenden Bauchverletzungen erstreckt sich auf das Allernotwendigste: Abdomenübersichtsaufnahme bei röntgendichten Fremdkörpern, evtl. Sonographie zur Abschätzung des Fremdkörperendes. Im Rahmen der standardisierten Op-Vorbereitung (s.o.) ist eine perioperative Antibiotikagabe sowie ggf. Tetanusprophylaxe indiziert.
10.3
Retroperitoneale Erkrankungen
Infolge der engen Verflechtung mit den Zielorganen und der topographischen Lage des autonomen Nervensystems lässt sich eine Abgrenzung von intraabdominellen und extraabdominellen Läsionen manchmal nicht herstellen. Aus diesem Grund ist es möglich, dass Veränderungen im Retroperitoneum eine abdominelle Symptomatik hervorrufen. Je nach Intensität der retroperitonealen Läsion ist folglich die Ausbildung eines akuten Abdomens möglich. Diesbezüglich ist die akute bzw. nekrotisierende Pankreatitis zu erwähnen. Hierbei finden sich die Symptome eines akuten Abdomens. Die Diagnose lässt sich außer an einer (meist) typischen Laborkonstellation (Erhöhung der Pankreasenzyme) aussagekräftig nur noch in der CT erhärten.
Gefäßchirurgisch bedingte Ursachen
10.3.1 Gefäßchirurgisch bedingte Ursachen
10.3.1
Die gefäßchirurgisch bedingten Ursachen eines akuten Abdomens sind fast ausschließlich in Veränderungen der Arterien begründet.
Die gefäßchirurgisch bedingten Ursachen eines akuten Abdomens sind fast ausschließlich in Veränderungen der Arterien begründet (s.a. Kap. B-24). Bei den retroperitoneal bedingten Ursachen steht das Aortenaneurysma im Vordergrund. Ausgehend von der Aorta können Rupturen eines Aneurysmas, dissezierende Aneurysmen und akute Aortenverschlüsse ein akutes Abdomen auslösen. Von den Aortenästen sind Embolien oder akute Thrombosen bzw. Aneurysmarupturen mögliche Ursachen eines akuten Abdomens. Im venösen System kann durch Beteiligung des Portalkreislaufes durch Thrombose der V. mesenterica superior, der Pfortader oder durch Pyophlebitis ein akutes Abdomen entstehen.
Im venösen System kann z.B. durch Beteiligung des Portalkreislaufes durch Thrombose ein akutes Abdomen entstehen.
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216
10 Akutes Abdomen
Perforierende Gegenstände dürfen erst im Rahmen der operativen Revision herauspräpariert werden ( 1 A-10.21). Prolabierte Organe dürfen erst intraoperativ reponiert werden ( 1 A-10.22). Als notfallmäßige Erstversorgungsmaßnahme werden sie keimarm bzw. keimfrei abgedeckt.
1 A-10.21
Dieser Gegenstand soll im Rahmen einer operativen Revision herauspräpariert werden. Nur so sind die Läsionen, die durch die Perforation entstanden sind, sofort erkennbar und behandelbar ( 1 A-10.21). Entsprechendes gilt für prolabierte Organe ( 1 A-10.22). Diese werden als Erstversorgungsmaßnahme bis zur definitiven chirurgischen Versorgung keimarm bzw. keimfrei abgedeckt. Erst im OP erfolgt die Reposition der prolabierten Organe.
Perforierende Bauchdeckenverletzung
In situ belassener Gegenstand (Küchenmesser) wird intraoperativ aus dem Abdomen herauspräpariert.
Die allernotwendigsten diagnostischen Verfahren vor Operation sind die Abdomenübersichtsaufnahme und die Sonographie.
10.3
Retroperitoneale Erkrankungen
Veränderungen im Retroperitoneum können eine abdominelle Symptomatik hervorrufen.
1 A-10.22
Organprolaps
Netzprolaps bei Nabelperforation (Aszites).
Die Vordiagnostik der perforierenden Bauchverletzungen erstreckt sich auf das Allernotwendigste: Abdomenübersichtsaufnahme bei röntgendichten Fremdkörpern, evtl. Sonographie zur Abschätzung des Fremdkörperendes. Im Rahmen der standardisierten Op-Vorbereitung (s.o.) ist eine perioperative Antibiotikagabe sowie ggf. Tetanusprophylaxe indiziert.
10.3
Retroperitoneale Erkrankungen
Infolge der engen Verflechtung mit den Zielorganen und der topographischen Lage des autonomen Nervensystems lässt sich eine Abgrenzung von intraabdominellen und extraabdominellen Läsionen manchmal nicht herstellen. Aus diesem Grund ist es möglich, dass Veränderungen im Retroperitoneum eine abdominelle Symptomatik hervorrufen. Je nach Intensität der retroperitonealen Läsion ist folglich die Ausbildung eines akuten Abdomens möglich. Diesbezüglich ist die akute bzw. nekrotisierende Pankreatitis zu erwähnen. Hierbei finden sich die Symptome eines akuten Abdomens. Die Diagnose lässt sich außer an einer (meist) typischen Laborkonstellation (Erhöhung der Pankreasenzyme) aussagekräftig nur noch in der CT erhärten.
Gefäßchirurgisch bedingte Ursachen
10.3.1 Gefäßchirurgisch bedingte Ursachen
10.3.1
Die gefäßchirurgisch bedingten Ursachen eines akuten Abdomens sind fast ausschließlich in Veränderungen der Arterien begründet.
Die gefäßchirurgisch bedingten Ursachen eines akuten Abdomens sind fast ausschließlich in Veränderungen der Arterien begründet (s.a. Kap. B-24). Bei den retroperitoneal bedingten Ursachen steht das Aortenaneurysma im Vordergrund. Ausgehend von der Aorta können Rupturen eines Aneurysmas, dissezierende Aneurysmen und akute Aortenverschlüsse ein akutes Abdomen auslösen. Von den Aortenästen sind Embolien oder akute Thrombosen bzw. Aneurysmarupturen mögliche Ursachen eines akuten Abdomens. Im venösen System kann durch Beteiligung des Portalkreislaufes durch Thrombose der V. mesenterica superior, der Pfortader oder durch Pyophlebitis ein akutes Abdomen entstehen.
Im venösen System kann z.B. durch Beteiligung des Portalkreislaufes durch Thrombose ein akutes Abdomen entstehen.
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10.4.4 Veränderungen der Bauchdecken 10.3.2
Urologische Erkrankungen
Für das Zustandekommen eines akuten Abdomens sind Erkrankungen aus dem urologischen Fachbereich selten. Diese sind z.B. spontane oder traumatisch bedingte Blutungen ins Nierenlager, Organrupturen oder akute Organeinblutungen der ableitenden Harnwege. Auch ist es möglich, dass eine prall gefüllte Harnblase – als palpabler Unterbauchtumor – eine deutliche Symptomatik mit Peritonismus produziert. Kommt es zur Blasenruptur, entsteht dadurch eine urämische Peritonitis mit akutem Abdomen.
10.3.3
Veränderungen des Lymphsystems
Retroperitoneal liegende Veränderungen des Lymphsystems sind mögliche, aber seltene Ursachen für die Ausbildung eines akuten Abdomens. Durch Tumorkompression oder -zerfall bei Lymphomen oder Lymphknotenmetastasen ist eine Begleitreaktion des Peritoneums mit konsekutivem akutem Abdomen denkbar. Häufiger wird ein akutes Abdomen bei einer Pankreatitis in höheren Schweregraden beobachtet. Bei Ausbildung einer nekrotisierenden Pankreatitis, gleichgültig ob diese idiopathisch, äthylisch oder lithogen entstanden ist, kann durch eine Durchwanderungsperitonitis ein akutes Abdomen entstehen.
10.4
Extraabdominelle Erkrankungen
Im Folgenden werden Beispiele von Veränderungen gegeben, die außerhalb des Abdomens liegen. Diese können Symptome wie bei einem akuten Abdomen vortäuschen. Deshalb wird dieser Zustand mit dem Begriff »Pseudoperitonitis« bezeichnet. Die Therapie eines solchen Zustandes richtet sich natürlich nach den Bedürfnissen der Grunderkrankung.
10.4.1
Kardiale Erkrankungen
Aus dem Bereich der kardialen Erkrankungen sind die Koronarthrombose (Rechtsherzinfarkt), die akute Perikarditis und das Rechtsherzversagen mit Leberstauung als Ursache für Symptome zu nennen, die ein akutes Abdomen vortäuschen können.
10.4.2
Pulmonale Erkrankungen
Die basale Pneumonie, die zwerchfellnahe Pleuritis und die Lungenembolie bzw. der Lungeninfarkt basaler Lungensegmente können ein akutes Abdomen vortäuschen.
10.4.3
Stoffwechselerkrankungen und Intoxikationen
Die akute intermittierende Porphyrie wie auch ein erhöhter Blutzuckerspiegel (Hyperglykämie) können ein akutes Abdomen vortäuschen. Ebenso können Schwermetallvergiftungen (v.a. Blei) die Symptomatik eines akuten Abdomens auslösen.
10.4.4
Veränderungen der Bauchdecken
Bezüglich Veränderungen der Bauchdecken müssen Kontusionen, sub- oder epifasziale Einblutungen sowie Herpesbefall bzw. andere neurale Läsionen als Ursache für Symptome, die ein akutes Abdomen vortäuschen können, angegeben werden.
10.3.2 Urologische Erkrankungen Erkrankungen aus dem urologischen Fachbereich sind für das Zustandekommen eines akuten Abdomens selten: z.B. durch spontane oder traumatisch bedingte Blutungen ins Nierenlager, Organrupturen oder akute Organeinblutungen der ableitenden Harnwege.
10.3.3 Veränderungen des Lymphsystems Durch Tumorkompression oder -zerfall bei Lymphomen oder Lymphknotenmetastasen ist eine Begleitreaktion des Peritoneums mit konsekutivem akuten Abdomen denkbar. Eine nekrotisierende Pankreatitis kann durch eine Durchwanderungsperitonitis ein akutes Abdomen verursachen.
10.4
Extraabdominelle Erkrankungen
Diese Erkrankungen können Symptome wie bei einem akuten Abdomen vortäuschen, weshalb man in diesen Fällen von einer Pseudoperitonitis spricht. Die Therapie hat sich nach der Grunderkrankung zu richten. 10.4.1 Kardiale Erkrankungen Die Koronarthrombose (Rechtsherzinfarkt), die akute Perikarditis unddas Rechtsherzversagen mit Leberstauung können ein akutes Abdomen vortäuschen. 10.4.2 Pulmonale Erkrankungen Die basale Pneumonie, die zwerchfellnahe Pleuritis und die Lungenembolie bzw. der Lungeninfarkt basaler Lungensegmente können ein akutes Abdomen vortäuschen. 10.4.3 Stoffwechselerkrankungen und Intoxikationen Die akute intermittierende Porphyrie, eine Hyperglykämie wie auch Schwermetallvergiftungen (Blei) können die Symptomatik eines akuten Abdomens auslösen. 10.4.4 Veränderungen der Bauchdecken Kontusionen, sub- oder epifasziale Einblutungen, Herpesbefall und andere neurale Läsionen können ebenfalls ein akutes Abdomen vortäuschen.
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219 11
Verbrennungen
11
Verbrennungen
Bernd Nemsmann n Definition. Unter einer Verbrennung versteht man eine Gewebsschädigung unter Hitzeeinwirkung von mehr als ca. 50 ΩC Hauttemperatur.
Definition
In Deutschland werden jährlich ca. 15 000–18 000 Brandverletzte behandelt, wovon ca. 1600 als Schwerbrandverletzte eingestuft werden müssen. Je nach Ausdehnung und Intensität der Verbrennungen reicht die Therapiespanne von der ambulanten Behandlung durch den Hausarzt bis zu intensivmedizinischen Maßnahmen in spezialisierten Verbrennungszentren. Da die Hautveränderungen bei einer Verbrennung mit den Schäden vergleichbar sind, die bei Verbrühungen, Verätzungen, Starkstrom- sowie aktinischen Schäden (Strahlenschäden) gefunden werden, beinhaltet die Darstellung der Verbrennungen in Grenzen auch diese Schäden.
11.1
Klassifikation
11.1
11.1.1
Tiefenbestimmung
11.1.1 Tiefenbestimmung
Die Tiefe der Verbrennung wird in 3 Schweregrade eingeteilt ( 2 A-11.1). Die Erstbeschreibung einer solchen Einteilung findet sich bei Fabritius Hildanus (1510–1590). Die Einteilung in 3 Schweregrade ergibt sich aus dem Aspekt der Schädigung und der Sensibilitätsprüfung. Im Hinblick auf eine Therapie ist jedoch eine weitere Differenzierung des Verbrennungsschadens notwendig geworden. So werden die Verbrennungen 2. Grades in eine oberflächliche (2a) und eine tiefe Schädigung (2b) unterteilt.
2 A-11.1
Klassifikation
Die Verbrennungstiefe wird in 3 Schweregrade eingeteilt ( 2 A-11.1).
Verbrennungsgrade
Verbrennung 1. Grades
Verbrennung 2. Grades: 2a (oberflächlich)
2b (tief)
Verbrennung 3. Grades
Erythem
Erythem (wegdrückbar)
Erythem (kaum wegdrückbar)
Wunde gelblich bis schwarz, prall-hart
Ödem
Blasenbildung
Blasenbildung
Haut trocken, glänzend
Schmerz
Schmerz
Schmerz
keine Schmerzempfindung
Nadelstichtest positiv
Nadelstichtest bedingt positiv
Nadelstichtest negativ
Haarverankerung intakt
Haarverankerung bedingt intakt
Hautanhangsgebilde ohne Haftung
Verbrennungen 1. Grades
Verbrennungen 1. Grades
Erstgradige Verbrennungen zeichnen sich außer einer Schmerzhaftigkeit durch ein Erythem und ein Ödem aus ( 1 A-11.1).
Erstgradige Verbrennungen zeichnen sich außer Schmerzhaftigkeit durch Erythem und Ödem aus ( 1 A-11.1).
Verbrennungen 2. Grades
Verbrennungen 2. Grades
Generell finden sich bei Verbrennungen 2. Grades außer dem Erythem mit Ödem Flüssigkeitsansammlungen zwischen Epidermis und Corium, die als Blasenbildung imponieren.
Die zweitgradige Verbrennung zeigt außer Erythem und Ödem eine Blasenbildung.
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220
11 Verbrennungen
1 A-11.1
Verbrennung 1. Grades Verbrennung 1. Grades am Beispiel des Sonnenbrands.
Man unterteilt eine oberflächliche (2a) und eine tiefe (2b) Verbrennung 2. Grades. Durch die »Nadelprobe« lassen sich beide Verbrennungstiefen (2a und 2b) differenzieren ( 1 A-11.2).
1 A-11.2
Bei der oberflächlich dermalen Verbrennung (Grad 2a) sind die Hautanhangsgebilde intakt. Ebenso ist die Kapillardurchblutung und die Elastizität der Haut annähernd normal. Daraus resultiert die Tiefenbestimmung mit Hilfe der »Nadelprobe«. Ein Nadelstich wird als schmerzhaft empfunden und hinterlässt eine deutliche Blutung ( 1 A-11.2).
Synopsis Nadelstichtest zur Differenzierung der Verbrennungstiefe
a Verbrennung Grad 2a (schmerzhaft, deutliche Stichkanalblutung) b Verbrennung Grad 2b (kaum schmerzhaft, zögerliche Blutung) c Verbrennung 3. Grades (keine Schmerzen, keine Blutung) b c
a
1. Grades 2. Grades (oberflächlich) Epidermis
Dermis
2. Grades (tief)
3. Grades
Subkutis
Muskel
Wird bei einer Verbrennung mittels »Nadelstichtest« keine deutliche Blutung und Schmerzhaftigkeit provoziert, liegt eine tiefe dermale Verbrennung vor (Grad 2 b).
Wird bei einer Verbrennung mittels »Nadelstichtest« keine deutliche Blutung und Schmerzhaftigkeit provoziert, liegt eine tiefe dermale Verbrennung vor (Grad 2b). Natürlich werden auch die Veränderungen wie oben beschrieben gefunden. Die Hautelastizität hat jedoch abgenommen, und die Rötung des Grundes ist nach Abtragen der entstandenen Blasen nur schwer wegdrückbar. Die Haare lassen sich ohne physiologischen Widerstand auszupfen.
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221
11.1.1 Tiefenbestimmung
n Merke. Die Beurteilung der Farbe des Wundgrundes zur Einschätzung einer Verbrennungstiefe stellt ein unsicheres Kriterium dar, da die Farbe u.a. durch die Art der Noxe (Verbrühung: gelblich, Verpuffung: schwarz usw.) bestimmt wird.
Bei 2a-Verbrennungen ist innerhalb von 14 Tagen eine spontane Heilung aus den intakten Hautanhangsgebilden möglich. Im Gegensatz zur 2a-Verbrennung heilen 2b-Verbrennungen spontan nur unter ausgeprägter hypertropher Narbenbildung aus ( 1 A-11.3).
1 A-11.3
Merke
Im Gegensatz zur 2a-Verbrennung heilen 2b-Verbrennungen spontan nur unter ausgeprägter hypertropher Narbenbildung aus ( 1 A-11.3).
Narbenbildung bei einem 3jährigen unter »Spontanheilung«
a Ca. 14 Tage nach dem unbehandelt gebliebenen Ereignis.
b Ca. 6 Monate später zeigt sich die deutliche Narbenkeloidbildung.
Verbrennungen 3. Grades
Verbrennungen 3. Grades
Die Verbrennung 3. Grades zeichnet sich dadurch aus, dass weder eine Schmerzempfindung angegeben wird, noch eine solche durch die Nadelprobe provoziert werden kann. Die teilweise sichtbaren subkutanen Gefäße weisen eine Stase bzw. Thrombose auf, sodass hier keine Blutung provoziert werden kann. Die Nägel und Haare liegen der denaturierten Haut ohne Halt auf. Diese zeigt je nach Ursache der Verbrennung eine gelblichweiße bis braunschwarze Verfärbung. Die Oberfläche der denaturierten Haut ist unterschiedlich strukturiert, von glatt bis aufgeplatzt-gerissen. Sofern die Verbrennungstiefe die Subkutis überschritten hat und auf Faszie oder Muskulatur übergreift, wird der Begriff der Verbrennung 4. Grades gebraucht. Diese Bezeichnung ist historisch begründet und wegen fehlender Konsequenzen weitgehend verlassen worden ( 1 A-11.4, 2 A-11.1).
Bei der drittgradig verbrannten Haut fehlen Schmerzempfindungen, die Gefäße in der wachsartig wirkenden Haut zeigen eine Stase bzw. Thrombose.
1 A-11.4
Die frühere Bezeichnung der Verbrennung 4. Grades entfällt wegen fehlender therapeutischer Konsequenzen ( 1 A-11.4, 2 A-11.1).
Verbrennung 3. Grades Verbrennung 3. Grades infolge brennender Synthetikwäsche.
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222
11 Verbrennungen
Oberflächenbestimmung
11.1.2 Oberflächenbestimmung
11.1.2
Neunerregel
Neunerregel
Die Bestimmung des Verbrennungsschadens bezüglich der Körperoberfläche (KOF) wird überschlagsmäßig nach der Neunerregel nach Wallace bestimmt ( 1 A-11.5).
Das Ausmaß eines Verbrennungsschadens und damit die Prognose hängt neben der unterschiedlichen Eindringtiefe von der flächenhaften Ausdehnung ab. Die gesamte Körperoberfläche (KOF) wird mit 1,8–1,9 m2 angegeben. Um sich einen raschen Überblick über die geschädigte KOF zu verschaffen, bedient man sich der sog. »Neunerregel« nach Wallace (Alistar B. Wallace, Edinburgh 1947). Bei dieser Faustregel wird die KOF des Erwachsenen in ein Vielfaches von »9« aufgeteilt ( 1 A-11.5).
1 A-11.5
Synopsis Aufteilung der Körperoberfläche nach der Neunerregel
Kopf 19 % Kopf 9 % Rumpf je 16 % vorn und hinten Arme je je 9,5 Arme 9%
Beine je 15 %
Rumpf je 18 % vorn und hinten
a
Arme je 9 %
Kopf 15 %
(Genitale 1 %) Arme je 9,5 % Rumpf je 16 % vorn und hinten
Beine je 18 %
Beine je 17 %
b
c
a Kleinkind (ca. 1 Jahr) b Kind (ca. 5 Jahre) c Erwachsener (> ca. 15 Jahre)
Handflächenregel Eine weitere Differenzierung ist durch die Handflächenregel möglich: Die Handfläche entspricht 1 % der (eigenen) KOF ( 1 A-11.6).
Handflächenregel In praxi ist die Anwendung der Neunerregel deshalb nur als Übersichtsmaß verwendbar, weil die kleinste Schätzeinheit – 9 % – noch zu grob ausfällt. Es bietet sich als nächst kleinere praktikable Einheit die Handfläche an, die 1 % der KOF ausmacht. Bei dieser meist ausreichend genauen Methode zur Einschätzung einer geschädigten KOF muss jedoch berücksichtigt werden, dass nur die Größe der Hand des geschädigten Individuums selbst mit 1 % veranschlagt werden darf ( 1 A-11.6).
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223
11.1.3 Schweregrade der Brandverletzungen
1 A-11.6
Synopsis Handflächenregel Die Handfläche des Messenden beträgt ca. 1 % seiner eigenen Körperoberfläche (bei Maßangaben für Kinder berücksichtigen).
1%
BG-Verbrennungsbogen
BG-Verbrennungsbogen
Zur noch exakteren Bestimmung der verbrannten KOF dienen Erhebungsbögen, die von den Berufsgenossenschaften (BG) erstellt wurden. Auf diesen Bögen wird u.a. die unterschiedliche prozentuale Verteilung der KOF bezüglich Rumpf, Kopf und Extremitäten in unterschiedlichem Alter berücksichtigt ( 1 A-11.7).
Für eine exakte Bestimmung der brandgeschädigten Körperoberfläche dienen Erhebungsbögen (z.B. der Berufsgenossenschaften) ( 1 A-11.7).
11.1.3
Schweregrade der Brandverletzungen
Zur Beschreibung und Beurteilung eines Verbrennungsschadens lässt sich bezüglich der Tiefe die Gradigkeit und bezüglich der Ausdehnung eine der Oberflächenregeln anwenden. Vereinfacht werden beide Kriterien mit den Begriffen »leicht«, »mittelschwer«, »schwer« und »schwerst« kombiniert. Leichte Brandverletzungen sind: π Verbrennungen 1. Grades bis ca. 20 % KOF beim Erwachsenen und ca. 10 % KOF bei Kindern π Verbrennungen 2. Grades bis max. 10 % KOF bei Erwachsenen und max. 5 % KOF bei Kindern π Verbrennungen 3. Grades von < 2 % KOF. Mittelschwere Brandverletzungen sind: π Verbrennungen 1. Grades > 20 % KOF beim Erwachsenen und > 10 % KOF bei Kindern π Verbrennungen 2. Grades von 10–20 % KOF bei Erwachsenen und 5–10 % KOF bei Kindern π Verbrennungen 3. Grades bis zu 10 % KOF bei Erwachsenen und Kindern π Verbrennungen an Händen, Füßen, Gesicht, Hals oder im Genitalbereich.
Als schwere Brandverletzungen werden Verbrennungen der Grade 2b und 3 mit einer Ausdehnung von > 20 % KOF bei Erwachsenen und > 10 % KOF bei
11.1.3 Schweregrade der Brandverletzungen Zusammenfassend werden Verbrennungsschäden unter Berücksichtigung der KOF und Tiefenausdehnung durch 4 Begriffe subsummiert: Leichte, mittelschwere, schwere und schwerste Verbrennungen.
Als schwere Brandverletzungen werden Verbrennungen der Grade 2b und 3 mit einer Ausdehnung von > 20 % KOF bei Erwachsenen und > 10 % KOF bei Kindern sowie alle Verletzungen durch elektrischen Strom oder ätzende chemische Substanzen verstanden.
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224 1 A-11.7
11 Verbrennungen
Synopsis Verbrennungsbogen der BG zur exakten Bestimmung des Verbrennungsschadens Anlage zum D-Arzt-Bericht Nr. Stempel des Durchgangsarztes
Ergänzungsbericht bei schweren Verbrennungen
Zuname:
Vorname:
Verbrennung Kopf Hals Rumpf (vorn) Rumpf (hinten) R. Gesäßhälfte L. Gesäßhälfte Genitalien R. Oberarm L. Oberarm R. Unterarm L. Unterarm R. Hand L. Hand R. Oberschenkel L. Oberschenkel R. Unterschenkel L. Unterschenkel R. Fuß L. Fuß Summe: Gesamtverbrennung:
1 bis 4 Jahre 17 2 13 13 2 1⁄ 2 2 1⁄ 2 1 4 4 3 3 2 1⁄ 2 2 1⁄ 2 6 1⁄ 2 6 1⁄ 2 5 5 3 1⁄ 2 3 1⁄ 2
5 bis 9 Jahre 13 2 13 13 2 1⁄ 2 2 1⁄ 2 1 4 4 3 3 2 1⁄ 2 2 1⁄ 2 8 8 5 1⁄ 2 5 1⁄ 2 3 1⁄ 2 3 1⁄ 2
10 bis 14 Jahre 11 2 13 13 2 1⁄ 2 2 1⁄ 2 1 4 4 3 3 2 1⁄ 2 2 1⁄ 2 8 1⁄ 2 8 1⁄ 2 6 6 3 1⁄ 2 3 1⁄ 2
Alter: 15 Jahre 9 2 13 13 2 1⁄ 2 2 1⁄ 2 1 4 4 3 3 2 1⁄ 2 2 1⁄ 2 9 9 6 1⁄ 2 6 1⁄ 2 3 1⁄ 2 3 1⁄ 2
Erwachsene 7 2 13 13 2 1⁄ 2 2 1⁄ 2 1 4 4 3 3 2 1⁄ 2 2 1⁄ 2 9 1⁄ 2 9 1⁄ 2 7 7 3 1⁄ 2 3 1⁄ 2
1Ω *)
2Ω *)
J. 3Ω *)
*) Ausmaß und Schweregrad der Verbrennungen in entsprechender Spalte eintragen!
1° = grün* 2° = blau* 3° = rot* *in Skizze einfügen
Unterschrift des D-Arztes
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225
11.2.2 Systemische Schäden Kindern sowie alle Verletzungen durch elektrischen Strom oder ätzende chemische Substanzen verstanden. Schwerste Brandverletzungen entsprechen schweren Brandverletzungen mit zusätzlichem Inhalationstrauma.
11.2
Pathophysiologie
Die Hitzeeinwirkung bei Verbrennungen stellt nicht nur ein physikalisches Phänomen dar, sondern äußert sich auch in einer entzündlichen Reaktion mit Ödem, Erythem, Schmerzen und Funktionsverlust. Die Funktionen der Haut sind: Schutz, Ausscheidung, Wahrnehmung und Regulation ( 2 A-11.2).
2 A-11.2
Schwerste Brandverletzungen entsprechen schweren Brandverletzungen mit zusätzlichem Inhalationstrauma.
11.2
Pathophysiologie
Die Haut als Organ hat überwiegend 4 Funktionen, nämlich: π Schutz π Ausscheidung π Wahrnehmung π Regulation ( 2 A-11.2).
Funktionen der Haut
N Wärmeregulation n N Regulation des Wasserhaushaltes n N Barriere gegen mechanische, thermische und chemische Schäden n N immunologische Barriere n N Tast-, Temperatur- und Schmerzempfinden n
11.2.1
Lokale Schäden
Die Haut verliert durch die Verbrennungsnoxe ihre vielfältigen Aufgaben: Schutzorgan mit Barrierefunktion, Ausscheidungsorgan, Sinnesorgan und Regulationsorgan. Der auslösende Mechanismus für die Entstehung dieser entzündlichen Reaktion ist trotz der intensiven tierexperimentellen Forschung noch nicht endgültig bekannt. Es zeichnet sich jedoch ab, dass freie Sauerstoffradikale eine erhebliche Rolle bei der Entstehung der Entzündungsreaktion spielen. Diese Freisetzung von Hydroxylradikalen bewirkt einerseits ein Ausschütten von Proteinen, die ein Kapillarleck verursachen (Arachidonsäure, Prostaglandine usw.), und andererseits eine Aktivierung des Komplementsystems durch Bildung unphysiologischer Proteine im hitzegeschädigten Gewebe (u.a. Histamin bzw. Serotonin). Dieser komplexe Mechanismus scheint für das beobachtete Kapillarleck besonders in den postkapillaren Venolen verantwortlich zu sein. Deshalb wird in der möglichst frühen Entfernung des verbrannten Gewebes ein wesentliches therapeutisches Prinzip gesehen.
11.2.2
11.2.1 Lokale Schäden Nach der Verbrennungsnoxe finden sich lokal Zeichen entzündlicher Reaktionen. Es kommt zum Kapillarleck und zur Bildung unphysiologischer Proteine. Diese ziehen durch Permeabilitätsveränderung eine Volumenverschiebung des intra- und extraluminären Volumens nach sich.
Systemische Schäden 11.2.2 Systemische Schäden
Die Volumenverschiebung vom intravasalen Raum in das Interstitium wirkt sich auf den Gesamtorganismus des Brandgeschädigten aus. Es kommt zur Ausbildung eines Circulus vitiosus, bestehend aus: π Anstieg der Gefäßpermeabilität π Absinken des Plasmavolumens π Abnahme des onkotischen Druckes π Erhöhung des peripheren Widerstandes π Zunahme der Vasokonstriktion π Zunahme der Gewebsschädigung im Grenzbereich π Abnahme des Herzzeitvolumens. Dieser Circulus vitiosus muss zur Prophylaxe eines Schocksyndroms durchbrochen werden ( 1 A-11.8). Der Zustand der lokalen Schädigung der Haut bei Vorliegen eines ausgedehnten Verbrennungstraumas in Kombination mit den Folgeschäden in Form von komplexen Regulations- und Funktionsstörungen aller Organsysteme wird als Verbrennungskrankheit bezeichnet.
Durch die lokal ausgelöste Volumenverschiebung in der Verbrennungswunde wird ein Circulus vitiosus gestartet, der auf den Gesamtorganismus wirkt und in einem drastischen Sinken des Herzzeitvolumens endet: π Gefäßpermeabilität π Plasmavolumen π onkotischer Druck π peripherer Widerstand π Vasokonstriktion π weitere Gewebsschädigung im Grenzbereich π Herzzeitvolumen . Dieser Circulus vitiosus muss zur Prophylaxe eines Schocksyndroms durchbrochen werden ( 1 A-11.8).
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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11.2.2 Systemische Schäden Kindern sowie alle Verletzungen durch elektrischen Strom oder ätzende chemische Substanzen verstanden. Schwerste Brandverletzungen entsprechen schweren Brandverletzungen mit zusätzlichem Inhalationstrauma.
11.2
Pathophysiologie
Die Hitzeeinwirkung bei Verbrennungen stellt nicht nur ein physikalisches Phänomen dar, sondern äußert sich auch in einer entzündlichen Reaktion mit Ödem, Erythem, Schmerzen und Funktionsverlust. Die Funktionen der Haut sind: Schutz, Ausscheidung, Wahrnehmung und Regulation ( 2 A-11.2).
2 A-11.2
Schwerste Brandverletzungen entsprechen schweren Brandverletzungen mit zusätzlichem Inhalationstrauma.
11.2
Pathophysiologie
Die Haut als Organ hat überwiegend 4 Funktionen, nämlich: π Schutz π Ausscheidung π Wahrnehmung π Regulation ( 2 A-11.2).
Funktionen der Haut
N Wärmeregulation n N Regulation des Wasserhaushaltes n N Barriere gegen mechanische, thermische und chemische Schäden n N immunologische Barriere n N Tast-, Temperatur- und Schmerzempfinden n
11.2.1
Lokale Schäden
Die Haut verliert durch die Verbrennungsnoxe ihre vielfältigen Aufgaben: Schutzorgan mit Barrierefunktion, Ausscheidungsorgan, Sinnesorgan und Regulationsorgan. Der auslösende Mechanismus für die Entstehung dieser entzündlichen Reaktion ist trotz der intensiven tierexperimentellen Forschung noch nicht endgültig bekannt. Es zeichnet sich jedoch ab, dass freie Sauerstoffradikale eine erhebliche Rolle bei der Entstehung der Entzündungsreaktion spielen. Diese Freisetzung von Hydroxylradikalen bewirkt einerseits ein Ausschütten von Proteinen, die ein Kapillarleck verursachen (Arachidonsäure, Prostaglandine usw.), und andererseits eine Aktivierung des Komplementsystems durch Bildung unphysiologischer Proteine im hitzegeschädigten Gewebe (u.a. Histamin bzw. Serotonin). Dieser komplexe Mechanismus scheint für das beobachtete Kapillarleck besonders in den postkapillaren Venolen verantwortlich zu sein. Deshalb wird in der möglichst frühen Entfernung des verbrannten Gewebes ein wesentliches therapeutisches Prinzip gesehen.
11.2.2
11.2.1 Lokale Schäden Nach der Verbrennungsnoxe finden sich lokal Zeichen entzündlicher Reaktionen. Es kommt zum Kapillarleck und zur Bildung unphysiologischer Proteine. Diese ziehen durch Permeabilitätsveränderung eine Volumenverschiebung des intra- und extraluminären Volumens nach sich.
Systemische Schäden 11.2.2 Systemische Schäden
Die Volumenverschiebung vom intravasalen Raum in das Interstitium wirkt sich auf den Gesamtorganismus des Brandgeschädigten aus. Es kommt zur Ausbildung eines Circulus vitiosus, bestehend aus: π Anstieg der Gefäßpermeabilität π Absinken des Plasmavolumens π Abnahme des onkotischen Druckes π Erhöhung des peripheren Widerstandes π Zunahme der Vasokonstriktion π Zunahme der Gewebsschädigung im Grenzbereich π Abnahme des Herzzeitvolumens. Dieser Circulus vitiosus muss zur Prophylaxe eines Schocksyndroms durchbrochen werden ( 1 A-11.8). Der Zustand der lokalen Schädigung der Haut bei Vorliegen eines ausgedehnten Verbrennungstraumas in Kombination mit den Folgeschäden in Form von komplexen Regulations- und Funktionsstörungen aller Organsysteme wird als Verbrennungskrankheit bezeichnet.
Durch die lokal ausgelöste Volumenverschiebung in der Verbrennungswunde wird ein Circulus vitiosus gestartet, der auf den Gesamtorganismus wirkt und in einem drastischen Sinken des Herzzeitvolumens endet: π Gefäßpermeabilität π Plasmavolumen π onkotischer Druck π peripherer Widerstand π Vasokonstriktion π weitere Gewebsschädigung im Grenzbereich π Herzzeitvolumen . Dieser Circulus vitiosus muss zur Prophylaxe eines Schocksyndroms durchbrochen werden ( 1 A-11.8).
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226
11 Verbrennungen
1 A-11.8
Synopsis Pathophysiologische Veränderungen nach Verbrennungsschäden
Verbrennung
Katecholamine
Gefäßpermeabilität
Ödem
Hämatokrit
Plasmavolumen
Viskosität
Vasokonstriktion
Peripherer Widerstand
Herzzeitvolumen
11.3
Therapie
11.3
Therapie
Die Primärversorgung des Brandverletzten am Unfallort durch den Notarzt hat Vorrang vor einem schnellen Transport in die Klinik.
Die Primärversorgung des Brandverletzten am Unfallort durch den Notarzt hat Vorrang vor einem schnellen Transport in eine Klinik oder ein Verbrennungszentrum. Sie stellt in Verbindung mit der Versorgung im Krankenhaus die entscheidende Phase für den weiteren Krankheits- und Heilungsverlauf dar.
11.3.1 Präklinische Versorgung
11.3.1
Sofortmaßnahmen im Rahmen der Ersten Hilfe π Brennende Kleidung muss gelöscht und entfernt werden (anklebende Kleidung belassen) π Notfall-ABC beherzigen: Atmung, Bewusstseinslage, Blutdruck, Zirkulation müssen überwacht werden π Kühlen des erhitzten Gewebes mit Leitungswasser.
Sofortmaßnahmen im Rahmen der Ersten Hilfe
Präklinische Versorgung
Brennende oder glimmende Kleidung muss sofort durch Übergießen mit Wasser, Wälzen des Verletzen oder mit Wolldecken gelöscht und entfernt werden. Anklebende Kleidungsstücke sollten belassen werden. Der Verletzte ist anschließend aus dem Gefahrenbereich zu entfernen. Die weitere primäre Behandlungsstrategie eines akut Brandverletzten betrifft die Beherzigung des Notfall-ABC: das heißt Atmung, Bewusstseinslage, Blutdruck und Zirkulation müssen überwacht werden. Eine weitere wichtige Sofortmaßnahme stellt das Kühlen des erhitzten Gewebes mit Leitungswasser dar, welches bis zum Eintreffen des Notarztes oder Rettungsdienstes durchgeführt werden sollte.
Primärversorgung durch den Notarzt
Primärversorgung durch den Notarzt
Legen großlumiger Zugänge Infusionstherapie (kristalloide Lösung) π begleitende Kaltwassertherapie, um das »Afterburning« zu reduzieren (s.u.) π frühzeitige Schmerztherapie (s.u.) π erforderlichenfalls O -Zufuhr und 2 Intubation (bei V.a. Inhalationstrauma). Verbrennungen 1. Grades bedürfen im Grunde keiner Therapie, alle anderen Brandverletzten müssen nach der oben dargestellten präklinischen Versorgung meist stationär behandelt werden.
Schon am Unfallort ist die Einschätzung der Intensität des Verbrennungsschadens von großer Bedeutung. Mit Ausnahme von Verbrennungen 1. Grades (z. B. Sonnenbrand), die außer kühlender Externa wie Gels, zur Linderung der Beschwerden keinerlei Therapie bedürfen ist bei allen anderen Brandverletzten meist eine stationäre Behandlung erforderlich. Noch an der Unfallstelle muss nach Legen möglichst mehrerer großlumiger Zugänge mit einer Infusionstherapie (kristalloide Lösung) zur Schockbehandlung begonnen werden. Daneben ist die begleitende Kaltwassertherapie indiziert. Diese reduziert das »Afterburning« und stellt die einzige Möglichkeit dar, ein Fortschreiten mikrozirkulatorischer Störungen in der Verbrennungswunde zu stoppen (s.u.). Weiterhin ist an eine frühzeitig ausreichende Schmerztherapie (s.u.) und erforderlichenfalls O2-Zufuhr und Intubation zu denken.
π π
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11 Verbrennungen
1 A-11.8
Synopsis Pathophysiologische Veränderungen nach Verbrennungsschäden
Verbrennung
Katecholamine
Gefäßpermeabilität
Ödem
Hämatokrit
Plasmavolumen
Viskosität
Vasokonstriktion
Peripherer Widerstand
Herzzeitvolumen
11.3
Therapie
11.3
Therapie
Die Primärversorgung des Brandverletzten am Unfallort durch den Notarzt hat Vorrang vor einem schnellen Transport in die Klinik.
Die Primärversorgung des Brandverletzten am Unfallort durch den Notarzt hat Vorrang vor einem schnellen Transport in eine Klinik oder ein Verbrennungszentrum. Sie stellt in Verbindung mit der Versorgung im Krankenhaus die entscheidende Phase für den weiteren Krankheits- und Heilungsverlauf dar.
11.3.1 Präklinische Versorgung
11.3.1
Sofortmaßnahmen im Rahmen der Ersten Hilfe π Brennende Kleidung muss gelöscht und entfernt werden (anklebende Kleidung belassen) π Notfall-ABC beherzigen: Atmung, Bewusstseinslage, Blutdruck, Zirkulation müssen überwacht werden π Kühlen des erhitzten Gewebes mit Leitungswasser.
Sofortmaßnahmen im Rahmen der Ersten Hilfe
Präklinische Versorgung
Brennende oder glimmende Kleidung muss sofort durch Übergießen mit Wasser, Wälzen des Verletzen oder mit Wolldecken gelöscht und entfernt werden. Anklebende Kleidungsstücke sollten belassen werden. Der Verletzte ist anschließend aus dem Gefahrenbereich zu entfernen. Die weitere primäre Behandlungsstrategie eines akut Brandverletzten betrifft die Beherzigung des Notfall-ABC: das heißt Atmung, Bewusstseinslage, Blutdruck und Zirkulation müssen überwacht werden. Eine weitere wichtige Sofortmaßnahme stellt das Kühlen des erhitzten Gewebes mit Leitungswasser dar, welches bis zum Eintreffen des Notarztes oder Rettungsdienstes durchgeführt werden sollte.
Primärversorgung durch den Notarzt
Primärversorgung durch den Notarzt
Legen großlumiger Zugänge Infusionstherapie (kristalloide Lösung) π begleitende Kaltwassertherapie, um das »Afterburning« zu reduzieren (s.u.) π frühzeitige Schmerztherapie (s.u.) π erforderlichenfalls O -Zufuhr und 2 Intubation (bei V.a. Inhalationstrauma). Verbrennungen 1. Grades bedürfen im Grunde keiner Therapie, alle anderen Brandverletzten müssen nach der oben dargestellten präklinischen Versorgung meist stationär behandelt werden.
Schon am Unfallort ist die Einschätzung der Intensität des Verbrennungsschadens von großer Bedeutung. Mit Ausnahme von Verbrennungen 1. Grades (z. B. Sonnenbrand), die außer kühlender Externa wie Gels, zur Linderung der Beschwerden keinerlei Therapie bedürfen ist bei allen anderen Brandverletzten meist eine stationäre Behandlung erforderlich. Noch an der Unfallstelle muss nach Legen möglichst mehrerer großlumiger Zugänge mit einer Infusionstherapie (kristalloide Lösung) zur Schockbehandlung begonnen werden. Daneben ist die begleitende Kaltwassertherapie indiziert. Diese reduziert das »Afterburning« und stellt die einzige Möglichkeit dar, ein Fortschreiten mikrozirkulatorischer Störungen in der Verbrennungswunde zu stoppen (s.u.). Weiterhin ist an eine frühzeitig ausreichende Schmerztherapie (s.u.) und erforderlichenfalls O2-Zufuhr und Intubation zu denken.
π π
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11.3.1 Präklinische Versorgung Für eine endotracheale Intubation am Unfallort sprechen folgende Kriterien: Verbrennungen im Gesicht- und Halsbereich (Möglichkeit eines Inhalationstraumas), Verbrennungen kombiniert mit einem Polytrauma sowie eine vom Verletzten subjektiv angegebene Atemnot. n Merke. Die systemische Verabreichung kolloidaler Lösungen wie auch die Gabe von Kortison (kontraindiziert), Dopamin oder Digitalis sind, wie auch das Legen eines ZVK, an der Unfallstelle nicht indiziert.
Merke
Der verbrannte Hautbereich wird mit sauberen Tüchern (z.B. Leinen, keine Wolldecken) oder besser noch mit MetallineQ in funktionsgerechter Lagerung abgedeckt.
Der verbrannte Hautbereich wird mit sauberen Tüchern (z.B. Leinen, keine Wolldecken) bzw. mit Metalline Q in funktionsgerechter Lagerung abgedeckt.
Kaltwasserbehandlung
Kaltwasserbehandlung
Bis vor einigen Jahren war die Erstversorgung der Verbrennung uneinheitlich. Die heute angegebene Therapie: »Kaltes Wasser auf alle Verbrennungen« wird erst seit ca. 15 Jahren praktiziert. Historisch gesehen ist diese Empfehlung schon sehr alt. Bereits in der arabischen Medizin war die Kälteanwendung bekannt; hierzulande wurde Ende des 18. Jahrhunderts Eis als erfolgreiches Behandlungsmittel bei Verbrennungen beschrieben. Die Kaltwasserbehandlung beginnt direkt nach der Verbrennung. Wenn möglich, ist die Kleidung über der verbrannten Haut zu entfernen, dies soll generell nach Verbrühungen geschehen. Zur Kühlung der Haut ist Leitungswasser mit einer Temperatur von ca. 10–20 ΩC ausreichend, letztlich jede andere »saubere« Wasserquelle der angegebenen Temperatur. Vor einer Verwendung von Eispackungen oder Wasser niedriger Temperatur muss wegen der Provokation einer Unterkühlung gewarnt werden. Ziel der Kaltwasserbehandlung ist die rasche Reduktion der Gewebstemperatur, die besonders nach Verbrennungen mit offenen Flammen noch lange pathologisch hoch ist, da verbranntes Gewebe ein schlechter Wärmeleiter ist und dadurch die Wärmeenergie gespeichert bleibt und ohne Wärmeableitung durch Kühlung zur weiteren Ausweitung des Verbrennungsschadens führen würde. Die Dauer der Kaltwasserbehandlung richtet sich nach den Schmerzangaben des Verbrannten. Im Allgemeinen reichen ca. 30 Minuten zur deutlichen Schmerzreduktion aus, ein therapeutischer Effekt wird nach ca. 45 Minuten Kaltwasserbehandlung nicht mehr beobachtet. Falls eine Kaltwassertherapie direkt nach der Verbrennung nicht möglich ist, ist trotzdem ein Effekt der Kühltherapie zu erwarten, wenn diese bis zu 30 Minuten nach der Verbrennung beginnt. Die gefürchtete Verschmutzung der frischen Verbrennungswunde durch Kontamination mit Wasserkeimen kann bei Gebrauch von Leitungswasser außer acht gelassen werden.
Das heutige therapeutische Prinzip bei Verbrennungsschäden besagt: Kaltwasserbehandlung bei allen Verbrennungen!
Die Kaltwasserbehandlung beginnt direkt nach der Verbrennung. Wenn möglich, ist die Kleidung über der verbrannten Haut zu entfernen. Zur Kühlung der Haut ist Leitungswasser mit einer Temperatur von ca. 10–20 Ω C ausreichend. Ziel der Kaltwasserbehandlung ist die rasche Reduktion der Gewebstemperatur, um eine Ausweitung des Verbrennungsschadens zu verhindern.
Die Dauer der Kaltwasserbehandlung richtet sich nach den Schmerzangaben des Verbrannten. Im Allgemeinen reichen 30 min zur deutlichen Schmerzreduktion aus; ein therapeutischer Effekt wird nach 45 min nicht mehr beobachtet.
Analgetikatherapie Reicht trotz Anwendung der Kaltwassertherapie die Analgesie nicht aus bzw. kann die Kaltwassertherapie infolge anderer Verletzungen nicht wirken, ist eine großzügige Analgetikatherapie indiziert. Dabei muss berücksichtigt werden, dass aufgrund einer unsicheren Resorption intramuskulär oder subkutan applizierter Medikamente nur intravenöse Gaben in Frage kommen. Medikamente mit nur sedierender oder muskelrelaxierender Wirkung stellen keinen Analgetikaersatz dar.
Analgetikatherapie Bei Verbrennungen kann großzügig intravenös analgetisch therapiert werden, jedoch nicht durch i.m. oder s.c. Applikation.
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228 11.3.2 Ambulante klinische Versorgung
Die Vermittlung eines zur Verfügung stehenden Verbrennungsbettes kann in der zentralen Anlaufstelle in Hamburg erfragt werden. Die Prognose einer Brandverletzung hängt von den Faktoren »Alter« sowie »Verbrennungen 2. und 3. Grades« ab. Verbrennungsindex: In eine Summenformel werden das Alter des Brandverletzten in voller Höhe mit den zweitgradig verbrannten Arealen zu 50 % und den drittgradig verbrannten Arealen in voller Höhe addiert. Liegt die Indexzahl < 60, kann man von einer günstigen Prognose ausgehen. Bei einer Indexzahl > 90 ist eine schlechte Prognose zu erwarten. Bei der primären Vorstellung eines Brandverletzten in einer Klinik richtet sich die Therapie nach der Prognose.
Merke
11 Verbrennungen 11.3.2
Ambulante klinische Versorgung
Unter Berücksichtigung der oben gegebenen Kriterien der Intensität des Verbrennungsschadens werden alle Brandverunglückten außer jenen mit leichten Verbrennungen in einer Klinik vorgestellt. Hier kann mit optimalen Möglichkeiten sowohl der entstandene Schaden abgeschätzt als auch eine Kurzzeitprognose gegeben und eine effektive Therapie eingeleitet werden. Je nach apparativer, personeller und räumlicher Ausstattung ist ein Verbleiben des Brandverletzten möglich und sinnvoll; ggf. ist ein Transfer des Verletzten in ein Verbrennungszentrum notwendig. Die Vermittlung eines zur Verfügung stehenden Bettes für Schwerbrandverletzte kann in der zentralen Anlaufstelle in Hamburg (Tel. 0 40/28 82 39 98/-99) erfragt werden. Bezüglich der Prognose eines Brandverletzten dient eine »Faustregel«, die das Alter des Verunfallten und die Schwere der Verbrennung berücksichtigt. In eine Summenformel werden das Alter des Brandverletzten in voller Höhe mit den zweitgradig betroffenen Hautpartien zu 50 % und den drittgradig betroffenen Arealen, ebenso in voller Höhe, addiert. Liegt diese Summe – Indexzahl/Verbrennungsindex – < 60, kann von einer günstigen Prognose ausgegangen werden. Eine Indexzahl zwischen 60 und 90 stellt eine »Grauzone« dar, bei der die Prognose unsicher ist. Eine schlechte Prognose ist bei einer Indexzahl > 90 zu erwarten. Bei der primären Vorstellung eines Brandverletzten in einer Klinik richtet sich die Therapie nach der erwarteten Prognose. Patienten mit Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Überwachung werden mit den dafür erforderlichen Voraussetzungen versorgt wie z.B. ZVK, Magensonde, Blasenkatheter und Monitoring unter Einbeziehen engmaschiger Laborkontrollen von Blutgasen, Blut und Urin. Medikamentös wird die Therapie optimiert bzw. ergänzt. n
Merke. Bei allen Brandverletzten muss ein Tetanusschutz bestehen.
Die Empfehlungen der lokalen Wundbehandlung bei Verbrennungen zeigen trotz der intensiven Grundlagenforschung und reichhaltigen Erfahrungen der Verbrennungszentren noch keine einheitliche Linie. So wird z.B. darüber diskutiert, ob das Eröffnen der entstandenen Brandblasen dem Belassen vorzuziehen ist ( 1 A-11.9).
1 A-11.9
Brandverletzung Teils rupturierte, teils intakte Brandblasen nach Verzicht einer primären, chirurgischen Abtragung.
Meistens werden die Brandblasen ( 1 11.9) unter sterilen Kautelen eröffnet und entfernt.
Verbliebene Reste verbrannter Kleidung oder Rußpartikel sollen
Beide Therapieprinzipien zeigen Vor- und Nachteile. Einen Kompromiss stellt möglicherweise die Empfehlung dar, die Blasen abzupunktieren und das abgehobene Epithel zu belassen. Eine Tendenz der Empfehlungen scheint sich zugunsten der Befürworter der Blasenentfernung abzuzeichnen. Diese hat in ausreichender Analgesie unter sterilen Kautelen stattzufinden. Ein mechanisches Säubern in Form von Bürsten verschmutzter oder verrußter Hautareale ist obsolet. Es sollen jedoch schonend ggf. Reste ver-
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11.3.2 Ambulante klinische Versorgung brannter Kleidung oder Rußpartikel entfernt werden. Darüber hinaus erfolgt bei allen ausgedehnten Verbrennungen die Entfernung der Körperhaare im geschädigten Areal mit Ausnahme der Wimpern und Augenbrauen. Bei zirkulären Verbrennungen 3. Grades im Bereich der Extremitäten müssen Entlastungsschnitte angelegt werden, um nicht eine lokale Zirkulationsstörung im Sinne eines Kompartmentsyndroms zu provozieren. Ebenso sind diese Entlastungsschnitte bei drittgradigen Verbrennungen des Thorax erforderlich, da sonst keine ausreichenden Atemexkursionen möglich sind. Entlastungsschnitte (Escharotomie) werden bis in den Bereich des vitalen Gewebes gelegt, sodass es manchmal nötig ist, außer der Subkutis auch die Faszie mit zu spalten. Derartige Fasziotomien werden besonders bei elektrischen Verbrennungen notwendig. n Merke. Verbrennungsschäden im Bereich des Gesichtes müssen besonders sorgfältig kontrolliert werden, um weder ein Inhalationstrauma (Laryngoskopie/Bronchoskopie) noch eine Augenbeteiligung zu übersehen.
Falls eine Augenbeteiligung nicht auszuschließen ist, muss ein Ophthalmologe den aktuellen Status erheben und ggf. Therapievorschläge unterbreiten. Bezüglich eines etwaigen Inhalationstraumas weisen Ursache und Lokalisation der Verbrennung auf diese Komplikation hin: Verbrennungen in geschlossenen Räumen, giftige oder verrußte Verbrennungsgase, rußiges Sputum, Heiserkeit, Rasselgeräusche. Eine Bronchoskopie kann den Verdacht eines Inhalationstraumas erhärten oder ausräumen. Im Anschluss an die Blasenentfernung sind 2 unterschiedliche Therapieverfahren möglich, die als offene und geschlossene Wundbehandlung bezeichnet werden. Die offene Wundbehandlung stellt eine bloße Freiluftbehandlung ggf. in Form einer Salbenauflage ohne Verband dar. Diese Methode hat den Vorteil der möglichen ständigen Wundkontrolle und uneingeschränkten funktionellen Behandlung ( 1 A-11.10).
1 A-11.10
Offene Wundbehandlung nach Verbrennung
entfernt werden, ebenso wie die Körperhaare im Bereich des gesamten geschädigten Areals. Bei zirkulären Verbrennungen 3. Grades im Bereich der Extremitäten und des Thorax müssen Entlastungsschnitte (Escharotomie) angelegt werden (Gefahr der Zirkulationsstörung bzw. Atmungsbehinderung).
Merke
Ein Inhalationstrauma kann bei Verbrennungen in geschlossenen Räumen, bei giftigen oder verrußten Verbrennungsgasen, rußigem Sputum, Heiserkeit oder Rasselgeräuschen vorliegen. Eine Bronchoskopie gibt über ein Inhalationstrauma Auskunft. Es wird eine offene von einer geschlossenen Verbrennungsbehandlung unterschieden. Die offene Wundbehandlung stellt eine bloße Freiluftbehandlung ggf. in Form einer Salbenauflage ohne Verband dar. Diese Methode hat den Vorteil der möglichen ständigen Wundkontrolle und uneingeschränkten funktionellen Behandlung ( 1 A-11.10).
Konzept der offenen Verbrennungsbehandlung mit frühfunktioneller Therapie.
Diesem Verfahren steht jedoch als Nachteil ein vermehrter Wärmeverlust und ein erhöhtes Infektionsrisiko entgegen. Um diesen Nachteil auszugleichen, liegen in manchen Verbrennungszentren die Raumlufttemperaturen bei ca. 28–35 ΩC, kombiniert mit hoher Luftfeuchtigkeit (50–60 %) und einem aseptischen Umfeld. Das Prinzip der geschlossenen Wundbehandlung liegt in der Vorstellung, zeitweise (d.h. bis zur Versorgung der Verbrennungswunde durch Frühexzision) ein Medium als Hautersatz zu verwenden. Als »Medium« dient für diesen Zweck z.B. ein Salbenverband, eine Gerbung der Haut oder eine Ersatzhaut aus menschlichem, tierischem oder industriell hergestelltem Material ( 2 A-11.3).
Diesem Verfahren steht jedoch als Nachteil ein vermehrter Wärmeverlust und ein erhöhtes Infektionsrisiko entgegen. Das Prinzip der geschlossenen Wundbehandlung liegt in der Vorstellung, zeitweise (d.h. bis zur Versorgung der Verbrennungswunde durch Frühexzision) ein Medium als Hautersatz zu verwenden. Als »Medium« dient für diesen Zweck z.B. ein Salbenverband, eine Gerbung der Haut oder eine Ersatzhaut aus menschlichem, tierischem oder industriell hergestelltem Material ( 2 A-11.3).
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11 Verbrennungen
2 A-11.3
Lokal applizierbare Medikamente sind: π Silbersulfadiazinsalbe π Polyvidon-(PVP-)Jod-Lösung π Silbernitratlösung π Kombinationsmethoden (Gerbung).
π
π π
Heute werden überwiegend Silbersulfadiazin-Verbände verwendet.
11.3.3 Stationäre klinische Versorgung
Alle Schwer- und Schwerstverbrannte gehören in intensivmedizinische Überwachungseinheiten. Über die verschiedenen Hautdeckungsmöglichkeiten gibt 2 A-11.3 Auskunft. Das Ziel aller therapeutischen Bemühungen ist eine Reintegration des Brandverletzten. Dafür wird eine interdisziplinäre Kooperation verschiedener Fachdisziplinen benötigt.
N autologe Transplantation n
n Vollhaut N N Meshgraft n N Keratinozytenzüchtung n
N homologe Transplantation n
n N N n N n N n
N xenologe Transplantation n
N Schweinehaut n
N synthetischer Hautersatz n
N Epigard Q , GelipermQ usw. n
frische Haut kryo-/glykolkonservierte Haut Amnion allogene Keratinozytenzüchtung
Die geschlossene Behandlung mit Salbenverbänden ist regional sehr unterschiedlich und häufigen Änderungen unterzogen; ein Zeichen, dass noch keine allseitig befriedigende Behandlungsart gefunden wurde. Zur Zeit werden folgende lokal applizierbare Medikamente therapeutisch angewandt: π
Die Behandlung mit Sulfamylonsalbe, Gentamicinsalbe und Merbrominlösung gilt heute als überholt.
Hautdeckungsmöglichkeiten
Silbersulfadiazinsalbe Polyvidon-(PVP-)Jod-Lösung Silbernitratlösung Kombinationsmethoden (Gerbung).
Die Behandlung mit Sulfamylonsalbe, Gentamicinsalbe und Merbrominlösung gilt heute als überholt. Von jeder der oben genannten Anwendung lassen sich Vor- und Nachteile nennen: z.B. färbt die Silbernitratlösung alle benetzten Flächen schwarz, die Sulfamylonsalbe bewirkt außer einer schmerzhaften Applikation durch Resorption eine Azidose, bei der Gentamicinsalbe werden Keimresistenzen gezüchtet usw. Von der oben genannten Auswahl der angewendeten Therapiearten werden überwiegend Silbersulfadiazin-Verbände verwendet. Diese Spezifität hat auch Nachteile. Bei Gebrauch von Silbersulfadiazin entsteht durch Silbersalzfällung des Wundexsudates ein »Wundschorf«. Dieser hat das Aussehen von schmutzig-gelber Farbe wie die der Abszessmembranen, sodass diese Beläge leicht mit kontaminierten Wunden verwechselt werden und zu falschen Konsequenzen Anlass geben können.
11.3.3
Stationäre klinische Versorgung
Die Behandlung von Brandverletzten richtet sich nach der Schädigung wie sie auf S. 223 ff. definiert wurde. Danach sollen alle Brandverletzten mit Ausnahme leicht verbrannter Patienten stationär behandelt werden. Alle Schwer- und Schwerstbrandverletzten gehören primär in intensivmedizinische Überwachungseinheiten. Seit Ende des 2. Weltkrieges hat sich die Prognose der Schwerverbrannten deutlich gebessert, was außer in der besseren Kenntnis der Verbrennungsschädigung in einer effektiveren intensivmedizinischen Betreuung und verbesserten Deckungsmethoden begründet ist ( 2 A-11.3). Das Ziel der Behandlung auf der Intensivstation ist letztlich die Reintegration des Brandverletzten. Diese lässt sich jedoch nur über die Stadien der hämodynamischen Stabilisierung, frühen Exzision und parenteralen Ernährung sowie Rehabilitation und Rekonstruktion erreichen. Bei dieser modernen Verbrennungsbehandlung wird eine interdisziplinäre Kooperation verschiedener Fachspezialisten aus Anästhesie, Chirurgie/Plastischer Chirurgie, Labormedizin, Bakteriologie und Psychologie sowie Physiotherapie und Ergotherapie benötigt.
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11.3.3 Stationäre klinische Versorgung Bei dem heutigen Konzept der tangentialen bzw. epifaszialen Exzision wird möglichst früh – mit Beendigung der Schockphase – die betroffene Haut tangential bzw. epifaszial bis in nicht geschädigte Tiefen entfernt. Die verbrannten Areale der Grade 2b und 3 werden mit wenigen Ausnahmen (Mamille, Gesäß) bis auf die Faszie exzidiert ( 2 A-11.4).
2 A-11.4
Bei Verbrennungen der Grade 2b und 3 soll die operative Exzisionsbehandlung direkt nach Beendigung der Schockphase durchgeführt werden ( 2 A-11.4).
Vor- und Nachteile der Möglichkeiten der Wundkonditionierung Vorteile
Nachteile
N tangentiale Nekrosektomie: n schichtweises Abtragen bis zur »gesunden« Wundoberfläche
N guter Transplantationsn grund der intakten dermalen Anteile N gute kosmetische Ergebnisse n
N relativ hoher Blutverlust n
N epifasziale Nekrosektomie: n radikales Entfernen der Subkutis bis auf gesunde Muskelfaszie
n einfaches Verfahren N N geringer Blutverlust n N gute Einheilung auf der Faszie n
N sichtbare kosmetische Beeinn trächtigung N schlechtere funktionelle Ergebnisse n
In diesem Bereich ist der Blutverlust geringer und das »Angehen« transplantierter Haut besser als im Subkutanbereich. Der entstandene Hautdefekt wird möglichst autolog gedeckt. Ist eine autologe Deckung nicht oder nicht vollkommen möglich, stehen homologe oder heterologe Deckungsmöglichkeiten zur Verfügung: Aus »Hautbanken« Leichenhaut (frisch, gefroren, glyzerolkonserviert, lyophilisiert) oder Keratinozyten, aufgearbeitete Schweinehaut oder industriell hergestellte Produkte wie z.B. EpigardQ, GelipermQ. Zur besseren Ausnutzung der zur Deckung verwandten nicht geschädigten Haut wird diese bei der am häufigsten angewandten Methode netzgitterartig aufbereitet, um dadurch eine möglichst große Fläche ersetzen zu können (Meshgraft) ( 1 A-11.11).
1 A-11.11
Der entstandene Hautdefekt wird möglichst autolog gedeckt. Falls eine autologe Deckung nicht oder nicht vollkommen möglich ist, stehen homologe oder heterologe Deckungsmöglichkeiten zur Verfügung (Leichenhaut, aufgearbeitete Schweinehaut oder industriell hergestellte Produkte). Die Hautoberfläche kann durch Meshgraft-Bildung vergrößert werden ( 1 A-11.11).
Meshgraft Deckung von großflächigen Hautdefekten durch netzgitterartig veränderte Hautstreifen (Meshgraft).
Die Maschen dieses Netzgitters (Meshgraft) können in unterschiedlicher Weite hergestellt werden, wodurch sich der Vergrößerungsfaktor ändert. Am häufigsten werden Gittermaschen mit dem Vergrößerungsfaktor von 1 : 1,5 und 1 : 3 benutzt. Es stehen jedoch auch Schablonen bis zu einem Vergrößerungsfaktor bis 1 : 12 zur Verfügung. Diese selten vorkommende Expansion findet in der sog. »chinesischen Methode« Anwendung: Große exzidierte Flächen werden mit »gemeshter« Fremdhaut gedeckt; in die entstandenen hautlosen Inseln werden autologe Hautplättchen fixiert. Diese beiden Methoden werden vielfältig variiert. Die Tendenz der operativen Therapie geht dahin, autologe Haut zu züchten und in Epithelkulturen zu vermehren. Es werden Epithelzüchtungen auf einer mit Fibroblasten durchsetzten Kollagenmatrix angestrebt, die der physiologischen Hautstruktur nahe kommen (composite grafts). Das funktionelle und ästhetische Ergebnis dieses neuen Hautersatzes ist den konventionellen Verfahren, erst recht der Spontanheilung, vielfach überlegen.
Am häufigsten werden Gittermaschen mit dem Vergrößerungsfaktor von 1 : 1,5 und 1 : 3 benutzt.
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11 Verbrennungen
Die Meshgraft-Deckung soll im Bereich der Hände und des Gesichtes nicht angewendet werden. Hier sind ungemeshte Hautstreifen vorzuziehen, da diese ein besseres funktionelles und kosmetisches Resultat ergeben. Als Spenderareale für die Transplantation gesunder Hautstreifen lassen sich Prioritäten erkennen: Für Vollhautlappen werden Hautstreifen aus der Leistenregion bevorzugt, da hier ein sehr elastischer Bezirk einen primären Hautverschluss zulässt. »Gemeshte« Haut wird hauptsächlich von den Oberschenkeln oder von der sehr dick ausgebildeten Kopfhaut gewonnen (s.a. Kap. B-29, S. 1304 ff.).
Die Meshgraft-Deckung sollte im Bereich der Hände und des Gesichtes nicht angewendet werden. Hier sind ungemeshte Hautstreifen vorzuziehen, da diese ein besseres funktionelles und kosmetisches Resultat ergeben. Als Spenderareale für die Transplantation gesunder Hautstreifen lassen sich Prioritäten erkennen: Für Vollhautlappen werden Hautstreifen aus der Leistenregion bevorzugt, da hier ein sehr elastischer Bezirk einen primären Hautverschluss zulässt. »Gemeshte« Haut wird hauptsächlich von den Oberschenkeln oder von der sehr dick ausgebildeten Kopfhaut gewonnen. Zuletzt erst greift man auf intakte Rückenhaut zurück, da hier die pflegerisch aufwendigste Region liegt. Bei tiefen, scharf abgegrenzten Schäden wie nach Elektroverbrennungen oder Blitztrauma kommen nach einer sofortigen Fasziotomie als definitive Operation Deckungsverfahren sowohl lokaler Art als auch freie Haut- bzw. Muskellappen mit mikrovasuklären Anastomosen zur Anwendung (s.a. Kap. B-29, S 1304ff.). Zusätzlich zu diesen invasiven Therapieformen werden additive Behandlungskonzepte erarbeitet. Diese beziehen sich z.B. auf die Anwendung von Wachstumsfaktoren oder Immuntherapeutika. Ein allgemein gebrauchsfähiges Therapiekonzept existiert jedoch diesbezüglich noch nicht. Eine Phase der Behandlung auf einer Allgemeinstation ergibt sich entweder aus dem Ausmaß der Verbrennungsschädigung oder im Anschluss an eine abgeschlossene intensivmedizinische Behandlung. Das Behandlungsziel ist auf der Allgemein- und Intensivstation das Gleiche: eine möglichst frühe und möglichst komplette Rehabilitation. Dazu gehört sowohl eine frühzeitige Physiotherapie als auch eine frühe enterale Belastung. Zunehmend soll die tägliche Versorgung dem Patienten selbst überlassen werden.
11.4
11.4
Verlauf
Verlauf
Der Krankheitsablauf von Brandverletzten lässt sich in 3 Phasen einteilen: π Schockphase π Stabilisierungsphase (Phase der Verbrennungskrankheit) π Reparationsphase.
Aufgrund von klinischen Beobachtungen bei Schwer- und Schwerstverbrannten lässt sich der Krankheitsablauf in 3 Phasen einteilen: π Schockphase π Stabilisierungsphase (Phase der Verbrennungskrankheit) π Reparationsphase.
11.4.1 Schockphase
11.4.1
Die posttraumatischen Veränderungen können infolge ihrer enormen Verschiebung intravasaler Flüssigkeit einen hypovolämischen Schock auslösen (s. a. Kap. A-5). Evans entwickelte 1952 eine Formel für den Flüssigkeitsersatz zur Schockprophylaxe, die sich an der verbrannten Körperoberfläche (KOF) und dem Körpergewicht (KG) orientierte.
Die posttraumatischen Veränderungen können infolge ihrer enormen Verschiebung intravasaler Flüssigkeit einen hypovolämischen Schock auslösen (s. a. Kap. A-5). Die Vermeidung bzw. rasche Behandlung einer solchen Schocksituation wurde als Prognosefaktor lange unterschätzt. Als erster entwickelte Evans 1952 eine Formel für den Flüssigkeitsersatz zur Schockprophylaxe, die sich an der verbrannten Körperoberfläche (KOF) und dem Körpergewicht (KG) orientierte. Zusätzlich zum Flüssigkeitsverlust durch Schädigung der Haut – vor allem in dem Bereich der Blasenbildung – entsteht bei Verbrennungen > 20 % Körperoberfläche nach ca. 30 Minuten ein generalisiertes Ödem. Dieses »capillary leak« beeinflusst nicht nur einzelne Organe (Nieren, Lunge) oder Organsysteme (Gastrointestinaltrakt), sondern auch übergreifende Systeme (Immunsystem, Hormonsystem, Wärmeregulation, Stoffwechsel). Außer den auf diese Weise verlorenen Flüssigkeitsmengen müssen auch verlorene Energieträger ersetzt werden. Sowohl die Zusammensetzung der Flüssigkeitsmengen zum Volumenersatz als auch die Art der Energieträger zeigen eine weite Variationsbretie. Von den ca. 20 veröffentlichten Schemata haben sich wenige als vielseitig brauchbar herauskristallisiert. Die Mehrzahl der Verbrennungszentren differenziert in der Zusammensetzung der Infusionslösungen nach einem Schema, das die Anzahl der Tage nach dem Trauma zu dem Körpergewicht (KG) und der verbrannten Körperoberfläche (vKOF) in Beziehung setzt (Parkland-Formel):
Das »capillary leak« beeinflusst nicht nur einzelne Organe (Nieren, Lunge) oder Organsysteme (Gastrointestinaltrakt), sondern auch übergreifende Systeme. Die Mehrzahl der Verbrennungszentren differenziert in der Zusammensetzung der Infusionslösungen nach einem Schema entsprechend der ParklandFormel, die die Anzahl der Tage nach dem Trauma zu dem Körpergewicht (KG) und der verbrannten Körperoberfläche (vKOF) in Beziehung setzt:
Schockphase
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232
11 Verbrennungen
Die Meshgraft-Deckung soll im Bereich der Hände und des Gesichtes nicht angewendet werden. Hier sind ungemeshte Hautstreifen vorzuziehen, da diese ein besseres funktionelles und kosmetisches Resultat ergeben. Als Spenderareale für die Transplantation gesunder Hautstreifen lassen sich Prioritäten erkennen: Für Vollhautlappen werden Hautstreifen aus der Leistenregion bevorzugt, da hier ein sehr elastischer Bezirk einen primären Hautverschluss zulässt. »Gemeshte« Haut wird hauptsächlich von den Oberschenkeln oder von der sehr dick ausgebildeten Kopfhaut gewonnen (s.a. Kap. B-29, S. 1304 ff.).
Die Meshgraft-Deckung sollte im Bereich der Hände und des Gesichtes nicht angewendet werden. Hier sind ungemeshte Hautstreifen vorzuziehen, da diese ein besseres funktionelles und kosmetisches Resultat ergeben. Als Spenderareale für die Transplantation gesunder Hautstreifen lassen sich Prioritäten erkennen: Für Vollhautlappen werden Hautstreifen aus der Leistenregion bevorzugt, da hier ein sehr elastischer Bezirk einen primären Hautverschluss zulässt. »Gemeshte« Haut wird hauptsächlich von den Oberschenkeln oder von der sehr dick ausgebildeten Kopfhaut gewonnen. Zuletzt erst greift man auf intakte Rückenhaut zurück, da hier die pflegerisch aufwendigste Region liegt. Bei tiefen, scharf abgegrenzten Schäden wie nach Elektroverbrennungen oder Blitztrauma kommen nach einer sofortigen Fasziotomie als definitive Operation Deckungsverfahren sowohl lokaler Art als auch freie Haut- bzw. Muskellappen mit mikrovasuklären Anastomosen zur Anwendung (s.a. Kap. B-29, S 1304ff.). Zusätzlich zu diesen invasiven Therapieformen werden additive Behandlungskonzepte erarbeitet. Diese beziehen sich z.B. auf die Anwendung von Wachstumsfaktoren oder Immuntherapeutika. Ein allgemein gebrauchsfähiges Therapiekonzept existiert jedoch diesbezüglich noch nicht. Eine Phase der Behandlung auf einer Allgemeinstation ergibt sich entweder aus dem Ausmaß der Verbrennungsschädigung oder im Anschluss an eine abgeschlossene intensivmedizinische Behandlung. Das Behandlungsziel ist auf der Allgemein- und Intensivstation das Gleiche: eine möglichst frühe und möglichst komplette Rehabilitation. Dazu gehört sowohl eine frühzeitige Physiotherapie als auch eine frühe enterale Belastung. Zunehmend soll die tägliche Versorgung dem Patienten selbst überlassen werden.
11.4
11.4
Verlauf
Verlauf
Der Krankheitsablauf von Brandverletzten lässt sich in 3 Phasen einteilen: π Schockphase π Stabilisierungsphase (Phase der Verbrennungskrankheit) π Reparationsphase.
Aufgrund von klinischen Beobachtungen bei Schwer- und Schwerstverbrannten lässt sich der Krankheitsablauf in 3 Phasen einteilen: π Schockphase π Stabilisierungsphase (Phase der Verbrennungskrankheit) π Reparationsphase.
11.4.1 Schockphase
11.4.1
Die posttraumatischen Veränderungen können infolge ihrer enormen Verschiebung intravasaler Flüssigkeit einen hypovolämischen Schock auslösen (s. a. Kap. A-5). Evans entwickelte 1952 eine Formel für den Flüssigkeitsersatz zur Schockprophylaxe, die sich an der verbrannten Körperoberfläche (KOF) und dem Körpergewicht (KG) orientierte.
Die posttraumatischen Veränderungen können infolge ihrer enormen Verschiebung intravasaler Flüssigkeit einen hypovolämischen Schock auslösen (s. a. Kap. A-5). Die Vermeidung bzw. rasche Behandlung einer solchen Schocksituation wurde als Prognosefaktor lange unterschätzt. Als erster entwickelte Evans 1952 eine Formel für den Flüssigkeitsersatz zur Schockprophylaxe, die sich an der verbrannten Körperoberfläche (KOF) und dem Körpergewicht (KG) orientierte. Zusätzlich zum Flüssigkeitsverlust durch Schädigung der Haut – vor allem in dem Bereich der Blasenbildung – entsteht bei Verbrennungen > 20 % Körperoberfläche nach ca. 30 Minuten ein generalisiertes Ödem. Dieses »capillary leak« beeinflusst nicht nur einzelne Organe (Nieren, Lunge) oder Organsysteme (Gastrointestinaltrakt), sondern auch übergreifende Systeme (Immunsystem, Hormonsystem, Wärmeregulation, Stoffwechsel). Außer den auf diese Weise verlorenen Flüssigkeitsmengen müssen auch verlorene Energieträger ersetzt werden. Sowohl die Zusammensetzung der Flüssigkeitsmengen zum Volumenersatz als auch die Art der Energieträger zeigen eine weite Variationsbretie. Von den ca. 20 veröffentlichten Schemata haben sich wenige als vielseitig brauchbar herauskristallisiert. Die Mehrzahl der Verbrennungszentren differenziert in der Zusammensetzung der Infusionslösungen nach einem Schema, das die Anzahl der Tage nach dem Trauma zu dem Körpergewicht (KG) und der verbrannten Körperoberfläche (vKOF) in Beziehung setzt (Parkland-Formel):
Das »capillary leak« beeinflusst nicht nur einzelne Organe (Nieren, Lunge) oder Organsysteme (Gastrointestinaltrakt), sondern auch übergreifende Systeme. Die Mehrzahl der Verbrennungszentren differenziert in der Zusammensetzung der Infusionslösungen nach einem Schema entsprechend der ParklandFormel, die die Anzahl der Tage nach dem Trauma zu dem Körpergewicht (KG) und der verbrannten Körperoberfläche (vKOF) in Beziehung setzt:
Schockphase
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11.4.2 Phase der Verbrennungskrankheit 1. Tag: 4 ml/kg KG/% vKOF Ringer-Laktat 2. Tag: 1 ml/kg KG/% vKOF Albumin mit 50 ml/kg KG Glukose/Lävulose 3. Tag: wie 2. Tag. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Hälfte der Flüssigkeitsmenge des ersten Tages in den ersten 8 Stunden gegeben werden sollen. Für Kinder müssen diese Mengenberechnungen modifiziert und dem Alter angeglichen werden. Ein Kriterium für die Effizienz der Infusionsmenge während der Schockphase stellt die stündlich produzierte Urinmenge dar, die nicht unter 50 ml absinken sollte (0,5–1 ml/kg KG/h). Der für die Kontrolle notwendige Blasenkatheter sollte nach Möglichkeit suprapubisch gelegt werden. Ein weiterer Parameter stellt ein kontinuierliches Gewichtsmonitoring dar. Die beobachtete deutliche Gewichtsreduktion nach Beherrschung der Schockphase wurde bislang durch hochkalorische Infusionen therapiert. Heute geht jedoch die Tendenz dahin, den benötigten Energiebedarf durch enterale Applikation zu bestreiten, sodass schon frühzeitig (ab 2.–3. Tag) Sondennahrung eingesetzt wird.
11.4.2
Phase der Verbrennungskrankheit
Nach Beherrschung der Schockphase und Stabilisierung der Kreislaufparameter ist bei den Schwer- und Schwerstverbrannten die Versorgung der verbrannten Haut vordringlich. Ca. 24 Stunden nach dem Unfall wird das Ausmaß der Schädigung neu beurteilt, da erst jetzt nach Abschluss des »Nachbrennens« eine endgültige Einschätzung möglich ist. Verbrennungsbereiche der Grade 1 und 2a werden konservativ behandelt, solche vom Schweregrad 2b und natürlich 3 müssen möglichst innerhalb der ersten 3 Tage operativ therapiert werden. Wenngleich noch bis vor ca. 20 Jahren die operative Strategie sehr zögerlich gehandhabt wurde, stellt sie sich nach Einführung der »tangentialen Exzision« deutlich aggressiver dar. Das alte, inzwischen verlassene Therapiekonzept basierte auf der Sekundärversorgung der Hautnekrosen, sodass lange Behandlungszeiten und häufige Sekundäreingriffe unumgänglich waren. Durch die operative Therapie konnte die Überlebensrate schwer- und schwerstverbrannter Patienten deutlich gesteigert werden. Das früher häufiger beobachtete Lungen- und Nierenversagen als Ausdruck einer generalisierten Infektion tritt heute nicht so gehäuft auf. Die beobachteten Infektionen konnten durch Antibiotika nicht befriedigend kupiert werden. Deshalb besteht heute die Empfehlung, Antibiotikagaben nicht prophylaktisch, sondern nur bei mikrobiell nachgewiesenen pathogenen Keimen zu verabreichen. Auch die wiederholt gemachte Beobachtung der subfebrilen Temperatur und der Leukozytose während der Behandlung Brandverletzter stellt keine Indikation der Antibiotikatherapie dar. Man kann davon ausgehen, dass jede Verbrennungswunde über kurz oder lang bakteriell kontaminiert ist. Die beste Infektionsprophylaxe ist daher in einer Frühexzision und -deckung zu sehen. Für die Antibiotikagabe ist der Nachweis pathogener Keime – auch im Urinsediment oder Trachealabstrich sowie auf der Haut – entscheidend. Es wird heute diskutiert, dass diese pathogenen Keime (meist Pseudomonaden und Proteus) vom Patienten selbst stammen, wahrscheinlich durch Translokation von Darmbakterien. Deshalb wird eine frühzeitige enterale Ernährung angestrebt. Andererseits soll bei Nachweis pathogener Keime die Antibiotikatherapie konsequent durchgeführt werden, um das noch bestehende labile Gleichgewicht der Anabolie – Katabolie des Branntverletzten nicht in eine vital bedrohliche Sepsis abgleiten zu lassen.
1. Tag: 2. Tag: 3. Tag:
4 ml/kg KG/% vKOF RingerLaktat 1 ml/kg KG/% vKOF Albumin mit 50 ml/kg KG Glukose/ Lävulose wie 2. Tag.
Ein Kriterium für die Effizienz der Infusionsmenge in der Schockphase stellt die stündlich produzierte Urinmenge dar. Ein weiterer Parameter wird in einem kontinuierlichen Gewichtsmonitoring gesehen. Heute geht die Tendenz dahin, den benötigten Energiebedarf durch enterale Applikation (Sondennahrung) zu bestreiten. 11.4.2
Phase der Verbrennungskrankheit
Ca. 24 Stunden nach dem Unfall wird das Ausmaß der Schädigung neu beurteilt, da erst jetzt nach Abschluss des »Nachbrennens« eine endgültige Einschätzung möglich ist. Verbrennungsbereiche der Grade 1 und 2a werden konservativ behandelt, solche vom Schweregrad 2b und natürlich 3 müssen operativ therapiert werden. Die operative Strategie stellt sich nach Einführung der »tangentialen Exzision« deutlich aggressiver dar.
Heute besteht die Empfehlung, Antibiotikagaben nicht prophylaktisch, sondern nur bei mikrobiell nachgewiesenen pathogenen Keimen zu verabreichen. Jede Verbrennungswunde ist über kurz oder lang bakteriell kontaminiert. Die beste Infektionsprophylaxe ist daher in einer Frühexzision und -deckung zu sehen. Um eine Translokation von Darmbakterien zu vermeiden wird eine frühzeitige enterale Ernährung angestrebt. Andererseits soll bei Nachweis pathogener Keime die Antibiotikatherapie konsequent durchgeführt werden.
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234 11.4.3
11 Verbrennungen Reparationsphase
Durch eine konsequente Operationsstrategie lässt sich erreichen, dass nach definitiver Hautdeckung die Mobilisation des Brandverletzten früher und intensiver einsetzen kann. Kompressionsbandagen helfen, die Ausbildung von hypertrophen Narben zu minimieren ( 2 A-11.5).
11.4.3
Reparationsphase
Einen wesentlichen Bestandteil der Rehabilitation stellt die Verkürzung der instabilen Phase dar. Dieses Ziel lässt sich durch eine konsequente Operationsstrategie erreichen, da dadurch nach definitiver Hautdeckung die Mobilisation des Brandverletzten früher und intensiver einsetzen kann. Nach stabiler Einheilung der Hauttransplantate sollen, sobald es die transplantierten Areale zulassen, Kompressionsbandagen getragen werden, um die Ausbildung von hypertrophen Narben zu minimieren ( 2 A-11.5).
2 A-11.5
Prophylaxe hypertropher Narben- und Keloidbildung
N operative Verbrennungsbehandlung bei Schäden > Grad 2a n N Hautdeckung möglichst durch Streifentransplantate n N Transplantate geringgradig überdimensionieren n N frühzeitige aktive Mobilisation n N langfristige (ca. 1 Jahr) Kompressionsbehandlung (24 h) n N ggf. plastisch-chirurgischer Zweiteingriff n
Besonders bei Kindern ist diese Nachbehandlung wichtig, da diese gehäuft mit Keloidbildung reagieren. Die Akzeptanz dieser »Jobst«-Trikotagen ist unterschiedlich, weil sie Tag und Nacht ca. 6–12 Monate getragen werden müssen. Bei Kindern können Narben Deformierungen des Skelettsystems auslösen.
Exulzerationen und maligne Entartungen von Narben sind beobachtet worden.
Besonders bei Kindern ist diese Nachbehandlung wichtig, da diese gehäuft mit Keloidbildung reagieren. Die Kompressionsbandagen müssen individuell angepasst werden und ggf. einem Wachstum Rechnung tragen. Die Akzeptanz dieser »Jobst«-Trikotagen ist unterschiedlich, weil sie Tag und Nacht ca. 6–12 Monate getragen werden müssen. Nach dieser Zeit wurde keine Veränderung von Narbenkeloiden durch die Kompression mehr beobachtet. Bei Kindern sind Spätveränderungen der Narben im Rahmen des Wachstums beobachtet worden. Diese können Deformierungen des Skelettsystems auslösen, da das Narbengewebe in Perioden des raschen Wachstums zurückbleibt. Spätveränderungen hypertropher Narben bei Erwachsenen lassen sich an Stellen starker mechanischer Beanspruchung finden. Hier sind außer Exulzerationen auch maligne Entartungen beobachtet worden. Diese werden in der Häufigkeit von 2 % für das Plattenepithelkarzinom und von 0,3 % für das Basaliom angegeben.
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235 12
Chirurgische Onkologie
12
Chirurgische Onkologie
Benigne Tumoren
Hartmut Juhl Die chirurgische Onkologie befasst sich mit der Entwicklung, dem Wachstum sowie der chirurgischen Therapie von Geschwülsten (Synonym: Tumoren). Es werden benigne und maligne Tumoren unterschieden.
12.1
Benigne Tumoren
12.1
12.1.1
Charakteristika benigner Tumoren
12.1.1 Charakteristika benigner Tumoren
n Definition. Benigne Tumoren wachsen verdrängend und nicht infiltrativ. Sie sind in der Regel von einer bindegewebigen Kapsel umgeben, respektieren Organgrenzen und metastasieren nicht.
Eine Gefährdung des Patienten kann eintreten, wenn Organe (z.B. Gehirn) durch Verdrängung in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. In den meisten Fällen können benigne Tumoren chirurgisch entfernt werden. In der Praxis am häufigsten anzutreffen sind Papillome (Warzen), Lipome, Fibroadenome (z.B. Mamma) und Adenome im Kolon (Polypen). Manche benignen Tumoren entwickeln sich nach einer gewissen Zeit und in Abhängigkeit vom histologischen Typ zu einem malignen Tumor und sind als Präkanzerose anzusehen. Die malignen Geschwülste stellen den Schwerpunkt der chirurgischen Onkologie dar und werden in den folgenden Abschnitten besprochen.
12.2
Maligne Tumoren
12.2.1
Charakteristika maligner Tumoren
n Definition. Maligne Tumoren (Synonym: Malignom oder Neoplasie) wachsen invasiv und destruktiv in das umgebende Gewebe. Sie respektieren keine Organgrenzen und metastasieren. Die Metastasierung kann entweder über Lymphbahnen in Lymphknoten (lymphogene Metastasierung) oder über Blutgefäße in andere Organe (hämatogene Metastasierung) erfolgen. Von den malignen Tumoren werden die semimalignen Tumoren unterschieden, die invasiv und destruktiv wachsen, aber nicht oder zumindest nur sehr selten und spät metastasieren (z.B. Basaliom der Gesichtshaut).
Das charakteristische invasive Wachstum lässt sich mikroskopisch am Durchbrechen der Basalmembran erkennen. Weitere histologische Merkmale maligner Tumoren sind erhöhte Mitoseraten, Zellen mit abnormen, stark wechselnden Kerngrößen (Kernpolymorphie) sowie wechselnden Zellgrößen und Zellformen (Zellpolymorphie). Malignome führen zur Tumorkrankheit, die sich durch unspezifische Symptome, wie Abgeschlagenheit, Leistungsschwäche, Appetitmangel und Gewichtsverlust äußern kann. Treten bei einem Malignom spezifische Krankheitsbilder auf (z.B. Thrombosen bei bestimmten Karzinomen oder ein Cushing-Syndrom bei ACTH-bildenden kleinzelligen Bronchialkarzinomen), spricht man von einem paraneoplastischen Syndrom. In 2 A-12.1 sind die häufigsten paraneoplastischen Syndrome zusammengestellt. Eine Tumorkrankheit kann z.B. durch Zytokine (Botenstoffe der Immunzellen), die in unphysiologisch hoher Konzentration durch die Interaktion von Immun- und Tumorzellen gebildet werden, ausgelöst werden. Dieser Mechanismus wurde für den sog. Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) nachgewie-
Definition
Eine Gefährdung des Patienten kann durch die Lokalisation (z.B. Gehirn) auftreten. Die häufigsten benignen Tumoren sind Papillome (Warzen), Lipome, Fibroadenome (z.B. Mamma) und Adenome im Kolon (Polypen). Einige benigne Tumoren können sich zu Malignomen entwickeln (Präkanzerosen). Die malignen Geschwülste werden nachstehend besprochen.
12.2
Maligne Tumoren
12.2.1 Charakteristika maligner Tumoren Definition
Mikroskopisch sind maligne Tumoren charakterisiert durch: π invasives Wachstum (Durchbrechen der Basalmembran) π erhöhte Mitoseraten π Kernpolymorphie π Zellpolymorphie. Unspezifische Symptome der Tumorkrankheit sind Abgeschlagenheit, Leistungsknick, Appetitmangel und Gewichtsverlust. Treten mit dem Tumorwachstum verknüpfte spezifische Krankheitsbilder auf, spricht man von einem paraneoplastischen Syndrom ( 2 A-12.1). Der Tumor-Nekrose-Faktor, ein Zytokin, kann bei Tumorpatienten in unphysiologisch hoher Menge
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12 Chirurgische Onkologie
produziert werden und zur Kachexie führen (Hemmung der Lipoproteinlipase, einem im Rahmen der Fettspeicherung essenziellen Enzym).
2 A-12.1
sen, der von Makrophagen gebildet wird und in hoher Dosierung zu einer Kachexie führt. Diese wird zumindest teilweise durch die Hemmung der Lipoproteinlipase, einem Enzym, welches eine essenzielle Rolle im Rahmen der Fettspeicherung spielt, erklärt.
Paraneoplastische Syndrome
Syndrom
Tumor
Ursache
N Cushing-Syndrom n
Lungenkarzinom (kleinzellig) Karzinoid Phäochromozytom Neuroblastom
ACTH und Prohormone
N Schwartz-Bartter-Syndrom n
Lungenkarzinom (kleinzellig) kleinzellige Pankreaskarzinome
ADH
N Gynäkomastie, n Hyperthyreose
Trophoblastentumoren Keimzelltumoren (Hoden/Ovar) Lungenkarzinome (großzellig) und Adenokarzinome
Gonadotropine
N Hyperglykämie n
Hepatome Mesotheliome adrenale Karzinome
Insulin
N Thrombozytose n
Karzinome Leukämien Lymphome
Thrombopoetin
N Thrombopenie n Hämorrhagie
CLL Morbus Hodgkin Lymphome verschiedene Karzinome
idiopathische thrombozytopenische Purpura
N Hyperkoagulation n (Thrombosen)
Pankreaskarzinome Karzinome der Lunge Ovarialkarzinom Prostatakarzinom
Thrombophlebitis migrans Verbrauchskoagulopathien
N nephrotisches Syndrom n
Morbus Hodgkin verschiedene Karzinome Lymphome
Lipoidnephrose Immunkomplexnephritis
N renale Insuffizienz n
Myelom
Amyloidose
N Pigmentierungen n Keratosen
abdominale Karzinome Lymphome verschiedene Karzinome
Acanthosis nigricans (TGF-a ) Leser-Trelat-Syndrom (TGF- a )
N Flush n
Karzinoide
Serotonin vasoaktive Peptide
N Erythrozytose n
Hypernephrom Hepatome Hämangioblastome
Erythropoetin Prostaglandine
N Granulozytose n
Lungen-, Magen-, Pankreaskarzinome Melanom u.a.
Colony Stimulating Factor (CSF) Interleukin-1 und -3
N Anorexie-Kachexien Syndrom
zahlreiche Tumoren bei großer Tumormasse
TNF-a Interleukin-1 b
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12.2.2 Klassifikation Malignome führen vor allem aufgrund der Kachexie, die mit einer Schwächung der Kreislauffunktionen und des Immunsystems einhergeht, zum Tode. Neben dadurch vermehrt auftretenden und letal verlaufenden Infekten (z.B. Pneumonien), kann das lokale Wachstum zum Tode führen. So kann eine schwere Blutung durch Gefäßarrosion auftreten oder ein Ileus zu einer Peritonitis und Sepsis führen. Paraneoplastische Syndrome (z.B. Thrombosen und Lungenembolien) können weitere Todesursachen sein.
12.2.2
Klassifikation
Malignome führen durch die Kachexie, lokale Komplikationen (Gefäßarrosion, Ileus) oder paraneoplastische Syndrome (z.B. Thrombosen und Lungenembolien) zum Tode.
12.2.2 Klassifikation
Die Einteilung solider maligner Tumoren richtet sich nach dem Ursprungsgewebe. Man unterscheidet drei Hauptgruppen: π Karzinome, die sich vom epithelialen Gewebe herleiten π Sarkome, die mesenchymalen Ursprungs sind π Sonderformen.
Solide Malignome werden unterteilt in: π Karzinome (epitheliale Tumoren) π Sarkome (mesenchymale Tumoren) π Sonderformen.
Karzinome
Karzinome
90 % aller Malignome sind Karzinome. Bei Frauen werden z.Z. am häufigsten Mammakarzinome (27 %), Kolonkarzinome (16 %) und Lungenkarzinome (11 %), bei Männern hingegen Lungen- und Prostatakarzinome (je 20 %), sowie Kolonkarzinome (14 %) beobachtet. Epidemiologische Untersuchungen zeigen eine seit 40 Jahren kontinuierliche Zunahme des Lungenkarzinoms. In den letzten zwanzig Jahren tritt es zunehmend häufig bei Frauen auf, da sich deren Rauchgewohnheiten seit den 50er Jahren denen der Männer angeglichen haben. An Häufigkeit zugenommen hat weiterhin das maligne Melanom, das Kolonkarzinom und das Pankreaskarzinom. Hingegen treten Magen- und Zervixkarzinome mit abnehmender Inzidenz auf.
90 % aller Malignome sind Karzinome, wobei am häufigsten Mamma-, Prostata-, Lungen- und Kolonkarzinome auftreten.
Sarkome
Sarkome
Zu den Sarkomen zählen sämtliche Tumoren mesenchymaler Herkunft, d.h. Malignome, die sich von Bindegewebe, Muskulatur oder Knochengewebe herleiten. Insgesamt sind weniger als 10 % aller Malignome Sarkome. Sie werden nach ihrem Ursprungsgewebe unterteilt in: π Weichteilsarkome (u.a. Leiomyosarkome, Rhabdomyosarkome oder Liposarkome), s. Kap. B-21 π Sarkome, die vom Knochen ausgehen (z.B. Osteosarkom).
Sarkome sind maligne Tumoren mesenchymaler Herkunft.
Epidemiologische Untersuchungen zeigen eine Zunahme des Lungenkarzinoms (Raucher), des malignen Melanoms, des Kolonkarzinoms und des Pankreaskarzinoms.
Entsprechend dem Ursprungsgewebe unterscheidet man: π Weichteilsarkome π
vom Knochen ausgehende Sarkome.
Sonderformen
Sonderformen
Teratome
Teratome
Zu den Sonderformen gehören Teratome, die vor allem in den Keimdrüsen auftreten. Sie entstehen aus pluripotenten Zellen, sodass sich häufig gleichzeitig Anteile verschiedener Gewebstypen (z.B. Weichteile, Haare, Zähne) in einem Tumor finden.
Teratome entwickeln sich aus pluripotenten Zellen und treten vor allem in Keimdrüsen auf.
Embryonale Tumoren
Embryonale Tumoren
Embryonale Tumoren entstehen aus nicht differenzierten Zellen einer Organanlage und treten meist im frühen Kindesalter (bis 5 Jahre) klinisch in Erscheinung. Die häufigsten Tumoren dieser Gruppe sind das Nephroblastom (Wilms-Tumor), das vom Nierenblastem ausgeht und epitheliale sowie mesenchymale Anteile hat, sowie das Neuroblastom, das sich vom Nebennierenmark oder Grenzstrang herleitet. Das Medulloblastom des Gehirns, das Retinoblastom (Retina), das Hepatoblastom (Leber) und das embryonale Rhabdomyosarkom (Urogenitaltrakt und Augenbereich) sind weitere extrem seltene embryonale Tumoren.
Embryonale Tumoren entwickeln sich in den ersten Lebensjahren aus nicht differenzierten Zellen einer Organanlage. Die häufigsten Tumoren sind das Nephroblastom (Wilms-Tumor) und das Neuroblastom. Weitere extrem seltene Tumoren sind: π Medulloblastom π Retinoblastom π Hepatoblastom π embryonales Rhabdomyosarkom.
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12 Chirurgische Onkologie
Tumorgrading
12.2.3 Tumorgrading
12.2.3
Das Grading beschreibt den histopathologischen Differenzierungsgrad eines Tumors: π G1: hoch differenziert π G2: mittelgradig differenziert π G3: niedrig differenziert π G4: entdifferenziert.
Das Grading (G) beschreibt den histopathologischen Differenzierungsgrad von Karzinomen und Sarkomen. Mit G1 wird ein hoch differenzierter, mit G2 ein mittelgradig differenzierter und mit G3 ein niedrig differenzierter Tumor bezeichnet. G4 kennzeichnet einen entdifferenzierten Tumor, bei dem morphologisch das Herkunftsgewebe nicht mehr zu erkennen ist. n Merke. Die Prognose eines Tumors korreliert bei den meisten Tumoren mit dem Differenzierungsgrad und nimmt mit zunehmender Entdifferenzierung ab.
Merke
Bei bestimmten Tumoren wird die Mitoserate beurteilt. Eine hohe Mitoserate spricht für ein aggressives Tumorwachstum.
Zusätzlich wird bei bestimmten Tumoren (z.B. Sarkome) die Mitoserate beurteilt. Eine hohe Mitoserate spricht für ein schnelles, aggressives Wachstum, was mit einer schlechten Prognose korreliert.
12.2.4 Tumorstaging
12.2.4
Das Staging beschreibt die Tumorausdehnung und Metastasierung. Bei der TNM-Klassifikation erfolgt die Einteilung der Tumoren nach der lokalen Ausdehnung (T), der Streuung in Lymphknoten (N) und der Bildung von Fernmetastasen (M). Entsprechend der Prognose werden Malignome mit unterschiedlichen TNM-Klassifikationen, aber vergleichbarer Prognose verschiedenen Stadien (I–IV) zugeteilt ( 2 A-12.1 und 1 A-12.2).
Beim Staging wird die Ausdehnung des Tumors und das Vorliegen von lymphogenen oder hämatogenen Metastasen beschrieben. Als international einheitliches Verfahren wird das TNM-System verwendet, das die Tumorgröße (T), die Streuung in die Nodi lymphatici (N) und die Bildung von Metastasen (M) beschreibt. Basiert die Klassifikation auf der histopathologischen Untersuchung des Tumorresektates, wird ein »p« (= pathology) der TNM-Einteilung vorgestellt (pTNM). 1 A-12.1 veranschaulicht die Einteilung des TNM-Systems, 2 A-12.2 zeigt das TNM-Schema einiger häufiger Tumoren. Für einige Tumoren existieren weitere Untergruppen (z.B. T1a, T1b und T1c bei Mammakarzinomen), die nicht angegeben sind und in entsprechenden Fachbüchern nachgeschlagen werden können. Die Stadien werden z.T. zusätzlich unterteilt (A, B), um eine genauere Prognoseabschätzung geben zu können. Für die kolorektalen Karzinome ist in Klammern die Dukes-Klassifikation angegeben, die allerdings inzwischen auch eine genauere Unterteilung erfährt (z.B. Dukes B1 und B2, in der Tabelle nicht angegeben). Aktuelle Informationen zum TNM-Schema können im Internet abgerufen werden unter http://www.uicc.ch/tnm.
1 A-12.1
Tumorstaging
Synopsis TNM-Klassifikation (UICC 1997)
TNM-Klassifikation Tumorgröße
Lymphknotenmetastasen
(Fern-)Metastasen
T
N
M
Tis: Carcinoma in situ T1–T4: lokale Ausdehnung T0: Primärtumor nicht auffindbar (z.B. Metastasennachweis) TX: Primärtumor nicht beurteilbar (z.B. keine Resektion)
N0: kein Lymphknotenbefall N1: Befall regionärer Lymphknoten N2: Befall mehrerer regionärer Lymphknoten oder in entfernteren Lymphknoten N3: Befall tumorferner Lymphknoten NX: Lymphknoten nicht beurteilbar
Die Untersuchungsmethoden, auf denen die Klassifikation beruht, werden durch einen kleinen Buchstaben angegeben:
M0: keine Fernmetastasen M1: Organmetastasen Pleurakarzinose Peritonealkarzinose
klinische Diagnose: c (clinical-diagnostic) intraoperativer Befund: s (surgery) histologische Untersuchung: p (pathology)
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12.2.2 Klassifikation
Klinischer Fall Ein Patient wird an einem Sigmakarzinom operiert. Die präoperative Diagnostik ergab keine Hinweise auf eine Metastasierung, bei der Endosonographie reicht der Tumor bis in die Serosa (cT3N0M0). Intraoperativ können ebenfalls keine Fernmetastasen gefunden werden, ein Lymphknoten am Tumor ist pathologisch vergrößert, der
2 A-12.2
Tumor wächst nicht in die Umgebung ein (sT3N1M0). Die histologische Aufarbeitung des Präparates zeigt, dass der Tumor die Serosa der Darmwand durchbrochen hat. Weiterhin finden sich in 6 der untersuchten Lymphknoten Metastasen. TNM-Klassifikation: pT3N2M0, Stadium III ( 2 A-12.2).
TNM-Klassifikationskriterien der häufigsten soliden Tumoren (UICC 1997) N Lunge n
N Mamma n
N Pankreas n
T1
< — 3 cm
< — 2 cm
auf Pankreas begrenzt < 2 cm
T2
> 3 cm
> 2–5 cm
auf Pankreas begrenzt, > 2 cm
T3
Nachbarstrukturen
> 5 cm
peripankreatisch oder direktes Übergreifen auf Duodenum/Gallengang
T4
Mediastinum, maligner Erguss
Brustwand/Haut
Übergreifen auf Magen, Milz, Kolon, angrenzende große Gefäße
N1
ipsilateral peribronchial/hilär
axillär + beweglich
regionär
N2
ipsilateral mediastinal
axillär + fixiert
N3
kontralateral, supraklavikulär
A. mammaria interna
Stadium I
T1-2 N0
T1 N0
T1-2 N0
Stadium II
T1-2 N1, T3 N0
A: T1 N1, T2 N0; B: T2 N1, T3 N0
T3 N0
Stadium III
A: T1-2 N2, T3 N1-2; B: T1-4 N3, T4 N0-3
A: T1-2 N2, T3 N1-2; B: T4 N0-3, T1-4 N3
T1-3 N1
Stadium IV
alle M1
alle M1
A: T4, N0-1, M0 B: alle M1
N Ösophagus n
N Magen n
N Kolon/Rektum n
T1
Submukosa
Submukosa
Submukosa
T2
Muscularis propria
bis Subserosa
Muscularis propria
T3
Aventitia
Penetration der Subserosa
Subserosa, perikolisch/-rektal im extraperitonealen Darmabschnitt
T4
Nachbarstrukturen
Nachbarstrukturen
Nachbarstrukturen
N1
regionär
1–6 regionäre Lymphknoten
bis zu 3 positive Lymphknoten
N2
7–15 regionäre Lymphknoten
> 3 positive Lymphknoten
N3
> 15 regionäre Lymphknoten
Stadium I
T1 N0
A: T1 N0; B: T2 N0, T1 N1
T1-2 N0 (= Dukes A)
Stadium II
A: T2-3 N0; B: T1-2 N1
T1 N2, T2 N1, T3 N0
T3-4 N0 (= Dukes B)
Stadium III
T3 N1, T4 N0-1
A: T2 N2, T3 N1, T4 N0; B: T3 N2
T1-4 N1-2 (= Dukes C)
Stadium IV
alle M1
T1–3 N3, T4 N1–3, alle M1
alle M1 (= Dukes D)
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240 1 A-12.2
12 Chirurgische Onkologie
Synopsis Einteilung des Kolonkarzinoms nach Dukes/Tumorstadien Tumorgröße ( Invasionstiefe)
TNM-Stadien (Dukes-Klassifikationen)
Nodi lymphatici
Metastasen
Mukosa
Stadium I ( Dukes A)
Submukosa Muscularis Serosa T1
N0
M0
N0
M0
T2
Stadium II ( Dukes B)
T3
T4
T1
T2 N1
Stadium III ( Dukes C)
M0
T3
T4
T1
T2
Stadium IV ( Dukes D)
N2
N2
N0
N1
M1
T3
T4
N2
N2
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241
12.3 Tumorbiologie Tumoren mit verschiedenen TNM-Klassifikationen, aber vergleichbarer Prognose werden in Stadien (I–IV) zusammengefasst, welche ihrerseits, zur genaueren Prognoseabschätzung, z.T. zusätzlich unterteilt werden (A, B). Neben dem TNM-System werden noch verschiedene, ältere Klassifikationsmethoden, wie die Dukes-Klassifikation kolorektaler Karzinome, angewandt. Deren Einteilung von A–D entspricht weitestgehend den WHO-Stadien I–IV ( 1 A-12.2).
Tumormarker
12.2.5
12.2.5 Tumormarker
Als Tumormarker werden im Serum messbare Substanzen bezeichnet, die auf ein Malignom hindeuten, wie z.B. Hormone, die von Tumorzellen produziert werden (z.B. HCG bei Hodentumoren, ACTH bei Bronchialkarzinomen). Als Tumormarker im engeren Sinne bezeichnet man tumorassoziierte Antigene (TAA), die von malignen Zellen exprimiert und sezerniert werden, aber auch (in geringerem Umfang) bei nichtmalignen Zellen auftreten können. Je nach Ursprungsgewebe des Tumors treten unterschiedliche Tumormarker auf. So findet sich bei gastrointestinalen Karzinomen und Mammakarzinomen häufig eine Erhöhung des karzinoembryonalen Antigens (CEA), bei Pankreas- und Magenkarzinomen des Antigens CA-19-9, bei Leberzellkarzinomen des a -Fetoproteins (AFP) und bei gynäkologischen Tumoren des Antigens CA-12-5 und CA-15-3. 2 A-12.3 zeigt eine Aufstellung verschiedener Tumormarker.
2 A-12.3
Als Tumormarker werden im Serum messbare Substanzen bezeichnet, die auf ein Malignom hindeuten. Im engeren Sinne versteht man darunter tumorassoziierte Antigene (TAA), die von malignen Zellen sezerniert werden. Je nach Lokalisation des Tumors treten unterschiedliche Marker auf ( 2 A-12.3): π CEA π CA-19-9 π a -Fetoprotein (AFP) π CA-12-5 π CA-15-3.
Tumormarker
Organ
Tumormarker
N Bronchialkarzinom n
CEA, NSE, SCC
N Magenkarzinom n
CEA, CA-19-9, CA-50
N Dickdarmkarzinom n
CEA, Ca 19-9, CA-50
N Pankreaskarzinom n
CA-19-9, CEA, CA-50
N Leberzellkarzinom n
AFP
N Mammakarzinom n
CA-15-3, CEA
N Ovarialkarzinom n
Ca-12-5, CEA
N Prostatakarzinom n
PSA
Tumormarker können auch bei gesunden Menschen erhöht sein. So sind die Serumspiegel von CEA und CA-19-9 bei Rauchern häufig oberhalb der Normwerte. n Merke. Ein niedriger Tumormarkerwert schließt das Vorliegen einer malignen Erkrankung nicht aus. Aufgrund der geringen Sensitivität und Spezifität ist die Bestimmung der Tumormarker weder zur Krebsvorsorge noch zur primären Diagnostik eines Karzinoms sinnvoll. Einen hohen Nutzen hat die Bestimmung der Tumormarker im Rahmen der Verlaufskontrolle tumormarkerpositiver Patienten zur frühzeitigen Diagnostik eines Tumorrezidivs.
12.3
Neben der TNM-Einteilung existieren verschiedene ältere Klassifikationen wie die Dukes-Klassifikation kolorektaler Karzinome ( 1 A-12.2).
Tumorbiologie
Grundlage der Entstehung bösartiger Tumoren sind Veränderungen der DNA, die in einer Deregulation des Wachstums von Zellen münden (maligne Transformation). Zahlreiche Faktoren sind bekannt, die DNA-Schäden verursachen und damit Tumoren induzieren.
Erhöhte Tumormarker können auch bei Gesunden vorkommen.
Merke
12.3
Tumorbiologie
Grundlage der Entstehung bösartiger Tumoren sind Veränderungen an der DNA, die durch karzinogene Faktoren herbeigeführt werden können.
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12.3 Tumorbiologie Tumoren mit verschiedenen TNM-Klassifikationen, aber vergleichbarer Prognose werden in Stadien (I–IV) zusammengefasst, welche ihrerseits, zur genaueren Prognoseabschätzung, z.T. zusätzlich unterteilt werden (A, B). Neben dem TNM-System werden noch verschiedene, ältere Klassifikationsmethoden, wie die Dukes-Klassifikation kolorektaler Karzinome, angewandt. Deren Einteilung von A–D entspricht weitestgehend den WHO-Stadien I–IV ( 1 A-12.2).
Tumormarker
12.2.5
12.2.5 Tumormarker
Als Tumormarker werden im Serum messbare Substanzen bezeichnet, die auf ein Malignom hindeuten, wie z.B. Hormone, die von Tumorzellen produziert werden (z.B. HCG bei Hodentumoren, ACTH bei Bronchialkarzinomen). Als Tumormarker im engeren Sinne bezeichnet man tumorassoziierte Antigene (TAA), die von malignen Zellen exprimiert und sezerniert werden, aber auch (in geringerem Umfang) bei nichtmalignen Zellen auftreten können. Je nach Ursprungsgewebe des Tumors treten unterschiedliche Tumormarker auf. So findet sich bei gastrointestinalen Karzinomen und Mammakarzinomen häufig eine Erhöhung des karzinoembryonalen Antigens (CEA), bei Pankreas- und Magenkarzinomen des Antigens CA-19-9, bei Leberzellkarzinomen des a -Fetoproteins (AFP) und bei gynäkologischen Tumoren des Antigens CA-12-5 und CA-15-3. 2 A-12.3 zeigt eine Aufstellung verschiedener Tumormarker.
2 A-12.3
Als Tumormarker werden im Serum messbare Substanzen bezeichnet, die auf ein Malignom hindeuten. Im engeren Sinne versteht man darunter tumorassoziierte Antigene (TAA), die von malignen Zellen sezerniert werden. Je nach Lokalisation des Tumors treten unterschiedliche Marker auf ( 2 A-12.3): π CEA π CA-19-9 π a -Fetoprotein (AFP) π CA-12-5 π CA-15-3.
Tumormarker
Organ
Tumormarker
N Bronchialkarzinom n
CEA, NSE, SCC
N Magenkarzinom n
CEA, CA-19-9, CA-50
N Dickdarmkarzinom n
CEA, Ca 19-9, CA-50
N Pankreaskarzinom n
CA-19-9, CEA, CA-50
N Leberzellkarzinom n
AFP
N Mammakarzinom n
CA-15-3, CEA
N Ovarialkarzinom n
Ca-12-5, CEA
N Prostatakarzinom n
PSA
Tumormarker können auch bei gesunden Menschen erhöht sein. So sind die Serumspiegel von CEA und CA-19-9 bei Rauchern häufig oberhalb der Normwerte. n Merke. Ein niedriger Tumormarkerwert schließt das Vorliegen einer malignen Erkrankung nicht aus. Aufgrund der geringen Sensitivität und Spezifität ist die Bestimmung der Tumormarker weder zur Krebsvorsorge noch zur primären Diagnostik eines Karzinoms sinnvoll. Einen hohen Nutzen hat die Bestimmung der Tumormarker im Rahmen der Verlaufskontrolle tumormarkerpositiver Patienten zur frühzeitigen Diagnostik eines Tumorrezidivs.
12.3
Neben der TNM-Einteilung existieren verschiedene ältere Klassifikationen wie die Dukes-Klassifikation kolorektaler Karzinome ( 1 A-12.2).
Tumorbiologie
Grundlage der Entstehung bösartiger Tumoren sind Veränderungen der DNA, die in einer Deregulation des Wachstums von Zellen münden (maligne Transformation). Zahlreiche Faktoren sind bekannt, die DNA-Schäden verursachen und damit Tumoren induzieren.
Erhöhte Tumormarker können auch bei Gesunden vorkommen.
Merke
12.3
Tumorbiologie
Grundlage der Entstehung bösartiger Tumoren sind Veränderungen an der DNA, die durch karzinogene Faktoren herbeigeführt werden können.
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12 Chirurgische Onkologie
Karzinogene Faktoren
12.3.1 Karzinogen Faktoren
12.3.1
Chemikalien und Strahlung
Chemikalien und Strahlung
Die Identifikation chemischer Karzinogene erfolgt mit Hilfe von: π epidemiologischen Studien π Tierversuchen π Zellkulturen. 2 A-12.4 zeigt einige bekannte Karzinogene. Die karzinogene Wirkung radioaktiver Strahlung besteht vor allem in der Induktion von Leukämien.
Chemische Karzinogene können eine Vielzahl verschiedener Tumoren hervorrufen. Ihre Identifikation erfolgt mit Hilfe von epidemiologischen Studien, Tierversuchen und neuerdings auch an Zellkulturen. In 2 A-12.4 sind einige der bekannten Karzinogene und die von ihnen induzierten Tumoren zusammengefasst. Durch die Entdeckung und den Umgang mit Radium wurde in den 20er Jahren die krebsauslösende Wirkung radioaktiver Strahlen entdeckt, die insbesondere zu Leukämie führt.
2 A-12.4
Karzinogene mit induzierten Tumorlokalisationen
Karzinogen
Tumorlokalisation
chemische Karzinogene N aromatische Amine ( b -Naphthylamin) n
π
Harnwege
N Benzol n
π
Blut/lymphatisches System
N Teer, Tabak n
π
Haut, Larynx, Bronchien
N Petroleum, Paraffinöl, Teer n
π
Haut
N Asbest n
π
Bronchien, Pleura
N Aflatoxine n
π
Magen/Darm
physikalische Karzinogene N ionisierende Strahlen n
π
N UV-Strahlen n
π
Haut, Schilddrüse, Zunge, Tonsillen, Knochen, Blut Haut
UV-Strahlung wirkt auf die Haut und induziert gehäuft Hauttumoren.
UV-Strahlung kann Hauttumoren, wie z.B. das maligne Melanom, hervorrufen. Dessen Inzidenz ist in den letzten Jahren bei Nord- und Mitteleuropäern, korrelierend mit dem Massentourismus in südliche Regionen und der damit verbundenen vermehrten Sonnenexposition, angestiegen. Durch das an Größe zunehmende Ozonloch wird die schädigende Wirkung der UV-Strahlung, wie bereits erste Untersuchungen in Australien zeigen, weiter an Bedeutung zunehmen.
Viren
Viren
Viren können durch den Einbau ihrer DNA in humane DNA eine maligne Transformation bewirken. Beispiele für potenziell karzinogene Viren sind: π Epstein-Barr-Virus (BurkittLymphom, Nasopharynxkarzinom) π Hepatitis-B-Virus (Leberzellkarzinom) π humanes T-Zell-Leukämie-Virus (T-Zell-Leukämie, -Lymphom).
Viren können zur eigenen Replikation notwendige Genabschnitte in die DNA humaner Zellen einbauen. Erfolgt dies in der Nähe humaner, wachstumsregulierender Gene, kann deren Funktion beeinträchtigt werden und zu einem malignen Wachstum führen. Ferner gibt es onkogene Viren, deren DNA direkt eine maligne Transformation der Zelle bewirkt. Ein Zusammenhang mit der Malignomentstehung konnte u.a. für das Epstein-Barr-Virus (Burkitt-Lymphom, Nasopharynxkarzinom), das Hepatitis-B-Virus (Leberzellkarzinom) und das humane T-Zell-Leukämie-Virus (T-Zell-Leukämie und -Lymphom) gezeigt werden.
Präkanzerosen
Präkanzerosen
Präkanzerosen sind Veränderungen, die mit einer erhöhten Karzinominzidenz einhergehen ( 2 A-12.5). Zur Verhinderung einer Malignombildung ist deren Behandlung oder die regelmäßige Überwachung obligat.
Als Präkanzerosen bezeichnet man sichtbare Veränderungen oder Krankheitsbilder, die mit einer erhöhten Karzinominzidenz einhergehen. Beispiele hierfür sind die Leukoplakie, Darmpolypen, Neurofibromatosen, Dysplasien an der Zervix, Colitis ulcerosa und familiäre Polyposis coli ( 2 A-12.5). Um einer Malignombildung vorzubeugen, ist die Behandlung oder die regelmäßige Überwachung von Präkanzerosen obligat.
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12.3.1 Karzinogene Faktoren
2 A-12.5
Präkanzerosen
N Leukoplakie n N Poylpen im Magen-/Darmtrakt n N atrophische Gastritis n N Neurofibromatosen n N Dysplasien der Zervix n N Colitis ulcerosa n N Barrett-Ösophagus n
Familiäre Disposition
Familiäre Disposition
Für bestimmte Malignome konnte eine familiäre Disposition nachgewiesen werden. Verantwortlich für diese hereditären (angeborenen) Erkrankungen sind: π DNA-Defekte, die direkt zu einer malignen Transformation von Zellen führen π Enzymschäden des DNA-Reparatursystems π Schädigung des Immunsystems. Zusätzliche exogene Faktoren (UV-Strahlen, Karzinogene in der Nahrung, ionisierende Strahlen) ermöglichen oder beschleunigen bei diesen Patienten die Krebsentstehung. Bei der familiären Polyposis coli kommt es aufgrund eines Gendefektes zu einer diffusen Adenombildung im Kolon, aus denen sich langfristig bei allen Patienten ein Kolonkarzinom entwickelt. Ein weiteres Beispiel ist das Retinoblastom, dem ursächlich ein zur Karzinombildung führender dominanter Gendefekt zugrunde liegt. 2 A-12.6 gibt eine Übersicht über regelhaft vererbte Syndrome, die mit großer Häufigkeit zur Malignombildung führen. 2 A-12.7 zeigt eine Zusammenstellung von malignen Erkrankungen (z.B. Mammakarzinome und Kolonkarzinome), die zwar familiär gehäuft, aber nicht regelhaft auftreten, sodass neben angeborenen Gendefekten exogenen Komponenten eine größere Bedeutung zuzuschreiben ist.
Die Ursache familiär gehäuft auftretender Malignome liegt in: π DNA-Defekten π Enzymschäden im DNA-Reparatursystem π Schädigungen des Immunsystems.
2 A-12.6
Beispiele hereditärer Erkrankungen sind die familiäre Polyposis coli, die zu Kolonkarzinomen führt, und das Retinoblastom ( 2 A-12.6). Verschiedene Karzinome (z.B. Mamma- und Kolonkarzinome) treten zwar familiär gehäuft aber nicht regelhaft auf, sodass neben angeborenen Gendefekten exogenen Komponenten eine größere Bedeutung zukommt ( 2 A-12.7).
Hereditäre Syndrome, die gehäuft zur Malignombildung führen
Syndrom
Tumorlokalisation
N familiäre Polyposis coli n
π
N multiple endokrine Neoplasie n Typ 1 (MEN 1)
π π π π
N multiple endokrine Neoplasie n Typ 2 (MEN 2) N von Hippel-Lindau-Syndrom n
π π
π π π
N Basal-Zell-Nävus-Syndrom n
π π
N Retinoblastom n
π π
N Neurofibromatosis Typ 1 (NF-1) n
π π
N Neurofibromatosis Typ 2 (NF-2) n
π π
Kolon Hypophyse Nebenschilddrüse Pankreas-Inselzellen Nebennierenrinde C-Zellen der Schilddrüse Nebennierenmark Niere Hämangioblastom des Kleinhirns Nebennierenmark Haut Gehirn (Medulloblastom) Retina Knochen (Osteosarkom) Schwann-Zellen Glia Schwann-Zellen des VIII. Hirnnervs Meningen
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12 Chirurgische Onkologie
2 A-12.7
Familiär gehäufte Tumoren erstgradiger Verwandter
Tumorlokalisation
Therapiebedingte Tumoren Merke
Diesem Nebeneffekt kommt große Bedeutung bei der Krebsbehandlung von Kindern zu, die langfristig engmaschig nachuntersucht werden müssen. Die in der Transplantationsmedizin notwendige immunsuppressive Therapie führt zu einer erhöhten Inzidenz von Malignomerkrankungen.
relatives Risiko
N Mamma n
2,2
N Ovarien n
3,0
N Endometrium n
2,7
N Melanom n
2,5
N Lunge n
2,7
N Kolon n
3,4
N Magen n
2,6
Therapiebedingte Tumoren n Merke. Die meisten in der Krebsbehandlung verwendeten Therapeutika (Zytostatika, ionisierende Strahlen) schädigen die DNA und wirken damit potenziell karzinogen.
Dies zeigt sich z.B. durch die hohe Inzidenz von Lymphomen bei Erwachsenen, die als Kind an einer Leukämie behandelt worden sind. Angesichts fehlender therapeutischer Alternativen kann gegenwärtig nur eine engmaschige Nachsorge helfen, diese Folgeerkrankungen rechtzeitig zu erkennen. Auch in der Transplantationsmedizin wird eine Zunahme der Inzidenz maligner Erkrankungen beobachtet, da eine effektive Immunsuppression einen wesentlichen Bestandteil der Behandlung darstellt. Dadurch ist das Immunsystem in seiner Fähigkeit, Tumorzellen frühzeitig zu identifizieren und zu eliminieren, beeinträchtigt.
Psychische Faktoren
Psychische Faktoren
Durch die Interaktion der Psyche mit dem Immunsystem ist ein Einfluss im Rahmen der Karzinogenese vorstellbar.
Der Nachweis psychischer Faktoren ist im Rahmen der notwendigen randomisierten und prospektiven Studien extrem schwierig zu führen. Man muss aber vermuten, dass ein solcher Zusammenhang besteht, der u.a. über die Interaktion der Psyche mit dem Immunsystem erklärt werden kann.
12.3.2 Tumorimmunologie
12.3.2
Das Immunsystem kann Karzinome, die Fremdantigene exprimieren, eliminieren. Die Aktivierung des Immunsystems verläuft in mehreren Schritten: 1. Phagozytose durch NK-Zellen und Makrophagen. 2. Antigenpräsentation auf Makrophagen und Aktivierung von T-Helferzellen. 3. T-Helferzellen aktivieren B-Lymphozyten, die Antikörper bilden. 4. Die an die Tumorzelle gebundenen Antikörper wirken durch eine Komplementaktivierung oder eine ADCC zytotoxisch. 5. Aktivierung von T-Killerzellen.
Obwohl täglich in jedem gesunden Organismus Tausende maligner Zellen entstehen, stellt die Entwicklung eines Karzinoms die Ausnahme dar. Dies ist u.a. dem Immunsystem zu verdanken, das Tumorzellen aufgrund der Expression von körperfremden Antigenen erkennen und eliminieren kann. Mit der Expression von Fremdantigenen wird das Immunsystem über mehrere Schritte aktiviert: 1. Abwehrzellen (Natürliche Killerzellen [NK-Zellen], Makrophagen) gelangen an die Tumorzelle und phagozytieren sie. 2. Makrophagen präsentieren die Tumorantigene auf ihrer Oberfläche den T-Lymphozyten (Antigenpräsentation), wodurch diese mit Hilfe bestimmter Zytokine aktiviert werden. 3. T-Helferzellen aktivieren spezifische B-Lymphozyten, die eine Antikörperproduktion einleiten. 4. Antikörper können sowohl über die Aktivierung von Komplement als auch durch die Induktion einer antikörperabhängigen zellvermittelten Zytotoxizität (ADCC = antibody dependent cellular cytotoxicity) eine Zell-Lyse bewirken. 5. Zytotoxische T-Lymphozyten (T-Killerzellen) werden aktiviert, die die Tumorzelle angreifen und eliminieren.
Tumorimmunologie
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12.3.2 Tumorimmunologie Dieses komplexe Geschehen wird durch die Interaktion der beteiligten Zellen und deren Regulation über ein Netzwerk verschiedener Zytokine gesteuert ( 1 A-12.3). Tumorzellen können sich mit Hilfe verschiedener Mechanismen diesem Angriff des Immunsystems entziehen: π Die Karzinomzellen exprimieren kein Fremdantigen, die Antigendichte ist zu niedrig, um eine Antwort auszulösen, oder die Antigene sind durch andere Oberflächenstrukturen maskiert und können vom Immunsystem als solche nicht erkannt werden. π Fremdantigene werden durch Antikörper, die an das Membranantigen binden, aber keine Effektorfunktion haben, blockiert, sodass sie vom Immunsystem nicht mehr erkannt werden können. π Tumorzellen weisen eine verringerte Expression von MHC-I-Antigenen (major histocompatibility complex I) an der Zellmembran auf. T-Lymphozyten können nur durch das kombinierte Erkennen von MHC I und Fremdantigen an Tumorzellen binden.
1 A-12.3
Die Interaktion der verschiedenen Immunzellen wird durch Zytokine gesteuert ( 1 A-12.3). Tumorzellen überleben die körpereigene Abwehr durch: π fehlendes, niedrig exprimiertes oder maskiertes Antigen π Antigenblockade durch Antikörper ohne Effektorfunktion π Verringerung der MHC-I-Antigene auf der Oberfläche π Antigenmodulation π hohe Zellteilungsraten.
Synopsis Tumorimmunologie
Tumorzellen (TU) werden von Makrophagen (M) phagozytiert, ein Prozess, der zur Antigenpräsentation auf den Makrophagen führt. Stimuliert durch Zytokine (u.a. Interleukin-1, TNF) werden an das Antigen bindende T-Lymphozyten (T-Helferzellen, T-H) aktiviert und zur Bildung von Zytokinen (u.a. Interleukin-2) angeregt. Hierdurch erfolgt eine Selbststimulierung als auch Aktivierung anderer T-Lymphozyten (T-Helfer- und T-Killerzellen [T-K], B-Lymphozyten [B]).
B-Lymphozyten (B) bilden spezifische Antikörper, die nach Bindung an die Tumorzelle über eine Komplementaktivierung Tumorzellen lysieren (complement dependent cytotoxicity = CDC) oder eine zelluläre Tumorzellelimination (antibodydependent cellular cytotoxicity = ADCC) durch NK-Zellen, Makrophagen und T-Lymphozyten induzieren (Mediatoren C3a/C5a). Zytotoxische T-Killerzellen können auch unabhängig von einer Antikörperbindung Tumorzellen eliminieren.
Tu
1. Phagozytose
Tu M
Tu
M
2. Antigenpräsentation
Zytokine (u.a. IL-1, TNF)
T-H 3. Aktivierung und Proliferation von B- und T-Lymphozyten
Zytokine (u.a. IL-1, TNF)
M
T-H
Zytokine (u.a. IL-2) 4. Antikörperbildung
Zytokine
B
5. Komplement-Zelllyse
7. Aktivierung zytotoxischer T-Killer-Zellen
T-K 8. zelluläre Zytotoxität
Tu Tu Tu
T-K
T-K
Tu
Tu
6. ADCC
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12 Chirurgische Onkologie π
π
12.3.3 Theorie der Tumorentstehung Merke
Molekulare Grundlagen
Tumorzellen sind in der Lage, ihre Oberflächenantigene zu verändern (Antigenmodulation). Hierdurch können Subpopulationen von Zellen entstehen, die vom Immunsystem nicht erkannt werden. Die Zellteilungsrate liegt höher als die Eliminationsrate des Abwehrsystems. Hierdurch entgehen einige Zellen mit geringer Antigenität dem Immunsystem und bilden als solide und damit zunehmend schwer angreifbare Zellformation die Grundlage des Karzinoms.
12.3.3
Theorie der Tumorentstehung
n Merke. Damit es zur Malignombildung kommt, müssen zunächst verschiedene, sich ergänzende DNA-Schäden eintreten. Diese dürfen durch Reparaturenzyme nicht korrigiert werden. Die maligne transformierte Zelle muss dem Immunsystem entgehen und schließlich in der Lage sein, ihr eigenes Gefäßsystem (Angiogenese) aufzubauen.
Molekulare Grundlagen 2 verschiedene Gentypen sind für die Wachstumsregulation von Zellen und damit auch die Tumorentstehung von entscheidender Bedeutung: die Protoonkogene und die Tumor-Suppressorgene.
Protoonkogene
Protoonkogene
Protoonkogene und deren Genprodukte steuern die Zellvermehrung und deren Interaktion mit der Umgebung. Ein mutiertes Protoonkogen, das zu einer malignen Transformation führt, wird als Onkogen bezeichnet.
Über 100 verschiedene Protoonkogene und deren Genprodukte steuern die Zellvermehrung und deren Interaktion mit der Umgebung, indem sie z.B. die Produktion von Wachstumsfaktoren oder deren Rezeptoren codieren. Ein Protoonkogen kann durch karzinogene Faktoren (s.o.) oder Replikationsfehler im Zellzyklus mutieren. Bewirkt das mutierte Gen eine maligne Transformation, wird es als Onkogen bezeichnet.
Tumor-Suppressorgene
Tumor-Suppressorgene
Sie bewirken die Hemmung von Zellteilungsvorgängen. Besondere Bedeutung kommt dem p53-Gen zu, dessen Aktivität die Reparatur der DNA ermöglicht oder ggf. den programmierten Zelltod (Apoptose) einleitet.
Die ebenfalls zahlreichen Tumor-Suppressorgene bewirken die Bildung von Regulationsproteinen oder Enzymen, die Zellteilungsvorgänge hemmen. Dem p53-Tumor-Suppressorgen kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Dessen Aktivierung bewirkt entweder einen Zellzyklusarrest in der G1- bzw. G2-Phase oder postmitotisch. Dadurch werden Reparationsvorgänge der DNA zur Elimination von Gendefekten ermöglicht. Kann ein DNA-Defekt nicht behoben werden, so leitet p53 ggf. den programmierten Zelltod (Apoptose) ein. Bevor eine maligne Zelle und ein Karzinom entstehen, müssen mehrere verschiedene und sich ergänzende Mutationen in Protoonkogenen und TumorSuppressorgenen aufgetreten sein. Hieraus erklärt sich, warum die meisten Malignome erst im höheren Alter, nach einer langen Latenzzeit, entstehen.
Die Entstehung von malignen Zellen und Karzinomen basiert auf zahlreichen Mutationen in Protoonkogenen und Tumor-Suppressorgenen.
Angiogenese
Angiogenese
Tumoren können durch eine Gefäßneubildung (Angiogenese) eine Größe von 2 mm überschreiten.
Bis zu einer Größe von 2 mm können sich Tumoren über Diffusion von Nährstoffen ernähren. Zu einem weiteren Größenwachstum bedarf es einer autarken Nährstoffversorgung, die durch Induktion einer Gefäßneubildung (Angiogenese) erreicht wird. Die Endothelproliferation und Angiogenese wird durch Angiogenesefaktoren vermittelt (u.a. b-FGF [basic-fibroblast growth factor], VEGF [vascular endothelial growth factor]), die entweder direkt von den Tumorzellen oder (über die Sezernierung von Mediatoren) von umgebenden Stromazellen freigesetzt werden. Durch die Angiogenese wird die hämatogene Metastasierung des Tumors wesentlich erleichtert.
Die hämatogene Metastasierung wird durch die Angiogenese erleichtert.
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12 Chirurgische Onkologie π
π
12.3.3 Theorie der Tumorentstehung Merke
Molekulare Grundlagen
Tumorzellen sind in der Lage, ihre Oberflächenantigene zu verändern (Antigenmodulation). Hierdurch können Subpopulationen von Zellen entstehen, die vom Immunsystem nicht erkannt werden. Die Zellteilungsrate liegt höher als die Eliminationsrate des Abwehrsystems. Hierdurch entgehen einige Zellen mit geringer Antigenität dem Immunsystem und bilden als solide und damit zunehmend schwer angreifbare Zellformation die Grundlage des Karzinoms.
12.3.3
Theorie der Tumorentstehung
n Merke. Damit es zur Malignombildung kommt, müssen zunächst verschiedene, sich ergänzende DNA-Schäden eintreten. Diese dürfen durch Reparaturenzyme nicht korrigiert werden. Die maligne transformierte Zelle muss dem Immunsystem entgehen und schließlich in der Lage sein, ihr eigenes Gefäßsystem (Angiogenese) aufzubauen.
Molekulare Grundlagen 2 verschiedene Gentypen sind für die Wachstumsregulation von Zellen und damit auch die Tumorentstehung von entscheidender Bedeutung: die Protoonkogene und die Tumor-Suppressorgene.
Protoonkogene
Protoonkogene
Protoonkogene und deren Genprodukte steuern die Zellvermehrung und deren Interaktion mit der Umgebung. Ein mutiertes Protoonkogen, das zu einer malignen Transformation führt, wird als Onkogen bezeichnet.
Über 100 verschiedene Protoonkogene und deren Genprodukte steuern die Zellvermehrung und deren Interaktion mit der Umgebung, indem sie z.B. die Produktion von Wachstumsfaktoren oder deren Rezeptoren codieren. Ein Protoonkogen kann durch karzinogene Faktoren (s.o.) oder Replikationsfehler im Zellzyklus mutieren. Bewirkt das mutierte Gen eine maligne Transformation, wird es als Onkogen bezeichnet.
Tumor-Suppressorgene
Tumor-Suppressorgene
Sie bewirken die Hemmung von Zellteilungsvorgängen. Besondere Bedeutung kommt dem p53-Gen zu, dessen Aktivität die Reparatur der DNA ermöglicht oder ggf. den programmierten Zelltod (Apoptose) einleitet.
Die ebenfalls zahlreichen Tumor-Suppressorgene bewirken die Bildung von Regulationsproteinen oder Enzymen, die Zellteilungsvorgänge hemmen. Dem p53-Tumor-Suppressorgen kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Dessen Aktivierung bewirkt entweder einen Zellzyklusarrest in der G1- bzw. G2-Phase oder postmitotisch. Dadurch werden Reparationsvorgänge der DNA zur Elimination von Gendefekten ermöglicht. Kann ein DNA-Defekt nicht behoben werden, so leitet p53 ggf. den programmierten Zelltod (Apoptose) ein. Bevor eine maligne Zelle und ein Karzinom entstehen, müssen mehrere verschiedene und sich ergänzende Mutationen in Protoonkogenen und TumorSuppressorgenen aufgetreten sein. Hieraus erklärt sich, warum die meisten Malignome erst im höheren Alter, nach einer langen Latenzzeit, entstehen.
Die Entstehung von malignen Zellen und Karzinomen basiert auf zahlreichen Mutationen in Protoonkogenen und Tumor-Suppressorgenen.
Angiogenese
Angiogenese
Tumoren können durch eine Gefäßneubildung (Angiogenese) eine Größe von 2 mm überschreiten.
Bis zu einer Größe von 2 mm können sich Tumoren über Diffusion von Nährstoffen ernähren. Zu einem weiteren Größenwachstum bedarf es einer autarken Nährstoffversorgung, die durch Induktion einer Gefäßneubildung (Angiogenese) erreicht wird. Die Endothelproliferation und Angiogenese wird durch Angiogenesefaktoren vermittelt (u.a. b-FGF [basic-fibroblast growth factor], VEGF [vascular endothelial growth factor]), die entweder direkt von den Tumorzellen oder (über die Sezernierung von Mediatoren) von umgebenden Stromazellen freigesetzt werden. Durch die Angiogenese wird die hämatogene Metastasierung des Tumors wesentlich erleichtert.
Die hämatogene Metastasierung wird durch die Angiogenese erleichtert.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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12.4 Therapie maligner Tumoren
Tumor-Stroma-Interaktion
Tumor-Stroma-Interaktion
Zwischen Tumorzellen und dem sie umgebenden Stroma (extrazelluläre Matrix, Bindegewebszellen, Lymphbahnen, Gefäße, Entzündungszellen etc.) besteht eine enge Wechselbeziehung. Tumorzellen beeinflussen dabei nicht nur ihre Umgebung, sondern können auch vom Stroma Proliferationsreize erhalten. Über diesen Synergismus von Tumorzellen und Stroma könnte auch die Organpräferenz bei der Metastasierung bestimmter Malignome erklärt werden. So metastasieren z.B. Mamma- und Bronchialkarzinome am häufigsten in die Knochen oder das Gehirn.
Tumorzellen stehen in einer engen Wechselbeziehung mit dem umgebenden Stroma. Sie können auch vom Stroma Proliferationsreize erhalten. Dieser Synergismus könnte die Organpräferenz bei der Metastasierung bestimmter Malignome erklären.
12.3.4
Metastasierung
Durch DNA-Schäden (u.a. Mutationen in den ras- und myc-Protoonkogenen, sowie dem p 53-Tumor-Suppressorgen) entsteht innerhalb eines Primärtumors eine Zellsubpopulation, die zur Metastasierung fähig ist. Diese metastatischen Zellen nutzen für die Lösung und Wanderung aus dem Zellverband physiologischerweise vorkommende Mechanismen. Zunächst exprimieren sie Rezeptoren, mit denen sie selektiv an das umgebende Stroma binden (u.a. Laminin-, Kollagen-IV- und Fibronektinrezeptor). Ausgelöst durch diese Bindung sezernieren sie gerichtet verschiedene proteolytische Enzyme (Kollagenase-IV, Plasminogen-Aktivator u.a.), die die Basalmembran und Teile der extrazellulären Matrix lysieren und dadurch passierbar gestalten. Gleichzeitig verlieren sie andere Oberflächenstrukturen, die für die Einbindung in das Stroma von Bedeutung sind (Adhäsionsmoleküle, CAM = cellular adhesion molecule). Die Zellen wandern bzw. ziehen sich durch das Stroma, indem sie Pseudopodien oder entsprechende Veränderungen im Zytoskelett ausbilden (Lokomotion), und gelangen in Lymph- oder Gefäßbahnen. Mit Hilfe spezifischer Rezeptoren können Tumorzellen im Kapillarsystem an Endothelzellen haften (Adhäsion) und durch die Gefäßwand in das Stroma des Zielorgans gelangen (Translokation). Dieser Prozess wird erleichtert, wenn mehrere von einem Thrombus abgekapselte Zellen am Endothel haften bleiben. Können diese Zellen zusätzlich eine Angiogenese induzieren, entwickeln sich aus den Mikrometastasen (Zellhaufen < 2 mm) Metastasen. Tierversuche haben gezeigt, dass nur ca. 0,01 % der metastatischen Zellen eines Primärtumors sämtliche Metastasierungsschritte durchlaufen können. Ein großer Teil der Zellen wird im Gefäßsystem durch Turbulenzen und das Immunsystem zerstört. Die zellbiologischen Prozesse der Metastasierung ähneln sehr stark denen, die bei der Wanderung von Zellen des Immunsystems auftreten. Dies zeigt sich bei der Lokomotion im Stroma (Bildung proteolytischer Enzyme, Pseudopodien, Veränderungen im Zytoskelett) und der Translokation (Expression des CD44-Adhäsionsmoleküls, das bei Leukozyten eine wichtige Funktion zur Adhäsion an Endothelzellen und Translokation hat). 1 A-12.4 fasst die Tumorentstehung und Metastasierung zusammen.
12.4
Therapie maligner Tumoren
Die Therapie maligner Tumoren basiert auf der chirurgischen Tumorentfernung, der Strahlentherapie und der medikamentösen Behandlung, wobei diese Therapieverfahren häufig im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte kombiniert angewendet werden. In der Behandlung solider Tumoren kommt der Chirurgie die größte Bedeutung zu.
12.3.4 Metastasierung Mutationen führen zur Bildung einer metastatischen Zellsubpopulation, die zur Metastasierung fähig ist. Metastatische Zellen nutzen für die Lösung aus dem Zellverband physiologischerweise vorkommende Mechanismen. Sie sezernieren proteolytische Enzyme, die die extrazelluläre Matrix lysieren, wodurch diese von den Zellen passiert werden kann.
Durch den gleichzeitigen Verlust von Adhäsionsmolekülen wird die Einbindung in das Stroma aufgehoben. Über die Mechanismen der Lokomotion gelangen die Zellen zu den Gefäßen und damit in den Lymph- oder Blutstrom. Über spezifische Rezeptoren haften Tumorzellen am Endothel des Zielorgans (Adhäsion) und durchwandern die Gefäßwand (Translokation). Kommt es zur Angiogenese, entwickeln sich aus den Mikrometastasen (Zellhaufen < 2 mm) Metastasen. Nur ca. 0,01 % der metastatischen Zellen eines Primärtumors können alle Metastasierungsschritte durchlaufen. Die zellbiologischen Prozesse der Metastasierung ähneln sehr stark denen, die zur Wanderung von Zellen des Immunsystems führen. 1 A-12.4 fasst die Tumorentstehung und Metastasierung zusammen.
12.4
Therapie maligner Tumoren
Die Therapie maligner Tumoren basiert auf: π chirurgischer Tumorentfernung π Strahlentherapie π medikamentöser Behandlung.
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12.4 Therapie maligner Tumoren
Tumor-Stroma-Interaktion
Tumor-Stroma-Interaktion
Zwischen Tumorzellen und dem sie umgebenden Stroma (extrazelluläre Matrix, Bindegewebszellen, Lymphbahnen, Gefäße, Entzündungszellen etc.) besteht eine enge Wechselbeziehung. Tumorzellen beeinflussen dabei nicht nur ihre Umgebung, sondern können auch vom Stroma Proliferationsreize erhalten. Über diesen Synergismus von Tumorzellen und Stroma könnte auch die Organpräferenz bei der Metastasierung bestimmter Malignome erklärt werden. So metastasieren z.B. Mamma- und Bronchialkarzinome am häufigsten in die Knochen oder das Gehirn.
Tumorzellen stehen in einer engen Wechselbeziehung mit dem umgebenden Stroma. Sie können auch vom Stroma Proliferationsreize erhalten. Dieser Synergismus könnte die Organpräferenz bei der Metastasierung bestimmter Malignome erklären.
12.3.4
Metastasierung
Durch DNA-Schäden (u.a. Mutationen in den ras- und myc-Protoonkogenen, sowie dem p 53-Tumor-Suppressorgen) entsteht innerhalb eines Primärtumors eine Zellsubpopulation, die zur Metastasierung fähig ist. Diese metastatischen Zellen nutzen für die Lösung und Wanderung aus dem Zellverband physiologischerweise vorkommende Mechanismen. Zunächst exprimieren sie Rezeptoren, mit denen sie selektiv an das umgebende Stroma binden (u.a. Laminin-, Kollagen-IV- und Fibronektinrezeptor). Ausgelöst durch diese Bindung sezernieren sie gerichtet verschiedene proteolytische Enzyme (Kollagenase-IV, Plasminogen-Aktivator u.a.), die die Basalmembran und Teile der extrazellulären Matrix lysieren und dadurch passierbar gestalten. Gleichzeitig verlieren sie andere Oberflächenstrukturen, die für die Einbindung in das Stroma von Bedeutung sind (Adhäsionsmoleküle, CAM = cellular adhesion molecule). Die Zellen wandern bzw. ziehen sich durch das Stroma, indem sie Pseudopodien oder entsprechende Veränderungen im Zytoskelett ausbilden (Lokomotion), und gelangen in Lymph- oder Gefäßbahnen. Mit Hilfe spezifischer Rezeptoren können Tumorzellen im Kapillarsystem an Endothelzellen haften (Adhäsion) und durch die Gefäßwand in das Stroma des Zielorgans gelangen (Translokation). Dieser Prozess wird erleichtert, wenn mehrere von einem Thrombus abgekapselte Zellen am Endothel haften bleiben. Können diese Zellen zusätzlich eine Angiogenese induzieren, entwickeln sich aus den Mikrometastasen (Zellhaufen < 2 mm) Metastasen. Tierversuche haben gezeigt, dass nur ca. 0,01 % der metastatischen Zellen eines Primärtumors sämtliche Metastasierungsschritte durchlaufen können. Ein großer Teil der Zellen wird im Gefäßsystem durch Turbulenzen und das Immunsystem zerstört. Die zellbiologischen Prozesse der Metastasierung ähneln sehr stark denen, die bei der Wanderung von Zellen des Immunsystems auftreten. Dies zeigt sich bei der Lokomotion im Stroma (Bildung proteolytischer Enzyme, Pseudopodien, Veränderungen im Zytoskelett) und der Translokation (Expression des CD44-Adhäsionsmoleküls, das bei Leukozyten eine wichtige Funktion zur Adhäsion an Endothelzellen und Translokation hat). 1 A-12.4 fasst die Tumorentstehung und Metastasierung zusammen.
12.4
Therapie maligner Tumoren
Die Therapie maligner Tumoren basiert auf der chirurgischen Tumorentfernung, der Strahlentherapie und der medikamentösen Behandlung, wobei diese Therapieverfahren häufig im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte kombiniert angewendet werden. In der Behandlung solider Tumoren kommt der Chirurgie die größte Bedeutung zu.
12.3.4 Metastasierung Mutationen führen zur Bildung einer metastatischen Zellsubpopulation, die zur Metastasierung fähig ist. Metastatische Zellen nutzen für die Lösung aus dem Zellverband physiologischerweise vorkommende Mechanismen. Sie sezernieren proteolytische Enzyme, die die extrazelluläre Matrix lysieren, wodurch diese von den Zellen passiert werden kann.
Durch den gleichzeitigen Verlust von Adhäsionsmolekülen wird die Einbindung in das Stroma aufgehoben. Über die Mechanismen der Lokomotion gelangen die Zellen zu den Gefäßen und damit in den Lymph- oder Blutstrom. Über spezifische Rezeptoren haften Tumorzellen am Endothel des Zielorgans (Adhäsion) und durchwandern die Gefäßwand (Translokation). Kommt es zur Angiogenese, entwickeln sich aus den Mikrometastasen (Zellhaufen < 2 mm) Metastasen. Nur ca. 0,01 % der metastatischen Zellen eines Primärtumors können alle Metastasierungsschritte durchlaufen. Die zellbiologischen Prozesse der Metastasierung ähneln sehr stark denen, die zur Wanderung von Zellen des Immunsystems führen. 1 A-12.4 fasst die Tumorentstehung und Metastasierung zusammen.
12.4
Therapie maligner Tumoren
Die Therapie maligner Tumoren basiert auf: π chirurgischer Tumorentfernung π Strahlentherapie π medikamentöser Behandlung.
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12 Chirurgische Onkologie
Chirurgische Therapie
12.4.1 Chirurgische Therapie
12.4.1
Eine individuelle Behandlungsstrategie erfordert eine umfassende Diagnostik und eine interdisziplinäre Kooperation. Die Diagnostik soll die Tumorausdehnung und Histologie ermitteln.
Ziel der chirurgisch-onkologischen Therapie ist die vollständige Entfernung eines malignen Tumors. Eine individuelle Behandlungsstrategie sollte in enger Zusammenarbeit mit Onkologen und Strahlentherapeuten festgelegt werden, wofür eine umfassende Diagnostik erforderlich ist. Deren Ziel ist die Erfassung der lokalen Tumorausdehnung, die histologische Klassifizierung des Malignoms sowie die Detektion von Metastasen. Der Nachweis eines Malignoms und dessen Typisierung erfolgt präoperativ über die histologische Klassifizierung, die anhand einer Probeexzision (PE) aus dem Tumor (z.B. im Rahmen einer Endoskopie) oder einer zytologischen Untersuchung (Punktionszytologie) durchgeführt wird. Auf diese Untersuchungen kann verzichtet werden, wenn unabhängig vom histologischen Befund eine Operationsindikation besteht (z.B. stenosierender Kolonprozess mit der Gefahr des Ileus).
Der Nachweis und die Typisierung eines Malignoms erfolgt über die histologische Klassifizierung (PE aus dem Tumor, z.B. im Rahmen einer Endoskopie) oder über eine zytologische Untersuchung (Punktionszytologie).
1 A-12.4
Synopsis Tumorentstehung und Metastasierung
Grundlage der fortschreitenden Kaskade bilden Mutationen insbesondere der Protoonkogene und Tumor-Suppressorgene, die zunächst zu einer Deregulation und Proliferation der Zellen führen (1). Das maligne Wachstum erkennt man am Durchbrechen der Basalmembran (2). Eine Größenzunahme über 2 mm erfolgt durch eine Angiogenese, die durch die Freisetzung von Angiogenese-Faktoren (AF) induziert wird (3). Hierdurch kann eine Subpopulation
metastatischer Zellen in den Blutstrom gelangen und metastasieren (4). Die Translokation in das Gewebe des Zielorgans erfolgt über die Expression bestimmter Adhäsionsmoleküle (z.B. CD44), die auch von Leukozyten zur Wanderung aus dem Gefäßsystem benötigt werden (5). Durch die Interaktion mit dem Stroma im Zielorgan kann es zur Proliferation, Angiogenese (6) und erneuten Metastasierung kommen (7).
Normalgewebe
7. Proliferation der Metastase, weitere Metastasierung
1. Deregulation des Wachstums, Proliferation expansives Wachstum Basalmembran intakt 2. maligne Transformation
u.a. Wachstumsfaktoren, AF
infiltratives Wachstum, Basalmembran durchbrochen
4. metastatische Subpopulation
6. Interaktion Tumor-/Stromazellen, Proliferation, Angiogenese
3. Angiogenese, AF (u.a. b-FGF, VEGF)
5. Metastasierung, Translokation in Zielorgan
u.a. CD 44
AF
u.a. Collagenase IV, Abbau von Adhäsionsmolekülen, Lokomotion
Zur Diagnostik stehen neben der Anamnese und der körperlichen Untersuchung folgende Methoden zur Verfügung: π endoskopische Techniken π radiologische Verfahren π nuklearmedizinische Techniken π laborchemische Untersuchungsverfahren.
Für die Diagnostik und Beurteilung des Tumorstadiums werden, neben der Anamnese und körperlichen Untersuchung, folgende Untersuchungsmethoden verwendet: π endoskopische Techniken (Gastrokoloskopie, Endosonographie, ERCP [endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie]) π radiologische Verfahren (Sonographie, Röntgenaufnahmen ggf. mit Kontrastmittelgabe [Darm-Röntgen, Angiographien], Computertomographie, Magnetresonanztomographie) π nuklearmedizinische Techniken (Szintigraphie, Immunszintigraphie und
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12.4.1 Chirurgische Therapie laborchemische Untersuchungsverfahren (z.B. Tumormarkerbestimmung zur Verlaufskontrolle). Der Erfolg einer onkologischen Therapie wird anhand des rezidivfreien Überlebens beurteilt. Bei den meisten Malignomen treten Rezidive bzw. Metastasen innerhalb der ersten 5 Jahre auf, sodass Patienten nach diesem Zeitraum in der Regel als geheilt gelten (5-Jahres-Überlebensrate). Bestimmte Tumoren (z.B. Mammakarzinom, malignes Melanom) entwickeln so spät Metastasen, dass man bei ihnen erst nach 10 Jahren von einer Heilung sprechen kann (10-Jahres-Überlebensrate).
Bei den meisten Tumoren wird eine Heilung mit der 5-Jahres-Überlebensrate (rezidivfreies Überleben) definiert.
Grundprinzipien
Grundprinzipien
Um eine radikale Tumorentfernung zu erreichen, muss die Resektion mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand im Gesunden durchgeführt werden. Die Resektionsgrenze richtet sich nach den anatomischen Gegebenheiten, der Tumorart und Lokalisation. Natürliche anatomische Grenzen in einem Organ oder Organteil (z.B. Bindegewebssepten zwischen Lungensegmenten, Muskelfaszien) werden von Tumoren meist lange Zeit respektiert. Sofern das Malignom nicht zu nahe an der Grenzschicht liegt, können sie als Resektionsgrenze dienen. Liegen keine anatomischen Grenzen vor, wie z.B. beim Kolonkarzinom, richtet sich die Resektionsgrenze nach dem Verlauf der Lymph- und Blutgefäße. Die radikale Lymphadenektomie wird bei den meisten onkologischen Operationen mit durchgeführt und beinhaltet die Entfernung sämtlicher regionärer Lymphknoten. Durch sie soll nicht nur die Prognose des Tumorleidens verbessert werden, sie dient auch dem Staging im Rahmen multimodaler Therapieverfahren. So ist der Tumorbefall regionärer Lymphknoten z.B. beim Mamma- oder Kolonkarzinom ein entscheidendes Kriterium für die Indikation zur postoperativen, adjuvanten Chemotherapie oder Bestrahlung. In der onkologischen Chirurgie wird das Prinzip des schonenden Operierens (»No-touch-Technik«) seit Generationen propagiert. Ob hierdurch tatsächlich eine für die Prognose relevante Ausschwemmung von Tumorzellen verhindert werden kann, ist angesichts der aktuellen Ergebnisse der Metastasierungsforschung fraglich. Gesichert ist, dass durch die intraoperative Eröffnung eines Tumors Karzinomzellen freigesetzt werden, die zu Frührezidiven führen. Bei onkologischen Eingriffen sollte darauf geachtet werden, dass der Blutverlust so niedrig wie möglich gehalten wird, da Untersuchungen zeigen, dass Fremdbluttransfusionen zu einer passageren Immunsuppression führen. Diese Immunsuppression begünstigt möglicherweise die Entwicklung von Metastasen. Die Qualität bzw. Radikalität der Tumorresektion wird postoperativ, nach Vorliegen des histologischen Ergebnis, mittels der R-Klassifikation festgelegt (R = Resttumor). Als R0-Resektion bezeichnet man eine makroskopisch und histologisch vollständige Tumorexstirpation (»kurative Resektion«). Bei einer R1-Resektion sind mikroskopisch nachweisbare Tumorreste (z.B. Infiltration des peripankreatischen Fettgewebes bei einem Pankreaskarzinom) und bei einer R2-Resektion makroskopisch Tumorreste verblieben.
Die Resektionsgrenze richtet sich nach den anatomischen Gegebenheiten, der Tumorart und Lokalisation und liegt mit einem Sicherheitsabstand im gesunden Gewebe. Natürliche anatomische Grenzen (Bindegewebssepten) können als Resektionsgrenze dienen.
π
Bestimmte Tumoren gelten erst nach einer 10-Jahres-Überlebensrate als geheilt (z.B. Mammakarzinom, Melanom).
Fehlen anatomische Grenzen (Kolon), erfolgt die Orientierung an dem Lymph- und Blutabflussgebiet. Eine radikale Lymphadenektomie wird bei den meisten onkologischen Operationen durchgeführt. Sie soll die Prognose verbessern und dient dem Staging (Indikationsstellung für eine postoperative, adjuvante Chemo-/ Strahlentherapie). Ob es durch Manipulation am Tumor zu einer für die Prognose relevanten Zellausschwemmung kommt, ist fraglich. Gesichert ist, dass bei einer intraoperativen Tumoreröffnung Zellen freigesetzt werden, die zum Frührezidiv führen. Fremdbluttransfusionen bewirken eine passagere Immunsuppression, die möglicherweise die Entwicklung von Metastasen begünstigt. Die Radikalität des chirurgischen Eingriffs wird mit der R-Klassifikation beschrieben: π R0 = kein Resttumor π R1 = mikroskopisch Tumorreste π R2 = makroskopisch Tumorreste.
Metastasenchirurgie
Metastasenchirurgie
Das Auftreten von Metastasen bedeutet in den meisten Fällen eine chirurgisch nicht mehr beeinflussbare Generalisierung des Tumorleidens. Einige Tumoren und deren Metastasen bilden hiervon eine Ausnahme. So kann die Resektion einzelner (solitärer) Lungen- ebenso wie die solitärer Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms bei 20 % der Patienten zu einer Heilung führen (rezidivfreie 5-Jahres-Überlebensrate). Leider treten solitäre Metastasen selten auf und machen bei den kolorektalen Karzinomen weniger als 5 % aller metastasierenden Tumoren aus. Mit zunehmender Metastasenzahl nimmt die Heilungswahrscheinlichkeit ab. Eine Indikation zur Metastasenresektion, die nicht aus rein palliativen Gründen erfolgt, sollte nur dann gestellt werden, wenn bei der Resektion
In Ausnahmefällen können Metastasen chirurgisch kurativ behandelt werden. Solitäre Metastasen eines kolorektalen Karzinoms in der Leber und Lunge sind bei 20 % der Patienten chirurgisch heilbar. Mit zunehmender Metastasenzahl nimmt die Heilungsrate ab. Die Metastasenresektion erfordert einen ausreichenden Sicherheits-
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12 Chirurgische Onkologie
abstand, da die alleinige Enukleation die Überlebenszeit nicht verlängert.
ein ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten werden kann, da Untersuchungen u.a. bei der Behandlung von Lebermetastasen gezeigt haben, dass deren alleinige Enukleation die Überlebenszeit nicht verlängert.
Psychische Betreuung
Psychische Betreuung
Die Diagnose »Krebs« konfrontiert die meisten Menschen zum ersten Mal mit der Endlichkeit des eigenen Lebens. Die Patienten müssen neue Wege des Umganges mit der Lebenskrise »Krebs« finden, da eine Verdrängung, zumindest für die Zeit der Behandlung, nicht möglich ist. Bei der Gesprächsführung muss der Patient angemessen aufgeklärt werden und Raum bekommen, um über seine psychische Befindlichkeit zu sprechen. Die hiermit verknüpfte Krisenbewältigung sollte in Zusammenarbeit mit speziell geschulten Psychologen erfolgen. Die Einbeziehung der Familie in die Aufklärung ist von großer Bedeutung. Häufig führt der schwere psychische Konflikt der Patienten zu Phasen der Aggression und Depression. Dies erschwert den Kontakt und die besonders notwendige intensive Zuwendung (s. Kap. A-13). Die Aufklärung sollte wahrheitsgemäß erfolgen, aber Raum für Hoffnung belassen.
Die Diagnose »Krebs« konfrontiert die meisten Menschen zum ersten Mal mit der Endlichkeit des eigenen Lebens und mit Gedanken an Tod und Sterben unabhängig von der realen Prognose im Einzelfall. Dieser »Sturz aus der normalen Wirklichkeit«, wie es der Soziologe Gerdes ausdrückte, führt zu individuell höchst unterschiedlichen psychischen Reaktionen. Gemeinsam ist aber allen Patienten, dass neue Wege des Umganges mit der Lebenskrise »Krebs« gefunden werden müssen, denn Verdrängung ist, zumindest für die Zeit der Behandlung, nicht mehr möglich. Wesentliche Determinanten dieser Anpassung sind die soziale (familiäre) Unterstützung, die Möglichkeiten über (auch unrealistische) Ängste sprechen zu können, die psychische Stabilität des jeweiligen Patienten, die Vorerfahrung mit anderen Krebspatienten und deren Leidensweg, sowie die individuelle Lebensperspektive. Es gehört daher heute zum Standard ärztlicher Gesprächsführung, dass der Patient nicht nur angemessen aufgeklärt wird, sondern auch Raum erhält, über seine psychische Befindlichkeit zu sprechen. Die hiermit verknüpfte Krisenbewältigung sollte, sofern die Möglichkeit besteht, in Zusammenarbeit mit speziell geschulten Psychologen erfolgen. Bei der Aufklärung des Patienten sollten Angehörige mit einbezogen und ihnen auch der schwere psychische Konflikt des Patienten vermittelt werden, der häufig zu Phasen der Aggression und Depression führt. Insbesondere in diesen Zeiten benötigt der Patient eine intensive Zuwendung, die schwierig sein kann, da die Patienten einem häufig ablehnend und verschlossen gegenüberstehen (s. Kap. A-13). Im Rahmen der Aufklärung erfolgt eine wahrheitsgemäße Information über das Tumorleiden, die allerdings auch in scheinbar aussichtslosen Fällen Raum für Hoffnung lassen sollte, da die Situation für den Patienten sonst unerträglich wird.
12.4.2 Chemotherapie
12.4.2
Eine hohe Zellteilungsrate unterscheidet Tumoren von Normalgewebe und stellt den Ansatzpunkt für eine Zytostatikatherapie dar ( 2 A-12.8).
Tumoren verfügen über eine hohe Zellteilungsrate, wodurch sie sich von den meisten Normalgeweben unterscheiden. Diesen Unterschied im Wachstumsverhalten macht man sich bei der Behandlung mit Zytostatika zunutze. Verschiedene Substanzgruppen werden eingesetzt und hemmen auf unterschiedliche Weise den Zellstoffwechsel und die Replikation von Zellen. 2 A-12.8 gibt einen Überblick über verschiedene Substanzgruppen und einige der verwendeten Zytostatika.
Chemotherapie
2 A-12.8
In der Chemotherapie verwendete Substanzgruppen
N Antibiotika n π Bleomycin π Doxorubicin/Adriamycin π Mitomycin
N Antimetabolite n π 5-Fluorouracil (5-FU) π Methotrexat π Dacarbacin
N Vincaalkaloide n π Vincristin N andere n π Carboplatin π Cisplatin π Etoposid π Procarbazid
N Alkylanzien n π Cyclophosphamid π Chlorambucil π Lomustin Meist werden Kombinationsbehandlungen verwendet, die die Nebenwirkungen senken, die Ansprechrate
In den meisten Fällen erfolgt eine Kombinationsbehandlung mit unterschiedlich wirkenden Zytostatika. Hierdurch werden die Nebenwirkungen der einzelnen Präparate gesenkt und durch den Synergismus der Medika-
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12.4.3 Strahlentherapie mente eine Steigerung der Ansprechrate erreicht. Zugleich wird die Gefahr der Resistenzentwicklung vermindert. Durch die Applikation der Medikamente in Gefäße des Tumors (intraarterielle Perfusion), können hohe lokale Wirkspiegel erzielt werden. Mit Hilfe dieser Methode kann man z.B. die Remissionsrate bei Lebermetastasen von kolorektalen Karzinomen erhöhen. Den Erfolg einer Tumortherapie beurteilt man nach dem Ausmaß der Tumorverkleinerung (»Remission«). Als partielle Remission wird eine Tumorverkleinerung um wenigstens 50 % bezeichnet. Kann der Tumor vollständig eliminiert werden, so spricht man von einer Vollremission. Zytostatika greifen auch Normalzellen mit hoher Zellteilungsrate an (blutbildende Zellen, Darmepithelien, Haarfollikel u.a.). Die toxische Wirkung auf Knochenmarkszellen steht dabei im Vordergrund. Um hohe (effektivere) Dosierungen applizieren zu können, wird deswegen auch eine Knochenmarkstransplantation als Bestandteil einer onkologischen Therapie solider Tumoren (z.B. Neuroblastom, Mammakarzinom) diskutiert. Neben den Zytostatika stehen für einige Tumoren Medikamente zur Verfügung, die durch Bindung an wachstumsregulierende Membranrezeptoren therapeutisch eingesetzt werden können. So lässt sich das Wachstum östrogenrezeptorpositiver Mammakarzinome mit Hilfe von Antiöstrogenen (Tamoxifen) blockieren.
12.4.3
Strahlentherapie
erhöhen und einer Resistenzentwicklung entgegenwirken. Durch die intraarterielle Perfusion mit Zytostatika können hohe lokale Wirkspiegel im Tumor erreicht werden. Eine Tumorverkleinerung von > 50 % wird als partielle Remission, eine vollständige Elimination als Vollremission bezeichnet. Die Applikation wirksamer Dosierungen kann aufgrund der toxischen Wirkung auf das Knochenmark eine Knochenmarkstransplantation notwendig machen.
Eine Hemmung des Tumorwachstums kann über Substanzen erfolgen, die wachstumsregulierende Membranrezeptoren blockieren (z.B. Antiöstrogene beim Mammakarzinom).
12.4.3 Strahlentherapie
Physikalische Grundlage der Strahlentherapie ist die Fähigkeit energiereicher Strahlen, durch Ionisation und Anregung von Atomen und Molekülen, Energie auf biologisches Gewebe zu übertragen. Hierdurch werden biologisch aktive Moleküle wie die DNA, Enzyme und Membranbestandteile direkt oder über die Entstehung von Radikalen geschädigt. Zellen mit hoher Teilungsrate und Stoffwechselaktivität werden dabei vermehrt angegriffen. Man unterscheidet verschiedene Strahlungsformen: π Röntgenstrahlen, die nur noch bei einigen Hauttumoren Anwendung finden π Photonenstrahlen, die überwiegend mit Hilfe eines Linearbeschleunigers erzeugt werden und für die perkutane, externe Bestrahlung verwendet werden. Zunehmend seltener werden natürliche Isotopen (z.B. Co60) zur Bestrahlung genutzt π »High-LET-Strahlen« (LET = Linear energy transfer), z.B. Neutronenstrahlen, für deren Einsatz eine Indikation bei Speicheldrüsentumoren, einigen Weichteiltumoren und Knochentumoren besteht. Bei einigen Tumorformen können radioaktive Isotope, die von Tumorzellen spezifisch aufgenommen werden, eingesetzt werden. Z.B. kann das papilläre und follikuläre Schilddrüsenkarzinom durch intravenöse Gabe von Jod131 in einigen Fällen auch im metastasierten Stadium geheilt werden. Radioaktive Isotope können auch in Körperhöhlen (z.B. bei einer Pleurakarzinose) appliziert werden, um so eine hohe lokale Wirkung zu erzielen.
Ionisierende Strahlen schädigen direkt oder über die Bildung von Radikalen biologisch aktive Moleküle. Stoffwechselaktive und sich teilende Zellen werden vermehrt geschädigt.
Nebenwirkungen und Komplikationen
Nebenwirkungen und Komplikationen
Sie treten in allen Geweben, die im Strahlenfeld liegen und eine hohe Zellteilungsrate besitzen, auf. Dabei werden akute Nebenwirkungen, die innerhalb von 4–6 Wochen abklingen, von chronischen Nebenwirkungen unterschieden, die erst nach Monaten auftreten können. Im Bereich der Haut treten z.B. Dermatitiden und Ulzerationen auf. Bestrahlungen des Bauchraumes können Komplikationen, wie eine Entzündung des Darmepithels (z.B. Kolitis), Fisteln (z.B. Rektum-Blasen-Fistel) oder Adhäsionen (Darmmotilitätsstörungen, Ileusentwicklung), zur Folge haben. Im Bereich des Brustkorbes sind vor allem Pneumonien und die Entwicklung von Lungenfibrosen als wesentliche Nebenwirkungen zu nennen.
Sie treten bei allen Geweben im Strahlenfeld auf und werden in akute und chronische Nebenwirkungen unterteilt. Sie zeigen sich in der Haut durch Dermatitiden und Ulzerationen.
Zur Strahlentherapie werden π Röntgenstrahlen π Photonenstrahlen π »High-LET-Strahlen« (z.B. Neutronenstrahlen) verwendet.
Einige Isotope werden therapeutisch genutzt, da sie spezifisch von Tumorgewebe aufgenommen werden (z.B. Jod 131 beim Schilddrüsenkarzinom). Radioaktive Isotope können in Körperhöhlen zur lokalen Therapie appliziert werden.
Bei Bestrahlungen des Bauchraumes können entzündliche Komplikationen wie Enteritiden, Adhäsionen und Fisteln auftreten. Im Bereich des Brustkorbes treten Pneumonien und Lungenfibrosen als Strahlenschäden auf.
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12.4.3 Strahlentherapie mente eine Steigerung der Ansprechrate erreicht. Zugleich wird die Gefahr der Resistenzentwicklung vermindert. Durch die Applikation der Medikamente in Gefäße des Tumors (intraarterielle Perfusion), können hohe lokale Wirkspiegel erzielt werden. Mit Hilfe dieser Methode kann man z.B. die Remissionsrate bei Lebermetastasen von kolorektalen Karzinomen erhöhen. Den Erfolg einer Tumortherapie beurteilt man nach dem Ausmaß der Tumorverkleinerung (»Remission«). Als partielle Remission wird eine Tumorverkleinerung um wenigstens 50 % bezeichnet. Kann der Tumor vollständig eliminiert werden, so spricht man von einer Vollremission. Zytostatika greifen auch Normalzellen mit hoher Zellteilungsrate an (blutbildende Zellen, Darmepithelien, Haarfollikel u.a.). Die toxische Wirkung auf Knochenmarkszellen steht dabei im Vordergrund. Um hohe (effektivere) Dosierungen applizieren zu können, wird deswegen auch eine Knochenmarkstransplantation als Bestandteil einer onkologischen Therapie solider Tumoren (z.B. Neuroblastom, Mammakarzinom) diskutiert. Neben den Zytostatika stehen für einige Tumoren Medikamente zur Verfügung, die durch Bindung an wachstumsregulierende Membranrezeptoren therapeutisch eingesetzt werden können. So lässt sich das Wachstum östrogenrezeptorpositiver Mammakarzinome mit Hilfe von Antiöstrogenen (Tamoxifen) blockieren.
12.4.3
Strahlentherapie
erhöhen und einer Resistenzentwicklung entgegenwirken. Durch die intraarterielle Perfusion mit Zytostatika können hohe lokale Wirkspiegel im Tumor erreicht werden. Eine Tumorverkleinerung von > 50 % wird als partielle Remission, eine vollständige Elimination als Vollremission bezeichnet. Die Applikation wirksamer Dosierungen kann aufgrund der toxischen Wirkung auf das Knochenmark eine Knochenmarkstransplantation notwendig machen.
Eine Hemmung des Tumorwachstums kann über Substanzen erfolgen, die wachstumsregulierende Membranrezeptoren blockieren (z.B. Antiöstrogene beim Mammakarzinom).
12.4.3 Strahlentherapie
Physikalische Grundlage der Strahlentherapie ist die Fähigkeit energiereicher Strahlen, durch Ionisation und Anregung von Atomen und Molekülen, Energie auf biologisches Gewebe zu übertragen. Hierdurch werden biologisch aktive Moleküle wie die DNA, Enzyme und Membranbestandteile direkt oder über die Entstehung von Radikalen geschädigt. Zellen mit hoher Teilungsrate und Stoffwechselaktivität werden dabei vermehrt angegriffen. Man unterscheidet verschiedene Strahlungsformen: π Röntgenstrahlen, die nur noch bei einigen Hauttumoren Anwendung finden π Photonenstrahlen, die überwiegend mit Hilfe eines Linearbeschleunigers erzeugt werden und für die perkutane, externe Bestrahlung verwendet werden. Zunehmend seltener werden natürliche Isotopen (z.B. Co60) zur Bestrahlung genutzt π »High-LET-Strahlen« (LET = Linear energy transfer), z.B. Neutronenstrahlen, für deren Einsatz eine Indikation bei Speicheldrüsentumoren, einigen Weichteiltumoren und Knochentumoren besteht. Bei einigen Tumorformen können radioaktive Isotope, die von Tumorzellen spezifisch aufgenommen werden, eingesetzt werden. Z.B. kann das papilläre und follikuläre Schilddrüsenkarzinom durch intravenöse Gabe von Jod131 in einigen Fällen auch im metastasierten Stadium geheilt werden. Radioaktive Isotope können auch in Körperhöhlen (z.B. bei einer Pleurakarzinose) appliziert werden, um so eine hohe lokale Wirkung zu erzielen.
Ionisierende Strahlen schädigen direkt oder über die Bildung von Radikalen biologisch aktive Moleküle. Stoffwechselaktive und sich teilende Zellen werden vermehrt geschädigt.
Nebenwirkungen und Komplikationen
Nebenwirkungen und Komplikationen
Sie treten in allen Geweben, die im Strahlenfeld liegen und eine hohe Zellteilungsrate besitzen, auf. Dabei werden akute Nebenwirkungen, die innerhalb von 4–6 Wochen abklingen, von chronischen Nebenwirkungen unterschieden, die erst nach Monaten auftreten können. Im Bereich der Haut treten z.B. Dermatitiden und Ulzerationen auf. Bestrahlungen des Bauchraumes können Komplikationen, wie eine Entzündung des Darmepithels (z.B. Kolitis), Fisteln (z.B. Rektum-Blasen-Fistel) oder Adhäsionen (Darmmotilitätsstörungen, Ileusentwicklung), zur Folge haben. Im Bereich des Brustkorbes sind vor allem Pneumonien und die Entwicklung von Lungenfibrosen als wesentliche Nebenwirkungen zu nennen.
Sie treten bei allen Geweben im Strahlenfeld auf und werden in akute und chronische Nebenwirkungen unterteilt. Sie zeigen sich in der Haut durch Dermatitiden und Ulzerationen.
Zur Strahlentherapie werden π Röntgenstrahlen π Photonenstrahlen π »High-LET-Strahlen« (z.B. Neutronenstrahlen) verwendet.
Einige Isotope werden therapeutisch genutzt, da sie spezifisch von Tumorgewebe aufgenommen werden (z.B. Jod 131 beim Schilddrüsenkarzinom). Radioaktive Isotope können in Körperhöhlen zur lokalen Therapie appliziert werden.
Bei Bestrahlungen des Bauchraumes können entzündliche Komplikationen wie Enteritiden, Adhäsionen und Fisteln auftreten. Im Bereich des Brustkorbes treten Pneumonien und Lungenfibrosen als Strahlenschäden auf.
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12 Chirurgische Onkologie
Die Bestrahlung von Lymphbahnen kann zum Lymphödem führen. Nebenwirkungen lassen sich durch eine computerunterstützte Therapieplanung, die Strahlenapplikation über mehrere Strahlenfelder und eine fraktionierte Bestrahlung reduzieren. Die Gesamtdosis sollte 60–70 Gy nicht überschreiten (Toleranzgrenze der Haut und des Gefäßbindegewebes).
Die Bestrahlung von Lymphbahnen kann durch den fibrotischen Umbau des Gewebes zu Lymphabflussstörungen und einem Lymphödem führen. Die Nebenwirkungen können durch eine computerunterstützte, individuelle Therapieplanung, die Mehrfelderbestrahlung (Verteilung der Dosis im gesunden Gewebe durch Applikation über mehrere Strahlenfelder) und durch eine fraktionierte Bestrahlung (Applikation der Gesamtdosis über mehrere Wochen in kleinen Einzeldosierungen) reduziert werden. Im Rahmen der externen Bestrahlung ist bei einer Gesamtdosis von 60–70 Gy die Toleranzgrenze der Haut und des Gefäßbindegewebes erreicht, sodass diese Dosis nicht überschritten werden sollte.
12.4.4 Multimodale Therapiekonzepte
12.4.4
Die Tumortherapie erfordert häufig multimodale Therapiekonzepte.
Zur Therapie maligner Tumoren ist häufig die kombinierte Anwendung verschiedener Behandlungsformen im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte notwendig.
Definition
Multimodale Therapiekonzepte
n Definition. Unter dem multimodalen Konzept in der Behandlung maligner Tumoren versteht man die zusätzliche (additive) Anwendung verschiedener Therapieverfahren vor, während oder nach einem operativen Eingriff.
Adjuvante Therapie
Adjuvante Therapie
Unter einer adjuvanten Therapie versteht man eine unterstützende, ergänzende Behandlung, mit der verbliebene Tumorzellen postoperativ eliminiert werden. Beispiele adjuvanter Therapien sind die postoperative Chemotherapie von Patienten mit einem Kolonkarzinom Stadium III, sowie die kombinierte Radio-/Chemotherapie bei Rektumkarzinompatienten (Stadium III).
Mit der gegenwärtigen Radio- und Chemotherapie können aufgrund ihres Wachstumsverhaltens mikrometastatische Zellen, die sich häufig in einem ruhenden Stadium befinden, nicht angegriffen werden.
Unter adjuvanter Therapie versteht man eine unterstützende, ergänzende Behandlung. Diesem Ansatz kommt in der Krebstherapie zunehmende Bedeutung zu, da die chirurgische Entfernung des Primärtumors oder auch einzelner Metastasen nur selten ein Problem darstellt. Ziel der adjuvanten Therapie ist die Elimination disseminierter Tumorzellen, bevor diese zu einer Metastasenbildung führen. Eine etablierte adjuvante Therapie ist die postoperative Kombinationsbehandlung mit 5-Fluorouracil (5-FU) und Leucovorin bei Patienten mit einem Kolonkarzinom Stadium III, sowie die postoperativ durchgeführte kombinierte Radio-/Chemotherapie bei Rektumkarzinompatienten (Stadium III). Für die meisten Tumoren gibt es bisher keine effektive adjuvante Chemotherapie. Dies erklärt sich durch das Verhalten mikrometastatischer Zellen, die sich häufig im ruhenden Stadium befinden (»dormant cells«) und deswegen durch Zytostatika und Strahlen nicht angegriffen werden. Immuntherapeutische Ansätze (s.u.) bieten die Aussicht auf neue adjuvante Behandlungsformen.
Neoadjuvante Therapie
Neoadjuvante Therapie
Bei der neoadjuvanten Behandlung wird die Voraussetzung für eine evtl. heilende Behandlung geschaffen (z.B. präoperative Chemotherapie eines Ösophaguskarzinoms).
Unter einer neoadjuvanten Therapie versteht man eine unterstützende Behandlung bei fortgeschrittenen Tumoren, die die Voraussetzung für einen evtl. heilenden Eingriff schafft. Ösophaguskarzinome können z.B. chemotherapeutisch verkleinert und Lymphknotenmetastasen eliminiert werden, sodass eine Ösophagusresektion möglich wird.
Interventionelle Radiologie
Interventionelle Radiologie
Im Rahmen einer Angiographie können Tumorgefäße selektiv dargestellt und embolisiert werden (z.B. Lebertumoren, 1 A-12.5).
Angiographische Techniken ermöglichen dem Radiologen Tumorgefäße selektiv über einen Katheter darzustellen und zu embolisieren. Mit dieser Technik können insbesondere inoperable Lebertumoren, wie z.B. ein Leberzellkarzinom in einer zirrhotischen Leber, palliativ behandelt werden. Die Embolisation kann auch zur partiellen Tumorverkleinerung genutzt werden, wodurch evtl. eine Resektabilität erzielt wird ( 1 A-12.5).
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12.4.5 Palliative Therapieverfahren
1 A-12.5
Lebertumor in der Angiographie Über den Katheter ( Á) kann eine Embolisation der Tumorgefäße erfolgen.
12.4.5
Palliative Therapieverfahren
12.4.5 Palliative Therapieverfahren
Palliative Therapieverfahren dienen der Linderung von Beschwerden und Symptomen bei nicht heilbaren Tumoren.
Sie dienen der Linderung von Beschwerden.
Schmerztherapie
Schmerztherapie
Die Schmerztherapie hat einen hohen Stellenwert in der palliativen Behandlung maligner Tumoren, da das Tumorwachstum zu erheblichen Schmerzen führen kann (z.B. Pleura- oder Periostinfiltration, Leberkapselspannung). Mit einer adäquaten Therapie können Schmerzen bei Tumorerkrankungen vermieden oder zumindest auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Hierfür stehen in schwierigen Fällen auch spezialisierte »Schmerzkliniken« zur Verfügung. Im Vordergrund steht die medikamentöse Therapie, wobei neben Nichtopioidanalgetika (Acetylsalicylsäure [AspirinQ], Metamizol [NovalginQ], Paracetamol [Ben-u-ronQ], Diclofenac [VoltarenQ]), vor allem Opioide zum Einsatz kommen. Eine Auflistung einiger häufig verwendeter Präparate, empfohlene Dosierungen und wesentliche Nebenwirkungen zeigt 2 A-12.9. Die Medikamente werden als Dauermedikation, entsprechend ihrer Halbwertszeit, nach einem Stufenschema appliziert (s. 1 A-12.6). Dabei ist das Ziel der Behandlung, dass Schmerzen möglichst gar nicht erst aufkommen. Zunächst wird versucht mit Nichtopioidanalgetika Schmerzfreiheit zu erzielen. Je nach Bedarf erfolgt die zusätzliche Gabe stärker und sehr stark wirksamer Opioide. Dabei ist die Lokalisation der Tumoren bei der Analgetikaauswahl zu berücksichtigen. So hat z.B. Diclofenac eine besonders gute Wirkung bei Schmerzen durch Knochenmetastasen. Bei der medikamentösen Einstellung sollten in jedem Fall oral applizierbare Medikamente bevorzugt werden, da der Patient auf diese Weise seine Unabhängigkeit von medizinischem Personal behält. Neben der systemisch-medikamentösen Therapie, können Kathetersysteme an Nervenstränge platziert werden, die dann durch Medikamente gezielt blockiert werden (z.B. Periduralkatheter). Ferner besteht auch die Möglichkeit, Nerven bzw. Ganglien durch Injektion lysierender Substanzen selektiv zu zerstören.
Das Tumorwachstum kann zu erheblichen Schmerzen führen (z.B. Periost-/ Pleurainfiltration, Leberkapselspannung).
Im Vordergrund der Schmerzbehandlung steht die medikamentöse Therapie ( 2 A-12.9). Die Applikation des Medikamentes erfolgt als Dauermedikation nach einem Stufenschema 1 A-12.6), wobei die Lokalisation eines Tumors für die Analgetikaauswahl von Bedeutung ist (z.B. Diclofenac bei Schmerzen aufgrund von Knochenmetastasen).
Die Gabe oral applizierbarer Medikamente ist zu bevorzugen, damit der Patient seine Unabhängigkeit von medizinischem Personal behält. Über Kathetersysteme (Periduralkatheter) können Nervenstränge blockiert oder durch Injektion lysierender Substanzen gezielt zerstört werden.
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12 Chirurgische Onkologie
2 A-12.9
Analgetikaübersicht
Wirkstoff (Handelsname)
Einzeldosis (mg)
Intervall (h)
Nebenwirkungen
N Acetylsalicylsäure n (z. B. Aspirin Q )
500–1000
5–6
Ulzerationen Magen/ Duodenum, gerinnungshemmend
N Paracetamol n (z. B. Ben-u-ronQ )
500–1000
4–6
lebertoxisch
N Metamizol n (z. B. NovalginQ )
500–1000
N Diclofenac n (z. B. Voltaren Q )
50
Nichtopioide
Anaphylaxie, Agranulozytose 8
Ulzerationen Magen/ Duodenum, Alopezie, leber-/nierentoxisch
Opioide
alle: Abhängigkeit, Erbrechen, Obstipation, Miktionshemmung, Atemdepression, Bronchiospasmen
schwache Opioide: N Pentazocin n (z. B. FortralQ )
50–100
2–3
Blutdruckschwankungen, Kopfschmerzen
N Tramadol n (z. B. TramalQ )
50–100
4–6
Müdigkeit, Schwitzen, Schwindel
N Tilidin n (z. B. ValoronQ )
50–100
6–8
Schwindel, stark euphorisierend
N Pethidin n (z. B. Dolantin Q )
50–100
2–4
Müdigkeit
0,2–0,4
4–8
Schwindel
10–100
4–12
Müdigkeit
stark wirksame Opioide N Buprenorphin n (z. B. Temgesic Q ) N Morphinsulfat n (z. B. MSTQ )
1 A-12.6
Synopsis WHO-Stufenschema der Schmerztherapie 3. Stufe
2. Stufe
1. Stufe
Stark wirksame Opioide: Morphin, Buprenorphin, Levomethadon, transdermales Fentanyl
Schwach wirksame Opioide: Codein, Dihydrocodein, Tramadol, Tilidin + Naloxon, Dextropropoxyphen
Antipyretika – Antiphlogistika: Diclofenac, Ibuprofen, Metamizol, Acetylsalicylsäure Adjuvanzien: Steroide, Neuroleptika, Antidepressiva, Sedativa, Antikonvulsiva, Antiemetika Die Analgetika sollten grundsätzlich nach festem Zeitschema mit fixierten Dosisintervallen verabreicht werden
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255
12.5.1 Diagnostik
Endoskopische Verfahren
Endoskopische Verfahren
Endoskopische Verfahren werden bei Tumoren des Gastrointestinaltraktes eingesetzt, um z.B. Stenosen zu erweitern oder zu überbrücken (z.B. Wiederherstellung oder Erhaltung der Nahrungspassage bei Ösophaguskarzinomen durch Einlegen eines Celestintubus oder Einlage eines Stents in den Gallengang bei Pankreaskopf- oder Gallengangskarzinomen). Eine Erweiterung von Stenosen kann durch Bougierungen oder durch eine partielle Tumorabtragung mit Hilfe eines Lasers erfolgen. Bei der Behandlung eines stenosierenden, inoperablen Rektumkarzinoms ermöglicht die Kryotherapie eine Tumorverkleinerung durch Vereisung. Diese erfolgt über einen lokal platzierten Stab, der auf –180 ΩC abgekühlt wird.
Eine endoskopische Therapie (Bougierung, Laser, Einlage eines Tubus oder Stent) ermöglicht die Erweiterung und Überbrückung von Stenosen im Gastrointestinaltrakt. Die Kryotherapie ermöglicht z.B. eine Verkleinerung inoperabler, stenosierender Rektumkarzinome.
Chemotherapie/Strahlentherapie
Chemotherapie/Strahlentherapie
Eine Chemo- oder Strahlentherapie kann zu einer Tumorverkleinerung führen. Diese Wirkung kann genutzt werden, um z.B. die Nahrungspassage bei gastrointestinalen Karzinomen (z.B. Ösophaguskarzinom) zu erhalten. Weiterhin können durch eine Tumorverkleinerung Schmerzen vermindert werden, die z.B. durch eine von Metastasen verursachte Leberkapselspannung oder eine Periostinfiltration bei Knochenmetastasen auftreten. Durch eine lokale Bestrahlung können Tumorblutungen gestoppt werden, ein Effekt, der z.B. in der Behandlung inoperabler Rektumkarzinome ausgenutzt wird, allerdings erst einige Tage bis Wochen nach Behandlung eintritt.
Die Chemo-/Strahlentherapie kann palliativ zur Tumorverkleinerung verwendet werden (Wiederherstellen der Nahrungspassage, Schmerztherapie). Tumorblutungen können durch eine lokale Bestrahlung gestoppt werden.
Chirurgische Verfahren
Chirurgische Verfahren
Palliative chirurgische Verfahren haben das Ziel, lokale Auswirkungen des Tumorwachstums zu vermindern. Dabei werden absolute und relative Op-Indikationen unterschieden. Eine absolute Op-Indikation besteht z.B. bei einer zum Ileus führenden Tumorstenose. Umgehungsanastomosen an Magen bzw. Darm, oder die Anlage eines künstlichen Darmausganges stellen in diesem Zusammenhang typische palliativ-chirurgische Operationsverfahren dar. Bei relativen Op-Indikationen muss geprüft werden, ob das mit einem Eingriff verbundene Risiko und die zumindest temporäre Reduktion der Lebensqualität angesichts der begrenzten Lebenserwartung gerechtfertigt ist. So können z.B. durch eine Gastrektomie Beschwerden eines Magenkarzinoms (behinderte Nahrungspassage, Schmerzen, Tumorblutungen) verhindert werden. Auch wenn keine Heilung erzielt wird, kann dadurch die Lebensqualität verbessert werden. Eine palliative Resektion von Metastasen kann zur Vermeidung von Komplikationen wie pathologischen Frakturen oder Tumorblutungen sinnvoll sein. So kann z.B. die Entfernung oder operative Stabilisierung von Wirbelkörpern notwendig werden, bei denen eine Metastase andernfalls zur Fraktur und Querschnittslähmung führt.
Palliativ-chirurgische Verfahren haben das Ziel, lokale Auswirkungen des Tumorwachstums zu vermindern. Eine absolute Indikation besteht z.B. bei einem Ileus, wobei Umgehungsanastomosen und die Anlage eines künstlichen Darmausganges häufige palliativ-chirurgische Verfahren darstellen. Liegen relative Op-Indikationen vor, muss abgewogen werden, ob das Operationsrisiko und die temporäre Verminderung der Lebensqualität einen operativen Eingriff rechtfertigt. Die Resektion von Metastasen kann zur Prophylaxe von Komplikationen notwendig sein. Auch ausgedehnte Resektionen (Gastrektomie) können zur palliativen Behandlung gehören.
12.5
Perspektiven
Die derzeitigen onkologischen Therapieformen sind an ihre Grenzen gestoßen. Eine Senkung der Morbidität kann z.B. durch eine bessere Aufklärung der Bevölkerung über vermeidbare Karzinogene (Antiraucherkampagne) und Arbeitsschutzmaßnahmen (Asbestvermeidung) erreicht werden. Bessere Heilungsergebnisse sind nur durch eine frühere Diagnose (ScreeningVerfahren) oder neue Therapieansätze zu erzielen.
12.5.1
Diagnostik
Molekularbiologische Techniken, wie die »cDNA-microarray-chip«-Technologie, ermöglichen innerhalb kürzester Zeit den Nachweis jedes in der Zelle gebildeten Moleküls und damit eine umfassende molekulare Diagnostik ein-
12.5
Perspektiven
Eine Senkung der Morbidität kann durch Vermeiden von Karzinogenen erreicht werden. Die Heilungsergebnisse könnten durch eine frühere Diagnose und neue Therapieansätze verbessert werden.
12.5.1 Diagnostik Die »cDNA-microarray-chip«-Technologie bietet die Aussicht auf eine umfassende Analytik einzelner
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12.5.1 Diagnostik
Endoskopische Verfahren
Endoskopische Verfahren
Endoskopische Verfahren werden bei Tumoren des Gastrointestinaltraktes eingesetzt, um z.B. Stenosen zu erweitern oder zu überbrücken (z.B. Wiederherstellung oder Erhaltung der Nahrungspassage bei Ösophaguskarzinomen durch Einlegen eines Celestintubus oder Einlage eines Stents in den Gallengang bei Pankreaskopf- oder Gallengangskarzinomen). Eine Erweiterung von Stenosen kann durch Bougierungen oder durch eine partielle Tumorabtragung mit Hilfe eines Lasers erfolgen. Bei der Behandlung eines stenosierenden, inoperablen Rektumkarzinoms ermöglicht die Kryotherapie eine Tumorverkleinerung durch Vereisung. Diese erfolgt über einen lokal platzierten Stab, der auf –180 ΩC abgekühlt wird.
Eine endoskopische Therapie (Bougierung, Laser, Einlage eines Tubus oder Stent) ermöglicht die Erweiterung und Überbrückung von Stenosen im Gastrointestinaltrakt. Die Kryotherapie ermöglicht z.B. eine Verkleinerung inoperabler, stenosierender Rektumkarzinome.
Chemotherapie/Strahlentherapie
Chemotherapie/Strahlentherapie
Eine Chemo- oder Strahlentherapie kann zu einer Tumorverkleinerung führen. Diese Wirkung kann genutzt werden, um z.B. die Nahrungspassage bei gastrointestinalen Karzinomen (z.B. Ösophaguskarzinom) zu erhalten. Weiterhin können durch eine Tumorverkleinerung Schmerzen vermindert werden, die z.B. durch eine von Metastasen verursachte Leberkapselspannung oder eine Periostinfiltration bei Knochenmetastasen auftreten. Durch eine lokale Bestrahlung können Tumorblutungen gestoppt werden, ein Effekt, der z.B. in der Behandlung inoperabler Rektumkarzinome ausgenutzt wird, allerdings erst einige Tage bis Wochen nach Behandlung eintritt.
Die Chemo-/Strahlentherapie kann palliativ zur Tumorverkleinerung verwendet werden (Wiederherstellen der Nahrungspassage, Schmerztherapie). Tumorblutungen können durch eine lokale Bestrahlung gestoppt werden.
Chirurgische Verfahren
Chirurgische Verfahren
Palliative chirurgische Verfahren haben das Ziel, lokale Auswirkungen des Tumorwachstums zu vermindern. Dabei werden absolute und relative Op-Indikationen unterschieden. Eine absolute Op-Indikation besteht z.B. bei einer zum Ileus führenden Tumorstenose. Umgehungsanastomosen an Magen bzw. Darm, oder die Anlage eines künstlichen Darmausganges stellen in diesem Zusammenhang typische palliativ-chirurgische Operationsverfahren dar. Bei relativen Op-Indikationen muss geprüft werden, ob das mit einem Eingriff verbundene Risiko und die zumindest temporäre Reduktion der Lebensqualität angesichts der begrenzten Lebenserwartung gerechtfertigt ist. So können z.B. durch eine Gastrektomie Beschwerden eines Magenkarzinoms (behinderte Nahrungspassage, Schmerzen, Tumorblutungen) verhindert werden. Auch wenn keine Heilung erzielt wird, kann dadurch die Lebensqualität verbessert werden. Eine palliative Resektion von Metastasen kann zur Vermeidung von Komplikationen wie pathologischen Frakturen oder Tumorblutungen sinnvoll sein. So kann z.B. die Entfernung oder operative Stabilisierung von Wirbelkörpern notwendig werden, bei denen eine Metastase andernfalls zur Fraktur und Querschnittslähmung führt.
Palliativ-chirurgische Verfahren haben das Ziel, lokale Auswirkungen des Tumorwachstums zu vermindern. Eine absolute Indikation besteht z.B. bei einem Ileus, wobei Umgehungsanastomosen und die Anlage eines künstlichen Darmausganges häufige palliativ-chirurgische Verfahren darstellen. Liegen relative Op-Indikationen vor, muss abgewogen werden, ob das Operationsrisiko und die temporäre Verminderung der Lebensqualität einen operativen Eingriff rechtfertigt. Die Resektion von Metastasen kann zur Prophylaxe von Komplikationen notwendig sein. Auch ausgedehnte Resektionen (Gastrektomie) können zur palliativen Behandlung gehören.
12.5
Perspektiven
Die derzeitigen onkologischen Therapieformen sind an ihre Grenzen gestoßen. Eine Senkung der Morbidität kann z.B. durch eine bessere Aufklärung der Bevölkerung über vermeidbare Karzinogene (Antiraucherkampagne) und Arbeitsschutzmaßnahmen (Asbestvermeidung) erreicht werden. Bessere Heilungsergebnisse sind nur durch eine frühere Diagnose (ScreeningVerfahren) oder neue Therapieansätze zu erzielen.
12.5.1
Diagnostik
Molekularbiologische Techniken, wie die »cDNA-microarray-chip«-Technologie, ermöglichen innerhalb kürzester Zeit den Nachweis jedes in der Zelle gebildeten Moleküls und damit eine umfassende molekulare Diagnostik ein-
12.5
Perspektiven
Eine Senkung der Morbidität kann durch Vermeiden von Karzinogenen erreicht werden. Die Heilungsergebnisse könnten durch eine frühere Diagnose und neue Therapieansätze verbessert werden.
12.5.1 Diagnostik Die »cDNA-microarray-chip«-Technologie bietet die Aussicht auf eine umfassende Analytik einzelner
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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12 Chirurgische Onkologie
Tumoren im Hinblick auf die Bildung prognose- und therapierelevanter Moleküle (z.B. Wachstumsfaktoren, Membranrezeptoren, Antigene). Eine individualisierte Therapie, die sich nach den Notwendigkeiten der Erkrankung des einzelnen Patienten ausrichtet, könnte so durchgeführt werden. Einen weiteren vielversprechenden Ansatz stellt die phenotypische Charakterisierung disseminierter Tumoreinzelzellen dar.
zelner Tumoren. So kann z.B. die Bildung bestimmter Wachstumsfaktoren, Membranrezeptoren oder die Expression immuntherapeutisch relevanter Antigene in einem Tumor mit geringem Aufwand bestimmt werden. Mit dieser Technik lässt sich bei jedem Patienten individuell der molekulare Aufbau des Tumors ermitteln, sodass Therapeutika nach den individuellen Notwendigkeiten des Patienten eingesetzt werden könnten. In diesem Zusammenhang stellt auch die phenotypische Charakterisierung einzelner disseminierter Tumorzellen, die mit Hilfe immunologischer (z.B. Immunzytologie) und molekularbiologischer Techniken (z.B. Polymerase-Ketten-Reaktion) bereits in frühen Tumorstadien bei manchen Patienten nachgewiesen werden, einen vielversprechenden neuen diagnostischen Ansatz dar.
12.5.2
12.5.2
Chirurgische Therapie
Chirurgische Therapie
Mit Hilfe der intraoperativen Szintigraphie können insbesondere kleine Tumoren oder Metastasen (1 cm) mit Hilfe einer g -Kamera identifiziert werden. Die intraoperative Sonographie ermöglicht die Identifikation kleiner Lebermetastasen oder endokriner Pankreastumoren > 1 cm Durchmesser.
Mit der intraoperativen Szintigraphie und Sonographie stehen neue Techniken zur Verfügung, die ein radikales operatives Vorgehen erleichtern. Bei der intraoperativen Szintigraphie kann mit Hilfe einer g-Kamera die Identifikation makroskopisch nicht sichtbarer Tumorherde erfolgen, die zuvor durch Gabe von spezifisch anreichernden Nukliden oder radioaktiven Antikörpern (Immunszintigraphie) markiert wurden. Insbesondere die Identifikation kleiner Tumoren oder Metastasen (1 cm) kann hierdurch ermöglicht werden, sofern eine gute Anreicherung der Nuklide erfolgt. Makroskopisch nicht sichtbare und palpierbare Tumoren (kleine Lebermetastasen oder endokrine Pankreastumoren ab 1 cm Durchmesser) können mittels intraoperativer Sonographie gefunden werden.
12.5.3
12.5.3
Immuntherapie
Die Erkenntnisse der immunologischen Forschung der letzten 20 Jahre haben die Voraussetzungen für eine rationale Immuntherapie geschaffen, die gegenwärtig in verschiedenen Formen entworfen und angewendet wird.
Der Hauptanwendungsbereich immuntherapeutischer Ansätze liegt konzeptionell in der adjuvanten, postoperativen Therapie nach R0- oder R1-Resektion. Monoklonale Antikörper (unterscheiden mit hoher Spezifität zwischen Tumor- und Normalzellen) können durch Aktivierung des Immunsystems oder als »Carriermolekül« für toxische Substanzen therapeutisch genutzt werden. Bei der aktiven, spezifischen Immunisierung werden dem Patienten abgetötete Tumorzellen reinjiziert, um einen »Impfeffekt« zu erzielen.
Zytokine lassen sich aufgrund ihrer immunmodulatorischen Wirkung zur Therapie bestimmter Tumoren nutzen. Durch Reinjektion lymphokinaktivierter Killerzellen (LAK-Zellen),
Immuntherapie
Seit langem wird versucht Tumoren durch eine Aktivierung des Immunsystems zu behandeln. Bereits die seit Jahrhunderten angewandte Misteltherapie basiert auf diesem Mechanismus. Neuzeitlichere Verfahren verwenden andere Immunstimulanzien wie das BCG (Bacille Calmette-Guérin), von dem jetzt gezeigt werden konnte, dass es bei lokaler Applikation die Behandlungserfolge des Blasenkarzinoms verbessert. Erst die Erkenntnisse der immunologischen Forschung der letzten 20 Jahre haben die Voraussetzungen für eine rationale Immuntherapie geschaffen. Diese werden gegenwärtig in verschiedenen Formen entworfen und angewendet. Die Indikation für immuntherapeutische Ansätze liegt konzeptionell in der adjuvanten, postoperativen Therapie nach R0- oder R1-Resektion, da bei diesen Patienten nur kleine Zellmengen eliminiert werden müssten. Gleichzeitig würden auch Tumorzellen angegriffen, die sich in einem ruhenden Stadium befinden und deswegen der konventionellen Chemotherapie entgehen. Durch die Entwicklung monoklonaler Antikörper stehen erstmals Substanzen zur Verfügung, die mit hoher Spezifität zwischen Tumorzellen und Normalzellen unterscheiden. Monoklonale Antikörper können über die Aktivierung des Immunsystems Tumorzellen eliminieren (z.B. Komplementaktivierung). Weiterhin können sie mit Toxinen (»Immunotoxine«) oder radioaktiven Isotopen gekoppelt werden, deren toxische Wirkung sie als »Carriermoleküle« selektiv zu den Tumorzellen tragen. Bei der aktiven, spezifischen Immunisierung werden dem Patienten seine eigenen, durch Bestrahlung abgetöteten und mit einem Immunstimulans behandelten, Tumorzellen postoperativ injiziert. Dadurch soll ein »Impfeffekt« gegen Tumorzellen erzielt werden. Die Immunisierung mit isolierten Tumorantigenen (z.B. sog. »Peptidvakzinierung«) stellt einen weiteren Ansatz dar. Der immunmodulatorische Effekt von Zytokinen wird ausgenutzt, um eine Immunantwort zu steigern. Insbesondere Interleukin-2 und a-Interferon werden klinisch bereits eingesetzt (u.a. Haarzell-Leukämie, Melanom und Hypernephrom). Bei der Behandlung mit lymphokinaktivierten Killerzellen (LAK-Zellen) werden infiltrierende, gegen den Tumor gerichtete T-Lymphozyten aus dem
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12.5.5 Weitere therapeutische Ansätze resezierten Primärtumor isoliert und durch Gabe von Interleukin-2 aktiviert. Die so hergestellten LAK-Zellen werden dem Patienten zur Elimination verbliebener Tumorzellen reinjiziert.
12.5.4
Gentherapie
Verschiedene Ansätze zur Gentherapie maligner Tumoren werden derzeit bezüglich einer klinischen Einsetzbarkeit erforscht: π Aktivierung des Immunsystems: Tumorinfiltrierende T-Lymphozyten können aus einem Tumorresektat isoliert und mit einem Gen versehen werden, welches eine Interleukin-2-Bildung bewirkt. Werden diese Zellen reinjiziert, greifen sie verbliebene Tumorzellen über eine verstärkte Immunantwort an. π Manipulation von Onkogenen oder Tumorsuppressorgenen: Dieser therapeutische Ansatz zielt auf eine kausale Krebstherapie, indem versucht wird, die Wirkung von Onkogenen oder mutierten Tumorsuppressorgenen aufzuheben. In Zellkulturversuchen ist es bereits gelungen, durch Genmanipulation maligne Zellen zu einem benignen Phänotyp zurückzuführen. π Einfügen eines Suizidgens: In Tumorzellen wird ein Gen eingeschleust, welches in Normalzellen nicht vorhanden ist. Dieses Gen kodiert ein Enzym, welches z.B. das Virustatikum Ganciclovir in eine toxisch wirkende Substanz umsetzt. Durch die Behandlung mit Ganciclovir werden auf diese Weise selektiv Tumorzellen eliminiert. Ein Hauptproblem in der Anwendung der Gentherapie stellt die unspezifische Transfektion dar, wodurch die verwendeten Gene auch in Normalzellen und insbesondere Keimzellen gelangen können. Hieraus ergeben sich erhebliche ethische Bedenken gegen diese Therapieformen.
12.5.5
Weitere therapeutische Ansätze
Mit der Entdeckung von Angiogenese-Inhibitoren (u.a. Endostatin, TNP470, VEGF-Inhibitoren) besteht ein neuartiger Ansatz zur adjuvanten Therapie. Durch die Blockade der Angiogenese wird dem Tumor die Nährstoffzufuhr entzogen und das Wachstum unterbunden. Die Entdeckung, dass sich Endothelzellen in malignen Tumoren von Normalendothelien in der Antigenität unterscheiden, eröffnet einen weiteren Angriffspunkt in der Anti-Angiogenese-Behandlung. Andere Ansätze versuchen die Metastasierung durch Inhibition verschiedener Adhäsionsmoleküle oder durch Blockade proteolytischer Enzyme zu unterbinden.
die aus dem Resektat eines Primärtumors isoliert werden, können verbliebene Tumorzellen eliminiert werden.
12.5.4 Gentherapie Durch Einfügen von Genen, die eine Zytokinproduktion bewirken, können Immunzellen moduliert und deren Wirkung gesteigert werden.
π
Manipulation von Onkogenen und Tumor-Suppressorgenen bietet erstmals die Aussicht auf eine kausale Krebstherapie.
π
Durch die Transfektion mit einem Suizidgen können Tumorzellen einer spezifischen medikamentösen Therapie zugeführt werden.
π
Ein Hauptproblem dieser Therapie ist die unspezifische Transfektion von Normalzellen (z.B. Keimzellen).
12.5.5 Weitere therapeutische Ansätze Angiogenese-Inhibitoren bieten einen neuen adjuvanten Therapieansatz. Die Blockade metastasierungsrelevanter Adhäsionsmoleküle oder proteolytischer Enzyme sind weitere in der Entwicklung befindliche Therapieverfahren.
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259 13
Aspekte der Lebensqualität
13
Aspekte der Lebensqualität
13.1
Begriffsbestimmung
Thomas Küchler 13.1
Begriffsbestimmung
n Definition. Lebensqualität hat eine somatische, eine psychische, eine interpersonelle, eine sozioökonomische und eine spirituelle Dimension. Diese Dimensionen sind im subjektiven Erleben konditional miteinander verbunden.
Entwicklung des Begriffes: Der Begriff Lebensqualität oder »Quality of life« hat in den letzten Jahren in der Medizin eine erstaunliche Karriere gemacht. Erstaunlich insofern, als ihm jegliche wissenschaftliche Präzision fehlt, umgekehrt hingegen die mit dem Begriff verbundenen Assoziationsmöglichkeiten nahezu unbegrenzt sind. Anders ausgedrückt: Lebensqualität (LQ) ist ein philosophischer, ein politischer, ein ökonomischer, ein sozialwissenschaftlicher und neuerdings eben auch ein medizinischer Begriff. In der Philosophie hat bereits Aristoteles das zentrale messtheoretische Problem der LQ-Forschung formuliert: ». . . und oft ändert derselbe Mensch seine Meinung. Wird er krank, so ist es Gesundheit, und wenn er gesund ist, so ist es das Geld.«
Definition
Entwicklung des Begriffes: Der Begriff Lebensqualität hat eine erstaunliche Karriere gemacht.
Lebensqualität ist ein philosophischer, ein politischer, ein ökonomischer, ein sozialwissenschaftlicher und auch ein medizinischer Begriff.
Anders ausgedrückt: n Merke Lebensqualität bedeutet für Kranke etwas grundsätzlich Anderes als für Gesunde. π Die Bedeutung (Bewertung) einzelner Aspekte von Lebensqualität (LQ) ist individuell höchst unterschiedlich.
Merke
π
Aus sozialpsychologischer Sicht hat Hofstätter 1986 diese intra- und interindividuellen Unterschiede in der Bewertung dessen, was »Lebenszufriedenheit« – ein verwandter, aber nicht mit Lebensqualität gleichzusetzender Begriff – ausmacht, mit folgender Formel beschrieben: Bewertung dessen, was einer hat
=
Intra- und interindividuelle Unterschiede in der Bewertung von Lebensqualität lassen sich mit Hilfe der »Zufriedenheitsformel« verstehen.
Zufriedenheit
Erwartung
13.2
13.2.1
Determinanten der Bewertung von Lebensqualität Erlebnisdimensionen
13.2
Determinanten der Bewertung von Lebensqualität
13.2.1 Erlebnisdimensionen
Entsprechend dem eingangs erwähnten Grundkonsens bestimmt sich Lebensqualität aus (mindestens) 5 Dimensionen, nämlich der somatischen, der psychischen, der interpersonellen, der sozioökonomischen und der spirituellen Dimension. Diese sind im Erleben konditional verbunden ( 1 A-13.1). Jede dieser Dimensionen lässt sich detailliert beschreiben.
Lebensqualität besteht aus (mindestens) 5 Dimensionen, die im Erleben konditional verbunden sind ( 1 A-13.1).
Somatische Erlebnisdimension
Somatische Erlebnisdimension
Als Faktoren der somatischen Dimension sind zu differenzieren: π der funktionelle Status (z.B. mit dem Karnofsky-Index abgebildet und häufig [zu Unrecht] mit Lebensqualität gleichgesetzt) π allgemeine körperliche Beschwerden (z.B. Leistungsknick, Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Verdauungsbeschwerden usw.)
Sie umfasst: den funktionellen Status
π
π
allgemeine körperliche Beschwerden
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260
13 Aspekte der Lebensqualität
diagnosespezifische Symptome
π
therapiebedingte Symptome Schmerzen
π
π
π
geistige Leistungsfähigkeit
π
π
Sexualität.
π
π
π
π
diagnosespezifische Symptome (z.B. Gelbfärbung von Augen und Haut beim Gallenwegstumor oder die Schluckbeschwerden beim Ösophaguskarzinom) therapiebedingte Symptome (z.B. Übelkeit, Diarrhö) Schmerzen (als wohl wichtigste erlebbare Einschränkung der Lebensqualität), geistige Leistungsfähigkeit (z.B. eingeschränkt durch die Nebenwirkungen der Schmerztherapie) Sexualität im Sinne sexueller Funktionsfähigkeit (z.B. eingeschränkt durch das generelle Krankheitserleben oder durch spezifische Therapiemaßnahmen). Synopsis Dimensionen der Lebensqualität im Modell
F sc rem hä d tz ein un g
Be zu gs dim en sio n
1 A-13.1
Ku ltu r( zia polit le isc Gr up he) Ind Fa p e mi ivi l du u m ie so
interindividuell unterschiedliche Gewichtung
Zeitdimension
Vergangenheit Gegenwart nahe Zukunft
lic h ps yc hi sc in te h rp er so so zio ne ök ll on om isc h sp iri tu el l
er kö rp
S sc elb hä ste tz in un g
ferne Zukunft
Erlebnisdimension
Psychische Erlebnisdimension
Psychische Erlebnisdimension
Sie lässt sich beschreiben u.a. anhand von:
Als wichtigste Kategorien der im Laufe der Lebensgeschichte erworbenen psychischen Eigenschaften sind zu nennen: π Verhaltensmuster im Sinne von Anpassungsmöglichkeiten (»Coping«) an sich verändernde Lebensumstände π Wahrnehmungsmuster im Sinne von mehr oder weniger eingeschränkter »An-Erkennung« von Realität (z.B. verzerrt unter Stressbedingungen) π emotionales Erleben (z.B. von Freude, Ärger/Wut, Angst, Trauer bzw. Depression) π kognitive Fähigkeiten (als Begabung ebenso wie erlernte Fähigkeiten) π Motivation (z.B. als Wunsch und Wille, den Heilungsprozess aktiv mitzubestimmen, bzw. bei fehlender Motivation resignatives Sich-Fügen) π kommunikative Kompetenz (als Möglichkeit, sich anderen verständlich zu machen ebenso wie andere zu verstehen).
π
Verhaltensmustern
π
Wahrnehmungsmustern
π
emotionalem Erleben
π
kognitiven Fähigkeiten Motivation
π
kommunikativer Kompetenz.
π
Interpersonelle Erlebnisdimension
Interpersonelle Erlebnisdimension Die interpersonelle Dimension, die in der Literatur häufig unter der sozialen Dimension subsummiert wird, gesondert zu betrachten, begründet sich vor allem aus den vorliegenden Forschungsergebnissen zum Einfluss der sozialen Unterstützung auf den Gesundheitsstatus bzw. den Krankheitsverlauf.
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261
13.2.1 Erlebnisdimensionen Sie umfasst im Einzelnen: π die erlebte Qualität der signifikanten Beziehungen (also zu Ehepartnern, Eltern, eigenen Kindern und guten Freunden) π die erlebte eigene Fähigkeit, Beziehungen herzustellen (als Funktion der lebensgeschichtlich gelernten Beziehungsmuster) π die erlebten Beziehungsstrukturen (z.B. bilden sich hier die Beziehungen zu Ärzten und Pflegepersonal als abhängige oder in Grenzen symmetrisch strukturierte Beziehungen ab) π das übergreifende Netzwerk sozialer Kontakte und Bindungen.
Sie umfasst: π die erlebte Qualität der signifikanten Beziehungen π die erlebte eigene Fähigkeit, Beziehungen herzustellen π die erlebten Beziehungsstrukturen
π
n Merke. Gerade die psychische und die interpersonelle Dimension beeinflussen die Arzt-Patient-Interaktion in erheblichem Maße.
Sozioökonomische Erlebnisdimension Die sozioökonomische Dimension (ebenfalls häufig als soziale Dimension bezeichnet) umfasst die folgenden Bereiche: π Arbeit und Leistung (als häufig verwandtes Maß der Rehabilitation und indirektes Kriterium für Lebensqualität verwandt) π finanzielle Situation π Umwelt (als ökologischer Lebensraum) π Wohnverhältnisse π Freizeitmöglichkeiten usw.
das übergreifende Netzwerk sozialer Kontakte. Merke
Sozioökonomische Erlebnisdimension Sie umfasst die Bereiche: Arbeit und Leistung π Finanzen π Umwelt π Wohnverhältnisse π Freizeitmöglichkeiten. π
Spirituelle Erlebnisdimension
Spirituelle Erlebnisdimension
Hier finden Bereiche wie Religiosität, Lebenssinn, Umweltbewusstsein sowie ethisch motivierte Haltungen und Wertvorstellungen, die in unserem säkularisierten Zeitalter oft stellvertretend die stabilisierende Funktion von Religion übernehmen oder ergänzen, ihren Platz. Umweltbewusstsein wird hier verstanden als eigenständige Werthaltung im Sinne einer über den engen persönlichen Lebensrahmen hinausgehenden Verantwortlichkeit. Die faktisch vorgegebenen Umweltbedingungen und ihre Einflüsse auf die Lebensqualität, z.B. Asbestexposition, sind eher der sozioökonomischen Dimension zuzurechnen. Die Bedeutsamkeit dieser Dimension stellt sich in der täglichen psychosozialen Betreuung von Tumorpatienten immer wieder dar: Die Diagnose Krebs konfrontiert die Betroffenen mit der Endlichkeit ihres Lebens. Dies stellt die Fragen nach Lebenssinn in den Vordergrund. Der wohl häufigste Satz, der in Gesprächen mit Krebspatienten geäußert wird, lautet: »Warum gerade ich?«.
Sie umfasst Bereiche wie Religiosität, Lebenssinn, Umweltbewusstsein sowie ethisch motivierte Haltungen und Wertvorstellungen.
n Merke. Glauben und persönliche Wert- und Sinnvorstellungen werden durch den mit der Krebsdiagnose verbundenen »Sturz aus der normalen Wirklichkeit« (Gerdes 1986) in Frage gestellt.
Die individuelle Qualität dieser Frage lässt sich nicht mit dem Hinweis auf Statistiken, also Zufallswahrscheinlichkeiten beantworten. Vielmehr ist eben diese spirituelle Dimension von Lebensqualität angesprochen. Gerade Schwerstkranke setzen sich oftmals intensiv mit Fragen des Lebenssinns, der persönlichen Lebensbilanz usw. auseinander. Gleichzeitig vermag eine gelungene Neuorientierung in Fragen des Lebenssinns nicht zu unterschätzende Selbstheilungskräfte zu mobilisieren, in jedem Fall aber die Lebensqualität insgesamt zu verbessern. Diese hier überblickartig skizzierten Erlebnisdimensionen beeinflussen sich gegenseitig: sichere religiöse Überzeugung und stabile zwischenmenschliche Beziehungen können sich ebenso wie eine gelungene berufliche Rehabilitation positiv auf die psychische Verfassung auswirken.
Merke
Sinnfragen lassen sich nicht mit dem Hinweis auf statistische Befunde beantworten.
Sichere religiöse Überzeugung und stabile zwischenmenschliche Beziehungen können sich ebenso wie eine gelungene berufliche Rehabilitation positiv auf die psychische Verfassung auswirken.
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262 13.2.2 Zeitdimension und Bezugsdimension
13 Aspekte der Lebensqualität 13.2.2
Zeitdimension und Bezugsdimension
Die Subjektivität des Erlebens von Lebensqualität wird zusätzlich durch die Zeitdimension sowie die Bezugsdimension beeinflusst. n Merke. Lebensqualität hat neben der Ebene des subjektiven Erlebens als weitere Determinanten die Zeitdimension sowie die Bezugsdimension, die über das Individuum hinausweist: die Familie, die soziale Gruppe bis hin zu den (kultur-)politischen Gegebenheiten sind einzubeziehen.
Merke
Zeitdimension
Zeitdimension
Die Zeitdimension von Lebensqualität verweist auf die individuelle Lebensgeschichte (Vergangenheit), die den gegenwärtigen Status bestimmt und die Erwartungen an die nahe wie an die fernere Zukunft mitbestimmt.
Die aktuelle Lebensqualität in der Gegenwart bestimmt sich durch die Gesamtheit der persönlichen Erfahrungen, letztlich der Lebensgeschichte. Die Unterscheidung in nahe und fernere Zukunft ist allein schon deshalb wichtig, weil sie bei der Therapieindikation und der entsprechenden Aufklärung des Patienten eine wichtige Rolle spielt: bei fehlender kurativer Therapiemöglichkeit steht die Linderung (Palliation) der akuten und/oder kurzfristig zu erwartenden Symptome im Vordergrund. Ist hingegen langfristig eine echte Heilungschance gegeben, so sind Patienten natürlich eher bereit, kurzfristig erhebliche Einbußen ihrer Lebensqualität hinzunehmen.
Bezugsdimension
Bezugsdimension
Zur Bezugsdimension von Lebensqualität gehört nicht nur das Individuum, sondern die Familie, die soziale Gruppe sowie der politische und kulturelle Hintergrund.
Schließlich ist Lebensqualität natürlich nicht nur vom Individuum abhängig, sondern auch von der Familie und der sozialen Gruppe, in der dieser Mensch lebt, schließlich natürlich auch von kulturellen und politischen Rahmenbedingungen. Das sozialpsychologische Großexperiment der deutschen Wiedervereinigung hat hierfür positive wie negative Beispiele im Übermaß mit sich gebracht.
13.3
13.3
Bedeutung des Lebensqualitätskonzeptes für die Chirurgie
Für den Chirurgen ist die Abschätzung der Operationsfolgen in Hinblick auf die Lebensqualität Alltag. Erhaltung, Wiederherstellung und Verbesserung von Funktionen sind ein zentraler Aspekt von Lebensqualität.
Hintergründe für das neue Interesse an Lebensqualitätsfragen: π Überlebensqualität: Die Frage nach den Folgen einer Therapie nicht nur für die Überlebenszeit, sondern auch für die Qualität dieses Überlebens rückt in den Vordergrund. π Psychosoziale Aspekte: Ihre Beachtung im Rahmen der medizinischen Behandlung wird heute als Qualitätsmerkmal angesehen.
Bedeutung des Lebensqualitätskonzeptes für die Chirurgie
Für den Chirurgen ist die Abschätzung der Operationsfolgen in Hinblick auf die Lebensqualität der Patienten Alltag: neben den immer vorrangigen Überlegungen zum Überleben des Kranken zielen operative Maßnahmen vor allem auf die Erhaltung, Wiederherstellung und Verbesserung von Funktionen und damit auf einen zentralen Aspekt von Lebensqualität. Dabei sollte es immer um die Erweiterung des Blickfeldes über den funktionalen Status hinaus gehen. Auch der naturwissenschaftlich orientierte Arzt muss erkennen, dass, bei aller Anerkennung medizinischer Fortschritte, menschliche Existenz nicht nur in Labordaten, bildgebenden Verfahren, Operationsberichten und auch nicht nur in der Dauer von Überlebenszeiten reflektiert wird. Heute bilden 3 wesentliche Tendenzen der Medizin den Hintergrund für das neu belebte Interesse an Lebensqualitätsfragen: π Überlebensqualität: Die alles in allem betrachtet eher stagnierenden, wenngleich auch z.T. beachtlich besser werdenden kurativen Erfolge in der Krebsbehandlung rücken im Zusammenhang mit dem Ziel der bestmöglichen kurativen oder palliativen Behandlung die Frage nach den Folgen einer Therapie (oder deren Unterlassung!) nicht nur für die Überlebenszeit, sondern eben auch für die Qualität dieses Überlebens in den Vordergrund. π Psychosoziale Aspekte: Als Folge der ambivalenten Haltung der Öffentlichkeit gegenüber einer modernen Hochleistungsmedizin (mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der von der Medizin eine Garantie für uneingeschränkte »Reparatur« aller nur denkbarer Leiden erwartet wird, wird ihre Praxis oft genug als inhuman beklagt) werden psychosoziale Aspekte in der
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263
13.4 Methoden der Messung von Lebensqualität Medizin nicht mehr als »Gefühlsduselei« abgetan, sondern als qualitative Merkmale betrachtet. π Kosten-Nutzen-Analyse: Vor dem Hintergrund der sog. Kostenexplosion im Gesundheitswesen richtet sich der kritische Blick auf Fragen nach dem Nutzen des medizinischen Fortschritts und damit auch auf die systematische Erfassung von kurz-, mittel- und langfristigen Folgen therapeutischer Maßnahmen auf die Lebensqualität.
13.4
Methoden der Messung von Lebensqualität
Für die Praxis der Messung von Lebensqualität ist methodisch zwischen Fremdeinschätzung (z.B. durch den Arzt) und der Selbsteinschätzung (durch den Patienten) zu unterscheiden. Keine von beiden Methoden ist per se besser oder schlechter, manchmal ist jedoch die eine Form realistischer als die andere: Schmerz lässt sich nur sehr eingeschränkt von »außen« beurteilen, Partialfunktionen der Leber können sich einer validen Selbsteinschätzung durch den Patienten entziehen. Sinnvollerweise kommen beide Arten der Messung zusammen und ergänzen sich. Diese Überlegungen sind in die praktische Auswahl der Untersuchungsinstrumente mit einzubeziehen. Als Empfehlungen für systematische Analysen der Lebensqualität definierter (Patienten-)Gruppen lässt sich heute Folgendes sagen: Für eine hinreichend komplexe und gleichzeitig klinisch gut praktikable Messung der Lebensqualität auf der Basis von Fremdeinschätzung ist der Spitzer-Index (erfasst Gesundheitsstatus, tägliche Aktivität, Stimmung, Selbstständigkeit und soziale Interaktion) zu favorisieren, vor allem auch weil er im angloamerikanischen Sprachraum der gebräuchlichste ist ( 2 A-13.1).
2 A-13.1
Kosten-Nutzen-Analyse: Vor dem Hintergrund der sog. Kostenexplosion im Gesundheitswesen richtet sich der kritische Blick auf Fragen nach dem Nutzen des medizinischen Fortschritts.
π
13.4
Methoden der Messung von Lebensqualität
Für die Praxis der Messung von Lebensqualität ist methodisch zwischen Fremdeinschätzung (z.B. durch den Arzt) und der Selbsteinschätzung (durch den Patienten) zu unterscheiden.
Als Messinstrument zur Erfassung von Lebensqualität wird empfohlen: zur Fremdeinschätzung: der Spitzer-Index mit den Bereichen π Gesundheitsstatus, π tägliche Aktivität ( 2 A-13.1) π Stimmung π Selbstständigkeit und π soziale Interaktion.
Fremdeinschätzung des Bereiches »Aktivität« (Spitzer-Index)
Während der letzten Woche hat der Patient N ganztägig oder überwiegend in seinem Beruf/Haushalt oder anderen n freiwilligen Aktivitäten (ob berentet oder nicht) gearbeitet . . . . . . . . . . . . . . 2 N in seinem Beruf/Haushalt/freiwilligen Aktivitäten gearbeitet, jedoch war n größere Hilfe nötig oder die Aktivität musste gekürzt werden . . . . . . . . . . . . 1
N nicht arbeiten oder seinen Haushalt führen können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0 n
Für den Bereich der Selbsteinschätzung ist der im Rahmen der E.O.R.T.C.Study-Group-on-Quality-of-Life entwickelte Lebensqualitätsfragebogen EORTC-QLQ-C30 (Aaronson et. al.) aus folgenden Gründen zu empfehlen: π er ist multidimensional (s. 1 A-13.1) π er ist relativ kurz (ca. 30 Items, ca. 15 Minuten Aufwand für den Patienten) π er hat hinreichend gute Meßgüte-Eigenschaften π er wird in 15 europäischen Ländern angewandt und liegt in standardisierter Übersetzung in den entsprechenden Sprachen vor. Damit ist die Möglichkeit des so wichtigen Vergleiches internationaler Studien praktisch gegeben. Weiter sind durch das »Modul-Konzept« dieses Fragebogens zwei immer wieder kontrovers diskutierte methodische Ansätze integriert: Generalisierbarkeit und Spezifität. Es ist sinnvoll, verschiedene Diagnosegruppen unter dem Aspekt der Lebensqualität zu vergleichen, gleichzeitig aber die spezifischen Aspekte der unterschiedlichen Krebserkrankungen nicht zu vernachlässigen (hier liegt eine Schwäche des Spitzer-Index). Daher gliedert sich der E.O.R.T.C.-Fragebogen in einen allgemeinen, für alle Diagnosen gültigen Teil (»core-questionnaire«) und ein diagnosespezifisches Modul. Diese Module sind derzeit in verschiedenen Studien entweder schon erprobt oder in Entwicklung.
Für die Selbsteinschätzung: Lebensqualitätsfragebogen EORTCQLQ-C30
Dieser Fragebogen kann verschiedene Diagnosegruppen unter dem Aspekt der Lebensqualität vergleichen, vernachlässigt aber die spezifischen Aspekte der unterschiedlichen Krebserkrankungen nicht. Diese Zusammenfassung von Generalisierbarkeit und Spezifität wird in der Gliederung des Fragebogens in ein allgemeines und diagnosespezifisches Modul deutlich.
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13 Aspekte der Lebensqualität
Skalen des EORTC-QLQ-C30: allgemeines Modul: π funktioneller Status π Arbeitsfähigkeit π allgemeine somatische Symptome (Fatigue, Nausea, Schmerzen, gastrointestinale Symptome) π emotionale Funktion π kognitive Funktion π soziale Funktion π finanzielle Funktion
Skalen des EORTC-QLQ-C30: allgemeines Modul: π funktioneller Status π Arbeitsfähigkeit π allgemeine somatische Symptome (Fatigue, Nausea, Schmerzen, gastrointestinale Symptome) π emotionale Funktion π kognitive Funktion π soziale Funktion π finanzielle Belastung
+ diagnosespezifisches Modul.
+ diagnosespezifisches Modul.
13.5
13.5
Ausblick
Es geht darum, im 1. Schritt mehr über die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen der chirurgischen und meist chemotherapeutischen und radiologischen Krebstherapie auf den ganzen Menschen zu lernen. Der nächste Schritt ist dann die regelrechte Einbeziehung von Lebensqualitätsaspekten in die Therapieentscheidung.
Messung ist kein Selbstzweck. Sonst wäre die Auseinandersetzung mit dem Begriff der Lebensqualität einschließlich der jahrelangen Entwicklungen im Bereich der Messinstrumente nicht mehr als ein intellektuell-philosophisches Glasperlenspiel. Es geht darum, im 1. Schritt mehr über die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen der chirurgischen, aber natürlich auch der internistischen, also meist chemotherapeutischen und radiologischen Krebstherapie auf den ganzen Menschen, also nicht nur auf seine Krankheit zu lernen. Langfristig sollten auch die sog. alternativen Therapieformen mit einbezogen werden. Dies geschieht zur Zeit, wenn auch noch unsystematisch. Der nächste Schritt ist dann die regelrechte Einbeziehung von Lebensqualitätsaspekten in die Therapieentscheidung. Hier ist festzustellen, dass solche Überlegungen heute vor allem dem Engagement des behandelnden Arztes überlassen sind. Hieraus ist der nächste, gleichzeitig schwierigste und verantwortungsvollste Schritt konsequent abzuleiten: n Merke. Es gilt, im Rahmen der Therapieentscheidung im Dialog mit dem Patienten die prognostisch zu erwartende Überlebenszeit in ein sinnvolles Verhältnis zur prognostizierbaren Qualität dieses Überlebens zu setzen.
Merke
Lebensqualität und Überlebenzeit sollen stärker als bisher in die Therapieentscheidung einbezogen werden.
13.6
Ausblick
Kritische Anmerkungen
Es besteht die Gefahr der Orientierung am Normalitätsbegriff.
Lebensqualität hat Gegenstand ärztlicher Kommunikation, nicht allein Gegenstand der Messung zu sein.
Zu betonen ist dabei, dass es nicht darum gehen wird, im Sinne einer »Allesoder-nichts-Entscheidung« sich für oder gegen eine Therapie zu entscheiden. Es ist jedoch vorstellbar, dass, bei annähernder Gleichheit der zu erwartenden Überlebenszeit, die Fähigkeit und Bereitschaft des Patienten zu erwartende Einschränkungen seiner Lebensqualität in Kauf zu nehmen stärker als bisher und vor allem auf der Basis gesicherter Daten in die Therapieentscheidung einbezogen wird. Je weniger Zeit sich der Arzt im Rahmen der modernen Hochleistungsmedizin für das über die angemessene Diagnostik hinausgehende persönliche Gespräch mit dem Patienten nimmt, desto wichtiger wird hierfür die (Weiter-)Entwicklung von validen und klinisch handhabbaren Messinstrumenten.
13.6
Kritische Anmerkungen
In dem Ausmaß, in dem Lebensqualität messbar wird, ist auch eine kritische Auseinandersetzung mit Konzept und Praxis notwendig. Gerdes weist zu Recht auf eine Gefahr hin, die im Konzept selbst liegt: es orientiert sich am Gesunden, am sogenannten »Normalen«, und mag somit dem betroffenen Patienten indirekt, aber umso schmerzlicher bewusst machen, wie weit er sich durch seine Krankheit von den Normen unserer Gesellschaft entfernt. Diese Kritik ist berechtigt, wenn als Lebensqualität in Forschung und medizinischer Praxis lediglich die körperlichen Aspekte in den Blick genommen
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13.6 Kritische Anmerkungen werden. Wird der Patient auch im Stadium der fortgeschrittenen Metastasierung nicht allein gelassen, sondern seine Verzweiflung, seine Wut, seine Zweifel und seine sich immer wieder neu konstituierende Hoffnung im Dialog mit dem behandelnden Arzt angenommen, verliert die Kritik an Substanz, wenn auch nicht an ihrer grundsätzlichen Berechtigung. Ein weiterer Kritikpunkt ergibt sich dadurch, dass mit der »Vermessung« des Kranken seine Verfügbarkeit und letztlich auch Manipulierbarkeit disponiert wird. Lebensqualitätsdaten sind intime Daten und unterliegen somit einer besonderen Aufmerksamkeit hinsichtlich Datenschutz und Schweigepflicht. Solche Daten sind für den behandelnden Arzt eine zusätzliche Möglichkeit, seinen Patienten besser zu verstehen, eben in seiner realen Ganzheit (s.o.). Sie eignen sich ebensowenig für eine neue Katalogisierung wie sie sich – aus umgekehrtem Blickwinkel – für eine am Ende juristisch einklagbare Fremdbeurteilung chirurgischer Leistungen eignen! Die eigentliche Gefahr liegt in der Schlagworthaftigkeit des Begriffes Lebensqualität selbst. Wird er nur oberflächlich in die Konvention gehoben und nicht inhaltlich gefüllt, wird er gar als Alibifunktion in ein sonst ungebrochen technizistisches Medizinverständnis übernommen, dann wird er mehr Schaden als irgendjemandem Nutzen bringen, am wenigsten den betroffenen Patienten. Trotz aller Bedenken bezüglich der Schlagworthaftigkeit des Begriffes »Lebensqualität« kann seine Integration in den medizinischen Alltag nutzbringend sein, sei es auch nur dadurch, dass die Aufmerksamkeit für alte Selbstverständlichkeiten wieder neue Gewichtungen erhält. Die mit »Lebensqualität« verbundenen Konzepte bieten die Möglichkeit, nicht nur in der Chirurgie neben den somatischen auch psychische und soziale Aspekte beim Patienten in den Blick zu nehmen. Im optimalen Fall kann der Begriff auch das gemeinsame Dach bieten, unter dem wirkliche Interdisziplinarität, deren Notwendigkeit heute ja kaum noch jemand in Frage stellt, zum Besten des Patienten praktiziert wird. Lebensqualität in der modernen Medizin ist in keinem Fall in optionaler »Luxusbegriff«, sondern verweist auf die reale Ganzheit des Menschen. Dies ist gewiss nicht neu, aber vielleicht doch in Hinblick auf die Attraktivität des technisch Machbaren in der modernen Hochleistungsmedizin wieder neu zu betonen.
265
Lebensqualitätsdaten sind datenschutzrechtlich sensible Daten!
Lebensqualitätsdaten sind subjektive Daten!
Lebensqualität sollte weder Schlagwort sein noch schlichte Alibifunktion haben!
Im optimalen Fall kann der Begriff auch das gemeinsame Dach bieten, unter dem wirkliche Interdisziplinarität zum Besten des Patienten praktiziert wird.
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267 14
Rechtsfragen
14
Rechtsfragen
14.1
Ärztliche Aufklärungspflicht
Heike Kraemer-Hansen 14.1
Ärztliche Aufklärungspflicht
Trotz mancher Kritik hält die Rechtsprechung daran fest, dass der ärztliche Eingriff, gleich ob er nun zu therapeutischen oder diagnostischen Zwecken erfolgt, als Körperverletzung anzusehen ist. Sanktionsfrei bleibt die Körperverletzung nur, wenn der Patient in die Behandlung eingewilligt hat. Zum ärztlichen Eingriff in diesem Sinne gehören alle Maßnahmen, die die körperliche Integrität des Patienten verletzen, also nicht nur Operationen, sondern z.B. auch Injektionen, Gewebeentnahmen, Bestrahlungen und die Applikation von Medikamenten mit erheblichen Nebenwirkungen. Unter diesen Voraussetzungen ist die ärztliche Aufklärungspflicht zu sehen. Der Arzt – es ist ihm nicht erlaubt, die Aufklärung nichtärztlichem Personal zu überlassen – hat den Patienten demnach über den Befund zu unterrichten und zu erläutern, was er für die Zukunft des Betroffenen bedeutet oder bedeuten kann. Ebenso ist zu erörtern, aus welchen Gründen der Eingriff vorgesehen ist, inwieweit er also ggf. notwendige diagnostische Erkenntnisse ermöglicht bzw. Heilung oder Besserung des Leidens erwarten lässt. Auf erprobte alternative Therapien oder Diagnoseverfahren ist hinzuweisen. Die Technik des Eingriffs braucht nicht in allen Einzelheiten dargelegt zu werden, wohl aber muss der Patient in groben Zügen über das geplante Vorgehen unterrichtet sein. Auch belastende Begleitumstände des Eingriffs, so etwa der Aufenthalt auf einer Intensivstation, die Intubation, der längerdauernde Anschluss an Infusionsgeräte oder Monitore, Schmerzen und andere Missbefindlichkeiten, vorübergehende Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten, sollten dem Patienten genannt werden. Auch auf die Prognose der Erkrankung bei Spontanverlauf bzw. unter konservativer Therapie ist hinzuweisen. Ganz herausragende Bedeutung kommt der Aufklärung über die sicheren und möglichen Folgen der ärztlichen Maßnahme sowie über die typischen und speziell mit diesem Eingriff an gerade diesem Patienten verbundenen Risiken zu, wobei an den Umfang der Aufklärungspflicht unterschiedliche Anforderungen gestellt werden. n Merke. Typische Folgen müssen auch schon bei einer Wahrscheinlichkeit von 0,5 % erwähnt werden.
Die Spannweite liegt zwischen der kosmetischen Operation auf der einen und der vitalen Indikation auf der anderen Seite. An den Umfang der Aufklärungspflicht werden, in Abhängigkeit der vorliegenden Indikationsstufe, unterschiedliche Anforderungen gestellt ( 2 A-14.1). Grundsätzlich gilt für den Umfang der Aufklärung: je dringlicher der Eingriff, desto entbehrlicher die Aufklärung, je elektiver der Eingriff, desto ausführlicher die Aufklärung. Bei kosmetischen Operationen werden die strengsten Maßstäbe angelegt. Selbst entfernteste Gefahren des Misslingens und die seltensten Risiken sind dem Patienten aufzuzeigen. Ähnliches gilt bei den diagnostischen Eingriffen. Auch hier stellt die Rechtsprechung höchste Anforderungen an die Hinweise auf Risiken und Komplikationen. Bei angezeigten, aber nicht notwendigen ärztlichen Eingriffen sinkt die Anforderungsschwelle. Trotzdem muss der Umfang der Aufklärung so bemessen sein, dass der Patient selbst entscheiden kann, ob er die gesundheitliche Beeinträchtigung weiterhin in Kauf nehmen oder sie trotz bestehender Risiken beseitigen lassen will. Eingriffe mit absoluter oder vitaler Indikation – Fälle also, in denen dem Patienten keine echte Wahlmöglichkeit verbleibt – grenzen die Aufklärungspflicht weiterhin ein.
Der ärztliche Eingriff zu therapeutischen oder diagnostischen Zwecken gilt rechtlich als Körperverletzung. Sanktionsfrei bleibt die Körperverletzung nur bei Einwilligung des Patienten in die Behandlung. Zum ärztlichen Eingriff gehören alle in die körperliche Integrität des Patienten eingreifenden Maßnahmen.
Die Aufklärung muss durch den verantwortlichen Operateur erfolgen. Dem Patienten sind die Befunde und Gründe des vorgesehenen Eingriffs zu erläutern. Auf alternative Therapien oder Diagnoseverfahren sowie auf die Prognose der Krankheit bei Spontanverlauf bzw. unter konservativer Therapie ist hinzuweisen. Über die Technik des Eingriffs muss der Patient in groben Zügen unterrichtet sein, ebenso über belastende Begleitumstände. Die Aufklärung hat die sicheren und möglichen Folgen sowie die typischen und speziell gerade mit diesem Patienten verbundenen Risiken des Eingriffs zu erläutern.
Merke
An den Umfang der Aufklärungspflicht werden – je nach Indikationsstufe – unterschiedliche Anforderungen gestellt ( 1 A-14.1). Vorgesehene kosmetische, aber auch diagnostische Eingriffe erfordern detaillierte Hinweise auch auf seltenste Komplikationen. Bei angezeigten, aber nicht notwendigen ärztlichen Eingriffen muss die Aufklärung dem Patienten mindestens die eigene Entscheidung ermöglichen, ob er die gesundheitliche Beeinträchtigung in Kauf nehmen oder sie trotz bestehender Risiken beseitigen lassen will. Geringste Anforderungen werden an die Aufklärung bei vitaler Indikation gestellt.
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268
14 Rechtsfragen
2 A-14.1
Indikationen für operative Eingriffe
Indikationsstufe
Umfang
Beispiel
N absolute Indikation n π absolut sofort π absolut dringlich
vitale Gefährdung, Notfälle
π
N relative Indikation n (= elektive)
Wahleingriff (es bestehen mehrere alternative Behandlungsmöglichkeiten)
Bypass-Operation, Koronardilatation, endoskopische Eingriffe
N palliative Indikation n
symptomatische Therapie ohne direkte Behandlung des Grundleidens (lebensverlängernde Maßnahme), Linderung der Beschwerden
Resektion eines Bronchialkarzinoms bei Luftnot durch Bronchuskompression
N prophylaktische Indikation n
operativer Eingriff vor Beginn einer Symptomatik
Kolektomie bei familiärer Polyposis coli
N diagnostische Indikation n
operativer Eingriff zu Diagnosezwecken
explorative Laparoskopie
N kosmetische Indikation n
operative Beseitigung subjektiv störender Befunde
Mamma-Silikon-Implantat
Merke
Der Zeitpunkt der Aufklärung ist so früh wie möglich zu wählen, um dem Patienten eine ausreichende Überlegungsfrist einzuräumen. Aufklärung unmittelbar vor dem Eingriff reicht nicht aus, ebensowenig nicht die an seinem Vorabend. Aufklärung am Vortage ist bei weniger komplizierten und risikoärmeren Maßnahmen zulässig.
Eine ausreichende Überlegungsfrist ist dem Patienten im Regelfall einzuräumen. Einwilligen kann nur der bewusstseinsklare, einsichts- und urteilsfähige Patient. Vital indizierte Eingriffe gegen den erklärten Willen eines bewusstseinsklaren und geschäftsfähigen Patienten sind strafbar (Selbstbestimmungsrecht). Minderjährige ab 14 Jahren können selbst entscheiden. Ihre Entscheidung geht vor, ein anderslautender Wille der gesetzlichen
π
sofort: SHT, Aneurysmaruptur, Spannungspneumothorax dringlich: Fraktur 3. Grades
n Merke. Missverstandene oder in ihrer Bedeutung nicht erfasste medizinische Fachausdrücke oder Zusammenhänge können die Einverständniserklärung unwirksam machen. Das Aufklärungsgespräch muss deshalb dem Bildungsstand des Patienten angepasst sein und der Arzt sich ständig vergewissern, dass der Patient zu folgen versteht.
Auch der Zeitpunkt der Aufklärung vermag Einfluss auf die Wirksamkeit der Einwilligung auszuüben. Feste, insbesondere schriftlich fixierte Regeln über den für die Risikoaufklärung zu wählenden Termin gibt es nicht. Der sehr umfangreichen Rechtsprechung sind indessen folgende Grundsätze zu entnehmen. Danach reicht eine Aufklärung unmittelbar vor dem Eingriff ebensowenig aus wie eine an seinem Vorabend. Eine Aufklärung am Vortage ist jedenfalls dann noch rechtzeitig, wenn es sich um einen einfachen Eingriff oder um einen solchen mit geringen bzw. weniger einschneidenden Risiken handelt. Gleiches gilt für Notoperationen und Eingriffe, bei denen die für die Operationsindikation entscheidenden Voruntersuchungen nicht früher vorliegen. Soll ein Patient einem Arzt gegenüber definitiv seine Bereitschaft erklären, sich bei ihm zu einem genau festgelegten und in absehbarer Zeit liegenden Termin einem bestimmten operativen Eingriff zu unterziehen, ohne dass dies noch von den Ergebnissen weiterer wichtiger Untersuchungen abhängig gemacht wird, hat die Risikoaufklärung zu diesem Zeitpunkt zu erfolgen; es sind keine medizinischen Interessen erkennbar, die es generell geboten erscheinen lassen, mit der Aufklärung etwa bis zur Aufnahme des Patienten ins Krankenhaus zu dem vorbestimmten Termin zu warten. Im Regelfall ist dem Kranken also eine ausreichende Überlegungsfrist einzuräumen, die ihm Gelegenheit geben muss, das Für und Wider, Nutzen und Risiken des Eingriffs in Ruhe abzuwägen, sich mit Menschen seines Vertrauens zu beraten und Erkundigungen einzuholen. Wirksam einwilligen kann nur, wer bewusstseinsklar uneingeschränkt einsichts- und urteilsfähig ist. Vital indizierte Eingriffe gegen den erklärten Willen eines bewusstseinsklaren und geschäftsfähigen Patienten sind strafbar (Selbstbestimmungsrecht). Diese Voraussetzungen erfüllt in vielen Fällen auch der nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften nicht voll geschäftsfähige minderjährige Patient. Hier geht seine Entscheidung vor, ein anderslautender Wille der gesetzlichen Vertreter wäre unbeachtlich. Deren Zustimmung ist aber in Zweifelsfällen einzuholen wie überhaupt bei Kindern unter 14 Jahren.
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14.2 Haftpflichtversicherung
269
Schwierigkeiten treten auf, wenn ein Sorgeberechtigter aus Uneinsichtigkeit oder weltanschaulichen bzw. religiösen Gründen dem Eingriff nicht zustimmen will. Hier kommt als Ultima ratio die Einschaltung des Vormundschaftsgerichts in Betracht.
Vertreter wäre unbeachtlich. Stimmt ein Sorgeberechtigter einem Eingriff nicht zu, kommt als Ultima ratio die Einschaltung des Vormundschaftsgerichts in Betracht.
Klinischer Fall Nach Straßenverkehrsunfall wird ein 8-jähriges Kind mit offensichtlich erheblichen inneren Verletzungen stationär aufgenommen. Die anwesenden Eltern verweigern strikt die Einwilligung in jede ärztliche Behandlungs-
maßnahme mit der Begründung, wenn es Gottes Wille sei, werde das Kind auch ohne medizinische Hilfe überleben; andernfalls sei sich seiner Entscheidung zu beugen.
Ist der zur Einwilligung berechtigte Patient ohne Bewusstsein oder der gesetzliche Vertreter nicht erreichbar, rechtfertigt sich der Eingriff unter dem Gesichtspunkt der mutmaßlichen Einwilligung. Dieser Rechtfertigungsgrund greift ein, wenn die Würdigung der Sachlage die Annahme zulässt, dass der Rechtsgutinhaber seine Zustimmung erteilt hätte. Bei vorher geäußertem entgegenstehenden Willen ist die Berufung auf die mutmaßliche Einwilligung aber ausgeschlossen.
Ein Eingriff rechtfertigt sich unter dem Gesichtspunkt der mutmaßlichen Einwilligung, wenn der zur Einwilligung berechtigte Patient ohne Bewusstsein ist.
Klinischer Fall Ein Tumorpatient erklärt, er wünsche keine palliativen oder kurzfristig lebensverlängernden Maßnahmen, wenn sich bei seiner geplanten Operation die Inkurabilität des Karzinoms herausstellen sollte. Hier ist der Arzt intraoperativ an einem entsprechenden Vorgehen gehindert,
14.2
da er den entgegenstehenden Willen des Patienten kennt. Anders liegt der Fall bei einem bewusstlos eingelieferten Suizidanten. Hier geht man davon aus, dass der Patient – nunmehr ärztlich versorgt – seinen Willen geändert hat und jetzt doch seine Rettung wünscht.
Haftpflichtversicherung
Wer regelwidrig und schuldhaft einem anderen einen Vermögens-, Sachoder Körperschaden zufügt, ist verpflichtet, dem Geschädigten Ersatz zu leisten. Der Arzt haftet für einen Behandlungsfehler, der bei einem Patienten zu einem konkreten Schaden geführt hat. Die mit einer solchen Verpflichtung zur Schadensersatzleistung verbundenen z.T. erheblichen finanziellen Risiken lassen sich über eine entsprechende Berufshaftpflichtversicherung decken.
14.2
Haftpflichtversicherung
Eine Berufshaftpflichtversicherung deckt im Falle eines Behandlungsfehlers die finanziellen Risiken des Arztes ab.
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271 15
Versicherungswesen und chirurgische Begutachtung
15
Versicherungswesen und chirurgische Begutachtung
15.1
Versicherungswesen
Heike Kraemer-Hansen 15.1
Versicherungswesen
Das Gesundheitswesen wird in Deutschland von einem komplexen Versicherungssystem getragen und finanziert. Speziell der Chirurg sollte Kenntnis und Orientierung über nachstehend genannte Versicherungen haben.
15.1.1
Gesetzliche Krankenversicherung
Die staatlich betriebene Sozialpolitik hat im Bereich Sozialversicherung (Kranken-, Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) seit Ende des letzten Jahrhunderts das System der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelt. Es soll dem Schutz vornehmlich von Arbeitnehmern gegen Mehraufwand und wirtschaftliche Nachteile dienen, die durch Krankheit, Unfall oder Schwangerschaft entstehen können. Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind gem. § 4 des V. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) die π Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) π Betriebskrankenkassen (BKK) π Innungskrankenkassen (IKK) π Knappschaftliche Versicherung (Bundesknappschaft) π landwirtschaftlichen Krankenkassen π See-Krankenkasse π Ersatzkassen. Die Mitgliedschaft in einer dieser Krankenkassen ist für bestimmte Personengruppen Pflicht. Versicherungspflichtig sind u.a. die Mehrzahl der Arbeiter und Angestellten, gegen Arbeitsentgelt zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, Behinderte in besonderen Anstellungsverhältnissen sowie Studenten, diese regelmäßig nur bis zum Abschluss des 14. Fachsemesters bzw. bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres (§ 5 SGB V). Mitversichert sind im Allgemeinen der Ehegatte und die Kinder des Versicherungspflichtigen (§ 10 SGB V). Versicherungsfrei sind u.a. Selbstständige, Arbeiter und Angestellte nach Überschreiten einer bestimmten Jahresarbeitszeitentgeltsgrenze, Beamte, Richter, Berufssoldaten, Soldaten auf Zeit sowie Beschäftigte, wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe haben (§ 6 SBG V). Im Regelfall tragen die versicherungspflichtig Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach der Höhe des Arbeitsentgelts bemessenen Beiträge jeweils zur Hälfte (§ 249 SBG V) (paritätische Finanzierung). Die gesetzliche Krankenversicherung arbeitet nach dem Solidaritätsprinzip, d.h. die Beiträge sind für alle Mitglieder, entsprechend ihrem Einkommen, gleich (prozentual festgesetzter Teil des Einkommens). Auch die Leistungen der Krankenversicherung für die versicherten Mitglieder sind gleich. Zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehören u.a. solche zur Förderung der Gesundheit, zur Verhütung und zur Früherkennung von Krankheiten, bei Krankheit ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, Zahlung von Krankengeld, bei Schwangerschaft und Mutterschaft ärztliche Betreuung, stationäre Entbindung, Mutterschaftsgeld, bei Tod Sterbegeld (§ 21 SBG I, § 11 SBG V).
Das Gesundheitswesen wird in Deutschland von einem komplexen Versicherungssystem getragen und finanziert. Speziell der Chirurg sollte Kenntnis und Orientierung über nachstehend genannte Versicherungen haben. 15.1.1 Gesetzliche Krankenversicherung Die gesetzliche Krankenversicherung dient dem Schutz der Arbeitnehmer vor wirtschaftlichen Nachteilen durch Krankheit, Unfälle oder Schwangerschaft. Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind die π Allgemeinen Ortskrankenkassen π Betriebskrankenkassen π Innungskrankenkassen π Knappschaftliche Versicherung π landwirtschaftliche Krankenkassen π See-Krankenkasse π Ersatzkassen. Pflichtmitgliedschaft besteht für die Mehrzahl der Arbeiter und Angestellten. Mitversichert sind im Allgemeinen der Ehegatte und die Kinder des Versicherungspflichtigen (§ 10 SBG V). Versicherungsfrei sind Selbstständige, Arbeiter und Angestellte nach Überschreiten einer bestimmten Einkommensgrenze. Arbeitgeber und Beschäftigte tragen im Regelfall die Beiträge je zur Hälfte (paritätische Finanzierung). Die gesetzliche Krankenversicherung arbeitet nach dem Solidaritätsprinzip, d.h. die Beiträge sind für alle Mitglieder, entsprechend ihrem Einkommen, gleich. Auch die Leistungen der Krankenversicherung für die versicherten Mitglieder sind gleich. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung: π Gesundheitsvorsorge π ärztliche und zahnärztliche Behandlung π Versorgung mit Arznei- und Heilmitteln π Krankenhausbehandlung π Zahlung von Krankengeld, Mutterschaftsgeld und Sterbegeld.
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272
15 Versicherungswesen und chirurgische Begutachtung
Gesetzliche Unfallversicherung
15.1.2 Gesetzliche Unfallversicherung
15.1.2
Sie versichert den Arbeitnehmer gegen Folgen von Arbeitsunfällen, zu denen auch die Berufskrankheiten zählen. Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind: π gewerbliche und landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften π See-Berufsgenossenschaft π Gebietskörperschaften als Eigenunfallversicherungsträger (Bund, Länder, Städte und Gemeinden).
Die gesetzliche Unfallversicherung ist als Teil der Sozialversicherung (§ 1 SGB IV) die Versicherung gegen die Folgen von Arbeitsunfällen, zu denen gemäß § 551 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auch die Berufskrankheiten zählen. Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind für die allgemeine Unfallversicherung die (gewerblichen) Berufsgenossenschaften (§ 646 RVO), für die landwirtschaftliche Unfallversicherung die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften (§ 790 RVO) und für die See-Unfallversicherung die SeeBerufsgenossenschaft (§ 850 RVO). Daneben bestehen die Eigenunfallversicherungsträgerschaften z.B. des Bundes, der Länder, einzelner Großstädte und der in Gemeindeunfallversicherungsverbänden zusammengeschlossenen Städte und Gemeinden (§ 766 ff. RVO). Versichert sind u.a. die aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses Beschäftigten, Heimarbeiter, Künstler und Artisten unter bestimmten Voraussetzungen, landwirtschaftliche Unternehmer, Personen, die bei Unglücksfällen Hilfe leisten, Kinder während des Besuchs von Kindergärten, Schüler während des Besuchs allgemeinbildender Schulen, Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen (§ 539 RVO). Von der Versicherungspflicht ausgenommen sind u.a. Personen, für die beamtenrechtliche Unfallfürsorgevorschriften oder entsprechende Grundsätze gelten, selbstständige Ärzte, Zahnärzte und Apotheker und Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen, Schwestern vom Roten Kreuz, wenn ihnen nach den Regeln ihrer Gemeinschaft lebenslange Versorgung gewährleistet ist (§ 541 RVO). Die Mittel für die Ausgaben der Versicherungsträger werden ausschließlich von den Unternehmern aufgebracht (§§ 723, 802, 870 RVO). Vorrangige Aufgabe der Versicherungsträger ist die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten u.a. durch Erlass (§ 708 RVO) und Überwachung (§ 712 RVO) von Unfallverhütungsvorschriften. Nach eingetretenem Arbeitsunfall bildet die Rehabilitation von Gesetzes wegen das Ziel der Leistungen (§§ 537, 556 RVO). Die Heilbehandlung umfasst u.a. ärztliche und zahnärztliche Betreuung, Arznei- und Verbandmittel, Heilmittel einschließlich Krankengymnastik, Bewegungs-, Sprach- und Beschäftigungstherapie, Ausstattung mit Körperersatzstücken, Belastungserprobung und Arbeitstherapie (§ 557 RVO). Weitere Leistungen bestehen u.a. in Geldzahlungen (bis hin zur Rente) an den Verletzten, seine Angehörigen und seine Hinterbliebenen (§§ 537, 547 RVO). Rente wird von der Berufsgenossenschaft nur bei Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 % gezahlt. Eine Dauerrente kann erst 2 Jahre nach Unfall gewährt werden (vorher: Übergangsrente). Zu beachten ist, dass beruflich Unfallversicherte vom Erstbehandler (H-Arzt, der nur spontan in Anspruch genommen werden kann, insofern an der Heilbehandlung beteiligt ist, dem aber kein Verletzter überwiesen werden darf) einem Durchgangsarzt vorzustellen sind, wenn er weiterer ärztlicher Versorgung bedarf. Durchgangsärzte sind von den Berufsgenossenschaften ausgewählte Fachärzte (Chirurgen, Orthopäden), denen die Entscheidung obliegt, ob für den Patienten ein besonderes berufsgenossenschaftliches Heilverfahren in Betracht kommt oder ob die gewählte Art der Behandlung ausreicht.
Versichert sind alle Beschäftigten in einem Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnis, auch Künstler und Artisten sowie Kindergartenkinder, Schüler und Studierende während der Ausbildung. Versicherungsfrei sind Beamte und ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer, selbstständige Ärzte, Zahnärzte und Apotheker und Mitglieder geistlicher Genossenschaften. Die Versicherungsbeiträge entrichtet ausschließlich der Unternehmer. Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherungen: π Unfallverhütung π Überwachung von Unfallverhütungsvorschriften π Rehabilitation nach Arbeitsunfall π Rentenzahlungen an Verletzte, Angehörige und Hinterbliebene. Rente wird nur bei Minderung der Erwerbsfähigkeit um mind. 20 % gezahlt, eine Dauerrente erst 2 Jahre nach dem Unfall.
Beruflich Unfallverletzte sind dem Durchgangsarzt vorzustellen. Diese sind von den Berufsgenossenschaften ausgewählte Fachärzte (Chirurgen, Orthopäden). Ihnen obliegt die Entscheidung, ob für den Patienten ein berufsgenossenschaftliches Heilverfahren in Betracht kommt.
Gesetzliche Rentenversicherung
15.1.3 Gesetzliche Rentenversicherung
15.1.3
Die gesetzliche Rentenversicherung leistet Rentenzahlung bei Alter, Minderung der Erwerbsfähigkeit und wegen Todes. Träger der Rentenversicherung sind: π Landesversicherungsanstalten π Bundesbahn-Versicherungsanstalt π Seekasse π Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
Die gesetzliche Rentenversicherung leistet Renten wegen Alters, wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und wegen Todes (§ 33 SBG VI). Träger der Rentenversicherung sind die π Landesversicherungsanstalten (LVAen) π Bundesbahn-Versicherungsanstalt π Seekasse π Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA)
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15.2 Chirurgische Begutachtung Bundesknappschaft landwirtschaftlichen Alterskassen. (§§ 127, 132, 136 SBG VI, § 32 I SBG IV). Versicherungspflichtig sind u.a. Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, Behinderte, die in bestimmten Einrichtungen tätig sind oder Leistungen erbringen (§ 1 SGB VI), selbstständig Tätige unter bestimmten Voraussetzungen (§ 2 SGB VI). Versicherungsfrei sind u.a. Beamte und Richter, Berufssoldaten, Soldaten auf Zeit, andere Beschäftigte, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen Anwartschaft auf Versorgung sowie Hinterbliebenenversorgung gewährleistet ist und Selbstständige (§ 5 SGB VI). Generell tragen Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Beiträge je zur Hälfte (paritätische Finanzierung mit Bundeszuschuss) (§ 168 I Ziff. 1 SBG VI), jedoch gibt es eine Vielzahl abweichender Regelungen (§ 168 ff. SGB VI). Finanzierung und Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgen nach dem Solidaritätsprinzip. Die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wird geleistet als Rente wegen Berufsunfähigkeit, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder als Rente für Bergleute (§ 33 III SGB VI). π
π
π
π
n Merke. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (§ 43 II SBG VI).
n Merke. Erwerbsunfähig ist der Versicherte, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen in gesetzlich näher bestimmter Mindesthöhe zu erzielen (§ 44 II SGB VI).
Leistungen zur Rehabilitation haben indessen Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreicher Rehabilitation nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen wären (§ 9 I SGB VI). Zu den Rehabilitationsleistungen zählen u.a. ärztliche Behandlung, Arznei-, Verband- und Heilmittel, Krankengymnastik, Bewegungs-, Sprach- und Beschäftigungstherapie, Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel (§ 15 SGB VI).
15.1.4
Private Versicherungen
Die in den aufgeführten gesetzlichen Versicherungen nicht pflichtversicherten Personen haben die Möglichkeit, die entsprechenden Risiken bei privaten Versicherungen abzudecken (z.B. private Krankenversicherungen mit Leistungen nach dem Kostenerstattungsprinzip und Finanzierung nach dem Äquivalenzprinzip). Zu Haftpflichtversicherung s. Kap. A-14.2.
15.2
Chirurgische Begutachtung
Insbesondere Gerichte, Staatsanwaltschaften, Verwaltungsbehörden und Versicherungen benötigen häufig und in vielfacher Hinsicht für die rechtliche Beurteilung der Folgen von Ereignissen, die zu chirurgischer Intervention führten oder führen können, die sachverständige Beratung durch den Arzt. In diesen Fällen erteilen sie einen Gutachtenauftrag, der einen präzisen Fragenkatalog enthalten muss.
Bundesknappschaft landwirtschaftliche Alterskassen.
Versicherungspflichtig sind gegen Entgelt Beschäftigte, in der Berufsausbildung Befindliche, Behinderte und selbstständig Tätige unter bestimmten Voraussetzungen. Versicherungsfrei sind Beamte und ihnen gleichgestellte Beschäftigte.
Die Versicherungsbeiträge werden je zur Hälfte von Arbeitgeber und -nehmer getragen (zahlreiche Ausnahmen). Finanzierung und Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgen nach dem Solidaritätsprinzip. Rentenzahlung erfolgt bei Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), bei Berufsunfähigkeit, als Rente für Bergleute. Merke
Merke
Es gilt der Grundsatz: Rehabilitation vor Rentenleistung. Rehabilitationsleistungen sind u.a.: ärztliche Behandlung, Heilmittel, Krankengymnastik, Körperersatzstücke.
15.1.4 Private Versicherungen Private Versicherungen kommen für nicht pflichtversicherte Personen in Betracht.
15.2
Chirurgische Begutachtung
Gutachtenaufträge mit einem präzisen Fragenkatalog werden häufig von Gerichten, Staatsanwaltschaften oder Versicherungen angefordert.
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274 Zu unterscheiden sind Formulargutachten (nur wenig Raum für Antworten) und freie Gutachten, bei welchen der Gutachter den Umfang seiner Ausführungen selbst bestimmt. Form und Aufbau eines freien Gutachtens erfolgt nach bestimmten Regeln.
Einleitend sind der Auftraggeber, dessen Aktenzeichen, das Datum des Auftrags und das Eingangsdatum sowie die Personalien des zu Begutachtenden anzugeben. Die Fragestellung des Gutachtenauftrages ist wörtlich zu wiederholen. Es folgt eine knappe Sachverhaltsdarstellung aus den Aktenunterlagen. Die anschließende Anamnese des zu Begutachtenden berücksichtigt die gegenwärtigen Beschwerden und die Vorund Nebenerkrankungen. Die vom Gutachter durchgeführten Untersuchungen und erhobenen Befunde werden ohne jede Wertung wiedergegeben. Die Untersuchung umfasst den ganzen Körper, jede mögliche Verletzungsfolge muss berücksichtigt werden. Danach ist Raum für Diagnose(n), kritische Würdigung und Stellungnahmen. Das Ende des Gutachtens wiederholt die gestellten Fragen und gibt darauf knappe, eindeutige Antworten. Fremdwörter und insbesondere medizinische Fachausdrücke sind zu vermeiden.
15 Versicherungswesen und chirurgische Begutachtung Abgesehen von den oft verwendeten Formulargutachtenaufträgen, die meistens nur wenig Raum für die Antworten lassen, erfordern ausführliche Beurteilungen das freie Gutachten, das dem Gutachter überlässt, den Umfang der von ihm für notwendig erachteten Untersuchungen und seiner Ausführungen selbst zu bestimmen. Für die Form und den Aufbau des Gutachtens haben sich indessen gewisse Regeln gebildet, deren Beachtung dem Auftraggeber – fast ausnahmslos handelt es sich um medizinische Laien – Transparenz verschaffen und die Nachvollziehbarkeit medizinischer Beweisführung ermöglichen soll. Einleitend sind der Auftraggeber, sein Aktenzeichen, das Datum des Auftrags und seines Einganges beim Gutachter sowie die Personalien des zu begutachtenden Probanden zu benennen. Sodann ist die Fragestellung des Gutachtenauftrages wörtlich zu wiederholen. Es folgt eine knappe Darstellung des Sachverhalts, wie er sich aus den Aktenunterlagen ergibt. Der Auftraggeber kann daraus ersehen, ob der Gutachter für seine Beurteilung von denselben »Anknüpfungstatsachen« ausgeht wie er selbst. Danach ist die Anamnese des zu Begutachtenden wiederzugeben, die besonders seine Klagen über gegenwärtige Beschwerden und – soweit feststellbar – Angaben über Vor- und Nebenerkrankungen enthalten muss. Der nächste Abschnitt stellt – ohne jede Wertung – die vom Gutachter durchgeführten Untersuchungen und erhobenen Befunde dar. Beim freien Gutachten wird stets der ganze Körper untersucht, und jede denkbare Verletzungsfolge muss berücksichtigt werden. Erst in der Beurteilung ist Raum für die Diagnose(n), kritische Würdigungen und abschließende Stellungnahmen. Zum Schluss sind die gestellten Fragen zu wiederholen und die Antworten darauf knapp und eindeutig zu erteilen. Es sei noch einmal betont, dass sich das Gutachten fast immer an medizinische Laien richtet und auch für den Begutachteten selbst verständlich sein muss. Es ist deshalb von Fremdwörtern und insbesondere medizinischen Fachausdrücken frei zu halten; statt dessen sind die deutschen Begriffe zu verwenden (z.B. Blinddarmentzündung anstelle von Appendizitis).
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Teil B Spezielle Chirurgie B-1 B-2 B-3 B-4 B-5 B-6 B-7 B-8 B-9 B-10 B-11 B-12 B-13 B-14 B-15 B-16 B-17 B-18 B-19 B-20 B-21 B-22 B-23 B-24 B-25 B-26 B-27 B-28 B-29 B-30
Ösophagus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwerchfell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magen und Duodenum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dünndarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Appendix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kolon und Rektum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gallenblase und Gallenwege . . . . . . . . . . . . . Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Portale Hypertension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pankreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopie in der Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . Minimal-invasive Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . Hals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schilddrüse und Nebenschilddrüsen . . Nebenniere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Retroperitoneum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brustdrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hernien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weichteiltumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kinderchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefäßchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herzchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thoraxchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Traumatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Plastische Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B-31 Neurochirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
275 303 313 357 381 391 433 469 505 533 547 573 589 623 641 655 691 707 713 745 765 775 819 873 947 1001 1065 1249 1299 1321 1341
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
275 1
Ösophagus
1
Ösophagus
Anatomie
Mathias Löhnert, Horst Schaube 1.1
Anatomie
1.1
1.1.1
Topographische Anatomie
1.1.1 Topographische Anatomie
Der Ösophagus beginnt distal des Krikoidknorpels und ist 25–30 cm lang. Er schwankt in seinem Lumendurchmesser je nach Kontraktionszustand seiner Muskularis stark und wird in 3 Abschnitte unterteilt. Das proximale Ösophagusdrittel (Pars cervicalis), das sich vom oberen Ösophagussphinkter (OÖS) bis zur Trachealbifurkation erstreckt, das mittlere Drittel (Pars thoracica) von der Bifurkation bis zum Hiatus oesophagei im Zwerchfell und das distale Drittel (Pars abdominalis), das vom Hiatus bis zur Einmündung in den Magen reicht. In jedem Ösophagusdrittel finden sich umschriebene Einengungen des Lumens, die auch Ösophagusengen genannt werden. Die obere Ösophagusenge (Ösophagusmund) stellt die engste Stelle der Speiseröhre überhaupt dar, das Lumen kann hier einen maximalen Durchmesser von 1,5 cm erreichen. Sie wird durch die fehlende Dehnbarkeit des Ösophagus durch den Ringknorpel bedingt. Die mittlere Ösophagusenge befindet sich in Höhe der Bifurkation der Trachea und ist durch die Überkreuzung von linkem Hauptbronchus und Aortenbogen ausgelöst. Die untere Ösophagusenge entsteht beim Durchtritt der Speiseröhre durch das Zwerchfell. Wie bei dem gesamten Rumpfdarm unterscheidet man beim Ösophagus eine typische Wandschichtung: lumenwärts gelegen findet sich die Mukosa mit der Lamina epithelialis mucosae, der Lamina propria mucosae und der Lamina muscularis mucosae. Daran anschließend liegt die Submukosa gefolgt von der Muskularis, die in ein innen liegendes Stratum circulare und ein außen liegendes Stratum longitudinale unterteilt wird. Außen schließt sich die Adventitia oder Subserosa an. Eine Serosa fehlt. Die arterielle Gefäßversorgung der Speiseröhre erfolgt über Rr. oesophageales im proximalen Drittel aus Ästen der A. thyreoidea inferior, im mittleren Drittel direkt aus der Aorta thoracica und im abdominellen Abschnitt aus der A. gastrica sinistra. Der venöse Abfluss geschieht über einen ausgedehnten intra- und submukös gelegenen venösen Plexus, der über die Vv. oesophageales in die V. azygos abfließt und durch den Venenplexus Verbindung zu den Magenvenen hat (portokavale Anastomose). Die Lymphgefäße des Ösophagus bilden in der gesamten Wand ein engmaschiges, langgestrecktes Netz mit reichlich Queranastomosen. Dies begünstigt im Falle einer malignen Erkrankung der Speiseröhre die Absiedlung von Lymphknotenmetastasen auch in tumorferne Lymphknoten. Der Lymphabfluss erfolgt im oberen Drittel über zervikale, mediastinale, bronchiale und subklavikuläre Lymphknoten. Im mittleren und distalen Drittel dränieren sich die Lymphgefäße in Lymphknoten entlang der A. gastrica sinistra und des Truncus coeliacus. Die Innervation der Speiseröhre wird im proximalen Drittel durch Rr. oesophagei aus dem N. laryngeus recurrens beidseits vorgenommen. Im übrigen Ösophagus wird die nervale Steuerung durch den Plexus oesophageus übernommen, in den beide Nn. vagi einstrahlen.
1.1.2
Funktionelle Anatomie
Die Muskularis der Speiseröhre wird im oberen Drittel durch quergestreifte, in den unteren zwei Dritteln durch glatte Muskulatur gebildet. Die quergestreiften Muskeln im Halsteil stellen Ausläufer des M. constrictor pharyngis dar, der oberhalb des M. cricopharyngeus (oberer Ösophagussphinkter, OÖS) den Abschluss der Schlundmuskulatur bildet. Am Übergang vom M. constrictor pharyngis zum M. cricophayngeus entsteht an der dorsalen
Der Ösophagus ist 25–30 cm lang und schwankt in seinem Lumendurchmesser je nach Kontraktionszustand seiner Muskularis stark. Er wird in 3 Abschnitte unterteilt: π Pars cervicalis π Pars thoracica π Pars abdominalis. In jedem Ösophagusdrittel finden sich umschriebene Einengungen des Lumens: π obere Ösophagusenge (= Ösophagusmund; gebildet durch den Ringknorpel) π mittlere Ösophagusenge (Überkreuzung von linkem Hauptbronchus und Aortenbogen) π untere Ösophagusenge (Durchtritt durch den Hiatus oesophagei). Man findet im Ösophagus die für den gesamten Rumpfdarm typische Wandschichtung: Lumenwärts gelegen findet sich die Mukosa, daran anschließend liegt die Submukosa, gefolgt von der Muskularis. Außen schließt sich die Adventitia oder Subserosa an. Eine Serosa fehlt. Die arterielle Gefäßversorgung der Speiseröhre erfolgt über Rr. oesophageales aus der A. thyreoidea inferior, der Aorta thoracica und aus der A. gastrica sinistra. Der venöse Abfluss geschieht über einen venösen Plexus mit Dränage in die V. azygos und Verbindung zu den Magenvenen (portokavale Anastomose). Die Art der Lymphversorgung des Ösophagus begünstigt die Absiedlung von Lymphknotenmetastasen auch in tumorferne Lymphknoten. Der Lymphabfluss erfolgt dabei in zervikale, mediastinale, bronchiale und subklavikuläre Lymphknoten und in Lymphknoten entlang der A. gastrica sinistra und des Truncus coeliacus. Die Innervation der Speiseröhre erfolgt im proximalen Drittel durch den N. laryngeus recurrens beidseits, distal durch den Plexus oesophageus, in den beide Nn. vagi einstrahlen. 1.1.2 Funktionelle Anatomie Die Muskularis der Speiseröhre wird im oberen Drittel durch quergestreifte, in den unteren zwei Dritteln durch glatte Muskulatur gebildet. Am Übergang vom M. constrictor pharyngis (Schlundmuskel) zum M. cricopharyngeus
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276
1 Ösophagus
1 B-1.1
Synopsis Darstellung des Killian-Dreiecks
M. constrictor pharyngis inferior M. cricopharyngeus (sog. oberer Ösophagussphinkter)
Killian-Dreieck Laimer-Dreieck Ösophagus
Am Übergang von M. constrictor pharyngis inferior zum M. cricopharyngeus (OÖS) besteht ein muskelschwaches Dreieck = Killian-Dreieck. Hier liegt die Durchtrittsstelle des Zenker-Divertikels.
(oberer Ösophagussphinkter, OÖS) entsteht eine muskelschwache Stelle, das Killian-Dreieck. Hier liegt die Durchtrittsstelle des Zenker-Divertikels ( 1 B-1.1). Der untere Ösophagussphinkter (UÖS) entsteht durch eine spiralförmige Anordnung der Muskelzüge der Längsmuskelschicht und hat einen Ruhetonus von ca. 20 mmHg. Unter primärer Peristaltik versteht man Propulsivmotorik im Ösophagus mit gleichzeitiger schluckreflektorischer Erschlaffung der Sphinkteren, während die sekundäre Peristaltik propulsive Kontraktionen sind, die durch lokale Dehnungsreize im Ösophagus ausgelöst werden. Tertiäre Peristaltik besteht aus ungeordneten, nicht propulsiven Kontraktionen der Ösophaguswand.
Wand eine muskelschwache Stelle, an der nur Ringfasern vorliegen, das Killian-Dreieck. Hier liegt als Locus minoris resistentiae die Durchtrittsstelle des Zenker-Divertikels ( 1 B-1.1). Der untere Ösophagussphinkter (UÖS) entsteht durch eine spiralförmige, sich überkreuzende Anordnung der Muskelzüge der Längsmuskelschicht unmittelbar kranial des ösophagogastrischen Überganges, ohne Ausbildung einer eigentlichen Sphinktermuskulatur. Er besitzt in Ruhe einen Tonus von ca. 20 mmHg und verhindert so, dass saurer Mageninhalt in ständigen Kontakt mit der säureempfindlichen Ösophagusschleimhaut gelangt. Kommt es im Rahmen eines Schluckaktes zu einer propulsiven Welle im Ösophagus, so entsteht eine nach distal wandernde Hochdruckzone von bis zu 60 mmHg. Gleichzeitig erfolgt eine schluckreflektorische Erschlaffung der Sphinkteren. Diese Propulsionsmotorik wird zusammen mit der reflektorischen Sphinktererschlaffung auch als primäre Peristaltik bezeichnet. Unter einer sekundären Peristaltik versteht man propulsive Kontraktionen, die durch lokale Dehnungsreize im Ösophagus ausgelöst werden. Die tertiäre Peristaltik besteht aus ungeordneten, nicht propulsiven Kontraktionen der Ösophaguswand.
1.2
1.2
Diagnostik
Die Anamnese ist für die richtige Weichenstellung zur invasiven Diagnostik der Ösophaguserkrankungen von ausschlaggebender Bedeutung. Das Leitsymptom von Erkrankungen des Ösophagus ist die Dysphagie (schmerzlose Passagehemmung geschluckter Nahrung) oder seltener die Odynophagie (schmerzhafte Dysphagie). Charakteristisch ist die Zunahme der Dysphagie bei Progredienz der zugrunde liegenden Erkrankung.
Diagnostik
Wie bei allen Krankheiten ist auch bei Erkrankungen des Ösophagus die Anamnese mit genauer Erfassung der typischen Beschwerden für die richtige Weichenstellung zur invasiven Diagnostik von ausschlaggebender Bedeutung. Das Leitsymptom von Erkrankungen des Ösophagus ist die Dysphagie (schmerzlose Passagehemmung geschluckter Nahrung) oder seltener die Odynophagie (schmerzhafte Dysphagie) bedingt durch die Passagebehinderung der Speisen. Die Patienten bemerken typischerweise ein Druckgefühl retrosternal, wenn Nahrung geschluckt wurde. Charakteristisch ist die Zunahme der Dysphagie z.B. bei Progredienz der zugrunde liegenden Erkrankung: Zunächst muss die feste Nahrung nur sorgfältig gekaut werden, während später nur noch passierte Kost, Breikost oder flüssige Kost die Speiseröhre passieren kann. Erstaunlich ist in vielen Fällen, wie lange Passagestörungen von Patienten toleriert werden und welche Adaptationsmechanismen angewendet werden, ehe ein Arztbesuch erfolgt.
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1 Ösophagus
1 B-1.1
Synopsis Darstellung des Killian-Dreiecks
M. constrictor pharyngis inferior M. cricopharyngeus (sog. oberer Ösophagussphinkter)
Killian-Dreieck Laimer-Dreieck Ösophagus
Am Übergang von M. constrictor pharyngis inferior zum M. cricopharyngeus (OÖS) besteht ein muskelschwaches Dreieck = Killian-Dreieck. Hier liegt die Durchtrittsstelle des Zenker-Divertikels.
(oberer Ösophagussphinkter, OÖS) entsteht eine muskelschwache Stelle, das Killian-Dreieck. Hier liegt die Durchtrittsstelle des Zenker-Divertikels ( 1 B-1.1). Der untere Ösophagussphinkter (UÖS) entsteht durch eine spiralförmige Anordnung der Muskelzüge der Längsmuskelschicht und hat einen Ruhetonus von ca. 20 mmHg. Unter primärer Peristaltik versteht man Propulsivmotorik im Ösophagus mit gleichzeitiger schluckreflektorischer Erschlaffung der Sphinkteren, während die sekundäre Peristaltik propulsive Kontraktionen sind, die durch lokale Dehnungsreize im Ösophagus ausgelöst werden. Tertiäre Peristaltik besteht aus ungeordneten, nicht propulsiven Kontraktionen der Ösophaguswand.
Wand eine muskelschwache Stelle, an der nur Ringfasern vorliegen, das Killian-Dreieck. Hier liegt als Locus minoris resistentiae die Durchtrittsstelle des Zenker-Divertikels ( 1 B-1.1). Der untere Ösophagussphinkter (UÖS) entsteht durch eine spiralförmige, sich überkreuzende Anordnung der Muskelzüge der Längsmuskelschicht unmittelbar kranial des ösophagogastrischen Überganges, ohne Ausbildung einer eigentlichen Sphinktermuskulatur. Er besitzt in Ruhe einen Tonus von ca. 20 mmHg und verhindert so, dass saurer Mageninhalt in ständigen Kontakt mit der säureempfindlichen Ösophagusschleimhaut gelangt. Kommt es im Rahmen eines Schluckaktes zu einer propulsiven Welle im Ösophagus, so entsteht eine nach distal wandernde Hochdruckzone von bis zu 60 mmHg. Gleichzeitig erfolgt eine schluckreflektorische Erschlaffung der Sphinkteren. Diese Propulsionsmotorik wird zusammen mit der reflektorischen Sphinktererschlaffung auch als primäre Peristaltik bezeichnet. Unter einer sekundären Peristaltik versteht man propulsive Kontraktionen, die durch lokale Dehnungsreize im Ösophagus ausgelöst werden. Die tertiäre Peristaltik besteht aus ungeordneten, nicht propulsiven Kontraktionen der Ösophaguswand.
1.2
1.2
Diagnostik
Die Anamnese ist für die richtige Weichenstellung zur invasiven Diagnostik der Ösophaguserkrankungen von ausschlaggebender Bedeutung. Das Leitsymptom von Erkrankungen des Ösophagus ist die Dysphagie (schmerzlose Passagehemmung geschluckter Nahrung) oder seltener die Odynophagie (schmerzhafte Dysphagie). Charakteristisch ist die Zunahme der Dysphagie bei Progredienz der zugrunde liegenden Erkrankung.
Diagnostik
Wie bei allen Krankheiten ist auch bei Erkrankungen des Ösophagus die Anamnese mit genauer Erfassung der typischen Beschwerden für die richtige Weichenstellung zur invasiven Diagnostik von ausschlaggebender Bedeutung. Das Leitsymptom von Erkrankungen des Ösophagus ist die Dysphagie (schmerzlose Passagehemmung geschluckter Nahrung) oder seltener die Odynophagie (schmerzhafte Dysphagie) bedingt durch die Passagebehinderung der Speisen. Die Patienten bemerken typischerweise ein Druckgefühl retrosternal, wenn Nahrung geschluckt wurde. Charakteristisch ist die Zunahme der Dysphagie z.B. bei Progredienz der zugrunde liegenden Erkrankung: Zunächst muss die feste Nahrung nur sorgfältig gekaut werden, während später nur noch passierte Kost, Breikost oder flüssige Kost die Speiseröhre passieren kann. Erstaunlich ist in vielen Fällen, wie lange Passagestörungen von Patienten toleriert werden und welche Adaptationsmechanismen angewendet werden, ehe ein Arztbesuch erfolgt.
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1.2.1 Röntgen
n Merke. Jede Dysphagie muss diagnostisch weiter abgeklärt werden (Röntgen, Endoskopie).
Weitere Symptome ösophagealer Erkrankungen sind Globusgefühl (Fremdkörpergefühl), retrosternale Schmerzen oder Druckgefühl, Sodbrennen, Regurgitation von Nahrung und seltener Husten (z.B. bei Aspiration oder Fisteln zum Trachealsystem), Foetor ex ore oder Singultus ( 2 B-1.1). Jedes dieser Symptome sollte den behandelnden Arzt an eine Erkrankung des Ösophagus denken und diese durch weitergehende Diagnostik ausschließen lassen.
2 B-1.1
Merke
Weitere Symptome ösophagealer Erkrankungen sind Globusgefühl, retrosternale Schmerzen oder Druckgefühl, Sodbrennen, Regurgitation von Nahrung und seltener Husten, Foetor ex ore oder Singultus ( 2 B-1.1). Jedes dieser Symptome sollte weiter abgeklärt werden.
Leitsymptome ösophagealer Erkrankungen und deren häufigste Ursachen
Symptom
Krankheit
N Dysphagie n π
Phase I: Mund bis Ösophagus
neuromuskuläre Erkrankungen
π
Phase II: Ösophagus
π
Phase III: distaler Ösophagus bis Magen
Ösophagitis Divertikel oder Ulzera im Ösophagus Tumoren Strikturen Verätzungen Spasmen Kompression von außen Achalasie peptische Stenose Striktur, distales Ösophaguskarzinom Kardiakarzinom
N Regurgitation, Erbrechen n
N Schmerz n π Sodbrennen π
retrosternaler Schmerz
N Husten n
peptische Stenose Tumorstenose Zenker-Divertikel Achalasie gastroösophagealer Reflux bei Kardiainsuffizienz Fremdkörperingestion Ösophagitis Tumor paraösophageale Hernie Aspiration bei neuromuskulären Erkrankungen, Ösophagusatresie, Achalasie ösophagotracheale Fistel nach Fremdkörperingestion, Ösophagusatresie nach Radiatio von Tumoren, iatrogen nach endoskopischen Manövern
1.2.1
Röntgen
Die Röntgenuntersuchung des Ösophagus erfolgt idealerweise mit Bariumsulfatbrei (Breischluck), um eine optimale Darstellung der Schleimhautoberfläche zu erhalten. Besteht klinisch der Verdacht auf eine Erkrankung mit hochgradiger Stenose (Aspirationsgefahr!) oder auf eine die gesamte Wandschicht durchsetzende Läsion (V.a. gedeckte Perforation oder Fistel), so sollte aus Sicherheitsgründen trotz der schlechteren Bildqualität die Untersuchung mit wasserlöslichen Kontrastmitteln durchgeführt werden (z.B. Gastrografin). Durch das Kontrastmittelröntgen lassen sich neben Lage und Form des Ösophagus auch Stenosen, Divertikel, Hiatushernien, Wanddefekte und einige funktionelle Störungen nachweisen. In 1 B-1.2 sind neben einem Normalbefund typische röntgenologische Befunde schematisch dargestellt, die zu Passagestörungen führen können.
1.2.1 Röntgen Die Röntgenuntersuchung des Ösophagus erfolgt idealerweise mit Bariumsulfatbrei. Bei Verdacht auf eine Erkrankung mit hochgradiger Stenose (Aspirationsgefahr!) oder auf eine die gesamte Wandschicht durchsetzende Läsion (v.a. gedeckte Perforation oder Fistel), sollte die Untersuchung mit Gastrografin durchgeführt werden. Durch das Kontrastmittelröntgen lassen sich neben Lage und Form des Ösophagus auch Stenosen, Divertikel, Hiatushernien, Wanddefekte und einige funktionelle Störungen nachweisen ( 1 B-1.2).
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278
1 Ösophagus
1 B-1.2
Synopsis Schematische Darstellung typischer Röntgenbefunde am Ösophagus
a Normalbefund.
b Idiopathischer Ösophagusspasmus.
c Achalasie.
d Karzinom.
Endoskopie
1.2.2 Endoskopie
1.2.2
Der Vorteil der Endoskopie liegt in der Möglichkeit, die Schleimhaut direkt zu beurteilen und ggf. Biopsien zu entnehmen. Die flexible ÖsophagoGastro-Duodenoskopie (ÖGD) stellt eine einfache und komplikationsarme Untersuchung dar, die die Röntgenuntersuchung mittlerweile als wichtigstes diagnostisches Verfahren für den oberen Gastrointestinaltrakt abgelöst hat. Therapeutische Ansätze in der flexiblen Endoskopie sind z. B. die Primärbehandlung akuter Blutungen (durch Obliteration, Sklerosierung, Gummiligatur, Unterspritzung und Klippung), die Bougierung von Stenosen, Einlage von Tuben, Lasertherapie und die pneumatische Dilatation bei Achalasie.
Der Vorteil der Endoskopie gegenüber der Röntgenkontrastdarstellung liegt in der Möglichkeit, die Schleimhaut direkt zu beurteilen und ggf. Biopsien zu entnehmen. Da mit Einführung der flexiblen Geräte die Ösophago-GastroDuodenoskopie (ÖGD) zu einem einfachen und in den Händen eines erfahrenen Untersuchers komplikationsarmen diagnostischen Verfahren wurde, hat die flexible Endoskopie die Röntgenuntersuchung mittlerweile als wichtigstes diagnostisches Verfahren für den oberen Gastrointestinaltrakt abgelöst. Die starre Ösophagoskopie ist wegen der Komplikationsgefahren nur noch selten indiziert. Die flexible Endoskopie des oberen Gastrointestinaltraktes (GIT) dient nicht nur der Diagnostik der ösophagealen Erkrankungen, sondern auch deren Therapie: Hierzu gehört z.B. die Blutstillung bei Ösophagusvarizenblutungen, Blutungen bei Mallory-Weiss-Syndrom oder bei Magenulzera. Die Blutstillung wird dabei durch Obliteration von frisch blutenden Varizen mit Histoacryl-Gewebekleber, Sklerosierung von blutenden Gefäßen im Ösophagus oder Magen durch Injektion von Poldocanol (ÄthoxysklerolQ) mit Induktion einer Fibrosierung, Unterspritzung von Ulzera (z.B. mit Suprarenin, Thrombin oder Fibrin) oder Klippung von Gefäßstümpfen mittels speziell hierfür entwickelter Clips durchgeführt. Endoskopische Techniken werden ferner zur Bougierung von Ösophagusstenosen, zur palliativen Einlage von Tuben bei malignen Stenosen, zur Lasertherapie bei Ösophaguskarzinomen und zur pneumatischen Dilatation bei Achalasie eingesetzt.
1.2.3 Endosonographie
1.2.3
Die Endosonographie des Ösophagus lässt sich mit 2 Schallgeräten durchführen: zum einen mit flexiblen Endoskopen, an deren Spitze zusätzlich ein Ultraschallscanner angebracht ist (endoskopische Ultraschalluntersuchung = EUS). Zum anderen kommen Geräte zum Einsatz, die vom Patienten geschluckt werden und ohne endoskopische Führung im Ösophagus platziert werden (ES).
Die Endosonographie des Ösophagus ist zum einen mit flexiblen Endoskopen durchführbar, an deren Spitze zusätzlich ein Ultraschallscanner angebracht ist (endoskopische Ultraschalluntersuchung = EUS). Zum anderen kommen Geräte zum Einsatz, die vom Patienten geschluckt werden und ohne endoskopische Führung im Ösophagus platziert werden (ES). Der Nachteil dieser meist zur internen Echokardiographie verwendeten Sonden liegt darin, dass die Lage der Sonde in einem pathologischen Schleimhautgebiet nicht optisch überprüft werden kann. Außerdem können diese Endosonosonden Stenosen z.B. bei Karzinomen oft nicht überwinden.
Endosonographie
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1.2.6 pH-Metrie Aus diesen Gründen hat sich bei der Endosonographie des Ösophagus die EUS durchgesetzt. Bei dieser aufwendigen Untersuchungsmethode werden flexible Endoskope benutzt, an deren Gerätekopf Schallwandler sitzen. Diese Schallwandler (Scanner) arbeiten mit Frequenzen zwischen 7 und 20 MHz und ermöglichen so eine sehr genaue Darstellung der Ösophaguswand und deren Umgebung. Während der Ultraschalluntersuchung kann der Untersucher gleichzeitig die korrekte Lage des Schallkopfes mit der Glasfaseroptik kontrollieren und ggf. das Endoskop unter Sicht durch Stenosen lenken. Mit der EUS lassen sich Ösophagustumoren genauer als mit jeder anderen bildgebenden Untersuchung orientiert an der TNM-Klassifikation in Tumorstadien einteilen, Lymphknotenmetastasen entdecken und Infiltrationen in Nachbarorgane darstellen.
1.2.4
CT, MRT
Die Computertomographie (CT) und Kernspintomographie (MRT, NMR, MRI) erlauben die Darstellung größerer Tumoren der Speiseröhrenwand und die Unterscheidung auf die Ösophaguswand begrenzter und die Wand überschreitender Tumoren. Außerdem können diese bildgebenden Verfahren extraluminale Lymphknoten und Tumoren ab einer Größe von ca. 1 cm nachweisen. Sowohl CT als auch NMR liegen beim Tumorstaging nach dem TNM-System in ihrer Genauigkeit deutlich hinter der Endosonographie.
1.2.5
Ösophagusmanometrie
Bei der Manometrie des Ösophagus werden Katheter verwendet, die mit einer definierten Flüssigkeitsmenge je Zeiteinheit perfundiert werden (Perfusionsmanometrie). Man unterscheidet dabei die stationäre Manometrie, bei der der Katheter an einer bestimmten Stelle im Ösophagus liegen bleibt, und die Durchzugsmanometrie, bei der der Katheter mit einer definierten Geschwindigkeit im Ösophagus zurückgezogen wird. Die stationäre Manometrie ermöglicht funktionelle und qualitative Aussagen über die Ösophagusmotilität, während die Durchzugsmanometrie in der Lage ist, den unteren Ösophagussphinkter zu lokalisieren, dessen Länge zu messen und seine Funktion zu analysieren. Indikationen für die Ösophagusmanometrie ergeben sich somit bei Verdacht auf funktionelle Erkrankungen der Speiseröhre (z.B. Achalasie) und bei Refluxkrankheit.
1.2.6
pH-Metrie
Die Bestimmung des pH-Wertes in der Speiseröhre erfolgt am sinnvollsten im Rahmen einer 24-Stunden-pH-Metrie, bei der über einen in den Ösophagus eingelegten Sondenkatheter über 24 Stunden der pH-Wert im Ösophagus gemessen und aufgezeichnet wird. Die 24-Stunden-pH-Metrie bietet die Möglichkeit, den gastroösophagealen Reflux direkt zu erfassen und somit subjektive Refluxbeschwerden, die endoskopisch kein organpathologisches Korrelat zeigen, zu verifizieren.
Die EUS hat sich im oberen GIT durchgesetzt, da mit ihr eine optische Kontrolle der Schallkopflage und eine Passage von Stenosen einfacher möglich ist. Mit der EUS lassen sich Ösophagustumoren genauer als mit jeder anderen bildgebenden Untersuchung orientiert an der TNM-Klassifikation in Tumorstadien einteilen. Lymphknotenmetastasen entdecken und Infiltrationen in Nachbarorgane darstellen.
1.2.4 CT, MRT Die Computertomographie (CT) und Kernspintomographie (MRT, NMR, MRI) erlauben die Darstellung größerer Tumoren der Speiseröhrenwand und extraluminaler Lymphknoten und Tumoren ab ca. 1 cm Größe. CT und NMR liegen beim Tumorstaging nach dem TNM-System in ihrer Genauigkeit hinter der Endosonographie. 1.2.5 Ösophagusmanometrie Bei der Perfusionsmanometrie der Speiseröhre unterscheidet man die stationäre Manometrie (funktionelle und qualitative Aussagen über die Ösophagusmotilität) und die Durchzugsmanometrie (Lokalisation und Funktionsmessung des unteren Ösophagussphinkters). Indikationen für die Ösophagusmanometrie ergeben sich bei Verdacht auf funktionelle Erkrankungen der Speiseröhre (Achalasie) und bei Refluxkrankheit.
1.2.6 pH-Metrie Die pH-Metrie erfolgt am sinnvollsten im Rahmen einer 24-Stunden-pHMetrie. Sie bietet die Möglichkeit, den gastroösophagealen Reflux direkt zu erfassen und somit subjektive Refluxbeschwerden, die endoskopisch kein organpathologisches Korrelat zeigen, zu verifizieren.
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280 1.3
Missbildungen
1.3.1 Ösophagusatresie Definition
Die Ösophagusatresien werden nach Vogt eingeteilt (s. a. Kap. B-23.1.4). Die häufigste Form ist die Atresie nach Vogt III B mit proximalem Blindverschluss und distaler ösophagotrachealer Fistel. Symptome. Pränatal liegt ein Hydramnion vor, post partum fällt ein schaumiger Speichelfluss auf. Es besteht Aspirationsgefahr. Merke
1 Ösophagus
1.3
Missbildungen
1.3.1
Ösophagusatresie
n Definition. Die Ösophagusatresie tritt mit einer Häufigkeit von ca. 1:2000–3000 Geburten auf und beruht auf einer Differenzierungsstörung des primären Vorderdarmes, aus dem sich in der frühen Fetalphase Trachea, Lunge und Ösophagus differenzieren. Sie ist meist mit einer ösophagotrachealen Fistelbildung und zusätzlichen Fehlbildungen kombiniert.
Die Ösophagusatresien werden je nach Fistelbildung und Atresielage nach Vogt eingeteilt (s. a. Kap. B-23.1.4). Die mit 90 % häufigste Form ist die Atresie nach Vogt III B, bei der ein proximaler Blindsack des Ösophagus und Anschluss des distalen Ösophagusteiles über eine Fistel an das Trachealsystem vorliegt. Symptome. Die Diagnose lässt sich bereits durch den Nachweis eines Hydramnions stellen. Post partum fällt ein schaumiger Speichelfluss aus dem Mund auf, bei Fütterungsversuchen kommt es zur Aspiration. n Merke. Die Diagnose einer Atresie muss möglichst frühzeitig gestellt werden, um eine Aspiration zu vermeiden. Deshalb ist bei jedem Neugeborenen eine Sondierung des Ösophagus dringend notwendig!
Therapie. Präoperativ wichtig ist die Vermeidung einer Aspiration (Lagerung mit aufrechtem Oberkörper, Einbringen einer Sonde in den proximalen Ösophagussack, parenterale Ernährung). Die operative Therapie besteht in der Anlage einer End-zu-End-Anastomose.
Therapie. Präoperativ sollte möglichst eine Aspiration verhindert werden (Lagerung mit aufrechtem Oberkörper, Einbringen einer Sonde in den proximalen Ösophagussack, parenterale Ernährung, Flüssigkeits- und SäureBasen-Bilanzierung). Die endgültige Therapie erfolgt durch eine operative Korrektur, wobei eine primäre End-zu-End-Anastomose angestrebt werden sollte.
1.3.2 Dysphagia lusoria
1.3.2
Definition
Dysphagia lusoria
n Definition. Lumeneinengung des Ösophagus im oberen Drittel durch Kompression von außen durch eine Gefäßanomalie (z.B. doppelter Aortenbogen, aberrierende A. subclavia dextra).
Symptome. Es kann zu Schluckstörungen und seltener auch Atembeschwerden kommen.
Symptome. Durch die Kompression kann es zu Schluckstörungen und selte-
Diagnose. Wird mittels Röntgenbreischluck oder Endoskopie gestellt.
Diagnose. Die Diagnose lässt sich durch einen Röntgenbreischluck oder Endoskopie stellen.
Therapie. Therapeutisch ist eine gefäßchirurgische Korrektur der Anomalie angezeigt.
Therapie. Therapeutisch ist eine gefäßchirurgische Korrektur der Anomalie (Gefäßligatur, Gefäßplastik oder -transposition) angezeigt.
1.3.3 Kongenitale Ösophagusstenose
1.3.3
Definition
Symptome. Regurgitation und Dysphagie sind typische, oft erst Wochen nach der Geburt auftretende Symptome.
ner auch Atembeschwerden kommen.
Kongenitale Ösophagusstenose
n Definition. Diese seltene Anomalie entsteht durch eine fibröse oder fibromuskuläre Wandverdickung, die in jeder Höhe des Ösophagus auftreten kann. Man unterscheidet je nach radiologischem Befund die Sanduhrstenose von der Einengung durch eine umschriebene Membran oder exzentrische Stenosen.
Symptome. Es treten die typischen Symptome einer Ösophagusstenose auf (Regurgitation, Dysphagie), jedoch oft erst einige Wochen nach der Geburt.
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281
1.4.1 Ösophagitis
Diagnose. Die Diagnose wird durch die Endoskopie oder Röntgenuntersuchung verifiziert.
Diagnose. Wird mittels Röntgenuntersuchung oder Endoskopie verifiziert.
Therapie. Sie orientiert sich am Stenosetyp. Es kommen die endoskopische Bougierung/Spaltung oder die operative Resektion bei langstreckigen oder hochgradigen Stenosen in Frage.
Therapie. Therapeutisch kommen die endoskopische Bougierung/Spaltung oder die operative Resektion in Frage.
1.3.4
Schatzki-Ring
1.3.4 Schatzki-Ring
Synonyme: unterer Ösophagusring n Definition. Bei Vorliegen einer axialen Hiatushernie kann es im Übergangsbereich von Zylinder- zum Plattenepithel zu einer segelartigen ringförmigen Einengung des Lumens kommen ( 1 B-1.3).
1 B-1.3
Definition
Schatzki-Ring Endoskopisches Bild einer Hiatusgleithernie mit Membranbildung (sog. »SchatzkiRing«).
möglich.
Symptome. Bei engem Durchmesser des Ringes sind Dysphagiesymptome
Symptome. Dysphagiesymptome sind möglich.
Diagnose. Die Diagnose wird mittels Endoskopie gestellt.
Diagnose. Erfolgt endoskopisch.
Therapie. Die Therapie besteht in der endoskopischen Spaltung des Ringes.
Therapie. Endoskopische Spaltung des Ringes.
1.4
Entzündungen
Die häufigste Form der Ösophagitis ist die Refluxösophagitis (s. a. S. 284 ff.). Andere Ösophagitiden treten im Rahmen spezifischer Erkrankungen des Ösophagus auf.
1.4.1
Ösophagitis
Nach der Refluxösophagitis ist die Soorösophagitis die häufigste Entzündung, die in der Speiseröhre angetroffen wird. Sie tritt bei immunsupprimierten Patienten sowie nach Antibiotikatherapie, Zytostatikagabe und Behandlung mit Steroiden auf. Weitere Formen sind Enzündungen im Rahmen von Tuberkulose, Herpes, Diphtherie und Lues. Die Therapie richtet sich jeweils nach der Grunderkrankung.
1.4
Entzündungen
Die häufigste Form der Ösophagitis ist die Refluxösophagitis (s. a. S. 284 ff.).
1.4.1 Ösophagitis Nach der Refluxösophagitis ist die Soorösophagitis die häufigste Entzündung. Weitere Formen sind Entzündungen im Rahmen von Tuberkulose, Herpes, Diphtherie und Lues. Die Therapie richtet sich jeweils nach der Grunderkrankung.
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282 1.4.2 Plummer-Vinson-Syndrom Definition
1 Ösophagus 1.4.2
Plummer-Vinson-Syndrom
n Definition. Erkrankung unbekannter Ätiologie bei Eisenmangelanämie mit Ausbildung von fibrinösen Membranen am Ösophaguseingang, begleitet von einer Glossitis.
Epidemiologie. Betroffen sind besonders Frauen über 40 Jahre.
Epidemiologie. Diese Erkrankung befällt überwiegend Frauen, die älter als
Symptome. Dysphagie
Symptome. Klinisch imponiert eine Dysphagie.
Komplikationen. Es besteht ein Entartungsrisiko von 10 %.
Komplikationen. Bei ca. 10 % der Patienten ist eine karzinomatöse Entar-
40 Jahre sind.
tung zu erwarten.
Therapie. Die klinischen Beschwerden bessern sich nach Eisen-Substitu-
Therapie. Sie besteht in EisenSubstitution.
tion.
1.5
1.5
Motilitätsstörungen
1.5.1
Krikopharyngeale Achalasie
Motilitätsstörungen
1.5.1 Krikopharyngeale Achalasie
Synonym: hohe Achalasie Definition
Man unterscheidet eine primäre Form (idiopathische Innervationsstörung) von einer sekundären Form (im Rahmen genereller neuromuskulärer Erkrankungen, z.B. bei Morbus Parkinson, multipler Sklerose, oft vergesellschaftet mit einem ZenkerDivertikel). Symptome. Typische Symptome sind Schluckstörungen, Globusgefühl und rezidivierende Aspirationen.
n Definition. Der krikopharyngealen Achalasie liegt eine Funktionsstörung der Muskulatur am oberen Ösophagussphinkter (OÖS) zugrunde. Beim Übertritt von Nahrung im Rahmen des Schluckaktes aus dem Schlund in den Ösophagus erschlafft die Muskulatur des OÖS nicht, sodass die Passage des Nahrungsbreies durch den Ösophagusmund erschwert wird (Öffnungslähmung).
Hierbei liegt kein Spasmus (= Tonuserhöhung) der Sphinktermuskulatur vor, es fehlt lediglich die physiologische Relaxierung des OÖS. Man unterscheidet dabei eine primäre Form (idiopathische Innervationsstörung) von einer sekundären Form (im Rahmen genereller neuromuskulärer Erkrankungen, z.B. bei Morbus Parkinson, multipler Sklerose, oft vergesellschaftet mit einem Zenker-Divertikel (s. S. 294 ff.).
Symptome. Die Patienten klagen über Schluckstörungen und Globusgefühl, oft lassen sich anamnestisch rezidivierende Hustenanfälle oder Bronchopneumonien als Ausdruck rezidivierender Aspiration erfragen.
Diagnose. Sie wird durch eine Röntgenkinematographie oder Manometrie nach Ausschluss eines zervikalen Bandscheibenprolaps gestellt.
Diagnose. Sie wird radiologisch durch die Kinematographie oder mittels der Ösophagusmanometrie gestellt. Differenzialdiagnostisch müssen zervikale Bandscheibenvorfälle ausgeschlossen werden.
Therapie. Therapeutisch wird eine Myotomie des OÖS durchgeführt.
Therapie. Therapeutisch wird – wie bei einem Zenker-Divertikel eine Myotomie des OÖS durchgeführt.
1.5.2 Achalasie
1.5.2
Definition
Achalasie
n Definition. Die Achalasie entsteht durch eine Degeneration des Plexus myentericus Auerbach der glatten Muskulatur des Ösophagus. Durch diese Degeneration kommt es zu einer ungeordneten Propulsivmotorik der Ösophagusmuskulatur und einer gestörten schluckreflektorischen Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters (UÖS).
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
282 1.4.2 Plummer-Vinson-Syndrom Definition
1 Ösophagus 1.4.2
Plummer-Vinson-Syndrom
n Definition. Erkrankung unbekannter Ätiologie bei Eisenmangelanämie mit Ausbildung von fibrinösen Membranen am Ösophaguseingang, begleitet von einer Glossitis.
Epidemiologie. Betroffen sind besonders Frauen über 40 Jahre.
Epidemiologie. Diese Erkrankung befällt überwiegend Frauen, die älter als
Symptome. Dysphagie
Symptome. Klinisch imponiert eine Dysphagie.
Komplikationen. Es besteht ein Entartungsrisiko von 10 %.
Komplikationen. Bei ca. 10 % der Patienten ist eine karzinomatöse Entar-
40 Jahre sind.
tung zu erwarten.
Therapie. Die klinischen Beschwerden bessern sich nach Eisen-Substitu-
Therapie. Sie besteht in EisenSubstitution.
tion.
1.5
1.5
Motilitätsstörungen
1.5.1
Krikopharyngeale Achalasie
Motilitätsstörungen
1.5.1 Krikopharyngeale Achalasie
Synonym: hohe Achalasie Definition
Man unterscheidet eine primäre Form (idiopathische Innervationsstörung) von einer sekundären Form (im Rahmen genereller neuromuskulärer Erkrankungen, z.B. bei Morbus Parkinson, multipler Sklerose, oft vergesellschaftet mit einem ZenkerDivertikel). Symptome. Typische Symptome sind Schluckstörungen, Globusgefühl und rezidivierende Aspirationen.
n Definition. Der krikopharyngealen Achalasie liegt eine Funktionsstörung der Muskulatur am oberen Ösophagussphinkter (OÖS) zugrunde. Beim Übertritt von Nahrung im Rahmen des Schluckaktes aus dem Schlund in den Ösophagus erschlafft die Muskulatur des OÖS nicht, sodass die Passage des Nahrungsbreies durch den Ösophagusmund erschwert wird (Öffnungslähmung).
Hierbei liegt kein Spasmus (= Tonuserhöhung) der Sphinktermuskulatur vor, es fehlt lediglich die physiologische Relaxierung des OÖS. Man unterscheidet dabei eine primäre Form (idiopathische Innervationsstörung) von einer sekundären Form (im Rahmen genereller neuromuskulärer Erkrankungen, z.B. bei Morbus Parkinson, multipler Sklerose, oft vergesellschaftet mit einem Zenker-Divertikel (s. S. 294 ff.).
Symptome. Die Patienten klagen über Schluckstörungen und Globusgefühl, oft lassen sich anamnestisch rezidivierende Hustenanfälle oder Bronchopneumonien als Ausdruck rezidivierender Aspiration erfragen.
Diagnose. Sie wird durch eine Röntgenkinematographie oder Manometrie nach Ausschluss eines zervikalen Bandscheibenprolaps gestellt.
Diagnose. Sie wird radiologisch durch die Kinematographie oder mittels der Ösophagusmanometrie gestellt. Differenzialdiagnostisch müssen zervikale Bandscheibenvorfälle ausgeschlossen werden.
Therapie. Therapeutisch wird eine Myotomie des OÖS durchgeführt.
Therapie. Therapeutisch wird – wie bei einem Zenker-Divertikel eine Myotomie des OÖS durchgeführt.
1.5.2 Achalasie
1.5.2
Definition
Achalasie
n Definition. Die Achalasie entsteht durch eine Degeneration des Plexus myentericus Auerbach der glatten Muskulatur des Ösophagus. Durch diese Degeneration kommt es zu einer ungeordneten Propulsivmotorik der Ösophagusmuskulatur und einer gestörten schluckreflektorischen Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters (UÖS).
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1.5.2 Achalasie Bei der Achalasie handelt es sich somit, genau wie bei der krikopharyngealen Achalasie, nicht um einen Spasmus, sondern um eine Öffnungslähmung der Sphinktermuskulatur. Durch den Rückstau der Nahrung, die den nicht erschlafften Sphinkter nicht passieren kann, kommt es sekundär zu einem Megaösophagus, der sich radiologisch in der tpyischen Weitstellung vor einer trichterförmigen distalen Einengung des Ösophagus manifestiert.
Ätiologie. Anscheinend spielen psychische Faktoren bei der Auslösung der
Krankheit eine Rolle; es werden aber auch infektiöse Faktoren sowie Störungen im autonomen Nervensystem als Ursachen diskutiert. Eine symptomatische Form der Achalasie ist im Rahmen der Chagas-Krankheit beschrieben.
Symptome. Die Achalasie kann in jedem Alter auftreten, wird aber gehäuft im 3.–6. Dezennium beobachtet. Das Leitsymptom stellt die Dysphagie dar, oft in Verbindung mit Regurgitation direkt nach dem Essen. Durch die Regurgitationen und Aspiration kann es zu rezidivierenden Atemwegsinfekten bis hin zu chronischen Bronchopneumonien kommen. Postprandial klagen die Patienten über retrosternale Schmerzen. Bei langfristigem Bestehen sind Untergewicht und Zeichen einer Mangelernährung möglich. Bei langjährigem Bestehen ist das Risiko der Karzinomentstehung erhöht. Diagnose. Mittels einer Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) lässt sich
283 Die Achalasie ist eine Öffnungslähmung des UÖS. Sekundär kommt es zu einem Megaösophagus.
Ätiologie. Psychische und infektiöse Faktoren sowie Störungen im autonomen Nervensystem werden als Ursache diskutiert. Eine symptomatische Form der Achalasie ist im Rahmen der Chagas-Krankheit beschrieben. Symptome. Die Achalasie wird besonders im 3.–6. Dezennium beobachtet. Das Leitsymptom stellt die Dysphagie dar, oft in Verbindung mit Regurgitation, Aspiration und pulmonalen Komplikationen sowie retrosternalen Schmerzen. Bei langfristigem Bestehen sind Untergewicht und Zeichen einer Mangelernährung möglich. Bei langjährigem Bestehen erhöhtes Karzinomrisiko.
der Megaösophagus, oft mit einer Retentionsösophagitis durch die retinierten Speisereste vergesellschaftet, diagnostizieren. Die Stenose selbst kann als funktionelle Enge problemlos mit dem flexiblen Gerät passiert werden. Durch sog. Stufenbiopsien sollte ein malignes Geschehen ausgeschlossen werden. Bei der Röntgen-Breischluckdarstellung fällt die typische trichterförmige Verengung im Bereich des distalen Ösophagus auf, während der oral davon gelegene Ösophagus dilatiert ist. Nach Gabe von 1 ml Glukagon i.v. lässt sich unter Durchleuchtung eine Erweiterung des engen Segmentes erkennen und eine organische Stenose ausschließen. Die Manometrie zeigt die Öffnungslähmung im Bereich des UÖS. Je nach Peristaltik im dilatierten Ösophagus werden durch die Manometrie eine hyper-, eine hypo- und eine amotile Achalasieform unterschieden.
Diagnose. Die ÖGD zeigt einen Megaösophagus, oft auch eine Retentionsösophagitis. Die Stenose selbst ist mit dem Gerät problemlos zu passieren. Mit Stufenbiopsien sollte ein malignes Geschehen ausgeschlossen werden. In der Röntgen-Breischluckdarstellung fällt die typische trichterförmige Verengung im Bereich des distalen Ösophagus auf, die sich nach Glukagongabe erweitert. Die Manometrie zeigt die Öffnungslähmung im Bereich des UÖS und differenziert je nach Peristaltik in eine hypo-, eine hyper- und eine amotile Achalasieform.
Differenzialdiagnose. Ein Malignom, eine Chagas-Krankheit und ein idio-
Differenzialdiagnose. Malignom, Chagas-Krankheit und idiopathischer Ösophagusspasmus. Therapie. Die symptomatische medikamentöse Therapie erfolgt mit Medikamenten, die relaxierend auf die glatte Muskulatur wirken (Nitroglycerin, Amylnitrit, Nifedipin). Hypermotile Formen der Achalasie sprechen hierauf am besten an, hypo- oder amotile Formen sind medikamentös schlechter zu behandeln. Lässt sich medikamentös keine oder eine nur unzureichende Beschwerdebesserung erreichen, so ist eine endoskopische pneumatische Dilatation indiziert. Bei Versagen der pneumatischen Dilatation ist eine transabdominelle extramuköse Ösophagokardiomyotomie nach Heller in Kombination mit einer Antirefluxplastik (s. S. 287) durchzuführen.
pathischer Ösophagusspasmus müssen ausgeschlossen werden.
Therapie. Da die Ursache der Achalasie nicht bekannt ist, gibt es auch keine
kausalen Therapieansätze. Die Dysphagiebeschwerden lassen sich symptomatisch durch Medikamente bessern, die relaxierend auf die glatte Muskulatur wirken (Nitroglycerin, Amylnitrit). Die hypermotilen Formen sprechen oft gut auf eine Behandlung mit Nifidepin an, während hypo- oder amotile Formen medikamentös schlechter zu behandeln sind. Lässt sich medikamentös kein oder eine nur unzureichende Beschwerdebesserung erreichen, so ist eine endoskopische pneumatische Dilatation indiziert. Bei dieser Behandlung wird der UÖS durch einen Ballon unter endoskopischer oder radiologischer Kontrolle so dilatiert, dass die Sphinktermuskulatur nur noch niedrige Ruhedrücke aufrechterhalten kann. Bei erneuten Beschwerden ist eine Wiederholung der Dilatation möglich. Führt die pneumatische Dilatation nicht oder nur für kurze Zeit zu einer Besserung, ist die Operation angezeigt. Als Verfahren der Wahl hat sich die transabdominelle extramuköse Ösophagokardiomyotomie nach Heller bewährt, die jedoch zunehmend durch das laparoskopische Vorgehen verdrängt wird. Bei dieser Operation wird die Muskulatur des UÖS in Längsrichtung ohne Eröffnung des Lumens von außen gespalten. Da in ca. 20 % der Fälle postoperativ eine Refluxösophagitis beobachtet wurde, sollte in gleicher Sitzung eine Antirefluxplastik durchgeführt werden (s. S. 287).
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284 1.5.3
1 Ösophagus Idiopathischer Ösophagusspasmus
1.5.3
Idiopathischer Ösophagusspasmus
Synonym: diffuser Ösophagusspasmus Definition
n Definition. Bei einem idiopathischen Ösophagusspasmus liegt eine unkoordinierte spastische Kontraktion des Ösophagus nach einem Schluckakt vor (tertiäre Peristaltik). Die Ätiologie ist unklar.
Symptome. Im Vordergrund steht die Dysphagie mit retrosternalen Schmerzen.
Symptome. Auch bei dieser Form der Motilitätsstörung der Speiseröhre, die
Diagnose. Radiologisch zeigt sich eine typische korkenzieherartige Veränderung der Speiseröhre. Manometrisch finden sich tertiäre Kontraktionen bei normalem Ruhedruck im UÖS.
Diagnose. Bei der Röntgen-Breischluckaufnahme zeigt sich eine typische
Therapie. Die konservative Behandlung mit Spasmolytika, Nitroglycerin und Sedativa steht im Vordergrund des Behandlungskonzeptes. Chirurgische Maßnahmen (Myotomie, Antireflux-Op) sind unbefriedigend.
Therapie. Die konservative Behandlung mit Spasmolytika, Nitroglycerin
1.5.4
1.5.4
Gastroösophagealer Reflux und Kardiainsuffizienz
meist Patienten im höheren Alter betrifft, steht die Dysphagie mit retrosternalen Schmerzen im Vordergrund. Die klinischen Beschwerden beginnen ohne nachweisbaren auslösenden Reiz oder z.B. nach Nahrungsaufnahme.
korkenzieherartige Veränderung der Speiseröhre und eine Hyperperistaltik, die aber auch fehlen kann. Manometrisch finden sich tertiäre Kontraktionen bei normalem Ruhedruck im unteren Ösophagussphinkter (UÖS).
und Sedativa steht im Vordergrund des Behandlungskonzeptes. Die chirurgische Myotomie des gesamten mittleren und distalen Ösophagus in Kombination mit einer Antireflux-Operation sollte für Patienten mit stärksten Beschwerden vorbehalten bleiben, da die Ergebnisse unbefriedigend sind.
Gastroösophagealer Reflux und Kardiainsuffizienz
Definition
n Definition. Als Kardiainsuffizienz wird der mangelhafte Verschluss des Magens gegen den Ösophagus bezeichnet. Aufgrund des insuffizienten Verschlusses der distalen Speiseröhre kommt es zu einem übermäßigen gastroösophagealen Reflux, wodurch die Ösophagusschleimhaut verstärkt mit saurem Mageninhalt in Kontakt kommt. Entstehen durch diese vermehrte Säureexposition klinische Beschwerden (meist durch die so induzierte Refluxösophagitis ausgelöst), so spricht man von Refluxkrankheit.
Merke
n Merke. Die Unterscheidung zwischen gastroösophagealem Reflux und Refluxkrankheit ist von großer Bedeutung, da ein Reflux in gewissem Ausmaß physiologisch ist, das Auftreten von Symptomen (Refluxkrankheit) jedoch stets pathologisch und somit behandlungsbedürftig ist.
Pathogenese. Der Ösophagus kann den physiologischen gelegentlich auftretenden sauren Reflux von Mageninhalt wieder ausgleichen (Selbstreinigungsfunktion oder Clearance). Dieser Mechanismus ist bei verstärktem Reflux aufgrund einer Kardiainsuffizienz überfordert. Physiologischerweise wird der vermehrte Übertritt von saurem Mageninhalt in die Speiseröhre durch eine vom UÖS erzeugte Hochdruckzone verhindert.
Pathogenese. Der Ösophagus ist durch seine Propulsivmotorik in der Lage,
den physiologischerweise gelegentlich auftretenden sauren Reflux von Mageninhalt im Sinne einer Selbstreinigungsfunktion (Clearance) wieder auszugleichen, bevor Schleimhautschäden in der Speiseröhre manifest werden. Dieser Mechanismus ist bei verstärktem Reflux aufgrund einer Kardiainsuffizienz überfordert. Bei physiologischem Verschluss der Kardia wird der vermehrte Übertritt von saurem Mageninhalt in die Speiseröhre durch eine Hochdruckzone verhindert, die von dem unteren Ösophagussphinkter (UÖS) erzeugt wird (Ruhetonus von ca. 20 mmHg). Neben diesem rein muskulären Verschlussmechanismus wird eine Refluxprävention durch folgende Faktoren gewährleistet:
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285
1.5.4 Gastroösophagealer Reflux und Kardiainsuffizienz Bei einer intakten Aufhängung der Kardia und des Ösophagus durch einen stützenden Bandapparat im Hiatus oesophagei entsteht ein spitzer Winkel zwischen distalem Ösophagus und Magenfundus, der His-Winkel genannt wird. Er bewirkt wie ein Ventilmechanismus einen zusätzlichen Verschluss der Speiseröhre – analog zum Puborektalwinkel beim Verschluss des Analkanals. Erschlafft der Bandapparat (z.B. bei ausgeprägter Adipositas oder raschen Gewichtsänderungen), so stumpft dieser Winkel ab und die Ventilklappenfunktion erlischt. Einen zusätzlichen Verschlussmechanismus bewirkt der positive intraabdominelle Druck, der auf den intraabdominellen Teil des Ösophagus einwirkt und so im Vergleich zum intrathorakal gelegenen Ösophagus mit seinen negativen Druckverhältnissen die muskulär bedingte Hochdruckzone im distalen Speiseröhrenanteil unterstützt.
Ätiologie. Die Refluxkrankheit kann in jedem Lebensalter auftreten und
kommt bei Männern häufiger als bei Frauen vor. Liegt eine axiale Hiatushernie vor, so findet man bei 40 % der Patienten eine Kardiainsuffizienz, jedoch nur bei ca. 25 % der Fälle eine Refluxkrankheit, Prädisponierend wirken außerdem Adipositas, starker Alkohol- und Nikotingenuss, heftiges Betätigen der Bauchpresse oder Gravidität. Entgegen früheren Erwartungen konnte kein Zusammenhang zwischen einer Refluxkrankheit und einer Hyperazidität oder Hypersekretion von Magensaft beobachtet werden.
Symptome. Die Refluxkrankheit beginnt typischerweise mit Sodbrennen,
das besonders nach reichhaltigen Mahlzeiten oder im Liegen auftritt. Durch die fortschreitende Entzündung kann es zur Ausbildung einer Anämie kommen. Später treten retrosternal gelegene Schmerzen und Dysphagie hinzu. Es findet sich dabei aber keine Korrelation zwischen der Stärke der Beschwerden und der Ausprägung der endoskopischen Befunde. n Merke. Das Leitsymptom der Refluxkrankheit ist Sodbrennen, welches sich im Liegen verstärkt.
Das endoskopische Bild der klinischen Diagnose »Refluxkrankheit« ist geprägt durch die Refluxösophagitis. Entsprechend werden die Stadien der Refluxkrankheit nach dem endoskopischen Befund eingeteilt ( 2 B-1.2): Stadium 0 wird das Vorliegen von Refluxbeschwerden ohne endoskopische Zeichen der Refluxösophagitis genannt. Bei dem Stadium I liegen fleckförmige Entzündungen der Schleimhaut vor ( 1 B-1.4 a), die im Stadium II konfluieren und im Stadium III die Ösophagusschleimhaut zirkulär befallen. Als Stadium IV werden die Komplikationen der Refluxösophagitis bezeichnet: Ulzera des Ösophagus, Stenosen ( 1 B-1.4 b), Blutungen bei Ösophagitis, Perforationen und sekundärer Brachyösophagus.
2 B-1.2
Durch die Aufhängung im Hiatus oesophagei entsteht ein spitzer Winkel zwischen distalem Ösophagus und Magenfundus, der His-Winkel genannt wird. Er bewirkt wie ein Ventilmechanismus einen zusätzlichen Verschluss der Speiseröhre. Erschlafft der Bandapparat, so stumpft dieser Winkel ab und die Ventilklappenfunktion erlischt. Zusätzlich bewirkt der positive intraabdominelle Druck einen Verschlussmechanismus, der die muskulär bedingte Hochdruckzone im distalen Speiseröhrenanteil unterstützt. Ätiologie. Die Refluxkrankheit tritt in jedem Lebensalter auf, bei Männern häufiger als bei Frauen. Bei 40 % der Patienten mit Hiatushernie findet man eine Kardiainsuffizienz, jedoch nur bei ca. 25 % der Fälle eine Refluxkrankheit. Prädisponierend wirken Adipositas, starker Alkohol- und Nikotingenuss, heftiges Betätigen der Bauchpresse oder Gravidität. Symptome. Typische Symptome der Refluxkrankheit sind: Sodbrennen, retrosternale Schmerzen, Dysphagie und Anämie.
Merke
Die Refluxkrankheit wird je nach endoskopischem Befund in 5 Stadien mit fortschreitenden entzündlichen Veränderungen der Speiseröhre eingeteilt ( 2 B-1.2). Im Stadium 0 liegen dabei Refluxbeschwerden ohne endoskopische Entzündungszeichen vor, im Stadium IV sind Komplikationen der Refluxösophagitis eingetreten. Komplikationen der Refluxösophagitis sind Ulzera, Stenosen, Blutungen, Perforationen und sekundärer Brachyösophaghus ( 1 B-1.4).
Stadien der Refluxösophagitis. Bei den Stadien I–III kann bei entsprechender Therapie noch eine Restitutio ad integrum eintreten, bei Stadium IV dagegen nicht mehr.
N Stadium 0 n
N Refluxbeschwerden ohne organopathologisches Korrelat n
N Stadium I n
N oberflächliche Schleimhauterosionen, die nicht konfluieren n
N Stadium II n
N konfluierende oberflächliche Schleimhautläsionen, die aber nicht zirkulär vorliegen n
N Stadium III n
N zirkulärer Befall des Ösophagus durch Erosionen n
N Stadium IV n
N alle Komplikationen der Ösophagitis (Ulkus, Barrett-Ulkus, Stenose, Brachyösophagus, n Epithelmetaplasien)
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286
1 Ösophagus
1 B-1.4
Refluxösophagitis Stadium I und IV
a Endoskopisches Bild einer erstgradigen Refluxösophagitis.
b Endoskopisches Bild einer peptischen Stenose des distalen Ösophagus im Rahmen einer schweren Refluxösophagitis.
Als Brachyösophagus wird eine Verkürzung der Speiseröhre mit all ihren Wandschichten bezeichnet, in deren Folge es zur Ausbildung einer Hiatushernie mit Kardiainsuffizienz kommt. Am häufigsten kommt der sekundäre oder erworbene Brachyösophagus vor, meist im Rahmen rezidivierender Refluxösophagitiden.
Als Brachyösophagus wird eine Verkürzung der Speiseröhre mit all ihren Wandschichten bezeichnet, wodurch der gastroösophageale Übergang nicht intraabdominell, sondern intrathorakal im Sinne einer Hiatushernie zu liegen kommt. Durch die Verlagerung des UÖS nach intrathorakal und Aufhebung des His-Winkels kommt es meist zu einer Kardiainsuffizienz. Am häufigsten kommt dieser sekundäre oder erworbene Brachyösophagus im Rahmen rezidivierender Refluxösophagitiden vor. Er ist von dem endogenen Brachyösophagus (s. S. 288 ff.) abzugrenzen.
Diagnose. Die Diagnose der Refluxkrankheit ist eine klinische Diagnose. Die Diagnosestellung der Refluxösophagitis erfolgt jedoch erst durch die Endoskopie, die in der Lage ist, die Stadieneinteilung und Differenzialdiagnose vorzunehmen
Diagnose. Die Diagnose der Refluxkrankheit ist eine klinische Diagnose. Das Auftreten der typischen Refluxbeschwerden berechtigt zur Diagnosestellung, da auch Symptome ohne organpathologisches Korrelat auftreten können (Stadium 0 der Refluxkrankheit). Die Diagnosestellung der Refluxösophagitis erfolgt jedoch erst durch die Endoskopie. Sie alleine ist in der Lage, die Stadieneinteilung und Differenzialdiagnose (Stenose durch ein Karzinom?) vorzunehmen.
Merke
Radiologisch ist der Nachweis eines Reflux in Kopftieflage möglich. Bei der Ösophagusmanometrie findet sich als Zeichen der Kardiainsuffizienz ein verkürzter UÖS und/oder eine im Druckniveau reduzierte Hochdruckzone im Bereich des UÖS.
Die 24-Stunden-Manometrie zeichnet alle Refluxepisoden über 24 Stunden auf und ermöglicht so die Differenzierung zwischen physiologischem und pathologischem Reflux. Therapie. Die Therapie der Refluxkrankheit sollte stadienorientiert durchgeführt werden. Konservative Behandlungsansätze sind Verzicht auf Alkohol, Nikotin, Gewichtsreduktion, Vermeidung von stark gewürzten Speisen und engen Kleidungsstücken sowie Schlafen mit erhöhtem Oberkörper.
n Merke. »Refluxkrankheit« ist eine klinische Diagnose, »Refluxösophagitis« ist eine endoskopische Diagnose.
Bei fehlenden endoskopischen Zeichen einer Refluxösophagitis lassen sich die klinischen Beschwerden der Refluxkrankheit durch den radiologischen Nachweis eines Reflux in Kopftieflage verifizieren. Da ein gastroösophagealer Reflux auch physiologisch auftritt, ist dieses radiologische Kriterium kein pathognomonisches Zeichen der Refluxkrankheit. Eine größere diagnostische Sicherheit bietet die Ösophagusmanometrie. Sie kann durch den Nachweis eines verkürzten UÖS und/oder einer im Druckniveau reduzierten Hochdruckzone im Bereich des UÖS die Kardiainsuffizienz reproduzierbar belegen, nicht aber den erhöhten pathologischen Reflux beweisen. Der sichere Nachweis eines pathologischen gastroösophagealen Reflux gelingt nur durch die 24-Stunden-Manometrie. Sie zeichnet alle Refluxepisoden über 24 Stunden auf und ermöglicht so die Differenzierung zwischen physiologischen und pathologischen Refluxepisoden.
Therapie. Die Therapie der Refluxkrankheit wird stadienorientiert durchge-
führt, wobei primär konservative Maßnahmen wie eine Umstellung bisheriger Lebens- und Ernährungsgewohnheiten erwogen werden sollte. Hierzu gehört der Verzicht auf Alkohol und Nikotin, um zum einen eine direkte toxische Wirkung auf die Schleimhaut zu reduzieren und zum anderen die den Sphinkterdruck reduzierende Wirkung des Nikotins zu vermeiden. Bei Adipositas ist eine Gewichtsreduktion anzustreben, auf stark gewürzte oder scharfe Nahrungsmittel sollte verzichtet werden. Die Nahrungsaufnahme direkt vor dem Zubettgehen ist zu unterlassen. Ferner sollte der Patient beim Schlafen mit erhöhtem Oberkörper liegen und keine beengenden Kleidungsstücke wie Gürtel oder Mieder tragen.
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1.5.4 Gastroösophagealer Reflux und Kardiainsuffizienz Kann mit diesen Änderungen der Lebensführung keine ausreichende Besserung der Symptome erreicht werden, so können Patienten mit einer Refluxösophagitis Stadium I oder II zusätzlich mit Antazida, Schleimhautprotektiva (z.B. Sucralfat) oder H2-Antihistaminika (z.B. Cimetidin, Ranitidin, Famotidin) behandelt werden. Sprechen die Patienten auch auf diese Medikation nicht an, so ist ein weiterer konservativer Therapieversuch mit Protonenpumpenblockern (z.B. Omeprazol) indiziert. Unter diesen heilen bis dahin therapieresistente Ösophagitiden aus, sodass auch in den Stadien III und IV ein konservativer Therapieversuch indiziert ist. Eine Operation ist nach der Einführung von Protonenpumpenblockern den Patienten mit rezidivierenden Ösophagitiden und den Fällen vorbehalten, bei denen mit der konservativen Therapie keine Besserung zu erreichen ist. Die klassische Operationsmethode ist die Fundoplikation nach Nissen ( 1 B-1.5), bei der zunächst die axiale Hernie reponiert wird. Anschließend erfolgt die Bildung einer Manschette aus dem Magenfundus um den distalen Ösophagus herum. Die Operation kann mit einer Lig.-teres-Plastik kombiniert werden, bei der zur Aufrechterhaltung des His-Winkels und zusätzlichen Fixierung des Magens im Abdomen die Kardia durch das nach oben geschlagene Lig. teres hepatis fixiert wird. Das Operationsverfahren erfolgt heute zunehmend in laparoskopischer Technik (s. Kap. B-14.6). Weitere operative Techniken sind die Fundopexie mit Hiatoplastik (Wiederherstellung des His-Winkels und hintere oder vordere Einengung des Hiatus oesophagei), die Implantation einer Kunststoffmanschette um die Kardia herum (z.B. Angelchick-Prothese) und die transthorakal durchgeführte Manschettenbildung um den Ösophagus (Belsey Mark IV). Kommt es im Rahmen von Narbenbildungen zu peptischen Stenosen, so sind diese meist durch endoskopische Bougierung zu behandeln (Kap. B-13.3.1). Lediglich Stenosen, die endoskopisch nicht oder nicht ausreichend bougiert oder offen gehalten werden können, müssen operativ behandelt werden.
1 B-1.5
287 Bei den Stadien I und II ist die additive Gabe von Antazida, Schleimhautprotektiva (z.B. Sucralfat) oder H2 -Antagonisten (z.B. Cimetidin, Ranitidin, Famotidin) möglich. Bei Therapieresistenz ist die Gabe von Protonenpumpenblockern (z.B. Omeprazol) indiziert.
Bei rezidivierenden oder gegenüber der konservativen Therapie resistenten Ösophagitiden ist die operative Korrektur indiziert. Das klassische Verfahren ist die Fundoplikation nach Nissen ( 1 B-1.5) zur Rekonstruktion des His-Winkels. Zusätzlich kann eine Fixierung des Magens durch eine Lig.-teres-Plastik vorgenommen werden. Das Operationsverfahren erfolgt heute zunehmend in laparoskopischer Technik (s. Kap. B-14.6). Weitere operative Techniken sind die Fundopexie mit Hiatoplastik, die Implantation einer Kunststoffmanschette um die Kardia herum (Angelchick-Prothese) und die transthorakale Operation (Belsey Mark IV). Bei peptischen Stenosen erfolgt eine endoskopische Bougierung. Lediglich Stenosen, die endoskopisch nicht oder nicht ausreichend bougiert oder offen gehalten werden können, müssen operativ behandelt werden.
Röntgenbreischluck nach Fundoplikation Darstellung des postoperativen Zustandes nach Fundoplikation nach Nissen durch Röntgenbreischluck. Es zeigt sich der Übertritt des Kontrastmittels in den Magen, in Kopftieflage kann aber kein Reflux in den Ösophagus provoziert werden. Die Einschnürung am Magen ( Á) entspricht einer peristaltischen Welle.
Prognose. Die Operationsletalität liegt bei 1–2 % für die Fundoplikation und steigt geringfügig an, wenn intraoperativ die Milz verletzt und eine Splenektomie notwendig wird.
Prognose. Die Operationsletalität liegt bei 1–2 %, bei zusätzlicher Splenektomie etwas höher.
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288
1 Ösophagus
Bis zu 80 % der Patienten sind postoperativ subjektiv beschwerdefrei. Bei 10 % der Fälle treten postoperativ Rezidive der Refluxkrankheit auf. Je nach Operationstechnik wird postoperativ in 10–40 % das Postfundoplikationssyndrom beobachtet, ein dem RoemheldSyndrom ähnlicher Symptomenkomplex. Das Postfundoplikationssyndrom (Denervationssyndrom) entsteht durch die intraoperative Verletzung des N. vagus und äußert sich in Diarrhöen gepaart mit Blähungen. Das »Gas-bloat«-Phänomen ist ein Symptomenkomplex, bei dem Patienten präoperativ zum Ausgleich des Refluxes viel Luft schlucken und diese Angewohnheit postoperativ beibehalten. Da die Luft jedoch nicht mehr durch Aufstoßen entweichen kann, können Magenbeschwerden, epigastrisches und retrosternales Druckgefühl, Nausea, Stenokardien und Herzrhythmusstörungen auftreten.
Bei bis zu 80 % der operierten Patienten ist das Operationsergebnis zufriedenstellend, das heißt, die Patienten sind subjektiv beschwerdefrei. In ca. 10 % der Fälle treten postoperative Rezidive der Refluxkrankheit auf, meistens ausgelöst durch Lockerung oder Abgleiten der Fundusmanschette (Teleskopphänomen). Je nach Operationstechnik kann postoperativ in 10–40 % der Operationen ein Symptomenkomplex entstehen, der klinisch dem Roemheld-Syndrom ähnelt und Postfundoplikationssyndrom genannt wird. Das Postfundoplikationssyndrom (Denervationssyndrom) entsteht durch die intraoperative Verletzung des N. vagus. Typisch hierfür sind Diarrhöen gepaart mit vermehrten Blähungen. Hiervon ist das »Gas-bloat«-Phänomen abzugrenzen. Zu diesem Symptomenkomplex kommt es, wenn Patienten präoperativ zum Ausgleich des Refluxes reflektorisch viel Luft geschluckt haben und diese Angewohnheit postoperativ beibehalten. Da der Magenverschluss zum Ösophagus postoperativ jedoch suffizient ist, kann es zu einer Ansammlung der geschluckten Luft im Magen und oberen Dünndarm kommen, da die Luft nicht mehr durch Aufstoßen entweichen kann. Klinisch äußert sich das »Gas-bloat«-Phänomen durch Magenbeschwerden, epigastrisches und retrosternales Druckgefühl, Nausea und bei extremen Formen gelegentlich auftretende Stenokardien und Herzrhythmusstörungen. Ein »Gas-bloat«-Phänomen ist in jedem Fall Ausdruck einer Überkorrektur, da die korrekt weite und richtig sitzende Fundusmanschette ein Aufstoßen zulassen soll.
1.6
1.6
Primärer (endogener) Brachyösophagus
Primärer (endogener) Brachyösophagus
Synonyme: Barrett-Ösophagus, primärer Brachyösophagus, endogener Brachyösophagus Definition
Beim sekundären Brachyösophagus befindet sich Magenschleimhaut aufgrund von Längsschrumpfung im distalen Bereich der Speiseröhre. Beim primären Brachyösophagus erfolgt die arterielle Gefäßversorgung segmental aus der thorakalen Aorta heraus, bei der sekundären Form aus Ästen der A. gastrica sinistra ( 1 B-1.6).
n Definition. Im Gegensatz zum sekundären Brachyösophagus liegt beim primären (endogenen) Brachyösophagus eine normal lange Speiseröhre vor. In ihr finden sich metaplastisch in Drüsenepithel veränderte Schleimhautinseln.
Beim sekundären Brachyösophagus befindet sich Magenschleimhaut aufgrund von Längsschrumpfung im distalen Bereich der Speiseröhre. Ein weiteres Differenzierungsmerkmal zwischen primärer und sekundärer Form ist die Gefäßversorgung. Während beim primären Brachyösophagus die arterielle Gefäßversorgung segmental aus der thorakalen Aorta heraus erfolgt, ernähren bei der häufigeren sekundären Form Äste der A. gastrica sinistra die distale Speiseröhre bis in den thorakalen Anteil hinein ( 1 B-1.6). Diese Situation stellt das Ergebnis der sekundären Längsschrumpfung unter Mitnahme der versorgenden Gefäße aus dem Bauchraum dar.
1 B-1.6
Synopsis Formen des Brachyösophagus und deren Gefäßversorgung
Gefäßversorgung aus thorakalen Aorta-Segmentarterien
Gefäßversorgung aus den Magengefäßen
a Primärer (endogener) Brachyösophagus.
durch Schrumpfung des Ösophagus in den Thorax verlagerter Magenanteil
b Sekundärer Brachyösophagus.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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1 Ösophagus
Bis zu 80 % der Patienten sind postoperativ subjektiv beschwerdefrei. Bei 10 % der Fälle treten postoperativ Rezidive der Refluxkrankheit auf. Je nach Operationstechnik wird postoperativ in 10–40 % das Postfundoplikationssyndrom beobachtet, ein dem RoemheldSyndrom ähnlicher Symptomenkomplex. Das Postfundoplikationssyndrom (Denervationssyndrom) entsteht durch die intraoperative Verletzung des N. vagus und äußert sich in Diarrhöen gepaart mit Blähungen. Das »Gas-bloat«-Phänomen ist ein Symptomenkomplex, bei dem Patienten präoperativ zum Ausgleich des Refluxes viel Luft schlucken und diese Angewohnheit postoperativ beibehalten. Da die Luft jedoch nicht mehr durch Aufstoßen entweichen kann, können Magenbeschwerden, epigastrisches und retrosternales Druckgefühl, Nausea, Stenokardien und Herzrhythmusstörungen auftreten.
Bei bis zu 80 % der operierten Patienten ist das Operationsergebnis zufriedenstellend, das heißt, die Patienten sind subjektiv beschwerdefrei. In ca. 10 % der Fälle treten postoperative Rezidive der Refluxkrankheit auf, meistens ausgelöst durch Lockerung oder Abgleiten der Fundusmanschette (Teleskopphänomen). Je nach Operationstechnik kann postoperativ in 10–40 % der Operationen ein Symptomenkomplex entstehen, der klinisch dem Roemheld-Syndrom ähnelt und Postfundoplikationssyndrom genannt wird. Das Postfundoplikationssyndrom (Denervationssyndrom) entsteht durch die intraoperative Verletzung des N. vagus. Typisch hierfür sind Diarrhöen gepaart mit vermehrten Blähungen. Hiervon ist das »Gas-bloat«-Phänomen abzugrenzen. Zu diesem Symptomenkomplex kommt es, wenn Patienten präoperativ zum Ausgleich des Refluxes reflektorisch viel Luft geschluckt haben und diese Angewohnheit postoperativ beibehalten. Da der Magenverschluss zum Ösophagus postoperativ jedoch suffizient ist, kann es zu einer Ansammlung der geschluckten Luft im Magen und oberen Dünndarm kommen, da die Luft nicht mehr durch Aufstoßen entweichen kann. Klinisch äußert sich das »Gas-bloat«-Phänomen durch Magenbeschwerden, epigastrisches und retrosternales Druckgefühl, Nausea und bei extremen Formen gelegentlich auftretende Stenokardien und Herzrhythmusstörungen. Ein »Gas-bloat«-Phänomen ist in jedem Fall Ausdruck einer Überkorrektur, da die korrekt weite und richtig sitzende Fundusmanschette ein Aufstoßen zulassen soll.
1.6
1.6
Primärer (endogener) Brachyösophagus
Primärer (endogener) Brachyösophagus
Synonyme: Barrett-Ösophagus, primärer Brachyösophagus, endogener Brachyösophagus Definition
Beim sekundären Brachyösophagus befindet sich Magenschleimhaut aufgrund von Längsschrumpfung im distalen Bereich der Speiseröhre. Beim primären Brachyösophagus erfolgt die arterielle Gefäßversorgung segmental aus der thorakalen Aorta heraus, bei der sekundären Form aus Ästen der A. gastrica sinistra ( 1 B-1.6).
n Definition. Im Gegensatz zum sekundären Brachyösophagus liegt beim primären (endogenen) Brachyösophagus eine normal lange Speiseröhre vor. In ihr finden sich metaplastisch in Drüsenepithel veränderte Schleimhautinseln.
Beim sekundären Brachyösophagus befindet sich Magenschleimhaut aufgrund von Längsschrumpfung im distalen Bereich der Speiseröhre. Ein weiteres Differenzierungsmerkmal zwischen primärer und sekundärer Form ist die Gefäßversorgung. Während beim primären Brachyösophagus die arterielle Gefäßversorgung segmental aus der thorakalen Aorta heraus erfolgt, ernähren bei der häufigeren sekundären Form Äste der A. gastrica sinistra die distale Speiseröhre bis in den thorakalen Anteil hinein ( 1 B-1.6). Diese Situation stellt das Ergebnis der sekundären Längsschrumpfung unter Mitnahme der versorgenden Gefäße aus dem Bauchraum dar.
1 B-1.6
Synopsis Formen des Brachyösophagus und deren Gefäßversorgung
Gefäßversorgung aus thorakalen Aorta-Segmentarterien
Gefäßversorgung aus den Magengefäßen
a Primärer (endogener) Brachyösophagus.
durch Schrumpfung des Ösophagus in den Thorax verlagerter Magenanteil
b Sekundärer Brachyösophagus.
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1.7 Verletzungen
Symptome. Der Brachyösophagus ist klinisch oft asymptomatisch und wird
in den meisten Fällen erst als Zufallsbefund im Rahmen einer Endoskopie mit Biopsie diagnostiziert. Treten Beschwerden auf, so ähneln sie denen der Refluxkrankheit. Bei lang anhaltenden und chronisch rezidivierenden Entzündungsepisoden kann es als Komplikation zur Ausbildung von peptischen Stenosen, in 10–15 % der Fälle auch zu einer malignen Entartung kommen ( 1 B-1.7).
1 B-1.7
Symptome. Der Brachyösophagus ist klinisch oft asymptomatisch. Wenn Beschwerden auftreten, so ähneln sie denen der klassischen Refluxkrankheit. Komplikationen sind die Ausbildung von peptischen Stenosen, in 10 bis 15 % der Fälle auch eine maligne Entartung ( 1 B-1.7).
Barrett-Ösophagus Endoskopisches Bild eines Barrett-Ösophagus (histologischer Befund: Anteile eines Barrett-Karzinoms) . Typisch ist das Fehlen der blassen Ösophagusschleimhaut, die durch eher rötlich erscheinende transformierte Barrett-Schleimhaut ersetzt ist.
Diagnose. Die Diagnose wird endoskopisch gestellt und durch eine Biopsie
Diagnose. Die Diagnose wird endoskopisch gestellt und durch eine Biopsie verifiziert, bei Stenosen ist eine Röntgenkontrastmitteldarstellung notwendig.
Therapie. Eine Therapie ist nur bei klinisch manifesten Refluxbeschwerden indiziert. Zunächst sollte ein konservativer Therapieversuch mit Antazida, Schleimhautprotektiva und H2-Antihistaminika vorgenommen werden. Ist konservativ keine Beschwerdebesserung erzielbar, so ist eine Fundoplikation notwendig. Auch bei klinisch blandem Verlauf sind jährliche endoskopische Kontrollen mit Biopsien wegen der Entartungsgefahr indiziert. Bei nachgewiesenen schweren Dysplasien ist eine Ösophagektomie indiziert, um der Entstehung eines Karzinoms vorzubeugen.
Therapie. Eine Therapie ist nur bei Beschwerden indiziert. Zunächst sollte ein Versuch mit Antazida, Schleimhautprotektiva und H2 -Antihistaminika vorgenommen werden, bei Versagen erfolgt die Operation (Fundoplikation). Endoskopische Kontrollen sind nötig, da bei schweren Dysplasien eine Ösophagektomie zur Karzinomprophylaxe indiziert ist.
verifiziert. Bei hochgradigen, endoskopisch nicht passierbaren Stenosen ist eine Röntgenkontrastmitteldarstellung mit einem wasserlöslichen Kontrastmittel (Gastrografin) angezeigt.
n Merke. Bei einem Brachyösophagus sind auch bei klinisch blandem Verlauf jährliche endoskopische Kontrollen mit Biopsien wegen der Entartungsgefahr indiziert.
1.7
Verletzungen
Merke
1.7
Verletzungen
Die klinischen Symptome, diagnostischen Schritte und therapeutischen Maßnahmen bei perforierenden Verletzungen des Ösophagus sind, unabhängig von der Ätiologie, gleich. In allen Fällen entscheidet die frühzeitige Diagnosestellung und sofortige Einleitung therapeutischer Maßnahmen über die Prognose des Krankheitsbildes.
Die klinischen Symptome, diagnostischen Schritte und therapeutischen Maßnahmen bei perforierenden Verletzungen des Ösophagus sind, unabhängig von der Ätiologie, gleich.
Symptome. Die Hauptsymptome sind retrosternale Schmerzen, Fieber, Tachykardie und Hypotension. Diese Beschwerden können sich bis zum Vollbild des septischen Schocks entwickeln. Neben der Anamnese (z.B. heftiges Erbrechen, Alkoholabusus, verschluckter Fremdkörper, vorhergehende Endoskopie) führt der plötzlich auftretende Schmerz im Thoraxraum und Epigastrium zur Verdachtsdiagnose. Zusätzliche klinische Anzeichen sind ein Hautemphysem im Bereich des Jugulums als Zeichen des Mediastinalemphysems. Entwickelt sich bei Pleurabeteiligung ein (meist linksseitiger) Pneumothorax, so tritt eine Dyspnoe auf. Im weiteren Krankheitsverlauf entwickelt sich eine Mediastinitis.
Symptome. Die Hauptsymptome sind retrosternale Schmerzen, Fieber, Tachykardie und Hypotension. Diese Beschwerden können sich bis zum Vollbild des septischen Schocks entwickeln. Weitere Symptome sind: Hautemphysem im Bereich des Jugulums bei Mediastinalemphysem. Bei Ausbildung eines (meist linksseitigen) Pneumothorax kommt es zur Dyspnoe.
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1 Ösophagus
Diagnose. In der Thoraxübersichtsaufnahme zeigt sich evtl. ein linksseitiger Pneumothorax und ein Mediastinalemphysem, bei der Kontrastmitteldarstellung mit wasserlöslichem Kontrastmittel der Austritt des Kontrastmittels nach mediastinal.
Diagnose. Bei der notfallmäßig durchgeführten Thoraxübersichtsauf-
Therapie. Frische Perforationen sollten primär übernäht werden (innerhalb von 6 Stunden), wobei immer eine Dränage erfolgen muss. Bei Perforationen, die mehr als 6, aber weniger als 24 Stunden zurückliegen, ist eine Übernähung noch möglich, aber mit einem höheren Risiko verbunden. Nach 24 Stunden wird nur noch operativ dräniert. Frische kurzstreckige Rupturen können endoskopisch überbrückt werden (Celestin-Tubus). Zusätzlich ist eine breitgefächerte Antibiotikatherapie und parenterale Ernährung notwendig. Bei älterer Perforation muss die Perforationsstelle und Abszesshöhle dräniert werden. Zusätzlich erfolgt eine endoskopische Überbrückung oder alternativ eine zervikale Ösophagostomie und eine Gastrostomie. Die Ultima ratio ist die Ösophagektomie.
Therapie. Frische Perforationen (innerhalb von 6 Stunden post perforatio-
Prognose. Bei frühzeitiger Diagnosestellung ist die Prognose gut, bei spätem Therapiebeginn liegt die Letalität bei 50 % und mehr. 1.7.1 Spontane Ösophagusperforation
nahme zeigt sich evtl. ein linksseitiger Pneumothorax und ein Mediastinalemphysem. Mittels einer Kontrastmitteldarstellung der Speiseröhre, die nur mit wasserlöslichem Kontrastmittel durchgeführt werden darf (cave Mediastinitis), kann der Kontrastmittelaustritt an der Rupturstelle ins Mediastinum nachgewiesen werden. Bei tiefen, subdiaphragmalen Perforationen lässt sich freie Luft unter den Zwerchfellkuppen im Stehen nachweisen.
nem) sollten primär übernäht werden, wobei immer die Pleurahöhle und das Mediastinum zu dränieren und bereits präoperativ mit der Antibiotikagabe zu beginnen ist. Bei Perforationen, die mehr als 6, aber weniger als 24 Stunden zurückliegen, ist eine Übernähung noch möglich, aber mit einem höheren Risiko verbunden. Nach 24 Stunden wird nur noch operativ dräniert. Bei frischen kurzstreckigen Perforationen ist alternativ die endoskopische Einbringung eines Celestin-Tubus zur Überbrückung der Perforationsstelle möglich, wenn ein erfahrener Endoskopiker erreichbar ist (s. a. Kap. B-13.3, S. 594ff.). Zusätzlich muss eine breitgefächerte Antibiotikatherapie und parenterale Ernährung durchgeführt werden. Liegen zwischen Ruptur und Diagnosestellung mehr als 24 Stunden, so erfolgt die Dränage der Perforationsstelle und der Abszesshöhle. Zusätzlich sollte durch einen erfahrenen Endoskopiker eine endoskopische Überbrückung oder eine zervikale Ösophagostomie zur Entlastung und eine Gastrostomie zur enteralen Ernährung angelegt werden. Die Ultima ratio ist die Ösophagektomie.
Prognose. Bei frühzeitiger Diagnosestellung und Therapiebeginn ist die Prognose gut. Liegen bereits Zeichen der fortgeschrittenen Entzündung (Schock, Mediastinitis, Pleuraaempyem, Sepsis) vor, so wird die Prognose ernst. In solchen Fällen liegt die Letalität der Ösophagusperforation bei 50 % und mehr. 1.7.1
Spontane Ösophagusperforation
Synonyme: Boerhaave-Syndrom, postemetische Ösophagusperforation Definition
n Definition. Nach heftigem Würgen, Erbrechen (besonders nach Alkoholexzessen) oder Hustenanfällen kommt es ohne vorbestehende Ösophaguserkrankungen zur spontanen Ruptur aller Wandschichten der Speiseröhre.
Die Ruptur liegt fast immer im distalen Ösophagusdrittel posterolateral links, seltener im mittleren Drittel in Höhe der V. azygos rechts lateral. Ursache sind wahrscheinlich intraluminale Druckerhöhungen im distalen Ösophagus.
Die Rupturstelle liegt fast immer im distalen Ösophagusdrittel posterolateral links. Seltener tritt sie im mittleren Drittel in Höhe des V. azygos rechts lateral auf. Die genaue Ursache ist noch ungeklärt, jedoch wird vermutet, dass die Perforation durch extreme intraluminale Druckerhöhungen im distalen Ösophagus ausgelöst wird.
1.7.2 Traumatische Perforation
1.7.2
Definition
Traumatische Perforation
n Definition. Als traumatische Perforation werden Verletzungen bezeichnet, die nach Einwirken eines von außen (extrakorporal) oder innen (intraluminal) auftretenden Traumas die gesamte Wand des Ösophagus rupturieren. Ursächlich kommen Schuss-, Stich- und Akzelerationsverletzungen sowie iatrogene Traumata in Frage.
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1.7.3 Fremdkörper Die iatrogene Ösophagusperforation durch endoskopische (diagnostische und therapeutische) Manipulationen ist heutzutage die häufigste Ursache traumatischer Speiseröhrenverletzungen. Instrumentelle Perforationen sind aber auch durch tamponierende Ballonsonden (Senkstaken-Sonde, LintonNachlas-Sonde) oder auch bei dem Einlegen einfacher Magensonden beobachtet worden. Endoskopische Perforationen sind meist im distalen Drittel an der dorsalen Zirkumferenz gelegen, die übrigen Perforationen finden sich meist im krikopharyngealen Bereich.
1.7.3
Fremdkörper
n Definition. Das Verschlucken von Fremdkörpern kann akzidentell oder in suizidaler Absicht erfolgen. Am häufigsten geschieht dies durch Kinder oder geistig behinderte Personen. Münzen, Gebissteile, Spielzeug, Knochen und Gräten stellen die häufigsten Corpora aliena im Ösophagus dar. Bei suizidalen Patienten muss auch mit scharfen Gegenständen wie Rasierklingen oder Nadeln gerechnet werden.
Die häufigste Ursache der traumatischen Ösophagusperforation ist die endoskopische Perforation nach diagnostischer oder therapeutischer Manipulation. Instrumentelle Läsionen durch in den Ösophagus eingebrachte Sonden sind ebenfalls möglich.
1.7.3 Fremdkörper Definition
Diagnose und Therapie. Bei dem Verdacht auf Ingestion eines Fremdkör-
Diagnose und Therapie ( 1 B-1.8). Die Endoskopie nach Röntgenaufnahmen (Thorax- und Abdomenübersicht) dient zur Diagnosesicherung und zur endoskopischen Fremdkörperentfernung (s. a. Kap. B-13.2).
Komplikationen. Kann der Fremdkörper nicht entfernt werden, drohen
Komplikationen. Druckulzera, Bolusverschluss, Perforation und Fistelbildung sind typische Komplikationen.
pers ist neben einer Röntgen-Thorax- ( 1 B-1.8 b) und Abdomenübersichtsaufnahme eine sofortige Endoskopie indiziert ( 1 B-1.8 a). Im Rahmen dieser Untersuchung kann auch die endoskopische Bergung des Fremdkörpers erfolgen (s. a. Kap. B-13.2).
Druckulzera, Bolusverschluss, Perforation und Fistelbildung zum Tracheobronchialsystem.
1 B-1.8
Diagnostik nach Fremdkörperingestion
a Endoskopisches Bild eines Bolusverschlusses des Ösophagus durch schlecht gekaute Speisereste (Schaschlikstücke). Solche Fremdkörper sind im Nativröntgenbild meist nicht darstellbar und sind röntgenologisch somit nur einer Kontrastmitteldarstellung zugänglich (cave: Aspirationsgefahr!). b Nativröntgenaufnahme bei einem dreijährigen Kind, das zwei Münzen verschluckt hat. Es zeigen sich zwei schattengebende runde bis ovale Strukturen im distalen Ösophagus und im Magen.
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292 1.7.4 Laugen- und Säureverätzungen Definition
1 Ösophagus
1.7.4
Laugen- und Säureverätzungen
n Definition. Als Verätzungen bezeichnet man die Verletzung der Speiseröhre durch Säuren und Laugen. Während die Säuren zu Koagulationsnekrosen führen, erzeugen Laugen Kolliquationsnekrosen, die tiefer in die Wand eindringen.
Bei Laugenverätzungen entsteht durch den alkalischen pH zusätzlich ein Kardiaspasmus mit einer verlängerten Verweildauer in der Speiseröhre. Die 3 physiologischen Ösophagusengen werden meist am stärksten geschädigt. Die Ösophagusverätzung wird in 3 Schweregrade eingeteilt: π Grad I: Hyperämie und Ödem π Grad II: Ulzeration mit Fibrinbelägen π Grad III: Ulzerationen und Nekrosen, die alle Wandschichten durchdringen und Perforationen ( 1 B-1.9).
Zusätzlich wird bei Laugenverätzungen durch den stark alkalischen pH reflektorisch ein Kardiaspasmus ausgelöst, der zu einer verlängerten Verweildauer der Lauge in der Speiseröhre führt. Die Schädigung der Ösophaguswand durch die chemische Noxe ist im Bereich der physiologischen Ösophagusengen am größten. Verätzungen der Speiseröhre werden nach ihrer Schwere in 3 Grade eingeteilt: π Grad I: Schleimhauthyperämie und Ödem π Grad II: Ulzerationen mit Fibrinbelägen π Grad III: Ulzerationen und Nekrosen, die alle Wandschichten durchdringen und Perforationen ( 1 B-1.9). Verätzungen Grad III heilen aufgrund der Narben, die die gesamte Ösophaguswand durchziehen und somit durch narbige Schrumpfung Strikturen erzeugen, unter Ausbildung von Stenosen aus.
Symptome. Typisch sind Brennen und vernichtungsartige Schmerzen im Rachen, Schlund und retrosternal sowie Ätzwunden an Lippen, Zunge und Mundschleimhaut.
Symptome. Brennen und vernichtungsartige Schmerzen im Rachen, Schlund und retrosternal sind die Beschwerden, die zusammen mit den Ätzwunden an Lippen, Zunge und Mundschleimhaut und der Anamnese die Diagnosestellung ermöglichen.
Diagnose und Therapie. Sofort nach Stellung der Verdachtsdiagnose ist eine Notfallendoskopie zur Beurteilung der Wandschädigung, Absaugung von Laugen-, bzw. Säureresten und gezielten Spülung mit Wasser einzuleiten. Ersatzweise ist vorsichtig die Gabe von Wasser zur Verdünnung und das Absaugen der ingestierten Flüssigkeit über eine Magensonde möglich, falls keine Notfallendoskopie durchführbar ist und radiologisch eine Perforation oder Fistel ausgeschlossen werden konnte.
Diagnose und Therapie. Sofort nach Stellung der Verdachtsdiagnose ist
eine Notfallendoskopie einzuleiten. Sie ermöglicht zum einen die genaue Beurteilung des Ausmaßes der Schleimhautschädigung, die Erkennung von Perforationen und zum anderen die gezielte Absaugung von Säure- bzw. Laugenresten und die gezielte Spülung über das Endoskop. Steht keine Einheit zur Notfallendoskopie zur Verfügung, so kann nach Ausschluss einer freien Perforation oder einer ösophagobronchialen oder -trachealen Fistel durch eine Röntgenuntersuchung mit wasserlöslichem Kontrastmittel der Versuch unternommen werden, mit großen Mengen an Wasser die ätzenden Flüssigkeiten zu verdünnen und sie über eine Magensonde (cave: iatrogene Perforation!) abzusaugen.
1 B-1.9
Säureverätzung des Ösophagus Endoskopisches Bild einer schweren Säureverätzung nach suizidaler Ingestion von HCI. Die gesamte Schleimhaut ist zirkulär weißlich im Sinne einer Koagulationsnekrose verändert.
n Merke. Bei dem Versuch, blind eine Sonde zum Absaugen von Mageninhalt in den Magen vorzuschieben, besteht die große Gefahr einer iatrogenen Ösophagusperforation, die die Prognose schlagartig drastisch verschlechtert. Die gezielte endoskopische Therapie ist in jedem Fall vorzuziehen.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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1.8 Divertikel Parallel dazu ist eine sofortige Schockprophylaxe mit konsequenter Analgesie einzuleiten und eine parenterale Breitbandantibiotikagabe zu beginnen. Der Patient muss intensivmedizinisch betreut werden, um die oft instabilen Vitalfunktionen kontrollieren und stabilisieren zu können. Eine parenterale Ernährung ist durchzuführen. In schweren Fällen kann eine systemische Kortisongabe notwendig werden. In allen Fällen sollte bereits frühzeitig mit endoskopischen Kontrollen begonnen werden (ab dem 3. Tag), um tiefergehende Nekrosebildungen zu erkennen. Zusätzlich wird durch die frühzeitig einsetzende Endoskopiekontrolle einer Strikturbildung im Sinne einer Frühbougierung vorgebeugt. Durch die Gerätepassage im Rahmen dieser endoskopischen Kontrollen erfolgt eine Dehnung der Speiseröhre mit deutlich geringerer Peforationsgefahr als bei blinden Bougierungen. Bei schweren, konservativ nicht beherrschbaren Verätzungen ist eine operative Intervention mit Thorakotomie und ggf. auch Laparotomie notwendig. Ist die Wand der Speiseröhre nicht mehr ausreichend durchblutet, so muss der entsprechende Ösophagusabschnitt reseziert werden, evtl. mit temporärer kollarer Ausleitung des proximalen Ösophagusstumpfes und Anlage einer Witzel-Fistel zum Magen. Die Rekonstruktion erfolgt nach klinischer Stabilisierung durch Magenhochzug oder ein Koloninterponat.
Komplikationen. Typische Frühkomplikationen der Ösophagusverätzung
sind Blutungen, Perforationen mit Mediastinitis und ösophagotracheale Fisteln. Ist das akute Krankheitsbild überwunden, so kann es zu Spätkomplikationen im Sinne von narbigen Strikturen kommen. Nach 10–20 Jahren ist die Gefahr der Entstehung eines Narbenkarzinoms gegeben. Aus diesem Grund sind regelmäßige endoskopische Kontrollen angezeigt.
Prognose. Die Letalität der akuten Verätzung ist von der Konzentration der
chemischen Substanz und der Einwirkdauer abhängig. Im Mittel liegt die Letalität bei 10 %. Bei 5–10 % aller Ösophagusverätzungen entstehen behandlungsbedürftige narbige Strikturen, die teilweise lebenslang regelmäßig endoskopische Bougierungen notwendig machen. Bei therapieresistenten Strikturen oder Narbenkarzinomen ist die späte Ösophagusresektion indiziert.
1.8
Divertikel
n Definition. Als Divertikel wird die Ausstülpung umschriebener Wandanteile von Hohlorganen bezeichnet. Es wird dabei das echte Divertikel vom falschen oder Pseudodivertikel unterschieden. Die Wand des echten Divertikels besteht aus allen Wandschichten des betreffenden Hohlorganes einschließlich der Muskelschicht, während sich bei einem falschen Divertikel die Mukosa und Submukosa des Hohlorganes durch eine muskuläre Lücke nach außen vorstülpt ( 1 B-1.10).
Neben der Unterscheidung in echte und falsche werden Divertikel in Pulsionsdivertikel und Traktionsdivertikel differenziert. Bei den Pulsionsdivertikeln handelt es sich um Wandausstülpungen, die durch erhöhten intraluminalen Druck bei angeborener oder erworbener lokaler Muskelschwäche entstehen und zu einer Schleimhautvorwölbung durch die Muskellücke hindurch führen (falsche Divertikel). Die Traktionsdivertikel werden dagegen durch eine Ausziehung sämtlicher Wandschichten nach außen gebildet, meist durch Adhäsionen bei entzündlichen oder postentzündlichen Vorgängen in der Umgebung, z. B. bei Lymphknotentuberkulose im Hilusbereich.
Parallel dazu ist eine Schockprophylaxe mit konsequenter Analgesie und Breitbandantibiotikagabe und eine intensivmedizinische Betreuung mit parenteraler Ernährung einzuleiten. In schweren Fällen kann eine systemische Kortisongabe notwendig werden. Endoskopische Frühkontrollen (ab dem 3. Tag) reduzieren durch gezielte Bougierung die Gefahr einer Strikturentstehung.
Bei schwersten Verätzungen ist eine operative Intervention mit Resektion des nicht durchbluteten Ösophagusabschnittes indiziert, evtl. mit temporärer kollarer Ausleitung und Anlage einer Witzel-Fistel zum Magen. Die Rekonstruktion erfolgt nach klinischer Stabilisierung durch Magenhochzug oder ein Koloninterponat. Komplikationen. Frühkomplikationen sind die Blutung, Peforationen und Fisteln. Nach Ausheilung kann es zur Ausbildung von Strikturen kommen. Nach 10–20 Jahren ist die Gefahr der Entstehung eines Narbenkarzinoms gegeben. Prognose. Die Letalität der akuten Verätzung liegt – abhängig von Konzentration und Einwirkzeit der Chemikalie – bei ca. 10 %. Bei 10–15 % persistieren behandlungsbedürftige narbige Strikturen. Bei therapieresistenten Strikturen oder Narbenkarzinomen ist die späte Ösophagusresektion indiziert. 1.8
Divertikel
Definition
Zusätzlich werden Pulsions- und Traktionsdivertikel unterschieden. Erstere entstehen durch erhöhten intraluminalen Druck bei angeborener oder erworbener lokaler Muskelschwäche, letztere bilden sich als Ausziehung sämtlicher Wandschichten nach außen, meist im Rahmen von Schrumpfungen oder Adhäsionen bei entzündlichen oder postentzündlichen Vorgängen in der Umgebung (z.B. Hilustuberkulose).
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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1.8 Divertikel Parallel dazu ist eine sofortige Schockprophylaxe mit konsequenter Analgesie einzuleiten und eine parenterale Breitbandantibiotikagabe zu beginnen. Der Patient muss intensivmedizinisch betreut werden, um die oft instabilen Vitalfunktionen kontrollieren und stabilisieren zu können. Eine parenterale Ernährung ist durchzuführen. In schweren Fällen kann eine systemische Kortisongabe notwendig werden. In allen Fällen sollte bereits frühzeitig mit endoskopischen Kontrollen begonnen werden (ab dem 3. Tag), um tiefergehende Nekrosebildungen zu erkennen. Zusätzlich wird durch die frühzeitig einsetzende Endoskopiekontrolle einer Strikturbildung im Sinne einer Frühbougierung vorgebeugt. Durch die Gerätepassage im Rahmen dieser endoskopischen Kontrollen erfolgt eine Dehnung der Speiseröhre mit deutlich geringerer Peforationsgefahr als bei blinden Bougierungen. Bei schweren, konservativ nicht beherrschbaren Verätzungen ist eine operative Intervention mit Thorakotomie und ggf. auch Laparotomie notwendig. Ist die Wand der Speiseröhre nicht mehr ausreichend durchblutet, so muss der entsprechende Ösophagusabschnitt reseziert werden, evtl. mit temporärer kollarer Ausleitung des proximalen Ösophagusstumpfes und Anlage einer Witzel-Fistel zum Magen. Die Rekonstruktion erfolgt nach klinischer Stabilisierung durch Magenhochzug oder ein Koloninterponat.
Komplikationen. Typische Frühkomplikationen der Ösophagusverätzung
sind Blutungen, Perforationen mit Mediastinitis und ösophagotracheale Fisteln. Ist das akute Krankheitsbild überwunden, so kann es zu Spätkomplikationen im Sinne von narbigen Strikturen kommen. Nach 10–20 Jahren ist die Gefahr der Entstehung eines Narbenkarzinoms gegeben. Aus diesem Grund sind regelmäßige endoskopische Kontrollen angezeigt.
Prognose. Die Letalität der akuten Verätzung ist von der Konzentration der
chemischen Substanz und der Einwirkdauer abhängig. Im Mittel liegt die Letalität bei 10 %. Bei 5–10 % aller Ösophagusverätzungen entstehen behandlungsbedürftige narbige Strikturen, die teilweise lebenslang regelmäßig endoskopische Bougierungen notwendig machen. Bei therapieresistenten Strikturen oder Narbenkarzinomen ist die späte Ösophagusresektion indiziert.
1.8
Divertikel
n Definition. Als Divertikel wird die Ausstülpung umschriebener Wandanteile von Hohlorganen bezeichnet. Es wird dabei das echte Divertikel vom falschen oder Pseudodivertikel unterschieden. Die Wand des echten Divertikels besteht aus allen Wandschichten des betreffenden Hohlorganes einschließlich der Muskelschicht, während sich bei einem falschen Divertikel die Mukosa und Submukosa des Hohlorganes durch eine muskuläre Lücke nach außen vorstülpt ( 1 B-1.10).
Neben der Unterscheidung in echte und falsche werden Divertikel in Pulsionsdivertikel und Traktionsdivertikel differenziert. Bei den Pulsionsdivertikeln handelt es sich um Wandausstülpungen, die durch erhöhten intraluminalen Druck bei angeborener oder erworbener lokaler Muskelschwäche entstehen und zu einer Schleimhautvorwölbung durch die Muskellücke hindurch führen (falsche Divertikel). Die Traktionsdivertikel werden dagegen durch eine Ausziehung sämtlicher Wandschichten nach außen gebildet, meist durch Adhäsionen bei entzündlichen oder postentzündlichen Vorgängen in der Umgebung, z. B. bei Lymphknotentuberkulose im Hilusbereich.
Parallel dazu ist eine Schockprophylaxe mit konsequenter Analgesie und Breitbandantibiotikagabe und eine intensivmedizinische Betreuung mit parenteraler Ernährung einzuleiten. In schweren Fällen kann eine systemische Kortisongabe notwendig werden. Endoskopische Frühkontrollen (ab dem 3. Tag) reduzieren durch gezielte Bougierung die Gefahr einer Strikturentstehung.
Bei schwersten Verätzungen ist eine operative Intervention mit Resektion des nicht durchbluteten Ösophagusabschnittes indiziert, evtl. mit temporärer kollarer Ausleitung und Anlage einer Witzel-Fistel zum Magen. Die Rekonstruktion erfolgt nach klinischer Stabilisierung durch Magenhochzug oder ein Koloninterponat. Komplikationen. Frühkomplikationen sind die Blutung, Peforationen und Fisteln. Nach Ausheilung kann es zur Ausbildung von Strikturen kommen. Nach 10–20 Jahren ist die Gefahr der Entstehung eines Narbenkarzinoms gegeben. Prognose. Die Letalität der akuten Verätzung liegt – abhängig von Konzentration und Einwirkzeit der Chemikalie – bei ca. 10 %. Bei 10–15 % persistieren behandlungsbedürftige narbige Strikturen. Bei therapieresistenten Strikturen oder Narbenkarzinomen ist die späte Ösophagusresektion indiziert. 1.8
Divertikel
Definition
Zusätzlich werden Pulsions- und Traktionsdivertikel unterschieden. Erstere entstehen durch erhöhten intraluminalen Druck bei angeborener oder erworbener lokaler Muskelschwäche, letztere bilden sich als Ausziehung sämtlicher Wandschichten nach außen, meist im Rahmen von Schrumpfungen oder Adhäsionen bei entzündlichen oder postentzündlichen Vorgängen in der Umgebung (z.B. Hilustuberkulose).
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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1 Ösophagus
1 B-1.10
Synopsis Schematische Darstellung der Ösophagusdivertikel
Muscularis propria
70 % zervikales Divertikel (Zenker)
Mukosa u.und Submukosa Mukuosa Submukosa 20 % parabronchiales Divertikel
a Echtes Divertikel.
Muscularis propria
Mukosa u.und Submukosa Mukuosa Submukosa
10 % epiphrenales Divertikel
b Falsches Divertikel. c Lokalisation und Häufigkeit der Ösophagusdivertikel.
1.8.1 Zenker-Divertikel
1.8.1
Zenker-Divertikel
Synonyme: pharyngoösophageales Divertikel, Grenzdivertikel Definition
n Definition. Beim Zenker-Divertikel handelt es sich um ein falsches (Pulsions-)Divertikel, das sich durch eine muskuläre Schwachstelle im Bereich der Pars horizontalis des M. cricopharyngeus (Killian-Muskellücke) am Übergang von willkürlicher Pharynxmuskulatur zur unwillkürlichen Ösophagusmuskulatur nach dorsal vorwölbt ( 1 B-1.11 b).
Ätiopathogenese. Die Ursache liegt in einer Koordinationsstörung des oberen Ösophagussphinkters (OÖS), die zu einer intraluminalen Druckerhöhung und so zu einer Ausstülpung von Mukosa und Submukosa führt.
Ätiopathogenese. Ursächlich liegt eine Koordinationsstörung des oberen
Symptome. Das Leitsymptom ist die Dysphagie. Zusätzlich können Druckschmerzen, Globusgefühl, gurgelnde Geräusche beim Trinken, Hustenreiz oder Pneumonien durch Aspiration nach Regurgitation und ein Foetor ex ore auftreten. Bei einer Entzündung aufgrund der Nahrungsretention kann es zu Schmerzen kommen.
Symptome. Das Leitsymptom des Zenker-Divertikels ist die Dysphagie. Je
Diagnose. Zur Diagnosesicherung kann eine Ösophagusbreischluck-Untersuchung ( 1 B-1.11 a) oder eine Endoskopie (cave: Perforationsgefahr!) durchgeführt werden. Die Manometrie des oberen Sphinkters zeigt Fehlfunktionen des OÖS.
Ösophagussphinkters (OÖS) vor. Aufgrund einer intraluminalen Druckerhöhung im Bereich des OÖS kann es im Bereich der Killian-Muskellücke zu einer Ausstülpung von Mukosa und Submukosa durch diese Lücke hindurch, meist nach links dorsal paravertebral kommen.
nach Größe des Divertikels können Druckschmerzen, Globusgefühl, gurgelnde Geräusche beim Trinken und durch Zersetzung von retinierten Speiseresten ein Foetor ex ore auftreten. Eine Regurgitation von Speisen, die im Divertikel verblieben sind, kann zur Aspiration mit Hustenreiz oder Ausbildung einer Pneumonie führen. Durch die Nahrungsretention ist die Ausbildung einer Entzündung möglich, die dann Schmerzsymptome auslösen kann.
Diagnose. Die Diagnose wird meist im Rahmen einer Ösophagusbrei-
schluck-Untersuchung mit wasserlöslichem Kontrastmittel gestellt ( 1 B-1.11 a). Hierbei zeigt sich ein Divertikelsack, der links paravertebral gelegen ist. Bei der Endoskopie besteht die Gefahr der Perforation aufgrund der dünnen Divertikelwandung. Durch eine Manometrie des oberen Ösophagussphinkters kann die Fehlfunktion des OÖS nachgewiesen werden. Dies hat jedoch auf die Operationsindikation keinen Einfluss.
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1.8.2 Traktionsdivertikel
1 B-1.11
Zenker-Pulsionsdivertikel
b Intraoperativer Situs: Armierung des Divertikels mit einer Organfasszange und Luxation nach lateral.
a Radiologische Darstellung: Das Divertikel füllt sich direkt unterhalb des Kehlkopfes mit Kontrastmittel.
Therapie. Aufgrund der Komplikationsmöglichkeiten (s.u.) ist die Indikation zur Operation gegeben. Operativ wird eine kollare Freilegung des Divertikels von links mit anschließender Divertikelabtragung und Myotomie des OÖS durchgeführt.
Therapie. Um Komplikationen zu vermeiden, wird eine kollare Freilegung mit Divertikelabtragung und Myotomie des OÖS durchgeführt.
Komplikationen. Das Divertikel selbst kann sich bei Nahrungsretention
Komplikationen. Im Rahmen von Entzündungen bei Nahrungsretention kann es zu Blutungen, Ulzerationen und Perforationen mit der Gefahr der Mediastinitis kommen. Eine maligne Entartung ist unwahrscheinlich. Postoperative Komplikationen sind selten. Es kann zur Rekurrensparese kommen, seltener entstehen kleine Speichelfisteln, die sich meist spontan verschließen.
entzünden. Die Entzündung kann über Ulzerationen bis zur Perforation mit Gefahr der Mediastinitis fortschreiten. Außerdem sind Blutungen aus entzündlich veränderten Divertikeln nicht selten. Eine maligne Entartung ist unwahrscheinlich, Einzelfälle sind jedoch beschrieben. Postoperative Komplikationen sind selten. Es kann zur Rekurrensparese durch Verletzung des Nervs bei der Präparation kommen, seltener entstehen kleine Speichelfisteln im Bereich der Hautwunde, die sich jedoch meist spontan verschließen.
1.8.2
Traktionsdivertikel
n Definition. Traktionsdivertikel sind echte Divertikel, die fast ausschließlich im mittleren Ösophagusdrittel lokalisiert sind. Sie entstehen durch narbigen oder entzündlichen Zug von paratrachealen oder bifurkalen Lymphknoten und bilden so einen zipfeligen Auszug der gesamten Ösophaguswand.
Symptome. Traktionsdivertikel sind meist kleiner als Zenker-Divertikel oder epiphrenale Divertikel und finden sich am häufigsten bei Männern und Frauen bevorzugt jenseits des 40. Lebensjahres. Sie sind meist asymptomatisch und bilden oft einen Zufallsbefund bei der Röntgendarstellung des Ösophagus. Kommt es zu Entzündungen, so kann es durch die Fixierung der Trachea oder Bronchien zu Hustenanfällen oder Dysphagie kommen. Perforation und Fistelbildung sind selten.
1.8.2 Traktionsdivertikel Definition
Symptome. Traktionsdivertikel finden sich meist bei Männern und Frauen, die älter als 40 sind. Sie sind meist asymptomatisch. Kommt es zu Entzündungen, so kann es durch die Fixierung der Trachea oder Bronchien zu Hustenanfällen oder Dysphagie kommen. Perforation und Fistelbildung sind selten.
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1 Ösophagus
Diagnose. Durch die Röntgenbreischluckuntersuchung wird – meist als Zufallsbefund – die Diagnose gestellt. Endoskopie und CT schließen andere Ursachen oder Begleiterkrankungen aus.
Diagnose. Im Röntgenbreischluck finden sich zipfelige Ausziehungen der Speiseröhre. Durch die Endoskopie werden Tumoren oder andere Speiseröhrenerkrankungen ausgeschlossen. Eine Computertomographie des Thorax hilft bei der differenzialdiagnostischen Abklärung, ob extraluminal entzündliche oder tumoröse Geschehen das Divertikel verursacht haben.
Therapie. Bei Komplikationen (Fistelbildung, Perforation, Dysphagie, rezidivierende Hustenanfälle) ist die Divertikelabtragung indiziert.
Therapie. Traktionsdivertikel, die keine Beschwerden verursachen, werden
1.8.3 Epiphrenales Divertikel
1.8.3
Definition
nicht therapiert. Bei Komplikationen (Fistelbildung, Perforation, Dysphagie, rezidivierende Hustenanfälle) ist die Divertikelabtragung und ggf. Fistelgangsexstirpation über eine rechtsseitige Thorakotomie indiziert.
Epiphrenales Divertikel
n Definition. Epiphrenale Divertikel liegen im distalen Ösophagusdrittel, in den meisten Fällen direkt oberhalb des Zwerchfelles. Sie sind (falsche) Pulsionsdivertikel und entstehen auf dem Boden einer Funktionsstörung des unteren Ösophagussphinkters (UÖS), besonders im Rahmen einer Achalasie oder einer axialen Hiatusgleithernie. Diese Divertikel haben ihre Basis meist an der rechten Ösophaguswand ( 1 B-1.12).
1 B-1.12
Epiphrenales Pulsionsdivertikel
a Radiologische Kontrastmittel- b Intraoperativer Situs. darstellung.
Symptome. Die klinischen Symptome können von Symptomfreiheit über Dysphagie und retrosternalem Druckgefühl bis hin zu Oberbauchbeschwerden reichen.
Symptome. Das klinische Beschwerdebild der epiphrenalen Divertikel ist
Therapie. Bei Beschwerden ist eine Thorakotomie oder Laparotomie mit Divertikelabtragung indiziert.
Therapie. Eine Behandlung von epiphrenalen Divertikeln ist nur indiziert,
Hernien s. Kap. B-2.2 (Zwerchfell).
Zu Hernien s. Kap. B-2.2 (Zwerchfell).
untypisch. Es kann von völliger Symptomfreiheit über Dysphagie und retrosternalem Druckgefühl, das besonders nachts auftritt, bis hin zu Oberbauchbeschwerden reichen.
wenn sie klinisch Beschwerden verursachen, die eindeutig auf das Divertikel zurückgeführt werden können. Als operativer Eingriff kommt die Thorakotomie oder Laparotomie mit Divertikelabtragung in Frage.
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297
1.9.2 Maligne Tumoren
1.9
Tumoren
1.9
1.9.1
Benigne Tumoren
1.9.1 Benigne Tumoren
n Definition. Die gutartigen Tumoren des Ösophagus sind – mit absteigender Häufigkeit aufgezählt – Leiomyome, enterogene Zysten, Adenome, Hamartome, Lipome oder Fibrome. Sie stellen insgesamt nur ca. 2 % der Neubildungen im Ösophagus dar und werden bei Männern etwa doppelt so häufig wie bei Frauen beobachtet.
Tumoren
Definition
Symptome. Bei der Hälfte aller Patienten mit benignen Ösophagusneopla-
Symptome. Die benignen Tumoren treten besonders im mittleren und unteren Drittel auf und sind in 50 % symptomlos. Ansonsten werden Dysphagie und Schmerzen beobachtet.
Diagnose. Die Endoskopie ist nicht nur in der Lage, die Lokalisation des
Befundes zu beschreiben, sondern ermöglicht in gleicher Sitzung die Entnahme einer Biopsie zur Dignitätsbeurteilung. Aus diesem Grunde stellt sie vor der Röntgenbreischluckuntersuchung die Untersuchungsmethode der Wahl dar. Die Endosonographie ermöglicht darüber hinaus bei intramuralen Prozessen die exakte Zuordnung des Tumors zu den einzelnen Wandschichten.
Diagnose. Die Endoskopie stellt vor der Röntgenuntersuchung die Untersuchungsmethode der ersten Wahl dar, da sie auch die Entnahme einer Biopsie zur Dignitätsbeurteilung ermöglicht. Durch die Endosonographie lassen sich intramurale Befunde den Wandschichten zuordnen.
Therapie. Die Entfernung des Tumors ist stets indiziert, da nur durch die histologische Untersuchung des gesamten Tumors eine sichere Abgrenzung zu malignen Veränderungen möglich ist. Wenn möglich, sollte eine endoskopische Abtragung angestrebt werden. Ist diese nicht möglich, so lässt der Tumor sich in den meisten Fällen über eine Thorakotomie ohne Eröffnung der Mukosa ausschälen.
Therapie. Die Entfernung des Tumors ist zur sicheren Abgrenzung zu Malignomen stets indiziert. Wenn möglich, sollte eine endoskopische Abtragung angestrebt werden. Ist diese nicht möglich, so erfolgt eine Ausschälung des Tumors über eine Thorakotomie.
sien ist der Tumor symptomlos. Er tritt besonders im unteren und mittleren Drittel der Speiseröhre auf. Kommt es dagegen zu klinischen Beschwerden, so stehen Dysphagie und seltener Schmerzen im Vordergrund.
1.9.2
Maligne Tumoren
n Definition. Ca. 5 % aller Malignome des Gastrointestinaltraktes sind im Ösophagus gelegen. Davon finden sich etwa 15 % im oberen, 50 % im mittleren und 35 % im unteren Drittel. Es handelt sich dabei meist um Plattenepithel- oder entdifferenzierte Karzinome, sehr selten um Sarkome. Im distalen Drittel finden sich in ca. 30 % Adenokarzinome.
Ätiopathogenese. Die Ätiologie des Ösophaguskarzinoms ist unbekannt.
Als exogene Faktoren, die die Entstehung eines Ösophaguskarzinoms fördern können, werden Tabakabusus, der Genuss von hochprozentigen Alkoholika, heiße Getränke und kanzerogene Nahrungsbestandteile wie z. B. Nitrosamine genannt. Chronische Refluxösophagitiden mit Endobrachyösophagusbildung, Verätzungsstrikturen, das Plummer-Vinson-Syndrom und die Achalasie stellen Präkanzerosen für das Ösophaguskarzinom dar. Das Ösophaguskarzinom wächst typischerweise zunächst innerhalb der Speiseröhrenwand und breitet sich besonders in longitudinaler Richtung intramural aus. Aufgrund der engmaschigen Versorgung der Speiseröhre mit Lymphwegen, die ebenfalls vorwiegend in Längsrichtung verlaufen, erfolgt oft frühzeitig die lymphogene Metastasierung in die zervikalen, paraösophagealen, mediastinalen und parapankreastischen Lymphknoten. Bei hämatogener Metastasierung sind meist Leber, Lunge und Skelett befallen. Zum Diagnosezeitpunkt haben oft auch Frühstadien des Ösophaguskarzinoms bereits Lymphknotenmetastasen gesetzt.
1.9.2 Maligne Tumoren Definition
Ätiopathogenese. Die Ätiologie des Ösophaguskarzinoms ist unbekannt. Exogene Faktoren sind Tabakabusus, der Genuss von hochprozentigen Alkoholika, heiße Getränke und kanzerogene Nahrungsbestandteile. Chronische Refluxösophagitiden, Verätzungsstrikturen, das PlummerVinson-Syndrom und die Achalasie stellen Präkanzerosen dar. Das Ösophaguskarzinom breitet sich besonders in longitudinaler Richtung intramural aus. Es erfolgt oft frühzeitig die lymphogene Metastasierung in die paraösophagealen, mediastinalen, zöliakalen und parapankreatischen Lymphknoten. Bei hämatogener Metastasierung sind meist Leber, Lunge und Skelett befallen.
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298 Malignome der Speiseröhre treten bei Männern ca. 3-mal häufiger als bei Frauen auf, besonders im Alter von 50–60 Jahren. In China, Japan, Skandinavien, Russland und bei der schwarzen Bevölkerung Südafrikas kommen sie häufiger vor als in Mitteleuropa. Symptome. Das klassische Symptom des Ösophaguskarzinoms ist die Dysphagie, zunächst mit Schluckstörungen für feste Speisen, später auch für Flüssigkeiten. Merke
1 Ösophagus Maligne Tumoren der Speiseröhre treten bei Männern 2–3-mal häufiger als bei Frauen auf. Das Prädilektionsalter liegt bei 50–60 Jahren, wobei geographische Inzidenzunterschiede beobachtet werden können: Ösophaguskarzinome werden in China, Japan, Skandinavien, Russland und bei der schwarzen Bevölkerung Südafrikas deutlich häufiger entdeckt als z.B. in Mitteleuropa. Die Ursache für diese Unterschiede ist noch nicht geklärt.
Symptome. Das klassische Symptom des Ösophaguskarzinoms ist die
zunehmende Dysphagie, zunächst mit Schluckstörungen für feste Speisen, später auch für Flüssigkeiten. Die Dysphagie wird als Spätsymptom gewertet, auch wenn sie meist das erste Symptom überhaupt darstellt. n Merke. Dysphagie ist meist schon ein Spätsymptom des Ösophaguskarzinoms, da bereits eine Infiltration der Ösophaguswand vorliegt.
Klinischer Fall In der Sprechstunde erscheint ein 48 Jahre alter Mann mit deutlich reduziertem Allgemein- und Ernährungszustand. Er gibt an, seit kurzem nicht mehr richtig essen zu können, die Speise würde nach kurzer Zeit wieder regurgitiert, ohne dass dabei ein saurer Geschmack im Mund auffällt. Bei genauer Anamneseerhebung stellt sich heraus, dass bereits vor 1 Jahr das Schlucken von Fleisch nicht mehr möglich war und der Patient auf passierte
Kost umgestiegen war. Seit mehreren Monaten ernähre er sich nur noch von Suppen, habe aber seit kurzem auch Schwierigkeiten, diese zu schlucken. Schmerzen werden verneint, lediglich nach dem Essen würde ein vorübergehendes Druckgefühl retrosternal auftreten. Die daraufhin durchgeführte Ösophagoskopie ergibt ein stenosierendes Ösophaguskarzinom im mittleren Drittel.
Diagnose. Bis vor kurzem galt die Röntgenbreischluckuntersuchung als diagnostische Methode der Wahl ( 1 B-1.13 a). Heute ist der Endoskopie der Vorzug zu geben ( 1 B-1.13 c), da durch Stufenbiopsien intramuköse Tumoranteile, die von der Haupttumormasse getrennt sein können und der radiologischen Diagnostik entgehen, erkannt werden. Die Endosonographie dient zur Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung und des Lymphknotenbefalls ( 1 B-1.13 d). Durch die Computertomographie werden dagegen lymphogene und hämatogene Fernmetastasen gesucht. Besteht der Verdacht, dass das Tracheobronchialsystem infiltriert ist, so ist zusätzlich eine Bronchoskopie vorzunehmen.
Diagnose. Während bis vor kurzem die Röntgenbreischluckuntersuchung
Therapie. Das Ziel jeder therapeutischen Bemühung sollte in erster Linie die Kuration des Patienten sein. In zweiter Linie ist die rasche Wiederherstellung der Schluckfähigkeit des Patienten anzustreben. Im Prinzip besteht bei jedem Patienten mit einem Ösophaguskarzinom die Indikation zur radikalen operativen Therapie ( 1 B-1.13 b).
Therapie. Das Ziel jeder therapeutischen Bemühung sollte in erster Linie die
( 1 B-1.13 a) mit der typischen Darstellung von irregulär begrenzten Füllungsdefekten die diagnostische Methode der Wahl war, so ist heute der Endoskopie der Vorzug zu geben ( 1 B-1.13 c). Durch Stufenbiopsien im Rahmen der diagnostischen Endoskopie lassen sich intramuköse Tumoranteile, die auch durch intakte Schleimhaut von der Haupttumormasse getrennt sein können und der radiologischen Diagnostik entgehen, erkannt werden. Ist der Ösophagustumor endoskopisch noch passierbar, so ist die Endosonographie zur Beurteilung der intra- und extramuralen Tumorausdehnung sowie zur Darstellung paraösophagealer Lymphknoten die aussagefähigste diagnostische Methode ( 1 B-1.13 d). Sie ist in der Lage, den Tumor im Rahmen des präoperativen Stagings mit hoher Genauigkeit nach dem TNMSystem einzuteilen. Die Suche nach lymphogenen und hämatogenen Fernmetastasen sollte durch Computertomographie von Thorax und Oberbauch erfolgen. Besteht der Verdacht, dass das Tracheobronchialsystem infiltriert ist, so ist zusätzlich eine Bronchoskopie vorzunehmen. Kuration des Patienten sein. In zweiter Linie ist die rasche Wiederherstellung der Schluckfähigkeit des Patienten anzustreben, um eine weitgehend normale Ernährung zu gewährleisten, selbst wenn eine Heilung nicht mehr möglich erscheint. Im Prinzip besteht bei jedem Patienten mit einem Ösophaguskarzinom die Indikation zu einer radikalen operativen Therapie ( 1 B-1.13 b). Keine Indikation zur operativen Behandlung sehen die meisten Zentren bei Infiltrationen in Nachbarorgane (T4-Stadien) und diffuser Fernmetastasierung (M1-Stadien), da in diesen Fällen eine Ösophagusresektion nicht mehr in kurativer Intention durchgeführt werden kann. Zusätzlich ist der Eingriff als reine palliative Operation eine zu große Belastung/Risiko in Bezug auf die zu erwartende kurze Überlebenszeit der Patienten.
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299
1.9.2 Maligne Tumoren
1 B-1.13
Distales Ösophaguskarzinom
a Radiologische Darstellung des Karzinoms mittels Kontrastmittelbreischluck in 2 Ebenen: die prästenotische Dilatation des Ösophagus und die unregelmäßige Schleimhautoberfläche im stenotischen Tumorbereich sind erkennbar.
b Aufgeschnittenes Operationsresektat: Man erkennt deutlich die tumoröse Wandverdickung und die prästenotische Dilatation.
Aorta
c Endoskopisches Bild eines flächigen Ösophaguskarzinoms im distalen Ösophagus.
d Endosonographisches Bild eines die Wand überschreitenden Ösophaguskarzinoms ( Á Á) ohne benachbarten Lymphknotenbefall (T3N0) Im unteren Bildanteil ist die normale Ösophaguswandschichtung gut erkennbar ( Á).
Operative Therapie: Da das Ösophaguskarzinom sich intramural besonders in longitudinaler Richtung ausbreitet, ist für eine radikale Resektion ein Sicherheitsabstand von mindestens 6–10 cm notwendig. Hieraus ergibt sich, dass heute der Ösophagus praktisch immer subtotal reseziert wird. Wegen der häufig auch schon bei frühen Tumorstadien vorliegenden Lymphknotenmetastasen wird in gleicher Sitzung eine radikale Lymphadenektomie angeschlossen. Die Kontinuität der Speisepassage wird dabei durch Magenhochzug nach Bildung eines Magenschlauches oder eine Koloninterposition mit Anastomosen im zervikalen Anteil der Speiseröhre (kollare Anastomose) sowie am Duodenum erreicht ( 1 B-1.14). π
π Operative Therapie: Zur Kuration eines Ösophaguskarzinoms muss eine operative Resektion mit einem Sicherheitsabstand von mindestens 6–10 cm durchgeführt werden. Deshalb wird heutzutage der Ösophagus praktisch immer subtotal reseziert. In gleicher Sitzung erfolgt eine radikale Lymphadenektomie. Die Kontinuität wird durch einen Magenhochzug oder eine Koloninterposition (kollare Anastomose) erreicht ( 1 B-1.14).
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300
1 Ösophagus
1 B-1.14
Synopsis Ösophagusersatzoperationen
retrosternal hochgezogener Magenschlund
interponiertes Kolontransversum Restmagen Kolonanastomose (AscendoDescendostomie) Pyloroplastik
a
b
a Ösophagusersatz durch Magenhochzug.
b Ösophagusersatz durch Koloninterposition.
Der Ösophagusersatz lässt sich im Thorakalbereich im ehemaligen Ösophagusbett, retrosternal oder prästernal-subkutan positionieren. Der Verlauf außerhalb des ehemaligen Ösophagusbettes soll die Gefahr einer erneuten Speisepassagebehinderung durch einen Rezidivtumor reduzieren ( 1 B-1.15). Um eine Magenentleerungsstörung nach trunkulärer Vagotomie zu vermeiden, sollte eine Pyloroplastik durchgeführt werden.
Der Ösophagusersatz lässt sich an unterschiedlichen Stellen im Thorakalbereich positionieren. Die beste Lokalisation ist die Lage im ehemaligen Ösophagusbett ( 1 B-1.15 a). Um die Möglichkeit einer Passagebehinderung durch einen Rezidivtumor, der aus verbliebenen befallenen Lymphknoten im ehemaligen Ösophagusbett hervorgeht und sekundär erneut in den Ösophagusersatz einwachsen kann, zu reduzieren, kann in einigen Fällen die Indikation zur retrosternalen oder prästernal-subkutanen Platzierung der Ersatzspeiseröhre gestellt werden ( 1 B-1.15 b, c). Da mit der Ösophagusresektion eine trunkuläre Vagotomie durchgeführt wird, resultiert eine Magenentleerungsstörung. Aus diesem Grund sollte die Ösophagektomie immer mit einer Pyloroplastik kombiniert werden.
π Adjuvante oder neoadjuvante Therapie: Zusätzlich zur operativen Therapie kann neoadjuvant oder adjuvant eine Radio- oder Radiochemotherapie durchgeführt werden. Der Sinn des neoadjuvanten Konzeptes liegt darin, präoperativ durch die Behandlung ein Down-Staging, das heißt eine Verkleinerung des Tumorstadiums, zu erreichen. Als adjuvante Therapien werden dabei die postoperativen Radio-/Chemotherapien bezeichnet, die bereits bestehende Mikrometastasen eliminieren sollen.
π
Adjuvante oder neoadjuvante Therapie: Zusätzlich zur operativen Therapie kann neoadjuvant eine Radio- und/oder Radiochemotherapie erwogen werden. Neoadjuvant werden Radio- und/oder Chemotherapie bezeichnet, wenn sie bereits präoperativ zum Einsatz kommen. Der Sinn des neoadjuvanten Konzeptes liegt darin, präoperativ durch die Behandlung ein DownStaging, das heißt eine Verkleinerung des Tumorstadiums, zu erreichen oder das Risiko einer perioperativen Tumorstreuung zu reduzieren. Als adjuvante Therapien werden postpoperative Radio-/Chemotherapien bezeichnet. Sie sollen Mikrometastasen, die bereits zum Operationszeitpunkt bestehen, eliminieren. Ob es durch solche multimodalen Behandlungskonzepte jedoch zu einer Steigerung der Heilungsrate kommt, konnte bis jetzt noch nicht eindeutig nachgewiesen werden. Aus diesem Grunde werden neoadjuvante/adjuvante Therapiekonzepte bisher nicht routinemäßig, sondern nur im Rahmen von Studienprotokollen durchgeführt.
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301
1.9.2 Maligne Tumoren
1 B-1.15
Synopsis Platzierungsmöglichkeiten des Ösophagusersatzes
Ösophagus
Ösophagus
a
b
c
a Platzierung des Ösophagusersatzes im Ösophagusbett.
b Retrosternale Platzierung des Ösophagusersatzes.
c Prästernale Platzierung des Ösophagusersatzes.
Ösophagus
Bei Infiltrationen in Nachbarorgane oder diffuser Fernmetastasierung ist eine radikale Ösophagusresektion mit Lymphadenektomie mit dem Ziel der vollständigen Entfernung des Tumors nicht mehr möglich. In diesen Fällen sollte, ebenso wie bei Patienten mit deutlich reduziertem Allgemeinzustand, individuell das nicht unerhebliche Risiko der radikalen Operation gegen den voraussichtlichen Gewinn für den Patienten abgewogen werden. Erscheint die Operation nicht indiziert, so stehen palliative Behandlungskonzepte zur Verfügung. Ziel dieser Verfahren ist die Wiederherstellung der Nahrungspassage oder – falls dies nicht mehr möglich ist – die Ermöglichung einer enteralen Sondenernährung zur Hebung der Lebensqualität.
Bei weit fortgeschrittenem Tumorstadium oder deutlich reduziertem Allgemeinzustand ist eine radikale Ösophagusresektion mit Lymphadenektomie nicht mehr möglich. In solchen Fällen sollte die Wiederherstellung der Nahrungspassage oder – falls dies nicht mehr möglich ist – die Ermöglichung einer enteralen Ernährung zur Hebung der Lebensqualität angestrebt werden.
Radiotherapie: Während das Adenokarzinom im distalen Ösophagus wenig strahlensensibel ist, lässt sich durch die Strahlentherapie oftmals zumindest eine Teilremission eines Plattenepithelkarzinoms erreichen. Für die Strahlentherapie stehen 2 Verfahren zur Verfügung: Die perkutane oder lokale Applikation der Strahlung, die aber auch kombiniert angewandt werden können. Besonders die perkutane Applikation von schnellen Neutronen oder die Bestrahlung in Form von einem endoluminalen Afterloading (Einführung einer Afterloadingsonde in den Ösophagus und Bestrahlung von innen) erbringen mitunter gute Remissionsergebnisse. Ist der Patient aufgrund kardiopulmonaler oder anderer Begleiterkrankungen nicht kurativ operabel, kann bei kleinen Tumoren durch die Bestrahlung eine Kuration erreicht werden. Bei fortgeschrittenen Ösophagustumoren ist die Strahlentherapie als palliativer Ansatz zu betrachten.
Radiotherapie: Das Adenokarzinom ist wenig strahlensensibel. Bei Plattenepithelkarzinomen lassen sich jedoch Remissionen erzielen. Die Bestrahlung kann perkutan oder in Form einer lokalen Applikation (Afterloading) durchgeführt werden.
Endoskopische Therapie: Durch eine endoskopische Lasertherapie (Abtragung von stenosierenden Tumoranteilen unter endoskopischer Sicht mittels eines Lasers) lassen sich Tumorstenosen vorübergehend partiell beseitigen. Ein Nachteil dieses Verfahrens ist die Tatsache, dass es aufgrund von neuem Tumorwachstum zu Rezidivstenosen kommt, sodass die Laserbehandlungen in regelmäßigen Intervallen wiederholt werden müssen (s. a. Kap. B-13.3.2).
Endoskopische Therapie: Durch die endoskopische Lasertherapie lassen sich Tumorstenosen vorübergehend beseitigen. Aufgrund von erneutem Tumorwachstum sind jedoch erneute Laserbehandlungen in regelmäßigen Intervallen notwendig (s. a. Kap. B-13.3.2).
Bei kleinen Tumoren kann durch die Bestrahlung eine Kuration erreicht werden, fortgeschrittene Ösophagustumoren sind durch die Strahlentherapie nur palliativ zu behandeln.
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302 Außerdem ist die endoskopische Implantation von Tuben möglich. Zur Anwendung kommen dabei starre (Celestin- oder Häring-Tuben) oder selbstexpandierende Tuben (s. a. Kap. B-13.3.2, S. 596ff.). Bei weit fortgeschrittenem Tumorleiden ist die Anlage einer gastralen Ernährungsfistel (= Gastrostoma oder Witzel-Fistel) oder eines Jejunostomas, alternativ eine PEG zur enteralen Ernährung möglich. Chemotherapie: Die Chemotherapie wird neoadjuvant zur präoperativen Tumorverkleinerung und adjuvant zur Eliminierung von Mikrometastasen oder zur Optimierung der Strahlentherapie angewandt. Komplikationen. Typische Frühkomplikationen sind die Anastomoseninsuffizienz und Interponatnekrose, evtl. mit Ausbildung enterokutaner oder enterotrachealer Fisteln, Mediastinitis und Bronchopneumonie. Die Anastomosenstenose ist eine typische Spätkomplikation.
Prognose. Die mittlere Überlebenszeit von Patienten mit Ösophaguskarzinom ohne Therapie liegt bei etwa 6–12 Monaten nach Diagnosestellung. Nach radikaler Operation beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate nur 10–15 %. Die Letalität einer radikalen Ösophagusresektion ist im Bereich von 10–15 % anzusiedeln.
1 Ösophagus Eine weitere endoskopische Behandlungsmethode von malignen Ösophagusstenosen besteht in der Implantation von starren (Celestin- oder Häring-)Tuben, neuerdings auch von selbstexpandierenden Tuben, die aus einem Gitterdrahtgeflecht bestehen (s. a. Kap. B-13.3.2, S. 596ff.) und das Lumen offen halten. Ist das Tumorleiden weit fortgeschritten und eine Befundverbesserung durch andere palliative Maßnahmen nicht mehr möglich, so kann die enterale Ernährung durch die operative Anlage einer gastralen Ernährungsfistel (= Gastrostoma oder Witzel-Fistel) oder eines Jejunostomas, alternativ durch Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) sichergestellt werden. Chemotherapie: Die Chemotherapie wird neoadjuvant zur präoperativen Tumorverkleinerung und adjuvant zur Eliminierung von Mikrometastasen oder zur Zellsynchronisation angewandt. Ziel dieses adjuvanten Ansatzes ist es, möglichst viele Tumorzellen gleichzeitig in strahlensensible Zellzyklusstadien zu transferieren, um den Erfolg der Strahlentherapie zu optimieren.
Komplikationen. Durch Zirkulationsstörungen kann eine Anastomosenin-
suffizienz auftreten, die zur Ausbildung von enterokutanen oder enterotrachealen Fisteln und Mediastinitis führen kann. Im weiteren Verlauf kann eine Bronchopneumonie entstehen. Erfolgt die Anastomosierung nicht spannungsfrei oder ist die Gefäßversorgung des Interponats gestört, so kann es zu einer Interponatnekrose mit Mediastinitis, Peritonitis und Sepsis kommen. Die Anastomosenstenose – sowohl durch narbige Schrumpfung als auch nach Bestrahlung oder Anastomoseninsuffizienz – ist eine typische Spätkomplikation der Ösophagusresektion, die meist mittels endoskopischer Bougierung behandelt wird.
Prognose. Die spontane mittlere Überlebenszeit von Patienten mit Ösophaguskarzinom liegt ohne Therapie bei etwa 6–12 Monaten nach Diagnosestellung. Da die meisten Karzinome jedoch erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert werden, liegt selbst bei radikaler Tumorentfernung die 5-Jahres-Überlebensrate nur bei ca. 10–15 %. Die Letalität einer radikalen Ösophagusresektion ist im Bereich von 10–15 % anzusiedeln. Eine Verbesserung der Prognose lässt sich momentan nur durch eine verbesserte Früherkennung erhoffen, sodass mehr Patienten bereits im symptomfreien Stadium erfasst und therapiert werden können.
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303
Zwerchfell
2
2
Zwerchfell
2.1
Anatomie
Mathias Löhnert, Horst Schaube 2.1
Anatomie
n Definition. Das kuppelförmige Zwerchfell trennt Thorax und Abdomen in funktionell und räumlich abgegrenzte Einheiten. Durch präformierte Lücken treten Gefäße, Nerven und Organe hindurch. Das Zwerchfell besteht aus einer Muskelsehnenplatte, die am Rippenbogen (Pars costalis), den ersten 3 Lendenwirbelkörpern (Pars lumbalis) und dem Brustbein (Pars sternalis) ansetzt und im Zentrum auf beiden Seiten des Zwerchfells in eine Sehnenplatte – auch Centrum tendineum genannt – übergeht. Die motorische Innervation erfolgt über den N. phrenicus.
Direkt prävertebral in der Pars lumbalis befindet sich eine muskelfreie Lücke als Durchtrittspforte für die Aorta (Hiatus aorticus) und den Ductus thoracicus. Dieser Aortenschlitz ist von einem Sehnenbogen (Lig. arcuatum medianum) umrandet, damit bei Zwerchfellkontraktionen das Aortenlumen nicht eingeengt werden kann. Ventral des Hiatus aorticus tritt der Ösophagus zusammen mit den Vagusstämmen durch den Hiatus oesophageus in das Abdomen über, während die V. cava im Centrum tendineum rechts paramedian im Foramen v. cavae verläuft. Die V. cava wird dabei durch Sehnenbündel, die zum Foramen ziehen, so aufgespannt, dass das Gefäßlumen dauernd offen gehalten wird. Die Durchtrittsstellen der einzelnen Nerven, Gefäße und Organe durch das Diaphragma sind aus 2 B-2.1 ersichtlich. Zwischen den Ansatzstellen der einzelnen muskulären Zwerchfellschenkel bestehen muskelfreie Areale, die nur durch bindegewebige Platten verschlossen sind und als Locus minoris resistentiae Prädilektionsstellen für Zwerchfellhernien darstellen.
2 B-2.1
Definition
Der Hiatus aorticus wird von einem Sehnenbogen umrandet, der bei Zwerchfellkontraktionen eine Einengung des Aortenlumens verhindert. Durch den Hiatus oesophageus zieht der Ösophagus zusammen mit den Vagusstämmen in das Abdomen. Die V. cava durchtritt das Centrum tendineum rechts paramedian im Foramen v. cavae. Die Durchtrittsstellen der einzelnen Nerven, Gefäße und Organe durch das Diaphragma sind aus 2 B-2.1 ersichtlich.
Durchtrittsstellen durch das Zwerchfell mit den dazugehörigen Strukturen
Zwerchfelldurchtritt
Strukturen
N Foramen venae cavae n
V. cava inferior, R. phrenicoabdominalis des rechten N. phrenicus
N Hiatus oesophagici n
Ösophagus, R. phrenico-abdominalis des linken N. phrenicus, Trunci vagales anterior et posterior
N Hiatus aorticus n
Aorta, Ductus thoracicus
N medialer Zwerchfellschenkel n
V. azygos, N. splanchnicus major
N Übergang zwischen medialem und n lateralem Zwerchfellschenkel
Truncus sympathicus und N. splanchnicus minor
Eine dieser bindegewebigen Platten befindet sich beidseits am Übergang von der Pars lumbalis zur Pars costalis und wird als Bochdalek-Dreieck bezeichnet. Das Bochdaleck-Dreieck grenzt distal direkt an den oberen Nierenpol. Am Übergang von Pars costalis zur Pars sternalis entsteht ebenfalls auf beiden Seiten ein muskelfreies Areal, das Larrey-Spalte genannt wird ( 1 B-2.1).
Am Übergang von der Pars lumbalis zur Pars costalis liegt das BochdalekDreieck. Das muskelfreie Areal am Übergang von Pars costalis zur Pars sternalis wird Larrey-Spalte genannt ( 1 B-2.1).
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304
2 Zwerchfell
1 B-2.1
Synopsis Anatomie des Zwerchfells
Foramen Venae cavae
Larrey-Spalten
Hiatus aorticus
2.2
Zwerchfellhernien
2.2
Hiatus oesophagei
BochdalekDreieck
Zwerchfellhernien
Bei den Zwerchfellhernien werden angeborene, die aufgrund von Hemmungsmissbildungen, Anlageanomalien oder durch angeborene Loci minores resistentiae entstehen, von den erworbenen Formen unterschieden.
Bei den Hernienbildungen des Zwerchfells werden die Hernien, die aufgrund von Anlageanomalien oder Hemmungsmissbildungen oder durch angeborene Loci minores resistentiae entstehen (angeborene Hernien), von den erworbenen Formen unterschieden.
2.2.1 Angeborene Hernien
2.2.1
Angeborene Zwerchfellhernie des Neugeborenen
Angeborene Zwerchfellhernie des Neugeborenen
Definition
Angeborene Hernien
n Definition. Bei der angeborenen Zwerchfellhernie des Neugeborenen handelt es sich um eine Hemmungsmissbildung, die während der 8.–10. Schwangerschaftswoche auftritt und die vollständige räumliche Abtrennung von Thoraxraum und Abdominalhöhle verhindert.
Die Zwerchfellhernie tritt am häufigsten als lumbokostale Hernie (Bochdalek-Hernie) linksseitig auf. Die Prognose der angeborenen Hernie wird von dem Ausmaß der begleitenden Lungenhypoplasie bestimmt.
Am häufigsten ist die lumbokostale Hernie, die auch als Bochdalek-Hernie bezeichnet wird, da sie dort auftritt, wo sich bei normal ausgebildetem Zwerchfell das Bochdalek-Dreieck befindet. Sie tritt fast immer links auf, da auf der rechten Seite die Leber eine Herniation in den Thorax verhindert. Durch die Muskellücke kann es zum Durchtritt von Magen, Milz, Dünn- und Dickdarm kommen. Die angeborenen Hernien gehen oft mit einer Lungenhypoplasie einher, für deren Entstehung es z. Z. drei Theorien gibt: 1. Die Organe, die sich durch die Hernie in den Thoraxraum verlagern, komprimieren die Lunge und führen so zur Lungenhypoplasie. 2. Die Lungenhypoplasie ist eine eigenständige, synchron auftretende Fehlbildung. 3. Die Lungenhypoplasie resultiert aus einer frühen Lageveränderung der embryonalen Leberanlage. Die Prognose der angeborenen Hernie wird vom Ausmaß der begleitenden Lungenhypoplasie bestimmt.
Symptome. Das Neugeborene fällt durch Dyspnoe und Zyanose – oft schon kurz nach der Geburt beginnend – auf. Der Zustand verschlechtert sich rasch.
Symptome. Das Neugeborene fällt durch Dyspnoe und Zyanose – kurz nach
der Geburt – auf. Der Zustand verschlechtert sich rasch, da durch das Schreien des Kindes Magen und Dünndarm zunehmend mit Luft angefüllt werden, was zu einer verstärkten Kompression der Thoraxorgane führt.
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304
2 Zwerchfell
1 B-2.1
Synopsis Anatomie des Zwerchfells
Foramen Venae cavae
Larrey-Spalten
Hiatus aorticus
2.2
Zwerchfellhernien
2.2
Hiatus oesophagei
BochdalekDreieck
Zwerchfellhernien
Bei den Zwerchfellhernien werden angeborene, die aufgrund von Hemmungsmissbildungen, Anlageanomalien oder durch angeborene Loci minores resistentiae entstehen, von den erworbenen Formen unterschieden.
Bei den Hernienbildungen des Zwerchfells werden die Hernien, die aufgrund von Anlageanomalien oder Hemmungsmissbildungen oder durch angeborene Loci minores resistentiae entstehen (angeborene Hernien), von den erworbenen Formen unterschieden.
2.2.1 Angeborene Hernien
2.2.1
Angeborene Zwerchfellhernie des Neugeborenen
Angeborene Zwerchfellhernie des Neugeborenen
Definition
Angeborene Hernien
n Definition. Bei der angeborenen Zwerchfellhernie des Neugeborenen handelt es sich um eine Hemmungsmissbildung, die während der 8.–10. Schwangerschaftswoche auftritt und die vollständige räumliche Abtrennung von Thoraxraum und Abdominalhöhle verhindert.
Die Zwerchfellhernie tritt am häufigsten als lumbokostale Hernie (Bochdalek-Hernie) linksseitig auf. Die Prognose der angeborenen Hernie wird von dem Ausmaß der begleitenden Lungenhypoplasie bestimmt.
Am häufigsten ist die lumbokostale Hernie, die auch als Bochdalek-Hernie bezeichnet wird, da sie dort auftritt, wo sich bei normal ausgebildetem Zwerchfell das Bochdalek-Dreieck befindet. Sie tritt fast immer links auf, da auf der rechten Seite die Leber eine Herniation in den Thorax verhindert. Durch die Muskellücke kann es zum Durchtritt von Magen, Milz, Dünn- und Dickdarm kommen. Die angeborenen Hernien gehen oft mit einer Lungenhypoplasie einher, für deren Entstehung es z. Z. drei Theorien gibt: 1. Die Organe, die sich durch die Hernie in den Thoraxraum verlagern, komprimieren die Lunge und führen so zur Lungenhypoplasie. 2. Die Lungenhypoplasie ist eine eigenständige, synchron auftretende Fehlbildung. 3. Die Lungenhypoplasie resultiert aus einer frühen Lageveränderung der embryonalen Leberanlage. Die Prognose der angeborenen Hernie wird vom Ausmaß der begleitenden Lungenhypoplasie bestimmt.
Symptome. Das Neugeborene fällt durch Dyspnoe und Zyanose – oft schon kurz nach der Geburt beginnend – auf. Der Zustand verschlechtert sich rasch.
Symptome. Das Neugeborene fällt durch Dyspnoe und Zyanose – kurz nach
der Geburt – auf. Der Zustand verschlechtert sich rasch, da durch das Schreien des Kindes Magen und Dünndarm zunehmend mit Luft angefüllt werden, was zu einer verstärkten Kompression der Thoraxorgane führt.
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305
2.2.2 Hiatushernien
Therapie. Bei Verdacht auf eine angeborene Zwerchfellhernie ist das Neugeborene auf die betreffende Seite zu lagern und als Erstes eine Magensonde zu legen, um die Luft aus dem oberen Gastrointestinaltrakt ablassen zu können. Weiter vorrangige Maßnahme ist die endotracheale Intubation. Es darf keinesfalls eine Maskenbeatmung durchgeführt werden. Nach Ausgleich der Azidose sollte schnellstens der transabdominelle Bruchlückenverschluss angestrebt werden. (Vgl. auch Kap. B-23)
Therapie. Bei einer angeborenen Zwerchfellhernie wird das Neugeborene auf die betroffene Seite gelagert, durch eine Magensonde die Luft aus dem oberen Gastrointestinaltrakt abgelassen und intubiert (keine Maskenbeatmung!). Anschließend sollte schnellstens der transabdominelle Bruchlückenverschluss angestrebt werden.
Bochdalek-Hernie
Bochdalek-Hernie
Synonym: lumbokostale Hernie n Definition. Bei dieser Form der Bochdalek-Hernie handelt es sich um eine Hernienbildung meist durch das linke Trigonum lumbocostale, die jedoch im Gegensatz zur Neugeborenen-Form kleiner ist und sich auf das Bochdalek-Dreieck beschränkt. Sie tritt meist erst im späteren Kindes- oder auch im Erwachsenenalter auf.
Definition
Je nach Größe der Bruchlücken kommt es zu Einklemmungsbeschwerden oder Tachykardie und Dyspnoe durch Kompression der Thoraxorgane.
Typisch sind Einklemmungsbeschwerden oder Tachykardie und Dyspnoe durch Kompression der Thoraxorgane.
Therapie. Sie besteht im operativen Bruchlückenverschluss bei insgesamt guter Prognose.
Therapie. Sie besteht im operativen Bruchlückenverschluss.
Morgagni-Hernie
Morgagni-Hernie
Synonym: Larrey-Hernie, parasternale Hernie, retrosternale Hernie n Definition. Die Morgagni-Hernie entsteht durch eine Erweiterung des muskelfreien Larrey-Dreiecks zur Bruchpforte, durch die Abdominalorgane in den Thorax eintreten können.
Definition
Sie tritt meistens im Erwachsenenalter auf, Frauen sind häufiger als Männer betroffen. Die klinischen Beschwerden bestehen aus retrosternalem Druckgefühl oder entsprechen denen der Bochdalek-Hernie.
Die klinischen Beschwerden bestehen aus retrosternalem Druckgefühl oder entsprechen denen der BochdalekHernie.
Therapie. Auch bei dieser Form der Zwerchfellhernie ist der operative
Therapie. Der operative Bruchpfortenverschluss ist die Therapie der Wahl.
Bruchpfortenverschluss die Therapie der Wahl.
2.2.2
Hiatushernien
Die Hiatushernien stellen mit ca. 90 % die häufigste Form aller Zwerchfellhernien dar. Es werden dabei 3 Formen unterschieden: π axiale Gleithernie π paraösophageale Hernie π Mischformen. In 1 B-2.2 wird zur Verdeutlichung der anatomischen Beziehungen der jeweilige Zustand schematisch dargestellt.
2.2.2 Hiatushernien Die Hiatushernien stellen die häufigste Form aller Zwerchfellhernien dar. Man unterscheidet: π axiale Gleithernie π paraösophageale Hernie π Mischformen. ( 1 B-2.2).
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306
2 Zwerchfell
1 B-2.2
Synopsis Normalbefund und Formen der Hiatushernie
Peritoneum
His-Winkel
Normalbefund. Axiale Hiatushernie.
Paraösophageale Hernie.
Axiale Hiatushernie
Definition
Die kardiofundale Fehllage ist eine Vorstufe der axialen Hernie, bei der der His-Winkel größer als 90Ω wird ( 1 B-2.2). Als His-Winkel wird dabei der Winkel zwischen dem intraabdominellen Abschnitt des Ösophagus und des Magenfundus bezeichnet. Die meisten axialen Hiatushernien finden sich bei Patienten älter als 50 Jahre, und bei Frauen. Als begünstigend werden eine Adipositas und Emphysemerkrankungen angesehen. Symptome. 60–70 % der Patienten mit nachgewiesener axialer Hiatusgleithernie sind asymptomatisch. Bei ca. 20 % treten Sodbrennen, retrosternale Schmerzen, Dysphagie, Anämie und Schmerzzunahme im Liegen als Zeichen einer Refluxkrankheit auf. In 10 % der Fälle bestehen retrosternale
Mischbruch (partieller Thoraxmagen).
Upside-down Stomach (Thoraxmagen).
Axiale Hiatushernie n Definition. Die axiale Hernie bildet etwa 80 % aller Hiatushernien. Sie ist ein typischer Gleitbruch, das heißt, die Kardia stellt nicht einen Bruchsackinhalt, sondern einen Teil der Bruchsackwand dar. Sie entsteht durch eine Lockerung der Kardiaaufhängung, die ein Eintreten der oberen Magenanteile in das hintere Mediastinum ermöglicht.
Als kardiofundale Fehllage wird eine Vorstufe der axialen Hernie bezeichnet, die durch eine beginnende Insuffizienz der ligamentären Kardiafixierung zu einem stumpfen His-Winkel (> 90Ω) führt ( 1 B-2.2). Als His-Winkel wird dabei der Winkel zwischen dem intraabdominellen Abschnitt des Ösophagus und des Magenfundus bezeichnet. Die meisten axialen Hiatushernien finden sich bei Patienten älter als 50 Jahre, und bei Frauen. Als begünstigend werden eine Adipositas und Emphysemerkrankungen angesehen, da hierdurch die Lockerung der Kardiaaufhängung im Bereich des Hiatus oesophageus verstärkt wird.
Symptome. 60–70 % der Patienten mit endoskopisch oder radiologisch
nachgewiesener axialer Hiatusgleithernie sind asymptomatisch. Bei 20 % werden die klinisch führenden Symptome (Sodbrennen, retrosternale Schmerzen, Dysphagie, Anämie und Schmerzzunahme im Liegen) durch eine Refluxkrankheit ausgelöst (s. a. Kap. B-1.5.4). Bei diesen Patienten lässt sich im Rahmen einer Ösophagusmanometrie oder einer pH-Metrie eine Insuffizienz des unteren Ösophagussphinkters und ein gastroösophagealer Reflux nachweisen. In 10 % der Fälle treten retrosternale Beschwerden, die
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2.2.2 Hiatushernien im Rahmen einer mechanischen Reizung durch die im Mediastinum befindliche unphysiologische Raumforderung ausgelöst werden, in den Vordergrund. Beachtenswert erscheint, dass bei 30–40 % der Patienten eine Koinzidenz von Cholelithiasis und axialer Hiatusgleithernie beobachtet werden kann.
Beschwerden durch mechanische Reizung. Bei 30–40 % der Patienten besteht eine Koinzidenz von Cholelithiasis und axialer Hiatusgleithernie.
Diagnose. Axiale Hiatushernien und deren Komplikationen (Refluxösophagitis, mechanische Irritation) lassen sich durch eine Gastroskopie oder eine Röntgenkontrastmitteluntersuchung des oberen Magen-Darm-Traktes nachweisen.
Diagnose. Zur Diagnosesicherung sind eine Gastroskopie oder eine Röntgenkontrastmitteluntersuchung des oberen Magen-Darm-Traktes notwendig.
Therapie. Asymptomatische Hernien sind nicht therapiebedürftig. Treten
Therapie. Asymptomatische Hernien sind nicht therapiebedürftig. Bei Refluxbeschwerden ist ein konservativer Therapieversuch mit Antazida, H2 -Rezeptor-Antagonisten und Medikamenten, die die Propulsivmotorik im Gastrointestinaltrakt fördern, indiziert.
refluxbedingte Beschwerden auf, so sollte zunächst wie bei der Refluxkrankheit ein konservativer Therapieversuch mit Antazida, H2-RezeptorAntagonisten und Medikamenten wie Propulsin oder Paspertin, die die Propulsivmotorik im Gastrointestinaltrakt fördern, unternommen werden. n Merke. Da nur 30–40 % aller Hiatushernien klinische Beschwerden verursachen, ist auch nur bei jeder 3.–4. Hiatushernie eine Therapie indiziert.
Merke
Bei therapieresistenten Refluxbeschwerden oder rezidivierend auftretenden mechanischen Irritationen ist eine operative Intervention im Sinne einer Fundoplikation (s. a. Kap. B-1.5.4, S. 287) oder eine operative Einengung des vergrößerten Hiatus oesophageus (Hiatoplastik) zusammen mit einer Rekonstruktion des His-Winkels (Fundopexie) sinnvoll.
Als operative Verfahren kommen bei Therapieversagern oder rezidivierenden mechanischen Irritationen die Fundoplikation oder die Hiatoplastik mit Fundopexie in Frage.
Paraösophageale Hernie
Paraösophageale Hernie
n Definition. Bei der paraösophagealen Hernie handelt es sich um einen echten Bruch, da es zur Ausbildung eines Bruchsacks mit Peritonealüberzug kommt. Die Kardia befindet sich bei dieser Hernienform an regelrechter Stelle, ihre Fixierung und somit auch der His-Winkel sind intakt.
Der Bruch wird von Magenanteilen – meist dem Fundus – gebildet, die zusammen mit dem peritonealen Überzug neben dem Ösophagus in die Thoraxhöhle prolabieren ( 1 B-2.2, 1 B-2.3). In seltenen Fällen gelangen durch die Bruchpforte auch die Milz, Teile vom Kolon, Dünndarm oder Netz in den Thoraxraum. Eine besondere Form der paraösophagealen Hernie stellt der Thoraxmagen (Upside-down Stomach) dar. Hier handelt es sich um eine Extremvariante, bei der der Magen um seine Längsachse rotiert ist und vollständig in den Thoraxraum verlagert ist. Lediglich die Kardia befindet sich noch intraabdominell ( 1 B-2.2, 1 B-2.4), der übrige Magenrest steht kopfüber (»upsidedown«) in der Thoraxhöhle. Meistens werden paraösophageale Hernien als Zufallsbefund entdeckt. Sie sind häufig asymptomatisch und fallen oft erst durch eintretende Komplikationen auf.
Definition
Bei dem Upside-down Stomach handelt es sich um eine Extremvariante, bei der der Magen um seine Längsachse rotiert ist und vollständig in den Thoraxraum verlagert ist. Lediglich die Kardia befindet sich noch intraabdominell ( 1 B-2.2, 1 B-2.4). Paraösophageale Hernien sind häufig asymptomatisch und fallen oft erst durch eintretende Komplikationen auf.
Symptome. Bei komplikationslosem Verlauf können ein retrosternales Druckgefühl, das nach dem Essen zunimmt, Herzbeschwerden, ausgelöst durch die direkt mechanische Kompression des Herzens durch den Bruchsackinhalt, Dysphagiesymptome und vermehrtes Aufstoßen ein erster Hinweis auf das Vorliegen einer paraösophagealen Hernie sein.
Symptome. Typische Symptome sind: π retrosternales Druckgefühl π Herzbeschwerden π Dysphagiesymptome π vermehrtes Aufstoßen.
Komplikationen. Typische, wenn auch relativ seltene Komplikationen sind
Komplikationen. Falls Komplikationen eintreten (Ulkus, Inkarzeration, Strangulation, Ileus), so können sich die Beschwerden bis zum Vollbild eines akuten Abdomens ausweiten.
Schleimhauterosionen des Magens bis hin zur Ulkusentstehung im Bereich des Schnürringes im Durchtrittsbereich durch den Hiatus oesophageus, die Inkarzeration von Bruchsackinhalten, die Strangulation von her-
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2 Zwerchfell
1 B-2.3
Paraösophageale Hernie Röntgenkontrastmitteldarstellung des Ösophagus bei paraösophagealer Hernie: Das Kontrastmittel bildet im intrathorakalen Magenfundus einen Spiegel ( Á).
a A.-p.
1 B-2.4
b Seitlich.
Upside-down Stomach
a P.-a. Thoraxaufnahme: luftgefüllte Magenblase links lateral des Herzschattens im Recessus costodiaphragmaticus (Á).
b Seitliche Thoraxaufnahme: retrokardial gelegener Magen mit Spiegelbildung über flüssigem Mageninhalt ( Á).
nierten Magen-Darm-Abschnitten, sowie das Vollbild eines Ileus, der im Rahmen einer Strangulation entstehen kann. Im Falle von Komplikationen nehmen die klinischen Beschwerden zu, der Zustand kann sich bis zum Vollbild eines akuten Abdomens ausweiten. Diagnose. Bei der Röntgenuntersuchung des Thorax kann die Verdachtsdiagnose bereits aufgrund der intra-
Diagnose. Bei der Röntgenuntersuchung des Thorax kann die Verdachtsdiagnose bereits aufgrund der intrathorakal gelegenen Luftblase gestellt werden. Eine Diagnosesicherung erfolgt durch die Röntgenkontrastunter-
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2.3 Zwerchfellruptur suchung oder eine Endoskopie, die die intrathorakal gelegenen MagenDarm-Abschnitte darstellen.
Therapie. Bei jeder, auch der komplikations- und beschwerdefreien paraösophagealen Hernie ist eine Operationsindikation gegeben, da auch bei unauffälligem Verlauf jederzeit die Gefahr einer schweren Komplikation besteht. Als einfachste und risikoärmste operative Vorgehensweise ist die transabdominelle Fixierung des Magens an der vorderen Bauchwand (ventrale Fundo- oder Gastropexie) zu nennen. Das Risiko eines Hernierezidives liegt bei etwa 20 %.
Mischformen n Definition. Bei den Mischformen der Hiatushernien handelt es sich um das gleichzeitige Vorliegen einer axialen Gleithernie und einer paraösophagealen Hernie ( 1 B-2.2). Die Kardia befindet sich aufgrund einer Insuffizienz ihrer Haltestrukturen intrathorakal, der His-Winkel ist stumpf.
thorakal gelegenen Luftblase gestellt werden und durch eine Röntgenkontrastuntersuchung oder eine Endoskopie gesichert werden. Therapie. Bei jeder, auch der komplikations- und beschwerdefreien paraösophagealen Hernie ist eine Operationsindikation gegeben, da auch bei unauffälligem Verlauf jederzeit die Gefahr einer schweren Komplikation besteht. Die Therapie besteht in einer ventralen Fundo- oder Gastropexie. Mischformen Definition
Gleichzeitig sind neben der Kardia weitere Anteile des Magens oder andere intraabdominelle Organe durch den Hiatus in den Thoraxraum eingetreten.
Therapie. Alle Mischformen der Hiatushernien stellen eine Indikation zur
operativen Intervention dar, da durch den paraösophagealen Hernienanteil eine Inkarzerationsgefahr gegeben ist. Die operative Therapie entspricht der kombinierten Vorgehensweise wie beim Vorliegen von Gleithernien oder paraösophagealen Hernien.
2.3
Zwerchfellruptur
n Definition. Eine plötzlich auftretende abrupte intraabdominelle Druckerhöhung kann zur Ruptur des Zwerchfells und zu einem Prolaps von Baucheingeweiden durch die so entstandene Lücke in den Thorax hinein führen.
Therapie. Alle Mischformen der Hiatushernien stellen eine Indikation zur operativen Intervention dar. Die operative Therapie entspricht der kombinierten Vorgehensweise beim Vorliegen von Gleithernien oder paraösophagealen Hernien. 2.3
Zwerchfellruptur
Definition
Ätiologie. Die häufigste Ursache solcher Druckerhöhungen ist ein stumpfes
Ätiologie. Die häufigste Ursache ist ein stumpfes Bauchtrauma. Seltener kommen perforierende oder penetrierende Verletzungen oder stumpfe Thoraxtraumen als Auslöser in Frage.
Pathogenese. Die traumatische Zwerchfellruptur tritt in 95 % der Fälle links auf, da die Leber bei stumpfen Traumen stoßdämpfend wirkt. Eine beidseitige Ruptur ist extrem selten. Die Rupturstelle liegt dort, wo der Widerstand gegen die Druckerhöhung am geringsten ist (Locus minoris resistentiae), im Centrum tendineum oder am Übergang vom muskulären zum sehnigen Anteil der Zwerchfellplatte. Aufgrund des negativen intrathorakalen Drucks kommt es zum Vorfall von Bauchorganen (Milz, Magen, Netz, Dünndarm, Kolon, selten auch von Leberanteilen) in die Thoraxhöhle. Da bei der Zwerchfellruptur nicht nur der muskuläre und sehnige Anteil des Zwerchfells zerreißt, sondern auch der Peritonealüberzug zerstört wird, liegt hierbei keine Hernie sondern ein Prolaps vor. Die traumatische Zwerchfellruptur gehört zu den Unfallfolgen, die am häufigsten übersehen werden. Als Ursache hierfür können zwei Umstände angeführt werden: Zum einen kann die Ruptur selbst symptomarm verlaufen und der Prolaps von Bauchorganen sich erst langsam entwickeln. Zum anderen stehen bei den meist polytraumatisierten Patienten andere Verletzungen im Vordergrund, sodass die Zwerchfellruptur in der primären Notfalldiagnostik nicht erkannt wird.
Pathogenese. Die traumatische Zwerchfellruptur tritt in 95 % der Fälle links auf. Eine beidseitige Ruptur ist extrem selten. Die Rupturstelle liegt meist im Centrum tendineum oder am Übergang vom muskulären zum sehnigen Anteil der Zwerchfellplatte. Aufgrund des negativen intrathorakalen Drucks kommt es zum Vorfall von Bauchorganen (Milz, Magen, Netz, Dünndarm, Kolon, selten auch von Leberanteilen) in die Thoraxhöhle.
Bauchtrauma. Seltener kommen perforierende oder penetrierende Verletzungen wie etwa durch Schuss- oder Stichverletzungen oder stumpfe Thoraxtraumen als Auslöser in Frage.
Die traumatische Zwerchfellruptur gehört zu den Unfallfolgen, die am häufigsten übersehen werden, da die Ruptur selbst symptomarm verlaufen kann und sich der Prolaps von Bauchorganen langsam entwickelt. Die Symptomatik wird zudem meist durch schwere Begleitverletzungen überlagert.
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2.3 Zwerchfellruptur suchung oder eine Endoskopie, die die intrathorakal gelegenen MagenDarm-Abschnitte darstellen.
Therapie. Bei jeder, auch der komplikations- und beschwerdefreien paraösophagealen Hernie ist eine Operationsindikation gegeben, da auch bei unauffälligem Verlauf jederzeit die Gefahr einer schweren Komplikation besteht. Als einfachste und risikoärmste operative Vorgehensweise ist die transabdominelle Fixierung des Magens an der vorderen Bauchwand (ventrale Fundo- oder Gastropexie) zu nennen. Das Risiko eines Hernierezidives liegt bei etwa 20 %.
Mischformen n Definition. Bei den Mischformen der Hiatushernien handelt es sich um das gleichzeitige Vorliegen einer axialen Gleithernie und einer paraösophagealen Hernie ( 1 B-2.2). Die Kardia befindet sich aufgrund einer Insuffizienz ihrer Haltestrukturen intrathorakal, der His-Winkel ist stumpf.
thorakal gelegenen Luftblase gestellt werden und durch eine Röntgenkontrastuntersuchung oder eine Endoskopie gesichert werden. Therapie. Bei jeder, auch der komplikations- und beschwerdefreien paraösophagealen Hernie ist eine Operationsindikation gegeben, da auch bei unauffälligem Verlauf jederzeit die Gefahr einer schweren Komplikation besteht. Die Therapie besteht in einer ventralen Fundo- oder Gastropexie. Mischformen Definition
Gleichzeitig sind neben der Kardia weitere Anteile des Magens oder andere intraabdominelle Organe durch den Hiatus in den Thoraxraum eingetreten.
Therapie. Alle Mischformen der Hiatushernien stellen eine Indikation zur
operativen Intervention dar, da durch den paraösophagealen Hernienanteil eine Inkarzerationsgefahr gegeben ist. Die operative Therapie entspricht der kombinierten Vorgehensweise wie beim Vorliegen von Gleithernien oder paraösophagealen Hernien.
2.3
Zwerchfellruptur
n Definition. Eine plötzlich auftretende abrupte intraabdominelle Druckerhöhung kann zur Ruptur des Zwerchfells und zu einem Prolaps von Baucheingeweiden durch die so entstandene Lücke in den Thorax hinein führen.
Therapie. Alle Mischformen der Hiatushernien stellen eine Indikation zur operativen Intervention dar. Die operative Therapie entspricht der kombinierten Vorgehensweise beim Vorliegen von Gleithernien oder paraösophagealen Hernien. 2.3
Zwerchfellruptur
Definition
Ätiologie. Die häufigste Ursache solcher Druckerhöhungen ist ein stumpfes
Ätiologie. Die häufigste Ursache ist ein stumpfes Bauchtrauma. Seltener kommen perforierende oder penetrierende Verletzungen oder stumpfe Thoraxtraumen als Auslöser in Frage.
Pathogenese. Die traumatische Zwerchfellruptur tritt in 95 % der Fälle links auf, da die Leber bei stumpfen Traumen stoßdämpfend wirkt. Eine beidseitige Ruptur ist extrem selten. Die Rupturstelle liegt dort, wo der Widerstand gegen die Druckerhöhung am geringsten ist (Locus minoris resistentiae), im Centrum tendineum oder am Übergang vom muskulären zum sehnigen Anteil der Zwerchfellplatte. Aufgrund des negativen intrathorakalen Drucks kommt es zum Vorfall von Bauchorganen (Milz, Magen, Netz, Dünndarm, Kolon, selten auch von Leberanteilen) in die Thoraxhöhle. Da bei der Zwerchfellruptur nicht nur der muskuläre und sehnige Anteil des Zwerchfells zerreißt, sondern auch der Peritonealüberzug zerstört wird, liegt hierbei keine Hernie sondern ein Prolaps vor. Die traumatische Zwerchfellruptur gehört zu den Unfallfolgen, die am häufigsten übersehen werden. Als Ursache hierfür können zwei Umstände angeführt werden: Zum einen kann die Ruptur selbst symptomarm verlaufen und der Prolaps von Bauchorganen sich erst langsam entwickeln. Zum anderen stehen bei den meist polytraumatisierten Patienten andere Verletzungen im Vordergrund, sodass die Zwerchfellruptur in der primären Notfalldiagnostik nicht erkannt wird.
Pathogenese. Die traumatische Zwerchfellruptur tritt in 95 % der Fälle links auf. Eine beidseitige Ruptur ist extrem selten. Die Rupturstelle liegt meist im Centrum tendineum oder am Übergang vom muskulären zum sehnigen Anteil der Zwerchfellplatte. Aufgrund des negativen intrathorakalen Drucks kommt es zum Vorfall von Bauchorganen (Milz, Magen, Netz, Dünndarm, Kolon, selten auch von Leberanteilen) in die Thoraxhöhle.
Bauchtrauma. Seltener kommen perforierende oder penetrierende Verletzungen wie etwa durch Schuss- oder Stichverletzungen oder stumpfe Thoraxtraumen als Auslöser in Frage.
Die traumatische Zwerchfellruptur gehört zu den Unfallfolgen, die am häufigsten übersehen werden, da die Ruptur selbst symptomarm verlaufen kann und sich der Prolaps von Bauchorganen langsam entwickelt. Die Symptomatik wird zudem meist durch schwere Begleitverletzungen überlagert.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
310 Merke
Symptome. Der Organprolaps entsteht innerhalb von wenigen Minuten bis hin zu mehreren Tagen nach dem Trauma. Akute klinische Beschwerden, die als Komplikation auftreten können, sind: π kardiale Arrhythmien π Dyspnoe π intraabdominelle Blutungen π Ileus π gastrointestinale Blutungen. Übersehene Zwerchfellrupturen manifestieren sich in Form von uncharakteristischen Beschwerden (Schmerzen, Völlegefühl oder Dyspnoe). Diagnose. Ein tympanitischer (luftgefüllter Magen oder Kolon) oder gedämpfter Klopfschall, Darmgeräusche im Thorax sowie abgeschwächte Atemgeräusche können erste Hinweise auf eine Zwerchfellruptur geben. In der Röntgenübersicht des Thorax fällt eine unscharfe Begrenzung der betroffenen Zwerchfellkuppe auf, begleitet von basalen Verschattungen oder intrathorakalen Dünndarmspiegeln ( 1 B-2.5). Eine MDP, Sonographie oder eine CT sichern die Diagnose.
2 Zwerchfell
n Merke. Bei Patienten, die ein schweres linksseitiges abdominelles, thorakales oder thorakoabdominelles Trauma erlitten haben, muss stets eine Zwerchfellruptur ausgeschlossen werden.
Symptome. Der Organprolaps entsteht innerhalb von wenigen Minuten bis
hin zu mehreren Tagen nach dem Trauma. Akute klinische Beschwerden werden meist durch die Verdrängung von Cor oder Pulmo in Form von Arrhythmien oder Dyspnoe ausgelöst. Außerdem kann es durch das Trauma zu Verletzungen von Milz, Mesenterialgefäßen oder Leber, die in den Thorax prolabieren, bzw. zu intraabdominellen Blutungen kommen. Seltener tritt durch eine Inkarzeration der prolabierten Organe ein Ileus oder eine gastrointestinale Blutung ein. Primär übersehene Zwerchfellrupturen manifestieren sich in Form von uncharakteristischen Beschwerden wie retrosternalen Schmerzen, Völlegefühl oder Dyspnoe.
Diagnose. Bereits die gründliche klinische Untersuchung kann erste Hin-
weise auf eine Zwerchfellruptur geben: Bei der Perkussion des Thorax kann es je nach prolabiertem Organ zu einem tympanitischen (luftgefüllter Magen oder Kolon) oder gedämpften Klopfschall (Milz, Leber) kommen. Auskultatorisch können evtl. Darmgeräusche im Thorax oder abgeschwächte Atemgeräusche wahrgenommen werden. In der Röntgenuntersuchung des Thorax fällt eine unscharfe Begrenzung der betroffenen Zwerchfellkuppe auf. Zusätzlich können basale Verschattungen oder intrathorakale Dünndarmspiegel zu sehen sein ( 1 B-2.5). Die Diagnose eines Enterothorax kann durch eine Kontrastmittelröntgenuntersuchung (MDP) verifiziert werden, während Verlagerungen von Milz oder Leber oft sonographisch darstellbar sind. Die Computertomographie (CT) bringt in unklaren Fällen eine Klärung.
1 B-2.5
Zwerchfellruptur mit Enterothorax Raumforderung ohne Lungenparenchymzeichnung in der linken Thoraxhöhle nach stumpfem Bauchtrauma.
Therapie. Bei der Behandlung der zumeist polytraumatisierten Patienten steht zuerst die Schockbekämpfung und Dekompression des luftgefüllten Magens durch eine Magensonde im Vordergrund.
Therapie. Bei der Behandlung der zumeist polytraumatisierten Patienten
steht zuerst die Schockbekämpfung im Vordergrund. Zur Vermeidung einer zunehmenden Kompression von Herz und Lunge durch Luft, die durch die Beatmung in den Magen gelangen kann, ist eine Dekompression mit einer Magensonde angezeigt.
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311
2.4 Relaxatio diaphragmatica
n Merke. Bei Thoraxverletzungen sollte eine blinde Pleurapunktion oder Bülau-Dränage nur bei Verdacht auf einen Spannungspneumothorax durchgeführt werden, ehe durch eine Röntgen-Thoraxübersichtsaufnahme eine Zwerchfellruptur ausgeschlossen ist. Nur so lässt sich eine iatrogene Perforation von in den Thorax prolabierten Magen-DarmAnteilen sicher vermeiden.
Ist der klinische Verdacht auf eine Zwerchfellruptur durch weitere Untersuchungen erhärtet worden, so ist nach Kreislaufstabilisierung eine Explorativlaparotomie indiziert. Neben der Reposition der prolabierten Organe und Verschluss der Ruptur durch primäre Naht ist eine Exploration des gesamten Abdomens zur Erkennung und Behandlung weiterer intraabdomineller Verletzungen notwendig.
2.4
Relaxatio diaphragmatica
n Definition. Unter einer Relaxatio diaphragmatica versteht man die extreme Erschlaffung einer Zwerchfellhälfte mit konsekutivem hochgradigem Zwerchfellhochstand.
Merke
Die operative Therapie besteht in einer Explorativlaparotomie mit Reposition der prolabierten Organe, Verschluss der Ruptur und Exploration des gesamten Abdomens.
2.4
Relaxatio diaphragmatica
Definition
Die angeborene Form lässt sich auf eine Defektmissbildung meist des N. phrenicus zurückführen. Die erworbenen Formen beruhen auf einer – wahrscheinlich degenerativen – Gefügedilatation des Zwerchfells mit einem bis zur Aufhebung der Kontraktilität reichenden Muskeltonusverlust des Zwerchfells. Dieses führt zu einer massiven Überdehnung und paradoxen Zwerchfellatmungsbewegungen. Bei der Relaxation ist der Zwerchfellhochstand meist ausgeprägter als bei einer gleichseitigen Phrenikusparese, da bei der Parese die Zwerchfellmuskulatur noch ihren Eigentonus behält. Die Relaxatio diaphragmatica tritt überwiegend auf der linken Seite auf.
Die angeborene Form lässt sich auf eine Defektmissbildung, die erworbenen Formen auf eine Gefügedilatation des Zwerchfells zurückführen. Bei der Relaxation ist der Zwerchfellhochstand meist ausgeprägter als bei einer gleichseitigen Phrenikusparese, da bei der Parese die Zwerchfellmuskulatur noch ihren Eigentonus behält. Die Relaxatio diaphragmatica tritt überwiegend auf der linken Seite auf.
Symptome. Ca. 50 % aller Patienten sind klinisch beschwerdefrei. Als füh-
Symptome. Als führende Symptome treten auf: π Dyspnoe π Tachypnoe π rezidivierende einseitige Pneumonien π Herzrhythmusstörungen. In schweren Fällen kommt es zu einer Mediastinalverdrängung mit akuter kardiorespiratorischer Insuffizienz. Durch den extremen Zwerchfellhochstand der linken Zwerchfellseite kann es zu einer übermäßigen Luftansammlung im Magen mit Überblähung der Magenblase und der linken Kolonflexur kommen. Die Relaxatio diaphragmatica ist differenzialdiagnostisch oft schwer von Zwerchfellrupturen zu trennen. Therapie. Die Indikation zur Operation ist dann gegeben, falls kardiopulmonale Komplikationen auftreten oder das subjektive Wohlbefinden des Patienten tiefgreifend gestört ist. Rezidive sind nicht selten. Als operative Verfahren kommen die Zwerchfellraffung oder die Implantation von alloplastischem Material in Frage.
rende Symptome treten Dyspnoe, Tachypnoe, rezidivierende einseitige Pneumonien und Herzrhythmusstörungen auf. In schweren Fällen kommt es zu einer vollständigen Ausfüllung einer Pleurahöhle durch die Relaxatio, was eine Mediastinalverdrängung mit akuter kardiorespiratorischer Insuffizienz bewirken kann. Durch den extremen Zwerchfellhochstand der (meist) linken Zwerchfellseite kann es zu einer übermäßigen Luftansammlung im Magen mit Überblähung der Magenblase und der linken Kolonflexur – ähnlich einem Roemheld-Syndrom – kommen. Im Gegensatz zum Roemheld-Syndrom ist in diesem Fall der Zwerchfellhochstand Ursache und nicht Resultat des Oberbauchmeteorismus. Die Relaxatio diaphragmatica ist differenzialdiagnostisch oft schwer von Zwerchfellrupturen zu trennen. Eine genaue Differenzierung ist meistens erst intraoperativ möglich.
Therapie. Die Indikation zur Operation ist dann gegeben, wenn kardiopulmonale Komplikationen auftreten oder das subjektive Wohlbefinden des Patienten tiefgreifend gestört ist. Rezidive sind nicht selten. Als operative Verfahren kommen die transthorakale oder transabdominelle Zwerchfellraffung oder bei zu ausgedünntem Zwerchfell eine zusätzliche Verstärkung mit alloplastischem Material in Frage.
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312 2.5
Tumoren
2 Zwerchfell
2.5
Tumoren
Die häufigsten Tumoren des Zwerchfells sind Malignome der Nachbarorgane oder Metastasen. Die primären Zwerchfelltumoren sind sehr selten.
Die häufigsten Tumoren des Zwerchfelles sind Malignome der Nachbarorgane, die das Zwerchfell per continuitatem mit einbeziehen oder Metastasen von entfernt gelegenen Tumoren. Primäre Zwerchfelltumoren sind sehr selten, wobei Malignome (Sarkome) und benigne Tumoren (Lipome, Angiome, Fibrome) in etwa gleich häufig vorkommen.
Symptome und Therapie. Die Symptome, die von Zwerchfelltumoren hervorgerufen werden, sind unabhängig vom Tumortyp unspezifisch. Bei unklarer Artdiagnose erfolgt eine Explorativlaparotomie und – soweit chirurgisch radikal möglich – eine Exzision zur histologischen Abklärung.
Symptome und Therapie. Die Symptome, die von Zwerchfelltumoren her-
vorgerufen werden, sind unabhängig vom Tumortyp unspezifisch. So wird die Diagnose in den meisten Fällen als Zufallsbefund gestellt. Bei einem generalisierten Tumorleiden wird meistens auf eine Therapie verzichtet, während bei unklarer Artdiagnose eine Explorativlaparotomie und – soweit chirurgisch radikal möglich – eine Exzision zur histologischen Abklärung vorgenommen wird. Die Prognose ist abhängig von der Histologie und dem Tumorstadium.
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Magen und Duodenum
3
3
Magen und Duodenum
Anatomie und Physiologie
Mathias Löhnert, Horst Schaube 3.1
Anatomie und Physiologie
3.1
3.1.1
Topographische Anatomie
3.1.1 Topographische Anatomie
Magen
Magen
Der Magen wird anatomisch/funktionell in 5 Abschnitte eingeteilt: Kardia, Fundus, Korpus, Antrum und Pylorus ( 1 B-3.1). Die Magenwand besteht aus Serosa, Muscularis propria, Submukosa und Mukosa (von außen nach innen). Im Fundus und Korpus finden sich in der Mukosa Belegzellen und
Der Magen besteht aus Kardia, Fundus, Korpus, Antrum und Pylorus ( 1 B-3.1). Die Wand baut sich aus Serosa, Muscularis propria, Submukosa und Mukosa
1 B-3.1
Synopsis Anatomie des Magens A. gastrica sinistra Truncus coeliacus
Fundus
A. hepatica communis
Kardia
A. gastrica dextra
kleine Kurvatur Angulus
A. lienalis
A. gastroduodenalis
Korpus große Kurvatur Antrum
A. gastroepiploica dextra
Pylorus Makroanatomie des Magens.
A. gastroepiploica sinistra A. mesenterica superior
Arterielle Gefäßversorgung des Magens.
6 3 1 7
5
4
2 8
Vegetative Nervenversorgung des Magens. Sympathische Fasern (blau), parasympathische Fasern (gelb).
Lymphabflussgebiet des Magens. Kompartment I: Lymphknoten direkt entlang der kleinen (1) und großen (2) Kurvatur des Magens; Kompartment II: Lymphknoten entlang der Gefäße A. gastrica sinistra (3), A. hepatica communis (4), Truncus coeliacus (5), A. lienalis (6), am Milzhilus (6) und am Lig. hepatoduodenale (7); Kompartment III: Lymphknoten hinter dem Pankreaskopf (8), an der Mesenterialwurzel und entlang der Aorta abdominalis.
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3 Magen und Duodenum
auf. Im Fundus und Korpus finden sich Beleg- und Hauptzellen, in der Kardia und Antrum Nebenzellen, im Antrum auch G-Zellen. Der Magen wird an der kleinen Kurvatur aus den Aa. gastricae sinistra et dextra, an der großen Kurvatur über die Aa. gastroepiploicae sinistra et dextra versorgt. Der Blutabfluss erfolgt über gleichnamige Venen in die V. portae. Über die Rr. gastrici breves besteht an den proximalen Abschnitten der großen Kurvatur eine Verbindung zur V. lienalis. Über die Venen der Magenwand besteht die Verbindung zu den Venen des Ösophagus. Die regionären Lymphknoten des Magens werden in 4 Gruppen zusammengefasst: π proximale kleine Kurvatur π distale kleine Kurvatur π distale große Kurvatur mit Pylorus π proximale große Kurvatur mit Milzhilus. Die nervale Versorgung des Magens erfolgt sympathisch über das Ganglion coeliacum, parasympathisch direkt über den N. vagus. Die Trunci vagales treten durch den Hiatus oesophagei in den Bauchraum ein und geben die Rr. hepatici und Rr. antrales (Latarjet) ab.
Hauptzellen, in der Kardiaregion und dem Antrum Nebenzellen und im Antrum zusätzlich G-Zellen. Die arterielle Blutversorgung erfolgt an der kleinen Kurvatur über die Aa. gastricae sinistra et dextra, an der großen Kurvatur über die Aa. gastroepiploicae sinistra et dextra. Der venöse Blutabfluss wird über gleichnamige Venen hauptsächlich in die V. portae gewährleistet. An den proximalen Abschnitten der großen Kurvatur erfolgt der Abfluss über die Rr. gastrici breves zur V. lienalis. Über die Venen der Magenwand besteht die Verbindung zu den Venen des Ösophagus. Hierdurch kann es bei portaler Hypertension zur Ausbildung von sog. Fundusvarizen kommen, die ebenso wie Ösophagusvarizen ein Zeichen der venösen Druckerhöhung sind. Der Lymphabfluss des Magens erfolgt zunächst über subserös gelegene Lymphbahnen, die sich in 4 magennahe Lymphknotengruppen dränieren: π Lymphknoten an der proximalen kleinen Kurvatur und Kardia π Lymphknoten an der distalen kleinen Kurvatur π Lymphknoten an der unteren großen Kurvatur π Lymphknoten an der oberen großen Kurvatur. Von hier aus bestehen innige Verbindungen zu zöliakalen, hepatischen, suprapankreatischen, linealen, paraaortalen, mesenterialen und mediastinalen Lymphknotenstationen. Die nervale Versorgung des Magens erfolgt sympathisch über das Ganglion coeliacum. Parasympathisch wird der Magen direkt vom N. vagus stimuliert, wobei eine Vagusstimulation eine vermehrte Sekretion von Magensaft und Motorik des Magen- und Darmtrakts auslöst. Der Vagus tritt dabei aufgeteilt in seine Trunci vagales durch den Hiatus oesophagei in den Bauchraum ein. Nach Abgabe der Rr. hepatici und Rr. antrales (Latarjet) teilen sich die Vagusäste in die sekretorischen Fasern an der Magenvorder- und Hinterwand auf.
Duodenum
Duodenum
Das Duodenum wird in Pars superior, Pars descendens, Pars horizontalis und Pars ascendens eingeteilt. In der Pars descendens münden Pankreasund Gallengang in das Duodenum. Die Wand besteht aus Serosa, M. propria, Submukosa und Mukosa. In der Mukosa liegen die Brunner-Drüsen, die das Duodenalsekret produzieren.
Das Duodenum beginnt direkt hinter dem Pylorus mit der Pars superior, an die sich die Pars descendens anschließt. Am duodenalen Knie folgt die Pars horizontalis. Die Pars ascendens mündet am Treitz-Band (Flexura duodenojejunalis) in das Jejunum. Bis auf die Pars superior liegt das Duodenum retroperitoneal. An der Hinterwand der Pars descendens münden Pankreasund Gallengang in das Duodenum ein. Die Wand des Duodenums ist ebenso wie die Magenwand aus einer Serosa, Muscularis propria, Submukosa und Mukosa aufgebaut. Im Gegensatz zur Magenschleimhaut gibt es hier Brunner-Drüsen in der Schleimhaut, die das Duodenalsekret produzieren. Die Blutversorgung des Duodenums erfolgt durch die A. gastroduodenalis, die A. pancreaticoduodenalis und die A. supraduodenalis, die aus dem Truncus coeliacus und der A. mesenterica superior entspringen. Der venöse Blutabstrom wird durch gleichnamige Venen in das portale Stromgebiet gewährleistet. Die nervale Versorgung geschieht wie beim Magen sympathisch über den Plexus coeliacus und parasympathisch über den N. vagus.
Die Blutversorgung erfolgt durch die Aa. gastroduodenalis, pancreaticoduodenalis und supraduodenalis. Der venöse Blutabfluss erfolgt über gleichnamige Venen in die V. porta. Das Duodenum wird sympathisch über den Plexus coeliacus und parasympathisch über den N. vagus versorgt. 3.1.2 Physiologie und Pathophysiologie Die Speicherung oder der Transport (Reservoirfunktion, Transportfunktion), die Zerlegung (Verdauungs- und Sekretionsfunktion) und Aufnahme von Nahrungsbestandteilen (Resorptionsfunktion) unterliegen einem komplizierten Steuermechanismus. Dieser wird vom vegetativen Nervensystem, Hormonen, Enzymen, Proenzymen oder anderen Transmitterstoffen geregelt (neurohumorale Steuerung).
3.1.2
Physiologie und Pathophysiologie
Die Speicherung oder der Transport von Nahrung durch den Gastrointestinaltrakt (Reservoirfunktion, Transportfunktion), die Zerlegung (Verdauungs- und Sekretionsfunktion) und die anschließende Aufnahme von Nahrungsbestandteilen (Resorptionsfunktion) unterliegen einem komplizierten Steuermechanismus. Steuerfunktion übernehmen dabei zum einen das vegetative Nervensystem, zum anderen aber auch Hormone, Enzyme, Proenzyme oder andere Transmitterstoffe, die teilweise in den Erfolgsorganen selbst hergestellt oder freigesetzt werden. Dies wird als neurohumorale Steuerung bezeichnet.
Transport- und Reservoirfunktion
Transport- und Reservoirfunktion
Der Magen hat die Aufgabe, aufgenommene Speisen zu speichern und zu durchmischen, um diese dann zeit-
Der Magen hat die Aufgabe, aufgenommene Speisen zu speichern und zu durchmischen, um diese dann zeitgerecht und portionsweise an die nachfolgenden Abschnitte des Verdauungstraktes weitergeben zu können. Um zum
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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3.1.2 Physiologie und Pathophysiologie einen sowohl den Zeitpunkt der Nahrungsweitergabe festlegen zu können, zum anderen auch eine Transportrichtung nach aboral vorgeben zu können, besitzt der Magen am Eingang, der Kardia, und am Ausgang, dem Pylorus, Verschlusssegmente, die Ventilfunktionen übernehmen. Das orale Ventil wird durch den unteren Ösophagussphinkter (UÖS) gebildet, der einen gastroösophagealen Reflux verhindert (s. a. Kap. B-1.1.2). Der distale Verschluss wird durch den Pylorus erreicht, der so seinerseits einen duodenogastralen Reflux verhindert. Die motorische Steuerung von Pendel-(Durchmisch-) und Propulsiv-(Transport-)Peristaltik erfolgt über die sympathische und parasympathische Innervation. Eine Vagusreizung führt zur Kontraktion der Wandmuskulatur und Steigerung der Propulsivmotorik, während der Sympathikus eine Erschlaffung und somit Dilatation von Magen und Duodenum bewirkt und gleichzeitig die Pendelperistaltik fördert.
gerecht an die nachfolgenden Abschnitte des Verdauungstraktes weitergeben zu können. Hierzu besitzt er an Ein- und Ausgang Ventilmechanismen (unterer Ösophagussphinkter [UÖS] und Pylorus).
Sekretionsfunktion
Sekretionsfunktion
Der Magen sezerniert ungefähr 1500–3000 ml Sekret am Tag, wobei 70–80 % dieser Menge von der Schleimhaut des Korpus und Fundus gebildet wird. Der Schutz der Schleimhaut von Magen und Zwölffingerdarm vor Autodigestion ist maßgeblich von einer intakten neurohumoralen Steuerung der Sekretion und Motorik und einer ungestörten Regenerationsfähigkeit des Oberflächenepithels abhängig. Die Sekretionsleistung des Magens wird von spezialisierten Zellen der Mukosa übernommen. Die Belegzellen, die in Fundus- und Korpusregion lokalisiert sind, bilden die Salzsäure, sowie den Intrinsic factor. Die ebenfalls in der Fundus- und Korpusregion vorhandenen Hauptzellen sezernieren Pepsinogen und Kathepsin, während die Nebenzellen im Kardia- und Pylorusbereich für die Produktion von Magenschleim zuständig sind. Die G-Zellen im Antrum synthetisieren Gastrin. Die Säureproduktion und die Zahl der Belegzellen korrelieren positiv miteinander, wobei die Salzsäure in einer Konzentration von ca. 0,1 mol/l (dies entspricht einem pH-Wert von 1–2) in das Magenlumen sezerniert wird. Die Anreicherung der Wasserstoffionen im Magenlumen erfolgt über aktive, d.h. energieverbrauchende Transportvorgänge. Um den Konzentrationsunterschied dieser Ionen zwischen Magenlumen und Serum aufrechtzuerhalten, werden aktive (Ionenaustausch) und passive (Kittleisten-Schleimschicht) Schutzmechanismen benötigt. Diese ergeben zusammen die sog. Magenschleimhautbarriere. Wird sie z.B. durch chemische Substanzen (sog. »barrier breakers«) zerstört, so kann es zur Entstehung von Magenschleimhautschäden kommen. Zu diesen »barrier breakers« gehören ASS, nichtsteroidale Antiphlogistika, Detergenzien, Alkohol und Gallensäuren und Lysolecithin aus dem Duodenalsekret. Der Intrinsic factor ist ein Mukoprotein (MG 55000) und wird von den Belegzellen im Fundus gebildet. Er bildet mit Vitamin B12 einen Komplex, der die intestinale Resorption von Vitamin B12 im distalen Ileum erst ermöglicht. Die Protease Pepsin entsteht im sauren Magenmilieu aus dem von den Hauptzellen sezernierten Pepsinogen. Pepsin stellt einen wichtigen Initiator der Proteolyse dar. Gastrin wird vorwiegend in den G-Zellen des Antrums synthetisiert, aber auch extragastral (z.B. in duodenalen Zellen) gebildet. Es handelt sich hierbei um ein sekretorisch wirksames Polypeptid, dessen Freisetzung durch mechanische Antrumdehnung, Vagusstimulation oder chemische Reize ausgelöst wird. Besonders Aminosäuren, Alkohol, Acetylcholin und Gallensäuren führen eine Sekretionssteigerung von Gastrin herbei. Das synthetisch hergestellte Pentagastrin (GastrodiagnostQ) wird für diagnostische Zwecke, z.B. im Rahmen der Magensaftanalyse verwendet (s. S. 319). Die Regulation der Magensaftsekretion erfolgt über einen Regelkreis mit sekretionshemmenden und -stimulierenden Einflussgrößen mechanischer, chemischer, nervaler und hormoneller Natur ( 2 B-3.1). Der wichtigste physiologische Stimulus zur Magensaftsekretion ist die Aufnahme einer Mahlzeit, wobei sich nervale (Vagusreizung) und hormonale (Gastrinfreisetzung durch Antrumdehnung) Faktoren potenzieren.
Der Magen sezerniert ungefähr 1500–3000 ml Sekret am Tag, 70–80 % davon alleine in Korpus und Fundus. Der Schutz vor Autodigestion wird durch eine intakte Sekretionsregulation und normale Regenerationsfähigkeit des Epithels gewährleistet. Sekretionsorte im Magen: π Belegzellen (Fundus, Korpus): HCl, Intrinsic factor π Hauptzellen (Fundus, Korpus): Pepsinogen und Kathepsin π Nebenzellen (Kardia, Pylorus): Magenschleim π G-Zellen (Antrum): Gastrin. Die Säureproduktion und die Zahl der Belegzellen korrelieren positiv miteinander.
Eine Vagusreizung führt zur Kontraktion der Wandmuskulatur und Steigerung der Propulsivmotorik, während der Sympathikus eine Erschlaffung und somit Dilatation von Magen und Duodenum bewirkt und gleichzeitig die Pendelperistaltik fördert.
Um den Konzentrationsunterschied der Wasserstoffionen aufrechtzuerhalten, werden aktive und passive Schutzmechanismen benötigt (Magenschleimhautbarriere). Sogenannte »barrier breakers« (ASS, nichtsteroidale Antiphlogistika, Detergenzien, Alkohol, Gallensäuren und Lysolecithin aus dem Duodenalsekret) können die Magenschleimhautbarriere zerstören. Der Intrinsic factor bildet mit Vitamin B 12 einen Komplex, der die intestinale Resorption von Vitamin B 12 im distalen Ileum erst ermöglicht. Die Protease Pepsin entsteht aus Pepsinogen. Sie stellt einen wichtigen Initiator der Proteolyse dar. Gastrin ist ein sekretorisch wirksames Polypeptid, dessen Freisetzung durch mechanische Antrumdehnung, Vagusstimulation oder chemische Reize (Aminosäuren, Alkohol, Acetylcholin und Gallensäuren) ausgelöst wird. Das synthetisch hergestellte Pentagastrin (GastrodiagnostQ ) wird für diagnostische Zwecke verwendet (s. S. 319). Die Regulation der Magensaftsekretion erfolgt über einen Regelkreis mit mechanischen, chemischen, nervalen und hormonellen Einflussgrößen ( 2 B-3.1).
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3 Magen und Duodenum
2 B-3.1
Faktoren der Magensäureregulation
Modus
sekretionshemmend
sekretionsfördernd
N chemischer Reiz n
saures Milieu im Antrum oder Duodenum
Aufnahme von Alkohol, Eiweiß, Koffein, gerösteten Speisen, Gewürzen, Bikarbonat, Gallensäuren im Magen
N mechanischer Reiz n
–
Dehnung des Antrums
N autonomes Nervensystem n
Sympathikusaktivität
Vagusaktivität
N hormonelle Steuerung n
Sekretin, GIP, VIP, Pankreozymin, Glukagon, Enterogastron, Bulbogastron
Gastrin, Kortikoide, LTH, Parathormon, Androgene, Insulin, ACTH, STH, Histamin
Phasen der Verdauung ( 1 B-3.2): 1. Interdigestivphase 2. Verdauungsphase π zephale Phase π gastrale Phase π intestinale Phase.
Bei der mit der Nahrungsaufnahme eingeleiteten Verdauung werden folgende Phasen unterschieden ( 1 B-3.2): 1. Nüchtern- oder Interdigestivphase zwischen vollständiger Magenentleerung und erneuter Magenfüllung 2. Verdauungsphase, die nach Nahrungsaufnahme in: π zephale π gastrale π intestinale Phase unterteilt wird.
1 B-3.2
Synopsis Phasen der Magensekretion
ZNS zentraler Nahrungsreiz
1. zephale Phase (0–180 Minuten)
HCL-Pepsin N. vagus Belegzelle
Gastrin
2. gastrale Phase (20–240 Minuten)
G-Zelle antraler Nahrungsreiz Gastrin ?
intestinaler Reiz
3. intestinale Phase (über 3 Stunden)
Interdigestivphase
Interdigestivphase
Nüchternzustand der Magensekretion. Eine pathologisch gesteigerte Sekretion findet man beim Zollinger-EllisonSyndrom und bei hypersekretorischen Formen des Ulcus duodeni.
Sie entspricht dem Nüchternzustand der Magensekretion mit basaler Säureund Fermentproduktion. Pathologisch gesteigerte Sekretionswerte in der Nüchternphase findet man beim Zollinger-Ellison-Syndrom und bei den hypersekretorischen Formen des Ulcus duodeni.
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3.2.2 Röntgen
Verdauungsphase Zephale Phase: Durch sensorischen Nahrungskontakt (Sehen, Riechen, Schmecken) erfolgt eine Stimulation des Zwischenhirns, wodurch eine Vagusreizung mit konsekutiver Stimulation der Belegzellen und G-Zellen ausgelöst wird. Diese wiederum führt mit einer Latenz von ca. 5 Minuten nach sensorischem Nahrungskontakt zu einer Freisetzung von Wasserstoffionen und Gastrin. Die Dauer der zephalen Stimulation beträgt ca. 180 Minuten. Der Effekt der zephalen Phase lässt sich mittels Insulin-Test (insulinbedingte Hypoglykämie) oder durch Applikation von 2-Desoxyglukose (2-DOG) experimentell simulieren.
Verdauungsphase Zephale Phase: Sensorischer Nahrungskontakt (Sehen, Riechen, Schmecken) führt über eine Stimulation des Zwischenhirnes zur Vagusreizung und Stimulation der Belegzellen und G-Zellen. Der Effekt beginnt ca. 5 Minuten nach sensorischem Nahrungskontakt und hält ca. 180 Minuten an. Er ist durch den InsulinTest oder mit 2-Desoxyglukose (2-DOG) experimentell simulierbar.
π
π
π
Gastrale Phase: Der chemische, mechanische und thermische Kontakt der Nahrung mit der antralen Schleimhaut bewirkt eine vermehrte Freisetzung von Gastrin. Dies führt wiederum zur verstärkten Stimulation von Belegzellen mit Steigerung der Säureproduktion. Die gastrale Phase beginnt ca. 20 Minuten nach Nahrungsaufnahme und dauert bis zu 240 Minuten.
π Gastrale Phase: Chemischer, mechanischer und thermischer Kontakt der Nahrung mit antraler Schleimhaut führt zur Gastrinfreisetzung mit verstärkter Stimulation der Belegzellen (ca. 20–240 Minuten postprandial).
Intestinale Phase: Ca. 2–3 Stunden postprandial kommt es durch Freisetzung intestinalen Gastrins aus der Dünndarmschleimhaut erneut zu einem Anstieg der Sekretion des Magens. Im Duodenum kommt es zur Durchmischung des Nahrungsbreis mit Galle- und Pankreassekret.
π Intestinale Phase: Ca. 2–3 Stunden postprandial kommt es durch Freisetzung intestinalen Gastrins erneut zu einem Anstieg der Sekretion.
π
3.2
Diagnostik
Bei der Anamneseerhebung ist insbesondere auf Nahrungsunverträglichkeiten (Kaffee, Alkohol, scharfe Gewürze, Widerwillen gegen Fleisch) zu achten. Die vom Patienten geklagten Beschwerden sollten genau differenziert (Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen, Lokalisation) und wenn möglich im zeitlichen Kontext zur Nahrungsaufnahme erfasst werden (Regelmäßigkeit, Nüchternschmerz, postprandialer Schmerz).
3.2
Bei der Anamneseerhebung ist insbesondere auf Nahrungsunverträglichkeiten, genaue Differenzierung des Beschwerdebilds, seiner Lokalisation und dem zeitlichen Kontext zu achten.
n Merke. Wie bei jeder ärztlichen Untersuchung stellt eine exakte Anamneseerhebung und gewissenhafte körperliche Untersuchung die Voraussetzung für eine korrekte Verdachtsdiagnosestellung dar. Diese Verdachtsdiagnose sollte dann gezielt durch weitere Untersuchungen abgeklärt werden.
3.2.1
Endoskopie
Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD): Die Spiegelung von Speiseröhre, Magen und proximalem Duodenum stellt bei Erkrankungen des oberen Gastrointestinaltraktes die Untersuchungsmethode der Wahl dar. Sie ermöglicht nicht nur die direkte optische Beurteilung von Schleimhautbefunden, sondern auch die gezielte Entnahme von Biopsien zur histologischen Abklärung des Befundes. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, endoskopisch therapeutisch tätig zu werden (z.B. Bougierung von Stenosen, Lasertherapie, s. Kap. B-13.3). Laparoskopie: Die Laparoskopie kann beim Staging zur Erfassung extramuraler Tumoranteile oder einer peritonealen Tumoraussaat sowie Metastasierung besonders im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte eingesetzt werden.
3.2.2
Röntgen
Die Abdomenübersichtsaufnahme a.p. oder in Linksseitenlage ermöglicht im Rahmen der Notfalldiagnostik den Nachweis freier Luft unter dem Zwerchfell, was für eine freie Perforation spricht.
Diagnostik
Merke
3.2.1 Endoskopie Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD): Die ÖGD ermöglicht neben der direkten optischen Beurteilung auch die gezielte Entnahme von Biopsien zur histologischen Abklärung des Befundes und stellt somit die diagnostische Methode der Wahl für Erkrankungen des oberen Gastrointestinaltraktes dar.
π
π Laparoskopie: Die Laparoskopie kann zur Erfassung extramuraler Tumoranteile oder einer peritonealen Tumoraussaat sowie Metastasierung eingesetzt werden.
3.2.2 Röntgen Die Abdomenübersichtsaufnahme a.p. oder in Linksseitenlage ermöglicht im Rahmen der Notfalldiagnostik den Nachweis freier Luft.
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317
3.2.2 Röntgen
Verdauungsphase Zephale Phase: Durch sensorischen Nahrungskontakt (Sehen, Riechen, Schmecken) erfolgt eine Stimulation des Zwischenhirns, wodurch eine Vagusreizung mit konsekutiver Stimulation der Belegzellen und G-Zellen ausgelöst wird. Diese wiederum führt mit einer Latenz von ca. 5 Minuten nach sensorischem Nahrungskontakt zu einer Freisetzung von Wasserstoffionen und Gastrin. Die Dauer der zephalen Stimulation beträgt ca. 180 Minuten. Der Effekt der zephalen Phase lässt sich mittels Insulin-Test (insulinbedingte Hypoglykämie) oder durch Applikation von 2-Desoxyglukose (2-DOG) experimentell simulieren.
Verdauungsphase Zephale Phase: Sensorischer Nahrungskontakt (Sehen, Riechen, Schmecken) führt über eine Stimulation des Zwischenhirnes zur Vagusreizung und Stimulation der Belegzellen und G-Zellen. Der Effekt beginnt ca. 5 Minuten nach sensorischem Nahrungskontakt und hält ca. 180 Minuten an. Er ist durch den InsulinTest oder mit 2-Desoxyglukose (2-DOG) experimentell simulierbar.
π
π
π
Gastrale Phase: Der chemische, mechanische und thermische Kontakt der Nahrung mit der antralen Schleimhaut bewirkt eine vermehrte Freisetzung von Gastrin. Dies führt wiederum zur verstärkten Stimulation von Belegzellen mit Steigerung der Säureproduktion. Die gastrale Phase beginnt ca. 20 Minuten nach Nahrungsaufnahme und dauert bis zu 240 Minuten.
π Gastrale Phase: Chemischer, mechanischer und thermischer Kontakt der Nahrung mit antraler Schleimhaut führt zur Gastrinfreisetzung mit verstärkter Stimulation der Belegzellen (ca. 20–240 Minuten postprandial).
Intestinale Phase: Ca. 2–3 Stunden postprandial kommt es durch Freisetzung intestinalen Gastrins aus der Dünndarmschleimhaut erneut zu einem Anstieg der Sekretion des Magens. Im Duodenum kommt es zur Durchmischung des Nahrungsbreis mit Galle- und Pankreassekret.
π Intestinale Phase: Ca. 2–3 Stunden postprandial kommt es durch Freisetzung intestinalen Gastrins erneut zu einem Anstieg der Sekretion.
π
3.2
Diagnostik
Bei der Anamneseerhebung ist insbesondere auf Nahrungsunverträglichkeiten (Kaffee, Alkohol, scharfe Gewürze, Widerwillen gegen Fleisch) zu achten. Die vom Patienten geklagten Beschwerden sollten genau differenziert (Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen, Lokalisation) und wenn möglich im zeitlichen Kontext zur Nahrungsaufnahme erfasst werden (Regelmäßigkeit, Nüchternschmerz, postprandialer Schmerz).
3.2
Bei der Anamneseerhebung ist insbesondere auf Nahrungsunverträglichkeiten, genaue Differenzierung des Beschwerdebilds, seiner Lokalisation und dem zeitlichen Kontext zu achten.
n Merke. Wie bei jeder ärztlichen Untersuchung stellt eine exakte Anamneseerhebung und gewissenhafte körperliche Untersuchung die Voraussetzung für eine korrekte Verdachtsdiagnosestellung dar. Diese Verdachtsdiagnose sollte dann gezielt durch weitere Untersuchungen abgeklärt werden.
3.2.1
Endoskopie
Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD): Die Spiegelung von Speiseröhre, Magen und proximalem Duodenum stellt bei Erkrankungen des oberen Gastrointestinaltraktes die Untersuchungsmethode der Wahl dar. Sie ermöglicht nicht nur die direkte optische Beurteilung von Schleimhautbefunden, sondern auch die gezielte Entnahme von Biopsien zur histologischen Abklärung des Befundes. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, endoskopisch therapeutisch tätig zu werden (z.B. Bougierung von Stenosen, Lasertherapie, s. Kap. B-13.3). Laparoskopie: Die Laparoskopie kann beim Staging zur Erfassung extramuraler Tumoranteile oder einer peritonealen Tumoraussaat sowie Metastasierung besonders im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte eingesetzt werden.
3.2.2
Röntgen
Die Abdomenübersichtsaufnahme a.p. oder in Linksseitenlage ermöglicht im Rahmen der Notfalldiagnostik den Nachweis freier Luft unter dem Zwerchfell, was für eine freie Perforation spricht.
Diagnostik
Merke
3.2.1 Endoskopie Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD): Die ÖGD ermöglicht neben der direkten optischen Beurteilung auch die gezielte Entnahme von Biopsien zur histologischen Abklärung des Befundes und stellt somit die diagnostische Methode der Wahl für Erkrankungen des oberen Gastrointestinaltraktes dar.
π
π Laparoskopie: Die Laparoskopie kann zur Erfassung extramuraler Tumoranteile oder einer peritonealen Tumoraussaat sowie Metastasierung eingesetzt werden.
3.2.2 Röntgen Die Abdomenübersichtsaufnahme a.p. oder in Linksseitenlage ermöglicht im Rahmen der Notfalldiagnostik den Nachweis freier Luft.
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3 Magen und Duodenum
Im Rahmen der Magen-Darm-Passage (MDP) erfolgt die Darstellung des Magens mit Kontrastmittelbrei (cave: bei Stenose-, Perforations- oder Penetrationsverdacht nur mit wasserlöslichen Kontrastmitteln). Es lassen sich Ulkusnischen, Wanddefekte, Stenosen oder Lageanomalien des Magens darstellen. Die Doppelkontrastdarstellung des Magens erlaubt eine verbesserte Darstellung des Schleimhautreliefs ( 1 B-3.3).
1 B-3.3
Im Rahmen der Magen-Darm-Passage (MDP) erfolgt die Darstellung des Magens mit Kontrastmittelbrei. Liegt klinisch der Verdacht auf einen stenosierenden Prozess, einen perforierenden oder penetrierenden Prozess vor, so sollte diese Untersuchung mit wasserlöslichem und somit resorbierbarem Kontrastmittel erfolgen. Als pathologische Korrelate lassen sich Ulkusnischen, Wanddefekte, Stenosen oder Lageanomalien des Magens darstellen. Die Doppelkontrastdarstellung des Magens durch zusätzliche Luftapplikation erlaubt eine verbesserte Darstellung des Schleimhautreliefs und somit eine subtilere Diagnostik ( 1 B-3.3).
Synopsis MDP und CT bei Magenkarzinom
b CT des Tumors. Es ist eine Infiltration des linken Leberlappens (Á) durch das Magenkarzinom zu erkennen.
a MDP eines proximalen Magenkarzinoms mit typischer Kontrastmittelaussparung kleinkurvaturseitig ( Á) und Verlust des typischen Schleimhautreliefs.
Die CT ermöglicht die Darstellung großer Tumoren und den Nachweis von Infiltrationen in Nachbarorgane ( 1 B-3.3). Sie wird außerdem zur Beurteilung der Lymphknotenstationen und zum Nachweis von Fernmetastasen, insbesondere von Leber und Lunge eingesetzt. Bei der Beurteilung der abdominellen Hohlorgane ist der Stellenwert der MRT z. Z. noch gering. Hier ist jedoch eine Verbesserung der Diagnostik durch Weiterentwicklung der Geräte für die Zukunft zu erwarten. Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der dynamischen und quantitativen Nuklearmedizin ermöglichen die Bestimmung der Magenentleerungszeit und des duodenogastralen Refluxes mittels der Szintigraphie nach Verabreichung von Mahlzeiten, die mit radioaktiven Isotopen versetzt sind.
Die Computertomographie (CT) des Oberbauchs ermöglicht bei fortgeschrittenen Malignomen die Darstellung eines Tumors und gegebenenfalls den Nachweis von Infiltrationen in Nachbarorgane ( 1 B-3.3). Bei der Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung ist die CT der Endoskopie und der Endosonographie (s. u.) unterlegen. Die CT wird außerdem zur Beurteilung der Lymphknotenstationen und zum Nachweis von Fernmetastasen, insbesondere der Leber und der Lunge, eingesetzt. Bei der Beurteilung der abdominellen Hohlorgane ist der Stellenwert der Kernspintomographie (MRT) zur Zeit noch gering. Aufgrund der relativ langen Messzeiten kommt es zu Bewegungsartefakten, die eine Beurteilung pathologischer Befunde der Magenwand erschwert. Hier ist jedoch eine Verbesserung der Diagnostik durch Weiterentwicklung der Geräte in Zukunft zu erwarten. Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der dynamischen und quantitativen Nuklearmedizin ermöglichen die Bestimmung der Magenentleerungszeit und des duodenogastralen Refluxes mittels Szintigraphie. Nach Verabreichung von Mahlzeiten, die mit radioaktiven Isotopen versetzt sind, können »Passagezeiten« und »Portionierungsverhalten« des Magens beurteilt werden. Die Erfahrungen mit diesen Methoden sind zur Zeit jedoch noch gering, sodass noch keine Aussagen über die klinische Wertigkeit dieser Untersuchungen gemacht werden kann.
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319
3.3 Fehlbildungen 3.2.3
Sonographie
Perkutane Sonographie: Die perkutane Sonographie stellt eine wichtige diagnostische Methode im Rahmen der Metastasensuche bei Magenkarzinomen oder dem Ausschluss differenzialdiagnostisch in Frage kommender Erkrankungen bei unklaren Oberbauchbeschwerden dar.
π
Endosonographie: Die Endosonographie des Magens und Duodenums erfolgt mittels Ultraschallsonden, die an der Spitze flexibler Endoskope angebracht sind. Sie erlaubt bei Patienten mit Magentumoren, die lokale Tumorausdehnung mit hoher Genauigkeit bereits präoperativ festzulegen und evtl. vorhandene lokale Lymphknotenmetastasen zu entdecken. Im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte kann das Ansprechen eines z.B. neoadjuvanten Therapieversuchs objektiviert werden und so die Art des nachfolgenden Therapieverfahrens unmittelbar beeinflussen.
π
3.2.4
Funktionsuntersuchungen
3.2.3
Sonographie
π Perkutane Sonographie: Sie stellt eine wichtige diagnostische Methode bei der Metastasensuche bei Malignomen oder differenzialdiagnostischem Ausschluss anderer Erkrankungen bei unklaren Oberbauchbeschwerden dar. π Endosonographie: Die Endosonographie erlaubt bei Patienten mit Magentumoren, das lokale Tumorwachstum mit hoher Genauigkeit festzulegen und evtl. vorhandene lokale Lymphknotenmetastasen zu entdecken).
3.2.4
Funktionsuntersuchungen
Die Funktionsuntersuchungen des Magens bestehen in der Testung der Sekretionsleistung in Ruhe (basal acid output, BAO) und nach Stimulation (maximal acid output, MAO). Sie sind für die Routinediagnostik nur selten notwendig, da sich lediglich beim Nachweis eines Zollinger-Ellison-Syndroms therapeutische Konsequenzen ergeben.
Die Funktionsuntersuchungen des Magens bestehen in der Testung der Sekretionsleistung in Ruhe (basal acid output, BAO) und nach Stimulation (maximal acid output, MAO).
π Pentagastrintest: Der Pentagastrintest dient der Erfassung der Sekretionsleistung des Magens. Über eine Magensonde wird nach einer mindestens 12-stündigen Nahrungskarenz der Magen vollständig von Magensekret entleert. Anschließend werden 4 Portionen Magensaft gesammelt, die sich in jeweils 15 Minuten gebildet haben. Dies entspricht der basalen Magensekretion (BAO, Normalwert: ≤ 15mval/h). Nach s.c. Injektion von 6 mg/kg KG Pentagastrin werden 4 weitere Portionen (MAO) gesammelt und anschließend titriert. Der Peak acid output (PAO) errechnet sich aus den 2 konsekutiven Maximalwerten der Stimulationsphase. Der Quotient aus BAO zu MAO lässt Rückschlüsse auf das Vorliegen eines Hypersekretionssyndroms zu (Normalwert: 0,1–0,2; Hyperazidität z.B. bei Ulcus duodeni: 0,2–0,4; bei Zollinger-EllisonSyndrom > 0,6).
π Pentagastrintest: Er dient zur Erfassung der Sekretionsleistung des Magens. Hierzu werden die Magensekretmengen jeweils über eine Stunde ohne und mit Pentagastrinstimulation gesammelt und titriert. Aus diesen Messwerten ergeben sich der BAO und MAO.
Insulintest: Durch den Insulintest lässt sich postoperativ die Vollständigkeit einer Vagotomie überprüfen. Der Test beruht auf der zentralen Auslösung eines Sekretionsreizes auf den Magen durch den N. vagus, sobald eine Hypoglykämie auftritt. Bei vollständig durchgeführter Vagotomie bleibt somit diese Reaktion aus. Die Durchführung verläuft wie beim Pentagastrintest, nur dass 0,2 IE Insulin/kg KG i.v. injiziert werden. Bei vollständiger Vagotomie darf die Sekretionsleistung nicht über 20 mmol/l ansteigen. Da der Test nur gültige Ergebnisse liefert, wenn der Blutzuckerwert unter 40 mg % abfällt, ist er wegen der Gefahr von Komplikationen bei Patienten mit Koronarinsuffizienz, Diabetes melitus, Epilepsie oder Hyperinsulinismus kontraindiziert und kommt deshalb nur noch selten zur Anwendung.
π
3.3
Fehlbildungen
Fehlbildungen des Magens sind insgesamt selten. Agastrie, Mikrogastrie, Gastromegalie und Doppelbildungen sind nur vereinzelt beschrieben worden. Häufiger sind dagegen die hypertrophe Pylorusstenose, Magenvolvulus oder Duodenalatresien, -stenosen oder -divertikel zu finden.
Der Peak acid output (PAO) lässt sich aus Maximalwerten der Stimulationsphase errechnen. Der Quotient aus BAO zu MAO erlaubt Rückschlüsse auf das Vorliegen eines Hypersekretionssyndroms. π Insulintest: Der Insulintest überprüft die Vollständigkeit einer Vagotomie. Der Test beruht auf der zentralen Auslösung eines Sekretionsreizes auf den Magen durch den N. vagus, sobald eine Hypoglykämie auftritt. Bei vollständiger Vagotomie darf die Sekretionsleistung nicht über 20 mmol/l ansteigen. Der Test ist bei Patienten mit Koronarinsuffizienz, Diabetes mellitus, Epilepsie oder Hyperinsulinismus kontraindiziert.
3.3
Fehlbildungen
Fehlbildungen des Magens sind insgesamt selten.
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320 3.3.1 Hypertrophe Pylorusstenose
3 Magen und Duodenum 3.3.1
Hypertrophe Pylorusstenose
Synonym: Magenpförtnerkrampf Definition
n Definition. Bei der hypertrophen Pylorusstenose handelt es sich um eine Hypertrophie der Pylorusmuskulatur unklarer Genese, die zu einer Magenausgangsstenose führt.
Symptome. Typisch ist das explosionsartige Erbrechen kurz nach der Nahrungsaufnahme bei sichtbarer Magenperistaltik im Epigastrium. Durch rezidivierendes Erbrechen kann es zu Gewichtsverlust, Exsikkose, Säure-Basen- und Elektrolytentgleisung kommen.
Symptome. Die hypertrophe Pylorusstenose kommt bei ca. 3 von 1000
Diagnose. Die Diagnosesicherung erfolgt durch den sonographischen Nachweis des hypertrophen Pylorusmuskels.
Diagnose. Das charakteristische Bild des explosionsartigen Erbrechens
Merke
Lebendgeborenen vor. Sie ist bei Jungen häufiger als bei Mädchen anzutreffen. Klinische Symptome entstehen meist zwischen 2. und 6. Lebenswoche und äußern sich in explosionsartigem Erbrechen kurz nach der Nahrungsaufnahme. Im Epigastrium ist die Magenperistaltik sichtbar. Durch rezidivierendes Erbrechen kann es zu Gewichtsverlust, Exsikkose und Säure-Basenund Elektrolytentgleisung kommen.
zusammen mit einer hypochlorämischen Alkalose führen zur Verdachtsdiagnose, die durch die sonographische Darstellung des hypertrophen Pylorusmuskels gesichert wird. n Merke. Aufgrund der Magenausgangsstenose besteht eine erhöhte Aspirationsgefahr. Zur Entlastung des Magens ist aus diesem Grunde eine Magensonde indiziert.
Therapie. Nachdem Elektrolyt- und Säure-Basen-Entgleisungen ausgeglichen worden sind, ist die Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt indiziert (s. Kap. B-23.2.1, S. 845).
Therapie. Nachdem evtl. vorhandene Elektrolyt- und Säure-Basen-Entgleisungen ausgeglichen worden sind, ist die Operation indiziert. Bei der operativen Therapie wird eine Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt durchgeführt (s. Kap. B-23.2.1, S. 845).
3.3.2 Magenvolvulus
3.3.2
Definition
Magenvolvulus
n Definition. Ein Volvulus des Magens besteht dann, wenn das Organ um mindestens 180Ω gedreht ist. Die Magendrehung kann dabei um die Längs- oder Querachse erfolgen.
Symptome. Diese reichen von leichten Oberbauchschmerzen bis zum akuten Abdomen.
Symptome. Reichen in Abhängigkeit vom Ausmaß der Drehung von leichten Oberbauchbeschwerden bis zum hohen Ileus mit akutem Abdomen. Abgang von blutigem Schleim ist möglich.
Diagnose. Sie wird durch eine MDP gesichert, alternativ ist eine ÖGD möglich. Selten ist eine Explorativlaparotomie indiziert.
Diagnose. Die Diagnose wird radiologisch durch eine MDP gesichert. Alter-
Therapie. Operative Derotation und Gastropexie.
Therapie. Die operative Therapie besteht in einer Derotation und Gastro-
3.3.3 Duodenalatresien und -stenosen
3.3.3
Definition
Symptome. Bei Verschluss distal der Einmündung des Gallenganges
nativ zur MDP kann eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) durchgeführt werden. Bei umklarem Befund ist in seltenen Fällen eine Explorativlaparotomie indiziert.
pexie.
Duodenalatresien und -stenosen
n Definition. Duodenalatresien und -stenosen kommen bei ca. 1:5000 Geburten vor. Sie treten gehäuft bei Kindern mit Trisomie 21 auf. Der Duodenalverschluss ist in den meisten Fällen in Höhe der Papilla Vateri (Papilla duodeni major) lokalisiert.
Symptome. Es werden verschiedene Formen der Duodenalatresie unterschieden (s. Kap. B-23.1.16), die aber alle durch das typische gallige Erbre-
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321
3.4.1 Mallory-Weiss-Syndrom chen auffallen, wenn die Stenose distal der Einmündung des Gallenganges liegt. Bei der klinischen Untersuchung fällt der durch den prall gefüllten Magen vorgewölbte Oberbauch auf.
kommt es zu dem typischen galligen Erbrechen. Bei der klinischen Untersuchung fällt der durch den prall gefüllten Magen vorgewölbte Oberbauch auf.
Diagnose. Eine Bestätigung der Verdachtsdiagnose ergibt sich durch die
Diagnose. Bei der Abdomenübersichtsaufnahme im Hängen zeigt sich der typische Doppelspiegel im Magen und Duodenum.
Therapie. Die Therapie orientiert sich an der Art der Stenose. Bei vollständi-
Therapie. Bei vollständigen Unterbrechungen der Darmkontinuität oder einem Pancreas anulare erfolgt eine Seit-zu-Seit-Duodeno-Duodenostomie, während membranöse Engen exzidiert werden.
Anfertigung einer Abdomenübersichtsaufnahme im Hängen, die den typischen Doppelspiegel (»double bubble«) im Magen und Duodenum zeigt. gen Unterbrechungen der Darmkontinuität oder bei einem Pancreas anulare erfolgt eine Seit-zu-Seit-Duodeno-Duodenostomie, während membranöse Engen exzidiert werden.
3.3.4
Duodenal- und Magendivertikel
n Definition. Es handelt sich hierbei um Wandaussackungen, die im Magen seltener als im Duodenum auftreten. Dabei werden echte (Ausstülpung der gesamten Wand) von Pseudodivertikeln (Schleimhautausstülpung durch eine muskuläre Lücke hindurch) unterschieden. Magendivertikel sind meist an der Fundushinterwand, Duodenaldivertikel an der Innenseite des duodenalen »C« lokalisiert.
Symptome. Divertikel im Magen und Duodenum bleiben meist symptomfrei. 2–5 % der Divertikel entwickeln Komplikationen, die dann klinische Beschwerden hervorrufen (Entzündung, mechanische Lumeneinengung, Blutung, Perforation). Juxtapapillär gelegene Divertikel können durch Kompression von Gallen- oder Pankreasgang zu intermittierenden Ikterusschüben oder Pankreatitiden führen. Diagnose. Duodenal- oder Magendivertikel werden meist als Zufallsbefund im Rahmen einer Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) oder MagenDarm-Passage (MDP) diagnostiziert. Therapie. In den meisten Fällen ist keine Therapie notwendig. Treten jedoch Komplikationen wie eine Behinderung des Galle- oder Pankreassaftabflusses, eine Divertikulitis oder Perforation auf, so ist eine Resektion des Divertikels oder des den Divertikel tragenden Wandabschnitts indiziert.
3.3.4 Duodenal- und Magendivertikel Definition
Symptome. Divertikel des Magens und Duodenums sind meist symptomfrei, können aber in 2–5 % der Fälle durch Komplikationen (Entzündung, mechanische Lumeneinengung, Blutung, Perforation, Kompression von Gallenoder Pankreasgang bei juxtapapillärer Lage) klinische Beschwerden verursachen. Diagnose. Die Diagnose wird meist als Zufallsbefund im Rahmen einer ÖGD oder MDP gestellt. Therapie. Bei Komplikationen (Galleoder Pankreassaftstau, Divertikulitis, Perforation) ist die Resektion des Divertikels oder des den Divertikel tragenden Wandabschnitts indiziert.
3.4
Verletzungen
3.4
3.4.1
Mallory-Weiss-Syndrom
3.4.1 Mallory-Weiss-Syndrom
n Definition. Es handelt sich um Schleimhauteinrisse am ösophagokardialen Übergang, welche durch forciertes Erbrechen hervorgerufen werden. Das Mallory-Weiss-Syndrom stellt die Vorstufe des BoerhaaveSyndroms dar.
Verletzungen
Definition
Symptome und Diagnose. Nach heftigem Erbrechen kommt es zu einer
Symptome und Diagnose. Nach heftigem Erbrechen kommt es zur akuten oberen gastrointestinalen Blutung. Notfallmäßige Gastroskopie erforderlich.
Therapie. Therapie der Wahl ist die endoskopische Blutstillung mit Clips
Therapie. Endoskopische Blutstillung, ggf. Ballontamponade oder Gastrotomie mit Umstechung.
akut auftretenden oberen gastrointestinalen Blutung. Zur Diagnosesicherung muss eine sofortige Gastroskopie durchgeführt werden (Notfallendoskopie).
oder die Injektion von vasoaktiven Substanzen (z.B. Suprarenin 1 : 10 000) oder Fibrin. Hierdurch lässt sich regelmäßig eine definitive Blutstillung erreichen (s.a. Kap. B-13.5). Wenn eine primäre endoskopische Blutstillung nicht gelingt, kann kurzfristig durch eine Kompression mittels einer Ballonsonde die Stabilisation des Patienten erreicht werden, um eine Verlegung in ein endoskopisches Zentrum oder als Ultima ratio eine Umstechung über
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3.4.1 Mallory-Weiss-Syndrom chen auffallen, wenn die Stenose distal der Einmündung des Gallenganges liegt. Bei der klinischen Untersuchung fällt der durch den prall gefüllten Magen vorgewölbte Oberbauch auf.
kommt es zu dem typischen galligen Erbrechen. Bei der klinischen Untersuchung fällt der durch den prall gefüllten Magen vorgewölbte Oberbauch auf.
Diagnose. Eine Bestätigung der Verdachtsdiagnose ergibt sich durch die
Diagnose. Bei der Abdomenübersichtsaufnahme im Hängen zeigt sich der typische Doppelspiegel im Magen und Duodenum.
Therapie. Die Therapie orientiert sich an der Art der Stenose. Bei vollständi-
Therapie. Bei vollständigen Unterbrechungen der Darmkontinuität oder einem Pancreas anulare erfolgt eine Seit-zu-Seit-Duodeno-Duodenostomie, während membranöse Engen exzidiert werden.
Anfertigung einer Abdomenübersichtsaufnahme im Hängen, die den typischen Doppelspiegel (»double bubble«) im Magen und Duodenum zeigt. gen Unterbrechungen der Darmkontinuität oder bei einem Pancreas anulare erfolgt eine Seit-zu-Seit-Duodeno-Duodenostomie, während membranöse Engen exzidiert werden.
3.3.4
Duodenal- und Magendivertikel
n Definition. Es handelt sich hierbei um Wandaussackungen, die im Magen seltener als im Duodenum auftreten. Dabei werden echte (Ausstülpung der gesamten Wand) von Pseudodivertikeln (Schleimhautausstülpung durch eine muskuläre Lücke hindurch) unterschieden. Magendivertikel sind meist an der Fundushinterwand, Duodenaldivertikel an der Innenseite des duodenalen »C« lokalisiert.
Symptome. Divertikel im Magen und Duodenum bleiben meist symptomfrei. 2–5 % der Divertikel entwickeln Komplikationen, die dann klinische Beschwerden hervorrufen (Entzündung, mechanische Lumeneinengung, Blutung, Perforation). Juxtapapillär gelegene Divertikel können durch Kompression von Gallen- oder Pankreasgang zu intermittierenden Ikterusschüben oder Pankreatitiden führen. Diagnose. Duodenal- oder Magendivertikel werden meist als Zufallsbefund im Rahmen einer Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) oder MagenDarm-Passage (MDP) diagnostiziert. Therapie. In den meisten Fällen ist keine Therapie notwendig. Treten jedoch Komplikationen wie eine Behinderung des Galle- oder Pankreassaftabflusses, eine Divertikulitis oder Perforation auf, so ist eine Resektion des Divertikels oder des den Divertikel tragenden Wandabschnitts indiziert.
3.3.4 Duodenal- und Magendivertikel Definition
Symptome. Divertikel des Magens und Duodenums sind meist symptomfrei, können aber in 2–5 % der Fälle durch Komplikationen (Entzündung, mechanische Lumeneinengung, Blutung, Perforation, Kompression von Gallenoder Pankreasgang bei juxtapapillärer Lage) klinische Beschwerden verursachen. Diagnose. Die Diagnose wird meist als Zufallsbefund im Rahmen einer ÖGD oder MDP gestellt. Therapie. Bei Komplikationen (Galleoder Pankreassaftstau, Divertikulitis, Perforation) ist die Resektion des Divertikels oder des den Divertikel tragenden Wandabschnitts indiziert.
3.4
Verletzungen
3.4
3.4.1
Mallory-Weiss-Syndrom
3.4.1 Mallory-Weiss-Syndrom
n Definition. Es handelt sich um Schleimhauteinrisse am ösophagokardialen Übergang, welche durch forciertes Erbrechen hervorgerufen werden. Das Mallory-Weiss-Syndrom stellt die Vorstufe des BoerhaaveSyndroms dar.
Verletzungen
Definition
Symptome und Diagnose. Nach heftigem Erbrechen kommt es zu einer
Symptome und Diagnose. Nach heftigem Erbrechen kommt es zur akuten oberen gastrointestinalen Blutung. Notfallmäßige Gastroskopie erforderlich.
Therapie. Therapie der Wahl ist die endoskopische Blutstillung mit Clips
Therapie. Endoskopische Blutstillung, ggf. Ballontamponade oder Gastrotomie mit Umstechung.
akut auftretenden oberen gastrointestinalen Blutung. Zur Diagnosesicherung muss eine sofortige Gastroskopie durchgeführt werden (Notfallendoskopie).
oder die Injektion von vasoaktiven Substanzen (z.B. Suprarenin 1 : 10 000) oder Fibrin. Hierdurch lässt sich regelmäßig eine definitive Blutstillung erreichen (s.a. Kap. B-13.5). Wenn eine primäre endoskopische Blutstillung nicht gelingt, kann kurzfristig durch eine Kompression mittels einer Ballonsonde die Stabilisation des Patienten erreicht werden, um eine Verlegung in ein endoskopisches Zentrum oder als Ultima ratio eine Umstechung über
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3 Magen und Duodenum eine Gastrotomie zu ermöglichen. Die Kompression durch eine Ballonsonde darf auf keinen Fall als Therapie an sich angesehen werden, da nach Kompressionszeiten von mehreren Stunden bis Tagen bei gefülltem oder geblocktem Ballon Durchblutungsstörungen des Ösophagus auftreten, die Ulzerationen mit noch schwereren Blutungen oder gar Perforationen induzieren können.
Merke
n Merke. Die Blutstillung durch Kompression mittels einer Ballonsonde darf nur kurzfristig bei frustranem endoskopischen Blutstillungsversuch bis zur definitiven (endoskopischen oder operativen) Versorgung erfolgen!
Magen- und Duodenalruptur
3.4.2 Magen- und Duodenalruptur
3.4.2
Die Ruptur oder Berstung tritt nach stumpfem Bauchtrauma, bei Insufflation von Luft unter Druck in den Magen (Fehlintubation, Maskenbeatmung) oder bei direkter Gewalteinwirkung auf (perforierende Schuss- und Stichverletzungen). Bei Quetsch- oder Prelltraumen kommt es zur Ausbildung von intramuralen Hämatomen. Diese können sekundär perforieren (typisch: symptomfreies mehrtägiges Intervall) oder mit einer narbigen Striktur ausheilen.
Eine Ruptur oder Berstung kann nach stumpfem Bauchtrauma, bei Insufflation von Luft unter Druck in den Magen (Fehlintubation, Maskenbeatmung) oder bei direkter Gewalteinwirkung auftreten (perforierende Schuss- und Stichverletzungen). Eine Magenruptur nach stumpfem Bauchtrauma ist selten und wird fast ausschließlich bei prall gefülltem Magen beobachtet. Beim Duodenum sind meist die Pars descendens oder horizontalis betroffen. Abzugrenzen von diesen zu einer sofortigen Perforation führenden Verletzungsmechanismen sind Quetsch- oder Prelltraumen, die zu der Ausbildung eines intramuralen Hämatoms führen. Im Bereich des Hämatoms kann es sekundär durch eine Drucknekrose zur Spätperforation (typisch: symptomfreies mehrtägiges Intervall) oder bei narbiger Ausheilung zur Narbenstriktur des Duodenums kommen.
Symptome. Bei intraperitonealen Rupturen (freie Ruptur) bestimmen Vernichtungsschmerz, Abwehrspannung und Schocksymptomatik das klinische Bild. Extra- oder retroperitoneale Rupturen (gedeckte Ruptur) äußern sich in uncharakteristischen Schmerzen im Oberbauch und Fieber. Diagnose. Bei freier Ruptur liegt als Zeichen der Peritonitis eine Abwehrspannung vor. Zusätzlich finden sich die Symptome eines Schocks (Blässe, Tachykardie, Hypotonie, Kaltschweißigkeit), im Blutbild eine Leukozytose. Die Abdomenübersicht im Stehen oder Linksseitenlage zeigt freie intraperitoneale Luft.
Symptome. Wenn die Rupturstelle des Magens oder Duodenums intraperitoneal gelegen ist (freie Ruptur), gleicht die Symptomatik der der frischen Magenperforation: Vernichtungsschmerz im Oberbauch, Abwehrspannung und Schocksymptomatik bestimmen das klinische Bild. Bei extra- oder retroperitonealer (gedeckter) Ruptur entwickelt sich langsam ein Beschwerdebild, das von uncharakteristischen Schmerzen im Oberbauch und Fieber bestimmt wird.
Eine gedeckte Ruptur (selten) kann durch den Nachweis eines Pneumoretroperitoneums in der seitlichen Abdomenübersichtsaufnahme bewiesen werden. Man findet eine Leukozytose, eine Erhöhung der BSG und des CRP, bei Beteiligung des Pankreas eine Erhöhung der Pankreasenzyme. Die MDP zeigt Fisteln, Einengungen oder Verziehungen des oberen Gastrointestinaltrakts oder einen Kontrastmittelaustritt. Im Zweifelsfall ist eine CT oder die diagnostische Probelaparotomie indiziert.
Diagnose. Bei Patienten mit isolierter freier Ruptur findet der Untersucher
als Zeichen der Peritonitis eine Abwehrspannung, die zunächst lokal auf den Oberbauch beschränkt ist, bei länger zurückliegender Ruptur jedoch diffus ausgebildet sein kann. Die Patienten zeigen die Symptome eines Schocks (Blässe, Tachykardie, Hypotonie, Kaltschweißigkeit), im Blutbild findet sich eine Leukozytose. In einer Abdomenübersicht in Linksseitenlage finden sich freie intraperitoneale Luftansammlungen. Die Kombination mit anderen Oberbauchverletzungen wird häufiger als die isolierte Ruptur beobachtet. In diesen Fällen führen die übrigen Verletzungen das klinische Beschwerdebild an. Liegt der sehr seltene Fall einer gedeckten Ruptur vor, so ist die Diagnosefindung schwieriger. Sie wird am häufigsten bei iatrogenen Perforationen – etwa nach einer ERCP – beobachtet. Ein Pneumoretroperitoneum in der seitlichen Abdomenübersichtsaufnahme beweist die Ruptur, ist aber nur selten darstellbar. Laborchemisch lässt sich eine Leukozytose sowie eine Erhöhung der BSG und des CRP nachweisen, bei Beteiligung des Pankreas kann es zur Erhöhung der Pankreasenzyme kommen. Die Diagnose lässt sich durch eine MDP mit wasserlöslichem Kontrastmittel durch den Austritt von Kontrastmittel in den Retroperitonealraum oder Nachweis einer Fistel sichern. Oft finden sich jedoch radiologisch nur Einengungen oder Verziehungen des oberen Gastrointestinaltraktes ohne Kontrastmittelaustritt. In diesem Fall ist eine Computertomographie (CT) sinnvoll, die Abszedierungen oder Lufteinschlüsse im Retroperitonealraum zeigt. Im Zweifelsfall ist die diagnostische Probelaparotomie indiziert.
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3.4.4 Fremdkörper
Therapie. Die Therapie der Magen- oder Duodenalruptur besteht in der sofortigen Laparotomie und Übernähung oder Resektion des Defektes und einer Dränage. Zusätzlich ist eine Antibiotikatherapie einzuleiten und der Patient parenteral zu ernähren.
3.4.3
Verätzungen
n Definition. Es handelt sich hierbei um eine Magen- eventuell auch Duodenalwandschädigung durch versehentlich oder absichtlich (suizidal) oral zugeführte Laugen oder Säuren. Die Verätzung des Magens oder Duodenums tritt meist zusammen mit schweren Ösophagusverätzungen auf (s. Kap. B-1.7.4), die auch das klinische Bild und die Prognose bestimmen. Laugenverätzungen sind potenziell gefährlicher, da sie durch die Ausbildung einer Kolliquationsnekrose eine größere Tiefenwirkung erreichen als die Säureverätzung mit Bildung einer Koagulationsnekrose.
Symptome. Der Patient klagt über Brennen in Mund und Rachen. Bei kompletter Nekrose der Magen- oder Duodenalwand entsteht das klinische Bild wie bei einer Magen- oder Duodenalruptur. Diagnose. Die Inspektion des Rachens zeigt je nach Verätzungsgrad Rötun-
gen, weißliche Beläge oder Nekrosen der Schleimhaut. Eine Abdomenübersichtsaufnahme soll freie intraabdominelle Luft als Zeichen einer Perforation ausschließen. Liegt keine Perforation vor, so ist in jedem Fall eine Notfallendoskopie durchzuführen, um das Ausmaß der Schleimhautschäden beurteilen und verbliebene Säure- oder Laugenreste absaugen zu können. n Merke. Blinde Sondierungsversuche nach Laugen- oder Säureverätzungen sind aufgrund der hohen Perforationsgefahr kontraindiziert.
Therapie. Die Therapie der Magenoder Duodenalruptur besteht in der Übernähung oder Resektion des Defektes mit Dränage, Antibiotikatherapie und parenteraler Ernährung. 3.4.3 Verätzungen Definition
Symptome. Der Patient klagt über Brennen in Mund und Rachen. Bei kompletter Nekrose der Magen- oder Duodenalwand entsteht das klinische Bild einer Magen- oder Duodenalruptur. Diagnose. Die Inspektion des Rachens zeigt Rötungen, weißliche Beläge oder Nekrosen der Schleimhaut. Eine Abdomenübersichtsaufnahme zeigt freie intraabdominelle Luft bei Perforation. Mit einer Notfallendoskopie wird das Ausmaß der Schleimhautschäden beurteilt und Säure- oder Laugenreste abgesaugt. Merke
Therapie. Bei oberflächlichen Schleimhautschäden wird bei der endoskopi-
Therapie. Im Rahmen der endoskopischen Untersuchung wird die Schleimhaut mit Wasser gespült. Zusätzlich ist eine breitgefächerte Antibiotikatherapie, parenterale Ernährung und evtl. systemische Kortikoidgabe einzuleiten. Magensonden sollten wegen der Gefahr von Drucknekrosen vermieden werden. Bei Perforation ist eine operative Intervention mit Dränage und/oder Resektion des Defektes durchzuführen.
Komplikationen. Frühkomplikationen der Verätzung sind Wandnekrose
Komplikationen. Frühkomplikationen sind Wandnekrose und Perforation, Spätkomplikationen Strikturbildung und Magenausgangsstenosen. Therapie ist die operative Intervention.
schen Untersuchung die Schleimhaut gezielt mit Wasser gespült, um durch die Verdünnung des chemischen Agens weitere Schädigungen der Schleimhaut zu reduzieren. Zusätzlich ist eine breitgefächerte Antibiotikatherapie einzuleiten und der Patient parenteral zu ernähren. Bei schweren Schleimhautschäden kann die systemische Gabe von Kortikosteroiden diskutiert werden. Magensonden sollten wegen der Gefahr von Drucknekrosen vermieden werden. Liegt eine Perforation vor, so ist unverzüglich eine operative Intervention mit Dränage und Resektion des Defektes wenn möglich durchzuführen.
und Perforation. Als Spätkomplikationen sind Strikturbildung und darauffolgende Magenausgangsstenosen anzuführen. Die Therapie aller Komplikationen ist in erster Linie die operative Intervention.
3.4.4
Fremdkörper
3.4.4 Fremdkörper
Synonym: Corpora aliena
Symptome. Fremdkörper, die den Ösophagus passieren, verursachen in der
Regel keine Beschwerden, klinische Symptome entstehen meist nur bei den Komplikationen (Obstruktion, Perforation oder Blutung). Bei größeren oder sperrigen Gegenständen kann die Passage durch den Pylorus behindert sein, sodass diese im Magen über längere Zeit hinweg verbleiben können, ohne Beschwerden zu bereiten. Weitere Prädilektionsstellen des Gastrointestinaltraktes, die ein Passagehindernis darstellen können sind Ileozäkalklappe, Treitz-Band, rektosigmoidaler Übergang und Anus.
Symptome. Verschluckte Fremdkörper verursachen klinische Symptome meist nur bei Komplikationen (Obstruktion, Perforation, Blutung). Größere, sperrige Gegenstände können über längere Zeit hinweg im Magen verbleiben, ohne Beschwerden zu bereiten.
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324 Diagnose. Eine Abdomenübersichtsaufnahme kann röntgendichte Corpora aliena lokalisieren oder Perforationen durch den Nachweis freier intraabdomineller Luft beweisen. Bei nicht schattengebenden Gegenständen ist eine ÖGD durchzuführen.
3 Magen und Duodenum
Diagnose. Besteht anamnestisch der Verdacht, dass ein Fremdkörper ver-
schluckt wurde, so sollte eine Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen durchgeführt werden. Sie ist in der Lage, röntgendichte Corpora aliena zu lokalisieren. Bei entsprechender klinischer Symptomatik kann eine Perforation durch den Nachweis freier intraabdomineller Luft bewiesen werden. Bei nicht schattengebenden Gegenständen ist eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) durchzuführen.
1 B-3.4
Fremdkörper im Magen Bild einer endoskopischen Extraktion einer Münze, mit der Fasszange aus dem Magen bei einem dreijährigen Kind.
Therapie. Ist der verschluckte Gegenstand endoskopisch erreichbar, sollte er entfernt werden ( 1 B-3.4). Anderenfalls kann eine Passage per vias naturales abgewartet werden. Der Stuhlgang ist bis zum Nachweis des Fremdkörperabganges zu untersuchen, der Patient klinisch und radiologisch zu überwachen. Unterstützend kann schlackenreiche Kost (z.B. Sauerkraut) gegeben werden.
Therapie. Befindet sich der verschluckte Gegenstand noch in endoskopi-
Komplikationen. Bei Behinderung der Passage entsteht eine Magenektasie, die klinisch durch Druck- und Völlegefühl mit saurem Erbrechen kurz nach der Mahlzeit imponiert. Spitze oder scharfe Fremdkörper können die Magenwand verletzen. Oberflächliche Verletzungen führen zur Blutung (Teerstühle, Hb-Abfall mit Schocksymptomatik oder Bluterbrechen), tiefer gehende zur häufiger auftretenden Perforation (Oberbauchschmerz, Übelkeit, Abwehrspannung und Schock). Die Blutung wird endoskopisch durch Fremdkörperentfernung und Blutstillung (s. Kap. B-13.2), die Perforation durch Übernähung/Resektion mit Dränage behandelt.
Komplikationen. Durch Verlegung des Pylorus kann es zur Behinderung der
3.4.5 Bezoar Definition
scher Reichweite, sollte er endoskopisch entfernt werden ( 1 B-3.4). Hat er den Magen verlassen und das Duodenum passiert, so kann eine Passage per vias naturales abgewartet werden. Zur Sicherstellung der Ausscheidung des Fremdkörpers ist der Stuhlgang bis zum Nachweis des Fremdkörperabgangs zu untersuchen. Unterstützend kann schlackenreiche Kost (z.B. Sauerkraut) gegeben werden. Zusätzlich sind der klinische Zustand des Patienten täglich zu kontrollieren und bei röntgendichten Gegenständen radiologische Kontrollen durchzuführen.
Nahrungspassage mit Ausbildung einer Magenektasie kommen. Diese äußert sich klinisch durch Druck- und Völlegefühl im Oberbauch mit saurem Erbrechen kurz nach der Mahlzeit. Zu den häufigsten Komplikationen nach Fremdkörperingestion zählen die Obstruktion und Perforation. Durch spitze oder scharfe Fremdkörper kommt es bei der Perforation zu einer tiefer gehenden Verletzung der Magen- und Duodenalwand mit den typischen Symptomen wie akut einsetzender Oberbauchschmerz, Übelkeit, Abwehrspannung und Schock. Die Therapie der Wahl ist die sofortige operative Revision mit Entfernung des Fremdkörpers und Übernähung mit Dränage. Seltener führen spitze Fremdkörper zu oberflächlichen Verletzungen der Magenwand, die zur Blutung führen können. Die Blutung kann sich je nach Stärke durch Teerstühle, Hb-Abfall mit Schocksymptomatik oder Bluterbrechen klinisch bemerkbar machen. Die Behandlung besteht in der endoskopischen Entfernung des Fremdkörpers und endoskopischer Blutstillung (s. Kap. B-13.2).
3.4.5
Bezoar
n Definition. Der Bezoar ist ein Fremdkörper im Magen, der aus Faserbestandteilen besteht. Je nach Bestandteilen unterscheidet man Tricho(Haar), Myko- (Pilz), Phyto- und kombinierte Bezoare.
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325
3.5.1 Gastritiden
Pathogenese. Bezoare entstehen durch Störungen der Nahrungsaufnahme,
Pathogenese. Bezoare entstehen durch Störungen der Nahrungsaufnahme (unzureichendes Kauen), der Verdauung (Hypoazidität) und des Ernährungsverhaltens (Trichophagie).
Symptome. Die meisten Patienten sind beschwerdefrei, der Bezoar wird als
Symptome. Die meist beschwerdefreien Patienten können bei sehr großen Bezoaren postprandial Völlegefühl, Druckgefühl oder Oberbauchschmerzen entwickeln.
Diagnose. Oft ist der Bezoar bereits als Raumforderung im Oberbauch auf
Diagnose. Der Bezoar kann als Raumforderung auf der Röntgenübersicht des Abdomens gesehen werden. Die Diagnose lässt sich durch die ÖGD sichern. Therapie. Die Methode der Wahl ist die endoskopische Entfernung des Bezoars. Eine Gastrotomie und Ausräumung ist heutzutage nur noch selten indiziert.
der Verdauung und des Ernährungsverhaltens. So kann durch unzureichende Zerkleinerung faserreicher Kost (unzureichendes Kauen), durch Hypoazidität, Fermentmangel oder psychopathologischer Auffälligkeiten (Trichophagie) die Entstehung begünstigt werden.
Zufallsbefund oder bei gezielter Ausschlussdiagnostik bei entsprechenden psychopathologischen Auffälligkeiten diagnostiziert. Bei sehr großen Bezoaren kann es postprandial zu Völlegefühl, Druckgefühl oder Oberbauchschmerz durch intermittierende Passagebehinderung kommen.
der Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens zu sehen. Die Diagnose lässt sich durch die Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) sichern.
Therapie. In den meisten Fällen lässt sich der Bezoar endoskopisch entfernen. Bei großen Bezoaren muss die Endoskopie gegebenenfalls mehrfach bis zur vollständigen Entfernung wiederholt werden. Eine Gastrotomie und Ausräumung ist heute nur noch selten indiziert.
3.5
Entzündliche Erkrankungen
3.5
3.5.1
Gastritiden
3.5.1 Gastritiden
n Definition. Bei der Gastritis handelt es sich um eine Entzündungsreaktion der Magenschleimhaut, wobei je nach Ursache spezifische und unspezifische Gastritiden unterschieden werden.
Spezifische Gastritis n Definition. Spezifische Gastritiden sind selten. Unter einer spezifischen Gastritis versteht man die stets gleiche (spezifische) Entzündungsreaktion der Magenschleimhaut auf ein bestimmtes die Entzündung auslösendes Agens oder eine Grunderkrankung. Als Ursache kommen die Tuberkulose, Lues, Aktinomykose, Histoplasmose und der Morbus Crohn in Frage.
Entzündliche Erkrankungen
Definition
Spezifische Gastritis Definition
Symptome. Je nach Grunderkrankung, Lokalisation und Ausprägung der
Symptome. Je nach Ursache treten Schmerzen, gastrointestinale Blutungen (Teerstuhl, Bluterbrechen, Hb-Abfall, Schock), Ulzera, Stenosen oder Fisteln auf.
Diagnose. Die Untersuchungsmethode der Wahl stellt die Ösophago-
Diagnose. Die ÖGD mit Biopsie ist die Untersuchungsmethode der Wahl. Im Rahmen der Crohn-Diagnostik ist eine MDP (Fistelbildung?) oder eine hypotone Dünndarmdarstellung (weitere Crohn-Läsionen?) indiziert.
Therapie. Diese richtet sich nach der Grunderkrankung.
Therapie. Sie richtet sich nach der Grunderkrankung.
Unspezifische Gastritis
Unspezifische Gastritis
Erosive Gastritis
Erosive Gastritis
Die erosive Gastritis ist die häufigste akute Entzündung des Magens. Bei der erosiven Gastritis findet man multiple, punktförmige oberflächliche Schleimhautdefekte (Erosionen), die meist im Antrum lokalisiert sind. Als Ursache für die erosive Gastritis wird heute im Wesentlichen eine Besied-
Man findet multiple oberflächliche Schleimhautdefekte, meist im Antrum lokalisiert! Ursache ist meist die Besiedelung mit Helicobacter pylori.
Entzündung treten die klinischen Beschwerden in Form von Ober- und Mittelbauchschmerzen, gastrointestinaler Blutung (Teerstuhl, Bluterbrechen, Hb-Abfall, Schock), Ulkusentstehung, Stenosierung oder Fistelbildung auf.
Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) mit Biopsie zur histologischen und gegebenenfalls auch mikrobiologischen Untersuchung dar. Im Rahmen der CrohnDiagnostik ist die Durchführung einer MDP mit wasserlöslichem Kontrastmittel (Fistelbildung?) oder einer hypotonen Dünndarmdarstellung (weitere Crohn-Läsionen?) indiziert.
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3.5.1 Gastritiden
Pathogenese. Bezoare entstehen durch Störungen der Nahrungsaufnahme,
Pathogenese. Bezoare entstehen durch Störungen der Nahrungsaufnahme (unzureichendes Kauen), der Verdauung (Hypoazidität) und des Ernährungsverhaltens (Trichophagie).
Symptome. Die meisten Patienten sind beschwerdefrei, der Bezoar wird als
Symptome. Die meist beschwerdefreien Patienten können bei sehr großen Bezoaren postprandial Völlegefühl, Druckgefühl oder Oberbauchschmerzen entwickeln.
Diagnose. Oft ist der Bezoar bereits als Raumforderung im Oberbauch auf
Diagnose. Der Bezoar kann als Raumforderung auf der Röntgenübersicht des Abdomens gesehen werden. Die Diagnose lässt sich durch die ÖGD sichern. Therapie. Die Methode der Wahl ist die endoskopische Entfernung des Bezoars. Eine Gastrotomie und Ausräumung ist heutzutage nur noch selten indiziert.
der Verdauung und des Ernährungsverhaltens. So kann durch unzureichende Zerkleinerung faserreicher Kost (unzureichendes Kauen), durch Hypoazidität, Fermentmangel oder psychopathologischer Auffälligkeiten (Trichophagie) die Entstehung begünstigt werden.
Zufallsbefund oder bei gezielter Ausschlussdiagnostik bei entsprechenden psychopathologischen Auffälligkeiten diagnostiziert. Bei sehr großen Bezoaren kann es postprandial zu Völlegefühl, Druckgefühl oder Oberbauchschmerz durch intermittierende Passagebehinderung kommen.
der Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens zu sehen. Die Diagnose lässt sich durch die Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) sichern.
Therapie. In den meisten Fällen lässt sich der Bezoar endoskopisch entfernen. Bei großen Bezoaren muss die Endoskopie gegebenenfalls mehrfach bis zur vollständigen Entfernung wiederholt werden. Eine Gastrotomie und Ausräumung ist heute nur noch selten indiziert.
3.5
Entzündliche Erkrankungen
3.5
3.5.1
Gastritiden
3.5.1 Gastritiden
n Definition. Bei der Gastritis handelt es sich um eine Entzündungsreaktion der Magenschleimhaut, wobei je nach Ursache spezifische und unspezifische Gastritiden unterschieden werden.
Spezifische Gastritis n Definition. Spezifische Gastritiden sind selten. Unter einer spezifischen Gastritis versteht man die stets gleiche (spezifische) Entzündungsreaktion der Magenschleimhaut auf ein bestimmtes die Entzündung auslösendes Agens oder eine Grunderkrankung. Als Ursache kommen die Tuberkulose, Lues, Aktinomykose, Histoplasmose und der Morbus Crohn in Frage.
Entzündliche Erkrankungen
Definition
Spezifische Gastritis Definition
Symptome. Je nach Grunderkrankung, Lokalisation und Ausprägung der
Symptome. Je nach Ursache treten Schmerzen, gastrointestinale Blutungen (Teerstuhl, Bluterbrechen, Hb-Abfall, Schock), Ulzera, Stenosen oder Fisteln auf.
Diagnose. Die Untersuchungsmethode der Wahl stellt die Ösophago-
Diagnose. Die ÖGD mit Biopsie ist die Untersuchungsmethode der Wahl. Im Rahmen der Crohn-Diagnostik ist eine MDP (Fistelbildung?) oder eine hypotone Dünndarmdarstellung (weitere Crohn-Läsionen?) indiziert.
Therapie. Diese richtet sich nach der Grunderkrankung.
Therapie. Sie richtet sich nach der Grunderkrankung.
Unspezifische Gastritis
Unspezifische Gastritis
Erosive Gastritis
Erosive Gastritis
Die erosive Gastritis ist die häufigste akute Entzündung des Magens. Bei der erosiven Gastritis findet man multiple, punktförmige oberflächliche Schleimhautdefekte (Erosionen), die meist im Antrum lokalisiert sind. Als Ursache für die erosive Gastritis wird heute im Wesentlichen eine Besied-
Man findet multiple oberflächliche Schleimhautdefekte, meist im Antrum lokalisiert! Ursache ist meist die Besiedelung mit Helicobacter pylori.
Entzündung treten die klinischen Beschwerden in Form von Ober- und Mittelbauchschmerzen, gastrointestinaler Blutung (Teerstuhl, Bluterbrechen, Hb-Abfall, Schock), Ulkusentstehung, Stenosierung oder Fistelbildung auf.
Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) mit Biopsie zur histologischen und gegebenenfalls auch mikrobiologischen Untersuchung dar. Im Rahmen der CrohnDiagnostik ist die Durchführung einer MDP mit wasserlöslichem Kontrastmittel (Fistelbildung?) oder einer hypotonen Dünndarmdarstellung (weitere Crohn-Läsionen?) indiziert.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
326 und eine Minderdurchblutung der Schleimhaut, z.B. bei Schock, Polytrauma, Verbrennungen, Sepsis. Gefahr des Übergangs in Stressulzera. Erosive Gastritiden zeigen oft unspezifische Symptome und können eine obere gastrointestinale Blutung erzeugen. Sie werden durch eine ÖGD und Helicobactertest diagnostiziert ( 1 B-3.5).
3 Magen und Duodenum lung mit Helicobacter pylori angesehen, der insbesondere bei einer Antritis regelmäßig nachweisbar ist. Daneben kann ursächlich die Einnahme bestimmter Medikamente (z.B. NSAR) eine Minderdurchblutung der Schleimhaut, ausgelöst durch ein Schockgeschehen, ein Polytrauma, schwere Verbrennungen oder eine Sepsis vorliegen. Bei unzureichender Therapie besteht die Gefahr des Übergangs in Stressulzera. Erosive Gastritiden zeigen oft unspezifische Symptome wie Übelkeit, Schmerzen und Druckbeschwerden im Oberbauch. Sie können auch Ursache einer oberen gastrointestinalen Blutung sein, die je nach Ausmaß durch Blutbeimengungen in der Magensonde, Blut- oder Kaffeesatzerbrechen, Hb-Abfall oder Teerstuhl auffallen kann. Sie werden durch eine ÖGD und Durchführung eines Helicobactertests diagnostiziert ( 1 B-3.5).
1 B-3.5
Gastritis Typisches endoskopisches Bild einer Antrumgastritis mit fleckigen Rötungen. Durch Biopsie konnte ein Helicobacterbefall nachgewiesen werden.
Therapie. Bei umschriebener Blutung erfolgt die gezielte endoskopische Therapie, sonst die Gabe von Protonenpumpenblockern, Schleimhautprotektiva oder alternativ von H2 -Rezeptorenblockern und Antazida. Bei schweren diffusen Blutungen ist neben dem Ersatz von Gerinnungsfaktoren die Spülung mit Eiswasser möglich. Bei nachgewiesener Helicobacterbesiedlung ist eine Eradikation mit der Tripletherapie indiziert (s.u.).
Therapie. Bei stärkerer umschriebener Blutung erfolgt die gezielte endoskopische Therapie (s. Kap. B-13.5), sonst ist die Gabe von Protonenpumpenblockern (z.B. AntraQ), Schleimhautprotektiva (z.B. UlcogantQ) oder alternativ von H2-Rezeptorenblockern (z.B. SostrilQ, PepdulQ) und Antazida (z.B. MaaloxanQ, Gelusil LacQ) indiziert. Bei persistierenden diffusen Blutungen ist neben einem Ausgleich gestörter Gerinnungsparameter die Spülung des Magens mit Eiswasser möglich. Bei Nachweis einer Helicobacterbesiedlung ist wie beim Ulcus ventriculi oder duodeni eine Eradikation mit der Tripletherapie indiziert (s.u.). Sehr selten ist bei endoskopisch nicht beherrschbarer Blutung eine Laparotomie mit Ulkusumstechung notwendig. Da in den meisten Fällen die kausale Therapie in der Eradikation der Helicobacterinfektion besteht, sollte die Indikation zur Vagotomie bzw. Magen-(teil) resektion kritisch überdacht werden.
Phlegmonöse Gastritis
Phlegmonöse Gastritis
Bei immuninkompetenten Patienten kommt es durch bakterielle Überwucherung mit Aerobiern und Anaerobiern zur Peritonitis und Sepsis. Die Diagnose erfolgt gastroskopisch (Biopsien zur mikrobiologischen Untersuchung!). Therapie. Sie erfolgt mit Antibiotika, parenteraler Ernährung und Magensonde. Bei Komplikationen (Perforation) ist die Magenteilresektion oder Gastrektomie indiziert.
Sie ist selten und entsteht bei immuninkompetenten Patienten durch bakterielle Überwucherung des Magens mit aeroben und anaeroben Keimen und führt zur Peritonitis bei einem septischen Gesamtbild. Die Diagnose wird durch die Gastroskopie gestellt, bei der unbedingt Biopsien zur mikrobiologischen Untersuchung entnommen werden müssen.
Therapie. Die phlegmonöse Gastritis wird durch eine Antibiotikatherapie – möglichst nach Austestung –, parenterale Ernährung und Magensonde zur Dekompression von Gasen behandelt. Bei Komplikationen (Perforation) ist die Magenteilresektion oder Gastrektomie indiziert.
Chronisch atrophische Gastritis
Chronisch atrophische Gastritis
Es werden Autoimmunprozesse, Helicobacterinfektion, Alterungsvorgänge, ein vermehrter duodenogastraler
Hierbei handelt es sich um eine chronische Atrophie der Magendrüsen mit zunehmender Achlorhydrie. Als Ursache werden Autoimmunprozesse, Überwucherung mit Helicobacter pylori, ein vermehrter duodenogastraler Reflux
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327
3.6.1 Pathogenese und ein Fortfall des trophischen Gastrineffektes nach Magenresektionen diskutiert. Die chronisch atrophische Gastritis verläuft in den meisten Fällen symptomfrei. Es können aber Dyspepsie, Völlegefühl, Inappetenz und eine perniziöse Anämie bei Vitamin-B12-Mangel auftreten. Die Diagnose wird endoskopisch gestellt, wobei aufgrund des erhöhten Karzinomrisikos Biopsien entnommen werden müssen und jährliche Kontrollen durchgeführt werden sollten. n Merke. Bei der chronisch atrophischen Gastritis ist ein erhöhtes Karzinomrisiko gegeben. Jährliche endoskopische Kontrollen!
Reflux und fehlender Gastrineffekt nach Magenresektionen als Ursache diskutiert. Die chronisch atrophische Gastritis ist meist symptomfrei, es können aber Dyspepsie, Völlegefühl, Inappetenz und perniziöse Anämie auftreten. Die Diagnose erfolgt durch eine ÖGD mit Biopsie. Jährliche Kontrollen sind wegen des erhöhten Karzinomrisikos notwendig. Merke
Therapie. Sie ist konservativ symptomatisch. Bei Nachweis von schweren Zellatypien bei endoskopischen Kontrolluntersuchungen ist eine prophylaktische Gastrektomie zu erwägen.
Therapie. Sie ist konservativ symptomatisch. Beim Nachweis von Zellatypien ist eine Gastrektomie zu erwägen.
3.6
Ulkuskrankheit
3.6
n Definition Erosion: oberflächliche, ausschließlich auf die Mukosa beschränkte Nekrose (intakte Muscularis mucosae) π Ulkus: tiefergehende Nekrose der Wand, die die Muscularis mucosa überschreitet und alle Wandschichten betreffen kann π kallöses Ulkus: chronisches Ulkus mit fibrinösem Randwall und derbem Ulkusgrund, meist alle Wandschichten betreffend π kissing ulcus: 2 einander gegenüberliegende Ulzera, z.B. an Vorderund Hinterwand von Antrum oder Bulbus duodeni π peptisches Ulkus: alle Ulzerationen im oberen Gastrointestinaltrakt, an deren Entstehung Salzsäure und Pepsin beteiligt sind.
Ulkuskrankheit
Definition
π
Die Ulkuskrankheit umfasst die häufigsten pathologischen Veränderungen des oberen Gastrointestinaltraktes. Während früher die Ulkuschirurgie mit resezierenden und nicht resezierenden Verfahren die Therapie der Ulkuskrankheit bestimmte, sind seit der Einführung der H2-Rezeptorenblocker (z.B. TagametQ, ZanticQ, SostrilQ, PepdulQ) konservative Therapieansätze in den Vordergrund getreten. Diese Entwicklung wurde durch Protonenpumpenblocker und die Eradikation des Helicobacter pylori weiter verstärkt, sodass sich die Chirurgie der Ulkuskrankheit heute im Wesentlichen auf die operative Behandlung der Ulkuskomplikationen beschränkt.
3.6.1
Pathogenese
Die gesunde Magen- und Duodenalschleimhaut ist durch protektive Faktoren vor einer Autodigestion durch aggressive Faktoren geschützt. Die Intaktheit und ungestörte Regenerationsfähigkeit des Epithels ist dabei von einem Gleichgewicht zwischen den aggressiven und protektiven Faktoren abhängig, wobei selbst bei mechanischer Schleimhautläsion beträchtliche Kompensationsmechanismen zur Verfügung stehen. So heilen postbioptische Schleimhautläsionen normalerweise innerhalb von einer Woche folgenlos aus. Die aggressiven Faktoren werden je nach ihrer Ursache in endogene und exogene unterteilt. Endogene Aggressionsfaktoren sind die Salzsäure und proteolytischen Enzyme (insbesondere das Pepsin), die vom Organismus selbst produziert werden. Exogene Aggressionsfaktoren werden von außen zugeführt. Hier sind in erster Linie Nikotin, Steroide, nichtsteroidale Antirheumatika, Stress und eine Infektion des Magens mit Helicobacter pylori zu nennen. Ob die Helicobacter-pylori-Infektion ursächlich für die Ulkusentstehung verantwortlich gemacht werden kann oder nur eine Koinzidenz besteht, ist bis heute noch nicht eindeutig geklärt. Fest steht, dass H. pylori bei 60–75 %
Seit der Einführung der H2 -Rezeptorenblocker sind konservative Therapieansätze in den Vordergrund der Ulkusbehandlung getreten. Die Chirurgie der Ulkuskrankheit beschränkt sich heute im Wesentlichen auf die operative Behandlung der Ulkuskomplikationen.
3.6.1 Pathogenese Die gesunde Magen- und Duodenalschleimhaut ist durch protektive Faktoren vor einer Autodigestion durch aggressive Faktoren geschützt. Bei mechanischen Schleimhautverletzungen stehen beträchtliche Kompensationsmechanismen zur Verfügung, die eine Heilung ermöglichen. Aggressive Faktoren: endogen (Salzsäure, proteolytische Enzyme, z.B. Pepsin) π exogen (Nikotin, Steroide, nichtsteroidale Antirheumatika, Stress, Infektion mit Helicobacter pylori). π
Es ist ungeklärt, ob die Helicobacterpylori-Infektion ursächlich für die Ulkusentstehung verantwortlich
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3.6.1 Pathogenese und ein Fortfall des trophischen Gastrineffektes nach Magenresektionen diskutiert. Die chronisch atrophische Gastritis verläuft in den meisten Fällen symptomfrei. Es können aber Dyspepsie, Völlegefühl, Inappetenz und eine perniziöse Anämie bei Vitamin-B12-Mangel auftreten. Die Diagnose wird endoskopisch gestellt, wobei aufgrund des erhöhten Karzinomrisikos Biopsien entnommen werden müssen und jährliche Kontrollen durchgeführt werden sollten. n Merke. Bei der chronisch atrophischen Gastritis ist ein erhöhtes Karzinomrisiko gegeben. Jährliche endoskopische Kontrollen!
Reflux und fehlender Gastrineffekt nach Magenresektionen als Ursache diskutiert. Die chronisch atrophische Gastritis ist meist symptomfrei, es können aber Dyspepsie, Völlegefühl, Inappetenz und perniziöse Anämie auftreten. Die Diagnose erfolgt durch eine ÖGD mit Biopsie. Jährliche Kontrollen sind wegen des erhöhten Karzinomrisikos notwendig. Merke
Therapie. Sie ist konservativ symptomatisch. Bei Nachweis von schweren Zellatypien bei endoskopischen Kontrolluntersuchungen ist eine prophylaktische Gastrektomie zu erwägen.
Therapie. Sie ist konservativ symptomatisch. Beim Nachweis von Zellatypien ist eine Gastrektomie zu erwägen.
3.6
Ulkuskrankheit
3.6
n Definition Erosion: oberflächliche, ausschließlich auf die Mukosa beschränkte Nekrose (intakte Muscularis mucosae) π Ulkus: tiefergehende Nekrose der Wand, die die Muscularis mucosa überschreitet und alle Wandschichten betreffen kann π kallöses Ulkus: chronisches Ulkus mit fibrinösem Randwall und derbem Ulkusgrund, meist alle Wandschichten betreffend π kissing ulcus: 2 einander gegenüberliegende Ulzera, z.B. an Vorderund Hinterwand von Antrum oder Bulbus duodeni π peptisches Ulkus: alle Ulzerationen im oberen Gastrointestinaltrakt, an deren Entstehung Salzsäure und Pepsin beteiligt sind.
Ulkuskrankheit
Definition
π
Die Ulkuskrankheit umfasst die häufigsten pathologischen Veränderungen des oberen Gastrointestinaltraktes. Während früher die Ulkuschirurgie mit resezierenden und nicht resezierenden Verfahren die Therapie der Ulkuskrankheit bestimmte, sind seit der Einführung der H2-Rezeptorenblocker (z.B. TagametQ, ZanticQ, SostrilQ, PepdulQ) konservative Therapieansätze in den Vordergrund getreten. Diese Entwicklung wurde durch Protonenpumpenblocker und die Eradikation des Helicobacter pylori weiter verstärkt, sodass sich die Chirurgie der Ulkuskrankheit heute im Wesentlichen auf die operative Behandlung der Ulkuskomplikationen beschränkt.
3.6.1
Pathogenese
Die gesunde Magen- und Duodenalschleimhaut ist durch protektive Faktoren vor einer Autodigestion durch aggressive Faktoren geschützt. Die Intaktheit und ungestörte Regenerationsfähigkeit des Epithels ist dabei von einem Gleichgewicht zwischen den aggressiven und protektiven Faktoren abhängig, wobei selbst bei mechanischer Schleimhautläsion beträchtliche Kompensationsmechanismen zur Verfügung stehen. So heilen postbioptische Schleimhautläsionen normalerweise innerhalb von einer Woche folgenlos aus. Die aggressiven Faktoren werden je nach ihrer Ursache in endogene und exogene unterteilt. Endogene Aggressionsfaktoren sind die Salzsäure und proteolytischen Enzyme (insbesondere das Pepsin), die vom Organismus selbst produziert werden. Exogene Aggressionsfaktoren werden von außen zugeführt. Hier sind in erster Linie Nikotin, Steroide, nichtsteroidale Antirheumatika, Stress und eine Infektion des Magens mit Helicobacter pylori zu nennen. Ob die Helicobacter-pylori-Infektion ursächlich für die Ulkusentstehung verantwortlich gemacht werden kann oder nur eine Koinzidenz besteht, ist bis heute noch nicht eindeutig geklärt. Fest steht, dass H. pylori bei 60–75 %
Seit der Einführung der H2 -Rezeptorenblocker sind konservative Therapieansätze in den Vordergrund der Ulkusbehandlung getreten. Die Chirurgie der Ulkuskrankheit beschränkt sich heute im Wesentlichen auf die operative Behandlung der Ulkuskomplikationen.
3.6.1 Pathogenese Die gesunde Magen- und Duodenalschleimhaut ist durch protektive Faktoren vor einer Autodigestion durch aggressive Faktoren geschützt. Bei mechanischen Schleimhautverletzungen stehen beträchtliche Kompensationsmechanismen zur Verfügung, die eine Heilung ermöglichen. Aggressive Faktoren: endogen (Salzsäure, proteolytische Enzyme, z.B. Pepsin) π exogen (Nikotin, Steroide, nichtsteroidale Antirheumatika, Stress, Infektion mit Helicobacter pylori). π
Es ist ungeklärt, ob die Helicobacterpylori-Infektion ursächlich für die Ulkusentstehung verantwortlich
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
328 gemacht werden kann oder nur eine Koinzidenz besteht. Bei Patienten mit Ulcus duodeni, bei denen H. pylori eliminiert wurde, ist die Rezidivrate signifikant niedriger als bei Patienten ohne Helicobactereradikation. Protektive Faktoren: π Schleimschicht π Zellmauserung π Bikarbonatsekretion π gute Blutversorgung π duodenale Säureneutralisation. Vorübergehende Störungen des Gleichgewichts der protektiven und aggressiven Faktoren führen zur Entstehung von akuten Magen- oder Duodenalschleimhautnekrosen. Besteht ein persistierendes Ungleichgewicht, so können mechanische Läsionen nicht ausheilen, bzw. es kommt zur Entstehung chronischer Ulcera ventriculi/ duodeni (Ulkuskrankheit).
3 Magen und Duodenum aller Patienten mit einem Ulcus ventriculi und bei 90–100 % der Patienten mit einem Ulcus duodeni nachgewiesen werden kann. Bei Patienten mit Ulcus duodeni, bei denen H. pylori eliminiert wurde, ist die Rezidivrate signifikant niedriger als bei Patienten ohne eine Helicobactereradikation. Protektive Faktoren: Die die Schleimhaut schützenden Faktoren sind die Schleimschicht, die eine direkte Einwirkung der Salzsäure und des Pepsins auf das Epithel verhindert, die hohe Zellmauserungsrate, die lokale Bikarbonatsekretion zur Neutralisierung der Salzsäure, die ungewöhnlich gute Blutversorgung und die duodenale Säureneutralisation durch Sekretin und Enterogastron. Vorübergehende Störungen des Gleichgewichts durch Abnahme der protektiven Faktoren und/oder Zunahme der aggressiven Faktoren kann zur Entstehung von akuten Magen- oder Duodenalschleimhautnekrosen führen. Die akuten Ursachen können im Rahmen einer anderen Erkrankung auftreten (Stressulkus bei Intensivpatienten), anatomisch verursacht sein (Gefäßanomalie bei dem Ulkus Dieulafoy) oder chemisch induziert sein (Arzneimittelulkus). Besteht ein persistierendes Ungleichgewicht, so können mechanische Läsionen nicht ausheilen, bzw. es kommt zur Entstehung chronischer Ulcera ventriculi/duodeni. Das Krankheitsbild, das auf einem persistierenden Missverhälnis von Schutz- und Aggressionsfaktoren beruht, wird auch als Ulkuskrankheit bezeichnet.
Akute Ulzera
3.6.2 Akute Ulzera
3.6.2
Ulkus Dieulafoy
Ulkus Dieulafoy Synonym: Exulceratio simplex
Definition
n Definition. Bei dem Ulkus Dieulafoy handelt es sich um eine oberflächliche Schleimhautläsion, die meist in proximalen Magenabschnitten lokalisiert ist. Am Boden dieser Läsion findet sich als Gefäßfehlanlage eine submukös gelegene dicklumige Arterie, die bei Arrosion zu heftigen arteriellen, lebensbedrohenden Blutungen führen kann.
Symptome. Das Ulkus Dieulafoy macht sich durch die Symptome einer akuten Blutung bemerkbar.
Symptome. Das Ulkus Dieulafoy macht sich durch akute Blutung mit Teer-
Diagnose und Therapie. Die Diagnose wird im Rahmen einer Notfallendoskopie gestellt. In gleicher Sitzung erfolgt die endoskopische Blutstillung (s. Kap. B-13.5).
Diagnose und Therapie. Die Diagnostik besteht – wie bei jeder akuten obe-
Arzneimittelulkus
Arzneimittelulkus
Definition
Symptome. Das Beschwerdebild ist geprägt von Verläufen ohne wesentliche klinische Symptome über Oberbauchbeschwerden, Appetitlosigkeit bis hin zu Symptomen der Ulkuskomplikationen (s. u.).
stühlen, Hämatin- oder Bluterbrechen mit Hb-Abfall bis hin zur Schocksymptomatik bemerkbar. ren Gastrointestinalblutung – in einer Notfallendoskopie, bei der auch gleichzeitig die Therapie mittels endoskopischer Blutstillung (z.B. durch Hämoclips oder Unterspritzung, s. Kap. B-13.5) erfolgen kann.
n Definition. Unter einem Arzneimittelulkus versteht man eine Schleimhautläsion, die durch ulzerogene Medikamente ( 2 B-3.2) hervorgerufen wird. Diese Medikamente führen für die Dauer ihrer Einnahme zu einem Ungleichgewicht zwischen protektiven und aggressiven Faktoren im Magen.
Symptome. Das Beschwerdebild, das von Arzneimittelulzera ausgelöst werden kann, ist vielgestaltig. Es gibt Verläufe, die ohne wesentliche klinische Symptome erfolgen, über unspezifische Oberbauchbeschwerden (Druckgefühl, Völlegefühl, vermehrtes Aufstoßen), Appetitlosigkeit und Oberbauchschmerzen bis hin zu den Symptomen der Ulkuskomplikationen (s. u., z.B. Blutung, Perforation).
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329
3.6.2 Akute Ulzera
2 B-3.2
Wirkmechanismus und Beispiele unterschiedlicher ulzerogener Medikamente
Wirkmechanismus
Stoffgruppe
N Veränderung der Beschaffenheit n und/oder Menge des Magenschleims
π
N Änderung der Exfoliationsrate n des Epithels
»barrier breakers« Alkohol π nichtsteroidale Antiphlogistika π Gallensäuren π Lysolezithin π π π
N erhöhte H + -Ionenanreicherung n im Epithel durch gesteigerte Rückdiffusion
Kortikoide Chemotherapeutika Immunsuppressiva
»barrier breakers« π Alkohol π nichtsteroidale Antiphlogistika
pharmakologische Beispiele π π π π
π π π
π π π π
N Thrombozytenfunktionsstörung n N Hypersekretion von Säure n (sehr selten) durch Gastrinfreisetzung oder gastrinähnliche Wirkung
π
π π π π π π π
Thrombozytenaggregationshemmer Parasympathomimetika Alkohol Gallensäuren Kortikoide ACTH Androgene Reserpin
π
π π π π
Acetylsalicylsäure Phenylbutazon Indometacin Detergenzien Dexamethason Mitomycin C Azathioprin Acetylsalicylsäure Phenylbutazon Indometacin Detergenzien Acetylsalicylsäure Acetylcholin Pentagastrin STH Dexamethason
Diagnose und Therapie. Bei dem klinischen Verdacht auf ein Arzneimittel-
Diagnose und Therapie. Diagnostisch ist eine ÖGD mit Biopsieentnahme und Helicobactertest durchzuführen. Die Therapie erfolgt konservativ (s. S. 334 ff.).
Stressulkus
Stressulkus
ulkus ist eine ÖGD mit Biopsieentnahme und Durchführung eines Helicobactertests durchzuführen. Die Therapie erfolgt in erster Linie konservativ (s. S. 334 ff.). Eine Röntgendarstellung des Magens erfolgt heute nur noch selten, da die Gastroskopie die Möglichkeit der Probeentnahme bietet.
n Definition. Das Stressulkus entsteht im Rahmen schwerer Verletzungen oder schwerer Schockzustände durch eine Mikrozirkulationsstörung im Bereich der Magenschleimhaut mit Zusammenbruch des Stoffwechsels der Mukosabarriere und gleichzeitig erhöhtem duodenogastralem Reflux.
Trotz der heute üblichen medikamentösen Stressulkusprophylaxe sind Patienten mit Sepsis, Peritonitis, Ileus, Polytrauma, hämorrhagischem Schockgeschehen, renaler, hepatischer oder respiratorischer Insuffizienz oder nach großen operativen Eingriffen, kurz das gesamte Patientengut einer chirurgischen Intensivstation, hochgradig gefährdet, ein Stressulkus auszubilden. Ungefähr 80 % dieser Patienten zeigen bei endoskopischen Untersuchungen innerhalb der ersten 24 Stunden zahlreiche Erosionen und Ulzerationen, meist in den proximalen Magenanteilen. Wird die Ulkusprophylaxe nicht konsequent durchgeführt, ist die Gefahr einer akuten Blutung oder Perforation groß. n Merke. Bei Patienten der chirurgischen Intensivstation muss eine konsequente Stressulkusprophylaxe erfolgen.
Symptome. Stressulzera werden in den meisten Fällen erst durch das Auf-
treten von Komplikationen bemerkt. Im Vordergrund steht die akute Blutung, die sich bisweilen durch Hämatinbeimengungen in der Magensonde ankündigen kann. Bei einer Perforation entsteht ein akutes Abdomen mit rasch progredientem Verlauf.
Definition
Häufig betroffen sind Patienten mit Sepsis, Peritonitis, Ileus, Polytrauma, hämorrhagischem Schockgeschehen, renaler, hepatischer oder respiratorischer Insuffizienz oder nach großen operativen Eingriffen. Bei unzureichender Ulkusprophylaxe ist die Gefahr einer akuten Blutung oder Perforation groß.
Merke
Symptome. Stressulzera werden in den meisten Fällen erst durch das Auftreten von akuten Blutungen oder Perforationen bemerkt. Hämatinbeimengungen in der Magensonde sind Vorboten einer akuten Blutung.
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3 Magen und Duodenum
Diagnose und Therapie. Zur Prophylaxe von Stressulzerationen ist die Gabe von H2 -Rezeptorenblockern oder magenselektiven Anticholinergika indiziert. Bei Blutungen ist die endoskopische Blutstillung, bei Perforationen die Laparotomie mit Ulkusexzision, evtl. Magenteilresektion und postoperative Gabe von Protonenpumpenblockern notwendig (s. a. S. 340 ff.).
Diagnose und Therapie. Zur Prophylaxe empfiehlt sich die Verabreichung von H2-Rezeptorenblockern (z.B. TagametQ, SostrilQ, PepdulQ) oder magenselektiver Anticholinergika (z.B. GastrozepinQ). Bei Blutungen ist die endo-
3.6.3 Chronische Ulzera
3.6.3
Chronische Ulzera treten häufiger als die akuten Geschwüre auf. In Deutschland sind ca. 10 % der Bevölkerung, davon Männer 3–4-mal häufiger als Frauen von der Ulkuskrankheit betroffen. Ulcera duodeni haben eine 3–4fach höhere Inzidenz als Ulcera ventriculi. Nicht eine Säureüberproduktion, sondern vielmehr ein Missverhältnis zwischen Säure und Schutzmechanismen entscheidet über eine Ulkusentstehung.
Die chronischen Ulzerationen des oberen Gastrointestinaltrakts unterscheiden sich von den akuten Ulzera durch die persistierende Disposition zur Ulkusbildung. Sie treten häufiger als die akuten Geschwüre auf. In Deutschland sind ca. 10 % der Bevölkerung, davon Männer 3–4-mal häufiger als Frauen von der Ulkuskrankheit betroffen. Ulcera duodeni haben eine 3–4fach höhere Inzidenz als Ulcera ventriculi. Die alte Feststellung »Ohne Säure kein Ulkus« (Schwarz, 1910) muss heute unter dem pathogenetischen Faktor »Helicobacter pylori« relativiert werden. So ist nach modernen Erkenntnissen festzustellen, dass nicht immer eine Säureüberproduktion die Ulkusgenese auslöst, sondern vielmehr das Missverhältnis zwischen vorhandener Säure und Schutzmechanismen über eine Ulkusentstehung entscheidet.
Ulcera ventriculi
Ulcera ventriculi
Nach Johnson werden 3 Ulkustypen nach Lokalisation und Grad der Säuresekretion unterschieden ( 1 B-3.6).
Nach Johnson lassen sich 3 Typen von Magenulzera differenzieren, die sich jeweils in ihrer Lokalisation und Grad der Säuresekretion unterscheiden ( 1 B-3.6).
π Ulcus ventriculi Typ I: Dieses Ulkus ist meist an der kleinen Kurvatur an der Antrum-Korpus-Grenze gelegen, die sich mit zunehmendem Alter nach oral verschiebt, sodass es zur Säurereduktion durch Verminderung der Belegzellen kommt (Hypoazidität).
π
skopische Blutstillung, bei Perforation die Laparotomie mit Ulkusexzision evtl. die Magenteilresektion indiziert. Zusätzlich kann die medikamentöse Therapie auf die Gabe von Protonenpumpenblockern (z.B. AntraQ) umgestellt werden (zur Diagnostik und Therapie von Ulkuskomplikationen s. a. S. 340 ff.).
Chronische Ulzera
Ulcus ventriculi Typ I: Hierbei handelt es sich um ein Ulkus, das typischerweise an der kleinen Kurvatur oberhalb der Incisura angularis gelegen ist. Ca. 90 % dieser Geschwüre liegen an der Antrum-Korpus-Grenze, die sich mit zunehmendem Alter nach oral hin verschiebt. Dadurch kommt es zur Reduktion der säureproduzierenden Belegzellen und somit zur Abnahme der Säuresekretion im Magen. n Merke. Je höher das Ulkus im Magen gelegen ist, desto weniger Säuresekretion besteht im Magen.
Merke
Das Magenulkus Typ I macht insgesamt ca. 60 % aller gastralen Geschwüre aus. Als Ursache werden Helicobacterbesiedlung, Mikrozirkulationsstörungen mit Veränderung des protektiven Magenschleims und Störung der Zellregeneration und ein erhöhter duodenogastraler Reflux angegeben.
Das Magenulkus Typ I (Johnson) macht insgesamt ca. 60 % aller gastralen Geschwüre aus. Beim Säuresekretionstest ergibt sich typischerweise eine Hypoazidität. Als Ursache werden Helicobacterbesiedlung, Mikrozirkulationsstörungen der Schleimhaut mit Veränderung der Zusammensetzung des protektiven Magenschleimes und Störung der Zellregeneration sowie ein erhöhter duodenogastraler Reflux von Gallensäuren und Lysolezithin angegeben.
π Ulcus ventriculi Typ II: Es liegen gleichzeitig ein Magen- und Duodenalgeschwür vor (20 % aller Ulcera ventriculi). Als Ursache wird der »DragstedtMechanismus« diskutiert (eine antrale Stase im Magen führt zu einer Ektasie und erhöhter Gastrinfreisetzung mit konsekutiver Säuresekretionssteigerung). Entsprechend findet man bei diesem Ulkustyp normale bis erhöhte Sekretionswerte für die Magensäure.
Ulcus ventriculi Typ II: Der Ulkus-Typ II zeichnet sich durch das gleichzeitige Vorliegen von einem Magen- und einem Duodenalgeschwür aus (20 % aller Ulcera ventriculi). Zur Pathogenese wird der »Dragstedt-Mechanismus« diskutiert: Durch eine antrale Stase im Magen (z.B. bei Magenausgangsstenose) kommt es zu einer Magenektasie und somit zu einer erhöhten Gastrinfreisetzung mit konsekutiver Säuresekretionssteigerung. So kann ein primär vorliegendes Ulcus duodeni durch ödematöse Schwellung eine Magenausgangsstenose hervorrufen und über Aktivierung des DragstedtMechanismus die Entstehung eines Ulcus ventriculi induzieren. Entsprechend findet man bei diesem Ulkustyp normale bis erhöhte Sekretionswerte für die Magensäure. π
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330
3 Magen und Duodenum
Diagnose und Therapie. Zur Prophylaxe von Stressulzerationen ist die Gabe von H2 -Rezeptorenblockern oder magenselektiven Anticholinergika indiziert. Bei Blutungen ist die endoskopische Blutstillung, bei Perforationen die Laparotomie mit Ulkusexzision, evtl. Magenteilresektion und postoperative Gabe von Protonenpumpenblockern notwendig (s. a. S. 340 ff.).
Diagnose und Therapie. Zur Prophylaxe empfiehlt sich die Verabreichung von H2-Rezeptorenblockern (z.B. TagametQ, SostrilQ, PepdulQ) oder magenselektiver Anticholinergika (z.B. GastrozepinQ). Bei Blutungen ist die endo-
3.6.3 Chronische Ulzera
3.6.3
Chronische Ulzera treten häufiger als die akuten Geschwüre auf. In Deutschland sind ca. 10 % der Bevölkerung, davon Männer 3–4-mal häufiger als Frauen von der Ulkuskrankheit betroffen. Ulcera duodeni haben eine 3–4fach höhere Inzidenz als Ulcera ventriculi. Nicht eine Säureüberproduktion, sondern vielmehr ein Missverhältnis zwischen Säure und Schutzmechanismen entscheidet über eine Ulkusentstehung.
Die chronischen Ulzerationen des oberen Gastrointestinaltrakts unterscheiden sich von den akuten Ulzera durch die persistierende Disposition zur Ulkusbildung. Sie treten häufiger als die akuten Geschwüre auf. In Deutschland sind ca. 10 % der Bevölkerung, davon Männer 3–4-mal häufiger als Frauen von der Ulkuskrankheit betroffen. Ulcera duodeni haben eine 3–4fach höhere Inzidenz als Ulcera ventriculi. Die alte Feststellung »Ohne Säure kein Ulkus« (Schwarz, 1910) muss heute unter dem pathogenetischen Faktor »Helicobacter pylori« relativiert werden. So ist nach modernen Erkenntnissen festzustellen, dass nicht immer eine Säureüberproduktion die Ulkusgenese auslöst, sondern vielmehr das Missverhältnis zwischen vorhandener Säure und Schutzmechanismen über eine Ulkusentstehung entscheidet.
Ulcera ventriculi
Ulcera ventriculi
Nach Johnson werden 3 Ulkustypen nach Lokalisation und Grad der Säuresekretion unterschieden ( 1 B-3.6).
Nach Johnson lassen sich 3 Typen von Magenulzera differenzieren, die sich jeweils in ihrer Lokalisation und Grad der Säuresekretion unterscheiden ( 1 B-3.6).
π Ulcus ventriculi Typ I: Dieses Ulkus ist meist an der kleinen Kurvatur an der Antrum-Korpus-Grenze gelegen, die sich mit zunehmendem Alter nach oral verschiebt, sodass es zur Säurereduktion durch Verminderung der Belegzellen kommt (Hypoazidität).
π
skopische Blutstillung, bei Perforation die Laparotomie mit Ulkusexzision evtl. die Magenteilresektion indiziert. Zusätzlich kann die medikamentöse Therapie auf die Gabe von Protonenpumpenblockern (z.B. AntraQ) umgestellt werden (zur Diagnostik und Therapie von Ulkuskomplikationen s. a. S. 340 ff.).
Chronische Ulzera
Ulcus ventriculi Typ I: Hierbei handelt es sich um ein Ulkus, das typischerweise an der kleinen Kurvatur oberhalb der Incisura angularis gelegen ist. Ca. 90 % dieser Geschwüre liegen an der Antrum-Korpus-Grenze, die sich mit zunehmendem Alter nach oral hin verschiebt. Dadurch kommt es zur Reduktion der säureproduzierenden Belegzellen und somit zur Abnahme der Säuresekretion im Magen. n Merke. Je höher das Ulkus im Magen gelegen ist, desto weniger Säuresekretion besteht im Magen.
Merke
Das Magenulkus Typ I macht insgesamt ca. 60 % aller gastralen Geschwüre aus. Als Ursache werden Helicobacterbesiedlung, Mikrozirkulationsstörungen mit Veränderung des protektiven Magenschleims und Störung der Zellregeneration und ein erhöhter duodenogastraler Reflux angegeben.
Das Magenulkus Typ I (Johnson) macht insgesamt ca. 60 % aller gastralen Geschwüre aus. Beim Säuresekretionstest ergibt sich typischerweise eine Hypoazidität. Als Ursache werden Helicobacterbesiedlung, Mikrozirkulationsstörungen der Schleimhaut mit Veränderung der Zusammensetzung des protektiven Magenschleimes und Störung der Zellregeneration sowie ein erhöhter duodenogastraler Reflux von Gallensäuren und Lysolezithin angegeben.
π Ulcus ventriculi Typ II: Es liegen gleichzeitig ein Magen- und Duodenalgeschwür vor (20 % aller Ulcera ventriculi). Als Ursache wird der »DragstedtMechanismus« diskutiert (eine antrale Stase im Magen führt zu einer Ektasie und erhöhter Gastrinfreisetzung mit konsekutiver Säuresekretionssteigerung). Entsprechend findet man bei diesem Ulkustyp normale bis erhöhte Sekretionswerte für die Magensäure.
Ulcus ventriculi Typ II: Der Ulkus-Typ II zeichnet sich durch das gleichzeitige Vorliegen von einem Magen- und einem Duodenalgeschwür aus (20 % aller Ulcera ventriculi). Zur Pathogenese wird der »Dragstedt-Mechanismus« diskutiert: Durch eine antrale Stase im Magen (z.B. bei Magenausgangsstenose) kommt es zu einer Magenektasie und somit zu einer erhöhten Gastrinfreisetzung mit konsekutiver Säuresekretionssteigerung. So kann ein primär vorliegendes Ulcus duodeni durch ödematöse Schwellung eine Magenausgangsstenose hervorrufen und über Aktivierung des DragstedtMechanismus die Entstehung eines Ulcus ventriculi induzieren. Entsprechend findet man bei diesem Ulkustyp normale bis erhöhte Sekretionswerte für die Magensäure. π
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3.6.3 Chronische Ulzera
1 B-3.6
Synopsis Einteilung der Magenulzera nach Johnson und Darstellung eines typischen Ulcus duodeni
Gallereflux
a Magenulkus Typ I nach Johnson (proximales Ulcus ventriculi).
Stase
c Magenulkus Typ III nach Johnson (distales Ulcus ventriculi).
Stase
b Magenulkus Typ II nach Johnson (Kombinationsulkus).
HCI (Pepsin)
d Duodenalulkus.
Ulcus ventriculi Typ III: Liegt ein Ulkus im prä- oder intrapylorischen Bereich ( 1 B-3.7) vor, so wird dieses als Typ-III-Ulkus nach Johnson klassifiziert. Es entsteht durch eine Hypersekretion mit Hyperazidität, evtl. auf dem Boden einer gastralen Stase.
π
1 B-3.7
Ulcus ventriculi Typ III: Ein Ulkus im prä- oder intrapylorischen Bereich ( 1 B-3.7) wird Typ-III-Ulkus nach Johnson genannt, ausgelöst durch eine Hypersekretion mit Hyperazidität evtl. auf dem Boden einer gastralen Stase.
π
Kontrastmitteldarstellung eines präpylorischen Ulcus ventriculi Radiologische Darstellung eines Ulcus ventriculi an der großen Kurvatur. Das Ulkus zeigt sich als kontrastmittelgefüllte Vertiefung (Depot). Charakteristisch ist der targetförmige weiße Wall (Kontrastmittelaussparung des Ulkusrandwalls) mit zentraler Kontrastmittelansammlung ( Á).
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332 Symptome. Ulcera ventriculi treten am häufigsten zwischen dem 50.–70. Lebensjahr auf, entsprechend dem Magenkarzinom (wichtigste Differenzialdiagnose). Oberbauchschmerz, Inappetenz, Völlegefühl, seltener Erbrechen oder Gewichtsabnahme bestimmen das Beschwerdebild. Der Schmerzcharakter variiert zwischen Sofortschmerz nach Nahrungsaufnahme und nahrungsabhängigem Schmerz. Diagnose. Die ÖGD ermöglicht die Diagnosestellung und -sicherung durch Biopsien, zum einen zum Malignomausschluss, zum anderen zum Nachweis einer Helicobacterbesiedlung, dies ist im Rahmen der radiologischen Ulkusdiagnostik nicht möglich ( 1 B-3.8).
3 Magen und Duodenum
Symptome. Ulcera ventriculi treten am häufigsten zwischen dem 50. und
70. Lebensjahr auf. Diese Altersverteilung entspricht der des Magenkarzinoms, das auch die wichtigste Differenzialdiagnose des Magenulkus darstellt. Die Patienten klagen über Oberbauchschmerzen, Inappetenz, Völlegefühl, seltener über Erbrechen oder Gewichtsabnahme. Der Schmerzcharakter schwankt zwischen Sofortschmerz nach Nahrungsaufnahme und nahrungsunabhängigem Schmerz.
Diagnose. Das wichtigste Untersuchungsverfahren bei klinischem Verdacht auf ein Ulkus stellt die ÖGD dar. Sie ermöglicht neben der endoskopisch gestellten Diagnose auch die Entnahme von Biopsien, zum einem, um ein Malignom auszuschließen, zum anderen, um durch Schnelltests und Histologie eine Helicobacterbesiedlung zu erkennen. Im Rahmen der radiologischen Darstellung von Ulzera ist es nicht möglich, durch Biopsien ein Karzinom oder eine Helicobacterbesiedlung auszuschließen, weshalb heute die ÖGD bevorzugt wird ( 1 B-3.8).
1 B-3.8
Darstellung eines Ulkus Radiologische Darstellung eines Ulcus ventriculi an der kleinen Kurvatur ( Á). Das Ulkus zeigt sich als kontrastmittelgefüllte Vertiefung (Depot).
Merke
n Merke. Wird im Rahmen eines ÖGD ein Ulcus ventriculi gefunden, so ist in jedem Fall ein Karzinom bioptisch auszuschließen. Zur Klärung der Dignität müssen mehrere Biopsien (bis zu 10) vom Ulkusrand entnommen werden.
Differenzialdiagnostisch sind neben dem Magenkarzinom Magendivertikel, Refluxösophagitis, Cholelithiasis, Pankreatitis oder eine Nephropathie oder -lithiasis auszuschließen.
Differenzialdiagnostisch sind neben dem Magenkarzinom Erkrankungen auszuschließen, bei denen der Oberbauchschmerz ebenfalls im Vordergrund der klinischen Beschwerden steht (Cholelithiasis, Refluxösophagitis, Pankreatitis, Nephropathie oder -lithiasis, Magendivertikel). Sind die klinischen Beschwerden durch den Befund der ÖGD nicht ausreichend erklärt, so sind im Rahmen der Umfelddiagnostik eine Oberbauchsonographie (Gallensteine, Pankreasveränderungen, Nierenerkrankungen), Bestimmung der Pankreas- und Cholestaseparameter und Untersuchung des Urinsedimentes anzuschließen.
Therapie. Primär ist eine konservative Therapie durchzuführen (s. S. 334 ff.). Bei suffizienter Behandlung > 6 Wochen ohne Erfolg oder chronisch rezidivierenden Ulzera sollte operiert werden. Das Verfahren der Wahl ist die Magenresektion (s.u.).
Therapie. Nachdem endoskopisch-bioptisch ein Magenkarzinom ausgeschlossen wurde, ist primär eine konservative Therapie durchzuführen (s. S. 334 ff.). Erst bei Therapieversagern (suffiziente Behandlung > 6 Wochen ohne Ansprechen) oder chronisch rezidivierenden Ulcera ventriculi erscheint die operative Behandlung indiziert. Das Verfahren der Wahl ist die Magenresektion unter Einschluss des Geschwürs und Wiederherstellung der Kontinuität nach Billroth I, Billroth II oder Roux-Y (s.u.). Man kann aber heute davon ausgehen, dass bei Ausschöpfung aller konservativen Therapiemöglichkeiten (Senkung der Säuresekretion, H.-pylori-Eradikation) 90–98 % aller Ulzera ausheilen. Bei H.-pylori-Nachweis ist die Eradikation schon beim ersten Therapiezyklus indiziert, da Ausheilungs- und Rezidivraten eradizierter Patienten deutlich über denen der nicht eradizierten liegen.
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333
3.6.3 Chronische Ulzera
Ulcus duodeni n Definition. Das Ulcus duodeni ist die häufigste Manifestationsform der Ulkuskrankheit (s.a. 1 B-3.6). Es tritt in der Regel im Bulbus duodeni auf und hat einen Altersgipfel zwischen dem 30.–50. Lebensjahr. Männer sind 4 « häufiger als Frauen betroffen.
Pathogenese. Die Ursache eines duodenalen Ulkus liegt in einer relativen
Hypersekretion von Salzsäure im Magen. Dabei muss nicht eine absolute Hyperazidität bestehen, ebenso kann die Ulkusgenese durch eine reduzierte Defensivkapazität des Duodenums bei normaler Säuresekretion induziert werden. Auch eine verlängerte Kontaktzeit (z.B. bei reduzierter Propulsivperistaltik) oder erhöhte Frequenz der Exposition von Duodenalschleimhaut mit saurem Mageninhalt (z.B. bei Pylorusinsuffizienz, zu rascher Magenentleerung) können die Entstehung eines Ulcus duodeni begünstigen. Meistens liegt bei Patienten mit einem Ulcus duodeni jedoch eine gastral bedingte Hyperazidität auf dem Boden eines gesteigerten Vagotonus, einer größeren Zahl und erhöhten Ansprechbarkeit von Belegzellen, einer vermehrten Gastrinfreisetzung oder eines Versagens von sekretorischen Hemmmechanismen vor. Auch Ernährungsgewohnheiten wie hastiges Essen oder Herunterschlingen nur schlecht gekauter Nahrung können die Ulkusentstehung begünstigen. Ein Ulcus duodeni ist meist mit einer Helicobacterbesiedlung assoziiert. In seltenen Fällen liegt eine extragastral induzierte Ulzerogenese vor: Beim Zollinger-Ellison-Syndrom führt ein meist intrapankreatisch gelegenes Gastrinom (G-Zell-Tumor) über eine extragastrale Gastrinproduktion zu einer vermehrten Säuresekretion im Magen (typische Trias: exzessive gastrale Hypersekretion, rezidivierende Ulzera, Hypergastrinämie). Bei den Sekretintesten findet man einen maximal stimulierten BAO. Andere extragastrale Erkrankungen, die die Ulkusentstehung begünstigen, sind ein Hyperparathyreoidismus, der Morbus Cushing oder ein CushingSyndrom, die Akromegalie, die Tuberkulose und Leberzirrhose. Auch Patienten mit Immundefekten, sowie Patienten nach portosystemischen Shuntoperationen haben ein erhöhtes Risiko, Ulcera duodeni zu entwickeln.
Symptome. Die führenden Beschwerden von Patienten mit Ulcera duodeni sind epigastrische Schmerzen, die besonders nachts oder als Nüchternschmerz auftreten. Es findet sich eine jahreszeitliche Beschwerdehäufung im Frühjahr und Herbst. Weiterhin können Völlegefühl, vermehrtes Aufstoßen, Meteorismus und seltener Erbrechen, Gewichtsabnahme oder Dyspepsie Beschwerden machen. Vielfach wird von den Patienten angegeben, dass bei Nikotin- oder Kaffeegenuss oder bei psychischer Belastung die Beschwerden zunehmen, wahrscheinlich induziert durch eine vermehrte Säurestimulation.
Ulcus duodeni Definition
Pathogenese. Die Ursache eines duodenalen Ulkus liegt in einer relativen Hypersekretion von Salzsäure im Magen oder einer reduzierten Defensivkapazität des Duodenums. Auch eine verlängerte Kontaktzeit oder erhöhte Frequenz der Exposition von Duodenalschleimhaut mit saurem Mageninhalt können die Entstehung eines Ulcus duodeni begünstigen. Meistens ist die Ursache ein gesteigerter Vagotonus, eine größere Zahl und erhöhte Ansprechbarkeit von Belegzellen, eine vermehrte Gastrinfreisetzung oder ein Versagen von sekretorischen Hemmmechanismen. Falsche Ernährungsgewohnheiten können die Ulkusentstehung begünstigen. Eine Helicobacterbesiedlung liegt häufig vor. Eine extragastral induzierte Ulzerogenese findet man beim Zollinger-Ellison-Syndrom, bei dem ein Gastrinom über eine extragastrale Gastrinproduktion zu einer vermehrten Säuresekretion im Magen führt (typische Trias: exzessive gastrale Hypersekretion, rezidivierende Ulzera, Hypergastrinämie). Andere extragastrale Faktoren, die die Ulkusentstehung begünstigen, sind Hyperparathyreoidismus, Morbus Cushing, Akromegalie, Tuberkulose, Leberzirrhose, Immundefekte oder portosystemische Shuntoperationen. Symptome. Typisch sind epigastrische Schmerzen nachts oder Nüchternschmerz, sowie Völlegefühl, Aufstoßen, Meteorismus, Erbrechen, Gewichtsabnahme oder Dyspepsie. Nikotin oder Kaffee führen wie psychische Belastung oft zur Beschwerdezunahme. Es findet sich eine jahreszeitliche Häufung im Frühjahr und Herbst.
Diagnose. Die ÖGD stellt auch hier die Methode der Wahl zur Diagnosesicherung dar. Jedoch ist bei endoskopisch nicht suspekten Ulzerationen im Duodenum eine Biopsie zum Karzinomausschluss erst nach fehlender Ausheilung unter suffizienter Therapie innerhalb von 4–6 Wochen notwendig. Eine Helicobacterbesiedlung sollte ausgeschlossen werden. Die MDP bringt im Vergleich zur Endoskopie keine Vorteile. Bei chronisch rezidivierenden oder therapieresistenten Ulcera duodeni ist nach Ausschluss eines Karzinoms (selten!) die Durchführung eines Funktionstests zur Erkennung eines Zollinger-Ellison-Syndroms sinnvoll. Differenzialdiagnostisch sollte bei einem Ulcus duodeni wie beim Ulcus ventriculi eine Refluxösophagitis, ein Magendivertikel, eine Cholelithiasis, eine Pankreatitis oder eine Nierenerkrankung ausgeschlossen werden.
Diagnose. Die ÖGD stellt die Untersuchungsmethode der Wahl dar. Biopsien sollten bei therapieresistenten oder chronisch rezidivierenden Ulcera duodeni zum Karzinomausschluss oder Helicobacternachweis entnommen werden. Bei diesen ist auch ein Funktionstest zur Erkennung eines ZollingerEllison-Syndroms sinnvoll. Differenzialdiagnostisch ist an eine Refluxösophagitis, ein Magendivertikel, eine Cholelithiasis, eine Pankreatitis oder eine Nierenerkrankung zu denken.
Therapie. Ulcera duodeni sind stets primär konservativ zu behandeln. Erst
Therapie. Ulcera duodeni sind stets primär konservativ zu behandeln. Bei Therapieversagen, Ulkusrezidiven nach Absetzen der Medikamente oder
bei Versagen der konservativen Therapie, wenn der Patient nach Absetzen der Medikamente stets Ulkusrezidive erleidet oder Komplikationen (Blutung, Perforation, Penetration) auftreten ist die Indikation zur operativen
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3 Magen und Duodenum
Komplikationen ist die Indikation zur operativen Intervention gegeben. Verfahren der Wahl ist die SPV (s.u.).
Intervention gegeben. Als Verfahren der Wahl gilt heute die selektive proximale Vagotomie (SPV) (s.u.).
3.6.4 Therapie
3.6.4
Während bis in die 70er Jahre die Ulkuschirurgie oft die einzige Behandlungsmethode mit guten Erfolgen für Ulkuspatienten war, änderte sich mit den H2 -Rezeptorenblockern das therapeutische Regime grundlegend. Die operative Therapie bleibt heute den therapieresistenten oder chronisch rezidivierenden Verläufen und schweren Komplikationen vorbehalten.
Die Ulkuschirurgie war bis in die 70er Jahre mit ihren resektiven und nicht resektiven Verfahren für viele Patienten die Behandlungsmethode, mit der die höchste Erfolgsrate bei der Behandlung chronischer Verläufe oder akuter Komplikationen der Ulkuskrankheit erzielt werden konnte. Durch die Einführung der H2-Rezeptorenblocker änderte sich die Erfolgsquote der konservativen Behandlung so grundlegend, dass heute die operative Therapie den therapieresistenten Fällen, chronisch rezidivierenden Verläufen und schweren Komplikationen der Ulkuskrankheit vorbehalten bleibt.
Konservative Therapie
Konservative Therapie
Die konservativen Therapieansätze haben zum Ziel, die ursächliche Imbalance zwischen aggressiven und protektiven Faktoren durch Reduktion der Magensäure oder Unterstützung oder Substitution der protektiven Faktoren auszugleichen.
Die konservativen Therapieansätze der Behandlung von Magen- und Duodenalgeschwüren haben zum Ziel, die ursächliche Imbalance zwischen aggressiven und protektiven Faktoren auszugleichen. So beruht der Wirkmechanismus der verwendeten Medikamente zum einen auf der Reduktion der Magensäure als wichtigstem aggressiven Faktor, zum anderen auf der Unterstützung oder Substitution der protektiven Faktoren (Durchblutung, Magenschleim).
π Antazida: Die Antazida neutralisieren die freigesetzte Magensäure. Es sollten Antazida gewählt werden, die zu einer langsamen Säureneutralisation ohne wesentliche Gasbildung führen (z.B. Maalox Q , Gelusil Lac Q ), da sowohl die rasche Säureneutralisation wie auch eine Überdehnung des Magens durch entstehende Gase zu einer kompensatorisch verstärkten Säuresekretion führen. Aufgrund der geringen Nebenwirkungen sind diese Medikamente als Basistherapeutikum oder zur Dauerrezidivprophylaxe zu empfehlen.
Antazida: Die Antazida neutralisieren die freigesetzte Magensäure und senken somit die Anzahl der freien, die Schleimhaut fakultativ schädigenden, Protonen. Es sollten Antazida gewählt werden, die zu einer langsamen Säureneutralisation ohne wesentliche Gasbildung führen (z.B. MaaloxQ, Gelusil LacQ). Aufgrund der insgesamt geringen Nebenwirkungen sind diese Medikamente als Basistherapeutikum oder zur Dauerrezidivprophylaxe zu empfehlen. Eine schnelle, schlagartig verlaufende Säureneutralisation (wie nach der Gabe von Natriumbikarbonat) kann im Rahmen eines ReboundMechanismus zu einer kompensatorisch verstärkten Säuresekretion führen. Eine verstärkte Dehnung der Magenwand durch freiwerdende Gase (z.B. CO2 bei der Gabe von Natriumbikarbonat) führt über eine vermehrte Gastrinfreisetzung zu einer verstärkten Säuresekretion.
π Sucralfat: Sucralfat (Ulcogant Q ) bildet auf dem Grund von Ulzerationen, die nicht ausreichend durch Magenschleim geschützt sind, eine Schutzschicht, die den in Heilung begriffenen Ulkusgrund vor den schädigenden Einflüssen der Salzsäure und des Pepsins schützt und somit die Ausheilung von Erosionen oder Ulzerationen beschleunigen kann.
π
π H -Rezeptorenantagonisten: Durch 2 einen antagonistischen Effekt an den Histamin2 -Rezeptoren in der Magenwand kommt es zur Reduktion der Säureausschüttung. Diese sogenannten H2 -Blocker gelten zusammen mit den Antazida als Standardmedikamente in der Ulkustherapie.
π H -Rezeptorenantagonisten: Die Substanzen dieser Stoffgruppe blockie2 ren über einen antagonistischen Effekt die Histamin2-Rezeptoren in der Magenwand, die zur Vermittlung der Säuresekretionsreize notwendig sind. Sie führen somit zur Reduktion der Säureausschüttung (z.B. Cimetidin [TagametQ], Ranitidin [SostrilQ], Famitidin [PepdulQ]). Diese sogenannten H2-Blocker gelten zusammen mit den Antazida als Standardmedikamente in der Ulkustherapie.
π Anticholinergika: Anticholinerge Substanzen reduzieren die durch Vagusreizung während der zephalen Phase eingeleitete Säuresekretion (antiaggressive Wirkung). Zusätzlich bewirken sie eine Weitstellung der gastralen Gefäße mit Verbesserung der Durchblutung (protektive Wirkung).
π
Therapie
π
Sucralfat: Der Magenschleim stellt als wichtigster protektiver Faktor eine unabdingbare Voraussetzung für die Unversehrtheit der Magenwand, bzw. für eine ungestörte Heilung von Magenschleimhautläsionen dar. Untersuchungen konnten zeigen, dass auf dem Grund von Ulzerationen jedoch nicht oder nur wenig protektiver Schleim haftet. Sucralfat (UlcogantQ) bildet auf diesen Arealen eine Schutzschicht, die den in Heilung begriffenen Ulkusgrund vor den schädigenden Einflüssen der Salzsäure und des Pepsins schützt und somit die Ausheilung von Erosionen oder Ulzerationen beschleunigen kann.
Anticholinergika: Durch die Gabe von anticholinergen Substanzen lässt sich die aufgrund einer Vagusreizung während der zephalen Phase eingeleitete Säuresekretion reduzieren. In der Praxis haben sich dabei Substanzen bewährt, die relativ wenig systemische parasympathikolytische Wirkungen zeigen (sog. »magenselektive« Anticholinergika), wie z.B. Pirenzipin (GastrozepinQ). Neben dieser antiaggressiven Wirkung wird durch die begleitende Weitstellung der Gefäße in der Magenwand durch Ausschaltung vasokon-
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3 Magen und Duodenum
Komplikationen ist die Indikation zur operativen Intervention gegeben. Verfahren der Wahl ist die SPV (s.u.).
Intervention gegeben. Als Verfahren der Wahl gilt heute die selektive proximale Vagotomie (SPV) (s.u.).
3.6.4 Therapie
3.6.4
Während bis in die 70er Jahre die Ulkuschirurgie oft die einzige Behandlungsmethode mit guten Erfolgen für Ulkuspatienten war, änderte sich mit den H2 -Rezeptorenblockern das therapeutische Regime grundlegend. Die operative Therapie bleibt heute den therapieresistenten oder chronisch rezidivierenden Verläufen und schweren Komplikationen vorbehalten.
Die Ulkuschirurgie war bis in die 70er Jahre mit ihren resektiven und nicht resektiven Verfahren für viele Patienten die Behandlungsmethode, mit der die höchste Erfolgsrate bei der Behandlung chronischer Verläufe oder akuter Komplikationen der Ulkuskrankheit erzielt werden konnte. Durch die Einführung der H2-Rezeptorenblocker änderte sich die Erfolgsquote der konservativen Behandlung so grundlegend, dass heute die operative Therapie den therapieresistenten Fällen, chronisch rezidivierenden Verläufen und schweren Komplikationen der Ulkuskrankheit vorbehalten bleibt.
Konservative Therapie
Konservative Therapie
Die konservativen Therapieansätze haben zum Ziel, die ursächliche Imbalance zwischen aggressiven und protektiven Faktoren durch Reduktion der Magensäure oder Unterstützung oder Substitution der protektiven Faktoren auszugleichen.
Die konservativen Therapieansätze der Behandlung von Magen- und Duodenalgeschwüren haben zum Ziel, die ursächliche Imbalance zwischen aggressiven und protektiven Faktoren auszugleichen. So beruht der Wirkmechanismus der verwendeten Medikamente zum einen auf der Reduktion der Magensäure als wichtigstem aggressiven Faktor, zum anderen auf der Unterstützung oder Substitution der protektiven Faktoren (Durchblutung, Magenschleim).
π Antazida: Die Antazida neutralisieren die freigesetzte Magensäure. Es sollten Antazida gewählt werden, die zu einer langsamen Säureneutralisation ohne wesentliche Gasbildung führen (z.B. Maalox Q , Gelusil Lac Q ), da sowohl die rasche Säureneutralisation wie auch eine Überdehnung des Magens durch entstehende Gase zu einer kompensatorisch verstärkten Säuresekretion führen. Aufgrund der geringen Nebenwirkungen sind diese Medikamente als Basistherapeutikum oder zur Dauerrezidivprophylaxe zu empfehlen.
Antazida: Die Antazida neutralisieren die freigesetzte Magensäure und senken somit die Anzahl der freien, die Schleimhaut fakultativ schädigenden, Protonen. Es sollten Antazida gewählt werden, die zu einer langsamen Säureneutralisation ohne wesentliche Gasbildung führen (z.B. MaaloxQ, Gelusil LacQ). Aufgrund der insgesamt geringen Nebenwirkungen sind diese Medikamente als Basistherapeutikum oder zur Dauerrezidivprophylaxe zu empfehlen. Eine schnelle, schlagartig verlaufende Säureneutralisation (wie nach der Gabe von Natriumbikarbonat) kann im Rahmen eines ReboundMechanismus zu einer kompensatorisch verstärkten Säuresekretion führen. Eine verstärkte Dehnung der Magenwand durch freiwerdende Gase (z.B. CO2 bei der Gabe von Natriumbikarbonat) führt über eine vermehrte Gastrinfreisetzung zu einer verstärkten Säuresekretion.
π Sucralfat: Sucralfat (Ulcogant Q ) bildet auf dem Grund von Ulzerationen, die nicht ausreichend durch Magenschleim geschützt sind, eine Schutzschicht, die den in Heilung begriffenen Ulkusgrund vor den schädigenden Einflüssen der Salzsäure und des Pepsins schützt und somit die Ausheilung von Erosionen oder Ulzerationen beschleunigen kann.
π
π H -Rezeptorenantagonisten: Durch 2 einen antagonistischen Effekt an den Histamin2 -Rezeptoren in der Magenwand kommt es zur Reduktion der Säureausschüttung. Diese sogenannten H2 -Blocker gelten zusammen mit den Antazida als Standardmedikamente in der Ulkustherapie.
π H -Rezeptorenantagonisten: Die Substanzen dieser Stoffgruppe blockie2 ren über einen antagonistischen Effekt die Histamin2-Rezeptoren in der Magenwand, die zur Vermittlung der Säuresekretionsreize notwendig sind. Sie führen somit zur Reduktion der Säureausschüttung (z.B. Cimetidin [TagametQ], Ranitidin [SostrilQ], Famitidin [PepdulQ]). Diese sogenannten H2-Blocker gelten zusammen mit den Antazida als Standardmedikamente in der Ulkustherapie.
π Anticholinergika: Anticholinerge Substanzen reduzieren die durch Vagusreizung während der zephalen Phase eingeleitete Säuresekretion (antiaggressive Wirkung). Zusätzlich bewirken sie eine Weitstellung der gastralen Gefäße mit Verbesserung der Durchblutung (protektive Wirkung).
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Therapie
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Sucralfat: Der Magenschleim stellt als wichtigster protektiver Faktor eine unabdingbare Voraussetzung für die Unversehrtheit der Magenwand, bzw. für eine ungestörte Heilung von Magenschleimhautläsionen dar. Untersuchungen konnten zeigen, dass auf dem Grund von Ulzerationen jedoch nicht oder nur wenig protektiver Schleim haftet. Sucralfat (UlcogantQ) bildet auf diesen Arealen eine Schutzschicht, die den in Heilung begriffenen Ulkusgrund vor den schädigenden Einflüssen der Salzsäure und des Pepsins schützt und somit die Ausheilung von Erosionen oder Ulzerationen beschleunigen kann.
Anticholinergika: Durch die Gabe von anticholinergen Substanzen lässt sich die aufgrund einer Vagusreizung während der zephalen Phase eingeleitete Säuresekretion reduzieren. In der Praxis haben sich dabei Substanzen bewährt, die relativ wenig systemische parasympathikolytische Wirkungen zeigen (sog. »magenselektive« Anticholinergika), wie z.B. Pirenzipin (GastrozepinQ). Neben dieser antiaggressiven Wirkung wird durch die begleitende Weitstellung der Gefäße in der Magenwand durch Ausschaltung vasokon-
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3.6.4 Therapie striktorischer Reize die Durchblutung des Magens gefördert. Dieser protektive Mechanismus macht diese Medikamentenklasse besonders in der Prophylaxe akuter Ulzera wertvoll, da die Genese dieser Ulzera häufig an Mikrozirkulationsstörungen der Magenschleimhaut gekoppelt ist. Sie können alternativ zu H2-Rezeptorantagonisten verwendet werden.
Es sind sog. »magenselektive« Anticholinergika (z.B. Gastrozepin Q ) zur Reduktion der systemischen Nebenwirkungen zu bevorzugen.
Antibiotika: Seitdem Helicobacter pylori als eine der Ursachen für die gesteigerte Rezidivneigung vieler Patienten identifiziert wurde, wird bei Ulkuspatienten mit positivem Helicobacternachweis die Eliminierung dieses Keimes gefordert. Die Standardtherapie stellt dabei die Kombination von Protonenpumpenblockern (z.B. AntraQ 20 mg/d für 4 Wochen), Clarithromycin (z.B. KlazidQ 2 « 250 mg/d) und Metronidazol (z.B. ClontQ 2 « 400 mg/d) oder Amoxicillin (z.B. AmoxypenQ 2 « 1 g/d) für 7 Tage dar. Gelingt hierunter nicht die Elimination der Keime (gastroskopisch-bioptische Kontrollen!), so ist auf eine Quadripeltherapie mit zusätzlicher Gabe von Wismutpräparaten umzusteigen oder eine Umstellung auf Wismut in Kombination mit Tetrazyklinen und Protonenpumpenhemmern vorzunehmen.
π Antibiotika: Bei positivem Helicobacternachweis ist die Eliminierung dieses Keimes zu fordern. Standardtherapie stellt dabei die Kombination von Protonenpumpenblockern mit Clarithromycin und Metronidazol oder Amoxicillin dar. Bei fehlendem Ansprechen ist auf eine Quadripeltherapie umzusteigen (zusätzliche Wismutgabe).
π
Protonenpumpenblocker: Diese Medikamente (z.B. AntraQ) blockieren die Protonenpumpe in den Belegzellen, sodass unabhängig von der Stimulation der Belegzellen von außen die aktive Säuresekretion vollständig unterdrückt werden kann. Mit diesen Medikamenten ist eine Anhebung des Magen-pH auf neutrale Werte möglich.
π Protonenpumpenblocker: Diese Medikamente (z.B. AntraQ ) blockieren die Protonenpumpe in den Belegzellen. Mit ihnen ist eine Anhebung des Magen-pH auf neutrale Werte möglich.
π Motilitätsfördernde Medikamente: Kommt es aufgrund einer gastralen Stase zu einer vermehrten Gastrinfreisetzung und somit zu einer Stauungsgastritis oder Entstehung von Ulzerationen, so kann durch die Applikation von Medikamenten, die die Magenentleerung fördern, das Beschwerdebild gebessert werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Stase nicht durch eine organische Stenose hervorgerufen wird, sondern funktionelle Ursachen hat. Als ein Medikament dieser Gruppe ist in erster Linie Metoclopramid zu nennen (z.B. PaspertinQ, GastronertonQ).
Motilitätsfördernde Medikamente: Bei einer funktionellen gastralen Stase mit Stauungsgastritis oder Ulzerationen kann durch Medikamente, die die Magenentleerung fördern, das Beschwerdebild gebessert werden (z.B. Paspertin Q , Gastronerton Q ). Diese Medikamente dürfen nicht bei organischen Stenosen verwendet werden.
Indikationsstellung in der Ulkuschirurgie
Indikationsstellung in der Ulkuschirurgie Unkomplizierte Ulcera ventriculi sive duodeni sind primär konservativ zu behandeln und endoskopisch zu kontrollieren. Bei Persistenz eines Ulcus ventriculi über 6–8 Wochen unter suffizienter Therapie oder bei narbiger Magenausgangsstenose ist die Indikation zur Resektion gegeben. Chronisch rezidivierende Duodenalulzera können mit einer SPV behandelt werden.
π
Bei unkomplizierten Ulcera ventriculi sive duodeni ist der konservativen, endoskopisch kontrollierten Therapie der Vorzug zu geben. Ist ein Ulcus ventriculi jedoch auch nach 6–8 Wochen suffizient durchgeführter konservativer Therapie nicht abgeheilt (Ulkuspersistenz) oder besteht eine narbige Magenausgangsstenose, so ist die Indikation zur Resektion gegeben. Bei chronisch rezidivierenden Duodenalulzera, die unter Medikation ausheilen, nach Absetzen der Medikamente aber regelmäßig wieder auftreten, ist in Abhängigkeit vom subjektiven Leidensdruck, Ausprägung der medikamentös induzierten Nebenwirkungen und sozialem Umfeld des Patienten die Indikation zur selektiven proximalen Vagotomie (SPV) zu erwägen und mit dem Patienten zu besprechen.
π
Operative Therapie
Operative Therapie
Die elektive operative Behandlung der Ulkuskrankheit hat zum Ziel, die Säuresekretion zu reduzieren und bei gastralen Ulzera das Ulkus im gleichen Eingriff mitzuentfernen. Dabei sollte die Magenfunktion nicht oder nur möglichst gering beeinträchtigt werden. Bei der Behandlung von akuten Komplikationen steht die Abwendung vital bedrohlicher Komplikationen, wie bei der endoskopisch nicht beherrschbaren Blutung oder der Perforation, im Vordergrund. Grundsätzlich werden dabei in der Magenchirurgie resezierende von nicht resezierenden Verfahren unterschieden. Zu den nicht resezierenden Operationsverfahren zählen dabei die Übernähung eines frisch perforierten Ulkus, Umstechungsligaturen bei endoskopisch nicht beherrschbaren Blutungen aus Arterien (meist A. gastroduodenalis bei Arrosionsblutungen an der Bulbushinterwand) und die Vagotomieverfahren mit und ohne Pyloroplastik.
Die elektive operative Behandlung der Ulkuskrankheit soll die Säuresekretion reduzieren und Magenulzera im gleichen Eingriff mitentfernen. Bei der Behandlung von Komplikationen steht die Abwendung vital bedrohlicher Komplikationen im Vordergrund. Nichtresezierende Verfahren: π Ulkusübernähung π Umstechung π Vagotomie.
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3 Magen und Duodenum
Ulkusübernähung
Ulkusübernähung
Über eine mediane Oberbauchlaparotomie wird das perforierte Ulkus längsovalär exzidiert und mit Einzelknopfnähten quer verschlossen und dräniert. Bei Vorliegen einer Magenausgangsstenose kann die Ulkusexzision in den Bereich des Pylorus hineingezogen und der Eingriff im Sinne einer Pyloroplastik zur Magenausgangserweiterung beendet werden. Das Risiko eines Ulkusrezidives ist bei ausschließlicher Übernähung hoch, sodass im Anschluss an die Exzision und Übernähung eine SPV angeschlossen werden sollte (s. u.). Bei schweren Peritonitiszeichen ist ausschließlich zu übernähen.
Wenn ein Ulkus perforiert (s. S. 340 ff.) ist, ist die sofortige Laparotomie indiziert. Der Zugang erfolgt über eine mediane Oberbauchlaparotomie. Das perforierte Ulkus ist längsovalär zu exzidieren und histologisch zu untersuchen. Anschließend wird der Defekt mit Einzelknopfnähten quer verschlossen. An die Perforationsstelle ist eine Dränage einzulegen. Befindet sich das Ulkus im Bereich des Pylorus und liegt bereits eine Magenausgangsstenose vor, so sollte die Ulkusexzision in den Bereich des Pylorus hineingezogen und der Eingriff im Sinne einer Pyloroplastik zur Magenausgangserweiterung beendet werden. Da bei alleiniger Ulkusübernähung das Risiko eines Ulkusrezidives hoch ist (bis zu 60 % Rezidive bei bekannter Ulkusanamnese), sollte im Anschluss an die Exzision und Übernähung eine selektive proximale Vagotomie (SPV) angeschlossen werden (s. u.). Bei schweren Peritonitiszeichen aufgrund länger zurückliegender Perforation sollte ausschließlich eine Übernähung durchgeführt werden.
Umstechung
Umstechung
Die Umstechung der Blutungsquelle erfolgt am besten in Form einer Quadrantenumstechung. Eine ausschließlich extragastrale Ligatur der zuführenden Gefäße ist meist unzureichend. Um das Risiko des Ulkusrezidives zu reduzieren, ist auch hier die Kombination mit einer SPV indiziert.
Ist endoskopisch die Stillung einer Ulkusblutung nicht möglich, so erfolgt die Umstechung der Blutungsquelle entsprechend dem Gefäßverlauf, am besten in Form einer Quadrantenumstechung. Hierbei werden über eine Gastrotomie alle vier Quadranten des Ulkus mit einer durchgreifenden Ligatur versorgt. Eine ausschließlich extragastrale Ligatur der zuführenden Gefäße ist meist unzureichend, da über die gute Kollateralenbildung die Blutung so nicht ausreichend gestillt werden kann. Um das Risiko des Ulkusrezidives zu reduzieren, ist auch hier die Kombination mit einer selektiven proximalen Vagotomie (SPV) indiziert.
Vagotomie
Vagotomie
Durch Unterbrechung der vagalen Innervierung der Belegzellen wird der BAO um ca. 60 % reduziert, (85–90 % Rezidivfreiheit beim Ulcus duodeni). Es werden 3 Vagotomieverfahren unterschieden, die hinsichtlich der Höhe der Unterbrechung der vagalen Fasern differieren ( 1 B-3.9):
Das Ziel jeder Vagotomie ist, so viel Säureproduktion wie möglich auszuschalten und dabei so viel Magenfunktion wie möglich zu erhalten. Durch Unterbrechung der vagalen Innervierung der Belegzellen des Magens wird der BAO um ca. 60 % reduziert, was bei der Behandlung eines Ulcus duodeni in 85-90 % der Fälle ausreicht, um ein Ulkusrezidiv zu verhindern. Es werden 3 Vagotomieverfahren unterschieden, die hinsichtlich der Höhe der Unterbrechung der vagalen Fasern differieren ( 1 B-3.9).
1 B-3.9
Synopsis Formen der Vagotomie
a Trunkuläre Vagotomie und Pyloroplastik.
b Selektive totale Vagotomie und Pyloroplastik.
c Selektive proximale Vagotomie.
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3.6.4 Therapie Trunkuläre Vagotomie (TV): Bei der trunkulären Vagotomie (TV) werden sämtliche Vagusfasern subdiaphragmal durchtrennt. Hierdurch kommt es zur Ausschaltung der sekretorischen und motorischen gastralen Vagusäste, aber auch der extragastralen Äste zu Leber, Pankreas, Intestinum und Kolon. Daraus ergeben sich die vielfältigen Nebenwirkungen dieses Eingriffs (Cholelithiasis, Diarrhö, exokrine Pankreasinsuffizienz). Die Durchtrennung der motorischen Magenfasern führt zu einer zusätzlichen Hemmung der Magenperistaltik und des Magentonus, sowie zu einer Öffnungslähmung des Pylorus. Aus diesem Grund muss eine TV stets mit einer Pyloroplastik kombiniert werden. Bei der Pyloroplastik nach Heineke-Mikulicz wird nach Längsinzision über der Pylorusregion der Pylorus durch eine quere Naht plastisch erweitert. Aufgrund der Nebenwirkungen sollte eine TV nur bei Rezidivulzera nach Vagotomie und/oder anderen Magenvoroperationen durchgeführt werden.
π
Selektive totale Vagotomie (STV): Die selektive totale Vagotomie (STV, auch selektive gastrale Vagotomie, SGV genannt) unterscheidet sich von der TV dadurch, dass die extragastralen Vagusfasern geschont werden und nur die zum Magen ziehenden Vagusnerven durchtrennt werden. Da auch bei diesem Operationsverfahren die motorischen antralen Äste (N. Latarjet) durchtrennt werden, ist auch hier die Kombination mit der Pyloroplastik obligat. Eine STV ist dann indiziert, wenn eine SPV technisch nicht möglich ist oder eine Magenausgangsstenose vorliegt, bei der eine Pyloroplastik ohnehin indiziert ist. π
Selektive proximale Vagotomie (SPV): Die selektive proximale Vagotomie (SPV) schont die motorischen antralen Äste, da ausschließlich die sekretorischen Vagusäste des proximalen Magens (belegzelltragende Fundus- und Korpusregion) denerviert werden. Somit ist die Kombination mit einer Pyloroplastik nicht notwendig. Die SPV gilt heute als Standardverfahren in der operativen Therapie des Ulcus duodeni.
Trunkuläre Vagotomie (TV): Bei der TV werden alle Vagusfasern subdiaphragmal durchtrennt. Durch Unterbindung der extragastralen Äste zu Leber, Pankreas, Intestinum und Kolon kann es zu einer Cholelithiasis, Diarrhö oder exokrinen Pankreasinsuffizienz kommen. Die Durchtrennung der motorischen Magenfasern führt zu einer Hemmung der Magenperistaltik und des Magentonus sowie zu einer Öffnungslähmung des Pylorus und muss mit einer Pyloroplastik kombiniert werden. Deshalb sollte eine TV nur bei Rezidivulzera nach Vagotomie durchgeführt werden.
π
Selektive totale Vagotomie (STV): Im Rahmen der STV (auch selektive gastrale Vagotomie, SGV, genannt) werden nur die zum Magen ziehenden Vagusnerven durchtrennt. Auch hier ist die Kombination mit der Pyloroplastik obligat. Eine STV ist dann indiziert, wenn eine SPV technisch nicht möglich ist oder eine Magenausgangsstenose vorliegt.
π
Selektive proximale Vagotomie (SPV): Die SPV schont die motorischen antralen Äste und denerviert ausschließlich die sekretorischen Vagusäste. Die SPV gilt heute als Standardverfahren in der operativen Therapie des Ulcus duodeni.
π
π
Das Ulkusrezidivrisiko beträgt je nach Vagotomieverfahren ca. 10 %. Um diese Rate weiter zu senken, ist eine möglichst vollständige Denervierung des proximalen Magens anzustreben. Da im distalen Ösophagus Vagusfasern zum Teil intramural in die Magenwand eintreten, ist zur weiteren Senkung des Rezidivrisikos eine zirkuläre Myotomie am Ösophagus ca. 2 cm proximal der Kardia zur Durchtrennung der intramuralen Fasern möglich. In jüngerer Zeit werden laparoskopische Techniken zur Durchführung einer Vagotomie erprobt (s. Kap. B-14.7). Technisch entsprechen die Verfahren z.T. der SPV, z.T. werden hintere trunkuläre Vagotomien mit einer vorderen Seromyotomie kombiniert. Inwieweit diese Verfahren die konventionellen Vagotomiemethoden ablösen oder ergänzen können, muss im Rahmen von Studien noch belegt werden. Als typische Komplikationen der Vagotomieoperationen sind Motilitätsstörungen, Diarrhöen, Milzverletzungen (ca. 2 %), Ösophagusperforation (1–2 %) und das Rezidivulkus (10–15 %) zu nennen. Die Letalität des konventionell durchgeführten Eingriffes liegt im Bereich von 0–0,5 %.
Das Ulkusrezidivrisiko beträgt je nach Vagotomieverfahren ca. 10 %. Zur weiteren Senkung des Rezidivrisikos ist eine zirkuläre Myotomie am Ösophagus ca. 2 cm proximal der Kardia zur Durchtrennung von intramural verlaufenden Vagusfasern möglich. Die Wertigkeit laparoskopischer Vagotomien (z.T. als SPV, z.T. als hintere trunkuläre Vagotomie mit einer vorderen Seromyotomie kombiniert) wird im Rahmen von Studien noch erprobt (s. Kap. B-14.7). Typische Komplikationen sind Motilitätsstörungen, Diarrhöen, Milzverletzungen, Ösophagusperforation und Rezidivulzera. Die Letalität des Eingriffs liegt im Bereich von 0–0,5 %.
Bei den resezierenden Verfahren wird der distale Anteil des Magens entfernt, sodass mit dem Antrum die G-Zellen (Reduktion der Gastrinproduktion) und mit den resezierten Korpusanteilen auch die Zahl der Belegzellen (Reduktion der Säuresekretion) vermindert wird. Das Resektionsausmaß ist an der Lokalisation des Ulkus zu orientieren, da dieses mit entfernt werden muss. Die Reduktion der Säuresekretion durch eine Magenteilresektion ist mit einer Verminderung des BAO um ca. 80 % höher als bei den Vagotomieverfahren. Als Standardoperationsverfahren für das Magenulkus haben sich die Antrektomie in Kombination mit einer Vagotomie (heute das übliche Verfahren), die distale 2⁄3-Resektion mit Rekonstruktion nach Billroth I oder II oder Roux-Y etabliert.
Resezierende Verfahren: Billroth-I-Resektion π Billroth-II-Resektion π Roux-Y-Gastroenterostomie π Antrektomie mit Vagotomie. π
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3 Magen und Duodenum
Antrektomie mit selektiver gastraler Vagotomie Es erfolgt die Resektion des Antrums und die Durchführung einer Gastroduodenostomie. Zur weiteren Reduktion der Säurebildung wird eine selektive Vagotomie durchgeführt. Die Antrektomie mit selektiver Vagotomie hat die geringste Ulkusrezidivrate.
Antrektomie mit selektiver gastraler Vagotomie
Billroth-I-Resektion
Billroth-I-Resektion
Es handelt sich um eine distale ⁄ 3 -Resektion des Magens mit Gastroduodenostomie ( 1 B-3.10 a, b), wodurch die physiologische duodenale Passage erhalten bleibt. Komplikationen sind Verletzungen der Gallenwege, Ausbildung von Dumping-Syndromen (s. S. 352 ff.) oder Refluxösophagitiden. 2
1 B-3.10
Es erfolgt die Resektion des Antrums mit den Gastrin bildenden G-Zellen. Die Kontinuitätswiederherstellung des Gastrointestinaltrakts wird meist mit einer Gastroduodenostomie erreicht. Zur weiteren Reduktion der Säurebildung wird in gleicher Sitzung eine selektive Vagotomie durchgeführt. Die Antrektomie mit selektiver Vagotomie hat von allen operativen Verfahren, die in der Ulkuschirurgie zur Anwendung kommen, die geringste Ulkusrezidivrate.
Es handelt sich hierbei um eine Resektion der distalen 2⁄3 des Magens mit einer terminoterminalen (End-zu-End-) oder terminolateralen (End-zuSeit-)Anastomose von Magen und Duodenum (Gastroduodenostomie, 1 B-3.10 a, b). Der Vorteil dieser Operationsmethode liegt im Erhalt der physiologischen duodenalen Speisepassage. Komplikationen sind Verletzungen der Gallenwege bei der Präparation, Ausbildung von Dumping-Syndromen (s. S. 352 ff.) oder Refluxösophagitiden durch erhöhten Gallereflux.
Synopsis Magenresektionsverfahren
a Resektionsausmaß bei Billroth-IOperation.
b Rekonstruktion der Magen-Darm-Passage nach distaler 2 ⁄ 3 -Resektion nach Billroth I.
c Rekonstruktion der Magen-Darm-Passage nach distaler 2 ⁄ 3 -Resektion nach Billroth II mit antekolischer Gastrojejunostomie und Braun-Fußpunktanastomose.
d Rekonstruktion der Magen-Darm-Passage nach distaler 2 ⁄ 3 -Resektion nach Billroth II mit retrokolischer Gastrojejunostomie. Es fehlt die Braun-Fußpunktanastomose.
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3.6.4 Therapie
1 B-3.10
Synopsis Magenresektionsverfahren (Fortsetzung)
II I
e Rekonstruktion der Magen-DarmPassage nach distaler 2 ⁄ 3 -Resektion nach Roux-Y.
Billroth II-Resektion Im Gegensatz zur Billroth I-Resektion wird das Duodenum blind verschlossen und eine Gastrojejunostomie vorgenommen. Dabei kann die erste Jejunalschlinge, die zur Anastomosierung verwendet wird entweder durch einen Schlitz im Mesocolon transversum zum Magen hochgeführt werden (retrokolisch) oder vor dem Mesocolon transversum in den Oberbauch verlagert werden (antekolisch). Um einen fortwährenden Kontakt der Gallenund Duodenalsekrete mit Magenschleimhaut im Bereich der Gastrojejunostomie zu vermeiden, sollte eine Enteroenteroanastomose nach Braun (Braun-Fußpunktanastomose) an der Basis der ersten Schlinge vorgenommen werden ( 1 B-3.10 c, d). Der Vorteil der B-II-Resektion liegt in der geringen Rate an Rezidivulzera. Operativ bedingte Komplikationen sind die Duodenalstumpfinsuffizienz, Anastomosendehiszenzen und Verletzungen der Gallenwege. Außerdem treten nach Billroth-II-Resektionen typische Folgekrankheiten wie das Dumping-Syndrom oder das Schlingen- oder Blind-loop-Syndrom in bis zu 5 % auf (s. S. 352 f.). Die Rekonstruktionstechnik nach Billroth II ist weitgehend durch die Roux-Y-Technik abgelöst worden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit der Ausbildung einer Refluxösophagitis, eines Anastomosenulkus oder eines Magenstumpfkarzinoms, das sich 15–20 Jahre nach Billroth-II-Resektion entwickeln kann.
Billroth-II-Resektion Das Duodenum wird blind verschlossen und eine Gastrojejunostomie mit retro- oder antekolischer Verlagerung der ersten Jejunalschlinge in den Oberbauch durchgeführt. Zur Vermeidung von ständigem Kontakt der Gallen- und Duodenalsekrete mit Magenschleimhaut sollte eine Enteroenteroanastomose nach Braun (Braun-Fußpunktanastomose) vorgenommen werden ( 1 B-3.10 c, d). Der Vorteil der Billroth-II-Resektion liegt in der geringen Rate an Rezidivulzera. Komplikationen sind die Duodenalstumpfinsuffizienz, Anastomosendehiszenzen, Verletzungen der Gallenwege, Dumping-Syndrom, Schlingenoder Blind-loop-Syndrom und die Ausbildung einer Refluxösophagitis, eines Anastomosenulkus oder eines Magenstumpfkarzinoms.
Roux-Y-Rekonstruktion
Roux-Y-Rekonstruktion
Auch bei diesem Operationsverfahren erfolgt eine Resektion der distalen 2 ⁄3 des Magens unter Ausschaltung des Duodenums aus der physiologischen Nahrungspassage analog zur Billroth-II-Operation. Allerdings wird das auf das Duodenum folgende Jejunalsegment ( 1 B-3.10 e-I) Y-förmig an ein zum Magen hochgezogenes Jejunumsegment ( 1 B-3.10 e-II) anastomosiert. Der Abstand zwischen der im Nahrungsweg proximal gelegenen Gastroenteroanastomose und der distalen Enteroenteroanastomose sollte 30–40 cm betragen. So kann zuverlässig durch die in diesem Segment herrschende orthograde Peristaltik ein Reflux
Nach distaler 2 ⁄ 3 -Resektion des Magens analog zur Billroth-II-Operation erfolgt die Wiederherstellung der Nahrungspassage durch eine Y-förmig ausgeschaltete Jejunumschlinge. Diese wird ca. 30–40 cm distal mit dem auf das Duodenum folgenden Jejunalsegment anastomosiert. Durch die in diesem Segment herrschende orthograde Peristaltik wird ein Reflux von Gallen- und
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340
3 Magen und Duodenum
Duodenalsekret in den Magen verhindert ( 1 B-3.10 e). Die Operationsrisiken bestehen in einer Duodenalstumpfinsuffizienz und Verletzung der Gallenwege. Folgeerkrankungen sind das DumpingSyndrom und das Ulcus pepticum jejuni.
von Gallen- und Duodenalsekret in den Magen verhindert werden ( 1 B-3.10 e). Die spezifischen Operationsrisiken der Magenresektion nach Roux-Y bestehen in einer Duodenalstumpfinsuffizienz und einer Verletzung der Gallenwege. Als Folgeerkrankungen sind die Entwicklung eines Dumping-Syndroms oder Ausbildung eines Ulcus pepticum jejuni bekannt, weshalb beim Ulkus Typ Johnson II eine gleichzeitige Vagotomie notwendig ist. Magenstumpfkarzinome werden nicht beschrieben.
3.6.5
3.6.5
Komplikationen des Ulkusleidens
Komplikationen des Ulkusleidens
Jährlich versterben ca. 4500 Patienten in der Bundesrepublik Deutschland an einer Ulkuskomplikation (Blutung, Penetration oder Perforation). Eine weitere Komplikation ist die Stenosenbildung. Die Entartung des Ulcus ventriculi wird als syntrope, d.h. gleichzeitig auftretende Erkrankung diskutiert (ca. 3 % der Fälle). Die Entartung des Ulcus duodeni ist sehr selten.
Zur Zeit versterben ca. 4500 Patienten jährlich in der Bundesrepublik Deutschland an einem gastroduodenalen Ulkus. Todesursachen sind dabei Ulkuskomplikationen, die durch akute Blutung, Penetration oder freie Perforation zum Blutverlust, Schock oder Sepsis und somit zum Tode führen können. Eine weitere Ulkuskomplikation stellt die Magenausgangsstenose dar. Die karzinomatöse Entartung des Ulcus ventriculi wird als syntrope, d.h. gleichzeitiges Auftreten von 2 Erkrankungen diskutiert. Sie tritt in ca. 3 % der Fälle auf. Die karzinomatöse Entartung des Ulcus duodeni ist sehr selten.
Perforation
Perforation
Definition
Symptome. Der akute Beginn mit plötzlich einsetzenden, stechenden Schmerzen im Oberbauch, evtl. mit Übelkeit und Erbrechen ist typisch. Bei gedeckter Perforation kann das klinische Bild verschleiert sein. Ist Magensaft am Colon ascendens nach distal gelaufen, kann durch eine lokale Peritonitis im rechten Unterbauch eine akute Appendizitis vorgetäuscht werden. Später entwickelt sich eine diffuse Peritonitis mit dem Bild eines akuten Abdomens.
n Definition. Durchsetzt ein Ulcus ventriculi oder duodeni alle Wandschichten in einem intraperitoneal gelegenen Bereich, so kommt es zum Austritt von Luft, Magen- bzw. Duodenalsekret in die freie Bauchhöhle mit Kontamination des Peritoneums und Ausbildung einer Peritonitis.
Symptome. Der akute Beginn mit plötzlich einsetzenden, stechenden
Schmerzen im Oberbauch ist typisch. Es kann Übelkeit verbunden mit Brechreiz bestehen. Wenn die Perforationsstelle durch Verklebungen von der freien Bauchhöhle getrennt ist (gedeckte Perforation), kann das klinische Bild weniger eindeutig erscheinen (z.B. das Vorliegen von freier intraabdomineller Luft im Röntgenbild bei klinisch eher weichem Palpationsbefund der Bauchdecken). Liegt der Perforationszeitpunkt zeitlich etwas zurück, so kann durch am Colon ascendens nach distal gelaufenen Magensaft eine lokale Peritonitis im rechten Unterbauch erzeugt werden. Dies kann das klinische Bild einer akuten Appendizitis vorspiegeln. Bei größerem zeitlichen Abstand zur Perforation entwickelt sich eine diffuse Peritonitis mit dem klinischen Bild eines akuten Abdomens.
1 B-3.11
Magenperforation Magenperforation mit freier Luft unter dem rechten Zwerchfell.
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341
3.6.5 Komplikationen des Ulkusleidens
Diagnose. Bei Verdacht auf eine Ulkusperforation ist eine Übersichtsaufnahme des Abdomens in Linksseitenlage oder – falls möglich – im Stehen anzufertigen. Auf ihr sieht man die freie intraabdominelle Luft zwischen Leber und seitlicher Bauchwand bzw. der Zwerchfellkuppe ( 1 B-3.11). n Merke. Bei ca. 20 % aller gastroduodenalen Perforationen lässt sich radiologisch keine freie intraabdominelle Luft nachweisen. Somit ist fehlende freie Luft kein Ausschlusskriterium für eine Ulkusperforation!
Diagnose. Die Übersichtsaufnahme des Abdomens in Linksseitenlage oder im Stehen zeigt freie intraabdominelle Luft zwischen Leber und seitlicher Bauchwand bzw. der Zwerchfellkuppe ( 1 B-3.11). Merke
Ist die Beurteilung anhand der nativen Abdomenübersichtsaufnahme nicht sicher möglich, kann über eine Magensonde Luft in den Magen insuffliert werden und die Röntgenuntersuchung anschließend wiederholt werden. Alternativ ist eine Endoskopie möglich, die entweder direkt den Wanddefekt darstellen kann oder indirekt durch Nachweis der insufflierten Luft in der freien Bauchhöhle in einer erneuten Röntgenkontrolle die Ulkusperforation belegen kann.
Mittels Insufflation von Luft über eine Magensonde oder einer im Rahmen einer Endoskopie (direkter Nachweis des Ulkus oder indirekt durch Nachweis der freien insufflierten Luft bei erneuter Röntgenkontrolle) kann die Ulkusperforation in Zweifelsfällen belegt werden.
Therapie. die Diagnose »Ulkusperforation« stellt eine absolute Operationsindikation dar. Therapie der Wahl ist die Exzision und Übernähung, bei langer Ulkusanamnese ggf. in Kombination mit einer Vagotomie oder einer Resektion (s. S. 335ff.). Liegt eine schwere Peritonitis vor, so ist ausschließlich eine Übernähung zum Verschluss des Wanddefektes mit Dränage und eine breitgefächerte Antibiotikatherapie indiziert. Postoperativ ist eine parenterale Ernährung durchzuführen und eine medikamentöse Ulkustherapie einzuleiten (s. S. 334ff.).
Therapie. Die Diagnose »Ulkusperforation« stellt eine absolute Operationsindikation dar. Therapie der Wahl ist die Exzision und Übernähung, evtl. mit einer Vagotomie kombiniert (s. S. 335 ff.).
Prognose. Die Prognose korreliert direkt mit dem Alter der Patienten und
Prognose. Die Prognose korreliert mit dem Zeitraum zwischen der Perforation und Operation bei einer Letalität von 10–15 %.
Penetration
Penetration
dem Zeitraum zwischen der Perforation und operativer Versorgung. Die Letalität liegt im Durchschnitt zwischen 10–15 %. Ungefähr ein Drittel der Patienten, die ausschließlich mit einer Exzision und Übernährung ohne Vagotomie versorgt wurden, sind postoperativ zeitlebens beschwerdefrei, ein Drittel bedarf konservativer Therapie und ein weiteres Drittel muss sich einer Nachoperation unterziehen.
n Definition. Unter einer Penetration versteht man den Durchbruch eines Ulkus in einen extraperitoneal gelegenen Bereich, in benachbarte Organe oder Gewebe ohne freie Kommunikation zur Bauchhöhle.
Definition
Hierdurch kann es zur Entstehung von großen entzündlichen Konglomerattumoren oder zur Ausbildung von Fisteln zu anderen Hohlorganen (Jejunum, Kolon) kommen. Am häufigsten sind Pankreas, Kolon oder die Leberpforte betroffen.
Symptome. Typisch, aber nicht zwingend vorliegend sind heftige, therapie-
Symptome. Typisch sind heftige, therapieresistente Schmerzen, evtl. in den Rücken ausstrahlend (Begleitpankreatitis !). Bei gastrokolischen Fisteln kommt es zur Beschleunigung der gastrointestinalen Passagezeit mit Diarrhöen, Malabsorptionssyndrom und Gewichtsverlust.
Diagnose. Eine Abdomenübersicht schließt freie Luft im Abdomen aus. Sie
Diagnose. Eine Abdomenübersicht schließt freie Luft im Abdomen aus. Die Diagnose wird durch eine ÖGD gestellt, Fisteln können durch eine MPD dargestellt werden.
Therapie. Liegt keine Kontraindikation vor, so ist die Indikation zur Resek-
Therapie. Grundsätzlich ist die Indikation zur Resektion nach Billroth I gegeben. Fisteln werden durch Teilresektion des Magens und des fisteltragenden Kolon- oder Jejunumsegments behandelt.
resistente Schmerzen im Epigastrium. Der Schmerz strahlt oft in den Rücken aus, insbesondere, wenn durch eine Penetration in das Pankreas eine Begleitpankreatitis aufgetreten ist. Bei gastrokolischen oder gastrojejunalen Fisteln kommt es zur abnormen Beschleunigung der gastrointestinalen Passagezeit mit Diarrhöen und ggf. Malabsorptionssyndromen und Gewichtsverlust. kann außerdem evtl. Verkalkungen im Pankreasbereich als Zeichen der chronischen Pankreatitis darstellen. Die Diagnose wird durch eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) gestellt, Fisteln können durch eine Magen-Darm-Passage (MDP) dargestellt werden. tion gegeben, wobei die Rekonstruktion nach Billroth I bevorzugt wird. Bei Fisteln wird neben der Magenresektion das fisteltragende Segment von Kolon oder Jejunum reseziert. Die Letalität liegt bei ca. 10–15 %.
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342 Blutung Definition
Einteilung der Ulkusblutung nach Forrest ( 2 B-3.3): I. Ia: spritzende Blutung Ib: Sickerblutung II. Zeichen einer stattgehabten Blutung (Gefäßstumpf, Koagel) III. Ulkus ohne Zeichen einer aktiven oder stattgefundenen Blutung.
3 Magen und Duodenum
Blutung n Definition. Die Blutung aus einem Ulcus duodeni oder ventriculi stellt die häufigste Komplikation des Ulkusleidens dar und ist gleichzeitig häufigste Ursache einer oberen gastrointestinalen Blutung. Bezogen auf alle diagnostisch gesicherten Ulzera erreicht sie eine Inzidenz von 3–5 %. Wenn durch das Ulkus größere Gefäße wie etwa die A. gastroduodenalis oder seltener die A. gastrica dextra oder sinistra arrodiert werden, kann es zu lebensbedrohlichen arteriellen Blutungen in den oberen Gastrointestinaltrakt kommen.
Ulkusblutungen werden entsprechend ihrem endoskopischem Befund nach Forrest in 3 Stadien eingeteilt ( 2 B-3.3): Bei Stadium I liegt eine aktuelle Blutung vor, wobei spritzende (Forrest Ia-Blutung) von sickernden Blutungen (Forrest Ib) unterschieden werden. Im Stadium II findet man Zeichen einer stattgehabten Blutung (sichtbarer Gefäßstumpf, Blut oder Koagel) ohne aktive Blutung. Das Stadium III ist gekennzeichnet durch ein Ulkus ohne Anzeichen für eine aktive oder stattgefundene Blutung.
2 B-3.3
Endoskopische Einteilung der Blutungsaktivität nach Forrest
N Forrest I: n
aktive Blutung
N Ia: spritzende arterielle Blutung n N Ib: sickernde Blutung n
N Forrest II: inaktive Blutung n
N IIa: Läsion mit Gefäßstumpf n N IIb: koagelbedeckte Läsion n N IIc: hämatinbelegte Läsion n
N Forrest III: Läsion ohne Blutungszeichen n Symptome. Es können Anämie, Teerstühle, Hämatemesis oder Schocksymptome auftreten.
Symptome. Je nach Stärke der Blutung kommt es zu einer Anämie, Teer-
Diagnose. Die Notfallendoskopie dient zur Diagnosesicherung und gleichzeitigen Therapie, möglichst nach Stabilisation des Kreislaufs. Bei gutem Allgemeinzustand kann vor der Endoskopie der Magen über eine Magensonde freigespült werden. Differenzialdiagnostisch sind Ösophagusvarizenblutungen, ein MalloryWeiss-Syndrom, ein Ulkus Dieulafoy, eine aortointestinale Fistel oder eine Blutung aus der Papilla Vateri abzugrenzen.
Diagnose. Bei Verdacht auf eine akute obere gastrointestinale Blutung ist eine Notfallendoskopie indiziert, nach Möglichkeit nach Stabilisation des Kreislaufs durch parenterale Gabe von Plasmaexpandern oder gegebenenfalls Bluttransfusionen. Erlaubt es der Allgemeinzustand des Patienten, so kann vor der Endoskopie der Magen über eine großlumige Magensonde von Koageln freigespült werden. Die Endoskopie ermöglicht es, die Differenzialdiagnose der akuten Gastrointestinalblutung abzuklären und zugleich therapeutisch tätig zu werden. Differenzialdiagnostisch sind vor allem Blutungen aus Ösophagusvarizen, ein Mallory-Weiss-Syndrom, ein Ulkus Dieulafoy, seltener eine aortointestinale Fistel (besonders bei Zustand nach Implantation einer Y-Prothese als Aortenersatz) oder eine Blutung aus der Papilla Vateri abzugrenzen.
Therapie. Nach Volumensubstitution erfolgt die Notfallendoskopie zur Blutstillung als Verfahren der Wahl zur Behandlung von Magen-DarmBlutungen. Es kommen dabei die Umspritzung der blutenden Ulzera mit vasoaktiven Substanzen, mit Sklerosierungsmitteln oder gerinnungsaktivierenden Substanzen, Applikation von Clips und die Lasertherapie (s. Kap. B-13.5) zur Anwendung.
Therapie. Zur sofortigen Schockprophylaxe oder -bekämpfung ist eine Volu-
Bei endoskopisch nicht beherrschbarer Blutung ist die Indikation zur Operation mit dem Ziel der definitiven Blutstillung gegeben. Ein Ulcus duodeni wird durch Umstechung in Kombination mit
stühlen, Hämatemesis oder Ausbildung eines hämorrhagischen Schocks.
mensubstitution durchzuführen. Die Notfallendoskopie zur Blutstillung sollte so schnell wie möglich durchgeführt werden. Sie gilt heute als Therapieverfahren der Wahl zur Behandlung von Magen- und Darmblutungen. Bei der endoskopischen Blutstillung kommen unterschiedliche Verfahren zum Einsatz: Die Umspritzung der blutenden Ulzera mit vasoaktiven Substanzen (z.B. Adrenalin), mit Sklerosierungsmitteln (z.B. Polidocanol [ÄthoxysklerolQ]) oder gerinnungsaktivierenden Substanzen (Thrombin, Fibrin), die endoskopische Applikation von Clips und die Lasertherapie (s. Kap. B-13.5). Ist die Blutung endoskopisch nicht beherrschbar oder werden zur Kreislaufstabilisierung des Patienten nach wiederholten endoskopischen Blutstillungen > 4–6 Konserven am Tag benötigt, so ist die Indikation zur Operation gegeben. Wenn das Ulkus an der Hinterwand von Antrum oder Bulbus duodeni gelegen ist, so ist mit Arrosionsblutungen aus größeren Gefäßen zu rechnen und die Op-Indikation großzügiger zu stellen. Das Ziel der ope-
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343
3.7.1 Benigne Magentumoren rativen Intervention stellt die definitive Blutstillung dar. Ein Ulcus duodeni wird durch Umstechung des Ulkus in Kombination mit einer selektiven proximalen Vagotomie (SPV) behandelt. Blutende Ulcera ventriculi werden mit einer distalen 2⁄3-Resektion nach Billroth oder Roux-Y behandelt (s. S. 335ff.).
einer SPV behandelt. Blutende Ulcera ventriculi werden primär reseziert (s. S. 335ff.).
Prognose. Die Letalität der akuten Ulkusblutung liegt bei ca. 10 %. Sie korreliert eng mit dem Ausmaß des Blutverlustes, der Zahl der substituierten Konserven, dem Alter der Patienten, den Begleiterkrankungen und der Dauer und Ausprägung des hämorrhagischen Schocks.
Prognose. Die Letalität liegt bei ca. 10 %.
Stenose
Stenose
Am häufigsten kommt es zur Stenosierung des Pylorus durch chronische oder rezidivierende prä-, intra- oder postpylorisch gelegene Ulzera, die zu einer narbigen Schrumpfung oder entzündlichen Stenose führen können. Durch die Magenausgangsstenose kommt es zu einer Magenektasie, die über den Dragstedt-Mechanismus zur Entstehung weiterer Ulzera führen kann (s. S. 330).
Durch chronische oder rezidivierende prä-, intra- oder postpylorisch gelegene Ulzera kommt es zu einer narbigen Schrumpfung oder entzündlichen Stenose mit Magenektasie, die zur Entstehung weiterer Ulzera führen kann (s. S. 330).
Symptome. Aufgrund einer fortgeschrittenen Magenausgangsstenose tritt
Symptome. Häufiges Erbrechen führt zur hypochlorämischen Alkalose. Es besteht die Gefahr der Aspiration oder Refluxösophagitis.
Diagnose. In der Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens fällt der ektatisch überdehnte Magen auf, der bis in das kleine Becken hinunter reichen kann. Die Magen-Darm-Passage (MDP) zeigt den ektatischen Magen sowie die Magenausgangsstenose. Die Endoskopie besitzt im Vergleich zur Röntgenuntersuchung den Vorteil, dass in gleicher Sitzung Biopsien zum Ausschluss eines Malignoms aus der Stenose entnommen werden können. Weiterhin kann der Versuch einer Bougierung unternommen werden.
Diagnose. In der Abdomenübersicht fällt der ektatisch überdehnte Magen auf. Die MDP zeigt den ektatischen Magen sowie die Magenausgangsstenose. Die Endoskopie kann zusätzlich durch Biopsien ein Malignom ausschließen und ermöglicht den Versuch einer Bougierung.
Therapie. Zunächst erfolgt die Entlastung des Magens über eine Magensonde. Hierdurch lässt sich der Magen dekomprimieren und gleichzeitig eine Aspiration vermeiden. Die definitive Therapie besteht in der Durchführung einer selektiven proximalen Vagotomie (SPV) zur Säurereduktion in Kombination mit einer Pyloroplastik. Alternativ ist eine Antrektomie mit Vagotomie möglich.
Therapie. Eine Magensonde dekomprimiert den Magen und verhindert eine Aspiration. Die definitive Therapie erfolgt durch eine SPV in Kombination mit einer Pyloroplastik oder durch eine Antrektomie mit Vagotomie.
ein protrahiertes Erbrechen auf, das zur hypochlorämischen Alkalose führen kann. Durch das häufige Erbrechen und die permanente Magenfüllung besteht die Gefahr einer Aspiration oder Refluxösophagitis.
3.7
Magentumoren
3.7
3.7.1
Benigne Magentumoren
3.7.1 Benigne Magentumoren
Morbus Ménétrier
Magentumoren
Morbus Ménétrier
Synonyme: Gastritis polyposa, Riesenfaltengastritis n Definition. Bei dem seltenen Morbus Ménétrier kommt es durch eine foveoläre Hyperplasie der Magenschleimhaut zur Ausbildung von Riesenfalten. Die Ursache ist unbekannt.
Definition
Symptome. Durch die vermehrte Schleimproduktion entsteht ein Eiweißverlustsyndrom, das bis zur Hypoproteinämie und Ausbildung von Ödemen führen kann. Entsprechend wird der Morbus Ménétrier auch den Erkrankungen zugeordnet, die unter dem Begriff exsudative Gastroenteropathie subsummiert werden.
Symptome. Es entsteht ein Eiweißverlustsyndrom bis hin zur Hypoproteinämie und Ödembildung (exsudative Gastroenteropathie).
Diagnose. Es bestehen uncharakteristische Oberbauchbeschwerden, ähnlich wie bei einer Gastritis. Die Verdachtsdiagnose wird meist nach Bestimmung des Serumeiweißes und Anfertigung einer Serumelektrophorese
Diagnose. Es bestehen uncharakteristische Oberbauchbeschwerden. Die Bestimmung des Serumeiweißes und
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3.7.1 Benigne Magentumoren rativen Intervention stellt die definitive Blutstillung dar. Ein Ulcus duodeni wird durch Umstechung des Ulkus in Kombination mit einer selektiven proximalen Vagotomie (SPV) behandelt. Blutende Ulcera ventriculi werden mit einer distalen 2⁄3-Resektion nach Billroth oder Roux-Y behandelt (s. S. 335ff.).
einer SPV behandelt. Blutende Ulcera ventriculi werden primär reseziert (s. S. 335ff.).
Prognose. Die Letalität der akuten Ulkusblutung liegt bei ca. 10 %. Sie korreliert eng mit dem Ausmaß des Blutverlustes, der Zahl der substituierten Konserven, dem Alter der Patienten, den Begleiterkrankungen und der Dauer und Ausprägung des hämorrhagischen Schocks.
Prognose. Die Letalität liegt bei ca. 10 %.
Stenose
Stenose
Am häufigsten kommt es zur Stenosierung des Pylorus durch chronische oder rezidivierende prä-, intra- oder postpylorisch gelegene Ulzera, die zu einer narbigen Schrumpfung oder entzündlichen Stenose führen können. Durch die Magenausgangsstenose kommt es zu einer Magenektasie, die über den Dragstedt-Mechanismus zur Entstehung weiterer Ulzera führen kann (s. S. 330).
Durch chronische oder rezidivierende prä-, intra- oder postpylorisch gelegene Ulzera kommt es zu einer narbigen Schrumpfung oder entzündlichen Stenose mit Magenektasie, die zur Entstehung weiterer Ulzera führen kann (s. S. 330).
Symptome. Aufgrund einer fortgeschrittenen Magenausgangsstenose tritt
Symptome. Häufiges Erbrechen führt zur hypochlorämischen Alkalose. Es besteht die Gefahr der Aspiration oder Refluxösophagitis.
Diagnose. In der Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens fällt der ektatisch überdehnte Magen auf, der bis in das kleine Becken hinunter reichen kann. Die Magen-Darm-Passage (MDP) zeigt den ektatischen Magen sowie die Magenausgangsstenose. Die Endoskopie besitzt im Vergleich zur Röntgenuntersuchung den Vorteil, dass in gleicher Sitzung Biopsien zum Ausschluss eines Malignoms aus der Stenose entnommen werden können. Weiterhin kann der Versuch einer Bougierung unternommen werden.
Diagnose. In der Abdomenübersicht fällt der ektatisch überdehnte Magen auf. Die MDP zeigt den ektatischen Magen sowie die Magenausgangsstenose. Die Endoskopie kann zusätzlich durch Biopsien ein Malignom ausschließen und ermöglicht den Versuch einer Bougierung.
Therapie. Zunächst erfolgt die Entlastung des Magens über eine Magensonde. Hierdurch lässt sich der Magen dekomprimieren und gleichzeitig eine Aspiration vermeiden. Die definitive Therapie besteht in der Durchführung einer selektiven proximalen Vagotomie (SPV) zur Säurereduktion in Kombination mit einer Pyloroplastik. Alternativ ist eine Antrektomie mit Vagotomie möglich.
Therapie. Eine Magensonde dekomprimiert den Magen und verhindert eine Aspiration. Die definitive Therapie erfolgt durch eine SPV in Kombination mit einer Pyloroplastik oder durch eine Antrektomie mit Vagotomie.
ein protrahiertes Erbrechen auf, das zur hypochlorämischen Alkalose führen kann. Durch das häufige Erbrechen und die permanente Magenfüllung besteht die Gefahr einer Aspiration oder Refluxösophagitis.
3.7
Magentumoren
3.7
3.7.1
Benigne Magentumoren
3.7.1 Benigne Magentumoren
Morbus Ménétrier
Magentumoren
Morbus Ménétrier
Synonyme: Gastritis polyposa, Riesenfaltengastritis n Definition. Bei dem seltenen Morbus Ménétrier kommt es durch eine foveoläre Hyperplasie der Magenschleimhaut zur Ausbildung von Riesenfalten. Die Ursache ist unbekannt.
Definition
Symptome. Durch die vermehrte Schleimproduktion entsteht ein Eiweißverlustsyndrom, das bis zur Hypoproteinämie und Ausbildung von Ödemen führen kann. Entsprechend wird der Morbus Ménétrier auch den Erkrankungen zugeordnet, die unter dem Begriff exsudative Gastroenteropathie subsummiert werden.
Symptome. Es entsteht ein Eiweißverlustsyndrom bis hin zur Hypoproteinämie und Ödembildung (exsudative Gastroenteropathie).
Diagnose. Es bestehen uncharakteristische Oberbauchbeschwerden, ähnlich wie bei einer Gastritis. Die Verdachtsdiagnose wird meist nach Bestimmung des Serumeiweißes und Anfertigung einer Serumelektrophorese
Diagnose. Es bestehen uncharakteristische Oberbauchbeschwerden. Die Bestimmung des Serumeiweißes und
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
344 Anfertigung einer Serumelektrophorese zeigen eine Hypoproteinämie; ÖGD (mit Biopsie) oder MDP bestätigen die Diagnose. Merke
3 Magen und Duodenum gestellt und durch die Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) oder MagenDarm-Passage (MDP) bestätigt. Da das Risiko einer malignen Entartung gegeben ist, sollten stets Biopsien entnommen werden. n Merke. Beim Morbus Ménétrier besteht ein erhöhtes Entartungsrisiko.
Therapie. Symptomatisch werden Antazida oder H2 -Rezeptorenblocker verordnet. Es sind jährliche endoskopische Kontrollen mit Biopsien indiziert, bei Atypien ist eine prophylaktische Gastrektomie zu diskutieren.
Therapie. Die symptomatische Therapie erfolgt durch die Gabe von Antazida (z.B. MaaloxanQ, Gelusil LacQ) oder H2-Rezeptorenblockern (z.B. SostrilQ, PepdulQ). Wegen des Entartungsrisikos sind jährliche endoskopische Kontrollen mit Biopsien indiziert, bei zunehmenden Atypien ist eine prophylaktische Gastrektomie zu diskutieren.
Benigne Neoplasien des Magens
Benigne Neoplasien des Magens
Benigne Neoplasien können von allen Wandschichten des Magens ausgehen. Die häufigsten gutartigen Geschwülste sind Polypen der Schleimhaut, Leiomyome, Lipome, Neurofibrome und Angiome.
Benigne Neoplasien machen 5–10 % aller Magentumoren aus, sie können von allen Wandschichten des Magens ausgehen. Dementsprechend finden sich Tumoren unterschiedlicher histologischer Genese und Differenzierung. Die häufigsten gutartigen Geschwülste sind Polypen der Schleimhaut, z.B. im Rahmen einer generalisierten Polypose bei dem Peutz-Jeghers-Syndrom. Außerdem kommen Leiomyome, Lipome, Neurofibrome und Angiome vor.
Symptome. Es kommen je nach Größe und Lokalisation Symptomfreiheit, Völlegefühl, Magenentleerungsstörungen, Bauchschmerzen und gastrointestinale Blutungen vor. Diagnose. Die Diagnose wird durch eine ÖGD mit Biopsie gestellt. Die Endosonographie erlaubt eine Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung.
Symptome. Die klinischen Beschwerden schwanken je nach Größe und Lokalisation zwischen völliger Symptomfreiheit und Völlegefühl, Magenentleerungsstörungen, Oberbauchschmerzen und gastrointestinalen Blutungen.
Diagnose. Die Diagnose wird durch eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) mit Biopsie gestellt. Die Endosonographie erlaubt eine Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung. Dies ist notwendig, da die Differenzierung einer rein submukösen von einer intramuskulären Lage des Prozesses durch die Endosonographie das Risiko der endoskopischen Perforation abschätzbar macht.
Therapie. Schleimhautprozesse wie Polypen und submuköse Tumoren können endoskopisch entfernt werden (histologische Abklärung obligat) (s. Kap. B-13.9). Bei intramuskulär gelegenen Befunden ist die Entfernung des Tumors durch eine lokale Exzision oder Magen(teil)resektion indiziert. Eine ausgedehnte Polypose des Magens kann u. U. auch eine Gastrektomie notwendig machen. Die Malignitätspotenz hängt vom histologischen Typ ab.
Therapie. Schleimhautprozesse wie Polypen und submuköse Tumoren können endoskopisch mit der Schlinge, der Peace-meal-Technik oder der Stripoff-Technik entfernt werden, die histologische Abklärung ist obligat (s. Kap. B-13.9). Sind intramurale Prozesse vorwiegend in der Muscularis propria lokalisiert, so ist die endoskopische Entfernung mit einem zu großen Perforationsrisiko verbunden. Aus diesem Grunde ist hier die Entfernung des Tumors durch eine lokale transabdominelle Exzision, bei größeren Prozessen auch durch Magen(teil)resektion indiziert. Bei einer ausgedehnten Polypose des Magens kann unter Umständen auch eine Gastrektomie indiziert sein. Je nach histologischem Typ besteht eine unterschiedliche Malignitätspotenz.
3.7.2 Maligne Magentumoren
3.7.2
Lymphome und Sarkome des Magens
Lymphome und Sarkome des Magens
Die malignen nicht epithelialen Tumoren des Magens haben eine Häufigkeit von ca. 1–5 %. Die häufigsten Typen sind Non-HodgkinLymphome, Leiomyosarkome, Lymphosarkome und Neurosarkome. Sie sind meist an der großen Kurvatur lokalisiert.
Die malignen nicht epithelialen Tumoren des Magens kommen mit einer Häufigkeit von ca. 1–5 % aller Malignome des Magens vor. Die häufigsten histologischen Typen sind Non-Hodgkin-Lymphome (Synonym: Rundzellsarkom) mit der Untergruppe der MALT-Lymphome (mucosa associated lymphoid tissue), Leiomyosarkome, Lymphosarkome und Neurosarkome. Diese mesenchymalen Tumoren sind meist an der großen Kurvatur lokalisiert.
Symptome. Die häufigsten Beschwerden sind Schmerz, Völlegefühl und Blutung, insbesondere bei Non-Hodgkin-Lymphomen.
Symptome. Die häufigsten klinischen Beschwerden sind Oberbauchschmerzen, Völlegefühl und Zeichen der gastrointestinalen Blutung, insbesondere bei Non-Hodgkin-Lymphomen. Die Patienten sind auffallend oft in einem guten Allgemeinzustand, verglichen mit Patienten, die an einem Magenkarzinom mit gleicher Tumorausdehnung erkrankt sind.
Maligne Magentumoren
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3.7.2 Maligne Magentumoren
n Merke. Ein Magentumor, der an der großen Kurvatur lokalisiert ist, Zeichen der Blutung zeigt sowie klinisch Oberbauchschmerzen erzeugt, ist hochgradig verdächtig auf ein Lymphom.
Merke
Diagnose. Die Diagnosestellung erfolgt durch eine Ösophago-Gastro-Duo-
Diagnose. Die Diagnose wird durch eine ÖGD mit Biopsie gestellt. Sonographie und CT schließen Lymphknotenmetastasen aus. Die Endosonographie ermöglicht die beste Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung.
Therapie. Lymphome des Magens sprechen gut auf eine kombinierte
Radio-Chemotherapie an, sodass diese Modalitäten die Therapie der Wahl darstellen. Bei Komplikationen, die endoskopisch nicht beherrschbar sind (Blutung, Perforation, Stenose) ist eine Resektion indiziert. Tumoren anderer Histologie werden operativ, d.h. durch eine Resektion, ggf. einer Gastrektomie behandelt. Je nach Histologie ist eine adjuvante Chemo- und/oder Strahlentherapie angezeigt.
Therapie. Lymphome des Magen sprechen gut auf eine kombinierte RadioChemotherapie an. Bei endoskopisch nicht beherrschbaren Komplikationen ist eine Resektion indiziert. Tumoren anderer Histologie werden operativ, ggf. durch Gastrektomie und/oder Radio-Chemotherapie behandelt.
Magenkarzinom
Magenkarzinom
Die Inzidenz des Magenkarzinoms ist insgesamt weltweit rückläufig. Trotzdem stellt das Magenkarzinom in der Bundesrepublik Deutschland die drittbis vierthäufigste Todesursache dar. Es tritt typischerweise in der 2. Lebenshälfte auf, bei Männern besonders in der 6. Dekade, bei Frauen in der 5. 10 % aller Magenkarzinome werden bei Patienten beobachtet, die jünger als 40 Jahre alt sind. Männer sind doppelt so häufig wie Frauen betroffen. Während früher Magenkarzinome vorwiegend im Antrum lokalisiert waren und nur ca. 14 % im Korpus auftraten, ist eine Verlagerung des Haupttumors nach oral hin zu beobachten. So sind in neueren Untersuchungen bis zu 24 % Korpuskarzinome und nur noch 20 % mit Tumorlokalisation im Antrum beschrieben worden. In ca. 10 % der Fälle findet sich ein multilokuläres Wachstum. Unter dem Begriff Kardiakarzinom werden verschiedene Entitäten zusammengefasst, sodass diese Tumorlokalisation gesondert betrachtet werden sollte. Als Kardiakarzinome werden dabei alle Adenokarzinome bezeichnet, die in dem Bereich 5 cm oral oder 5 cm aboral der gastroösophagealen Schleimhautgrenze auftreten. Ist die Schleimhautgrenze – wie z.B. bei Endobrachyösophagus – verschoben, so wird die anatomische Kardia (Übergang der zweischichtigen Ösophagusmuskulatur in die dreischichtige Muskulatur der Magenwand) als Bezugspunkt genommen. Nach dieser Definition werden 3 Subtypen von Karzinomen unter dem Überbegriff Kardiakarzinom subsummiert: Das Adenokarzinom bei Endobrachyösophagus wird als Typ I bezeichnet, das eigentliche, von der Kardiaschleimhaut ausgehende Adenokarzinom des Magens wird Typ-II-Kardiakarzinom genannt. Bei dem Typ III handelt es sich um ein subkardial gelegenes Magenkarzinom oder Funduskarzinom, das den distalen Ösophagus infiltriert. Die Infiltration des Ösophagus durch Typ-III-Karzinome erfolgt meist submukös, die orale Tumorgrenze entgeht so oft der endoskopischen Beurteilung. Für das Magenkarzinom werden neben einer genetischen Prädisposition und verschiedenen Umwelteinflüssen (z.B. Ernährung) mehrere Risikoerkrankungen diskutiert: die chronisch atrophische Gastritis, das chronische Ulcus ventriculi, die perniziöse Anämie, ein vermehrter duodenogastraler Reflux nach Magenresektionen und primär benigne Adenome der Magenschleimhaut. Nach jüngeren Forschungsergebnissen muss davon ausgegangen werden, dass eine Helicobacterbesiedlung des Magens das Risiko für die Entstehung eines Magenkarzinoms erhöht. Magenkarzinome sind überwiegend Adenokarzinome (< 90 %), die in 3 verschiedene, gebräuchliche Klassifikationen eingeteilt werden können. Nach Borrmann werden die Malignome klinisch anhand der Wachstumsform in 4 Untergruppen unterteilt ( 1 B-3.12): Bei Typ I (35 % der Magenkarzinome) handelt es sich um einen exophytisch wachsenden polypoiden Magentumor.
Die Inzidenz des Magenkarzinoms ist rückläufig. Trotzdem stellt das Magenkarzinom in der Bundesrepublik die dritt- bis vierthäufigste Todesursache dar. Magenkarzinome treten gehäuft bei Männern in der 6., bei Frauen in der 5. Dekade auf. 10 % treten im Alter unter 40 Jahren auf. Männer sind doppelt so häufig wie Frauen betroffen. Während früher Magenkarzinome vorwiegend im Antrum lokalisiert waren, ist heute eine Verlagerung des Haupttumors nach oral hin zu beobachten. In ca. 10 % der Fälle findet sich ein multilokuläres Wachstum. Als Kardiakarzinome werden alle Adenokarzinome bezeichnet, die in dem Bereich 5 cm oral oder 5 cm aboral der gastroösophagealen Schleimhautgrenze auftreten.
denoskopie (ÖGD) mit Biopsie. Zum Ausschluss einer Lymphknotenmetastasierung ist eine perkutane Sonographie und ein Oberbauch-CT indiziert. Die lokale Tumorausdehnung wird am besten durch die Endosonographie beurteilt.
Für das Magenkarzinom werden folgende Risikofaktoren diskutiert: π genetische Prädisposition π Umwelteinflüsse (z.B. Ernährung) π chronisch atrophische Gastritis π chronisches Ulcus ventriculi π perniziöse Anämie π Resektionsmagen π Adenome π Helicobacterbesiedlung. Magenkarzinome sind in mehr als 90 % der Fälle Adenokarzinome. Die Klassifikation der Magenkarzinome nach Borrmann zeigt 1 B-3.12.
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3 Magen und Duodenum
1 B-3.12
Synopsis Klinische Einteilung der Magenmalignome nach Borrmann
Typ I: polypös-exophytisch (35 %).
Typ II: polypös-exulzerierend (35–40 %).
Typ III: exulzerierend (20 %).
Typ IV: diffus infiltrierend (10 %).
Die Einteilung nach Laurén unterscheidet Karzinome vom diffusen (infiltrativen) und vom intestinalen (polypösen) Typ. Die Klassifikation der UICC nach dem T(umor) N(oduli lymphatici) M(etastasen)-Schema (TNM) ermöglicht einen internationalen Vergleich stadienabhängiger Überlebensraten ( 2 B-3.4).
2 B-3.4
Typ II (35–40 %) wächst ebenfalls polypös, aber lokal exulzerierend, Typ III (20 %) lokal exulzerierend. Typ IV ist gekennzeichnet durch ein diffus infiltrierend wachsendes Magenkarzinom (10 %). Nach Laurén unterscheidet man Karzinome vom diffusen oder infiltrativen Typ von intestinalen oder polypösen Tumoren. International gebräuchlich ist die Klassifikation der UICC nach dem T(umor) N(oduli lymphatici) M(etastasen)-Schema (TNM), die einen internationalen Vergleich der stadienabhängigen Überlebensrate bei unterschiedlichen Therapieverfahren ermöglicht ( 2 B-3.4).
UICC-Klassifikation der Magenkarzinome nach dem TNM-System (1997) T-Stadium
N-Stadium
M-Stadium
N Tx n
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
N Nx n
regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N Mx n
Das Vorliegen von Metastasen kann nicht beurteilt werden
N T0 n
kein Anhalt für Primärtumor
N N0 n
keine regionären Lymphknotenmetastasen
N M0 n
keine Fernmetastasen
N Tis n
Carcinoma in situ
N T1 n
Tumor infiltriert die Lamina popria oder Submukosa
N N1 n
Metastasen in 1-6 regionären Lymphknoten
N M1 n
Fernmetastasen
N T2 n
Tumor infiltriert die Muscularis propria oder Subserosa
N N2 n
Metastasen in 7-15 regionären Lymphknoten
N T3 n
Tumor penetriert die Serosa, infiltriert aber nicht benachbarte Organe
N N3 n
Metastasen in mehr als 15 regionären Lymphknoten
N T4 n
Tumor infiltriert benachbarte Organe
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3.7.2 Maligne Magentumoren Bei der Infiltration benachbarter Organe muss zur Einteilung in das Stadium T4 eine Infiltration in Milz, Colon transversum, Leber, Zwerchfell, Pankreas, Bauchwand, Nebennieren, Niere, Dünndarm oder Retroperitoneum vorliegen. Eine Ausbreitung eines in der Muscularis propria gelegenen Tumors über das Lig. hepatogastricum oder in das große oder kleine Netz ohne Durchbruch durch das viszerale Peritoneum wird als T2 eingeteilt. Bei Penetration in diesen Bereichen durch die Serosa hindurch liegt ein T3-Tumor vor. Neben den bekannten Ausbreitungswegen eines intestinalen Karzinoms (lokal infiltrierend, lymphogen und hämatogen) kann es beim Magenkarzinom zur intraperitonealen Ausbreitung mit Abtropfmetastasierung an Netz, Mesenterium, Peritoneum und Ovarien (Krukenberg-Tumor) kommen. Prognostisch besondere Bedeutung hat das Frühkarzinom des Magens (early cancer). Es handelt sich dabei um ein Karzinom, das auf Mukosa oder Submukosa begrenzt ist, aber bereits Lymphknotenmetastasen gesetzt haben kann (Mukosa-Typ 0 bis 3 %, Submukosa-Typ bis 13 %). Die Prognose des Frühkarzinoms liegt im Gegensatz zu den übrigen Magenkarzinomen bei einer 5-Jahres-Überlebensrate von ca. 90 %.
Symptome. Im Vordergrund der klinischen Beschwerden stehen uncharakteristische Oberbauchschmerzen, häufig in Verbindung mit Völlegefühl. n Merke. Chronische Oberbauchbeschwerden sind bis zum Beweis des Gegenteils dringend verdächtig auf ein Magenkarzinom. Eine endoskopische Abklärung ist obligat.
Zu diesen Beschwerden kommen zunehmende Inappetenz mit Gewichtsverlust, epigastrisches Druckgefühl und später ein Leistungsknick dazu. Patienten mit Magenkarzinomen klagen gehäuft über eine Aversion gegen Fleisch. Durch Blutungen aus dem Tumor kann es zur Entwicklung einer Anämie oder zum Auftreten von Teerstühlen kommen.
Diagnose. Bei anhaltenden Oberbauchbeschwerden oder dem klinischen
Verdacht auf einen Magentumor ist eine endoskopische Untersuchung mit Biopsieentnahme indiziert. Die Doppelkontrastdarstellung des Magens ermöglicht es, submukös gelegene Tumorausläufer durch mangelnde Aufdehnbarkeit des Magens nachzuweisen. Weitere typische radiologische Zeichen, die die Verdachtsdiagnose eines Magenkarzinoms nahelegen sind Wandstarre, Kontrastmittelaussparungen, Ringwallulzera und der Abbruch von Falten durch szirrhös wachsende Tumoren. Bei einem Magenkarzinom kann eine Endosonographie zur Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung und zur Erfassung perigastraler Lymphknoten durchgeführt werden. Eine abdominelle Sonographie dient wie die Computertomographie (CT) zum Nachweis eines Befalls weiter vom Magen entfernter Lymphknoten sowie einer Lebermetastasierung. Lungenfiliae werden durch eine Thoraxröntgenaufnahme in zwei Ebenen, evtl. ergänzt durch ein Thorax-CT ausgeschlossen.
Therapie. Unbehandelt beträgt die mittlere Überlebenszeit eines Patienten
mit Magenkarzinom 1 Jahr. Da die chirurgische Therapie zur Zeit die einzige Therapieform ist, mit der eine kurative Therapie eines Magenkarzinoms möglich ist, kommt der Art der Operation für die Prognose eine zentrale Bedeutung zu. Die Gastrektomie gilt für alle T-Stadien ohne Fernmetastasierung als Operation der Wahl. Ausnahme hiervon bilden Frühkarzinome und Carcinomata in situ, die subtotal (nach Billroth I, II oder Roux-Y) reseziert werden können. Liegt ein T1-Tumor vom diffusen Typ nach der LaurénKlassifikation vor, so ist aus Radikalitätsgründen eine Gastrektomie zu bevorzugen. Für Karzinome, die im Antrum gelegen sind, wird alternativ zur Gastrektomie eine distale 2⁄3-4⁄5-Resektion des Magens mit Roux-Y als adäquate Therapieform akzeptiert, wenn eine systematische Lymphadenektomie wie bei der Gastrektomie durchgeführt wird, ein T1- oder T2-Karzi-
Neben lokal infiltrierender, lymphogener und hämatogener Ausbreitung kann es beim Magenkarzinom zur intraperitonealen Metastasierung mit Abtropfmetastasierung kommen (z.B. Krukenberg-Tumor). Das Frühkarzinom des Magens (early cancer) ist auf Mukosa oder Submukosa begrenzt, kann aber bereits Lymphknotenmetastasen gesetzt haben. Die Prognose des Frühkarzinoms liegt bei einer 5-Jahres-Überlebensrate von ca. 90 %. Symptome. Typisch sind uncharakteristische Oberbauchschmerzen, oft mit Völlegefühl. Merke
Hinzu kommen Inappetenz mit Gewichtsverlust, epigastrisches Druckgefühl, Aversion gegen Fleisch und später ein Leistungsknick. Durch Blutungen kann es zur Anämie oder zum Auftreten von Teerstühlen kommen. Diagnose. Bei anhaltenden Oberbauchbeschwerden oder dem klinischen Verdacht auf einen Magentumor ist eine endoskopische Untersuchung mit Biopsieentnahme indiziert. Die Doppelkontrastdarstellung des Magens ermöglicht es, mangelnde Aufdehnbarkeit, Kontrastmittelaussparungen, Ringwallulzera und Abbruch von Falten nachzuweisen. Die Endosonographie erlaubt die Beurteilung der lokalen Tumorausdehung. Computertomographisch kann der Befall von intraabdominellen Lymphknoten sowie eine Lebermetastasierung oder Lungenmetastasierung bei sonographischem oder radiologischem Verdacht erhärtet werden. Therapie. Die mittlere Überlebenszeit eines Patienten mit Magenkarzinom beträgt unbehandelt 1 Jahr. Der chirurgischen Resektion kommt eine zentrale Bedeutung für die Prognose zu. Die Gastrektomie gilt für alle T-Stadien ohne Fernmetastasierung als Operation der Wahl. Ausgenommen sind Frühkarzinome und Carcinomata in situ. T1-Tumoren vom diffusen Typ (LaurénKlassifikation) sollten mit einer Gastrektomie behandelt werden. Antrumkarzinome können alternativ mit distaler 2 ⁄3 -4 ⁄5 -Resektion therapiert werden.
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3 Magen und Duodenum
Zusätzlich muss eine radikale Lymphadenektomie der Kompartments I und II durchgeführt werden. Von der radikalen Lymphadenektomie wird lediglich das Carcinoma in situ ausgenommen. Besonders Patienten mit Tumoren der Stadien II und III profitieren von einer systematischen Lymphadenektomie. Ab Tumorstadium T3 sollte bei proximalen Magenkarzinomen eine Splenektomie oder Milzhiluslymphadenektomie durchgeführt werden. Patienten mit T4-M0-Stadien können durch regionale Gastrektomie (mit Resektion der per continuitatem infiltrierten Strukturen) mit radikaler Lymphadenektomie und ggf. adjuvanter Chemotherapie behandelt werden. Auch bei fortgeschrittenen Tumoren lässt sich durch die radikale Operation die Lebensqualität durch Reduktion der tumorbedingten Symptome, wie etwa einer Obstruktion oder chronischer Sickerblutungen mit Anämie, verbessern. Bei Kardiakarzinomen hängt die Operationsmethode von der Art des Kardiatumors ab: Bei Typ-I-Kardiakarzinomen erfolgt die abdominozervikale oder thorakoabdominale subtotale Ösophagektomie mit proximaler Gastrektomie (Fundektomie), Lymphadenektomie und Bildung eines Magenschlauchs zur Wiederherstellung der Passage. Typ-II- und -III-Kardiakarzinome werden mit einer totalen Gastrektomie mit distaler Ösophagusresektion und Lymphadenektomie behandelt. Die Kontinuität der Nahrungspassage wird durch eine Interposition einer Jejunumschlinge oder eines Koloninterponats erreicht ( 1 B-3.13).
nom vorliegt und dieses histologisch einen intestinalen Typ repräsentiert. Von entscheidender Bedeutung für die Kuration ist die Entfernung des Omentum majus mit radikaler Lymphadenektomie der Kompartments I (Lymphknoten entlang der großen und kleinen Kurvatur supra- und retropylorisch und an der Kardia) und II (Lymphknoten im Bereich des Pankreaskopfes und Duodenums, des Truncus coeliacus, des Lig. hepatoduodenale und der Milz). Von der radikalen Lymphadenektomie wird lediglich das Carcinoma in situ ausgenommen, da hier noch keine Lymphinvasion durch den Tumor stattgefunden haben kann. Nach neueren Studien profitieren besonders Patienten mit Tumoren der Stadien II und III von einer systematischen Lymphadenektomie. Zur Erhöhung der lokalen Radikalität ist die Splenektomie oder Milzhiluslymphadenektomie ab Tumorstadium T3 bei proximalen Magenkarzinomen als obligat anzusehen. Patienten, bei denen lokal fortgeschrittene Tumoren ohne Fernmetastasierung vorliegen (T4–M0-Stadien), können durch eine regionale Gastrektomie (Gastrektomie mit Resektion der per continuitatem infiltrierten Strukturen) mit radikaler Lymphadenektomie und ggf. adjuvanter Chemotherapie behandelt werden, sofern es der Allgemeinzustand der Patienten erlaubt. Auch bei fortgeschrittenen Tumoren lässt sich durch die radikale Operation die Lebensqualität durch Reduktion der tumorbedingten Symptome wie etwa einer Obstruktion oder chronischer Sickerblutungen mit Anämie verbessern. Liegt ein Kardiakarzinom vor, so muss die Wahl des Operationsverfahrens von der Art des Kardiatumors abhängig gemacht werden. Bei Typ-I-Kardiakarzinomen ist die Therapie der Wahl die abdominozervikale oder thorakoabdominale subtotale Ösophagektomie mit proximaler Gastrektomie (Fundektomie) und thorakaler Lymphadenektomie sowie Lymphadenektomie des Kompartments II. Die Wiederherstellung der Passage erfolgt durch Bildung eines Magenschlauchs, der zervikal oder intrathorakal mit dem verbliebenen Ösophagus anastomosiert wird. Typ-II- und -III-Kardiakarzinome werden durch Gastrektomie mit distaler Ösophagusresektion und Lymphadenektomie der Kompartments I und II behandelt. Die Kontinuität der Nahrungspassage wird durch Interposition eines Roux-Y-Jejunumsegmentes erreicht ( 1 B-3.13). Bei fortgeschrittenen Tumoren kann statt distaler eine totale Ösophagusresektion erfolgen, dann allerdings mit Koloninterposition als Rekonstruktionsverfahren.
π Rekonstruktionstechniken nach Gastrektomie: Ziel der Operation ist, die Kontinuität der gastrointestinalen Passage wiederherzustellen. Zusätzlich werden 2 Rekonstruktionsprinzipien diskutiert, die die funktionellen Ergebnisse verbessern sollen: π Rekonstruktion mit Erhalt der gastroduodenalen Passage π Schaffung eines Reservoirs als Magenersatz. Die Ösophagojejunostomie mittels Roux-Y-Schlingenbildung ( 1 B-3.13 b) stellt die Kontinuität durch eine nach Roux-Y-isolierte Jejunumschlinge unter Aufhebung der duodenalen Speisepassage wieder her. Ein alternatives Rekonstruktionsprinzip ist die ösophagoduodenale Jejunuminterposition ( 1 B-3.13 a), die die duodenale Passage aufrechterhält. Beide Verfahren sind mit oder ohne Bildung eines Ersatzmagens (Pouch) durchführbar.
Rekonstruktionstechniken nach Gastrektomie: Ziel der Rekonstruktionen nach Gastrektomie ist es, die Kontinuität der gastrointestinalen Passage wiederherzustellen. Zusätzlich werden 2 Rekonstruktionsprinzipien diskutiert, die die funktionellen Ergebnisse verbessern sollen: π Rekonstruktion mit Erhalt der gastroduodenalen Passage und/oder π Schaffung eines Reservoirs als Magenersatz. Hieraus ergeben sich unterschiedliche Operationsverfahren, die in der Magenkarzinomchirurgie mit geringen technischen Variationen zur Anwendung kommen. Die Ösophagojejunostomie mittels Roux-Y-Schlingenbildung ( 1 B-3.13 b) gilt als technisch einfachstes Verfahren zur Rekonstruktion nach Gastrektomie. Die Kontinuität wird durch eine nach Roux-Y-isolierte Jejunumschlinge unter Aufhebung der duodenalen Speisepassage wiederhergestellt. Sie lässt sich mit oder ohne Bildung eines Ersatzmagens (Pouch) durchführen ( 1 B-3.13 c) und ist das in der Bundesrepublik am häufigsten durchgeführte Rekonstruktionsverfahren nach Gastrektomie. Ein alternatives Rekonstruktionsprinzip ist die ösophagoduodenale Jejunuminterposition ( 1 B-3.13 a), die die duodenale Passage aufrechterhält. Sie kann ebenfalls mit oder ohne Bildung eines Pouchs durchgeführt werden. π
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3.7.2 Maligne Magentumoren
1 B-3.13
Synopsis Rekonstruktionsverfahren nach Gastrektomie
a Ösophagoduodenale Jejunuminterposition.
b Ösophagojejunostomie mit Roux-Y-Schlinge.
Operationsverfahren, die die Duodenalpassage erlauben, sollen die nutritive Adaptation, Verfahren, die die Bildung eines Ersatzmagens ermöglichen, die funktionelle Adaptation des Patienten an die normale Nahrungsaufnahme nach der Operation vereinfachen. Bisher konnte jedoch der klinische Nutzen dieser theoretischen Ansätze, die zur Entwicklung solcher Rekonstruktionsprinzipien führten, weder in klinischen noch experimentellen Studien eindeutig nachgewiesen werden. n Merke. Bei jedem gastrektomierten Patienten fehlt – unabhängig vom Rekonstruktionsverfahren – postoperativ die Produktion von Intrinsic factor und Salzsäure. Deswegen bedürfen diese Patienten einer lebenslangen oralen Substitution von Pankreasfermenten und der Substitution von Vitamin B12.
c Jejunuminterposition mit Pouchbildung zwischen Ösophagus und Duodenum. Durch eine erhaltene Duodenalpassage soll die nutritive Adaptation, durch Ersatzmagenbildung die funktionelle Adaptation des Patienten an die normale Nahrungsaufnahme vereinfacht werden. Dies konnte bisher weder in klinischen noch experimentellen Studien eindeutig bestätigt werden. Merke
Komplikationen. Postoperativ kann es im Rahmen von Durchblutungsstö-
Komplikationen. Postoperativ kann es zur Entwicklung einer Anastomoseninsuffizienz besonders an der Ösophagojejunostomie oder zu einer Duodenalstumpfinsuffizienz kommen. Beide Komplikationen müssen ggf. operativ oder interventionell behandelt werden. Frühzeitige Anastomosenengen sind meist ödembedingt und entwickeln sich spontan zurück. Narbige Stenosen können meist endoskopisch bougiert werden.
Palliative Verfahren. Liegt ein lokal operables Magenkarzinom mit diffuser
Palliative Verfahren. Lokal operable Tumoren mit diffuser Fernmetastasierung sollten in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand reseziert werden. Bei lokal inoperablen Tumoren oder Patienten in schlechtem Allgemeinzustand, kann die enterale Ernährung durch Anlage einer Gastroenterostomie ermöglicht werden ( 1 B-3.14).
rungen im Anastomosenbereich zur Entwicklung von Anastomoseninsuffizienzen, besonders an der Ösophagojejunostomie kommen. Bei Verfahren nach Roux-Y ist die Ausbildung einer Duodenalstumpfinsuffizienz möglich. Beide Komplikationen müssen operativ oder interventionell (z.B. Platzierung eines Sonnenberg-Katheters zur Abszessdränage und Spülung) behandelt werden. Durch ödematöse Schwellung im Anastomosenbereich kann sich eine vorübergehende Anastomosenenge entwickeln. Entsteht eine Anastomosenstenose durch narbige Schrumpfung, so sollte primär eine endoskopische Bougierungsbehandlung eingeleitet werden.
Fernmetastasierung vor, so ist in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand des Patienten die Resektion zu diskutieren, da durch die Entfernung des Magentumors die Lebensqualität verbessert werden kann (Vermeidung von Obstruktion oder chronischen Blutverlusten). Ist der Tumor jedoch lokal inoperabel oder der Patient in einem zu schlechten Allgemeinzustand für eine Gastrektomie, so kann die enterale Ernährung gegebenenfalls durch die Anlage eine Gastroenterostomie proximal der Tumorstenose gewährleistet werden ( 1 B-3.14).
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3 Magen und Duodenum
Alternativ zur Gastroenterostomie ist die endoskopische Tumorverkleinerung möglich. Bei Kardiatumoren, die den Mageneingang stenosieren, kann außerdem die endoskopische Platzierung von endoösophagealen Tuben, die Anlage einer PEG oder als Ultima ratio einer Witzel-Fistel erwogen werden (s. Kap. B-13.6). Bei irresektablen Tumoren kann in Einzelfällen erwogen werden, die Tumorprogredienz durch eine Polychemotherapie und Bestrahlung aufzuhalten oder zu verlangsamen.
1 B-3.14
Alternativ hierzu ist die endoskopische Verkleinerung der Tumormasse durch endoskopische Laser- oder Schlingenabtragung möglich. Bei Kardiatumoren, die den Mageneingang stenosieren oder zu stenosieren drohen, kann außerdem die endoskopische Platzierung von endoösophagealen Tuben, selbstexpandierender Stents oder die Einlage einer Ernährungssonde durch die Bauchhaut in den Magen erwogen werden. Während diese Ernährungssonden früher operativ gelegt wurden (Witzel-Fistel), wird heute die endoskopische Applikation in Form einer PEG (Perkutan-endoskopische Gastrostomie) bevorzugt (s. Kap. B-13.6). Bei irresektablen Tumoren kann im Einzelfall ein Versuch indiziert sein, die Tumorprogredienz durch eine Polychemotherapie (z.B. 5-FU, BCNU oder FAMTX) und Bestrahlung mit schnellen Elektronen oder Neutronen aufzuhalten oder zu verlangsamen.
Synopsis Gastroenterostomie als Palliativverfahren
a Hintere antekolische Gastroenterostomie mit Braun-Fußpunkt-Anastomose.
b Hintere retrokolische Gastroenterostomie mit Braun-Fußpunkt-Anastomose.
Durch die Gastroenterostomie kann die Tumorstenose umgangen und eine enterale Ernährung ermöglicht werden. Prognose. Die perioperative Letalität der subtotalen Magenresektion beträgt bis zu 5 %, die einer Gastrektomie bis zu 10 %. Auch nach Gastrektomie ist eine soziale wie berufliche Reintegration in das Alltagsleben möglich. Die 5-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit Magenkarzinomen korreliert eng mit dem TNM-Stadium. Liegt ein Frühkarzinom vor, beträgt die mittlere 5-Jahres-Überlebensrate 90 %, bei auf die Mukosa beschränkten Tumoren sogar 100 %. Bei fortgeschrittenen Tumoren nur ca. 10–15 %. Merke
Prognose. Die perioperative Letalität einer subtotalen Magenresektion liegt
bei bis zu 5 %, die einer Gastrektomie bei bis zu 10 %. Bei dauerhafter Tumorfreiheit, adäquater diätetischer Beratung und entsprechender Umstellung der Essgewohnheiten ist auch für Patienten, die sich einer Gastrektomie unterziehen mussten, eine soziale und berufliche Reintegration möglich. Die 5-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit Magenkarzinomen korreliert eng mit der lokalen Tumorausdehnung, dem Lymphknotenbefall und der Fernmetastasierung. Liegt ein Frühkarzinom vor, so beträgt die mittlere 5-Jahres-Überlebensrate 90 %, bei auf die Mukosa beschränkten Tumoren sogar 100 %. Patienten mit fortgeschrittenen Tumoren sind zum Zeitpunkt der Diagnose in nur noch 45–50 % der Fälle mit kurativer Intention operabel. Nur ca. 10–15 % überleben die Diagnosestellung 5 Jahre. n Merke. Nur durch frühzeitige Diagnosestellung ist die Zahl der kurativ behandelten Patienten mit Magenkarzinom deutlich zu erhöhen. Ziel der Bemühungen muss es sein, das Intervall zwischen Auftreten der ersten Symptome und der Diagnosestellung durch zielgerichtete, frühzeitig einsetzende Diagnostik (Gastroskopie) zu verkürzen!
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3.8.2 Maligne Duodenaltumoren
3.8
Tumoren des Duodenums
3.8
3.8.1
Benigne Duodenaltumoren
3.8.1 Benigne Duodenaltumoren
Tumoren des Duodenums
Gutartige Tumoren des Duodenums sind Raritäten. Es handelt sich dabei um Brunnerinome, Adenome, Myome, Myofibrome und Gastrinome, die als versprengte Pankreasgewebsanteile vorkommen können.
Gutartige Tumoren des Duodenums sind Raritäten. Es handelt sich dabei um Brunnerinome, Adenome, Myome, Myofibrome und Gastrinome.
Symptome. Typisch sind Blutungen, kolikartige Schmerzen oder eine Cho-
Symptome. Typisch sind Blutungen, kolikartige Schmerzen oder eine Cholestase.
Diagnose. Zur Diagnosestellung erfolgt eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD), bei der gegebenenfalls in gleicher Sitzung die endoskopische Abtragung vorgenommen wird.
Diagnose. Eine ÖGD sichert die Diagnose.
Therapie. Ist der Prozess endoskopisch nicht entfernbar und macht klinisch
Therapie. Therapie der Wahl ist die endoskopische Abtragung, sonst erfolgt nach Duodenotomie die Exzision oder Papillektomie und Gangneuimplantation. Eine Duodenopankreatektomie ist nur bei Tumoren mit erheblicher Ausdehnung sowie fraglicher Dignität indiziert.
lestase durch Obstruktion der Papilla Vateri.
relevante Beschwerden, so sollte er mittels einer Duodenotomie und Exzision oder in Papillennähe durch Papillektomie und Neuimplantation von Gallen- und Pankreasgang entfernt werden. Eine Duodenopankreatektomie ist nur bei großen Tumoren und erheblicher klinischer Symptomatik sowie fraglicher Dignität (z.B. bei großen villösen Adenomen) indiziert.
3.8.2
Maligne Duodenaltumoren
3.8.2 Maligne Duodenaltumoren
Primäre maligne Tumoren (Karzinome oder Sarkome) des Duodenums sind ebenfalls sehr selten. Häufiger werden Infiltrationen der duodenalen Hinterwand durch Pankreaskopfkarzinome beobachtet.
Primäre maligne Tumoren des Duodenums sind sehr selten. Häufiger werden Infiltrationen durch Pankreaskopfkarzinome beobachtet.
Symptome. Bei vorwiegend intraluminärem Wachstum kann es zur Magenausgangsstenose mit typischem rezidivierendem Erbrechen kurz nach der Nahrungsaufnahme kommen. Liegt der Tumor in Papillennähe, ist die Ausbildung einer Cholestase oder Pankreatitis durch Gallengang- oder Pankreasgangobstruktion möglich.
Symptome. Es kann zur Magenausgangsstenose, Cholestase oder Pankreatitis kommen.
Diagnose. Die Diagnose wird durch eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie
Diagnose. Sie wird durch eine ÖGD gestellt und durch die Biopsie gesichert. Bei Tumoren der Papillenregion sollte eine ERCP zum Ausschluss eines Pankreaskopftumors erfolgen. Endosonographie oder CT ermöglichen die Beurteilung der Tumorausdehnung und der Lymphknoteninvasion. Therapie. Bei proximaler Lokalisation erfolgt eine partielle Duodenopankreatektomie, bei distaler eine Segmentresektion (s. Kap. B-11). Bei Inoperabilität sollte eine Dränage des Ductus choledochus und/oder Ductus pancreaticus durch einen Stent mittels einer ERCP oder PTCD veranlasst werden. Alternativ ist die Anlage einer biliodigestiven Anastomose in Kombination mit einer Gastroenterostomie möglich.
(ÖGD) gestellt und durch die Biopsie gesichert. Bei Tumoren in der Papillenregion sollte eine ERCP zum Ausschluss eines Pankreaskopftumors durchgeführt werden. Endosonographisch oder durch Oberbauch-CT kann die extramurale Tumorausdehnung und Lymphknoteninvasion beurteilt werden.
Therapie. Ist der Tumor im proximalen Duodenum lokalisiert, erfolgt eine
partielle Duodenopankreatektomie nach Whipple. Liegt er nahe an der Flexura duodenojejunalis, kann evtl. eine Segmentresektion durchgeführt werden (s. Kap. B-11). Bei Inoperabilität kann eine Cholestase oder Pankreatitis durch die Einlage von Kathetern in den Ductus choledochus und/oder Ductus pancreaticus im Rahmen einer ERCP behandelt werden. Ist die Papille bei der ERCP nicht mehr sondierbar und liegt ein Ikterus vor, ist die operative Anlage einer biliodigestiven Anastomose, dann in Kombination mit einer Gastroenterostomie zur Prophylaxe einer Magenausgangsstenose möglich. Alternativ kann eine PTCD (perkutane transhepatische Choledochus-Dränage) vorgenommen werden.
Prognose. Die perioperative Letalität der partiellen Duodenopankreatektomie liegt bei 0–15 %, wobei nur in 10–20 % der Fälle eine 5-Jahres-Heilung erreicht werden kann.
Prognose. Die Letalität der partiellen Duodenopankreatektomie liegt bei 0–15 % bei einer 5-Jahres-Heilung von 10–20 %.
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3 Magen und Duodenum
3.9
3.9
Syndrome nach Operationen am Magen
Syndrome nach Operationen am Magen Operative Eingriffe am Magen führen stets zu grundlegenden Änderungen in der Physiologie und Anatomie des oberen Gastrointestinaltraktes. In ca. 70–90 % der Fälle tritt nach einer vorübergehenden Adaptationsphase ein Zustand ohne subjektive Beschwerden ein. Bei 10–20 % kommt es zu einer Persistenz von leichten Beschwerden wie Völlegefühl, Diarrhöen, Gewichtsverlust, Steatorrhö, Anämie oder Stoffwechselstörungen. Bis zu 10 % der Patienten klagen über erhebliche Störungen.
Operative Eingriffe am Magen führen stets zu grundlegenden Änderungen in der Physiologie und nach Resektionen auch in der Anatomie des oberen Gastrointestinaltrakts. In ca. 70–90 % der Fälle tritt nach Vagotomie oder Magenteilresektion nach einer vorübergehenden Adaptationsphase eine subjektive klinische Beschwerdefreiheit ein. Bei 10–20 % der operierten Patienten kommt es zu einer Persistenz von leichten Beschwerden, die auch episodenhaft auftreten können. Zu diesen leichten Symptomen zählen Völlegefühl, Diarrhöen, Gewichtsverlust, Steatorrhöe, Anämie oder Kalziumstoffwechselstörungen. Bis zu 10 % der Patienten klagen postoperativ über erhebliche Störungen des Wohlbefindens. Die Krankheitsbilder werden unter dem Überbegriff »Syndrome des operierten Magens« subsummiert.
3.9.1
3.9.1
Frühdumpingsyndrom
Frühdumpingsyndrom
Pathogenese. Nach Magenteilresektionen, insbesondere nach Billroth II oder Roux-Y kommt es zu einem raschen Übertritt von unverdünntem hyperosmolarem Speisebrei in das Jejunum. Zum Konzentrationsausgleich erfolgt der Übertritt von Flüssigkeit in das Darmlumen. Dies kann zu einem orthostatischen Kollaps führen.
Pathogenese. Nach Magenteilresektionen, insbesondere nach Billroth II oder Roux-Y kommt es aufgrund des fehlenden Verschlussmechanismus zum Intestinum zu einem raschen Übertritt von unverdünntem und somit hyperosmolarem Speisebrei in das Jejunum. Durch das Konzentrationsgefälle zum Blut erfolgt zum Konzentrationsausgleich der Übertritt von Flüssigkeit aus dem Intravasalraum in das Darmlumen. Hierdurch kann dem Organismus bis zu 20 % des zirkulierenden Plasmavolumens entzogen werden. Dies kann zu einem orthostatischen Kreislaufkollaps führen.
Symptome. Innerhalb von 30 min nach Nahrungsaufnahme kommt es zu Übelkeit und vermehrtem Schwitzen, bis hin zum Kollaps.
Symptome. Innerhalb 30 Minuten nach Nahrungsaufnahme (besonders bei hyperosmolaren Lösungen wie Süßspeisen, Bouillon, Zucker, Milch) kommt es zu Übelkeit und vermehrtem Schwitzen, bis hin zum Kollaps.
Diagnose. Nach Gastroskopie zum Ausschluss anderer Erkrankungen wird die Diagnose durch eine MDP oder eine Isotopen-Testmahlzeit mit Bestimmung der Magenentleerungszeit gestellt.
Diagnose. Eine Gastroskopie dient zum Ausschluss anderer Erkrankungen als Ursache der geklagten Beschwerden. Der Beweis für das Vorliegen eines Frühdumping erfolgt durch eine Magen-Darm-Passage (MDP) oder einer isotopenmarkierten Testmahlzeit, bei denen die Magenentleerungszeit bestimmt wird.
Therapie. Primär sollten Süßigkeiten und stark zuckerhaltige Speisen ebenso wie Milchprodukte vermieden werden und in Form häufigerer kleinerer Mahlzeiten mit Trennung von fester und flüssiger Nahrungsaufnahme erfolgen. Ansonsten ist die operative Umwandlung in ein Rekonstruktionsverfahren nach Billroth I vorzunehmen, oder alternativ eine Jejunuminterposition oder eine Reservoirbildung durchzuführen.
Therapie. Primär sollte ein Therapieversuch mit Umstellung der Ernährungsgewohnheiten durchgeführt werden. Dabei sind Süßigkeiten und stark zuckerhaltige Speisen ebenso wie Milchprodukte zu vermeiden. Die Nahrungsaufnahme sollte in Form häufigerer kleinerer Mahlzeiten unter Trennung von fester und flüssiger Nahrungsaufnahme erfolgen. Gelingt es hiermit nicht, eine deutliche Besserung zu erreichen, so ist die operative Umwandlung in ein Rekonstruktionsverfahren nach Billroth I durchzuführen. Die Umwandlung eines Billroth-II-Magens in einen Billroth-I-Magen ist allerdings technisch oft nicht durchführbar, weshalb als Ausweichverfahren die Interposition von Jejunum (Gastro-Jejuno-Duodenostomie) oder die Reservoirbildung bei nach Roux-Y operierten Mägen zur Verfügung stehen.
3.9.2
3.9.2
Spätdumpingsyndrom
Spätdumpingsyndrom
Pathogenese. Aus dem Dünndarm wird proportional mehr Glukose je Zeiteinheit in das portale Blutsystem aufgenommen, was zur vermehrten Insulinausschüttung führt. Daraus resultiert eine Hyperinsulinämie, gefolgt von extremen Blutzuckerschwankungen mit anfänglichen Hyperglykämien und anschließenden Hypoglykämien.
Pathogenese. Da die Speise aus dem Restmagen in größeren Mengen
Symptome. Typisch sind Übelkeit, Herzrasen, Schwindel und Synkopen 2–3 h postprandial.
Symptome. Typisch für das Spätdumping sind Übelkeit, Herzrasen, Schwindel und Synkopen 2–3 Stunden postprandial.
schneller an den nachfolgenden Dünndarm weitergegeben wird, als es bei einem funktionierenden Pylorus der Fall wäre, wird aus dem Dünndarm proportional mehr Glukose je Zeiteinheit in das portale Blutsystem aufgenommen. Die hierdurch ausgelöste vermehrte Insulinausschüttung führt ca. 2–3 Stunden nach Nahrungsaufnahme zu einer Hyperinsulinämie, die zu extremen Blutzuckerschwankungen führt. Anfänglich treten Hyperglykämien auf, auf die hypoglykämische Phasen folgen.
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353
3.9.4 Schlingensyndrome
Diagnose. Die Diagnose wird durch die Bestimmung der Blutzuckerwerte
Diagnose. Die Diagnose wird durch Blutzuckerbestimmung gestellt.
Therapie. Die Behandlung erfolgt in erster Linie analog zum Frühdumping diätetisch. Bei Beschwerdenpersistenz ist auch hier die Umwandlungsoperation angezeigt.
Therapie. Die Behandlung erfolgt in erster Linie analog zum Frühdumping diätetisch, bei Beschwerdepersistenz operativ.
im Rahmen eines Glukosebelastungstestes gestellt.
3.9.3
Postvagotomie-Syndrom
3.9.3 Postvagotomie-Syndrom
Pathogenese. Durch die Denervierung des Magens im Rahmen einer selektivproximalen Vagotomie (SPV), besonders in Verbindung mit einer zirkulären Myotomie des Ösophagus, kommt es unmittelbar postoperativ zu einer Funktionsstörung der Kardia mit Motilitätsverlust. Weiterhin können Magenentleerungsstörungen auftreten, besonders bei iatrogener zu weit nach distal geführter Vagotomie.
Pathogenese. Durch die Denervierung des Magens bei einer SPV kommt es postoperativ zu einer Funktionsstörung der Kardia mit Motilitätsverlust.
Symptome. Es kann – meist vorübergehend – zur Ausbildung von Dyspha-
Symptome. Meist vorübergehend können Dysphagie- und Refluxbeschwerden auftreten. Nach trunkulärer Vagotomie kann durch Störung der parasympathischen Innervation eine Beschleunigung der Darmpassage, Störung des Gallensäurenstoffwechsels und Änderung der Bakterienflora auftreten. Dies kann zu persistierenden Diarrhöen mit Gewichtsverlusten führen. Bei Patienten mit selektiv gastraler Vagotomie sind diese Beschwerden seltener. Diagnostik. Ausschluss anderer Ursachen durch Gastroskopie und MDP.
gie- und Refluxbeschwerden kommen. Wurde eine trunkuläre Vagotomie durchgeführt, ist zusätzlich die parasympathische Innervation des Dünndarms und der Leber unterbrochen, sodass es zu einer Beschleunigung der Darmpassage evtl. in Kombination mit einer Störung des Gallensäurenstoffwechsels und Änderung der intestinalen Bakterienflora kommt. Dies führt bei 20–30 % der Patienten nach trunkulärer Vagotomie zu persistierenden Diarrhöen mit Gewichtsverlusten. Bei Patienten mit selektiv gastraler Vagotomie sind diese Beschwerden wesentlich seltener.
Diagnostik. Da das Postvagotomie-Syndrom eine Ausschlussdiagnose dar-
stellt, sollten durch eine Gastroskopie und Magen-Darm-Passage (MDP) andere postoperative Syndrome als Ursachen der geklagten Beschwerden ausgeschlossen werden.
Therapie. Einen kausalen Therapieansatz gibt es nicht. Im Vordergrund ste-
hen symptomatische Maßnahmen wie Ernährungsumstellung und Gabe von Diphenoxylat (ReasecQ), Loperamid oder bei chologenen Diarrhöen Cholestyramin zur Reduktion der Diarrhö.
3.9.4
Schlingensyndrome
Therapie. Es stehen symptomatische Maßnahmen wie Ernährungsumstellung, Gabe von Diphenoxylat (Reasec Q ), Loperamid oder bei chologenen Diarrhöen Cholestyramin im Vordergrund. 3.9.4 Schlingensyndrome
Bei den Schlingensyndromen handelt es sich um spezifische Folgeerkrankungen nach Billroth-II-Resektion. Es werden das Syndrom der zuführenden Schlinge von dem der abführenden Schlinge unterschieden.
Bei den Schlingensyndromen handelt es sich um spezifische Folgeerkrankungen nach Billroth-II-Resektion.
Syndrom der zuführenden Schlinge
Syndrom der zuführenden Schlinge
Pathogenese. Durch eine meist technisch-operativ bedingte Stenosierung
Pathogenese. Durch eine Stenosierung der zuführenden Schlinge im Bereich der Gastrojejunostomie kommt es zur Stase und Abflussbehinderung mit Keimbesiedlung. Tritt nur nach B-II-Rekonstruktion ohne Braun-Fußpunktanastomose auf.
Symptome. Das Syndrom der zuführenden Schlinge ist heute selten, da die
Symptome. Typisch sind Inappetenz, Völlegefühl, plötzliches Erbrechen und Diarrhöen.
Diagnostik. Durch die Gastroskopie kann die Diagnose gesichert werden.
Diagnostik. Die Diagnose wird durch Gastroskopie gesichert.
Therapie. Die Methode der Wahl ist die Umwandlung des nach Billroth II
Therapie. Die Umwandlungsoperation von Billroth II nach Roux-Y oder Billroth I
der zuführenden Schlinge im Bereich der Gastrojejunostomie, seltener durch Motilitätsstörungen kommt es zur Stase und Abflussbehinderung. Darauf pfropft sich eine Keimbesiedlung des keimarmen Darmsegments auf. Das Syndrom kann nur bei einer B-II-Rekonstruktion ohne Braun-Fußpunktanastomose auftreten.
distale 2⁄3-Resektion mit Rekonstruktion nach Billroth II heute kaum noch durchgeführt wird. Die Patienten klagen über zunehmende Inappetenz, Völlegefühl, plötzliches Erbrechen und Diarrhöen.
operierten Magens in eine Rekonstruktion nach Roux-Y oder Billroth I. Ist
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3 Magen und Duodenum
ist die Methode der Wahl. Bei Risikopatienten kann alternativ eine BraunFußpunktanastomose als minimale Behandlungsmethode angelegt werden.
dies technisch nicht möglich oder ist der Patient ein Risikopatient, der einen längeren Eingriff nicht ohne erhebliche Gefährdung überstehen würde, so ist die Anlage einer Braun-Fußpunktanastomose als minimale Behandlungsmethode möglich.
Syndrom der abführenden Schlinge
Syndrom der abführenden Schlinge
Pathogenese. Hier liegt eine Abknickung, Anastomosenstenose oder Invagination mit Entleerungsstörung des Restmagens zugrunde.
Pathogenese. Diesem postoperativen Syndrom liegen eine Abknickung, Anastomosenstenose oder selten auch Invagination zugrunde. Sie führen zu einer Entleerungsstörung des Restmagens.
Symptome. Die klinischen Erscheinungen ähneln denen des Syndroms der zuführenden Schlinge.
Symptome. Die klinischen Erscheinungen ähneln mit Völlegefühl, Appetitlosigkeit, Inappetenz und Erbrechen denen des Syndroms der zuführenden Schlinge.
Diagnose. Durch Endoskopie und MDP läßt sich die Diagnose einfach stellen.
Diagnose. Durch Endoskopie und Magen-Darm-Passage (MDP) (radiolo-
Therapie. Die Umwandlung des Billroth-II- in einen Billroth-I-Magen stellt die beste Behandlungsmethode dar. Bei Risikopatienten ist die endoskopische Bougierung möglich.
Therapie. Die Umwandlung des Billroth-II-Magens in einen nach Roux-Y oder Billroth I rekonstruierten Magen stellt die beste Behandlungsmethode dar. Alternativ kann bei Risikopatienten der Versuch der endoskopischen Bougierung der Stenose unternommen werden.
3.9.5
3.9.5
Magenstumpfkarzinom
Definition
gisch typisch: Magenektasie) lässt sich die Diagnose einfach stellen.
Magenstumpfkarzinom
n Definition. Ein Karzinom, das Jahre nach einer Magenteilresektion nach Billroth II wegen eines primär gutartigen Leidens im Magenrest entsteht, wird als Magenstumpf- oder Anastomosenkarzinom bezeichnet.
Pathogenese. Magenteilresezierte Patienten haben eine höhere Disposition zur Entwicklung eines Magenkarzinoms als die Normalpopulation. Als Ursache werden chronische Schleimhautveränderungen, vermehrter Gallereflux, veränderte bakterielle Besiedelung und Anazidität diskutiert.
Pathogenese. Vergleicht man die Disposition für die Entstehung eines
Symptome. Die Symptome ähneln denen des Magenkarzinoms und treten typischerweise 15–20 Jahre nach der Magenteilresektion auf. Deshalb sollten Patienten nach Magenteilresektion ab dem 15. Jahr post operationem jährlich gastroskopiert werden. Diagnostik Sie entspricht der bei primären Magenkarzinomen. Therapie. Bei operablem Befund sollte eine Gastrektomie mit radikaler Lymphadenektomie angestrebt werden. Alternativ können palliative Maßnahmen angewandt werden.
Symptome. Die Symptome ähneln denen des Magenkarzinoms. Typischer-
Therapie. Ist der Tumor operabel und der Patient in einem operablen Allgemeinzustand, sollte eine Restgastrektomie mit radikaler Lymphadenektomie angestrebt werden. Wenn diese nicht durchführbar ist, können palliative Maßnahmen wie beim Magenkarzinom angewandt werden.
3.9.6
3.9.6
Rezidivulkus
Definition
Magenkarzinoms einer Normalpopulation mit der von magenteilresezierten Patienten, so zeigt sich eine erhöhte Inzidenz der Magenkarzinome bei den Magenresezierten. Bei nach Billroth II operierten Patienten ist die Inzidenz von Magenkarzinomen z.B. um das 3fache erhöht. Dies wird durch chronische Schleimhautveränderungen, vermehrten Gallereflux, veränderte bakterielle Besiedlung und Anazidität erklärt, wobei der genaue pathogenetische Zusammenhang noch nicht vollständig aufgeklärt ist.
weise treten Stumpfkarzinome erst 15–20 Jahre nach der Magenteilresektion auf, weshalb Patienten nach Magenteilresektion ab dem 15. Jahr post operationem jährlich gastroskopiert werden sollten. Nur so ist ein Stumpfkarzinom frühzeitig diagnostizierbar und somit kurabel.
Diagnostik. Sie entspricht der bei primären Magenkarzinomen.
Rezidivulkus
n Definition. Bei einem Rezidivulkus handelt es sich um das Wiederauftreten des Geschwürleidens im postoperativen Verlauf nach einer Ulkusoperation.
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3.9.7 Ulcus pepticum jejuni Die Häufigkeit von Rezidivulzera ist abhängig von der Primärlokalisation des Ulkus und der Art der operativen Ulkustherapie. So sind Ulkusrezidive bei Duodenalulzera häufiger als nach Ulcera ventriculi und treten nach Vagotomie häufiger wieder auf als nach Magenresektionen.
Ulkusrezidive sind bei Duodenalulzera häufiger als nach Ulcera ventriculi und treten nach Vagotomie häufiger wieder auf als nach Magenresektionen.
Pathogenese. Als Ursachen für Rezidivulzera werden mangelhafte Reduktion der Säuresekretion durch inkomplette Vagotomie oder ein unzureichendes Resektionsausmaß mit zu großem verbliebenem Restmagen angeführt. Außerdem können Stenosierungen an der Anastomose durch narbige Schrumpfung oder technische Fehler sowie funktionelle Pylorusstenosen bei akzidenteller Durchtrennung des motorischen Vagusastes bei der selektiven proximalen Vagotomie (SPV) ursächlich sein. Sie führen zu einer Passagebehinderung mit Überdehnung des Magens und vermehrter Gastrinfreisetzung. Ein anderer Pathomechanismus wird durch am Duodenalstumpf belassene Antrumreste nach Rekonstruktionen nach Billroth II oder Roux-Y in Gang gesetzt. Die Antrumschleimhaut trägt G-Zellen, die ungehemmt Gastrin freisetzen und so zur Entstehung von Rezidivulzera führen können. Wird ein Rezidivulkus diagnostiziert, so ist in jedem Fall eine extragastrale Ursache auszuschließen. Hier kommen in erster Linie das Zollinger-EllisonSyndrom, ein Hyperparathyreoidismus oder Nebennierenrindentumoren in Frage.
Pathogenese. Als Ursachen für Rezidivulzera werden mangelhafte Reduktion der Säuresekretion durch inkomplette Vagotomie, ein zu großer Restmagen, Stenosierungen oder am Duodenalstumpf belassene Antrumreste angeführt.
Symptome. Die klinischen Beschwerden ähneln im Wesentlichen denen des
Symptome. Die klinischen Beschwerden ähneln denen des primären Ulkus. Nach Vagotomie kann das klinische Bild beschwerdearm sein, da die afferenten sensorischen Vagusfasern des Magens bei der Operation durchtrennt wurden.
Diagnose. Die Diagnose wird durch eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie
Diagnose. Sie wird durch eine ÖGD mit Biopsie gestellt. Ein Zollinger-EllisonSyndrom wird durch einen Pentagastrintest (s. Kap. B-3.2.4), ein Hyperparathyreoidismus oder Nebennierenrindentumoren durch endokrinologische Diagnostik nachgewiesen.
Therapie. Durch konservative Behandlungsmaßnahmen (s. S. 334ff.) lassen
Therapie. Die konservative Therapie führt zur Ausheilung von ca. 50 % aller Rezidivulzera. Bei Therapieresistenz oder Komplikationen ist eine operative Reintervention indiziert. In Abhängigkeit von der Voroperation und dem aktuellen Befund ist eine Revagotomie, eine trunkuläre Vagotomie, eine Nachresektion oder eine Umwandlungsoperation möglich.
primären Ulkus (Oberbauchschmerz, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsabnahme), jedoch kann nach einer Vagotomie das klinische Bild beschwerdearm bis -frei sein. Die Ursache dafür ist in der Unterbindung der afferenten sensorischen Vagusfasern des Magens durch die Vagotomie zu sehen.
(ÖGD) mit Biopsie gestellt. Ein Pentagastrintest (s. Kap. B-3.2.4) dient zum Ausschluss eines Zollinger-Ellison-Syndroms. Einen Hyperparathyreoidismus oder Nebennierenrindentumoren kann man durch entsprechende endokrinologische Diagnostik nachweisen.
sich ca. 50 % aller Rezidivulzera zur Ausheilung bringen. Deshalb ist ein konservativer Therapieversuch angezeigt, sofern keine narbigen Stenosen mit der Symptomatik einer Magenausgangsstenose vorliegen. Lediglich bei Therapieresistenz oder dem Auftreten von Komplikationen (Stenose, Blutung, Perforation, Penetration, Fistelung) ist eine operative Reintervention indiziert. In solchen Fällen ist in Abhängigkeit von der Voroperation und dem aktuellen Befund eine Revagotomie, eine trunkuläre Vagotomie, eine Nachresektion oder eine Umwandlungsoperation möglich (s. S. 335ff.).
3.9.7
Ulcus pepticum jejuni
Bei jedem Rezidivulkus sind extragastrale Ursachen (Zollinger-EllisonSyndrom, Hyperparathyreoidismus, Nebennierenrindentumoren) auszuschließen.
3.9.7
Ulcus pepticum jejuni
Pathogenese. Wenn bei einem Billroth-II-Magen oder Roux-Y-Magen die
Pathogenese. Bei unzureichender Säurereduktion nach Billroth-II- oder Roux-Y-Resektion kommt es zur vermehrten Säurebelastung der jejunalen Schleimhaut mit Ausbildung eines peptischen Ulkus an der Anastomose.
Symptome. Das Ulcus pepticum jejuni erzeugt ähnliche Beschwerden wie ein primäres Magenulkus oder ein Rezidivulkus. Komplikationen sind Magenentleerungsstörungen, Bluterbrechen, Teerstühle und auch Diarrhöen. Bei kurz nach der Mahlzeit auftretenden Durchfällen, evtl. gepaart mit der Ausscheidung nicht oder nur unzureichend verdauter Nahrung, muss an das Vorliegen einer gastrojejunokolischen Fistel gedacht werden.
Symptome. Das Ulcus pepticum jejuni erzeugt Beschwerden wie ein primäres Magenulkus. Komplikationen sind Magenentleerungsstörungen, Bluterbrechen, Teerstühle und Diarrhöen. Bei kurz nach der Mahlzeit auftretenden Durchfällen muss an eine gastrojejunokolische Fistel gedacht werden.
Säuresekretion nicht ausreichend reduziert wurde (zu großer Restmagen), kommt es zum ständigen Kontakt des sauren Magensekrets mit jejunaler Schleimhaut. Dadurch kann es zur Schädigung dieser Schleimhaut mit Ausbildung eines peptischen Ulkus – typischerweise an der Anastomose – kommen.
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3 Magen und Duodenum
Diagnose. Das Ulkus wird endoskopisch, eine Fistel wird durch eine MDP dargestellt. Therapie Nachresektion mit proximaler gastraler Vagotomie.
Diagnose. Das Ulkus kann endoskopisch erkannt und bioptisch gesichert
3.9.8
3.9.8
Refluxgastritis
werden, eine Fistel wird durch eine Magen-Darm-Passage (MDP) dargestellt.
Therapie. Liegen keine Kontraindikationen vor, ist eine Nachresektion mit proximaler gastraler Vagotomie indiziert.
Refluxgastritis
Pathogenese. Durch Funktionsverlust des Pylorus kommt es zu einem verstärkten duodenogastralen Reflux. Die akute Schädigung führt zu einer erythemartigen oberflächlichen Gastritis. Die chronische Einwirkung wird u.a. für die Entstehung der chronisch atrophen Gastritis des Restmagens oder des Stumpfkarzinoms verantwortlich gemacht.
Pathogenese. Nach resektiven Mageneingriffen ist die Refluxbarriere »Pylo-
Symptome. Die Refluxgastritis ist meist asymptomatisch, kann sich aber auch in Form von Völlegefühl, galligem Erbrechen und Inappetenz äußern.
Symptome. Die klinischen Beschwerden der Refluxgastritis sind uncharakteristisch. Sie ist meist asymptomatisch, kann sich aber auch in Form von Völlegefühl, galligem Erbrechen und Inappetenz äußern.
Diagnose. Zur Diagnosestellung ist eine ÖGD, MDP und evtl. eine biochemische Analyse des Magensafts erforderlich.
Diagnose. Zur Diagnosestellung ist eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie
Therapie. Die konservative Therapie erfolgt mit Medikamenten, die die propulsive Magenperistaltik und somit die antegrade Magenentleerung fördern oder mit Antazida, die den alkalischen Reflux neutralisieren können. Bei Versagen der konservativen Therapie kann durch Roux-YGastroenterostomie der Kontakt des Duodenalsafts mit der Magenschleimhaut weitgehend vermieden werden.
Therapie. Zuerst sollte ein Therapieversuch mit Medikamenten durchge-
rus« für den alkalischen Duodenalsaft verloren. Dadurch kommt es zu einem verstärkten duodenogastralen Reflux, der zu einer Steigerung der Exposition der Magenschleimhaut mit Gallensäuren und Lysolezithin führt. Die akute Schädigung erzeugt im Restmagen eine erythemartige oberflächliche Gastritis, die in den meisten Fällen nur endoskopisch nachweisbar ist. Die chronische Einwirkung dieser Noxen wird u. a. mit für die Entstehung der chronisch atrophen Gastritis des Restmagens oder des Stumpfkarzinoms verantwortlich gemacht.
(ÖGD) (endoskopische Zeichen einer Gastritis, Ausschluss einer anderen Erkrankung), Magen-Darm-Passage (MDP) (Reflux von Kontrastmittel in den Magen) und eine biochemische Analyse des Magensafts (Gehalt an Gallensäuren und Lysolezithin) erforderlich.
führt werden, die die propulsive Magenperistaltik und somit die antegrade Magenentleerung fördern. Zu diesen Medikamenten gehört z.B. das Metoclopramid (z.B. PaspertinQ). Außerdem ist die Verordnung von Antazida sinnvoll, die den alkalischen Reflux neutralisieren können (AluminiumMagnesiumantazida wie z.B. RiopanQ oder MaaloxQ). Gelingt es hiermit nicht, eine Besserung zu erreichen, kann durch die Roux-Y-Gastroenterostomie der Kontakt des Duodenalsafts mit der Magenschleimhaut weitgehend vermieden werden.
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3 Magen und Duodenum
Diagnose. Das Ulkus wird endoskopisch, eine Fistel wird durch eine MDP dargestellt. Therapie Nachresektion mit proximaler gastraler Vagotomie.
Diagnose. Das Ulkus kann endoskopisch erkannt und bioptisch gesichert
3.9.8
3.9.8
Refluxgastritis
werden, eine Fistel wird durch eine Magen-Darm-Passage (MDP) dargestellt.
Therapie. Liegen keine Kontraindikationen vor, ist eine Nachresektion mit proximaler gastraler Vagotomie indiziert.
Refluxgastritis
Pathogenese. Durch Funktionsverlust des Pylorus kommt es zu einem verstärkten duodenogastralen Reflux. Die akute Schädigung führt zu einer erythemartigen oberflächlichen Gastritis. Die chronische Einwirkung wird u.a. für die Entstehung der chronisch atrophen Gastritis des Restmagens oder des Stumpfkarzinoms verantwortlich gemacht.
Pathogenese. Nach resektiven Mageneingriffen ist die Refluxbarriere »Pylo-
Symptome. Die Refluxgastritis ist meist asymptomatisch, kann sich aber auch in Form von Völlegefühl, galligem Erbrechen und Inappetenz äußern.
Symptome. Die klinischen Beschwerden der Refluxgastritis sind uncharakteristisch. Sie ist meist asymptomatisch, kann sich aber auch in Form von Völlegefühl, galligem Erbrechen und Inappetenz äußern.
Diagnose. Zur Diagnosestellung ist eine ÖGD, MDP und evtl. eine biochemische Analyse des Magensafts erforderlich.
Diagnose. Zur Diagnosestellung ist eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie
Therapie. Die konservative Therapie erfolgt mit Medikamenten, die die propulsive Magenperistaltik und somit die antegrade Magenentleerung fördern oder mit Antazida, die den alkalischen Reflux neutralisieren können. Bei Versagen der konservativen Therapie kann durch Roux-YGastroenterostomie der Kontakt des Duodenalsafts mit der Magenschleimhaut weitgehend vermieden werden.
Therapie. Zuerst sollte ein Therapieversuch mit Medikamenten durchge-
rus« für den alkalischen Duodenalsaft verloren. Dadurch kommt es zu einem verstärkten duodenogastralen Reflux, der zu einer Steigerung der Exposition der Magenschleimhaut mit Gallensäuren und Lysolezithin führt. Die akute Schädigung erzeugt im Restmagen eine erythemartige oberflächliche Gastritis, die in den meisten Fällen nur endoskopisch nachweisbar ist. Die chronische Einwirkung dieser Noxen wird u. a. mit für die Entstehung der chronisch atrophen Gastritis des Restmagens oder des Stumpfkarzinoms verantwortlich gemacht.
(ÖGD) (endoskopische Zeichen einer Gastritis, Ausschluss einer anderen Erkrankung), Magen-Darm-Passage (MDP) (Reflux von Kontrastmittel in den Magen) und eine biochemische Analyse des Magensafts (Gehalt an Gallensäuren und Lysolezithin) erforderlich.
führt werden, die die propulsive Magenperistaltik und somit die antegrade Magenentleerung fördern. Zu diesen Medikamenten gehört z.B. das Metoclopramid (z.B. PaspertinQ). Außerdem ist die Verordnung von Antazida sinnvoll, die den alkalischen Reflux neutralisieren können (AluminiumMagnesiumantazida wie z.B. RiopanQ oder MaaloxQ). Gelingt es hiermit nicht, eine Besserung zu erreichen, kann durch die Roux-Y-Gastroenterostomie der Kontakt des Duodenalsafts mit der Magenschleimhaut weitgehend vermieden werden.
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Dünndarm
4
Dünndarm
Grundlagen
Michael Dürig 4.1
Grundlagen
4.1
4.1.1
Anatomie
4.1.1 Anatomie
Der Dünndarm erstreckt sich von der Flexura duodenojejunalis im linken Oberbauch bis zum Zäkum im rechten unteren Quadranten. Die arterielle Versorgung erfolgt über die A. mesenterica superior und die venöse Dränage über die V. mesenterica superior in das portale System. Seine Länge beträgt in vivo je nach Kontraktionszustand 2,5–3 Meter. Hiervon fallen 40 % auf das Jejunum und 60 % auf das Ileum. Die resorptionsfähige Oberfläche erstreckt sich auf ca. 10 m2.
4.1.2
Physiologie und Pathophysiologie
4.1.2 Physiologie und Pathophysiologie
Die wesentliche Funktion des Dünndarms besteht in dem Transport und der Resorption von Energieträgern, Wasser, Elektrolyten, Gallensäuren, Vitaminen und Schwermetallen ( 1 B-4.1). Der proximale Dünndarm gilt hierbei als Hauptort der Resorption. Allerdings ist auch das Ileum zur Resorption aller Substanzen befähigt. Es wird jedoch erst dann beansprucht, wenn das proximale Transportsystem abgesättigt oder das proximale System krankhaft verändert ist. Das Ileum ist demzufolge als funktionelle Reserve zu betrachten. Es ist darüber hinaus der einzige Ort der aktiven Gallen- und Vitamin-B12Resorption. Aus diesem Grund ist der funktionelle Ausfall des Ileums klinisch bedeutsamer als der Verlust des proximalen Jejunums. Voraussetzung der Resorption ist die enzymatische Spaltung der 3 Energieträger Kohlehydrate, Eiweiße und Fette. Diese Spaltung wird vornehmlich durch die Sekrete von Speicheldrüsen, Magen, Bauchspeicheldrüse und Leber (Galle) induziert. Niedermolekulare Substanzen wie Disaccharide
1 B-4.1
40 % des Dünndarms entfallen auf das Jejunum. Der Rest von 60 % wird dem Ileum zugeordnet. Die arterielle Versorgung erfolgt über die A. mesenterica superior, die venöse Dränage über die V. mesenterica superior in das portale System. Die Gesamtlänge in vivo beträgt 2,5–3 Meter. Die resorptionsfähige Oberfläche beträgt ca. 10 m2 .
Die wesentliche Funktion des Dünndarms besteht in dem Transport und der Resorption von Energieträgern, Wasser, Elektrolyten, Gallensäuren, Vitaminen und Schwermetallen ( 1 B-4.1). Das Ileum ist der einzige Ort der aktiven Gallen- und Vitamin-B12 Resorption. Aus diesem Grund ist der funktionelle Ausfall des Ileums klinisch bedeutsamer als der Verlust des proximalen Jejunums, zumal es alle Aufgaben des Jejunums übernehmen kann. Störungen der Resorption werden als Malabsorption, ein mangelhafter Nahrungsaufschluss als Maldigestion bezeichnet. Beide Funktionsstörungen
Synopsis Transport und Resorption im Gastrointestinaltrakt
Eisen Folsäure Mineralien
Aminosäuren Peptide Fette
Gallensäure Vitamin B12
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4 Dünndarm
werden als Malassimilation zusammengefasst.
Im Dünndarm erfolgt auch eine Sekretion gastrointestinaler Hormone ( 2 B-4.1).
2 B-4.1
werden teilweise vom Dünndarmepithel selbst gespalten. Den Gesamtvorgang nennt man Verdauung oder Digestion. Störungen der Resorption werden als Malabsorption bezeichnet. Ein mangelhafter Nahrungsaufschluss wird hingegen Maldigestion genannt. Beide Funktionsstörungen werden als Malassimilation zusammengefasst. Neben der Resorption und Transportfunktion erfolgt auch im Dünndarm die Sekretion von gastrointestinalen Hormonen unterschiedlicher biologischer Wirkung ( 2 B-4.1).
Sekretion gastrointestinal regulatorischer Peptide im Dünndarm
Sekretionsort
Peptid
Funktion
N Duodenum oder n Jejunum
N Motilin n
π
N Cholezystokinin n
π π π π π
N Sekretin n
π
π π
N Ileum n
N Enteroglukagon n
π
N Neurotensin n
π π
N Peptid YY n
π π
Steigerung der Darmmotilität Steigerung der Pankreassekretion Stimulation der Gallenblasenkontraktion Relaxation des Sphincter Oddi Hemmung der Magenmotorik Stimulation der Duodenalmotorik Stimulation der Bikarbonatproduktion in Pankreas und Leber Stimulation der Galleproduktion in der Leber Hemmung der gastrinstimulierten Magensekretion und -motilität Hemmung der Magensäureproduktion Regulation der Fettresorption intestinale Vasodilatation Hemmung der Pankreassekretion Hemmung von Säuresekretion und Magenentleerung
Eine IgA-Produktion durch Plasmazellen in die Dünndarmzotten spricht für eine zusätzliche immunologische Aufgabe des Dünndarmes.
Der Nachweis einer IgA-Produktion durch Plasmazellen in den Dünndarmzotten spricht für eine zusätzliche immunologische Aktivität, zumal IgA sowohl in das Darmlumen, als auch in die Blutbahn entlassen wird. Es ist bekannt, das IgA den alternativen Komplementweg über C3b im humanen Abwehrsystem aktivieren kann. Die vollständige immunologische Aufgabe ist jedoch noch nicht geklärt.
4.2
4.2
Malassimilationssyndrom (Maldigestion/Malabsorption)
Malassimilationssyndrom (Maldigestion/Malabsorption)
Definition
n Definition. Das Maldigestionssyndrom ist definiert als eine Störung der Verdauungsfunktion in Folge Krankheit oder Anomalie, bei der die Aktivität pankreatischer Verdauungsenzyme, die Gallensäurekonzentration oder die Aktivität digestiver Dünndarmenzyme vermindert ist oder fehlt.
Definition
n Definition. Beim Malabsorptionssyndrom liegt eine Resorptionsstörung der Nahrungsendprodukte durch eine defekte Membranfunktion der Enterozyten ohne morphologische Veränderungen (primäre Malabsorption) der Mukosa vor. Andererseits kann die Malabsorption durch eine Verminderung des Resorptionsepithels bei gleichzeitigen morphologischen Veränderungen der Mukosa (sekundäre Malabsorption) oder durch eine Abflussbehinderung (z.B. innere Fistelbildung) bedingt sein.
Ätiologie s.
2
B-4.2.
Ätiologie. Bei den zahlreichen Ursachen der Malassimilation sollen in der
2 B-4.2 nur diejenigen erwähnt werden, die von chirurgischer Bedeutung sind oder werden können.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
358
4 Dünndarm
werden als Malassimilation zusammengefasst.
Im Dünndarm erfolgt auch eine Sekretion gastrointestinaler Hormone ( 2 B-4.1).
2 B-4.1
werden teilweise vom Dünndarmepithel selbst gespalten. Den Gesamtvorgang nennt man Verdauung oder Digestion. Störungen der Resorption werden als Malabsorption bezeichnet. Ein mangelhafter Nahrungsaufschluss wird hingegen Maldigestion genannt. Beide Funktionsstörungen werden als Malassimilation zusammengefasst. Neben der Resorption und Transportfunktion erfolgt auch im Dünndarm die Sekretion von gastrointestinalen Hormonen unterschiedlicher biologischer Wirkung ( 2 B-4.1).
Sekretion gastrointestinal regulatorischer Peptide im Dünndarm
Sekretionsort
Peptid
Funktion
N Duodenum oder n Jejunum
N Motilin n
π
N Cholezystokinin n
π π π π π
N Sekretin n
π
π π
N Ileum n
N Enteroglukagon n
π
N Neurotensin n
π π
N Peptid YY n
π π
Steigerung der Darmmotilität Steigerung der Pankreassekretion Stimulation der Gallenblasenkontraktion Relaxation des Sphincter Oddi Hemmung der Magenmotorik Stimulation der Duodenalmotorik Stimulation der Bikarbonatproduktion in Pankreas und Leber Stimulation der Galleproduktion in der Leber Hemmung der gastrinstimulierten Magensekretion und -motilität Hemmung der Magensäureproduktion Regulation der Fettresorption intestinale Vasodilatation Hemmung der Pankreassekretion Hemmung von Säuresekretion und Magenentleerung
Eine IgA-Produktion durch Plasmazellen in die Dünndarmzotten spricht für eine zusätzliche immunologische Aufgabe des Dünndarmes.
Der Nachweis einer IgA-Produktion durch Plasmazellen in den Dünndarmzotten spricht für eine zusätzliche immunologische Aktivität, zumal IgA sowohl in das Darmlumen, als auch in die Blutbahn entlassen wird. Es ist bekannt, das IgA den alternativen Komplementweg über C3b im humanen Abwehrsystem aktivieren kann. Die vollständige immunologische Aufgabe ist jedoch noch nicht geklärt.
4.2
4.2
Malassimilationssyndrom (Maldigestion/Malabsorption)
Malassimilationssyndrom (Maldigestion/Malabsorption)
Definition
n Definition. Das Maldigestionssyndrom ist definiert als eine Störung der Verdauungsfunktion in Folge Krankheit oder Anomalie, bei der die Aktivität pankreatischer Verdauungsenzyme, die Gallensäurekonzentration oder die Aktivität digestiver Dünndarmenzyme vermindert ist oder fehlt.
Definition
n Definition. Beim Malabsorptionssyndrom liegt eine Resorptionsstörung der Nahrungsendprodukte durch eine defekte Membranfunktion der Enterozyten ohne morphologische Veränderungen (primäre Malabsorption) der Mukosa vor. Andererseits kann die Malabsorption durch eine Verminderung des Resorptionsepithels bei gleichzeitigen morphologischen Veränderungen der Mukosa (sekundäre Malabsorption) oder durch eine Abflussbehinderung (z.B. innere Fistelbildung) bedingt sein.
Ätiologie s.
2
B-4.2.
Ätiologie. Bei den zahlreichen Ursachen der Malassimilation sollen in der
2 B-4.2 nur diejenigen erwähnt werden, die von chirurgischer Bedeutung sind oder werden können.
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4.2 Malassimilationssyndrom (Maldigestion/Malabsorption)
2 B-4.2
Ursachen der Malassimilation
Maldigestion
Malabsorption
N n n N N n N n N n
n N N n N n N n N n N n N n N n N n N n
Cholestase Pankreasinsuffizienz ungenügende Nahrungsdurchmischung bakterielle Überwucherung Medikamente
Zöliakie tropische Sprue Infektionen Strahlenschäden mesenteriale Ischämie Enzymdefekte Morbus Crohn Morbus Whipple Kurzdarmsyndrom stark beschleunigte Darmpassage
Symptome. Das Leitsymptom Gewichtsverlust beim Malassimilationssyn-
drom wird sowohl durch eine Fehlresorption, eine bewusst verminderte Nahrungsaufnahme zur Vermeidung von Symptomen als auch einen gesteigerten enteralen Verlust (Albumin) bestimmt. In Abhängigkeit von der Dauer der Malabsorption können Mangelsymptome auftreten, die teils klinisch und teilweise labormedizinisch erfassbar sind. Der Mangel an fettlöslichem Vitamin A führt zu einer Hyperkeratose und Ekchymosen. Eine Blutungsneigung (z.B. Hämaturie) ist durch Vitamin-K-Mangel bedingt und Parästhesien, Tetanie und Knochenschmerzen finden ihre Ursache in einer verminderten Resorption von Vitamin D und Kalzium. Die Malabsorption von wasserlöslichen B-Vitaminen kann zu Glossitis, Cheilosis, Dermatitis und peripherer Neuropathie führen. Eine Anämie ist vorwiegend durch die Malabsorption von Eisen und Folsäure und weniger von Vitamin B12 zu beobachten. Ödeme und Aszites sind Folge eines gesteigerten enteralen Verlustes von Eiweiß. Die Malabsorption von Gallensäuren muss durch eine entsprechende Mehrsynthese der Leber kompensiert werden. Übersteigt der Verlust von Gallensäuren den Kompensationsmechanismus kommt es zur Störung der Emulgierung von Fetten durch Galle und damit zur chronischen Diarrhö mit oft voluminösen Fettstühlen (Steatorrhö). Zusätzlich ist das Malassimilationssyndrom durch folgende Symptome gekennzeichnet: π Anorexie π Flatulenz π Meteorismus π Muskelschwund π Borborygmen (Geräusche des mit Gas gemischten Darminhaltes als Folge der peristaltischen Bewegung).
Diagnostik der Malabsorption. Das Ziel der Diagnostik ist es, die Ursache und den Schweregrad der Erkrankung zu definieren. Die erforderlichen Laboruntersuchungen zur Bestimmung des Schweregrades sind in 2 B-4.3 zusammengefasst.
2 B-4.3
359
Symptome. Das Leitsymptom Gewichtsverlust beim Malassimilationssyndrom wird durch eine Fehlresorption, eine bewusst verminderte Nahrungsaufnahme zur Vermeidung von Symptomen als auch einen gesteigerten enteralen Verlust (Albumin) bestimmt. In Abhängigkeit von der Dauer der Malabsorption können Mangelsymptome auftreten: Hyperkeratose, Ekchymosen (Vitamin-A-Mangel), Hämaturie (Vitamin-K-Mangel), Parästhesien, Tetanie, Knochenschmerzen (verminderte Resorption von Vitamin D und Kalzium), Glossitis, Cheilosis, Dermatitis, periphere Neuropathie (Malabsorption von B-Vitaminen), Anämie (Malabsorption von Eisen, Folsäure, Vitamin B 12 ), Ödeme und Aszites (vermehrter enteraler Eiweißverlust), Fettstühle (Malabsorption von Gallensäuren). Zusätzliche Symptome des Malassimilationssyndroms sind: π Anorexie π Flatulenz π Meteorismus π Muskelschwund π Borborygmen. Diagnostik der Malabsorption. Laboruntersuchungen s. 2 B-4.3.
Diagnostik der Malabsorption
Funktionsdiagnostik
Morphologische Diagnostik
direktes Verfahren
N Dünndarmbiopsie n
N Bilanzuntersuchung n (titrimetrische Erfassung der Fettsäure)
N Bakteriologie n
indirekte Verfahren n D-Xylose-Test N N Schilling-Test n N 14 C-Glykocholat-Exhalationstest n N 51 Cr-Albumin-Ausscheidung n
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360
4 Dünndarm
Der Nachweis einer Malabsorption für Fett bei normaler Serumkonzentration für Eisen und Folsäure spricht für eine pankreatogene Ätiologie. Mit dem D-Xylose-Test lässt sich mit hoher Spezifität und Sensitivität ein Mukosaschaden beweisen.
Der Nachweis einer Malabsorption für Fett und damit der Vitamine A, D, E und K bei normalen Serumkonzentrationen für Eisen und Folsäure spricht eher für eine pankreatogene Ätiologie als für einen Mukosaschaden. Die Diagnose kann mit einem D-Xylose-Test verifiziert werden, da dieser Test mit einer hohen Spezifität und Sensitivität einen Mukosaschaden beweisen lässt.
π Dünndarmbiopsie: zur Diagnose von Zöliakie, tropischer Sprue, intestinaler Lymphangiektasie, Morbus Whipple und Amyloidose.
π
π Röntgenkontrastuntersuchung: Sie erlaubt die Erkennung anatomischer Besonderheiten – wie z.B. jejunale Divertikulose, Strikturen bei Morbus Crohn, Strahlenenteritis, Dünndarmischämie oder intestinale Tumoren ( 1 B-4.2).
π
1 B-4.2
Dünndarmbiopsie: Die Dünndarmbiopsie gestattet eine sichere Aussage über die Ursachen der Erkrankung. Sie ist wesentlich für die Diagnose der Zöliakie, der tropischen Sprue, der intestinalen Lymphangiektasie des Morbus Whipple und der Amyloidose.
Röntgenkontrastuntersuchung: Der Kontrastmitteluntersuchung, vorzugsweise über eine nasoduodenale Sonde, muss eine exakte Fragestellung zugrunde liegen. Sie gestattet die Differenzierung anatomischer Besonderheiten wie jejunale Divertikulose, Strikturen beim Morbus Crohn, Strahlenenteritis, Dünndarmischämie und intestinale Tumoren ( 1 B-4.2). Die dynamische Untersuchung erlaubt gleichzeitig eine Aussage über Motilitätsstörungen.
Synopsis Röntgenkontrastuntersuchung nach Sellink bei Malabsorption
b Op-Befund des Tumors. Histologisch wurde ein Leiomyom des Dünndarms nachgewiesen.
a Sellink-Passage mit pathologischem Befund ( Á Tumor).
π
Ultraschall und Computertomographie (CT): Die Computertomographie kann eine ergänzende Untersuchung darstellen.
Für die Sonographie gibt es eine Reihe von Indikationen. Bei Morbus Crohn hat sie eine Spezifität von 88 % und eine Sensitivität von 76 %.
π Ultraschall und Computertomographie (CT): Die Computertomographie kann eine ergänzende Untersuchung darstellen und gestattet eine Aussage über gleichzeitige Erkrankungen von Gallenblase, Leber und Pankreas, sowie die topographischen Beziehungen unterschiedlicher Dünndarmtumoren. Für die Sonographie gibt es eine Reihe von Indikationen und klinischen Situationen, die eine diagnoseweisende therapeutisch relevante morphologische Aussage erlauben. Hierzu gehören entzündlich proliferativ verdickte Darmsegmente wie bei Morbus Crohn mit einer Spezifität von 88 % und einer Sensitivität von 76 %.
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361
4.2.1 Blindsacksyndrom/Syndrom der blinden Schlinge 4.2.1
Blindsacksyndrom/Syndrom der blinden Schlinge
n Definition. Beim Blindsacksyndrom/Syndrom der blinden Schlinge handelt es sich um eine stasebedingte bakterielle Übersiedlung durch eine quantitative und qualitative Veränderung der Bakterienflora. Dadurch kommt es zur Malassimilation von Nahrungsbestandteilen, insbesondere von Nahrungsfetten und Vitamin B12.
Ätiologie. Generell kann nach jedem Abdominaleingriff durch Adhäsionen
und Strikturen eine Stase des Dünndarminhalts mit bakterieller Überwucherung auftreten. Bevorzugt sind jedoch Zustände nach resezierenden Darmoperationen. Hierzu gehören der Verlust der Ileozäkalklappe, Enterokolostomien, Dünndarmdivertikel und ausgedehnte Dünndarmresektionen. Laterolaterale sowie terminolaterale Darmanastomosen sind ebenfalls betroffen ( 1 B-4.3). Andererseits besteht beim komplizierten Morbus Crohn bereits präoperativ eine vermehrte intestinale Keimproliferation aufgrund einer vorhandenen Stase, Inkompetenz der Ileozäkalklappe mit Reflux oder Fistelbildung. Das klassische Krankheitsbild der pathologischen Keimbesiedlung liegt bei der Divertikulose des Jejunums vor.
1 B-4.3
a
4.2.1 Blindsacksyndrom/Syndrom der blinden Schlinge Definition
Ätiologie. Nach jedem Abdominaleingriff kann es durch Adhäsionen und Strikturen zur Stase des Dünndarminhalts mit bakterieller Überwucherung kommen. Bevorzugt tritt dieser Zustand nach resezierenden Darmoperationen auf ( 1 B-4.3). Das klassische Krankheitsbild der pathologischen Keimbesiedlung liegt bei der Divertikulose des Jejunums vor.
Synopsis Blindsacksyndrom Stenosen (a), Divertikel, blind endende Darmschlingen (b) (Seit-Seit-Anastomosen) und End-Seit-Anastomosen (c) können zu einer Beeinträchtigung der Darmmotilität mit Stase führen. Hierdurch werden die Voraussetzungen für eine bakterielle Übersiedlung geschaffen.
b
c
Therapie. Die therapeutischen Maßnahmen bestehen primär in einer Sub-
stitutionsbehandlung der Malabsorption. Sind anatomische Veränderungen für die Malabsorption verantwortlich, ist eine operative Korrektur mit Wiederherstellung der Darmkontinuität oder einer Fokusbeseitigung angezeigt.
Therapie. Primär steht die Substitutionsbehandlung der Malabsorption im Vordergrund.
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362 4.2.2 Kurzdarmsyndrom Definition
4 Dünndarm 4.2.2
Kurzdarmsyndrom
n Definition. Das Kurzdarmsyndrom ist beim Erwachsenen meistens Folge ausgedehnter Dünndarmresektionen im Rahmen eines Mesenterialinfarktes oder wiederholter Darmresektionen beim Morbus Crohn. Es ist definiert durch: π eine inadäquate Darmlänge π Diarrhöen π Fettstühle π Gewichtsverlust π Unterernährung π beschleunigtem gastrointestinalen Transit π Hypergastrinämie π Elektrolytverlust.
Ätiologie. Ursache ist die Verminderung der resorptionsfähigen Oberfläche. Die Resektion von 50 % des Dünndarms ist ohne Folgen für die Resorption möglich. Unterschreitet die verbliebene Dünndarmlänge 1 Meter, wird eine lebenslange Substitutionstherapie erforderlich. Die mangelhafte Resorption von Gallesalzen führt zu einer vermehrten Gallensteinbildung. Die Resorption von ungebundenen Oxalaten führt zur Oxalatsteinbildung in den ableitenden Harnwegen.
Ätiologie. Als Ursache der Malabsorption ist die Verminderung der resorptionsfähigen Oberfläche zu betrachten. Es gilt allgemein, dass 50 % des Dünndarms ohne schwerwiegende Resorptionsstörungen reseziert werden können. Eine darüber hinausgehende Verkürzung hat proportional zum Dünndarmverlust eine progrediente Malabsorption zur Folge. Das postoperative Unterschreiten von 1 Meter Dünndarm verlangt eine lebenslange Substitutionstherapie. Infolge des Kurzdarmsyndroms kommt es bei verminderter oder fehlender Resorption von Gallesalzen zu einer vermehrten Gallensteinbildung. Durch die Präzipitation von Kalzium mit den nicht resorbierten Fettsäuren werden Oxalate ungebunden resorbiert und führen zu einer Zunahme der Oxalatsteinbildung in den ableitenden Harnwegen.
Therapie. Eine Adaptation des verbliebenen Dünndarms ist über Monate hinaus möglich. Unter gleichzeitiger enteraler und parenteraler Ernährung weist eine Abnahme der Diarrhöen und eine Zunahme des Körpergewichts darauf hin. Bei Ausbleiben einer Adaptation wird eine lebenslange parenterale Substitution erforderlich. Antiperistaltische Medikamente (z.B. Loperamid) können die Passagezeit, und somit die Resorption verbessern.
Therapie. In Abhängigkeit der resezierten Darmanteile kann es im Verlauf
Operative Maßnahmen sind in der Behandlung des Kurzdarmsyndroms wenig erfolgreich. Eine Heilung kann nur von der Dünndarmtransplantation erhofft werden.
von Monaten bis zu 2 Jahren zur Adaptation des Restdarms kommen, wobei dieser Prozess eher bei einem vorhandenen Ileum nach proximaler Resektion als bei verbliebenem Jejunum zu erwarten ist. Unter enteraler und intermittierender parenteraler Ernährung weist eine Abnahme der Diarrhöen und eine Zunahme des Körpergewichts auf diesen Vorgang hin. Bleibt eine Adaptation aus, sind diese Patienten auf eine lebenslange parenterale Ernährung angewiesen. Antiperistaltische Medikamente (z.B. Loperamid) sind unerlässlich, um die Passagezeit und damit die Kontaktzeit zwischen Darminhalt und Mukosa zu verlängern. Liegt eine Ileumresektion mit einer Gallesalzdiarrhö vor, ist die Bindung der Gallesalze durch Cholestyramin angezeigt. Unter dieser Medikation kann es jedoch zu einer Vermehrung der Fettstühle kommen. Die operativen Therapiemöglichkeiten sind eingeschränkt und haben bisher zu keiner überzeugenden Beeinflussung des Krankheitsbildes geführt, sodass die Hoffnungen weiterhin auf die Dünndarmtransplantation ausgerichtet sind.
4.2.3 Strahlenenteropathie
4.2.3
Definition
Ätiologie. Zu Strahlenschäden kommt es durch die unvermeidliche Mitbestrahlung benachbarter Darmabschnitte bei einer abdominellen Radiotherapie. Symptome. Es treten Früh- und Spätreaktionen mit einer Inzidenz von 4–29 % auf.
Strahlenenteropathie
n Definition. Die Strahlenenteropathie ist ein durch Bestrahlung eingetretener Verlust an Mukosazellen mit konsekutiver Malabsorption von Fett, Bikarbonat, Eiweiß und Gallesalzen.
Ätiologie. Zu Strahlenschäden des Darmes kommt es durch die unvermeidliche Mitbestrahlung benachbarter Darmabschnitte im Rahmen einer Radiotherapie abdominaler Tumoren und Tumormetastasen.
Symptome. Es treten Früh- und Spätreaktionen mit definierten klinischen Verläufen auf. In Abhängigkeit von Strahlendosis, Strahlenfeld und Fraktionierung wird die Inzidenz zwischen 4–29 % angegeben.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
363
4.4.1 Meckel-Divertikel Akute Darmschäden: Als Frühreaktion beginnt wenige Stunden nach der ersten Bestrahlung die Hyperämie mit Ödembildung und entzündlicher Veränderung der Darmschleimhaut, der schließlich ein Verlust an Mukosazellen mit konsekutiver Malabsorption von Fett, Bikarbonat, Eiweiß und Gallesalzen folgt. Das Krankheitsbild ist durch Übelkeit, Tenesmen und wässrige bis blutige Diarrhöen charakterisiert und erstreckt sich in der Regel nur über die Dauer der Bestrahlung.
Akute Darmschäden: Übelkeit, Tenesmen und wässrige bis blutige Diarrhöen bestehen in der Regel bis Ende der Strahlentherapie.
π
π
Spätschäden: Zu den Spätfolgen gehören Obstruktion mit rezidivierender Ileussymptomatik, Perforation, Blutung, Malabsorption und Fisteln. Die aktinischen Fisteln können sich mit Vagina, Harnblase, Haut, Kolon und Rektum verbinden.
π Spätschäden: Obstruktion mit rezidivierender Ileussymptomatik, Perforation, Blutung, Malabsorption und Fisteln. Die aktinischen Fisteln können sich mit Vagina, Harnblase, Haut, Kolon und Rektum verbinden. Therapie. Akute Darmschäden lassen sich medikamentös mit Spasmolytika, diätetisch durch Elementardiäten mit frühzeitiger Resorption im Darmtrakt therapieren. Aktinische Spätschäden am Dünndarm zwingen häufig zur chirurgischen Intervention.
π
Therapie. Akute Darmschäden können therapeutisch meist medikamentös durch Spasmolytika und diätetisch durch Elementardiäten mit frühzeitiger Resorption im Darmtrakt beherrscht werden. Aktinische Spätschäden am Dünndarm zwingen häufig zur chirurgischen Intervention. Als Operationsverfahren bieten sich an: π die Resektion umschriebener Dünndarmsegmente mit primärer Reanastomosierung, π die Umgehung (innerer Bypass) des geschädigten Dünndarmanteils mit enteroenteraler oder enterokolischer Anastomose, π die Ausschaltung des befallenen Darmsegments durch ein passageres oder definitives Ileostoma. Komplikationen. Die operativen Eingriffe am aktinisch geschädigten Dünndarm sind mit einer hohen Komplikationsrate belastet. Die Letalität wird nach derartigen Eingriffen zwischen 15–37 % angegeben. Die Nahtinsuffizienz kann bis zu 50 % erreichen. Intraabdominale Infekte und Wundheilungsstörungen im strahlengeschädigten Bereich bestimmen die Morbidität des postoperativen Verlaufs. Prophylaxe. Zu den chirurgischen Maßnahmen, den Dünndarm möglichst
aus dem Strahlenfeld herauszuhalten, gehören die Implantation resorbierbarer Netze (z.B. DexonQ, VicrylQ, die sich innerhalb von 6–8 Wochen auflösen und die vollständige Motilität des Dünndarms wieder freigeben), die Einlage raumfüllender Materialien (z.B. Silikonkissen), die gestielte Netzplombe mit dem Omentum majus und die Zystopexie.
Komplikationen. Die operativen Eingriffe am aktinisch geschädigten Dünndarm sind mit einer hohen Komplikationsrate belastet (Letalität 15–37 %, Nahtinsuffizienz bis 50 %). Hohe Morbidität durch intraabdominale Infekte und Wundheilungsstörungen. Prophylaxe. Es gibt verschiedene chirurgische Maßnahmen, den Dünndarm möglichst aus dem Strahlenfeld herauszuhalten (z.B. durch Implantation resorbierbarer Netze).
Missbildungen/Lageanomalien
4.3
Missbildungen/Lageanomalien (s. Kap. B-23).
4.4
Dünndarmdivertikel
4.4
Dünndarmdivertikel
4.4.1
Meckel-Divertikel
4.4.1 Meckel-Divertikel
4.3
(s. Kap. B-23).
n Definition. Das Meckel-Divertikel ist ein kongenitales Divertikel, das aus Resten des Ductus omphaloentericus besteht. Es gilt als häufigste Anomalie des Gastrointestinaltrakts. Die Inzidenz beträgt 0,5–3 %.
In 90 % der Fälle wird es innerhalb eines Meters antimesenterial und oral der Ileozäkalklappe gefunden. Die Blutversorgung erfolgt unabhängig vom angrenzenden Ileum. Das Divertikel kann ektope Schleimhaut enthalten. In 30–50 % wird Magenschleimhaut beobachtet, seltener ektopes Pankreasgewebe (5 %). Der Rest verteilt sich auf Kolon-, Jejunum- und Duodenalschleimhaut ( 1 B-4.4).
Definition
Es wird am häufigsten bis zu 1 Meter antimesenterial und oral der Ileozäkalklappe vorgefunden. Das Divertikel kann ektope Magen(30–50%) und Pankreasschleimhaut (5%) beinhalten ( 1 B-4.4).
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4.4.1 Meckel-Divertikel Akute Darmschäden: Als Frühreaktion beginnt wenige Stunden nach der ersten Bestrahlung die Hyperämie mit Ödembildung und entzündlicher Veränderung der Darmschleimhaut, der schließlich ein Verlust an Mukosazellen mit konsekutiver Malabsorption von Fett, Bikarbonat, Eiweiß und Gallesalzen folgt. Das Krankheitsbild ist durch Übelkeit, Tenesmen und wässrige bis blutige Diarrhöen charakterisiert und erstreckt sich in der Regel nur über die Dauer der Bestrahlung.
Akute Darmschäden: Übelkeit, Tenesmen und wässrige bis blutige Diarrhöen bestehen in der Regel bis Ende der Strahlentherapie.
π
π
Spätschäden: Zu den Spätfolgen gehören Obstruktion mit rezidivierender Ileussymptomatik, Perforation, Blutung, Malabsorption und Fisteln. Die aktinischen Fisteln können sich mit Vagina, Harnblase, Haut, Kolon und Rektum verbinden.
π Spätschäden: Obstruktion mit rezidivierender Ileussymptomatik, Perforation, Blutung, Malabsorption und Fisteln. Die aktinischen Fisteln können sich mit Vagina, Harnblase, Haut, Kolon und Rektum verbinden. Therapie. Akute Darmschäden lassen sich medikamentös mit Spasmolytika, diätetisch durch Elementardiäten mit frühzeitiger Resorption im Darmtrakt therapieren. Aktinische Spätschäden am Dünndarm zwingen häufig zur chirurgischen Intervention.
π
Therapie. Akute Darmschäden können therapeutisch meist medikamentös durch Spasmolytika und diätetisch durch Elementardiäten mit frühzeitiger Resorption im Darmtrakt beherrscht werden. Aktinische Spätschäden am Dünndarm zwingen häufig zur chirurgischen Intervention. Als Operationsverfahren bieten sich an: π die Resektion umschriebener Dünndarmsegmente mit primärer Reanastomosierung, π die Umgehung (innerer Bypass) des geschädigten Dünndarmanteils mit enteroenteraler oder enterokolischer Anastomose, π die Ausschaltung des befallenen Darmsegments durch ein passageres oder definitives Ileostoma. Komplikationen. Die operativen Eingriffe am aktinisch geschädigten Dünndarm sind mit einer hohen Komplikationsrate belastet. Die Letalität wird nach derartigen Eingriffen zwischen 15–37 % angegeben. Die Nahtinsuffizienz kann bis zu 50 % erreichen. Intraabdominale Infekte und Wundheilungsstörungen im strahlengeschädigten Bereich bestimmen die Morbidität des postoperativen Verlaufs. Prophylaxe. Zu den chirurgischen Maßnahmen, den Dünndarm möglichst
aus dem Strahlenfeld herauszuhalten, gehören die Implantation resorbierbarer Netze (z.B. DexonQ, VicrylQ, die sich innerhalb von 6–8 Wochen auflösen und die vollständige Motilität des Dünndarms wieder freigeben), die Einlage raumfüllender Materialien (z.B. Silikonkissen), die gestielte Netzplombe mit dem Omentum majus und die Zystopexie.
Komplikationen. Die operativen Eingriffe am aktinisch geschädigten Dünndarm sind mit einer hohen Komplikationsrate belastet (Letalität 15–37 %, Nahtinsuffizienz bis 50 %). Hohe Morbidität durch intraabdominale Infekte und Wundheilungsstörungen. Prophylaxe. Es gibt verschiedene chirurgische Maßnahmen, den Dünndarm möglichst aus dem Strahlenfeld herauszuhalten (z.B. durch Implantation resorbierbarer Netze).
Missbildungen/Lageanomalien
4.3
Missbildungen/Lageanomalien (s. Kap. B-23).
4.4
Dünndarmdivertikel
4.4
Dünndarmdivertikel
4.4.1
Meckel-Divertikel
4.4.1 Meckel-Divertikel
4.3
(s. Kap. B-23).
n Definition. Das Meckel-Divertikel ist ein kongenitales Divertikel, das aus Resten des Ductus omphaloentericus besteht. Es gilt als häufigste Anomalie des Gastrointestinaltrakts. Die Inzidenz beträgt 0,5–3 %.
In 90 % der Fälle wird es innerhalb eines Meters antimesenterial und oral der Ileozäkalklappe gefunden. Die Blutversorgung erfolgt unabhängig vom angrenzenden Ileum. Das Divertikel kann ektope Schleimhaut enthalten. In 30–50 % wird Magenschleimhaut beobachtet, seltener ektopes Pankreasgewebe (5 %). Der Rest verteilt sich auf Kolon-, Jejunum- und Duodenalschleimhaut ( 1 B-4.4).
Definition
Es wird am häufigsten bis zu 1 Meter antimesenterial und oral der Ileozäkalklappe vorgefunden. Das Divertikel kann ektope Magen(30–50%) und Pankreasschleimhaut (5%) beinhalten ( 1 B-4.4).
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4 Dünndarm
1 B-4.4
Meckel-Divertikel
Diagnose. Im Kindesalter kann die Diagnose mit hoher Sensitivität und Spezifität mit der Na-99m Tc-Pertechnetat-Szintigraphie gesichert werden. Dieses Verfahren ist jedoch beim Erwachsenen weniger zuverlässig.
Diagnose. Sie wird selten präoperativ gestellt. Bei einer gastrointestinalen Blutung, insbesondere bei Kindern, mit Verdacht auf eine ektope Ulzeration kann die Diagnose mit hoher Sensitivität und Spezifität mit der Na-99mTcPertechnetat-Szintigraphie gesichert werden, da sich das Na-Pertechnetat in der Magenschleimhaut anreichert. Dieses Verfahren ist jedoch beim Erwachsenen weniger zuverlässig.
Symptome. Das Meckel-Divertikel wird erst bei Auftreten von Komplikationen symptomatisch. Das klinische Bild kann jede intraabdominale Erkrankung vortäuschen.
Symptome. Das Meckel-Divertikel bleibt meist symptomlos und wird erst bei Auftreten von Komplikationen (s.u.) symptomatisch. Das klinische Bild kann jede intraabdominale Erkrankung vortäuschen. Hierzu gehören die atypische Appendizitis, die akute gastrointestinale Blutung und selten die Ulkusperforation mit einer Peritonitis. Zu den Komplikationen gehören: π Ulzeration, Blutung, Perforation π Invagination π Darmverschluss durch Adhäsion π Divertikulitis π maligne Entartung.
Zu den Komplikationen gehören: π Ulzeration, Blutung, Perforation π Invagination π Darmverschluss durch Adhäsion π Divertikulitis π maligne Entartung.
1 B-4.5
Synopsis Therapie des Meckel-Divertikels
Die Therapie des symptomatischen Meckel-Divertikels besteht in der Resektion. Hierbei wird nach Ligatur der eigenständigen Gefäßversorgung die Basis reseziert und das Darmlumen wieder quer vernäht. Bei sehr großen Divertikeln kann eine Dünndarmsegmentresektion erforderlich werden.
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365
4.4.2 Divertikulose des Dünndarms
Therapie. Das symptomatische Divertikel wird operativ entfernt. Es wird in
seiner Basis längs exzidiert und der Darm anschließend wieder quer verschlossen. Große Divertikel können eine Segmentresektion erforderlich machen ( 1 B-4.5). n Merke. In Kenntnis der Komplikationsmöglichkeiten sollten auch inzidentell vorgefundene Divertikel entfernt werden.
4.4.2
Divertikulose des Dünndarms
n Definition. Im Gegensatz zum Meckel-Divertikel sind Dünndarmdivertikel erworben. Sie erstrecken sich entlang der Mesenterialgrenze und sind in 80–90 % am Jejunum zu finden. In der Regel fehlt die Muskularis (falsche Divertikel).
Ätiologie. Ätiologisch sollen Störungen der intestinalen Motilität für die
Divertikulose verantwortlich sein, wobei eine intraluminale Drucksteigerung an Schwachpunkten des Lumens zu den Pulsionsdivertikeln führen ( 1 B-4.6). Die Inzidenz beträgt 0,2–4,6 %. Das Auftreten dieser Divertikel ist jenseits der 7. Lebensdekade am häufigsten und ist bei 1⁄3 der Patienten mit anderen Divertikeln des Gastrointestinaltraktes vergesellschaftet.
1 B-4.6
Therapie. Die Therapie besteht in der Resektion des Divertikels (s. 1 B-4.5).
Merke
4.4.2 Divertikulose des Dünndarms Definition
Ätiologie. Durch intraluminale Drucksteigerung kommt es an Schwachpunkten des Lumens zu den Pulsionsdivertikeln ( 1 B-4.6).
Dünndarmdivertikel
Symptomatische Dünndarmdivertikel ( Á) in der Dünndarmpassage nach Sellink (a) und im Operationssitus (b).
Diagnose. Im Gegensatz zum Meckel-Divertikel wird die Diagnose der Dünndarmdivertikulose und ihrer Komplikationen häufiger gestellt. Die Trias von Anämie, epigastrischen Schmerzen und kleinen Flüssigkeitsspiegeln in der Abdomenleeraufnahme kann auf die Diagnose hinweisen.
Diagnose. Die Trias von Anämie, epigastrischen Schmerzen und kleinen Flüssigkeitsspiegeln in der Abdomenleeraufnahme kann auf die Diagnose hinweisen.
Therapie und Komplikationen. Dünndarmdivertikel werden nur operiert
Therapie und Komplikationen. Dünndarmdivertikel werden nur operiert um die Folgen von Komplikationen zu beseitigen. Zu den Folgen gehören:
um die Folgen von Komplikationen zu beseitigen. In diesen Fällen beschränkt sich der Eingriff auf eine Segmentresektion. Zu den pathologischen Folgen der Dünndarmdivertikulose gehören:
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
366
4 Dünndarm
Divertikulitis: Die Pathogenese der Dünndarmdivertikulitis entspricht der des Kolons (s. Kap. B-6.3.2). Als Beschwerden gelten Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, septische Zeichen und Peritonismus. Bei gedeckter Perforation ist gelegentlich eine Resistenz palpabel. Therapie: Resektion. Obstruktion: Die Obstruktion ist Folge einer Divertikulitis mit Verwachsungen anliegender Dünndarmschlingen. Hier ist die Resektion die Therapie der Wahl (s. 1 B-4.13). Die Pseudoobstruktion wird dagegen durch Motilitätsstörungen im divertikeltragenden Bereich hervorgerufen.
π Divertikulitis: Die Pathogenese der Dünndarmdivertikulitis entspricht der des Kolons (s. Kap. B-6.3.2). Als Beschwerden werden Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, septische Zeichen und Peritonismus beobachtet. Bei gedeckter Perforation ist gelegentlich eine Resistenz palpabel. Die Diagnose wird kaum präoperativ gestellt. Eine kurative Behandlung kann durch die Resektion des befallenen Darmabschnitts erzielt werden.
Blutung: Divertikelblutungen präsentieren sich bei mehr als 60 % der Patienten als rektale Blutungen.
π Blutung: Divertikelblutungen präsentieren sich bei mehr als 60 % der Patienten als rektale Blutungen, die gelegentlich von Hämatemesis begleitet werden.
Malabsorption: s. S. 358.
π
4.5
4.5
Entzündungen
4.5.1
Morbus Crohn (s.a. Kap. B-6.3.4)
Entzündungen
4.5.1 Morbus Crohn (s.a. Kap. B-6.3.4)
Obstruktion: Die Obstruktion ist Folge einer Divertikulitis mit Verwachsungen anliegender Dünndarmschlingen. Im Gegensatz dazu wird die Pseudoobstruktion durch Motilitätsstörungen im divertikeltragenden Darmbereich hervorgerufen. Pathomorphologisch finden sich in situ eine verdickte Darmwand im Bereich der Divertikel, der ein dilatiertes Segment vorgeschaltet ist. Auch hier ist die Resektion die Therapie der Wahl (s. 1 B-4.13).
π
Malabsorption: s. S. 358.
Synonyme: Enteritis regionalis, Ileitis terminalis Definition
n Definition. Der Morbus Crohn ist eine chronisch rezidivierende transmurale entzündliche Erkrankung unbekannter Ätiologie, die vom Mund bis zum Analkanal jeden Abschnitt des Gastrointestinaltrakts befallen kann. Die häufigste Manifestation ist jedoch am terminalen Ileum zu beobachten.
Epidemiologie. Der Befall ist segmental, wobei Dünn- und/oder Dickdarm betroffen sind. Meist manifestiert sich die Erkrankung zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr.
Epidemiologie. Der Befall ist immer segmental. Bei 40 % der Patienten ist
Pathologie. Makroskopisch ist das befallene Darmsegment durch Ödem und Fibrose verdickt ( 1 B-4.7).
Pathologie. Makroskopisch ist das befallene Darmsegment durch Ödem
ausschließlich der Dünndarm, bei 30 % sind sowohl Dünn- als auch Dickdarm und bei weiteren 30 % nur der Dickdarm erkrankt. Obwohl alle Altersstufen betroffen werden können, manifestiert sich die Erkrankung meist zwischen dem 20.–40. Lebensjahr, wobei Männer und Frauen gleichermaßen erkranken.
und Fibrose verdickt, zeigt eine vermehrte Gefäßinjektion der Serosa und ein Übergreifen des mesenterialen Fettgewebes auf den Darm (creeping fat, 1 B-4.7).
1 B-4.7
Creeping fat bei Morbus Crohn
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4 Dünndarm
Divertikulitis: Die Pathogenese der Dünndarmdivertikulitis entspricht der des Kolons (s. Kap. B-6.3.2). Als Beschwerden gelten Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, septische Zeichen und Peritonismus. Bei gedeckter Perforation ist gelegentlich eine Resistenz palpabel. Therapie: Resektion. Obstruktion: Die Obstruktion ist Folge einer Divertikulitis mit Verwachsungen anliegender Dünndarmschlingen. Hier ist die Resektion die Therapie der Wahl (s. 1 B-4.13). Die Pseudoobstruktion wird dagegen durch Motilitätsstörungen im divertikeltragenden Bereich hervorgerufen.
π Divertikulitis: Die Pathogenese der Dünndarmdivertikulitis entspricht der des Kolons (s. Kap. B-6.3.2). Als Beschwerden werden Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, septische Zeichen und Peritonismus beobachtet. Bei gedeckter Perforation ist gelegentlich eine Resistenz palpabel. Die Diagnose wird kaum präoperativ gestellt. Eine kurative Behandlung kann durch die Resektion des befallenen Darmabschnitts erzielt werden.
Blutung: Divertikelblutungen präsentieren sich bei mehr als 60 % der Patienten als rektale Blutungen.
π Blutung: Divertikelblutungen präsentieren sich bei mehr als 60 % der Patienten als rektale Blutungen, die gelegentlich von Hämatemesis begleitet werden.
Malabsorption: s. S. 358.
π
4.5
4.5
Entzündungen
4.5.1
Morbus Crohn (s.a. Kap. B-6.3.4)
Entzündungen
4.5.1 Morbus Crohn (s.a. Kap. B-6.3.4)
Obstruktion: Die Obstruktion ist Folge einer Divertikulitis mit Verwachsungen anliegender Dünndarmschlingen. Im Gegensatz dazu wird die Pseudoobstruktion durch Motilitätsstörungen im divertikeltragenden Darmbereich hervorgerufen. Pathomorphologisch finden sich in situ eine verdickte Darmwand im Bereich der Divertikel, der ein dilatiertes Segment vorgeschaltet ist. Auch hier ist die Resektion die Therapie der Wahl (s. 1 B-4.13).
π
Malabsorption: s. S. 358.
Synonyme: Enteritis regionalis, Ileitis terminalis Definition
n Definition. Der Morbus Crohn ist eine chronisch rezidivierende transmurale entzündliche Erkrankung unbekannter Ätiologie, die vom Mund bis zum Analkanal jeden Abschnitt des Gastrointestinaltrakts befallen kann. Die häufigste Manifestation ist jedoch am terminalen Ileum zu beobachten.
Epidemiologie. Der Befall ist segmental, wobei Dünn- und/oder Dickdarm betroffen sind. Meist manifestiert sich die Erkrankung zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr.
Epidemiologie. Der Befall ist immer segmental. Bei 40 % der Patienten ist
Pathologie. Makroskopisch ist das befallene Darmsegment durch Ödem und Fibrose verdickt ( 1 B-4.7).
Pathologie. Makroskopisch ist das befallene Darmsegment durch Ödem
ausschließlich der Dünndarm, bei 30 % sind sowohl Dünn- als auch Dickdarm und bei weiteren 30 % nur der Dickdarm erkrankt. Obwohl alle Altersstufen betroffen werden können, manifestiert sich die Erkrankung meist zwischen dem 20.–40. Lebensjahr, wobei Männer und Frauen gleichermaßen erkranken.
und Fibrose verdickt, zeigt eine vermehrte Gefäßinjektion der Serosa und ein Übergreifen des mesenterialen Fettgewebes auf den Darm (creeping fat, 1 B-4.7).
1 B-4.7
Creeping fat bei Morbus Crohn
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4.5.1 Morbus Crohn
367
Die entzündliche Mukosa weist Fissuren und Ulzerationen auf, die zwischen der geschwollenen Schleimhaut liegen und der Oberfläche das charakteristische Pflastersteinrelief verleihen. Bei transmuralem Verlauf finden sich Granulombildungen auf der Serosa. Diese Veränderungen können zu Strikturen oder aber Fistelbildungen führen.
Die entzündete Mukosa weist Fissuren und Ulzerationen auf, die zwischen der geschwollenen Schleimhaut liegen und der Oberfläche das charakteristische Pflastersteinrelief verleihen. Bei transmuralem Verlauf finden sich Granulombildungen auf der Serosa.
Symptome. Sie sind weitestgehend die Folge der chronisch transmuralen
Symptome. Es finden sich rezidivierende Schmerzen im rechten Unterbauch. Im akuten Schub kommt es bei 90 % zur Diarrhö, manchmal mit Fieber und einer palpablen Resistenz im rechten Unterbauch einhergehend (DD: Appendizitis). Malabsorption und die Nahrungsverweigerung aus Angst vor Schmerzen führt bei 20 % der Patienten zu Gewichtsverlust. Nicht selten sind die Symptome mit einer Anämie vergesellschaftet (Vitamin-B 12 -Mangel). Blutungen treten nur in 1–2 % der Fälle auf.
π Intestinale Manifestation: Obstruierende Lumeneinengungen gehören zu den Charakteristika des Krankheitsverlaufs. Diese Obstruktionen werden durch das Schleimhautödem und Spasmen hervorgerufen und bewirken postprandiale Schmerzen. Im Verlauf der Erkrankung können sich durch Fibrosierung dieser Bezirke Strikturen ausbilden (s. 1 B-4.10). Wenn der transmurale Entzündungsprozess die Serosa durchbricht, kann es zu Fistelbildungen kommen. Diese können blind enden, einen Abszess intra- oder retroperitoneal verursachen oder eine entzündliche Kommunikation mit Nachbarorganen aufnehmen. Penetrieren sie in benachbarte Darmschlingen, bilden sich enteroenterale oder enterokolische Fisteln aus, die ihrerseits relativ asymptomatisch bleiben und meist nur zufällig entdeckt werden ( 1 B-4.8). Zu den symptomatischen Fisteln mit organbezogener Klinik gehören die enterovesikale, enterovaginale und die enterokutane Fistel.
π Intestinale Manifestation: Die Obstruktion wird durch das Ödem und die Spasmen hervorgerufen. Durch Fibrosierung dieser Bezirke können sich Strikturen ausbilden (s. 1 B-4.10).
Entzündung. Da das terminale Ileum am häufigsten betroffen ist finden sich rezidivierende Schmerzen im rechten unteren Quadranten, Diarrhö, manchmal verbunden mit Fieber und einer palpablen Resistenz, sodass das klinische Bild einer akuten Appendizitis vorgetäuscht werden kann. In 30 % wird die richtige Diagnose erst während einer Laparotomie bei Verdacht auf Appendizitis gestellt. Diarrhö ist bei 90 % der Patienten eines der Hauptsymptome bei florider Erkrankung. Hierfür werden sowohl eine bakterielle Überwucherung bei Stenosen als auch eine gestörte Resorption verantwortlich gemacht. Die Diarrhö, Anorexie und die Nahrungsverweigerung aus Angst vor Schmerzen führt bei 20 % der Patienten zu Gewichtsverlust. Nicht selten sind die Symptome mit einer Anämie vergesellschaftet. Die Anämie kann auf einem Vitamin-B12-Mangel beruhen, da Blutungen nur in 1–2 % auftreten.
1 B-4.8
1
Wenn der transmurale Entzündungsprozess die Serosa durchbricht, kann es zu Fistelbildungen kommen. Es können sich Abszesse, enteroenterale oder enterokolische Fisteln bilden ( 1 B-4.8), die meist asymptomatisch bleiben. Zu den symptomatischen Fisteln gehören enterovesikale, enterovaginale und enterokutane Fisteln.
Fistelbildung bei Morbus Crohn Kontrastmitteldarstellung einer enteroenteralen (1) und enterokolischen (2) Fistelbildung bei gleichzeitiger Stenose des Colon descendens (3) bei Morbus Crohn. 3
2
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368 Extraintestinale Manifestation (s. B-4.9): Zu den Hautveränderungen gehört das Erythema nodosum. π
1
Die Augen- (Iritis, Uveitis) und Gelenkentzündungen ähneln denen bei Colitis ulcerosa (s. Kap. B-6.3.3). Zu den weiteren extraintestinalen Manifestationen gehören die Folgen der Malabsorption (s. S. 358 ff.).
4 Dünndarm Extraintestinale Manifestation: Unabhängig von der Aktivität der Erkrankung kann sich der Morbus Crohn auch extraintestinal präsentieren ( 1 B-4.9). Zu den Hautveränderungen gehört das Erythema nodosum, während das Pyoderma gangraenosum vermehrt bei der Colitis ulcerosa beobachtet wird. Eine seltene kutane Beteiligung, die nur bei Morbus Crohn zu beobachten ist, stellt die Form der kutanen Vaskulitis mit peripherer Gangrän oder Hautnekrosen dar. Die Augen- (Iritis, Uveitis) und Gelenkentzündungen ähneln denen bei Colitis ulcerosa (s. Kap. B-6.3.3). Zu den weiteren extraintestinalen Manifestationen gehören die Folgen der Malabsorption (s. S. 358 ff.). π
1 B-4.9
Synopsis Extraintestinale Manifestationen des Morbus Crohn
Augen Mundhöhle
Leber Gallenwege Gelenke Bauchspeicheldrüse Kreuzbeingelenke
Haut
Diagnose. Eine selektive Bariumdünndarmpassage gibt Auskunft über anatomisches Verteilungsmuster, Schweregrad, Strikturen und gelegentlich Fistelbildungen ( 1 B-4.8). Die Endoskopie ist für die Diagnostik der Dünndarmerkrankung keine Bereicherung, da sie nur Zugang zum oberen Gastrointestinaltrakt und dem terminalen Ileum gestattet.
Diagnose. Obwohl die Diagnose durch die Anamnese und das klinische Bild
vermutet werden kann, muss sie für das weitere Vorgehen gesichert werden. Eine selektive Bariumpassage gibt über das anatomische Verteilungsmuster des Dünndarmbefalls und den Schweregrad der Erkrankung Auskunft. Sie demonstriert gleichzeitig Stenosen oder Strikturen und gelegentlich Fistelbildungen ( 1 B-4.8). Die Endoskopie ist für die Diagnostik der Dünndarmerkrankung keine Bereicherung, da sie nur Zugang zum oberen Gastrointestinaltrakt und dem terminalen Ileum gestattet. Sie erlaubt jedoch in diesen Bereichen die bioptische Bestätigung der Schleimhautveränderungen und gegebenenfalls die Diagnosesicherung, wobei der Nachweis von Granulomen nur in 10–25 % gelingt.
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4.5.1 Morbus Crohn
369
Der Einsatz des Ultraschall ist beim Morbus Crohn ebenfalls begrenzt. Sein Schwerpunkt liegt in der Diagnostik von Abszessbildungen und der Verlaufskontrolle einer medikamentösen Therapie. Unter den Laboruntersuchungen der klinischen Routine korreliert die Höhe des C-reaktiven Proteins (CRP) am ehesten mit dem Schweregrad der Erkrankung.
Der Ultraschall dient zum Nachweis von Abszessen sowie der Verlaufskontrolle einer medikamentösen Therapie. Die Höhe des CRP korreliert am ehesten mit dem Schweregrad der Erkrankung.
Therapie. Grundsätzlich steht beim Morbus Crohn die medikamentöse
Therapie. Grundsätzlich steht beim Morbus Crohn die medikamentöse Behandlung mit entzündungshemmenden Substanzen (5-Amino-Salicylsäure-Derivate [5-ASA], Kortikosteroide) und bei schwerem Krankheitsverlauf mit Immunsupressiva (Azathioprin, Methotrexat und Ciclosporin) im Vordergrund. Antibiotika haben sich bei enteroenteralen Fisteln und bakterieller Überwucherung bewährt. Elementardiäten begünstigen die Remission unter medikamentöser Therapie.
π
Chirurgische Therapie: Bei der Chirurgie des Morbus Crohn handelt es sich um Palliativmaßnahmen zur Beeinflussung der Symptome und Behandlung der Komplikationen wie Fisteln, Abszesse und Stenosen. Eine Heilung ist chirurgisch nicht möglich. Auch das Versagen medikamentöser Maßnahmen stellt eine Indikation zur Operation dar. Das chirurgische Therapiekonzept besteht in einem frühen, organerhaltenden Vorgehen. Es kann nicht standardisiert, sondern nur auf den Einzelfall ausgerichtet werden. Während sich bei der freien Perforation und Fisteln die Resektion einzelner Dünndarmsegmente nicht vermeiden lassen wird, können Strikturen mit unterschiedlichen Operationsverfahren erweitert werden. Diese Strikturplastiken erfolgen durch antimesenteriale Längsinzision über der Verengung, um sie dann wieder quer zu vernähen ( 1 B-4.10).
π Chirurgische Therapie: Bei der Chirurgie des Morbus Crohn handelt es sich um Palliativmaßnahmen zur Beeinflussung der Symptome und Behandlung der Komplikationen wie Fisteln, Abszesse und Stenosen. Eine Heilung ist chirurgisch nicht möglich. Das chirurgische Therapiekonzept besteht in einem frühen, organerhaltenden Vorgehen ( 1 B-4.10).
Prognose. Der Morbus Crohn ist eine Erkrankung mit hoher Morbidität,
Prognose. Die Erkrankung ist durch eine hohe Morbidität und eine geringe Mortalität gekennzeichnet. In Abhängigkeit von der Krankheitsdauer steigt die Wahrscheinlichkeit eines operativen Eingriffs auf 80 %.
Behandlung im Vordergrund. Eine Heilung ist zur Zeit jedoch nicht möglich. Die Behandlung stützt sich auf entzündungshemmende Substanzen wie 5-Amino-Salicylsäure (5-ASA) [SalofalkQ, AsacolQ, PentasaQ, ClaversalQ] und Kortikosteroide. Immunsuppressiva wie Azathioprin, Methotrexat und Ciclosporin können bei einem schweren Krankheitsverlauf zusätzlich eingesetzt werden, setzen jedoch eine entsprechende Erfahrung in der Therapie voraus. Bei Patienten mit enteroenteraler Fistelbildung und bakterieller Überwucherung des Dünndarms hat sich die antibiotische Behandlung mit Metronidazol bewährt, wobei auch Breitspektrumantibiotika indiziert sein können. Eine gleichzeitige Behandlung mit Elementardiäten kann in der akuten Krankheitsphase die Remission beschleunigen. Zwischen einer enteralen und parenteralen Ernährung besteht therapeutisch kein Unterschied. Dass die Ernährungsweise und die Restriktion bestimmter Nahrungsstoffe den Krankheitsverlauf beeinflusst, ist heute nicht mehr haltbar.
jedoch geringer Mortalität. Die Wahrscheinlichkeit, dass im Verlauf der Erkrankung ein operativer Eingriff erforderlich wird, steigt in Abhängigkeit von der Krankheitsdauer bis auf 80 %. Die Operation kann das Rezidiv nicht beeinflussen, jedoch das Zeitintervall zwischen den einzelnen Rezidiven verlängern.
n Merke. Es besteht eine vermehrte Karzinominzidenz für die Ausbildung eines kolorektalen Karzinoms bei Kolonbefall und langer Krankheitsdauer.
Merke
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4 Dünndarm
1 B-4.10
Synopsis Dünndarmstrikturen beim Morbus Crohn und Strikturplastik
a
Radiologisch gesicherte Crohn-Stenose im Bereich des terminalen Ileums (Á). b
c
d
e
f
Bei multiplen Verengungen des Dünndarms (a) kann das Auffinden der Stenosen mit einem in das Lumen eingeführten Harnblasenkatheter erleichtert werden (b). Kommt es bei gleicher Füllung des Ballons zu einem Widerstand (c) wird die Striktur mit der Diathermie längs eröffnet und zur Erweiterung wieder quer vernäht (d-g).
g
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371
4.7 Pneumatosis cystoides intestinalis 4.5.2
Dünndarmtuberkulose
4.5.2 Dünndarmtuberkulose
Epidemiologie. Die Darmtuberkulose war lange Zeit von untergeordneter
Epidemiologie. Sie hat seit der HIV-Infektion an Bedeutung gewonnen. 36 % der an AIDS erkrankten Patienten entwickeln im Verlauf der Erkrankung eine extrapulmonale, tuberkulöse Manifestation.
Symptome. Sie sind unspezifisch. Bei Auftreten von Ulzera ist Diarrhö ggf.
Symptome. Die Symptome sind unspezifisch. Am häufigsten zeigen sich Dünndarmulzera mit blutigen Durchfällen. Aszites tritt in 50 % der Fälle auf.
Komplikationen. Zu ihnen gehören in 30 % die chronische Obstruktion
Komplikationen π chronische Obstruktion (30 %) π Perforation (5 %) π Fistelbildungen (2–20 %).
Differenzialdiagnose. Hier müssen neben dem Morbus Crohn Infektionen
Differenzialdiagnose. Neben dem Morbus Crohn müssen Infektionen mit Yersinien, Amöben, die Aktinomykose und Histoplasmose ausgeschlossen werden.
Therapie. Die Behandlung erfolgt in erster Linie medikamentös. Die Chirur-
Therapie. Die Behandlung erfolgt in erster Linie medikamentös.
Bedeutung und auf Endemiegebiete beschränkt. In Verbindung mit der AIDS-Infektion kann jedoch wieder eine Zunahme der Darmtuberkulose beobachtet werden. So entwickelten über 36 % der AIDS-Patienten diese Erkrankung, die gewöhnlich extrapulmonal abläuft.
mit Blutbeimengungen am häufigsten. Strikturen führen zum Ileus. Abdominalschmerzen beherrschen bei 67 % der befallenen Patienten das klinische Bild. Aszites kann bei 50 % der Patienten nachgewiesen werden.
durch Strikturen, die Perforation (5 %), die enteroenterale und die enterokutane Fistelbildung (2–20 %).
mit Yersinia enterocolica (Lymphadenitis mesenterica), Herpes, Zytomegalievirus, Amöben (Perforationsgefahr am Ileum), die Aktinomykose (in 30 % chronische enterokutane Fistelbildung) und Histoplasmose erörtert werden.
gie ist den Komplikationen vorbehalten. Operationen im akuten Stadium sind mit einer hohen Mortalitätsrate behaftet.
4.6
Dünndarmulzera
4.6
Dünndarmulzera
Bei Ulzerationen des Dünndarms wird das solitäre vom multifokal auftretenden Ulkus unterschieden.
Ätiologie. Die Ätiologie ist beim Ulcus simplex jejuni ungeklärt. In 57 %
kann eine Beziehung zur peroralen Kaliumchloridlangzeitapplikation gefunden werden. Das Ulkus tritt jedoch auch in Inseln ektoper Magenschleimhaut und bei Gastrinomen (Zollinger-Ellison-Syndrom) auf. Multiple, nicht maligne Ulzerationen des Dünndarms sind ebenfalls unspezifisch und dominieren im Jejunum. Sie stellen eine ungewöhnliche Komplikation sowohl der Sprue als auch der Zöliakie dar, können aber auch beim Malabsorptionssyndrom auftreten.
Ätiologie. Die Ätiologie der Ulzera ist unbekannt. Das Ulcus simplex jejuni tritt jedoch auch in Inseln ektoper Magenschleimhaut und bei Gastrinomen (Zollinger-Ellison-Syndrom) auf. Multiple, nicht maligne Ulzerationen stellen eine ungewöhnliche Komplikation sowohl der Sprue als auch der Zöliakie dar.
Symptome. Bei unklarer Symptomatik wird die Diagnose meist erst nach Eintreten einer Komplikation (Blutung, Perforation) gesichert.
Therapie. Die Behandlung erfolgt, wenn immer möglich, durch die Beeinflussung des Grundleidens oder aber durch Segmentresektion des betroffenen Darmabschnitts.
4.7
Pneumatosis cystoides intestinalis
n Definition. Die Pneumatosis cystoides intestinalis ist durch submuköse oder subseröse Gasblasen unterschiedlichen Durchmessers charakterisiert. Sie ist eine seltene Erkrankung unklarer Ätiologie und tritt vornehmlich bei Männern zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auf. Bei 85 % der Patienten ist sie mit anderen Darmerkrankungen wie Duodenalulzera oder Pylorusstenosen und chronischen Lungenerkrankungen vergesellschaftet.
Therapie. Sie besteht in einer Behandlung des Grundleidens oder in einer Segmentresektion.
4.7
Pneumatosis cystoides intestinalis
Definition
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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4 Dünndarm
Diagnose. Sie wird radiologisch in der Abdomenübersicht gestellt. Die Biopsie ist beweisend.
Diagnose. Sie wird bei einem Dünndarmbefall in der Abdomenübersichts-
Symptome. Der Verlauf ist zumeist asymptomatisch.
Symptome. Klinisch bleibt die Pneumatosis cystoides intestinalis meist
Komplikationen. Zu den seltenen Komplikationen gehören der Ileus durch große Zysten oder Verwachsungen, der Dünndarmvolvulus oder die Invagination.
Komplikationen. Zu den seltenen Komplikationen gehören der Ileus durch große Zysten oder Verwachsungen, der Dünndarmvolvulus oder die Invagination. Spontanperforationen der Zysten in das Darmlumen können zu Blutungen und Perforationen in die Peritonealhöhle und zu freier Luft unter dem Zwerchfell führen. Auch der Nachweis von Luft im portalvenösen Blut kann von der Erkrankung verursacht sein. Es muss jedoch beachtet werden, dass derartige Luftansammlungen pathognomonisch für die ischämische Darmwandnekrose sind und hier ein prognostisch ungünstiges Zeichen darstellen.
Therapie. Eine spezifische Behandlung ist nicht erforderlich.
Therapie. Die Mehrzahl der Patienten bedarf neben der Behandlung des
4.8
4.8
Dünndarmfisteln
Definition
Klassifikation. Sie erfolgt nach ihrem Ursprungs- und Erfolgsorgan (z.B. ileovesikal) und nach inneren und äußeren Verbindungen. Von praktischer Bedeutung ist die Einteilung nach der Menge der Fistelproduktion.
aufnahme radiologisch gestellt. Bei einer Kolonbeteiligung ist die Sigmoidoskopie mit einer Biopsie beweisend.
asymptomatisch und wird als Zufallsbefund erhoben.
Grundleidens keiner spezifischen Therapie. Die Gasansammlung kann spontan resorbiert werden. Da es sich hauptsächlich um Stickstoff handelt, kann auch eine Sauerstofftherapie eingeleitet werden. Eine genaue Diagnose verhindert eine unnötige Operation.
Dünndarmfisteln
n Definition. Eine Fistel ist eine abnorme Kommunikation eines Hohlorgans mit anderen Organen oder Strukturen einschließlich der Haut. Persistiert diese Kommunikation längere Zeit, entsteht unausweichlich eine klinische Problematik.
Klassifikation. Sie erfolgt einerseits deskriptiv nach Ursprungs- und Erfolgsorgan (z.B. ileovesikal) und andererseits nach inneren und äußeren Verbindungen. Die innere Fistel umfasst z.B. die ileokolische und ileoileale Fistel. Eine äußere Fistel ist die ileovaginale oder die ileokutane Fistel. Von praktischer Bedeutung ist die Einteilung nach der Menge der Fistelproduktion. Eine Fistel mit einer Sekretion unter 200 ml wird als »Low-output«-Fistel und eine darüber hinausgehende Sekretion als »High-output«Fistel bezeichnet. Schließlich kann es sinnvoll sein, Fisteln nach Ausgang von einem gesunden oder einem erkrankten Dünndarm, wie beim Morbus Crohn oder bei aktinischen Schäden zu differenzieren.
Ätiologie. Die meisten Fisteln entstehen als Frühkomplikation nach chirurgischen Eingriffen. Weitere Ursachen sind Fremdkörper (nicht resorbierbare Netze und Nahtmaterialien) und Rezidive entzündlicher Darmerkrankungen oder Tumoren.
Ätiologie. Die Ursache der meisten Fisteln basiert auf einer Frühkomplika-
»Low-output«-Fisteln
»Low-output«-Fisteln
Diese Fisteln dränieren < 200 ml/Tag und sind meist Folge geringfügiger Darmverletzungen oder kleiner Anastomoseninsuffizienzen. Durch eine hinreichende Dränage ist mit einer Spontanheilung zu rechnen.
Diese Fisteln dränieren < 200 ml/Tag. Akut auftretende Fisteln sind meist Folge geringfügiger Darmverletzungen, wie sie beim Bauchdeckenverschluss entstehen können oder kleine Insuffizienzen einer Anastomose. Sie verheilen meist spontan. Die Heilung kann durch eine gute lokale Dränage und parenterale Flüssigkeitszufuhr unterstützt werden. Die Persistenz einer derartigen Fistel deutet auf einen Fremdkörper oder eine morphologische
tion nach chirurgischen Eingriffen. Sie können einerseits Folgen technischer Fehler bei der Anastomosierung von Darmanteilen und andererseits von einem Abszess im Anastomosengebiet ausgehen. Sie dränieren über die Inzisionswunde unter dem Bilde einer spontanen Abszessentleerung und führen sekundär zu einer Fistelbildung. Weitere Ursachen für externe Fistelbildungen über eine alte Operationsnarbe sind Fremdkörper, in der Regel nicht resorbierbare Netze oder Nahtmaterialien, die zur Deckung von Fasziendefekten benötigt wurden, Rezidive entzündlicher Darmerkrankungen oder Tumoren.
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4.9.1 Benigne Dünndarmtumoren Veränderung im Bereich des defekten Darms hin. Bei unklarer Genese gestattet der geringe Verlust intestinaler Flüssigkeit eine genaue Abklärung des vor und hinter der Fistel liegenden Darms. Liegt einer Fistel ein Morbus Crohn, eine andere Entzündung, eine Strahlenenteritis oder Tumoren zugrunde, wird die Behandlung der Grunderkrankung durch eine Fistel nicht beeinträchtigt. In allen anderen Fällen ohne Spontanverschluss ist eine operative Intervention unumgänglich.
»High-output«-Fisteln
»High-output«-Fisteln
Derartige Fisteln sind durch einen hohen Flüssigkeits- und damit Elektrolytverlust charakterisiert. Ursache ist entweder eine große Dehiszenz im Dünndarmbereich oder eine sehr weit oral gelegene Fistel, der in den meisten Fällen ein aboral gelegener subtotaler oder totaler Verschluss folgt. In Abhängigkeit von der Sekretionsmenge steigt die Gefahr der Malassimilation, der Wunddehiszenz und der Sepsis. Primäres Behandlungsziel muss die Korrektur des Wasser- und Elektrolytverlustes sein. Da diese Fisteln nur selten spontan heilen, muss in einem stabilen Zustand des Patienten die Kontinuität des Dünndarms operativ wiederhergestellt werden. Ein lokaler Fistelverschluss bleibt in der Regel erfolglos.
Durch eine Dränage von > 200 ml/d sind diese Fisteln durch einen hohen Elektrolyt- und Flüssigkeitsverlust charakterisiert. Hier ist ein Ausgleich des Wasser- und Elektrolytverlustes und eine operative Sanierung der Fisteln notwendig.
Innere Fisteln
Innere Fisteln
Sie werden meistens durch chronische Entzündungen des Darms verursacht. Perforation und Abszessbildungen führen zu einer Kommunikation mit benachbarten Darmschlingen oder Hohlorganen. Ileoileale und ileokolische Fisteln sind relativ harmlos und bleiben oft asymptomatisch. Erst eine Obstruktion oder septische Symptomatik führen zur Operation. Fisteln zur Harnblase oder anderen Teilen des Urogenitaltrakts können zur rezidivierenden Urosepsis führen und sind eine absolute Operationsindikation.
Perforation und Abszessbildungen führen zu einer Kommunikation mit benachbarten Darmschlingen oder Hohlorganen. Obstruktion, eine septische Symptomatik, Fisteln zur Harnblase oder anderen Teilen des Urogenitaltrakts sind eine absolute Operationsindikation.
4.9
Dünndarmtumoren
Von den gesamten Tumoren des Gastrointestinaltrakts fallen lediglich 1–5 % auf den Dünndarm. Die Inzidenz bezogen auf die Gesamtbevölkerung beträgt 0,1–0,8 %. Der größte Teil dieser Tumoren bleibt klinisch asymptomatisch (ca. 90 %). Treten Symptome auf, können sie sich auf eine unspezifische Klinik beschränken. Bei 40–70 % der Patienten finden sich jedoch Zeichen eines rezidivierenden inkompletten oder eines vollständigen Darmverschlusses. Hierbei ist die Invagination das häufigste Ereignis. Blutungen, die bei 20–50 % der Patienten auftreten, bleiben okkult und präsentieren sich in einer Anämie. Klinisch manifeste Blutungen mit Meläna und Hämatemesis sind selten. Gelegentlich können Hautpigmentationen (Peutz-Jeghers-Syndrom), oder Café-au-lait-Flecken (Neurofibromatose) auf Tumoren des Dünndarms hinweisen.
4.9.1
Benigne Dünndarmtumoren
Insgesamt überwiegen die gutartigen Tumoren des Dünndarms die Malignome um ein 10faches. Adenome, Leiomyome und Lipome sind die drei häufigsten Tumoren des Dünndarms. Ihnen folgen die Hamartome, Fibrome, Angiome und neurogene Tumoren. Bei unspezifischer Symptomatik werden diese Tumoren meist zufällig entdeckt. Die Therapie der Wahl ist die Resektion des betroffenen Darmanteils. Das Peutz-Jeghers-Syndrom ist bei den Polyposis-Syndromen einzuordnen (s. Kap. B-6.5.2).
4.9
Dünndarmtumoren
Von den gesamten Tumoren des Gastrointestinaltrakts fallen lediglich 1–5 % auf den Dünndarm. Die Inzidenz bezogen auf die Gesamtbevölkerung beträgt 0,1–0,8 %. Der größte Teil verläuft asymptomatisch (ca. 90 %). In 40–70 % finden sich Zeichen eines Darmverschlusses. Blutungen bleiben in 20–50 % okkult und führen zu einer Anämie.
4.9.1 Benigne Dünndarmtumoren Sie dominieren vor den Malignomen um ein 10faches. Adenome, Leiomyome, und Lipome sind die häufigsten Tumoren des Dünndarms. Bei Diagnosestellung ist die Resektion die Therapie der Wahl. Zu Peutz-Jeghers-Syndrom s. Kap. B-6.5.2.
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4.9.1 Benigne Dünndarmtumoren Veränderung im Bereich des defekten Darms hin. Bei unklarer Genese gestattet der geringe Verlust intestinaler Flüssigkeit eine genaue Abklärung des vor und hinter der Fistel liegenden Darms. Liegt einer Fistel ein Morbus Crohn, eine andere Entzündung, eine Strahlenenteritis oder Tumoren zugrunde, wird die Behandlung der Grunderkrankung durch eine Fistel nicht beeinträchtigt. In allen anderen Fällen ohne Spontanverschluss ist eine operative Intervention unumgänglich.
»High-output«-Fisteln
»High-output«-Fisteln
Derartige Fisteln sind durch einen hohen Flüssigkeits- und damit Elektrolytverlust charakterisiert. Ursache ist entweder eine große Dehiszenz im Dünndarmbereich oder eine sehr weit oral gelegene Fistel, der in den meisten Fällen ein aboral gelegener subtotaler oder totaler Verschluss folgt. In Abhängigkeit von der Sekretionsmenge steigt die Gefahr der Malassimilation, der Wunddehiszenz und der Sepsis. Primäres Behandlungsziel muss die Korrektur des Wasser- und Elektrolytverlustes sein. Da diese Fisteln nur selten spontan heilen, muss in einem stabilen Zustand des Patienten die Kontinuität des Dünndarms operativ wiederhergestellt werden. Ein lokaler Fistelverschluss bleibt in der Regel erfolglos.
Durch eine Dränage von > 200 ml/d sind diese Fisteln durch einen hohen Elektrolyt- und Flüssigkeitsverlust charakterisiert. Hier ist ein Ausgleich des Wasser- und Elektrolytverlustes und eine operative Sanierung der Fisteln notwendig.
Innere Fisteln
Innere Fisteln
Sie werden meistens durch chronische Entzündungen des Darms verursacht. Perforation und Abszessbildungen führen zu einer Kommunikation mit benachbarten Darmschlingen oder Hohlorganen. Ileoileale und ileokolische Fisteln sind relativ harmlos und bleiben oft asymptomatisch. Erst eine Obstruktion oder septische Symptomatik führen zur Operation. Fisteln zur Harnblase oder anderen Teilen des Urogenitaltrakts können zur rezidivierenden Urosepsis führen und sind eine absolute Operationsindikation.
Perforation und Abszessbildungen führen zu einer Kommunikation mit benachbarten Darmschlingen oder Hohlorganen. Obstruktion, eine septische Symptomatik, Fisteln zur Harnblase oder anderen Teilen des Urogenitaltrakts sind eine absolute Operationsindikation.
4.9
Dünndarmtumoren
Von den gesamten Tumoren des Gastrointestinaltrakts fallen lediglich 1–5 % auf den Dünndarm. Die Inzidenz bezogen auf die Gesamtbevölkerung beträgt 0,1–0,8 %. Der größte Teil dieser Tumoren bleibt klinisch asymptomatisch (ca. 90 %). Treten Symptome auf, können sie sich auf eine unspezifische Klinik beschränken. Bei 40–70 % der Patienten finden sich jedoch Zeichen eines rezidivierenden inkompletten oder eines vollständigen Darmverschlusses. Hierbei ist die Invagination das häufigste Ereignis. Blutungen, die bei 20–50 % der Patienten auftreten, bleiben okkult und präsentieren sich in einer Anämie. Klinisch manifeste Blutungen mit Meläna und Hämatemesis sind selten. Gelegentlich können Hautpigmentationen (Peutz-Jeghers-Syndrom), oder Café-au-lait-Flecken (Neurofibromatose) auf Tumoren des Dünndarms hinweisen.
4.9.1
Benigne Dünndarmtumoren
Insgesamt überwiegen die gutartigen Tumoren des Dünndarms die Malignome um ein 10faches. Adenome, Leiomyome und Lipome sind die drei häufigsten Tumoren des Dünndarms. Ihnen folgen die Hamartome, Fibrome, Angiome und neurogene Tumoren. Bei unspezifischer Symptomatik werden diese Tumoren meist zufällig entdeckt. Die Therapie der Wahl ist die Resektion des betroffenen Darmanteils. Das Peutz-Jeghers-Syndrom ist bei den Polyposis-Syndromen einzuordnen (s. Kap. B-6.5.2).
4.9
Dünndarmtumoren
Von den gesamten Tumoren des Gastrointestinaltrakts fallen lediglich 1–5 % auf den Dünndarm. Die Inzidenz bezogen auf die Gesamtbevölkerung beträgt 0,1–0,8 %. Der größte Teil verläuft asymptomatisch (ca. 90 %). In 40–70 % finden sich Zeichen eines Darmverschlusses. Blutungen bleiben in 20–50 % okkult und führen zu einer Anämie.
4.9.1 Benigne Dünndarmtumoren Sie dominieren vor den Malignomen um ein 10faches. Adenome, Leiomyome, und Lipome sind die häufigsten Tumoren des Dünndarms. Bei Diagnosestellung ist die Resektion die Therapie der Wahl. Zu Peutz-Jeghers-Syndrom s. Kap. B-6.5.2.
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4 Dünndarm
Maligne Dünndarmtumoren
4.9.2 Maligne Dünndarmtumoren
4.9.2
Symptome. Maligne Tumoren werden im Krankheitsverlauf immer symptomatisch (z.B. Blutung, Ileus). Bei 77 % der Patienten sind bei Diagnosestellung bereits durchschnittlich 12 Monate verstrichen. Ein radikales Vorgehen ist meist nicht mehr möglich.
Symptome. Im Gegensatz zu den benignen Tumoren sind die malignen
Diagnose. Selektive Dünndarmpassage, Angiographie, CT und Laparoskopie zum Tumorstaging. Die Diagnose ist meist ein Zufallsbefund.
Diagnose. Sie wird mit der selektiven Darmpassage oder der Angiographie gestellt. Da selten ein gezielter Verdacht besteht, bleibt die Diagnose meist dem Zufall überlassen, sodass die meisten Tumoren erst perioperativ gesichert werden. Besteht ein begründeter Verdacht auf einen intestinalen Dünndarmtumor, kann neben den erwähnten Untersuchungen auch die Computertomographie (CT) oder die Laparoskopie zum Tumorstaging eingesetzt werden.
Therapie. Sie besteht in einer vollständigen Entfernung des betroffenen Darmabschnitts.
Therapie. Die Behandlung besteht in der vollständigen Entfernung des betroffenen Darmabschnitts mit dem Ziel einer R0-Resektion.
Prognose. Allgemein kann nur mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 20 % gerechnet werden.
Prognose. Da bei Diagnosestellung bereits ein fortgeschrittenes Tumorsta-
4.9.3 Karzinoid-Syndrom
4.9.3
Definition
Karzinoide sind semimaligne Tumoren, die den chromaffinen Zellen des APUDSystems entstammen und vornehmlich im Gastrointestinaltrakt auftreten. Sie finden sich hauptsächlich in: π Appendix (45 %) π Ileum (20 %) π Rektum (15 %). 30 % der Karzinoide werden klinisch symptomatisch. Das Auftreten von Metastasen ist proportional zur Tumorgröße (> 2 cm). Solitäre Tumoren bleiben aufgrund ihres langsamen Wachstums und der Inaktivierung von 5-HTA in der Leber asymptomatisch. Unkontrolliertes Tumorwachstum mit Metastasierung in die Leber führt infolge der 5-Hydroxytryptamin-(Serotonin-)Freisetzung in die systemische Zirkulation unter Umgehung des Leberkreislaufs (Inaktivierung von Serotonin in der Leber) zum klinischen Bild des Karzinoid-Syndroms. Dies gilt nicht für Dickdarm-Karzinoide, da diese kein 5-HTA bilden.
Tumoren generell symptomatisch und werden im Verlauf des Tumorwachstums diagnostiziert (z.B. durch Blutung oder Ileus). Allerdings sind bei 77 % der Patienten bei der Diagnosestellung bereits durchschnittlich 12 Monate vergangen, das heißt, dass der Zeitpunkt für ein radikales Vorgehen verstrichen und mit Metastasen zu rechnen ist. Anders als die benignen Tumoren scheinen die bösartigen Veränderungen einem histologischen Verteilungsmuster zu folgen. Hierbei treten die Adenokarzinome im proximalen Bereich des Dünndarms, Leiomyosarkome im Jejunum oder Ileum und das Karzinoid sowie Lymphome im gesamten Dünndarm auf, wobei das Karzinoid das Ileum bevorzugt befällt.
dium vorliegt haben maligne Tumoren des Dünndarms eine schlechte Prognose. Allgemein kann nur mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 20 % gerechnet werden.
Karzinoid-Syndrom
n Definition. Das Karzinoid-Syndrom ist Ausdruck einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung, wobei das klinische Erscheinungsbild in direkter Relation zur Tumorgröße und seinem Anschluss an die systemische Zirkulation steht.
Karzinoide entstammen den chromaffinen Zellen des APUD-Systems (Amin Precursor Uptake and Decarboxylation). Es handelt sich um semimaligne Tumoren, die sich mit Ausnahme der Speiseröhre vornehmlich im Gastrointestinaltrakt finden. Sie verteilen sich mit 45 % auf die Appendix (s. Kap. B-5.3.1), mit 20 % auf das Ileum und mit 15 % auf das Rektum. Extraintestinal findet sich das Karzinoid u.a. im Bronchialsystem (ä 10 %). Andere Lokalisationen sind selten. Karzinoide des Dünndarms zeigen eine Dominanz im terminalen Ileum, wobei ein multizentrisches Auftreten zu beobachten ist. Lediglich 30 % der Karzinoide werden klinisch manifest. Das Auftreten von Metastasen ist proportional zur Größe des Tumors (> 2 cm). Solitäre Tumoren bleiben aufgrund ihres langsamen Wachstums und der Inaktivierung von 5-Hydroxytryptamin (5-HTA) in der Leber asymptomatisch, es sei denn sie führen zur Obstruktion oder Invagination. Erst das unkontrollierte Wachstum mit Metastasierung in die Leber führt infolge der 5-HTA-(Serotonin-)Freisetzung in die systemische Zirkulation unter Umgehung des Leberkreislaufs (Inaktivierung von Serotonin in der Leber) zum klinischen Bild des Karzinoid-Syndroms. Dies kann beim Karzinoid des Ovars, der Bronchien und bei retroperitonealen Metastasen auftreten. Es wird fast immer bei Lebermetastasen manifest, da die vasoaktiven Substanzen direkt in die Lebervenen gelangen. Im Unterschied zu den Dünndarmkarzinoiden bilden Karzinoide des Dickdarms kein 5-HTA, sodass kein Karzinoid-Syndrom entstehen kann.
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4.11 Verletzungen
Symptome. Das klinische Bild des Syndroms zeigt sich in Flush (Hautrö-
Symptome. Das klinische Bild des Syndroms zeigt sich in Flush (Hautrötung), Diarrhö und Bronchuskonstriktion (Asthmaanfälle). Spätkomplikation ist die Endokardfibrose.
Diagnose. Die Diagnose kann durch den Nachweis von 5-Hydroxyindoles-
Diagnose. Sie kann durch Nachweis von 5-Hydroxyindolessigsäure im 24-Stunden-Urin gestellt werden.
Therapie und Prognose. Das langsame Wachstum des Tumors und die rela-
Therapie und Prognose. Bei relativ günstiger Prognose und langsamem Tumorwachstum erfolgt eine Resektion von Primärtumor und Metastasen. Eine palliative Beeinflussung der Symptomatik kann mit Octreotid (Sandostatin Q ) erreicht werden.
tung), Diarrhö und Bronchuskonstriktion (Asthmaanfälle). Obwohl die Diarrhö das häufigste Symptom ist, kann sie aufgrund der zahlreichen Ursachen klinisch nur schlecht verwertet werden. Das charakteristischste Erscheinungsbild ist der Flush in Gesicht, Nacken und oberem Thorax. Auslösendes Moment können alle Situationen oder Agenzien sein, die den Gefäßtonus beeinflussen. Eine Bronchuskonstriktion kann im Verlauf der Erkrankung zu Asthmaanfällen führen. Eine späte Komplikation ist die Herzerkrankung. Sie ist auf das Endokard beschränkt und führt zur Trikuspidalund Pulmonalstenose.
sigsäure im 24-Stunden-Urin erstellt werden. Hierbei ist zu beachten, dass durch eine exzessive Aufnahme von Walnüssen, Bananen, Ananas und Tomaten in Grenzbereichen falsch positive Ergebnisse erzielt werden. Werte über 20 mg sind jedoch sicher pathologisch.
tiv günstige Prognose mit einer 5-Jahres-Überlebenszeit von 20 % berechtigen zu einem eher aggressiven chirurgischen Vorgehen. Neben der Entfernung des Primärtumors sind wiederholte Eingriffe zur Metastasenentfernung angezeigt. Hierdurch können die Symptome beeinflusst und die Rezidivintervalle verlängert werden. Eine palliative Beeinflussung der Symptomatik kann mit Octreotid (SandostatinQ) erreicht werden.
4.10
Intestinale Ischämie
4.10
(s. Kap. B-24.1.7)
Die intestinale Ischämie kann sich akut und chronisch manifestieren und sowohl arteriellen als auch venösen Ursprungs sein. Während die chronische Form keine Gefahr für den Dünndarm darstellt, sondern die Blutversorgung nicht mehr den funktionellen Anforderungen entspricht, ist er bei der akuten Ischämie vital gefährdet. Für die chronische Ischämie mit dem klinischen Bild der mesenterialen Angina werden arteriosklerotische Veränderungen und sich langsam entwickelnde venöse Thrombosen verantwortlich gemacht. Häufiger ist die akute arterielle mesenteriale Ischämie mit vollständiger Unterbrechung der Blutversorgung des gesamten Dünndarms oder einzelner Abschnitte. Hierzu gehören die arterielle Embolie, die nicht okklusive arterielle Ischämie, die Thrombose der A. mesenterica superior und die fokale, segmentale Ischämie. Die akute Mesenterialvenenthrombose und die segmentale Ischämie, hervorgerufen durch Strangulation und Obstruktion gehören zur venösen Form der akuten mesenterialen Ischämie.
4.11
Verletzungen
4.11.1
Stumpfe und perforierende Bauchverletzungen (s.a. Kap. A-10.2.5)
Intestinale Ischämie (s. Kap. B-24.1.7)
Die intestinale Ischämie kann sich akut und chronisch manifestieren und sowohl arteriellen als auch venösen Ursprungs sein. Bei der akuten Ischämie ist der Dünndarm vital gefährdet. Für die chronische Ischämie mit dem klinischen Bild der mesenterialen Angina sind arteriosklerotische Veränderungen und venöse Thrombosen verantwortlich. Bei der akuten arteriellen mesenterialen Ischämie handelt es sich um eine vollständige Unterbrechung der Blutversorgung. Die akute Mesenterialvenenthrombose und die segmentale Ischämie werden durch Strangulation und Obstruktion hervorgerufen.
4.11
Verletzungen
4.1.1 Stumpfe und perforierende Bauchverletzungen (s.a. Kap. A-10.2.5)
Die häufigste Ursache intestinaler Verletzungen ist das stumpfe Bauchtrauma. Es kann sowohl isoliert (Sicherheitsgurte) als auch im Rahmen eines Polytraumas vorliegen. In 30–50 % muss bei einem stumpfen Bauchtrauma mit Organverletzungen gerechnet werden.
Häufigste Ursache intestinaler Verletzungen ist das stumpfe Bauchtrauma. Es kann isoliert oder im Rahmen eines Polytraumas vorliegen.
Symptome. Sie sind primär unspezifisch und bilden sich ggf. nach der domi-
Symptome. Die Klinik wird durch das zugrunde liegende Geschehen wie Blutung (Peritonismus, evtl. Schock) oder Organperforation (Peritonitis, evtl. Fieber und Sepsis) bestimmt.
nanten Verletzung aus. Hierbei kann entweder die intraperitoneale Blutung oder die Folge einer Organperforation im Vordergrund stehen. Liegt eine Blutung vor, ist neben Schmerzen ein Peritonismus nachweisbar und je nach Intensität der Blutung stellen sich Schockzeichen ein. Bei einer intraperitonealen Kontamination mit Darminhalt bei einer Darmperforation entwickelt
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4.11 Verletzungen
Symptome. Das klinische Bild des Syndroms zeigt sich in Flush (Hautrö-
Symptome. Das klinische Bild des Syndroms zeigt sich in Flush (Hautrötung), Diarrhö und Bronchuskonstriktion (Asthmaanfälle). Spätkomplikation ist die Endokardfibrose.
Diagnose. Die Diagnose kann durch den Nachweis von 5-Hydroxyindoles-
Diagnose. Sie kann durch Nachweis von 5-Hydroxyindolessigsäure im 24-Stunden-Urin gestellt werden.
Therapie und Prognose. Das langsame Wachstum des Tumors und die rela-
Therapie und Prognose. Bei relativ günstiger Prognose und langsamem Tumorwachstum erfolgt eine Resektion von Primärtumor und Metastasen. Eine palliative Beeinflussung der Symptomatik kann mit Octreotid (Sandostatin Q ) erreicht werden.
tung), Diarrhö und Bronchuskonstriktion (Asthmaanfälle). Obwohl die Diarrhö das häufigste Symptom ist, kann sie aufgrund der zahlreichen Ursachen klinisch nur schlecht verwertet werden. Das charakteristischste Erscheinungsbild ist der Flush in Gesicht, Nacken und oberem Thorax. Auslösendes Moment können alle Situationen oder Agenzien sein, die den Gefäßtonus beeinflussen. Eine Bronchuskonstriktion kann im Verlauf der Erkrankung zu Asthmaanfällen führen. Eine späte Komplikation ist die Herzerkrankung. Sie ist auf das Endokard beschränkt und führt zur Trikuspidalund Pulmonalstenose.
sigsäure im 24-Stunden-Urin erstellt werden. Hierbei ist zu beachten, dass durch eine exzessive Aufnahme von Walnüssen, Bananen, Ananas und Tomaten in Grenzbereichen falsch positive Ergebnisse erzielt werden. Werte über 20 mg sind jedoch sicher pathologisch.
tiv günstige Prognose mit einer 5-Jahres-Überlebenszeit von 20 % berechtigen zu einem eher aggressiven chirurgischen Vorgehen. Neben der Entfernung des Primärtumors sind wiederholte Eingriffe zur Metastasenentfernung angezeigt. Hierdurch können die Symptome beeinflusst und die Rezidivintervalle verlängert werden. Eine palliative Beeinflussung der Symptomatik kann mit Octreotid (SandostatinQ) erreicht werden.
4.10
Intestinale Ischämie
4.10
(s. Kap. B-24.1.7)
Die intestinale Ischämie kann sich akut und chronisch manifestieren und sowohl arteriellen als auch venösen Ursprungs sein. Während die chronische Form keine Gefahr für den Dünndarm darstellt, sondern die Blutversorgung nicht mehr den funktionellen Anforderungen entspricht, ist er bei der akuten Ischämie vital gefährdet. Für die chronische Ischämie mit dem klinischen Bild der mesenterialen Angina werden arteriosklerotische Veränderungen und sich langsam entwickelnde venöse Thrombosen verantwortlich gemacht. Häufiger ist die akute arterielle mesenteriale Ischämie mit vollständiger Unterbrechung der Blutversorgung des gesamten Dünndarms oder einzelner Abschnitte. Hierzu gehören die arterielle Embolie, die nicht okklusive arterielle Ischämie, die Thrombose der A. mesenterica superior und die fokale, segmentale Ischämie. Die akute Mesenterialvenenthrombose und die segmentale Ischämie, hervorgerufen durch Strangulation und Obstruktion gehören zur venösen Form der akuten mesenterialen Ischämie.
4.11
Verletzungen
4.11.1
Stumpfe und perforierende Bauchverletzungen (s.a. Kap. A-10.2.5)
Intestinale Ischämie (s. Kap. B-24.1.7)
Die intestinale Ischämie kann sich akut und chronisch manifestieren und sowohl arteriellen als auch venösen Ursprungs sein. Bei der akuten Ischämie ist der Dünndarm vital gefährdet. Für die chronische Ischämie mit dem klinischen Bild der mesenterialen Angina sind arteriosklerotische Veränderungen und venöse Thrombosen verantwortlich. Bei der akuten arteriellen mesenterialen Ischämie handelt es sich um eine vollständige Unterbrechung der Blutversorgung. Die akute Mesenterialvenenthrombose und die segmentale Ischämie werden durch Strangulation und Obstruktion hervorgerufen.
4.11
Verletzungen
4.1.1 Stumpfe und perforierende Bauchverletzungen (s.a. Kap. A-10.2.5)
Die häufigste Ursache intestinaler Verletzungen ist das stumpfe Bauchtrauma. Es kann sowohl isoliert (Sicherheitsgurte) als auch im Rahmen eines Polytraumas vorliegen. In 30–50 % muss bei einem stumpfen Bauchtrauma mit Organverletzungen gerechnet werden.
Häufigste Ursache intestinaler Verletzungen ist das stumpfe Bauchtrauma. Es kann isoliert oder im Rahmen eines Polytraumas vorliegen.
Symptome. Sie sind primär unspezifisch und bilden sich ggf. nach der domi-
Symptome. Die Klinik wird durch das zugrunde liegende Geschehen wie Blutung (Peritonismus, evtl. Schock) oder Organperforation (Peritonitis, evtl. Fieber und Sepsis) bestimmt.
nanten Verletzung aus. Hierbei kann entweder die intraperitoneale Blutung oder die Folge einer Organperforation im Vordergrund stehen. Liegt eine Blutung vor, ist neben Schmerzen ein Peritonismus nachweisbar und je nach Intensität der Blutung stellen sich Schockzeichen ein. Bei einer intraperitonealen Kontamination mit Darminhalt bei einer Darmperforation entwickelt
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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4 Dünndarm sich der Peritonismus zu einer Peritonitis. Eine verspätete Diagnose kann in diesen Fällen zu Fieber und Sepsis führen.
Diagnostik Merke
Dies gilt insbesondere für den bewusstseinsgetrübten Patienten nach einem Schädel-Hirn-Trauma.
Merke
Diagnostik n Merke. Bei jedem Verdacht auf ein stumpfes Bauchtrauma muss zum Ausschluss einer Organverletzung oder freier intraabdominaler Flüssigkeit eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens vorgenommen werden.
Dies gilt insbesondere für den bewusstseinsgetrübten Patienten nach einem Schädel-Hirn-Trauma. Die früher angewandte Möglichkeit der diagnostischen Peritoneallavage ist weitestgehend durch die Ultraschalluntersuchung abgelöst worden. n Merke. Betrifft das Verletzungsmuster Thorax und untere Extremitäten ohne klinische Zeichen einer Abdominalverletzung, dann muss diese trotzdem diagnostisch ausgeschlossen werden.
Die penetrierende Abdominalverletzung entspricht im diagnostischen Vorgehen dem des stumpfen Bauchtraumas.
Die penetrierende Abdominalverletzung entspricht im diagnostischen Vorgehen dem des stumpfen Bauchtraumas. Je nach Art der Verletzung wird die sofortige Laparotomie indiziert sein. Erlaubt es das klinische Bild, kann eine diagnostische Laparoskopie evtl. in therapeutischer Intention vorgenommen werden.
4.11.2 Mesenterialverletzungen
4.11.2
Mesenterialverletzungen ereignen sich sowohl nach penetrierenden als auch nach stumpfen Bauchtraumen. Es kann zu Hämatomen, Mesenterialeinrissen und einem Mesenterialabriss kommen ( 1 B-4.11).
Mesenterialverletzungen ereignen sich in 18 % der penetrierenden und 5 % der stumpfen Abdominaltraumen als Folge intraabdomineller Scherkräfte, die auf die Darmaufhängung wirken. Hierbei kann es zu intramesenterialen Hämatomen, Mesenterialeinrissen mit Blutungen und dem Mesenterialabriss mit Devaskularisation ganzer Darmabschnitte mit Nekrose und Perforation kommen ( 1 B-4.11).
Mesenterialverletzungen
1 B-4.11
Mesenterialabriss Mesenterialabriss mit Nekrose des angeschlossenen Dünndarmsegments.
Symptome. Es kommt zu Blutverlust mit Blutdruckabfall, Peritonismus und sinkendem Hämatokrit bei gleichzeitiger Distension des Dünndarms.
Symptome. Das klinische Bild richtet sich nach Ausmaß und Lokalisation der Verletzung. Liegt ein blutender Mesenterialeinriss vor, steht der Blutverlust mit Blutdruckabfall, Peritonismus und sinkendem Hämatokrit bei gleichzeitiger Distension des Dünndarms im Vordergrund. Dominiert der Abdominalschmerz, muss an eine intestinale Ischämie gedacht werden.
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4.12 Fremdkörper
Diagnose. Die Diagnose kann anhand des klinischen Bildes vermutet und
Diagnose. Sie kann anhand des klinischen Bildes vermutet und mit dem Ultraschall oder der Peritoneallavage meistens gesichert werden.
Therapie. Das nicht expandierende Mesenterialhämatom bedarf bei vita-
Therapie. Das Mesenterialhämatom bedarf bei vitalem Dünndarm keiner Maßnahmen.
mit dem Ultraschall oder der Peritoneallavage meistens gesichert werden. Im Zweifelsfall muss die explorative Laparotomie erfolgen. Bei stabilen Kreislaufverhältnissen darf auch eine Laparoskopie vorgenommen werden.
lem Dünndarm keiner weiteren Maßnahmen. Kommt es jedoch zu einer Größenzunahme des Hämatoms mit Gefährdung der Darmperfusion, ist eine Exploration angezeigt. Mesenterialeinrisse führen zu Blutungen unterschiedlicher Intensität und erfordern die Laparotomie mit Blutstillung und Defektverschluss. Beim Mesenterialabriss kommt es zur Unterbrechung der arteriellen Arkaden oder größerer Gefäße des Dünndarms mit Blutung und Ischämie der betroffenen Darmabschnitte. Bei diesen Patienten ist nach der Blutstillung die Resektion des ischämischen Darmbereichs erforderlich.
Komplikationen. Zu den Komplikationen der Mesenterialverletzungen zäh-
len die Nachblutung, der Ileus durch Verwachsungen oder durch Herniation von Dünndarm durch einen übersehenen oder nicht verschlossenen Mesenterialeinriss und eine fortschreitende Ischämie in einem Anastomosenbereich nach einer Resektion.
4.12
Fremdkörper
Bei Mesenterialeinriss oder -abriss erfolgt die chirurgische Revision.
Komplikationen. Nachblutung, Ileus, Herniation und Ischämie im Anastomosengebiet zählen zu den Komplikationen.
4.12
Fremdkörper
Haben verschluckte Fremdkörper den Magen verlassen, so werden sie beim Erwachsenen in über 80 % innerhalb eines Monats auf natürlichem Wege ausgeschieden. Beim Kind nimmt die Dünndarmpassage durchschnittlich 5 Tage in Anspruch.
Verschluckte Fremdkörper werden nach Verlassen des Magens beim Erwachsenen in 80 % innerhalb eines Monats auf natürlichem Wege ausgeschieden.
Symptome. Die Klinik verläuft in der Regel asymptomatisch. Symptome sind erst beim Auftreten von Komplikationen zu beobachten.
Symptome. Sie sind erst beim Auftreten von Komplikationen zu beobachten.
Komplikationen. Zu den Komplikationen intestinaler Fremdkörper, die eine
Komplikationen. Zu den Komplikationen intestinaler Fremdkörper, die eine chirurgische Intervention verlangen, gehören der Darmverschluss, die Perforation und die Blutung.
chirurgische Intervention verlangen, gehören der Darmverschluss, die Perforation und die Blutung. Nur 1–2 % aller Darmverschlüsse werden jedoch durch Fremdkörper verursacht. Bevorzugte Lokalisationen der Fremdkörperobstruktion sind das terminale Ileum, die Ileozäkalklappe oder vorbestehende Engen durch entzündliche Strikturen, Tumoren oder Divertikel. Eine Perforation kann in seltenen Fällen zu einer generalisierten Peritonitis führen, beschränkt sich jedoch meist auf eine lokale Abszess- oder Fistelbildung in benachbarte Organe.
1 B-4.12
Fremdkörper im Darm (Nägel) Fremdkörperingestion (Nägel) eines Gefängnisinsassen. Therapeutisch wurde ausschließlich konservativ vorgegangen.
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4.12 Fremdkörper
Diagnose. Die Diagnose kann anhand des klinischen Bildes vermutet und
Diagnose. Sie kann anhand des klinischen Bildes vermutet und mit dem Ultraschall oder der Peritoneallavage meistens gesichert werden.
Therapie. Das nicht expandierende Mesenterialhämatom bedarf bei vita-
Therapie. Das Mesenterialhämatom bedarf bei vitalem Dünndarm keiner Maßnahmen.
mit dem Ultraschall oder der Peritoneallavage meistens gesichert werden. Im Zweifelsfall muss die explorative Laparotomie erfolgen. Bei stabilen Kreislaufverhältnissen darf auch eine Laparoskopie vorgenommen werden.
lem Dünndarm keiner weiteren Maßnahmen. Kommt es jedoch zu einer Größenzunahme des Hämatoms mit Gefährdung der Darmperfusion, ist eine Exploration angezeigt. Mesenterialeinrisse führen zu Blutungen unterschiedlicher Intensität und erfordern die Laparotomie mit Blutstillung und Defektverschluss. Beim Mesenterialabriss kommt es zur Unterbrechung der arteriellen Arkaden oder größerer Gefäße des Dünndarms mit Blutung und Ischämie der betroffenen Darmabschnitte. Bei diesen Patienten ist nach der Blutstillung die Resektion des ischämischen Darmbereichs erforderlich.
Komplikationen. Zu den Komplikationen der Mesenterialverletzungen zäh-
len die Nachblutung, der Ileus durch Verwachsungen oder durch Herniation von Dünndarm durch einen übersehenen oder nicht verschlossenen Mesenterialeinriss und eine fortschreitende Ischämie in einem Anastomosenbereich nach einer Resektion.
4.12
Fremdkörper
Bei Mesenterialeinriss oder -abriss erfolgt die chirurgische Revision.
Komplikationen. Nachblutung, Ileus, Herniation und Ischämie im Anastomosengebiet zählen zu den Komplikationen.
4.12
Fremdkörper
Haben verschluckte Fremdkörper den Magen verlassen, so werden sie beim Erwachsenen in über 80 % innerhalb eines Monats auf natürlichem Wege ausgeschieden. Beim Kind nimmt die Dünndarmpassage durchschnittlich 5 Tage in Anspruch.
Verschluckte Fremdkörper werden nach Verlassen des Magens beim Erwachsenen in 80 % innerhalb eines Monats auf natürlichem Wege ausgeschieden.
Symptome. Die Klinik verläuft in der Regel asymptomatisch. Symptome sind erst beim Auftreten von Komplikationen zu beobachten.
Symptome. Sie sind erst beim Auftreten von Komplikationen zu beobachten.
Komplikationen. Zu den Komplikationen intestinaler Fremdkörper, die eine
Komplikationen. Zu den Komplikationen intestinaler Fremdkörper, die eine chirurgische Intervention verlangen, gehören der Darmverschluss, die Perforation und die Blutung.
chirurgische Intervention verlangen, gehören der Darmverschluss, die Perforation und die Blutung. Nur 1–2 % aller Darmverschlüsse werden jedoch durch Fremdkörper verursacht. Bevorzugte Lokalisationen der Fremdkörperobstruktion sind das terminale Ileum, die Ileozäkalklappe oder vorbestehende Engen durch entzündliche Strikturen, Tumoren oder Divertikel. Eine Perforation kann in seltenen Fällen zu einer generalisierten Peritonitis führen, beschränkt sich jedoch meist auf eine lokale Abszess- oder Fistelbildung in benachbarte Organe.
1 B-4.12
Fremdkörper im Darm (Nägel) Fremdkörperingestion (Nägel) eines Gefängnisinsassen. Therapeutisch wurde ausschließlich konservativ vorgegangen.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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4 Dünndarm Weniger häufig ist die Blutung durch Drucknekrosen und Ulzerationen der Schleimhaut.
Diagnose. Sie wird primär durch die Anamnese gestellt und kann bei röntgendichten Materialien durch die Abdomenübersichtsaufnahme gesichert werden ( 1 B-4.12).
Diagnose. Sie wird primär durch die Anamnese gestellt und kann bei rönt-
Therapie. Der Spontanabgang wird abgewartet. Erst beim Auftreten von Komplikationen wird der Fremdkörper operativ entfernt.
Therapie. Unter der Wahrscheinlichkeit des Spontanabgangs besteht die
4.13
4.13
Dünndarmoperationen
4.13.1 Dünndarmresektion
4.13.1
Dünndarmresektion
Morphologische Veränderungen des Dünndarms mit irreparablen Schäden von Darmwand oder Mesenterialwurzel machen eine Resektion der betroffenen Darmanteile erforderlich (z.B. Perforation, Penetration, Blutung usw.). Im Rahmen gutartiger Erkrankungen sollte die Resektion auf den erkrankten oder veränderten Darmabschnitt begrenzt bleiben. Bei malignen Tumoren ist die Mitnahme der mesenterialen Lymphknoten erforderlich ( 1 B-4.13).
Morphologische Veränderungen des Dünndarms mit irreparablen Schäden von Darmwand oder Mesenterialwurzel machen eine Resektion der betroffenen Darmanteile erforderlich. Hierzu gehören z.B. Perforation, Penetration, Blutung, Fistelbildung, Gangrän, Verschlüsse und Tumoren. Im Rahmen gutartiger Erkrankungen sollte die Resektion auf den erkrankten oder veränderten Darmabschnitt unter Erhalt des Mesenteriums begrenzt bleiben oder lediglich exzidiert werden. Bei malignen Tumoren ist die Mitnahme der mesenterialen Lymphknoten erforderlich ( 1 B-4.13).
Dünndarmoperationen
gendichten Materialien durch die Abdomenübersichtsaufnahme gesichert werden. Die Fremdkörperingestion findet sich vornehmlich bei Kindern, psychiatrischen Patienten, Alkoholikern und Gefängnisinsassen ( 1 B-4.12).
Behandlung in erster Linie in konservativen Maßnahmen mit faserreicher und eindickender Kost (z.B. Sauerkraut, Kartoffelbrei). Erst beim Auftreten von Komplikationen mit Zeichen des Peritonismus oder der Obstruktion muss der Fremdkörper operativ entfernt werden.
1 B-4.13
Synopsis Segmentresektion am Dünndarm
Dünndarmsegmentresektion am Beispiel der Divertikulose. Bei gutartiger Erkrankung erfolgt die darmnahe Resektion. Bei malignen Tumoren ist demgegenüber die Mitnahme der mesenterialen Lymphknoten erforderlich.
Die Wiedervereinigung der Darmenden sollte, wenn immer möglich im Sinne einer End-zu-End-Anastomose vorgenommen werden. Ergreifen tumoröse Veränderungen Nachbarorgane, evtl. notwendige Seit-zu-Seit-Anastomosen mit funktionellem Ausschluss von Darmschlingen (Palliativoperationen).
Die Wiedervereinigung der Darmenden sollte, wenn immer möglich im Sinne einer End-zu-End-Anastomose vorgenommen werden. Ergreifen tumoröse Veränderungen Nachbarorgane, kann es zur Wiederherstellung der Kontinuität erforderlich werden, durch Seit-zu-Seit-Anastomosen Darmschlingen funktionell auszuschließen. Funktionell kann sich jedoch hierdurch ein Blindsacksyndrom (s. 1 B-4.3) ausbilden. Bei diesem Vorgehen handelt es sich um Palliativoperationen.
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379
4.13.2 Dünndarmstomata
Komplikationen. Sie orientieren sich an der Grundkrankheit. In seltenen Fällen kann trotz regelrechter Operationstechnik ein Nahtbruch auftreten. Zur Vermeidung von Anastomoseninsuffizienzen ist darauf zu achten, dass der Naht keine Stenosen nachgeschaltet sind (z.B. Strikturen beim Morbus Crohn).
1 B-4.14
Prominente Ileostomie nach Brooke
2,5–3 cm 3 cm
Inkontinente Ileostomie: durch Bildung eines Nippels wird der Dünndarminhalt ohne Hautkontakt in den Ileostomiebeutel geleitet.
4.13.2
Dünndarmstomata
Durch Verlagerung von Darmquerschnitten vor die Bauchwand kann eine vollständige Deviation des Darminhalts erreicht werden. Die Stomaanlage kann protektiv, palliativ oder kurativ erforderlich werden. Am Dünndarm handelt es sich ausschließlich um Ileostomien. Als Standardverfahren der Dünndarmdeviation gilt heute die prominente Ileostomie (Brooke) ( 1 B-4.14). Sie wird sowohl als endständiges Stoma nach z.B. Proktokolektomie als auch zunehmend als doppelläufiges, protektives Stoma nach Dickdarmeingriffen eingesetzt.
4.13.2
Dünndarmstomata
Durch Verlagerung von Darmquerschnitten vor die Bauchwand kann eine vollständige Deviation des Darminhalts erreicht werden. Die Stomaanlage kann protektiv, palliativ oder kurativ erforderlich werden. Standardverfahren der Dünndarmdeviation ist die prominente Ileostomie (Brooke) ( 1 B-4.14).
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381
Appendix
5
5
Appendix
5.1
Anatomie
Michael Dürig
Anatomie
5.1
Die Appendix weist zahlreiche anatomische Lagevarianten auf, deren Kenntnis von klinisch-diagnostischer Bedeutung ist ( 1 B-5.1).
1 B-5.1
S.
1
B-5.1.
Synopsis Anatomische Lagevarianten der Appendix
2b 1 2c 1 2a
2a
2b a 1 2 2a 2b
5.2
regulär Varianten parazäkal retrozäkal
b 1 2 2a 2b 2c
regulär Varianten Zäkumtiefstand im kleinen Becken Zäkumhochstand in freier Bauchhöhle bei mobilem Zäkum, inkompletter Drehung oder linksseitig bei Situs inversus (sehr selten)
Appendizitis
5.2
Appendizitis
Inzidenz. Die Appendizitis gehört zu den häufigsten Ursachen des akuten
Inzidenz. 7–12 % der Bevölkerung erkranken in den ersten 3 Lebensdekaden an einer Appendizitis. Es kann jedoch jede Altersstufe betroffen sein.
Pathogenese. Bei 60 % aller Patienten beginnt die Entzündung mit einem
Pathogenese. Bei 60 % der Patienten beginnt die Appendizitis mit einem Verschluss des Lumens durch Koprolithen oder Schleim. Tumoren, Parasiten und Fremdkörper sind seltene Ursachen. Durch intraluminalen Druckanstieg kommt es zu Hypoxie, Ulzerationen der Mukosa, Bakterieninvasion und Ischämie. Eine Gangrän und Perforation entwickeln sich innerhalb von 24–36 Stunden.
Abdomens. 7–12 % der Bevölkerung erkranken innerhalb der ersten 3 Lebensdekaden, wobei jedoch jede Altersstufe betroffen sein kann. Die Inzidenz zeigt insgesamt eine abnehmende Tendenz.
Verschluss des Lumens. Die fortschreitende Sekretion der Mukosa führt zu einem intraluminalen Druckanstieg, der den venösen Druck überschreitet und zur Hypoxie führt. Nach Ulzeration der Mukosa können Bakterien in die Wand eindringen. Durch die Infektion kommt es zur Thrombose intraluminaler Gefäße mit einer Zunahme von Schwellung und Ischämie. Eine Gangrän und Perforation entwickeln sich in der Regel innerhalb von 24–36 Stunden. Der Zeitablauf ist jedoch variabel und hängt von der Lokalisation der Obstruktion ab. Bei einem Verschluss der Appendixspitze ist eine Perforation eher zu erwarten als bei einem Verschluss der Basis. Als Obstruktionsursache gelten bei 35 % der akuten Appendizitis Koprolithen oder visköser Stuhl. Zu den seltenen Ursachen gehören Tumoren, Parasiten und Fremdkörper.
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382 Symptome. Als erste klinische Zeichen zeigen sich unklare kolikartige Schmerzen im Epigastrium oder periumbilikal (viszeraler Schmerz). Es folgt eine Verlagerung der Beschwerden in den rechten Unterbauch, der sich zu einem Dauerschmerz entwickelt (somatischer Schmerz). Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen können folgen, begleitet von einem mäßiggradigen Temperaturanstieg. Beim Mann können Schmerzen im Hoden oder ein Hodenhochstand auftreten. Eine spontane Schmerzentlastung deutet auf eine Perforation hin.
Charakteristische Schmerz- und Druckpunkte bei der klinischen Untersuchung ( 1 B-5.2). π McBurney (Druckschmerz) π Blumberg (Loslassschmerz) π Lanz (Druckschmerz) π Rovsing π Douglas-Schmerz.
5 Appendix
Symptome. Die ersten klinischen Zeichen äußern sich in einem unklaren,
kolikartigen Abdominalschmerz im Epigastrium oder periumbilikal (viszeraler Schmerz). Dieser Schmerz verlagert sich in durchschnittlich 4 Stunden in den rechten unteren Quadranten, wo er als Dauerschmerz persistiert (somatischer Schmerz). Nach Einsetzen der Schmerzen beklagen die meisten Patienten Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen. Die klinischen Zeichen werden von einer mäßiggradigen Temperaturerhöhung begleitet. Nach einer Episode von Wind- und Stuhlverhalt kann es in seltenen Fällen zu Diarrhöen kommen, die dann mit einer Gastroenteritis verwechselt werden. Beim Mann können zusätzlich Schmerzen im Hoden oder ein Hodenhochstand auftreten. Ursache ist die gleiche Innervation von Appendix und Hoden aus dem 10. Thorakalsegment. Zur Abwehrspannung kommt es bei Beteiligung des parietalen Peritoneums (= lokale Peritonitis). Eine spontane Schmerzentlastung mit beginnenden peritonitischen Zeichen deutet auf eine Perforation der Appendix hin. Vor der klinischen Untersuchung sollte der Patient aufgefordert werden, nach einem Hustenstoß den Schmerzpunkt selbst zu lokalisieren, um ihn dann durch vorsichtige Palpation zu objektivieren. Zu den charakteristischen Schmerz- und Druckpunkten ( 1 B-5.2) gehören: π McBurney: Mitte der Verbindungslinie zwischen Nabel und Spina iliaca anterior superior (Druckschmerz) π Blumberg: bei Druck und plötzlichem Loslassen im linken unteren Quadranten entstehen Schmerzen im Bereich der Appendix (Loslassschmerz) π Lanz: äußeres und mittleres Drittel rechts in der Verbindung beider Spinae (Druckschmerz) π Rovsing: retrogrades Ausstreichen des linksseitigen Dickdarms führt zu Schmerzen im Colon ascendens und Zäkum π Douglas-Schmerz (bei der Frau): bei rektaler oder vaginaler Untersuchung rechtsseitige Schmerzangabe π Psoaszeichen: bei retrozäkaler Lage der Appendix und schmerzhafter Reizung der Psoasfaszie verstärkt sich der Schmerz beim Strecken des Beins oberhalb des Leistenbands (Dehnungsschmerz). n Merke. Die Schmerzangaben der Patienten sind grundsätzlich von der Lage der Appendix abhängig, sodass nicht alle Druckpunkte positiv sein müssen.
Merke
Diagnose. Die Diagnose der akuten Appendizitis erfolgt ausschließlich nach klinischen Gesichtspunkten.
Diagnose. Die Diagnose der typischen, akuten Appendizitis ist bei sorgfälti-
ger Anamneseerhebung und Untersuchung einfach und erfolgt ausschließlich nach klinischen Gesichtspunkten. Leitbefund ist der Druckschmerz im rechten Unterbauch mit Maximum am McBurney- und/oder Lanz-Punkt. Weniger charakteristische Befunde erfordern die wiederholte Untersuchung und differenzialdiagnostische Abgrenzungen (s. u.). n Merke. Bei Fieber ist die oft festgestellte axillär-rektale Temperaturdifferenz von 0,8 ΩC kein zuverlässiger diagnostischer Parameter.
Merke
π Labordiagnostik Eine Erhöhung der Leukozytenzahl ist sehr sensitiv, sie hängt jedoch vom Stadium der Entzündung ab. Nicht selten ist eine Erhöhung der Leukozyten über 10 000/m l mit Linksverschiebung zu beobachten. Die größte Sensitivität zeigt die Kombination einer Leukozytose mit Linksverschiebung.
Labordiagnostik: Eine Erhöhung der Leukozytenzahl ist sehr sensitiv für das Vorliegen einer Appendizitis. Ihre Spezifität ist jedoch gering. Nicht selten ist eine Erhöhung der Leukozyten über 10 000/ml mit Linksverschiebung zu beobachten, wobei die Zellzahl vom Stadium der Entzündung abhängt. Die Serumwerte des C-reaktiven Proteins (CRP) sind 12 Stunden nach Einsetzen der Erkrankung bei nahezu allen Patienten erhöht. Die Aussage ist jedoch eingeschränkt, da bei fast allen akuten Abdominalerkrankungen die CRP-Konzentration erhöht ist. Die größte Sensitivität zeigt die Kombination einer Leukozytose mit Linksverschiebung.
π
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383
5.2 Appendizitis
n Merke. Eine fehlende Leukozytose schließt eine akute Appendizitis nicht aus.
1 B-5.2
Merke
Synopsis Druck- und Schmerzpunkte zur Diagnose akuter Appendizitis
d
a
c
e
b
a b c d e
McBurney-Punkt Blumberg-Zeichen Lanz-Punkt Rovsing-Zeichen Douglas-Schmerz
Bei ca. 25 % der Patienten mit einer akuten Appendizitis sind Erythro- und Leukozyten im Urin zu beobachten. Als Ursache kann eine retrozäkale Appendizitis vorliegen, bei der durch die ureternahe Lage der Ureter mitentzündet sein kann. Eine Erythrozyturie oder Leukozyturie darf deshalb nicht von der Verdachtsdiagnose einer akuten Appendizitis ablenken. Bildgebende Diagnostik: Der Stellenwert radiologischer Diagnostik beschränkt sich auf atypische Verläufe und extreme Altersgruppen. Eine Ausnahme bildet die Ultraschalluntersuchung. In Abhängigkeit vom Untersucher kann eine Treffsicherheit 87–96 % erzielt werden ( 1 B-5.3). Die Interpretation des Untersuchungsergebnisses sollte jedoch nur in Kombination mit der klinischen Symptomatik erfolgen.
π
n Merke. Bei negativer Sonographie entscheidet der klinische Befund über das weitere Vorgehen.
Differenzialdiagnose. Bei den differenzialdiagnostischen ( 2 B-5.1) Erwä-
gungen muss daran gedacht werden, dass die Appendizitis jeden akuten Zustand des Abdomens vortäuschen kann.
Eine Erythro- und Leukozyturie darf nicht von der Verdachtsdiagnose einer akuten Appendizitis ablenken, da bei retrozäkaler Lage der Appendix der Ureter mitentzündet sein kann.
Bildgebende Diagnostik Das Verfahren der Wahl ist die Ultraschalluntersuchung. Die Treffsicherheit beträgt in Abhängigkeit vom Untersucher 87–96 % ( 1 B-5.3).
π
Merke
Differenzialdiagnose. Die Appendizitis kann jeden akuten Zustand des Abdomens vortäuschen ( 2 B-5.1).
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384
5 Appendix
1 B-5.3
Synopsis Sonographischer Nachweis einer akuten Appendizitis
a Sonographischer Nachweis einer akuten Appendizitis mit Dilatation des Lumens und einem Wandödem der Appendix (Á).
2 B-5.1
b Perforierte Appendizitis: Querschnitt einer Appendix mit perityphlitischem Abszess (Á).
Differenzialdiagnose der akuten Appendizitis
Mit Operationsindikation: N Kolonkarzinom rechts n N Divertikulitis n N Sigmadivertikulitis n N Meckel-Divertikulitis n N perforiertes Duodenalulkus n N Extrauteringravidität n N stielgedrehte Ovarialzyste n N Cholezystitis n
Therapie. Die Therapie der akuten Appendizitis ist die Appendektomie. Sie kann offen ( 1 B-5.4) oder laparoskopisch vorgenommen werden (s. Kap. B-14.3).
Ohne primäre Operationsindikation N entzündliche Beckenerkrankungen n N rupturierte Follikelzyste n N bakterielle/virale Gastroenteritis n N akute Ileitis Crohn n N Dysmenorrhö n
Therapie. Die Therapie der akuten Appendizitis besteht in der Appendektomie. Sie kann entweder offen oder laparoskopisch durchgeführt werden. Die Laparotomie erfolgt durch Wechselschnitt (Eröffnung der Gewebeschichten entlang den Hautspalten und dem Faserverlauf) im rechten Unterbauch. Nach Eröffnung des Peritoneums wird die Appendix gegebenenfalls entlang der Taenia libera des Zäkums aufgesucht. Die Gefäße des Mesenteriolums werden unterbunden und durchtrennt. Ligatur der Appendixbasis und nach Abtragen der Appendix Versenkung des Appendixstumpfs mit einer Tabaksbeutel- oder Z-Naht ( 1 B-5.4). Anschließend erfolgt der schichtweise Bauchdeckenverschluss.
1 B-5.4
Synopsis Appendektomie
a Die Gefäße des Mesenteriolums werden unterbunden und durchtrennt.
b Ligatur der Appendixbasis und nach Abtragen der Appendix Versenkung des Appendixstumpfs mit einer Tabaksbeutel- oder Z-Naht.
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385
5.2.1 Atypische Appendizitis Auch für die laparoskopische Appendektomie (s. Kap. B-14.3) muss die Diagnose entweder klinisch oder im Rahmen einer diagnostischen Laparoskopie gesichert sein. Bei Vorliegen eines perityphlitischen Abszesses ( 1 B-5.5) wird heute die Abszessdränage einschließlich der Appendektomie vorgenommen. Bestehen Kontraindikationen zur Laparotomie, kann in Ausnahmefällen eine Ultraschall- oder CT-geführte Dränage und nach 6 Wochen – 3 Monaten die Appendektomie vorgenommen werden.
1 B-5.5
Bei Vorliegen eines perityphlitischen Abszesses ( 1 B-5.5) wird heute die Abszessdränage einschließlich der Appendektomie vorgenommen.
Perityphlitischer Abszess Perityphlitischer Abszess mit Lufteinschlüssen ( Á) im CT 8 Wochen nach einem »akuten Ereignis« im rechten Unterbauch.
Prognose. Die Letalität der Appendizitis ist eine Letalität der Verzögerung und beträgt zwischen 0–0,3 %. Nach einer Perforation beträgt die Morbidität zwischen 15–60 %, während die Letalität auf 1 % ansteigt.
5.2.1
Atypische Appendizitis
Die akute Appendizitis kann aufgrund der Lage der Appendix, des Alters des Patienten, einer Schwangerschaft oder durch eine bestehende Immunsuppression einen atypischen Verlauf annehmen.
Abnorme Lagevarianten (s.
1
B-5.1)
Prognose. Die Letalität der Appendizitis (≤ 0,3 %) ist eine Letalität der Verzögerung. Nach einer Perforation beträgt die Morbidität 15–60 %, die Letalität 1 %. 5.2.1 Atypische Appendizitis Durch eine ungewöhnliche anatomische Appendixlage, Patientenalter, Schwangerschaft oder eine Immunsuppression kann sich eine Appendizitis atypisch zeigen. Abnorme Lagevarianten (s. 1 B-5.1)
Die retrozäkale, retroileale und subhepatische Appendizitis kann in ihrer Symptomatik erheblich vom typischen Verlauf abweichen. Durch den fehlenden Kontakt zum parietalen Peritoneum oder M. psoas sind die Schmerzangaben weniger intensiv. Angaben über eine Schmerzverlagerung vom Epigastrium in den rechten Unterbauch fehlen. Eine Reizung des rechten Ureters kann zu Angaben einer gesteigerten Miktionstendenz führen. Erhebliche diagnostische Schwierigkeiten bereitet das in den rechten oberen Quadranten oder durch Malrotation nach links verlagerte Zäkum. Die Diagnose der Beckenappendizitis ist ebenfalls nicht unproblematisch. Obwohl der Schmerz im Epigastrium beginnen kann, kommt es zu einer raschen Verlagerung in das kleine Becken, wobei hier der Schmerz linksseitig angegeben wird. Bei Harn- und Stuhldrang werden Dysurie und Diarrhö beklagt.
Die retrozäkale, retroileale und subhepatische Appendizitis können durch den fehlenden Kontakt zum parietalen Peritoneum und M. psoas mit einer geringen Schmerzintensität einhergehen. Reizungen des Ureters führen zu Miktionsdrang. Ein in den rechten Oberbauch oder durch Malrotation nach links verlagertes Zäkum kann erhebliche diagnostische Schwierigkeiten bereiten. Das Gleiche gilt für die Beckenappendizitis.
Appendizitis bei Kleinkindern
Appendizitis bei Kleinkindern Folgende Hinweiszeichen sind zu beachten: π Das rechte Hüftgelenk wird in Rückenlage gebeugt gehalten. π Der rechte untere Bauchdeckenreflex ist abgeschwächt. π Die Bauchatmung ist zugunsten der Brustatmung vermindert. Eine rektale Untersuchung ist auch beim Kind unabdingbar.
Zahlreiche Infektionen können beim Kleinkind mit den gleichen Symptomen einhergehen. Da sich das Kind gegen jede Untersuchung wehren wird, ist die Diagnostik erschwert, zumal Kinder den Schmerz nur mangelhaft lokalisieren können. Folgende Hinweiszeichen sind zu beachten: π Das rechte Hüftgelenk wird in Rückenlage spontan gebeugt gehalten. π Der rechte untere Bauchdeckenreflex ist abgeschwächt. π Die Bauchatmung ist zugunsten der Brustatmung vermindert. Eine rektale Untersuchung ist auch beim Kind unabdingbar.
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386
5 Appendix
Altersappendizitis
Altersappendizitis
Ungeachtet des Entzündungsstadiums kann die Appendizitis beim älteren Patienten auffallend symptomlos verlaufen. Bereits die Verdachtsdiagnose rechtfertigt die Appendektomie.
Die Appendizitis beim älteren Patienten ist besonders gefährlich, da die Symptomatik nicht immer dem pathomorphologischen Befund entspricht. Der Schmerz ist nicht selten minimal und die Temperatur auch in fortgeschrittenen Stadien nur gering erhöht. Bereits bei der Verdachtsdiagnose einer Appendizitis ist bei diesen Patienten die Appendektomie angezeigt.
Appendizitis in der Schwangerschaft
Appendizitis in der Schwangerschaft
Durch Vergrößerung des Uterus kommt es während der Schwangerschaft zu einer Verlagerung von Zäkum und Appendix in den rechten oberen Quadranten ( 1 B-5.6). Die Diagnose wird hierdurch erschwert. Eine Leukozytose ist während der Schwangerschaft physiologisch und diagnostisch nicht verwertbar.
Sie stellt im ersten Trimenon kein diagnostisches Problem dar. Mit fortschreitender Vergrößerung des Uterus und der damit verbundenen Verlagerung von Zäkum und Appendix in den rechten oberen Quadranten müssen alle differenzialdiagnostischen Möglichkeiten erörtert werden ( 1 B-5.6). Die Zahl der Leukozyten ist während einer Schwangerschaft ohne Aussagewert, da eine physiologische Leukozytose vorliegt. Kann eine Appendizitis nicht ausgeschlossen werden, muss eine Laparotomie erfolgen.
1 B-5.6
Synopsis Appendixverlagerung während der Gravidität in Abhängigkeit vom Uterushochstand Während der Schwangerschaft erfährt die Appendix ab Mitte des zweiten Trimenons eine Verlagerung nach kranial. Differenzialdiagnostisch kann sie eine akute Pyelonephritis oder Cholezystitis vortäuschen.
Appendizitis Crohn
Appendizitis Crohn
Die isolierte Appendizitis Crohn ist sehr selten. Liegen keine begleitenden morphologischen Veränderungen von terminalem Ileum oder Zäkum vor, kann die Appendix entfernt werden. Zeigt sich eine weitergehende Erkrankung empfiehlt es sich, die Appendix zu belassen und konservativ (medikamentös) vorzugehen (Gefahr der Fistelbildung).
Die isolierte Appendizitis Crohn ist äußerst selten. Liegen keine begleitenden morphologischen Veränderungen von terminalem Ileum oder Zäkum vor, kann die Appendix problemlos entfernt werden. Bei korrektem Vorgehen ist nicht mit einer Fistelbildung zu rechnen. Zeigt sich jedoch eine morphologisch weitergehende Erkrankung, empfiehlt es sich, die Appendix zu belassen um den Patienten nach entsprechender Aufklärung über die Erkrankung primär einer konservativen Behandlung zuzuführen (Gefahr der Fistelbildung).
Appendizitis unter Immunsuppression Iatrogene Immunsuppression als auch AIDS können bei fehlenden Schmerzen und Fieber sowie normalen Leukozyten die Diagnose verschleiern.
Appendizitis unter Immunsuppression Sowohl iatrogene Immunsuppression als auch AIDS können bei fehlenden Schmerzen und Fieber sowie normalen Leukozyten die Diagnose verschleiern. Nicht selten kommt es zur verzögerten Operation.
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5.2.3 Chronische Appendizitis
Neurogene Appendikopathie
Neurogene Appendikopathie
Sie verursacht meist rezidivierende Schmerzen im rechten Unterbauch. Entzündungszeichen fehlen. Als Ursache gilt eine vermehrte Proliferation des Plexus submucosus.
Sie verursacht meist rezidivierende Schmerzen im rechten Unterbauch, Entzündungszeichen fehlen. Ursache ist eine vermehrte Proliferation des Plexus submucosus.
5.2.2
Komplikationen der Appendizitis
5.2.2 Komplikationen der Appendizitis
Perforation
Perforation
Die häufigste Komplikation der akuten Appendizitis ist die gedeckte oder freie Perforation. Das Risiko einer Perforation steigt 24 Stunden nach Diagnosestellung. Die Inzidenz wird nach dieser Zeit mit 10–30 % angegeben, wobei die Perforationsrate < 2. Lebensjahr und im hohen Alter am höchsten ist. Bei einer Anamnesedauer von mehr als 36 Stunden und einem eindeutigem Peritonismus bereitet die Diagnosestellung nur selten Schwierigkeiten. Liegt eine gedeckte Perforation vor, kann es in Abhängigkeit von der anatomischen Lage der Appendix zu Abszessbildungen unterschiedlicher Lokalisation kommen (perityphlitischer- oder Ileoinguinalabszess, DouglasAbszess oder Abszess im kleinen Becken, Lumbalabszess, subphrenischer Abszess). Die freie Perforation führt zu einer ausgeprägten Peritonitis mit einem toxischen Krankheitsbild. Radiologisch kann hier freie Luft im Abdomen gesichert werden.
Die Inzidenz wird nach 24 Stunden mit 10–30 % angegeben, wobei die Perforationsrate < 2. Lebensjahr und im hohen Alter am höchsten ist.
Pylephlebitis
Pylephlebitis
Eine sehr seltene Komplikation ist die Pylephlebitis, die septische Thrombophlebitis, im portalvenösen System. Sie ist durch hohes Fieber mit Schüttelfrost und Ikterus charakterisiert. Obwohl das Krankheitsbild zuerst dem hepatobiliären System zugeordnet werden sollte, muss bei gleichzeitig bestehendem Verdacht auf eine akute Appendizitis daran gedacht werden.
Sie ist eine septische Thrombophlebitis im portalvenösen System. Fieber, Schüttelfrost und Ikterus sind charakteristisch. Das Krankheitsbild muss primär dem hepatobiliären System zugeordnet werden. Bei gleichzeitigem Verdacht auf eine akute Appendizitis muss daran gedacht werden.
Postoperative Komplikationen
Postoperative Komplikationen
Zu den postoperativen Komplikationen gehören Wundinfektionen wie der Bauchdeckenabszess (10–30 %), und intraabdominelle Abszesse wie der Douglas-Abszess und die Abszessbildung im kleinen Becken (2–5 %). Der Douglas-Abszess kann bei der Frau entweder transrektal oder transvaginal dräniert werden. Beim Mann wird die Abszedierung im kleinen Becken transrektal oder wenn erforderlich ultraschallgeführt perkutan evakuiert. Durch Adhäsionen können bereits frühzeitig Passagestörungen (Frühileus) auftreten. In 1–4 % der Patienten stellt sich noch nach Jahren durch Bridenbildung ein Spätileus ein. Weitere Komplikationen sind die protrahierte postoperative Darmparalyse bei eitriger Appendizitis und Peritonitis und die Ausbildung einer Kotfistel. Die Kotfistel bildet sich gelegentlich durch eine Stumpfinsuffizienz (1–2 %), häufiger bei Morbus Crohn.
Zu ihnen gehören der Bauchdecken(10–30 %) und der Douglas-Abszess und die Abszessbildung im kleinen Becken (2–5 %). Durch Adhäsionen können bereits frühzeitig Passagestörungen (Frühileus) auftreten. In 1–4 % der Patienten stellt sich noch nach Jahren durch Bridenbildung ein Spätileus ein. Die protrahierte postoperative Darmparalyse und die Ausbildung einer Kotfistel (bei Stumpfinsuffizienz oder bei Morbus Crohn) sind weitere Komplikationen.
5.2.3
Chronische Appendizitis
Bei der chronischen Appendizitis handelt es sich um rezidivierende rechtsseitige Unterbauchbeschwerden, denen kein eindeutiges klinisches Substrat entspricht. Pathologisch-anatomisch zeigen sich Vernarbungen und periappendizitische Verwachsungen. Die Operation ist häufig als Verlegenheitslösung zu betrachten, wobei die meisten Patienten postoperativ beschwerdefrei sind.
Die gedeckte Perforation kann in Abhängigkeit von der Lage der Appendix zu Abszessbildungen führen (perityphlitischer Abszess, Ileoinguinalabszess, Abszess im kleinen Becken, Lumbalabszess, subphrenischer Abszess). Die freie Perforation führt immer zu einer Peritonitis.
5.2.3 Chronische Appendizitis Es bestehen rezidivierende rechtsseitige Unterbauchbeschwerden ohne eindeutig klinisches Substrat. Die Appendektomie ist häufig eine Verlegenheitslösung, die meisten Patienten sind postoperativ aber beschwerdefrei.
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388 5.3
Primäre maligne Tumoren der Appendix Primäre maligne Tumoren der Appendix sind selten und machen nur 0,5 % der gastrointestinalen Malignome aus. Sie werden selten präoperativ diagnostiziert.
5 Appendix
5.3
Primäre maligne Tumoren der Appendix
Obwohl primäre maligne Tumoren der Appendix nur 0,5 % der gastrointestinalen Malignome ausmachen sind sie erwähnenswert, weil sie selten präoder intraoperativ diagnostiziert werden. Hierzu gehören das Karzinoid, das muzinöse Zystadenokarzinom, das Adenokarzinom und das Adenokarzinoid. Lymphosarkom, Paragangliom und der Granulosazelltumor sind sehr selten anzutreffen.
Karzinoid
5.3.1 Karzinoid
5.3.1
Karzinoide machen insgesamt 85 % der malignen Appendixtumoren aus.
Trotz meist gutartigen Verhaltens gehört das Karzinoid aufgrund seiner Fähigkeit des invasiven Wachstums und der Tendenz zu metastasieren zu den bösartigen Tumoren. Karzinoide können in 0,5 % der Appendektomiepräparate beobachtet werden und machen insgesamt 85 % der malignen Appendixtumoren aus.
Therapie. Für die Behandlung des Karzinoids ist die Tumorgröße in vivo entscheidend. Fernmetastasen treten in der Regel nur bei jenen Patienten auf, bei denen der Tumordurchmesser 2 cm überschritten hat ( 2 B-5.2). Eine symptomatische Therapie kann durch die Applikation von 5-Hydroxytryptamin-(Serotonin-)Antagonisten (Octreotid Q ) erreicht werden.
Therapie. Für die Behandlung des Karzinoids ist die Tumorgröße in vivo entscheidend. Fernmetastasen treten in der Regel nur bei jenen Patienten auf, bei denen der Tumordurchmesser 2 cm überschritten hat (1,5 cm am fixierten Präparat, da durch die Fixation eine Schrumpfung um 35 % eintreten kann) ( 2 B-5.2). Liegen bereits Fernmetastasen mit klinischer Symptomatik (Karzinoid-Syndrom, s. Kap. B-4.9.3) vor, so kann diese entweder durch eine operative Tumorreduktion oder angio-radiologische Embolisation beeinflusst werden. Eine symptomatische Therapie kann durch die Applikation von 5-Hydroxytryptamin-(Serotonin-)Antagonisten (SandostatinQ) erreicht werden.
2 B-5.2
Therapie der Karzinoid-Tumoren
Größe*
Häufigkeit in % bezogen auf das Gesamtvorkommen
Therapie
< 1 cm — 1,0–2,0
70
Appendektomie
15
Metastasen in Mesenteriolum und Lymphknoten negativ: Appendektomie Metastasen in Mesenteriolum und Lymphknoten positiv: Hemikolektomie rechts
> 2 cm —
15
Hemikolektomie rechts
* 2,0 cm nativ = 1,5 cm am fixierten Präparat
Prognose. Sie hängt von der Tumorausbreitung ab. Mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 99 % ist sie sehr gut. Selbst bei großen Tumoren oder vorhandener Lymphknotenmetastasierung kann noch eine 5-Jahres-Überlebensrate von 75 % erzielt werden.
Prognose. Sie hängt von der intraoperativ vorgefundenen Tumorausbrei-
5.3.2 Muzinöses Zystadenokarzinom
5.3.2
Das muzinöse Zystadenokarzinom wird immer als Appendizitis symptomatisch. Bei Diagnosestellung haben bereits 50 % der Patienten intraabdominale Metastasen, einen malignen Aszites, intestinale Obstruktionen oder ein Pseudomyxoma peritonei.
Obwohl das muzinöse Zystadenokarzinom generell in die Adenokarzinome eingereiht wird, unterscheidet es sich von diesen in seinem Verhalten. Es wird fast immer unter den klinischen Zeichen einer Appendizitis symptomatisch. Bei Diagnosestellung haben bereits 50 % der Patienten intraabdominale Metastasen, einen malignen Aszites, intestinale Obstruktionen oder ein Pseudomyxoma peritonei. Bei kontinuierlicher Schleimproduktion kommt es zu einer Wandverdünnung der Appendix mit Ulzerationen und Kalkeinlagerungen. Die Perfora-
tung ab. Mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 99 % ist sie sehr gut. Rezidive sind nur bei Patienten mit großen Tumoren oder bereits vorhandener Lymphknotenmetastasierung zu finden. Wenn möglich sollten entweder bei der Erstoperation oder bei einem Rezidiveingriff alle Tumormanifestationen operativ beseitigt werden. Hierdurch kann immer noch eine 5-Jahres-Überlebensrate von 75 % erzielt werden.
Muzinöses Zystadenokarzinom
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5.3.4 Adenokarzinoid-Tumor tion führt zu Schleimaustritt in die freie Bauchhöhle. Differenzialdiagnostisch ist die Ursache der Schleimproduktion vom muzinösen Zystadenom abzugrenzen. Während sich beim Zystadenom histologisch atypische Drüsen in der Appendixwand zeigen, finden sich beim Zystadenokarzinom Epithelzellen im Mukos, die für eine persistierende Schleimhautproduktion verantwortlich sind. In 33 % der Fälle ist das Pseudomyxoma peritonei auf ein Zystadenom oder Zystadenokarzinom zurückzuführen.
In 33 % der Fälle ist das Pseudomyxoma peritonei auf ein Zystadenom oder Zystadenokarzinom zurückzuführen.
Therapie. Die Therapie des Zystadenoms besteht in einer einfachen
Therapie. Beim Zystadenom genügt die Appendektomie. Beim Zystadenokarzinom erfolgt eine rechtsseitige Hemikolektomie mit einer Reduktion evtl. vorhandenen Tumorgewebes.
Prognose. Das muzinöse Zystadenokarzinom wächst nur langsam progre-
Prognose. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt beim Zystadenokarzinom 70 %.
Appendektomie. Das Zystadenokarzinom verlangt hingegen eine rechtsseitige Hemikolektomie mit einer Reduktion evtl. vorhandenen Tumorgewebes.
dient und weist eine 5-Jahres-Überlebensrate von 70 % auf. Auch bei vorliegendem Pseudomyxoma peritonei beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate noch 50 %.
5.3.3
Adenokarzinom
Das Adenokarzinom der Appendix unterliegt mit einer rechtsseitigen Hemikolektomie den gleichen Behandlungsprinzipien wie das Zäkumkarzinom. Wurde das Karzinom erst sekundär nach Appendektomie diagnostiziert, muss die Hemikolektomie nachgeholt werden.
5.3.4
Adenokarzinoid-Tumor
Seine Aggressivität liegt zwischen der eines Karzinoids und eines Adenokarzinoms. Der Tumor wird ebenfalls immer symptomatisch und hat die ungewöhnliche Neigung, in die Ovarien zu metastasieren. Hierbei können die Metastasen histologisch ein vollständig anderes Bild annehmen als der Primärtumor. Ist der Tumor auf die Appendix beschränkt, beträgt die 5-JahresÜberlebensrate 80 %. Bei eingetretener Metastasierung ist die Prognose infaust.
5.3.3 Adenokarzinom Das Adenokarzinom der Appendix unterliegt mit einer rechtsseitigen Hemikolektomie den gleichen Behandlungsprinzipien wie das Zäkumkarzinom. 5.3.4 Adenokarzinoid-Tumor Seine Aggressivität liegt zwischen der eines Karzinoids und eines Adenokarzinoms. Der Tumor wird immer symptomatisch und hat die ungewöhnliche Neigung, in die Ovarien zu metastasieren.
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Kolon und Rektum
6
6
Kolon/Rektum
Grundlagen
Michael Dürig 6.1
Grundlagen
6.1
6.1.1
Anatomie
6.1.1 Anatomie
Der Dickdarm umspannt als Rahmen den Peritonealraum im Uhrzeigersinn. Colon ascendens und descendens sind retroperitoneal fixiert, während das Colon transversum und das Colon sigmoideum mesenterial gestielt sind. Im Bereich der peritonealen Umschlagfalte geht das Colon sigmoideum in den Mastdarm über, der ausschließlich extraperitoneal gelegen ist. Im Bereich des Beckenbodens durchdringt das Rektum das muskuläre Diaphragma mit einem starken Knick, der durch einen Verstärkungszug des M. levator ani, der Puborektalisschlinge, verursacht wird. In Höhe der Linea dentata geht der Mastdarm in den Analkanal über. Die Muskulatur des Dickdarms ist longitudinal in drei Längsbändern, den Tänien angeordnet. Von der Lage am Colon transversum ausgehend werden sie als Taenia mesocolica, omentalis und libera bezeichnet. Am Colon sigmoideum gehen die Längsmuskelbänder in eine einheitliche longitudinale Muskelschicht auf das Rektum über. Die Blutversorgung entstammt den Aa. mesentericae superior und inferior. Die A. mesenterica superior versorgt das Zäkum, Colon ascendens und Colon transversum, die A. mesenterica inferior das Colon descendens, Colon sigmoideum und teilweise das obere Rektum. Die A. mesenterica superior entlässt die Aa. ileocolica und colica media. Die A. colica dextra kann sowohl der A. mesenterica superior als auch der A. ileocolica entspringen.
1 B-6.1
Der Dickdarm umspannt als Rahmen den Peritonealraum im Uhrzeigersinn. Colon ascendens und descendens sind retroperitoneal fixiert, während das Colon transversum und das Colon sigmoideum mesenterial gestielt sind. Im Bereich der peritonealen Umschlagfalte geht das Colon sigmoideum in den Mastdarm über, der ausschließlich extraperitoneal gelegen ist.
Die Blutversorgung entstammt den Aa. mesentericae superior und inferior. Die A. mesenterica superior versorgt das Zäkum, Colon ascendens und Colon transversum, die Mesenterica inferior das Colon descendens, Colon sigmoideum und teilweise das obere Rektum.
Synopsis Lymphdränage aus den Gebieten von Rektum und Anus
Die Lymphdränage des oberen Rektumdrittels erfolgt entlang der A. rectalis superior in die prä- und paraaortalen Lymphknoten (gelb). Das mittlere Drittel des Rektums dräniert entlang der A. rectalis media in die Lymphknoten der A. iliaca interna (rot). Die Dränage des unteren Rektumdrittels erfolgt entlang der A. rectalis inferior in die inguinalen Lymphknoten und die Lymphknoten der lateralen Beckenwand (grün).
lumbale Hauptlymphknoten
A. rectalis superior
A. iliaca interna
epiploische Lymphknoten
parakolische Lymphknoten pararektale Lymphknoten
A. rectalis media
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6 Kolon/Rektum
Durch Anastomosen der Endäste der A. colica sinistra mit der A. mesenterica superior entsteht die sog. RiolanAnastomose, die bei akuten Verschlüssen einer der beiden Arterien von vitaler Bedeutung ist. Die venöse Dränage erfolgt im Wesentlichen entlang der Arterien in die Vv. mesentericae superior und inferior. Die Lymphgefäße des Dickdarms folgen den großen Blutgefäßen, wobei vornehmlich eine segmentale Dränage erfolgt. Das untere Rektum dräniert zusätzlich über die parailiakalen Lympknoten und inguinalen Lymphbahnen ( 1 B-6.1).
6.1.2
Physiologie
Eine der wichtigsten Aufgaben des Dickdarms ist die Regulation des Volumens und der Elektrolytzusammensetzung des Stuhls. Sie wird durch eine Resorption von Natrium, Chlorid und Wasser sowie eine Sekretion von Kalium und Bikarbonat erreicht.
Die Motilität des Dickdarms besteht aus lokalen Einzelkontraktionen und propulsiven Massenbewegungen. Die Bewegungsvorgänge und die Muskeleigentätigkeit werden durch das enterische Nervensystem koordiniert. Hierbei haben parasympathische Nerven eine kontraktionsfördernde und sympathische Nerven überwiegend eine kontraktionshemmende Wirkung. Die Bewegungsvorgänge werden zusätzlich durch den Dickdarminhalt beeinflusst. Die Kolonflora wird durch die anaeroben Bakterien der Bacteroidesgruppe bestimmt. Ihre Aufgabe besteht in dem Abbau zuvor nicht resorbierter Kohlenhydrate sowie in der Vermeidung einer Überwucherung mit potenziell pathogenen KIeimen (z.B. Clostridien). 6.1.3
Allgemeine Symptome
Zu den klinischen Leitsymptomen von Dickdarmerkrankungen gehören: π Wechsel der Stuhlgewohnheiten über eine längere Zeitspanne – Verstopfung (Obstipation) – Durchfall (Diarrhö) – Wechsel von Verstopfung und Durchfall (sog. paradoxe Diarrhö) π anale Blut- und Schleimabgänge
Aus der A. mesenterica inferior entspringt die A. colica sinistra und gibt gleichzeitig die Aa. sigmoideae und die A. rectalis superior ab. Durch Anastomosen der Endäste der A. colica sinistra mit der A. mesenterica superior entsteht die sog. Riolan-Anastomose, die bei akuten Verschlüssen einer der beiden Arterien von vitaler Bedeutung ist. Allerdings ist diese Verbindung nicht immer ausgebildet. Das Rektum wird neben der A. rectalis superior über Zuflüsse durch die Aa. haemorrhoidales media und inferior aus der A. iliaca interna versorgt. Die venöse Dränage erfolgt im Wesentlichen entlang der Arterien in die Vv. mesentericae superior und inferior. Die Lymphgefäße des Dickdarms erreichen zunächst regionäre Lymphknoten in der Darmwand und folgen dann den großen Blutgefäßen, wobei vornehmlich eine segmentale Dränage erfolgt. Das untere Rektum dräniert entlang der Gefäße zusätzlich über die parailiakalen Lymphknoten und findet in der Analhöhle Anschluss an die inguinalen Lymphbahnen ( 1 B-6.1).
6.1.2
Physiologie
Eine der wichtigsten Aufgaben des Dickdarms ist die Regulation des Volumens und der Elektrolytzusammensetzung des Stuhls. Sie wird durch eine Resorption von Natrium, Chlorid und Wasser sowie eine Sekretion von Kalium und Bikarbonat erreicht. Daneben obliegt dem Dickdarm die Aufgabe, kurzkettige Fettsäuren wie Essig-, Proprion- und Buttersäure zu resorbieren. Sie entstehen durch den bakteriellen fermentativen Abbau von Kohlenhydraten, die nicht im Dünndarm resorbiert wurden. Die Intensität dieser Resorptions- und Sekretionsvorgänge nimmt vom proximalen zum distalen Kolon ab. Die Resorptionskapazität für Wasser beträgt 2–5 Liter in 24 Stunden. Die Regulation erfolgt durch das enterische Nervensystem, Hormone wie Aldosteron oder Hydrokortison, lokale Mediatoren und intraluminale Substanzen (z.B. Gallensäuren). Die Motilität des Dickdarms besteht aus lokalen Einzelkontraktionen und propulsiven Massenbewegungen. Die Bewegungsvorgänge und die Muskeleigentätigkeit werden durch das enterische Nervensystem koordiniert. Neben den Neurotransmittern Acetylcholin und Noradrenalin spielen im enterischen Nervensystem auch zahlreiche regulatorische Peptide als nervale Transmitter eine Rolle. Die Stimulierung der Motilität im Rektosigmoid durch orale Nahrungszufuhr, der sog. gastrokolische Reflex, wird über cholinerge und Opiatrezeptoren vermittelt. Die Bewegungsvorgänge werden zusätzlich durch den Dickdarminhalt beeinflusst. Schlackenarme Kost erhöht die Verweildauer der Fäzes im Kolon, während schlackenreiche Kost (z.B. Kleie) die Passagezeit verkürzt. Die vermehrte Füllung bedingt hierbei durch Dehnung der Kolonmuskulatur eine verbesserte Koordination der Kolonmotorik. Die Kolonflora wird durch die anaeroben Bakterien der Bacteroidesgruppe bestimmt. Ihre Aufgabe besteht in dem Abbau zuvor nicht resorbierter Kohlenhydrate sowie in der Vermeidung einer Überwucherung mit potenziell pathogenen Keimen (z.B. Clostridien).
6.1.3
Allgemeine Symptome
Zu den klinischen Leitsymptomen von Dickdarmerkrankungen gehören: π Wechsel der Stuhlgewohnheiten über eine längere Zeitspanne – Verstopfung (Obstipation) – Durchfall (Diarrhö) – Wechsel von Verstopfung und Durchfall (meist bei Stenosen als sog. paradoxe Diarrhö) π anale Blut- und Schleimabgänge
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6.1.4 Diagnostische Verfahren π
Schmerzen – Krämpfe bei bestehendem Passagehindernis – Dehnungsschmerz bei Ileus – entzündliche Darmwandprozesse – Durchblutungsstörungen (Volvulus, Inkarzeration, Invagination, Infarkt).
π
n Merke. Jede persistierende Änderung der Stuhlgewohnheiten deutet auf eine Dickdarmerkrankung hin. Ein Kolonkarzinom muss ausgeschlossen werden.
6.1.4
2 B-6.1
Diagnostische Verfahren
Merke
6.1.4 Diagnostische Verfahren
Diagnostische Verfahren bei Dickdarmerkrankungen
N Röntgen n π Indikationen
N Ultraschall n π
Schmerzen – Krämpfe bei bestehendem Passagehindernis – Dehnungsschmerz bei Ileus – entzündliche Darmwandprozesse – Durchblutungsstörungen
Indikationen
N Computern tomographie (CT) π Indikationen
N Abdomenübersicht n akutes Abdomen π Darmverschluss π
π
π
N Endoskopie n π Indikationen
N Zusatzuntern suchungen π Indikationen
π
palpable Abdominaltumoren Tumorstaging Nachweis von intraabdominellen Abszessen
Differenzierung von Rektum- und Schließmuskeltumor (insbesondere im Beckenbereich der CT überlegen)
N Ano-/Proktoskopie n Rektumkarzinom π entzündliche Darmerkrankungen
N Rekto-/Sigmoidoskopie n Rektumkarzinom π entzündliche Darmerkrankungen π Blutungen
π
π
N anale Manometrie n
N anale Elektromyographie n
π
Sphinkterinsuffizienz
π π
N Stuhluntersuchungen n π Indikationen
N selektive Angiographie n große Tumoren π Blutungen (wenn endoskopische Lokalisierung nicht möglich ist) π
N konventionelle n n endoluminale N Sonographie Sonographie π π Beurteilung von präoperatives Staging Leber (Metastasen) von Rektumkarzinomen und Nieren (Harnstau) π Tumorennachweis π Beurteilung der Darmmotilität π Nachweis von freier Flüssigkeit
π
N Magnetresonanzn tomographie (MRT) π Indikationen
N Kontrastmitteleinlauf n entzündliche Darmerkrankungen π Tumorverdacht π Änderung der Stuhlgewohnheiten (bei Darmverschluss und akutem Krankheitsbild wasserlösliche Kontrastmittel) π
π
Parasiten
π
n Koloskopie N N Laparoskopie n π (bis ins terminale Tumorstaging Ileum) π Tumorsuche π Tumornachsorge π entzündliche Darmerkrankungen mit Biopsiemöglichkeit des terminalen Ileums
Sphinkterinsuffizienz (fakultativ) neurologische Erkrankungen mit begleitender Inkontinenz okkulte Blutbeimengungen
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6 Kolon/Rektum
6.2
π
π π
Kongenitale Fehlentwicklungen (s. Kap. B-23) Duplikaturen des Gastrointestinaltrakts anorektale Atresie Morbus Hirschsprung
Kongenitale Fehlentwicklungen
6.2
(s. Kap. B-23) π π π
Duplikaturen des Gastrointestinaltrakts anorektale Atresie Morbus Hirschsprung
6.3
Entzündungen
6.3
Entzündungen
6.3.1
Divertikulose
6.3.1
Divertikulose
Definition
n Definition. Divertikel des Intestinaltrakts sind Lumenausstülpungen der Darmwand. Morphologisch werden die echten Divertikel mit Protrusion aller Wandschichten (Serosa, Muskularis, Mukosa) von den falschen, Pseudodivertikeln, denen die Muskularis fehlt, unterschieden. Echte Divertikel sind kongenital angelegt. Die Pseudodivertikel sind erworben.
Divertikel treten in allen Darmabschnitten, mit 95 % jedoch gehäuft im Colon sigmoideum auf (Divertikulose). Bei Entzündung der Divertikel kommt es zur Divertikulitis.
Obwohl Divertikel in allen Darmabschnitten beobachtet werden können, treten sie mit 95 % gehäuft im Colon sigmoideum auf. Diese Divertikulose ist oft ein Zufallsbefund und bleibt asymptomatisch, wenn keine Entzündung eintritt. Entzünden sich derartige Divertikel, kommt es zum Krankheitsbild der Divertikulitis. In der Ätiologie der Divertikulose spielen wenigstens 3 Faktoren eine entscheidende Rolle: π altersbedingte, verminderte Resistenz der Darmwand π transmuraler Druckgradient zwischen Darmlumen und der Bauchhöhle. π ballaststoffarme Ernährung.
Ätiologie. Eine verminderte Resistenz der Darmwand und ein transmuraler Druckgradient zwischen Darmlumen und Bauchhöhle sind für die Entstehung der Divertikel von Bedeutung. Bevorzugte Lokalisation ist die Durchtrittsstelle von Gefäßen ( 1 B-6.2).
Ätiologie. Muskuläre Schwachstellen bilden sich insbesondere an den Durchtrittsstellen der mesenterialen Gefäße aus ( 1 B-6.2).
1 B-6.2
Synopsis Divertikelbildung und Beziehung zum Gefäßsystem
RM
a
a Ein Ast der Vasa recta durchdringt den Ringmuskel (RM) in schräger Richtung. b Unter Weitung der Bindegewebslücke beginnt die Schleimhautausstülpung. c Mit vollständiger Hernienbildung der Schleimhaut wird das Vas rectum über den Fundus des Divertikels verlagert.
b
c
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6.3.2 Divertikulitis Die bevorzugte Lokalisation von Divertikeln im Colon sigmoideum beruht darauf, dass es bei relativ kleinem Lumen im Vergleich zum restlichen Kolon einen maximalen Eigendruck aufbauen kann. Die Inzidenz beträgt nach dem 50. Lebensjahr 5 % und erreicht im 85. Lebensjahr ca. 70 %.
Symptome. Das klinische Bild der unkomplizierten Divertikulose ist bei
80 % der betroffenen Patienten asymptomatisch und wird meist zufällig entdeckt. Bei den restlichen Patienten wird die Divertikulose symptomatisch. Hierzu gehören krampfartige Schmerzen unterschiedlicher Intensität im linken unteren Quadranten, die nach Nahrungsaufnahme aggravieren können. Gleichzeitig können Diarrhö im Wechsel mit Zeichen der Obstipation auftreten.
Komplikationen. Zu den Komplikationen der Divertikulose gehören die
Die Inzidenz steigt von 5 % im 50. Lebensjahr auf 70 % im 85. Lebensjahr an. Symptome. In 80 % bleibt die Divertikulose asymptomatisch. Sie kann aber auch krampfartige Schmerzen im linken Unterbauch verursachen. Es können Diarrhö im Wechsel mit Obstipation auftreten.
Komplikationen Divertikelblutung (10–30 %) π Divertikulitis (s.u.).
Blutung und die Divertikulitis (s.u.). Die Inzidenz der Blutung beträgt 10–30 %. Sie tritt vornehmlich bei der Divertikulose und sehr selten bei der Divertikulitis auf.
π
Therapie. Die Therapie der Divertikulose besteht in der Beeinflussung der
Therapie. Wichtigste Maßnahmen sind faserreiche Kost und Verminderung der Stuhlkonsistenz.
Symptome und Vermeidung von Komplikationen. Hierzu gehören in erster Linie diätetische Maßnahmen mit einem hohen Anteil faserreicher Kost und das Bestreben, die Stuhlkonsistenz zu vermindern. n Merke. Bei der Gabe von Analgetika ist Morphin zu vermeiden, da es den intraluminalen Druck im Kolon erhöht.
Die massive Blutung ist bei 5 % der Patienten eine Indikation zur Operation. Differenzialdiagnostisch können die Angiodysplasie oder die ischämische Kolitis irreführend sein. Bei der Diagnostik ist die Koloskopie nur selten hilfreich und der selektiven Angiographie der A. mesenterica superior und inferior unterlegen. Die Blutungsquelle kann hiermit indentifiziert werden, wenn die Blutung 0,5 ml/Minute beträgt. Bei Nachweis der Blutungsquelle kann der Versuch gemacht werden, über den liegenden Angiographiekatheter Vasopressin (0,2 E/Minute für 24–48 Stunden) zu infundieren. Wird eine Blutstillung erreicht, entspricht die weitere Behandlung der der chronischen Divertikulose. Die unkontrollierbare Blutung oder die Rezidivblutung verlangen eine chirurgische Intervention. Ist der Ort der Blutung lokalisiert, ist die Segmentresektion mit einer primären Anastomose die Therapie der Wahl. Ist eine massive Blutung nicht lokalisierbar, kann bei einem Notfalleingriff die subtotale Kolektomie mit einer ileorektalen Anastomose erforderlich werden. Die Operationsletalität beträgt hierbei 10 %.
6.3.2
Divertikulitis
n Definition. Die Infektion der mit Darminhalt gefüllten Divertikel führt zur Divertikulitis. Hiervon werden 15–25 % der Divertikelträger betroffen. Das Krankheitsbild kann sich akut oder chronisch manifestieren. In 95 % der Fälle ist das Colon sigmoideum, in 1 % das Colon transversum und in jeweils 2 % sind Zäkum und Colon ascendens betroffen.
Symptome. Das klinische Bild präsentiert sich mit einem akuten Schmerzbeginn im linken Unterbauch (»Linksappendizitis«), der oft in den Rücken ausstrahlt. Bei elongiertem Sigma mit Verlagerung nach rechts, können die Beschwerden auch suprapubisch oder rechtsseitig auftreten und eine Appendizitis vortäuschen. Die Schmerzsymptomatik kann von Fieber, Übelkeit und Erbrechen begleitet werden. Veränderungen der Stuhlgewohnheiten von Diarrhö bis zur Obstipation sind nicht selten. Dysurie und Polyurie weisen auf eine Beteiligung der Harnblase hin.
Merke
Bei 5 % der Patienten kommt es zur massiven Blutung, die operativ angegangen werden muss. Die Sicherung der Blutungsquelle erfolgt angiographisch. Ist eine massive Blutung nicht lokalisierbar, kann bei einem Notfalleingriff die subtotale Kolektomie mit einer ileorektalen Anastomose erforderlich werden. Die Operationsletalität beträgt hierbei 10 %.
6.3.2
Divertikulitis
Definition
Symptome. Häufig findet sich ein akuter Schmerzbeginn im linken Unterbauch (»Linksappendizitis«), oft mit Ausstrahlung in den Rücken. Es kommt zu Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Veränderung der Stuhlgewohnheiten von Diarrhö bis zur Obstipation.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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6.3.2 Divertikulitis Die bevorzugte Lokalisation von Divertikeln im Colon sigmoideum beruht darauf, dass es bei relativ kleinem Lumen im Vergleich zum restlichen Kolon einen maximalen Eigendruck aufbauen kann. Die Inzidenz beträgt nach dem 50. Lebensjahr 5 % und erreicht im 85. Lebensjahr ca. 70 %.
Symptome. Das klinische Bild der unkomplizierten Divertikulose ist bei
80 % der betroffenen Patienten asymptomatisch und wird meist zufällig entdeckt. Bei den restlichen Patienten wird die Divertikulose symptomatisch. Hierzu gehören krampfartige Schmerzen unterschiedlicher Intensität im linken unteren Quadranten, die nach Nahrungsaufnahme aggravieren können. Gleichzeitig können Diarrhö im Wechsel mit Zeichen der Obstipation auftreten.
Komplikationen. Zu den Komplikationen der Divertikulose gehören die
Die Inzidenz steigt von 5 % im 50. Lebensjahr auf 70 % im 85. Lebensjahr an. Symptome. In 80 % bleibt die Divertikulose asymptomatisch. Sie kann aber auch krampfartige Schmerzen im linken Unterbauch verursachen. Es können Diarrhö im Wechsel mit Obstipation auftreten.
Komplikationen Divertikelblutung (10–30 %) π Divertikulitis (s.u.).
Blutung und die Divertikulitis (s.u.). Die Inzidenz der Blutung beträgt 10–30 %. Sie tritt vornehmlich bei der Divertikulose und sehr selten bei der Divertikulitis auf.
π
Therapie. Die Therapie der Divertikulose besteht in der Beeinflussung der
Therapie. Wichtigste Maßnahmen sind faserreiche Kost und Verminderung der Stuhlkonsistenz.
Symptome und Vermeidung von Komplikationen. Hierzu gehören in erster Linie diätetische Maßnahmen mit einem hohen Anteil faserreicher Kost und das Bestreben, die Stuhlkonsistenz zu vermindern. n Merke. Bei der Gabe von Analgetika ist Morphin zu vermeiden, da es den intraluminalen Druck im Kolon erhöht.
Die massive Blutung ist bei 5 % der Patienten eine Indikation zur Operation. Differenzialdiagnostisch können die Angiodysplasie oder die ischämische Kolitis irreführend sein. Bei der Diagnostik ist die Koloskopie nur selten hilfreich und der selektiven Angiographie der A. mesenterica superior und inferior unterlegen. Die Blutungsquelle kann hiermit indentifiziert werden, wenn die Blutung 0,5 ml/Minute beträgt. Bei Nachweis der Blutungsquelle kann der Versuch gemacht werden, über den liegenden Angiographiekatheter Vasopressin (0,2 E/Minute für 24–48 Stunden) zu infundieren. Wird eine Blutstillung erreicht, entspricht die weitere Behandlung der der chronischen Divertikulose. Die unkontrollierbare Blutung oder die Rezidivblutung verlangen eine chirurgische Intervention. Ist der Ort der Blutung lokalisiert, ist die Segmentresektion mit einer primären Anastomose die Therapie der Wahl. Ist eine massive Blutung nicht lokalisierbar, kann bei einem Notfalleingriff die subtotale Kolektomie mit einer ileorektalen Anastomose erforderlich werden. Die Operationsletalität beträgt hierbei 10 %.
6.3.2
Divertikulitis
n Definition. Die Infektion der mit Darminhalt gefüllten Divertikel führt zur Divertikulitis. Hiervon werden 15–25 % der Divertikelträger betroffen. Das Krankheitsbild kann sich akut oder chronisch manifestieren. In 95 % der Fälle ist das Colon sigmoideum, in 1 % das Colon transversum und in jeweils 2 % sind Zäkum und Colon ascendens betroffen.
Symptome. Das klinische Bild präsentiert sich mit einem akuten Schmerzbeginn im linken Unterbauch (»Linksappendizitis«), der oft in den Rücken ausstrahlt. Bei elongiertem Sigma mit Verlagerung nach rechts, können die Beschwerden auch suprapubisch oder rechtsseitig auftreten und eine Appendizitis vortäuschen. Die Schmerzsymptomatik kann von Fieber, Übelkeit und Erbrechen begleitet werden. Veränderungen der Stuhlgewohnheiten von Diarrhö bis zur Obstipation sind nicht selten. Dysurie und Polyurie weisen auf eine Beteiligung der Harnblase hin.
Merke
Bei 5 % der Patienten kommt es zur massiven Blutung, die operativ angegangen werden muss. Die Sicherung der Blutungsquelle erfolgt angiographisch. Ist eine massive Blutung nicht lokalisierbar, kann bei einem Notfalleingriff die subtotale Kolektomie mit einer ileorektalen Anastomose erforderlich werden. Die Operationsletalität beträgt hierbei 10 %.
6.3.2
Divertikulitis
Definition
Symptome. Häufig findet sich ein akuter Schmerzbeginn im linken Unterbauch (»Linksappendizitis«), oft mit Ausstrahlung in den Rücken. Es kommt zu Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Veränderung der Stuhlgewohnheiten von Diarrhö bis zur Obstipation.
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396 Merke
6 Kolon/Rektum
n Merke. Beim geriatrischen Patienten oder Patienten, die unter einer immunsuppressiven Therapie stehen, kann die akute Symptomatik fehlen und das Krankheitsbild atypisch verlaufen.
Bei der chronischen Verlaufsform steht die Symptomatik der spastischen Stenose im Vordergrund.
Bei der chronischen Verlaufsform steht die Symptomatik der spastischen Stenose und gegebenenfalls die Lumeneinengung durch einen entzündlichen Tumor im Vordergrund. Hinter einer Lumeneinengung kann sich jedoch immer ein Karzinom verbergen.
Komplikationen. Zu den Komplikationen der Divertikulitis ( 1 B-6.3) gehören der intraabdominelle Abszess, die gedeckte oder freie Perforation, Blutungen, Fisteln und der Darmverschluss. Die Abzessbildung (39 %) ist meist Folge einer gedeckten Perforation (36 %) eines Divertikels. Symptome sind persistierendes Fieber und eine palpable schmerzhafte Resistenz im Unterbauch. Die Perforation in ein benachbartes Hohlorgan führt zur Fistelbildung. Mit 3 % ist die kolovesikale Fistel beim Mann am häufigsten. Sie manifestiert sich in rezidivierenden Harnwegsinfekten, Pneumaturie und Fäkalurie. Die entzündlichen Veränderungen können zum Darmverschluss führen (14 %).
Komplikationen. Zu den Komplikationen der Divertikulitis ( 1 B-6.3) gehö-
ren der intraabdominelle Abszess, die gedeckte oder freie Perforation, Blutungen, Fisteln und der Darmverschluss. Die Abszessbildung (39 %) ist meist Folge einer gedeckten Perforation (36 %) eines Divertikels nach retroperitoneal oder in das Mesenterium. Klinisch finden sich persistierende Temperaturen u.U. mit Schüttelfrost und eine palpable, schmerzhafte Resistenz im Unterbauch. Zur Fistelbildung kommt es, wenn entweder ein Abszess oder seltener ein Divertikel in benachbarte Hohlorgane perforiert. Am häufigsten ist die kolovesikale Fistel zwischen Colon sigmoideum und der Blasenhinterwand beim Mann zu beobachten (3 %). Sie manifestiert sich in rezidivierenden Harnwegsinfekten, Pneumaturie und Fäkalurie. Bei 30 % der Fistelbildungen geht keine klinische Symptomatik voraus. Enterokolische Fisteln bleiben asymptomatisch. Die entzündlichen Veränderungen in der Umgebung oder in der Kolonwand können zu einem inkompletten oder kompletten Darmverschluss (14 %) führen. Ergreift der entzündliche Prozess benachbarte Dünndarmschlingen, so kann es auch hier zu einem Ileus kommen. Die retroperitoneale Entzündung kann zusätzlich den Harnleiter erfassen und zu einer Dysurie und Ureterstenosen führen. Bei der freien Perforation kommt es zur Kontamination der Peritonealhöhle mit Darminhalt. Die kotige Peritonitis führt zu einem septischen Krankheitsbild.
1 B-6.3
Synopsis Komplikationen der Divertikulitis
Perforation 36% Blutung 8%
Abszess 39 %
Blasenfistel 3%
Diagnose. Laborchemisch findet sich eine Leukozytose und ein Anstieg des CRP. Die Abdomenleeraufnahme zeigt die intestinale Obstruktion und freie intra- und retroperitoneale Luft. Durch die Kolonkontrastuntersuchung lassen sich Stenosen, Fisteln und
Stenose 14%
Diagnose. In den Laboruntersuchungen zeigen sich eine ausgeprägte Leukozytose und ein Anstieg des CRP. Bei einer Beteiligung von Harnblase oder Ureter finden sich in der Urinanalyse Leuko- und Erythrozyten. Bei der Divertikelerkrankung des Kolons ist die Röntgenuntersuchung das Verfahren der Wahl. Bereits die Abdomenleeraufnahme kann auf eine intestinale Obstruktion und intraperitoneale (Übersicht in Linksseitenlage) oder retroperitoneale freie Luft hinweisen. Den Nachweis der Divertikelerkrankung
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6.3.2 Divertikulitis erbringt schließlich die Kolonkontrastuntersuchung. Sie kann Stenosen, Fisteln und extraluminale Lumeneinengungen (Divertikulitistumor) nachweisen ( 1 B-6.4).
1 B-6.4
Lumeneinengungen nachweisen ( 1 B-6.4).
Akute Divertikulitis Akute Divertikulitis mit divertikulitischer Stenose ( Á) im Kolonkontrasteinlauf.
n Merke. Bei Perforationsverdacht ist die Verwendung von Barium kontraindiziert, da Bariumaustritt in die freie Bauchhöhle zu einer schwer behandelbaren Bariumperitonitis führen kann. Hier darf nur wasserlösliches Kontrastmittel (GastrografinQ, PeritrastQ) angewandt werden.
Die Computertomographie (CT) kann die Abklärung erweitern. Neben der Darstellung von Divertikeln gestattet sie eine Aussage über Abszessbildungen, die Beteiligung von Nachbarorganen und extraluminale Verdrängungen. Es handelt sich um Darstellungen, die teilweise auch durch die Sonographie erzielt werden können. Die Koloskopie hat bei der akuten Divertikulitis begrenzten Aussagewert, da Spasmen im Sigma die Untersuchungsmöglichkeit einschränken können. Sie kann jedoch für die Erkennung zusätzlicher pathologischer Veränderungen wie Polypen, einer Kolitis oder eines Karzinoms von Nutzen sein. n Merke. Liegt der Verdacht einer Perforation vor, ist die Koloskopie kontraindiziert, da Luftinsufflation in das Darmlumen Darminhalt in die Peritonealhöhle pressen kann.
Therapie. Bei einem ersten Schub einer unkomplizierten Divertikulitis ist
die konservative Behandlung mit Nahrungskarenz, parenteraler Flüssigkeits- und Antibiotikazufuhr berechtigt. 65 % der so behandelten Patienten benötigen keine weitere Maßnahmen. Als absolute Operationsindikation gelten freie Perforation mit und ohne Peritonitis, Abszess, Stenose, Ileus, Fistelbildung zur Harnblase, Vagina, zum Ovar, Rektum und zu den Bauchdecken.
Merke
Die Computertomographie erlaubt Aussagen über Abszessbildungen und Beteiligung von Nachbarorganen.
Die Koloskopie hat bei der akuten Divertikulitis begrenzten Aussagewert.
Merke
Therapie. Bei einem ersten unkomplizierten Schub genügen konservative Maßnahmen (Nahrungskarenz, parenterale Flüssigkeit- und Antibiotikazufuhr). Absolute Operationsindikationen sind die freie Perforation mit und ohne Peritonitis, Abszess, Stenose, Ileus und Fistelbildung.
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398
6 Kolon/Rektum
π Chirurgische Therapie: Liegt eine gedeckte Perforation mit Abszessbildung vor, kann das betroffene Darmstück reseziert und primär End-zu-End anastomosiert werden. Bei schlechtem Allgemeinzustand kann alternativ eine perkutane Dränage vorgenommen und nach 7-10 Tagen das befallene Darmsegment mit primärer Anastomose entfernt werden.
Die freie Perforation mit kotiger Peritonitis ist meist im Rahmen der Sepsis mit instabilen Kreislaufverhältnissen verbunden. Nach Stabilisierung der Hämodynamik muss die Resektion des perforierten Darmes mit einer ausgiebigen Lavage der Peritonealhöhle erfolgen. In dieser Situation wird der Darm oral der Resektion als terminales Kolostoma ausgeleitet. Der aborale Darmabschnitt wird entweder blind verschlossen (Hartmann-Operation/ Diskontinuitätsresektion) oder als Schleimfistel in die Bauchdecke eingenäht ( 1 B-6.5). Eine Wiederherstellung der Kontinuität kann nach blandem Verlauf nach 6–12 Wochen erfolgen. Die primäre Anastomose wird auch hier angestrebt, stellt aber noch kein Standardverfahren dar. Bei Fisteln wird der fistelbildende Darmanteil samt Fistel reseziert und der Darm primär anastomosiert. Die Operationsletalität liegt < 1 %. Beim Darmverschluss wird eine Adhäsiolyse und eine Resektion des entzündeten Dickdarmsegmentes durchgeführt ( 2 B-6.2).
1 B-6.5
Chirurgische Therapie: Ist 12–24 Stunden nach dem Versuch einer konservativen Behandlung eine Persistenz der klinischen Symptomatik zu beobachten, muss die operative Intervention erörtert werden. Liegt eine gedeckte Perforation mit Abszessbildung im Mesenterium oder gegen die Bauchdecke vor, kann das betroffene Darmstück reseziert und End-zu-End anastomosiert werden. Lässt der Allgemeinzustand des Patienten vorübergehend keine Operation zu, kann alternativ eine CT- oder Ultraschallgeführte perkutane Dränage vorgenommen werden. Das befallene Dickdarmsegment wird dann nach 7–10 Tagen mit primärer Anastomose entfernt. Bei 40 % der Patienten, die sich wegen einer Divertikulitis einer Operation unterziehen müssen, wird eine Abszessbildung beobachtet. Die Letalität beträgt 2,5 %. Die freie Perforation mit kotiger Peritonitis ist meist im Rahmen der Sepsis mit instabilen Kreislaufverhältnissen verbunden. Nach Stabilisierung der Hämodynamik muss die Resektion des perforierten Darms mit einer ausgiebigen Lavage der Peritonealhöhle erfolgen. In dieser Situation wird der Darm oral der Resektion als terminales Kolostoma ausgeleitet. Der aborale Darmabschnitt wird entweder blind verschlossen (Hartmann-Operation/Diskontinuitätsresektion) oder als Schleimfistel in die Bauchdecke eingenäht ( 1 B-6.5). Bei besonders schwerer Kontamination kann eine programmierte Abdominallavage 2 Tage nach dem Ersteingriff erforderlich werden. Eine Wiederherstellung der Kontinuität kann bei einem blanden Verlauf nach 6–12 Wochen erfolgen. Es muss jedoch festgehalten werden, dass auch bei diesen Patienten der Trend zur primären Anastomose besteht. Die Entscheidung hierüber setzt allerdings eine erhebliche operative Erfahrung voraus und darf noch nicht als Standardverfahren betrachtet werden. Fisteln als Spätmanifestation einer spontanen Abszessdränage in benachbarte Organe oder durch die Haut unterliegen den Bedingungen der Elektivoperation. Hierbei werden der fistelbildende Darmanteil einschließlich der Fistel reseziert und der Darm primär anastomosiert. Die Operationsletalität liegt unter 1 %. Der Darmverschluss kann durch narbige Verwachsungen chronisch verlaufen. Die Operation besteht in einer Adhäsiolyse des adhärenten Dünndarms und einer Resektion des entzündeten Dickdarmsegmentes ( 2 B-6.2). π
Synopsis Diskontinuitätsresektion nach Hartmann
Blinder Verschluss des Rektums und Anlage eines endständigen Stomas des Colon descendens. Dieses Verfahren findet sowohl bei der perforierten Sigmadivertikulitis als auch als Palliativverfahren beim irresektablen Rektumkarzinom Anwendung.
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399
6.3.3 Colitis ulcerosa
2 B-6.2
Therapeutische Vorgehensweise bei Divertikulitis und deren Komplikationen
Befund
Therapie
N akute Divertikulitis n π 1. Schub
π π
Persistenz > 24 h Rezidiv
N Divertikulitiskomplikation n π gedeckte Perforation
N konservativ n π Nahrungskarenz π parenterale Flüssigkeits- und Antibiotikazufuhr N Elektivoperation n π End-zu-End-Anastomose N sofortige Operation n π End-zu-End-Anastomose
π
freie Perforation (mit kotiger Peritonitis)
N sofortige Operation n π Diskontinuitätsresektion nach Hartmann π Wiederanschlussoperation nach 6–12 Wochen π evtl. Etappenlavage
π
Fisteln
N Elektivoperation n π primäre Anastomose
π
Darmverschluss
N sofortige Operation n π Adhäsiolyse und Resektion des entzündlichen Darmabschnittes
6.3.3
Colitis ulcerosa
n Definition. Die Colitis ulcerosa ist eine unspezifische Entzündung unklarer Ätiologie, die ausschließlich die Dickdarmmukosa befällt und sich beginnend vom Rektum nach proximal ausbreitet. Die Erkrankung wird zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr manifest, kann jedoch in jedem Alter beobachtet werden. Sie verläuft in akuten Schüben, die sich mit Remissionen abwechseln.
Symptome. Bei 20 % der Patienten ist das gesamte Kolon betroffen, bei
30–40 % liegt ein Befall über das Sigma bis zum angrenzenden Colon descendens vor und bei 40–50 % bleibt die Erkrankung auf das Rektum und Rektosigmoid beschränkt. Das morphologische Bild ist durch eine hyperäme, ödematöse Mukosa geprägt. In Abhängigkeit vom Schweregrad treten Ulzerationen auf, die entlang der Tänien verlaufen können. Als Zeichen der Epithelregeneration treten nach längerem Krankheitsverlauf entzündliche Polypen (Pseudopolypen) auf ( 1 B-6.6).
1 B-6.6
6.3.3
Colitis ulcerosa
Definition
Symptome. Bei ca. 50 % bleibt die Erkrankung auf das Rektum und Rektosigmoid beschränkt, bei 20 % ist das gesamte Kolon betroffen. Das morphologische Bild ist durch eine hyperäme, ödematöse Mukosa geprägt. Es treten Ulzerationen auf. Als Zeichen der Epithelregeneration treten nach längerem Krankheitsverlauf entzündliche Polypen (Pseudopolypen) auf ( 1 B-6.6).
Pseudopolypen bei Colitis ulcerosa
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6.3.3 Colitis ulcerosa
2 B-6.2
Therapeutische Vorgehensweise bei Divertikulitis und deren Komplikationen
Befund
Therapie
N akute Divertikulitis n π 1. Schub
π π
Persistenz > 24 h Rezidiv
N Divertikulitiskomplikation n π gedeckte Perforation
N konservativ n π Nahrungskarenz π parenterale Flüssigkeits- und Antibiotikazufuhr N Elektivoperation n π End-zu-End-Anastomose N sofortige Operation n π End-zu-End-Anastomose
π
freie Perforation (mit kotiger Peritonitis)
N sofortige Operation n π Diskontinuitätsresektion nach Hartmann π Wiederanschlussoperation nach 6–12 Wochen π evtl. Etappenlavage
π
Fisteln
N Elektivoperation n π primäre Anastomose
π
Darmverschluss
N sofortige Operation n π Adhäsiolyse und Resektion des entzündlichen Darmabschnittes
6.3.3
Colitis ulcerosa
n Definition. Die Colitis ulcerosa ist eine unspezifische Entzündung unklarer Ätiologie, die ausschließlich die Dickdarmmukosa befällt und sich beginnend vom Rektum nach proximal ausbreitet. Die Erkrankung wird zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr manifest, kann jedoch in jedem Alter beobachtet werden. Sie verläuft in akuten Schüben, die sich mit Remissionen abwechseln.
Symptome. Bei 20 % der Patienten ist das gesamte Kolon betroffen, bei
30–40 % liegt ein Befall über das Sigma bis zum angrenzenden Colon descendens vor und bei 40–50 % bleibt die Erkrankung auf das Rektum und Rektosigmoid beschränkt. Das morphologische Bild ist durch eine hyperäme, ödematöse Mukosa geprägt. In Abhängigkeit vom Schweregrad treten Ulzerationen auf, die entlang der Tänien verlaufen können. Als Zeichen der Epithelregeneration treten nach längerem Krankheitsverlauf entzündliche Polypen (Pseudopolypen) auf ( 1 B-6.6).
1 B-6.6
6.3.3
Colitis ulcerosa
Definition
Symptome. Bei ca. 50 % bleibt die Erkrankung auf das Rektum und Rektosigmoid beschränkt, bei 20 % ist das gesamte Kolon betroffen. Das morphologische Bild ist durch eine hyperäme, ödematöse Mukosa geprägt. Es treten Ulzerationen auf. Als Zeichen der Epithelregeneration treten nach längerem Krankheitsverlauf entzündliche Polypen (Pseudopolypen) auf ( 1 B-6.6).
Pseudopolypen bei Colitis ulcerosa
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400 Merke
Die Hauptsymptome der Colitis ulcerosa sind: π rektale Blutabgänge π Diarrhö π Abdominalschmerzen.
Je nach Aktivitätsgrad der Erkrankung sind extraintestinale Manifestationen zu beobachten, die sich bei einer Remission wieder zurückbilden ( 2 B-6.3).
6 Kolon/Rektum
n Merke. Die Colitis ulcerosa ist 10–15 Jahre nach Diagnosestellung mit einem deutlich erhöhten Karzinomrisiko behaftet. Das absolute Risiko beträgt 35 Jahre nach Ausbruch der Erkrankung 30 % und steigt auf 49 %, wenn die Diagnose vor dem 15. Lebensjahr gestellt wurde.
Die Hauptsymptome der Colitis ulcerosa sind rektale Blutabgänge, Durchfälle und Abdominalschmerzen. Rektaler Blutabgang kann bei der hämorrhagischen Proktitis (isolierter Rektumbefall) beobachtet werden. Hierbei handelt es sich im Gegensatz zu einem das Rektum überschreitenden Befall um Frischblut, das leicht mit einer Hämorrrhoidalblutung verwechselt werden kann. Hat die Erkrankung das Rektum überschritten, stellen sich blutig-schleimige Durchfälle ein. Diarrhö tritt, insbesondere postprandial, bei den meisten Patienten mit einer aktiven Erkrankung auf. Nicht selten vermittelt das stark entzündete Rektum das Gefühl der inkompletten Entleerung. Pathophysiologisch liegt die Ursache der Durchfälle in erster Linie in einer verminderten Resorption für Salz und Wasser durch die Kolonschleimhaut. In Abhängigkeit vom Krankheitsverlauf nimmt die Frequenz der Darmentleerungen zu. Abdominalschmerzen gehören nicht zu den beherrschenden Symptomen und können außerhalb eines akuten Schubes unspezifisch sein. Je nach Aktivitätsgrad der Erkrankung sind extraintestinale Manifestationen zu beobachten, die sich bei einer Remission wieder zurückbilden ( 2 B-6.3).
2 B-6.3
Extraintestinale Manifestationen der Colitis ulcerosa
In Beziehung zum Aktivitätsgrad der Erkrankung n N N n N n N n N n N n N n
periphere Arthropathie Erythema nodosum Episkleritis Ulzerationen des Mundes Fettleber Pyoderma gangraenosum Uveitis
Ohne Beziehung zur Aktivität der Erkrankung n Sakroilitis N N ankylosierende Spondylitis n N primär sklerosierende Cholangitis n Selten n Perikarditis N N akute febrile neutrophile Dermatose n N Amyloidose n
Diagnose. Zur Sicherung der Diagnose ist die Sigmoidoskopie ausreichend. Bei starker Entzündung ist eine übermäßige Luftinsufflation zu vermeiden. Die Koloskopie ist für die Erfassung der Krankheitsausdehnung mit histologischer Sicherung hilfreich, für die Karzinomvorsorge ist sie unerläßlich.
Die Röntgenuntersuchung erlaubt eine Aussage über die Ausdehnung des Kolonbefalls ( 1 B-6.7).
Diagnose. Durch Stuhlproben sollte eine spezifische Entzündung ausge-
schlossen werden (z.B. Salmonellen, Campylobacter, Clostridium difficile, Amöben). Beim immunsupprimierten Patienten (Chemotherapie, nach Transplantation oder bei AIDS) müssen opportunistische Infektionen des Kolons in Erwägung gezogen werden. Zur Sicherung der Diagnose ist die Sigmoidoskopie ausreichend. Bei starker Entzündung ist jedoch eine übermäßige Luftinsufflation zu vermeiden. Die Koloskopie ist gewöhnlich für die Erhebung der Diagnose nicht erforderlich. Sie ist jedoch für die Erfassung der Krankheitsausdehnung mit histologischer Sicherung hilfreich und wird erforderlich, wenn eine Diskrepanz zwischen den Beschwerden des Patienten und einem normalen Röntgenbefund (bis zu 14 %) besteht. Für die Karzinomvorsorge ist sie unerlässlich. Die Röntgenuntersuchung gestattet bei bekannter Diagnose bereits in der Abdomenleeraufnahme eine Aussage über die Ausdehnung des Kolonbefalls. Entzündeter Dickdarm enthält selten Stuhl. Bei Befall des gesamten Kolons ist deshalb ein leerer Kolonrahmen zu erwarten. Ist lediglich das linke Kolon betroffen, zeigt sich proximal eine Stuhlsäule. Obwohl der Kolonkontrast-
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401
6.3.3 Colitis ulcerosa einlauf mit Barium ebenfalls die Ausdehnung der Erkrankung demonstrieren kann, ist er der Koloskopie unterlegen und bei Dilatation des Kolons kontraindiziert ( 1 B-6.7).
1 B-6.7
Röntgenbefund bei Colitis ulcerosa mit zahlreichen sog. »Kragenknopfulzera« (Á)
Komplikationen. Im Rahmen einer akuten Exazerbation kann es zu massiven Blutungen kommen. Diese Blutungen können normalerweise mit Transfusionen und einer gleichzeitigen medikamentösen Behandlung beherrscht werden. Sind 6–8 Einheiten Blut innerhalb von 24–48 Stunden erforderlich, muss die Notfallkolektomie erwogen werden. Die gefährlichste Komplikation ist die Perforation. Sie kann unabhängig vom Dilatationszustand des Kolons eintreten. Hierbei können die Zeichen der Peritonitis durch Steroidgaben verschleiert sein, sodass reduziertes Allgemeinbefinden, Tachykardie und der Verlust der Darmmotilität als einzige klinische Hinweise verwertbar sind. Eine Bestätigung der Diagnose wird immer mit einer Abdomenleeraufnahme durch den Nachweis freien Gases in der Peritonealhöhle zu erbringen sein. Die Behandlung besteht primär in der Korrektur von Stoffwechselentgleisungen, gegebenenfalls der Erhöhung der Steroiddosis und der anschließenden Kolektomie. Beim toxischen Megakolon (akute Dilatation) handelt es sich um eine massive Dilatation des Kolons während eines akuten Kolitisschubes. Es kann bei 10 % der erkrankten Patienten beobachtet werden und birgt die potenzielle Gefahr der Perforation in sich. Das perforierte, toxische Megakolon ist mit einer Letalität bis zu 50 % behaftet. Kommt es innerhalb von 48–72 Stunden unter medikamentösen Maßnahmen zu keiner Besserung des Patienten, muss die Kolektomie erörtert werden.
Komplikationen. Im Rahmen einer akuten Exarzerbation kann es zu massiven Blutungen kommen. Sind 6–8 Einheiten Blut innerhalb von 24–48 Stunden erforderlich, muss die Notfallkolektomie erwogen werden. Die gefährlichste Komplikation ist die Perforation. Eine Bestätigung der Diagnose wird immer mit einer Abdomenleeraufnahme durch den Nachweis freien Gases in der Peritonealhöhle zu erbringen sein. Die Behandlung besteht primär in der Korrektur von Stoffwechselentgleisungen und der anschließenden Kolektomie. Beim toxischen Megakolon (akute Dilatation) handelt es sich um eine massive Dilatation des Kolons während eines Kolitisschubes (10 % der Patienten). Kommt es unter medikamentösen Maßnahmen zu keiner Besserung, muss die Kolektomie erörtert werden (Gefahr der Perforation, Letalität 50 %).
Therapie
Therapie π Konservative Behandlung: Die Therapie erstreckt sich auf diätetische Maßnahmen, Kortikosteroide, Sulfasalazine, Mesalazine (5-Aminosalicylate), Azathioprine und Antibiotika (Metronidazol).
Konservative Behandlung: Die Behandlung der unkomplizierten Colitis ulcerosa erfolgt medikamentös mit dem Ziel, die Entzündung einzudämmen, Schmerzen zu beseitigen, den Durchfall zu beeinflussen und somit eine Remission zu erreichen. Die Therapie erstreckt sich auf diätetische Maßnahmen, Kortikosteroide, Sulfasalazine, Mesalazine (5-Aminosalicylate), Azathioprine (bei Therapieresistenz zur Reduktion der Kortikosteroide; cave Nebenwirkungen) und Antibiotika (Metronidazol).
π
n Merke. Die symptomatische Behandlung zur Verminderung der Stuhlfrequenz und damit der Wasser- und Elektrolytverluste mit Loperamid, und Codeinphosphat ist nicht empfehlenswert, da einerseits die Zeichen eines akuten Schubes verschleiert werden können und andererseits die Provokation einer toxischen Dilatation möglich ist.
Chirurgische Behandlung: Bei einem ausgedehnten Befall des Kolons müssen sich im Verlauf der Erkrankung 33 % der Patienten einer Operation
π
Merke
π Chirurgische Behandlung: Bei einem ausgedehnten Befall des Kolons
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402
6 Kolon/Rektum
müssen sich im Verlauf der Erkrankung 33 % der Patienten einer Operation unterziehen, während bei einer distalen Colitis ulcerosa nur in 2 % eine Operation erforderlich wird. Die Hauptindikation für operative Eingriffe ist die chronische Erkrankung mit schlechtem Ansprechen auf konservative Therapiemaßnahmen oder eine zunehmende Frequenz akuter Schübe. Bei der Indikationsstellung sollte die physische, soziale und berufliche Beeinträchtigung sowie das Alter des Patienten und die Dauer der Erkrankung berücksichtigt werden.
unterziehen, während bei einer distalen Colitis ulcerosa nur in 2 % eine Operation erforderlich wird. Die akute Colitis ulcerosa ist durch eine erhöhte Frequenz blutiger Stühle in Verbindung mit systemischen Zeichen einschließlich Tachykardie, Fieber und Hypalbuminämie charakterisiert. Unter einer aggressiven medikamentösen Therapie kann das Krankheitsbild bei 75 % der Patienten beherrscht werden. Kommt es unter dieser Behandlung innerhalb von 24 Stunden zu keiner Besserung des Allgemeinzustands, wird ein operativer Eingriff erforderlich. Die Hauptindikation für operative Eingriffe ist die chronische Erkrankung mit schlechtem Ansprechen auf konservative Therapiemaßnahmen oder eine zunehmende Frequenz akuter Schübe. Bei der Indikationsstellung sollte die physische, soziale und berufliche Beeinträchtigung sowie das Alter des Patienten und die Dauer der Erkrankung berücksichtigt werden.
π Operationsverfahren: Zu den gebräuchlichen Operationsverfahren gehören:
π
Proktokolektomie mit Anlage eines terminalen Ileostomas
Proktokolektomie mit Anlage eines terminalen Ileostomas: Die Proktokolektomie beinhaltet die Entfernung von erkranktem Kolon und dem befallenen Rektum. Die Stuhlableitung erfolgt über eine terminale Ileostomie.
Kolektomie mit ileorektaler Anastomose: Dieses einfache Operationsverfahren ist umstritten, da das Gewebe im verbliebenen Rektumstumpf entarten kann (15–20 %). Indikationen sind die ausgeprägte portale Hypertension und bei Kindern die Stomavermeidung während des Wachstums.
Kolektomie mit ileorektaler Anastomose: Die Kolektomie mit ileorektaler Anastomose ist ein einfaches Operationsverfahren, das gute funktionelle Resultate erwarten lässt. Es ist jedoch im Hinblick auf die maligne Entartung im verbliebenen Rektumstumpf mit einem Restrisiko von 15–20 % umstritten. Eine Indikation für dieses Vorgehen besteht bei ausgeprägter portaler Hypertension, die eine Dissektion der Rektumschleimhaut wegen des hohen Blutverlustes riskant macht. Eine weitere Indikation besteht bei Kindern zur Vermeidung eines Stomas während des Wachstumsalters oder bis der Zeitpunkt zu einer Pouchanlage gegeben ist. Das Operationsverfahren verlangt jedoch in jedem Falle eine lebenslange Nachsorge des Patienten.
Totale Kolektomie mit Proktomukosektomie und Anlage eines ileoanalen Pouches: Verfahren der Wahl bei der Pancolitis ulcerosa.
Totale Kolektomie mit Proktomukosektomie und Anlage eines ileoanalen Pouches: Als Verfahren der Wahl gilt heute bei einer Pancolitis ulcerosa die totale Kolektomie mit Proktomukosektomie und Anlage eines ileoanalen Reservoirs (ileoanaler Pouch). Ziel der Operation ist es, unter Vermeidung eines Stomas die persönliche Integrität zu erhalten und die psychosoziale Integration des Patienten zu erleichtern.
1 B-6.8
Operationsverfahren: Zu den gebräuchlichsten Operationsverfahren gehören:
Synopsis Pouchgestaltung bei der restorativen Kolektomie mit Proktomukosektomie und Anlage eines ileoanalen Reservoirs
a J-Pouch.
b S-Pouch.
c W-Pouch.
Bei Primäreingriffen wird am häufigsten der J-Pouch eingesetzt.
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403
6.3.3 Colitis ulcerosa Als Kontraindikation gelten eine Sphinkterinsuffizienz, ein tiefsitzendes Rektumkarzinom und ein Morbus Crohn. π Prinzipien des operativen Vorgehens: Dissektionsebene: Die Mehrzahl der Patienten mit einer Colitis ulcerosa sind jung und sexuell aktiv. Aus diesem Grund ist es von herausragender Bedeutung, die Nerven des Beckens durch ein sehr rektumnahes Vorgehen zu schonen. Auf diese Weise kann die Impotenzrate unter 0,5 % gehalten werden.
Kontraindikationen sind Sphinkterinsuffizienz, ein tiefsitzendes Rektumkarzinom und ein Morbus Crohn. Prinzipien des operativen Vorgehens: π Dissektionsebene π Pouchgestaltung ( 1 B-6.8) π Proktomukosektomie. π
Pouchgestaltung: Unter den zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten des Reservoirs, die sich funktionell unwesentlich unterscheiden, hat sich als Standardvorgehen der J-Pouch durchgesetzt. Trotzdem kann bei unzureichender Länge des Dünndarmmesenteriums oder bei Sekundäreingriffen (z.B. nach Diskontinuitätsresektion) eine alternative Pouchgestaltung erforderlich werden ( 1 B-6.8). Die Naht des Reservoirs kann entweder mit der Hand oder aber mit Klammernahtgeräten vorgenommen werden. Proktomukosektomie: Bei dem verbliebenen Rektumschlauch, dessen Länge für die postoperative Funktion unwesentlich ist, kommt es darauf an, die gesamte erkrankte Mukosa zur Vermeidung einer malignen Entartung zu entfernen.
Nachbehandlung. Die Anlage eines protektiven Ileostomas ist beim erfah-
renen Operateur nicht erforderlich. Es unterliegt einer eigenen Morbidität und nimmt keinen Einfluss auf das Gesamtergebnis. Bei Nachweis suffizienter Anastomosenverhältnisse und unbehinderter Motilität kann die perorale Nahrungszufuhr begonnen werden. Zur Vermeidung von Hautmazerationen durch den anfänglich sehr aggressiven Dünndarmsaft sollte die perianale Region mit deckenden Salben geschützt werden. Die anfänglich hohe Stuhlfrequenz kann durch medikamentöse Verminderung der Dünndarmmotilität (z.B. Loperamid) bei gleichzeitiger Zufuhr von flüssigkeitabsorbierender Nahrung beeinflusst werden. Der Patient muss darauf hingewiesen werden, dass der definitive Zustand nach einer derartigen Operation erst nach 1 Jahr erreicht wird und in dieser Zeit weiterhin mit abnehmender Frequenz extraintestinale Symptome der Grundkrankheit auftreten können.
Komplikationen. Neben den bekannten Komplikationen großer Abdomi-
naleingriffe (Anastomoseninsuffizienz, Nachblutung, intraabdominale Sepsis, postoperativer Ileus) sind als spezifische Spätkomplikationen die Anastomosenstriktur und die Pouchitis erwähnenswert. Bei ca. 8 % der operierten Patienten kommt es zu einer Anastomosenstriktur. Sie kann für ungeklärte Diarrhöen verantwortlich sein, bedarf jedoch keiner operativen Intervention, da sie in der Regel durch einfache Dilatationen behoben werden kann. In 10–20 % der Pouches ist eine akute Entzündung mit Diarrhö und Fieber, die sog. Pouchitis, zu beobachten. Die Ursache ist bisher ungeklärt. Eine Stase des Pouchinhaltes mit gleichzeitiger bakterieller Übersiedelung dürfte ein wesentlicher Faktor der Pathogenese sein. Steht bei der Symptomatik die Diarrhö im Vordergrund, ist in der Regel eine symptomatische Behandlung ausreichend. Liegt ein ausgeprägtes Krankheitsbild mit Fieber und einer Leukozytose vor, besteht die Therapie der Pouchitis in der systemischen Gabe anaerob wirkender Antibiotika (z.B. Metronidazol) gegebenenfalls in Kombination mit 5-ASA-Einläufen. Mit einer Abheilung ist zu rechnen. Rezidive sind jedoch möglich.
Nachbehandlung. Bei Nachweis suffizienter Anastomosenverhältnisse und unbehinderter Motilität kann die perorale Nahrungszufuhr begonnen werden.
Durch medikamentöse Verminderung der Dünndarmmotilität und flüssigkeitsabsorbierende Nahrung kann die anfänglich hohe Stuhlfrequenz beeinflusst werden.
Komplikationen. Bei ca. 8 % der operierten Patienten kommt es zu einer Anastomosenstriktur. Sie kann für ungeklärte Diarrhöen verantwortlich sein und kann in der Regel durch einfache Dilatationen behoben werden. In 10–20 % der Pouches ist eine akute Entzündung mit Diarrhöen und Fieber, die sog. Pouchitis zu beobachten. Eine Stase des Pouchinhaltes mit gleichzeitiger bakterieller Übersiedelung dürfte ein wesentlicher Faktor der Pathogenese sein. Steht die Diarrhö im Vordergrund, ist in der Regel eine symptomatische Behandlung ausreichend. Liegt ein ausgeprägtes Krankheitsbild mit Fieber und einer Leukozytose vor, besteht die Therapie in der systemischen Gabe anaerob wirkender Antibiotika (z.B. Metronidazol) gegebenenfalls in Kombination mit 5-ASA-Einläufen.
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404 6.3.4
6 Kolon/Rektum Morbus Crohn (s.a. Kap. B-4.5.1)
6.3.4
Morbus Crohn (s.a. Kap. B-4.5.1)
Synonyme: Enterocolitis regionalis granulomatosa, Ile(ocol)itis regionalis (terminalis), Colitis Crohn n Definition. Der Morbus Crohn ist eine chronische, alle Wandschichten des Darmes ergreifende granulomatöse Entzündung mit bevorzugter Lokalisation im terminalen Ileum (Ileitis terminalis). Bei diskontinuierlichem Befall kann der gesamte Gastrointestinaltrakt von der Zunge bis zum Anus befallen werden.
Definition
Ätiologie bis heute ungeklärt.
Ätiologie. Die Ursache des Morbus Crohn ist bis heute ungeklärt.
Symptome. Die Krankheit wird durch blutige Diarrhöen und häufigen Stuhldrang, ähnlich der Colitis ulcerosa, symptomatisch. Fisteln zu Nachbarorganen können die einzige Manifestation darstellen. Eine besondere Manifestationsform ist die perianale Erkrankung mit Bildung von Abszessen, Fisteln und Fissuren.
Symptome. Das Kolon kann morphologisch sowohl segmental als auch total befallen sein. Die Krankheit wird durch blutige Diarrhöen und häufigen Stuhldrang, ähnlich der Colitis ulcerosa, symptomatisch. Bei segmentalen oder langstreckigen Stenosen stehen Durchfälle ohne Blutbeimengungen im Vordergrund, während Fisteln zu Nachbarorganen (z.B. kolovesikal, rektovaginal) einzige Manifestationen darstellen können. Eine besondere Manifestationsform ist die perianale Erkrankung mit Bildung von Abszessen, Fisteln und Fissuren, die andererseits erste Zeichen der Erkrankung sein können.
Diagnose. Die Diagnostik entspricht dem Vorgehen wie bei der Colitis ulcerosa.
Diagnose. Sie entspricht dem Vorgehen bei der Colitis ulcerosa, wobei die Differenzierung nicht selten schwierig ist und oft die histologisch klassischen Epitheloidgranulome fehlen. Nachgewiesene Stenosen, die möglicherweise nicht mehr mit dem Koloskop passierbar sind, müssen sorgfältig untersucht werden, da gleichzeitig ein okkultes Karzinom verborgen sein kann. Hier können Kontrastmitteleinläufe das Ausmaß des Befalls radiologisch dokumentieren ( 1 B-6.9).
Kontrastmitteleinläufe können das Ausmaß des Befalls radiologisch dokumentieren ( 1 B-6.9).
1 B-6.9
Kolonkontrasteinlauf bei Morbus Crohn
a Befall des linksseitigen Kolons mit Stenosierung ( Á) des Colon transversum und Ausbildung einer gastrokolischen Fistel ( Á Á).
b »Fahrradschlauchphänomen« bei Fibrose des gesamten Kolons mit Verlust der Haustrierung.
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405
6.3.4 Morbus Crohn
Differenzialdiagnose ( 2 B-6.4)
2 B-6.4
Differenzialdiagnose ( 2 B-6.4).
Differenzialdiagnose zwischen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn
Klinik
Colitis ulcerosa
N Stuhl n
π π
Diarrhö, häufig Blut in 100 %
Morbus Crohn π π
Diarrhö, häufig Blut in ca. 20 % (meist nur gering)
N Schmerz n
π
selten
π
Abdominalschmerz häufig
N Fisteln/Analläsionen n
π
selten
π
häufig
N Fisteln perianal n
π
selten
π
häufig ca. 30 %
N Fieber n
π
selten
π
häufig
N Befall n
π
π π
kontinuierlicher Befall von aboral nach oral nur Kolon Rektum immer befallen
π π
π
in ca. 85 % diskontinuierlicher Befall gesamter Gastrointestinaltrakt kann betroffen sein Rektum in ca. 75 % frei
N tastbarer Tumor n
π
nur bei Karzinom
π
häufig rechter Unterbauch
N Stenosen n
π
bei Karzinomen
π
häufig
N Mukosa n
π π π π π π π π π
diffuser Befall gesteigerte Vulnerabilität petechiale Blutungen Hyperämie und Ödem Erosionen/Ulzerationen Kryptenabszesse Schleimhautatrophie Pseudopolypen Becherzellverlust
π π π π π
π π π π
N Submukosa n
π
frei
π
fleckförmiger Befall selten Kontaktblutungen fleckförmige Rötung aphthoide Läsionen unauffällige Schleimhautareale (skip areas) Pflastersteinrelief solitäre Längsulzerationen Fissuren Becherzellen normal befallen
Therapie. Für den Morbus Crohn des Dickdarms gilt therapeutisch das glei-
che Vorgehen wie bei der Dünndarmerkrankung (s. Kap. B-4.5.1, S. 369ff.) mit einer primären medikamentösen Therapie. Die chirurgische Behandlung bleibt auch hier auf die Komplikationen beschränkt, wobei auch am Kolon zum Erhalt resorptionsfähiger Schleimhaut (Resorption von Wasser und kurzkettigen Fettsäuren) so organerhaltend wie möglich vorgegangen werden sollte. Auch wenn sich der Morbus Crohn ähnlich wie die Colitis ulcerosa verhält, unterscheidet sich die chirurgische Behandlung wesentlich. Eine Notfallindikation ist die fulminante Colitis Crohn mit akuter Blutung, die toxische Dilatation oder die Perforation. Hierbei ist es wichtig zu wissen, dass sich die Perforation auch ohne vorhergehende Dilatation ereignen kann. Bei diesen Komplikationen kann die subtotale Kolektomie mit ileorektaler Anastomose erforderlich werden. Segmentale Komplikationen wie Strikturen, Fisteln oder Abszesse bleiben der elektiven Chirurgie mit organerhaltender Intention vorbehalten. Hierzu gehören Strikturoplastiken, auch langstreckiger Stenosen, Fistelexzisionen oder die Segmentresektion. Die Reoperationsrate des organerhaltenden Vorgehens entspricht innerhalb von 10 Jahren derjenigen der subtotalen Kolektomie.
Therapie. Auch hier ist primär eine medikamentöse Therapie angezeigt. Die chirurgische Behandlung bleibt auf die Komplikationen beschränkt.
Eine Notfallindikation ist die fulminante Colitis Crohn mit akuter Blutung, die toxische Dilatation oder die Perforation. Bei diesen Komplikationen kann die subtotale Kolektomie mit ileorektaler Anastomose erforderlich werden. Segmentale Komplikationen wie Strikturen, Fisteln oder Abszesse bleiben der elektiven Chirurgie vorbehalten.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
406 6.3.5 Ischämische Kolitis Definition
6 Kolon/Rektum 6.3.5
Ischämische Kolitis
n Definition. Bei der ischämischen Kolitis handelt es sich um eine entzündliche Veränderung der Kolonschleimhaut aufgrund einer Mangeldurchblutung.
Ätiologie und Pathogenese. Die ischämische Kolitis kann durch den Verschluss größerer Arterien, Gefäßerkrankungen, venöse Thrombose, Darmverschluss mit Erhöhung des intraluminalen Drucks und »Low-flow«-Zustände verursacht werden. Die Veränderungen finden sich vornehmlich am linken Kolon, da sich hier die Versorgungsgebiete der A. mesenterica superior und der A. mesenterica inferior trennen. Beide Versorgungsgebiete sind in der Regel durch die Riolan-Arkade miteinander verbunden. Diese Anastomose kann jedoch so schwach entwickelt sein, dass eine eingeschränkte Perfusion in einem der Versorgungsgebiete zur Ischämie führt.
Ätiologie und Pathogenese. Die ischämische Kolitis kann durch den Ver-
Symptome. Bei meist chronischem Verlauf kommt es zu krampfartigen, linksseitigen Abdominalschmerzen mit rezidivierenden Durchfällen, denen charakteristischerweise altes Blut beigemengt ist. Das betroffene Kolon kann schmerzhaft und gegebenenfalls palpabel sein.
Symptome. Bei meist chronischem Verlauf kommt es zu krampfartigen,
Diagnose. Sie erfolgt durch Abdomenübersichtsaufnahme und die Kolonkontrastuntersuchung. Pathognomonisch sind die »thumbprints« ( 1 B-6.10). Mit fortschreitender Erkrankungsdauer kann das radiologische Bild dem der Colitis ulcerosa oder des Morbus Crohn ähneln. Hier kann die Endoskopie mit Biopsie zu einer Differenzierung führen.
Diagnose. Die Abdomenübersicht und die Kolonkontrastuntersuchung
Therapie. Die Behandlung der ischämischen Kolitis richtet sich nach dem klinischen Bild, wobei ein konservatives Vorgehen angestrebt wird (Flüssigkeitssubstitution und bei Zeichen eines Infektes Breitbandantibiotika, obwohl der Nutzen bisher nicht nachgewiesen werden konnte). Bei einer vorübergehenden Ischämie ist mit einer Restitutio ad integrum zu rechnen. Kommt es zu funktionell wirksamen Stenosen, einer Gangrän oder Perforation, ist der operative Eingriff indiziert.
Therapie. Die Behandlung der ischämischen Kolitis richtet sich im Wesentlichen nach dem klinischen Bild, wobei grundsätzlich ein konservatives Vorgehen angestrebt wird. Dieses besteht in Flüssigkeitssubstitution und bei Zeichen eines Infektes Breitbandantibiotika, obwohl deren Nutzen bisher nicht nachgewiesen werden konnte. Bei einer vorübergehenden Ischämie ist mit einer Restitutio ad integrum zu rechnen. Bei ausgedehnten Ischämien kann es neben langstreckigen, funktionell wirksamen Stenosen und selten zur Gangrän oder Perforation kommen. In diesen Fällen ist die Indikation zur Resektion des betroffenen Kolonanteils gegeben. Ist ein Karzinom ausgeschlossen, kann die Resektion auf den Bezirk der Ischämie begrenzt bleiben.
schluss größerer Arterien, Gefäßerkrankungen, venöse Thrombose, Darmverschluss mit Erhöhung des intraluminalen Drucks und »Low-flow«Zuständen (z.B. Hypovolämie, kardiale Dekompensation) verursacht werden. Grundsätzlich sind Mukosa und Submukosa betroffen. Durch Auflockerung der Mukosa gelangen pathogene Keime in die Darmwand und verursachen entzündliche Ulzerationen. Je nach Perfusion des Darms können sich diese Veränderungen vollständig zurückbilden. Bleibt die Perfusion eingeschränkt, kommt es zur Fibrose der Darmwand mit Ausbildung von Strikturen. Eine nekrotisierende Kolitis ist selten. Obwohl jeder Abschnitt des Kolons betroffen sein kann, finden sich derartige Veränderungen vornehmlich am linken Kolon, da sich im Bereich der linken Flexur die Versorgungsgebiete der A. mesenterica superior zum Colon transversum und der A. mesenterica inferior zum Colon descendens trennen. Beide Versorgungsgebiete sind in der Regel durch die Riolan-Arkade miteinander verbunden. Diese Anastomose kann jedoch fehlen oder so schwach entwickelt sein, dass eine eingeschränkte Perfusion in einem der Versorgungsgebiete zur Ischämie führt. Von klinischer Bedeutung ist die Riolan-Arkade bei Eingriffen an der Aorta oder in der kolorektalen Chirurgie, wo mit der Ligatur der A. mesenterica inferior gerechnet werden muss. Insbesondere bei Eingriffen an der Aorta können schwerwiegende Komplikationen vermieden werden, wenn bei fehlender Anastomose der Versorgungsgebiete die A. mesenterica inferior in einen evtl. Gefäßersatz der Aorta replantiert wird.
linksseitigen Abdominalschmerzen mit rezidivierenden Durchfällen, denen charakteristischerweise altes Blut beigemengt ist. Da es sich vornehmlich um Veränderungen der Mukosa handelt, sind keine systemischen Auswirkungen außer einem leichten Temperaturanstieg mit Tachykardie zu erwarten. Bei der klinischen Untersuchung kann das betroffene Kolon schmerzhaft und gegebenenfalls palpabel sein.
werden die ersten Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose sein. Pathognomonisch sind die »thumbprints«, die sich meistens in der linken Flexur in Folge des submukösen Ödems ab dem 3. Tag nach Beginn der Ischämie nachweisen lassen ( 1 B-6.10). Mit fortschreitender Erkrankungsdauer kann das radiologische Bild differenzialdiagnostisch dem der Colitis ulcerosa oder des Morbus Crohn ähneln. Hier kann die Endoskopie mit Biopsie zu einer Differenzierung führen.
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407
6.3.6 Pseudomembranöse Kolitis
1 B-6.10
Röntgendarstellung einer ischämischen Kolitis Ausgedehnte »thumbprints« ( Á) des Kolon ascendens und transversum.
6.3.6
Pseudomembranöse Kolitis
n Definition. Bei der pseudomembranösen Kolitis handelt es sich um eine antibiotikainduzierte Durchfallerkrankung, die durch ein Zytotoxin des Clostridium difficile ausgelöst wird.
Ätiologie. C. difficile ist ein grampositives, anaerobes und sporenbildendes
Bakterium, das nicht der normalen Darmflora zugerechnet wird. Infektionen können durch alle Antibiotika ausgelöst werden, im Vordergrund stehen jedoch Lincomycin, Clindamycin, Ampicillin, Tetrazyklin und Cephalosporine. Bevorzugt betroffen sind Patienten mit verminderter Resistenz. n Merke. Alle Antibiotika können eine pseudomembranöse Kolitis auslösen.
6.3.6
Pseudomembranöse Kolitis
Definition
Ätiologie. C. difficile gehört nicht zur normalen Darmflora. Infektionen können durch alle Antibiotika ausgelöst werden. Bevorzugt betroffen sind Patienten mit verminderter Resistenz.
Merke
Symptome. Die Krankheit präsentiert sich mit wässrigen Durchfällen unter-
Symptome. 2 Tage – 3 Wochen nach einer Antibiotikaexposition kommt es zu wässrigen Durchfällen, Abdominalkrämpfen und Temperaturerhöhung.
Diagnose. Die Diagnose wird durch den Toxinnachweis von C. difficile gesi-
Diagnose. Die Diagnose wird durch den Toxinnachweis von C. difficile gesichert. Koloskopisch zeigen sich entzündliche Plaques zwischen normaler Dickdarmmukosa. Differenzialdiagnose s. 2 B-6.5.
Therapie. Stehen nicht das mögliche toxische Megakolon oder eine Kolon-
Therapie. Bei positivem Toxinnachweis ist grundsätzlich eine konservative Behandlung angezeigt. Neben Flüssigkeits- und Elektrolytersatz sollten alle Antibiotika abgesetzt werden. Evtl. ist eine Therapie mit Metronidazol oder Vancomycin notwendig.
schiedlicher Schweregrade, Abdominalkrämpfen und Temperaturerhöhung. Der Krankheitsbeginn liegt 2 Tage – 3 Wochen nach einer Antibiotikaexposition, einschließlich einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe. Zu den Komplikationen zählen Schock, Kolonperforation und das toxische Megakolon.
chert. Koloskopisch zeigen sich entzündliche Plaques zwischen normaler Dickdarmmukosa. Ist der Erreger in Stuhlproben kultivierbar, ohne dass eine nennenswerte Toxinproduktion nachweisbar wird, müssen Alternativdiagnosen erörtert werden ( 2 B-6.5).
perforation im Vordergrund, ist bei positivem Toxinnachweis grundsätzlich eine konservative Behandlung angezeigt. Neben dem Flüssigkeits- und Elektrolytersatz sollten alle Antibiotika abgesetzt werden. Kommt es nicht innerhalb von 48 Stunden zu einer spontanen Rückbildung der Symptome, ist die spezifische antibiotische Behandlung mit Metronidazol oder Vancomycin empfehlenswert.
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408
6 Kolon/Rektum
2 B-6.5
Differenzialdiagnosen bei Verdacht auf pseudomembranöse Kolitis
Unspezifische entzündliche Darmerkrankungen n Colitis ulcerosa N N Morbus Crohn n Spezifische entzündliche Darmerkrankungen n Salmonellen N N Shigellen n N Campylobacter n Ischämie
n Merke. Wegen der hohen Kontagiosität der Erreger ist eine Isolierung des erkrankten Patienten erforderlich.
Merke
6.4
Dickdarmtumoren
6.4.1 Kolonpolypen
6.4.1
Kolonpolypen
Gastrointestinale Polypen sind kleine Gewebevorwölbungen, die entweder gestielt oder breitbasig über das Niveau der Schleimhaut hinausragen ( 2 B-6.6).
Gastrointestinale Polypen sind kleine Gewebevorwölbungen, die entweder gestielt oder breitbasig über das Niveau der Schleimhaut hinausragen. Der Bezeichnung liegt eine klinische Beurteilung zugrunde, die nach ätiologischen und morphologischen Gesichtspunkten unterteilt wird ( 2 B-6.6).
6.4
Dickdarmtumoren
2 B-6.6
Klassifikation kolorektaler Polypen
N Neoplastische Polypen n n N benigne
N maligne n
n tubuläres Adenom N N tubulovillöses Adenom n N villöses Adenom n N nicht invasive Karzinome n π Carcinoma in situ π intramuköses Karzinom N invasives Karzinom (Muscularis n mucosae durchbrochen)
N Nicht neoplastische n Polypen (unklassifizierbar)
N hyperplastische (= metan plastische) Polypen N hamartomatöse Polypen n N juvenile Polyposis n N Peutz-Jeghers-Syndrom n N entzündliche Polypen n (z.B. Colitis ulcerosa)
N Submuköse Läsionen n
n N N n N n N n N n
Pneumatosis cystoides intestinalis Lipome Karzinoid metastatische Veränderungen andere seltene Läsionen
Neoplastische Polypen
6.4.2 Neoplastische Polypen
6.4.2
Die Adenome (tubuläre, villöse, tubulovillöse und flache) sind durch umschriebenes Auftreten von Epithel mit den Zeichen der Dysplasie gekennzeichnet.
Sie werden als Adenome bezeichnet und entsprechend der Morphologie in tubuläre, villöse, tubulovillöse und flache Adenome (flat adenomas) unterteilt. Tubuläre Adenome (75 %) sind meist gestielt, gut differenziert und in der Regel < 2 cm. Die Entartungswahrscheinlichkeit ist mit ca. 5 % eher gering. Villöse Adenome (10 %) sitzen flächiger auf, haben eine zottige Oberfläche und sind meist > 2 cm. Das Entartungsrisiko ist mit im Mittel 15 % relativ hoch. Tubulo-villöse Adenome (25 %) stellen eine Mischform dar.
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408
6 Kolon/Rektum
2 B-6.5
Differenzialdiagnosen bei Verdacht auf pseudomembranöse Kolitis
Unspezifische entzündliche Darmerkrankungen n Colitis ulcerosa N N Morbus Crohn n Spezifische entzündliche Darmerkrankungen n Salmonellen N N Shigellen n N Campylobacter n Ischämie
n Merke. Wegen der hohen Kontagiosität der Erreger ist eine Isolierung des erkrankten Patienten erforderlich.
Merke
6.4
Dickdarmtumoren
6.4.1 Kolonpolypen
6.4.1
Kolonpolypen
Gastrointestinale Polypen sind kleine Gewebevorwölbungen, die entweder gestielt oder breitbasig über das Niveau der Schleimhaut hinausragen ( 2 B-6.6).
Gastrointestinale Polypen sind kleine Gewebevorwölbungen, die entweder gestielt oder breitbasig über das Niveau der Schleimhaut hinausragen. Der Bezeichnung liegt eine klinische Beurteilung zugrunde, die nach ätiologischen und morphologischen Gesichtspunkten unterteilt wird ( 2 B-6.6).
6.4
Dickdarmtumoren
2 B-6.6
Klassifikation kolorektaler Polypen
N Neoplastische Polypen n n N benigne
N maligne n
n tubuläres Adenom N N tubulovillöses Adenom n N villöses Adenom n N nicht invasive Karzinome n π Carcinoma in situ π intramuköses Karzinom N invasives Karzinom (Muscularis n mucosae durchbrochen)
N Nicht neoplastische n Polypen (unklassifizierbar)
N hyperplastische (= metan plastische) Polypen N hamartomatöse Polypen n N juvenile Polyposis n N Peutz-Jeghers-Syndrom n N entzündliche Polypen n (z.B. Colitis ulcerosa)
N Submuköse Läsionen n
n N N n N n N n N n
Pneumatosis cystoides intestinalis Lipome Karzinoid metastatische Veränderungen andere seltene Läsionen
Neoplastische Polypen
6.4.2 Neoplastische Polypen
6.4.2
Die Adenome (tubuläre, villöse, tubulovillöse und flache) sind durch umschriebenes Auftreten von Epithel mit den Zeichen der Dysplasie gekennzeichnet.
Sie werden als Adenome bezeichnet und entsprechend der Morphologie in tubuläre, villöse, tubulovillöse und flache Adenome (flat adenomas) unterteilt. Tubuläre Adenome (75 %) sind meist gestielt, gut differenziert und in der Regel < 2 cm. Die Entartungswahrscheinlichkeit ist mit ca. 5 % eher gering. Villöse Adenome (10 %) sitzen flächiger auf, haben eine zottige Oberfläche und sind meist > 2 cm. Das Entartungsrisiko ist mit im Mittel 15 % relativ hoch. Tubulo-villöse Adenome (25 %) stellen eine Mischform dar.
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409
6.4.3 Kolorektales Karzinom Die Adenome sind durch umschriebenes Auftreten von Epithel mit den Zeichen der Dysplasie gekennzeichnet. n Definition. Dysplasie bezeichnet alle Formen einer zweifelsfrei neoplastischen Epithelproliferation ohne invasives Wachstum, entsprechend einer intraepithelialen Neoplasie. Die Epithelveränderungen sind gekennzeichnet durch eine π Zellatypie π abweichende Differenzierung π gestörte Mikroarchitektur.
Definition
n Merke. Die Hauptgefahr der Adenome für den Patienten liegt in der Möglichkeit, maligne zu entarten. Die Entartungstendenz korreliert hierbei mit der Größe des Polypen, dem histologischen Typ und dem Grad der Dysplasie.
Merke
Symptome. Die Adenome bleiben klinisch oft stumm. Größere Polypen und
Symptome. Adenome bleiben klinisch oft stumm. Größere Polypen können zu Blutungen führen.
Diagnose. Die Diagnose wird endoskopisch gestellt.
Diagnose. Sie wird endoskopisch gestellt. Therapie. Kleine Adenome (< 3 cm) können peranal oder endoskopisch in toto abgetragen werden. Größere Adenome bedürfen i.d.R. einer chirurgischen Resektion.
Schleimhauterosionen können zu Blutungen führen. Analnah gelegene Polypen können prolabieren.
Therapie. Kleine Adenome (< 3 cm) können in toto peranal oder endosko-
pisch abgetragen werden. Größere Adenome bedürfen in der Regel einer chirurgischen Resektion. In Abhängigkeit von der Histologie (Schnellschnittuntersuchung) kann eine Radikaloperation erforderlich werden. n Merke. Adenome sollen nicht biopsiert, sondern stets vollständig abgetragen werden.
6.4.3
Kolorektales Karzinom
Merke
6.4.3 Kolorektales Karzinom
Es ist allgemein anerkannt, dass die meisten Kolonkarzinome primär benignen Adenomen entstammen und sich 5–10 Jahre nach der Entstehung des Adenoms entwickeln. Eine Ausnahme bildet die Colitis ulcerosa, bei der das Karzinom durch die alleinige Dysplasie entstehen kann. Da die Dysplasie alle neoplastischen Epithelveränderungen ohne invasives Wachstum erfasst, muss das invasive Tumorwachstum als ein weiteres Entwicklungsstadium der Dysplasie verstanden werden. In diesem Sinne ist die Pathogenese des Karzinoms als Adenom-(Dysplasie-)Karzinom-Sequenz zu erklären.
Die meisten Kolonkarzinome entwickeln sich nach 5–10 Jahren aus primär benignen Adenomen. Da die Dysplasie alle neoplastischen Epithelveränderungen ohne invasives Wachstum erfasst, muss das invasive Tumorwachstum als ein weiteres Entwicklungsstadium der Dysplasie verstanden werden. In diesem Sinne ist die Pathogenese des Karzinoms als Adenom-(Dysplasie-) Karzinom-Sequenz zu erklären.
Ätiologie und Risikofaktoren
Ätiologie und Risikofaktoren
Die Ätiologie kolorektaler Karzinome ist noch nicht geklärt. Sicher erscheint jedoch, dass die Tumorentstehung sowohl einem exogenen als auch endogenen, genetischen Einfluss unterliegt ( 2 B-6.7). Unter den exogenen Faktoren kommt der Nahrung und ihren Abbauprodukten eine wesentliche Bedeutung zu. Es gibt zahlreiche Hinweise dafür, dass fettreiche Nahrung mit einer hohen Inzidenz von Kolontumoren verbunden ist. Der hohe Fettgehalt bewirkt neben einer Erhöhung der Cholesterinwerte auch eine vermehrte Gallesäuresynthese in der Leber und eine entsprechende Sekretion in den Darm. Unter dem Einfluss der Darmbakterien kommt es zur Bildung von sekundären Gallesäuren, Cholesterinmetaboliten und anderen toxischen Stoffwechselprodukten, die durch direkte topische Einwirkung einerseits zu einer Schädigung des Epithels führen und andererseits einen Proliferationsreiz auf die Schleimhaut ausüben.
Die Tumorentstehung unterliegt sowohl einem exogenen als auch endogenen genetischen Einfluss. Unter den exogenen Faktoren kommt der Nahrung eine wesentliche Bedeutung zu ( 2 B-6.7).
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410
6 Kolon/Rektum
2 B-6.7
Risikofaktoren für ein kolorektales Karzinom
Exogene Faktoren π
fettreiche, ballaststoffarme Ernährung
Endogene Faktoren N Eigenanamnese n π kolorektale Adenome (synchron oder metachron) π kolorektales Karzinom N Familienanamnese n π Polyposis- und Non-Polyposis-Syndrome π gehäuftes Aufkommen familiärer Kolonkarzinome N entzündliche Darmerkrankungen n π Colitis ulcerosa, insbesondere bei hochgradiger Dysplasie π Morbus Crohn
Zu den endogenen Faktoren gehören die Polyposis- und Non-PolyposisSyndrome (s. a. Kap. B-6.5; 6.6). Auch die Colitis ulcerosa ist nach 10-jähriger Krankheitsdauer mit einem erhöhten Karzinomrisiko behaftet (nach 25 Jahren annähernd 30 %). Eine Karzinogenese nach chirurgischen Eingriffen wird der Cholezystektomie und Eingriffen am Magen angelastet. Nach beiden Eingriffen kommt es zu einer vermehrten Abgabe von Gallesäuren in das Kolon. Auch die Ureterosigmoidostomie ist mit einem deutlich erhöhten Karzinomrisiko verbunden.
Eine faserreiche und ballaststoffreiche Ernährung soll hingegen das Karzinomrisiko vermindern. Zu den endogenen Faktoren gehören die Polyposis- und Non-PolyposisSyndrome (s. a. Kap. B-6.5; 6.6). Auch die Colitis ulcerosa ist nach 10-jähriger Krankheitsdauer mit einem erhöhten Karzinomrisiko behaftet. Jede weitere Dekade erhöht das Risiko um 10 % und erreicht nach 25 Jahren annähernd 30 %. Eine Karzinogenese nach chirurgischen Eingriffen wird der Cholezystektomie und Eingriffen am Magen angelastet. Nach beiden Eingriffen kommt es zu einer vermehrten Abgabe von Gallesäuren in das Kolon. Die Ableitung der Harnwege in den Dickdarm (Ureterosigmoidostomie) ist eindeutig mit einem erhöhten Karzinomrisiko verbunden. Als Ursache kommen harnpflichtige Substanzen wie Phenole und Kresole als Bestandteil des Zigarettenrauchs in Frage.
Pathologische Erscheinungsform und Metastasierung Das kolorektale Karzinom kann makroskopisch imponieren: π polypös (ca. 25 %) π plattenartig (ca. 15–20 %) π ulzerös (55–60 %) π szirrhös als diffuse Wandverdickung (ca. 1 %).
Pathologische Erscheinungsform und Metastasierung
Zu den möglichen pathologisch-anatomischen Komplikationen gehören mit ca. 10 % der Obstruktionsileus und die Darmperforation, die in 2–5 % der Fälle zu beobachten ist. Histologisch unterscheidet man das Adenokarzinom (85–90 %), das muzinöse Adenokarzinom (ca. 10 %) und das Siegelringkarzinom (ca. 1 %).
Zu den möglichen pathologisch-anatomischen Komplikationen gehören mit ca. 10 % der Obstruktionsileus und die Darmperforation, die in 2–5 % der Fälle zu beobachten ist. Histologisch unterscheidet man das Adenokarzinom mit einem Anteil von 85–90 % und unterschiedlichen Differenzierungsgraden, das muzinöse Adenokarzinom mit extrazellulärer Schleimbildung (ca. 10 %) und das Siegelringkarzinom (ca. 1 %) mit intrazellulärer Schleimbildung. Der Differenzierungsgrad (»grading«) wird nach Kriterien wie Drüsenbildung, Kernpolymorphien und Mitosen semiquantitativ bestimmt und erlaubt eine Aussage über die »Malignität«. Eine genaue Beschreibung der Tumorausbreitung und damit der Prognose erfolgt durch die Stadieneinteilung des TNM-Systems ( 2 B-6.8) oder der Dukes-Klassifikation ( 1 B-6.11). Im Stadium Dukes A beträgt die 5-JahresÜberlebensrate 90 %. Sie reduziert sich im Stadium B auf 50 % und erreicht im Stadium C 20–30 %. Im Stadium D ist die 5-Jahres-Überlebensrate < 1 %. Die Tumorklassifikation nach Dukes darf heute als obsolet betrachtet werden. Sie wird der Vollständigkeit halber erwähnt, da sie zur Zeit noch in der Literatur berücksichtigt wird.
Eine genaue Beschreibung der Tumorausbreitung erfolgt durch die Stadieneinteilung des TNM-Systems ( 1 B-6.8), das auch heute noch den wichtigsten Prognoseindikator darstellt. Die Tumorklassifikation nach Dukes zeigt ( 1 B-6.11).
Das morphologische Erscheinungsbild des kolorektalen Karzinoms kann makroskopisch imponieren: π polypös (ca. 25 %) π plattenartig (15–20 %) π ulzerös (55–60 %) π szirrhös als diffuse Wandverdickung (ca. 1 %).
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6.4.3 Kolorektales Karzinom
2 B-6.8
411
TNM-Klassifikation des Kolonkarzinoms (UICC 1997)
TNM – klinische Klassifikation N T – Primärtumor n TX T0 Tis T1 T2 T3
Primärtumor kann nicht beurteilt werden kein Anhalt für Primärtumor Carcinoma in situ Tumor infiltriert Submukosa Tumor infiltriert Muscularis propria Tumor infiltriert durch die Muscularis propria in die Subserosa oder in nicht peritonealisiertes perikolisches oder perirektales Gewebe T4 Tumor perforiert das viszerale Peritoneum oder infiltriert direkt in andere Organe oder Strukturen Anmerkung Direkte Ausbreitung in T4 schließt auch die Infiltration anderer Segmente des Kolorektums auf dem Weg über die Serosa ein, z.B. die Infiltration des Sigmas durch ein Zäkalkarzinom. N N – regionäre Lymphknoten n regionäre Lymphknoten sind die perikolischen und perirektalen Lymphknoten und jene entlang den Aa. ileocolica, colica dextra, colica media, colica sinistra, mesenterica inferior und rectalis (haemorrhoidalis) superior. NX regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden N0 keine regionären Lymphknotenmetastasen N1 Metastasen in 1–3 perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten N2 Metastasen in 4 oder mehr perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten N M – Fernmetastasen n MX das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden M0 keine Fernmetastasen M1 Fernmetastasen Die Kategorien M1 und pM1 können wie folgt spezifiziert werden: Lunge PUL Knochenmark Knochen OSS Pleura Leber HEP Peritoneum Hirn BRA Haut Lymphknoten LYM andere Organe
MAR PLE PER SKI OTH
N pTNM – pathologische Klassifikation n Die pT-, pN- und pM-Kategorien entsprechen den T-, N- und M-Kategorien. N G – histopathologisches Grading n GX G1 G2 G3 G4
Differenzierungsgrad kann nicht bestimmt werden gut differenziert mäßig differenziert schlecht differenziert undifferenziert
Die hämatogene Metastasierung erfolgt über die Leber und das Peritoneum in die Lunge, relativ häufig kommt es auch zu Hirnmetastasen. Beim tiefsitzenden Rektumkarzinom kann eine Metastasierung über die V. cava direkt in die Lunge erfolgen.
Fernmetastasen gelangen über die Leber in die Lunge. Bei tiefsitzendem Karzinom Metastasierung auch direkt via V. portae in die Lunge möglich.
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412 1 B-6.11
6 Kolon/Rektum
Synopsis Dukes-Stadien des kolorektalen Karzinoms
Muscularis mucosae
Muscularis propria Dukes A: Frühkarzinom. Tumorwachstum auf Darmwand beschränkt.
Mukosa
Submukosa Dukes B: fortgeschrittenes Tumorwachstum durch alle Darmwandschichten und ins extraintestinale Gewebe. Keine Lymphknotenmetastasen.
1 B-6.12
Dukes C: regionäre Lymphknotenmetastasen, unabhängig vom Infiltrationsgrad.
Dukes D: Fernmetastasen, unabhängig vom Infiltrationsgrad des Primärtumors und des Lymphknotenbefalls.
Synopsis Häufigkeitsverteilung kolorektaler Karzinome
15%
5% 25%
55%
Symptomatik
Symptomatik
Die Adenokarzinome von Kolon und Rektum wachsen langsam. Bis zum Auftreten erster Symptome können annähernd 5 Jahre vergehen. Symptome werden vom Sitz des Primärtumors bestimmt. 60 % der Tumoren liegen jenseits der linken Flexur. Von diesen liegen wiederum 55 % am rektosigmoidalen Übergang oder im Rektum selbst ( 1 B-6.12). Karzinome im proximalen Kolon erreichen eine erheblichere Größe als es linksseitig der Fall ist, bevor sie symptomatisch werden. Das linksseitige Kolon hat ein engeres Lumen, sodass der Tumor im Colon descendens und sigmoideum häufig die gesamte Zirkumferenz erfasst und zum Darmverschluss führt ( 1 B-6.13). Klinisch präsentiert sich das fortgeschrittene Tumorstadium mit postprandialen Schmerzen, Abdominalkrämpfen
Die Adenokarzinome von Kolon und Rektum wachsen langsam. Bis zum Auftreten erster Symptome können annähernd 5 Jahre vergehen. Allerdings ist bei asymptomatischen Patienten häufig ein okkulter Blutverlust nachweisbar, wobei der Blutverlust mit der Größe des Tumors oder der Ulzeration zunimmt. Ein Teil der Symptome werden vom Sitz des Primärtumors bestimmt. Die Tumorlokalisation ist ungleich über den gesamten Dickdarm verteilt. Das Zäkum und das rechte Kolon werden in 25 % betroffen, während sich 60 % der Tumoren jenseits der linken Flexur befinden. Von diesen liegen wiederum 55 % am rektosigmoidalen Übergang oder im Rektum selbst ( 1 B-6.12). Karzinome im proximalen Kolon erreichen eine erheblichere Größe als es linksseitig der Fall ist, bevor sie symptomatisch werden. Während des Tumorwachstums entstehen nur unspezifische Beschwerden oder aber der Tumor wird ohne Beschwerden als palpable Masse bemerkbar. Aufgrund des Durchmessers von Zäkum und Colon ascendens kommt es selten zur Obstruktion. Das linksseitige Kolon hat ein engeres Lumen, sodass der Tumor im Colon descendens und sigmoideum häufig die gesamte Zirkumferenz erfasst und zum Darmverschluss führt ( 1 B-6.13). Klinisch präsentiert sich das fortgeschrittene Tumorstadium mit postprandialen Schmerzen, Abdominalkrämp-
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
413
6.4.3 Kolorektales Karzinom fen und gegebenenfalls Durchfällen, die der passageren Obstipation folgen (Überlaufstuhl). Gleichzeitig sind gehäuft Frischblutauflagerungen auf dem Stuhl zu beobachten.
1 B-6.13
und gegebenenfalls Durchfällen, die der passageren Obstipation folgen (Überlaufstuhl). Gleichzeitig sind gehäuft Frischblutauflagerungen auf dem Stuhl zu beobachten.
Radiologische Darstellung bei Kolonkarzinom mit Tumorstenose
b Subtotale Tumorstenose ( Á) eines Kolonkarzinoms.
a Subtotales stenosierendes Sigmakarzinom ( Á) im Kolonkontrasteinlauf.
Obwohl das Rektumkarzinom auf Grund seiner Lage zugänglich und gut diagnostizierbar sein sollte, wird die Diagnose nicht selten verzögert, indem die Symptome Hämorrhoiden oder Analfissuren zugeordnet werden. In späteren Stadien kann es ebenfalls mit Obstruktion und veränderten Stuhlgewohnheiten wie Durchfällen und Tenesmen einhergehen. Bei Tenesmen handelt es sich um einen kontinuierlichen Stuhldrang, ausgelöst durch rektales Völlegefühl bei einem großen Tumor. Entleerung von »Bleistiftstühlen« und Windabgänge mit Schleimentleerung können weitere typische Zeichen des Rektumkarzinoms sein. Analschmerzen, die initial mit der Defäkation auftreten und schließlich in einen Dauerschmerz übergehen, deuten auf die tumoröse Invasion des Analkanals hin. Eine Zerstörung des Sphinkters durch den Tumor äußert sich in einer Stuhlinkontinenz. Durch Invasion der Harnblase, Vaginalwand oder des Os sacrum können zusätzlich perineale oder sakrale Schmerzen auftreten. n Merke. Die Symptomatik des kolorektalen Karzinoms wird häufig verkannt und gutartigen Erkrankungen zugeschrieben (z.B. der Divertikulose, dem irritablen Kolon oder Hämorrhoiden). Bei allen Blutabgängen per anum und Änderungen des Stuhlverhaltens über 2–3 Wochen muss so lange eine maligne Grunderkrankung angenommen werden, bis das Gegenteil bewiesen ist.
Diagnostik
Das Rektumkarzinom kann mit Obstruktion und veränderten Stuhlgewohnheiten wie Durchfällen und Tenesmen einhergehen. Es können »Bleistiftstühle« und Windabgänge mit Schleimentleerung auftreten.
Analschmerzen deuten auf die tumoröse Invasion des Analkanals hin. Durch Invasion der Harnblase, Vaginalwand oder des Os sacrum können zusätzlich perineale oder sakrale Schmerzen auftreten.
Merke
Diagnostik
Neben der sorgfältigen Anamneseerhebung ist die rektale digitale Untersuchung ein unerlässlicher Bestandteil der klinischen Diagnostik. Bei der apparativen Diagnostik nimmt die Koloskopie den ersten Stellenwert ein, da sie es gestattet, Veränderungen < 0,5 cm darzustellen ( 1 B-6.14). Sie wird gefolgt von der Sigmoidoskopie und dem Kolonkontrasteinlauf (KKE) ( 1 B-6.13).
Die rektale digitale Untersuchung ist neben der Anamnese ein unerlässlicher Bestandteil der klinischen Diagnostik. Bei der apparativen Diagnostik steht die Koloskopie an erster Stelle, da sie es gestattet, Veränderungen unter 0,5 cm darzustellen ( 1 B-6.14). An zweiter Stelle folgt die Sigmoidoskopie und der Kolonkontrasteinlauf (KKE) 2003 ( 1 B-6.13). Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© Georg Thieme Verlag
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414
6 Kolon/Rektum
1 B-6.14
Der endorektalen Sonographie kommt die wichtigste Bedeutung beim präoperativen Staging des Rektumkarzinoms mit Erfassung der Eindringtiefe des Tumors in die Rektumwand und verdächtiger Lymphknoten zu ( 1 B-6.15).
Endoskopische Darstellung eines Kolonkarzinoms
Der endorektalen Sonographie kommt die wichtigste Bedeutung beim präoperativen Staging des Rektumkarzinoms mit Erfassung der Eindringtiefe des Tumors in die Rektumwand und verdächtiger Lymphknoten zu ( 1 B-6.15). Diese Information ist dann wesentlich, wenn zwischen einer lokalen Behandlung für das Rektumkarzinom, einer abdominoperinealen Exzision oder einer tiefen anterioren Resektion (s.u.) mit Kontinenzerhaltung entschieden werden muss.
1 B-6.15
Endosonographische Darstellung eines Rektumtumors Endoluminaler Ultraschall bei einem zirkulär wachsenden Rektumtumor (Á) mit Infiltration der Muscularis propria ( Á Á), die jedoch nicht überschritten wird (T2-Tumor).
Verfahren der Wahl zur Identifikation von Metastasen ist die abdominelle Ultraschalluntersuchung. Tumormarker wie das CA 19-9 und das CEA (karzinoembryonales Antigen) sind diagnostisch von untergeordneter Bedeutung. Ihr Wert liegt allenfalls in der Früherkennung des Tumorrezidivs im Rahmen der Nachsorge.
Ist die Diagnose des Karzinoms gesichert, wird für das weitere Vorgehen die Abklärung der sekundären Tumorausbreitung erforderlich. Verfahren der Wahl zur Identifikation von Metastasen ist die abdominelle Ultraschalluntersuchung, die bei begründeter Indikation durch eine Computertomographie (CT) ergänzt werden kann. Tumormarker wie das CA 19-9 und das CEA (karzinoembryonales Antigen) sind diagnostisch von untergeordneter Bedeutung. Ihr Wert liegt allenfalls in der Früherkennung des Tumorrezidivs im Rahmen der Nachsorge.
Therapie
Therapie
Die operative Behandlung ist das Verfahren der Wahl. Ziel der Operation ist die großzügige Resektion des befallenen Darmanteils mit gleichzeitiger Entfernung seiner Lymphdränage. Auch das inkurable Kolonkarzinom sollte zur Vermeidung eines Ileus, einer Blutung mit Anämie und Tumorschmerzen palliativ ausgeschaltet werden.
Für die meisten kolorektalen Karzinome ist die operative Behandlung das Verfahren der Wahl. Ziel der Operation ist die großzügige Resektion des befallenen Darmanteils mit gleichzeitiger Entfernung seiner Lymphdränage. Das Resektionsausmaß wird von der Blutversorgung und der Verteilung der regionalen Lymphknoten bestimmt. Erfasst ein resektabler Tumor Nachbarorgane, müssen alle Strukturen zur Vermeidung einer Tumoraussaat mit dem Tumor en bloc reseziert werden. Insgesamt beträgt die Resektionsrate beim Kolonkarzinom, bei einer Opera-
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415
6.4.3 Kolorektales Karzinom tionsletalität von 3 %, 90 % und darf in ca. 80 % als kurativ betrachtet werden. Auch das inkurable Kolonkarzinom sollte zur Vermeidung eines Ileus, einer Blutung mit Anämie und Tumorschmerzen palliativ ausgeschaltet werden. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass das Alter des betroffenen Patienten allein keine Kontraindikation darstellt. Beim Rektumkarzinom wird das Vorgehen von der Lokalisation des Tumors bestimmt, wobei heute über 50 % der Rektumtumoren einer sphinktererhaltenden Therapie zugeführt werden können, ohne dass eine Zunahme der Rezidivrate zu beobachten ist.
Beim Rektumkarzinom wird das Vorgehen von der Lokalisation des Tumors bestimmt, wobei heute über 50 % der Rektumtumoren einer sphinktererhaltenden Therapie zugeführt werden können, ohne dass eine Zunahme der Rezidivrate zu beobachten ist.
Darmvorbereitung
Darmvorbereitung
Sowohl vor diagnostischen als auch operativen Eingriffen hat sich die orthograde Darmspülung mit trinkbarer, schwer resorbierbarer Flüssigkeit (z.B. GolytelyQ, Clean-PrepQ) zur quantitativen Reduktion des Stuhls und damit der Keimbesiedlung durchgesetzt. Ist durch Obstruktion oder Perforation keine Vorbereitung möglich, kann intraoperativ nach Resektion des Tumors eine antegrade Lavage des Kolons vorgenommen werden. Neben der Darmspülung gehört die perioperative Antibiotikaprophylaxe als Kurzzeitprophylaxe gegen aerobe und anaerobe Organismen zum Standard.
Neben der Darmspülung gehört die perioperative Antibiotikaprophylaxe zum Standard.
Operationstaktik
Operationstaktik ( 2 B-6.9)
Die Operationstaktik beim Kolonkarzinom ist in
2 B-6.9
2
B-6.9 dargestellt.
Operationstaktik beim Kolonkarzinom
N Antibiotikaprophylaxe (Einmalgabe) n N mediane Laparotomie/Diagnosesicherung n N klinische Stadiendefiniton (Metastasen) n N mechanische Exklusion proximal und distal des Tumors n (No-touch-isolation-Technik) N radikuläres Absetzen des Stammgefäßes n N Mobilisation und Resektion en bloc n N termino-terminale Anastomose n N Verschluss des Mesenteriums/fakultativ Zieldränage n N einreihiger Bauchdeckenverschluss n
Standard-Resektionsverfahren am Kolon Hemikolektomie rechts ( 1 B-6.16 a): Resektion von Zäkum und aufsteigendem Kolon im Versorgungsgebiet der Aa. ileocolica und colica dextra.
π
Transversumresektion ( 1 B-6.16 b): Die lymphatische Dränage des Colon transversum erfolgt entlang dem Versorgungsgebiet der A. colica media bis zum Abgang der A. mesenterica superior. Aus diesem Grund muss die Resektion des entsprechenden Versorgungsgebietes erfolgen. Bei unzureichender Ausbildung der Gefäßarkaden kann die zusätzliche Resektion der linken Kolonflexur erforderlich werden. Das Omentum majus wird en bloc mit dem tumortragenden Dickdarm entfernt. Bei entsprechender Tumorinvasion kann eine partielle Resektion von Magen und Jejunum erforderlich werden.
π
Standard-Resektionsverfahren am Kolon sind die π Hemikolektomie rechts ( 1 B-6.16 a) π Transversumresektion ( 1 B-6.16 b) π Hemikolektomie links ( 1 B-6.16 c) π Sigmaresektion ( 1 B-6.16 d).
Hemikolektomie links ( 1 B-6.16 c): Hierbei handelt es sich um die Resektion des Versorgungsgebietes der A. colica sinistra einschließlich der linken Kolonflexur, da mit einer ungenügend ausgebildeten Arkade zu rechnen ist. Der distale Resektionsrand erstreckt sich in das Colon sigmoideum.
π
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416 1 B-6.16
6 Kolon/Rektum
Synopsis Standardoperationsverfahren beim Kolonkarzinom
a Hemikolektomie rechts mit einer End-zu-End-Ileotransversostomie.
b Transversumresektion.
c Hemikolektomie links mit einer Transversosigmoidostomie. d Sigmaresektion mit einer Deszendorektostomie.
Resektionsverfahren je nach Tumorlokalisation zeigt 2 B-6.10.
2 B-6.10
Sigmaresektion ( 1 B-6.16 d): Ist der Tumor auf das Colon sigmoideum begrenzt, wird die arterielle Versorgung aus der A. mesenterica inferior unter Schonung der A. colica sinistra unterbunden. Sind bereits die proximalen, mesenterialen Lymphknoten beteiligt, wird mit Ligatur der A. mesenterica inferior eine Hemikolektomie links erforderlich. Nicht selten ist die En-bloc-Resektion benachbarter Organe notwendig. Eine Zusammenfassung der Resektionsverfahren in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation zeigt 2 B-6.10.
Resektionsverfahren des Kolonkarzinoms in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation
Tumorlokalisation
Regeloperation/Kolonresektion
Lymphabflussgebiet
Zäkum und Colon ascendens
Hemikolektomie rechts
A. ileocolica A. colica dextra
rechte Kolonflexur und prox. Colon transversum
erweiterte Hemikolektomie rechts
A. ileocolica A. colica dextra A. colica media A. gastroepiploica dextra
Colon transversum
Transversumresektion
A. colica media
linke Kolonflexur
erweiterte Hemikolektomie links
A. colica media A. colica sinistra
Colon descendens und proximales Sigma
Hemikolektomie links
A. colica sinistra
mittleres und distales Sigma
Sigmaresektion
A. mesenterica inferior
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6.4.3 Kolorektales Karzinom
417
Resektionsverfahren am Rektum
Resektionsverfahren am Rektum
Über 25 % der Dickdarmkarzinome entstehen im Rektum. Ihre Behandlung ist primär chirurgisch. Für die Entfernung des Primärtumors stehen folgende Operationsverfahren zur Auswahl ( 1 B-6.17, 1 B-6.18): π anteriore Rektumresektion mit Wiederherstellung der Darmkontinuität π totale mesorektale Rektumresektion mit koloanaler Anastomose ( 1 B-6.17) π abdominoperineale Rektumresektion mit der definitiven Anlage eines Kolostomas (endständiger Anus praeter) ( 1 B-6.18) π Diskontinuitätsresektion nach Hartmann π eingeschränkt radikale Verfahren wie die posteriore Resektion und die transanale Karzinomexstirpation.
Über 25 % der Dickdarmkarzinome entstehen im Rektum. Ihre Behandlung ist primär chirurgisch. Für die Entfernung des Primärtumors stehen folgende Operationsverfahren zur Auswahl: π anteriore Rektumresektion mit Wiederherstellung der Darmkontinuität π totale mesorektale Rektumresektion mit koloanaler Anastomose ( 1 B-6.17) π abdominoperineale Rektumresektion mit der definitiven Anlage eines Kolostomas (endständiger Anus praeter) ( 1 B-6.18) π Diskontinuitätsresektion nach Hartmann (s.u.) π eingeschränkt radikale Verfahren wie die posteriore Resektion und die transanale Karzinomexstirpation (s.u.).
1 B-6.17
Synopsis Anteriore und totale mesorektale Rektumresektion mit Kontinenzerhaltung
a Rektumkarzinom im oberen Drittel mit der Möglichkeit der Kontinenzerhaltung.
1 B-6.18
b Direkte koloanale Anastomose mit einem durchgezogenen Kolonanteil.
c Rektumersatz mit Reservoirbildung durch einen Kolonpouch und direkter pouchanaler Anastomose.
Synopsis Abdominoperineale Rektumresektion mit Anlage eines definitiven Anus praeter
Die Wahl des Verfahrens wird durch die Lokalisationshöhe, das Tumorstadium und die Tumorgröße bestimmt. Während das Alter des Patienten das operative Vorgehen nicht beeinflusst, sollten Risikoerkrankungen bei der Wahl des Operationsverfahrens berücksichtigt werden.
Die Wahl des Verfahrens wird durch die Lokalisationshöhe, das Tumorstadium und die Tumorgröße bestimmt. Risikoerkrankungen sind bei der Wahl des Operationsverfahrens zu berücksichtigen.
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418 Bei Karzinomen im oberen Rektumdrittel wird in der Regel eine anteriore, bei solchen im mittleren oder unteren Drittel eine tiefe anteriore Rektumresektion vorgenommen. Mögliche Kontinenzstörungen können durch die Bildung eines Kolonpouchs günstig beeinflusst werden ( 1 B-6.17).
Der Sicherheitsabstand hängt von der Wachstumsform und dem Differenzierungsgrad des Tumors ab und ist mit 2 cm am nicht angespannten Resektat ausreichend ( 1 B-6.19). Gleichzeitig muss das mesorektale Gewebe vollständig entfernt werden können. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, erfolgt eine abdominoperineale Rektumresektion.
Die Diskontinuitätsresektion nach Hartmann ist dem Notfall oder Patienten mit hohem Operationsrisiko vorbehalten.
Auch eine lokale Tumorexzision kann kurativ sein.
6 Kolon/Rektum Bei einem Karzinom im oberen Rektumdrittel ist in der Regel eine anteriore und im mittleren oder unteren Drittel eine tiefe anteriore Rektumresektion die Therapie der Wahl, wenn ein ausreichender Sicherheitsabstand nach distal eingehalten werden kann. Hierbei kann eine direkte Anastomose mit dem Sphincter ani internus erforderlich werden. Mögliche Kontinenzstörungen bilden sich in der Regel zwischen 8–16 Monaten zurück. Durch die operative Bildung eines koloanalen Reservoirs (Kolonpouch) können entsprechende Störungen deutlich beeinflusst werden ( 1 B-6.17). Die Anlage eines protektiven Kolo- oder Ileostomas ist bei guter Darmvorbereitung und spannungsfreier Anastomose nicht erforderlich. Die Entscheidung bleibt dem Operateur vorbehalten. Der Sicherheitsabstand hängt von der Wachstumsform und dem Differenzierungsgrad des Tumors ab und ist mit 2 cm am nicht angespannten Resektat ausreichend ( 1 B-6.19). Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass das mesorektale Gewebe vollständig entfernt werden kann. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, sollte eine abdominoperineale Rektumresektion erfolgen. Bei Verdacht auf eine Tumorinfiltration angrenzender Strukturen wie weibliches Genitale oder Harnblase sollten diese unter kurativer Zielsetzung en bloc mitreseziert werden.
1 B-6.19
Resektionspräparat eines tiefsitzenden Rektumkarzinoms
Bei der Diskontinuitätsresektion nach Hartmann wird nach der Entfernung des pathologischen Befundes (z.B. Tumorstenose oder Perforation) der orale Teil des Dickdarms als Kolostoma aus der Bauchdecke ausgeleitet und das Rektum blind verschlossen. Sie ist dem Notfall oder dem Patienten mit einem hohen Operationsrisiko vorbehalten. Die Kontinuität kann in einem sekundären Eingriff wiederhergestellt werden. Auch die lokale Tumorexzision kann durch eine Vollwandresektion kurativ sein. Der Eingriff setzt jedoch ein endosonographisches Tumorstaging voraus, wobei metastatische Lymphknoten ausgeschlossen werden müssen.
Lymphknotenresektion
Lymphknotenresektion
Die komplette Entfernung der pararektalen Lymphknotengruppen und die Lymphknotendissektion sind Standard.
Neben der kompletten Entfernung der pararektalen Lymphknotengruppen gehört die Dissektion der Lymphknoten entlang der A. rectalis superior bis an die Aortenbifurkation zum Standard jeder Tumoroperation des Rektums.
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419
6.4.3 Kolorektales Karzinom
Palliativeingriffe
Palliativeingriffe
n Definition. Unter palliativen Eingriffen werden tumorresezierende Operationen verstanden, bei denen durch die fortgeschrittene Tumorerkrankung bösartiges Restgewebe belassen werden muss ( 1 B-6.20).
Durch Reduktion der Tumormasse wird versucht, sowohl Komplikationen zu beseitigen, als auch die Lebenserwartung des Patienten zu verlängern. Die Überlebensrate nach palliativer Resektion beträgt bei 20–40 % der Patienten 3 Jahre und bei 5–10 % der Patienten 5 Jahre, sodass ein Palliativeingriff seine Berechtigung findet, wenn damit keine wesentliche Einschränkung der Lebensqualität verbunden ist.
1 B-6.20
Definition
Durch Reduktion der Tumormasse wird versucht, sowohl Komplikationen zu beseitigen als auch die Lebenserwartung des Patienten zu verlängern.
Synopsis Palliativoperationen an Kolon und Rektum
a Doppelläufiges Transversostoma (Transversum – Anus praeter).
b Doppelläufiges Sigmoidostoma (Sigma – Anus praeter).
c Ileo-Transversostomie.
d Transversosigmoidostomie.
Postoperative Mortalität und Morbidität Bei etwa 10–15 % aller radikal operierten Patienten ist mit einem Tumorrückfall zu rechnen, wobei sich im Spätverlauf in ca. 50 % der Fälle Fernmetastasen manifestieren. Die postoperative Mortalität differiert in Abhängigkeit vom Operationsverfahren zwischen 4–11 %. Als Ursache gelten vornehmlich kardiopulmonale und septische Komplikationen. Auch die postoperative Morbidität variiert in Abhängigkeit vom Operationsverfahren zwischen 26–52 %, wobei die septischen Komplikationen dominant sind und oft ihre Ursache in einem Nahtbruch finden. Bei tiefen Eingriffen kann es zu neurogenen Blasen- und Potenzstörungen beim Mann kommen.
Postoperative Mortalität und Morbidität Bei etwa 10–15 % aller radikal operierten Patienten ist mit einem Tumorrückfall zu rechnen, wobei sich im Spätverlauf in ca. 50 % der Fälle Fernmetastasen manifestieren. Die postoperative Mortalität differiert in Abhängigkeit vom Operationsverfahren zwischen 4–11 %. Die postoperative Morbidität wird durch septische Komplikationen durch Nahtbruch verursacht (26–50 %).
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6 Kolon/Rektum
Prognose. Die Prognose wird durch folgende Faktoren bestimmt: π das Stadium der Erkrankung π den Differenzierungsgrad und den histologischen Typ des Karzinoms π beim Rektumkarzinom durch die Höhenlokalisation aufgrund unterschiedlicher Metastasierungswege.
Die 5-Jahres-Überlebensrate nach radikalen R 0 -Resektionen konnte bis auf 70 % verbessert werden.
Prognose Die Prognose wird durch folgende Faktoren bestimmt: π das Stadium der Erkrankung, das die Infiltrationstiefe, den Lymphknotenund Organbefall nach den Regeln des TNM-Systems klassifiziert π den Differenzierungsgrad und histologischen Typ des Karzinoms, die das biologische Verhalten des Tumors widerspiegeln π beim Rektumkarzinom durch die Höhenlokalisation aufgrund unterschiedlicher Metastasierungswege und der unterschiedlichen Möglichkeiten der Ausbreitung per continuitatem auf die umliegenden Organe. Die 5-Jahres-Überlebensrate nach radikalen R0-Resektionen konnte bis auf 70 % verbessert werden. Hierbei fallen auf das Tumorstadium T1 80–98 %, das Stadium T2 60–85 % und auf das Stadium T3 noch 40–70 %. Diese Ergebnisse vermindern sich bei einem nicht selektionierten Krankengut auf durchschnittlich 40 %.
Tumorrezidive werden meist in den ersten 18 Monaten nach Ersteingriff diagnostiziert. Ein überproportionales Risiko (metachrone Multiplizität 1–5 %) zeigen Patienten mit Polyposissyndrom oder familiärer Karzinombelastung.
Der wesentliche Anteil der Tumorrezidive wird innerhalb der ersten 18 Monate nach dem Ersteingriff diagnostiziert. Nur 15 % treten erst 3 Jahre nach dem Eingriff auf. Hierbei handelt es sich vornehmlich um Lebermetastasen. Einem überproportionalen Risiko der Tumorneubildung (metachrone Multiplizität 1–5 %) sind Patienten mit einem Polyposissyndrom oder einer familiären Karzinombelastung ausgesetzt.
Nachsorge
Nachsorge
Sie dient der Rezidivfrüherkennung und der Erfassung von Komplikationen nach Ersttherapie.
Die Nachsorge dient einerseits der frühen Rezidiverkennung und andererseits der Erfassung und ggf. Behandlung von Folgen der Ersttherapie (z.B. Hernien, Stomaprobleme). Hierfür werden differenzierte, risikoabhängige Empfehlungen formuliert. Bei Patienten mit einem frühen Tumorstadium (UICC I) und R0-Resektion ist durch regelmäßige Nachkontrollen kein prognostischer Gewinn zu erwarten. Eine Koloskopie 2 und 5 Jahre nach dem Eingriff dient der Früherkennung von Zweittumoren. Abweichungen können durch erhöhtes Risiko (z.B. intraoperative Tumorperforation) angezeigt sein. Eine regelmäßige Nachsorge ist bei den Tumorstadien II und III (UICC) bei gleichzeitiger R0-Resektion angezeigt ( 2 B-6.11, 2 B-6.12). Nach palliativer Tumorresektion empfiehlt sich eine auf den Einzelfall ausgerichtete symptomorientierte Nachbetreuung. Risikopatienten (HNPCC, FAP) bedürfen der lebenslangen Nachkontrolle um Rezidive, metachrone Zweittumoren des Kolons und extrakolische Tumoren zu erkennen.
Im Stadium UICC I und bei R 0 -Resektion ist zur Früherkennung von Zweittumoren 2 und 5 Jahre post operationem eine Koloskopie indiziert. Im Stadium UICC II und III und bei R 0 -Resektion erfolgen regelmäßige Nachsorgen ( 2 B-6.11, 2 B-6.12). Risikopatienten (HNPCC, FAP) bedürfen der lebenslangen Nachkontrolle.
2 B-6.11
Nachsorgeempfehlung bei Patienten mit Kolonkarzinom (aus: Leitlinien der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften)
Untersuchung Anamnese, körperliche Untersuchung, CEA Abdomen-Sonographie
3
6
9
12
15
18
Monate 21 24
+
+
+
+
+
+
+
+
+
Röntgen-Thorax
+
Koloskopie*
+
+
+ +
30
36
42
48
54
60
+
+
+
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+
+
+
+ +
+ +
+
+
* 3 Monate postoperativ, wenn präoperativ Abklärung des gesamten Kolons nicht möglich. Nach dem 5. Jahr 2–3-jährliche Koloskopie. CT – Abdomen symptomorientiert (CEA-Anstieg etc.).
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6.5 Intestinale Polyposis-Syndrome
2 B-6.12
Nachsorgeempfehlung bei Patienten mit Rektumkarzinom
Untersuchung Anamnese, körperliche Untersuchung, CEA
3
6
9
12
15
18
Monate 21 24
+
+
+
+
+
+
+
Abdomen-Sonographie
+
Röntgen-Thorax
+
36
42
48
54
60
+
+
+
+
+
+
+
+
+
Rektoskopie bei Z. n. Rektumresektion
+
Koloskopie* CT Becken**
+
+
30
+
+
+
+ +
+ +
+
+
+
+
+
* 3 Monate postoperativ, wenn präoperativ Abklärung des gesamten Kolons nicht möglich. ** Nicht bei Patienten mit pT1 N0 oder nach TEM (Transanale Endoskopische Mikrochirurgie). Nach dem 5. Jahr 2–3-jährlich Koloskopie.
6.4.4
Karzinoid des Rektums
6.4.4
Nahezu alle Karzinoide des Rektums entstehen in einer Zone zwischen 4 und 13 cm oberhalb der Linea dentata. Die Metastasierung steht in einer direkten Beziehung zur Größe des Tumors. Während Karzinoide < 1 cm fast nie metastasieren, erfolgt bei Tumoren > 2 cm immer eine Tumorstreuung. Bei fehlender Serotoninproduktion kommt es auch bei hepatischen Metastasen eines Rektumkarzinoids zu keinem Karzinoidsyndrom. Die Therapie besteht in der großzügigen Exzision.
6.5
Intestinale Polyposis-Syndrome
2 B-6.13
Sie entstehen meist 4–13 cm oberhalb der Linea dentata. Ihre Metastasierungstendenz ist größenabhängig. Die Therapie besteht in der großzügigen Exzision.
6.5
Das Polyposis-Syndrom ist durch das Verteilungsmuster und die Anzahl von Polypen im Gastrointestinaltrakt charakterisiert und wird in die familiäre und die nicht familiäre Erscheinungsform unterteilt. Die familiäre Form ist autosomal dominant vererblich und kann ihrerseits einer adenomatösen oder hamartomatösen Gruppe zugeordnet werden. Bei der nicht familiären Form des Polyposis-Syndroms können die Polypen über den gesamten Gastrointestinaltrakt verteilt sein, während die heriditäre Polypose durch Bildung multipler Adenome im Kolon charakterisiert ist. Die einzelnen Syndrome unterscheiden sich klinisch untereinander durch die Manifestationsform außerhalb des Kolons ( 2 B-6.13, 2 B-6.14).
Karzinoid des Rektums
Intestinale PolyposisSyndrome
Das Polyposis-Syndrom kann in die familiäre und die nicht familiäre Erscheinungsform unterteilt werden. Die familiäre Form ist autosomal dominant vererblich und kann ihrerseits einer adenomatösen oder hamartomatösen Gruppe zugeordnet werden. Die einzelnen Syndrome unterscheiden sich klinisch durch ihre Manifestationsform außerhalb des Kolons ( 2 B-6.13, 2 B-6.14).
Familiäre adenomatöse Polyposis-Syndrome
Syndrom
Intestinale Adenomlokalisation
Extraintestinale Manifestation
N familiäre adenomatöse n Polyposis (FAP)
Kolon (multipel) Duodenum (periampullär) Magenfundus (Drüsenhyperplasie) terminales Ileum (selten)
Unterkieferosteome Anomalien der Zahnentwicklung
N Gardner-Syndrom n
wie FAP, eher weniger Kolonadenome
Osteome: Unterkiefer, Gesichtsschädel, lange Röhrenknochen Epidermoidzysten Lipome Fibrome Desmoidtumoren Schilddrüsen-, Nebennieren-, Gallengang-, Lebertumoren
N Turçot-Syndrom n
Kolon
bösartige Hirntumoren bei Kindern und Heranwachsenden (Glioblastoma multiforme)
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6.5 Intestinale Polyposis-Syndrome
2 B-6.12
Nachsorgeempfehlung bei Patienten mit Rektumkarzinom
Untersuchung Anamnese, körperliche Untersuchung, CEA
3
6
9
12
15
18
Monate 21 24
+
+
+
+
+
+
+
Abdomen-Sonographie
+
Röntgen-Thorax
+
36
42
48
54
60
+
+
+
+
+
+
+
+
+
Rektoskopie bei Z. n. Rektumresektion
+
Koloskopie* CT Becken**
+
+
30
+
+
+
+ +
+ +
+
+
+
+
+
* 3 Monate postoperativ, wenn präoperativ Abklärung des gesamten Kolons nicht möglich. ** Nicht bei Patienten mit pT1 N0 oder nach TEM (Transanale Endoskopische Mikrochirurgie). Nach dem 5. Jahr 2–3-jährlich Koloskopie.
6.4.4
Karzinoid des Rektums
6.4.4
Nahezu alle Karzinoide des Rektums entstehen in einer Zone zwischen 4 und 13 cm oberhalb der Linea dentata. Die Metastasierung steht in einer direkten Beziehung zur Größe des Tumors. Während Karzinoide < 1 cm fast nie metastasieren, erfolgt bei Tumoren > 2 cm immer eine Tumorstreuung. Bei fehlender Serotoninproduktion kommt es auch bei hepatischen Metastasen eines Rektumkarzinoids zu keinem Karzinoidsyndrom. Die Therapie besteht in der großzügigen Exzision.
6.5
Intestinale Polyposis-Syndrome
2 B-6.13
Sie entstehen meist 4–13 cm oberhalb der Linea dentata. Ihre Metastasierungstendenz ist größenabhängig. Die Therapie besteht in der großzügigen Exzision.
6.5
Das Polyposis-Syndrom ist durch das Verteilungsmuster und die Anzahl von Polypen im Gastrointestinaltrakt charakterisiert und wird in die familiäre und die nicht familiäre Erscheinungsform unterteilt. Die familiäre Form ist autosomal dominant vererblich und kann ihrerseits einer adenomatösen oder hamartomatösen Gruppe zugeordnet werden. Bei der nicht familiären Form des Polyposis-Syndroms können die Polypen über den gesamten Gastrointestinaltrakt verteilt sein, während die heriditäre Polypose durch Bildung multipler Adenome im Kolon charakterisiert ist. Die einzelnen Syndrome unterscheiden sich klinisch untereinander durch die Manifestationsform außerhalb des Kolons ( 2 B-6.13, 2 B-6.14).
Karzinoid des Rektums
Intestinale PolyposisSyndrome
Das Polyposis-Syndrom kann in die familiäre und die nicht familiäre Erscheinungsform unterteilt werden. Die familiäre Form ist autosomal dominant vererblich und kann ihrerseits einer adenomatösen oder hamartomatösen Gruppe zugeordnet werden. Die einzelnen Syndrome unterscheiden sich klinisch durch ihre Manifestationsform außerhalb des Kolons ( 2 B-6.13, 2 B-6.14).
Familiäre adenomatöse Polyposis-Syndrome
Syndrom
Intestinale Adenomlokalisation
Extraintestinale Manifestation
N familiäre adenomatöse n Polyposis (FAP)
Kolon (multipel) Duodenum (periampullär) Magenfundus (Drüsenhyperplasie) terminales Ileum (selten)
Unterkieferosteome Anomalien der Zahnentwicklung
N Gardner-Syndrom n
wie FAP, eher weniger Kolonadenome
Osteome: Unterkiefer, Gesichtsschädel, lange Röhrenknochen Epidermoidzysten Lipome Fibrome Desmoidtumoren Schilddrüsen-, Nebennieren-, Gallengang-, Lebertumoren
N Turçot-Syndrom n
Kolon
bösartige Hirntumoren bei Kindern und Heranwachsenden (Glioblastoma multiforme)
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
421
6.5 Intestinale Polyposis-Syndrome
2 B-6.12
Nachsorgeempfehlung bei Patienten mit Rektumkarzinom
Untersuchung Anamnese, körperliche Untersuchung, CEA
3
6
9
12
15
18
Monate 21 24
+
+
+
+
+
+
+
Abdomen-Sonographie
+
Röntgen-Thorax
+
36
42
48
54
60
+
+
+
+
+
+
+
+
+
Rektoskopie bei Z. n. Rektumresektion
+
Koloskopie* CT Becken**
+
+
30
+
+
+
+ +
+ +
+
+
+
+
+
* 3 Monate postoperativ, wenn präoperativ Abklärung des gesamten Kolons nicht möglich. ** Nicht bei Patienten mit pT1 N0 oder nach TEM (Transanale Endoskopische Mikrochirurgie). Nach dem 5. Jahr 2–3-jährlich Koloskopie.
6.4.4
Karzinoid des Rektums
6.4.4
Nahezu alle Karzinoide des Rektums entstehen in einer Zone zwischen 4 und 13 cm oberhalb der Linea dentata. Die Metastasierung steht in einer direkten Beziehung zur Größe des Tumors. Während Karzinoide < 1 cm fast nie metastasieren, erfolgt bei Tumoren > 2 cm immer eine Tumorstreuung. Bei fehlender Serotoninproduktion kommt es auch bei hepatischen Metastasen eines Rektumkarzinoids zu keinem Karzinoidsyndrom. Die Therapie besteht in der großzügigen Exzision.
6.5
Intestinale Polyposis-Syndrome
2 B-6.13
Sie entstehen meist 4–13 cm oberhalb der Linea dentata. Ihre Metastasierungstendenz ist größenabhängig. Die Therapie besteht in der großzügigen Exzision.
6.5
Das Polyposis-Syndrom ist durch das Verteilungsmuster und die Anzahl von Polypen im Gastrointestinaltrakt charakterisiert und wird in die familiäre und die nicht familiäre Erscheinungsform unterteilt. Die familiäre Form ist autosomal dominant vererblich und kann ihrerseits einer adenomatösen oder hamartomatösen Gruppe zugeordnet werden. Bei der nicht familiären Form des Polyposis-Syndroms können die Polypen über den gesamten Gastrointestinaltrakt verteilt sein, während die heriditäre Polypose durch Bildung multipler Adenome im Kolon charakterisiert ist. Die einzelnen Syndrome unterscheiden sich klinisch untereinander durch die Manifestationsform außerhalb des Kolons ( 2 B-6.13, 2 B-6.14).
Karzinoid des Rektums
Intestinale PolyposisSyndrome
Das Polyposis-Syndrom kann in die familiäre und die nicht familiäre Erscheinungsform unterteilt werden. Die familiäre Form ist autosomal dominant vererblich und kann ihrerseits einer adenomatösen oder hamartomatösen Gruppe zugeordnet werden. Die einzelnen Syndrome unterscheiden sich klinisch durch ihre Manifestationsform außerhalb des Kolons ( 2 B-6.13, 2 B-6.14).
Familiäre adenomatöse Polyposis-Syndrome
Syndrom
Intestinale Adenomlokalisation
Extraintestinale Manifestation
N familiäre adenomatöse n Polyposis (FAP)
Kolon (multipel) Duodenum (periampullär) Magenfundus (Drüsenhyperplasie) terminales Ileum (selten)
Unterkieferosteome Anomalien der Zahnentwicklung
N Gardner-Syndrom n
wie FAP, eher weniger Kolonadenome
Osteome: Unterkiefer, Gesichtsschädel, lange Röhrenknochen Epidermoidzysten Lipome Fibrome Desmoidtumoren Schilddrüsen-, Nebennieren-, Gallengang-, Lebertumoren
N Turçot-Syndrom n
Kolon
bösartige Hirntumoren bei Kindern und Heranwachsenden (Glioblastoma multiforme)
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422
6 Kolon/Rektum
2 B-6.14
6.5.1
Familiäre hamartomatöse Polyposis-Syndrome
Syndrom
Intestinale Hamartomlokalisation
Extraintestinale Manifestation
N Peutz-Jeghers-Syndrom n
Dünndarm Magen (selten) Kolon (selten)
Hautpigmente an Mund, Hand und Füßen Polypen: Nase, Bronchien, Harnblase, Gallenblase Ovarialtumoren Sertoli-Tumoren des Hodens
N juvenile Polyposis n
Kolon Dünndarm Magen
Pankreaskarzinom (selten)
N Neurofibromatose n
Magen Dünndarm
generalisierte Neurofibromatose
N Cowden-Syndrom n
Magen Kolon
Hauteffloreszenzen orale Papillome Mammakarzinom Schilddrüsenkarzinom
Familiäre adenomatöse Polyposis-Syndrom
6.5.1
Familiäre adenomatöse Polyposis-Syndrome
Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) Ätiologie. Für die Erkrankung wird ein defektes APC-Gen am Chromosom 5q21 verantwortlich gemacht. Die Karzinomentwicklung ist obligat.
Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)
Symptome. Die mulitplen im Kolon verstreuten Polypen treten durchschnittlich im 25. Lebensjahr auf und werden in der 4. Lebensdekade symptomatisch. Es kommt zu Blut- und Schleimabgängen, Durchfällen und Abdominalschmerzen. Polypen finden sich auch im Magen, Duodenum und selten im terminalen Ileum. Duodenalpolypen haben ein erhöhtes Karzinomrisiko. Bei 90 % der Patienten sind radiologisch zusätzlich Osteome am Gesichtsschädel nachweisbar.
Symptome. Die multiplen im Kolon verstreuten Polypen treten durchschnittlich im 25. Lebensjahr auf, werden jedoch erst in der 4. Lebensdekade symptomatisch. Zu diesem Zeitpunkt kann auch mit der Entstehung eines Kolonkarzinoms gerechnet werden. Die Symptome sind mit peranalen Blut- und Schleimabgängen, Durchfällen und Abdominalschmerzen primär unspezifisch. Polypöse Veränderungen finden sich darüber hinaus in Magen, Duodenum und selten im terminalen Ileum. Während die gastralen Polypen keine Entartungstendenz zeigen, besteht bei einem duodenalen Befall ein deutlich erhöhtes Karzinomrisiko. Bei 90 % der Patienten sind radiologisch zusätzlich Osteome am Gesichtsschädel nachweisbar. Ein ähnliches Bild ist beim Gardner-Syndrom (s.u.) zu finden.
Ätiologie. Für die Ätiologie kann eine genetische Disposition mit Definition des defekten Gens verantwortlich gemacht werden. Es handelt sich um das sogenannte APC-Gen (adenomatous polyposis coli) am Chromosom 5q21. Die Entwicklung eines Karzinoms ist obligat. Sie tritt in der Regel 20 Jahre früher als das sporadische Kolonkarzinom ein.
1 B-6.21
Kolonpräparat mit Polypenrasen Zustand nach totaler Kolektomie bei FAP. Ausbildung multipler Polypen unterschiedlicher Dysplasiegrade.
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423
6.5.1 Familiäre adenomatöse Polyposis-Syndrome
Diagnose. Der Schlüssel zur Diagnose ist beim symptomlosen Patienten die
Diagnose. Familienanamnese und Koloskopie bzw. Kontrasteinlauf ( 1 B-6.22) führen zur Diagnose.
Therapie. Nach Diagnosestellung besteht die Theapie in erster Linie in chirurgischen Maßnahmen. Als Verfahren stehen die totale Kolektomie ( 1 B-6.21) mit Proktomukosektomie und Anlage eines ileoanalen Reservoirs oder die subtotale Kolektomie mit ileorektaler Anastomose zur Verfügung. Die Wahl der Operationsmethode richtet sich nach dem Alter des Patienten, der Ausdehnung des Rektumbefalls und der Kontinenz. Bei jüngeren Patienten ist die Proktomukosektomie mit ileoanaler Anastomose vorzuziehen, da die subtotale Kolektomie mit einem 10 %igen Risiko eines Rektumkarzinoms behaftet ist. Eine zusätzliche medikamentöse Behandlungsmöglichkeit deutet sich mit Sulindac (300–400 mg/Tag, nichtsteroidal, antiinflammatorisch) an. Unter dieser Therapie konnte eine Regression verbliebener Rektumpolypen beobachtet werden.
Therapie. Als chirurgische Verfahren stehen die totale Kolektomie ( 1 B-6.21) mit Proktomukosektomie und Anlage eines ileoanalen Reservoirs oder die subtotale Kolektomie mit ileorektaler Anastomose (Restkarzinomrisiko im Rektum 10 %), zur Verfügung. Durch eine zusätzliche medikamentöse Therapie kann eine Regression verbliebener Rektumpolypen erzielt werden.
Familienanamnese. Bestätigung oder Ausschluss der Diagnose erfolgen durch die Koloskopie oder einen Bariumkontrasteinlauf ( 1 B-6.22).
1 B-6.22
Familiäre Polyposis coli Zahlreiche kleine und größere sessile oder gering gestielte Polypen bedecken die gesamte Kolonwand.
a Colon ascendens.
b Flexura lienalis und proximales Colon descendens (Aufnahme im Stehen).
Gardner-Syndrom
Gardner-Syndrom
Das Gardner-Syndrom ist wie die FAP autosomal dominant vererblich und dem APC-Gen zuzuordnen. Im Vordergrund steht ebenfalls die gastrointestinale Polyposis mit Dominanz im Kolon. Es wird von zahlreichen extraintestinalen Manifestationen begleitet, die klinisch eine Differenzierung zur FAP ermöglichen. Hierzu gehören Osteome im Unterkiefer, Gesichtsschädel und den langen Röhrenknochen, Exostosen, Anomalien der Zähne, Epidermoidzysten, Fibrome, Lipome und mesenteriale Fibrose (Desmoidtumoren). Werden vor der Pubertät multiple Epidermoidzysten oder eine Hypertrophie des Pigmentepithels der Retina beobachtet, kann dies der Vorläufer einer Poly-
Es ist wie die FAP autosomal dominant vererblich. Im Vordergrund steht ebenfalls die gastrointestinale Polyposis mit Dominanz im Kolon. Es gibt zahlreiche extraintestinale Manifestationen (Osteome an Unterkiefer, Gesichtsschädel und langen Röhrenknochen, Exostosen, Anomalien der Zähne und Epidermoidzysten usw.). Selten sind dem Syndrom Neoplasien
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424
6 Kolon/Rektum
der Schilddrüse, Nebennieren, Gallengänge und Leber assoziiert.
posis sein. Selten sind dem Syndrom Neoplasien der Schilddrüse, Nebennieren, Gallengänge und Leber assoziiert.
Turçot-Syndrom
Turçot-Syndrom
Hierbei handelt es sich um die Kombination einer kongenitalen adenomatösen Polyposis mit Hirntumoren. Sie ist vermutlich autosomal rezessiv vererbt.
Hierbei handelt es sich um die Kombination einer kongenitalen adenomatösen Polyposis mit Hirntumoren (meist Glioblastoma multiforme) bei jungen Patienten. Die Erkrankung wird vermutlich autosomal rezessiv vererbt. Die intestinale Polyposis ist im Vergleich zur FAP weniger ausgeprägt.
6.5.2
6.5.2
Familiäre hamartomatöse Polyposis
Peutz-Jeghers-Syndrom Definition
Symptome. Es kommt zu Melaninablagerungen an Mund, Wangenschleimhaut, Lippen usw. Differenzialdiagnostisch treten andere Pigmentablagerungen nie an der Wangenschleimhaut auf. Die Polypen im Gastrointestinaltrakt sind primär gutartig, können in seltenen Fällen aber maligne entarten. Symptome verursachen die akute oder chronische Blutung, die intestinale Obstruktion und Invagination. Extraintestinale Manifestationen sind gutartige Polypen in Nase, Bronchien, Harnblase, Gallenblase und Gallengang. Ovarialzysten und -tumoren kommen bei 5–12 % der Frauen vor. Mamma-, Pankreas-, Gallenblasen- und Gallengangskarzinome können auftreten.
Familiäre, hamartomatöse Polyposis
Peutz-Jeghers-Syndrom n Definition. Das Peutz-Jeghers-Syndrom wird autosomal dominant vererbt und zeichnet sich durch eine Pigmentierung von Kutis und Mukosa in Kombination mit einer gastrointestinalen Polyposis aus.
Symptome. Es wird durch die Melaninablagerungen an Mund, Wangenschleimhaut, Nase, Lippen, Händen, Füßen und gelegentlich perianal oder genital geprägt. Differenzialdiagnostisch treten andere Pigmentablagerungen nie an der Wangenschleimhaut auf. Die Pigmentierung kann in der Pubertät mit Ausnahme der Pigmente an der Wangenschleimhaut abblassen. Polypen können in Magen, Dünndarm und Kolon gefunden werden. Der Dünndarm ist jedoch die bevorzugte Lokalisation. Als reine Hamartome sind die Polypen primär gutartig, können jedoch an Größe zunehmen und symptomatisch werden und in seltenen Fällen maligne entarten. Die intestinalen Karzinome entstehen aus adenomatösen Schleimhautinseln in den Hamartomen oder aus synchronen Adenomen. Symptome sind die akute oder chronische Blutung, die intestinale Obstruktion und die Invagination. Als extraintestinale Manifestation finden sich gutartige Polypen in Nase, Bronchien, Harnblase, Gallenblase und Gallengang. Ovarialzysten und -tumoren werden bei 5–12 % der Frauen beobachtet, bei Männern können sich Hodentumoren entwickeln. Weiterhin können Mammakarzinome, meist beidseits, und Karzinome von Pankreas, Gallengängen oder Gallenblase auftreten.
Diagnose. Koloskopie, selektive Dünndarmpassage und Sonographie werden zur Diagnose eingesetzt.
Diagnose. Die Diagnose und Verlaufskontrolle erstreckt sich bei Indexfami-
Therapie. Beseitigung der Symptome durch selektive Entfernung der symptomatischen Hamartome.
Therapie. Die Therapie beschränkt sich auf eine Beseitigung der Symptome.
Prognose
Prognose
Merke
lien auf die Koloskopie, die selektive Dünndarmpassage, die Sonographie des weiblichen Genitale und eine sorgfältige Untersuchung der Gonaden beim Mann.
Obstruierende oder invaginierende Hamartome werden durch Eröffnung des Darmes lokal entfernt. Wegen der Multiplizität der Polypen ist eine Resektion von Darmabschnitten nicht indiziert.
n Merke. Obwohl es sich grundsätzlich um eine gutartige Erkrankung handelt, entwickeln 50 % der Patienten durchschnittlich im 50. Lebensjahr intestinale oder extraintestinale Karzinome.
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425
6.5.3 Nicht familiäre gastrointestinale Polyposis
Juvenile Polyposis n Definition. Bei der juvenilen Polyposis handelt es sich um eine autosomal dominant vererbliche Erkrankung von Kindern und selten Erwachsenen. Es können folgende Erscheinungsformen unterschieden werden: π familiäre juvenile Polyposis coli mit Beschränkung des Polypenwachstums auf das Kolon π familiäre juvenile Polyposis des Magens π generalisierte juvenile Polyposis mit Polypen im gesamten Gastrointestinaltrakt. Trotz genetischer Disposition ist der Proteindefekt bisher nicht bekannt.
Juvenile Polyposis Definition
Symptome. Die Symptome entsprechen denen des Peutz-Jeghers-Syndroms
Symptome. Bei Kindern treten dem Peutz-Jeghers-Syndrom ähnliche Symptome auf.
Prognose. Prognostisch besteht bei der familiären juvenilen Polyposis ein erhöhtes Risiko eines Kolonkarzinoms.
Prognose. Es besteht ein erhöhtes Karzinomrisiko.
Therapie. Die Therapie richtet sich neben den Symptomen nach Anzahl und
Ausdehnung der Polypen. Ist eine endoskopische Kontrolle nicht mit ausreichender Sicherheit möglich, muss die operative Entfernung der Polypen oder des befallenen Darmanteils erörtert werden. Die technischen Optionen entsprechen denen der FAP.
Therapie. Es erfolgt eine operative oder koloskopische Polypentfernung in Abhängigkeit der Symptome, Anzahl und Ausdehnung der Polypen. Die Operationsverfahren entsprechen denen der FAP.
Cowden-Syndrom
Cowden-Syndrom
mit dem Unterschied, dass sie charakteristischerweise bei Kindern auftreten. Es wird beschrieben, dass bei diesen Patienten Magen-, Pankreas- und Duodenalkarzinome häufiger auftreten.
n Definition. Die Erkrankung wird autosomal dominant vererbt und ist durch multiple Hamartome ektodermalen, mesodermalen und endodermalen Ursprungs charakterisiert. Die Polypen unterschiedlichster histologischer Erscheinungsformen können im gesamten Gastrointestinaltrakt gefunden werden und sind immer gutartig.
Eine lokale Entartungstendenz besteht nicht. Als extraintestinale Manifestationen zeigen sich neben Hautveränderungen im Gesicht und an den Akren orale Papillome. Bei 50 % der Patienten sind zystische Veränderungen der Brust oder Mammakarzinome zu beobachten. In 10–15 % finden sich eine euthyreote Struma oder ein Schilddrüsenkarzinom.
Neurofibromatose (Morbus von Recklinghausen) Die Neurofibromatose kann sich in submukösen Neurofibromen im Gastrointestinaltrakt manifestieren. Durch Dyspepsie, Abdominalschmerzen und Blutungen kann sie symptomatisch werden. Eine Entartung in ein Neurofibrosarkom ist möglich.
6.5.3
Nicht familiäre gastrointestinale Polyposis
Cronkhite-Canada-Syndrom Das Krankheitsbild ist durch eine diffuse gastrointestinale Polyposis, Dystrophie (Onycholysis) der Fingernägel, Haarausfall, Hyerpigmentation der Haut, Gewichtsverlust, Abdominalschmerzen, Diarrhöen und ein Malabsorptionssyndrom gekennzeichnet. Ursache des Durchfalls sind multiple Läsionen der Dünndarmmukosa und eine bakterielle Überwucherung. In 52–96 % der Patienten erstrecken sich die Polypen vom Magen bis zum Rektum. Diese Polypen sind histologisch Hamartome. Vereinzelte Adenome erhöhen jedoch das Karzinomrisiko. Das Malabsorptionssyndrom ist progredient und bestimmt die Prognose der Erkrankung. Therapeutisch steht die Behandlung der Malabsorption im Vordergrund.
Definition
Extraintestinale Manifestationen zeigen sich in Hautveränderungen an den Akren und oralen Papillomen. Es kann zu Mammakarzinomen oder Schilddrüsenkarzinomen kommen.
Neurofibromatose (Morbus von Recklinghausen) Man findet submuköse Fibrome, die symptomatisch werden können. Eine maligne Entartung ist möglich.
6.5.3
Nicht familiäre gastrointestinale Polyposis Cronkhite-Canada-Syndrom Es handelt sich um eine diffuse gastrointestinale Polyposis vom Magen bis zum Rektum. Begleitend kommt es zur Dystrophie der Fingernägel, Haarausfall und Hyperpigmentation der Haut. Im Vordergrund steht ein Malabsorptionssyndrom, das auch die Prognose und Therapie bestimmt. Therapeutisch steht die Behandlung der Malabsorption im Vordergrund.
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426 6.6
6 Kolon/Rektum
Intestinale Non-PolyposisSyndrome
6.6
Intestinale Non-Polyposis-Syndrome
Hereditäres Kolonkarzinom (HNPCC – Hereditary nonpolyposis colorectal cancer)
Hereditäres Kolonkarzinom
Die Disposition ist autosomal dominant vererblich. Das Karzinom wird durchschnittlich nach 40 Jahren manifest. Typisch ist die proximale Lage im Kolon. Zwei Präsentationsformen: Lynch-Syndrom I (HNPCC I) ist die heriditäre Disposition ohne Nachweis von Polypen. Lynch-Syndrom II (HNPCC II): Wie I, jedoch häufig mit extrakolischen Adenokarzinomen wie Endometriumoder Ovarialkarzinom vergesellschaftet. Die Diagnose stützt sich ausschließlich auf die Familienanamnese.
Hierbei handelt es sich um eine autosomal dominant vererbliche Disposition für das kolorektale Karzinom. Die Entstehung der Karzinome wird durchschnittlich im 40. Lebensjahr beobachtet. Ihnen ist die proximale Lage im Kolon, das Vorhandensein von synchronen und metachronen Kolonkarzinomen und die histologische Typisierung in meist schleimbildende, wenig differenzierte Karzinome gemeinsam. Es sind zwei Präsentationsformen bekannt. Das Lynch-Syndrom I (HNPCC I) beschreibt die hereditäre Disposition ohne den Nachweis multipler Polypen. Das Lynch-Syndrom II (HNPCC II) betrifft das Risiko des Kolonkarzinoms auf autosomal dominant vererbtem Weg. Häufig ist es mit extrakolischen Adenokarzinomen vergesellschaftet. Im Vordergrund stehen hierbei das Endometrium- und das Ovarialkarzinom. Es werden jedoch auch andere Karzinome an Hals, Brust und dem Gastrointestinaltrakt beobachtet. Die Diagnose stützt sich ausschließlich auf die Familienanamnese.
(HNPCC – Hereditary nonpolyposis colorectal cancer)
n Merke. Ein Lynch-Syndrom darf dann angenommen werden, wenn das Kolonkarzinom wenigstens 2 Generationen erfasst hat, und ein oder mehr Fälle von kolorektalen Karzinomen in einer Familie vor dem 50. Lebensjahr diagnostiziert wurden.
Merke
Die Inzidenz wird zwischen 4–15 % angegeben.
Die Inzidenz wird kontrovers zwischen 4–15 % angegeben.
6.7
6.7
Andere Kolon- und Rektumerkrankungen
6.7.1
Angiodysplasie
6.7.1
Andere Kolon- und Rektumerkrankungen Angiodysplasie
Definition
n Definition. Die Angiodysplasie ist eine erworbene, submukös gelegene arteriovenöse Fehlbildung, die insbesondere beim älteren Patienten zu unteren gastrointestinalen Blutungen führen kann. Die typische angiodysplastische Läsion hat einen Durchmesser von 0,5–1 cm und ist von einem sehr dünnen Epithel überdeckt. Obwohl die Veränderungen im ganzen Kolon gefunden werden können, treten sie zu 70–90 % im rechten Kolon auf.
Symptome. Die einzige klinische Manifestation besteht in einer gastrointestinalen Blutung bei Patienten, die das 60. Lebensjahr überschritten haben.
Symptome. Die einzige klinische Manifestation besteht in einer gastrointestinalen Blutung bei Patienten, die gewöhnlich das 60. Lebensjahr überschritten haben. Massive, kreislaufwirksame Blutabgänge wie bei der Divertikelblutung sind ungewöhnlich, da es sich um kapillare und damit selbstlimitierende Blutungen handelt. Sie sind jedoch chronisch rezidivierend.
Diagnose. Das endoskopische Erscheinungsbild ist pathognomonisch (Diagnosesicherung in 80–90 %) ( 1 B-6.23). Therapie. Die Therapie der Wahl besteht in der endoskopischen Laserkoagulation. Die chirurgische Resektion ist dann angezeigt, wenn die arteriovenösen Veränderungen sehr groß und zahlreich sind.
Diagnose. Das endoskopische Erscheinungsbild ist pathognomonisch und kann in 80–90 % die Diagnose sichern ( 1 B-6.23).
Therapie. Eine Behandlung ist nach der ersten nachgewiesenen Blutung und dem sicheren Ausschluss anderer Blutungsquellen angezeigt. Die Therapie der Wahl besteht in der endoskopischen Laserkoagulation. Die chirurgische Resektion ist dann angezeigt, wenn die arteriovenösen Veränderungen sehr groß und zahlreich sind. In diesen Fällen beträgt die Gefahr der Rezidivblutung aufgrund übersehener Veränderungen in anderen Darmanteilen 15–25 %.
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427
6.7.2 Kolonvolvulus
1 B-6.23
Endoskopische Präsentation einer Angiodysplasie
a Vor Koagulation.
b Nach Koagulation.
6.7.2
Kolonvolvulus
6.7.2 Kolonvolvulus
Unter der akuten Obstruktion des Kolons ist der Volvulus mit 5 % beteiligt. Hierbei rangiert der Sigmoid- mit 65 % vor dem Zäkumvolvulus mit 33 %. Als Ursache ist eine lange und mobile mesenteriale Aufhängung zu betrachten, über die der Darm rotieren kann.
Unter der akuten Obstruktion des Kolon ist der Volvulus mit 5 % beteiligt. Hierbei rangiert der Sigmoid- mit 65 % vor dem Zäkumvolvulus mit 33 %.
Sigmavolvulus
Sigmavolvulus
Für den Sigmavolvulus werden faserreiche Kost, ein ungewöhnlich langes Kolon, ein erworbenes Megakolon, chronische Verstopfung und eine schmale mesenteriale Aufhängung verantwortlich gemacht. Er betrifft vornehmlich den älteren Patienten nach dem 70. Lebensjahr.
Für den Sigmavolvulus werden faserreiche Kost, ein ungewöhnlich langes Kolon und chronische Verstopfung verantwortlich gemacht. Er betrifft vornehmlich ältere Patienten nach dem 70. Lebensjahr. Symptome. Der Volvulus tritt mit einem akuten Abdominalschmerz auf und ist in 50 % mit einem Dickdarmileus vergesellschaftet. Ein Peritonismus ist Zeichen des Infarktes oder der Gangrän.
Symptome. Der Volvulus tritt mit einem akuten Abdominalschmerz auf und
ist in 50 % mit einem Dickdarmileus vergesellschaftet. Bei der Untersuchung findet sich ein distendiertes Abdomen mit tympanitischem Klopfschall. Ein Peritonismus ist Zeichen des Infarktes oder der Gangrän.
1 B-6.24
Sigmavolvulus Sigmavolvulus mit spitzwinkliger Abknickung im Torsionsbereich ( Á), Aufhebung der Haustrierung und Überblähung der proximalen Kolonanteile.
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428
6 Kolon/Rektum
Diagnose. Die Abdomenübersichtsaufnahme, die typischerweise eine extrem gedehnte Dickdarmschlinge, die sich bei Verlust der Haustrierung gegen das Zwerchfell vorwölbt, zeigt, erbringt bei 70–80 % die Diagnose ( 1 B-6.24). Ein Kontrastmitteleinlauf sichert die Diagnose in 90 %. Therapie. Als Therapie der Wahl gilt die endoskopische Entlastung. Zur Vermeidung eines frühen Rezidivs sollte nach der Entlastung für mindestens 48 Stunden ein Darmrohr belassen bleiben. Die chirurgische Intervention ist als Notfalleingriff mit einer Mortalität von 40 % behaftet und bleibt deshalb der misslungenen endoskopischen Dekompression und dem Verdacht auf eine Infarzierung vorbehalten. Zäkumvolvulus
Diagnose. Bei Verdacht auf einen Sigmavolvulus erbringt die Abdomenübersichtsaufnahme bei 70–80 % Patienten bereits die Diagnose. Das typische Bild zeigt eine extrem gedehnte Dickdarmschlinge, die sich bei Verlust der Haustrierung gegen das Zwerchfell vorwölbt ( 1 B-6.24). Ein Kontrastmitteleinlauf wird die Diagnose in 90 % sichern, wobei bei Verdacht auf eine Gangrän nur wasserlösliches Kontrastmittel angewandt werden darf.
Ätiologie. Als Ursache ist ein mobiles Zäkum bei gemeinsamer Mesenterialwurzel mit dem terminalen Ileum zu betrachten ( 1 B-6.25). Der Zäkumvolvulus ist selten.
Ätiologie. Als Ursache ist ein mobiles Zäkum bei gemeinsamer Mesenterialwurzel mit dem terminalen Ileum zu betrachten. Auf diese Weise wird dem Zäkum eine Rotation im Uhrzeigersinn ermöglicht ( 1 B-6.25). Der Zäkumvolvulus ist selten. Seine Mortalität beträgt 20 %.
Therapie. Als Therapie der Wahl gilt die endoskopische Entlastung, wobei
die starre Sigmoidoskopie in 90 % erfolgreich ist. Zur Vermeidung eines frühen Rezidivs sollte nach der Entlastung für mindestens 48 Stunden ein Darmrohr belassen bleiben. Die Alternative zur endoskopischen Dekompression stellt die chirurgische Intervention dar. Sie ist als Notfalleingriff allerdings mit einer Mortalität von 40 % behaftet und bleibt deshalb der misslungenen endoskopischen Dekompression und dem Verdacht auf eine Infarzierung vorbehalten.
Zäkumvolvulus
1 B-6.25
Synopsis Schematische Darstellung des Zäkumvolvulus
Zäkumvolvulus bei gemeinsamer Mesenterialwurzel mit dem terminalen Ileum.
1 B-6.26
Zäkumvolvulus in der Abdomenleeraufnahme Bei leerem rechten unteren Quadranten ( Á Á) ist die Gasblase ( Á) des Zäkums nach kranial geschlagen.
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429
6.7.3 Rektumprolaps
Symptome. Das Krankheitsbild präsentiert sich entweder als Strangulation infolge der vorausgegangenen Torsion mit einem akuten Abdomen oder weniger dramatisch unter dem Bilde eines Ileus. Es werden vornehmlich Frauen im Alter zwischen 30–40 Jahren betroffen. Die Symptome sind für gewöhnlich mit Abdominalschmerzen, Verstopfung, Übelkeit und Erbrechen unspezifisch.
Symptome. Es sind vornehmlich Frauen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren betroffen. Die Symptome (Abdominalschmerzen, Verstopfung, Übelkeit und Erbrechen) sind unspezifisch.
Diagnose. Wie beim Sigmoidvolvulus ist der Schlüssel zur Diagnose die
Diagnose. Auf der Abdomenleeraufnahme findet sich im rechten oberen Quadranten die Gasblase des hochgeschlagenen Zäkums ( 1 B-6.26).
Therapie. Die Behandlung der ersten Wahl besteht in der Resektion des tor-
Therapie. Die Behandlung der ersten Wahl besteht in der Resektion des torquierten Zäkums.
Abdomenleeraufnahme. Während der rechte untere Quadrant radiologisch »leer« erscheint, findet sich im rechten oberen Quadranten die Gasblase des hochgeschlagenen Zäkums ( 1 B-6.26).
quierten Zäkums.
6.7.3
Rektumprolaps (s.a. Kap. B-7.3.9)
n Definition. Unter einem Rektumprolaps wird der Vorfall des Rektums in seiner gesamten Zirkumferenz durch den Anus verstanden. Ist nur die Rektummukosa betroffen, spricht man von einem inkompletten Prolaps oder Mukosaprolaps. Ein interner Rektumprolaps oder Intussuszeption (Invagination) liegt dann vor, wenn das obere Rektumdrittel in den unteren Bereich des Rektums prolabiert, ohne den Analkanal zu erreichen.
6.7.3
Rektumprolaps (s.a. Kap. B-7.3.9)
Definition
Symptome. Das klinische Bild wird durch die Ausstülpung des Mastdarms
Symptome. Es kommt zur Ausstülpung des Mastdarms ( 1 B-6.27) bei intraabdominaler Druckzunahme. Gleichzeitig besteht eine anale Inkontinenz mit zeitweiligen Schleimhautblutungen und starken Schleimabgängen.
Therapie. Unter den therapeutischen Optionen beim Erwachsenen variieren zahlreiche operative Behandlungsmethoden, die sich nach dem perinealen, sakralen oder abdominalen Vorgehen unterscheiden. Hierbei zeigen die abdominalen Eingriffe die besten Ergebnisse mit der geringsten Rezidivrate. Grundsätzlich richtet sich das einzuschlagende Operationsverfahren jedoch nach dem Alter und dem Allgemeinzustand des Patienten.
Therapie. Therapeutisch stehen zahlreiche operative Behandlungsmethoden zur Verfügung. Hierbei zeigen die abdominalen Eingriffe die besten Ergebnisse mit der geringsten Rezidivrate.
bei intraabdominaler Druckzunahme oder postdefäkal bestimmt. Diese Ausstülpung kann bei zunehmender Beckenbodeninsuffizienz auch beim Husten, Heben und später spontan erfolgen. Gleichzeitig besteht eine anale Inkontinenz mit zeitweiligen Schleimhautblutungen und starken Schleimabgängen ( 1 B-6.27).
1 B-6.27
Vollständiger Rektumprolaps Der Rektumprolaps ist an der typischen zirkulären Schleimhautfältelung zu erkennen.
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430 6.7.4
6 Kolon/Rektum Chronische Verstopfung des Erwachsenen
Zu den Ursachen gehören:
6.7.4
Chronische Verstopfung des Erwachsenen
Bei der chronischen Verstopfung des Erwachsenen kann die Symptomatik nicht präzise definiert werden. Hierbei erfordern unterschiedliche Ursachen ein differenziertes diagnostisches und therapeutisches Vorgehen. Zu den Ursachen gehören:
π Morbus Hirschsprung (des Erwachsenen): Die Erkrankung manifestiert sich hier erst beim Adoleszenten oder Erwachsenen (s.a Kap. B-23.2.5).
Morbus Hirschsprung (des Erwachsenen): Die Erkrankung manifestiert sich hier erst beim Adoleszenten oder Erwachsenen. Als Ursache kann auch in diesen Fällen das Fehlen von Ganglienzellen im Plexus myentericus nachgewiesen werden. Die späte Manifestation ist nicht geklärt (s.a. Kap. B-23.2.5).
π Idiopathisches Megarektum und Megakolon: Aus unbekannter Ursache kommt es bei dieser Erkrankung zu einer Dilatation des Rektums, die sich bis auf das Colon sigmoideum erstrecken kann. Die Behandlung erfolgt primär konservativ mit abführenden Maßnahmen. Bei Therapieversagen besteht Operationsindikation. π Idiopathische Erhöhung der Transitzeit: Jenseits der Pubertät kommt es bei ungestörter Innervation des Darms zu einer progredienten Abnahme der Stuhlfrequenz. Es sind im Wesentlichen Frauen betroffen. Die Behandlung verlangt primär laxative Maßnahmen. Bei Therapieversagen erfolgt die Operation.
π
π Chronisch idiopathische Pseudoobstruktion (Ogilvie-Syndrom): rasch progrediente, massive Blähung vornehmlich des rechten Kolons bei meist vorbestehenden chronischen Erkrankungen, die unbehandelt zur Perforation führen kann. Radiologisch erkennt man ein massiv überblähtes Kolon ohne erkennbares Hindernis. Die Behandlung erfolgt primär in einer endoskopischen Entlastung.
π
π Entleerungsstörungen: Der Patient ist trotz normalen Stuhldrangs nicht in der Lage, eine normale Entleerung vorzunehmen. Laxanzienabusus ist ein typischer Bestandteil der Anamnese. Die Ursache ist nicht vollständig geklärt. Der diagnostische Nachweis kann ausschließlich durch ein Defäkogramm erbracht werden ( 1 B-6.28).
π
Die Behandlung erfolgt bei Nachweis einer pathologisch-anatomischen Entleerungsstörung chirurgisch.
π
Idiopathisches Megarektum und Megakolon: Aus unbekannter Ursache kommt es bei dieser Erkrankung zu einer Dilatation des Rektums, die sich bis auf das Colon sigmoideum erstrecken kann. Die Behandlung erfolgt primär konservativ mit abführenden Maßnahmen. Bleibt diese erfolglos, ist die Indikation zur Operation gegeben. Eine weitestgehende Beschwerdefreiheit kann mit der totalen Kolektomie und einer Anastomose zwischen terminalem Ileum und Rektum (Ileorektostomie) erreicht werden. Idiopathische Erhöhung der Transitzeit: Jenseits der Pubertät kommt es bei ungestörter Innervation des Darms zu einer progredienten Abnahme der Stuhlfrequenz. Es sind im Wesentlichen Frauen betroffen. Die Behandlung verlangt ebenfalls primär laxative Maßnahmen. Die Zufuhr von faserreicher Kost kann zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes führen. Bei Versagen der konservativen Therapie ist auch hier die Indikation zur Operation gegeben, wobei die Kolektomie mit Ileorektostomie das gebräuchlichste Operationsverfahren ist.
π
Chronisch idiopathische Pseudoobstruktion (Ogilvie-Syndrom): Hierbei handelt es sich um eine rasch progrediente, massive Blähung vornehmlich des rechten Kolons bei meist vorbestehenden chronischen Erkrankungen, die unbehandelt zur Perforation führen kann. Radiologisch erkennt man ein massiv überblähtes Colon ascendens und transversum ohne erkennbares Hindernis. Die Behandlung erfolgt primär in einer endoskopischen Entlastung mit nachfolgender medikamentöser Motilitätsbeeinflussung. Eine Operation ist nur dann indiziert, wenn die konservativen Maßnahmen misslingen oder aber eine Perforation des Zäkums eingetreten ist.
Entleerungsstörungen: Für dieses Krankheitsbild ist es charakteristisch, dass der Patient trotz normalen Stuhldrangs nicht in der Lage ist, eine normale Entleerung vorzunehmen. Laxanzienabusus ist ein typischer Bestandteil der Anamnese. Die Ursache ist nicht vollständig geklärt; es scheint jedoch ein Zusammenspiel multipler anatomischer Probleme von der Beckenbodeninsuffizienz bis zum inneren Rektumprolaps mit Syphonbildung durch den rektosigmoidalen Übergang hierfür verantwortlich zu sein. Der diagnostische Nachweis kann ausschließlich durch ein Defäkogramm erbracht werden ( 1 B-6.28). Die Behandlung erfolgt bei Nachweis einer pathologisch-anatomischen Entleerungsstörung chirurgisch, wobei die einzelnen Ursachen korrigiert werden müssen (z.B. Wiederherstellung des anorektalen Winkels, Rektopexie bei Rektumprolaps, Sigmaresektion bei Sigma elongatum).
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431
6.7.5 Rektumverletzungen
1 B-6.28
Defäkogramm bei chronischer Entleerungsstörung Chronische Entleerungsstörung bei einer 45-jährigen Patientin. Bei vorliegender Beckenbodeninsuffizienz mit einer Rektozele (1) bildet das mobile Sigma beim Pressen einen Siphon (2), der die Entleerung des Rektums verhindert. 2 1
6.7.5
Rektumverletzungen
Verletzungen von Kolon und Rektum sind seltener Folgen stumpfer Gewalteinwirkung, sondern werden meist durch eingeführte oder eingedrungene Fremdkörper verursacht. Ausdehnung und Lokalisation der Verletzung kann durch einen Kontrasteinlauf mit wasserlöslichen Kontrastmitteln erfasst werden. Nicht perforierende Verletzungen bedürfen in der Regel keiner operativen Therapie. Liegt eine Perforation in das freie Abdomen vor, ist eine operative Revision erforderlich, wobei in Abhängigkeit des verstrichenen Zeitintervalls eine Naht mit oder ohne entlastende Kolostomie erfolgen muss. Hierbei kann unter Berücksichtigung der Versorgungsprioritäten des Traumapatienten die Verletzung selbst als Stoma vorverlagert werden. Perforierende Verletzungen im Analkanal und distalen Rektum können bei fehlenden Entzündungszeichen beobachtet werden, da eine Spontanheilung nicht ausgeschlossen werden kann. Demgegenüber verlangen große Perforationen oder posttraumatische entzündliche Veränderungen eine primäre vorgeschaltete Stuhlableitung. Pfählungsverletzungen des Rektums haben in der Regel eine Zerstörung des Schließmuskels zur Folge. In diesen Fällen sollte unter dem Schutz einer Kolostomie die primäre Rekonstruktion des Sphinkters erfolgen.
6.7.5 Rektumverletzungen Verletzungen von Kolon und Rektum werden meist durch eingeführte oder eingedrungene Fremdkörper verursacht. Ausdehnung und Lokalisation der Verletzung kann durch einen Kontrasteinlauf mit wasserlöslichen Kontrastmitteln erfasst werden. Nicht perforierende Verletzungen bedürfen in der Regel keiner operativen Therapie. Liegt eine Perforation in das freie Abdomen vor, ist eine operative Revision erforderlich.
Pfählungsverletzungen führen oft zu einer Zerstörung des Schließmuskels. Hier sollte unter dem Schutz der Kolostomie die primäre Rekonstruktion des Sphinkters erfolgen.
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6.7.5 Rektumverletzungen
1 B-6.28
Defäkogramm bei chronischer Entleerungsstörung Chronische Entleerungsstörung bei einer 45-jährigen Patientin. Bei vorliegender Beckenbodeninsuffizienz mit einer Rektozele (1) bildet das mobile Sigma beim Pressen einen Siphon (2), der die Entleerung des Rektums verhindert. 2 1
6.7.5
Rektumverletzungen
Verletzungen von Kolon und Rektum sind seltener Folgen stumpfer Gewalteinwirkung, sondern werden meist durch eingeführte oder eingedrungene Fremdkörper verursacht. Ausdehnung und Lokalisation der Verletzung kann durch einen Kontrasteinlauf mit wasserlöslichen Kontrastmitteln erfasst werden. Nicht perforierende Verletzungen bedürfen in der Regel keiner operativen Therapie. Liegt eine Perforation in das freie Abdomen vor, ist eine operative Revision erforderlich, wobei in Abhängigkeit des verstrichenen Zeitintervalls eine Naht mit oder ohne entlastende Kolostomie erfolgen muss. Hierbei kann unter Berücksichtigung der Versorgungsprioritäten des Traumapatienten die Verletzung selbst als Stoma vorverlagert werden. Perforierende Verletzungen im Analkanal und distalen Rektum können bei fehlenden Entzündungszeichen beobachtet werden, da eine Spontanheilung nicht ausgeschlossen werden kann. Demgegenüber verlangen große Perforationen oder posttraumatische entzündliche Veränderungen eine primäre vorgeschaltete Stuhlableitung. Pfählungsverletzungen des Rektums haben in der Regel eine Zerstörung des Schließmuskels zur Folge. In diesen Fällen sollte unter dem Schutz einer Kolostomie die primäre Rekonstruktion des Sphinkters erfolgen.
6.7.5 Rektumverletzungen Verletzungen von Kolon und Rektum werden meist durch eingeführte oder eingedrungene Fremdkörper verursacht. Ausdehnung und Lokalisation der Verletzung kann durch einen Kontrasteinlauf mit wasserlöslichen Kontrastmitteln erfasst werden. Nicht perforierende Verletzungen bedürfen in der Regel keiner operativen Therapie. Liegt eine Perforation in das freie Abdomen vor, ist eine operative Revision erforderlich.
Pfählungsverletzungen führen oft zu einer Zerstörung des Schließmuskels. Hier sollte unter dem Schutz der Kolostomie die primäre Rekonstruktion des Sphinkters erfolgen.
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433 7
Anus
7
Anus
7.1
Anatomie und Physiologie
Mathias Löhnert 7.1
Anatomie und Physiologie
Der Anus bildet zusammen mit der Rektumampulle das Kontinenzorgan und steht so mit dem distalen Rektum in enger anatomischer und funktioneller Verbindung. Der Übergang zwischen ektodermalem Anus, der mit einem verhornten Plattenepithel ausgekleidet ist, und dem entodermalen Rektum mit Kolonschleimhautepithel stellt die Linea dentata dar, die durch taschen(Krypten) und leistenartige (Papillen) Verwerfungen des Epithels entsteht ( 1 B-7.1).
1 B-7.1
Der Anus bildet zusammen mit der Rektumampulle das Kontinenzorgan. Der Übergang zwischen ektodermalem Anus (Plattenepithel) und dem entodermalen Rektum (Schleimhautepithel) stellt die Linea dentata dar ( 1 B-7.1).
Synopsis Anatomischer Längsschnitt durch den Analkanal
Plexus haemorrhoidalis
dorsal
Prostata
ventral
Diaphragma urogenitale M. sphincter ani internus
M. sphincter ani externus
Linea dentata perianale Venen
Das Kontinenzorgan besteht aus unterschiedlichen anatomischen Strukturen (Kontinenzfaktoren). Nur durch ein intaktes Zusammenspiel aller Kontinenzfaktoren ist eine Kontrolle der Stuhlausscheidung gewährleistet. Eine zentrale Rolle für die Kontinenz nehmen der M. sphincter ani internus und der willkürliche M. sphincter ani externus ein, ergänzt durch die muskulären Strukturen des Beckenbodens (Mm. levator ani und puborectalis). Sie gewährleisten den muskulären Abschluss des Analkanals. Die nervalen Kontinenzfaktoren werden von Dehnungsrezeptoren in der Wand der Rektumampulle und sensiblen Rezeptoren im Analkanal gebildet. Die Dehnungsrezeptoren in der Ampullenwand bewirken bei zunehmender Füllung der Ampulle mit Stuhl über die Nn. splanchnici durch Auslösung des Relaxationsreflexes eine Erschlaffung des inneren Schließmuskels. An der Linea dentata sind die sensiblen Rezeptoren des Analkanals konzentriert. Sie ermöglichen hier eine Erfassung der Stuhlkonsistenz und steuern somit den Tonus der Sphinktermuskulatur. Der Feinabschluss des Analkanals gegen das Rektum wird durch das Corpus cavernosum recti ermöglicht. Bei Kontraktion des Sphincter ani internus füllt es sich über direkte Zuflüsse aus der A. rectalis superior und bildet so den Plexus haemorrhoidalis. Wenn der innere Schließmuskel im Rahmen einer Defäkation erschlafft, entleert sich das Korpus und ermöglicht eine freie Passage des Stuhls. Die Rektumampulle selbst spielt ebenfalls eine wichtige Rolle im Rahmen der Kontinenz. Durch die Fähigkeit der Rektumwandmuskulatur zu erschlaffen (Reservoirfunktion), ist eine Ansammlung von Stuhl in der Ampulle möglich, sodass erst ab einer gewissen Füllmenge der Druck auf den Analkanal einen Stuhldrang auslöst und nicht jede große Kolonbewegung eine Defäkation erzwingt.
Das Kontinenzorgan besteht aus unterschiedlichen anatomischen Strukturen, die durch ihr geregeltes Zusammenspiel eine intakte Kontinenz garantieren: Muskuläre Kontinenzfaktoren: (Mm. sphincter ani internus und sphincter ani externus, Mm. levator ani und puborectalis). Sie gewährleisten den muskulären Abschluss des Analkanals. π Nervale Kontinenzfaktoren: Sie werden von Dehnungsrezeptoren in der Wand der Rektumampulle und sensiblen Rezeptoren im Analkanal gebildet. Die Dehnungsrezeptoren bewirken bei zunehmender Füllung der Ampulle über die Nn. splanchnici eine Erschlaffung des inneren Schließmuskels. Die sensiblen Rezeptoren an der Linea dentata steuern den Tonus der Sphinktermuskulatur. π Gefäßstrukturen: Das Corpus cavernosum recti füllt sich bei Kontraktion des Sphincter ani internus und bildet den Plexus haemorrhoidalis. Erschlafft der innere Schließmuskel bei der Defäkation, entleert sich das Korpus. π Rektumampulle: Sie hat die Fähigkeit zu erschlaffen (Reservoirfunktion), sodass erst nach einer gewissen Stuhlmenge der Druck auf den Analkanal einen Stuhldrang auslöst. π
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434 7.2
Proktologische Untersuchung
Eine vollständige proktologische Untersuchung besteht aus: 1. Einer vollständigen Anamnese, die insbesondere Änderungen der Stuhlgewohnheiten, Schmerzen im Analbereich, Pruritus ani, Prolapserscheinungen und peranale Blutungen gezielt erfragen muss.
Die Beschreibung eines Befundes berücksichtigt die Tiefe der oralen und aboralen Befundgrenze, sowie die Ausdehnung in Uhrzeigerrichtung in Bezug auf die Steinschnittlagerung (SSL). 2. Der Inspektion, bei der auf Hautveränderungen, äußere Fistelostien, Prolapserscheinungen und tumoröse Veränderungen geachtet werden muss. 3. Der digitalen Untersuchung, die es ermöglicht, Raumforderungen, ulzeröse und fistelartige Veränderungen im distalen Anteil der Rektumampulle und im Analkanal zu erfassen. Der Finger ist „das Auge des Proktologen“ und somit sein wichtigstes Untersuchungsinstrument.
4. Der endoskopischen Untersuchung, bestehend aus einer Proktoskopie und gegebenenfalls einer Rektoskopie. Suspekte Befunde müssen gezielt biopsiert werden.
7 Anus
7.2
Proktologische Untersuchung
Ein Großteil aller proktologischen Erkrankungen lassen sich bereits durch eine sorgfältige Anamneseerhebung, Inspektion und digitale Untersuchung diagnostizieren. Im Rahmen der Anamnese ist dabei insbesondere auf Änderungen der Stuhlgangsgewohnheiten, Schmerzen im Analbereich und deren etwaigen zeitlichen Bezug zur Defäkation, Pruritus ani, Prolapserscheinungen und peranale Blutungen zu achten. Bei dem Symptom »Blutung« sollte zwischen hellroten Blutspuren am Toilettenpapier und hellroten oder dunkelroten Blutbeimengungen oder -auflagerungen zum Stuhlgang unterschieden werden. Die proktologische Untersuchung selber lässt sich sowohl in Knie-Ellenbogen-Lage, Links-Seitenlage oder Steinschnittlage durchführen. Unabhängig von der Lagerung werden palpatorische oder endoskopische Befunde stets in ihrer Lage in Bezug auf die Steinschnittlagerung (SSL) angegeben (Unterteilung des Anus/Lumens in Stunden entsprechend einer Analoguhr in Uhrzeigerrichtung). Zusätzlich muss bei jedem erhobenen Befund die Tiefe sowohl der aboralen als auch der oralen Grenze des Befundes im Analkanal/Rektum in Zentimetern angegeben werden. Als Bezugspunkte dienen dabei entweder die Linea dentata oder die Anokutangrenze. Inspektion: Hier ist auf mögliche Hautveränderungen, äußere Fistelostien, Prolapserscheinungen – auch unter Provokation durch Pressen – und tumoröse Veränderungen zu achten. Fistelostien können gegebenenfalls vorsichtig sondiert oder mit NaCl-Lösung angespült werden. Digitale Untersuchung: Die meisten pathologischen Befunde im Analkanal lassen sich durch die digitale Palpation genauso gut oder sogar besser erkennen als durch eine Prokto- oder Rektoskopie, weshalb der Finger auch »das Auge des Proktologen« genannt wird. Die digitale Untersuchung schließt nicht nur die Austastung des distalen Anteils der Rektumampulle ein (je nach Untersuchungslage und Fingerlänge des Untersuchers 6–10 cm), sondern erfordert auch eine gründliche Untersuchung des Analkanals. Hierbei ist auf Raumforderungen ebenso wie auf ulzeröse oder fistelartige Veränderungen zu achten. Die Konsistenz der Tastbefunde kann wie deren Verschieblichkeit auf oder mit der Umgebung erste Hinweise über Dignität oder Ausdehnung geben. Endoskopie: Nach der digitalen Untersuchung schließt sich die Proktoskopie und gegebenenfalls eine Rektoskopie an. Die Proktoskopie lässt sich mit röhrenförmigen Geräten mit Seit- oder Geradeausoptik sowie mit spreizbaren Spekula (meist zur operativen Therapie) durchführen. Bei der Proktooder Rektoskopie muss unbedingt eine gezielte Biopsie aus allen unklaren oder suspekten Befunden zur Diagnosesicherung genommen werden.
Praktischer Tipp
n Praktischer Tipp. Falls die Untersuchung oder Probeentnahme zu schmerzhaft ist, lässt sich unter einer lokalen Infiltrationsanästhesie meist ausreichende Beschwerdefreiheit für die diagnostische Untersuchung erreichen.
Merke
n Merke. Bei allen Patienten mit peranaler Blutung als Symptom muss selbst bei einer eindeutigen Blutungsquelle im Rektum eine totale Koloskopie durchgeführt werden, um eine zweite Blutungsquelle (Entzündung, Polypen, Karzinome) weiter oral auszuschließen.
Ergänzende Untersuchungen in der Proktologie sind: 1. Die Endosonographie ( 1 B-7.2), die bei Karzinomen im Analkanal ein exaktes Staging ermöglicht. Außerdem ist sie in der Lage, die Lokalisationsund Verlaufsdiagnostik von Fisteln und Abszessen, sowie die Erkennung von Sphinkterläsionen nach Traumata bereits präoperativ durchzuführen.
Endosonographie: Die Endosonographie ermöglicht bei Karzinomen im Analkanal ein Staging mit einer von anderen bildgebenden Methoden nicht erreichbaren Genauigkeit von bis zu 90 %, ähnlich wie im Rektum. Außerdem lassen sich die muskulären Strukturen des Beckenbodens endosonographisch genau darstellen ( 1 B-7.2), was eine Lage- und Verlaufsdiagnostik von Fisteln und Abszessen, sowie die Erkennung von Sphinkterläsionen nach Traumata möglich macht.
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7.2 Proktologische Untersuchung
1 B-7.2
435
Endosonographische Darstellung der Beckenbodenmuskulatur Endosonographische Darstellung der Beckenbodenmuskulatur in einem Transversalschnitt (analog zur Schnittebene in einer CT). Der mit Wasser gefüllte Ballon umgibt den Ultraschallscanner im Bildzentrum. Daran schließt sich die Rektumwand an, die außen durch ein ventral offenes U des M. puborectalis umrundet wird.
Manometrie: Im Rahmen der Inkontinenzdiagnostik stellt die Sphinktermanometrie ein unverzichtbares Instrument dar ( 1 B-7.3). Außerdem ist sie bei Verdacht auf einen Morbus Hirschsprung indiziert, bei Reflexstörungen im Anal- und Sphinkterbereich (z.B. im Rahmen von chronischer Obstipation) und zunehmend auch aus forensischen Gründen vor und nach proktologischen Operationen und transanalen Eingriffen. Durch die Manometrie lassen sich neben der Sphinkterlänge auch die Funktionsfähigkeit von innerem und äußerem Schließmuskel und die Elastizität der Rektumampulle erfassen und quantifizieren.
1 B-7.3
2. Die Manometrie ( 1 B-7.3), erfasst und quantifiziert die Funktionsfähigkeit von innerem und äußerem Schließmuskel und die Elastizität der Rektumampulle. Sie wird bei Inkontinenzverdacht, Morbus Hirschsprung und analen Reflexstörungen durchgeführt.
Synopsis Perfusionsmanometrie des Rektums und Analkanals
Schematische Darstellung einer Perfusionsmanometrie des Rektums und Analkanals mit simultaner EMG-Registrierung. Ein Messkatheter wird im Analkanal, ein weiterer in der Rektumampulle positioniert, zusätzlich wird ein Ballon zur Rektumdistension in die Ampulle eingebracht. Zur simultanen EMG-Ableitung wird eine Nadelelektrode in den äußeren Schließmuskel eingestochen.
Spritze mit 60 ml Luft
EMG
Doppelperfusor mit H2O
Druckaufnehmer
Thermomehrkanalschreiber
EMGAmplifier
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436
7 Anus Elektromyographie: Zur Anwendung kommen zum einen die Ableitung eines Summenaktionspotenzials mittels Oberflächenelektroden, die an der perianalen Haut oder im Analkanal platziert werden. Sie leiten Potenziale der gesamten quergestreiften Beckenboden-, Sphinkter- und Glutäalmuskulatur ab. Aus diesem Grund ist eine Abgrenzung der insuffizienten Muskeln von den intakten Beckenbodenmuskeln nicht sicher möglich, weshalb eine exakte Ursache für die muskuläre Beckenbodenschwäche nicht ermittelt werden kann. Deshalb wird ihre Aussagekraft für die Inkontinenzdiagnostik unterschiedlich beurteilt. Genauere Aussagen über die Funktion der einzelnen Muskelgruppen lässt sich durch eine Ableitung mittels uni- oder bipolarer Nadelelektroden aus
3. Die Elektromyographie sollte erfahrenen Untersuchern zur Diagnose und Verlaufsbeobachtung neurogener und myogener Muskelschäden vorbehalten sein, da die gegenüber der Ableitung mittels Oberflächenelektroden aussagefähigere EMG-Ableitung mittels einer Nadelelektromyographie ( 1 B-7.4) eine invasive, für den Patienten unangenehme bis schmerzhafte Untersuchung ist.
1 B-7.4
Synopsis Schematische Darstellung der Manometrie in 4 Phasen (Normalbefund)
Die Manometrie wird typischerweise in 4 Schritten vorgenommen: Dem Ruhedurchzug zur Ermittlung der Analkanallänge und des Ruhedruckes im Analkanal, der Ermittlung der maximalen Kontraktionsdruckwerte, der Überprüfung der Reservoirfunktion der Rektumampulle und des anorektalen Reflexes nach Gowers durch Distension der Rektumampulle mit einem Ballon, der mit 60 ml Luft gefüllt wird und zuletzt der Kontrolle der Stresskontinenz durch simultane Druckerfassung in Rektumampulle und Analkanal beim Husten. In der Abbildung ist in der 1. Ableitung ein simultan zur Manometrie registriertes EMG zu sehen, Ableitung 2 erfasst den Druck im Analkanal und Ableitung 3 den Druck in der Rektumampulle.
Kontraktion (willkürlich)
Ruhedurchzug 1. EMG
10 s
1s
Distension
Stresskontinenz
1s
1s
1 cm
2 cm
3 cm
2. Druck im Analkanal
5 cm 4 cm
100 N
Kontraktion Distension
unwillkürliche Kontraktion Husten Distension
30 mmHg 3. Rektumdruck
Husten
30 mmHg
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437
7.3 Analerkrankungen dem M. puborectalis, dem M. sphincter ani externus ( 1 B-7.4), oder in speziellen Fällen auch aus dem inneren Schließmuskel erreichen, am besten mit simultaner Registrierung einer Manometrie. Da diese Form einer EMGAbleitung eine invasive, für den Patienten unangenehme bis schmerzhafte Untersuchung ist, sollte sie erfahrenen Untersuchern für ganz spezielle Indikationen vorbehalten bleiben. Defäkographie: Die radiologische Darstellung eines Defäkationsvorgangs nach Instillation von Barium ( 1 B-7.5) in die Rektumampulle ermöglicht die Erkennung eines Vorfalls des Rektums im Sinne eines Rektumprolapses, eines inneren Prolapses (Intussuszeption), einer Zelenbildung (Entero-, Vesiko-, Ureterozele), eines Descensus perinei und einer Schwäche der Beckenbodenmuskulatur, insbesondere des M. puborectalis.
1 B-7.5
4. Die Defäkographie ( 1 B-7.5), ermöglicht die Erkennung eines Rektumprolapses, einer Zelenbildung, eines Descensus perinei und einer Schwäche der Beckenbodenmuskulatur.
Darstellung einer Defäkographie
Das distale Ende des Analkanals ist mit einem Marker (weißer Punkt) markiert, zwischen Os pubis (Op) und Os coccygeum (Oc) wird eine Verbindungslinie konstruiert, die für die Bestimmung des Descensus perinei beim Pressen als Messgrundlage verwendet wird. Zusätzlich lässt sich der Anorektalwinkel zwischen einer Tangente an der Rektumhinterwand (R) und dem Analkanal (A) bestimmen. Der Anorektalwinkel kann als quantitatives Maß für die Beckenbodeninsuffizienz herangezogen werden.
7.3
Analerkrankungen
7.3
Analerkrankungen
Die Erkrankungen des anorektalen Bereichs können sich in unterschiedlichen Symptomen manifestieren, wobei bestimmte Veränderungen der Anorektalregion erst durch das Auftreten von Symptomen Krankheitswert gewinnen und damit therapiebedürftig werden. n Merke. Nicht jeder Befund, der bei einer proktologischen Untersuchung gefunden wird, ist auch therapiebedürftig. Nur organische Veränderungen, die auch den Patienten belastende Symptome zeigen oder zur Progression neigen, müssen therapiert werden.
Die klassischen Symptome anorektaler Erkrankungen sind der Pruritus ani (Pruritus = Jucken), transanale Blutungen, Schmerzen am After, Prolapserscheinungen, Defäkationsstörungen (im Sinne einer Inkontinenz genauso wie als akute oder chronische Obstipation), Sekretion (z.B. aus Fistelostien) und Fremdkörpergefühl durch peri- oder intraanale tumorartige Veränderungen. Einzelne Analerkrankungen können dabei unterschiedliche Symptome genauso wie ein buntes Mischbild aus diesen Beschwerden zeigen.
Merke
Symptome proktologischer Erkrankungen: π Pruritus ani π transanale Blutungen π Schmerzen π Prolaps π Defäkationsstörungen π Sekretion π Fremdkörpergefühl.
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7.3 Analerkrankungen dem M. puborectalis, dem M. sphincter ani externus ( 1 B-7.4), oder in speziellen Fällen auch aus dem inneren Schließmuskel erreichen, am besten mit simultaner Registrierung einer Manometrie. Da diese Form einer EMGAbleitung eine invasive, für den Patienten unangenehme bis schmerzhafte Untersuchung ist, sollte sie erfahrenen Untersuchern für ganz spezielle Indikationen vorbehalten bleiben. Defäkographie: Die radiologische Darstellung eines Defäkationsvorgangs nach Instillation von Barium ( 1 B-7.5) in die Rektumampulle ermöglicht die Erkennung eines Vorfalls des Rektums im Sinne eines Rektumprolapses, eines inneren Prolapses (Intussuszeption), einer Zelenbildung (Entero-, Vesiko-, Ureterozele), eines Descensus perinei und einer Schwäche der Beckenbodenmuskulatur, insbesondere des M. puborectalis.
1 B-7.5
4. Die Defäkographie ( 1 B-7.5), ermöglicht die Erkennung eines Rektumprolapses, einer Zelenbildung, eines Descensus perinei und einer Schwäche der Beckenbodenmuskulatur.
Darstellung einer Defäkographie
Das distale Ende des Analkanals ist mit einem Marker (weißer Punkt) markiert, zwischen Os pubis (Op) und Os coccygeum (Oc) wird eine Verbindungslinie konstruiert, die für die Bestimmung des Descensus perinei beim Pressen als Messgrundlage verwendet wird. Zusätzlich lässt sich der Anorektalwinkel zwischen einer Tangente an der Rektumhinterwand (R) und dem Analkanal (A) bestimmen. Der Anorektalwinkel kann als quantitatives Maß für die Beckenbodeninsuffizienz herangezogen werden.
7.3
Analerkrankungen
7.3
Analerkrankungen
Die Erkrankungen des anorektalen Bereichs können sich in unterschiedlichen Symptomen manifestieren, wobei bestimmte Veränderungen der Anorektalregion erst durch das Auftreten von Symptomen Krankheitswert gewinnen und damit therapiebedürftig werden. n Merke. Nicht jeder Befund, der bei einer proktologischen Untersuchung gefunden wird, ist auch therapiebedürftig. Nur organische Veränderungen, die auch den Patienten belastende Symptome zeigen oder zur Progression neigen, müssen therapiert werden.
Die klassischen Symptome anorektaler Erkrankungen sind der Pruritus ani (Pruritus = Jucken), transanale Blutungen, Schmerzen am After, Prolapserscheinungen, Defäkationsstörungen (im Sinne einer Inkontinenz genauso wie als akute oder chronische Obstipation), Sekretion (z.B. aus Fistelostien) und Fremdkörpergefühl durch peri- oder intraanale tumorartige Veränderungen. Einzelne Analerkrankungen können dabei unterschiedliche Symptome genauso wie ein buntes Mischbild aus diesen Beschwerden zeigen.
Merke
Symptome proktologischer Erkrankungen: π Pruritus ani π transanale Blutungen π Schmerzen π Prolaps π Defäkationsstörungen π Sekretion π Fremdkörpergefühl.
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7 Anus Der Übersicht halber sind in 2 B-7.1 und 2 B-7.2 die Ursachen der häufigsten Analbeschwerden aufgeführt.
2 B-7.1
Gängigste Ursachen des Pruritus ani
Systemische Erkrankungen
lokalisierte anorektale Erkrankungen
Dermatosen
Allergien
psychogene Erkrankungen
Besonderheiten
N Parasitosen n (z.B. Oxyuren)
N Hämorrhoiden n
N Hyperhidrosis n
N Arzneimittel n (z.B. Laxanzien, Salben, Heroin)
N Depressionen n
N wollene n Unterwäsche
N Tuberkulose n
N Analfisteln n
N Mykosen n
N Nahrungsmittel n (z.B. Gewürze, Süßigkeiten)
N Hysterie n
N Trichteranus n
N Lues n
N Analfissuren n
N Erythrasma n
N Genußmittel n (z.B. Alkohol, Nikotin, Koffein)
N Anorektaln phobie
N Diabetes n mellitus
N Marisken n
N Psoriasis n (isomorpher Reizeffekt)
N Parfümstoffe n (z.B. Intimspray, Toilettenpapier
N Analneurose n
N Gicht n
N Condylomata n acuminata
N toxisches n Exanthem (z.B. Seife)
N Leukämie n
N Condylomata n lata
N langdauernde n lokale Kortikoidtherapie
N Diarrhö n (z.B. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)
N Analkarzinome n
N Ikterus n
n Morbus Paget N N Morbus Bowen n N Anal- oder n Rektumprolaps N radiogene n Proktitis/Anitis
In der 2 B-7.2 sind die gängigsten Ursachen von anorektalen schmerzhaften Missempfindungen aufgeführt. Durch die differenzierte Erfragung der Schmerzqualität und der Lokalisierbarkeit der Schmerzen – hier in der entsprechenden Spalte die häufigsten Charakterisierungen des Schmerzcharakters durch Patienten – lässt sich häufig die jeweilige Verdachtsdiagnose bereits durch die Anamnese stellen. Bei einigen Krankheitsbildern lässt sich ein zeitlicher Bezug zur Defäkation oder anderen Gegebenheiten festmachen. Diese Zusammenhänge werden in der Spalte »zeitlicher Bezug« berücksichtigt.
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439
7.3.1 Hämorrhoiden
2 B-7.2
Ursachen analer Schmerzen
Diagnose
Schmerzqualität
Schmerzlokalisation
zeitlicher Bezug
N Analfissur n
scharf, schneidend
exakt möglich
bei oder nach Defäkation
N Analfistel n
brennend, stechend
exakt möglich
Dauerschmerz, Intensität schwankend
N Analabszess n
brennend, stechend, dumpfer Druck
periproktitisch: exakt perirektal: diffus
Dauerschmerz, je nach Lokalisation schwankend in der Schmerzintensität
N Analkryptitis n
brennend, stechend
exakt möglich
Dauerschmerz, nach Stuhlgang verstärkt
N Analpapillitis n
brennend, stechend
exakt möglich
Dauerschmerz, meist langsam beginnend, nach Stuhlgang zunehmend
N infizierter Sinus n pilonidalis
brennend, drückend
exakt möglich
Dauerschmerz, stuhlgangsunabhängig
N inkarzerierter n Hämorrhoidalprolaps
brennend, stechend
exakt möglich
Dauerschmerz, meist nach stärkerem Pressakt (Geburtswehen)
N Perianaln thrombose
stechend
exakt möglich
Dauerschmerz, oft nach stärkerem Pressakt (Geburtswehen)
N Proktitiden n
dumpf, vermehrter Stuhlgang
diffus, ausstrahlend ins Perineum
Dauerschmerz, vor Stuhlgang zunehmend, nach Defäkation Linderung
N inkarzerierter n Rektumprolaps
stechend, Druckgefühl
diffus bis exakt lokalisierbar
Dauerschmerz, nach Reposition rasche Besserung
N Tumoren im n Analkanal
wechselnde Schmerzqualität
von exakt lokalisierbar bis diffus
wechselnd, von stuhlgangsabhängigen Schmerzen bis Dauerschmerz
N Prostatitis n
dumpf, vermehrter Harn-/Stuhldrang
diffus, Ausstrahlung in Perineum/Hoden
wechselnd, nur selten stuhlgangsassoziiert
N Endometriosis n recti
dumpf bis drückend
diffus
menstruationsabhängige Schmerzen
N Sphinktern sklerose
stechend
exakt möglich
Monate – Jahre nach Radiotherapie, bei und nach der Defäkation auftretend
N Kokzygodynie n
spitz, stechend, scharf
diffus, ins Perineum ausstrahlend
anfallsweise auftretend
N Proktalgia fugax n
Tenesmen, krampfartig, oft Stuhldrang
diffus
nachts auftretend, nach wenigen Minuten spontan nachlassend
N Analneurosen n
wechselnd, untypische Symptome
diffus
kein konstanter Zusammenhang zu Defäkation eruierbar
7.3.1
Hämorrhoiden
n Definition. Das Corpus cavernosum recti (Plexus haemorrhoidalis) ist eine physiologische anatomische arteriovenöse Shuntverbindung am oralen Ende des Analkanals, die zum Feinabschluss gegenüber der Rektumampulle dient. Hämorrhoiden sind somit normal. Lediglich eine Vergrößerung, die dann klinische Symptome hervorrufen kann und als Hämorrhoidalleiden bezeichnet wird, besitzt Krankheitswert und ist therapiebedürftig.
Ätiologie und Pathogenese. Die häufigste Ursache einer Vergrößerung des
Plexus haemorrhoidalis ist verstärktes Pressen bei der Defäkation, meist ausgelöst durch eine chronische Obstipation im Rahmen einer verkehrten (ballaststoff- und flüssigkeitsarmen) Ernährung. Außerdem kommt eine
7.3.1 Hämorrhoiden Definition
Ätiologie und Pathogenese. Die häufigste Ursache einer Vergrößerung des Plexus haemorrhoidalis ist verstärktes Pressen bei der Defäkation.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
439
7.3.1 Hämorrhoiden
2 B-7.2
Ursachen analer Schmerzen
Diagnose
Schmerzqualität
Schmerzlokalisation
zeitlicher Bezug
N Analfissur n
scharf, schneidend
exakt möglich
bei oder nach Defäkation
N Analfistel n
brennend, stechend
exakt möglich
Dauerschmerz, Intensität schwankend
N Analabszess n
brennend, stechend, dumpfer Druck
periproktitisch: exakt perirektal: diffus
Dauerschmerz, je nach Lokalisation schwankend in der Schmerzintensität
N Analkryptitis n
brennend, stechend
exakt möglich
Dauerschmerz, nach Stuhlgang verstärkt
N Analpapillitis n
brennend, stechend
exakt möglich
Dauerschmerz, meist langsam beginnend, nach Stuhlgang zunehmend
N infizierter Sinus n pilonidalis
brennend, drückend
exakt möglich
Dauerschmerz, stuhlgangsunabhängig
N inkarzerierter n Hämorrhoidalprolaps
brennend, stechend
exakt möglich
Dauerschmerz, meist nach stärkerem Pressakt (Geburtswehen)
N Perianaln thrombose
stechend
exakt möglich
Dauerschmerz, oft nach stärkerem Pressakt (Geburtswehen)
N Proktitiden n
dumpf, vermehrter Stuhlgang
diffus, ausstrahlend ins Perineum
Dauerschmerz, vor Stuhlgang zunehmend, nach Defäkation Linderung
N inkarzerierter n Rektumprolaps
stechend, Druckgefühl
diffus bis exakt lokalisierbar
Dauerschmerz, nach Reposition rasche Besserung
N Tumoren im n Analkanal
wechselnde Schmerzqualität
von exakt lokalisierbar bis diffus
wechselnd, von stuhlgangsabhängigen Schmerzen bis Dauerschmerz
N Prostatitis n
dumpf, vermehrter Harn-/Stuhldrang
diffus, Ausstrahlung in Perineum/Hoden
wechselnd, nur selten stuhlgangsassoziiert
N Endometriosis n recti
dumpf bis drückend
diffus
menstruationsabhängige Schmerzen
N Sphinktern sklerose
stechend
exakt möglich
Monate – Jahre nach Radiotherapie, bei und nach der Defäkation auftretend
N Kokzygodynie n
spitz, stechend, scharf
diffus, ins Perineum ausstrahlend
anfallsweise auftretend
N Proktalgia fugax n
Tenesmen, krampfartig, oft Stuhldrang
diffus
nachts auftretend, nach wenigen Minuten spontan nachlassend
N Analneurosen n
wechselnd, untypische Symptome
diffus
kein konstanter Zusammenhang zu Defäkation eruierbar
7.3.1
Hämorrhoiden
n Definition. Das Corpus cavernosum recti (Plexus haemorrhoidalis) ist eine physiologische anatomische arteriovenöse Shuntverbindung am oralen Ende des Analkanals, die zum Feinabschluss gegenüber der Rektumampulle dient. Hämorrhoiden sind somit normal. Lediglich eine Vergrößerung, die dann klinische Symptome hervorrufen kann und als Hämorrhoidalleiden bezeichnet wird, besitzt Krankheitswert und ist therapiebedürftig.
Ätiologie und Pathogenese. Die häufigste Ursache einer Vergrößerung des
Plexus haemorrhoidalis ist verstärktes Pressen bei der Defäkation, meist ausgelöst durch eine chronische Obstipation im Rahmen einer verkehrten (ballaststoff- und flüssigkeitsarmen) Ernährung. Außerdem kommt eine
7.3.1 Hämorrhoiden Definition
Ätiologie und Pathogenese. Die häufigste Ursache einer Vergrößerung des Plexus haemorrhoidalis ist verstärktes Pressen bei der Defäkation.
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440 Außerdem kommt eine Behinderung des transsphinkteren Blutabflusses infolge Gravidität, Sphinkterosklerose oder -spasmus und ein portaler Hypertonus als Auslöser in Frage. Begünstigend wirken zudem hohes Lebensalter, sitzende Lebensweise und Adipositas. Hämorrhoiden werden in Abhängigkeit von ihrer Prolapsneigung in 4 Schweregrade eingeteilt ( 1 B-7.6 u. 1 B-7.7).
7 Anus Behinderung des transsphinkteren Blutabflusses durch eine Gravidität, Sphinktersklerose oder Sphinkterspasmus des inneren Schließmuskels bei einer anderen proktologischen Grunderkrankung als Auslöser in Frage. In seltenen Fällen wird eine Flussumkehr im Gebiet der V. mesenterica im Rahmen eines portalen Hypertonus (analog zur Entstehung von Ösophagusvarizen) als Ursache einer Abflussbehinderung und somit einer Hämorrhoidenausbildung diskutiert. Die Entstehung von Hämorrhoiden wird zudem durch hohes Lebensalter, eine sitzende Lebensweise und Adipositas begünstigt. Die Hämorrhoiden werden je nach Ausprägung der Hyperplasie des Plexus haemorrhoidalis in 4 Stadien eingeteilt ( 1 B-7.6 u. 1 B-7.7): Hämorrhoiden 1. Grades ( 1 B-7.7 a) prolabieren in das Proktoskop. Hämorrhoiden 2. Grades ( 1 B-7.7 b) prolabieren vor den Anus, retrahieren sich aber spontan, während die drittgradigen Hämorrhoiden ( 1 B-7.7 c) mit dem Finger reponiert werden müssen. Viertgradige Hämorrhoiden ( 1 B-7.7 d) sind nicht mehr reponibel.
1 B-7.6
Synopsis Schematische Darstellung der unterschiedlichen Grade des Hämorrhoidalleidens
Die Einteilung erfolgt orientiert am Prolapsgrad: a Hämorrhoiden 1. Grades prolabieren nur in das Proktoskop, b bei zweitgradigen Hämorrhoiden prolabiert der Hämorrhoidalplexus beim Pressen nach außen, reponiert sich aber spontan nach Beendigung des Pressvorganges, während er (c) bei drittgradigen Hämorrhoiden auch nach Beendigung des Pressens nicht spontan reponiert, mit dem Finger aber reponibel ist (rechts im Bild). Links in c ist ein viertgradiges Hämorrhoidalleiden mit außen fixiertem, nicht reponiblem Prolaps dargestellt.
a
b
c
Symptome. Die typischen Symptome von erst- und zweitgradigen Hämorrhoiden sind die schmerzlose hellrote Blutung, Juckreiz, oft begleitet von ausgeprägten perianalen Ekzemen und Fremdkörpergefühl, ausgelöst durch den Prolaps des Hämorrhoidalgewebes. Ab Stadium III tritt die Blutung in den Hintergrund und es kommt zunehmend zu Thrombosierungen oder Inkarzerationen der prolabierten Knoten, die zu erheblichen Schmerzen führen können.
Symptome. Während im Stadium 1 die schmerzlose hellrote Blutung (auch
Therapie (s. a. 2 B-7.3). Wichtige therapeutische Maßnahmen sind: π Stuhlgangsregulation durch eine ballaststoffreiche Kost und ausreichende Flüssigkeitszufuhr π Grad 1: Infrarottherapie oder Sklerosierung ( 1 B-7.8). π Grad 2 und 3: meist Gummibandligaturtherapie ( 1 B-7.9). π Grad 4: Operation
Therapie. Eine ausreichende Aufklärung der Patienten über eine diätetische
als Blutauflagerung am Toilettenpapier) überwiegt, kommt es mit zunehmender Größe der Hämorrhoidalknoten zu Juckreiz, oft begleitet von ausgeprägten perianalen Ekzemen. Als Ursache hierfür wird die verstärkte Schleimsekretion des prolabierten Schwellkörpers genannt. Nicht thrombosierte oder inkarzerierte Hämorrhoidalknoten sind für den tastenden Finger nicht palpabel. Ab Stadium III tritt die Blutung als Symptom in den Hintergrund, dafür kommt es zunehmend zu Thrombosierungen oder Inkarzerationen der prolabierten Knoten, die zu erheblichen Schmerzen führen können. Seltener treten Infektionen auf, die im Extremfall zu einer Fistelbildung oder Abszessentstehung führen können.
Einstellung auf weichen Stuhlgang (ballaststoffreiche Kost mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr) und Vermeidung von übermäßigem Pressen bei der Defäkation stellt die unabdingbare Voraussetzung für eine suffiziente Therapie und gleichzeitig eine Rezidivprophylaxe bei Hämorrhoiden dar. Der vergrößerte Hämorrhoidalplexus selbst kann bei erstgradigen Hämorrhoiden mit einer Infrarotkoagulationsbehandlung oder einer Sklerosierungstherapie ( 1 B-7.8) (Polidocanol, Chininlösung oder Phenolerdnussöl) zur Rückbildung gebracht werden. Bei zweit- und drittgradigen Hämorrhoi-
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441
7.3.1 Hämorrhoiden
1 B-7.7
Klinische Darstellung der unterschiedlichen Grade des Hämorrhoidalleidens
a Erstgradiger Hämorrhoidalprolaps in ein Proktoskop.
b Zweitgradiger Hämorrhoidalprolaps, der sich nach Beendigung der Bauchpresse spontan reponiert.
c Drittgradiger Hämorrhoidalprolaps, der mit dem Finger reponiert werden muss.
d Viertgradiger Hämorrhoidalprolaps, der nicht mehr reponibel ist.
den wird meist eine Gummibandligaturbehandlung ( 1 B-7.9) notwendig, während Hämorrhoiden 4. Grades der Operation (z. B. nach Milligan-Morgan, Parks oder Longo) zugeführt werden sollten. Das Grundprinzip der Operation besteht in einer segmentären Ausschälung der Hämorrhoidalknoten an den typischen Lokalisationen (3, 7 und 11 Uhr in Steinschnittlage) und Ligatur der zuführenden Arterien. Dabei werden möglichst breite Anodermbrücken belassen, von denen aus die Überhäutung des Defekts erfolgen kann. Die stadienorientierten Therapieformen sind in 2 B-7.3 aufgeführt. Unterstützend kann eine Analdehnerbehandlung eingeleitet werden. Hierdurch soll der Patient wieder lernen, den Schließmuskelapparat zu entspannen, um den erhöhten Ruhetonus des inneren Schließmuskels wieder zu normalisieren. Anmerkung: Weit verbreitet ist die medikamentöse Therapie auf Kortikoidbasis, meist mit Lokalanästhetika-Zusätzen. Diese Therapie basiert auf dem
Bei der Hämorrhoidektomie werden die Knoten segmental exzidiert und die zuführenden Arterien ligiert.
Zusätzlich kann eine Analdehnerbehandlung erfolgen. Die medikamentöse Therapie bei Hämorrhoiden sollte stets nur Überbrückungsmaßnahme sein.
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442
7 Anus Prinzip der antiphlogistischen und adstringierenden Wirkung. Es besteht die Gefahr der unkritischen Daueranwendung (Folge: Steroiddermatose, Mykosen). Daher sollte die medikamentöse Therapie immer nur eine Überbrückungsmaßnahme darstellen.
1 B-7.8
Synopsis Sklerosierungstherapie von Hämorrhoiden
Durch die submuköse Injektion sklerosierender Agenzien (z.B. Polidocanol oder Chininlösung) kommt es zu einer Fibrose, die zum einen eine Retraktion des prolabierten Gewebes und zum anderen eine Drosselung der arteriellen Blutzufuhr in den Hämorrhoidalplexus bewirken kann.
1 B-7.9
Synopsis Gummiligaturbehandlung von Hämorrhoiden
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443
7.3.2 Perianalvenenthrombose
2 B-7.3
Stadien der Hämorrhoidenkrankheit mit klinischen Befunden und Therapieansätzen
Hämorrhoidalstadium
Befund
Therapie
N 1. Grades n
Hämorrhoiden prolabieren ins Proktoskop
Stuhlgangsregulation, Infrarottherapie, Sklerosierung
N 2. Grades n
Hämorrhoiden prolabieren beim Pressen, reponieren sich aber spontan
Sklerosierungstherapie, Gummiligaturen
N 3. Grades n
Hämorrhoiden prolabieren beim Pressen, keine spontane, aber digitale Reposition möglich
Gummiligaturen, evtl. Operation
N 4. Grades n
Hämorrhoiden sind vor dem Anus fixiert, eine Reposition ist nicht mehr möglich
Operation
7.3.2
Perianalvenenthrombose
7.3.2 Perianalvenenthrombose
n Definition. Die Thrombose der perianal gelegenen Venen (früher auch fälschlicherweise äußere Hämorrhoiden genannt) zeichnet sich durch eine plötzlich einsetzende livide Schwellung im perianalen Bereich aus.
Ätiologie und Symptome. In
1 B-7.10 ist bei 4.00 Uhr SSL eine frische Perianalvenenthrombose zu sehen. Diese Schwellung ist meist sehr schmerzhaft, da sie typischerweise im Bereich des hochsensiblen Anoderms lokalisiert ist. Ausgelöst wird diese meist durch einen starken Pressakt (Geburtsvorgang!), oder körperlicher Anstrengung. Perianalvenenthrombosen ( 1 B-7.11) können auch gehäuft bei Patienten mit einem stark vergrößerten Plexus haemorrhoidalis oder nach Exposition mit feuchter Kälte beobachtet werden (Segler und Surfer).
1 B-7.10
1 B-7.11
Frische Perianalvenenthrombose
Definition
Ätiologie und Symptome ( 1 B-7.10, 1 B-7.11). Eine frische Perianalvenenthrombose ist meist sehr schmerzhaft, da sie typischerweise im Bereich des hochsensiblen Anoderms lokalisiert ist. Ausgelöst wird diese meist durch einen starken Pressakt (Geburtsvorgang!) oder körperliche Anstrengung, aber auch nach Exposition mit feuchter Kälte.
Alte Perianalvenenthrombose
Typisch ist die bläuliche Verfärbung der angespannten Perianalhaut.
Therapie. Alle Perianalthrombosen heilen spontan aus. Die Art der Therapie sollte jedoch vom Leidensdruck der Patienten abhängig gemacht werden. Besteht ein heftiges Krankheitsgefühl bei einer frischen Thrombose, so erscheint die Exzision in Lokalanästhesie die Methode der Wahl zu sein, wie sie schematisch in 1 B-7.12 dargestellt wird.
Zirkuläre, mehrere Tage alte Perianalvenenthrombose mit ausgeprägtem Begleitödem.
Therapie. Alle Perianalthrombosen heilen spontan aus. Besteht jedoch ein heftiges Krankheitsgefühl, so ist eine komplette Exzision in Lokalanästhesie durchzuführen ( 1 B-7.12).
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7 Anus
1 B-7.12
Synopsis Exzision einer Perianalvenenthrombose
a Exzision des Knotens.
b Spontanes Vortreten des Blutgerinnsels aus der Exzisionsöffnung.
Nach vollständiger Rückbildung (ca. 2–3 Wochen), verbleibt als Residuum eine Mariske.
Der postoperative Wundschmerz wird von den Patienten in der Regel als deutlich geringer als der Schmerz, der durch die Thrombose unterhalten wurde, empfunden. Postoperativ sind Sitz- oder Duschbäder und eine Stuhlregulation bis zur vollständigen Wundheilung angezeigt. Ist der Leidensdruck nicht zu groß oder überwiegt die Angst des Patienten vor der operativen Intervention, so ist eine konservative Therapie mit Stuhlgangsregulation und gegebenenfalls lokal antiphlogistischen Maßnahmen (kühlende und/oder lokalanästhesierende Salben und Zäpfchen, feuchte Vorlagen) möglich. Nach vollständiger Rückbildung, meist innerhalb von 2–3 Wochen, verbleibt als Residuum eine Mariske.
7.3.3 Marisken
7.3.3
Postoperativ sind Sitz- oder Duschbäder und eine Stuhlgangsregulation angezeigt.
Definition
Marisken
n Definition. Als Marisken bezeichnet man schlaffe perianale Hautfältchen ( 1 B-7.13).
1 B-7.13
Perianale Mariske
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7 Anus
1 B-7.12
Synopsis Exzision einer Perianalvenenthrombose
a Exzision des Knotens.
b Spontanes Vortreten des Blutgerinnsels aus der Exzisionsöffnung.
Nach vollständiger Rückbildung (ca. 2–3 Wochen), verbleibt als Residuum eine Mariske.
Der postoperative Wundschmerz wird von den Patienten in der Regel als deutlich geringer als der Schmerz, der durch die Thrombose unterhalten wurde, empfunden. Postoperativ sind Sitz- oder Duschbäder und eine Stuhlregulation bis zur vollständigen Wundheilung angezeigt. Ist der Leidensdruck nicht zu groß oder überwiegt die Angst des Patienten vor der operativen Intervention, so ist eine konservative Therapie mit Stuhlgangsregulation und gegebenenfalls lokal antiphlogistischen Maßnahmen (kühlende und/oder lokalanästhesierende Salben und Zäpfchen, feuchte Vorlagen) möglich. Nach vollständiger Rückbildung, meist innerhalb von 2–3 Wochen, verbleibt als Residuum eine Mariske.
7.3.3 Marisken
7.3.3
Postoperativ sind Sitz- oder Duschbäder und eine Stuhlgangsregulation angezeigt.
Definition
Marisken
n Definition. Als Marisken bezeichnet man schlaffe perianale Hautfältchen ( 1 B-7.13).
1 B-7.13
Perianale Mariske
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7.3.4 Hypertrophe Analpapillen
445
Symptome. Marisken machen selbst keine Beschwerden. Sie können jedoch die Analhygiene beeinträchtigen oder durch Sekretstau eine bakteriell- oder pilzbedingte perianale Dermatitis unterhalten. In diesen Fällen steht ein perianaler Juckreiz oder Brennen im Vordergrund. Die Differenzierung gegenüber prolabierten Hämorrhoidalknoten lässt sich durch die Aufforderung zum Pressen erreichen. Die Marisken füllen sich nicht, prolabierte Hämorrhoidalknoten schwellen durch die zunehmende Blutmenge an. Außerdem müssen differenzialdiagnostisch Condylomata lata oder acuminata und Vorpostenfalten bei chronischen Analfissuren ausgeschlossen werden.
Symptome. Marisken können die Analhygiene beeinträchtigen oder durch Sekretstau eine bakteriell- oder pilzbedingte perianale Dermatitis unterhalten. Die Differenzierung gegenüber prolabierten Hämorrhoidalknoten gelingt durch Pressen. Nur Hämorrhoidalknoten schwellen dabei an. Condylomata lata oder acuminata und Vorpostenfalten sind abzugrenzen.
Therapie. Eine Therapie erscheint nur dann indiziert, wenn die Analhygiene
Therapie. Bei Beeinträchtigung der Analhygiene oder persistierendem Juckreiz ist die elektrochirurgische Exzision in Lokalanästhesie indiziert.
durch die Marisken erschwert wird oder durch Retention von Flüssigkeitsund Schleimresten in den Falten zwischen Marisken eine chronische Ekzementstehung oder persistierender Juckreiz ausgelöst werden. Hier kommt in erster Linie die elektrochirurgische Exzision in Lokalanästhesie in Frage.
7.3.4
Hypertrophe Analpapillen
7.3.4
Hypertrophe Analpapillen
Synonyme: Analpolyp, Analfibrom, Mausezahn n Definition. Bei den hypertrophen Analpapillen handelt es sich um eine Vergrößerung von Resten der Proktodealmembran, die der embryonalen Afterverschlussmembran entspricht.
Diese imponieren als hellrosa bis weißliche Prozesse an der Linea dentata, die als kleine weiße Tumoren (»Mäusezahn«) ( 1 B-7.14) ebenso wie als gestielter Polyp (Analpolyp) mit Ursprung distal der Linea dentata auftreten können. Sie stellen keine echten Neoplasien dar, können daher auch nicht entarten.
1 B-7.14
Definition
Sie imponieren an der Linea dentata als kleine weiße Tumoren (»Mäusezahn«) ( 1 B-7.14) ebenso wie als gestielte Polypen (Ursprung distal der Linea dentata) (»Analpolyp«). Sie zeigen keine Entartungstendenz.
Hypertrophe Analpapille Proktoskopische Ansicht einer hypertrophen Analpapille an der Linea dentata
Therapie. Das Auftreten von hypertrophen Analpapillen ist vergesellschaf-
tet mit vergrößerten Hämorrhoiden. Dementsprechend besteht die Therapie in erster Linie aus einer Therapie der Hämorrhoiden. Nur bei großen Papillen ist eine Exzision in Lokalanästhesie indiziert.
Therapie. Die Therapie besteht in erster Linie aus einer Behandlung der Hämorrhoiden. Nur bei großen Papillen ist eine Exzision in Lokalanästhesie indiziert.
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7 Anus
Kondylome
7.3.5 Kondylome
7.3.5
Condylomata lata
Condylomata lata
Die Condylomata lata sind ein Ausdruck der Lues II ( 1 B-7.15). Die Therapie entspricht der der Lues und führt zur Rückbildung der Kondylome.
Die Condylomata lata sind ein Ausdruck der Lues II. Es handelt sich dabei um relativ glatt begrenzte, lappenartig aussehende perianale Veränderungen ( 1 B-7.15). Die Therapie entspricht der der Lues und führt zur Rückbildung der Kondylome.
1 B-7.15
Condylomata lata Perianale Condylomata lata bei Lues II.
Condylomata acuminata
Condylomata acuminata
Die virusbedingten Condylomata acuminata neigen zu Rezidiven. Sie haben eine unregelmäßige, fast blumenkohlartige Oberfläche ( 1 B-7.16).
Diese virusbedingte Papillomatose kann sowohl intra- wie auch perianal auftreten und neigt ausgeprägt zu Rezidiven. Die Kondylome haben makroskopisch eine unregelmäßige, fast blumenkohlartige Oberfläche ( 1 B-7.16).
1 B-7.16
Condylomata acuminata Konfluierende perianale Condylomata acuminata. Typisch ist der Abklatschcharakter der Erkrankung mit kontralateraler Beteiligung.
Merke
Therapie. Bei perianalen Kondylomen ist die lokale Applikation von Podophyllin, die Exzision und die Kryo- oder Lasertherapie möglich. Intraanale Kondylome sollten exzidiert oder mit Kryo- oder Lasertherapie behandelt werden.
n Merke. Bei dem Nachweis von perianalen Condylomata acuminata muss unbedingt eine Proktoskopie durchgeführt werden, um mit der Therapie auch intraanale Herde zu erfassen, da von diesen die Rezidive ausgehen können.
Therapie. Bei perianalen Kondylomen ist die lokale Behandlung mit Podo-
phyllin möglich, wobei die gesunde Haut um das Kondylom herum sorgfältig geschützt werden muss. Die intraanale Anwendung von Podophyllin verbietet sich, da der Kontakt mit der gesunden Analkanalhaut hier nicht vermieden werden kann. Um größere perianale oder intraanal gelegene Herde zu entfernen ist die Exzision mit dem Skalpell oder alternativ eine kryochirurgische oder laser-
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7.3.6 Entzündliche Erkrankungen des Analbereichs chirurgische Abtragung möglich. Posttherapeutisch sind engmaschige Kontrollen angezeigt.
7.3.6
Entzündliche Erkrankungen des Analbereichs
7.3.6 Entzündliche Erkrankungen des Analbereichs
Die entzündlichen Erkrankungen des Analbereichs lassen sich in 2 Gruppen einteilen: Die Erkrankungen, die ihren Ausgang von den Proktodealdrüsen, Krypten und deren Anhangsgebilden nehmen (kryptoglanduläre Infektionen) und nach einigen Autoren nur unterschiedliche Stadien desselben Krankheitsbildes darstellen (Analkryptitis, Analpapillitis, Analfissur, Analfistel, Analabszess) und Entzündungen, deren Ursprung nicht im Bereich der Linea dentata und den dort lokalisierten Drüsen und Krypten liegt (Sinus pilonidalis, Dermoidfistel, Pyodermia fistulans sinificans und Fournier-Gangrän).
Die entzündlichen Erkrankungen des Analbereiches lassen sich in 2 Gruppen einteilen: 1. Erkrankungen, die ihren Ausgang von den Proktodealdrüsen, Krypten und deren Anhangsgebilden nehmen. 2. Entzündungen, deren Ursprung nicht im Bereich der Linea dentata und den dort lokalisierten Drüsen und Krypten liegt.
Analkryptitis
Analkryptitis
Synonym: inkomplette Analfistel n Definition. Bei der Analkryptitis handelt es sich um eine Entzündung der Morgagni-Krypten in Bereich der Linea dentata. Sie entsteht meist durch Verlegung der Kryptenöffnung durch Kot oder Fremdkörper.
Definition
Symptome. Die Patienten klagen über einen heftigen Schmerz im Analbereich, meist unmittelbar bei oder nach der Defäkation, der in einen dauerhaften brennenden Schmerz übergehen kann. Der Schmerzpunkt ist von den Patienten in den meisten Fällen exakt zu lokalisieren.
Symptome. Die Patienten klagen über einen heftigen Schmerz im Analbereich, der in den meisten Fällen durch den Patienten exakt zu lokalisieren ist.
Diagnose. Bereits bei der digitalen Untersuchung fällt im Bereich der Linea
Diagnose. Bei der digitalen Untersuchung fällt ein druckdolentes Grübchen auf. Evtl. entleert sich Pus.
Therapie. Als Therapie der Wahl gilt die Spaltung (Kryptotomie) oder die
Therapie. Als Therapie empfiehlt sich die Kryptotomie oder Kryptektomie. Alternativ kommen konservative Methoden (antiphlogistische und adstringierende Analtampons oder kortikoidhaltige Suppositorien) zur Anwendung.
Analpapillitis
Analpapillitis
Die Papillitis stellt eine Entzündung einer hypertrophen Analpapille dar. Die Papille stellt sich dabei gerötet und evtl. kontaktblutend dar. Sie kann zu Schmerzen oder dem Gefühl der unvollständigen Entleerung führen. In diesem Falle ist eine Abtragung indiziert.
Die Papillitis stellt eine Entzündung einer hypertrophen Analpapille dar. Sie kann zu Schmerzen oder dem Gefühl der unvollständigen Entleerung führen. In diesem Falle ist eine Abtragung indiziert. Analfissur
dentata ein druckdolentes Grübchen auf. Der Sphinktertonus ist oft schmerzbedingt reflektorisch erhöht. Bei der Proktoskopie lässt sich mit einer Häkchensonde eine Tasche sondieren, aus der sich nicht selten Pus entleert.
Exzision der Krypte (Kryptektomie) in Lokalanästhesie oder Intubationsnarkose. Sollte sich der Patient nicht für eine operative Intervention entscheiden können, so ist ein temporär begrenzter Versuch mit antiphlogistischen und adstringierenden Analtampons oder kortikoidhaltigen Suppositorien, lokalanästhesierenden Salben, Analdehner und Stuhlgangsregulation möglich.
Analfissur n Definition. Die Analfissur ( 1 B-7.17 und 1 B-7.18) ist ein longitudinales Ulkus der Analkanalhaut. Sie ist meist bei 6, seltener bei 12 Uhr Steinschnittlage (SSL) lokalisiert. Ursächlich werden Einrisse der Analkanalhaut durch harte Stuhlballen oder spontan rupturierte Kryptitiden diskutiert.
Definition
n Merke. Andere Lokalisationen sind stets verdächtig für spezifische Erkrankungen (Analkarzinom, Morbus Crohn, venerische Infektionen).
Merke
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447
7.3.6 Entzündliche Erkrankungen des Analbereichs chirurgische Abtragung möglich. Posttherapeutisch sind engmaschige Kontrollen angezeigt.
7.3.6
Entzündliche Erkrankungen des Analbereichs
7.3.6 Entzündliche Erkrankungen des Analbereichs
Die entzündlichen Erkrankungen des Analbereichs lassen sich in 2 Gruppen einteilen: Die Erkrankungen, die ihren Ausgang von den Proktodealdrüsen, Krypten und deren Anhangsgebilden nehmen (kryptoglanduläre Infektionen) und nach einigen Autoren nur unterschiedliche Stadien desselben Krankheitsbildes darstellen (Analkryptitis, Analpapillitis, Analfissur, Analfistel, Analabszess) und Entzündungen, deren Ursprung nicht im Bereich der Linea dentata und den dort lokalisierten Drüsen und Krypten liegt (Sinus pilonidalis, Dermoidfistel, Pyodermia fistulans sinificans und Fournier-Gangrän).
Die entzündlichen Erkrankungen des Analbereiches lassen sich in 2 Gruppen einteilen: 1. Erkrankungen, die ihren Ausgang von den Proktodealdrüsen, Krypten und deren Anhangsgebilden nehmen. 2. Entzündungen, deren Ursprung nicht im Bereich der Linea dentata und den dort lokalisierten Drüsen und Krypten liegt.
Analkryptitis
Analkryptitis
Synonym: inkomplette Analfistel n Definition. Bei der Analkryptitis handelt es sich um eine Entzündung der Morgagni-Krypten in Bereich der Linea dentata. Sie entsteht meist durch Verlegung der Kryptenöffnung durch Kot oder Fremdkörper.
Definition
Symptome. Die Patienten klagen über einen heftigen Schmerz im Analbereich, meist unmittelbar bei oder nach der Defäkation, der in einen dauerhaften brennenden Schmerz übergehen kann. Der Schmerzpunkt ist von den Patienten in den meisten Fällen exakt zu lokalisieren.
Symptome. Die Patienten klagen über einen heftigen Schmerz im Analbereich, der in den meisten Fällen durch den Patienten exakt zu lokalisieren ist.
Diagnose. Bereits bei der digitalen Untersuchung fällt im Bereich der Linea
Diagnose. Bei der digitalen Untersuchung fällt ein druckdolentes Grübchen auf. Evtl. entleert sich Pus.
Therapie. Als Therapie der Wahl gilt die Spaltung (Kryptotomie) oder die
Therapie. Als Therapie empfiehlt sich die Kryptotomie oder Kryptektomie. Alternativ kommen konservative Methoden (antiphlogistische und adstringierende Analtampons oder kortikoidhaltige Suppositorien) zur Anwendung.
Analpapillitis
Analpapillitis
Die Papillitis stellt eine Entzündung einer hypertrophen Analpapille dar. Die Papille stellt sich dabei gerötet und evtl. kontaktblutend dar. Sie kann zu Schmerzen oder dem Gefühl der unvollständigen Entleerung führen. In diesem Falle ist eine Abtragung indiziert.
Die Papillitis stellt eine Entzündung einer hypertrophen Analpapille dar. Sie kann zu Schmerzen oder dem Gefühl der unvollständigen Entleerung führen. In diesem Falle ist eine Abtragung indiziert. Analfissur
dentata ein druckdolentes Grübchen auf. Der Sphinktertonus ist oft schmerzbedingt reflektorisch erhöht. Bei der Proktoskopie lässt sich mit einer Häkchensonde eine Tasche sondieren, aus der sich nicht selten Pus entleert.
Exzision der Krypte (Kryptektomie) in Lokalanästhesie oder Intubationsnarkose. Sollte sich der Patient nicht für eine operative Intervention entscheiden können, so ist ein temporär begrenzter Versuch mit antiphlogistischen und adstringierenden Analtampons oder kortikoidhaltigen Suppositorien, lokalanästhesierenden Salben, Analdehner und Stuhlgangsregulation möglich.
Analfissur n Definition. Die Analfissur ( 1 B-7.17 und 1 B-7.18) ist ein longitudinales Ulkus der Analkanalhaut. Sie ist meist bei 6, seltener bei 12 Uhr Steinschnittlage (SSL) lokalisiert. Ursächlich werden Einrisse der Analkanalhaut durch harte Stuhlballen oder spontan rupturierte Kryptitiden diskutiert.
Definition
n Merke. Andere Lokalisationen sind stets verdächtig für spezifische Erkrankungen (Analkarzinom, Morbus Crohn, venerische Infektionen).
Merke
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448 1 B-7.17
7 Anus
1 B-7.18
Akute Analfissur
Chronische Analfissur
1
2 Akute Analfissur an typischer Stelle bei 6 Uhr Steinschnittlage ( Á Á). Die Läsion reicht bis an die Linea dentata ( Á) heran.
Symptome. Bei der akuten Analfissur steht ganz der stechende, massive Schmerz bei oder direkt nach der Defäkation im Vordergrund. Manchmal finden sich hellrote Blutauflagerungen auf Stuhl oder Toilettenpapier. Bei der chronischen Analfissur ( 1 B-7.18) klagen Patienten nur über geringe Schmerzen. Als führendes Symptom sind Blutauflagerungen auf dem Stuhlgang zu verzeichnen. Diagnose. Bei akuten Fissuren findet man beim vorsichtigen Spreizen der Afteröffnung einen hellroten Hauteinriss. Die chronische Fissur fällt durch eine Vorpostenfalte auf, die oft als Mariske fehlinterpretiert wird ( 1 B-7.18).
Merke
Therapie. Sämtliche therapeutischen Ansätze der akuten Analfissur zielen auf unterschiedliche Konzepte. 1. Ausschalten des lokalen Schmerzes 2.Reduktion des erhöhten Ruhetonus durch π Lokalanästhetika π adstringierende Lokaltherapeutika π Analdehner π Stuhlgangsregulation und π bei Versagen: Sphinkterotomie.
Chronische Analfissur mit inkompletter innerer Fistelbildung. Teile der Fissur sind bereits narbig ausgeheilt, während die perforierte Analkrypte (1) an der Basis der stark reaktiv vergrößerten Analpapille als Ursache der Fissurpersistenz zu erkennen ist. Typisch ist auch die Ausbildung einer Vorpostenfalte (2) an der hinteren Kommissur.
Symptome. Bei der akuten Analfissur ( 1 B-7.17) steht ganz der stechende,
massive Schmerz bei oder direkt nach der Defäkation im Vordergrund. Der Schmerz flaut nach einem krampfartigen Nachschmerz (Sphinkterspasmus) langsam ab, der Patient unterdrückt aus Angst vor Schmerzen die nächste Defäkation. Bisweilen berichten die Patienten von hellroten Blutauflagerungen auf Stuhl oder Toilettenpapier. Bei der chronischen Analfissur ( 1 B-7.18) tritt der Schmerz in den Hintergrund. Die Patienten klagen über eine anale Enge und nur geringe Schmerzen. Als führendes Symptom sind Blutauflagerungen auf dem Stuhlgang zu verzeichnen.
Diagnose. Die Diagnose lässt sich in den meisten Fällen bereits aus Anamnese und Inspektion stellen. Bei akuten Fissuren findet man beim vorsichtigen Spreizen der Afteröffnung einen hellroten Hauteinriss. Die chronische Fissur fällt durch eine Vorpostenfalte auf, die oft als Mariske fehlinterpretiert wird. Bei chronischen Fissuren ist das Ulkus in einem derben Grund eingebettet, oft liegt der M. sphincter ani internus am Fissurgrund frei. Ein typisches Beispiel hierfür ist auf 1 B-7.18 zu sehen. n Merke. Falls eine Proktoskopie durchgeführt wird, so ist auf versteckte Fistelostien im Fissurgrund zu achten, da diese eine Abheilung ohne Operation unmöglich machen.
Therapie. Sämtliche therapeutischen Ansätze der akuten Analfissur zielen
auf unterschiedliche Konzepte. Zum einen die Reduktion des erhöhten Sphinktertonus, der durch eine Minderdurchblutung der Fissur 1. zu einer Chronifizierung und 2. zur Schmerzzunahme führen kann. Zum anderen ist eine Ausschaltung des lokalen Schmerzes sinnvoll, da hierdurch reflektorisch der Sphinktertonus sinkt und die Wahrscheinlichkeit der spontanen Ausheilung steigt. Eine Reduzierung des analen Ruhedrucks erreicht man durch die Verwendung von Analdehnern, die der Patient selber mehrfach täglich benutzen sollte oder operativ mit der Sphinkterdehnung in Intubationsnarkose oder der Sphinkterotomie. Zusätzlich können adstringierende und antiphlogistische Substanzen lokal angewendet werden.
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449
7.3.6 Entzündliche Erkrankungen des Analbereichs Zur Schmerzbekämpfung ist eine Applikation von Lokalanästhetika (in Form von Salben, Suppositorien oder einer Unterspritzung) sinnvoll. Zusätzlich sollte eine Stuhlgangsregulation durchgeführt werden. Bewährt haben sich dazu die Verordnung von Ballaststoffkonzentraten. Akute Analfissuren heilen meist unter einer konservativen Therapie innerhalb von 2–3 Wochen aus. Nur im Fall eines Therapieversagers erscheint eine operative Intervention sinnvoll. Bei chronischen Analfissuren ist jedoch die Wahrscheinlichkeit, eine Abheilung konservativ zu induzieren, geringer. Trotzdem ist ein konservativer Therapieversuch über 1–2 Wochen sinnvoll. Kommt es in diesem Zeitraum nicht zur Ausheilung, so sollte eine vollständige Exzision der Fissur und der sie umgebenden Narbe einschließlich der Vorpostenfalte vorgenommen werden. Eine Sphinkterdehnung oder Sphinkterotomie ist nur bei einem vorbestehenden erhöhten Ruhedruck sinnvoll.
Analfistel
Akute Analfissuren heilen meist unter konservativer Therapie innerhalb von 2–3 Wochen aus. Bei chronischen Analfissuren ist die Wahrscheinlichkeit, eine Abheilung konservativ zu induzieren geringer, bei konservativem Misserfolg sollte eine vollständige Exzision der Fissur erfolgen.
Analfistel
n Definition. Als typische Analfisteln bezeichnet man eine Fistel, die im Rahmen einer kryptoglandulären Erkrankung (Entzündung einer Proktodealdrüse, z.B. bei einer Kryptitis oder Fissur) entsteht. Dabei ist der Analabszess das akute, die Fistel das chronische Stadium der kryptoglandulären Entzündung.
Definition
n Merke. Die typischen Analfisteln haben stets an der Linea dentata ihren Ursprung. Fisteln, die oberhalb der Linea dentata münden, sind hochgradig verdächtig auf einen Morbus Crohn.
Merke
Als komplett wird eine Fistel mit innerem und äußerem Ostium, als inkomplett eine Fistel mit nur einem Ostium bezeichnet ( 1 B-7.19). Die tpyischen Analfisteln werden dabei nach ihrem Verlauf in Beziehung zum Sphinkterapparat eingeteilt (s. 1 B-7.20):
1 B-7.19
Synopsis Einteilung der Analfisteln
Komplette Fisteln haben ein inneres und ein äußeres Ostium, inkomplette nur ein Ostium ( 1 B-7.19). Die typischen Analfisteln werden dabei nach ihrem Verlauf in Beziehung zum Sphinkterapparat eingeteilt (s. 1 B-7.20).
Fistel
inkomplette Fistel = blind endend Aufteilung in
inkomplette innere Fistel = vom Darm ausgehend, blind endend
inkomplette äußere Fistel = von der Haut ausgehend, blind endend
Verbindung
komplette Fistel = innere Fistel, die mit äußerer Fistel in Verbindung steht = Verbindung zwischen äußerer Haut und Analkanal
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450
7 Anus
1 B-7.20
Synopsis Verlauf von Analfisteln in Bezug zu den muskulären Organen des Beckenbodens
Die marginale (subkutane) Analfistel durchbohrt in ihrem Verlauf keine muskulären Anteile des Sphinkterapparates (a1). Die intersphinktere Analfistel (a2) tritt durch den Internus in den Intersphinkterspalt ein und verläuft in diesem bis zum perianalen äußeren Ostium, während die transsphinktere Analfistel (b3) beide Sphinkteren durchtritt. Die suprasphinktere Analfistel (b4) verläuft oberhalb der Sphinkteren durch den M. levator ani hindurch zum Perineum. Sie hat häufig ihren Ursprung nicht in kryptoglandulären Infektionen, sondern in einem Morbus Crohn.
a
Die marginale Analfistel (ca. 5–10 %) verläuft direkt unterhalb der Analkanalhaut zu ihrem äußeren Ostium, ohne dabei Sphinktermuskulatur zu durchbohren. Die submuköse Analfistel steigt unter der Schleimhaut in das Rektum auf und gehört zu den Morbus-Crohn-assoziierten Fisteln. Die intersphinktere Analfistel (ca. 50 %) durchbohrt den inneren Schließmuskel und verläuft zwischen den Schließmuskeln. Die transsphinktere Analfistel (ca. 30–40 %) durchbohrt sowohl den inneren als auch den äußeren Schließmuskel, bevor sie zu ihrem äußeren Ostium zieht ( 1 B-7.21).
Die suprasphinktere Analfistel (ca. 5 %) durchbohrt den Levatormuskel, bevor sie in die Fossa ischiorectalis und von dort in die Perinealhaut mit dem äußeren Ostium eintritt. Atypische Analfisteln sind Fisteln, die nicht von der Linea dentata ausgehen. Sie kommen besonders häufig bei einem Morbus Crohn, bei Karzinomen oder Leukosen, nach Bestrahlung, Verletzungen oder venerischen Infektionen vor und werden nach ihrem Verlauf in extrasphinktere und rektoorganische Fisteln unterteilt.
1
2
b
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4
Marginale Analfistel ( 1 B-7.20 a1): (Synonym: subkutane Analfistel; 5–10 % aller Analfisteln). Der Fistelgang nimmt seinen Ursprung an einer entzündeten Krypte und verläuft direkt unterhalb der Analkanalhaut zu seinem äußeren Ostium, ohne dabei Sphinktermuskulatur zu durchbohren. π Submuköse Analfistel: Der Fistelgang steigt unter der Schleimhaut in das Rektum auf. Die submuköse Analfistel gehört zu den atypischen Fisteln im Rahmen eines Morbus Crohn, und wird hier der Vollständigkeit halber aufgeführt. π Intersphinktere Analfistel ( 1 B-7.20 a2 ): (ca. 50 % aller Analfisteln). Die Fistel durchbohrt den inneren Schließmuskel und verläuft zwischen den Schließmuskeln zu ihrem äußeren Ostium am Perineum, ohne den M. sphincter ani externus zu durchziehen. π Transsphinktere Analfistel ( 1 B-7.20 b3 ): (ca. 30–40 % aller Analfisteln). Die Fistel durchbohrt sowohl den inneren als auch den äußeren Schließmuskel, bevor sie zu ihrem äußeren Ostium zieht ( 1 B-7.21). Je nach Durchtrittsstelle durch den äußeren Schließmuskel unterscheidet man die hohe (Durchtrittsstelle in der oralen Hälfte des äußeren Schließmuskels) und die tiefe (Durchtrittsstelle in der aboralen Hälfte des äußeren Schließmuskels) transsphinktere Analfistel. π Suprasphinktere Analfistel ( 1 B-7.20 b4 ): (ca. 5 % aller Analfisteln). die Fistel zieht entweder vor oder nach dem Durchtritt durch den inneren Schließmuskel nach oral und durchbohrt den Levatormuskel, bevor sie in die Fossa ischiorectalis und von dort in die Perinealhaut mit dem äußeren Ostium eintritt. π Atypische Analfistel: (ca. 5 % aller Analfisteln). Fisteln, die nicht von der Linea dentata her ihren Ursprung haben, werden als atypisch bezeichnet. Sie kommen besonders häufig bei einem Morbus Crohn, bei Karzinomen oder Leukosen, nach Bestrahlung, Verletzungen oder venerischen Infektionen vor. Sie werden nach ihrem Verlauf in extrasphinktere (inneres Ostium im Rektum oder Sigma, die Fistel durchbohrt den Levator) und rektoorganische Fisteln (meist zur Scheide oder Blase, seltener zur Prostata, Harnröhre oder Harnleiter) unterteilt. π
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7.3.6 Entzündliche Erkrankungen des Analbereichs
1 B-7.21
451
Transsphinktäre Analfistel Intraoperativer Situs einer transsphinkteren Analfistel bei eingeführtem Analspreizer. Der Fistelgang ist mit einer Sonde markiert, in der Umgebung des äußeren Ostiums sind narbige Veränderungen nach Spaltung eines periproktitischen Abszesses zu sehen.
Symptome. Neben einem nach außen sichtbaren Fistelostium – wie in
B-7.22 bei 3.00 Uhr SSL zu sehen – stehen die Sekretion mit konsekutivem Juckreiz und seltenen Blutabsonderungen im Vordergrund des Beschwerdebilds. Durch das ständige Nässen kann es zu chronischen Ekzemen kommen. Bei großen Fisteln ist ein Kotabgang über das äußere Ostium möglich. Bei Verschluss eines Ostiums kann es zu Druckgefühlen und Schmerzen bis zu dem Beschwerdevollbild eines Abszesses kommen. 1
1 B-7.22
Symptome. Eine Analfistel ( 1 B-7.22) verursacht typischerweise eine Sekretion, Juckreiz, Blutung, und prädisponiert zur Ausbildung von Ekzemen. Bei Verschluss eines Ostiums kann es zu Druckgefühlen und Schmerzen bis zu dem Beschwerdevollbild eines Abszesses kommen.
Analfistel und Analfissur Befund bei einem Mann mit analem Morbus Crohn. Es zeigt sich bei 12 Uhr SSL (oben) eine Analfissur mit Vorpostenfalte und ein äußeres Fistelostium bei 3 Uhr SSL.
Diagnose. Die Diagnose lässt sich meist durch die Inspektion (äußeres
Ostium) und digitale Austastung (inneres Ostium = Einziehung der glatten Analkanal- oder Rektumoberfläche, evtl. mit Druckschmerz in diesem Bereich) stellen.
Diagnose. Sie lässt sich meist durch die Inspektion (äußeres Ostium) und digitale Austastung (inneres Ostium) stellen.
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452 Merke
7 Anus
n Merke. Eine Sondierung der Fistel ist stets mit größter Vorsicht durchzuführen, um eine iatrogene Erzeugung von Nebengängen oder Neoostien zu vermeiden!
Durch Prokto- und Rektoskopie sollten Begleiterkrankungen ausgeschlossen werden. Fistulographie oder Endosonographie ergeben Klarheit über den Fistelverlauf.
Durch die Prokto- und Rektoskopie sind Begleiterkrankungen auszuschließen. Bei komplizierten Fistelverläufen kann eine Fistulographie oder besser endorektale und endoanale Sonographie Klarheit über den Fistelverlauf und evtl. bestehende Begleitabszesse geben.
Therapie. Der Nachweis einer Analfistel ist stets eine Operationsindikation. Komplikationen der Analfistel können sein π Abszessbildung π Inkontinenz π Fistelgangskarzinom. Marginale, intersphinktere und tiefe transsphinktere Analfisteln können primär gespalten werden, bei hohen transsphinkteren, suprasphinkteren und atypischen Fisteln erfolgt eine Fistulektomie.
Therapie. Der Nachweis einer Analfistel stellt in jedem Fall eine Operationsindikation dar, da zum einen durch ein Fortschreiten der Entzündung die Kontinenz auf Dauer gefährdet sein kann. Zum anderen besteht stets die Gefahr, dass sich nach der Verklebung eines Ostiums ein Abszess ausbildet. Nach jahrelangen konservativen Behandlungen von Fisteln sind außerdem vereinzelt Fistelgangskarzinome beschrieben worden. Marginale, intersphinktere und tiefe transsphinktere Analfisteln können unter Durchtrennung der aboral vom Fistelgang gelegenen Muskelanteile gespalten werden, ohne dass die Kontinenzleistung beeinträchtigt wird. Bei den hohen transsphinkteren, suprasphinkteren und atypischen Fisteln bestände aufgrund der Höhe und Lokalisation zum M. puborectalis bei diesem Vorgehen die Gefahr der dauernden Inkontinenz, weshalb sich die Fistelspaltung hier verbietet. Als Alternativmethode ist die Fistulektomie anzusehen. Nach perineal und ischiorektal bleibt die Wunde zur Dränage weit offen. Alternativ ist auch der Verschluss der Perinealwunde nach Einlage eines antibiotikahaltigen resorbierbaren Implantats möglich.
Atypische Fisteln erfordern meist auch ein atypisches, das heißt flexibles chirurgisches Vorgehen, wie z.B. Resektion des fisteltragenden Darmteils oder Vorschaltung eines temporären Anus praeter.
Atypische Fisteln erfordern meist auch ein atypisches, das heißt flexibles chirurgisches Vorgehen. Es kann bei komplizierten Fisteln notwendig werden, den fisteltragenden Darmteil zu resezieren oder gar einen temporären Anus praeter vorzuschalten, da atypische Fisteln unter dem Anus-praeterSchutz meist spontan ausheilen und somit keine Gefährdung für den Sphinkterapparat durch eine Durchtrennung gegeben ist.
Merke
Analabszesse Definition
n Merke. Hauptziel der Fisteloperation ist die Sanierung des Proktodealdrüseninfektes, da es ansonsten zu Rezidiven kommt. Der Fistelnachweis bedeutet Operationsindikation.
Analabszesse n Definition. Die Analabszesse entstehen durch Fisteln, die keinen Durchbruch nach außen erreicht haben, und somit blind münden. Je nach Lokalisation der Abszesshöhle unterscheidet man subkutane, intersphinktere, periproktitische ( 1 B-7.23), ischiorektale, supralevatorische (= pelvirektal) und submuköse Abszesse. Zur genaueren Darstellung s. 1 B-7.24.
Symptome und Diagnose. Anorektale Abszesse führen zu erheblichen Schmerzen, Fieber und Leukozytose. Die Diagnose lässt sich durch den Nachweis einer druckdolenten Rötung und Schwellung einfach stellen. Bei hoch gelegenen Abszessen liegt jedoch oft ein dumpfer, nicht genau lokalisierbarer Schmerz vor. In solchen Fällen kann eine Endosonographie entscheidend zur Diagnosefindung beitragen.
Symptome und Diagnose. Allen Abszessen ist gemein, dass sie zu erhebli-
Therapie. Analabszesse müssen entweder durch eine Freilegung oder Dränagetherapie behandelt werden.
Therapie. Abszesse, die unterhalb der Levatormuskulatur lokalisiert sind,
chen Schmerzen, Fieber und Leukozytose führen. Während bei subkutanen, intersphinkteren und periproktitischen Abszessen die Lokalisierbarkeit des Schmerzpunktes und der Nachweis einer druckdolenten Rötung und Schwellung die Diagnose einfach machen, treten bei den hoch gelegenen Abszessen oft differenzialdiagnostische Schwierigkeiten auf. In diesen Fällen liegt oft ein dumpfer, nicht genau lokalisierbarer Schmerz vor, Fluktuationen sind bisweilen nicht zu tasten. Hierbei kann eine Endosonographie entscheidend zur Diagnosefindung beitragen.
müssen operativ freigelegt werden. Dabei ist eine einfache Stichinzision meist nicht ausreichend, stattdessen ist eine lanzettförmige Abszessent-
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7.3.6 Entzündliche Erkrankungen des Analbereichs
1 B-7.23
453
Periproktitischer Abszess Periproktitischer Abszess mit typischer Rötung, Schwellung, Überwärmung und Druckschmerz, kurz vor der spontanen Perforation.
1 B-7.24
Synopsis Schematische Darstellung der Analabszesse und ihre Lokalisation in Bezug zu den muskulären Organen des Beckenbodens
Der submuköse Abszess (1) liegt oberhalb der Linea dentata unter der Rektumschleimhaut, während sich der subanodermale oder auch subkutane Abszess (2) unter dem Anoderm des Analkanals ausbreitet. Davon ist der periproktitische Abszess abzugrenzen, der unter der Haut des Perianalraumes liegt (6). Abszesse, die zwischen den Analsphinkteren im Intersphinkterspalt liegen, werden intersphinktere Abszesse genannt (3) und haben ihre Ursache meist in chronischen Analkryptitiden. Liegt der Abszess extramural oberhalb des M. levator ani (4), so wird er als supralevatorischer oder auch pelvirektaler Abszess bezeichnet. Bei Lokalisation unterhalb des M. levator ani in der Fossa ischiorectalis wird er ischiorektaler Abszess genannt (5).
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deckelung, evtl. unter gleichzeitiger Spaltung einer Fistel, anzustreben. Bei Abszessen, die oberhalb der Levatormuskulatur – also intrapelvin – liegen, besteht bei einer großzügigen Freilegung die Gefahr einer dauerhaften Sphinkterschädigung. Aus diesem Grunde ist, sofern technisch durchführbar, eine suffiziente Dränagebehandlung von perineal her eine gangbare therapeutische Alternative. Bei schwierig zu lokalisierenden Abszessen ist die endosonographisch gesteuerte Lokalisierung und anschließende Dränageeinlage in Lokalanästhesie möglich.
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454 Sinus pilonidalis
7 Anus
Sinus pilonidalis Synonyme: Haarnestgrübchen, Steißbeinfistel, Rekrutenabszess und Jeep’s disease
Definition
Aus dem Neuroporus wachsende Haare zeigen meist schräge Bruchflächen. In dem Bereich des Grübchens kommt es daher, besonders bei Patienten mit starkem Behaarungstyp, zum Einwachsen von Haaren in die gegenübergelegene Haut ( 1 B-7.25). Durch ein fettreiches Gesäß, starkes Schwitzen oder mangelhafte Analhygiene wird eine Infektion im Bereich der nach subkutan eingetriebenen Haare begünstigt (infizierter Sinus pilonidalis, oft auch als Dermoidzyste bezeichnet). Diese Infektion kann sich chronifizieren oder akut zu einem Abszess führen.
n Definition. Es handelt sich dabei um einen persistierenden Neuroporus (Primäröffnung) im Bereich der Medianlinie der Rima ani oberhalb des Sakrokokzygealgelenks.
Aus dem Neuroporus herauswachsende Haare brechen meist ab. Die schrägen Bruchflächen können, durch Roll- und Scherbewegungen der Gesäßbacken zueinander, in die gegenüberliegende Haut eindringen. In dem Bereich des Grübchens kommt es daher, besonders bei Patienten mit starkem Behaarungstyp, zum Einwachsen von Haaren in die gegenübergelegene Haut ( 1 B-7.25). Durch ein fettreiches Gesäß, starkes Schwitzen oder mangelhafte Analhygiene wird eine Infektion im Bereich der nach subkutan eingetriebenen Haare begünstigt (infizierter Sinus pilonidalis, oft auch als Dermoidzyste bezeichnet). Diese Infektion kann sich chronifizieren oder akut in einen Abszess einmünden, der oft spontan auch außerhalb der Medianlinie perforiert.
1 B-7.25
Sinus pilonidalis Die multiplen feinen Primäröffnungen in der Rima ani zeigen die Lokalisation der Neuropori an, die sich infizieren können. Am oberen Ende der Rima ani ist ein solch infizierter Herd spontan rupturiert und hat zu einer etwas exzentrisch gelegenen Sekundäröffnung geführt.
Therapie. Eine gute Analhygiene sowie eine sorgfältige Rasur der Haare in der Rima ani beugen einer Infektion vor. Ein infizierter Sinus pilonidalis (Dermoidzyste) muss in toto exzidiert werden.
Therapie. Bei einem bekannten, nicht infizierten Sinus ermöglicht eine gute
Dermoidfistel
Dermoidfistel
Die Dermoidfistel geht aus anlagebedingten echten Dermoiden hervor und ist median oberhalb des Sakrums oder parakokzygeal gelegen. Sie wird in toto exzidiert.
Die Dermoidfistel stellt ein Fistelgangsystem dar, das median oberhalb des Sakrums oder parakokzygeal liegt und aus echten, sehr seltenen Dermoiden hervorgeht. Es besteht die Gefahr einer Infektion mit Abszedierung, weshalb eine Exzision in toto, meist unter Mitnahme des Steißbeins indiziert ist.
Analhygiene sowie eine sorgfältige Rasur der Haare in der Rima ani, einer Infektion vorzubeugen. Ist der Sinus bereits infiziert, so ist die breite Exzision in toto indiziert. Die aus der sekundären Wundheilung entstehende Narbenplatte ist haarfrei und somit die Rezidivgefahr minimal.
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455
7.3.6 Entzündliche Erkrankungen des Analbereichs
Pyodermia fistulans sinifica
Pyodermia fistulans sinifica
n Definition. Hier handelt es sich um die perianale Manifestation einer generellen Dermatose, die auch in den Leisten, Genitalbereich, Axilla, Kinn, Bauch- und Brustfalten beobachtet wird. Prädisponierende Faktoren sind starke Behaarung, fettreiches Subkutangewebe, mangelnde Hygiene und Stoffwechselerkrankungen.
Symptome. Man findet Verwerfungsanomalien der Haut, die zur Bildung von Retentionstaschen führen, die sich im Rahmen einer bakteriellen Invasion mit einer Mischflora entzünden und zu einem abszedierenden und fistelnden Geschehen führen. Es kommt zur Ausbildung eines die Subkutis wie ein Fuchsbau durchsetzenden Fistelgangssystems, das zu Abszessbildung neigt. Durch die rezidivierenden chronischen Entzündungen ist die Haut in den befallenen Arealen derb und livide verfärbt ( 1 B-7.26).
1 B-7.26
Definition
Symptome. Es kommt zur Ausbildung eines die Subkutis durchsetzenden Fistelgangsystems, das im Rahmen einer bakteriellen Invasion zu Abszessbildung neigt ( 1 B-7.26).
Pyodermia fistulans sinifica Chronische Pyodermia fistulans sinifica mit teilweise narbig ausgeheilten zentralen Arealen und langsam fortschreitenden randständigen Arealen rechts glutäal und am rechten Oberschenkel.
Therapie. Die entzündlich veränderten Hautareale müssen zusammen mit den Gangsystemen exzidiert und die Abszesse eröffnet werden. Im Randbereich der sanierten Areale kann es zu Rezidiven kommen.
Therapie. Die entzündlich veränderten Hautareale müssen zusammen mit den Gangsystemen exzidiert und die Abszesse eröffnet werden.
Fournier-Gangrän
Fournier-Gangrän
n Definition. Hierbei handelt es sich um eine fulminant verlaufende bakterielle perianale Sepsis, die auf die Glutäalregion und das Genitale übergreifen kann.
Definition
Ätiologie. Als Ursache werden kleinste Hautläsionen im Analbereich als
Ätiologie. Als Ursache werden kleinste Hautläsionen im Analbereich als bakterielle Eintrittspforte diskutiert.
Symptome. Bei dem Patienten treten plötzlich heftige Schmerzen im Analbereich auf, die Entzündungsparameter sind erhöht. Innerhalb von Stunden kann es zur Nekrose der befallenen, zunächst phlegmonös veränderten Hautareale mit rascher Ausbreitungstendenz kommen.
Symptome. Bei dem Patienten treten plötzlich heftige Schmerzen im Analbereich auf. Innerhalb von Stunden kann es zur Nekrose der befallenen Hautareale kommen.
Therapie. Eine großzügige Nekrosektomie, breite Eröffnung und Dränage
Therapie. Neben systemischer Antibiotikagabe ist eine großzügige Nekrosektomie und Dränage vorhandener Abszesse durchzuführen.
bakterielle Eintrittspforte diskutiert, z.B. nach Hämorrhoidensklerosierung. Die Erkrankung wird durch Anaerobier unterhalten, meist findet sich jedoch eine bakterielle Mischflora.
vorhandener Abszesse ist unverzüglich nach Diagnosestellung durchzuführen. Zusätzlich ist die Einleitung einer systemischen, hochdosierten und breitgefächerten Antibiotikatherapie indiziert.
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456 7.3.7 Proktitis
7 Anus 7.3.7
Proktitis
n Definition. Als Proktitis bezeichnet man die entzündliche Erkrankung des Proktons, also die des unteren Rektumanteils. Je nach Ätiologie werden unterschiedliche Proktitisformen unterschieden:
Definition
Spezifische Proktitiden
Spezifische Proktitiden
Zu den spezifischen Proktitiden zählt man den Rektumbefall durch: π Morbus Crohn: Es kann im Rahmen eines Morbus Crohn auch zu einem isolierten Rektumbefall kommen. Dieser zeichnet sich durch eine Proktitis mit Fissuren und atypisch verlaufenden Fisteln aus. π Colitis ulcerosa: Die abortive Verlaufsform der Colitis ulcerosa kann sich durch einen auf das Rektum beschränkten Kolonbefall manifestieren.
π
Radiogene Proktitis
Radiogene Proktitis
Ätiologie. In 10–20 % der Bestrahlungen nach Tumoren des Analkanals, des Rektums oder der Nachbarorgane im kleinen Becken kommt es zu einer entzündlichen Mitreaktion der Rektumschleimhaut. In schwereren Fällen entstehen Schleimhautödeme, Ulzerationen oder Nekrosen der Schleimhaut. Symptome. Je nach Schweregrad klagen die Patienten über schmerzlose transanale Blutungen bis hin zu tenesmenartigen Schmerzen und schweren Blutverlusten durch die transanalen Blutungen.
Ätiologie. Nach einer Strahlentherapie von anorektalen Tumoren oder
Morbus Crohn (s. a. Kap. B-4.5.1; 6.3.4): Im Rahmen einer Enteritis regionalis granulomatosa Crohn kann ein isolierter Rektumbefall möglich sein. Die Diagnose wird durch die endoskopische Untersuchung, Histologie, Mikrobiologie und den klinischen Verlauf verifiziert. Treten zu einer Proktitis mit Fissuren auch atypisch verlaufende Fisteln hinzu, so ist in erster Linie an eine Crohn-Proktitis zu denken. Die Therapie entspricht der des intestinalen Morbus Crohn, ergänzt durch lokale Applikation der Wirkstoffe in Form von Klysmen. π Colitis ulcerosa (s. a. Kap. B-6.3.3 ): Die abortive Verlaufsform der Colitis ulcerosa kann sich durch einen auf das Rektum beschränkten Kolonbefall manifestieren. Die Diagnostik und Therapie entsprechen denen des weiter fortgeschrittenen Kolonbefalls.
Erkrankungen in der Nachbarschaft des Rektums kommt es in 10–20 % der Fälle zu einer entzündlichen Mitreaktion der Rektumschleimhaut. Im einfachsten Fall treten Teleangiektasien auf, die zu Berührungsblutungen führen können. In schwereren Fällen entstehen Schleimhautödeme, Ulzerationen oder Nekrosen der Schleimhaut.
Symptome. Je nach Schweregrad klagen die Patienten über schmerzlose transanale Blutungen bis hin zu tenesmenartigen Schmerzen und starken Blutverlusten durch die transanalen Blutungen. Das endoskopische Bild einer hämorrhagisch-ulzerierenden Proktitis mit scharfer Begrenzung nach oral und einer Strahlentherapie in der Anamnese reichen meist zur Diagnosesicherung. In Zweifelsfällen kann eine Biopsie zur histologischen und mikrobiologischen Untersuchung (Abgrenzung zu infektiösen Proktitiden) entnommen werden.
Therapie. In leichten Fällen bringen Lebertransuppositorien rasche Besserung. Bei schweren Verlaufsformen kann eine lokale oder systemische Kortikoidgabe und eine ballaststofffreie oder parenterale Ernährung indiziert sein.
Therapie. Bei leichten Fällen bringen Lebertranzäpfchen (Unguentolansup-
Venerisch induzierte Proktitis
Venerisch induzierte Proktitis
Eine venerisch induzierte Proktitis wird bei folgenden Erkrankungen beobachtet: π Lues (Erreger: Treponema pallidum): Bei Lues I kommt es zum Ulcus durum, bei Lues II zu Condyloma lata und bei Lues III zu Gummen. Therapie: hochdosierte systemische Penicillingabe π Gonorrhö (Erreger: Neisseria gonorrhoeae): Man findet eine putride Proktitis mit ausgeprägtem Ekzem. Therapie: systemische Penicillingabe.
π Lues (Erreger: Treponema pallidum): Im Rahmen der Lues I kommt es im Anal- und Rektumbereich zur Ausbildung derber, atypischer Ulzera (Ulcus durum), die druckdolent sind. Außerdem findet sich eine inguinale Lymphknotenbeteiligung. Bei der Lues II werden Condylomata lata (s.o.) beobachtet, bei der Lues III ulzerierte Gummen, die nach Abheilung zur hochgradigen Stenose durch Strikturen führen können. Therapeutisch steht nach wie vor die hochdosierte systemische Penicillingabe im Vordergrund. π Gonorrhö (Erreger: Neisseria gonorrhoeae): Bei der anorektalen Gonorrhö findet man eine putride Proktitis, die in schweren Verlaufsformen zu Ulzera und Abszedierungen führen kann. Begleitend liegt oft ein ausgeprägtes Ekzem mit Pruritus vor. Zur Therapie ist die systemische Penicillingabe angezeigt.
positorien) oft eine rasche Besserung. Bei schwereren Verläufen ist eine lokale, oder bei therapieresistenten Verläufen auch selten eine systemische Kortisontherapie indiziert, ggf. kurzfristig durch ballaststofffreie oder parenterale Ernährung unterstützt. Bei therapierefraktären Verläufen ist die Anlage eines doppelläufigen Anus praeter sigmoideus oder ein Ileostoma bis zur Abheilung in Betracht zu ziehen.
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457
7.3.7 Proktitis Ulcus molle: Diese weichen, extrem schmerzhaften Ulzera sind heute in ihrer Häufigkeit deutlich rückläufig. Der Erreger ist Haemophilus ducreyi. Hier ist eine systemische Sulfonamidgabe oder Therapie mit Cotrimoxazol indiziert. π Granuloma venereum: Diese in unseren Breiten seltene Tropenkrankheit (Erreger: Donovani granulomatis) äußert sich meist in genitoinguinalen, seltener perianalen Papeln und Pusteln, die leicht bluten und eine sehr übel riechende Sekretion haben. Die Therapie erfolgt mit Cotrimoxazol über 2–4 Wochen. π Lymphogranuloma inguinale: Diese Tropenkrankheit wird durch Chlamydia lymphogranulomatosis hervorgerufen, einem Bakterium, das früher als Virus fehlgedeutet wurde. Die anale Manifestation ist sehr selten. Durch Ausmauerung des kleinen Beckens mit einem weitläufigen Fistelsystem kann es zu Wulstbildungen mit ausgeprägter Strikturneigung kommen. Therapeutisch kommen neben der operativen Beseitigung von Abszessen und Fisteln Sulfonamide oder Tetrazykline für 4 Wochen zur Anwendung. π AIDS: Makroskopisch imponieren die HIV-assoziierten Erkrankungen des Anorektums oft wie ein anorektaler Morbus-Crohn-Befall. Es kommt zu nicht oder nur verzögert abheilenden Ulzerationen mit Lymphknotenschwellungen. Bisweilen finden sich tumoröse Neoplasien, die durch ein Kaposi-Sarkom ausgelöst werden. Bei unklaren Befunden, insbesondere bei Patienten aus den bekannten HIV-Risikogruppen, sollte stets ein HIV-Test veranlasst werden.
Ulcus molle (Erreger: Haemophilus ducreyi): Hier kommt es zu weichen, schmerzhaften Ulzera. Therapie: Sulfonamid oder Cotrimoxazol systemisch. π Granuloma venereum (Erreger: Donovani granulomatis): Meist genitoinguinal finden sich Papeln und Pusteln. Therapie: Cotrimoxazol.
Ulcus recti simplex
Ulcus recti simplex
Das Ulcus recti simplex tritt meist an der Rektumvorderwand als scharf begrenztes Ulkus mit starker vaskulärer Injektion in der Umgebung auf ( 1 B-7.27). Die Ätiologie ist unklar, diskutiert werden eine vaskuläre Genese (Ischämienekrose), eine mechanische Schleimhautalteration in Verbindung mit dem oft gleichzeitig beobachteten Rektumschleimhautprolaps (Drucknekrose) oder eine traumatische Genese, z.B. durch anale Manipulationen (Verletzungen der Schleimhaut durch Fieberthermometer beim rektalen Fiebermessen).
Das Ulcus recti simplex tritt meist an der Rektumvorderwand als scharf begrenztes Ulkus mit starker vaskulärer Injektion in der Umgebung auf ( 1 B-7.27). Die Ätiologie ist unklar.
π
1 B-7.27
π
Lymphogranuloma inguinale (Erreger: Chlamydia lymphogranulomatosis): Es kann zur Ausmauerung des kleinen Beckens mit einem weitläufigen Fistelsystem kommen. Therapie: Sulfonamide oder Tetrazykline, operative Entfernung von Abszessen und Fisteln. π AIDS: Das Erscheinungsbild ähnelt dem anorektalen Morbus-Crohn-Befall. Bisweilen finden sich durch ein KaposiSarkom ausgelöste tumoröse Neoplasien. π
Ulcus recti simplex Es zeigt sich ein typisches, landkartenförmig imponierendes flaches Ulkus, meist an der Rektumvorderwand auf einer Schleimhautfalte gelegen. In den Randbereichen können oft hyperämische Reaktionen beobachtet werden. Selten kommt es zu hypertrophen Varianten durch pseudopolypöse Schleimhautregenerate.
Therapie. Die Therapie besteht in der transanalen Exzision mit primärer Naht.
Therapie. Die Therapie besteht in der transanalen Exzision mit primärer Naht.
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458 7.3.8 Perianaldermatitis (Analekzem) Definition
7 Anus 7.3.8
Perianaldermatitis (Analekzem)
n Definition. Dermatitis durch Irritation der Perianalhaut, am häufigsten als Symptom einer anderweitigen Erkrankung des Anus oder des Rektums.
Bei einem akuten Ekzem ist die Haut um die Anokutangrenze herum entzündlich gerötet, häufig vergesellschaftet mit einer Superinfektion ( 1 B-7.28). Die Verdickung und atrophische Umwandlung der perianalen Haut ist ein Hinweis auf ein chronisches Ekzem. Es können tiefe Rhagaden und Ulzera entstehen. Als Differenzialdiagnose kommen das Analkarzinom, der Morbus Paget sowie ein Morbus Bowen in Betracht.
Akutes Ekzem: Die Haut um die Anokutangrenze herum ist entzündlich gerötet, oft feucht und mit multiplen Rhagaden und Kratzspuren durchsetzt. Sekundär kommt es nicht selten zur Superinfektion, besonders durch Pilze ( 1 B-7.28). Bei einer Schuppung ist an eine Psoriasis vulgaris zu denken. Chronisches Ekzem: Als Zeichen einer Lichenifikation kommt es zu einer Verdickung und atrophischen Umwandlung der perianalen Haut. Die Kutis ist weiß und haarlos, es kann zur Ausbildung tiefer Rhagaden oder Ulzera kommen. Als Differenzialdiagnosen kommen das Analkarzinom, der Morbus Paget sowie ein Morbus Bowen in Betracht.
Therapie. Im Vordergrund steht die Behandlung des Grundleidens. Die Patienten sollten die Analhygiene optimieren, adstringierende Externa oder kurzfristige lokale Kortikoidgaben sowie lokal desinfizierende Maßnahmen durchführen.
lich sollten die Patienten in die Analhygiene genau eingewiesen werden (Anus trocken und sauber halten, möglichst wenig anale Manipulationen) und Reizstoffe in der Ernährung meiden (Alkohol, Nikotin, scharfe Gewürze, Koffein). Diese Therapie kann symptomatisch durch adstringierende Externa (TannosyntQ-Sitzbäder), kurzfristige lokale Kortikoidapplikation, Pinselung mit Farbstofflösungen (Sollutio castellani, Malachitgrün) oder bei Pilz- oder Bakteriennachweis mit fungiziden oder desinfizierenden Salben unterstützt werden.
Therapie. Im Vordergrund steht die Behandlung des Grundleidens. Zusätz-
1 B-7.28
Perianale Mykose Perianale Mykose mit typischer scharfer Begrenzung und kleinen »metastatischen« Herdbildungen in der Nachbarschaft.
Prolaps
7.3.9 Prolaps
7.3.9
Analprolaps
Analprolaps
Definition
n Definition. Als Analprolaps wird der Vorfall von Anoderm vor die Anokutangrenze bezeichnet. Er tritt meistens bei Hämorrhoiden 3. oder 4. Grades auf und ist differenzialdiagnostisch von einem Mukosaprolaps, prolabierten Polypen, hypertrophen und prolabierten Analpapillen oder einem Rektum- oder Analkarzinom abzugrenzen ( 1 B-7.29).
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459
7.3.9 Prolaps
1 B-7.29
Analprolaps Analprolaps bei Hämorrhoiden 3. Grades. Die Linea dentata ist zusammen mit dem Anoderm und dem Plexus haemorrhoidalis zwischen 6 und 12 Uhr Steinschnittlage vor den Analkanal prolabiert und gleitet nicht mehr spontan zurück.
Diagnose. Im Rahmen der Inspektion fällt das typische radiäre Faltenmus-
Diagnose. Im Rahmen der Inspektion fällt das typische radiäre Faltenmuster auf rosa bis weißlicher Analkanalhaut auf. Differenzialdiagnostisch ist der Rektumprolaps mit dem typischen zirkulären Faltenverlauf auszuschließen.
Therapie. Der Analprolaps wird wie Hämorrhoiden 3. oder 4. Grades durch
eine Sklerosierungstherapie, eine Gummiligaturbehandlung oder eine Operation mit oder ohne plastische Analkanalrekonstruktion behandelt.
Therapie. Der Analprolaps wird wie Hämorrhoiden 3. oder 4. Grades mit Sklerosierungstherapie, Gummiligaturbehandlung oder Operation behandelt.
Rektumprolaps (s. a. Kap. B-6.7.3)
Rektumprolaps (s. a. Kap. B-6.7.3)
ter auf rosa bis weißlicher Analkanalhaut auf (im Gegensatz dazu: zirkuläres Faltenmuster von roter, feuchter Rektumschleimhaut beim Rektumprolaps). Durch eine Prokto- und Rektoskopie werden die differenzialdiagnostisch zu erwägenden Erkrankungen (Anal- oder Rektumkarzinom, prolabierende Polypen oder hypertrophe, prolabierte Analpapillen) ausgeschlossen.
n Definition. Der Rektumprolaps zeichnet sich durch einen Vorfall aller Darmwandschichten vor die Sphinkterebene aus, zuerst nur beim Pressen, Husten oder Niesen, später auch spontan ( 1 B-7.30).
1 B-7.30
Definition
Rektumprolaps Typischer Rektumprolaps mit Vorfall des gesamten Mastdarmes und zirkulärem Faltenverlauf.
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460 Ätiologie und Pathogenese. Der Rektumprolaps ist fast immer mit einer globalen Beckenbodeninsuffizienz vergesellschaftet. Prädisponierende Faktoren des Rektumprolaps sind: π chronische Obstipation π Descensus perinei π Enteroptose π Beckenbodeninsuffizienz. Der kindliche Rektumprolaps wird durch eine mangelnde Fixierung und Angulation des Rektums bei noch nicht abgeschlossener Maturation erklärt.
7 Anus
Ätiologie und Pathogenese. Er ist fast immer vergesellschaftet mit einer
Sphinkter- und/oder globalen Beckenbodeninsuffizienz, die die begleitend auftretenden Inkontinenzerscheinungen erklären. Diese werden durch sensible Ausfälle, ausgelöst durch intramurale Nervenkompression im Rahmen des Prolapsgeschehens, verstärkt. Als prädisponierende Faktoren sind folgende Punkte zu nennen: chronische Obstipation, Descensus perinei, Enteroptose und muskuläre Beckenbodeninsuffizienz. Durch die ständige mechanische Alteration des prolabierten Darms kann es zu Ulzera auf dem Prolaps, Blutungen und Granulationsgewebswucherungen kommen. Von diesen Formen des Rektumprolaps, der durch Insuffizienzen der physiologischen Haltestrukturen des Beckenbodens entsteht, ist der kindliche Rektumprolaps abzugrenzen. Er wird durch eine noch mangelnde Maturation, die zu einer fehlenden oder noch nicht ausreichenden Angulation des Rektums führt, ausgelöst. Der Pressdruck des Kindes wird so direkt auf den Sphinkterapparat übertragen und das noch nicht ausreichend fixierte Rektum durch die intakte Beckenboden- und Schließmuskulatur hindurchgepresst.
Symptome. Die Symptome des Rektumprolapses sind Blutungen, Inkontinenz, Nässen, Juckreiz und Schmerzen.
Symptome. Die Patienten berichten über den Vorfall, der meist zuerst bei der Defäkation bemerkt wird. Es kann zu Blutungen, Inkontinenz, Nässen, Juckreiz und Schmerzen kommen. Als Komplikationen sind die Inkarzeration und Nekrose anzuführen.
Diagnose. Beim Pressen ist ein Vorfall von zirkulär gefältelter dunkelroter Schleimhaut mit Schleimsekretion erkennbar ( 1 B-7.30). Eine Koloskopie ist zum Ausschluss oder Bestätigung eines Tumors notwendig (Obstipation als Folge einer Tumorstenose).
Diagnose. Der Patient wird aufgefordert, stark zu pressen. Beim Pressakt
Therapie. Der kindliche Rektumprolaps sollte primär konservativ behandelt werden (Reposition, Stuhlregulation). Nur bei großen, rezidivierenden Vorfällen ist eine Operation indiziert.
Therapie. Der kindliche Rektumprolaps sollte primär konservativ mit Re-
Bei Rektumprolaps im Erwachsenenalter kommen verschiedene Therapieverfahren zur Anwendung: π Rekto- oder Sigmoidopexie π Rektum- oder Sigmaresektion π transanale Prolapsresektion π Beckenbodenraffung π Gummibandligaturtherapie.
läßt sich ein Vorfall von zirkulär gefältelter, dunkelroter Schleimhaut mit starker Schleimsekretion erkennen. In 1 B-7.30 ist ein vollständiger Prolaps des Rektums mit charakteristischer zirkulärer Fältelung zu sehen. Zur Komplettierung der Diagnostik sind eine Koloskopie (Ausschluss oder Bestätigung eines Tumors, der als Stenose eine Obstipation bedingen kann), eine Sphinktermanometrie und Defäkographie (zur Beurteilung der Kontinenzleistung) notwendig.
position und Stuhlregulation behandelt werden, da sich mit abgeschlossener Maturation des Beckenbodens der Prolaps meist spontan gibt. Nur bei großen, rezidivierenden Vorfällen ist eine Operation indiziert. Bei Komplikationen ist selbstverständlich eine operative Intervention angezeigt. Bei Erwachsenen mit einem Rektumprolaps kommen in Abhängigkeit vom Ausmaß des Prolaps und der muskulären Schwächen unterschiedliche Verfahren, zum Teil auch in Kombination miteinander zum Einsatz: π Rektopexie π Sigmoidopexie π Rektumresektion mit dorsalem Zugang π Sigmaresektion π transanale Resektion des Prolaps π Beckenbodenraffung π bei partiellen Prolapsformen auch Versuche mit Gummibandligaturbehandlungen. Zur Möglichkeit des laparoskopischen Vorgehens s. Kap. B-14.9.
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7.3.10 Tumoren des Analbereichs 7.3.10
Tumoren des Analbereichs
7.3.10 Tumoren des Analbereichs
Analkarzinom
Analkarzinom
n Definition. Das Analkarzinom ist ein seltener Tumor des Gastrointestinaltrakts. Seine Häufigkeit liegt bei 5 % aller kolorektalen Tumoren. Es wird nach seiner Lokalisation in Analrand- und Analkanalkarzinome unterschieden ( 1 B-7.31). Histologisch erfolgt eine Unterteilung in Plattenepithelkarzinome (am häufigsten), kloakogene (= basaloide) Karzinome und Adenokarzinome, die von den Proktodealdrüsen ausgehen.
Definition
Da dieser Tumor im Analbereich wächst, ist eine lymphogene Ausbreitung in die Leistenlymphknoten genauso wie in die Iliakal- und Mesenterialregion als erste Lymphknotenstationen möglich.
Das Analkarzinom streut lymphogen in die Leisten-, Iliakal- und Mesenteriallymphknoten.
Symptome. Die häufigsten Beschwerden sind Blutungen, Pruritus, Konti-
Symptome. Patienten klagen über Blutungen, Pruritus, Kontinenzstörungen und verschmierte Unterwäsche.
Diagnose. Die Inspektion und Palpation führen in den meisten Fällen
Diagnose. Inspektion und Palpation führen meist zur Verdachtsdiagnose. Ergänzend ist eine Biopsie zur Sicherung der Diagnose notwendig.
nenzstörungen, verschmierte Unterwäsche und anale Missempfindungen.
bereits zur Verdachtsdiagnose, die durch eine Biopsie im Rahmen einer Rektoskopie gesichert wird. In 1 B-7.31 a ist ein Analkarzinom mit Infiltration des Introitus vaginae (T4) dargestellt.
1 B-7.31
Analkarzinom
b Fortgeschrittenes Stadium eines Analkanalkarzinoms mit zentraler Ulzeration.
a Plattenepithelkarzinom des Analrandes mit Infiltration des Introitus vaginae.
Im weiteren sind eine totale Koloskopie, Palpation der Leisten, Sonographie der Leisten und des Abdomens, eine Röntgenuntersuchung der Lunge und ggf. eine Computertomographie (CT) (Lymphknoten- oder Fernmetastasen?) notwendig.
Zum Ausschluss von Fernmetastasen sind eine Koloskopie, Sonographie, Röntgen-Thoraxuntersuchungen und ggf. eine CT indiziert.
Therapie. Die Therapie des plattenepithelialen oder kloakogenen Analkanalkarzinoms ist primär nicht chirurgisch. Als Therapie der Wahl gilt die Radiotherapie, ggf. optimiert durch eine Afterloading-Behandlung. Bei weiter fortgeschrittenem Stadium ist eine adjuvante Chemotherapie mit 5-Fluorouracil und Mitomycin C notwendig, da nach neueren Untersuchun-
Therapie. Adenokarzinome des Analkanals werden wie Rektumkarzinome behandelt. Die Therapie des plattenepithelialen oder kloakogenen Analkanalkarzinoms ist primär nicht chirurgisch.
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462
7 Anus
Als Therapie der Wahl gilt die Radiotherapie, ggf. optimiert durch eine Afterloading-Behandlung. Eine Rektumamputation wird meist nur noch bei Tumorrest eines Analkarzinoms oder Tumorrezidiven durchgeführt. Analrandkarzinome können lokal reseziert werden, wenn dies ohne Gefährdung der Kontinenz möglich ist. Prognose. Die »Heilungsrate« aller Analkarzinome beträgt ca. 80 %.
gen hiermit die Lebensqualität und tumorfreie Zeit erhöht werden können. Lediglich bei Resttumoren nach Abschluss der Bestrahlung, Adenokarzinomen des Analkanals oder bei Rezidivtumoren ist eine Rektumamputation indiziert. Analrandkarzinome können dann lokal reseziert werden, wenn dies mit einem Sicherheitsabstand von 1–2 cm ohne Gefährdung der Kontinenz möglich ist. Sonst ist ein Vorgehen analog zum Analkanalkarzinom vorzuziehen.
Seltene Tumoren des Analbereichs
Seltene Tumoren des Analbereichs
Differenzialdiagnostisch zum Analkarzinom sind folgende Tumoren abzugrenzen: π Morbus Paget π Morbus Bowen π Sarkome π maligne Melanome. Eine maligne Entartung ist besonders im Bereich von Ulzerationen möglich.
Differenzialdiagnostisch sind der Morbus Paget und der Morbus Bowen vom Analkarzinom abzugrenzen. Sie stellen sich als ekzemähnliche perianale Veränderungen dar, die eine schuppende Oberfläche haben. Eine maligne Entartung ist besonders im Bereich von Ulzerationen möglich. Die Diagnose läßt sich nur histologisch verifizieren. Sarkome und Melanome der Analregion sind sehr seltene Malignome mit ausgesprochen schlechter Prognose. Sie fallen durch eine ähnliche Klinik wie Analkarzinome auf.
7.3.11 Defäkationsstörungen
7.3.11
Definition
Prognose. Die 5-Jahres-Überlebensrate nach radikaler Therapie – ohne
nachweisbaren Resttumor – beträgt heute ca. 80 %. Bei ca. 20–30 % der Patienten liegen zum Diagnosezeitpunkt bereits Metastasen vor, die aber mittlerweile bei ca. 30 % heilbar sind. Die »Heilungsrate« aller Analkarzinompatienten ist somit von 30 % vor zehn Jahren auf heute 80 % angestiegen.
Defäkationsstörungen
n Definition. Als Defäkationsstörung bezeichnet man die Unfähigkeit, Ort und Umstände der Stuhlentleerung zu kontrollieren, also willentlich herbeizuführen oder zu unterdrücken. Somit fallen sowohl die Inkontinenz wie auch die chronische Obstipation unter diese Definition.
1 B-7.32
Synopsis Regelkreis zur Physiologie des Defäkationsmechanismus
intraluminale Druckzunahme Zunahme der Rektumfüllung
Rektumdistension
Zunahme der Kolonpropulsion
Internusrelaxierung
Stuhldrang
ZNS-Steuerung
Stuhleindickung
Levator- und ExternusKontraktion
Levator- und ExternusErschlaffung
Rektumampullenadaptation
Bauchpresse
Kontinenz
Defäkation
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7.3.11 Defäkationsstörungen
Physiologie der Defäkation. Durch eine große Kolonbewegung wird Stuhl-
gang in die Rektumampulle befördert. Dies führt zu einer mechanischen Dehnung der Ampulle (Distension), die reflektorisch eine Relaxierung des inneren Schließmuskels auslöst. Die Dehnung der Rektumampulle und die Internusrelaxierung werden subjektiv als Stuhldranggefühl wahrgenommen, was zum einen zu einer Zunahme der Kolonpropulsivmotorik und zum anderen zu einem bewussten Entscheidungsmechanismus führt. Soll eine Defäkation eingeleitet werden, so findet eine willkürliche Erschlaffung der quergestreiften Externus- und Levatormuskulatur statt, sodass durch Betätigung der Bauchpresse die Stuhlsäule ausgetrieben werden kann. Soll eine Defäkation vermieden werden, so wird zentral gesteuert eine Tonuszunahme von Levator- und Externusmuskulatur eingeleitet. Außerdem findet eine reflektorische Tonussenkung der glatten Muskulatur der Rektumampullenwand statt (Adaptationsreflex), die zu einer vermehrten Aufnahmekapazität der Ampulle führt. Durch die Stuhlgangsretention kommt es zu einer Stuhleindickung, die wiederum zu einer intraluminären Druckzunahme führt ( 1 B-7.32).
Physiologie der Defäkation. Ein Druckanstieg in der Rektumampulle führt reflektorisch zu einer Relaxierung des inneren Schließmuskels und konsekutiv zu einer verminderten Füllung des Corpus cavernosum. Hierdurch tritt Stuhl in den oralen sensiblen Bereich des Analkanals ein, sodass eine Diskriminierung erfolgen kann (Probierreflex). Ist eine Defäkation zum gegebenen Zeitpunkt nicht erwünscht, so wird der Tonus von äußerem Schließmuskel und Beckenbodenmuskulator erhöht, was sich chronifizieren und somit zur habituellen Obstipation führen kann. Durch willentliche Entspannung von der äußeren Schließmuskulatur und Beckenbodenmuskulatur erfolgt die Einleitung der Defäkation ( 1 B-7.32).
Incontinentia alvi
Incontinentia alvi
n Definition. Die Incontinentia alvi wird als Unfähigkeit bezeichnet, den Stuhl willentlich zurückzuhalten. Besteht diese Unfähigkeit aufgrund einer Schwäche oder Ausfall eines oder mehrerer Bestandteile des Kontinenzorgans, so wird dies als Inkontinenz im engeren Sinne bezeichnet.
Ätiologie und Pathogenese. Eine Inkontinenz, die durch eine momentane
Überlastung des sonst intakten Kontinenzorgans entsteht, nennt man symptomatische Inkontinenz. Ursachen hierfür können sein: starke Diarrhöen (Reservoirfunktion ist durch die anfallende Stuhlmenge überfordert), Obstipation (Überlaufenkopresis) und neurologische Störungen, die eine Funktionsstörung bei sonst intaktem Kontinenzorgan bewirken können. Bei der Inkontinenz im engeren Sinne liegt eine Störung eines Bestandteils des Kontinenzorgans vor. Es kann sich dabei um eine Schädigung des muskulären Sphinkter- und Beckenbodenapparates handeln, um eine Störung der anorektalen Sensibilität, um einen Verlust der Reservoirfunktion, eine Störung des mechanischen Analkanalverschlusses oder um idiopathische Veränderungen ( 2 B-7.4 – 2 B-7.7) handeln. Eine Störung der sensorischen Kontinenz ( 2 B-7.4) kann durch Verlust des Erfolgsorgans (Anodermverlust), durch Behinderung der Reizübermittlung (neurogene Sensibilitätsstörung) oder durch mechanische Behinderung der Sensation bei intaktem Sensorium (Behinderung der anorektalen Sensorik) erfolgen. Die zugrunde liegenden Ursachen müssen differenzialdiagnostisch genau abgeklärt werden. Bei der myogenen Inkontinenz ( 2 B-7.5) werden neben rein mechanischen, nur Teile des Sphinkterapparates betreffenden Defekten auch Störungen der Funktion ganzer Muskelgruppen unterschieden. So trennt man die isolierte Analsphinkterinsuffizienz von der generalisierten Beckenbodenmuskulaturschwäche und der neurogen verursachten motorischen Inkontinenz. Als mechanische Inkontinenz ( 2 B-7.6) werden die Inkontinenzformen bezeichnet, bei denen ein intakter Sphinkterapparat und ein intaktes Sensorium vorliegen, es aber trotzdem zu einer klinischen Inkontinenz kommt. Als Ursache hierfür können einerseits Stuhldränagerinnen dienen, die Stuhlgang zwischen den Sphinkteren in narbigen Falten nach außen gelangen lassen (Schlüssellocheffekt). Ein Verlust des Anorektalwinkels führt zu einem verstärkten Druck der Stuhlsäule auf die Sphinktermuskulatur und kann so bei intraabdomineller Druckerhöhung zu einer Überschreitung der Kompensationsreserve der Schließmuskulatur und somit zu einem Stuhlaustritt führen.
Definition
Ätiologie und Pathogenese. Symptomatische Inkontinenz entsteht durch eine momentane Überlastung des sonst intakten Kontinenzorgans. Die Ursachen hierfür können starke Diarrhöen (Überforderung durch die anfallende Stuhlmenge), Obstipation (Überlaufenkopresis) und neurologische Störungen sein. Bei der Inkontinenz im engeren Sinne liegt eine Störung eines Bestandteiles des Kontinenzorgans vor, z.B. bei einer Schädigung des muskulären Sphinkter- und Beckenbodenapparates, einer Störung der anorektalen Sensibilität oder einem Verlust der Reservoirfunktion ( 2 B-7.4 – 2 B-7.7).
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464
7 Anus
2 B-7.4
Ursachen der sensorischen Inkontinenz
Ursache
Diagnosen
Untersuchungen
N neurogene n Sensibilitätsstörung
Polyneuropathie, radikuläre Syndrome, vertebraler Diskusprolaps, Querschnittssyndrom
neurologische Untersuchung, EMG, NLG
N Anodermverlust n
Analatresie, proktologische Voroperationen (Whitehead-Op), Tumordestruktion
Anamnese, Ano- und Proktoskopie
N Behinderung der n anorektalen Sensorik
Hämorrhoiden, Proktitis, exophytisch wachsende Tumoren, Prolaps
Prokto- und Rektoskopie, Defäkogramm, Pressversuch
2 B-7.5
Ursachen der myogenen Inkontinenz
Ursache
Diagnosen
Untersuchungen
N Sphinkterläsionen n
proktologische Voroperationen, Pfählungstraumata, Episiotomie, Dammriss
Ano-/Proktoskopie, Manometrie, EMG, Endosonographie
N isolierte Analsphinktern insuffizienz
Sphinkterläsionen, (idiopathische) Altersinvolution, Prolaps
Manometrie, EMG, Defäkogramm, Endosonographie
N generalisierte Beckenn bodeninsuffizienz
Prolaps, Descending-perineum-Syndrom (DPS)
Manometrie, EMG, Defäkogramm, Pressversuch
N neurogene motorische n Sphinkterinsuffizienz
DPS, Polyneuropathie, radikuläre Syndrome, vertebraler Diskusprolaps, Querschnittssyndrom
neurologische Untersuchung, Manometrie, EMG, Defäkogramm
N Sphinkteragenesie n
Analatresie
Ano-/Proktoskopie, Manometrie, EMG, Endosonographie
2 B-7.6
Ursachen der mechanischen Inkontinenz
Ursache
Diagnosen
Untersuchungen
N Dränagerinnen n
proktologische Voroperationen (Schlüssellocheffekt)
Anamnese, Inspektion, Ano-/ Rektoskopie
N Verlust des Anorektaln winkels
Descending-perineum-Syndrom (DPS) Rektumprolaps, tiefe Resektion
Defäkographie, Pressversuch
N absoluter Rektumresern voirfunktionsverlust
Rektumoperationen, Proktitis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, extramurale Tumoren
Manometrie, Defäkographie, Endosonographie
N relativer Rektumresern voirfunktionsverlust
Diarrhö, enterokolische Fisteln
Koloskopie, hypotone Dünndarmdarstellung
N Sphinkterbypass n
rektokutane oder rektovaginale Fisteln (z.B. Morbus Crohn, radiogene Fisteln)
Proktoskopie, Endosonographie, Fistulographie, Defäkographie
2 B-7.7
Ursachen der neurogenen Inkontinenz
Ursache
Diagnosen
Untersuchungen
N peripherer n Nervenschaden
Plexus-/Nervus-pudendus-Läsion
neurologische Untersuchung, EMG, NLG
N rückenmarksnaher n Nervenschaden
Konus-Kauda-Syndrom
neurologische Untersuchung, EMG, NLG, evtl. CT
N zentraler n Nervenschaden
Apoplex, zentrale Einblutungen, Altersinkontinenz, HOPS, Demenz
neurologische Untersuchung, psychiatr. Untersuchung, evtl. CT
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465
7.3.11 Defäkationsstörungen Bei einer Reduzierung des Volumens, das die Rektumampulle fassen kann – sei es durch intra- oder extraluminäre Narben oder Raumforderungen – spricht man von einem absoluten Rektumreservoirfunktionsverlust. Wenn durch einen vermehrten Anfall von Stuhlbrei das an sich normale Fassungsvermögen der Rektumampulle und die Reservoirfunktion überfordert wird und es so zum Stuhlgangsaustritt kommt, so wird dies relativer Rektumreservoirfunktionsverlust genannt. Eine weitere Ursache für Stuhlabgang bei intaktem Kontinenzorgan sind Fisteln, die den Stuhl wie ein Bypass an den Sphinkteren vorbei nach außen gelangen lassen. Bei neurogenen Störungen ( 2 B-7.7) muss zwischen peripheren, rückenmarksnahen und zentralen Störungen unterschieden werden. Die Incontinentia alvi wird in 2 Schweregrade eingeteilt: Die Feinkontinenzstörung mit der Unfähigkeit, Winde und flüssigen Stuhl zu kontrollieren, und die Grobkontinenzstörung, bei der auch fester Stuhlgang nicht mehr zurückgehalten werden kann.
Diagnose. Bei Patienten mit Inkontinenzproblemen ist neben der vollständigen Anamneseerhebung und proktologischen Untersuchung – zur Erkennung organischer Ursachen einer symptomatischen Inkontinenz – eine Sphinktermanometrie zur Erfassung der Sphinkterfunktion und Reservoirfunktion ggf. ergänzt durch eine Elektromyographie (EMG) indiziert. Zusätzlich kann eine Endosonographie zur Feststellung von Sphinkterläsionen und eine Defäkographie zur Beurteilung der Beckenbodenfunktion durchgeführt werden.
Therapie. Die Therapie der Inkontinenz richtet sich nach ihrer Ursache.
Man unterscheidet eine Feinkontinenzstörung (Inkontinenz für Winde und flüssigen Stuhl) von einer Grobkontinenzstörung (Inkontinenz auch für festen Stuhl).
Diagnose π Anamnese π proktologische Untersuchung π Manometrie π EMG π Endosonographie π Defäkographie.
Therapie Stuhlgangsregulation π Beckenbodentraining π Elektrostimulation π Biofeedback π operative Rekonstruktionsverfahren π Sphinkterplastiken.
Zunächst müssen organische Ursachen (Tumoren, Prolaps) beseitigt werden. Eine Stuhlgangsregulation und Beckenbodentraining, evtl. durch Biofeedback oder Elektrostimulationsbehandlungen unterstützt, bilden in jedem Fall eine unabdingbare Voraussetzung für einen Therapieerfolg. Bei nachgewiesener Sphinkter- oder Beckenbodenstörungen sind operative Rekonstruktionsverfahren oder Sphinkterplastiken möglich. Letztendlich gelingt in den meisten Fällen jedoch nur eine Verbesserung der Kontinenzleistung, ohne eine vollständige Wiederherstellung des Analverschlusses zu gewährleisten.
π
Obstipation
Obstipation
Ätiologie. Die chronische Obstipation kann sowohl durch eine Störung der Darmmotilität und mechanische Passagebehinderungen als auch durch eine Störung des Defäkationsvorgangs selbst hervorgerufen werden.
π
Diagnose. Störungen des Defäkationsvorgangs werden durch die gleichen
Ätiologie Störung der Darmmotilität π mechanische Passagebehinderung π Störung des Defäkationsmechanismus. Diagnose Inkontinenzdiagnostik π Koloskopie π Kolonpassagezeit π oral-anale Passagezeit.
Untersuchungen wie bei der Inkontinenzdiagnostik ausgeschlossen. Stenosen im Kolon werden durch eine Koloskopie oder Kolondoppelkontrasteinlauf erkannt. Die Ermittlung der Kolonpassagezeit mittels röntgendichter Marker dient zur Erkennung von Kolonmotilitätsstörungen. Die sehr seltenen Dünndarmmotilitätsstörungen lassen sich durch die Ermittlung der oralanalen Passagezeit erkennen.
π
Therapie. Der häufigste Grund für eine chronische Obstipation ist eine Kombination aus einer funktionellen Störung der Defäkation und einem chronischen diätetischen Fehler, der zu einer Stuhlverhärtung führt.
Therapie
n Merke. Die ausführliche Aufklärung über Ernährung und Stuhlgangsgewohnheiten (1 « Stuhlgang in der Woche kann ebenso wie 2–3 Stühle täglich normal sein, wenn keine klinischen Beschwerden bestehen!) ist absolute Voraussetzung für jeden Therapieversuch.
Merke
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466
7 Anus
Bei funktionellen Störungen des Beckenbodens erscheint die Biofeedback-Behandlung sehr vielversprechend. Organische Ursachen müssen operativ beseitigt werden.
Bei funktionellen Störungen des Beckenbodens erscheint die BiofeedbackBehandlung sehr vielversprechend. Liegen organische Ursachen wie Stenosen vor, so müssen diese beseitigt werden. Im Falle von segmentalen Darmmotilitätsstörungen im Sinne von Dysganglionosen ist in seltenen Fällen auch eine Resektion angezeigt.
7.3.12 Anorektale Schmerzsyndrome
7.3.12
Kokzygodynie
Kokzygodynie
Bei der Kokzygodynie treten anfallsweise heftige Schmerzen im Bereich des Steißbeins, seltener am Übergang zum Kreuzbein auf. Bisweilen findet sich ein in Richtung Rektum abgewinkeltes Steißbein.
Bei der Kokzygodynie treten anfallsweise heftige Schmerzen im Bereich des Steißbeins, seltener am Übergang zum Kreuzbein auf. Anamnestisch wird oft ein Sturz auf das Sakrum/Kokzygeum angegeben Bei der Untersuchung lässt sich bei einem Teil der Patienten ein in Richtung Rektum abgewinkeltes Steißbein tasten. Die Kokzygodynie tritt gehäuft bei Frauen im mittleren Alter auf und wird von neurotischen Krankheitszügen begleitet.
Therapie. Die therapeutischen Bemühungen führen in nur ca. 50 % der Fälle zu einer Beschwerdelinderung. Zur Anwendung kommen digitale Einrenkungsversuche, Lokalanästhetika, Akupunktur, Röntgenreizbestrahlung und systemische Antiphlogistikagaben.
Therapie. Die therapeutischen Bemühungen führen in nur 50 % der Fälle zu einer Beschwerdelinderung, eine Heilung wird extrem selten erreicht, sodass die meisten Patienten oft langwierige Leidensverläufe haben. Zur Anwendung kommen digitale Einrenkungsversuche des Steißbeins von rektal, lokale Applikationen von Lokalanästhetika, Akupunktur, Röntgenreizbestrahlung, systemisch Antiphlogistikagaben und als Ultima ratio die Exstirpation des Steißbeins.
Proctalgia fugax
Proctalgia fugax
Anorektale Schmerzsyndrome
Synonym: Proctalgia nocturna Die Proctalgia fugax tritt anfallsartig typischerweise nachts mit krampfartigen Schmerzen im Mastdarmbereich auf. Sie tritt häufig zusammen mit psychovegetativen und -somatischen Erkrankungen auf.
Die Proctalgia fugax wird auch Proctalgia nocturna genannt, da sie typischerweise nachts mit krampfartigen Schmerzen im Mastdarmbereich auftritt, oft mit Stuhldranggefühl gepaart. Dieses anfallsartig auftretende und nach wenigen Minuten spontan nachlassende Geschehen wird besonders bei Männern in Kombination mit psychovegetativen und -somatischen Veränderungen oder im Rahmen anderer pelviner Syndrome (Prostatitis) beobachtet.
Therapie. Als therapeutische Ansätze werden Sitzbäder, Spasmolytika, Nitropräparate und Tranquilizer verwendet.
Therapie. Die Behandlung mit warmen Sitzbädern, Spasmolytika und Tranquilizern führt nur selten zu einer Besserung. Besteht gleichzeitig ein proktologisches Leiden (z.B. vergrößerte Hämorrhoiden), so tritt nach Behandlung dieser Erkrankung bisweilen eine Besserung auf. Neuere Therapieversuche mit Nitroglycerinpräparaten zeigen aber bessere Erfolge, als die bisher üblichen Methoden.
Analneurosen
Analneurosen
Definition
Diese Patienten zeigen fast immer ein buntes Bild von proktologischen Therapieversuchen bis hin zu mehrfachen Operationen.
n Definition. Die krankhafte Fixierung auf anale Missempfindungen bei fehlendem oder nur inadäquatem organpathologischem Korrelat bezeichnet man als Analneurose.
In der Vorgeschichte zeigen diese Patienten fast immer ein buntes Bild von proktologischen Therapieversuchen bis hin zu mehrfachen Operationen bei unterschiedlichsten Ärzten, ohne jemals eine anhaltende Besserung erlebt zu haben. Im psychotherapeutischen Sprachgut werden solche Patienten auch als »Expertkiller« bezeichnet, da sie Spezialist um Spezialist konsultieren, ohne dass jemals eine Ursache für ihre Beschwerden gefunden wird. Über den psychologischen Hintergrund besteht noch keine eindeutige Klarheit, es werden aber neurotische Persönlichkeitsstrukturen wie etwa Zwangscharaktere gehäuft bei solchen Patienten beschrieben.
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7.3.11 Defäkationsstörungen
Therapie. Somatische Behandlungen bergen die Gefahr, den Patienten weiter auf seine Probleme zu fixieren. Ein Ausreden der Beschwerden ist nicht möglich, sodass ein Eingehen auf den Patienten mit klärenden Gesprächen ohne Bagatellisierungstendenz mit dem Ziel, eine Akzeptanz der Beschwerden durch den Patienten zu erreichen, am sinnvollsten erscheint. Dies lässt sich konsequenterweise am ehesten durch eine psychosomatische Gesprächstherapie erzielen.
467 Therapie. Somatische Behandlungen bergen die Gefahr, den Patienten weiter auf seine Probleme zu fixieren. Eine Befundbesserung lässt sich am ehesten durch eine psychosomatische Gesprächstherapie erzielen.
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469
Gallenblase und Gallenwege
8
8
Gallenblase und Gallenwege
Grundlagen
8.1
Grundlagen
Topographische Anatomie der Gallenblase und der Gallenwege
8.1.1 Topographische Anatomie der Gallenblase und der Gallenwege
Eva Schweizer, Doris Henne-Bruns 8.1 8.1.1
Die Gallenblase – Vesica fellea – ist ein birnenförmiges Hohlorgan und befindet sich bei normaler Lage in einer Grube an der Leberunterfläche des rechten Leberlappens im Bereich des Segmentes V. Sie speichert das Gallensekret und führt zu einer Konzentration des Sekretes durch Wasserreabsorption. Dadurch kann das Gallensekret hoch konzentriert werden, wie es für die Absorption von Fetten benötigt wird.
1 B-8.1
Die Gallenblase – Vesica fellea – befindet sich an der Leberunterfläche (Segment V). Sie speichert Gallensekret und konzentriert dieses durch Wasserreabsorption. Das konzentrierte Gallensekret wird für die Fettabsorption benötigt.
Synopsis Verlaufs- und Mündungsvarianten des Ductus cysticus und Ductus hepaticus communis
3
3
3 2
2
2 1
1
a Verlauf und Kreuzung des Ductus cysticus vor dem Ductus hepaticus communis und Mündung von links.
1 c Langstreckiger Parallelverlauf von Ductus cysticus und Ductus hepaticus communis; gleichzeitig tiefe Vereinigung von Leber- und Gallenblasengang und relativ kurzer Ductus choledochus.
b Verlauf und Kreuzung des Ductus cysticus hinter dem Ductus hepaticus communis und Mündung von links.
6 5
4
5
4
4
5 3
7
2
1
3
3
7
2
1
2
1
d Variabilität beim Zusammenschluss der Ductus hepatici zum Ductus hepaticus communis. 1 2 3 4
Ductus choledochus Ductus cysticus Ductus hepaticus communis Ductus hepaticus sinister
5 Ductus hepaticus dexter 6 R. anterior 7 R. posterior
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470
8 Gallenblase und Gallenwege
Die Gallenblase wird in Fundus, Korpus und Kollum unterteilt.
Nach Bildung der Galle in den Hepatozyten gelangt diese über die intrahepatischen Gallengänge, den rechten und linken Ductus hepaticus in den Ductus hepaticus communis. Nach Einmündung des D. cysticus der Gallenblase wird dieser D. choledochus genannt. Nach Unterkreuzung des Duodenums mündet er mit dem D. pancreaticus an der Papilla duodeni major (Papilla Vateri) in das Duodenum. Varianten s. 1 B-8.1. Die arterielle Versorgung der Gallenblase erfolgt durch die A. cystica, einem Ast der A. hepatica dextra. Die Blutversorgung unterliegt einer großen Variationsbreite ( 1 B-8.2).
1 B-8.2
Die Gallenblase wird in Fundus, Korpus und Kollum unterteilt. Der Fundus überragt in der Regel den ventralen Leberrand um 1–1,5 cm. Bis auf die Verwachsungsfläche mit der Leber wird die Gallenblase von Peritoneum überzogen. Die Gallenblase wird von einer Mukosa ausgekleidet, die multipel gefältelt ist und aus säulenförmigen epithelialen Zellen besteht. Sie ist für die Konzentration des Gallensekretes (Wasserreabsorption) von Bedeutung. Die Gallenblasenwand besteht aus Mukosa, Lamina propria, Tunica muscularis und Tunica serosa. Tubuloalveoläre Drüsen finden sich im Gallenblasenhals und spielen bei der Produktion von Muzinen eine Rolle. Das Gallensekret wird in den Hepatozyten gebildet und gelangt über die intrahepatischen Gallengänge in den rechten und linken Ductus hepaticus, welche sich im Bereich der Leberpforte zum Ductus hepaticus communis vereinigen. Die Gallenblase ist im Nebenschluss über den Ductus cysticus mit dem Hauptgallengang verbunden, der ab der Eintrittstelle des Ductus cysticus Ductus choledochus genannt wird. Nachdem der Ductus choledochus das Duodenum unterkreuzt hat, mündet er in etwa 80–90 % der Fälle gemeinsam mit dem Ductus pancreaticus an der Papilla duodeni major – Papilla Vateri –, welche sich im mittleren Teil des absteigenden Duodenums befindet. Dabei können sich die beiden Gänge vor der Papillenöffnung oder unmittelbar im Porus papillae vereinigen oder auch getrennt einmünden. Varianten s. 1 B-8.1. Die arterielle Versorgung der Gallenblase erfolgt im Normalfall durch die A. cystica, einem Ast der A. hepatica dextra. Für die chirurgische Präparation ist zu beachten, dass die Blutversorgung einer großen Variation von Ursprung, Anzahl und Lage der Gefäße unterliegt (in etwa der Hälfte der Fälle Abweichung von der Norm [ 1 B-8.2]).
Synopsis Ursprungs- und Verlaufsvarianten der A. cystica
5
5 7 8
5 7
7 8
6
4
4
8 4
6
6 9 9
1
3
9 1
3
2
2
1
3 2
a Ursprung der A. cystica von der A. hepatica propria; Verlauf des R. dexter dorsal vom Ductus hepaticus communis.
b »Später« Abgang der A. cystica aus dem R. dexter, der den Ductus hepaticus communis ventral überkreuzt.
c Ursprung der A. cystica von der Gabel der A. hepatica propria; Verlauf des R. dexter dorsal vom Gallengang.
1 A. hepatica communis 2 A. gastroduodenalis 3 A. gastrica dextra
4 A. hepatica propria 5. R. dexter 6 A. cystica
7 R. sinister 8 Ductus hepaticus communis 9 Ductus choledochus
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8.1.3 Apparative Diagnostik 8.1.2
Physiologie und Pathophysiologie
Das Gallensekret ist eine wässrige, isoosmotische Lösung, bestehend aus Wasser, anorganischen Elektrolyten und organischen Bestandteilen, wie Gallensäuren, Cholesterin, Bilirubin und Biliverdin. Das Gallensekret ist essenziell für die Exkretion bestimmter endogener Abbauprodukte wie z.B. Bilirubin, Biliverdin (Abbauprodukte des Hämoglobins), aber auch für die Sekretion von Immunglobulin A und vieler Medikamente und Toxine. Gallensäuren und Gallenfarbstoffe werden ausschließlich in der Leber gebildet und nach ihrer Sekretion über das Gallengangssystem in den Darm von dort zu etwa 80–90 % rückresorbiert (enterohepatischer Kreislauf). Die Gallensäuren, ein Endprodukt des Cholesterinstoffwechsels, spielen als Detergenzien für die Emulgierung und damit für die Verdauung ingestierter Fette eine wichtige Rolle. Sie bilden mit Monoglyzeriden und den fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K) wasserlösliche Komplexe, sog. Mizellen, und ermöglichen dadurch ihre Resorption. Innerhalb von 24 Stunden werden etwa 500–1500 ml Galle in das Duodenum sezerniert, wobei die Abgabe über die im Duodenum gebildeten Peptidhormone Sekretin und Cholezystokinin reguliert wird. Sekretin erhöht den Gallenfluss. Cholezystokinin bewirkt eine Kontraktion der Gallenblase und gleichzeitig eine Erschlaffung des Sphincter Oddi. Das Hormon wird durch die im Speisebrei enthaltenen Lipide und Proteine freigesetzt. Daneben wird die Gallenblasen- und Sphinkterkinetik noch durch weitere Enterohormone (Gastrin, vasoaktives intestinales Polypeptid [VIP], Somatostatin) und den N. vagus beeinflusst.
8.1.3
Apparative Diagnostik
8.1.2
Physiologie und Pathophysiologie Das Gallensekret ist eine wässrige isoosmotische Lösung aus Wasser, Elektrolyten, Gallensäuren, Cholesterin, Biliverdin und Bilirubin.
Gallensäuren und Gallenfarbstoffe unterliegen einem enterohepatischen Kreislauf (Rückresorption von 80–90 %). Die Gallensäuren emulgieren ingestierte Fette im Darm. Sie bilden mit Monoglyzeriden, Fettsäuren und den fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K) wasserlösliche Komplexe, sog. Mizellen und ermöglichen dadurch ihre Resorption. Es werden täglich 500–1500 ml Gallensekret in das Duodenum sezerniert. Die Abgabe wird durch Sekretin, Cholezystokinin, Gastrin, VIP, Somatostatin und den N. vagus beeinflusst.
8.1.3
Apparative Diagnostik
Sonographie
Sonographie
Die Sonographie ist das wichtigste bildgebende Verfahren in der Diagnostik von Leber- und Gallenwegserkrankungen, da sie nicht invasiv ist, keine Strahlenbelastung beinhaltet und dadurch auch wiederholte Anwendungen ermöglicht. Für den Nachweis von Gallenblasensteinen und Gallenblasengries (Sludge) ist die Ultraschalluntersuchung die sensitivste Untersuchungsmethode (90–95 % Sensitivität). Gallenblasensteine sind ab einer Größe von 2–3 mm als intraluminäre echodichte Reflexe mit Schallschatten zu erkennen ( 1 B-8.3). Als Korrelat für eine Cholezystitis gilt eine Wandverdickung der Gallenblase sowie ein entzündlicher Flüssigkeitssaum um die Gallenblase. Der Nachweis von Choledochuskonkrementen ist schwieriger und gelingt nur in 50–55 %. Bei adipösen Patienten oder Darmgasüberlagerung kann die Interpretation schwierig sein. Neben Konkrementen lassen sich auch Raum-
Die Sonographie ist das wichtigste bildgebende Verfahren in der Diagnostik von Leber- und Gallenwegserkrankungen.
1 B-8.3
Für den Nachweis von Gallenblasensteinen und Gallenblasengries (Sludge) ist die Ultraschalluntersuchung die sensitivste Untersuchungsmethode (90–95 % Sensitivität). Gallenblasensteine sind ab einer Größe von 2–3 mm als intraluminäre echodichte Reflexe mit Schallschatten zu erkennen ( 1 B-8.3). Wandverdickung und entzündlicher Flüssigkeitssaum um die Gallenblase sind typisch für eine Cholezystitis.
Sonographische Darstellung von Gallenblasensteinen (Á)
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8 Gallenblase und Gallenwege forderungen der Gallenblase (Polyp, Karzinom) und Wandverdickungen (z.B. bei Cholezystitis) sonographisch nachweisen.
Endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP)
Endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP)
Zur weiteren Abklärung einer Cholestase oder bei sonographisch erweiterten Gallengängen schließt sich eine ERCP an.
Bei klinischem und laborchemischem Hinweis auf eine Cholestase und sonographischem Nachweis erweiterter Gallengänge wird man zur weiteren Abklärung der zugrunde liegenden Ursache (Stein, entzündliche Stenosen oder Malignome) eine ERCP anschließen. Die ERCP gilt als diagnostischer Standard zur Erkennung einer Choledocholithiasis, einer chronischen Pankreatitis und von Tumoren der Gallenwege und des Pankreas. Hierzu wird das Endoskop über Ösophagus und Magen bis in das Duodenum vorgeschoben. Nach Identifizierung der Papilla Vateri wird diese sondiert, danach werden die Gallengänge retrograd mit Kontrastmittel gefüllt (ERC). Ggf. ermöglicht die zusätzliche Darstellung des Pankreasganges (ERP) eine Beurteilung dieses Organs. Durch die ERCP lässt sich neben der Ursache der Gallenwegsobstruktion die exakte Höhenlokalisation der Einengung des Gallenganges feststellen. Darüber hinaus ergibt dieses Verfahren weitere Informationen durch Inspektion des Duodenums und der Papilla Vateri. Zusätzlich können Gewebeproben und Sekret für anschließende histologische, zytologische bzw. bakteriologische Untersuchungen gewonnen werden. Je nach Ursache der Obstruktion lassen sich in gleicher Sitzung endoskopisch-therapeutische Maßnahmen durchführen, etwa die Papillotomie oder Steinextraktion bei Choledochlithiasis sowie die Pigtaildränage bei tumorösen Gallenwegsobstruktionen. Komplikationen sind: Blutung nach Papillotomie, aszendierende Cholangitis, Pankreatitis, duodenale Perforation, Kontrastmittelunverträglichkeit.
Mit der ERC werden die Gallengänge, mit der ERP der Pankreasgang dargestellt. Durch die ERCP lässt sich neben der Ursache der Gallenwegsobstruktion eine exakte Höhenlokalisation der Einengung des Gallenganges feststellen und ggf. in gleicher Sitzung die Therapie anschließen (z.B. Papillotomie, Steinextraktion bei Choledocholithiasis). Komplikationen sind: Blutung, aszendierende Cholangitis, Pankreatitis, duodenale Perforation, Kontrastmittelunverträglichkeit.
Perkutane transhepatische Cholangiographie (PTC) Bei gestautem intrahepatischem Gallengangssystem kann man die Gallenwege antegrad über die direkte Punktion und Kontrastmittelapplikation darstellen. Diese Untersuchung ist indiziert, wenn eine retrograde Cholangiographie nicht möglich ist. Bei Erweiterung der Gallengänge kann das Gallensekret mittels einer Dränage abgeleitet und das Gallengangssystem entlastet werden.
Komplikationen können sein: Leberverletzung, Hämobilie, Nachblutung, Gallenfistel, Infektion.
Perkutane transhepatische Cholangiographie (PTC) Eine weitere Möglichkeit der direkten Gallenwegsdarstellung bietet die perkutane transhepatische Cholangiographie. Sie ist nur dann durchführbar, wenn das intrahepatische Gallengangssystem gestaut ist. Ähnlich einer Leberblindpunktion wird eine sehr dünne Nadel (CHIBANadel) perkutan in die Leber eingestochen. Nach Aspiration von Gallensekret, als Hinweis auf die Punktion eines Gallenganges, kann das ganze Gallenwegssystem antegrad mit Kontrastmittel gefüllt werden. Diese Untersuchung ist indiziert, wenn eine endoskopisch-retrograde Cholangiographie nicht möglich ist, wie z.B. nach operativen Eingriffen am Magen ohne Erhalt der Duodenalpassage, hochgradiger Pylorusstenose sowie bei kompletter distaler Obstruktion des Ductus choledochus. Bei erheblicher Erweiterung der Gallengänge besteht die Möglichkeit, das Gallensekret mittels einer Dränage (PTCD) abzuleiten und das Gallengangssystem zu entlasten. Komplikationen können sein: Leberverletzung, Hämobilie, Nachblutung, Gallenfistel, Infektion.
Abdomenübersichtsaufnahme
Abdomenübersichtsaufnahme
Die Abdomenübersichtsaufnahme ist nur bei Vorliegen röntgendichter Gallensteine (ca. 15 %) und bei Aerobilie hilfreich.
Die Abdomenübersichtsaufnahme ist nur bei Vorliegen röntgendichter Gallensteine (ca. 15 %) und bei Besiedelung der Gallenwege bzw. der Gallenblase mit gasbildenden Bakterien (Aerobilie) zur Diagnosesicherung hilfreich.
Computertomographie/Magnetresonanztomographie (MRT) Für die Diagnostik des Gallensteinleidens hat die Computertomographie primär keine Bedeutung. Indiziert ist sie bei Tumorverdacht, Malignomen im Bereich der Leberpforte oder
Computertomographie/Magnetresonanztomographie (MRT) Für die Diagnostik des Gallensteinleidens hat die Computertomographie wegen des apparativen und personellen Aufwandes sowie der erheblichen Kosten primär keine Bedeutung. Indiziert ist die Computertomographie bei Tumorverdacht, Malignomen im Bereich der Leberpforte oder intrahepatischen Prozessen (Metastasen, Zys-
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8.2. Anomalien der Gallenblase und Gallengänge
473
ten, Abszesse usw.). Hierdurch kann sowohl die Tumorausdehnung als auch das Ausmaß einer möglichen Metastasierung und damit die Operabilität und Operationstaktik abgeschätzt werden. Mit der Cholangio-MRT steht ein weiteres Verfahren zur Verfügung, das es ermöglicht, Gallenwegsveränderungen ggf. auch in Kombination mit einer Darstellung des Gefäßsystems zu erfassen.
intrahepatischen Prozessen (Metastasen, Zysten, Abszesse usw.) zur Abschätzung der Operabilität bzw. Op-Planung. MIttels MRT können Gallenwegsveränderungen dargestellt werden.
Cholangiographie
Cholangiographie
Aufgrund der hohen Sensitivität der Sonographie und der Möglichkeit, Choledochuskonkremente durch ERCP sicher nachzuweisen und u.U. zu entfernen, ist die früher führende Röntgendarstellung der Gallengänge mit jodhaltigen Kontrastmitteln (intravenöse oder orale Cholangio- bzw. Cholezystographie) heute nur noch selten indiziert, z.B. bei mangelhafter Beurteilung in der Ultraschalluntersuchung und klinischem Verdacht auf Gallensteine oder als Voruntersuchung für konservative Therapieformen (orale Litholyse, Lithotripsie).
Die hohe Sensitivität der Sonographie und die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der ERCP haben dazu geführt, dass die Cholangiographie heute nur noch selten indiziert ist.
n Merke. Bei Verschlussikterus resp. einem Bilirubin von > 2 mg/dl ist die Cholangiographie kontraindiziert.
Merke
Komplikationen: anaphylaktoide Reaktionen, jodinduzierte Hyperthyreose. Kontraindikationen: Jodallergie, Hyperthyreose (-verdacht), Leber- und Niereninsuffizienz.
Komplikationen: anaphylaktoide Reaktionen, jodinduzierte Hyperthyreose. Kontraindikationen: Jodallergie, Hyperthyreose (-verdacht), Leber- und Niereninsuffizienz.
Szintigraphie
Szintigraphie
Für die Gallenwegsdiagnostik spielt die Szintigraphie eine sehr untergeordnete Rolle. Sie ist in ihrer Aussagemöglichkeit begrenzt und nicht Bestandteil der Routinediagnostik. Durch Applikation von 99mTc-markierten Lidocainderivaten kann über entsprechende Ausscheidungskurven des Gallensekretes eine Aussage zur Aktivitätsanreicherung und -abnahme in der Leber bzw. der Gallenblase erfolgen.
Für die Gallenwegsdiagnostik spielt die Szintigraphie keine Rolle. Anhand von 99m Tc-markierten Lidocainderivaten kann eine Aussage über die Funktion der Leber hinsichtlich der Gallenausscheidung erfolgen.
Laparoskopie
Laparoskopie
Auf Grund der vorhandenen, nicht invasiven Verfahren in der Gallenwegsdiagnostik ist die Laparoskopie unbedeutend. Sie spielt nur noch eine Rolle bei Erkrankungen des Leberparenchyms zur Beurteilung der Oberflächenbeschaffenheit und der Möglichkeit, Leberbiopsien unter direkter Sicht zu entnehmen.
In der Gallenwegsdiagnostik ist die Laparoskopie unbedeutend.
8.2
Anomalien der Gallenblase und Gallengänge
Fehlt die Gallenblase komplett, findet man gehäuft auch Atresien der extrahepatischen Gallenwege. Formvarianten der Gallenblase entstehen durch inkomplette Vakuolisierung der entodermalen Ausstülpung – Strikturen, Septierungen (z.B. Sanduhrgallenblase, phrygische Mütze). Diese haben meist keine pathologische Bedeutung. Angeborene Anomalien des Gallengangssystems entstehen entweder durch einen Defekt in der Ontogenese oder einer mangelnden extrauterinen Adaptationsfähigkeit postpartal. Ihre Häufigkeit liegt bei 1/10 000–1/70 000 Geburten. Die häufigsten angeborenen Varianten (Fehlbildungen), die eine chirurgische Intervention erforderlich machen sind: π Gallengangsatresie (1 : 10 000) (s. Kap. B-23.1.13 ) π Gallengangszysten (1 : 13 000–1 : 15 000) (s.u.) π Caroli-Syndrom (selten) (s.u.).
8.2
Anomalien der Gallenblase und Gallengänge
Anomalien des Gallengangssystems können zu Störungen des Gallenflusses führen. Die häufigsten angeborenen Varianten sind: π biliäre Atresie (s. Kap. B-23.1.13) π Gallengangszysten π Caroli-Syndrom.
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8.2. Anomalien der Gallenblase und Gallengänge
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ten, Abszesse usw.). Hierdurch kann sowohl die Tumorausdehnung als auch das Ausmaß einer möglichen Metastasierung und damit die Operabilität und Operationstaktik abgeschätzt werden. Mit der Cholangio-MRT steht ein weiteres Verfahren zur Verfügung, das es ermöglicht, Gallenwegsveränderungen ggf. auch in Kombination mit einer Darstellung des Gefäßsystems zu erfassen.
intrahepatischen Prozessen (Metastasen, Zysten, Abszesse usw.) zur Abschätzung der Operabilität bzw. Op-Planung. MIttels MRT können Gallenwegsveränderungen dargestellt werden.
Cholangiographie
Cholangiographie
Aufgrund der hohen Sensitivität der Sonographie und der Möglichkeit, Choledochuskonkremente durch ERCP sicher nachzuweisen und u.U. zu entfernen, ist die früher führende Röntgendarstellung der Gallengänge mit jodhaltigen Kontrastmitteln (intravenöse oder orale Cholangio- bzw. Cholezystographie) heute nur noch selten indiziert, z.B. bei mangelhafter Beurteilung in der Ultraschalluntersuchung und klinischem Verdacht auf Gallensteine oder als Voruntersuchung für konservative Therapieformen (orale Litholyse, Lithotripsie).
Die hohe Sensitivität der Sonographie und die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der ERCP haben dazu geführt, dass die Cholangiographie heute nur noch selten indiziert ist.
n Merke. Bei Verschlussikterus resp. einem Bilirubin von > 2 mg/dl ist die Cholangiographie kontraindiziert.
Merke
Komplikationen: anaphylaktoide Reaktionen, jodinduzierte Hyperthyreose. Kontraindikationen: Jodallergie, Hyperthyreose (-verdacht), Leber- und Niereninsuffizienz.
Komplikationen: anaphylaktoide Reaktionen, jodinduzierte Hyperthyreose. Kontraindikationen: Jodallergie, Hyperthyreose (-verdacht), Leber- und Niereninsuffizienz.
Szintigraphie
Szintigraphie
Für die Gallenwegsdiagnostik spielt die Szintigraphie eine sehr untergeordnete Rolle. Sie ist in ihrer Aussagemöglichkeit begrenzt und nicht Bestandteil der Routinediagnostik. Durch Applikation von 99mTc-markierten Lidocainderivaten kann über entsprechende Ausscheidungskurven des Gallensekretes eine Aussage zur Aktivitätsanreicherung und -abnahme in der Leber bzw. der Gallenblase erfolgen.
Für die Gallenwegsdiagnostik spielt die Szintigraphie keine Rolle. Anhand von 99m Tc-markierten Lidocainderivaten kann eine Aussage über die Funktion der Leber hinsichtlich der Gallenausscheidung erfolgen.
Laparoskopie
Laparoskopie
Auf Grund der vorhandenen, nicht invasiven Verfahren in der Gallenwegsdiagnostik ist die Laparoskopie unbedeutend. Sie spielt nur noch eine Rolle bei Erkrankungen des Leberparenchyms zur Beurteilung der Oberflächenbeschaffenheit und der Möglichkeit, Leberbiopsien unter direkter Sicht zu entnehmen.
In der Gallenwegsdiagnostik ist die Laparoskopie unbedeutend.
8.2
Anomalien der Gallenblase und Gallengänge
Fehlt die Gallenblase komplett, findet man gehäuft auch Atresien der extrahepatischen Gallenwege. Formvarianten der Gallenblase entstehen durch inkomplette Vakuolisierung der entodermalen Ausstülpung – Strikturen, Septierungen (z.B. Sanduhrgallenblase, phrygische Mütze). Diese haben meist keine pathologische Bedeutung. Angeborene Anomalien des Gallengangssystems entstehen entweder durch einen Defekt in der Ontogenese oder einer mangelnden extrauterinen Adaptationsfähigkeit postpartal. Ihre Häufigkeit liegt bei 1/10 000–1/70 000 Geburten. Die häufigsten angeborenen Varianten (Fehlbildungen), die eine chirurgische Intervention erforderlich machen sind: π Gallengangsatresie (1 : 10 000) (s. Kap. B-23.1.13 ) π Gallengangszysten (1 : 13 000–1 : 15 000) (s.u.) π Caroli-Syndrom (selten) (s.u.).
8.2
Anomalien der Gallenblase und Gallengänge
Anomalien des Gallengangssystems können zu Störungen des Gallenflusses führen. Die häufigsten angeborenen Varianten sind: π biliäre Atresie (s. Kap. B-23.1.13) π Gallengangszysten π Caroli-Syndrom.
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474 8.2.1 Gallengangszysten
8 Gallenblase und Gallenwege 8.2.1
Gallengangszysten
n Definition. Zystische Fehlbildungen im Gallenwegssystem kommen intra- und extrahepatisch vor. Sie sind außerordentlich selten (Häufigkeit: 1/14 000) und werden den kongenitalen Anomalien mit autosomal rezessivem Erbgang zugeordnet. Ihre häufigste Manifestationsform ist extrahepatisch.
Definition
Einteilung. Die Einteilung der Gallengangszysten erfolgt nach Todani et al. ( 1 B-8.4).
Einteilung. Die Einteilung der Gallengangszysten erfolgt nach Todani et al.
Pathogenese. Die Ätiologie ist unklar. Häufig kommt es zur entzündlichen Obstruktion des Gallenganges distal der Zyste.
Pathogenese. Die Ätiologie ist unklar. Häufig kommt es durch die Gallen-
Symptome. Meist findet man einen cholestatischen Ikterus, acholische Stühle sowie eine Hepatomegalie.
Symptome. Bei 80 % der Patienten findet man einen cholestatischen Ikterus und acholische Stühle. Meist besteht eine Hepatomegalie.
Diagnose. Sie wird mittels Ultraschall gesichert, die ERCP liefert detailliertere Informationen.
Diagnose. Zunächst muss eine Abgrenzung zu anderen hepatobiliären Erkrankungen des Neugeborenen erfolgen, insbesondere zur biliären Atresie. Zur Diagnosesicherung ist die Ultraschalluntersuchung am besten geeignet. Die ERCP kann zusätzlich eine detaillierte Information über die pankreatikobiliäre Situation geben.
Therapie. Die Zysten werden entfernt und das extrahepatische Gallengangssystem rekonstruiert (absolute Operationsindikation). Auch bei asymptomatischem Verlauf ist die Resektion der Zyste anzustreben, da ein erhöhtes Risiko der Karzinomentstehung besteht.
Therapie. Es besteht eine absolute Operationsindikation. Die Zysten wer-
8.2.2 Caroli-Syndrom
8.2.2
Definition
( 1 B-8.4): Bei Typ I findet man eine segmentale oder diffuse Erweiterung des Ductus choledochus (80–90 % der Fälle mit Choledochuszysten). π Typ II entspricht einem echten Gallengangsdivertikel. π Typ III beinhaltet zusätzlich eine Erweiterung des intraduodenalen Anteiles des Gallenganges. π Typ IV A: multiple intra- und extrahepatische Zysten. π Typ IV B: multiple extrahepatische Zysten. π Typ V: Erweiterung der intrahepatischen Gallengänge. π
gangszysten zu einer kompletten, entzündlichen Obstruktion des terminalen Anteiles des Gallenganges.
den, wenn möglich, entfernt und das extrahepatische Gallengangssystem rekonstruiert. In den meisten Fällen erfolgt die Gallenableitung durch Anlage einer biliodigestiven Anastomose in Y-Roux-Technik (S. 502). Auch in den Fällen, bei denen eine Choledochuszyste asymptomatisch geblieben ist und diese erst im Erwachsenenalter diagnostiziert wird, muss eine Resektion der Zyste angestrebt werden, da ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Karzinoms besteht.
Caroli-Syndrom
n Definition. Das Caroli-Syndrom ist charakterisiert durch eine segmentale Erweiterung intrahepatischer Gallengänge, lokalisiert oder diffus, mit sackförmig, fingerförmig oder perlschnurartig angeordneten Gallengangsveränderungen ( 1 B-8.5).
Ätiologie. Vererbungsmodus wahrscheinlich autosomal rezessiv. Ca. 75 % sind männlich.
Ätiologie. Ungefähr 75 % der Patienten sind männlich. Der Vererbungsmo-
Pathogenese. Mikroskopisch zeigen sich ektatische Gallengänge, umgeben von vermehrtem Bindegewebe. Als Folge rezidivierender Cholangitiden zeigt sich eine ausgeprägte periportale Fibrose mit entzündlichen Infiltraten.
Pathogenese. Mikroskopisch zeigen sich ektatische Gallengänge, Gallen-
dus ist nicht genau bekannt, am ehesten aber autosomal rezessiv.
gangsepithel, mit gelegentlichen Epithelvorstülpungen, umgeben von vermehrtem Bindegewebe. Die Zysten können eingedickte Galle, Kalk und/oder putrides Material enthalten. Als Folge rezidivierender Cholangitiden zeigt sich eine ausgeprägte periportale Fibrose mit entzündlichen Infiltraten.
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8.2.2 Caroli-Syndrom
1 B-8.4
Synopsis Einteilung der Gallengangszysten nach Todani et al.
a Typ I A: Erweiterung des Ductus choledochus.
b Typ I B: segmentale Erweiterung des Ductus choledochus.
c Typ I C: diffuse Erweiterung des Ductus choledochus.
d Typ II: Gallengangsdivertikel.
e
f Typ IV A: multiple intra- und extrahepatische Zysten.
g Typ IV B: multiple extrahepatische Zysten.
h Typ V: segmentale Erweiterung der intrahepatischen Gallengänge.
Typ III: zusätzliche Erweiterung des intraduodenalen Anteiles des Gallenganges.
ERC bei Choledochuszyste mit intra- und extrahepatischer Erweiterung der Gallengänge (entspricht Todani Typ IV A).
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8 Gallenblase und Gallenwege
1 B-8.5
ERC bei Caroli-Syndrom Deutliche Dilatation der intrahepatischen Gallengänge mit Kontrastmittelaussparungen ( Á) bedingt durch Konkremente.
Symptome. Die Symptomatik wird von der Lokalisation und dem Ausmaß der Gallengangsmissbildung bestimmt. Meist kommt es zur Hepatomegalie und abdominellen Beschwerden. Rekurrierende Cholangitiden, gelegentlich Sepsis und Leberabszesse sind typisch.
Symptome. Die klinische Symptomatik wird im Wesentlichen von der Loka-
Diagnose. Sonographie und CT.
Diagnostik. Durch Ultraschall und CT können die zystischen Aufweitungen
lisation und dem Ausmaß der Gallengangsmissbildung, d.h. vor allem durch die biliäre Abflussbehinderung bestimmt. Meist zeigen sich klinisch eine Hepatomegalie und abdominelle Beschwerden. Bei Vorliegen einer bakteriellen Cholangitis treten Fieber und ein intermittierender Ikterus hinzu. Rekurrierende Cholangitisepisoden sind häufig. Es kann zum Auftreten einer Sepsis oder zu Leberabszessen kommen.
der intrahepatischen Gallengänge nachgewiesen werden.
Therapie. Konkremente können einen chirurgischen oder endoskopischen Eingriff indizieren. Als Spätkomplikation entsteht eine sekundär biliäre Zirrhose, die eine Lebertransplantation zur Folge haben kann.
Therapie. Das Auftreten von Konkrementen ist häufig und kann eine chirur-
8.3
8.3
Ikterus
Definition
gische oder endoskopische Therapie erforderlich machen. Als Spätkomplikation entsteht eine sekundär biliäre Zirrhose. Bei Befall nur eines Leberlappens und einer rezidivierenden Symptomatik ist eine Leberteilresektion indiziert. Bei einem ausgedehnten Befall und dem Auftreten häufiger Komplikationen kann die Indikation zur Lebertransplantation gestellt werden. Bei älteren Patienten kann sich ein Cholangiokarzinom entwickeln.
Ikterus
n Definition. Unter einem Ikterus versteht man die Gelbfärbung von Haut, Schleimhäuten und Skleren durch Bilirubineinlagerungen in das Gewebe bei erhöhten Bilirubinwerten im Serum (Bilirubin i.S. > 2,0 mg/dl).
Unter physiologischen Bedingungen beträgt die Bilirubinkonzentration im Serum 0,3–1,0 mg/dl. Überschreitet der Serumbilirubinspiegel die Konzentration von 2 mg/dl, so wird die Gelbverfärbung bereits an den Konjunktiven erkennbar (Sklerenikterus). Die im Blut erhöhten Gallenfarbstoffe werden z.T. mit dem Harn ausgeschieden, woraus die bierbraune Verfärbung des Urins resultiert. Im Gegensatz hierzu fehlen die im Darm sekundär aus dem Bilirubin entstehenden Umwandlungsprodukte (Urobilinogen, Urobilin) fast völlig, sodass eine Entfärbung des Stuhls (acholisch = lehmfarben-weißlich) resultiert.
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8 Gallenblase und Gallenwege
1 B-8.5
ERC bei Caroli-Syndrom Deutliche Dilatation der intrahepatischen Gallengänge mit Kontrastmittelaussparungen ( Á) bedingt durch Konkremente.
Symptome. Die Symptomatik wird von der Lokalisation und dem Ausmaß der Gallengangsmissbildung bestimmt. Meist kommt es zur Hepatomegalie und abdominellen Beschwerden. Rekurrierende Cholangitiden, gelegentlich Sepsis und Leberabszesse sind typisch.
Symptome. Die klinische Symptomatik wird im Wesentlichen von der Loka-
Diagnose. Sonographie und CT.
Diagnostik. Durch Ultraschall und CT können die zystischen Aufweitungen
lisation und dem Ausmaß der Gallengangsmissbildung, d.h. vor allem durch die biliäre Abflussbehinderung bestimmt. Meist zeigen sich klinisch eine Hepatomegalie und abdominelle Beschwerden. Bei Vorliegen einer bakteriellen Cholangitis treten Fieber und ein intermittierender Ikterus hinzu. Rekurrierende Cholangitisepisoden sind häufig. Es kann zum Auftreten einer Sepsis oder zu Leberabszessen kommen.
der intrahepatischen Gallengänge nachgewiesen werden.
Therapie. Konkremente können einen chirurgischen oder endoskopischen Eingriff indizieren. Als Spätkomplikation entsteht eine sekundär biliäre Zirrhose, die eine Lebertransplantation zur Folge haben kann.
Therapie. Das Auftreten von Konkrementen ist häufig und kann eine chirur-
8.3
8.3
Ikterus
Definition
gische oder endoskopische Therapie erforderlich machen. Als Spätkomplikation entsteht eine sekundär biliäre Zirrhose. Bei Befall nur eines Leberlappens und einer rezidivierenden Symptomatik ist eine Leberteilresektion indiziert. Bei einem ausgedehnten Befall und dem Auftreten häufiger Komplikationen kann die Indikation zur Lebertransplantation gestellt werden. Bei älteren Patienten kann sich ein Cholangiokarzinom entwickeln.
Ikterus
n Definition. Unter einem Ikterus versteht man die Gelbfärbung von Haut, Schleimhäuten und Skleren durch Bilirubineinlagerungen in das Gewebe bei erhöhten Bilirubinwerten im Serum (Bilirubin i.S. > 2,0 mg/dl).
Unter physiologischen Bedingungen beträgt die Bilirubinkonzentration im Serum 0,3–1,0 mg/dl. Überschreitet der Serumbilirubinspiegel die Konzentration von 2 mg/dl, so wird die Gelbverfärbung bereits an den Konjunktiven erkennbar (Sklerenikterus). Die im Blut erhöhten Gallenfarbstoffe werden z.T. mit dem Harn ausgeschieden, woraus die bierbraune Verfärbung des Urins resultiert. Im Gegensatz hierzu fehlen die im Darm sekundär aus dem Bilirubin entstehenden Umwandlungsprodukte (Urobilinogen, Urobilin) fast völlig, sodass eine Entfärbung des Stuhls (acholisch = lehmfarben-weißlich) resultiert.
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8.3.2 Hepatozellulärer Ikterus (intrahepatisch)
Einteilung. Die Einteilung der Ikterusformen erfolgt nach klinisch-thera-
peutischen und pathophysiologischen Gesichtspunkten, jedoch wird parallel dazu noch die früher übliche Unterteilung in prä-, intra- und posthepatischen Ikterus verwendet.
8.3.1
Hämolytischer Ikterus (prähepatisch)
Ein hämolytischer Ikterus kann bei allen Erkrankungen entstehen, die mit einem erhöhten Blut- bzw. Hämoglobinabbau einhergehen, wie z.B. bei hämolytischen Anämien, ausgedehnten Traumen, Hämatomen bzw. einer ineffizienten Erythropoese. Laborchemisch findet sich eine Erhöhung des unkonjugierten Bilirubins bei gleichzeitiger Erhöhung der LDH und einem erniedrigten Hämoglobin (Hämolyseparameter).
8.3.2
Hepatozellulärer Ikterus (intrahepatisch)
Der hepatozelluläre Ikterus (»intrahepatischer Ikterus«) ist Ausdruck einer Schädigung der Hepatozyten infolge einer Entzündung (z.B. Virushepatitis) oder Toxineinwirkung (z.B. Medikamente, Drogen, Alkohol). Weitere Ursachen für eine Leberzellschädigung können Stoffwechsel- und Speicherkrankheiten sowie eine durch Rechtsherzinsuffizienz hervorgerufene Stauungsleber sein ( 2 B-8.1). Für die Hyperbilirubinämie können sowohl die gestörte Bilirubinaufnahme und -konjugation durch die geschädigte Leberzelle als auch die herabgesetzte Fähigkeit zur Exkretion des konjugierten Bilirubins verantwortlich sein. Eine eigene Gruppe bilden die angeborenen Störungen des Bilirubinstoffwechsels mit Störung des intrazellulären Bilirubintransportes (Morbus Gilbert/Morbus Meulengracht, Crigler-Najjar-Syndrom u.a.).
2 B-8.1
477 Einteilung. Die Klassifizierung der verschiedenen Ikterusformen erfolgt anhand klinisch-therapeutischer und pathophysiologischer Kriterien.
8.3.1 Hämolytischer Ikterus (prähepatisch) Der hämolytische Ikterus wird durch einen über die Norm erhöhten Hämoglobinabbau (Hämolyse durch Anämien, ausgedehntes Trauma mit Hämatom) hervorgerufen. Labor: unkonjugiertes Bilirubin , LDH , Hb .
8.3.2 Hepatozellulärer Ikterus (intrahepatisch) Die Ursachen des hepatozellulären Ikterus liegen in einer Schädigung des Leberparenchyms, etwa durch Virushepatitis, Drogen, Medikamente und andere Noxen, sowie einer Stauungsleber im Rahmen einer Rechtsherzinsuffizienz ( 2 B-8.1).
Ursachen des hepatozellulären Ikterus (intrahepatischer Ikterus)
N Reduzierter Bilirubinabbau n
N erniedrigte Aufnahme und/oder n Konjugation von Bilirubin, z.B. π Gilbert-Syndrom π Crigler-Najjar-Syndrom π Medikamente (z.B. Rifampicin) π physiologischer Neugeborenenikterus N reduzierte kanalikuläre Sekretion von n Bilirubin, z.B. π Dubin-Johnson-Syndrom π Rotor-Syndrom
N Akute oder chronische n hepatozelluläre Dysfunktion
N Akute oder subakute hepatozelluläre n Schädigung, z.B. π Virushepatitis π Medikamente (Isoniazid, Methyldopa) π Ischämie (Hypotension, vaskuläre Okklusion) π Stoffwechselstörungen (Morbus Wilson, Reye-Syndrom) π Schwangerschaftsfolgen (Präeklampsie) N chronische hepatozelluläre n Erkrankungen, z.B. π Virushepatitis π Hepatotoxine (Äthanol, Vinylchlorid) π Autoimmunhepatitis π Stoffwechselerkrankungen (Morbus Wilson, Hämochromatose, a 1 -Antitrypsin-Mangel) π Leberzirrhose π Stauungsleber
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8 Gallenblase und Gallenwege
Cholestatischer Ikterus
8.3.3 Cholestatischer Ikterus
8.3.3
Eine intrahepatische Cholestase entsteht durch hepatozelluläre Sekretionsstörungen, z.B. Hepatitiden oder durch eine Abflussbehinderung des konjugierten Bilirubins in den intrahepatischen Gallengängen. Der eigentliche »posthepatische« Ikterus, auch Verschlussikterus genannt, wird durch Cholestase des extrahepatischen Gallenwegssystems hervorgerufen. Ein häufiges Abflusshindernis bilden intraduktale Konkremente, des weiteren Strikturen, Tumoren und Parasiten. Zu berücksichtigen sind weiterhin Ursachen extrakanalikulärer Obstruktion, wie z.B. Pankreaskarzinom, Pankreatitis, Leberabszesse oder Mirizzi-Syndrom.
Beim cholestatischen Ikterus ist zwischen einer intrahepatischen (Störung der Sekretion von konjugiertem Bilirubin) und extrahepatischen Cholestase (Störung des freien Abflusses des konjugierten Bilirubins) zu differenzieren. Eine intrahepatische Cholestase entsteht infolge behinderter Gallensekretion in der Leber, deren Ursache in den Leberzellen oder Gallenkapillaren (z.B. bei Hepatitis) oder im Bereich der Ductuli bzw. größerer intrahepatischer Gallengänge liegen kann, etwa bei primärer biliärer Zirrhose, sklerosierender Cholangitis oder Cholangiokarzinom. Neben den drei letztgenannten intrahepatischen Formen führt die Choledocholithiasis am häufigsten zu einem Ikterus, welcher durch einen partiellen oder totalen Verschluss der extrahepatischen Gallenwege verursacht wird. Er wird auch als »posthepatischer« oder Verschlussikterus bezeichnet. Auch Karzinome des Pankreaskopfes oder der Papille, der Gallengänge und der Gallenblase können einen Verschlussikterus hervorrufen. Weitere Ursachen sind entzündliche Veränderungen des Pankreaskopfes oder der Gallenwege, Verschluss des Gallenganges durch Parasiten (Askariden, Echinokokken) und Gangkompression von außen durch Tumoren, Abszesse oder im Rahmen eines Mirizzi-Syndroms (s. S. 482).
Allgemeine Symptomatologie der extrahepatischen Cholestase
Allgemeine Symptomatologie der extrahepatischen Cholestase
Symptome. Klinische Merkmale der extrahepatischen Cholestase (Verschlussikterus) sind Gelbfärbung der Skleren und Haut, der lehmfarbene oder entfärbte (acholische) Stuhl sowie der »bierbraun« verfärbte Urin. Die Leber ist meist vergrößert und druckdolent. Es entwickelt sich ein Pruritus. Die Fettverdauung und die Resorption fettlöslicher Vitamine ist gestört. Es resultiert eine Steatorrhö bzw. eine Gerinnungsstörung durch Vitamin-KMangel.
Symptome. Typische klinische Merkmale des Verschlussikterus sind neben
Laborparameter. Als charakteristische Laborparameter findet sich eine Erhöhung des direkten (konjugierten) Bilirubins sowie ein Anstieg der cholestaseanzeigenden Enzyme (AP, g -GT und LAP). Eine Pankreasbeteiligung führt zu einem Anstieg der Lipase und Serum- bzw. Urinamylase.
Laborparameter. Wichtige Laborparameter sind: Serumbilirubin, alkalische Phosphatase (AP), g-Glutamyltransferase (gGT), Transaminasen (GOT, GPT) sowie die Leucinaminopeptidase (LAP). Charakteristisch ist die Erhöhung des direkten (konjugierten) Bilirubins. Die alkalische Phosphatase befindet sich sowohl in den Membranen der Hepatozyten als auch in den epithelialen Zellmembranen der Gallengänge. Sie wird enzymatisch gespalten und in kleinen Mengen in die Galle und das Serum abgegeben. Im Falle einer biliären Obstruktion oder einer intrahepatischen Cholestase sind sowohl die Synthese als auch die Freisetzung der alkalischen Phosphatase gestört. Weitere Enzyme der kanalikulären Membran sind: g-GT, LeucinAminopeptidase (LAP), 5-Nucleotidase. GOT und GPT finden sich sowohl im Zytosol als auch in den Mitochondrien der Leberparenchymzelle und steigen bei signifikantem Leberzellschaden (ischämisch, viral, toxisch) stark an. Im Falle einer gleichzeitigen Obstruktion des Ductus pancreaticus (z.B. papillennahes Konkrement bei gemeinsamer Mündung) kommt es zu einem Anstieg der Lipase und der Serum- und Urinamylase. Die Prothrombinzeit ist ein Maß für die Plasmaaktivität der Gerinnungsfaktoren I, II, V, VII und X, die in der Leber synthetisiert werden. Bei hepatozellulären Erkrankungen und auch bei Störungen der Fettresorption kommt es zu einer Verlängerung der Prothrombinzeit.
Bei hepatozellulären Erkrankungen und auch bei Störungen der Fettresorption kommt es zu einer Verlängerung der Prothrombinzeit.
der Gelbfärbung der Skleren und Haut der lehmfarbene oder entfärbte (acholische) Stuhl sowie die bierbraune Verfärbung des Urins. Die Leber ist meist vergrößert und druckdolent. Durch Einlagerung von Gallensäuren in die Haut entwickelt sich ein Juckreiz (Pruritus). Die Fettverdauung ist durch mangelnde Abgabe der Gallensäuren in den Darm gestört. In unterschiedlicher Häufigkeit kann eine Steatorrhö (Fettstühle) beobachtet werden, begleitet von einer Resorptionsstörung fettlöslicher Vitamine. Bei einer langanhaltenden Störung der Gallensäurenresorption kommt es zu einem Absinken der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren (II, VII, IX, X) mit Erniedrigung der Thromboplastinzeit (Quick).
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8.4.2 Cholezystolithiasis
8.4
Cholezysto-/Choledocholithiasis
8.4.1
Ätiologie und Pathogenese der Steinbildung
Die Übersättigung der Galle mit einzelnen Gallenbestandteilen, die sog. lithogene Galle, ist die wichtigste Voraussetzung für die Bildung von Gallensteinen. Unterschieden werden nach ihrer Beschaffenheit reine Cholesterinsteine (ca. 20 %), Bilirubin-Pigmentsteine (ca. 10 %) und gemischte Steine (etwa 70 %). Neben hereditären Ursachen treten Cholesterinsteine gehäuft bei Frauen (w : m = 3 : 1) auf. Ihre Inzidenz steigt mit zunehmendem Lebensalter, nach mehreren Schwangerschaften (> 3), bei Adipositas, Diabetes mellitus und Cholesterinstoffwechselstörungen (Typ-IV- und Typ-IIb-Hyperlipoproteinämie). Die Ursachen der Cholesterinsteinbildung liegen in einer Übersättigung der Galle mit Cholesterin. Physiologischerweise wird das wasserunlösliche Cholesterin durch Gallensäuren und Lecithin in der Galle unter Bildung von gemischten Mizellen in Lösung gehalten. Ist der Anteil des Cholesterins im Verhältnis zum Gallensäuren- und Lecithinanteil zu hoch, kann das Cholesterin auskristallisieren, wodurch die Voraussetzung für die Steinentstehung gegeben ist. So wird verständlich, dass Störungen des enterohepatischen Kreislaufes der Gallensäuren mit erhöhtem intestinalen Gallensäurenverlust (z.B. Erkrankungen des terminalen Ileums oder bei Ileumresektion) eine Konkrementbildung begünstigen. Als weitere Faktoren für die Steinbildung werden Erkrankungen oder eine Funktionsstörung der Gallenblase (z.B. als Folge der zystischen Fibrose, entzündliche Veränderungen im Bereich des Gallenwegssystems) sowie Medikamentenwirkung (z.B. Ovulationshemmer, Clofibrat) vermutet. Bilirubin-Pigmentsteine finden sich besonders bei Patienten mit chronischer Hämolyse (z.B. Thalassämie, Sichelzellanämie, hereditäre Sphärozytose), Z.n. Herzklappenoperation (mechanische Hämolyse), chronischen Lebererkrankungen (z.B. Leberzirrhose) sowie bei Infektionen und Abflussstörungen im Bereich der Gallenwege. Die Konkremente entstehen durch eine Übersättigung der Galle mit unkonjugiertem Bilirubin oder schlecht wasserlöslichen Bilirubinkonjugaten entweder als Folge einer bakteriellen Kontamination oder endogen gebildeter dekonjugierender Enzyme, die zu einer Erniedrigung der mizellenbildenden konjugierten Gallensalze führen.
8.4.2
Cholezystolithiasis
n Definition. Unter Cholezystolithiasis versteht man das Vorliegen von Konkrementen in der Gallenblase. Führen die vorhandenen Konkremente zu keinen Beschwerden – weder in der Vorgeschichte noch aktuell – so handelt es sich um eine asymptomatische Cholezystolithiasis. Treten, bei vorhandenen Konkrementen einmalige, wiederholte oder anhaltende Beschwerden unterschiedlicher Stärke auf, so spricht man von einer symptomatischen Cholezystolithiasis.
8.4
Cholezysto-/Choledocholithiasis
8.4.1 Ätiologie und Pathogenese der Steinbildung Die Übersättigung der Galle mit einzelnen Gallenbestandteilen, die sog. lithogene Galle, ist die wichtigste Voraussetzung für die Bildung von Gallensteinen. Unterschieden werden reine Cholesterinsteine, Bilirubin-Pigmentsteine und gemischte Steine. Cholesterinsteine treten neben hereditären Ursachen gehäuft bei Frauen mit zunehmendem Lebensalter, nach mehreren Schwangerschaften (> 3), bei Adipositas, Diabetes mellitus und Cholesterinstoffwechselstörungen auf. Die Ursachen der Cholesterinsteinbildung liegen in einer Übersättigung der Galle mit Cholesterin. Ist der Anteil des Cholesterins im Verhältnis zum Gallensäuren- und Lecithinanteil zu hoch, kann das Cholesterin auskristallisieren. Störungen des enterohepatischen Kreislaufes der Gallensäuren (z.B. Erkrankungen des terminalen Ileums) begünstigen eine Konkrementbildung ebenso wie Funktionsstörungen und Erkrankungen der Gallenblase sowie Medikamentenwirkung.
Bilirubin-Pigmentsteine finden sich bei chronischen Hämolysen oder chronischen Lebererkrankungen und gehäuft in Kombination mit Infektion und Abflussstörungen im Bereich der Gallenwege.
8.4.2
Cholezystolithiasis
Definition
Ätiologie. Die Prävalenz der Cholelithiasis liegt in Mitteleuropa bei ca. 20 %. Die individuelle Prädisposition ist charakterisiert durch die 6 F-Regel: female – fat – forty – fertile – flatulent – fair.
Ätiologie. Die individuelle Prädisposition ist charakterisiert durch die 6 F-Regel: female – fat – forty – fertile – flatulent – fair.
Symptome. Durch eine plötzliche Einklemmung des Konkrements in den ableitenden Gallenwegen (Infundibulum, Ductus cysticus) tritt der charakteristische Kolikschmerz auf. Das Schmerzmaximum liegt im rechten Oberbauch, gelegentlich auch im Epigastrium, mit Ausstrahlung in die rechte Flanke und die rechte Schulter. Ein dumpfes Druck- oder Völlegefühl im rechten Oberbauch geht der Kolik häufig voraus. Hervorgerufen werden der-
Symptome. Durch plötzliche Einklemmung des Konkrementes in den ableitenden Gallenwegen tritt der charakteristische Kolikschmerz auf. Das Schmerzmaximum liegt im rechten Oberbauch mit Ausstrahlung in die
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480 rechte Flanke und die rechte Schulter, häufig hervorgerufen durch fettreiche Mahlzeiten. Als Folge einer chronischen Entzündung der Gallenblase kann sich eine »Porzellangallenblase« entwickeln ( 1 B-8.6). Diese ist nicht mehr kontraktionsfähig.
8 Gallenblase und Gallenwege artige Koliken oft durch fettreiche Mahlzeiten. Bei Aufhebung des Abflusshindernisses lässt der Schmerz unmittelbar nach. Im Falle einer chronischen Überdehnung der Gallenblase durch langzeitig persistierende Konkremente kann sich, als Folge der chronischen Entzündung, eine Verkalkung der Gallenblasenwand, die »Porzellangallenblase« entwickeln. Diese ist nicht mehr kontraktionsfähig und verursacht nur noch geringgradige Beschwerden ( 1 B-8.6).
1 B-8.6
Porzellangallenblase Operationspräparat.
Diagnose. Bei der charakteristischen Schmerzanamnese, aber auch bei intermittierend auftretenden unspezifischen Schmerzen im rechten Oberbauch sollte an eine Cholezystolithiasis gedacht werden ( 1 B-8.7). Bei der symptomatischen Cholezystolithiasis reicht das Spektrum von komplett unauffälligen Laborbefunden bis zu einer Erhöhung von Leukozyten, CRP, BSG, AP und LAP. Die Diagnosesicherung erfolgt durch die Oberbauchsonographie (s. 1 B-8.3). Therapie. Die Therapie der Wahl ist die Cholezystektomie (s. S. 499ff.). Bestehen Kontraindikationen für eine Operation, werden systemische und lokale Verfahren angewandt.
Diagnose. Bei der charakteristischen Schmerzanamnese, aber auch bei
π Systemische, chemische Litholyse: Hierbei handelt es sich um eine medikamentöse orale Therapie mit Chenodesoxycholsäure und Ursodesoxycholsäure. Die chemische Auflösung ist nur bei kleinen Cholesterinsteinen und geringer Steinanzahl (max. 3–5) aussichtsreich.
π
Die Erfolgsrate liegt bei 60–70 %, die Rezidivrate liegt bei 40–60 % in den ersten 5 Jahren nach erfolgreicher Litholyse. π Lokale Verfahren: Hierbei wird entweder perkutan – transhepatisch – oder
intermittierend auftretenden unspezifischen Schmerzen im rechten Oberbauch sollte an eine Cholezystolithiasis gedacht werden ( 1 B-8.7). Bei der asymptomatischen Cholezystolithiasis sind die laborchemischen Parameter in der Regel nicht verändert. Bei der symptomatischen Cholezystolithiasis reicht das Spektrum von komplett unauffälligen Laborbefunden bis zu einer Erhöhung von: Leukozyten, CRP, BSG, alkalischer Phosphatase (AP) und Leucinaminopeptidase (LAP). Die Diagnosesicherung erfolgt primär durch die Oberbauchsonographie (s. 1 B-8.3). Die weitere diagnostische Abklärung ist in 1 B-8.7 dargestellt.
Therapie. An Behandlungsmöglichkeiten steht die Cholezystektomie an
erster Stelle, die, wenn möglich, laparoskopisch durchgeführt wird (s. S. 499ff.). Für Patienten mit erheblichen Kontraindikationen für eine Operation (selten) stehen systemische und lokale Verfahren zur Verfügung. Systemische, chemische Litholyse: Hierbei handelt es sich um eine medikamentöse orale Therapie mit Chenodesoxycholsäure und Ursodesoxycholsäure. Chemisch auflösbar sind nur kleine Cholesterinsteine. Nur 1⁄3 der Patienten kommt für diese nicht operative Therapie in Betracht, da diese Behandlungsform nur bei einer Anzahl von maximal 3–5 Konkrementen aussichtsreich ist und der Patient nur selten auftretende Koliken aufweisen sollte. Durch die Behandlung kann es zum Auftreten von Nebenwirkungen kommen wie z.B. Anstieg von LDL-Cholesterin, SGOT und/oder SGPT, Cholestase und Durchfall. Der Vorteil liegt in einer nicht invasiven Behandlung, die sich jedoch über einen Behandlungszeitraum von mehr als 1 Jahr erstrecken kann und kostenintensiv ist. Die Erfolgsrate liegt bei 60–70 %, die Rezidivrate liegt bei 40–60 % in den ersten 5 Jahren nach erfolgreicher Litholyse. π Lokale Verfahren: Auch sie sind nur bei Cholesterinsteinen anwendbar. Hierbei wird entweder perkutan – transhepatisch – oder retrograd endosko-
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481
8.4.2 Cholezystolithiasis
1 B-8.7
Synopsis Präoperative Diagnostik bei Cholezystolithiasis
Schematische Darstellung des präoperativen Vorgehens zur Abgrenzung einer alleinigen Cholezystolithiasis von einer Cholezysto-/Choledocholithiasis. Aus der Anamnese und den Labor- bzw. Untersuchungsbefunden (linke Spalte) ergibt sich jeweils ein Befund, der bei pathologischer Veränderung eine Folgeuntersuchung/Therapie (rechte Spalte) bedingt.
Anamnese Verdacht auf Cholezystolithiasis
(i.v.) Cholangiographie heute selten indiziert Verdacht auf Verschlussikterus und Choledocholithiasis
Cave: • Kontraindikation bei Ikterus • Kontrastmittelunverträglichkeit • jodinduzierte Hyperthyreose
Bilirubin, AP, Lipase erhöht
Labor
Sonographie Cholezystolithiasis
intraduktaler Steinnachweis, bzw. V.a. Choledocholithiasis, Choledochus > 10 mm
ERC/ERCP ggf. Papillotomie Steinextraktion Cave: • Pankreatitis • Cholangitis
Gastroskopie o.B. keine endoskopische Steinextraktion möglich laparoskopische Cholezystektomie (konventionelle Cholezystektomie)
pisch eine Litholyse versucht. Methyltertbutylether (MTBE) ist das gebräuchlichste Lösungsmittel. Als Komplikation kommt es gelegentlich zum Auftreten eines Gallenlecks. Die Rezidivrate scheint etwas höher zu sein als bei der oralen Litholyse. Analog der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie (ESWL) bei Nierensteinen wird versucht, durch Steinzertrümmerung die Steinoberfläche stark zu vergrößern, um damit für die orale Litholyse bessere Voraussetzungen zu schaffen. Grundsätzlich kann die ESWL für Gallenblasensteine sowie extraund intrahepatische Konkremente eingesetzt werden. Voraussetzungen sind eine funktionsfähige Gallenblase und ein durchgängiger Ductus cysticus. Eine Fragmentation der Steine in spontan abgangsfähige kleine Konkrementstücke gelingt in der Regel in der Gallenblase nur ausnahmsweise und nach mehrfacher Anwendung der ESWL. Bei Gallengangskonkrementen, die primär durch endoskopische Sphinkterotomie nicht extrahierbar sind (< 15 %) kann durch die ESWL eine Zerkleinerung erreicht werden, wodurch die Konkremente dann endoskopisch entfernt werden können. n Merke. Jede symptomatische Cholezystolithiasis sollte möglichst operativ behandelt werden. Alle nicht chirurgischen Verfahren sind langwierig und nur für einen kleinen Patientenkreis geeignet. In jedem Fall verbleibt die Gallenblase in situ und damit besteht das Risiko der Entstehung von Rezidivsteinen.
Choledochusrevision mit konventioneller Cholezystektomie
retrograd endoskopisch eine Litholyse versucht. Methyltertbutylether (MTBE) ist das gebräuchlichste Lösungsmittel. Bei der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie (ESWL) wird versucht, durch Steinzertrümmerung die Steinoberfläche stark zu vergrößern, um damit für die orale Litholyse bessere Voraussetzungen zu schaffen. Die Gallenblase muss funktionsfähig, der Ductus cysticus durchgängig sein.
Merke
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482 Komplikationen ( 2 B-8.2):
8 Gallenblase und Gallenwege
Komplikationen ( 2 B-8.2):
2 B-8.2
Choledocholithiasis: s. S. 483 ff.. Cholangitis: s. S. 488 ff. π Gallenblasenhydrops: Bei Verschluss des Ductus cysticus kommt es zu einer stark schmerzhaften, meist tastbaren Vergrößerung der Gallenblase. Die Diagnosesicherung erfolgt durch Sonographie. Therapie der Wahl ist die Cholezystektomie. π π
π Gallenblasenempyem: Entsteht durch Entzündung und Infektion eines Gallenblasenhydrops. Symptome sind: Fieber, Allgemeinreaktionen, Laborveränderungen (Leukozytose, CRP-Erhöhung) und Abwehrspannung im rechten Oberbauch. Cave: Gallenblasengangrän. Therapie: sofortige Cholezystektomie. π Gallenblasenperforation: Infolge von Entzündung, Wandgangrän oder lokaler Drucknekrosen, vor allem durch Cholezystolithiasis bedingt, kann eine Perforation der Gallenblase auftreten. Die Symptomatik ist mit der eines Gallenblasenempyems vergleichbar. Therapie: sofortige Cholezystektomie.
Mirizzi-Syndrom: Benigne, mechanische Stenose des Ductus hepaticus oder Ductus choledochus mit Auftreten eines Verschlußikterus. Die Stenose wird durch Einklemmung eines Steines im Ductus cysticus oder Gallenblaseninfundibulum verursacht ( 1 B-8.8 a). Die Häufigkeit liegt bei 0,6–6 %. Differenzialdiagnostisch kommen Kompression des D. hepatocholedochus von außen durch Tumoren, Gallenwegskarzinome oder -strikturen in Betracht. Das klinische Beschwerdebild bei Verschlussikterus ist uneinheitlich. Laborchemisch findet sich eine Erhöhung der Cholestaseparameter (AP, LAP, Bilirubin). Zur Diagnose sind Sonographie und meist ERCP erforderlich. Die Therapie der Wahl ist die Cholezystektomie mit Gallengangsrevision. π Gallensteinileus: Durch die Perforation der Gallenblase in den Dünndarm oder die rechte Flexur (Ausbildung einer cholezystointestinalen Fistel) kann steinbedingt ein mechanischer π
Komplikationen der Cholezystolithiasis
N Choledocholithiasis n
N Perforation der Gallenblase n
N Cholangitis n
N cholezystoenterische Fistel n
N Gallenblasenhydrops n
N Mirizzi-Syndrom n
N Gallenblasenempyem n
N Gallensteinileus n
N Gangrän der Gallenblase n
N chronische Cholezystitis n
Choledocholithiasis: s. S. 483 ff. Cholangitis: s. S. 488 ff. π Gallenblasenhydrops: Die irreversible Steineinklemmung im Ductus cysticus führt zu einem Stau des Gallensekretes in der Gallenblase, da dieses nicht in den Ductus choledochus abfließen kann. Daraus resultiert ein Gallenblasenhydrops. Durch den raschen Druckanstieg entstehen starke, dauerhafte Schmerzen. Die gestaute, druckdolente Gallenblase ist ggf. durch die Bauchdecke zu tasten. Die Diagnose kann durch die Sonographie einfach bestätigt werden. Die Cholezystektomie ist die Therapie der Wahl. π Gallenblasenempyem: Durch eine Infektion der Gallenblase bei bestehendem Hydrops entsteht das Gallenblasenempyem. Hierbei kommt es zum Auftreten von Fieber, Allgemeinreaktionen wie Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen sowie Laborveränderungen (Leukozytose, CRP-Erhöhung) und einer zunehmenden Abwehrspannung im rechten Oberbauch. Als Komplikationen drohen: Gangrän der Gallenblase; intra- oder extrahepatische Perforation und Sepsis. Die sofortige Cholezystektomie ist die Therapie der Wahl. π Gallenblasenperforation: Infolge von Entzündung, Wandgangrän oder lokalen Drucknekrosen, vor allem durch eine Cholezystolithiasis bedingt, kann eine Perforation der Gallenblase auftreten (Perforation in Duodenum, Magen, Jejunum, Kolon). Die Symptomatik ist mit der eines Gallenblasenempyems vergleichbar. Charakteristisch ist ein kurzes, schmerzfreies Intervall zum Zeitpunkt der Perforation, wenn der Druck in der Gallenblase nachlässt. Bei freier Perforation kann ein akutes Abdomen mit generalisierter Abwehrspannung auftreten. Die Therapie ist ebenfalls die sofortige Cholezystektomie. Bei Perforation eines Gallenblasensteins in den Gastrointestinaltrakt ist die Symptomatik meist durch die aszendierende Cholezystitis bestimmt. Bei der operativen Therapie erfolgt die Cholezystektomie sowie die Übernähung der entstandenen Fistelöffnung. π Mirizzi-Syndrom: Unter einem Mirizzi-Syndrom versteht man eine benigne, mechanische Stenose des Ductus hepaticus oder Ductus choledochus mit Auftreten eines Verschlussikterus. Die Stenose wird durch Einklemmung eines Steines im Ductus cysticus oder Gallenblaseninfundibulum verursacht ( 1 B-8.8 a). Die Häufigkeit liegt bei 0,6–6 %. Differenzialdiagnostisch sind in Betracht zu ziehen: Kompression des Ductus hepatocholedochus von außen durch Tumoren, Gallenwegskarzinome oder ggf. Strikturen als Folge von Voroperationen an den Gallenwegen. Klinisch und laborchemisch besteht das Bild eines Verschlussikterus. Das klinische Beschwerdebild ist uneinheitlich und reicht von schmerzlosem Ikterus bis zur septischen Cholangitis. Laborchemisch findert sich eine Erhöhung der Cholestaseparameter (AP, LAP, Bilirubin). Zur weiteren Abklärung sollte nach der Abdomensonographie eine ERCP erfolgen. Häufig kann die Diagnose erst intraoperativ gestellt werden. Die Therapie der Wahl ist die Cholezystektomie mit Gallengangsrevision, ggf. mit Rekonstruktion der ableitenden Gallenwege (s. S. 500ff.). π Gallensteinileus: Der Gallensteinileus ist eine seltene Komplikation der Gallenblasenperforation. Durch die Perforation der Gallenblase in den Dünndarm oder die rechte Kolonflexur (Ausbildung einer cholezystointestinalen Fistel) kann steinbedingt ein mechanischer Ileus entstehen. Er kommt dadurch zustande, dass ein relativ großes Konkrement eine der physiologischen Engpässe des Magendarmtraktes, z.B. Ileozäkalklappe, nicht passieren π π
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483
8.4.3 Choledocholithiasis
1 B-8.8
Mirizzi-Syndrom
a Kompression des D. hepatocholedochus durch einen im D. cysticus gelegenen Gallenstein von außen.
b ERC: Filiforme durch Kompression eines Steins im D. hepatocholedochus bedingte Stenose (Á) unterhalb der Hepatikusgabel.
kann. Klinisch zeigen die Patienten die Zeichen eines mechanischen Ileus mit Übelkeit, Erbrechen, einem aufgetriebenen Abdomen, auskultatorisch Hyperperistaltik sowie einen Druckschmerz im rechten Oberbauch. Es entwickelt sich immer das klinische Bild eines akuten Abdomens. Auf der Abdomenleeraufnahme sieht man erweiterte Darmschlingen, z.T. luft- z.T. flüssigkeitsgefüllt (Spiegel) in Dünn- und/oder Dickdarm (Ileusbild), eine Aerobilie (Luft in den Gallenwegen) und evtl. auch den Gallenstein (Kalk) in der Region der Ileozäkalklappe. Die Therapie umfasst die Exploration des Abdomens mit Beseitigung der mechanischen Stenose, die Cholezystektomie sowie die Übernähung der Perforationsstelle (Fistel) am Darmlumen. π Gallensäureverlustsyndrom: Ein Gallensäureverlustsyndrom kann z.B. bei Vorliegen einer cholezystokolischen Fistel (selten) sowie nach ausgedehnten Dünndarm- bzw. Ileumresektionen auftreten. Ursächlich liegt diesem Syndrom zugrunde, dass die Gallensäuren, die normalerweise zu 95 % im Ileum rückresorbiert werden, überwiegend direkt ins Kolon gelangen. Hier werden sie durch Darmbakterien zu Dehydroxygallensäuren abgebaut. Infolge der toxischen Wirkung auf die Darmmukosa treten schwere Durchfälle auf. Der erhebliche Verlust an Gallensäuren führt des weiteren zu Fettresorptionsstörungen. π Chronische Cholezystitis: s. S. 486 ff.
8.4.3
Choledocholithiasis
n Definition. Unter einer Choledocholithiasis versteht man das Vorliegen von Konkrementen in den Gallenwegen. Je nach Lokalisation der Gallengangskonkremente unterscheidet man: intrahepatische Steine, Hepatikus- und Choledochuskonkremente, präpapilläre Steine und Papillenkonkremente.
Pathogenese. Die überwiegende Mehrzahl der Gallengangskonkremente
entstammen der Gallenblase. Diese sog. sekundären Gallengangssteine
Ileus entstehen. Klinisch besteht Übelkeit, Erbrechen, ein aufgetriebenes Abdomen mit Hyperperistaltik bis hin zum akuten Abdomen. Die Abdomenleeraufnahme zeigt Spiegel im Dünnund/oder Dickdarm, eine Aerobilie, evtl. auch den Gallenstein in der Region der Ileozäkalklappe. Die Therapie umfasst die Exploration des Abdomens zur Beseitigung der mechanischen Stenose, Cholezystektomie und Übernähung der Perforationsstelle. π Gallensäureverlustsyndrom: Das Gallensäureverlustsyndrom tritt bei cholezystokolischen Fisteln sowie nach ausgedehnten Dünndarm- bzw. Ileumresektionen auf. Die Gallensäuren, die normalerweise zu 95 % im Ileum rückresorbiert werden, gelangen zum Großteil direkt ins Kolon und führen zu schweren Durchfällen und Fettresorptionsstörungen. π Chronische Cholezystitis: s. S. 486 ff.
8.4.3
Choledocholithiasis
Definition
Pathogenese. Die Mehrzahl der Gallengangskonkremente entstammen der
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484 Gallenblase und gelangen via Ductus cysticus in den Gallengang. Den primären, im Gallengang gebildeten Steinen liegt meist ein Abflusshindernis zugrunde. Seltenere Ursachen sind: zu langer Zystikusstumpf, chronisch-hämolytische Anämien, Infektion der Galle oder Parasiten.
8 Gallenblase und Gallenwege gelangen via Ductus cysticus in den Gallengang. Sie sitzen meistens präpapillär (physiologische Enge). Ca. 15 % der Patienten mit Gallenblasensteinen haben auch Konkremente im Gallengang. Den primären, im Gallengang gebildeten Steinen liegt meist ein Abflusshindernis zugrunde (z.B. Caroli-Syndrom, Papillenstenose, pankreatitische Choledochusstenose, iatrogene Gallengangsstriktur, sklerosierende Cholangitis). Auch ein zu langer Zystikusstumpf nach Cholezystektomie wird als Nukleationszentrum für Rezidivsteine diskutiert, häufiger gilt er jedoch als Reservoir verbliebener Gallensteine. Seltenere Ursachen sind eine pathologische Zusammensetzung der Galle bei chronisch-hämolytischen Anämien oder Infektion der Galle (Salmonellen oder Parasiten).
Symptome. Der Steinabgang aus der Gallenblase ist oft mit Koliken verbunden. Als Folge entsteht ein inkompletter oder kompletter Verschluss mit dem klinischen Bild eines schmerzhaften Ikterus. Sekundär kann sich eine Cholangitis oder Pankreatitis entwickeln.
Symptome. Der Steinabgang aus der Gallenblase oder dem zentralen Gallengang ist oft mit Koliken verbunden. Als Folge kann ein inkompletter oder kompletter Verschluss mit dem klinischen Bild eines schmerzhaften Ikterus entstehen. Sekundär kann sich eine Cholangitis oder Pankreatitis entwickeln. Der akute Verschluss des Gallenganges verursacht meistens Koliken verbunden mit einem Ikterus; die sich langsam entwickelnde Obstruktion manifestiert sich häufig nur durch Pruritus oder schmerzlosen Ikterus.
Diagnose. Es findet sich eine Erhöhung von konjugiertem Bilirubin. Gallengangsenzymen (AP, LAP) sowie g -GT. Ein Anstieg der Transaminasen weist auf eine Cholangitis hin.
Diagnose. Laborchemisch findet man ein erhöhtes konjugiertes Bilirubin, eine Erhöhung der Gallengangsenzyme (AP, LAP) sowie der g-GT. Ein beglei-
Die Sonographie steht zum Nachweis von Konkrementen oder Stau des Gallengangssystems im Vordergrund. Bei Verdacht auf eine Choledocholithiasis ist eine ERCP zur weiteren Diagnostik und Therapie unerlässlich. Ggf. muss eine PTC erfolgen, wenn eine retrograde Darstellung (ERCP) nicht möglich ist. Differenzialdiagnose. In Betracht gezogen werden müssen: π stenosierende Tumoren des extrahepatischen Gallengangssystems, der Papille, des Pankreaskopfes und des Duodenums π zentrale Lebertumoren π Parasiten π AIDS-Cholangiopathie und -Papillenstenose π Mirizzi-Syndrom. Therapie. Eine diagnostizierte Choledocholithiasis muss saniert werden. Ist eine endoskopische Behandlung nicht möglich, so ist das operative Verfahren der Wahl die Choledochusrevision.
Komplikationen. Die Morbidität der Choledocholithiasis wird prinzipiell durch die biliäre Obstruktion bestimmt. Häufig kommt es begleitend zu einer akuten Pankreatitis. Weitere Komplikationen sind das Auftreten einer bakteriellen Cholangitis, disseminierte, intrahepatische Abszesse und selten eine Choledochusperforation.
tender Anstieg der Transaminasen findet sich bei Vorliegen einer Cholangitis. Das Vorliegen einer erhöhten Serumamylase und/oder Lipase weist auf eine begleitende Pankreatitis hin. Zum Nachweis von Gallensteinen und erweiterten intra- und/oder extrahepatischen Gallenwegen ist die Sonographie führend. Ihre Sensitivität hinsichtlich des Gallengangssteinenachweises liegt jedoch nur bei ca. 50 %. Bei Verdacht auf eine Choledocholithiasis ist die ERCP indiziert, zumal hierdurch ggf. gleich eine Steinextraktion durchgeführt werden kann. In seltenen Fällen gelingt die endoskopische Sondierung der Papille nicht. Dann muss eine PTC durchgeführt werden.
Differenzialdiagnose. Differenzialdiagnostisch müssen zur Abklärung
eines Verschlussikterus immer auch stenosierende Tumoren des extrahepatischen Gallengangssystems, der Papille, des Pankreaskopfes und des Duodenums sowie zentrale Lebertumoren in Betracht gezogen werden. Des weiteren können Parasiten im Ductus choledochus (Echinokokkus, Lamblien) oder eine AIDS-Cholangiopathie und AIDS-induzierte Papillenstenose zu einem Verschlussikterus führen. Eine seltene Ursache ist das Mirizzi-Syndrom.
Therapie. Eine einmal diagnostizierte Choledocholithiasis sollte immer saniert werden, da konsekutiv Komplikationen wie Cholangitis mit Sepsis sowie eine biliäre Pankreatitis und langfristig eine sekundäre biliäre Zirrhose drohen. Bei der isolierten Choledocholithiasis ist heute die endoskopische Steinextraktion das Verfahren der ersten Wahl. Bei gleichzeitigem Vorliegen einer Cholezystolithiasis streben die meisten Zentren, wenn möglich, die endoskopische Steinextraktion vor der Cholezystektomie an. Die operative Intervention der Choledocholithiasis bleibt heute nur noch den Patienten vorbehalten, die endoskopisch nicht behandelbar sind (s. a. Kap. B-13.7.3). Komplikationen. Die Morbidität der Choledocholithiasis wird prinzipiell durch die biliäre Obstruktion bestimmt. Häufig kommt es begleitend zu einer akuten Pankreatitis. Bei Vorliegen eines Verschlussikterus besteht die Gefahr des Auftretens einer bakteriellen Cholangitis, die sich durch Temperaturerhöhung und häufig dumpfe Dauerschmerzen manifestiert. Hierdurch kann es zum Auftreten von disseminierten, intrahepatischen Abszessen kommen sowie, in seltenen Fällen, zur Choledochusperforation mit Fistelbildung. Eine chronisch-biliäre Pankreatitis ist eine mögliche Spätkomplika-
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485
8.5.1 Akute Cholezystitis tion. Als Folge der Cholestase mit rezidivierenden bakteriellen Cholangitiden kann eine sekundäre biliäre Zirrhose entstehen.
8.5
Cholezystitis
8.5
8.5.1
Akute Cholezystitis
8.5.1 Akute Cholezystitis
n Definition. Unter einer akuten Cholezystitis versteht man die Entzündung der Gallenblasenwand verknüpft mit einem klinischen Bild bestehend aus: Abdominalschmerzen, Abwehrspannung im rechten Oberbauch, Fieber und Leukozytose.
Cholezystitis
Definition
Ätiologie. Die Ätiologie der akuten Cholezystitis ist unbekannt. 90 % der
Ätiologie Die Ätiologie ist unbekannt. In 90 % besteht gleichzeitig eine Cholelithiasis.
Pathogenese. Als Auslöser der akuten Cholezystitis vermutet man in den meisten Fällen eine Gallensekretstase als Folge einer gestörten Entleerung durch eine Obstruktion des Ductus cysticus. In seltenen Fällen können eine Infektion oder Ischämie auslösend sein für die akute Cholezystitis. Möglicherweise kommt es durch die mechanische Überdehnung der Gallenblasenwand zu einer Beeinträchtigung der Blutversorgung. Zusätzlich vermutet man eine direkte Schädigung der Gallenblasenmukosa durch die steinbedingte Obstruktion. Hierdurch kommt es zu einer Freisetzung von intrazellulären Enzymen und der Aktivierung einer Kaskade von Entzündungsmediatoren, z.B. Prostaglandinen. Weiterhin wirken die Gallensäuren der gestauten Galle schädigend auf die Mukosa der Gallenblase. Sekundär können dann bakterielle Infektionen hinzutreten. Sie sind jedoch nicht als Auslöser der akuten Cholezystitis zu betrachten. Seltener führen die Obstruktion des Ductus cysticus durch Torsion, Abknickung, lokale, nicht entzündliche Veränderungen in der Schleimhaut, Parasiten (z.B. Ascaris lumbricoides, Salmonellen) und weiterhin virale Infektionen (AIDS), Hungerzustände, vollständige parenterale Ernährung oder Kompression durch entzündliche Prozesse benachbarter Organe oder Tumoren zur akuten Cholezystitis.
Pathogenese. Primär beruht die akute Cholezystitis nicht auf infektiösen Vorgängen, jedoch liegt ihr in 95 % der Fälle eine gestörte Entleerung aufgrund einer Obstruktion durch Gallensteine zugrunde. Die Obstruktion führt zu einer direkten Schädigung der Gallenblasenmukosa mit Freisetzung von intrazellulären Enzymen und Aktivierung einer Kaskade von Entzündungsmediatoren. Sekundär können dann bakterielle Infektionen hinzutreten.
Symptome. Im Vordergrund des klinischen Bildes stehen akut auftretende Oberbauchschmerzen mit lokaler Abwehrspannung, die dumpf, andauernd oder auch kolikartig sein können und in die rechte Schulter und den Rücken ausstrahlen können. Bei älteren Patienten kann der Schmerzcharakter z.T. auch sehr gering ausgeprägt sein. Übelkeit, Erbrechen treten häufig begleitend auf. Das sog. »Murphy«-Zeichen bedeutet einen akut auslösbaren Schmerz im rechten Oberbauch in Verbindung mit einem kurzen respiratorischen Arrest bei Palpation des Abdomens. In 20–40 % der Patienten ist ein Ikterus apparent, vermutlich entstanden durch ein entzündliches Ödem der Gallengänge oder einer Mitbeteiligung der Leber durch die Entzündung. Bei Fieberanstieg mit Schüttelfrost besteht der Verdacht auf ein Gallenblasenempyem. Meteorismus bis hin zum paralytischen Ileus wird häufig als Begleitreaktion beobachtet.
Symptome. Führend sind Oberbauchschmerzen mit lokaler Abwehrspannung, die kolikartig sein können und in die rechte Schulter und den Rücken ausstrahlen. Übelkeit und Erbrechen sind häufig. Das sog. »Murphy«Zeichen ist meist positiv. Fieber und Schüttelfrost weisen auf ein Empyem hin. Gelegentlich tritt ein Ikterus auf. Häufige Begleitreaktionen sind Meteorismus bis hin zum paralytischen Ileus.
Diagnose. Neben dem klinischen Bild findet sich eine Erhöhung der Entzün-
Diagnose. Laborchemisch zeigt sich eine Erhöhung der Entzündungsparameter (Leukozyten, CRP) sowie möglicherweise der AP, LAP, g -GT, Transaminasen und ggf. des Bilirubins. Die Abdomensonographie sichert die Diagnose, ggf. ist eine ERCP erforderlich.
akuten Cholezystitiden sind mit einer Cholelithiasis vergesellschaftet.
dungsparameter (Leukozyten, CRP, BSG). Die alkalische Phosphatase (AP), LAP, g-GT, Transaminasen und ggf. das Bilirubin können ebenfalls erhöht sein. Die Abdomensonographie ist die wichtigste Untersuchung, da hierdurch z.B. das Vorliegen von Gallensteinen, pathologische Veränderungen der Gallenblasenwand (Verdickung auf > 3 mm) oder eine pericholezystitische Flüssigkeitsansammlung nachweisbar sind. Bei gleichzeitig bestehendem Ikterus sollte zur weiteren Abklärung eine ERCP durchgeführt werden.
Selten führen Torsion oder Abknickung des Ductus cysticus, lokale, nicht entzündliche Veränderungen in der Schleimhaut, Parasiten oder Kompression von außen zur akuten Cholezystitis.
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485
8.5.1 Akute Cholezystitis tion. Als Folge der Cholestase mit rezidivierenden bakteriellen Cholangitiden kann eine sekundäre biliäre Zirrhose entstehen.
8.5
Cholezystitis
8.5
8.5.1
Akute Cholezystitis
8.5.1 Akute Cholezystitis
n Definition. Unter einer akuten Cholezystitis versteht man die Entzündung der Gallenblasenwand verknüpft mit einem klinischen Bild bestehend aus: Abdominalschmerzen, Abwehrspannung im rechten Oberbauch, Fieber und Leukozytose.
Cholezystitis
Definition
Ätiologie. Die Ätiologie der akuten Cholezystitis ist unbekannt. 90 % der
Ätiologie Die Ätiologie ist unbekannt. In 90 % besteht gleichzeitig eine Cholelithiasis.
Pathogenese. Als Auslöser der akuten Cholezystitis vermutet man in den meisten Fällen eine Gallensekretstase als Folge einer gestörten Entleerung durch eine Obstruktion des Ductus cysticus. In seltenen Fällen können eine Infektion oder Ischämie auslösend sein für die akute Cholezystitis. Möglicherweise kommt es durch die mechanische Überdehnung der Gallenblasenwand zu einer Beeinträchtigung der Blutversorgung. Zusätzlich vermutet man eine direkte Schädigung der Gallenblasenmukosa durch die steinbedingte Obstruktion. Hierdurch kommt es zu einer Freisetzung von intrazellulären Enzymen und der Aktivierung einer Kaskade von Entzündungsmediatoren, z.B. Prostaglandinen. Weiterhin wirken die Gallensäuren der gestauten Galle schädigend auf die Mukosa der Gallenblase. Sekundär können dann bakterielle Infektionen hinzutreten. Sie sind jedoch nicht als Auslöser der akuten Cholezystitis zu betrachten. Seltener führen die Obstruktion des Ductus cysticus durch Torsion, Abknickung, lokale, nicht entzündliche Veränderungen in der Schleimhaut, Parasiten (z.B. Ascaris lumbricoides, Salmonellen) und weiterhin virale Infektionen (AIDS), Hungerzustände, vollständige parenterale Ernährung oder Kompression durch entzündliche Prozesse benachbarter Organe oder Tumoren zur akuten Cholezystitis.
Pathogenese. Primär beruht die akute Cholezystitis nicht auf infektiösen Vorgängen, jedoch liegt ihr in 95 % der Fälle eine gestörte Entleerung aufgrund einer Obstruktion durch Gallensteine zugrunde. Die Obstruktion führt zu einer direkten Schädigung der Gallenblasenmukosa mit Freisetzung von intrazellulären Enzymen und Aktivierung einer Kaskade von Entzündungsmediatoren. Sekundär können dann bakterielle Infektionen hinzutreten.
Symptome. Im Vordergrund des klinischen Bildes stehen akut auftretende Oberbauchschmerzen mit lokaler Abwehrspannung, die dumpf, andauernd oder auch kolikartig sein können und in die rechte Schulter und den Rücken ausstrahlen können. Bei älteren Patienten kann der Schmerzcharakter z.T. auch sehr gering ausgeprägt sein. Übelkeit, Erbrechen treten häufig begleitend auf. Das sog. »Murphy«-Zeichen bedeutet einen akut auslösbaren Schmerz im rechten Oberbauch in Verbindung mit einem kurzen respiratorischen Arrest bei Palpation des Abdomens. In 20–40 % der Patienten ist ein Ikterus apparent, vermutlich entstanden durch ein entzündliches Ödem der Gallengänge oder einer Mitbeteiligung der Leber durch die Entzündung. Bei Fieberanstieg mit Schüttelfrost besteht der Verdacht auf ein Gallenblasenempyem. Meteorismus bis hin zum paralytischen Ileus wird häufig als Begleitreaktion beobachtet.
Symptome. Führend sind Oberbauchschmerzen mit lokaler Abwehrspannung, die kolikartig sein können und in die rechte Schulter und den Rücken ausstrahlen. Übelkeit und Erbrechen sind häufig. Das sog. »Murphy«Zeichen ist meist positiv. Fieber und Schüttelfrost weisen auf ein Empyem hin. Gelegentlich tritt ein Ikterus auf. Häufige Begleitreaktionen sind Meteorismus bis hin zum paralytischen Ileus.
Diagnose. Neben dem klinischen Bild findet sich eine Erhöhung der Entzün-
Diagnose. Laborchemisch zeigt sich eine Erhöhung der Entzündungsparameter (Leukozyten, CRP) sowie möglicherweise der AP, LAP, g -GT, Transaminasen und ggf. des Bilirubins. Die Abdomensonographie sichert die Diagnose, ggf. ist eine ERCP erforderlich.
akuten Cholezystitiden sind mit einer Cholelithiasis vergesellschaftet.
dungsparameter (Leukozyten, CRP, BSG). Die alkalische Phosphatase (AP), LAP, g-GT, Transaminasen und ggf. das Bilirubin können ebenfalls erhöht sein. Die Abdomensonographie ist die wichtigste Untersuchung, da hierdurch z.B. das Vorliegen von Gallensteinen, pathologische Veränderungen der Gallenblasenwand (Verdickung auf > 3 mm) oder eine pericholezystitische Flüssigkeitsansammlung nachweisbar sind. Bei gleichzeitig bestehendem Ikterus sollte zur weiteren Abklärung eine ERCP durchgeführt werden.
Selten führen Torsion oder Abknickung des Ductus cysticus, lokale, nicht entzündliche Veränderungen in der Schleimhaut, Parasiten oder Kompression von außen zur akuten Cholezystitis.
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8 Gallenblase und Gallenwege
Therapie. Es sollte unverzüglich eine systemische Behandlung mit Analgetika und Spasmolytika, sowie Nahrungskarenz erfolgen. Bei vorliegender Infektion muss zusätzlich antibiotisch behandelt werden. Der Patient muss innerhalb von 4 Tagen cholezystektomiert werden.
Therapie. Zunächst sollte unverzüglich eine systemische Behandlung mit
Analgetika und Spasmolytika erfolgen und Nahrungskarenz eingehalten werden. Obwohl die akute Cholezystitis keine primär bakterielle Infektion ist, ist die gleichzeitige antibiotische Therapie indiziert, die auf jeden Fall die gramnegativen Darmbakterien miteinschließen sollte (z.B. Cefoxitin oder Mezlocillin als Einfachtherapie oder Cephalosporin + Metronidazol, Ampicillin + Aminoglykosid bei schwereren Verläufen). Prinzipiell muss der Patient cholezystektomiert werden. Über den optimalen Operationszeitpunkt (sofort, nach Abklingen der akuten Symptomatik oder erst nach einigen Wochen im beschwerdefreien Intervall) wurde lange diskutiert. Heute gilt die Operation innerhalb von 4 Tagen nach Beginn der Symptomatik als Verfahren der Wahl (Frühcholezystektomie).
Komplikationen. Die wichtigsten Komplikationen sind: Gallenblasenempyem, Gangrän der Gallenblase und die Perforation mit Ausbildung eines pericholezystitischen oder subphrenischen Abszesses, einer cholezystoenterischen Fistel oder einer diffusen Peritonitis.
Komplikationen. Die wichtigsten Komplikationen der akuten Cholezystitis
8.5.2
8.5.2
Chronische Cholezystitis
Definition
sind: Gallenblasenempyem (20 %), Gangrän der Gallenblase (6 %) und die Perforation (8–14 %) mit Ausbildung eines pericholezystitischen, intra- oder subhepatischen oder subphrenischen Abszesses, einer cholezystoenterischen Fistel (Duodenum, Kolon, Dünndarm, Magen) oder einer diffusen Peritonitis.
Chronische Cholezystitis
n Definition. Die chronische Cholezystitis ist in über 90 % der Fälle die Folge einer chronischen Entzündung der Gallenblasenwand bei Cholelithiasis.
Pathophysiologie, Pathogenese. Durch die chronische Entzündung kommt es zur Atrophie der Gallenblasenwand mit Aufhebung der Motilität, wodurch eine Konkrementbildung begünstigt wird. Bei zusätzlichen Kalkeinlagerungen entsteht eine Porzellangallenblase ( 1 B-8.6).
Pathophysiologie, Pathogenese. Die chronische Entzündung entsteht
Symptome. Die Symptome der chronischen Cholezystitis sind oft uncharakteristisch mit Schmerzen im rechten Oberbauch, Fettunverträglichkeit und Übelkeit. Im akuten Schub gleicht das Bild einer akuten Cholezystitis. Die Gallenblase ist meist verkleinert. Sie kann als Schrumpfgallenblase fast vollständig als Sack um einen oft solitären Tonnenstein obliteriert sein.
Symptome. Die Symptome der chronischen Cholezystitis sind oft atypisch.
Diagnose. Die klinische Untersuchung ist meist unauffällig. Es gibt keine charakteristischen Laborparameter. Führend in der Diagnostik ist die Sonographie des Abdomens.
Diagnose. Bei der klinischen Untersuchung kann man gelegentlich eine
durch chemische und mechanische Irritation, hervorgerufen durch die lithogene Galle bzw. die Konkremente. Die chronisch-entzündlich veränderte Gallenblasenwand führt zu einer Rückresorption und damit Abbau von Gallensäuren und begünstigt so die Cholesterinsteinbildung. Mikroskopisch imponieren Atrophie und bindegewebige Durchbauung der Tunica muscularis. Dieses resultiert letztlich in der Aufhebung der Gallenblasenmotilität und prädisponiert zur Konkrementbildung. Bei zusätzlichen Kalkeinlagerungen entsteht eine Porzellangallenblase ( 1 B-8.6).
Im Vordergrund stehen ein Druckgefühl und Schmerzen im rechten Oberbauch, gelegentlich auch im Epigastrium oder linken Oberbauch, Meteorismus, Unverträglichkeit von fetten oder gebratenen Speisen, Übelkeit und Erbrechen. Die kolikartigen Schmerzen persistieren für einen erheblich kürzeren Zeitraum als bei der akuten Cholezystitis. Zwischen den Schmerzattacken können Wochen, Monate oder sogar Jahre liegen. Im akuten Schub gleicht das Bild einer akuten Cholezystitis. Die Gallenblase ist meist verkleinert. Sie kann als Schrumpfgallenblase fast vollständig als Sack um einen oft solitären Tonnenstein obliteriert sein. Daneben gibt es chronische Cholezystitiden bei einer steinfreien Gallenblase. Ursächlich diskutiert werden die Dyskinesie der Gallenwege, toxische, vaskuläre und allergische Faktoren sowie aszendierende Infektionen durch Bakterien (z.B. Salmonellen, Shigellen), Viren (z.B. Zytomegalie) und Parasiten (Giardia lamblia, Askariden).
Abwehrspannung im rechten Oberbauch nachweisen, meist jedoch ist die klinische Untersuchung unauffällig. Laborchemisch gibt es keine typische Konstellation. Führend in der Diagnostik ist die Sonographie des Abdomens, die eine Sensitivität von 90–95 % und eine Spezifität von 95–100 % erreicht. Der Nachweis von Gallensteinen, am besten zu sehen bei nüchternen Patienten, gelingt bis zu einer Größe von 1–2 mm und bestätigt die Diagnose Cholezystolithiasis. Der sonographische Nachweis einer verdick-
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487
8.5.4 Posttraumatische Cholezystitis ten, dreigeschichteten Gallenblasenwand gilt als spezifisches Zeichen der chronischen Cholezystitis. Die CT dient im Wesentlichen zur Abklärung klinisch vermuteter Komplikationen wie z.B. Abszess oder Pankreatitis.
Therapie. Die Therapie der Wahl ist die operative Entfernung der Gallen-
blase. In Anbetracht der minimal-invasiven Operationstechnik sind die nicht operativen Behandlungsmaßnahmen sehr in den Hintergrund getreten.
8.5.3
Emphysematöse Cholezystitis
n Definition. Die emphysematöse Cholezystitis ist eine sehr seltene Form der akuten Cholezystitis, bei der die Gallenblase, ihre Wand, manchmal auch die Gallengänge oder die pericholezystitische Region Gas enthalten.
Die CT dient im Wesentlichen zur Abklärung klinisch vermuteter Komplikationen wie z.B. Abszess oder Pankreatitis. Therapie. Die Therapie der Wahl ist die operative Entfernung der Gallenblase.
8.5.3
Emphysematöse Cholezystitis
Definition
Ätiologie. Sie tritt als Folge einer Anaerobierinfektion auf, am häufigsten
Ätiologie. Die emphysematöse Cholezystitis ist Folge einer Anaerobierinfektion, oft verursacht durch Clostridien.
Symptome. Die klinische Symptomatik entspricht der der akuten Cholezys-
Symptome. Die klinische Symptomatik entspricht der der akuten Cholezystitis.
Diagnose. Die Diagnosestellung erfolgt durch Gasnachweis in der Gallen-
Diagnose. Erfolgt durch Gasnachweis in der Abdomenübersichtsaufnahme.
Therapie. Die Therapie der Wahl ist die sofortige Cholezystektomie unter
Therapie. Sofortige Cholezystektomie unter Antibiose.
verursacht durch Clostridien, gelegentlich auch durch E. coli, anaerobe Streptokokken u.a.
titis. Zusätzliche klinische Besonderheiten sind: Blutdruckabfall, vermutlich bedingt durch die Toxinwirkung, und Hämolyse.
blase (intraluminal oder intramural) in der Abdomenübersichtsaufnahme. hochdosierter antibiotischer Behandlung.
8.5.4
Posttraumatische Cholezystitis
n Definition. Nach schweren Traumen, chirurgischen Eingriffen und nach Verbrennungen kann es zum Auftreten einer akuten Cholezystitis ohne Nachweis von Konkrementen kommen.
8.5.4
Posttraumatische Cholezystitis
Definition
Ätiologie. Als prädisponierende Faktoren gelten: lange Nüchternheit
Ätiologie. Prädisponierende Faktoren sind lange Nüchternheit, Immobilität und hämodynamische Instabilität.
Symptome. Das klinische Bild zeigt häufig nur unklare Temperaturerhöhun-
Symptome. Unklare Temperaturerhöhungen.
Diagnose. Durch das häufige Auftreten unter intensivmedizinischen Bedingungen kann die Diagnosestellung erschwert sein. Sonographisch gelten als Hinweis: verdickte und vergrößerte Gallenblase, Abwehrspannung im rechten Oberbauch bei der Untersuchung (Murphy-Zeichen) und pericholezystitische Flüssigkeitsansammlung. Da die klinischen Zeichen häufig uncharakteristisch sind, ist eine CT u.U. indiziert, zumal hierdurch andere zugrunde liegende Ursachen ausgeschlossen werden können.
Diagnose. Sonographisch verdickte, vergrößerte Gallenblase, pericholezystitische Flüssigkeitsansammlung. Ggf. klinisch positives Murphy-Zeichen.
Therapie. Cholezystektomie.
Therapie. Cholezystektomie.
(dadurch keine Gallenblasenentleerung), Immobilität und hämodynamische Instabilität. Als zugrunde liegende Ursachen werden ischämische/chemische Schädigungen des Gallenblasenepitheliums diskutiert.
gen.
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488 8.6
Cholangitis
Definition
8 Gallenblase und Gallenwege
8.6
Cholangitis
n Definition. Als Cholangitis wird die bakterielle Infektion der Gallenwege auf dem Boden eines Verschlusses der extrahepatischen Gallenwege durch Konkremente oder Strikturen bezeichnet. Es können sowohl die intra- wie extrahepatischen Gallenwege betroffen sein.
Einteilung. Man unterscheidet akute und chronisch rezidivierende Cholangitiden.
Einteilung. Man unterscheidet akute und chronisch rezidivierende Cholan-
Ätiologie und Pathogenese Häufig entsteht eine bakterielle Infektion der Gallenwege bei Abflussbehinderung infolge von Choledochussteinen oder Strikturen; seltener durch Pankreatitis, Karzinome, Papillenerkrankungen, Parasiten oder kongenitale Anomalien.
Ätiologie und Pathogenese. Häufiger auslösender Faktor einer bakteriellen Entzündung der Gallenwege ist eine Behinderung des Gallenabflusses, vor allem hervorgerufen durch intraduktale Konkremente oder eine Striktur. Andere Ursachen sind Cholestase infolge Papillenerkrankungen, Pankreatitis, Pankreaskarzinom und andere Tumoren im Bereich der Gallenwege sowie kongenitale Anomalien (z.B. Choledochuszyste) und die sklerosierende Cholangitis. Eine Abflussbehinderung und Infektion durch Parasitenbefall (Askariden, Lamblien) kommt ebenfalls in Betracht. Eine aszendierende Cholangitis kann sich nach Operationen oder Manipulationen an der Papille oder den distalen Gallengängen entwickeln. Durch eine breite Verbindung zwischen Ductus choledochus und Darm (Spaltung der Papille im Rahmen einer ERCP oder biliodigestiven Anastomose) können Darmkeime in die Gallengänge gelangen. Die Entzündung kann sich kanalikulär, hämatogen oder lymphogen ausbreiten. Das gesamte Gallenwegssystem einschließlich des Leberparenchyms kann involviert sein. Die wichtigsten Erreger umfassen die gramnegative Koli-Gruppe, Mischinfektion mit Enterokokken, Streptokokken, Proteus, Klebsiellen u.a. Bevorzugt betroffen sind Frauen, ältere Menschen und Patienten nach operativen Eingriffen an den Gallenwegen.
Durch eine breite Verbindung zwischen Ductus choledochus und Darm, etwa nach Eingriffen an der Papille oder den distalen Gallengängen (z.B. ERCP, biliodigestive Anastomose) kann sich eine aszendierende Cholangitis entwickeln. Die Infektionsausbreitung erfolgt kanalikulär, hämatogen oder lymphogen. Als Erreger werden bevorzugt Bakterien der Darmflora angetroffen.
Symptome. Kolikartige Schmerzen im rechten Oberbauch, intermittierendes Fieber (Schüttelfrost) und Ikterus, die sog. Charcot-Trias, sind die Leitsymptome der akuten Cholangitis. Diagnose. Leukozytose, BSG- und CRP-Erhöhung sowie Cholestase unterschiedlicher Ausprägung mit Anstieg von Billirubin, AP, LAP, g -GT und u.U. der Transaminasen.
Nachweis eines Abflusshindernisses und/oder erweiterter Gallengänge durch Sonographie, ggf. ERCP und Computertomographie.
gitiden.
Symptome. Kolikartige Schmerzen im rechten Oberbauch, intermittierendes Fieber (Schüttelfrost) und Ikterus, die sog. Charcot-Trias, sind die Leitsymptome der akuten Cholangitis. Diese Symptome sind unterschiedlich ausgeprägt, z.B. können Schmerzen ganz fehlen.
Diagnose. Die Leber ist bei den meist ikterischen Patienten vergrößert und
druckdolent. Laborchemisch weisen eine starke BSG-Beschleunigung, Leukozytose mit Linksverschiebung und Erhöhung des CRP auf eine bakterielle Entzündung hin. Die Cholestase ist unterschiedlich stark ausgeprägt und führt neben erhöhten Bilirubinwerten zu einem Anstieg cholestaseanzeigender Enzyme (AP, LAP, g-GT). Als Ausdruck einer Leberparenchymschädigung können die Transaminasen ansteigen. Der Nachweis eines Abflusshindernisses und/oder erweiterter Gallengänge gelingt häufig durch eine Sonographie. Für eine weitere direkte Gallenwegsdarstellung schließt sich meist eine ERCP an. Bei Verdacht auf eine intraoder extrahepatische Raumforderung wird man eine Computertomographie durchführen.
Differenzialdiagnose. Hepatitis, Leberzirrhose, Verschlussikterus anderer Genese.
Differenzialdiagnose. In Betracht gezogen werden müssen eine Hepatitis,
Therapie. Vordringlich ist neben einer antibiotischen Therapie die Beseitigung des Abflusshindernisses durch endoskopische Steinextraktion oder Papillotomie bzw. chirurgische Sanierung des Gallenganges.
Therapie. Vordringlich ist – als kurative Therapie – die Beseitigung der
eine Leberzirrhose sowie ein Verschlussikterus anderer Genese.
mechanischen Ursache zur Wiederherstellung des freien Gallenabflusses (z.B. endoskopische Steinextraktion mit Papillotomie, chirurgische Sanierung des Gallenganges), weil nur so Rezidive der Cholangitis vermieden werden können. Mild bis moderat verlaufende Fälle sprechen gut auf eine antibiotische Monotherapie an (z.B. Cefoxitin). In schwereren Fällen muss eine Kombinationsbehandlung erfolgen (Gentamicin, Ampicillin und Metronidazol) sowie begleitend eine parenterale Ernährung. Ggf. ist die Gabe von Analgetika und Spasmolytika erforderlich.
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489
8.6.1 Primär sklerosierende Cholangitis (PSC)
Prognose. Kann die Ursache der Cholangitis beseitigt werden, tritt meistens
eine schnelle Besserung ein. Bleibt das Abflusshindernis bestehen, ist eine Ausbreitung der Entzündung innerhalb der Leber bis in die Ductuli möglich, was zu einer Sepsis mit ihren Folgen und zu Leberabszessen führen kann. Bei persistierender Cholestase und rezidivierenden Entzündungsschüben ist ein Übergang in eine chronisch rezidivierende Cholangitis möglich. Bei längerem Bestehen kann sich hieraus schließlich eine sekundäre biliäre Zirrhose entwickeln.
8.6.1
Primär sklerosierende Cholangitis (PSC)
n Definition. Die Terminologie »Sklerosierende Cholangitis« umfasst ein ganzes Spektrum chronischer hepatobiliärer Erkrankungen, welche durch eine diffuse Entzündung und Fibrose des biliären Systems gekennzeichnet sind. Diese umschriebene oder diffuse, chronisch-fibrosierende Entzündung der Gallenwege führt zu Strikturen und Wandverdickungen der intrahepatischen und/oder extrahepatischen Gallenwege.
Prognose. Mit Beseitigung des Abflusshindernisses tritt meistens Besserung ein. Bei Persistenz der Obstruktion können sich Sepsis und Leberabszesse entwickeln. Bei längerem Bestehen ist ein Übergang in eine chronisch rezidivierende Cholangitis möglich. Daraus kann schließlich eine sekundäre biliäre Zirrhose entstehen. 8.6.1 Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) Definition
Ätiologie. Die PSC kann idiopathisch auftreten, d.h. ohne Verbindung mit
Ätiologie. Die PSC kann idiopathisch auftreten. Häufig ist sie jedoch assoziiert mit entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa), Retroperitonealfibrose (Morbus Ormond) oder Autoimmunerkrankungen.
Symptome. Klinisch stehen der intermittierend auftretende Ikterus, Pruri-
Symptome. Ikterus, Pruritus und rechtsseitige Oberbauchschmerzen stehen im Vordergrund. Hepatomegalie, später auch eine Splenomegalie sind ebenfalls zu finden.
Diagnose. Die Diagnosestellung erfolgt meist durch ERCP. Hierbei sieht man
Diagnose. Die Diagnosestellung erfolgt meist durch ERCP (»Perlschnurphänomen«, 1 B-8.9).
einer systemischen Erkrankung; man findet sie auch gehäuft in Verbindung mit entzündlichen Darmerkrankungen (z.B. Colitis ulcerosa), systemischen Fibrosen (z.B. Morbus Ormond) und Autoimmunerkrankungen (z.B. systemischer Lupus erythematodes).
tus und rechtsseitige Oberbauchschmerzen im Vordergrund. Man findet des weiteren eine Hepatomegalie, später auch eine Splenomegalie. Sekundär, verursacht durch bakterielle Cholangitiden, können Fieberschübe und Schüttelfrost auftreten.
die diffus verteilten, multifokalen Strikturen, kurze, bandförmige Segmente im Wechsel mit aufgeweiteten, z.T. zystischen Gallengängen (»Perlschnurphänomen«, 1 B-8.9).
1 B-8.9
ERCP bei primär sklerosierender Cholangitis Multiple extrahepatische Gallengangsstrikturen bei primär sklerosierender Cholangitis (sog. Perlschnurphänomen).
Therapie. Es gibt keine kausale Therapie der primär sklerosierenden Cholangitis, da ihre Ätiologie unbekannt ist. Durch den sehr variablen klinischen Verlauf kann man lediglich die Komplikationen der Cholestase und der Gallengangsobstruktion behandeln. Die Therapie besteht in der Gabe von Urso-
Therapie. Gabe von Ursodesoxycholsäure, erforderlichenfalls Dilatation/ Stenteinlage. Im Endstadium besteht die Indikation zur Lebertransplantation.
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8 Gallenblase und Gallenwege desoxycholsäure sowie erforderlichenfalls in der Beseitigung eines Abflusshindernisses (Dilatation von Stenosen, Stenteinlage). Bei intrahepatischem Befall mit multiplen und progredienten Stenosen im Endstadium oder bei unbehandelbaren Symptomen besteht die Indikation zur Lebertransplantation.
Prognose. Als Spätfolge können sich Cholangiokarzinome entwickeln.
Prognose. Es wird angenommen, dass die primär sklerosierende Cholangitis
8.7
8.7
Gallengangsstrikturen
Definition
Ätiopathogenese. Als Ursache liegt meistens eine iatrogene Verletzung des Gallenganges vor (Gallengangsrevision, Gallengangsanastomosen), des weiteren rezidivierende bakterielle Cholangitiden, sklerosierende Cholangitis, chronische Pankreatitis.
Merke
als Präkanzerose für Cholangiokarzinome einzustufen ist.
Gallengangsstrikturen
n Definition. Gallengangsstrikturen sind Verengungen im Bereich des Gallengangssystems und entstehen am häufigsten als Folge einer iatrogenen Verletzung des Gallenganges bei einer Cholezystektomie.
Ätiopathogenese. Ca. 90 % entstehen als Folge einer Verletzung während der Operation am Gallenwegssystem und ca. 10 % hiervon sind die Folge einer Gallengangsrevision oder -anastomose. Das Risiko einer Gallengangsverletzung besteht besonders bei entzündlichen Veränderungen der Gallenblase und daraus resultierenden unklaren anatomischen Verhältnissen bei der Durchführung einer Cholezystektomie, bei bestehenden Anomalien des Gallengangsystems oder durch Verletzung bei Operationen benachbarter Organe. Weitere Ursachen umfassen die rezidivierende bakterielle Cholangitis, sklerosierende Cholangitis und chronische Pankreatitis, Traumata und Choledocholithiasis. n Merke. Bis zum Beweis des Gegenteils hat jede Gallengangsstenose als maligne zu gelten.
Durch Verletzungen des Gallengangssystems kommt es zum Austritt von Gallensekret, das eine fibrosierende Wirkung auf Gewebe besitzt. Dadurch wird eine ausgeprägte Narbenbildung induziert.
Das Gallensekret besitzt eine fibrosierende Wirkung auf normales Gewebe. Kommt es bei Verletzung des Gallengangssystems zum Austritt von Gallensekret, so wird dadurch eine ausgeprägte Narbenbildung induziert, die zu einer Striktur oder Stenosierung führen kann. Weitere Faktoren, wie lokale Ischämie (z.B. als Folge operativer Manipulationen) werden diskutiert.
Symptome. Ikterus, ggf. mit Fieber (Cholangitis), Oberbauchschmerz.
Symptome. Als Symptome treten in Abhängigkeit vom Stenosierungsgrad
Diagnose. Es finden sich eine Hyperbilirubinämie, Erhöhung der g -GT, AP und LAP, bei bestehender Cholangitis auch eine Leukozytose und Transaminasenerhöhung. Bei segmentaler Obstruktion kann eine anikterische Cholestase bestehen. Die Diagnose wird durch die Sonographie und ERCP gestellt.
Diagnose. Laborchemisch findet sich in der Regel eine Hyperbilirubinämie mit Erhöhung der g-GT, AP und LAP, bei bestehender Cholangitis vergesell-
Therapie. Bei Ausbildung einer Striktur sollte diese frühestmöglich beseitigt werden, entweder durch Einlage eines Stents, durch Resektion der Striktur oder durch Anlage einer biliodigestiven Anastomose.
Therapie. Die Behandlung biliärer Strikturen beginnt mit der Prävention derselben. Ist es zur Ausbildung einer Striktur gekommen, sollte diese primär beseitigt werden. Bei operationsbedingten Strikturen kann versucht werden, durch endoskopische Einlage eines Stents eine Dilatation der Striktur zu erreichen. Bei erfolgloser Dilatation und kurzstreckigen Stenosen kann eine Resektion der Stenose und direkte End-zu-End-Anastomosierung beider Teile des Gallenganges möglich sein. Befindet sich die Stenose im Bereich der Hepatikusgabel, so ist die Anlage einer biliodigestiven Anastomose erforderlich
ein Ikterus, evtl. mit begleitender Cholangitis (Fieber) und/oder rechtsseitigen Oberbauchschmerzen auf.
schaftet mit Leukozytose und Transaminasenerhöhung. Bei segmentaler Obstruktion kann auch nur eine anikterische Cholestase bestehen. Wegweisend ist meist die Anamnese mit vorausgegangener Operation an den Gallenwegen. Die Diagnosesicherung erfolgt primär durch die Sonographie, um die aufgeweiteten Gallengänge nachzuweisen, des Weiteren durch ERCP. Die wichtigste Information zur Planung des chirurgischen Vorgehens ist die Darstellung der proximalen Ausdehnung der Striktur.
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8.9.1 Benigne Tumoren (s. S. 501). Zu beachten ist hierbei die komplette Dränage aller Segmentgallengänge. Langstreckige Stenosen erfordern ebenfalls eine biliodigestive Anastomose.
Komplikationen. Unbehandelt führt eine prolongierte biliäre Obstruk-
tion zum Auftreten einer sekundären biliären Zirrhose und damit zur Leberinsuffizienz. Auch nach Anlage einer biliodigestiven Anastomose kann es zum wiederholten Auftreten von aszendierenden Cholangitiden kommen. Ferner kann sich bedingt durch die Narbenbildung eine erneute Stenose entwickeln.
8.8 n
Papillenstenose Definition. Die Papillenstenose ist eine Verengung der Papilla Vateri.
Komplikationen. Es kann sich eine sekundäre biliäre Zirrhose entwickeln.
8.8
Papillenstenose
Definition
Ätiopathogenese. Papillenstenosen können entweder idiopathischer
Ätiopathogenese. Unterschieden werden Papillenstenosen idiopathischer Genese von sekundär durch chronisch entzündliche Veränderungen hervorgerufenen Papillenstenosen.
Symptome. Charakteristischerweise findet man bei den Patienten rekurrie-
Symptome. Man findet rekurrierende Episoden mit starken Oberbauchschmerzen, häufig subfebrile Temperaturen und eine tastbare Resistenz im rechten Oberbauch.
Diagnose. Nur in 20 % findet man eine Erhöhung der Leber- und Pankreasenzyme, assoziiert mit den Schmerzattacken. Ein Ikterus kann vorliegen. In 15 % ist eine Erweiterung des Gallen- und/oder Pankreasganges nachweisbar. Häufig zeigen Abdomensonographie und CT keine Erweiterung des Gallenund Pankreasganges. Die Diagnosestellung erfolgt durch ERCP.
Diagnose. Die Laborparameter, ebenso wie Abdomensonographie und CT, sind häufig unauffällig. Die Diagnosestellung erfolgt durch ERCP und durch Ausschluss anderer Erkrankungen.
Therapie. Die Therapie der Papillenstenose ist die primär endoskopische
Therapie. Endoskopische Papillotomie (s. Kap. B-13.7.1).
Komplikationen. Als Komplikationen kann es zum Wiederauftreten narbi-
Komplikationen. Narbige Veränderungen, Pankreatitiden, Cholangitiden (s. Kap. B-13.7.1).
Genese (Papillensklerose, Adenomyomatose) sein oder durch chronisch entzündliche Veränderungen sekundär hervorgerufen werden: wie z.B. Steinabgang, Pankreatitis oder peptisches Ulkus. Z.T. ist die Papillenstenose assoziiert mit rekurrierender Pankreatitis oder aszendierender Cholangitis. Diskutiert wird auch das Auftreten von Papillenstenosen nach vorausgegangener chirurgischer Bougierung der Papille im Rahmen einer Choledochusrevision.
rend auftretende Episoden starker, rechtsseitiger Oberbauchschmerzen, häufig vergesellschaftet mit subfebrilen Temperaturen und eine tastbare Resistenz im rechten Oberbauch. Die Klinik ist der des distalen Choledochusverschlusses vergleichbar, oft besteht eine begleitende Pankreatitis.
Papillotomie (s. Kap. B-13.7.1).
ger Strikturen kommen. Des weiteren können Pankreatitiden und Cholangitiden auftreten.
8.9
8.9.1
Tumoren der Gallenblase und der Gallenwege Benigne Tumoren
n Definition. Benigne Tumoren der Gallenblase und Gallenwege sind sehr selten. Meistens handelt es sich um tubulovillöse Adenome (Papillome), gefolgt von Adenomyomen oder Myoblastomen. Die Adenome können in Karzinome übergehen ( 1 B-8.10).
Symptome. Die benignen Tumoren der Gallenblase verursachen selten eine
Symptomatik. Sie werden fast immer als Zufallsbefund im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung des Oberbauches entdeckt. Benigne Tumoren der Gallenwege manifestieren sich erst bei obstruierendem Wachstum durch das Auftreten eines Ikterus.
8.9
Tumoren der Gallenblase und der Gallenwege
8.9.1 Benigne Tumoren Definition
Symptome. Benigne Gallenblasentumoren werden meistens zufällig bei Ultraschalluntersuchungen entdeckt. Selten verursachen sie eine Symptomatik. Gallengangstumoren manifestieren sich durch das Auftreten eines Ikterus.
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8.9.1 Benigne Tumoren (s. S. 501). Zu beachten ist hierbei die komplette Dränage aller Segmentgallengänge. Langstreckige Stenosen erfordern ebenfalls eine biliodigestive Anastomose.
Komplikationen. Unbehandelt führt eine prolongierte biliäre Obstruk-
tion zum Auftreten einer sekundären biliären Zirrhose und damit zur Leberinsuffizienz. Auch nach Anlage einer biliodigestiven Anastomose kann es zum wiederholten Auftreten von aszendierenden Cholangitiden kommen. Ferner kann sich bedingt durch die Narbenbildung eine erneute Stenose entwickeln.
8.8 n
Papillenstenose Definition. Die Papillenstenose ist eine Verengung der Papilla Vateri.
Komplikationen. Es kann sich eine sekundäre biliäre Zirrhose entwickeln.
8.8
Papillenstenose
Definition
Ätiopathogenese. Papillenstenosen können entweder idiopathischer
Ätiopathogenese. Unterschieden werden Papillenstenosen idiopathischer Genese von sekundär durch chronisch entzündliche Veränderungen hervorgerufenen Papillenstenosen.
Symptome. Charakteristischerweise findet man bei den Patienten rekurrie-
Symptome. Man findet rekurrierende Episoden mit starken Oberbauchschmerzen, häufig subfebrile Temperaturen und eine tastbare Resistenz im rechten Oberbauch.
Diagnose. Nur in 20 % findet man eine Erhöhung der Leber- und Pankreasenzyme, assoziiert mit den Schmerzattacken. Ein Ikterus kann vorliegen. In 15 % ist eine Erweiterung des Gallen- und/oder Pankreasganges nachweisbar. Häufig zeigen Abdomensonographie und CT keine Erweiterung des Gallenund Pankreasganges. Die Diagnosestellung erfolgt durch ERCP.
Diagnose. Die Laborparameter, ebenso wie Abdomensonographie und CT, sind häufig unauffällig. Die Diagnosestellung erfolgt durch ERCP und durch Ausschluss anderer Erkrankungen.
Therapie. Die Therapie der Papillenstenose ist die primär endoskopische
Therapie. Endoskopische Papillotomie (s. Kap. B-13.7.1).
Komplikationen. Als Komplikationen kann es zum Wiederauftreten narbi-
Komplikationen. Narbige Veränderungen, Pankreatitiden, Cholangitiden (s. Kap. B-13.7.1).
Genese (Papillensklerose, Adenomyomatose) sein oder durch chronisch entzündliche Veränderungen sekundär hervorgerufen werden: wie z.B. Steinabgang, Pankreatitis oder peptisches Ulkus. Z.T. ist die Papillenstenose assoziiert mit rekurrierender Pankreatitis oder aszendierender Cholangitis. Diskutiert wird auch das Auftreten von Papillenstenosen nach vorausgegangener chirurgischer Bougierung der Papille im Rahmen einer Choledochusrevision.
rend auftretende Episoden starker, rechtsseitiger Oberbauchschmerzen, häufig vergesellschaftet mit subfebrilen Temperaturen und eine tastbare Resistenz im rechten Oberbauch. Die Klinik ist der des distalen Choledochusverschlusses vergleichbar, oft besteht eine begleitende Pankreatitis.
Papillotomie (s. Kap. B-13.7.1).
ger Strikturen kommen. Des weiteren können Pankreatitiden und Cholangitiden auftreten.
8.9
8.9.1
Tumoren der Gallenblase und der Gallenwege Benigne Tumoren
n Definition. Benigne Tumoren der Gallenblase und Gallenwege sind sehr selten. Meistens handelt es sich um tubulovillöse Adenome (Papillome), gefolgt von Adenomyomen oder Myoblastomen. Die Adenome können in Karzinome übergehen ( 1 B-8.10).
Symptome. Die benignen Tumoren der Gallenblase verursachen selten eine
Symptomatik. Sie werden fast immer als Zufallsbefund im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung des Oberbauches entdeckt. Benigne Tumoren der Gallenwege manifestieren sich erst bei obstruierendem Wachstum durch das Auftreten eines Ikterus.
8.9
Tumoren der Gallenblase und der Gallenwege
8.9.1 Benigne Tumoren Definition
Symptome. Benigne Gallenblasentumoren werden meistens zufällig bei Ultraschalluntersuchungen entdeckt. Selten verursachen sie eine Symptomatik. Gallengangstumoren manifestieren sich durch das Auftreten eines Ikterus.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
492
8 Gallenblase und Gallenwege
1 B-8.10
Papillomatose Ausgedehnte Papillomatose der Gallenblase.
Diagnose. Sie umfasst ERC, Sonographie, CT und ggf. MRT.
Diagnose. Die wichtigste Untersuchung ist die ERC, die das Ausmaß der
Therapie. Bei Gallenblasentumoren erfolgt die Cholezystektomie, bei Gallengangstumoren die vollständige Resektion des betroffenen Gangabschnittes.
Therapie. Die Therapie der Wahl ist bei den gutartigen Neubildungen der Gallenblase die Cholezystektomie, die insbesondere dann angezeigt ist, wenn nach einer dreimonatigen sonographischen Kontrolle eine Größenzunahme des Befundes nachweisbar ist. Benigne Tumoren der Gallenwege müssen vollständig reseziert werden, wobei die Resektionsverfahren abhängig von der Lokalisation sind und dem Vorgehen bei Malignomen entsprechen.
Prognose. Bei vollständiger Entfernung des betroffenen Gangabschnittes ist die Prognose gut.
Prognose. Die Prognose ist bei vollständiger Entfernung des betroffenen
8.9.2 Maligne Tumoren
8.9.2
Definition
Tumorausdehnung und seine Lokalisation innerhalb des Gallenwegssystems nachweist. Zur weiteren Abklärung erfolgt präoperativ die Durchführung einer CT sowie ggf. MRT (s. a. S. 472).
Gallengangsabschnittes gut, bei unvollständiger Entfernung besteht die Gefahr des Auftretens eines Rezidives mit erneuter Obstruktion sowie die Möglichkeit der Entwicklung eines Karzinoms.
Maligne Tumoren
n Definition. Adenokarzinome machen über 95 % der Tumoren der extrahepatischen Gallenwege aus. Während Gallenblasenkarzinome hauptsächlich bei weiblichen Patienten älter als 50 Jahre (w : m = 3 : 1) beobachtet werden, finden sich Gallengangskarzinome etwas häufiger bei Männern (w : m = 1 : 1,2). Eine gleichzeitig vorliegende Cholelithiasis kann bei Gallenblasenkarzinomen in 70–98 % und bei Gallengangskarzinomen in 26–50 % der Fälle nachgewiesen werden.
Ätiopathogenese. Kausale Faktoren, die die Entstehung eines Gallenwegskarzinoms begünstigen, sind bisher nicht nachgewiesen.
Ätiopathogenese. Kausale Faktoren, die die Entstehung eines Gallenwegs-
Symptome. Klinisch manifestieren sich Gallenwegskarzinome meist erst im fortgeschrittenen Stadium.
Symptome. Klinisch manifestieren sich die extrahepatischen Gallenwegskarzinome meist erst im fortgeschrittenen Stadium. Bei Patienten mit Gallenblasenkarzinomen stehen dann unspezifische Symptome (Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust) im
karzinoms begünstigen, sind bisher nicht nachgewiesen. Die enge Assoziation zwischen Gallenblasensteinen und Gallenblasenkarzinom lässt allerdings vermuten, dass Gallensteine die Entwicklung von Tumoren begünstigen. Einige Erkrankungen (z.B. Choledochuszyste) stellen Risikofaktoren für die Entwicklung von Gallenwegskarzinomen dar. Äußerst selten ist die Entwicklung von atypischen papillären Epithelproliferationen im extra- und intrahepatischen Gangsystem (diffuse, biliäre Papillomatose).
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8.9.2 Maligne Tumoren Vordergrund. Ein Ikterus tritt erst bei Tumorinfiltration und Verschluss des Ductus choledochus auf. Frühe Stadien des Gallenblasenkarzinoms werden nur inzidenziell entdeckt, wenn im Rahmen einer Cholezystektomie wegen symptomatischer Cholelithiasis die histologische Untersuchung des Präparates ein Karzinom nachweist. Bei den extrahepatischen Gallenwegskarzinomen ist der progrediente schmerzlose Ikterus das Leitsymptom, welches insbesondere bei Karzinomen der Hepatikusgabel (sog. Klatskin-Tumoren) mit Tumorwachstum sowohl im Bereich des rechten wie linken Gallenganges/Leber häufig auf ein fortgeschrittenes Stadium hinweist.
Bei Gallenblasentumoren stehen unspezifische Oberbauchsymptome im Vordergrund, bei Gallengangstumoren das Auftreten eines schmerzlosen Ikterus.
Gallenblasenkarzinom
Gallenblasenkarzinom
Diagnose. Bei allen Patienten mit einem vermuteten Gallenblasenkarzinom
Diagnose. Oberbauchsonographie und CT dienen der Bestimmung der Tumorausdehnung bzw. Metastasierung ( 1 B-8.11).
muss eine Ultraschall- und computertomographische Untersuchung des Abdomens erfolgen, um die Tumorausdehnung zu bestimmen. Lässt sich mit diesen Untersuchungen eine Tumorinfiltration/Metastasierung in beiden Leberlappen nachweisen, so liegt ein nicht resektables Tumorstadium vor ( 1 B-8.11). In allen anderen Fällen sollte vor der chirurgischen Resektion eine ERC durchgeführt werden, um eine Gallengangsbeteiligung zu erfassen.
1 B-8.11
a CT.
Eine ERC wird zum Nachweis/ Ausschluss einer Gallengangsbeteiligung durchgeführt.
Gallenblasenkarzinom
b Intraoperativer Befund.
Ausgedehntes Gallenblasenkarzinom mit Leberinfiltration und peritumorösen Metastasen ( Á).
Therapie. Das Ausmaß der chirurgischen Resektion richtet sich nach dem
Tumorstadium. Bei allen T1- und T2-Tumoren (meist Zufallsbefunde nach Cholezystektomie, Infiltration der Mukosa/Submukosa bzw. Subserosa/Serosa) sollte eine Nachresektion erfolgen, bei der bei T1-Tumoren 2–3 cm des die Gallenblase umgebenden Lebergewebes entfernt werden bzw. bei T2-Tumoren eine vollständige Resektion der Lebersegmente IV und V erfolgt. In beiden Fällen sollte eine Lymphadenektomie des Lig. hepatoduodenale ggf. bis zum Truncus coeliacus durchgeführt werden. Fortgeschrittene Tumorstadien (T3-T4-Tumoren mit Infiltration der Leber oder anderer Organe) weisen meist schon eine Lymphknotenmetastasierung auf. Die Therapie besteht bei auf den rechten Leberlappen beschränktem Wachstum in einer Leberteilresektion und Lymphadenektomie, ggf. in Kombination mit der Resektion infiltrierter Organe (z.B. rechte Kolonflexur).
Therapie. Frühe Tumorstadien (T1 und T2) werden durch Cholezystektomie, Resektion der angrenzenden Leberabschnitte und Lymphadenektomie des Lig. hepatoduodenale therapiert.
Bei fortgeschrittenem Tumorwachstum (T3 und T4) erfolgt eine ausgedehnte Leberresektion und ggf. die Resektion infiltrierter Organe (z.B. rechte Kolonflexur).
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494
8 Gallenblase und Gallenwege
Prognose. Da sich die Tumoren spät manifestieren und keine adjuvanten Therapieverfahren zur Verfügung stehen, ist die Prognose schlecht. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt in größeren Statistiken bei 5 %.
Prognose. Wegen der zumeist späten Manifestation ist die Prognose des
Gallengangskarzinome
Gallengangskarzinome
Klassifikation. Entsprechend ihrer Lokalisation unterscheidet man Tumoren des oberen, mittleren und unteren Drittels ( 1 B-8.12).
Klassifikation. Nach der anatomischen Lokalisation und dem sich daraus
Gallenblasenkarzinoms schlecht. Die allgemeine kurative Resektionsrate liegt bei 10–20 %; in weiteren 20–30 % kann eine palliative Resektion erfolgen. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt in größeren Statistiken bei 5 %. Adjuvante Therapieverfahren (Chemo-/Strahlentherapie) haben bisher keinen Stellenwert in der Behandlung des Gallenblasenkarzinoms.
ergebenden Resektionsverfahren unterteilt man die Gallengangskarzinome in ( 1 B-8.12): π Tumoren des oberen Drittels (Hepatikusgabel-Einmündung Ductus cysticus = Klatskin-Karzinom) π Tumoren des mittleren Drittels (Einmündung des Ductus cysticus – Oberkante Duodenum) und π Tumoren des unteren Drittels (Oberkante des Duodenums – Papille).
1 B-8.12
Synopsis Einteilung der Gallenwegskarzinome (Drittelaufteilung)
proximales (oberes) Drittel
mittleres Drittel
distales (unteres) Drittel
Diagnose. Mittels ERC kann die Tumorausdehnung bestimmt werden; bei vollständigem Verschluss des Ganges muss zusätzlich eine PTC durchgeführt werden ( 1 B-8.13). Die ERC sollte in gleicher Sitzung mit der Implantation einer Pigtaildränage und Gewinnung einer Gewebeprobe/ Zytologie kombiniert werden. Oberbauchsonographie und CT dienen dem Nachweis von Metastasen, eine Angiographie dem Ausschluss einer Gefäßbeteiligung. Die Kombination von Cholangio- und Angio-MRT ermöglicht heute eine genaue Gallenwegsund Gefäßdarstellung.
Therapie. Tumoren des proximalen und mittleren Drittels werden durch Resektion der extrahepatischen Gallengänge
Diagnose. Die wichtigste Untersuchung zur Beurteilung der Tumorausdeh-
nung ist die ERC, die bei vollständigem, nicht passierbarem Verschluss der Gallenwege mit einer PTC (perkutane transhepatische Cholangiographie) kombiniert werden muss, um die Ausdehnung des Tumors nach proximal zu bestimmen ( 1 B-8.13). Wenn möglich, sollte die ERC sofort mit der Einlage einer Pigtaildränage zur Wiederherstellung des Gallenabflusses kombiniert werden. Bei distal lokalisierten Tumoren kann ferner eine Biopsie aus dem tumorösen Bereich entnommen werden, bei proximal lokalisierten Befunden kann die Entnahme einer Bürstenzytologie versucht werden. Oberbauchsonographie und Computertomographie werden zum Ausschluss von Metastasen durchgeführt. Eine präoperative Angiographie mit indirekter Splenoportographie dient dem Ausschluss/Nachweis einer Gefäßinfiltration, welche in den meisten Fällen Irresektabilität bedeutet. Heute kann eine exakte Abbildung des Gallenwegs- und Gefäßsystems durch die Kombination einer Cholangio-MRT und einer Angio-MRT erfolgen.
Therapie. Bei Tumoren des proximalen und mittleren Drittels wird eine
vollständige Resektion der extrahepatischen Gallenwege mit ausgedehnter Lymphadenektomie des Lig. hepatoduodenale und Cholezystektomie durch-
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8.9.2 Maligne Tumoren
1 B-8.13
ERC bei zentralem Gallengangskarzinom
a Langstreckige Stenose des linken Ductus hepaticus und kurzstreckiger Befall des rechten Ductus hepaticus und der Hepatiskusgabel.
b Abbruch des Kontrastmittels ( Á) im Leberhilus bei nicht passierbarer Stenose und fehlender Darstellung des intrahepatischen Gallenwegssystems.
geführt. Hat ein proximal wachsender Tumor bereits die Leber infiltriert, so wird der Eingriff um eine rechts- oder linksseitige Leberresektion bzw. eine zentrale Leberresektion erweitert. Die Rekonstruktion erfolgt meist über eine Y-Roux-Schlinge, die mit dem/ den proximalen Gallenwegsstümpfen anastomosiert wird. Bei distalen Gallenwegskarzinomen wird eine partielle Duodenopankreatektomie mit Lymphadenektomie durchgeführt (Whipple-Op). Als palliative Maßnahme kann bei nicht resektablen Karzinomen eine Afterloadingtherapie versucht werden. Hierzu wird operativ oder perkutan ein/ mehrere Führungskatheter in den Gallengang eingelegt, über den später die lokale Bestrahlung mit der Strahlenquelle (Iridium) erfolgt. Hierdurch kann in einigen Fällen der Gallenabfluss temporär wieder hergestellt werden. In jedem Fall sollte eine Entlastung der gestauten Gallenwege angestrebt werden. Dieses ist entweder endoskopisch über eine Pigtaildränage oder als Ultima ratio perkutan möglich. n Merke. Der in den meisten Fällen extreme, therapieresistente Juckreiz ist nur durch Ableitung der Galle zu lindern. Wegen der schweren Beeinträchtigung der Lebensqualität ist dies die vordringlichste Palliativmaßnahme.
Prognose. Da zentrale Gallenwegskarzinome zum Zeitpunkt ihrer Manifes-
tation (Ikterus) häufig bereits beide Ductus hepatici, das umgebende Leberparenchym, die Pfortader und die A. hepatica infiltriert haben, liegt die Resektabilitätsrate bei 30–50 %, die 5-Jahres-Überlebensraste bei 10–20 %. Tumoren des mittleren und distalen Drittels weisen eine etwas bessere Resektabilitätsrate sowie Überlebensrate auf. Adjuvante Therapieverfahren wie Chemo- oder perkutane Bestrahlungstherapie können die Prognose bisher nicht beeinflussen.
c Nach PTC Darstellung des dilatierten rechten Gallenwegssystems bei ausgeprägter tumorbedingter Destruktion der zentralen Gallenwege (Darstellung lediglich des Katheters).
(ggf. inkl. Leberresektion), Tumoren des distalen Drittels durch partielle Duodenopankreatektomie (WhippleOp) entfernt.
Als palliative Maßnahme kann eine lokale Bestrahlung als Afterloadingtherapie durchgeführt werden.
Zur palliativen Gallenwegsdränage stehen Pigtailkatheter bzw. die PTD zur Verfügung.
Merke
Prognose. Da häufig zum Zeitpunkt der Manifestation bereits ein infiltrierendes Wachstum, besonders bei zentralen Tumoren, vorliegt, ist die Prognose insgesamt schlecht. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei 10–20 %.
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496 8.10
8 Gallenblase und Gallenwege
Papillentumoren
8.10.1 Benigne Tumoren
8.10
Papillentumoren
8.10.1
Benigne Tumoren
n Definition. Die benignen Tumoren der Papille (Papilla Vateri) sind tubuläre oder tubulovillöse Adenome. Sie werden gelegentlich als Zufallsbefund im Rahmen einer Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) entdeckt.
Definition
Symptome. Große Tumoren können einen Ikterus bzw. Symptome einer Magenausgangsstenose bedingen.
Symptome. Große Adenome können bei Verlegung der Papille einen Ikterus
Diagnose. Die Diagnostik umfasst eine π ÖGD mit Biopsien (ggf. vollständige Abtragung des Tumors) π ERCP und π Endosonographie.
Diagnose. Die wichtigste Untersuchung ist die ÖGD, bei der aus dem tumo-
Therapie. Kleine Adenome können endoskopisch abgetragen werden. Bei großen Adenomen erfolgt die lokale
1 B-8.14
verursachen bzw. bei Obstruktion des Duodenums die Symptome einer Magenausgangsstenose hervorrufen.
rösen Bereich sofort Biopsien entnommen werden sollten bzw. das Adenom sofort vollständig abgetragen wird. Eine ERCP muss zum Ausschluss/Nachweis einer Beteiligung des Gallengangs- und Pankreasgangssystems erfolgen, wobei bei ikterischen Patienten in gleicher Sitzung die Entlastung des Gallenganges durch Implantation eines Pigtailkatheters erfolgt. Bei großen Befunden sollte zum Ausschluss eines invasiven Wachstums eine Endosonographie durchgeführt werden (s. Kap. B-13.7, S. 609).
Therapie. Kleinere Adenome können endoskopisch abgetragen werden. Bei großen Adenomen erfolgt die chirurgische Resektion, wobei die Papillenregion über eine Längsduodenotomie erreicht wird. Hilfreich ist es, wenn
Papillenadenome
a Z.n. Duodenotomie und Choledochotomie mit Sondierung des Gallenganges und der Papille bei großem Adenom peripapillär.
b Z. n. Duodenotomie und Resektion eines großen Papillenadenoms. Pigtailkatheter sind noch im D. choledochus (grün) und D. pancreaticus (weiß) belassen, vor Anastomosierung der Gänge mit der Duodenalwand.
c Kontrollendoskopie 6 Monate nach Resektion eines Papillenadenoms und Reimplantation des D. choledochus und D. pancreaticus.
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497
8.10.2 Maligne Tumoren zuvor endoskopisch der Gallen- und Pankreasgang mit Pigtailkathetern geschient wurde ( 1 B-8.14). Das Adenom wird dann vollständig reseziert, die beiden Gänge in die Duodenalwand reimplantiert und die Duodenotomie verschlossen. Das Präparat wird zur intraoperativen Schnellschnittuntersuchung eingesandt, da im Falle einer malignen Entartung der Eingriff als partielle Duodenopankreatektomie fortgeführt werden muss.
Resektion über eine Duodenotomie ( 1 B-8.14).
Prognose. Bei vollständiger Entfernung ist die Prognose gut, ansonsten muss mit einem Rezidiv gerechnet werden.
Prognose. Bei vollständiger Entfernung gut.
8.10.2
Maligne Tumoren
8.10.2 Maligne Tumoren
n Definition. Der weitaus häufigste Tumor der Papille ist das Adenokarzinom. Dieses kann auch aus einem Adenom hervorgehen. Aufgrund der früh auftretenden Verschlusssymptomatik (Ikterus) sind die Malignome in den meisten Fällen resektabel.
Diagnose. Die Diagnostik umfasst: π
π
π
eine ERCP zur Beurteilung der Ausdehnung des Tumors im Bereich des distalen Gallen- und Pankreasganges ( 1 B-8.15) kombiniert mit einer Biopsie zur Verifizierung der Verdachtsdiagnose. Beim ikterischen Patienten wird der Gallengang in gleicher Sitzung mittels Pigtaildränage entlastet. eine Endosonographie zur Bestimmung der Invasionstiefe (s. Kap. B-13.7, S. 609) Oberbauchsonographie und CT zum Ausschluss einer Metastasierung.
1 B-8.15
Definition
Diagnose. Die Diagnostik umfasst: ERCP und Biopsie ( 1 B-8.15) π Endosonographie π Oberbauchsonographie und CT. π
ERCP zur Tumordiagnostik ERCP mit Nachweis einer papillennahen Stenose des Gallen- und Pankreasganges ( Á) mit Dilatation beider Gangsysteme.
Therapie. Bei allen nicht metastasierten Tumoren wird eine partielle Duo-
Therapie. Bei resektablen Tumoren erfolgt eine partielle Duodenopankreatektomie mit Lymphadenektomie, bei nicht resektablen Tumoren die Anlage einer biliodigestiven Anastomose und Gastroenterostomie.
Prognose. Aufgrund der meistens frühen Manifestation liegt die Resektabi-
Prognose. Die Resektabilitätsrate liegt bei 75 %, die 5-Jahres-Überlebensrate bei 40 %.
denopankreatektomie mit radikaler Lymphadenektomie durchgeführt. Als palliative Maßnahme bei nicht resektablen Tumoren erfolgt eine Gallenableitung durch Anlage einer biliodigestiven Anastomose kombiniert mit der Anlage einer Gastroenterostomie (GE). Bei allgemeiner Inoperabilität ist die alleinige Pigtaildränage zur Wiederherstellung des Gallenabflusses indiziert. Adjuvante Therapien (Chemo-Strahlentherapie) haben keinen Stellenwert in der Behandlung des Papillenkarzinoms.
litätsrate der Papillenkarzinome mit ca. 75 % deutlich höher als die der Gallengangs- und Pankreaskopfkarzinome. Bei kurativer Resektion (partielle Duodenopankreatektomie) wird eine 5-Jahres-Überlebensrate von ca. 40 % erreicht.
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8 Gallenblase und Gallenwege
8.11
8.11
Differenzialdiagnose des rechtsseitigen Oberbauchschmerzes
Differenzialdiagnose des rechtsseitigen Oberbauchschmerzes
Verschiedenste Erkrankungen können einen rechtsseitigen Oberbauchschmerz hervorrufen ( 2 B-8.3).
2 B-8.3
Differenzialdiagnose des rechtsseitigen Oberbauchschmerzes
N Cholezystitis/Cholezystolithiasis n N Ulcus ventriculi und duodeni n N akute Pankreatitis n N Nieren- und Ureterkolik n N akute Appendizitis n N Herzinfarkt (v.a. Hinterwandinfarkt) n N rechtsseitige, basale Pleuritis und Pneumonie n N akute intestinale Durchblutungsstörungen n N akut intermittierende Porphyrie n N Leberabszesse (Amöben) n N Lebertumoren n
Differenzialdiagnostisch sind folgende Erkrankungen zu berücksichtigen: π Ulcus duodeni und ventriculi π Pankreatitis, insbesondere die biliäre Pankreatitis π Nieren- und Ureterkolik π akute Appendizitis π Herzinfarkt π rechtsseitige basale Pneumonie ( 2 B-8.3).
Differenzialdiagnostisch sind insbesondere das Ulcus duodeni oder ventriculi in Betracht zu ziehen (Ulkusanamnese). Durch eine endoskopische Abklärung kann das Ulkus gesichert oder ausgeschlossen werden. Des weiteren kommt auch eine akute Pankreatitis in Betracht (Alkoholanamnese), wobei auch eine Cholelithiasis sekundär zu einer Pankreatitis führen kann. Bei rechtsseitigen Nieren- oder Ureterkoliken strahlen die Schmerzen meistens in die rechte Leiste aus, das Nierenlager ist – wie bei der akuten Pyelonephritis – typischerweise klopf- und druckschmerzhaft. Neben einem pathologisch veränderten Urinsediment zeigt sich sonographisch ein gestautes Nierenbecken, die Steinlokalisation erfolgt im i.v. Urogramm. Die akute Appendizitis ist ebenfalls differenzialdiagnostisch bedeutsam. Insbesondere kann durch eine retrozäkal gelegene Appendix die Symptomatik einer akuten Cholezystitis vorgetäuscht werden. Herzinfarkte, insbesondere der Hinterwandinfarkt, können zu rechtsseitigen Oberbauchschmerzen führen. EKG und Bestimmung von CPK, SGOT, SGPT und LDH sichern die Diagnose. Eine weitere Differenzialdiagnose ist die rechtsseitige basale Pleuritis und Pneumonie. Hierbei findet man eine schmerzhafte Atmung, pathologische Auskultationsbefunde, bestätigt durch das Röntgenbild der Lunge. Weiterhin können akute intestinale Durchblutungsstörungen, Lungenembolien, die akut intermittierende Porphyrie, pyogene oder durch Amöben hervorgerufene Leberabszesse oder Lebertumoren differenzialdiagnostisch in Betracht kommen.
8.11.1 Funktionsstörungen (Dyskinesien)
8.11.1
Rezidivierende Schmerzzustände im rechten Oberbauch, evtl. begleitet von Übelkeit und Erbrechen sowie diskreter Cholestase sind Symptome der Gallenwegsdyskinesien (funktionelle Motilitätsstörungen). Ein organisches oder morphologisches Korrelat kann häufig nicht gefunden werden. Die Ursache sind Funktionsstörungen des Sphincter Oddi oder der Gallenblase durch vermutlich unkoordinierte
Rezidivierende Schmerzzustände im rechten Oberbauch unterschiedlicher Intensität bilden das wichtigste Symptom der Gallenwegsdyskinesien (funktionelle Motilitätsstörungen). Die Beschwerden erinnern insgesamt an eine Cholelithiasis, ohne dass jedoch ein morphologisches oder organisches Korrelat gefunden werden kann. Sie werden oft durch psychische Erregung ausgelöst, können von Übelkeit und Erbrechen begleitet sein und diskrete Zeichen einer intermittierenden Abflussbehinderung der Galle aufweisen. Ursächlich liegen sowohl hypertone Funktionsstörungen des Sphincter Oddi (Schließmuskel der Papilla Vateri) als auch hypo- oder hyperkinetische Funktionsstörungen der Gallenblase zugrunde, die vermutlich durch unkoordinierte nervale und hormonelle Regelmechanismen hervorgerufen werden.
Funktionsstörungen (Dyskinesien)
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8.12.1 Cholezystektomie Die Diagnose ist schwierig. Dyskinesien sind wahrscheinlicher, wenn zusätzlich noch andere funktionelle Beschwerden vorliegen, z.B. im Rahmen eines vegetativen Psychosyndroms. n Merke. Bevor die Diagnose »Dyskinesie« gestellt wird, müssen andere Oberbaucherkrankungen differenzialdiagnostisch abgeklärt und ausgeschlossen werden.
nervale und hormonelle Regelmechanismen.
Merke
8.12
Operative Therapie
8.12
8.12.1
Cholezystektomie
8.12.1 Cholezystektomie
Indikationen. Die Cholezystolithiasis gilt als Hauptoperationsindikation
für die Cholezystektomie. Gallenblasenpolypen, -papillomatosen, Typhus, Mirizzi-Syndrom und v.a. maligne Erkrankungen der Gallenblase sind weitere Indikationen zur Cholezystektomie. π Absolute Indikation: Als absolute Indikation zur Cholezystektomie gelten: das Gallenblasenempyem, die freie Gallenblasenperforation und die trotz konservativer Behandlung rasch progrediente Cholezystitis. π Relative Indikation: Jede symptomatische Cholelithiasis sollte elektiv operiert werden. Weitere Indikationen sind: Gallenwegsdyskinesien, Gallenblasendeformitäten, Gallengangssteinverschluss, Z.n. chologener Pankreatitis und Typhusdauerausscheider ( 2 B-8.4).
2 B-8.4
Operative Therapie
Indikationen. Hauptoperationsindikation ist die Cholezystolithiasis. Absolute Indikation besteht bei Gallenblasenempyen, bei freier Gallenblasenperforation und bei akuter Cholezystitis. Relative Indikation: Jede symptomatische Cholelithiasis sollte operiert werden. Weitere Indikationen können sein: Gallenwegsdyskinesien, Gallenblasendeformitäten, Gallengangssteinverschluss, Z.n. chologener Pankreatitis und Typhusdauerausscheider ( 2 B-8.4).
Op-Indikationen zur Cholezystektomie
N Absolute Indikationen n π π π π π π
freie Gallenblasenperforation Gallenblasenempyem Gallensteinileus akute Cholezystitis biliodigestive Fisteln Gallengangssteinverschluss mit Ikterus bei nicht erfolgreicher endoskopischer Therapie
N Relative Indikationen n π π π π π π
jede symptomatische Cholelithiasis Gallenblasenpolypen Gallenblasenpapillomatosen Gallenblasendyskinesien Z.n. chologener Pankreatitis Typhusdauerausscheider
Laparoskopische Cholezystektomie
Laparoskopische Cholezystektomie
Die laparoskopische Cholezystektomie ist heute das Operationsverfahren der ersten Wahl bei der symptomatischen Cholezystolithiasis. Zur Technik und möglichen Komplikationen s. Kap. B-14.2.
Die laparoskopische Cholezystektomie ist heute das Operationsverfahren der ersten Wahl (s. Kap. B-14.2).
Zugangswege. Als universeller Zugang für alle Eingriffe am Gallensystem
Zugangswege. Als universeller Zugang für alle Eingriffe am Gallensystem gelten der rechtsseitige Rippenbogenrandschnitt ( 1 B-8.16).
Operationsschritte. Zunächst erfolgt die Identifizierung des Ductus chole-
Operationsschritte. Nach Identifizierung der anatomischen Strukturen erfolgt die Durchtrennung von Ductus cysticus und A. cystica. Danach erfolgt das Ausschälen der Gallenblase aus dem Leberbett.
gilt der rechtsseitige Rippenbogenrandschnitt, der, je nach intraoperativem Befund nach rechts lateral sowie nach links erweitert werden kann. Weitere Zugangswege s. 1 B-8.16.
dochus und des Ductus hepaticus communis, des Ductus cysticus und der A. cystica im Lig. hepatoduodenale. Dann wird der Ductus cysticus durchtrennt, im Anschluss daran die A. cystica. Die Gallenblase wird entweder antegrad oder retrograd subserös aus dem Leberbett exstirpiert. Ggf. kann
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8.12.1 Cholezystektomie Die Diagnose ist schwierig. Dyskinesien sind wahrscheinlicher, wenn zusätzlich noch andere funktionelle Beschwerden vorliegen, z.B. im Rahmen eines vegetativen Psychosyndroms. n Merke. Bevor die Diagnose »Dyskinesie« gestellt wird, müssen andere Oberbaucherkrankungen differenzialdiagnostisch abgeklärt und ausgeschlossen werden.
nervale und hormonelle Regelmechanismen.
Merke
8.12
Operative Therapie
8.12
8.12.1
Cholezystektomie
8.12.1 Cholezystektomie
Indikationen. Die Cholezystolithiasis gilt als Hauptoperationsindikation
für die Cholezystektomie. Gallenblasenpolypen, -papillomatosen, Typhus, Mirizzi-Syndrom und v.a. maligne Erkrankungen der Gallenblase sind weitere Indikationen zur Cholezystektomie. π Absolute Indikation: Als absolute Indikation zur Cholezystektomie gelten: das Gallenblasenempyem, die freie Gallenblasenperforation und die trotz konservativer Behandlung rasch progrediente Cholezystitis. π Relative Indikation: Jede symptomatische Cholelithiasis sollte elektiv operiert werden. Weitere Indikationen sind: Gallenwegsdyskinesien, Gallenblasendeformitäten, Gallengangssteinverschluss, Z.n. chologener Pankreatitis und Typhusdauerausscheider ( 2 B-8.4).
2 B-8.4
Operative Therapie
Indikationen. Hauptoperationsindikation ist die Cholezystolithiasis. Absolute Indikation besteht bei Gallenblasenempyen, bei freier Gallenblasenperforation und bei akuter Cholezystitis. Relative Indikation: Jede symptomatische Cholelithiasis sollte operiert werden. Weitere Indikationen können sein: Gallenwegsdyskinesien, Gallenblasendeformitäten, Gallengangssteinverschluss, Z.n. chologener Pankreatitis und Typhusdauerausscheider ( 2 B-8.4).
Op-Indikationen zur Cholezystektomie
N Absolute Indikationen n π π π π π π
freie Gallenblasenperforation Gallenblasenempyem Gallensteinileus akute Cholezystitis biliodigestive Fisteln Gallengangssteinverschluss mit Ikterus bei nicht erfolgreicher endoskopischer Therapie
N Relative Indikationen n π π π π π π
jede symptomatische Cholelithiasis Gallenblasenpolypen Gallenblasenpapillomatosen Gallenblasendyskinesien Z.n. chologener Pankreatitis Typhusdauerausscheider
Laparoskopische Cholezystektomie
Laparoskopische Cholezystektomie
Die laparoskopische Cholezystektomie ist heute das Operationsverfahren der ersten Wahl bei der symptomatischen Cholezystolithiasis. Zur Technik und möglichen Komplikationen s. Kap. B-14.2.
Die laparoskopische Cholezystektomie ist heute das Operationsverfahren der ersten Wahl (s. Kap. B-14.2).
Zugangswege. Als universeller Zugang für alle Eingriffe am Gallensystem
Zugangswege. Als universeller Zugang für alle Eingriffe am Gallensystem gelten der rechtsseitige Rippenbogenrandschnitt ( 1 B-8.16).
Operationsschritte. Zunächst erfolgt die Identifizierung des Ductus chole-
Operationsschritte. Nach Identifizierung der anatomischen Strukturen erfolgt die Durchtrennung von Ductus cysticus und A. cystica. Danach erfolgt das Ausschälen der Gallenblase aus dem Leberbett.
gilt der rechtsseitige Rippenbogenrandschnitt, der, je nach intraoperativem Befund nach rechts lateral sowie nach links erweitert werden kann. Weitere Zugangswege s. 1 B-8.16.
dochus und des Ductus hepaticus communis, des Ductus cysticus und der A. cystica im Lig. hepatoduodenale. Dann wird der Ductus cysticus durchtrennt, im Anschluss daran die A. cystica. Die Gallenblase wird entweder antegrad oder retrograd subserös aus dem Leberbett exstirpiert. Ggf. kann
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500
8 Gallenblase und Gallenwege
1 B-8.16
Synopsis Schnittführung für Eingriffe am Gallensystem 1 Rippenbogenrandschnitt 2 Transrektalschnitt 3 Schrägschnitt senkrecht zum Rippenbogen
1 2 3
eine Reserosierung des Leberbettes erfolgen. Dann erfolgt ggf. die Einlage von Dränagen und der schichtweise Bauchdeckenverschluss. Komplikationen. Die Komplikationsrate ist gering und umfasst Nachblutungen, Abszesse und Gallenfisteln.
Komplikationen. Die postoperative Letalität liegt bei Patienten mit einem
8.12.2 Choledochotomie und Choledochusrevision Indikationen. Die Indikation besteht bei bestehender Choledocholithiasis und nicht durchführbarer endoskopischer Therapie, in Kombination mit einer Cholezystektomie.
8.12.2
Technik. Nach Inzision des Gallenganges können mit Hilfe multipler Instrumente die im Gallengang vorliegenden Konkremente entfernt werden.
Technik. Die Inzision erfolgt in Längsrichtung, wobei bei ausgeprägter Freipräparation die Gefahr einer ischämischen Läsion besteht. Vielfach gelingt es, ein solitäres Konkrement zu entfernen, ggf. mit Hilfe von speziellen Gallensteinfasszangen oder einem Fogarty-Katheter zur Mobilisation der Steine. Weiterhin kann man den Gallengang anspülen, um dadurch vor allem multiple kleine Konkremente schonend zu entfernen. Abschließend muss eine Sondierung und ggf. Bougierung der Papille erfolgen, um einen Abfluss ins Duodenum sicherzustellen. Der Verschluss des Gallenganges erfolgt über einem eingelegten T-Drän (s.u.). Danach wird eine Dränage in das Operationsgebiet eingelegt und der Bauchdeckenverschluss durchgeführt.
Komplikationen sind Blutungen, Leckagen und alle Spätfolgen narbiger Strikturen.
Komplikationen. Als Komplikation der Choledochotomie kann es zum Auf-
unkomplizierten Gallensteinleiden bei ca. 0,1 %. Nachblutungen, Abszesse und Gallenfisteln treten bei weniger als 0,1 % der Patienten auf.
Choledochotomie und Choledochusrevision
Indikationen. Die Indikation zur Choledochotomie besteht zur Revision der
Gallengänge bei bestehender Choledocholithiasis und nicht durchführbarer endoskopischer Darstellung bzw. Therapie. Sie erfolgt in Kombination mit einer Cholezystektomie. Im Falle eines noch nicht voroperierten Patienten und Fehlen ausgeprägter entzündlicher Veränderungen führt man die Choledochotomie nach der Cholezystektomie und intraoperativen Cholangiographie zur Revision des Ductus choledochus durch. Dadurch sind die pathologischen und vor allem die anatomischen Verhältnisse bekannt.
treten von Blutungen sowie Leckagen an der Inzisionsstelle kommen. Als Spätfolge kann eine narbige Striktur auftreten.
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501
8.12.4 Biliodigestive Anastomosen 8.12.3
T-Dränage
8.12.3 T-Dränage
Indikationen. T-Dränagen werden nach Eingriffen an den Gallengängen
Indikationen. T-Dränagen werden nach Eingriffen an den Gallengängen in den Gallengang eingelegt, um mit Ableitung des Gallensekretes nach außen eine Entlastung der Anastomosenregion herbeizuführen.
Technik. Nach entsprechendem Zuschneiden wird das T-Drän in den eröff-
Technik. Nach entsprechendem Zuschneiden wird das T-Drän in den eröffneten Gallengang eingelegt ( 1 B-8.17).
(z.B. Gallengangsrevisionen, End-zu-End-Anastomose nach Gallengangsstrikturen oder Gallengangsresektionen) in den Gallengang eingelegt, um eine Ableitung des Gallensekretes nach außen zu gewährleisten und eine Entlastung der Anastomosenregion herbeizuführen. Nach den Manipulationen ist das Gallengangsepithel häufig erodiert und der Sphincter Oddi spastisch kontrahiert, sodass ein Abfluss ins Duodenum nicht gewährleistet ist.
neten Gallengang eingelegt ( 1 B-8.17). Mit der Naht des Gallenganges erfolgt gleichzeitig eine Fixierung der T-Dränage.
1 B-8.17
Synopsis Gallengangsrevision: Einlage eines T-Dräns
D. hepaticus communis
Nach Einlegen des T-Dräns wird der D. choledochus mit feinen resorbierbaren Nähten verschlossen.
D. cysticus
D. choledochus
Nach einigen Tagen erfolgt der radiologische Nachweis des freien Gallenabflusses. In Abhängigkeit von der Indikation zur Einlage der T-Dränage und der vorliegenden Veränderungen wird das T-Drän daraufhin entweder entfernt oder ggf. noch belassen. Erst nach Entfernung der T-Dränage wird die Dränage des Operationsgebietes entfernt, damit auftretende Leckagen nach außen abgeleitet werden können.
Komplikationen. Bei fehlender oder sistierender Gallensekretion muss an eine Dislokation gedacht werden.
8.12.4
Biliodigestive Anastomosen
Indikationen. Die häufigste Indikation für eine biliodigestive Anastomose sind Umgehungsanastomosen bei allen nicht mehr radikal resektablen Tumorverschlüssen der Gallenwege und der Papille. Hierdurch wird ein leberwärts der Abflussbehinderung gelegener Gallengangsabschnitt mit dem Magen-Darm-Trakt verbunden. Konkurrierend bestehen endoskopische Verfahren in Form transpapillärer oder perkutaner transhepatischer Gallengangsdränagen. Eine Indikation zur biliodigestiven Anastomose kann ebenfalls gegeben sein bei postpankreatitischen Stenosen, nicht zu beseitigenden Strikturen oder Stenosen des distalen Gallengangsabschnittes einschließlich der Papille sowie nach akzidentellen Choledochusverletzungen, sofern eine endoskopische Therapie nicht möglich ist. Technik. Folgende Verfahren sind möglich: π π
Hepatiko-(Choledocho-)Jejunostomie (häufigste Form) ( 1 B-8.18) Hepatiko-(Choledocho-)Duodenostomie (End-zu-End; End-zu-Seit) (selten indiziert)
Komplikationen. Es kann zu einer vorzeitigen Dislokation mit Gallenleckage kommen. 8.12.4 Biliodigestive Anastomosen Indikationen. Häufigste Indikation sind alle nicht mehr resektablen Tumorverschlüsse der Gallenwege und der Papille. Weitere Indikationen bestehen bei postpankreatitischen Stenosen, nicht zu beseitigenden Strikturen oder Stenosen des distalen Gallengangsabschnittes und der Papille sowie bei akzidentellen Choledochusverletzungen. Technik. Folgende Verfahren sind möglich: π Hepatiko-(Choledocho-)Jejunostomie (häufigste Form) ( 1 B-8.18 ) π Hepatiko-(Choledocho-)Duodenostomie (End-zu-End; End-zu-Seit) (selten indiziert)
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502 π π π
Cholezysto-Duodeno-Jejunostomie transpapilläre Endoprothesen transhepatische Dränagen.
8 Gallenblase und Gallenwege π π π
Cholezysto-Duodeno-Jejunostomie (sehr selten indiziert) transpapilläre Endoprothesen (meist endoskopisch) transhepatische Dränagen.
1 B-8.18
Synopsis Hepatikojejunostomie nach der Roux-Y-Technik
1
Nach Durchtrennung des Jejunum ca. 20 cm distal des TreitzBandes wird das aborale Ende blind (1) verschlossen und der Dünndarm hinter der rechten Kolonflexur hochgezogen. Das orale Ende des Jejunums (2) wird ca. 40 cm distal der Gallengangsanastomose End-zu-Seit anastomosiert.
2
Bei der Hepatiko-Jejunostomie wird eine 40 cm lange, aus der Passage ausgeschaltete obere Jejunumschlinge verwendet, die in Roux-Y-Technik anastomosiert wird ( 1 B-8.18).
Bei der am häufigsten durchgeführten Hepatikojejunostomie wird das Jejunum ca. 20–30 cm distal der Flexura duodenojejunalis (Treitz-Band) durchtrennt, ebenso wie das dazugehörige Mesenterium unter Berücksichtigung der Durchblutung. Das aborale Ende wird verschlossen und retrokolisch in den Oberbauch verlagert. Das orale Ende des Dünndarms wird ca. 40 cm vom verschlossenen Ende entfernt End-zu-Seit mit dem Dünndarm anastomosiert (Roux-Y-Technik) ( 1 B-8.18).
1 B-8.19
Synopsis Anlage der Hepatikojejunostomie Die Anlage der zentralen Hepatikojejunostomie kann End-zu-Seit mit fortlaufenden oder Einzelknopfnähten mit feinem, resorbierbarem Nahtmaterial erfolgen.
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503
8.12.7 Palliative operative Maßnahmen Zur Anlage der Hepatikojejunostomie wird kurz vor dem verschlossenen Ende der Dünndarm längsseitig eröffnet und dann der Gallengang in diese Öffnung End-zu-Seit eingenäht ( 1 B-8.19).
Zur Anlage der Hepatikojejunostomie wird der Gallengang End-zu-Seit am Dünndarm eingenäht ( 1 B-8.19).
Komplikationen. Als Komplikationen können auftreten: Blutungen und
Komplikationen. Blutungen, Nahtdehiszenz mit Gallenleck.
Nahtdehiszenz mit Gallenleck. Als Spätkomplikation kann eine Stenose an der Anastomose auftreten, die sich auch noch nach Jahren unter dem Zeichen der intermittierenden Cholangitis manifestieren kann.
8.12.5
Endoskopische Eingriffe an der Papille
S. Kap. B-13.7.
8.12.6
Papillenplastik und Papillenresektion
Als Spätkomplikation kann es zu einer Stenose kommen.
8.12.5 Endoskopische Eingriffe an der Papille S. Kap. B-13.7.
8.12.6 Papillenplastik und Papillenresektion
Indikationen. Bei großen, endoskopisch nicht abtragbaren Adenomen
Indikationen. Die Indikation ist bei großen, endoskopisch nicht abtragbaren Adenomen sowie bei endoskopisch nicht therapierbarer Papillenstenose gegeben.
Technik. Die Therapie umfasst die Adenomabtragung oder die Entfernung
Technik. Die Therapie umfasst die transduodenale Sphinkteroplastik. Nach Duodenotomie wird die Vorderwand der Papille inzidiert und der Gallengang am Duodenum fixiert.
Komplikationen. Als Komplikationen der operativen Intervention kann es
Komplikationen. Es kann zu einer Verletzung von Ductus Wirsungianus und/oder choledochus kommen mit narbigen Strikturen sowie zu Pankreatitiden und Cholangitiden.
sowie bei nachgewiesener Papillenstenose, wenn eine endoskopische Papillotomie nicht möglich ist (z.B. nach Billroth-Magenresektion) besteht eventuell die Indikation zur Papillenplastik (selten).
des transampullären Septums. Das Duodenum wird an der Vorderwand auf Höhe der Einmündungsstelle der Papille inzidiert. Hierdurch kommen das Adenom an der Papille oder das Septum zwischen Gallengang und Ductus Wirsungianus zur Darstellung. Das Adenom kann nach Identifikation des Pankreasganges entfernt werden.
zu einer Verletzung von Ductus Wirsungianus und/oder choledochus kommen, welche meist zum Auftreten narbiger Strikturen führt. Begleitend findet man Pankreatitiden und Cholangitiden.
8.12.7
Palliative operative Maßnahmen
n Merke. Bei allen nicht mehr radikal operablen Tumorverschlüssen der Gallenwege und endoskopisch nicht dränierbaren Tumoren kommen palliativ operative Maßnahmen zum Tragen.
Palliative Hepato-Jejunostomie
8.12.7 Palliative operative Maßnahmen Merke
Palliative Hepato-Jejunostomie
Nach Leberteilresektion – am ehesten Lebersegment III – wird, wenn möglich, der linke Ductus hepaticus, sonst ein Segmentgallengang, an ein ausgeschaltetes Dünndarmsegment anastomosiert. Das Dünndarmsegment ist durch Roux-Anastomose aus der Darmpassage ausgeschaltet.
Perkutane transhepatische Dränage
Perkutane transhepatische Dränage
Nur als Ultima ratio zu betrachten. Diese Methode dient nur der Ableitung des Gallensekretes nach außen über eine perkutane Punktion der Leber und Einlage einer Sonde.
Nur als Ultima ratio zu betrachten.
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504 8.12.8
8 Gallenblase und Gallenwege Postcholezystektomiesyndrom
Definition
Andere Ursachen müssen berücksichtigt und weiter abgeklärt werden.
Merke
8.12.8
Postcholezystektomiesyndrom
n Definition. Unter diesem Begriff wird ein unklarer Beschwerdekomplex zusammengefasst, der im Anschluss an eine Cholezystektomie (in etwa 10–25 %) auftritt oder weiterbesteht.
Der Begriff ist verwirrend und aus chirurgischer Sicht nicht korrekt, da ein Wiederauftreten oder eine Persistenz der Beschwerden im Regelfall nicht kausal mit der Cholezystektomie zusammenhängen. Vielmehr müssen andere Ursachen berücksichtigt werden (s. Differenzialdiagnose des rechtsseitigen Oberbauchschmerzes, S. 197) und vor der Diagnosestellung »Postcholezystektomiesyndrom« ausgeschlossen werden. n Merke. Meist ist ein »Postcholezystektomiesyndrom« nur Ausdruck dafür, dass die von den Patienten vor der Cholezystektomie angegebenen Beschwerden fälschlich auf eine zufällig bestehende Cholezystolithiasis projiziert werden.
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505 9
Leber
9
Leber
9.1
Anatomie
Bernd Kremer 9.1
Anatomie
Die Leber als größtes parenchymatöses Organ des Menschen macht bei der Geburt etwa 5 % und beim Erwachsenen 2,5 % des Körpergewichtes aus. Das Gewicht beträgt durchschnittlich 1,5 kg. Ihre Größe, die geschützte Lage im rechten Subphrenium und die potenzielle Regenerationsfähigkeit unterstreichen ihre zentral lebenswichtige Funktion. Der intraabdominelle Druck sowie die Ligg. coronaria (Umschlag des parietalen zum viszeralen Peritonealblatt der Leber) fixieren die Leber im rechten Oberbauch, dabei projiziert sich ventral die rechte Leberkuppe auf den proximalen Rand der V. Rippe und der proximale Rand des linken Leberlappens auf die VI. Rippe. Die Ligg. coronaria sind beidseits im Bereich des lateralen Umschlags von der parietalen zur viszeralen Seite der Leber verstärkt und bilden hier die Ligg. triangularia dexter und sinister. Das Lig. falciforme trennt anatomisch den rechten vom linken Leberlappen, zieht ventral zur Bauchdecke und bildet sich kranial aus der Zwerchfellaufhängung der Ligg. coronaria und geht kaudal in das Lig. teres hepatis über, welches sich mit der Chorda venae umbilicalis bis zum Nabel erstreckt. Die Blutversorgung der Leber erfolgt einerseits aus der A. hepatica, zum anderen aus der Pfortader. Dabei macht der Anteil der arteriellen Durchblutung beim Gesunden etwa 1/3 und der der portalen Blutversorgung 2/3 des Gesamtblutdurchflusses der Leber von ca. 25 % des Herzzeitvolumens (1500 ml/min) aus. Die venöse Dränage der Leber erfolgt über den rechten, medianen und linken Lebervenenstamm am Zwerchfell direkt in die V. cava inferior. Entsprechend der segmentalen Versorgung durch je einen Gallengang, Pfortader- und Arterienast werden an der Leber nach Couinauld 8 Segmente unterschieden ( 1 B-9.1). Dabei werden in der Regel die 4 linken Segmente von der linken Leberarterie, dem linken Pfortaderstammast und dem linken D. hepaticus und entsprechend die 4 rechten Lebersegmente von dem rechtsseitigen arteriellen, portalen und Gallenwegssystem versorgt.
1 B-9.1
Das Gewicht der Leber entspricht bei der Geburt 5 % und im Erwachsenenalter 2,5 % des Körpergewichtes.
Die Fixation der Leber im rechten Oberbauch erfolgt durch die Ligg. coronaria (= peritonealer Umschlag), die Ligg. triangularia, das Lig. falciforme, das Lig. teres sowie den intraabdominellen Druck.
Die Blutversorgung der Leber erfolgt zu einem Drittel arteriell aus der A. hepatica und zu zwei Dritteln portalvenös aus der Pfortader. Unmittelbar subphrenisch dränieren die rechte, mediane und linke Lebervene direkt in die V. cava inferior. Nach Couinauld werden an der Leber 8 Segmente unterschieden, die je von einem separaten Gallengang, Arterienund Pfortadersegmentast und einer Segmentvene versorgt bzw. dräniert werden ( 1 B-9.1).
Synopsis Segmentale Aufteilung der Leber nach Couinauld
V. cava
Lig. falciforme hepatis
Die Segmente I (parakaval links, nicht abgebildet), II, III, IV a + b repräsentieren die linke Leberhälfte, V, VI, VII und VIII die rechte.
VIII VII
II
IVa
III IVb V VI
V. portae A. hepatica V. lienalis
D. choledochus
V. mesenterica superior
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506 Entsprechend ihrer Versorgung durch die rechte oder linke Leberarterie, den rechten oder linken Pfortaderstammast und den rechten oder linken Ductus hepaticus werden die Segmente I, II, III und IV der linken Leberhälfte und die Segmente V, VI, VII und VIII der rechten Leberhälfte zugerechnet ( 1 B-9.2). Der anatomische linke Leberlappen repräsentiert entsprechend der Trennungslinie des Lig. falciforme nur die beiden Segmente II und III; dagegen wird der anatomische rechte Leberlappen von den Segmenten IV–VIII gebildet.
9 Leber Da zwischen dem rechten und linken Versorgungssystem keine relevanten Querverbindungen bestehen, wird entgegen der anatomischen Lappeneinteilung chirurgisch der Versorgung entsprechend eine rechte und linke Leberhälfte unterschieden, wobei die Segmente I–IV zur linken, und die Segmente V–VIII zur rechten Leberhälfte gehören. Die Grenze zwischen rechter und linker Leberhälfte bildet dabei der Sulcus medialis, welcher vom Gallenblasenbett zum rechten Rand der V. cava zieht ( 1 B-9.2). Der anatomische linke Leberlappen (Trennungslinie = Lig. falciforme) entspricht also nur den beiden Segmenten II und III, während der anatomische rechte Leberlappen den Segmenten IVa und b, V, VI, VII und VIII entspricht.
1 B-9.2 A
Synopsis Anatomische und chirurgische Lebergrenzen zur Definition der Leberresektionen
rechts
VII
VIII
V
links
IVa
Die Einteilung A entspricht der anatomischen Definition eines rechten und linken Leberlappens, die Einteilung B der chirurgischen Definition einer rechten und linken Leberhälfte.
II
I III
IVb
VI
B
9.2
Pathophysiologie
Die wesentlichen Funktionen der Leber können wie folgt zusammengefasst werden. π Speicherfunktion: In der Leber werden Glykogen, Fett, Vitamine und andere Substanzen, z.B. zur Blutbildung oder Regeneration, gespeichert. π Synthese/Metabolismus: Von der Leber werden Plasmaproteine, Cholesterin, Gallensäuren und Harnstoff synthetisiert. Eng damit verknüpft sind metabolische Leistungen wie Proteolyse, Lipolyse und Entgiftung. π Entgiftungsfunktion: Die Metabolisierung von Giftstoffen erfolgt durch Oxidierung und Glukuronidierung durch Exkretion in wasserlöslicher Form mit der Galle. π Exkretion: Produktion von 500–1500 ml Galle/d. Ausscheidung von Gallensäuren, Bilirubin, Cholesterin, Phospholipiden, Medikamenten und anderen Metaboliten. Die Funktion der Leber ist vital essenziell und kann von keinem anderen Organsystem kompensiert werden.
9.2
rechts
links
Pathophysiologie
Die Leber repräsentiert das zentrale Stoffwechselorgan des Organismus. Ihre wesentlichen Funktionen können wie folgt zusammengefasst werden: π Speicherfunktion: In der Leber werden Glykogen und Fett (Glukoneogenese; Fettsäureoxidation) sowie z.B. Vitamine gelagert. π Syntheseleistung/Metabolismus: Die Leber synthetisiert Plasmaproteine (Albumin, Gerinnungsfaktoren, Cholinesterase, Transferrin), Cholesterin, Gallensäuren und Harnstoff. Eng verbunden mit dieser Syntheseleistung sind metabolische Stoffwechselleistungen wie Proteolyse und Lipolyse sowie ein der Entgiftung dienender Metabolismus. π Entgiftungsfunktion: Giftstoffe werden in der Leber durch Oxidierung und Glukuronidierung metabolisiert und in wasserlöslicher Form (z.B. Koppelung an Sulfat = Steroidhormone) in der Galle ausgeschieden (Phase-Iund -II-Metabolismus). Weiterhin werden Schadstoffe dem Blut durch Phagozytose der v. KupfferSternzellen entzogen. π Exkretionsfunktion: Von der Leber wird die Galle produziert und über die Gallenwege in das Intestinum dräniert (500–1500 ml/d). Über die Galle werden Gallensäuren, Bilirubin und Cholesterin ausgeschieden, dazu Phospholipide, Medikamente, Stoffwechsel- und andere Metabolite. Aufgrund der Komplexität und Heterogenität der Leberfunktionen kann ihre Funktion von keinem anderen Organ kompensatorisch übernommen werden. Der komplette Funktionsausfall führt unbehandelt (z.B. Lebertransplantation) zwangsläufig zum Tode, da derzeit kein künstliches Leberersatzsystem zur Verfügung steht.
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507
9.3.1 Klinische Untersuchung Der partielle, komplette oder nahezu komplette Ausfall der Leberfunktion (z.B. bei der fulminant verlaufenden HBV-Infektion, beim primären Transplantatversagen nach Lebertransplantation oder auch nach ausgedehnten Leberresektionen) ist deshalb ein gefürchtetes, immer lebensbedrohliches Krankheitsbild. Aus der Funktion der Leber können klinisches Bild und Verlauf des Leberausfalls mit Hypoglykämie, Absinken des Harnstoffspiegels und der Cholinesterase, Anstieg des Bilirubins und Ammoniaks, zunehmender Blutgerinnungsstörung bei Abnahme der »leberabhängigen« Gerinnungsfaktoren abgeleitet werden. Die terminale Situation der persistierenden Leberinsuffizienz ist gekennzeichnet von Niereninsuffizienz (hepatorenales Syndrom), respiratorischer und kardialer Insuffizienz, Hypothermie. Durch supportive Therapie der Einzelfunktionen wie Gabe von Frischplasma und Gerinnungsfaktoren, »titrierter« Glukosezufuhr, Hämofiltration, Beatmung und medikamentöser Kreislaufunterstützung kann ein Funktionsausfall der Leber auf Zeit (wenige Tage) überbrückt werden, bis sich entweder die Funktion durch Regeneration des Leberparenchyms erholt oder der Patient im Rahmen eines Transplantationsprogramms lebertransplantiert werden kann.
Ein partieller oder totaler Funktionsausfall der Leber ist deshalb immer lebensbedrohlich. Die klinische Symptomatik der Leberinsuffizienz ergibt sich aus der physiologischen Funktion: Abfall von: π Blutzucker π Harnstoffspiegel π Gerinnungsfaktoren π Cholinesterase. Anstieg von: π Ammoniak π Bilirubin π Endotoxinen. Terminales Stadium: π Niereninsuffizienz π respiratorische Insuffizienz π Herzinsuffizienz π Hypothermie. Therapie: Unterstützung der Einzelfunktionen: Frischplasma, Gerinnungsfaktoren, adaptierte Glukosezufuhr, Hämofiltration, Beatmung, Katecholamine. Ziel: Regeneration oder Lebertransplantation.
9.3
Diagnostik
9.3
9.3.1
Klinische Untersuchung
9.3.1 Klinische Untersuchung
Diagnostik
Anamnese
Anamnese
Um eine gründliche Anamnese erheben zu können, muss der Untersucher das Spektrum möglicher Erkrankungen und deren Ursachen vor Augen haben, da gerade in der Diagnostik von Lebererkrankungen richtig gestellte Fragen zu wegweisenden Hinweisen führen können:
Um bei der Anamneseerhebung zielgerichtete Fragen stellen zu können, muss der Untersucher das Spektrum möglicher Lebererkrankungen vor Augen haben. Verdachtsdiagnose: Virushepatitis, Leberzirrhose, Verschlussikterus: Fragen nach: Müdigkeit, Leistungsknick, Übelkeit, Juckreiz, Ikterus, Dunkelfärbung des Urins, Hellfärbung des Stuhls, Alkoholkonsum, Kontakt zu Personen mit infektiöser Hepatitis, Auslandsreisen, Schmerzen, Bluterbrechen. Verdachtsdiagnose: primäre und sekundäre Lebertumoren: Fragen nach: Druckgefühl, Schmerzen im rechten Oberbauch, schnellem Völlegefühl nach dem Essen, bekannter Leberzirrhose, vorausgegangenen Operationen, Kontrazeptiva.
Verdachtsdiagnose: Virushepatitis, Leberzirrhose, Verschlussikterus: Fragen nach: Müdigkeit und Leistungsknick, Übelkeit und Juckreiz, Ikterus, Verfärbung von Stuhl (hell) und Urin (dunkel), Alkoholkonsum, Kontakt zu Patienten mit infektiöser Hepatitis, Auslandsreisen in Länder mit erhöhtem Infektionsrisiko, Schmerzen in Verbindung mit dem Auftreten des Ikterus (DD: Stein/Tumor), Bluterbrechen bei Ösophagusvarizen. Verdachtsdiagnose: primäre und sekundäre Lebertumoren: Fragen nach: Druckgefühl oder Schmerzen im rechten Oberbauch (nur wenn die Raumforderung in der Leber so groß ist, dass die Leberkapsel unter Spannung gerät), frühem Völlegefühl nach dem Essen (Raumforderung besonders in der linken Leber mit Verdrängung des Magens), Alkoholkonsum oder durchgemachter HBV/HCV-Infektion mit bekannter Leberzirrhose (erhöhtes HCC-Risiko), vorausgegangenen Operationen (Z.n. Operation eines intestinalen Malignomes mit möglicher sekundärer Lebermetastasierung), Kontrazeptivaeinnahme (FNH, Adenom).
Inspektion und Untersuchung
Inspektion und Untersuchung
Unter der Verdachtsdiagnose einer Lebererkrankung sind folgende Symptome besonders zu berücksichtigen: Foetor ex ore, Farbe von Haut und Skleren (Ikterus?), Kratzspuren besonders an den Extremitäten (Juckreiz bei Ikterus), Existenz von Spider-Naevus und einem Palmarerythem, Zeichen eines Umgehungskreislaufes (Caput medusae), Aszites, fehlende Körperbehaarung, Muskelatrophie. Bei der Palpation entspricht der distale Leberrand normalerweise dem Rippenbogen, bei tiefer Inspiration wird der Leberrand unter dem rechten Rippenbogen tastbar und beurteilbar, das heißt: glatt und scharf = normal; feinoder grobknotig mit Verplumpung des Randes = Leberzirrhose; Druckschmerzhaftigkeit = Verdacht auf entzündliche Veränderungen oder auch einen Lebertumor. Die Größenbestimmung des Organes wird durch die Perkussion (»Leberdämpfung«) vervollständigt.
Auf eine Lebererkrankung hinweisende Symptome sind: Foetor ex ore, Ikterus, Kratzspuren der Haut, Spider-Naevus, Palmarerythem, Caput medusae, Aszites, fehlende Körperbehaarung und Muskelatrophie. Die Palpation der Leber erlaubt eine Beurteilung der Organgröße, der Konsistenz und der Oberflächenbeschaffenheit (glatt und scharf, grob oder feinknotig mit abgerundetem Rand). Die Größenbestimmung des Organes wird durch die Perkussion (»Leberdämpfung«) vervollständigt.
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508 9.3.2
9 Leber Labordiagnostik
Die in der Routinelabordiagnostik erfassten Parameter spiegeln im Sinne eines Rasters die wesentlichen Funktionen der Leber wider und lassen so Rückschlüsse auf die Ursachen einer gestörten Funktion zu: Speicherfunktion: Die Routinediagnostik bietet hier keine sicher verwertbaren Parameter. π Syntheseleistung: Serumalbumin, CHE, Cholesterin und besonders die »leberabhängigen« Gerinnungsfaktoren mit kurzer Halbwertszeit spiegeln die aktuelle Syntheseleistung der Leber wider. π Entgiftungsfunktion: Eine Störung dieser Partialfunktion wird durch den Ammoniakspiegel charakterisiert. π Exkretionsfunktion: Erhöhte Bilirubinwerte in Verbindung mit erhöhten Werten der AP und der g -GT weisen auf eine gestörte Exkretionsfunktion hin. π Weitere Hinweise: Pathologische Werte »leberspezifischer« Enzyme (GOT = AST; GPT = ALT) sind Ausdruck einer gestörten zellulären Integrität der Hepatozyten. π
Da die GLDH zellulär in den Mitochondrien lokalisiert ist, spiegelt eine Serum-GLDH-Erhöhung eine schwerwiegende irreversible Zellschädigung wider.
9.3.3
Apparative Diagnostik
9.3.2
Labordiagnostik
Entsprechend der vielfältigen Funktionen der Leber können »leberspezifische« Laborparameter Hinweise auf eine z.B. gestörte Exkretions- oder Synthesefunktion geben oder auch den Grad einer entzündungsbedingten Leberzellschädigung widerspiegeln. Den verschiedenen grundsätzlichen Leberfunktionen können in der Routinelabordiagnostik erfasste Parameter zugeordnet werden, die auf eine Störung dieser speziellen Funktion hindeuten: π Speicherfunktion: Die Parameter der Routinediagnostik geben keine verwertbaren Hinweise auf eine gestörte Funktion. π Syntheseleistung: Erniedrigte Werte für Serumalbumin, Cholinesterase (CHE) und Cholesterin, insbesondere in Verbindung mit erniedrigten Werten der »leberabhängigen« Gerinnungsfaktoren (besonders Faktor II, V und VII) weisen auf eine Synthesefunktionsstörung hin. Der Quickwert als orientierender Parameter lässt bei Ausschluss eines Vitamin-K-Mangels wegen seiner kurzen Halbwertszeit von wenigen Stunden auch kurzfristige Änderungen der Syntheseleistung der Leber erkennen. π Entgiftungsfunktion: Bei Verdacht auf eine gestörte Funktion (z.B. somnolenter/komatöser Patient) sollte der Ammoniakspiegel bestimmt werden. π Exkretionsfunktion: Eine Hyperbilirubinämie in Verbindung mit erhöhten Werten der alkalischen Phosphatase (AP) und der Gamma-GlutamylTranspeptidase (g-GT) kann auf eine gestörte Exkretionsfunktion hinweisen. π Weitere spezifische Hinweise: Eine Erhöhung »leberspezifischer« Enzyme wie der Glutamat-Oxalazetat-Transaminase (GOT; angloamerikanisches Schrifttum: AST) und der Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT; angloamerikanisches Schrifttum: ALT) weisen auf eine Störung der zellulären Integrität der Leberzelle hin. Eine Erhöhung der Glutamat-Dehydrogenase (GLDH) im Serum ist hinsichtlich des vorliegenden Zellschadens schwerwiegender einzustufen als ein Anstieg der GOT/GPT, da die GLDH ausschließlich in den Mitochondrien der Hepatozyten vorkommt und somit eine schwere, irreversible Schädigung der Hepatozyten repräsentiert.
9.3.3
Apparative Diagnostik
Die explorative Laparotomie gehört angesichts fortlaufend verbesserter bildgebender Verfahren zu den indikatorischen Raritäten.
Der diagnostische Fortschritt aller bildgebenden Verfahren hat dazu geführt, dass eine explorative Laparotomie wegen eines nicht klärbaren Leberbefundes heute zu den indikatorischen Raritäten gehört.
Sonographie
Sonographie
Die Sonographie der Leber repräsentiert das Untersuchungsverfahren der Wahl zur orientierenden Diagnostik, da es nicht invasiv und nicht strahlenbelastend ist. Der diagnostische Indikationsbereich schließt folgende Verdachtsdiagnosen ein: π Steine der intra- und extrahepatischen Gallenwege π primäre und sekundäre Tumoren der Leber π Leberparenchymschäden π Lebertrauma. Computertomographie (CT)
Die Sonographie der Leber ist das am wenigsten invasive bildgebende Verfahren der Wahl zur orientierenden Abklärung, welches, da nicht strahlenbelastend, jederzeit wiederholt werden kann. Der Einsatzbereich der Sonographie schließt die Abklärung von Steinen in den intra- und extrahepatischen Gallenwegen, primärer und sekundärer Tumoren der Leber und die Erfassung von Leberparenchymschäden wie Leberverfettung oder Zirrhose ein. Weiterhin hat beim stumpfen Bauchtrauma mit Verdacht auf eine Leberverletzung die Sonographie die Peritoneallavage als Untersuchungsverfahren der ersten Wahl abgelöst, da sie z.B. die Leberruptur direkt oder frisches Blut um die Leber herum nachweisen kann.
Der wesentliche diagnostische Indikationsbereich der CT betrifft die primären und sekundären Lebertumoren. Neben dem topographischen Nachweis eines Tumors lässt die CT bei »klassischem Befund« auch Rückschlüsse auf die Genese zu.
Der diagnostische Schwerpunkt der CT ist in der Abklärung primärer und sekundärer Lebertumoren zu sehen. Die CT erlaubt bei »klassischem Befund« die direkte Diagnose (z.B. »Echinokokkuszyste« bei Nachweis einer verkalkten, scheinbar septierten Zyste). In Kombination mit einem i.v. Kontrastmittelbolus oder einer Arterio-/Portographie können Aussagen über die Gefäßversorgung und die Topographie eines Tumor zu den großen Gefäßen der Leber gemacht werden ( 1 B-9.3). Hier leistet die Computertomographie
Computertomographie (CT)
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509
9.3.3 Apparative Diagnostik einen wesentlichen Beitrag zur Beurteilung der Operabilität und der Operations- bzw. Therapieplanung (z.B. Embolisation vor Operation).
1 B-9.3
Angio-CT der Leber Der zentrale Lebertumor ummauert die Pfortaderaufzweigung.
Die Verbindung mit einem arteriellen Kontrastmittelbolus lässt Aussagen zur Lagebeziehung eines Tumors zu den großen Gefäßen der Leber zu ( 1 B-9.3) und ermöglicht die Beurteilung der Operabilität und der Operations- bzw. Therapieplanung.
Magnetresonanztomographie (MRT)
Magnetresonanztomographie
Die Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Magnetresonanztomographie (MRT) in der Diagnostik pathologischer Befunde der Leber einen ähnlichen Stellenwert einnehmen wird wie die Computertomographie. Der Vorteil der MRT ist in der nicht vorhandenen Strahlenbelastung zu sehen. Weiterhin ergeben sich durch spezielle Techniken (T1/T2-Relaxationszeiten) und durch den Einsatz paramagnetischer Kontrastmittel Möglichkeiten, die Relaxationszeiten zwischen z.B. Tumorgewebe und normalem Lebergewebe so zu verändern, dass eine bessere Kontrastierung resultiert. So können unter bestimmten Voraussetzungen auch Aussagen über die Art einer tumorösen Veränderung in der Leber (z.B. Hämangiom) gemacht werden, sodass sich CT und MRT entsprechend der Fragestellung und Verdachtsdiagnose komplementär ergänzen können.
Ein wesentlicher Vorteil der MRT ist die fehlende Strahlenbelastung der Untersuchung. Der diagnostische Indikationsbereich überschneidet sich teilweise mit dem der CT. Durch Veränderung der Relaxationszeiten und durch Einsatz paramagnetischer Kontrastmittel werden in Zukunft Sensitivität und Spezifität der Untersuchung pathologischer Leberbefunde weiter zunehmen.
Angiographie
Angiographie
Grundsätzlich ist bei der Angiographie der Leber die Darstellung der arteriellen Strombahn (Zöliakographie) von der Darstellung des portalen Gefäßsystems (indirekte Splenoporto- und Mesenterikoportographie) zu unterscheiden. Heute können beide Untersuchungen mit einer Computertomographie kombiniert werden, um so Rückschlüsse über Grad und Art der Blutversorgung z.B eines Tumors oder Informationen über einen tumorbedingten Perfusionsausfall eines bestimmten Areals der Leber infolge Gefäßinfiltration und Verschluss durch den Tumor zu erhalten. Die Indikation zu einer Angiographie der Leber ist immer dann zu stellen, wenn es gilt, folgende Fragen zu klären: π Ausmaß und topographische Zuordnung der Blutversorgung eines Lebertumors π Lage eines Leberherdes zum Gefäßsystem, besonders bei Tumoren im Bereich des Leberhilus oder der Lebervenen ( 1 B-9.4). π Abklärung alternativer oder adjuvanter Therapieverfahren wie der lokoregionären Chemotherapie oder Embolisation. Eine grundsätzliche Indikation zur Angiographie vor einem leberchirurgischen Eingriff besteht nicht, da die Gefäßversorgung der Leber zwar erheblichen aber durch entsprechende intraoperative Präparation immer klärbaren Variationen unterliegt.
Bei der Angiographie der Leber ist grundsätzlich die Darstellung der arteriellen Strombahn (Zöliakographie) von der Darstellung des portalen Stromgebietes (indirekte Splenoporto- und Mesenterikoportographie) zu unterscheiden. Die Indikation zur Angiographie der Leber ist zur Klärung folgender Fragestellungen zu stellen: π Ausmaß und topographische Zuordnung der Blutversorgung eines Lebertumors π Beziehung eines Leberherdes zum Gefäßsystem oder zum Leberhilus ( 1 B-9.4). π Abklärung alternativer oder adjuvanter Therapieverfahren. Eine grundsätzliche Notwendigkeit zur Angiographie vor einem leberchirurgischen Eingriff besteht nicht.
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510
9 Leber
1 B-9.4
Angiographie der Leber Darstellung eines zentralen, von der rechten Leberarterie versorgten, gut vaskularisierten Tumors (HCC).
Leberszintigraphie
Leberszintigraphie
Die Leberszintigraphie nutzt unterschiedliche Affinität und Bindungsverhalten verschiedener Radiopharmaka zur Darstellung definierter Zelltypen oder Funktionen der Leber. 99m Tc-markiertes Kolloid wird von Kupffer-Zellen aufgenommen (Nachweis des RES). 99m Tc-IDA markierte Derivate (iminodiacetic acid) werden von der Leberzelle biliär ausgeschieden und markieren so das hepatobiliäre System. 99m Tc-markierte Erythrozyten stellen den »Blutraum« dar. Gallium-67 = Speicherung durch verschiedene benigne und maligne Tumoren. Charakteristische Untersuchungsergebnisse: π FNH: arterielle Hyperfusion, IDA-Speicherung, Kolloidspeicherung π Leberadenom: normale bis schwache arterielle Perfusion, IDA-Speicherung, keine Kolloidspeicherung π HCC: arterielle Hyperperfusion, IDA-Speicherung, keine Kolloidspeicherung, Aufnahme von Gallium-67 und RMAB π Lebermetastasen: Alle sekundären Lebertumoren (= Metastasen) können keine »leberspezifischen« Radiopharmaka speichern und stellen sich deshalb als »kalte Regionen« in der Szintigraphie dar ( 1 B-9.5).
Das Prinzip der Leberszintigraphie besteht darin, die Affinität bzw. das Bindungsverhalten bestimmter Radiopharmaka zu benutzen, um definierte Zelltypen, Zellsysteme oder Funktionen darzustellen. Aus der Darstellbarkeit bzw. Nichtdarstellbarkeit eines bestimmten Zelltyps in einer abzuklärenden Läsion der Leber können Rückschlüsse auf die Genese eines Leberherdes gezogen werden. So kann mit 99mTc-markiertem Kolloid das retikuloendotheliale System der Leber dargestellt werden, letztlich also die Kupffer-Zellen der Leber. 99m Tc-IDA-markierte Derivate (iminodiacetic acid) werden von der Leberzelle biliär ausgeschieden und markieren so das hepatobiliäre System. 99m Tc-markierte Erythrozyten stellen den »Blutraum« dar. Gallium-67 wird von verschiedenen benignen und malignen Tumoren aufgenommen, möglicherweise über eine Bindung des Ga-Transferrinkomplexes an Transferrinrezeptoren. Einige Untersuchungsergebnisse sind überaus charakteristisch und für bestimmte Tumoren fast beweisend: π Fokal noduläre Hyperplasie (FNH): Hyperperfusion in der arteriellen Phase, IDA-Aufnahme und Speicherung sowie Kolloidspeicherung, da diese Tumoren Kupffer-Zellen aufweisen. π Leberadenom: Normale bis schwache Perfusion in der arteriellen Phase, IDA-Aufnahme und Speicherung, keine Kolloidspeicherung, da Kupffer-Zellen in Leberadenomen nur in seltenen Ausnahmen vorkommen. π Hepatozelluläres Karzinom (HCC): Hyperperfusion in der arteriellen Phase, IDA-Aufnahme, keine Kolloidspeicherung. Gallium-67-Aufnahme, evtl. Speicherung von RMAB (radiolabeled monoclonal antibodies) gegen a-Fetoprotein. π Lebermetastasen: Alle sekundären Lebertumoren (= Metastasen) stellen sich in der Leberszintigraphie mit Radiopharmaka, die das hepatobiliäre System (IDA) oder das RES (Kolloid) nachweisen, als Aussparungen (»kalte Regionen«) dar. Sie haben dies mit dem cholangiozellulären Karzinom der Leber gemeinsam ( 1 B-9.5). Die Immunszintigraphie, z.B. mit einem markierten CEA-Antikörper, kann die Metastase eines kolorektalen Primärkarzinoms evtl. direkt nachweisen ( 1 B-9.6). Ein Schema ökonomischer Diagnostik von Lebertumoren ist in 1 B-9.7 wiedergegeben.
Die Immunszintigraphie kann die Metastase evtl. direkt nachweisen ( 1 B-9.6). Ein Schema ökonomischer Diagnostik von Lebertumoren ist in 1 B-9.7 wiedergegeben.
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9.3.3 Apparative Diagnostik
1 B-9.5
1 B-9.6
IDA-Leberszintigraphie
IDA-Leberszintigraphie mit Nachweis eines nicht speichernden Herdes im Bereich des rechten Leberlappens.
1 B-9.7
Immunszintigraphie der Leber
Immunszintigraphie der Leber mit einem markierten CEA-Antikörper: Nachweis einer Metastase im rechten Leberlappen.
Synopsis Schematisierte Diagnostik zur Klärung einer »fokalen Leberläsion«
FNH = fokal noduläre Hyperplasie, HCC = hepatozelluläres Karzinom, IDA = hepatobiliäre Sequenzszintigraphie mit iminodiacetic acid (Imidodiessigsäurederivate), E. = Echinococcus.
Anamnese, körperliche Untersuchung klinisch-chemische Untersuchungen Sonographie
Lebertumor zystisch
vermutlich parasitär
solide
vermutlich nicht parasitär
Serologie
vermutlich primär
vermutlich sekundär
Szintigraphie
Tumormarker
Speicherung
E. alveolaris E. cysticus Amöbenabszess
dysontogenetische Zyste duktale Zyste Abszess
keine Speicherung
Blutpoolszintigraphie
Kolloidszintigraphie
IDA
IDA/Kolloidszintigraphie
Hämangiom (eingeblutete Metastase, FNH, Adenom)
FNH
FNH Adenom hochdifferenziertes HCC
undifferenziertes HCC, Gallenwegskarzinom Metastase
Primärtumorsuche
Metastase
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9 Leber
9.4
Lebertumoren
9.4
Lebertumoren
9.4.1
Tumorartige Läsionen
9.4.1
Tumorartige Läsionen
Kongenitale Leberzysten
Kongenitale Leberzysten
Solitäre Zysten
Solitäre Zysten
Definition
n Definition. Solitäre Zysten werden in sonographischen oder autoptischen Untersuchungen bei etwa 1 % der Erwachsenen gefunden. Der Zysteninhalt besteht in der Regel aus seröser Flüssigkeit.
Ätiologie. Man geht von einer kongenitalen Malformation des Gallengangssystems aus. Bei symptomatischen Leberzysten überwiegt das weibliche Geschlecht (9 : 1). Bei der Hälfte der Patienten sind derartige Zysten solitär, bei den übrigen sind weitere Zysten vorhanden. Symptome. In der Regel sind die Zysten asymptomatisch. Bei entsprechender Größe kann es in seltenen Fällen zur Atrophie des betroffenen Leberlappens kommen.
Ätiologie. Da die Zysten von einem einschichtigen kubischen Epithel ausgekleidet werden, geht man ätiologisch von einer kongenitalen Malformation des Gallengangssystems aus. Bei symptomatischen Leberzysten beträgt das Geschlechtsverhältnis von männlichen : weiblichen Patienten 1 : 9. Bei der Hälfte der Patienten sind derartige Zysten solitär, bei den übrigen Patienten sind weitere Zysten im Parenchym festzustellen.
Differenzialdiagnose. Ausschluss von Abszessen oder parasitären Zysten.
Differenzialdiagnose. Parasitäre Zysten und Abszesse sind auszuschlie-
Therapie. Eine Indikation zur Resektion oder eröffnenden partiellen Resektion der Zyste mit Einbringen einer Netzplombe besteht nur bei symptomatischen Zysten, wenn die bestehende Symptomatik ursächlich auf die Zyste zurückzuführen ist.
Therapie. Ein Therapiebedarf besteht nur bei symptomatischen Zysten,
Zystenleber
Zystenleber
Definition
Symptome. Leberzysten sind in der Regel asymptomatisch. In seltenen Fäl-
len werden sie so groß, dass sie zu einer Atrophie des betroffenen meist rechten Leberlappens mit kompensatorischer Hypertrophie des gegenseitigen Leberlappens führen und Druck- oder Völlegefühl als Symptomatik verursachen.
ßen.
wobei immer abzuklären ist, ob eine bestehende Symptomatik wirklich durch die gefundene Leberzyste erklärt wird oder ob die Zyste nicht nur einen an sich asymptomatischen Zufallsbefund bei einer anderen die Symptome hervorrufenden Erkrankung darstellt. Als Therapie kommen die Resektion der Zyste oder die eröffnende partielle Resektion der oberflächlichen Zystenanteile mit Einbringen einer Netzplombe in Frage. Da das letztgenannte Operationsverfahren fast immer laparoskopisch durchführbar ist, stellt es heute wegen des kleineren Operationstraumas das Verfahren der ersten Wahl dar.
n Definition. Als Zystenleber wird ein diffuser polyzystischer Befall des gesamten Leberparenchyms bezeichnet (höchster Grad der dysontogenetisch-zystischen Fehlbildungen), der sich praktisch immer im Zusammenhang mit einer autosomal dominant vererbten polyzystischen Nierendegeneration vom adulten Typ findet.
Symptome. Druckgefühl und Schmerzen im rechten Oberbauch. Palpable oder sichtbare Masse unter dem rechten Rippenbogen ( 1 B-9.8).
Symptome. Morphologisch gleicht die einzelne Zyste bei der Zystenleber
Therapie
Therapie. Ein Therapiewunsch wird von vielen Patienten geäußert, was zu meist frustranen multiplen sonographisch gesteuerten Punktionen der Zysten mit Absaugen des meist klaren Zysteninhaltes und Instillation verschiedener Sklerosierungsmittel führt. Bei entsprechender Symptomatik kann eine dekompressive atypische Resektion eines Teils der Zysten und die multiple Fenestration der verbleibenden Zysten indiziert sein, da nach der Resektion mit Einsetzen der Leber-
Wenn möglich erfolgt eine dekompressive, atypische Resektion von zystischen Arealen mit multipler Fenestra-
der solitären Leberzyste, allerdings führen Zunahme an Zahl und Volumen in der Regel zu erheblichen Beschwerden mit Druckgefühl, Schmerzen und einem häufig sichtbaren oder palpablen Tumor im rechten Oberbauch ( 1 B-9.8).
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9.4.1 Tumorartige Läsionen
1 B-9.8
Zystenleber
a CT-Befund einer Patientin mit Zystenleber und Zystennieren.
b Intraoperativer Befund der massiv vergrößerten Zystenleber.
regeneration sich nicht zwangsläufig neue Zysten bilden, sondern das entlastete verbliebene Parenchym hypertrophieren kann. In Einzelfällen kann eine Lebertransplantation indiziert sein.
tion der verbleibenden Zysten. In besonders schweren Einzelfällen kann eine Lebertransplantation indiziert sein.
Erworbene Leberzysten
Erworbene Leberzysten
Echinokokkuszysten (s. a. Kap. A-3.12.1)
Echinokokkuszysten (s. a. Kap. A-3.12.1)
n Definition. Echinokokkuszysten sind Folge einer Infektion entweder durch den Echinococcus granulosus (Hundebandwurm) oder den Echinococcus multilocularis (Fuchsbandwurm). Relevante Endemiegebiete gibt es in Südamerika, Australien, Alaska, Kanada, Iran, Irak, Griechenland, Italien, Spanien, Frankreich, Deutschland, der Schweiz und den Balkanstaaten.
Pathogenese. Im Wirtstier Hund, Fuchs, Wolf, Dingo, Kamel usw. entwi-
ckelt sich aus der mit der Nahrung aufgenommenen Finne der Bandwurm, dessen Eier mit dem Kot ausgeschieden werden. Fast alle Warmblüter und der Mensch dienen als Zwischenwirt für die Entwicklung vom Ei zur Finne. Nach oraler Aufnahme der Eier durch verunreinigte Nahrung oder auch durch Kontakt mit infizierten Hunden wird die Eihülle im oberen Gastrointestinaltrakt durch Galle und Pankreassaft unter Freisetzung der »Sechshaken-Larven« zerstört. Diese durchbohren die Darmwand und gelangen überwiegend über die Pfortader in die Leber. Sie können aber auch über den D. thoracicus direkt in die Zirkulation gelangen, sodass Hydatiden praktisch in allen Organen wie Lunge, Milz, Hirn und Nieren auftreten können. Beim E. granulosus entwickelt sich aus der Larve die Hydatide, deren Hülle aus 3 Schichten besteht. Die äußere adventitielle Schicht besteht aus fibrösem Gewebe als Reaktion des Wirtsgewebes auf den Parasiten. Die Außenschicht der Hydatide besteht überwiegend aus Mukopolysacchariden des Parasiten (= Kutikula). Die Innenauskleidung der Hydatide entspricht der Keimschicht, von der die infektiösen Scolices (> 100/cm3) gebildet werden. Durch Ablösen der Schichten voneinander bilden sich Tochterzysten. Bei zunehmendem Wachstum der Hydatiden können diese dem Weg des geringsten Widerstandes folgend in das Gallengangssystem einbrechen (bei ca. 15 % aller Fälle) oder auch durch das Zwerchfell in den Thorax perforieren.
Definition
Pathogenese. Das Wirtstier (Hund, Fuchs, usw.) nimmt die Finne mit der Nahrung auf. Im Gastrointestinaltrakt entwickelt sich der Bandwurm, dessen Eier vom Wirt ausgeschieden werden. Beim Zwischenwirt (Mensch, Warmblüter) gelangen die Eier nach Kontaktkontamination in den oberen Gastrointestinaltrakt. Durch Verdauung der Eihülle werden die »SechshakenLarven« freigesetzt. Diese durchbohren die Darmwand und gelangen z.B. über die Pfortader in die Leber oder über den D. thoracicus in andere Organe wie Hirn, Lunge, Milz und Nieren. Aus der Larve entwickelt sich beim E. granulosus dann die Hydatide. Die Wand der Hydatide besteht aus 3 Schichten. Die äußere adventitielle fibröse Schicht wird als Reaktion des Wirtes gebildet. Überwiegender Bestandteil der Außenwand der Hydatide (= Kutikula) sind parasitär gebildete Mukopolysaccharide, während die innere Keimschicht die infektiösen Scolices bildet. Bei erheblichem Wachstumsdruck der
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9 Leber
Hydatide kann ein Einbruch in das Gallenwegssystem erfolgen. Bei E. multilocularis ist im Gegensatz zum E. granulosus ein infiltratives Wachstum charakteristisch. Symptome. »In der Regel« unspezifisch und vorübergehend: π ca. 15 % haben anamnestisch ikterische Episoden π selten sind Fieberschübe bei Infektion der Zyste oder Cholangitis durch Gallengangseinbruch π ca. 10 % sind akut therapiebedürftig wegen anaphylaktoider Reaktionen, Ikterus, Cholangitis oder spontaner Zystenruptur.
Diagnose. Sonographie und CT sind geeignet, den Nachweis von Scolices, membranöser Binnenstruktur oder Verkalkung der Zystenwand zu erbringen ( 1 B-9.9).
1 B-9.9
Wegen des differenten Wandaufbaus des E. multilocularis bildet dieser im Gegensatz zum E. granulosus auch Blasen zur Außenseite hin mit infiltrativem Wachstum in das Wirtsgewebe.
Symptome. In der Regel treten über lange Zeit hinweg keine oder nur sehr unspezifische, vorübergehende Symptome auf. Etwa 60 % der Patienten haben gelegentlich Druckgefühl im rechten Oberbauch oder Schmerzen im Bereich des rechten Rippenbogens gehabt, bei ca. 1/4 der Patienten wird die Echinokokkuszyste als Zufallsbefund entdeckt. Bei bis zu 15 % der Patienten sind ikterische Episoden anamnestisch zu erheben (Kompression des Gallengangssystems oder Einbruch der Hydatide in einen Gallengang). Seltener sind Fieberschübe bei Infektion der Zyste oder Cholangitis beim Gallengangsbefall. Bis zu 10 % der Patienten sind akut als Notfälle therapiebedürftig, entweder wegen anaphylaktoider Reaktionen und Kollaps, Ikterus, Cholangitis oder spontaner Zystenruptur. Diagnose. Sowohl im Ultraschall als auch in der CT sind Echinokokkus-
zysten in einem sehr hohen Prozentsatz wegen ihres charakteristischen Erscheinungsbildes ohne weitere Maßnahmen zu diagnostizieren. Typischerweise sind die Scolices in der Zyste sichtbar, oder eine membranöse Binnenstruktur der Zyste oder typische Kalkeinlagerungen in der Zystenwand sind Anlass der Verdachtsdiagnose Echinokokkuszyste ( 1 B-9.9).
Intrahepatische Echinokokkuszyste
a Typischer CT-Befund.
b Aufgeschnittenes Resektionspräparat.
n Merke. Eine Probepunktion eines unklaren Leberbefundes mit der Verdachtsdiagnose Echinokokkuszyste ist wegen der möglichen Verschleppung infektiösen Materiales kontraindiziert.
Merke
Zur weiteren Sicherung der Diagnose dienen serologische Tests (indirekte Immunfluoreszenz, ELISA).
Zur Erhärtung der Diagnose sollten serologische Tests (indirekte Immunfluoreszenz, ELISA etc.) angeschlossen werden. In seltenen Fällen weisen ein erhöhtes Bilirubin oder eine erhöhte alkalische Phosphatase (AP) auf eine Kompression zentraler Gallengangsabschnitte oder auf einen Einbruch in das Gallenwegssystem hin. In diesen Fällen ist eine präoperative endoskopisch retrograde Cholangiographie (ERC) essenziell.
Therapie π E. granulosus: Ziel ist die kontrollierte Abtötung der Scolices z.B. mit hypertoner Glukose- oder NaCl-Lösung. Als Operationen werden die Entfernung der Keimschicht unter Belassen der Kutikula = Zystektomie und die Entfernung mit ganzer Kutikula = Perizystektomie unterschieden.
Therapie:
Echinococcus granulosus: Ziel der chirurgischen Therapie ist die kontrollierte Abtötung und Entfernung aller Erreger unter sorgfältiger Vermeidung jeglicher Verschleppung infektiösen Materials. Die Abtötung der Scolices ist durch Instillation hyperosmolarer Lösungen (Glukose 50 %, NaCl 20 %) möglich. Das Operationsgebiet sollte nach vollständiger Mobilisation der Leber komplett gegen die übrige Peritonealhöhle und die Operationswunde abgeschottet werden. Als Operation kommen die Entfernung der Keimschicht
π
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9.4.1 Tumorartige Läsionen nach Eröffnung der Kutikula (Zystektomie) oder die Entfernung der Zyste mit Kutikula (Perizystektomie) in Frage. π Echinococcus multilocularis: Wegen des infiltrativen Wachstums besteht die chirurgische Therapie wie beim Malignom in einer Leberresektion mit einem mindestens 1 cm breiten Saum gesunden Leberparenchyms zwischen Befund und Resektionsfläche.
Prognose. Gut bei suffizienter intraoperativer Vermeidung jeglicher Konta-
mination. Bei Einbruch in das Gallengangssystem oder bei Rezidivoperationen sollte eine parasitostatische Langzeittherapie mit z.B. Mebendazol angeschlossen werden.
E. multilocularis: Wegen des infiltrativen Wachstums kann ein E. multilocularis nicht durch Perizystektomie entfernt werden, sondern bedarf wie ein Malignom einer Leberteilresektion.
π
Prognose. Bei Vermeidung jeder Kontamination gut. Bei Rezidivoperationen oder Gallengangseinbruch sollte eine parasitostatische Therapie mit z.B. Mebendazol angeschlossen werden.
Klinischer Fall Ein 40-jähriger türkischer, seit 10 Jahren in Deutschland lebender Patient klagt seit ca. 6 Monaten über rezidivierend auftretendes Druckgefühl im rechten Oberbauch. Bei der Oberbauchsonographie finden sich 2 Zysten im rechten Leberlappen mit Verdickung der Zystenwand. Die daraufhin durchgeführte serologische Untersuchung ergibt einen erhöhten Titer für einen Echinococcus granulosus. Nach computertomographischem Ausschluss
weiterer abdomineller Zysten wird der Patient operiert, wobei drei Zysten in toto als Perizystektomie entfernt werden können. Da weder ein Einbruch der Zysten ins Gallengangssystem vorliegt noch eine Eröffnung der Zysten intraoperativ besteht, wird keine parasitostatische Langzeittherapie nach komplikationslosem postoperativem Verlauf angeschlossen.
Leberabszesse
Leberabszesse
n Definition. Man unterscheidet primäre Leberabszesse (z.B. parasitär, hämatogen oder durch Aszension von Keimen verursacht) von sekundären Abszessen (z.B. durch Infektion einer dysontogenetischen Leberzyste).
Definition
Ätiologie. Die überwiegende Mehrzahl der Leberabszesse entsteht hämatogen aus dem Pfortaderstromgebiet (z.B. Divertikulitis, Appendizitis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Amöbenabszess) oder infolge einer aszendierenden Cholangitis (z.B. eitrige Cholezystitis oder Cholangitis, Caroli-Syndrom). Häufig manifestieren sich Leberabszesse mit einem deutlichen Intervall zur auslösenden Primärerkrankung. In einigen Fällen kann eine primäre Ursache nicht mehr eruiert werden.
Ätiologie. Die Mehrzahl der Abszesse entsteht hämatogen aus dem Pfortaderstromgebiet (z.B. Divertikulitis, Amöbiasis) oder durch Aszension bei eitriger Cholezystitis oder Cholangitis. Nicht immer ist ein extrahepatischer Herd eruierbar.
Symptome. Auffälliges Krankheitsgefühl mit hohem septischen Fieber und
Symptome. Erhebliches Krankheitsgefühl, hohe septische Temperaturen, Druckschmerz im rechten Oberbauch bei Parenchymschwellung.
oft deutlichem Druckschmerz im rechten Oberbauch auf dem Boden der Parenchymschwellung. Überwiegend ist die rechte Leber betroffen.
1 B-9.10
Intrahepatischer Abszess
a Typischer CT-Befund.
b Gleicher Patient nach interventioneller Platzierung eines Spüldränagekatheters (Á).
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9 Leber
Diagnose. Sonographie- oder CT-gesteuerte Lokalisation und Punktion des Abszesses zur Diagnosesicherung und bakteriologischen Abklärung. Im Röntgenthorax zeigen sich häufig Pleuraergüsse.
Diagnose. Sonographie und CT können den Befund lokalisieren und ermög-
Therapie. Beim pyogenen, nicht gekammerten Abszess erfolgt die interventionell gesteuerte Einlage eines Spüldränagesystems ( 1 B-9.10). Ist dies ohne Erfolg oder liegen ausgedehnte gekammerte Abszesse vor, ist die Indikation zur operativen Sanierung mit Débridement, Spülung und Dränage zu stellen. Selten muss der betroffene Teil der Leber reseziert werden. Extrahepatische Streuherde sind zu sanieren. Der Amöbenabszess wird in der Regel medikamentös behandelt.
Therapie. Bei pyogenen solitären, nicht gekammerten Abszessen ist die
9.4.2
9.4.2
Benigne Lebertumoren
Hämangiom Definition
lichen eine gesteuerte Punktion des Herdes zur Sicherung der Diagnose und zur bakteriologischen Abklärung. Bei etwa der Hälfte der Patienten findet sich eine positive Blutkultur. Die Thoraxaufnahme zeigt häufig (sympathische) Pleuraergüsse bei rechtsseitigem Zwerchfellhochstand. interventionelle Einlage eines Spüldränagekatheters das Therapieverfahren der Wahl ( 1 B-9.10). Bei ausgedehnten, gekammerten Abszessen und bei Patienten mit persistierender oder zunehmender klinischer Symptomatik nach interventioneller Dränage ist die operative Revision mit Eröffnung, Débridement, Spülung und Einbringen eines Spüldränagesystems indiziert. In seltenen Fällen muss eine Resektion des betroffenen Leberanteiles erfolgen (Cave: Leberinsuffizienz beim septischen Patienten). Kann ein extrahepatischer Streuherd identifiziert werden, so ist dieser unbedingt zu sanieren. Beim Amöbenabszess wird im Gegensatz zum pyogenen Leberabszess im Allgemeinen medikamentös behandelt.
Benigne Lebertumoren
Hämangiom n Definition. Hämangiome repräsentieren, abgesehen von Leberzysten, den häufigsten benignen Lebertumor mit einer Inzidenz in Autopsieserien von 0,4–7,3 %. 2 Typen werden unterschieden: die häufigen kleinen (< 4 cm) kapillaren und die seltenen großen (> 4 cm) karvernösen Hämangiome. Kavernöse Hämangiome werden in der Regel bei Erwachsenen zwischen dem 30. und 70. Lebensjahr diagnostiziert.
Histologie. Mikroskopisch sind Hämangiome aus fibrösen Septen und kavernös erweiterten Sinus mit Endothelauskleidung aufgebaut und gut gegen das übrige Lebergewebe begrenzt. Symptome. Die überwiegende Zahl der Patienten ist asymptomatisch. Bei entsprechender Größe oder Einblutung treten Druckgefühl oder Schmerzen im rechten Oberbauch auf. Freie Rupturen sind eine Rarität.
Histologie. Mikroskopisch bestehen Hämangiome aus kavernös erweiterten Sinus, ausgekleidet mit Endothel, die von fibrösen Septen unterschiedlicher Dicke begrenzt werden. Teilthrombosierungen sind die Regel. Die Tumoren sind gut begrenzt.
Diagnose. Wegen der hämangiomtypischen Strömungsverhältnisse und Kontrastmittelretention kann jedes bildgebende Verfahren einen charakteristischen Befund erheben ( 1 B-9.11).
Diagnose. Fast jedes bildgebende Verfahren kann wegen der Strömungscha-
Therapie. Kleine Hämangiome sollten kontrolliert werden. Große und/oder symptomatische Hämangiome sollten reseziert oder interventionell embolisiert werden.
Therapie. Kleine Hämangiome werden meist zufällig im Rahmen der Abklä-
Riesige, symptomatische Hämangiome können selten Indikation zu einer Lebertransplantation sein.
Symptome. Die überwiegende Zahl der Hämangiome ist asymptomatisch.
Die Häufigkeit von auftretenden Symptomen korreliert mit der Größe der Hämangiome. Es sind dies Druckgefühl, Völlegefühl bei linksseitiger Lokalisation, Schmerzen durch Kapselspannung bei Größenzunahme und/oder Einblutung. Freie Rupturen sind eine Rarität. Eine maligne Entartung wurde bisher nicht dokumentiert.
rakteristika und der Kontrastmittelretention von Hämangiomen die richtige Verdachtsdiagnose stellen ( 1 B-9.11). Durch Kombination von z.B. CT und Bloodpoolszintigraphie kann die Diagnose fast immer gesichert werden. Die operative Exploration eines Hämangioms zur Diagnosesicherung allein sollte die Ausnahme darstellen.
rung anders begründeter Beschwerden entdeckt und sollten allenfalls kontrolliert werden. Symptomatische oder große kavernöse Hämangiome sollten unter Berücksichtigung ihrer Lokalisation in der Leber und in Abwägung des damit verbundenen Operationsrisikos entweder interventionell embolisiert oder durch Resektion entfernt werden. Bei multimorbiden Patienten oder ungünstiger sehr zentraler Lokalisation kann eine interventionelle Embolisation, meist in mehreren Sitzungen erfolgen. Riesige, fast den ganzen Bauchraum ausfüllende Hämangiome können bei entsprechendem Leidensdruck des Patienten eine Indikation zur Lebertransplantation sein.
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9.4.2 Benigne Lebertumoren
1 B-9.11
Intrahepatisches Hämangiom
b Intraoperativer Befund des rechts lateral der Gallenblase liegenden Hämangioms. a Angiographischer Befund eines großen, rechts intrahepatisch lokalisierten Hämangioms ( Á ) mit typischer Kontrastmittelretention in den kavernös erweiterten Sinus.
Fokal noduläre Hyperplasie (FNH)
Fokal noduläre Hyperplasie (FNH)
n Definition. Die fokal noduläre Hyperplasie (FNH) der Leber imponiert makroskopisch als relativ fester rötlich bis gelblich brauner Tumor mit fibrösen Septen, die meist von einer zentralen fibrösen Narbe radiär nach außen verlaufen. Mikroskopisch besteht die FNH aus Hepatozyten, Kupffer-Zellen und hyperplastischen Gallengängen sowie wandverdickten Blutgefäßen. Durch den septierten nodulären Aufbau gleicht sie einer »lokalen Leberzirrhose« ( 1 B-9.12). Die fokal noduläre Hyperplasie tritt ganz überwiegend bei Frauen auf. In 20 % der Fälle sind multiple Herde in der Leber nachweisbar.
1 B-9.12
Definition
Fokal noduläre Hyperplasie Intraoperativer Befund einer im linken Leberlappen lokalisierten FNH mit typischer Farbe und Gefäßzeichnung.
Ätiologie. Da das histologische Bild mehr einem reaktiven Vorgang denn einer Neoplasie gleicht, wird ätiologisch eine arteriovenöse Missbildung diskutiert. Die Läsion ist keine Präkanzerose. Kontrazeptiva scheinen das Wachstum zu fördern.
Symptome. Da die FNH keine spontanen intraperitonealen Blutungen verursacht und spontane Einblutungen eine Rarität darstellen, werden die meisten Befunde zufällig erhoben. Bei enstprechender Größe können Druckgefühl oder sogar rechtsseitige Oberbauchschmerzen auftreten.
Ätiologie. Die FNH ist wahrscheinlich Folge einer arteriovenösen Missbildung. Das histologische Bild entspricht einem reaktiven und nicht einem neoplastischen Vorgang (Kontrazeptiva scheinen das Wachstum zu fördern). Symptome. Fast charakteristisch ist das Fehlen von Symptomen. Freie Perforation mit Blutung oder maligne Entartung werden nicht beobachtet. Große Herde können Druckgefühl verursachen.
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9 Leber
Diagnose. Der Nachweis von KupfferZellen in der Leberszintigraphie ist praktisch beweisend und dient als differenzialdiagnostisches Merkmal zum Adenom oder Leberzell-Ca.
Diagnose. Die Existenz von Kupffer-Zellen unterscheidet die FNH vom
Therapie. Bei symptomlosen Patienten sollte der Befund nur kontrolliert werden. Hormonelle Kontrazeptiva sollten abgesetzt werden. Bei Größenzunahme oder nicht ganz eindeutiger Befundkonstellation ist die Indikation zur Resektion zu stellen.
Therapie. Bei symptomlosen Patienten sollte nur bei Größenzunahme unter
Leberzelladenom und Leberzellkarzinom (HCC). Von beiden ist die FNH im Wesentlichen differenzialdiagnostisch abzuklären. Der szintigraphische Nachweis von Leberzellen und Kupffer-Zellen im Herdbereich ist praktisch beweisend für das Vorliegen einer FNH.
Kontrolle die Indikation zur Resektion gestellt werden. Frauen sollten hormonelle Kontrazeptiva absetzen. Lässt sich die Differenzialdiagnose zum Adenom oder HCC nicht eindeutig stellen, kann eine Biopsie in einem Teil der Patienten die Diagnose klären. Bei den übrigen Patienten ist die Indikation zur explorativen Laparotomie zu stellen, bei der dann in jedem Fall der Herd vollständig entfernt werden sollte.
Klinischer Fall Eine 44-jährige Patientin stellt sich mit seit einem 3⁄4 Jahr zunehmenden Druckbeschwerden im Epigastrium vor. Es bestehen keine Vorerkrankungen. Bis auf eine 15jährige Einnahme von Kontrazeptiva keine Medikamentenanamnese. Die Gastroskopie ist unauffällig, in der Sonographie findet sich eine Raumforderung im linken Leberlappen von ca. 8 cm Durchmesser. Die weitere Diagnostik mittels Szintigraphie und CT ergibt die Diagnose einer FNH, wobei mit 100 %iger Sicherheit ein Adenom nicht ausge-
Hepatozelluläres Adenom (HCA-Leberzelladenom) Definition
schlossen werden kann. Wegen der in den letzten Monaten zunehmenden Symptomatik wird bei fehlendem Ausschluss eines Adenoms die Indikation zur Operation gestellt. Intraoperativ zeigt sich, dass der Tumor den gesamten linken Leberlappen einnimmt, sodass eine Lobektomie links (Segment II und III) durchgeführt wird. Der postoperative Verlauf ist komplikationslos und die Patientin beschwerdefrei. Die histologische Aufarbeitung des Präparates ergibt eindeutig eine FNH.
Hepatozelluläres Adenom (HCA-Leberzelladenom) n Definition. Im Gegensatz zur FNH hat das hepatozelluläre Adenom (HCA) eine »leberähnliche« Konsistenz, eine mehr gelblich braune Farbe und keine Septierungen ( 1 B-9.13). Mikroskopisch ist das HCA aus normalen Hepatozyten aufgebaut, Portalfelder fehlen, die Gefäße sind dünnwandig. Der Nachweis von KupfferZellen stellt eine Ausnahme dar, die eine Überprüfung der Diagnose erfordert. Während eine Stanzbiopsie aus einer FNH als »Zirrhose« interpretiert werden kann, zeigt die Biopsie eines Adenoms »normales Lebergewebe«.
1 B-9.13
Leberzelladenom Intraoperativer Aspekt eines Leberadenoms rechts lateral der Gallenblase.
Ätiologie. Seit Anfang der 70er Jahre weisen zahlreiche Autoren auf den Zusammenhang zwischen oraler Kontrazeptivaeinnahme und
Ätiologie. Schon vor den ersten Publikationen über den Zusammenhang zwischen Einnahme hormoneller Kontrazeptiva (ca. 1973) und Auftreten von Leberzell- und Funktionsveränderungen sowie Leberzelladenomen war eine ätiologisch-hormonelle Komponente aus den Erfahrungen mit Andro-
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9.4.3 Maligne Lebertumoren gentherapien postuliert worden. Die Korrelation zwischen oraler Kontrazeption und Auftreten eines HCA beträgt nahezu 100 %.
vermehrtem Auftreten von Leberzelladenomen hin. Die Koinzidenz ist sehr viel eindeutiger als bei der FNH.
Symptome. Im Gegensatz zur FNH werden 2⁄3 der Patienten mit einem
Symptome. 2 ⁄ 3 der Patienten werden im Verlauf der Erkrankung schwerwiegend symptomatisch. Bis zu 1 ⁄ 3 der Patienten haben eine spontane Ruptur und Blutung in die freie Bauchhöhle mit akuter Lebensbedrohung. Einblutungen des HCA verursachen Schmerzen und Druckgefühl im Oberbauch.
Diagnose. Der Mangel an Gallengängen in einem HCA führt zu einer deutli-
Diagnose. Mangel an Gallengängen (= Retention von 99m Tc-IDA) und der fehlende Nachweis von Kupffer-Zellen (= 99m Tc-Kolloid) lassen sich szintigraphisch ausnutzen. Die Differenzialdiagnose zum hochdifferenzierten Leberzellkarzinom (HCC) kann auch bioptisch schwierig sein. Da im HCA maligne Herde im Sinne des HCC diagnostiziert werden, ist von der Möglichkeit einer malignen Transformation auszugehen.
Therapie. Wegen der hohen potenziellen Komplikationsrate, der Möglich-
Therapie. Wegen der erheblichen potenziell möglichen Komplikationen sollte immer die operative Entfernung eines HCA angestrebt werden. In einigen Fällen kann eine Lebertransplantation indiziert sein.
Leberzelladenom im Verlauf der Erkrankung symptomatisch. Bis zu 1⁄3 der Patienten mit großen Adenomen haben eine spontane Ruptur und Blutung in die freie Bauchhöhle mit einem akut lebensbedrohlichen Krankheitsbild. Da das HCA in der Regel sehr viel größer ist als die FNH, führen auch schon kleinere Einblutungen zu erheblichen Schmerzen. Meist bestehen aber schon vorher uncharakteristische rezidivierende Oberbauchschmerzen oder Druckgefühl.
chen Retention von 99mTc-IDA in der Leberszintigraphie. Der fehlende Nachweis von Kupffer-Zellen in der 99mTc-Kolloidszintigraphie ist typisch für das Adenom und das Leberzellkarzinom (HCC), schließt aber das Vorliegen einer FNH aus. Die Differenzialdiagnose zwischen HCA und HCC ist für die Indikationsstellung zur Operation nicht entscheidend, da beide Diagnosen eindeutige Indikationen zur Resektion, wenn immer möglich, darstellen. Außerdem weisen verschiedene Autoren auf eine Koinzidenz des HCA und HCC bzw. auf eine maligne Transformation hin.
keit einer malignen Transformation der Erkrankung und der schwierigen diagnostischen Abgrenzung des HCA zum hochdifferenzierten HCC ist die Indikation zur Resektion immer zu stellen. Multiple oder rezidivierend auftretende Leberzelladenome können deshalb auch eine Indikation zur Lebertransplantation darstellen.
9.4.3
Maligne Lebertumoren
9.4.3
Maligne Lebertumoren
Primäre Lebertumoren
Primäre Lebertumoren
In der Systematik der Lebermalignome werden grundsätzlich die primären Lebermalignome (im Wesentlichen das hepatozelluläre Karzinom und das cholangiozelluläre Karzinom) von den metastatischen, sekundären Lebermalignomen unterschieden. Als weitere primäre Lebermalignome sind das Hepatoblastom und sehr seltene mesenchymale Malignome wie das Angiosarkom zu erwähnen.
Primäre Malignome der Leber sind definitionsgemäß aus leberspezifischen Zellen entstanden (z.B. hepatozelluläres Karzinom = HCC; cholangiozelluläres Karzinom = CCC; Hepatoblastom, Angiosarkom). Als sekundäre Malignome werden alle in der Leber vorkommenden Metastasen definiert. Hepatozelluläres Karzinom (HCC)
Hepatozelluläres Karzinom (HCC) n Definition. Die Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms (HCC) variiert weltweit erheblich und erreicht in Asien und Afrika Inzidenzen zwischen 20–100 Fälle/100 000 Einwohner, während in Westeuropa 1–2 Fälle/100 000 Einwohner registriert werden. Bei etwa 70 % der Patienten entsteht das HCC in einer vorbestehenden Leberzirrhose, wobei auch hier erhebliche regionale Unterschiede mit Angaben zwischen 40–85 % bestehen ( 1 B-9.14).
Ätiologie. An einem Zusammenhang zwischen Hepatitis-B-Infektion und
HCC-Entstehung besteht heute kaum Zweifel. Während in Regionen mit hoher HCC-Inzidenz bis zu 15 % der Bewohner HBsAg-positiv sind, sind dies z.B. in Westeuropa nur 1 % der Bevölkerung. Sowohl bei »lebergesunden« Virusträgern als auch im HCC-Gewebe kann nachgewiesen werden, dass Virus-DNA-Sequenzen in das Wirtsgenom integriert werden. Es wird vermutet, dass diese eingebauten DNA-Sequenzen Promotoren einer ungeregelten Proliferation sind.
Definition
Ätiologie. An einem Zusammenhang zwischen Hepatitis-B-Infektion und HCC-Entstehung besteht heute kaum Zweifel. Es gibt weltweit eine eindeutige Korrelation zwischen regionaler Inzidenz des HCC und prozentualem Anteil HBsAgpositiver Virusträger in der Bevölkerung.
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9.4.3 Maligne Lebertumoren gentherapien postuliert worden. Die Korrelation zwischen oraler Kontrazeption und Auftreten eines HCA beträgt nahezu 100 %.
vermehrtem Auftreten von Leberzelladenomen hin. Die Koinzidenz ist sehr viel eindeutiger als bei der FNH.
Symptome. Im Gegensatz zur FNH werden 2⁄3 der Patienten mit einem
Symptome. 2 ⁄ 3 der Patienten werden im Verlauf der Erkrankung schwerwiegend symptomatisch. Bis zu 1 ⁄ 3 der Patienten haben eine spontane Ruptur und Blutung in die freie Bauchhöhle mit akuter Lebensbedrohung. Einblutungen des HCA verursachen Schmerzen und Druckgefühl im Oberbauch.
Diagnose. Der Mangel an Gallengängen in einem HCA führt zu einer deutli-
Diagnose. Mangel an Gallengängen (= Retention von 99m Tc-IDA) und der fehlende Nachweis von Kupffer-Zellen (= 99m Tc-Kolloid) lassen sich szintigraphisch ausnutzen. Die Differenzialdiagnose zum hochdifferenzierten Leberzellkarzinom (HCC) kann auch bioptisch schwierig sein. Da im HCA maligne Herde im Sinne des HCC diagnostiziert werden, ist von der Möglichkeit einer malignen Transformation auszugehen.
Therapie. Wegen der hohen potenziellen Komplikationsrate, der Möglich-
Therapie. Wegen der erheblichen potenziell möglichen Komplikationen sollte immer die operative Entfernung eines HCA angestrebt werden. In einigen Fällen kann eine Lebertransplantation indiziert sein.
Leberzelladenom im Verlauf der Erkrankung symptomatisch. Bis zu 1⁄3 der Patienten mit großen Adenomen haben eine spontane Ruptur und Blutung in die freie Bauchhöhle mit einem akut lebensbedrohlichen Krankheitsbild. Da das HCA in der Regel sehr viel größer ist als die FNH, führen auch schon kleinere Einblutungen zu erheblichen Schmerzen. Meist bestehen aber schon vorher uncharakteristische rezidivierende Oberbauchschmerzen oder Druckgefühl.
chen Retention von 99mTc-IDA in der Leberszintigraphie. Der fehlende Nachweis von Kupffer-Zellen in der 99mTc-Kolloidszintigraphie ist typisch für das Adenom und das Leberzellkarzinom (HCC), schließt aber das Vorliegen einer FNH aus. Die Differenzialdiagnose zwischen HCA und HCC ist für die Indikationsstellung zur Operation nicht entscheidend, da beide Diagnosen eindeutige Indikationen zur Resektion, wenn immer möglich, darstellen. Außerdem weisen verschiedene Autoren auf eine Koinzidenz des HCA und HCC bzw. auf eine maligne Transformation hin.
keit einer malignen Transformation der Erkrankung und der schwierigen diagnostischen Abgrenzung des HCA zum hochdifferenzierten HCC ist die Indikation zur Resektion immer zu stellen. Multiple oder rezidivierend auftretende Leberzelladenome können deshalb auch eine Indikation zur Lebertransplantation darstellen.
9.4.3
Maligne Lebertumoren
9.4.3
Maligne Lebertumoren
Primäre Lebertumoren
Primäre Lebertumoren
In der Systematik der Lebermalignome werden grundsätzlich die primären Lebermalignome (im Wesentlichen das hepatozelluläre Karzinom und das cholangiozelluläre Karzinom) von den metastatischen, sekundären Lebermalignomen unterschieden. Als weitere primäre Lebermalignome sind das Hepatoblastom und sehr seltene mesenchymale Malignome wie das Angiosarkom zu erwähnen.
Primäre Malignome der Leber sind definitionsgemäß aus leberspezifischen Zellen entstanden (z.B. hepatozelluläres Karzinom = HCC; cholangiozelluläres Karzinom = CCC; Hepatoblastom, Angiosarkom). Als sekundäre Malignome werden alle in der Leber vorkommenden Metastasen definiert. Hepatozelluläres Karzinom (HCC)
Hepatozelluläres Karzinom (HCC) n Definition. Die Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms (HCC) variiert weltweit erheblich und erreicht in Asien und Afrika Inzidenzen zwischen 20–100 Fälle/100 000 Einwohner, während in Westeuropa 1–2 Fälle/100 000 Einwohner registriert werden. Bei etwa 70 % der Patienten entsteht das HCC in einer vorbestehenden Leberzirrhose, wobei auch hier erhebliche regionale Unterschiede mit Angaben zwischen 40–85 % bestehen ( 1 B-9.14).
Ätiologie. An einem Zusammenhang zwischen Hepatitis-B-Infektion und
HCC-Entstehung besteht heute kaum Zweifel. Während in Regionen mit hoher HCC-Inzidenz bis zu 15 % der Bewohner HBsAg-positiv sind, sind dies z.B. in Westeuropa nur 1 % der Bevölkerung. Sowohl bei »lebergesunden« Virusträgern als auch im HCC-Gewebe kann nachgewiesen werden, dass Virus-DNA-Sequenzen in das Wirtsgenom integriert werden. Es wird vermutet, dass diese eingebauten DNA-Sequenzen Promotoren einer ungeregelten Proliferation sind.
Definition
Ätiologie. An einem Zusammenhang zwischen Hepatitis-B-Infektion und HCC-Entstehung besteht heute kaum Zweifel. Es gibt weltweit eine eindeutige Korrelation zwischen regionaler Inzidenz des HCC und prozentualem Anteil HBsAgpositiver Virusträger in der Bevölkerung.
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9 Leber
1 B-9.14
Primäres hepatozelluläres Karzinom Intraoperativer Aspekt eines primären hepatozellulären Karzinoms. Makroskopisch kann die Abgrenzung zum Adenom oder zur FNH unmöglich sein.
Virus-DNA-Sequenzen werden in das Wirtsgenom eingebaut und könnten Promotoren einer dysregulierten Zellproliferation sein. Weitere genetische, ethnische sowie hormonelle und toxische Faktoren werden hinsichtlich ihrer ätiologischen Bedeutung diskutiert. Männer sind 3–8-mal häufiger betroffen.
Neben der Hepatitis-B-Infektion werden weitere Promotoren und disponierende genetisch fixierte Faktoren untersucht. Es sind dies das HCC-Risiko der verschiedenen Leberzirrhosen, die 3–8fache Prävalenz des männlichen Geschlechtes und die bei einer vergleichbar weißen/schwarzen Bevölkerung bis zu 8fach höhere Inzidenz in der schwarzen Bevölkerung. Weitere hormonelle und toxische Risikofaktoren werden diskutiert.
Symptome. Die meisten Patienten kommen mit Spätsymptomen wie tastbarem Tumor, Schmerzen oder zunehmender Leberinsuffizienz zur Diagnostik.
Symptome. Mit Ausnahme der Patienten, die z.B. wegen einer bekannten Leberzirrhose fortlaufend betreut werden (Sonographie, a-Fetoprotein),
Diagnose. Sonographie, CT und MRT leisten Vergleichbares in der Befundlokalisation. Eine a -Fetoproteinerhöhung stützt die Diagnose, kann aber auch bei zirrhotischen Patienten mit Regeneratknoten pathologische Werte zeigen. Bei zentraler Lokalisation des HCC sollte eine Angiographie, Angio-CT oder MR-Angiographie durchgeführt werden. Nach Edmondson werden beim HCC 4 Differenzierungsgrade (G1–4) und die Wachstumstypen π solide π trabekulär π adenoid π fibrolamellär unterschieden. Bei potenziell resektablen Tumoren und besonders bei Koinzidenz mit einer Leberzirrhose müssen die Funktionsreserven des potenziell verbleibenden Restparenchyms laborchemisch abgeschätzt werden ( 2 B-9.1). Sind 2 oder mehr dieser Parameter pathologisch, besteht eine relevante Einschränkung der Leberfunktion.
Diagnose. Die Befundlokalisation erfolgt sonographisch und/oder mit CT
kommen Patienten mit einem HCC in der Regel erst mit Spätsymptomen wie tastbarem Tumor, Schmerzen im rechten Oberbauch oder Zeichen der zunehmenden Leberinsuffizienz zur Diagnostik.
oder MRT. Der Nachweis von Hepatozyten im Herdbereich kann szintigraphisch erfolgen, bei undifferenzierten Tumoren allerdings auch misslingen. Ein erhöhtes a-Fetoprotein sichert die Diagnose eines HCC als Tumormarker weiter ab, kann aber auch bei Zirrhotikern mit Regeneratknoten erhöht gefunden werden. Die Indikation zur Feinnadelbiopsie sollte individuell gestellt werden. Gleiches gilt für die Angiographie oder Angio-CT, die nur bei zentral lokalisierten Tumoren dringlich indiziert ist (Resektabilität? Pfortaderbeteiligung?). Beim HCC werden nach Edmondson 4 Differenzierungsgrade (G1–4) und unterschiedliche Wachstumstypen wie: solide, trabekulär, adenoid und fibrolamellär unterschieden. Liegt ein potenziell resektables HCC vor, muss zur Indikationsstellung die funktionelle Reserve der Leber, besonders bei Patienten mit einem HCC in einer zirrhotischen Leber evaluiert werden (Syntheseparameter, Exkretionsfunktion, Aszitesbildung usw). Von einer relevanten Einschränkung der Leberfunktion muss ausgegangen werden, wenn sich 2 oder mehr der in 2 B-9.1 genannten Parameter im pathologischen Bereich bewegen.
2 B-9.1
Parameter zur Beurteilung der Leberfunktion
N Serum-Bilirubin > 1,5 mg/dl n
N Serum-Cholesterin < 100 mg/dl n
N Quick < 50 % n π Faktor II < 50 % π Faktor V < 50 %
N Serum-Albumin < 2,5 g/l n N Aszites ++ n
N CHE im Serum < 2000 U/l n
Therapie. Die Resektion des Tumors repräsentiert das Therapieverfahren der Wahl mit kurativer Intention ( 1 B-9.15).
Therapie. Das Therapieverfahren der Wahl mit kurativer Intention ist die
Resektion des Tumors. Diese kann wegen einer Funktionseinschränkung, z.B. auf dem Boden einer bestehenden Leberzirrhose, trotz technischer Resektabilität oftmals kontraindiziert sein ( 1 B-9.15).
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9.4.3 Maligne Lebertumoren
1 B-9.15
Hepatozelluläres Karzinom CT-Befund eines kleinen primären hepatozellulären Karzinoms im rechten Leberlappen ( Á) einer zirrhotischen Leber. Der bestehende Aszites weist bei technischer Resektabilität auf eine eingeschränkte Funktionsreserve hin.
Bei kleinen (< 5 cm) hepatozellulären Karzinomen und fortgeschrittener Leberzirrhose kann deshalb die Indikation zur Lebertransplantation gestellt werden. Als palliative Maßnahme bei Tumoren < 5 cm haben sich lokal nekroseinduzierende Verfahren wie die Alkoholinjektion, Mikrowellenapplikation, Kryo- oder Lasertherapie bewährt. Bei großen Tumoren gilt die Chemoembolisation ggf. in Kombination mit einem lokalen Verfahren als therapeutische Option.
Prognose. Unbehandelt führt die Erkrankung innerhalb kurzer Zeit (2–4
Monate) nach Diagnosestellung zum Tode. Die Resektion verbessert die mediane Überlebenszeit etwa um den Faktor 6, wobei verschiedene prognostische Faktoren wie Tumorgröße, Existenz einer Kapsel, Gefäßeinbruch, Differenzierungsgrad und Resektionsausmaß eine Rolle spielen. Entsprechend breit streuen die 5-Jahres-Überlebensraten von 10–60 %. Hinsichtlich der Prognose nimmt das fibrolamelläre hepatozelluläre Karzinom eine Sonderstellung ein. Da die Patienten überwiegend jünger als 40 Jahre sind und keine Leberzirrhose haben, ist die Resektabilitätsrate und Prognose in fast allen Serien deutlich besser. Eine Resektion sollte dehalb unbedingt angestrebt werden.
Cholangiozelluläres Karzinom (CCC) n Definition. Das cholangiozelluläre Karzinom nimmt seinen Ursprung vom Gallengangsepithel, sodass es sich histologisch um ein meist muzinöses Adenokarzinom handelt. Wegen der unterschiedlichen therapeutischen Konsequenzen und einem unterschiedlichen Wachstumsverhalten wird es von den Gallengangskarzinomen und dem Gallenblasenkarzinom (s. Kap. B-8.9) abgegrenzt. Den Tumoren gemeinsam ist eine ausgesprochen fibröse Komponente, wobei sich das CCC charakteristischerweise gegen das gesunde Leberparenchym wesentlich schlechter abgrenzen lässt, als dies z.B. bei einem zentralen Hepatikusgabelkarzinom der Fall ist.
Ätiologie. Die Ätiologie des CCC ist unbekannt, unterscheidet sich aber in
jedem Falle von der des HCC. In Regionen mit hoher HCC-Inzidenz ist die Inzidenz des CCC eher niedrig und umgekehrt. Insgesamt macht das CCC 25–30 % aller primären Leberkarzinome aus. Die Geschlechtsverteilung ist fast ausgeglichen. Verschiedene Beobachtungen deuten darauf hin, dass parasitärer Gallengangsbefall, angeborene Gallengangsdilatation und Gallengangszysten sowie die kongenitale Leberfibrose ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines cholangiozellulären Karzinoms beinhalten.
Bei vorbestehender Funktionseinschränkung und kleinem Tumor kann die Indikation zur Lebertransplantation gestellt werden. Als palliative Maßnahme werden nekroseinduzierende Verfahren (z.B. Alkoholinjektion) eingesetzt, bei großen Tumoren die Chemoembolisation. Prognose. Der Spontanverlauf führt ab Diagnosestellung innerhalb von 2–4 Monaten zum Tode. Die Resektion verbessert die medianen Überlebenschancen etwa um den Faktor 6. Die 5-Jahres-Überlebensraten liegen breit gestreut zwischen 10–60 %. Das fibrolamelläre HCC wird in der Regel bei jungen Patienten unter 40 Jahren und ohne Leberzirrhose diagnostiziert. Resektionsraten und Prognose scheinen deutlich besser zu sein. Cholangiozelluläres Karzinom (CCC) Definition
Ätiologie. Grundsätzlich unbekannt unterscheidet sie sich von der des HCC. Regionen mit hoher HCC-Inzidenz registrieren eher wenig CCC und umgekehrt. Ein parasitärer Gallengangsbefall, angeborene Gallengangsdilatation, kongenitale Gallengangszysten und die angeborene Leberfibrose scheinen mit einem erhöhten CCC-Risiko vergesellschaftet zu sein.
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9 Leber
Symptome. Bei zentraler Lokalisation ist der Ikterus das führende Symptom, als Spätsymptome treten Druckgefühl und Schmerzen auf.
Symptome. Je zentraler die Lokalisation, desto eher tritt als führendes
Diagnose. In der 99m Tc-Szintigraphie verhält sich das CCC wie eine Metastase, da keine Hepatozyten vorhanden sind. Die Tumorlokalisation erfolgt mittels Sonographie oder CT. Wegen der schwierigen DD zur Metastase kann eine aufwendige Primärtumorsuche notwendig sein. Histologisch sind CCC Adenokarzinome, oftmals hellzellig und von makroglandulärer Wachstumsform.
Diagnose. In der Szintigraphie verhält sich ein CCC wie eine Metastase, da
Therapie. Wenn möglich, sollte die Resektion in kurativer Intention angestrebt werden.
Therapie. Wenn möglich, sollte der Tumor reseziert werden. Wegen der im Gegensatz zum HCC nicht vorhandenen Assoziation zur Leberzirrhose ist die Resektabilitätsrate höher. Wegen der nach Lebertransplantation beobachteten hohen Rezidivrate wird heute keine Indikation zur Lebertransplantation mehr gesehen.
Sekundäre Lebertumoren
Sekundäre Lebertumoren
50–80 % der in Europa ausgeführten Leberresektionen werden wegen metastatischer Lebererkrankungen durchgeführt. Die Lebermetastasierung kann portal, arteriell und per continuitatem erfolgen. Der Nutzen der Resektion von Lebermetastasen ist beim kolorektalen Primärkarzinom (portaler Metastasierungsweg) durch Langzeitergebnisse und große Patientenzahlen belegt. Die 5-Jahres-Überlebensraten liegen zwischen 20 und 45 %.
Lebermetastasen sind in Europa mit weitem Abstand die häufigsten Lebermalignome und machen 50–80 % der Indikationen zu leberchirurgischen Eingriffen aus. Die Metastasierung zur Leber kann portal, arteriell, lymphogen oder per continuitatem erfolgen. Deshalb scheint die Resektion von Lebermetastasen prognostisch günstiger, wenn Metastasen des portalen Metastasierungsweges reseziert werden, da hier die Leber den ersten Filter darstellt. Bei Patienten mit Lebermetastasen kolorektaler Primärkarzinome liegen Langzeiterfahrungen über mehrere Jahrzehnte über den therapeutischen Nutzen der Resektion von Metastasen vor. Je nach Indikationsstellung (Selektion!) liegen die 5-Jahres-Überlebensraten der leberresezierten Patienten zwischen 20 und 45 %.
Symptome. In der Regel wird die Symptomatik eines Patienten durch den Primärtumor und nicht durch die Lebermetastase verursacht. Überwiegend werden sie im Rahmen der Tumornachsorge bei beschwerdefreien Patienten sonographisch oder im CT festgestellt. Diagnose. Zu den szintigraphischen Möglichkeiten, s. S. 510ff. ( 1 B-9.5 und 1 B-9.6). Zur Indikationsstellung einer Resektion von Lebermetastasen müssen folgende Ein- bzw. Ausschlusskriterien abgeklärt werden: π Ausschluss eines Lokalrezidivs des Primärkarzinoms (z.B. Koloskopie, CT des kleinen Beckens) π Ausschluss einer zusätzlichen, extrahepatischen Metastasierung (z.B. Lungen-CT, Knochenszintigramm) π Festlegung der lokalen Resektabilität (z.B. Spiral-CT, Angio-CT, MRT). Therapie. Das Therapieverfahren der Wahl bei Lebermetastasen ist die Resektion. Abgesichert ist diese Aussage nur für das kolorektale Primärkarzinom. Prognostisch günstig sind Solitärmetastasen ( 1 B-9.16) oder bis zu 3 Metastasen.
Symptome. Nur ausnahmsweise führen synchrone Lebermetastasen eines
Symptom ein Ikterus auf. Bei peripherer Lage treten Druckgefühl oder Schmerzen wie beim HCC erst als Spätsymptome auf.
in der Regel keine Hepatozyten für eine 99mTc-IDA-Aufnahme vorhanden sind. Der Tumornachweis erfolgt sonographisch oder mittels CT. Die schwierige Differenzialdiagnose zur Metastase kann eine erheblich aufwendige Primärtumorsuche erforderlich machen, da die Diagnose auch durch Biopsie nicht eindeutig zu stellen sein kann. Histologisch sind CCC Adenokarzinome, oftmals hellzellig und von makroglandulärer Wachstumsform.
unbekannten Primärtumors mit Druckgefühl oder Schmerzen im rechten Oberbauch zur Abklärung und Primärtumorsuche. Meist ist das primäre kolorektale Karzinom symptomführend, sodass synchron bestehende Lebermetastasen im Rahmen des Primärtumor-Stagings gefunden, bzw. nachfolgend auftretende Metastasen in der Nachsorge diagnostiziert werden.
Diagnose. Meistens werden Lebermetastasen im Rahmen der Nachsorgeun-
tersuchungen einer Karzinomerkrankung sonographisch oder computertomographisch diagnostiziert. Die szintigraphischen Möglichkeiten sind auf S. 510ff. (s. 1 B-9.5 und 1 B-9.6) dargestellt. Vor der Indikationsstellung zu einem z.B. resezierenden Therapieverfahren hat die Diagnostik folgende Fragen zu klären: π Ausschluss eines Lokalrezidivs des Primärkarzinoms (z.B. Koloskopie, CT des kleinen Beckens usw.) π Ausschluss einer extrahepatischen metastatischen Tumormanifestation (z.B. Lungen-CT, Knochenszintigramm) π Feststellung der lokalen Resektabilität (z.B. Spiral-CT, Angio-CT, MRT).
Therapie. Die Indikation zur Resektion von Lebermetastasen ist beim kolo-
rektalen Primärkarzinom durch Langzeitergebnisse abgesichert, bei anderen Primärkarzinomen wie z.B. beim Mammakarzinom nicht. Prognostisch günstig sind Solitärmetastasen ( 1 B-9.16) oder bis zu 3 Metastasen, unabhängig, ob diese auf eine Leberhälfte beschränkt sind oder sich auf beide Seiten verteilen (z.B. erforderliche Operation: Bisegmentektomie rechts + Monosegmentektomie links).
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9.4.4 Therapie
1 B-9.16
Lebermetastasen
a CT-Befund einer großen solitären Lebermetastase im rechten Leberlappen mit zentraler Tumornekrose und Hypertrophie der Restleber, zusätzlich 2 kleine Zysten im linken Leberlappen.
b Intraoperativer Befund einer großen Lebermetastase im rechten Leberlappen mit typischer zentraler Einziehung infolge der Tumornekrose.
Bei synchroner Lebermetastasierung sollte die Resektion des kolorektalen Primärkarzinoms mit der Resektion der Lebermetastasen gleichzeitig vorgenommen werden. Für das früher geübte 2-zeitige Vorgehen – erst Kolonresektion, dann Leberresektion – sprechen angesichts der niedrigen Komplikationsraten beim Kombinationseingriff kaum noch Argumente. Bei Irresektabilität, z.B. aufgrund multipler Lebermetastasen, werden palliativ die systemische und lokoregionale Chemotherapie eingesetzt.
9.4.4
Therapie
Bei synchroner Lebermetastasierung sollte die Resektion des kolorektalen Primärkarzinoms mit der Resektion der Lebermetastasen gleichzeitig vorgenommen werden. Als Palliativmaßnahmen bei Irresektabilität kommen systemische und lokoregionale Chemotherapie zum Einsatz. 9.4.4 Therapie
Operative Therapieverfahren
Operative Therapieverfahren
Die Leberresektion unterscheidet sich grundsätzlich von der Resektion anderer Anteile parenchymatöser Organe, da sie von einer schrittweisen Regeneration des verbliebenen Lebergewebes gefolgt ist (Ausnahme: Leberzirrhose!). Über die ersten Leberresektionen wurde schon um die Jahrhundertwende berichtet. So führte Langenbuch 5 Jahre nach seiner erstmaligen Cholezystektomie 1882 die erste Resektion eines linken Leberlappens durch. Grundsätzlich werden heute bei den Operationsverfahren an der Leber anatomische von nicht anatomischen Resektionen unterschieden. Anatomische Resektionen orientieren sich am segmentalen Aufbau der Leber, der über das arterioportale und biliäre System einerseits und den venösen Abstrom zur V. cava inferior andererseits definiert ist.
Die Regenerationsfähigkeit der Leber unterscheidet die Leberresektion grundsätzlich von allen anderen Resektionen an parenchymatösen Organen. Die ersten Leberresektionen wurden schon um die Jahrhundertwende durchgeführt. Anatomische Resektionen werden von nicht anatomischen unterschieden. Anatomische Resektionen orientieren sich am segmentalen Aufbau der Leber. Sie sind das Verfahren der Wahl bei der Resektion maligner Tumoren, wo ein Sicherheitsabstand von mindestens 0,5–1 cm gefordert werden muss.
1 B-9.17
Segmentektomie bei Lebermetastase Aufgeschnittenes Präparat einer durch Segmentektomie entfernten Lebermetastase mit > 1 cm Abstand gesunden Lebergewebes zum Resektionsrand.
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524
9 Leber
Nicht anatomische Resektionen kommen bei benignen Tumoren, diagnostischen Eingriffen und beim Lebertrauma zur Anwendung. Die Resektion beim Malignom verlangt bei kurativer Intention einen Sicherheitsabstand von mind. 0,5–1 cm ( 1 B-9.17). Folgende Standardverfahren werden unterschieden:
Nicht anatomische Resektionen werden überwiegend nur bei gutartigen Tumoren, bei diagnostischen Keilresektionen kleiner Tumoren oder zum Débridement bei schweren Leberverletzungen durchgeführt. Die Resektion beim Malignom verlangt bei kurativer Intention einen Sicherheitsabstand von mindestens 0,5–1 cm Dicke ( 1 B-9.17), sodass hier meist anatomische Resektionen mit klar kalkulierbaren Resektionsgrenzen zur Anwendung kommen. Folgende grundsätzliche Operationsverfahren werden unterschieden:
Segmentektomie
Segmentektomie
Nach der Anzahl der entfernten Segmente werden Mono-, Bi- und Multisegmentektomien unterschieden und durch Angabe der Segmentzahl I–VIII spezifiziert.
Entsprechend der Zahl der entfernten Segmente werden Mono-, Bi- und Multisegmentektomien unter Angabe der Zahlenbezeichnungen der entfernten Segmente klassifiziert. Inkonsequent ist der im englischen Sprachgebrauch übliche Ausdruck »Trisegmentektomie«, der als erweiterte Hemihepatektomie definiert ist und nicht eine »Dreisegmentresektion« beschreibt.
Hemihepatektomie
Hemihepatektomie
Entsprechend der arterioportalen Versorgung wird die Resektion der rechten Segmente V–VIII als Hemihepatektomie rechts und die der linken Segmente I–IV als Hemihepatektomie links definiert (s. 1 B-9.2).
Die Resektion der Segmente V–VIII wird als rechte, die der Segmente I–IV als linke Hemihepatektomie (cave: engl. Lobectomy) definiert. Die Definition orientiert sich am Versorgungsgebiet der rechten bzw. linken arterioportalen Strombahn. Die transparenchymatöse Resektionsebene folgt einer Linie ausgehend vom Gallenblasenbett zur rechten Lebervene und der retrohepatischen V. cava. Bei der rechten Hemihepatektomie werden etwa 60 % des Parenchymvolumens entfernt, bei der linken ca. 40 % (s. 1 B-9.2).
Erweiterte Hemihepatektomie
Erweiterte Hemihepatektomie
Die Hemihepatektomie rechts mit zusätzlicher Resektion der medianen linken Segmente IV a und IV b wird als erweiterte Hemihepatektomie rechts bezeichnet (ca. 75–80 % des Leberparenchyms). Voraussetzung dafür ist eine Normalfunktion des Restparenchyms. Bei der erweiterten linken Hemihepatektomie werden zusätzlich die medianen rechten Segmente V und VIII reseziert.
Bei einer erweiterten rechten Hemihepatektomie werden zusätzlich die beiden medianen, rechts des Lig. falciforme lokalisierten und zum linken Versorgungsgebiet gehörigen Segmente IVa und IV b entfernt (im engl. Sprachgebrauch: Extended hepatectomy oder auch Trisegmentectomy). Diese Resektion entfernt 75–80 % des verfügbaren Leberparenchyms und ist die ausgedehntest mögliche. Voraussetzung ist die Normalfunktion und Regenerationsfähigkeit des Restparenchyms. Als Ausdruck der vorübergehenden Leberinsuffizienz tritt häufig ein postoperativer Ikterus auf. Bei der erweiterten linksseitigen Hemihepatektomie werden zusätzlich die medianen rechten Segmente V und VIII reseziert.
Lobektomie
Lobektomie
Der im deutschen Sprachraum noch übliche Begriff orientiert sich am Lig. falciforme. Wegen der zu Verwirrungen führenden Begriffsüberschneidung mit dem englischen Begriff »lobectomy« für eine Hemihepatektomie sollte der deutsche Begriff Lobektomie nicht mehr gebraucht werden.
Der im deutschen Sprachgebrauch gelegentlich benutzte Begriff orientiert sich am Lig. falciforme, sodass eine rechtsseitige Lobektomie einer erweiterten Hemihepatektomie rechts entspricht und eine linksseitige Lobektomie nur eine linkslaterale Bisegmentektomie II und III darstellt. Da sich der Begriff der Lobektomie nicht an den wesentlichen anatomischen Strukturen orientiert und im Zusammenhang mit dem englischen Begriff »lobectomy« zur Begriffsverwirrung führt, sollte er nicht mehr verwendet werden.
Grundprinzipien der Operationstechnik Ein hoher Grad an Standardisierung hat in der Leberchirurgie zu erheblicher Risikominderung geführt, sodass sich die operationsbedingte Letalität je nach Grunderkrankung zwischen 0 und 15 % bewegt. Die präoperative Diagnostik zeigt potenziell operationstechnische Risiken auf.
Grundprinzipien der Operationstechnik Leberchirurgische Eingriffe haben heute einen hohen Grad an Standardisierung und Sicherheit erreicht, sodass in Abhängigkeit von der Grunderkrankung das Letalitätsrisiko zwischen 0 und 15 % liegt. Voraussetzungen zur Minimierung des Operationsrisikos sind eine angemessene präoperative Diagnostik mit Erfassung allgemeiner aber insbesondere auch potenziell operationstechnischer Risiken, wie sie in 1 B-9.3 am Beispiel einer Tumorummauerung der Pfortaderaufzweigung dargestellt sind. Ein wesentlicher operationstechnischer Sicherheitsfaktor bei allen Leberresektionen ist die grundsätzlich vollständige Mobilisation der Leber, um jederzeit alle versorgenden Gefäße und die infra- und suprahepatische V. cava kontrollieren zu können.
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9.4.4 Therapie Für eine Hemihepatektomie werden dann alle Strukturen im Lig. hepatoduodenale (A. hepatica communis, A. hepatica propria, rechte und linke Leberarterie, Gallengang mit Hepatikusgabel, Pfortader mit Pfortadergabel [ 1 B-9.18]) dargestellt. Im ersten Präparationsschritt werden meist D. cysticus und A. cystica durchtrennt und die Gallenblase entfernt. Anschließend werden die Leberarterie und der zentrale Pfortaderstammast der zu entfernenden Seite unterbunden. Als Folge verfärbt sich das Parenchym der unterbundenen Seite livide und gibt so schon die vom Gallenblasenbett zur rechen Lebervene und zur V. cava verlaufende transparenchymatöse Resektionsebene vor ( 1 B-9.19). Die Präparation durch das Lebergewebe erfolgt stumpf mit feinen Klemmen, wobei in kleinen Portionen Gefäße und Gallengänge gefasst und ligiert werden.
1 B-9.18
Linksseitige Hemihepatektomie
Intraoperativer Befund vor einer linksseitigen Hemihepatektomie; Präparation der Strukturen im Lig. hepatoduodenale (gelbe Zügel = D. choledochus und linker D. hepaticus; rote Zügel = Aa. hepatica propria und dextra; blauer Zügel = linker Pfortaderstammast).
1 B-9.19
Für eine Hemihepatektomie werden im Lig. hepatoduodenale die Aa. hepatica communis und propria, die Aa. hepatica dextra und sinistra, die Pfortadergabel ( 1 B-9.18) und der Gallengang mit Hepatikusgabel präpariert. Die Gallenblase wird entfernt. Arterie und Pfortaderstammast der zu resezierenden Seite werden unterbunden mit konsekutiver livider Verfärbung des nicht mehr durchbluteten Parenchyms ( 1 B-9.19).
Rechtsseitige Hemihepatektomie
Intraoperativer Befund bei einer rechtsseitigen Hemihepatektomie zur Resektion einer großen Lebermetastase. Livide Verfärbung des Parenchyms nach Durchtrennung der rechten Leberarterie und des rechten Pfortaderstammastes.
Während der Resektion kann der arterioportale Zufluss zur gesunden, verbleibenden Leberseite durch Okklusion des Lig. hepatoduodenale unterbrochen werden. Dieses »Pringle-Manöver« (s. S. 528) genannte Verfahren reduziert erheblich den potentiellen Blutverlust und wird von gesundem Leberparenchym unter den Bedingungen der warmen Ischämie bis zu 60 Minuten bei intermittierender Anwendung toleriert. Die Resektionsfläche bleibt nach vervollständigter Blutstillung entweder offen oder wird mit einer Netzplombe, Fibrinkleber oder Kollagenvlies etc. abgeklebt.
Zur Reduktion des Blutverlustes kann eine komplette Unterbrechung des Blutzuflusses erfolgen (= PringleManöver). Die dadurch verursachte warme Ischämie wird von gesundem Leberparenchym bis zu 60 Minuten toleriert. Die Resektionsfläche bleibt offen oder wird abgeklebt.
Palliative/adjuvante Therapieverfahren
Palliative/adjuvante Therapieverfahren
Palliative Verfahren kommen bei irresektablen primären und sekundären malignen Tumoren der Leber in Frage. Neben der systemischen Chemotherapie liegen nennenswerte Erfahrungen nur mit der Chemoembolisation beim hepatozellulären Karzinom und bei Lebermetastasen eines Karzinoids sowie mit der lokoregionären Chemotherapie bei Metastasen kolorektaler Primärkarzinome vor. Beide Verfahren sollen im Folgenden nur prinzipiell dargestellt werden.
Bei Irresektabilität primärer oder sekundärer Lebertumoren können palliative Therapieverfahren diskutiert werden. Folgende Verfahren kommen derzeit zur Anwendung: π systemische Chemotherapie π Chemoembolisation π lokoregionäre Chemotherapie.
Chemoembolisation
Chemoembolisation
Die Chemoembolisation vereinigt zwei therapeutische Prinzipien. Das erste, die Embolisation hat das Ziel, die Sauerstoffversorgung des Tumors möglichst vollständig zu unterbinden. Dabei kommt dem Verfahren das Phänomen zu Hilfe, dass Tumoren der Leber im Gegensatz zur normalen Blutversorgung der Leberzelle überwiegend arteriell und weniger portal venös ver-
Bei der Chemoembolisation werden 2 therapeutische Verfahren synchron eingesetzt. Die Embolisation soll die Sauerstoffversorgung des Tumors unterbrechen. Diesem Verfahren kommt
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9 Leber
die überwiegend arterielle und seltener portale Versorgung der Tumoren entgegen. Ein arteriell anflutendes Chemotherapeutikum sollte somit die Tumorzelle in höherer Konzentration und damit effektiver erreichen.
sorgt werden. Eine arterielle Embolisation schädigt also die Tumorzellen mehr als die im selben Segment befindlichen Hepatozyten. Gleichzeitig sollte aber auch ein arteriell appliziertes Chemotherapeutikum in höherer Dosis und damit effektiver die Tumorzelle erreichen, als wenn es systemisch verabreicht würde. Die Kombination beider Verfahren drängt sich fast zwingend auf, sodass mit verschiedenen Trägersubstanzen versucht wird, einerseits eine Embolisierung auf Zeit zu erreichen und andererseits beim Auflösen des Embolisates (z.B. Zellulosepartikel) ein Chemotherapeutikum in hoher Konzentration lokal freizusetzen.
Lokoregionäre Chemotherapie
Lokoregionäre Chemotherapie
Bei der lokoregionären Chemotherapie wird ein Kathetersystem in die A. gastroduodenalis so implantiert, dass ein Chemotherapeutikum kontinuierlich oder intermittierend direkt über die Leberarterie die Lebermetastasen oder das Karzinom in hoher Konzentration erreichen kann ( 1 B-9.20). Da ein Teil der applizierten Zytostatika schon bei der ersten Leberpassage metabolisiert werden, sind die Neben-
Die lokoregionäre Chemotherapie versucht, das duale arterioportale Versorgungssystem der Leber zu nutzen. Als Indikation werden nicht resektable Metastasen kolorektaler Primärkarzinome gesehen. Besonders geeignet sind Patienten, bei denen angiographisch eine überwiegend arterielle Blutversorgung der Metastasen oder des Karzinoms besteht. Hier kann ein Verweilkatheter in die A. gastroduodenalis implantiert werden, welcher mit einem in einer subkutanen Tasche fixierten Port- oder Pumpensystem konnektiert wird ( 1 B-9.20). Über das direkt punktierbare System können Chemotherapeutika kontinuierlich oder sequenziell appliziert werden.
1 B-9.20
Lokoregionäre Chemotherapie
a Implantation eines Kathetersystems in die A. gastroduodenalis. Nach Injektion von Methylenblau färben sich Lebergewebe und ein Segment des Duodenums homogen. Die ebenfalls angefärbte Gallenblase wird zur Vermeidung therapiebedingter entzündlicher Komplikationen entfernt.
wirkungen der lokoregionalen Chemotherapie vergleichsweise geringer als bei systemischer Applikation. In etwa je 1 ⁄ 3 werden unter der regionalen Chemotherapie Remissionen, ein stabiler Krankheitsverlauf bzw. Progredienz beobachtet. Bisher nicht geklärt ist die Frage, ob die regionale Chemotherapie gegenüber der systemischen einen Überlebensvorteil bietet.
b Das Portsystem wird subkutan platziert und kann leicht punktiert werden.
Der Vorteil liegt einerseits in der Höhe der erreichbaren Zytostatikakonzentration und andererseits in der Tatsache, dass ein Teil der Zytostatika schon bei der ersten Leberpassage metabolisiert wird, was zu einer Reduktion der Nebenwirkungen im Vergleich zur systemischen Applikation führt. Bei Lebermetastasen kolorektaler Karzinome werden in 30–70 % der Fälle Remissionen oder ein Krankheitsstillstand beobachtet, bei 1⁄3 der Patienten ist der Krankheitsverlauf weiter progredient. Ob die lokoregionäre Chemotherapie im Vergleich zur systemischen Applikation einen Vorteil hinsichtlich einer Lebensverlängerung bietet, konnte bisher keine Studie sicher klären.
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9.5.1 Einteilung/Schweregrade
9.5
Lebertrauma
9.5
9.5.1
Einteilung/Schweregrade
9.5.1 Einteilung/Schweregrade
Ausgehend von den Ursachen einer Leberverletzung sind perforierende Schuss- und Stichverletzungen von Leberparenchymberstungen infolge stumpfer Bauch- und Dezelerationstraumata (Sprung aus großer Höhe; Auffahrunfall) mit Ausriss der Leber aus den Aufhängebändern zu unterscheiden. Bei der Einschätzung einer Schussverletzung muss berücksichtigt werden, dass der Grad der Parenchymverletzung von der Größe und Splitterwirkung sowie der Geschwindigkeit des Geschosses abhängig ist. Noch Mitte dieses Jahrhunderts lag die Letalität des Lebertraumas bei etwa 65 %. Mit zunehmender Erfahrung in der resezierenden Leberchirurgie sowie der Lebertransplantation stieg die Zahl technischer Möglichkeiten zur Kontrolle und Versorgung von Blutungen der Leber und die Zahl damit vertrauter Chirurgen. Die Folge war eine erhebliche Verbesserung der Ergebnisse auch bei schweren Leberverletzungen mit einer durchschnittlichen Letalität, die heute bei etwa 10 % liegt. Um aber wirklich Resultate vergleichen zu können, bedarf es einer auf die einzelnen Schweregrade ( 2 B-9.2) bezogenen Analyse der Ergebnisse.
2 B-9.2
Einteilung des Lebertraumas nach Schweregraden
Schweregrad
Art der Leberverletzung
I
n Kapselriss/Kapseldefekt N N Parenchymriss < 1 cm Tiefe n
II
n Parenchymriss 1–3 cm Tiefe N N subkapsuläres Hämatom < 10 cm n N penetrierende Verletzung peripher n
III
N Parenchymriss > 3 cm Tiefe n n subkapsuläres Hämatom > 10 cm N N penetrierende Verletzung zentral n
IV
n Parenchymzerreißung eines Lappens N N expandierendes, zentrales Hämatom n
V
n Verletzung der retrohepatischen V. cava N N ausgedehnte Lappenzerstörung beidseits n
Komplikationen. Typische Komplikationen nach einem schweren Lebertrauma (Grad III–V) zeigt
2 B-9.3
2
B-9.3.
Lebertrauma
Grundsätzlich sind Leberverletzungen nach den Ursachen in Schuss- und Stichverletzungen, in Parenchymberstungen nach stumpfen Bauchtraumen und in Dezelerationstraumen mit Ausriss der Leber aus dem Halteapparat einzuteilen.
Die Letalität des Lebertraumas lag noch Mitte des Jahrhunderts bei ca. 65 % und liegt heute dank verbesserter Techniken zur Kontrolle von Blutungen bei 10 %.
Ein Vergleich der Ergebnisse ist aber nur unter Berücksichtigung der Schweregrade einer Leberverletzung möglich ( 2 B-9.2).
Komplikationen zeigt
2
B-9.3.
Komplikationen nach schwerem Lebertrauma (Grad III–V)
N Blutung n N Gallenleckage und Fistel n N subphrenischer, subhepatischer oder intrahepatischer Abszess n N Zeichen der Leberinsuffizienz (z.B. Ikterus, mangelhafte Syntheseleistung) n N Hämobilie (Falschverbindung vom Gefäßsystem zum Gallengangssystem n führt zur Blutung aus der Papille) N Bilhämie (Falschverbindung von Gallengangssystem zu den Lebervenen n führt zur exzessiven Bilirubinerhöhung)
Diagnose. Als diagnostische Verfahren stehen die Sonographie, CT, Angiographie, Cholangio-MRT und die ERC zur Verfügung.
Diagnoseverfahren sind Sonographie, CT, Angiographie, Cholangio-MRT, ERC.
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9 Leber
Therapieverfahren
9.5.2 Therapieverfahren
9.5.2
70–80 % aller Leberverletzungen nach einem stumpfen Bauchtrauma gehören der Schweregradkategorie I und II an und bedürfen zur Versorgung keiner speziellen leberchirurgischen Erfahrung. Zunehmend werden derartige Patienten bei stabiler Ausgangssituation nur noch intensivmedizinisch überwacht und sonographisch kurzfristig kontrolliert. Bei Zunahme der intraabdominellen Flüssigkeit oder beginnender Kreislaufinstabilität besteht die Indikation zur Exploration. Patienten mit Leberverletzungen der Schweregrade III–V bedürfen zur Versorgung meist spezieller Techniken, die im Folgenden kurz dargestellt werden sollen:
Leberverletzungen als Folge eines stumpfen Bauchtraumas gehören zu 70–80 % der Schweregradkategorie I und II an. Damit erfordert ihre Versorgung keine spezielle leberchirurgische Erfahrung. Meist sind temporäre Kompression und einzelne Kapselnähte ausreichend, um oberflächliche Lazerationen und Parenchymeinrisse definitiv zu versorgen. Da derartige Verletzungen häufig bei der Exploration schon spontan nicht mehr bluten, wird heute zunehmend dazu übergegangen, diese Patienten bei kreislaufstabiler Ausgangssituation intensivmedizinisch zu beobachten und im Verlauf eine sonographisch festgestellte intraabdominelle Blutansammlung kurzfristig zu kontrollieren. Bei Zunahme der Flüssigkeitsmenge oder größerem Flüssigkeitsbedarf des Patienten zur Stabilisierung sollte allerdings dann die Indikation zur Exploration gestellt werden. Leberverletzungen der Schweregrade III–V bedürfen speziellerer Erfahrung und Techniken zur vorläufigen oder definitiven Versorgung. Im Folgenden seien nur die wichtigsten kurz aufgezählt und erklärt:
Pringle-Manöver
Pringle-Manöver
Die Okklusion des Lig. hepatoduodenale ( 1 B-9.21) unterbricht den arterioportalen Zufluss zur Leber und ermöglicht so die Exploration tiefer Parenchymverletzungen mit Naht zerstörter Gefäße oder Gallengänge.
Die Okklusion des Lig. hepatoduodenale ( 1 B-9.21) und damit des arterioportalen Zuflusses der Leber ermöglicht eine kontrollierte Revision z.B. eines tiefen Parenchymrisses mit Naht zerissener Blutgefäße und Gallengänge (auch beim Lebertrauma wird meist eine warme Ischämie von 30–45 Minuten toleriert).
1 B-9.21
Synopsis Pringle-Manöver
Zur Verringerung des Blutverlustes und zur besseren Übersicht kann die Leberdurchblutung durch Okklusion des Lig. hepatoduodenale unterbrochen werden.
Lig. hepatoduodenale Tourniquet
Merke
n Merke. Eine Milzverletzung muss zuerst versorgt sein, da sie sonst bei einem Pringle-Manöver wegen der portalen Stauung heftig bluten kann.
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9.5.2 Therapieverfahren
Tamponade der Leber (»Packing«)
Tamponade der Leber (»Packing«)
Die temporäre perihepatische Tamponade mit Bauchtüchern oder Jodoformstreifen stellt die technisch einfachste und nicht selten auch effektivste Maßnahme zur Kontrolle der Blutung bei einer schweren Leberverletzung dar ( 1 B-9.22). Sie ermöglicht aber fast immer den Transport in ein Zentrum, falls die Verletzung bei der Primärversorgung nicht definitiv versorgt werden kann.
Die perihepatische Tamponade mit Tüchern stellt die einfachste Methode zur Blutstillung dar ( 1 B-9.22). Sie ermöglicht aber fast immer, den Patienten in einen transportfähigen Zustand für eine Verlegung in ein Zentrum zu bekommen.
1 B-9.22
Perihepatische Tamponade der Leber Bei der perihepatischen Tamponade der Leber werden die Tücher zur Blutstillung überwiegend subhepatisch platziert, um eine Stauung der Lebervenen zu vermeiden.
Vollständige vaskuläre Exklusion
Vollständige vaskuläre Exklusion
Besonders Dezelerationstraumen können zu einem Ausriss einer oder mehrerer Lebervenen aus der V. cava führen. Als Folge führt ein Pringle-Manöver zu keiner wesentlichen Reduktion der oft primär schwer zu lokalisierenden heftigen Blutung. Erst die vollständige Mobilisation der Leber aus ihren Aufhängebändern mit Okklusion der V. cava infra- und suprahepatisch führt in Kombination mit einem Pringle-Manöver zur Kontrolle der Blutung. Selten muss das Zwerchfell über der V. cava gespalten werden, um die V. cava auf Höhe des rechten Vorhofs kontrollieren zu können.
Dezelerationsverletzungen der Leber können zu Ein-/Ausrissen der Lebervenen an der Einmündung in die V. cava führen. Erst die vollständige Mobilisation der Leber aus dem Halteapparat mit Okklusion der V. cava proximal und distal der Leber bei gleichzeitigem Pringle-Manöver führt zur Kontrolle der Blutung.
Atypische Leberresektion
Atypische Leberresektion
Bei völliger Parenchymzerreißung eines Leberanteiles sollte dieser im Sinne eines Débridements entfernt werden. Anatomische größere Resektionen haben beim Lebertrauma eine sehr hohe Letalität und sollten deshalb zugunsten nicht anatomischer, Parenchym sparender Débridements unterlassen werden. Da schwere Leberverletzungen fast nie isoliert, sondern fast immer im Rahmen eines Polytraumas auftreten, benötigt der Patient zur Bewältigung von Schock, Massivtransfusionen und möglichen septischen Komplikationen möglichst viel Leberparenchym.
Da anatomische Leberresektionen bei schweren Leberverletzungen eine hohe Letalität aufweisen, sollte bei vollständiger Zerstörung von Parenchymanteilen nur ein möglichst sparsames Débridement als nicht anatomische Resektion durchgeführt werden.
Hepatotomie
Hepatotomie
Bei der Hepatotomie handelt es sich um die Erweiterung eines z.B. Parenchymrisses, um an tiefer liegende verletzte Strukturen besser herankommen zu können. Weiterhin wird darunter auch die Spaltung gesunden Parenchyms über einem Schusskanal zu dessen Versorgung verstanden.
Unter der Hepatotomie ist die Erweiterung eines Parenchymrisses oder die Spaltung des Gewebes über einem Schusskanal zur Versorgung verletzter Strukturen zu verstehen.
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9 Leber
Hepatostomie
Hepatostomie
Die Hepatostomie wird von amerikanischen Chirurgen zur Versorgung von Schussverletzungen der Leber beschrieben. Dabei wird ein Schlauchdrän in den Kanal eingebracht und transkutan ausgeleitet. Die Dränage komprimiert einerseits verletztes Gewebe und dräniert andererseits Blut und Galle nach außen.
Alternativ zur Hepatotomie in der Versorgung von Schußkanälen wird von amerikanischen Chirurgen die Hepatostomie als weiteres Verfahren beschrieben, bei dem eine schlauchförmige Dränage mit vielen Dränagelöchern in den Schusskanal eingebracht und transkutan ausgeleitet wird. Der Effekt besteht einerseits in der Kompression des verletzten Parenchyms um den Schusskanal herum bei gleichzeitiger Dränage von evtl. Blut und Galle nach außen.
9.6
9.6
Spezielle Komplikationen in der Leberchirurgie
Spezielle Komplikationen in der Leberchirurgie
Neben den Risiken chirurgischer Eingriffe allgemein gibt es nach leberchirurgischen Eingriffen typische Komplikationen, die nachfolgend kurz aufgelistet und charakterisiert werden sollen.
Jeder größere leberchirurgische Eingriff birgt selbstverständlich alle allgemeinen Risiken postoperativer Komplikationen, wie sie für abdominalchirurgische Operationen beschrieben werden, wie Nachblutungen, Infektionen der Bauchhöhle oder Wunde sowie thromboembolische Komplikationsmöglichkeiten. Bei bestimmten Eingriffen an der Leber ist dieses Risiko jedoch deutlich erhöht und wird durch zusätzliche weitere und sehr typische Komplikationen charakterisiert, die im Folgenden kurz aufgelistet und erklärt werden sollen.
Pleuraerguss
Pleuraerguss
Ein rechtsseitiger Pleuraerguss wird nach Leberresektion in bis zu 20 % der Fälle beobachtet. Die Therapie besteht in der Gabe von Diuretika und einer Pleuradränage oder -punktion.
In bis zu 20 % der Fälle ist besonders nach ausgedehnteren resezierenden Eingriffen an der Leber ein rechtsseitiger Pleuraerguss zu beobachten und evtl. zu therapieren. Ursachen sind die Mobilisation der rechten Leber mit Durchtrennung der Verwachsungen mit der Zwerchfellkuppe einerseits und andererseits bei erweiterten Resektionen eine vorübergehende Leberfunktionseinschränkung mit Ausbildung eines Aszites und Pleuratranssudats. Entsprechend benötigen die Patienten eine entwässernde Therapie und evtl. eine Pleuradränage oder Punktion.
Abszess/Sepsis
Abszess/Sepsis
Meist subphrenisch oder subhepatisch gelegene Abszesse sind die Folge von Galleleckagen oder Gewebenekrosen an der Resektionsfläche der Leber. Als Therapie der Wahl ist die interventionell eingebrachte Spüldränage des Infektionsherdes anzusehen. Die endoskopische Papillotomie und evtl. auch Pigtaildränage des Gallenganges führt meist zum spontanen Verschluss der Gallefistel. Septische Komplikationen werden durch den zeitweiligen Verschluss der Pfortader (PringleManöver) und die Reduktion des portalen Gefäßquerschnittes (z.B. Resektion des rechten Pfortaderstammastes) begünstigt. Analog zur akuten Pfortaderthrombose führt die portale Stauung zur erhöhten Translokation von Darmbakterien in die Blutbahn. Die Therapie besteht in der gezielten Antibiotikagabe.
Die häufigste Ursache von postoperativen, meist subphrenisch oder subhepatisch gelegenen Abszessbildungen sind in einer technisch nicht optimal versorgten Resektionsfläche der Leber zu suchen. Leckagen aus nicht ausreichend umstochenen kleinsten Gallengängen oder zu weitgreifende Umstechungen mit Ischämie und Nekrose von Lebergewebe sind die Wegbereiter der zunächst meist lokalen Infektion. Die Therapie besteht in der Regel in der interventionell eingebrachten Spüldränage des Infektionsherdes. Eine endoskopische Papillotomie und vorübergehende Pigtaildränage des Gallenganges führt meist zum spontanen Verschluss der Gallenfistel. Septische Komplikationen werden bei ausgedehnten Leberresektionen durch den zeitweiligen Verschluss der Pfortader (Pringle-Manöver) und die Reduktion des portalen Gefäßbettes (z.B. Resektion des rechten Pfortaderstammastes) begünstigt. Aus dem Krankheitsbild der akuten Pfortaderthrombose hat man lernen müssen, dass die mit dem portalen Verschluss verbundene akute vernöse Kongestion im Abstromgebiet des Darmes zu einer massiven Translokation von Bakterien in die Blutbahn führen kann. Bei entsprechend positiver Blutkultur besteht die Therapie in der Applikation ausgetesteter Antibiotika.
Leberinsuffizienz
Postoperative Leberinsuffizienz
Durch Fehleinschätzung der Funktionsreserven des Leberparenchyms können schon nach Segmentresektionen lebensbedrohliche Zeichen der Leberinsuffizienz mit Bilirubinanstieg und Abfall
Bei Fehleinschätzung der funktionellen Reserven des Restparenchymes können schon kleine Segmentresektionen, z.B. bei Patienten mit einer Leberzirrhose, zu postoperativer lebensbedrohlicher Leberinsuffizienz mit steigenden Bilirubinwerten und grenzwertiger Syntheseleistung, z.B. von Gerinnungsfaktoren führen.
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9 Leber
Hepatostomie
Hepatostomie
Die Hepatostomie wird von amerikanischen Chirurgen zur Versorgung von Schussverletzungen der Leber beschrieben. Dabei wird ein Schlauchdrän in den Kanal eingebracht und transkutan ausgeleitet. Die Dränage komprimiert einerseits verletztes Gewebe und dräniert andererseits Blut und Galle nach außen.
Alternativ zur Hepatotomie in der Versorgung von Schußkanälen wird von amerikanischen Chirurgen die Hepatostomie als weiteres Verfahren beschrieben, bei dem eine schlauchförmige Dränage mit vielen Dränagelöchern in den Schusskanal eingebracht und transkutan ausgeleitet wird. Der Effekt besteht einerseits in der Kompression des verletzten Parenchyms um den Schusskanal herum bei gleichzeitiger Dränage von evtl. Blut und Galle nach außen.
9.6
9.6
Spezielle Komplikationen in der Leberchirurgie
Spezielle Komplikationen in der Leberchirurgie
Neben den Risiken chirurgischer Eingriffe allgemein gibt es nach leberchirurgischen Eingriffen typische Komplikationen, die nachfolgend kurz aufgelistet und charakterisiert werden sollen.
Jeder größere leberchirurgische Eingriff birgt selbstverständlich alle allgemeinen Risiken postoperativer Komplikationen, wie sie für abdominalchirurgische Operationen beschrieben werden, wie Nachblutungen, Infektionen der Bauchhöhle oder Wunde sowie thromboembolische Komplikationsmöglichkeiten. Bei bestimmten Eingriffen an der Leber ist dieses Risiko jedoch deutlich erhöht und wird durch zusätzliche weitere und sehr typische Komplikationen charakterisiert, die im Folgenden kurz aufgelistet und erklärt werden sollen.
Pleuraerguss
Pleuraerguss
Ein rechtsseitiger Pleuraerguss wird nach Leberresektion in bis zu 20 % der Fälle beobachtet. Die Therapie besteht in der Gabe von Diuretika und einer Pleuradränage oder -punktion.
In bis zu 20 % der Fälle ist besonders nach ausgedehnteren resezierenden Eingriffen an der Leber ein rechtsseitiger Pleuraerguss zu beobachten und evtl. zu therapieren. Ursachen sind die Mobilisation der rechten Leber mit Durchtrennung der Verwachsungen mit der Zwerchfellkuppe einerseits und andererseits bei erweiterten Resektionen eine vorübergehende Leberfunktionseinschränkung mit Ausbildung eines Aszites und Pleuratranssudats. Entsprechend benötigen die Patienten eine entwässernde Therapie und evtl. eine Pleuradränage oder Punktion.
Abszess/Sepsis
Abszess/Sepsis
Meist subphrenisch oder subhepatisch gelegene Abszesse sind die Folge von Galleleckagen oder Gewebenekrosen an der Resektionsfläche der Leber. Als Therapie der Wahl ist die interventionell eingebrachte Spüldränage des Infektionsherdes anzusehen. Die endoskopische Papillotomie und evtl. auch Pigtaildränage des Gallenganges führt meist zum spontanen Verschluss der Gallefistel. Septische Komplikationen werden durch den zeitweiligen Verschluss der Pfortader (PringleManöver) und die Reduktion des portalen Gefäßquerschnittes (z.B. Resektion des rechten Pfortaderstammastes) begünstigt. Analog zur akuten Pfortaderthrombose führt die portale Stauung zur erhöhten Translokation von Darmbakterien in die Blutbahn. Die Therapie besteht in der gezielten Antibiotikagabe.
Die häufigste Ursache von postoperativen, meist subphrenisch oder subhepatisch gelegenen Abszessbildungen sind in einer technisch nicht optimal versorgten Resektionsfläche der Leber zu suchen. Leckagen aus nicht ausreichend umstochenen kleinsten Gallengängen oder zu weitgreifende Umstechungen mit Ischämie und Nekrose von Lebergewebe sind die Wegbereiter der zunächst meist lokalen Infektion. Die Therapie besteht in der Regel in der interventionell eingebrachten Spüldränage des Infektionsherdes. Eine endoskopische Papillotomie und vorübergehende Pigtaildränage des Gallenganges führt meist zum spontanen Verschluss der Gallenfistel. Septische Komplikationen werden bei ausgedehnten Leberresektionen durch den zeitweiligen Verschluss der Pfortader (Pringle-Manöver) und die Reduktion des portalen Gefäßbettes (z.B. Resektion des rechten Pfortaderstammastes) begünstigt. Aus dem Krankheitsbild der akuten Pfortaderthrombose hat man lernen müssen, dass die mit dem portalen Verschluss verbundene akute vernöse Kongestion im Abstromgebiet des Darmes zu einer massiven Translokation von Bakterien in die Blutbahn führen kann. Bei entsprechend positiver Blutkultur besteht die Therapie in der Applikation ausgetesteter Antibiotika.
Leberinsuffizienz
Postoperative Leberinsuffizienz
Durch Fehleinschätzung der Funktionsreserven des Leberparenchyms können schon nach Segmentresektionen lebensbedrohliche Zeichen der Leberinsuffizienz mit Bilirubinanstieg und Abfall
Bei Fehleinschätzung der funktionellen Reserven des Restparenchymes können schon kleine Segmentresektionen, z.B. bei Patienten mit einer Leberzirrhose, zu postoperativer lebensbedrohlicher Leberinsuffizienz mit steigenden Bilirubinwerten und grenzwertiger Syntheseleistung, z.B. von Gerinnungsfaktoren führen.
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9.6 Spezielle Komplikationen in der Leberchirurgie Da eine kausale Therapie mit Ausnahme einer meist nicht indizierten Notfalllebertransplantation nicht möglich ist, kann nur versucht werden, durch intensivmedizinische Maßnahmen die Funktion zu stabilisieren.
der Gerinnungsfaktoren auftreten. Bei fehlender kausaler Therapiemöglichkeit können nur intensivmedizinische Maßnahmen zur Funktionsstabilisierung beitragen.
Letalität
Letalität
Die Letalität der Leberresektion wird in großen Serien mit 0–15 % angegeben. Das Risiko ist sehr gering bei Resektionen von Lebermetastasen und steigt erheblich bei der Resektion von Leberzellkarzinomen bei Patienten mit einer Leberzirrhose, da bei diesen Patienten das hohe Risiko der eingeschränkten Funktionsreserve zum Tragen kommt.
Die Letalität der Leberresektion schwankt in Korrelation zur Grunderkrankung und damit evtl. verbundener Vorschädigung des Leberparenchyms zwischen 0 und 15 %.
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533 10
Portale Hypertension
10
Portale Hypertension
10.1
Klassifikation und Pathophysiologie
Alexander Gerbes 10.1
Klassifikation und Pathophysiologie
n Definition. Als portale Hypertension oder Pfortaderhochdruck wird eine Erhöhung des Druckgradienten zwischen der Pfortader und der unteren Hohlvene bezeichnet.
2 B-10.1
Definition
Portale Hypertension–Klassifikation und Beispiele für deren Ursachen
N postsinusoidal (intra- bis posthepatisch) n
n Budd-Chiari-Syndrom N N Venenverschlusskrankheit n
N sinusoidal (intrahepatisch) n
N Zirrhose n
N präsinusoidal (intrahepatisch) n
N Schistosomiasis, n n kongenitale hepatische Fibrose N
N Pfortader (prähepatisch) n
N Pfortaderthrombose n
Einteilung und Ätiologie. Die portale Hypertension wird nach dem Ort der
Einteilung und Ätiologie ( 2 B-10.1). In Deutschland ist die Leberzirrhose häufigste Ursache der portalen Hypertension.
Pathophysiologie. Der Druck in einem Gefäßsystem berechnet sich als das
Pathophysiologie. Bei der Leberzirrhose führt eine Erhöhung des intrahepatischen Gefäßwiderstandes durch den zirrhotischen Umbau der Leber und eine hyperdyname Zirkulation zur portalen Hypertension ( 1 B-10.1).
Widerstandserhöhung in prähepatisch, intrahepatisch und posthepatisch unterteilt ( 2 B-10.1).Während weltweit die Schistosomiasis die häufigste Ursache der portalen Hypertension darstellt, ist in unseren Breiten meist eine Leberzirrhose verantwortlich.
Produkt aus Widerstand und Fluss (U = R « I). Durch die Pfortader wird das venöse Blut des Bauchraums der Leber zugeführt. Beim Gesunden wird die Leber von etwa 1200 ml pro Minute venösem Zufluss sowie 400 ml pro Minute aus der Leberarterie durchströmt. Der Blutdruck in der Pfortader selbst beträgt etwa 7–12 mmHg, ist aber von physiologischen Variablen beeinflusst (z.B. Nahrungsaufnahme mit nachfolgender Hyperämie). Deshalb wird zur Charakterisierung des Pfortaderdrucks häufig der Druckgradient zwischen Pfortader und unterer Hohlvene verwandt. Dieser portalvenöse Druckgradient beträgt beim Gesunden etwa 3–6 mmHg. Bei der Leberzirrhose führt nicht nur eine Erhöhung des intrahepatischen Gefäßwiderstands durch den zirrhotischen Umbau der Leber und die Kompression und Konstriktion der Sinusoide zur Erhöhung des Pfortaderdrucks. Bisher nicht eindeutig definierte endogene Faktoren induzieren eine arterielle Vasodilatation und damit auch eine hyerpdyname Zirkulation mit Erhöhung des Herzminutenvolumens. Somit ist auch ein erhöhter portaler Zustrom für die portale Hypertension bei Zirrhose mit verantwortlich. Diese hämodynamischen Veränderungen zusammen mit einer Verminderung des kolloidosmotischen Drucks durch verminderte Albuminsynthese induzieren eine vermehrte Extravasation im Splanchnikusgebiet und damit eine Verminderung des zentral effektiven Blutvolumens ( 1 B-10.1). Hierunter versteht man das Blutvolumen in Herz, Lunge und großen Gefäßen, das auf die Volumen- und Barorezeptoren wirkt. Die Verminderung des effektiven Blutvolumens aktiviert über diese Rezeptoren das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System und das sympathische Nervensystem. Diese bewirken eine renale Vasokonstriktion, Verminderung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) und Natriumretention. Hierdurch kommt es zu einer Erhöhung des Gesamtblutvolumens. Aufgrund der pathophysiologischen Veränderungen kann jedoch keine dauerhafte Wiederauffüllung des zentralen Blutvolumens erzielt werden. Die Perpetuierung dieser Vorgänge führt dann schließlich zur Bildung von Kollateralkreisläufen und gastroösophagealen Varizen und
Hämodynamische Veränderungen und Verminderung des kolloidosmotischen Drucks führen über Verminderung des zentral effektiven Blutvolumens zur Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems. Dieses und das sympathische Nervensystem bewirken eine renale Vasokonstriktion, Verminderung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) und Natriumretention. Hierdurch kommt es zu einer Erhöhung des Gesamtblutvolumens. Dadurch kommt es zur Bildung von Kollateralkreisläufen und gaströsophagealen Varizen und nach Überschreitung der resorbierenden Kapazität der
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10 Portale Hypertension
1 B-10.1
Synopsis Pathophysiologie der Leberzirrhose
Leberzirrhose periphere Vasodilatation hyperdynamische Zirkulation kolloidosmotischer Druck portaler Hochdruck
Gesamtblutvolumen
renale Natriumretention
GFR renale Vasokonstriktion
Varizen Aszites
effektives Blutvolumen
Renin-Aldosteron sympathikoadrenerge Aktivität
Lymphgefäße zur intraabdominellen Flüssigkeitsansammlung, dem Aszites.
nach Überschreitung der resorbierenden Kapazität der Lymphgefäße zur intraabdominellen Flüssigkeitsansammlung, dem Aszites.
10.2
10.2
Symptome
Die verminderte venöse Durchblutung der Leber führt zu erhöhten peripheren Ammoniakkonzentrationen und zur Enzephalopathie. Von besonderer klinischer Relevanz ist die Kollateralbildung in Form von gastroösophagealen Varizen ( 1 B-10.2) aufgrund der häufig auftretenden Varizenblutung. Varizenblutungen sind mit einer hohen Mortalität verbunden und ziehen Rezidivblutungen nach sich.
Aszites kann zu weiteren klinischen Komplikationen führen, z.B. zur spontanen bakteriellen Peritonitis.
Es bildet sich bei portaler Hypertension ein venöser Kollateralkreislauf über Gefäße geringeren Widerstands (z.B. Umbilikalvene, Magenvene). Dies führt zu einer verminderten venösen Durchblutung der Leber und damit einem gewissen Bypass von abdominellem venösem Blut. Hierdurch wird der Leber ein Teil des von ihr normalerweise »entgifteten« Blutes entzogen, es kann zu erhöhten peripheren Ammoniakkonzentrationen und zur Enzephalopathie kommen. Von besonderer klinischer Relevanz ist die Kollateralbildung in Form von gastroösophagealen Varizen ( 1 B-10.2). Wenn die Wandspannung der Varizen einen kritischen Schwellenwert überschreitet kommt es zur Varizenblutung. Die Varizenblutung stellt eine der häufigsten und gefährlichsten Komplikationen der portalen Hypertension dar. Über 2⁄3 der Patienten mit Zirrhose entwickelt im Laufe ihres Lebens Varizen, 1⁄3 erleidet eine Blutung. Ca. 50 % der Patienten versterben nach einer gastroösophagealen Varizenblutung. Bei der Mehrzahl der Patienten kommt es nach einer stattgehabten Blutung wieder zu einer oder mehreren Rezidivblutungen. Die Ausbildung von Bauchwasser (Aszites) ist häufig für die Patienten belastend. Massiver Aszites führt zu Dyspnoe und Nabelhernien und kann zu einer verschlechterten Nierenfunktion beitragen. Mit einer hohen Letalität belastet ist die klinisch häufig inapparente Infektion des Aszites (spontane bakterielle Peritonitis, oft Monoinfektion mit einem Erreger). n Merke. Hepatische Enzephalopathie, vor allem aber Aszites und gastroösophageale Varizen stellen die wesentlichen Komplikationen der portalen Hypertension bei Zirrhose dar.
Merke
10.3
Symptome
Diagnostik
Ziel der Diagnostik ist die Feststellung der Grundkrankheit bzw. von Schweregrad und Komplikationen.
Anamnese und klinische Untersuchung: Wichtig sind Fragen nach chronischer Lebererkrankung, Gelbsucht (Ikterus), Alkoholkonsum, Hepatitis
10.3
Diagnostik
Wenn eine der oben genannten Komplikationen die erste Manifestation der portalen Hypertension ist, wird man zunächst Wert auf die Diagnose der Grundkrankheit legen. Ist diese bereits bekannt, so wird sich das klinische Interesse darauf konzentrieren, Schweregrad und mögliche Komplikationen der portalen Hypertension zu erfassen. π Anamnese und klinische Untersuchung: Gründliche Anamnese und klinische Untersuchung sind das Fundament der Diagnostik. Besondere Aufmerksamkeit wird hier Fragen nach chronischer Lebererkrankung, Gelbsucht (Ikterus), Alkoholkonsum, Hepatitis und anderen Infektionen, Thrombosen,
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10.3 Diagnostik
1 B-10.2
535
Synopsis Kollateralkreislauf bei portaler Hypertension
Lebervenen
V. cava inferior
Varizen V. gastroepiploica sinistra
Vv. gastricae dextra et sinistra V. portae V. splenica
V. mesenterica superior
V. mesenterica inferior
Herzinsuffizienz und der Medikamentenanamnese (Kontrazeptiva, hepatotoxische Substanzen) gelten. Bei der körperlichen Untersuchung ist zu achten auf Leber- und Milzgröße, Leberhautzeichen, Kollateralen der Bauchwand, Aszites ( 1 B-10.3), Beinödeme, hepatische Enzephalopathie. Eine Enzephalopathie kann sich klinisch manifestieren als Konzentrationsschwäche und vermehrte Müdigkeit (Grad 1), gelegentliche Verwirrtheit und Desorientierung (Grad 2), kontinuierliche Schläfrigkeit, aber noch Erweckbarkeit (Grad 3) bis hin zum Koma (Grad 4). Zur Diagnose einer subklinischen Enzephalopathie sind verschiedene psychometrische Tests ent-
1 B-10.3
und anderen Infektionen, Thrombosen, Herzinsuffizienz und der Medikamentenanamnese. Bei der körperlichen Untersuchung ist zu achten auf Leber- und Milzgröße, Leberhautzeichen, Kollateralen der Bauchwand, Aszites ( 1 B-10.3), Beinödeme, hepatische Enzephalopathie. Eine Enzephalopathie kann sich klinisch in verschiedenen Schweregraden manifestieren. Zur Diagnose
Massiver Aszites Neben dem Aszites mit Bauchwandhernie ( ∏ ) weist der Patient auch Kollateralgefäße in der Bauchwand (Á Á) und SpiderNaevus (Á) als Leberhautzeichen auf.
∏ Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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10 Portale Hypertension
einer subklinischen Enzephalopathie dienen psychometrische Tests, z.B. der Zahlenverbindungstest. Zur Graduierung der Schwere der Leberfunktionseinschränkung ist die Child-Pugh-Klassifikation etabliert ( 2 B-10.2).
2 B-10.2
wickelt worden. Hierunter hat wohl der Zahlenverbindungstest (number connection test, nct) die größte Verbreitung erlangt. Nachdem der Patient anhand eines Testbogens das Prinzip erfasst hat, wird die Zeit gemessen, die er benötigt, um die nach dem Zufallsprinzip auf einem Blatt Papier verteilten Zahlen von 1 bis 25 der Reihenfolge nach durch Striche zu verbinden. Hierbei wird eine Zeit von unter 40 Sekunden als unauffällig, von über 1 Minute als pathologisch betrachtet. Zur Graduierung der Schwere der Leberfunktionseinschränkung ist die Child-Pugh-Klassifikation etabliert ( 2 B-10.2).
Child-Pugh-Klassifikation 1 Punkt
2 Punkte
3 Punkte
N Albumin (g/dl) n
> 3,5
2,8–3,5
< 2,8
N Bilirubin (mg/dl) n
< 2,0
2,0–3,0
> 3,0
N Quick (%) n
> 70
40–70
< 40
N Aszites n
kein
mäßig – viel
massiv
N Enzephalopathie n
keine
Grad I–II
> Grad II
Child A = 5–6 Punkte, Child B = 7–9 Punkte und Child C = 10–15 Punkte
Zur ätiologischen Klassifizierung von der portalen Hypertension zugrunde liegenden Erkrankungen werden verschiedene serologische Untersuchungen verwandt.
π Leberpunktion: Die Leberpunktion kann bei Gerinnungsstörungen oder Aszites auch transjugulär erfolgen.
π Aszites: Als beste klinische Methode zum Nachweis von Aszites empfiehlt sich die Perkussion der Flankendämpfung vor und nach Seitenlagerung des Patienten ( 1 B-10.4). Die Ultraschalluntersuchung ist die sicherste Methode zum Aszitesnachweis.
Merke
Zum Nachweis eines malignen oder infizierten Aszites wird die zytologische Untersuchung durch andere Parameter der Aszitesflüssigkeit ergänzt. Der Keimnachweis wird durch Inokulation von Blutkulturflaschen mit Aszitesflüssigkeit geführt.
Darüber hinaus stehen spezifische Tests zur Verfügung, die die mikrosomale Leberfunktion untersuchen (Metabolisierung von Aminopyrin oder Lidocain). Zur ätiologischen Klassifizierung von der portalen Hypertension zugrunde liegenden Erkrankungen werden serologische Untersuchungen verwandt. Sie liefern Hinweise auf infektiöse (z.B. Hepatitis) oder autoimmune (z.B. antimitochondriale Antikörper) Ursachen der Lebererkrankung. Metabolische, angeborene Leberkrankheiten (Morbus Wilson, Hämochromatose, a1-Antitrypsinmangel usw.) können durch entsprechend veränderte Serumparameter oder genetische Analysen bestätigt werden. π Leberpunktion: Die wichtigste diagnostische Methode einer Lebererkrankung bei portaler Hypertension ist die perkutane Leberpunktion. Bei schlechter Gerinnung oder massivem Aszites kann Lebergewebe auch über einen transjugulären Zugang und Katheterisierung einer Lebervene gewonnen werden. π Aszites: Zum Nachweis von Aszites bei der körperlichen Untersuchung werden verschiedene Manöver empfohlen, wie wandernde Flüssigkeitswelle oder periumbilikale Dämpfung bei Knie-Ellenbogen-Lage des Patienten. Als zuverlässigste und einfachste Methode empfiehlt sich die Perkussion der Flankendämpfung ( 1 B-10.4). Bei Seitenlagerung des Patienten steigt die Dämpfungsgrenze beim Vorhandensein von Aszites an. Aber auch diese Untersuchungsmethode weist einen beträchtlichen Anteil falsch positiver Ergebnisse auf. Daher gilt heute als sicherste Methode die Ultraschalluntersuchung des Abdomens. Hiermit lassen sich bereits kleine Mengen von Aszites (ab ca. 300 ml) feststellen. n Merke. Alle Formen der portalen Hypertension können mit einer Splenomegalie einhergehen. Zur Aszitesbildung kommt es aber nur bei erhöhtem Druck in den Lebersinusoiden, also nicht bei prähepatischer portaler Hypertension.
Wenn Aszites nachgewiesen ist, sollte eine Differenzierung maligner bzw. nicht maligner Grunderkrankungen und die Diagnose einer evtl. Infektion des Aszites vorgenommen werden. Da die zytologische Untersuchung maligne Zellen in bis zur Hälfte der Fälle nicht erkennt, wird sie durch andere Parameter ergänzt. Eine Erhöhung der Konzentration des Gesamteiweißes im Aszites von > 3 g/100 ml bzw. des Cholesterins von > 45 mg/100 ml wei-
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10.3 Diagnostik
1 B-10.4
Synopsis Perkussion der Flankendämpfung bei Aszites
Bei Aszites steigt die Dämpfungsgrenze nach Seitenlagerung des Patienten an.
sen ebenso wie eine erhöhte Konzentration des karzinoembryonalen Antigens (CEA) auf einen malignen Aszites hin. Zur Diagnose eines entzündlichen Aszites gelingt der Keimnachweis besser durch Inokulation von aeroben und anaeroben Blutkulturflaschen mit 10 ml frisch entnommenem Aszites als durch konventionelle bakteriologische Untersuchungen. Der Nachweis von > 500 Granulozyten pro ml Aszites kann als beweisend für eine Infektion angesehen werden. Für die klinische Routine empfiehlt sich die Untersuchung folgender Parameter ( 2 B-10.3):
2 B-10.3
Der Nachweis von > 500 Granulozyten pro m l Aszites kann als beweisend für eine Infektion angesehen werden. Für die klinische Routine empfiehlt sich die Untersuchung folgender Parameter ( 2 B-10.3).
Untersuchung von Aszites
N Zellzahl und Differenzierung (Grenzwert 250 bzw. 500 Granulozyten/mm3 ) n
N Zytologische Untersuchung (maligne Zellen) n N Gesamteiweiß (Grenzwert 3g/100 ml) n N Cholesterin (Grenzwert 45 mg/100 ml) n N CEA (Grenzwert 2,5 ng/ml) n N bakteriologische Untersuchung mit Inokulation von aeroben und anaeroben n Blutkulturflaschen
n Merke. Bei Erstdiagnose oder Neuaufnahme eines Patienten mit Aszites muss eine diagnostische Punktion vorgenommen werden.
Bildgebende Verfahren: In erster Linie findet hier die konventionelle Oberbauchsonographie Verwendung. Neben zirrhosetypischen Veränderungen der Leber kommen als wichtigste Zeichen der portalen Hypertension eine erweiterte und reduziert atemvariable Pfortader, erweiterte Milzgefäße, Splenomegalie und gegebenenfalls Aszites zur Darstellung. Mit der Duplex-Doppler-Sonographie kann durch Messung von Richtung und Geschwindigkeit des intravasalen Blutflusses die portohepatische Durchblutung näher charakterisiert und Kollateralgefäße nachgewiesen werden. Typische Zeichen der portalen Hypertension sind eine verminderte Fließgeschwindigkeit oder Umkehrung der Flussrichtung in der Pfortader. Bei speziellen Fragestellungen können auch radiologische Verfahren wie Computertomographie, Kernspintomographie oder Angiographie zur Anwendung kommen. π
Merke
Bildgebende Verfahren: In der Oberbauchsonographie finden sich typische Zeichen der portalen Hypertension. Duplex-Doppler-Sonographie kann den portohepatischen Blutfluss näher charakterisieren.
Bei speziellen Fragestellungen können auch radiologische Verfahren wie Computertomographie, Kernspintomographie oder Angiographie zur Anwendung kommen.
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10 Portale Hypertension
π Endoskopie: Der endoskopische Nachweis von blutungsgefährdeten gastroösophagealen Varizen hat große Bedeutung bei portaler Hypertension. Varizengröße, »red color sign« ( 1 B-10.5) und Fundusvarizen sind Risikofaktoren für eine Varizenblutung.
Endoskopie: Angesichts der hohen Mortalität einer Blutung hat der endoskopische Nachweis von blutungsgefährdeten gastroösophagealen Varizen große Bedeutung bei portaler Hypertension. Hierbei sind als Risikofaktoren für eine Blutung folgende endoskopische Kriterien etabliert: Varizengröße (> 5 mm), »red color sign« und das Vorkommen von Varizen im Magenfundus. Unter »red color sign« versteht man charakteristische Oberflächenveränderungen von Varizen, wie z.B. longitudinal auf den Varizen verlaufende Ektasien ( 1 B-10.5). π
1 B-10.5
Ösophagusvarizen Endoskopischer Befund bei multiplen Ösophagusvarizen. Die longitudinal auf den Varizen verlaufenden Ektasien werden als »red color sign« bezeichnet.
n Merke. Beim Verdacht auf portale Hypertension sollte eine Ösophagogastroduodenoskopie durchgeführt werden.
Merke
10.4
Therapie bei gastroösophagealen Varizen
10.4.1 Primärprophylaxe
10.4.1
Primärprophylaxe
Die prophylaktische Behandlung wird wegen der hohen Letalität einer Varizenblutung empfohlen. Durch Gabe von b -Rezeptoren-Blockern kann bei Patienten mit ausgeprägten Varizen die Häufigkeit einer Blutung vermindert werden (Senkung des portalvenösen Drucks). Als Kontraindikationen müssen z.B. Hypotonie, Asthma und Diabetes mellitus beachtet werden.
Angesichts der hohen Letalität einer Varizenblutung wird für Patienten mit hohem Blutungsrisiko eine prophylaktische Therapie zur Verhinderung der ersten Varizenblutung empfohlen. Hierzu wird im Allgemeinen ein nicht selektiver b -Rezeptoren-Blocker (Propranolol) gegeben. Die Verminderung des Herzminutenvolumens und verminderte Durchblutung der Splanchnikusgefäße nach b-Blockade senkt den portalvenösen Druck. Zur Dosisfindung bei interindividuell unterschiedlichem Ansprechen auf b-Blockade wird empfohlen, eine Anfangsdosis von ca. 40 mg/d so lange zu erhöhen, bis die Herzfrequenz um 25 % reduziert ist. Als Kontraindikation müssen ausgeprägte systemische Hypotonie, Asthma, Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz in erster Linie beachtet werden. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass durch Gabe von b-Blockern bei Patienten mit ausgeprägten Varizen die Häufigkeit einer Varizenblutung signifikant vermindert werden kann. Ob auch die Sterblichkeit dadurch verringert werden kann, ist umstritten.
10.4.2 Akute Varizenblutung
10.4.2
Bei Verdacht auf eine akute Varizenblutung (Bluterbrechen oder Teerstuhl, häufig verbunden mit Schockzeichen), sollte unverzüglich eine Endoskopie durchgeführt werden und der Patient intensivmedizinisch betreut werden.
Eine akute Varizenblutung äußert sich meist in Bluterbrechen oder Teerstuhl, häufig verbunden mit Zeichen eines Schocks. Der Verdacht auf eine akute Varizenblutung sollte Anlass zur Suche nach der Blutungsquelle und ggf. Therapie einer aktiven Blutung sowie der intensivmedizinischen Betreuung des Patienten sein.
10.4
Therapie bei gastroösophagealen Varizen
Akute Varizenblutung
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10 Portale Hypertension
π Endoskopie: Der endoskopische Nachweis von blutungsgefährdeten gastroösophagealen Varizen hat große Bedeutung bei portaler Hypertension. Varizengröße, »red color sign« ( 1 B-10.5) und Fundusvarizen sind Risikofaktoren für eine Varizenblutung.
Endoskopie: Angesichts der hohen Mortalität einer Blutung hat der endoskopische Nachweis von blutungsgefährdeten gastroösophagealen Varizen große Bedeutung bei portaler Hypertension. Hierbei sind als Risikofaktoren für eine Blutung folgende endoskopische Kriterien etabliert: Varizengröße (> 5 mm), »red color sign« und das Vorkommen von Varizen im Magenfundus. Unter »red color sign« versteht man charakteristische Oberflächenveränderungen von Varizen, wie z.B. longitudinal auf den Varizen verlaufende Ektasien ( 1 B-10.5). π
1 B-10.5
Ösophagusvarizen Endoskopischer Befund bei multiplen Ösophagusvarizen. Die longitudinal auf den Varizen verlaufenden Ektasien werden als »red color sign« bezeichnet.
n Merke. Beim Verdacht auf portale Hypertension sollte eine Ösophagogastroduodenoskopie durchgeführt werden.
Merke
10.4
Therapie bei gastroösophagealen Varizen
10.4.1 Primärprophylaxe
10.4.1
Primärprophylaxe
Die prophylaktische Behandlung wird wegen der hohen Letalität einer Varizenblutung empfohlen. Durch Gabe von b -Rezeptoren-Blockern kann bei Patienten mit ausgeprägten Varizen die Häufigkeit einer Blutung vermindert werden (Senkung des portalvenösen Drucks). Als Kontraindikationen müssen z.B. Hypotonie, Asthma und Diabetes mellitus beachtet werden.
Angesichts der hohen Letalität einer Varizenblutung wird für Patienten mit hohem Blutungsrisiko eine prophylaktische Therapie zur Verhinderung der ersten Varizenblutung empfohlen. Hierzu wird im Allgemeinen ein nicht selektiver b -Rezeptoren-Blocker (Propranolol) gegeben. Die Verminderung des Herzminutenvolumens und verminderte Durchblutung der Splanchnikusgefäße nach b-Blockade senkt den portalvenösen Druck. Zur Dosisfindung bei interindividuell unterschiedlichem Ansprechen auf b-Blockade wird empfohlen, eine Anfangsdosis von ca. 40 mg/d so lange zu erhöhen, bis die Herzfrequenz um 25 % reduziert ist. Als Kontraindikation müssen ausgeprägte systemische Hypotonie, Asthma, Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz in erster Linie beachtet werden. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass durch Gabe von b-Blockern bei Patienten mit ausgeprägten Varizen die Häufigkeit einer Varizenblutung signifikant vermindert werden kann. Ob auch die Sterblichkeit dadurch verringert werden kann, ist umstritten.
10.4.2 Akute Varizenblutung
10.4.2
Bei Verdacht auf eine akute Varizenblutung (Bluterbrechen oder Teerstuhl, häufig verbunden mit Schockzeichen), sollte unverzüglich eine Endoskopie durchgeführt werden und der Patient intensivmedizinisch betreut werden.
Eine akute Varizenblutung äußert sich meist in Bluterbrechen oder Teerstuhl, häufig verbunden mit Zeichen eines Schocks. Der Verdacht auf eine akute Varizenblutung sollte Anlass zur Suche nach der Blutungsquelle und ggf. Therapie einer aktiven Blutung sowie der intensivmedizinischen Betreuung des Patienten sein.
10.4
Therapie bei gastroösophagealen Varizen
Akute Varizenblutung
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10.4.2 Akute Varizenblutung
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Therapie der Wahl zur lokalen Behandlung der blutenden Varize sind die endoskopischen Behandlungsverfahren (Sklerosierung, Obliteration mit Gewebeklebern und Gummibandligatur) (s. Kap. B-13.4).
Zu den endoskopischen Behandlungsverfahren (Sklerosierung, Obliteration mit Gewebeklebern, Gummibandligatur) s. Kap. B-13.4.
Ballontamponade
Ballontamponade
Wenn eine endoskopische Sklerosierung nicht verfügbar ist oder im Falle einer massiven, trotz Sklerosierungsversuch nicht beherrschbaren Blutung, kommt die Ballontamponade zur Anwendung. Durch Kompression der gastroösophagealen Varizen soll eine Verminderung des Blutflusses erzielt werden. Hierzu werden im Allgemeinen die Sengstaken-Blakemore-Sonde für Ösophagus-, die Linton-Sonde für Fundusvarizen verwandt ( 1 B-10.6). Zur Vermeidung von Schleimhautnekrosen müssen die Ballons nach spätestens 12–24 Stunden vorübergehend entblockt werden. Dann bzw. nach Entfernung der Ballonsonde sind oft Rezidivblutungen zu verzeichnen. Bei Ballontamponade sind nicht selten ernste Komplikationen (z.B. Perforation) zu beobachten.
Die Ballontamponade wirkt durch Verminderung des Blutflusses in den gastroösophagealen Varizen. Sie kommt bei massiver, endoskopisch nicht beherrschbarer Blutung zur Anwendung, bis eine definitive Versorgung möglich ist. Hierzu werden im Allgemeinen die Sengstaken-Blakemore Sonde für Ösophagus-, die Linton-Sonde für Fundusvarizen verwandt ( 1 B-10.6).
1 B-10.6
Synopsis Ballontamponaden
a Sengstaken-Blakemore-Sonde.
b Linton-Nachlas-Sonde.
Pharmakologische Vasokonstriktion Eine pharmakologische Konstriktion der splanchnischen Arterien reduziert den Zufluss in die Pfortader und führt damit zu einem Rückgang der portalen Hypertension. Dies kann vor allem in Kombination mit Ballontamponade oder Sklerosierungstherapie zur Beherrschung der Varizenblutung beitragen. Zur Anwendung kommen hier vor allem Vasopressinanaloga (Triglycylvasopressin), Somatostatin und Somatostatinanaloga. Diese Substanzen weisen alle eine recht kurze Halbwertszeit auf und wirken daher meist nur während ihrer intravenösen Applikation.
Notfalltherapie der konservativ nicht beherrschbaren Blutung Bei konsequentem Einsatz der oben genannten Maßnahmen ist eine aktive Varizenblutung in > 90 % zu stillen. Wenn dies nicht möglich ist, oder wenn mehrere frühe (innerhalb von 5 Tagen) Rezidivblutungen auftreten, müssen alternative Verfahren verwandt werden. Hier sind vor allem chirurgische Maßnahmen zu nennen, wie die Transsektion des Ösophagus, ggf. mit Devaskularisation und Splenektomie ( 1 B-10.7) und portokavale Shuntoperationen. Bei der Transsektion, wobei sämtliche Varizen durchtrennt werden, ist auch in erfahrenen Händen eine Letalität von bis zu 50 % zu erwarten. Unter den zahlreichen Variationen der portosystemischen Shuntoperationen ( 2 B-10.4) haben sich vor allem der portokavale Seit-zu-Seit-
Pharmakologische Vasokonstriktion Durch intravenöse Gabe von Vasopressin- oder Somatostatinanaloga werden die splanchnischen Arterien verengt und die portale Hypertension reduziert.
Notfalltherapie der konservativ nicht beherrschbaren Blutung Chirurgische Verfahren bei konservativ nicht beherrschbarer Blutung sind Transsektion des Ösophagus, ggf. mit Devaskularisation und Splenektomie ( 1 B-10.7) und portokavale Shuntoperationen ( 1 B-10.8).
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540 1 B-10.7
10 Portale Hypertension
Synopsis Chirurgische Intervention bei unbeherrschbaren Varizenblutungen
a, b Ösophagustranssektion. Das zirkuläre Klammernahtgerät wird über eine kleine Gastrotomie eingeführt und in den Ösophagus vorgeschoben. Der distale Ösophagus wird mit einer Ligatur zwischen den geöffneten Andruckplatten fixiert.
Unter den portosystemischen Shuntoperationen ( 2 B-10.4) haben sich vor allem durchgesetzt der: π portokavale Seit-zu-Seit-Shunt π mesenterikokavale Shunt π distale splenorenale Shunt. Die Mortalität dieser Eingriffe in der Akutsituation liegt im Allgemeinen > 50 %. Operative Eingriffe an Gefäßen des Leberhilus können eine spätere Lebertransplantation erschweren. Daher wird zunehmend ein nicht operativer portosystemischer Shunt eingesetzt, der TIPS (transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt).
Nach Verschluss der Andruckplatten und Auslösen des Klammernaht-/ Schneidemechanismus erhält man eine zirkuläre Anastomose. Nach Entfernung des Gerätes und Verschluss des Magens kann das resezierte Gewebe des Ösophagus geborgen werden.
c Ösophagustranssektion mit Devaskularisierung und Splenektomie. Ausmaß der Skelettierung des Magens und Ösophagus zur Reduktion des venösen Abflusses (hier mit zusätzlicher Splenektomie) bei portaler Hypertension.
Shunt ( 1 B-10.8), der mesenterikokavale Shunt und der distale splenorenale Shunt durchgesetzt. Die Anlage dieser Shunts erfordert eine mehrstündige Operation mit einem nicht geringen Transfusionsbedarf. Die Mortalität dieser Eingriffe in der Akutsituation liegt im Allgemeinen > 50 %. Die Druckentlastung des Portalsystems ist intraoperativ kaum graduierbar. Operative Eingriffe an Gefäßen des Leberhilus können eine spätere Lebertransplantation erschweren. Diese Nachteile operativer Verfahren erklären die Popularität eines unlängst entwickelten nicht operativen portosystemischen Shunts, des TIPS (transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt). Die Rate der offenen Operationen hat sich dadurch weiter reduziert.
1 B-10.8
Synopsis Portokavaler Seit-zu-Seit-Shunt
V. portae V. splenica
V. mesenterica superior
V. mesenterica inferior
V. cava inferior
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10.4.2 Akute Varizenblutung
2 B-10.4
541
Hauptverfahren von portosystemischen Shunts bei portaler Hypertension infolge Leberzirrhose
Totaler Shunt
Selektive Shunts
Sonderformen
N portokavale Shunts n π Seit-zu-Seit π End-zu-Seit
N TIPS (nicht n operativer Shunt)
N mesenterikokavaler n Shunt (H-Shunt)
N distaler splenorenaler n Shunt (Warren)
N portokavaler Shunt n mit Arterialisation der Leber
N proximaler splenon renaler Shunt (Linton)
Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS)
Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS)
Zur Anlage eines TIPS wird nach Punktion der V. jugularis unter radiologischer Kontrolle eine Lebervene sondiert und durch das Leberparenchym hindurch ein intrahepatischer Pfortaderast punktiert. Die so geschaffene Verbindung wird mit einem Ballonkatheter dilatiert und durch Einsatz eines Metallstents (TIPS; 1 B-10.9) offen gehalten. Bei diesem nicht operativen Vorgehen kann während der Anlage des Shunts der portalvenöse Druckgradient gemessen und stufenweise gesenkt werden. Sollte trotz Absenkung des portalen Drucks eine Perfusion der blutenden Varizen persistieren, können diese unter radiologischer Kontrolle embolisiert werden. Daher ist bei den meisten Patienten auch nach Versagen endoskopischer und pharmakologischer Maßnahmen mit TIPS eine Blutstillung zu erzielen. Wegen des
Nach Sondierung einer Lebervene kann unter radiologischer Kontrolle die Pfortader punktiert werden. Durch Einsatz eines Metallstents (TIPS, 1 B-10.9) kann dann der portalvenöse Druckgradient kontrolliert gesenkt werden. TIPS ist eine effektive Therapie konservativ nicht beherrschbarer Blutungen, deren Wertigkeit im Vergleich zu chirurgischen Verfahren noch nicht durch Studien belegt ist.
1 B-10.9
Synopsis Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS)
Lebervene
TIPS
intrahepatischer Pfortaderast
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
542
10 Portale Hypertension
Schwere Einschränkungen der Leberfunktion und Enzephalopathie stellen die wichtigsten Kontraindikationen zur TIPS-Anlage dar.
schlechten Allgemeinzustands dieser Patienten (häufig Child-Pugh Klasse C) und den nach mehreren Blutungen und Interventionen häufig zu beobachtenden Multiorganstörungen muss mit einer hohen Letalität gerechnet werden. Bei TIPS als Notfallmaßnahme ist eine 30-Tage-Mortalität von etwa 30 %–40 % zu verzeichnen. Diese im Vergleich zu chirurgischen Shunt-Verfahren günstigen Ergebnisse sind bislang jedoch noch nicht durch kontrollierte Studien bestätigt. Da nach Anlage eines TIPS im Allgemeinen auch die venöse Leberperfusion abnimmt, ist eine schwere Einschränkung der Leberfunktion eine Kontraindikation zur TIPS-Anlage. Im Allgemeinen wird ein Grenzwert der Serumbilirubinkonzentration von > 5 mg/100 ml angenommen. Auch frühere Episoden von Enzephalopathie oder eine ausgeprägte Herzinsuffizienz, Lebertumoren oder eine thrombosierte kavernöse Transformation der Pfortader gelten als klinische bzw. technische Kontraindikationen. n Merke. Die akute Varizenblutung kann in etwa 90 % durch endoskopische Sklerosierung oder Ballontamponade und medikamentöse Reduktion des portalen Blutflusses gestillt werden. Bei konservativ nicht beherrschbaren Blutungen hat der TIPS Vorteile im Vergleich zu Notfalloperationen.
Merke
Prophylaxe der Rezidivblutung
10.4.3 Prophylaxe der Rezidivblutung
10.4.3
Zur Prophylaxe der Rezidivblutung werden vor allem endoskopische Varizenobliteration oder b -Rezeptorenblocker eingesetzt.
Etwa 2⁄3 der Patienten erleiden nach einer Erstblutung eine oder mehrere Rezidivblutungen. Zur Rezidivblutungsprophylaxe haben sich vor allem die endoskopische Varizenobliteration und die Gabe von b-Rezeptorenblockern bewährt. Durch endoskopische Sklerosierung der Varizen wird die Rezidivblutungshäufigkeit signifikant verringert (von ca. 60 % auf 45 % innerhalb eines Jahres nach Erstblutung). Auch die Mortalität wird dadurch verringert. Diese Effekte sind nach Gabe von b-Blockern etwas weniger deutlich (Senkung des Blutungsrisikos auf 50 %). Eine Fortentwicklung endoskopi-
1 B-10.10
Synopsis Therapeutisches Vorgehen bei Varizenblutung
Verdacht auf Varizenblutung
endoskopische Diagnose und Blutstillung Somatostatin oder Octreotid oder Glypressin intensivmedizinische Betreuung
Blutung nicht beherrschbar
vorübergehend Ballontamponade
Blutung beherrschbar
frühe Rezidivblutungen (> 2 endoskopische Interventionen innerhalb 5 Tagen)
Prophylaxe der Rezidivblutung endoskopische Sklerotherapie oder Ligatur* oder ß-Blocker oder TIPS*
Blutung nicht beherrschbar
TIPS oder Transsektionsoperation
Vorstellung in Transplantationszentrum
TIPS oder Transsektionsoperation
* Die Wertigkeit dieser Maßnahmen wird in Studien untersucht und ist noch nicht abschließend zu beurteilen
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10.5 Therapie des Aszites scher Maßnahmen zur Rezidivblutungsprophylaxe stellt die Ligatur von Varizen (Banding) dar. Hierbei werden Varizen ähnlich dem Vorgehen bei Hämorrhoiden endoskopisch mit einem Gummiband abgebunden (s. Kap. B-13.4.1, S. 600). Im Vergleich zur Sklerosierung scheint die Ligatur weniger komplikationsbehaftet und schneller zur Beseitigung von Varizen zu führen. Ob die Ligatur auch zu einer deutlicheren Verminderung der Rezidivblutungshäufigkeit führt, ist noch nicht belegt. Portokavale Shunts sind außerordentlich effektiv zur Senkung des Pfortaderhochdrucks und Vermeidung von Rezidivblutungen. Durch die starke Verminderung der venösen Leberperfusion kommt es jedoch häufig zu einer extremen Einschränkung der Leberfunktion und oft zu therapierefraktärer Enzephalopathie. Daher haben sich portokavale Shunts zur Rezidivblutungsprophylaxe nicht allgemein durchgesetzt und werden nur in wenigen spezialisierten Zentren durchgeführt. Nach TIPS wurden Rezidivblutungsraten von ca. 20 % beobachtet. Häufig kommt es einige Monate nach Anlage des Stents zu einer Stenosierung, was eine Redilatation des TIPS erfordert. Die Wertigkeit des TIPS zur Rezidivblutungsprophylaxe wurde in verschiedenen kontrollierten Untersuchungen mit endoskopischen Verfahren verglichen: trotz signifikanter Reduktion der Rezidivblutungshäufigkeit wird die Letalität nicht eindeutig gesenkt. 1 B-10.10 stellt eine Möglichkeit des therapeutischen Vorgehens bei Varizenblutung dar.
Die Ligatur von Varizen (Banding) stellt eine weitere Maßnahme zur Rezidivblutungsprophylaxe dar. Portokavale Shunts senken effektiv den Pfortaderhochdruck und vermeiden Rezidivblutungen. Durch die starke Verminderung der venösen Leberperfusion kommt es jedoch zu starker Einschränkung der Leberfunktion und therapierefraktärer Enzephalopathie. Daher haben sie sich zur Rezidivblutungsprophylaxe nicht allgemein durchgesetzt. TIPS führt zu einer signifikanten Reduktion der Rezidivblutungshäufigkeit, die Letalität wird jedoch nicht eindeutig gesenkt.
Klinischer Fall Ein 46-jähriger Patient mit bekannter alkoholischer Leberzirrhose sucht die Notaufnahme des Krankenhauses auf. Er klagt über Schwindel und Schwächegefühl und berichtet über kurz zurückliegendes Absetzen von Teerstuhl. Bei der körperlichen Untersuchung des blassen Patienten zeigt sich ein systolischer Blutdruck von 70 mmHg bei einer Herzfrequenz von 120 Schlägen pro Minute. Der Patient wird unverzüglich mit zwei großvolumigen periphervenösen Zugängen versehen und unter dem Verdacht eines durch gastrointestinale Blutung ausgelösten Schocks auf die Intensivstation verlegt. Bei einer Hämoglobinkonzentration von 6,2 g/100 ml wird mit der Transfusion von Erythrozytenkonzentraten begonnen. Bei der Endoskopie finden sich ausgeprägte Ösophagus-
10.5
varizen mit »red spots«. Der Magenfundus ist mit Blutkoageln ausgefüllt, die Schleimhaut des Restmagens ist hämatinbelegt, das Duodenum unauffällig. Im Ösophagus bei teilweise hellroten Blutspuren ist keine aktive Blutungsquelle eruierbar, allerdings zeigt sich ein Fibrinnippel als Hinweis auf eine stattgehabte Blutung auf der prominentesten Varize nahe der Kardia. Daraufhin werden die Varizen mit insgesamt 20 ml 1 % Polidocanol an 9 verschiedenen Einstichstellen intra- und paravarizeal sklerosiert. Vor dem Ende der Endoskopie instilliert der Untersucher über den Instrumentierkanal 100 ml Laktulose zur Prophylaxe einer Enzephalopathie. Nach weiterer Stabilisierung des Kreislaufs wird der Patient nach 3 Tagen auf eine Allgemeinstation verlegt.
Therapie des Aszites
Zur Therapie des Aszites wird allgemein ein sequenzielles Vorgehen empfohlen ( 1 B-10.11). Eine Einschränkung der diätetischen Kochsalzzufuhr auf etwa 3–5 g täglich und Erhöhung des zentral effektiven Blutvolumens durch Bettruhe können nur bei etwa 10 % der Patienten zur Mobilisierung des Aszites führen. Zusätzliche Gabe eines Aldosteronantagonisten (Spironolacton in ansteigender Dosierung bis ca. 300 mg täglich) steigert die Ansprechrate auf ca. 65 %. Durch zusätzliche Gabe eines Schleifendiuretikums (etabliert ist hier Furosemid in ansteigender Dosierung bis ca. 120 mg täglich) kann Aszites in ca. 85 % der Patienten beherrscht werden. Es verbleiben ca. 15 % von diuretikarefraktärem oder rezidivierendem Aszites; d.h. Aszites, der auf diuretische Behandlung nicht genügend anspricht, oder der deswegen nicht ausreichend behandelt werden kann, weil die Diuretikatherapie aufgrund von Nebenwirkungen (Enzephalopathie, Elektrolytstörungen, Einschränkung der Nierenfunktion) eingestellt werden muss. n Merke. Unter rezidivierendem Aszites versteht man das häufige Wiederauftreten (mindestens 3 « innerhalb eines Jahres) von deutlichem Aszites trotz diuretischer Behandlung.
10.5
Therapie des Aszites
Aszites wird üblicherweise nach einem Stufenschema ( 1 B-10.11) behandelt mit π Reduktion der Kochsalzzufuhr π Aldosteronantagonisten π Schleifendiuretika.
Etwa 15 % der Patienten weisen einen diuretikarefraktären oder rezidivierenden Aszites auf.
Merke
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10.5 Therapie des Aszites scher Maßnahmen zur Rezidivblutungsprophylaxe stellt die Ligatur von Varizen (Banding) dar. Hierbei werden Varizen ähnlich dem Vorgehen bei Hämorrhoiden endoskopisch mit einem Gummiband abgebunden (s. Kap. B-13.4.1, S. 600). Im Vergleich zur Sklerosierung scheint die Ligatur weniger komplikationsbehaftet und schneller zur Beseitigung von Varizen zu führen. Ob die Ligatur auch zu einer deutlicheren Verminderung der Rezidivblutungshäufigkeit führt, ist noch nicht belegt. Portokavale Shunts sind außerordentlich effektiv zur Senkung des Pfortaderhochdrucks und Vermeidung von Rezidivblutungen. Durch die starke Verminderung der venösen Leberperfusion kommt es jedoch häufig zu einer extremen Einschränkung der Leberfunktion und oft zu therapierefraktärer Enzephalopathie. Daher haben sich portokavale Shunts zur Rezidivblutungsprophylaxe nicht allgemein durchgesetzt und werden nur in wenigen spezialisierten Zentren durchgeführt. Nach TIPS wurden Rezidivblutungsraten von ca. 20 % beobachtet. Häufig kommt es einige Monate nach Anlage des Stents zu einer Stenosierung, was eine Redilatation des TIPS erfordert. Die Wertigkeit des TIPS zur Rezidivblutungsprophylaxe wurde in verschiedenen kontrollierten Untersuchungen mit endoskopischen Verfahren verglichen: trotz signifikanter Reduktion der Rezidivblutungshäufigkeit wird die Letalität nicht eindeutig gesenkt. 1 B-10.10 stellt eine Möglichkeit des therapeutischen Vorgehens bei Varizenblutung dar.
Die Ligatur von Varizen (Banding) stellt eine weitere Maßnahme zur Rezidivblutungsprophylaxe dar. Portokavale Shunts senken effektiv den Pfortaderhochdruck und vermeiden Rezidivblutungen. Durch die starke Verminderung der venösen Leberperfusion kommt es jedoch zu starker Einschränkung der Leberfunktion und therapierefraktärer Enzephalopathie. Daher haben sie sich zur Rezidivblutungsprophylaxe nicht allgemein durchgesetzt. TIPS führt zu einer signifikanten Reduktion der Rezidivblutungshäufigkeit, die Letalität wird jedoch nicht eindeutig gesenkt.
Klinischer Fall Ein 46-jähriger Patient mit bekannter alkoholischer Leberzirrhose sucht die Notaufnahme des Krankenhauses auf. Er klagt über Schwindel und Schwächegefühl und berichtet über kurz zurückliegendes Absetzen von Teerstuhl. Bei der körperlichen Untersuchung des blassen Patienten zeigt sich ein systolischer Blutdruck von 70 mmHg bei einer Herzfrequenz von 120 Schlägen pro Minute. Der Patient wird unverzüglich mit zwei großvolumigen periphervenösen Zugängen versehen und unter dem Verdacht eines durch gastrointestinale Blutung ausgelösten Schocks auf die Intensivstation verlegt. Bei einer Hämoglobinkonzentration von 6,2 g/100 ml wird mit der Transfusion von Erythrozytenkonzentraten begonnen. Bei der Endoskopie finden sich ausgeprägte Ösophagus-
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varizen mit »red spots«. Der Magenfundus ist mit Blutkoageln ausgefüllt, die Schleimhaut des Restmagens ist hämatinbelegt, das Duodenum unauffällig. Im Ösophagus bei teilweise hellroten Blutspuren ist keine aktive Blutungsquelle eruierbar, allerdings zeigt sich ein Fibrinnippel als Hinweis auf eine stattgehabte Blutung auf der prominentesten Varize nahe der Kardia. Daraufhin werden die Varizen mit insgesamt 20 ml 1 % Polidocanol an 9 verschiedenen Einstichstellen intra- und paravarizeal sklerosiert. Vor dem Ende der Endoskopie instilliert der Untersucher über den Instrumentierkanal 100 ml Laktulose zur Prophylaxe einer Enzephalopathie. Nach weiterer Stabilisierung des Kreislaufs wird der Patient nach 3 Tagen auf eine Allgemeinstation verlegt.
Therapie des Aszites
Zur Therapie des Aszites wird allgemein ein sequenzielles Vorgehen empfohlen ( 1 B-10.11). Eine Einschränkung der diätetischen Kochsalzzufuhr auf etwa 3–5 g täglich und Erhöhung des zentral effektiven Blutvolumens durch Bettruhe können nur bei etwa 10 % der Patienten zur Mobilisierung des Aszites führen. Zusätzliche Gabe eines Aldosteronantagonisten (Spironolacton in ansteigender Dosierung bis ca. 300 mg täglich) steigert die Ansprechrate auf ca. 65 %. Durch zusätzliche Gabe eines Schleifendiuretikums (etabliert ist hier Furosemid in ansteigender Dosierung bis ca. 120 mg täglich) kann Aszites in ca. 85 % der Patienten beherrscht werden. Es verbleiben ca. 15 % von diuretikarefraktärem oder rezidivierendem Aszites; d.h. Aszites, der auf diuretische Behandlung nicht genügend anspricht, oder der deswegen nicht ausreichend behandelt werden kann, weil die Diuretikatherapie aufgrund von Nebenwirkungen (Enzephalopathie, Elektrolytstörungen, Einschränkung der Nierenfunktion) eingestellt werden muss. n Merke. Unter rezidivierendem Aszites versteht man das häufige Wiederauftreten (mindestens 3 « innerhalb eines Jahres) von deutlichem Aszites trotz diuretischer Behandlung.
10.5
Therapie des Aszites
Aszites wird üblicherweise nach einem Stufenschema ( 1 B-10.11) behandelt mit π Reduktion der Kochsalzzufuhr π Aldosteronantagonisten π Schleifendiuretika.
Etwa 15 % der Patienten weisen einen diuretikarefraktären oder rezidivierenden Aszites auf.
Merke
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10 Portale Hypertension
1 B-10.11
Synopsis Stufenschema der Aszitestherapie
Erfolgsrate in % 100
diuretikarefraktär oder rezidivierend
85
65
+
Schleifendiuretikum (Furosemid, maximal 120 mg/d)
+
Aldosteronantagonist (Spironolakton, maximal 300 mg/d)
10 0
Merke
Natriumrestriktion, Bettruhe
n Merke. Bei deutlich eingeschränkter Nierenfunktion (Serumkreatinin > 2 mg/100 ml oder Kreatinin-Clearance < 40 ml/min) und Ausschluss einer organischen Nierenerkrankung handelt es sich im Allgemeinen um eine prärenal bedingte Störung. Diese beruht auf einer Verminderung des zentral effektiven Blutvolumens und kann durch Gabe von Diuretika induziert worden sein. Der Versuch, bei schon reduzierter Nierenfunktion durch massive Erhöhung der Diuretikadosis (z.B. Furosemid 500–1000 mg täglich) eine Steigerung der Natriurese zu erzwingen, kann die Nierenfunktion weiter verschlechtern. Vor dieser immer wieder zu beobachtenden iatrogenen Komplikation muss ausdrücklich gewarnt werden.
Kontrolle der Therapie
Kontrolle der Therapie
Zur Kontrolle des therapeutischen Ansprechens müssen regelmäßig Körpergewicht und Urinausscheidung gemessen werden. Zur Vermeidung von Nebenwirkungen sollte eine tägliche Reduktion des Körpergewichts von 700 ml nicht überschritten werden.
Bei der Überwachung der Therapie sind Parameter des therapeutischen Ansprechens und mögliche Nebenwirkungen zu beachten. Zu empfehlen ist die regelmäßige (zunächst mindestens jeden 2. Tag) Messung von Körpergewicht und 24-h-Urin (Natrium, Kalium, Kreatinin-Clearance). Kommt es nach Beginn der diuretischen Therapie zu einer deutlichen Zunahme der Natriumausscheidung im Urin ohne begleitende Abnahme des Körpergewichts, kann dies ein Hinweis auf mangelnde diätetische Compliance des Patienten sein. Bestehen periphere Ödeme, können 1–2 l Flüssigkeit täglich diuretisch mobilisiert werden, ohne dass es zu einer Beeinträchtigung des effektiven Blutvolumens kommt. Bei Fehlen peripherer Ödeme, oder nach dem diese unter diuretischer Behandlung verschwunden sind, sollte eine tägliche Reduktion des Körpergewichts von 300–500 ml angestrebt, von 500–700 ml aus oben genannten Gründen nicht überschritten werden. Mögliche Nebenwirkungen sind Tachykardie, Enzephalopathie oder Verminderung der Kreatinin-Clearance als Zeichen des zunehmenden Volumenmangels, sowie natürlich Elektrolytstörungen. Zu ungenügendem Ansprechen auf diuretische Behandlung führen neben der Noncompliance vor allem das Vorliegen einer spontanen bakteriellen Peritonitis, eine gastrointestinale Blutung als Ursache eines Volumenmangels und schließlich auch die iatrogene Zufuhr von Natrium (Antibiotika, Antazida) oder von nichtsteroidalen Antiphlogistika (Verschlechterung der Nierenfunktion).
Mögliche Nebenwirkungen sind Tachykardie, Enzephalopathie oder Verminderung der Kreatinin-Clearance als Zeichen des zunehmenden Volumenmangels, sowie natürlich Elektrolytstörungen.
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10.5 Therapie des Aszites
Massiver Aszites
Massiver Aszites
Verschiedene Studien Mitte bis Ende der 80er Jahre haben die therapeutische Aszitespunktion zur Behandlung des massiven Aszites wieder etabliert. Dieses Verfahren war aufgrund von Nebenwirkungen (Infektion, Niereninsuffizienz, Enzephalopathie) in den 60er Jahren nach Entwicklung moderner Diuretika weitgehend verlassen worden. Verschiedene Studien konnten jedoch zeigen, dass die begleitende Gabe von Albumin (40–60 g intravenös bei einer Punktion von 4–6 l Aszites) dem sonst nach Punktion häufig zu beobachtenden intravasalen Volumenmangel vorbeugt.
Massiver Aszites kann durch tägliche Punktion von 4–6 Litern und gleichzeitig intravenöse Albumininfusion (10 g/l Aszites) behandelt werden.
n Merke. Bei Fehlen von Kontraindikationen (Serumbilirubin > 10 mg/100 ml, Prothrombinzeit < 40 %, Thrombozyten < 40 000/ml, Serumkreatinin > 3 mg/100 ml) können tägliche Punktionen von bis zu 6 l Aszites mit Albuminsubstitution (10 g/l Aszites) zu Erzielung einer raschen Aszitesfreiheit empfohlen werden.
Diuretikarefraktärer oder rezidivierender Aszites Zur Behandlung des diuretikarefraktären oder rezidivierenden Aszites waren in den 70er Jahren peritoneovenöse Shunts entwickelt worden. Diese subkutan zu implantierenden Silikonschlauchsysteme ( 1 B-10.12) sollten eine kontinuierliche Entlastung des Aszites durch Dränage der Flüssigkeit in die obere V. cava (via V. jugularis) und gleichzeitig eine intravenöse Reinfusion ermöglichen. Die Shunts waren jedoch häufig durch Okklusion, Infektion und andere Komplikationen beeinträchtigt. Eine vergleichende Untersuchung zeigte, dass die therapeutischen Aszitespunktionen der Implantation eines peritoneovenösen Shunts zumindest ebenbürtig sind. Die Ergebnisse waren jedoch hinsichtlich der Rekurrenz des Aszites mit beiden Verfahren unbefriedigend. Bei den vorhandenen Möglichkeiten der diureti-
1 B-10.12
Merke
Diuretikarefraktärer oder rezidivierender Aszites Zur Behandlung des diuretikarefraktären oder rezidivierenden Aszites waren in den 70er Jahren peritoneovenöse Shunts entwickelt worden. Diese subkutan zu implantierenden Silikonschlauchsysteme ( 1 B-10.12) sollten eine kontinuierliche Entlastung des Aszites durch Dränage in die obere V. cava (via V. jugularis) und gleichzeitige intravenöse Reinfusion ermöglichen. Die Shunts waren jedoch häufig durch Okklusion, Infektion und andere Komplikationen beeinträchtigt.
Synopsis Peritoneovenöser Shunt
venöser Schenkel
röntgendichter Streifen Einwegventil Pumpkammer Einwegventil Halteplatte
peritonealer Schenkel
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546 Indikationsstellung durch diuretisch konservative Therapiemöglichkeiten selten. Aufgrund der hohen Shuntokklusionsrate ist die therapeutische Aszitespunktion der Implantation von peritoneovenösen Shunts zumindest gleichwertig. Nach TIPS-Anlage kommt es häufig zum Rückgang des Aszites.
10 Portale Hypertension schen/konservativen Aszitestherapie ist die Indikationsstellung zur Anlage eines peritoneovenösen Shunts insgesamt als Seltenheit zu betrachten. Daher fand die Beobachtung großes Interesse, dass bei Patienten, die zur Rezidivblutungsprophylaxe einen TIPS erhielten, häufig ein Rückgang des Aszites zu verzeichnen war. Bei 2⁄3 von Patienten mit diuretikarefraktärem oder rezidivierendem Aszites wurde nach TIPS-Anlage eine weitgehende Mobilisation des Aszites erzielt. Dies sind vielversprechende Ergebnisse. Die Wertigkeit des TIPS im Vergleich mit anderen Verfahren (Punktion, peritoneovenöser Shunt) zur Behandlung des refraktären oder rezidivierenden Aszites zeichnet sich auch in ersten kontrollierten Studien ab. Praktische Schlussfolgerung: Aszites kann mit einer Kombination aus Aldosteronantagonisten und Schleifendiuretika bei ca. 80–90 % der Patienten beherrscht werden. Massiver Aszites wird durch großvolumige Punktion entlastet (begleitet von intravenöser Albuminsubstitution). Der TIPS scheint eine vielversprechende Behandlung für Patienten mit refraktärem oder rezidivierendem Aszites zu sein, deren Effizienz im Vergleich zu Punktion oder peritoneovenösen Shunts in kontrollierten Untersuchungen geprüft wird.
Merke
n Merke. Patienten mit einer chronischen Lebererkrankung sollten frühzeitig in einem hepatologisch erfahrenen Zentrum vorgestellt werden. Dort kann auch rechtzeitig die Indikation einer Lebertransplantation diskutiert werden.
Klinischer Fall Ein 53-jähriger Patient mit Leberzirrhose Child-Pugh Klasse C bei chronischer Hepatitis C und massivem Aszites wird vom erstbetreuenden Krankenhaus zur Evaluation einer Lebertransplantation zugewiesen. Der Patient wiegt bei massivem Aszites 54 kg bei 1,78 m Körpergröße und ist kachektisch. Er berichtet von einer deutlichen Verminderung der Leistungsfähigkeit seit ca. einem Jahr. Seitdem sei auch massiver Aszites aufgetreten, der durch Diuretika nicht befriedigend zu behandeln gewesen sei. Seit einem Jahr seien daher in mehrwöchigen Abständen therapeutische Punktionen erforderlich gewesen. Vor 3 Monaten sei erstmals und dann vor 2 Monaten noch-
Merke
mals eine Varizenblutung aufgetreten, weswegen er sklerosiert worden sei. Die Möglichkeit einer Lebertransplantation sei mit ihm erstmalig vor zwei Wochen besprochen worden. Bei der Untersuchung des Patienten findet sich eine etwa 7 cm im Durchmesser einnehmende Raumforderung im rechten Leberlappen hilusnah und eine Serumkonzentration des a-Fetoproteins, die auf über das 100fache des Normwerts erhöht ist. Somit besteht ein hochgradiger Verdacht auf Vorliegen eines hepatozellulären Karzinoms. Aufgrund des zu schlechten Allgemeinzustandes und des großen hepatozellulären Karzinoms wird eine Lebertransplantation abgelehnt.
n Merke. Spätestens nach dem Auftreten der ersten Komplikation der portalen Hypertonie (Enzephalopathie, Aszites, Varizenblutung) sollte die Indikation einer Lebertransplantation diskutiert werden. Zahlreiche Patienten kommen erst in einem weit fortgeschrittenen Stadium ihrer Lebererkrankung und mit Kontraindikationen für eine Lebertransplantation zu einer erstmaligen Evaluation.
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Pankreas
11
11
Pankreas
11.1
Topographische Anatomie
Doris Henne-Bruns 11.1
Topographische Anatomie
Die Bauchspeicheldrüse liegt im Retroperitoneum in Höhe des 1. und 2. Lendenwirbelkörpers an der dorsalen Wand der Bursa omentalis. Man unterscheidet an dem Organ Kopf- (Caput), Körper- (Korpus) und Schwanz(Cauda)bereich. Der Kopf der Bauchspeicheldrüse liegt rechts paravertebral innerhalb des duodenalen C und erstreckt sich nach kaudal als Processus uncinatus. Der längliche Körper der Bauchspeicheldrüse beginnt in Höhe der Überkreuzung mit der A. und V. mesenterica superior und erstreckt sich in Richtung Milzhilus, wo er ohne anatomische Abgrenzung in den Schwanzbereich übergeht ( 1 B-11.1).
11.1.1
Gefäßversorgung
11.1.1 Gefäßversorgung
Die arterielle Versorgung der Bauchspeicheldrüse entspringt sowohl aus dem Truncus coeliacus und seinen Hauptstämmen (A. hepatica communis, A. splenica, A. gastrica sinistra) als auch aus der A. mesenterica superior. Der venöse Abstrom erfolgt über die V. lienalis und die V. mesenterica superior sowie über die aus beiden Gefäßen dorsal des Caput-Korpus-Übergangs hervorgehende V. porta ( 1 B-11.1).
1 B-11.1
Die Bauchspeicheldrüse liegt im Retroperitoneum in Höhe LWK 1 und 2. Sie besteht aus dem Kopf-, Korpus- und Schwanzbereich. Der Processus uncinatus ist ein Teil des Pankreaskopfs. Der Körper des Pankreas beginnt in Höhe der A. und V. mesenterica superior, erstreckt sich in Richtung Milzhilus, wo er ohne Abgrenzung in den Schwanzbereich übergeht ( 1 B-11.1).
Die Blutversorgung erfolgt über den Truncus coeliacus und die A. mesenterica superior. Der venöse Abstrom erfolgt über die V. lienalis, V. mesenterica superior bzw. die V. porta ( 1 B-11.1).
Synopsis Anatomie der Bauchspeicheldrüse
Anatomische Strukturen: TC = Truncus coeliacus, AH = A. hepatica, AL = A. splenica, VMS = V. mesenterica superior, VP = V. porta, AMS = Arteria mesenterica superior, D = Duodenum.
VP AH
D
TC
AL
AMS VMS
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11 Pankreas
Lymphabfluss
11.1.2 Lymphabfluss
11.1.2
Die wichtigsten peripankreatischen und Sammel-Lymphknotengruppen sind: Nodi lymphatici pancreaticoduodenales, pancreatici, splenici, hepatici, coeliaci, mesenterici superiores, aortici laterales und lumbales intermedii ( 1 B-11.2).
Die Lymphgefäße des Pankreas verlaufen parallel zu den großen Blutgefäßen. Die wichtigsten Lymphknotenstationen sind als peripankreatische Lymphknoten die Nodi lymphatici pancreaticoduodenales, pancreatici und splenici sowie als Sammellymphknoten die Nodi lymphatici hepatici, coeliaci, mesenterici superiores, aortici laterales und lumbales intermedii ( 1 B-11.2).
1 B-11.2
Synopsis Lymphabflusswege der Bauchspeicheldrüse
3
2a
1a
2b
1a Nodi lymphatici pancreaticoduodenales superiores 1b Nodi lymphatici pancreaticoduodenales inferiores 2a Nodi lymphatici pancreatici superiores 2b Nodi lymphatici pancreatici inferiores 3 Nodi lymphatici splenici
1b a Peripankreatische Lymphknoten.
1a
2
1b
4 3 1a Nodi lymphatici hepatici: Nodus cysticus 1b Nodi lymphatici hepatici: Nodus foraminalis 2 Nodi lymphatici coeliaci 3 Nodi lymphatici mesenterici superiores 4 Nodi lymphatici aortici laterales b Lokalisation der wichtigsten Lymphknotenstationen des Pankreas (Sammellymphknoten).
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11.2 Missbildungen 11.1.3
Pankreasgangsystem
Bedingt durch die embryologische Entwicklung aus einer dorsalen und ventralen Anlage besitzt die Bauchspeicheldrüse 2 Ausführungsgänge. Der wichtigste Ausführungsgang ist der Ductus pancreaticus (Ductus Wirsungianus), der gemeinsam mit dem Ductus choledochus in das Duodenum einmündet, wobei die Vereinigung der beiden Gänge auf unterschiedlicher Höhe vor der Einmündung erfolgen kann ( 1 B-11.3).
1 B-11.3
11.1.3 Pankreasgangsystem Das Pankreas besitzt 2 Ausführungsgänge. Der Ductus pancreaticus mündet gemeinsam mit dem Ductus choledochus an der Papilla duodeni major in das Duodenum ein ( 1 B-11.3).
Synopsis Anatomie des Pankreasgangsystems
3
2
1
1 2 3
Papilla duodeni major, gemeinsame Mündungsstelle des Ductus pancreaticus (Wirsungianus) und des Ductus choledochus in das Duodenum Papilla duodeni minor, Mündungsstelle des Ductus pancreaticus accessorius (Santorini) Ductus choledochus.
Die vorgewölbte Eintrittsstelle in das Duodenum wird als Papilla duodeni major (Ductus Wirsungianus) bezeichnet. Der Verlauf und die Mündungsstelle (Papilla duodeni minor) des zweiten Ausführungsgangs (Ductus pancreaticus accessorius, Ductus Santorini) unterliegt zahlreichen Variationen.
11.2
Missbildungen
Die Bauchspeicheldrüse entsteht aus einer ventralen und einer dorsalen Anlage. Aus der ventralen Anlage entwickeln sich das Gallengangssystem und der Processus uncinatus, aus der dorsalen Anlage das übrige Pankreas. Infolge der Drehung des Gastrointestinaltraktes im 2.–3. Schwangerschaftsmonat kommt es normalerweise zu einer Fusion der ventralen und dorsalen Anlage. Hierbei vereinigt sich der Gang der ventralen Anlage mit dem der dorsalen Anlage und bildet den späteren Hauptgang, während sich der auf die Papilla minor zulaufende Pankreasganganteil (D. Santorini) zurückentwickelt ( 1 B-11.4 a). Kommt es zu keiner Verschmelzung der beiden Ganganlagen, entsteht ein Pancreas divisum ( 1 B-11.4 b). Ein Pancreas anulare liegt vor, wenn ein Ausläufer der Bauchspeicheldrüse (oft nur noch als rudimentäres Band) das Duodenum zirkulär umfasst ( 1 B-11.4 c).
Der Verlauf und die Mündungsstelle des Ductus pancreaticus accessorius unterliegt zahlreichen Variationen.
11.2
Missbildungen
Die Bauchspeicheldrüse entsteht aus einer ventralen und dorsalen Anlage. Im 2.–3. Schwangerschaftsmonat kommt es zu einer Fusion beider Anlagen mit Ausbildung eines Hauptgangs und Rückbildung der 2. Ganganlage zum Ductus Santorini ( 1 B-11.4 a).
Bleibt die Verschmelzung der beiden Ganganlagen aus, liegt ein Pancreas divisum vor ( 1 B-11.4 b). Ein Pancreas anulare liegt vor, wenn ein Ausläufer des Pankreas das Duodenum zirkulär umfasst ( 1 B-11.4 c).
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550 1 B-11.4
11 Pankreas
Synopsis Missbildungen des Pankreas
a Regelrechtes Pankreas.
b Pancreas divisum.
c Pancreas anulare.
Pancreas divisum
11.2.1 Pancreas divisum
11.2.1
Ein Pancreas divisum muss keine klinische Symptomatik hervorrufen. Es wird im Rahmen endoskopischer Untersuchungen häufig als Zufallsbefund entdeckt. Gelegentlich liegt bei obstruktiver Pankreatitis ein Pancreas divisum vor ( 1 B-11.4 a, b). Bei symptomatischer Abflussbehinderung kann die Minorpapille endoskopisch gespalten werden.
Ein Pancreas divisum verursacht primär keine klinische Symptomatik. Durch zunehmenden Einsatz endoskopischer (ERCP = endoskopisch retrograde Cholangio-Pankreatikographie) Verfahren wird ein Pancreas divisum bei bis zu 10 % der untersuchten Personen diagnostiziert, wobei nur wenige dieser Patienten an einer Pankreatitis erkranken. Unklar ist, ob die Fehlanlage des Gangsystems (überwiegende Dränage des Pankreassekretes über die Minorpapille) eine Ursache der obstruktiven Pankreatitis sein könnte ( 1 B-11.4 a, b). Bei symptomatischer Abflussbehinderung ist eine endoskopische Spaltung (Erweiterung der Minorpapille) indiziert.
11.2.2 Pancreas anulare
11.2.2
Die zirkuläre Umlagerung des Duodenums kann zu Stenosen führen (85 % der Stenosen in der Pars descendens des Duodenums).
Diese Normvariante lagert sich ringförmig um das Duodenum und kann zu Passagebehinderungen im Zwölffingerdarm führen. Ca. 85 % der durch ein Pancreas anulare verursachten Stenosen sind im Bereich der Pars descendens des Duodenums lokalisiert ( 1 B-11.4 c).
Symptome. Sie treten nur bei Obstruktion des Duodenums auf ( 1 B-11.4 c) und manifestieren sich meist im Säuglingsalter mit postprandialem Erbrechen.
Symptome. Nur bei Obstruktion des Duodenums kommt es zu manifesten klinischen Symptomen, die sich im Säuglingsalter in Form postprandialen Erbrechens äußern. Im Erwachsenenalter wird ein Pancreas anulare meist zufällig bei Operationen oder Autopsien gefunden.
Therapie. Symptomatische Formen werden durch eine Bypass-Operation behandelt ( 1 B-11.5); bei alleiniger Spaltung des stenosierenden Bereichs könnte ein dränierender Gang verletzt werden.
Therapie. Symptomatische Pancreas-anulare-Formen werden durch eine
11.2.3 Ektopes Pankreas
11.2.3
Ektopes Pankreasgewebe kann in Magen, Duodenum, Jejunum, MeckelDivertikeln, Ileum, Ductus choledochus, Gallenblase, Milzhilus, perigastral oder periduodenal gefunden werden.
Akzessorisches oder ektopes Pankreasgewebe findet sich bei Autopsien relativ häufig (0,55–13,7 %). Hauptlokalisation ist der Magen, das Duodenum und Jejunum. Ferner wurde ektopes Pankreasgewebe in Meckel-Divertikeln, Ileum, Ductus choledochus, Gallenblase, Milzhilus, perigastral und periduodenal nachgewiesen. Ektopes Pankreasgewebe wird gelegentlich bei Operationen als Zufallsbefund entdeckt, ohne dass je eine klinische Symptomatik bestand.
Pancreas anulare
Bypass-Operation überbrückt ( 1 B-11.5). Die einfache Spaltung des stenotischen Bereichs ist meist nicht indiziert, da in dem ringförmig das Duodenum einengenden Pankreasabschnitt ein größerer Pankreasgang verlaufen könnte und ggf. verletzt würde.
Ektopes Pankreas
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551
11.3 Pathophysiologie
1 B-11.5
Synopsis Operative Therapie des Pancreas anulare
a Duodenoduodenostomie.
Möglichkeiten der Überbrückung einer symptomatischen Duodenalstenose bei Pankreas anulare.
11.2.4
b Duodenojejunostomie.
Pankreasagenesie/Pankreashypoplasie
Eine Pankreasagenesie ist sehr selten und kann isoliert oder in Kombination mit weiteren Fehlbildungen auftreten. Kinder mit einer Pankreasagenesie versterben meist kurz nach der Geburt. Neben der vollständigen lassen sich auch isolierte Agenesien der ventralen oder dorsalen Pankreasanlage beobachten. Bei der ebenfalls seltenen Pankreashypoplasie findet sich eine normale Ausbildung der größeren Pankreasgänge und -inseln, bei reduzierter Anzahl der kleineren, sowie eine Differenzierungsstörung im Bereich des terminalen Gangsystems.
11.2.5
Pankreaszysten
Echte Zysten des Pankreas werden nur bei einer polyzystischen Organdegeneration beobachtet; hauptsächlich von dieser embryologischen Entwicklungsstörung betroffene Organe sind die Leber und die Nieren. Die Prognose und Therapie dieses Krankheitsbilds werden durch das Ausmaß der polyzystischen Umwandlung innerhalb der Nieren und der Leber bestimmt. Im Gegensatz zu den Pseudozysten weisen echte Zysten eine Epithelauskleidung auf und sind mit seröser Flüssigkeit gefüllt.
11.3
Pathophysiologie
Die Bauchspeicheldrüse ist ein sowohl exokrines wie endokrines Organ. Der exokrine Anteil (ca. 80 %) besteht aus dem Azinuszell- und Pankreasgangsystem, der endokrine Anteil (ca. 2 %) aus den Langerhans-Inseln.
11.2.4
Pankreasagenesie/ Pankreashypoplasie
Die seltene Pankreasagenesie kann das gesamte Pankreas oder isoliert die ventrale oder dorsale Pankreasanlage betreffen. Bei der Pankreashypoplasie finden sich normal große Pankreasgänge und Inseln sowie eine Differenzierungsstörung des terminalen Gangsystems.
11.2.5
Pankreaszysten
Echte Zysten des Pankreas werden nur bei einer polyzystischen Organdegeneration beobachtet. Prognose und Therapie werden durch Ausmaß der polyzystischen Umwandlung von Nieren und Leber bestimmt. Echte Zysten sind im Gegensatz zu Pseudozysten mit Epithel ausgekleidet und mit seröser Flüssigkeit gefüllt.
11.3
Pathophysiologie
Die Bauchspeicheldrüse ist sowohl eine exokrine wie endokrine Drüse.
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551
11.3 Pathophysiologie
1 B-11.5
Synopsis Operative Therapie des Pancreas anulare
a Duodenoduodenostomie.
Möglichkeiten der Überbrückung einer symptomatischen Duodenalstenose bei Pankreas anulare.
11.2.4
b Duodenojejunostomie.
Pankreasagenesie/Pankreashypoplasie
Eine Pankreasagenesie ist sehr selten und kann isoliert oder in Kombination mit weiteren Fehlbildungen auftreten. Kinder mit einer Pankreasagenesie versterben meist kurz nach der Geburt. Neben der vollständigen lassen sich auch isolierte Agenesien der ventralen oder dorsalen Pankreasanlage beobachten. Bei der ebenfalls seltenen Pankreashypoplasie findet sich eine normale Ausbildung der größeren Pankreasgänge und -inseln, bei reduzierter Anzahl der kleineren, sowie eine Differenzierungsstörung im Bereich des terminalen Gangsystems.
11.2.5
Pankreaszysten
Echte Zysten des Pankreas werden nur bei einer polyzystischen Organdegeneration beobachtet; hauptsächlich von dieser embryologischen Entwicklungsstörung betroffene Organe sind die Leber und die Nieren. Die Prognose und Therapie dieses Krankheitsbilds werden durch das Ausmaß der polyzystischen Umwandlung innerhalb der Nieren und der Leber bestimmt. Im Gegensatz zu den Pseudozysten weisen echte Zysten eine Epithelauskleidung auf und sind mit seröser Flüssigkeit gefüllt.
11.3
Pathophysiologie
Die Bauchspeicheldrüse ist ein sowohl exokrines wie endokrines Organ. Der exokrine Anteil (ca. 80 %) besteht aus dem Azinuszell- und Pankreasgangsystem, der endokrine Anteil (ca. 2 %) aus den Langerhans-Inseln.
11.2.4
Pankreasagenesie/ Pankreashypoplasie
Die seltene Pankreasagenesie kann das gesamte Pankreas oder isoliert die ventrale oder dorsale Pankreasanlage betreffen. Bei der Pankreashypoplasie finden sich normal große Pankreasgänge und Inseln sowie eine Differenzierungsstörung des terminalen Gangsystems.
11.2.5
Pankreaszysten
Echte Zysten des Pankreas werden nur bei einer polyzystischen Organdegeneration beobachtet. Prognose und Therapie werden durch Ausmaß der polyzystischen Umwandlung von Nieren und Leber bestimmt. Echte Zysten sind im Gegensatz zu Pseudozysten mit Epithel ausgekleidet und mit seröser Flüssigkeit gefüllt.
11.3
Pathophysiologie
Die Bauchspeicheldrüse ist sowohl eine exokrine wie endokrine Drüse.
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552
11 Pankreas
Exokrines Pankreas
11.3.1 Exokrines Pankreas
11.3.1
Aufgaben des exokrinen Pankreas sind: Produktion von Verdauungsenzymen und Neutralisation des Speisebreis.
Die Aufgabe des exokrinen Pankreas besteht in der Produktion und Abgabe von Verdauungsenzymen sowie der Abgabe von Ionen (Bikarbonate) zur Neutralisation des sauren Speisebreis im Duodenum. Zusammensetzung des Pankreassekrets: π Wasser (bis zu 2,5 l/d) π Elektrolyte (Na, K, Cl, HCO , Ca, Mg, Zn, PO , SO ) 3 4 4 π Verdauungsenzyme: – proteolytische Enzyme: Trypsinogen, Chymotrypsinogen, Proelastase, Procarboxypeptidase – Stärke spaltendes Enzym: Amylase – lipolytische Enzyme: Lipase, Phospholipase – Nukleasen: DNAse, RNAse – andere: Procolipase, Trypsininhibitor.
Pankreassekretzusammensetzung: π Wasser π Elektrolyte π Verdauungsenzyme – proteolytische – Stärke spaltende – lipolytische – Nukleasen – andere.
Endokrines Pankreas
11.3.2 Endokrines Pankreas
11.3.2
Die Hauptaufgabe des endokrinen Pankreas besteht in der Aufrechterhaltung der Glukosehomöostase. Innerhalb der Langerhans-Inseln unterscheidet man folgende Zelltypen: π B-Zellen (Insulin) π A-Zellen (Glukagon) π D-Zellen (Somatostatin) π F-Zellen (pankreatisches Polypeptid) π D1-Zellen (VIP) π G-Zellen (Gastrin).
Die Hauptaufgabe des endokrinen Pankreas besteht in der Aufrechterhaltung der Glukosehomöostase. Ferner werden von dem endokrinen Organ gastrointestinale Hormone synthetisiert. Innerhalb der Langerhans-Inseln werden verschiedene Zelltypen unterschieden, die folgende Hormone produzieren: π B-Zellen: Insulin (50–80 % des Inselvolumens) π A-Zellen: Glukagon (5–20 % des Inselvolumens) π D-Zellen: Somatostatin (ca. 5 % des Inselvolumens) π F-Zellen: pankreatisches Polypeptid (10–35 % des Inselvolumens) π D1-Zellen: vasoaktives intestinales Peptid (VIP) π G-Zellen: Gastrin.
11.4
11.4
Angeborene Pankreaserkrankungen
Angeborene Pankreaserkrankungen
Angeborene Erkrankungen des exokrinen Pankreas bedingen entweder eine exogene Pankreasinsuffizienz oder eine Pankreatitis. Das häufigste chirurgisch relevante Krankheitsbild ist der Mekoniumileus bei zystischer Pankreasfibrose (s. Kap. B-23.1.20).
Angeborene Erkrankungen des exokrinen Pankreas bedingen entweder eine exokrine Pankreasinsuffizienz (z.B. zystische Pankreasfibrose, isolierte Enzymdefizienz, z.B. für Lipase, Trypsin usw.) oder eine Pankreatitis, deren Ursache hereditär oder metabolisch (Hyperlipämie, Hyperparathyreoidismus, a1-Antitrypsinmangel) sein kann. Das häufigste chirurgisch relevante Krankheitsbild ist der Mekoniumileus bei zystischer Pankreasfibrose (s. Kap. B-23.1.20).
11.5
11.5
Pankreatitis
Pankreatitis
Bei entzündlichen Erkrankungen werden akute von chronischen Pankreatitiden unterschieden.
Die Einteilung der entzündlichen Pankreaserkrankungen erfolgt in akute und chronische Pankreatitiden, wobei sich beide Formen in Pathogenese und Verlauf unterscheiden.
11.5.1 Akute Pankreatitis
11.5.1
Akute Pankreatitis
Definition
n Definition. Die akute Pankreatitis ist ein autodigestiver Prozess der Bauchspeicheldrüse, der in verschiedenen Schweregraden (leicht bis hämorrhagisch nekrotisierend), unterschiedlichen Episoden (singuläres oder rezidivierendes Auftreten), mit und ohne lokale oder systemische Komplikationen auftreten kann (s. 2 B-11.1).
Merke
n Merke. Nach abgelaufener akuter Pankreatitis kann sowohl eine komplette Restitutio ad integrum als auch eine Defektheilung beobachtet werden.
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553
11.5.1 Akute Pankreatitis
Ätiologie. Die kausalen Faktoren, die eine Reihe von enzymatischen Reak-
Ätiologie. Kausale Faktoren, die über Aktivierung enzymatischer Reaktionen eine akute Pankreatitis induzieren, sind bisher nicht bekannt. Es werden jedoch »typische Bedingungen« beobachtet.
Pathogenese. Zur Pathogenese der akuten Pankreatitis werden u.a. fol-
Pathogenese. Es werden folgende Hypothesen diskutiert: π Gangobstruktion π Reflux von Duodenalsekret oder Galle π Veränderungen der Membranpermeabilität π vorzeitige Enzymaktivierung π toxische Schädigung durch Alkohol, Medikamente π andere Ursachen, wie Stoffwechselstörungen, endokrine Erkrankungen, Virusinfektionen. Ursächlich für die akute Pankreatitis ist eine Aktivierung der Pankreasenzyme, wodurch der autodigestive Prozess eingeleitet wird.
Symptome. Ein dumpfer Oberbauchschmerz im Epigastrium oder linken
Symptome. Klinisch besteht dumpfer Oberbauchschmerz mit z.T. gürtelförmiger Ausstrahlung in den Rücken. Weitere Symptome sind: Übelkeit, Erbrechen, Darmparalyse, Tachykardie, Kreislaufinstabilität und pulmonale Insuffizienz.
tionen auslösen und dadurch eine akute Pankreatitis induzieren, sind bisher nicht bekannt, wenngleich in der Klinik die akute Pankreatitis häufig unter »typischen Bedingungen« beobachtet wird. Diese sind: Gallensteine, Alkoholabusus, Medikamenteneinnahme, Stoffwechselstörungen (z.B. Hyperlipidämie, Urämie), endokrine Erkrankungen (z.B. Hyperparathyreoidismus, Morbus Cushing), Virusinfektionen (z.B. Mumps, Coxsackie-Virus, Hepatitis-B-Virus) usw.
gende Hypothesen diskutiert: π Obstruktion des Gangsystems π Reflux von Duodenalsaft in das Gangsystem π Gallenreflux in das Gangsystem π Veränderungen der Pankreasmembranpermeabilität π vorzeitige Enzymaktivierung π toxische Schädigung (z.B. Alkohol, Medikamente) π weitere Mechanismen wie Stoffwechselstörungen, endokrine Erkrankungen, Virusinfektionen. Ursächlich für die akute Pankreatitis ist in jedem Fall eine Aktivierung von Pankreasenzymen, wodurch der autodigestive Prozess eingeleitet wird. Bedingt durch die Freisetzung zahlreicher Substanzen (z.B. vasoaktive Peptide wie Bradykinin, Kallidin) aus zerstörten Pankreaszellen, entwickelt sich das klinische Bild.
oberen Quadranten mit z.T. gürtelförmiger Ausstrahlung in den Rücken ist charakteristisch. Begleitend können Übelkeit, Erbrechen, Darmparalyse, Fieber, Tachykardie sowie Kreislaufinstabilität bis hin zum hypovolämischen Schock bestehen. Schwere Verlaufsformen gehen mit Nierenfunktionseinschränkung/Nierenversagen sowie pulmonaler Insuffizienz mit Beatmungspflichtigkeit einher. Abhängig vom Zeitpunkt der Untersuchung und dem Schweregrad der Pankreatitis findet man palpatorisch einen mäßigen Druckschmerz im Oberbauch mit elastischer Bauchdecke oder auch eine diffuse Abwehrspannung des gesamten Abdomens. In seltenen Fällen lässt sich eine zyanotische Verfärbung der Flanken- (GreyTurner-Zeichen) oder Nabelregion (Cullen-Zeichen), die durch peripankreatische Einblutungen und deren Diffusion in die Subkutis verursacht sind, beobachten.
Komplikationen. Es werden lokale und systemische Komplikationen unterschieden ( 2 B-11.1).
2 B-11.1
Abhängig vom Schweregrad der Pankreatitis findet sich ein druckdolentes elastisches bis bretthartes Abdomen. Selten werden das Grey-Turner- oder Cullen-Zeichen beobachtet.
Komplikationen ( 2 B-11.1).
Mögliche Komplikationen der akuten Pankreatitis
Lokale Komplikationen
Systemische Komplikationen
N Nekrosen n
N Sepsis n
N Pankreasabszess n
N paralytischer Ileus, Peritonitis n
N Arrosion benachbarter Strukturen n (dadurch z.B. Blutung, Fistelbildung)
N Schocklunge (ARDS) n
N Pleuraerguss n
N Diabetes mellitus n
N Milzvenen- und Pfortaderthrombose n
N akutes Nierenversagen n
N postakute Pankreaspseudozysten n
Diagnose n Merke. Bei jedem Patienten, der über akute Oberbauchbeschwerden klagt oder eine unklare Schocksymptomatik aufweist, ist unbedingt eine akute Pankreatitis in Betracht zu ziehen.
Diagnose Merke
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11 Pankreas
π Labordiagnostik: Mit akuter Schädigung von Pankreasgewebe kommt es zu einem ausgeprägten Übertritt von Lipase und Amylase ins Blut. Dadurch Nachweismöglichkeit im Serum und Urin. Lipase und Amylase sind nicht völlig organspezifisch. Erhöhte Serumamylasewerte können ihren Ursprung in einer Schädigung der Speicheldrüsen, der Tuben oder der Lunge haben. Lipase kann freigesetzt werden aus Lunge, Ösophagus, Magen, Duodenum oder Leber. Die Höhe der Serumwerte beider Enzyme muss nicht notwendigerweise mit dem Schweregrad oder dem Verlauf der Erkrankung korrelieren.
Prognostisch ungünstige Zeichen der akuten Pankreatitis s. 2 B-11.2.
2 B-11.2
Labordiagnostik: Mit akuter Schädigung von Pankreasgewebe kommt es zu einem ausgeprägten Übertritt von Lipase und Amylase ins Blut, wobei folgende Abstufung in der diagnostischen Sensitivität besteht: Serumlipase > Serumamylase > Harnamylase. Lipase und Amylase sind nicht völlig organspezifisch. Erhöhte Serumamylasewerte können ihren Ursprung in einer Schädigung der Speicheldrüsen, der Tuben oder der Lunge haben. Lipase kann freigesetzt werden aus Lunge, Ösophagus, Magen, Duodenum oder Leber. Bei Aktivitäten über dem 3fachen der Norm hat die Lipase eine sehr hohe Sensitivität (ca. 100 %) und in der Abgrenzung einer Lipaseerhöhung nicht pankreatogenen Ursprungs eine Spezifität von ca. 98 %. Die Höhe der Serumwerte beider Enzyme muss nicht notwendigerweise mit dem Schweregrad oder dem Verlauf der Erkrankung korrelieren. Eine gleichzeitige Schädigung der Inselzellen kann zu einem Diabetes mellitus führen. Erhöhte Serumwerte für Bilirubin, alkalische Phosphatase, g-GT, Transaminasen und LDH können Aufschluss geben über die Ätiologie der Erkrankung (z.B. biliäre Ursache); die Bestimmung der genannten Parameter ist jedoch auch notwendig zur Erkennung von Komplikationen. Eine sich 2–3 Tage nach Beginn der Erkrankung entwickelnde Hypokalziämie gilt als prognostisch ungünstiges Zeichen (nekrotisierende Verlaufsform). Prognostisch ungünstige Zeichen der akuten Pankreatitis sind in 2 B-11.2 aufgelistet. π
Prognostisch ungünstige Zeichen der akuten Pankreatitis
Bei Aufnahme
Nach 48 Stunden
N Alter > 55 Jahre n
N Abfall des Hämatokrits n
N Glukosekonzentration > 200 mg/dl n
N Serumkalziumkonzentration < 2,0 mmol/l n
N Leukozytose > 16 000/ m l n
N Basendefizit > 4,0 mmol/l n
N LDH > 350 U/l n
N Anstieg von Harnstoff-N n
N GOT > 120 U/l n
N arterieller PO2 < 60 mmHg n N Flüssigkeitsdefizit > 6 l n
Ultraschalldiagnostik: Sie ist rasch durchführbar, zuverlässig, risikofrei und besonders geeignet für die Verlaufsbeobachtung. Die Untersuchungsmethode kann Hinweise auf die Ätiologie der Erkrankung (Cholelithiasis) geben und Komplikationen aufdecken (Aszites, Pleuraerguss, Pseudozysten). Reichlich Darmgasgehalt bei Paralyse schränkt die Beurteilbarkeit der Pankreasstrukturen ein.
π Ultraschalldiagnostik: Sie ist rasch durchführbar, risikofrei und besonders für die Verlaufsbeobachtung geeignet.
π
π Radiologische Diagnostik: Eine Abdomenübersichtsaufnahme kann das Ausmaß der Darmparalyse dokumentieren. Kalkeinlagerungen im Pankreas sprechen für rezidivierend abgelaufene Pankreatitiden. Die wichtigste Untersuchung ist die abdominelle Computertomographie. Zusätzliche i.v. Kontrastmittelgabe erlaubt die Abgrenzung von schlecht durchbluteten Arealen, Einblutungen, Nachweis einer Thrombose etc. ( 1 B-11.6).
π
Im Falle einer Arrosionsblutung kann mittels Angiographie eine Differenzierung zwischen arterieller und venöser Blutungsursache erfolgen und eine arterielle Blutung ggf. mittels Embolisation therapiert werden.
Radiologische Diagnostik: Eine Abdomenübersichtsaufnahme kann das Ausmaß der Darmparalyse (Ileus) dokumentieren; sie hat jedoch keine Relevanz für die Beurteilung des Schweregrads der akuten Pankreatitis. Der Nachweis von Kalkeinlagerungen in der Bauchspeicheldrüse spricht für rezidivierend abgelaufende Entzündungsprozesse. Die wichtigste Untersuchung zur Verifizierung des Ausmaßes einer akuten Pankreatitis ist die abdominelle computertomographische Untersuchung. Sie erlaubt die Beurteilung der gesamten Bauchspeicheldrüse. Bei zusätzlicher i.v. Applikation von Kontrastmittel (KM) lassen sich Pseudozysten, Nekrosen und Abszedierungen (KM-Aussparung) von frischen Einblutungen (KM-Anreicherung) differenzieren; gleichzeitig lassen sich die Durchgängigkeit der Milzvene und Pfortader beurteilen ( 1 B-11.16). Die seltene Arrosionsblutung, die sich z.B. als obere gastrointestinale Blutung (endoskopisch gesicherte Blutungsquelle aus der Papille) manifestieren kann, erfordert eine sofortige Angiographie (Mesenterikographie). Hierbei kann zum einen zwischen einer arteriellen und venösen Blutung (Milzvene/Pfortader) differenziert werden und zum anderen eine arterielle Blutungsquelle mittels Embolisation therapiert werden.
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11.5.1 Akute Pankreatitis
1 B-11.6
555
Computertomographie bei akuter Pankreatitis In der CT zeigt sich eine deutliche Vergrößerung und Auftreibung des Organs.
Therapie. Eine spezifische Therapie, welche den autodigestiven Prozess der
akuten Pankreatitis zum Stillstand bringt, ist bisher nicht möglich. Das Ziel der konservativen Therapie ist es, die Synthese und Sekretion der Pankreasenzyme zu reduzieren. Ferner soll die Flüssigkeits- und Elektrolythomöostase wiederhergestellt werden, der Ausfall von Organfunktionen (z.B. Glukosehomöostase) ersetzt werden und der Entwicklung von Komplikationen vorgebeugt werden ( 2 B-11.3).
2 B-11.3
Therapie. Eine spezifische Therapie zur Unterbindung des autodigestiven Prozesses ist nicht möglich. Mittels konservativer Therapie soll die Synthese und Sekretion der Enzyme reduziert, die Flüssigkeits- und Elektrolythomöostase wiederhergestellt und ausgefallene Organfunktionen ersetzt werden ( 2 B-11.3).
Therapie der akuten Pankreatitis
Allgemeine Therapieprinzipien: N Nahrungskarenz, parenterale Ernährung, Magensonde zur Ableitung n des Magensekrets N Ulkusprophylaxe n N Volumen- und Elektrolytsubstitution n N Glukosehomöostase n N Schmerzbekämpfung (cave: Opiate – Spasmus des Sphincter Oddi) n N Intensivüberwachung n Spezifische therapeutische Maßnahmen: N Beseitigung ätiologischer Faktoren (z.B. endoskopische Papillotomie) n N Verminderung des Sekretionsdrucks und Hemmung der Pankreassekretion n (Somatostatin) N Einsatz von Enzyminhibitoren (Proteaseinhibitoren) n N ggf. chirurgische Intervention n
Chirurgische Therapie: Die Indikation zur chirurgischen Intervention ist jeweils aus dem Verlauf der Erkrankung zu stellen. Bei der totalen Pankreasnekrose (hämorrhagisch-nekrotisierende Form) ist sie die Ultima ratio. In der Regel ist eine chirurgische Therapie bei Verschlechterung des Krankheitsverlaufs trotz intensivmedizinischer Maßnahmen oder bei Auftreten von Komplikationen (Abszesse, Niereninsuffizienz, ARDS) angezeigt. Das Therapieprinzip besteht in der Ausräumung nekrotisierten Gewebes, Ableitung von Flüssigkeitsansammlungen nach außen und Reinigung/Spülung von Abszessen bzw. infiziertem Gewebe. Abhängig von der Ausdehnung der Nekrosen, Größe der Abszedierungen und begleitenden Peritonitis kommen sog. offene bzw. geschlossene Verfahren zur Anwendung. Bei dem offenen Verfahren (beatmeter und relaxierter Patient) wird das Abdomen nach der ersten Operation lediglich mit sterilem Material (z.B. Folien) abgedeckt, um einen möglichst raschen Zugang für die erneute Intervention zu gewährleisten. In der Folge werden dann wiederholte Spülungen
π
π Chirurgische Therapie: Eine chirurgische Therapie ist bei kompliziertem Verlauf der hämorrhagisch-nekrotisierenden Form indiziert.
Therapieprinzip: Ausräumung von Nekrosen, Ableitung und Spülung von Abszessen. Abhängig von Ausdehnung der Nekrosen und Abszesse werden offene bzw. geschlossene Verfahren angewendet. Bei dem offenen Verfahren wird das Abdomen nicht verschlossen, sondern lediglich mit sterilem Material abgedeckt. Die tägliche Revision erfolgt,
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11 Pankreas
bis saubere Wundverhältnisse vorliegen und ein Verschluss der Bauchdecke möglich ist. Bei dem geschlossenen Verfahren werden nach einmaliger Nekrosenausräumung Spül- und Ableitungsdränagen eingebracht, worüber die lokale Spülbehandlung fortgeführt werden kann ( 1 B-11.7).
(= Etappenlavage) der Bauchhöhle und Nekrosenausräumungen vorgenommen, bis saubere Wundflächen resultieren und eine Adaptation und ein Verschluss der Bauchdecke möglich ist. Bei dem geschlossenen Verfahren wird nach einmaliger Nekroseausräumung und Spülbehandlung das Abdomen nach Einbringen von Spül- sowie Ableitungsdränagen verschlossen und eine lokale Spülbehandlung zur Entfernung der Restnekrosen über die liegenden Dränagen fortgeführt. Dieses ist nur möglich, wenn die Nekroseareale lokal (z.B. nur linker Oberbauch oder nur Bursa omentalis) begrenzt sind ( 1 B-11.7).
1 B-11.7
Geschlossene Peritoneallavage * = Zulauf + = Ablauf
+ +
*
*
+
*
Als temporärer Verschluss kann ein Reißverschluss in die Bauchdecke eingenäht werden, der nach Abschluss der Spülbehandlung entfernt wird ( 1 B-11.8).
1 B-11.8
Als Variante des offenen Verfahrens kann bei diffuser Beteiligung des Peritoneums ein temporärer Bauchdeckenverschluss (Einnähen eines Reißverschlusses in die Bauchdecke) vorgenommen werden. Er ermöglicht – wie bei der offenen Behandlung – eine rasche tägliche oder 2-tägliche Revision (= Etappenlavage), bis saubere Wundverhältnisse einen definitiven Verschluss erlauben ( 1 B-11.8).
Intraoperativer Befund bei akuter Pankreatitis
a Beginn der Etappenlavage mit ausgedehnten Nekrosen.
Prognose. Sie ist abhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Die Letalität bei der ödematösen Pankreatitis liegt bei 3 %, bei der partiellen Pankreasnekrose bei ca. 15 %, bei der subtotalen bis totalen Pankreasnekrose bei bis zu 50 %.
b Saubere Wundverhältnisse am Therapieende.
Prognose. Die Letalität bei akuter Pankreatitis ist abhängig von dem Schweregrad der Erkrankung. Bei der ödematösen Pankreatitis (Veränderungen auf das Pankreas beschränkt, Kapsel erhalten, Restitutio ad integrum wahrscheinlich) liegt sie bei 3 %. Liegt eine partielle Pankreasnekrose (Fettgewebsnekrosen außerhalb der Drüse im Abdomen, Multiorganversagen selten) vor, so liegt die Letalität bei ca. 15 %. Bei subtotaler bis totaler Pankreasnekrose (Ausbreitung der Nekrosen in benachbarte Organe, Multiorganversagen) muss mit einer Letalität von bis zu 50 % gerechnet werden.
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11.5.2 Chronische Pankreatitis 11.5.2
Chronische Pankreatitis
11.5.2 Chronische Pankreatitis
n Definition. Die chronische Pankreatitis ist ein überwiegend chronisch entzündlicher Prozess, dem nach Destruktion und Fibrosierung eine zunehmende Einschränkung der exokrinen Pankreasfunktion und im Spätstadium auch ein Verlust der endokrinen Drüsenfunktion folgt.
Definition
Ätiologie. Die Pathogenese der chronischen Pankreatitis ist nach wie vor
Ätiologie. Die Pathogenese der chronischen Pankreatitis ist nach wie vor unbekannt. Hauptauslöser der Erkrankung sind: π Alkoholabusus (ca. 70 %) π idiopathische Form (ca. 25 %) π seltene Ursachen (z.B. Heredität, Medikamente) (ca. 5 %).
Symptome. Leitsymptom der chronischen Pankreatitis ist der Schmerz
Symptome. Leitsymptom bei der chronischen Pankreatitis ist der Schmerz.
unbekannt. Hauptauslöser der chronisch fibrosierenden Erkrankung ist in Europa und in den USA der Alkoholabusus (ca. 70 %). In ca. 25 % der Fälle geht man von einer idiopathischen Genese aus (juvenile und senile Form) und in ca. 5 % der Fälle liegen seltene Ursachen (z.B. Heredität, Hyperparathyreoidismus, Obstruktion, Analgetikaabusus, Trauma, Pancreas divisum etc.) vor.
(90 %). Er wird als dumpf bohrend bis scharf, eher als Dauerschmerz denn kolikförmig, meist im Epigastrium, aber auch rechts wie links subkostal, oft mit Ausstrahlung in den Rücken (65 %) oder in die linke Schulter (5 %) angegeben. Die Schmerzattacken können anfallsweise, in Abhängigkeit von Nahrungsaufnahme, aber auch nahrungsunabhängig auftreten sowie Stunden, Tage und mehrere Wochen andauern. Neben den Schmerzen werden häufig uncharakteristische Beschwerden wie Meteorismus, Nahrungsmittelunverträglichkeit, Übelkeit, Erbrechen, Völlegefühl oder Diarrhöen angegeben. Viele Patienten verspüren Schmerzerleichterung in vorgebeugt sitzender Position oder durch Wärmeapplikation ( 1 B-11.9). Ca. 10–20 % benötigen starke Schmerzmittel; gelegentlich muss nach Jahren mit einer Schmerzmittelabhängigkeit gerechnet werden.
1 B-11.9
Neben anfallsweisen Schmerzattacken können mehrwöchige Dauerschmerzzustände bestehen. Wärmeapplikation verschafft Schmerzerleichterung ( 1 B-11.9). Ca. 10–20 % der Patienten benötigen starke Schmerzmittel.
Erythema ab igne bei chronischer Pankreatitis Hyperpigmentation der Haut (Erythema ab igne) nach häufiger Wärmeapplikation bei chronischer Pankreatitis.
Gewichtsabnahme, Steatorrhö, Diabetes mellitus, Ödeme, Aszites und Fehlen von Schmerzschüben sind typisch für das Endstadium der chronischen Pankreatitis.
Gewichtsabnahme, Steatorrhö, Diabetes mellitus, Ödeme, Aszites und fehlende Schmerzen sind typisch für das Endstadium.
Diagnose. Bei der körperlichen Untersuchung lassen sich häufig keine spe-
Diagnose.
zifischen Befunde erheben.
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11 Pankreas Labordiagnostik: Die Laboruntersuchungen entsprechen denen bei akuter Pankreatitis. Serumamylase und -lipase können während der Schmerzepisoden im Normbereich liegen. Pathologische Blutzuckerspiegel weisen auf einen bestehenden Diabetes mellitus hin. Erhöhtes Bilirubin und Konzentrationsanstieg der cholestaseanzeigenden Enzyme finden sich bei Ausbildung einer papillennahen Pankreasgangstenose.
π Labordiagnostik: Serumamylaseund -lipasespiegel können im Normbereich liegen. Pathologische Blutzuckerspiegel weisen auf einen bestehenden Diabetes mellitus hin.
π
π Radiologische Diagnostik: Bei 30 % der Patienten finden sich in der Abdomenübersichtsaufnahme diffuse oder fokale Kalkablagerungen in der Pankreasregion ( 1 B-11.10).
π Radiologische Diagnostik: Die einfachste Untersuchung ist die Abdomenübersichtsaufnahme, wenn möglich, im Stehen. Bei ca. 30 % der Patienten finden sich diffuse oder fokale Kalkablagerungen innerhalb des Drüsenparenchyms oder des Gangsystems ( 1 B-11.10). Beim akuten Schub einer chronischen Pankreatitis ist eine Thoraxaufnahme (Pleuraergüsse, Atelektasen, etc.) erforderlich.
1 B-11.10
Verkalkungen bei chronischer Pankreatitis
a Die Computertomographie des Abdomens zeigt ausgedehnte Verkalkungen des Organs (Á).
b Die Abdomenübersicht zeigt multiple verkalkte Konkremente innerhalb des Gangsystems ( Á).
Ultraschall und Computertomographie: Diese bildgebenden Verfahren dienen vorwiegend der klinischen Verlaufskontrolle. Insbesondere der Ultraschall gestattet neben dem Nachweis von Gallensteinen und Pankreaskalk die Beurteilung über Entwicklung bzw. Rückbildung von Pseudozysten und Abszessen.
π Ultraschall und Computertomographie: Diese bildgebenden Verfahren sind insbesondere für die klinische Verlaufskontrolle geeignet.
π
π Angiographie: Sie ist indiziert bei Verdacht auf Milzvenen- oder Pfortaderthrombose.
π Angiographie: Eine Arteriographie mit indirekter Splenoportographie ist bei Verdacht auf Milzarterienaneurysma oder Milzvenen- oder Pfortaderthrombose indiziert.
π ERCP: Durch die ERCP lassen sich pathologische Gangveränderungen (Stenosen, Dilatationen) nachweisen ( 1 B-11.11).
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π Cholangio-MRT: Das Cholangio-MRT kann heute diagnostisch oft die ERCP und Angiographie ersetzen.
π
Prognose. Die Prognose ist im Wesentlichen abhängig vom Schweregrad der chronischen Pankreatitis. Die Letalität liegt zwischen ca. 20–30 % innerhalb von 10 Jahren.
Prognose. Die Prognose der chronischen Pankreatitis hängt im Wesentlichen vom Schweregrad, der Häufigkeit der Schmerzepisoden und der nachfolgend genannten Komplikationen ab. Die Letalität liegt zwischen ca. 20–30 % innerhalb von 10 Jahren.
Endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP): Bei einer Vielzahl der Patienten lassen sich Veränderungen des Gangsystems (Stenosierungen, Dilatationen) im Bereich des gesamten Drüsenkörpers oder einzelner Abschnitte nachweisen ( 1 B-11.11). Bei bestehendem Cholestasesyndrom kann gleichzeitig bei Veränderungen im Papillenbereich eine Papillotomie durchgeführt werden (s. Kap. B-13.7.1).
Cholangio-MRT: Bei entsprechender Qualität kann heute das CholangioMRT die mit der Angiographie und ERCP sonst nur zu klärenden diagnostischen Fragen in einem Untersuchungsgang (nicht invasiv, nicht strahlenbelastend!) abklären.
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11.5.2 Chronische Pankreatitis
1 B-11.11
ERCP bzw. nasobiliäre Sonde bei chronischer Pankreatitis
a Deutliche Destruktion des Gangsystems im Kopfbereich.
Komplikationen
b Massive Dilatation des Gangsystems distal der Stenose im Kopfbereich.
Pankreaspseudozysten: Pankreaspseudozysten sind abgekapselte Flüssigkeitsansammlungen mit hohem Pankreasenzymgehalt, die häufig mit dem Pankreasgangsystem in Verbindung stehen und im Gegensatz zu echten Zysten keine Epithelauskleidung besitzen. Pankreaspseudozysten können solitär oder multipel auftreten und eine geringe bis extreme Größenausdehnung aufweisen ( 1 B-11.12).
π
1 B-11.12
Komplikationen Pankreaspseudozysten: Pankreaspseudozysten sind abgekapselte Flüssigkeitsansammlungen, die häufig mit dem Pankreasgangsystem in Verbindung stehen. Pankreaspseudozysten können solitär oder multipel auftreten ( 1 B-11.12). π
Pankreaspseudozysten
a Multiple Pankreaspseudozysten im gesamten Pankreas.
b Destruktion des Pankreas durch zwei große Pseudozysten.
c Große solitäre Pankreaspseudozyste.
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560 Sie entwickeln sich nach einem akuten Schub infolge von Parenchymnekrosen. Je nach Ausdehnung und Lokalisation bestehen diffuse Oberbauchbeschwerden. Gelegentlich bestehen sogenannte Kompressionssyndrome des Magenausgangs oder der Gallenwege ( 1 B-11.13). Eine spontane Zystenrückbildung ist möglich, jedoch mit einer abnehmenden Wahrscheinlichkeit ab einer Größe > 6 cm. Komplikationen von Pankreaspseudozysten sind: π Infektion π Ruptur π Peritonitis π Penetration π Gefäßarrosion.
11 Pankreas Sie entwickeln sich gelegentlich nach einem akuten Schub einer Pankreatitis infolge der Einschmelzung des Drüsenparenchyms. Durch entzündliche Umgebungsreaktion bilden sich mehr oder weniger dicke Pseudozystenwände aus. Entsprechend ihrer Ausdehnung und Lokalisation werden diffuse Oberbauchdruckbeschwerden angegeben; gelegentlich bestehen sog. Kompressionssyndrome des Magenausgangs oder der Gallenwege ( 1 B-11.13). Bei untergewichtigen Patienten lässt sich häufig eine prallelastische Resistenz tasten. Eine spontane Rückbildung der Zysten ist möglich. Die Wahrscheinlichkeit nimmt jedoch mit einer Größe > 6 cm im Durchmesser und der Persistenz > 6 Wochen deutlich ab. Als Komplikation der Pankreaspseudozysten kann deren Infektion mit Abszessentwicklung und Fieber bis zur Ausbildung einer Sepsis auftreten. Ruptur der Zysten in die freie Bauchhöhle führt zur Peritonitis. Die seltene Penetration der Zysten in den Gastrointestinaltrakt oder eine Arrosion größerer Gefäße (z.B. A. splenica, A. gastroduodenalis, A. mesenterica superior) führt meist zu massiver Blutung und bei Blutung in die freie Bauchhöhle zu rascher hämorrhagischer Schocksymptomatik.
1 B-11.13
ERCP bei großer Pankreaskopfzyste
a Filiforme Stenose des distalen Ductus choledochus ( Á).
b Deutliche Dilatation des intrahepatischen Gallengangssystems ( Á).
Peptische Ulzera: Peptische Ulzera werden bei ca. 6–20 % aller Patienten mit chronischer Pankreatitis gefunden. Eine mögliche Ursache könnte in dem reduzierten Bikarbonatgehalt des Pankreassekrets zu suchen sein.
π Peptische Ulzera: Ca. 6–20 % aller Patienten mit chronischer Pankreatitis haben gleichzeitig peptische Ulzera.
π
π Aszites/Pleuraerguss: Beide finden sich bevorzugt bei der akuten Pankreatitis, kommen jedoch in bis zu 5 % auch bei chronischer Pankreatitis vor.
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π Milzvenen-/Pfortaderthrombose: In seltenen Fällen führt die chronische Pankreatitis zur Ausbildung einer Milzvenen-/Pfortaderthrombose. In der Folge können ein Hypersplenismus sowie gastrointestinale Blutungen (Fundusvarizen) auftreten.
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Aszites/Pleuraerguss: Beide Komplikationen finden sich häufig bei der akuten Pankreatitis; sie entwickeln sich jedoch in bis zu ca. 5 % auch bei chronischer Pankreatitis. Der Aszites kann Folge eines persistierenden Lecks aus einer Pankreaspseudozyste oder eines eröffneten Pankreasgangs sein. Hier besteht die Gefahr einer Fehldeutung als zirrhosebedingt, da der pankreatogene Aszites insbesondere bei alkoholinduzierter chronischer Pankreatitis zu beobachten ist.
Milzvenen-/Pfortaderthrombose: In seltenen Fällen können sich aufgrund der Entzündungsreaktion, der fibrotischen Umwandlung der Bauchspeicheldrüse oder bei Kompression der V. splenica oder V. portae durch Pseudozysten Thrombosen dieser Gefäße entwickeln. Eine derartige Thrombose bedingt eine venöse Stauung der Milz und Ausbildung eines Kollateralkreislaufs über die V. gastricae breves (Ausbildung von Fundusvarizen). Als nachfolgende Komplikationen können sich sowohl ein Hypersplenismus als auch eine obere gastrointestinale Blutung (Fundusvarizen) entwickeln.
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11.5.2 Chronische Pankreatitis π Stenosen: Bei 5–20 % aller Patienten mit chronischer Pankreatitis entwickelt sich eine Stenose des intrapankreatisch verlaufenden Gallengangsabschnitts, welche sich bei zunehmender Obstruktion durch das Auftreten eines Ikterus manifestiert. Der Nachweis der Gallenwegsstenose erfolgt mittels ERCP oder MRT. Eine weitere Komplikation stellt die Magenausgangsstenose bei Kompression des Duodenums dar, die sich als Magenentleerungsstörung manifestiert.
Therapie. Die Therapie der unkomplizierten, chronischen Pankreatitis besteht in der Schmerzbekämpfung, Substitution von Verdauungsenzymen, Ernährungseinstellung, Alkoholkarenz und ggf. Behandlung des Diabetes mellitus. Eine Indikation zur chirurgischen Intervention kann gegeben sein bei Karzinomverdacht, bei chronischen Schmerzzuständen durch Pankreasgangstenosen mit Dilatation vorgeschaltener Gangabschnitte, Pankreaspseudozysten, pankreatogenen Aszites, Gallenwegsstenose, Magenausgangsstenose oder Milzvenenthrombose.
1 B-11.14
Stenosen: Bei 5–20 % der Patienten entwickelt sich eine distale Gallenwegsstenose (ggf. Ikterus), die mittels ERCP oder MRT nachweisbar ist.
π
Therapie. Die Therapie der chronischen Pankreatitis besteht in konservativen Maßnahmen. Eine Indikation zur chirurgischen Intervention besteht nur bei folgenden Komplikationen/Folgezuständen: π Karzinomverdacht π chronische Schmerzen π Stenosen π Pseudozysten π Milzvenenthrombose.
Synopsis Pankreatikojejunostomie
a Langstreckige Eröffnung des Pankreasganges und des Jejunums.
b Fertige Anastomosierung in Y-Roux-Technik.
c Intraoperative Situation (vgl. a).
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562 Chronische Schmerzzustände: Eine Operation kann bei gestautem Pankreasgangsystem zur Entlastung/ Dränage indiziert sein.
π
Bei kurzstreckiger Stenose im Pankreaskopfbereich kann durch endoskopische Kathetereinlage ein gestauter Pankreasgang entlastet werden. Bei langstreckiger Stenose und Dilatation des Ganges im Korpus-Schwanzbereich wird eine Pankreatikojejunostomie (Dränageoperation nach Puestow) durchgeführt ( 1 B-11.14). Ggf. kann die Resektion des Pankreasschwanzes und Anlage einer Pankreatikojejunostomie indiziert sein ( 1 B-11.15). Die Resektion des Pankreasschwanzes erfordert oft die gleichzeitige Milzentfernung. Ist der Entzündungsprozess hauptsächlich im Pankreaskopf lokalisiert, so kann eine Resektion entweder als duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion ( 1 B-11.16), als partielle Duodenopankreatektomie (= Whipple-Operation) ( 1 B-11.17) oder als pyloruserhaltende partielle Duodenopankreatektomie angezeigt sein.
11 Pankreas Chronische Schmerzzustände: Bei chronischen Schmerzen kann eine Indikation zur Operation dann bestehen, wenn sich durch den Eingriff eine Entlastung gestauter Pankreasgangabschnitte erzielen lässt. Unabdingbare Voraussetzung für die Operationsplanung ist eine ERCP zur Beurteilung des Pankreasgangsystems. Bei einer kurzstreckigen Stenose im Pankreaskopfbereich ist vielfach eine Entlastung der peripher gestauten Gangabschnitte durch endoskopische Einlage eines Katheters in den Pankreasgang zu erreichen. Bei längerstreckiger Stenose im Pankreaskopfbereich und deutlicher Dilatation des Gangsystems im Pankreaskorpus-/-schwanzbereich kommt eine Dränageoperation nach Puestow (longitudinale Pankreatikojejunostomie) in Betracht. Hierbei wird der Pankreasgang im dilatierten Bereich der Länge nach eröffnet und eine Jejunalschlinge (Roux-Y-Technik) mit dem Gangsystem anastomosiert, sodass ein guter Abfluss in den Dünndarm gewährleistet ist ( 1 B-11.14). Findet sich eine Destruktion des Gangsystems im Pankreasschwanzbereich, ist eine Dränage des mittleren Bauchspeicheldrüsenabschnittes auch durch Pankreasschwanzresektion und Anastomosierung der Schnittfläche mit einer Jejunalschlinge (Roux-Y-Technik, Pankreatikojejunostomie) möglich ( 1 B-11.15). Bei Anlage einer derartigen distalen Pankreatikojejunostomie muss meistens die Milz mitentfernt werden, da es während der Freilegung der in der derb veränderten Drüse verlaufenden Milzgefäße häufig zu deren Verletzung kommt. Ist der chronisch entzündliche Prozess hauptsächlich im Pankreaskopf lokalisiert, kann eine Resektion entsprechend der lokalen Situation entweder als duodenumerhaltende Resektion des Pankreaskopfes oder als partielle Duodenopankreatektomie (= Whipple-Operation) notwendig sein. Bei der duodenumerhaltenden Resektion ( 1 B-11.16) wird der Kopfbereich bis auf einen schmalen Rest im Bereich des duodenalen C unter Erhaltung der Gefäßversorgung des Duodenums entfernt. Der Schwanz und ein Teil des Korpus bleiben erhalten und werden über eine Y-Roux-Schlinge dräniert. Bei der partiellen Duodenopankreatektomie ( 1 B-11.17) wird das duodenale C einschließlich der distalen Gallenwege mitentfernt. Die dabei ebenπ
1 B-11.15
Synopsis Distale Pankreatikojejunostomie nach Pankreasschwanzresektion
Nach Resektion des Pankreasschwanzes erfolgt die Anastomosierung mit dem Jejunum in Roux-Y-Technik.
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11.5.2 Chronische Pankreatitis
1 B-11.16
Synopsis Duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion
Der Pankreaskopf ist unter Erhalt der duodenalen Durchblutung entfernt. Die Schnittfläche zum Duodenum hin wird übernäht, der Korpus-/Schwanzbereich über eine Roux-Y-Schlinge dräniert.
A. hepatica communis A. gastrica sinistra A. splenica
V. splenica V. mesenterica inferior
V. mesenterica superior
1 B-11.17
Synopsis Partielle Duodenopankreatektomie
1
2
3
1
2
3
4
4 a Die Entfernung des Pankreaskopfes erfolgt bei der partiellen Duodenopankreatektomie unter der Mitnahme der distalen Gallengänge und Gallenblase (1) sowie des distalen Magenanteils (2). Das Resektat wird am Pankreaskorpus (3) und distal des Treitz-Bandes am proximalen Jejunum abgesetzt (4).
b Die Rekonstruktion erfolgt mittels zweier Jejunalschlingen. Die 1. Schlinge dräniert das Pankreas (3) und die Gallenwege (1), die 2. Schlinge den Magen (2). Mittels einer End-zu-Seit–Jejunojenunostomie (4) werden die beiden Schlingen miteinander verbunden.
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11 Pankreas falls durchgeführte distale Magenresektion dient der Säurereduktion vor Anastomosierung des Magens mit dem Dünndarm (Vermeidung peptischer Ulzera). Als technische Variante kann alternativ eine pyloruserhaltende partielle Duodenopankreatektomie durchgeführt werden, bei der keine Verkleinerung des Magens erfolgt (Säurereduktion), sondern die Einleitung des sauren Speisebreis erst hinter der Anastomose des Pankreas und der Gallenwege erfolgt.
Merke
π Pankreaspseudozysten: Pankreaspseudozysten sollten frühestens 6–8 Wochen nach ihrer Entstehung dräniert werden. Eine Pseudozystendränage kann endoskopisch oder operativ durchgeführt werden (Roux-Y-Technik, 1 B-11.18).
n Merke. Eine Resektion von > 50 % des Parenchyms zwingt zur Aufklärung des Patienten über einen postoperativ auftretenden Diabetes mellitus und eine exokrine Pankreasinsuffizienz. π Pankreaspseudozysten: Eine Dränage von Pankreaspseudozysten sollte frühestens 6–8 Wochen nach deren Entstehung erfolgen. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht spontane Rückbildungstendenz. Außerdem ist die Zystenwand neu entstandener Pseudozysten meist noch nicht dick genug, um als Nahtlager zu dienen. Mögliche Dränageverfahren sind z.B. die endoskopische, transgastrale Eröffnung der Zyste und deren Ableitung in den Magen oder die operative Anlage einer Zystojejunostomie (Roux-Y-Technik, 1 B-11.18).
1 B-11.18
Synopsis
Pankreaspseudozystendränage
Bei Anlage einer Pankreaspseudozysto-Jejunostomie wird die Zyste am tiefsten Punkt eröffnet und die Zystenränder an die in gleicher Inzisionslänge eröffnete Dünndarmschlinge genäht.
40 cm
Die Verfahrenswahl ist von Größe und Lokalisation, Erfahrung und endoskopisch-technischen Möglichkeiten abhängig.
Die Wahl zwischen den vorgenannten Verfahren hängt neben Erfahrungen und endoskopisch-technischen Möglichkeiten auch von Lage und Größe der Zyste(n) ab, da insbesondere bei großen Zysten die Ableitung des Sekrets am tiefsten Punkt erfolgen sollte, um eine gute Entleerung zu gewährleisten.
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11.6 Pankreasverletzungen Pankreatogener Aszites: Zwingend ist die absolute Nahrungskarenz (parenterale Ernährung). Kommt es hierunter nicht zur Reduktion des Aszites, wird eine ERCP durchgeführt, um die Leckage aus dem Gangsystem zu lokalisieren. Chirurgisch kann die Entfernung des betroffenen Pankreasabschnittes (z.B. Pankreasschwanzresektion) und/oder die Ableitung in eine Roux-YSchlinge in Betracht kommen.
π
Gallenwegsstenose/Magenausgangsstenose: Eine isolierte Gallenwegsstenose wird meist primär endoskopisch therapiert (s. Kap. B-13.7.4), bei Versagen kann die Anlage einer Choledochojejunostomie in Erwägung gezogen (s. Kap. B-8.12.4) werden. Bei gleichzeitigem Vorliegen einer Magenausgangsstenose erfolgt die operative Intervention mit Anlage sowohl einer Gastroenterostomie (Wiederherstellung der Magenentleerung) als auch Choledochojejunostomie. In den meisten Fällen mit kombinierter Gallenwegs- und Magenausgangsstenose ist die Indikationsstellung zur Pankreaskopfresektion zu überprüfen, da hierdurch nicht nur die Stenosen, sondern auch der auslösende entzündliche Prozess entfernt würde. Weiterhin kann oft das zur Differenzialdiagnose anstehende Pankreaskopfkarzinom ohne Resektion nicht ausgeschlossen werden.
π
Milzvenenthrombose: Eine isolierte Milzvenenthrombose kann bei Hypersplenismus und/oder rezidivierenden Fundusvarizenblutungen eine Indikation zur Splenektomie darstellen (Ausschluss anderer Ursachen der portalen Hypertension!).
π
Pankreatogener Aszites: Absolute Nahrungskarenz ist zwingend. Bei fehlender Aszitesrückbildung wird durch ERCP die entsprechende Leckage lokalisiert. Operativ kommt eine Pankreasteilresektion oder Anlage einer Ableitung in Betracht.
π
Gallenwegsstenose/Magenausgangsstenose: Eine Gallenwegsstenose wird endoskopisch oder operativ durch Anlage einer Choledochojejunostomie therapiert. Bei gleichzeitiger Magenausgangsstenose wird zusätzlich eine Gastroenterostomie angelegt.
π
Bei Patienten mit kombinierter Gallenwegs- und Magenausgangsstenose ist die Indikation zur Pankreaskopfresektion zu prüfen.
π Milzvenenthrombose: Hypersplenismus oder rezidivierende Fundusvarizenblutungen stellen eine Indikation zur Splenektomie dar.
Klinischer Fall Eine 45-jährige Patientin mit chronischem Alkoholabusus berichtet über immer wiederkehrende in der Intensität und Dauer unterschiedliche Oberbauchbeschwerden, die z.T. in den Rücken ausstrahlen. Während der Schmerzzustände besteht Appetitlosigkeit. Die Patientin gibt eine regelmäßige Schmerzmitteleinnahme an. Die Untersuchung zeigt eine vorgealterte Patientin in deutlich reduziertem Allgemeinzustand mit leichtem Sklerenikterus. In der Oberbauchsonographie findet sich eine deutliche Vergrößerung des Pankreaskopfes. Die Cholestaseparameter sind leicht erhöht ebenso wie die Amylasewerte. Die ERCP zeigt eine subtotale Stenose des terminalen
11.6
Ductus choledochus sowie eine Rarefizierung der Gänge im Pankreaskopfbereich. Endoskopisch wird in gleicher Sitzung ein Pigtailkatheter in den Ductus choledochus eingebracht. Unter Alkoholkarenz kommt es zu einer Rückbildung des akuten Schubes der chronischen Pankreatitis. 2 Monate später wird der Pigtailkatheter entfernt. Die Patientin ist unter der Zusammenarbeit mit den Anonymen Alkoholikern abstinent. 1 Jahr später stellt sie sich erneut mit den Zeichen einer Magenausgangsstenose vor. Nach Abschluss der Diagnostik wird eine partielle Duodenopankreatektomie durchgeführt. Die Patientin ist danach beschwerdefrei.
Pankreasverletzungen
Von Verletzungen der Bauchspeicheldrüse ist zunächst bei allen schweren stumpfen oder scharfen Oberbauchtraumen auszugehen, obwohl sie nur bei ca. 1–3 % gefunden werden. Die Mortalität ist aufgrund der häufig erheblichen Begleitverletzungen und oft verzögerten Diagnosestellung hoch (ca. 90 %). Im Kindesalter dagegen stellt das abdominelle Trauma die häufigste Ursache der akuten Pankreatitis dar; das Pankreas ist im Kindesalter sehr vulnerabel. Nach Ausmaß der Verletzung werden 4 Schweregrade unterschieden: 1. Oberflächliche Kontusion mit geringer Parenchymverletzung ohne Eröffnung des Gangsystems. 2. Tiefer Pankreaseinriss mit Verletzung des Ductus pancreaticus im Körper-/Schwanzbereich. 3. Tiefer Parenchymeinriss mit Verletzung des Ductus pancreaticus im Kopfbereich. 4. Verletzung wie 3. mit zusätzlicher Ruptur des Duodenums und/oder des Ductus choledochus.
11.6
Pankreasverletzungen
Pankreasverletzungen entstehen meist nach schweren Oberbauchtraumen als Kombinationsverletzungen mit hoher Mortalität. Im Kindesalter ist ein abdominelles Trauma die häufigste Ursache der akuten Pankreatitis. Die Verletzung des Pankreas wird je nach Ausmaß in 4 Schweregrade eingeteilt.
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11.6 Pankreasverletzungen Pankreatogener Aszites: Zwingend ist die absolute Nahrungskarenz (parenterale Ernährung). Kommt es hierunter nicht zur Reduktion des Aszites, wird eine ERCP durchgeführt, um die Leckage aus dem Gangsystem zu lokalisieren. Chirurgisch kann die Entfernung des betroffenen Pankreasabschnittes (z.B. Pankreasschwanzresektion) und/oder die Ableitung in eine Roux-YSchlinge in Betracht kommen.
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Gallenwegsstenose/Magenausgangsstenose: Eine isolierte Gallenwegsstenose wird meist primär endoskopisch therapiert (s. Kap. B-13.7.4), bei Versagen kann die Anlage einer Choledochojejunostomie in Erwägung gezogen (s. Kap. B-8.12.4) werden. Bei gleichzeitigem Vorliegen einer Magenausgangsstenose erfolgt die operative Intervention mit Anlage sowohl einer Gastroenterostomie (Wiederherstellung der Magenentleerung) als auch Choledochojejunostomie. In den meisten Fällen mit kombinierter Gallenwegs- und Magenausgangsstenose ist die Indikationsstellung zur Pankreaskopfresektion zu überprüfen, da hierdurch nicht nur die Stenosen, sondern auch der auslösende entzündliche Prozess entfernt würde. Weiterhin kann oft das zur Differenzialdiagnose anstehende Pankreaskopfkarzinom ohne Resektion nicht ausgeschlossen werden.
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Milzvenenthrombose: Eine isolierte Milzvenenthrombose kann bei Hypersplenismus und/oder rezidivierenden Fundusvarizenblutungen eine Indikation zur Splenektomie darstellen (Ausschluss anderer Ursachen der portalen Hypertension!).
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Pankreatogener Aszites: Absolute Nahrungskarenz ist zwingend. Bei fehlender Aszitesrückbildung wird durch ERCP die entsprechende Leckage lokalisiert. Operativ kommt eine Pankreasteilresektion oder Anlage einer Ableitung in Betracht.
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Gallenwegsstenose/Magenausgangsstenose: Eine Gallenwegsstenose wird endoskopisch oder operativ durch Anlage einer Choledochojejunostomie therapiert. Bei gleichzeitiger Magenausgangsstenose wird zusätzlich eine Gastroenterostomie angelegt.
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Bei Patienten mit kombinierter Gallenwegs- und Magenausgangsstenose ist die Indikation zur Pankreaskopfresektion zu prüfen.
π Milzvenenthrombose: Hypersplenismus oder rezidivierende Fundusvarizenblutungen stellen eine Indikation zur Splenektomie dar.
Klinischer Fall Eine 45-jährige Patientin mit chronischem Alkoholabusus berichtet über immer wiederkehrende in der Intensität und Dauer unterschiedliche Oberbauchbeschwerden, die z.T. in den Rücken ausstrahlen. Während der Schmerzzustände besteht Appetitlosigkeit. Die Patientin gibt eine regelmäßige Schmerzmitteleinnahme an. Die Untersuchung zeigt eine vorgealterte Patientin in deutlich reduziertem Allgemeinzustand mit leichtem Sklerenikterus. In der Oberbauchsonographie findet sich eine deutliche Vergrößerung des Pankreaskopfes. Die Cholestaseparameter sind leicht erhöht ebenso wie die Amylasewerte. Die ERCP zeigt eine subtotale Stenose des terminalen
11.6
Ductus choledochus sowie eine Rarefizierung der Gänge im Pankreaskopfbereich. Endoskopisch wird in gleicher Sitzung ein Pigtailkatheter in den Ductus choledochus eingebracht. Unter Alkoholkarenz kommt es zu einer Rückbildung des akuten Schubes der chronischen Pankreatitis. 2 Monate später wird der Pigtailkatheter entfernt. Die Patientin ist unter der Zusammenarbeit mit den Anonymen Alkoholikern abstinent. 1 Jahr später stellt sie sich erneut mit den Zeichen einer Magenausgangsstenose vor. Nach Abschluss der Diagnostik wird eine partielle Duodenopankreatektomie durchgeführt. Die Patientin ist danach beschwerdefrei.
Pankreasverletzungen
Von Verletzungen der Bauchspeicheldrüse ist zunächst bei allen schweren stumpfen oder scharfen Oberbauchtraumen auszugehen, obwohl sie nur bei ca. 1–3 % gefunden werden. Die Mortalität ist aufgrund der häufig erheblichen Begleitverletzungen und oft verzögerten Diagnosestellung hoch (ca. 90 %). Im Kindesalter dagegen stellt das abdominelle Trauma die häufigste Ursache der akuten Pankreatitis dar; das Pankreas ist im Kindesalter sehr vulnerabel. Nach Ausmaß der Verletzung werden 4 Schweregrade unterschieden: 1. Oberflächliche Kontusion mit geringer Parenchymverletzung ohne Eröffnung des Gangsystems. 2. Tiefer Pankreaseinriss mit Verletzung des Ductus pancreaticus im Körper-/Schwanzbereich. 3. Tiefer Parenchymeinriss mit Verletzung des Ductus pancreaticus im Kopfbereich. 4. Verletzung wie 3. mit zusätzlicher Ruptur des Duodenums und/oder des Ductus choledochus.
11.6
Pankreasverletzungen
Pankreasverletzungen entstehen meist nach schweren Oberbauchtraumen als Kombinationsverletzungen mit hoher Mortalität. Im Kindesalter ist ein abdominelles Trauma die häufigste Ursache der akuten Pankreatitis. Die Verletzung des Pankreas wird je nach Ausmaß in 4 Schweregrade eingeteilt.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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11 Pankreas
Die Diagnose einer Bauchspeicheldrüsenverletzung erfolgt enzymatisch, durch Ultraschall, CT oder ERCP im Rahmen der abdominellen Diagnostik des Verletzten oder erst während der explorativen Laparotomie. Das operative Vorgehen wird vom Ausmaß der Pankreasverletzung sowie den Begleitverletzungen bestimmt.
Die Diagnose einer Bauchspeicheldrüsenverletzung wird durch Ultraschall oder Computertomographie gestellt, die im Rahmen der abdominellen Diagnostik des Verletzten erfolgen. Die Bestimmung der Pankrasenzyme sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Mittels ERCP können gegebenenfalls Gangverletzungen nachgewiesen werden. Überwiegend wird die Beteiligung des Pankreas jedoch erst während der explorativen Laparotomie festgestellt. Aus Lokalisation und Schweregrad sowie dem Ausmaß der Begleitverletzungen bestimmt sich das operative Vorgehen, welches sich von alleiniger Dränage eines Kontusionsbereichs bis hin zu ausgedehnten Resektionen mit Rekonstruktionen (z.B. der Pfortader im Kopf-Korpus-Übergang) erstrecken kann. Ziel der Operation muss sein, eine nekrotisierende Pankreatitis bzw. die Ausbildung von Fisteln, Pseudozysten oder Abszessen zu verhindern.
11.7
11.7
Pankreastumoren
Pankreastumoren
Benigne wie maligne Tumoren können vom exokrinen wie endokrinen Pankreas ausgehen.
Benigne wie maligne Tumoren der Bauchspeicheldrüse können sowohl vom exokrinen wie endokrinen Anteil des Organs ausgehen.
11.7.1 Benigne Pankreastumoren
11.7.1
Die häufigsten benignen Tumoren sind Zystadenome und Adenome.
Die häufigsten benignen Tumoren des exokrinen Pankreas sind das Pankreaszystadenom und das Pankreasadenom, wobei beide sehr selten sind.
Benigne Pankreastumoren
n Merke. Bei der Mehrzahl der Pankreasadenome sollte die Diagnose »benigner Tumor« nur sehr zurückhaltend gestellt werden, da ein Lowgrade-Karzinom nicht mit Sicherheit auszuschließen ist, und sich die Dignität (benigne) erst aus dem klinischen Verlauf ergibt.
Merke
Symptome. Zystadenome manifestieren sich häufig erst auf Grund ihrer Größe. Diagnose. Die wichtigsten Untersuchungen sind: Sonographie, CT ( 1 B-11.19 a), ERCP, MRT und Angiographie. Therapie. Sie besteht in der radikalen Resektion des Tumors ( 1 B-11.19 b).
1 B-11.19
Symptome. Zystadenome, in denen häufig Zystadenokarzinome nachgewiesen werden, manifestieren sich hauptsächlich durch Schmerzen, Gewichtsverlust, Übelkeit und Erbrechen sowie einen bereits palpablen Oberbauchtumor. Diagnose. Diagnostisch werden die Tumoren durch Sonographie, Computertomographie ( 1 B-11.19 a), ERCP, MRT und ggf. Angiographie erfasst.
Therapie. Sie besteht in der radikalen Resektion des tumortragenden Pankreasabschnitts (partielle Duodenopankreatektomie, Pankreaskorpus-, -schwanzresektion, subtotale Pankreatektomie). Eine kurative Resektion ist bei allen zystischen Tumoren des Pankreas anzustreben ( 1 B-11.19 b). Die
Zystadenom des Pankreasschwanzes
a CT bei großem Pankreasschwanztumor (Á).
b Resektat en bloc mit Milz und Sicherheitsabstand am gesunden Pankreas, histologisch: Zystadenom.
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11 Pankreas
Die Diagnose einer Bauchspeicheldrüsenverletzung erfolgt enzymatisch, durch Ultraschall, CT oder ERCP im Rahmen der abdominellen Diagnostik des Verletzten oder erst während der explorativen Laparotomie. Das operative Vorgehen wird vom Ausmaß der Pankreasverletzung sowie den Begleitverletzungen bestimmt.
Die Diagnose einer Bauchspeicheldrüsenverletzung wird durch Ultraschall oder Computertomographie gestellt, die im Rahmen der abdominellen Diagnostik des Verletzten erfolgen. Die Bestimmung der Pankrasenzyme sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Mittels ERCP können gegebenenfalls Gangverletzungen nachgewiesen werden. Überwiegend wird die Beteiligung des Pankreas jedoch erst während der explorativen Laparotomie festgestellt. Aus Lokalisation und Schweregrad sowie dem Ausmaß der Begleitverletzungen bestimmt sich das operative Vorgehen, welches sich von alleiniger Dränage eines Kontusionsbereichs bis hin zu ausgedehnten Resektionen mit Rekonstruktionen (z.B. der Pfortader im Kopf-Korpus-Übergang) erstrecken kann. Ziel der Operation muss sein, eine nekrotisierende Pankreatitis bzw. die Ausbildung von Fisteln, Pseudozysten oder Abszessen zu verhindern.
11.7
11.7
Pankreastumoren
Pankreastumoren
Benigne wie maligne Tumoren können vom exokrinen wie endokrinen Pankreas ausgehen.
Benigne wie maligne Tumoren der Bauchspeicheldrüse können sowohl vom exokrinen wie endokrinen Anteil des Organs ausgehen.
11.7.1 Benigne Pankreastumoren
11.7.1
Die häufigsten benignen Tumoren sind Zystadenome und Adenome.
Die häufigsten benignen Tumoren des exokrinen Pankreas sind das Pankreaszystadenom und das Pankreasadenom, wobei beide sehr selten sind.
Benigne Pankreastumoren
n Merke. Bei der Mehrzahl der Pankreasadenome sollte die Diagnose »benigner Tumor« nur sehr zurückhaltend gestellt werden, da ein Lowgrade-Karzinom nicht mit Sicherheit auszuschließen ist, und sich die Dignität (benigne) erst aus dem klinischen Verlauf ergibt.
Merke
Symptome. Zystadenome manifestieren sich häufig erst auf Grund ihrer Größe. Diagnose. Die wichtigsten Untersuchungen sind: Sonographie, CT ( 1 B-11.19 a), ERCP, MRT und Angiographie. Therapie. Sie besteht in der radikalen Resektion des Tumors ( 1 B-11.19 b).
1 B-11.19
Symptome. Zystadenome, in denen häufig Zystadenokarzinome nachgewiesen werden, manifestieren sich hauptsächlich durch Schmerzen, Gewichtsverlust, Übelkeit und Erbrechen sowie einen bereits palpablen Oberbauchtumor. Diagnose. Diagnostisch werden die Tumoren durch Sonographie, Computertomographie ( 1 B-11.19 a), ERCP, MRT und ggf. Angiographie erfasst.
Therapie. Sie besteht in der radikalen Resektion des tumortragenden Pankreasabschnitts (partielle Duodenopankreatektomie, Pankreaskorpus-, -schwanzresektion, subtotale Pankreatektomie). Eine kurative Resektion ist bei allen zystischen Tumoren des Pankreas anzustreben ( 1 B-11.19 b). Die
Zystadenom des Pankreasschwanzes
a CT bei großem Pankreasschwanztumor (Á).
b Resektat en bloc mit Milz und Sicherheitsabstand am gesunden Pankreas, histologisch: Zystadenom.
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11.7.2 Hormonaktive Tumoren Überlebensrate nach radikaler Resektion auch großer Zystadenokarzinome ist deutlich höher als bei Pankreaskarzinomen. Beim histologisch gesicherten benignen Tumor ist die Prognose auf jeden Fall gut.
11.7.2
Hormonaktive Tumoren
11.7.2 Hormonaktive Tumoren
Die seltenen hormonaktiven Tumoren der Bauchspeicheldrüse haben ihren Ursprung in den unterschiedlichen Zellen der Langerhans-Inseln. Sie können in einer benignen wie malignen Form auftreten. Das Hauptsymptom ergibt sich jeweils aus der Überproduktion eines einzelnen Hormons. Die häufigsten hormonproduzierenden Tumoren sind das Insulinom und Gastrinom. Auch in anderen endokrinen Organen (Schilddrüse, Nebenschilddrüse, Nebenniere, Hypophyse, Ovar) können gleichzeitig Tumoren vorkommen. Eine endokrine Polyadenomatose wird auch als multiple endokrine Neoplasie (MEN) bezeichnet. Hierbei lässt sich ein MEN Typ I vom MEN Typ II abgrenzen. Beim Typ I ist der Hauptmanifestationsort die Nebenschilddrüse, beim Typ II die Schilddrüse (medulläres Schilddrüsenkarzinom) (vgl. Kap. B-16). Eine Übersicht über Häufigkeit, Leitsymptome sowie Lokalisation der hormonproduzierenden Tumoren der Bauchspeicheldrüse zeigt 2 B-11.4.
2 B-11.4
Die seltenen hormonaktiven Tumoren entspringen den verschiedenen Zelltypen der Langerhans-Inseln. (Häufigkeit, Symptome, Lokalisation s. 2 B-11.4). Überwiegend treten Insulinome und Gastrinome auf.
Übersicht über die Charakteristika hormonproduzierender Pankreastumoren
Syndrom
Inzidenz/1 Mio.
Leitsymptome
Malignitätsrate
Ursache
N Gastrinom, Zollingern Ellison-Syndrom
0,4–1
abdominelle Schmerzen, Durchfälle, rezidivierende Ulzera
60–90 %
Gastrin produzierender Tumor, in 40 % in extrapankreatischer Lokalisation, in 30 % multiple Tumoren
N Insulinom n
0,8–0,9
Hypoglykämien
ca. 10 %
Insulin produzierender Tumor, in 2 % extrapankreatische Lokalisation, in 10 % multiple Tumoren
N Vipom (vasoaktives n intestinales Polypeptid), VernerMorrison-Syndrom, pankreatische Cholera
0,05–0,2
wässrige Durchfälle, Hypokalämie, Hypo-/ Achlorhydrie, Dehydratation
40–60 %
vasoaktives intestinales Polypeptid produzierender Tumor, in bis zu 10 % extrapankreatische Lokalisation.
N Glukagonom n
0,01–0,1
Dermatitis, Gewichtsverlust, Diabetes/ Glukose-Intoleranz
50–80 %
Glukagon produzierender Tumor
N Somatostatinom n
selten
Durchfall, Gewichtsverlust, Diabetes mellitus
> 70 %
Somatostatin produzierender Tumor
N GRFom (growth n hormone releasing factor)
selten
Akromegalie
häufige Metastasierung
Growth-hormon-releasingFaktor produzierender Tumor mit in 30 % der Fälle primärer Lokalisation im Pankreas
N PP-om (pankreatisches n Polypeptid) und nicht hormonaktiver Inselzelltumor
selten
abdominelle Schmerzen, keine spezifische, hormonelle Symptomatik
65–90 %
pankreatisches Polypeptid produzierender Tumor, meist große solitäre Pankreasraumforderung
Diagnostik. Sie umfasst eine entsprechend der Leitsymptomatik ausgerichtete Hormonbestimmung. Zur Lokalisation des Tumors gehören neben Gastroduodenoskopie selbstverständlich die abdominelle Sonographie, Computertomographie, MRT, Angiographie ( 1 B-11.20) und Endosonographie
Diagnose. Sie besteht in der Hormonbestimmung. Zur Lokalisation dienen endoskopische, sonographische und radiologische Untersuchungsverfahren (Angiographie s. 1 B-11.20).
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11 Pankreas sowie ggf. eine selektive, transkutan-transhepatische Katheterisierung der Pfortader mit Blutentnahme zur Hormonbestimmung. Eine OctreotidRezeptor-Szintigraphie kann zur Lokalisationsdiagnostik aller primären und sekundären neuroendokrinen Pankreastumoren (außer Insulinom) eingesetzt werden.
1 B-11.20
Angiographischer Nachweis eines Insulinoms Angiographie des Truncus coeliacus mit Nachweis eines hypervaskularisierten Tumors ( Á) (Insulinom) im Bereich des Pankreas.
In ca. 50 % wird der Tumor erst intraoperativ durch Inspektion, Palpation oder intraoperative Sonographie lokalisiert. Hormonaktive Tumoren können zum Zeitpunkt ihrer geplanten Entfernung Größen von wenigen Millimetern bis zu mehreren Zentimetern aufweisen oder bereits metastasiert haben (insbesondere das Gastrinom metastasiert bis zu 60 % frühzeitig in die Leber).
Operationsverfahren: π Adenomenukleation π Pankreaskorpus-/-schwanzresektion π partielle Duodenopankreatektomie π totale Pankreatektomie π Leberteilresektion
Therapie. Die optimale Therapie ist die chirurgische Entfernung des endokrinen Tumors. Ziel der Operation sollte sein, den hormonaktiven Tumor zu resezieren bzw. bei Metastasierung die Tumormasse zu verkleinern, um ggf. die Voraussetzungen für eine postoperative Chemotherapie zu verbessern. Folgende Operationsverfahren kommen zur Anwendung: π bei solitären, benignen (z.B. Insulinom) Tumoren die Adenomenukleation π bei multiplen Adenomen im Pankreaskorpus-/-schwanzbereich die linksseitige Splenopankreatektomie π bei großen Adenomen oder beim malignen Insulinom im Pankreaskopf die partielle Duodenopankreatektomie π bei schweren endokrinologischen Krankheitsbildern als Ultima ratio (selten) die totale Pankreatektomie π bei Lebermetastasen die Leberteilresektion zur Tumormassenreduktion
11.7.3 Maligne Pankreastumoren
11.7.3
Therapie. Die optimale Therapie ist die Entfernung oder zumindest Verkleinerung des Tumors.
Definition
Maligne Pankreastumoren
n Definition. Das Pankreaskarzinom ist nach dem Dickdarm- und Magenkarzinom der dritthäufigste gastrointestinale Tumor. Die Mortalität liegt in den alten Bundesländern bei 10/100 000 Einwohnern. Männer sind häufiger als Frauen betroffen (1,5 : 1). In den meisten Fällen (> 75 %) handelt es sich um vom Gangepithel ausgehende verschiedenartig differenzierte Adenokarzinome.
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11 Pankreas sowie ggf. eine selektive, transkutan-transhepatische Katheterisierung der Pfortader mit Blutentnahme zur Hormonbestimmung. Eine OctreotidRezeptor-Szintigraphie kann zur Lokalisationsdiagnostik aller primären und sekundären neuroendokrinen Pankreastumoren (außer Insulinom) eingesetzt werden.
1 B-11.20
Angiographischer Nachweis eines Insulinoms Angiographie des Truncus coeliacus mit Nachweis eines hypervaskularisierten Tumors ( Á) (Insulinom) im Bereich des Pankreas.
In ca. 50 % wird der Tumor erst intraoperativ durch Inspektion, Palpation oder intraoperative Sonographie lokalisiert. Hormonaktive Tumoren können zum Zeitpunkt ihrer geplanten Entfernung Größen von wenigen Millimetern bis zu mehreren Zentimetern aufweisen oder bereits metastasiert haben (insbesondere das Gastrinom metastasiert bis zu 60 % frühzeitig in die Leber).
Operationsverfahren: π Adenomenukleation π Pankreaskorpus-/-schwanzresektion π partielle Duodenopankreatektomie π totale Pankreatektomie π Leberteilresektion
Therapie. Die optimale Therapie ist die chirurgische Entfernung des endokrinen Tumors. Ziel der Operation sollte sein, den hormonaktiven Tumor zu resezieren bzw. bei Metastasierung die Tumormasse zu verkleinern, um ggf. die Voraussetzungen für eine postoperative Chemotherapie zu verbessern. Folgende Operationsverfahren kommen zur Anwendung: π bei solitären, benignen (z.B. Insulinom) Tumoren die Adenomenukleation π bei multiplen Adenomen im Pankreaskorpus-/-schwanzbereich die linksseitige Splenopankreatektomie π bei großen Adenomen oder beim malignen Insulinom im Pankreaskopf die partielle Duodenopankreatektomie π bei schweren endokrinologischen Krankheitsbildern als Ultima ratio (selten) die totale Pankreatektomie π bei Lebermetastasen die Leberteilresektion zur Tumormassenreduktion
11.7.3 Maligne Pankreastumoren
11.7.3
Therapie. Die optimale Therapie ist die Entfernung oder zumindest Verkleinerung des Tumors.
Definition
Maligne Pankreastumoren
n Definition. Das Pankreaskarzinom ist nach dem Dickdarm- und Magenkarzinom der dritthäufigste gastrointestinale Tumor. Die Mortalität liegt in den alten Bundesländern bei 10/100 000 Einwohnern. Männer sind häufiger als Frauen betroffen (1,5 : 1). In den meisten Fällen (> 75 %) handelt es sich um vom Gangepithel ausgehende verschiedenartig differenzierte Adenokarzinome.
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11.7.3 Maligne Pankreastumoren
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Ätiologie. Die Ätiologie des Pankreaskarzinoms ist unbekannt. Als Risikofaktoren gelten erhöhter Alkoholkonsum, Rauchen sowie berufliche Exposition mit z.B. b-Naphthylin. In 65 % der Fälle ist der Tumor im Bereich des Pankreaskopfes, in 30 % im Pankreaskorpus-/-schwanzbereich und in 5 % isoliert im Schwanzbereich lokalisiert. Auf Grund der meist spät auftretenden Symptomatik ist bei 85 % der Patienten bei Diagnosestellung bereits ein organüberschreitendes Wachstum nachweisbar. Dementsprechend sind nur 5–10 % aller Pankreaskarzinome und lediglich bis zu 25 % der Pankreaskopfkarzinome resektabel.
Ätiologie. Die Ätiologie ist unbekannt.
Symptome. Die häufigsten Symptome sind bei Tumoren im Kopfbereich: Gewichtsverlust, Übelkeit, abdominelle, meist epigastrische Schmerzen sowie das Auftreten eines Ikterus. Ein positives Courvoisier-Zeichen (palpable Gallenblase bei schmerzlosem Ikterus) kann in bis zu 50 % der Fälle auftreten. Bei Tumoren im Korpus-/Schwanzbereich sind starke Rückenschmerzen in Verbindung mit Gewichtsverlust häufig ein spätes Leitsymptom. Zusätzlich können uncharakteristische Beschwerden wie Obstipation und Diarrhö sowie Thrombophlebitiden bestehen. Weiterhin kann es zu tumorbedingten rezidivierenden Thrombosen kommen.
Symptome. Pankreaskopftumoren verursachen: Gewichtsverlust, epigastrische Schmerzen, Ikterus (evtl. positives Courvoisier-Zeichen).
Diagnose. Laborchemisch sind in der Regel keine typischen Veränderungen
Diagnose. Laborchemisch finden sich nur beim Ikterus typische Veränderungen.
erfassbar. Gelegentlich findet sich eine Erhöhung der Pankreasenzyme sowie ein Anstieg der Cholestaseparameter auch beim nicht ikterischen Patienten. Als spezifischer Tumormarker gilt das CA 19-9, welcher bei fortgeschrittenen Stadien der Tumorerkrankung in 80 % der Fälle erhöht ist. Bei unklaren Oberbauchschmerzen ist die Sonographie das primäre Screeningverfahren. Mittels Computertomographie (CT) ist eine bessere Beurteilung insbesondere der Schwanzregion möglich sowie ein organüberschreitendes Wachstum und Lymphknotenvergrößerungen erkennbar. Beide Untersuchungen sollen ferner Aufschluss über eine mögliche Metastasierung geben. Die ERCP ist die wichtigste Untersuchung in der Diagnostik der Pankreaskarzinome ( 1 B-11.21). Typische Befunde maligner Tumoren sind Unregelmäßigkeiten, Stenosen und Abbrüche des Pankreasgangsystems. Die endosonographische Untersuchung ermöglicht die direkteste Beurteilung des Pankreas. Ein organüberschreitendes Wachstum, Lymphknotenvergrößerungen sowie eine Infiltration der Pfortader sowie der V. splenica können von einem erfahrenen Untersucher erfasst werden. In Fällen mit resektabel erscheinenden Tumoren kann die präoperative Diagnostik zur Beurteilung der arteriellen und portalvenösen Gefäßverhältnisse durch eine Angiographie mit indirekter Splenoportographie komplettiert werden, da der Nachweis einer Gefäßinfiltration Irresektabilität bedeuten kann. Die Magnetresonanztomographie (MRT) kombiniert mit einer Cholangio-MRT bietet als neuestes Verfahren die Möglichkeit der kombinierten Darstellung des Gefäßstatus, der Gallengänge und der parenchymatösen Organstrukturen in einer einzigen Untersuchung. Da alle genannten Untersuchungen keine sichere Aussage zur Dignität des Pankreasprozesses erlauben, wird von einigen Untersuchern eine Feinnadelpunktion gefordert, wobei die Frage des Risikos der möglichen Tumorzellverschleppung noch kontrovers diskutiert wird, zumal ein negativer Punktionsbefund das Karzinom nicht ausschließt.
Therapie. Häufig ist die exakte Beurteilung der Tumorausdehnung und
Frage der Resektabilität erst durch eine Laparotomie zu klären. Eine kurative Therapie des Pankreaskarzinoms kann nur chirurgisch erfolgen, wobei die Resektabilitätsrate bei 10–20 % liegt. Tumoren im Kopfbereich werden durch eine partielle Duodenopankreatektomie entfernt. Bei Tumoren im Korpus-/Schwanzbereich ist die Pankreaslinksresektion mit Splenektomie das Standardverfahren (s. 1 B-11.19). Etwas verbesserte Langzeitergebnisse konnten in den letzten
65 % der Tumoren sind im Pankreaskopf, 35 % im Korpus- und Schwanzbereich lokalisiert. Auf Grund der sehr spät auftretenden Symptomatik sind die meisten Tumoren zum Zeitpunkt der Diagnostik nicht mehr resektabel.
Tumoren im Korpus-/Schwanzbereich manifestieren sich häufig erst bei organüberschreitendem Wachstum mit Rückenschmerzen. Tumorbedingte rezidivierende Thrombosen sind möglich.
Als spezifischer Tumormarker gilt CA 19-9. Der Nachweis des Tumors und die Bestimmung seiner Ausdehnung erfolgt mittels: π Sonographie π CT π ERCP ( 1 B-11.21) π ggf. Endosonographie π ggf. MRT π ggf. Angiographie π ggf. Feinnadelpunktion.
Therapie. Nur ca. 10–20 % aller diagnostizierten Pankreaskarzinome sind resektabel. Tumoren im Kopfbereich werden durch eine partielle Duodenopankreatektomie, Tumoren des Korpus-/Schwanzbereichs durch eine Linksresektion entfernt (s. 1 B-11.19).
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11 Pankreas
1 B-11.21
ERCP bei Pankreaskarzinomen
a Pankreaskarzinom mit typischer Stenose des Ductus choledochus und des Ductus pancreaticus (Á) vor der Papillenregion (Á Á).
c Pankreasschwanzkarzinom mit Gangabbruch (Á).
b Papillenkarzinom mit einer Stenose im Bereich der Papille ( Á) und Dilatation beider Gänge.
Eine ausgedehnte intra- und retroperitoneale Lymphadenektomie ( 1 B-11.22) scheint die Langzeitergebnisse zu verbessern.
Jahren durch die Erweiterung der Operation um eine ausgedehnte intraund retroperitoneale Lymphadenektomie ( 1 B-11.22) erzielt werden.
1 B-11.22
Duodenopankreatektomie Duodenopankreatektomie und radikale Lymphadenektomie mit Freilegung aller größeren Oberbauchgefäße. VMS = V. mesenterica superior AMS = A. mesenterica superior TC = Truncus coeliacus A = Aorta VC = V. cava VP = V. porta P = Pankreasrest AH = A. hepatica
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11.7.3 Maligne Pankreastumoren Bei nicht resektablen Tumoren, vorhandener oder drohender Magenausgangsstenose und gleichzeitig bestehendem Verschlussikterus ist die Anlage einer Gastroenterostomie und biliodigestiven Anastomose (Hepatiko-, Choledocho- oder Cholezystojejunostomie) indiziert. Alternativ ist bei freier duodenaler Passage die endoskopische Entlastung des Ductus choledochus mittels Pigtailkatheter in Erwägung zu ziehen. Zur Palliation gehört in vielen Fällen eine suffiziente Schmerztherapie, die bei Versagen hochdosierter Analgetikagaben auch eine CT-gesteuerte Truncus-coeliacus-Blockade bzw. die Implantation eines Periduralkatheters oder eine lokale Bestrahlungstherapie beinhalten kann.
571 Als palliatives Verfahren kann die Anlage einer Gastroenterostomie und biliodigestiven Anastomose oder die alleinige Pigtaildränage indiziert sein.
Zur Palliation gehört in allen Fällen eine suffiziente Schmerztherapie.
Klinischer Fall Ein 53-jähriger Maurer leidet seit 4 Wochen unter zunehmenden Rückenschmerzen. Die Röntgenaufnahme der BWS/LWS zeigt erhebliche degenerative Veränderungen. Unter physikalischer Therapie kommt es zu keiner Besserung der Symptome, vielmehr fällt ein zunehmender Gewichtsverlust auf. Eine abdominelle Sonographie zeigt eine deutlich unscharf begrenzte Vergrößerung des Pankreaskorpus-/-schwanzbereichs. Die CT-Untersuchung weist eine
Raumforderung in diesem Bereich nach. In der ERCP findet sich ein Gangabbruch im Pankreaskorpusbereich. Bei der Operation findet sich ein infiltrierend in das Retroperitoneum wachsender Tumor, mit Infiltration des Truncus coeliacus und der Mesenterialwurzel und bis zu 3 mm durchmessenden Metastasen in der Leber, sodass der Eingriff bei Irresektabilität als explorative Laparotomie beendet werden muss.
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573
Milz
12
12
Milz
Anatomie
Michael Dürig 12.1
Anatomie
12.1
12.1.1
Chirurgische Anatomie
12.1.1 Chirurgische Anatomie
Die Milz liegt im linken oberen Quadranten in Höhe der 9.–11. Rippe. Ihr Gewicht beträgt beim gesunden Erwachsenen in Abhängigkeit vom Füllungsvolumen durchschnittlich 150–200 g. Ihre Fixation gegen die Umgebung erfolgt durch die Ligg. lienorenale, phrenicosplenicum und gastrosplenicum. Es bestehen enge topographische Beziehungen zu Zwerchfell, Magen, Pankreasschwanz, linker Niere und der linken Kolonflexur. Die arterielle Gefäßversorgung erfolgt aus dem Truncus coeliacus über die A. splenica (früher A. lienalis), die sich im Milzhilum in segmentale Endarterien aufgliedert. Zwischen den Segmenten sind keine echten Anastomosen ausgebildet. Eine zusätzliche arterielle Verbindung besteht über A. gastroepiploica sinistra und die Aa. gastricae breves zur A. gastroepiploica dextra, die als Ast der A. gastroduodenalis ebenfalls dem Truncus coeliacus entspringt. Die venöse Dränage erfolgt über die V. splenica, die mit der V. mesenterica superior in die V. portae mündet ( 1 B-12.1). Die V. splenica trägt 30 % zum portalen Blutfluss bei.
1 B-12.1
Die Milz ist in Höhe der 9.–11. Rippe im linken oberen Quadranten lokalisiert.
Es bestehen enge topographische Beziehungen zu Zwerchfell, Magen, Pankreasschwanz, linker Niere und der linken Kolonflexur. Die arterielle Gefäßversorgung erfolgt aus dem Truncus coeliacus über die A. splenica. Sie zweigt sich im Milzhilus in segmentale Endarterien auf. Die V. splenica dräniert 30 % des Blutes des portalen Systems ( 1 B-12.1).
Synopsis Topographische Lage der Milz
Topographische Lage der Milz nach Eröffnung des Lig. gastrosplenicum. Magen Vasa brevia
Milz
Pankreas
A. splenica
V. splenica
n Merke. Die segmentale, arterielle und venöse Gefäßarchitektur bildet die Grundlage für die chirurgische Segmentresektion.
Merke
Lageanomalien
Lageanomalien
Nebenmilzen finden sich bei 14–30 % aller Patienten. 75 % hiervon sind in der Nähe des Milzhilums lokalisiert ( 1 B-12.2). In seltenen Fällen ist ektopes Milzgewebe mit kardialen Missbildungen oder Situsfehlbildungen unterschiedlichen Schweregrades verbunden.
Nebenmilzen finden sich bei 14–30 % aller Individuen ( 1 B-12.2).
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12 Milz
1 B-12.2
Synopsis Lagevarianten von Nebenmilzen
Hilum A. splenica Pankreasschwanz Lig. splenocolicum
Omentum
Mesenterium
Gonaden
Merke
n Merke. Nebenmilzen sind bei der chirurgischen Therapie hämatologischer Erkrankungen von Bedeutung, da der Operationserfolg von der Entfernung des gesamten Milzgewebes abhängig ist.
Funktionelle Anatomie
12.1.2 Funktionelle Anatomie
12.1.2
25 % des lymphatischen Gewebes werden der Milz zugeordnet. Die Durchblutung beträgt 4 % des HMV.
Mit 25 % des gesamten lymphatischen Gewebes nimmt die Milz eine entscheidende Stellung im humanen Abwehrsystem ein. Die Durchblutung beträgt 4 % des gesamten Herzminutenvolumens (HMV). Funktionell wird die Milz in 2 Kompartments (die rote und die weiße Pulpa) unterteilt. Mit 75 % nimmt die rote Pulpa den größten Volumenanteil der Milz ein. An der Grenze zwischen der roten und weißen Pulpa liegt die Marginalzone, die aus einem weitmaschigen Netz von Sinusoiden gebildet wird. Der Grundaufbau wird verständlich, wenn man die einzelnen Gefäßabschnitte in Flussrichtung des Blutes verfolgt ( 1 B-12.3). In den Trabekeln verlaufen die großen Arterien gemeinsam mit den Venen. Von diesen zweigen rechtwinklig die Zentralarterien (ZA) ab, die von Lymphozyten umgeben sind. Die Zentralarterien entlassen arterielle Kapillaren (AK), die in das Sinussystem (S) der Marginalzone (MZ) münden. Hier kommt es zu einer Zunahme des Gesamtdurchmessers aller Sinus, was zu einer Verlangsamung des Blutflusses führt. Durch diese Verminderung der Strömungsgeschwindigkeit wird die Filtration von Partikeln und Antigenen sowie die Auswanderung von Lymphozyten aus dem Gefäßbett erleichtert. Die Sinus stehen ihrerseits wieder mit den Pulpavenen (V) in Verbindung. Die weiße Pulpa setzt sich aus den Lymphfollikeln und den periarteriolären lymphatischen Begleitscheiden zusammen, die durch die Marginalzone zur roten Pulpa begrenzt wird. Beide Kompartments beinhalten funktionell unterschiedliche Makrophagen und Lymphozyten. Die Lymphozyten verlassen nach ca. 30 Minuten die Blutbahn in der Milz, von wo aus sie nach einer
Die Milz wird funktionell in 2 Kompartments, die rote und die weiße Pulpa, unterteilt. An der Grenze zwischen der roten und weißen Pulpa liegt die Marginalzone, die aus einem weitmaschigen Netz von Sinusoiden gebildet wird. In den Milzsinus erfolgt die Filtration von pathologischen Zellen, Zellbestandteilen und Antigenen. Der Grundaufbau ist in 1 B-12.3 dargestellt.
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12 Milz
1 B-12.2
Synopsis Lagevarianten von Nebenmilzen
Hilum A. splenica Pankreasschwanz Lig. splenocolicum
Omentum
Mesenterium
Gonaden
Merke
n Merke. Nebenmilzen sind bei der chirurgischen Therapie hämatologischer Erkrankungen von Bedeutung, da der Operationserfolg von der Entfernung des gesamten Milzgewebes abhängig ist.
Funktionelle Anatomie
12.1.2 Funktionelle Anatomie
12.1.2
25 % des lymphatischen Gewebes werden der Milz zugeordnet. Die Durchblutung beträgt 4 % des HMV.
Mit 25 % des gesamten lymphatischen Gewebes nimmt die Milz eine entscheidende Stellung im humanen Abwehrsystem ein. Die Durchblutung beträgt 4 % des gesamten Herzminutenvolumens (HMV). Funktionell wird die Milz in 2 Kompartments (die rote und die weiße Pulpa) unterteilt. Mit 75 % nimmt die rote Pulpa den größten Volumenanteil der Milz ein. An der Grenze zwischen der roten und weißen Pulpa liegt die Marginalzone, die aus einem weitmaschigen Netz von Sinusoiden gebildet wird. Der Grundaufbau wird verständlich, wenn man die einzelnen Gefäßabschnitte in Flussrichtung des Blutes verfolgt ( 1 B-12.3). In den Trabekeln verlaufen die großen Arterien gemeinsam mit den Venen. Von diesen zweigen rechtwinklig die Zentralarterien (ZA) ab, die von Lymphozyten umgeben sind. Die Zentralarterien entlassen arterielle Kapillaren (AK), die in das Sinussystem (S) der Marginalzone (MZ) münden. Hier kommt es zu einer Zunahme des Gesamtdurchmessers aller Sinus, was zu einer Verlangsamung des Blutflusses führt. Durch diese Verminderung der Strömungsgeschwindigkeit wird die Filtration von Partikeln und Antigenen sowie die Auswanderung von Lymphozyten aus dem Gefäßbett erleichtert. Die Sinus stehen ihrerseits wieder mit den Pulpavenen (V) in Verbindung. Die weiße Pulpa setzt sich aus den Lymphfollikeln und den periarteriolären lymphatischen Begleitscheiden zusammen, die durch die Marginalzone zur roten Pulpa begrenzt wird. Beide Kompartments beinhalten funktionell unterschiedliche Makrophagen und Lymphozyten. Die Lymphozyten verlassen nach ca. 30 Minuten die Blutbahn in der Milz, von wo aus sie nach einer
Die Milz wird funktionell in 2 Kompartments, die rote und die weiße Pulpa, unterteilt. An der Grenze zwischen der roten und weißen Pulpa liegt die Marginalzone, die aus einem weitmaschigen Netz von Sinusoiden gebildet wird. In den Milzsinus erfolgt die Filtration von pathologischen Zellen, Zellbestandteilen und Antigenen. Der Grundaufbau ist in 1 B-12.3 dargestellt.
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575
12.2 Physiologie
1 B-12.3
Synopsis Funktionelle Anatomie der Milz
Marginalzone (MZ) Randkapillare
Follikelarteriole
Randzone periarterioläre lymphoide Scheide (PALS)
Pinselarteriolen Pulpaarteriole Scheidenarteriole terminale arterioläre Kapillare (AK)
Zentralarterie (ZA)
Retikulumzellen
venöses Sinusoid mit Endothelzellen (S) Pulpavene (V)
Plasmazellen
Trabekelvene
Makrophag (phagozytiert einen Erythrozyten) Thrombozyt kleiner Lymphozyt
Granulozyt
Erythrozyt
gewissen Verweildauer wieder in die Peripherie entlassen werden. Dieses Phänomen erklärt den Lymphozytenanstieg im peripheren Blut nach einer vollständigen Entfernung der Milz.
12.2
Physiologie
Neben der Speicherfunktion für Thrombozyten (40 %) und Lymphozyten hat die Milz die Aufgabe, überalterte Erythrozyten und pathologische Zellformen des roten Blutbildes zu filtrieren. Ferner eliminiert sie Zelleinschlüsse aus den Erythrozyten wie die Howell-Jolly-Körper (Kernreste), Heinz-Körper (denaturiertes Hämoglobin) oder Pappenheimer-Körper (Eisengranula) (»pitting function«). Die Milz ist in der Lage, intrazelluläre Parasiten wie den Malariaerreger mit dem Erythrozyten zu entfernen und diese der Phagozytose zuzuführen ( 1 B-12.4). Neben der Produktion von Immunglobulin-M, dem natürlichen Antikörper der ersten Abwehrphase, besteht die immunologische Aufgabe primär darin, Antigene zu filtrieren und sie in geeigneter Form zu verarbeiten. Hierbei ist eine spezifische Antikörpermarkierung (Opsonisierung) nicht erforderlich. Die Phagozytose ist jedoch von einem engen Kontakt zwischen Antigen und Phagozyten abhängig. Unter den Mechanismen, die einen derartigen Kontakt vermitteln, ist die Bindung durch spezifische Antikörper besonders wirksam. Diesem Mechanismus können sich kapseltragende Bakterien wie Pneumokokken auch in Anwesenheit von Antikörper vorübergehend entzie-
Nach einer Milzentfernung ist die Rezirkulation der Lymphozyten gestört. Als Folge tritt ein Anstieg der Lymphozytenzahl im peripheren Blut auf. 12.2
Physiologie
Neben der Speicherfunktion für Thrombo- (40 %) und Lymphozyten hat die Milz die Aufgabe, überalterte Erythrozyten und pathologische Zellformen des roten Blutbildes zu filtrieren. Ferner eliminiert sie Zelleinschlüsse und ist in der Lage, intrazelluläre Parasiten der Phagozytose zuzuführen ( 1 B-12.4). Die Milz ist in der Lage, pathogene Organismen ohne vorherige Opsonisierung (Markierung mit spezifischen Antikörpern) der Phagozytose zuzuleiten.
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576
12 Milz
1 B-12.4
Sequestration eines Erythrozyten in einen Milzsinus Einblick in einen Milzsinus mit dem Rasterelektronenmikroskop. Erythrozyten werden bei der Passage durch die Endothelfenster »ausgemolken«. Pathologische Zellen und Zellbestandteile werden phagozytiert (s. 1 B-12.3).
Durch Autoregulation können die Füllungs- und Entleerungsphasen der Sinus verändert werden. Dadurch gelingt es, nicht opsonierte, pathogene Organismen in zeitlich ausreichenden Kontakt mit den Makrophagen der Milz zu bringen.
hen. Durch die Sekretion des Kapselpolysaccharids wird der Kontakt zum Phagozyten verhindert und gleichzeitig Antikörper gebunden. Aufgrund der spezifischen Struktur der Milz ist diese als einziges Organ in der Lage, durch unterschiedliche Flussgeschwindigkeiten nicht opsonisierte pathogene Organismen in einen zeitlich ausreichenden Kontakt mit den Makrophagen der Milz zu bringen. Hierbei fällt den venösen Sinusoiden eine besondere Rolle zu. Durch Autoregulation können sie Füllungs- und Entleerungsphasen erzeugen, die sich zwischen extrem schneller Entleerung und stundenlanger Füllung erstrecken. Auf diese Weise ist z.B. die Anpassung an die Duplikationszeit der Pneumokokken von 20–30 Minuten möglich.
12.2.1 Folgen des Milzverlustes
12.2.1
Im peripheren Blut finden sich Abnormalitäten der Erythrozyten wie HowellJolly-Körper (Kernreste), Heinz-Innenkörper und Defekte der Erythrozytenmembran. Diese weisen auf eine Asplenie oder eine Fehlfunktion der Milz hin.
Der Verlust der lienalen Sequestrationsleistung und der Speicherfunktion für bestimmte Zellen reflektiert sich im peripheren Blut. Es finden sich morphologische und chemische Abnormalitäten in den Erythrozyten. Die Oberflächenmembranen sind sichtbar geschädigt. Das kann bis zu 50 % der Erythrozyten betreffen. Daneben finden sich pathologische Zellformen wie Akanthozyten, Mikrosphärozyten, Target-Zellen und Zellbestandteile in Form der Howell-Jolly-Körper oder Heinz-Innenkörper. Die Howell-JollyKörper gelten als einfacher Parameter für fehlendes oder funktionell eingeschränktes Milzgewebe. Gleichzeitig ist nach einem Milzverlust eine Thrombozytose zu beobachten. Dieser Thrombozytenanstieg ist jedoch passager und normalisiert sich innerhalb weniger Wochen. Es gibt Hinweise dafür, dass die Speicherfunktion der Milz für Thrombozyten (20–40 % der gesamten zirkulierenden Zellen) anderenorts übernommen wird. Ein Anstieg der Thrombozyten macht eine Thromboseprophylaxe erforderlich. Diese ist unter stationären Bedingungen mit täglichen Heparingaben gewährleistet. Im ambulanten Bereich kann bis zum Erreichen einer Thrombozytenzahl unter 500 000/mm3 eine perorale Thromboseprophylaxe durchgeführt werden. Im weißen Blutbild dominiert eine persistierende Leukozytose, die ihren Ursprung in einer Vermehrung der Lympho- und Monozyten findet. Die Lymphozytose wird durch einen Anstieg sowohl der B- als auch T-Zellen bestimmt. Beide Zelllinien sind an zahlreichen Abwehrreaktionen beteiligt. Der Milzverlust hat eine zeitweilige Verminderung des Serumimmunglobulins zur Folge. Eine Persistenz dieser Verminderung ist jedoch nur bei 25 % der splenektomierten Patienten zu beobachten, wenn keine maligne Systemerkrankung zugrunde liegt.
Der Milzverlust hat eine passagere Thrombozytose zur Folge. Thrombozytenzahlen über 500 000/mm 3 bedürfen einer Thromboseprophylaxe mit Heparin oder Acetylsalicylsäure.
Durch Zellverschiebungen des weißen Blutbildes führt der Milzverlust zu einer persistierenden Leukozytose (Monound Lymphozytose). Diese Leukozytose erschwert differenzialdiagnostisch die Abgrenzung zu einer postoperativen Infektion. Weiterhin kommt es zu einer zeitweiligen Verminderung der Serumimmunglobuline. Merke
Folgen des Milzverlustes
n Merke. Die Splenektomie bedingt eine lebenslange Infektionsbereitschaft des einzelnen Patienten, die vornehmlich Kinder und Jugendliche betrifft und mit zunehmendem Alter abnimmt. Über das erhöhte Infektionsrisiko muss aufgeklärt werden.
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577
12.2.2 Postsplenektomiesepsis/OPSI-Syndrom Die Infektionen können sowohl durch Bakterien, Viren als auch Protozoen (z.B. Plasmodium malariae) verursacht werden. Beim milzlosen Patienten besteht grundsätzlich nur eine bedingte Tropentauglichkeit.
12.2.2
Postsplenektomiesepsis/OPSI-Syndrom (overwhelming postsplenectomy infection)
Nach einer Splenektomie liegt nur noch eine bedingte Tropentauglichkeit vor.
12.2.2 Postsplenektomiesepsis/ OPSI-Syndrom
n Definition. Fulminante Bakteriämie, meist ohne Nachweis eines septischen Fokus, mit rascher Bewusstlosigkeit, septischem Schock und intravasaler Gerinnung.
Sie ist die am meisten gefürchtete Komplikation bei einem asplenen Patienten. Gleichzeitig kann es zu Nebennierenblutungen (Waterhouse-Friderichsen-Syndrom) kommen. Ursache ist ein massiver hämorrhagischer Infarkt der Nebenniere im Rahmen der Sepsis. Zu den pathogenen Erregern gehören kapseltragende Bakterien wie Streptococcus pneumoniae (50 %), Neisseria meningitidis (12–15 %), Haemophilus influenza (8–12 %), andere Streptokokken (ca. 7 %) und selten andere Keime wie Escherichia coli. Obwohl das Auftreten einer Postsplenektomiesepsis bis zu 30 Jahre nach einer Splenektomie beschrieben wird, tritt sie in den ersten 3 Jahren nach der Operation am häufigsten auf und betrifft alle Altersstufen. Die Inzidenz nach einer posttraumatischen Milzentfernung liegt bei 1 %. Das Risiko, an einer Postsplenektomiesepsis zu erkranken, steigt jedoch bei Kindern und bei Patienten, die sich wegen einer kongenitalen Anämie, einer portalen Hypertension oder einer lymphoretikulären Systemerkrankung der Splenektomie unterziehen mussten bis auf 5 % an. Zur Prophylaxe einer Pneumokokkeninfektion steht ein Impfstoff aus 23 Pneumokokkenpolysacchariden (PneumovaxQ) zur Verfügung. Bei Kindern unter 2 Jahren wird zusätzlich die Haemophilus-influenza-B(HIB-)Impfung angeraten. Nach dem 2. Lebensjahr kann darüber hinaus die Meningokokkenimpfung angeboten werden. Bei Kindern unter dem 10. Lebensjahr muss in Abhängigkeit von der Grunderkrankung eine Langzeitantibiotikaprophylaxe mit Penicillin V für mindestens 2 Jahre erörtert werden ( 2 B-12.1). Die Mortalitätsangaben schwanken zwischen 25 und 75 %.
2 B-12.1
Definition
Das OPSI-Syndrom ist die schwerste Komplikation nach Splenektomie. Erreger: Streptococcus pneumoniae, Neisseria meningitidis, Haemophilus influenzae, selten andere Keime.
Die Postsplenektomiesepsis kann alle Altersstufen betreffen, tritt jedoch in den ersten 3 Jahren nach der Operation am häufigsten auf. Die Inzidenz nach einer posttraumatischen Splenektomie liegt bei 1 %. Sie steigt jedoch bei Kindern und bei Patienten, die wegen einer kongenitalen Anämie, portalen Hypertension oder lymphoretikulären Systemerkrankung splenektomiert wurden auf 5 % an. Zur Prophylaxe der Pneumokokkeninfektion steht ein Impfstoff (Pneumovax Q ) zur Verfügung. Bei Kindern unter 2 Jahren wird zusätzlich die Haemophilus-influenza-Impfung, bei Kindern über 2 Jahren die Meningokokkenimpfung empfohlen ( 2 B-12.1). Die Mortalität schwankt zwischen 25 und 75 %.
Impf- und Antibiotikaprophylaxe nach Splenektomie bei Kindern
Indikation zur Splenektomie N posttraumatisch n
N hämatologische Erkrankung n
Impfstoff
Ï < 2 Jahre: PneumovaxQ + HIB-Impfstoff
Ì
> 2 Jahre:
Ó evtl. zusätzlich tetra-
Zeitpunkt der Impfung
Antibiotikaprophylaxe
2–4 Wochen postoperativ
mindestens 2 Jahre Penicillin V oral (Depotpenicillin in Ausnahmefällen)
2–4 Wochen präoperativ
benigne: ca. 5 Jahre Penicillin V maligne: ca. 5–10 Jahre Penicillin V
valenter MeningokokkenImpfstoff Pneumovax-Auffrischimpfung nach 3–5 Jahren, titerabhängig Meningokokken-Auffrischimpfung nach 2–3 Jahren, falls Erstimpfung < 4 Jahren
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12.2.2 Postsplenektomiesepsis/OPSI-Syndrom Die Infektionen können sowohl durch Bakterien, Viren als auch Protozoen (z.B. Plasmodium malariae) verursacht werden. Beim milzlosen Patienten besteht grundsätzlich nur eine bedingte Tropentauglichkeit.
12.2.2
Postsplenektomiesepsis/OPSI-Syndrom (overwhelming postsplenectomy infection)
Nach einer Splenektomie liegt nur noch eine bedingte Tropentauglichkeit vor.
12.2.2 Postsplenektomiesepsis/ OPSI-Syndrom
n Definition. Fulminante Bakteriämie, meist ohne Nachweis eines septischen Fokus, mit rascher Bewusstlosigkeit, septischem Schock und intravasaler Gerinnung.
Sie ist die am meisten gefürchtete Komplikation bei einem asplenen Patienten. Gleichzeitig kann es zu Nebennierenblutungen (Waterhouse-Friderichsen-Syndrom) kommen. Ursache ist ein massiver hämorrhagischer Infarkt der Nebenniere im Rahmen der Sepsis. Zu den pathogenen Erregern gehören kapseltragende Bakterien wie Streptococcus pneumoniae (50 %), Neisseria meningitidis (12–15 %), Haemophilus influenza (8–12 %), andere Streptokokken (ca. 7 %) und selten andere Keime wie Escherichia coli. Obwohl das Auftreten einer Postsplenektomiesepsis bis zu 30 Jahre nach einer Splenektomie beschrieben wird, tritt sie in den ersten 3 Jahren nach der Operation am häufigsten auf und betrifft alle Altersstufen. Die Inzidenz nach einer posttraumatischen Milzentfernung liegt bei 1 %. Das Risiko, an einer Postsplenektomiesepsis zu erkranken, steigt jedoch bei Kindern und bei Patienten, die sich wegen einer kongenitalen Anämie, einer portalen Hypertension oder einer lymphoretikulären Systemerkrankung der Splenektomie unterziehen mussten bis auf 5 % an. Zur Prophylaxe einer Pneumokokkeninfektion steht ein Impfstoff aus 23 Pneumokokkenpolysacchariden (PneumovaxQ) zur Verfügung. Bei Kindern unter 2 Jahren wird zusätzlich die Haemophilus-influenza-B(HIB-)Impfung angeraten. Nach dem 2. Lebensjahr kann darüber hinaus die Meningokokkenimpfung angeboten werden. Bei Kindern unter dem 10. Lebensjahr muss in Abhängigkeit von der Grunderkrankung eine Langzeitantibiotikaprophylaxe mit Penicillin V für mindestens 2 Jahre erörtert werden ( 2 B-12.1). Die Mortalitätsangaben schwanken zwischen 25 und 75 %.
2 B-12.1
Definition
Das OPSI-Syndrom ist die schwerste Komplikation nach Splenektomie. Erreger: Streptococcus pneumoniae, Neisseria meningitidis, Haemophilus influenzae, selten andere Keime.
Die Postsplenektomiesepsis kann alle Altersstufen betreffen, tritt jedoch in den ersten 3 Jahren nach der Operation am häufigsten auf. Die Inzidenz nach einer posttraumatischen Splenektomie liegt bei 1 %. Sie steigt jedoch bei Kindern und bei Patienten, die wegen einer kongenitalen Anämie, portalen Hypertension oder lymphoretikulären Systemerkrankung splenektomiert wurden auf 5 % an. Zur Prophylaxe der Pneumokokkeninfektion steht ein Impfstoff (Pneumovax Q ) zur Verfügung. Bei Kindern unter 2 Jahren wird zusätzlich die Haemophilus-influenza-Impfung, bei Kindern über 2 Jahren die Meningokokkenimpfung empfohlen ( 2 B-12.1). Die Mortalität schwankt zwischen 25 und 75 %.
Impf- und Antibiotikaprophylaxe nach Splenektomie bei Kindern
Indikation zur Splenektomie N posttraumatisch n
N hämatologische Erkrankung n
Impfstoff
Ï < 2 Jahre: PneumovaxQ + HIB-Impfstoff
Ì
> 2 Jahre:
Ó evtl. zusätzlich tetra-
Zeitpunkt der Impfung
Antibiotikaprophylaxe
2–4 Wochen postoperativ
mindestens 2 Jahre Penicillin V oral (Depotpenicillin in Ausnahmefällen)
2–4 Wochen präoperativ
benigne: ca. 5 Jahre Penicillin V maligne: ca. 5–10 Jahre Penicillin V
valenter MeningokokkenImpfstoff Pneumovax-Auffrischimpfung nach 3–5 Jahren, titerabhängig Meningokokken-Auffrischimpfung nach 2–3 Jahren, falls Erstimpfung < 4 Jahren
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578 12.3
12 Milz
Apparative Diagnostik
In der Abdomenübersichtsaufnahme kann ein Zwerchfellhochstand und eine Verdrängung der Nachbarorgane auf eine Milzvergrößerung hinweisen. Die Sonographie ist das diagnostische Hilfsmittel der ersten Wahl beim stumpfen Bauchtrauma.
Während die Computertomographie (CT) ergänzende Informationen im Rahmen lymphatischer Systemerkrankungen oder anderer maligner Prozesse liefern kann, hat die Kernspintomographie (MRT) in der Diagnostik der Milzerkrankungen bisher keine Bedeutung erlangt. Die Szintigraphie macht eine funktionelle Aussage über vorhandenes Milzgewebe und gestattet die Lokalisation von Nebenmilzen. Die Identifikation ektopen Milzgewebes ist für den Operationserfolg der Splenektomie aus hämatologischer Indikation entscheidend, da Nebenmilzen die Funktion einer gesunden Milz übernehmen können. Nur deren gleichzeitige Entfernung kann die Grundkrankheit beeinflussen.
Apparative Diagnostik
12.3
Bereits die Abdomenübersichtsaufnahme kann bei einer Milzvergrößerung Auskunft durch einen möglichen Zwerchfellhochstand und eine Verdrängung der Nachbarorgane wie Magen und linker Kolonflexur geben. Unter den zahlreichen bildgebenden Verfahren nimmt die Sonographie den wichtigsten Stellenwert in der Diagnostik von Milzerkrankungen ein. Sie gestattet jederzeit eine Beurteilung von Größe, Lage und Binnenstruktur. Die Möglichkeit, gleichzeitig freie Flüssigkeit im linken oberen Quadranten nachzuweisen, erhebt die Sonographie zur apparativen Diagnostik der ersten Wahl beim stumpfen Bauchtrauma. Während die Computertomographie (CT) eine ergänzende Information im Rahmen lymphatischer Systemerkrankungen oder anderer maligner Prozesse liefern kann, hat die Kernspintomographie (MRT) bislang noch keine Bedeutung in der Diagnostik von Milzerkrankungen gewonnen. Die Szintigraphie gibt einerseits Auskunft über die Funktion der Milz im Hinblick auf die Sequestrationsleistung und dient andererseits zur Lokalisation von Nebenmilzen. Die Identifikation von Nebenmilzen ist für den Operationserfolg der Splenektomie aus hämatologischer Indikation entscheidend, da Nebenmilzen die Funktion einer gesunden Milz übernehmen können und nur deren gleichzeitige Entfernung die Grunderkrankung beeinflusst. Die szintigraphische Darstellung von Milzgewebe erfolgt mit isotopenmarkierten, hitzealterierten Erythrozyten, Kolloiden oder Mikrosphären. Funktionell wird hierbei die Filtrations- und Sequestrationsleistung des intakten Milzgewebes ausgenutzt. Das Verfahren dient gleichzeitig zur Diagnostik bei zahlreichen hämatologischen Erkrankungen, um die Überlebenszeit und Abbaugeschwindigkeit von Erythrozyten und Thrombozyten zu erfassen.
12.4
Erkrankungen der Milz
12.4.1 Splenomegalie
12.4.1
Splenomegalie
Bei der Splenomegalie ( 1 B-12.5) handelt es sich um eine akute oder chronische Vergrößerung der Milz, die bei zahlreichen Krankheitsbildern anzutreffen ist ( 2 B-12.2).
Bei der Splenomegalie ( 1 B-12.5) handelt es sich um eine akute oder chronische Vergrößerung der Milz, die bei zahlreichen Krankheitsbildern anzutreffen ist ( 2 B-12.2). Das klinische Bild wird in der Regel von den Leitsymptomen der Grunderkrankung bestimmt.
12.4
Erkrankungen der Milz
1 B-12.5
R
CT einer 3 kg schweren Milz bei einer CLL
L
Zur Vermeidung eines hohen intraoperativen Blutverlustes wurde die Milz 48 Stunden vor dem Eingriff embolisiert.
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579
12.4.2 Hypersplenismus (Hyperspleniesyndrom)
2 B-12.2
Ursachen der Splenomegalie
N Systemerkrankungen n hämatologisch/onkologisch:
π π π π π π
π
π π
π π
portale Hypertension: N Speicherkrankheiten n
π
π π
N Infektionen n
π π π π
N lokal n
π π
12.4.2
chronische lymphatische Leukämie (CLL) akute lymphatische Leukämie (ALL) Non-Hodgkin-Lymphome Morbus Hodgkin Osteomyelosklerose Morbus Werlhof hämolytische Anämie Sichelzellanämie Thalassämie Polycythaemia vera Milzvenenthrombose Herzinsuffizienz Pericarditis constrictiva Leberzirrhose Morbus Gaucher Niemann-Pick-Erkrankung infektiöse Mononukleose Malaria Kala-Azar (viszerale Leishmaniose) Milzabszess Milzzysten primäre Milztumoren
Hypersplenismus (Hyperspleniesyndrom)
n Definition. Das Hyperspleniesyndrom ist gekennzeichnet durch eine Splenomegalie, eine Reduktion einer oder mehrerer Zellreihen im peripheren Blut (Zytopenie) und eine normale oder verstärkte Zellreihe im Knochenmark, die als Kompensation des verstärkten Zellabbaus in der Milz zu betrachten ist.
Es kann zu einer Anämie, Neutropenie und Thrombozytopenie kommen, wobei diese Zellveränderungen allein oder in jeder Kombination auftreten können. Durch eine Splenektomie kann eine Normalisierung oder Besserung des Zellbildes erreicht werden. Der Hypersplenismus ist ein klinisches Syndrom, dem zahlreiche Ursachen zugrunde liegen können ( 2 B-12.3).
2 B-12.3 n N N n N n N n N n N n N n N n
12.4.2 Hypersplenismus (Hyperspleniesyndrom) Definition
Es kann zu einer Anämie, Neutropenie und Thrombozytopenie kommen. Zahlreiche Ursachen kommen in Betracht ( 2 B-12.3). Durch eine Splenektomie kann eine Normalisierung oder Besserung des Zellbildes erreicht werden.
Ursachen des Hypersplenismus
Lymphome (Morbus Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphom) chronisch lymphatische Leukämie (CLL) Haarzell-Leukämie portale Hypertension (Banti-Syndrom) rheumatoide Arthritis (Felty-Syndrom) Infektionen (Malaria, Kala-Azar) infiltrative Erkrankungen (Sarkoidose) Lipid-Speicherkrankheiten (Niemann-Pick-Krankheit, Morbus Gaucher)
Die Indikation zur Milzentfernung ist immer dann gegeben, wenn je nach vorherrschender Symptomatik ein hoher Transfusionsbedarf vorliegt, durch die Thrombozytopenie rezidivierende Blutungen auftreten oder die Leukopenie keine sichere Infektabwehr mehr gewährleistet. Die Behandlung des Hypersplenismus bei portaler Hypertension erfolgt durch eine Entlastung der Milzvene durch einen portosystemischen Shunt. Die Milzvenenthrombose verlangt die Splenektomie.
Indikation zur Milzentfernung besteht bei einem hohen Transfusionsbedarf, wenn durch die Thrombozytopenie rezidivierende Blutungen auftreten oder die Leukopenie keine sichere Infektabwehr mehr gewährleistet sowie bei Milzvenenthrombose.
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580
12 Milz
12.4.3 Eigenständige Erkrankungen der Milz Milzzysten: π Echte Zysten sind mit Epithel (Dermoidzysten) oder Endothel (Lymphzysten) ausgekleidet. π Sekundären oder falschen Zysten (Pseudozysten) fehlt eine zelluläre Auskleidung. π Parasitäre Zysten werden vornehmlich durch Echinokokken verursacht ( 1 B-12.6).
1 B-12.6
12.4.3
Eigenständige Erkrankungen der Milz
Eigenständige Erkrankungen der Milz sind selten. In erster Linie handelt es sich um Milzzysten. Hierbei werden primäre oder echte Zysten von Pseudozysten unterschieden. Echte Zysten sind mit Epithel (Dermoidzysten) oder Endothel (Lymphzysten) ausgekleidet, während den sekundären oder falschen Zysten (Pseudozysten) eine zelluläre Auskleidung der Zystenwand fehlt. Pseudozysten entstehen überwiegend posttraumatisch und selten nach einem Milzinfarkt im Rahmen chronisch myeloproliferativer Erkrankungen oder thromboembolischen Ereignissen wie bei der Sichelzellanämie oder der Thalassämie. Die häufigste Zystenbildung ist parasitär bedingt und wird vornehmlich durch Echinokokken verursacht ( 1 B-12.6).
Lienale Echinokokkuszyste im CT und in situ
a Computertomographie einer Echinokokkuszyste der Milz mit deutlichen Verkalkungen an den Zystenrändern.
Abszesse ( 1 B-12.7).
Als maligne Tumoren kommen das Lymphosarkom, das Fibrosarkom und das Angiosarkom, als gutartige Tumoren Hamartome und Hämangiome vor. Therapeutisch werden sowohl echte als auch Pseudozysten nur dann angegangen, wenn Symptome auftreten (Enukleation, Marsupialisation oder Segmentresektion des zystisch veränderten Milzparenchyms). Das Gleiche gilt für die gutartigen Tumoren. Parasitäre Zysten können enukleiert werden. Tumoren verlangen die Splenektomie. Bei Milzabszessen kann primär radiologisch invasiv eine perkutane Dränage angelegt werden ( 1 B-12.7 c).
b Operationssitus des gleichen Patienten mit einer 21 cm im Durchmesser messenden Echinokokkuszyste vor Zystenenukleation.
Abszesse der Milz entstehen im Rahmen einer Bakteriämie oder einer Sepsis. Die Häufigkeit beträgt 0,2–0,7 %. Sie sind differenzialdiagnostisch von Hämatomen und nekrotischen Metastasierungen abzugrenzen ( 1 B-12.7). Als sehr seltene maligne Tumoren der Milz werden das Lymphosarkom, das Fibrosarkom und das Angiosarkom beschrieben. Als gutartige Tumoren treten Hamartome und Hämangiome auf. Therapeutisch werden sowohl echte als auch Pseudozysten nur dann angegangen, wenn Symptome auftreten. Diese Symptome bestehen in Verdrängungserscheinungen der Nachbarorgane. Bei chirurgischen Maßnahmen muss eine Marsupialisation, Enukleation oder eine Segmentresektion des zystisch veränderten Milzparenchyms angestrebt werden. Das Gleiche gilt für die gutartigen Tumoren. Parasitäre Zysten können enukleiert werden, während maligne Tumoren die Splenektomie verlangen. Bei Milzabszessen kann primär radiologisch invasiv eine perkutane Dränage angelegt werden ( 1 B-12.7 c).
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581
12.5 Verletzungen
1 B-12.7
Milzabszess
a, b Metastatischer Milzabszess bei Tuboovarialabszess mit deutlicher Luftansammlung als Hinweis auf eine anaerobe Kontamination ( Á).
c Perkutane Dränage des Abszesses mit Kontrastmittelfüllung der ehemaligen Abszesshöhle. Durch die radiologisch invasive Evakuation des Abszesses mit Einlage einer Spüldränage konnte die Splenektomie vermieden werden.
12.5
Verletzungen
12.5
Verletzungen
Milzruptur
Milzruptur
Verletzungen der Milz ereignen sich entweder durch direkte penetrierende oder stumpfe, geschlossene Gewalteinwirkung auf das Abdomen oder den linken, unteren Thorax. Beim stumpfen Bauchtrauma ist bei 25–60 % der Patienten mit einer Milzbeteiligung zu rechnen. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass auch indirekte Gewalteinwirkungen auf das Organ Rupturen zur Folge haben können. So kann bei einem Akzelerationstrauma (z.B. Abfangen des Oberkörpers durch Sicherheitsgurte) die Milz aus ihrem ligamentären Halteapparat herausgerissen und verletzt werden. Andererseits kann es durch einen intraabdominellen Druckanstieg zu Organberstungen senkrecht zur Milzachse kommen. Von der akuten, einzeitigen Milzverletzung, bei der ein kompletter Parenchymkapselriss vorliegt, wird die zweizeitige Milzruptur unterschieden. Sie setzt nach einem Milztrauma ein symptomfreies Intervall von mindestens 48 Stunden bis zur akuten Blutung voraus. Als Ursache gelten Parenchym-
Beim stumpfen Bauchtrauma ist bei 25–60 % der Patienten mit einer Milzbeteiligung zu rechnen. Auch indirekte Gewalteinwirkungen (z.B. stumpfes Thoraxtrauma, Lenkrad) können zu Milzverletzungen führen.
Von der akuten, einzeitigen Milzverletzung wird die zweizeitige Milzruptur unterschieden. Sie setzt nach einem Milztrauma ein symptomfreies Intervall
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581
12.5 Verletzungen
1 B-12.7
Milzabszess
a, b Metastatischer Milzabszess bei Tuboovarialabszess mit deutlicher Luftansammlung als Hinweis auf eine anaerobe Kontamination ( Á).
c Perkutane Dränage des Abszesses mit Kontrastmittelfüllung der ehemaligen Abszesshöhle. Durch die radiologisch invasive Evakuation des Abszesses mit Einlage einer Spüldränage konnte die Splenektomie vermieden werden.
12.5
Verletzungen
12.5
Verletzungen
Milzruptur
Milzruptur
Verletzungen der Milz ereignen sich entweder durch direkte penetrierende oder stumpfe, geschlossene Gewalteinwirkung auf das Abdomen oder den linken, unteren Thorax. Beim stumpfen Bauchtrauma ist bei 25–60 % der Patienten mit einer Milzbeteiligung zu rechnen. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass auch indirekte Gewalteinwirkungen auf das Organ Rupturen zur Folge haben können. So kann bei einem Akzelerationstrauma (z.B. Abfangen des Oberkörpers durch Sicherheitsgurte) die Milz aus ihrem ligamentären Halteapparat herausgerissen und verletzt werden. Andererseits kann es durch einen intraabdominellen Druckanstieg zu Organberstungen senkrecht zur Milzachse kommen. Von der akuten, einzeitigen Milzverletzung, bei der ein kompletter Parenchymkapselriss vorliegt, wird die zweizeitige Milzruptur unterschieden. Sie setzt nach einem Milztrauma ein symptomfreies Intervall von mindestens 48 Stunden bis zur akuten Blutung voraus. Als Ursache gelten Parenchym-
Beim stumpfen Bauchtrauma ist bei 25–60 % der Patienten mit einer Milzbeteiligung zu rechnen. Auch indirekte Gewalteinwirkungen (z.B. stumpfes Thoraxtrauma, Lenkrad) können zu Milzverletzungen führen.
Von der akuten, einzeitigen Milzverletzung wird die zweizeitige Milzruptur unterschieden. Sie setzt nach einem Milztrauma ein symptomfreies Intervall
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582
12 Milz
1 B-12.8
Synopsis Schweregrade der Milzverletzungen
Klassifikation
Verletzungsausmaß
Therapie
Typ I
isolierte Kapselrisse, subkapsuläres Hämatom
Überwachung
Typ II
Kapsel- und Parenchymeinrisse ohne Hilumbeteiligung
Operation, lokale Blutstillung, Koagulation, Hämostypika
Typ III
Kapsel- und Parenchymeinrisse mit aktiver Segmentgefäßblutung
Milznaht, Hämostypika, Netzkompression
Typ IV
Fragmentierung oder Gefäßstielabriss
Milzteilresektion
Typ V
Organberstung, Organabriss im Milzhilum
Splenektomie
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12.5 Verletzungen
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oder subkapsuläre Blutungen, denen die Milzkapsel primär standgehalten hat und erst durch ein Bagatellereignis mit intraabdominaler Druckerhöhung rupturiert. Die okkulte oder chronische Milzruptur kann als Sonderform der zweizeitigen Milzruptur betrachtet werden. Der chronische Verlauf wird durch Adhäsionen und Verwachsungen mit der Umgebung bestimmt. Eine Blutung kann Wochen oder Jahre nach dem initialen Trauma auftreten. Unter Vortäuschung vielfacher Krankheitsbilder wie Herzinfarkt, Lungenembolie mit Pleuraergüssen, akuter Pankreatitis oder maligner Tumoren im linken Oberbauch entzieht sie sich lange der klinischen Diagnostik. Alte Rippenfrakturen im Bereich des linken Thorax können diagnostisch richtungweisend sein. Die Spontanruptur der Milz ereignet sich ausnahmslos an einem vorgeschädigten Organ. Sie ist als Komplikation der Malaria und häufiger der Mononukleose (Pfeiffer’sches Drüsenfieber) zu beobachten. Spontanrupturen sind jedoch auch bei malignen Systemerkrankungen mit vollständigem Milzbefall bekannt. In der Mehrzahl dieser Fälle ist die Indikation zur Splenektomie gegeben. Nach Art der Verletzung und dem daraus resultierenden Therapieverfahren werden die Milzverletzungen in fünf Schweregrade eingeteilt ( 1 B-12.8).
von mindestens 48 Stunden bis zur akuten Blutung voraus.
Symptome. Die Symptomatik des isolierten Milztraumas ist inkonstant und
Symptome. Die Symptomatik schwankt zwischen leichten Schmerzen im linken oberen Quadranten bei kreislaufstabilen Patienten bis zum Oberbauchperitonismus mit Zeichen des hypovolämischen Schocks. Ausstrahlende Schmerzen in die linke Schulter (KehrZeichen) weisen bereits auf eine intraabdominelle Blutung hin.
Diagnose. Bei Verdacht auf eine intraabdominelle Blutung besteht die primäre Diagnostik in einer Ultraschalluntersuchung des Abdomens. Weitergehende apparative Untersuchungen sind beim isolierten Milztrauma wegen des Zellverlustes durch notwendige Transporte von untergeordneter Bedeutung. Laborparameter sind für die Diagnose unzuverlässig.
Diagnose. Die primäre apparative Diagnostik besteht in einer Ultraschalluntersuchung. Laborparameter sind für die Diagnose unzuverlässig.
Therapie. Die Behandlung richtet sich nach dem Ausmaß der Verletzung
und der Höhe des Blutverlustes. Grundsätzlich sind organerhaltende Maßnahmen durch ein differenziertes Vorgehen unter Berücksichtigung von Alter und Zustand des Patienten anzustreben ( 1 B-12.9). Bei Milzrupturen mit fehlendem Nachweis einer aktiven Blutung kann, insbesondere bei bewusstseinsklaren Kindern und Jugendlichen, konservativ (nicht operativ) vorgegangen werden. Dies setzt allerdings stabile Kreislaufverhältnisse und eine konstante oder abklingende Symptomatik voraus. Die Überwachung muss unter regelmäßiger Kontrolle von Kreislauf, Laborparametern sowie klinischen und sonographischen Befunden auf der Intensivstation erfolgen. Der Substitutionsbedarf an Blut sollte 2 Erythrozytenkonzentrate nicht überschreiten. Bei Anzeichen der Kreislaufdekompensation muss die Laparotomie zur Blutstillung vorgenommen werden. Die organerhaltenden Maßnahmen richten sich nach dem Schweregrad der Verletzung ( 1 B-12.8), sodass durchschnittlich eine Erhaltungsquote von 70 % erreicht wird. In keinem Fall darf jedoch die Milzerhaltung erzwungen werden.
Therapie. Die Behandlung verlangt ein differenziertes Vorgehen ( 1 B-12.9). Primäres Ziel ist es, funktionstüchtiges Milzgewebe zu erhalten. Bei Milzrupturen mit fehlendem Nachweis einer aktiven Blutung kann konservativ (nicht operativ) vorgegangen werden. Die Überwachung muss unter regelmäßiger Kontrolle von Kreislauf, Laborparametern sowie klinischen und sonographischen Befunden auf der Intensivstation erfolgen. Bei Anzeichen der Kreislaufdekompensation muss die Laparotomie zur Blutstillung vorgenommen werden. Die organerhaltenden Maßnahmen richten sich nach dem Schweregrad der Verletzung (s. 1 B-12.8). In keinem Fall darf die Milzerhaltung erzwungen werden.
Prognose. Die Prognose der isolierten Milzverletzung wird durch das Alter des Patienten und den erfolgten Blutverlust bestimmt. Die Angaben über die Mortalität schwanken zwischen 0 und 8 %. Bei einem mehrfach verletzten Patienten hängt die Prognose von den Begleitverletzungen ab.
Prognose. Sie wird bei der isolierten Milzverletzung durch das Alter des Patienten und den erfolgten Blutverlust bestimmt.
hängt wesentlich von der Menge des Blutverlustes ab. Sie schwankt zwischen leichten Schmerzen im linken oberen Quadranten bei kreislaufstabilen Patienten bis zum Oberbauchperitonismus mit Zeichen des hypovolämischen Schocks. Ausstrahlende Schmerzen in die linke Schulter entstehen durch eine Phrenikusreizung bei intraabdominellem Hämatom (Kehr-Zeichen) und weisen bereits auf eine intraabdominelle Blutung hin. Das KehrZeichen kann durch Kopftieflagerung beim liegenden Patienten provoziert werden.
Die okkulte oder chronische Milzruptur kann als Sonderform der zweizeitigen Milzruptur betrachtet werden. Der chronische Verlauf wird durch Adhäsionen und Verwachsungen mit der Umgebung bestimmt. Eine Blutung kann Wochen oder Jahre nach dem initialen Trauma auftreten. Die Spontanruptur der Milz ereignet sich ausnahmslos an einem vorgeschädigten Organ. Sie ist als Komplikation der Malaria und der Mononukleose (Pfeiffer’sches Drüsenfieber) zu beobachten. Spontanrupturen sind jedoch auch bei malignen Systemerkrankungen mit vollständigem Milzbefall bekannt. In der Mehrzahl dieser Fälle ist die Indikation zur Splenektomie gegeben.
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12 Milz
1 B-12.9
Synopsis Differenzialtherapie beim Milztrauma
traumatische Milzverletzung kreislaufinstabil
kreislaufstabil
Diagnostik
Operation
abdominelle Begleitverletzungen
Milzerhaltung oder Splenektomie
12.6
Milzbeteiligung an hämatologischen Erkrankungen
Merke
12.6
isolierte Milzruptur
konservative Behandlung
keine Indikation
Indikation vertretbar
Misserfolg
Erfolg
Milzbeteiligung an hämatologischen Erkrankungen
n Merke. Bei zahlreichen hämatologischen Erkrankungen kann das Krankheitsbild durch eine Splenektomie beeinflusst werden, ohne dass die Milz in einem kausalen Zusammenhang zur Grunderkrankung steht.
Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP; Morbus Werlhof)
12.6.1 Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP; Morbus Werlhof)
12.6.1
Pathophysiologisch handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Die mit Antikörpern beladenen Thrombozyten werden vornehmlich in der Milz abgebaut. Die Standardtherapie besteht in der Gabe von Prednison. Diese Therapie führt bei ca. 80 % der Patienten zur Remission. Bei Therapieresistenz oder bei Rezidiven ist die Splenektomie angezeigt, wobei es bei etwa 50 % der Patienten zu einer andauernden Normalisierung der Thrombozytenzahl kommt.
Die ITP befällt vornehmlich Frauen zwischen dem 15. und 50. Lebensjahr. Der klinische Verlauf ist oft intermittierend und chronisch. Pathophysiologisch handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der plättchenassoziierte IgG- und IgM-Antikörper sowie freie thrombozytäre Antikörper nachweisbar sind. Die mit Antikörpern beladenen Thrombozyten werden vornehmlich in der Milz abgebaut. Die Standardtherapie besteht in der Gabe von Prednison (1–2 mg/kg KG/d). Diese Therapie führt bei ca. 80 % der Patienten zur Remission. Bei Therapieresistenz oder bei Rezidiven ist die Splenektomie angezeigt, wobei es bei etwa 50 % der Patienten zu einer andauernden Normalisierung der Thrombozytenzahl auf subnormale Werte kommt. Bei diesen Patienten ist mit einem Rezidiv zu rechnen. In 10–20 % der Fälle bleibt die Splenektomie ohne Auswirkungen. Präoperativ kann die Thrombozytenzahl durch die Gabe von 7S-Immunglobulinen (0,4 g/kg KG/d über 5 Tage) angehoben werden. Hierdurch werden vermutlich die Fc-Rezeptoren der linealen Makrophagen blockiert und die Elimination der Thrombozyten verzögert.
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12 Milz
1 B-12.9
Synopsis Differenzialtherapie beim Milztrauma
traumatische Milzverletzung kreislaufinstabil
kreislaufstabil
Diagnostik
Operation
abdominelle Begleitverletzungen
Milzerhaltung oder Splenektomie
12.6
Milzbeteiligung an hämatologischen Erkrankungen
Merke
12.6
isolierte Milzruptur
konservative Behandlung
keine Indikation
Indikation vertretbar
Misserfolg
Erfolg
Milzbeteiligung an hämatologischen Erkrankungen
n Merke. Bei zahlreichen hämatologischen Erkrankungen kann das Krankheitsbild durch eine Splenektomie beeinflusst werden, ohne dass die Milz in einem kausalen Zusammenhang zur Grunderkrankung steht.
Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP; Morbus Werlhof)
12.6.1 Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP; Morbus Werlhof)
12.6.1
Pathophysiologisch handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Die mit Antikörpern beladenen Thrombozyten werden vornehmlich in der Milz abgebaut. Die Standardtherapie besteht in der Gabe von Prednison. Diese Therapie führt bei ca. 80 % der Patienten zur Remission. Bei Therapieresistenz oder bei Rezidiven ist die Splenektomie angezeigt, wobei es bei etwa 50 % der Patienten zu einer andauernden Normalisierung der Thrombozytenzahl kommt.
Die ITP befällt vornehmlich Frauen zwischen dem 15. und 50. Lebensjahr. Der klinische Verlauf ist oft intermittierend und chronisch. Pathophysiologisch handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der plättchenassoziierte IgG- und IgM-Antikörper sowie freie thrombozytäre Antikörper nachweisbar sind. Die mit Antikörpern beladenen Thrombozyten werden vornehmlich in der Milz abgebaut. Die Standardtherapie besteht in der Gabe von Prednison (1–2 mg/kg KG/d). Diese Therapie führt bei ca. 80 % der Patienten zur Remission. Bei Therapieresistenz oder bei Rezidiven ist die Splenektomie angezeigt, wobei es bei etwa 50 % der Patienten zu einer andauernden Normalisierung der Thrombozytenzahl auf subnormale Werte kommt. Bei diesen Patienten ist mit einem Rezidiv zu rechnen. In 10–20 % der Fälle bleibt die Splenektomie ohne Auswirkungen. Präoperativ kann die Thrombozytenzahl durch die Gabe von 7S-Immunglobulinen (0,4 g/kg KG/d über 5 Tage) angehoben werden. Hierdurch werden vermutlich die Fc-Rezeptoren der linealen Makrophagen blockiert und die Elimination der Thrombozyten verzögert.
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12.6.3 Maligne Lymphome, CLL und Haarzell-Leukämie 12.6.2
Hämolytische Anämien
Angeborene hämolytische Anämien
12.6.2 Hämolytische Anämien
Unter den angeborenen hämolytischen Anämien kommt der Kugelzellanämie (kongenitale Sphärozytose) die größte Bedeutung zu. Es handelt sich um eine autosomal dominant vererbbare Erkrankung, bei der die Erythrozyten eine Kugelzellform annehmen. Pathophysiologisch liegt der Erkrankung ein Membrandefekt der Erythrozyten zugrunde. Die verminderte Verformbarkeit führt zu einem gesteigerten Abbau in der Milz. Die Splenektomie beseitigt den Ort des gesteigerten Abbaus und führt zu einer klinischen Heilung bei fortbestehendem Membrandefekt der Erythrozyten. Auch bei der Elliptozytose führt die Splenektomie oft zu einer Besserung der Anämie. Bei der Thalassaemia major ist die Splenektomie nur dann indiziert, wenn bei erhöhter lienaler Erythrozytendestruktion postoperativ eine Reduktion des Transfusionsbedarfs erwartet werden kann.
Angeborene hämolytische Anämien Unter den angeborenen hämolytischen Anämien kommt der Kugelzellanämie (kongenitale Sphärozytose) die größte Bedeutung zu. Bei dieser autosomal dominant vererbbaren Erkrankung nehmen die Erythrozyten eine Kugelzellform an. Die verminderte Verformbarkeit führt zu einem gesteigerten Abbau in der Milz. Die Splenektomie beseitigt den Ort des gesteigerten Abbaus und führt zu einer klinischen Heilung bei fortbestehendem Membrandefekt der Erythrozyten. Auch bei der Elliptozytose führt die Splenektomie oft zu einer Besserung der Anämie. Bei der Thalassaemia major ist die Splenektomie nur in Einzelfällen indiziert.
Erworbene hämolytische Anämien
Erworbene hämolytische Anämien
Bei den erworbenen autoimmunhämolytischen Anämien liegen bei 80 % der Patienten Wärmeantikörper vor. Diese Erkrankungen treten entweder primär (idiopathisch) oder sekundär im Rahmen lymphoproliferativer Erkrankungen, insbesondere malignen Lymphomen, Infektionen und Autoimmunerkrankungen auf. Der gesteigerte Erythrozytenabbau findet wiederum in der Milz statt. Die Milzentfernung führt bei 60 % der Patienten zu einer Besserung des Krankheitsbildes. Allerdings ist die Rezidivrate hoch.
Bei den erworbenen autoimmunhämolytischen Anämien liegen in 80 % Wärmeantikörper vor. Diese Erkrankungen treten entweder primär (idiopathisch) oder im Rahmen lymphoproliferativer Erkrankungen auf. Der gesteigerte Erythrozytenabbau findet in der Milz statt. Die Milzentfernung führt bei 60 % der Patienten zu einer Besserung des Krankheitsbildes. Die Rezidivrate ist hoch. 12.6.3 Maligne Lymphome, chronisch lymphatische Leukämie (CLL) und Haarzell-Leukämie
12.6.3
Maligne Lymphome, chronisch lymphatische Leukämie (CLL) und Haarzell-Leukämie
Eine weitere Indikation zur Splenektomie bei vorliegendem Hypersplenismus mit peripherer Zytopenie sind die malignen Lymphome, die chronisch lymphatische Leukämie (CLL) und die Haarzell-Leukämie. Neben der Beseitigung der Symptome durch die Splenomegalie ist es Ziel der Operation, die periphere Zytopenie im Hinblick auf eine einzuleitende Chemotherapie zu korrigieren. Diese Korrektur gelingt bei 80–90 % aller Patienten. Liegt bei einer Haarzell-Leukämie keine Splenomegalie vor oder besteht eine Kontraindikation zur Splenektomie, wird primär eine Behandlung mit a-Interferon durchgeführt.
Eine weitere Indikation zur Splenektomie bei vorliegendem Hypersplenismus mit peripherer Zytopenie sind die malignen Lymphome, die CLL und die HaarzellLeukämie. Neben der Beseitigung der Symptome durch die Splenomegalie ist es Ziel der Operation, die periphere Zytopenie im Hinblick auf eine einzuleitende Chemotherapie zu korrigieren. Diese Korrektur gelingt bei 80–90 % aller Patienten.
Staging-Laparotomie
Staging-Laparotomie
Bei malignen Lymphomen, wie dem Morbus Hodgkin, ist die Staging-Laparotomie mit Splenektomie, Leberbiopsie, parailikaler, paraaortaler und mesenterialer Lymphknotenbiopsie für das einzuschlagende Therapieverfahren richtungweisend. Ganz allgemein werden die Stadien I und IIA mit einer lokalen Strahlentherapie der befallenen Lymphknoten behandelt. Demgegenüber erfolgt die Behandlung der Stadien III und IV mit einer systemischen Chemotherapie, evtl. kombiniert mit einer Radiotherapie. Der Wandel der bildgebenden Diagnostik und der Behandlungskonzepte hat die Bedeutung der Staging-Laparotomie erheblich eingeschränkt. Es wird zunehmend, auch bei frühen Stadien, eine Chemo- in Kombination mit einer Strahlentherapie durchgeführt. Die Chemotherapie beseitigt in einem hohen Prozentsatz einen gleichzeitig vorhandenen Milzbefall. Die explorative Laparotomie mit Splenektomie im Rahmen einer Staging-Untersuchung ist nur noch beim Fehlen von Risikofaktoren indiziert. Zu diesen Risikofaktoren gehören ein großer Mediastinaltumor, ein extranodaler Befall, ein massiver Milzbefall und der Befall von mehr als 3 Lymphknotenarealen. Nur in den Stadien IA und IIA ohne Risikofaktoren hätte ein nicht erkannter Milzbefall negative Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf. Bei den Non-Hodgkin-Lymphomen liegt meist bei Diagosestellung ein fortgeschrittenes Stadium (III und IV) vor. Bei 50 % dieser Patienten besteht
Der Wandel der bildgebenden Diagnostik und der Behandlungskonzepte hat die Bedeutung der Staging-Laparotomie erheblich eingeschränkt. Bei malignen Lymphomen, wie dem Morbus Hodgkin, wird zunehmend, auch bei frühen Stadien, eine Chemoin Kombination mit einer Strahlentherapie durchgeführt. Die Chemotherapie beseitigt in einem hohen Prozentsatz einen gleichzeitig vorhandenen Milzbefall. Die explorative Laparotomie mit Splenektomie im Rahmen einer Staging-Untersuchung ist nur noch beim Fehlen von Risikofaktoren indiziert. Zu diesen Risikofaktoren gehören ein großer Mediastinaltumor, ein extranodaler Befall, ein massiver Milzbefall und der Befall von mehr als 3 Lymphknotenarealen. Bei den Non-Hodgkin-Lymphomen liegt meist bei Diagnosestellung ein
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12 Milz
fortgeschrittenes Stadium (III und IV) vor. Bei 50 % dieser Patienten besteht gleichzeitig ein Milzbefall mit einer Splenomegalie. Da Chemotherapie und Bestrahlung einen Milzbefall zu beseitigen vermögen, hat die explorative Laparotomie hier keinen Stellenwert.
gleichzeitig ein Milzbefall mit einer Splenomegalie. Da das therapeutische Konzept mit einer Chemotherapie und einer Bestrahlung der befallenen Lymphknotenregionen ebenso erfolgreich ist wie beim Morbus Hodgkin und einen Milzbefall zu beseitigen vermag, hat die explorative Laparotomie bei diesem Krankheitsbild keinen Stellenwert.
12.7
12.7
Operationen an der Milz
12.7.1 Milzerhaltende Operationstechniken
12.7.1
Milzerhaltende Operationstechniken
Bei oberflächlichen Verletzungen (z.B. Grad I–II): π Infrarot-, Saphirkoagulation π Laserkoagulation π Heißluftföhn (Koagulation). Lokale Hämostyptika: π Fibrinkleber π Kollagenvlies π Oxidierte, regenerierte Zellulose. Bei Verletzungen III. Grades: π direkte Naht π resorbierbares Netz π Segmentresektion gemäß den anatomischen Gefäßgrenzen π Klammernahtresektion.
Angesichts der drohenden Folgen des Milzverlustes ist die Blutstillung unter Erhalt funktionstüchtigen Milzgewebes anzustreben. Bei oberflächlichen Verletzungen (z.B. Grad I–II) kann durch Infrarot-, Heißluft- oder Laserkoagulation eine Blutstillung erreicht werden. Diese Maßnahmen können durch lokale Hämostyptika wie Fibrinkleber, Kollagenvlies oder oxidierte, regenerierte Zellulose unterstützt werden. Bei Verletzungen III. Grades erfolgt die Versorgung mit direkten Parenchymnähten oder durch Kompression mit einem resorbierbaren Netz. Segmentresektionen der Milz sind als anatomische Operationsverfahren anzusehen. Sie orientieren sich an der segmentartigen Gefäßversorgung (s.o.) der Milz und setzen eine sorgfältige Präparation und Ligatur der Segmentgefäße im Milzhilus voraus. Teilresektionen der Milz können ebenfalls mit Klammernahtgeräten vorgenommen werden.
12.7.2 Splenektomie
12.7.2
Als Elektiveingriff wird sie bei hämatologisch-onkologischen Erkrankungen mit einer therapeutischen Zielsetzung durchgeführt. Dem Eingriff sollte eine Vakzination mit Pneumokokkenpolysaccharid 3–4 Wochen vorausgehen. Eine ausgeprägte Anämie muss korrigiert werden, da eine vergrößerte Milz allein 30–50 % des Erythrozytenvolumens speichern kann.
Das operativ taktische Vorgehen der Splenektomie wird wesentlich durch die Indikation beeinflusst. Als Elektiveingriff wird sie bei hämatologischonkologischen Erkrankungen mit einer therapeutischen Zielsetzung durchgeführt. Dem Eingriff sollte eine Vakzination mit Pneumokokkenpolysaccharid 3–4 Wochen vorausgehen. Bei einer gigantischen Splenomegalie mit einem zu erwartenden hohen Blutverlust kann präoperativ radiologischinvasiv eine Embolisation der A. splenica erörtert werden. Eine ausgeprägte Anämie muss korrigiert werden, da eine vergrößerte Milz allein 30–50 % des Erythrozytenvolumens speichern kann und somit trotz schonender Operationstechnik ein größerer Blutverlust als erwartet auftritt. Der Ersatz von Thrombozyten bei Erkrankungen mit einer Thrombozytopenie und hämorrhagischer Diathese muss präoperativ gesichert sein. Hierbei gilt zu berücksichtigen, dass gegebenenfalls eine Vorbehandlung der Zellen erforderlich ist. Myeloproliferative Erkrankungen können mit einer Thrombozytose einhergehen, die durch den postoperativen Thrombozytenanstieg potenziert werden kann. Als Folge sind thromboembolische und evtl. hämorrhagische Komplikationen zu beobachten. In diesen Fällen empfiehlt sich eine präoperative Senkung der Thrombozyten, ggf. mit Zytostatika. Die Notfallindikation liegt bei ausgedehnten Milzverletzungen vor, wenn ein milzerhaltendes Vorgehen technisch nicht möglich ist oder eine zeitliche Verzögerung hinsichtlich lebensbedrohlicher Begleitverletzungen nicht toleriert werden kann. Als Zugang zum Abdomen dienen die mediane Laparotomie, der Subkostalschnitt links sowie der linke Kostoumbilikalschnitt. Die mediane Laparotomie gewährleistet in allen Notfallsituationen den besten Überblick über mögliche Zusatzverletzungen und erlaubt bei zugrunde liegender hämorrhagischer Diathese bei hämatologischen Erkrankungen die sicherste Kontrolle der Blutstillung im Bereich des Zuganges. Der linksseitige Subkostalschnitt gilt als Standardzugang bei allen elektiven Milzeingriffen im Rahmen gutartiger Erkrankungen. Der Kostoumbilikalschnitt gestattet bei extremer Splenomegalie eine gute Übersicht und die Möglichkeit der Verlängerung in den rechten unteren Quadranten. Die Präparation der Milz erfolgt unter Berücksichtigung der engen Lagebeziehungen zu Magen, Pankreas, Kolon und Nebenniere. Nach Eröffnen der
Operationen an der Milz
Die Notfallindikation liegt bei ausgedehnten Milzverletzungen vor, wenn ein milzerhaltendes Vorgehen technisch nicht möglich ist oder eine zeitliche Verzögerung hinsichtlich lebensbedrohlicher Begleitverletzungen nicht toleriert werden kann. Als Zugang zum Abdomen dienen die mediane Laparotomie, der Subkostalschnitt links sowie der linke Kostoumbilikalschnitt.
Das operationstechnische Vorgehen zeigt 1 B-12.10.
Splenektomie
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fortgeschrittenes Stadium (III und IV) vor. Bei 50 % dieser Patienten besteht gleichzeitig ein Milzbefall mit einer Splenomegalie. Da Chemotherapie und Bestrahlung einen Milzbefall zu beseitigen vermögen, hat die explorative Laparotomie hier keinen Stellenwert.
gleichzeitig ein Milzbefall mit einer Splenomegalie. Da das therapeutische Konzept mit einer Chemotherapie und einer Bestrahlung der befallenen Lymphknotenregionen ebenso erfolgreich ist wie beim Morbus Hodgkin und einen Milzbefall zu beseitigen vermag, hat die explorative Laparotomie bei diesem Krankheitsbild keinen Stellenwert.
12.7
12.7
Operationen an der Milz
12.7.1 Milzerhaltende Operationstechniken
12.7.1
Milzerhaltende Operationstechniken
Bei oberflächlichen Verletzungen (z.B. Grad I–II): π Infrarot-, Saphirkoagulation π Laserkoagulation π Heißluftföhn (Koagulation). Lokale Hämostyptika: π Fibrinkleber π Kollagenvlies π Oxidierte, regenerierte Zellulose. Bei Verletzungen III. Grades: π direkte Naht π resorbierbares Netz π Segmentresektion gemäß den anatomischen Gefäßgrenzen π Klammernahtresektion.
Angesichts der drohenden Folgen des Milzverlustes ist die Blutstillung unter Erhalt funktionstüchtigen Milzgewebes anzustreben. Bei oberflächlichen Verletzungen (z.B. Grad I–II) kann durch Infrarot-, Heißluft- oder Laserkoagulation eine Blutstillung erreicht werden. Diese Maßnahmen können durch lokale Hämostyptika wie Fibrinkleber, Kollagenvlies oder oxidierte, regenerierte Zellulose unterstützt werden. Bei Verletzungen III. Grades erfolgt die Versorgung mit direkten Parenchymnähten oder durch Kompression mit einem resorbierbaren Netz. Segmentresektionen der Milz sind als anatomische Operationsverfahren anzusehen. Sie orientieren sich an der segmentartigen Gefäßversorgung (s.o.) der Milz und setzen eine sorgfältige Präparation und Ligatur der Segmentgefäße im Milzhilus voraus. Teilresektionen der Milz können ebenfalls mit Klammernahtgeräten vorgenommen werden.
12.7.2 Splenektomie
12.7.2
Als Elektiveingriff wird sie bei hämatologisch-onkologischen Erkrankungen mit einer therapeutischen Zielsetzung durchgeführt. Dem Eingriff sollte eine Vakzination mit Pneumokokkenpolysaccharid 3–4 Wochen vorausgehen. Eine ausgeprägte Anämie muss korrigiert werden, da eine vergrößerte Milz allein 30–50 % des Erythrozytenvolumens speichern kann.
Das operativ taktische Vorgehen der Splenektomie wird wesentlich durch die Indikation beeinflusst. Als Elektiveingriff wird sie bei hämatologischonkologischen Erkrankungen mit einer therapeutischen Zielsetzung durchgeführt. Dem Eingriff sollte eine Vakzination mit Pneumokokkenpolysaccharid 3–4 Wochen vorausgehen. Bei einer gigantischen Splenomegalie mit einem zu erwartenden hohen Blutverlust kann präoperativ radiologischinvasiv eine Embolisation der A. splenica erörtert werden. Eine ausgeprägte Anämie muss korrigiert werden, da eine vergrößerte Milz allein 30–50 % des Erythrozytenvolumens speichern kann und somit trotz schonender Operationstechnik ein größerer Blutverlust als erwartet auftritt. Der Ersatz von Thrombozyten bei Erkrankungen mit einer Thrombozytopenie und hämorrhagischer Diathese muss präoperativ gesichert sein. Hierbei gilt zu berücksichtigen, dass gegebenenfalls eine Vorbehandlung der Zellen erforderlich ist. Myeloproliferative Erkrankungen können mit einer Thrombozytose einhergehen, die durch den postoperativen Thrombozytenanstieg potenziert werden kann. Als Folge sind thromboembolische und evtl. hämorrhagische Komplikationen zu beobachten. In diesen Fällen empfiehlt sich eine präoperative Senkung der Thrombozyten, ggf. mit Zytostatika. Die Notfallindikation liegt bei ausgedehnten Milzverletzungen vor, wenn ein milzerhaltendes Vorgehen technisch nicht möglich ist oder eine zeitliche Verzögerung hinsichtlich lebensbedrohlicher Begleitverletzungen nicht toleriert werden kann. Als Zugang zum Abdomen dienen die mediane Laparotomie, der Subkostalschnitt links sowie der linke Kostoumbilikalschnitt. Die mediane Laparotomie gewährleistet in allen Notfallsituationen den besten Überblick über mögliche Zusatzverletzungen und erlaubt bei zugrunde liegender hämorrhagischer Diathese bei hämatologischen Erkrankungen die sicherste Kontrolle der Blutstillung im Bereich des Zuganges. Der linksseitige Subkostalschnitt gilt als Standardzugang bei allen elektiven Milzeingriffen im Rahmen gutartiger Erkrankungen. Der Kostoumbilikalschnitt gestattet bei extremer Splenomegalie eine gute Übersicht und die Möglichkeit der Verlängerung in den rechten unteren Quadranten. Die Präparation der Milz erfolgt unter Berücksichtigung der engen Lagebeziehungen zu Magen, Pankreas, Kolon und Nebenniere. Nach Eröffnen der
Operationen an der Milz
Die Notfallindikation liegt bei ausgedehnten Milzverletzungen vor, wenn ein milzerhaltendes Vorgehen technisch nicht möglich ist oder eine zeitliche Verzögerung hinsichtlich lebensbedrohlicher Begleitverletzungen nicht toleriert werden kann. Als Zugang zum Abdomen dienen die mediane Laparotomie, der Subkostalschnitt links sowie der linke Kostoumbilikalschnitt.
Das operationstechnische Vorgehen zeigt 1 B-12.10.
Splenektomie
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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12.7.3 Komplikationen Bursa omentalis wird am Pankreasoberrand die A. splenica aufgesucht und ligiert ( 1 B-12.10 a). Erst nach dieser Ligatur sollte gegebenenfalls ein Thrombozytenersatz erfolgen, da eine Sequestration der Zellen durch die Milz ausgeschlossen ist. Anschließend erfolgt die Durchtrennung des Lig. splenocolicum mit Präparation der linken Kolonflexur, dem dann die Eröffnung des Lig. phrenicosplenicum mit stumpfer Mobilisation von Milz und Pankreasschwanz folgt ( 1 B-12.10 b). Nach Durchtrennung des Lig. gastrosplenicum mit den Vasa gastrica brevia ist die Eventration der Milz möglich. Bedeutung erlangt dieser Schritt am resezierten Magen, da die Durchblutung des Restmagens nur noch durch diese Gefäße gewährleistet ist. Nach der Eventration können milzerhaltende Eingriffe, Segmentresektionen oder aber die schrittweise Splenektomie erfolgen. Eine Dränage der Milzloge ist nur zu diagnostischen Zwecken bei hämorrhagischer Diathese zum Ausschluss von Nachblutungen oder bei Verletzungen des Pankreasschwanzes indiziert.
1 B-12.10
Eine Dränage der Milzloge ist nur zu diagnostischen Zwecken bei hämorrhagischer Diathese oder bei Verletzungen des Pankreasschwanzes indiziert.
Synopsis Operationstechnik Splenektomie 2
1
a Verschluss der A. splenica am Oberrand des Pankreas.
b Durchtrennung des Lig. splenocolicum (1) mit Präparation der linken Kolonflexur. Anschließend Eröffnung des Lig. phrenicosplenicum mit stumpfer Mobilisation von Milz und Pankreasschwanz. Nach Durchtrennung des Lig. gastrosplenicum (2) mit den Vasa gastrica brevia ist die Eventration der Milz möglich.
Die Entwicklung laparoskopischer Operationstechniken hat es mittlerweile ermöglicht, die Splenektomie laparoskopisch durchzuführen.
12.7.3
Komplikationen
Neben den allgemeinen Risiken der Laparotomie gehören Beeinträchtigungen des Respirationstraktes (Atelektasen, Pneumonie, Pleuraerguss) und zahlreiche Infektionen einschließlich des subphrenischen Abszesses zu den häufigsten Komplikationen. Verletzungen der Nachbarorgane wie Magen, Pankreas und linker Kolonflexur können in seltenen Fällen zu Fistelbildungen führen. Die Letalität wird von der Grunderkrankung oder den Begleitverletzungen bestimmt. Sie beträgt für die elektive Splenektomie 1–5 % und beläuft sich bei Sepsis und Trauma auf 10–15 %.
Die Entwicklung laparoskopischer Operationstechniken ermöglicht mittlerweile die laparoskopische Splenektomie. 12.7.3 Komplikationen Atelektasen, Pneumonie, Pleuraerguss, subphrenischer Abszess gehören zu den häufigsten Komplikationen. Verletzungen der Nachbarorgane wie Magen, Pankreas und linker Kolonflexur können in seltenen Fällen zu Fistelbildungen führen. Die Letalität wird von der Grunderkrankung oder den Begleitverletzungen bestimmt. Sie beträgt für die elektive Splenektomie 1–5 % und beläuft sich bei Sepsis und Trauma auf 10–15 %.
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588 Postoperativ können eine Leukozytose und ein unklarer Fieberanstieg auftreten. Zu den Spätkomplikationen gehört die Postsplenektomiesepsis.
12 Milz Eine postoperative Leukozytose und ein unklarer Fieberanstieg (Milzfieber) können nach einer Splenektomie als unspezifische Symptome auftreten. Dies kann die Differenzialdiagnose einer postoperativen Infektion erheblich erschweren und zu unnötigen Relaparotomien führen. Bei Fehlen eines pathologischen Korrelats kommt es zur Spontanremission. Zu den Spätkomplikationen gehört die Postsplenektomiesepsis. Gegen Pneumokokken, Haemophilus influenzae und Meningokokken steht eine Vakzine zur Verfügung (s. S. 577).
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589 13
Endoskopie in der Chirurgie
13
Endoskopie in der Chirurgie
13.1
Allgemeines und Indikationen
Horst Grimm; J. Marek Doniec 13.1
Allgemeines und Indikationen
Neben den diagnostischen Aufgaben der Endoskopie im unteren und oberen Gastrointestinaltrakt sowie am pankreatobiliären System ist die therapeutische Endoskopie das Verfahren der Wahl bei der Behandlung zahlreicher Erkrankungen im Gastrointestinaltrakt. Mögliche Indikationen der therapeutischen Endoskopie zeigt 2 B-13.1. Voraussetzung für den Erfolg der therapeutischen Endoskopie ist neben der Beherrschung der endoskopischen Techniken die korrekte Deutung der endoskopischen Befunde. Zudem muss für jeden einzelnen Eingriff das technisch Machbare, die potenziellen Risiken des endoskopischen Eingriffes und vor allem der zu erwartende Benefit für den Patienten abgewogen werden. Der endoskopierende Arzt muss bei der Durchführung endoskopisch-therapeutischer Eingriffe auch in der Lage sein, mögliche Komplikationen sofort zu erkennen, korrekt zu deuten und nach den geltenden Qualitätsstandards zu behandeln.
2 B-13.1
Neben den diagnostischen Aufgaben der Endoskopie (Gastrointestinaltrakt und pankreatobiliäres System) ist die therapeutische Endoskopie das Verfahren der Wahl bei der Behandlung zahlreicher Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts ( 2 B-13.1).
Indikationen zur therapeutischen Endoskopie
N Fremdkörperextraktion n N Hämostase bei Varizen und bei nicht varizenbedingten gastrointestinalen n Blutungen N Polypektomie n N Tumorpalliation n N Steinextraktion aus Gallen- oder Pankreasgang n N endoskopische Behandlung der chronischen Pankreatitis n N Dränage von Pseudozysten und Abszessen n N Dränage des Gallengangs bei malignen und benignen Stenosen und bei n iatrogenen Läsionen N Platzierung von Sonden (z.B. perkutan-endoskopische Gastrotomie [PEG]) n
Kontraindikationen der Endoskopie sind schwere Gerinnungsstörungen, Schock, schwere respiratorische Insuffizienz und drohende Aspirationsgefahr. In solchen Fällen darf die Endoskopie nur bei gleichzeitiger Stabilisierung der Grundproblematik und ggf. nach Intubation des Patienten erfolgen.
13.2
Fremdkörperentfernung
13.2.1
Art der Fremdkörperentfernung
Unterschiedlichste Fremdkörper können versehentlich oder absichtlich in den Gastrointestinaltrakt gelangen. Versehentlich: bei Kindern (z.B. Münzen, Spielzeugteile, Spielzeugbatterien), bei Erwachsenen durch zu hastiges Essen (z.B. große Fleischstücke – Block-house-Syndrom, Knochen, Rollmopsspieß), beruflich bedingt (z.B. Näherin – Nadeln; Handwerker – Nägel, Schrauben) beim Versuch mittels Gegenständen Erbrechen auszulösen (z.B. Löffel), bei der Zahnarztbehandlung (Kronen, Bohrer). Absichtlich: Bei Betrunkenen (z.B. Wettsituationen), Schmuggler (mit Drogen gefüllte Kondome – die sogenannten »Body-Packer«), psychisch Kranke (z.B. Besteck, Autoantennen), bei Gefangenen zwecks Hafterleichterung (z.B. Besteck, Rasierklingen) ( 1 B-13.1). Fremdkörper im unteren Gastrointestinaltrakt sind in der Regel auf ungewöhnliche sexuelle Praktiken zurückzuführen (z.B. Flaschen, Kerzen, Deodorant- und Sprühsahnebehälter, Toilettenbürsten).
Kontraindikationen der Endoskopie sind: π schwere Gerinnungsstörungen π Schock π schwere respiratorische Insuffizienz π drohende Aspirationsgefahr. 13.2
Fremdkörperentfernung
13.2.1 Art der Fremdkörperentfernung Unterschiedlichste Fremdkörper können versehentlich oder absichtlich in den Gastrointestinaltrakt gelangen. Häufigste Fremdkörper im oberen Gastrointestinaltrakt sind: π Münzen π Batterien π Spielzeug. Weitere Fremdkörper sind große Fleischstücke, Nadeln oder Löffel ( 1 13.1). Häufigste Fremdkörper im unteren Gastrointestinaltrakt: π Flaschen π Gläser π Kerzen.
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590
13 Endoskopie in der Chirurgie
1 B-13.1
Fremdkörper Abdomenleeraufnahme mit einem Löffel im Magen.
Spontanverlauf
13.2.2 Spontanverlauf
13.2.2
60–80 % aller verschluckten Fremdkörper passieren den Gastrointestinaltrakt spontan innerhalb eines Monats. Die durchschnittliche Passagezeit beträgt ca. 6 Tage. Bei einer Länge > 5 cm und einem Durchmesser > 2 cm ist die Passage des Pylorus unwahrscheinlich. Häufigste Komplikationen sind Obstruktion und Perforation, die bei spitzen Gegenständen bis in 40 % der Fälle auftreten können. Am häufigsten treten die Komplikationen im unteren und oberen Ösophagussphinkter und an der Bauhin’schen Klappe auf.
60–80 % aller verschluckten Fremdkörper passieren den Gastrointestinaltrakt spontan innerhalb eines Monats. Die durchschnittliche Passagezeit beträgt ca. 6 Tage. Bei einer Länge bis bzw. unter 5 cm und einem Durchmesser bis zu 2 cm ist die spontane Passage des Gastrointestinaltrakts die Regel, bei einer Länge über 5 cm und einem Durchmesser über 2 cm ist die Passage des Pylorus unwahrscheinlich. Häufigste Komplikationen sind Obstruktion und Perforation, die bei spitzen Gegenständen bis in 40 % der Fälle auftreten können. Allerdings werden derartige Fremdkörper in der Regel aufgrund des »Wandrückzugreflexes« im Gastrointestinaltrakt mit der stumpfen Seite voraus transportiert. Am häufigsten treten die Komplikationen im unteren und oberen Ösophagussphinkter und an der Bauhin’schen Klappe auf. Weitere Bereiche mit relativen anatomischen Engen des Gastrointestinaltraktes sind Pylorus, Treitz-Band, rektosigmoidaler Übergang und Anus.
13.2.3 Indikation zur endoskopischen Entfernung
13.2.3
Die Fremdkörper, die potenziell zu Vergiftungen bzw. anderen schwerwiegenden Komplikationen führen können, sollten umgehend endoskopisch entfernt werden (z.B. Batterien, scharfe und spitze Fremdkörper und Fremdkörper > 5 « 3 cm).
Im Ösophagus impaktierte Fremdkörper können bei Kindern wochenlang unbemerkt bleiben (trotz tiefer Nekrosen) oder zu respiratorischen Symptomen führen. Fremdkörper, die nach 1 Woche nicht spontan abgegangen sind, sollten entfernt werden.
Indikation zur endoskopischen Entfernung
Die Indikation muss, abhängig von mehreren Faktoren, im Einzelfall überprüft werden: π Form, Größe und Beschaffenheit des Fremdkörpers: spitze, kantige und scharfe Gegenstände, Fremdkörper aus bzw. mit resorbierbaren Schwermetallen bzw. anderen giftigen Chemikalien und Fremdkörper > 5 « 3 cm, sollten sofort entfernt werden. π bei Schmerz- oder Obstruktionssymptomatik bzw. im Ösophagus verkeilten Fremdkörpern π bei vorliegenden Stenosen (z.B. Ösophagusstenose, Magenausgangstenose) oder funktionellen Störungen (Achalasie) π Alter des Patienten: bei Säuglingen und Kleinkindern können impaktierte Fremdkörper im Ösophagus wochenlang unbemerkt bleiben. Bereits kleine Münzen können zu erheblichen Drucknekrosen des Ösophagus und respiratorischen Symptomen durch Kompression der Trachea führen. π Verweildauer: Nach 1 Woche ist die Wahrscheinlichkeit eines Spontanabgangs gering, spätestens dann sollten verbliebene Fremdkörper entfernt werden.
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13.2.4 Vorgehen bei der endoskopischen Fremdkörperentfernung 13.2.4
Vorgehen bei der endoskopischen Fremdkörperentfernung
Zunächst sollte durch eine ausführliche Anamnese die Art des Fremdkörpers geklärt werden. Symptomorientierte Röntgenleeraufnahmen von Thorax bzw. Abdomen geben einen orientierenden Überblick. Danach sollte die Endoskopie durchgeführt werden. Eine Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel vor einer geplanten Endoskopie sollte nur bei Verdacht auf endoskopisch nicht mehr erreichbare Fremdkörper oder im Einzelfall bei dringendem Verdacht auf eine Perforation durchgeführt werden. Die Endoskopie wird bei Kindern grundsätzlich und bei Erwachsenen je nach Bedarf (erhöhte Aspirationsgefahr, z.B. bei älteren und bei geistig verwirrten Patienten) in Vollnarkose durchgeführt. Bei verschluckten Fremdkörpern nach vorausgegangener Mahlzeit wird in der Regel die Magenentleerung abgewartet. Zur endoskopischen Entfernung stehen Fasszangen, Metallschlingen, Greifer und Dormia-Körbchen zur Verfügung ( 1 B-13.2).
1 B-13.2
Fremdkörperentfernung mit dem Dormia-Körbchen
591 13.2.4 Vorgehen bei der endoskopischen Fremdkörperentfernung Zunächst sollte durch eine ausführliche Anamnese die Art des Fremdkörpers geklärt werden. Symptomorientierte Röntgenleeraufnahmen von Thorax bzw. Abdomen geben einen orientierenden Überblick. Danach sollte die Endoskopie durchgeführt werden.
Zur endoskopischen Entfernung stehen Fasszangen, Metallschlingen, Greifer und Dormia-Körbchen zur Verfügung ( 1 13.2).
Endoskopische Entfernung einer Schraubenmutter mit dem Dormia-Körbchen.
Bei scharfen und spitzen Fremdkörpern wird ein Kunststoffschlauch über das Endoskop geschoben (Overtube). Der gefasste Fremdkörper wird unter Sicht durch den Schlauch gezogen, ohne die Gefahr, die Ösophaguswand zu verletzen ( 1 B-13.3). Aufgrund des geringeren Perforationsrisikos und der geringeren Belastung für den Patienten wird die Endoskopie mit flexiblen Geräten bevorzugt. Starre Geräte (Vollnarkose erforderlich) sollten nur im Ausnahmefall eingesetzt werden, z.B. bei sperrigen bzw. verkeilten Fremdkörpern, die mit der flexiblen Endoskopie nicht extrahierbar sind, oder bei größeren Fremdkörpern, die durch starre Endoskope mit Spezialzangen zerkleinert werden können (z.B. Knochen). Auf die endoskopische Entfernung von mit Drogen gefüllten Kondomen sollte wegen der Gefahr der Ruptur verzichtet werden. Die Indikation von Abführmaßnahmen in diesen Fällen wird kontrovers diskutiert, nach 48 Stunden Beobachtungszeit wäre ggf. die chirurgische Entfernung der Fremdkörper angezeigt. Für die endoskopische Entfernung von Phyto- und Trichobezoaren sind häufig mehrere Sitzungen erforderlich. Da das Gerät pro Untersuchung mehrmals eingeführt werden muss, empfiehlt sich grundsätzlich die Nutzung eines Overtube.
Bei scharfen und spitzen Fremdkörpern wird ein Kunststoffschlauch über das Endoskop geschoben (Overtube). Der gefasste Fremdkörper wird unter Sicht durch den Schlauch gezogen, ohne die Gefahr, die Ösophaguswand zu verletzen ( 1 B-13.3). Aufgrund des geringeren Perforationsrisikos und der geringeren Belastung für den Patienten wird die Endoskopie mit flexiblen Geräten bevorzugt. Auf die endoskopische Entfernung von mit Drogen gefüllten Kondomen sollte wegen der Gefahr der Ruptur verzichtet werden. Gegebenenfalls ist die chirurgische Entfernung der Fremdkörper angezeigt.
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592
13 Endoskopie in der Chirurgie
1 B-13.3
Synopsis Fremdkörperextraktion mit Hilfe eines Overtubes
Nach Ergreifen des spitzen Fremdkörpers wird dieser in einen Schlauch gezogen und erst dann extrahiert.
Ergebnisse der Endoskopie
13.2.5 Ergebnisse der Endoskopie
13.2.5
Fast alle Fremdkörper (ca. 90 %) können endoskopisch entfernt werden. Die Perforationsrate des Ösophagus liegt bei 1–5 % für die flexible und 10–12 % für die starre Endoskopie. Spezielle Kontraindikationen gibt es keine.
Die meisten Fremdkörper (ca. 90 %) können endoskopisch entfernt werden. Die Perforationsrate des Ösophagus bei der Fremdkörperentfernung wird mit 10–12 % für die starre und mit 1–5 % für die flexible Endoskopie angegeben. Spezielle Kontraindikationen gibt es keine. Möglichkeiten und Grenzen der Endoskopie sollten jedoch zuvor sorgfältig überprüft werden.
13.3
13.3
Ösophagusstenosen
13.3.1 Benigne Strikturen
13.3.1
Benigne Strikturen
Ätiologie. Häufigste Ursachen benigner Strikturen sind die Ösophagitis und Verätzungen.
Ätiologie. Benigne Strikturen sind am häufigsten Folge der Refluxkrankheit
Therapie. Lokalisierte, ringartige Narben können mit Diathermie geschlitzt oder durch Koagulation behandelt werden.
Therapie. Lokalisierte, ringartige Narben bzw. flache Membranen, die in das
Ösophagusstenosen
Bei den meisten benignen Strikturen ist die Dehnung angezeigt. Zur Bougierung werden heute in der Regel flexible Kunststoff-Bougies eingesetzt ( 1 B-13.4).
(s. a. Kap. B-1.5.4) oder Verätzung der Speiseröhre (s.a. Kap. B-1.7.4). Sie können aber auch iatrogen (z.B. postchirurgisch, nach Ösophagusvarizenverödung, infolge einer Bestrahlung) bedingt sein.
Lumen des Ösophagus hineinragen, können durch Schlitzung mit einer Diathermieschlinge oder durch Koagulation mit Laser oder Argonbeamer erfolgreich behandelt werden. Bei wanddurchgreifenden Vernarbungen sind diese Verfahren erfolglos oder nur von kurzer Dauer. Bei den meisten benignen Strikturen ist die Dehnung angezeigt, wobei nach der eigenen Erfahrung die Weitung mit Bougies gegenüber der pneumatischen Dilatation bevorzugt wird. Zur Bougierung werden heute in der Regel die flexiblen Kunststoff-Bougies mit verjüngter Spitze nach Savary-Gilliard eingesetzt ( 1 B-13.4).
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13 Endoskopie in der Chirurgie
1 B-13.3
Synopsis Fremdkörperextraktion mit Hilfe eines Overtubes
Nach Ergreifen des spitzen Fremdkörpers wird dieser in einen Schlauch gezogen und erst dann extrahiert.
Ergebnisse der Endoskopie
13.2.5 Ergebnisse der Endoskopie
13.2.5
Fast alle Fremdkörper (ca. 90 %) können endoskopisch entfernt werden. Die Perforationsrate des Ösophagus liegt bei 1–5 % für die flexible und 10–12 % für die starre Endoskopie. Spezielle Kontraindikationen gibt es keine.
Die meisten Fremdkörper (ca. 90 %) können endoskopisch entfernt werden. Die Perforationsrate des Ösophagus bei der Fremdkörperentfernung wird mit 10–12 % für die starre und mit 1–5 % für die flexible Endoskopie angegeben. Spezielle Kontraindikationen gibt es keine. Möglichkeiten und Grenzen der Endoskopie sollten jedoch zuvor sorgfältig überprüft werden.
13.3
13.3
Ösophagusstenosen
13.3.1 Benigne Strikturen
13.3.1
Benigne Strikturen
Ätiologie. Häufigste Ursachen benigner Strikturen sind die Ösophagitis und Verätzungen.
Ätiologie. Benigne Strikturen sind am häufigsten Folge der Refluxkrankheit
Therapie. Lokalisierte, ringartige Narben können mit Diathermie geschlitzt oder durch Koagulation behandelt werden.
Therapie. Lokalisierte, ringartige Narben bzw. flache Membranen, die in das
Ösophagusstenosen
Bei den meisten benignen Strikturen ist die Dehnung angezeigt. Zur Bougierung werden heute in der Regel flexible Kunststoff-Bougies eingesetzt ( 1 B-13.4).
(s. a. Kap. B-1.5.4) oder Verätzung der Speiseröhre (s.a. Kap. B-1.7.4). Sie können aber auch iatrogen (z.B. postchirurgisch, nach Ösophagusvarizenverödung, infolge einer Bestrahlung) bedingt sein.
Lumen des Ösophagus hineinragen, können durch Schlitzung mit einer Diathermieschlinge oder durch Koagulation mit Laser oder Argonbeamer erfolgreich behandelt werden. Bei wanddurchgreifenden Vernarbungen sind diese Verfahren erfolglos oder nur von kurzer Dauer. Bei den meisten benignen Strikturen ist die Dehnung angezeigt, wobei nach der eigenen Erfahrung die Weitung mit Bougies gegenüber der pneumatischen Dilatation bevorzugt wird. Zur Bougierung werden heute in der Regel die flexiblen Kunststoff-Bougies mit verjüngter Spitze nach Savary-Gilliard eingesetzt ( 1 B-13.4).
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13.3.1 Benigne Strikturen
1 B-13.4
Savary-Gilliard-Bougies mit Führungsdraht
Technik der Bougierung: Zunächst sollte eine genaue endoskopische Abklärung erfolgen, d.h. Feststellung der Länge und Ausmaß der Striktur als auch evtl. zusätzliche Veränderungen der Ösophaguswand (z.B. Nekrosen, Fisteln, brüchige Wand nach Bestrahlung). Platzierung eines Führungsdrahts durch die Stenose in den Magen. Sie erfolgt unter endoskopischer Sicht, sofern die Stenose endoskopisch passierbar ist, ansonsten unter endoskopischer und röntgenologischer Kontrolle (Durchleuchtung).
π
n Merke. Führungsdraht wegen der Perforationsgefahr nicht blind vorschieben.
Nach Entfernung des Endoskops erfolgt die Bougierung durch Vorschieben der Bougies durch die Stenose über den liegenden Führungsdraht ( 1 B-13.5). Das Vorgehen erfolgt schrittweise mit ansteigendem Kaliber der Bougies.
1 B-13.5
Technik der Bougierung: Die Dilatation erfolgt stufenweise über einen endoskopisch bzw. endoskopisch-röntgenologisch platzierten Führungsdraht ( 1 B-13.5).
π
Merke
Die Bougierung erfolgt schrittweise mit ansteigendem Kaliber der Bougies.
Ösophagusstenose und Dehnungsmöglichkeit
a Tumorbedingte Ösophagusstenose vor Bougierung.
b Bougierung mit dem SavaryGilliard-Bougie unter Durchleuchtung.
Die Kontrolle des Bougierungsvorgangs unter Durchleuchtung ist nicht obligat, sie ist jedoch bei extrem harten und komplizierten Stenosen zur Vermeidung einer extremen Stauchung bzw. Knickung der Bougies im Ösophagus mit der Gefahr der Wandläsion zu empfehlen. Es gelten die allgemeinen Kontraindikationen für die Endoskopie. Wichtigste Komplikation ist die Perforation (unter 0,5 %).
Es gelten die allgemeinen Kontraindikationen für die Endoskopie. Wichtigste Komplikation ist die Perforation (unter 0,5 %).
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594 Merke
Pneumatische bzw. hydraulische Dilatation bei Achalasie: Die Ballon-Platzierung unter endoskopischer Sicht oder Durchleuchtung vereinfacht und verkürzt den endoskopischen Eingriff. Nach der Dehnung erfolgt die endoskopische Kontrolle. π
Komplikationen: Häufigste Komplikation ist mit 3,5 % die Perforation. Seltener sind Blutungen und Aspiration.
13 Endoskopie in der Chirurgie
n Merke. Die Perforationsgefahr ist besonders groß bei Verätzungen und Strahlenschäden des Ösophagus. π Pneumatische bzw. hydraulische Dilatation bei Achalasie (s. a. Kap. B-1.5.2): Sie erfolgt durch einen Ballon, der über einen endoskopisch eingelegten Führungsdraht eingeführt wird. Die Platzierung des Ballons im Bereich der Kardia erfolgt unter endoskopischer Sicht oder unter Durchleuchtung. Die pneumatische Dilatation erfolgt durch Aufblasen des Ballons bis auf einen Druck von 250–300 mmHg. Nach der Dehnung erfolgt die endoskopische und bei Verdacht der tiefen Wandläsion bzw. Perforation ggf. auch die radiologische Kontrolle mit Kontrastmittel. Komplikationen: Schwerwiegendste Komplikation ist die Perforation, die in der einschlägigen Literatur mit 3,5 % angegeben wird. Weitere Komplikationen sind Blutungen und Aspirationen.
Maligne Stenosen
13.3.2 Maligne Stenosen
13.3.2
Ziele der endoskopischen Palliation sind: π Wiederherstellung der Passage π Vorbeugung der Aspiration. Dies kann durch Zerstörung des Tumorgewebes durch Koagulationsverfahren wie Laser oder durch Einlage von Tuben oder Stents erzielt werden.
Ziel der endoskopischen Therapie bei tumorbedingten Stenosen des Ösophagus bzw. der Kardia ist die Wiederherstellung der Passage und/oder der Verschluss einer ösophagotrachealen bzw. -bronchialen Fistel zur Vorbeugung der Aspiration. Diese Stenosen können durch Ösophagus- bzw. Kardiakarzinome (s. a. Kap. B-1.9) aber auch durch andere Primärtumoren verursacht werden, die sekundär den Ösophagus komprimieren bzw. infiltrieren. Die Wiederherstellung der Passage kann durch Zerstörung des Tumorgewebes (z.B. Laser oder andere Koagulationsverfahren wie Argonbeamer) oder durch Einlage von Tuben oder Stents erzielt werden.
Lasertherapie
Lasertherapie
Die Indikation zur Lasertherapie ist vorwiegend bei kurzstreckigen Stenosen mit überwiegend polypösen Tumoranteilen gegeben.
Die Komplikationsrate beträgt ca. 4 %. Häufigste Komplikation ist die Perforation (ca. 2 %).
Die Indikationen für die Durchführung einer Lasertherapie sind bei kurzstreckigen Tumoren und bei vorwiegend polypös wachsenden, in das Lumen hineinragenden Tumoren gegeben. Bei gleichzeitiger Fistelbildung und bei langstreckigen, vorwiegend infiltrierenden Tumoren mit Achsenabknickung des Lumens ist eine Lasertherapie kontraindiziert. Der wesentliche Vorteil dieser Behandlung ist die geringere Morbidität des Patienten. Aufgrund der Progredienz der zugrunde liegenden Erkrankung muss jedoch die Lasertherapie häufig wiederholt werden. Die Komplikationsrate beträgt. ca. 4 %. Häufigste Komplikation ist die Perforation (ca. 2 %). Die eingriffsbedingte Letalität wird in Sammelstatistiken älteren Datums mit ca. 1 % angegeben.
Endoprothesen (Kunststofftuben)
Endoprothesen (Kunststofftuben)
Die Tuben (z.B. Celestin) werden unter radiologischer oder endoskopischer Kontrolle im Bereich der Tumorstenose platziert.
Die Tuben (z.B. Celestin, Atkinson, Medoc, Wilson-Cook) werden unter radiologischer oder endoskopischer Kontrolle im Bereich der Tumorstenose platziert.
Einführungstechnik. Zu Beginn ist eine genaue endoskopische Abklärung der Stenose erforderlich.
Einführungstechnik. Zunächst erfolgt die endoskopische Abklärung der
Der wesentliche Vorteil dieser Behandlung ist die geringere Morbidität.
Vor Einführung des Tubus ist eine ausreichende Bougierung der Tumorstenose durchzuführen.
Stenose. Dabei ist vor allem auf die kraniokaudale Ausdehnung und das Ausmaß der Stenose zu achten. Die Entfernung der kranialen Tumorgrenze zum Ösophagusmund und das Vorliegen und ggf. die Größe und Lokalisation einer Fistelbildung sind vorab zu bestimmen. Wichtig ist auch die Abklärung einer Beteiligung der oberen Luftwege durch Endosonographie (EUS) und/oder Bronchoskopie zur Vermeidung einer Verlagerung der Luftwege durch den Tubus bzw. Stent. Bei der Dilatation der Stenose ist zu beachten, dass das Ausmaß der erforderlichen Bougierung sowohl vom Durchmesser des vorhandenen Lumens als auch vom Widerstand bei der Passage (Tumorkonsistenz) abhängt.
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13.3.2 Maligne Stenosen Die Dilatation erfolgt in der Regel mit den Savary-Gilliard-Bougies. Hilfreich ist dabei die Markierung des proximalen und distalen Endes der Tumorstenose, z.B. durch Metallplättchen (die unter Durchleuchtung auf der Haut des Patienten platziert werden) bzw. durch Kontrastmittelinjektion oder mittels Clips in der Wand des Ösophagus. Die Einführung des Tubus kann über ein feinkalibriges Endoskop oder über einen zuvor eingelegten bougieartigen Stab (der wiederum über einen endoskopisch platzierten Führungsdraht eingeführt wurde) mit Hilfe eines Vorschiebeschlauchs (Pusher) erfolgen ( 1 B-13.6, 1 B-13.7).
1 B-13.6
Celestintubus auf einem feinkalibrigen Endoskop
1 B-13.7
Ösophagobronchiale Fistel bei Ösophaguskarzinom
Hilfreich ist die Markierung des proximalen und distalen Endes der Tumorstenose (Metallplättchen, Clips).
Die Einführung des Tubus erfolgt über ein feinkalibriges Endoskop oder über einen bougieartigen Stab, der über einen zunächst endoskopisch platzierten Führungsdraht eingeführt wird ( 1 B-13.6, 1 B-13-7).
Ösophagobronchiale Fistel bei Ösophaguskarzinom mit Passagestörung und deren Therapiemöglichkeit mittels Tubuseinlage.
c Endoskopisches Bild der Tubustulpe. a Radiologische Darstellung der ösophagobronchialen Fistel ( Á)
b Wiederherstellung der Passage und Abdichtung der Fistel durch Einlage eines Celestintubus.
Die Tubuseinlage über ein Endoskop bedarf nicht obligat der Durchleuchtung und ermöglicht eine gleichzeitige endoskopische Kontrolle und ggf. sofortige Korrekturen. Erfolgsaussicht: Sofern die Tumorstenose passierbar bzw. bougierungsfähig ist, kann in der Regel eine Endoprothese eingeführt werden.
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13 Endoskopie in der Chirurgie
Kontraindikationen: π moribunder Patient π Infiltration des Ösophagusmundes durch den Tumor π Verlagerung bzw. Stenosierung der Trachea durch die Endoprothese. Komplikationen. Schwerwiegendste Komplikation ist die Perforation (bis 10 %), die durch Vorbougierung auf < 5 % gesenkt werden kann. Häufigste Spätkomplikationen sind: π Mediastinitis π Dislokation des Tubus (10–25 %) π Tubusverstopfung.
π
Die eingriffsbedingte Letalität beträgt ca. 2–5 %, nach neueren Berichten sogar 0 %.
Selbstexpandierende Metallstents
π π π
moribunder Patient Infiltration des Ösophagusmundes durch den Tumor Verlagerung bzw. Stenosierung der Trachea durch die Endoprothese.
Komplikationen. Perforation bis 10 % in großen Sammelstatistiken. Durch
schrittweises Vorgehen mit Vorbougierung ggf. in mehreren Sitzungen kann die Perforationsrate < 5 %, nach Einzelberichten sogar auf 0 %, gesenkt werden. π Mediastinitis ohne erkennbare Perforation aber mit Wandeinrissen im Tumorbereich. π Eine relevante eingriffsbedingte Blutung ist selten. Sie kann eher später durch Drucknekrosen auftreten. π Die Tubusdislokation tritt in 10–25 % der Fälle auf. π Die Verstopfung des Tubus ist die häufigste Spätstörung. Sie ist meistens durch einen Bolus bedingt, kann jedoch auch durch Tumorüberwuchs verursacht werden. π Die eingriffsbedingte Letalität wurde in älteren Sammelstatistiken mit 2–5 % angegeben. Durch schrittweises Vorgehen und individuelle Wahl der Endoprothese wurde neuerdings über eine eingriffsbedingte Letalität von 0 % berichtet.
Selbstexpandierende Metallstents n Definition. Selbstexpandierende Metallstents sind maschendraht(Wall-Stent, Ultraflex-Stent, Gian-Turco-Stent) oder spiralartige Endoprothesen (Esophacoile), die in zusammengefaltetem Zustand auf ein Trägersystem fixiert bzw. aufgewickelt sind und sich erst nach Freisetzung im Stenosebereich entfalten und ihren vollen Durchmesser annehmen ( 1 B-13.8).
Definition
1 B-13.8
Kontraindikationen:
Selbstexpandierender Metallstent bei maligner Ösophagusstenose
a Markierung der proximalen und distalen Tumorgrenze.
Zur Einlage von Metallstents ist das Ausmaß der erforderlichen Bougierung geringer als bei Tuben. Dadurch können die durch Bougierung und kraftvolles Durchschieben der Endoprothesen durch die Tumorstenose auftretenden Komplikationen vermieden bzw. verringert werden.
b Überbrückung der Tumorstenose mit einem Esophacoil.
c Unbehinderte Kontrastmittelpassage durch den Stent.
Da aufgrund des relativ kleinen Durchmessers dieser Systeme eine maximale Bougierung der Stenose zur Einführung nicht erforderlich ist, können die durch Bougierung und kraftvolles Durchschieben der Endoprothesen durch die Tumorstenose auftretenden Komplikationen vermieden werden. Darüber hinaus wird durch den großen Durchmesser dieser Stents eine gute Palliation erreicht. Da ein wesentlicher Nachteil dieser Stents im Tumordurchwuchs besteht (ausgenommen die InStents), sind diese jetzt auch mit Kunststoff ummantelt verfügbar.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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13.4 Therapie der Ösophagus- bzw. Fundusvarizen
Einführungstechnik. Zunächst erfolgt eine mäßige Bougierung der Stenose
um die Passage des Trägersystems und eine schnellere Entfaltung des Stents zu erzielen. Nach Markierung der proximalen und distalen Tumorgrenze wird die Einlage eines Führungsdrahts unter endoskopischer Sicht vorgenommen. Die Einführung und Platzierung des Stents über den liegenden Führungsdraht erfolgt unter Durchleuchtung. Die technischen Einzelheiten der Freisetzung sind stentspezifisch. Bei der Platzierung muss vor allem die Verkürzung, die bei den meisten Stents stattfindet (ausgenommen die Gian-Turco-Stents) berücksichtigt werden. Eine falsche Einschätzung der Stentverkürzung kann zur Fehlpositionierung führen. Anschließend erfolgt die Entfernung des Trägersystems und die endoskopische und röntgenologische Abschlusskontrolle. Die vollständige Entfaltung des Stents kann abhängig von der Tumorkonsistenz, Schweregrad der Stenose und Ausmaß der vorausgegangenen Bougierung erst nach 24–48 Stunden erreicht werden. Die Entfernung eines entfalteten Stents ist meistens technisch und zeitlich sehr aufwendig oder gar nicht möglich.
Einführungstechnik. Nach mäßiger Bougierung und Markierung der Tumorgrenze erfolgt die Stenteinlage unter Röntgenkontrolle.
Eine falsche Einschätzung der Stentverkürzung kann zur Fehlpositionierung führen. Nach Entfernung des Trägersystems erfolgt die endoskopische und röntgenologische Abschlusskontrolle. Die vollständige Entfaltung des Stents kann 24–48 Stunden dauern. Die Entfernung eines entfalteten Stents ist meistens technisch und zeitlich sehr aufwendig oder gar nicht möglich.
Komplikationen. Eingriffsbedingte Komplikationen sind insgesamt geringer als bei den Kunststoffendoprothesen (Perforation 0–2,5 %, Blutung 0–2,5 %). Eine Verstopfung durch Tumoreinwuchs bei nicht beschichteten Stents tritt in bis zu ca. 60 % aller Fälle auf. Die eingriffsbedingte Letalität beträgt nach den meisten Angaben in der Literatur 0 %, es wurde aber auch über eine eingriffsbedingte Letalität bis ca. 3 % berichtet.
Komplikationen. Eingriffsbedingte Komplikationen sind insgesamt geringer als bei den Kunststoffendoprothesen. π Perforation (0–2,5 %) π Blutung (0–2,5 %) Die eingriffsbedingte Letalität beträgt 0–3 %.
Besondere Situationen
Besondere Situationen
Probleme bereiten Tumorstenosen mit sehr weit kranial liegender Tumorgrenze: Bei Infiltration des Ösophagusmundes ist die Palliation mit Tuben bzw. Stents in der Regel nicht möglich. Bei knapp unterhalb des Ösophagusmunds endenden Tumorinfiltrationen kann eine entsprechende Palliation durch dünne Tuben mit kurzer Glocke erzielt werden. Selbstexpandierende Metallstents, die sich während der Entfaltung nicht verkürzen, haben sich für diese Problemfälle besonders gut bewährt, da sie exakt platziert werden können (z.B. Gian-Turco-Stents). Ebenfalls problematisch sind ösophagotracheale oder bronchiale Fisteln bei Tumoren ohne nennenswerte Lumenstenose. In solchen Fällen stellt sich das Problem der Dislokation dar. Kunststoffendoprothesen können nur durch eine transnasale Fixierung in situ gehalten werden (z.B. durch einen an der Glocke des Tubus und transnasal herausgeleiteten dünnen Teflonschlauch). Gut bewährt haben sich bei dieser Problematik die großlumigen und ummantelten selbstexpandierenden Metallstents. Damit entfällt auch die Belastung für den Patienten, die durch die transnasale Fixierung verursacht wird.
Besondere Probleme bereiten Tumoren im proximalen Ösophagus direkt unterhalb bzw. mit Infiltration des Ösophagusmundes.
13.4
Therapie der Ösophagus- bzw. Fundusvarizen (s. a. Kap. B-10.4)
Ziel der endoskopischen Therapie sollte immer die Eradikation der Varizen sein. Die Behandlung der Ösophagus- bzw. Fundusvarizen kann in der akuten Blutung, im blutungsfreien Intervall oder prophylaktisch erfolgen.
Selbstexpandierende Metallstents ohne Verkürzung haben sich für diese Problemfälle besonders gut bewährt. Ebenfalls problematisch sind ösophagotracheale oder -bronchiale Fisteln bei Tumoren ohne nennenswerte Lumenstenose.
Dieses Problem kann durch großlumige und ummantelte, selbstexpandierende Metallstents gut gelöst werden.
13.4
Therapie der Ösophagusbzw. Fundusvarizen (s. a. Kap. B-10.4)
Ziel der endoskopischen Therapie ist die Eradikation der Varizen.
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13.4 Therapie der Ösophagus- bzw. Fundusvarizen
Einführungstechnik. Zunächst erfolgt eine mäßige Bougierung der Stenose
um die Passage des Trägersystems und eine schnellere Entfaltung des Stents zu erzielen. Nach Markierung der proximalen und distalen Tumorgrenze wird die Einlage eines Führungsdrahts unter endoskopischer Sicht vorgenommen. Die Einführung und Platzierung des Stents über den liegenden Führungsdraht erfolgt unter Durchleuchtung. Die technischen Einzelheiten der Freisetzung sind stentspezifisch. Bei der Platzierung muss vor allem die Verkürzung, die bei den meisten Stents stattfindet (ausgenommen die Gian-Turco-Stents) berücksichtigt werden. Eine falsche Einschätzung der Stentverkürzung kann zur Fehlpositionierung führen. Anschließend erfolgt die Entfernung des Trägersystems und die endoskopische und röntgenologische Abschlusskontrolle. Die vollständige Entfaltung des Stents kann abhängig von der Tumorkonsistenz, Schweregrad der Stenose und Ausmaß der vorausgegangenen Bougierung erst nach 24–48 Stunden erreicht werden. Die Entfernung eines entfalteten Stents ist meistens technisch und zeitlich sehr aufwendig oder gar nicht möglich.
Einführungstechnik. Nach mäßiger Bougierung und Markierung der Tumorgrenze erfolgt die Stenteinlage unter Röntgenkontrolle.
Eine falsche Einschätzung der Stentverkürzung kann zur Fehlpositionierung führen. Nach Entfernung des Trägersystems erfolgt die endoskopische und röntgenologische Abschlusskontrolle. Die vollständige Entfaltung des Stents kann 24–48 Stunden dauern. Die Entfernung eines entfalteten Stents ist meistens technisch und zeitlich sehr aufwendig oder gar nicht möglich.
Komplikationen. Eingriffsbedingte Komplikationen sind insgesamt geringer als bei den Kunststoffendoprothesen (Perforation 0–2,5 %, Blutung 0–2,5 %). Eine Verstopfung durch Tumoreinwuchs bei nicht beschichteten Stents tritt in bis zu ca. 60 % aller Fälle auf. Die eingriffsbedingte Letalität beträgt nach den meisten Angaben in der Literatur 0 %, es wurde aber auch über eine eingriffsbedingte Letalität bis ca. 3 % berichtet.
Komplikationen. Eingriffsbedingte Komplikationen sind insgesamt geringer als bei den Kunststoffendoprothesen. π Perforation (0–2,5 %) π Blutung (0–2,5 %) Die eingriffsbedingte Letalität beträgt 0–3 %.
Besondere Situationen
Besondere Situationen
Probleme bereiten Tumorstenosen mit sehr weit kranial liegender Tumorgrenze: Bei Infiltration des Ösophagusmundes ist die Palliation mit Tuben bzw. Stents in der Regel nicht möglich. Bei knapp unterhalb des Ösophagusmunds endenden Tumorinfiltrationen kann eine entsprechende Palliation durch dünne Tuben mit kurzer Glocke erzielt werden. Selbstexpandierende Metallstents, die sich während der Entfaltung nicht verkürzen, haben sich für diese Problemfälle besonders gut bewährt, da sie exakt platziert werden können (z.B. Gian-Turco-Stents). Ebenfalls problematisch sind ösophagotracheale oder bronchiale Fisteln bei Tumoren ohne nennenswerte Lumenstenose. In solchen Fällen stellt sich das Problem der Dislokation dar. Kunststoffendoprothesen können nur durch eine transnasale Fixierung in situ gehalten werden (z.B. durch einen an der Glocke des Tubus und transnasal herausgeleiteten dünnen Teflonschlauch). Gut bewährt haben sich bei dieser Problematik die großlumigen und ummantelten selbstexpandierenden Metallstents. Damit entfällt auch die Belastung für den Patienten, die durch die transnasale Fixierung verursacht wird.
Besondere Probleme bereiten Tumoren im proximalen Ösophagus direkt unterhalb bzw. mit Infiltration des Ösophagusmundes.
13.4
Therapie der Ösophagus- bzw. Fundusvarizen (s. a. Kap. B-10.4)
Ziel der endoskopischen Therapie sollte immer die Eradikation der Varizen sein. Die Behandlung der Ösophagus- bzw. Fundusvarizen kann in der akuten Blutung, im blutungsfreien Intervall oder prophylaktisch erfolgen.
Selbstexpandierende Metallstents ohne Verkürzung haben sich für diese Problemfälle besonders gut bewährt. Ebenfalls problematisch sind ösophagotracheale oder -bronchiale Fisteln bei Tumoren ohne nennenswerte Lumenstenose.
Dieses Problem kann durch großlumige und ummantelte, selbstexpandierende Metallstents gut gelöst werden.
13.4
Therapie der Ösophagusbzw. Fundusvarizen (s. a. Kap. B-10.4)
Ziel der endoskopischen Therapie ist die Eradikation der Varizen.
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13 Endoskopie in der Chirurgie
Behandlungsverfahren
13.4.1 Behandlungsverfahren
13.4.1
Es stehen die Sklerosierung, die Gummibandligatur und die Obliteration mit Gewebeklebern zur Verfügung.
Für die endoskopische Therapie von Ösophagus- und Fundusvarizen stehen heute vorwiegend die Sklerosierung, die Gummibandligatur und die Obliteration mit Gewebeklebern zur Verfügung.
Endoskopische Sklerosierung
Endoskopische Sklerosierung
Die endoskopische Sklerosierung erfolgt durch die submuköse Injektion eines Verödungsmittels. Dadurch kommt es zur Nekrosenbildung und zur Sklerosierung der Gefäße ( 1 B-13.9).
Die endoskopische Sklerosierung erfolgt durch die submuköse Injektion eines Verödungsmittels, wobei in Deutschland hauptsächlich das Polidocanol 1 % eingesetzt wird. Dadurch kommt es zu einer Entzündungsreaktion mit Nekrosenbildung (Nekrosen sind bei der Sklerosierung daher nicht per se als Komplikation anzusehen), Thrombosierung und letztendlich zur Beseitigung der Ösophagusvarizen.
1 B-13.9
Ösophagusvarizensklerosierung
a Verschwollene Varizen nach kombinierter peri- und intravasaler Sklerotherapie.
b Thrombosen sklerosierter Ösophagusvarizen. c Nekrosenbildung nach Sklerosierung.
d Glatte Ösophagusinnenwand mit Narben nach abgeschlossener Sklerosierung.
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13.4.1 Behandlungsverfahren Darüber hinaus wird durch die Sklerosierung eine Fibrose der inneren Schichten der Ösophaguswand verursacht, was zur Vermeidung von Rezidiven von Bedeutung ist ( 1 B-13.9). Die besten Ergebnisse werden mit der kombinierten peri- und intravasalen Sklerosierung erzielt ( 1 B-13.10).
1 B-13.10
Die besten Ergebnisse werden mit der kombinierten peri- und intravasalen Sklerosierung erzielt ( 1 B-13.10).
Synopsis Schematische Darstellung der kombinierten peri- und intravasalen Sklerosierung
p
3
1
3
1
4 i
4
2 i
2
p
p Durch die perivasale submuköse Injektion wird eine Kompression des Gefäßes erzielt, die intravasale Injektion erfolgt in die Wand der Varize. p perivasale Sklerosierung i intravasale Sklerosierung
1 Endoskop 2 Sklerosierungsnadel
3 Varize (im Instrumentierkanal) 4 Kardia
Endoskopische Obliteration mit Gewebekleber Der flüssige Gewebekleber (meistens in einer Mischung mit Lipiodol, ein öliges Kontrastmittel) wird so nah als möglich an der Rupturstelle strikt intravasal/intraluminal in die blutende Varize injiziert. Im Kontakt mit Blut kommt es zu einer sofortigen Verhärtung des Klebers mit Obliteration der Rupturstelle, Ausfüllung der blutenden Krampfader mit einer soliden Masse und entsprechende Unterbrechung des Blutflusses. Einige Tage später kommt es zur Nekrose der überliegenden Schleimhaut und einige Wochen danach zur vollständigen Abstoßung des Gewebeklebers ( 1 B-13.11).
1 B-13.11
Endoskopische Obliteration mit Gewebekleber Der strikt intravasal/intraluminal eingespritzte Gewebekleber bildet einen harten Ausguss in der Varize mit Unterbrechung des Blutflusses.
Einige Tage später kommt es zur Nekrose der Schleimhaut und danach zur Abstoßung des Gewebeklebers ( 1 B-13.11).
Endoskopische Obliteration mit Gewebeklebern
a Fundusvarizenobliteration mit Histo-AcrylQ .
b Schleimhautnekrosen über den obliterierten Fundusvarizen mit beginnender Abstoßung des Histo-AcrylQ .
c Subkardiale Vernarbung nach Abstoßung des Histo-AcrylQ ohne Nachweis der Fundusvarizen.
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13 Endoskopie in der Chirurgie
Endoskopische Ligatur
Endoskopische Ligatur
Die Gummibandligatur unterbricht örtlich den Blutfluss durch die Varize. Nach Ansaugen der Varize in eine Kappe (Endoskop) erfolgt die Ligatur der Varize durch ein Gummibändchen ( 1 B-13.2).
Das Behandlungsprinzip ist die Unterbrechung des Blutflusses mit nachfolgender Eradikation der Varizen durch Ligatur mittels endoskopisch platzierter Gummiringe. Auf dem distalen Ende des Endoskops wird eine Kunststoffkappe bzw. ein Kunststoffzylinder (Trägersystem) angebracht, auf dem wiederum die Gummibänder montiert sind. Die zu behandelnde Varize wird in die Kappe eingesaugt und anschließend das Gummiband durch Zug über einen an den Kunststoffzylinder befestigten und über den Arbeitskanal des Endoskops herausgeleiteten Auslösedraht freigesetzt. Das freigesetzte Gummiband stülpt sich über die in die Kappe eingesaugte Varize und unterbricht somit den Blutfluss ( 1 B-13.12).
1 B-13.12
Synopsis Darstellung der Ösophagusvarizenligatur
Endoskop
Varize ligierte Varize
a Ansaugen der Varize in die Kappe des Endoskops und Platzierung des Gummibandes.
b Okklusion der Varize.
Akute Varizenblutung
13.4.2 Akute Varizenblutung
13.4.2
Jeder 3.–4. Patient mit Ösophagusvarizen wird aus diesen bluten. Die Letalität beträgt dabei 30–50 %. Das Risiko einer Rezidivblutung beträgt ca. 30 % in den ersten 6 Wochen und ca. 70 % im ersten Jahr.
Von allen Patienten mit Ösophagusvarizen kommt es bei 25–35 % zur Varizenblutung. Ösophagusvarizenblutungen haben eine Letalitätsrate von 30–50 %. Das Risiko für eine Rezidivblutung beträgt ca. 30 % in den ersten 6 Wochen und ca. 70 % im ersten Jahr nach der ersten Hämorrhagie.
Therapie. Beim Verdacht einer Ösophagusvarizenblutung ist die Notfallendoskopie angezeigt. Das Ziel der Endoskopie ist die Sicherung der Diagnose und die endoskopische Blutstillung. Die medikamentöse Therapie und Ballonsonden sind kein Ersatz der endoskopischen Therapie.
Therapie. Beim Verdacht einer Ösophagusvarizenblutung ist die Notfallen-
Die Obliteration erfolgt mit Gewebekleber oder Gummibandligatur, wobei die Obliteration mit einem Gewebekleber die effektivste endoskopische Methode zur Behandlung der akuten Varizenblutung ist.
doskopie angezeigt. Das Ziel der Endoskopie ist die Sicherung der Diagnose (bei nicht wenigen Patienten mit Varizen und akuter oberer gastrointestinaler Blutung liegen andere Blutungsquellen vor) und die sofortige endoskopische Blutstillung. Medikamentöse Therapie und Ballonsonden sind kein Ersatz für die endoskopische Therapie. Sie werden eingesetzt sofern die Möglichkeit der endoskopischen Blutstillung nach den heute zu fordernden Standards nicht gegeben ist. Die Behandlung akut blutender Varizen sollte durch die Obliteration mit Gewebekleber oder die Gummibandligatur erfolgen. Durch Anwendung des Gewebeklebers kann eine 100 %ige initiale Blutstillung und eine deutliche Reduktion (ca. 2⁄3) der Anzahl der frühen Rezidivblutung erzielt werden. Mit der Varizenligatur wird über initiale Blutstillungsraten von 94 %, allerdings aber auch über eine Letalitätsrate von 5 % durch nicht beherrschbare Blutungen berichtet.
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13 Endoskopie in der Chirurgie
Endoskopische Ligatur
Endoskopische Ligatur
Die Gummibandligatur unterbricht örtlich den Blutfluss durch die Varize. Nach Ansaugen der Varize in eine Kappe (Endoskop) erfolgt die Ligatur der Varize durch ein Gummibändchen ( 1 B-13.2).
Das Behandlungsprinzip ist die Unterbrechung des Blutflusses mit nachfolgender Eradikation der Varizen durch Ligatur mittels endoskopisch platzierter Gummiringe. Auf dem distalen Ende des Endoskops wird eine Kunststoffkappe bzw. ein Kunststoffzylinder (Trägersystem) angebracht, auf dem wiederum die Gummibänder montiert sind. Die zu behandelnde Varize wird in die Kappe eingesaugt und anschließend das Gummiband durch Zug über einen an den Kunststoffzylinder befestigten und über den Arbeitskanal des Endoskops herausgeleiteten Auslösedraht freigesetzt. Das freigesetzte Gummiband stülpt sich über die in die Kappe eingesaugte Varize und unterbricht somit den Blutfluss ( 1 B-13.12).
1 B-13.12
Synopsis Darstellung der Ösophagusvarizenligatur
Endoskop
Varize ligierte Varize
a Ansaugen der Varize in die Kappe des Endoskops und Platzierung des Gummibandes.
b Okklusion der Varize.
Akute Varizenblutung
13.4.2 Akute Varizenblutung
13.4.2
Jeder 3.–4. Patient mit Ösophagusvarizen wird aus diesen bluten. Die Letalität beträgt dabei 30–50 %. Das Risiko einer Rezidivblutung beträgt ca. 30 % in den ersten 6 Wochen und ca. 70 % im ersten Jahr.
Von allen Patienten mit Ösophagusvarizen kommt es bei 25–35 % zur Varizenblutung. Ösophagusvarizenblutungen haben eine Letalitätsrate von 30–50 %. Das Risiko für eine Rezidivblutung beträgt ca. 30 % in den ersten 6 Wochen und ca. 70 % im ersten Jahr nach der ersten Hämorrhagie.
Therapie. Beim Verdacht einer Ösophagusvarizenblutung ist die Notfallendoskopie angezeigt. Das Ziel der Endoskopie ist die Sicherung der Diagnose und die endoskopische Blutstillung. Die medikamentöse Therapie und Ballonsonden sind kein Ersatz der endoskopischen Therapie.
Therapie. Beim Verdacht einer Ösophagusvarizenblutung ist die Notfallen-
Die Obliteration erfolgt mit Gewebekleber oder Gummibandligatur, wobei die Obliteration mit einem Gewebekleber die effektivste endoskopische Methode zur Behandlung der akuten Varizenblutung ist.
doskopie angezeigt. Das Ziel der Endoskopie ist die Sicherung der Diagnose (bei nicht wenigen Patienten mit Varizen und akuter oberer gastrointestinaler Blutung liegen andere Blutungsquellen vor) und die sofortige endoskopische Blutstillung. Medikamentöse Therapie und Ballonsonden sind kein Ersatz für die endoskopische Therapie. Sie werden eingesetzt sofern die Möglichkeit der endoskopischen Blutstillung nach den heute zu fordernden Standards nicht gegeben ist. Die Behandlung akut blutender Varizen sollte durch die Obliteration mit Gewebekleber oder die Gummibandligatur erfolgen. Durch Anwendung des Gewebeklebers kann eine 100 %ige initiale Blutstillung und eine deutliche Reduktion (ca. 2⁄3) der Anzahl der frühen Rezidivblutung erzielt werden. Mit der Varizenligatur wird über initiale Blutstillungsraten von 94 %, allerdings aber auch über eine Letalitätsrate von 5 % durch nicht beherrschbare Blutungen berichtet.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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13.5.1 Allgemeines Bei akut blutenden Fundusvarizen ist nach den vorliegenden Ergebnissen die Obliteration durch Gewebekleber vorzuziehen. Die Verbesserung des Therapieergebnisses durch eine zusätzliche medikamentöse Therapie (Senkung des portalen Drucks) nach erfolgreicher endoskopischer Blutstillung konnte bisher nicht ausreichend belegt werden.
13.4.3
Therapie im blutungsfreien Intervall
Nach vorausgegangener Varizenblutung wird die endoskopische Eradikation der Varizen angestrebt um eine Rezidivblutung zu vermeiden. Dieses Ziel kann sowohl durch Sklerosierung als auch durch Gummibandligatur erreicht werden. Die langfristigen Ergebnisse der Ligatur verglichen mit der Sklerosierung und die der Kombination beider Methoden wird z.Z. in prospektiven Studien untersucht. Die besten Ergebnisse bei der Behandlung von Fundusvarizen wird durch Obliteration mit Gewebekleber erzielt.
13.4.4
Prophylaktische Therapie
Die Indikation zur Behandlung von Ösophagusvarizen, die bisher nicht geblutet haben, ist wegen der z.T. widersprüchlichen Ergebnisse problematisch. Abgesehen von den Patienten, die im Rahmen prospektiver Studienprotokolle behandelt werden, erfolgt sie bei Patienten, die aufgrund des Ausmaßes und Morphologie der Varize ein deutlich höheres Blutungsrisiko aufweisen.
13.4.5
Komplikationen und Kontraindikationen
Schwerwiegende Komplikationen der Sklerosierung sind die Perforation (ca. 0,3 %), die Blutung aus Nekrosen oder noch nicht verschlossenen Varizen bei noch nicht abgeschlossener Therapie (10–13 %) und Stenosen, die in ca. 4 % der Fälle auftreten (schwere Stenosen in ca. 2 %). Aspiration, Fieber, Infektion und systemische Nebenerscheinungen sind selten. Die meisten Komplikationen der Sklerotherapie sind durch eine korrekte Sklerosierungstechnik, adäquates Behandlungsprotokoll und frühzeitige Erkennung und Behandlung von Stenosen (wöchentliche endoskopische Kontrolle bis zur Abheilung der Nekrosen und ggf. 1–3-mal wöchentliche Bougierungen bei Stenosierung) zu vermeiden. Bei der Ligatur wurde über Komplikationen in ca. 2 % der Fälle berichtet, wobei es sich vorwiegend um Perforationen durch den Übertubus handelt. Bei der zur Zeit angewandten Technik der Ösophagusvarizenligatur ist jedoch ein Übertubus nicht mehr erforderlich. Verglichen mit der Sklerosierung ist bei der Varizenligatur eine größere Varizenrezidivrate zu verzeichnen. Die Komplikationen der Obliteration mit Gewebeklebern entsprechen denen der Sklerosierung. Vereinzelt wurden Embolien beschrieben. Kontraindikationen bestehen bei moribunden Patienten und bei therapeutisch nicht beherrschbaren, schweren Gerinnungsstörungen.
Eine Verbesserung des Therapieergebnisses durch zusätzliche medikamentöse Therapie konnte bisher nicht ausreichend belegt werden.
13.4.3 Therapie im blutungsfreien Intervall Nach vorausgegangener Varizenblutung wird die endoskopische Eradikation der Varizen angestrebt um eine Rezidivblutung zu vermeiden. Die besten Ergebnisse bei der Behandlung von Fundusvarizen wird durch Obliteration mit Gewebekleber erzielt.
13.4.4 Prophylaktische Therapie Die prophylaktische Ösophagusvarizenbehandlung sollte nur bei hohem Blutungsrisiko durchgeführt werden.
13.4.5 Komplikationen und Kontraindikationen Schwerwiegende Komplikationen der Sklerosierung sind: π Perforation (ca. 0,3 %) π Blutung (10–13 %) π Stenosen (ca. 4 %). Die meisten Komplikationen der Sklerosierung sind auf eine fehlerhafte Sklerosierungstechnik zurückzuführen.
Komplikationen der Ligatur (ca. 2 %) sind meist Perforationen durch den Übertubus. Komplikationen der Obliteration entsprechen denen der Sklerosierung. Kontraindikationen: π moribunde Patienten π therapeutisch nicht beherrschbare Gerinnungsstörungen.
13.5
Nicht varizenbedingte Blutungen
13.5
13.5.1
Allgemeines
13.5.1 Allgemeines
Die Letalität der oberen gastrointestinalen Blutung hängt von mehreren Faktoren ab (wie Stärke und Dauer der Blutung, Art der Läsion, Alter des Patienten und Nebenerkrankungen). Sie beträgt allgemein ca. 10 %. Die Letalität
Nicht varizenbedingte Blutungen
Die Letalität der akuten Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt beträgt 10–40 %.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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13.5.1 Allgemeines Bei akut blutenden Fundusvarizen ist nach den vorliegenden Ergebnissen die Obliteration durch Gewebekleber vorzuziehen. Die Verbesserung des Therapieergebnisses durch eine zusätzliche medikamentöse Therapie (Senkung des portalen Drucks) nach erfolgreicher endoskopischer Blutstillung konnte bisher nicht ausreichend belegt werden.
13.4.3
Therapie im blutungsfreien Intervall
Nach vorausgegangener Varizenblutung wird die endoskopische Eradikation der Varizen angestrebt um eine Rezidivblutung zu vermeiden. Dieses Ziel kann sowohl durch Sklerosierung als auch durch Gummibandligatur erreicht werden. Die langfristigen Ergebnisse der Ligatur verglichen mit der Sklerosierung und die der Kombination beider Methoden wird z.Z. in prospektiven Studien untersucht. Die besten Ergebnisse bei der Behandlung von Fundusvarizen wird durch Obliteration mit Gewebekleber erzielt.
13.4.4
Prophylaktische Therapie
Die Indikation zur Behandlung von Ösophagusvarizen, die bisher nicht geblutet haben, ist wegen der z.T. widersprüchlichen Ergebnisse problematisch. Abgesehen von den Patienten, die im Rahmen prospektiver Studienprotokolle behandelt werden, erfolgt sie bei Patienten, die aufgrund des Ausmaßes und Morphologie der Varize ein deutlich höheres Blutungsrisiko aufweisen.
13.4.5
Komplikationen und Kontraindikationen
Schwerwiegende Komplikationen der Sklerosierung sind die Perforation (ca. 0,3 %), die Blutung aus Nekrosen oder noch nicht verschlossenen Varizen bei noch nicht abgeschlossener Therapie (10–13 %) und Stenosen, die in ca. 4 % der Fälle auftreten (schwere Stenosen in ca. 2 %). Aspiration, Fieber, Infektion und systemische Nebenerscheinungen sind selten. Die meisten Komplikationen der Sklerotherapie sind durch eine korrekte Sklerosierungstechnik, adäquates Behandlungsprotokoll und frühzeitige Erkennung und Behandlung von Stenosen (wöchentliche endoskopische Kontrolle bis zur Abheilung der Nekrosen und ggf. 1–3-mal wöchentliche Bougierungen bei Stenosierung) zu vermeiden. Bei der Ligatur wurde über Komplikationen in ca. 2 % der Fälle berichtet, wobei es sich vorwiegend um Perforationen durch den Übertubus handelt. Bei der zur Zeit angewandten Technik der Ösophagusvarizenligatur ist jedoch ein Übertubus nicht mehr erforderlich. Verglichen mit der Sklerosierung ist bei der Varizenligatur eine größere Varizenrezidivrate zu verzeichnen. Die Komplikationen der Obliteration mit Gewebeklebern entsprechen denen der Sklerosierung. Vereinzelt wurden Embolien beschrieben. Kontraindikationen bestehen bei moribunden Patienten und bei therapeutisch nicht beherrschbaren, schweren Gerinnungsstörungen.
Eine Verbesserung des Therapieergebnisses durch zusätzliche medikamentöse Therapie konnte bisher nicht ausreichend belegt werden.
13.4.3 Therapie im blutungsfreien Intervall Nach vorausgegangener Varizenblutung wird die endoskopische Eradikation der Varizen angestrebt um eine Rezidivblutung zu vermeiden. Die besten Ergebnisse bei der Behandlung von Fundusvarizen wird durch Obliteration mit Gewebekleber erzielt.
13.4.4 Prophylaktische Therapie Die prophylaktische Ösophagusvarizenbehandlung sollte nur bei hohem Blutungsrisiko durchgeführt werden.
13.4.5 Komplikationen und Kontraindikationen Schwerwiegende Komplikationen der Sklerosierung sind: π Perforation (ca. 0,3 %) π Blutung (10–13 %) π Stenosen (ca. 4 %). Die meisten Komplikationen der Sklerosierung sind auf eine fehlerhafte Sklerosierungstechnik zurückzuführen.
Komplikationen der Ligatur (ca. 2 %) sind meist Perforationen durch den Übertubus. Komplikationen der Obliteration entsprechen denen der Sklerosierung. Kontraindikationen: π moribunde Patienten π therapeutisch nicht beherrschbare Gerinnungsstörungen.
13.5
Nicht varizenbedingte Blutungen
13.5
13.5.1
Allgemeines
13.5.1 Allgemeines
Die Letalität der oberen gastrointestinalen Blutung hängt von mehreren Faktoren ab (wie Stärke und Dauer der Blutung, Art der Läsion, Alter des Patienten und Nebenerkrankungen). Sie beträgt allgemein ca. 10 %. Die Letalität
Nicht varizenbedingte Blutungen
Die Letalität der akuten Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt beträgt 10–40 %.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
602
13 Endoskopie in der Chirurgie steigt auf ca. 40 % an, wenn besonders schwierige Fälle mit zusätzlichen Komplikationen auftreten, mehrfache Bluttransfusionen notwendig werden, schwerwiegende Begleiterkrankungen vorliegen oder eine zusätzliche chirurgische Therapie bei endoskopisch nicht beherrschbarer Blutung erforderlich wird.
Symptome. Zu den häufigsten Symptomen einer akuten oberen gastrointestinalen Blutung gehören: π Hämatemesis π Meläna π Hämatochezie. Indikationen und Kontraindikationen. Die Indikation zur endoskopischen Abklärung einer oberen gastrointestinalen Blutung ist grundsätzlich immer gegeben.
Symptome. Zu den häufigsten Symptomen der oberen gastrointestinalen
13.5.2 Vorbereitung für die Endoskopie
13.5.2
Der Patient muss in einem endoskopiefähigen Zustand sein, daher sollte ggf. zunächst eine Stabilisierung des Kreislaufs, Behandlung der Hypovolämie bzw. des Schocks erfolgen.
Der Patient muss in einem endoskopiefähigen Zustand sein, daher sollte ggf. zunächst eine Stabilisierung des Kreislaufs erfolgen. Bei schweren aktiven Blutungen müssen allgemeine Maßnahmen zur Behandlung der Hypovolämie bzw. des Schocks und die Endoskopie ggf. zeitgleich erfolgen. Die Spülung des Magens muss nicht grundsätzlich durchgeführt werden, die meisten Blutungen können endoskopisch ohne vorherige Spülung lokalisiert bzw. behandelt werden. Bei Indikation zur Spülung (Austamponierung des Magens durch Koagel) sollte ein Spülschlauch mit einem Durchmesser von mindestens 30 French benutzt werden. Neuerdings stehen weitlumige Endoskope zur Verfügung, mit denen die Absaugung großer Koagel möglich ist.
Die Spülung des Magens vor einer Notfallendoskopie ist nicht grundsätzlich erforderlich. Die Spülung über eine einfache Magensonde ist zwecklos. Sie sollte mit einem dicklumigen Spülschlauch erfolgen.
Merke
Blutung gehören Hämatemesis und/oder Meläna bzw. Hämatochezie bei sehr starken postpylorischen Blutungen. Erstmanifestation können aber auch auf den Blutverlust zurückzuführende Symptome sein.
Indikationen und Kontraindikationen. Die Indikation zur endoskopischen Abklärung einer oberen gastrointestinalen Blutung ist grundsätzlich immer gegeben. Obgleich unter Berücksichtigung aller Blutungen des oberen GI-Trakts ein großer Teil spontan zum Stillstand kommt, steht bei aktiven bzw. Hb- oder kreislaufwirksamen Hämorrhagien die Indikation zur Notfallendoskopie außer Frage.
Vorbereitung für die Endoskopie
n Merke. Die Spiegelung sollte wegen der Aspirationsgefahr ohne oder nur mit leichter Sedierung durchgeführt werden.
Ggf. muss die Endoskopie in Intubationsnarkose durchgeführt werden.
Bei Kranken in sehr schlechtem Allgemeinzustand bzw. wenn eine tiefe Sedierung erforderlich ist, muss die Endoskopie ggf. in Intubationsnarkose durchgeführt werden.
13.4.2 Endoskopische Befunde
13.5.3
Die endoskopisch am häufigsten nachgewiesenen Läsionen als Ursache einer oberen gastrointestinalen Blutung sind in 2 B-13.2 aufgeführt.
Die endoskopisch am häufigsten nachgewiesenen Läsionen als Ursache einer oberen gastrointestinalen Blutung sind in 2 B-13.2 aufgeführt. Die relative Häufigkeit hängt selbstverständlich von dem jeweils betreuten Patientenkollektiv ab.
Endoskopische Befunde
2 B-13.2
Nicht varizenbedingte obere gastrointestinale Blutung
Häufigere Ursachen
Seltenere Ursachen
n N N n N n N n
n N N n N n N n N n N n N n
Ulcera ventriculi Ulcera duodeni Erosionen Mallory-Weiss-Syndrom
Ösophagitis Angiodysplasien maligne Tumoren benigne Tumoren Blutungen aus dem biliopankreatischen System rupturierte Aortenaneurysmen aortoenterische Fisteln
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602
13 Endoskopie in der Chirurgie steigt auf ca. 40 % an, wenn besonders schwierige Fälle mit zusätzlichen Komplikationen auftreten, mehrfache Bluttransfusionen notwendig werden, schwerwiegende Begleiterkrankungen vorliegen oder eine zusätzliche chirurgische Therapie bei endoskopisch nicht beherrschbarer Blutung erforderlich wird.
Symptome. Zu den häufigsten Symptomen einer akuten oberen gastrointestinalen Blutung gehören: π Hämatemesis π Meläna π Hämatochezie. Indikationen und Kontraindikationen. Die Indikation zur endoskopischen Abklärung einer oberen gastrointestinalen Blutung ist grundsätzlich immer gegeben.
Symptome. Zu den häufigsten Symptomen der oberen gastrointestinalen
13.5.2 Vorbereitung für die Endoskopie
13.5.2
Der Patient muss in einem endoskopiefähigen Zustand sein, daher sollte ggf. zunächst eine Stabilisierung des Kreislaufs, Behandlung der Hypovolämie bzw. des Schocks erfolgen.
Der Patient muss in einem endoskopiefähigen Zustand sein, daher sollte ggf. zunächst eine Stabilisierung des Kreislaufs erfolgen. Bei schweren aktiven Blutungen müssen allgemeine Maßnahmen zur Behandlung der Hypovolämie bzw. des Schocks und die Endoskopie ggf. zeitgleich erfolgen. Die Spülung des Magens muss nicht grundsätzlich durchgeführt werden, die meisten Blutungen können endoskopisch ohne vorherige Spülung lokalisiert bzw. behandelt werden. Bei Indikation zur Spülung (Austamponierung des Magens durch Koagel) sollte ein Spülschlauch mit einem Durchmesser von mindestens 30 French benutzt werden. Neuerdings stehen weitlumige Endoskope zur Verfügung, mit denen die Absaugung großer Koagel möglich ist.
Die Spülung des Magens vor einer Notfallendoskopie ist nicht grundsätzlich erforderlich. Die Spülung über eine einfache Magensonde ist zwecklos. Sie sollte mit einem dicklumigen Spülschlauch erfolgen.
Merke
Blutung gehören Hämatemesis und/oder Meläna bzw. Hämatochezie bei sehr starken postpylorischen Blutungen. Erstmanifestation können aber auch auf den Blutverlust zurückzuführende Symptome sein.
Indikationen und Kontraindikationen. Die Indikation zur endoskopischen Abklärung einer oberen gastrointestinalen Blutung ist grundsätzlich immer gegeben. Obgleich unter Berücksichtigung aller Blutungen des oberen GI-Trakts ein großer Teil spontan zum Stillstand kommt, steht bei aktiven bzw. Hb- oder kreislaufwirksamen Hämorrhagien die Indikation zur Notfallendoskopie außer Frage.
Vorbereitung für die Endoskopie
n Merke. Die Spiegelung sollte wegen der Aspirationsgefahr ohne oder nur mit leichter Sedierung durchgeführt werden.
Ggf. muss die Endoskopie in Intubationsnarkose durchgeführt werden.
Bei Kranken in sehr schlechtem Allgemeinzustand bzw. wenn eine tiefe Sedierung erforderlich ist, muss die Endoskopie ggf. in Intubationsnarkose durchgeführt werden.
13.4.2 Endoskopische Befunde
13.5.3
Die endoskopisch am häufigsten nachgewiesenen Läsionen als Ursache einer oberen gastrointestinalen Blutung sind in 2 B-13.2 aufgeführt.
Die endoskopisch am häufigsten nachgewiesenen Läsionen als Ursache einer oberen gastrointestinalen Blutung sind in 2 B-13.2 aufgeführt. Die relative Häufigkeit hängt selbstverständlich von dem jeweils betreuten Patientenkollektiv ab.
Endoskopische Befunde
2 B-13.2
Nicht varizenbedingte obere gastrointestinale Blutung
Häufigere Ursachen
Seltenere Ursachen
n N N n N n N n
n N N n N n N n N n N n N n
Ulcera ventriculi Ulcera duodeni Erosionen Mallory-Weiss-Syndrom
Ösophagitis Angiodysplasien maligne Tumoren benigne Tumoren Blutungen aus dem biliopankreatischen System rupturierte Aortenaneurysmen aortoenterische Fisteln
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603
13.5.4 Endoskopische Therapiemöglichkeiten Je nach Blutungsaktivität werden die Läsionen endoskopisch nach der Forrest-Klassifikation eingeteilt ( 2 B-13.3).
2 B-13.3
Klassifikation nach Forrest (nicht varizenbedingte Blutungen)
N Forrest I: n
aktive Blutung
n Ia: spritzende arterielle Blutung N N Ib: sickernde Blutung n
N Forrest II: n
inaktive Blutung
n IIa: Läsion mit Gefäßstumpf N N IIb: koagelbedeckte Läsion n N IIc: hämatinbelegte Läsion n
Je nach Blutungsaktivität werden die Läsionen endoskopisch nach der Forrest-Klassifikation eingeteilt ( 2 B-13.3).
N Forrest III: Läsion ohne Blutungszeichen n
13.5.4
Endoskopische Therapiemöglichkeiten
Abhängig vom Patientenkollektiv können bis zu 15 % aller nicht varizenbedingten Blutungen, die einer aktiven Blutstillung bedürfen, endoskopisch nicht ausreichend therapiert werden. Häufigste Ursachen sind sehr große bzw. sehr tiefe Ulzera mit dickem Gefäßstumpf vor allem an der kleinen Kurvatur des Magens und im Bulbus an der Hinterwand und Blutungsquellen, die aufgrund einer massiven Hämorrhagie nicht erreichbar bzw. nicht zu lokalisieren sind. In solchen Fällen ist primär die chirurgische Behandlung angezeigt. Die objektive Festlegung entsprechender Ausschlusskriterien für die Endoskopie ist jedoch problematisch. Daher kann die Frage nach der Indikation und Möglichkeiten der endoskopischen Therapie im Einzelfall nur durch einen erfahrenen Endoskopiker beantwortet werden. Eine genauere Abgrenzung der Forrest-II-Läsionen mit hohem Blutungsrisiko ist mit dem endoskopischen Doppler möglich. Zur endoskopischen Blutstillung stehen thermische und nicht thermische Verfahren zur Verfügung ( 2 B-13.4).
2 B-13.4
13.5.4 Endoskopische Therapiemöglichkeiten In bis zu 15 % der Fälle kann die Blutung endoskopisch nicht definitiv gestillt werden. Häufigste Ursachen sind sehr große bzw. sehr tiefe Ulzera und nicht lokalisierbare Blutungsquellen. Die chirurgische Behandlung ist angezeigt bei tiefen Ulzera an der Bulbushinterwand und kleinen Kurvatur des Magens mit Verdacht auf Arrosion einer Arterie und Blutungsquellen, die wegen Hämorrhagie nicht erreichbar oder lokalisierbar sind. Der endoskopische Doppler ermöglicht eine genauere Differenzierung der Forrest-II-Läsionen. Zur endoskopischen Blutstillung stehen thermische und nicht thermische Verfahren zur Verfügung ( 2 B-13.4).
Endoskopische Blutstillung
Thermische Verfahren
Nicht thermische Verfahren
N Laser n
Injektion
N Bicap n
N Alkohol n
N Argonbeamer n
N Adrenalin + Äthoxysklerol n
N Mikrowellen n
N Adrenalin n
N Elektro-Hydro-Thermo-Sonde n
N Fibrin n
N Koagulation monopolar n
N Hemoclips n
Aufgrund ihrer hohen Blutstillungsrate, der relativ niedrigen Kosten und ihrer einfachen Handhabung wird die Injektionsmethode weltweit eingesetzt ( 1 B-13.13). Die Injektion mit Adrenalin (1 : 10 000 bzw. 1 : 20 000) und anschließend mit Äthoxysklerol 1 % hat sich bewährt. n Merke. Voraussetzung für eine erfolgreiche endoskopische Therapie ist die exakte Lokalisation der Blutungsquelle.
Die initiale Blutstillung durch Injektion der Adrenalinlösung wird durch mechanische Kompression und vasokonstriktiven Effekt der Adrenalinlösung erreicht, wobei anschließend zur definitiven Blutstillung Äthoxysklerol 1 % injiziert wird. Bei entsprechender Selektion der Patienten (ca. 15 % der Patienten werden primär chirurgisch therapiert) kann mit dieser Methode eine initiale bzw. definitive Blutstillungsrate von 100 % bzw. 99 % erzielt werden.
Am häufigsten wird die Injektionsmethode angewandt ( 1 B-13.13). Die Unterspritzung erfolgt meistens mit Adrenalin 1 : 20 000 und Äthoxysklerol 1 %.
Merke
Die initiale Hämostase wird durch einen mechanischen (Kompression) und einen chemischen (Vasokonstriktion) Effekt erzielt. Die Injektion von Äthoxysklerol dient der definitiven Blutstillung.
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13.5.4 Endoskopische Therapiemöglichkeiten Je nach Blutungsaktivität werden die Läsionen endoskopisch nach der Forrest-Klassifikation eingeteilt ( 2 B-13.3).
2 B-13.3
Klassifikation nach Forrest (nicht varizenbedingte Blutungen)
N Forrest I: n
aktive Blutung
n Ia: spritzende arterielle Blutung N N Ib: sickernde Blutung n
N Forrest II: n
inaktive Blutung
n IIa: Läsion mit Gefäßstumpf N N IIb: koagelbedeckte Läsion n N IIc: hämatinbelegte Läsion n
Je nach Blutungsaktivität werden die Läsionen endoskopisch nach der Forrest-Klassifikation eingeteilt ( 2 B-13.3).
N Forrest III: Läsion ohne Blutungszeichen n
13.5.4
Endoskopische Therapiemöglichkeiten
Abhängig vom Patientenkollektiv können bis zu 15 % aller nicht varizenbedingten Blutungen, die einer aktiven Blutstillung bedürfen, endoskopisch nicht ausreichend therapiert werden. Häufigste Ursachen sind sehr große bzw. sehr tiefe Ulzera mit dickem Gefäßstumpf vor allem an der kleinen Kurvatur des Magens und im Bulbus an der Hinterwand und Blutungsquellen, die aufgrund einer massiven Hämorrhagie nicht erreichbar bzw. nicht zu lokalisieren sind. In solchen Fällen ist primär die chirurgische Behandlung angezeigt. Die objektive Festlegung entsprechender Ausschlusskriterien für die Endoskopie ist jedoch problematisch. Daher kann die Frage nach der Indikation und Möglichkeiten der endoskopischen Therapie im Einzelfall nur durch einen erfahrenen Endoskopiker beantwortet werden. Eine genauere Abgrenzung der Forrest-II-Läsionen mit hohem Blutungsrisiko ist mit dem endoskopischen Doppler möglich. Zur endoskopischen Blutstillung stehen thermische und nicht thermische Verfahren zur Verfügung ( 2 B-13.4).
2 B-13.4
13.5.4 Endoskopische Therapiemöglichkeiten In bis zu 15 % der Fälle kann die Blutung endoskopisch nicht definitiv gestillt werden. Häufigste Ursachen sind sehr große bzw. sehr tiefe Ulzera und nicht lokalisierbare Blutungsquellen. Die chirurgische Behandlung ist angezeigt bei tiefen Ulzera an der Bulbushinterwand und kleinen Kurvatur des Magens mit Verdacht auf Arrosion einer Arterie und Blutungsquellen, die wegen Hämorrhagie nicht erreichbar oder lokalisierbar sind. Der endoskopische Doppler ermöglicht eine genauere Differenzierung der Forrest-II-Läsionen. Zur endoskopischen Blutstillung stehen thermische und nicht thermische Verfahren zur Verfügung ( 2 B-13.4).
Endoskopische Blutstillung
Thermische Verfahren
Nicht thermische Verfahren
N Laser n
Injektion
N Bicap n
N Alkohol n
N Argonbeamer n
N Adrenalin + Äthoxysklerol n
N Mikrowellen n
N Adrenalin n
N Elektro-Hydro-Thermo-Sonde n
N Fibrin n
N Koagulation monopolar n
N Hemoclips n
Aufgrund ihrer hohen Blutstillungsrate, der relativ niedrigen Kosten und ihrer einfachen Handhabung wird die Injektionsmethode weltweit eingesetzt ( 1 B-13.13). Die Injektion mit Adrenalin (1 : 10 000 bzw. 1 : 20 000) und anschließend mit Äthoxysklerol 1 % hat sich bewährt. n Merke. Voraussetzung für eine erfolgreiche endoskopische Therapie ist die exakte Lokalisation der Blutungsquelle.
Die initiale Blutstillung durch Injektion der Adrenalinlösung wird durch mechanische Kompression und vasokonstriktiven Effekt der Adrenalinlösung erreicht, wobei anschließend zur definitiven Blutstillung Äthoxysklerol 1 % injiziert wird. Bei entsprechender Selektion der Patienten (ca. 15 % der Patienten werden primär chirurgisch therapiert) kann mit dieser Methode eine initiale bzw. definitive Blutstillungsrate von 100 % bzw. 99 % erzielt werden.
Am häufigsten wird die Injektionsmethode angewandt ( 1 B-13.13). Die Unterspritzung erfolgt meistens mit Adrenalin 1 : 20 000 und Äthoxysklerol 1 %.
Merke
Die initiale Hämostase wird durch einen mechanischen (Kompression) und einen chemischen (Vasokonstriktion) Effekt erzielt. Die Injektion von Äthoxysklerol dient der definitiven Blutstillung.
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604
13 Endoskopie in der Chirurgie
1 B-13.13
Synopsis Schematische Darstellung der Injektionsmethode
Tunica mucosa Submukosa Muskelschichten a
b Dargestellt ist das Vorgehen der Injektionsmethode am Beispiel eines blutenden Ulkus.
Die Unterspritzung mit Fibrinkleber ist effektiv, in Einzelfällen die Methode der Wahl, aber nicht prinzipiell erforderlich.
Die Behandlung mit Hemoclips ist ein effektives Verfahren zur endoskopischen Blutstillung und bei iatrogenen Blutungen die Methode der Wahl. Ihre Anwendung stellt eine Alternative zur Injektionstherapie dar ( 1 B-13.14).
1 B-13.14
Die Unterspritzung mit Fibrinkleber ist eine hilfreiche Alternative z.B. bei Gerinnungsstörungen, Läsionen mit nekrotischem Grund, sehr tiefen Ulzera mit Perforationsgefahr oder bei iatrogenen Blutungen z.B. nach endoskopischer Papillektomie, wenn das Setzen von Hemoclips nicht gelingt, oder nach endoskopischer Ektomie submuköser Tumoren mit diffuser Sickerblutung. Die generelle Anwendung der Fibrininjektion als Erstmaßnahme zur endoskopischen Blutstillung ist nicht erforderlich. Die Behandlung mit Hemoclips ist ein effektives Verfahren zur endoskopischen Blutstillung und bei iatrogenen Blutungen die Methode der Wahl. Durch die Anwendung von Hemoclips können die potenziellen Komplikationen der Unterspritzung wie Nekrosen und ggf. Perforation vermieden werden ( 1 B-13.14).
Synopsis Schematische Darstellung der Blutstillung mit Hemoclips
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605
13.6 Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) Nach einer eigenen prospektiven Untersuchung gelingt die initiale bzw. definitive Hämostase aktiver Blutungen durch Hemoclips in 97 % bzw. 92 % der Fälle, sofern die Hemoclips platzierbar waren. Bei insgesamt 15 % aller Patienten war das Setzen der Hemoclips jedoch technisch nicht möglich (z.B. derber Ulkusgrund, narbige Deformierungen des Antrums bzw. Duodenums). Unter Berücksichtigung aller Patienten mit Ausnahme der primär operierten (3 %) gelang eine definitive Blutstillung durch Hemoclips bzw. in Kombination mit anderen endoskopischen Verfahren in 94 % der Fälle. Thermische Verfahren werden von uns vorwiegend bei diffusen Sickerblutungen (z.B. maligne Tumoren) eingesetzt, wobei der Argonbeamer bevorzugt wird. Das Verfahren zur endoskopischen Blutstillung sollte individuell gewählt werden, nicht selten ist eine Kombination unterschiedlicher Methoden sinnvoll.
13.5.5
Vorgehen nach endoskopischer Blutstillung
Nach der endoskopischen Therapie ist bei entsprechenden Läsionen die konsequente Behandlung mit Protonenpumpenhemmern angezeigt. Die grundsätzliche chirurgische Therapie im blutungsfreien Intervall nach erfolgreicher endoskopischer Blutstillung ist nicht gerechtfertigt. Ebenso ist ein Blutungsrezidiv nicht per se eine Indikation für die chirurgische Behandlung. Allerdings darf eine Fehleinschätzung durch die Endoskopie nicht zu einer unnötigen oder gar lebensbedrohlichen Verzögerung des chirurgischen Eingriffs führen. n Merke. Beim Verdacht einer Rezidivblutung ist die sofortige endoskopische Befundkontrolle durch einen erfahrenen Endoskopiker und die kritische Überprüfung des weiteren therapeutischen Vorgehens dringend erforderlich.
13.5.6
Komplikationen
Die in der Literatur angegebene Komplikationsrate liegt bei ca. 1 %. Vereinzelt wurde über Perforation bei Anwendung der Injektionsmethode berichtet.
13.6
Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG)
n Definition. Die perkutane endoskopische Gastrostomie bezeichnet die perkutane Einlage einer Sonde in den Magen unter endoskopischer Kontrolle. Ziel ist die Wiederherstellung der enteralen Ernährung, wenn eine orale Nahrungszufuhr gar nicht oder nicht in ausreichendem Maße möglich ist.
In ca. 15 % der Fälle mit nicht iatrogener Blutung ist das Setzen von Hemoclips nicht möglich.
Thermische Verfahren werden vorwiegend bei diffusen Sickerblutungen eingesetzt.
Das Verfahren zur endoskopischen Blutstillung sollte individuell gewählt werden, nicht selten ist eine Kombination unterschiedlicher Methoden sinnvoll. 13.5.5 Vorgehen nach endoskopischer Blutstillung Nach der endoskopischen Therapie ist bei entsprechenden Läsionen die konsequente Behandlung mit Protonenpumpenhemmern angezeigt. Bei entsprechender Selektion der Patienten ist die grundsätzliche elektive chirurgische Therapie nach erfolgreicher endoskopischer Blutstillung nicht gerechtfertigt. Merke
13.5.6 Komplikationen Die Komplikationsrate liegt bei ca. 1 %.
13.6
Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG)
Definition
Damit kann die parenterale Ernährung ersetzt und die Langzeitanwendung von transnasalen Ernährungssonden vermieden werden. Diese werden zum einen vom Patienten als belästigend empfunden, zum anderen bergen sie langfristig die Gefahr einer Ösophagitis.
Damit kann die parenterale Ernährung ersetzt und die Langzeitanwendung von transnasalen Ernährungssonden vermieden werden.
Indikationen. Häufigste Indikationen für die perkutane endoskopische
Indikationen. Häufigste Indikation für die PEG sind: π Stenosen im Rachen bzw. Ösophagus π neurologische Schluckstörungen π Zustände nach ausgedehnter onkologischer Chirurgie bzw. nach Strahlentherapie im Mund/Rachen- und Halsbereich.
Gastrostomie sind Tumorstenosen in Mund und Rachen, Ösophagus und Kardia. Zustände nach ausgedehnter onkologischer Chirurgie bzw. nach Strahlentherapie im Mund/Rachen- und Halsbereich sind ebenfalls wichtige Indikationen für eine PEG. Zu empfehlen ist die Einlage einer PEG vor den erwähnten Therapiemaßnahmen.
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13.6 Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) Nach einer eigenen prospektiven Untersuchung gelingt die initiale bzw. definitive Hämostase aktiver Blutungen durch Hemoclips in 97 % bzw. 92 % der Fälle, sofern die Hemoclips platzierbar waren. Bei insgesamt 15 % aller Patienten war das Setzen der Hemoclips jedoch technisch nicht möglich (z.B. derber Ulkusgrund, narbige Deformierungen des Antrums bzw. Duodenums). Unter Berücksichtigung aller Patienten mit Ausnahme der primär operierten (3 %) gelang eine definitive Blutstillung durch Hemoclips bzw. in Kombination mit anderen endoskopischen Verfahren in 94 % der Fälle. Thermische Verfahren werden von uns vorwiegend bei diffusen Sickerblutungen (z.B. maligne Tumoren) eingesetzt, wobei der Argonbeamer bevorzugt wird. Das Verfahren zur endoskopischen Blutstillung sollte individuell gewählt werden, nicht selten ist eine Kombination unterschiedlicher Methoden sinnvoll.
13.5.5
Vorgehen nach endoskopischer Blutstillung
Nach der endoskopischen Therapie ist bei entsprechenden Läsionen die konsequente Behandlung mit Protonenpumpenhemmern angezeigt. Die grundsätzliche chirurgische Therapie im blutungsfreien Intervall nach erfolgreicher endoskopischer Blutstillung ist nicht gerechtfertigt. Ebenso ist ein Blutungsrezidiv nicht per se eine Indikation für die chirurgische Behandlung. Allerdings darf eine Fehleinschätzung durch die Endoskopie nicht zu einer unnötigen oder gar lebensbedrohlichen Verzögerung des chirurgischen Eingriffs führen. n Merke. Beim Verdacht einer Rezidivblutung ist die sofortige endoskopische Befundkontrolle durch einen erfahrenen Endoskopiker und die kritische Überprüfung des weiteren therapeutischen Vorgehens dringend erforderlich.
13.5.6
Komplikationen
Die in der Literatur angegebene Komplikationsrate liegt bei ca. 1 %. Vereinzelt wurde über Perforation bei Anwendung der Injektionsmethode berichtet.
13.6
Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG)
n Definition. Die perkutane endoskopische Gastrostomie bezeichnet die perkutane Einlage einer Sonde in den Magen unter endoskopischer Kontrolle. Ziel ist die Wiederherstellung der enteralen Ernährung, wenn eine orale Nahrungszufuhr gar nicht oder nicht in ausreichendem Maße möglich ist.
In ca. 15 % der Fälle mit nicht iatrogener Blutung ist das Setzen von Hemoclips nicht möglich.
Thermische Verfahren werden vorwiegend bei diffusen Sickerblutungen eingesetzt.
Das Verfahren zur endoskopischen Blutstillung sollte individuell gewählt werden, nicht selten ist eine Kombination unterschiedlicher Methoden sinnvoll. 13.5.5 Vorgehen nach endoskopischer Blutstillung Nach der endoskopischen Therapie ist bei entsprechenden Läsionen die konsequente Behandlung mit Protonenpumpenhemmern angezeigt. Bei entsprechender Selektion der Patienten ist die grundsätzliche elektive chirurgische Therapie nach erfolgreicher endoskopischer Blutstillung nicht gerechtfertigt. Merke
13.5.6 Komplikationen Die Komplikationsrate liegt bei ca. 1 %.
13.6
Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG)
Definition
Damit kann die parenterale Ernährung ersetzt und die Langzeitanwendung von transnasalen Ernährungssonden vermieden werden. Diese werden zum einen vom Patienten als belästigend empfunden, zum anderen bergen sie langfristig die Gefahr einer Ösophagitis.
Damit kann die parenterale Ernährung ersetzt und die Langzeitanwendung von transnasalen Ernährungssonden vermieden werden.
Indikationen. Häufigste Indikationen für die perkutane endoskopische
Indikationen. Häufigste Indikation für die PEG sind: π Stenosen im Rachen bzw. Ösophagus π neurologische Schluckstörungen π Zustände nach ausgedehnter onkologischer Chirurgie bzw. nach Strahlentherapie im Mund/Rachen- und Halsbereich.
Gastrostomie sind Tumorstenosen in Mund und Rachen, Ösophagus und Kardia. Zustände nach ausgedehnter onkologischer Chirurgie bzw. nach Strahlentherapie im Mund/Rachen- und Halsbereich sind ebenfalls wichtige Indikationen für eine PEG. Zu empfehlen ist die Einlage einer PEG vor den erwähnten Therapiemaßnahmen.
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606 π
π π
13 Endoskopie in der Chirurgie
langzeitbeatmete und komatöse Patienten Patienten mit Anorexia nervosa gastrointestinale Dekompression bei Obstruktion durch Peritonealkarzinomatose (umstrittene Indikation).
13.6.1
Technik
Bei neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen, die langfristig mit schweren Schluckstörungen oder Verweigerung einer oralen Ernährung einhergehen, kann die PEG einer Ernährungsstörung vorbeugen. Weitere Indikationen sind: π langzeitbeatmete und komatöse Patienten π Patienten mit Anorexia nervosa π gastrointestinale Dekompression bei Obstruktion durch Peritonealkarzinomatose (umstrittene Indikation).
13.6.1
Technik
Man unterscheidet die »Pull-Technik« und die »Push-Technik«. Für beide Techniken gilt: π Antibiotikaprophylaxe (umstritten) π ggf. Rachenanästhesie π i.v. Sedierung π parenterale Ernährung in den ersten 24 Stunden nach PEG-Anlage.
Es kann die »Pull-Technik« oder die »Push-Technik« angewandt werden. Für beide Techniken gilt: Die Gabe einer Antibiotikaprophylaxe sollte individuell abgewogen werden. Die routinemäßige Antibiotikagabe gilt derzeit als umstritten. Ggf. ist eine Rachenanästhesie mit Xylocain Rachenspray durchzuführen. Die Sedierung kann z.B. mit Midazolam bzw. Diazepam i.v. erfolgen. In den ersten 24 Stunden nach Anlage einer PEG sollte der Patient parenteral ernährt werden.
Pull-Technik ( 1 B-13.15)
Pull-Technik ( 1
Die PEG-Sonde wird via Mund/ Ösophagus in den Magen und anschließend durch die Magen-/Bauchwand gezogen (pull).
Die Einführung des Gerätes erfolgt in Linksseitenlage des Patienten. Nach Absaugung des Mageninhalts zur Vorbeugung einer Aspiration wird der Patient auf den Rücken gelagert und kontinuierlich Luft in den Magen insuffliert. So bekommt die Magenwand Kontakt mit der vorderen Bauchdecke. Unter Diaphanoskopie erfolgt die Bestimmung der Punktionsstelle auf der Bauchhaut, die dann lokal anästhesiert wird. Die perkutane Punktion des Magens mit einer Punktionsnadel erfolgt mit aufgesetzter Kunststoffkanüle unter endoskopischer Kontrolle. Die Punktionsnadel wird entfernt, die Kunststoffhülle belassen, über die die Einführung eines Fadens in den Magen erfolgt.
1 B-13.15
B-13.15)
Synopsis PEG-Anlage in Pull-Technik
a Trokar wird eingeführt.
b Faden wird durchgezogen.
c Sonde anknüpfen und plazieren.
d Fixierte Sonde liegt.
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π π
13 Endoskopie in der Chirurgie
langzeitbeatmete und komatöse Patienten Patienten mit Anorexia nervosa gastrointestinale Dekompression bei Obstruktion durch Peritonealkarzinomatose (umstrittene Indikation).
13.6.1
Technik
Bei neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen, die langfristig mit schweren Schluckstörungen oder Verweigerung einer oralen Ernährung einhergehen, kann die PEG einer Ernährungsstörung vorbeugen. Weitere Indikationen sind: π langzeitbeatmete und komatöse Patienten π Patienten mit Anorexia nervosa π gastrointestinale Dekompression bei Obstruktion durch Peritonealkarzinomatose (umstrittene Indikation).
13.6.1
Technik
Man unterscheidet die »Pull-Technik« und die »Push-Technik«. Für beide Techniken gilt: π Antibiotikaprophylaxe (umstritten) π ggf. Rachenanästhesie π i.v. Sedierung π parenterale Ernährung in den ersten 24 Stunden nach PEG-Anlage.
Es kann die »Pull-Technik« oder die »Push-Technik« angewandt werden. Für beide Techniken gilt: Die Gabe einer Antibiotikaprophylaxe sollte individuell abgewogen werden. Die routinemäßige Antibiotikagabe gilt derzeit als umstritten. Ggf. ist eine Rachenanästhesie mit Xylocain Rachenspray durchzuführen. Die Sedierung kann z.B. mit Midazolam bzw. Diazepam i.v. erfolgen. In den ersten 24 Stunden nach Anlage einer PEG sollte der Patient parenteral ernährt werden.
Pull-Technik ( 1 B-13.15)
Pull-Technik ( 1
Die PEG-Sonde wird via Mund/ Ösophagus in den Magen und anschließend durch die Magen-/Bauchwand gezogen (pull).
Die Einführung des Gerätes erfolgt in Linksseitenlage des Patienten. Nach Absaugung des Mageninhalts zur Vorbeugung einer Aspiration wird der Patient auf den Rücken gelagert und kontinuierlich Luft in den Magen insuffliert. So bekommt die Magenwand Kontakt mit der vorderen Bauchdecke. Unter Diaphanoskopie erfolgt die Bestimmung der Punktionsstelle auf der Bauchhaut, die dann lokal anästhesiert wird. Die perkutane Punktion des Magens mit einer Punktionsnadel erfolgt mit aufgesetzter Kunststoffkanüle unter endoskopischer Kontrolle. Die Punktionsnadel wird entfernt, die Kunststoffhülle belassen, über die die Einführung eines Fadens in den Magen erfolgt.
1 B-13.15
B-13.15)
Synopsis PEG-Anlage in Pull-Technik
a Trokar wird eingeführt.
b Faden wird durchgezogen.
c Sonde anknüpfen und plazieren.
d Fixierte Sonde liegt.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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13.7.1 Endoskopische Papillotomie (ETP) Der Faden wird endoskopisch mit einer Zange peroral extrahiert und das orale Fadenende mit der PEG-Sonde extrakorporal fixiert. Durch den Zug am distalen Ende des Fadens (pull) wird der Katheter in den Magen bzw. durch die Punktionsstelle gezogen bis die am gastralen Ende der PEG-Sonde angebrachte Anpressplatte der Magenwand anliegt. Unter mäßigem Zug am extrakorporalen Ende des Katheters erfolgt seine Sicherung durch eine weitere Kunststoffscheibe, um eine Dislokation nach innen zu verhindern.
Variante der Pull-Technik
Variante der Pull-Technik
Die Technik unterscheidet sich von der oben beschriebenen durch Vorschieben der PEG-Sonde über einen Führungsdraht durch den Magen bzw. durch die Punktionsstelle.
Hierbei erfolgt das Vorschieben der PEG-Sonde über einen Führungsdraht.
Push-Technik
Push-Technik
Die direkte Platzierung einer Sonde über eine auseinandernehmbare Punktionskanüle wird seltener angewandt. Die Einlage kann unter endoskopischer Kontrolle erfolgen wobei in seltenen Fällen, wenn z.B. die Einführung eines Endoskops in den Magen gar nicht möglich ist, die Sondenplatzierung auch ohne endoskopische Hilfe unter sonographischer Kontrolle erfolgen kann.
Die Sonde wird direkt über eine auseinandernehmbare Punktionskanüle platziert. Im Gegensatz zur PullTechnik kann die Sonde im Einzelfall auch nur unter sonographischer Kontrolle gelegt werden (Push).
Kontraindikationen. Gerinnungsstörungen oder eine vorhandene Peritonitis sind Kontraindikationen. Bei fehlender Diaphanoskopie, d.h. die Magenwand liegt nicht der Bauchwand an, sollte der Eingriff unterbleiben.
Kontraindikationen π Gerinnungsstörungen π Peritonitis π fehlende Diaphanoskopie.
Komplikationen. Bei strikter Beachtung der Kontraindikationen werden
Komplikationen. Bei strikter Beachtung der Kontraindikationen sind Komplikationen sehr selten. Nachblutungen, Peritonitis, Fisteln oder Aspiration treten in 3–9 % der Fälle auf.
Komplikationen selten beobachtet. Schwere Komplikationen wie Peritonitis, nekrotisierende Fasziitis der Bauchdecke, schwere Blutung an der Einstichstelle am Magen, gastrokolische und enterokolische Fisteln oder auch Aspiration werden in 3–9 % der Fälle angegeben. Leichte peritoneale Reizungen mit oder ohne freie Luft im Abdomen sollten zunächst nur beobachtet bzw. konservativ behandelt werden. Spätere Komplikationen wie z.B. Entzündung an der Hauteinstichstelle oder Dislokation durch die Haut, sind in der Regel auf unzureichende Hygiene bzw. unsachgemäße Handhabung der PEG-Sonde zurückzuführen.
13.7
13.7.1
Endoskopische Therapie an der Papilla Vateri und am Gallengangssystem Endoskopische Papillotomie (EPT)
n Definition. Die endoskopische Papillotomie (EPT) ist eine Spaltung der Papille mit einem Papillotom (eine Spezialsonde, die mit einem Schneidedraht versehen ist, der Verbindung zu einer Diathermiequelle hat) unter endoskopischer Sicht ( 1 B-13.16).
13.7
Endoskopische Therapie an der Papilla Vateri und am Gallengangssystem
13.7.1 Endoskopische Papillotomie (EPT) Definition
Indikationen. Man unterscheidet diagnostische und therapeutische Indikationen ( 2 B-13.5). Die häufigste Indikation zur Papillotomie ist die Choledocholithiasis (s. a. Kap. B-8.4.3).
Indikationen. Man unterscheidet diagnostische und therapeutische Indikationen ( 2 B-13.5). Die häufigste Indikation ist die Choledocholithiasis.
Kontraindikationen. Schwere Gerinnungsstörungen, keine Aussicht auf
Erfolg (z.B. Papille aus anatomischen Gründen nicht erreichbar, bei nicht biliärer Pankreatitis) sind Kontraindikationen.
Kontraindikationen. Schwere Gerinnungsstörungen und fehlende Erfolgsaussicht.
Komplikationen. Die Komplikationsrate weist abhängig von der Erfahrung des Untersuchers und der angewandten Technik eine große Schwankungs-
Komplikationen. Häufigste Komplikation ist die Pankreatitis (1–3 %),
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607
13.7.1 Endoskopische Papillotomie (ETP) Der Faden wird endoskopisch mit einer Zange peroral extrahiert und das orale Fadenende mit der PEG-Sonde extrakorporal fixiert. Durch den Zug am distalen Ende des Fadens (pull) wird der Katheter in den Magen bzw. durch die Punktionsstelle gezogen bis die am gastralen Ende der PEG-Sonde angebrachte Anpressplatte der Magenwand anliegt. Unter mäßigem Zug am extrakorporalen Ende des Katheters erfolgt seine Sicherung durch eine weitere Kunststoffscheibe, um eine Dislokation nach innen zu verhindern.
Variante der Pull-Technik
Variante der Pull-Technik
Die Technik unterscheidet sich von der oben beschriebenen durch Vorschieben der PEG-Sonde über einen Führungsdraht durch den Magen bzw. durch die Punktionsstelle.
Hierbei erfolgt das Vorschieben der PEG-Sonde über einen Führungsdraht.
Push-Technik
Push-Technik
Die direkte Platzierung einer Sonde über eine auseinandernehmbare Punktionskanüle wird seltener angewandt. Die Einlage kann unter endoskopischer Kontrolle erfolgen wobei in seltenen Fällen, wenn z.B. die Einführung eines Endoskops in den Magen gar nicht möglich ist, die Sondenplatzierung auch ohne endoskopische Hilfe unter sonographischer Kontrolle erfolgen kann.
Die Sonde wird direkt über eine auseinandernehmbare Punktionskanüle platziert. Im Gegensatz zur PullTechnik kann die Sonde im Einzelfall auch nur unter sonographischer Kontrolle gelegt werden (Push).
Kontraindikationen. Gerinnungsstörungen oder eine vorhandene Peritonitis sind Kontraindikationen. Bei fehlender Diaphanoskopie, d.h. die Magenwand liegt nicht der Bauchwand an, sollte der Eingriff unterbleiben.
Kontraindikationen π Gerinnungsstörungen π Peritonitis π fehlende Diaphanoskopie.
Komplikationen. Bei strikter Beachtung der Kontraindikationen werden
Komplikationen. Bei strikter Beachtung der Kontraindikationen sind Komplikationen sehr selten. Nachblutungen, Peritonitis, Fisteln oder Aspiration treten in 3–9 % der Fälle auf.
Komplikationen selten beobachtet. Schwere Komplikationen wie Peritonitis, nekrotisierende Fasziitis der Bauchdecke, schwere Blutung an der Einstichstelle am Magen, gastrokolische und enterokolische Fisteln oder auch Aspiration werden in 3–9 % der Fälle angegeben. Leichte peritoneale Reizungen mit oder ohne freie Luft im Abdomen sollten zunächst nur beobachtet bzw. konservativ behandelt werden. Spätere Komplikationen wie z.B. Entzündung an der Hauteinstichstelle oder Dislokation durch die Haut, sind in der Regel auf unzureichende Hygiene bzw. unsachgemäße Handhabung der PEG-Sonde zurückzuführen.
13.7
13.7.1
Endoskopische Therapie an der Papilla Vateri und am Gallengangssystem Endoskopische Papillotomie (EPT)
n Definition. Die endoskopische Papillotomie (EPT) ist eine Spaltung der Papille mit einem Papillotom (eine Spezialsonde, die mit einem Schneidedraht versehen ist, der Verbindung zu einer Diathermiequelle hat) unter endoskopischer Sicht ( 1 B-13.16).
13.7
Endoskopische Therapie an der Papilla Vateri und am Gallengangssystem
13.7.1 Endoskopische Papillotomie (EPT) Definition
Indikationen. Man unterscheidet diagnostische und therapeutische Indikationen ( 2 B-13.5). Die häufigste Indikation zur Papillotomie ist die Choledocholithiasis (s. a. Kap. B-8.4.3).
Indikationen. Man unterscheidet diagnostische und therapeutische Indikationen ( 2 B-13.5). Die häufigste Indikation ist die Choledocholithiasis.
Kontraindikationen. Schwere Gerinnungsstörungen, keine Aussicht auf
Erfolg (z.B. Papille aus anatomischen Gründen nicht erreichbar, bei nicht biliärer Pankreatitis) sind Kontraindikationen.
Kontraindikationen. Schwere Gerinnungsstörungen und fehlende Erfolgsaussicht.
Komplikationen. Die Komplikationsrate weist abhängig von der Erfahrung des Untersuchers und der angewandten Technik eine große Schwankungs-
Komplikationen. Häufigste Komplikation ist die Pankreatitis (1–3 %),
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608
13 Endoskopie in der Chirurgie
1 B-13.16
Endoskopische Papillotomie (EPT) Spaltung der Papille mit einem Papillotom.
2 B-13.5
Indikationen zur endoskopischen Papillotomie
Diagnostische Indikationen
Therapeutische Indikationen
N V. a. endophytisch wachsendes n Adenom der Papille
N eingeklemmter Stein n
N V.a. retropapillären Tumor n (Biopsien aus der Schnittfläche der EPT bzw. transpapilläre Biopsien) N Zugang zum Gallengang n (schwierige Fälle wo die ERC nicht gelingt)
N Papillenstenose (entzündlich n oder neoplastisch) N erster Schritt für weitere Eingriffe n am biliopankreatischen System (z.B.: Steinextraktion aus Gallenbzw. Pankreasgang, Endoprothetik von Gallen- und Pankreasgang)
N perorale Cholangioskopie n Blutung (1-2 %) und Perforation (ca. 1 %). Die Letalität beträgt ca. 0,5 %.
breite auf (5–10 %). Wichtigste Komplikationen sind Pankreatitis (1–3 %), Blutung (1–2 %) und Perforation (ca. 1 %). Die Letalität liegt bei ca. 0,5 % (in multizentrischer Untersuchung neueren Datums).
Endoskopische Papillektomie
13.7.2 Endoskopische Papillektomie
13.7.2
Die endoskopische Abtragung der Papille mit einer Diathermieschlinge wird zur Entfernung von Papillenadenomen eingesetzt ( 1 B-13.17).
Die endoskopische Abtragung der Papille mit einer Diathermieschlinge wird zur Entfernung von Papillenadenomen eingesetzt ( 1 B-13.17).
1 B-13.17
Endoskopische Abtragung von Papillenadenomen 1
2
a Papillenadenom ( Á) – endoskopische Abtragung.
b Mündung vom Ductus choledochus (1) und Ductus Wirsungianus (2) (Ductus pancreaticus) nach endoskopischer Papillektomie.
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13.7.3 Endoskopische Steinextraktion
609
Zum Ausschluss eines zur Tiefe hin bereits invasiv wachsenden Karzinoms (z.B. bei histologisch nachgewiesenen hochgradigen Dysplasien oder nicht eindeutigen Befunden) ist die Endosonographie (EUS) die Methode der Wahl ( 1 B-13.18).
Vor der Papillektomie sollte zum Ausschluss eines invasiven Karzinoms eine Endosonographie (EUS) durchgeführt werden ( 1 B-13.18).
1 B-13.18
Endosonographie der Papilla Vateri
1 2 3 4 1 a Papillenadenom (1 = Mukosa, 2 = Submukosa, 3 = Muscularis propria, 4 = Adenom).
2
3
b Papillenkarzinom mit Infiltration der Submukosa (1 = Mukosa, 2 = Submukosa, 3 = Karzinom).
Der endoskopische Ultraschall ermöglicht darüber hinaus eine Beurteilung des distalen Gallengangs. Bei Verdacht einer intraduktalen Ausbreitung des Adenoms ist zur weiteren Planung der Therapie die perorale Cholangioskopie indiziert.
Die EUS ermöglicht darüber hinaus eine Beurteilung des distalen Gallengangs. Bei Verdacht auf intraduktale Adenomausbreitung ist die perorale Cholangioskopie indiziert.
Kontraindikationen. Sie bestehen wie bei der endoskopischen Papilloto-
Kontraindikationen. Sie bestehen wie bei der EPT und beim Nachweis eines bereits invasiven Karzinoms.
Komplikationen. Häufigste Komplikationen sind vorwiegend die Pankreatitis und die Blutung, die in der Literatur mit 2–8 % angegeben werden.
Komplikationen. Häufigste Komplikationen sind die Pankreatitis und die Blutung (2–8 %).
mie (EPT) und beim Nachweis eines bereits invasiven Karzinoms. Bei nicht eindeutigen Befunden kann abhängig vom Alter des Patienten und Operationsrisiko das weitere Vorgehen von der Histologie des endoskopischen Resektates abhängig gemacht werden.
n Merke. Aufgrund der Möglichkeit eines Rezidivs sind regelmäßige endoskopische und ggf. endosonographische Kontrollen angezeigt.
13.7.3
Endoskopische Steinextraktion
Merke
13.7.3 Endoskopische Steinextraktion
Die endoskopische Therapie ist die Methode der Wahl für die Behandlung der Choledocholithiasis sowohl beim akuten Gallengangsverschluss als auch elektiv. Bei gleichzeitiger Cholezysto-/Choledocholithiasis ist aufgrund der geringeren Morbidität ebenfalls die endoskopische Extraktion der Gallengangssteine vor der Cholezystektomie angezeigt.
Die endoskopische Steinextraktion ist aufgrund ihrer Effektivität und geringer Morbidität die Methode der Wahl zur Behandlung der Choledocholithiasis. Dasselbe gilt bei Vorliegen einer gleichzeitigen Cholezysto-/Choledocholithiasis.
π Technik: Die Steinextraktion erfolgt nach EPT mit einem Dormia-Körbchen oder Ballonkatheter ( 1 B-13.19). Konkremente, die aufgrund ihrer Größe nicht extrahierbar sind, können mit einem Körbchen, das über eine Metallsonde verfügt oder einen Metallschlauch, der über das Dormia-Körbchen nach Entfernung des Endoskops eingeführt wird, mechanisch zertrümmert werden ( 1 B-13.20).
π Technik: Die Steinextraktion erfolgt nach EPT mit einem Dormia-Körbchen oder Ballonkatheter ( 1 B-13.19).
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610
13 Endoskopie in der Chirurgie
1 B-13.19
Steinextraktion mit Dormia-Körbchen Endoskopische Steinextraktion mit Dormia-Körbchen ( Á) bei Choledocholithiasis.
1 B-13.20
Mechanische Lithotripsie
1 3 2 a Mechanischer Lithotriptor zur transendoskopischen Anwendung.
b Mechanische Lithotripsie nach vorheriger Entfernung des Endoskops (1 = Stein, 2 = Dormia-Körbchen, 3 = Metallsonde des mechanischen Lithotriptors).
c Transendoskopische mechanische Lithotripsie.
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13.7.4 Gallengangsdränage Bei Steinen, die im Gallengang eingeklemmt sind (Dormia-Körbchen kann nicht geöffnet werden) oder die wegen ihres Durchmessers mit dem Körbchen nicht fassbar sind, kann die intraduktale Steinzertrümmerung mittels EHL (Elektrohydraulische Lithotripsie) oder Laserlithotripsie eingesetzt werden. Die intraduktale Lithotripsie mit EHL oder Laser wird unter endoskopischer Sicht über ein Cholangioskop (Babyskop) durchgeführt ( 1 B-13.21).
1 B-13.21
Bei sehr großen oder im Gallengang eingeklemmten Steinen kann eine intraduktale Steinzertrümmerung z.B. mit EHL oder Laser unter endoskopischer Sicht über ein Cholangioskop (Babyskop) durchgeführt werden ( 1 B-13.21).
Intraduktale Lithotripsie Intraduktale EHL-Lithotripsie unter endoskopischer Sicht durch perorale Cholangioskopie. 1 = Motherskop, 2 = Babyskop, der Choledochusstein (3) ist bereits partiell zertrümmert.
3
2 1
Das Babyskop wird über den Arbeitskanal eines speziellen Endoskops (Motherskop) unter Sicht in den Gallengang eingeführt (der Laser mit Steinerkennungssystem kann auch ohne endoskopische Kontrolle im Gallengang eingesetzt werden). Die extrakorporale Stoßwellen-Lithotripsie (ESWL) wird bei endoskopisch nicht erreichbaren Steinen (intrahepatisch gelegen) oder als Alternative zur intraduktalen endoskopischen Therapie angewandt.
Endoskopisch nicht erreichbare Steine können durch ESWL erfolgreich behandelt werden.
Ergebnisse. Abhängig vom Patientenkollektiv können bis zu 99 % der Gal-
Ergebnisse. Fast alle Patienten mit Gallengangssteinen können endoskopisch erfolgreich behandelt werden. In den meisten Fällen gelingt die Extraktion mit dem Dormia-Körbchen bzw. der Ballonsonde.
Komplikationen. Sie entsprechen im Wesentlichen denen der EPT (s. o.).
Komplikationen. Die Cholangitis durch Steineinklemmung bzw. unzureichende Dränage ist mittlerweile selten.
lengangssteine endoskopisch entfernt werden, wobei in den meisten Fällen (ca. 85 %) die Extraktion mit dem Dormia-Körbchen bzw. der Ballonsonde möglich ist. In einigen Fällen ist die endoskopische Steinextraktion nicht durchführbar (z.B. Papille nicht erreichbar bei vorausgegangenen Operationen am GI-Trakt, Gallengangsstrikturen mit proximal gelegenen Steinen).
Die Cholangitis durch Steineinklemmung bzw. unzureichender Dränage ist aufgrund der verschiedenen Lithotripsieverfahren und Möglichkeiten der endoskopischen Gallengangsdränage inzwischen eine seltene Komplikation.
13.7.4
Gallengangsdränage
Die Dränage des Gallengangs wird sowohl bei malignen als auch bei benignen Erkrankungen des Gallengangssystems angewandt. Dabei kann es sich um eine vorübergehende oder definitive therapeutische Maßnahme handeln.
13.7.4
Gallengangsdränage
Die Dränage des Gallengangs wird sowohl bei malignen als auch bei benignen Erkrankungen des Gallengangssystems angewandt.
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13.7.4 Gallengangsdränage Bei Steinen, die im Gallengang eingeklemmt sind (Dormia-Körbchen kann nicht geöffnet werden) oder die wegen ihres Durchmessers mit dem Körbchen nicht fassbar sind, kann die intraduktale Steinzertrümmerung mittels EHL (Elektrohydraulische Lithotripsie) oder Laserlithotripsie eingesetzt werden. Die intraduktale Lithotripsie mit EHL oder Laser wird unter endoskopischer Sicht über ein Cholangioskop (Babyskop) durchgeführt ( 1 B-13.21).
1 B-13.21
Bei sehr großen oder im Gallengang eingeklemmten Steinen kann eine intraduktale Steinzertrümmerung z.B. mit EHL oder Laser unter endoskopischer Sicht über ein Cholangioskop (Babyskop) durchgeführt werden ( 1 B-13.21).
Intraduktale Lithotripsie Intraduktale EHL-Lithotripsie unter endoskopischer Sicht durch perorale Cholangioskopie. 1 = Motherskop, 2 = Babyskop, der Choledochusstein (3) ist bereits partiell zertrümmert.
3
2 1
Das Babyskop wird über den Arbeitskanal eines speziellen Endoskops (Motherskop) unter Sicht in den Gallengang eingeführt (der Laser mit Steinerkennungssystem kann auch ohne endoskopische Kontrolle im Gallengang eingesetzt werden). Die extrakorporale Stoßwellen-Lithotripsie (ESWL) wird bei endoskopisch nicht erreichbaren Steinen (intrahepatisch gelegen) oder als Alternative zur intraduktalen endoskopischen Therapie angewandt.
Endoskopisch nicht erreichbare Steine können durch ESWL erfolgreich behandelt werden.
Ergebnisse. Abhängig vom Patientenkollektiv können bis zu 99 % der Gal-
Ergebnisse. Fast alle Patienten mit Gallengangssteinen können endoskopisch erfolgreich behandelt werden. In den meisten Fällen gelingt die Extraktion mit dem Dormia-Körbchen bzw. der Ballonsonde.
Komplikationen. Sie entsprechen im Wesentlichen denen der EPT (s. o.).
Komplikationen. Die Cholangitis durch Steineinklemmung bzw. unzureichende Dränage ist mittlerweile selten.
lengangssteine endoskopisch entfernt werden, wobei in den meisten Fällen (ca. 85 %) die Extraktion mit dem Dormia-Körbchen bzw. der Ballonsonde möglich ist. In einigen Fällen ist die endoskopische Steinextraktion nicht durchführbar (z.B. Papille nicht erreichbar bei vorausgegangenen Operationen am GI-Trakt, Gallengangsstrikturen mit proximal gelegenen Steinen).
Die Cholangitis durch Steineinklemmung bzw. unzureichender Dränage ist aufgrund der verschiedenen Lithotripsieverfahren und Möglichkeiten der endoskopischen Gallengangsdränage inzwischen eine seltene Komplikation.
13.7.4
Gallengangsdränage
Die Dränage des Gallengangs wird sowohl bei malignen als auch bei benignen Erkrankungen des Gallengangssystems angewandt. Dabei kann es sich um eine vorübergehende oder definitive therapeutische Maßnahme handeln.
13.7.4
Gallengangsdränage
Die Dränage des Gallengangs wird sowohl bei malignen als auch bei benignen Erkrankungen des Gallengangssystems angewandt.
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13 Endoskopie in der Chirurgie
Weitere Indikationen sind gegeben bei benignen Stenosen und iatrogenen Leckagen (z.B. nach Cholezystektomie).
Indikationen. Häufigste Indikationen sind maligne Gallengangsstrikturen, z.B. Pankreaskopfkarzinom, Papillenkarzinom, Gallengangs- oder Gallenblasenkarzinom oder Strikturen durch Metastasen. Bei benignen Gallengangsstenosen, z.B. bei chronischer Pankreatitis, bei primär sklerosierender Cholangitis, iatrogenen Strikturen nach Gallengangschirurgie oder nach Lebertransplantation ist die Dränage des Gallengangssystems häufig indiziert. Weitere Indikationen sind Gallengangsleckagen, die iatrogen nach chirurgischen Eingriffen (z.B. Cholezystektomie, Leberteilresektion) oder traumatisch entstanden sind.
Technik
Technik
Sowohl die Kunststoffprothesen als auch die Metallstents werden nach Seldinger-Technik über einen zuvor platzierten Führungsdraht unter endoskopischer und radiologischer Kontrolle eingeführt ( 1 B-13.22).
Die Dränage kann durch nasobiliäre Sonden, Endoprothesen oder Metallstents erfolgen. Vor einer Gallengangsdränage erfolgt in der Regel eine sparsame endoskopische Papillotomie (EPT). Anschließend erfolgt die Platzierung eines Führungsdrahts, der mit Hilfe eines Dilatators (verjüngter French-7-Kunststoffkatheter) eingeführt wird. Je nach Bedarf wird eine Bougierung der Stenose mit Ballon oder Dilatator durchgeführt. Danach wird die Dränage über den liegenden Führungsdraht ggf. mit Hilfe eines Schiebekatheters (»Pusher« bei Endoprothesen) eingeführt ( 1 B-13.22).
Indikationen. Häufigste Indikationen sind Gallengangsstrikturen bei Pankreaskopf- bzw. Gallengangskarzinomen.
1 B-13.22
Gallengangsdränage
a Abbruch des Gallengangs bei Gallengangskarzinom. Die Stenose wurde mit Führungsdraht und Dilatator passiert.
b Darstellung des Gallengangssystems proximal der Stenose.
c Endoprothese in situ.
Nasobiliäre Sonde
Nasobiliäre Sonde
Hierbei wird eine Sonde transpapillär in den Gallengang eingeführt und über den Magen transnasal abgeleitet ( 1 B-13.23 »Pigtail«).
Ein ca. 200 cm langer und 7 French dicker Kunststoffschlauch wird transpapillär unter endoskopischer Sicht und radiologischer Kontrolle in den Gallengang eingeführt und über den Magen transnasal abgeleitet (externe Dränage). Zur Vermeidung einer Dislokation ist das Gallengangsende der Sonde gekrümmt (»Pigtail«; 1 B-13.23).
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613
13.7.4 Gallengangsdränage
1 B-13.23
Gallengangsdränage mit nasobiliärer Sonde
Indikationen. Diese Methode eignet sich zur kurzfristigen, passageren Gal-
Indikationen. Diese Methode eignet sich vor allem zur kurzfristigen, passageren Gallengangsdränage bei Verschlussikterus.
Kontraindikationen und Komplikationen. Sie entsprechen denen der EPT.
Kontraindikationen und Komplikationen. Sie entsprechen denen der EPT.
lengangsdränage bei Verschlussikterus (s. a. Kap. B-8.3.3). Sie findet bei der eitrigen Cholangitis Verwendung mit der Möglichkeit der Gallengangsspülung. Eine seltene Indikation ist die chemische Litholyse (Steinauflösung). Weiterhin wird die nasobiliäre Sonde bei der Lithotripsie durch EHL angewendet.
n Merke. Bei einer nasobiliären Sonde besteht die Gefahr eines Gallenverlustsyndroms.
Merke
Endoprothesen
Endoprothesen
Endoprothesen werden zur langfristigen Dränage des Gallengangs (innere Dränage) eingesetzt. Es stehen verschiedene Modelle von Endoprothesen unterschiedlichen Durchmessers (meistens French 7, 10 bzw. 12) und Materials (meistens Polyethylen oder Teflon) zur Verfügung.
Endoprothesen werden zur langfristigen Dränage des Gallenganges beim malignen Verschlussikterus oder bei benignen Stenosen eingesetzt.
Indikationen. Sie werden eingesetzt zur definitiven Palliation beim malignen Verschlussikterus oder auch zur langfristigen bzw. mittelfristigen Dränage des Gallengangs bei benignen Stenosen bzw. Leckagen (s. o.).
Selbstexpandierende Metallstents
Selbstexpandierende Metallstents
Selbstexpandierende Metallstents kommen vor allem bei malignen Stenosen zur definitiven Palliation zum Einsatz. Da die meisten dieser Stents nicht oder nur unter Inkaufnahme erheblicher Gallengangsverletzungen entfernt werden können, ist die Anwendung bei benignen Stenosen z.Z. nicht zu empfehlen. Es stehen unterschiedliche Metallstents zur Verfügung: Strecker-Stent, Wall-Stent, Endo-Coil, Gian-Turco. Diese werden in nicht entfaltetem Zustand, montiert auf ein Trägersystem (unterschiedliche Kunststoffkatheter) über einen zunächst gelegten Führungsdraht, in den Gallengang eingeführt. Nach exakter Platzierung und unter Berücksichtigung der Verkürzung, die bei den meisten dieser Stents bei der Entfaltung stattfindet, wird der Metallstent freigesetzt ( 1 B-13.24).
Selbstexpandierende Metallstents kommen vor allem bei malignen Stenosen zur definitiven Palliation zum Einsatz ( 1 B-13.24).
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13 Endoskopie in der Chirurgie
1 B-13.24
Selbstexpandierender Metallstent Dränage des Gallengangssystems mit einem selbstexpandierenden Metallstent (Endo-Coil).
Ergebnisse der Gallengangsdränage
Ergebnisse der Gallengangsdränage
Die endoskopische Gallengangsdränage ist bei Patienten mit malignen Stenosen in ca. 85 % möglich.
Der Erfolg der endoskopischen Gallengangsdränage hängt vom Erfolg der Gallengangsintubation und Lokalisation bzw. Schweregrad der Stenose ab. In ca. 85 % aller Fälle ist eine endoskopische Gallengangsdränage möglich, wobei der Erfolg des endoskopischen Eingriffes von der Lokalisation der Stenose abhängt.
Kontraindikationen. Bei intrahepatischer Tumorausdehnung bzw. beim Befall mehrerer intrahepatischer Gänge ist keine nennenswerte Besserung zu erwarten.
Kontraindikationen (s. EPT, S. 607). Wenn aufgrund der intrahepatischen
Komplikationen. Die eingriffsbedingte Komplikationsrate der Gallengangsdränage mit Kunststoffendoprothesen beträgt ca. 4 %, die Letalität < 1 %.
Komplikationen. Die eingriffsbedingte Komplikationsrate der Gallengangsdränage mit Kunststoffendoprothesen beträgt ca. 4 %, die Letalität < 1 %. Ähnliche Komplikationsraten bestehen für Kunststoffendoprothesen bzw. selbstexpandierende Metallstents. Schwerwiegendste Komplikationen sind die Pankreatitis, Blutungen und die Perforation durch Papillotomie und seltener durch den Führungsdraht. Häufigste Langzeitkomplikation ist die Dislokation und die Verstopfung der Endoprothesen mit nachfolgender Cholangitis. Seltener sind Verletzungen der Duodenalwand durch das distale Ende der Endoprothesen. Die Gefahr der Dislokation ist bei den Metallstents kaum gegeben. Die langfristige Verstopfung der Stents ist vorwiegend auf den Tumoreinwuchs durch den Maschendraht des Stents zurückzuführen. Um diesem Problem entgegenzutreten, stehen neuerdings mit Kunststoff ummantelte Stents zur Verfügung.
Schwerwiegendste Komplikationen sind die Pankreatitis, Blutungen und die Perforation durch Papillotomie und seltener durch den Führungsdraht. Häufigste Langzeitkomplikation ist die Dislokation und die Verstopfung der Prothese mit nachfolgender Cholestase bzw. Cholangitis.
Endoprothesen vs. Stents. Die Entscheidung zwischen Stents und Endoprothesen muss neben der zu erwartenden Überlebenszeit des Patienten (bei Karzinomen) und der Neigung zur Verstopfung auch unter Berücksichtigung der Kosten individuell getroffen werden.
Tumorausdehnung bzw. dem Befall mehrerer intrahepatischer Gänge keine nennenswerte Besserung zu erwarten ist, bzw. das Risiko einer Verschlechterung der Verschlusssymptomatik relativ groß ist, sollte die Gallengangsdränage unterbleiben.
Endoprothesen vs. Stents. Es wurde festgestellt, dass Stents signifikant
länger als Endoprothesen den gewünschten Dränageeffekt gewährleisten. Neuerdings wurde jedoch über ähnlich gute Ergebnisse durch Anwendung von sogenannten »Tannenbaumendoprothesen« berichtet (nicht verjüngte Teflonendoprothesen ohne Seitenlöcher). Endoprothesen sind z. Z. um ein Vielfaches kostengünstiger als Stents. Kunststoffprothesen werden in der Regel bevorzugt, wobei die Entscheidung im Einzelfall vor allem unter Berücksichtigung der Langzeitprognose des Patienten getroffen werden muss.
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13.8.2 Pankreasgangdränage
13.8
Endoskopische Therapie am Pankreas
Indikationen. Häufigste Indikationen für eine endoskopische Behandlung
am Pankreas sind Obstruktionen des Pankreasgangs (Stenosen oder Steine), Pseudozysten- und Fistelbildung. Wichtigste Eingriffe sind daher die endoskopische Papillotomie (EPT) des Pankreassphinkters, Gangdränage bei Stenosen, Steinextraktion, Dränage von Pseudozysten und Verklebung von Fisteln. Ziel der endoskopischen Therapie ist abgesehen von der Behandlung von Pseudozysten und Fisteln die Beseitigung der Schmerzen und die Vermeidung von Rezidivschüben bei der chronischen Pankreatitis. Die Indikation zur endoskopischen Pankreasgangdränage ist gegeben, sofern aufgrund der Pankreasgangveränderungen anzunehmen ist, dass die Obstruktion eine wesentliche Rolle in der Pathogenese der Schmerzen und bei Rezidivschüben spielt.
13.8.1
Endoskopische Papillotomie (EPT)
Die endoskopische Inzision der Pankreasgangmündung ist in der Regel der erste Schritt bei der Dränage des Pankreasganges bzw. bei der Behandlung von Pankreasgangsteinen (s. a. S. 616). Die EPT als alleinige Maßnahme bei Stenosen, die auf den Papillenbereich begrenzt sind, ist nur selten indiziert (z.B. Pancreas divisum).
13.8.2
Pankreasgangdränage
13.8
Endoskopische Therapie am Pankreas
Indikationen. Häufigste Indikationen für eine endoskopische Behandlung am Pankreas sind Obstruktionen des Pankreasgangs (Stenosen oder Steine), Pseudozysten- und Fistelbildung. Ziel der endoskopischen Therapie ist neben der Behandlung von Pseudozysten und Fisteln die Beseitigung der Schmerzen und die Vermeidung von Rezidivschüben bei der chronischen Pankreatitis.
13.8.1 Endoskopische Papillotomie (EPT) Die EPT ist in der Regel der erste Schritt bei der Dränage des Pankreasganges bzw. bei der Behandlung von Pankreasgangsteinen. Die EPT als alleinige Maßnahme bei Stenosen, die auf den Papillenbereich begrenzt sind, ist nur selten indiziert (z.B. Pancreas divisum). 13.8.2 Pankreasgangdränage
Zur Überbrückung der Pankreasgangstenosen und Wiederherstellung bzw. Verbesserung des Pankreassaftabflusses mit entsprechender Druckminderung im Pankreasgangsystem werden Kunststoffendoprothesen in den Pankreasgang eingeführt.
Zur Überbrückung der Pankreasgangstenosen werden Kunststoffendoprothesen in den Pankreasgang eingeführt.
Technik
Technik
Bei der Dränage über die Papilla major wird in der Regel zunächst eine endoskopische Papillotomie (EPT) der Pankreasgangmündung durchgeführt. Anschließend erfolgt die Einführung eines Führungsdrahts, der mit Hilfe eines an der Spitze verjüngten Katheters (Dilatator) über die Stenose hinaus in den Pankreasgang platziert wird. Über diesen liegenden Führungsdraht wird nun die Endoprothese in der Regel mit einem French 7 bzw. 10 Durchmesser und multiplen Seitenlöchern wie die Gallengangsendoprothesen transpapillär eingeführt ( 1 B-13.25).
Über einen Führungsdraht erfolgt die Einführung eines dünnen Plastikkatheters mit multiplen Seitenlöchern, um den Abfluss des Pankreassaftes zu erleichtern ( 1 B-13.25).
1 B-13.25
Pankreasgangdränage bei chronischer obstruktiver Pankreatitis
b Endoprothese in dem dilatierten a Endoskopische transpapilläre Pankreasgang. Platzierung eines Führungsdrahts in den deutlich dilatierten Pankreasgang.
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13 Endoskopie in der Chirurgie Die Dränage von benignen Pankreasgangstenosen mit selbstexpandierenden Metallstents kann wegen noch unzureichender klinischer Erfahrung z.Z. nicht empfohlen werden.
Ergebnisse. Langfristige Besserung der Schmerzsymptomatik wird bei 50–80 % der Patienten erreicht.
Ergebnisse. Die Erfolgsrate aus endoskopisch-technischer Sicht beträgt
Komplikationen. Wichtigste eingriffsbedingte Komplikation ist die Pankreatitis. Die eingriffsbedingte Morbidität ist meist < 10 %. Problematisch bleibt die Verstopfung der Endoprothesen.
Komplikationen. Wichtigste eingriffsbedingte Komplikation ist die Pankreatitis. Die eingriffsbedingte Morbidität liegt meistens < 10 %, wobei Angaben bis 18 % vorliegen. Langfristig ist die Verstopfung der Endoprothesen ein bisher nicht gelöstes Problem.
13.8.3 Entfernung von Pankreasgangsteinen
13.8.3
Technik ESWL nach EPT der Pankreasgangmündung ist das übliche Vorgehen bei der nicht chirurgischen Therapie der Pankreasgangsteine. Die kleinen Fragmente gehen spontan ab oder werden bei der Kontroll-ERP endoskopisch entfernt.
Eine weitere Möglichkeit ist die pankreatikoskopische Zertrümmerung mit Laser.
87–94 % wobei mit einem initialen klinischen Erfolg von 75–ca. 90 % zu rechnen ist. Die in der Literatur angegebenen Raten bezüglich der langfristigen Besserung der Schmerzsymptomatik schwanken zwischen 50–80 %.
Entfernung von Pankreasgangsteinen
Technik Die Steinextraktion aus dem Pankreasgang kann mit dem Dormia-Körbchen nach vorheriger EPT erfolgen. Dabei ergeben sich jedoch meistens erhebliche technische Schwierigkeiten aufgrund der Größe und Konsistenz der Steine als auch aufgrund von Stenosen am Pankreasgang. Meistens erfolgt die Behandlung daher durch die ESWL-Zertrümmerung der Steine nach vorheriger EPT. Kleine, solitäre Pankreassteine können nach Papillotomie endoskopisch extrahiert werden. Bei großen, impaktierten bzw. multiplen Steinen wird in der Regel die ESWL-Therapie nach vorheriger EPT des Pankreasganges eingesetzt. Eine weitere Möglichkeit der Lithotripsie, die jedoch nur selten eingesetzt wird, ist die pankreatikoskopische Zertrümmerung mit Laser. Die Pankreatikoskopie kann vielmehr aus diagnostischen Gründen erforderlich sein (Pankreasstein vs. intraduktaler Tumor).
Ergebnisse. Die vollständige Steinbeseitigung durch ESWL beträgt ca. 52–90 %.
Ergebnisse. Die Fragmentationsrate durch die ESWL wird mit 88–100 % angegeben, wobei die unterschiedlichen Angaben bezüglich der vollständigen Steinbeseitigung aus dem Gang zwischen 52–90 % sowohl von der Technik der ESWL-Behandlung als auch von der Patientenselektion abhängen dürfte.
Komplikationen. Es sind keine nennenswerten Komplikationen bekannt.
Komplikationen. Nennenswerte Komplikationen durch die ESWL-Therapie
13.8.4 Dränage von Pseudozysten und Abszessen
13.8.4
Nach Bildung eines flüssigkeitsgefüllten Hohlraums im Pankreas wird empfohlen, 6–8 Wochen bis zur Dränage verstreichen zu lassen. In dieser Zeit kommt es häufig zu einer spontanen Rückbildung bzw. zur besseren Abkapselung der Pseudozyste.
Nach Bildung eines flüssigkeitsgefüllten Hohlraums im Pankreas wird empfohlen, 6–8 Wochen bis zur Dränage verstreichen zu lassen. In dieser Zeit kommt es häufig zu einer spontanen Rückbildung bzw. zur besseren Abkapselung der Pseudozyste. Nach dieser Zeit ist ein deutlicher Anstieg der durch die Pseudozysten verursachten Komplikationen zu verzeichnen (s. a. S. 559). Der Zeitpunkt des Eingriffs sollte individuell je nach klinischem Verlauf und den Befunden bildgebender Verfahren (Sonographie, Computertomographie und ggf. Endosonographie), ggf. auch vor Ablauf der oben angegebenen Zeitspanne, bestimmt werden.
Technik
Technik
Die endoskopische Zystendränage kann transgastral, transduodenal und transpapillär erfolgen.
Die Dränage kann transgastral bzw. -duodenal oder transpapillär erfolgen und wird nach dem Seldinger-Prinzip durch Einlage einer Endoprothese bzw. nasozystischen Sonde durchgeführt, die ähnlich einer na-
der Pankreasgangsteine sind nicht bekannt.
Dränage von Pseudozysten und Abszessen
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13.8.4 Dränage von Pseudozysten und Abszessen
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sobiliären Sonde über den Magen durch die Nase herausgeleitet wird ( 1 B-13.26).
1 B-13.26
Dränage einer Pankreaspseudozyste
a Röntgenologische Darstellung einer Pankreaspseudozyste nach transgastraler Punktion ( Á).
c Darstellung einer kleinen Resthöhle nach 2 Wochen ( Á).
b Dränage der Pseudozyste durch eine French-10Endoprothese (Á) plus French 7 nasozystische Sonde.
Die transpapilläre Dränage erfolgt nach vorheriger EPT der Pankreasgangmündung. Voraussetzung ist eine durch die ERP nachgewiesene Verbindung zwischen Pseudozyste und Ductus pancreaticus. Sie ist besonders bei gleichzeitiger Obstruktion des Pankreasgangs angezeigt. Bei der transgastralen bzw. -duodenalen Dränage wird die Punktionsstelle endoskopisch festgelegt, was bei entsprechender Vorwölbung der Wand des Gastrointestinaltrakts durch Impression der Pseudozyste relativ unproblematisch ist. Eine »Probepunktion« ist seit Einführung der Endosonographie nicht mehr oder nur noch selten erforderlich. Die transgastrale bzw. -duodenale Punktion kann z.B. mit einem Fistulotom oder einem Nadelpapillotom erfolgen.
Die endoskopische Pseudozystendränage erfolgt durch Ableitung über eine Endoprothese und/oder nasozystische Sonde ( 1 B-13.26).
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Bei infizierten Pseudozysten ist die Einlage einer zusätzlichen Endoprothese zur Spülung angezeigt.
13 Endoskopie in der Chirurgie Danach wird die Dränage nach dem Seldinger-Prinzip durchgeführt. Pseudozysten mit klarem Zysteninhalt können durch Einlage einer Endoprothese dräniert werden. Bei infizierten Pseudozysten oder Zysteninhalt mit nekrotischem Material ist die Entlastung mit einer nasozystischen Sonde und wenn möglich mit zusätzlicher Endoprothese zu empfehlen. Damit kann die Spülung der Zystenhöhle sichergestellt werden.
Rolle der Endosonographie (EUS)
Rolle der Endosonographie (EUS)
Durch die EUS sind zuverlässige Aussagen möglich über: Lokalisation der Zyste, Verbindung mit dem Pankreasgang und das Vorhandensein eines Kollateralkreislaufs.
Durch die EUS ist eine zuverlässige Aussage zur Lokalisation der Zyste und Beziehung zur Wand des GI-Trakts möglich. Durch ihre Anwendung kann der Durchmesser des Pankreasgangs exakt bestimmt und evtl. Verbindungen zwischen Ductus Wirsungianus (pancreaticus) und Zystenhöhle nachgewiesen werden (wichtig zur Klärung der Frage, ob ggf. eine zusätzliche Dränage des Pankreasgangs erforderlich ist). Bei Vorliegen eines Kollateralkreislaufs können gestaute Gefäße sowohl zwischen Pseudozyste und Magenwand als auch in der Magenwand endosonographisch frühzeitig erfasst werden (der Nachweis von Magenwandvarizen gelingt mit der EUS früher als mit der Endoskopie allein). Pseudozysten die zwar der Wand des GI-Trakts anliegen, jedoch keine endoskopisch nachweisbare Wandvorwölbung verursachen, können auch bei gleichzeitig vorliegendem Kollateralkreislauf mit Beteiligung der Magenwand heute durch die Anwendung der EUS endoskopisch dräniert werden.
Durch die EUS ist die endoskopische Dränage von Pseudozysten ohne Impression der Magen- bzw. Duodenalwand möglich. Ergebnisse. Die definitive Zystenbeseitigung gelingt durch Endoskopie in 65–86 % der Fälle. Bei persistierender Zyste ist eine Verbindung mit dem Pankreasgang wahrscheinlich, daher sollte die Dränage des Wirsungianus erwogen werden.
Ergebnisse. Die endoskopische Dränage von Pseudozysten gelingt in 95 %
Komplikationen. Wichtigste eingriffsbedingte Komplikationen sind Blutung, Infektion und Perforation.
Komplikationen. Wichtigste eingriffsbedingte Komplikationen sind Blutung, Infektion und Perforation. Die in der Literatur angegebenen Komplikationsraten liegen zwischen 11–16 %, wobei in Zukunft durch Anwendung der EUS mit einer geringeren Komplikationsrate gerechnet werden kann.
Merke
Kontraindikationen. Pseudozysten, die der Wand des GI-Trakts nicht anliegen und keine Verbindung zum Pankreasgangsystem zeigen, sind für die endoskopische Dränage ungeeignet.
der Fälle (Daten aus der Zeit ohne Anwendung der EUS). Eine definitive Beseitigung der Zysten gelingt in ca. 65–86 % der Fälle. Bei persistierender Zyste trotz ausreichender Dränage bzw. frühzeitigem Rezidiv muss der Verdacht auf eine Verbindung zwischen Zystenhöhle und Pankreasgangsystem bei obstruktiver Pankreatitis erhoben und die Pankreasgangdränage diskutiert werden.
n Merke. Wichtigste mittel- und langfristige Komplikation ist die Infektion durch Verstopfung der Endoprothese. Daher sind wöchentliche, bei entsprechender Symptomatik auch kurzfristigere endoskopische Kontrollen erforderlich.
Kontraindikationen. Pseudozysten, die der Wand des GI-Trakts nicht anliegen und keine Verbindung zum Pankreasgangsystem zeigen, sind für die endoskopische Dränage ungeeignet. Ungeeignet sind auch Hohlräume mit einem breiigen nekrotischen Inhalt, der durch Endoprothesen und nasozystische Sonden nicht dränierbar ist. Eine ausgedehnte Kammerung der Zystenhöhlen stellt ebenfalls eine grenzwertige Indikation dar.
Fistelverklebung
13.8.5 Fistelverklebung
13.8.5
Eine Verklebung von Fistelgängen wird durch gezielte Einbringung von Fibrinkleber in den Fistelgang erreicht.
Eine Verklebung von Fistelgängen wird durch gezielte Einbringung von Fibrinkleber in den Fistelgang erreicht. Die Fistelverklebung kann transpapillär oder perkutan (bei kutanen Fisteln) erfolgen, wobei ggf. auch der transgastrale oder -duodenale Weg gewählt werden kann bei entsprechender Öffnung von Fistelgängen in diesen Organen. Die Indikation kann sich bei chronischer Pankreatitis (s. a. Kap. B-11.5.2), nach unfallbedingten Verletzungen des Pankreasgangsystems und nach chirurgischen Eingriffen ergeben.
Die Indikation kann sich bei chronischer Pankreatitis und nach Verletzungen des Pankreasgangsystems ergeben.
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13.9 Polypektomie im Gastrointestinaltrakt Vor Behandlung einer Fistel muss grundsätzlich geklärt werden, ob ggf. eine Obstruktion am Pankreasgang vorliegt (ggf. gleichzeitige Therapie durch Dränage des Pankreasgangsystems). Dränagebedürftige Pseudozysten, die durch die Fistelverklebung beeinflusst werden könnten (Infektionsgefahr), sollten ausgeschlossen bzw. zunächst entsprechend therapiert werden.
13.9
Polypektomie im Gastrointestinaltrakt
n Definition. Polypen sind erhabene Schleimhautveränderungen, die in das Lumen hineinragen. Sie können entzündlicher oder neoplastischer Natur sein und treten im gesamten GI-Trakt auf, am häufigsten jedoch im Kolon und Rektum.
Die histologische Differenzierung und die Feststellung der Dignität ist nur anhand der Aufarbeitung des gesamten Polypen zuverlässig möglich. n Merke. Die Polypektomie ist daher sowohl ein diagnostischer als auch therapeutischer Eingriff.
Technik
Ggf. Fistelverklebung mit Dränage des Pankreasgangs kombinieren.
13.9
Polypektomie im Gastrointestinaltrakt
Definition
Die genaue Histologie ist nur anhand der Aufarbeitung des gesamten Polypen möglich. Merke
Technik
n Merke. Alle bei einer Koloskopie festgestellten Polypen sollten gleichzeitig vollständig entfernt werden.
Die endoskopische Polypenabtragung erfolgt mit einer Diathermieschlinge, wobei die Schlingenwahl von der Art (breitbasig oder gestielt) und Größe des Polypen abhängt ( 1 B-13.27, 1 B-13.28).
1 B-13.27
Vor Verklebung einer Pankreasgangfistel sollte man eine Obstruktion am Pankreasgang ausschließen.
Merke
Die endoskopische Polypenabtragung erfolgt mit einer Diathermieschlinge ( 1 B-13.27, 1 B-13.28).
Polypektomie
a Gestielter Kolonpolyp.
b Polypektomie mit der Diathermieschlinge.
Die Bergung des abgetragenen Polypen kann mit derselben Schlinge, durch Ansaugung mit dem Endoskop oder mit verschiedenen Greifern erfolgen. Zur Blutungsprophylaxe kann bei dickgestielten und flachen, breitbasigen Polypen die Injektion des Stiels bzw. der Polypenbasis mit einer Lösung von Adrenalin 1 : 20 000 und zusätzlich Äthoxysklerol 1 % erfolgen. Durch die damit erzielte Schwellung an der Basis breitbasiger Polypen kann die Polypektomie erleichtert werden (künstlicher Stiel). Weitere Möglichkeiten der Blutungsprophylaxe sind der »Endo Loop« (der Polypenstiel wird durch eine Kunststoffschlinge, die in situ verbleibt, eingeschnürt) und »Hemoclips« (s. gastrointestinale Blutung).
Die Bergung des abgetragenen Polypen erfolgt mit der Schlinge durch Ansaugen mit dem Endoskop oder mit Greifern.
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13.9 Polypektomie im Gastrointestinaltrakt Vor Behandlung einer Fistel muss grundsätzlich geklärt werden, ob ggf. eine Obstruktion am Pankreasgang vorliegt (ggf. gleichzeitige Therapie durch Dränage des Pankreasgangsystems). Dränagebedürftige Pseudozysten, die durch die Fistelverklebung beeinflusst werden könnten (Infektionsgefahr), sollten ausgeschlossen bzw. zunächst entsprechend therapiert werden.
13.9
Polypektomie im Gastrointestinaltrakt
n Definition. Polypen sind erhabene Schleimhautveränderungen, die in das Lumen hineinragen. Sie können entzündlicher oder neoplastischer Natur sein und treten im gesamten GI-Trakt auf, am häufigsten jedoch im Kolon und Rektum.
Die histologische Differenzierung und die Feststellung der Dignität ist nur anhand der Aufarbeitung des gesamten Polypen zuverlässig möglich. n Merke. Die Polypektomie ist daher sowohl ein diagnostischer als auch therapeutischer Eingriff.
Technik
Ggf. Fistelverklebung mit Dränage des Pankreasgangs kombinieren.
13.9
Polypektomie im Gastrointestinaltrakt
Definition
Die genaue Histologie ist nur anhand der Aufarbeitung des gesamten Polypen möglich. Merke
Technik
n Merke. Alle bei einer Koloskopie festgestellten Polypen sollten gleichzeitig vollständig entfernt werden.
Die endoskopische Polypenabtragung erfolgt mit einer Diathermieschlinge, wobei die Schlingenwahl von der Art (breitbasig oder gestielt) und Größe des Polypen abhängt ( 1 B-13.27, 1 B-13.28).
1 B-13.27
Vor Verklebung einer Pankreasgangfistel sollte man eine Obstruktion am Pankreasgang ausschließen.
Merke
Die endoskopische Polypenabtragung erfolgt mit einer Diathermieschlinge ( 1 B-13.27, 1 B-13.28).
Polypektomie
a Gestielter Kolonpolyp.
b Polypektomie mit der Diathermieschlinge.
Die Bergung des abgetragenen Polypen kann mit derselben Schlinge, durch Ansaugung mit dem Endoskop oder mit verschiedenen Greifern erfolgen. Zur Blutungsprophylaxe kann bei dickgestielten und flachen, breitbasigen Polypen die Injektion des Stiels bzw. der Polypenbasis mit einer Lösung von Adrenalin 1 : 20 000 und zusätzlich Äthoxysklerol 1 % erfolgen. Durch die damit erzielte Schwellung an der Basis breitbasiger Polypen kann die Polypektomie erleichtert werden (künstlicher Stiel). Weitere Möglichkeiten der Blutungsprophylaxe sind der »Endo Loop« (der Polypenstiel wird durch eine Kunststoffschlinge, die in situ verbleibt, eingeschnürt) und »Hemoclips« (s. gastrointestinale Blutung).
Die Bergung des abgetragenen Polypen erfolgt mit der Schlinge durch Ansaugen mit dem Endoskop oder mit Greifern.
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13 Endoskopie in der Chirurgie
1 B-13.28
Synopsis Polypektomie mit einer Diathermieschlinge
a Die Schlinge wird kranial um den Polypen gelegt.
b Nach vollständigem Anziehen der Schlinge erfolgt die Abtragung durch Stromanwendung.
c Der Polyp ist abgetragen und kann durch Ansaugung mit dem Endoskop oder anderem Hilfsmittel (Greifer oder Diathermieschlinge) geborgen werden.
Große (> 3 cm), nicht gestielte Polypen können nach der sog. Salami-Technik abgetragen werden.
Große (> 3 cm Durchmesser), nicht gestielte (breitbasige) Polypen können bei entsprechender Erfahrung des Untersuchers mit geringem Risiko schrittweise nach der sog. Salami-Technik abgetragen werden, d.h. Abtragung in kleinen Scheibchen.
Indikation. Alle Polypen sollten abgetragen werden.
Indikation. Alle Polypen sollten abgetragen werden. Kleinere Polypen wer-
Kontraindikationen. Die Grenzen der endoskopischen Polypektomie werden vom Durchmesser und der Lokalisation der Polypen bestimmt.
Kontraindikationen. Neben den allgemeinen Kontraindikationen (z.B. Gerinnungsstörungen) werden die Grenzen der endoskopischen Polypektomie (die allerdings in hohem Maße erfahrungsabhängig sind) vom Durchmesser und Lokalisation der Polypen bestimmt. Während bei entsprechender Erfahrung breitbasige Polypen ≤ 10 cm Durchmesser im Rektum endoskopisch mit der Schlinge entfernbar sind, wird ein solcher Polyp am Zäkalpol in der Regel primär chirurgisch therapiert werden.
Komplikationen. Häufigste Komplikation ist die Nachblutung (1,4 %). Sie kann in der Regel endoskopisch beherrscht werden.
Komplikationen. Häufigste Komplikation ist die Nachblutung, die in größe-
Schwerwiegendste Komplikation ist die Perforation (0,3–1,5 %). Sie wird in der Regel chirurgisch behandelt. Bei abdominellen Beschwerden nach Polypektomie erfolgt eine AbdomenLeeraufnahme und eine engmaschige klinische Überwachung.
den bei der Abtragung häufig vollständig koaguliert. Polypenknospen könnten daher auch mit der »Hot-biopsy«-Zange entfernt oder nach vorheriger Biopsie koaguliert werden.
ren Sammelstatistiken global mit 1,4 % und bei großen Polypen mit 5–8 % angegeben wird. Sie kann in der Regel endoskopisch beherrscht werden. Unter den verschiedenen endoskopischen Methoden zur Blutstillung kommt dabei den Hemoclips wegen der hohen Effektivität bei iatrogenen Blutungen eine große Bedeutung zu. Schwerwiegendste Komplikation ist die Perforation, die in der Literatur global mit 0,3 % angegeben wird und bei großen Polypen bis in 1,5 % der Fälle zu verzeichnen ist. Sie wird in der Regel chirurgisch behandelt. Winzige Perforationsstellen können nach erfolgreicher Versorgung mit Clips unter enger chirurgischer Überwachung konservativ mit parenteraler Ernährung und Antibiotika behandelt werden. Bei abdominellen Beschwerden nach Polypektomie erfolgt eine AbdomenLeeraufnahme und eine engmaschige klinische Überwachung.
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13.9 Polypektomie im Gastrointestinaltrakt
Therapeutisches Vorgehen n Merke. Das therapeutische Vorgehen nach Polypektomie ist abhängig von der Histologie.
Therapeutisches Vorgehen Merke
Bei Adenomen und Adenomen mit hochgradiger Dysplasie bzw. Carcinoma in situ ist die Polypektomie allein ausreichend. Bei Adenomen mit invasivem Karzinom ist die Polypektomie allein ausreichend, sofern eine gute Differenzierung des Tumors vorliegt und die Abtragungsstelle frei ist von Tumorinfiltration und keine Gefäßinvasion im Polypenstiel vorliegt. Ansonsten wird eine chirurgische Nachresektion empfohlen. Bei Nachweis eines invasiven Karzinoms in einem breitbasigen Polypen, der nach der »Salami-Technik« abgetragen worden ist, sollte trotz nicht nachweisbarer Tumorinfiltration in der Resektionsebene die chirurgische Nachresektion empfohlen werden. Bei hohem Alter bzw. erhöhtem Op-Risiko kann im Einzelfall als Alternative die engmaschige endoskopische und ggf. auch endosonographische Kontrolle diskutiert werden.
Bei Adenomen, Adenomen mit hochgradiger Dysplasie bzw. Carcinoma in situ ist die alleinige Polypektomie ausreichend. Auch bei Adenomen mit invasivem Karzinom, sofern der Tumor gut differenziert und die Abtragungsstelle frei von Tumorinfiltrat und ohne Gefäßinvasion im Polypenstiel ist. Ansonsten erfolgt eine Nachresektion. Bei invasivem Karzinom im breitbasigen Polypen, der nach der »SalamiTechnik« abgetragen wurde, ist in der Regel eine chirurgische Nachresektion angezeigt.
Nachsorge nach der Polypektomie
Nachsorge nach der Polypektomie
Üblicherweise wird eine endoskopische Nachsorge nach einem Jahr für Patienten mit mehr als 2 adenomatösen Polypen empfohlen. Ansonsten erfolgt eine Kontrollkoloskopie nach ca. 3 Jahren. Andere Autoren befürworten grundsätzlich eine endoskopische Nachsorge erst nach ca. 3 Jahren.
Eine endoskopische Nachsorge wird für Patienten mit mehr als 2 adenomatösen Polypen nach 1 Jahr, ansonsten nach ca. 3 Jahren empfohlen.
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Minimal-invasive Chirurgie
14
14
Minimal-invasive Chirurgie
14.1
Einführung
Hinnerk Gebhardt 14.1
Einführung
Die ersten Berichte über die diagnostische Laparoskopie stammen von Jakobeus (1901) und Kelling (1902). Erst der technische Fortschritt der letzten Jahre mit Verkleinerung der Optiken, Einsatz der Video-Bildtechnik und Entwicklung des erforderlichen Instrumentariums ermöglichte die operative Laparoskopie. 1981 (Semm) konnte die erste Appendektomie und 1987 (Mouret) die erste Cholezystektomie laparoskopisch durchgeführt werden. Seitdem hat diese Chirurgie einen immer breiteren Einsatz erfahren. So können jetzt eine Vielzahl abdominalchirurgischer Operationen laparoskopisch durchgeführt werden.
14.1.1
Operative Prinzipien, technische und apparative Ausstattung
Die Grundausstattung zur operativen Laparoskopie ( 1 B-14.1) besteht in: π dem CO -Insufflator 2 π einer Kamera mit Videogerät und Monitor π einer Thermo- oder Elektrokoagulationseinheit π einer Lichtquelle für die Optik π einer Saug-Spül-Einrichtung.
1 B-14.1
Synopsis Grundausstattung zur operativen Laparoskopie
1981 (Semm) wurde die erste Appendektomie, 1987 (Mouret) die erste Cholezystektomie laparoskopisch durchgeführt. Eine Vielzahl abdominal-chirurgischer Eingriffe können mittlerweile laparoskopisch durchgeführt werden.
14.1.1 Operative Prinzipien, technische und apparative Ausstattung Die Grundausstattung zur operativen Laparoskopie ( 1 B-14.1) besteht in: π dem CO -Insufflator 2 π einer Kamera mit Videogerät und Monitor π einer Thermo- oder Elektrokoagulationseinheit π einer Lichtquelle für die Optik π einer Saug-Spül-Einrichtung.
Kamera und Lichtquelle 2. Assistent
SaugSpül-Einrichtung
1. Assistent Operateur
Gas-(CO 2 -) Insufflator
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14 Minimal-invasive Chirurgie
Zu Beginn wird das Abdomen mit 3–5 l CO2 bei einem Druck von 12–15 mmHg aufgefüllt. Die Bauchdecken heben sich an, es wird Raum zur Operation geschaffen. Anschließend werden Trokare in das Abdomen vorgeschoben, über die Optik und Instrumente eingebracht werden können ( 1 B-14.2).
1 B-14.2
Jede laparoskopische Operation beginnt mit dem Aufbau des CO2-Pneumoperitoneums. Dafür wird die Abdominalhöhle mit einer Nadel punktiert und mit 3–5 l CO2 bis zu einem intraabdominalen Druck von 12–15 mmHg aufgefüllt. Die Bauchdecken heben sich an, es wird Raum im Abdomen geschaffen. Nach Aufbau des Pneumoperitoneums wird ein Trokar (Durchmesser meist 10 mm) durch die Bauchdecken in die Bauchhöhle vorgeschoben. Der Trokar besteht aus einem zentralen Dorn und einer äußeren Hülse. Nach Platzierung des Trokars wird der Dorn unter Belassen der Hülse entfernt. Diese ist mit einem Ventil versehen, sodass das CO2 nicht entweichen kann und Instrumente durch die Hülse in den Bauchraum vorgeschoben werden können. Nach Einbringen einer Optik werden unter Sicht weitere Trokare in den Bauchraum eingebracht, über die die Instrumente zur Operation vorgeschoben werden ( 1 B-14.2).
Synopsis Trokar und Optik
1
3 2 5
Trokarhülse (1) mit CO2 -Anschluss (2), Trokardorn (3) und 10-mm-Optik (4) mit Anschluss für das Lichtleitkabel (5) und die Videokamera (6). 6
4
Die Instrumente entsprechen dem Instrumentarium der offenen Chirurgie, weisen jedoch einen geringeren Durchmesser auf und sind wesentlich länger ( 1 B-14.3).
1 B-14.3
Die starren Instrumente für die laparoskopische Chirurgie entsprechen dem Instrumentarium der offenen Chirurgie, weisen jedoch einen geringeren Durchmesser auf und sind wesentlich länger ( 1 B-14.3). Es handelt sich um Modifikationen von Fasszangen, Scheren, Sauger und Nadelhalter sowie um Neuentwicklungen von Kombinationsinstrumenten wie z.B. Koagulationshaken mit Sauger. Titan- oder resorbierbare Clips stehen zum Verschluss von Gangstrukturen (z.B. Gefäße) zur Verfügung.
Synopsis Auswahl verschiedener Instrumente für die laparoskopische Chirurgie
a 5-mm-Schere.
b Fasszange.
c Spitze des Elektrokoagulationshakens.
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14.1.3 Vor- und Nachteile, laparoskopiespezifische Komplikationen 14.1.2
Pathophysiologische Aspekte
14.1.2 Pathophysiologische Aspekte
Für die operative Laparoskopie hat sich CO2 zur Anlage des Pneumoperitoneums gegen N2O und Helium durchgesetzt. Da in Blut gelöstes CO2 pulmonal abgeatmet wird ist das Risiko einer Gasembolie bei akzidenteller intravasaler Insufflation gering. CO2-induzierte Emphyseme bilden sich schneller als durch andere Gase induzierte zurück. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Gas nicht entflammbar ist. Da eingebrachtes CO2 transperitoneal resorbiert wird, kann es, bei eingeschränkter pulmonaler Elimination, zu Störungen im Säure-Basen-Haushalt kommen. Das Pneumoperitoneum führt zu typischen hämodynamischen und ventilatorischen Veränderungen. Der erhöhte intraabdominale Druck komprimiert die V. cava inferior und die basalen Thoraxanteile. Der venöse Rückfluss und die Compliance der Thoraxwand werden dadurch reduziert. Gleichzeitig wird der arterielle Gefäßwiderstand, u.a. durch Kompression der intraabdominellen arteriellen Gefäße, erhöht. Diese Veränderungen der kardialen Vor- und Nachlast können zu einer Reduktion des Herzzeitvolumens führen.
14.1.3
Vor- und Nachteile, laparoskopiespezifische Komplikationen
Ein Vorteil der laparoskopischen Chirurgie liegt in der Verkleinerung der Bauchdeckenwunde. Aus diesem Grunde wird diese Technik auch »minimalinvasive Chirurgie« genannt. Die intraabdominelle Wundfläche hingegen ist identisch mit der offenen Chirurgie, da laparoskopische Eingriffe nach den gleichen Kriterien wie offene durchgeführt werden. Hieraus ergeben sich folgende Vor- und Nachteile ( 2 B-14.1):
2 B-14.1
Zur Anlage des Pneumoperitoneums hat sich CO2 wegen der guten Blutlöslichkeit und pulmonalen Elimination durchgesetzt. Die Gefahr der Gasembolie ist so reduziert, Emphyseme bilden sich schnell zurück. Durch transperitoneale CO2 -Resorption können Störungen im Säure-BasenHaushalt auftreten. Das CO2 -Pneumoperitoneum reduziert die Vorlast, die Nachlast ist erhöht. Dies kann zu einer Reduktion des Herzzeitvolumens führen.
14.1.3 Vor- und Nachteile, laparoskopiespezifische Komplikationen Ein Vorteil ist die Verkleinerung der Bauchdeckenwunde ( 2 B-14.1). Die intraabdominelle Wundfläche hingegen ist identisch mit der offenen Chirurgie.
Vor- und Nachteile der laparoskopischen Chirurgie
Vorteile
Nachteile
N Reduktion der postoperativen Schmerzen, n dadurch bedingt:
N Tastsinn und Inspektion der Bauchhöhle n eingeschränkt
π
π
frühere Mobilisation und Abnahme der Thrombose- und Embolierate Reduktion pulmonaler Ventilationsstörungen und der Pneumonierate
π
verkürzte Krankenhausverweildauer
π
geringerer Analgetikaverbrauch
N Infektionsrisiko der Hautwunde geringer n N postoperative Darmatonie verkürzt, orale n Belastung früher möglich
N Blutstillung und Naht schwieriger n N lediglich zweidimensionales Bild n N evtl. längere Operationsdauer n N Bergen größerer Resektate (z.B. Kolon) ohne n Hilfsschnitt kaum möglich N deutlich höhere Kosten und höherer technischer n Aufwand
N günstigeres kosmetisches Ergebnis n
Die laparoskopische Operation ist, bei rein betriebswirtschaftlicher Betrachtung, mit höheren Kosten verbunden. Dem gegenüber steht die frühere Arbeitsfähigkeit und kürzere Krankenhausverweildauer. Diese volkswirtschaftlichen Aspekte werden aber bei der Beurteilung der Kosten-NutzenRelation noch nicht ausreichend berücksichtigt.
Die laparoskopische Chirurgie ist mit höheren Kosten verbunden. Dagegen stehen die frühere Arbeitsfähigkeit und kürzere Krankenhausverweildauer.
Bei der Evaluierung der laparoskopischen Chirurgie sind folgende laparoskopiespezifische Komplikationen zu berücksichtigen: π Verletzung intraabdominaler Strukturen beim Einbringen der Trokare (z.B. Gefäße, Darm) π ein- oder beidseitiger Pneumothorax π Mediastinal-, Haut- oder Omentumemphysem π Hämatome, Impfmetastasen oder Darminkarzeration in den Trokareinstichstellen π postoperativer Schulterschmerz.
Zu beachten sind folgende Komplikationen: π Verletzungen intraabdominaler Strukturen π Pneumothorax π Emphyseme π Hämatome, Impfmetastasen, Darminkarzeration π postoperativer Schulterschmerz.
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626
14 Minimal-invasive Chirurgie
Die Morbidität und Letalität dieser Komplikationen liegt zwischen 0,1–0,3 %.
Die Morbidität und Letalität dieser Komplikationen liegt, in Abhängigkeit vom Alter der Patienten, der Indikation und der Erfahrung des Operateurs, zwischen 0,1–0,3 %.
14.2
14.2
Laparoskopische Cholezystektomie
Laparoskopische Cholezystektomie
Die laparoskopische Cholezystektomie kann bei den meisten Patienten mit symptomatischer Gallensteinerkrankung durchgeführt werden. Operationsdauer und Komplikationsrate steigen jedoch proportional zum Schweregrad der Erkrankung.
Die Letalität der konventionellen Cholezystektomie liegt, unter Berücksichtigung aller Stadien der Erkrankung, bei 0,1 %, die Morbidität um 4 %. Die laparoskopische Cholezystektomie hat sich nun von einem Eingriff, der nur in ausgewählten Fällen eingesetzt wurde, zu dem Verfahren der Wahl für die meisten Patienten mit symptomatischer Gallensteinerkrankung entwickelt. Da Operationsdauer und Komplikationsrate proportional zum Schweregrad der Erkrankung steigen, ist bei Diagnostik und Indikationsstellung Folgendes zu berücksichtigen.
Anamnese, präoperative Diagnostik. Bei Anamnese und Diagnostik sind folgende Aspekte zu beachten ( 2 B-14.2).
Anamnese, präoperative Diagnostik. Ätiologie, Diagnostik und Differenzi-
2 B-14.2
aldiagnose der Gallenblasenerkrankung sind in Kap. B-8 beschrieben. Speziell für die laparoskopische Cholezystektomie sind folgende Aspekte zu beachten ( 2 B-14.2).
Diagnostische Aspekte vor laparoskopischer Cholezystektomie
Anamnestische Faktoren
Sonographische Befunde
Laborchemische Befunde
N lange Anamnese mit rezidivierenden n Koliken
N Gallenblasenwandverdickung, n Schrumpfgallenblase
N deutlich erhöhte g -Gt, AP und n Leukozytose
N gürtelförmige Schmerzen und n passagerer Ikterus
N Veränderungen am Pankreaskopf n und Gallengang
N pathologische Werte für Amylase, n Lipase und Bilirubin
N schmerzloser Ikterus, Courvoisiern Zeichen
N Gallengangsstenose, tumoröse n Gallenblasenwand
Bei Hinweisen für ein Gallenabflusshindernis ist als weitere Diagnostik eine ERC durchzuführen.
Ergibt sich aus diesen Befunden der Hinweis für ein Gallenabflusshindernis, so ist als weitere Diagnostik eine endoskopische retrograde Cholangiographie (ERC) durchzuführen. Diese kann bei Nachweis eines Choledochuskonkrements mit dem therapeutischen Verfahren der Steinextraktion kombiniert werden.
Indikationen, Kontraindikationen. Fortgeschrittene Befunde sind mit höherer Komplikations- und Umsteigerate verbunden. Es ergeben sich folgende Kontraindikationen ( 2 B-14.3).
Indikationen, Kontraindikationen. Die ausgedehnten entzündlichen
2 B-14.3
Erkrankungen sind mit einer deutlich höheren Umsteigerate zur Laparotomie verbunden bzw. zeigen bei laparoskopischer Operation eine wesentlich höhere Komplikationsrate. Hieraus ergeben sich folgende Kontraindikationen ( 2 B-14.3).
Relative und absolute Kontraindikationen zur laparoskopischen Cholezystektomie
Relative
Absolute
N Gallenblasenempyem n
N gangränöse Cholezystitis, Gallenblasenperforation, n Mirizzi-Syndrom
N Schrumpfgallenblase, Vernarbung n nach chronisch-rezidivierender Cholezystitis N endoskopisch nicht entfernbare Gallengangsn konkremente
N Gallengangs- oder Gallenblasenkarzinom n N Pankreatitis n N unklare, narbige Verhältnisse am Lig. hepatoduodenale n N dekompensierte Herzinsuffizienz, Schock, chronischn obstruktive Lungenerkrankungen im fortgeschrittenen Stadium
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14 Minimal-invasive Chirurgie
Die Morbidität und Letalität dieser Komplikationen liegt zwischen 0,1–0,3 %.
Die Morbidität und Letalität dieser Komplikationen liegt, in Abhängigkeit vom Alter der Patienten, der Indikation und der Erfahrung des Operateurs, zwischen 0,1–0,3 %.
14.2
14.2
Laparoskopische Cholezystektomie
Laparoskopische Cholezystektomie
Die laparoskopische Cholezystektomie kann bei den meisten Patienten mit symptomatischer Gallensteinerkrankung durchgeführt werden. Operationsdauer und Komplikationsrate steigen jedoch proportional zum Schweregrad der Erkrankung.
Die Letalität der konventionellen Cholezystektomie liegt, unter Berücksichtigung aller Stadien der Erkrankung, bei 0,1 %, die Morbidität um 4 %. Die laparoskopische Cholezystektomie hat sich nun von einem Eingriff, der nur in ausgewählten Fällen eingesetzt wurde, zu dem Verfahren der Wahl für die meisten Patienten mit symptomatischer Gallensteinerkrankung entwickelt. Da Operationsdauer und Komplikationsrate proportional zum Schweregrad der Erkrankung steigen, ist bei Diagnostik und Indikationsstellung Folgendes zu berücksichtigen.
Anamnese, präoperative Diagnostik. Bei Anamnese und Diagnostik sind folgende Aspekte zu beachten ( 2 B-14.2).
Anamnese, präoperative Diagnostik. Ätiologie, Diagnostik und Differenzi-
2 B-14.2
aldiagnose der Gallenblasenerkrankung sind in Kap. B-8 beschrieben. Speziell für die laparoskopische Cholezystektomie sind folgende Aspekte zu beachten ( 2 B-14.2).
Diagnostische Aspekte vor laparoskopischer Cholezystektomie
Anamnestische Faktoren
Sonographische Befunde
Laborchemische Befunde
N lange Anamnese mit rezidivierenden n Koliken
N Gallenblasenwandverdickung, n Schrumpfgallenblase
N deutlich erhöhte g -Gt, AP und n Leukozytose
N gürtelförmige Schmerzen und n passagerer Ikterus
N Veränderungen am Pankreaskopf n und Gallengang
N pathologische Werte für Amylase, n Lipase und Bilirubin
N schmerzloser Ikterus, Courvoisiern Zeichen
N Gallengangsstenose, tumoröse n Gallenblasenwand
Bei Hinweisen für ein Gallenabflusshindernis ist als weitere Diagnostik eine ERC durchzuführen.
Ergibt sich aus diesen Befunden der Hinweis für ein Gallenabflusshindernis, so ist als weitere Diagnostik eine endoskopische retrograde Cholangiographie (ERC) durchzuführen. Diese kann bei Nachweis eines Choledochuskonkrements mit dem therapeutischen Verfahren der Steinextraktion kombiniert werden.
Indikationen, Kontraindikationen. Fortgeschrittene Befunde sind mit höherer Komplikations- und Umsteigerate verbunden. Es ergeben sich folgende Kontraindikationen ( 2 B-14.3).
Indikationen, Kontraindikationen. Die ausgedehnten entzündlichen
2 B-14.3
Erkrankungen sind mit einer deutlich höheren Umsteigerate zur Laparotomie verbunden bzw. zeigen bei laparoskopischer Operation eine wesentlich höhere Komplikationsrate. Hieraus ergeben sich folgende Kontraindikationen ( 2 B-14.3).
Relative und absolute Kontraindikationen zur laparoskopischen Cholezystektomie
Relative
Absolute
N Gallenblasenempyem n
N gangränöse Cholezystitis, Gallenblasenperforation, n Mirizzi-Syndrom
N Schrumpfgallenblase, Vernarbung n nach chronisch-rezidivierender Cholezystitis N endoskopisch nicht entfernbare Gallengangsn konkremente
N Gallengangs- oder Gallenblasenkarzinom n N Pankreatitis n N unklare, narbige Verhältnisse am Lig. hepatoduodenale n N dekompensierte Herzinsuffizienz, Schock, chronischn obstruktive Lungenerkrankungen im fortgeschrittenen Stadium
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14.2 Laparoskopische Cholezystektomie
Operatives Vorgehen. Nach Aufbau des Pneumoperitoneums wird ein Tro-
kar im Nabelbereich in das Abdomen eingebracht und die Optik vorgeschoben. Unter Sicht werden dann Arbeitstrokare im Oberbauch und unterhalb des rechten Rippenbogens platziert, über die die erforderlichen Instrumente eingebracht werden. Der Gallenblasenfundus wird gefasst und die Gallenblase nach rechts oben subdiaphragmal gezogen ( 1 B-14.4 a). Dadurch spannt sich das vom Ductus choledochus, der A. cystica und dem Ductus cysticus gebildete Calot-Dreieck auf. Die A. cystica und der D. cysticus werden freipräpariert. Beide Strukturen werden ligiert oder mit Clips versorgt und durchtrennt ( 1 B-14.4 b). Die Präparation und Identifikation dieser Strukturen kann bei entzündlich veränderten Gallenblasen erheblich erschwert sein. Nach Absetzen von A. cystica und Ductus cysticus wird die Gallenblase aus dem Leberbett präpariert ( 1 B-14.4 c). Dann wird die Gallenblase am Infundibulum gefasst und so weit wie möglich in den umbilikal gelegenen Trokar gezogen und mit diesem aus dem Abdomen entfernt ( 1 B-14.4 d). Bei großen Gallensteinen kann vorher die intraabdominelle Zertrümmerung der Konkremente erforderlich werden. Die Gallenblase wird dann in einen Bergebeutel gelegt und in diesem mit dem umbilikal gelegenen Trokar aus dem Abdomen entfernt.
1 B-14.4
Operatives Vorgehen. Nach Einbringen der Trokare wird die Gallenblase gefasst und nach subdiaphragmal gezogen ( 1 B-14.4 a). Das Calot-Dreieck spannt sich auf. A. cystica und Ductus cysticus werden freipräpariert und abgesetzt ( 1 B-14.4 b). Dies kann bei entzündlichen Veränderungen erschwert sein. Die Gallenblase wird dann aus dem Leberbett präpariert und mit dem umbilikalen Trokar aus dem Abdomen entfernt ( 1 B-14.4 c, d).
Synopsis Laparoskopische Cholezystektomie
a Fassen des Gallenblasenfundus und Aufspannen des Calot-Dreiecks.
c Herauslösen der Gallenblase aus dem Leberbett.
b Befund nach Freipräparation und Durchtrennung des Ductus cysticus. Die A. cystica wurde bereits identifiziert und kann zwischen Clips durchtrennt werden.
d Extraktion der Gallenblase mit dem umbilikal eingebrachten Trokar.
Komplikationen. Häufigkeit, aber nicht Art der Komplikationen sind vergleichbar mit denen nach konventioneller Operation. Folgende Komplikationen sind zu beachten ( 2 B-14.4).
Komplikationen. Folgende Komplikationen sind zu beachten ( 2 B-14.4).
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14 Minimal-invasive Chirurgie
2 B-14.4
Postoperative Komplikationen der laparoskopischen Cholezystektomie
N Zystikusstumpfinsuffizienz n N Gallefistel aus dem Leberbett n N Residualstein im D. choledochus oder intraabdominal n N Läsion des Ductus choledochus oder Ductus hepaticus bzw. deren n Durchtrennung N Läsion der A. hepatica n
Die laparoskopische Cholezystektomie weist, unter Berücksichtigung der Kontraindikationen, eine Letalität ( < 0,1 %) wie die konventionelle Cholezystektomie auf.
Da das Calot-Dreieck durch Zug an der Gallenblase aufgespannt wird, können die Läsionen im Dreieck ausgedehnter als nach der konventionellen Cholezystektomie sein. Die laparoskopische Cholezystektomie weist aber, bei entsprechender Patientenselektion, rechtzeitiger Erweiterung des Eingriffs zur Laparotomie und Berücksichtigung der Kontraindikationen, eine Letalität (< 0,1 %) wie die konventionelle Cholezystektomie auf.
14.3
14.3
Laparoskopische Appendektomie
Laparoskopische Appendektomie
Die laparoskopische Appendektomie ermöglicht im Frühstadium der Erkrankung und bei chronischen Unterbauchbeschwerden die diagnostische und therapeutische Abklärung.
Die Laparoskopie ermöglicht bei unklaren Unterbauchbeschwerden eine diagnostische Abklärung bzw. therapeutische Intervention ohne wesentliche Traumatisierung. Sie stellt im Frühstadium der Erkrankung und bei chronischer Appendizitis eine Alternative zum konventionellen Vorgehen dar. Da die Komplikationsrate proportional zum Schweregrad der Appendizitis steigt, ist der Nutzen dieses Verfahrens bei ausgeprägter Entzündung noch nicht gesichert.
Indikationen und Kontraindikationen. Folgende Kontraindikationen sind zu berücksichtigen ( 2 B-14.5).
Indikationen und Kontraindikationen. Hinsichtlich Ätiologie, Diagnostik
2 B-14.5
und Differenzialdiagnose der Appendizitis wird auf das Kap. B-5 verwiesen. Speziell für die laparoskopische Appendektomie sind u.g. Kontraindikationen zu berücksichtigen. Die Frage nach Indikation und Kontraindikation lässt sich dabei noch nicht abschließend beantworten. Derzeit können folgende Kontraindikationen als von den meisten Chirurgen akzeptiert angesehen werden ( 2 B-14.5).
Kontraindikationen zur laparoskopischen Appendektomie
Relative
Absolute
N perityphlitischer Abszess n
N Perforation der Appendixbasis n
N Adhäsionen n
N Zäkumwandphlegmone n
N Abszedierung im kleinen Becken n
N Appendix- oder Zäkumkarzinom, Karzinoid n
N phlegmonös-gangränöse Appendizitis n
Operatives Vorgehen. Nach Einbringen der Trokare wird die Appendixspitze gefasst, das Mesenteriolum aufgespannt und die Appendix skelettiert. Diese wird dann abgesetzt und durch den Trokar herausgezogen ( 1 B-14.5).
Operatives Vorgehen. Die Patienten sollten einen Blasenkatheter erhalten,
um eine Sichtbehinderung und Harnblasenverletzungen zu vermeiden. Bei angelegtem Pneumoperitoneum wird umbilikal und in den linken bzw. rechten Unterbauch je ein Trokar eingebracht ( 1 B-14.5 a). Die Appendixspitze wird gefasst und das Mesenteriolum aufgespannt ( 1 B-14.5 b). Mesenteriolum mit A. appendicularis werden mit Elektrokoagulation oder Ligaturen abgesetzt. Nach Erreichen der Appendixbasis erfolgt das Absetzen der Appendix zwischen Ligaturen oder nach Elektrokoagulation der Basis mit Hochfrequenzstrom. Die Appendix wird dann durch den Trokar im rechten Unterbauch geborgen ( 1 B-14.5 c, d). Auf die Suche nach einem MeckelDivertikel muss aus operationstechnischen Gründen mitunter verzichtet werden.
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14.3 Laparoskopische Appendektomie Abweichend von diesem Vorgehen kann die Appendix mit Mesenteriolum auch komplett in einem Schritt abgesetzt werden. Dafür wird der Linearstapler eingesetzt. Dieser weist in Längsrichtung mehrere versetzt und parallel zueinander verlaufende Klammerreihen auf. Nach Fassen des Gewebes wird dieses zwischen den Klammerreihen durchtrennt.
1 B-14.5
Das Mesenteriolum kann zusammen mit der Appendix auch mit einem Stapler abgesetzt werden.
Synopsis Laparoskopische Appendektomie
b Aufspannen des Mesenteriolums der Appendix.
a Trokarpositionen für die laparoskopische Appendektomie.
c Absetzen des Mesenteriolums und Platzieren einer Ligatur an der Appendixbasis.
d Absetzen der Appendix zwischen Ligaturen.
Komplikationen. Unter Berücksichtigung der Kontraindikationen ist jetzt die Komplikationsrate ( 2 B-14.6) vergleichbar der nach konventioneller Operation.
Komplikationen. Die Komplikationsrate ist ( 2 B-14.6) vergleichbar mit der nach offener Operation.
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14 Minimal-invasive Chirurgie
2 B-14.6
Postoperative Komplikationen der laparoskopischen Appendektomie
N intraabdominelle Abszesse n N Bauchdeckenabszess n N Insuffizienz des Appendixstumpfverschlusses n N Läsion der A. oder V. iliaca beim Einbringen der Trokare n
14.4
Minimal-invasive Hernienreparation
14.4.1 Inguinal- und Femoralhernien
14.4.1
Inguinal- und Femoralhernien
Bei den minimal-invasiven Techniken erfolgt der Bruchlückenverschluss durch Vorlegen eines Kunststoffnetzes (z.B. Polypropylene) vor die Bruchlücke. Dieser Verschluss ist spannungsfrei und weniger schmerzhaft. Dies kann trans- oder extraperitoneal erfolgen.
Hinsichtlich Ätiologie, Diagnose und Differenzialdiagnose dieses Krankheitsbildes wird auf Kap. B-20.2 verwiesen. Bei den minimal-invasiven Techniken erfolgt der Bruchlückenverschluss nicht, wie beim konventionellen Vorgehen, durch Naht der Faszien sondern durch Vorlegen eines Kunststoff-Netzes (z.B. Polypropylene) vor die Bruchlücke (s. auch S. 757). Dies führt zu einem spannungsfreien, weniger schmerzhaften und früher belastbarem (nach dem 10. postoperativen Tag) Verschluss. Ein Nachteil ist, dass die minimal-invasiven Techniken eine Allgemeinnarkose erfordern, die konventionellen Methoden hingegen auch in Lokalanästhesie durchgeführt werden können. Die Darstellung der Bruchpforten und das Einbringen des Netzes kann dabei trans- oder extraperitoneal erfolgen (s.u.). Vorteil des transperitonealen, laparoskopischen Vorgehens ist, dass die beidseitige Inspektion der Leistenregion erfolgen kann und somit eine gleichzeitige, beidseitige Operation bei akzidentell entdeckter Hernie der Gegenseite durchgeführt werden kann. Nachteil dieses Verfahrens ist, dass der Bauchraum über Trokare eröffnet wird. Der beim konventionellen Vorgehen extraperitoneale Eingriff wird so in eine intraabdominelle Operation umgewandelt. Diese birgt die Gefahr der intraperitonealen Infektion bis hin zur Peritonitis. Der extraperitoneale, minimal-invasive Zugang (s.u.) zur Leistenregion weist diese Nachteile nicht auf. Die über den extra- oder transperitonealen Zugang an die Hinterwand des Leistenkanals eingebrachten Netze decken die Bruchpforten einer direkten oder indirekten Hernie ab. Da der konventionelle Bruchlückenverschluss relativ wenig belastend ist und zufriedenstellende Langzeitergebnisse aufweist, muss ein neues Verfahren schon deutlich weniger belastend sein oder signifikant bessere Ergebnisse vorweisen. Dies kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Erste Ergebnisse zeigen aber, dass es insbesondere bei Operationen von Rezidivhernien seltener zu Re-Rezidiven kommt. Bisher ist aber nicht abschließend geklärt, ob das eingebrachte, nicht resorbierbare Fremdmaterial im Langzeitverlauf zu Unverträglichkeitsreaktionen führen kann. Die Indikation zur minimal-invasiven Leistenhernienreparation mit Implantation eines Netzes ist daher bei jungen Patienten in der Diskussion.
14.4
Minimal-invasive Hernienreparation
Vorteil des transperitonealen, laparoskopischen Vorgehens ist die Möglichkeit der beidseitigen Inspektion der Leistenregion. sodass bei Bedarf eine gleichzeitige, beidseitige Operation erfolgen kann. Nachteil dieses Vorgehens ist die Umwandlung des ursprünglich extraperitonealen Eingriffs in einen intraperitonealen mit der Gefahr der intraperitonealen Infektion bis hin zur Peritonitis. Der extraperitoneale, minimal-invasive Zugang (s.u.) weist diese Nachteile nicht auf.
Ungeklärt ist, ob das eingebrachte Fremdmaterial nach Jahrzehnten zu Narbenkarzinomen führen kann.
Anamnese, präoperative Diagnostik. Die Diagnostik entspricht der konventionellen Operation.
Anamnese, präoperative Diagnostik. Es besteht kein Unterschied in der
Indikationen, Kontraindikationen. Indikationen und Kontraindikationen s. 2 B-14.7.
Indikationen, Kontraindikationen. Folgende Indikationen und Kontraindi-
präoperativen Diagnostik zwischen konventioneller und laparoskopischer Operation.
kationen sind zu nennen ( 2 B-14.7). Als weitere Indikation zum spannungslosen, früh belastbaren Verschluss können Hernien bei Leistungssportlern angesehen werden.
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14 Minimal-invasive Chirurgie
2 B-14.6
Postoperative Komplikationen der laparoskopischen Appendektomie
N intraabdominelle Abszesse n N Bauchdeckenabszess n N Insuffizienz des Appendixstumpfverschlusses n N Läsion der A. oder V. iliaca beim Einbringen der Trokare n
14.4
Minimal-invasive Hernienreparation
14.4.1 Inguinal- und Femoralhernien
14.4.1
Inguinal- und Femoralhernien
Bei den minimal-invasiven Techniken erfolgt der Bruchlückenverschluss durch Vorlegen eines Kunststoffnetzes (z.B. Polypropylene) vor die Bruchlücke. Dieser Verschluss ist spannungsfrei und weniger schmerzhaft. Dies kann trans- oder extraperitoneal erfolgen.
Hinsichtlich Ätiologie, Diagnose und Differenzialdiagnose dieses Krankheitsbildes wird auf Kap. B-20.2 verwiesen. Bei den minimal-invasiven Techniken erfolgt der Bruchlückenverschluss nicht, wie beim konventionellen Vorgehen, durch Naht der Faszien sondern durch Vorlegen eines Kunststoff-Netzes (z.B. Polypropylene) vor die Bruchlücke (s. auch S. 757). Dies führt zu einem spannungsfreien, weniger schmerzhaften und früher belastbarem (nach dem 10. postoperativen Tag) Verschluss. Ein Nachteil ist, dass die minimal-invasiven Techniken eine Allgemeinnarkose erfordern, die konventionellen Methoden hingegen auch in Lokalanästhesie durchgeführt werden können. Die Darstellung der Bruchpforten und das Einbringen des Netzes kann dabei trans- oder extraperitoneal erfolgen (s.u.). Vorteil des transperitonealen, laparoskopischen Vorgehens ist, dass die beidseitige Inspektion der Leistenregion erfolgen kann und somit eine gleichzeitige, beidseitige Operation bei akzidentell entdeckter Hernie der Gegenseite durchgeführt werden kann. Nachteil dieses Verfahrens ist, dass der Bauchraum über Trokare eröffnet wird. Der beim konventionellen Vorgehen extraperitoneale Eingriff wird so in eine intraabdominelle Operation umgewandelt. Diese birgt die Gefahr der intraperitonealen Infektion bis hin zur Peritonitis. Der extraperitoneale, minimal-invasive Zugang (s.u.) zur Leistenregion weist diese Nachteile nicht auf. Die über den extra- oder transperitonealen Zugang an die Hinterwand des Leistenkanals eingebrachten Netze decken die Bruchpforten einer direkten oder indirekten Hernie ab. Da der konventionelle Bruchlückenverschluss relativ wenig belastend ist und zufriedenstellende Langzeitergebnisse aufweist, muss ein neues Verfahren schon deutlich weniger belastend sein oder signifikant bessere Ergebnisse vorweisen. Dies kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Erste Ergebnisse zeigen aber, dass es insbesondere bei Operationen von Rezidivhernien seltener zu Re-Rezidiven kommt. Bisher ist aber nicht abschließend geklärt, ob das eingebrachte, nicht resorbierbare Fremdmaterial im Langzeitverlauf zu Unverträglichkeitsreaktionen führen kann. Die Indikation zur minimal-invasiven Leistenhernienreparation mit Implantation eines Netzes ist daher bei jungen Patienten in der Diskussion.
14.4
Minimal-invasive Hernienreparation
Vorteil des transperitonealen, laparoskopischen Vorgehens ist die Möglichkeit der beidseitigen Inspektion der Leistenregion. sodass bei Bedarf eine gleichzeitige, beidseitige Operation erfolgen kann. Nachteil dieses Vorgehens ist die Umwandlung des ursprünglich extraperitonealen Eingriffs in einen intraperitonealen mit der Gefahr der intraperitonealen Infektion bis hin zur Peritonitis. Der extraperitoneale, minimal-invasive Zugang (s.u.) weist diese Nachteile nicht auf.
Ungeklärt ist, ob das eingebrachte Fremdmaterial nach Jahrzehnten zu Narbenkarzinomen führen kann.
Anamnese, präoperative Diagnostik. Die Diagnostik entspricht der konventionellen Operation.
Anamnese, präoperative Diagnostik. Es besteht kein Unterschied in der
Indikationen, Kontraindikationen. Indikationen und Kontraindikationen s. 2 B-14.7.
Indikationen, Kontraindikationen. Folgende Indikationen und Kontraindi-
präoperativen Diagnostik zwischen konventioneller und laparoskopischer Operation.
kationen sind zu nennen ( 2 B-14.7). Als weitere Indikation zum spannungslosen, früh belastbaren Verschluss können Hernien bei Leistungssportlern angesehen werden.
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14.4.1 Inguinal- und Femoralhernien
2 B-14.7
Indikationen und Kontraindikationen zur minimal-invasiven Leistenhernienreparation
Indikationen N primäre Leistenhernien beidseits n N Femoralhernien n N Mehrfachrezidive ein- oder beidseits n Kontraindikationen relative:
N große Skrotalhernien n
absolute:
N Inkarzeration n
N Lebensalter ( < 40 Jahre) n N Aszites n
Operatives Vorgehen.
Transperitoneale Techniken: Nach Anlegen des Pneumoperitoneums wird ein Trokar umbilikal und 2 weitere in Höhe des Nabels in den linken und rechten Mittelbauch vorgeschoben. Unter Kamerasicht wird das Peritoneum parietale über der Bruchpforte beginnend an der Spina iliaca anterior superior bis zur Plica umbilicalis medialis inzidiert. Dann werden die Fascia transversalis, der Bruchsack und die epigastrischen Gefäße dargestellt. Ductus deferens und Vasa testicularia werden vom Bruchsack getrennt. Dieser wird aus dem Bruchkanal gezogen, nach intraabdominal invaginiert und abgesetzt ( 1 B-14.6 a). Der Verschluss der Lücke erfolgt dann durch ein Polypropylenenetz, das vor die innere Bruchpforte gelegt und mit Clips am Musculus rectus abdominis, am Ramus ossis pubis und am Musculus transversus abdominis fixiert wird ( 1 B-14.6 b). Das abpräparierte Peritoneum wird über das Netz gelegt und mit Naht oder Clips verschlossen. π
1 B-14.6
Operatives Vorgehen Transperitoneale Techniken: Nach Einbringen der Optik und Instrumente wird das Peritoneum parietale inzidiert, die Bruchpforte aufgesucht und der Bruchsack dargestellt. π
Nach Absetzen des Bruchsacks ( 1 B-14.6 a) wird vor die innere Bruchpforte ein nicht resorbierbares Kunststoffnetz gelegt. Dies wird mit Clip oder Naht fixiert und darüber das Peritoneum verschlossen ( 1 B-14.6 b).
Synopsis Minimal-invasive Leistenhernienreparation 4 5
7 9
a Blick von abdominal auf die rechte Leistenregion nach Lösen des Peritoneum parietale rechts 6 inguinal mit Lig. inguinale (1), Lig. pectineale (2), A. u. V. femoralis (3), epigastrischen Gefäßen (4), Ductus deferens (5), Vasa testicularia (6), lateraler (7) und medialer (8) Bruchpforte, Schenkelhernie (9), rotgestrichelt Hesselbach-Dreieck. 8
3 1
b Vor den Bruchlücken ausgebreitetes und fixiertes Polypropylenenetz.
2
4
1 3
2
c Präperitonealer Zugang zur Leistenregion, im Sagittalschnitt Symphyse (1), Peritoneum (2), Harnblase (3), Rectus abdominis (4).
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14 Minimal-invasive Chirurgie Extraperitoneale Techniken: Paraumbilikal wird ein Trokar extraperitoneal in die Bauchdecke zwischen der Vorderwand des hinteren Blattes der Rektusscheide und der Rückseite des M. rectus abdominis eingebracht. Nach stumpfer Präparation wird dieser präperitoneale Raum durch Insufflation von CO2 oder Auffüllen eines eingebrachten Ballons aufgeweitet. Dadurch ergibt sich ein über die Linea arcuata hinausreichender Raum. Da unterhalb der Linea arcuata das hintere Blatt der Rektusscheide in das Peritoneum parietale bzw. in die Fascia transversalis übergeht, ergibt sich, bei weiterer Präparation nach distal, ein präperitonealer Zugang zur Leistenregion ( 1 B-14.6 c). Nach Einbringen weiterer Trokare wird das Lig. pectineale und die Bruchpforte dargestellt und der Bruchsack entfernt. Anschließend wird das Kunststoffnetz in den präperitonealen Raum eingelegt und ggf. am Lig. pectineale, Tractus iliopubicus und am M. rectus abdominis mit Clip oder Naht fixiert.
π Extraperitoneale Techniken: Paraumbilikal wird ein Trokar extraperitoneal zwischen der Vorderwand des hinteren Blattes der Rektusscheide und der Rückseite des M. rectus abdominis eingebracht. Dieser Raum wird nach distal aufgeweitet ( 1 B-14.6 c). Dann werden Bruchpforte und -sack dargestellt und der Bruchsack entfernt. Die Lücke wird durch Vorlegen eines Netzes in dem präperitonealen Raum verschlossen.
π
Komplikationen. Rezidivhernien können beim transperitonealen Vorgehen in bis zu 2,5 % auftreten ( 2 B-14.8).
Komplikationen. Da Langzeitergebnisse fehlen, können definitive Angaben
zur Rezidivrate noch nicht gemacht werden. Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen kann es beim transperitonealen Vorgehen in den ersten zwei Jahren in bis zu 1,8 % der Fälle zu Rezidivhernien kommen ( 2 B-14.8).
2 B-14.8
Risiken und Komplikationen der minimal-invasiven Leistenhernienoperation
N Dysästhesien des Ramus genitalis, des N. genitofemoralis und des N. cutaneus n femoralis lateralis N Läsion der: n
π π π π
Samenstranggebilde Harnblase A. oder V. iliaca A. oder V. epigastrica inferior
N Dislokation des Kunststoffnetzes, Rezidiv n N Funikulo- oder Hydrozele n N ischämische Orchitis n N Skrotalemphysem n
Narbenhernien
14.4.2 Narbenhernien
14.4.2
Der Verschluss dieser Hernien kann bei kleinen Befunden ebenfalls laparoskopisch erfolgen. Der Verschluss erfolgt meist durch Naht.
Der Verschluss dieser Hernien kann bei kleinen Befunden, falls keine ausgeprägten Adhäsionen vorliegen, ebenfalls laparoskopisch erfolgen. Die Präparation wird mit dem beschriebenen Instrumentarium nach Anlage eines Pneumoperitoneums ausgeführt. Durch digitale Palpation von außen wird die Hernie nach innen gestülpt und abgetragen. Der Verschluss erfolgt meist durch Naht. Bei größeren Hernien sind auch Netzimplantationen durchgeführt worden.
14.5
14.5
Laparoskopische Adhäsiolyse
Laparoskopische Adhäsiolyse
Vorteil der laparoskopischen Adhäsiolyse ist, dass erneute Verwachsungen wahrscheinlich seltener auftreten. Nachteil ist, dass nur Adhäsionen des Darms mit der Bauchdecke gelöst werden können. Beim Durchtrennen der Verwachsungen zwischen den Darmschlingen ist das Risiko der iatrogenen Darmperforation zu hoch.
Bei charakteristischer Anamnese und klinischer Symptomatik stellt das operative Lösen der intraabdominalen Verwachsungen die einzige kausale Therapie dar. Vorteil der laparoskopischen Adhäsiolyse ist, dass erneute Verwachsungen mit der Bauchwand aufgrund der kleineren Bauchdeckenwunde wahrscheinlich seltener auftreten. Ein Nachteil ist, dass nur Adhäsionen des Darms mit der Bauchdecke gelöst werden können. Bei Durchtrennen der Verwachsungen zwischen den Darmschlingen ist das Risiko der iatrogenen Darmperforation zu hoch.
Anamnese, präoperative Diagnostik. Die präoperative Diagnostik wird analog zur konventionellen Operation durchgeführt.
Anamnese, präoperative Diagnostik. Die präoperative Diagnostik wird analog zur konventionellen Operation durchgeführt.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
633
14.6 Laparoskopische Antirefluxchirurgie
Indikation, Kontraindikation. Geeignet sind Patienten mit lokalisierbaren,
zirkumskripten Verwachsungsarealen. Die Indikation zur laparoskopischen Adhäsiolyse sollte insgesamt streng gestellt werden. Bei größeren Arealen und beim Ileus ist eine Laparoskopie nicht indiziert.
Operatives Vorgehen. Nach Anlegen des Pneumoperitoneums im vermute-
ten verwachsungsfreien Areal spannen sich die Verwachsungen zwischen Bauchdecke und Darm auf und können mit Schere oder Elektrokoagulation durchtrennt werden.
Komplikationen. Die Läsion intraabdominaler Organe beim Einbringen der
Trokare treten im Verwachsungsbauch häufiger auf. Blutungen aus abgetragenen Adhäsionen führen mitunter zur erneuten Operation. Da die Sicht bei der Revision des Abdomens bei ausgedehnten Befunden eingeschränkt ist, können Darmperforationen unbemerkt bleiben und innerhalb kürzester Zeit zu einer diffusen Peritonitis führen.
14.6
Laparoskopische Antirefluxchirurgie
Indikation, Kontraindikation. Geeignet sind Patienten mit lokalisierbaren, zirkumskripten Verwachsungsarealen. Operatives Vorgehen. Nach Anlegen des Pneumoperitoneums spannen sich die Adhäsionen auf und werden durchtrennt.
Komplikationen. Läsionen an intraabdominalen Organen können im Verwachsungsbauch eher auftreten. Blutungen müssen mitunter erneut operativ versorgt werden. Darmperforationen können unbemerkt bleiben.
14.6
Laparoskopische Antirefluxchirurgie
Laparoskopische Operationsverfahren können bei der chirurgischen Therapie der gastrointestinalen Refluxkrankheit eingesetzt werden. Die Vorteile der laparoskopischen Chirurgie (s. 2 B-14.1) können evtl. zu einer Erweiterung der Indikation für eine chirurgische Therapie dieser Erkrankung führen. Zu beachten ist, dass die fortgeschrittenen Krankheitsbilder mit z.B. ausgeprägter periösophagealer Entzündung aus anatomischen und technischen Gründen laparoskopisch schwieriger zu operieren sind.
Laparoskopische Operationsverfahren werden bei der chirurgischen Therapie der gastrointestinalen Refluxkrankheit eingesetzt. Zu beachten ist, dass fortgeschrittene Krankheitsbilder aus anatomisch-technischen Gründen schwierig zu operieren sind.
Anamnese, präoperative Diagnostik. Bei der Abklärung der Refluxursache
Anamnese, präoperative Diagnostik. Präoperativ sollten ein Brachyösophagus und Malignome ausgeschlossen werden.
Indikationen, Kontraindikationen. Patienten mit Refluxerkrankung im
Indikationen, Kontraindikationen. Refluxerkrankungen im Frühstadium scheinen gegenwärtig am besten geeignet. Abzuwarten bleibt, inwieweit die laparoskopischen Methoden eine Alternative zur konservativen Behandlung darstellen.
und Diagnostik für die differenzierte Indikationsstellung sind die in Kap. B-1.5.4 genannten Prinzipien zu beachten. Vor der laparoskopischen Antirefluxoperation sollte ein Brachyösophagus und Malignome ausgeschlossen werden. Sehr adipösen Patienten wird Gewichtsreduktion empfohlen.
Frühstadium scheinen, nach erfolgloser konservativer Therapie, gegenwärtig am besten geeignet. Abzuwarten bleibt, inwieweit die laparoskopischen Methoden eine Alternative zur langzeitmedikamentösen Behandlung darstellen.
Operatives Vorgehen. In Abhängigkeit der zugrunde liegenden pathophy-
siologischen Veränderungen können anatomische Rekonstruktionen, wie Hiatoplastik, Fundopexie und Lig.-teres-Plastik, Valvuloplastiken, wie Hemiund komplette Fundoplikationen, aber auch die Einlage einer Antirefluxprothese, laparoskopisch erfolgen. Die Nissen-Fundoplikation ist z.Z. die häufigste laparoskopische Antirefluxoperation und wird im Folgenden beschrieben. Nach Aufbau des Pneumoperitoneums werden meist 5 Trokare in den Oberbauch eingebracht. Unter Kamerasicht wird das linkslaterale Lebersegment weggehalten, die phrenikoösophageale Membran und die Vagusanteile vom Ösophagus abpräpariert, dieser dann zirkulär umfahren und nach proximal aus den Zwerchfellschenkeln freigelegt. Die Vasa gastricae breves werden am Magenfundus abgesetzt. Die Hinterwand des Fundus wird dann dorsal und die Vorderwand ventral um den Ösophagus gezogen. Die Fundoplikation wird durch eine Naht zwischen Vorder- und Hinterwand erzeugt. Der Eingriff kann mit einer Hiatoplastik kombiniert werden. Hierfür werden dorsal oder ventral des Ösophagus die Zwerchfellschenkel mit einer Naht gerafft.
Komplikationen. Häufigkeit und Art postoperativer Komplikationen entsprechen, bis auf das Mediastinalemphysem und den Pneumothorax, denen nach offener Operation.
Operatives Vorgehen. Es werden anatomische Rekonstruktionen und Valvuloplastiken sowie die Einlage einer Antirefluxprothese laparoskopisch durchgeführt. Die Nissen-Fundoplikation ist z.Z. die häufigste laparoskopische Operation. Nach Aufbau des Pneumoperitoneums werden die phrenikoösophageale Membran und Vagusanteile vom Ösophagus abpräpariert und die Vasa gastricae breves am Magenfundus abgesetzt. Hinter- und Vorderwand des Fundus werden um den Ösophagus gelegt und die Plikation durch Naht erzeugt.
Komplikationen. Häufigkeit und Art postoperativer Komplikationen entsprechen, bis auf das Mediastinalemphysem und den Pneumothorax, denen nach offener Operation.
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14.6 Laparoskopische Antirefluxchirurgie
Indikation, Kontraindikation. Geeignet sind Patienten mit lokalisierbaren,
zirkumskripten Verwachsungsarealen. Die Indikation zur laparoskopischen Adhäsiolyse sollte insgesamt streng gestellt werden. Bei größeren Arealen und beim Ileus ist eine Laparoskopie nicht indiziert.
Operatives Vorgehen. Nach Anlegen des Pneumoperitoneums im vermute-
ten verwachsungsfreien Areal spannen sich die Verwachsungen zwischen Bauchdecke und Darm auf und können mit Schere oder Elektrokoagulation durchtrennt werden.
Komplikationen. Die Läsion intraabdominaler Organe beim Einbringen der
Trokare treten im Verwachsungsbauch häufiger auf. Blutungen aus abgetragenen Adhäsionen führen mitunter zur erneuten Operation. Da die Sicht bei der Revision des Abdomens bei ausgedehnten Befunden eingeschränkt ist, können Darmperforationen unbemerkt bleiben und innerhalb kürzester Zeit zu einer diffusen Peritonitis führen.
14.6
Laparoskopische Antirefluxchirurgie
Indikation, Kontraindikation. Geeignet sind Patienten mit lokalisierbaren, zirkumskripten Verwachsungsarealen. Operatives Vorgehen. Nach Anlegen des Pneumoperitoneums spannen sich die Adhäsionen auf und werden durchtrennt.
Komplikationen. Läsionen an intraabdominalen Organen können im Verwachsungsbauch eher auftreten. Blutungen müssen mitunter erneut operativ versorgt werden. Darmperforationen können unbemerkt bleiben.
14.6
Laparoskopische Antirefluxchirurgie
Laparoskopische Operationsverfahren können bei der chirurgischen Therapie der gastrointestinalen Refluxkrankheit eingesetzt werden. Die Vorteile der laparoskopischen Chirurgie (s. 2 B-14.1) können evtl. zu einer Erweiterung der Indikation für eine chirurgische Therapie dieser Erkrankung führen. Zu beachten ist, dass die fortgeschrittenen Krankheitsbilder mit z.B. ausgeprägter periösophagealer Entzündung aus anatomischen und technischen Gründen laparoskopisch schwieriger zu operieren sind.
Laparoskopische Operationsverfahren werden bei der chirurgischen Therapie der gastrointestinalen Refluxkrankheit eingesetzt. Zu beachten ist, dass fortgeschrittene Krankheitsbilder aus anatomisch-technischen Gründen schwierig zu operieren sind.
Anamnese, präoperative Diagnostik. Bei der Abklärung der Refluxursache
Anamnese, präoperative Diagnostik. Präoperativ sollten ein Brachyösophagus und Malignome ausgeschlossen werden.
Indikationen, Kontraindikationen. Patienten mit Refluxerkrankung im
Indikationen, Kontraindikationen. Refluxerkrankungen im Frühstadium scheinen gegenwärtig am besten geeignet. Abzuwarten bleibt, inwieweit die laparoskopischen Methoden eine Alternative zur konservativen Behandlung darstellen.
und Diagnostik für die differenzierte Indikationsstellung sind die in Kap. B-1.5.4 genannten Prinzipien zu beachten. Vor der laparoskopischen Antirefluxoperation sollte ein Brachyösophagus und Malignome ausgeschlossen werden. Sehr adipösen Patienten wird Gewichtsreduktion empfohlen.
Frühstadium scheinen, nach erfolgloser konservativer Therapie, gegenwärtig am besten geeignet. Abzuwarten bleibt, inwieweit die laparoskopischen Methoden eine Alternative zur langzeitmedikamentösen Behandlung darstellen.
Operatives Vorgehen. In Abhängigkeit der zugrunde liegenden pathophy-
siologischen Veränderungen können anatomische Rekonstruktionen, wie Hiatoplastik, Fundopexie und Lig.-teres-Plastik, Valvuloplastiken, wie Hemiund komplette Fundoplikationen, aber auch die Einlage einer Antirefluxprothese, laparoskopisch erfolgen. Die Nissen-Fundoplikation ist z.Z. die häufigste laparoskopische Antirefluxoperation und wird im Folgenden beschrieben. Nach Aufbau des Pneumoperitoneums werden meist 5 Trokare in den Oberbauch eingebracht. Unter Kamerasicht wird das linkslaterale Lebersegment weggehalten, die phrenikoösophageale Membran und die Vagusanteile vom Ösophagus abpräpariert, dieser dann zirkulär umfahren und nach proximal aus den Zwerchfellschenkeln freigelegt. Die Vasa gastricae breves werden am Magenfundus abgesetzt. Die Hinterwand des Fundus wird dann dorsal und die Vorderwand ventral um den Ösophagus gezogen. Die Fundoplikation wird durch eine Naht zwischen Vorder- und Hinterwand erzeugt. Der Eingriff kann mit einer Hiatoplastik kombiniert werden. Hierfür werden dorsal oder ventral des Ösophagus die Zwerchfellschenkel mit einer Naht gerafft.
Komplikationen. Häufigkeit und Art postoperativer Komplikationen entsprechen, bis auf das Mediastinalemphysem und den Pneumothorax, denen nach offener Operation.
Operatives Vorgehen. Es werden anatomische Rekonstruktionen und Valvuloplastiken sowie die Einlage einer Antirefluxprothese laparoskopisch durchgeführt. Die Nissen-Fundoplikation ist z.Z. die häufigste laparoskopische Operation. Nach Aufbau des Pneumoperitoneums werden die phrenikoösophageale Membran und Vagusanteile vom Ösophagus abpräpariert und die Vasa gastricae breves am Magenfundus abgesetzt. Hinter- und Vorderwand des Fundus werden um den Ösophagus gelegt und die Plikation durch Naht erzeugt.
Komplikationen. Häufigkeit und Art postoperativer Komplikationen entsprechen, bis auf das Mediastinalemphysem und den Pneumothorax, denen nach offener Operation.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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14 Minimal-invasive Chirurgie
Eine erneute Operation bei missglückter Fundoplikation ist nach laparoskopischer Operation weniger komplikationsträchtig als nach offener Operation (Verwachsungen!).
Die erneute Operation bei missglückter Fundoplikation kann nach primär offener Operation aufgrund von Verwachsungen komplikationsträchtig sein. Dies ist nach laparoskopischer Operation nicht in vergleichbarem Umfang zu erwarten.
14.7
14.7
Laparoskopische Vagotomie
Laparoskopische Vagotomie
Die trunkuläre oder selektiv-proximale Vagotomie kann bei chronischen Ulcera duodeni in geeigneten Fällen laparoskopisch erfolgen. Präoperative Diagnostik. Eine Pylorusoder Duodenalstenose ist präoperativ auszuschließen.
Die trunkuläre oder selektiv-proximale Vagotomie kann bei chronischen Ulcera duodeni in geeigneten Fällen laparoskopisch erfolgen.
Indikationen, Kontraindikationen. Patienten mit therapieresistentem, unkompliziertem Ulcus duodeni scheinen am besten geeignet. Fortgeschrittene Erkrankungen oder eine gleichzeitig erforderliche Pyloroplastik stellen relative Kontraindikationen dar.
Indikationen, Kontraindikationen. Patienten mit therapieresistentem,
Operatives Vorgehen. Bei der laparoskopischen Operation erfolgen die gleichen Operationsschritte wie bei der offenen selektiv-proximalen Vagotomie. Das Absetzen der Rr. gastrici posteriores n. vagi kann aufwendig sein. Die Operation wird daher auch als trunkuläre Vagotomie des hinteren Vagusastes und selektiv-proximale Vagotomie des vorderen Astes durchgeführt.
Präoperative Diagnostik. Hinsichtlich Ätiologie, Anamnese und Diagnostik wird auf Kap. B-3.6.3, S. 333ff. verwiesen. Eine funktionelle bzw. anatomische Pylorus- oder Duodenalstenose ist auszuschließen.
unkompliziertem Ulcus duodeni scheinen am besten geeignet. Abzuwarten bleibt, ob laparoskopische Methoden auch eine Alternative zur langzeitmedikamentösen Behandlung darstellen. Fortgeschrittene Erkrankungen oder eine gleichzeitig erforderliche Pyloroplastik sind als relative Kontraindikationen anzusehen.
Operatives Vorgehen. Nach Einbringen der Trokare erfolgen unter Kamerasicht die gleichen Operationsschritte wie bei der offenen Chirurgie. Unter Schonung des N. Latarjet wird die kleine Kurvatur des Magens skelettiert und die Rr. gastrici anteriores und posteriores n. vagi magenwandnah abgesetzt. Kardia, Ösophagus und Funduskuppe werden dann unter Schonung des vorderen und hinteren Vagus skelettiert. Anschließend wird die kleine Kurvatur durch Naht reserosiert. Das Darstellen und Absetzen der Rr. gastrici posteriores n. vagi ist sehr aufwendig. Die laparoskopische Operation wird daher auch als trunkuläre Vagotomie des hinteren und selektiv-proximale Vagotomie des vorderen Vagusastes durchgeführt.
Komplikationen. Die Komplikationen entsprechen, bis auf das Mediastinalemphysem und den Pneumothorax, der offenen Operation. Postoperativ sollte die Magenfunktion kontrolliert werden.
Komplikationen. Häufigkeit und Art postoperativer Komplikationen ent-
14.8
14.8
Laparoskopische bzw. laparoskopisch assistierte Kolonchirurgie
Die laparoskopische Kolonchirurgie erfordert bei malignen Erkrankungen das Einhalten onkologischer Radikalitätsprinzipien. Diese Kriterien können z.B. bei der laparoskopischen Hemikolektomie nicht immer eingehalten werden. Dies gilt nicht für die Rektumexstirpation.
Bei benignen Erkrankungen und bei rein palliativen Operationen werden hingegen zunehmend Indikationen zum laparoskopischen Vorgehen gesehen. Präoperative Diagnostik. Siehe hierzu die zugehörigen Kapitel.
sprechen, bis auf das Mediastinalemphysem und den Pneumothorax, der offenen Operation. Da die intraoperative Kontrolle der Pylorusweite und einer Restfunktion evtl. verbliebener vagaler Äste entfällt, muss eine postoperative Kontrolle der Magenfunktion erfolgen.
Laparoskopische bzw. laparoskopisch assistierte Kolonchirurgie
Die laparoskopische Kolonchirurgie erfordert bei malignen Erkrankungen das Einhalten onkologischer Radikalitätsprinzipien wie z.B. die ausreichende Lymphknotendissektion. Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese Kriterien bei der laparoskopischen Hemikolektomie, der Transversum- oder Sigmaresektion aus anatomisch-technischen Gründen eingehalten werden können. Insbesondere die sachgerechte, eine histologische Aufarbeitung erlaubende Präparatebergung ist schwierig. Die abdominoperitoneale Rektumexstirpation hingegen scheint bei kleineren Tumoren laparoskopisch durchführbar. Bei benignen Erkrankungen und bei rein palliativen Operationen werden zunehmend Indikationen zum laparoskopischen Vorgehen gesehen. Zur Präparatebergung und Anastomosierung ist häufig eine zusätzliche, kleine Laparotomie erforderlich. Diese Operationsmethode wird daher auch »laparoskopisch assistiert« genannt.
Präoperative Diagnostik. Auf Ätiologie, Anamnese und Diagnostik ist in
den Kapiteln, die die der Operation zugrunde liegende Erkrankung beschreiben, bereits eingegangen worden.
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14 Minimal-invasive Chirurgie
Eine erneute Operation bei missglückter Fundoplikation ist nach laparoskopischer Operation weniger komplikationsträchtig als nach offener Operation (Verwachsungen!).
Die erneute Operation bei missglückter Fundoplikation kann nach primär offener Operation aufgrund von Verwachsungen komplikationsträchtig sein. Dies ist nach laparoskopischer Operation nicht in vergleichbarem Umfang zu erwarten.
14.7
14.7
Laparoskopische Vagotomie
Laparoskopische Vagotomie
Die trunkuläre oder selektiv-proximale Vagotomie kann bei chronischen Ulcera duodeni in geeigneten Fällen laparoskopisch erfolgen. Präoperative Diagnostik. Eine Pylorusoder Duodenalstenose ist präoperativ auszuschließen.
Die trunkuläre oder selektiv-proximale Vagotomie kann bei chronischen Ulcera duodeni in geeigneten Fällen laparoskopisch erfolgen.
Indikationen, Kontraindikationen. Patienten mit therapieresistentem, unkompliziertem Ulcus duodeni scheinen am besten geeignet. Fortgeschrittene Erkrankungen oder eine gleichzeitig erforderliche Pyloroplastik stellen relative Kontraindikationen dar.
Indikationen, Kontraindikationen. Patienten mit therapieresistentem,
Operatives Vorgehen. Bei der laparoskopischen Operation erfolgen die gleichen Operationsschritte wie bei der offenen selektiv-proximalen Vagotomie. Das Absetzen der Rr. gastrici posteriores n. vagi kann aufwendig sein. Die Operation wird daher auch als trunkuläre Vagotomie des hinteren Vagusastes und selektiv-proximale Vagotomie des vorderen Astes durchgeführt.
Präoperative Diagnostik. Hinsichtlich Ätiologie, Anamnese und Diagnostik wird auf Kap. B-3.6.3, S. 333ff. verwiesen. Eine funktionelle bzw. anatomische Pylorus- oder Duodenalstenose ist auszuschließen.
unkompliziertem Ulcus duodeni scheinen am besten geeignet. Abzuwarten bleibt, ob laparoskopische Methoden auch eine Alternative zur langzeitmedikamentösen Behandlung darstellen. Fortgeschrittene Erkrankungen oder eine gleichzeitig erforderliche Pyloroplastik sind als relative Kontraindikationen anzusehen.
Operatives Vorgehen. Nach Einbringen der Trokare erfolgen unter Kamerasicht die gleichen Operationsschritte wie bei der offenen Chirurgie. Unter Schonung des N. Latarjet wird die kleine Kurvatur des Magens skelettiert und die Rr. gastrici anteriores und posteriores n. vagi magenwandnah abgesetzt. Kardia, Ösophagus und Funduskuppe werden dann unter Schonung des vorderen und hinteren Vagus skelettiert. Anschließend wird die kleine Kurvatur durch Naht reserosiert. Das Darstellen und Absetzen der Rr. gastrici posteriores n. vagi ist sehr aufwendig. Die laparoskopische Operation wird daher auch als trunkuläre Vagotomie des hinteren und selektiv-proximale Vagotomie des vorderen Vagusastes durchgeführt.
Komplikationen. Die Komplikationen entsprechen, bis auf das Mediastinalemphysem und den Pneumothorax, der offenen Operation. Postoperativ sollte die Magenfunktion kontrolliert werden.
Komplikationen. Häufigkeit und Art postoperativer Komplikationen ent-
14.8
14.8
Laparoskopische bzw. laparoskopisch assistierte Kolonchirurgie
Die laparoskopische Kolonchirurgie erfordert bei malignen Erkrankungen das Einhalten onkologischer Radikalitätsprinzipien. Diese Kriterien können z.B. bei der laparoskopischen Hemikolektomie nicht immer eingehalten werden. Dies gilt nicht für die Rektumexstirpation.
Bei benignen Erkrankungen und bei rein palliativen Operationen werden hingegen zunehmend Indikationen zum laparoskopischen Vorgehen gesehen. Präoperative Diagnostik. Siehe hierzu die zugehörigen Kapitel.
sprechen, bis auf das Mediastinalemphysem und den Pneumothorax, der offenen Operation. Da die intraoperative Kontrolle der Pylorusweite und einer Restfunktion evtl. verbliebener vagaler Äste entfällt, muss eine postoperative Kontrolle der Magenfunktion erfolgen.
Laparoskopische bzw. laparoskopisch assistierte Kolonchirurgie
Die laparoskopische Kolonchirurgie erfordert bei malignen Erkrankungen das Einhalten onkologischer Radikalitätsprinzipien wie z.B. die ausreichende Lymphknotendissektion. Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese Kriterien bei der laparoskopischen Hemikolektomie, der Transversum- oder Sigmaresektion aus anatomisch-technischen Gründen eingehalten werden können. Insbesondere die sachgerechte, eine histologische Aufarbeitung erlaubende Präparatebergung ist schwierig. Die abdominoperitoneale Rektumexstirpation hingegen scheint bei kleineren Tumoren laparoskopisch durchführbar. Bei benignen Erkrankungen und bei rein palliativen Operationen werden zunehmend Indikationen zum laparoskopischen Vorgehen gesehen. Zur Präparatebergung und Anastomosierung ist häufig eine zusätzliche, kleine Laparotomie erforderlich. Diese Operationsmethode wird daher auch »laparoskopisch assistiert« genannt.
Präoperative Diagnostik. Auf Ätiologie, Anamnese und Diagnostik ist in
den Kapiteln, die die der Operation zugrunde liegende Erkrankung beschreiben, bereits eingegangen worden.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
635
14.9 Laparoskopische Chirurgie Rektumprolaps/Beckenbodeninsuffizienz
Indikationen, Kontraindikationen. Für die laparoskopische Sigmaresek-
tion und die abdominoperitoneale Rektumexstirpation sind gegenwärtig folgende Indikationen und Kontraindikationen zu nennen ( 2 B-14.9).
2 B-14.9
Indikationen, Kontraindikationen. Für die Sigmaresektion und Rektumexstirpation sind folgende Indikationen und Kontraindikationen zu nennen ( 2 B-14.9).
Indikationen und Kontraindikationen der laparoskopischen Sigmaresektion und abdominoperitonealen Rektumexstirpation
Indikationen N entzündliche Stenosen des Sigmas n N Endometriose n N segmentale Colitis ulcerosa n N endoskopisch nicht sanierbare Adenome mit Epitheldysplasien n N palliative Resektion bei diffus metastasiertem Karzinom n N T1-, T2-, N0-, M0-Tumor (im Rahmen von Studienprotokollen) n Kontraindikationen N Subileus, Ileus n N Kolonfisteln n N kurativ behandelbarer T1–T4-, N1-, M1-Tumor n N Malignome n
Die onkologischen laparoskopischen kolorektalen Operationen sollten aufgrund des ungeklärten Einflusses des Pneumoperitoneums auf die Metastasierung im Rahmen klinisch-wissenschaftlicher Studien durchgeführt werden.
Operatives Vorgehen. Der häufigste am Kolon laparoskopisch durchgeführte Eingriff ist die Sigmaresektion. Diese wird, nach Anlage des Pneumoperitoneums und Platzierung von 4 Trokaren in den Unter- und Mittelbauch, analog der offenen Chirurgie durchgeführt. Das Sigma wird aus den lateralen Verwachsungen mit der Bauchwand gelöst. Nach Festlegen der Resektionsränder wird das Mesosigma skelettiert und dabei mit Clips, Ligatur oder langstreckigen Klammernahtgeräten zusammen mit den Gefäßen abgesetzt. Anschließend wird das Präparat distal am Rektum abgesetzt und über eine Hilfslaparotomie im linken Unterbauch geborgen. Die Anastomose kann intraabdominal mit einem Klammernahtgerät angelegt werden. Abschließend werden die Trokare entfernt und die Wunden verschlossen.
Operatives Vorgehen. Der häufigste am Kolon laparoskopisch durchgeführte Eingriff ist die Sigmaresektion. Hierbei wird das Sigma aus den lateralen Verwachsungen gelöst, dann das Mesosigma skelettiert und der Darm zusammen mit den Gefäßen abgesetzt. Das Präparat wird über eine Hilfslaparotomie geborgen. Die Anastomose kann intraabdominell mit einem Klammernahtgerät angelegt werden.
Komplikationen. Die Komplikationen entsprechen, bis auf die laparosko-
Komplikationen. Die Komplikationen entsprechen, bis auf die laparoskopiespezifischen, denen der offenen Chirurgie.
piespezifischen, denen der offenen Chirurgie. Der Stellenwert der laparoskopischen Kolonchirurgie bleibt aber offen, bis weitere Ergebnisse vorliegen. Die technische Entwicklung könnte die Indikationen erweitern und den Hilfsschnitt überflüssig werden lassen.
14.9
Laparoskopische Chirurgie des Rektumprolaps und der Beckenbodeninsuffizienz
Der durch den Analkanal hervortretende Rektumprolaps stellt eine Hernie des Beckenbodens dar. Die Rektumvorderwand bildet dabei den Bruchsack. Die Erkrankung ist meist Folge einer Beckenbodeninsuffizienz. Begünstigend wirkt außerdem eine Überlänge des Colon sigmoideum. Die Patienten können kontinent sein oder verschiedene Grade der Inkontinenz aufweisen. Auch laparoskopisch können die operativ-therapeutischen Ziele erreicht werden. Hierzu gehören die Straffung des Sigma/Rektums durch eine Sigmaresektion oder Rektopexie und/oder die Beckenbodenplastik. Von den
14.9
Laparoskopische Chirurgie des Rektumprolaps und der Beckenbodeninsuffizienz
Der Rektumprolaps ist eine transanal vortretende Hernie des Beckenbodens, wobei die Rektumvorderwand den Bruchsack darstellt. Die Erkrankung ist meist Folge einer Beckenbodeninsuffizienz. Zu den operativ therapeutischen Zielen gehören die Straffung des Sigma/Rektums durch eine Sigmaresektion oder Rektopexie und/oder
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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14.9 Laparoskopische Chirurgie Rektumprolaps/Beckenbodeninsuffizienz
Indikationen, Kontraindikationen. Für die laparoskopische Sigmaresek-
tion und die abdominoperitoneale Rektumexstirpation sind gegenwärtig folgende Indikationen und Kontraindikationen zu nennen ( 2 B-14.9).
2 B-14.9
Indikationen, Kontraindikationen. Für die Sigmaresektion und Rektumexstirpation sind folgende Indikationen und Kontraindikationen zu nennen ( 2 B-14.9).
Indikationen und Kontraindikationen der laparoskopischen Sigmaresektion und abdominoperitonealen Rektumexstirpation
Indikationen N entzündliche Stenosen des Sigmas n N Endometriose n N segmentale Colitis ulcerosa n N endoskopisch nicht sanierbare Adenome mit Epitheldysplasien n N palliative Resektion bei diffus metastasiertem Karzinom n N T1-, T2-, N0-, M0-Tumor (im Rahmen von Studienprotokollen) n Kontraindikationen N Subileus, Ileus n N Kolonfisteln n N kurativ behandelbarer T1–T4-, N1-, M1-Tumor n N Malignome n
Die onkologischen laparoskopischen kolorektalen Operationen sollten aufgrund des ungeklärten Einflusses des Pneumoperitoneums auf die Metastasierung im Rahmen klinisch-wissenschaftlicher Studien durchgeführt werden.
Operatives Vorgehen. Der häufigste am Kolon laparoskopisch durchgeführte Eingriff ist die Sigmaresektion. Diese wird, nach Anlage des Pneumoperitoneums und Platzierung von 4 Trokaren in den Unter- und Mittelbauch, analog der offenen Chirurgie durchgeführt. Das Sigma wird aus den lateralen Verwachsungen mit der Bauchwand gelöst. Nach Festlegen der Resektionsränder wird das Mesosigma skelettiert und dabei mit Clips, Ligatur oder langstreckigen Klammernahtgeräten zusammen mit den Gefäßen abgesetzt. Anschließend wird das Präparat distal am Rektum abgesetzt und über eine Hilfslaparotomie im linken Unterbauch geborgen. Die Anastomose kann intraabdominal mit einem Klammernahtgerät angelegt werden. Abschließend werden die Trokare entfernt und die Wunden verschlossen.
Operatives Vorgehen. Der häufigste am Kolon laparoskopisch durchgeführte Eingriff ist die Sigmaresektion. Hierbei wird das Sigma aus den lateralen Verwachsungen gelöst, dann das Mesosigma skelettiert und der Darm zusammen mit den Gefäßen abgesetzt. Das Präparat wird über eine Hilfslaparotomie geborgen. Die Anastomose kann intraabdominell mit einem Klammernahtgerät angelegt werden.
Komplikationen. Die Komplikationen entsprechen, bis auf die laparosko-
Komplikationen. Die Komplikationen entsprechen, bis auf die laparoskopiespezifischen, denen der offenen Chirurgie.
piespezifischen, denen der offenen Chirurgie. Der Stellenwert der laparoskopischen Kolonchirurgie bleibt aber offen, bis weitere Ergebnisse vorliegen. Die technische Entwicklung könnte die Indikationen erweitern und den Hilfsschnitt überflüssig werden lassen.
14.9
Laparoskopische Chirurgie des Rektumprolaps und der Beckenbodeninsuffizienz
Der durch den Analkanal hervortretende Rektumprolaps stellt eine Hernie des Beckenbodens dar. Die Rektumvorderwand bildet dabei den Bruchsack. Die Erkrankung ist meist Folge einer Beckenbodeninsuffizienz. Begünstigend wirkt außerdem eine Überlänge des Colon sigmoideum. Die Patienten können kontinent sein oder verschiedene Grade der Inkontinenz aufweisen. Auch laparoskopisch können die operativ-therapeutischen Ziele erreicht werden. Hierzu gehören die Straffung des Sigma/Rektums durch eine Sigmaresektion oder Rektopexie und/oder die Beckenbodenplastik. Von den
14.9
Laparoskopische Chirurgie des Rektumprolaps und der Beckenbodeninsuffizienz
Der Rektumprolaps ist eine transanal vortretende Hernie des Beckenbodens, wobei die Rektumvorderwand den Bruchsack darstellt. Die Erkrankung ist meist Folge einer Beckenbodeninsuffizienz. Zu den operativ therapeutischen Zielen gehören die Straffung des Sigma/Rektums durch eine Sigmaresektion oder Rektopexie und/oder
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636
14 Minimal-invasive Chirurgie
die Beckenbodenplastik, welche laparoskopisch erreicht werden können.
Vorteilen der laparoskopischen Chirurgie profitieren insbesondere die häufig älteren Patienten.
Anamnese, präoperative Diagnostik. Die in Kap. B-7.3.9. genannten Prinzipien sind zu beachten. Malignome sind auszuschließen, präoperativ sollte eine gynäkologische und ggf. urologische Abklärung erfolgen.
Anamnese, präoperative Diagnostik. Bei der Abklärung der zugrunde lie-
Indikationen, Kontraindikationen. Alle Stadien können laparoskopisch operiert werden. Alternativ kann die laparoskopische Sigmaresektion oder Rektopexie mit einer zweizeitigen perinealen Beckenbodenraffung kombiniert werden. Bei hohen kardiopulmonalen Risikofaktoren sollte das extraabdominale Vorgehen bevorzugt werden. Operatives Vorgehen. Zu den Prinzipien der Sigmaresektion s. Kap. B-14.8 . Für die laparoskopische Rektopexie und Beckenbodenplastik wird das Mesorektum präsakral gelöst, bis das mobilisierte Rektum den Beckenboden zur Darstellung bringt. Die Beckenbodenplastik wird post-anal durch Raffnähte und präkokzygeal angelegt ( 1 B-14.7 a). Nach ausreichender Streckung des Rektums wird präsakral ein Polypropylenenetz fixiert ( 1 B-14.7 b) und an diesem das nach intraabdominal gestreckte Rektum fixiert ( 1 B-14.7 c ). Komplikationen. Bis auf die laparoskopiespezifischen entsprechen sie denen nach konventioneller Operation.
Indikationen, Kontraindikationen. Es können alle Stadien laparoskopisch operiert werden. Alternativ kann die laparoskopische Sigmaresektion oder Rektopexie, je nach postoperativer Entwicklung der Insuffizienzbeschwerden, mit einer zweizeitigen perinealen Beckenbodenraffung kombiniert werden. Bei Patienten mit hohen kardiopulmonalen Risikofaktoren sollte einem extraabdominalen Vorgehen der Vorzug gegeben werden.
1 B-14.7
genden Pathophysiologie und Diagnostik für die differenzierte Indikationsstellung sind die in Kap. B-7.3.9 genannten Prinzipien zu beachten. Malignome sind auszuschließen, präoperativ sollte eine gynäkologische und ggf. urologische Abklärung erfolgen.
Operatives Vorgehen. Die Prinzipien der Sigmaresektion sind in Kap.
B-14.8 beschrieben. Für die laparoskopische Rektopexie und Beckenbodenplastik wird das Mesorektum beginnend am Promontorium präsakral gelöst. Das so bis über die Steißbeinspitze mobilisierte Rektum bringt den Beckenboden zur Darstellung. Es wird dann die Beckenbodenplastik post-anal durch Raffnähte der Levatoren und präkokzygeal angelegt ( 1 B-14.7 a). Lässt sich nach kompletter Mobilisation eine ausreichende Streckung des Rektums erreichen wird ein Polypropylenenetz präsakral eingelegt und fixiert ( 1 B-14.7 b). Das nach intraabdominal gestreckte Rektum wird dann an dem Netz lateral mit Naht befestigt ( 1 B-14.7 c).
Komplikationen. Häufigkeit und Art postoperativer Komplikationen entsprechen, bis auf die laparoskopiespezifischen, denen nach konventioneller Operation.
Synopsis Laparoskopische Rektopexie
a Situation nach Mobilisation und b Präsakrale Einlage und F ixierung Anheben des Rektums und Darstellung des Netzes mit Clips. des Beckenbodens.
c Befund nach Annähen des Rektums an das Netz.
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637
14.10 Minimal-invasive Adrenalektomie
14.10
Minimal-invasive Adrenalektomie
Da beim offenen Vorgehen ein größeres Zugangstrauma gesetzt werden muss, kommen bei der laparoskopischen Adrenalektomie die Vorteile der minimal-invasiven Techniken besonders zum Tragen. Es ist somit nicht verwunderlich, dass sich diese in wenigen Jahren als standardisiertes Verfahren etabliert haben. Es werden der transperitoneale oder retroperitoneale Zugangsweg unterschieden.
14.10
Minimal-invasive Adrenalektomie Bei der laparoskopischen Adrenalektomie gibt es den transperitonealen oder retroperitonealen Zugangsweg.
Anamnese, präoperative Diagnostik. Bei der Abklärung der zugrunde lie-
Anamnese, präoperative Diagnostik. S. dazu die in Kap. B-17.3 genannten Prinzipien.
Indikationen, Kontraindikationen. Inzidentalome, insbesondere bei Grö-
Indikationen, Kontraindikationen. Inzidentalome bis zu einer Größe von 5 cm, Phäochromozytome, der primäre Hyperaldosteronismus, die therapierefraktären sekundären Nebennierenüberfunktionen und Angiomyolipome stellen geeignete Indikationen dar. Unabhängig von der Art des Tumors sind Tumoren > 7–9 cm aus operationstechnischen Gründen meist nicht mit minimal-invasiven Techniken anzugehen.
Operatives Vorgehen
Operatives Vorgehen Transperitoneale Techniken: Bei rechtsseitiger Operation wird die Pars descendens des Duodenums mobilisiert, das Retroperitoneum lateral der V. cava bis an den Leberunterrand inzidiert und alle in die V. cava ziehenden Venen zwischen Clips abgesetzt ( 1 B-14.8 a). Anschließend wird die Nebenniere von der V. renalis gelöst und zirkulär freipräpariert. Linksseitig beginnt die Präparation mit der Mobilisation der Kolonflexur; danach wird das Retroperitoneum eröffnet, die V. renalis dargestellt, die V. suprarenalis abgesetzt ( 1 B-14.8 b) und die Drüse zirkulär freipräpariert. Vorteil dieser Technik ist, dass bilaterale Befunde ohne Umlagerung operiert und die V. suprarenalis frühzeitig abgesetzt werden kann (Hormonfreisetzung wird vermieden). π Retroperitoneale Techniken: In Seitoder Bauchlage wird in der rechten mittleren Axillarlinie stumpf bis auf das Peritoneum eingegangen. Nach Herstellung eines CO 2 -Retroperitoneums wird nach Darstellung des Zwerchfells und oberen Nierenpols die Nebenniere vollständig mobilisiert, von der arteriellen Versorgung getrennt ( 1 B-14.8 d) und nach Freipräparation und Venenverschluss geborgen. Komplikationen. Bis auf die laparoskopiespezifischen entsprechen sie denen nach konventioneller Operation.
genden Pathophysiologie und Diagnostik für die differenzierte Indikationsstellung sind die in Kap. B-17.3 genannten Prinzipien zu beachten.
ßenzunahme, stellen bis zu einer Größe von 5 cm eine Indikation dar. Mit zunehmender Größe (> 5 cm) steigt die Wahrscheinlichkeit eines Karzinoms. In diesen Fällen sollte konventionell offen operiert werden. Phäochromozytome, der primäre Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom), therapierefraktäre sekundäre Nebennierenüberfunktionen (Morbus Cushing) und Angiomyolipome stellen geeignete Indikationen dar. Unabhängig von der Art des Tumors hängt die Indikationsstellung auch von der Größe ab. So sind Tumoren > 7–9 cm meist aus operationstechnischen Gründen nicht mit minimal-invasiven Techniken anzugehen. Transperitoneale Techniken: Bei rechtsseitiger Operation wird zunächst die Pars descendens des Duodenums mobilisiert, das Retroperitoneum lateral der V. cava bis an den Leberunterrand inzidiert und alle in die V. cava ziehenden Venen, insbesondere die V. suprarenalis, zwischen Clips abgesetzt ( 1 B-14.8 a). Anschließend wird die Nebenniere am Unterrand von der V. renalis gelöst und zirkulär freipräpariert. Linksseitig beginnt die Präparation mit der Mobilisation der Kolonflexur. Anschließend wird das Retroperitoneum eröffnet, der Pankreasschwanz mobilisiert und die V. renalis nach medial dargestellt. Dabei wird die V. suprarenalis abgesetzt ( 1 B-14.8 b). Am Oberrand der V. renalis wird die Drüse aufgesucht und zirkulär freipräpariert und dabei von den arteriellen Gefäßen der Aorta befreit. Vorteil des transperitonealen Vorgehens ist, dass bilaterale Befunde ohne Umlagerung des Patienten operiert und die V. suprarenalis frühzeitig abgesetzt werden kann. Beim Phäochromozytom können so exzessive Hormonfreisetzungen vermieden werden.
π
Retroperitoneale Techniken: In Seiten- und Bauchlage wird nach Inzision rechts unterhalb des Rippenbogens in der mittleren Axillarlinie stumpf bis auf das Peritoneum eingegangen. Anschließend wird ein Ballontrokar eingeführt, mit CO2 insuffliert und so im Retroperitoneum Raum geschaffen ( 1 B-14.8 c). Anschließend werden die Trokare eingebracht. Nach Darstellen des Zwerchfells und oberen Nierenpols wird kranial davon die Nebenniere aufgesucht. Diese kann dann vollständig mobilisiert und zunächst von der arteriellen Versorgung getrennt werden ( 1 B-14.8 d). Nach Freipräparation und Verschluss der Venen kann das Präparat geborgen werden.
π
Komplikationen. Häufigkeit und Art postoperativer Komplikationen entsprechen, bis auf die laparoskopiespezifischen, denen nach konventioneller Operation.
π
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638
14 Minimal-invasive Chirurgie
1 B-14.8
Synopsis Operatives Vorgehen bei minimal-invasiver Adrenalektomie
4
1
2 3 2 5
3
6
1
4
a Situs nach Eröffnung des Retroperitoneums, Darstellung der rechten Nebenniere. Duodenum (1), V. cava (2), Nebenniere (3), Leber (4).
b Freipräparation der linken Nebenniere mit Eröffnung des Retroperitoneums. Magen (1), Milz (2), Pankreas (3), Kolon (4), linke Niere (5), linke Nebenniere (6).
c Subkostales Einbringen des Ballontrokars und Dissektion im Retroperitoneum.
d Auffüllen des Ballontrokars, komplette Dissektion mit Freilegen von Niere und Nebenniere.
e Einbringen des Dichtungstrokars, Auffüllen des dissezierten Raumes mit CO 2 und Präparation im Retroperitoneum.
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14.11 Weitere laparoskopische Eingriffe und Entwicklungen
14.11
Weitere laparoskopische Eingriffe und Entwicklungen
Die Resektion symptomatischer, nicht parasitärer bzw. infizierter Leberzysten kann in geeigneten Fällen laparoskopisch durchgeführt werden. Die Zyste sollte dafür oberflächlich gelegen sein. Weitere Operationen wie die Splenektomie (z.B. bei idiopathischer thrombozytopenischer Purpura bis zu einer Milzgröße von ca. 15 cm) und Magenresektionen sind laparoskopisch angegangen worden. In der Diskussion ist ebenfalls der Einsatz laparoskopischer Methoden beim akuten Abdomen, wie z.B. beim perforierten Ulcus ventriculi oder duodeni. Mit den hier beschriebenen Techniken und Instrumentarien wird auch die Myotomie bei der Achalasie durchgeführt. Die laparoskopische Chirurgie befindet sich weiter in der Entwicklung. Erst nach weiteren operativ-technischen Fortschritten mit Einsatz von flexiblen Instrumenten und Optiken sowie standardisierten Naht- und Ligaturverfahren wird der Stellenwert dieser Methode zu beurteilen sein.
14.11
Weitere laparoskopische Eingriffe und Entwicklungen
Die Resektion symptomatischer, oberflächlicher Leberzysten kann laparoskopisch durchgeführt werden. Splenektomien und Magenresektionen sind laparoskopisch angegangen worden, in der Diskussion ist der Einsatz laparoskopischer Methoden beim akuten Abdomen. Mit den hier beschriebenen Techniken wird auch die Myotomie bei der Achalasie durchgeführt.
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641
Hals
15
15
Hals
15.1
Topographische Anatomie
Hans-Jürgen Klomp
Topographische Anatomie
15.1
n Merke. Die Kenntnis der Anatomie der Halsregion hat für den chirurgisch tätigen Arzt besondere Bedeutung, da hier wichtige Leitungsbahnen und Eingeweidestrukturen relativ ungeschützt und in enger räumlicher Beziehung verlaufen.
15.1.1
Halsregionen
15.1.1 Halsregionen
Eine zur anatomischen Orientierung hilfreiche Gliederung des Halses in verschiedene Regionen ist durch die Muskulatur vorgegeben ( 1 B-15.1). Der kräftige, schräg verlaufende M. sternocleidomastoideus trennt die vordere Halsregion (Regio colli anterior) vom lateralen Halsdreieck (Regio colli lateralis).
1 B-15.1
Merke
Durch Muskelverläufe vorgegeben ist die Aufteilung in vordere Halsregion mit Karotisdreieck und laterales Halsdreieck ( 1 B-15.1).
Synopsis Halsregionen
1 3 4 6
5
2
Die Regio sternocleidomastoidea (5) trennt die Regio colli (cervicalis) lateralis (laterales Halsdreieck, 6) von der Regio colli (cervicalis) anterior (vordere Halsregion), zu der neben der Regio submentalis (1), dem Trigonum submandibulare (3) und der Regio laryngea (thyreoidea, 2) auch das Trigonum caroticum (Karotisdreick, 4) gehört. Cave: Zum Teil existieren leicht abweichende Bezeichnungen und Einteilungen der Halsregionen! Wichtige anatomische Strukturen der einzelnen Halsregionen: 1 Regio submentalis: 2 Regio laryngea (thyreoidea): 3 4 5 6
submentale Lymphknoten Eingeweidestrang des Halses mit Glandula thyreoidea, Larynx, Trachea und Ösophagus Trigonum submandibulare: submandibuläre Lymphknoten, Glandula submandibularis, N. hypoglossus, im dorsokranialen Abschnitt Glandula parotis Trigonum caroticum: Karotisbifurkation, Glomus caroticum, N. hypoglossus Regio sternocleidomastoidea: ventral M. sternocleidomastoideus, dahinter Gefäß-Nervenstrang mit A. carotis, V. jugularis interna, N. vagus; juguläre Lymphknoten Regio colli (cervicalis) lateralis: zwischen M. sternocleidomastoideus ventral und M. trapezius dorsal; laterale Halslymphknoten, N. accessorius, in der Tiefe Plexus cervicalis und brachialis
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642
15 Hals
Durch die Skalenuslücken im lateralen Halsdreieck verlaufen die Gefäße und Nerven zur Versorgung des Armes.
Als Karotisdreieck (Trigonum caroticum) wird der Teil der vorderen Halsregion bezeichnet, der durch den M. sternocleidomastoideus lateral, den M. omohyoideus medial und den M. digastricus bzw. den Unterkieferrand kranial begrenzt wird. Die Palpation des Karotispulses und die Auskultation des Gefäßes erfolgt in dieser Region submandibulär am medialen Rand des M. sternocleidomastoideus. Die A. carotis communis teilt sich hier in die A. carotis externa und die A. carotis interna auf. Medial der Karotisgabel liegt das Glomus caroticum, ein vegetatives Paraganglion. Im medialen Winkel des lateralen Halsdreiecks verlaufen die Gefäße und Nerven zur Versorgung des Armes. Sie treten hier durch die von den Mm. scaleni begrenzte vordere und hintere Skalenuslücke hindurch.
15.1.2
15.1.2
Im Karotisdreieck finden sich die Aufgabelung der A. carotis communis sowie das Glomus caroticum, ein vegetatives Paraganglion. Hier kann medial des M. sternocleidomastoideus der Karotispuls getastet und das Gefäß auskultiert werden.
Halsfaszien
Die Halsfaszien gliedern die Eingeweide und Muskeln des Halses in mehrere Schichten ( 1 B-15.2).
1 B-15.2
Halsfaszien
Die Halsfaszien sind bindegewebige Membranen, die die Eingeweide und Muskeln des Halses in mehrere Schichten gliedern ( 1 B-15.2).
Synopsis Halsfaszien (Querschnitt) M. sternothyreoideus
M. sternohyoideus Platysma
Trachea Ösophagus
Glandula thyreoidea
N. laryngeus recurrens
M. sternocleidomastoideus
Fascia cervicalis superficialis
V. jugularis interna
Fascia cervicalis media Fascia cervicalis profunda Mm. scaleni
Entzündliche und tumoröse Prozesse breiten sich vorzugsweise in kraniokaudaler Richtung innerhalb der durch die Halsfaszien begrenzten Räume aus.
Beispiele sind die Mediastinitis bei Ösophagusperforation und das Wachstumsverhalten von Strumen.
Die oberflächliche Halsfaszie scheidet die Mm. sternocleidomastoideus und trapezius vollständig ein, das Platysma liegt epifaszial. Die mittlere Halsfaszie umschließt die infrahyalen Muskeln. Mittlere Halsfaszie und M. omohyoideus halten durch bindegewebige Verbindungen das Lumen der V. jugularis interna offen. Hierdurch wird der venöse Abfluss gesichert, bei Verletzung der V. jugularis interna besteht aber erhöhte Luftemboliegefahr.
A. carotis M. longus colli
N. vagus
Ihre klinische Bedeutung liegt darin, dass sie Grenzlamellen darstellen, die dem Chirurgen bei der anatomischen Orientierung und der Präparation helfen. Diese Grenzlamellen stellen auch bis zu einem gewissen Grad eine Barriere für entzündliche und tumoröse Prozesse dar, deren Ausbreitung in der Regel zunächst innerhalb der durch die Halsfaszien begrenzten Räume in kraniokaudaler Richtung erfolgt. Beispielsweise kann eine Perforation des zervikalen Ösophagus zu einer weit in das hintere Mediastinum reichenden Abszedierung führen, ohne dass am Hals oberflächliche Entzündungszeichen auftreten. Auch das Wachstum von Strumen nach retrosternal oder intrathorakal erfolgt innerhalb des durch die Faszien begrenzten Raumes. Die oberflächliche Halsfaszie (Fascia cervicalis superficialis = Lamina superficialis) scheidet den M. sternocleidomastoideus und den dorsal gelegenen M. trapezius vollständig ein. Außerhalb dieser Faszie im Subkutangewebe liegt eine der mimischen Muskulatur zuzurechnende dünne Muskelplatte, das Platysma. Die mittlere Halsfaszie (Fascia cervicalis media = Lamina praetrachealis) umschließt die infrahyalen Muskeln. Sie wird durch den M. omohyoideus gespannt, an dessen lateralem Rand sie endet. Dadurch entsteht ein 3-seitiger zeltartiger Abschluss der oberen Thoraxapertur. Durch bindegewebige Verbindungen zwischen M. omohyoideus und dem lateral gelegenen Gefäßnervenstrang hält der Muskel das Lumen der V. jugularis interna offen. Dadurch ist der ungehinderte Blutfluss auch bei Kontraktion der Halsmuskulatur gewährleistet. Im Falle einer Verletzung der V. jugularis interna besteht allerdings auch ein erhöhtes Risiko einer Luftembolie.
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15.1.4 Leitungsbahnen
643
Die tiefe Halsfaszie (Fascia cervicalis profunda = Lamina praevertebralis) überzieht die tiefe Halsmuskulatur und die lateral gelegenen Mm. scaleni. Halseingeweide und Leitungsbahnen liegen zwischen mittlerer und tiefer Halsfaszie.
Die tiefe Halsfaszie überzieht die tiefe Halsmuskulatur und die lateral gelegenen Mm. scaleni. Halseingeweide und Leitungsbahnen liegen zwischen mittlerer und tiefer Halsfaszie.
15.1.3
Eingeweidestrang
15.1.3 Eingeweidestrang
Der Kehlkopf (Larynx) liegt vor dem Hypopharynx und dem Ösophagus ( 1 B-15.3). Der Übergang in die Trachea liegt etwa in Höhe des Ösophagusmundes. Der Kehlkopfeingang wird beim Schlucken durch den Kehldeckel, die Epiglottis, verschlossen. Die am Schildknorpel unterhalb der Incisura thyreoidea superior gelegene Prominentia laryngea, der sog. Adamsapfel, springt besonders beim Mann deutlich hervor. Unterhalb des Kehlkopfes tastet man den Krikoidknorpel. Zwischen beiden liegt das Lig. cricothyreoideum (früher auch als Lig. conicum bezeichnet), dessen Durchtrennung (Koniotomie) die einfachste Form des notfallmäßigen Luftröhrenschnittes darstellt (s. 1 B-15.11).
1 B-15.3
Zum Eingeweidestrang gehören Kehlkopf (Larynx), Schilddrüse, Zungenbein, Trachea und oberer Ösophagus ( 1 B-15.3). Das zwischen Schild- und Ringknorpel gelegene Ligament wird bei der Notfalltracheotomie (Koniotomie) durchtrennt (s. 1 B-15.11).
Synopsis Anatomie der Halsregion (Übersicht)
Os hyoideum M. sternocleidomastoideus (durchtrennt)
V. jugularis interna A. carotis communis
Incisura thyreoidea superior Larynx (Cartilago thyreoidea) Cartilago cricoidea Glandula thyreoidea
N. vagus Trachea Plexus brachialis
Das oberhalb des Kehlkopfes gelegene Zungenbein ist ein wichtiger Ansatzpunkt für verschiedene Muskelgruppen. Der obere Ösophagus liegt relativ geschützt zwischen Trachea und Wirbelsäule in einem Bindegewebsraum, der sich kaudalwärts ins hintere Mediastinum fortsetzt. Die spezielle Anatomie von Schilddrüse und Epithelkörperchen wird in Kap. B-16 besprochen.
15.1.4
Leitungsbahnen
In einer gemeinsamen Gefäßnervenscheide verlaufen medial die A. carotis communis, ventrolateral die V. jugularis interna und dorsal der N. vagus ( 1 B-15.3). Kaudal wird der Gefäßnervenstrang vom M. sternocleidomastoideus bedeckt. Aa. carotis communis und interna geben im Halsbereich keine Äste ab, während aus der A. carotis externa die obere Schilddrüsenarterie sowie die Arterien zur Versorgung von Gesicht und knöchernem Schädel entspringen.
15.1.4 Leitungsbahnen In einer gemeinsamen Gefäßnervenscheide verlaufen medial die A. carotis communis, ventrolateral die V. jugularis interna und dorsal der N. vagus ( 1 B-15.3). Kaudal wird der Gefäßnervenstrang vom M. sternocleidomastoideus bedeckt.
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644
15 Hals
Die oberflächlichen Halsvenen liegen epifaszial unter dem Platysma.
Von praktischer Bedeutung (z.B. zur Gefäßpunktion) sind die oberflächlichen Halsvenen (V. jugularis externa und V. jugularis anterior), die epifaszial, d.h. zwischen Platysma und oberflächlicher Halsfaszie liegen.
15.1.5 Lymphknoten
15.1.5
In der Halsregion finden sich zahlreiche Lymphknoten ( 1 B-15.4), deren Lymphe auf jeder Seite über 2 Hauptstränge am Angulus venosus ins Venensystem dräniert wird. Der linke Truncus jugularis mündet via Ductus thoracicus, der rechte direkt.
In der Halsregion finden sich zahlreiche Lymphknoten ( 1 B-15.4), die sich in Gruppen gliedern lassen und deren Lymphe auf jeder Seite über 2 Hauptstränge am Angulus venosus ins Venensystem dräniert wird. Auf der linken Seite mündet der Truncus jugularis via Ductus thoracicus, auf der rechten Seite direkt.
Lymphknoten
1 B-15.4
Synopsis Lymphknotengruppen (LK) des Halses
kraniale juguläre LK
submandibuläre LK
kaudale juguläre LK
prä- und paratracheale LK supraklavikuläre LK
Über den Truncus jugularis erfolgt die hauptsächliche Lymphdränage von Kopf und Hals. Zu seinem Einzugsgebiet gehören die oberflächlichen und die tiefen jugularen Lymphknoten, bei denen man eine kaudale und eine kraniale Gruppe unterscheidet.
Der Truncus subclavius dräniert neben der Lymphe des Armes und der Mamma über die supraklavikuläre Lymphknotengruppe auch die Lymphknoten des lateralen Halsdreiecks. Da letztere in der Nähe des R. externus des N. accessorius liegen, kann dieser bei einer Lymphknotenentfernung verletzt werden.
Über den Truncus jugularis erfolgt die hauptsächliche Lymphdränage von Kopf und Hals. Zu seinem Einzugsgebiet gehören die oberflächlichen jugularen Lymphknoten aus dem Bereich der V. jugularis externa sowie die tiefen jugularen Lymphknoten, die in der Umgebung der V. jugularis interna gelegen sind. Man unterscheidet eine kraniale Gruppe, in die sich auch die submentalen und submandibulären Lymphknoten dränieren und die gut palpabel ist, von einer kaudalen Gruppe, die unter dem M. sternocleidomastoideus verborgen ist. Der Truncus subclavius begleitet den Gefäßnervenstrang des Armes. Neben der Lymphe des Armes und der Mamma dräniert er über die supraklavikuläre Lymphknotengruppe auch die Lymphknoten des lateralen Halsdreiecks. Letztere liegen häufig in der Nähe des R. externus des N. accessorius, der die Mm. trapezius und sternocleidomastoideus motorisch versorgt und bei einer Lymphknotenentfernung verletzt werden kann.
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15.2.1 Halszysten und -fisteln
15.2
Fehlbildungen
15.2
15.2.1
Halszysten und -fisteln
15.2.1 Halszysten und -fisteln
n Definition. Angeborene Halszysten und -fisteln sind typische Erkrankungen des Säuglings- und Kindesalters. Sie entstehen durch unvollständige Rückbildung embryonaler Strukturen.
Fehlbildungen
Definition
Mediane Halszysten
Mediane Halszysten
Ätiologie. Mediane Halszysten und -fisteln werden durch Rudimente des
Ätiologie. Mediane Halszysten und -fisteln entstehen aus Rudimenten des Ductus thyreoglossus ( 1 B-15.5).
Ductus thyreoglossus verursacht. Dieser von schleimproduzierenden Zellen ausgekleidete Gang entsteht in der Embryonalzeit als Folge des Herabwanderns der Schilddrüsenanlage vom Zungengrund. Er bildet sich physiologischerweise vollständig zurück ( 1 B-15.5).
1 B-15.5
Synopsis Mediane Halszysten und -fisteln
Foramen caecum linguae Ductus thyreoglossus Os hyoideum Cartilago thyreoidea Lobus pyramidalis Glandula thyreoidea Trachea a Lokalisationen medianer Halszysten im Verlauf des Ductus thyreoglossus.
b Lokalisation medianer Halsfisteln.
Symptome. Der distale Anteil des Ductus thyreoglossus kann im Rahmen
Symptome. Mediane Halszysten werden meist erst im Vorschulalter als prallelastische Resistenzen am Hals symptomatisch. Nach Ruptur oder Infektion entsteht eine Fistel nach außen.
Diagnose. Neben der klinischen Untersuchung stellt die Sonographie des
Diagnose. Präoperativ wird eine Ultraschalluntersuchung des Halses und ggf. eine Fisteldarstellung mit Kontrastmittel durchgeführt. Differenzialdiagnostisch kommt ausnahmsweise eine ektope Schilddrüsenanlage in Frage.
Therapie. Die Behandlung besteht in der vollständigen Exstirpation der Zyste bzw. des Fistelganges. Je nach Befund muss der mittlere Anteil des Zungenbeinkörpers und der Verbindungsstrang zum Foramen caecum am Zungengrund mitentfernt werden.
Therapie. Die Behandlung besteht in der vollständigen Entfernung der Zyste bzw. des Fistelganges.
einer Schilddrüsenoperation als Lobus pyramidalis in Erscheinung treten. Weiter kranial gelegene Anteile imponieren durch die Schleimproduktion als prallelastische Zysten, die in der Regel erst im Vorschulalter entdeckt werden. Sie liegen meist in der Nähe des Zungenbeins, können aber bis zum Zungengrund hinaufreichen. Die Ruptur oder Infektion einer Zyste mit Durchbruch nach außen führt zur Ausbildung einer medianen Fistel.
Halses das wichtigste diagnostische Hilfsmittel dar. Typische Zysten erscheinen im Schallbild als symmetrische, echoarme Raumforderungen. Bei nicht eindeutig zystischer Struktur kommt differenzialdiagnostisch ausnahmsweise eine ektope Schilddrüsenanlage in Frage. Auf jeden Fall sollte das Vorliegen einer normalen, orthotop gelegenen Schilddrüse sonographisch dokumentiert werden. Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) sind in der Regel bei der präoperativen Abklärung von Halszysten nicht indiziert. Liegt eine Fistel vor, kann die Ausdehnung präoperativ durch eine Kontrastmitteldarstellung bestimmt werden.
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15 Hals
Laterale Halszysten
Laterale Halszysten
Ätiologie. Laterale Halszysten sind Rudimente embryonaler Kiementaschen ( 1 B-15.6). Bei einer Fistel besteht eine Verbindung zwischen Haut und Rachenraum.
Ätiologie. Laterale Halszysten und -fisteln werden durch unvollständige
1 B-15.6
Rückbildung der in der frühen Embryonalentwicklung entstehenden Kiementaschen hervorgerufen ( 1 B-15.6). Eine vollständige Fistel ist durch eine Verbindung zwischen Halsoberfläche und Rachenraum gekennzeichnet; inkomplette Fisteln enden blind. Ist kein Anschluss nach innen oder außen mehr vorhanden, entsteht eine Zyste.
Synopsis Verlauf und Lokalisation lateraler Halsfisteln und -zysten
laterale Halszyste
N. hypoglossus
Os hyoideum
A. carotis interna A. carotis communis Larynx M. sternocleidomastoideus Fistelgang Glandula thyreoidea
Trachea
a Schematische Darstellung des Verlaufs lateraler Halsfisteln mit typischer Lokalisation der Fistelöffnung am Vorderrand des M. sternocleidomastoideus (linke Bildseite) sowie typische Lokalisationen lateraler Halszysten (rechte Bildseite).
--
*
--
--
-*
--
----
-D2 – *
-- -Z -
--
D1 * ACE
b Befund bei Inspektion.
c Ultraschallbild: Z = Zyste; ACE = A. carotis externa. Die Zyste ist im B-Scan eine echoarme Raumforderung (D = Durchmesser).
N. accessorius d Intraoperativer Situs.
e Operationspräparat. Die Einschnürung am Präparat stammt vom N. accessorius, der bei der Operation geschont wurde.
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15.2.2 Halsrippe
Symptome. Eine äußere Fistelöffnung liegt immer am Vorderrand des M. sternocleidomastoideus im vorderen Halsdreieck ( 1 B-15-6 a). Sie ist in der Regel einseitig und bereits bei der Geburt vorhanden, aber häufig kaum erkennbar. Erst bei Infektion kommt es zur Verhaltbildung oder eitrigen Sekretion aus der Fistelöffnung. Zysten imponieren als tastbare Resistenzen im lateralen Teil des vorderen Halsdreiecks ( 1 B-15.6 b).
Symptome. Eine äußere Fistelöffnung liegt immer am Vorderrand des M. sternocleidomastoideus ( 1 B-15.6 a). Zysten imponieren als tastbare Resistenzen im lateralen Teil des vorderen Halsdreiecks ( 1 B-15.6 b).
Diagnose. Aufgrund der typischen Fistellokalisation ist die Diagnose bei
Diagnose. Die typische Fistellokalisation erleichtert die Diagnose.
Säuglingen und Kleinkindern einfach. Zysten können bis ins Erwachsenenalter unentdeckt bleiben. Eine präoperative Ultraschalluntersuchung des Halses kann den Nachweis einer flüssigkeitsgefüllten Zyste erbringen.
Die Ultraschalluntersuchung hilft beim Nachweis der Zyste.
Differenzialdiagnose. Differenzialdiagnostisch kommen sekundäre Fisteln
Differenzialdiagose. Differenzialdiagnostisch kommen sekundäre Fisteln anderer Ursache, Tumoren und Lymphknotenschwellungen in Frage.
Therapie. Die möglichst frühzeitige vollständige Exstirpation der Zyste bzw.
Therapie. Die möglichst frühzeitige vollständige Exstirpation der Zyste bzw. Fistel ist anzustreben.
anderer Ursache in Frage. Bei Zysten ist neben Tumoren und einer Lymphadenitis v.a. an Lymphome im Rahmen einer Systemerkrankung zu denken. Daher sollte bei der klinischen Untersuchung auch auf Lymphknotenvergrößerungen in anderen Körperregionen geachtet werden.
Fistel ist anzustreben. Ist es bereits zur Abszedierung gekommen, muss diese zunächst dräniert werden. Komplikationen können durch unvollständige Entfernung oder Verletzung benachbarter Strukturen (Karotisgabel, N. hypoglossus) hervorgerufen werden.
15.2.2
Halsrippe
n Definition. Als Halsrippen werden überzählige Rippen oder Rippenstummel am 7. (seltener am 6.) Halswirbelkörper bezeichnet, die meist bindegewebig mit der 1. Rippe verbunden sind.
15.2.2 Halsrippe Definition
Die Halsrippenbildung ist in der Regel beidseitig und tritt bei Frauen häufiger auf. Je nach Ausprägung kann diese Skelettanomalie mit weiteren anatomischen Varianten vergesellschaftet sein (veränderte Segmentgliederung des Plexus brachialis, Lagevarianten der A. subclavia bzw. ihrer Äste und des Ansatzes der Skalenusmuskeln). Typische Beschwerden werden durch Kompression des Gefäßnervenstranges hervorgerufen. Man spricht daher auch von einem neurovaskulären Kompressionssyndrom oder einem »Thoracic-outlet-Syndrom« (s. Kap. B-24.1.5).
Halsrippen treten meist beidseitig und häufiger bei Frauen auf. Sie können Ursache eines neurovaskulären Kompressions- oder sog. Thoracicoutlet-Syndroms sein (s. Kap. B-24.1.5). Typische Beschwerden werden durch Kompression des Gefäßnervenstranges hervorgerufen.
Symptome. Die Symptomatik kann sich durch Sensibilitätsausfälle, Parästhesien, einstrahlende Schmerzen oder Schwächegefühl im Arm äußern. Es kann auch zur venösen Abflussbehinderung oder zur Drosselung des arteriellen Zustroms kommen. In diesem Fall lässt sich evtl. eine Abschwächung des Radialispulses im Vergleich zur Gegenseite bereits in Ruhe oder bei bestimmten Bewegungen (Hyperextension, Abduktion) nachweisen.
Symptome. Schmerzen, Sensibilitätsstörungen, venöse Abflussbehinderung und Abschwächung des Radialispulses in Ruhe oder bei bestimmten Bewegungen (Hyperextension, Abduktion) können auftreten.
Diagnose. Die Operationsindikation muss besonders sorgfältig abgewogen werden und darf erst nach ausreichender Diagnostik gestellt werden. Zur präoperativen Diagnostik gehört neben der gründlichen klinischen Untersuchung (zum Ausschluss tastbarer Tumoren im Hals- oder Axillabereich) je nach Symptomatik eine Röntgenuntersuchung der Halswirbelsäule und des Thorax sowie ein neurologischer Befund. Zum Nachweis einer Gefäßeinengung ist eine Angiographie erforderlich. Um Prozesse im Bereich der Wirbelsäule bzw. des Rückenmarks auszuschließen, kann eine Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) erforderlich werden.
Diagnose. Eine Operationsindikation darf erst nach ausreichender Diagnostik gestellt werden. Hierzu gehören klinische Untersuchung, neurologischer Befund, Röntgen, Angiographie und ggf. CT und MRT.
Differenzialdiagnose. Ursache der genannten Beschwerden kann auch eine
Differenzialdiagnose. Differenzialdiagnostisch kommt ein kostoklavikuläres
Kompression des Gefäßnervenbündels zwischen normal angelegter 1. Rippe
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648
15 Hals
Syndrom oder ein Skalenussyndrom ( 1 B-15.7) sowie eine Reihe anderer Ursachen in Frage ( 1 B-15.8).
und Klavikula oder eine Hypertrophie des M. scalenus anterior sein ( 1 B-15.7). Man spricht dann von einem kostoklavikulären Syndrom oder einem Skalenussyndrom. Differenzialdiagnostisch müssen weitere Ursachen ausgeschlossen werden ( 1 B-15.8).
1 B-15.7
Synopsis Anatomische Voraussetzungen zur Entstehung des neurovaskulären Kompressionssyndromes
M. scalenus anterior Halsrippe Bindegewebestrang 1. Rippe Plexus brachialis
Klavikula A. subclavia V. subclavia
1 B-15.8
Synopsis Ätiologie und Differenzialdiagnose neurovaskulärer Kompressionssyndrome der Hals- und Schulterregion
Symptome • Parästhesien • ausstrahlende Schmerzen spontan oder bei Belastung • Schwächegefühl des Armes • Schwellung, venöse Abflussbehinderung • Abschwächung des Radialispulses • Muskelatrophie mögliche Ursachen
Wirbelsäulenverletzungen (degenerativ)
Gefäßerkrankungen (Aneurysma, Thrombose)
neurovaskuläre Kompression (Thoracicoutlet-Syndrom)
Rückenmarkserkrankungen
Axillatumoren
mögliche Ursachen
kostoklavikuläre Enge
Therapie. Nach erfolgloser konservativer (physikalischer) Therapie besteht bei objektivierbaren Befunden eine Operationsindikation. Von einem transaxillären (cave: Plexusverletzung!) oder supraklavikulären Zugang aus erfolgt, je nach Befund, die Beseitigung der Gefäßnervenkompression, z.B. durch Resektion der Halsrippe oder Muskeldurchtrennung.
Enge der Skalenuslücke
korakopektorale Enge
Therapie. Bei nicht eindeutigen Befunden sollte eine konservative Behand-
lung mit physikalischer Therapie versucht werden. Im Falle objektivierbarer Veränderungen (z.B. angiographischer Nachweis einer Einengung der A. subclavia) besteht eine Indikation zur chirurgischen Therapie. Ziel ist die Beseitigung der mechanischen Kompression. Dies kann, je nach Befund, durch die Resektion der Halsrippe, der 1. Rippe, mittels Durchtrennung des M. scalenus anterior oder durch die Abtrennung des M. pectoralis minor vom Proc. coracoideus erreicht werden. Der Zugang erfolgt transaxillär (cave: Plexusverletzung!) oder supraklavikulär.
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649
15.4.1 Perforierende Verletzungen
n Merke. Das Vorhandensein von Halsrippen führt nur in ca. 10 % aller Fälle zu Beschwerden und stellt daher per se noch keine Operationsindikation dar.
15.3
Muskulärer Schiefhals
15.3
n Definition. Es handelt sich um eine einseitige Verkürzung des M. sternocleidomastoideus mit narbig-fibröser Umwandlung ( 1 B-15.9).
1 B-15.9
Merke
Muskulärer Schiefhals
Definition
Synopsis Muskulärer Schiefhals Schematische Darstellung der Veränderungen beim muskulären Schiefhals mit Verkürzung des linken M. sternocleidomastoideus, Neigung des Kopfes zur erkrankten Seite und Drehung zur Gegenseite, Schädelasymmetrie mit Konvergenz der Gesichtsebenen auf der erkrankten Seite.
Ätiologie. Meist liegt eine intrauterine Fehllage zugrunde.
Ätiologie. Ursache ist meist eine intrauterine Fehllage.
Symptome. Die Veränderung tritt unmittelbar postnatal auf und führt zur
Symptome. Neigung des Kopfes zur kranken und eine Rotation zu Gegenseite.
Therapie. Die Therapie besteht beim Neugeborenen in korrigierender Lage-
Therapie. Die Korrektur der Fehlhaltung erfolgt durch Lagerung und Krankengymnastik oder chirurgisch.
Neigung des Kopfes zur erkrankten und Rotation zur Gegenseite.
rung und Krankengymnastik. Chirurgisch wird die Sehne des Muskels durchtrennt mit postoperativer krankengymnastischer Therapie. Die Behandlung erfolgt in der Regel im Rahmen der kinderchirurgischen oder orthopädischen Versorgung.
15.4
Verletzungen
15.4
15.4.1
Perforierende Verletzungen
15.4.1 Perforierende Verletzungen
Verletzungen
Schnittwunden
Schnittwunden
Bei Haus- oder Verkehrsunfällen sind Glassplitter oder Glasbruchkanten die Hauptverletzungsursache, während durch Messer oder Rasierklingen verursachte Schnittwunden am häufigsten im Rahmen von Gewaltverbrechen oder suizidalen Handlungen auftreten.
Schnittwunden im Halsbereich entstehen durch Haus- und Verkehrsunfälle, Gewaltverbrechen oder suizidale Handlungen.
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15.4.1 Perforierende Verletzungen
n Merke. Das Vorhandensein von Halsrippen führt nur in ca. 10 % aller Fälle zu Beschwerden und stellt daher per se noch keine Operationsindikation dar.
15.3
Muskulärer Schiefhals
15.3
n Definition. Es handelt sich um eine einseitige Verkürzung des M. sternocleidomastoideus mit narbig-fibröser Umwandlung ( 1 B-15.9).
1 B-15.9
Merke
Muskulärer Schiefhals
Definition
Synopsis Muskulärer Schiefhals Schematische Darstellung der Veränderungen beim muskulären Schiefhals mit Verkürzung des linken M. sternocleidomastoideus, Neigung des Kopfes zur erkrankten Seite und Drehung zur Gegenseite, Schädelasymmetrie mit Konvergenz der Gesichtsebenen auf der erkrankten Seite.
Ätiologie. Meist liegt eine intrauterine Fehllage zugrunde.
Ätiologie. Ursache ist meist eine intrauterine Fehllage.
Symptome. Die Veränderung tritt unmittelbar postnatal auf und führt zur
Symptome. Neigung des Kopfes zur kranken und eine Rotation zu Gegenseite.
Therapie. Die Therapie besteht beim Neugeborenen in korrigierender Lage-
Therapie. Die Korrektur der Fehlhaltung erfolgt durch Lagerung und Krankengymnastik oder chirurgisch.
Neigung des Kopfes zur erkrankten und Rotation zur Gegenseite.
rung und Krankengymnastik. Chirurgisch wird die Sehne des Muskels durchtrennt mit postoperativer krankengymnastischer Therapie. Die Behandlung erfolgt in der Regel im Rahmen der kinderchirurgischen oder orthopädischen Versorgung.
15.4
Verletzungen
15.4
15.4.1
Perforierende Verletzungen
15.4.1 Perforierende Verletzungen
Verletzungen
Schnittwunden
Schnittwunden
Bei Haus- oder Verkehrsunfällen sind Glassplitter oder Glasbruchkanten die Hauptverletzungsursache, während durch Messer oder Rasierklingen verursachte Schnittwunden am häufigsten im Rahmen von Gewaltverbrechen oder suizidalen Handlungen auftreten.
Schnittwunden im Halsbereich entstehen durch Haus- und Verkehrsunfälle, Gewaltverbrechen oder suizidale Handlungen.
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650
15 Hals
Die größte Gefahr stellt die Verblutung dar. Eine Beteiligung des Gefäßnervenstranges ist immer akut lebensbedrohlich, bei Verletzung der V. jugularis interna besteht die Gefahr der Luftembolie. Die Behandlung besteht aus Schockbekämpfung und der Wundversorgung unter besonderer Beachtung der Gefäßverletzung.
Die größte Gefahr stellt die Blutung dar. Bereits eine Verletzung der oberflächlichen epifaszialen Venen kann zu erheblichen Blutverlusten führen, ebenso Verletzungen der Halsmuskulatur. Immer akut lebensbedrohlich ist eine Beteiligung des Gefäßnervenstrangs. Neben der akuten Verblutungsgefahr besteht bei Verletzung der V. jugularis interna aus anatomischen Gründen (s. S. 642) auch die Gefahr der Luftembolie. Die Primärbehandlung besteht aus Schockbekämpfung und lokaler digitaler Kompression der Gefäßläsion. Bei der anschließenden Wundversorgung werden oberflächliche Gefäße ligiert, größere Gefäße nach den Regeln der Gefäßchirurgie (s. Kap. B-24.1.9) rekonstruiert.
Schussverletzungen
Schussverletzungen
Es handelt sich meist um schwere, wegen der ausgedehnten Gewebszerreißung häufig tödlich verlaufende Verletzungen.
Schusswunden am Hals sind gekennzeichnet durch eine hohe Letalität als Folge des Blutverlustes und der ausgedehnten Gewebszerreißung. Lediglich bei kleinem Kaliber (z.B. Luftgewehr) und günstiger Lage des Schusskanals sind Durchschüsse ohne vital bedrohliche Verletzungen möglich.
15.4.2 Andere Verletzungsmechanismen
15.4.2
Stumpfe Gewalteinwirkung
Stumpfe Gewalteinwirkung
Prellungen im Bereich des Halses können zu Ödem oder Hämatomschwellung sowie zu Luxationen und Frakturen des Kehlkopfskeletts oder Trachealrupturen führen. Klinisch können Schwellung, Luftnot und ein Hautemphysem vorliegen. Wichtigste therapeutische Maßnahme ist die Freihaltung der Atemwege, evtl. durch Intubation oder Tracheotomie (s. S. 653 ff.). Ein Schlag auf das Ganglion caroticum kann vegetative Reaktionen bis zur Bewusstlosigkeit auslösen.
Prellungen im Bereich des Halses können zu Weichteileinblutungen führen, die sich in der Regel spontan resorbieren. Eine Kehlkopfprellung durch Schlag oder Strangulation kann zu einem Ödem oder einer Hämatomschwellung mit zunehmender Luftnot führen. Auch Luxationen oder Frakturen im Bereich des Kehlkopfskelettes oder Einrisse der zervikalen Trachea sind möglich. Hierdurch entsteht ein Hautemphysem, das bei der Palpation als sog. »Schneeknistern« eindeutig zu diagnostizieren ist. Therapeutisch stehen abschwellende Maßnahmen, Beobachtung und ggf. die Freihaltung der Atemwege durch Intubation oder Tracheotomie im Vordergrund (s. S. 653 ff.). Ein Schlag im Bereich des Karotisdreiecks kann durch Irritation des Ganglion caroticum schwere vegetative Reaktionen (Blutdruckabfall, Bradykardie) bis hin zur Bewusstlosigkeit auslösen.
Verschluckte Fremdkörper
Verschluckte Fremdkörper
Durch verschluckte Fremdkörper oder ätzende Flüssigkeiten entstehen v.a. Ösophagusverletzungen.
Fremdkörper, die versehentlich (z.B. Rollmopsspieß) oder in suizidaler Absicht (z.B. Rasierklingen) verschluckt werden, können ebenso wie Säuren und Laugen zu schweren Schädigungen, insbesondere des Ösophagus, bis hin zur Perforation führen (s. Kap. B-1.7).
Insektenstiche
Insektenstiche
Durch Stiche verschluckter Wespen kann es innerhalb von Minuten zu lebensbedrohlicher Luftnot kommen.
Einen Sonderfall stellen Stiche durch versehentlich verschluckte Insekten, insbesondere Wespen dar. Besonders bei hierzu disponierten Personen kann es innerhalb von Minuten zu einer massiven Schleimhautschwellung im Bereich des Rachenringes, der Zunge und des Kehlkopfeingangs mit resultierender lebensbedrohlicher Luftnot kommen. Die Behandlung besteht in lokaler Kühlung (Lutschen von Eiswürfeln) und intravenöser Gabe von Antihistaminika und Kortison. Falls erforderlich, müssen die Luftwege durch endotracheale Intubation oder Tracheotomie freigehalten werden.
Die Behandlung besteht aus abschwellenden Maßnahmen und Freihaltung der Luftwege.
15.5
Tumoren
Ätiologie und Symptomatik. Tumoren im Bereich des Halses können sich durch Heiserkeit, Schluckbeschwerden oder eine tastbare Resistenz bemerkbar machen. Ursache eines tastbaren Halstumors können gutartige Tumoren, Zysten oder Lymphknoten sein ( 1 B-15.10).
15.5
Andere Verletzungsmechanismen
Tumoren
Ätiologie und Symptome. Tumoren im Bereich des Halses können sich durch Heiserkeit (Larynxkarzinom, Schilddrüsenkarzinom, s. a. Kap. B-16), Schluckbeschwerden (Ösophaguskarzinom, s. a. Kap. B-1.9) oder eine tastbare Resistenz bemerkbar machen. Ursache eines tastbaren Halstumors ( 1 B-15.10) können gutartige Tumoren wie Atherome, Lipome, Fibrome, angeborene Zysten oder Lymphknotenvergrößerungen sein.
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15 Hals
Die größte Gefahr stellt die Verblutung dar. Eine Beteiligung des Gefäßnervenstranges ist immer akut lebensbedrohlich, bei Verletzung der V. jugularis interna besteht die Gefahr der Luftembolie. Die Behandlung besteht aus Schockbekämpfung und der Wundversorgung unter besonderer Beachtung der Gefäßverletzung.
Die größte Gefahr stellt die Blutung dar. Bereits eine Verletzung der oberflächlichen epifaszialen Venen kann zu erheblichen Blutverlusten führen, ebenso Verletzungen der Halsmuskulatur. Immer akut lebensbedrohlich ist eine Beteiligung des Gefäßnervenstrangs. Neben der akuten Verblutungsgefahr besteht bei Verletzung der V. jugularis interna aus anatomischen Gründen (s. S. 642) auch die Gefahr der Luftembolie. Die Primärbehandlung besteht aus Schockbekämpfung und lokaler digitaler Kompression der Gefäßläsion. Bei der anschließenden Wundversorgung werden oberflächliche Gefäße ligiert, größere Gefäße nach den Regeln der Gefäßchirurgie (s. Kap. B-24.1.9) rekonstruiert.
Schussverletzungen
Schussverletzungen
Es handelt sich meist um schwere, wegen der ausgedehnten Gewebszerreißung häufig tödlich verlaufende Verletzungen.
Schusswunden am Hals sind gekennzeichnet durch eine hohe Letalität als Folge des Blutverlustes und der ausgedehnten Gewebszerreißung. Lediglich bei kleinem Kaliber (z.B. Luftgewehr) und günstiger Lage des Schusskanals sind Durchschüsse ohne vital bedrohliche Verletzungen möglich.
15.4.2 Andere Verletzungsmechanismen
15.4.2
Stumpfe Gewalteinwirkung
Stumpfe Gewalteinwirkung
Prellungen im Bereich des Halses können zu Ödem oder Hämatomschwellung sowie zu Luxationen und Frakturen des Kehlkopfskeletts oder Trachealrupturen führen. Klinisch können Schwellung, Luftnot und ein Hautemphysem vorliegen. Wichtigste therapeutische Maßnahme ist die Freihaltung der Atemwege, evtl. durch Intubation oder Tracheotomie (s. S. 653 ff.). Ein Schlag auf das Ganglion caroticum kann vegetative Reaktionen bis zur Bewusstlosigkeit auslösen.
Prellungen im Bereich des Halses können zu Weichteileinblutungen führen, die sich in der Regel spontan resorbieren. Eine Kehlkopfprellung durch Schlag oder Strangulation kann zu einem Ödem oder einer Hämatomschwellung mit zunehmender Luftnot führen. Auch Luxationen oder Frakturen im Bereich des Kehlkopfskelettes oder Einrisse der zervikalen Trachea sind möglich. Hierdurch entsteht ein Hautemphysem, das bei der Palpation als sog. »Schneeknistern« eindeutig zu diagnostizieren ist. Therapeutisch stehen abschwellende Maßnahmen, Beobachtung und ggf. die Freihaltung der Atemwege durch Intubation oder Tracheotomie im Vordergrund (s. S. 653 ff.). Ein Schlag im Bereich des Karotisdreiecks kann durch Irritation des Ganglion caroticum schwere vegetative Reaktionen (Blutdruckabfall, Bradykardie) bis hin zur Bewusstlosigkeit auslösen.
Verschluckte Fremdkörper
Verschluckte Fremdkörper
Durch verschluckte Fremdkörper oder ätzende Flüssigkeiten entstehen v.a. Ösophagusverletzungen.
Fremdkörper, die versehentlich (z.B. Rollmopsspieß) oder in suizidaler Absicht (z.B. Rasierklingen) verschluckt werden, können ebenso wie Säuren und Laugen zu schweren Schädigungen, insbesondere des Ösophagus, bis hin zur Perforation führen (s. Kap. B-1.7).
Insektenstiche
Insektenstiche
Durch Stiche verschluckter Wespen kann es innerhalb von Minuten zu lebensbedrohlicher Luftnot kommen.
Einen Sonderfall stellen Stiche durch versehentlich verschluckte Insekten, insbesondere Wespen dar. Besonders bei hierzu disponierten Personen kann es innerhalb von Minuten zu einer massiven Schleimhautschwellung im Bereich des Rachenringes, der Zunge und des Kehlkopfeingangs mit resultierender lebensbedrohlicher Luftnot kommen. Die Behandlung besteht in lokaler Kühlung (Lutschen von Eiswürfeln) und intravenöser Gabe von Antihistaminika und Kortison. Falls erforderlich, müssen die Luftwege durch endotracheale Intubation oder Tracheotomie freigehalten werden.
Die Behandlung besteht aus abschwellenden Maßnahmen und Freihaltung der Luftwege.
15.5
Tumoren
Ätiologie und Symptomatik. Tumoren im Bereich des Halses können sich durch Heiserkeit, Schluckbeschwerden oder eine tastbare Resistenz bemerkbar machen. Ursache eines tastbaren Halstumors können gutartige Tumoren, Zysten oder Lymphknoten sein ( 1 B-15.10).
15.5
Andere Verletzungsmechanismen
Tumoren
Ätiologie und Symptome. Tumoren im Bereich des Halses können sich durch Heiserkeit (Larynxkarzinom, Schilddrüsenkarzinom, s. a. Kap. B-16), Schluckbeschwerden (Ösophaguskarzinom, s. a. Kap. B-1.9) oder eine tastbare Resistenz bemerkbar machen. Ursache eines tastbaren Halstumors ( 1 B-15.10) können gutartige Tumoren wie Atherome, Lipome, Fibrome, angeborene Zysten oder Lymphknotenvergrößerungen sein.
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651
15.5 Tumoren
1 B-15.10
Synopsis Differenzialdiagnose des tastbaren Halstumors
• Trauma? • Entzündungen? • Voroperationen? • maligne Grunderkrankung bekannt?
• Druckschmerzhaftigkeit? • Rötung? • Fluktuation? • Verschieblichkeit?
benigne • Atherom • Fibrom • Lipom • Halszyste • Strumaknoten • Hämatom
Anamnese
klinische Untersuchung
Differenzialdiagnose
entzündlich • Lymphadenitis • Abszess • infizierte Zyste
• Symptomatik (Schmerzen, Schluckbeschwerden, Heiserkeit, Hinweise auf Hyperthyreose?) • Dauer der Beschwerden? • Größenzunahme?
• Konsistenz? • Lokalisation? • Lymphknotenvergrößerungen in anderen Körperregionen?
maligne • malignes Lymphom • Schilddrüsenkarzinom • Lymphknotenmetastasen (Larynx, Pharynx, Schilddrüse, Mamma, Bronchialsystem, Gastrointestinaltrakt)
Durch lokale entzündliche Prozesse oder generalisierte Infekte kann es zu einer zervikalen Lymphadenitis kommen. Tastbare Lymphknotenvergrößerungen können aber auch Hinweis auf eine maligne Erkrankung sein. Bei den Systemerkrankungen der lymphatischen Organe (malignes Lymphom) ist die Halsregion häufig betroffen. Maligne Tumoren des Larynx und Pharynx können durch tastbare zervikale Lymphknotenmetastasen klinisch auffällig werden. Seltener kommen auch zervikale Lymphknotenmetastasen gastrointestinaler Karzinome sowie von Mamma-, Bronchial- und Schilddrüsenkarzinomen vor. Gelegentlich stellt dies das 1. Symptom einer zuvor nicht bekannten Erkrankung dar. Als klassisches Beispiel gilt die Lymphknotenvergrößerung links supraklavikulär an der Einmündung des Ductus thoracicus in die V. subclavia (sog. »Virchow-Drüse«) als Hinweis auf ein fortgeschrittenes Magenkarzinom.
Zervikale Lymphknotenvergrößerungen treten bei entzündlichen Prozessen sowie Systemerkrankungen (malignes Lymphom) und malignen Tumoren des Larynx und Pharynx auf.
Diagnose. Das diagnostische Vorgehen wird durch die Anamnese und den
Diagnose. Die Primärdiagnostik umfasst eine gründliche klinische Untersuchung, Sonographie und HNO-ärztliche Untersuchung.
Therapie
Therapie
klinischen Befund bestimmt. Neben der gründlichen klinischen Untersuchung stehen die Sonographie der Halsregion und die HNO-ärztliche Untersuchung an erster Stelle.
n Merke. Jede länger bestehende Lymphknotenvergrößerung am Hals muss abgeklärt werden. Durch Feinnadelpunktion kann eine Zytologie gewonnen werden. Im Zweifelsfall sollte aber eine diagnostische Lymphknotenexstirpation zur histologischen und ggf. mikrobiologischen Untersuchung erfolgen.
Kleine oberflächliche Tumoren oder Lymphknoten werden in Lokalanästhesie entfernt. Größere Tumoren oder tiefergelegene Lymphknoten sollten in Allgemeinnarkose operiert werden. Mögliche Komplikationen sind Blutungen und Nervenverletzungen sowie die Ausbildung einer Lymphfistel.
Seltener sind zervikale Lymphknotenmetastasen verschiedener intra- und extraabdomineller Karzinome. Der vergrößerte Lymphknoten links supraklavikulär beim Magenkarzinom wird als »Virchow-Drüse« bezeichnet.
Merke
Größere Tumoren oder tiefergelegene Lymphknoten sollten in Allgemeinnarkose entfernt werden. Mögliche Komplikationen sind Blutung, Nervenverletzung und Lymphfistel.
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652
15 Hals
Praktischer Tipp
n Praktischer Tipp. Lymphknotenvergrößerungen im lateralen Halsdreieck sind häufig in unmittelbarer Nähe des N. accessorius (R. externus) gelegen. Die Gefahr der Verletzung dieses motorischen Nervs muss bei der Patientenaufklärung unbedingt erwähnt und im Aufklärungsbogen dokumentiert werden. Klinisch manifestiert sich eine Parese durch Schulterschmerzen bei Bewegung und einen Schultertiefstand mit Atrophie des oberen Trapeziusrandes. Zur Vermeidung dieser Komplikation sind anatomische Kenntnisse des Nervenverlaufes sowie eine atraumatische und übersichtliche Operationstechnik unabdingbar. Manche Chirurgen verwenden einen Nervenstimulator zur intraoperativen Identifizierung.
Klinischer Fall Eine 70-jährige Patientin stellt sich wegen eines tastbaren supraklavikulären Lymphknotens an der linken Halsseite vor. Sie klagt außerdem über Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust von 10 kg im letzten 1⁄2 Jahr. Der Lymphknoten wird entfernt, die histolo-
15.6
Entzündungen
Ätiologie. Infektionen des NasenRachen-Raumes, des Mittelohres oder der Zahnwurzeln können zu Lymphangitis, Lymphadenitis, Abszessen und Phlegmonen führen, die sich bis ins Mediastinum fortsetzen können. Oberflächliche Infektionen werden durch Furunkel oder Atherome hervorgerufen. Als Karbunkel wird eine ausgedehnte, teils nekrotisierende Entzündung der Haarfollikel im Nacken bezeichnet, v.a. bei Diabetes vorkommend. Eine Phlegmone stellt eine diffuse Entzündung der Halsweichteile meist bakterieller Genese dar. Therapie. Sanierung des Primärherdes sowie Gabe von Antibiotika. Bei Abszedierung Inzision mit Spülung und ggf. Dränage der Abszesshöhle. Karbunkel sollten vollständig exzidiert werden. Alle Wunden werden der Sekundärheilung überlassen.
15.6
gische Untersuchung ergibt die Metastase eines Adenokarzinoms. Bei der daraufhin durchgeführten Gastroskopie wird ein fortgeschrittenes Magenkarzinom diagnostiziert.
Entzündungen
Ätiologie. Infektionen des Nasen-Rachen-Raumes, des Mittelohres oder der
Zahnwurzeln sind die häufigsten Ursachen einer zervikalen Lymphangitis oder Lymphadenitis. Schreitet die Entzündung fort, kann es zu einer Einschmelzung mit Abszedierung und Fistelbildung bzw. Entwicklung einer Halsphlegmone kommen. Die Ausbreitung des entzündlichen Prozesses erfolgt innerhalb der durch die Halsfaszien vorgegebenen anatomischen Räume und kann auf diesem Weg das Mediastinum erreichen. Oberflächliche Infektionen werden durch Haarbalgentzündungen (Follikulitis, Furunkel) oder infizierte Atherome (»Grützbeutel«) hervorgerufen. Als Karbunkel wird eine ausgedehnte, teils nekrotisierende Entzündung im Nacken bezeichnet, die ebenfalls von den Haarfollikeln ausgeht, das benachbarte Gewebe miteinbezieht und überwiegend bei Diabetikern auftritt. Eine Phlegmone stellt eine diffuse Entzündung der Halsweichteile meist bakterieller Genese dar, die mit Rötung, Schwellung, Spannungsgefühl und lokaler Druckschmerzhaftigkeit einhergeht.
Therapie. Die Behandlung besteht in der Sanierung des Primärherdes (z.B. Zahnwurzelvereiterung) sowie Gabe von Antibiotika. Durch frühzeitige Anwendung potenter Antibiotika sind schwere, chirurgisch zu behandelnde Infektionen der tiefen Halsweichteile heute selten geworden. Kommt es aber zur Abszedierung, erfolgt eine breite Freilegung mit Spülung und Dränage der Abszesshöhle. Oberflächliche Abszesse werden inzidiert, Karbunkel sollten vollständig exzidiert werden. Alle Wunden werden der Sekundärheilung überlassen.
Klinischer Fall Ein 55-jähriger Patient hatte seit mehreren Wochen langsam zunehmende Schluckbeschwerden bemerkt. Akut war es innerhalb weniger Tage zu einer entzündlichen Schwellung der rechten Halsseite mit Fieber, Rötung und starkem Druckschmerz gekommen. Der Abszess wird chirurgisch eröffnet, es findet sich eine mit Eiter gefüllte
Nekrosehöhle, Gewebeproben ergeben Anteile eines Plattenepithelkarzinoms. Die weitere Diagnostik ergibt als Ursache ein Ösophaguskarzinom, das durch Infiltration der Umgebung und Fistelbildung eine Abszedierung der Halsweichteile verursacht hatte.
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653
15.7 Tracheotomie
15.7
Tracheotomie
15.7
n Definition. Notfallmäßiger oder geplanter operativer Zugang zur Trachea bei Ateminsuffizienz oder Erkrankungen und Verletzungen im Bereich der oberen Luftwege, die eine Atmung auf natürlichem Wege nicht zulassen.
Indikation. Ein Tracheostoma kann passager oder permanent erforderlich sein. Die Indikation kann notfallmäßig bei akuten Erkrankungen oder Verletzungen der oberen Luftwege gegeben sein, wenn eine Beatmung durch endotracheale Intubation nicht möglich ist. Die geplante Anlage eines Tracheostomas erfolgt im Rahmen der chirurgischen Therapie bei Tumoren der oberen Luftwege oder bei Patienten, bei denen eine Langzeitbeatmung erforderlich ist.
1 B-15.11
Tracheotomie
Definition
Indikation. Ein Tracheostoma kann passager oder permanent, notfallmäßig und geplant angelegt werden. Hauptindikationen: akute Erkrankungen oder Verletzungen der oberen Luftwege, chronische Ateminsuffizienz (z.B. bei Tumoren).
Synopsis Koniotomie und Tracheotomie
a Koniotomie: notfallmäßiger Luftröhrenschnitt durch das Lig. cricothyreoideum (conicum).
c Zustand nach Anlage eines plastischen Tracheostomas (Seitansicht, schematisch).
b Tracheotomie: Zugang über queren (alternativ: Längs-, T-, H-förmigen) Schnitt.
d Tracheostoma mit Kanüle.
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654 Operationstechnik ( 1 B-15.11) Koniotomie: notfallmäßiger Zugang zur Luftröhre durch das Lig. cricothyreoideum (conicum).
Merke
Die Tracheotomie wird meist als plastisches Stoma unter Eröffnung der 2.–4. Trachealspange und Fixierung der Haut an der Trachealwand und einem kaudal gestielten Tracheallappen angelegt. Seltener nicht plastisch wegen möglicher Komplikationen (Blutung, Infektion, erschwerter Kanülenwechsel).
Bei der Punktions- oder Dilatationstracheotomie erfolgt eine Punktion und Aufdehnung der Tracheaöffnung zur Kanüleneinlage.
15 Hals
Operationstechnik. Je nach Situation und Indikation kommen verschiedene
Methoden der Tracheotomie zur Anwendung ( 1 B-15.11). Die Koniotomie stellt einen notfallmäßigen Zugang zur Luftröhre dar. Das Lig. cricothyreoideum (conicum) lässt sich zwischen Schild- und Ringknorpel als Vertiefung unter der Haut tasten. Nach Durchtrennung von Haut und Subkutis kann das Ligament quer durchtrennt werden. n Merke. Eine Koniotomie kann jederzeit und überall durchgeführt werden. Sind im Notfall chirurgische Instrumente nicht verfügbar, kann ein Küchen- oder Taschenmesser lebensrettend sein. Das Offenhalten des Zugangs erfolgt durch eine spezielle Trachealkanüle oder alternativ z.B. durch eine leere Kugelschreiberhülse oder ein anderes Röhrchen.
Die Tracheotomie wird im OP oder auf der Intensivstation in Lokalänasthesie oder in Vollnarkose durchgeführt. Hierzu wird ein Kocher-Kragenschnitt (quere Inzision ca. 2 cm oberhalb des Jugulums) angelegt, alternativ ein Längs-, T- oder H-förmiger Schnitt. Unter Zurseitehalten der geraden Halsmuskulatur wird die Trachea freipräpariert. In der Regel muss hierbei der Schilddrüsenisthmus durchtrennt werden. Die Eröffnung der Trachea erfolgt in Höhe der 2.–4. Trachealspange. In der Regel wird ein epitheliasiertes (plastisches) Tracheostoma angelegt. Hierbei wird ein kaudal gestielter Lappen der Tracheavorderwand an die Haut im unteren Wundpol genäht, die übrigen Hautränder werden ebenfalls an den Rändern der Tracheaöffnung fixiert. Beim nicht plastischen Tracheostoma wird die Kanüle in die Tracheaöffnung eingelegt, ohne eine Nahtfixierung der Trachealwand an der Haut vorzunehmen. Bei dieser Technik verschließt sich die Wunde im Gegensatz zum plastischen Stoma nach Dekanülierung selbsttätig. Wegen möglicher Komplikationen (Blutung, Infektion, erschwerter Kanülenwechsel) wird das nicht plastische Tracheostoma aber heute zunehmend seltener angelegt. Bei der Punktions- oder Dilatationstracheotomie wird nach Punktion der Trachea die Öffnung mittels eines Konus über einem Führungsdraht aufgedehnt und unter laryngoskopischer Kontrolle die Trachealkanüle platziert.
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Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
16
16
Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
Schilddrüse
Hans-Jürgen Klomp 16.1
Schilddrüse
16.1
16.1.1
Anatomie und Physiologie
16.1.1 Anatomie und Physiologie
Makroanatomie und Topographie
Makroanatomie und Topographie
Die Schilddrüse (Glandula thyreoidea) besteht aus 2 Lappen, die sich kaudal des Schildknorpels an Pharynx, Speiseröhre und Kehlkopf anlagern ( 1 B-16.1). Die beiden Lappen sind durch eine wechselnd stark ausgeprägte ventrale Gewebsbrücke miteinander verbunden. Dieser Schilddrüsenisthmus, der auch fehlen oder bindegewebig umgewandelt sein kann, liegt in Höhe des 2.–3. (4.) Trachealrings.
Die Schilddrüse (Glandula thyreoidea) besteht aus 2 Lappen, die sich kaudal des Schildknorpels an Pharynx, Speiseröhre und Kehlkopf anlagern ( 1 B-16.1) und durch den Schilddrüsenisthmus verbunden sind.
1 B-16.1
Synopsis Anatomie der Schilddrüsenregion
A. thyreoidea superior
Os hyoideum Lobus pyramidalis
Cartilago thyreoidea A. carotis
M. cricothyreoideus
V. jugularis interna
Glandula thyreoidea A. thyreoidea inferior V. thyreoidea media (Kocher)
Isthmus glandulae thyreoideae
N. laryngeus recurrens Trachea Vv. thyreoideae inferiores
Als Lobus pyramidalis wird ein inkonstant vorhandener, nach kranial reichender Drüsenausläufer bezeichnet, der sich, meist auf der linken Seite, bis zum Zungengrund erstrecken kann. Es handelt sich um ein Rudiment der in der Embryonalzeit herabgewanderten Schilddrüsenanlage (Ductus thyreoglossus). Dystope Schilddrüsenanlagen können im Bereich des Zungengrunds oder auch intrathorakal gelegen sein. Unter einer Schilddrüsenagenesie versteht man das völlige Fehlen einer Schilddrüsenanlage. Die mittlere Halsfaszie umhüllt die ventral der Schilddrüse gelegene gerade Halsmuskulatur (infrahyoidale Muskeln) ( 1 B-16.2). Sie bildet auch die derbe als Capsula externa oder Capsula fibrosa bezeichnete äußere Schilddrüsenkapsel. Die eigentliche Organkapsel (Capsula interna) ist zart und von spiegelnder Oberfläche. Der mit lockerem, schaumig wirkendem Bindegewebe angefüllte Verschieberaum zwischen beiden Blättern stellt die richtige Schicht zur Präparation der Schilddrüse dar (Spatium chirurgicum), während eine Verletzung der Organkapsel zu Parenchymblutungen führt. In dieser Schicht befinden sich auch die Nebenschilddrüsen und die Verzweigung der Organgefäße.
Als Lobus pyramidalis wird ein nach kranial reichender Drüsenausläufer bezeichnet, der ein Rudiment des Ductus thyreoglossus darstellt. Dystope Schilddrüsenanlagen können am Zungengrund oder intrathorakal gelegen sein. Als Schilddrüsenagenesie wird das Fehlen der Schilddrüsenanlage bezeichnet. Die Schilddrüse wird von der äußeren, der mittleren Halsfaszie zugehörigen Capsula externa (Capsula fibrosa) und von der inneren zarten Capsula interna umhüllt ( 1 B-16.2). Zwischen diesen Schichten erfolgt die korrekte chirurgische Präparation der Drüse (Spatium chirurgicum).
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656
16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
1 B-16.2
Synopsis Beziehung der Schilddrüse zu den Halsfaszien (Querschnitt) Spatium chirurgicum
Capsula fibrosa der Glandula thyreoidea Platysma
Trachea Ösophagus
Glandula thyreoidea
N. laryngeus recurrens
M. sternocleidomastoideus
Fascia cervicalis superficialis
V. jugularis interna
Fascia cervicalis media
A. carotis
Fascia cervicalis profunda Vagina carotica
N. vagus
Der Lymphabfluss erfolgt in paratracheale, zervikale und mediastinale Lymphknoten.
Im dorsalen Anteil verdichtet sich die Capsula fibrosa und fixiert die Schilddrüse an der Trachea durch derbe Bindegewebszüge. Diese Ligg. thyreoidea werden auch als Berry-Ligamente bezeichnet und sind für die Mitbewegung der Schilddrüse beim Schluckvorgang verantwortlich. Die Gefäßversorgung der Schilddrüse erfolgt in der Regel über 4 Arterien, die untereinander und mit den Arterien der Nachbarorgane einen Kollateralkreislauf bilden (s. 1 B-16.1). Selbst bei Unterbindung aller 4 Gefäße im Rahmen einer Operation bleibt der Schilddrüsenrest daher ausreichend durchblutet. Die A. thyreoidea superior stammt aus der A. carotis externa und zieht zum oberen Schilddrüsenpol. Die A. thyreoidea inferior ist ein Ast des Truncus thyreocervicalis, tritt am sog. De-Quervain-Punkt hinter der A. carotis hervor und erreicht nach meist geschlängeltem Verlauf den Schilddrüsenlappen von lateral. In weniger als 10 % ist eine von kaudal kommende unpaare Arterie vorhanden (A. thyreoidea ima). Lateral der Schilddrüse läuft der Gefäßnervenstrang des Halses mit A. carotis, V. jugularis und N. vagus. In der Rinne zwischen Trachea und Ösophagus läuft dorsal der Schilddrüse außerhalb der Capsula fibrosa der N. laryngeus recurrens, der die inneren Kehlkopfmuskeln motorisch versorgt. Seine Verletzung führt zur Lähmung des Stimmbands auf der betreffenden Seite. Bei beidseitiger Verletzung kommt es zur Paramedianstellung beider Stimmbänder mit starker Atemnot (inspiratorischer Stridor). Der Lymphabfluss erfolgt in die paratrachealen, zervikalen und zum Teil auch mediastinalen Lymphknotengruppen.
Mikroanatomie und Physiologie
Mikroanatomie und Physiologie
Die Schilddrüsenfollikel sind von Epithelzellen (Thyreozyten) ausgekleidet und mit extrazellulärem Kolloid (Thyreoglobulin) gefüllt ( 1 B-16.3).
Die aufgeschnittene Schilddrüse zeigt eine Läppchenstruktur, jedes Läppchen setzt sich aus mehreren Follikeln zusammen ( 1 B-16.3). Die Schilddrüsenfollikel sind von Epithelzellen (den Thyreozyten) ausgekleidet und mit einem extrazellulären Kolloid, dem Thyreoglobulin, gefüllt. Die Follikelepithelien synthetisieren unter Verwendung des im Blut zirkulierenden Jodids schrittweise die Schilddrüsenhormone Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (Tetrajodthyronin, T4), die an Thyreoglobulin gebunden im Kolloid des Follikels gespeichert werden. Im Bindegewebe zwischen den Follikeln liegen die parafollikulären oder C-Zellen, die das Hormon Kalzitonin produzieren. Die Ausschüttung dieser Substanz führt zu einer raschen, kurzdauernden Senkung des Kalziumspiegels im Blut.
Dorsal ist die Schilddrüse durch die Ligg. thyreoidea an der Trachea fixiert, wodurch sie beim Schluckakt mitbewegt wird. Die Gefäßversorgung der Schilddrüse erfolgt über 4 Arterien sowie Kollateralgefäße (s. 1 B-16.1).
Die A. thyreoidea superior stammt aus der A. carotis externa, die A. thyreoidea inferior aus dem Truncus thyreocervicalis, inkonstant findet sich kaudal eine A. thyreoidea ima. Lateral der Schilddrüse läuft der Gefäßnervenstrang des Halses. Dorsal der Schilddrüse läuft der N. laryngeus recurrens, dessen Verletzung zur Stimmbandlähmung führt. Eine beidseitige Verletzung führt zur Atemnot.
Die Follikelepithelien synthetisieren die Hormone Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (Tetrajodthyronin, T4), die im Follikel gespeichert werden. Parafollikuläre oder C-Zellen produzieren das Hormon Kalzitonin, das zur Senkung des Blutkalziumspiegels führt.
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16.1.1 Anatomie und Physiologie
1 B-16.3
657
Synopsis Schematische Darstellung der Schilddrüsenfollikel
Schilddrüsenkapsel
Follikel Epithelzelle (Thyreozyt) Kolloid
parafollikuläre C-Zellen
Jodidaufnahme, Hormonproduktion und Ausschüttung des Hormons in den Blutkreislauf unterliegen einem hypothalamisch-hypophysär gesteuerten, komplexen Regelkreis ( 1 B-16.4).
1 B-16.4
Die Steuerung der Hormonkonzentration im Blut unterliegt dem hypothalamisch-hypophysären Regelkreis ( 1 B-16.4).
Synopsis Regelkreis der Schilddrüsenhormonsynthese
Das Thyreotropin-Releasing-Hormon (TRH) aus dem Hypothalamus bewirkt die Freisetzung von TSH aus dem Hypophysenvorderlappen.
Hypothalamus
TRH Die Hypophyse steht im Zentrum der Regulation. Die Freisetzung des Thyreoidea stimulierenden Hormons (TSH) wird durch TRH und niedrige Blutspiegel der freien Schilddrüsenhormone stimuliert, durch hohe Hormonspiegel gehemmt.
Hypophyse
TSH
fT3/fT4
Die Hormonproduktion und -ausschüttung der Schilddrüse wird durch TSH stimuliert, unterliegt aber auch autoregulativen Mechanismen.
Schilddrüse
T3/T4 Die Schilddrüsenhormone werden überwiegend in gebundener Form auf dem Blutweg transportiert. Hormonell wirksam sind an den Zielorganen lediglich die nicht gebundenen, freien Hormone (fT3, fT4).
Blut
fT3/fT4
Zielorgane
Im Zentrum der Regulation steht dabei das im Hypophysenvorderlappen gebildete TSH (Thyreoidea stimulierendes Hormon, Thyreotropin), dessen Ausschüttung die Synthese und Freisetzung von Schilddrüsenhormon steigert und über die Serumkonzentration von freiem T3 und T4 gegenreguliert
Die TSH-Freisetzung aus der Hypophyse wird durch das hypothalamische TRH und die Bluthormonspiegel reguliert. TSH steigert die Hormonsynthese und -ausschüttung.
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Über 99 % der Schilddrüsenhormone sind gebunden, stoffwechselaktiv ist nur der freie Anteil. Peripher wirksam ist T3, das größtenteils aus T4 entsteht.
16.1.2 Schilddrüsenerkrankungen Merke
Störungen der Schilddrüsenfunktion Definition
16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen wird. Das im Hypothalamus produzierte TRH (Thyreotropin-Releasing-Hormon, Thyreoliberin) führt ebenso wie niedrige periphere Hormonspiegel zu einer Stimulation der TSH-Ausschüttung. Die Schilddrüsenhormone sind zu > 99 % im Serum an Globuline oder Albumine gebunden, stoffwechselaktiv ist nur der freie Anteil. Das peripher wirksame Hormon ist T3, das z.T. direkt von der Schilddrüse sezerniert wird, größtenteils aber durch Konversion aus T4 entsteht.
16.1.2
Schilddrüsenerkrankungen
n Merke. Eine Schilddrüsenerkrankung (z.B. Schilddrüsenvergrößerung oder -entzündung) muss nicht zwangsläufig von einer Funktionsstörung (z.B. Überfunktion) begleitet sein. Daher müssen Schilddrüsenerkrankungen und Störungen der Schilddrüsenfunktion bei Diagnostik und Therapie differenziert berücksichtigt werden.
Störungen der Schilddrüsenfunktion n Definition. Als Funktionsstörung bezeichnet man einen Mangel (Hypothyreose) oder einen Überschuss (Hyperthyreose) von aktivem Schilddrüsenhormon mit entsprechender klinischer Symptomatik.
Hypothyreose
Hypothyreose
Ätiopathogenese. Eine schilddrüsenbedingte, primäre Hypothyreose kann angeboren oder erworben sein ( 1 B-16.5).
Ätiopathogenese. In der Regel liegt eine morphologische oder funktionelle
Hypophysäre Störungen führen über einen TSH-Mangel zur sekundären Hypothyreose.
Störung der Hormonsynthese oder -freisetzung in der Schilddrüse selbst vor (primäre Hypothyreose). Es gibt angeborene Formen durch Fehlbildungen (Schilddrüsenaplasie oder -dysplasie) oder Enzymdefekte. Erworbene Unterfunktionen treten nach Thyreoitiden auf oder sind Folge einer medikamentösen oder chirurgischen Therapie. Selten wird die Hypothyreose durch einen TSH-Mangel verursacht (sekundäre Hypothyreose). Ursächlich sind Erkrankungen oder Funktionsstörungen der Hypophyse (Tumoren, Durchblutungsstörungen, Folgezustände nach Hypophysenoperation oder -bestrahlung).
Symptome. Müdigkeit, Antriebsarmut, Kälteintoleranz, Obstipation, trockene, kühle Haut, verlangsamte Sehnenreflexe, starre Gesichtszüge.
Symptome. Zur klinischen Symptomatik der Unterfunktion (Hypothyreose)
Diagnose und Therapie. Laborwerte sichern die Diagnose, Therapie mit Thyroxin.
Diagnose und Therapie. Die Diagnose einer Hypothyreose wird primär la-
Hyperthyreose
Hyperthyreose
Ätiopathogenese. Steigerung der Hormonsynthese durch TSH-unabhängige Schilddrüsenareale (funktionelle Autonomie) oder durch stimulierende Autoantikörper (Autoimmunhyperthyreose, Morbus Basedow).
Ätiopathogenese. Pathogenetisch lassen sich Hyperthyreosen im Wesentlichen auf zwei Mechanismen zurückführen. Eine vermehrte Hormonproduktion und -ausschüttung kann durch autonome, der TSH-Regulation nicht unterliegende Schilddrüsenzellen verursacht sein (funktionelle Autonomie, s. S. 661) oder durch stimulierende Autoantikörper (Autoimmunhyperthyreose, Morbus Basedow, s. S. 662). Einen Sonderfall stellt die Hyperthyreosis factitia dar. Hierbei handelt es sich um eine durch Überdosierung bei Schilddrüsenhormoneinnahme ausgelöste Überfunktion. Seltene Hyperthyreoseformen werden paraneoplastisch durch eine TSHähnliche Wirkung des humanen Choriongonadotropins (HCG) bei metastasierten embryonalen oder Chorionkarzinomen oder sekundär durch TSH produzierende Hypophysentumoren hervorgerufen.
Sonderformen sind die Hyperthyreosis factitia (durch überdosierte Hormoneinnahme) sowie paraneoplastische und sekundäre (durch Hypophysentumoren verursachte) Hyperthyreosen.
gehören Müdigkeit, Antriebsarmut, Kälteintoleranz, Obstipation, trockene und kühle Haut, verlangsamte Sehnenreflexe und starre Gesichtszüge. 1 B-16.5 fasst die Ätiologie und Symptome der Hypothyreose zusammen. borchemisch gestellt (s. S. 672), die Therapie erfolgt medikamentös mit Thyroxin (s. S. 676).
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Über 99 % der Schilddrüsenhormone sind gebunden, stoffwechselaktiv ist nur der freie Anteil. Peripher wirksam ist T3, das größtenteils aus T4 entsteht.
16.1.2 Schilddrüsenerkrankungen Merke
Störungen der Schilddrüsenfunktion Definition
16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen wird. Das im Hypothalamus produzierte TRH (Thyreotropin-Releasing-Hormon, Thyreoliberin) führt ebenso wie niedrige periphere Hormonspiegel zu einer Stimulation der TSH-Ausschüttung. Die Schilddrüsenhormone sind zu > 99 % im Serum an Globuline oder Albumine gebunden, stoffwechselaktiv ist nur der freie Anteil. Das peripher wirksame Hormon ist T3, das z.T. direkt von der Schilddrüse sezerniert wird, größtenteils aber durch Konversion aus T4 entsteht.
16.1.2
Schilddrüsenerkrankungen
n Merke. Eine Schilddrüsenerkrankung (z.B. Schilddrüsenvergrößerung oder -entzündung) muss nicht zwangsläufig von einer Funktionsstörung (z.B. Überfunktion) begleitet sein. Daher müssen Schilddrüsenerkrankungen und Störungen der Schilddrüsenfunktion bei Diagnostik und Therapie differenziert berücksichtigt werden.
Störungen der Schilddrüsenfunktion n Definition. Als Funktionsstörung bezeichnet man einen Mangel (Hypothyreose) oder einen Überschuss (Hyperthyreose) von aktivem Schilddrüsenhormon mit entsprechender klinischer Symptomatik.
Hypothyreose
Hypothyreose
Ätiopathogenese. Eine schilddrüsenbedingte, primäre Hypothyreose kann angeboren oder erworben sein ( 1 B-16.5).
Ätiopathogenese. In der Regel liegt eine morphologische oder funktionelle
Hypophysäre Störungen führen über einen TSH-Mangel zur sekundären Hypothyreose.
Störung der Hormonsynthese oder -freisetzung in der Schilddrüse selbst vor (primäre Hypothyreose). Es gibt angeborene Formen durch Fehlbildungen (Schilddrüsenaplasie oder -dysplasie) oder Enzymdefekte. Erworbene Unterfunktionen treten nach Thyreoitiden auf oder sind Folge einer medikamentösen oder chirurgischen Therapie. Selten wird die Hypothyreose durch einen TSH-Mangel verursacht (sekundäre Hypothyreose). Ursächlich sind Erkrankungen oder Funktionsstörungen der Hypophyse (Tumoren, Durchblutungsstörungen, Folgezustände nach Hypophysenoperation oder -bestrahlung).
Symptome. Müdigkeit, Antriebsarmut, Kälteintoleranz, Obstipation, trockene, kühle Haut, verlangsamte Sehnenreflexe, starre Gesichtszüge.
Symptome. Zur klinischen Symptomatik der Unterfunktion (Hypothyreose)
Diagnose und Therapie. Laborwerte sichern die Diagnose, Therapie mit Thyroxin.
Diagnose und Therapie. Die Diagnose einer Hypothyreose wird primär la-
Hyperthyreose
Hyperthyreose
Ätiopathogenese. Steigerung der Hormonsynthese durch TSH-unabhängige Schilddrüsenareale (funktionelle Autonomie) oder durch stimulierende Autoantikörper (Autoimmunhyperthyreose, Morbus Basedow).
Ätiopathogenese. Pathogenetisch lassen sich Hyperthyreosen im Wesentlichen auf zwei Mechanismen zurückführen. Eine vermehrte Hormonproduktion und -ausschüttung kann durch autonome, der TSH-Regulation nicht unterliegende Schilddrüsenzellen verursacht sein (funktionelle Autonomie, s. S. 661) oder durch stimulierende Autoantikörper (Autoimmunhyperthyreose, Morbus Basedow, s. S. 662). Einen Sonderfall stellt die Hyperthyreosis factitia dar. Hierbei handelt es sich um eine durch Überdosierung bei Schilddrüsenhormoneinnahme ausgelöste Überfunktion. Seltene Hyperthyreoseformen werden paraneoplastisch durch eine TSHähnliche Wirkung des humanen Choriongonadotropins (HCG) bei metastasierten embryonalen oder Chorionkarzinomen oder sekundär durch TSH produzierende Hypophysentumoren hervorgerufen.
Sonderformen sind die Hyperthyreosis factitia (durch überdosierte Hormoneinnahme) sowie paraneoplastische und sekundäre (durch Hypophysentumoren verursachte) Hyperthyreosen.
gehören Müdigkeit, Antriebsarmut, Kälteintoleranz, Obstipation, trockene und kühle Haut, verlangsamte Sehnenreflexe und starre Gesichtszüge. 1 B-16.5 fasst die Ätiologie und Symptome der Hypothyreose zusammen. borchemisch gestellt (s. S. 672), die Therapie erfolgt medikamentös mit Thyroxin (s. S. 676).
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16.1.2 Schilddrüsenerkrankungen
1 B-16.5
Synopsis Ätiologie und Symptome der Hypothyreose
Fehlen von funktionsfähigem Schilddrüsengewebe
Störung der Hormonsynthese oder des Regelkreises
angeboren
angeboren
• Schilddrüsenagenesie/-dysplasie
• Schilddrüsenhormonsynthesestörung • periphere Hormonresistenz
erworben
Ätiologie
• Entzündung (Thyreoiditis) • Operation (Schilddrüsenresektion) • Bestrahlung (Radiojodtherapie)
erworben • Jodmangel • hypothalamisch-hypophysäre Erkrankung (= sekundäre Hypothyreose) • Medikamente
Hypothyreose = fehlende Schilddrüsenhormonwirkung an peripheren Körperzellen angeboren bzw. frühkindlich erworben • »Kretinismus« • dysproportionierter Zwergwuchs • Retardierung • Makroglossie • Schwerhörigkeit
im Erwachsenenalter erworben
Symptome
• Kälteintoleranz • trockene, kühle Haut • vermehrte Ermüdbarkeit • Antriebsschwäche • Myxödem (pastös-teigige Hautschwellung) • Obstipation • träge Sehnenreflexe
Symptome. Die klinischen Zeichen der Überfunktion (Hyperthyreose) sind
Symptome. Nervosität, Hyperaktivität, Wärmeintoleranz, Schweißneigung, Gewichtsabnahme, Diarrhöen, Tachykardien, erhöhte Blutdruckamplitude, warme, feuchte Haut, Tremor und gesteigerte Sehnenreflexe. Thyreotoxische Krise: dramatische, sich rasch entwickelnde Verlaufsform der Hyperthyreose (Letalität bis 30 %).
Euthyreote Struma
Euthyreote Struma
Nervosität und Hyperaktivität, Wärmeintoleranz, vermehrte Schweißneigung, Gewichtsabnahme trotz guten Appetits, Diarrhöen, Tachykardien, erhöhte Blutdruckamplitude, warme und feuchte Haut, Tremor und gesteigerte Sehnenreflexe. Als thyreotoxische Krise bezeichnet man eine mit einer dramatischen klinischen Verschlechterung einhergehende Verlaufsform der Hyperthyreose, die sich innerhalb von Stunden entwicklen kann. Es kommt zu ausgeprägten Tachykardien, Herzrhythmusstörungen, profusen Durchfällen, Hyperthermie, Dehydratation, Elektrolytentgleisung, Unruhe, Agitiertheit, Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma. Die Letalität beträgt bis zu 30 %.
n Definition. Eine Schilddrüsenvergrößerung wird als Struma bezeichnet. Man unterscheidet Struma diffusa (homogene Vergrößerung), Struma uninodosa (solitärer Knoten) und Struma multinodosa (multiple Knoten). Die euthyreote (auch endemische oder blande) Struma ist eine durch alimentären Jodmangel verursachte knotige oder diffuse Schilddrüsenvergrößerung mit normaler, d.h. euthyreoter Stoffwechsellage. Liegt dem Schilddrüsenwachstum ein bösartiger Tumor zugrunde, sprechen wir von einer Struma maligna.
Ätiologie. Schilddrüsenvergrößerungen sind häufig, ca. 15 % aller Deutschen
haben eine Struma. Hauptursache ist der alimentäre Jodmangel. Die durchschnittliche Jodaufnahme mit der Nahrung liegt in Deutschland weit unter der von der WHO empfohlenen Menge von 150–300 mg Jodid täglich. Als klassisches Jodmangelgebiet gilt in Mitteleuropa die Alpenregion, aber selbst in Küstenländern herrscht noch ein relativer Jodmangel.
Definition
Ätiologie. Hauptursache der Strumaentstehung ist der alimentäre Jodmangel.
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16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
Weitere Faktoren sind hormonelle und genetische Einflüsse sowie die Einnahme bestimmter Medikamente.
In Phasen hormoneller Umstellung (Pubertät, Gravidität, Menopause) kann es zu einer Größenzunahme der Schilddrüse kommen. Genetische Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle. Verschiedene Enzymdefekte führen zu einer subklinischen Jodverwertungs- und Hormonsynthesestörung, die Ursache einer familiär gehäuften Strumaentstehung sein kann. Die Einnahme bestimmter Medikamente (u.a. Aminosalicylsäure, Sulfonylharnstoffe, Lithium und hohe Dosen von Jod) blockieren die Schilddrüsenhormonsynthese und führen zu einem Wachstumsreiz.
Pathogenese. Vermehrte TSH-Freisetzung und verstärkte TSH-Wirkung durch Hormonmangel führt zur Hypertrophie und Hyperplasie des Schilddrüsenepithels.
Pathogenese. Der Mechanismus der Strumaentstehung ist nicht völlig auf-
Lokale Wachstumsfaktoren spielen ebenfalls eine Rolle.
Im Verlauf entsteht aus der diffusen Hyperplasie ein knotiger Umbau mit regressiven oder zystischen sowie narbigen Veränderungen ( 1 B-16.6 b).
1 B-16.6
geklärt. Klassischerweise führt die verminderte Hormonproduktion über den Rückkopplungsmechanismus zur vermehrten hypophysären TSH-Freisetzung, was eine Hypertrophie (Zunahme des Zellvolumens) und Hyperplasie (Zunahme der Zellzahl) des Schilddrüsenepithels bewirkt. Dieser Effekt tritt unter Jodmangelbedingungen offenbar auch bei nicht messbar erhöhten TSH-Konzentrationen ein. Zunehmend erforscht wird die Rolle von Wachstumsfaktoren wie dem Epidermal growth factor (EGF) oder dem Insulin-like growth factor I (IGF-I), die lokal unter Jodmangelbedingungen vermehrt freigesetzt werden und besonders für die Stimulation der Zellhyperplasie verantwortlich sein sollen. Bei anhaltendem Wachstumsreiz entsteht aus der diffusen Hyperplasie häufig ein knotiger Umbau mit regressiven oder zystischen Veränderungen. Es kann zu Einblutungen und Nekrosen kommen mit nachfolgender Narbenbildung und Bindegewebsvermehrung ( 1 B-16.6 b). Ursächlich für das heterogene Bild ist die unterschiedliche Reaktionsweise einzelner Zell- oder Follikelverbände auf die Wachstumsreize.
Struma multinodosa
b Operationspräparat (aufgeschnitten) einer regressiv veränderten Struma.
a Euthyreote Struma multinodosa.
Symptome. Häufig finden sich keine oder geringe Beschwerden bei euthyreoter Struma ( 1 B-16.6 a). Symptome sind lokales Druck- oder Engegefühl, Schluckbeschwerden, Luftnot, Stridor oder obere Einflussstauung. Rekurrensparese oder Horner-Syndrom lenken den Verdacht auf eine Struma maligna.
Symptome. Die euthyreote Struma verursacht häufig keine oder nur gerin-
ge Beschwerden. Am häufigsten führen lokales Druck- oder Engegefühl, Schluckbeschwerden oder kosmetische Erwägungen die Patienten zum Arzt ( 1 B-16.6 a). Erst bei ausgeprägter Vergrößerung kommt es zu Symptomen wie Luftnot, Stridor und oberer Einflussstauung. Eine Rekurrensparese oder ein Horner-Syndrom als Folge einer benignen Schilddrüsenvergrößerung stellen eine Rarität dar und lassen an eine Struma maligna denken.
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16.1.2 Schilddrüsenerkrankungen
Diagnose. Die Sonographie dient der Größenabschätzung und morphologischen Beurteilbarkeit, die Schilddrüsenhormonbestimmung dem Ausschluss einer Funktionsstörung. Durch die Szintigraphie können hypofunktionelle (»kalte«) und hyperfunktionelle (»heiße«) Areale differenziert werden. Eine Feinnadelpunktion (FNP) muss nur bei rasch wachsenden solitären oder kalten Knoten – zum Malignomausschluss – durchgeführt werden. Therapie. Bei Risikopatienten (z.B. gehäuftes familiäres Vorkommen) besteht die Therapie in der prophylaktischen Jodgabe. Die manifeste Struma erfordert die Gabe von Schilddrüsenhormon oder einer ThyroxinJod-Kombination. Die Operationsindikation ergibt sich bei lokalen mechanischen Komplikationen oder Malignitätsverdacht. Die euthyreote Struma wird klassischerweise durch eine subtotale Resektion unter Belassung dorsaler Drüsenreste behandelt. Daneben hat sich unter dem Begriff der »funktionskritischen Resektion« eine mehr am individuellen Befund orientierte Therapieform etabliert, die die Entfernung aller (auch der dorsal gelegenen) Knoten zum Ziel hat. Dies kann durch eine beidseitige subtotale Resektion oder eine Hemithyreoidektomie mit subtotaler Resektion der Gegenseite oder (bei vollständig knotiger Umwandlung der Drüse) auch durch eine totale Thyreoidektomie erreicht werden. Insbesondere bei Malignitätsverdacht sollte auf der betroffenen Seite vorzugsweise eine Hemithyreoidektomie durchgeführt werden.
Diagnose. Die Sonographie erlaubt eine Größenabschätzung und morphologische Beurteilung, die Schilddrüsenhormonbestimmung den Ausschluss einer Funktionsstörung. »Heiße« und »kalte« Areale können szintigraphisch differenziert werden. Eine FNP ist nur bei rasch wachsenden Knoten zum Malignomausschluss indiziert. Therapie π Risikopatienten (z.B. gehäuftes familiäres Vorkommen): Jodgabe π manifeste Struma: Schilddrüsenhormongabe, bei lokalen mechanischen Komplikationen und Malignitätsverdacht besteht Operationsindikation. π euthyreote Struma: subtotale Resektion unter Belassung dorsaler Drüsenreste. Daneben hat sich die sog. »funktionskritische Resektion« als Therapieform etabliert. Sie orientiert sich am individuellen Befund und hat die Entfernung aller Knoten zum Ziel.
Funktionelle Autonomie
Funktionelle Autonomie
n Definition. Als funktionelle oder thyreoidale Autonomie bezeichnet man die Entwicklung funktionell autonomer, d.h. TSH-unabhängiger Bezirke in der Schilddrüse. Man unterscheidet die unifokale Autonomie (»autonomes Adenom«) von der multifokalen Autonomie (hierzu gehört auch die sog. »hyperthyreote Knotenstruma«). Selten ist eine diffuse Verteilung autonomer Zellen ohne Knotenbildung (disseminierte Autonomie). Je nach Jodangebot und Ausmaß der Autonomie ist die Stoffwechsellage euthyreot oder hyperthyreot.
Definition
Teilweise werden noch die Begriffe kompensiertes oder dekompensiertes autonomes Adenom verwendet. Sie beschreiben unabhängig von der Stoffwechselsituation die szintigraphisch erhaltene bzw. supprimierte Radionuklidanreicherung im Normalgewebe. Die unifokale Autonomie mit Hyperthyreose wird auch als toxisches Adenom bezeichnet.
Die Begriffe kompensiertes oder dekompensiertes autonomes Adenom sind szintigraphische Diagnosen. Die unifokale Autonomie mit Hyperthyreose wird auch als toxisches Adenom bezeichnet.
Ätiologie und Pathogenese. Auch die funktionelle Autonomie wird über-
Ätiologie und Pathogenese. Chronischer Jodmangel induziert die Proliferation autonomer Schilddrüsenareale, die sich morphologisch als Knoten (unioder multifokal), selten diffus manifestieren.
wiegend durch chronischen Jodmangel induziert. Während ein kleiner Anteil autonomer Zellen auch in der gesunden Schilddrüse vorhanden ist, kommt es unter Jodmangelbedingungen zur Proliferation dieser dem Rückkopplungsmechanismus nicht unterworfenen Zellen. Die autonomen Areale finden sich meist in einem einzelnen oder mehreren Adenomknoten (unibzw. multifokale Autonomie), selten diffus verteilt. Durch die unregulierte Hormonproduktion kommt es im Regelkreis zunächst zur Unterdrückung der hypophysären TSH-Ausschüttung. Daraufhin sistiert die Jodaufnahme und Hormonausschüttung der normalen TSHabhängigen Schilddrüsenareale (szintigraphisch dekompensiertes Adenom). Wenn die Zahl der autonomen Zellen eine kritische Grenze erreicht oder das Jodangebot akut zunimmt (z.B. durch Gabe jodhaltiger Röntgenkontrastmittel) kommt es zur klinisch manifesten Hyperthyreose ( 1 B-16.7).
Symptome. Bei noch euthyreoter Stoffwechselsituation entspricht die
Symptomatik der der blanden Struma oder fehlt ganz. Typischerweise treten im Verlauf die Symptome der Hyperthyreose auf. Nach Jodexposition kann es akut zur hyperthyreoten Entgleisung (thyreotoxische Krise) kommen. Die Inzidenz der funktionellen Autonomie nimmt mit dem Lebensalter zu. Bei
Durch Suppression der TSH-Ausschüttung werden die nicht autonomen Areale supprimiert. Überwiegen die autonomen Areale oder kommt es zur vermehrten Jodaufnahme, kann sich eine Hyperthyreose entwickeln ( 1 B-16.7).
Symptome. Zunächst wie bei blander Struma, im Verlauf Zeichen der Hyperthyreose. Nach Jodexposition ist akute Entgleisung (thyreotoxische Krise) möglich. Die Inzidenz der funktionellen
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16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
Autonomie nimmt mit dem Lebensalter zu. Ein monosymptomatischer Verlauf mit kardialer oder psychischer Symptomatik ist im Alter nicht ungewöhnlich.
älteren Menschen verläuft die Hyperthyreose häufig oligo- oder monosymptomatisch. Im Vordergrund stehen dann kardiale Symptome (Hypertonus, Arrhythmien, Herzinsuffizienz) oder auch psychische Probleme (Nervosität, Angstzustände, Schlaflosigkeit).
Diagnose. Neben der Sonographie (Größe, Knoten) und der Schilddrüsenhormonbestimmung (zur Differenzierung einer latenten oder manifesten Hyperthyreose), sichert die Szintigraphie, durch den Nachweis autonomer (»heißer«) Areale, die Diagnose.
Diagnose. Wie bei der euthyreoten Struma dient die Sonographie der Grö-
Therapie π latente Hyperthyreose: keine zwingende Therapieindikation π manifeste Hyperthyreose: Definitive Therapie ist die Radiojodtherapie oder eine Operation (komplette Resektion autonomer oder knotiger Areale), im Vorfeld überbrückende Thyreostatikagabe, um eine euthyreote Stoffwechsellage zu erreichen. Bei Thyreostatikaunverträglichkeit oder drohender thyreotoxischer Krise muss eine Notfalloperation (Thyreoidektomie) erfolgen.
Therapie. Eine latente Hyperthyreose stellt in der Regel keine zwingende
Morbus Basedow Definition
ßenbestimmung und dem Nachweis von Knoten. Die Bestimmung der Schilddrüsenwerte zeigt die Funktionsstörung an und ermöglicht die Differenzierung in latente und manifeste Hyperthyreose. Durch den Nachweis autonomer (»heißer«) Areale in der Szintigraphie wird die Diagnose bestätigt. Zugleich kann hierdurch eine uni- von einer multifokalen Autonomie unterschieden werden und das Ausmaß der Suppression des Speichervermögens des Restparenchyms (»dekompensierte Autonomie«) abgeschätzt werden). Wegen des geringen Malignitätsverdachtes ist eine FNP heißer Knoten selten indiziert.
Therapieindikation dar. Allerdings ist auf die Vermeidung einer massiven Jodexposition (Kontrastmittelgabe) zu achten. Bei manifester Hyperthyreose werden Thyreostatika als überbrückende Behandlung bis zum Erreichen einer euthyreoten Stoffwechsellage eingesetzt (s. S. 677). Die definitive Therapie besteht in einer Radiojodtherapie (RJT) oder einer Operation. Je größer die Struma und je ausgeprägter die knotigen Veränderungen, umso eher ist – v.a. wenn gleichzeitig kalte Knoten vorhanden sind – die operative Therapie indiziert. Die chirurgische Therapie entspricht der der euthyreoten Struma (alle autonomen und knotigen Veränderungen müssen entfernt werden) (s. S. 673). Bei Thyreostatikaunverträglichkeit oder drohender hyperthyreoter Entgleisung (thyreotoxische Krise) kann die Indikation zur notfallmäßigen Operation (meist in Form einer Thyreoidektomie) gegeben sein.
Morbus Basedow n Definition. Im Gegensatz zur funktionellen Autonomie handelt es sich beim Morbus Basedow (immunogene diffuse Hyperthyreose, Graves’ disease) um eine Autoimmunerkrankung. Die endokrine Ophthalmopathie und die als prätibiales Myxödem bezeichnete Dermopathie stellen eigenständige, ebenfalls immunogene Krankheitsbilder dar, die mit der Basedow-Hyperthyreose vergesellschaftet sein können.
Merseburger Trias: π Struma π Exophthalmus π Tachykardie.
Der Symptomenkomplex Struma, Exophthalmus, Tachykardie wurde im deutschen Sprachraum erstmals durch Karl A. von Basedow als Merseburger Trias beschrieben.
Ätiopathogenese. Durch Bindung stimulierender Autoantikörper (TRAK) an den TSH-Rezeptor der Thyreozyten wird die Hyperthyreose induziert.
Ätiopathogenese. Sie ist beim Morbus Basedow bisher nur teilweise
Auslösefaktoren: genetische Disposition, chronischer Jodmangel, hormonelle, psychosomatische Einflüsse sowie Infektionen. Symptome. Bei der Hyperthyreose ist die Schilddrüse häufig nicht oder nur geringgradig diffus vergrößert. Frauen und jüngere Lebensalter sind bevorzugt betroffen.
bekannt. Autoantikörper gegen Schilddrüsengewebe spielen eine wesentliche Rolle. Die größte Bedeutung kommt dabei dem TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) zu, dessen Titer bei bis zu 90 % der Patienten erhöht ist. Der Antikörper stimuliert den TSH-Rezeptor und induziert eine Hyperthyreose, die nicht dem hypothalamisch-hypophysären Regelkreis unterworfen ist. Andere Antikörper können beim Morbus Basedow ebenfalls erhöht sein, sind aber diagnostisch und funktionell weniger relevant. Als Auslösefaktoren der Erkrankung werden genetische Disposition, chronischer Jodmangel, hormonelle (Schwangerschaft) und psychosomatische Einflüsse, Infektionen mit Viren oder Mikroorganismen (Yersinia enterocolitica) diskutiert.
Symptome. Klinisch steht die Hyperthyreose im Vordergrund. Wie bei der
funktionellen Autonomie können ältere Menschen atypische oder monosymptomatische Verläufe zeigen. Die Schilddrüse ist häufig nicht oder nur geringfügig vergrößert, knotige Veränderungen sind selten. Der Morbus
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16.1.2 Schilddrüsenerkrankungen
1 B-16.7
Synopsis Pathophysiologie der funktionellen Autonomie
a
b
Regelkreis:
Szintigramm:
Regelkreis:
Szintigramm:
TSH-abhängiges Gewebe speichert gleichmäßig.
Funktionelle Autonomie: lokale unregulierte Hormonproduktion und -ausschüttung mit beginnender Suppression der TSH-Sekretion bei noch normaler peripherer Hormonkonzentration.
Autonomes Gewebe speichert stärker als das TSH-abhängige Gewebe (»kompensiertes autonomes Adenom«) (seltener: szintigraphisches Bild wie bei c).
Hypophyse
TSH
Schilddrüse T3T4
Normalzustand mit funktionierendem Regelkreis.
Euthyreose
Euthyreose
c
d
Regelkreis:
Szintigramm:
Regelkreis:
Szintigramm:
TSH-Sekretion vollständig supprimiert bei noch normaler peripherer Hormonkonzentration.
Nur das autonome Gewebe speichert noch (»dekompensiertes autonomes Adenom«) (seltener: szintigraphisches Bild wie bei b).
Wie bei c, aber mit erhöhten peripheren Hormonkonzentrationen.
Szintigraphisches Bild wie bei c, seltener wie bei b.
latente Hyperthyreose
manifeste Hyperthyreose
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Die ebenfalls autoimmun bedingte endokrine Ophthalmopathie ist pathognomonisch für den Morbus Basedow ( 1 B-16.8) und findet sich bei jedem 2.–3. Patienten. Symptome sind: π Lidretraktion π seltener Lidschlag π Lidschwellung π Exophthalmus π Visusverluste.
16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen Basedow kommt in jedem Lebensalter vor, wobei jeder 3. Patient jünger als 35 Jahre ist. Frauen sind 5-mal häufiger als Männer betroffen. Das gleichzeitige Vorliegen einer endokrinen Ophthalmopathie ist pathognomonisch für den Morbus Basedow ( 1 B-16.8). Es handelt sich hierbei ebenfalls um eine Autoimmunerkrankung. Jeder 2.–3. Basedow-Patient leidet unter Augensymptomen. Diese reichen von diskreten Befunden (Lidretraktion, seltener Lidschlag, Lidschwellung) über Exophthalmus und Motilitätsstörungen bis hin zu schwersten Verläufen mit Hornhauterosionen und Visusverlusten durch Kompression des N. opticus.
1 B-16.8
Morbus Basedow mit Struma diffusa und endokriner Orbitopathie
Das seltene prätibiale Myxödem tritt in 2–4 % der Fälle auf und manifestiert sich als infiltrative Dermopathie.
Das prätibiale Myxödem tritt bei 2–4 % der Basedow-Kranken auf. Es handelt sich um eine infiltrative Dermopathie mit kissenartigen hyperpigmentierten Einlagerungen an der Vorderseite der Unterschenkel.
Diagnose. Die Bestimmung der Schilddrüsenwerte (TSH, T3, T4) und der Autoantikörper (TAK, MAK, TRAK) steht an erster Stelle. Die ergänzende Sonographie zeigt typischerweise eine diffuse Struma mit echoarmem Schallbild.
Diagnose. An erster Stelle steht die Schilddrüsenhormonbestimmung
Therapie. Die primär thyreostatische Therapie führt bei 1 ⁄ 3 der Patienten zur dauerhaften Spontanremission. Die anderen 2 ⁄ 3 erleiden nach Absetzen der Medikation ein Hyperthyreoserezidiv und müssen operativ (ausgedehnte subtotale Strumaresektion oder totale Thyreoidektomie) oder mittels Radiojodtherapie behandelt werden.
Therapie. Primäre Therapie der Wahl ist die thyreostatische Behandlung,
(TSH, T3, T4), ergänzt durch die Autoantikörperanalyse (TAK, MAK, TRAK). Die Sonographie zeigt typischerweise eine diffuse Struma mit echoarmem Schallbild, gelegentlich auch knotige Veränderungen. Szintigraphie und FNP sind bei eindeutiger Diagnose entbehrlich. Bei Verdacht auf eine endokrine Orbitopathie ist eine ophthalmologische Untersuchung indiziert.
unter der es im Spontanverlauf bei ca. 1⁄3 der Patienten zur Ausheilung der Erkrankung kommt. Die übrigen Patienten erkranken nach Absetzen der Thyreostatika an Hyperthyreoserezidiven, die bei wiederholtem Auftreten die Indikation zur definitiven Therapie ergeben. Diese besteht in einer Radiojodtherapie oder einer Operation. Eine große Struma (> 40 ml) und begleitende knotige Veränderungen sprechen mehr für eine Operationsindikation. Eine primäre Operationsindikation besteht weiterhin bei mechanischen Komplikationen, einer rasch progredienten Ophthalmopathie und bei Malignomverdacht. Das Operationsverfahren der Wahl ist die ausgedehnte subtotale Resektion, zunehmend wird auch die totale Thyreoidektomie durchgeführt.
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16.1.2 Schilddrüsenerkrankungen
Thyreoitiden
Thyreoitiden
n Definition. Unter dem Begriff der Thyreoiditis werden alle Erkrankungen zusammengefasst, die mit einer entzündlichen Infiltration der Schilddrüse einhergehen. Ursache können exogene Einflüsse (bakterielle oder virale Infekte, radioaktive Strahlen) oder ein Autoimmunprozess sein.
Akute Thyreoiditis: Die akute Thyreoiditis wird typischerweise durch Bakterien (Staphylokokken, Streptokokken) hervorgerufen, die durch lokal fortgeleitete Entzündungen oder durch hämatogene Streuung in die Schilddrüse gelangen. Klinisch können Fieber, lokaler Druckschmerz, Schluckbeschwerden und zervikale Lymphknotenschwellung bestehen. Laborchemisch sind die Entzündungsparameter (BSG, Leukozyten im Serum) erhöht. Im Verlauf kann es zur eitrigen Einschmelzung mit Abszedierung kommen. Die Therapie besteht in lokalen Maßnahmen (Kühlung mittels Eiskrawatte). Antibiotika- und ggfs. Antiphlogistikagabe. Bei Abszedierung ist die Punktion oder Inzision indiziert. Eine Sonderform stellt die Strahlenthyreoiditis nach hochdosierter Radiojodtherapie dar. π
Subakute Thyreoiditis de Quervain: Die Ätiologie der subakuten Thyreoiditis de Quervain ist nicht geklärt, vermutlich ist sie Folge einer Virusinfektion. Der Beginn der Erkrankung verläuft meist subakut, gelegentlich geht anamnestisch ein grippaler Infekt voran. Klinisch zeigt sich eine derbe, schmerzhafte Schwellung der Schilddrüse, subfebrile Temperaturen und ein allgemeines Krankheitsgefühl. Der Krankheitsverlauf kann mehrere Monate betragen. In der Anfangsphase führt die Gewebeschädigung mitunter zu einer vermehrten Hormonausschüttung mit Hyperthyreose, die im weiteren Verlauf in eine Hypothyreose übergehen kann. Laborchemisch findet sich eine starke Senkungsbeschleunigung bei normaler oder nur gering vermehrter Leukozytenzahl. Die Therapie besteht in einer bis zu 6-monatigen Glukokortikoidmedikation in abfallender Dosierung. Antiphlogistika und eine Eiskrawatte können initial angewandt werden. π
Chonisch lymphozytäre Thyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis): Die chronisch-lymphozytäre Thyreoiditis stellt wie der Morbus Basedow eine Autoimmunerkrankung nicht geklärter Ätiologie dar. Sie betrifft vermehrt Frauen mittleren Alters. Es besteht eine familiäre Häufung sowie eine Assoziation mit anderen Autoimmunerkrankungen (z.B. Morbus Addison) und mit Chromosomenanomalien (z.B. Down-Syndrom). Histologisch finden sich ausgeprägte lymphozytäre und plasmazelluläre Infiltrate in der Schilddrüse, die im Verlauf der Erkrankung zunehmend durch narbige Veränderungen ersetzt werden können. Bei der klassischen Form der Hashimoto-Thyreoiditis kommt es zu einer Schilddrüsenvergrößerung mit relativ geringer Symptomatik. Durch die fortschreitende Entzündung kann die anfänglich euthyreote Stoffwechsellage allmählich in die Hypothyreose übergehen. Bei der sog. atrophischen Thyreoiditis (primäres Myxödem) besteht keine Struma und die Patienten werden erst durch eine Hypothyreose klinisch auffällig. Auch hyperthyreote Verläufe, analog dem Morbus Basedow durch stimulierende TSH-Antikörper ausgelöst, sind möglich. Laborchemisch lassen sich bei der Hashimoto-Thyreoiditis ThyreoglobulinAntikörper (TAK) und Antikörper gegen mikrosomales Antigen (MAK) nachweisen. Die Therapie besteht in der einschleichend beginnenden Hormonsubstitution, welche lebenslang fortgeführt werden muss. Bei Hyperthyreose ist eine antithyreoidale Medikation notwendig. π
Definition
Akute Thyreoiditis: Sie ist eine meist bakteriell verursachte akute Entzündung mit Fieber, Druckschmerz, Schluckbeschwerden und Lymphknotenschwellung.
π
Laborchemisch sind die Entzündungsparameter erhöht. Die Therapie besteht in Kühlung, Antibiotika- und ggf. Antiphlogistikagabe. Sonderform: Strahlenthyreoiditis nach hochdosierter Radiojodtherapie. Subakute Thyreoiditis de Quervain: Sie ist vermutlich viral bedingt. Symptome sind eine derbe schmerzhafte Schilddrüsenschwellung, subfebrile Temperaturen und allgemeines Krankheitsgefühl. Der Krankheitsverlauf kann mehrere Monate betragen. Die anfängliche Hyperthyreose kann im Verlauf in eine Hypothyreose übergehen.
π
Laborchemisch findet sich eine starke Senkungsbeschleunigung. Die primäre Therapie besteht in Glukokortikoidgaben. Chronisch lymphozytäre Thyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis): Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung, die vermehrt Frauen mittleren Alters betrifft. Es finden sich eine familiäre Häufung, Assoziationen mit anderen Autoimmunerkrankungen und Chromosomenanomalien.
π
Die Symptomatik ist gering. Im Verlauf entsteht häufig eine Hypothyreose, die bei der atrophischen Form (primäres Myxödem) Erstsymptom sein kann.
Die Therapie beinhaltet eine lebenslange Hormonsubstitution.
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16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
Die Therapie ist konservativ (Glukokortikoide).
Invasiv-sklerosierende Thyreoiditis (Riedel-Struma): Bei der invasivsklerosierenden Thyreoiditis handelt es sich um eine ätiologisch ungeklärte Erkrankung, bei der es durch einen entzündlich fibrosierenden Prozess zur Zerstörung des Schilddrüsengewebes und Infiltration der Halsweichteile kommt. Klinisch findet sich eine meist knotige Struma von derber (»eisenharter«) Konsistenz, die zu lokalen Beschwerden führt. Die Diagnose wird gelegentlich anlässlich einer wegen Malignomverdachtes durchgeführten Operation gestellt, ansonsten ist die Therapie konservativ (Glukokortikoide).
Schilddrüsentumoren
Schilddrüsentumoren
Benigne Schilddrüsentumoren
Benigne Schilddrüsentumoren
Gutartige Schilddrüsentumoren sind meist uninoduläre Raumforderungen (Adenome, Zysten).
Gutartige Schilddrüsentumoren imponieren in der Regel als uninoduläre Raumforderungen bei sonst unauffälliger Schilddrüse. Es handelt sich um Adenome oder Zysten. Das follikuläre Adenom ist von einer Kapsel umgeben, es kann je nach mikroskopischem Aufbau (mikro- oder makrofollikulär) und vorherrschendem Zelltyp (oxyphil-onkozytär oder klarzellig) weiter unterteilt werden. Solitäre Zysten sind selten, meist treten zystische Veränderungen im Rahmen regressiver Veränderungen bei multinodalen Strumen auf. Bei Einblutung kann es zur akuten Symptomatik mit Größenzunahme und Spannungsgefühl kommen.
π Invasiv-sklerosierende Thyreoiditis (Riedel-Struma): Bei dieser ätiologisch ungeklärten Erkrankung führt ein entzündlich fibrosierender Prozess zur Zerstörung des Schilddrüsengewebes und zur Infiltration der Halsweichteile. Klinisch findet sich eine derbe, knotige Struma.
Das follikuläre Adenom ist ein gekapselter Tumor, der nach Aufbau und Zelltyp weiter unterteilt werden kann. Zysten treten meist multipel, im Rahmen regressiver Veränderungen auf. Bei Einblutungen kann es zur akuten Symptomatik kommen.
π
Maligne Schilddrüsentumoren
Maligne Schilddrüsentumoren
Die Einteilung der malignen Schilddrüsentumoren zeigt 2 B-16.1.
Die heute gültige Einteilung der malignen Schilddrüsentumoren orientiert sich an der WHO-Klassifikation von 1988 ( 2 B-16.1). Die Klassifikation erfolgt nach dem TNM-System (s. Kap. A-12, S. 238ff.).
2 B-16.1
Einteilung der Schilddrüsentumoren (modifiziert nach der WHO-Einteilung)
1
epitheliale Tumoren
1.1 1.1.1 1.1.2
benigne Tumoren follikuläres Adenom andere
1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4
maligne Tumoren papilläres Karzinom follikuläres Karzinom medulläres Karzinom undifferenziertes (anaplastisches) Karzinom
2
nichtepitheliale Tumoren (z.B. Sarkome)
3
maligne Lymphome
4
Metastasen nicht thyreoidaler Tumoren (z.B. Nierenzellkarzinom)
5
verschiedene, z.T. nicht klassifizierbare Tumoren.
Zu den epithelialen Tumoren gehören das papilläre, das follikuläre, das medulläre (C-Zell) und das undifferenzierte (anaplastische) Karzinom.
Die wichtigste Gruppe sind die epithelialen Tumoren, zu denen das papilläre, das follikuläre, das medulläre (C-Zell) und das undifferenzierte (anaplastische) Karzinom gehören. Die verschiedenen Tumortypen unterscheiden sich im biologischen Verhalten und in ihrer klinischen Präsentation.
π Papilläres Karzinom: Es ist mit ca. 50 % das häufigste Schilddrüsenkarzinom und kommt bevorzugt bei jüngeren Menschen vor. Frauen sind 3-mal häufiger betroffen.
π Papilläres Karzinom: Das papilläre Karzinom ist mit einem Anteil von bis zu 50 % das häufigste Schilddrüsenkarzinom. Es tritt bevorzugt in den jüngeren Altersgruppen auf, die Inzidenz beim weiblichen Geschlecht ist 3fach erhöht. Der Tumor wächst in der Regel invasiv und ist nicht gekapselt, multi-
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16.1.2 Schilddrüsenerkrankungen fokales Auftreten ist nicht ungewöhnlich, histologisch kommen Mischformen mit follikulären Anteilen vor. Die Metastasierung erfolgt primär lymphogen, zunächst in die ipsilateralen Halslymphknoten, dann aber auch zur kontralateralen Halsseite und in die mediastinalen Lymphknoten. Kommt es zur (hämatogenen) Fernmetastasierung, sind Lunge und Skelettsystem am häufigsten betroffen. Nicht selten stellt das papilläre Karzinom einen Zufallsbefund bei der Resektion einer multinodösen Struma dar (okkultes Karzinom). Als Mikrokarzinom wird ein Tumor mit einem Durchmesser von < 1 cm bezeichnet. Die Diagnose kann durch Feinnadelpunktion (FNP) aus befallenen Lymphknoten oder aus dem Schilddrüsentumor gestellt werden. Im Zweifelsfall muss eine histologische Klärung durch Operation erfolgen. Die Therapie besteht bei nachgewiesenem Karzinom in einer totalen Thyreoidektomie mit Lymphknotenresektion des zentralen Kompartments. Bei Befall lateraler Lymphknoten besteht die Indikation zur Ausräumung des lateralen Kompartments (funktionelle Neck dissection). Anschließend erfolgt eine Radiojodtherapie zur Ablation verbliebenen Schilddrüsenrestgewebes und zur Behandlung eventuell noch vorhandener Metastasen. Daran schließt sich eine lebenslange suppressive Hormontherapie an. Mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von über 90 % ist die Prognose relativ gut. Kriterien für eine günstige Prognose sind jugendliches Alter, weibliches Geschlecht und geringe Tumorgröße (niedrige T-Kategorie). Die Nachsorge umfasst sonographische Verlaufskontrollen des Halses, die Bestimmung des Thyreoglobulinspiegels (Tg) sowie regelmäßige Szintigraphien. Das Mikrokarzinom ist durch eine vollständige Entfernung mittels subtotaler Schilddrüsenresektion in der Regel ausreichend behandelt, wenn kein multifokales Wachstum und keine Metastasen vorliegen. Hier besteht die Nachsorge in sonographischen Verlaufskontrollen. Follikuläres Karzinom: Das follikuläre Karzinom macht 10–40 % aller malignen Schilddrüsentumoren aus, wobei die Inzidenz in Jodmangelgebieten erhöht ist. Es tritt ebenfalls vermehrt bei Frauen auf, im Gegensatz zur papillären Form liegt der Erkrankungsgipfel aber später, nämlich im 4.–6. Dezennium. Die Diagnostik umfasst bei klinischem Verdacht (solitärer Knoten, Wachstumstendenz) Sonographie, Szintigraphie und FNP. Die punktionszytologische Diagnose ist aber im Gegensatz zum papillären Karzinom erschwert. Häufig wird die Diagnose einer follikulären Neoplasie gestellt. Das bedeutet, dass allein aufgrund des Zellbildes nicht zwischen einem follikulären Adenom (gutartig) und einem hochdifferenzierten Karzinom unterschieden werden kann. In diesen Fällen ist immer eine Operation mit histologischer Abklärung erforderlich. Neben dem gekapselten Subtyp, dessen maligner Charakter sich erst im histologischen Bild an Kapsel- oder Gefäßinvasion zu erkennen gibt, existiert noch ein breit oder grob invasiver Subtyp, der bereits häufig makroskopisch am infiltrierenden Wachstum erkennbar ist. Die Metastasierung erfolgt primär hämatogen. Nicht selten stellen symptomatische Knochenmetastasen das Erstsymptom eines follikulären Karzinoms dar. Die Therapie besteht in der totalen Thyreoidektomie mit anschließender Radiojodtherapie und suppressiver Hormontherapie. Grundsätzlich besteht die Indikation zur Lymphadenektomie wie beim papillären Karzinom, wegen des primär hämatogenen Metastasierungsverhaltens des follikulären Karzinoms ist ihr Stellenwert aber geringer. Die Prognose ist abhängig vom histologischen Tumortyp (gekapselte Form günstiger als breit invasive Form) und dem Stadium. Frauen und jüngere Patienten haben eine bessere Prognose, die 5-Jahres-Überlebensrate liegt zwischen 75 und 95 %. π
Undifferenziertes oder anaplastisches Karzinom: Das undifferenzierte oder anaplastische Karzinom macht 10–15% aller Schilddrüsentumoren aus. Es tritt vor allem im höheren Lebensalter auf, Frauen sind 4fach häufiger betroffen als Männer.
π
Der meist invasiv wachsende, nicht gekapselte Tumor kann multifokal auftreten. Die Metastasierung erfolgt primär lymphogen.
Das papilläre Mikrokarzinom (Durchmesser < 1 cm) ist oft Zufallsbefund bei der Resektion einer multinodösen Struma. Die Diagnose erfolgt durch die FNP, im Zweifelsfall operativ. Die Therapie besteht in der totalen Thyreoidektomie mit Lymphknotenresektion des zentralen ggf. auch lateralen Kompartments, anschließender Radiojodtherapie und einer lebenslangen suppressiven Hormonsubstitution. Die Prognose ist günstig (5-JahresÜberlebensrate > 90 %).
π Follikuläres Karzinom: Mit 10–40 % zweithäufigster Typ, der vermehrt bei Frauen, in Jodmangelgebieten und im höheren Lebensalter auftritt.
Die Diagnose umfasst die Sonographie, Szintigraphie und FNP. Die Punktionszytologie zeigt häufig eine follikuläre Neoplasie: einen karzinomverdächtigen Adenomknoten, der operativ entfernt und einer histologischen Klärung zugeführt werden muss. Man unterscheidet 2 Typen: den gekapselten Subtyp, dessen Malignität sich erst durch eine Kapsel- oder Gefäßinvasion zeigt, und den breit oder grob invasiven Subtyp. Die Metastasierung erfolgt primär hämatogen (Skelett). Die Therapie entspricht der des papillären Karzinoms (s.o.).
Die Prognose ist vom Tumortyp und Stadium abhängig. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei 75–95 %.
Undifferenziertes (anaplastisches) Karzinom: 10–15 % aller Schilddrüsentumoren, bevorzugt im Alter, 4-mal häufiger bei Frauen.
π
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668 Die Diagnose wird klinisch gestellt und durch die Punktionszytologie bestätigt. Die Therapie besteht bei dem meist inoperablen Tumor in einer palliativen Tumorreduktion. Die Prognose ist bei rasch infiltrierendem Wachstum und frühzeitigen Fernmetastasen (Lunge) schlecht. Die Überlebensdauer beträgt 6–8 Monate.
π Medulläres Karzinom ( 1 B-16.9): Tumor der parafollikulären, Kalzitonin bildenden C-Zellen, der sporadisch (bevorzugt im Alter) oder familiär gehäuft, meist beim jüngeren Patienten (MEN), auftritt. Frauen sind etwas häufiger betroffen.
Die Diagnose wird durch die FNP oder den erhöhten Kalzitoninblutspiegel (Tumormarker) gestellt. Die Therapie besteht in der totalen Thyreoidektomie und Lymphadenektomie des zentralen und lateralen Kompartments. Der Effekt einer Radiojodtherapie ist fraglich. Die Metastasierung erfolgt lymphogen und hämatogen.
Die Prognose ist abhängig von der Tumorgröße und dem Vorhandensein von Lymphknotenmetastasen. Durch genetisches Screening können Genträger identifiziert und einer prophylaktischen Thyreoidektomie zugeführt werden.
16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen Die Diagnose kann in der Regel klinisch gestellt werden aufgrund des raschen und frühzeitig die Halsweichteile infiltrierenden Wachstums. Bildgebend kommen Sonographie, MRT und CT zur Anwendung, die Punktionszytologie kann die Diagnose bestätigen. Therapeutisch ist häufig nur eine palliative Tumorreduktion möglich, da die meisten Tumoren in einem technisch inoperablen Stadium diagnostiziert werden. Histologisch kann die Abgrenzung von mesenchymalen Tumoren (Sarkomen) schwierig sein. Die Prognose ist aufgrund des aggressiven Tumorwachstums schlecht. Neben der lokalen Infiltration finden sich frühzeitig Fernmetastasen (Lunge). Die durchschnittliche Überlebensdauer nach Diagnosestellung beträgt 6–8 Monate. Chemo- oder Strahlentherapie wird fallweise in palliativer Intention durchgeführt. Medulläres Karzinom: Das medulläre Karzinom ( 1 B-16.9) geht von den parafollikulären, Kalzitonin bildenden C-Zellen aus. Sein Anteil an den Schilddrüsenkarzinomen beträgt 5–10 %. Das Geschlechtsverhältnis ist fast ausgeglichen, mit nur einer leichten Betonung des weiblichen Geschlechtes. Es tritt sowohl sporadisch als auch familiär gehäuft auf. Eine familiäre Häufung tritt u.a. im Rahmen der multiplen endokrinen Neoplasie auf (MEN II A und II B, s. S. 683). Während bei der sporadischen Form der Altersgipfel im 4.-7. Dezennium liegt, sind bei der familiären Form v.a. jüngere Patienten betroffen. Die C-Zellen produzieren das Polypeptidhormon Kalzitonin, das als Gegenspieler des Parathormons den Blutkalziumspiegel senkt. Die Diagnose kann durch FNP oder Messung des Kalzitoninwertes gestellt werden. Ein spontan oder nach Stimulation (Pentagastrintest) erhöhter Kalzitoninspiegel weist auf ein medulläres Karzinom hin. Die Therapie ist primär chirurgisch. Neben der totalen Thyreoidektomie sollte immer eine systematische Lymphadenektomie des zentralen und lateralen Kompartiments erfolgen. Die Metastasierung erfolgt lymphogen und hämatogen. Eine Fernmetastasierung manifestiert sich oft in einer miliaren Metastasierung in Lunge und Leber, die chirurgisch nicht zu beeinflussen ist. Gelegentlich wird eine Radiojodtherapie durchgeführt, die wegen der fehlenden Jodspeicherung der C-Zellen aber allenfalls eine Wirkung durch Abstrahlung von verbliebenen Schilddrüsenzellen erwarten lässt. Die Nachsorge basiert auf der Kontrolle des Kalzitoninwertes. Fehlende Lymphknotenmetastasen und Primärtumorgröße (niedriges T-Stadium) beeinflussen die Prognose positiv. Viele Patienten überleben auch im metastasierten Stadium (hohe Kalzitoninwerte) Jahrzehnte. Es gibt keine etablierte Chemo- oder Strahlentherapie bei diesen Tumoren. Die Möglichkeiten des genetischen Screenings erlauben heute bei der familiären Form Genträger aus betroffenen Familien zu identifizieren und einer prophylaktischen Thyreoidektomie schon im Kindesalter vor Manifestierung des Karzinoms zuzuführen. π
1 B-16.9
Solitäres medulläres Schilddrüsenkarzinom Aufgeschnittenes Schilddrüsenpräparat mit einem solitären medullären Karzinom bei normaler Struktur des übrigen Schilddrüsengewebes.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
669
16.1.3 Diagnostik Lymphome und nicht epitheliale Schilddrüsentumoren sind selten. Gelegentlich treten Metastasen extrathyreoidaler Tumoren in der Schilddrüse auf, dies wird vor allem beim Nierenzellkarzinom beobachtet. Die Diagnose wird in der Regel erst postoperativ durch die histologische Untersuchung gestellt.
16.1.3
Diagnostik
Anamnese und Untersuchung n Merke. Anlass für einen Arztbesuch sind nicht selten Symptome, die vom Patienten nicht auf eine Erkrankung oder Funktionsstörung der Schilddrüse zurückgeführt werden. Eine sorgfältige und umfassende Anamnese und Untersuchung kann den Zusammenhang aufdecken. Sie stellt zudem die Voraussetzung für die rationelle Planung der weiteren Diagnostik dar.
Klagt ein Patient über Unruhe, Nervosität, Herzrasen, vermehrtes Schwitzen oder auch über Durchfallneigung oder Gewichtsabnahme, muss man an eine Hyperthyreose denken. Nicht immer ist die Symptomatik »klassisch«, oligooder monosymptomatische Verläufe kommen vor. Bei Depressionen, Abgeschlagenheit, Verlangsamung und Antriebsarmut kann eine Hypothyreose bestehen, die sich beim Erwachsenen z.B. nach durchgemachter Thyreoiditis oder als Folge einer nicht ausreichenden Hormonsubstitution nach Schilddrüsenoperation einstellen kann. Bei Patienten, die sich wegen einer Struma in ärztliche Behandlung begeben, dient die Anamnese der Abklärung, ob zusätzliche Hinweise auf eine Funktionsstörung oder einen malignen Prozess bestehen. In kurzer Zeit (Wochen – Monate) entstandene Schilddrüsenvergrößerungen, rasch wachsende Solitärknoten, familiäre Belastung mit Schilddrüsenkarzinomen, frühere Strahlenexposition der Halsregion, Heiserkeit oder vom Patienten selbst bemerkte Lymphknotenschwellungen können anamnestisch auf eine Struma maligna hinweisen. Die klinische Untersuchung umfasst eine allgemeinkörperliche Untersuchung, wobei besonders auf Zeichen der Funktionsstörung zu achten ist (Hautbeschaffenheit, Reflexverhalten, Herzrhythmus, Blutdruck, psychische Befindlichkeit). Die Untersuchung der Schilddrüse selbst umfasst Inspektion, Palpation und Auskultation. Bei der Inspektion achtet man auf Veränderungen der Halskonturen und Asymmetrien (verursacht durch die Struma oder vergrößerte Halslymphknoten). Gestaute Halsvenen können Zeichen einer oberen Einflussstauung bei retrosternaler Struma sein. Die Palpation erlaubt eine Beurteilung von Größe, Konsistenz (derb, weich, prallelastisch) und evtl. Druckschmerzhaftigkeit. Die Schluckverschieblichkeit der Schilddrüse kann durch die Mitbewegung beim Schluckakt überprüft werden. Palpatorisch sollte auch die Struktur der Schilddrüse untersucht werden (diffuse Vergrößerung, Vorliegen eines oder mehrerer Knoten), ebenso wie die Beziehung zur Umgebung (Kehlkopf, Trachea, Halsmuskulatur). Darüber hinaus ist auf das Vorliegen vergrößerter zervikaler Lymphknoten zu achten. Die Auskultation kann bei hyperthyreoten Patienten ein deutliches systolisches Strömungsgeräusch (»Schwirren«) über der Schilddrüse ergeben. Zur Erleichterung der Befunddokumentation dient die Gradeinteilung der WHO zur Strumagröße ( 2 B-16.2) sowie die Messung des Halsumfanges.
2 B-16.2
Lymphome, nicht epitheliale Schilddrüsentumoren sowie Metastasen extrathyreoidaler Tumoren sind selten.
16.1.3 Diagnostik Anamnese und Untersuchung Merke
Unruhe, Nervosität, Herzrasen, vermehrtes Schwitzen, Durchfallneigung oder Gewichtsabnahme können auf eine Hyperthyreose hinweisen. Symptome einer Hypothyreose, wie Depression, Abgeschlagenheit und Antriebsarmut, können beim Erwachsenen nach einer Thyreoiditis oder nach einer Schilddrüsenoperation auftreten. Jeder Strumapatient muss auf Symptome einer Funktionsstörung hin abgeklärt werden. Rasch wachsende Knoten, familiäre Belastung, Strahlenexposition, Heiserheit oder Lymphknotenschwellungen können auf eine Struma maligna hinweisen. Bei der allgemeinkörperlichen Untersuchung ist besonders auf Hautbeschaffenheit, Reflexverhalten, Herzrhythmus, Blutdruck und psychische Befindlichkeit zu achten. Untersuchung der Schilddrüse: π Inspektion (Asymmetrie, gestaute Halsvenen) π Palpation (s.u.) π Auskultation (Strömungsgeräusch bei Hyperthyreose).
Durch die Palpation erfolgt die Beurteilung von Größe, Konsistenz, Knoten, Druckschmerzhaftigkeit, Schluckverschieblichkeit und tastbaren Lymphknoten.
Befunddokumentation: Grad der Strumagröße ( 2 B-16.2) und Halsumfang.
Gradeinteilung der Schilddrüsengröße
Grad 0
nicht sicht- und nicht tastbare Schilddrüsenvergrößerung
Grad I
tastbare, bei Reklination des Kopfes auch sichtbare Schilddrüsenvergrößerung
Grad II
tast- und sichtbare Schilddrüsenvergrößerung
Grad III
sehr große tast- und sichtbare Schilddrüsenvergrößerung
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16.1.3 Diagnostik Lymphome und nicht epitheliale Schilddrüsentumoren sind selten. Gelegentlich treten Metastasen extrathyreoidaler Tumoren in der Schilddrüse auf, dies wird vor allem beim Nierenzellkarzinom beobachtet. Die Diagnose wird in der Regel erst postoperativ durch die histologische Untersuchung gestellt.
16.1.3
Diagnostik
Anamnese und Untersuchung n Merke. Anlass für einen Arztbesuch sind nicht selten Symptome, die vom Patienten nicht auf eine Erkrankung oder Funktionsstörung der Schilddrüse zurückgeführt werden. Eine sorgfältige und umfassende Anamnese und Untersuchung kann den Zusammenhang aufdecken. Sie stellt zudem die Voraussetzung für die rationelle Planung der weiteren Diagnostik dar.
Klagt ein Patient über Unruhe, Nervosität, Herzrasen, vermehrtes Schwitzen oder auch über Durchfallneigung oder Gewichtsabnahme, muss man an eine Hyperthyreose denken. Nicht immer ist die Symptomatik »klassisch«, oligooder monosymptomatische Verläufe kommen vor. Bei Depressionen, Abgeschlagenheit, Verlangsamung und Antriebsarmut kann eine Hypothyreose bestehen, die sich beim Erwachsenen z.B. nach durchgemachter Thyreoiditis oder als Folge einer nicht ausreichenden Hormonsubstitution nach Schilddrüsenoperation einstellen kann. Bei Patienten, die sich wegen einer Struma in ärztliche Behandlung begeben, dient die Anamnese der Abklärung, ob zusätzliche Hinweise auf eine Funktionsstörung oder einen malignen Prozess bestehen. In kurzer Zeit (Wochen – Monate) entstandene Schilddrüsenvergrößerungen, rasch wachsende Solitärknoten, familiäre Belastung mit Schilddrüsenkarzinomen, frühere Strahlenexposition der Halsregion, Heiserkeit oder vom Patienten selbst bemerkte Lymphknotenschwellungen können anamnestisch auf eine Struma maligna hinweisen. Die klinische Untersuchung umfasst eine allgemeinkörperliche Untersuchung, wobei besonders auf Zeichen der Funktionsstörung zu achten ist (Hautbeschaffenheit, Reflexverhalten, Herzrhythmus, Blutdruck, psychische Befindlichkeit). Die Untersuchung der Schilddrüse selbst umfasst Inspektion, Palpation und Auskultation. Bei der Inspektion achtet man auf Veränderungen der Halskonturen und Asymmetrien (verursacht durch die Struma oder vergrößerte Halslymphknoten). Gestaute Halsvenen können Zeichen einer oberen Einflussstauung bei retrosternaler Struma sein. Die Palpation erlaubt eine Beurteilung von Größe, Konsistenz (derb, weich, prallelastisch) und evtl. Druckschmerzhaftigkeit. Die Schluckverschieblichkeit der Schilddrüse kann durch die Mitbewegung beim Schluckakt überprüft werden. Palpatorisch sollte auch die Struktur der Schilddrüse untersucht werden (diffuse Vergrößerung, Vorliegen eines oder mehrerer Knoten), ebenso wie die Beziehung zur Umgebung (Kehlkopf, Trachea, Halsmuskulatur). Darüber hinaus ist auf das Vorliegen vergrößerter zervikaler Lymphknoten zu achten. Die Auskultation kann bei hyperthyreoten Patienten ein deutliches systolisches Strömungsgeräusch (»Schwirren«) über der Schilddrüse ergeben. Zur Erleichterung der Befunddokumentation dient die Gradeinteilung der WHO zur Strumagröße ( 2 B-16.2) sowie die Messung des Halsumfanges.
2 B-16.2
Lymphome, nicht epitheliale Schilddrüsentumoren sowie Metastasen extrathyreoidaler Tumoren sind selten.
16.1.3 Diagnostik Anamnese und Untersuchung Merke
Unruhe, Nervosität, Herzrasen, vermehrtes Schwitzen, Durchfallneigung oder Gewichtsabnahme können auf eine Hyperthyreose hinweisen. Symptome einer Hypothyreose, wie Depression, Abgeschlagenheit und Antriebsarmut, können beim Erwachsenen nach einer Thyreoiditis oder nach einer Schilddrüsenoperation auftreten. Jeder Strumapatient muss auf Symptome einer Funktionsstörung hin abgeklärt werden. Rasch wachsende Knoten, familiäre Belastung, Strahlenexposition, Heiserheit oder Lymphknotenschwellungen können auf eine Struma maligna hinweisen. Bei der allgemeinkörperlichen Untersuchung ist besonders auf Hautbeschaffenheit, Reflexverhalten, Herzrhythmus, Blutdruck und psychische Befindlichkeit zu achten. Untersuchung der Schilddrüse: π Inspektion (Asymmetrie, gestaute Halsvenen) π Palpation (s.u.) π Auskultation (Strömungsgeräusch bei Hyperthyreose).
Durch die Palpation erfolgt die Beurteilung von Größe, Konsistenz, Knoten, Druckschmerzhaftigkeit, Schluckverschieblichkeit und tastbaren Lymphknoten.
Befunddokumentation: Grad der Strumagröße ( 2 B-16.2) und Halsumfang.
Gradeinteilung der Schilddrüsengröße
Grad 0
nicht sicht- und nicht tastbare Schilddrüsenvergrößerung
Grad I
tastbare, bei Reklination des Kopfes auch sichtbare Schilddrüsenvergrößerung
Grad II
tast- und sichtbare Schilddrüsenvergrößerung
Grad III
sehr große tast- und sichtbare Schilddrüsenvergrößerung
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670 Praktischer Tipp
16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
n Praktischer Tipp. Die Palpation der Schilddrüse erfolgt am einfachsten, wenn der Untersucher hinter dem sitzenden Patienten steht und durch lockeres Auflegen der Fingerkuppen die Schilddrüse betastet. Der Patient wird dann zum Schlucken aufgefordert, und die sich unter den untersuchenden Fingern auf und ab bewegende Schilddrüse kann beurteilt werden. Die Untersuchung wird erleichtert, wenn man den Patienten etwas trinken lässt, der Schluckakt kann dann auch mehrfach wiederholt werden.
Sonographie
Sonographie
Die morphologische Schilddrüsendiagnostik erfolgt primär durch Sonographie.
Das bildgebende Verfahren der ersten Wahl zur morphologischen Schilddrüsendiagnostik stellt die Ultraschalluntersuchung (Sonographie) des Halses dar. Die Sonographie erlaubt Aussagen über das Volumen der Schilddrüse, das Echoverhalten (Echogenität) des Schilddrüsengewebes und die Beziehung der Schilddrüse zu benachbarten Strukturen (Trachea, Ösophagus, Muskeln, Lymphknoten und Gefäße). Das Schilddrüsenvolumen wird in Milliliter (ml) angegeben und nach der Formel maximale Länge « Breite « Tiefe « 0,5 berechnet. Die obere Grenze für das Gesamtvolumen beider Schilddrüsenlappen beträgt 25 ml beim Mann bzw. 18 ml bei der Frau. Bei dem auch als Schallmuster bezeichneten Echoverhalten unterscheidet man echonormal von echoarm bzw. echofrei und echoreich. Zysten stellen sich als weitgehend echofreie Gebilde dar ( 1 B-16.10), während Adenomknoten echoarm oder echoreich sein können, sich aber gut vom echonormalen gesunden Schilddrüsengewebe abgrenzen lassen. Karzinome imponieren meist als schlecht abgrenzbare, echoarme Knoten. Eine diffuse Echominderung findet sich z.B. bei der Basedow-Hyperthyreose.
Sie erlaubt Aussagen zur Größe, Echogenität und Nachbarschaftsbeziehung der Schilddrüse. Die obere Grenze des Schilddrüsenvolumens beträgt 25 ml beim Mann bzw. 18 ml bei der Frau. Zysten sind weitgehend echofrei ( 1 B-16.10), Adenomknoten echoarm oder echoreich, Karzinome meist echoarm. Eine diffuse Echominderung findet sich z.B. bei der Basedow-Hyperthyreose.
1 B-16.10
Die Sonographie erlaubt zwar eine morphologische Diagnostik, aber keine Aussage über Dignität und Funktion.
Ultraschallbild einer Schilddrüsenzyste
Trotz der exzellenten Darstellungsmöglichkeit morphologischer Veränderungen erlaubt die Sonographie keine eindeutige Aussage zur Dignität eines Schilddrüsenprozesses. Auch eine Beurteilung der Schilddrüsenfunktion ist nicht möglich.
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16.1.3 Diagnostik
Szintigraphie
Szintigraphie
Die Szintigraphie informiert über den Funktionszustand der Schilddrüse und die Verteilung der Jodspeicherung in verschiedenen Drüsenarealen. Das Prinzip besteht in der Gabe von Radionukliden, deren emittierte Strahlung durch eine Gammakamera registriert wird. Die Abbildung erfolgt rechnergestützt in Form eines Szintigramms. Als Radionuklid kommt in der Regel Technetium (Tc-99m-Pertechnetat) zur Anwendung, dessen Aufnahme durch die Schilddrüse dem Jodid vergleichbar ist. Andere Radionuklide (I-123, I-131) werden bei speziellen Indikationen verwendet, z.B. bei der Radiojodtherapie (s. S. 677). Beim Suppressionsszintigramm wird durch Gabe von Schilddrüsenhormon die TSH-Sekretion unterdrückt, wodurch autonome Areale besser identifiziert werden können. Die Szintigraphie ermöglicht somit die Erkennung einer funktionellen Autonomie (unifokal, multifokal oder disseminiert) und die Zuordnung »heißer« oder »kalter« Areale zu tastbaren oder sonographisch nachweisbaren Knoten. Kalte Areale zeigen keine oder eine stark herabgesetzte Speicherung ( 1 B-16.11 a). Ursachen können zystisch oder regressiv veränderte Knoten oder eine Thyreoiditis sein, auch Karzinome imponieren meist als kalte Knoten. Heiße Areale mit vermehrter Speicherung indizieren eine uni- oder multifokale Autonomie ( 1 B-16.11 b). Bei stärkergradiger Autonomie wird die gesamte Aktivität nur noch in den autonomen Arealen gespeichert, das normale Schilddrüsengewebe stellt sich szintigraphisch nicht mehr dar ( 1 B-16.11 c).
Die Szintigraphie dient der Beurteilung des Funktionszustandes und der Jodspeicherung. Prinzip: Gabe von Radionukliden (z.B. Tc-99m-Pertechnetat), Registrierung der Gammastrahlung und Abbildung rechnergestützt in Form eines Szintigrammes. Suppressionsszintigramm: Unterdrückung der TSH-Sekretion durch Hormongabe zur besseren Darstellung autonomer Bezirke.
1 B-16.11
Die Szintigraphie ermöglicht die Diagnose einer funktionellen Autonomie und die Zuordnung »heißer« oder »kalter« Knoten. Kalte Areale ( 1 B-16.11 a zeigen zystisch oder regressiv veränderte Knoten, eine Thyreoiditis oder Karzinome an. Heiße Areale indizieren eine uni- oder multifokale Autonomie ( 1 B-16.11 b, c).
Schilddrüsenszintigraphie
a Szintigramm bei rechtsseitigem kalten Knoten (Á).
b Szintigramm bei linksseitiger unifokaler Autonomie mit Restspeicherung der normalen Schilddrüse (»kompensiertes autonomes Adenom«).
c Szintigramm bei rechtsseitiger unifokaler Autonomie mit Suppression des normalen Schilddrüsengewebes (»dekompensiertes autonomes Adenom«).
Ein quantitatives Maß für die Jodidaufnahme ist der Schilddrüsen-Uptake, d.h. der Prozentsatz der insgesamt applizierten Radioaktivität, der in der Schilddrüse aufgenommen wird (normal 2–4 %).
Der Schilddrüsen-Uptake (normal 2–4 %) ist ein quantitatives Maß der Jodidaufnahme.
MRT/CT
MRT/CT
Eine MRT oder CT ist nur bei ausgedehnten Tumoren zur Operationsplanung erforderlich. Die Computertomographie sollte ohne Kontrastmittel durchgeführt werden, um eine spätere Radiojodtherapie nicht zu verzögern, da es nach Gabe von jodhaltigem Kontrastmittel zu einer Blockierung der Radionuklidaufnahme in den Schilddrüsenzellen kommt. Ausnahmen sind lediglich das bereits präoperativ nachgewiesene medulläre oder anaplastische Karzinom, da hier in der Regel keine Radiojodtherapie indiziert ist.
Eine MRT oder CT ist nur bei ausgedehnten Schilddrüsentumoren zur Operationsplanung erforderlich.
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16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
Labordiagnostik
Labordiagnostik
Zur Erfassung von Funktionsstörungen der Schilddrüse dient die Bestimmung der Schilddrüsenhormone (T3, fT3, T4, fT4) und des TSH im peripheren Blut mittels Radioimmunoassay (RIA).
Zur Erfassung von Funktionsstörungen der Schilddrüse dient die Bestimmung der Schilddrüsenhormone (T3, T4) und des TSH im peripheren Blut mittels Radioimmunoassay (RIA). Die Gesamthormonmenge wird durch Schwankungen der Konzentrationen der Bindungsproteine (Albumin, thyroxinbindendes Globulin, TBG) beeinflusst. Verlässlichere Aussagen erlaubt daher die Bestimmung der freien, stoffwechselaktiven Anteile (fT3, fT4). Der Nachweis einer supprimierten TSH-Sekretion ist ein empfindlicher Parameter zur Erkennung einer Hyperthyreose. Beim TRH-Test wird TSH zunächst basal und anschließend nach Gabe von TRH erneut bestimmt. Diese Untersuchung erlaubt eine Aussage über Stimulierbarkeit von TSH bei Patienten mit Autonomie und subklinischer Hyperthyreose. Wegen der hohen Empfindlichkeit der heute verfügbaren TSHAssays hat der TRH-Test für die klinische Routine an Bedeutung verloren. Die Bestimmung von Schilddrüsenautoantikörpern im Serum hat Bedeutung für die Diagnose und Verlaufsbeurteilung von Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse. Thyreoglobulinantikörper (TAK) werden besonders bei der Autoimmunthyreoiditis, seltener auch beim Morbus Basedow nachgewiesen. Ein negativer Befund schließt eine Autoimmunerkrankung aber nicht aus. Autoantikörper gegen mikrosomale Antigene (MAK) der Follikelzellen können ebenfalls bei Autoimmunthyreoitiden und beim Morbus Basedow vorkommen, aber auch bei anderen Autoimmunerkrankungen (Lupus erythematodes). Der Autoantikörper gegen den TSH-Rezeptor (TRAK) ist der wichtigste Parameter zur Abgrenzung einer immunogenen Hyperthyreose von anderen Formen. Er ist bei bis zu 90 % aller Basedow-Kranken nachweisbar. Dieser Antikörper löst durch Stimulation des TSH-Rezeptors eine vom Regelkreis unabhängige Hyperthyreose aus. Die TRAK-Bestimmung wird auch zur Verlaufsbeurteilung nach Therapie eingesetzt, obwohl eine Übereinstimmung zwischen Titerverlauf und Aktivität des Autoimmunprozesses nur in 50–60 % der Fälle besteht. Als Tumormarker bei Struma maligna dienen Thyreoglobulin und Kalzitonin. Thyreoglobulin ist in der Schilddrüse lokalisiert und ist in geringen Mengen (bis 50 ng/ml) im Serum Gesunder nachweisbar. Nach totaler Thyreoidektomie und Radiojodablation wegen eines differenzierten Schilddrüsenkarzinoms sinken die Werte auf < 5–10 ng/ml ab. Ein erneuter Anstieg zeigt ein Rezidiv bzw. das Auftreten von Metastasen an. Das in den parafollikulären C-Zellen produzierte Kalzitonin ist beim medullären Schilddrüsenkarzinom erhöht. Durch vorherige Stimulation mit Pentagastrin lassen sich erhöhte Werte auch bei klinisch inapparenten Karzinomen nachweisen. Dies hat Bedeutung beim Verwandtenscreening der familiären Form (MEN II). Auch in der Nachsorge ist die Kalzitoninbestimmung ein empfindlicher Parameter (Rezidive, Metastasen).
Beim TRH-Test (Hyperthyreosediagnostik) wird die Stimulierbarkeit von TSH nach Gabe von TRH gemessen. Der Test ist heute aber durch die Verfügbarkeit empfindlicher TSH-Assays selten indiziert. Schilddrüsenautoantikörper: Thyreoglobulinantikörper (TAK) sind bei der Autoimmunthyreoiditis, seltener beim Morbus Basedow nachweisbar. Ein negativer Befund schließt eine Autoimmunerkrankung nicht aus. Autoantikörper gegen mikrosomale Antigene (MAK) können bei der Autoimmunthyreoiditis, Morbus Basedow und anderen Autoimmunerkrankungen vorkommen. Der Autoantikörper gegen den TSH-Rezeptor (TRAK) ist der wichtigste Parameter zur Diagnose eines Morbus Basedow (in bis zu 90 % nachweisbar); Er löst durch Stimulation des TSH-Rezeptors eine vom Regelkreis unabhängige Hyperthyreose aus. In der Verlaufsbeurteilung der Erkrankung hat er geringere Aussagekraft. Tumormarker bei Struma maligna: Der Anstieg der Thyreoglobulinkonzentration im Serum nach Therapie eines differenzierten Schilddrüsenkarzinoms weist auf ein Rezidiv oder Metastasen hin. Erhöhte Kalzitoninwerte weisen auf ein medulläres Schilddrüsenkarzinom hin. Durch Pentagastrinstimulation sind erhöhte Werte auch bei klinisch unauffälligen Karzinomträgern nachweisbar. Auch in der Nachsorge ist die Kalzitoninbestimmung ein empfindlicher Parameter.
Feinnadelpunktion
Feinnadelpunktion
Die Feinnadelpunktion (FNP) mit Aspirationszytologie ist bei szintigraphisch kalten Knoten, die sonographisch nicht als Zyste imponieren, und zur Abklärung von Thyreoitiden indiziert. Zytologisch können durch die FNP kalter Knoten regressive Veränderungen, papilläre oder medulläre Karzinome oder follikuläre Neoplasien diagnostiziert werden. Ein negativer Befund schließt ein Karzinom nicht aus, eine follikuläre Neoplasie muss immer durch Operation abgeklärt werden ( 1 B-16.12).
Die Feinnadelpunktion (FNP) suspekter Schilddrüsenknoten ermöglicht eine Aspirationszytologie. Indiziert ist die FNP vor allem bei szintigraphisch kalten Knoten, die im Ultraschall nicht eindeutig als Zyste imponieren. Die Punktion erfolgt bei tastbaren Knoten unter Palpationskontrolle, sonst sonographisch gesteuert. Das Aspirat wird auf einem Objektträger ausgestrichen und luftgetrocknet. Zytologisch finden sich meist regressive Veränderungen. Durch FNP kann die Diagnose eines papillären oder medullären Schilddrüsenkarzinoms gestellt werden, ein negativer Befund schließt ein Karzinom aber nicht aus. Follikuläre Karzinome lassen sich von Adenomen zytologisch nicht differenzieren, sodass in diesen Fällen die Diagnose »follikuläre Neoplasie« gestellt wird: Dieser Befund erfordert eine histologische Abklärung durch Operation. 1 B-16.12 fasst das Prozedere beim isolierten kalten Knoten in Abhängigkeit vom Ergebnis der Feinnadelpunktion zusammen.
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673
16.1.4 Therapie
1 B-16.12
Synopsis Prozedere beim solitären kalten Knoten kalter Knoten
Feinnadelpunktion
follikuläre Neoplasie
Zellatypien V.a. papilläres Karzinom
kein Malignitätsverdacht
Operation, histologischer Schnellschnitt
Operation, histologischer Schnellschnitt
Verlaufskontrolle, alternativ Knotenresektion
kein Karzinom
Karzinom
follikuläres Karzinom
Operation beendet: Abwarten der endgültigen Histologie; bei Karzinomnachweis Nachoperation (totale Thyreoidektomie)
16.1.4
kein Karzinom
totale Thyreoidektomie, zentrale Lymphadenektomie
Therapie
Operation beendet: Abwarten der endgültigen Histologie; bei Karzinomnachweis Nachoperation (totale Thyreoidektomie, Ausnahme: papilläres Mikrokarzinom)
16.1.4 Therapie
Erkrankungen und Funktionsstörungen der Schilddrüse werden in den meisten Fällen konservativ behandelt. Eine chirurgische Therapie ist indiziert, wenn eine maligne Schilddrüsenerkrankung vorliegt oder nicht ausgeschlossen werden kann und wenn eine Struma aufgrund ihrer Größe zu Symptomen führt. Des Weiteren kann eine Operationsindikation bei der Basedow-Hyperthyreose und der fokalen Autonomie bestehen, wobei hier mit der medikamentösen und der Radiojodtherapie ergänzende und zum Teil konkurrierende Therapien zur Verfügung stehen. In diesen Fällen muss die Indikation im Einzelfall im interdisziplinären Konsil zwischen Chirurg, Endokrinologen und Nuklearmediziner unter Einbeziehung des Patienten gestellt werden. Seltene Operationsindikationen sind bei der akuten Thyreoiditis z.B. bei eitriger Einschmelzung mit Abszessbildung gegeben oder bei der thyreotoxischen Krise, wenn die konservative Therapie nicht rasch genug greift.
Die meisten Erkrankungen und Funktionsstörungen der Schilddrüse werden konservativ behandelt. Eine Operationsindikation ist bei Verdacht auf Malignität und Symptomen aufgrund der Strumagröße gegeben. Weiterhin kann sie bei der Basedow-Hyperthyreose und der fokalen Autonomie bestehen. Die Entscheidung fällt im interdisziplinären Konsil unter Einbeziehung des Patienten.
Chirurgische Therapie
Chirurgische Therapie
Die Wahl des chirurgischen Therapieverfahrens hat die zugrunde liegende Schilddrüsenerkrankung und den thyreoidalen Funktionszustand zu berücksichtigen. Anatomischer Situs, Voroperationen und Erfahrung des Operateurs modifizieren das chirurgische Vorgehen ebenso wie der intraoperative Verlauf (Komplikationen, Nachweis eines Karzinoms in der Schnellschnittuntersuchung). Der Zugang zur Schilddrüse erfolgt üblicherweise durch einen Kocher-Kragenschnitt ( 1 B-16.13). Dieser wird ca. 3 cm oberhalb des Jugulums angelegt. Nach Durchtrennung von Subkutis, Platysma und oberflächlicher Halsfaszie wird die gerade Halsmuskulatur in der Medianlinie gespalten und zu beiden Seiten mit Haken weggehalten. Die Mobilisation der Schilddrüse muss in der richtigen Schicht zwischen den beiden Blättern der Schilddrüsenkapsel erfolgen. Das weitere Vorgehen ist abhängig vom Befund und dem geplanten Resektionsausmaß.
Das chirurgische Vorgehen wird beeinflusst durch: π Art der Schilddrüsenerkrankung π Funktionszustand der Schilddrüse π anatomischer Situs π Erfahrung des Operateurs π intraoperativer Verlauf. Der Zugang zur Schilddrüse erfolgt durch den Kocher-Kragenschnitt ( 1 B-16.13). Die Mobilisation der Schilddrüse muss in der richtigen Schicht zwischen den beiden Blättern der Schilddrüsenkapsel erfolgen. Das weitere Vorgehen ist abhängig vom Befund und dem geplanten Resektionsausmaß.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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16.1.4 Therapie
1 B-16.12
Synopsis Prozedere beim solitären kalten Knoten kalter Knoten
Feinnadelpunktion
follikuläre Neoplasie
Zellatypien V.a. papilläres Karzinom
kein Malignitätsverdacht
Operation, histologischer Schnellschnitt
Operation, histologischer Schnellschnitt
Verlaufskontrolle, alternativ Knotenresektion
kein Karzinom
Karzinom
follikuläres Karzinom
Operation beendet: Abwarten der endgültigen Histologie; bei Karzinomnachweis Nachoperation (totale Thyreoidektomie)
16.1.4
kein Karzinom
totale Thyreoidektomie, zentrale Lymphadenektomie
Therapie
Operation beendet: Abwarten der endgültigen Histologie; bei Karzinomnachweis Nachoperation (totale Thyreoidektomie, Ausnahme: papilläres Mikrokarzinom)
16.1.4 Therapie
Erkrankungen und Funktionsstörungen der Schilddrüse werden in den meisten Fällen konservativ behandelt. Eine chirurgische Therapie ist indiziert, wenn eine maligne Schilddrüsenerkrankung vorliegt oder nicht ausgeschlossen werden kann und wenn eine Struma aufgrund ihrer Größe zu Symptomen führt. Des Weiteren kann eine Operationsindikation bei der Basedow-Hyperthyreose und der fokalen Autonomie bestehen, wobei hier mit der medikamentösen und der Radiojodtherapie ergänzende und zum Teil konkurrierende Therapien zur Verfügung stehen. In diesen Fällen muss die Indikation im Einzelfall im interdisziplinären Konsil zwischen Chirurg, Endokrinologen und Nuklearmediziner unter Einbeziehung des Patienten gestellt werden. Seltene Operationsindikationen sind bei der akuten Thyreoiditis z.B. bei eitriger Einschmelzung mit Abszessbildung gegeben oder bei der thyreotoxischen Krise, wenn die konservative Therapie nicht rasch genug greift.
Die meisten Erkrankungen und Funktionsstörungen der Schilddrüse werden konservativ behandelt. Eine Operationsindikation ist bei Verdacht auf Malignität und Symptomen aufgrund der Strumagröße gegeben. Weiterhin kann sie bei der Basedow-Hyperthyreose und der fokalen Autonomie bestehen. Die Entscheidung fällt im interdisziplinären Konsil unter Einbeziehung des Patienten.
Chirurgische Therapie
Chirurgische Therapie
Die Wahl des chirurgischen Therapieverfahrens hat die zugrunde liegende Schilddrüsenerkrankung und den thyreoidalen Funktionszustand zu berücksichtigen. Anatomischer Situs, Voroperationen und Erfahrung des Operateurs modifizieren das chirurgische Vorgehen ebenso wie der intraoperative Verlauf (Komplikationen, Nachweis eines Karzinoms in der Schnellschnittuntersuchung). Der Zugang zur Schilddrüse erfolgt üblicherweise durch einen Kocher-Kragenschnitt ( 1 B-16.13). Dieser wird ca. 3 cm oberhalb des Jugulums angelegt. Nach Durchtrennung von Subkutis, Platysma und oberflächlicher Halsfaszie wird die gerade Halsmuskulatur in der Medianlinie gespalten und zu beiden Seiten mit Haken weggehalten. Die Mobilisation der Schilddrüse muss in der richtigen Schicht zwischen den beiden Blättern der Schilddrüsenkapsel erfolgen. Das weitere Vorgehen ist abhängig vom Befund und dem geplanten Resektionsausmaß.
Das chirurgische Vorgehen wird beeinflusst durch: π Art der Schilddrüsenerkrankung π Funktionszustand der Schilddrüse π anatomischer Situs π Erfahrung des Operateurs π intraoperativer Verlauf. Der Zugang zur Schilddrüse erfolgt durch den Kocher-Kragenschnitt ( 1 B-16.13). Die Mobilisation der Schilddrüse muss in der richtigen Schicht zwischen den beiden Blättern der Schilddrüsenkapsel erfolgen. Das weitere Vorgehen ist abhängig vom Befund und dem geplanten Resektionsausmaß.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
1 B-16.13
Synopsis Operativer Schilddrüsenzugang (Kocher-Kragenschnitt)
Operationsverfahren
Folgende Operationsverfahren stehen zur Verfügung:
Subtotale Schilddrüsenresektion
Subtotale Schilddrüsenresektion (subtotale Strumaresektion, subtotale Thyreoidektomie)
Belassung eines dorsal gelegenen Restes normalen Schilddrüsengewebes, dessen Größe durch das Ausmaß der regressiv-knotigen Veränderungen beeinflusst wird. Dieses Verfahren kommt vor allem bei der euthyreoten Struma multinodosa zur Anwendung.
Die ausgedehnt subtotale Resektion (near-total thyroidectomy) bezeichnet die weitestgehende Resektion des Schilddrüsengewebes (Rest pro Lappen 2 bis maximal 5 g schwer). Die Identifizierung des N. recurrens und der Epithelkörperchen ist obligat. Indikationen: Morbus Basedow, ggf. auch multifokale Autonomie.
Bei dieser Resektionsform werden die vergrößerten Schilddrüsenanteile unter Belassung eines meist dorsal gelegenen Restes entfernt. Die Größe des verbleibenden Schilddrüsenrestes wird durch das Ausmaß der regressivknotigen Veränderungen beeinflusst, wobei normales Gewebe weitgehend belassen wird. Nach Freilegung der Schilddrüse werden die oberen Polgefäße mit der A. thyreoidea superior und die laterale Schilddrüsenvene (Kocher-Vene) dargestellt und durchtrennt, ebenso die unteren Polgefäße. Die von lateral an die Schilddrüse heranziehende A. thyreoidea inferior wird in der Regel nicht durchtrennt. Sie kann entweder schilddrüsenfern ligiert werden oder ihre Äste werden bei der Resektion durch Naht versorgt. Die subtotale Schilddrüsenresektion kommt vor allem bei der euthyreoten Struma multinodosa zur Anwendung. Als ausgedehnt subtotale Resektion (near-total thyroidectomy) wird die weitestgehende Resektion des Schilddrüsengewebes unter Belassung eines kleinen 2 bis maximal 5 g schweren Restes pro Lappen bezeichnet. Hierbei muss die Schilddrüse auch in ihren dorsalen Anteilen mobilisiert werden, weshalb die Identifizierung des N. recurrens und der Epithelkörperchen obligat ist. Die Hauptindikation stellt die Immunhyperthyreose (Morbus Basedow) dar. Befundabhängig kommt dieses Verfahren auch bei der multifokalen Autonomie zur Anwendung.
Hemithyreoidektomie (Lobektomie)
Hemithyreoidektomie (Lobektomie)
Entfernung eines Schilddrüsenlappens meist einschließlich des Isthmus (Darstellung des N. recurrens und der Epithelkörperchen obligat). Indikationen sind der malignitätsverdächtige kalte Knoten und die unifokale Autonomie.
Ein Schilddrüsenlappen wird (in der Regel unter Mitnahme des Isthmus) vollständig entfernt, wobei die Darstellung des N. recurrens und der Epithelkörperchen obligat ist. Dieser Eingriff kommt beim malignitätsverdächtigen kalten Knoten oder der unifokalen Autonomie zum Einsatz.
Totale Thyreoidektomie
Totale Thyreoidektomie
Entfernung beider Schilddrüsenlappen einschließlich Isthmus (Darstellung des N. recurrens und der Epithelkörperchen
Die vollständige Entfernung beider Schilddrüsenlappen erfolgt unter Mitnahme des Isthmus und evtl. vorhandener Lobus-pyramidalis-Anteile (Darstellung des N. recurrens und der Nebenschilddrüsen ist obligat). Hauptindi-
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16.1.4 Therapie
1 B-16.14
Totale Thyreoidektomie ThyreoidektomiePräparat einer 40-jährigen Frau mit jodinduzierter thyreotoxischer Krise bei multifokaler Autonomie.
kation ist das Schilddrüsenkarzinom ( 1 B-16.14). Aufgrund pathophysiologischer Überlegungen (vollständige Entfernung des immunogenen Gewebes) wird dieser Eingriff auch zunehmend beim Morbus Basedow durchgeführt. Bei der Struma multinodosa kann eine Indikation bei vollständig knotigem Umbau des Organs bestehen.
obligat). Hauptindikation ist das Schilddrüsenkarzinom ( 1 B-16.14), zunehmend auch der Morbus Basedow, seltener eine Struma multinodosa.
Knotenresektion (Enukleationsresektion)
Knotenresektion (Enukleationsresektion) Entfernung eines solitären Knotens mit einem Saum gesunden Schilddrüsengewebes. Indikationen: unifokale Autonomie, solitäres Adenom, solitärer kalter Knoten.
Hierbei wird ein solitärer Knoten (z.B. ein Adenom) mit einem Saum gesunden Schilddrüsengewebes entfernt. Der Begriff der Enukleation wird heute vermieden, da hiermit leicht das früher übliche Ausschälen eines Knotens assoziiert wird. Indikationen sind die unifokale Autonomie, das solitäre Adenom oder der solitäre kalte Knoten. Beim malignomverdächtigen kalten Knoten kann auch primär eine Hemithyreoidektomie indiziert sein.
Lymphadenektomie
Lymphadenektomie
Man unterscheidet ein zentrales (mediales), ein laterales und ein mediastinales Kompartment ( 1 B-16.15 a). Das zentrale Kompartment liegt zwischen Trachea und A. carotis, das laterale zwischen A. carotis und dem M. trapezius. Das mediastinale Kompartment ist partiell von zervikal, vollständig nur durch Sternotomie zugänglich. Das Ausmaß der Lymphadenektomie wird durch den Befund und die histologische Diagnose mitbestimmt. Bei der selektiven Lymphadenektomie werden nur Teile eines Kompartments oder nur makroskopisch suspekte Lymphknoten entfernt. Heute wird zunehmend die systematische Lymphadenektomie durchgeführt, bei der das Lymph- und Bindegewebe eines oder mehrerer Kompartments komplett entfernt wird. Die Ausräumung des medialen und lateralen Kompartments entspricht der sog. funktionellen Neck dissection. Die Schnittführung ist in 1 B-16.15 b dargestellt. Ist die Karzinomdiagnose prä- oder intraoperativ gesichert, sollte das zentrale Kompartment primär mit ausgeräumt werden, um so Verletzungen der hier gelegenen Strukturen (N. recurrens, Nebenschilddrüsen) bei späteren Eingriffen zu vermeiden. Besondere Bedeutung hat die Lymphadenektomie in der Behandlung des medullären Schilddrüsenkarzinoms, da hier eine Heilung nur durch chirurgische Maßnahmen möglich ist ( 1 B-16.15 c).
Man unterscheidet ein zentrales (mediales), laterales und mediastinales Kompartment ( 1 B-16.15 a).
Bei der selektiven Lymphadenektomie werden nur einzelne Lymphknoten(gruppen) entfernt. Bei der systematischen Lymphadenektomie erfolgt die komplette Ausräumung eines oder mehrerer Kompartments. Die Ausräumung des medialen und lateralen Kompartments entspricht der funktionellen Neck dissection (Schnittführung, s. 1 B-16.15 b). Bei gesichertem Karzinom erfolgt primär die Ausräumung des zentralen Kompartments. Hohen Stellenwert hat die Lymphadenektomie beim medullären Schilddrüsenkarzinom ( 1 B-16.15 c).
Sternotomie
Sternotomie
Eine partielle oder komplette Sternotomie ist bei Schilddrüsenoperationen selten erforderlich. Auch ausgedehnte retrosternale Strumen lassen sich fast immer vom Hals aus entfernen. Ausnahmen sind die seltenen, echten intrathorakalen Strumen, die eine vom Hals unabhängige thorakale Gefäßversorgung haben. Auch bei weit nach kaudal reichenden Rezidivstrumen und zur Lymphadenektomie, besonders des medullären Schilddrüsenkarzinoms, kann eine Sternotomie erforderlich werden.
Eine partielle oder komplette Sternotomie ist selten erforderlich. Hauptindikationen sind: π echte intrathorakale Strumen π weit nach kaudal reichende Rezidivstrumen π mediastinale Lymphadenektomie (bei Schilddrüsenkarzinom).
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16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
1 B-16.15
Synopsis Lymphadenektomie beim Schilddrüsenkarzinom
2
1 3
6
7
Lymphknotengruppen
4 8
5
8
1 2 3 4 5 6 7 8
Kompartmenteinteilung
submentale LK submandibuläre LK kranial-juguläre LK medial-juguläre LK kaudal-juguläre LK dorsal-zervikale LK supraklavikuläre LK prä- und paratracheale und prälaryngeale LK
zentrales Kompartment: LK-Gruppen 1, 2 und 8 laterales Kompartment: LK-Gruppen 3–7 mediastinales Kompartment: retrosternal gelegen, kaudal der Gruppe 8, nicht abgebildet
a Schema der zervikalen Lymphknoten (LK) und ihre Einteilung in Kompartments.
Larynx Plexus brachialis N. vagus
V. jugularis interna
N. phrenicus
Trachea
A. carotis V. brachiocephalica sinistra Aortenbogen b Zugang zur Lymphadenektomie (Neck dissection).
c Situs nach abgeschlossener sog. Vierkompartmentlymphadenektomie bei einem lymphogen metastasierten medullären Schilddrüsenkarzinom. Es handelt sich um ein 14-jähriges Mädchen mit einem MEN-II-B-Syndrom. Sämtliche nervalen und vaskulären Strukturen des Halses und des vorderen Mediastinums sind freigelegt, die rechte V. jugularis interna ist wegen Tumorinfiltration reseziert.
Medikamentöse Therapie
Medikamentöse Therapie
Thyroxin
Thyroxin
Suppressionstherapie: Unterdrückung der TSH-Ausschüttung durch Thyroxin bei Struma diffusa, Rezidivprophylaxe und Nachbehandlung von Schilddrüsenkarzinomen. Substitutionstherapie: Zur Therapie der Hypothyreose. Die Anfangsdosis zur Substitution bzw. Rezidivprophylaxe liegt bei 100 m g/Tag, im Verlauf erfolgt eine
Die externe Zugabe von Thyroxin (T4) führt zur Suppression der hypophysären TSH-Sekretion. Damit fällt die Wachstumsstimulation der TSH-abhängigen Zellen in der Schilddrüse weg (Suppressionstherapie). Indikationen sind die konservative Therapie der Struma diffusa, die Rezidivprophylaxe nach Strumaoperation sowie die Nachbehandlung der differenzierten Schilddrüsenkarzinome. Jede Form der Hypothyreose wird ebenfalls durch Einnahme von Thyroxin behandelt (Substitutionstherapie). Die Dosierung richtet sich nach der Indikation und dem Funktionszustand. Die Anfangsdosis zur Substitution bzw. Rezidivprophylaxe liegt bei
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16.1.4 Therapie 100 mg/Tag, eine Dosisanpassung im Verlauf erfolgt in Abhängigkeit vom TSH-Spiegel. Bei den Schilddrüsenkarzinomen wird durch Thyroxindosen von bis 250 mg/Tag eine vollständige TSH-Suppression angestrebt. Ausgenommen hiervon ist das medulläre Karzinom, da es kein TSH-abhängiges Wachstum zeigt.
vom TSH-Spiegel abhängige Dosisanpassung. Beim Schilddrüsenkarzinom werden Thyroxindosen bis 250 m g/Tag zur vollständigen TSH-Supprimierung verabreicht (Ausnahme: medulläres Karzinom).
Jodid
Jodid
Die heute gültigen pathophysiologischen Vorstellungen zum Strumawachstum und zur Entwicklung der thyreoidalen Autonomie weisen dem chronischen Jodmangel auch außerhalb der klassischen Endemiegebiete eine wichtige Rolle zu. Folglich hat sich zunehmend die Therapie mit Jodid allein oder in Kombination mit Thyroxin sowohl zur konservativen Strumatherapie als auch zur postoperativen Rezidivprophylaxe etabliert. Die Dosierung liegt zwischen 100–300 mg Jodid/Tag.
Da der chronische Jodmangel ursächlich an Strumawachstum und der Entwicklung der thyreoidalen Autonomie beteiligt ist, wird Jodid zur konservativen Strumatherapie und Rezidivprophylaxe in einer Dosierung zwischen 100–300 m g/Tag eingesetzt.
Thyreostatika
Thyreostatika
Diese antithyreoidal wirksamen Substanzen blockieren entweder die Hormonsynthese oder -freisetzung oder die periphere Konversion von T4 zu T3. Therapeutisch kommen in erster Linie Synthesehemmer und zwar die Thioharnstoffderivate Thiamazol, Carbimazol und Propylthiouracil zur Anwendung. Indikationen sind die immunogene und autonome Hyperthyreose. Bei gegebener Operationsindikation werden sie zur präoperativen Normalisierung des Stoffwechsels eingesetzt. Da nur die Synthese, nicht aber die Freisetzung der Hormone gehemmt wird, können bis zum Erreichen der Euthyreose mehrere Wochen vergehen. Nebenwirkungen betreffen hauptsächlich Hautreaktionen und gastrointestinale Symptome. Selten tritt eine Knochenmarksdepression bis hin zur Agranulozytose auf. Nur in speziellen Situationen, z.B. der Therapie der thyreotoxischen Krise muss auf andere Thyreostatika zurückgegriffen werden. Die Jodaufnahme kann durch hohe Joddosen und Perchlorat gehemmt werden, die Hormonfreisetzung aus der Schilddrüse durch hohe Joddosen und Lithium.
Wichtigste Gruppe sind die Synthesehemmer (Thiamazol, Carbimazol, Propylthiouracil). Indikationen sind die immunogene und autonome Hyperthyreose, aber auch die präoperative Normalisierung des Stoffwechsels. Nebenwirkungen sind u.a. Hautreaktionen und gastrointestinale Symptome, selten eine Knochenmarksdepression (Agranulozytose). Die Jodaufnahme kann durch hohe Joddosen und Perchlorat gehemmt werden, die Hormonfreisetzung aus der Schilddrüse durch hohe Joddosen und Lithium.
Andere Medikamente
Andere Medikamente
b -Blocker blockieren die Konversion von T4 zu T3 und dämpfen die adrenerge Hyperthyreosesymptomatik. Kortikosteroide werden bei der Behandlung von Autoimmunthyreoitiden und des Morbus Basedow eingesetzt.
b -Blocker werden bei der Hyperthy-
Radiojodtherapie
Radiojodtherapie
Das Prinzip der Radiojodtherapie besteht in einer inneren lokalen Bestrahlung durch die Einlagerung von radioaktivem Jod-131 in Schilddrüsengewebe. Jod-131 wird ebenso wie das in der Nahrung enthaltene Jod über den Gastrointestinaltrakt resorbiert und selektiv in der Schilddrüse konzentriert. Die therapeutische Wirkung beruht überwiegend (> 90 %) auf der b-Strahlung, die im Gewebe eine maximale Reichweite von 3 mm hat. Extrathyreoidales Gewebe oder nicht speicherndes Schilddrüsengewebe wird daher weitgehend geschont. Die ebenfalls emittierte g-Strahlung lässt sich im Gegensatz zur b-Strahlung über externe Gamma-Kameras gut messen und abbilden. Indikationen sind die Behandlung von Hyperthyreosen (funktionelle Autonomie, Morbus Basedow) und die Therapie des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms. Letztere erfolgt adjuvant nach Thyreoidektomie oder therapeutisch beim Auftreten von jodspeichernden Rezidiven oder Fernmetastasen.
Das Prinzip besteht in einer inneren lokalen Bestrahlung. Radioaktives Jod-131 wird in Schilddrüsengewebe angereichert. Die therapeutische Wirkung beruht in > 90 % auf b -Strahlung mit einer maximalen Reichweite von 3 mm im Gewebe. Die g -Strahlung lässt sich über externe Gamma-Kameras messen und abbilden. Indikationen sind die Behandlung von Hyperthyreosen (funktionelle Autonomie, Morbus Basedow) und die adjuvante oder therapeutische Behandlung beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom.
reose, Kortikosteroide bei der Behandlung von Autoimmunthyreoitiden und des Morbus Basedow eingesetzt.
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16.1.4 Therapie
1 B-16.12
Synopsis Prozedere beim solitären kalten Knoten kalter Knoten
Feinnadelpunktion
follikuläre Neoplasie
Zellatypien V.a. papilläres Karzinom
kein Malignitätsverdacht
Operation, histologischer Schnellschnitt
Operation, histologischer Schnellschnitt
Verlaufskontrolle, alternativ Knotenresektion
kein Karzinom
Karzinom
follikuläres Karzinom
Operation beendet: Abwarten der endgültigen Histologie; bei Karzinomnachweis Nachoperation (totale Thyreoidektomie)
16.1.4
kein Karzinom
totale Thyreoidektomie, zentrale Lymphadenektomie
Therapie
Operation beendet: Abwarten der endgültigen Histologie; bei Karzinomnachweis Nachoperation (totale Thyreoidektomie, Ausnahme: papilläres Mikrokarzinom)
16.1.4 Therapie
Erkrankungen und Funktionsstörungen der Schilddrüse werden in den meisten Fällen konservativ behandelt. Eine chirurgische Therapie ist indiziert, wenn eine maligne Schilddrüsenerkrankung vorliegt oder nicht ausgeschlossen werden kann und wenn eine Struma aufgrund ihrer Größe zu Symptomen führt. Des Weiteren kann eine Operationsindikation bei der Basedow-Hyperthyreose und der fokalen Autonomie bestehen, wobei hier mit der medikamentösen und der Radiojodtherapie ergänzende und zum Teil konkurrierende Therapien zur Verfügung stehen. In diesen Fällen muss die Indikation im Einzelfall im interdisziplinären Konsil zwischen Chirurg, Endokrinologen und Nuklearmediziner unter Einbeziehung des Patienten gestellt werden. Seltene Operationsindikationen sind bei der akuten Thyreoiditis z.B. bei eitriger Einschmelzung mit Abszessbildung gegeben oder bei der thyreotoxischen Krise, wenn die konservative Therapie nicht rasch genug greift.
Die meisten Erkrankungen und Funktionsstörungen der Schilddrüse werden konservativ behandelt. Eine Operationsindikation ist bei Verdacht auf Malignität und Symptomen aufgrund der Strumagröße gegeben. Weiterhin kann sie bei der Basedow-Hyperthyreose und der fokalen Autonomie bestehen. Die Entscheidung fällt im interdisziplinären Konsil unter Einbeziehung des Patienten.
Chirurgische Therapie
Chirurgische Therapie
Die Wahl des chirurgischen Therapieverfahrens hat die zugrunde liegende Schilddrüsenerkrankung und den thyreoidalen Funktionszustand zu berücksichtigen. Anatomischer Situs, Voroperationen und Erfahrung des Operateurs modifizieren das chirurgische Vorgehen ebenso wie der intraoperative Verlauf (Komplikationen, Nachweis eines Karzinoms in der Schnellschnittuntersuchung). Der Zugang zur Schilddrüse erfolgt üblicherweise durch einen Kocher-Kragenschnitt ( 1 B-16.13). Dieser wird ca. 3 cm oberhalb des Jugulums angelegt. Nach Durchtrennung von Subkutis, Platysma und oberflächlicher Halsfaszie wird die gerade Halsmuskulatur in der Medianlinie gespalten und zu beiden Seiten mit Haken weggehalten. Die Mobilisation der Schilddrüse muss in der richtigen Schicht zwischen den beiden Blättern der Schilddrüsenkapsel erfolgen. Das weitere Vorgehen ist abhängig vom Befund und dem geplanten Resektionsausmaß.
Das chirurgische Vorgehen wird beeinflusst durch: π Art der Schilddrüsenerkrankung π Funktionszustand der Schilddrüse π anatomischer Situs π Erfahrung des Operateurs π intraoperativer Verlauf. Der Zugang zur Schilddrüse erfolgt durch den Kocher-Kragenschnitt ( 1 B-16.13). Die Mobilisation der Schilddrüse muss in der richtigen Schicht zwischen den beiden Blättern der Schilddrüsenkapsel erfolgen. Das weitere Vorgehen ist abhängig vom Befund und dem geplanten Resektionsausmaß.
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16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
1 B-16.13
Synopsis Operativer Schilddrüsenzugang (Kocher-Kragenschnitt)
Operationsverfahren
Folgende Operationsverfahren stehen zur Verfügung:
Subtotale Schilddrüsenresektion
Subtotale Schilddrüsenresektion (subtotale Strumaresektion, subtotale Thyreoidektomie)
Belassung eines dorsal gelegenen Restes normalen Schilddrüsengewebes, dessen Größe durch das Ausmaß der regressiv-knotigen Veränderungen beeinflusst wird. Dieses Verfahren kommt vor allem bei der euthyreoten Struma multinodosa zur Anwendung.
Die ausgedehnt subtotale Resektion (near-total thyroidectomy) bezeichnet die weitestgehende Resektion des Schilddrüsengewebes (Rest pro Lappen 2 bis maximal 5 g schwer). Die Identifizierung des N. recurrens und der Epithelkörperchen ist obligat. Indikationen: Morbus Basedow, ggf. auch multifokale Autonomie.
Bei dieser Resektionsform werden die vergrößerten Schilddrüsenanteile unter Belassung eines meist dorsal gelegenen Restes entfernt. Die Größe des verbleibenden Schilddrüsenrestes wird durch das Ausmaß der regressivknotigen Veränderungen beeinflusst, wobei normales Gewebe weitgehend belassen wird. Nach Freilegung der Schilddrüse werden die oberen Polgefäße mit der A. thyreoidea superior und die laterale Schilddrüsenvene (Kocher-Vene) dargestellt und durchtrennt, ebenso die unteren Polgefäße. Die von lateral an die Schilddrüse heranziehende A. thyreoidea inferior wird in der Regel nicht durchtrennt. Sie kann entweder schilddrüsenfern ligiert werden oder ihre Äste werden bei der Resektion durch Naht versorgt. Die subtotale Schilddrüsenresektion kommt vor allem bei der euthyreoten Struma multinodosa zur Anwendung. Als ausgedehnt subtotale Resektion (near-total thyroidectomy) wird die weitestgehende Resektion des Schilddrüsengewebes unter Belassung eines kleinen 2 bis maximal 5 g schweren Restes pro Lappen bezeichnet. Hierbei muss die Schilddrüse auch in ihren dorsalen Anteilen mobilisiert werden, weshalb die Identifizierung des N. recurrens und der Epithelkörperchen obligat ist. Die Hauptindikation stellt die Immunhyperthyreose (Morbus Basedow) dar. Befundabhängig kommt dieses Verfahren auch bei der multifokalen Autonomie zur Anwendung.
Hemithyreoidektomie (Lobektomie)
Hemithyreoidektomie (Lobektomie)
Entfernung eines Schilddrüsenlappens meist einschließlich des Isthmus (Darstellung des N. recurrens und der Epithelkörperchen obligat). Indikationen sind der malignitätsverdächtige kalte Knoten und die unifokale Autonomie.
Ein Schilddrüsenlappen wird (in der Regel unter Mitnahme des Isthmus) vollständig entfernt, wobei die Darstellung des N. recurrens und der Epithelkörperchen obligat ist. Dieser Eingriff kommt beim malignitätsverdächtigen kalten Knoten oder der unifokalen Autonomie zum Einsatz.
Totale Thyreoidektomie
Totale Thyreoidektomie
Entfernung beider Schilddrüsenlappen einschließlich Isthmus (Darstellung des N. recurrens und der Epithelkörperchen
Die vollständige Entfernung beider Schilddrüsenlappen erfolgt unter Mitnahme des Isthmus und evtl. vorhandener Lobus-pyramidalis-Anteile (Darstellung des N. recurrens und der Nebenschilddrüsen ist obligat). Hauptindi-
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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16.1.4 Therapie
1 B-16.14
Totale Thyreoidektomie ThyreoidektomiePräparat einer 40-jährigen Frau mit jodinduzierter thyreotoxischer Krise bei multifokaler Autonomie.
kation ist das Schilddrüsenkarzinom ( 1 B-16.14). Aufgrund pathophysiologischer Überlegungen (vollständige Entfernung des immunogenen Gewebes) wird dieser Eingriff auch zunehmend beim Morbus Basedow durchgeführt. Bei der Struma multinodosa kann eine Indikation bei vollständig knotigem Umbau des Organs bestehen.
obligat). Hauptindikation ist das Schilddrüsenkarzinom ( 1 B-16.14), zunehmend auch der Morbus Basedow, seltener eine Struma multinodosa.
Knotenresektion (Enukleationsresektion)
Knotenresektion (Enukleationsresektion) Entfernung eines solitären Knotens mit einem Saum gesunden Schilddrüsengewebes. Indikationen: unifokale Autonomie, solitäres Adenom, solitärer kalter Knoten.
Hierbei wird ein solitärer Knoten (z.B. ein Adenom) mit einem Saum gesunden Schilddrüsengewebes entfernt. Der Begriff der Enukleation wird heute vermieden, da hiermit leicht das früher übliche Ausschälen eines Knotens assoziiert wird. Indikationen sind die unifokale Autonomie, das solitäre Adenom oder der solitäre kalte Knoten. Beim malignomverdächtigen kalten Knoten kann auch primär eine Hemithyreoidektomie indiziert sein.
Lymphadenektomie
Lymphadenektomie
Man unterscheidet ein zentrales (mediales), ein laterales und ein mediastinales Kompartment ( 1 B-16.15 a). Das zentrale Kompartment liegt zwischen Trachea und A. carotis, das laterale zwischen A. carotis und dem M. trapezius. Das mediastinale Kompartment ist partiell von zervikal, vollständig nur durch Sternotomie zugänglich. Das Ausmaß der Lymphadenektomie wird durch den Befund und die histologische Diagnose mitbestimmt. Bei der selektiven Lymphadenektomie werden nur Teile eines Kompartments oder nur makroskopisch suspekte Lymphknoten entfernt. Heute wird zunehmend die systematische Lymphadenektomie durchgeführt, bei der das Lymph- und Bindegewebe eines oder mehrerer Kompartments komplett entfernt wird. Die Ausräumung des medialen und lateralen Kompartments entspricht der sog. funktionellen Neck dissection. Die Schnittführung ist in 1 B-16.15 b dargestellt. Ist die Karzinomdiagnose prä- oder intraoperativ gesichert, sollte das zentrale Kompartment primär mit ausgeräumt werden, um so Verletzungen der hier gelegenen Strukturen (N. recurrens, Nebenschilddrüsen) bei späteren Eingriffen zu vermeiden. Besondere Bedeutung hat die Lymphadenektomie in der Behandlung des medullären Schilddrüsenkarzinoms, da hier eine Heilung nur durch chirurgische Maßnahmen möglich ist ( 1 B-16.15 c).
Man unterscheidet ein zentrales (mediales), laterales und mediastinales Kompartment ( 1 B-16.15 a).
Bei der selektiven Lymphadenektomie werden nur einzelne Lymphknoten(gruppen) entfernt. Bei der systematischen Lymphadenektomie erfolgt die komplette Ausräumung eines oder mehrerer Kompartments. Die Ausräumung des medialen und lateralen Kompartments entspricht der funktionellen Neck dissection (Schnittführung, s. 1 B-16.15 b). Bei gesichertem Karzinom erfolgt primär die Ausräumung des zentralen Kompartments. Hohen Stellenwert hat die Lymphadenektomie beim medullären Schilddrüsenkarzinom ( 1 B-16.15 c).
Sternotomie
Sternotomie
Eine partielle oder komplette Sternotomie ist bei Schilddrüsenoperationen selten erforderlich. Auch ausgedehnte retrosternale Strumen lassen sich fast immer vom Hals aus entfernen. Ausnahmen sind die seltenen, echten intrathorakalen Strumen, die eine vom Hals unabhängige thorakale Gefäßversorgung haben. Auch bei weit nach kaudal reichenden Rezidivstrumen und zur Lymphadenektomie, besonders des medullären Schilddrüsenkarzinoms, kann eine Sternotomie erforderlich werden.
Eine partielle oder komplette Sternotomie ist selten erforderlich. Hauptindikationen sind: π echte intrathorakale Strumen π weit nach kaudal reichende Rezidivstrumen π mediastinale Lymphadenektomie (bei Schilddrüsenkarzinom).
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
1 B-16.15
Synopsis Lymphadenektomie beim Schilddrüsenkarzinom
2
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Lymphknotengruppen
4 8
5
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1 2 3 4 5 6 7 8
Kompartmenteinteilung
submentale LK submandibuläre LK kranial-juguläre LK medial-juguläre LK kaudal-juguläre LK dorsal-zervikale LK supraklavikuläre LK prä- und paratracheale und prälaryngeale LK
zentrales Kompartment: LK-Gruppen 1, 2 und 8 laterales Kompartment: LK-Gruppen 3–7 mediastinales Kompartment: retrosternal gelegen, kaudal der Gruppe 8, nicht abgebildet
a Schema der zervikalen Lymphknoten (LK) und ihre Einteilung in Kompartments.
Larynx Plexus brachialis N. vagus
V. jugularis interna
N. phrenicus
Trachea
A. carotis V. brachiocephalica sinistra Aortenbogen b Zugang zur Lymphadenektomie (Neck dissection).
c Situs nach abgeschlossener sog. Vierkompartmentlymphadenektomie bei einem lymphogen metastasierten medullären Schilddrüsenkarzinom. Es handelt sich um ein 14-jähriges Mädchen mit einem MEN-II-B-Syndrom. Sämtliche nervalen und vaskulären Strukturen des Halses und des vorderen Mediastinums sind freigelegt, die rechte V. jugularis interna ist wegen Tumorinfiltration reseziert.
Medikamentöse Therapie
Medikamentöse Therapie
Thyroxin
Thyroxin
Suppressionstherapie: Unterdrückung der TSH-Ausschüttung durch Thyroxin bei Struma diffusa, Rezidivprophylaxe und Nachbehandlung von Schilddrüsenkarzinomen. Substitutionstherapie: Zur Therapie der Hypothyreose. Die Anfangsdosis zur Substitution bzw. Rezidivprophylaxe liegt bei 100 m g/Tag, im Verlauf erfolgt eine
Die externe Zugabe von Thyroxin (T4) führt zur Suppression der hypophysären TSH-Sekretion. Damit fällt die Wachstumsstimulation der TSH-abhängigen Zellen in der Schilddrüse weg (Suppressionstherapie). Indikationen sind die konservative Therapie der Struma diffusa, die Rezidivprophylaxe nach Strumaoperation sowie die Nachbehandlung der differenzierten Schilddrüsenkarzinome. Jede Form der Hypothyreose wird ebenfalls durch Einnahme von Thyroxin behandelt (Substitutionstherapie). Die Dosierung richtet sich nach der Indikation und dem Funktionszustand. Die Anfangsdosis zur Substitution bzw. Rezidivprophylaxe liegt bei
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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16.1.4 Therapie 100 mg/Tag, eine Dosisanpassung im Verlauf erfolgt in Abhängigkeit vom TSH-Spiegel. Bei den Schilddrüsenkarzinomen wird durch Thyroxindosen von bis 250 mg/Tag eine vollständige TSH-Suppression angestrebt. Ausgenommen hiervon ist das medulläre Karzinom, da es kein TSH-abhängiges Wachstum zeigt.
vom TSH-Spiegel abhängige Dosisanpassung. Beim Schilddrüsenkarzinom werden Thyroxindosen bis 250 m g/Tag zur vollständigen TSH-Supprimierung verabreicht (Ausnahme: medulläres Karzinom).
Jodid
Jodid
Die heute gültigen pathophysiologischen Vorstellungen zum Strumawachstum und zur Entwicklung der thyreoidalen Autonomie weisen dem chronischen Jodmangel auch außerhalb der klassischen Endemiegebiete eine wichtige Rolle zu. Folglich hat sich zunehmend die Therapie mit Jodid allein oder in Kombination mit Thyroxin sowohl zur konservativen Strumatherapie als auch zur postoperativen Rezidivprophylaxe etabliert. Die Dosierung liegt zwischen 100–300 mg Jodid/Tag.
Da der chronische Jodmangel ursächlich an Strumawachstum und der Entwicklung der thyreoidalen Autonomie beteiligt ist, wird Jodid zur konservativen Strumatherapie und Rezidivprophylaxe in einer Dosierung zwischen 100–300 m g/Tag eingesetzt.
Thyreostatika
Thyreostatika
Diese antithyreoidal wirksamen Substanzen blockieren entweder die Hormonsynthese oder -freisetzung oder die periphere Konversion von T4 zu T3. Therapeutisch kommen in erster Linie Synthesehemmer und zwar die Thioharnstoffderivate Thiamazol, Carbimazol und Propylthiouracil zur Anwendung. Indikationen sind die immunogene und autonome Hyperthyreose. Bei gegebener Operationsindikation werden sie zur präoperativen Normalisierung des Stoffwechsels eingesetzt. Da nur die Synthese, nicht aber die Freisetzung der Hormone gehemmt wird, können bis zum Erreichen der Euthyreose mehrere Wochen vergehen. Nebenwirkungen betreffen hauptsächlich Hautreaktionen und gastrointestinale Symptome. Selten tritt eine Knochenmarksdepression bis hin zur Agranulozytose auf. Nur in speziellen Situationen, z.B. der Therapie der thyreotoxischen Krise muss auf andere Thyreostatika zurückgegriffen werden. Die Jodaufnahme kann durch hohe Joddosen und Perchlorat gehemmt werden, die Hormonfreisetzung aus der Schilddrüse durch hohe Joddosen und Lithium.
Wichtigste Gruppe sind die Synthesehemmer (Thiamazol, Carbimazol, Propylthiouracil). Indikationen sind die immunogene und autonome Hyperthyreose, aber auch die präoperative Normalisierung des Stoffwechsels. Nebenwirkungen sind u.a. Hautreaktionen und gastrointestinale Symptome, selten eine Knochenmarksdepression (Agranulozytose). Die Jodaufnahme kann durch hohe Joddosen und Perchlorat gehemmt werden, die Hormonfreisetzung aus der Schilddrüse durch hohe Joddosen und Lithium.
Andere Medikamente
Andere Medikamente
b -Blocker blockieren die Konversion von T4 zu T3 und dämpfen die adrenerge Hyperthyreosesymptomatik. Kortikosteroide werden bei der Behandlung von Autoimmunthyreoitiden und des Morbus Basedow eingesetzt.
b -Blocker werden bei der Hyperthy-
Radiojodtherapie
Radiojodtherapie
Das Prinzip der Radiojodtherapie besteht in einer inneren lokalen Bestrahlung durch die Einlagerung von radioaktivem Jod-131 in Schilddrüsengewebe. Jod-131 wird ebenso wie das in der Nahrung enthaltene Jod über den Gastrointestinaltrakt resorbiert und selektiv in der Schilddrüse konzentriert. Die therapeutische Wirkung beruht überwiegend (> 90 %) auf der b-Strahlung, die im Gewebe eine maximale Reichweite von 3 mm hat. Extrathyreoidales Gewebe oder nicht speicherndes Schilddrüsengewebe wird daher weitgehend geschont. Die ebenfalls emittierte g-Strahlung lässt sich im Gegensatz zur b-Strahlung über externe Gamma-Kameras gut messen und abbilden. Indikationen sind die Behandlung von Hyperthyreosen (funktionelle Autonomie, Morbus Basedow) und die Therapie des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms. Letztere erfolgt adjuvant nach Thyreoidektomie oder therapeutisch beim Auftreten von jodspeichernden Rezidiven oder Fernmetastasen.
Das Prinzip besteht in einer inneren lokalen Bestrahlung. Radioaktives Jod-131 wird in Schilddrüsengewebe angereichert. Die therapeutische Wirkung beruht in > 90 % auf b -Strahlung mit einer maximalen Reichweite von 3 mm im Gewebe. Die g -Strahlung lässt sich über externe Gamma-Kameras messen und abbilden. Indikationen sind die Behandlung von Hyperthyreosen (funktionelle Autonomie, Morbus Basedow) und die adjuvante oder therapeutische Behandlung beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom.
reose, Kortikosteroide bei der Behandlung von Autoimmunthyreoitiden und des Morbus Basedow eingesetzt.
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678
16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
Andere Therapieformen
Andere Therapieformen
Die perkutane Strahlentherapie wird als palliative Therapie des undifferenzierten Schilddrüsenkarzinoms eingesetzt.
Die perkutane Strahlentherapie spielt lediglich bei der palliativen Therapie des undifferenzierten Schilddrüsenkarzinoms eine Rolle, da bei diesen Patienten das rasche Tumorwachstum durch eine externe Bestrahlung teilweise kontrolliert werden kann. Auch die Chemotherapie kommt in erster Linie bei den undifferenzierten Schilddrüsenkarzinomen und den rasch wachsenden seltenen Schilddrüsensarkomen zum Einsatz.
Die Chemotherapie kommt bei undifferenzierten Schilddrüsenkarzinomen und Schilddrüsensarkomen zum Einsatz.
Klinischer Fall Eine 35-jährige Frau klagt rezidivierend über Unruhe und Nervosität sowie ein Druckgefühl an der linken Halsseite. Bei der klinischen Untersuchung tastet man einen etwa 3 cm großen, gut verschieblichen Knoten im Bereich des linken Schilddrüsenlappens. Sonographisch ist das übrige Schilddrüsenparenchym unauffällig. Im Szintigramm findet sich eine vermehrte Aktivitätsanreicherung des Knotens mit abgeschwächtem Speicherverhalten der übrigen Schilddrüse (autonomes Adenom mit beginnender szintigraphischer Dekompensation). Laborchemisch fällt eine latente Hyperthyreose mit suppri-
mierten TSH-Werten bei noch normalen peripheren Schilddrüsenwerten auf. Nach Diskussion einer alternativ möglichen Radiojodtherapie fällt die Entscheidung zur Operation. Intraoperativ wird der größere Teil des linken Schilddrüsenlappens durch den gut abgekapselten Knoten eingenommen. Es wird eine subtotale Resektion des linken Lappens durchgeführt, die histologische Aufarbeitung zeigt keinen Hinweis auf Malignität. Die Patientin ist in der Nachsorge beschwerdefrei bei euthyreoter Stoffwechsellage, eine Jodidprophylaxe wird empfohlen.
16.2
Nebenschilddrüsen
16.2.1 Anatomie und Physiologie
16.2.1
Anatomie und Physiologie
Die Nebenschilddrüsen oder Epithelkörperchen liegen dorsal der Schilddrüse zwischen den beiden Blättern der Schilddrüsenkapsel. Meist sind auf jeder Seite 2 der 3–5 mm großen Drüsen vorhanden.
Die auch als Epithelkörperchen bezeichneten Nebenschilddrüsen (Glandulae parathyreoideae) liegen dorsal der Schilddrüse zwischen den beiden Blättern der Schilddrüsenkapsel. In der Regel finden sich auf jeder Seite 2 flachovale, bräunlich gelbe Drüsen, die im längsten Durchmesser zwischen 3–5 mm messen.
16.2
Nebenschilddrüsen
Merke
Die oberen Nebenschilddrüsen (aus der 4. Schlundtasche) finden sich relativ konstant oberhalb der Kreuzungsstelle zwischen N. recurrens und A. thyreoidea inferior ( 1 B-16.16). Die unteren Nebenschilddrüsen (aus der 3. Schlundtasche) liegen dorsal des unteren Schilddrüsenpols. Relativ häufig sind dystope Lokalisationen: Thymus, Mediastinum, oberer Schilddrüsenpol. Andere Lagevarianten sind seltener. In 10–15 % sind mehr oder weniger als 4 Drüsen angelegt. Histologisch finden sich kompakte Epithelzellmassen und Fettzellen. Die Nebenschilddrüsen sezernieren das Parathormon (PTH), dessen Ausschüttung durch niedrige Serumkalziumwerte stimuliert und durch hohe Werte supprimiert wird.
n Merke. Aus entwicklungsgeschichtlichen Gründen können Anzahl und Lage der Nebenschilddrüsen erheblich variieren. Der Chirurg muss diese Zusammenhänge kennen, um dystope Nebenschilddrüsen lokalisieren zu können.
Leitstrukturen zur Lokalisation der Nebenschilddrüsen sind die A. thyreoidea inferior und der N. recurrens ( 1 B-16.16). Die oberen Nebenschilddrüsen stammen aus der 4. Schlundtasche. Sie finden sich relativ konstant etwa in Mitte des Schilddrüsenlappens oberhalb der Kreuzungsstelle zwischen Arterie und Nerv. Die Lage der unteren Nebenschilddrüsen ist variabler. Sie wandern, aus der 3. Schlundtasche stammend, gemeinsam mit dem Thymus kaudalwärts zum unteren Schilddrüsenpol. Sie können aber auch in der Thymuszunge, im vorderen Mediastinum oder, bei inkompletter Wanderung, am oberen Schilddrüsenpol (und damit kranial der oberen Nebenschilddrüsen) gelegen sein. Deutlich seltener werden Nebenschilddrüsen retroösophageal, intrathyreoidal, in der Karotisscheide oder intrathorakal gefunden. In 10–15 % der Fälle finden sich nicht 4 Drüsen angelegt, sondern mehr (meist 5) oder ganz selten weniger (meist 3). Histologisch finden sich kompakte Epithelzellmassen. Mit zunehmendem Lebensalter steigt der Anteil der Fettzellen, der bis zu 80 % ausmachen kann. Die Nebenschilddrüsen sind der einzige Produktionsort des Parathormons (PTH), das wesentlich an der Aufrechterhaltung der Kalziumhomöostase beteiligt ist. Durch niedrige Serumkalziumwerte wird die PTH-Ausschüttung stimuliert, während unter physiologischen Bedingungen die PTH-Sekretion durch hohe Serumkalziumwerte supprimiert wird.
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16.2.1 Anatomie und Physiologie
1 B-16.16
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Synopsis Anatomie der Nebenschilddrüsen A. carotis externa
Os hyoideum A. thyreoidea superior A. carotis communis Cartilago thyreoidea obere Nebenschilddrüse Cartilago cricoidea N. vagus A. thyreoidea inferior untere Nebenschilddrüse N. laryngeus recurrens A. subclavia
Parathormon steigert die Kalziumkonzentration im Serum auf 3 Wegen: durch Zunahme der intestinalen Aufnahme, der renalen Rückresorption und der Mobilisation aus dem Knochen ( 1 B-16.17).
1 B-16.17
Parathormon steigert die Kalziumkonzentration im Serum über Darm, Niere und Knochen ( 1 B-16.17).
Synopsis Wirkungsmechanismen des Parathormons
Nebenschilddrüsen 1 PTH
Niere
2
Vitamin D
Darm 4
3
Knochen
6
5
++
Ca -Spiegel
1: Die Nebenschilddrüsen produzieren Parathormon (PTH), das über den Blutweg seine Zielorgane erreicht. 2: An der Niere führt das PTH am proximalen Tubulus zu einer enzymatisch vermittelten Steigerung der Synthese des biologisch aktiven Vitamin-D-Metaboliten (1,25-Dehydroxycholecalciferol). 3: Am distalen Tubulus führt PTH zu einer gesteigerten Kalziumrückresorption und vermehrten Phosphat- und Bikarbonatausscheidung. 4: Die PTH-Wirkung am Darm erfolgt indirekt über die vermehrte renale Vitamin-D-Synthese mit konsekutiver Steigerung der intestinalen Kalziumresorption. 5: Am Knochen führt PTH zur Freisetzung von Kalzium (durch Aktivierung der Osteoklasten). 6: Der Serumkalziumspiegel steuert die Parathormonsekretion über einen Rückkopplungsmechanismus.
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680 16.2.2 Erkrankungen der Nebenschilddrüsen Die Überfunktion wird als Hyperparathyreoidismus (HPT), die Unterfunktion als Hypoparathyreoidismus bezeichnet.
Primärer Hyperparathyreoidismus Definition
16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen 16.2.2
Erkrankungen der Nebenschilddrüsen
Erkrankungen der Nebenschilddrüsen bewirken hormonell vermittelte Stoffwechselstörungen. Die Überfunktion wird als Hyperparathyreoidismus (HPT) bezeichnet, eine fehlende oder zu niedrige Hormonsekretion als Hypoparathyreoidismus.
Primärer Hyperparathyreoidismus n Definition. Als primärer Hyperparathyreoidismus wird eine von den Nebenschilddrüsen ausgehende Überfunktionsstörung bezeichnet. Ursächlich kann ein Adenom oder eine Hyperplasie des Drüsengewebes vorliegen, in seltenen Fällen auch ein Karzinom.
Ätiologie. Sie ist unbekannt, in 10 % liegt eine erbliche Disposition vor (MEN-Syndrom). Ursache der sporadischen Form (90 %) ist meist ein solitäres Adenom. Frauen sind doppelt so oft betroffen wie Männer. Die Inzidenz erreicht ihr Maximum zwischen dem 60.–70. Lebensjahr.
Ätiologie. Die Ätiologie des primären HPT ist unbekannt. In 10 % der Fälle liegt eine erbliche Disposition vor, meist im Rahmen einer multiplen endokrinen Neoplasie (MEN, s. S. 683). Bei diesen Patienten finden sich gehäuft Hyperplasien der Nebenschilddrüsen oder multiple Adenome. Bei den übrigen 90 % liegt eine sporadische Erkrankung vor, überwiegend hervorgerufen durch ein solitäres Adenom. Frauen sind doppelt so oft betroffen wie Männer. Die Inzidenz nimmt mit dem Lebensalter zu und erreicht ihr Maximum zwischen dem 60.–70. Lebensjahr.
Pathophysiologie. Durch Fehlsteuerung des Regelkreises bleibt bei Überschreiten der normalen Serumkalziumkonzentration die Unterdrückung der Parathormonsekretion aus. Dadurch kommt es zur gesteigerten renalen und intestinalen Kalziumaufnahme, zur vermehrten Mobilisation des im Knochen gebundenen Kalziums und zur Steigerung der renalen Phosphat- und Bikarbonatausscheidung. Folgen sind: Hyperkalzämie, Hypophosphatämie und metabolische Azidose; Hyperphosphaturie, Hyperkalziurie und Alkalisierung des Urins.
Pathophysiologie. Es kommt zur Fehlsteuerung des Regelkreises. Das
Symptome. Die klinische Symptomatik (»Stein, Bein und Magenpein«) ist Resultat der gesteigerten Parathormonwirkung ( 1 B-16.18). Am Harnwegssystem treten Nephrolithiasis, Harnwegsinfekte und Parenchymverkalkungen der Niere (Nephrokalzinose) auf. Am Skelettsystem entstehen Knochenentkalkung, Knochenzysten, Schmerzen und pathologische Frakturen (Osteitis fibrosa cystica Recklinghausen); andererseits Weichteilund Knorpelverkalkungen mit Gelenkschmerzen. Im Gastrointestinaltrakt können Pankreatitiden, peptische Ulzera, Übelkeit, Völlegefühl und Obstipationsneigung auftreten.
Neurologische Störungen reichen von Verwirrtheit bis zum Koma und zentral
Gleichgewicht ist in Richtung auf pathologisch erhöhte Kalziumwerte verschoben, die Unterdrückung der Parathormonsekretion bei Überschreiten der normalen Serumkalziumkonzentration bleibt aus. Dies hat eine vermehrte renale Kalziumrückresorption zur Folge, durch die gesteigerte Vitamin-D-Aktivierung indirekt auch eine vermehrte intestinale Kalziumresorption sowie eine Mobilisation des im Knochen gebundenen Kalziums. Weiterhin nimmt die renale Phosphat- und Bikarbonatausscheidung zu. Es kommt zur Hyperkalzämie, Hypophosphatämie und metabolischen Azidose. Analog findet sich eine Hyperphosphaturie und Alkalisierung des Urins. Aufgrund der hohen Serumkalziumkonzentration kommt es trotz gesteigerter renaler Kalziumrückresorption auch zur Hyperkalziurie.
Symptome. Die klinische Symptomatik wird in ihrer klassischen Ausprägung durch die Attribute »Stein, Bein und Magenpein« (im angelsächsischen Sprachraum: »Bones, stones, abdominal groans, and psychic moans«) beschrieben. Sie lässt sich teilweise unmittelbar aus der gesteigerten Parathormonaktivität ableiten ( 1 B-16.18). Es kommt zur Steinbildung in den ableitenden Harnwegen (Nephrolithiasis) mit rezidivierenden Koliken durch Steinabgänge und einer erhöhten Inzidenz von Harnwegsinfekten. Seltener findet sich eine Verkalkung des Nierenparenchyms (Nephrokalzinose). Die gesteigerte Kalziummobilisation bewirkt eine Entkalkung des Knochens mit Abnahme der Knochendichte und Ausbildung von Knochenzysten, es können Knochenschmerzen und pathologische Frakturen auftreten. Das heute selten in seiner vollen Ausprägung zu sehende Krankheitsbild wird als Osteitis fibrosa cystica Recklinghausen bezeichnet. Auf der anderen Seite werden Weichteil- und Knorpelverkalkungen (Chondrokalzinose) mit Gelenkschmerzen (Pseudogicht) beobachtet. Weitere Symptome betreffen den Gastrointestinaltrakt. Neben unspezifischen abdominellen Symptomen wie Übelkeit, Völlegefühl und Obstipationsneigung wird eine erhöhte Inzidenz von Pankreatitiden und peptischen Ulzera beobachtet. Der kausale Zusammenhang ist nicht völlig geklärt, evtl. führt die Hyperkalzämie über eine Gastrinstimulation zur vermehrten Säuresekretion. Extrem hohe Kalziumwerte können neurologische Störungen mit Verwirrtheitszuständen bis hin zum Koma und zentral ausgelöstem Erbrechen
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681
16.2.2 Erkrankungen der Nebenschilddrüsen
1 B-16.18
Synopsis Pathophysiologie und Symptome des Hyperparathyreoidismus
Nebenschilddrüsen
Parathormon (PTH)
Niere – Knochen – Darm
Serum-Ca++ Urin-Ca++ Serumphosphat Urinphosphat Serum-pH Urin-pH
Niere • Nephrokalzinose • Nephrolithiasis • Harnwegsinfekte
Knochen • Entkalkung, Atrophie • Osteitis fibrosa cystica • Knochen- und Gelenkschmerzen • pathologische Frakturen • Weichteilverkalkungen
Verdauungstrakt • Übelkeit • Erbrechen • Bauchschmerzen • Ulzera • Pankreatitis
verursachen. Zusammen mit der schweren Dehydratation charakterisieren diese Symptome die sog. hyperkalzämische Krise, ein lebensbedrohliches Krankheitsbild, das intensivmedizinische Behandlung erfordert. Psychische Veränderungen äußern sich in Antriebsarmut, Abgeschlagenheit, Konzentrationsstörungen und depressiven Verstimmungen, können aber auch das Vollbild einer Psychose bieten. Durch die routinemäßig durchgeführte Labordiagnostik wird eine Hyperkalzämie vermehrt bei asymptomatischen Patienten diagnostiziert. In anderen Fällen besteht als einziges klinisches Symptom eine Nephrolithiasis oder ein depressives Syndrom. In jedem Fall muss eine differenzialdiagnostische Abklärung der Hyperkalzämie erfolgen ( 2 B-16.3).
Diagnose und Therapie. Die Laboruntersuchung (Blut und Urin) stellt das
entscheidende Diagnostikum dar. Bestätigt sich der Verdacht des primären HPT muss eine Lokalisationsdiagnostik angeschlossen werden (vgl. S. 685). Therapie der Wahl ist die operative Resektion des Adenoms (vgl. S. 687). In seltenen Fällen wird alternativ eine konservative Therapie (interventionell radiologische Technik) durchgeführt (vgl. S. 690).
ZNS • Übelkeit, Erbrechen • Somnolenz, Koma • Konzentrationsstörungen • Antriebsarmut • depressives Syndrom
ausgelöstem Erbrechen. Zusammen mit der schweren Dehydratation charakterisieren diese Symptome die hyperkalzämische Krise (lebensbedrohliches Krankheitsbild). Psychische Veränderungen sind Antriebsarmut, Abgeschlagenheit, Konzentrationsstörungen, Depressionen bis hin zur Psychose. Asymptomatische und monosymptomatische Verläufe kommen vor. Eine laborchemisch nachgewiesene Hyperkalzämie muss differenzialdiagnostisch abgeklärt werden ( 2 B-16.3). Diagnose und Therapie. Die Laboruntersuchung (Blut und Urin) sichert die Diagnose. Therapie der Wahl ist die Adenomresektion.
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682
16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
2 B-16.3
Differenzialdiagnose der Hyperkalzämie
N Hyperparathyreoidismus n π primär π tertiär
N paraneoplastisches Syndrom n π durch parathormonähnliches Peptid (Nieren-, Mamma- und Lungentumoren) N vermehrte Osteolyse n π Knochenmetastasen π hämatologische Neoplasien π Hyperthyreose π Immobilisation N übermäßige intestinale Kalziumresorption n π Vitamin-D-Intoxikation π Sarkoidose π Milch-Alkali-Syndrom N Nebennierenrindeninsuffizienz n N Vitamin-A-Intoxikation n N unter Thiaziddiuretikatherapie n N Fehlbestimmung n π abnahmebedingt (zu langes Stauen bei Blutabnahme)
Sekundärer Hyperparathyreoidismus Definition
Sekundärer Hyperparathyreoidismus n Definition. Beim sekundären oder reaktiven Hyperparathyreoidismus (HPT) liegt keine primäre Erkrankung der Nebenschilddrüsen vor. Eine durch chronischen Vitamin-D-Mangel und Hypokalzämie verursachte permanente Stimulation führt zur Überfunktionsstörung.
Ätiologie. Der sekundäre HPT ist meist Folge einer chronischen Hypokalzämie bei Niereninsuffizienz (renaler HPT).
Ätiologie. Beim sekundären HPT steht die Hypokalzämie als Folge einer chronischen Niereninsuffizienz heute im Vordergrund (renaler HPT). Ein sekundärer HPT, hervorgerufen durch chronische Erkrankungen des Intestinaltrakts, der zu einer Kalziumresorptionsstörung führt (Morbus Crohn, Sprue), wird nur noch selten beobachtet.
Pathophysiologie. In der Regel liegt eine Hyperplasie aller Nebenschilddrüsen vor. Bei Entwicklung einer Autonomie kommt es zur Hyperkalzämie (tertiärer HPT).
Pathophysiologie. Beim sekundären HPT liegt meist eine Hyperplasie aller
Symptome. Bei der klinischen Symptomatik ist vor allem das Skelettsystem betroffen, zusätzlich bei Hyperkalzämie neurologisch-psychiatrische Störungen.
Symptome. Bei der klinischen Symptomatik stehen Knochen- und Gelenk-
Diagnose und Therapie. Die Diagnose wird laborchemisch gestellt. Die Therapie ist primär konservativ und richtet sich nach der Ursache.
Diagnose und Therapie. Die Diagnose wird auch hier laborchemisch
Nebenschilddrüsen vor. Bei langjährigem Verlauf kann sich eine Autonomie entwickeln, wodurch die Hypokalzämie in eine Hyperkalzämie umschlägt. Die hyperkalzämische Form des sekundären HPT wird auch als tertiärer HPT bezeichnet.
schmerzen im Vordergrund und es können ausgeprägte Weichteilverkalkungen auftreten. Gelegentlich kommt es zu Spontanfrakturen. Bei Entwicklung einer Hyperkalzämie können neurologische und psychiatrische Störungen hinzukommen.
gestellt. Die Therapie ist primär konservativ und richtet sich nach der Ursache (renal oder intestinal bedingter sekundärer HPT). Versagt die konservative Therapie muss der operative Eingriff in Form einer subtotalen Parathyreoidektomie oder einer totalen Parathyreoidektomie mit Autotransplantation erwogen werden (vgl. S. 688ff.).
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16.2.2 Erkrankungen der Nebenschilddrüsen
Klinischer Fall Eine 34-jährige Frau, die seit 10 Jahren wegen einer chronischen Glomerulonephritis an einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz leidet, klagt in den letzten Monaten zunehmend über Knochenschmerzen besonders der Beine, aber auch im Bereich des Schultergürtels. Das
1 B-16.19
Parathormon im Serum ist mit 400 pmol/l deutlich erhöht. Auf der Thoraxröntgenaufnahme ( 1 B-16.19) erkennt man ausgeprägte Weichteilverkalkungen links zervikal.
Weichteilverkalkung (Á) im Bereich der linken Halsseite bei einem sekundären Hyperparathyreoidismus
MEN-Syndrome
MEN-Syndrome
n Definition. Unter einer multiplen endokrinen Neoplasie (MEN) versteht man ein familiär gehäuft auftretendes, genetisch determiniertes Krankheitsbild, das durch die Kombination bestimmter benigner und maligner Tumoren endokriner Drüsen charakterisiert ist.
Es werden 3 Typen des MEN-Syndroms unterschieden ( 2 B-16.4). Ein Hyperparathyreoidismus (HPT) tritt fast immer bei Typ I und in 1⁄4 der Fälle bei Typ II A auf. Der Nachweis der genetisch determinierten Ätiologie ist aus mehreren Gründen wichtig. Im Gegensatz zur sporadischen Form liegen bei der familiären Form meist eine Mehrdrüsenhyperplasie oder multiple Adenome vor.
2 B-16.4
Definition
Es werden 3 Typen des MEN-Syndroms unterschieden ( 2 B-16.4). Ein Hyperparathyreoidismus kann beim Typ I und seltener beim Typ II A vorliegen. Bei der familiären Form liegen meist eine Mehrdrüsenhyperplasie oder multiple Adenome vor.
MEN-Syndrome
MEN-Typ
Synonym
Hauptmanifestation
weitere Manifestationen
N I n
Wermer-Syndrom
Nebenschilddrüse (HPT)
endokrine Pankreastumoren Hypophysenadenome
N II A (II) n
Sipple-Syndrom
Schilddrüse (medulläres Karzinom)
Nebenniere (Phäochromozytom) Nebenschilddrüse (HPT)
ubiquitäre Mukosaneurinome Schilddrüse (medulläres Karzinom)
Nebenniere (Phäochromozytom) selten Nebenschilddrüse (HPT)
N II B (III) n
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684 Wegen möglicher Komplikationen muss ein gleichzeitig vorliegendes Phäochromozytom zuerst behandelt werden (s.a. Kap. B-17.3). Medulläres Schilddrüsenkarzinom: Thyreoidektomie bei allen Patienten mit manifestem MEN-IIA- oder MEN-IIBSyndrom und Screening der Familienmitglieder ist obligat.
16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen Ein gleichzeitig bestehendes Phäochromozytom muss zuerst operiert werden. Auch wenn eine klinische Symptomatik noch nicht aufgetreten ist, kann dieser Tumor zu erheblichen Komplikationen im Rahmen der Operation eines HPT oder der Schilddrüse führen (s.a. Kap. B-17.3). Das medulläre Schilddrüsenkarzinom ist ausschließlich durch chirurgische Therapie heilbar. Daher müssen alle Patienten mit einem manifesten MENIIA- oder MEN-IIB-Syndrom thyreoidektomiert werden, auch wenn das Karzinom präoperativ nicht nachgewiesen werden kann. Weiterhin müssen asymptomatische Familienmitglieder durch biochemische oder genetische Screeninguntersuchungen identifiziert werden.
Maligne Nebenschilddrüsentumoren Nebenschilddrüsenkarzinome sind selten (1–2 % aller HPT-Erkrankungen). Suspekt sind ein tastbarer, nicht verschieblicher Tumor, tastbare Lymphknotenmetastasen und der Nachweis infiltrativen Wachstums.
Maligne Nebenschilddrüsentumoren
Hypoparathyreoidismus
Hypoparathyreoidismus
Definition
Eine passagere Funktionsstörung kann nach Manipulationen bei Schilddrüsenoperationen entstehen. Nach Nebenschilddrüsenoperationen kann aus unterschiedlichen Gründen ein passagerer oder permanenter Hypoparathyreoidismus bzw. eine Hypokalzämie auftreten ( 2 B-16.5).
Symptome durch die Hypokalzämie treten akut (Tetanie) oder als chronische Schädigungsfolgen auf.
Praktischer Tipp
Karzinome der Nebenschilddrüsen sind sehr seltene Tumoren. Unter den Patienten mit einem primären HPT wird die Inzidenz auf 1–2 % geschätzt. Klinisch liegen eine Hyperkalzämie und die Symptomatik des HPT vor. Die Diagnose wird meist erst intraoperativ gestellt. Verdächtig auf ein Karzinom sind ein tastbarer, nicht verschieblicher Tumor, tastbare Lymphknotenmetastasen und intraoperativ der Nachweis infiltrativen Wachstums.
n Definition. Eine unzureichende Parathormonwirkung wird als Hypoparathyreoidismus bezeichnet. Sie manifestiert sich klinisch durch die Hypokalzämie und ist meist Folge chirurgischer Maßnahmen. Selten tritt sie angeboren (idiopathischer Hypoparathyreoidismus) oder als Folge einer peripheren Hormonresistenz (Pseudohypoparathyreoidismus) auf.
Nach Eingriffen an der Schilddrüse kann eine passagere Funktionsstörung durch intraoperative Traumatisierung oder versehentliche Entfernung einzelner Nebenschilddrüsen ausgelöst werden. Nach Operation eines primären oder sekundären HPT entsteht ein permanenter Hypoparathyreoidismus, wenn kein oder zu wenig funktionsfähiges Nebenschilddrüsengewebe in situ verbleibt, oder wenn das Autotransplant (s. S. 689) durch Infektion oder Durchblutungsstörungen verloren geht. Ein passagerer Hypoparathyreoidismus kann aus funktionellen oder chirurgischen Ursachen auftreten und wenige Tage bis mehrere Monate anhalten. Die postoperative Hypokalzämie kann u. a. auch durch die verstärkte Remineralisation des Knochens bedingt sein ( 2 B-16.5). Die als Tetanie bezeichnete akute Symptomatik reicht von leicht vermehrter neuromuskulärer Erregbarkeit bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsbildern mit Laryngospasmen und generalisierten Krämpfen. Auch die chronische Hypokalzämie führt zu Schädigungen ( 2 B-16.5). n Praktischer Tipp. Klinisch lässt sich eine Hypokalzämie durch das Chvostek-Zeichen nachweisen. Beim Beklopfen des Nervenaustrittspunktes des N. facialis vor dem Ohr und unterhalb des Jochbogens kommt es zur Kontraktion (Zucken) der Gesichtsmuskulatur. Gelegentlich lässt sich dieses Phänomen auch beim Gesunden auslösen, bei der chronischen Hypokalzämie ist es dagegen häufig negativ.
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16.2.3 Diagnostik
2 B-16.5
Postoperative Hypokalzämie
Ätiologie
Symptomatik
Therapie
N chirurgisch n
N akut n
N medikamentös n
π
π
π
vollständige Entfernung aller Nebenschilddrüsen (irreversibel) Funktionsstörung durch intraoperative Manipulationen (Präparation, Biopsie) (potenziell reversibel) Verlust oder Nichtfunktion des Autotransplantates
N funktionell (reversibel) n π
π
π
Suppression der verbliebenen, nicht erkrankten Nebenschilddrüsen Remineralisation des Knochens (»Hungry-bones-Syndrom«) Mangelzustände (Vitamin D, Magnesium)
16.2.3
π
gesteigerte neuromuskuläre Erregbarkeit
π
Hyperreflexie
π
erhöhter Muskeltonus
π
Parästhesien
π
tetanische Krämpfe
π
π
Substitution von Kalzium, Vitamin D, Magnesium
N chirurgisch n π
evtl. Autotransplantation von tiefgefrorenem Nebenschilddrüsengewebe
EKG-Veränderungen (QT-Verlängerung)
N chronisch n π
π
Enzephalopathie (Demenz, Psychose, depressives Syndrom) Augenveränderungen (Papillenödem, Kataraktbildung)
Diagnostik
n Merke. Aufgrund der Anamnese kann ein Hyperparathyreoidismus vermutet werden, durch Laboruntersuchungen wird die Diagnose gesichert. Die weitere, sog. Lokalisationsdiagnostik wird in der Regel erst beim persistierenden oder rezidivierenden HPT vor einem Zweiteingriff durchgeführt.
16.2.3 Diagnostik Merke
Labordiagnostik
Labordiagnostik
Im Vordergrund steht der Nachweis der Hyperkalzämie. Weitere Parameter sind die Kalziumkonzentration im Urin und der Serumphosphatspiegel. Die Bestimmung der alkalischen Phosphatase kann Hinweise auf das Ausmaß der knöchernen Beteiligung geben. Mit der Einführung des Radioimmunoassays (RIA) zur Bestimmung des intakten Parathormons steht ein verlässlicher Parameter zur Messung der Serumhormonkonzentration zur Verfügung.
Relevante Parameter sind die Kalziumkonzentrationen im Serum und Urin, der Serumphosphatspiegel und die Bestimmung der alkalischen Phosphatase. Die Serumkonzentration des intakten Parathormons wird mittels Radioimmunoassay (RIA) bestimmt.
Lokalisationsdiagnostik
Lokalisationsdiagnostik
Sonographie
Sonographie
Die Sonographie der Halsregion ist eine den Patienten nicht belastende, wenig kostenintensive Untersuchung, die bei entsprechender Erfahrung des Untersuchers eine hohe Sensitivität in der Detektion zervikal gelegener Nebenschilddrüsenadenome hat ( 1 B-16.20). Aus diesem Grund wird sie zunehmend auch als ergänzende diagnostische Maßnahme vor der Erstoperation eines Hyperparathyreoidismus durchgeführt. Manche Chirurgen setzen die Sonographie auch intraoperativ ein. Die Grenzen der sonographischen Diagnostik liegen in der nicht immer möglichen Differenzierung zwischen Nebenschilddrüsenadenomen und Schilddrüsenknoten. Eine Darstellung retrosternal gelegener Adenome ist sonographisch nicht möglich.
Bei einem erfahrenen Untersucher hat die Sonographie der Halsregion hohe Sensitivität bei der Lokalisation zervikaler Nebenschilddrüsenadenome ( 1 B-16.20).
Die Unterscheidung zwischen Nebenschilddrüsenadenomen und Schilddrüsenknoten ist nicht immer möglich, retrosternale Adenome können nicht dargestellt werden.
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685
16.2.3 Diagnostik
2 B-16.5
Postoperative Hypokalzämie
Ätiologie
Symptomatik
Therapie
N chirurgisch n
N akut n
N medikamentös n
π
π
π
vollständige Entfernung aller Nebenschilddrüsen (irreversibel) Funktionsstörung durch intraoperative Manipulationen (Präparation, Biopsie) (potenziell reversibel) Verlust oder Nichtfunktion des Autotransplantates
N funktionell (reversibel) n π
π
π
Suppression der verbliebenen, nicht erkrankten Nebenschilddrüsen Remineralisation des Knochens (»Hungry-bones-Syndrom«) Mangelzustände (Vitamin D, Magnesium)
16.2.3
π
gesteigerte neuromuskuläre Erregbarkeit
π
Hyperreflexie
π
erhöhter Muskeltonus
π
Parästhesien
π
tetanische Krämpfe
π
π
Substitution von Kalzium, Vitamin D, Magnesium
N chirurgisch n π
evtl. Autotransplantation von tiefgefrorenem Nebenschilddrüsengewebe
EKG-Veränderungen (QT-Verlängerung)
N chronisch n π
π
Enzephalopathie (Demenz, Psychose, depressives Syndrom) Augenveränderungen (Papillenödem, Kataraktbildung)
Diagnostik
n Merke. Aufgrund der Anamnese kann ein Hyperparathyreoidismus vermutet werden, durch Laboruntersuchungen wird die Diagnose gesichert. Die weitere, sog. Lokalisationsdiagnostik wird in der Regel erst beim persistierenden oder rezidivierenden HPT vor einem Zweiteingriff durchgeführt.
16.2.3 Diagnostik Merke
Labordiagnostik
Labordiagnostik
Im Vordergrund steht der Nachweis der Hyperkalzämie. Weitere Parameter sind die Kalziumkonzentration im Urin und der Serumphosphatspiegel. Die Bestimmung der alkalischen Phosphatase kann Hinweise auf das Ausmaß der knöchernen Beteiligung geben. Mit der Einführung des Radioimmunoassays (RIA) zur Bestimmung des intakten Parathormons steht ein verlässlicher Parameter zur Messung der Serumhormonkonzentration zur Verfügung.
Relevante Parameter sind die Kalziumkonzentrationen im Serum und Urin, der Serumphosphatspiegel und die Bestimmung der alkalischen Phosphatase. Die Serumkonzentration des intakten Parathormons wird mittels Radioimmunoassay (RIA) bestimmt.
Lokalisationsdiagnostik
Lokalisationsdiagnostik
Sonographie
Sonographie
Die Sonographie der Halsregion ist eine den Patienten nicht belastende, wenig kostenintensive Untersuchung, die bei entsprechender Erfahrung des Untersuchers eine hohe Sensitivität in der Detektion zervikal gelegener Nebenschilddrüsenadenome hat ( 1 B-16.20). Aus diesem Grund wird sie zunehmend auch als ergänzende diagnostische Maßnahme vor der Erstoperation eines Hyperparathyreoidismus durchgeführt. Manche Chirurgen setzen die Sonographie auch intraoperativ ein. Die Grenzen der sonographischen Diagnostik liegen in der nicht immer möglichen Differenzierung zwischen Nebenschilddrüsenadenomen und Schilddrüsenknoten. Eine Darstellung retrosternal gelegener Adenome ist sonographisch nicht möglich.
Bei einem erfahrenen Untersucher hat die Sonographie der Halsregion hohe Sensitivität bei der Lokalisation zervikaler Nebenschilddrüsenadenome ( 1 B-16.20).
Die Unterscheidung zwischen Nebenschilddrüsenadenomen und Schilddrüsenknoten ist nicht immer möglich, retrosternale Adenome können nicht dargestellt werden.
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686
16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
1 B-16.20
Sonographische Darstellung eines Nebenschilddrüsenadenoms Ultraschallbild (Längsschnitt) einer vergrößerten linken unteren Nebenschilddrüse (solitäres Adenom bei primärem Hyperparathyreoidismus).
gerade Halsmuskulatur
linker Schilddrüsenlappen
Nebenschilddrüsenadenom
Szintigraphie
Szintigraphie
Die Szintigraphie kann zur Lokalisationsdiagnostik besonders bei vergrößerten und adenomatösen Nebenschilddrüsen beitragen. Die Subtraktionsszintigraphie erfolgt unter Verwendung zweier Radionuklide und Subtraktion der beiden Bilder. Eine Alternative stellt die Gabe eines Markers (Tc-99mSestamibi) dar, der rascher aus der Schilddrüse ausgewaschen wird und so die isolierte Darstellung der Nebenschilddrüsen erlaubt.
Die Szintigraphie kann zur Lokalisationsdiagnostik besonders bei vergrößerten und adenomatös veränderten Nebenschilddrüsen beitragen. Bei der Subtraktionsszintigraphie werden 2 Radionuklide appliziert. Ein perfusionsabhängiger Marker (z.B. Thallium-201) stellt gut perfundiertes Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsengewebe dar, während Technetium-99mPertechnetat sich lediglich im Schilddrüsengewebe anreichert. Subtrahiert man die beiden Bilder voneinander, ergibt sich eine bildliche Darstellung des Nebenschilddrüsengewebes. Der gleiche Effekt kann weniger aufwendig durch die Gabe von Technetium99m-Sestamibi, das sich ebenfalls in Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsengewebe anreichert, erzielt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Auswaschkinetik verbleibt das Radionuklid länger im Nebenschilddrüsengewebe, das dadurch isoliert dargestellt werden kann.
Computer- (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) Mit beiden Methoden ist der Nachweis vergrößerter zervikaler und mediastinaler Nebenschilddrüsen möglich.
Computer- (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT)
Angiographie
Angiographie
Durch die Arteriographie oder die Parathormonbestimmung mittels eines venösen Stufen- oder Etagenkatheters ( 1 B-16.21) ist eine Lokalisation von Nebenschilddrüsenadenomen möglich.
Nebenschilddrüsenadenome sind stark vaskularisiert und können durch eine Arteriographie dargestellt werden. Andererseits können nach Einführung eines venösen Gefäßkatheters in unterschiedlichen Gefäßabschnitten Blutproben entnommen und auf ihren Parathormongehalt untersucht werden (venöser Stufen- oder Etagenkatheter). Dies ermöglicht eine Zuordnung, auf welcher Seite und in welcher Höhe das Adenom liegt ( 1 B-16.21).
Feinnadelbiopsie
Feinnadelbiopsie
Zytologischer Nachweis von Nebenschilddrüsengewebe durch perkutane Punktion und Feinnadelbiopsie.
Zur Sicherung der Diagnose kann eine ultraschall- oder CT-gesteuerte perkutane Punktion eines fraglichen Nebenschilddrüsenadenoms durchgeführt werden. Die zytologische Aufarbeitung kann in der Regel zwischen Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsengewebe differenzieren.
Beide Schnittbildverfahren werden zur Diagnostik vergrößerter zervikaler und dystoper mediastinal gelegener Nebenschilddrüsen eingesetzt. Das MRT zeichnet sich durch guten Gewebskontrast und die Darstellungsmöglichkeit in mehreren Ebenen aus.
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687
16.2.4 Therapie
1 B-16.21
Synopsis Selektive Venenblutentnahme zur Nebenschilddrüsenadenomlokalisation
Über einen selektiv bis in die V. jugularis interna vorgeschobenen Venenkatheter werden seitengetrennt in verschiedenen Gefäßabschnitten des Halses und des oberen Mediastinums Blutproben zur Parathormonbestimmung entnommen. Deutliche Erhöhungen gegenüber dem Serummittelwert an einem Messpunkt weisen auf die Lokalisation eines Adenoms hin.
V. jugularis interna (kranialer Abschnitt)
V. jugularis interna (mittlerer Abschnitt)
V. thyreoidea media (Kocher) V. jugularis interna (kaudaler Abschnitt)
V. brachiocephalica V. brachiocephalica (Konfluensbereich) V. cava superior
16.2.4
Therapie
16.2.4 Therapie
Chirurgische Therapie
Chirurgische Therapie
Die Indikation zur chirurgischen Therapie des primären Hyperparathyreoidismus gründet sich auf Anamnese, Symptomatik und die typischen Laborbefunde. Differenzialdiagnostisch müssen andere Ursachen der Hyperkalzämie ausgeschlossen werden ( 2 B-16.3, S. 682). Auch das Vorliegen eines MEN-Syndroms (s. S. 683) muss präoperativ abgeklärt werden. Nicht eindeutig definiert ist die Operationsindikation beim asymptomatischen Hyperparathyreoidismus. Hier liegt als einziges Symptom eine Hyperkalzämie vor. Diese Konstellation wird aufgrund der routinemäßig durchgeführten Labordiagnostik und der durchschnittlich höheren Lebenserwartung zunehmend häufiger beobachtet. Wegen der möglichen Organkomplikationen der Hyperkalzämie und der hohen Heilungsrate durch die chirurgische Therapie wird die Operationsindikation in diesen Fällen zunehmend großzügiger gestellt. Während beim primären Hyperparathyreoidismus die Chirurgie eine kausale Therapie darstellt, handelt es sich beim sekundären Hyperparathyreoidismus um eine regulative Störung bei an sich gesunden Nebenschilddrüsen. Die Operation beseitigt hier lediglich das Erfolgsorgan, ohne die zugrunde liegende Erkrankung zu behandeln. Die Indikation wird entsprechend zurückhaltend gestellt. Treten ausgeprägte Symptome auf, die auf konservative Maßnahmen nicht mehr anspre-
Die Indikation zur chirurgischen Therapie des primären Hyperparathyreoidismus gründet sich auf Anamnese, Symptomatik und die typischen Laborbefunde. Auszuschließende Differenzialdiagnosen zeigt 2 B-16.3, S. 682). Beim asymptomatischen HPT wird wegen der möglichen Organkomplikationen der Hyperkalzämie und der hohen Heilungsrate durch die chirurgische Therapie die Operationsindikation zunehmend großzügiger gestellt. Beim sekundären HPT stellt die Chirurgie keine kausale Therapie dar. Die Operation beseitigt lediglich das Erfolgsorgan der regulativen Störung. Eine Operationsindikation besteht bei ausgeprägter Symptomatik und Entwicklung einer Autonomie.
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16.2.4 Therapie
1 B-16.21
Synopsis Selektive Venenblutentnahme zur Nebenschilddrüsenadenomlokalisation
Über einen selektiv bis in die V. jugularis interna vorgeschobenen Venenkatheter werden seitengetrennt in verschiedenen Gefäßabschnitten des Halses und des oberen Mediastinums Blutproben zur Parathormonbestimmung entnommen. Deutliche Erhöhungen gegenüber dem Serummittelwert an einem Messpunkt weisen auf die Lokalisation eines Adenoms hin.
V. jugularis interna (kranialer Abschnitt)
V. jugularis interna (mittlerer Abschnitt)
V. thyreoidea media (Kocher) V. jugularis interna (kaudaler Abschnitt)
V. brachiocephalica V. brachiocephalica (Konfluensbereich) V. cava superior
16.2.4
Therapie
16.2.4 Therapie
Chirurgische Therapie
Chirurgische Therapie
Die Indikation zur chirurgischen Therapie des primären Hyperparathyreoidismus gründet sich auf Anamnese, Symptomatik und die typischen Laborbefunde. Differenzialdiagnostisch müssen andere Ursachen der Hyperkalzämie ausgeschlossen werden ( 2 B-16.3, S. 682). Auch das Vorliegen eines MEN-Syndroms (s. S. 683) muss präoperativ abgeklärt werden. Nicht eindeutig definiert ist die Operationsindikation beim asymptomatischen Hyperparathyreoidismus. Hier liegt als einziges Symptom eine Hyperkalzämie vor. Diese Konstellation wird aufgrund der routinemäßig durchgeführten Labordiagnostik und der durchschnittlich höheren Lebenserwartung zunehmend häufiger beobachtet. Wegen der möglichen Organkomplikationen der Hyperkalzämie und der hohen Heilungsrate durch die chirurgische Therapie wird die Operationsindikation in diesen Fällen zunehmend großzügiger gestellt. Während beim primären Hyperparathyreoidismus die Chirurgie eine kausale Therapie darstellt, handelt es sich beim sekundären Hyperparathyreoidismus um eine regulative Störung bei an sich gesunden Nebenschilddrüsen. Die Operation beseitigt hier lediglich das Erfolgsorgan, ohne die zugrunde liegende Erkrankung zu behandeln. Die Indikation wird entsprechend zurückhaltend gestellt. Treten ausgeprägte Symptome auf, die auf konservative Maßnahmen nicht mehr anspre-
Die Indikation zur chirurgischen Therapie des primären Hyperparathyreoidismus gründet sich auf Anamnese, Symptomatik und die typischen Laborbefunde. Auszuschließende Differenzialdiagnosen zeigt 2 B-16.3, S. 682). Beim asymptomatischen HPT wird wegen der möglichen Organkomplikationen der Hyperkalzämie und der hohen Heilungsrate durch die chirurgische Therapie die Operationsindikation zunehmend großzügiger gestellt. Beim sekundären HPT stellt die Chirurgie keine kausale Therapie dar. Die Operation beseitigt lediglich das Erfolgsorgan der regulativen Störung. Eine Operationsindikation besteht bei ausgeprägter Symptomatik und Entwicklung einer Autonomie.
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688
Ziel der chirurgischen Therapie ist die Normalisierung der Parathormonsekretion durch Entfernung eines Adenoms oder Reduktion hyperplastischen Drüsengewebes. Operationsablauf: Zunächst erfolgt die Exploration der typischen Lokalisationen der Nebenschilddrüsen ( 1 B-16.22). Eine atraumatische und bluttrockene Operationstechnik ist Bedingung!
16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen chen, muss, besonders wenn es bereits zur Autonomie mit Hyperkalzämie gekommen ist, die Operation erwogen werden. Das Ziel der chirurgischen Therapie ist die Normalisierung der Parathormonsekretion. Beim solitären Adenom wird dies durch die Entfernung der adenomatös veränderten Drüse erreicht. Bei der Hyperplasie aller Epithelkörperchen muss der Chirurg eine Reduktion des Drüsengewebes auf ein funktionell normales Maß vornehmen. Der Operationsablauf beginnt mit der Mobilisation des Schilddrüsenlappens, in der Regel unter Durchtrennung der Kocher-Vene (Vena thyreoidea media) und der oberen Polgefäße. Unter Darstellung des N. recurrens und der A. thyreoidea inferior werden zunächst die typischen Lokalisationen der Nebenschilddrüsen an der Schilddrüsenhinterfläche exploriert ( 1 B-16.22). Hierbei ist absolut atraumatisches und bluttrockenes Operieren Bedingung!
1 B-16.22
Synopsis Chirurgische Exploration der Nebenschilddrüsen
Nach Mobilisation des Schilddrüsenlappens wird unter Darstellung des N. recurrens und der A. thyreoidea inferior die dorsale Region der Schilddrüse mit den Nebenschilddrüsen exploriert und das Adenom entfernt.
obere Nebenschilddrüse
N. recurrens
A. thyreoidea inferior
Adenom der unteren Nebenschilddrüse
Beim primären HPT wird ein Adenom entfernt, eine Mehrdrüsenerkrankung (Doppeladenome, Hyperplasie aller Drüsen) muss ausgeschlossen werden (durch Schnellschnitt bzw. PTHSchnelltest). Alternativ kann eine Adenomentfernung als minimal-invasive Parathyreoidektomie erfolgen, die jedoch eine intensivere prä- und intraoperative Lokalisations- und Funktionsdiagnostik erfordert. Beim sekundären HPT ist von einer Hyperplasie aller Drüsen auszugehen, die daher alle darzustellen sind. Zur Aufrechterhaltung der normalen Hormonsekretion kann eine subtotale Parathyreoidektomie oder alternativ eine totale Parathyreoidektomie mit Autotransplantation ( 1 B-16.23) durchgeführt werden.
Findet sich beim primären HPT eine adenomatös veränderte Drüse, wird sie entfernt und die Diagnose durch intraoperative Schnellschnittbiopsie bestätigt. Eine Mehrdrüsenerkrankung (Doppeladenome, Hyperplasie aller Drüsen) muss durch die makroskopische Beurteilung der übrigen Drüsen und ggf. weitere Biopsien ausgeschlossen werden. Hilfreich ist auch die intraoperative Parathormonbestimmung, die durch einen Schnelltest den Erfolg der Operation bestätigen kann. Durch einen verkleinerten Zugangsweg kann eine solitäres Adenom direkt entfernt werden (sog. minimal-invasive Parathyreoidektomie). Dies erfordert allerdings einen erheblichen Mehraufwand an prä- und intraoperativer Lokalisations- und Funktionsdiagnostik, um begleitende Schilddrüsenerkrankungen und eine Mehrdrüsenerkrankung auszuschließen. Beim sekundären HPT ist grundsätzlich von einer Hyperplasie aller Drüsen auszugehen, wenn auch die Größenzunahme asymmetrisch ausgeprägt sein kann. Daher müssen alle Nebenschilddrüsen dargestellt werden. Zur Aufrechterhaltung der normalen Hormonsekretion kann ein gut durchbluteter Drüsenrest belassen werden (subtotale Parathyreoidektomie). Alternativ wird das Drüsengewebe vollständig entfernt und ein Teil in die Unterarmmuskulatur eingepflanzt (totale Parathyreoidektomie mit Autotransplantation [ 1 B-16.23]).
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689
16.2.4 Therapie
1 B-16.23
Synopsis Autotransplantation von Nebenschilddrüsengewebe in die Unterarmmuskulatur
a Das intraoperativ entnommene und gekühlt gelagerte Nebenschilddrüsengewebe wird in kleine Quader von 1 mm Kantenlänge zerteilt.
b Das Gewebe ist zur Autotransplantation vorbereitet.
c Die Gewebsstückchen werden in separate Taschen der Unterarmmuskulatur (M. brachioradialis) implantiert.
d Die Muskeltaschen werden mit nicht resorbierbarer Naht markiert, um eine evtl. erforderlich werdende Transplantatverkleinerung zu erleichtern.
Diese Methode hat weite Verbreitung gefunden, da im Falle einer Persistenz des HPT oder eines Rezidivs das Nebenschilddrüsengewebe gut zugänglich ist und ein erneuter komplikationsträchtiger Halseingriff vermieden wird. Das Nebenschilddrüsengewebe wird in kleine Würfel geschnitten, die in der gut durchbluteten Muskulatur durch Diffusion ernährt werden. Verbleibendes Nebenschilddrüsengewebe sollte eingefroren werden (Kryopräservation), um bei Versagen oder Verlust des Transplantates eine erneute Autotransplantation vornehmen zu können. Werden die Nebenschilddrüsen nicht an typischer Stelle gefunden, muss eine systematische Halsexploration durchgeführt werden. Dystop gelegene kaudale Nebenschilddrüsen und akzessorische Drüsen finden sich gehäuft intrathymisch. Daher stellt die zervikale Thymektomie einen obligaten Bestandteil der Operation beim sekundären HPT dar. Beim primären HPT wird sie durchgeführt, wenn kein Adenom gefunden werden kann oder wenn die unteren Nebenschilddrüsen nicht an typischer Stelle identifiziert werden können. Durch vorsichtigen Zug in der richtigen Schicht lassen sich die Thymushörner vom Halsschnitt aus darstellen ( 1 B-16.24). Eine Sternotomie zur weiteren Revision des Mediastinums wird grundsätzlich nicht beim Ersteingriff wegen eines HPT durchgeführt. Sie kann indiziert sein, wenn nach einer Halsexploration der HPT fortbesteht und die dann
Der Vorteil der Autotransplantation besteht darin, dass beim Rezidiv kein erneuter Halseingriff erforderlich ist.
Die Kryopräservation von Nebenschilddrüsengewebe ermöglicht bei Komplikationen eine erneute Autotransplantation. Bei atypischer Lage der Nebenschilddrüsen erfolgt eine systematische Halsexploration. Durch die zervikale Thymektomie ( 1 B-16.24) können dystop gelegene kaudale Nebenschilddrüsen und akzessorische Drüsen gefunden werden.
Eine Sternotomie kann bei Verdacht auf intrathorakale Lage einer Nebenschilddrüse notwendig werden.
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690
16 Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
Beim Nebenschilddrüsenkarzinom erfolgt eine möglichst radikale Resektion evtl. mit Neck dissection.
1 B-16.24
durchzuführende Lokalisationsdiagnostik einen Hinweis auf intrathorakale Lokalisation einer Nebenschilddrüse ergeben hat. Beim Nebenschilddrüsenkarzinom muss eine möglichst radikale En-blocResektion des Tumors unter Mitnahme der infiltrierten Strukturen erfolgen. Gegebenenfalls ist eine Neck dissection anzuschließen.
Synopsis Zervikale Thymektomie
b Thymektomie-Präparat mit aufgeschnittenem Nebenschilddrüsenadenom.
a Entfernung eines retrosternal in der rechten Thymuszunge gelegenen dystopen Nebenschilddrüsenadenoms nach zuvor erfolgter sukzessiver Mobilisation vom zervikalen Kocher-Schnitt aus.
Konservative Therapie
Konservative Therapie
Nebenschilddrüsenadenome können auch angiographisch embolisiert oder perkutan durch Instillation von Alkohol destruiert werden.
In Einzelfällen werden alternativ zur operativen Therapie interventionellradiologische Techniken beim primären HPT angewandt. Durch superselektive Katheterisierung können mediastinal gelegene Nebenschilddrüsenadenome angiographisch embolisiert werden. Auch die sonographisch gesteuerte perkutane Instillation von Alkohol zur Destruktion des Drüsengewebes ist möglich. Ist eine Operation nicht möglich oder war sie erfolglos, muss die Hyperkalzämie medikamentös durch Gabe von isotoner Kochsalzlösung, Diuretika und Phosphaten therapiert werden. Bei extrem erhöhten Werten kommt auch eine Dialysebehandlung infrage. Beim sekundären HPT steht im Vordergrund die Behandlung des zugrunde liegenden Kalziummangels, z.B. durch ausreichende Vitamin-D-Substitution.
Die nicht operative Therapie der Hyperkalzämie besteht in der Gabe von isotoner Kochsalzlösung, Diuretika und Phosphaten oder in der Dialysebehandlung. Beim sekundären HPT wird der zugrunde liegende Kalziummangel behandelt.
Klinischer Fall Ein 55-jähriger Mann, der nach Angaben der Angehörigen nie krank gewesen sei, fällt zu Hause mit zunehmender Verwirrtheit begleitet von starkem Durstgefühl auf. Bei Krankenhausaufnahme ist der Patient komatös. Die Diagnostik ergibt eine Hyperkalzämie mit Werten über 5 mmol/l sowie eine metabolische Azidose. Die Parathormonbestimmung zeigt exzessiv erhöhte Werte, sodass die Diagnose einer hyperkalzämischen Krise bei primä-
rem Hyperparathyreoidismus gestellt wird. Da sich trotz mehrfacher Dialysebehandlung jeweils nur eine kurzfristige Senkung des Kalziumwertes erzielen lässt, wird die Indikation zur notfallmäßigen Halsexploration gestellt. Hierbei wird ein 5 g schweres Nebenschilddrüsenadenom entfernt. Postoperativ sinkt der Kalziumwert im Verlauf von 12 Stunden auf Normalwerte, der Patient erholt sich innerhalb weniger Tage.
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691 17
Nebenniere
17
Nebenniere
17.1
Anatomie
Michael Dürig 17.1
Anatomie
Die Nebennieren sind paarig angelegt und jeweils am oberen Pol jeder Niere lokalisiert. Das Gewicht der gesunden Nebenniere beträgt 3–6 g, wobei die Nebenniere der linken Seite etwas größer und schwerer ist als die der Gegenseite. Arteriell werden die Nebennieren durch 3 paarige Gefäße versorgt: der A. suprarenalis superior aus der A. phrenica inferior, der A. suprarenalis media aus der Aorta und der A. suprarenalis inferior aus der A. renalis. Bereits makroskopisch ist die Nebennierenrinde durch die charakteristische Gelbfärbung vom grauen Mark abzugrenzen. Embryologisch entstammt die Rinde dem Mesoderm, während das Mark neuroektodermalen Ursprungs ist. Die chromaffinen Zellen des Marks leiten sich, wie die sympathischen Ganglien, von der Neuralleiste ab. Aus diesem Grunde können Tumoren des Nebennierenmarks überall dort auftreten, wo sich sympathisches Nervengewebe befindet.
Die Nebennieren sind paarig angelegt und jeweils am oberen Pol jeder Niere lokalisiert. Das Gewicht der gesunden Nebenniere beträgt 3–6 g, wobei die linke Seite etwas größer und schwerer ist als die Gegenseite. Arteriell werden die Nebennieren durch 3 paarige Gefäße versorgt: der A. suprarenalis superior aus der A. phrenica inferior, der A. suprarenalis media aus der Aorta und der A. suprarenalis inferior aus der A. renalis. Embryologisch leitet sich die Rinde vom Mesoderm, das Mark vom Neuroektoderm ab.
17.2
Nebennierenrinde (NNR)
17.2
17.2.1
Physiologie
17.2.1 Physiologie
Die Nebennierenrinde unterteilt sich histologisch in 3 Schichten, denen eine spezifische Hormonproduktion zugeordnet ist: π Zona glomerulosa: Mineralokortikoide (C-21-Steroide; Leithormon: Aldosteron) π Zona fasciculata: Glukokortikoide (C-21-Steroide; Leithormone: Kortisol, Kortikosteron) π Zona reticularis: Sexualsteroide (C-19-Steroide; Androgen), (C-18-Steroide; Östrogene). Die Nebennierenrinde ist in ihrer Funktion in erster Linie vom adrenokortikotropen Hormon, dem ACTH bzw. Kortikotropin der Hypophyse abhängig. Der Einfluss von ACTH bezieht sich hierbei auf die Bildung von Glukokortikoiden, Androgenen und des Aldosteron. Die Sekretion von ACTH im Hypophysenvorderlappen (HVL) wird seinerseits durch das Neurohormon CRF (corticotropin releasing factor) aus dem Hypothalamus ausgelöst. Die Menge der ACTH-Produktion ist ihrerseits vom Plasma-Kortisolspiegel abhängig ( 1 B-17.1). Die Nebenniere synthetisiert Steroidhormone mit gluko- und mineralokortikoider Wirkung. Unter den zahlreichen Steroiden werden auch Gestagene und Östrogene synthetisiert. Eine Synthese von Androgenen und Östrogenen erfolgt darüber hinaus in den Testes und Ovarien. Unter den Steroidhormonen kommt den Glukokortikoiden zur Aufrechterhaltung vitaler Funktionen die größte Bedeutung zu. Hierbei liegt die Aufgabe des Kortisols in seiner Beeinflussung von Kohlenhydrat-, Eiweiß- und Wasserstoffwechsel. Die Wirkung der Glukokortikoide auf den Elektrolytund Wasserstoffwechsel ist im Gegensatz zu Aldosteron nur gering ausgeprägt. Kortikosteron steht in seiner biologischen Wirkung zwischen Aldosteron und Kortisol. Die Mineralokortikoide haben mit ihrem Einfluss auf den Elektrolyt- und Wasserhaushalt eine besondere Bedeutung bei den Hochdruckerkrankungen. An der Aldosteronproduktion sind das Renin-Angiotensin-System, ACTH und die Serumkonzentrationen von Kalium und Natrium beteiligt. Eine Abnahme des effektiven Blutvolumens und die Erhöhung des Serumkaliums stimuliert hierbei die Aldosteronsynthese.
Nebennierenrinde (NNR)
Die Nebennierenrinde unterteilt sich histologisch in 3 Schichten, denen eine spezifische Hormonproduktion zugeordnet ist: π Zona glomerulosa: Mineralokortikoide (Leithormon: Aldosteron) π Zona fasciculata: Glukokortikoide (Leithormone: Kortisol, Kortikosteron) π Zona reticularis: Sexualsteroide (Androgen, Östrogene). Die Nebennierenrinde ist in ihrer Funktion in erster Linie vom adrenokortikotropen Hormon, dem ACTH bzw. Kortikotropin der Hypophyse abhängig ( 1 B-17.1). Der Einfluss von ACTH bezieht sich hierbei auf die Bildung von Glukokortikoiden, Androgenen und Aldosteron.
Unter den Steroidhormonen kommt den Glukokortikoiden zur Aufrechterhaltung vitaler Funktionen die größte Bedeutung zu. Hierbei liegt die Aufgabe des Kortisols in seiner Beeinflussung von Kohlenhydrat-, Eiweißund Fettstoffwechsel. Die Mineralokortikoide haben mit ihrem Einfluss auf den Elektrolyt- und Wasserhaushalt eine besondere Bedeutung bei den Hochdruckerkrankungen. An der Aldosteronproduktion sind das Renin-Angiotensin-System, ACTH und die Serumkonzentrationen von Kalium und Natrium beteiligt ( 1 B-17.2).
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692
17 Nebenniere
1 B-17.1
Synopsis Regelmechanismus des Kortisols
Hypothalamus
CRF
HVL
ACTH
NNR Kortisol
Eine Verminderung des Serumnatriums bewirkt ebenfalls eine Stimulation der Aldosteronproduktion und sekundär einen erneuten Anstieg des Natriums. Die Steuerung wird wesentlich durch den Renin-Angiotensin-Mechanismus beeinflusst ( 1 B-17.2).
1 B-17.2
Synopsis Regelkreislauf des Renin-Angiotensin-AldosteronMechanismus
Blutvolumen
Renin
Angiotensinogen Angiotensin I Angiotensin II
+
K
ACTH
Aldosteron
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693
17.2.2 Nebennierenrindenüberfunktion 17.2.2
Nebennierenrindenüberfunktion
17.2.2 Nebennierenrindenüberfunktion Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom)
Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom) n Definition. Das Cushing-Syndrom fasst die klinischen Zeichen und Symptome als Folge einer chronischen Glukokortikoidexposition über einen längeren Zeitraum zu einem Krankheitsbild zusammen.
Definition
Die Inzidenz wird auf 1 : 100 000 bis 1 : 500 000 geschätzt, wobei Frauen gegenüber Männern in einem Verhältnis 5 : 1 häufiger betroffen sind. Der Altersgipfel liegt zwischen der 3. und 5. Lebensdekade.
Ätiologie. Es werden das endogene und das exogene Cushing-Syndrom
voneinander unterschieden. Ursache des endogenen Cushing-Syndroms ist eine hypophysäre Überproduktion von Kortisol oder ACTH, wobei die ACTH-abhängige (85 % aller endogenen Formen) und die ACTH-unabhängige, paraneoplastische Form (15–20 % aller endogener Formen) voneinander getrennt werden. Sie umfasst überwiegend die benignen kortisolsezernierenden Nebennierenrindenadenome wie auch Nebennierenrindenkarzinome ( 2 B-17.1).
2 B-17.1
ACTH-abhängige und -unabhängige Formen des Cushing-Syndroms
Form
N ACTH-abhängige Form n π
π
π
Ätiologie. Es werden das endogene und das exogene Cushing-Syndrom voneinander unterschieden. Ursache des endogenen Cushing-Syndroms ist eine Überproduktion von Kortisol oder ACTH. Sie umfasst überwiegend die kortisolsezernierenden Nebennierenrindenadenome und -karzinome ( 2 B-17.1).
ACTH produzierendes Hypophysenvorderlappenadenom (Morbus Cushing) ektope ACTH-Bildung in einem Tumor (z. B. Bronchialkarzinom, Bronchialkarzinoid, Pankreaskarzinom)
Häufigkeit 85 % 80 %
20 %
ektope CRH-Bildung (paraneoplastisch, sehr selten)
N ACTH-unabhängige Form n π
NNR-Adenom/NNR-Karzinom
π
mikro-/makronoduläre Hyperplasie (selten)
π
exogene Glukokortikoidgabe
15 %
Als Ursache des exogenen Cushing-Syndroms gilt in der Regel die Zufuhr von Glukokortikoiden oder ACTH aus therapeutischen Gründen.
Symptome. Die klinischen Symptome werden durch die Stoffwechselwir-
kung des vermehrt produzierten Kortisols bestimmt. Charakteristisch ist eine progressive Gewichtszunahme mit zentripetaler Fettsucht unter Aussparung von Gesäß, Armen und Beinen. Der zervikodorsale Fettansatz führt in Kombination mit einer dorsalen Kyphose durch Osteoporose der Wirbelsäule zu dem typischen Bild des »Stiernackens«. Eine Fettzunahme im Bereich der Wangen und unterhalb des Kinns zeichnen zusammen mit einer Plethora das »Mondgesicht« aus. An der Haut zeigen sich Akne, Striae und eine Gefäßfragilität, die sich in vermehrter subkutaner Hämatombildung manifestiert. Bei Kindern ist der Stillstand des Längenwachstums oft erstes Zeichen eines Hyperkortisolismus, während beim Erwachsenen Müdigkeit und Leistungsabfall, beim Mann Potenz- und Libidoverlust, bei der Frau Menstruationsstörungen bis zur sekundären Amenorrhö und Hirsutismus Anlass zum ersten Arztbesuch geben. Weitere Symptome sind Hypertonie, diabetische Stoffwechsellage und Infektanfälligkeit. Die glukokortikoidbedingte Osteoporose führt zu chronischen Rückenschmerzen, Kyphose und in 40 % der Fälle zu Spontanfrakturen von Wirbelkörpern und Rippen.
Als Ursache des exogenen CushingSyndroms gilt in der Regel die Zufuhr von Glukokortikoiden oder ACTH aus therapeutischen Gründen. Symptome. Charakteristisch ist eine progressive Gewichtszunahme mit zentripetaler Fettsucht. Es kommt zu dem typischen Bild des »Stiernackens« und »Mondgesichtes«. An der Haut zeigen sich Akne, Striae und eine Gefäßfragilität. Des Weiteren treten Hypertonie, eine diabetische Stoffwechsellage und Infektanfälligkeit auf. Bei Kindern ist der Stillstand des Längenwachstums oft erstes Zeichen eines Hyperkortisolismus, während beim Erwachsenen Müdigkeit und Leistungsabfall, beim Mann Potenzverlust, bei der Frau Menstruationsstörungen und Hirsutismus Anlass zum ersten Arztbesuch geben. Die Osteoporose führt in 40 % zu Spontanfrakturen von Wirbelkörper und Rippen.
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17 Nebenniere Bei ca. der Hälfte der Patienten treten zusätzlich psychiatrische Komplikationen auf. Hierzu gehören emotionale Labilität, agitierte Depression mit Angst- und Panikattacken.
Merke
Diagnose. Die Diagnose stützt sich neben der Anamnese im Wesentlichen auf Laboruntersuchungen. Der Nachweis eines endogenen Hyperkortisolismus gelingt durch Messung der Ausscheidung von freiem Kortisol und Kortisol-Metaboliten.
Merke
Ein Cushing-Syndrom darf auch dann angenommen werden, wenn es gelingt, den fehlenden zirkadianen Rhythmus nachzuweisen.
Die ACTH-Sekretion wird durch die Gabe von Dexamethason beim Cushing-Syndrom nicht oder nur geringfügig gehemmt, während beim Gesunden die Kortisolsekretion (durch Hemmung der ACTH-Sekretion) stark abfällt.
Merke
Unerlässlich sind der CRH-Test und der Insulintoleranztest. Die Indikation zur Durchführung des Insulin-Hypoglykämie Tests ist dann gegeben, wenn der Verdacht auf eine hypophysäre oder hypothalamische Ursache besteht oder ein CushingSyndrom gesichert werden muss.
Merke
n Merke. Eine schwere hypokaliämische Alkalose weist auf eine ektope ACTH-Sekretion oder ein Nebennierenkarzinom hin. Bei Kindern ist ein Wachstumsstillstand erstes Symptom des Hyperkortisolismus.
Diagnose. Die Diagnose und Differenzialdiagnose des Cushing-Syndroms
stützen sich neben der Anamnese im Wesentlichen auf Laboruntersuchungen. Der Nachweis eines endogenen Hyperkortisolismus gelingt durch Messung der Ausscheidung von freiem Kortisol und Kortisol-Metaboliten (17-Hydroxykortisolsteroide oder 17-Ketosteroide) im 24-Stunden-Urin. Falsch positive Ergebnisse sind nur in 5 % der Fälle zu erwarten. n Merke. Erhöhte Kortisolwerte sind auch nach der Einnahme von Kontrazeptiva, in der Schwangerschaft, bei Adipositas permagna und in Stresssituationen zu beobachten.
Ein Cushing-Syndrom darf auch dann angenommen werden, wenn es gelingt, den fehlenden zirkadianen Rhythmus mit persistierender nächtlicher Kortisolsekretion, d.h. konstantem Kortisolspiegel, nachzuweisen. Normalerweise werden maximale Kortisonwerte (60–150 ng/ml) am Morgen und Minimalwerte (< 50 ng/ml) gegen Mitternacht vorgefunden. Bei der Differenzierung der Ätiologie eines Cushing-Syndroms wird die Tatsache ausgenutzt, dass die Kortisolproduktion aus Nebennierentumoren und die paraneoplastische ACTH-Produktion autonom sind, während der ACTH-Regelkreis übergeordnet funktioniert. Die ACTH-Sekretion wird durch die Gabe von Dexamethason (Glukokortikoid mit 30-mal stärkerer Potenz als Hydrokortison, das nicht in die Hydrokortisonmessung im Plasma oder Urin eingeht) beim Cushing-Syndrom nicht oder nur geringfügig gehemmt, während beim Gesunden die Kortisolsekretion (durch Hemmung der ACTH-Sekretion) stark abfällt. n Merke. Eine ausreichende Hemmung der Kortisolsekretion im Dexamethason-Kurztest zusammen mit normaler Exkretion von freiem Kortisol in den Urin schließt ein Cushing-Syndrom aus.
Unerlässlich sind der Corticotropin-releasing-hormone-(CRH-)Test und der Insulintoleranztest mit Messungen der ACTH- und Kortisolkonzentrationen im Plasma. Die Indikation zur Durchführung des Insulin-Hypoglykämie-Tests ist nur dann gegeben, wenn der Verdacht auf eine hypophysäre oder hypothalamische Ursache besteht oder ein Cushing-Syndrom gesichert werden muss. Der Test überprüft den Regelkreis Hypothalamus-Hypophyse-NNR und nutzt hierbei die Glukose als wichtigsten Energieträger des Gehirnstoffwechsels aus. Kommt es nach Insulininjektion zu einer Hypoglykämie, folgt die Sekretion von Vasopressin und Corticotropin releasing hormone (CRH) in den hypophysären Kreislauf. Dies führt zu einer Stimulation der ACTHSekretion, die ihrerseits die Kortisolsekretion anregt. Unterschreitet der Blutzucker 40 mg % (2,2 mmol/l) bei gleichzeitigem Auftreten von Hypoglykämiesymptomen, steigt das Plasma-ACTH beim Gesunden auf mindestens 150 pg/ml an (Normwert 5–40 pg/ml). Die Kortisolsekretion wird maximal auf 550 nmol/l stimuliert. n Merke. Ein normaler Insulin-Hypoglykämie-Test schließt einen funktionellen Schaden des Hypothalamus-Hypophysen-NNR-Regelkreises aus.
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17.2.2 Nebennierenrindenüberfunktion Bei Verdacht auf eine hypophysäre Erkrankung ist der Corticotropin-releasing-hormone-Test indiziert. CRH ist neben Vasopressin ein wichtiges Stimulans der kortikotropen Zellen des Hypophysenvorderlappens. Nach i.v. Injektion von 1mg/kg KG eines synthetischen humanen oder ovinen (Schafs-) CRH kommt es beim Gesunden zu einem Anstieg des Plasma-ACTH. Dieser Anstieg nimmt jedoch nicht das Ausmaß des Insulin-Hypoglykämie-Tests an. Die Testantwort unterscheidet sich jedoch nicht wesentlich, da die Kortisolsekretion der NNR bereits bei Plasma-ACTH-Konzentrationen von ca. 60 pg/ml nahezu maximal ist. Der CRH-Test hat ferner seine Bedeutung in der Differenzierung des ACTHabhängigen Cushing-Syndroms. Beim hypophysären Cushing-Syndrom steigen Plasma-ACTH und -kortisol nach CRH-Injektion signifikant an, während bei ektoper ACTH-Sekretion nur selten eine signifikante Stimulation erfolgt. Ist ein Hyperkortisolismus gesichert, werden zur Lokalisationsdiagnostik beim Cushing-Syndrom neben der Ultraschalluntersuchung der Nebennieren die Computertomographie und die Magnetresonanztomographie herangezogen. Die letzteren gestatten auch eine Aussage über eine hypophysäre Beteiligung. n Merke. Bei Verdacht auf eine paraneoplastische Hormonproduktion muss die entsprechende Tumorsuche eingeleitet werden.
Therapie. Das nachgewiesene Cushing-Syndrom muss grundsätzlich therapiert werden, da es unbehandelt einen letalen Verlauf nimmt. Ziel der Therapie sollen die Entfernung eines Tumors, die Normalisierung einer exzessiven Kortisolproduktion und die Vermeidung einer endokrinen Insuffizienz sein. Beim Morbus Cushing ist die Therapie der Wahl eine selektive transsphenoidale Entfernung des Hypophysenadenoms. Eine Adrenalektomie kommt nur dann in Frage, wenn bei großen Hypophysentumoren die Tumorentfernung oder die begleitende Strahlentherapie das Krankheitsbild nicht beherrschen lassen. Eine bilaterale Adrenalektomie ist auch dann indiziert, wenn die seltene bilaterale Hyperplasie vorliegt. Bei Verlust beider Nebennieren ist eine lebenslange Substitutionstherapie sowohl mit Gluko- als auch Mineralokortikoiden erforderlich. Das ektope, paraneoplastische ACTH-Syndrom kann ausschließlich durch die Entfernung des Primärtumors beeinflusst werden. Beim Nebennierenrindenadenom und -karzinom muss die Tumorentfernung erfolgen. Bei der seltenen mikronodulären Hyperplasie sind beide Nebennieren betroffen. In diesen seltenen Fällen ist die beidseitige Adrenalektomie indiziert. Auch das benigne Adenom ( 1 B-17.3) der Nebenniere wird selektiv entfernt. Hier führt die Entfernung meist innerhalb 1 Jahres zur rezidivlosen Rückbildung des Cushing-Syndroms.
1 B-17.3
Bei Verdacht auf eine hypophysäre Erkrankung ist der Corticotropinreleasing-hormone-Test indiziert. Beim hypophysären Cushing-Syndrom steigen Plasma-ACTH und -kortisol nach CRH-Injektion signifikant an, während bei ektoper ACTH-Sekretion nur selten eine signifikante Stimulation erfolgt.
Die CT und MRT gestatten im Rahmen der Lokalisationsdiagnostik auch eine Aussage über eine hypophysäre Beteiligung. Merke
Therapie. Das nachgewiesene CushingSyndrom muss grundsätzlich therapiert werden, da es unbehandelt einen letalen Verlauf nimmt. Ziel der Therapie ist die Entfernung des Tumors, die Normalisierung einer exzessiven Kortisolproduktion und die Vermeidung einer endokrinen Insuffizienz. Beim Morbus Cushing ist die Therapie der Wahl eine selektive transsphenoidale Entfernung des Hypophysenadenoms. Das ektope, paraneoplastische ACTHSyndrom kann ausschließlich durch die Entfernung des Primärtumors beeinflusst werden.
Auch das benigne Adenom ( 1 B-17.3) der Nebenniere wird selektiv entfernt.
CT-Darstellung eines hormonaktiven NNR-Adenoms CT-Darstellung eines hormonaktiven NNR-Adenoms ( Á) bei einer 85-jährigen Patientin. Durch einseitige Adrenalektomie konnte bei einem medikamentös kaum beeinflussbaren Hypertonus Normotension erreicht werden.
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17 Nebenniere
Bei irresektablen Nebennierenrindenkarzinomen kann durch Adrenostatika mit selektiver Toxizität auf die Zona fasciculata und die Zona reticularis eine Lebensverlängerung erreicht werden.
Bei irresektablen Nebennierenrindenkarzinomen kann durch Adrenostatika wie Metyrapon, Aminoglutethimid und o,p’DDD (Mitotane, LysodrenQ; Derivat des DDT mit selektiver Toxizität auf die Zona fasciculata und die Zona reticularis) eine Lebensverlängerung und eine Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden. Diese Medikamente sind ihrerseits jedoch teratogen und mit massiven gastrointestinalen Nebenwirkungen behaftet.
Primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom)
Primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom)
Definition
Ätiologie. Ursachen des ConnSyndroms s. 2 B-17.2.
n Definition. Bei dem primären Hyperaldosteronismus handelt es sich um eine autonome Überproduktion von Aldosteron aus der NNR. In der Folge kommt es zu einer Natriumretention, einem Kaliumverlust und einer Suppression von Plasmarenin. Das Leitsymptom der Erkrankung ist die Hypertonie.
Ätiologie. Als Ursachen des primären Hyperaldosteronismus gelten ( 2 B-17.2): π Aldosteronproduzierendes Adenom: Es gilt als häufigste Ursache des primären Hyperaldosteronismus. Die Aldosteronproduktion ist weitestgehend autonom. Das bedeutet, dass sie Angiotensin-II-unabhängig und nicht durch exogenes Angiotensin stimulierbar ist. Aldosteron ist hingegen durch ACTH stimulierbar und kurzfristig durch Dexamethason supprimierbar. π Idiopathischer Hyperaldosteronismus: Beim idiopathischen Hyperaldosteronismus liegt pathologisch-anatomisch eine Hyperplasie der Zona glomerulosa vor, die funktionell dem Renin-Angiotensin-System unterliegt. π Glukokortikoidsupprimierbarer Hyperaldosteronismus: Diese Form wird auch als familiärer Hyperaldosteronismus Typ I bezeichnet. Dabei liegt eine autosomal dominant vererbte Störung der Steroidbiosynthese vor. Morphologisch liegt eine bilaterale (knotige) Hyperplasie vor. π Makronoduläre Hyperplasie: Hierbei liegt ein autonomer Hyperaldosteronismus mit uni- oder bilateraler makronodulärer Hyperplasie vor. π Aldosteronproduzierendes Karzinom: Die Karzinome können sowohl adrenalen als auch ektopen Ursprungs sein und sind in ihren funktionellen Auswirkungen weder durch ACTH noch durch Angiotensin beeinflussbar. Sie sind insgesamt jedoch äußerst selten.
2 B-17.2
Ursachen des primären Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom)
Ursache
N unilaterales aldosteronproduzierendes Adenom (Aldosteronom) n π
autonom (Renin- und Angiotensin-II-unabhängig)
π
Renin- und Angiotensin-II-sensitiv
N idiopathischer Hyperaldosteronismus (bilaterale homogene oder n mikronoduläre Zona-glomerulosa-Hyperplasie)
Symptome. Der primäre Hyperaldosteronismus betrifft bevorzugt jüngere Patienten zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr mit einer Dominanz beim weiblichen Geschlecht. Es kommt zu erhöhtem Blutdruck und Kopfschmerzen. Symptome der Hypokaliämie sind Müdigkeit, Muskelschwäche, Paresen vereinzelter Muskelgruppen, tetanische Anfälle und Arrhythmien (Extrasystolen) sowie Polyurie und Isosthenurie.
Häufigkeit 60–80 %
20–30 %
N einseitige oder doppelseitige primäre makronoduläre Nebenn nierenhyperplasie (autonom)
1–5 %
N glukokortikoidsupprimierbarer Hyperaldosteronismus n
1–3 %
N aldosteronproduzierendes Karzinom n
selten
Symptome. Der primäre Hyperaldosteronismus betrifft bevorzugt jüngere
Patienten zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr mit einer Dominanz beim weiblichen Geschlecht. Ein mäßig bis stark erhöhter Blutdruck ist in der Hälfte der Fälle mit Kopfschmerzen verbunden. Als Symptome einer ausgeprägten Hypokaliämie sind Müdigkeit, Muskelschwäche, Paresen vereinzelter Muskelgruppen, tetanische Anfälle, Arrhythmien (Extrasystolen) und eine Polyurie mit Isosthenurie zu beobachten.
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17.2.2 Nebennierenrindenüberfunktion
n Merke. Leitsymptom des primären Hyperaldosteronismus ist die hypokaliämische Hypertonie.
Diagnose. Bei entsprechendem Verdacht sollte zum Ausschluss falsch nega-
tiver Befunde sichergestellt sein, dass weder eine kochsalzarme Diät eingehalten wird noch kaliumsparende Diuretika im Rahmen der Hypertoniebehandlung eingenommen werden. Der Beweis kann schließlich durch Laboruntersuchungen, wie die Bestimmung von Aldosteron und Renin im Plasma oder im 24-Stunden-Sammelurin erbracht werden. Ein hohes Aldosteron im Serum und Urin sowie ein erniedrigtes Plasmarenin beweisen einen primären Hyperaldosteronismus. Bei der Bestimmung muss allerdings beachtet werden, dass b-Blocker, ACEHemmer, Clonidin, Spironolacton und Progesteron das Ergebnis beeinflussen und deshalb vorher abgesetzt werden bzw. die Bestimmungen bei Frauen in der 1. Zyklushälfte vorgenommen werden. Eine differenzialdiagnostische Aussage im Hinblick auf ein Conn-Adenom oder einen idiopathischen Aldosteronismus bietet der Orthostasetest unter den Laborwerten. Nach einer mindestens 3-stündigen Ruhephase erfolgt, ebenso wie nach 2–4-stündigem Umhergehen, die Bestimmung des Plasmaaldosterons und der Plasmareninaktivität. Bei einem idiopathischen Hyperaldosteronismus ist das Plasmaaldosteron normal oder leicht erhöht und reagiert auf Orthostase. Bei einem aldosteronproduzierenden Adenom ist Plasmaaldosteron bereits in Ruhe erhöht und bleibt nach 2 Stunden Orthostase unverändert oder fällt sogar ab. Eine differenzialdiagnostische Aussage über die Art der Erkrankung kann auch durch die bildgebenden Verfahren wie die Computertomographie als auch die Magnetresonanztomographie mit hoher Sensitivität erzielt werden. Obwohl sich kleine Tumoren < 0,5 cm Durchmesser der Diagnostik entziehen können, werden in 90 % bzw. 95 % der Fälle die Adenome sichtbar gemacht. Die Nebennierenszintigraphie ist gegenüber den bildgebenden Verfahren in ihrem Aussagewert eingeschränkt. Sie wird mit 131J-19-Jodcholesterol oder 131J-6b-Jod-Methyl-19-Norcholesterol (NP 59) vorgenommen und bleibt differenzialdiagnostisch schwierigen Fällen vorbehalten ( 1 B-17.4).
1 B-17.4
Merke
Diagnose. Eine kochsalzarme Diät oder die Einnahme von Diuretika sollte ausgeschlossen werden. Der Beweis kann schließlich durch Laboruntersuchungen, wie die Bestimmung von Aldosteron und Renin im Plasma oder im 24-h-Sammelurin erbracht werden.
Mit dem Orthostasetest kann zwischen einem Conn-Adenom und einem idiopathischen Aldosteronismus unterschieden werden.
Durch die bildgebenden Verfahren wie die CT als auch die MRT werden in 90 % bzw. 95 % der Fälle die Adenome sichtbar gemacht.
Die Nebennierenszintigraphie ist gegenüber den bildgebenden Verfahren in ihrem Aussagewert eingeschränkt. Sie bleibt differenzialdiagnostisch schwierigen Fällen vorbehalten ( 1 B-17.4).
Nebennierenszintigraphie 131
-J-Norcholesterol-Scan: 22-jährige Patientin mit Conn-Syndrom bei rechtsseitigem NN-Adenom.
Therapie. Die Behandlung des Aldosteron produzierenden Adenoms besteht in der Regel in der einseitigen Adrenalektomie. Wegen der chronischen Plasmareninaktivität- und Angiotensin-II-Suppression ist die nicht adenomatöse Zona glomerulosa der ipsi- und kontralateralen Nebenniere funktionsuntüchtig, was ohne Vorbehandlung postoperativ zu einem sekundären Hypoaldosteronismus mit ausgeprägter Hypotension und Hyperkaliämie führen kann.
Therapie. Die Behandlung des Aldosteron produzierenden Adenoms besteht in der Regel in der einseitigen Adrenalektomie.
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698 Merke
17 Nebenniere
n Merke. Zur Vermeidung eines postoperativen Hypoaldosteronismus nach Adrenalektomie bei Conn-Adenom ist eine 2-monatige Vorbehandlung mit 200–400 mg Spironolacton (Aldosteronantagonist) erforderlich. Eine postoperative Hyperkaliämie und Hypotonie muss mit Fludrokortison behandelt werden.
Bei Patienten mit einer einseitigen makronodulären Hyperplasie ist ebenfalls die unilaterale Adrenalektomie angezeigt. Bei der bilateralen Hyperplasie und dem idiopathischen Hyperaldosteronismus wird konservativ behandelt. Basismedikament der antihypertensiven und kaliumsparenden Therapie ist Spironolacton. Die Behandlung des glukokortikoidsupprimierbaren Hyperaldosteronismus erfolgt ebenfalls konservativ mit niedrigen Dosen von Dexamethason (0,5– 1 mg zur Nacht).
Bei Patienten mit einer einseitigen makronodulären Hyperplasie ist ebenfalls die unilaterale Adrenalektomie angezeigt. Bei der bilateralen Hyperplasie ist der konservative Behandlungsversuch berechtigt. Der idiopathische Hyperaldosteronismus wird ebenfalls der konservativen Behandlung zugeführt. Basismedikament der antihypertensiven und kaliumsparenden Therapie ist Spironolacton. Die Dosis hängt von den Nebenwirkungen (Mastodynie, Gynäkomastie, Abnahme von Libido und Potenz sowie Zyklusstörungen) ab, sodass Kombinationen mit kaliumsparenden Diuretika erforderlich sein können. Die Behandlung des glukokortikoidsupprimierbaren Hyperaldosteronismus erfolgt ebenfalls konservativ mit niedrigen Dosen von Dexamethason (0,5–1 mg zur Nacht).
Adrenogenitales Syndrom (AGS)
Adrenogenitales Syndrom (AGS)
Definition
n Definition. Das adrenogenitale Syndrom umfasst eine Gruppe von autosomal rezessiv vererbten Störungen der Kortisolbiosynthese durch die Nebenniere. Diese Defektbildung manifestiert sich in einer vermehrten ACTH-Produktion, einer exzessiven Produktion von Androgenen und/oder Mineralokortikoiden sowie einer Vergrößerung der Nebennieren um das 10–20fache ihres Ausgangsgewichtes.
Ätiologie. Die häufigste Defektbildung liegt in der 21-Hydroxylase. Hierbei kommt es zu einer inadäquaten Produktion von Gluko- und Mineralokortikoiden und einer exzessiven ACTHSekretion, der eine vermehrte Androgenproduktion folgt.
Ätiologie. Obwohl zahlreiche Enzymdefekte für das AGS verantwortlich
Symptome. Die klassischen Symptome sind Trinkschwäche, Erbrechen, Elektrolytveränderungen (Hyperkaliämie, Hyponatriämie), Exsikkose, metabolische Azidose und zunehmende Apathie. Bei Neugeborenen oder Kleinkindern werden Veränderungen an den Genitalien beobachtet (z. B. Hypospadie, Kryptorchismus, Hyperpigmentierung der Genitalhaut). Bei nicht erkanntem Krankheitsbild entwickeln Knaben und Mädchen ab dem Kleinkindesalter eine zunehmende Pseudopubertas praecox. Diagnose. Im Labor ist für den 21-Hydroxylasemangel eine massive Erhöhung von 17-Hydroxyprogesteron (17-OHP) beweisend.
Symptome. Ungeachtet der genitalen Veränderungen bestehen die klassi-
gemacht werden können, liegt die häufigste Defektbildung in der 21-Hydroxylase. Hierbei kommt es zu einer inadäquaten Produktion von Gluko- und Mineralokortikoiden und einer exzessiven ACTH-Sekretion, der eine vermehrte Androgenproduktion folgt. Diese erhöhte Androgenproduktion führt pränatal zu einer Virilisierung des äußeren weiblichen Genitales und postnatal zu einer Pseudopubertas praecox bei beiden Geschlechtern.
schen Symptome in Trinkschwäche, Erbrechen, Elektrolytveränderungen (Hyperkaliämie, Hyponatriämie), Exsikkose, mebatolischer Azidose und zunehmender Apathie. An die Diagnose muss gedacht werden, wenn bei Neugeborenen oder Kleinkindern Veränderungen an den Genitalien beobachtet werden (z.B. Hypospadie, Kryptorchismus, Hyperpigmentierung der Genitalhaut). Bei nicht erkanntem Krankheitsbild entwickeln Knaben und Mädchen ab dem Kleinkindesalter eine zunehmende Pseudopubertas praecox mit frühem Auftreten der Schambehaarung, Penis- oder Klitorishypertrophie sowie ein beschleunigtes Längenwachstum.
Diagnose. Im Labor ist für den 21-Hydroxylasemangel eine massive Erhö-
hung von 17-Hydroxyprogesteron (17-OHP) beweisend. Neben den 17-OHP sind auch die Konzentrationen von 21-Desoxykortisol, Androstendion und Testosteron im Serum erhöht. Sollte bereits ein Kind mit AGS vorhanden sein (Indexfall), muss bei weiterem Kinderwunsch eine DNS-Typisierung von Patient und Eltern erfolgen. Bei einer erneuten Schwangerschaft wird die pränatale Diagnostik heute mittels Chorionzottenbiopsie bereits in der Frühschwangerschaft (9./10. SSW) durchgeführt.
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17.2.3 Nebennierenrindeninsuffizienz Mit den bildgebenden Verfahren kann die diffuse Hyperplasie der Nebennierenrinde bei Neugeborenen und Säuglingen meist gut dargestellt werden.
Mit den bildgebenden Verfahren kann die diffuse Hyperplasie der Nebennierenrinde meist gut dargestellt werden.
Differenzialdiagnose. Abzugrenzen vom klassischen AGS mit 21-Hydroxy-
Differenzialdiagnose. Abzugrenzen vom klassischen AGS mit 21-Hydroxylasedefekt sind NNR-Tumoren, androgenbildende Gonadentumoren sowie andere Enzymdefekte. Therapie. Die Therapie der Wahl ist die lebenslange Substitution mit einem Glukokortikoid und bei einem gleichzeitigen Salzverlustsyndrom mit einem Mineralokortikoid.
lasedefekt sind NNR-Tumoren, androgenbildende Gonadentumoren sowie andere Enzymdefekte.
Therapie. Die Therapie der Wahl ist die lebenslange Substitution mit einem
Glukokortikoid und bei einem gleichzeitigen Salzverlustsyndrom mit einem Mineralokortikoid. Wegen der Gefahr der akuten Salzverlustkrise in Stresssituationen (z. B. Infektionskrankheiten mit hohem Fieber, Gastroenteritis, Operationen) muss die Therapie zeitgerecht angepasst werden. Tumoren als Ursache des AGS sind nach entsprechender Lokalisationsdiagnostik chirurgisch zu behandeln.
17.2.3
Nebennierenrindeninsuffizienz
17.2.3 Nebennierenrindeninsuffizienz
Bei den Funktionsstörungen im Sinne einer Unterfunktion der NNR werden π die primär chronische Insuffizienz (Morbus Addison), π die primär akute und π die sekundäre Insuffizienz unterschieden.
Bei den Funktionsstörungen im Sinne einer Unterfunktion der NNR werden π die primär chronische Insuffizienz, π die primär akute und π die sekundäre Insuffizienz unterschieden.
Ätiologie. Für den Chirurgen ist vornehmlich die sekundäre NNR-Insuffizienz von Bedeutung. Sie kann einerseits Folge einer Suppression der NNR durch eine chronische Steroidtherapie aus zahlreichen Gründen einschließlich der Behandlung von Autoimmunerkrankungen oder der Immunsuppression nach Organtransplantaten sein. Andererseits kann die Ursache in einer Adrenalektomie zur Behandlung eines Cushing-Syndroms oder nach Entfernung eines hormonaktiven Nebennierenadenoms liegen. Weiterhin kommt eine Insuffizienz des HVL (z. B. Sheehan-Syndrom) oder des Hypothalamus in Frage. Zur Vermeidung eines akuten Krankheitsbildes bedarf die sekundäre Insuffizienz im Stress (z.B. akuten Erkrankungen) und insbesondere nach chirurgischen Eingriffen der Hormonsubstitution. Die primär chronische NNR-Insuffizienz (Morbus Addison) ist eine seltene Erkrankung. Während sie früher häufig durch die Tuberkulose verursacht wurde, tritt sie heute in Verbindung mit Autoimmunerkrankungen auf. Der primär akute Hypoadrenalismus kann vor dem Hintergrund eines Morbus Addison, aus einer zu schnellen Reduktion einer bestehenden Hormonsubstitution oder einer unzureichenden Substitution in Stresssituationen entstehen. In sehr seltenen Fällen kann er auch Folge eines hämorrhagischen Nebenniereninfarktes sein, der beim Erwachsenen im Rahmen eines septischen Krankheitsbildes als Waterhouse-Friderichsen-Syndrom bekannt ist.
Ätiologie. Für den Chirurgen ist vornehmlich die sekundäre NNR-Insuffizienz von Bedeutung. Sie kann einerseits Folge einer Suppression der NNR durch eine chronische Steroidtherapie sein. Andererseits kann die Ursache in einer Adrenalektomie oder in einer Insuffizienz von HVL (z. B. Sheehan-Syndrom) oder Hypothalamus liegen. Zur Vermeidung eines akuten Krankheitsbildes bedarf die sekundäre Insuffizienz der Hormonsubstitution. Die primär chronische NNR-Insuffizienz (Morbus Addison) ist eine seltene Erkrankung. Sie wurde früher häufig durch die Tuberkulose verursacht, heute tritt sie in Verbindung mit Autoimmunerkrankungen auf. Der primär akute Hypoadrenalismus kann bei Morbus Addison, aus einer zu schnellen Reduktion einer Hormonsubstitution oder unzureichender Substitution in Stresssituationen entstehen, in sehr seltenen Fällen auch Folge eines hämorrhagischen Nebenniereninfarktes sein (Waterhouse-FriderichsenSyndrom). Symptome. ( 2 B-17.3). Die primär chronische Insuffizienz ist neben dem Hormonausfall zusätzlich durch eine auffallende Pigmentierung der Lippenund Wangenschleimhaut gekennzeichnet. Merke
Symptome ( 2 B-17.3). Die Symptome und Manifestationen der primären und sekundären NNR-Insuffizienz gleichen sich. Nur die primär chronische Insuffizienz ist zusätzlich durch eine auffallende Pigmentierung der Lippenund Wangenschleimhaut, in Hautfalten und Narben gekennzeichnet. n Merke. Ein akuter Ausfall der Nebennieren oder eine Stresssituation bei einem Patienten mit einem unerkannten Morbus Addison kann eine lebensbedrohliche Situation mit Dehydratation, Hypotension und Schock auslösen (Addison-Krise).
Therapie. Patienten mit einer akuten adrenalen Insuffizienz benötigen sofortigen Volumenersatz mit normaler Kochsalzlösung und die intravenöse Substitution von Hydrokortison (100 mg als Bolus, gefolgt von einer Dauerinfusion mit 100–200 mg über 24 h). Da die natriumretinierende Wirkung der Mineralokortikoide erst innerhalb einiger Tage zur Wirkung kommt,
Therapie. Patienten mit einer akuten adrenalen Insuffizienz benötigen sofortigen Volumenersatz mit normaler Kochsalzlösung und die intravenöse Substitution von Hydrokortison.
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17.2.3 Nebennierenrindeninsuffizienz Mit den bildgebenden Verfahren kann die diffuse Hyperplasie der Nebennierenrinde bei Neugeborenen und Säuglingen meist gut dargestellt werden.
Mit den bildgebenden Verfahren kann die diffuse Hyperplasie der Nebennierenrinde meist gut dargestellt werden.
Differenzialdiagnose. Abzugrenzen vom klassischen AGS mit 21-Hydroxy-
Differenzialdiagnose. Abzugrenzen vom klassischen AGS mit 21-Hydroxylasedefekt sind NNR-Tumoren, androgenbildende Gonadentumoren sowie andere Enzymdefekte. Therapie. Die Therapie der Wahl ist die lebenslange Substitution mit einem Glukokortikoid und bei einem gleichzeitigen Salzverlustsyndrom mit einem Mineralokortikoid.
lasedefekt sind NNR-Tumoren, androgenbildende Gonadentumoren sowie andere Enzymdefekte.
Therapie. Die Therapie der Wahl ist die lebenslange Substitution mit einem
Glukokortikoid und bei einem gleichzeitigen Salzverlustsyndrom mit einem Mineralokortikoid. Wegen der Gefahr der akuten Salzverlustkrise in Stresssituationen (z. B. Infektionskrankheiten mit hohem Fieber, Gastroenteritis, Operationen) muss die Therapie zeitgerecht angepasst werden. Tumoren als Ursache des AGS sind nach entsprechender Lokalisationsdiagnostik chirurgisch zu behandeln.
17.2.3
Nebennierenrindeninsuffizienz
17.2.3 Nebennierenrindeninsuffizienz
Bei den Funktionsstörungen im Sinne einer Unterfunktion der NNR werden π die primär chronische Insuffizienz (Morbus Addison), π die primär akute und π die sekundäre Insuffizienz unterschieden.
Bei den Funktionsstörungen im Sinne einer Unterfunktion der NNR werden π die primär chronische Insuffizienz, π die primär akute und π die sekundäre Insuffizienz unterschieden.
Ätiologie. Für den Chirurgen ist vornehmlich die sekundäre NNR-Insuffizienz von Bedeutung. Sie kann einerseits Folge einer Suppression der NNR durch eine chronische Steroidtherapie aus zahlreichen Gründen einschließlich der Behandlung von Autoimmunerkrankungen oder der Immunsuppression nach Organtransplantaten sein. Andererseits kann die Ursache in einer Adrenalektomie zur Behandlung eines Cushing-Syndroms oder nach Entfernung eines hormonaktiven Nebennierenadenoms liegen. Weiterhin kommt eine Insuffizienz des HVL (z. B. Sheehan-Syndrom) oder des Hypothalamus in Frage. Zur Vermeidung eines akuten Krankheitsbildes bedarf die sekundäre Insuffizienz im Stress (z.B. akuten Erkrankungen) und insbesondere nach chirurgischen Eingriffen der Hormonsubstitution. Die primär chronische NNR-Insuffizienz (Morbus Addison) ist eine seltene Erkrankung. Während sie früher häufig durch die Tuberkulose verursacht wurde, tritt sie heute in Verbindung mit Autoimmunerkrankungen auf. Der primär akute Hypoadrenalismus kann vor dem Hintergrund eines Morbus Addison, aus einer zu schnellen Reduktion einer bestehenden Hormonsubstitution oder einer unzureichenden Substitution in Stresssituationen entstehen. In sehr seltenen Fällen kann er auch Folge eines hämorrhagischen Nebenniereninfarktes sein, der beim Erwachsenen im Rahmen eines septischen Krankheitsbildes als Waterhouse-Friderichsen-Syndrom bekannt ist.
Ätiologie. Für den Chirurgen ist vornehmlich die sekundäre NNR-Insuffizienz von Bedeutung. Sie kann einerseits Folge einer Suppression der NNR durch eine chronische Steroidtherapie sein. Andererseits kann die Ursache in einer Adrenalektomie oder in einer Insuffizienz von HVL (z. B. Sheehan-Syndrom) oder Hypothalamus liegen. Zur Vermeidung eines akuten Krankheitsbildes bedarf die sekundäre Insuffizienz der Hormonsubstitution. Die primär chronische NNR-Insuffizienz (Morbus Addison) ist eine seltene Erkrankung. Sie wurde früher häufig durch die Tuberkulose verursacht, heute tritt sie in Verbindung mit Autoimmunerkrankungen auf. Der primär akute Hypoadrenalismus kann bei Morbus Addison, aus einer zu schnellen Reduktion einer Hormonsubstitution oder unzureichender Substitution in Stresssituationen entstehen, in sehr seltenen Fällen auch Folge eines hämorrhagischen Nebenniereninfarktes sein (Waterhouse-FriderichsenSyndrom). Symptome. ( 2 B-17.3). Die primär chronische Insuffizienz ist neben dem Hormonausfall zusätzlich durch eine auffallende Pigmentierung der Lippenund Wangenschleimhaut gekennzeichnet. Merke
Symptome ( 2 B-17.3). Die Symptome und Manifestationen der primären und sekundären NNR-Insuffizienz gleichen sich. Nur die primär chronische Insuffizienz ist zusätzlich durch eine auffallende Pigmentierung der Lippenund Wangenschleimhaut, in Hautfalten und Narben gekennzeichnet. n Merke. Ein akuter Ausfall der Nebennieren oder eine Stresssituation bei einem Patienten mit einem unerkannten Morbus Addison kann eine lebensbedrohliche Situation mit Dehydratation, Hypotension und Schock auslösen (Addison-Krise).
Therapie. Patienten mit einer akuten adrenalen Insuffizienz benötigen sofortigen Volumenersatz mit normaler Kochsalzlösung und die intravenöse Substitution von Hydrokortison (100 mg als Bolus, gefolgt von einer Dauerinfusion mit 100–200 mg über 24 h). Da die natriumretinierende Wirkung der Mineralokortikoide erst innerhalb einiger Tage zur Wirkung kommt,
Therapie. Patienten mit einer akuten adrenalen Insuffizienz benötigen sofortigen Volumenersatz mit normaler Kochsalzlösung und die intravenöse Substitution von Hydrokortison.
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In Fällen primär chronischer Insuffizienz müssen sowohl Kortisol als auch Aldosteron ersetzt werden.
17 Nebenniere sollte das Natriumdefizit zunächst durch Kochsalzinfusionen ausgeglichen werden. In Fällen primär chronischer Insuffizienz müssen sowohl Kortisol als auch Aldosteron ersetzt werden.
2 B-17.3
Klinische Manifestation der NNR-Insuffizienz
N Primäre und sekundäre NNR-Insuffizienz: n π Müdigkeit, Schwäche, Depression π Anorexie, Gewichtsverlust π orthostatische Hypotension, Verwirrtheit π Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö π leichte normozytäre Anämie, Lymphozytose, Eosinophilie π Somnolenz bis zum Koma
N Primäre NNR-Insuffizienz n π Hyperpigmentation der Haut π Hyperkaliämie, Hyponatriämie π Vitiligo π Autoimmunveränderungen der Schilddrüse N Sekundäre NNR-Insuffizienz n π blasse Haut ohne Anämie π Amenorrhö, verminderte Libido und Potenz π spärliche Schambehaarung π Hodenatrophie π sekundärer Hypothyreoidismus π verzögerte Pubertät π Kopfschmerzen, Visusstörungen π Diabetes insipidus
Klinischer Fall Bei metastasierendem Kollumkarzinom unterzog sich eine 57-jährige Patientin nach der Hysterektomie einer Chemotherapie (Taxol, Carboplatin). Bei Remission der intraabdominalen Metastasen kommt es zu einem septischen Krankheitsbild mit kotiger Peritonitis im linken unteren Quadranten. Ursache ist die Perforation von intramuralen Metastasen im Colon sigmoideum. Chirurgisch erfolgte die Diskontinuitätsresektion nach Hartmann einschließlich einer Abdominallavage. Der primäre postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos. Trotz permanent ausgeglichener Elektrolyte bei Hyponatriämie und Hyperkaliämie wird die Patientin bei hypotonem Kreislauf somnolent und
schließlich in einem Koma intensivpflichtig. Gleichzeitig tritt eine Parese des M. extensor hallucis longus beidseits auf. Bei irreversibel erscheinendem Koma wird ein Behandlungsversuch mit 200 mg Hydrokortison gemacht, unter dem die Patientin langsam aufklart. Die Diagnose der Addison-Krise muss anhand der Klinik als sicher angenommen werden. Die die Chemotherapie begleitenden Kortisongaben wurden präoperativ nicht übermittelt, sodass ein septisches Krankheitsgeschehen zu einer Nebenniereninsuffizienz geführt hat. Unter Hormonsubstitution kam es bei Vollremission des Tumorleidens zu einer Restitutio ad integrum.
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17.3.2 Tumoren des Nebennierenmarks: Phäochromozytom
17.3
Tumoren der Nebenniere
17.3
17.3.1
Nebennierenrindenkarzinom
17.3.1 Nebennierenrindenkarzinom
n Definition. Das Nebennierenrindenkarzinom (NNR-Karzinom) ist ein äußerst seltener, hochmaligner Tumor. Die Einteilung der Tumoren erfolgt nach der klinisch relevanten Hormonproduktion in endokrin inaktive und endokrin aktive Tumoren.
Tumoren der Nebenniere
Definition
Ätiologie. Die Entstehung des Tumors ist nicht aufgeklärt. Ein unbehandel-
Ätiologie. Die Entstehung des Tumors ist unklar. Ein unbehandeltes adrenogenitales Syndrom gilt jedoch als Risikofaktor. Bevorzugtes Auftreten im 4. und 5. Lebensjahrzehnt.
Symptome. Bei der Mehrzahl der Patienten führen die Symptome der
Symptome. Bei der Mehrzahl der Patienten führen die Symptome der Raumforderung (Völlegefühl, Übelkeit, Brechreiz, Schmerzen) zum Arzt. Neben gelegentlichem Fieber, Gewichtsverlust und allgemeiner Schwäche werden die Patienten durch Fernmetastasen auffällig. Bei Patienten mit einem endokrin aktiven Tumor sind die Folgen der Hormonproduktion wegweisend. Androgen sezernierende Tumoren führen bei Frauen zur Virilisierung. Östrogen produzierende Tumoren führen beim Mann zur Gynäkomastie und Impotenz. Diagnose. Der Tumor kann mit allen bildgebenden Verfahren gut dargestellt werden. Der Umfang der Labordiagnostik richtet sich nach der Klinik.
tes adrenogenitales Syndrom mit chronischer Stimulation der Nebenniere ist jedoch als Risikoerkrankung zu betrachten. Der Tumor kann in jedem Lebensalter auftreten, bevorzugt jedoch im 4. und 5. Lebensjahrzehnt.
Raumforderung (Völlegefühl, Übelkeit, Brechreiz, Schmerzen) zum Arzt. Zu diesem Zeitpunkt hat der Tumor in der Regel bereits eine beträchtliche Größe erreicht. Neben gelegentlichem Fieber, Gewichtsverlust und allgemeiner Schwäche werden die Patienten durch Fernmetastasen auffällig. Bei Patienten mit einem endokrin aktiven Tumor sind die Folgen der Hormonproduktion wegweisend. Androgen sezernierende Tumoren führen bei Frauen zur Virilisierung mit Glatzenbildung, Klitorishypertrophie und Änderung der Stimmlage. Bei einer autonomen Glukokortikoidsekretion kann es zum Vollbild des Cushing-Syndroms kommen. Östrogen produzierende Tumoren sind immer maligne und führen beim Mann zur Gynäkomastie, Hodenatrophie, Oligospermie und Impotenz.
Diagnose. Der Tumor kann mit allen bildgebenden Verfahren gut darge-
stellt werden. Der Umfang der Labordiagnostik richtet sich nach der klinischen Präsentation. Die Messung der adrenalen Androgene des Kortisols und der Steroidvorstufen erfolgen unter Dexamethasonsuppression, um die Autonomie der Steroidvorstufen nachzuweisen und ein Cushing-Syndrom präoperativ zu erkennen.
Therapie. Die Behandlung der ersten Wahl besteht in einer vollständigen operativen Entfernung des Tumors. Hierbei ist oft auf Grund der Tumorgröße eine En-bloc-Resektion angrenzender Organe erforderlich. Allein die Tumorreduktion erbringt durch eine Verminderung der Hormonproduktion einen günstigen palliativen Effekt. Auch die Lebenserwartung wird durch eine Reduktion der Tumormasse günstig beeinflusst. Dies gilt auch für eine bereits eingetretene Metastasierung. In Abhängigkeit von Zahl und Verteilung der Metastasen muss eine operative Entfernung der Metastasen erwogen werden, da bessere Ausgangsbedingungen für andere Therapieformen geschaffen werden.
Therapie. Die Behandlung der ersten Wahl besteht in einer vollständigen operativen Entfernung des Tumors.
Prognose: Die Prognose der Erkrankung ist ungünstig. 50 % der Patienten
Prognose. 50 % der Patienten versterben in den ersten 2 Jahren nach Diagnosestellung.
versterben in den ersten 2 Jahren nach Diagnosestellung.
17.3.2
Tumoren des Nebennierenmarks: Phäochromozytom
n Definition. Phäochromozytome sind Tumoren des Nebennierenmarks oder der sympathischen Ganglien, die erhebliche Mengen von Adrenalin und/oder Noradrenalin produzieren.
Das chromaffine Gewebe des Nebennierenmarks und die Ganglien des sympathischen Nervensystems leiten sich embryonal vom Neuralrohr ab. Während die Katecholamine Noradrenalin und Dopamin im gesamten sympathi-
17.3.2 Tumoren des Nebennierenmarks: Phäochromozytom Definition
Während die Katecholamine Noradrenalin und Dopamin im gesamten sympathischen Nervensystem synthe-
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702 tisiert werden, kann nur das Nebennierenmark Adrenalin synthetisieren.
Merke
17 Nebenniere schen Nervensystem synthetisiert werden, kann nur das Nebennierenmark Adrenalin synthetisieren. Die Stoffwechselprodukte beider Substanzen wie Normetanephrin, Metanephrin und Vanillinmandelsäure haben diagnostischen Wert. n Merke. Jeder Tumor, der Katecholamine synthetisiert und die entsprechenden Symptome zeigt, muss als Phäochromozytom angesehen und als solches behandelt werden.
Unter den hypertensiven Patienten beträgt die Inzidenz 0,1–1 %. Der Krankheitsgipfel liegt zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr (80 %). Es befinden sich 80–90 % der Tumoren im Nebennierenmark, welche in 80–90 % der Fälle gutartig sind. Extraadrenale Phäochromozytome haben eine höhere Malignitätsrate (20–40 %). 10–20 % dieser Tumoren sind mit einem familiären Syndrom vergesellschaftet. Hierzu gehören: π MEN IIa (Sipple-Syndrom): medulläres Schilddrüsenkarzinom, Hyperparathyreoidismus π MEN IIb: medulläres Schilddrüsenkarzinom, Hyperparathyreoidismus, Neurinome, marfanoider Habitus π Neurofibromatose (von Recklinghausen): zentrale und/oder periphere Neurofibrome. Bei bilateralem Phäochromozytom ist an ein MEN-II-Syndrom zu denken.
Unter den hypertensiven Patienten beträgt die Inzidenz 0,1–1 %. Der Krankheitsgipfel liegt zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr (80 %). Es können jedoch alle Altersstufen betroffen sein. Obwohl das Phäochromozytom entsprechend der Anordnung sympathischer Ganglien und bei jedem sympathischen Gewebe extraadrenal auftreten kann, befinden sich 80–90 % der Tumoren im Nebennierenmark und sind in 80–90 % der Fälle gutartig. Extraadrenale Phäochromozytome haben eine höhere Malignitätsrate (20–40 %). Insbesondere bei familiärem Auftreten im Rahmen einer multiplen endokrinen Neoplasie (MEN) sind 10–20 % bilateral angelegt und 5–10 % dieser Tumoren als bösartig zu betrachten. Wiederum 10–20 % dieser Tumoren sind mit einem familiären Syndrom vergesellschaftet. Hierzu gehören: π MEN IIa (Sipple-Syndrom): medulläres Schilddrüsenkarzinom, Hyperparathyreoidismus π MEN IIb: medulläres Schilddrüsenkarzinom, Hyperparathyreoidismus, Neurinome, marfanoider Habitus π Neurofibromatose (von Recklinghausen): zentrale und/oder periphere Neurofibrome. Bei Diagnose eines bilateralen Phäochromozytoms besteht der Verdacht des Vorliegens eines MEN-II-Syndroms (s. a. S. 683).
Symptome. Bei nachgewiesenem Hypertonus ist die Trias von Kopfschmerzen, Schwitzen und Tachykardie mit 94 % Spezifität und 90 % Sensitivität als nahezu diagnostisch zu betrachten. Fehlt die Hypertonie, kann das Phäochromozytom weitestgehend ausgeschlossen werden. Die hypertensiven Episoden können spontan oder nach körperlicher Anstrengung auftreten.
Symptome. Das Charakteristikum des Phäochromozytoms ist der Bluthochdruck. Dieser kann konstant vorhanden sein oder aber im Sinne von hypertensiven Krisen auftreten. Bei nachgewiesenem Hypertonus ist die Trias von Kopfschmerzen, Schwitzen und Tachykardie als Ausdruck der sympathischen Überfunktion mit 94 % Spezifität und 90 % Sensitivität als nahezu diagnostisch zu betrachten. Fehlt die Hypertonie, kann das Phäochromozytom weitestgehend ausgeschlossen werden. Die hypertensiven Episoden können spontan oder nach körperlicher Anstrengung auftreten. Dies gilt auch für jede Erhöhung des intraabdominellen Drucks (z. B. Betasten des Tumors, Defäkation). Die Dauer eines Anfalls erstreckt sich von wenigen Minuten bis zu mehreren Stunden. Es muss weiterhin beachtet werden, dass es zu akuten metabolischen Entgleisungen wie Laktazidosen, Hypoglykämien, hyperkalzämischen Krisen und zu einer schweren hypokaliämischen Alkalose kommen kann. Bei sehr großen Tumoren mit ausgeprägter Katecholaminproduktion kann es zu Darmischämie mit gastrointestinaler Blutung kommen. Da Phäochromozytome oft auch Neuropeptide (z. B. Somatostatin, Kalzitonin, Gastrin und VIP) sezernieren, können wässrige Durchfälle beobachtet werden.
Zu beachten ist das mögliche Auftreten von akuten metabolischen Entgleisungen. Hohe Katecholaminspiegel können zur Darmischämie, Neuropeptide zu wässrigen Durchfällen führen.
Diagnose. Bei den Urinbestimmungen gilt der Nachweis der Urinkatecholamine und der Vanillinmandelsäure im 24-Stunden-Urin als Standardverfahren.
Die Plasmakatecholaminbestimmungen sind als Screeningtest nicht geeignet. Nur Werte > 2000 pg/ml für
Diagnose. Die Diagnose teilt sich in die biochemische Sicherung und die
Lokalisationsdiagnostik. Zur Basisdiagnostik gehört die Bestimmung der Basalwerte im Urin und Plasma. Bei den Urinbestimmungen gilt der Nachweis der Urinkatecholamine und der Vanillinmandelsäure im 24-Stunden-Urin als Standardverfahren. Voraussetzung für ein korrektes Ergebnis ist eine aminfreie Diät. Vor der Bestimmung der Vanillinmandelsäure hat sich heute die Bestimmung der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin sowie der Metanephrine durchgesetzt. Die Plasmakatecholaminbestimmungen sind als Screeningtest nicht geeignet. Nur Werte > 2000 pg/ml für Noradrenalin oder > 400 pg/ml für Adrenalin sprechen diagnostisch für ein Phäochromozytom.
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17.3.2 Tumoren des Nebennierenmarks: Phäochromozytom Erlauben die basalen Bestimmungen keine eindeutige Aussage, bieten sich Suppressionstests zur weiteren Diagnostik an. Der Clonidintest beruht auf der zentral wirksamen a-Blockade durch peroral verabreichtes Clonidin (Catapressan, 0,3 mg/70 kg KG). Die Blutdruckwerte werden bei fast allen Patienten unabhängig von der Ursache fallen. Die Bestimmung der Plasmakatecholamine erfolgt vor und 3 Stunden nach der Einnahme. Unter physiologischen Bedingungen werden die Katecholaminspiegel abnehmen. Liegt ein Phäochromozytom vor, bleiben die Plasmakatecholaminspiegel gleich oder steigen an. Stimulationstests in der Diagnostik des Phäochromozytoms sind gefährlich, gelten als obsolet und wurden deshalb weitestgehend verlassen. Ist das Phäochromozytom biochemisch gesichert, erfolgt die Lokalisationsdiagnostik mit den bekannten bildgebenden Verfahren. Hierbei hat sich die Computertomographie als sehr zuverlässig erwiesen. Tumoren > 1 cm können hiermit sicher nachgewiesen werden. Mit gleicher Treffsicherheit von 95 % kann die Magnetresonanztomographie eingesetzt werden. Sie gestattet zusätzlich eine Aussage über die zu erwartende Histologie der Nebennierenveränderungen ( 1 B-17.5).
1 B-17.5
703 Noradrenalin oder > 400 pg/ml für Adrenalin sprechen diagnostisch für ein Phäochromozytom. Der Clonidintest beruht auf der zentral wirksamen a -Blockade durch peroral verabreichtes Clonidin (Catapressan, 0,3 mg/70 kg KG). Unter physiologischen Bedingungen werden die Katecholaminspiegel abnehmen. Liegt ein Phäochromozytom vor, bleiben die Plasmakatecholaminspiegel gleich oder steigen an. Die Lokalisationsdiagnostik erfolgt mit Computertomographie und Magnetresonanztomographie ( 1 B-17.5).
CT-Darstellung bei Phäochromozytom CT-Darstellung eines beidseitigen Phäochromozytoms ( Á) bei einem 47-jährigen Mann.
Ist durch die Schnittbildverfahren kein Nachweis zu erbringen, ist eine Szintigraphie mit 131J-Metaiodobenzylguanidin (131J-MIBG) angezeigt. Die molekulare Struktur von MIBG ähnelt dem Noradrenalin und wird deshalb im chromaffinen Gewebe und adrenalen Nervensystem angereichert. Mit diesem Verfahren lassen sich 85–90 % aller Phäochromozytome nachweisen. Vor der Untersuchung muss die Schilddrüse blockiert werden, um die Aufnahme des 131J zu hemmen. Die Untersuchung dauert dann 2 bis maximal 4 Tage. In seltenen Fällen, die mit den obigen Verfahren zu keinem Ergebnis führen, können angiographische Untersuchungen erforderlich werden. Hierbei ist zu beachten, dass die Patienten adäquat a-blockiert sind, um bei der Untersuchung keine lebensbedrohliche hypertensive Krise auszulösen. Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen gehören die arterielle Hypertonie anderer Genese, die Hyperthyreose und die Hypoglykämie. Zudem die Alkoholentzugssymptomatik, die Einnahme von MAO-Hemmern, Panikattacken und die Hyperventilation.
Ist durch die Schnittbildverfahren kein Nachweis zu erbringen, ist eine Szintigraphie mit 131 J-Metaiodobenzylguanidin (131 J-MIBG) angezeigt.
Therapie. Die Therapie der Wahl besteht in der operativen Beseitigung des
Therapie. Therapie der Wahl ist die Operation. Wegen der Katecholaminausschüttung bei der Narkoseeinleitung und Operation ist eine medikamentöse Vorbehandlung zwingend (a -Rezeptorenblocker). Merke
Tumors. Aufgrund der zu erwartenden Katecholaminausschüttung bei der Narkoseeinleitung und der Operation ist eine medikamentöse Vorbehandlung zwingend. n Merke. Die Operation eines Phäochromozytoms ohne Prämedikation eines a-Rezeptorenblockers stellt einen Therapiefehler dar.
Ist mit den obigen Verfahren kein Ergebnis zu erzielen, können angiographische Untersuchungen erforderlich werden (selten). Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen gehören die arterielle Hypertonie anderer Genese, die Hyperthyreose und die Hypoglykämie.
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17 Nebenniere Medikamentöse Therapie: 7–14 Tage vor der Operation sollte die Therapie mit einem a-Rezeptorenblocker (Phenoxybenzamin) eingeleitet werden. Die Anfangsdosis beträgt 2 « 10 mg täglich und sollte auf eine durchschnittliche Dosis von 0,5–1 mg/kg KG täglich gesteigert werden. Die hohen Dosen sind erforderlich, um den Blutdruck der Patienten zu senken und andererseits das Plasmavolumen zu normalisieren. Da Kalzium für die Freisetzung von Katecholaminen aus den endokrinen Zellen notwendig ist, können bei Blutdruckspitzen auch Kalziumantagonisten (z.B. Nifedipin 10 mg sublingual) eingesetzt werden. Die Applikation von b-Rezeptorenblockern ist in der Regel nicht erforderlich. In jedem Fall sollte die a- vor der b-Blockade erfolgen, da sonst die verstärkte Adrenalinwirkung auf die a-Rezeptoren eine hypertensive Krise auslösen kann. π
Bei Blutdruckspitzen können Kalziumantagonisten eingesetzt werden. Die a -Blockade sollte vor der b -Blockade erfolgen, um keine hypertensive Krise auszulösen.
n Merke. Präoperative Morphingaben sollten wegen der Möglichkeit der Katecholaminfreisetzung vermieden werden.
Merke
Bei hypertensiven Krisen während der Operation kann die Gabe von b -Blockern erforderlich werden. Sobald der Tumor entfernt ist, wird ein Blutdruckabfall ausschließlich durch Volumensubstitution und nicht durch erneute Katecholamingaben reguliert.
Bei hypertensiven Krisen während der Operation, Tachykardien (z.B. Phentolamin) oder katecholamininduzierten Arrhythmien kann jedoch die Gabe von b-Blockern (z.B. Propranolol) erforderlich werden. Sobald der Tumor entfernt ist, wird sowohl intra- als auch postoperativ ein Blutdruckabfall ausschließlich durch Volumensubstitution und nicht durch erneute Katecholamingaben reguliert.
π Operative Therapie: Soweit möglich, sollte die Resektion des gesamten Tumors erfolgen. Um einer ungewollten Hormonausschüttung zu entgehen ist perioperativ Druck auf den Tumor zu vermeiden. Die Differenzierung, ob ein Phäochromozytom benigne oder maligne ist, ist nach histologischen Kriterien nicht möglich. Lediglich Gefäßinvasionen und die Metastasierung in andere Organe deuten auf die Malignität hin. Eine sinnvolle Strahlen- oder Chemotherapie steht zur Zeit nicht zur Verfügung, sodass eine Lebensverlängerung nur durch wiederholte Resektionen von Lokalrezidiven oder Metastasen erreicht werden kann. π Verlaufskontrollen: Es sollten postoperativ in 6-monatigen Abständen und später in Jahresintervallen Blutdruckkontrollen, Bestimmung der Katecholamine im 24-Stunden-Urin und Oberbauchsonographien vorgenommen werden.
π
17.3.3 Hormoninaktive Nebennierentumoren (Inzidentalom)
17.3.3
Definition
Symptome. Per definitionem darf das Inzidentalom keine richtungweisende Symptomatik aufweisen.
Operative Therapie: Soweit möglich, sollte die Resektion des gesamten Tumors erfolgen. Perioperativ sollte kein Druck auf den Tumor ausgeübt werden, um eine unbeabsichtigte Hormonausschüttung zu vermeiden. Bei einem benignen Phäochromozytom werden schließlich bei der paroxysmalen Hypertonie 95 % der Patienten und bei der kontinuierlichen Hypertonie 70 % normotensiv. Die Differenzierung, ob ein Phäochromozytom benigne oder maligne ist, ist nach histologischen Kriterien anhand der Zellstruktur nicht möglich. Lediglich Gefäßinvasionen und die Metastasierung in andere Organe deuten auf die Malignität hin. Die Metastasierung erfolgt in die Lymphknoten, Leber, Lunge und das Skelettsystem. Eine sinnvolle Strahlen- und Chemotherapie steht zur Zeit nicht zur Verfügung, sodass eine Lebensverlängerung nur durch wiederholte Resektionen von Lokalrezidiven oder Metastasen erreicht werden kann. Verlaufskontrollen: Da histomorphologisch keine Differenzierung der Dignität möglich ist, sind Verlaufskontrollen sinnvoll. Bei einem als benigne eingestuften Phäochromozytom sollten postoperativ in 6-monatigen Abständen und später in Jahresintervallen Blutdruckkontrollen, Bestimmung der Katecholamine im 24-Stunden-Urin und Oberbauchsonographien vorgenommen werden.
π
Hormoninaktive Nebennierentumoren (Inzidentalom)
n Definition. Inzidentalome sind hormoninaktive Nebennierentumoren, die im Rahmen einer bildgebenden Diagnostik aus anderen Gründen zufällig entdeckt wurden. Sie gelten als die häufigsten pathologischen Veränderungen der Nebenniere. Ihre Inzidenz beträgt in Autopsiestatistiken 1,4–8,7 %).
Symptome. Per definitionem darf das Inzidentalom keine richtungweisende
Symptomatik aufweisen. Trotzdem muss nach endokriner Aktivität gesucht werden, da symptomarme Phäochromozytome und Kortisol sezernierende Adenome nicht ungewöhnlich sind.
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705
17.3.3 Hormoninaktive Nebennierentumoren (Inzidentalom)
n Merke. Das Fehlen spezifischer Beschwerden oder klinischer Zeichen schließt eine endokrine Aktivität der zufällig diagnostizierten Nebennierenraumforderung nicht aus.
Diagnose. Bei kleinen Tumoren deren Durchmesser 2 cm unterschreitet, ist selten eine endokrine Aktivität nachweisbar. Bei größeren Tumoren steigt die Wahrscheinlichkeit der autonomen Hormonsekretion. Aus diesem Grund sollte bei allen Tumoren > 1 cm oder verdächtiger Klinik eine endokrinologische Basisdiagnostik erfolgen. Diese umfasst die Bestimmung der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin im 24-Stunden-Urin, um asymptomatische Phäochromozytome zu erfassen. Zum Nachweis einer klinisch inapparenten Kortisolproduktion eignet sich der Dexamethason-Kurztest. Hierbei weist der Nachweis einer Serumkortisolkonzentration zwischen 3 und 5 mg/dl auf ein kortisolproduzierendes Adenom hin. Bei arterieller Hypertonie und gleichzeitiger spontaner Hypokaliämie muss ein Conn-Syndrom ausgeschlossen werden. In Abhängigkeit vom vorausgegangenen bildgebenden Verfahren das zur Diagnose des Inzidentaloms geführt hat ( 1 B-17.6), können weitere Darstellungen erforderlich werden. Hierbei bewährt sich die Kernspintomographie, die eine Aussage zur Dignität der Raumforderung bieten kann.
1 B-17.6
Merke
Diagnose. Bei allen Tumoren > 1 cm oder verdächtiger Klinik sollte eine endokrinologische Basisdiagnostik erfolgen. Diese umfasst die Bestimmung der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin im 24-h-Urin, um asymptomatische Phäochromozytome zu erfassen. Der Dexamethason-Kurztest eignet sich zum Nachweis einer inapparenten Kortisolproduktion. Bei Hypertonie und Hypokaliämie muss ein Conn-Syndrom ausgeschlossen werden. Die Kernspintomographie kann eine Aussage zur Dignität bieten.
CT-Darstellung eines Inzidentaloms »Inzidentalom« bei einer 64-jährigen Frau. Der Tumor (Á) konnte als Myelolipom identifiziert werden und bedurfte bei Beschwerdefreiheit keiner Resektion.
Sonographie- und CT-gesteuerte Punktionen der Nebennierenprozesse sind in der Regel nicht erforderlich, da das gewonnene Material keine Differenzierung zwischen einem Nebennierenadenom oder -karzinom erlaubt. Eine Ausnahme stellt der Verdacht auf eine Nebennierenmetastase im Rahmen eines Tumorstagings dar. Vor einer Punktion muss in jedem Fall ein Phäochromozytom ausgeschlossen werden, da die Punktionen hypertone Krisen auslösen können.
Therapie. Das therapeutische Vorgehen wird durch den Nachweis einer
endokrinen Aktivität und die Größe des Tumors bestimmt. Bei Tumoren < 1 cm wird auf eine weitergehende Diagnostik verzichtet. Endokrin aktive Tumoren werden operativ entfernt. Ist der Tumor hormoninaktiv, entscheidet seine Größe über das weitere Vorgehen. Es besteht Übereinstimmung, dass Tumoren > 6 cm aufgrund ihres malignen Potentials eine Indikation zur Operation darstellen. Tumoren < 3 cm können unter regelmäßiger Beobachtung bleiben. Aus einer Wachstumstendenz ergibt sich hier die Indikation zur Operation. Das Vorgehen bei Tumoren zwischen 3 und 6 cm ist umstritten. Auch hier besteht die Tendenz zur Verlaufskontrolle ( 1 B-17.7).
Vor einer Punktion im Rahmen der Metastasendiagnostik muss ein Phäochromozytom ausgeschlossen werden. Therapie. Endokrin aktive Tumoren werden operativ entfernt. Tumoren > 6 cm stellen aufgrund ihres malignen Potentials eine Indikation zur Operation dar. Tumoren < 3 cm können unter regelmäßiger Beobachtung bleiben. Das Vorgehen bei Tumoren zwischen 3 und 6 cm ist umstritten ( 1 B-17.7).
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17 Nebenniere
1 B-17.7
Synopsis Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen bei Inzidentalom
< 1 cm
Inzidentalom
> 1 cm
endokrine Diagnostik • Katecholamine im 24-Stunden-Urin • Kortisol nach Dexamethason-Kurztest • K+, RR, (PRA)
normal
< 6 cm Verlaufskontrolle nach 3–6 Monaten (Sonographie ggf. CT)
pathologisch
> 6 cm
Malignomverdacht
Adrenalektomie
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707 18
Retroperitoneum
18
Retroperitoneum
Allgemeines
Arnd Böhle 18.1
Allgemeines
18.1
18.1.1
Anatomie
18.1.1 Anatomie
Das Retroperitoneum beschreibt das dorsal des Peritoneums intraabdominell gelegene Kompartment. Es wird nach kranial durch das Diaphragma, nach ventral durch das Peritoneum, nach dorsal durch Wirbelsäule und knöchernes Becken und nach kaudal durch die Linea terminalis des kleinen Beckens begrenzt.
Das Retroperitoneum beschreibt das dorsal des Peritoneums intraabdominell gelegene Kompartment.
Im Retroperitoneum liegen: π Niere π Nebenniere π Ureteren π Aorta abdominalis π V. cava inferior π Lymphgefäße und Lymphknoten π Truncus et ganglia sympathicus π Plexus des vegetativen Nervensystems. In partiell retroperitonealer Lage liegen: π Pankreas π Duodenum π Colon ascendens π Colon descendens.
18.1.2
Diagnostik und Therapie
Zur diagnostischen Beurteilung des Retroperitoneums kommen die nachfolgend aufgeführten Maßnahmen in Betracht: π Konventionelle Röntgenaufnahme des Abdomens: In der Abdomenübersichtsaufnahme lassen sich im Retroperitoneum röntgendichte Konkremente z.B. bei einer Urolithiasis darstellen. Ebenso können retroperitoneale Verkalkungen im Rahmen einer Pankreatitis bildgebend sein. π Sonographie: Sonographisch lassen sich die retroperitoneal gelegenen parenchymatösen Organe, die ableitenden Harnwege und die retroperitonealen großen Gefäße morphologisch beurteilen. In Kombination mit der Duplexsonographie kann zusätzlich eine Aussage über das intravasale Flussmuster getroffen werden, was z.B. Hinweis auf das Vorliegen von Nierenarterienabgangsstenosen geben kann. π I.v. Urographie: Durch intravenöse Applikation eines renal eliminierten Kontrastmittels erfolgt die Darstellung des urogenitalen Hohlsystems. Neben der direkten Beurteilung von Nierenbecken, Ureteren und Harnblase lässt z.B. eine Verlagerung der Ureteren indirekt auf raumfordernde Prozesse des Retroperitoneums schließen.
18.1.2 Diagnostik und Therapie Folgende diagnostische Maßnahmen kommen in Betracht: konventionelle Röntgenaufnahme des Abdomens: Darstellung schattengebender Konkremente und Verkalkungen.
π
π Sonographie: Darstellung parenchymatöser Organe, der ableitenden Harnwege und der retroperitonealen Gefäße.
π i.v. Urographie: Darstellung der ableitenden Harnwege.
n Merke. Eine Verlagerung der Ureteren kann auf einen raumfordernden Prozess hinweisen.
Computertomographie: Die Computertomographie des Retroperitoneums erlaubt die morphologische Beurteilung der retroperitonealen parenchymatösen Organe und Gefäße. Das hohe Auflösungsvermögen der Computertomographie ermöglicht zusätzlich eine Abgrenzung retroperitonealer Strukturen gegeneinander, was insbesondere für die Beurteilung einer möglichen
π
Merke
Computertomographie: Darstellung retroperitonealer parenchymatöser Organe und Gefäße mit hoher Auflösung, die eine Beurteilung möglicher Infiltrationen erlaubt.
π
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708
π
Magnetresonanztomographie: Im Vergleich zur Computertomographie ist eine noch sensiblere Abgrenzung möglich ( 1 B-18.1).
18 Retroperitoneum Infiltration retroperitonealer Strukturen durch retroperitoneale Tumoren im Rahmen der präoperativen Therapieplanung von Bedeutung ist. π Magnetresonanztomographie: Die Magnetresonanztomographie bietet im Vergleich zur Computertomographie eine noch sensiblere Differenzierung der retroperitoneal gelegenen Strukturen und findet daher insbesondere in der chirurgischen Behandlungsplanung maligner retroperitonealer Tumoren Anwendung ( 1 B-18.1).
1 B-18.1
Retroperitoneale Tumordiagnostik mittels Magnetresonanztomographie Darstellung eines links paravertebral gelegenen Tumors ( Á) (extraossäres Ewing-Sarkom).
Der chirurgische Zugang erfolgt in Abhängigkeit vom geplanten Eingriff als transperitoneale mediane oder quere Laparotomie oder als Flankenschnitt bei extraperitonealem Zugang ( 1 B-18.2).
Der chirurgische Zugang zum Retroperitoneum erfolgt in Abhängigkeit vom geplanten Eingriff. Der Zugang erfolgt meist als transperitoneale mediane oder quere Laparotomie, welche auch eine Erweiterung des Eingriffes problemlos ermöglicht. Darüber hinaus steht ein ventraler (pararektale Schnittführung) extraperitonealer Zugang zur Verfügung ( 1 B-18.2).
1 B-18.2
Synopsis Chirurgische Zugänge zum Retroperitoneum
2 3 1
1 mediane Laparotomie 2 quere Laparotomie 3 laterodorsaler Flankenschnitt
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709
18.2.1 Entzündliche Erkrankungen Die chirurgische Behandlung von Erkrankungen der im Retroperitoneum befindlichen parenchymatösen Organe, Hohlorgane und Gefäße ist Gegenstand spezifischer Kapitel und findet im Rahmen dieser Übersicht keine Erwähnung.
18.2
18.2.1
Spezifische Erkrankungen des Retroperitoneums
18.2
Entzündliche Erkrankungen
Spezifische Erkrankungen des Retroperitoneums
18.2.1 Entzündliche Erkrankungen
Retroperitoneale Fibrose
Retroperitoneale Fibrose
Ätiologie. Die primäre idiopathische retroperitoneale Fibrose (Morbus
Ätiologie. Die primäre idiopathische retroperitoneale Fibrose (Morbus Ormond) unbekannter Ätiologie wird von der sekundären unspezifischen Fibrose (Ormond-Syndrom) unterschieden.
Symptome. In allen Fällen führt ein subakuter, chronisch entzündlicher
Symptome. Die Fibrose des retroperitonealen Fettgewebes kann chronische Schmerzzustände oder auch einen konsekutiven Harnaufstau bewirken.
Therapie. Die chirurgische Therapie besteht in der streckigen Freilegung der Ureteren und in deren Umwicklung mit Omentum majus zur Prophylaxe einer entzündlichen Restenosierung.
Therapie. Sie besteht in der operativen Freilegung der Ureteren.
Retroperitonealabszess
Retroperitonealabszess
Ätiologie. Retroperitoneal gelegene Abszesse können zum einen Folge einer
Ätiologie. Die Abszessausbreitung kann Folge einer hämatogenen oder lymphogenen Streuung sein oder entsteht per continuitatem aus der Bauchhöhle ( 1 B-18.3).
Ormond) ist ätiologisch nicht gesichert. Die sekundäre unspezifische retroperitoneale Fibrose (Ormond-Syndrom) wird durch entzündliche Prozesse im Rahmen rheumatischer Erkrankungen als paraneoplastische Erscheinung im Rahmen von Tumorerkrankungen, als unerwünschte Nebenwirkung nach Langzeitbehandlung mit Methysergid oder nach Strahlentherapie hervorgerufen.
Prozess zum Ersatz des retroperitonealen Fettgewebes durch derbes Bindegewebe. Folgen können sowohl chronische Schmerzzustände durch Ummauerung retroperitoneal gelegener Nerven als auch die Entwicklung einer progredienten Hydronephrose infolge Ummauerung der Ureteren mit konsekutivem Harnaufstau sein.
hämatogenen oder lymphogenen Streuung von pathogenen Keimen sein, zum anderen können sie per continuitatem infolge entzündlicher, intraabdominell gelegener Prozesse entstehen (z.B. perforierende Appendizitis, akute Pankreatitis) ( 1 B-18.3).
1 B-18.3
Retroperitonealabszess Ausgedehnter retroperitonealer Abszess ( Á) bei Pankreatitis.
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710
18 Retroperitoneum
Symptome. Klinisch imponieren Fieber und Flankenschmerz, laborchemisch eine Leukozytose.
Symptome. Retroperitoneale Abszedierungen treten klinisch durch Fieber
Therapie. Neben der Herdsanierung muss die Abszesshöhle dräniert werden ( 1 B-18.4).
Therapie. Neben der Herdsanierung ist die Dränage der Abszesshöhle durch
und Schmerzen in Erscheinung, welche v.a. in den Flanken lokalisiert werden, aber auch bis in die Leisten ausstrahlen können. Bei der klinischen Untersuchung zeigt sich eine Klopfschmerzhaftigkeit im Flankenbereich. Gelegentlich kann ein reaktiver Pleuraerguss Ausdruck eines retroperitonealen Abszesses sein. Laborchemisch imponieren Leukozytose und ein Ansteigen der Entzündungsparameter wie z.B. dem C-reaktiven Protein.
eine offene chirurgische Dränage oder durch einen perkutan platzierten Spül-Saug-Katheter indiziert ( 1 B-18.4). Die Katheterplatzierung wird sonographisch oder computertomographisch gesteuert.
1 B-18.4
Retroperitonealer Abszess nach perkutaner Dränage (Á)
Retroperitoneale Blutung
18.2.2 Retroperitoneale Blutung
18.2.2
Ätiologie. Hauptursachen sind Traumata, Aneurysmarupturen, urologische Verletzungen oder Gerinnungsstörungen.
Ätiologie. Traumen (z.B. Wirbelkörper- oder Beckenringfrakturen), Gefäß-
Symptome. Diese sind von der Blutungsstärke abhängig. Ausgedehnte Blutungen führen zum Volumenmangelschock.
Symptome. Die Symptomatik variiert in Abhängigkeit von der Stärke der
Merke
Therapie. Sie hängt im Wesentlichen von der Ursache ab. Ein frei oder gedeckt perforiertes Aortenaneurysma verlangt eine sofortige chirurgische Intervention. Beim kreislaufstabilen Patienten mit retroperitonealem Hämatom ist die konservative Behandlung mit Volumensubstitution angezeigt. Schockzustände verlangen eine chirurgische Blutstillung.
verletzungen (z.B. Aneurysmaruptur), Tumoreinblutungen, Verletzungen des Urogenitaltraktes oder Antikoagulanzien können zu retroperitonealen Blutungen führen.
Blutung. Kleinere Blutungen bleiben häufig symptomlos, größere Blutungen können zum Volumenmangelschock führen. Retroperitoneale Schmerzen mit Ausstrahlung in die Schulter oder Leiste sind möglich. Evtl. entwickelt sich reaktiv ein paralytischer Ileus. n Merke. Rupturiert das dorsale parietale Peritoneum, können primär retroperitoneale zu intraperitonealen Blutungen werden und so eine intraperitoneale Verletzung vortäuschen.
Therapie. Die Behandlung der akuten retroperitonealen Blutung hängt in
wesentlichem Maße von ihrer Ursache ab. So verlangt z.B. ein frei oder gedeckt perforiertes Aortenaneurysma die sofortige chirurgische Intervention. Eine retroperitoneale Einblutung infolge einer komplexen Beckenringfraktur setzt die Stabilisierung der Fraktur zur Blutungskontrolle voraus. Demgegenüber steht die konservative Behandlung des retroperitonealen Hämatoms beim kreislaufstabilen Patienten, z.B. infolge eines stumpfen Abdominaltraumas. Die Blutung sistiert hier häufig durch Selbsttamponade; eine Eröffnung des Retroperitoneums im Rahmen der chirurgischen Exploration kann zu fatalen Blutungskomplikationen führen.
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711
18.2.3 Neubildungen 18.2.3
Neubildungen
18.2.3 Neubildungen
Man unterscheidet Tumoren, die primär im Retroperitoneum entstehen (mesenchymal, neurogen, epithelial oder dysontogenetisch) von den sekundären, meist metastatischen Tumoren anderer Primärlokalisation ( 2 B-18.1). Ca. 60 % aller retroperitonealen Tumoren sind maligne.
2 B-18.1
Primär retroperitoneale Tumoren müssen von sekundären (meist metastatischen Tumoren) unterschieden werden ( 2 B-18.1). Ca. 60 % aller retroperitonealen Tumoren sind maligne.
Klassifizierung retroperitonealer Tumoren
Ausgangsgewebe
benigne
maligne
N Fettgewebe n
N Lipom n
N Liposarkom n
N Bindegewebe n
N Fibrom n
N Fibrosarkom n
N Muskulatur n
N Leiomyom n
N Leiomyosarkom n
N Lymphgefäße n
N Lymphangiom n Myxom
N Lymphangiosarkom n Myxosarkom
N Blutgefäße n
N Hämangiom n
N Hämangiosarkom n
N Bindegewebe n
N Histiozytom n
N malignes Histiozytom n
N Synovia n
N Synoviom n
N Synovialsarkom n
N periphere Nerven n
N Neurinom n
N Neurosarkom n
N sympathisches n Nervensystem
N Ganglioneurom n
N Neuroblastom n
N Knorpelgewebe n
N Chondrom n
N Chondrosarkom n
N Knochengewebe n
N Osteom n
N Osteosarkom n
N Paraganglion n
N Paragangliom n
N dysontogenetisch n
N Teratom n
N Teratokarzinom n
Symptome. Der palpable Tumor ist häufig Erstsymptom. Daneben können
Symptome. Der palpable Tumor ist häufig Erstsymptom, daneben sind Flankenschmerzen und B-Symptomatik möglich.
Therapie. Bei primären Tumoren ist in jedem Fall die frühzeitige und kom-
Therapie. Bei primären Tumoren ist in jedem Fall die radikale operative Tumorentfernung anzustreben ( 1 B-18.5).
Flankenschmerzen und uncharakteristische Symptome wie Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust auftreten. Ileus, Nierenversagen und neurologische Ausfälle zählen zu den Spätsymptomen.
plette Entfernung des Tumors (inklusive Pseudokapsel) anzustreben ( 1 B-18.5). Dies gilt auch für benigne Tumoren, da die Gefahr der malignen Entartung und der Rezidivbildung besteht. Die operative Problematik ergibt sich aus der oft späten Diagnosestellung bei dann schon weit fortgeschrittenen Prozessen und aus der häufigen Mitbeteiligung benachbarter Organstrukturen. Bei sekundär metastatischen Prozessen und nicht vollständig resektablen primären Tumoren kann eine adjuvante Radio- und Chemotherapie erwogen werden. In jedem Fall muss eine individuelle Therapieentscheidung erfolgen. Neben dem biologischen Zustand des Patienten sind die chirurgische Resektabilität, die sichere Kontrolle des Primärtumors und der Ausschluss einer anders gearteten systemischen Metastasierung zu klären.
Prognose. Die Prognose primär retroperitonealer Malignome ist insgesamt ungünstig. Die 5-Jahres-Überlebensrate wird mit 10–40 % angegeben. Ursachen sind das hohe Malignitätspotenzial dieser Tumoren, eine Resektionsquote mit kurativem Ansatz von nur 10–15 % sowie die hohe Inzidenz von Lokalrezidiven, die häufig mit einer Zunahme des Malignitätsgrades einhergehen.
Bei sekundär metastatischen Prozessen und nicht vollständig resektablen primären Tumoren kann eine adjuvante Radio- und Chemotherapie erwogen werden.
Prognose. Insgesamt ungünstig, da die Quote kurativer Resektionen bei nur 10–15 % liegt und zudem häufig Lokalrezidive zunehmenden Malignitätsgrades auftreten.
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712
18 Retroperitoneum
1 B-18.5
Synopsis Diagnostik und Therapie eines retroperitoneal gelegenen Liposarkoms
a Computertomographie des Abdomens mit Darstellung einer riesigen, vom Retroperitoneum ausgehenden Raumforderung (Liposarkom), welche fast den gesamten Ober- und Mittelbauch ausfüllt.
b Die Niere ist durch den Tumor weit nach ventral verlagert.
c Intraoperativer Befund mit Darstellung der lipomatösen Raumforderung nach Ablösung des linken Kolons von der lateralen Bauchwand.
d Resektat nach Entfernung.
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713
Brustdrüse
19
19
Brustdrüse
19.1
Anatomie
Michael Dürig 19.1
Anatomie
Trotz variabler Größe bleibt die Basis der erwachsenen Brust nahezu konstant. Sie erstreckt sich von der 2. bis zur 6. Rippe in der Medioklavikularlinie und liegt den Mm. pectoralis major, serratus anterior sowie obliquus externus auf. Nach medial reicht sie bis an das Sternum und nach lateral bis an die mittlere Axillarlinie. Im Hinblick auf chirurgische Maßnahmen ist die Kenntnis der Faszienverhältnisse von Bedeutung. Die Mamma liegt der Fascia pectoralis auf, die ihre Fortsetzung in der Lamina superficialis fasciae cervicalis findet. Lateral liegt die Fascia axillaris und kaudal die Fascia abdominalis superficialis. Zwischen der Brust und der Fascia pectoralis befindet sich interstitielles Bindegewebe, das die Verschieblichkeit der Brust gegen die vordere Brustwand gewährleistet. Eine zusätzliche Fixation der Mamma, insbesondere im kranialen Bereich, erfolgt durch Faserbündel, die auch in die Haut einstrahlen (Cooper-Bänder). Die Mamma besteht aus dem Drüsenkörper, der sich aus 15–20 Drüsenlappen zusammensetzt. Jeder Drüsenlappen, der aus 10–15 Läppchen (Lobuli) besteht, entsendet einen Milchgang, der über einen kleinen Milchsack in der Mamille mündet. Die Drüsen und Milchgänge sind von gefäß- und fettreichem derbem Bindegewebe umgeben ( 1 B-19.1).
1 B-19.1
Die erwachsene Brust erstreckt sich von der 2. bis zur 6. Rippe in der Medioklavikularlinie und liegt den Mm. pectoralis major, serratus anterior sowie obliquus externus auf. Die Mamma liegt auf der Fascia pectoralis. Kranial liegt die Lamina superficialis fasciae cervicalis, lateral liegt die Fascia axillaris und kaudal die Fascia abdominalis superficialis. Die Fixation der Mamma erfolgt durch Faserbündel, die in die Haut einstrahlen (Cooper-Bänder).
Die Mamma besteht aus dem Drüsenkörper mit 15–20 Drüsenlappen, die von fett- und gefäßreichem derbem Bindegewebe umgeben sind ( 1 B-19.1).
Synopsis Anatomie der Brustdrüse
M. pectoralis major
Retinacula cutis (Cooper-Ligamente)
M. pectoralis minor
Lobuli glandulae mammariae Ductus lactiferi (Milchgänge)
Fascia pectoralis
Sinus lactiferi Papilla mammae M. intercostalis
Lobus glandulae mammariae Haut
n Merke. Ein Tumorbefall der Cooper-Ligamente führt zu deren Verkürzung und einer Fixation der darüber liegenden Haut. Eine Tumorinvasion der Ductus lactiferi resultiert in einer eingezogenen Mamille. Eine Tumorinvasion der Faszie des M. pectoralis major führt zu einer Aufrichtung der erkrankten Brust.
Die arterielle Gefäßversorgung erfolgt sowohl über die Rr. mammarii mediales der A. mammaria (thoracica) interna als auch die Rr. intercostales anteriores. Von lateral erfolgt die arterielle Versorgung über die Aa. intercostales posteriores und die A. thoracica lateralis, die der A. axillaris entspringt ( 1 B-19.2). Der venöse Abfluss erfolgt in die Vv. thoracicae internae und laterales.
Merke
Die arterielle Gefäßversorgung erfolgt sowohl über die Rr. mammarii mediales der A. mammaria (thoracica) interna als auch die Rr. intercostales anteriores. Von lateral erfolgt die arterielle Versorgung über die Aa. intercostales posteriores und die A. throacica lateralis, die der A. axillaris entspringt ( 1 B-19.2). Der venöse Abfluss erfolgt in die Vv. thoracicae internae und laterales.
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714 1 B-19.2
19 Brustdrüse
Synopsis Arterielle Versorgungsschemata der weiblichen Brust
1
1
2
2
2 3
3 a Gefäßversorgung bei 18 %.
b Gefäßversorgung bei 30 %.
c Gefäßversorgung bei 50 %.
1 A. axillaris 2 A. mammaria (thoracica) interna 3 A. intercostalis posterior
Die Lymphdränage der Mamma erfolgt im Wesentlichen entlang der Blutgefäße ( 1 B-19.3).
Die Lymphdränage der Mamma erfolgt im Wesentlichen entlang der Blutgefäße. Das weitverzweigte Netz der Lymphgefäße kann in ein oberflächliches (subkutan gelegen) und ein tiefes System unterteilt werden ( 1 B-19.3).
1 B-19.3
Synopsis Lymphdränage der Brustdrüse
5
4 2
3
1
6
Die regionären Lymphknoten der Brustdrüse: 1 Nodi lymphatici axillares 4 Nodi lymphatici interpectorales 2 Nodi lymphatici infraclaviculares 5 Nodi lymphatici supraclaviculares 3 Nodi lymphatici parasternales 6 Nodi lymphatici paramammarii
Merke
Das tiefe System beginnt mit Lymphkapillaren an den Drüsenendstücken. Regionäre Filterstationen der Drüsenkörper sind die axillären Lymphknoten, die den quantitativ größten Anteil der Lymphe aus der Mamma aufnehmen.
n Merke. Eine Blockade der oberflächlichen Lymphbahnen führt zum Ödem und dem Bild der »Orangenhaut« (peau d’orange).
Das tiefe System beginnt mit Lymphkapillaren an den Drüsenendstücken. Regionäre Filterstationen der Drüsenkörper sind die axillären Lymphknoten, die den quantitativ größten Anteil der Lymphe aus der Mamma aufnehmen. Sie werden als erstes von Metastasen befallen und sind chirurgisch relativ einfach zugänglich. Diese Lymphknotengruppe besteht aus 30–60 Lymphknoten, die in einzelne Gruppen unterteilt werden können. Die wich-
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715
19.1 Anatomie tigste Gruppe liegt zwischen V. axillaris, A. thoracodorsalis und A. thoracica lateralis. Als zahlenmäßig größte Gruppe wird sie am häufigsten von Metastasen befallen. Die axillären Lymphknoten werden über die infra- und supraklavikulären Lymphknoten dräniert. Hierbei erhalten die infraklavikulären Lymphknoten direkte Zuflüsse aus der Mamma oder über die paramammären oder interpektoralen Lymphknoten (Rotter-Lymphknoten). Der mediale Abschnitt der Mamma dräniert über die parasternalen Lymphknoten, die entlang der Vasa thoracica verlaufen, wobei auch die interkostalen Lymphknoten der Zwischenrippenräume I-IV Lymphe aus diesem Bereich aufnehmen und in die supraklavikulären oder mediastinalen Lymphknoten dränieren. Der metastatische Lymphknotenbefall wird von der Tumorlage bestimmt. Zentrale Tumoren der Brustdrüse metastasieren in 43 % in die parasternalen Lymphknoten, lateral lokalisierte Karzinome in 15 % und medial gelegene in ca. 30 %. Aus onkochirurgischer Sicht werden die axillären Lymphknoten in »Levels« (Etagen) eingeteilt. Level I umfasst die zentralen und pektoralen Lymphknoten. Level II betrifft die interpektoralen Lymphknoten, während Level III die infra- und supraklavikulären Lymphknoten erfasst ( 1 B-19.4).
1 B-19.4
Synopsis Lymphknotenetagen der Axilla
Als zahlenmäßig größte Gruppe werden die axillären Lymphknoten als erstes und am häufigsten von Metastasen befallen. Der mediale Abschnitt der Mamma dräniert über die parasternalen Lymphknoten.
Aus onkochirurgischer Sicht werden die axillären Lymphknoten in »Levels« (Etagen) eingeteilt. Level I umfasst die zentralen und pektoralen Lymphknoten. Level II betrifft die interpektoralen Lymphknoten, während Level III die infra- und supraklavikulären Lymphknoten erfasst ( 1 B-19.4).
Level III Level II Level I
Level I: untere axilläre Gruppe bis zum lateralen Rand des M. pectoralis minor Level II: mittlere axilläre Gruppe, dorsal des M. pectoralis minor Level III: obere, infraklavikuläre Gruppe, medial des M. pectoralis minor. Der Brustdrüsenkörper wird zur Befunderhebung in 4 Quadranten eingeteilt. Der obere äußere Quadrant hat einen Ausläufer zur Axilla.
n Merke. Brustkrebs metastasiert in 30 % lymphatisch und in 50 % über die Venen. In 20 % liegt eine lokale Infiltration vor.
Die sensible Nervenversorgung der Brust erfolgt ausschließlich über die Interkostalnerven II–V. Die sensorischen Fasern verlaufen entlang der Gefäße zum Erfolgsorgan.
Merke
Die sensible Nervenversorgung der Brust erfolgt ausschließlich über die Interkostalnerven II–V.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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19 Brustdrüse
19.2
Fehlentwicklungen
19.2.1 Wachstumsbedingte Fehlentwicklungen Mammahyperplasie (Makromastie): überschießende Fettgewebsentwicklung. Mammahypoplasie (Mikromastie): zu klein entwickelte Brüste.
19.2.1
Wachstumsbedingte Fehlentwicklungen
19.2.2 Anlagebedingte Fehlentwicklungen
19.2.2
Athelie: Fehlen einer oder beider Brustwarzen. Polythelie: überzählige Brustwarzen sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Sind entlang der embryonalen Milchleisten lokalisiert. Dysthelie: gespaltene oder vollständig abgeflachte Brustwarzen. Amastie: Fehlen einer Brustdrüse. Polymastie: Das Auftreten zusätzlicher Brüste kann im Bereich der Axilla beobachtet werden. Findet sich ein alleiniger, aberrierender Drüsenkörper in der Axilla, besteht eine erhöhte maligne Entartungsgefahr.
Athelie: Sie bezeichnet das Fehlen einer oder beider Brustwarzen. Polythelie: Überzählige Brustwarzen finden sich sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Sie sind entlang der embryonalen Milchleisten lokalisiert, die sich von der Axilla über die reguläre Brust bis nach medial in die Leistengegend erstrecken. Dysthelie: Bei der Dysthelie liegen gespaltene oder vollständig abgeflachte Brustwarzen vor. Amastie: Bezeichnet das Fehlen einer Brustdrüse. Polymastie: Das Auftreten zusätzlicher Brüste kann im Bereich der Axilla beobachtet werden. Diese zusätzlichen Brüste werden während der Schwangerschaft in die Laktation einbezogen und unterliegen in gleicher Häufigkeit wie die normal angelegte Brust den gut- und bösartigen Erkrankungen. Findet sich ein alleiniger, aberrierender Drüsenkörper in der Axilla, besteht eine erhöhte maligne Entartungsgefahr.
19.3
19.3
19.2
Fehlentwicklungen
Entzündungen
Mammahyperplasie (Makromastie): Bei einer überschießenden Fettgewebsentwicklung kommt es zu einer Hyperplasie der Brüste. Sehr große Brüste können zu erheblichen statischen Störungen der Wirbelsäule führen, die ggf. eine Indikation zur plastischen Korrektur darstellen. Mammahypoplasie (Mikromastie): Zu klein entwickelte Brüste werden als hypoplastisch bezeichnet und können ebenfalls eine Indikation zu einer plastischen Korrektur ergeben (s. a. Kap. B-29.5).
Anlagebedingte Fehlentwicklungen
Entzündungen
Entzündliche Brusterkrankungen werden aufgrund der Ätiologie, Pathogenese und Therapie in 2 Gruppen unterteilt.
Die Mehrheit entzündlicher Brusterkrankungen kann aufgrund der Ätiologie, Pathogenese und Therapie in 2 Gruppen eingeteilt werden. Während die 1. Gruppe Folge der Laktation ist, handelt es ich bei der 2. Gruppe um Komplikationen der Milchgangsektasie.
19.3.1 Laktationsbedingte Entzündungen (Mastitis puerperalis)
19.3.1
Ätiologie. Die durch Staphylococcus aureus verursachte Entzündung ist in der Regel peripher lokalisiert und tritt vornehmlich bei Erstgebärenden auf.
Ätiologie. Laktationsbedingte Entzündungen der Brust werden durch Staphylococcus aureus verursacht, sind in der Regel peripher lokalisiert und treten vornehmlich bei Erstgebärenden auf.
Symptome. Rötung, Schwellung und Druckschmerzhaftigkeit als lokale sowie Fieber und Leukozytose als systemische Auswirkung. Unbehandelt kommt es zur Abszessbildung mit Perforation. Therapie. Die Therapie besteht in sofortigem Abstillen in Kombination mit lokalen antiinflammatorischen Maßnahmen und resistenzgerechter Antibiotikagabe. Bei Abszessbildung muss eine chirurgische Dränage erfolgen.
Symptome. Rötung, Schwellung und Druckschmerzhaftigkeit. Die Erkrankung wirkt sich mit Fieber und einer Leukozytose systemisch aus. Unbehandelt kommt es zur Abszessbildung mit Perforation.
19.3.2 Laktationsunabhängige Entzündungen (Mastitis nonpuerperalis)
19.3.2
Ätiologie. Laktationsunabhängige Entzündungen sind Folgen einer Milchgangsektasie, werden neben Enterokokken durch anaerobe Erreger hervorgerufen.
Ätiologie. Laktationsunabhängige Entzündungen sind Folgen einer Milch-
Laktationsbedingte Entzündungen (Mastitis puerperalis)
Therapie. Die Therapie besteht in sofortigem Abstillen in Kombination mit lokalen antiinflammatorischen Maßnahmen (Kühlung, Hochbinden der Brust) und einer resistenzgerechten Antibiotikagabe. Liegt bereits eine Abszessbildung vor, muss eine chirurgische Dränage erfolgen.
Laktationsunabhängige Entzündungen (Mastitis nonpuerperalis)
gangsektasie und werden neben Enterokokken durch anaerobe Erreger hervorgerufen. Sie sind vornehmlich im periareolären Gewebe lokalisiert.
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19.4.1 Mastopathie
Symptome. Wiederholte Episoden von Infektionen. Sie beginnen als palpable periareoläre Masse, der eine Rötung, Schmerzhaftigkeit und ggf. eine Abszessbildung folgt. Systemische Auswirkungen sind selten. Häufig kann, wie bei der Milchgangsektasie typisch, eine Einziehung der Mamille beobachtet werden. Therapie. Die Therapie besteht in einer resistenzgerechten Antibiotikabe-
handlung. Initial kann die Applikation von Metronidazol und Flucloxacillin erfolgreich sein. Häufig ist eine Abszessdränage erforderlich, die unter kosmetischen Gesichtspunkten vorgenommen werden sollte. Bei wiederholten Rezidiven kann eine Milchgangsexzision erforderlich werden.
19.4
Gutartige Erkrankungen der weiblichen Brust
Die Symptome gutartiger Erkrankungen der Brust beschränken sich auf Schmerzen, Knoten, Veränderungen der Brustwarze und des Warzenhofs. Bei Entzündungen kann sich die Symptomatik erweitern und systemisch auswirken. Brustschmerzen (Mastodynie/Mastalgie) gehören mit 50 % zu den häufigsten Beschwerden. Einerseits können sie in direkter Relation zum Menstruationszyklus stehen, andererseits können sie auftreten, ohne dass ein spezifischer pathologischer Vorgang fassbar wird. Zyklusunabhängige Schmerzen finden in 50 % ihre Ursache in der regionalen Muskulatur und dem Skelettsystem und sind durch unilaterale Beschwerden charakterisiert. Knotenbildungen liegen in annähernd 40 % gutartige Erkrankungen zugrunde. Trotzdem ist es in allen Fällen angezeigt, durch Mammographie, Ultraschall und eine Aspirationszytologie einen malignen Prozess auszuschließen. n Merke. Bei allen Knotenbildungen in der Brust ist eine weitere Abklärung durch Mammographie, Ultraschall und eine Aspirationszytologie zum Ausschluss eines malignen Prozesses erforderlich.
19.4.1
Mastopathie
Unter dem Begriff der Mastopathie werden hormonell induzierte und qualitativ gesteigerte Umbauvorgänge der Brustdrüse vor und nach der Menopause zusammengefasst. Diese Umbauvorgänge können in regressive und proliferative Veränderungen differenziert werden. Der Krankheitswert ergibt sich hierbei ausschließlich aus symptomatischen Einzelkomponenten. Die Pathomorphologie schließt geringgradige Veränderungen wie Fibrose, mikroskopische Dilatation der Azini und Gänge, lobuläre Involution, Hyperplasie und die duktale Adenose mit ein. Als gutartige mastopathische Veränderungen gelten: π Zysten: Unterschieden werden Mikro- (bis 3 mm) und Makrozysten (> 3 mm). Die Mikrozysten bilden sich aus metaplastischen Drüsenläppchen, während die solitäre Zyste und die großzystische Mastopathie einen lokal erweiterten Milchgang darstellen. π Adenose: Sie hat im Gegensatz zum Adenom kein eigenständiges Zellmuster. π Gangektasie: Die histologischen Charakteristika sind erweiterte Milchgänge, verstärkte Sekretionsaktivität der Drüse, Sekretstau und periduktale Infiltration von Entzündungszellen sowie Fibrose. Mit einem geringen Risiko zur Karzinomentstehung behaftet sind: π Die solide und papilläre Hyperplasie mit ihrer heterogenen Zellproliferation.
Symptome. Wiederholte Episoden von Infektionen beginnend als palpable periareoläre Masse, der eine Rötung, Schmerzhaftigkeit und ggf. eine Abszessbildung folgt. Systemische Auswirkungen sind selten. Häufig kann eine Einziehung der Mamille beobachtet werden. Therapie. Die Therapie besteht in einer resistenzgerechten Antibiotikabehandlung. Häufig ist eine Abszessdränage erforderlich.
19.4
Gutartige Erkrankungen der weiblichen Brust
Die Symptome gutartiger Erkrankungen der Brust beschränken sich auf Schmerzen, Knoten, Veränderungen der Brustwarze und des Warzenhofs. Brustschmerzen (Mastodynie/ Mastalgie) gehören mit 50 % zu den häufigsten Beschwerden. Sie können in direkter Relation zum Menstruationszyklus stehen. Knotenbildungen liegen in ca. 40 % gutartige Erkrankungen zugrunde.
Merke
19.4.1 Mastopathie Unter dem Begriff der Mastopathie werden hormonell induzierte und qualitativ gesteigerte Umbauvorgänge der Brustdrüse vor und nach der Menopause zusammengefasst. Der Krankheitswert ergibt sich hierbei ausschließlich aus symptomatischen Einzelkomponenten.
Als gutartige mastopathische Veränderungen gelten: π Zysten π Adenose π Gangektasie.
Ein geringes Risiko zur Karzinomentstehung zeigt: π die solide und papilläre Hyperplasie
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717
19.4.1 Mastopathie
Symptome. Wiederholte Episoden von Infektionen. Sie beginnen als palpable periareoläre Masse, der eine Rötung, Schmerzhaftigkeit und ggf. eine Abszessbildung folgt. Systemische Auswirkungen sind selten. Häufig kann, wie bei der Milchgangsektasie typisch, eine Einziehung der Mamille beobachtet werden. Therapie. Die Therapie besteht in einer resistenzgerechten Antibiotikabe-
handlung. Initial kann die Applikation von Metronidazol und Flucloxacillin erfolgreich sein. Häufig ist eine Abszessdränage erforderlich, die unter kosmetischen Gesichtspunkten vorgenommen werden sollte. Bei wiederholten Rezidiven kann eine Milchgangsexzision erforderlich werden.
19.4
Gutartige Erkrankungen der weiblichen Brust
Die Symptome gutartiger Erkrankungen der Brust beschränken sich auf Schmerzen, Knoten, Veränderungen der Brustwarze und des Warzenhofs. Bei Entzündungen kann sich die Symptomatik erweitern und systemisch auswirken. Brustschmerzen (Mastodynie/Mastalgie) gehören mit 50 % zu den häufigsten Beschwerden. Einerseits können sie in direkter Relation zum Menstruationszyklus stehen, andererseits können sie auftreten, ohne dass ein spezifischer pathologischer Vorgang fassbar wird. Zyklusunabhängige Schmerzen finden in 50 % ihre Ursache in der regionalen Muskulatur und dem Skelettsystem und sind durch unilaterale Beschwerden charakterisiert. Knotenbildungen liegen in annähernd 40 % gutartige Erkrankungen zugrunde. Trotzdem ist es in allen Fällen angezeigt, durch Mammographie, Ultraschall und eine Aspirationszytologie einen malignen Prozess auszuschließen. n Merke. Bei allen Knotenbildungen in der Brust ist eine weitere Abklärung durch Mammographie, Ultraschall und eine Aspirationszytologie zum Ausschluss eines malignen Prozesses erforderlich.
19.4.1
Mastopathie
Unter dem Begriff der Mastopathie werden hormonell induzierte und qualitativ gesteigerte Umbauvorgänge der Brustdrüse vor und nach der Menopause zusammengefasst. Diese Umbauvorgänge können in regressive und proliferative Veränderungen differenziert werden. Der Krankheitswert ergibt sich hierbei ausschließlich aus symptomatischen Einzelkomponenten. Die Pathomorphologie schließt geringgradige Veränderungen wie Fibrose, mikroskopische Dilatation der Azini und Gänge, lobuläre Involution, Hyperplasie und die duktale Adenose mit ein. Als gutartige mastopathische Veränderungen gelten: π Zysten: Unterschieden werden Mikro- (bis 3 mm) und Makrozysten (> 3 mm). Die Mikrozysten bilden sich aus metaplastischen Drüsenläppchen, während die solitäre Zyste und die großzystische Mastopathie einen lokal erweiterten Milchgang darstellen. π Adenose: Sie hat im Gegensatz zum Adenom kein eigenständiges Zellmuster. π Gangektasie: Die histologischen Charakteristika sind erweiterte Milchgänge, verstärkte Sekretionsaktivität der Drüse, Sekretstau und periduktale Infiltration von Entzündungszellen sowie Fibrose. Mit einem geringen Risiko zur Karzinomentstehung behaftet sind: π Die solide und papilläre Hyperplasie mit ihrer heterogenen Zellproliferation.
Symptome. Wiederholte Episoden von Infektionen beginnend als palpable periareoläre Masse, der eine Rötung, Schmerzhaftigkeit und ggf. eine Abszessbildung folgt. Systemische Auswirkungen sind selten. Häufig kann eine Einziehung der Mamille beobachtet werden. Therapie. Die Therapie besteht in einer resistenzgerechten Antibiotikabehandlung. Häufig ist eine Abszessdränage erforderlich.
19.4
Gutartige Erkrankungen der weiblichen Brust
Die Symptome gutartiger Erkrankungen der Brust beschränken sich auf Schmerzen, Knoten, Veränderungen der Brustwarze und des Warzenhofs. Brustschmerzen (Mastodynie/ Mastalgie) gehören mit 50 % zu den häufigsten Beschwerden. Sie können in direkter Relation zum Menstruationszyklus stehen. Knotenbildungen liegen in ca. 40 % gutartige Erkrankungen zugrunde.
Merke
19.4.1 Mastopathie Unter dem Begriff der Mastopathie werden hormonell induzierte und qualitativ gesteigerte Umbauvorgänge der Brustdrüse vor und nach der Menopause zusammengefasst. Der Krankheitswert ergibt sich hierbei ausschließlich aus symptomatischen Einzelkomponenten.
Als gutartige mastopathische Veränderungen gelten: π Zysten π Adenose π Gangektasie.
Ein geringes Risiko zur Karzinomentstehung zeigt: π die solide und papilläre Hyperplasie
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
718 π π π
das solitäre Papillom die apokrine Metaplasie und die sklerosierende Adenose.
Ein erhöhtes Karzinomrisiko weist die atypische duktale oder lobuläre Hyperplasie auf. Ihre histologische Struktur wird als Übergang zum Carcinoma in situ gesehen. Merke
19 Brustdrüse Das solitäre Papillom: Das Papillom geht vom Epithel der Hauptmilchgänge vor der Mamille aus und erfüllt morphologisch die Kriterien eines Adenoms. Es wird überwiegend durch seröse Mamillensekretion symptomatisch. π Die apokrine Metaplasie, verstanden als intraduktal metaplastisch veränderte Epithelhyperplasie, die in den Sekretionsprozess von Mikro- und Makrozysten einbezogen ist. Sie ist häufiger Bestandteil von Papillomen und Adenosen. π Die sklerosierende Adenose: Diese Adenose ist im Frühstadium zellreich und kann sich später zu sklerotischen Kalzifikationen umwandeln. Ein erhöhtes Karzinomrisiko weist die atypische duktale oder lobuläre Hyperplasie auf. Ihre histologische Struktur wird als Übergang zum Carcinoma in situ gesehen. π
n Merke. Alle mastopathischen Veränderungen unterliegen bei familiärer Karzinombelastung dem doppelten Risiko.
Fibroadenom
19.4.2 Fibroadenom
19.4.2
Fibroadenome gehören zu den häufigsten gutartigen Erkrankungen.
Fibroadenome gehören zu den häufigsten gutartigen Erkrankungen der weiblichen Brust und treten vornehmlich in der 3. Lebensdekade auf.
Symptome. Die Knoten sind anfänglich mobil und können langsam an Größe zunehmen. Nach der Menopause kann die Mobilität durch fibröse Fixation schwinden, dann können mammographisch erkennbare Verkalkungen auftreten. Bei 10 % aller Patientinnen können die Fibroadenome multifokal auftreten. Diagnose. Sonographie ( 1 B-19.5), Punktionszytologie, Mammographie.
Symptome. Die Knoten sind anfänglich mobil und können langsam an
Größe zunehmen. Nach der Menopause kann die Mobilität durch fibröse Fixation schwinden. Zu diesem Zeitpunkt können Verkalkungen auftreten, die in der Mammographie erkennbar werden. Bei 10 % aller Patientinnen können die Fibroadenome multifokal auftreten.
Diagnose. Richtungweisend ist die Sonographie einschließlich der Feinnadelpunktion. Das sonographische Erscheinungsbild weist die typischen Merkmale des benignen Herdbefundes auf ( 1 B-19.5). Sie kann jedoch bei unklaren Befunden und Patientinnen > 30 Jahre die Mammographie nicht ersetzen.
1 B-19.5
Fibroadenom bei einer 25-jährigen Patientin Typische Schallphänomene sind: glatte Begrenzung, dorsale Schallverstärkung, lappige Konfiguration.
Therapie. Gesicherte Fibroadenome bedürfen keiner chirurgischen Behandlung. Nach dem 25. Lebensjahr sollte das Fibroadenom jedoch exzidiert werden, um nicht ein Karzinom zu übersehen.
Differenzialdiagnostisch ist an das Cystosarcoma phylloides zu denken.
Therapie. Gesicherte Fibroadenome bedürfen primär keiner chirurgischen
Behandlung. Unbehandelt kommt es über ca. 5 Jahre langsam zu einer Vergrößerung. Nach dieser Zeitspanne bleibt es stationär. Bei 30 % tritt jedoch wieder eine Verkleinerung des Befundes ein. Nach dem 25. Lebensjahr sollte das Fibroadenom exzidiert werden, um nicht ein Karzinom zu übersehen. Rezidive nach der Exzision sind nicht selten. Einerseits kann sich ein metachrones Fibroadenom entwickeln, andererseits kann eine unvollständige Entfernung wieder zu einer Größenzunahme führen. Differenzialdiagnostisch ist an das Cystosarcoma phylloides zu denken. Hierbei handelt es sich um einen Tumor mit einem weiten Aktivitätsspek-
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719
19.4.6 Zysten trum. Dies reicht von einer vollständig benignen Struktur über lokal aggressives Wachstum bis zum selten metastasierenden Tumor. Initial ist der Tumor klinisch nicht von einem Fibroadenom zu unterscheiden. Er ist jedoch durch sein rasches Wachstum auf eine erhebliche Größe, die Teile der gesamten Mamma einnehmen kann, charakterisiert. Die Therapie besteht in einer großzügigen Exzision. Trotzdem kommt es in 25 % der Fälle nach 10 Jahren zu Rezidiven, die gelegentlich die Mastektomie erforderlich machen.
19.4.3
Hamartom
Hierbei handelt es sich um einen Tumor mit einem weiten Aktivitätsspektrum, das von einer vollständig benignen Struktur über lokal aggressives Wachstum bis zum selten metastasierenden Tumor reicht. Initial ist der Tumor klinisch nicht von einem Fibroadenom zu unterscheiden. Die Therapie besteht in einer großzügigen Exzision. 19.4.3 Hamartom
Hamartome sind Tumoren mit Anteilen lobulären und duktalen Gewebes. Ähnlich dem Fibroadenom zeichnen sie sich durch einen differenzierten Aufbau aus.
Hamartome weisen Anteile lobulären und duktalen Gewebes auf und besitzen einen differenzierten Aufbau.
Symptome. Es handelt sich um feste, nicht schmerzhafte Herde, die eine
Symptome. Es handelt sich um symptomlose Tumoren.
Diagnose. Die Diagnostik besteht in einem präoperativen Ultraschall und
Diagnose. Sie wird durch Ultraschall und Mammographie gestellt.
Größe bis 10 cm erreichen können.
der Mammographie. Bei fehlender Rezidivneigung besteht die Therapie in der einfachen Enukleation.
19.4.4
Adenom
Die Therapie besteht in der Enukleation.
19.4.4 Adenom
Adenome sind seltene Neubildungen mit dominierenden azinären und tubulären Anteilen, die vorzugsweise bei jungen Frauen zwischen 20 und 30 Jahren beobachtet werden.
Adenome sind seltene Neubildungen mit dominierenden azinären und tubulären Anteilen, die vorzugsweise bei jungen Frauen auftreten.
Symptome. Adenome imponieren als schmerzlose, umschriebene Tumoren
Symptome. Sie imponieren als schmerzlose, umschriebene Tumoren.
Diagnose und Therapie. Mammo- und Sonographie können diagnosewei-
Diagnose und Therapie. Mammo- und Sonographie sind diagnoseweisend. Therapeutisch erfolgt die Enukleation.
mit einem Durchmesser von 3–4 cm. Sie sind gegen das umgebende Gewebe und die deckende Haut verschieblich.
send sein. Bei guter Abgrenzung ist die Enukleation indiziert.
19.4.5
Lipom
19.4.5 Lipom
Hierbei handelt es sich um eine abgekapselte Geschwulst, die ausschließlich aus Fettgewebe aufgebaut ist, jedoch von drüsigen Strukturen durchsetzt sein kann. Das mittlere Alter der Patientinnen beträg 42–45 Jahre.
Lipome sind abgekapselte Geschwulste aus Fettgewebe und treten meist im mittleren Lebensalter auf.
Symptome. Sie sind selten als weiche und bewegliche Tumoren palpabel
Symptome. Die Tumoren bereiten keine Beschwerden.
Diagnose und Therapie. Die Verdachtsdiagnose erfolgt aufgrund des klini-
Diagnose und Therapie. Meist Zufallsbefund bei Mammographie. Die operative Entfernung ist aus differenzialdiagnostischen Gründen angezeigt.
und bereiten keine Beschwerden.
schen Erscheinungsbildes. In der Regel handelt es sich um Zufallsbefunde bei Mammographien aus anderen Gründen (strahlentransparente Strukturen). Die operative Entfernung ist aus differenzialdiagnostischen Gründen angezeigt.
19.4.6
Zysten
Zysten der Brust sind die häufigsten Knoten. Sie treten meist zwischen dem 35. und 50. Lebensjahr auf, obwohl sie auch außerhalb dieser Zeitspanne beobachtet werden können. Sie treten in der Regel solitär auf, wobei multiple Zysten nicht ungewöhnlich sind. Charakteristisch ist ihr plötzliches Auftreten, unabhängig von der Größe der Zyste.
19.4.6 Zysten Zysten der Brust sind die häufigsten Knoten. Sie treten meist zwischen dem 35. und 50. Lebensjahr plötzlich auf, können aber auch außerhalb dieser Zeitspanne beobachtet werden.
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19 Brustdrüse
Symptome. Die Tumoren bereiten keine Beschwerden.
Symptome. Sie sind häufig optisch erkennbar, weisen einen typischen Palpationsbefund auf und können schmerzhaft sein. Der Palpationsbefund schwindet, wenn sie in der Tiefe des Gewebes liegen.
Diagnose. Sie kann durch eine Punktion gesichert werden. Mammographie und Ultraschall können hierbei unterstützend wirken.
Diagnose. Sie kann durch eine Punktion gesichert werden. Mammographie
Therapie. Eine Exzision ist primär nicht erforderlich. Zur Exzision der Zyste bestehen 2 Hauptindikationen. Ist das Aspirat blutig tingiert (nicht bei direktem Trauma oder Aspirationsfolge), kann ein intrazystisches Karzinom vorliegen. Die 2. Indikation ist das schnelle oder wiederholte Rezidiv. Bei multiplen Zysten sollte eine mammographische Verlaufskontrolle vorgenommen werden.
Therapie. Eine Exzision der Zyste ist primär nicht erforderlich, da in der
19.4.7 Sklerosierende Adenose
19.4.7
Sie ist eine seltene Ursache von Brustknoten. Hierbei handelt es sich um eine teils schmerzhafte Dysplasie des lobulären Gewebes, die sowohl diffus als auch in Form knotiger Veränderungen auftreten kann. Klinisch kann die morphologische Differenzierung zu einem Mammakarzinom erschwert sein.
Sie ist eine seltene Ursache von Brustknoten. Hierbei handelt es sich um eine teils schmerzhafte Dysplasie des lobulären Gewebes, die sowohl diffus als auch in Form knotiger Veränderungen auftreten kann. Klinisch kann die morphologische Differenzierung zu einem Mammakarzinom erschwert sein, zumal mammographisch grobkörnige Kalkablagerungen typisch sind. Aus diesem Grund ist immer eine histologische Diagnostik erforderlich, da die sklerosierende Adenose nie maligne entartet.
19.4.8 Milchgangspapillom
19.4.8
Milchgangspapillome sind meist solitär angelegt und entarten nur selten maligne. Finden sich mehrere Papillome in einem oder mehreren Milchgängen, muss mit einer Entartung gerechnet werden. Symptome. Seröse oder blutig tingierte Sekretion der Mamille.
Die meisten Papillome sind solitär angelegt und entarten nur sehr selten maligne. Finden sich mehrere Papillome in einem oder in mehreren Milchgängen, muss mit einer neoplastischen Entartung gerechnet werden.
und Ultraschall können hierbei unterstützend wirken.
Regel eine einfache Aspiration der Zyste ausreicht. Bleibt nach der Aspiration eine nachweisbare Gewebemasse zurück, ist eine Feinnadelzytologie oder eine Biopsie erforderlich. Zur Exzision der Zyste bestehen 2 Hauptindikationen. Ist das Aspirat blutig tingiert (nicht bei direktem Trauma oder Aspirationsfolge), kann ein intrazystisches Karzinom vorliegen. Die 2. Indikation ist das schnelle oder wiederholte Rezidiv. Obwohl das Karzinomrisiko bei Patientinnen mit multiplen Zysten gering ist, sollte die mammographische Verlaufskontrolle vorgenommen werden. Dies gilt nicht für einfache Solitärzysten.
Sklerosierende Adenose
Milchgangspapillom
Symptome. Symptomatisch fallen die Papillome durch eine seröse oder blutig tingierte Sekretion der Mamille auf. Bei peripheren Veränderungen der Milchgänge kann die Sekretion fehlen und lediglich eine palpable Masse vorliegen.
Diagnose. Sie lässt sich bei der Galaktographie durch einen Stopp im Milchgang nachweisen. Einen weiteren Hinweis kann die zytologische Untersuchung des Sekretes aus der Mamille geben. Therapie. Entfernung des Milchgangs (Duktektomie). Bei Nachweis mehrerer Papillome (Schnellschnitt) kann eine Resektion des dazugehörigen Drüsenkörpers erforderlich werden.
Diagnose. Sie lässt sich bei der Galaktographie durch einen Stopp im Milch-
19.4.9 Milchgangsektasie
19.4.9
Synonym: periduktale Mastitis
Synonym: periduktale Mastitis
Die Ätiologie der Erkrankung ist ungeklärt. Das klinische Bild ist variabel.
Aufgrund des pathohistologischen Erscheinungsbildes wurde die Gangektasie unter verschiedenen Begriffen, wie Plasmazellmastitis, obliterierende Mastitis und granulomatöse Mastitis erfasst, wobei eine histologische oder zytologische Sicherung nicht immer möglich ist. Genauso variabel ist das klinische Bild. Die Ätiologie der Erkrankung ist ungeklärt.
gang nachweisen. Einen weiteren Hinweis kann die zytologische Untersuchung des Sekretes aus der Mamille geben.
Therapie. Entfernung des Milchgangs nach vorheriger Anfärbung mit einer
Farblösung (Duktektomie). Zum Ausschluss einer bösartigen Erkrankung ist eine Schnellschnittuntersuchung angezeigt. Bei Nachweis mehrerer Papillome kann eine Resektion des dazugehörigen Drüsenkörpers erforderlich werden.
Milchgangsektasie
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19.5.1 Risikofaktoren Die Extasie tritt meist bilateral auf. Der dilatierte Gang füllt sich mit Sekret, das nicht abfließen kann. Der Sekretstau führt zu einem Verlust der epithelialen Gangauskleidung und schließlich zu Ulzerationen des Milchgangs, die zu Blutaustritt aus der Mamille führen können. Durch Sekretaustritt durch die zerstörten Gänge kann gleichzeitig eine chronische Entzündungsreaktion (periduktale Mastitis) auftreten. Diese Entzündung führt wiederum zu einem schmerzhaften Tumor, in dem es zur Abszessbildung kommen kann. Wiederholte Entzündungsschübe führen zu einer Fibrose mit Einziehung der Brustwarze.
Die Ektasie tritt meist bilateral auf. Durch Sekretaustritt durch die zerstörten Gänge kann gleichzeitig eine chronische Entzündungsreaktion (periduktale Mastitis) auftreten. Diese Entzündung führt wiederum zu einem schmerzhaften Tumor, in dem es zur Abszessbildung kommen kann. Wiederholte Entzündungsschübe führen zu einer Fibrose mit Einziehung der Brustwarze.
19.5
Mammakarzinom
19.5
Mammakarzinom
19.5.1
Risikofaktoren
19.5.1
Risikofaktoren
Die Ursache des Mammakarzinoms ist weitgehend unbekannt. Trotzdem weisen epidemiologische Daten gut definierte Risikofaktoren auf, mit denen die Entstehung eines Mammakarzinoms assoziiert werden kann. Diese können in Expositions- und Dispositionsfaktoren unterteilt werden.
Sie werden in Expositions- und Dispositionsfaktoren unterteilt.
Expositionsfaktoren
Expositionsfaktoren
Schwangerschaft
Schwangerschaft
Nulliparität scheint das Risiko, an einem Brustkrebs zu erkranken im Vergleich zu einer Multipara um das 1,4fache zu erhöhen. Dieser protektive Einfluss der Parität ist jedoch an das Alter der Frau bei der 1. Schwangerschaft gebunden. Tritt die Schwangerschaft vor dem 20. Lebensjahr ein, reduziert sich das Risiko gegenüber einer Nullipara auf 0,5. Eine Schwangerschaft nach dem 30. Lebensjahr beeinflusst das Risiko schließlich nicht mehr. Es gibt Hinweise dafür, dass das Risiko eines Brustkrebses mit Geburten nach dem 35. Lebensjahr ansteigen soll. Die Anzahl der Geburten scheint insgesamt keinen Einfluss zu haben. Ein Zusammenhang mit der Stillzeit ist bisher nicht belegbar.
Strahlenexposition
Nulliparität scheint das Risiko, an einem Brustkrebs zu erkranken im Vergleich zu einer Multipara um das 1,4fache zu erhöhen. Dieser protektive Einfluss der Parität ist jedoch an das Alter der Frau bei der 1. Schwangerschaft gebunden ( < 30. Lebensjahr). Bei Spätgebärenden (> 35. Lebensjahr) scheint das Risiko anzusteigen. Die Anzahl der Geburten hat offenbar keinen Einfluss. Ein Zusammenhang mit der Stillzeit ist bisher nicht belegbar. Strahlenexposition
Eine erhöhte Bereitschaft, Mammakarzinome zu entwickeln, konnte bei Überlebenden von Atombombenexplosionen, bei Frauen, die wegen einer Mastitis post partum bestrahlt wurden und bei Patientinnen mit mehrfachen Röntgenbildern während Tuberkuloseepidemien gesichert werden. Die Latenzperiode nach der Exposition erstreckte sich auf 10–15 Jahre. Das größte Risiko besteht bei einer entsprechenden Exposition vor dem 35. Lebensjahr.
Eine erhöhte Bereitschaft, nach Strahlenexposition Mammakarzinome zu entwickeln, konnte gesichert werden. Die Latenzperiode nach der Exposition erstreckte sich auf 10–15 Jahre. Das größte Risiko besteht bei einer entsprechenden Exposition vor dem 35. Lebensjahr.
Dispositionsfaktoren
Dispositionsfaktoren
Körpergewicht/Adipositas
Körpergewicht/Adipositas
In Abhängigkeit vom Alter (> 50 Jahre) besteht eine strenge Korrelation zwischen Körpergewicht und Mammakarzinom. Im Alter von 60–70 Jahren bedeutet eine Gewichtszunahme von 60 auf 70 kg eine Erhöhung des Risikos auf das 1,8fache.
In Abhängigkeit vom Alter ( > 50 Jahre) besteht eine strenge Korrelation zwischen Körpergewicht und Mammakarzinom.
Menstruation/Menopause
Menstruation/Menopause
Frauen, deren Menstruation vor dem 12. Lebensjahr begonnen hat, tragen ein 2,3faches Risiko gegenüber Frauen, deren Menarche nach diesem Zeitpunkt eingesetzt hat. Das Risiko sinkt, je später die Menstruation einsetzt. Das Risiko korreliert ebenfalls mit dem Eintritt der Menopause. Das relative Risiko beträgt bis zum 45. Lebensjahr 0,5 % im Vergleich zu Patientinnen, deren Menopause nach dem 55. Lebensjahr eintritt.
Frauen, deren Menstruation vor dem 12. Lebensjahr begonnen hat, tragen ein 2,3faches Risiko gegenüber Frauen, deren Menarche nach diesem Zeitpunkt eingesetzt hat. Das Risiko sinkt, je später die Menstruation einsetzt. Das Risiko korreliert ebenfalls mit dem Eintritt der Menopause.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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19.5.1 Risikofaktoren Die Extasie tritt meist bilateral auf. Der dilatierte Gang füllt sich mit Sekret, das nicht abfließen kann. Der Sekretstau führt zu einem Verlust der epithelialen Gangauskleidung und schließlich zu Ulzerationen des Milchgangs, die zu Blutaustritt aus der Mamille führen können. Durch Sekretaustritt durch die zerstörten Gänge kann gleichzeitig eine chronische Entzündungsreaktion (periduktale Mastitis) auftreten. Diese Entzündung führt wiederum zu einem schmerzhaften Tumor, in dem es zur Abszessbildung kommen kann. Wiederholte Entzündungsschübe führen zu einer Fibrose mit Einziehung der Brustwarze.
Die Ektasie tritt meist bilateral auf. Durch Sekretaustritt durch die zerstörten Gänge kann gleichzeitig eine chronische Entzündungsreaktion (periduktale Mastitis) auftreten. Diese Entzündung führt wiederum zu einem schmerzhaften Tumor, in dem es zur Abszessbildung kommen kann. Wiederholte Entzündungsschübe führen zu einer Fibrose mit Einziehung der Brustwarze.
19.5
Mammakarzinom
19.5
Mammakarzinom
19.5.1
Risikofaktoren
19.5.1
Risikofaktoren
Die Ursache des Mammakarzinoms ist weitgehend unbekannt. Trotzdem weisen epidemiologische Daten gut definierte Risikofaktoren auf, mit denen die Entstehung eines Mammakarzinoms assoziiert werden kann. Diese können in Expositions- und Dispositionsfaktoren unterteilt werden.
Sie werden in Expositions- und Dispositionsfaktoren unterteilt.
Expositionsfaktoren
Expositionsfaktoren
Schwangerschaft
Schwangerschaft
Nulliparität scheint das Risiko, an einem Brustkrebs zu erkranken im Vergleich zu einer Multipara um das 1,4fache zu erhöhen. Dieser protektive Einfluss der Parität ist jedoch an das Alter der Frau bei der 1. Schwangerschaft gebunden. Tritt die Schwangerschaft vor dem 20. Lebensjahr ein, reduziert sich das Risiko gegenüber einer Nullipara auf 0,5. Eine Schwangerschaft nach dem 30. Lebensjahr beeinflusst das Risiko schließlich nicht mehr. Es gibt Hinweise dafür, dass das Risiko eines Brustkrebses mit Geburten nach dem 35. Lebensjahr ansteigen soll. Die Anzahl der Geburten scheint insgesamt keinen Einfluss zu haben. Ein Zusammenhang mit der Stillzeit ist bisher nicht belegbar.
Strahlenexposition
Nulliparität scheint das Risiko, an einem Brustkrebs zu erkranken im Vergleich zu einer Multipara um das 1,4fache zu erhöhen. Dieser protektive Einfluss der Parität ist jedoch an das Alter der Frau bei der 1. Schwangerschaft gebunden ( < 30. Lebensjahr). Bei Spätgebärenden (> 35. Lebensjahr) scheint das Risiko anzusteigen. Die Anzahl der Geburten hat offenbar keinen Einfluss. Ein Zusammenhang mit der Stillzeit ist bisher nicht belegbar. Strahlenexposition
Eine erhöhte Bereitschaft, Mammakarzinome zu entwickeln, konnte bei Überlebenden von Atombombenexplosionen, bei Frauen, die wegen einer Mastitis post partum bestrahlt wurden und bei Patientinnen mit mehrfachen Röntgenbildern während Tuberkuloseepidemien gesichert werden. Die Latenzperiode nach der Exposition erstreckte sich auf 10–15 Jahre. Das größte Risiko besteht bei einer entsprechenden Exposition vor dem 35. Lebensjahr.
Eine erhöhte Bereitschaft, nach Strahlenexposition Mammakarzinome zu entwickeln, konnte gesichert werden. Die Latenzperiode nach der Exposition erstreckte sich auf 10–15 Jahre. Das größte Risiko besteht bei einer entsprechenden Exposition vor dem 35. Lebensjahr.
Dispositionsfaktoren
Dispositionsfaktoren
Körpergewicht/Adipositas
Körpergewicht/Adipositas
In Abhängigkeit vom Alter (> 50 Jahre) besteht eine strenge Korrelation zwischen Körpergewicht und Mammakarzinom. Im Alter von 60–70 Jahren bedeutet eine Gewichtszunahme von 60 auf 70 kg eine Erhöhung des Risikos auf das 1,8fache.
In Abhängigkeit vom Alter ( > 50 Jahre) besteht eine strenge Korrelation zwischen Körpergewicht und Mammakarzinom.
Menstruation/Menopause
Menstruation/Menopause
Frauen, deren Menstruation vor dem 12. Lebensjahr begonnen hat, tragen ein 2,3faches Risiko gegenüber Frauen, deren Menarche nach diesem Zeitpunkt eingesetzt hat. Das Risiko sinkt, je später die Menstruation einsetzt. Das Risiko korreliert ebenfalls mit dem Eintritt der Menopause. Das relative Risiko beträgt bis zum 45. Lebensjahr 0,5 % im Vergleich zu Patientinnen, deren Menopause nach dem 55. Lebensjahr eintritt.
Frauen, deren Menstruation vor dem 12. Lebensjahr begonnen hat, tragen ein 2,3faches Risiko gegenüber Frauen, deren Menarche nach diesem Zeitpunkt eingesetzt hat. Das Risiko sinkt, je später die Menstruation einsetzt. Das Risiko korreliert ebenfalls mit dem Eintritt der Menopause.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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19 Brustdrüse
Demzufolge scheint das Karzinomrisiko mit einer verlängerten Östrogenstimulation einherzugehen. Orale Kontrazeptiva sind derzeit als Dispositionsfaktoren noch umstritten.
Demzufolge scheint das Karzinomrisiko mit einer verlängerten Östrogenstimulation einherzugehen, zumal das Risiko nach einer Ovarektomie deutlich reduziert ist. Orale Kontrazeptiva sind derzeit als mögliche Dispositionsfaktoren bei der Entwicklung eines Mammakarzinoms noch umstritten.
Familienanamnese
Familienanamnese
Der stärkste Dispositionsfaktor ist eine belastete Familienanamnese. So unterliegen Frauen, bei denen 2 Verwandte 1. Grades (z.B. Mutter und eine Schwester) erkrankt sind, einem ca. 10fach erhöhten Risiko, ebenfalls an einem Mammakarzinom zu erkranken. In diesen Fällen tritt die Erkrankung meist vor dem 5. Lebensjahrzehnt ein. Das entsprechende Gen konnte dem Chromosom 17 zugeordnet und als BRCA 1 (breast cancer gene 1) isoliert werden. Eine Mutation dieses Gens ist bei Frauen mit einem 85 %igen Lebenszeitrisiko, an einem Mammakarzinom zu erkranken, verbunden.
Der stärkste Dispositionsfaktor ist eine belastete Familienanamnese. So unterliegen Frauen, bei denen 2 Verwandte 1. Grades (z.B. Mutter und eine Schwester) erkrankt sind, einem ca. 10fach erhöhten Risiko, ebenfalls an einem Mammakarzinom zu erkranken. In diesen Fällen tritt die Erkrankung meist vor dem 5. Lebensjahrzehnt ein. Man geht von einer vererbten Keimbahnmutation aus, die zur Entwicklung von Brustkrebs führt. Es wurde ein autosomal dominantes Allel für die familiäre Präsdisposition gefunden. Das entsprechende Gen konnte dem Chromosom 17 zugeordnet und als BRCA (breast cancer gene 1) isoliert werden. Eine Mutation dieses Gens ist bei Frauen mit einem 85 %igen Lebenszeitrisiko, an einem Mammakarzinom zu erkranken, verbunden. In geringerem Ausmaß ist ebenfalls das Erkrankungsrisiko an einem Ovarialkarzinom erhöht. Bei männlichen Trägern der BRCA 1-Mutation tritt ebenfalls häufiger ein Mammakarzinom auf. Ein weiteres Prädispositionsgen, das BRCA 2, ist dem Chromosom 13 zuzuordnen. Bei Mutation des BRCA 2 wurde im Gegensatz zum BRCA 1 eine ausschließliche Prädisposition für das weibliche Mammakarzinom beobachtet. Die klinischen Konsequenzen bei Vorliegen einer Prädisposition werden noch kontrovers diskutiert. Verbindliche Empfehlungen über molekulargenetische Untersuchungen in Vorsorgeprogrammen liegen noch nicht vor.
Ein weiteres Prädispositionsgen, das BRCA 2, ist dem Chromosom 13 zuzuordnen.
Mastopathie
Mastopathie
(s. Kap. B-19.4.1)
Das Risiko der Entwicklung eines Mammakarzinoms bei bestehender Mastopathie variiert in Abhängigkeit vom histologischen Umbauvorgang (s. Kap. B-19.4.1).
19.5.2 Lokalisation
19.5.2
Das Mammakarzinom findet sich: im oberen äußeren Quadranten in 45–60 % π im oberen inneren Quadranten in 12–18 % π im unteren äußeren Quadranten in 10–12 % π im unteren inneren Quadranten in 5–7 % ( 1 B-19.6).
Am häufigsten findet sich das Mammakarzinom im oberen äußeren Quadranten (45–60 %). In 12–18 % der Fälle liegt der Tumor im oberen inneren Quadranten, gefolgt vom unteren äußeren Quadranten (10–12 %). Nur 5–7 % der Karzinome finden sich im unteren inneren Quadranten ( 1 B-19.6).
π
Lokalisation
1 B-19.6
Synopsis Karzinomverteilung in den Quadranten der weiblichen Brust
45–60 %
12 % 12–18 %
5–7 % 10–12 %
Bei ca. 13 % tritt der Tumor multizentrisch auf. In mehr als 80 % dieser Fälle befindet sich der Zweittumor hierbei im gleichen Quadranten.
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723
19.5.3 Symptomatik 19.5.3
Symptomatik
19.5.3 Symptomatik
Die Mehrzahl der Frauen mit einem Karzinom der Brust beklagt einen schmerzlosen Knoten. Dieser Knoten ist oft palpabel, immobil und scheint gegen das umliegende Gewebe, die Haut oder den M. pectoralis fixiert zu sein. Er kann auch bei der Inspektion erkennbar sein, und bei der Elevation des Armes zu Verziehungen der Brust führen. Die Konsistenz des Tumors und die Mobilität können jedoch variieren und z.B. den klinischen Befund eines Fibroadenoms vortäuschen. Schließlich sind nicht alle Karzinome schmerzlos, wobei einige Patientinnen prämenstruelle Sensationen in dem Knoten verspüren. Aus diesem Grund ist es ratsam, bei allen verdächtigen Befunden jenseits des 25. Lebensjahres eine histologische und zytologische Untersuchung vorzunehmen. Es ist äußerst gefährlich, ausschließlich eine klinische Diagnose zu stellen. 15 % der Frauen schildern einen eher diffusen Prozess in der Brust, bei dem keine Knotenbildung vorherrschend ist. Diese Symptomatik ist vornehmlich bei jüngeren Patientinnen mit einem lobulären Karzinom zu beobachten. Die diffuse Tumorausbreitung kann zu Verziehungen, Faltenbildung und einem Schweregefühl der Brust führen. Später treten Einziehungen der Mamille hinzu. Hautveränderungen können alleiniges Symptom sein oder aber mit anderen Erscheinungsformen des Tumors einhergehen. Die Faltenbildung kann dominant und Folge eines szirrhotischen Tumors des älteren Patienten sein. Die »Orangenhaut« (peau d’orange) ist Zeichen für einen fortgeschrittenen Tumor. Ursache ist eine Abflussbehinderung der oberflächlichen Lymphbahnen, die meist durch axilläre Lymphknotenmetastasen hervorgerufen wird und zur Ödembildung der Haut führt. Im Gegensatz hierzu beruht die Hautveränderung beim inflammatorischen Mammakarzinom auf einem Verschluss der kutanen Lymphbahnen durch Tumoremboli bei lymphangischer Karzinose. In unbehandelten oder vernachlässigten Fällen bricht die Haut mit einer Tumorexulzeration auf ( 1 B-19.7).
1 B-19.7
Mammakarzinom Unbehandeltes, exulzeriertes Mammakarzinom einer 72-jährigen Patientin. Die Therapie beschränkte sich auf Palliativmaßnahmen mit einer Mastectomia simplex und nachfolgender Hormontherapie.
Veränderungen der Brustwarze mit Einziehungen und Verdrehungen sind nicht ungewöhnlich ( 1 B-19.8). Eine unifokale blutig tingierte Sekretion der Brustwarze weist auf ein intraduktales Karzinom hin, während eine Sekretion von Milch oder gefärbtem Sekret eher durch eine Ektasie der Milchgänge verursacht wird. Nicht selten zeigt das Mammakarzinom bereits bei Diagnosestellung Metastasen. Diese können sich in den regionalen Lymphknoten der Axilla, supraklavikulär oder als Fernmetastasen (Knochen, Leber, Lunge und Gehirn) manifestieren.
Knoten: Oft schmerzlos, immobil und scheinbar gegen das umliegende Gewebe (Haut, M. pectoralis) fixiert.
Diffuser Prozess: Bei 15 % der Frauen erfolgt keine Knotenbildung. Diese Symptomatik ist vornehmlich bei jüngeren Patientinnen mit einem lobulären Karzinom zu beobachten. Die diffuse Tumorausbreitung kann zu Verziehungen, Faltenbildung und einem Schweregefühl der Brust führen. Hautveränderungen können alleiniges Symptom sein oder aber mit anderen Erscheinungsformen des Tumors einhergehen. Die »Orangenhaut« (peau d’orange) ist Zeichen für einen fortgeschrittenen Tumor. Ursache ist eine Abflussbehinderung der Lymphbahnen, meist durch axilläre Lymphknotenmetastasen. Im Gegensatz hierzu beruht die Hautveränderung beim inflammatorischen Mammakarzinom auf einem Verschluss der kutanen Lymphbahnen durch Tumoremboli bei lymphangischer Karzinose. In unbehandelten Fällen bricht die Haut mit einer Tumorexulzeration auf ( 1 B-19-7).
Veränderungen der Brustwarze mit Einziehungen und Verdrehungen sind nicht ungewöhnlich ( 1 B-19.8). Eine unifokale blutig tingierte Sekretion der Brustwarze weist auf ein intraduktales Karzinom hin, während eine Sekretion von Milch oder gefärbtem Sekret eher durch eine Ektasie der Milchgänge verursacht wird. Nicht selten liegen bei Diagnosestellung bereits Metastasen vor.
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724
19 Brustdrüse
1 B-19.8
Synopsis Brustveränderungen bei Tumorinfiltration
1 2
a Ohne Tumorinfiltration der Subkutis würde bei digitalem Druck das Mammagewebe kegel- oder faltenförmig ausweichen (1). Durch Zug der fixierten subkutanen Bindegewebestränge wird die Haut fixiert, es entsteht ein Plateau (2).
c Zentraler, infiltrierend b Intramammärer Tumor wachsender intramamohne Beteiligung des submärer Tumor mit kutanen Bindegewebes, Bindegewebekeine Veränderung der schrumpfung und Brustform. resultierendem Mammahochstand.
d Panzerkrebs (cancer en curasse) mit Infiltration der Thoraxwand.
Diagnostik
19.5.4 Diagnostik
19.5.4
Klinische Untersuchung
Klinische Untersuchung
Inspektion: Form, Asymmetrien, Veränderungen der Brustwarze, Farb-, Temperaturveränderungen werden beurteilt. Palpation: Vergleichende Untersuchung aller 4 Quadranten beider Brüste auf Schmerzen, Resistenzen, Verschieblichkeit gegenüber Haut und Unterlage, sowohl in liegender als auch stehender Haltung. Provokationsversuch der Mamillensekretion, Kontrolle der regionalen Lymphknoten.
Den ersten Stellenwert aller diagnostischen Verfahren nimmt die bilaterale klinische Untersuchung der Brust ein. Hierzu gehört die Inspektion im Hinblick auf Form, Asymmetrien und Veränderungen der Brustwarze, Farbveränderungen und Überwärmung der Haut. Bei der Palpation werden beide Brüste vergleichend in allen 4 Quadranten auf Unregelmäßigkeiten, Schmerzen, Resistenzen und Verschieblichkeit gegenüber der Haut und Unterlage abgetastet. Die Untersuchung der Brust muss sowohl in liegender als auch aufrechter Haltung der Patientin erfolgen. Darüber hinaus sollte der Versuch gemacht werden, eine Sekretion aus der Mamille zu provozieren. Eine Kontrolle der regionalen Lymphabflusswege ist ein obligater Bestandteil der Befunderhebung.
Merke
n Merke. Zwischen 5 und 10 % der Mammakarzinome ergeben mammographisch keinen malignomverdächtigen Befund. Deshalb sollte die Patientin in der Selbstuntersuchung unterwiesen werden, um neue Befunde zwischen den ärztlichen Kontrollen erfassen zu können.
Die klinische Untersuchung muss neben den Symptomen durch die Erhebung aller Risikofaktoren (s.o.) vervollständigt werden.
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725
19.5.4 Diagnostik
Apparative Diagnostik
Apparative Diagnostik
Mammographie
Mammographie
Sie gehört zu den wichtigsten bildgebenden Verfahren zur Untersuchung der Brust. Bei den gegebenen technisch apparativen Voraussetzungen ist die Strahlenbelastung wiederholter Mammographien zu vernachlässigen. Die Mammographie soll die Dignität und Ausdehnung eines Tumors erkennen und zusätzliche Befunde aufdecken. Sie kann ferner die Beziehung des Tumors zur Haut, Mamille und Brustwand darstellen. Die typischen Zeichen des Mammakarzinoms sind ( 1 B-19.9): π Kernschatten: Er ist bei einem fibrosierenden Karzinom besonders ausgeprägt und besteht aus einer sehr dichten, unregelmäßig begrenzten Verschattung. π Spikulae: Hierbei handelt es sich um strahlige Ausläufer um den Kernschatten. Diese Ausläufer sind angespannte oder infiltrierte Cooper-Ligamente. Je nach Lage können sie zu einer Einziehung der Haut, einer Einstülpung oder Verziehung der Brustwarze führen. π Mikroverkalkungen im Kernschatten oder der Umgebung. Die Größe der Verkalkungen ist das wichtigste Kriterium zur Differenzierung zwischen gut- oder bösartigen Kalkablagerungen. Grobe Verkalkungen entstammen meist Fibroadenomen, verkalkten Zysten, Gefäßen oder Fettgewebsnekrosen. Verdächtig sind Mikroverkalkungen von der Größe der Milchgänge, wie sie im Lumen duktaler Karzinome zu finden sind. Harmlos sind hingegen die sog. staubförmigen Verkalkungen.
Die Mammographie soll die Dignität und Ausdehnung eines Tumors erkennen und zusätzliche Befunde aufdecken. Sie kann ferner die Beziehung des Tumors zur Haut, Mamille und Brustwand darstellen. Die typischen Zeichen des Mammakarzinoms sind ( 1 B-19.9): π Kernschatten: Er besteht aus einer sehr dichten, unregelmäßig begrenzten Verschattung. π Spikulae: Hierbei handelt es sich um strahlige Ausläufer um den Kernschatten. π Mikroverkalkungen im Kernschatten oder der Umgebung. Die Größe der Verkalkungen ist das wichtigste Kriterium zur Differenzierung zwischen gut- und bösartigen Kalkablagerungen. Verdächtig sind Mikroverkalkungen von der Größe der Milchgänge, wie sie im Lumen duktaler Karzinome zu finden sind.
1 B-19.9
Mammographie eines szirrhösen Mammakarzinoms
Mammographie einer 53-jährigen Patientin mit einem ausgedehnten Kernschatten und Spikulae. Histologisch: intraduktales Karzinom; axilläre Lymphknoten positiv.
Bei verdächtigen, nicht palpablen Befunden, deren Dignität bioptisch gesichert werden muss, bedient man sich ebenfalls der Mammographie. Um zur Vermeidung ungünstiger kosmetischer Resultate möglichst wenig gesundes Gewebe mitzuentfernen, kann der verdächtige Bezirk präoperativ unter mammographischer Kontrolle mit Nadeln markiert werden. Eine andere Möglichkeit ist die gezielte Injektion von Tusche, die den markierten Bereich nicht verlässt ( 1 B-19.10).
Der verdächtige Bezirk kann präoperativ unter mammographischer Kontrolle markiert werden ( 1 B-19.10).
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726
19 Brustdrüse
1 B-19.10
Synopsis Präoperative Lokalisation zweifelhafter oder nicht palpabler Befunde und deren Entfernung
Verkalkung
Draht a Einbringen der Einführungsnadel in den verdächtigen Befund.
b Nach mammographischer Lagekontrolle Einlegen des Markierungsdrahtes.
c Gerade Inzision neben dem Draht.
d Exzision des markierten Befundes.
Die vollständige Entfernung des verdächtigen Befundes wird mit einer anschließenden Präparatmammographie bestätigt.
Galaktographie
Galaktographie
Die Galaktographie ist ein Röntgenverfahren zur Kontrastmitteldarstellung der Milchgänge. Sie ist indiziert, wenn eine einseitige oder blutige Sekretion der Brust auftritt ( 1 B-19.11). Die Galaktographie ist durch die Vergrößerungsmammographie abgelöst worden.
Die Galaktographie ist ein Röntgenverfahren zur Kontrastmitteldarstellung der Milchgänge. Sie ist indiziert, wenn eine einseitige oder blutige Sekretion der Brust auftritt. Ziel der Untersuchung ist die Aufdeckung von Gangabbrüchen oder Kontrastmittelaussparungen in den Milchgängen als Hinweis auf ein neoplastisches Geschehen ( 1 B-19.11). Die Galaktographie ist weitestgehend durch die Vergrößerungsmammographie abgelöst worden.
1 B-19.11
Intraduktales Mammakarzinom Galaktographie eines intraduktalen Mammakarzinoms mit Abbrüchen der Milchgänge (Á).
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727
19.5.4 Diagnostik
Sonographie
Sonographie
Die Sonographie ist eine wichtige ergänzende Methode in der Mammadiagnostik. Als Schnittbildverfahren ist sie im Gegensatz zur Mammographie in der Lage, überlagerte Strukturen aufzulösen. Die größte Bedeutung hat die Sonographie in der Abklärung von Zysten, insbesondere multipler Zysten und hat hierbei die Pneumozystographie abgelöst. Die Grenzen der Sonographie sind durch die fehlende Aufdeckung von Mikroverkalkungen und Herden < 10 mm gegeben. Sie kann deshalb die Mammographie nicht ersetzen ( 1 B-19.12).
Die Sonographie ist im Gegensatz zur Mammographie in der Lage, überlagerte Strukturen aufzulösen. Die Grenzen der Sonographie sind durch die fehlende Aufdeckung von Mikroverkalkungen und Herden < 10 mm gegeben. Sie kann deshalb die Mammographie nicht ersetzen ( 1 B-19.12).
1 B-19.12
Mammakarzinom
a Charakteristisches Schallbild eines Mammakarzinoms mit unscharfer Begrenzung, unregelmäßigen Schallschatten, echoreichem Saum (Ödem) und Zerstörung der Umgebung.
b Farb-Doppler-Sonographie des gleichen Tumors mit Nachweis der Durchblutung bei hoher Flussgeschwindigkeit.
Magnetresonanztomographie (MRT)
Magnetresonanztomographie (MRT)
Sie dient zur Diagnostik unklarer Herdbefunde, insbesondere bei mammographisch dichten Brüsten und vorausgegangener brusterhaltender Operation von Mammakarzinomen. Da die MRT die Mehrdurchblutung maligner Tumoren ausnutzt, ist sie bei gering vaskularisierten Tumoren (z.B. muzinöse Tumoren, diffus wachsende lobuläre Tumoren) und bei stoffwechselaktiven mastopathischen Befunden differenzialdiagnostisch problematisch. Ungeeignet ist sie zur Abklärung diffuser und entzündlicher Prozesse sowie bei pathologischer Sekretion der Brust.
Histopathologische Diagnostik
Sie dient zur Diagnostik unklarer Herdbefunde, insbesondere bei mammographisch dichten Brüsten und vorausgegangener brusterhaltender Operation von Mammakarzinomen. Ungeeignet ist sie zur Abklärung diffuser und entzündlicher Prozesse sowie bei pathologischer Sekretion der Brust. Zur Abklärung diffuser und entzündlicher Prozesse sowie pathologischer Sekretion ist sie ungeeignet. Untersuchungen mit eingeschränkter Wertigkeit Die Computertomographie ist für die Differenzialdiagnose von frühen Tumoren von untergeordneter Bedeutung. Ihr Wert liegt in der Diagnostik fortgeschrittener Tumoren mit Infiltration der Brustwand oder der Erfassung retrosternaler Metastasen. Histopathologische Diagnostik
Feinnadelaspirationszytologie
Feinnadelaspirationszytologie
Die Aspirationszytologie ist einfach durchführbar und gestattet eine Differenzierung zwischen einem duktalen und lobulären, nicht jedoch die Unterscheidung zwischen einem »in situ« und einem invasiven Karzinom. Die Rate falsch negativer Ergebnisse durch Verfehlen des Tumors beträgt 15 %.
Die Aspirationszytologie gestattet eine Differenzierung zwischen einem duktalen und lobulären, nicht jedoch die Unterscheidung zwischen einem »in situ« und einem invasiven Karzinom.
Untersuchungen mit eingeschränkter Wertigkeit Die Computertomographie ist für die Differenzialdiagnose von frühen Tumoren von untergeordneter Bedeutung. Ihr Wert liegt in der Diagnostik fortgeschrittener Tumoren mit Infiltration der Brustwand oder der Erfassung retrosternaler Metastasen.
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728
19 Brustdrüse
Offene Biopsie
Offene Biopsie
Wenn zytologische Untersuchungen fehlschlagen, kann eine offene Biopsie vorgenommen werden.
Wenn zytologische Untersuchungen fehlschlagen, kann eine offene Biopsie in Lokalanästhesie oder Vollnarkose vorgenommen werden. Von einer perioperativen Schnellschnittuntersuchung wird zunehmend Abstand genommen, da die unterschiedlichen Behandlungsmodalitäten des Brustkrebses eine ausgiebige Aufklärung der Patientinnen verlangen.
19.5.5 Pathologisches Erscheinungsbild
19.5.5
Es wird im Wesentlichen nach dem Entstehungsort des Tumors differenziert. So kann das duktale Karzinom mit Ausgang von den Milchgängen (Inzidenz 85–90 %) vom lobulären Karzinom der Drüsenläppchen (Inzidenz 5–10 %) unterschieden werden ( 1 B-19.13).
Das pathologische Erscheinungsbild eines Mammatumors wird im Wesentlichen nach dem Entstehungsort des Tumors differenziert. So kann das duktale Karzinom mit Ausgang von den Milchgängen (Inzidenz 85–90 %) vom lobulären Karzinom der Drüsenläppchen unterschieden werden. Bei beiden Tumoren ist darüber hinaus die Unterteilung in in situ und invasive Typen möglich ( 1 B-19.13).
Pathologisches Erscheinungsbild
1 B-19.13
Synopsis Schematische Darstellung zur Pathogenese und Topik der Mammakarzinome
a a Intraduktales Karzinom.
b b Lobuläres Karzinom.
c c Invasives duktales Karzinom.
Intraduktales Karzinom (duktales Carcinoma in situ, DCIS) Das intraduktale Karzinom ist die präinvasive Form des Mammakarzinoms und damit eine Präkanzerose. Es ist durch die Proliferation malignen Milchgangepithels und die Beschränkung auf den Milchgang ohne Invasion des umgebenden Gewebes charakterisiert. Seine Inzidenz beträgt 15–20 %. Die Karzinome werden bevorzugt im 6. Dezennium diagnostiziert. Unter den intraduktalen Karzinomen werden histologisch 5 Haupttypen unterschieden (Komedokarzinom, solides, kribriformes, mikropapilläres und papilläres Karzinom).
Intraduktales Karzinom (duktales Carcinoma in situ, DCIS)
Morbus Paget
Morbus Paget
Hierbei handelt es sich um eine intradermale Manifestation eines duktalen Mammakarzinoms, dem in 2 ⁄ 3 der Fälle ein intraduktales Karzinom zugrunde liegt. Klinisch kann es einem einseitigen, schuppenden Ekzem im Warzenhof ähneln.
Hierbei handelt es sich um eine intradermale Manifestation eines duktalen Mammakarzinoms, dem in 2⁄3 der Fälle ein intraduktales Karzinom zugrunde liegt. Klinisch kann es einem einseitigen, schuppenden Ekzem im Warzenhof ähneln. Bei Infiltration der Haut muss in 60 % mit einem axillären Lymphknotenbefall gerechnet werden.
Das intraduktale Karzinom ist die präinvasive Form des Mammakarzinoms und damit eine Präkanzerose. Es ist durch die Proliferation malignen Milchgangepithels und die Beschränkung auf den Milchgang ohne Invasion des umgebenden Gewebes charakterisiert. Durch Einfluss moderner diagnostischer Verfahren und Screeningprogramme ist seine Inzidenz auf 15–20 % angestiegen. Die Karzinome werden bevorzugt im 6. Dezennium diagnostiziert und treten entweder als mikrofokaler, nicht symptomatischer und damit nur mammographisch erkennbarer oder als makroskopisch erkennbare tumorbildende oder diffuse Neoplasie auf. Unter den intraduktalen Karzinomen werden histologisch 5 Haupttypen unterschieden. Dies sind das Komedokarzinom mit zentraler Nekrose, das solide Karzinom, das kribriforme Karzinom sowie das mikropapilläre und papilläre Karzinom. Die Komedo- und papilläre Form sind am häufigsten und mit einem multizentrischen Auftreten verbunden.
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19 Brustdrüse
Offene Biopsie
Offene Biopsie
Wenn zytologische Untersuchungen fehlschlagen, kann eine offene Biopsie vorgenommen werden.
Wenn zytologische Untersuchungen fehlschlagen, kann eine offene Biopsie in Lokalanästhesie oder Vollnarkose vorgenommen werden. Von einer perioperativen Schnellschnittuntersuchung wird zunehmend Abstand genommen, da die unterschiedlichen Behandlungsmodalitäten des Brustkrebses eine ausgiebige Aufklärung der Patientinnen verlangen.
19.5.5 Pathologisches Erscheinungsbild
19.5.5
Es wird im Wesentlichen nach dem Entstehungsort des Tumors differenziert. So kann das duktale Karzinom mit Ausgang von den Milchgängen (Inzidenz 85–90 %) vom lobulären Karzinom der Drüsenläppchen (Inzidenz 5–10 %) unterschieden werden ( 1 B-19.13).
Das pathologische Erscheinungsbild eines Mammatumors wird im Wesentlichen nach dem Entstehungsort des Tumors differenziert. So kann das duktale Karzinom mit Ausgang von den Milchgängen (Inzidenz 85–90 %) vom lobulären Karzinom der Drüsenläppchen unterschieden werden. Bei beiden Tumoren ist darüber hinaus die Unterteilung in in situ und invasive Typen möglich ( 1 B-19.13).
Pathologisches Erscheinungsbild
1 B-19.13
Synopsis Schematische Darstellung zur Pathogenese und Topik der Mammakarzinome
a a Intraduktales Karzinom.
b b Lobuläres Karzinom.
c c Invasives duktales Karzinom.
Intraduktales Karzinom (duktales Carcinoma in situ, DCIS) Das intraduktale Karzinom ist die präinvasive Form des Mammakarzinoms und damit eine Präkanzerose. Es ist durch die Proliferation malignen Milchgangepithels und die Beschränkung auf den Milchgang ohne Invasion des umgebenden Gewebes charakterisiert. Seine Inzidenz beträgt 15–20 %. Die Karzinome werden bevorzugt im 6. Dezennium diagnostiziert. Unter den intraduktalen Karzinomen werden histologisch 5 Haupttypen unterschieden (Komedokarzinom, solides, kribriformes, mikropapilläres und papilläres Karzinom).
Intraduktales Karzinom (duktales Carcinoma in situ, DCIS)
Morbus Paget
Morbus Paget
Hierbei handelt es sich um eine intradermale Manifestation eines duktalen Mammakarzinoms, dem in 2 ⁄ 3 der Fälle ein intraduktales Karzinom zugrunde liegt. Klinisch kann es einem einseitigen, schuppenden Ekzem im Warzenhof ähneln.
Hierbei handelt es sich um eine intradermale Manifestation eines duktalen Mammakarzinoms, dem in 2⁄3 der Fälle ein intraduktales Karzinom zugrunde liegt. Klinisch kann es einem einseitigen, schuppenden Ekzem im Warzenhof ähneln. Bei Infiltration der Haut muss in 60 % mit einem axillären Lymphknotenbefall gerechnet werden.
Das intraduktale Karzinom ist die präinvasive Form des Mammakarzinoms und damit eine Präkanzerose. Es ist durch die Proliferation malignen Milchgangepithels und die Beschränkung auf den Milchgang ohne Invasion des umgebenden Gewebes charakterisiert. Durch Einfluss moderner diagnostischer Verfahren und Screeningprogramme ist seine Inzidenz auf 15–20 % angestiegen. Die Karzinome werden bevorzugt im 6. Dezennium diagnostiziert und treten entweder als mikrofokaler, nicht symptomatischer und damit nur mammographisch erkennbarer oder als makroskopisch erkennbare tumorbildende oder diffuse Neoplasie auf. Unter den intraduktalen Karzinomen werden histologisch 5 Haupttypen unterschieden. Dies sind das Komedokarzinom mit zentraler Nekrose, das solide Karzinom, das kribriforme Karzinom sowie das mikropapilläre und papilläre Karzinom. Die Komedo- und papilläre Form sind am häufigsten und mit einem multizentrischen Auftreten verbunden.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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19.5.5 Pathologisches Erscheinungsbild
Invasiv duktales Karzinom
Invasiv duktales Karzinom
Die vom Epithel der terminalen Gangsegmente ausgehenden Tumoren bilden mit 65 % die größte Gruppe der infiltrierend wachsenden Karzinome. Hierbei handelt es sich einerseits um ein einheitliches Zellmuster und andererseits in 25–30 % um unterschiedlich differenzierbare Karzinome, die sich durch ein verändertes klinisches und prognostisches Verhalten auszeichnen. Dies sind z.B.: π Medulläres Karzinom: Es ist im Vergleich mit anderen Karzinomen wenig häufig mit Lymphknotenmetastasen verbunden und hat deshalb eine bessere Prognose. π Tubuläres Karzinom: Seine Prognose ist mit einer 10-Jahres-Überlebenszeit von 75 % ebenfalls günstig. π Muzinöses Karzinom: Diese Tumoren metastasieren wie das tubuläre Karzinom kaum in die Lymphknoten und treten vornehmlich bei älteren Frauen auf. Eine Sonderform des invasiv duktalen Karzinoms ist das wenig differenzierte inflammatorische Mammakarzinom mit lymphangischer Karzinose, besonders des subkutanen Binde- und Fettgewebes. Die Hautveränderung beruht auf einem Verschluss der kutanen Lymphbahnen durch Tumoremboli der lymphangischen Karzinose. Sie imponiert, ähnlich einer Entzündung, als lokale oder diffuse Hautrötung bei verhärteter Brust ( 1 B-19.14). Die Inzidenz dieser Manifestation eines Mammakarzinoms liegt bei 1–4 %. Es tritt durchschnittlich 10 Jahre früher auf, d.h. prä- und perimenopausal, und kommt in 2 % während der Gravidität und Laktation vor. Ein bilaterales Auftreten ist möglich. Zum Zeitpunkt der Diagnose liegen in 90 % Lymphknotenund in 45 % Fernmetastasen vor.
Die vom Epithel der terminalen Gangsegmente ausgehenden Tumoren bilden mit 65 % die größte Gruppe der infiltrierend wachsenden Karzinome. Hierbei handelt es sich in 25–30 % um unterschiedlich differenzierbare Karzinome, die sich durch ein verändertes klinisches und prognostisches Verhalten auszeichnen. Dies sind z.B.: π medulläres Karzinom π tubuläres Karzinom π muzinöses Karzinom.
1 B-19.14
Eine Sonderform des invasiv duktalen Karzinoms ist das wenig differenzierte inflammatorische Mammakarzinom mit lymphangischer Karzinose, besonders des subkutanen Binde- und Fettgewebes. Die Hautveränderung beruht auf einem Verschluss der kutanen Lymphbahnen und imponiert als entzündliche Hautrötung ( 1 B-19.14). Die Inzidenz dieser Manifestation eines Mammakarzinoms liegt bei 1–4 %.
Inflammatorisches Mammakarzinom Die Haut zeigt sich ähnlich einer Entzündung gerötet. Die Behandlung mit einer primären Chemotherapie, Operation, Nachbestrahlung und postoperativer medikamentöser Therapie ermöglichen bei einem Drittel der Patientinnen Überlebenszeiten bis zu 10 Jahren.
Die Prognose ist äußerst ungünstig. Die mittlere Überlebenszeit wird unter kombinierter Therapie mit 15–40 Monaten angegeben.
Die Prognose ist äußerst ungünstig. Die mittlere Überlebenszeit liegt bei 15–40 Monaten.
Lobuläres Carcinoma in situ (LCIS)
Lobuläres Carcinoma in situ (LCIS)
Das lobuläre Carcinoma in situ geht von den Drüsenendkörpern aus. Es tritt vornehmlich prämenopausal auf. Ein LCIS ist in 20–25 % bilateral lokalisiert und gilt als Präkanzerose. In 50 % kommt es kontralateral zu einem invasiven Karzinom. Da es keine mammographischen Kriterien aufweist, ist die Diagnose häufig ein Zufallsbefund und basiert auf der pathohistologischen Untersuchung.
Das lobuläre Carcinoma in situ geht von den Drüsenendkörpern aus. Es tritt vornehmlich prämenopausal auf. Ein LCIS ist 20–25 % bilateral lokalisiert und gilt als Präkanzerose. In 50 % kommt es kontralateral zu einem invasiven Karzinom. Die Diagnose wird aufgrund fehlender mammographischer Kriterien häufig zufällig gestellt. Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag
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730
19 Brustdrüse
Die Therapie bei Nachweis eines bilateralen LCIS besteht entweder in einer beidseitigen subkutanen Mastektomie oder einer einfachen Mastektomie, evtl. mit simultaner Rekonstruktion.
Die Therapie bei Nachweis eines bilateralen LCIS besteht entweder in einer beidseitigen subkutanen Mastektomie oder einer einfachen Mastektomie, evtl. mit simultaner Rekonstruktion. Ist lediglich der einseitige Nachweis erbracht, gelten die gleichen Behandlungsmodalitäten unter der Bedingung einer kontinuierlichen Kontrolle der erhaltenen Brust.
Invasiv lobuläres Karzinom
Invasiv lobuläres Karzinom
Dieses Karzinom macht ca. 10 % aller Mammakarzinome aus. Auch hier besteht die Tendenz zu einem beidseitigen Befall. Das Wachstum ist diffus infiltrativ.
Dieses Karzinom macht ca. 10 % aller Mammakarzinome aus, wobei mit der gleichen Inzidenz eine duktale Komponente zu beobachten ist. Auch hier besteht die Tendenz zu einem beidseitigen Befall. Das Wachstum ist diffus infiltrativ.
19.5.6 Prognosefaktoren
19.5.6
Prognosefaktoren lassen erkennen, mit welchem Risiko ein Wiederauftreten der Erkrankung (Rezidiv) oder eine verminderte Überlebensrate verbunden sind ( 2 B-19.1).
Prognosefaktoren lassen erkennen, mit welchem Risiko ein Wiederauftreten der Erkrankung (Rezidiv) oder eine verminderte Überlebensrate verbunden sind. Der Befund zum Zeitpunkt der Primärbehandlung kann dementsprechend über die Aggressivität des Tumors und damit über die zukünftigen Risiken des Patienten Auskunft geben. Hierdurch unterscheiden sie sich von Tumormarkern, die lediglich das Vorliegen oder Wiederauftreten der Tumorerkrankung zum Zeitpunkt der Untersuchung belegen ( 2 B-19.1).
Prognosefaktoren
2 B-19.1
Prognosefaktoren beim primären Mammakarzinom
Faktoren
Schlechte Prognose
N »klassische Prognosefaktoren«: n π π π π
Tumorgröße axillärer Lymphknotenstatus Grading Steroidhormonrezeptoren (Östrogen-, Progesteronrezeptor)
größer als 1 cm positiv (1–3, 4–9, 10+) III negativ
N neue Prognosefaktoren: Information über n Proliferation und Wachstumsregulation π π π
π
π π
S-Phasenanteil (Proliferation) Ploidie Ki-67 (Proliferationsantigen, korreliert mit S-Phase) epidermaler Wachstumsfaktor EGF-R (korreliert invers mit dem Hormonrezeptorstatus) HER-2/neu, Onkogenamplifikation p-170 Glykoprotein Expression (multiple drug resistance)
hoch aneuploid hoch positiv hoch positiv
N Metastasierungspotential n π π
π π
Lymphknotenstatus und Zahl der befallenen Lymphknoten Die Prognose verschlechtert sich mit steigender Zahl der befallenen Lymphknoten, wobei der Grenzwert bei 3 Lymphknoten liegt.
Kathepsin D uPA (Urokinase-Plasminogenaktivator) PAI-1 (Plasminogen-Aktivator-Inhibitor) Mikrometastasennachweis im Knochenmark Tumorangiogenesenachweis
positiv positiv positiv hoch
Lymphknotenstatus und Zahl der befallenen Lymphknoten Sie stellen bisher den stärksten prognostischen Faktor dar. Die Prognose verschlechtert sich mit steigender Zahl der befallenen Lymphknoten, wobei der Grenzwert bei 3 Lymphknoten liegt. Bei mehr als 10 positiven Lymphknoten scheint die Prognose auch durch eine konventionelle adjuvante Therapie nicht mehr zu verbessern zu sein.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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19.5.7 Tumorausbreitung
Tumorgröße und morphologische Kriterien Nodalnegative Patientinnen, bei denen die Tumorgröße 1 cm unterschreitet, haben eine ausgezeichnete Prognose. Die 5-Jahres-Rezidivquote liegt unter 5 %. Auch die Überschreitung dieser Größenangabe beeinflusst bei tumorfreien Lymphknoten die Prognose unwesentlich. Demgegenüber ist das histologische Grading mit der Prognose korreliert. Eine Einschränkung erfährt diese Korrelation über die subjektive Einstufung durch den Untersucher und die Tatsache, dass ca. 60 % aller Tumoren in ein mittleres Grading (G2) eingestuft werden. Unzweifelhaft ist jedoch der Nachweis einer Lymphangiosis oder Hämangiosis mit hoher Tendenz zur Metastasierung prognostisch ungünstig.
Tumorgröße und morphologische Kriterien Nodalnegative Patientinnen, bei denen die Tumorgröße 1 cm unterschreitet, haben eine ausgezeichnete Prognose. Die 5-Jahres-Rezidivquote liegt unter 5 %. Auch die Überschreitung von 1 cm beeinflusst bei tumorfreien Lymphknoten die Prognose unwesentlich. Demgegenüber ist das histologische Grading mit der Prognose korreliert.
Hormonrezeptorstatus
Hormonrezeptorstatus
Zu den wichtigsten Prognosefaktoren des Mammakarzinoms zählt der Östrogen- und Progesteronrezeptorstatus, der zugleich ein Selektionskriterium für eine adjuvante endokrine Therapie darstellt. Die Ansprechrate auf eine Hormontherapie bei östrogenrezeptorpositiven (ER+) Karzinomen beträgt ca. 60 %. Sind neben den Östrogen- auch die Progesteronrezeptoren (ER+, PgR+) positiv, erhöht sich die Ansprechrate auf annähernd 70 %. Das heißt, dass 30–40 % der Frauen mit einem positiven Rezeptorstatus nicht auf eine Antiöstrogentherapie ansprechen. Der Nachweis erfolgt entweder biochemisch durch Radioimmunassay oder immunhistologisch mit Erfassung der Steroidrezeptoren am Gefrierschnitt. Das biochemische Verfahren verlangt ein Homogenat aus mindestens 0,5 g Tumorfrischgewebe. Die Maßeinheit ist 1 Femtomol (1 fmol) gebundenes 3H-Östradiol pro mg Gewebeprotein. Positiv sind Werte > 10 fmol/mg. Bei der immunhistochemischen Untersuchung zeigt sich ein positiver Rezeptorbefund an der Anfärbung der Zellkerne. Farbintensität und Prozentsatz positiver Zellen ergeben einen immunreaktiven Score (IRS) mit 0–12 Punktwerten. Der Schwellenwert für die Abgrenzung rezeptorpositiver und -negativer Karzinome liegt bei 0–2 Punkten und entspricht einem biochemischen Wert von 10–20 fmol/mg Tumorprotein.
Zu den wichtigsten Prognosefaktoren des Mammakarzinoms zählt der Östrogen- und Progesteronrezeptorstatus, der zugleich ein Selektionskriterium für eine adjuvante endokrine Therapie darstellt. Die Ansprechrate auf eine Hormontherapie bei östrogenrezeptorpositiven (ER+) Karzinomen beträgt ca. 60 %. Sind neben den Östrogen- auch die Progesteronrezeptoren (ER+, PgR+) positiv, erhöht sich die Ansprechrate auf annähernd 70 %. Der Nachweis erfolgt entweder biochemisch durch Radioimmunassay oder immunhistochemisch mit Erfassung der Steroidrezeptoren am Gefrierschnitt.
Neuere Prognosefaktoren
Neuere Prognosefaktoren
Neben den herkömmlichen Prognosefaktoren, die heute routinemäßig bei jedem Mammakarzinom untersucht werden müssen, gibt es neuere Prognosefaktoren, die das Wachstum des Tumors und sein Metastasierungspotenzial charakterisieren. Sollte sich der Aussagewert dieser Faktoren bestätigen, wird es möglich sein, diejenigen Patientinnen zu identifizieren, die ohne Lymphknotenmetastasen später ein Rezidiv oder Fernmetastasen ausbilden. Andererseits könnten Prognosefaktoren zu einer individualisierten, prognoseadaptierten adjuvanten Therapie beim Mammakarzinom beitragen.
Neben den herkömmlichen Prognosefaktoren, die heute routinemäßig bei jedem Mammarkarzinom untersucht werden müssen, gibt es neuere Prognosefaktoren, die das Wachstum des Tumors und sein Metastasierungspotenzial charakterisieren.
19.5.7
Tumorausbreitung
19.5.7 Tumorausbreitung
Ist einmal ein Tumor nachgewiesen, kann es zu einer lokalen, regionalen oder fernen Metastasierung kommen. Hierbei besteht kein definiertes Ausdehnungsmuster. Während einige Tumoren sehr schnell in die regionalen Lymphknoten metastasieren und in der Brust keine Wachstumstendenz aufweisen, nehmen andere Tumoren lokal an Größe zu, ohne zu metastasieren.
Ist einmal ein Tumor nachgewiesen, kann es zu einer lokalen, regionalen oder fernen Metastasierung kommen.
Lokale Ausbreitung
Lokale Ausbreitung
Innerhalb der Brust sind 3 Ausbreitungsmechanismen von Bedeutung. Hierzu gehört einerseits die direkte Infiltration in das Nachbarparenchym, das dem mikroskopischen Bild der sternförmigen Ausläufer entspricht. Unkontrolliert kommt es zur Infiltration der darüber liegenden Haut und der angrenzenden Faszie.
Innerhalb der Brust sind 3 Ausbreitungsmechanismen von Bedeutung. Hierzu gehört die direkte Infiltration in das Nachbarparenchym. Des weiteren kann die Infiltration entlang der Milchgänge erfolgen.
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19.5.7 Tumorausbreitung
Tumorgröße und morphologische Kriterien Nodalnegative Patientinnen, bei denen die Tumorgröße 1 cm unterschreitet, haben eine ausgezeichnete Prognose. Die 5-Jahres-Rezidivquote liegt unter 5 %. Auch die Überschreitung dieser Größenangabe beeinflusst bei tumorfreien Lymphknoten die Prognose unwesentlich. Demgegenüber ist das histologische Grading mit der Prognose korreliert. Eine Einschränkung erfährt diese Korrelation über die subjektive Einstufung durch den Untersucher und die Tatsache, dass ca. 60 % aller Tumoren in ein mittleres Grading (G2) eingestuft werden. Unzweifelhaft ist jedoch der Nachweis einer Lymphangiosis oder Hämangiosis mit hoher Tendenz zur Metastasierung prognostisch ungünstig.
Tumorgröße und morphologische Kriterien Nodalnegative Patientinnen, bei denen die Tumorgröße 1 cm unterschreitet, haben eine ausgezeichnete Prognose. Die 5-Jahres-Rezidivquote liegt unter 5 %. Auch die Überschreitung von 1 cm beeinflusst bei tumorfreien Lymphknoten die Prognose unwesentlich. Demgegenüber ist das histologische Grading mit der Prognose korreliert.
Hormonrezeptorstatus
Hormonrezeptorstatus
Zu den wichtigsten Prognosefaktoren des Mammakarzinoms zählt der Östrogen- und Progesteronrezeptorstatus, der zugleich ein Selektionskriterium für eine adjuvante endokrine Therapie darstellt. Die Ansprechrate auf eine Hormontherapie bei östrogenrezeptorpositiven (ER+) Karzinomen beträgt ca. 60 %. Sind neben den Östrogen- auch die Progesteronrezeptoren (ER+, PgR+) positiv, erhöht sich die Ansprechrate auf annähernd 70 %. Das heißt, dass 30–40 % der Frauen mit einem positiven Rezeptorstatus nicht auf eine Antiöstrogentherapie ansprechen. Der Nachweis erfolgt entweder biochemisch durch Radioimmunassay oder immunhistologisch mit Erfassung der Steroidrezeptoren am Gefrierschnitt. Das biochemische Verfahren verlangt ein Homogenat aus mindestens 0,5 g Tumorfrischgewebe. Die Maßeinheit ist 1 Femtomol (1 fmol) gebundenes 3H-Östradiol pro mg Gewebeprotein. Positiv sind Werte > 10 fmol/mg. Bei der immunhistochemischen Untersuchung zeigt sich ein positiver Rezeptorbefund an der Anfärbung der Zellkerne. Farbintensität und Prozentsatz positiver Zellen ergeben einen immunreaktiven Score (IRS) mit 0–12 Punktwerten. Der Schwellenwert für die Abgrenzung rezeptorpositiver und -negativer Karzinome liegt bei 0–2 Punkten und entspricht einem biochemischen Wert von 10–20 fmol/mg Tumorprotein.
Zu den wichtigsten Prognosefaktoren des Mammakarzinoms zählt der Östrogen- und Progesteronrezeptorstatus, der zugleich ein Selektionskriterium für eine adjuvante endokrine Therapie darstellt. Die Ansprechrate auf eine Hormontherapie bei östrogenrezeptorpositiven (ER+) Karzinomen beträgt ca. 60 %. Sind neben den Östrogen- auch die Progesteronrezeptoren (ER+, PgR+) positiv, erhöht sich die Ansprechrate auf annähernd 70 %. Der Nachweis erfolgt entweder biochemisch durch Radioimmunassay oder immunhistochemisch mit Erfassung der Steroidrezeptoren am Gefrierschnitt.
Neuere Prognosefaktoren
Neuere Prognosefaktoren
Neben den herkömmlichen Prognosefaktoren, die heute routinemäßig bei jedem Mammakarzinom untersucht werden müssen, gibt es neuere Prognosefaktoren, die das Wachstum des Tumors und sein Metastasierungspotenzial charakterisieren. Sollte sich der Aussagewert dieser Faktoren bestätigen, wird es möglich sein, diejenigen Patientinnen zu identifizieren, die ohne Lymphknotenmetastasen später ein Rezidiv oder Fernmetastasen ausbilden. Andererseits könnten Prognosefaktoren zu einer individualisierten, prognoseadaptierten adjuvanten Therapie beim Mammakarzinom beitragen.
Neben den herkömmlichen Prognosefaktoren, die heute routinemäßig bei jedem Mammarkarzinom untersucht werden müssen, gibt es neuere Prognosefaktoren, die das Wachstum des Tumors und sein Metastasierungspotenzial charakterisieren.
19.5.7
Tumorausbreitung
19.5.7 Tumorausbreitung
Ist einmal ein Tumor nachgewiesen, kann es zu einer lokalen, regionalen oder fernen Metastasierung kommen. Hierbei besteht kein definiertes Ausdehnungsmuster. Während einige Tumoren sehr schnell in die regionalen Lymphknoten metastasieren und in der Brust keine Wachstumstendenz aufweisen, nehmen andere Tumoren lokal an Größe zu, ohne zu metastasieren.
Ist einmal ein Tumor nachgewiesen, kann es zu einer lokalen, regionalen oder fernen Metastasierung kommen.
Lokale Ausbreitung
Lokale Ausbreitung
Innerhalb der Brust sind 3 Ausbreitungsmechanismen von Bedeutung. Hierzu gehört einerseits die direkte Infiltration in das Nachbarparenchym, das dem mikroskopischen Bild der sternförmigen Ausläufer entspricht. Unkontrolliert kommt es zur Infiltration der darüber liegenden Haut und der angrenzenden Faszie.
Innerhalb der Brust sind 3 Ausbreitungsmechanismen von Bedeutung. Hierzu gehört die direkte Infiltration in das Nachbarparenchym. Des weiteren kann die Infiltration entlang der Milchgänge erfolgen.
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Von besonderer Bedeutung ist die lokale lymphatische und Gefäßausbreitung, da die Lymphbahnen sowohl gegen die Fascia pectoralis als auch den Warzenhof verlaufen.
19 Brustdrüse Ein weiterer Ausbreitungsweg besteht in der Infiltration entlang der Milchgänge, wobei nicht gesichert ist, ob es sich um die Modifikation einer »In-situ«-Erkrankung handelt. Ein ausgedehntes In-situ-Karzinom kann für die Multifokalität des Mammakarzinoms verantwortlich sein. Das multifokale Geschehen in dem gleichen Quadranten wie der Primärtumor ist vom multizentrischen Tumorwachstum außerhalb des Quadranten, in dem sich der Primärtumor befindet, zu unterscheiden. Die Inzidenz und die Ausdehnung der Multifokalität hängt von der Größe des Primärtumors ab. Diese Kenntnis ist eine wichtige Voraussetzung für die brusterhaltende Chirurgie. Von besonderer Bedeutung ist die lokale lymphatische und Gefäßausbreitung, da die Lymphbahnen sowohl gegen die Fascia pectoralis als auch den Warzenhof verlaufen.
Regionale Tumorausbreitung
Regionale Tumorausbreitung
Unter regionaler Tumorausbreitung wird die Metastasierung in die axillären, supraklavikulären und die innerhalb der Mamma gelegenen Lymphknoten verstanden. Die axillären Lymphknoten stellen die wichtigste Station der Metastasierung des Mammakarzinoms dar und sind prognostisch von hervorragender Bedeutung. Die Überlebensrate korreliert mit der Anzahl der Lymphknoten. Sowohl die Zahl der negativen als auch der positiven Lymphknoten ist von prognostischer Bedeutung (s.o.). 5 Jahre nach einer Mastektomie haben Frauen eine relative Überlebenszeit von 82 %, wenn keine Lymphknoten befallen sind. Bei 11 oder 12 beteiligten Lymphknoten reduziert sich die Überlebensrate auf 31 % und erreicht bei mehr als 20 positiven Lymphknoten 8 % nach 5 Jahren.
Unter regionaler Tumorausbreitung wird die Metastasierung in die axillären, supraklavikulären und die innerhalb der Mamma gelegenen Lymphknoten verstanden. Die axillären Lymphknoten stellen die wichtigste Station der Metastasierung des Mammakarzinoms dar und sind prognostisch von hervorragender Bedeutung. Bei Tumoren mit einem Durchmesser < 2 cm beträgt die Inzidenz axillärer Lymphknoten 20 % und steigt auf 35 % bei einem Durchmesser > 2 cm. In 50 % liegen axilläre Metastasen vor, wenn die Tumorgröße 5 cm überschritten hat. Hierbei gibt die palpable Größe der Lymphknoten keine Auskunft über einen möglichen Tumorbefall. Die Überlebensrate korreliert mit der Anzahl der Lymphknoten. Sowohl die Zahl der negativen als auch der positiven Lymphknoten ist von prognostischer Bedeutung (s.o.). 5 Jahre nach einer Mastektomie haben Frauen eine relative Überlebenszeit von 82 %, wenn keine Lymphknoten befallen sind. Liegen 1 oder 2 positive Lymphknoten zur Zeit der ersten Behandlung vor, sinkt die Überlebensrate auf 60 % und sinkt abermals auf 47 %, wenn 5–6 Knoten befallen sind. Bei 11 oder 12 beteiligten Lymphknoten reduziert sich die Überlebensrate auf 31 % und erreicht bei mehr als 20 positiven Lymphknoten 8 % nach 5 Jahren.
Erkrankungs-»Level«
Erkrankungs-»Level«
Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt bei einem Tumorbefall von Level I 65 %, bei einem Befall von Level II noch 31 % und sinkt bei einem Tumornachweis in Level III gegen 0 %.
Wie bereits oben beschrieben, werden die axillären Lymphknoten in Beziehung zum M. pectoralis in 3 Ebenen (Levels) unterteilt. Obwohl der Befall der einzelnen axillären Lymphknotenebenen von prognostischer Bedeutung ist, hat die Anzahl der befallenen Lymphknoten eine größere Aussagekraft. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt bei einem Tumorbefall von Level I 65 %, bei einem Befall von Level II noch 31 % und sinkt bei einem Tumornachweis im Level III gegen 0 %. Da trotz eines Tumornachweises in Level II bei 2 % der Patientinnen kein Tumor in Level I nachgewiesen werden kann, erbringt die alleinige Entfernung der Lymphknoten im Level I u.U. keine genaue prognostische Aussage.
Sentinel-node
Sentinel-node
Das Prinzip beruht auf der Annahme, dass der 1. erfassbare Lymphknoten ebenfalls die Lokalisation der 1. Metastase bedeutet. Dieser Lymphknoten kann mit einer Lymphabstromszintigraphie dokumentiert werden. In ersten Untersuchungen konnte so in 98 % der axilläre Lymphknotenstatus vorausgesagt werden. In 39 % war der Sentinel-Lymphknoten die einzige Metastasenmanifestation. Es liegt jedoch noch kein klinisches Routineverfahren vor.
Hierbei wird davon ausgegangen, dass der 1. Lymphknoten (SentinelLymphknoten) im Abflussgebiet des Primärtumors auch gleichzeitig die zu erwartende 1. Lokalisation einer Lymphknotenmetastasierung darstellt. Nach präoperativer Lymphabstromszintigraphie kann mit einer Gammasonde eine akkumulierende Radioaktivität erfasst werden. Nach bisherigen Untersuchungen kann mit diesem Verfahren der axilläre Lymphknotenstatus in 98 % vorausgesagt werden. Dies betrifft insbesondere Frauen ohne tumorverdächtige axilläre Symptome und bei Karzinomen < 1,5 cm Durchmesser. In 39 % war der Sentinel-node die einzige Manifestation einer axillären Metastasierung, und zwar in 63 % in Level I und in 23 % in Level II (vgl. 1 B-19.4).
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19.5.7 Tumorausbreitung
2 B-19.2
TNM-Klassifikation der Mammatumoren (UICC 1997)
N pT – Primärtumor n Die pathologische Klassifikation setzt die Untersuchung des Primärtumors ohne makroskopisch erkennbares Tumorgewebe an den Resektionsrändern voraus. Eine pT-Klassifizierung ist dann möglich, wenn an den Resektionsrändern Tumorgewebe ausschließlich histologisch nachgewiesen wurde. pTX pTis
Primärtumor kann nicht beurteilt werden Carcinoma in situ: intraduktales oder lobuläres Karzinom in situ bzw. Morbus Paget der Mamille ohne nachweisbares invasives Karzinom
Ist der Morbus Paget mit einem nachweisbaren Tumor kombiniert, wird er entsprechend der Größe des invasiven Karzinoms eingeteilt. pT1 Tumor ≤ 2 cm in der größten Ausdehnung π pT1a Tumor ≤ 0,5 cm in der größten Ausdehnung π pT1b Tumor > 0,5 cm aber < 1 cm in der größten Ausdehnung π pT1c Tumor > 1 cm aber < 2 cm in der größten Ausdehnung pT2 Tumor > 2 cm jedoch < 5 cm in der größten Ausdehnung pT3 Tumor > 5 cm pT4 Tumor jeder Größe mit Ausdehnung auf die Brustwand und Haut Die Brustwand schließt die Rippen, Interkostalmuskulatur und den vorderen Serratusmuskel mit ein, nicht aber die Pektoralismuskulatur. π π
π π
pT4a mit Ausdehnung auf die Brustwand pT4b mit Ödem und Orangenhaut, Ulzeration der Brusthaut oder Satellitenmetastasen der gleichseitigen Brust pT4c Kriterien 4a und 4b gemeinsam pT4d entzündliches Karzinom
Entzündliche Karzinome sind durch das klinische Bild charakterisiert, ohne dass eine palpable Tumormasse vorhanden sein muss. Ist die Hautbiopsie negativ und liegt kein lokalisiert messbarer Tumor vor, entspricht dem entzündlichen Karzinom (T4d) bei der pathologischen Klassifikation pTX. Bei der pT-Klassifikation wird die Tumorgröße nach der Messung der invasiven Komponente bestimmt. Bestehen eine In-situ-Komponente (z.B. 4 cm) und eine kleine invasive Komponente (z.B. 0,5 cm) wird der Tumor als pT1a klassifiziert. Einziehungen der Haut, Mamille oder andere Hautveränderungen außer denen, die unter T4 aufgeführt sind, können in T1, T2 oder T3 vorkommen, ohne die T-Klassifikation zu beeinflussen. N N – regionäre Lymphknoten n NX N0 N1 N2 N3
regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden keine regionären Lymphknotenmetastasen Metastasen in beweglichen ipsilateralen axillären Lymphknoten Metastasen in ipsilateralen axillären Lymphknoten, untereinander oder andere Strukturen fixiert. Metastasen in ipsilateralen Lymphknoten entlang der A. mammaria interna
N pN – regionäre Lymphknoten n Die pathologische Klassifikation basiert auf der histologischen Untersuchung wenigstens der unteren axillären Lymphknoten (Level I). Diese Resektion umfasst in der Regel 6 oder mehr Lymphknoten. pNX
regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden (nicht entnommen oder bereits entfernt) pN0 keine regionären Lymphknotenmetastasen pN1 Metastasen in beweglichen ipsilateralen axillären Lymphknoten π pN1a nur Mikrometastasen ( < 0,3 cm) π pN1b Metastasen in Lymphknoten, zumindest eine > 0,2 cm I Metastasen in 1–3 Lymphknoten, eine > 0,2 cm, aber alle < 2 cm II Metastasen in 4 oder mehr Lymphknoten, eine > 0,2 cm, aber alle < 2 cm III Ausdehnung der Metastasen über die Lymphknotenkapsel hinaus (alle < 2 cm in größter Ausdehnung) IV Metastasen in Lymphknoten 2 cm oder mehr in größter Ausdehnung. pN2 Metastasen in ipsilateralen axillären Lymphknoten, gegeneinander oder andere Strukturen fixiert pN3 Metastasen in Lymphknoten entlang der A. mammaria interna N (p)M – Fernmetastasen n MX das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden M0 keine Fernmetastasen M1 Fernmetastasen. Die Kategorie M1 kann wie folgt spezifiziert werden: π Lunge π Knochenmark PUL MAR π Knochen π Pleura OSS PLE π Leber π Peritoneum HEP PER π Hirn π Haut BRA SKI π Lymphknoten LYM π andere Organe OTH N G – histologisches Grading n GX Differenzierungsgrad kann nicht bestimmt werden G1 gut differenziert G2 mäßig differenziert G3 schlecht differenziert G4 undifferenziert N Stadiengruppierung n Stadium 0 Stadium I Stadium IIA Stadium IIB Stadium IIIA
Stadium IIIB Stadium IV
Tis T1 T0 T1 T2 T2 T3 T0 T1 T2 T3 T4 jedes T jedes T
N0 N0 N1* N1* N0 N1 N0 N2 N2 N2 N1, N2 jedes N N3 jedes N
M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M1
* Die Prognose von Patienten mit pN1a ist nur wenig schlechter als bei Patienten mit pN0.
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19 Brustdrüse Weitere Untersuchungen mit diesem Verfahren werden zeigen, ob es sich bei den unterschiedlichen Typen, Größen und Wachstumsformen der Karzinome bewährt.
Lymphknotenmetastasierung innerhalb der Mamma Sie ist vornehmlich mit medial- oder periareolären Tumoren vergesellschaftet, hat jedoch die gleiche prognostische Bedeutung wie ein Befall der axillären Lymphknoten.
Lymphknotenmetastasierung innerhalb der Mamma
Fernmetastasen
Fernmetastasen
Die Lokalisation von Fernmetastasen betrifft vornehmlich Knochen ( 1 B-19.15), Leber und Lunge. Auch Hirn,- Haut- und Peritonealmetastasen sind nicht ungewöhnlich.
Die Lokalisation von Fernmetastasen betrifft vornehmlich Knochen ( 1 B-19.15), Leber und Lunge. Auch Hirn-, Haut- und Peritonealmetastasen sind nicht ungewöhnlich. Der Nachweis von Mikrometastasen im Knochenmark ist bezüglich der prognostischen Bedeutung noch nicht geklärt.
1 B-19.15
Die Lymphbahnen innerhalb der Mamma dränieren im Bereich der Interkostalräume und der A. thoracica interna. Metastasen in diesen Lymphbahnen sind vornehmlich mit medial- oder periareolären Tumoren vergesellschaftet. Sie treten nur in 8 % ohne axillären Lymphknotenbefall auf, haben jedoch die gleiche prognostische Bedeutung wie die axillären Lymphknoten. Bei einem Befall beider Stationen ist die Prognose mit einer 10-Jahres-Überlebensrate von 25 % schlecht.
Synopsis Knochenmetastasen in der Ganzkörperskelettszintigraphie Ganzkörperskelettszintigraphie und Einzelaufnahmen des Thorax und des Beckens jeweils von ventral (RVL) und dorsal (LDR) 3 Stunden nach i.v. Gabe von 600 mbq 99m Tc-MDP. Die tiefschwarz dargestellten Bezirke entsprechen einem enorm gesteigerten Knochenstoffwechsel bei einer 64-jährigen Patientin mit multiplen, stammbetonten osteoblastischen Metastasen bei Mammakarzinom.
19.5.8
TNM-Klassifikation (UICC)
Die klinische TNM-Klassifikation findet ihre Bedeutung für die Wahl und Beurteilung der Therapie, während die pTNM-Klassifikation ( 2 B-19.2) postoperativ erfolgt und auf der histopathologischen Untersuchung basiert. Sie erfordert die Untersuchung des Primärtumors ohne makroskopisch erkennbaren Tumorrest an den Resektionsrändern.
19.5.8
TNM-Klassifikation (UICC)
Die klinische TNM-Klassifikation findet ihre Bedeutung für die Wahl und Beurteilung der Therapie, während die pTNM-Klassifikation ( 2 B-19.2) postoperativ erfolgt und auf der histopathologischen Untersuchung basiert. Sie erfordert die Untersuchung des Primärtumors ohne makroskopisch erkennbaren Tumorrest an den Resektionsrändern. Eine pT-Klassifikation ist jedoch möglich, wenn mikroskopisch Tumorgewebe an den Resektionsrändern nachgewiesen wird. Liegt ein nicht invasives Wachstum vor, wird die Tumorformel mit dem Zusatz »is« ergänzt. Liegen multiple simultane Tumoren vor, wird derjenige mit der höchsten pT-Kategorie bewertet und die Zahl der Mehrfachtumoren in Klammern angefügt, z.B. pT2 (3). Simultane bilaterale Karzinome werden separat klassifiziert. Einbeziehungen der Haut ändern mit Ausnahme der Stadien T4b und T4d die Tumorklassifikation nicht und können auch bei den Stadien T1–3 vorkommen. Die pN-Kategorie erfordert eine Beurteilung der regionären Lymphknoten. Diese umfassen die ipsilateralen axillären und interpektoralen Lymphkno-
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19.5.9 Chirurgische Therapie ten, wie auch die Lymphknoten entlang der A. mammaria interna. Für eine zuverlässige Beurteilung sind für den Level I mindestens 6 und für alle 3 Ebenen mindestens 10 Lymphknoten erforderlich. Außerhalb liegende Lymphknotenmetastasen (z.B. supraklavikulär, zervikal kontralateral und retrosternal) gelten als Fernmetastasen (p)M. Die pM-Kategorie setzt eine histopathologische Identifizierung der Fernmetastase voraus.
19.5.9
Chirurgische Therapie
19.5.9 Chirurgische Therapie
Ziel der operativen Therapie des primären Mammakarzinoms ist die sichere lokale Tumorkontrolle und die Vermeidung lokaler Rezidive. Die Operation muss so angelegt sein, dass ein möglichst gutes kosmetisches Ergebnis erzielt wird. In 2⁄3 aller Fälle ist dies mit Hilfe brusterhaltender Verfahren in Kombination mit einer postoperativen Bestrahlung, die dann als ein erforderlicher Anteil der Therapie zu betrachten ist, möglich.
1 B-19.16
Ziel der operativen Therapie des primären Mammakarzinoms ist die sichere lokale Tumorkontrolle und die Vermeidung lokaler Rezidive.
Synopsis Schnittführungen bei Mammaoperationen
2
3 1
3
2
1
1 2
b b Querovaläre Schnittführung bei Masta Periareolärer Schnitt (1), später kaum ektomie, erweiterter Mastektomie und sichtbar, kann für Prozesse bis zu 5 cm modifiziert radikaler Mastektomie (1); von der Areola entfernt verwendet liegt der Tumor weit kranial oder kaudal werden (markierter Bereich subkutane der Mamille, evtl. schräge SchnittPräparationsfläche); zirkuläre Schnittführung (2) (schattierter Bereich subführung (2) in den oberen Quadranten kutane Hautmobilisierung zur radikalen kosmetisch günstiger; in den unteren Brustdrüsenexstirpation). Quadranten radiäre Schnittführung (3) günstig.
Für die individualisierte, stadiengerechte Operation stehen folgende Verfahren zur Verfügung.: π totale Mastektomie mit axillärer Lymphadenektomie π radikale Mastektomie π erweiterte radikale Mastektomie π modifizierte radikale Mastektomie π einfache totale Mastektomie π partielle Mastektomie (Segmentektomie) π Tumorektomie. Schnittführung bei Mammaoperationen ( 1 B-19.16).
Totale Mastektomie mit axillärer Lymphadenektomie Hierbei handelt es sich um die vollständige Entfernung der Brustdrüse einschließlich der axillären Lymphknoten in Level I und II. Die totale Mastektomie mit axillärer Lymphonodektomie kommt beim resektablen Brustkrebs dann zur Anwendung, wenn ein brusterhaltendes Vorgehen nicht möglich ist oder die Patientin dieses wünscht.
c Hautinzision (1) über dem Tumor (bei Hautinfiltration mit Hautspindelexzision); Tumorexstirpation (2) 1 cm im gesunden Gewebe; getrennte axilläre Inzisionen (3) (quer oder vertikal) zur Axillarevision.
Für die individualisierte, stadiengerechte Operation stehen folgende Verfahren zur Verfügung: π totale Mastektomie mit axillärer Lymphadenektomie π radikale Mastektomie π erweiterte radikale Mastektomie π modifizierte radikale Mastektomie π einfache totale Mastektomie π partielle Mastektomie (Segmentektomie) π Tumorektomie. Schnittführung bei Mammaoperationen ( 1 B-19.16). Totale Mastektomie mit axillärer Lymphadenektomie Hierbei handelt es sich um die vollständige Entfernung der Brustdrüse einschließlich der axillären Lymphknoten in Level I und II.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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19.5.9 Chirurgische Therapie ten, wie auch die Lymphknoten entlang der A. mammaria interna. Für eine zuverlässige Beurteilung sind für den Level I mindestens 6 und für alle 3 Ebenen mindestens 10 Lymphknoten erforderlich. Außerhalb liegende Lymphknotenmetastasen (z.B. supraklavikulär, zervikal kontralateral und retrosternal) gelten als Fernmetastasen (p)M. Die pM-Kategorie setzt eine histopathologische Identifizierung der Fernmetastase voraus.
19.5.9
Chirurgische Therapie
19.5.9 Chirurgische Therapie
Ziel der operativen Therapie des primären Mammakarzinoms ist die sichere lokale Tumorkontrolle und die Vermeidung lokaler Rezidive. Die Operation muss so angelegt sein, dass ein möglichst gutes kosmetisches Ergebnis erzielt wird. In 2⁄3 aller Fälle ist dies mit Hilfe brusterhaltender Verfahren in Kombination mit einer postoperativen Bestrahlung, die dann als ein erforderlicher Anteil der Therapie zu betrachten ist, möglich.
1 B-19.16
Ziel der operativen Therapie des primären Mammakarzinoms ist die sichere lokale Tumorkontrolle und die Vermeidung lokaler Rezidive.
Synopsis Schnittführungen bei Mammaoperationen
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b b Querovaläre Schnittführung bei Masta Periareolärer Schnitt (1), später kaum ektomie, erweiterter Mastektomie und sichtbar, kann für Prozesse bis zu 5 cm modifiziert radikaler Mastektomie (1); von der Areola entfernt verwendet liegt der Tumor weit kranial oder kaudal werden (markierter Bereich subkutane der Mamille, evtl. schräge SchnittPräparationsfläche); zirkuläre Schnittführung (2) (schattierter Bereich subführung (2) in den oberen Quadranten kutane Hautmobilisierung zur radikalen kosmetisch günstiger; in den unteren Brustdrüsenexstirpation). Quadranten radiäre Schnittführung (3) günstig.
Für die individualisierte, stadiengerechte Operation stehen folgende Verfahren zur Verfügung.: π totale Mastektomie mit axillärer Lymphadenektomie π radikale Mastektomie π erweiterte radikale Mastektomie π modifizierte radikale Mastektomie π einfache totale Mastektomie π partielle Mastektomie (Segmentektomie) π Tumorektomie. Schnittführung bei Mammaoperationen ( 1 B-19.16).
Totale Mastektomie mit axillärer Lymphadenektomie Hierbei handelt es sich um die vollständige Entfernung der Brustdrüse einschließlich der axillären Lymphknoten in Level I und II. Die totale Mastektomie mit axillärer Lymphonodektomie kommt beim resektablen Brustkrebs dann zur Anwendung, wenn ein brusterhaltendes Vorgehen nicht möglich ist oder die Patientin dieses wünscht.
c Hautinzision (1) über dem Tumor (bei Hautinfiltration mit Hautspindelexzision); Tumorexstirpation (2) 1 cm im gesunden Gewebe; getrennte axilläre Inzisionen (3) (quer oder vertikal) zur Axillarevision.
Für die individualisierte, stadiengerechte Operation stehen folgende Verfahren zur Verfügung: π totale Mastektomie mit axillärer Lymphadenektomie π radikale Mastektomie π erweiterte radikale Mastektomie π modifizierte radikale Mastektomie π einfache totale Mastektomie π partielle Mastektomie (Segmentektomie) π Tumorektomie. Schnittführung bei Mammaoperationen ( 1 B-19.16). Totale Mastektomie mit axillärer Lymphadenektomie Hierbei handelt es sich um die vollständige Entfernung der Brustdrüse einschließlich der axillären Lymphknoten in Level I und II.
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736
19 Brustdrüse
Die totale Mastektomie mit axillärer Lymphonodektomie kommt beim resektablen Brustkrebs dann zur Anwendung, wenn ein brusterhaltendes Vorgehen nicht möglich ist oder die Patientin dieses wünscht.
Sie muss von der radikalen Mastektomie, die inzwischen durch die eingeschränkte Radikaloperation weitestgehend ersetzt wurde und nur bei großen Tumoren mit Befall der Pektoralismuskulatur in Frage kommt, abgegrenzt werden. Sie darf ferner nicht mit der einfachen Mastektomie für die es nur wenig definierte Indikationen gibt, verwechselt werden (s. S. 737).
Operatives Vorgehen: Horizontale, spindelförmige Inzision vom Sternum bis zur vorderen Axillarlinie. Die Inzision muss mindestens 3 cm vom Tumor entfernt liegen. Die Präparation erfolgt nach medial bis zum Sternum, nach lateral bis zur Klavikula und nach kaudal bis zum Ansatz des M. rectus abdominis. Die Brust wird dann von medial nach lateral gelöst.
Operatives Vorgehen: Horizontale, spindelförmige Inzision vom Sternum bis zur vorderen, evtl. mittleren Axillarlinie. Die Inzision muss mindestens 3 cm vom Tumor entfernt liegen. Dieser Abstand kann ggf. durch Achsendrehung der Umschneidungsfigur erzielt werden. Die Präparation erfolgt nach medial bis zum Sternum, nach kranial bis an das Schlüsselbein und nach kaudal zum Ansatz des M. rectus abdominis. Die Brust wird anschließend von medial mit der Pektoralisfaszie vom entsprechenden Muskel unter Kontrolle der Blutstillung nach lateral gelöst, um anschließend die laterale Präparationsebene nach kranial bis zur V. axillaris zu vervollständigen. Zur Ausräumung der Axilla wird die V. axillaris lokalisiert und das axillare Binde- und Fettgewebe »en bloc« lateral von der Vene gegen die Faszie des M. latissimus dorsi und M. subscapularis nach medial und kaudal präpariert. Hierbei ist auf die Nn. thoracicus longus, thoracodorsalis und intercostobrachiales zu achten. Besteht der Verdacht auf einen Tumorbefall der Lymphknoten des Levels I und II, werden auch die infraklavikulären Lymphknoten des Levels III entfernt.
Zur Axillaausräumung wird die V. axillaris lokalisiert und das axillare Bindeund Fettgewebe »en bloc« nach medial und kaudal präpariert (cave: Nervenverläufe). Modifizierte radikale Mastektomie nach Patey Dieses Verfahren besteht in einer totalen Mastektomie mit kompletter Lymphonodektomie (Level I – III) und Entfernung des M. pectoralis minor. Es handelt sich um eine Modifikation der radikalen Mastektomie mit dem Ziel, die Thoraxkontur durch Belassen des M. pectoralis major zu erhalten ( 1 B-19.17).
Modifizierte radikale Mastektomie nach Patey Dieses Verfahren besteht in einer totalen Mastektomie mit kompletter Lymphonodektomie (Level I – III) und Entfernung des M. pectoralis minor. Es handelt sich um eine Modifikation der radikalen Mastektomie mit dem Ziel, die Thoraxkontur durch Belassen des M. pectoralis major zu erhalten. Durch Entfernung des M. pectoralis minor hat sie den Vorteil, dass die Level II und III mühelos erreicht und die interpektoralen Lymphknoten mitentfernt werden können. Das operative Vorgehen entspricht bis zur Ausräumung der Axilla dem der totalen Mastektomie mit Lymphknotenausräumung. Anschließend erfolgt die Mobilisation des M. pectoralis minor unter Schonung der Pektoralnerven, der dann an seinem Ursprung abgetragen und einschließlich der Lymphknoten entfernt wird ( 1 B-19.17).
1 B-19.17
Synopsis Modifizierte radikale Mastektomie nach Patey
Die modifizierte radikale Mastektomie nach Patey besteht in einer radikalen Mastektomie einschließlich einer kompletten Lymphadenektomie von Level I – III mit Entfernung des M. pectoralis minor.
M. pectoralis minor
M. pectoralis major
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737
19.5.9 Chirurgische Therapie
Radikale Mastektomie nach Rotter-Halsted Die totale Mastektomie mit Entfernung beider Pektoralmuskeln und vollständiger axillärer Lymphadenektomie bis zur Klavikula wurde wegen ihrer starken Verstümmelung weitestgehend verlassen. Als seltene Indikation kommen große T3-Tumoren mit Infiltration des M. pectoralis major oder eine massive Invasion der interpektoralen Lymphknoten einschließlich einer Infiltration der Muskulatur in Frage.
Radikale Mastektomie nach Rotter-Halsted Die totale Mastektomie mit Entfernung beider Pektoralmuskeln und vollständiger axillärer Lymphadenektomie bis zur Klavikula wurde wegen ihrer starken Verstümmelung weitestgehend verlassen.
Totale (einfache) Mastektomie
Totale (einfache) Mastektomie
Dieses Verfahren ist als eine vollständige Entfernung der Brustdrüse ohne axilläre Lymphonodektomie unter Erhalt beider Brustmuskeln definiert ( 1 B-19.18).
Dieses Verfahren ist als eine vollständige Entfernung der Brustdrüse ohne axilläre Lymphonodektomie unter Erhalt beider Brustmuskeln definiert ( 1 B-19.18).
1 B-19.18
Synopsis Totale (einfache) Mastektomie
Das Prinzip der Operation besteht in einer vollständigen Entfernung der Brustdrüse ohne axilläre Lymphadenektomie unter Erhalt beider Brustmuskeln.
Als Indikationen ergeben sich: π nicht invasive duktale oder lobuläre Karzinome, wenn eine lokale Exzision aufgrund der Ausdehnung nicht möglich ist und andererseits kein Verdacht auf axilläre Lymphknotenmetastasen besteht π Lokalrezidiv nach brusterhaltender und axillärer Lymphonodektomie ohne Fernmetastasen π lokale Tumorkontrolle bei fortgeschrittenem Karzinom mit Fernmetastasen π Inoperabilität bei allgemeinen Risikofaktoren (evtl. Lokalanästhesie) π prophylaktische Mastektomie der kontralateralen Seite bei hohem Risiko einer bilateralen Karzinomentstehung π nicht invasive Form des Morbus Paget π chronische Mastitis mit schwerer Brustdeformität. Das operative Vorgehen entspricht der 1. Phase der totalen Mastektomie mit axillärer Lymphonodektomie (s.o.). Der Eingriff kann, wenn erforderlich, auch in Lokalanästhesie vorgenommen werden.
Als Indikationen ergeben sich: nicht invasive duktale oder lobuläre Karzinome, wenn keine lokale Exzision möglich ist und kein Verdacht auf axilläre Lymphknotenmetastasen besteht π Lokalrezidiv nach brusterhaltender und axillärer Lymphonodektomie ohne Fernmetastasen π lokale Tumorkontrolle bei fortgeschrittenem Karzinom mit Fernmetastasen π Inoperabilität bei allgemeinen Risikofaktoren (evtl. Lokalanästhesie) π prophylaktische Mastektomie der kontralateralen Seite bei hohem Risiko einer bilateralen Karzinomentstehung π nichtinvasive Form des Morbus Paget π chronische Mastitis mit schwerer Brustdeformität.
Brusterhaltende Operationen
Brusterhaltende Operationen
Die Erkenntnis, dass bereits zum Zeitpunkt der Primärtherapie bei 60–65 % der erkrankten Frauen eine Metastasierung stattgefunden hat und damit der weitere Verlauf nicht mehr durch eine radikale Operationstechnik korrigierbar ist, hat zu einem Umdenken in der Chirurgie des Brustkrebses geführt, indem Mammakarzinome bereits zum Zeitpunkt der Primärdiagnose als systemische Erkrankung betrachtet werden. Unter diesen Gesichtspunkten
Bei 60–65 % der erkrankten Frauen liegt bereits zum Zeitpunkt der Primärtherapie eine Metastasierung vor, sodass die Mammakarzinome in diesen Fällen als systemische Erkrankung betrachtet werden müssen.
π
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738 Eine radikale Operationstechnik nimmt deshalb keinen korrigierenden Einfluss auf den Gesamtverlauf. Merke
19 Brustdrüse haben sich unter der Voraussetzung der lokalen Tumorkontrolle Therapieverfahren bis zur Organerhaltung entwickelt. n Merke. Bei den brusterhaltenden Operationsverfahren ist sowohl die axilläre Lymphonodektomie als auch die postoperative Bestrahlung ein integraler Bestandteil der Behandlung.
Selektionskriterien für brusterhaltende Operationsverfahren: π Das Ziel dieser Operationen ist neben der lokoregionalen Sanierung ein akzeptables kosmetisches Ergebnis. π Es darf keine Beziehung des Primärtumors zur Mamille bestehen. π Eine Multizentrizität muss mammographisch/sonographisch ausgeschlossen sein. π Der Tumortyp sollte ein multifokales Wachstum ausschließen lassen. π Die Patientin muss einer Nachbestrahlung der Brust zustimmen.
Selektionskriterien für brusterhaltende Operationsverfahren: π Das Ziel dieser Operationen ist neben der lokoregionalen Sanierung ein akzeptables kosmetisches Ergebnis. Grundsätzlich sollten hierfür nicht mehr als 25 % des Brustvolumens entfernt werden, da sonst mit Verstümmelungen gerechnet werden muss. π Es darf keine Beziehung des Primärtumors zur Mamille bestehen. π Eine Multizentrizität muss mammographisch/sonographisch ausgeschlossen sein. π Der Tumortyp sollte ein multifokales Wachstum ausschließen lassen. Kritisch zu bewerten sind Karzinome mit ausgedehnter intraduktaler Komponente, häufig bei Frauen um oder unter 35 Jahren sowie lobuläre Karzinome und Karzinome mit umgebender Lymphangiosis carcinomatosa. π Die Patientin muss einer Nachbestrahlung der Brust zustimmen.
Als Kontraindikationen gelten das multizentrische Karzinom, ein ausgedehntes multifokales Wachstum, diffuse Mikrokalzifikationen, Kollagenosen mit Gefäßbeteiligung, die vorbestrahlte Brust und die Makromastie ( 2 B-19.3). Zu den brusterhaltenden Verfahren gehören: π Quadrantektomie π Segmentektomie und π Tumorektomie.
Als Kontraindikationen gelten das multizentrische Karzinom, ein ausgedehntes multifokales Wachstum, diffuse Mikrokalzifikationen, Kollagenosen mit Gefäßbeteiligung, die vorbestrahlte Brust (z.B. Morbus Hodgkin) und die Makromastie ( 2 B-19.3). Zu den brusterhaltenden Verfahren gehören: π Quadrantektomie π Segmentektomie und π Tumorektomie.
2 B-19.3
Kontraindikationen einer brusterhaltenden Operation bei Mammakarzinom
Absolut N »No change« oder »progressive disease« bei Tumoren über 3–5 cm n (in Abhängigkeit von der Brustgröße nach präoperativer Chemotherapie) N Multizentrizität n N EIC (extensive intraduktale Komponente) bei vorhandenem invasivem Karzinom n N ausgedehntes duktales Carcinoma in situ (DCIS) n N inflammatorisches Mammakarzinom nach präoperativer Chemotherapie n N Morbus Paget n N Lokalrezidiv nach brusterhaltender Primäroperation n N Ablehnung einer Strahlentherapie n Relativ N ungünstige Tumor-, Brustgröße (in Relation zueinander) n N Multifokalität bei zu erwartendem ungünstigen kosmetischen Ergebnis n N retromamillärer Tumorsitz n
Quadrantektomie
Quadrantektomie
Hierbei handelt es sich um eine »En-bloc«-Resektion des Tumors mit annähernd 1 Quadranten des Brustgewebes, der darunter liegenden Faszie des M. pectoralis major und der darüber liegenden Haut ( 1 B-19.19).
Hierbei handelt es sich um eine »En-bloc«-Resektion des Tumors mit annähernd 1 Quadranten des Brustgewebes, der darunter liegenden Faszie des M. pectoralis major und der darüber liegenden Haut. Dieses Verfahren ist nur im Stadium T1 N0 M0 sowie bei suspekten Befunden vertretbar. Die Indikation besteht nur bei sehr kleinen (< 2 cm) Tumoren und sicher freier Achselhöhle (LK-Probeentnahme).
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739
19.5.10 Nachbehandlung Liegt der Tumor im äußeren, oberen Quadranten erfolgt die Resektion von Tumor und axillären Lymphknoten von einem Zugang aus. In allen anderen Fällen wird die Lymphknotenexzision durch einen separaten Zugang vorgenommen ( 1 B-19.19). Im Hinblick auf das kosmetische Ergebnis in Kombination mit der erforderlichen Strahlentherapie unterliegt dieses Verfahren jedoch Einschränkungen in der Anwendung.
1 B-19.19
Das Verfahren ist nur im Stadium T1 N0 M0 und bei suspekten Befunden vertretbar. Die Axilla muss sicher frei sein (Axillarevision).
Synopsis Brusterhaltende Operation: Quadrantektomie »En-bloc«-Resektion des Tumors mit annähernd 1 Quadranten des Brustgewebes, der darunter liegenden Faszie des M. pectoralis major und der darüber liegenden Haut. Liegt der Tumor im äußeren oberen Quadranten, erfolgt vom gleichen Zugang aus die axilläre Lymphadenektomie. In allen anderen Fällen erfolgt die Lymphknotenresektion über einen separaten Zugang.
Segmentektomie, Tumorektomie (Lumpektomie)
Segmentektomie, Tumorektomie
Unter Segmentektomie (partielle Mastektomie) wird die Exzision des Tumors mit makroskopisch tumorfreien Resektionsrändern verstanden, während bei der Tumorektomie eine einfache Resektion des Tumors ohne Beachtung der Resektionsränder erfolgt.
Die Segmentektomie (partielle Mastektomie) ist die Tumorentfernung mit makroskopisch tumorfreien Resektionsrändern, während die Tumorektomie die Resektionsränder nicht beachtet.
19.5.10
Nachbehandlung
19.5.10 Nachbehandlung
Für die Nachbehandlung des operierten Mammakarzinoms stehen die Radiotherapie mit Neutronen und Elektronen sowie die Hormon- und Chemotherapie zur Verfügung.
Adjuvante Radiotherapie
Adjuvante Radiotherapie
Indikation
Indikation: π Lymphknotenbestrahlung nach brusterhaltenden Operationsverfahren π Bei fortgeschrittenen Tumorstadien mit Faszien-, Muskel- oder Hautbefall: T1–3b, T4a, b, c erfolgt die Radiotherapie nach (eingeschränkter) Mastektomie. π Primärtherapie bei lokal fortgeschrittenem Karzinom evtl. kombiniert mit einer Hormontherapie. π Befall der Axilla mit > 10 Lymphknoten und/oder Durchbruch der Lymphknotenkapsel. Kontraindikationen. Wegen der Gefahr des Lymphödems der oberen Extremität erfolgt nach Mastektomie keine routinemäßige Bestrahlung. Hormontherapie
π
π
π
π
Lymphknotenbestrahlung nach brusterhaltenden Operationsverfahren (Lumpektomie, Quadrantektomie). Bei fortgeschrittenen Tumorstadien mit Faszien-, Muskel- oder Hautbefall: T1–3b, T4a, b, c: Hier erfolgt die Radiotherapie nach (eingeschränkter) Mastektomie. Primärtherapie bei lokal fortgeschrittenem Karzinom evtl. kombiniert mit einer Hormontherapie (z.B. bei älteren Patienten). Befall der Axilla mit > 10 Lymphknoten und/oder Durchbruch der Lymphknotenkapsel evtl. kombiniert mit einer Hochdosis-Chemotherapie.
Kontraindikationen. Wegen der Gefahr des Lymphödems der oberen Extremität erfolgt nach Mastektomie keine routinemäßige Bestrahlung von Brustwand und ableitenden Lymphbahnen.
Hormontherapie Aufgrund der bekannten Hormonrezeptoren an den Tumorzellen (s.o.) bietet sich eine medikamentöse Blockade dieser Rezeptoren an. Allerdings profitieren lediglich 40 % der erkrankten Frauen von einer Hormontherapie.
Aufgrund der bekannten Hormonrezeptoren an den Tumorzellen (s.o.) bietet sich eine medikamentöse Blockade dieser Rezeptoren an. 40 % der erkrankten Frauen profitieren von einer Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Hormontherapie.
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19.5.10 Nachbehandlung Liegt der Tumor im äußeren, oberen Quadranten erfolgt die Resektion von Tumor und axillären Lymphknoten von einem Zugang aus. In allen anderen Fällen wird die Lymphknotenexzision durch einen separaten Zugang vorgenommen ( 1 B-19.19). Im Hinblick auf das kosmetische Ergebnis in Kombination mit der erforderlichen Strahlentherapie unterliegt dieses Verfahren jedoch Einschränkungen in der Anwendung.
1 B-19.19
Das Verfahren ist nur im Stadium T1 N0 M0 und bei suspekten Befunden vertretbar. Die Axilla muss sicher frei sein (Axillarevision).
Synopsis Brusterhaltende Operation: Quadrantektomie »En-bloc«-Resektion des Tumors mit annähernd 1 Quadranten des Brustgewebes, der darunter liegenden Faszie des M. pectoralis major und der darüber liegenden Haut. Liegt der Tumor im äußeren oberen Quadranten, erfolgt vom gleichen Zugang aus die axilläre Lymphadenektomie. In allen anderen Fällen erfolgt die Lymphknotenresektion über einen separaten Zugang.
Segmentektomie, Tumorektomie (Lumpektomie)
Segmentektomie, Tumorektomie
Unter Segmentektomie (partielle Mastektomie) wird die Exzision des Tumors mit makroskopisch tumorfreien Resektionsrändern verstanden, während bei der Tumorektomie eine einfache Resektion des Tumors ohne Beachtung der Resektionsränder erfolgt.
Die Segmentektomie (partielle Mastektomie) ist die Tumorentfernung mit makroskopisch tumorfreien Resektionsrändern, während die Tumorektomie die Resektionsränder nicht beachtet.
19.5.10
Nachbehandlung
19.5.10 Nachbehandlung
Für die Nachbehandlung des operierten Mammakarzinoms stehen die Radiotherapie mit Neutronen und Elektronen sowie die Hormon- und Chemotherapie zur Verfügung.
Adjuvante Radiotherapie
Adjuvante Radiotherapie
Indikation
Indikation: π Lymphknotenbestrahlung nach brusterhaltenden Operationsverfahren π Bei fortgeschrittenen Tumorstadien mit Faszien-, Muskel- oder Hautbefall: T1–3b, T4a, b, c erfolgt die Radiotherapie nach (eingeschränkter) Mastektomie. π Primärtherapie bei lokal fortgeschrittenem Karzinom evtl. kombiniert mit einer Hormontherapie. π Befall der Axilla mit > 10 Lymphknoten und/oder Durchbruch der Lymphknotenkapsel. Kontraindikationen. Wegen der Gefahr des Lymphödems der oberen Extremität erfolgt nach Mastektomie keine routinemäßige Bestrahlung. Hormontherapie
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Lymphknotenbestrahlung nach brusterhaltenden Operationsverfahren (Lumpektomie, Quadrantektomie). Bei fortgeschrittenen Tumorstadien mit Faszien-, Muskel- oder Hautbefall: T1–3b, T4a, b, c: Hier erfolgt die Radiotherapie nach (eingeschränkter) Mastektomie. Primärtherapie bei lokal fortgeschrittenem Karzinom evtl. kombiniert mit einer Hormontherapie (z.B. bei älteren Patienten). Befall der Axilla mit > 10 Lymphknoten und/oder Durchbruch der Lymphknotenkapsel evtl. kombiniert mit einer Hochdosis-Chemotherapie.
Kontraindikationen. Wegen der Gefahr des Lymphödems der oberen Extremität erfolgt nach Mastektomie keine routinemäßige Bestrahlung von Brustwand und ableitenden Lymphbahnen.
Hormontherapie Aufgrund der bekannten Hormonrezeptoren an den Tumorzellen (s.o.) bietet sich eine medikamentöse Blockade dieser Rezeptoren an. Allerdings profitieren lediglich 40 % der erkrankten Frauen von einer Hormontherapie.
Aufgrund der bekannten Hormonrezeptoren an den Tumorzellen (s.o.) bietet sich eine medikamentöse Blockade dieser Rezeptoren an. 40 % der erkrankten Frauen profitieren von einer Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Hormontherapie.
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740 Merke
19 Brustdrüse
n Merke. Bei jedem operierten Mammakarzinom ist die Rezeptoranalyse gefordert.
Bei postmenopausalen, östrogenrezeptorpositiven Patientinnen führt die additive Hormontherapie mit Tamoxifen zu einer Rezidivabnahme von 25–30 %.
Bei postmenopausalen, östrogenrezeptorpositiven Patientinnen führt die additive Hormontherapie mit dem Antiöstrogen Tamoxifen (20–40 mg p.o./Tag) zu einer Senkung der Rezidive um 25–30 % und zu einer Erhöhung der Gesamtüberlebensrate von mehr als 10–15 % nach 10 Jahren. Diese Therapie beeinflusst jedoch nicht die viszerale Metastasierung.
Chemotherapie
Chemotherapie
Ziel einer Chemotherapie ist die therapeutische oder palliative Beeinflussung des Tumorwachstums, insbesondere von Fernmetastasen.
Ziel einer Chemotherapie ist die therapeutische oder palliative Beeinflussung des Tumorwachstums, insbesondere von Fernmetastasen (z.B. CMFSchema mit der Kombination von Cyclophosphamid, Methotrexat und 5-Fluorouracil). Nieren- und Leberinsuffizienz, chronische Infekte und andere progrediente Tumoren stellen eine Kontraindikation zur Chemotherapie dar.
19.5.11 Rezidive
19.5.11
Das Wiederauftreten eines Karzinoms in der verbliebenen Brust nach brusterhaltendem Vorgehen oder an der Thoraxwand nach Mastektomie wird als lokales Rezidiv bezeichnet.
In Abhängigkeit von der Lokalisation eines Tumorrezidivs werden lokale und lokoregionäre Rezidive und die Metastasierung unterschieden. Das Wiederauftreten eines Karzinoms in der verbliebenen Brust nach brusterhaltendem Vorgehen oder an der Thoraxwand nach Mastektomie wird als lokales Rezidiv bezeichnet. Lokale Rezidive nach Mastektomie unterschiedlicher Verfahrensweisen unterscheiden sich in ihrer prognostischen Bedeutung grundsätzlich von denen brusterhaltender Operationen. Während Lokalrezidive nach Mastektomie auf eine vorhandene oder bevorstehende allgemeine Metastasierung hinweisen, handelt es sich bei Rezidiven in der erhaltenen Brust in der Regel nur um ein lokales Phänomen, das durch lokale Maßnahmen erfolgreich behandelt werden kann (s.u.). Als lokoregionäre Rezidive gelten Tumormanifestationen der unmittelbaren Umgebung oder auch im Bereich der ipsilateralen Lymphknoten (Axilla, Supraklavikular-, Infraklavikular- und Parasternalregion). Bei der Metastasierung kommt es zu einer weiteren Ausbreitung auf sekundäre Lymphknotengebiete, Peritoneum, Pleura oder zu hämatogenen Organmetastasen.
Als lokoregionäre Rezidive gelten Tumormanifestationen der unmittelbaren Umgebung oder im Bereich der ipsilateralen Lymphknoten. Die Metastasierung führt zu einer weiteren lymphogenen oder hämatogenen Ausbreitung. Lokoregionäre Rezidive nach Mastektomie Für das Auftreten von Lokalrezidiven sind die bekannten Prognosefaktoren ausschlaggebend. Die meisten Rezidive treten innerhalb von 2 Jahren nach Primärbehandlung auf. Das Entstehen von Metastasen wird durch eine postoperative adjuvante Radiotherapie vermindert. Während eine adjuvante Chemotherapie nur geringen Einfluss auf das Lokalrezidiv hat, kann Tamoxifen (Antiöstrogen) die Rate der Lokalrezidive um die Hälfte senken.
Therapie. Die Behandlung der Lokalrezidive besteht in der chirurgischen Exzision und/oder Bestrahlung. Liegen Fernmetastasen vor, ist eine systemische Behandlung erforderlich.
Rezidive
Lokoregionäre Rezidive nach Mastektomie Nach radikaler Mastektomie beträgt die Inzidenz der Lokalrezidive bei nodalnegativen Frauen 3–8 %, bei nodalpositiven 19–27 %. Für das Auftreten von Lokalrezidiven sind die bekannten Prognosefaktoren (Lymphknotenstatus, Tumorgröße, Differenzierungsgrad, Tumorbefall der Haut oder Faszie, Exulzeration der Haut und Brustödem) ausschlaggebend. Die meisten Rezidive treten innerhalb von 2 Jahren nach der Primärbehandlung, 80–90 % nach 5 Jahren und nahezu alle in 10 Jahren auf. 50 % der Rezidive entstehen an der Thoraxwand und ca. je 10 % in der Axilla, supraklavikulär und parasternal. In 1⁄3 sind Brustwand und Lymphknotenregionen zugleich betroffen. Durch eine postoperative adjuvante Radiotherapie lässt sich das Entstehen von Metastasen deutlich beeinflussen. Demgegenüber hat die adjuvante Chemotherapie nur wenig Einfluss auf die Inzidenz von Lokalrezidiven. Die adjuvante Behandlung mit Tamoxifen (Antiöstrogen) kann die Rate der Lokalrezidive um etwa die Hälfte senken.
Therapie. Die Behandlung lokaler Rezidive besteht in der chirurgischen Exzision und/oder Bestrahlung. Auf diese Weise lassen sich 50–70 % der Lokalrezidive beherrschen. Sind neben den Lokalrezidiven auch Fernmetastasen nachgewiesen, ist eine systemische Behandlung erforderlich.
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741
19.5.12 Nachsorgemaßnahmen
Lokoregionäres Rezidiv nach brusterhaltenden Maßnahmen Lokalrezidive in der operierten Brust können als Rezidiv des Primärtumors (echte Lokalrezidive) oder als neuer Primärtumor (Zweitkarzinom) entstehen. Rezidive von Primärtumoren sind im oder um das ehemalige Tumorbett lokalisiert und treten relativ früh auf. Zweittumoren können in allen Quadranten der Brust entstehen und treten selten in den ersten 5 Jahren nach Behandlungsabschluss auf. Ihre Inzidenz hängt von der Größe des Primärtumors und dem Ausmaß der Resektion ab. Die durchschnittliche Inzidenz von Lokalrezidiven nach brusterhaltender Therapie mit adjuvanter Radiotherapie beträgt 10 %.
Therapie. Die Therapie von Lokalrezidiven nach brusterhaltenden Maßnahmen besteht in der Regel in der Entfernung der erkrankten Brust (salvage mastectomy), die eine 5-Jahres-Überlebensrate von 45–70 % zur Folge hat.
19.5.12
Nachsorgemaßnahmen
Lokoregionäres Rezidiv nach brusterhaltenden Maßnahmen Lokalrezidive in der operierten Brust können als Rezidiv des Primärtumors (Zweitkarzinom) entstehen. Die durchschnittliche Inzidenz von Lokalrezidiven nach brusterhaltender Therapie mit adjuvanter Radiotherapie beträgt 10 %.
Therapie. Die Therapie von Lokalrezidiven nach brusterhaltenden Maßnahmen besteht in der Regel in der Entfernung der erkrankten Brust. 19.5.12 Nachsorgemaßnahmen
Klinische Nachsorge
Klinische Nachsorge
Die Nachsorge sollte an prognostischen Faktoren und dem Alter der Patientin ausgerichtet sein ( 2 B-19.4).
2 B-19.4
Nachsorgeempfehlungen für symptomfreie Frauen nach abgeschlossener Primärbehandlung einer Mammakarzinomerkrankung
Klinische Nachsorge
Nachsorge
Früherkennung
Jahre nach Primärtherapie
1 2 3
4 5
6 und weitere
n Anamnese N N körperliche Untersuchung n N Information n
alle 3 Monate
alle 6 Monate
alle 12 Monate
N Selbstuntersuchung n N alle anderen technischen Untersuchungen n einschließlich Labor und Tumormarkern (Ausnahme Mammographie, s.u.)
monatlich nur bei klinischem Verdacht auf Rezidiv und/oder Metastasen
Mammographie Jahre nach Primärtherapie
1 2 3
4 und weitere
nach brusterhaltender Operation N ipsilaterale Brust n N kontralaterale Brust n
alle 6 Monate
alle 12 Mon
alle 12 Monate nach Mastektomie
N kontralaterale Brust n
alle 12 Monate
Rekonstruktionsverfahren nach Mastektomie (S.a. Kap. 29.5.3) Die durch Mastektomie entstandene Verstümmelung kann durch eine chirurgische Rekonstruktion soweit korrigiert werden, dass wenigstens die weibliche Körperkontur wiederhergestellt wird. Zur Wiederherstellung stehen 2 grundsätzliche Verfahren zur Verfügung. Einerseits die autologe Rekonstruktion mit körpereigenem Gewebe und andererseits die heterologe Rekonstruktion mit körperfremdem Gewebe. Zu den gebräuchlichsten Verfahren gehören:
Rekonstruktionsverfahren nach Mastektomie (S.a. Kap. 29.5.3) Es stehen 2 grundsätzliche Verfahren zur Verfügung. Dies sind die autologe Rekonstruktion mit körpereigenem Gewebe und die heterologe Rekonstruktion mit körperfremdem Gewebe. Die gebräuchlichsten Verfahren sind:
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742 π
π
19 Brustdrüse
gestielte und freie myokutane Lappenplastik (z.B. Latissimus-dorsi-, Pectoralis-major- und Rectus-abdominis-Lappen. subkutane und subpektorale Implantate.
π
π π
gestielte und freie myokutane Lappenplastik, wie Latissimus-dorsi-, Pektoralismajor und Rectus-abdominis-Lappen. subkutane und subpektorale Implantate Gewebeexpander.
Postoperatives Lymphödem
Postoperatives Lymphödem
Als Folge einer Lymphabflussbehinderung nach operativer Axillarevision kann, insbesondere nach zusätzlicher Bestrahlung, ein Lymphödem des Arms auftreten. Therapeutisch bietet hierbei die konservative Lymphdränage Möglichkeiten der Besserung.
Als Folge einer Lymphabflussbehinderung nach operativer Axillarevision kann, insbesondere nach zusätzlicher Bestrahlung, ein Lymphödem des Arms auftreten. Therapeutisch bietet hierbei die konservative Lymphdränage Möglichkeiten der Besserung. Eine chirurgische Lymphdränage bleibt extremen Lymphschwellungen vorbehalten. Schonende operative Techniken, die Vermeidung einer Bestrahlung der operierten Axilla und die postoperative Krankengymnastik haben zu einem deutlichen Rückgang des Auftretens eines Lymphödems geführt.
19.6
Erkrankungen der männlichen Brust
19.6
Erkrankungen der männlichen Brust
19.6.1
Gynäkomastie
19.6.1
Gynäkomastie
Definition
Ätiologie. Physiologisch tritt sie bei männlichen Neugeborenen durch einen Überschuss mütterlichen Östrogens und während der Pubertät auf. Im Alter bleibt die Gynäkomastie bei nachlassender Hormonproduktion der Hoden bestehen. Die pathologische Gynäkomastie beruht am häufigsten auf dem Einfluss von Medikamenten und Drogen, die einen östrogenähnlichen oder antiandrogenen Effekt ausüben.
n Definition. Gynäkomastie ist die abnorme Größenzunahme der männlichen Brust. Sie kann physiologisch während der Pubertät und pathologisch auftreten und ist auf eine Hormonverschiebung zurückzuführen.
Ätiologie. Physiologisch tritt die Gynäkomastie bei Männern in unter-
Durch Hypogonadismus kann ein Überwiegen der Östrogene auftreten. Als Ursache kommen eine Unterfunktion der Hoden (z.B. Leistenhoden), ein traumatischer Hodenverlust oder Virusinfektionen (z.B. Mumps) in Frage. Chromosomale Veränderungen wie das Klinefelter-Syndrom, kongenitale Enzymdefekte und die kongenitale Anorchie sind sehr seltene Ursachen.
schiedlichen Entwicklungsstadien auf. Hierzu gehören der Neugeborene mit einem Überschuss mütterlichen Östrogens und der Adoleszent in der Pubertät. Während in diesen Stadien die Vergrößerung der Brust nur vorübergehend andauert, verbleibt sie beim älteren Patienten mit nachlassender Hormonproduktion der Hoden. Die Ursache einer pathologischen Gynäkomastie beruht am häufigsten auf dem Einfluss von Medikamenten und Drogen, die einen östrogenähnlichen oder antiandrogenen Effekt ausüben (z.B. Digitalis, Spironolacton, Methyldopa und Captopril sowie Heroin und Cannabis). Der Mechanismus dieser Wirkung ist nicht geklärt. Hodentumoren verursachen in 10 % eine Gynäkomastie, was prognostisch ungünstig gewertet werden kann. Diese Tumoren produzieren einerseits humanes Choriongonadotropin, das die testikuläre Produktion sowohl von Östrogen als auch von Testosteron stimuliert. Andererseits konvertiert das Tumorgewebe Androgen zu Östrogen. In seltenen Fällen können auch andere Tumoren (z.B. Bronchialkarzinom, Pankreas- und Magenkarzinom) durch die Bildung von Choriongonadotropinen zur Gynäkomastie führen. Das Gleiche gilt für Tumoren der Nebenniere, deren Androgenproduktion in Östrogen konvertiert wird. Auch metabolische Störungen, wie Leberzirrhose und die chronische Niereninsuffizienz können mit einer Gynäkomastie einhergehen. Bei der Thyreotoxikose kann bei 30 % der Männer ebenfalls eine Vergrößerung der Brust beobachtet werden. Ursächlich liegt vermutlich eine Aktivitätssteigerung der Aromatase zugrunde (die Aromatase spaltet das Testosteron in das stark wirksame Androgen Dihydrotestosteron und Östradiol). Durch Hypogonadismus kann es zu einem Überwiegen der Östrogene kommen. Als Ursache kommen eine Unterfunktion der Hoden (z.B. Leistenhoden), ein traumatischer Hodenverlust oder Virusinfektionen (z.B. Mumps) in Frage. Chromosomale Veränderungen wie das Klinefelter-Syndrom, kongenitale Enzymdefekte und die kongenitale Anorchie sind sehr seltene Ursachen.
Diagnose. 50 % aller Gynäkomastien liegen pathologische oder iatrogene
Diagnose. Die pubertäre Gynäkomastie bedarf keiner weiteren Abklärung. In 50 % der Gynäkomastien liegt jedoch eine pathologische oder iatrogene
Hodentumoren verursachen in 10 % eine Gynäkomastie.
Auch metabolische Störungen wie die Leberzirrhose, die chronische Niereninsuffizienz und die Thyreotoxikose können mit einer Gynäkomastie einhergehen.
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742 π
π
19 Brustdrüse
gestielte und freie myokutane Lappenplastik (z.B. Latissimus-dorsi-, Pectoralis-major- und Rectus-abdominis-Lappen. subkutane und subpektorale Implantate.
π
π π
gestielte und freie myokutane Lappenplastik, wie Latissimus-dorsi-, Pektoralismajor und Rectus-abdominis-Lappen. subkutane und subpektorale Implantate Gewebeexpander.
Postoperatives Lymphödem
Postoperatives Lymphödem
Als Folge einer Lymphabflussbehinderung nach operativer Axillarevision kann, insbesondere nach zusätzlicher Bestrahlung, ein Lymphödem des Arms auftreten. Therapeutisch bietet hierbei die konservative Lymphdränage Möglichkeiten der Besserung.
Als Folge einer Lymphabflussbehinderung nach operativer Axillarevision kann, insbesondere nach zusätzlicher Bestrahlung, ein Lymphödem des Arms auftreten. Therapeutisch bietet hierbei die konservative Lymphdränage Möglichkeiten der Besserung. Eine chirurgische Lymphdränage bleibt extremen Lymphschwellungen vorbehalten. Schonende operative Techniken, die Vermeidung einer Bestrahlung der operierten Axilla und die postoperative Krankengymnastik haben zu einem deutlichen Rückgang des Auftretens eines Lymphödems geführt.
19.6
Erkrankungen der männlichen Brust
19.6
Erkrankungen der männlichen Brust
19.6.1
Gynäkomastie
19.6.1
Gynäkomastie
Definition
Ätiologie. Physiologisch tritt sie bei männlichen Neugeborenen durch einen Überschuss mütterlichen Östrogens und während der Pubertät auf. Im Alter bleibt die Gynäkomastie bei nachlassender Hormonproduktion der Hoden bestehen. Die pathologische Gynäkomastie beruht am häufigsten auf dem Einfluss von Medikamenten und Drogen, die einen östrogenähnlichen oder antiandrogenen Effekt ausüben.
n Definition. Gynäkomastie ist die abnorme Größenzunahme der männlichen Brust. Sie kann physiologisch während der Pubertät und pathologisch auftreten und ist auf eine Hormonverschiebung zurückzuführen.
Ätiologie. Physiologisch tritt die Gynäkomastie bei Männern in unter-
Durch Hypogonadismus kann ein Überwiegen der Östrogene auftreten. Als Ursache kommen eine Unterfunktion der Hoden (z.B. Leistenhoden), ein traumatischer Hodenverlust oder Virusinfektionen (z.B. Mumps) in Frage. Chromosomale Veränderungen wie das Klinefelter-Syndrom, kongenitale Enzymdefekte und die kongenitale Anorchie sind sehr seltene Ursachen.
schiedlichen Entwicklungsstadien auf. Hierzu gehören der Neugeborene mit einem Überschuss mütterlichen Östrogens und der Adoleszent in der Pubertät. Während in diesen Stadien die Vergrößerung der Brust nur vorübergehend andauert, verbleibt sie beim älteren Patienten mit nachlassender Hormonproduktion der Hoden. Die Ursache einer pathologischen Gynäkomastie beruht am häufigsten auf dem Einfluss von Medikamenten und Drogen, die einen östrogenähnlichen oder antiandrogenen Effekt ausüben (z.B. Digitalis, Spironolacton, Methyldopa und Captopril sowie Heroin und Cannabis). Der Mechanismus dieser Wirkung ist nicht geklärt. Hodentumoren verursachen in 10 % eine Gynäkomastie, was prognostisch ungünstig gewertet werden kann. Diese Tumoren produzieren einerseits humanes Choriongonadotropin, das die testikuläre Produktion sowohl von Östrogen als auch von Testosteron stimuliert. Andererseits konvertiert das Tumorgewebe Androgen zu Östrogen. In seltenen Fällen können auch andere Tumoren (z.B. Bronchialkarzinom, Pankreas- und Magenkarzinom) durch die Bildung von Choriongonadotropinen zur Gynäkomastie führen. Das Gleiche gilt für Tumoren der Nebenniere, deren Androgenproduktion in Östrogen konvertiert wird. Auch metabolische Störungen, wie Leberzirrhose und die chronische Niereninsuffizienz können mit einer Gynäkomastie einhergehen. Bei der Thyreotoxikose kann bei 30 % der Männer ebenfalls eine Vergrößerung der Brust beobachtet werden. Ursächlich liegt vermutlich eine Aktivitätssteigerung der Aromatase zugrunde (die Aromatase spaltet das Testosteron in das stark wirksame Androgen Dihydrotestosteron und Östradiol). Durch Hypogonadismus kann es zu einem Überwiegen der Östrogene kommen. Als Ursache kommen eine Unterfunktion der Hoden (z.B. Leistenhoden), ein traumatischer Hodenverlust oder Virusinfektionen (z.B. Mumps) in Frage. Chromosomale Veränderungen wie das Klinefelter-Syndrom, kongenitale Enzymdefekte und die kongenitale Anorchie sind sehr seltene Ursachen.
Diagnose. 50 % aller Gynäkomastien liegen pathologische oder iatrogene
Diagnose. Die pubertäre Gynäkomastie bedarf keiner weiteren Abklärung. In 50 % der Gynäkomastien liegt jedoch eine pathologische oder iatrogene
Hodentumoren verursachen in 10 % eine Gynäkomastie.
Auch metabolische Störungen wie die Leberzirrhose, die chronische Niereninsuffizienz und die Thyreotoxikose können mit einer Gynäkomastie einhergehen.
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19.6.2 Karzinom der männlichen Brust Ursache zugrunde. Neben der Erhebung bestehender Medikationen ist die Überprüfung von Leber-, Nieren- und Schilddrüsenfunktion angezeigt. Bei Patienten unter 40 Jahren sollten die Hoden auf Atrophie oder tumoröse Veränderungen mit dem Ultraschall untersucht werden. Neben der Röntgenkontrolle des Thorax können gezielte Hormonbestimmungen weiteren Aufschluss über die Ätiologie der Erkrankung geben. Differenzialdiagnostisch ist an ein Lipom, Hämangiom oder Lymphangiom zu denken. Beim älteren Patienten auch an ein Mammakarzinom (s.u.).
Therapie. Wirkt sich die Gynäkomastie nicht störend aus, ist keine Behand-
lung erforderlich. Das Absetzen auslösender Medikamente oder Drogen, als auch eine hormonelle Behandlung beeinflussen die manifeste Vergrößerung der Brust kaum. Als kosmetische Behandlung kann die operative Entfernung des Drüsenkörpers indiziert sein. Die subkutane Mastektomie erfolgt durch Zirkumzision des Warzenhofes mit anschließender Entfernung des Drüsenkörpers. Hierbei sollte zur Verhinderung einer Kraterbildung ein kleiner Anteil des Gewebes belassen bleiben.
19.6.2
Karzinom der männlichen Brust
n Definition. Das Mammakarzinom des Mannes ist sehr selten und macht ca. 1 % derartiger Tumoren aus. Das bevorzugte Alter liegt jenseits der 7. Lebensdekade.
Ätiologie. Der Entstehung des Mammakarzinoms wird eine hormonale
Basis mit erhöhten Serumöstrogenwerten zugrunde gelegt. Eine weitere Korrelation besteht zur Adipositas, die mit einer vermehrten Aromataseaktivität einhergeht und damit vermehrt adrenales Androgen zu Östrogen umwandelt. Nicht ungewöhnlich ist das Auftreten des Karzinoms im Rahmen eines Klinefelter-Syndroms, das mit einer Hodenatrophie verbunden ist. Obwohl diese Hormonverschiebungen auch für die Gynäkomastie verantwortlich gemacht werden, ist diese nicht mit einer erhöhten Inzidenz von malignen Tumoren behaftet. Im Rahmen einer familiären Disposition ist bei Nachweis einer BRCA 1Mutation (s. S. 722) mit einer erhöhten Karzinominzidenz beim Mann zu rechnen.
Symptome. ( 1 B-19.20) 75 % der betroffenen Patienten zeigen eine Vergrö-
ßerung der Brust, während bei den anderen Patienten eine blutige Sekretion aus der Brustwarze, eine Einziehung der Mamille, Ulzerationen oder eine axilläre Lymphadenopathie zu beobachten ist. Das Karzinom wird in der Regel, vermutlich durch seine Seltenheit, spät diagnostiziert. Andererseits
1 B-19.20
Ursachen zugrunde. Neben der Erfassung von Medikationen oder Drogenmissbrauch ist die Überprüfung von Leber-, Nieren- und Schilddrüsenfunktion erforderlich. Neben gezieltem Einsatz bildgebender Diagnostik können Hormonbestimmungen weiteren Aufschluss über die Ätiologie der Erkrankung geben. Differenzialdiagnostisch ist an ein Lipom, Hämangiom, Lymphangiom oder Mammakarzinom zu denken. Therapie. Wirkt sich die Vergrößerung der Brust störend aus, kann die operative Entfernung des Drüsenkörpers indiziert sein. Das Absetzen auslösender Medikamente und Drogen sowie hormonelle Behandlungen beeinflussen die manifeste Vergrößerung der Brust kaum.
19.6.2
Karzinom der männlichen Brust
Definition
Ätiologie. Der Entstehung des Mammakarzinoms wird eine hormonale Basis mit erhöhten Serumöstrogenwerten zugrunde gelegt. Eine weitere Korrelation besteht zur Adipositas, die mit einer vermehrten Aromataseaktivität einhergeht und damit vermehrt adrenales Androgen zu Östrogen umwandelt. Im Rahmen einer familiären Disposition ist bei Nachweis einer BRCA1-Mutation (s. S. 722) mit einer erhöhten Karzinominzidenz beim Mann zu rechnen. Symptome. 75 % der betroffenen Patienten zeigen eine Vergrößerung der Brust, während bei den anderen Patienten eine blutige Sekretion aus der Brustwarze, eine Einziehung der
Klinisches Bild eines männlichen Mammakarzinoms
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19 Brustdrüse
Mamille, Ulzerationen oder eine axilläre Lymphadenopathie zu beobachten ist.
entstehen die Karzinome meistens unterhalb der Brustwarze und sind so erst verzögert diagnostizierbar. Durch ihre nahe anatomische Lage zu Haut und Muskulatur sind diese Strukturen oft infiltriert und zum Zeitpunkt der Diagnose bereits axilläre Lymphknoten vorhanden.
Histopathologie. Bei den männlichen Mammakarzinomen dominiert das duktale Adenokarzinom. Im Gegensatz zum weiblichen Mammakarzinom sind die Tumoren beim Mann in 80 % östrogenrezeptorpositiv, was Konsequenzen für die Behandlung haben kann.
Histopathologie. Bei den männlichen Mammakarzinomen dominiert das
Merke
duktale Adenokarzinom. Papilläre Tumoren sind ungewöhnlich, treten jedoch häufiger als bei Frauen auf. Im Gegensatz zum weiblichen Mammakarzinom sind die Tumoren beim Mann in 80 % östrogenrezeptorpositiv, was Konsequenzen für die Behandlung haben kann. n Merke. Bei der Beurteilung der histologischen Diagnose muss beachtet werden, dass Metastasen eines Prostatakarzinoms histologisch nur schwer vom männlichen Mammakarzinom zu unterscheiden sind und immunhistochemische Untersuchungen erforderlich werden können.
Therapie. Die Nähe des Karzinoms zu Haut und Brustwand sowie der frühe axilläre Lymphknotenbefall macht eine radikale oder modifiziert radikale Mastektomie erforderlich, da die einfache Mastektomie mit einer hohen Rezidivrate verbunden ist. Orchidektomie, die Gabe von Tamoxifen und Antiandrogenen oder eine Chemotherapie sind weitere Behandlungsmöglichkeiten.
Therapie. Die Nähe des Karzinoms zu Haut und Brustwand sowie der frühe axilläre Lymphknotenbefall macht eine radikale oder modifiziert radikale Mastektomie (s. 1 B-19.17, S. 736) erforderlich, da die einfache Mastektomie mit einer hohen Rezidivrate verbunden ist. Bei der Seltenheit des Tumors liegen keine Erfahrungen über andere Behandlungsmodalitäten vor. Allerdings sprechen 50 % der Patienten mit einer metastasierenden Erkrankung für durchschnittlich 2 Jahre auf eine Orchidektomie an. Darüber hinaus konnte das Karzinom durch die Gabe von Tamoxifen und Antiandrogenen beeinflusst werden. Zahlreiche Patienten sprechen auf eine Chemotherapie an.
Prognose. Die Prognose ist schlecht und korreliert mit dem Tumorstadium. Ca. 50 % der erkrankten Patienten versterben innerhalb von 5 Jahren nach Diagnosestellung.
Prognose. Die Prognose ist schlecht und korreliert mit dem Tumorstadium. Ca. 50 % der erkrankten Patienten versterben innerhalb von 5 Jahren nach Diagnosestellung. Sind keine axillären Lymphknoten befallen, ist in 80 % mit einer 5-Jahres-Überlebensrate zu rechnen.
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Hernien
20
20
Hernien
20.1
Allgemeine Hernienlehre
Ilka Vogel 20.1
Allgemeine Hernienlehre
n Definition. Hernien sind Ausstülpungen des Peritoneums durch angeborene und erworbene Lücken (Bruchlücken).
20.1.1
Einteilung
20.1.1 Einteilung
Die Bezeichnung einer Hernie richtet sich nach der Lokalisation der Bruchpforte. Bei jeder Hernie unterscheidet man zwischen Bruchsack, Bruchhals und dem Fundus ( 1 B-20.1 a). Der Bruchsack besteht aus Peritoneum. Der Hals des Bruchsacks liegt in der Bruchpforte, der Fundus des Bruchs beinhaltet die prolabierten Organteile. Mögliche Lokalisationen für Bruchlücken sind die Bauchdecke, das Zwerchfell, der Beckenboden, die Rückenmuskulatur oder der intraabdominelle Raum.
1 B-20.1
Definition
Bei jeder Hernie kann unterschieden werden zwischen dem Bruchsack, dem Hals und dem Fundus ( 1 B-20.1 a). Mögliche Lokalisationen für Bruchlücken sind die Bauchdecke, das Zwerchfell, der Beckenboden, die Rückenmuskulatur oder der intraabdominelle Raum.
Synopsis Bruchformen
Fundus
Bruchhals
Bruchsack
a Bestandteile Hernie (ohne Inhalt).
b Hernie (mit Darminhalt).
c Gleithernie (Gleitbruch).
d Prolaps.
Von äußeren Hernien spricht man, wenn diese durch Lücken (Bruchpforten) in der Bauchwand austreten ( 1 B-20.1 b), bei inneren Hernien liegt die Bruchpforte im Abdomen.
Äußere Hernien ( 1 B-20.1 b) treten durch Bauchwandlücken aus, während bei inneren Hernien die Bruchpforte im Abdomen liegt.
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20 Hernien
Angeborene Hernien entstehen im Bereich (kongenital) nicht rückgebildeter Peritonealausstülpungen. Erworbene Hernien treten durch erweiterte präformierte Lücken aus.
Angeborene Hernien (Hernia congenita) entstehen dort, wo eine kongenital nicht rückgebildete Peritonealausstülpung vorliegt. Im Gegensatz dazu steht die erworbene Hernie (Hernia acquisata), die durch erweiterte präformierte Lücken austritt.
20.1.2 Bruchformen
20.1.2
Beim Gleitbruch bildet der Bruchinhalt einen Teil des Bruchsacks (nur bei retroperitoneal liegenden Organen möglich) ( 1 B-20.1 c).
Ein Gleitbruch liegt vor, wenn Eingeweide einen Teil des Bruchsacks bilden. Dies ist nur bei retroperitoneal liegenden Organen möglich (z.B. Sigma, Zäkum, Blase) ( 1 B-20.1 c). Sind diese Organe in Bruchlückennähe lokalisiert, können sie bei Lösung der retroperitonealen Fixation durch die Bruchpforte treten. Beim Prolaps fehlt die peritoneale Auskleidung, die intraabdominellen Organe zwängen sich durch eine Peritoneallücke, die z.B. durch eine Verletzung oder eine Operation entstanden ist ( 1 B-20.1 d). Bei der Eventrationshernie liegt ein großer Teil der intraabdominellen Organe im Bruchsack. Die Reposition kann schwierig oder unmöglich sein, wenn im Bauchraum kein ausreichender Platz zur Verfügung steht.
Beim Prolaps fehlt die peritoneale Auskleidung, die Organe zwängen sich durch Peritoneallücken, die z.B. durch eine Verletzung oder eine Operation entstanden sind ( 1 B-20.1 d). Bei der Eventrationshernie liegt ein großer Teil der intraabdominellen Organe im Bruchsack.
Bruchformen
Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese
20.1.3 Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese
20.1.3
Epidemiologie. Hernien treten bei 2–4 % der europäischen Bevölkerung auf.
Epidemiologie. Hernien treten bei 2–4 % der europäischen Bevölkerung auf; innerhalb der Weltbevölkerung liegt die Inzidenz bei einigen ethnischen Gruppen aus ungeklärten Gründen deutlich höher. In Europa entfallen 95 % auf äußere Hernien, ca. 3⁄4 von ihnen sind Leistenhernien, davon wiederum 2 ⁄3 indirekte und 1⁄3 direkte.
Ätiologie und Pathogenese. Erhöhter intraabdomineller Druck begünstigt die Ausbildung von Hernien. Dies kann z.B. bei Schwangerschaft, Aszites, Obstipation, Prostatahypertrophie und intraabdominellen Tumoren der Fall sein (sog. symptomatische Hernie).
Ätiologie und Pathogenese. Die Entstehung der Hernien wird durch einen
erhöhten intraabdominellen Druck begünstigt, wie er z.B. während der Schwangerschaft oder bei Aszites auftritt. Auch häufiger Einsatz der Bauchpresse bei Obstipation oder Prostatahypertrophie mit Blasenentleerungstörung, intraabdominellen Tumoren bzw. eine traumatische Schädigung der Bauchwand können für die Entwicklung einer Hernie mitverantwortlich sein. Als Symptom einer Erkrankung im Bauchraum wird eine Hernie als »symptomatische Hernie« bezeichnet.
Symptome
20.1.4 Symptome
20.1.4
Typisch ist ein ziehender oder stechender Schmerz im Bereich der Bruchpforte, der in die Umgebung ausstrahlen kann.
Als erstes Symptom macht sich regelmäßig im Bereich der Bruchpforte ein ziehender oder stechender Schmerz bemerkbar, der in die Umgebung ausstrahlen kann. Er verstärkt sich meist beim Durchtritt der Organteile durch die Bruchpforte. Zugleich fällt eine Vorwölbung auf, die durch den Organprolaps bedingt ist. Bei der reponiblen Hernie verschwindet diese Vorwölbung unter Druckentlastung des Bauchraums spontan oder lässt sich von außen vollständig zurückdrängen. Ist die Reposition nicht möglich, liegt eine Einklemmung (Inkarzeration) vor, und man spricht von einer irreponiblen Hernie. Die Inkarzeration verursacht eine zunehmende schmerzhafte und gerötete Vorwölbung und kann mit einer peritonealen Reizung der Umgebung einhergehen. Beim Einklemmen von Darmanteilen kommen abdominelle Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Verdauungsprobleme und ggf. eine Ileussituation hinzu.
Die reponible Hernie lässt sich nach intraabdominell zurückdrängen. Ist die Reposition nicht möglich, liegt eine irreponible Hernie vor. Die Inkarzeration verursacht eine zunehmend schmerzhafte und gerötete Vorwölbung. Beim Einklemmen von Darmanteilen kommen abdominelle Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen und ggf. eine Ileussituation hinzu.
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20.1.6 Komplikationen 20.1.5
Diagnose
Die Diagnose der äußeren Hernie wird durch die klinische Untersuchung gestellt. Innere Hernien ergeben sich häufig erst als Befund bei der explorativen Laparotomie, wenn sie nicht vorher durch radiologische Verfahren diagnostiziert sind. Die klinische Untersuchung besteht aus Inspektion, Palpation der Bruchvorwölbung und Bruchpforte, Auskultation sowie ggf. Diaphanoskopie (Durchleuchtung mit starker Lichtquelle). π
Inspektion:
20.1.5 Diagnose Die Diagnose der äußeren Hernie wird durch die klinische Untersuchung gestellt: π Inspektion π Palpation π Auskultation π ggf. Diaphanoskopie.
π
n Merke. Die Inspektion sollte besonders auf asymmetrische Vorwölbungen, Hautveränderungen und Hautrötungen achten. Durch die Aufforderung zum Pressen oder Aufrichten aus der Rückenlage lassen sich vorher nicht sichtbare Brüche u.U. verdeutlichen.
π
Palpation:
Merke
π
n Merke. Die Suche nach dem Bruch hat sich auf alle häufigen Bruchpforten zu erstrecken.
Dazu gehören folgende anatomischen Regionen: Innerer und äußerer Leistenring (Leistenhernie), die großen Beingefäße (insbesondere die mediale Seite: Schenkelhernie), Nabelbereich (Nabelhernie), Linea alba (epigastrische Hernie), Lumbalregion (Lumbalhernie), Linea semilunaris (Spieghel-Hernie); im einzelnen wird auf die entsprechenden Kapitel verwiesen. Nach der Lokalisation werden die Größe der Bruchpforte, der Bruchkanal, der Inhalt des Bruchsacks sowie die Reponierbarkeit palpiert. Entweder befindet sich der Bruch in einem reponierten Zustand (spontan oder durch den Patienten selbst), lässt sich reponieren oder ist nicht zurückzudrängen (inkarzeriert).
Palpation Merke
Nach der Lokalisation werden die Größe der Bruchpforte, der Bruchkanal, der Inhalt des Bruchsacks sowie die Reponierbarkeit palpiert.
n Merke. Bei reponiertem oder reponierbarem Bruch besteht eine relative, im Fall der Inkarzeration immer eine dringende Operationsindikation. π Auskultation: Liegen große Brüche vor, gelingt es aufgrund der Darmgeräusche häufig, Darmanteile im Bruchsack zu identifizieren. Bei Inkarzerationen lässt sich durch Auskultation die Peristaltik des gesamten Abdomens beurteilen.
Inspektion
Merke
Auskultation: Im Bruchsack liegende Darmanteile lassen sich z.T. auskultieren.
π
π
Diaphanoskopie: Sie dient der Differenzierung zwischen Leistenbruch und Hydrozele; dazu wird das Skrotum von dorsal durchleuchtet. Findet sich neben dem Hoden eine durchsichtige Raumforderung, handelt es sich meistens um eine Hydrozele. Von einem Leistenbruch ist auszugehen, wenn die Raumforderung wenig transparent erscheint oder sich sogar Darmwand zeigt.
π Diaphanoskopie: Sie dient der Differenzierung zwischen Leistenbruch und Hydrozele (Durchleuchtung des Skrotums von dorsal).
π Sonographie: Diese Untersuchungsmethode gestattet insbesondere in der Leistenregion die Unterscheidung zwischen flüssigen (echoarmen, z.B. Zysten, Abszesse) und soliden (echoreichen, z.B. Lymphknoten) Strukturen.
π Sonographie: Sie gestattet die Unterscheidung zwischen flüssigen und soliden Strukturen.
20.1.6
Komplikationen
Die schwerwiegendste Komplikation einer Hernie ist die komplette Inkarzeration eines Darmabschnitts. Die Einklemmung führt zunächst zu einer venösen Stauung, dann über ein Darmwandödem und eine arterielle Durch-
20.1.6 Komplikationen Die schwerwiegendste Komplikation einer Hernie ist die Inkarzeration.
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20.1.6 Komplikationen 20.1.5
Diagnose
Die Diagnose der äußeren Hernie wird durch die klinische Untersuchung gestellt. Innere Hernien ergeben sich häufig erst als Befund bei der explorativen Laparotomie, wenn sie nicht vorher durch radiologische Verfahren diagnostiziert sind. Die klinische Untersuchung besteht aus Inspektion, Palpation der Bruchvorwölbung und Bruchpforte, Auskultation sowie ggf. Diaphanoskopie (Durchleuchtung mit starker Lichtquelle). π
Inspektion:
20.1.5 Diagnose Die Diagnose der äußeren Hernie wird durch die klinische Untersuchung gestellt: π Inspektion π Palpation π Auskultation π ggf. Diaphanoskopie.
π
n Merke. Die Inspektion sollte besonders auf asymmetrische Vorwölbungen, Hautveränderungen und Hautrötungen achten. Durch die Aufforderung zum Pressen oder Aufrichten aus der Rückenlage lassen sich vorher nicht sichtbare Brüche u.U. verdeutlichen.
π
Palpation:
Merke
π
n Merke. Die Suche nach dem Bruch hat sich auf alle häufigen Bruchpforten zu erstrecken.
Dazu gehören folgende anatomischen Regionen: Innerer und äußerer Leistenring (Leistenhernie), die großen Beingefäße (insbesondere die mediale Seite: Schenkelhernie), Nabelbereich (Nabelhernie), Linea alba (epigastrische Hernie), Lumbalregion (Lumbalhernie), Linea semilunaris (Spieghel-Hernie); im einzelnen wird auf die entsprechenden Kapitel verwiesen. Nach der Lokalisation werden die Größe der Bruchpforte, der Bruchkanal, der Inhalt des Bruchsacks sowie die Reponierbarkeit palpiert. Entweder befindet sich der Bruch in einem reponierten Zustand (spontan oder durch den Patienten selbst), lässt sich reponieren oder ist nicht zurückzudrängen (inkarzeriert).
Palpation Merke
Nach der Lokalisation werden die Größe der Bruchpforte, der Bruchkanal, der Inhalt des Bruchsacks sowie die Reponierbarkeit palpiert.
n Merke. Bei reponiertem oder reponierbarem Bruch besteht eine relative, im Fall der Inkarzeration immer eine dringende Operationsindikation. π Auskultation: Liegen große Brüche vor, gelingt es aufgrund der Darmgeräusche häufig, Darmanteile im Bruchsack zu identifizieren. Bei Inkarzerationen lässt sich durch Auskultation die Peristaltik des gesamten Abdomens beurteilen.
Inspektion
Merke
Auskultation: Im Bruchsack liegende Darmanteile lassen sich z.T. auskultieren.
π
π
Diaphanoskopie: Sie dient der Differenzierung zwischen Leistenbruch und Hydrozele; dazu wird das Skrotum von dorsal durchleuchtet. Findet sich neben dem Hoden eine durchsichtige Raumforderung, handelt es sich meistens um eine Hydrozele. Von einem Leistenbruch ist auszugehen, wenn die Raumforderung wenig transparent erscheint oder sich sogar Darmwand zeigt.
π Diaphanoskopie: Sie dient der Differenzierung zwischen Leistenbruch und Hydrozele (Durchleuchtung des Skrotums von dorsal).
π Sonographie: Diese Untersuchungsmethode gestattet insbesondere in der Leistenregion die Unterscheidung zwischen flüssigen (echoarmen, z.B. Zysten, Abszesse) und soliden (echoreichen, z.B. Lymphknoten) Strukturen.
π Sonographie: Sie gestattet die Unterscheidung zwischen flüssigen und soliden Strukturen.
20.1.6
Komplikationen
Die schwerwiegendste Komplikation einer Hernie ist die komplette Inkarzeration eines Darmabschnitts. Die Einklemmung führt zunächst zu einer venösen Stauung, dann über ein Darmwandödem und eine arterielle Durch-
20.1.6 Komplikationen Die schwerwiegendste Komplikation einer Hernie ist die Inkarzeration.
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20 Hernien
Folgen der Inkarzeration sind Ileus, Perforation, Peritonitis, u.U. septischer Schock.
blutungsstörung zur Darmgangrän. Im weiteren Verlauf kann eine Darmperforation mit Peritonitis die Folge sein. Folge einer längerbestehenden Inkarzeration ist der Ileus. Bei Perforation mit Peritonitis kann sich das Bild eines septischen Schocks entwickeln.
Formen der Inkarzeration
Formen der Inkarzeration
π Koteinklemmung: Eine prolabierte Darmschlinge kann bei zunehmendem Darminhalt inkarzerieren ( 1 B-20.2 a).
π Koteinklemmung: Eine prolabierte Darmschlinge kann bei zunehmendem Darminhalt mit Gasentwicklung inkarzerieren ( 1 B-20.2 a).
π Elastische Einklemmung: In den Bruchsack gelangter Darm gleitet trotz Nachlassens des intraabdominellen Drucks nicht zurück ( 1 B-20.2 b).
π
π Retrograde Einklemmung: Werden Dünndarm und Mesenterium mehrfach geknickt, kann eine intraabdominell liegende Schlinge inkarzerieren ( 1 B-20.2 c).
π
Elastische Einklemmung: In den Bruchsack unter Betätigung der Bauchpresse gelangter Darm gleitet trotz Nachlassens des intraabdominellen Drucks nicht zurück ( 1 B-20.2 b). Retrograde Einklemmung: Infolge mehrfacher Knickungen des Dünndarms und seines Mesenteriums kann eine intraabdominell liegende Dünndarmschlinge inkarzerieren ( 1 B-20.2 c).
1 B-20.2
Synopsis Formen der Hernieninkarzeration
a Koteinklemmung. Eine Schlinge kann bei zunehmendem Darminhalt inkarzerieren.
b Elastische Einklemmung. In den Bruchsack gelangter Darm gleitet trotz Nachlassens des intraabdominellen Drucks nicht zurück.
c Retrograde Einklemmung. Werden Dünndarm und Mesenterium mehrfach geknickt, kann eine intraabdominell liegende Schlinge inkarzerieren.
d Darmwandinkarzeration (Richter-/Littré-Hernie). Lediglich ein Darmwandanteil ist inkarzeriert (Gefahr der lokalen Darmischämie).
Netzeinklemmung: ein Teil des Omentum majus inkarzeriert im Bruchring. Pseudoeinklemmung: abdominelle Erkrankungen können die Inkarzeration einer bestehenden Hernie vortäuschen.
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20.1.7 Therapie Darmwandinkarzeration (Richter-/Littré-Hernie): Im Gegensatz zur kompletten Hernie ist nicht ein Darmteil mit Mesenterium, sondern nur ein Darmwandanteil im Bruchsack eingeklemmt, sodass die Passage erhalten bleibt. Dies birgt die Gefahr der verspäteten Diagnose einer lokalen Darmischämie ( 1 B-20.2 d) in sich.
π
Netzeinklemmung: Ein Teil des Omentum majus inkarzeriert im Bruchring. Klinisch liegt meist nur ein lokaler Druckschmerz vor. Übelkeit, Erbrechen oder andere abdominelle Symptome treten selten auf. Erst bei Nekrose eines eingeklemmten Netzteils kann aufgrund der peritonealen Reizung reflektorisch ein paralytischer Ileus entstehen.
π
π Pseudoeinklemmung: Andere abdominelle Erkrankungen (z.B. Appendizitis, Pankreatitis, Ulkusperforation) können die Inkarzeration einer Hernie vortäuschen.
Darmwandinkarzeration (Richter-/ Littré-Hernie): Lediglich ein Darmwandanteil ist inkarzeriert mit der Gefahr einer lokalen Darmischämie ( 1 B-20.2 d).
π
Netzeinklemmung: Ein Teil des Omentum majus inkarzeriert im Bruchring. Bei Nekrose von Netzanteilen kann reflektorisch ein paralytischer Ileus eintreten.
π
Pseudoeinklemmung: Abdominelle Erkrankungen können die Inkarzeration einer Hernie vortäuschen.
π
Bruchentzündung
Bruchentzündung
Bei der Bruchentzündung handelt es sich um eine durch Trauma, Reposition oder andere lokale Ereignisse (z.B. Appendizitis) ausgelöste entzündliche Reaktion des Bruchsacks. Klinisch bestehen die klassischen Entzündungszeichen: Schwellung, Rötung, Überwärmung, Schmerz. Spontanperforationen des Bruchsacks sind möglich.
Bei der Bruchentzündung (ausgelöst u.a. durch Trauma, Reposition, lokale Ereignisse) bestehen die klassischen Entzündungszeichen. Spontanperforation ist möglich.
20.1.7
Therapie
20.1.7
Therapie
n Merke Ein dauerhafter Behandlungserfolg ist nur durch den operativen Bruchlückenverschluss zu erreichen. Die Behandlung mit dem Bruchband ist wegen der deutlichen Verbesserung der Narkoseverfahren, insbesondere der Möglichkeit der Spinalanästhesie und Lokalanästhesie, obsolet. π Jede Inkarzeration sollte umgehend ohne zeitliche Verzögerung beseitigt werden. π Die manuelle Reposition (Taxis) sollte zur Vermeidung von Komplikationen nur bei entspannten Bauchdecken durchgeführt werden; notfalls ist der Einsatz von Analgetika und/oder Spasmolytika indiziert. π Massive Repositionsversuche sind zu unterlassen.
Merke
n Praktischer Tipp. Oft ist eine ausreichende Entspannung des Patienten durch ein ablenkendes Gespräch zu erreichen.
Praktischer Tipp
π
Bei der Reposition wird der Bruchsackinhalt mit beiden Händen in Richtung auf den vorher lokalisierten Bruchring zurückgedrängt, wobei eine Hand den Bruchsackhals umfasst und die andere versucht, durch langsame, massierende Bewegungen den Bruchsackinhalt durch den Bruchring zu drücken. Bei länger bestehender Inkarzeration können nach massiven Repositionsversuchen folgende Komplikationen auftreten: π Reposition von nekrotischem Darm π Darmperforation π Reposition en bloc π Pseudoreposition.
Bei der Reposition wird der Bruchsackinhalt mit beiden Händen unter massierenden Bewegungen durch den Bruchring zurückgedrängt. Bei länger bestehender Inkarzeration können nach massiven Repositionsversuchen folgende Komplikationen auftreten: π Reposition von nekrotischem Darm π Darmperforation π Reposition en bloc π Pseudoreposition. Reposition en bloc: Die Inkarzeration wird nur scheinbar behoben, die Darmschlinge bleibt im Bruchring inkarzeriert ( 1 B-20.3 b). π Pseudoreposition: Nach Ausriss des peritonealen Bruchrings bleibt die Darmschlinge weiterhin inkarzeriert. ( 1 B-20.3 c). π
Repositon en bloc: Die Inkarzeration wird nur scheinbar behoben, die Darmschlinge bleibt im Bruchring inkarzeriert ( 1 B-20.3 b).
π
Pseudoreposition: Hierbei handelt es sich um einen Ausriss des peritonealen Bruchrings, die Darmschlinge bleibt weiterhin inkarzeriert ( 1 B-20.3 c).
π
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
750
20 Hernien
1 B-20.3
Synopsis
Repositionsergebnisse
a Gelungene Reposition.
b Reposition en bloc.
c Peudoreposition.
n Merke. Nach gelungener Reposition ( 1 B-20.3 a) sollte die operative Versorgung elektiv in den nächsten Tagen erfolgen; in der Zwischenzeit ist die stationäre Behandlung des Patienten erforderlich, um rechtzeitig Komplikationen erkennen zu können. π Bei Unmöglichkeit der Reposition oder dem Verdacht einer unzureichenden Reposition ist der sofortige operative Eingriff indiziert ( 1 B-20.4).
Merke
π
Die Operation beginnt mit der Darstellung des Bruchsacks. Erholt sich der vorher eingeklemmte Darmabschnitt nach Reposition zügig, kann die Bruchlücke verschlossen werden, ansonsten kommt die Resektion des entsprechenden Darmabschnitts in Betracht.
1 B-20.4
Die Operation beginnt mit der Darstellung des Bruchsacks und der Beurteilung seines Inhalts. Erholt sich der vorher eingeklemmte Darmabschnitt nach Reposition zügig, kann die Bruchlücke verschlossen werden. Bei persistierender livider Verfärbung des Darms oder seiner Perforation kommt die Resektion des entsprechenden Darmabschnitts in Betracht; dabei wird manchmal ein weiterer abdomineller Zugang erforderlich.
Synopsis Flussdiagramm Hernie
Diagnose: Hernie
keine Inkarzeration
Z.n. Inkarzeration spontane Reposition Laienreposition
Inkarzeration Reposition durch Arzt
ambulante Betreuung
cave Komplikationen: stationäre Beobachtung
elektive
zügige
Inkarzeration Reposition nicht möglich
Notfall-
Operation
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751
20.2.1 Hernien der vorderen Bauchwand
Klinischer Fall Ein 50-jähriger adipöser Patient hat seit mehreren Wochen eine Schwellung im Bereich des Nabels bemerkt, die an Größe in den letzten Tagen etwas zugenommen hatte. Seit einem Tag seien zusätzlich Schmerzen im Nabelbereich sowie eine deutliche Rötung hinzugetreten, außerdem hatte der Patient wiederholt erbrochen. Durch den Hausarzt wurde der Patient unter der Diagnose einer inkarzerierten Nabelhernie eingewiesen. In der Klinik erfolgte der Versuch einer Reposition, die erst nach wiederholten Versuchen gelang. Der Patient wurde zur
20.2
Spezielle Hernienlehre
20.2.1
Hernien der vorderen Bauchwand
Beobachtung und späteren elektiven Operation stationär aufgenommen. Einige Stunden später klagte er über zunehmende Bauchschmerzen und Übelkeit. Bei der Untersuchung fand sich eine deutliche Abwehrspannung im Bereich des Mittelbauches sowie hochgestellte Peristaltik; die Indikation zur Operation wurde gestellt. Intraoperativ zeigte sich eine Reposition en bloc, der inkarzerierte Dünndarm erholte sich intraoperativ schnell, sodass von einer Resektion abgesehen werden konnte.
Nabelschnurbruch n Definition. Der Nabelschnurbruch (Omphalozele, 2 B-20.1) ist eine kongenitale Hemmungsmissbildung; dabei zieht sich die im extraembryonalen Zölom entwickelte Darmschleife nicht in die Bauchhöhle zurück (s. Kap. B-23.1.12).
Nabelbruch n Definition. Der Nabel ist eine natürliche Bruchlücke. Die Bruchpforte bildet der Anulus umbilicalis ( 2 B-20.1).
20.2
Spezielle Hernienlehre
20.2.1 Hernien der vorderen Bauchwand Nabelschnurbruch Definition
Nabelbruch Definition
Ätiologie. Im Erwachsenenalter sind von dieser Bruchform bevorzugt Frauen betroffen. Prädisponierende Faktoren sind Adipositas, Gravidität, starke körperliche Belastung und Aszites.
Ätiologie. Prädisponierende Faktoren sind: Adipositas, Gravidität, starke körperliche Belastung, Aszites.
Symptome. Klinisch bestehen meist lokalisierte Schmerzen im Nabelbe-
Symptome. Klinisch bestehen meist lokalisierte Schmerzen im Nabelbereich, oft mit Schwellung und Rötung des Nabels. Nabelhernien sind in aller Regel wegen Verwachsungen und Adhäsionen schwer reponierbar.
Therapie. Nabelbrüche im Kindesalter verschließen sich in der Regel spon-
Therapie. Nabelbrüche im Kindesalter verschließen sich in der Regel spontan (s. Kap. B-23.2.6). Nabelhernien im Erwachsenenalter sollten operativ versorgt werden.
Epigastrische Hernie
Epigastrische Hernie
reich, oft mit Schwellung und Rötung des Nabels. Ist der Bruchsack nur sehr klein, sind häufig Netzteile darin enthalten, bei größeren Brüchen meist auch Dünn- oder Dickdarmschlingen. Nabelhernien sind in aller Regel wegen Verwachsungen und Adhäsionen schwer reponierbar. tan (s. Kap. B-23.2.6). Nabelhernien im Erwachsenenalter sollten operativ versorgt werden. Bei Patienten mit ausgeprägtem Aszites oder hohem Operationsrisiko muss im Einzelfall je nach Beschwerdesymptomatik entschieden werden. Intraoperativ wird der Bruchsack von der Nabelhaut abgelöst, entfernt und die Bruchpforte durch Fasziendopplung der Rektusscheide verschlossen.
n Definition. Die Bruchpforte der epigastrischen Hernie ( 2 B-20.1) liegt zwischen Xiphoid und Nabel in der Linea alba. Den Bruchinhalt bildet überwiegend präperitoneales Fettgewebe, seltener Netz ( 1 B-20.5).
Definition
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751
20.2.1 Hernien der vorderen Bauchwand
Klinischer Fall Ein 50-jähriger adipöser Patient hat seit mehreren Wochen eine Schwellung im Bereich des Nabels bemerkt, die an Größe in den letzten Tagen etwas zugenommen hatte. Seit einem Tag seien zusätzlich Schmerzen im Nabelbereich sowie eine deutliche Rötung hinzugetreten, außerdem hatte der Patient wiederholt erbrochen. Durch den Hausarzt wurde der Patient unter der Diagnose einer inkarzerierten Nabelhernie eingewiesen. In der Klinik erfolgte der Versuch einer Reposition, die erst nach wiederholten Versuchen gelang. Der Patient wurde zur
20.2
Spezielle Hernienlehre
20.2.1
Hernien der vorderen Bauchwand
Beobachtung und späteren elektiven Operation stationär aufgenommen. Einige Stunden später klagte er über zunehmende Bauchschmerzen und Übelkeit. Bei der Untersuchung fand sich eine deutliche Abwehrspannung im Bereich des Mittelbauches sowie hochgestellte Peristaltik; die Indikation zur Operation wurde gestellt. Intraoperativ zeigte sich eine Reposition en bloc, der inkarzerierte Dünndarm erholte sich intraoperativ schnell, sodass von einer Resektion abgesehen werden konnte.
Nabelschnurbruch n Definition. Der Nabelschnurbruch (Omphalozele, 2 B-20.1) ist eine kongenitale Hemmungsmissbildung; dabei zieht sich die im extraembryonalen Zölom entwickelte Darmschleife nicht in die Bauchhöhle zurück (s. Kap. B-23.1.12).
Nabelbruch n Definition. Der Nabel ist eine natürliche Bruchlücke. Die Bruchpforte bildet der Anulus umbilicalis ( 2 B-20.1).
20.2
Spezielle Hernienlehre
20.2.1 Hernien der vorderen Bauchwand Nabelschnurbruch Definition
Nabelbruch Definition
Ätiologie. Im Erwachsenenalter sind von dieser Bruchform bevorzugt Frauen betroffen. Prädisponierende Faktoren sind Adipositas, Gravidität, starke körperliche Belastung und Aszites.
Ätiologie. Prädisponierende Faktoren sind: Adipositas, Gravidität, starke körperliche Belastung, Aszites.
Symptome. Klinisch bestehen meist lokalisierte Schmerzen im Nabelbe-
Symptome. Klinisch bestehen meist lokalisierte Schmerzen im Nabelbereich, oft mit Schwellung und Rötung des Nabels. Nabelhernien sind in aller Regel wegen Verwachsungen und Adhäsionen schwer reponierbar.
Therapie. Nabelbrüche im Kindesalter verschließen sich in der Regel spon-
Therapie. Nabelbrüche im Kindesalter verschließen sich in der Regel spontan (s. Kap. B-23.2.6). Nabelhernien im Erwachsenenalter sollten operativ versorgt werden.
Epigastrische Hernie
Epigastrische Hernie
reich, oft mit Schwellung und Rötung des Nabels. Ist der Bruchsack nur sehr klein, sind häufig Netzteile darin enthalten, bei größeren Brüchen meist auch Dünn- oder Dickdarmschlingen. Nabelhernien sind in aller Regel wegen Verwachsungen und Adhäsionen schwer reponierbar. tan (s. Kap. B-23.2.6). Nabelhernien im Erwachsenenalter sollten operativ versorgt werden. Bei Patienten mit ausgeprägtem Aszites oder hohem Operationsrisiko muss im Einzelfall je nach Beschwerdesymptomatik entschieden werden. Intraoperativ wird der Bruchsack von der Nabelhaut abgelöst, entfernt und die Bruchpforte durch Fasziendopplung der Rektusscheide verschlossen.
n Definition. Die Bruchpforte der epigastrischen Hernie ( 2 B-20.1) liegt zwischen Xiphoid und Nabel in der Linea alba. Den Bruchinhalt bildet überwiegend präperitoneales Fettgewebe, seltener Netz ( 1 B-20.5).
Definition
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752
20 Hernien
1 B-20.5
Synopsis Lokalisation der epigastrischen Hernie
1 3 2
4
1 2 3 4
epigastrische Hernie epigastrische Hernie M. rectus abdominis Linea alba
Symptome. Patienten klagen über Oberbauchbeschwerden, die durch Anspannung der Bauchdecken, Pressversuch, Husten und Niesen verstärkt werden. Differenzialdiagnostisch sind Ulcera duodeni und Affektionen der Gallenwege auszuschließen. Therapie. Die Indikation zur Operation richtet sich nach der Beschwerdesymptomatik.
Symptome. Patienten mit dieser Hernienform klagen über Oberbauchbeschwerden, die durch Veränderung der Körperposition oder Anspannung der Bauchdecken, Pressversuch, Husten und Niesen verstärkt werden können. Differenzialdiagnostisch sind andere Oberbaucherkrankungen, insbesondere Ulcera duodeni und Affektionen der Gallenwege auszuschließen.
Rektusdiastase
Rektusdiastase
Definition
Therapie. Die Indikation zur Operation richtet sich nach der Beschwerdesymptomatik. Intraoperativ erfolgt die Abtragung des Bruchsacks und der Verschluss der Faszienlücke durch Raffung oder Fasziendopplung.
n Definition. Als Rektusdiastase ( 2 B-20.1) bezeichnet man das Auseinanderweichen der Rektusmuskulatur im Bereich der Mittellinie (Linea alba).
Symptome. Bei Anspannung der Bauchmuskulatur wölbt sich die Bauchwand vor.
Symptome. Bei Anspannung der Bauchmuskulatur (Aufrichten aus dem Liegen) wölbt sich die Bauchwand vor. Beschwerden bestehen kaum. Aufgrund der weiten Dehiszenz sind Einklemmungen selten zu beobachten.
Therapie. Nur bei Symptomatik kommt die operative Versorgung in Betracht. Die Rektusscheide wird durch direkte Naht adaptiert.
Therapie. Die operative Versorgung ist von den klinischen Symptomen
Merke
abhängig. Bei der Operation wird die Rektusscheide durch direkte Naht adaptiert. Eine Dopplung der Bauchwand kommt in Betracht, wenn Patienten schlaffe Bauchdecken aufweisen. n Merke. Wegen häufiger Rezidive nach diesen Operationen sollte der Versuch konservativer Behandlung – Training der Bauchmuskulatur, Tragen eines Korsetts – Vorrang haben.
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753
20.2.2 Brüche der Leistenregion
2 B-20.1
Häufige Hernien der vorderen Bauchwand
Hernie
N Nabelschnurbruch n (Omphalozele) N Nabelbruch n
Definition/Lokalisation π
π
kongenitale Hemmungsmissbildung, Bruchpforte ist der Anulus umbilicalis Bruchpforte ist der Anulus umbilicalis
Symptomatik π
π
π
N epigastrische Hernie n
π
N Rektusdiastase n
π
20.2.2
Bruchpforte liegt zwischen Xiphoid und Nabel in der Linea alba
Auseinanderweichen der Rektusmuskulatur im Bereich der Mittellinie (Linea alba)
π
π
π
Differenzialdiagnosen
Baucheingeweide in extraperitonealer Lage in einem von Amnion überzogenen Bruchsack lokale Schmerzen im Nabelbereich Schwellung und Rötung des Nabels
π
Oberbauchbeschwerden, die durch Veränderung der Körperposition oder Anspannung der Bauchdecken, Pressen, Husten, Niesen verstärkt werden
π
Abszess
intraabdominelle Erkrankungen im Bereich des Oberbauches
Vorwölbung der Bauchwand bei Anspannung kaum Beschwerden
Brüche der Leistenregion
n Definition. Brüche der Leistenregion treten als direkte (mediale) bzw. indirekte (laterale) Leistenbrüche oder als Schenkelhernien auf. Differenziert werden sie durch die Lokalisation der Bruchpforte und den Verlauf im Leistenkanal. Leistenbrüche (Hernia inguinalis) treten oberhalb des Leistenbandes, Schenkelhernien (Hernia femoralis) dagegen unterhalb des Leistenbandes auf ( 1 B-20.6).
20.2.2
Brüche der Leistenregion
Definition
Die Leistenhernie stellt die häufigste Form aller Brüche dar (ca. 75 %). Mit ca. 90 % sind überwiegend Männer betroffen, während die Schenkelhernie meist bei Frauen zu finden ist.
Leistenbrüche treten bevorzugt bei Männern, Schenkelhernien bei Frauen auf.
Anatomie des Leistenkanals
Anatomie des Leistenkanals
Der Leistenkanal verläuft schräg von hinten-oben-lateral nach vorn-untenmedial durch die Schichten der Bauchwand ( 1 B-20.6). Er beginnt am inneren Leistenring (Fossa inguinalis lateralis) und endet im äußeren Leistenring, der durch eine Lücke in der Aponeurose des M. obliquus externus gebildet wird. Die Begrenzungen des Leistenkanals bilden ventral die Aponeurose des M. obliquus externus, dorsal die Fascia transversalis und das Peritoneum, kranial der untere Rand des M. obliquus internus und transversus und kaudal das Lig. inguinale (Leistenband). Durch den Leistenkanal zieht beim Mann der Samenstrang, bei der Frau das Lig. rotundum.
Der Leistenkanal verläuft schräg von hinten-oben-lateral nach vorn-untenmedial durch die Schichten der Bauchwand ( 1 B-20.6). Er beginnt am inneren Leistenring (Fossa inguinalis lateralis) und endet im äußeren Leistenring.
Indirekter und direkter Leistenbruch
Indirekter und direkter Leistenbruch
Indirekter Leistenbruch (H. inguinalis lateralis)
Indirekter Leistenbruch
60–70 % aller Leistenhernien sind indirekte Leistenbrüche. Sie können angeboren oder erworben sein. Die angeborenen Brüche entstehen durch eine nicht vollständige Obliteration des Processus vaginalis nach dem Deszensus der Hoden (s. Kap. B-23.2.9). Erweitert sich der Anulus internus erst zu einem späteren Zeitpunkt und tritt dann Peritoneum in den Leistenkanal ein, liegt eine erworbene Hernie vor. Die Bruchpforte der indirekten Hernie ist der lateral der Vasa epigastrica inferiora liegende Anulus inguinalis internus. Der Bruch verläuft im Leistenkanal und tritt am Anulus inguinalis externus nach außen. Er kann bis in das Skrotum reichen (Skrotalhernie, 1 B-20.7).
Er kann angeboren oder erworben sein. Bei nicht vollständiger Obliteration des Processus vaginalis nach dem Deszensus entsteht der angeborene Bruch. Erweitert sich der Anulus erst zu einem späteren Zeitpunkt, liegt eine erworbene Hernie vor. Die Bruchpforte ist der lateral der Vasa epigastrica inferior liegende Anulus ing. int. Der Bruch verläuft im Leistenkanal und tritt am Anulus ing. ext. nach außen. Er kann bis in das Skrotum reichen (Skrotalhernie ( 1 B-20.7).
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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20.2.2 Brüche der Leistenregion
2 B-20.1
Häufige Hernien der vorderen Bauchwand
Hernie
N Nabelschnurbruch n (Omphalozele) N Nabelbruch n
Definition/Lokalisation π
π
kongenitale Hemmungsmissbildung, Bruchpforte ist der Anulus umbilicalis Bruchpforte ist der Anulus umbilicalis
Symptomatik π
π
π
N epigastrische Hernie n
π
N Rektusdiastase n
π
20.2.2
Bruchpforte liegt zwischen Xiphoid und Nabel in der Linea alba
Auseinanderweichen der Rektusmuskulatur im Bereich der Mittellinie (Linea alba)
π
π
π
Differenzialdiagnosen
Baucheingeweide in extraperitonealer Lage in einem von Amnion überzogenen Bruchsack lokale Schmerzen im Nabelbereich Schwellung und Rötung des Nabels
π
Oberbauchbeschwerden, die durch Veränderung der Körperposition oder Anspannung der Bauchdecken, Pressen, Husten, Niesen verstärkt werden
π
Abszess
intraabdominelle Erkrankungen im Bereich des Oberbauches
Vorwölbung der Bauchwand bei Anspannung kaum Beschwerden
Brüche der Leistenregion
n Definition. Brüche der Leistenregion treten als direkte (mediale) bzw. indirekte (laterale) Leistenbrüche oder als Schenkelhernien auf. Differenziert werden sie durch die Lokalisation der Bruchpforte und den Verlauf im Leistenkanal. Leistenbrüche (Hernia inguinalis) treten oberhalb des Leistenbandes, Schenkelhernien (Hernia femoralis) dagegen unterhalb des Leistenbandes auf ( 1 B-20.6).
20.2.2
Brüche der Leistenregion
Definition
Die Leistenhernie stellt die häufigste Form aller Brüche dar (ca. 75 %). Mit ca. 90 % sind überwiegend Männer betroffen, während die Schenkelhernie meist bei Frauen zu finden ist.
Leistenbrüche treten bevorzugt bei Männern, Schenkelhernien bei Frauen auf.
Anatomie des Leistenkanals
Anatomie des Leistenkanals
Der Leistenkanal verläuft schräg von hinten-oben-lateral nach vorn-untenmedial durch die Schichten der Bauchwand ( 1 B-20.6). Er beginnt am inneren Leistenring (Fossa inguinalis lateralis) und endet im äußeren Leistenring, der durch eine Lücke in der Aponeurose des M. obliquus externus gebildet wird. Die Begrenzungen des Leistenkanals bilden ventral die Aponeurose des M. obliquus externus, dorsal die Fascia transversalis und das Peritoneum, kranial der untere Rand des M. obliquus internus und transversus und kaudal das Lig. inguinale (Leistenband). Durch den Leistenkanal zieht beim Mann der Samenstrang, bei der Frau das Lig. rotundum.
Der Leistenkanal verläuft schräg von hinten-oben-lateral nach vorn-untenmedial durch die Schichten der Bauchwand ( 1 B-20.6). Er beginnt am inneren Leistenring (Fossa inguinalis lateralis) und endet im äußeren Leistenring.
Indirekter und direkter Leistenbruch
Indirekter und direkter Leistenbruch
Indirekter Leistenbruch (H. inguinalis lateralis)
Indirekter Leistenbruch
60–70 % aller Leistenhernien sind indirekte Leistenbrüche. Sie können angeboren oder erworben sein. Die angeborenen Brüche entstehen durch eine nicht vollständige Obliteration des Processus vaginalis nach dem Deszensus der Hoden (s. Kap. B-23.2.9). Erweitert sich der Anulus internus erst zu einem späteren Zeitpunkt und tritt dann Peritoneum in den Leistenkanal ein, liegt eine erworbene Hernie vor. Die Bruchpforte der indirekten Hernie ist der lateral der Vasa epigastrica inferiora liegende Anulus inguinalis internus. Der Bruch verläuft im Leistenkanal und tritt am Anulus inguinalis externus nach außen. Er kann bis in das Skrotum reichen (Skrotalhernie, 1 B-20.7).
Er kann angeboren oder erworben sein. Bei nicht vollständiger Obliteration des Processus vaginalis nach dem Deszensus entsteht der angeborene Bruch. Erweitert sich der Anulus erst zu einem späteren Zeitpunkt, liegt eine erworbene Hernie vor. Die Bruchpforte ist der lateral der Vasa epigastrica inferior liegende Anulus ing. int. Der Bruch verläuft im Leistenkanal und tritt am Anulus ing. ext. nach außen. Er kann bis in das Skrotum reichen (Skrotalhernie ( 1 B-20.7).
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
754 1 B-20.6
20 Hernien
Synopsis Anatomie der Leistenregion und ihre Bruchpforten
2
5 11
7
1 I
I
3
10
II
12
II 9
III
4
III 13
6 8
a
b
Leistenregion von ventral (a) und abdominal (b) (mit Bezeichnung der Strukturen und Darstellung der Bruchpforten). Strukturen: Bruchpforten: 8 Samenstrang I indirekte Hernie 1 Lig. inguinale 9 N./A./V. femoralis II direkte Hernie 2 M. transversus III Schenkelhernie 3 M. obliquus externus (von links nach rechts) 4 M. obliquus internus 10 Lig. inguinale 11 Vasa epigastrica 5 innerer Leistenring 6 äußerer Leistenring 12 A./V. iliaca externa 7 Fascia transversalis 13 Ductus deferens Übersicht Brüche der Leistenregion: Hernie
Lokalisation
N direkter Leistenbruch n (H. inguinalis medialis)
π
N indirekter Leistenbruch n (H. inguinalis lateralis)
N Schenkelhernie n (H. femoralis)
Ätiologie
Bruchpforte: Oberhalb des Lig. inguinale π medial der epigastrischen Gefäße π im Bereich des Hesselbach-Dreiecks π Bruchsack verläuft medial des Samenstrangs π Austritt am Anulus inguinalis externus Bruchpforte: oberhalb des Lig. inguinale π lateral der epigastrischen Gefäße π Anulus inguinalis internus erweitert π Verlauf im Leistenkanal π Austritt am Anulus inguinalis externus π
Bruchpforte unterhalb des Lig. inguinale π Lacuna vasorum π in der Regel medial der Gefäße verlaufender Bruchsack π Austritt unter die Haut durch Fossa ovalis
π
immer erworben
Symptomatik π
π
π π
angeboren oder erworben nicht vollständige Obliteration des Processus vaginalis
π
π
π
immer erworben
π
π
Man unterscheidet nach Größe des Bruchs: π Hernia incipiens π Hernia completa π Hernia scrotalis π Hernia labialis.
π
Schwellung oder Vorwölbung im Leistenbereich bei Inkarzeration: Ileussymptomatik
Schwellung oder Vorwölbung im Leistenbereich bei Inkarzeration: Ileussymptomatik oft keine sichtbare Vorwölbung bei Inkarzeration: Ileussymptomatik
Je nach Größe des Bruchs werden verschiedene Stadien unterschieden: π Hernia incipiens: Vorwölbung des peritonealen Bruchsacks in den Leistenkanal π Hernia completa: Bruchsack am äußeren Leistenring π Hernia scrotalis: Bruchsack liegt im Skrotum π Hernia labialis: Hernie reicht bis in die Labien.
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755
20.2.2 Brüche der Leistenregion
1 B-20.7
Groteske Skrotalhernie
Direkter Leistenbruch (Hernia inguinalis medialis)
Direkter Leistenbruch
Die direkte Leistenhernie ist im Gegensatz zur indirekten immer erworben. Die Bruchpforte liegt medial der epigastrischen Gefäße im Bereich der Fossa inguinalis medialis an einer sog. schwachen Stelle (Hesselbach-Dreieck). Hier ist die Festigkeit der vorderen Bauchwand abhängig von der Fascia transversalis. Der Bruch verläuft senkrecht durch die Bauchwand, medial des Samenstrangs und tritt am Anulus externus aus ( 1 B-20.6).
Die direkte Leistenhernie ist immer erworben. Die Bruchpforte liegt medial der epigastrischen Gefäße, der Bruch verläuft senkrecht durch die Bauchdecke (Hesselbach-Dreieck) ( 1 B-20.6).
Diagnose. Leistenhernien imponieren meist durch Schwellungen oder Vor-
Diagnose. Leistenhernien imponieren durch Schwellung und Vorwölbung, gelegentlich allerdings nur durch ziehende Schmerzen.
wölbungen. Gelegentlich sind allerdings nur rezidivierend ziehende Schmerzen ohne tastbare Veränderungen zu beobachten; dies ist besonders bei beginnenden Hernien oder der sog. »weichen Leiste« der Fall. n Merke. Für die Diagnose der Leistenhernie kommt ausschließlich die klinische Untersuchung in Betracht.
Merke
Sie wird – wenn möglich – am stehenden Patienten vorgenommen. Mit dem Zeigefinger bzw. dem Kleinfinger fährt der Untersucher in den Leistenkanal, indem er die Skrotal- oder Leistenhaut durch den äußeren Bruchring einstülpt. Der innere Leistenring kommt so an der Spitze des Fingers zu liegen. Der Patient wird aufgefordert zu pressen. Selbst kleine Hernien sind auf diese Weise als Vorwölbung zu ertasten ( 1 B-20.8).
Die Untersuchung des Leistenbruches erfolgt am stehenden Patienten ( 1 B-20.8).
Mit der Drei-Finger-Regel ist die Einordnung der Hernien im Bereich der Leistenregion möglich. Der Handteller der rechten bzw. linken Hand wird von dorsal auf die Spina iliaca anterior superior gelegt, der Zeigefinger markiert den Verlauf des direkten Bruchs, der Mittelfinger den des indirekten Bruchs, der Ringfinger den Verlauf des Schenkelbruchs ( 1 B-20.9).
Mit der Drei-Finger-Regel ist die Einordnung der Hernien im Bereich der Leistenregion möglich ( 1 B-20.9).
n Merke. Grundsätzlich müssen beide Leisten untersucht werden, da Leistenhernien in bis zu 15 % aller Fälle beidseitig auftreten!
Differenzialdiagnosen. Differenzialdiagnostisch sind stets Lymphome,
ektope Hoden, Varikozelen, Abszesse und Tumoren in Betracht zu ziehen.
Merke
Differenzialdiagnosen. Lymphome, ektope Hoden, Varikozelen, Abszesse und Tumoren müssen ausgeschlossen werden.
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756 1 B-20.8
20 Hernien
Synopsis Untersuchungstechnik bei der Leistenhernie
1 B-20.9
Synopsis »Drei-Finger-Regel«
a b c
Der Finger des Untersuchers fährt in den Leistenkanal, indem er die Skrotal- oder Leistenhaut durch den äußeren Bruchring einstülpt. An der Fingerspitze ist dann eine Vorwölbung tastbar.
a b c
direkter Leistenbruch indirekter Leistenbruch Schenkelbruch.
Klinischer Fall Ein 20-jähriger Patient bemerkte eine Schwellung im Bereich der linken Leiste, nachdem er am Vortag einem Freund beim Umzug geholfen hatte. Im Liegen sei diese Schwellung vollständig verschwunden, trete aber insbesondere beim Husten stärker hervor. Bei der Inspektion ist eine leichte Vorwölbung im Bereich der linken Leiste
Therapie. Leistenhernien werden grundsätzlich operativ versorgt. Bei Risikopatienten lässt sich die Narkose als Lokal- oder Spinalanästhesie durchführen.
Merke
Für den Verschluss der Bruchpforten stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Sie unterscheiden sich durch abweichende Techniken bei der Verstärkung der Leistenkanalhinterwand ( 1 B-20.10). Man unterscheidet die π Op nach Bassini π Op nach McVay/Lotheisen π Op nach Shouldice π Op nach Lichtenstein.
zu erkennen. Bei der klinischen Untersuchung lässt sich durch das Skrotum im Bereich des Anulus inguinalis internus eine deutliche Vorwölbung tasten, die beim Husten deutlich größer wird. Intraoperativ bestätigt sich die Diagnose eines indirekten Leistenbruchs.
Therapie. Leistenhernien bedürfen immer der operativen Versorgung. Das
gilt auch für Risikopatienten (Alter, KHK, pulmonale Erkrankungen), bei denen sich die Narkose als Lokal- oder Spinalanästhesie durchführen lässt. Den unterschiedlichen Operationsmethoden ist gemeinsam der Hautschnitt ca. 2 cm oberhalb des Leistenbands, die Freilegung und Präparation des Bruchsacks, die Reposition des Bruchsackinhalts in den Bauchraum und seine Abtragung. n Merke. Auf die evtl. Kombination direkter und indirekter Hernien ist sorgfältig zu achten.
Für den Verschluss der Bruchpforten stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Sie unterscheiden sich durch abweichende Techniken bei der Verstärkung der Leistenkanalhinterwand ( 1 B-20.10). Beim Verfahren nach Bassini werden der M. obliquus internus, der M. transversus abdominis und die Fascia transversalis an das Leistenband fixiert ( 1 B-20.10 b). Nach McVay/Lotheisen werden die genannten Muskeln und die Faszie an das Cooper-Ligament (Fortsetzung des Lig. lacunare auf den Pecten ossis pubis) genäht ( 1 B-20.10 c).
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20.2.2 Brüche der Leistenregion Bei der Methode nach Shouldice erfolgen zunächst eine Durchtrennung und anschließende Dopplung der ausgedünnten Fascia transversalis zur Rekonstruktion der Hinterwand. Sodann wird die Internusmuskulatur in 2 Reihen an das Leistenband geheftet ( 1 B-20.10 d). Bei der Rekonstruktion nach Lichtenstein erfolgt die Verstärkung der Hinterwand des Leistenkanals durch Einlage eines Polypropylennetzes. Bei allen Operationstechniken verbleiben der Samenstrang bzw. das Lig. rotundum im Leistenkanal. Die Deckung nach ventral erfolgt in der Regel durch die Externusaponeurose. In seltenen Ausnahmefällen kann die Gefahr der Druckschädigung bei engem Leistenkanal die Subkutanverlagerung des Samenstrangs erfordern. Neben den konventionellen Operationsverfahren haben sich in den letzten Jahren die laparoskopischen Behandlungsmöglichkeiten entwickelt, bei denen sich die intraperitonealen, die laparoskopisch kontrollierten extraperitonealen und die laparoskopisch assistierten transkutanen Techniken unterscheiden lassen. Zum Verschluss der Bruchpforte wird alloplastisches Material (z.B. Kunststoffnetz) eingebracht. Der Vorteil der laparoskopischen Behandlung liegt in der raschen Belastbarkeit der Bauchdecke. Einen Nachteil stellt jedoch – abgesehen von den hohen Materialkosten – bei der intraperitonealen Technik die Verlagerung eines extraperitonealen Eingriffs in das Abdomen dar. Hierbei besteht die Gefahr späterer Verwachsungen. Aus diesem Grund wird die extraperitoneale Technik bevorzugt angewandt (vgl. Kap. B-14.4). Kindliche Brüche werden nach Halsted-Ferguson lediglich mit Abtragung des Bruchsacks ohne Verstärkung der Hinterwand versorgt (s. Kap. B-23.2.9).
Komplikationen. An – im übrigen seltenen – Komplikationen kommen in
Betracht: π Verletzung des Ductus deferens π Verletzung der Vasa spermatica mit Hodennekrose oder Atrophie des Hodens π Verletzung oder Kompression der Femoralgefäße π Verletzung des N. femoralis π Wundinfektion π chronischer Leistenschmerz π Rezidiv.
Rezidivhäufigkeit. Abhängig von der Operationsmethode können 2–10 % Rezidive auftreten. Mit 0,5–8 % weist das Verfahren nach Shouldice die niedrigste Rezidivrate auf. Für die laparoskopischen Techniken liegen bei Primärhernien ähnliche Rezidivraten vor. Rezidivoperationen gestalten sich wesentlich schwieriger als der erste Eingriff und erfordern zumindest beim 2. oder 3. Rezidiv Autotransplantate (z.B. aus der Fascia lata) oder den Einsatz von Fremdmaterial (Kunststoffnetz).
Postoperatives Verhalten. Anzustreben ist die Frühmobilisation des
Patienten unter weitgehender Entlastung der Bauchdecke. Zur Abwendung von Rezidiven ist nach konventioneller Operation bei allgemeiner Schonung das Heben und Tragen schwerer Lasten für mindestens 4 Wochen zu vermeiden.
757 Bei allen Operationstechniken verbleiben der Samenstrang bzw. das Lig. rotundum im Leistenkanal.
Neben den konventionellen Verfahren hat sich die laparoskopische Behandlungsmöglichkeit entwickelt. Intraperitoneale, laparoskopisch kontrollierte extraperitoneale und laparoskopisch assistierte transkutane Technik werden unterschieden (s. Kap. B-14.4). Der Vorteil liegt in der raschen Belastbarkeit der Bauchdecke, der Nachteil in den deutlich höheren Kosten sowie der Gefahr späterer Verwachsungen. Kindliche Brüche werden nach Halsted-Ferguson ohne Verstärkung der Hinterwand versorgt.
Komplikationen. An seltenen Komplikationen kommen in Betracht: π Verletzung des Ductus deferens, der Vasa spermatica, der Femoralgefäße, des N. femoralis π Wundinfektion π chronischer Leistenschmerz π Rezidiv.
Rezidivhäufigkeit. Rezidive treten je nach Operationsmethode in 2–10 % auf, die niedrigste Rezidivrate mit 0,5–8 % weist das Verfahren nach Shouldice auf. Rezidivoperationen sind schwierig. Beim Zweit- oder Dritteingriff sind Autotransplantate oder Fremdmaterial erforderlich. Postoperatives Verhalten. Frühmobilisation ist anzustreben. Heben und Tragen schwerer Lasten sind für mindestens 4 Wochen zu vermeiden.
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758
20 Hernien
1 B-20.10
Synopsis Operationsverfahren von Leistenbrüchen 10
7 1 2 3 4 5 6
9 11 8 a Schematischer Querschnitt der b Rekonstruktion nach Bassini. Leistenregion (Normalbefund) 1 Subkutangewebe 6 Peritoneum 2 Aponeurose M. obliquus 7 Samenstrang externus 8 Os pubis 3 M. obliquus internus 9 M. pectineus 4 M. transversus abdominis 10 Lig. inguinale 5 Fascia transversalis 11 Lig. pectineale.
c Rekonstruktion nach Lotheisen.
d Rekonstruktion nach Shouldice.
Übersicht Operationsverfahren Brüche der Leistenregion: N Leistenbruch n N Bassini n
Verstärkung der Hinterwand: π M. transversus abdominis π M. obliquus internus π Fascia transversalis werden am Leistenband fixiert
N McVay/Lotheisen n
Verstärkung der Hinterwand: N McVay: n π M. transversus abdominis π Fascia transversalis werden an das Cooper-Ligament genäht N Lotheisen: n π M. transversus abdominis π M. obliquus internus π Fascia transversalis werden an das Cooper-Ligament genäht
N Shouldice n
N bei allen Techniken: n
Verstärkung der Hinterwand: π Durchtrennung der Fascia transversalis π Dopplung der Fascia transversalis π M. obliquus internus und transversus werden in 2 Reihen an das Leistenband geheftet π π
Samenstrang bzw. Lig. rotundum verbleiben im Leistenkanal Deckung des Samenstrangs erfolgt in der Regel durch Externusaponeurose, selten subkutane Verlagerung nötig (nur wenn Gefahr der Druckschädigung)
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759
20.2.2 Brüche der Leistenregion
Schenkelhernie (Hernia femoralis)
Schenkelhernie (Hernia femoralis)
n Definition. Schenkelhernien sind selten, immer erworben und treten weitaus überwiegend bei Frauen auf. Die Bruchpforte liegt unterhalb des Leistenbands, das mit der Beckenwand durch den Arcus ileopectineus breitflächig verbunden ist. Dadurch entstehen 2 Öffnungen: die Lacuna musculorum (Durchtritt: M. iliopsoas, N. femoralis) und die Lacuna vasorum (Durchtritt: A. und V. femoralis, 1 B-20.11).
1 B-20.11 8
Definition
Synopsis Schenkelhernie – Reparation nach Shouldice (inguinaler Zugang) 1 2 3 4 5 6
7
1 Lig. inguinale 2 Aponeurose des M. obliquus externus abdominis 3 M. obliquus internus abdominis 4 M. transversus abdominis 5 Fascia transversalis 6 Peritoneum 7 Lig. pectineale (Lig. pubicum Cooperi) 8 M. pectineus mit Fascia pectinea
Schematischer Querschnitt der Schenkelhernienreparation nach Shouldice. Versorgung des Bruchsacks und Verschluss des Leistenkanals mittels doppelter Nahtreihe. Der gesamte Kanal wird hierbei in seinem Eingang durch Anheftung des Leistenbandes an das Lig. pectineale (Cooperi) und in seinem Ausgang durch Anheftung des Leistenbandes an die Fascia pectinea verschlossen.
Pathogenese. Die typischen Femoralhernien treten medial der Gefäße
durch die Lacuna vasorum. Über die Fossa ovalis gelangen die Brüche unter die Haut. Wegen der Enge der Bruchpforte kommt es bei den Schenkelhernien häufig zur Inkarzeration. n Merke. Schenkelhernien sind äußerlich oft nicht sichtbar und entgehen auch nicht selten der Palpation. Die Diagnose wird meist erst im Zusammenhang mit einer Ileussituation intraoperativ gestellt.
Pathogenese. Die Femoralhernien treten medial der Gefäße durch die Lacuna vasorum. Wegen der Enge der Bruchpforte kommt es häufig zur Inkarzeration. Merke
Differenzialdiagnostisch ist an entzündlich oder metastatisch veränderte Lymphknoten, Lipome, Tbc-Senkungsabszesse oder Hüftgelenkserkrankungen zu denken.
Differenzialdiagnosen: Lymphknoten, Lipome, Tbc-Senkungsabszesse, Hüftgelenkserkrankungen.
Therapie. Die Schenkelhernie wird operativ über einen inguinalen oder
Therapie. Der operative Verschluss erfolgt über einen inguinalen oder femoralen Zugang, der Verschluss der Bruchpforte erfolgt durch Naht des Leistenbandes an das Lig. pubicum.
femoralen (kruralen) Zugang verschlossen. Nach der Reposition des Bruchsackinhalts werden der Bruchsack abgetragen, die Ränder adaptiert und nach intraabdominell eingestülpt. Der Verschluss der Bruchpforte erfolgt durch Naht des Leistenbands an das Lig. pubicum. Komplikationen der Operation treten ebenfalls selten auf und entsprechen denen der Leistenhernieneingriffe. Lediglich Thrombosen sind im Vergleich häufiger zu verzeichnen. Die Rezidivrate liegt bei 2–10 %. Postoperativ gelten dieselben Verhaltensregeln wie für Patienten nach Leistenbruchoperation.
Komplikationen sind selten, sie gleichen denen der Leistenhernieneingriffe. Rezidive treten in 2–10 % auf.
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760 1 B-20.12
20 Hernien
Synopsis Seltene Bruchformen
4 3 1 2
6 7
5
2 8
3
9 4
10
1
5 6 a Spieghel-Hernie. 1 Spieghel-Hernie 2 M. rectus abdominis 3 M. transversus abdominis 4 Linea semilunaris (Spieghel) 5 Linea arcuata 6 Linea alba
b Hernia lumbalis. 1 Hernia lumbalis superior (Grynfelt) 2 Hernia lumbalis inferior (Petiti) 3 M. iliocostalis 4 M. serratus posterior inferior 5 M. obliquus internus abdominis 6 M. latissimus dorsi 7 M. obliquus externus abdominis 8 Crista iliaca 9 M. glutaeus medius 10 M. glutaeus maximus
2
8
3 4
5 6 8 7
1
1 6 2
3
4 7 9 c Hernia obturatoria. Die engen Lagebeziehungen zur Schenkelhernie erklären, dass eine klinische Differenzierung zur Schenkelhernie häufig nicht gelingen kann. Bei Inkarzerationen oder Irreponibilität ist ein Wechsel auf den präperitonealen Zugang sinnvoll. Dadurch übersichtliche Darstellung des Foramen obturatum vom Becken her. 5 M. obturator externus 1 Hernia obturatoria 6 M. adductor longus 2 Lig. inguinale 7 M. adductor brevis 3 A./V. femoralis 8 N. obturatorius, A., V. obturatoria 4 M. pectineus
5
d Hernia ischiadica. 1 Hernia suprapiriformis 2 Hernia infrapiriformis 3 Hernia spinotuberosa 4 M. obturator internus, Mm. gemelli
5 6 7 8 9
N. ischiadicus M. piriformis M. glutaeus maximus M. glutaeus medius Lig. sacrotuberale
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761
20.2.2 Brüche der Leistenregion
1 B-20.12
Synopsis Seltene Bruchformen (Fortsetzung)
6 5
1 7
e
2 3
4
Hernia perinealis. Dargestellt sind eine ventrale und dorsale paravesikale und eine ischiorektale Hernie bei einer Frau. 1 Hernia perinealis anterior 2 Hernia perinealis posterior 3 Hernia ischiorectalis 4 M. levator ani 5 M. ischiocavernosus 6 M. bulbospongiosus 7 M. transversus perinei profundus
Übersicht seltene Bruchformen: Hernie
Lokalisation
N Spieghel-Hernie n
vordere Bauchwand zwischen Linea semilunaris und lateraler Rektusscheide, bevorzugt in Höhe der Linea arcuata
N Hernia lumbalis n
π
π
N Hernia obturatoria n
Hernia lumbalis superior: oberes Lendendreieck zw. 12. Rippe und dem M. sacrospinalis (Trig. Grynfelti) (1) Hernia lumbalis inferior: unteres Lendendreieck oberhalb der Crista iliaca (Trig. Petiti) (2)
Foramen obturatorium
Symptomatik π
π
π
Foramen ischiadicum Hernia suprapiriformis (1): oberhalb des M. piriformis π Hernia infrapiriformis (2): unterhalb des M. piriformis π Hernia spinotuberosa (3): vor dem Lig. sacrotuberale π
π
π
Hernia perinealis anterior: vor M. transversus perinei profundus (1) Hernia perinealis posterior: hinter M. transv. perinei profundus (2) Hernia ischiorectalis: durch M. levator ani in die Fossa ischiorectalis (3)
π π
π π
π
π
π
π
N Hernia perinealis n
bewegungsabhängige lumbale Schmerzen
π
π
π
N Hernia ischiadica n
lokalisierter Schmerz im Bereich der Bruchpforte oder Ileussymptomatik
Differenzialdiagnosen
π π
π
Ileussymptomatik Schmerzen an der Innenseite des Oberschenkels Schmerzen ähnlich einer Ischialgie Ileussymptomatik gelegentlich Harnstauungsniere
lokale Schwellung der Labien, Dammregion
π π
π π
π π π
Bauchwandhämatome Tumoren intraabdominelle Erkrankungen
Lipome Weichteiltumoren Myogelosen Senkungsabszesse
Weichteiltumoren Lipome Weichteiltumoren Lipome
Abszesse Zysten Lipome
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762
20 Hernien
Seltene Bruchformen
20.2.3 Seltene Bruchformen
20.2.3
Spieghel-Hernie
Spieghel-Hernie
Definition
Diagnose. Die Diagnose kann schwierig sein. Inkarzerationen sind besonders häufig. Differenzialdiagnostisch kommen Bauchwandhämatome oder Tumoren in Betracht.
n Definition. Die Bruchpforten finden sich als kleine, präformierte Lücken im Bereich zwischen der Linea semilunaris und der lateralen Rektusscheide ( 1 B-20.12 a). Die bevorzugte Austrittsstelle liegt in Höhe der Linea arcuata.
Diagnose. Die Diagnose dieser Hernie kann schwierig sein. Die Patienten
klagen meist über einen lokalisierten Schmerz im Bereich der Bruchpforte. Inkarzerationen sind bei dieser Form besonders häufig. Differenzialdiagnostisch sind Bauchwandhämatome, Tumoren oder auch intraabdominelle Erkrankungen in Erwägung zu ziehen.
Therapie. Sie erfolgt operativ durch Abtragen des Bruchsackes und Verschluss der Bruchlücke.
Therapie. Sie erfolgt operativ durch Freilegen und Abtragen des Bruchsacks.
Hernia lumbalis
Hernia lumbalis
Diese seltene Hernie tritt entweder im oberen oder unteren Lendendreieck auf ( 1 B-20.12 b). Die Patienten klagen über bewegungsabhängige lumbale Schmerzen. Nachgewiesene Hernien werden operativ behandelt.
Diese seltene Hernie tritt entweder im oberen Lendendreieck zwischen der 12. Rippe und dem M. sacrospinalis (Trigonum Grynfelti) oder im unteren Lendendreieck oberhalb der Crista iliaca (Trigonum Petiti) aus ( 1 B-20.12 b). Die Patienten klagen über bewegungsabhängige lumbale Schmerzen. Differenzialdiagnostisch kommen Lipome, Weichteiltumoren, Myogelosen und Senkungsabszesse in Betracht. Nachgewiesene Hernien werden operativ behandelt.
Hernia obturatoria
Hernia obturatoria
Definition
Die Bruchlücke wird durch Naht der Aponeurose verschlossen.
n Definition. Der Bruchsack dieser Hernie verläuft zusammen mit dem Gefäßnervenbündel durch das Foramen obturatorium unter dem horizontalen Schambeinast hindurch bis zum M. pectineus ( 1 B-20.12 c).
Symptome. Betroffen sind vor allem adipöse Frauen. Die Irritation des N. obturatorius führt zu Schmerzen an der Innenseite des Oberschenkels.
Symptome. Betroffen sind vor allem adipöse Frauen. Die Irritation des N.
Therapie. Der operative Verschluss erfolgt von abdominal. Differenzialdiagnosen sind Weichteiltumoren oder Lipome.
Therapie. Der operative Verschluss erfolgt von abdominal.
obturatorius führt zu Schmerzen an der Innenseite des Oberschenkels. Inkarzerationen (oft im Sinne eines Darmwandbruchs) sind häufig. Die Diagnose wird in aller Regel erst intraoperativ bei Ileussymptomatik gestellt.
Differenzialdiagnosen sind Weichteiltumoren oder Lipome.
Klinischer Fall Eine 60-jährige adipöse Patientin berichtet über beim Husten und Pressen auftretende Schmerzen, die zur Innenseite des linken Oberschenkels ziehen. Bei der klinischen Untersuchung lässt sich im Bereich des linken Beines weder inspektorisch noch palpatorisch ein pathologischer Befund erheben. Im Bereich der Wirbelsäule
finden sich bei der Untersuchung ebenfalls keine Auffälligkeiten. Die von der Patientin geschilderte Schmerzsymptomatik lässt sich aber reproduzieren. Unter dem Verdacht auf eine Hernia obturatoria wird eine Exploration durchgeführt, die die Diagnose bestätigen kann.
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763
20.2.4 Innere Hernien
Hernia ischiadica
Hernia ischiadica
n Definition. Der Bruch tritt durch das Foramen ischiadicum majus oder minus ( 1 B-20.12 d). Man unterscheidet je nach Lokalisation der Bruchpforte die π Hernia suprapiriformis (tritt oberhalb des M. piriformis aus) π Hernia infrapiriformis (tritt unterhalb des M. piriformis aus) π Hernia spinotuberosa (tritt vor dem Lig. sacrotuberale aus).
Definition
Symptome. Klinisch lassen sich diese Brüche nur selten am Unterrand des
Symptome. Die Brüche sind am Unterrand des M. glutaeus maximus zu tasten. Der Schmerz ähnelt der Ischialgie. Differenzialdiagnosen sind Weichteiltumoren und Lipome.
Therapie. Die Bruchlücke lässt sich von glutäal oder abdominal schließen.
Therapie. Die Bruchlücke wird von glutäal oder abdominal verschlossen.
Hernia perinealis
Hernia perinealis
M. glutaeus maximus tasten. Die Schmerzsymptomatik kann der Ischialgie ähneln. Differenzialdiagnostisch ist ein Weichteiltumor der Glutäalregion zu erwägen. Gelegentlich finden sich im Bruchsack Adnexe und/oder Ureteranteile (u.U. Ursache einer Harnstauungsniere).
Letztere Methode ist aufgrund der Verletzungsgefahr des Ureters und des N. ischiadicus zu bevorzugen.
n Definition. Perineal- oder Beckenbodenhernien treten vor (Hernia perinealis anterior) oder hinter (Hernia perinealis posterior) dem M. transversus perinei profundus durch den Beckenboden oder durch den M. levator ani aus (Hernia ischiorectalis) ( 1 B-20.12 e).
Symptome. Die vorderen manifestieren sich im Bereich der Labien oder der Dammregion. Die hinteren treten durch den M. levator ani in die Fossa ischiorectalis (Hernia ischiorectalis). Differenzialdiagnosen sind Abszesse, Zysten, Lipome und andere Tumoren.
Therapie. Der Verschluss dieser Hernien erfolgt je nach Lokalisation von perineal oder abdominal.
20.2.4
Innere Hernien
Definition
Symptome Differenzialdiagnosen sind Abszesse, Zysten oder Tumoren. Therapie. Der Verschluss erfolgt je nach Lokalisation von perineal oder abdominal.
20.2.4
n Definition. Bei der Verlagerung von Darmschlingen oder Netz in peritoneale Taschen oder Duplikaturen spricht man von inneren Hernien. Sie sind äußerlich nicht sichtbar und fallen meist erst intraoperativ auf.
Typische Lokalisationen sind: die Bursa omentalis (Hernia bursae omentalis) π die Flexura duodenojejunalis (Hernia recessus duodenalis) π das Mesokolon (Hernia duodenomesocolica) π das Zäkum (Hernia recessus ileocaecalis superior/inferior) π das Sigma (Hernia intersigmoidea). Von diesen natürlichen Hernien sind die iatrogenen inneren Hernien zu unterscheiden. Sie sind nach abdominellen Operationen Folge schlecht oder nicht verschlossener Mesoschlitze. Auch zufällig entdeckte Möglichkeiten einer Hernierung sollten einen Verschluss erhalten. Zwerchfellhernien zählen ebenfalls zu den inneren Hernien (s. Kap. B-2.2). π
Innere Hernien
Definition
Typische Lokalisationen sind: Bursa omentalis π die Flexura duodenojejunalis π das Mesokolon π das Zäkum π das Sigma. π
Von den natürlichen Hernien sind die iatrogenen inneren Hernien zu unterscheiden, die durch schlecht oder nicht verschlossene Mesoschlitze nach abdominellen Operationen durchtreten. Zwerchfellhernien s. Kap. B-2.2.
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764 20.2.5 Narbenbrüche Definition
20 Hernien 20.2.5
Narbenbrüche
n Definition. Narbenbrüche sind im Bereich von Operationsnarben anzutreffen ( 1 B-20.13).
Ätiologie. Prädisponierende Faktoren liegen im Erkrankungsbild des Patienten oder können operationsbedingt sein. Beispiele: Eiweiß- und Faktor-VIIIMangel, Adipositas, Peritonitis, Asthma und andere pulmonale Erkrankungen (chronisch hohe Bauchdeckenbelastung) sowie medikamentöse Einflüsse (Steroiddauertherapie).
Ätiologie. Die prädisponierenden Faktoren lassen sich entweder auf das
Therapie. Größe, Lokalisation und Symptomatik entscheiden über die Frage der operativen Revision. Kleine Hernien inkarzerieren häufiger, größere selten; letztere sind jedoch kosmetisch störend. Die Bruchpforte lässt sich in der Regel durch Fasziendopplung schließen.
Therapie. Größe, Lokalisation und Symptomatik des Narbenbruchs ent-
Erkrankungsbild des Patienten zurückführen oder können operationsbedingt sein. Zu den ersteren gehören Eiweiß- und Faktor-VIII-Mangel, Adipositas, Peritonitis, Asthma und andere pulmonale Erkrankungen (chronisch hohe Bauchdeckenbelastung) sowie medikamentöse Einflüsse (Steroiddauertherapie). Als operationsbedingte Faktoren kommen Re-Operation und Wundinfektion in Betracht. Auch die Schnittführung kann die Entwicklung von Narbenbrüchen begünstigen (häufigeres Auftreten nach medianen Laparotomien).
scheiden über die Frage der chirurgischen Behandlung. Kleine Bruchpforten bergen das Risiko der Inkarzeration, große Hernien inkarzerieren selten, sind jedoch kosmetisch störend. Die operative Versorgung sollte frühestens ein Jahr nach dem Ersteingriff erfolgen. Die Bruchpforte lässt sich dabei in der Regel durch eine Fasziendopplung schließen. Bei zu großem Defekt müssen ggf. autologe (Kutis, Fascia lata) oder Fremdmaterialien (Kunststoffnetze) verwendet werden.
1 B-20.13
Narbenhernie Narbenhernie nach medianer Laparotomie.
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765 21
Weichteiltumoren
21
Weichteiltumoren
21.1
Definition und Einteilung
Hans-Jürgen Klomp 21.1
Definition und Einteilung
n Definition. Als Weichteil- oder Weichgewebstumoren wird eine heterogene Gruppe nicht epithelialer benigner und maligner Tumoren bezeichnet, die vom Binde- und Weichgewebe, der Muskulatur, dem Nervengewebe und den Kreislauforganen ausgehen können. Die malignen Tumoren werden unter dem Begriff der Weichteilsarkome zusammengefasst.
Definition
Die folgenden Tumoren werden nicht zu den malignen Weichteiltumoren im engeren Sinne gezählt: Sarkome des Gastrointestinaltraktes, des Uterus und der parenchymatösen Organe (Leber, Niere), die mesenchymalen Tumoren des Knochens und die bösartigen Neubildungen des lymphatischen und hämatopoetischen Systems.
Sarkome des Gastrointestinaltraktes, des Uterus, der parenchymatösen Organe, des Knochens und bösartige Neubildungen des lymphatischen und hämatopoetischen Systems gehören nicht zu den Weichteilsarkomen im engeren Sinne.
Epidemiologie. Im Gegensatz zu den häufig auftretenden gutartigen Tumo-
Epidemiologie. Inzidenz 1–2 Erkrankungen pro 100 000 Einwohner pro Jahr. Dies entspricht ca. 1 % aller malignen Erkrankungen des Erwachsenen und 15 % der kindlichen Malignome.
Histologische Einteilung. Sarkome können überall im Körper relativ unabhängig von ihrer Gewebedifferenzierung entstehen. Tumoren, die histologisch einem malignen glattmuskulären Tumor (Leiomyosarkom) entsprechen, werden z.B. auch im Subkutangewebe oder quergestreiften Muskeln gefunden. Die histologische Einteilung erfolgt nach der vorherrschenden Gewebedifferenzierung oder, falls dies nicht möglich ist, deskriptiv nach dem vorherrschenden Zellbild. Eine Auswahl der wichtigsten Tumoren zeigt 2 B-21.1.
Histologische Einteilung. Sarkome können überall im Körper relativ unabhängig von ihrer Gewebedifferenzierung entstehen.
ren (z.B. Lipome und Fibrome) sind Weichteilsarkome mit einer Inzidenz von 1–2 Erkrankungen pro 100 000 Einwohner pro Jahr relativ selten. Sie sind für ca. 1 % aller malignen Erkrankungen des Erwachsenen und 15 % der kindlichen Malignome verantwortlich.
2 B-21.1
Die histologische Einteilung erfolgt nach dem vorherrschenden Gewebetyp oder Zellbild ( 2 B-21.1).
Histologische Einteilung der Weichteiltumoren
Gewebedifferenzierung »Ursprungsgewebe«
benigne
Fettgewebe
N Lipom n
N Liposarkom n
glatte Muskulatur
N Leiomyom n
N Leiomyosarkom n
quergestreifte Muskulatur
N Rhabdomyom n
N Rhabdomyosarkom n
fibröses Bindegewebe
n Fibrom N N fibröses Histiozytom n
n Fibrosarkom N N malignes fibröses Histiozytom n
Blutgefäße
n Hämangiom N N Hämangioperizytom n
n Angiosarkom N N malignes Hämangioperizytom n
Nervengewebe
n Schwannom N N Neurofibrom n
N malignes Schwannom n
nicht definierbar
Tumoren
maligne
n alveoläres Weichteilsarkom N N extraskelettales Ewing-Sarkom n N Epitheloidsarkom n
Die häufigsten histologischen Typen sind Liposarkome, Fibrosarkome und maligne fibröse Histiozytome. Im Kindesalter treten verhältnismäßig mehr Rhabdomyosarkome auf.
Liposarkome, Fibrosarkome und maligne fibröse Histiozytome sind am häufigsten, beim Kind auch Rhabdomyosarkome.
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766
21 Weichteiltumoren
Die histopathologische Beurteilung wird erschwert durch das seltene Vorkommen und die Vielgestaltigkeit der Tumoren. Die Abgrenzung niedrig maligner Formen von gutartigen Varianten kann schwierig sein.
Das histologische Bild kann innerhalb eines Tumors bunt gemischt sein, die Abgrenzung von Lymphomen oder Karzinomen ist mit den Standardfärbemethoden oft nicht möglich. Die Immunhistochemie erlaubt durch den Nachweis spezieller Marker eine genauere histologische Zuordnung. Beispiele sind der Nachweis von Zytokeratinen bei epithelialen Tumoren, von Vimentin bei mesenchymalen Tumoren und von Desmin bei von Muskelzellen ausgehenden Tumoren. Besondere Bedeutung für die Prognose hat der Malignitätsgrad (Grading).
n Merke. Bei prognostisch günstigeren – hoch differenzierten (»lowgrade«) Tumoren ist die Ähnlichkeit mit dem normalen Gewebe am größten, während bei niedrig oder entdifferenzierten (»high-grade«) Tumoren das Ursprungsgewebe kaum oder gar nicht mehr erkennbar ist.
Merke
Im Gegensatz zu den Karzinomen treten Lymphknotenmetastasen bei weniger als 10 % der Sarkome auf. Die TNM-Klassifikation (s. Kap. A-12, S. 238ff.) hat geringere prognostische Aussagekraft als bei den Karzinomen. Klinisch unterscheidet man zentrale (innere) und periphere (äußere) Sarkome ( 1 B-21.1), wobei die äußeren mit 80 % überwiegen.
21.2
Aus mehreren Gründen ist die Beurteilung maligner Weichteiltumoren für den Pathologen problematisch: Aufgrund des seltenen Vorkommens dieser Tumoren fehlt dem Untersucher vielfach die notwendige Erfahrung. Die Abgrenzung niedrig maligner Formen von gutartigen Varianten kann schwierig sein. So lassen sich hochdifferenzierte Leiomyosarkome fallweise histologisch nicht von gutartigen Leiomyomen unterscheiden. Hier führt dann u.U. erst der klinische Verlauf, z.B. das Auftreten eines Rezidivs oder von Metastasen, zur Diagnose des Sarkoms. Das histologische Bild kann innerhalb eines Tumors bunt gemischt sein, mit unterschiedlichen Differenzierungsmustern oder Zelltypen. Die Abgrenzung von lymphatischen Neoplasien oder – beim Vorhandensein epithelialer Elemente – von Karzinomen kann durchaus erschwert sein. Mit den Standardfärbemethoden können histogenetisch differente Tumoren histologisch ein sehr ähnliches Bild bieten. Eine Zuordnung kann durch die Anwendung der Immunhistochemie gelingen. Hierbei werden durch spezielle Antikörper (Marker) charakteristische Bestandteile des Zellskeletts, die sog. Intermediärfilamente, dargestellt. Beispiele sind der Nachweis von Zytokeratinen bei epithelialen Tumoren, von Vimentin bei mesenchymalen Tumoren und von Desmin bei von Muskelzellen ausgehenden Tumoren. Eine Vielzahl weiterer Marker steht zur Verfügung, mit denen durch z.T. sehr aufwendige Färbetechniken eine weitere Klassifizierung und die Identifizierung einzelner Tumortypen möglich ist. Für die Prognose ist mehr noch als der Tumortyp der Grad der Malignität, das sog. Grading entscheidend. Als Parameter dienen u.a. Zelldichte, Kernpolymorphie, Mitoserate, Nekrosezonen und der Differenzierungsgrad.
Symptomatik
Die klinische Symptomatik variiert stark in Abhängigkeit von Lokalisation und Erscheinungsbild des Tumors. Gutartige Tumoren nehmen allmählich an Größe zu. Periphere Weichteilsarkome manifestieren sich als schmerzlose Schwellung oder auch durch Schmerzen, Spannungsgefühl oder Gefäß- und Nervenirritation.
Im Gegensatz zu den Karzinomen treten bei Sarkomen Lymphknotenmetastasen in weniger als 10 % der Fälle auf. Lediglich bei bestimmten Tumoren, wie beim malignen fibrösen Histiozytom oder dem Rhabdomyosarkom, wird ein regionärer Lymphknotenbefall in bis zu 20 % beobachtet. Die TNM-Klassifikation (s. Kap. A-12, S. 238ff.) wird auch auf die Weichteilsarkome angewandt. Aufgrund der genannten Besonderheiten im biologischen Verhalten dieser Tumoren ist ihre prognostische Aussagekraft jedoch geringer. Unter klinisch-topographischen Gesichtspunkten hat sich eine Einteilung der Weichteilsarkome nach ihrer Lokalisation in zentrale (innere) und periphere (äußere) Tumoren bewährt ( 1 B-21.1). Die peripheren Sarkome machen 80 % der Tumoren aus, davon ist fast die Hälfte an der unteren Extremität lokalisiert und hier überwiegend stammnah.
21.2
Symptomatik
In Abhängigkeit von Lokalisation und Erscheinungsbild des Tumors (Größe, Wachstumsgeschwindigkeit) kann die klinische Symptomatik außerordentlich variieren. Gutartige Tumoren wie Lipome oder Fibrome fallen als langsam sich vergrößernde tast- und sichtbare Resistenzen auf, die den Patienten beunruhigen oder aus kosmetischen Gründen zum Arzt führen. Weichteilsarkome manifestieren sich an den Extremitäten häufig als schmerzlose Schwellung, die je nach Tumor innerhalb weniger Wochen oder über Monate bis Jahre entstanden sein können. Bei rasch wachsenden Tumoren können Schmerzen, lokales Spannungsgefühl oder Gefäß- und Nervenirritationen im Vordergrund stehen.
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767
21.3 Diagnostik
n Merke. Jeder an Größe zunehmende Tumor stellt, ebenso wie jede unklare Weichteilschwellung, einen abklärungsbedürftigen Befund dar, wobei bis zum Beweis des Gegenteils immer an einen malignen Tumor gedacht werden muss.
1 B-21.1
Merke
Synopsis Klinisch-topographische Einteilung der Weichteilsarkome
Kopf und Hals
10 %
Stamm davon: Mediastinum Retroperitoneum (inkl. Mesenterium)
10 –30 %
obere Extremitäten
15–20 %
untere Extremitäten
40– 45 %
1% 10–15 %
zentrale Weichteilsarkome 15 –20 %
80 –85 %
•Orbita •Mediastinum •Retroperitoneum periphere Weichteilsarkome: •Kopf und Hals •Brust- und Bauchwand • Extremitäten
Etwa 15 % aller Sarkome entstehen im Retroperitoneum. Sie werden nicht selten sehr spät diagnostiziert, da sie eine beträchtliche Größe erreichen können, bevor eine zunächst meist uncharakteristische Symptomatik auftritt. Häufigste Beschwerden sind Rückenschmerzen oder ein tastbarer abdomineller Tumor.
21.3
Diagnostik
Die diagnostische Abklärung umfasst neben Anamnese und gründlicher klinischer Untersuchung bei klinischem Malignitätsverdacht eine Reihe bildgebender diagnostischer Verfahren, die in 2 B-21.2 dargestellt sind. Die Computertomographie (CT) stellt ein wichtiges Hilfsmittel in der Diagnostik maligner Weichteiltumoren und zur Operationsplanung dar ( 1 B-21.2 und 1 B-21.3). Die Kernspin- oder Magnetresonanztomographie (MRT) bietet aufgrund ihres hohen Gewebekontrastes ( 1 B-21.4) und der Möglichkeit der Darstellung in verschiedenen Schnittebenen Vorteile, insbesondere bei der Beurteilung von Weichteiltumoren der Extremitäten ( 1 B-21.5).
Retroperitoneale Sarkome werden häufig sehr spät diagnostiziert und fallen durch Rückenschmerzen oder einen tastbaren abdominellen Tumor auf.
21.3
Diagnostik
Die diagnostische Abklärung malignitätsverdächtiger Weichteiltumoren umfasst eine Reihe bildgebender Verfahren ( 2 B-21.2), wobei CT ( 1 B-21.2 und 1 B-21.3) und MRT ( 1 B-21.4 und 1 B-21.5) neben dem Tumornachweis auch zur Operationsplanung dienen.
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768
2 B-21.2
21 Weichteiltumoren
Bildgebende Verfahren in der Diagnostik von Weichteiltumoren Die 3 wichtigsten zur Tumordiagnostik gebräuchlichen Verfahren sind: Ultraschalluntersuchung (Sonographie)
Computertomographie (CT)
Magnetresonanztomographie (MRT, Kernspintomographie)
Vorteile
überall verfügbar, mobil, preiswert, keine Strahlenbelastung, beliebig wiederholbar
Schnittdarstellung peripherer und zentraler Tumoren, gleichzeitige Gefäß- und Darmkontrastierung durch Kontrastmittelgabe möglich, Beurteilung der Tumorausdehnung und Nachbarschaftsbeziehungen, Nachweis von Metastasen (Lymphknoten, Leber, Lunge)
wie CT, wegen des hohen Gewebskontrastes sehr gut geeignet zur anatomisch exakten Darstellung von Muskeln und Weichteilen, keine Strahlenbelastung
Nachteile
begrenzte Eindringtiefe, untersucherabhängige Aussagefähigkeit, medienabhängige Untersuchungsqualität (Störung durch Darmgas oder Lungenanteile)
Strahlenbelastung bei wiederholten Untersuchungen, Schnittbilddarstellung nur in einer Ebene möglich
Indikation
Primärdiagnostik (Abgrenzung solider Tumoren von Zysten, Tumorausdehnung), Metastasensuche (Leber)
Primärdiagnostik, Operationsplanung und Nachsorge
Primärdiagnostik, Operationsplanung und Nachsorge
Ergänzende Untersuchungsverfahren sind:
Indikation
Röntgen
Szintigraphie
Angiographie
Positronen-EmissionsTomographie (PET)
Metastasensuche (Lunge), Ausschluss knöcherner Arrosionen
Metastasensuche
präoperative Darstellung der Gefäßversorgung des Tumors, Ausschluss oder Nachweis einer Gefäßinfiltration
Metastasensuche, Rezidivdiagnostik
Die histologische Diagnosesicherung erfolgt durch primäre komplette Exstirpation oder im Falle ausgedehnter Tumoren durch Biopsie.
Neben der bildgebenden Diagnostik ist eine histologische Klassifizierung des Weichteiltumors anzustreben. Bei kleinen Tumoren, die ohne Beeinträchtigung funktionell wichtiger Nachbarstrukturen in toto entfernbar sind, sollte auf eine Biopsie verzichtet und die primäre Exstirpation durchgeführt werden. Handelt es sich hingegen um eine ausgedehnte Raumforderung, sollte primär eine Biopsie entnommen werden. Bestätigt sich der Verdacht auf einen malignen Tumor, erfolgt dann im Zweiteingriff die radikale Exstirpation.
1 B-21.2
Computertomographie des kleinen Beckens bei Liposarkom Computertomographie des kleinen Beckens bei einem 55-jährigen Mann. Retroperitoneales Liposarkom links (Á) mit Verdrängung der Harnblase nach rechts (Á Á).
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769
21.3 Diagnostik
1 B-21.3
Computertomographie des Abdomens bei Leiomyosarkom
1 B-21.4
Magnetresonanztomographie
1
3
2
4
5 Computertomographie des Abdomens bei einer 34-jährigen Frau. Vom linken M. psoas ausgehendes Leiomyosarkom (Á).
Sagittale Schnittebene durch den Stamm einer weiblichen Patientin. Deutlich lassen sich von dorsal nach ventral Rückenmuskulatur, Wirbelsäule (1), Dickdarm (Colon sigmoideum und Rektum) (2), Uterus (3), Harnblase (4) und Symphyse (5) abgrenzen.
1 B-21.5
Magnetresonanztomographie der unteren Extremitäten bei Fibrosarkom
a Transversalebene.
Magnetresonanztomographie der unteren Extremitäten bei einer 35-jährigen Frau. Fibrosarkom ( Á) im Beugerkompartment des linken Oberschenkels.
b Axialschnittebene.
Um eine definitive histologische Beurteilung zu ermöglichen, muss eine repräsentative Biopsie im Sinne einer Inzisionsbiopsie entnommen werden. Hierbei wird die Tumorkapsel durch eine Inzision eröffnet und ein Gewebekeil entnommen, der bis ins Zentrum des Tumors reicht. Die Tumorkapsel wird anschließend durch Naht wieder verschlossen. Dränagen werden, falls erforderlich, so platziert, dass der Dränagekanal beim Zweiteingriff zusammen mit der Primärinzision in toto exstirpiert werden kann, um ver-
Nur durch eine ausreichend große, technisch korrekt durchgeführte Inzisionsbiopsie wird eine definitive histologische Beurteilung größerer Tumoren ermöglicht. Die Tumorkapsel wird anschließend durch Naht wieder verschlossen.
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770 1 B-21.6 I
21 Weichteiltumoren
Synopsis Stufenplan zur Diagnostik bei Weichteiltumoren
Anamnese
Art und Dauer der Beschwerden; Größenzunahme des Tumors; wenn ja, in welchem Zeitraum; Voroperationen; familiäre Belastung
II klinische Untersuchung
Größe, Lokalisation und Konsistenz des Tumors; Beziehung zu funktionell wichtigen Strukturen; Entzündungszeichen; Verschieblichkeit gegen Unterlage; tastbare Lymphknotenvergrößerungen
kleiner Tumor (< 5 cm) gut mobil, oberflächlich gelegen
III bildgebende Verfahren
großer Tumor (> 5 cm) und/oder in unmittelbarer Nähe zu vitalen Strukturen, in der Tiefe gelegen, nicht verschieblich
Sonographie und/oder CT und/oder MRT (Angiographie, Röntgen, Szintigraphie) – je nach Befund –
IV histologische Diagnostik
Exstirpation und histologische Untersuchung
Inzisionsbiopsie und histologische Untersuchung
histologisch benigne
histologisch maligne
histologisch benigne
histologisch maligne
keine weiteren Maßnahmen
Diagnostik (bildgebende Verfahren), onkologisches Konsil, ggf. Re-Operation, ggf. adjuvante Therapie
Exstirpation und histologische Untersuchung
onkologisches Konsil, ggf. Diagnostik (bildgebende Verfahren) komplettieren, Operation, ggf. neo-/ adjuvante Therapie
Im Falle einer nicht erwarteten Sarkomdiagnose erfolgt vor dem Zweiteingriff zunächst ein Staging mit den in 2 B-21.2 dargestellten bildgebenden Verfahren.
Das diagnostische Vorgehen bei Weichteiltumoren wird in 1 B-21.6 zusammengefasst.
schleppte Tumorzellen mit zu entfernen. Zu oberflächliche Biopsien oder Punktionszytologien ermöglichen keine exakte Diagnosestellung. Nicht selten stellt die Diagnose Weichteilsarkom einen unerwarteten Befund nach Exstirpation eines vermeintlich gutartigen Tumors dar. In diesen Fällen ist nach histologischer Diagnosestellung ein Staging mit den in 2 B-21.2 dargestellten bildgebenden Verfahren durchzuführen. Je nach Tumortyp wird dann das weitere Vorgehen festgelegt, das in der Regel einen ausgedehnten chirurgischen Eingriff beinhaltet. Das diagnostische Vorgehen bei Weichteiltumoren wird in 1 B-21.6 zusammengefasst. Diagnostik und Therapie sind eng miteinander verzahnt und beeinflussen sich gegenseitig.
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771
21.4.1 Chirurgische Therapie 21.4
Therapie
n Merke. Die aufgrund der Seltenheit und biologischen Vielfalt der Weichteilsarkome natürlicherweise begrenzte Erfahrung des einzelnen Behandlers kann zu therapeutischen Fehlentscheidungen führen.
Das Therapiekonzept für solche Patienten sollte daher in onkologischen Zentren im Dialog zwischen Chirurg, Strahlentherapeut und Onkologen individuell festgelegt werden. Um trotz der Seltenheit der Tumoren, der histologischen Vielfalt und des unterschiedlichen biologischen Verhaltens eine adäquate Therapie jedes einzelnen Patienten zu ermöglichen, haben sich interdisziplinäre, überregionale Studiengruppen wie die Cooperative Weichteilsarkom-Studie (CWS) gebildet. Diagnostik, Therapie und Nachsorge der innerhalb dieser Studien behandelten Patienten folgen definierten Protokollen. Hierdurch können Therapieergebnisse besser verglichen und neue Therapien kontrolliert erprobt werden. Für die meisten Weichteilsarkome existieren heute multimodale Therapieansätze. Die wichtigste Maßnahme im Rahmen eines kurativen Therapieansatzes stellt die radikale operative Tumorentfernung dar.
21.4.1
Chirurgische Therapie
Gutartige Tumoren werden in toto entfernt, bei unvollständiger Entfernung besteht eine erhöhte Rezidivneigung. Die histologische Untersuchung jedes operativ entfernten Tumors ist auch bei fehlendem klinischem Malignitätsverdacht obligat. Bei Verdacht auf einen malignen Tumor können kleinere Tumoren primär vollständig exstirpiert werden. Bei ausgedehnten Tumoren ist zunächst eine repräsentative Biopsie zu entnehmen. Die chirurgische Behandlung der Weichteilsarkome orientiert sich am charakteristischen Wachstumsverhalten dieser Tumoren. Anatomische Grenzlamellen wie Periost oder Faszien werden erst relativ spät durchbrochen. Der Tumor ist von einer tumorzellhaltigen Pseudokapsel umgeben und kann ein diskontinuierliches Wachstumsverhalten mit Satellitenknoten (sog. »skip lesions«) im gesunden peritumoralen Gewebe zeigen. n Merke. Die Chance einer chirurgischen Heilung ist nur bei radikalem Vorgehen gegeben. Dieses Ziel sollte unter weitestmöglichem Funktionserhalt des betroffenen Körperteils erreicht werden.
Das Ausmaß der Resektion muss in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung von Größe, Lokalisation und Nachbarschaftsbeziehungen des Tumors festgelegt werden. Ausreichende Radikalität kann durch eine weite Resektion mit Sicherheitsabstand zum gesunden Gewebe erzielt werden. Ist der Abstand zu gering, steigt die Rezidivrate an. Besonders im Bereich der Extremitätensarkome hat sich der Begriff der Kompartmentresektion etabliert. Hierbei werden vom Tumor befallene oder diesem unmittelbar benachbarte Muskelgruppen en bloc zusammen mit Ansatz und Ursprung entfernt. Ausgedehnte Resektionen können die Entfernung von Gefäßen und Nerven einschließen. Durch plastisch-rekonstruktive Verfahren unter Einschluss von Gefäßinterposition, Nerventransplantation und Muskeltransposition wird eine Defektdeckung unter Funktionserhalt angestrebt. Die Amputation oder Exartikulation stellt ebenfalls eine radikale chirurgische Therapie peripherer Sarkome dar, auf die in bestimmten Fällen aufgrund der Tumorausdehnung oder -lokalisation zurückgegriffen werden muss. Sie bedeutet aber per se gegenüber einem extremitätenerhaltenden Vorgehen keinen Radikalitätsgewinn.
21.4
Therapie
Merke
Innerhalb interdisziplinärer überregionaler Studiengruppen werden Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Sarkompatienten anhand definierter Protokolle durchgeführt und kontrolliert.
Im Rahmen multimodaler Therapiepläne stellt die Operation die wichtigste Kurativmaßnahme dar.
21.4.1 Chirurgische Therapie
Ziel der chirurgischen Therapie ist die vollständige Tumorentfernung. Hierbei muss das typische Ausbreitungsmuster der Sarkome berücksichtigt werden, das zur Ausbildung einer tumorzellhaltigen Pseudokapsel und zum Auftreten von Tumorzellnestern (sog. »skip lesions«) im gesunden peritumoralen Gewebe führt. Merke
Das Resektionsausmaß muss individuell festgelegt werden. Ausreichende Radikalität kann durch eine weite Resektion erzielt werden. Bei zu geringem Sicherheitsabstand steigt die Rezidivrate. Bei der Kompartmentresektion werden ganze Muskelgruppen en bloc zusammen mit Ansatz und Ursprung entfernt. Ausgedehnte Resektionen können die Entfernung von Gefäßen und Nerven einschließen. Durch plastisch-rekonstruktive Verfahren wird eine Defektdeckung unter Funktionserhalt angestrebt. Die Amputation oder Exartikulation stellt ebenfalls eine radikale chirurgische Therapie dar. Sie bedeutet aber per se keinen Radikalitätsgewinn.
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21 Weichteiltumoren
Merke
Ist eine radikale Operation nicht möglich, erfolgt in der Regel eine Zusatztherapie (Strahlentherapie) ( 1 B-21.7).
1 B-21.7
n Merke. Bei der »Enukleation« eines Sarkoms verbleibt durch Belassen der Pseudokapsel ein Tumorrest. Die Resektion entlang der Tumorkapsel wird als marginale Resektion bezeichnet und sollte vermieden werden, da auch hier mit hoher Wahrscheinlichkeit ein mikroskopischer Tumorrest zurückbleibt.
Ist eine radikale Operation nicht möglich, ist in der Regel eine Zusatztherapie (Strahlentherapie) indiziert ( 1 B-21.7).
Synopsis Diagnostik und Therapie bei juvenilem Fibrosarkom
a Klinisches Bild eines 9-jährigen Jungen mit großem juvenilem Fibrosarkom mit Einblutung.
b Computertomographie des gleichen Patienten.
c Intraoperativer Befund vor Resektion.
d Intraoperativer Befund nach Resektion und Einlage von Afterloadingsonden zur postoperativen lokalen Bestrahlung.
Der Stellenwert der Lymphadenektomie ist geringer als in der Karzinomchirurgie. Die z.T. sehr aufwendigen Operationen erfordern ein exaktes präoperatives Staging. Zentrale Weichteilsarkome können häufiger als periphere Tumoren nicht radikal entfernt werden. Fernmetastasen werden unter bestimmten Bedingungen palliativ chirurgisch behandelt. Dies gilt für isolierte Lungenmetastasen oder bei metastasenbedingten Komplikationen.
Wegen der vergleichsweise niedrigen lymphogenen Metastasierungsrate hat die diagnostische oder systematische Lymphadenektomie anders als in der Karzinomchirurgie einen geringeren Stellenwert. Die z.T. außerordentlich aufwendigen Operationen bei Weichteilsarkomen werden üblicherweise in speziellen Tumorzentren durchgeführt. Voraussetzung für die korrekte Indikationsstellung ist ein exaktes präoperatives Staging zur Bestimmung der Tumorausdehnung sowie zum Ausschluss einer Fernmetastasierung. Bei der chirurgischen Therapie der Weichteilsarkome des Stammes (zentrale Sarkome) ist aufgrund der verzögerten Diagnosestellung und der anatomischen Situation häufiger als bei den peripheren Sarkomen eine radikale Entfernung des Tumors nicht möglich. Die palliative chirurgische Therapie von Fernmetastasen kann unter bestimmten Bedingungen indiziert sein. Ein Beispiel sind isolierte Lungenmetastasen niedrig maligner Tumoren. Metastasenbedingte Komplikationen wie Einblutung, Exulzeration oder lokale Kompressionssyndrome können eine palliative chirurgische Intervention erforderlich machen.
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21.4.4 Andere Therapieformen 21.4.2
Strahlentherapie
21.4.2 Strahlentherapie
Während Sarkome früher als »strahlenresistent« galten, hat sich die Strahlentherapie in den letzten Jahren als adjuvante und palliative Therapieform bei der Behandlung von Weichteilsarkomen etabliert. Diese Entwicklung wurde ermöglicht durch Fortschritte in der bildgebenden Diagnostik und neue Erkenntnisse der Tumor- und Strahlenbiologie. Nicht zuletzt haben dazu auch technische Weiterentwicklungen beigetragen, die eine differenzierte Therapie mit individueller Planung und besserer Steuerbarkeit bei geringeren Risiken und Nebenwirkungen erlauben. Die adjuvante Strahlentherapie kann nach operativer Tumorentfernung die Lokalrezidivrate senken. Eine solche Therapie ist indiziert, wenn eine ausreichend radikale Therapie nicht möglich ist oder vom Patienten abgelehnt wird. Dies gilt besonders dann, wenn bereits ein Rezidivtumor vorliegt. Durch eine hochdosierte palliative Strahlentherapie kann bei primär inoperablen Primärtumoren oder Rezidiven ein Wachstumsstillstand oder gar eine Tumorverkleinerung erreicht werden. Als Komplikationen der Strahlentherapie können u.a. Wundheilungsstörungen oder an den Extremitäten Gelenkkontrakturen bzw. eine Strahlenfibrose mit Stauungsödem auftreten. Die Strahlentherapie zentraler Weichteilsarkome wird erschwert durch das häufig fortgeschrittene Tumorstadium und die Nähe strahlensensibler Strukturen (Gastrointestinaltrakt, Harnleiter, Rückenmark).
21.4.3
Chemotherapie
Die adjuvante Strahlentherapie kann nach operativer Tumorentfernung die Lokalrezidivrate senken. Die palliative Strahlentherapie wird zur lokalen Tumorkontrolle eingesetzt. Komplikationen der Strahlentherapie sind Wundheilungsstörungen, Gelenkkontrakturen bzw. eine Strahlenfibrose mit Ödem. Die Gefahr strahlenbedingter Schäden innerer Organe und des Rückenmarks erschwert die Behandlung zentraler Sarkome. 21.4.3 Chemotherapie
Im multimodalen Therapiekozept der Weichteilsarkome wird die Chemotherapie bei einigen Tumoren zur präoperativen Tumorverkleinerung (neoadjuvante Therapie) oder zur postoperativen Nachbehandlung (adjuvante Therapie) im Rahmen von Studienprotokollen eingesetzt.
21.4.4
Die Strahlentherapie stellt heute eine etablierte Therapieform zur adjuvanten und palliativen Behandlung von Weichteilsarkomen dar.
Andere Therapieformen
Die Chemotherapie wird bei einigen Weichteilsarkomen zur präoperativen Tumorverkleinerung oder postoperativen Nachbehandlung eingesetzt.
21.4.4 Andere Therapieformen
Innerhalb der etablierten Therapieformen Chirurgie, Strahlentherapie und Chemotherapie geht die Suche nach Verbesserungen weiter. Dazu gehören die Entwicklung neuer Chemotherapeutika, die präoperative (»neoadjuvante«) Strahlen- oder Chemotherapie, die intraoperative Bestrahlung (IORT) und die gezielte lokale postoperative Bestrahlung über während der Operation eingebrachte sog. Afterloadingsonden ( 1 B-21.7 d). Bei der isolierten hyperthermen Extremitätenperfusion zirkuliert ein Zytostatikum in hoher Dosierung mittels eines extrakorporalen Kreislaufes isoliert in der vom Tumor befallenen Extremität. Durch Erwärmung der Lösung auf bis > 40 ΩC und die synchrone Perfusion von Substanzen wie dem Tumornekrosefaktor (TNF-a) wird die Wirkung des Medikamentes noch gesteigert. Eine weitere Form der Therapie stellt die lokale Hyperthermie im Tumorgebiet in Kombination mit einer systemischen Chemotherapie dar.
Dazu gehören: neue Chemotherapeutika π neoadjuvante Strahlen- oder Chemotherapie π intraoperative Bestrahlung π postoperative Bestrahlung über Afterloadingsonden ( 1 B-21.7 d) π isolierte hypertherme Extremitätenperfusion π lokale Hyperthermie mit systemischer Chemotherapie. π
Klinischer Fall Ein 35-jähriger Mann stellt sich mit einer seit mehreren Monaten zunehmenden Schwellung im Bereich des linken Oberarmes vor. Ein Trauma ist dem Patienten, der regelmäßig Kraftsport betreibt, nicht erinnerlich, auch bestehen keine weiteren Symptome. Bei der klinischen Untersuchung tastet man eine prallelastische Resistenz beugeseitig am linken Oberarm, die neurologische Untersuchung ist unauffällig. Ein zur weiteren Abklärung durchgeführtes MRT ( 1 B-21.8) zeigt einen Tumor, der
sich zwischen M. biceps und M. brachialis ausbreitet. Der Tumor wird operativ freigelegt und eine Inzisionsbiopsie entnommen. Diagnose: Fibromyxom, niedrig maligner Tumor nicht ausgeschlossen. Daraufhin wird der Tumor in toto mit Kapsel im Gesunden ohne zusätzlichen Sicherheitsabstand entfernt. Postoperativ treten keine Komplikationen auf, die endgültige Histologie ergibt ein myxoides Neurofibrom ohne Hinweis auf Malignität, sodass keine weiteren Maßnahmen erforderlich sind.
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21 Weichteiltumoren
1 B-21.8
MRT bei myxoidem Neurofibrom Magnetresonanztomographie der linken oberen Extremität bei einem 35-jährigen Patienten mit myxoidem Neurofibrom.
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775 22
Transplantation
22
Transplantation
22.1
Organspende
22.1
Organspende
Doris Henne-Bruns Die Organspende umfasst zwei Bereiche: zum einen die Lebendorganspende und zum anderen die Verstorbenenorganspende (s. 2 B-22.1).
2 B-22.1
Möglichkeiten der Organspende Spende von:
N Verstorbenenorganspende n
n N N n N n N n N n N n
Nieren Leber Pankreas Herz Lunge Dünndarm
N Lebendorganspende n
n N N n N n N n
Niere Lebersegment Pankreasschwanz Dünndarmsegment
22.1.1
Organspende beinhaltet den Bereich der Verstorbenen- wie Lebendorganspende, 2 B-22.1.
Lebendorganspende
Eine Lebendorganspende ist grundsätzlich nur möglich bei paarigen Organen (Nieren). Segmenttransplantationen (Leber-, Pankreas-, Dünndarmtransplantationen) werden zwar durchgeführt, sollten jedoch wegen des Risikos für den Organspender nur besonderen Indikationen vorbehalten bleiben. Entsprechend des am 1. 12. 1997 in Kraft getretenen Transplantationsgesetzes ist die Entnahme von Organen bei lebenden Spendern nur dann zulässig, wenn sie der Übertragung auf Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, Verlobte oder anderen Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe stehen, dient. Jegliche Form der Kommerzialisierung der Organspende und Organtransplantation ist verboten und auch im Transplantationsgesetz mit Straf- und Bußgeldvorschriften belegt. Voraussetzungen für eine Lebendnierenspende sind: 1. Freiwilliger Entschluss eines Spenders zur Organspende (evtl. psychologische Evaluation). Kann diese angenommen werden und ergibt die Anamnese und körperliche Untersuchung keine Kontraindikationen (z.B. Malignome, erhöhtes Operationsrisiko, eingeschränkte Nierenfunktion, Hypertonus usw.), so kann mit der weiteren Abklärung begonnen werden. 2. Bestimmung der Blutgruppe. Liegt eine AB0-Kompatibilität vor, so erfolgt die Typisierung des HLA-A, -B und -DR sowie die Durchführung eines Crossmatch (= Kreuzprobe = Bestimmung von zytotoxischen Antikörpern im Serum des Empfängers, die gegen Lymphozyten des Spenders gerichtet sind). Der Stellenwert der HLA-Übereinstimmung wurde früher bei der Lebendnierenspende als sehr hoch bewertet. Die klinischen Erfahrungen aus Organübertragungen zwischen nicht verwandten Personen (z.B. Ehegatten) haben aber auch bei geringer HLA-Kompatibilität gute Resultate mit 1-Jahres-Transplantfunktionsraten von ca. 90 % ergeben. 3. Bevorzugt wird bei Lebendnierenspenden die linke Niere, da auf der linken Seite die Gefäße (Arterie und Vene) länger sind. Sollte die linke Niere über mehrere Arterien versorgt werden, wird die Niere mit möglichst nur einer Arterie bzw. der geringeren Anzahl versorgender Gefäße gewählt.
22.1.1 Lebendorganspende Eine Lebendorganspende ist nur möglich bei paarigen Organen (Nieren) oder als Segmenttransplantation (Leber, Pankreas, Dünndarm). Lebendorganspenden sind nur auf Verwandte 1. und 2. Grades, Ehegatten, Verlobte oder offenkundig nahe stehende Personen zulässig. Voraussetzungen für eine Lebendnierenspende sind:
1. Die Diagnostik bezüglich einer Lebendnierenspende kann erst bei nachweislich freiwilligem Entschluss eines Spenders und nach Ausschluss von Kontraindikationen (Malignome, erhöhtes Operationsrisiko, eingeschränkte Nierenfunktion, Hypertonus etc.) erfolgen. 2. Nur wenn Blutgruppenkompatibilität besteht, erfolgt die Durchführung eines Crossmatch sowie die Bestimmung der HLA-Kompatibilität, deren Stellenwert bei der Lebendnierenspende heute als gering eingestuft wird. 3. Bevorzugt wird die linke Niere bzw. die Niere mit der geringeren Anzahl versorgender Gefäße.
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776 22.1.2 Verstorbenenorganspende Merke
Eine Verstorbenenorganspende ist nur möglich, wenn der Hirntod festgestellt wurde und eine Einverständniserklärung (vom Verstorbenen oder eines Angehörigen) vorliegt.
22 Transplantation 22.1.2
Verstorbenenorganspende
n Merke. Der Tod eines Menschen mit der nachfolgenden Möglichkeit, Organe zu spenden ist mit der besonderen Konstellation verbunden, dass der Tod bei noch künstlich aufrechterhaltener Herz-Kreislauf-Funktion (Hirntod) eintritt.
Eine Organspende ist dann möglich, wenn der Hirntod festgestellt wurde und eine Einverständniserklärung entweder von dem Verstorbenen selbst in Form eines Organspendeausweises oder durch Einwilligung seiner Angehörigen (im Sinne des Verstorbenen) vorliegt.
Klinischer Fall Ein Patient wird mit schwerer Schädel-Hirn-Verletzung stationär aufgenommen. Neben sofort einsetzenden intensivmedizinischen Maßnahmen erfolgt die Diagnostik hinsichtlich seiner Verletzungen. Hieran schließen sich weiterführende Behandlungsmaßnahmen wie z.B. Operationen unter Fortführung der intensivmedizinischen Betreuung an. 22.1.3 Hirntod Definition
Zur Feststellung des Hirntodes s. 1 B-22.1 Die Feststellung des Hirntodes erfolgt unter: 1. exakter Einhaltung der Voraussetzungen 2. Feststellung der klinischen Symptome 3. Nachweis der Irreversibilität des Hirnfunktionsverlustes. Ad 1: Voraussetzung ist das Vorliegen einer schweren primären oder sekundären Hirnschädigung unter Ausschluss von Intoxikationen, metabolischen Stoffwechselstörungen sowie neuromuskulärer Blockade. Ad 2: Die maßgeblichen klinischen Symptome sind: Koma, lichtstarre Pupillen, Fehlen sämtlicher Hirnstammreflexe sowie Ausfall der Spontanatmung. Merke
Ad 3: Ergänzende Befunde sind: NullLinien-EEG, angiographischer oder transkranieller dopplersonographi-
22.1.3
Im weiteren Verlauf treten unter den intensivmedizinischen Behandlungsmaßnahmen klinische Zeichen auf (z.B. weite, lichtstarre Pupillen), die einen vollständigen und irreversiblen Ausfall aller Gehirnfunktionen vermuten lassen. Hierauf erfolgt die Diagnostik bezüglich des eingetretenen Hirntodes.
Hirntod
n Definition. Der Hirntod ist definiert als der vollständige und irreversible Ausfall aller Gehirnfunktionen (Großhirn, Kleinhirn, Hirnstamm) bei einer unter kontrollierter Beatmung noch künstlich aufrechterhaltenen Herz-Kreislauf-Funktion. Der Hirntod wird gleichgesetzt mit dem Tod des Menschen.
Die Feststellung des Hirntodes erfolgt nach den von der Bundesärztekammer 1982 erstmalig herausgegebenen und immer wieder aktualisierten Richtlinien, die 3 Bereiche umfassen ( 1 B-22.1): 1. die exakte Einhaltung der Voraussetzungen 2. die Feststellung der klinischen Symptome von Koma, Hirnstammareflexie und Atemstillstand 3. den Nachweis der Irreversibilität des Hirnfunktionsverlustes. Ad 1: Voraussetzung ist das Vorliegen einer akuten, schweren primären (z.B. traumatisch bedingte Blutung, Aneurysmablutung) oder sekundären (z.B. Zustand nach Reanimation mit längerfristiger Hypoxie) Hirnschädigung, wobei Intoxikationen, eine neuromuskuläre Blockade, Unterkühlung, ein endokrines oder metabolisches Koma usw. ausgeschlossen sein müssen. Ad 2: Die maßgeblichen klinischen Symptome des Ausfalls der Hirnfunktion sind: Bewusstlosigkeit (Koma), weite lichtstarre Pupillen (Ausschluss der Gabe eines Mydriatikums!), Fehlen der Hirnstammreflexe wie okulozephaler Reflex, Kornealreflex, Pharyngealreflex, fehlende Reaktionen auf Schmerzreiz im Trigeminusbereich usw. sowie Ausfall der Spontanatmung. n Merke. Das Vorliegen all dieser Befunde muss übereinstimmend von zwei erfahrenen Untersuchern, die unabhängig von einem Transplantationsteam sind, festgestellt und dokumentiert werden. Zur Feststellung der Irreversibilität des Hirnfunktionsverlustes sind entweder eine weitere klinische Beobachtungszeit (s. ad 3) oder ergänzende Befunde notwendig.
Ad 3: Als ergänzende Befunde gelten: Das Null-Linien-EEG oder das Erlöschen der evozierten Potenziale oder der angiographische Nachweis eines intrazerebralen Zirkulationsstillstands oder der transkranielle dopplersonographische Nachweis des intrazerebralen Zirkulationsstillstands.
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777
22.1.4 Rechtliche Aspekte
1 B-22.1
Synopsis Hirntoddiagnostik
Hirntoddiagnostik
Voraussetzungen akute Hirnschädigungen
+
Klinisches Syndrom Koma Hirnstammareflexie
Ausschluss anderer Ursachen
+
Ausfall der Spontanatmung (Atemstillstand)
ergänzende Befunde oder Beobachtungszeit
Hirnschädigung
Null-Linien-EEG
oder
primär supratentoriell • Erwachsene • Kleinkinder • Neugeborene
12 h 24 h 72 h
zerebraler Zirkulationsstillstand
sekundär
72 h
oder erloschene evozierte Potenziale
Diagnose des Hirntodes
Für die Durchführung und Befundung der genannten Untersuchungen gelten jeweils spezielle Kriterien, die eingehalten und dokumentiert werden müssen. Liegen keine ergänzenden Untersuchungen vor, müssen die unter 2. genannten Ausfallsymptome beim Erwachsenen und Vorliegen einer primären Hirnschädigung über mindestens 12 Stunden nachgewiesen werden. Bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern sowie vorliegender sekundärer Hirnschädigung muss ein längerer Nachweis der unter 2. genannten Befunde (bis zu 3 Tagen) erbracht werden. Da der Zeitpunkt des Todeseintritts retrospektiv nicht eindeutig feststellbar ist, wird der Zeitpunkt, zu welchem die endgültigen diagnostischen Feststellungen getroffen werden, als Todeszeitpunkt dokumentiert.
22.1.4
Rechtliche Aspekte
In Deutschland existiert seit dem 1.12.1997 ein Transplantationsgesetz, das alle Bereiche, die im Zusammenhang mit der Entnahme und Übertragung von menschlichen Organen und Geweben stehen, regelt. Das Gesetz beinhaltet die in 2 B-22.2 aufgeführten Abschnitte.
2 B-22.2
scher Nachweis des intrazerebralen Zirkulationsstillstands. Liegen keine ergänzenden Befunde vor, sind die klinischen Symptome über einen definierten Zeitraum nachzuweisen, wobei der Zeitraum von der Primärdiagnose und dem Alter des Patienten abhängig ist. Der Abschluss der Hirntoddiagnostik wird als Todeszeitpunkt dokumentiert.
22.1.4
Rechtliche Aspekte
Das Transplantationsgesetz regelt alle Bereiche, die in Zusammenhang mit der Entnahme und Übertragung von menschlichen Organen und Geweben stehen ( 2 B-22.2).
Inhalte des Transplantationsgesetzes vom 1.12.1997
N Allgemeine Vorschriften (z.B. Anwendungsbereich, Aufklärung, n Organspenderausweis etc.) N Organentnahme bei toten Organspendern n N Organentnahme bei lebenden Organspendern n N Entnahme, Vermittlung und Übertragung bestimmter Organe n N Meldungen, Datenschutz, Fristen etc. n N Verbotsvorschriften n N Straf- und Bußgeldvorschriften n N Schlussvorschriften n
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778
22 Transplantation
Organisation der Organspende und Organtransplantation
22.1.5 Organisation der Organspende und Organtransplantation
22.1.5
»Eurotransplant« in Leiden ist die gemeinsame Organisationszentrale aller Transplantationszentren Deutschlands, der Beneluxstaaten und Österreichs. Von allen eine Transplantation erwartenden Patienten sind in Leiden Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht, Blutgruppe, HLA-Typisierung, Grunderkrankung und Dringlichkeit erfasst. Den organisatorischen Ablauf bei einer Organspendermeldung zeigt 1 B-22.2.
Die Transplantationszentren Deutschlands, der Beneluxstaaten und Österreichs sind zu einer gemeinsamen Organisationszentrale »Eurotransplant« mit Sitz in Leiden zusammengeschlossen. In dieser Organisationszentrale werden alle eine Organtransplantation erwartenden Patienten registriert. Bei der Anmeldung werden Daten wie Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht, Blutgruppe, HLA-Typisierung, Grunderkrankung und Dringlichkeit der Transplantation erfasst und die Patienten dann in die Warteliste aufgenommen. Im Falle einer Organspendermeldung aus einem Krankenhaus im Eurotransplantbereich ergibt sich folgende Organisationskette ( 1 B-22.2).
1 B-22.2
Synopsis Organisationskette der Organspende
Spenderkrankenhaus Meldung an Lokales Transplantationszentrum Feststellung der korrekten Hirntoddiagnostik Feststellung des Einverständnisses Meldung an Eurotransplant in Leiden Auswahl der Empfänger für Herz, Lunge, Leber nach AB0-Kompatibilität und Dringlichkeit Information an betreuende Transplantationszentren Nach HLA-Testung: Auswahl der Empfänger nach bester HLA- (und AB0-) Kompatibilität (Nieren), Wartezeit und Dringlichkeit Gemeinsame Organspendeoperation im Spenderkrankenhaus der beteiligten Zentren und/oder des lokalen Transplantationszentrums
Über die jeweiligen lokalen Transplantationszentren werden alle Organspender aus Deutschland, Österreich und den Beneluxstaaten Eurotransplant gemeldet, nachdem diese die Daten bezüglich der Hirntoddiagnostik überprüft haben. Absolute Kontraindikationen für eine Organspende sind: maligne Erkrankungen und manifeste Infektionen (bakteriell, viral). Organspezifische Vorerkrankungen müssen zusätzlich vor jeder Spende ausgeschlossen werden.
Die Vermittlung von Herz, Lunge und Leber erfolgt AB0-kompatibel nach klinischen Daten und Dringlichkeit.
Das den Organspender betreuende Krankenhaus verständigt nach abgeschlossener Hirntoddiagnostik und vorliegender Einverständniserklärung das lokale Transplantationszentrum. Nach Überprüfung der gemeldeten Daten bezüglich der Hirntoddiagnostik veranlasst das Transplantationszentrum dann weitere Untersuchungen. Hierzu gehören z.B. der serologische Ausschluss einer aktiven Hepatitis-B-/Hepatitis-C- oder HIV-Infektion, da diese absolute Kontraindikationen für eine Organspende darstellen. Weitere absolute Kontraindikationen für eine Organspende sind maligne Erkrankungen (Ausnahme: maligne Hirntumoren) oder schwere bakterielle oder virale Infektionen (z.B. Tuberkulose usw.). Ferner sind organspezifische Vorerkrankungen wie chronischer Alkoholabusus für die Leberspende, chronische Nierenerkrankungen für die Nierenspende oder chronische Pankreatitis für die Pankreasspende usw. auszuschließen. Nach Abschluss evtl. notwendiger zusätzlicher Untersuchungen werden von dem Transplantationszentrum alle Daten bezüglich Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht, Diagnose, Anamnese, Laborwerte und spezielle Untersuchungsergebnisse Eurotransplant übermittelt. Entsprechend der vorhandenen Daten und der Dringlichkeit werden von Eurotransplant die AB0-kompatiblen Empfänger für eine Leber-, Herz- oder
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779
22.1.7 Gewebespende Lungentransplantation ermittelt und die betreuenden Transplantationszentren benachrichtigt. Diese führen nach Abstimmung eines genauen Zeitplans unter Beteiligung des lokalen Transplantationszentrums im Spenderkrankenhaus gemeinsam die Organspendeoperation durch und im Anschluss daran in den jeweiligen Zentren die Organtransplantation. Die Vermittlung der entnommenen Nieren erfolgt erst nach Abschluss der HLA-Typisierung, da im Unterschied zu anderen Organen (Herz, Leber, Lunge) Abstoßungsreaktionen häufiger bei fehlender HLA-Kompatibilität auftreten. Ist das HLA-Muster bekannt, werden von Eurotransplant die Empfänger mit der besten Kompatibilität (AB0 und HLA) ermittelt (wobei die Auswahl der Empfänger unter Berücksichtigung der Wartezeit und Dringlichkeit erfolgt), die betreuenden Transplantationszentren verständigt und die Nieren den jeweiligen Zentren übersandt.
22.1.6
Organspendeoperation
Das Prinzip der Organspendeoperation besteht darin, die zu entnehmenden Organe möglichst schonend mit einer Konservierungslösung zu perfundieren und gleichzeitig zur Verringerung der Stoffwechselleistung zu kühlen. Für die abdominellen Organe erfolgt diese Perfusion durch Einbringen eines großlumigen Katheters in die Aorta proximal der Iliakalgefäße, welche unterbunden werden. Mit Beginn der Perfusion einer 4 ΩC kalten Lösung wird die Aorta proximal des Truncus coeliacus abgeklemmt, die distale V. cava eröffnet und Blut und Perfusat abgesaugt. Für die Konservierung einer Leber wird zusätzlich ein Perfusionskatheter in die Pfortader eingebracht. Für eine Herzentnahme wird zusätzlich die intrathorakale Aorta kanüliert. Über die Aorta/Pfortader gelangt über die versorgenden Gefäße die Perfusionslösung in die jeweiligen Organe, die 1. erythrozytenfrei gespült werden (Vermeidung von Thromben), 2. gekühlt werden und 3. mit Substrat (Elektrolyte, Glukose usw.) versorgt werden. Im Anschluss an die Perfusion erfolgt die Entnahme der Organe mit ihren jeweiligen Gefäßzu- und abflüssen mit anschließender Lagerung der Organe in der Perfusionslösung bis zur Implantation. Als tolerabel geltende Konservierungszeiten werden angegeben: π Herztransplantate bis 4 Stunden π Lungentransplantate bis 6 Stunden π Pankreastransplantate bis 12 Stunden π Lebertransplantate bis 18 Stunden π Nierentransplantate bis 36 Stunden.
22.1.7
Gewebespende
Eine Gewebespende von Kornea, Herzklappen und Gehörknöchelchen ist grundsätzlich bei allen Verstorbenen möglich, sofern eine Einverständniserklärung vorliegt und keine absoluten Kontraindikationen (z.B. Malignome, HIV-Infektion, Hepatitis) zur Organspende bestehen. n Merke. Eine Gewebespende kann auch noch Stunden nach eingetretenem Herz-Kreislauf-Stillstand erfolgen, da Kornea, Herzklappen und Gehörknöchelchen auch nach einer längeren Hypoxie nicht nekrotisch werden.
Die Entnahme des gespendeten Gewebes (Hornhaut und Gehörknöchelchen) kann bis zu 72 Stunden (Herzklappen bis zu 24 h) nach Eintritt des Herz-Kreislauf-Stillstands erfolgen. Bei allen Transplantationszentren Deutschlands können Kliniken und Hausärzte einen Gewebespender melden, woraufhin die Organisation der Gewebespende von den jeweiligen Zentren übernommen wird.
Die Vermittlung der Nieren erfolgt AB0-kompatibel erst nach HLA-Testung an die Empfänger mit der besten HLA-Kompatibilität, unter Berücksichtigung der Wartezeit und Dringlichkeit.
22.1.6 Organspendeoperation Vor der Entnahme von Spenderorganen werden diese während der Operation mit einer Konservierungslösung perfundiert. Die Perfusion der Organe erfolgt über die versorgenden Gefäße (z.B. Aorta und Pfortader für Nieren, Leber und Pankreas).
Die Perfusion dient der Freispülung von Erythrozyten (Thrombenbildung), der Substratzufuhr sowie der Kühlung (Stoffwechselreduktion). Nach der Perfusion erfolgt die Entnahme der Organe mit anschließender Lagerung in der Perfusionslösung bis zur Implantation. Tolerierte Konservierungszeiten: π Herz bis 4 Stunden π Lunge bis 6 Stunden π Pankreas bis 12 Stunden π Leber bis 18 Stunden π Nieren bis 36 Stunden
22.1.7 Gewebespende Eine Gewebespende ist bei vorliegender Einverständniserklärung und Ausschluss absoluter Kontraindikationen bis zu 72 h post mortem (HerzKreislauf-Stillstand) möglich. Merke
Hornhaut und Gehörknöchelchen können bis zu 72 Stunden, Herzklappen bis zu 24 Stunden post mortem entnommen werden. Nach Meldung an ein Transplantationszentrum wird dieses die Organisation der Spende übernehmen.
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780 22.2
22 Transplantation
Transplantationsimmunologie
22.2
Transplantationsimmunologie
Heike Kraemer-Hansen
Definition
n Definition. Unter chirurgischer Organtransplantation versteht man die Verpflanzung von Organen oder Organverbänden, die durch Gefäßanastomosen an den Kreislauf des Empfängers angeschlossen werden und die Funktion des jeweils terminal insuffizienten Organs übernehmen. Bei der therapeutischen Übertragung parenchymatöser Organe handelt es sich um allogene Transplantationen, d.h. Spender und Empfänger sind genetisch differente Individuen. Eine Ausnahme stellt die syngene Nierentransplantation zwischen eineiigen Zwillingen dar. Bei Allotransplantationen besteht zwischen Spender und Empfänger stets eine mehr oder weniger ausgeprägte Antigendifferenz ( 1 B-22.3).
1 B-22.3
Synopsis Organtransplantation ORGANTRANSPLANTATION
biologisches Verhältnis Empfänger Spender
Transplantationsmaterial
Isotransplantation = syngene Transplantation = Transplantation zwischen genetisch identischen Individuen (z.B. eineiige Zwillinge)
Organtransplantation = Transplantation des kompletten Organs (z.B. Niere, Leber, Herz, Lunge, Pankreas, Kornea)
substitutive Transplantation = vollständiger Ersatz des erkrankten Organes (z.B. Herz, Lunge, Leber)
orthotope Transplantation = das Organ wird als anatomischer »Ersatz« an die gleiche Stelle implantiert (Herz, Leber)
Allotransplantation = Transplantation zwischen genetisch nicht identischen Individuen gleicher Spezies (z.B. Mensch Mensch)
Zelltransplantation = Transplantation bestimmter Zellarten (z.B. Inselzellen des Pankreas, Knochenmarkzellen)
auxiliäre Transplantation = Unterstützung des im Körper bleibenden Organs (z.B. auxiliäre Lebertransplantation)
heterotope Transplantation = das Organ wird an anderer anatomischer Stelle implantiert (z.B. Niere)
Xenotransplantation = Transplantation zwischen Individuen unterschiedlicher Spezies (z.B. Schwein Mensch)
funktionelles Ergebnis der Transplantation
Implantationsorte
Autotransplantation = Empfänger Spender z.B. Hauttransplantation
Transplantationsantigene
22.2.1 Transplantationsantigene
22.2.1
Transplantations-(Allo-, Histokompatibilitäts-)antigene sind beim Menschen auf dem kurzen Arm des Chromosoms 6 kodiert (sog. HLA-Komplex). Innerhalb des HLA-Komplexes werden die Genorte HLA-A, -B und -C (Klasse-IAntigene) und die Genorte HLA-DR, -DQ und -DP (Klasse-II-Antigene) unterschieden. Klasse-I-Antigene sind auf allen kernhaltigen Organ- und Blutzellen, KlasseII-Antigene dagegen nur auf Makrophagen und aktivierten T- und B-Lymphozyten vorhanden. Für die immungenetische Spenderauswahl sind die HLA-A-, HLA-B- und HLA-DRMerkmale transplantationsrelevant.
Transplantationsantigene, auch Allo- oder Histokompatibilitätsantigene genannt, sind beim Menschen von einer Gengruppe kodiert, die auf dem kurzen Arm des Chromosoms 6 liegen, dem sog. HLA-Komplex (HLA = humane Leukozytenantigene). Innerhalb des HLA-Komplexes unterscheidet man die Genorte HLA-A, -B und -C (HLA-Klasse-I-Antigene) und die Genorte HLA-DR, -DQ und -DP (HLA-Klasse-II-Antigene). Die Genprodukte sind Glykoproteine, die in der Zytoplasmamembran verankert sind. HLA-Klasse-I-Antigene sind auf der Zelloberfläche aller kernhaltigen Organund Blutzellen vorhanden, die Antigene der Klasse II befinden sich dagegen nur auf sog. dendritischen Zellen, wie Makrophagen und aktivierten T- und B-Lymphozyten (Ø Zellen des lymphoretikulären Systems). Die große Vielzahl möglicher HLA-Merkmale in wechselnden Kombinationen bedingt, dass die meisten Menschen untereinander HLA-different sind. Für die immungenetische Spenderauswahl sind die HLA-A-, HLA-B- und HLA-DR-Merkmale transplantationsrelevant.
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781
22.2.2 Immunantwort gegen Alloantigene Als Transplantationsantigene wirksam sind auch die Blutgruppenmerkmale (AB0-System). Außerdem spielen noch zahlreiche polymorphe Zellmembranmoleküle für die Differenz zwischen Empfänger und Spender eine Rolle. n Merke. Trotz vollständiger HLA-Kompatibilität besteht zwischen 2 Individuen stets eine Histoinkompatibilität, die eine immunsuppressive Therapie des Organempfängers notwendig macht.
Immunantwort gegen Alloantigene
22.2.2
22.2.2
Für die Intensität der Immunantwort und damit auch für die Abstoßungsreaktion sind hauptsächlich HLA-Antigene der Klasse II und untergeordnet der Klasse I verantwortlich. Die Abstoßung beruht auf der Erkennung der fremden Antigene des Transplantats durch die Zellen des Empfängerimmunsystems (host versus graft reaction). Für die sehr komplexe Immunreaktion spielt die sog. Antigenpräsentation durch Makrophagen des Empfängers eine wesentliche Rolle. Die Zerstörung des Transplantats (Abstoßung, Rejektion) erfolgt überwiegend durch sensibilisierte Lymphozyten (zelluläre Immunreaktion) und/oder durch Antikörper (humorale Immunantwort) ( 1 B-22.4 und 1 B-22.5).
1 B-22.4
Als Transplantationsantigene wirksam sind auch die Blutgruppenmerkmale (AB0-System). Außerdem spielen zahlreiche polymorphe Zellmembranmoleküle für die Differenz zwischen Spender und Empfänger eine Rolle. Merke
Immunantwort gegen Alloantigene HLA-Klasse-I-, besonders aber Klasse-IIAntigene sind für die Abstoßungsreaktionen verantwortlich. Die Abstoßung beruht auf der Erkennung der fremden Antigene des Transplantats durch die Zellen des Empfängerimmunsystems (host versus graft reaction), die diesem durch Makrophagen präsentiert werden. Die Transplantatzerstörung erfolgt über sensibilisierte Lymphozyten (zelluläre) und/oder durch Antikörper (humorale Immunantwort) ( 1 B-22.4 und 1 B-22.5).
Synopsis Abstoßungsreaktion bei allogener Transplantation
Immunsystem
zentrale Phase
humorale Immunreaktion (Antikörperbildung)
zelluläre Immunreaktion (T-Zellen)
Antigen afferente Phase efferente Phase
efferente Phase
Transplantatzellen periphere Phase
spezifische Abstoßungsmechanismen Lymphokine
KomplementAktivierung K-Zellaktivierung
unspezifische Entzündungsreaktion Entzündungszellen
Die Zellbalken im unteren Teil der Abbildung repräsentieren das Transplantat, aus dem Antigene in das Immunsystem gelangen (afferente Phase) und dort die Bildung von Antikörpern (humorale Immunreaktion) und von sensibilisierten T-Zellen (zelluläre Immunreaktion) auslösen (zentrale Phase). Antikörper und sensibilisierte T-Zellen verlassen das Immunsystem und gelangen auf dem Blutweg in das Transplantat (efferente Phase). Nach Bindung an die Transplantationsantigene kommt es teilweise zu einer direkten Schädigung der Transplantatzellen, darüber hinaus auch zur Auslösung einer unspezifischen Entzündungsreaktion (vermittelt durch Komplementaktivierung oder aus Lymphozyten freigesetzten Lymphokinen) (periphere Phase der Abstoßung). Die Zerstörung des Transplantats beruht auf einem Zusammenspiel der direkten Wirkungen von Antikörpern, der T-Zellen und von unspezifischen Entzündungsreaktionen.
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22 Transplantation
1 B-22.5
Synopsis Lymphozytenaktivierung durch die Spender-HLA-Antigene und Angriffspunkte von Immunsuppressiva
allogene Zelle
Klasse-II-HLA-Antigen Anti-CD3 (OKT3)
Klasse-I-HLA-Antigen CD4
CD3
CD8
CD3
TC R CD2 LFA-3
TH
akzessorische Zelle ICAM-1 ICAM-2
Glukokortikoide
R TC TC LFA-1
IL-1 R
IL-1
Mycophenolatmofetil TH
IL-1 IL-6
TC
Ciclosporin A Anti-IL-2R (CSA) (Anti-TAC)
Azathioprin Proliferation
Proliferation
Basiliximab Tacrolimus (TAC)
TH
IL-2
TH
TC
TC
IL-4 Il-5 Il-6
B allogene Zelle
IFNγ
akzessorische Zelle TA MØ NK ICAM-1 oder ICAM-2 (intracellular adhesion molecules) und LFA-1, respektive LFA-3 (leukocyte family of adhesion molecules) müssen eine gegenseitige Bindung eingehen, um die zytotoxische Aktivität zur Zerstörung der von einer T-Zelle gebundenen Zielzelle einzuleiten. Glukokortikoide hemmen die Aktivierung von akzessorischen Zellen, indem sie die Transkription des IL-1-Genes und des IL-6-Genes blockieren. CSA und TAC wirken im Verlauf der T-Zell-Aktivierung weiter distal als die Glukokortikoide; CSA und TAC hemmen vorwiegend die Produktion und Freisetzung von IL-2 und hemmen vor allem die T-Helferzellen und zytotoxischen T-Zellen, weniger die T-Suppressorzellen. Azathioprin und Mycophenolatmofetil hemmen als Antimetabolite die T-Zell-Aktivierung im Stadium der Proliferation, in der Aktivierungskaskade somit distaler als die Glukokortikoide, CSA und TAC. Die polyklonalen Antikörper (ALG/ATG) sind mit einem kleinen Anteil (5 %) gegen lymphatisches Gewebe gerichtet; der Hauptanteil geht je nach Präparation in unterschiedlichem Ausmaß unspezifische Bindungen ein. Die polyklonalen Antikörper binden auch an T- und B-Zellen und Makrophagen. Der monoklonale Antikörper OKT3 bindet spezifisch an den konstanten Teil des T-Zell-Rezeptor-Komplexes (TCR/CD3) und blockiert die transmembranöse Signalübertragung. Basiliximab ist ein chimärer (humaner und muriner Anteil) monoklonaler Antikörper, der die Bindung von IL-2 an die a -Kette des = Blockierung). IL-2-Rezeptors blockiert. ( TCR = T-Zellrezeptor NK = natürliche Killerzelle = zytotoxische T-Zelle TC MØ = Makrophage TA TH = aktivierte T-Zelle = T-Helferzelle
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22.2.2 Immunantwort gegen Alloantigene
Erkennungsphase
Erkennungsphase
Im Rahmen der Erkennungs- oder afferenten Phase der Immunreaktion werden die inkompatiblen löslichen Alloantigene von Makrophagen des Empfängers oder durch mit dem Transplantat übertragene Zellen des Spenders aufgenommen, bilden einen Antigen-Antikörper-Komplex auf der Zellmembran, gelangen auf dem Lymph- oder Blutwege ins lymphatische Gewebe und aktivieren dort als Antigen präsentierende Zellen T- und B-Lymphozyten, die spezifische Rezeptoren für die fremden Antigene besitzen. Die Klasse-II-Antigen tragenden Zellen des Spenders aktivieren direkt die Lymphozyten des Empfängers, sie repräsentieren ihr Antigen selbst.
Während der Erkennungs- oder afferenten Phase der Immunreaktion gelangen inkompatible Transplantationsantigene auf dem Lymph- oder Blutwege ins lymphatische Gewebe und aktivieren dort T- und B-Zellen, die spezifische Rezeptoren für die fremden Antigene besitzen.
Proliferationsphase
Proliferationsphase
Sie wird auch als zentrale Phase der Immunreaktion bezeichnet; es finden vielfältige Aktivierungs-, Proliferations- und Differenzierungsprozesse statt. Durch komplexe Interaktionen verschiedener antigenaktivierter Lymphozytengruppen (T-Helferzellen, zytotoxische T-Zellen, T-Suppressorzellen) kommt es zur Bildung von T-Effektorzellen. Aktivierte T-Helferzellen beeinflussen weitere Lymphozytenpopulationen, so die B-Lymphozyten, welche die Vorläufer Antigen produzierender Plasmazellen sind.
Während der Proliferations- oder auch zentralen Phase der Immunreaktion finden vielfältige Aktivierungs-, Proliferations- und Differenzierungsprozesse statt, es kommt zur Bildung von T-Effektorzellen und Antikörper bildenden Plasmazellen.
Zerstörungsphase
Zerstörungsphase
Während der Zerstörungs- oder auch efferenten Phase kommt es zur Destruktion des Transplantats durch die vorwiegend zellulär vermittelten Reaktionen.
Während der Zerstörungs- oder efferenten Phase kommt es durch T-Zellvermittlung zur Zerstörung des Transplantats.
Zelluläre Immunantwort
Zelluläre Immunantwort
Aktivierte T-Lymphozyten können über direkte zytolytische Wirkung das Transplantat schädigen. Außerdem vermögen sie, durch Freisetzung von Lymphokinen (insbesondere Interleukin II) nicht sensibilisierte Lymphozyten zu aktivieren oder durch Expression von löslichen Faktoren wie g-Interferon und chemotaktische Mediatorsubstanzen andere Entzündungszellen wie Makrophagen/Monozyten und Granulozyten so zu modulieren, dass auch sie im Sinne einer verzögerten Reaktion zur Transplantatrejektion beitragen.
Aktivierte T-Lymphozyten schädigen über zytolytische Wirkung das Transplantat direkt. Durch Freisetzung von Lymphokinen (insbesondere Interleukin II) aktivieren sie nicht sensibilisierte Lymphozyten; Expression von g -Interferon führt zur Aktivierung von Makrophagen und Monozyten, die ebenfalls zur Rejektion beitragen.
Humorale Immunantwort
Humorale Immunantwort
Sensibilisierte B-Lymphozyten reifen zu Plasmazellen heran, die antigenspezifische Antikörper (Immunglobuline) produzieren. Unter Komplementaktivierung, nach Bindung an die Transplantatzellen, wirken diese Antikörper direkt zytolytisch. Eine indirekte zytotoxische Wirkung üben die Antikörper auf die Transplantatzellen über Bindung an Killerlymphozyten (NK-Zellen) oder an Makrophagen. Dieser Vorgang wird als antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität bezeichnet.
Sensibilisierte B-Lymphozyten reifen zu AK (Immunglobuline) produzierenden Plasmazellen heran. Unter Komplementaktivierung, nach Bindung an Transplantatzellen, wirken diese AK direkt zytolytisch sowie indirekt zytotoxisch nach Bindung an Killerlymphozyten oder Makrophagen (= antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität).
Unspezifische Entzündungsreaktion
Unspezifische Entzündungsreaktion
Ins Transplantat eingewanderte Makrophagen, Monozyten und Granulozyten schädigen dieses im Rahmen einer unspezifischen Entzündungsreaktion und führen zu erhöhter Gefäßpermeabilität. Endothelzellen setzen nicht immunologische Faktoren wie proteolytische Enzyme und vasoaktive Substanzen frei, die über Vasospasmus und lokal gesteigerte Gerinnung zu Thrombosierungen kleiner und mittlerer Transplantatgefäße führen mit der Folge des Transplantatfunktionsverlustes. Nach Ende dieser Effektorphase werden T-Lymphozyten aktiviert, welche die immunologischen Vorgänge wieder unterdrücken durch sog. T-Suppressorzellen. Dieser Vorgang wird als Downregulation bezeichnet. Im Transplantatempfänger verbliebene sensibilisierte Lymphozyten funktionieren als Gedächtniszellen (memory-cells).
Ins Transplantat eingewanderte Makrophagen, Monozyten und Granulozyten führen zu einer unspezifischen Entzündungsreaktion. Vasospasmus und lokale Gerinnung führen zur Thrombosierung kleiner und mittlerer Gefäße und zum Transplantatfunktionsverlust. Nach Ende dieser Effektorphase werden die immunologischen Vorgänge durch T-Suppressorzellen unterdrückt (Downregulation). Im Transplantat verbliebene sensibilisierte Lymphozyten funktionieren als Gedächtniszellen (memory-cells).
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22 Transplantation
22.2.3
Arten der Transplantatabstoßung Immunsuppressive Therapie vermag Abstoßungsreaktionen meist erfolgreich zu kontrollieren. Klinisch lassen sich verschiedene Rejektionsformen unterscheiden.
22.2.3
Arten der Transplantatabstoßung
Mit immunsuppressiver Therapie lässt sich bei vielen Patienten eine Abstoßungsreaktion meist erfolgreich kontrollieren. Kommt es trotz Immunsuppression zu Rejektionen, sind klinisch verschiedene Formen zu unterscheiden.
Hyperakute Abstoßung
Hyperakute Abstoßung
Sie stellt im Wesentlichen die Rejektion nach xenogener Transplantation dar. Bei Allotransplantation ist sie selten. Ursächlich kommen präformierte Antikörper nach früherer Sensibilisierung durch Vortransplantation, Schwangerschaft oder Bluttransfusion in Betracht. Klinisch tritt die hyperakute Rejektion meist noch während der Operation ein. Durch intravasale Gerinnung ist das Organ irreversibel in seiner Funktion zerstört.
Sie stellt im Wesentlichen die Rejektionsform nach xenogener Transplantation dar (Transplantation zwischen Individuen verschiedener Spezies, z.B. Schwein/Mensch). Bei der allogenen Transplantation ist die hyperakute Abstoßung selten. Ursächlich kommen präformierte (zytotoxische) natürliche Antikörper in Betracht. Sie entstehen infolge früherer Sensibilisierung durch Transplantationen, aber auch nach Schwangerschaften oder Bluttransfusionen. Klinisch tritt die hyperakute Rejektion meist noch während der Operation ein, und zwar sofort nach Eröffnung der Gefäßanastomosen. Durch intravasale Gerinnung bis zur vollständigen Thrombosierung aller Gefäße ist das Organ irreversibel in seiner Funktion zerstört und muss wieder entfernt werden.
Akute Abstoßung
Akute Abstoßung
Die akute Abstoßung ist die häufigste Form der Rejektion. Sie ist überwiegend T-Zell-vermittelt. Klinische Zeichen: Schwellung des Transplantats, Schmerzhaftigkeit des Transplantatbetts, Fieber, Funktionsverschlechterung.
Sie ist überwiegend T-Zell-vermittelt und stellt in den ersten Monaten nach Transplantation die häufigste Form der Rejektionen dar. Typische klinische Zeichen sind Schwellung des Transplantats, Schmerzhaftigkeit des Transplantatbetts, Fieber und Funktionsverschlechterung. Die akute Abstoßungsreaktion ist in der Regel durch erhöhte Immunsuppression (s. Abstoßungstherapie) gut beherrschbar.
Chronische Abstoßung
Chronische Abstoßung
Fortgesetzte zelluläre und humorale Abstoßungsmechanismen führen zur Gefäßobliteration, zu Fibrose des Parenchyms und langsam progredienter Funktionseinschränkung des Transplantats.
Sie ist im Gegensatz zur akuten Rejektion fast nicht therapierbar und gestaltet sich so zum wichtigsten Langzeitproblem aller Transplantatempfänger. Fortgesetzte zelluläre und humorale Abstoßungsmechanismen führen zur Gefäßobliteration, zu Fibrose des Parenchyms und langsam progredienter Funktionseinschränkung des Transplantats.
Akute humorale Abstoßung
Akute humorale Abstoßung
Sie ist antikörpervermittelt und wird durch B-Zellaktivierung ausgelöst; sie verläuft meist rasch und ist häufig therapierefraktär.
Sie wird durch B-Zellaktivierung ausgelöst, die über Antikörper produzierende Plasmazellen unter Komplementaktivierung die Transplantatzellen zerstören. Die humorale Rejektion verläuft meist sehr rasch und ist häufig therapierefraktär.
Reverse Transplantatreaktion (GVH)
Reverse Transplantationsreaktion (GVH)
Die Graft-versus-Host-Reaktion wird durch übertragene Knochenmarkstammzellen ausgelöst, die gegen Gewebe des Empfängers reagieren. Bei Therapieresistenz führt diese immunologische Reaktion zum Tode.
Das Immunsystem des Empfängers reagiert gegen das Allotransplantat mit einer Abstoßungsreaktion (host versus graft). Bei der allogenen Knochenmarktransplantation dagegen können übertragene Knochenmarkstammzellen gegen Gewebe des Empfängers reagieren und das Bild der Graft-versusHost-Reaktion induzieren mit Schädigung vieler Organe. Diese immunologische Reaktion führt bei Therapieresistenz unter dem Bild des »Wasting-Syndroms« (Spleno- und Hepatomegalie, entzündlich degenerative Hauterkrankungen, Haarausfall, Kachexie) zum Tode.
22.2.4
22.2.4
Immunsuppression
Jedes transplantierte Organ unterliegt einer Abstoßungsreaktion. Sie ist am stärksten bei der Knochenmarktransplantation, am schwächsten bei der Lebertransplantation.
Immunsuppression
Jedes transplantierte Organ unterliegt einer Abstoßungsreaktion. Sie ist je nach Organ unterschiedlich heftig ausgeprägt, am stärksten bei der Knochenmarktransplantation, weniger stark bei Nieren-, Pankreas-, Herz- und Lungen-, am schwächsten bei der Lebertransplantation.
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22.2.4 Immunsuppression Zum Erhalt des transplantierten Organs ist eine immunsuppressive Therapie notwendig, um die Immunantwort des Empfängers gegen die Transplantationsantigene des Spenderorgans dauerhaft zu unterdrücken. Grundsätzlich wird zwischen einer Basisimmunsuppression (Induktions- und Erhaltungstherapie) und einer Antirejektionstherapie (Behandlung der Abstoßungskrise) unterschieden.
Zum Erhalt des transplantierten Organs ist eine immunsuppressive Dauertherapie notwendig. Man unterscheidet eine Basisimmunsuppression und eine Antirejektionstherapie.
Induktionstherapie
Induktionstherapie
Sie ist die (relativ hoch dosierte) immunsuppressive Behandlung der perioperativen Phase, erstreckt sich auf die ersten etwa 6 postoperativen Wochen und wird entsprechend zentrumseigenem Behandlungsplan oder nach empfänger- und transplantatspezifischen Risikofaktoren häufig als 4oder 3-Medikamententherapie (Quadrupel- oder Tripeltherapie) durchgeführt.
Sie ist die (relativ hoch dosierte) immunsuppressive Behandlung während der ersten etwa 6 postoperativen Wochen. Es wird häufig eine Quadrupel- oder Tripeltherapie durchgeführt.
Erhaltungstherapie Die Immunsuppression der perioperativen Phase wird schrittweise reduziert bis hin zur Erhaltungstherapie. Diese ist die mit verminderter Dosis der jeweiligen Pharmaka durchgeführte immunsuppressive Dauertherapie, die ab etwa dem 6. bis 12. Monat nach Transplantation angepasst an die individuelle Risikosituation des betreffenden Organempfängers durchgeführt wird. Überwiegend kommt eine 2-Medikamentenbehandlung (Dualtherapie) zur Anwendung. In vielen Zentren ist heute eine Tripeltherapie üblich (jedes einzelne Immunsuppressivum kann in niedrigerer Dosis verabreicht werden als bei 2fach- oder Monotherapie), um die medikamenteninduzierten Nebenwirkungen zu mindern. Eine Monotherapie (nur Ciclosporin) kommt nach allgemeiner Erfahrung nur für bestimmte Organempfänger (Diabetiker, Kinder, Patienten mit erhöhter Infektneigung, Osteoporose) in Betracht und sollte möglichst nicht vor dem 2. Jahr nach Transplantation eingesetzt werden. n Merke. Die Applikation nur eines Medikaments wie auch der Beginn einer Monotherapie vor Ablauf von 2 Jahren nach Transplantation erhöhen stets die Gefahr von Abstoßungsreaktionen.
Therapie der Abstoßungsreaktionen Je nach Schweregrad der Abstoßung (leichte bis mittelgradige) bleibt die Basisimmunsuppression unverändert beibehalten, zusätzlich werden an 3–5 Tagen erhöhte Steroidgaben verabreicht (250–500 mg, selten 1000 mg). Bei Therapieresistenz bzw. bei schweren Rejektionskrisen kommen polyklonale Antikörper gegen Lymphozyten (ATG = Anti-T-Zell-Globuline oder ALG = Antilymphozytenglobuline) zum Einsatz. Sie werden durch wiederholte Immunisierung verschiedener Tierspezies (Kaninchen, Pferd, Ziege) mit humanen Lymphozyten gewonnen (s. 1 B-22.5, 2 B-22.3). In vielen Transplantationszentren sind heute die polyklonalen Antikörper durch monoklonale abgelöst worden. Im Gegensatz zu den polyklonalen, die auch Granulozyten und Thrombozyten lysieren, ist es den monoklonalen Antikörpern möglich, selektiv nur diejenigen Lymphozyten zu blockieren, die an der Abstoßung beteiligt sind. Der bekannteste monoklonale (murine) Antikörper ist das OKT3. An Nebenwirkungen durch poly- oder monoklonale Antikörper werden Fieber, Urtikaria, Arthralgien, gastrointestinale Beschwerden, Myelo- und Thrombopenien beobachtet, beim OKT3 auch gelegentlich schwere pulmonale Insuffizienz. Nach allen Abstoßungstherapien erhöht sich für den Transplantatempfänger ganz erheblich das Infektionsrisiko, insbesondere für virale Infektionen.
Erhaltungstherapie Sie ist die mit verminderter Dosis durchgeführte immunsuppressive Dauertherapie, die etwa ab dem 6.–12. Monat nach Transplantation durchgeführt wird. Sie wird der individuellen Risikosituation des Empfängers angepasst (überwiegend Dual- oder Tripeltherapie). Eine Monotherapie (Ciclosporin) kommt nur für bestimmte wenige Organempfänger in Betracht.
Merke
Therapie der Abstoßungsreaktionen Bei leichten bis mittelgradigen Abstoßungsreaktionen wird zusätzlich zur Basisimmunsuppression eine Steroidbolusbehandlung (250–500 mg) an 3–5 Tagen durchgeführt. Bei Therapieresistenz oder schweren Rejektionskrisen kommen polyklonale Antikörper (Anti-T-Zell- oder Antilymphozytenglobuline) zum Einsatz (s. 1 B-22.5, 2 B-22.3). Monoklonale Antikörper blockieren selektiv nur diejenigen Lymphozyten, die an der Abstoßung beteiligt sind. Der bekannteste monoklonale (murine) Antikörper ist das OKT3. An Nebenwirkungen werden Fieber, Urtikaria, Arthralgien, Myelo- und Thrombopenien, beim OKT3 gelegentlich auch pulmonale Insuffizienz beobachtet. Nach Abstoßungstherapie erhöht sich für den Transplantatempfänger das Infektionsrisiko.
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2 B-22.3
22 Transplantation
Immunsuppressive Therapie (Beispiele), Transplantatfunktionsdiagnostik und Überlebensraten
Induktionstherapie (3–6 Wochen post TX)
Erhaltungstherapie (ab etwa 6–12 Monate post TX)
N CSA-Monotherapie n 8–12 mg/kg KG/Tag (nach Blutspiegel)
N CSA-Monotherapie n 2–6 mg/kg KG/Tag (nach Blutspiegel)
N TAC-Monotherapie n 0,075–0,15 mg/kg KG/Tag (nach Blutspiegel)
N TAC-Monotherapie n 2–10 mg/Tag (nach Blutspiegel)
N Dualtherapie n CSA (nach Blutspiegel) und Steroide oder TAC (nach Blutspiegel) und Steroide oder TAC bzw. CSA (jeweils nach Blutspiegel) und Mycophenolatmofetil (MMF)
N Dualtherapie n wie Induktionstherapie, jeweils adaptiert an klinische, hämatologische oder organspezifische Parameter bzw. toxische Nebenwirkungen
N Tripeltherapie n CSA bzw. TAC (jeweils nach Blutspiegel) Azathioprin 1–2 mg/kg KG/Tag oder MMF 1–2g/Tag Steroide 1–2 mg/kg KG/Tag beginnend, tgl. Reduktion bis zur Erhaltungsdosis in etwa 4 Wochen
N Tripeltherapie n als Erhaltungstherapie wegen erhöhter Inzidenz an Nebenwirkungen selten angebracht
N Quadrupeltherapie n CSA 5–8 mg/kg KG/Tag oder TAC 0,075–0,15 mg/kg KG/Tag Azathioprin 1–2 mg/kg KG/Tag oder MMF 1–2 g/Tag Steroide 1–2 mg/kg KG/Tag ATG/ALG bis T-Zellelimination bzw. 7–10 Tage oder OKT3 für 7–10 Tage oder Basiliximab (Simulect) je 20 mg an Tag 0 und Tag 4 post TX
CSA TAC MMF ATG ALG OKT3 TX
= = = = = = =
Ciclosporin A Tacrolimus Mycophenolatmofetil Anti-T-Zell-Globuline Antilymphozytenglobuline monoklonaler (muriner) Antikörper Transplantation
Abstoßungstherapie
Transplantatüberlebensraten
N 1. Abstoßungsreaktion n 250–500 mg (selten 1 g) i.v. Steroide über 3–5 Tage
Nieren
Leber
N 1. Jahr n 85–92 %
N 1. Jahr n 80–85 % bei elektiver TX, 40–50 % bei Notfall-TX
N 5. Jahr n 65–70 %
N 5. Jahr n 65–70 % bei bestimmten Indikationen (z.B. PBC)
N 10. Jahr n ca. 40 %
N 10. Jahr n ca. 40 %
N 2. Abstoßungsreaktion n ATG/ALG oder OKT3 über 7–10 Tage N 3. Abstoßungsreaktion n Wiederholung der ATG/ALG- bzw. OKT3-Gaben bzw. Wiederholung der Steroidbolustherapie
Transplantatfunktionsdiagnostik Nieren π
nicht invasiv
Leber π
invasiv
π
nicht invasiv
N Leberenzyme (SGOT, SGPT) n
N Duplexsonographie n
N Feinnadeln aspirationszytologie
N Urinzytologie n
N Biopsie n
N Bilirubin n
N Sonographie n
N Retentionswerte n (Harnstoff, Kreatinin) N Kreatinin-Clearance n
N cholestaseanzeigende n Enzyme (AP, g -GT)
π
invasiv
N Feinnadeln aspirationszytologie N Biopsie n
N Gerinnungsanalyse n N Gallezytologie n N Blastenmonitoring n (quantitativ aktivierte Lymphozyten und Lymphoblasten)
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22.2.4 Immunsuppression
Immunsuppressive Medikamente
Immunsuppressive Medikamente
Mit dem Einsatz von Azathioprin (Imurek) begann 1959 die Ära der pharmakologischen Immunsuppression. Durch die Kombinationstherapie mit Kortikosteroiden ab etwa 1960 und die Entdeckung der Histokompatibilitätsantigene gewann die allogene Organtransplantation zunehmend an klinischer Bedeutung. Ihren weltweiten Durchbruch erfuhr sie, nachdem 1978 Ciclosporin als erstes relativ selektives Immunsuppressivum klinisch eingesetzt werden konnte. Die wichtigsten immunsuppressiven Medikamente sind: π Steroide π Azathioprin π Mycophenolatmofetil π Ciclosporin π Tacrolimus π polyklonale AK (ALG/ATG) π monoklonale AK (OKT3, Basiliximab).
Azathioprin eröffnete 1959 die Ära der pharmakologischen Immunsuppression. Klinische Bedeutung erfuhr die Organtransplantation erst durch die Kombinationstherapie mit Kortikosteroiden. Weltweiter Durchbruch gelang 1978 mit dem Einsatz von Ciclosporin.
Steroide
Steroide
Wirkmechanismus. Neben allgemein antiinflammatorischer Wirkung
Wirkmechanismus. Allgemein antiinflammatorisch, Hemmung der Interleukin-I- und -II-Freisetzung sowie Unterdrückung der Antikörperproduktion der B-Zellen. Dosierung. 2–4 mg/kg KG/Tag in der Induktionsphase, etwa 0,1 mg/kg KG/Tag während der Erhaltungstherapie. Nebenwirkungen. Diabetes mellitus, Hypertonus, Osteoporose, peptische Ulzera, u.a.
hemmen sie die Interleukin-I- und -II-Freisetzung; außerdem unterdrücken sie die Antikörperproduktion der B-Zellen.
Dosierung. Üblicherweise 2–4 mg/kg KG/Tag in der Induktionsphase, danach rasche Reduzierung auf etwa 0,1 mg/kg KG/Tag während der Erhaltungstherapie.
Nebenwirkungen. Diabetes mellitus, Hypertonus, Osteoporose, Katarakt, aseptische Knochennekrosen (besonders Femur- und Humeruskopfnekrosen), peptische Ulzera, Pankreatitis, Muskeldystrophie, Hyperlipidämie, Stimmungslabilität bis hin zu Depressionen.
Die wichtigsten immunsuppressiven Medikamente sind: π Steroide π Azathioprin π Mycophenolatmofetil π Ciclosporin π Tacrolimus π polyklonale AK (ALG/ATG) π monoklonale AK (OKT3, Basiliximab).
Azathioprin
Azathioprin
Wirkmechanismus. Das Nitroimidazolderivat des 6-Mercaptopurins greift auf verschiedenen Ebenen in die DNA- und RNA-Synthese ein, sodass die antigeninduzierte Proliferation von T- und B-Lymphozyten vermindert wird.
Wirkmechanismus. Es greift in die DNA- und RNA-Synthese ein und vermindert auf diese Weise die antigeninduzierte Proliferation von T- und B-Lymphozyten. Dosierung. Initial etwa 2–3 mg/kg KG/Tag, danach angepasst an die hämatologische Toleranz etwa 1 mg/kg KG. Nebenwirkungen. In bis zu 10 % Myelosuppression, selten Panzytopenie; in der Langzeitbehandlung gelegentlich Hepatitis und Pankreatitis.
Dosierung. Etwa 2–3 mg/kg KG/Tag in der Initialphase, danach Reduzierung auf etwa 1 mg/kg KG. Die Dosierung sollte streng der hämatologischen Toleranz angepasst sein.
Nebenwirkungen. In bis zu 10 % treten schwere Myelosuppressionen auf,
eine Panzytopenie ist selten (Cave: gleichzeitige Therapie mit Allopurinol). Ernste Komplikationen in der Langzeitbehandlung stellen gelegentlich eine Hepatitis und Pankreatitis dar.
Mycophenolatmofetil (MMF)
Mycophenolatmofetil (MMF)
Wirkmechanismus. Metabolisiert zur immunsuppressiv wirksamen Mycophenolsäure, die die Inosinmonophosphat-Dehydrogenase reversibel inhibiert und somit die De-novo-Synthese von Guanosinnukleotiden vermindert. Auf diese Weise wird die Proliferation von aktivierten T- und B-Lymphozyten gehemmt.
Wirkmechanismus. Die De-novoSynthese von Guanosinnukleotiden wird gemindert und auf diese Weise die Proliferation von aktivierten T- und B-Lymphozyten gehemmt.
Dosierung. 1–3 g/Tag, verteilt auf 2 Einzeldosen in der Initialphase. Die
Dosierung. Initial etwa 1–3 g/Tag verteilt auf 2 Einzeldosen.
Nebenwirkungen. Knochenmarkdepression mit führender Myelosuppres-
Nebenwirkungen. Myelosuppression, selten Agranulozytose. Sehr häufig Gastroenteritis mit massiven Diarrhöen.
Erhaltungsdosierung richtet sich streng nach der Leukopoese und den intestinalen Nebenwirkungen. sion bis zur Agranulozytose. Gastroenteritis mit massiven Diarrhöen limitieren oft die Anwendung. Seltene Nebenwirkungen sind Hyperlipidämie, Hyper- oder Hypokaliämie, Hypophosphatämie, Hämaturie, Albuminurie,
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22 Transplantation Hypertonie, Parästhesien, Tremor, Depression; sehr selten, aber schwerwiegend, Asthma und Lungenfibrose sowie orthostatische Hypotonie.
Ciclosporin A (CSA)
Ciclosporin A (CSA)
Wirkmechanismus. Hauptsächlich Blockade der Interleukin-II-Synthese in aktivierten T-Lymphozyten.
Wirkmechanismus. Die Blockade der Interleukin-II-Synthese in aktivierten
Dosierung. Sie richtet sich nach Blutspiegelhöhe, ist je nach transplantiertem Organ und Zeitabstand von der Transplantation unterschiedlich hoch.
Dosierung. Sie richtet sich nach Blutspiegelhöhe, ist je nach transplantiertem Organ und Zeitabstand von der Transplantation unterschiedlich hoch und außerdem von Laborbestimmungsmethoden abhängig. Interaktionen mit anderen Pharmaka bzw. Konkurrenz am biliären Ausscheidungsort bewirken CSA-Spiegelerhöhungen oder -senkungen.
Nebenwirkungen. Allgemeine: Ödeme, Hochdruck, Hirsutismus, Gingivahyperplasie, Hyperkaliämie, Hyperurikämie, Hyperlipoproteinämie.
Nebenwirkungen. Sie lassen sich in allgemeine und organspezifische tren-
Organspezifische: Neurotoxizität und Hepatotoxizität. Die gravierendste Nebenwirkung ist die Nephrotoxizität, u.U. bis hin zur terminalen Niereninsuffizienz. Tacrolimus (TAC)
T-Lymphozyten ist nach heutiger Kenntnis der wichtigste Effekt. CSA wird zu ca. 98 % in der Leber metabolisiert, die Ausscheidung erfolgt über die Galle.
nen. Allgemeine: Ödemneigung, Hochdruck, Hirsutismus, Gingivahyperplasie und Gingivitis, Hyperkaliämie, Hyperurikämie, Hyperlipoproteinämie. Organspezifische: Neurotoxizität (Tremor, Parästhesien, hirnorganische Krampfanfälle), Hepatotoxizität (Cholestase), Nephrotoxizität (sie ist die gravierendste Nebenwirkung des CSA und kann neben Retention harnpflichtiger Substanzen bis hin zur terminalen Niereninsuffizienz führen).
Tacrolimus (TAC) Bei diesem Immunsuppressivum handelt es sich um ein hydrophobes Makrolidantibiotikum; es ist seit 1989 im klinischen Einsatz.
Wirkmechanismus. Er ist dem des CSA sehr ähnlich; die Sekretion von Interleukin II sowie die Interleukin-II-Rezeptorexpression werden inhibiert.
Wirkmechanismus. Er ist dem des CSA sehr ähnlich. Die Sekretion von
Dosierung. Auch sie richtet sich – wie beim CSA – nach Blutspiegelhöhe.
Dosierung. Auch sie richtet sich – wie beim CSA – nach Blutspiegeln, wobei der initiale und auch Erhaltungsbereich noch nicht endgültig definiert ist (10–15 ng/ml initial bzw. 5–10 ng/ml ab ca. 3. Monat nach Transplantation). Initiale Einstiegsdosen sind 0,075–0,15 mg/kg KG.
Nebenwirkungen. Sie sind denen des CSA vergleichbar, ohne Hirsutismus und Gingivahyperplasie. Neben einer ausgeprägteren Nephro- und Neurotoxizität kommt jedoch noch ein hoher diabetogener Effekt hinzu.
Nebenwirkungen. Sie sind denen des CSA vergleichbar, Hirsutismus und Gingivahyperplasie bleiben aus. Hinzu kommt ein häufig auftretender generalisierter Pruritus. Blutkonzentrationen über 20 ng/ml sind mit einer (im Vergleich zu CSA) ausgeprägteren Nephro- und Neurotoxizität (besonders Tremor) assoziiert. TAC hat einen dosis- und prädispositionsunabhängigen diabetogenen Effekt, dagegen scheint es keinen wesentlichen Einfluss auf die Cholesterinsynthese auszuüben.
22.2.5
22.2.5
Überwachung der Abstoßungsreaktionen
Cytokinen (vorwiegend Interleukin II) und die Interleukin-II-Rezeptorexpression werden selektiv inhibiert. Ähnlich wie CSA wird TAC über Cytochrom P 450 metabolisiert. Aus diesem Grund führen Pharmaka zu Absenkungen oder Erhöhungen der TAC-Blutspiegel.
Überwachung der Abstoßungsreaktionen
Organempfänger bedürfen einer engmaschigen Überwachung (zur Funktionsdiagnostik s. a. 2 B-22.3).
Organempfänger bedürfen einer engmaschigen Überwachung. Je nach zeitlicher Phase sind unterschiedliche Diagnostiken notwendig (zur Transplantatfunktionsdiagnostik siehe auch 2 B-22.3).
Präoperative Phase
Präoperative Phase
Blutgruppenbestimmung, HLA-Typisierung, Nachweis präformierter Antikörper, Virusdiagnostik. Ein negativer Crossmatch ist für Nieren- und Pankreasempfänger unabdingbar.
Blutgruppenbestimmung, HLA-Typisierung, Nachweis präformierter Antikörper und Virusdiagnostik (Hepatitis-B- und -C-Virus, HIV, Viren der Herpesgruppe) sind für alle Transplantatempfänger und Spender notwendige Voraussetzungen. Ein negativer Crossmatch ist für Nieren- und Pankreasempfänger unabdingbar.
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22.3.1 Maschinelle Nierenersatzbehandlung
Perioperative Phase
Perioperative Phase
Außer laborchemischen Überwachungsmethoden stehen sichere immunologische Diagnostiken noch nicht zur Vefügung.
Laborchemische Überwachung.
Postoperative Phase
Postoperative Phase
Neben organspezifischen serologischen Untersuchungen werden nicht invasive diagnostische Möglichkeiten wie Sonographie, Duplexsonographie, nuklearmedizinische Untersuchungen und zytologische Beurteilungen, z.B. aus Urin oder Galle genutzt. Die invasive Diagnostik (Aspirationszytologie oder Stanzbiopsie) hat in der postoperativen Abstoßungsreaktionsüberwachung den größten Stellenwert im Hinblick auf Früherkennung, Einteilung, Verlauf, Therapieeffekt und Differenzialdiagnosen.
Neben organspezifischen serologischen werden nicht invasive Untersuchungen wie Sonographie, Duplexsonographie eingesetzt. Die invasive Diagnostik (Aspirationszytologie oder Stanzbiopsie) hat den größten Stellenwert.
22.2.6
Differenzialdiagnosen
Die häufigste Ursache einer Transplantatfunktionsverschlechterung in den ersten 4 Wochen ist die Abstoßungsreaktion. Vor Beginn einer Antirejektionstherapie sollten andere Ursachen, soweit überhaupt und sofern zeitlich möglich (nach kritischer Würdigung des Zustands des Patienten und der Funktionsbeeinträchtigung des transplantierten Organs), ausgeschlossen sein, da teilweise diametral unterschiedliche Behandlungen erforderlich sind. Differenzialdiagnostisch kommen neben den verschiedenen Formen der Abstoßungsreaktionen Konservierungs- bzw. Ischämieschäden, operativtechnische Komplikationen, virale, bakterielle oder fungale Infektionen und Medikamententoxizität in Betracht.
22.3
Nierentransplantation
22.2.6
Differenzialdiagnosen
Die häufigste Ursache einer Transplantatfunktionsverschlechterung in den ersten 4 Wochen ist die Abstoßungsreaktion. Differenzialdiagnostisch kommen neben verschiedenen Formen der Abstoßungsreaktionen Konservierungs- bzw. Ischämieschäden, operativ-technische Komplikationen, virale, bakterielle oder fungale Infektionen und Medikamententoxizität in Betracht.
22.3
Nierentransplantation
22.3.1
Maschinelle Nierenersatzbehandlung
Heike Kraemer-Hansen 22.3.1
Maschinelle Nierenersatzbehandlung
Jede terminale chronische Niereninsuffizienz erfordert eine Nierenersatzbehandlung. In den letzten 40 Jahren wurden moderne Blutreinigungsverfahren entwickelt, die teilweise die exkretorischen Funktionen der Niere ersetzen. Alle Blutreinigungsverfahren haben das Ziel, Stoffe, die normalerweise über die Nieren ausgeschieden werden, dauernd unterhalb toxischer Grenzen zu halten. Es werden überwiegend Membranverfahren wie Hämodialyse (ca. 90 %) und Hämofiltration (ca. 5 %) eingesetzt. Der Dialysator dient als Filter und selektiert die Stoffe je nach deren Molekulargewicht bzw. nach Membranporengröße.
Hämodialyse und Hämofiltration sind maschinelle Blutreinigungsverfahren, die teilweise die exkretorischen Funktionen der Niere ersetzen.
Hämodialyse
Hämodialyse
n Definition. Bei der Hämodialyse findet der Austausch harnpflichtiger Substanzen über semipermeable Dialysatormembranen statt, die das Patientenblut vom Dialysat trennen. Treibende Kraft ist der Konzentrationsgradient zwischen den Flüssigkeiten.
Blut und Dialysat werden im Gegenstrom geführt. Die Stoffe diffundieren passiv von der Flüssigkeit mit hoher zu der mit niedriger Konzentration. Auf diese Weise werden Urämietoxine aus dem Blut entfernt und ein Elektrolytund Säure-Basen-Ausgleich zwischen Blut und Dialysat erreicht.
Definition
Im Gegenstromverfahren diffundieren die Stoffe passiv durch die Dialysatormembran; es werden so Urämietoxine aus dem Blut entfernt und ein Elektrolyt- und Säure-Basen-Ausgleich erreicht.
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22.3.1 Maschinelle Nierenersatzbehandlung
Perioperative Phase
Perioperative Phase
Außer laborchemischen Überwachungsmethoden stehen sichere immunologische Diagnostiken noch nicht zur Vefügung.
Laborchemische Überwachung.
Postoperative Phase
Postoperative Phase
Neben organspezifischen serologischen Untersuchungen werden nicht invasive diagnostische Möglichkeiten wie Sonographie, Duplexsonographie, nuklearmedizinische Untersuchungen und zytologische Beurteilungen, z.B. aus Urin oder Galle genutzt. Die invasive Diagnostik (Aspirationszytologie oder Stanzbiopsie) hat in der postoperativen Abstoßungsreaktionsüberwachung den größten Stellenwert im Hinblick auf Früherkennung, Einteilung, Verlauf, Therapieeffekt und Differenzialdiagnosen.
Neben organspezifischen serologischen werden nicht invasive Untersuchungen wie Sonographie, Duplexsonographie eingesetzt. Die invasive Diagnostik (Aspirationszytologie oder Stanzbiopsie) hat den größten Stellenwert.
22.2.6
Differenzialdiagnosen
Die häufigste Ursache einer Transplantatfunktionsverschlechterung in den ersten 4 Wochen ist die Abstoßungsreaktion. Vor Beginn einer Antirejektionstherapie sollten andere Ursachen, soweit überhaupt und sofern zeitlich möglich (nach kritischer Würdigung des Zustands des Patienten und der Funktionsbeeinträchtigung des transplantierten Organs), ausgeschlossen sein, da teilweise diametral unterschiedliche Behandlungen erforderlich sind. Differenzialdiagnostisch kommen neben den verschiedenen Formen der Abstoßungsreaktionen Konservierungs- bzw. Ischämieschäden, operativtechnische Komplikationen, virale, bakterielle oder fungale Infektionen und Medikamententoxizität in Betracht.
22.3
Nierentransplantation
22.2.6
Differenzialdiagnosen
Die häufigste Ursache einer Transplantatfunktionsverschlechterung in den ersten 4 Wochen ist die Abstoßungsreaktion. Differenzialdiagnostisch kommen neben verschiedenen Formen der Abstoßungsreaktionen Konservierungs- bzw. Ischämieschäden, operativ-technische Komplikationen, virale, bakterielle oder fungale Infektionen und Medikamententoxizität in Betracht.
22.3
Nierentransplantation
22.3.1
Maschinelle Nierenersatzbehandlung
Heike Kraemer-Hansen 22.3.1
Maschinelle Nierenersatzbehandlung
Jede terminale chronische Niereninsuffizienz erfordert eine Nierenersatzbehandlung. In den letzten 40 Jahren wurden moderne Blutreinigungsverfahren entwickelt, die teilweise die exkretorischen Funktionen der Niere ersetzen. Alle Blutreinigungsverfahren haben das Ziel, Stoffe, die normalerweise über die Nieren ausgeschieden werden, dauernd unterhalb toxischer Grenzen zu halten. Es werden überwiegend Membranverfahren wie Hämodialyse (ca. 90 %) und Hämofiltration (ca. 5 %) eingesetzt. Der Dialysator dient als Filter und selektiert die Stoffe je nach deren Molekulargewicht bzw. nach Membranporengröße.
Hämodialyse und Hämofiltration sind maschinelle Blutreinigungsverfahren, die teilweise die exkretorischen Funktionen der Niere ersetzen.
Hämodialyse
Hämodialyse
n Definition. Bei der Hämodialyse findet der Austausch harnpflichtiger Substanzen über semipermeable Dialysatormembranen statt, die das Patientenblut vom Dialysat trennen. Treibende Kraft ist der Konzentrationsgradient zwischen den Flüssigkeiten.
Blut und Dialysat werden im Gegenstrom geführt. Die Stoffe diffundieren passiv von der Flüssigkeit mit hoher zu der mit niedriger Konzentration. Auf diese Weise werden Urämietoxine aus dem Blut entfernt und ein Elektrolytund Säure-Basen-Ausgleich zwischen Blut und Dialysat erreicht.
Definition
Im Gegenstromverfahren diffundieren die Stoffe passiv durch die Dialysatormembran; es werden so Urämietoxine aus dem Blut entfernt und ein Elektrolyt- und Säure-Basen-Ausgleich erreicht.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
790 Hämofiltration Definition
22 Transplantation
Hämofiltration n Definition. Bei der Hämofiltration werden die harnpflichtigen Stoffe ausschließlich durch Konvektion aus dem Blut eliminiert. Die Strömung wird durch Druck hervorgerufen.
Bei der Hämofiltration erfolgt der Stoffaustausch durch Konvektion. Das entweder durch Überdruck auf der Blutseite oder Unterdruck auf der Filtratseite abgepresste Filtrat wird durch sterile Elektrolytlösung ersetzt. Voraussetzung für eine chronisch intermittierende Hämodialysebehandlung ist ein permanenter Gefäßzugang. Bewährt hat sich die arteriovenöse Fistel nach Brescia-Cimino (s. Kap. B-24.1.12).
Der Druckgradient kann durch Überdruck auf der Blutseite oder Unterdruck auf der Filtratseite des Dialysators erzeugt werden. Das abgepresste Filtrat wird durch sterile Elektrolytlösung ersetzt (50–70 l Substitutionslösung/ Behandlung). Voraussetzung für eine mehrjährige chronisch intermittierende Dialysebehandlung ist ein gut funktionierender permanenter Gefäßzugang. Am besten bewährt hat sich die interne arteriovenöse Fistel nach BresciaCimino (s. Kap. B-24.1.12). Die 5-Jahres-Überlebensrate in chronischer Dialysebehandlung liegt für 50-jährige Patienten ohne diabetische Nephropathie bei ca. 70 %.
22.3.2 Peritonealdialyse
22.3.2
Zum Stoffaustausch dient das Peritoneum. Die harnpflichtigen Stoffe diffundieren in die Dialysatflüssigkeit.
Im Gegensatz zur Hämodialyse wird zum Stoffaustausch das Bauchfell als natürliche Membran verwandt. Die Elimination harnpflichtiger Stoffe folgt den Gesetzmäßigkeiten der Diffusion. Zur Flüssigkeitsentfernung muss ein osmotischer Gradient gebildet werden. Als Trägersubstanz eignet sich Glukose. Für die chronische Behandlung werden vornehmlich (Tenckhoff-)Katheter aus Silikonkautschuk über eine subkutane Tunnelführung durch die Bauchhaut dauerhaft in der Bauchhöhle implantiert. Es gibt verschiedene Verfahren der Peritonealdialyse (PD): π IPD = intermittierende PD (hohe Spüllösungsmengen) π CAPD = kontinuierliche ambulante PD (ständig im abdominellen Cavum verbleibende Spüllösung, die mehrfach täglich gegen frisches Dialysat ausgetauscht wird) π CCPD = kontinuierliche zyklische PD (modifizierte CAPD, z.B. nur nächtlicher Austausch). Peritonealverfahren sind geeignet für Kinder, Diabetiker und Patienten höheren Lebensalters. Die schwerwiegendste Komplikation stellt die Peritonitis dar. Die technische Überlebensrate für CAPD nach 3 Jahren liegt bei etwa 60–70 %.
Zur chronischen Behandlung wird ein Katheter dauerhaft in der Bauchhöhle implantiert. Verschiedene Verfahren der Peritonealdialyse (PD): π IPD = intermittierende PD π CAPD = kontinuierliche ambulante PD π CCPD = kontinuierliche zyklische PD. Geeignet ist das Peritonealverfahren für Kinder, Diabetiker und Patienten höheren Lebensalters. Die schwerwiegendste Komplikation stellt die Peritonitis dar.
Peritonealdialyse
Nierentransplantation (NTX)
22.3.3 Nierentransplantation (NTX)
22.3.3
Die 1. erfolgreiche NTX wurde 1954 zwischen eineiigen Zwillingen durchgeführt. Heute stellt die NTX ein anerkanntes Therapieverfahren dar.
Die 1. erfolgreiche Nierentransplantation wurde 1954 zwischen eineiigen Zwillingen durchgeführt. Seit etwa 1965 hat die Nierentransplantation eine zunehmende klinische Bedeutung erfahren. Sie stellt heute ein anerkanntes und wichtiges Therapieverfahren dar. In Deutschland wurden 1997 etwa 2300 Nierentransplantationen durchgeführt. Hämodialyse und Nierentransplantation gelten in der Therapie der terminalen chronischen Niereninsuffizienz nicht als konkurrierende, sondern als sich ergänzende Konzepte. Der potenzielle Nierentransplantatempfänger ist im chronisch intermittierenden Dialyseprogramm, und er kehrt nach Funktionsverlust des Transplantats erneut an die Dialyse zurück. Zwingende Indikationen oder Kontraindikationen für das eine oder gegen das andere Behandlungsverfahren sind die Ausnahme.
Indikation
Indikation
Nahezu jeder chronisch hämodialysierende Patient gilt als potenzieller Kandidat für eine Nierentransplantation.
Nahezu jeder Patient im chronisch intermittierenden Hämodialyseprogramm gilt heute als potenzieller Kandidat für eine Nierentransplantation, wobei die Indikation stets den individuellen Gegebenheiten angepasst sein muss.
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791
22.3.3 Nierentransplantation (NTX)
Indikation bei Erwachsenen
Indikation bei Erwachsenen
Neben allgemeinen Gründen für eine Nierentransplantation wie Unabhängigkeit von der Maschine und Verbesserung der Lebensqualität (Berufsfähigkeit, Berufsausbildung), stellen einige dringende medizinische Gründe wie Shuntprobleme, schwere renale Osteopathie, therapieresistente renale Anämie, Polyneuropathie und Suizidgefährdung die überwiegenden Indikationen zur Transplantation beim Erwachsenen dar.
Indikationen im Erwachsenenalter sind verbesserte Lebensqualität und dringende medizinische Gründe wie Shuntprobleme, renale Osteopathie, therapieresistente Anämie, Polyneuropathie und Suizidgefährdung.
Nierentransplantation bei Kindern
Nierentransplantation bei Kindern
Die Nierentransplantation hat bei Kindern eine besondere Priorität. Gegenüber der Dialysebehandlung bietet sie viele Vorteile. Die psychische, somatische und hormonelle Entwicklung nimmt nach erfolgreicher Transplantation einen günstigeren Verlauf. Insbesondere im Hinblick auf das Längenwachstum sollte der Zeitpunkt zur Nierentransplantation möglichst noch während der prädialytischen Phase liegen. Bei sinkendem Spenderorganangebot und der zeitlichen Planbarkeit hat deswegen bei Kindern die Nierenlebendspende durch Eltern eine hohe Bedeutung.
Sie hat eine vordringliche Indikation und sollte möglichst noch im prädialytischen Stadium erfolgen (bessere psychische, somatische und hormonelle Entwicklung sowie verbessertes Längenwachstum). Die Nierenlebendspende durch Eltern hat bei Kindern eine hohe Bedeutung.
Mehrfachtransplantationen
Mehrfachtransplantationen
Mehrfachtransplantationen sind möglich. Das operative Risiko ist bei der Zweittransplantation auf derselben Seite vergrößert. Vernarbungen im operierten Gebiet sind oft erheblich, außerdem muss das Ersttransplantat zuvor meist entfernt werden. Immunologisch erhöht sich für die 2. Transplantation das Risiko des Empfängers insbesondere dann, wenn das Ersttransplantat durch immunologische Prozesse (akute oder chronische Abstoßungen) funktionslos wurde. Auch Dritt- oder Vierttransplantationen sind nicht ausgeschlossen. Wegen des zunehmend erhöhten Komplikationsrisikos bedürfen sie einer besonders sorgfältigen Indikationsstellung.
Mehrfachtransplantationen (Zweit-, Dritt-, Viert-NTX) sind möglich, jedoch erhöht sich sowohl das operative wie auch das immunologische Risiko.
Kontraindikationen
Kontraindikationen
Neben wenigen absoluten Kontraindikationen zur Nierentransplantation wie inkurable Infektionen (AIDS, chronisch infizierte Bronchiektasien) und manifeste maligne Tumorerkrankungen gibt es relative Kontraindikationen ( 2 B-22.4). Sie sind in einer Vielzahl vorhanden und betreffen das höhere Lebensalter über 70 Jahren, wobei das biologische Alter gegenüber dem kalendarischen entscheidend ist. Hochdruckkomplikationen, u.a. nach vorausgegangenen Insulten, Herzinfarkten oder bei fortgeschrittener allgemeiner Gefäßsklerose, aber auch der Diabetes mellitus mit schweren Gefäßkomplikationen und Missbildungen der ableitenden Harnwege gelten als relative Kontraindikationen. Systemische Erkrankungen wie der Lupus erythematodes und der Morbus Wegener stellen heute keine Kontraindikationen mehr dar. Bei der primären Oxalose sollte die Entscheidung zur simultanen Transplantation (Leber und Niere) getroffen werden.
Absolute und relative Kontraindikationen zur Nierentransplantation sind in 2 B-22.4 dargestellt.
2 B-22.4
Kontraindikationen zur Nierentransplantation
absolute Kontraindikationen N maligne Tumorerkrankungen n N inkurable Infektionen (z.B. HIV) n relative Kontraindikationen N Lebensalter > 70 Jahre n
N Hochdruckkomplikationen (z.B. apoplektischer Insult, Herzinfarkt) n N fortgeschrittene allgemeine Gefäßsklerose n N schwere diabetische Angiopathie n N Missbildungen der ableitenden Harnwege n
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792
22 Transplantation
Die Indikationsstellung zur Nierentransplantation hat die Erfolgsaussichten einerseits und die Risiken der Transplantation andererseits gegeneinander abzuwägen.
Die Indikationsstellung zur Nierentransplantation hat die Erfolgsaussichten einerseits und die Risiken der Transplantation andererseits gegeneinander abzuwägen. Transplantationserfolg bedeutet für den Empfänger Lebensbedingungen, die denen Gesunder weitgehend entsprechen. Verbesserte Konzentrationsfähigkeit, gesteigerte körperliche Leistungsfähigkeit und emotionale Befindlichkeit sind die Hauptmerkmale, die die allgemeine Lebenszufriedenheit ausmachen. Insbesondere der Umstand, dass viele Patienten wieder in das Berufsleben zurückkehren, beeinflusst das Gefühl der Lebensqualität maßgeblich. Gerade deswegen äußern Patienten, obwohl die Überlebensraten an der Dialyse denen nach Transplantation vergleichbar sind, den Wunsch nach Transplantation und nehmen das Risiko der Operation und die Nachteile der Immunsuppression in Kauf.
Vorbereitung zur Nierentransplantation Diagnostische Vorbereitung Zu den allgemeinen diagnostischen Vorbereitungen zur Nierentransplantation gehören: π ein körperlicher und urologischer Status π der Gefäßstatus der Beckengefäße π eine Fokussuche und ggf. Sanierung (Zähne, Nebenhöhlen, evtl. Cholezystektomie oder Nephrektomie der Eigennieren) π Ausschluss einer Malignomerkrankung π Ausschluss höhergradiger anderer Risikofaktoren π Ausschluss einer manifesten HIV-Infektion. Blutchemische, mikrobiologische und virologische Untersuchungen sind selbstverständlich. Von besonderer Bedeutung ist der Zytomegalievirusstatus des Empfängers. Immunologische Vorbereitung
Vorbereitung zur Nierentransplantation
Zwingende immunologische Voraussetzungen vor der endgültigen Transplantation einer Spenderniere sind die Kompatibilität im AB0-Blutgruppensystem, eine gute Übereinstimmung der HLA-Antigene und ein negativer Crossmatch zwischen EmpfängerSerum und Spender-Lymphozyten.
Die Nierentransplantation erfolgt nach immunologisch orientierten Spender-Empfänger-Kriterien. Kompatibilität im AB0-Blutgruppensystem und eine möglichst gute Übereinstimmung in den HLA-Antigenen zwischen Spender und Empfänger sind notwendige Voraussetzungen. Um gute HLAÜbereinstimmungen zu erzielen, sind internationale Organaustauschinstitutionen gegründet worden, z.B. Eurotransplant mit Sitz in Leiden/Holland (s. a. S. 778).
Merke
Diagnostische Vorbereitung Im Rahmen der Vorbereitung auf eine geplante Nierentransplantation sind gezielte diagnostische Maßnahmen erforderlich. Hierzu gehören ein ausführlicher körperlicher und urologischer Status (Ausschluss von Obstruktionen), Überprüfung des Gefäßstatus im Bereich der Beckengefäße, Ausschluss akuter oder chronischer Infektionsherde sowie ggf. deren Sanierung (Zähne, HNO-Bereich, evtl. auch Cholezystektomie bei symptomatischer Steingallenblase, ggf. Nephrektomie der Eigennieren entweder bei persistierenden Infekten in pyelonephritischen Schrumpfnieren oder rezidivierenden Infekten in polyzystischen Nieren), aber auch prophylaktische Nephrektomie zur Minderung eines Tumorrisikos bei Analgetikanephropathie. Der Ausschluss höhergradiger anderer Risikofaktoren (Herz, Lunge, Leber, Divertikulitis, Ulkusleiden), Malignomerkrankung und manifeste HIV-Infektion bedürfen kaum der Erwähnung. Selbstverständlich sind blutchemische, mikrobiologische und virologische Untersuchungen, von besonderer Bedeutung ist die Feststellung des Zytomegalievirusstatus des Empfängers.
Immunologische Vorbereitung
n Merke. Vor der endgültigen Transplantation einer Spenderniere wird ein Kreuztest, sog. Crossmatch, zwischen Empfängerserum und Spenderlymphozyten durchgeführt. Ein positiver Crossmatch-Test ist eine absolute Kontraindikation zur geplanten Nierentransplantation.
Operationstechnik
Operationstechnik
Das Spenderorgan wird extraperitoneal in die rechte oder linke Fossa iliaca implantiert. Die Gefäßanastomosierung erfolgt End-zu-Seit an die Iliakalgefäße und die Implantation des Ureters in die Blase mit entsprechender Antirefluxplastik ( 1 B-22.6). Die Komplikationsrate beträgt etwa 3–10 %.
Nach bogenförmigem Unterbauchschnitt rechts oder links – je nach Angebot eines rechten oder linken Spenderorgans – Durchtrennung des M. obliquus externus und internus sowie des M. transversus, Abschieben des Peritoneums nach medial, Freilegen der Iliakalgefäße, wird das Spenderorgan in die Fossa iliaca platziert. Die Gefäßanastomosierung erfolgt End-zu-Seit an die V. und A. iliaca externa. Nach Freigabe der Blutzirkulation wird der Spenderureter dorsal im Blasendach mit entsprechender Antirefluxplastik implantiert (Ureteroneozystostomie); danach erfolgt der Bauchdeckenverschluss (s. 1 B-22.6). Die perioperative Letalität beträgt etwa 1–3 %, die Komplikationsrate etwa 3–10 %.
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793
22.3.3 Nierentransplantation (NTX)
1 B-22.6
Synopsis Nierentransplantation mit Ureteroneozystostomie
Spenderniere
A. iliaca externa V. iliaca externa Spenderarterie Spendervene Spenderureter Harnblase M. psoas
a Implantation der Spenderniere in die rechte Fossa iliaca. End-zuSeit-Anastomosierung der Spenderorganarterie mit der A. iliaca externa und der V. renalis mit der V. iliaca externa. Implantation des Spenderureters in die Harnblase (Ureterneozystostomie).
b Schematische Darstellung nach Nierentransplantation in die rechte Fossa iliaca.
Postoperative Behandlung Die postoperative Versorgung des Organempfängers gliedert sich in eine transplantatspezifische und eine allgemeine Behandlung.
Postoperative Behandlung Die postoperative Versorgung des Organempfängers umfasst die transplantatspezifische und die allgemeine Behandlung.
Allgemeiner Behandlungsplan
Allgemeiner Behandlungsplan
Außer einer perioperativen Infektprophylaxe (1–3-tägige Antibiotikagabe, Verabreichung kaum resorbierbarer oraler Antimykotika), intensiver Blutdrucküberwachung und Temperaturmessung ist eine streng bilanzierte Infusionstherapie ebenso notwendig wie bei akutem Nierenversagen. Sorgfältige Beobachtung erfordert die Nierenfunktion. Zu den wichtigsten Verlaufskontrollen gehören Körpergewicht, Urinvolumen, Bestimmung von Serumkreatinin und Elektrolyten. Bei sehr günstigem Verlauf nach Implantation des Spenderorgans setzen intraoperativ bereits Diurese und auch Entgiftung ein. Primäre Nichtfunktion des Transplantats (Anurie oder Oligurie bei etwa 10–20 % der Patienten) macht vorübergehende Dialysebehandlungen erforderlich. Besonderes Augenmerk gebührt dem Dialyseshunt, d.h. keine Braunülen, keine Venenkatheter am Dialysearm und weitgehende Schonung aller Venen des kontralateralen Unterarmes. Eine Isolierung des Patienten in einer sterilen Einheit ist nicht nötig. Allerdings sollten alle Verrichtungen am Patienten unter strenger Asepsis erfolgen, hierzu gehört besonders die Pflege von Kathetern (Venenkatheter, Blasenkatheter, Ureterschienen). Fremdmaterialien sollten zum frühestmöglichen Zeitpunkt entfernt werden. Rasche Mobilisierung (ab dem 1. postoperativen Tag) und aktives Atemtraining bedeuten für den immunsupprimierten Organempfänger die wichtigste Infektionsprophylaxe (Pneumonie). Da es sich bei der Nierentransplantation um eine extraperitoneale Operation handelt, kann in aller Regel nach 24 Stunden mit der Nahrungsaufnahme begonnen werden.
Infektprophylaxe, Blutdrucküberwachung, Temperaturmessung und strenge Flüssigkeitsbilanzierung sind notwendige allgemeine Maßnahmen. Sorgfältige Beobachtung erfordert die Nierenfunktion. Körpergewicht, Urinvolumen, Serumkreatinin und Elektrolytbestimmungen sind die wichtigsten Verlaufsbeobachtungen. Bei primärer Nichtfunktion des Transplantats sind vorübergehende Dialysebehandlungen erforderlich. Wichtig ist die Schonung des Shuntarmes. Alle Verrichtungen am Patienten erfolgen unter strenger Asepsis. Rasche Mobilisierung und aktives Atemtraining sind die wichtigste Infektionsprophylaxe (Pneumonie).
Mit der Nahrungsaufnahme kann i.d. Regel nach 24 h begonnen werden.
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22 Transplantation
Transplantatspezifische Behandlung
Transplantatspezifische Behandlung
Die spezielle Therapie nach Nierentransplantation besteht in der Verabreichung immunsuppressiver Medikamente (s. S. 780 ff.). Nach erfolgreicher Transplantation besteht die Notwendigkeit zur immunsuppressiven Dauertherapie. Während der Dauer des Transplantatüberlebens steht der Patient in regelmäßiger ärztlicher Überwachung, wobei die Intervalle abhängig sind von der Zeit nach Transplantation. Unabdingbar ist die Kontrolle der Transplantatfunktion, des Blutbilds und Ciclosporin- bzw. Tacrolimusblutspiegels.
Die spezielle Therapie nach Nierentransplantation besteht in der Verabreichung immunsuppressiver Medikamente, die bereits präoperativ appliziert werden, um die Immunantwort des Empfängers gegen die Transplantationsantigene des Spenderorgans zu unterdrücken (s. S. 780 ff.). Für den erfolgreich transplantierten Patienten besteht eine Notwendigkeit zur immunsuppressiven Dauertherapie. Für die Zeit des Transplantatüberlebens steht der Patient in regelmäßiger ärztlicher Überwachung. Die Laborkontrollen sollten die Nierenretentionswerte (Harnstoff, Kreatinin), Blutbild, Ciclosporin- oder Tacrolimusblutspiegel, Urinuntersuchung (Bestimmung von Zellen, Eiweiß, Glukose, Bakteriologie) und bei CMV-negativen Empfängern, die ein CMV-positives Organ erhielten, den evtl. Nachweis des CMV-Frühantigens einmal wöchentlich während der ersten ca. 6 Monate nach Transplantation erfassen. Für die Überprüfung der Leberwerte, Blutgerinnung, Harnsäure und Blutfette sind vierteljährliche Intervalle ausreichend. Weitere regelmäßige Kontrollen zur Transplantatfunktion (Kreatinin-Clearance, Sonographie und Duplexsonographie ca. halbjährlich) sind ebenso notwendig wie Blutdruckmessungen und ganzkörperliche Untersuchungen mit Inspektion der Haut. Zahnärztliche Überwachung, gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen und die abdominelle Sonographie sollten mindestens einmal jährlich erfolgen.
Postoperative Komplikationen
Postoperative Komplikationen
Zu den postoperativen Problemen gehören Ischämieschäden, operativtechnische Komplikationen und Folgen der Immunsuppression.
Zu den postoperativen Problemen nach Nierentransplantation gehören die Ischämieschäden, die operativ-technischen Komplikationen sowie die Folgen aus der immunsuppressiven Therapie.
Ischämieschäden
Ischämieschäden
Konservierungsschäden und mehr als 24-stündige Ischämien führen häufig zur akuten tubulären Nekrose (ATN), die meist reversibel ist.
Konservierungsschäden und Ischämien (> 24 Stunden zwischen Organentnahme und Implantation) führen häufig zu länger anhaltender Anurie (primäre Nichtfunktion des Transplantats) infolge akuter Tubulusnekrose (ATN). Sie ist in der Regel reversibel.
Operativ-technische Komplikationen
Operativ-technische Komplikationen
Operativ-technische Probleme treten in etwa 3–10 % der Fälle auf. Zu unterscheiden sind lymphogene, vaskuläre und urologische Komplikationen.
Seit die Nierentransplantation zum Routinebehandlungsverfahren geworden ist, sind Komplikationen selten (etwa 3–10 %). Bei den chirurgischen Komplikationen sind lymphogene, vaskuläre und urologische Probleme auseinander zu halten.
Lymphogene Komplikationen
Lymphogene Komplikationen
Lymphogene Komplikationen sind Lymphorrhö und Lymphozelenbildung.
Ursachen vermehrter Lymphorrhö oder Lymphozelenbildung sind einerseits der Lymphabfluss aus den Lymphgefäßen des Transplantats selbst und andererseits die Eröffnung parailiakaler Lymphgefäße bei Freilegung der Beckengefäße.
Vaskuläre Komplikationen
Vaskuläre Komplikationen
Die häufigsten vaskulären Komplikationen sind lokale Hämatome oder Blutungen. Seltener sind infektionsbedingte Arrosionsblutungen, arterielle Stenosen, Thrombosen etc.
Die häufigsten vaskulären Komplikationen sind lokale Hämatome oder größere Blutungen aus Nahtinsuffizienzen. Selten sind infektionsbedingte Arrosionsblutungen, arterielle Stenosen, Thrombosen der Iliakal- oder Transplantatgefäße, Aneurysmen, AV-Fisteln nach Transplantatpunktionen oder Verschlüsse des Dialyseshunts anzutreffen. Arterielle Stenosen lokalisieren sich überwiegend im Anastomosenbereich. In der frühen postoperativen Phase sind sie meist Folge von Intimaläsionen, nach mehreren Wochen eher Folge abgelaufener Rejektionen. Arterielle Stenosen mit konsekutiver Hypertonie oder Funktionseinschränkung des Transplantats sind revisionsbedürftig. Der Versuch einer Dilatation hat Vorrang gegenüber der operativen Korrektur.
Arterielle Stenosen lokalisieren sich überwiegend im Anastomosenbereich. Bei Hypertonieentwicklung oder Funktionseinschränkung des Transplantats sind sie revisionsbedürftig.
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795
22.3.3 Nierentransplantation (NTX) Thrombosen im Bereich der renalen bzw. iliakalen Gefäße sind gefürchtete Komplikationen, da sie fast regelhaft den Verlust des Transplantats bedeuten. In der Frühphase nach Operation treten diese Komplikationen gelegentlich nach längeren Blutdruckabfällen oder nach Kompression durch Hämatome oder Lymphozelen auf. AV-Fisteln im Transplantat nach Biopsien sind sehr selten. Bei hämodynamischer Wirksamkeit kommt zum Erhalt des Transplantats nur die Teilresektion des Organs in Betracht.
Thrombosen im Bereich der Iliakaloder Transplantatgefäße führen fast regelhaft zum Verlust des Transplantats.
Urologische Komplikationen
Urologische Komplikationen
An chirurgisch-urologischen Komplikationen nach Nierentransplantation lassen sich verzeichnen: Ureterfisteln, Blasenleckagen, Harnleiterstenosen, vesikoureteraler bzw. vesikorenaler Reflux, Nebenhodenentzündung, Hydrozelenbildung, Potenzstörungen und Infektionen. Die Diagnosenstellung urologischer Komplikationen erfolgt durch Sonographie, i.v. Pyelographie, retrograde oder anterograde Pyelographie ( 1 B-22.7). Harnleiterfisteln gehen auf mangelhafte Anastomosentechnik oder Minderdurchblutung des distalen Ureters bei Skelettierung während der Spenderorganentnahme zurück. Komplikationen mit Urinextravasation aus Ureter und/oder Blase bedürfen nahezu immer der chirurgischen Korrektur. Harnleiterstenosen finden sich am häufigsten im Bereich der Harnleiter-Blasen-Anastomose. Bei Entwicklung einer Harnstauungsniere ( 1 B-22.7) mit Funktionsverschlechterung des Transplantats ist die Ureterneuimplantation die Therapie der Wahl.
Ureterfisteln, Blasenleckagen, Harnleiterstenosen, Reflux, Nebenhodenentzündung, Hydrozelenbildung, Potenzstörungen und Infektionen werden beobachtet. Die Diagnosenstellung urologischer Komplikationen erfolgt durch Sonographie, i.v. Pyelographie, retrograde oder anterograde Pyelographie ( 1 B-22.7). Blasen- oder Ureterleckagen bedürfen nahezu immer der chirurgischen Korrektur. Bei Harnleiterstenosen mit Harnstauungsniere ( 1 B-22.7) ist die Ureterneuimplantation in die Blase die Therapie der Wahl.
1 B-22.7
AV-Fisteln nach Biopsien sind sehr selten.
Intravenöse Urogramme transplantierter Nieren
a Regelrechtes Ausscheidungsurogramm.
b Urogramm einer Harnstauungsniere bei Ureterstenose.
Immunologische Komplikationen
Immunologische Komplikationen
Die immunologischen Komplikationen stellen ein sehr komplexes Problem dar. Zu ihnen gehören die verschiedenen Abstoßungsreaktionen (s. S. 784ff.), aber auch die rekurrierenden Glomerulonephritiden, die u.U. sehr rasch zum Transplantatversagen führen können (z.B. die rapid progressive Glomerulonephritis).
Ein sehr komplexes Problem sind die immunologischen Komplikationen. Zu ihnen zählen die Abstoßungsreaktionen und die rekurrierenden Glomerulonephritiden (s. S. 784ff.).
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796 Medikamenteninduzierte Komplikationen Durch die Immunsuppression kann es zu einer Vielzahl von Medikamentennebenwirkungen kommen (s. S. 785ff.).
22 Transplantation
Medikamenteninduzierte Komplikationen
Zu beachten ist die deutlich geminderte allgemeine Infektabwehr. Neben Infektionen durch Bakterien, Pilze und Protozoen spielen Viruserkrankungen durch Viren der Herpesgruppe (besonders Zytomegalie) eine bedeutende Rolle.
Die immunsuppressiven Medikamente bedingen eine Vielzahl möglicher Komplikationen, die sich als Folgen der Medikamentennebenwirkungen entwickeln (s. S. 785ff.). Hinzu kommt eine deutlich geminderte allgemeine Infektabwehr. Neben bakteriellen und fungalen Infektionen (besonders Candidiasis und Aspergillus) sowie Infektionen durch Protozoen (Toxoplasmose und Pneumocystis carinii), spielen eine bedeutende Rolle die Viruserkrankungen, insbesondere durch Viren der Herpesgruppe (Zytomegalie-, Herpes-simplex-, Epstein-Barr-, Varizella-zoster-Virus). Jede Infektion erfordert ihre gezielte spezifische Therapie. Bei lebensbedrohlichen Allgemeininfektionen muss die Immunsuppression reduziert bzw. gelegentlich ganz abgesetzt werden, um die Ausheilung der Infektion zu ermöglichen (dies trifft besonders bei Multiorganbefall durch Zytomegalie zu).
Ergebnisse
Ergebnisse
Seit Beginn der Ciclosporin-Ära liegt die Einjahres-Überlebensrate der Nierentransplantate bei etwa 85–90 %, die Fünfjahresrate bei etwa 70 %.
Seit Beginn der Ciclosporin-Ära hat sich die Einjahres-Überlebensrate der Nierentransplantate von ca. 70 % unter konventioneller Therapie (Azathioprin und Steroide) auf etwas 85–90 % erhöht. Die Fünfjahres-Überlebensraten liegen bei etwa 70 %. Eine erfolgreiche Nierentransplantation führt zur weitgehenden »Wiedergesundung«. Für Kinder bedeutet sie meist eine normale psychisch-somatische Entwicklung. Sportliche Betätigungen können in nahezu vollem Umfang wieder aufgenommen werden. Bei Frauen sind Schwangerschaften durchaus möglich.
Eine erfolgreiche Nierentransplantation führt zur weitgehenden Gesundung: normale psychisch-somatische Entwicklung bei Kindern. Mögliche Schwangerschaft bei Frauen.
Merke
Langzeitrisiken sind chronische Abstoßungen und das Wiederauftreten der Grunderkrankungen im Transplantat. Als gravierende Probleme der immunsuppressiven Dauertherapie sind die kardiovaskulären Risiken und eine erhöhte Malignomwahrscheinlichkeit hervorzuheben (Karzinome, Hauttumoren und maligne Lymphome).
n Merke. Die Nierentransplantation ist die erfolgreichste, wirklich rehabilitierende und resozialisierende wie auch volkswirtschaftlich günstigste Therapieform der terminalen chronischen Niereninsuffizienz.
Mit zunehmender Transplantatüberlebenszeit entwickeln sich für den Organempfänger die Langzeitrisiken. Hierzu gehören die Transplantatverluste durch chronische Abstoßung in einer Größenordnung von ca. 3–5 % pro Jahr und das Wiederauftreten der Grunderkrankungen im Transplantat. Gravierende Probleme bereiten die Nebenwirkungen der immunsuppressiven Dauertherapie, besonders durch ein gesteigertes kardiovaskuläres Risiko und durch eine erhöhte Tumorinzidenz. Die Malignomwahrscheinlichkeit liegt in der ersten Dekade nach Transplantation etwa 3–4fach über dem der gleichaltrigen Bevölkerung. Nach europäischen Tumorstatistiken stehen die Karzinome an erster Stelle, nach amerikanischen und australischen Studien führen Hauttumoren und maligne Lymphome.
Klinischer Fall Eine 35-jährige Patientin erhielt ein blutgruppen- und HLA-identisches Nierentransplantat, welches postoperativ sofort seine Funktion aufnahm. Am 5. postoperativen Tag traten Temperaturen bis 38 ΩC auf, die Diurese war rückläufig und die Patientin verspürte ein lokales Druckgefühl im Transplantatlager. Das Serumkreatinin stieg von 1,8 mg% am Vortag auf 2,1 mg% an. Im Urin fiel
eine Proteinurie auf, keine Leukozyturie, keine Bakteriurie. Nach Duplexsonographie ( 1 B-22.8) wurde an 3 aufeinander folgenden Tagen mit je 250 mg Steroiden behandelt; die Kontrolluntersuchung zeigte ( 1 B-22.9) danach eine gute Perfusion. Die Patientin wurde am 22. Tag mit normaler Transplantatfunktion entlassen.
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22.3.3 Nierentransplantation (NTX)
797
Klinischer Fall Einem 20-jährigen Patienten wurde eine blutgruppenidentische, HLA nur z.T. kompatible (je 1 Mismatch auf dem B- und DR-Lokus) Niere über Eurotransplant angeboten und implantiert. Mit sehr guter Transplantatfunktion (Kreatinin 1,2 mg%) konnte der Patient 17 Tage post transplantationem entlassen werden. Dem Hausarzt fielen 2 Wochen später erhöhte Blutdruckwerte, Beinödeme
und ein Serumkreatininanstieg auf 3,2 mg% auf, er veranlasste die sofortige stationäre Einweisung. Nach sonographischem Befund ( 1 B-22.10) und Duplexsonographie wurde die Niere biopsiert. Trotz Antirejektionstherapie (5 Tage je 500 mg Steroide) konnte das Transplantat nicht erhalten werden; es musste wegen nicht beherrschbarer vaskulärer Abstoßung entfernt werden.
1 B-22.8
1 B-22.9
Duplexsonographischer Befund bei Abstoßung
Schwere, akute vaskuläre Abstoßungsreaktion mit fehlender diastolischer Organperfusion.
1 B-22.10
Duplexsonographischer Befund nach erfolgreicher Abstoßungstherapie
Nach Abstoßungstherapie stabile immunologische Situation mit deutlich nachweisbarem enddiastolischen Blutfluss ( Á).
Sonographischer Befund einer rejezierenden Transplantatniere Geschwollenes Organ (Parenchym verbreitert) mit liquiden Markkegeln (Á).
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798 22.4
22 Transplantation
Lebertransplantation
22.4
Lebertransplantation Doris Henne-Bruns
1963 erfolgte die erste erfolgreiche Lebertransplantation durch T.E. Starzl. Neue Immunsuppressiva und Konservierungslösungen sowie eine standardisierte Operationstechnik haben zu einer deutlichen Verbesserung der Überlebensraten geführt.
Die erste erfolgreiche Lebertransplantation wurde 1963 von T.E. Starzl in Denver/USA durchgeführt. Die Standardisierung der Operationstechniken, die Einführung neuer potenter Immunsuppressiva wie Ciclosporin A (1978; Erstzulassung in der BRD 1983) und neuerdings Tacrolimus sowie die Weiterentwicklung der Konservierungslösungen zur Organprotektion haben zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Operationsergebnisse und des Langzeitüberlebens der Patienten nach Lebertransplantation geführt. Diese positive Entwicklung der Ergebnisse nach Lebertransplantation hat bei Internisten und Hepatologen zu einer breiten Akzeptanz der Transplantation als Therapieverfahren bei einer Vielzahl von Erkrankungen der Leber im Endstadium sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern geführt.
22.4.1
22.4.1
Indikationen
Die Senkung des Operationsrisikos hat zu einer deutlichen Verlagerung der Indikationsschwerpunkte geführt.
Merke
Nach der Dringlichkeit der Lebertransplantation kann man 5 Kategorien unterscheiden: π das akute, fulminante Leberversagen π die chronische Lebererkrankung mit akuter Verschlechterung (geschätzte Lebenserwartung ohne Transplantation < 7d) π die chronische Lebererkrankung mit Komplikation π die chronische Lebererkrankung ohne Komplikation π die aktuell nicht transplantablen Patienten. Jede chronische Lebererkrankung kann zu einer Verschlechterung der Leberfunktion führen, die sich klinisch oder laborchemisch erfassen lässt.
Liegt ein akutes Leberversagen z.B. bei fulminantem Verlauf einer akuten Hepatitis vor, besteht eine Notfallindikation. Es bestehen heute mehr als 60 Indikationen zur Lebertransplantation ( 2 B-22.5).
Indikationen
Die Verbesserung der Ergebnisse nach Lebertransplantation hat eine deutliche Veränderung in der Gewichtung der Indikationen verursacht. Wurde in den Entwicklungsjahren der Lebertransplantation wegen des hohen Operationsrisikos die Indikation zur Transplantation nur als Ultima ratio gestellt, so liegt der Indikationsschwerpunkt heute in der frühzeitigen Transplantationsabklärung benigner Lebererkrankungen. n Merke. Jede benigne chronische Lebererkrankung kann eine Indikation zur Lebertransplantation darstellen.
Hinsichtlich der Ausgangssituation, in der sich der zur Lebertransplantation anstehende Patient befindet, kann man 5 Indikationskategorien unterscheiden, die bei der Meldung eines Patienten bei Eurotransplant in Leiden mit angegeben werden müssen. Diese sind: π das akute, fulminante Leberversagen π die chronische Lebererkrankung mit akuter Verschlechterung und einer geschätzten Lebenserwartung ohne Transplantation von weniger als 7 Tagen π die chronische Lebererkrankung mit Komplikation π die chronische Lebererkrankung ohne Komplikation π die aktuell nicht transplantablen Patienten. Alle 5 Indikationskategorien sind jeweils dezidiert nach klinischen Befunden, Laborparametern und anderen Kriterien definiert. Jede chronische Lebererkrankung kann zu einer Verschlechterung der Leberfunktion führen. Dieses macht sich klinisch bemerkbar (Leistungsknick, Auftreten von Aszites und Ikterus, Ösophagusvarizenblutung etc.) bzw. ist laborchemisch erfassbar (Abnahme der Synthesefunktion – z.B. Gerinnungsparameter, Abnahme der Exkretionsfunktion – z.B. Bilirubinspiegel, Abnahme der Entgiftungsfunktion – z.B. Ammoniakspiegel). Im fortgeschrittenen Stadium kommt es dann zur zunehmenden Muskeldystrophie, Enzepohalopathie und Einschränkung der Nierenfunktion mit Ausbildung eines therapierefraktären Aszites. Bei akutem Leberversagen, z.B. infolge einer fulminant verlaufenden Hepatitis (marginale Gerinnungsfunktion, Coma hepaticum, Gefahr des Hirnödems, beginnende oder manifeste Einschränkung der renalen und respiratorischen Funktion) besteht eine Notfallindikation. Die guten Ergebnisse der Lebertransplantation haben zu einer schnellen Ausweitung der Indikationsstellung geführt, sodass heute mehr als 60 Indikationen ( 2 B-22.5) angegeben werden.
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799
22.4.3 Operationstechnik
2 B-22.5
Die häufigsten Indikationen zur Lebertransplantation
Parenchymerkrankungen
Erkrankungen des Gallenwegssystems
N Endstadiumzirrhose infolge chronisch aktiver viraler n Hepatitiden N alkoholische Leberzirrhose n N Autoimmunhepatitis n N neonatale Hepatitis n N kongenitale Leberfibrose n N zystische Fibrose n N akutes Leberversagen n N Zystenleber n N kryptogene Zirrhose n
n N N n N n N n
Tumorerkrankungen der Leber
Angeborene Stoffwechselerkrankungen N n n N N n N n N n N n N n
a -1-Antitrypsinmangel Morbus Wilson Morbus Byler Glykogenspeichererkrankung Typ I Hämochromatose (cave: primäres hepatozelluläres Karzinom) Hyperlipoproteinämie Typ II Amyloidose
22.4.2
Primär biliäre Zirrhose (PBC) sklerosierende Cholangitis sekundär biliäre Zirrhose Gallengangsatresie
n benigne, nicht resektable Lebertumoren N N primäres hepatozelluläres Karzinom n < 5 cm, nicht resektabel im Rahmen einer Zirrhose (N0-Stadium) N Hepatikusgabel-Karzinom (Klatskinn Karzinom im N0-Stadium) Sonstige: n Budd-Chiari-Syndrom N N Lebertrauma n
Kontraindikationen
22.4.2
Unter Berücksichtigung der begrenzten Zahl von Spenderorganen und des personellen und finanziellen Aufwands sollten Transplantationsindikationen mit erwiesen schlechter Prognose – wie z.B. beim multifokalen primären Leberzellkarzinom oder bei Lebermetastasen – nicht gestellt werden. Als absolute und relative Kontraindikationen zur Lebertransplantation gelten heute die in 2 B-22.6 aufgeführten Erkrankungen.
2 B-22.6
Kontraindikationen
Absolute und relative Kontraindikationen stellen die in 2 B-22.6 aufgeführten Erkrankungen dar.
Kontraindikationen zur Lebertransplantation
absolute Kontraindikationen
relative Kontraindikationen
N multifokales hepatozelluläres Karzinom (HCC) n oder HCC im N1- oder M1-Stadium N Cholangiokarzinom n N sekundäre Lebertumoren n N aktiver Alkoholismus n N aktive Drogenabhängigkeit n N aktive Tuberkulose n N HIV-Infektion n N manifeste Sepsis oder schwere kardiopulmonale n Begleiterkrankungen
N hepatozelluläres Karzinom > 5 cm im Durchmesser n n Lebermetastasen resektabler primärer endokriner N Pankreastumoren N Alkoholabstinenz < 6 Monate n N erhebliche Begleiterkrankungen n (z.B. Kardiomyopathie) N ausgedehnte Pfortaderthrombose n N fortgeschrittene Niereninsuffizienz n N erheblicher Mangel an Compliance des Patienten n
22.4.3
Operationstechnik
Die Standardtechnik ist die orthotope Transplantation der ganzen Leber mit Ersatz der erkrankten Leber durch das Transplantat. Wegen der Größeninkompatibilität (Erwachsener als Organspender – Kind als Organempfänger) wird bei Kindern in der Regel ein Leberteil, z.B. der linke Leberlappen (Lebersegmenttransplantation) transplantiert. Die erkrankte Leber wird im 1. Schritt der Operation entfernt und das Lebertransplantat mit dem passenden retrohepatischen Kavasegment eingepasst. Anastomosiert werden müssen die supra- und infrahepatische V. cava, die Pfortader, die Leberarterie und der Gallengang ( 1 B-22.11). In der anhepatischen Phase der Operation kann durch einen venovenösen extrakorporalen Bypass das Blut der Pfortader und der kaudalen V. cava zur V. axillaris umgeleitet werden, um den sonst zwangsweise auftretenden venösen Rückstau in der unteren Körperhälfte zu vermeiden.
22.4.3
Operationstechnik
Standard ist die orthope Transplantation der ganzen Leber mit Ersatz der erkrankten Leber durch das Transplantat. Bei Kindern wird wegen der Größeninkompatibilität auch eine Lebersegmenttransplantation durchgeführt. Folgende Strukturen müssen anastomosiert werden: supra- und infrahepatische V. cava, Pfortader, Leberarterie und Gallengang ( 1 B-22.11).
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800
22 Transplantation
1 B-22.11
Synopsis Anastomosen bei Lebertransplantation
V. cava suprahepatica
A. hepatica V. portae
V. cava infrahepatica
Ductus choledochus Situs nach Fertigstellung der Anastomosen bei Lebertransplantation.
Postoperative Behandlung
22.4.4 Postoperative Behandlung
22.4.4
Von entscheidender Bedeutung ist postoperativ die frühe und ausreichende Funktionsaufnahme des Transplantats. Bei ungenügender Transplantatfunktion kann das Leben des Patienten nur durch eine frühzeitige Retransplantation gerettet werden (Notfallindikation). Postoperativ sind die Laborparameter bedeutsam, die den Grad einer Transplantatschädigung einschätzen lassen (AST, ALT, GLDH) und Aussagen über die Funktionsaufnahme zulassen (Glukosestoffwechsel, Gerinnungsfaktoren, Bilirubinexkretion und Galleproduktion). Zur Verhinderung der postoperativen Transplantatabstoßung wird perioperativ die nach heutigem Stand lebenslang notwendige immunsuppressive Therapie begonnen. Die Diagnose einer Abstoßung wird durch den Verlauf der Leberenzyme, des Bilirubins, der Galleproduktion und durch Biopsie gestellt. Abstoßungsreaktionen werden mit Steroiden sowie polyklonalen (ATG) und monoklonalen (OKT3) Antikörpern gegen T-Lymphozyten therapiert.
Die vitale Bedeutung der Leberfunktion einerseits bei fehlender Möglichkeit eines technischen Leberfunktionsersatzes andererseits unterstreicht die Bedeutung einer schnellen postoperativen Funktionsaufnahme des Transplantats. Bei nicht ausreichender Transplantatfunktion kann das Leben des Patienten nur durch eine frühzeitige, möglichst innerhalb von 24 Stunden nach Diagnosestellung durchgeführte, Retransplantation gerettet werden (Notfallindikation). Entsprechend sind unmittelbar postoperativ besonders die Laborparameter von Bedeutung, die den Grad einer Transplantatschädigung einschätzen lassen (AST [GOT], ALT [GPT], GLDH) und Aussagen über die Funktionsaufnahme des Transplantats zulassen (Glukosestoffwechsel, Gerinnungsfaktoren, Bilirubinexkretion und Galleproduktion). Die Abstoßung des Transplantats wird durch die nach heutigem Stand lebenslang notwendige immunsuppressive Therapie verhindert, welche prä-, intra- oder postoperativ begonnen werden kann. Zur Anwendung kommen (meist in Kombination) folgende Medikamente: Kortison, Azathioprin und Ciclosporin A, wobei Ciclosporin A durch Tacrolimus ersetzt werden kann; Mycophenolatmofetil sowie derzeit noch unter Studienbedingungen z.B. 91-II-Rezeptorantikörper. Auftretende Abstoßungsepisoden werden aus dem Verlauf der Leberenzyme, der Bilirubinexkretion, der Galleproduktion sowie durch eine Leberbiopsie diagnostiziert und primär mit einer Steroidbolustherapie behandelt. Bei steroidresistenter Abstoßung kommen polyklonale (ATG) und monoklonale (OKT3) Antikörper gegen T-Lymphozyten zur Anwendung. Trotz vereinzelt berichteter Fälle von spontan erworbener Immuntoleranz, muss nach heutigem Wissen die immunsuppressive Therapie lebenslang fortgeführt werden.
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801
22.4.6 Ergebnisse Die Entwicklung neuer Immunsuppressiva und die Induktion von Immuntoleranz sind zentrale Forschungsthemen der Transplantationsmedizin.
22.4.5
Postoperative Komplikationen
22.4.5
Postoperative Komplikationen
Frühkomplikationen
Frühkomplikationen
Die wesentlichen Frühkomplikationen nach Lebertransplantation sind folgenden Gruppen zuzuordnen: Operativ-chirurgische Ursachen: Die häufigsten perioperativen Komplikationen sind: Nachblutung, Leckage an der Gallenwegsanastomose, arterielle Thrombose und lokale sowie systemische Infektionen. Initiales Transplantatversagen: Die Konservierung und/oder eine Leberschädigung des Organspenders haben zu einer so starken Parenchymschädigung des Transplantats geführt, dass selbst bei noch möglicher Regenerationsfähigkeit des Transplantats eine ausreichende Funktionsaufnahme nicht mehr rechtzeitig erfolgen kann. Abstoßungsreaktionen: Abstoßungsreaktionen nach Lebertransplantation können in der Regel ohne bleibenden Funktionsschaden des Transplantats therapiert werden. Virusinfektionen: Virusinfektionen, z.B. mit dem Zytomegalievirus (CMV) oder Epstein-Barr-Virus (EBV), können unter immunsuppressiver Therapie lebensbedrohliche Infektionen der Lunge (Pneumonie) oder des Transplantats (Hepatitis) verursachen. In den meisten Zentren wird daher entweder eine Prophylaxe mit Aciclovir (ZoviraxQ), Hyperimmunglobulinen und/oder Ganciclovir (CymevenQ) durchgeführt. Bei manifester Infektion sind diese Medikamente heute zur Standardtherapie geworden.
Frühkomplikationen nach Lebertransplantation lassen sich 4 Gruppen zuordnen: Operationsbedingte Ursachen sind: Nachblutung, Infektion, Galleleckage und arterielle Thrombose. Initiales Transplantatversagen: Konservierung und/oder Vorerkrankungen des Organspenders haben eine nicht mehr rechtzeitig regenerationsfähige Parenchymschädigung des Transplantats verursacht. Abstoßungsreaktionen: Nach Lebertransplantation können Abstoßungsreaktionen in der Regel ohne bleibenden Funktionsverlust therapiert werden. Virusinfektionen: Zytomegalie- oder Epstein-Barr-Virusinfektionen können unter immunsuppressiver Therapie lebensbedrohlich verlaufen. Eine Prophylaxe bzw. Therapie kann mit Aciclovir, Hyperimmunglobulinen und/oder Ganciclovir erfolgen.
Spätkomplikationen
Spätkomplikationen
Chronische Abstoßungsreaktionen können zu einem fortschreitenden Funktionsverlust des Transplantats führen. Die Therapie besteht derzeit ausschließlich in der Retransplantation.
Die Langzeitprognose transplantierter Patienten kann durch chronische Abstoßungen limitiert werden.
n Merke. Bedingt durch die Langzeitimmunsuppression haben transplantierte Patienten ein deutlich erhöhtes Risiko Malignomerkrankungen, besonders des lymphatischen Systems, zu entwickeln.
Neben der regelmäßigen Transplantatfunktionsüberwachung ist eine regelmäßige (1-mal jährlich) Tumorausschlussdiagnostik mit gründlicher körperlicher Untersuchung mit Hautinspektion, Tumormarkerbestimmung, Sonographie des Abdomens und Röntgen der Thoraxorgane notwendig.
22.4.6
Ergebnisse
In Abhängigkeit von der Indikationsstellung beträgt die Überlebensrate der Patienten ein Jahr nach Lebertransplantation zwischen 60–90 %. Die 5-Jahres-Überlebensrate aller in Europa seit 1988 transplantierten 27008 Patienten (Stand 12/98) liegt bei 66 %, die 10-Jahresüberlebensrate bei 58 %.
Merke
Neben der regelmäßigen Transplantatfunktionsüberwachung ist eine regelmäßige Tumorausschlussdiagnostik notwendig.
22.4.6
Ergebnisse
Je nach Indikationsstellung werden heute Überlebensraten der Patienten nach einem Jahr von 60–90 % erreicht.
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802
22 Transplantation
Klinischer Fall Eine 52-jährige Patientin mit primär biliärer Zirrhose wird im Stadium der Dekompensation (therapierefraktärer Aszites, Ikterus mit Bilirubinwerten um 12 mg%, Zustand nach einmaliger Ösophagusvarizenblutung) lebertransplantiert. Unter immunsuppressiver Tripeltherapie nimmt das Transplantat seine Funktion sofort auf, was erkennbar ist an der Produktion dunkelgrüner Galle. Die Bilirubinwerte sinken kontinuierlich, dagegen kommt es zu einem passageren Anstieg der Leberenzyme (GOT und GPT) als Folge eines reversiblen Perfusionsschadens nach Organentnahme (s. 1 B-22.12 a). Nach etwa 12 Tagen hat das Lebertransplantat eine fast vollständig normale Funktion (Leberenzyme, cholestaseanzeigende Parameter und Syntheseleistung regelrecht). Am 15. postoperativen Tag fühlt sich die Patientin krank,
1 B-22.12
Transplantatbioptischer Befund
a Perfusionsschaden: um die Zentralvene angeordnete Leberzellnekrosen ( Á).
22.5
klagt über Arthralgien, Spannungsgefühl im Bauch und hat Temperaturen > 38 ΩC. Nach Ausschluss anderer Ursachen für das Krankheitsgefühl (kein Keimnachweis in der Galle aus dem T-Drän, keine Pneumonie, kein Hinweis für eine endogene Virusreaktivierung) ( 1 B-22.12), wird eine Leberpunktion durchgeführt. Die Histologie zeigte eine Abstoßungsreaktion. Die Patientin erhält drei Tage lang Steroidbolusgaben (1 g) ohne dass die Abstoßung auch nach der Kontrollbiopsie ausreichend therapiert ist. Es wurde daher die Indikation zur ATG-Therapie gestellt. Unter einer 10-tägigen ATG-Therapie erholten sich sowohl das Transplantat als auch die Patientin relativ rasch. Sie konnte am 35. Tag post transplantationem die Anschlussheilbehandlung antreten.
Pankreas- und Dünndarmtransplantation
22.5.1
Pankreas- und Inseltransplantation Indikation Die Indikation zur Pankreastransplantation besteht beim Diabetes mellitus Typ I im Spätstadium. Ziel der Pankreastransplantation ist die Substitution der Insulinproduktion und deren physiologische Regulation, da trotz optimaler Blutzuckerregulation durch exogen zugeführtes Insulin in der Regel nach 20–30 Jahren verschiedene Komplikationen auftreten wie Mikround Makroangiopathie, Retinopathie Neuropathie und Nephropathie. Da eine lebenslange Immunsuppression mit erheblichen Nebenwirkungen notwendig ist, sollte die Transplantation erst bei Diabetikern im Spätstadium durchgeführt werden.
22.5
b Akute Abstoßungsreaktion: rundzellige Entzündungsinfiltrate ( Á) der Portalfelder mit Gallengangsschädigung.
Pankreas- und Dünndarmtransplantation Doris Henne-Bruns
22.5.1
Pankreas- und Inseltransplantation
Indikation Die Indikation zur Pankreastransplantation besteht beim Insulinmangeldiabetes (Diabetes mellitus Typ I). Ziel der Pankreastransplantation ist die Substitution der Insulinproduktion und deren physiologische Regulation, da trotz optimaler Blutzuckerregulation durch exogen zugeführtes Insulin in der Regel nach 20–30 Jahren verschiedene Komplikationen auftreten wie Mikro- und Makroangiopathie, Retinopathie, Neuropathie und Nephropathie. Nach den Ergebnissen klinischer und experimenteller Untersuchungen können diese Komplikationen durch eine Pankreastransplantation vermieden werden. Andererseits bedarf der Patient nach einer Pankreastransplantation einer lebenslangen Immunsuppression, die ihrerseits mit erheblichen Nebenwirkungen belastet ist. Aus diesem Grund gilt derzeit eine Pankreastransplantation erst bei Diabetikern im Spätstadium ihrer Erkrankung mit einer bereits dialysepflichtigen Niereninsuffizienz als indiziert, wobei dann die synchrone Nieren- und Pankreastransplantation angestrebt wird. Eine Pankreastransplantation allein gilt nur bei Patienten mit schwer einstellbarem Diabetes ohne begleitende Nephropathie als indiziert. Weltweit wurden bis Ende 1998 mehr als 11 000 Pankreastransplantationen durchgeführt.
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802
22 Transplantation
Klinischer Fall Eine 52-jährige Patientin mit primär biliärer Zirrhose wird im Stadium der Dekompensation (therapierefraktärer Aszites, Ikterus mit Bilirubinwerten um 12 mg%, Zustand nach einmaliger Ösophagusvarizenblutung) lebertransplantiert. Unter immunsuppressiver Tripeltherapie nimmt das Transplantat seine Funktion sofort auf, was erkennbar ist an der Produktion dunkelgrüner Galle. Die Bilirubinwerte sinken kontinuierlich, dagegen kommt es zu einem passageren Anstieg der Leberenzyme (GOT und GPT) als Folge eines reversiblen Perfusionsschadens nach Organentnahme (s. 1 B-22.12 a). Nach etwa 12 Tagen hat das Lebertransplantat eine fast vollständig normale Funktion (Leberenzyme, cholestaseanzeigende Parameter und Syntheseleistung regelrecht). Am 15. postoperativen Tag fühlt sich die Patientin krank,
1 B-22.12
Transplantatbioptischer Befund
a Perfusionsschaden: um die Zentralvene angeordnete Leberzellnekrosen ( Á).
22.5
klagt über Arthralgien, Spannungsgefühl im Bauch und hat Temperaturen > 38 ΩC. Nach Ausschluss anderer Ursachen für das Krankheitsgefühl (kein Keimnachweis in der Galle aus dem T-Drän, keine Pneumonie, kein Hinweis für eine endogene Virusreaktivierung) ( 1 B-22.12), wird eine Leberpunktion durchgeführt. Die Histologie zeigte eine Abstoßungsreaktion. Die Patientin erhält drei Tage lang Steroidbolusgaben (1 g) ohne dass die Abstoßung auch nach der Kontrollbiopsie ausreichend therapiert ist. Es wurde daher die Indikation zur ATG-Therapie gestellt. Unter einer 10-tägigen ATG-Therapie erholten sich sowohl das Transplantat als auch die Patientin relativ rasch. Sie konnte am 35. Tag post transplantationem die Anschlussheilbehandlung antreten.
Pankreas- und Dünndarmtransplantation
22.5.1
Pankreas- und Inseltransplantation Indikation Die Indikation zur Pankreastransplantation besteht beim Diabetes mellitus Typ I im Spätstadium. Ziel der Pankreastransplantation ist die Substitution der Insulinproduktion und deren physiologische Regulation, da trotz optimaler Blutzuckerregulation durch exogen zugeführtes Insulin in der Regel nach 20–30 Jahren verschiedene Komplikationen auftreten wie Mikround Makroangiopathie, Retinopathie Neuropathie und Nephropathie. Da eine lebenslange Immunsuppression mit erheblichen Nebenwirkungen notwendig ist, sollte die Transplantation erst bei Diabetikern im Spätstadium durchgeführt werden.
22.5
b Akute Abstoßungsreaktion: rundzellige Entzündungsinfiltrate ( Á) der Portalfelder mit Gallengangsschädigung.
Pankreas- und Dünndarmtransplantation Doris Henne-Bruns
22.5.1
Pankreas- und Inseltransplantation
Indikation Die Indikation zur Pankreastransplantation besteht beim Insulinmangeldiabetes (Diabetes mellitus Typ I). Ziel der Pankreastransplantation ist die Substitution der Insulinproduktion und deren physiologische Regulation, da trotz optimaler Blutzuckerregulation durch exogen zugeführtes Insulin in der Regel nach 20–30 Jahren verschiedene Komplikationen auftreten wie Mikro- und Makroangiopathie, Retinopathie, Neuropathie und Nephropathie. Nach den Ergebnissen klinischer und experimenteller Untersuchungen können diese Komplikationen durch eine Pankreastransplantation vermieden werden. Andererseits bedarf der Patient nach einer Pankreastransplantation einer lebenslangen Immunsuppression, die ihrerseits mit erheblichen Nebenwirkungen belastet ist. Aus diesem Grund gilt derzeit eine Pankreastransplantation erst bei Diabetikern im Spätstadium ihrer Erkrankung mit einer bereits dialysepflichtigen Niereninsuffizienz als indiziert, wobei dann die synchrone Nieren- und Pankreastransplantation angestrebt wird. Eine Pankreastransplantation allein gilt nur bei Patienten mit schwer einstellbarem Diabetes ohne begleitende Nephropathie als indiziert. Weltweit wurden bis Ende 1998 mehr als 11 000 Pankreastransplantationen durchgeführt.
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803
22.5.1 Pankreas- und Inseltransplantation In Anbetracht des perioperativen Risikos einer Pankreastransplantation (Pankreatitis des Transplantats, Peritonitis usw.) wurde seit 1965 die Forschung auf dem Gebiet der Pankreasinseltransplantation intensiviert. Die Indikation zur Inseltransplantation ist dieselbe wie die für die Pankreastransplantation. Weltweit wurden bis heute erst einige hundert Inseltransplantationen durchgeführt.
Die Indikation zur Inseltransplantation besteht beim Diabetes mellitus Typ I. Die Inseltransplantation ist derzeit klinisch noch nicht fest etabliert.
Kontraindikationen
Kontraindikationen ( 2 B-22.7)
Als absolute und relative Kontraindikationen zur Pankreas- und/oder Dünndarmtransplantation gelten die in 2 B-22.7 aufgeführen Erkrankungen.
2 B-22.7
Kontraindikationen zur Pankreas- und/oder Dünndarmtransplantation
absolute Kontraindikationen
relative Kontraindikationen
N maligne Tumorerkrankungen n
N kardiopulmonale Grunderkrankungen n
N maligne Systemerkrankungen n
N Diabetes mellitus mit fortgeschrittenen n Sekundärerkrankungen
N chronische Lebererkrankungen mit Funktionseinschränkung n N chronische Infektionen (z.B. TBC, Aspergillose, Sarkoidose, HIV) n N andere aktive Virusinfektionen (z.B. EBV, CMV) n
N andere metabolische Störungen n (z.B. Fettstoffwechsel, Porphyrie)
N Non-Compliance n N chronische Suchtkrankheiten n N psychiatrische Grunderkrankungen n
Operationstechnik
Operationstechnik
Pankreastransplantation
Pankreastransplantation
Es gibt mehrere Techniken der Organtransplantation. Entweder erfolgt die Transplantation von Pankreaskorpus und -schwanz (segmentale Transplantation, selten) oder eine Transplantation des ganzen Pankreas ( 1 B-22.13).
Transplantiert wird entweder ein Segment des Pankreas oder das ganze Organ ( 1 B-22.13).
1 B-22.13
Synopsis Pankreastransplantation: Spenderoperation V. portae
A. mesenterica superior A. splenica
V./A. panceraticoduodenalis
A. mesenterica superior V. mesenterica superior Klammernahtgerät
Präparation des Pankreastransplantates: Der die Papille dränierende Duodenalabschnitt wird am Transplantat belassen; der übrige Dünndarm entfernt. Die Absetzung des Dünndarms und der Lumenverschluss erfolgt mit Klammernahtgeräten.
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804
22 Transplantation Das bevorzugte Verfahren zur Ableitung des exokrinen Sekrets ist die Anastomosierung des Transplantats mit einer ausgeschalteten Jejunumschlinge oder der Harnblase, wobei die Ableitung in die Harnblase das am häufigsten angewendete Verfahren darstellt ( 1 B-22.14). Die intraduktale Injektion von synthetischen Polymeren zur Okklusion des Pankreasgangs ist von eher untergeordneter Bedeutung, da neben der Fibrose der exokrinen Anteile auch eine Fibrosierung der Inseln auftreten kann.
Das exokrine Sekret wird in eine Jejunumschlinge oder in die Harnblase abgeleitet ( 1 B-22.14).
1 B-22.14
Synopsis Sekretableitung des Pankreastransplantats
V. splenica V. cava A. splenica V. portae
Aorta
rechte A. iliaca Truncus coeliacus
Duodenum Truncus coeliacus
A. iliaca A. splenica
V. iliaca
V. splenica a Anastomose mit ausgeschalteter Jejunumschlinge.
Duodenum Harnblase
V. portae b Harnblasenableitung.
Alle Varianten der Pankreastransplantation unterscheiden sich hinsichtlich der Transplantatüberlebenszeit nicht signifikant voneinander.
Als Transplantatgefäße werden der Truncus coeliacus, die A. mesenterica superior oder die A. splenica, die V. porta oder die V. splenica verwendet. Sie werden mit den Iliakalgefäßen des Empfängers verbunden. Sind die Arterien (A. mesenterica superior, A. splenica) zu kurz, können diese mittels eines Y-Grafts des gleichen Spenders (bestehend aus der A. iliaca communis mit Aufzweigung in A. iliaca externa und interna) verlängert werden, indem die von links kommende A. splenica den linken Schenkel und die hinter dem Pankreas verlaufende A. mesenterica superior an den rechten Schenkel des Y-Grafts angenäht werden. Alle Varianten der Pankreastransplantation unterscheiden sich hinsichtlich der Transplantatüberlebenszeit nicht signifikant voneinander.
Inseltransplantation
Inseltransplantation
Die Inseln werden nach entsprechender Vorbehandlung in Gewebekulturen kurzzeitig konserviert. Eine Sammlung von Inseln in Gewebebanken ist derzeit nur für wenige Wochen möglich.
Zur Gewinnung und Aufbereitung der Inselzellen aus der Bauchspeicheldrüse wird die Kollagenmatrix des Pankreas durch Perfusion mit Kollagenase durch den Ductus pancreaticus angedaut. Dann erfolgen multiple Reinigungsschritte zur Gewinnung der Inseln in hypothermer Konservierungslösung.
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805
22.5.1 Pankreas- und Inseltransplantation Die Inseln werden meist in Gewebekulturen kurzzeitig konserviert. Angestrebt wird eine Kryokonservierung zur Sammlung von Inseln in Gewebebanken, um sie dann in gepoolter Form in ausreichender Menge transplantieren zu können. Dies ist bislang nur für wenige Wochen möglich. Notwendig für eine Inseltransplantation sind ca. 5000–6000 Inseln/kg Körpergewicht (1 gesundes Pankreas enthält ca. 1–2,5 Millionen Inseln). Bei isolierter Inseltransplantation werden die Inseln perkutan transhepatisch in die V. portae injiziert. Bei kombinierter Nieren- und Inseltransplantation erfolgt die Einschwemmung in das portal-venöse System durch Punktion einer Mesenterialvene.
Notwendig für eine Inseltransplantation sind ca. 5000–6000 Inseln/kg Körpergewicht (1 gesundes Pankreas enthält ca. 1–2,5 Millionen Inseln). Bei isolierter Inseltransplantation werden die Inseln perkutan transhepatisch in die V. portae injiziert. Bei kombinierter Nieren- und Inseltransplantation erfolgt die Injektion in eine Mesenterialvene.
Postoperative Komplikationen
Postoperative Komplikationen
Pankreastransplantation
Pankreastransplantation
Neben den allgemeinen postoperativen Komplikationen wie Blutung und Infektion sind als spezifische zu nennen: die Thrombose der V. portae oder der V. splenica sowie die Fistelung von Pankreassekret aus dem Pankreasgang. Fistelungen treten sowohl nach Gangobliteration transplantierter Pankreassegmente als auch nach Transplantation der gesamten Pankreasdrüse auf. Hierbei hat die Form der Anastomose keinen Einfluss auf die Häufigkeit der Fistelentstehung. Häufig kommt es nach der Transplantation zum Auftreten einer Transplantatpankreatitis ggf. mit Dünndarmperforation. Die Abstoßungsdiagnostik erfolgt bei Implantation des Pankreas in die Blase durch die Amylasebestimmung im Urin. Ansonsten können nur indirekte Parameter wie Blutglukose, Insulinsekretion, C-Peptid und Glukagon zum Monitoring der Transplantatfunktion herangezogen werden. Ein Absinken des C-Peptids und des Glukagons zeigt bereits einen irreversiblen Transplantatschaden an. Im Falle der synchronen Nieren- und Pankreastransplantation liefert die Bestimmung der Nierenfunktion (Kreatinin, Harnstoff) indirekt auch einen Hinweis auf die Pankreastransplantatfunktion.
Neben immunologischen Problemen können Thrombosen, Pankreasfisteln sowie eine Transplantatpankreatitis auftreten.
Inseltransplantation
Inseltransplantation
Pankreasinseln besitzen eine hohe Immunogenität und induzieren dadurch Abstoßungsepisoden, durch die sie zerstört werden können. Auch autoimmunologische Prozesse, die ehemals den Diabetes mellitus Typ I ausgelöst haben, können die Inseln zerstören. Ihre Applikation führt in der Regel zu keinen Komplikationen. Bislang gibt es ebenso wie bei der Pankreastransplantation keine Markersubstanz, die Abstoßungsepisoden in der Frühphase erkennbar macht. Das Monitoring ihrer Funktion erfolgt über die Bestimmung von Blutglukose, Insulinsekretion, C-Peptid und Glukagon.
Pankreasinseln besitzen eine hohe Immunogenität, sie können durch Abstoßungsepisoden oder autoimmunologische Prozesse zerstört werden.
Postoperative Behandlung
Postoperative Behandlung
Pankreastransplantation
Pankreastransplantation
Die Immunsuppression erfolgt zumeist mittels Kombinationsbehandlung aus Ciclosporin A, Glukokortikoiden, Mycophenolatmofetil (Azathioprin) mit oder ohne zusätzliche Gabe von Antilymphozytenglobulinen (s. a. S. 785ff.).
Die Immunsuppression besteht aus einer Kombination von Ciclosporin A, Glukokortikoiden, Mycophenolatmofetil (Azathioprin) und ggf. Antilymphozytenglobulin.
Inseltransplantation
Inseltransplantation
Aufgrund der hohen Immunogenität von Pankreasinseln erfolgt eine präoperative Vorbehandlung mit Antilymphozytenglobulin oder monoklonalen Antikörperpräparationen (OKT3). Die postoperative Immunsuppression wird mit Mycophenolatmofetil (Azathioprin), Glukokortikoiden und Ciclosporin A oder Tacrolimus durchgeführt.
Präoperativ wird Antilymphozytenglobulin oder OKT3 verabreicht. Postoperativ entspricht die Behandlung der der Pankreastransplantation.
Die Abstoßungsdiagnostik erfolgt durch Amylasebestimmung im Urin und Messung von Blutglukose, Insulinsekretion, C-Peptid und Glukagon. Ein Absinken des C-Peptids und des Glukagons zeigt bereits einen irreversiblen Transplantatschaden an.
Ihre Applikation führt zu keinen Komplikationen. Das Monitoring ihrer Funktion erfolgt durch Bestimmung von Blutglukose, Insulinsekretion, C-Peptid und Glukagon.
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22 Transplantation
Ergebnisse
Ergebnisse
Pankreastransplantation
Pankreastransplantation
Die 1-Jahres-Funktionsrate beträgt derzeit 80–90 %.
Die 1-Jahres-Funktionsrate des Transplantats beträgt derzeit 80–90 %. (Int. Pankreastransplantationsregister 1998.)
Inseltransplantation
Inseltransplantation
Die 1-Jahres-Überlebensrate der Inseln beträgt ca. 40 %.
Bis Ende 1998 sind weltweit nur wenige hundert klinische Inselzelltransplantationen vorgenommen worden. Die 1-Jahres-Überlebensrate der Inseln beträgt ca. 40 %.
22.5.2
22.5.2
Dünndarmtransplantation
Dünndarmtransplantation
Indikation
Indikation
Die Indikation besteht beim Kurzdarmsyndrom, wenn der Restdünndarm keine ausreichende Resorptionsleistung zeigt.
Die Indikation zur Dünndarmtransplantation besteht beim Kurzdarmsyndrom, wenn der Restdünndarm nach einer ausreichend langen Adaptationsphase (1–2 Jahre) keine ausreichende Resorptionsleistung zeigt.
Ätiologie. Ein Kurzdarmsyndrom entsteht im Erwachsenenalter nach ausgedehnten Dünndarmresektionen oder entzündlichen Darmerkrankungen, im Kindesalter durch Darmgangrän nach Volvulus oder bei multiplen Dünndarmatresien.
Ätiologie. Ein Kurzdarmsyndrom entsteht im Erwachsenenalter z.B. nach ausgedehnten Dünndarmresektionen wegen Durchblutungsstörungen (Mesenterialinfarkt u.ä.) oder entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn). Im Kindesalter ist ursächlich für die Dünndarmresektion zu nennen die Darmgangrän nach Volvulus, multiple Dünndarmatresien, nekrotisierende Enterokolitis usw. Auf Grund der fehlenden Resorptionsfläche müssen die Patienten langfristig partiell oder komplett parenteral ernährt werden. Die daraus resultierenden Komplikationen wie Kathetersepsis, metabolische Störungen oder Leberparenchymschäden lassen eine Dünndarmtransplantation indiziert erscheinen. Bei Auftreten einer Leberinsuffizienz kommt auch eine kombinierte Leber-Dünndarmtransplantation in Betracht.
Bei Auftreten einer Leberinsuffizienz kommt auch eine kombinierte LeberDünndarmtransplantation in Betracht. Kontraindikationen (s.
2
B-22.7)
Kontraindikationen (s. 2 B-22.7)
Operationstechnik
Operationstechnik
Das Transplantat besteht aus Jejunum und Ileum (ca. 1 Meter), um u.a. die Resorption fettlöslicher Vitamine und Gallensäuren zu gewährleisten.
Die Darmanastomosen werden zunächst als Stomata ausgeleitet und erst nach ca. 4 Wochen mit dem Empfängerdarm anastomosiert.
Die optimale Transplantatlänge beträgt ca. 1 Meter. Das Transplantat sollte aus Jejunum und Ileum bestehen, um u.a. die Resorption fettlöslicher Vitamine und Gallensäuren zu gewährleisten. Die Transplantatgefäße sind entweder Mesenterialgefäße aus der A./V. ileocolica oder der A./V. mesenterica superior. Bei der Entnahme wird das Transplantat über die arteriellen Gefäße mit speziellen Konservierungslösungen perfundiert. Im Anschluss daran werden die Transplantatgefäße an die A./V. iliaca oder die Aorta/V. cava anastomosiert. Die Transplantatenden werden zunächst als Stomata ausgeleitet und dann – nach Stabilisierung des Patienten – nach ca. 4 Wochen mit dem Empfängerdarm anastomosiert.
Postoperative Komplikationen
Postoperative Komplikationen
Es kann zum Auftreten von Gefäßkomplikationen sowie zu Nahtinsuffizienzen im Bereich der Darmanastomosen kommen. Hauptproblem ist die schwere Abstoßungsreaktion auf Grund der hohen Immunogenität des Dünndarms durch seinen Gehalt an lymphatischem Gewebe. Die akute Abstoßung führt zu Fieber und diffusen abdominellen Schmerzen mit dem Bild einer hämorrhagischen Enteritis bis hin zur generalisierten Peritonitis.
Nichtimmunologische Frühkomplikationen können im Bereich der Gefäßanastomosen auftreten (Blutung, Thrombose, Stenose) und konsekutiv durch einen ischämischen Mukosaschaden zu einem enteralen Flüssigkeitsund Eiweißverlust führen. Im Bereich der Darmanastomosen kann es zum Auftreten von Insuffizienzen kommen. Das Hauptproblem der Dünndarmtransplantation ist die schwere Abstoßungsreaktion auf Grund der hohen Immunogenität des Dünndarms durch seinen Gehalt an lymphatischem Gewebe. Die akute Abstoßung führt zu Fieber und diffusen abdominellen Schmerzen mit dem Bild einer hämorrhagischen Enteritis mit Blutungen und Flüssigkeitsverlust in das Darmlumen bis hin zur generalisierten Peritonitis.
Die Transplantatgefäße werden an die A./V. iliaca oder die Aorta/V. cava anastomosiert.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
806
22 Transplantation
Ergebnisse
Ergebnisse
Pankreastransplantation
Pankreastransplantation
Die 1-Jahres-Funktionsrate beträgt derzeit 80–90 %.
Die 1-Jahres-Funktionsrate des Transplantats beträgt derzeit 80–90 %. (Int. Pankreastransplantationsregister 1998.)
Inseltransplantation
Inseltransplantation
Die 1-Jahres-Überlebensrate der Inseln beträgt ca. 40 %.
Bis Ende 1998 sind weltweit nur wenige hundert klinische Inselzelltransplantationen vorgenommen worden. Die 1-Jahres-Überlebensrate der Inseln beträgt ca. 40 %.
22.5.2
22.5.2
Dünndarmtransplantation
Dünndarmtransplantation
Indikation
Indikation
Die Indikation besteht beim Kurzdarmsyndrom, wenn der Restdünndarm keine ausreichende Resorptionsleistung zeigt.
Die Indikation zur Dünndarmtransplantation besteht beim Kurzdarmsyndrom, wenn der Restdünndarm nach einer ausreichend langen Adaptationsphase (1–2 Jahre) keine ausreichende Resorptionsleistung zeigt.
Ätiologie. Ein Kurzdarmsyndrom entsteht im Erwachsenenalter nach ausgedehnten Dünndarmresektionen oder entzündlichen Darmerkrankungen, im Kindesalter durch Darmgangrän nach Volvulus oder bei multiplen Dünndarmatresien.
Ätiologie. Ein Kurzdarmsyndrom entsteht im Erwachsenenalter z.B. nach ausgedehnten Dünndarmresektionen wegen Durchblutungsstörungen (Mesenterialinfarkt u.ä.) oder entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn). Im Kindesalter ist ursächlich für die Dünndarmresektion zu nennen die Darmgangrän nach Volvulus, multiple Dünndarmatresien, nekrotisierende Enterokolitis usw. Auf Grund der fehlenden Resorptionsfläche müssen die Patienten langfristig partiell oder komplett parenteral ernährt werden. Die daraus resultierenden Komplikationen wie Kathetersepsis, metabolische Störungen oder Leberparenchymschäden lassen eine Dünndarmtransplantation indiziert erscheinen. Bei Auftreten einer Leberinsuffizienz kommt auch eine kombinierte Leber-Dünndarmtransplantation in Betracht.
Bei Auftreten einer Leberinsuffizienz kommt auch eine kombinierte LeberDünndarmtransplantation in Betracht. Kontraindikationen (s.
2
B-22.7)
Kontraindikationen (s. 2 B-22.7)
Operationstechnik
Operationstechnik
Das Transplantat besteht aus Jejunum und Ileum (ca. 1 Meter), um u.a. die Resorption fettlöslicher Vitamine und Gallensäuren zu gewährleisten.
Die Darmanastomosen werden zunächst als Stomata ausgeleitet und erst nach ca. 4 Wochen mit dem Empfängerdarm anastomosiert.
Die optimale Transplantatlänge beträgt ca. 1 Meter. Das Transplantat sollte aus Jejunum und Ileum bestehen, um u.a. die Resorption fettlöslicher Vitamine und Gallensäuren zu gewährleisten. Die Transplantatgefäße sind entweder Mesenterialgefäße aus der A./V. ileocolica oder der A./V. mesenterica superior. Bei der Entnahme wird das Transplantat über die arteriellen Gefäße mit speziellen Konservierungslösungen perfundiert. Im Anschluss daran werden die Transplantatgefäße an die A./V. iliaca oder die Aorta/V. cava anastomosiert. Die Transplantatenden werden zunächst als Stomata ausgeleitet und dann – nach Stabilisierung des Patienten – nach ca. 4 Wochen mit dem Empfängerdarm anastomosiert.
Postoperative Komplikationen
Postoperative Komplikationen
Es kann zum Auftreten von Gefäßkomplikationen sowie zu Nahtinsuffizienzen im Bereich der Darmanastomosen kommen. Hauptproblem ist die schwere Abstoßungsreaktion auf Grund der hohen Immunogenität des Dünndarms durch seinen Gehalt an lymphatischem Gewebe. Die akute Abstoßung führt zu Fieber und diffusen abdominellen Schmerzen mit dem Bild einer hämorrhagischen Enteritis bis hin zur generalisierten Peritonitis.
Nichtimmunologische Frühkomplikationen können im Bereich der Gefäßanastomosen auftreten (Blutung, Thrombose, Stenose) und konsekutiv durch einen ischämischen Mukosaschaden zu einem enteralen Flüssigkeitsund Eiweißverlust führen. Im Bereich der Darmanastomosen kann es zum Auftreten von Insuffizienzen kommen. Das Hauptproblem der Dünndarmtransplantation ist die schwere Abstoßungsreaktion auf Grund der hohen Immunogenität des Dünndarms durch seinen Gehalt an lymphatischem Gewebe. Die akute Abstoßung führt zu Fieber und diffusen abdominellen Schmerzen mit dem Bild einer hämorrhagischen Enteritis mit Blutungen und Flüssigkeitsverlust in das Darmlumen bis hin zur generalisierten Peritonitis.
Die Transplantatgefäße werden an die A./V. iliaca oder die Aorta/V. cava anastomosiert.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
807
22.6.1 Herztransplantation Die chronische Abstoßung verläuft klinisch blande und äußert sich in einer allmählichen Verschlechterung der Transplantatfunktion, die mit einem progredienten Gewichtsverlust einhergeht.
Die chronische Abstoßung verläuft klinisch unauffällig und äußert sich durch progredienten Gewichtsverlust.
Postoperative Behandlung
Postoperative Behandlung
Die immunsuppressive Basistherapie umfasst die Gabe von Glukokortikoiden, Tacrolimus (Ciclosporin A), Antilymphozytenglobulin und Mycophenolatmofetil. Tacrolimus scheint bei der Dünndarmtransplantation besser wirksam zu sein als Ciclosporin A (s. a. S. 784ff.).
Die Therapie umfasst Tacrolimus oder Ciclosporin A, Glukokortikoide, Mycophenolatmofetil und Antilymphozytenglobulin.
Ergebnisse
Ergebnisse
Bis Ende 1997 sind weltweit ca. 300 klinische Dünndarmtransplantationen durchgeführt worden. Unter einer kombinierten Immunsuppression beträgt die derzeitige 1-Jahres-Überlebensrate des Transplantats 60 %. 90 % der überlebenden Patienten mit funktionstüchtigem Transplantat sind nach 1 Jahr enteral ernährbar.
Bislang sind weltweit mehr als 300 klinische Dünndarmtransplantationen durchgeführt worden. Die derzeitige 1-Jahres-Überlebensrate des Transplantats beträgt 60 %.
22.6
Herz-/Lungentransplantation
22.6
Herz-/Lungentransplantation
22.6.1
Herztransplantation
Jochen Cremer; Stephan Hirt 22.6.1
Herztransplantation
Seit Anfang der 80er Jahre wurde die Herztransplantation zu einem anerkannten Therapiekonzept für die terminale Herzinsuffizienz entwickelt. Die deutlich verbesserten Erfolgsaussichten zu diesem Zeitpunkt beruhten im Wesentlichen auf die Einführung von Ciclosporin A in das Konzept der immunsuppressiven Basistherapie. Dies führte zu wesentlich höheren kurzund langfristigen Überlebensraten bei geringerer Organtoxizität der Immunsuppression, besserer immunosuppressiver Potenz und geringer Inzidenz von Infektionen und Malignomen. Der Eingriff an sich wird heutzutage fast ausschließlich als orthotoper Ersatz ausgeführt, bei dem das kranke Herz exzidiert und das Spenderherz in gleicher Position (orthotop) implantiert wird. Die heterotope Transplantation unter Belassung des Empfängerherzens und „Seitanschluss“ des in die rechte Pleurahöhle positionierten Herzens wurde wegen deutlich schlechterer Erfolgsaussichten verlassen. Aufgrund der limitierten Verfügbarkeit von Spenderorganen besteht ein Missverhältnis von derzeit ca. 500 jährlich ausgeführten Herztransplantationen gegenüber ca. 2000 potenziellen Empfängern in Deutschland.
Indikation n Merke. Die progrediente terminale Herzinsuffizienz ohne fixierten erhöhten pulmonalen Gefäßwiderstand stellt die Indikation zur orthotopen Herztransplantation dar.
Zum Operationszeitpunkt befinden sich die Patienten üblicherweise im NYHA-Stadium IV oder sind nur noch minimal belastbar und haben mehrfach biventrikuläre Dekompensationen erlitten. Eine Verbesserung der medikamentösen Therapie ist nicht mehr möglich und eine progrediente weitere Verschlechterung ist anzunehmen. In der Mehrzahl der Fälle liegt der Herzinsuffizienz eine dilatative Kardiomyopathie unterschiedlicher Genese zu Grunde. Demgegenüber stellt die ischämische Kardiomyopathie (ICM) den Endzustand der Koronarsklerose dar und gilt als zweithäufigste Indikation zur Transplantation. Herztumoren und kongenitale Anomalien sind hingegen von untergeordneter Bedeutung.
Jährlich werden ca. 500 Herztransplantationen derzeit in Deutschland durchgeführt. Mit Einführung von Ciclosporin A in die Immunsuppression wurden die Erfolgsaussichten seit Anfang der 80er Jahre entscheidend verbessert.
Der Eingriff wird heute fast ausschließlich als orthotoper Ersatz ausgeführt, die heterotrope Transplantation hat deutlich schlechtere Erfolgsaussichten.
Indikation Merke
Die Patienten befinden sich meist im NYHA Stadium IV oder sind nur minimal belastbar und hatten mehrfach biventrikuläre Dekompensation. Die Herzinsuffizienz beruht vorwiegend auf dilatativer oder ischämischer Kardiomyopathie. Herztumoren und kongenitale Anomalien stellen seltene Ursachen für die Transplantation dar. Die hämodynamische Situation von Transplantationskandidaten ist gekennzeichnet durch: Herzindex ≤ 2,0 l/min/m2 und linksventrikuläre EF < 20 % ( 2 B-22.8).
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
807
22.6.1 Herztransplantation Die chronische Abstoßung verläuft klinisch blande und äußert sich in einer allmählichen Verschlechterung der Transplantatfunktion, die mit einem progredienten Gewichtsverlust einhergeht.
Die chronische Abstoßung verläuft klinisch unauffällig und äußert sich durch progredienten Gewichtsverlust.
Postoperative Behandlung
Postoperative Behandlung
Die immunsuppressive Basistherapie umfasst die Gabe von Glukokortikoiden, Tacrolimus (Ciclosporin A), Antilymphozytenglobulin und Mycophenolatmofetil. Tacrolimus scheint bei der Dünndarmtransplantation besser wirksam zu sein als Ciclosporin A (s. a. S. 784ff.).
Die Therapie umfasst Tacrolimus oder Ciclosporin A, Glukokortikoide, Mycophenolatmofetil und Antilymphozytenglobulin.
Ergebnisse
Ergebnisse
Bis Ende 1997 sind weltweit ca. 300 klinische Dünndarmtransplantationen durchgeführt worden. Unter einer kombinierten Immunsuppression beträgt die derzeitige 1-Jahres-Überlebensrate des Transplantats 60 %. 90 % der überlebenden Patienten mit funktionstüchtigem Transplantat sind nach 1 Jahr enteral ernährbar.
Bislang sind weltweit mehr als 300 klinische Dünndarmtransplantationen durchgeführt worden. Die derzeitige 1-Jahres-Überlebensrate des Transplantats beträgt 60 %.
22.6
Herz-/Lungentransplantation
22.6
Herz-/Lungentransplantation
22.6.1
Herztransplantation
Jochen Cremer; Stephan Hirt 22.6.1
Herztransplantation
Seit Anfang der 80er Jahre wurde die Herztransplantation zu einem anerkannten Therapiekonzept für die terminale Herzinsuffizienz entwickelt. Die deutlich verbesserten Erfolgsaussichten zu diesem Zeitpunkt beruhten im Wesentlichen auf die Einführung von Ciclosporin A in das Konzept der immunsuppressiven Basistherapie. Dies führte zu wesentlich höheren kurzund langfristigen Überlebensraten bei geringerer Organtoxizität der Immunsuppression, besserer immunosuppressiver Potenz und geringer Inzidenz von Infektionen und Malignomen. Der Eingriff an sich wird heutzutage fast ausschließlich als orthotoper Ersatz ausgeführt, bei dem das kranke Herz exzidiert und das Spenderherz in gleicher Position (orthotop) implantiert wird. Die heterotope Transplantation unter Belassung des Empfängerherzens und „Seitanschluss“ des in die rechte Pleurahöhle positionierten Herzens wurde wegen deutlich schlechterer Erfolgsaussichten verlassen. Aufgrund der limitierten Verfügbarkeit von Spenderorganen besteht ein Missverhältnis von derzeit ca. 500 jährlich ausgeführten Herztransplantationen gegenüber ca. 2000 potenziellen Empfängern in Deutschland.
Indikation n Merke. Die progrediente terminale Herzinsuffizienz ohne fixierten erhöhten pulmonalen Gefäßwiderstand stellt die Indikation zur orthotopen Herztransplantation dar.
Zum Operationszeitpunkt befinden sich die Patienten üblicherweise im NYHA-Stadium IV oder sind nur noch minimal belastbar und haben mehrfach biventrikuläre Dekompensationen erlitten. Eine Verbesserung der medikamentösen Therapie ist nicht mehr möglich und eine progrediente weitere Verschlechterung ist anzunehmen. In der Mehrzahl der Fälle liegt der Herzinsuffizienz eine dilatative Kardiomyopathie unterschiedlicher Genese zu Grunde. Demgegenüber stellt die ischämische Kardiomyopathie (ICM) den Endzustand der Koronarsklerose dar und gilt als zweithäufigste Indikation zur Transplantation. Herztumoren und kongenitale Anomalien sind hingegen von untergeordneter Bedeutung.
Jährlich werden ca. 500 Herztransplantationen derzeit in Deutschland durchgeführt. Mit Einführung von Ciclosporin A in die Immunsuppression wurden die Erfolgsaussichten seit Anfang der 80er Jahre entscheidend verbessert.
Der Eingriff wird heute fast ausschließlich als orthotoper Ersatz ausgeführt, die heterotrope Transplantation hat deutlich schlechtere Erfolgsaussichten.
Indikation Merke
Die Patienten befinden sich meist im NYHA Stadium IV oder sind nur minimal belastbar und hatten mehrfach biventrikuläre Dekompensation. Die Herzinsuffizienz beruht vorwiegend auf dilatativer oder ischämischer Kardiomyopathie. Herztumoren und kongenitale Anomalien stellen seltene Ursachen für die Transplantation dar. Die hämodynamische Situation von Transplantationskandidaten ist gekennzeichnet durch: Herzindex ≤ 2,0 l/min/m2 und linksventrikuläre EF < 20 % ( 2 B-22.8).
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
808 Um den rechten Ventrikel des Spenderorgans im Rahmen der Transplantation nicht zu überfordern, ist notwendig, dass der pulmonale Gefäßwiderstand (PVR) eine gewisse Grenze nicht überschreitet und nicht auf hohem Niveau fixiert ist. Derzeit wird als obere Grenze ein Wert von 300 dyn « s/cm5 (normal ≤ 150 dyn « s/cm5 ) angesehen.
Mechanische Herz-Kreislaufunterstützungssysteme können den Kreislauf des Patienten präoperativ unterstützen. In Abhängigkeit vom Typ des Systems kann dies bis zu > 1 Jahr möglich sein. Wegen der hohen Raten von Blutungsund Infektionskomplikationen sowie Thromboembolien werden voll implantierbare Kunstherzen derzeit klinisch nicht routinemäßig eingesetzt.
22 Transplantation Die hämodynamische Situation dieser Patienten zum Zeitpunkt der Indikationsstellung ist gekennzeichnet von einer hochgradig erniedrigten linksventrikulären Ejektionsfraktion (EF) auf unter 20 % (normal ≥ 60 %) und einem Herzindex (HI) unter 2,0 l/min/m2 (normal 3,0–3,5 l/min/m2). Um den rechten Ventrikel des Spenderorgans im Rahmen der Transplantation nicht zu überfordern, ist notwendig, dass der pulmonale Gefäßwiderstand (PVR) eine gewisse Grenze nicht überschreitet und nicht auf hohem Niveau fixiert ist. Derzeit wird als obere Grenze ein Wert von 300 dyn « s/cm5 (normal ≤ 150 dyn « s/cm5) angesehen ( 2 B-22.8). Die Reagibilität der pulmonalen Strombahn kann im Rahmen einer Rechtsherzkatheteruntersuchung durch die Gabe von Vasodilatanzien, insbesondere Nitropräparaten und Prostaglandinen getestet werden. Bei einem Teil der Patienten ist präoperativ die Kreislaufsituation nur noch mit Katecholaminen oder durch mechanische HerzKreislaufunterstützungssysteme in stationärer Behandlung zu stabilisieren. Das Spektrum der in dieser Situation verwandten Systeme reicht von intraaortalen Ballonpumpen über biventrikuläre extrakorporale Blutpumpen bis zu voll implantierbaren Pumpen, die in der Lage sind, die Funktion des linken Ventrikels komplett zu übernehmen. Der mögliche Zeitraum der Kreislaufunterstützung hängt wesentlich vom Typ des Systems ab und liegt für implantierbare Linksherzsysteme in Einzelfällen auch über einem Jahr. Wegen der hohen Raten von Blutungs- und Infektionskomplikationen sowie Thromboembolien werden voll implantierbare Kunstherzen derzeit klinisch nicht routinemäßig eingesetzt.
2 B-22.8
Indikationen zur Herztransplantation
Terminale Herzinsuffizienz Stadium IV (NYHA) Hämodynamik: N HI n
< 2,0 l/min/m2
N EF n
< 20 %
N PVR < 300 dyn « s/cm5 n
Kontraindikationen
Kontraindikationen
Neben dem Vorliegen von Begleiterkrankungen entscheidet die erwartete Compliance des Patienten und seine psychosoziale Situation mit über die Eignung als Transplantationskandidat. Die wichtigsten Kontraindikationen zeigt 2 B-22.9 .
Während die kardiale Situation eines potenziellen Transplantationskandidaten relativ klar zu umreißen ist, bestimmen eine Reihe weiterer Faktoren die definitive Eignung zur Transplantation ( 2 B-22.9). Im Rahmen der Begleiterkrankungen gelten kurativ nicht behandelbare Tumorerkrankungen und eine Reihe maligner Systemerkrankungen (z.B. Kollagenosen, Amyloidose) als absolute Kontraindikationen. Chronische Organerkrankungen nicht kardialer Genese, wie beispielsweise chronische Leber- und Nierenerkrankungen mit insuffizienter Organfunktion sind ebenfalls als absolute Kontraindikation anzusehen, es sei denn, dass eine kombinierte Organtransplantation (z.B. Herz und Niere) zu erwägen ist. Chronische Infektionen, insbesondere wenn von einer Exazerbation im Rahmen der notwendigen Immunsuppression auszugehen ist, führen zur Ablehnung der Transplantation. Von klinischer Relevanz sind hierbei vor allem chronische Hepatitiden, Tuberkulose und HIV-Infektion. In Zusammenhang mit der Immunsuppression müssen gerade Erkrankungen des hämatopoetischen und des Immunsystems auf ihren erwarteten Verlauf überprüft werden. Insulinpflichtiger Diabetes mellitus und degenerative vaskuläre Erkrankungen sind demgegenüber eher als relative Kontraindikationen einzuordnen. Unabhängig vom Ausmaß der Begleiterkrankungen stellen die psychosoziale Situation des Patienten und die erwartete Compliance weitere essenzielle Faktoren dar, die über die Eignung zur Transplantation entscheiden. Dies bedeutet, dass Patienten mit chronischen Suchtkrankheiten oder neurologisch/psychischen Erkrankungen von einer Transplantation ausgeschlossen werden. Darüber hinaus sollte idealerweise eine stabile Partnerbeziehung bestehen, in der die mit der Transplantation für den Patienten verbundene Belastung besser getragen wird. Altersgrenzen unterliegen eher dem biologischen Alter, wobei orientierend derzeit eine obere Grenze von 65 Jahren vorgeschlagen wird.
Allgemein wird derzeit eine obere Grenze von 65 Jahren vorgeschlagen.
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22.6.1 Herztransplantation
2 B-22.9
809
Kontraindikationen zur Herztransplantation
Absolute Kontraindikationen n maligne Tumorerkrankungen N N Systemerkrankungen (z.B. Amyloidose, Sklerodermie, Panarteriitis nodosa) n N chronische Lebererkrankung mit Funktionseinschränkung n N chronische Nierenerkrankung mit Kreatinin-Clearance ≤ 40 ml/min n
N chronische Infektionen (HIV, Hepatitis B, C und D, Tuberkulose, Aspergillose) n N Erkrankungen des hämatopoetischen Systems n N Erkrankungen des Immunsystems n Relative Kontraindikationen N insulinpflichtiger Diabetes mellitus n N generalisierte arterielle Verschlusskrankheit n N chronische Suchtkrankheiten n N neurologisch/psychische Erkrankungen n
Spenderkriterien und Operationstechnik Wie andere Organtransplantationen wird auch die Herzverpflanzung innerhalb des AB0-Systems ohne Berücksichtigung des Rhesusfaktors durchgeführt. Aufgrund der tolerierbaren Ischämiezeit, die bei ca. 3–4 Stunden liegt, kann routinemäßig keine Berücksichtigung des HLA-Matches stattfinden, da für diese Bestimmung aufwendige immunologische Untersuchungen mit Spender- und Empfängergewebe, die sich in diesem Zeitraum nur selten realisieren lassen, notwendig sind. In der Regel sollte Größengleichheit zwischen Organspender und -empfänger angestrebt werden, wobei für Patienten mit höherem pulmonalem Gefäßwiderstand eher größere Spenderorgane notwendig sind, um einer Überlastung des rechten Ventrikels des Spenderherzens (postoperatives Rechtsherzversagen) vorzubeugen. Das Spenderherz sollte vor Entnahme eine normale Kontraktilität besitzen und ohne oder höchstens mit mittleren Katecholamindosierungen (Dopamin, Dobutamin, Adrenalin) annähernd normale Kreislaufverhältnisse produzieren. Vorbestehende Herzerkrankungen (z.B. Klappenfehler oder Koronarsklerose) schließen eine Herzspende aus. Zur eigentlichen Organentnahme wird die Aorta ascendens abgeklemmt und kardioplegische Lösung (z.B. St. Thomas Hospital Solution, Belzer Lösung, o.ä.) über die Aortenwurzel ins Koronarsystem perfundiert. Anschließend exzidiert man das Organ unter Trennung von Hohl- und Lungenvenen. Aorta und Pulmonalarterie werden ebenfalls unter Belassen ausreichend langer Gefäßenden abgesetzt. Das Organ wird dann gekühlt (4 ΩC) transportiert und toleriert so konserviert eine Ischämiezeit von 3–4 Stunden. Unter Verwendung extrakorporaler Zirkulationstechniken erfolgt über eine mediane Sternotomie zunächst die Explantation des erkrankten Organs. Dazu werden die Ventrikel im AV-Sulkus unter Entnahme einer schmalen Vorhofmanschette sowie beider Herzohren abgesetzt und Aorta ascendens sowie A. pulmonalis oberhalb der Klappenebene durchtrennt ( 1 B-22.15 a). Die Implantation des Spenderorgans beginnt mit der Anastomosierung von linkem und rechtem Vorhof (wahlweise auch Anastomosierung der Hohlvenen) in fortlaufender Nahttechnik. Nach Längenanpassung werden die Enden von Aorta und Pumonalarterie von Empfänger und Spender vernäht ( 1 B-22.15 b, c). Im Anschluss an eine Reperfusionsphase, in der der Metabolismus des Spenderorgans wieder normalisiert wird, übernimmt das Transplantat seine Funktion normalerweise im Eigenrhythmus, sodass die extrakorporale Zirkulation beendet werden kann.
Postoperative Behandlung und Komplikationen Unter einer adäquaten pharmakologischen Therapie mit positiv-inotropen Substanzen (Dopamin, Dobutamin, Adrenalin, Phosphodiesterasehemmer) und chronotropen Substanzen (Alupent, Theophyllin), Vasodilatanzien (Ni-
Spenderkriterien und Operationstechnik Die Eignung eines Spenderorgans für den jeweiligen potenziellen Empfänger orientiert sich am AB0-System ohne Berücksichtigung von Rhesusfaktor und HLA-Match sowie an Größenverhältnissen und pulmonalem Gefäßwiderstand des Transplantatempfängers. Das Spenderherz sollte eine normale Kontraktilität besitzen. Vorbestehende Herzerkrankungen schließen eine Herzspende aus.
Das Spenderherz wird nach Perfusion kardioplegischer Lösung in das Koronarsystem unter Trennung der großen Gefäße exzidiert. Gekühlt (4 Ω C) toleriert das Organ eine Ischämiezeit von 3–4 Stunden. Unter Verwendung extrakorporaler Zirkulationstechniken werden nach Explantation des erkrankten Herzens ( 1 B-22.15 a) die Vorhöfe (wahlweise an Stelle des rechten Vorhofs auch die Hohlvenen) sowie Aorta und Pumonalarterie ( 1 B-22.15 b, c) anastomosiert.
Postoperative Behandlung und Komplikationen Bei ca. 95 % aller Transplantate lässt sich durch eine adäquate pharmakologische Therapie eine stabile Funktion
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810
22 Transplantation tropräparate und ACE-Hemmer) übernehmen mehr als 95 % aller Transplantate eine stabile Funktion mit ausreichenden Kreislaufverhältnissen. Bei stabilem Sinusrhythmus ist in den meisten Fällen die Implantation eines permanenten Schrittmachersystems nicht notwendig. Schwerwiegende postoperative Probleme der Transplantatfunktion, die zu einem akuten biventrikulären Versagen führen, sind relativ selten. Als mögliche Ursachen kommen eine unzureichende Spenderorganprotektion, eine zu lange Ischämiezeit, ein zu kleines Transplantat oder eine hyperakute antikörpervermittelte Abstoßungsreaktion in Frage. Demgegenüber kann ein zu hoher, insbesondere fixierter Pulmonalgefäßwiderstand zu einem isolierten rechtsventrikulären Versagen führen. Unter Verwendung entsprechender Kreislaufunterstützungssysteme können selbst derartige schwere Komplikationen überbrückt bzw. behandelt werden.
mit Eigenrhythmus erreichen. Zu einem biventrikulären Spenderorganversagen (selten) kann es durch unzureichende Spenderorganprotektion, zu lange Ischämiezeit oder hyperakute Abstoßungsreaktion kommen. Ein zu hoher Pulmonalgefäßwiderstand kann zu einem isolierten Rechtsherzversagen führen. Aufgrund der Immunsuppression besteht ein erhöhtes Risiko für perioperative, insbesondere bakterielle Infektionen.
1 B-22.15
Synopsis Herztransplantation a Operationssitus nach Exzision des erkrankten Herzens unter Absetzen im AV-Sulkus und Durchtrennen der großen Gefäße.
VCS Ao
PA
VCS Ao
LA
PA
RA
PA
Ao VCS
RA (Empfänger)
VCI a
LA
VCS
Ao
VCI PA
b
RA (Spender) b Implantation des Spenderherzens: Die Transplantation beginnt mit der Vereinigung des linken Spender- und Empfängervorhofs in der Höhe der linken oberen Lungenvenen. Anschließend erfolgt die Anastomosierung des rechten Vorhofs und der großen Gefäße.
c
VCI
c Operationssitus nach Implantation.
RA LA AO PA VCS VCI
= = = = = =
rechter Vorhof linker Vorhof Aorta Pulmonalarterie V. cava superior V. cava inferior
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22.6.1 Herztransplantation In Anbetracht der Immunsuppression ist bei Herztransplantierten mit einer höheren Rate peri- und postoperativer vorwiegend bakterieller Infektionen im Vergleich zu anderen Herzoperierten zu rechnen. Diesem Risiko wird durch eine verlängerte Antibiotikaprophylaxe (üblich 4–7 Tage), einem engmaschigen Infektionsmonitoring und bei Bedarf einer kompromisslosen Antibiotikatherapie Rechnung getragen. Das Infektionsmonitoring erfolgt besonders intensiv während der stationären Behandlungsphase, wird aber auch bei ambulanten Vorstellungen durchgeführt. Es erstreckt sich im Wesentlichen auf regelmäßige Röntgenuntersuchungen der Lungen, Blut-, Serum- und Urinanalysen sowie Untersuchung von Tracheal- bzw. Bronchialsekret. Besonderes Augenmerk gilt dabei bakteriellen Pneumonien, Aspergillus- und Candidaerkrankungen, sowie Zytomegalievirus- und Pneumocystis-carinii-Infektionen.
Diesem Risiko wird durch eine verlängerte Antibiotikaprophylaxe (üblich 4–7 Tage), einem engmaschigen Infektionsmonitoring und bei Bedarf einer kompromisslosen Antibiotikatherapie Rechnung getragen.
Immunsuppression
Immunsuppression
Zur Prophylaxe akuter und chronischer schwerer Abstoßungsreaktionen wird in den meisten Transplantationszentren eine 3fache immunsuppressive Basistherapie mit Steroiden, Ciclosporin A und Azathioprin angestrebt. Bis zum Erreichen ausreichender Wirkspiegel dieser Immunsuppressiva im Normalfall am Ende der ersten Woche, hat sich die Applikation antilymphozytärer Antikörper in der frühpostoperativen Phase zur Modulation bestimmter T-Zell-Funktionen als sehr vorteilhaft erwiesen. Ziel einer derartigen Basisimmunsuppression ist nicht die Elimination jeglicher Abstoßungsreaktionen, sondern die Verhinderung schwerer mit einer dauerhaften Funktionsstörung des Transplantats eingehender Abstoßungen. Zusätzlich soll ebenso die Inzidenz von Abstoßungsepisoden ohne Funktionsbeeinträchtigung gering gehalten werden. Eine übliche Tagesdosis der Immunsuppressiva im Langzeitverlauf eines erwachsenen Patienten wäre z.B. 5 mg Prednison, 150 mg Azathioprin und 2 « 150 mg Ciclosporin A. Die Nebenwirkungen der Einzelsubstanzen veranlassen im Einzelfall zur individuellen Dosisanpassung. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die steroidbedingte Osteopathie (vorwiegend Osteoporose der Wirbelsäule, aber auch selten aseptische Knochennekrosen) und die ciclosporininduzierte Nephropathie und Hypertonie (s. a. S. 784ff.).
Überwiegend wird eine 3fache immunsuppressive Basistherapie mit Steroiden, Ciclosporin A und Azathioprin durchgeführt. Bis zum Erreichen ausreichender Wirkspiegel der Basisimmunsuppression hat sich die Anwendung von antilymphozytären Antikörpern als vorteilhaft erwiesen.
Abstoßungsdiagnostik
Abstoßungsdiagnostik
Obwohl zur Abstoßungsdiagnostik eine Vielzahl verschiedener nicht invasiver Verfahren erprobt wurden, gilt die endomyokardiale Biopsie nach wie vor als Standardmethode ( 1 B-22.16). Über eine perkutane Schleuse, die man in Lokalanästhesie in die rechte V. jugularis interna einbringt, werden mit geeigneten Biopsiezangen mehrere rechtsventrikuläre Gewebsproben entnommen, histologisch untersucht und klassifiziert. Demgegenüber verfügen nicht invasive Methoden wie Echokardiographie, differenzierte EKGTechniken oder immunologische Serum- und Lymphozytentests nicht über eine gleichwertige diagnostische Sicherheit. In den ersten 3 Monaten nach Transplantation unterziehen sich die Patienten in zunächst wöchentlichen bis 14-tägigen Abständen einer Abstoßungsdiagnostik. Nach dem ersten Jahr können bei günstigem Verlauf die Untersuchungsintervalle 8–12 Wochen betragen. Im Rahmen dieser ambulanten Vorstellungen werden begleitend EKG- und Labordiagnostik durchgeführt sowie echokardiographische Befunde erhoben. Bei Vorliegen akuter Abstoßungsreaktionen erfolgt unverzüglich eine hoch dosierte intravenöse Steroidbehandlung (z.B. täglich 500 mg Methylprednisolon über 3 Tage) oder bei Persistenz bzw. insbesondere schweren Abstoßungsreaktion die Applikation von gegen Lymphozyten gerichteten Antikörpern (z.B. anti-Thymozytenglobulin, Anti-Lymphozytenglobulin, monoklonale T-Zell-Antikörper).
Standardmethode zur Abstoßungsdiagnostik ist die endomyokardiale Biopsie ( 1 B-22.16). Nicht invasive Methoden wie Echokardiographie, differenzierte EKG-Techniken oder immunologische Serum- und Lymphozytentests verfügen nicht über eine gleichwertige diagnostische Sicherheit. Die Abstoßungsdiagnostik wird in den ersten 2–3 Monaten ca. 7–14-tägig, nach dem 1. Jahr ca. alle 2–3 Monate durchgeführt.
Besonderes Augenmerk gilt dabei bakteriellen Pneumonien, Aspergillusund Candidaerkrankungen, sowie Zytomegalievirus- und Pneumocystiscarinii-Infektionen.
Ziel einer derartigen Basisimmunsuppression ist nicht die Elimination jeglicher Abstoßungsreaktionen, sondern die Verhinderung schwerer mit einer dauerhaften Funktionsstörung des Transplantats eingehender Abstoßungen.
Akute Abstoßungsreaktionen werden mit einer hoch dosierten intravenösen Steroidtherapie oder mit antilymphozytären Antikörpern behandelt.
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812
22 Transplantation
1 B-22.16
Synopsis Endomyokardiale Biopsie
V. jugularis interna
Über eine in die rechte V. jugularis interna eingeführte Schleuse werden mit einem geeigneten Biotom 4–8 Myokardstücke in einer Größe von 1–2 mm möglichst im Bereich des Ventrikelseptums gewonnen. Der Eingriff erfolgt in Lokalanästhesie unter Blutdruck- und EKG-Kontrolle.
Ergebnisse und Langzeiterwartungen
Ergebnisse und Langzeiterwartungen
Die perioperative Mortalität ist derzeit < 10 % und die 1-Jahres-Überlebensrate liegt um 80 %. Im 1. Jahr stellen Infektionen und akute Abstoßungsepisoden das Hauptproblem dar, während im Langzeitverlauf chronische Abstoßung und Tumorerkrankungen eine tragende Bedeutung haben. Nach dem 1. Jahr ist mit einer jährlichen Absterberate zwischen 2–5 % zu rechnen.
Im Zusammenhang mit der Standardisierung von Spender- und Empfängerkriterien, des operativen Vorgehens und der Immunsuppression unter Einbeziehung von Ciclosporin A, gelang es die perioperative Mortalität international auf < 10 % zu senken. Aufgrund des höheren Risikos schwerer akuter Abstoßungsepisoden und infektiöser Komplikationen beläuft sich die Absterberate im ersten Jahr auf zwischen 10–15 %. Danach bleibt die Überlebensrate ausgehend von Werten um 80 % nach dem 1. Jahr wesentlich stabiler. Nach 5 Jahren ist mit einer Überlebensrate von ca. 60 %–70 % zu rechnen. Während im 1. Jahr Infektionen und akute Abstoßungen das Hauptproblem darstellen, sind die Probleme des Langzeitverlaufs durch chronische Abstoßung und Tumorerkrankungen gekennzeichnet. Dabei imponiert die chronische Abstoßung klinisch als Transplantatvaskulopathie mit progressiver Funktionsverschlechterung. Eine Vaskulopathie kann sowohl an den größeren epikardialen Koronargefäßen (meist diffus und peripher lokalisiert) als auch ausschließlich als histologische Veränderung an Arteriolen und Kapillaren im Biopsat imponieren. Im Langzeitverlauf ist von einer jährlichen Absterberate zwischen 2–5 % bei herztransplantierten Patienten auszugehen. Die Mehrheit der vor der Transplantation weitgehend immobilisierten Patienten erreicht nach dem Eingriff eine altersentsprechende körperliche Belastung. Häufig kann für diese terminal Kranken eine soziale und auch berufliche Reintegration verbunden mit einer akzeptablen Langzeitperspektive erreicht werden. Bei einwandfreier Transplantatfunktion ist die körperliche Leistungsfähigkeit von der Herzfunktion her nicht limitiert, sodass auch gegen intensive sportliche Betätigung keine Einwände bestehen. Insbesondere im 1. Jahr sind die Patienten angehalten, die Exposition gegenüber erhöhten Infektionsrisiken so gering wie möglich zu halten.
Die Mehrheit der vor der Transplantation weitgehend immobilisierten Patienten erreicht nach dem Eingriff eine altersentsprechende körperliche Belastung.
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22.6.2 Lungen- und Herz-Lungentransplantation
Klinischer Fall Orthotope Herztransplantation: Bei einem 33-jährigen Mann mit vorbestehendem kombiniertem Aortenvitium bildete sich nach Virusmyokarditis eine dilatative Kardiomyopathie aus, die innerhalb von 6 Monaten zu einer rapiden Verschlechterung der körperlichen Belastbarkeit (NYHA IV) führte. Vor Transplantation war der Patient linksventrikulär dekompensiert und katecholaminpflichtig ( 1 B-22.17 a). Zusätzlich zur Herzinsuffizienz bestand ein ausgedehnter linksventrikulärer Thrombus und ein vermutlich embolischer frischer Milzinfarkt.
1 B-22.17
Röntgenthorax vor und nach Herztransplantation
a Thoraxbefund vor Transplantation: Erhebliche Vergrößerung der Herzsilhouette mit ausgeprägter pulmonaler Stauung als Zeichen der Linksherzinsuffizienz.
22.6.2
Präoperative Funktionsdaten: Ejektionsfraktion 17 %, Herzindex 1,7 l/min/m2, Pulmonalgefäßwiderstand 139 dyn · s · cm–5, arterieller Blutdruck 90/50 mmHg. Nach orthotoper Herztransplantation war der weitere Verlauf unkompliziert ( 1 B-22.17 b), sodass der Patient nach 22 Tagen nach Hause entlassen werden konnte. Der weitere Verlauf war problemlos mit 2 moderaten Abstoßungsepisoden innerhalb des 1. Halbjahres, die jeweils mit 3 « 500 mg Methylprednisolon behandelt wurden. Nach 4 Monaten konnte der Mann seine Berufstätigkeit wieder aufnehmen.
b Thoraxbefund vor Entlassung: Weitgehende Normalisierung mit normal großer Herzsilhouette und nahezu normaler Lungengefäßzeichnung.
Lungen- und Herz-Lungentransplantation
Vereinzelte operative Erfahrungen mit der klinischen Lungen- (LTX) und Herz-Lungentransplantation (HLTX) wurden bereits in den 60er Jahren gewonnen. Allerdings fand im Zuge verbesserter Erfolgsaussichten eine breitere klinische Entwicklung dieses Konzepts erst seit Mitte der 80er Jahre statt. Die heutige Akzeptanz dieses Verfahrens beruht im Gegensatz zur Herztransplantation nicht vorrangig auf der Verbesserung der immunsuppressiven Behandlungsstrategien. Entscheidend war besonders die Entwicklung suffizienter Techniken zur Konservierung der Spenderlungen, die heute vorwiegend als sog. »Flush«-Perfusion mit geeigneten Lösungen vorgenommen wird. Darüber hinaus mussten Probleme der Heilung bronchialer Anastomosen durch Modifikation der Operationstechniken gelöst werden. Dies begründete insbesondere bei der Doppellungentransplantation den Vorzug der bibronchialen Anastomosierung der Luftwege gegenüber einer einzigen trachealen Verbindung. Derzeit werden jährlich ca. 800 Lungen- und HerzLungenverpflanzungen weltweit vorgenommen.
22.6.2
Lungen- und Herz-Lungentransplantation
Vereinzelte operative Erfahrungen mit der klinischen Lungen- (LTX) und HerzLungentransplantation (HLTX) wurden bereits in den 60er Jahren gewonnen. Die heutige Akzeptanz dieses Verfahrens beruht vor allem auf der Entwicklung suffizienter Techniken zur Konservierung der Spenderlungen.
Derzeit werden weltweit jährlich ca. 800 Lungen- und Herz-Lungenverpflanzungen vorgenommen.
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22.6.2 Lungen- und Herz-Lungentransplantation
Klinischer Fall Orthotope Herztransplantation: Bei einem 33-jährigen Mann mit vorbestehendem kombiniertem Aortenvitium bildete sich nach Virusmyokarditis eine dilatative Kardiomyopathie aus, die innerhalb von 6 Monaten zu einer rapiden Verschlechterung der körperlichen Belastbarkeit (NYHA IV) führte. Vor Transplantation war der Patient linksventrikulär dekompensiert und katecholaminpflichtig ( 1 B-22.17 a). Zusätzlich zur Herzinsuffizienz bestand ein ausgedehnter linksventrikulärer Thrombus und ein vermutlich embolischer frischer Milzinfarkt.
1 B-22.17
Röntgenthorax vor und nach Herztransplantation
a Thoraxbefund vor Transplantation: Erhebliche Vergrößerung der Herzsilhouette mit ausgeprägter pulmonaler Stauung als Zeichen der Linksherzinsuffizienz.
22.6.2
Präoperative Funktionsdaten: Ejektionsfraktion 17 %, Herzindex 1,7 l/min/m2, Pulmonalgefäßwiderstand 139 dyn · s · cm–5, arterieller Blutdruck 90/50 mmHg. Nach orthotoper Herztransplantation war der weitere Verlauf unkompliziert ( 1 B-22.17 b), sodass der Patient nach 22 Tagen nach Hause entlassen werden konnte. Der weitere Verlauf war problemlos mit 2 moderaten Abstoßungsepisoden innerhalb des 1. Halbjahres, die jeweils mit 3 « 500 mg Methylprednisolon behandelt wurden. Nach 4 Monaten konnte der Mann seine Berufstätigkeit wieder aufnehmen.
b Thoraxbefund vor Entlassung: Weitgehende Normalisierung mit normal großer Herzsilhouette und nahezu normaler Lungengefäßzeichnung.
Lungen- und Herz-Lungentransplantation
Vereinzelte operative Erfahrungen mit der klinischen Lungen- (LTX) und Herz-Lungentransplantation (HLTX) wurden bereits in den 60er Jahren gewonnen. Allerdings fand im Zuge verbesserter Erfolgsaussichten eine breitere klinische Entwicklung dieses Konzepts erst seit Mitte der 80er Jahre statt. Die heutige Akzeptanz dieses Verfahrens beruht im Gegensatz zur Herztransplantation nicht vorrangig auf der Verbesserung der immunsuppressiven Behandlungsstrategien. Entscheidend war besonders die Entwicklung suffizienter Techniken zur Konservierung der Spenderlungen, die heute vorwiegend als sog. »Flush«-Perfusion mit geeigneten Lösungen vorgenommen wird. Darüber hinaus mussten Probleme der Heilung bronchialer Anastomosen durch Modifikation der Operationstechniken gelöst werden. Dies begründete insbesondere bei der Doppellungentransplantation den Vorzug der bibronchialen Anastomosierung der Luftwege gegenüber einer einzigen trachealen Verbindung. Derzeit werden jährlich ca. 800 Lungen- und HerzLungenverpflanzungen weltweit vorgenommen.
22.6.2
Lungen- und Herz-Lungentransplantation
Vereinzelte operative Erfahrungen mit der klinischen Lungen- (LTX) und HerzLungentransplantation (HLTX) wurden bereits in den 60er Jahren gewonnen. Die heutige Akzeptanz dieses Verfahrens beruht vor allem auf der Entwicklung suffizienter Techniken zur Konservierung der Spenderlungen.
Derzeit werden weltweit jährlich ca. 800 Lungen- und Herz-Lungenverpflanzungen vorgenommen.
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22 Transplantation
Indikation
Indikation
Terminale pulmonalvaskuläre und pulmonalparenchymatöse Erkrankungen bilden Indikationen zur HerzLungen- oder Lungentransplantation. Die vaskuläre Beteiligung äußert sich in Form einer primären oder sekundären pulmonalen Hypertonie.
Endzustände pulmonalvaskulärer und pulmonalparenchymatöser Erkrankungen bilden das Indikationsspektrum zur HLTX und LTX. Dies schließt bei vaskulärer Genese die primäre pulmonale Hypertonie, aber auch sekundäre Hypertonieformen aufgrund einer Eisenmenger-Reaktion bei kongenitalen Herzvitien oder auch aufgrund multipler Lungenembolien ein. Bei sekundärer pulmonaler Hypertonie sollte jedoch vorrangig eine konventionell chirurgische Behandelbarkeit überprüft werden, auch unter Berücksichtigung neuerer Operationsverfahren wie der pulmonalen Thrombendatherektomie beim Morbus embolicus (rezidivierende Lungenembolien mit chronischer Obstruktion der arteriellen Lungenstrombahn). Anders als bei der Herztransplantation sind quantifizierbare Kriterien abgeleitet von Hämodynamik, Lungenfunktionstes oder Blutgasanalyse für die Indikationsstellung nicht in dem Maße verwertbar. Subjektive Beschwerden und Progredienz des Krankheitsverlaufs sind zur Einschätzung der Transplantationsdringlichkeit ungleich entscheidender. Progrediente parenchymatöse Lungenerkrankungen führen in Abhängigkeit der Genese zur Lungenfibrose oder zum Lungenemphysem. Während terminale Fibrosen mit Einzellungentransplantationen zu behandeln sind, ist beim Lungenemphysem mit infektiöser Beteiligung eine Doppellungentransplantation notwendig, um ein Übergreifen der meist chronischen Infektion auf das Transplantat zu verhindern. Dies gilt obligatorisch für Mukoviszidosepatienten. Bei Emphysempatienten ohne Infektionsbeteiligung besteht die Tendenz eher eine Doppellungentransplantation vorzuschlagen, da von diesen Patienten der chirurgisch aufwendigere Eingriff besser toleriert wird und mit einer Doppellungentransplantation ein besseres funktionelles Ergebnis erzielt werden kann ( 2 B-22.10).
Subjektive Beschwerden und Progredienz des Krankheitsverlaufs sind zur Einschätzung der Transplantationsdringlichkeit entscheidend. Bei pulmonalparenchymatösen Erkrankungen kann bei Fehlen einer infektiösen Beteiligung eine Einzellungentransplantation durchgeführt werden. Chronische Infektionen der Lungen wie bei Mukoviszidose erfordern Doppellungentransplantationen, um ein Übergreifen der meist chronischen Infektion auf das Transplantat zu verhindern ( 2 B-22.10).
2 B-22.10
Indikationen zur Einzel- (SLTX), Doppel- (DLTX) und Herz-Lungentransplantation (HLTX)
N pulmonale Hypertonie n
DLTX, HLTX
N Fibrose n
SLTX
N Emphysem n
DLTX, SLTX
N Mukoviszidose n
DLTX
Für den Erfolg des Eingriffs sind hohe Motivation und gute Compliance Voraussetzung. Schon früh postoperativ ist eine physikalische Therapie mit Atemübungen und Lagerungsdränage sowie ein Training der Atemmuskulatur und des Hustenreflexes erforderlich und verlangen eine intensive Kooperation des Patienten.
Abgesehen von einer guten Transplantatfunktion ist für den Erfolg des Eingriffs eine gute Compliance und eine hohe Motivation Voraussetzung. Gerade in der Frühphase nach der Transplantation sind zur Sekretmobilisation und optimalen Belüftung des Transplantats konsequente Atemübungen und Lagerungsdränage unter intensiver krankengymnastischer Betreuung zu leisten. Zusätzlich muss bei den meisten oft kachektischen Patienten die Atemmuskulatur wieder auftrainiert werden und in Zusammenhang mit der fehlenden Innervation des Transplantats der sonst reflektorisch ausgeführte Hustenstoss bewusst eingesetzt werden.
Kontraindikationen
Kontraindikationen
Wie bei anderen Organtransplantationen gelten maligne Tumor- und Systemerkrankungen sowie chronische Leber- und Niereninsuffizienz als Kontraindikationen. Bei Aspergillus-, HIV- und Hepatitisinfektionen wird wegen möglicher Exazerbation unter Immunsuppression die Transplantation abgelehnt (s.a. 2 B-22.9).
Wie bei anderen Organentnahmen werden Tumorerkrankungen und maligne Systemerkrankungen sowie chronische Leber- und Niereninsuffizienz als Ausschlusskriterien betrachtet (s.a. 2 B-22.9). Demgegenüber müssen chronische und auch akute Infektionen der zu ersetzenden Lungen differenziert beurteilt werden. So werden chronische bakterielle Infekte mit Ausnahme der Tuberkulose mehrheitlich nicht als Transplantationshindernis angesehen. Bei Aspergillus-, HIV- und Hepatitisinfektionen jedoch wird eine Exazerbation der Infektion unter Immunsuppression angenommen. Eine bedeutsame Osteoporose sowie Thoraxdeformitäten stehen der Transplantation thorakaler Organe ebenfalls entgegen. Besondere Behandlungssituationen chronisch Lungenkranker wie eine hoch dosierte Langzeitsteroidbehandlung, das Vorhandensein eines Tracheostomas oder die präoperative
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22.6.2 Lungen- und Herz-Lungentransplantation Beatmung führen zu einer eher zurückhaltenden Indikationsstellung. Thorakale Voroperationen mit erheblicher Verwachsungstendenz, wie operative Pleurodesen gelten als relative Ausschlusskriterien ( 2 B-22.11).
2 B-22.11
Spezielle Aspekte und Kontraindikationen bei LTX und HLTX (zusätzlich zu den Kontraindikationen bei HTX)
N differenziertere Bewertung der Infektionslage n
Chronische pulmonale Infektionen werden individuell beurteilt. Besonderes Augenmerk erfordern osteoporotische Veränderungen, Thoraxdeformitäten sowie thorakale Voroperationen. Bei hoch dosierter Langzeitsteroidbehandlung, Tracheostoma und präoperativer Beatmung wird die Indikation zurückhaltend gestellt ( 2 B-22.11).
N Thorax- und Wirbelsäulendeformitäten (z.B. Trichterbrust, Skoliose) n N Ausmaß der präoperativen Osteoporose und Immobilisation n N Trainingszustand der Atemmuskulatur n N präoperative Beatmung und Tracheostoma n N thorakale Voroperationen (z.B. Pleurodesen, Bullektomie, Lungenresektion) n N Langzeitsteroidbehandlung n
Spenderkriterien
Spenderkriterien
Für die Lungen- und Herz-Lungenspende sollte bei stabiler Herz-Kreislaufsituation und unter standardisierter Beatmung (FiO2 100 %, PEEP 5 cm H2O) ein arterieller Sauerstoffpartialdruck von mindestens 350 mmHg erreicht werden. Das Röntgenbild des Thorax sollte im Wesentlichen Normalbefunde zeigen und insbesondere Infiltrate und Kontusionsherde ausschließen. Rippenserienfrakturen und Thoraxwandhämatome schließen eine Lungenspende demgegenüber nicht aus. In Anbetracht eines hohen Infektionsrisikos der Lungen wird eine Beatmungsdauer von mehr als 7 Tagen als relative Kontraindikation zur Lungenspende angesehen. Darüber hinaus versucht man vor Organentnahme auch bronchoskopisch akute Infektionen und Aspirationen auszuschließen ( 2 B-22.12). Die Berücksichtigung der Größenverhältnisse zwischen Spenderlunge und der Pleurahöhle bzw. des intrathorakalen Volumens des Empfängers ist von entscheidender Bedeutung. Im Hinblick auf Atelektasen ist eine Überdimensionierung der Spenderorgane zu vermeiden.
Die Spenderorgane werden anhand von Blutgasanalysen, Röntgenbild des Thorax, und bronchoskopischem Befund beurteilt. Infektionen und Aspirationen sind auszuschließen ( 2 B-22.12). Einer Berücksichtigung der Größen-/Volumenverhältnisse von Empfänger- und Spenderthorax ist für eine geeignete Dimensionierung notwendig.
2 B-22.12
Spenderkriterien zur Lungenspende
N PO2 > 350 mmHg (FiO 2 100 %; PEEP 5 cm H 2 O) n
N Spenderalter bis 60 Jahre (Nichtraucher) n N negative Lungenanamese n N Beatmungsdauer ≤ 7 Tage n N kein Infiltrat (radiologisch) n N keine Kontusionsherde oder Einblutungen (makroskopisch) n N keine Infektion oder Aspiration (bronchoskopisch) n
Organentnahme
Organentnahme
Unter Verwendung von geeigneten Konservierungslösungen (z.B. modifizierte Euro-Collins-Lösung mit Prostaglandinzusatz zur besseren Perfusionsverteilung) werden die Lungen als Doppellungenblock mit distaler Trachea, der Pulmonalbifurkation und einer linksatrialen Gewebsmanschette im halbgeblähten Zustand entnommen und transportiert. Bei Herz-Lungenentnahme ist zusätzlich die Protektion des Herzens mit geeigneten Perfusionslösungen (übliche kardioplegische Lösungen, z.B. St. Thomas Hospital Solution, Belzer Lösung, Bretschneider-Lösung u.a.) erforderlich. In diesem Fall entnimmt man die Organe als Herz-Lungenblock ohne Trennung der pulmonalen Strukturen unter Absetzen von proximaler Trachea, Hohlvenen und Aorta ascendens. Die mit dieser Technik tolerierbaren Ischämiezeiten liegen für Lungen bei 6 Stunden, während Herz-Lungentransplantate innerhalb von 4 Stunden reperfundiert werden sollten.
Bei Konservierung von Lungen- bzw. Herz-Lungentransplantation mit geeigneten Perfusionslösungen können Ischämiezeiten zwischen 4–6 Stunden toleriert werden.
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22 Transplantation
Operationstechnik
Operationstechnik
Bei Einzellungentransplantation erfolgt nach postero-lateraler Thorakotomie durch den 5. ICR ( 1 B-22.18 a) die Pneumonektomie der Empfängerlunge und die Implantation der Spenderlunge mit Anastomosierung von Bronchus, linkem Vorhof und Pulmonalarterie ( 1 B-22.18 b).
Als Operationszugang für die Einzellungentransplantation dient die posterolaterale Thorakotomie durch den 5. Interkostalraum ( 1 B-22.18 a). Nach Pneumonektomie der Empfängerlunge wird das Transplantat unter Anastomosierung von Bronchus (bifurkationsnah), einer linksatrialen Manschette, die die Lungenvenen trägt, und der Pulmonalarterienenden implantiert ( 1 B-22.18 b).
1 B-22.18
Synopsis Einzellungentransplantation
Sternum
PA
rechter Hauptbronchus
2 Lungenvenen 1
RA
LA a Zugangswege
b
a Zugangswege Einzellungentransplantation: posterolaterale Thorakotomie (5. ICR) (1); Doppellungentransplantation: beidseitige antero-laterale Thorakotomie (4. ICR) (2).
b Die Transplantation erfolgt unter Vereinigung des Hauptbronchus und der Pulmonalarterien von Spender und Empfänger, sowie der Anastomosierung des Vorhofs an die Lungenvenen. RA rechter Vorhof LA linker Vorhof PA Pulmonalarterie
Die Doppellungentransplantation erfolgt in ähnlicher Weise, jedoch bei Zugang über eine bilaterale anteriore Thorakotomie im 4. ICR mit querer Sternotomie ( 1 B-22.18).
Im Unterschied zur Einzel- und Doppellungentransplantation geht man bei der Herz-Lungentransplantation über eine mediane longitudinale Sternotomie in den Thorax ein ( 1 B-22.19 a).
Anastomosiert werden Trachea, rechter Vorhof und Aorta ascendens ( 1 B-22.19 b).
Bei Doppellungentransplantation eröffnet man die Thoraxhöhle über eine quere Sternotomie mit beidseits anteriorer Thorakotomie im 4. Interkostalraum (sog. »clamp shell incision«) ( 1 B-22.18). Sukzessiv werden die erkrankten Lungen explantiert und die Spenderorgane in gleicher Technik wie bei der Einzellungentransplantation eingepflanzt. Abhängig von der Stabilität der Kreislaufverhältnisse und insbesondere der rechtsventrikulären Funktion kann der intraoperative Anschluss an die Herz-Lungen-Maschine notwendig werden. Im Unterschied zur Einzel- und Doppellungentransplantation geht man bei der Herz-Lungentransplantation über eine mediane longitudinale Sternotomie in den Thorax ein ( 1 B-22.19 a). Größte Aufmerksamkeit erfordert die Erhaltung der beiden Nn. phrenici, ohne deren Funktion keine ausreichende postoperative Spontanatmung möglich ist. In Zusammenhang mit der vorbestehenden pulmonalen Hypertonie besteht eine erhebliche Blutungsneigung des hinteren Mediastinums. Der Anschluss der Spenderorgane erfolgt durch die Anastomosierung von Trachea, rechtem Vorhof und der Aorta ascendens ( 1 B-22.19 b).
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22.6.2 Lungen- und Herz-Lungentransplantation
1 B-22.19
Synopsis Herz-Lungentransplantation Trachea
Sternum
Aorta (Empfänger)
Aorta (Spender)
N. phrenicus N. phrenicus RA (Empfänger)
a RA (Spender) a Zugangsweg bei Herz- bzw. Herz-Lungentransplantationen ist die mediane Sternotomie.
b Die Transplantation erfolgt über eine Anastomosierung der Aorta und des rechten Vorhofs von Spender und Empfänger sowie der Anastomosierung der Trachea. RA = rechter Vorhof
Postoperative Behandlung und Komplikationen Nach dem Eingriff werden die Patienten nachbeatmet und bei Erfüllen der üblichen Kriterien extubiert. Eine intensive Atemtherapie ist notwendig, um intrabronchiale Sekretverhalte bei operationsbedingt beeinträchtigtem Hustenreflex (fehlende Innervation des Transplantates) zu vermeiden. Die perioperative Immunsuppression umfasst wie bei der Herztransplantation eine 3fache Basistherapie mit Ciclosporin A, Azathioprin und Steroiden (s. a. S. 784ff.). Wegen eines im Vergleich zur Herztransplantation höheren Infektionsrisikos werden antilymphozytäre Antikörper bei Lungentransplantationen zurückhaltender eingesetzt. Als typische frühpostoperative Komplikation gilt das Reperfusionsödem der Lunge insbesondere nach längeren Ischämiezeiten. Heilungsprobleme der bronchialen Anastomose sind durch modifizierte Operationstechniken seltener geworden. Ein im Rahmen der Immunsuppression notwendiges engmaschiges Infektions- und Abstoßungsmonitoring beinhaltet Röntgenkontrollen des Thorax, Bronchoskopien, Blutgasanalysen und Lungenfunktionstests gleichermaßen. Auch unter Einschluss transbronchialer Biopsien ist die Differenzierung zwischen Abstoßung und Infektion häufig schwierig. Wie bei anderen Organtransplantationen sind in der Frühphase (3 Monate) kurzfristige (7–14 Tage) Kontrolluntersuchungen notwendig, um frühzeitig Abstoßungsepisoden oder Infektionen diagnostizieren und therapieren zu können.
Postoperative Behandlung und Komplikationen Die Basisimmunsuppression schließt Ciclosporin A, Azathioprin und Steroide ein. Gerade in der frühoperativen Phase ist eine intensive Atemtherapie bei eingeschränktem Hustenreflex notwendig. Typische Komplikationen sind das Reperfusionsödem der Lunge und Heilungsprobleme bronchialer Anastomosen. Die Abstoßungsdiagnostik orientiert sich vorwiegend an Röntgenaufnahmen, Bronchoskopieergebnissen, Blutgasanalysen und Lungenfunktionstests.
Ergebnisse und Langzeiterwartungen
Ergebnisse und Langzeiterwartungen
Abhängig von Operationsverfahren und Grundkrankheit liegt die perioperative Letalität annäherungsweise bei 10 % für Einzel- und Doppellungentransplantationen (SLTX/DLTX) und bei 20 % für Herz-Lungentransplantationen (HLTX). Bei gutem Ergebnis kann auch mit Einzellungentransplantationen eine altersentsprechende Belastbarkeit erreicht werden, sodass die alltäglichen Belastungen gut toleriert werden und selbst sportliche Aktivitäten wahrgenommen werden können. Abhängig von der Infektionsexposition am Arbeitsplatz ist eine berufliche Reintegration anstrebenswert. Im chronischen Verlauf geht man von einer Absterberate um 10 % pro Jahr aus, deren
Die perioperative Letalität liegt bei 10 % für Lungen- (SLTX/DLTX) und 20 % bei Herz-Lungentransplantationen. Hauptprobleme im Langzeitverlauf sind die chronische Abstoßung (Bronchiolitis obliterans) und Infektionen.
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22 Transplantation
Pulmonal vaskuläre Veränderungen und Koronarsklerose des Spenderherzens bei HLTX sind im Langzeitverlauf von untergeordneter Bedeutung.
Hauptursachen chronische Abstoßung (Bronchiolitis obliterans) und Infektionen sind. Pulmonal vaskuläre Veränderungen und Koronarsklerose des Spenderherzens bei HLTX sind im Langzeitverlauf von untergeordneter Bedeutung.
Klinischer Fall Ein 48-jähriger Mann mit terminalem Lungenemphysem ( 1 B-22.20 a) unklarer Genese war körperlich nur noch minimal belastbar und benötigte nachts Sauerstoff. Unter anderem erhielt er eine Dauermedikation mit 10 mg Kortison. Die präoperativen Lungenfunktionstests ergaben folgende Befunde: Vitalkapazität 2,8 l/min (64 %), Einsekundenkapazität 0,63 l/min (23 %), arterielle Blutgasanalyse: PO2 62 mmHg, PCO2 47 mmHg (in Ruhe). Nach rechtsseitiger Einzellungentransplantation ohne
1 B-22.20
Herz-Lungen-Maschine lag eine gute Initialfunktion vor, sodass die Extubation am 3. postoperativen Tag erfolgte. Abgesehen von einem Pneumothorax der kontralateralen Seite bestand ein unkomplizierter postoperativer Verlauf. Am 25. postoperativen Tag erfolgte die Entlassung aus stationärer Behandlung ( 1 B-22.20 b). Zu diesem Zeitpunkt lagen folgende Lungenfunktionswerte vor: Vitalkapazität 3,1 l/min (70,9 %), Einsekundenkapazität 1,9 l/min (69,4 %), PO2 93 mmHg, PCO2 39 mmHg.
Röntgenthorax vor und nach Lungentransplantation
a Thoraxbefund vor Transplantation: Massive beidseitige Überblähung bei terminalem Lungenemphysem.
b Thoraxbefund vor Entlassung: Normal große Spenderlunge rechts mit residualer Plattenatelektase und überdehnter nativer Emphysemlunge links.
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819 23
Kinderchirurgie
23
Kinderchirurgie
23.1
Erkrankungen und Missbildungen des Neugeborenenalters
Wolfgang Mengel 23.1
23.1.1
Erkrankungen und Missbildungen des Neugeborenenalters Zystisches Lymphangiom
n Definition. Das zystische Lymphangiom ist ein zu 90 % im Halsbereich zwischen M. sternocleidomastoideus und V. jugularis gelegener, häufig multizystischer Tumor.
Pathogenese. Dem zystischen Lymphangiom liegt ein gestörter Lymphabfluss nach Entwicklung des Lymphgefäßsystems zugrunde.
Symptome. Häufig macht sich post partum im seitlichen Halsdreieck ein
23.1.1 Zystisches Lymphangiom Definition
Pathogenese. Dem zystischen Lymphangiom liegt ein gestörter Lymphabfluss nach Entwicklung des Lymphgefäßsystems zugrunde.
palpabler zystischer Tumor bemerkbar, welcher bis in die Axilla bzw. das Mediastinum ausgedehnt sein kann ( 1 B-23.1). Er hat eine weiche bis prall elastische Konsistenz. Bei Ausdehnung bis in das Mediastinum treten Dyspnoe und Zyanose auf.
Symptome. Häufig macht sich im seitlichen Halsbereich ein palpabler Tumor bemerkbar ( 1 B-23.1). Bei Ausdehnung bis in das Mediastinum treten Dyspnoe und Zyanose auf.
Diagnose. Die Diagnose ergibt sich aus dem klinischen Befund bei sonographisch nachweisbarer echoarmer multizystischer Struktur.
Diagnose. Die Diagnostik ergibt sich aus dem klinischen Befund sowie durch die Sonographie.
Therapie. Grundsätzlich ist die operative Entfernung in jedem Lebensalter indiziert. Da postoperativ häufig eine vermehrte Lymphsekretion aus dem Wundgebiet auftritt, muss die Einlage einer Dränage erfolgen.
Therapie. Grundsätzlich ist die operative Entfernung mit Einlage einer Lymphdränage indiziert.
1 B-23.1
Zystisches Lymphangiom
Prognose. Die Prognose ist in Abhängigkeit von der Größe und der Ausdehnung in den meisten Fällen gut.
Prognose. Sie ist in den meisten Fällen gut.
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23 Kinderchirurgie
23.1.2 Halszysten und -fisteln (s. Kap. B-15.2.1)
23.1.2
23.1.3 Schiefhals (s. Kap. B-15.3)
23.1.3
23.1.4 Ösophagusatresie
23.1.4
Halszysten und -fisteln (s. Kap. B-15.2.1)
Schiefhals
(s. Kap. B-15.3)
Ösophagusatresie
n Definition. Bei der Ösophagusatresie handelt es sich um eine angeborene Fehlbildung des Ösophagus. Die Inzidenz beträgt ca. 1 : 3000.
Definition
Pathogenese. Es liegt eine gestörte Entwicklung des Septum oesophagotracheale mit nachfolgender unvollständiger Trennung von Respirationsund Digestionstrakt zugrunde.
Pathogenese. Aus der gestörten Entwicklung des Septum oesophagotra-
Klassifikation. Unterschieden werden kurz- und langstreckige Atresien mit oder ohne Fistelverbindung zum Tracheobronchialsystem ( 1 B-23.2). In 90 % der Fälle liegt der Typ Vogt III b vor. Hier liegt der proximale Ösophagusblindsack in der oberen Thoraxapertur, der distale Anteil hat eine Fistelverbindung, welche in unterschiedlicher Höhe in die Trachea einmündet.
Klassifikation. Man unterscheidet kurz- und langstreckige Ösophagus-
1 B-23.2
cheale (4.–6. Schwangerschaftswoche) resultiert die unvollständige Trennung des Respirationstrakts vom Digestionstrakt mit der Ausbildung unterschiedlicher pathologisch-anatomischer Strukturen.
atresien mit oder ohne Fistelverbindung zum Tracheobronchialsystem ( 1 B-23.2). In 90 % der Fälle liegt der Typ Vogt III b vor. Hier liegt der proximale Ösophagusblindsack in der oberen Thoraxapertur, der distale Anteil hat eine Fistelverbindung, welche in unterschiedlicher Höhe in die Trachea einmündet. Bei 8 % der Patienten liegt ein oberer und unterer Ösophagusblindsack ohne jegliche Fistelverbindung zur Trachea vor (Vogt II). Hier handelt es sich häufig um langstreckige Atresien. Sonderformen sind sogenannte H-Fisteln ohne Atresie (1 bis 2 %).
Synopsis Einteilung der Ösophagusatresieformen nach Vogt
I Vogt I: Vogt II: Vogt III a: Vogt III b: Vogt III c: sog. H-Fistel:
II
III a
III b
III c
H-Fistel
vollständig fehlender Ösophagus langstreckige Ösophagusatresie ohne Fistel Ösophagusatresie mit oberer ösophagotrachealer Fistel Ösophagusatresie mit unterer ösophagotrachealer Fistel Ösophagusatresie mit oberer und unterer ösophagotrachealer Fistel Ösophagus ohne Kontinuitätstrennung mit Fistelverbindung zur Trachea
Symptome. In der Schwangerschaft ist ein Hydramnion auffällig. Post partum zeigen sich: π zähflüssiger Schaum vor Mund und Nase π Hustenanfälle π Zyanose und Dyspnoe.
Symptome. Unter physiologischen Bedingungen wird die Amnionflüssigkeit vom Feten geschluckt. Bei der Atresie ist dieser Weg blockiert, woraus eine Flüssigkeitsvermehrung im Sinne einer Hydramnionbildung während der Schwangerschaft resultiert. Die klinischen Symptome post partum sind: π zähflüssiger Schaum vor Mund und Nase π Hustenanfälle π Zyanose und Dyspnoe.
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23.1.5 Ösophagotracheale Fistel Nach einem Ernährungsversuch nehmen diese Krankheitszeichen zu, nach Absaugen bessert sich das klinische Bild sofort.
Diagnose. Die Röntgenübersichtsaufnahme des Thorax und Abdomens zeigt die eingeführte Magensonde im oberen Ösophagusblindsack. Bei nicht eindeutigem Befund stellt sich dieser nach Insufflation von Luft oder Injektion von 0,5 ml wasserlöslichem Kontrastmittel in die Magensonde dar. Im Falle des unmittelbaren Übertritts von Kontrastmittel in die Trachea ist die ösophagotracheale Fistel gesichert. Luft im Magen-Darm-Trakt beweist die untere ösophagotracheale Fistel, ein luftleeres Abdomen zeigt, dass keine Verbindung des distalen Ösophagusstumpfes mit der Trachea besteht.
Diagnose. Eine Sonde lässt sich nicht in den Magen vorschieben. Die Magensonde liegt im oberen Ösophagusblindsack. Luft im Magen-Darm-Trakt beweist die untere ösophagotracheale Fistel. Ein luftleeres Abdomen zeigt, dass keine Verbindung des distalen Ösophagusstumpfes mit der Trachea besteht.
Therapie. Nach rechtsseitiger Thorakotomie erfolgt die extrapleurale Dar-
Therapie. Ösophagotracheale Fisteln werden verschlossen und die Ösophagusenden End-zu-End anastomosiert.
stellung der Ösophagusstümpfe. Nach Durchtrennung vorhandener ösophagotrachealer Fisteln erfolgt ein Nahtverschluss der trachealen Öffnung und End-zu-End-Anastomosierung der Ösophagusenden. Das Einlegen einer Ernährungssonde in den Magen erspart die Anlage einer Gastrostomie. Bei Unmöglichkeit einer primären Anastomosierung wegen einer langstreckigen Ösophagusatresie (Distanz > 4 cm), erfolgt zunächst zwecks frühzeitiger Ernährung und intestinalen Entwicklung die Anlage einer Gastrostomie. Folgende Behandlungsverfahren stehen zur Verfügung: π Sondenlängsbougierung nach Howard-Myers: Mittels Metallbougierungssonden wird eine tägliche Längsdehnung der Ösophagusblindsäcke durchgeführt. π Bougierungsbehandlung (Olivenmethode nach Rehbein): Mittels in die beiden Ösophagusblindsäcke eingelegter Bougierungsoliven erfolgt durch gegenläufigen Fadenzug die Näherung der Speiseröhrenenden. Für beide Bougierungsverfahren gilt, dass sie nach vorherigem operativem Verschluss evtl. vorhandener ösophagotrachealer Fisteln über 6–8 Wochen durchgeführt werden. Nach erfolgreicher Therapie kann der nachfolgende Sekundäreingriff mit Anastomosierung der beiden Ösophagusstümpfe erfolgen. Ansonsten ist ein Magenhochzug erforderlich. π Magenhochzug: Bei Unmöglichkeit einer sekundären Anastomosierung muss ein intrathorakaler Magenhochzug vorgenommen werden. Nach Bildung eines »Magenschlauchs« wird dieser nach intrathorakal verlagert und mit dem proximalen Ösophagusstumpf anastomosiert.
23.1.5
Ösophagotracheale Fistel
n Definition. Die ösophagotracheale Fistel ist eine Fistelverbindung zwischen Trachea und Ösophagus ohne Ösophagusatresie. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um eine im Halsbereich gelegene Fistel, die von der Trachea schräg nach unten zum Ösophagus verläuft (sog. H-Fistel, Synonym: N-Fistel) ( 1 B-23.2).
Ist bei einer langstreckigen Ösophagusatresie die primäre Anastomosierung nicht möglich, erfolgt die Anlage eines Gastrostomas zur frühzeitigen enteralen Ernährung. Folgende Verfahren stehen zur Verfügung: π Sondenlängsbougierung π Bougierungsbehandlung π Magenhochzug Nach 6–8-wöchiger Bougierungsbehandlung erfolgt ein Sekundäreingriff mit Anastomosierung. Bei Unmöglichkeit einer sekundären Anastomosierung erfolgt ein intrathorakaler Magenhochzug.
23.1.5 Ösophagotracheale Fistel Definition
Pathogenese. Es handelt sich um eine lokalisierte Fusionsstörung des Sep-
Pathogenese. Es handelt sich um eine lokalisierte Fusionsstörung des Septum oesophagotracheale.
Symptome. Während des Trinkens treten asphyktische Anfälle mit Dyspnoe und Zyanose auf. Über die Fistel in den Magen-Darm-Kanal gelangende Luft führt zum Meteorismus. Aspirationsbedingt kommt es zu rezidivierenden Pneumonien.
Symptome. Häufig kommt es nach dem Trinken zu asphyktischen Anfällen. Über die Fistel in den Magen-Darm-Kanal gelangende Luft führt zum Meteorismus. Aspirationsbedingt treten rezidivierende Pneumonien auf. Diagnose. Die endoskopische Darstellung der Fistelöffnungen ermöglicht die Lagebestimmung.
tum oesophagotracheale bei normal ausgebildeten Ösophagus- und Tracheobronchialstrukturen.
Diagnose. Die endoskopische Darstellung der Fistelöffnungen sowohl in der
Trachea wie auch im Ösophagus ermöglicht die genaue Lagebestimmung.
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23.1.5 Ösophagotracheale Fistel Nach einem Ernährungsversuch nehmen diese Krankheitszeichen zu, nach Absaugen bessert sich das klinische Bild sofort.
Diagnose. Die Röntgenübersichtsaufnahme des Thorax und Abdomens zeigt die eingeführte Magensonde im oberen Ösophagusblindsack. Bei nicht eindeutigem Befund stellt sich dieser nach Insufflation von Luft oder Injektion von 0,5 ml wasserlöslichem Kontrastmittel in die Magensonde dar. Im Falle des unmittelbaren Übertritts von Kontrastmittel in die Trachea ist die ösophagotracheale Fistel gesichert. Luft im Magen-Darm-Trakt beweist die untere ösophagotracheale Fistel, ein luftleeres Abdomen zeigt, dass keine Verbindung des distalen Ösophagusstumpfes mit der Trachea besteht.
Diagnose. Eine Sonde lässt sich nicht in den Magen vorschieben. Die Magensonde liegt im oberen Ösophagusblindsack. Luft im Magen-Darm-Trakt beweist die untere ösophagotracheale Fistel. Ein luftleeres Abdomen zeigt, dass keine Verbindung des distalen Ösophagusstumpfes mit der Trachea besteht.
Therapie. Nach rechtsseitiger Thorakotomie erfolgt die extrapleurale Dar-
Therapie. Ösophagotracheale Fisteln werden verschlossen und die Ösophagusenden End-zu-End anastomosiert.
stellung der Ösophagusstümpfe. Nach Durchtrennung vorhandener ösophagotrachealer Fisteln erfolgt ein Nahtverschluss der trachealen Öffnung und End-zu-End-Anastomosierung der Ösophagusenden. Das Einlegen einer Ernährungssonde in den Magen erspart die Anlage einer Gastrostomie. Bei Unmöglichkeit einer primären Anastomosierung wegen einer langstreckigen Ösophagusatresie (Distanz > 4 cm), erfolgt zunächst zwecks frühzeitiger Ernährung und intestinalen Entwicklung die Anlage einer Gastrostomie. Folgende Behandlungsverfahren stehen zur Verfügung: π Sondenlängsbougierung nach Howard-Myers: Mittels Metallbougierungssonden wird eine tägliche Längsdehnung der Ösophagusblindsäcke durchgeführt. π Bougierungsbehandlung (Olivenmethode nach Rehbein): Mittels in die beiden Ösophagusblindsäcke eingelegter Bougierungsoliven erfolgt durch gegenläufigen Fadenzug die Näherung der Speiseröhrenenden. Für beide Bougierungsverfahren gilt, dass sie nach vorherigem operativem Verschluss evtl. vorhandener ösophagotrachealer Fisteln über 6–8 Wochen durchgeführt werden. Nach erfolgreicher Therapie kann der nachfolgende Sekundäreingriff mit Anastomosierung der beiden Ösophagusstümpfe erfolgen. Ansonsten ist ein Magenhochzug erforderlich. π Magenhochzug: Bei Unmöglichkeit einer sekundären Anastomosierung muss ein intrathorakaler Magenhochzug vorgenommen werden. Nach Bildung eines »Magenschlauchs« wird dieser nach intrathorakal verlagert und mit dem proximalen Ösophagusstumpf anastomosiert.
23.1.5
Ösophagotracheale Fistel
n Definition. Die ösophagotracheale Fistel ist eine Fistelverbindung zwischen Trachea und Ösophagus ohne Ösophagusatresie. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um eine im Halsbereich gelegene Fistel, die von der Trachea schräg nach unten zum Ösophagus verläuft (sog. H-Fistel, Synonym: N-Fistel) ( 1 B-23.2).
Ist bei einer langstreckigen Ösophagusatresie die primäre Anastomosierung nicht möglich, erfolgt die Anlage eines Gastrostomas zur frühzeitigen enteralen Ernährung. Folgende Verfahren stehen zur Verfügung: π Sondenlängsbougierung π Bougierungsbehandlung π Magenhochzug Nach 6–8-wöchiger Bougierungsbehandlung erfolgt ein Sekundäreingriff mit Anastomosierung. Bei Unmöglichkeit einer sekundären Anastomosierung erfolgt ein intrathorakaler Magenhochzug.
23.1.5 Ösophagotracheale Fistel Definition
Pathogenese. Es handelt sich um eine lokalisierte Fusionsstörung des Sep-
Pathogenese. Es handelt sich um eine lokalisierte Fusionsstörung des Septum oesophagotracheale.
Symptome. Während des Trinkens treten asphyktische Anfälle mit Dyspnoe und Zyanose auf. Über die Fistel in den Magen-Darm-Kanal gelangende Luft führt zum Meteorismus. Aspirationsbedingt kommt es zu rezidivierenden Pneumonien.
Symptome. Häufig kommt es nach dem Trinken zu asphyktischen Anfällen. Über die Fistel in den Magen-Darm-Kanal gelangende Luft führt zum Meteorismus. Aspirationsbedingt treten rezidivierende Pneumonien auf. Diagnose. Die endoskopische Darstellung der Fistelöffnungen ermöglicht die Lagebestimmung.
tum oesophagotracheale bei normal ausgebildeten Ösophagus- und Tracheobronchialstrukturen.
Diagnose. Die endoskopische Darstellung der Fistelöffnungen sowohl in der
Trachea wie auch im Ösophagus ermöglicht die genaue Lagebestimmung.
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23 Kinderchirurgie Die röntgenologische Darstellung mittels wasserlöslichen Kontrastmittels ist schwierig und gelingt nicht in allen Fällen.
Therapie. Der Zugang erfolgt bei oberer Fistel rechtsseitig am Hals oberhalb der Klavikula, bei unterer Fistel über eine Thorakotomie. Anschließend erfolgt eine Ligatur und Durchtrennung der Fistelverbindung.
Therapie. Von einem rechtsseitigen Zugang am Hals oberhalb der Klavikula nach Eingehen zwischen den großen Halsgefäßen und dem M. sternocleidomastoideus erfolgt die Darstellung einer hohen ösophagotrachealen Fistel. Bei tiefer gelegenen Fisteln erfolgt der Zugang über eine Thorakotomie. Nach Anschlingen des Ösophagus ober- und unterhalb der Fistel wird diese ligiert und durchtrennt.
23.1.6 Tracheomalazie/Trachealstenose
23.1.6
Definition
Tracheomalazie/Trachealstenose
n Definition. Die Tracheomalazie/Trachealstenose führt zu einer Ateminsuffizienz durch funktionelle Instabilität der Trachea bzw. Kompression von außen. Sie ist häufig Begleitmissbildung einer Ösophagusatresie.
Pathogenese. Durch die inkomplette Ausbildung von Trachealringen kollabiert die Trachea bei der Exspiration.
Pathogenese. Aufgrund der unvollständigen Entwicklung eines oder meh-
Symptome. Kennzeichnend sind ein exspiratorischer Stridor, Zyanose, Apnoeanfälle und rezidivierende pulmonale Infekte.
Symptome. Ein exspiratorischer Stridor mit persistierendem bellenden Husten, eine Ateminsuffizienz und Zyanose bei der Nahrungsaufnahme sowie Apnoeanfälle bei rezidivierenden pulmonalen Infekten über viele Wochen sind kennzeichnend für die Fehlbildung.
Diagnose. Durch die Tracheoskopie erfolgt der Nachweis der Instabilität bzw. Kompression.
Diagnose. Die Tracheoskopie beweist die Instabilität des betroffenen Trachealabschnitts bzw. die Kompression von außen.
Therapie. Die Trachealwand stabilisiert sich meist innerhalb des 1. Lebensjahres, sodass eine abwartende Haltung indiziert ist. Eine operative Versorgung kann bei schwerer Symptomatik entsprechend der Ursache notwendig werden.
Therapie. Da sich die Trachealwand in der Regel innerhalb des 1. Lebensjahres festigt ist meist die symptomatische Behandlung rezidivierender Infekte ausreichend und eine abwartende Haltung indiziert. Bei Vorliegen einer schweren Symptomatik kann eine operative Stabilisierung bzw. die Verlagerung großer Gefäße, sofern diese die Kompression hervorrufen, notwendig werden. Liegt eine begleitende Ösophagusatresie vor, so ist deren operative Versorgung immer indiziert.
23.1.7
23.1.7
Kongenitale Lungenfehlbildungen (s.a. Kap. 26.6.1)
Definition
Pathogenese. Das Fehlen funktionellen Lungengewebes führt zur kompensatorischen Überblähung des gesunden Gewebes. Liegt zusätzlich ein Zwerchfelldefekt vor, kommt es zu einer intrathorakalen Verlagerung von Abdominalorganen.
rerer Trachealringe kollabiert die Trachea bei der Exspiration. In seltenen Fällen liegt eine Tracheakompression durch die Aorta vor.
Kongenitale Lungenfehlbildungen (s.a. Kap. B-26.6.1)
n Definition. Kongenitale Lungenfehlbildungen sind Entwicklungsstörungen der Lungen mit unterschiedlichen klinischen Erscheinungsbildern: π Lungenagenesie Vollständiges Fehlen der Bronchien und des Lungenparenchyms einer Lunge π Lungenaplasie Bei angelegtem Bronchialstamm Fehlen des Lungenparenchyms π Lungenhypoplasie Minderentwicklung des Lungenparenchyms unterschiedlichen Ausmaßes ( 1 B-23.3), z.B. bei Zwerchfelldefekten und -hernien.
Pathogenese. Das Fehlen funktionellen Lungengewebes führt zu einer mehr oder minder ausgeprägten kompensatorischen Überblähung des Parenchyms der Gegenseite mit Mediastinalverschiebung. Liegt im Ausnahmefall auf der betroffenen Seite zusätzlich ein Zwerchfelldefekt bzw. eine Relaxatio diaphragmatica vor, wird die Mediastinalverschiebung durch die intrathorakale Verlagerung von Abdominalorganen kompensiert.
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23.1.7 Kongenitale Lungenfehlbildungen
1 B-23.3
Kongenitale Lungenhypoplasie Kongenitale Lungenhypoplasie links sowie Mediastinalverschiebung nach links infolge Überblähung der rechten Lunge.
Symptome. Respiratorische klinische Symptome müssen nicht vorhanden
Symptome. Meistens bestehen rezidivierende Infekte der oberen Luftwege.
Diagnose. Die Thoraxübersichtsaufnahme zeigt eine Überblähung der
Diagnose. Auf der Thoraxübersicht zeigt sich die Überblähung der gesunden Lunge und eine Mediastinalverschiebung zur Gegenseite.
Therapie. Eine kausale Behandlungsmöglichkeit gibt es nicht.
Therapie. Es existiert keine kausale Behandlungsmöglichkeit.
Prognose. Die Prognose ist abhängig von dem Ausmaß der Fehlbildung.
Prognose. Die Prognose ist vom Ausmaß der Fehlbildung abhängig.
Nebenlungen
Nebenlungen
sein. Ansonsten bestehen rezidivierende Infekte der oberen Luftwege, die durch Sekretverhalt in einem Bronchusblindsack der fehlangelegten Seite bedingt sind.
gesunden Lunge mit Verlagerung des Herzens und der großen Gefäße zur gegenüberliegenden Seite.
n Definition. Sowohl intrathorakal wie intraabdominell vorkommend, handelt es sich bei der Nebenlunge um akzessorische Lungenanteile, die rudimentäre oder durch einen Bronchus mit der Trachea verbundene funktionsuntüchtige Bereiche darstellen.
Definition
Therapie. Bei klinischer Unauffälligkeit ergibt sich keine Operationsindikation. Im Falle rezidivierender Infekte erfolgt die Nebenlungenresektion.
Therapie. Eine Resektion ist nur bei rezidivierenden Infekten indiziert.
Lungensequestration
Lungensequestration
n Definition. Es besteht eine Dysgenesie des Lungenparenchyms ohne Anschluss an das Bronchialsystem bei atypischer arterieller Gefäßversorgung (z.B. Aorta abdominalis). Bei der intralobären Sequestration (85 %) sind Lunge und Sequester von einer gemeinsamen Pleura visceralis überzogen. Die extralobäre Form (15 %) besitzt einen eigenen Pleuraüberzug.
Definition
Symptome. In den meisten Fällen ist der linke Unterlappen betroffen. Die Kinder fallen primär durch rezidivierende Infekte (z.B. Pneumonien) auf.
Symptome. Oft ist der linke Unterlappen betroffen. Auffallende Infektanfälligkeit der Kinder.
Diagnose. Die seitliche Röntgenaufnahme zeigt entweder eine Verschattung basal, zystische Aufhellungen in einem atelektatischen Bezirk oder emphysematöse Veränderungen. Die zusätzliche Abklärung erfolgt durch eine Computertomographie (CT) oder eine Angiographie.
Diagnose. In der Röntgenaufnahme zeigt sich eine basale Verschattung, zystische Aufhellungen oder emphysematöse Veränderungen.
Therapie. Sie besteht in der Resektion des Lungensequesters nach Diagnosestellung.
Therapie. Der Lungensequester wird operativ reseziert.
Prognose. Die Prognose ist gut.
Prognose. Die Prognose ist gut.
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824 Zystische Lungenveränderungen
23 Kinderchirurgie
Zystische Lungenveränderungen n Definition. Zystische Lungenveränderungen sind kongenitale Missbildungen im Bereich der Bronchien oder des Lungenparenchyms.
Definition
Pathogenese. Bronchogene Zysten sind durch Abspaltung bronchialer Strukturen, Lungenzysten durch eine Fehlbildung des Lungenparenchyms bedingt.
Pathogenese. Bronchogene Zysten sind zystische Gebilde, die durch
Symptome. Bronchogene Zysten, die im gesamten Tracheobronchialsystem lokalisiert sein können, sind klinisch meist unauffällig (selten Stridor, Husten, Dyspnoe). Lungenzysten treten meist einseitig auf. Bei multizystischem Vorkommen wird die Wabenlunge von der Zystenlunge unterschieden. Dyspnoe und Dysphagie sind mögliche Symptome. Beide Missbildungen können zu rezidivierenden Infekten führen.
Symptome. Bronchogene Zysten können im Verlauf des gesamten Tracheobronchialsystems lokalisiert sein. Sie führen durch Druck auf die Trachea bzw. Bronchien in seltenen Fällen zu einem Stridor, Husten und Dyspnoe. In der Regel bleiben sie klinisch unauffällig. Lungenzysten treten i.d.R. einseitig entweder als solitäre oder multiple Zysten auf. Ist bei multizystischem Vorkommen ein ganzer Lungenlappen betroffen, unterscheidet man die Wabenlunge (kleinzystische Form) von der Zystenlunge (großzystische Form). Lungenzysten können durch Verdrängungserscheinungen zu Dyspnoe und Dysphagien führen, auch asymptomatische Verläufe sind möglich. Bei beiden Missbildungen können rezidivierende Infekte auftreten.
Diagnose. Die Röntgenaufnahme in 2 Ebenen stellt dar: π bronchogene Zysten als luft- und flüssigkeitsgefüllten Rundherd π Lungenparenchymzysten als intrapulmonale Strukturveränderungen.
Diagnose. Die Thorax-Röntgenaufnahme in 2 Ebenen stellt dar:
Die CT erlaubt eine exakte Lokalisationsdiagnostik.
Abspaltung bronchialer Strukturen in der Embryonalphase entstehen. Lungenzysten (adenomatoid-zystische) sind durch eine Fehlbildung des Lungenparenchyms bedingt.
den luft- und flüssigkeitsgefüllten Rundherd der bronchogenen Zyste entsprechend seiner Lokalisation: mediastinal, paratracheal, paraösophageal, hilär und intrapulmonal. π intrapulmonale Strukturveränderungen bei Lungenzysten. Die Darstellung eines Flüssigkeitsspiegels spricht für eine Infektion. Die CT erlaubt eine exakte topographische Zuordnung der zystischen Lungenveränderungen. π
Therapie. Bei bronchogenen Zysten erfolgt die Exstirpation, bei Lungenzysten deren Resektion.
Therapie. Grundsätzlich erfolgt die Exstirpation der bronchogenen Zyste,
Prognose. Die Prognose ist gut.
Prognose. Die Prognose ist gut.
23.1.8 Kongenitales lobäres Emphysem (s.a. Kap. B-26.6.1)
23.1.8
Definition
Pathogenese. Meist infolge einer inkompletten Ausbildung von Bronchialknorpelringen kommt es bei der Exspiration zum funktionellen Kollabieren der dysplastischen Bronchialabschnitte. Die nicht ausreichende Exspiration führt zur Emphysembildung der betroffenen Lungenabschnitte.
Symptome. Häufige Symptome sind Dyspnoe und Zyanose bei abgeschwächtem Atemgeräusch. Rezidivierende Atemwegsinfekte und Gedeihstörungen können auftreten.
bei Lungenzysten erfolgt die Resektion der betroffenen Lungenabschnitte.
Kongenitales lobäres Emphysem (s. a. Kap. B-26.6.1)
n Definition. Beim kongenitalen lobären Emphysem kommt es zu einer massiven Überblähung eines, selten mehrerer Lungenlappen. Am häufigsten betroffen ist der linke Oberlappen sowie der rechte Ober- und Mittellappen.
Pathogenese. Das kongenitale lobäre Emphysem ist gekennzeichnet durch
eine unvollständige Ausbildung der Bronchialknorpelringe der betroffenen Lungenabschnitte. In Ausnahmefällen finden sich ursächlich Schleimhautfalten, Obstruktionen durch ein abnorm verlaufendes Gefäß oder Sekretabflussbehinderungen. Pathomechanismus: Inspiration/Exspiration ist zu Lasten der Exspiration gestört. Die inspiratorisch in die Alveolen gelangte Luft kann diese bei der Exspiration aufgrund des funktionellen Kollabierens der dysplastischen Bronchialabschnitte nicht in ausreichender Menge verlassen. Hierdurch kommt es zu einer Überblähung der betroffenen Lungenabschnitte und nachfolgend zur Emphysenbildung.
Symptome. Im Neugeborenenalter kann man eine zunehmende Dyspnoe und Zyanose bei abgeschwächtem Atemgeräusch über den betroffenen Lungenabschnitten feststellen. Im Verlauf kann es zu rezidivierenden Atemwegsinfekten und Gedeihstörungen kommen.
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23.1.9 Kongenitale Zwerchfelldefekte
Diagnose. Die Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahme zeigt eine Überblähung des befallenen Lungenlappens bei Zwerchfelltiefstand und eine Mediastinalverschiebung zur Gegenseite mit Atelektasen der gesunden Lungenlappen ( 1 B-23.4).
1 B-23.4
Diagnose. In der Thoraxübersichtsaufnahme zeigt sich ein Zwerchfelltiefstand sowie eine Verlagerung des Mediastinums zur Gegenseite ( 1 B-23.4).
Kongenitales lobäres Emphysem Die Thoraxübersicht zeigt eine Überblähung der linken Lunge, Mediastinalverlagerung nach rechts und Oberlappenatelektase rechts.
Differenzialdiagnostisch ist das lobäre Emphysem gegen den Pneumothorax und die kongenitale Lungenzyste abzugrenzen.
Therapie. Nach Thorakotomie erfolgt die Resektion des betroffenen Lungenlappens. Die Indikationsstellung sollte frühzeitig erfolgen. Prognose. Die Prognose ist gut. 23.1.9
Kongenitale Zwerchfelldefekte
Therapie. Die Therapie der Wahl ist die Resektion des betroffenen Lungenlappens. Prognose. Die Prognose ist gut.
23.1.9
n Definition. Bei kongenitalen Zwerchfelldefekten handelt es sich um einen unvollständigen Verschluss des Zwerchfells mit intrathorakaler Verlagerung von Abdominalorganen. Ein Zwerchfelldefekt kommt auf 2500 Lebendgeburten. Man unterscheidet: π Zwerchfelldefekt: Lückenbildung im Zwerchfell ohne Bruchsack π Zwerchfellhernie: Zusätzlich zu dem Defekt besteht ein pleuroperitonealer Bruchsack.
Pathogenese. Durch eine Hemmungsmissbildung unklarer Genese des sich
ab dem 2. Embryonalmonat entwickelnden Zwerchfells, welches Brust- und Bauchraum voneinander trennen soll, können Defekte unterschiedlicher Lokalisation und Größe persistieren. Zusätzlich besteht eine Hemmung der Lungenentwicklung der betroffenen Seite.
Klassifikation. Nach der Lokalisation werden folgende Defekte/Hernien
unterschieden ( 1 B-23.5). π Morgagni-Hernie: Hernie im Bereich der Larrey-Spalte (sternokostaler Defekt) π pleuroperitoneale Hernie (posterolateraler Defekt) π Bochdalek-Hernie (lumbokostaler Defekt). Die Defekt-/Herniengrößen variieren zwischen Lückendurchmessern von 2–3 cm über die subtotale Zwerchfellaplasie bis zur Agenesie.
Symptome. Bei großen Defekten resultieren aus der intrathorakalen Verlagerung abdomineller Organe kardiorespiratorische Störungen mit Dyspnoe, Zyanose und Tachykardien. Über der betroffenen Thoraxhälfte sind bei fehlender Ventilation evtl. Darmgeräusche auskultierbar.
Kongenitale Zwerchfelldefekte
Definition
Pathogenese. Es kommt zu einer Hemmungsmissbildung des Zwerchfells (ab 2. Embryonalmonat) mit zusätzlicher Hemmung der Lungenentwicklung dieser Seite.
Klassifikation. ( 1 B-23.5) Morgagni-Hernie (sternokostale Lücke/Larrey-Spalte) π pleuroperitoneale Hernie (posterolaterale Lücke) π Bochdalek-Hernie (lumbokostale Lücke). Symptome. Bei großen Defekten führt die intrathorakale Verlagerung von Abdominalorganen zu kardiorespiratorischen Störungen mit Dyspnoe, Zyanose und Tachykardien. Auskultatorisch ist eine fehlende Ventilation bei evtl. vorhandenen Darmgeräuschen festzustellen. π
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23.1.9 Kongenitale Zwerchfelldefekte
Diagnose. Die Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahme zeigt eine Überblähung des befallenen Lungenlappens bei Zwerchfelltiefstand und eine Mediastinalverschiebung zur Gegenseite mit Atelektasen der gesunden Lungenlappen ( 1 B-23.4).
1 B-23.4
Diagnose. In der Thoraxübersichtsaufnahme zeigt sich ein Zwerchfelltiefstand sowie eine Verlagerung des Mediastinums zur Gegenseite ( 1 B-23.4).
Kongenitales lobäres Emphysem Die Thoraxübersicht zeigt eine Überblähung der linken Lunge, Mediastinalverlagerung nach rechts und Oberlappenatelektase rechts.
Differenzialdiagnostisch ist das lobäre Emphysem gegen den Pneumothorax und die kongenitale Lungenzyste abzugrenzen.
Therapie. Nach Thorakotomie erfolgt die Resektion des betroffenen Lungenlappens. Die Indikationsstellung sollte frühzeitig erfolgen. Prognose. Die Prognose ist gut. 23.1.9
Kongenitale Zwerchfelldefekte
Therapie. Die Therapie der Wahl ist die Resektion des betroffenen Lungenlappens. Prognose. Die Prognose ist gut.
23.1.9
n Definition. Bei kongenitalen Zwerchfelldefekten handelt es sich um einen unvollständigen Verschluss des Zwerchfells mit intrathorakaler Verlagerung von Abdominalorganen. Ein Zwerchfelldefekt kommt auf 2500 Lebendgeburten. Man unterscheidet: π Zwerchfelldefekt: Lückenbildung im Zwerchfell ohne Bruchsack π Zwerchfellhernie: Zusätzlich zu dem Defekt besteht ein pleuroperitonealer Bruchsack.
Pathogenese. Durch eine Hemmungsmissbildung unklarer Genese des sich
ab dem 2. Embryonalmonat entwickelnden Zwerchfells, welches Brust- und Bauchraum voneinander trennen soll, können Defekte unterschiedlicher Lokalisation und Größe persistieren. Zusätzlich besteht eine Hemmung der Lungenentwicklung der betroffenen Seite.
Klassifikation. Nach der Lokalisation werden folgende Defekte/Hernien
unterschieden ( 1 B-23.5). π Morgagni-Hernie: Hernie im Bereich der Larrey-Spalte (sternokostaler Defekt) π pleuroperitoneale Hernie (posterolateraler Defekt) π Bochdalek-Hernie (lumbokostaler Defekt). Die Defekt-/Herniengrößen variieren zwischen Lückendurchmessern von 2–3 cm über die subtotale Zwerchfellaplasie bis zur Agenesie.
Symptome. Bei großen Defekten resultieren aus der intrathorakalen Verlagerung abdomineller Organe kardiorespiratorische Störungen mit Dyspnoe, Zyanose und Tachykardien. Über der betroffenen Thoraxhälfte sind bei fehlender Ventilation evtl. Darmgeräusche auskultierbar.
Kongenitale Zwerchfelldefekte
Definition
Pathogenese. Es kommt zu einer Hemmungsmissbildung des Zwerchfells (ab 2. Embryonalmonat) mit zusätzlicher Hemmung der Lungenentwicklung dieser Seite.
Klassifikation. ( 1 B-23.5) Morgagni-Hernie (sternokostale Lücke/Larrey-Spalte) π pleuroperitoneale Hernie (posterolaterale Lücke) π Bochdalek-Hernie (lumbokostale Lücke). Symptome. Bei großen Defekten führt die intrathorakale Verlagerung von Abdominalorganen zu kardiorespiratorischen Störungen mit Dyspnoe, Zyanose und Tachykardien. Auskultatorisch ist eine fehlende Ventilation bei evtl. vorhandenen Darmgeräuschen festzustellen. π
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23 Kinderchirurgie
1 B-23.5
Synopsis Angeborene Zwerchfelldefekte
Lokalisation der verschiedenen Zwerchfelllücken bei Ansicht von kranial.
posterolateraler Defekt (pleuroperitoneale Hernie)
sternokostale Lücke (Morgagni-Hernie) V. cava inferior
Ösophagus
Trigonum fibrosum lumbocostale
lumbokostaler Defekt (Bochdalek-Hernie)
n Merke. Das Problem großer Zwerchfelldefekte besteht in der begleitenden Lungenhypoplasie und der ggf. vorhandenen Mediastinalverschiebung.
Merke
1 B-23.6
Synopsis Enterothorax
a Intrathorakale Verlagerung von Anteilen des Gastrointestinaltrakts bei kongenitalem Zwerchfelldefekt.
Diagnose. Mit der pränatalen Sonographie lassen sich das Hydramnion und die Mediastinalverlagerung darstellen. Postnatal sichert die Röntgenaufnahme von Thorax und Abdomen, bei liegender Magensonde, die Diagnose ( 1 B-23.6).
b Mediastinalverlagerung nach rechts (Á) bei linksseitigem Enterothorax.
Diagnose. Die Diagnose sollte bereits pränatal sonographisch gestellt werden. Hierbei zeigt sich die durch den Enterothorax hervorgerufene Mediastinalverlagerung und ein Hydramnion. Postnatal sichert die Röntgenaufnahme von Thorax und Abdomen, bei liegender Magensonde, die Diagnose ( 1 B-23.6). Im Zweifelsfall ist die Gabe von 10 ml wasserlöslichem Kontrastmittel zur Darstellung des Magen-Darm-Kanals bzw. ein Kolonkontrasteinlauf indiziert.
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23.1.11 Relaxatio diaphragmatica (Zwerchfelllähmung) Differenzialdiagnostisch sind die Zwerchfelldefekte von der Relaxatio diaphragmatica, dem lobären Emphysem und von Lungenzysten abzugrenzen.
Therapie. Unmittelbar postnatal bzw. nach Diagnosestellung muss der
Säugling intubiert und mit einer doppelläufigen Magensonde versorgt werden. Eine Maskenbeatmung verbietet sich, da eine Luftfüllung von Magen und Darm eine zusätzliche Lungenkompression bewirken kann. Nach entsprechender Vorbereitung und kontrollierter Beatmung (Kreislaufstabilisierung, Ausgleich der respiratorischen/metabolischen Azidose, liegende offene Magensonde) ist die Operationsindikation gegeben, sobald sich das Neugeborene in einem stabilen Allgemeinzustand befindet. Operationsverfahren: Von einem Oberbauchquerschnitt aus Darstellung des Defekts und Rückverlagerung der intrathorakalen Abdominalorgane in die Bauchhöhle. Kleine Zwerchfelllücken lassen sich nach direkter Vereinigung der Defektränder durch Naht verschließen. Ein pleuroperitonealer Bruchsack wird reseziert. Bei großen zentralen Defekten erfolgt die Implantation eines alloplastischen Materials (z.B. Goretex).
Therapie. Nach Diagnosestellung erfolgt die Intubation und die kontrollierte Beatmung. Befindet sich der Säugling in einem stabilen Allgemeinzustand, muss die Operation erfolgen.
π
n Merke. Die Thoraxdränage wird ohne Sog an ein Wasserschloss angeschlossen. Bei Saugung besteht die Gefahr einer Verletzung des unterentwickelten Lungenlappens, da eine Expansion der Lunge aufgrund der Hypoplasie nicht möglich ist und die Gefahr des Parenchymeinrisses besteht.
Prognose. Die Prognose ist abhängig von der Größe des Defekts und dem Ausprägungsgrad der Lungenhypoplasie. Die Prognose der kleinen Defekte ist sehr gut, die Letalität der großen Defekte beträgt infolge ausgeprägter Lungenhypoplasie ca. 50 %. 23.1.10
Bei großen zentralen Defekten erfolgt die Implantation eines alloplastischen Materials (z.B. Goretex). Merke
Prognose. Je nach Größe und Ausprägungsart ist die Prognose der kleinen Defekte gut, die Letalität der großen Defekte beträgt 50 %.
Brustwanddeformitäten
23.1.10 Brustwanddeformitäten (s. Kap. B-26.4.1)
Relaxatio diaphragmatica (Zwerchfelllähmung)
23.1.11 Relaxatio diaphragmatica (Zwerchfelllähmung)
(s. Kap. B-26.4.1)
23.1.11
Kleine Zwerchfelllücken lassen sich nach direkter Vereinigung der Defektränder durch Naht verschließen.
n Definition. Die Relaxatio diaphragmatica ist ein kongenitaler oder erworbener Zwerchfellhochstand, der in der Regel einseitig auftritt.
Definition
Pathogenese. Bei der erworbenen Form liegt eine Schädigung des N. phre-
Pathogenese. Bei der erworbenen Form liegt eine Schädigung des N. phrenicus vor, während es sich bei der kongenitalen Form um eine Muskelanomalie mit Ausbleiben der muskulären Umwandlung des Zwerchfells handelt.
Symptome. Bei Vorliegen einer ausgeprägten Relaxatio ähnelt das klinische
Symptome. Typische Symptome einer ausgeprägten Relaxatio sind Zyanose, Dyspnoe und Tachykardie. Weniger ausgeprägte Defekte machen sich durch rezidivierende Infektionen bemerkbar.
Diagnose. Die Röntgenübersichtsaufnahme des Thorax zeigt den Zwerchfellhochstand, bei der Durchleuchtung stellen sich die paradoxen Atembewegungen dar ( 1 B-23.7). Die Relaxatio diaphragmatica ist differenzialdiagnostisch vom Zwerchfelldefekt und von Lungenzysten abzugrenzen.
Diagnose. Im Röntgenthorax zeigt sich ein Zwerchfellhochstand und bei der Durchleuchtung paradoxe Atembewegungen ( 1 B-23.7). Differenzialdiagnostisch sind Zwerchfelldefekt und Lungenzysten abzugrenzen.
nicus der betroffenen Seite – z.B. nach einem Geburtstrauma – in Kombination mit einer Plexus-brachialis-Lähmung vor. Bei der kongenitalen Form handelt es sich um eine Muskelanomalie, wobei angenommen wird, dass aufgrund einer Störung der Myoblastenwanderung entlang des N. phrenicus die muskuläre Umwandlung des Zwerchfells ausbleibt.
Bild den großen Zwerchfelldefekten: Zyanose, Dyspnoe und Tachykardie stehen im Vordergrund. Weniger ausgeprägte Formen werden häufig erst bei älteren Kindern nach rezidivierenden pulmonalen Infekten im Rahmen der Diagnostik objektiviert.
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23 Kinderchirurgie
1 B-23.7
Synopsis Relaxatio diaphragmatica
b Thoraxübersicht mit deutlichem Zwerchfellhochstand rechts.
a Relaxatio diaphragmatica rechts.
Therapie. An der betroffenen Seite erfolgt eine Zerchfellraffung oder -dopplung ( 1 B-23.8).
Therapie. Von einem Oberbauchquerschnitt bzw. Rippenbogenrandschnitt
Prognose. Die Prognose ist gut.
Prognose. Die Prognose ist gut.
1 B-23.8
der betroffenen Seite erfolgt eine Zwerchfellraffung bzw. -dopplung unter Schonung des N. phrenicus ( 1 B-23.8).
Synopsis Zwerchfellraffung/-dopplung bei Relaxatio diaphragmatica
a, b Vorgehen bei Dopplung des Zwerchfells.
c Zustand nach Dopplung des Zwerchfells.
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23.1.12 Omphalozele/Gastroschisis (Laparoschisis) 23.1.12
Omphalozele/Gastroschisis (Laparoschisis)
23.1.12 Omphalozele/Gastroschisis (Laparoschisis)
n Definition. Bei der Omphalozele und der Gastroschisis (Laparoschisis) handelt es sich um einen unvollständigen angeborenen Bauchwandverschluss mit extraabdomineller Lage von Anteilen des Gastrointestinaltrakts.
Embryologie. Die physiologische Entwicklung des Gastrointestinaltrakts findet in der 6.–10. Gestationswoche mit Rückverlagerung der Eingeweide in die Bauchhöhle in der 10. Woche statt. In der 12. Gestationswoche kommt es zu einer Verschmelzung der Rektusmuskeln in der Medianlinie. Nach der Geburt persistiert im Bereich der Durchtrittsstelle der Nabelschnur ein etwa 0,5 bis 1 cm großer Nabeldefekt, der nach der Ligatur der Nabelschnur im weiteren Verlauf durch Granulationsgewebe verschlossen wird. Pathogenese π
π
Gastroschisis (Laparoschisis): Hier findet sich ein inkompletter Bauchwandverschluss mit Eventeration von Dünn- und Dickdarmanteilen. Der Defektdurchmesser beträgt wenige Zentimeter bei linkslateraler Lage der Nabelschnur ( 1 B-23.9). Omphalozele: Es handelt sich in der Regel um einen großen Bauchwanddefekt, wobei Magen, Duodenum, Milz, Leber sowie der gesamte Dünnund Dickdarm in einem aus Peritoneum, Amnion und der Warton-Sulze bestehenden Bruchsack liegen können. Die Nabelschnur ist in der Mitte des Sackes lokalisiert ( 1 B-23.10). Bei der Omphalozele unterscheidet man die geschlossene von der rupturierten Form, bei der der Bruchsack eingerissen und somit die Abdominalhöhle eröffnet ist.
1 B-23.9
Gastroschisis (Laparoschisis)
Eventeration des Dünndarms mit Verdickung der Darmwand.
1 B-23.10
Definition
Embryologie. In der 10. Woche kommt es zur Rückverlagerung der Eingeweide in die Bauchhöhle, in der 12. Gestationswoche zu einer Verschmelzung der Rektusmuskeln in der Medianlinie. Der nach der Geburt persistierende Nabeldefekt verschließt sich im Verlauf durch Granulationsgewebe. Pathogenese Gastroschisis: Hier findet sich ein inkompletter Bauchwandverschluss mit Eventeration von Dünn- und Dickdarmanteilen ( 1 B-23.9). π Omphalozele: Es handelt sich um einen großen Bauchwanddefekt mit Bruchsack, dessen Inhalt aus Magen, Duodenum, Milz, Leber, Dünn- und Dickdarm bestehen kann ( 1 B-23.10). Man unterscheidet die geschlossene von der offenen Form. π
Omphalozele
Verschlossene (nicht rupturierte) Omphalozele: die Nabelschnur inseriert im Bereich des Bruchsacks.
Symptome. Nach der auf der Basis der pränatal sonographisch abgesicherten Diagnose durch Sectio (ab 35. SSW) erfolgten Entbindung finden sich bei der gedeckten, nicht rupturierten Omphalozele zarte Gewebsstrukturen der extraabdominellen Organe. Da die Darmschlingen bei der Gastroschisis in utero von der Amnionflüssigkeit umgeben sind, resultiert klinisch daraus eine Darmwandverdickung mit ödematöser Verquellung, Fibrinauflagerungen und reaktiver Adhäsion einzelner Darmschlingen. In der Regel liegt eine fehlende Fixation des Kolonrahmens sowie eine Anomalie der Dünndarmanlage im Sinne eines Mesenterium commune vor. Bei kleinen Bruchlücken kann aus der extraabdominellen Lage des Darms eine venöse Rückflussstörung mit livider Verfärbung resultieren.
Symptome. Die geschlossene Omphalozele macht sich durch die vom Bruchsack geschützten extraabdominell liegenden Organe mit zarten Gewebestrukturen bemerkbar. Bei der Gastroschisis kommt es zu einer ödematösen Verdickung der vor der Bauchhöhle liegenden Kolon- und Dünndarmanteile. Bei kleineren Bruchlücken zeigt sich infolge einer venösen Rückflussstörung eine livide Verfärbung des Darms.
Diagnose. Die pränatale Sonographie objektiviert die Eventeration der
Diagnose. Die pränatale Sonographie objektiviert die Eventeration der Abdominalorgane. Therapie. Nach der Entbindung durch Sectio werden die prolabierten Organe sofort steril abgedeckt. Im Anschluss
Abdominalorgane.
Therapie. Nach der Entbindung durch Sectio erfolgt bei der Gastroschisis und der rupturierten Omphalozele ein sofortiges steriles Abdecken der prolabierten Abdominalorgane durch Kochsalzkompressen. Unmittelbar nach
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23 Kinderchirurgie
wird der Versuch unternommen die Bauchwand operativ zu verschließen, wobei die Rückverlagerung der Organe in die Bauchhöhle mit anschließend primärem Faszienverschluss angestrebt wird. Gelingt dies nicht erfolgt der primär kutane Verschluss unter Verwendung des Amnions als Peritonealersatz. Bei der Omphalozele wird im Vorfeld der Bruchsack reseziert.
Stabilisierung des Herz-Kreislauf-Systems erfolgt das operative Vorgehen mit dem Ziel, einen Bauchwandverschluss zu erreichen. Nach medianer Ober- und Unterbauchlaparotomie (bei der Omphalozele wird der Bruchsack reseziert) manuelles Ausstreifen des Dünndarms nach oral, des Dickdarms nach aboral. Nach manueller Dehnung der Bauchwand erfolgt die Rückverlagerung der Organe in die Bauchhöhle. Gelingt dieses, wird ein primärer Faszienverschluss durchgeführt. Ist dieser nicht möglich, erfolgt ein primärer kutaner Verschluss unter Abdeckung der ehemals prolabierten MagenDarm-Anteile durch das Amnion von der Plazenta des Neugeborenen als Peritonealersatz zur Adhäsionsprophylaxe. In grenzwertigen Fällen, bei denen die mediane Vereinigung der Hautränder im Sinne eines primären Verschlusses nicht möglich ist, Anlegen eines Entlastungsschnitts im lateralen Bauchwandbereich unter Implantation alloplastischen Materials.
Prognose. Während die Prognose bei der Gastroschisis gut ist, ist die weitere Entwicklung bei der Omphalozele abhängig von zusätzlichen kardialen und neurogenen Fehlbildungen.
Prognose. Bei der Gastroschisis ist die Prognose gut. Bei der Omphalozele ist sie abhängig von den bei etwa 50 % der Kinder bestehenden zusätzlichen Fehlbildungen speziell des Herzens (Ventrikelseptumdefekt, Fallot-Tetralogie) und des zentralen Nervensystems. n Merke. Bei Gastroschisis und Omphalozele immer Plazenta in die kinderchirurgische Klinik mitschicken, da Amnion als Peritonealersatz verwendet werden kann.
Merke
23.1.13
Gallengangsatresie
Definition
23.1.13
Gallengangsatresie
n Definition. Die Gallengangsatresie ist eine Gallenabflussstörung bei Fehlen der intra- und/oder extrahepatischen Gallengänge. In 80 % der Fälle liegt bei der extrahepatischen Gallengangsatresie der Verschluss des Ductus hepaticus und seiner zuführenden Äste vor. Ductus choledochus, Ductus cysticus und Gallenblase können normal angelegt oder ebenfalls atretisch sein. Die Atresie kommt bei 1 : 10 000 Geburten vor.
Pathogenese. Die Ätiologie ist unbekannt. Eine perinatal virusbedingte Entzündung wird diskutiert.
Pathogenese. Bei ungeklärter Ätiologie wird folgende Ursache diskutiert:
Symptome. Ein postnataler Ikterus besteht bei 1 ⁄ 3 der Neugeborenen bereits bei Geburt, bei 2 ⁄ 3 der Kinder entwickelt er sich in den folgenden 1-2 Wochen. Bei zunächst normal gefärbtem Mekonium kommt es später zum Absetzen acholischer Stühle bei dunkelbrauner Urinverfärbung. Innerhalb weniger Wochen kommt es zur Lebervergrößerung mit derber Konsistenz. Diagnose. Bei Verdacht muss eine frühzeitige Diagnostik mit Sonographie und Cholangio-MRT, Leberbiopsie, ggf. Probelaparotomie zur intraoperativen Cholangiographie erfolgen.
Symptome. Bei 1⁄3 der Neugeborenen besteht bereits bei der Geburt ein
Merke
Therapie. Die extrahepatische Form kann durch eine biliodigestive Anastomose versorgt werden ( 1 B-23.11).
Infolge einer virusbedingten perinatalen Entzündung der Gallengänge kommt es zu einer Degeneration der Epithelzellen der Gallenwege, Obliteration des Lumens und periduktalen Sklerose. Histologisch finden sich gleichzeitig cholestatische und entzündliche Leberparenchymveränderungen.
Ikterus. Bei 2⁄3 der Kinder entwickelt sich der Ikterus erst in den folgenden 1–2 Wochen. Das Mekonium ist zunächst normal gefärbt, später werden die Stühle acholisch bei dunkelbrauner Färbung des Urins. Die Bilirubinprobe ist positiv, das Urobilinogen negativ. Innerhalb weniger Wochen vergrößert sich die Leber und entwickelt eine derbe Konsistenz.
Diagnose. Da die Gallenabflussstörung zu einer Umwandlung der in den
ersten Lebenswochen bestehenden rückbildungsfähigen Fibrose in eine Leberzirrhose führt, ist bei Verdacht auf eine Gallengangsatresie die frühestmögliche (1. Lebensmonat) Diagnostik mittels radiologischer Untersuchungsverfahren (Sonographie, Cholangio-MRT), Leberbiopsie sowie ggf. Probelaparotomie zur intraoperativen Cholangiographie indiziert. n Merke. Ein länger als 2 Wochen bestehender neonataler Ikterus bedarf der weiteren Abklärung.
Therapie. Die extrahepatische Form kann durch eine biliodigestive Anasto-
mose versorgt werden. Hierbei wird eine nach Y-Roux ausgeschaltete Jejunumschlinge mit dem Ductus choledochus oder Ductus hepaticus anastomosiert ( 1 B-23.11).
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23.1.14 Lageanomalien des Magen-Darm-Trakts
1 B-23.11
Synopsis Choledochojejunostomie mit einer Y-Roux-Schlinge
End-zu-Seit-Anastomose.
Bei der intrahepatischen Form wurde früher eine Hepatojejunostomie nach Kasai durchgeführt, bei der ebenfalls eine nach Y-Roux ausgeschaltete Jejunumschlinge auf die freigelegte Leberpforte geheftet wurde. Heutzutage sollten alle Patienten mit einer intrahepatischen Form der Gallengangsatresie einem Transplantationszentrum vorgestellt werden, da eine langfristige Überlebenschance nur nach einer Lebertransplantation zu erwarten ist.
Bei der intrahepatischen Form wird die Lebertransplantation empfohlen, da nur diese eine langfristige Überlebenschance erwarten lässt.
Prognose. Sie ist abhängig vom Atresietyp (Vorhandensein und Durchmesser extrahepatischer Gallengänge) und vom Operationszeitpunkt (Ausprägungsgrad der Leberzirrhose). Ist eine Gallenableitung bei Vorhandensein extrahepatischer Gallengänge möglich, ist die Prognose gut. Liegt eine intrahepatische Form vor, so überleben die Kinder ohne Therapie nicht das 2. Lebensjahr. Nach Lebertransplantation kann mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von ca. 65 % gerechnet werden.
Prognose. Sie ist vom Atresietyp und Operationszeitpunkt abhängig.
23.1.14
Lageanomalien des Magen-Darm-Trakts
n Definition. Lageanomalien sind Fehllagen des Magen-Darm-Kanals als Folge einer gestörten Darmentwicklung bei den fetalen Drehungsabläufen.
Embryologie. Die Nabelschleife – das primitive Darmrohr – eine extraabdo-
minell in die Nabelschnur vorverlagerte Darmschlinge – steht bis zur 4. Fetalwoche in der medianen Sagittalebene. Bis zur 8. Fetalwoche kommt es zu einer Drehung von 90Ω gegen den Uhrzeigersinn (von ventral betrachtet) in die Transversalebene, wobei der Ductus omphaloentericus die Drehachse darstellt. Aus dem kranialen Schenkel entwickeln sich Jejunum und oberes Ileum, aus dem kaudalen das untere Ileum und das Kolon bis einschließlich des Querkolons. Der obere Fußpunkt der Nabelschleife bildet die primitive Flexura duodenojejunalis, der kaudale die primäre Kolonflexur. Nach der 5. Fetalwoche wächst die zunächst kurze Nabelschleife in dem Nabelschnurzölom. Sie tritt in der 10. Fetalwoche unter einer 2. Drehung von 90Ω in die Bauchhöhle zurück, wobei das zunächst in der Transversalebene links gelegene primitive Zäkum in das rechte Epigastrium wandert. Bis zur 12. Fetalwoche ist eine weitere 90Ω-Drehung erfolgt (gesamt 270Ω). In den folgenden Wochen bis zur Geburt verlagert sich das Zäkum durch Wachstum des proximalen Kolons in den rechten Unterbauch. Es kommt zu einer retroperitonealen Verlagerung des Duodenums, Ausbildung der linearen Radix mesenterii von der Flexura duodenojejunalis bis zur Ileozäkalregion und Fixation des
23.1.14 Lageanomalien des MagenDarm-Trakts Definition
Embryologie. Zwischen der 4. und 12. Fetalwoche kommt es zur Drehung und Verlagerung des Darms.
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23 Kinderchirurgie Colon ascendens, der rechten und linken Kolonflexur mit der hinteren Bauchwand.
Pathogenese. Die Lageanomalien entstehen durch 3 Mechanismen – in Kombination auftretend: 1. Störung der fetalen Darmdrehung 2. Wachstumsstörung einzelner Darmabschnitte 3. fehlende Mesenterialverklebung mit dem Peritoneum parietale. Klassifikation Bei Ausbleiben der fetalen Darmdrehung hängen Dünn- und Dickdarm an einem Mesenterium commune mit sagittal verlaufender Mesenterialwurzel. Bei der Nonrotation kommt es zu einem Stillstand der Nabelschleifendrehung nach 90 Ω ( 1 B-23.12 a). Das verstärkte Kolonwachstum kann zu Schlingenbildungen führen oder Obstruktionserscheinungen des Duodenums hervorrufen.
Pathogenese. Den Lageanomalien des Magen-Darm-Trakts liegen 3 Mecha-
Die Malrotation I entsteht durch einen Stillstand der Drehung nach 180 Ω ( 1 B-23.12 b). Durch Adhäsionen (Ladd-Bänder) können Obstruktionen des Duodenums entstehen.
π
Bei der Malrotation II kommt es zunächst zu einer Drehung von 90 Ω , danach jedoch zu einer Rück- bzw. Fehldrehung von 90 oder 180 Ω ( 1 B-23.12 c). In der Folge kann eine Hernia mesocolica entstehen ( 1 B-23.12 d).
Malrotation II: Nach der normalen Drehung der Nabelschleife von 90Ω erfolgt eine inverse Drehung (Rückdrehung im Uhrzeigersinn von ventral betrachtet) von 90 oder 180Ω. Die Pars inferior duodeni liegt vor der Mesenterialwurzel, das proximale Kolon dahinter ( 1 B-23.12 c). Entwickelt sich das Kolon in die normale Rechtslage, so bewegt es sich über das Duodenum hinweg nach rechts und kann auf seiner Wanderung mit seinem Meso den gesamten Dünndarm einhüllen (Hernia mesocolica, 1 B-23.12 d).
Bei dem Mesenterium commune, das infolge der ausbleibenden Fixation des Mescolon ascendens an der hinteren Bauchwand entsteht und eine stielförmige Mesenterialwurzel besitzt, ist das Colon ascendens frei beweglich und torsionsgefährdet. Als Folge der freien Beweglichkeit des Darmes kann ein Volvulus entstehen.
Mesenterium commune: Findet die Verwachsung des Mesocolon ascendens mit der hinteren Bauchwand nicht statt, entsteht ein Mesenterium commune. Infolgedessen ist das Colon ascendens frei beweglich und torsionsgefährdet. Die Mesenterialwurzel bildet beim Mesenterium commune einen unterhalb des Pankreas entspringenden schmalen Stiel, der fächerförmig ausgebreitet das Kolon versorgt ( 1 B-23.12 e). Als Folge der freien Beweglichkeit des Darms kann es zu einer Drehung des Darmkonvoluts bzw. einzelner Darmanteile um die Achse des Mesenterialstiels kommen (Volvulus).
Symptome. In der Regel besteht klinisch Unauffälligkeit. Fixierende Adhäsionen (Ladd-Bänder) und ein subtotaler Dünndarmvolvulus führen zu rezidivierenden abdominellen Beschwerden mit kolikartigen Bauchschmerzen, Völlegefühl und zeitweiligem Erbrechen. Die Torsion des Mesenterialstiels um 360 Ω löst akut peritoneale Beschwerden aus: krampfartige Schmerzen, Druckschmerzen im Oberbauch, gelegentlich auch durchfallartige Darmentleerung.
Symptome. Die Lageanomalien des Darms verursachen in der Regel keine klinischen Erscheinungen. Rezidivierende Abdominalbeschwerden mit kolikartigen Bauchschmerzen, Völlegefühl und zeitweiligem Erbrechen sind bedingt durch eine vorübergehende Passagestörung aufgrund fixierender Adhäsionen (z.B. Ladd-Bänder), einer abnormen Schlingenbildung, einem subtotalen Dünndarmvolvulus bzw. einer geringgradigen Torsion des Mesenterialstiels. Eine Torsion des Mesenterialstiels von 360Ω oder mehr löst akut peritoneale Reizerscheinungen aus: krampfartige Schmerzen und Druckschmerz im Oberbauch. Bei einigen Patienten erfolgt eine durchfallartige Entleerung des Dünn- und Dickdarms.
Diagnose. Die Abdomenübersichtsaufnahme zeigt eine Dilatation des
Diagnose. Die Abdomenübersichtsaufnahme zeigt beim Volvulus des
nismen zugrunde, die kombiniert auftreten können: 1. Störung der fetalen Darmdrehung 2. Wachstumsstörung einzelner Darmabschnitte 3. mangelnde bzw. ausbleibende Mesenterialverklebung mit dem Peritoneum parietale.
Klassifikation
Ausbleiben der fetalen Darmdrehung: Findet keine Drehung der Nabelschleife statt, so hängen Dünn- und Dickdarm an einem Mesenterium commune, dessen Wurzel in sagittaler Richtung über der Wirbelsäule verläuft. Diese Fehlbildungen finden sich bei der Gastroschisis und Omphalozele.
π
Nonrotation: Nach der Nabelschleifendrehung von 90Ω bleiben die folgenden Drehungen aus: Die Pars caudalis duodeni kreuzt nicht hinter der Arteria mesenterica superior, sondern verbleibt rechts davon und geht ohne Ausbildung der Flexura duodenojejunalis in den rechts der Wirbelsäule liegenden Dünndarm über. Das Ileum mündet von rechts nach links in das vor der Wirbelsäule bzw. im linken Abdomen gelegene Kolon. Dünn- und Dickdarm hängen an einem Mesenterium commune ( 1 B-23.12 a). Infolge verstärkten Wachstums des Kolons können Schlingenbildungen entstehen oder die partielle Rechtsverlagerung des proximalen Kolons führt infolge Ausbildung einer rechtsseitigen Flexur zu Obstruktionserscheinungen des Duodenums.
π
Malrotation I: Nach einer Drehung der Nabelschleife bis 180Ω bleibt die weitere Rotation aus. Die Pars inferior duodeni liegt hinter der Mesenterialwurzel. Zäkum und Colon descendens liegen in der Mittellinie bzw. im rechten Oberbauch. Infolge sekundärer Verklebungen bilden sich Adhäsionen (Ladd-Bänder), die zu einer Obstruktion des Duodenums führen können ( 1 B-23.12 b).
π
π
Mesenterium commune eine Dilatation des Magens und Duodenums. Eine
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23.1.14 Lageanomalien des Magen-Darm-Trakts
1 B-23.12
Synopsis Lageanomalien des Magen-Darm-Trakts
a Nonrotation: Entwicklungsstillstand nach 90 Ω -Drehung der Nabelschleife gegen den Uhrzeigersinn.
d Malrotation II mit Bildung einer Hernia mesocolica.
b Malrotation I: Ausbleiben der Rotation nach Nabelschleifendrehung bis 180Ω , die Ausbildung von Ladd-Bändern (Verwachsungen) kann zu einer Passagestörung des Duodenums führen.
c Malrotation II: nach normaler 90Ω Rotation Rückdrehung der Nabelschleife (90 Ω oder 180Ω im Uhrzeigersinn).
e Mesenterium commune mit Volvulus.
Kolonkontrastdarstellung objektiviert bei chronischen Beschwerden die entsprechende Form der Lageanomalie.
Therapie. Bei Vorliegen eines Volvulus erfolgt die sofortige Laparotomie und Detorquierung der betroffenen Darmanteile ggf. die Resektion ischämischer Darmabschnitte. Bei unklarer, evtl. reversibler Ischämie erfolgt eine Secondlook-Operation, um dann zu entscheiden, ob eine Resektion erforderlich ist. Ziel ist es, so viel Darm als möglich zu erhalten. Bei allen übrigen Lageanomalien wird nach diagnostischer Abklärung die operative Herstellung der Darmpassage durch Lösung von Verwachsungen (z.B. Ladd-Bänder) und Fixation mobiler Darmanteile durchgeführt. Prognose. Beim Volvulus ist die Prognose davon abhängig, wieviel Dünn-
darm erhalten werden kann. Als kritische untere Grenze gilt eine Darmlänge von 20–30 cm. Alle übrigen Behandlungsergebnisse sind als gut zu bewerten.
Magens und Duodenums. Die Kolonkontrastuntersuchung stellt Lageanomalien dar. Therapie. Beim Volvulus muss eine sofortige Laparotomie mit Detorquierung erfolgen, die Resektion ischämischer Darmabschnitte kann ggf. erst im Rahmen eines Zweiteingriffes durchgeführt werden. Bei allen übrigen Lageanomalien werden nach diagnostischer Abklärung Verwachsungen gelöst und mobile Darmanteile fixiert. Prognose. Die Prognose des Volvulus ergibt sich aus dem Anteil des geschädigten Dünndarms. Kritische untere Grenze ist eine Darmlänge von 20–30 cm. Bei den anderen Lageanomalien ist die Prognose gut.
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834 23.1.15 Duplikaturen des Magen-Darm-Trakts
23 Kinderchirurgie 23.1.15
Duplikaturen des Magen-Darm-Trakts
n Definition. Es handelt sich hierbei um Doppelbildungen einzelner Abschnitte des Intestinaltrakts. In ca. 70 % der Fälle ist der Dünndarm betroffen.
Definition
Symptome. Häufig bestehen unklare abdominelle Beschwerden im 1. Lebensjahr. Die intestinalen Duplikaturen finden sich im gesamten Intestinaltrakt. Sie können tubulär oder zystisch sein und haben am Mesenterialansatz eine gemeinsame Gefäßversorgung mit dem anliegenden Darmabschnitt.
Symptome. Im 1. Lebensjahr bestehen bei 2⁄3 der Fälle unklare abdominelle
Diagnose. Der Nachweis erfolgt durch die sonographische Darstellung der flüssigkeitsgefüllten zystischen Duplikaturen. Die Röntgenkontrastdarstellung zeigt tubuläre Duplikaturen mit Verbindung zum Gastrointestinaltrakt.
Diagnose. Die Abdominalsonographie ermöglicht den Nachweis flüssig-
Therapie. Es erfolgt die operative Resektion zystischer und tubulärer Duplikaturen.
Therapie. Zystische und tubuläre Duplikaturen werden reseziert. Auf den
Prognose. Die Prognose ist gut.
Prognose. Die Prognose ist gut.
23.1.16 Duodenalatresie/-stenose, Pancreas anulare
23.1.16
Beschwerden. Die intestinalen Duplikaturen – sie können tubulär oder zystisch sein und Magen-/Duodenal-/Dünndarm- oder Kolonschleimhaut enthalten – finden sich entlang des gesamten Intestinaltrakts. Im Bereich des Mesenterialansatzes, besteht eine gemeinsame Gefäßversorgung mit dem anliegenden Darmabschnitt, zu dem bei den tubulären Formen in ca. 20 % der Fälle eine Verbindung besteht. Der Inhalt der Duplikatur resultiert aus der Art des auskleidenden Epithels: Magenschleimhaut sezerniert eine saure, wässrig klare Flüssigkeit, die bei Ulzerationen hämorrhagisch verfärbt sein kann. Bei Dünndarm- und Kolonschleimhaut findet sich ein schleimiges Sekret in der Duplikatur.
keitsgefüllter zystischer Duplikaturen. Die Röntgenkontrastdarstellung bringt die in offener Verbindung zum Darmtrakt stehenden Duplikaturen zur Darstellung. Evtl. ist der Nachweis von Verdrängungserscheinungen des Intestinaltrakts durch die Duplikatur möglich.
Erhalt einer ausreichenden, der Resorption zur Verfügung stehenden Darmlänge, ist zu achten.
Duodenalatresie/-stenose, Pancreas anulare
n Definition. Die Duodenalatresie/-stenose ist eine komplette bzw. inkomplette Passagestörung des Duodenums durch extra- oder intraluminale Ursachen. Man unterscheidet folgende Formen ( 1 B-23.13): π Duodenalatresie Die Hemmungsmissbildung reicht von intraluminalen, die Passage störende Membranen – mit oder ohne Perforation – bis zur Kontinuitätstrennung des Darmrohres. π Extraluminale Duodenalstenose Aus Ladd-Bändern bei der Malrotation oder einem Volvulus bei Mesenterium commune resultiert eine Stenosierung. π Das Pancreas anulare umgreift das Duodenum ringförmig. Zusätzlich kann eine echte Atresie oder intraluminale Membran vorliegen.
Definition
Pathogenese Bei der Duodenalatresie/-stenose unterbleibt aufgrund einer Entwicklungsstörung die Rekanalisierung des in der 6.–7. Woche obliterierten Lumens im Duodenum.
Pathogenese
Das Pancreas anulare entsteht infolge einer Entwicklungsstörung durch Ausbildung eines kompletten Pankreasringes nach der duodenalen Drehung.
π
Duodenalatresie und -stenose: Die Proliferation der Epithelzellen des Primitivdarms im Alter von 6–7 Wochen führt zu einer Verlegung des Lumens im Duodenum. Anschließend erfolgt durch Revakuolisierung die Rekanalisierung. Läuft sie unvollständig ab, resultiert eine Stenose oder Atresie.
π
Pancreas anulare: Nach der Drehung des Duodenums vereinigt sich die ventrale mit der dorsalen Pankreasanlage zum Pankreaskopf. Ist das freie Ende der ventralen Anlage fixiert, umringt das Pankreas das Duodenum und bildet nach abschließender ventraler Vereinigung der beiden Anlagen einen kompletten Pankreasring.
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835
23.1.16 Duodenalatresie/-stenose, Pancreas anulare
1 B-23.13
Synopsis Ursachen angeborener Passagestörungen des Duodenums
a Membranöse Atresie.
b Atresie mit Kontinuitätstrennung des Darmrohrs.
c Pancreas anulare.
Diagnose. Durch die komplette bzw. inkomplette Passagestörung des Duo-
denums fallen die Kinder nach der Geburt frühzeitig durch Erbrechen auf. Durch die Distension des Magens und des prästenotischen/präatretischen Duodenums kann durch Nachweis des »Double-bubble-Phänomens« (= Luftansammlung im Magen und proximalen Duodenum) sowohl pränatal sonographisch wie auch postnatal auf der Abdomenübersichtsaufnahme im Hängen die Diagnose gestellt werden ( 1 B-23.14).
1 B-23.14
Diagnose. Durch die Passagestörung des Duodenums tritt frühzeitig Erbrechen auf. Der Nachweis der Luftansammlung im Magen und proximalen Duodenum (Double-bubblePhänomen) erfolgt pränatal sonographisch und postnatal röntgenologisch ( 1 B-23.14).
Duodenalatresie Duodenalatresie mit röntgenologischer Darstellung des »Double-bubble-Phänomens« ( Á).
Therapie. Das operative Vorgehen richtet sich nach der Ursache: Beim Vol-
vulus erfolgt die Detorquierung, Ladd-Bänder werden durchtrennt und das Duodenum freipräpariert. Die membranöse Atresie wird unter sorgfältiger Schonung der Papilla Vateri, die häufig in die Membranbasis im posteromedialen Bereich einbezogen ist, reseziert. Beim Pancreas anulare erfolgt vor dem ventralen Pankreasring die Duodenoduodenostomie, welche auch bei kurzstreckigen Atresien durchgeführt wird. Langstreckige Atresien werden durch eine Duodenojejunostomie versorgt.
Therapie. Die operative Therapie richtet sich nach der Ursache: π Volvulus: Detorquierung π Ladd-Bänder: Durchtrennung π membranöse Atresie: Resektion π Pancreas anulare: Duodenoduodenostomie π kurzstreckige Atresie: Duodenoduodenostomie π langstreckige Atresie: Duodenojejunostomie.
Prognose. Die Prognose ist gut.
Prognose. Die Prognose ist gut.
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836 23.1.17
23 Kinderchirurgie Atresien des Jejunums, Ileums und Kolons
23.1.17
Atresien des Jejunums, Ileums und Kolons
n Definition. Atresien des Jejunums, Ileums und Kolons sind solitäre oder multiple intraluminäre Obstruktionen des Darms ( 1 B-23.15, 1 B-23.16).
Definition
1 B-23.15
Pathogenese. Ursachen sind die Minderdurchblutung der Mesenterialgefäße durch z.B. intrafetalen Volvulus, die Inkarzeration einer Darmschlinge bei Rückverlagerung aus dem physiologischen Nabelschnurbruch oder eine Invagination. Klassifikation. ( 1 B-23.16) π membranöse Atresie ohne Darmwandkontinuitätstrennung π Atresie bei strangartiger Verbindung der Darmschenkel
1 B-23.16
Multiple Dünndarmatresien ( Á)
Pathogenese. Der Entstehung einer Atresie des Darms distal des Treitz-
Bandes liegt ursächlich meistens eine Minderdurchblutung der Mesenterialgefäße eines oder mehrerer Darmsegmente zugrunde, die zahlreiche Ursachen haben kann, z.B. ein intrafetaler Volvulus, eine Invagination oder die Inkarzeration einer Darmschlinge bei der Rückverlagerung aus dem physiologischen Nabelschnurbruch.
Klassifikation. Folgende Atresietypen werden unterschieden ( 1 B-23.16): π π
membranöse Atresie bei erhaltener Kontinuität der Darmwand Atresie mit strangartiger Verbindung der atretischen Darmschenkel
Synopsis Formen der Darmatresie
Typ 1 Membranöse Atresie.
Typ 2 Strangartige Verbindung der Darmschenkel.
Typ 3 Kontinuitätstrennung der Darmschenkel.
Typ 4 Multiple Atresien.
Beachte den dilatierten zuführenden (proximalen) Dünndarmschenkel.
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837
23.1.17 Atresien des Jejunums, Ileums und Kolons π
π
Atresie bei Kontinuitätstrennung des Darms und V-förmiger Mesenteriallücke multiple Atresien.
Symptome. Das Leitsymptom ist das frühzeitig einsetzende (24 Stunden),
gallige Erbrechen, welches umso früher einsetzt, je höher die Passagestörung lokalisiert ist. Ein weiteres typisches Zeichen ist das aufgetriebene Abdomen, welches sich bei den tiefliegenden Formen ausgeprägter darstellt als bei den hohen. Auskultatorisch finden sich hochgestellte, klingende Darmgeräusche, die bei länger bestehendem Ileus (Tage) infolge der sich entwickelnden Darmparalyse nicht mehr zu hören sind.
Diagnose. Die Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens in senkrechter Position a.p. (Babygramm) zeigt bei den hohen jejunalen Atresieformen wenige Spiegel bei luftfreiem restlichen Abdomen. Multiple, sich über das ganze Abdomen verteilende Luftsicheln sprechen für eine Atresie im Bereich des Ileums oder Kolons ( 1 B-23.17). Sonographisch erkennt man überblähte und flüssigkeitsgefüllte Darmschlingen, die proximal der Atresie entstehen.
1 B-23.17
π π
Atresie bei Kontinuitätstrennung multiple Atresien.
Symptome. Bei hoher Passagestörung zeigt sich frühzeitig einsetzendes (24 Stunden) galliges Erbrechen, bei tiefliegenden Formen kommt es zu einem meteoristisch aufgetriebenen Abdomen. Auskultatorisch finden sich hochgestellte, klingende Darmgeräusche, die infolge Darmparalyse im weiteren Verlauf nicht mehr zu hören sind. Diagnose. In der Röntgen-Abdomenaufnahme finden sich bei hohen Atresieformen wenige Spiegelbildungen im Oberbauch, während sich bei tiefen Atresieformen multiple Spiegelbildungen im gesamten Abdomen finden ( 1 B-23.17). Sonographisch erkennt man präatretisch dilatierte Darmschlingen.
Tiefe Dünndarmatresie Die Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens zeigt multiple Luftsicheln (Á).
Therapie. Bei unkomplizierten Fällen erfolgt nach Resektion des proximalen dilatierten Darmabschnitts und Eröffnung des distalen Darmanteils die Endzu-End-Anastomosierung. Bei Vorliegen zu großer Lumendifferenzen zwischen dem oralen und aboralen Darmschenkel erfolgt nach antimesenterialer Inzision im Bereich des aboralen Schenkels die End-to-Back-Anastomose nach Denis Brown ( 1 B-23.18 a). Eine weitere Möglichkeit besteht darin, durch sog. »Tapering« den Durchmesser des oral zu anastomosierenden Darmschenkels zu verkleinern, um so eine Anastomosierbarkeit zu erreichen ( 1 B-23.18 b). Erscheint aufgrund einer zu extremen Dilatation des oralen Darmabschnitts und eines zu kleinen Durchmessers des aboralen Darmschenkels eine primäre Anastomosierung nicht sinnvoll, erfolgt die Anlage einer Enterostomie bis zur Normalisierung der Darmlumina.
Therapie. Es erfolgt die Resektion der Atresie und eine End-zu-End-Anastomosierung. Bei großer Lumendifferenz wird eine End-to-Back-Anastomose hergestellt ( 1 B-23.18). Ist bei inkongruenten Darmlumen eine primäre Anastomosierung nicht möglich, muss eine Enterostomie angelegt werden.
Prognose. Bei frühzeitiger Diagnosestellung ohne Vorliegen zusätzlicher
Prognose. Bei frühzeitiger Diagnosestellung ist die Prognose gut.
Begleiterkrankungen wie bakterielle Peritonitis durch Darmperforation, Sepsis usw. ist die Prognose gut.
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838
23 Kinderchirurgie
1 B-23.18
Synopsis Darmanastomosierungstechniken aboraler Darmschenkel Inzision
Mesenterium a »End-to-Back«-Anastomose nach Denis Brown: erweiternde antimesenteriale Inzision des kleinlumigen aboralen Darmschenkels mit End-to-Back-Anastomosierung. Mikronadelhalter
Exzision Inzision
b »Tapering« mit »End-to-Back«-Anastomose: Entnahme eines keilförmigen Segments aus dem großlumigen oralen Darmschenkel. Lumenverkleinerung nach Anastomosierung der Exzisionsregion. Anschließende »End-to-Back«-Anastomose.
23.1.18
Anal- und Rektumatresie
Definition
Pathogenese. Ursache ist eine fehlerhafte Aufteilung der inneren Kloake in den Sinus urogenitalis und Enddarm aufgrund ungenügender Septumbildung. Als Residuen persistieren Fisteln zwischen Rektum und der Urethra, Blase oder Vagina. Klassifikation. Nach der WingspreadKlassifikation erfolgt die Einteilung der anorektalen Anomalien in hohe supralevatorische, intermediäre und tiefe translevatorische Atresien ( 1 B-23.19 ).
23.1.18
Anal- und Rektumatresie
n Definition. Bei der Anal- und Rektumatresie handelt es sich um eine Missbildung des Anorektums mit Hypoplasie der Kontinenzmuskulatur unterschiedlichen Ausmaßes. Kloakenmissbildungen sind gekennzeichnet durch eine einzige Kloakenöffnung, in welche die Urethra, Vagina und eine rektale Fistel in den oberen Abschnitt einmünden. Häufig liegen zusätzliche Missbildungen, z.B. eine Vagina duplex, ein Uterus duplex oder Vaginalatresie vor.
Pathogenese. Die Ursachen für die Entstehung der anorektalen Missbildungen müssen in einer fehlerhaften Aufteilung der inneren Kloake in den Sinus urogenitalis und Enddarm aufgrund einer ungenügenden Septumbildung gesehen werden. Als Residuen der früheren Verbindung persistieren Fisteln zwischen dem Rektum und der Urethra, der Blase oder der Vagina. Klassifikation. Die Klassifikation nach Wingspread unterteilt die Gesamt-
heit der anorektalen Fehlbildungen in sog. hohe supralevatorische, intermediäre und tiefe translevatorische Atresien ( 1 B-23.19).
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23.1.18 Anal- und Rektumatresie
1 B-23.19
839
Synopsis Wingspread-Klassifikation anorektaler Missbildungen
A. Hohe, supralevatorische Missbildungen weiblich
männlich
a Anorektale Atresie mit rektovaginaler Fistel.
b Anorektale Atresie mit rektoprostatisch-urethraler Fistel (hohe Einmündung der Fistel).
B. Intermediäre Missbildungen weiblich
männlich
c Rektumatresie mit rektovestibulärer Fistel.
d Rektumatresie mit rektobulbär-urethraler Fistel (tiefe Einmündung der Fistel).
C. Tiefe, translevatorische Missbildungen weiblich
männlich
e Anovestibuläre Fistel.
f Anokutane Fistel.
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840
23 Kinderchirurgie
Diagnose. Schon bei der Inspektion zeigt sich eine fehlende Afteröffnung mit oder ohne Fistel. Bei Vorhandensein einer Fistelöffnung im Perineum, Skrotum oder Vestibulum vaginae muss eine Kontrastmitteluntersuchung zur Objektivierung des Fistelverlaufs und Lagebestimmung des Enddarms erfolgen. Beim Knaben kann das Miktionszystourethrogramm rekto-prostatisch-urethrale, -vesikale oder -bulbärurethrale Fisteln nachweisen. Bei fehlendem Fistelgang wird zur Bestimmung der Distanz von Rektumblindsack und Analgrübchen nach frühestens 24 Stunden eine Röntgenaufnahme in Kopftieflage durchgeführt. Bei Unklarheit sollte eine MRT erfolgen.
Diagnose. Ergibt die äußere Betrachtung bei fehlender Afteröffnung einen Fistelgang, z.B. im Perineum, Skrotum oder Vestibulum vaginae, so erfolgt nach der Füllung mit wasserlöslichem Kontrastmittel (Gastrografin) die radiologische Darstellung zur Objektivierung des Fistelverlaufs und der Lagebestimmung des Enddarms. Beim Knaben sollte zusätzlich ein Miktionszystourethrogramm durchgeführt werden, um eine rekto-prostatisch-urethrale, -vesikale oder -bulbärurethrale Fistel nachzuweisen. Lässt sich kein Fistelgang finden, erfolgt frühestens nach 24 Stunden eine seitliche Röntgenaufnahme in Kopftieflage (Wangensteen). Durch die in dem Rektumblindsack aufsteigende Luft lässt sich nach Markierung des Analgrübchens die ungefähre Distanz zwischen der äußeren Markierung und dem Rektumblindsack darstellen. Eine bereits in den ersten Lebensstunden durchgeführte Wangensteen-Aufnahme oder auch im Rektumblindsack liegendes Mekonium können eine längere Distanz vortäuschen, als wirklich vorhanden. Im Zweifelsfall ist sonographisch gesteuert nach Punktion des Blindsacks durch die Instillation von Gastrografin eine direkte röntgenologische Darstellung möglich. Bei unklaren Fällen sollte eine Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt werden.
Therapie. Bei den hohen und intermediären Formen erfolgt die Anlage einer Kolostomie (rechte Kolonflexur).
Therapie. Bei den hohen und intermediären Formen erfolgt zunächst die
Auch bei tiefen Analatresieformen wird der Rektumblindsack durch die Sphinktermuskulatur verlagert.
Anlage einer Kolostomie. Nach 3 Monaten oder später erfolgt der Korrektureingriff. Von einem perinealen Zugang erfolgt nach elektrischer Stimulation die Präparation der Kontinenzmuskulatur mit anschließender transsphinktärer Verlagerung des Rektums bis zum Damm unter Anwendung des Durchzugsoperationsverfahrens nach Peña. Evtl. bestehende Fisteln werden operativ verschlossen. Ist die Präparation des Rektumstumpfes bei hohen Anal- und Rektumatresien von dem perinealen Zugang allein nicht möglich, erfolgt nach zusätzlicher abdomineller Eröffnung die Rektummobilisation mit anschließendem Durchzug durch die Puborektalisschlinge und den M. sphincter ani externus. Bei den tiefen Analatresieformen gilt im Prinzip das gleiche Vorgehen: Durchzug des Rektumblindsacks durch die elektrisch stimulierte Sphinktermuskulatur.
Prognose. Bei tiefen Formen wird in ca. 90 % der Fälle eine vollständige Kontinenz erreicht. Bei intermediären und supralevatorischen Formen kann bei 20–30 % der Patienten eine Kontinenz hergestellt werden. Die Verbesserung der Kontinenzrate kann durch entsprechendes Training der Beckenbodenmuskulatur und Schließmuskeln erreicht werden.
Prognose. Eine vollständige Kontinenz wird bei den tiefen Formen in ca. 90 % erreicht. Bei den intermediären Atresieformen liegt sie bei etwa 50 %. Bei den hohen supralevatorischen Anal- und Rektumatresien ist eine gute Kontinenz lediglich bei 20–30 % der Kinder zu erreichen. Mit Erreichen der Pubertät bessert sich die Kontinenzrate, bei weiteren 30 % durch Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur, Schließmuskeltraining und geistige Entwicklung im Sinne eines zunehmenden hygienischen Bewusstseins. 40 % der Patienten dieser Gruppe bleiben inkontinent. Hier ist eine kontinenzverbessernde Operation die Therapie der Wahl.
23.1.19 Anal- und Rektumprolaps (s. Kap. B-7.3.9)
23.1.19
23.1.20 Mekoniumileus
23.1.20
Nach drei Monaten wird der Korrektureingriff durchgeführt: Hierbei wird in einer sphinktererhaltenden Vorgehensweise das Rektum bis zum Damm verlagert.
Definition
Pathogenese. Der bei der Mukoviszidose von den Becherzellen sezernierte hochvisköse Schleim kann nicht frei ins Darmlumen abfließen. Es kommt zu
Anal- und Rektumprolaps (s. Kap. B-7.3.9)
Mekoniumileus
n Definition. Der Mekoniumileus ist ein Obturationsileus infolge abnormer Eindickung des Mekoniums im unteren Ileum. In über 95 % der Fälle ist er Ausdruck einer Mukoviszidose.
Pathogenese. Bei der Mukoviszidose besteht eine Störung der Schleimpro-
duktion der Lunge, des Pankreas sowie im Intestinaltrakt. Die hohe Viskosität des in den Becherzellen der Darmschleimhaut produzierten Schleims verhindert einen freien Abfluss über die Ausführungsgänge in das Darm-
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23 Kinderchirurgie
Diagnose. Schon bei der Inspektion zeigt sich eine fehlende Afteröffnung mit oder ohne Fistel. Bei Vorhandensein einer Fistelöffnung im Perineum, Skrotum oder Vestibulum vaginae muss eine Kontrastmitteluntersuchung zur Objektivierung des Fistelverlaufs und Lagebestimmung des Enddarms erfolgen. Beim Knaben kann das Miktionszystourethrogramm rekto-prostatisch-urethrale, -vesikale oder -bulbärurethrale Fisteln nachweisen. Bei fehlendem Fistelgang wird zur Bestimmung der Distanz von Rektumblindsack und Analgrübchen nach frühestens 24 Stunden eine Röntgenaufnahme in Kopftieflage durchgeführt. Bei Unklarheit sollte eine MRT erfolgen.
Diagnose. Ergibt die äußere Betrachtung bei fehlender Afteröffnung einen Fistelgang, z.B. im Perineum, Skrotum oder Vestibulum vaginae, so erfolgt nach der Füllung mit wasserlöslichem Kontrastmittel (Gastrografin) die radiologische Darstellung zur Objektivierung des Fistelverlaufs und der Lagebestimmung des Enddarms. Beim Knaben sollte zusätzlich ein Miktionszystourethrogramm durchgeführt werden, um eine rekto-prostatisch-urethrale, -vesikale oder -bulbärurethrale Fistel nachzuweisen. Lässt sich kein Fistelgang finden, erfolgt frühestens nach 24 Stunden eine seitliche Röntgenaufnahme in Kopftieflage (Wangensteen). Durch die in dem Rektumblindsack aufsteigende Luft lässt sich nach Markierung des Analgrübchens die ungefähre Distanz zwischen der äußeren Markierung und dem Rektumblindsack darstellen. Eine bereits in den ersten Lebensstunden durchgeführte Wangensteen-Aufnahme oder auch im Rektumblindsack liegendes Mekonium können eine längere Distanz vortäuschen, als wirklich vorhanden. Im Zweifelsfall ist sonographisch gesteuert nach Punktion des Blindsacks durch die Instillation von Gastrografin eine direkte röntgenologische Darstellung möglich. Bei unklaren Fällen sollte eine Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt werden.
Therapie. Bei den hohen und intermediären Formen erfolgt die Anlage einer Kolostomie (rechte Kolonflexur).
Therapie. Bei den hohen und intermediären Formen erfolgt zunächst die
Auch bei tiefen Analatresieformen wird der Rektumblindsack durch die Sphinktermuskulatur verlagert.
Anlage einer Kolostomie. Nach 3 Monaten oder später erfolgt der Korrektureingriff. Von einem perinealen Zugang erfolgt nach elektrischer Stimulation die Präparation der Kontinenzmuskulatur mit anschließender transsphinktärer Verlagerung des Rektums bis zum Damm unter Anwendung des Durchzugsoperationsverfahrens nach Peña. Evtl. bestehende Fisteln werden operativ verschlossen. Ist die Präparation des Rektumstumpfes bei hohen Anal- und Rektumatresien von dem perinealen Zugang allein nicht möglich, erfolgt nach zusätzlicher abdomineller Eröffnung die Rektummobilisation mit anschließendem Durchzug durch die Puborektalisschlinge und den M. sphincter ani externus. Bei den tiefen Analatresieformen gilt im Prinzip das gleiche Vorgehen: Durchzug des Rektumblindsacks durch die elektrisch stimulierte Sphinktermuskulatur.
Prognose. Bei tiefen Formen wird in ca. 90 % der Fälle eine vollständige Kontinenz erreicht. Bei intermediären und supralevatorischen Formen kann bei 20–30 % der Patienten eine Kontinenz hergestellt werden. Die Verbesserung der Kontinenzrate kann durch entsprechendes Training der Beckenbodenmuskulatur und Schließmuskeln erreicht werden.
Prognose. Eine vollständige Kontinenz wird bei den tiefen Formen in ca. 90 % erreicht. Bei den intermediären Atresieformen liegt sie bei etwa 50 %. Bei den hohen supralevatorischen Anal- und Rektumatresien ist eine gute Kontinenz lediglich bei 20–30 % der Kinder zu erreichen. Mit Erreichen der Pubertät bessert sich die Kontinenzrate, bei weiteren 30 % durch Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur, Schließmuskeltraining und geistige Entwicklung im Sinne eines zunehmenden hygienischen Bewusstseins. 40 % der Patienten dieser Gruppe bleiben inkontinent. Hier ist eine kontinenzverbessernde Operation die Therapie der Wahl.
23.1.19 Anal- und Rektumprolaps (s. Kap. B-7.3.9)
23.1.19
23.1.20 Mekoniumileus
23.1.20
Nach drei Monaten wird der Korrektureingriff durchgeführt: Hierbei wird in einer sphinktererhaltenden Vorgehensweise das Rektum bis zum Damm verlagert.
Definition
Pathogenese. Der bei der Mukoviszidose von den Becherzellen sezernierte hochvisköse Schleim kann nicht frei ins Darmlumen abfließen. Es kommt zu
Anal- und Rektumprolaps (s. Kap. B-7.3.9)
Mekoniumileus
n Definition. Der Mekoniumileus ist ein Obturationsileus infolge abnormer Eindickung des Mekoniums im unteren Ileum. In über 95 % der Fälle ist er Ausdruck einer Mukoviszidose.
Pathogenese. Bei der Mukoviszidose besteht eine Störung der Schleimpro-
duktion der Lunge, des Pankreas sowie im Intestinaltrakt. Die hohe Viskosität des in den Becherzellen der Darmschleimhaut produzierten Schleims verhindert einen freien Abfluss über die Ausführungsgänge in das Darm-
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23.1.20 Mekoniumileus
841
lumen. Der sezernierte zähe Schleim führt zu einer Verklebung des eingedickten Mekoniums mit der Darmschleimhaut, woraus eine Obstruktion resultiert. Das zähe Mekonium findet sich in der Regel im distalen Dünndarm und Kolon.
einer Verklebung des eingedickten Mekoniums mit der Darmschleimhaut, welche zur Obstruktion führt. Das zähe Mekonium findet sich meist im distalen Dünndarm und Kolon.
Symptome. Bei fehlendem Mekoniumabgang – selten wird ein weißfarbe-
Symptome. Bei fehlendem Mekoniumabgang kommt es am 2. Lebenstag zum Erbrechen. Das Abdomen ist aufgebläht.
Diagnose. Die Abdomenübersichtsaufnahme im Hängen zeigt überblähte
Diagnose. In der Abdomenübersichtsaufnahme zeigen sich überblähte Dünndarmschlingen im Ober- und Mittelbauch. Im Bereich des Unterbauchs sind häufig fleckige Verschattungen (eingedicktes Mekonium) sichtbar. Bei der Kolonkontrastdarstellung zeigt sich ein Mikrokolon mit bleistiftstarkem Lumen und perlschnurartigen aufgereihten Mekoniumresten ( 1 B-23.20).
ner, lehmiger Schleimpfropf entleert – kommt es am 2. Lebenstag zunächst zu klarem, später galligem Erbrechen. Das Abdomen ist aufgebläht. Auskultatorisch findet sich eine vermehrte Peristaltik.
Dünndarmschlingen im Ober- und Mittelbauch. Die typischen Spiegelbildungen des mechanischen Ileus fehlen, da die Darmwand fest mit dem Mekonium verbacken ist. Im Bereich des Unterbauchs und der rechten Flanke finden sich manchmal fleckige, von feinen Luftbläschen durchsetzte Verschattungen, die dem eingedickten Mekonium entsprechen. Kommen Kalkablagerungen im Mittel- bis Unterbauch zur Darstellung, so handelt es sich um kalzifiziertes Mekonium, welches nach einer pränatalen Perforation mit nachfolgender aseptischer Peritonitis in die Bauchhöhle ausgetreten ist. In unklaren Fällen sollte eine Kolonkontrastdarstellung durchgeführt werden. Sie zeigt ein Mikrokolon mit schmalem, etwa bleistiftstarkem Lumen und perlschnurartig aufgereihten Mekoniumresten ( 1 B-23.20).
1 B-23.20
Synopsis Mekoniumileus
a Perlschnurartig im terminalen Ileum aufgereihte Mekoniumballen bei Dilatation der darüber liegenden Darmabschnitte, die mit zähflüssigem Mekonium gefüllt sind.
b Kolonkontrasteinlauf: perlschnurartig aufgereihte Mekoniumballen im Sigma (Á).
Therapie. In unkomplizierten Fällen kann der Versuch unternommen werden, durch Einläufe mit hyperosmolarem Gastrografin den Mekoniumileus zu beheben. Durch Einströmen von Flüssigkeit aus der Darmschleimhaut in das Darmlumen kommt es zu einer Lösung des Mekoniums, welches per vias naturales entleert wird. Dieser konservative Therapieversuch ist erfolgreich, wenn das Kontrastmittel das dilatierte Ileumsegment proximal des obstruierenden Mekoniums
Therapie. Als konservative Therapie bewirken transrektale hyperosmolare Gastrografineinläufe das Einströmen von Flüssigkeit aus der Darmschleimhaut in das Lumen mit Lösung des Mekoniums. Die Erfolgsrate liegt bei 50 %. Das Versagen der konservativen
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
842
23 Kinderchirurgie
Therapie sowie primär alle komplizierten Formen erfordern ein operatives Vorgehen. Hierbei wird das Ileum im dilatierten Anteil eröffnet, der Darm freigespült und eine End-zu-SeitEnterostomie angelegt, die nach 1–2 Monaten zurückverlagert werden kann ( 1 B-23.21).
erreicht. Die Erfolgsrate der konservativen Therapie liegt bei 50 %. Bei Versagen der konservativen Therapie sowie bei komplizierten Fällen ist ein operatives Vorgehen indiziert. Im Falle des operativen Eingriffs erfolgt nach Eröffnung des Ileums im dilatierten Anteil die vollständige Freispülung des Darms von dem obstruierenden Mekonium mit anschließender Anlage einer End-zu-Seit-Enterostomie nach Bishop-Koop ( 1 B-23.21). Hierbei wird der orale Darmschenkel Endzu-Seit mit dem aboralen Darmschenkel anastomosiert, welcher als endständiges Enterostoma aus der Bauchhöhle herausgeleitet wird. Dieses operationstechnische Vorgehen ermöglicht auch postoperativ Spülmaßnahmen durchzuführen. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer Erweiterung des Mikrokolons. Die Anus-praeter-Rückverlagerung erfolgt nach 1–2 Monaten.
1 B-23.21
Synopsis Enterostoma (End-zu-Seit-Anastomose) nach Bishop-Koop
endständiges Enterostoma Bauchwand terminales Ileum
Zäkum End-zu-Seit-Anastomose
Prognose. Die Prognose ist bezüglich des Mekoniumileus gut.
Prognose. Sie ist bezüglich des Mekoniumileus gut. Die Überlebensrate beträgt > 90 %. Hinsichtlich der Mukoviszidose ist die Prognose deutlich
schlechter.
23.1.21
Nekrotisierende Enterokolitis (NEC)
Definition
Pathogenese. Infolge Hypozirkulation mit Vasokonstriktion der Mesenterialgefäße kommt es zu einer ischämischen Darmwandschädigung mit Permeabilitätsstörung, die zu einer Nekrose der Darmschleimhaut führt. Sekundär wandern anaerobe gasbildende Bakterien (Clostridien/Bacteroides) in die Darmwand ein, wodurch submuköse und subseröse Gasansammlungen entstehen (Pneumatosis cystoides intestini). Symptome. Bei galligem Erbrechen werden blutig-schleimige Stühle abgesetzt.
23.1.21
Nekrotisierende Enterokolitis (NEC)
n Definition. Die NEC ist eine gehäuft bei Frühgeborenen auftretende ischämische Schädigung des Dünn- und Dickdarms.
Pathogenese. Während der Geburt oder unmittelbar postpartal kommt es
infolge eines Schocks zu einer Hypozirkulation des Darms mit Vasokonstriktion der Mesenterialgefäße. Die Hypoxie führt zu einer ischämischen Darmwandschädigung mit nachfolgender Permeabilitätsstörung, wobei aufgrund des hohen Blutbedarfs die Schleimhaut als erste Darmwandschicht nekrotisch wird. Im weiteren Verlauf wandern anaerobe gasbildende Bakterien (Clostridien/Bacteroides) in die Darmwand ein, wodurch es zu submukösen und subserösen Gasansammlungen kommt (Pneumatosis cystoides intestini).
Symptome. Bei galligem Erbrechen werden blutig-schleimige Stühle abgesetzt. Durch die intraabdominelle Entzündung – am häufigsten betroffen ist das Ileum mit den angrenzenden Kolonabschnitten – kann es zu einer lokalisierten Rötung der Bauchdecken mit Ödem kommen.
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23.1.21 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC)
843
Diagnose. Die Abdomenleeraufnahme im Hängen in 2 Ebenen zeigt im Anfangsstadium das Bild der Pneumatosis cystoides intestini: Submuköse bzw. subseröse Gasansammlungen als perlschnurartige Auftreibung von Gasbläschen in den betroffenen wandverdickten Darmschlingen ( 1 B-23.22). Im fortgeschrittenen Stadium Darstellung von Spiegelbildungen als Zeichen des Ileus. Nach einer Perforation findet sich freie Luft unter dem Zwerchfell.
Diagnose. Submuköse Gasansammlungen lassen sich röntgenologisch als perlschnurartig dargestellte Bläschen in den betroffenen wandverdickten Darmanteilen nachweisen ( 1 B-23.22). Spiegelbildungen sind als Zeichen des Ileums in fortgeschrittenem Stadium zu deuten.
1 B-23.22
Pneumatosis cystoides intestini Die Abdomenübersichtsaufnahme zeigt eine Darmwandverdickung durch subseröse/ submuköse Gasansammlung ( Á).
Therapie. Bei lokalisierter Entzündung der Darmwand ohne Zeichen einer
Therapie. Bei geringgradig ausgeprägten lokalisierten Darmwandentzündungen und fehlenden Zeichen der Peritonitis ist die konservative Therapie indiziert: parenterale Ernährung, hochdosierte Antibiose, Intubation mit Dauerbeatmung, Anlegen einer Magensonde mit Dauerabsaugung. Die Operationsindikation ist bei klinischer Verschlechterung gegeben. Es erfolgt die sparsame Resektion der gangränösen Darmabschnitte (Cave: Kurzdarmsyndrom!) sowie die Anlage eines oder mehrerer Enterostomata. Diese können bei Nachweis einer freien Passage der Restdarmanteile nach ca. 6 Wochen wieder zurückverlagert werden.
Prognose. Die Überlebensrate liegt bei 80 %.
Prognose. Die Überlebensrate liegt bei 80 %.
Peritonitis erfolgt eine konservative Behandlung unter engmaschiger (3–4-stündlicher) klinischer Verlaufskontrolle: parenterale Ernährung mit hochdosierter antibiotischer Behandlung, Intubation mit Dauerbeatmung/ Bluttransfusion bei Anämie zur Verbesserung der Gewebeoxygenierung sowie nasogastrische Sonde mit Dauerabsaugung. Kommt es zu einer klinischen Verschlechterung mit lokalisierter Peritonitis, Rötung und Ödem der Bauchwand, Zunahme der Pneumatose und Ausbildung eines Pneumoperitoneums, ist die Operationsindikation zu stellen. Der operative Eingriff besteht in einer sparsamen Resektion der gangränösen Darmabschnitte (Cave: Kurzdarmsyndrom!) und Anlage eines bzw. mehrerer Enterostomata. Nach mehrwöchiger parenteraler Ernährung und Fortsetzung der konservativen Therapie kann nach Abklingen der entzündlichen Erscheinungen und unauffälligem Abdominalbefund mit einer vorsichtigen enteralen Belastung begonnen werden. Die Rückverlagerung der Enterostomata und Reanastomosierung erfolgt frühestens nach 6 Wochen, evtl. in mehreren Sitzungen. Zuvor ist mittels Kontrastdarstellung via Enterostomata die freie Passage der Restdarmanteile zu objektivieren.
n Merke. Der langstreckige Befall des Dünndarms kann zum Kurzdarmsyndrom führen. Sowohl bei konservativem wie auch operativem Vorgehen können sich im Rahmen der Abheilung Stenosen entwickeln.
Merke
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844 23.2
23 Kinderchirurgie
23.2
Kinderchirurgische Erkrankungen im Säuglingsalter
23.2.1 Hypertrophe Pylorusstenose
23.2.1
Hypertrophe Pylorusstenose
n Definition. Bei der hypertrophen Pylorusstenose handelt es sich um eine Magenabflussstörung durch Einengung des Canalis egestorius infolge Hypertrophie des Pylorusmuskels ( 1 B-23.23).
Definition
Pathogenese. Es handelt sich um eine muskuläre Hypertrophie im Bereich des Pylorus und präpylorischen Antrums unklarer Ätiologie.
1 B-23.23
Kinderchirurgische Erkrankungen im Säuglingsalter
Pathogenese. Es handelt sich um eine muskuläre Hypertrophie im Bereich des Pylorus und präpylorischen Antrums unklarer Ätiologie, welche – progredient – aufgrund der zunehmenden Stenosierung im Bereich des Canalis egestorius zu einer Abflussstörung des Magens führt.
Synopsis Hypertrophe Pylorusstenose Curvatura gastrica minor
Corpus gastricum
M. sphincter pylori Canalis pyloricus Ostium pyloricum Duodenum
Curvatura gastrica major Pylorus mit engem und langem Canalis egestorius Antrum pyloricum a Hypertrophe Pylorusstenose.
Plicae gastricae der Tunica mucosa b Röntgenologische Darstellung der Stenosierung des Canalis egestorius ( Á).
Symptome. Meist kommt es in der 4.–6. Lebenswoche ca. 30 Minuten nach der Fütterung zu schwallartigem Erbrechen ohne Gallenbeimengung. Gewichtsabnahme und Dehydratation sind die Folge.
Symptome. In der Regel kommt es in der 4.–6. Lebenswoche, selten bereits in der ersten, ca. 30 Minuten nach der Fütterung zu schwallartigem Erbrechen, wobei das Erbrochene keine Galle enthält. Folge ist eine Gewichtsabnahme und Dehydratation. Häufig ist ein Pylorustumor als derbe Resistenz im rechten Oberbauch zu palpieren.
Diagnose. Sonographisch stellt sich die muskuläre Verdickung im Pylorusbereich bei Wandverdickung des pylorusnahen Antrums dar. Die röntgenologische Magen-Darm-Passage bringt den eingeengten verlängerten Pyloruskanal (Canalis egestorius) zur Darstellung ( 1 B-23.23). Es besteht eine hypochlorämische Alkalose und Hyponatriämie.
Diagnose. Sonographisch stellt sich die muskuläre Verdickung im Pylorus-
Therapie. Bei leichter klinischer Ausprägung kann ein konservatives Vorgehen mit vielen kleinen Mahlzeiten, Gabe von Spasmolytika, Hochlagerung usw. versucht werden.
Therapie. Bei leichter klinischer Ausprägung des Krankheitsbilds kann ein
bereich bei Wandverdickung des pylorusnahen Antrums dar. Die röntgenologische Magen-Darm-Passage bringt den eingeengten verlängerten Pyloruskanal (Canalis egestorius) zur Darstellung ( 1 B-23.23). Die hypertrophe Pylorusmuskulatur ragt bei Verlängerung des Pyloruskanals im Sinne einer Schulterbildung in das Duodenum vor. Im Bereich des Magens, der auffallend weit gestellt ist, findet sich eine lebhafte Hyperperistaltik. Es besteht eine hypochlorämische Alkalose und Hyponatriämie.
konservatives Vorgehen mit vielen kleinen Mahlzeiten, Gabe von Spasmolytika, Hochlagerung usw. versucht werden.
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845
23.2.2 Hiatushernie In der Regel ist die Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt die Therapie der Wahl: Nach Längsinzision über der gesamten Länge der verdickten Pylorusmuskulatur erfolgt die stumpfe Spreizung sämtlicher Muskelfasern bis auf die Mukosa. Diese, ca. zu 1⁄3 freigelegt, wölbt sich in den muskulären Defekt vor, wodurch die Stenosierung des Canales egestorius und damit die Passagebehinderung aufgehoben ist. Ab dem 2. postoperativen Tag erfolgt ein zügiger enteraler Nahrungsaufbau ( 1 B-23.24).
1 B-23.24
In der Regel ist die Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt die Therapie der Wahl ( 1 B-23.24).
Synopsis Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt
Pylorusmuskulatur vorgewölbte Schleimhaut Mukosa
Pankreas
Durchtrennung und Spreizung von Serosa und hypertropher Muskularis unter Schonung der Mukosa.
Prognose. Bei rechtzeitiger Pyloromyotomie ist die Prognose gut. 23.2.2
Hiatushernie
n Definition. Bei der Hiatushernie kommt es zur Verlagerung von Kardia und Magenanteilen in das Mediastinum. Man unterscheidet folgende Formen ( 1 B-23.25): π Hiatusgleithernie: Die Kardia ist durch den Hiatusschlitz in das Mediastinum getreten und liegt inspiratorisch oberhalb, exspiratorisch unterhalb des Diaphragmas. π paraösophageale Hernie: Bei einer in Höhe des Hiatus oesophagei fixierten Kardia findet sich eine Magentasche oberhalb des Zwerchfells. π Upside-down-stomach: Der gesamte Magen findet sich mit der großen Kurvatur nach kranial liegend gedreht im Mediastinum.
Pathogenese. Aufgrund eines unphysiologisch großen Durchmessers
(Lücke) des Hiatus oesophagei kommt es zu einer Verkürzung des intraabdominellen Ösophagusabschnitts mit mediastinaler Verlagerung der Kardia und des Magenfundus. Infolge dieses Mechanismus streckt sich der HisWinkel, und die Kardia wird schlussunfähig.
Symptome. Bereits im Neugeborenenalter kommt es nach der Nahrungsauf-
nahme zum Erbrechen. Das Erbrochene kann im weiteren Verlauf Hämatin enthalten. Durch den ständigen Magensaftreflux entsteht eine erosive Ösophagitis mit daraus resultierenden Schmerzen.
Diagnose. Die obere Magen-Darm-Passage (Gastrographie/Ösophagogra-
phie) objektivieren das Ausmaß der Hernie sowie des gastroösophagealen Refluxes. Die Ösophagoskopie objektiviert das Ausmaß ösophagitischer Veränderungen. Zusätzlich: Manometrie und 24-Stunden-pH-Metrie.
Pylorusmuskulatur
Prognose. Die Prognose ist gut.
23.2.2
Hiatushernie
Definition
Pathogenese. Aufgrund eines unphysiologisch großen Durchmessers des Hiatus oesophagei kommt es zu einer Mediastinalverlagerung von Kardia und Magenfundus, der His-Winkel streckt sich und die Kardia wird schlussunfähig. Symptome. Bereits im Neugeborenenalter kommt es nach der Nahrungsaufnahme zum Erbrechen. Im weiteren Verlauf kann sich eine erosive Ösophagitis entwickeln. Diagnose. Die obere Magen-DarmPassage, die Ösophagoskopie und die Manometrie sichern die Diagnose.
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846
23 Kinderchirurgie
1 B-23.25
Synopsis Formen der Hiatushernie
a Normalzustand (spitzer His-Winkel).
b Hiatusgleithernie.
c Paraösophageale Hernie.
d Upside-down-stomach.
Differenzialdiagnose. Das Erbrechen bei hypertrophischer Pylorusstenose ist schwallartig.
Differenzialdiagnose. Hypertrophe Pylorusstenose: Im Vergleich zu dem
Therapie. Zunächst erfolgt ein konservativer Therapieversuch mit sitzender Position bei der Nahrungsaufnahme und die Gabe von Antazida. Bei erfolgloser konservativer Therapie sowie den ausgeprägten Formen ist eine Operation angezeigt mit einer Hiatusplastik und Gastropexie, evtl. kombiniert mit einer Fundoplicatio nach Nissen.
Therapie. Im Neugeborenen- und jungen Säuglingsalter erfolgt ein konser-
kurzzeitig nach der Nahrungsaufnahme auftretenden Erbrechen bei der Hiatushernie ist das Erbrechen der Pylorusstenose schwallartig.
vativer Therapieversuch mit angedickter Nahrung in sitzender Position bei der Nahrungsaufnahme und der Gabe von Antazida. Bei erfolgloser konservativer Therapie sowie den ausgeprägten Formen einer Hiatusgleithernie mit Refluxösophagitis bzw. paraösophagealen Hernie ist die Operation angezeigt. Nach medianer Oberbauchlaparotomie erfolgt die Verlagerung der mediastinal gelegenen Magenanteile und der Kardia nach intraabdominell. Durch eine Vereinigung der beiden retroösophagealen Hiatusschenkel wird eine Einengung des Hiatus im Sinne einer Hiatusplastik durchgeführt. Eine Gastropexie erfolgt an der vorderen Bauchwand. Ein ergänzendes Verfahren stellt die Fundoplicatio nach Nissen dar: Der freipräparierte Fundus des Magens wird manschettenförmig um den terminalen Ösophagus geschlungen.
Prognose. Sie ist abhängig vom Ausmaß der ulzerösen Ösophagitis.
Prognose. Bei nicht zu ausgeprägten narbigen Veränderungen nach ulzerö-
23.2.3
23.2.3
Invagination
Definition
Pathogenese. In 80–90 % der Fälle bleibt die Ursache unbekannt. In einigen Fällen werden Pseudotumoren (z.B. Darmpolyp, Meckel-Divertikel usw.) durch die Peristaltik in das
ser Ösophagitis im terminalen Ösophagus sind die Ergebnisse gut.
Invagination
n Definition. Eine Invagination ist eine Einstülpung eines Darmsegments in das Lumen des sich aboral anschließenden Darms mit Vorschieben des Invaginats in analer Richtung. Mit einer Inzidenz von 1,5 bis 4 Erkrankungen auf 1000 Lebendgeborene stellt die Invagination eine der häufigsten Ileusursachen dar.
Pathogenese. In 80–90 % der Fälle bleibt die Ursache unbekannt. Eine Erklä-
rung, warum es zu einer Invagination gekommen ist, findet sich bei den Fällen, bei denen im Darmlumen in oder an der Darmwand oder im benachbarten Mesenterium Gewebsveränderungen bestehen, wie z.B. ein Darmpolyp, ein Meckel-Divertikel, eine enterogene Zyste oder mesenteriale Lymph-
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23.2.3 Invagination
847
knotenvergrößerungen. Diese Pseudotumoren werden durch die Peristaltik in das Darmlumen gezogen und führen zu der Invagination. Aus der Kompression der Mesenterialgefäße an der Eintrittsstelle der Invagination resultiert eine venöse Rückflussstörung mit Ödem und Blutung aus der Darmwand und Schleimhaut. Später kommt es zu einer Verklebung der invaginierten, aufeinander liegenden Serosaflächen.
Darmlumen gezogen und führen zur Invagination. Es kommt zur venösen Stauung mit Ödem und Blutungen aus der Darmwand.
Klassifikation. Nach der Lokalisation werden folgende Invaginationstypen unterschieden ( 1 B-23.26). π ileoileale Invagination: Einstülpung von Ileum in Ileum ( 1 B-23.27 ) π ileokolische Invagination: Ileum ist ohne Beteiligung des Zäkalpols und der Appendix in das Kolon invaginiert π ileozäkale Invagination: das terminale Ileum und Zäkum/Appendix liegen vorgeschoben im Kolon π kolokolische Invagination: Kolon ist in das Kolon eingestülpt. In 80 % der Fälle kommt es zu einer ileokolischen bzw. ileozäkalen Invagination.
Klassifikation. Nach der Lokalisation werden folgende Invaginationstypen unterschieden ( 1 B-23.26): π ileoileale Invagination ( 1 B-23.27) π ileokolische Invagination π ileozäkale Invagination π kolokolische Invagination.
1 B-23.26
In 80 % der Fälle kommt es zu einer ileokolischen bzw. ileozäkalen Invagination.
Synopsis Invaginationsformen
Ileum
Colon ascendens Zäkum
Appendix vermiformis
a Ileoileale Invagination.
b Ileokolische Invagination.
c Ileozäkale Invagination.
d Kolokolische Invagination.
1 B-23.27
Intraoperativer Befund bei ileoilealer Invagination ( Á)
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848
23 Kinderchirurgie
Symptome π kolikartige Bauchschmerzen π reflektorisches Erbrechen möglich π blutiger Stuhl.
Symptome. Aus vollkommenem Wohlbefinden heraus treten rezidivierende kolikartige Bauchschmerzen auf, die an Intensität zunehmen. Zusätzlich kommt es zu einem reflektorischen Erbrechen. Innerhalb der kolikfreien Intervalle ist das Kind beschwerdefrei. Im weiteren Verlauf kann es zum Vollbild eines mechanischen Ileus kommen.
Diagnose. Palpatorisch ist ein walzenförmiger Tumor tastbar. Bei der rektalen Untersuchung zeigen sich hellrote Blutauflagerungen am Fingerling. Abdominalsonographie (Kokardenphänomen) und Röntgenkontrastuntersuchung (Füllungsdefekte) sichern die Diagnose.
Diagnose. Palpatorisch lässt sich bei anfänglich weichem Abdomen der walzenförmige Invaginationstumor – z.B. bei ileozäkaler Invagination – im rechten Mittel- und Unterbauch palpieren. Die rektale Untersuchung ist zunächst unauffällig, zeigt aber im weiteren Verlauf infolge blutiger Transsudation des gestauten Invaginats hellrotes Blut am untersuchenden Finger. Die Abdominalsonographie und Röntgenkontrastuntersuchung sichern die Diagnose. π Abdominalsonographie: Das Invaginat kommt im Querschnitt als Kokardenphänomen zur Darstellung. π Röntgenkontrastuntersuchung: Die transrektale Kolonkontrastdarstellung zeigt entsprechend der Lokalisation und Länge des Invaginats unterschiedlich ausgeprägte Füllungsdefekte.
Therapie. Liegt das intestinale Invaginationsereignis weniger als 24 Stunden zurück, ist unter Operationsbereitschaft der sonographisch bzw. radiologisch kontrollierte Repositionsversuch indiziert (retrograde hydrostatische Reposition) ( 1 B-23.28).
Therapie. Liegt das intestinale Invaginationsereignis weniger als 24 Stunden zurück, ist unter Operationsbereitschaft der sonographische bzw. radiologisch kontrollierte Repositionsversuch indiziert (retrograde hydrostatische Reposition). Mittels transrektal eingebrachten Kontrastmittels oder RingerLactat-Lösung wird unter mäßigem Druck (der Irrigator darf maximal 1 Meter über dem Patienten stehen) die Desinvagination versucht ( 1 B-23.28). Eine weitere Methode ist die pneumatische Desinvagination: Anstelle der beschriebenen Flüssigkeiten wird Luft mit einem Druck von 80–100 mmHg im Intervall transrektal insuffliert.
1 B-23.28
Invagination
a Röntgenologische Darstellung einer ileokolischen Invagination (Á), (Querkolon [Á Á]).
b Röntgenologische Darstellung nach Desinvagination mittels Kontrastmittel (Colon ascendens [Á], Querkolon [Á Á Á], Colon descendens [Á Á]).
Die Erfolgsrate bei der konservativen Therapie liegt bei 50–70 %. Lässt sich das Invaginat nicht vollständig reponieren oder liegt der Erkrankungsbeginn > 24 Stunden zurück, erfolgt die operative Maßnahme. Der nicht reponierbare Invaginationstumor wird reseziert und eine End-zu-End-Anastomose durchgeführt.
Die Erfolgsrate bei der konservativen Therapie liegt bei 50–70 %. Lässt sich das Invaginat nicht vollständig reponieren oder liegt der Erkrankungsbeginn > 24 Stunden zurück, erfolgt die operative Maßnahme: Nach vorsichtigem manuellen Herausdrücken des Invaginats aus dem distalen Darmabschnitt (Hutchinson-Handgriff), erfolgt die Fixation z.B. des terminalen Ileum am Colon ascendens durch einzelne Nähte. Der nicht reponierbare Invaginationstumor wird reseziert und eine End-zuEnd-Anastomose durchgeführt.
Prognose. Die Letalität liegt < 1 %, die Rezidivrate bei konservativer Therapie beträgt 3–5 %.
Prognose. Die Letalität bei Früherkennung liegt < 1 %. Die Rezidivrate der konservativ behandelten Fälle beträgt 3–5 %.
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23.2.5 Megacolon congenitum 23.2.4
Appendizitis
23.2.4
Appendizitis (s. Kap. B-5.2)
Megacolon congenitum
23.2.5
Megacolon congenitum
(s. Kap. B-5.2)
23.2.5
Synonym: Morbus Hirschsprung. Aganglionose. n Definition. Das Megacolon congenitum ist gekennzeichnet durch eine Motilitätsstörung des Dickdarms infolge Fehlens der Ganglienzellen des Plexus myentericus und submucosus.
Definition
Die Häufigkeit beträgt 1 auf 3000–5000 Geburten. Knaben sind 4-mal häufiger als Mädchen betroffen.
Die Häufigkeit beträgt 1 : 3000–5000 Geburten. Knaben/Mädchen 4 : 1.
Pathogenese. Die Ganglienzellen wandern in kraniokaudaler Richtung in
Pathogenese. Bleibt die Einwanderung von Ganglienzellen in den Darm in der Fetalzeit aus, bleiben die entsprechenden Darmabschnitte eng gestellt und stellen ein funktionelles Hindernis dar. Das Rektosigmoid ist am häufigsten befallen.
Klassifikation. Entsprechend der Länge der aganglionären Segmente lassen
Klassifikation. Entsprechend der Länge der aganglionären Segmente lassen sich folgende Formen unterscheiden: π anale Form π rektosigmoidale Form ( 1 B-23.29) π lange Form π subtotale kolische Form π totale kolische Form.
den Darm ein und erreichen in der 12. Fetalwoche den Anus. Ab der 6. Fetalwoche oder später (bis 9. Fetalwoche) kann diese Einwanderung aufhören, woraus ein Fehlen der Ganglienzellen des Plexus myentericus und submucosus der distalen Darmabschnitte bis zum Anus, in welche die Einsprossung der Ganglienzellen noch nicht erfolgt ist, resultiert. Je früher die Störung einsetzt, desto länger ist der aganglionäre Darmabschnitt ab Anus in oraler Richtung. Das Fehlen der intramuralen Ganglienzellen führt zu einer Hypertrophie der präganglionären parasympathischen Nervenfasern in der Lamina propria mucosae, Muscularis mucosae und den zirkulären Muskelfasern, die vermehrt das Enzym Acetylcholinesterase freisetzen. Die aganglionären Darmabschnitte bleiben eng gestellt und stellen ein funktionelles Hindernis dar. Am häufigsten ist das Rektosigmoid befallen.
sich folgende Formen unterscheiden: π anale Form: Megakolon mit ultrakurzem Segment mit 2–4 cm langer Aganglionose des Analkanals und des anschließenden Rektums π rektosigmoidale Form: Fehlen der Ganglienzellen im Bereich des rektosigmoidalen Übergangs (klassischer Morbus Hirschsprung) ( 1 B-23.29). π lange Form: Aganglionose bis in den Bereich der linken Flexur π subtotale kolische Form: die Aganglionose überschreitet die linke Flexur nach oral π totale kolische Form: Aganglionose des gesamten Kolons (Zuelzer-Wilson-Syndrom). π Sonderformen: Hypoganglionose: Es handelt sich um eine fehlerhafte Entwicklung des sakralen Parasympathikus mit gestörter Einsprossung der Ganglienzellen in die Darmwand, woraus sich eine Verminderung der Anzahl der Ganglienzellen und daraus resultierender Motilitätsstörung des betroffenen Darmabschnittes ergibt. Neuronale intestinale Dysplasie: Bei einer normalen Ganglienzellzahl liegt eine isolierte Störung der Ganglienzellen bzw. eine fehlerhafte Ausbildung der parasympathischen Nervenfasern im Synapsenbereich der intramuralen Ganglienzellen bzw. postganglionär vor.
Symptome. Da der aganglionäre eng gestellte Darmabschnitt ein funktio-
nelles Hindernis darstellt, welches die propulsive Peristaltik des oral liegenden gesunden Darms auf Dauer nicht überwinden kann, kommt es nach einer ausgeprägten Erweiterung und Wandhypertrophie zu einer Motilitätsstörung des Kolons, die in 70 % der Fälle zu einem Ileus, in 30 % zu einer Enterokolitis führt. Entsprechend der Länge des aganglionären Segments resultieren unterschiedliche klinische Verläufe. Bei fehlendem Mekoniumabgang entwickelt sich im Neugeborenenalter ein zunehmend geblähtes Abdomen.
Sonderformen Hypoganglionose π neuronale intestinale Dysplasie. π
Symptome. Der aganglionäre eng gestellte Darmabschnitt stellt ein funktionelles Hindernis dar. Es kommt zu einer Motilitätsstörung des Kolons, die in 70 % zu einem Ileus, in 30 % zur Enterokolitis führt. Entsprechend der Länge des aganglionären Segments resultieren unterschiedliche klinische Verläufe.
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23 Kinderchirurgie
1 B-23.29
Megacolon congenitum (rektosimoidale Form)
a Operationssitus bei Megacolon congenitum. Dilatation des Colon transversum und descendens bei Engstellung des Sigma-Rektums.
b Kolonkontrastdarstellung mit sich darstellendem Lumensprung ( Á).
Die Symptome reichen von chronischer Obstipation mit Darmentleerungsstörungen bis zu intermittierend auftretenden Subileuserscheinungen mit meteoristisch geblähtem Abdomen.
Bei Vorliegen eines kurzen oder ultrakurzen Segmentes besteht eine chronische Obstipation mit Darmentleerungsstörungen, die bei stärkerem Ausprägungsgrad bis hin zu intermittierend auftretenden Subileuserscheinungen mit meteoristisch geblähtem Abdomen führen können.
Diagnose. Die rektale Untersuchung tastet eine leere Ampulle. Die Abdomenübersichtsaufnahme im Hängen zeigt typische Flüssigkeitsspiegel, die Kolonkontrastdarstellung den typischen Lumensprung ( 1 B-23.29 b) und die histochemische Untersuchung eine erhöhte Acetylcholinesteraseaktivität im Bereich des aganglionären Darmsegments. Manometrie und Saugbiopsie ergänzen die Diagnostik.
Diagnose. Die rektale Untersuchung tastet eine leere Rektumampulle. Die
Abdomenübersichtsaufnahme im Hängen zeigt typische Flüssigkeitsspiegel, wobei die Überblähung der Darmschlingen eine deutliche Abgrenzung des Kolonrahmens objektiviert. Bei Vorliegen eines Megacolon congenitum zeigt die Kolonkontrastdarstellung den sog. Lumensprung ( 1 B-23.29 b): Der hypertrophierte, stark erweiterte gesunde Darm geht trichterförmig in das aganglionäre enge Segment über. Diese typische Megabildung oder Dilatation des gesunden Darms mit trichterförmigem Übergang zum enggestellten aganglionären Segment ist häufig im Neugeborenen- und frühen Säuglingsalter noch nicht vorhanden. Bei der anorektalen Manometrie ist nach Erhöhung des rektalen Drucks die Relaxation des M. sphincter ani internus nicht auslösbar. Mit der Saugbiopsie werden im Rektum stecknadelkopfgroße Schleimhautgewebsproben entnommen (1, 3 und 5 cm oberhalb des Anus). Beim Morbus Hirschsprung ergibt die histochemische Untersuchung eine erhöhte Acetylcholinesteraseaktivität im Bereich des aganglionären Darmsegments. Falsch positive Ergebnisse mit erhöhter Enzymaktivität sind bei einer Enterokolitis möglich. Die Verlässlichkeit der Kolonkontrastuntersuchung liegt bei 65 %, der Manometrie bei 95 %, der Acetylcholinesterasebestimmung in Rektumschleimhautbiopsien bei 97 %.
Therapie. Die operative Behandlung besteht in einer Resektion des gesamten aganglionären Segments unter Einbeziehung des dilatierten vorgeschalteten Dickdarmabschnitts. Um die Kontinenz nicht zu gefährden, erfolgt die Resektion unter Belassung eines aganglionären Restsegments von 3–4 cm oberhalb der Linea dentata.
Therapie. Die operative Behandlung besteht in einer Resektion des gesam-
Prognose. Die Prognose ist gut.
Prognose. Die Prognose ist gut.
ten aganglionären Segments unter Einbeziehung des dilatierten vorgeschalteten Dickdarmabschnitts. Um die Kontinenz nicht zu gefährden, erfolgt die Resektion unter Belassung eines aganglionären Restsegments von 3–4 cm oberhalb der Linea dentata. Bei Vorliegen eines ultrakurzen Segments wird eine Sphinkteromyotomie (partielle Durchtrennung der Sphinktermuskulatur) durchgeführt, um den erhöhten Druck im M. sphincter ani internus herabzusetzen und somit die Defäkation zu erleichtern. Hierdurch besteht keine Gefahr der Inkontinenz.
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23.2.6 Nabelhernie 23.2.6
Nabelhernie
23.2.6
n Definition. Die Nabelhernie ist eine Lücke im Zentrum der Nabelplatte mit peritonealer Ausstülpung.
Nabelhernie
Definition
In den ersten Lebensmonaten findet sich bei zahlreichen Säuglingen eine Nabelhernie: Die Häufigkeit liegt bei einem Geburtsgewicht zwischen 1000–1500 g bei 80 %. Liegt dieses über 2500 g, beträgt die Häufigkeit noch 20 %. Innerhalb des 1. Lebensjahres kommt es bei der Mehrzahl der Säuglinge zu einem spontanen Verschluss.
Die Häufigkeit liegt bei einem Geburtsgewicht zwischen 1000–1500 g bei 80 %. Liegt dieses über 2500 g, beträgt die Häufigkeit noch 20 %.
Pathogenese. Physiologisch bildet sich nach Abfall des eingetrockneten
Pathogenese. Nach Abfall der Nabelschnur bildet sich eine bindegewebige Nabelplatte. Bei unvollständiger Ausbildung bleibt eine Lücke im Zentrum des Nabels bestehen ( 1 B-23.30).
Nabelschnurbetts eine bindegewebige Nabelplatte, die überhäutet wird und sich durch narbige Retraktion im Laufe des 1. Lebensjahres verschließt. Bei unvollständiger Ausbildung dieser Nabelplatte verbleibt eine Lücke im Zentrum des Nabels mit peritonealer Ausstülpung ( 1 B-23.30). Dabei sind Frühgeburtlichkeit und Dystrophie begünstigende Faktoren.
1 B-23.30
Synopsis Nabelhernie
Netz Bruchsack Peritoneum parietale Linea alba
Darmschlingen (quer)
Spatium praeperitoneale a Prolaps von Omentum in der Bruchsack.
b Große Nabelhernie.
Symptome. Bei Betätigung der Bauchpresse oder in senkrechter Position
Symptome. Bei Betätigung der Bauchpresse oder beim Stehen kommt es zu einer Vorwölbung im Bereich des Nabels ( 1 B-23.30). Die Reposition ist meist unkompliziert möglich, Inkarzerationen sind selten.
Diagnose. Die Diagnose ergibt sich aus dem klinischen Bild. Palpatorisch tastet man mit dem Finger die Lückenbildung auf dem Nabelgrund.
Diagnose. Die Diagnose ergibt sich aus dem klinischen Bild.
Therapie. Aufgrund der Erfahrung, dass es im Laufe des 1. Lebensjahres bei zahlreichen Kindern zu einem spontanen Verschluss der Nabelhernie kommt, ist innerhalb dieses Zeitraums die abwartende Haltung gerechtfertigt. Eine relative Operationsindikation im Säuglingsalter ergibt sich bei Vorliegen übergroßer (Durchmesser 3–4 cm) Bruchlücken mit Prolaps von Abdominalinhalt oder bei Inkarzerationsgefahr. Persistiert die Nabelhernie über das 1. Lebensjahr hinaus, ist die absolute Operationsindikation gegeben.
Therapie. Meist kommt es im Laufe des 1. Lebensjahres zu einem spontanen Verschluss, der eine abwartende Haltung rechtfertigt. Eine relative Operationsindikation im Säuglingsalter ergibt sich bei Vorliegen übergroßer Bruchlücken oder bei Inkarzerationsgefahr. Persistiert die Nabelhernie über das 1. Lebensjahr hinaus, ist die absolute Operationsindikation gegeben.
kommt es in Abhängigkeit des Durchmessers der Bruchpforte infolge Prolabieren von Omentum bzw. einer Darmschlinge in den Bruchsack zu einer erbs- bis kirschgroßen Vorwölbung im Bereich des Hautnabels ( 1 B-23.30). Da die Bruchpforte (1,5–2 cm) im Verhältnis zum Bruchsack eine ausreichende Weite aufweist, ist die Reposition unkompliziert möglich. In der Regel kommt es bereits in liegender Position in Ruhe zur spontanen Reposition. Inkarzerationen sind die Ausnahme. Subjektive Beschwerden finden ihre Erklärung in der Verwachsung eines Netzzipfels mit dem peritonealen Bruchsack.
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23 Kinderchirurgie Operatives Vorgehen: Nach halbbogenförmigem kaudalen Umschneiden des Nabels Darstellen des Bruchsacks, der eröffnet und reseziert wird. Verschluss der Faszienlücke durch Einzelknopfnähte bei Rekonstruktion des Nabels durch Fixation des Nabelgrundes an der Faszie.
π Operatives Vorgehen: Der Bruchsack wird eröffnet und reseziert, die Faszienlücke verschlossen und der Nabelgrund an der Faszie fixiert.
π
Supraumbilikale Hernie
Supraumbilikale Hernie
Die Bruchpforte ist mediokranial oberhalb des Nabelgrundes lokalisiert. Das operative Vorgehen ist das gleiche wie bei der Nabelhernie.
Die Bruchpforte ist mediokranial oberhalb des Nabelgrundes lokalisiert. Bei gleichzeitigem Vorliegen einer Nabelhernie findet sich zwischen den beiden Bruchpforten ein quer verlaufendes Faszienband. Das operative Vorgehen ist das gleiche wie bei der Nabelhernie.
Epigastrische Hernie
Epigastrische Hernie
Durch kleine Faszienlücken im Bereich der Linea alba kranial des Nabels können präperitoneale Lipome prolabieren. In der Subkutis sind kleine Pseudotumoren palpabel.
Durch kleine Faszienlücken die im Bereich der Linea alba kranial des Nabels bestehen können präperitoneale Lipome prolabieren. Klinisch finden sich palpable linsengroße Pseudotumoren in der Subkutis. Operationstechnisch wird das Lipom nach einer Ligatur abgetragen und anschließend die Faszienlücke durch Einzelknopfnähte verschlossen.
23.2.7
23.2.7
Persistierender Ductus omphaloentericus/ Meckel-Divertikel
Persistierender Ductus omphaloentericus/ Meckel-Divertikel
n Definition. Hierbei handelt es sich um Überreste der embryonalen Verbindung zwischen Darm und Nabel ( 1 B-23.31).
Definition
Pathogenese. Obliteriert der Ductus omphaloentericus nicht in der 7. Fetalwoche, kann er teilweise oder ganz persistieren.
1 B-23.31
Pathogenese. Obliteriert der Ductus omphaloentericus – die embryonale Verbindung des Dottersacks mit der Kuppe der Nabelschleife – nicht in der 7. Fetalwoche, kann er teilweise oder in ganzer Ausdehnung persistieren. Bleibt das darmnahe Ende bestehen, entwickelt sich das Meckel-Divertikel.
Synopsis Residualvarianten des Ductus omphaloentericus
Ileum
a Meckel-Divertikel ( Á).
b Meckel-Divertikel mit Strang zum Nabel (Á).
d Persistierender Ductus omphaloentericus (Á).
e Dottergangszyste (Á).
c Nabelfistel ( Á).
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23.2.7 Persistierender Ductus omphaloentericus/Meckel-Divertikel Von diesem kann der restliche obliterierte Ductus als strangförmige Verbindung zum Nabel ziehen. Das Divertikel, das bei ca. 0,5–3 % der Bevölkerung vorhanden ist, liegt meist innerhalb eines Meters oral der Ileozäkalklappe und kann ektopes Gewebe des gesamten Magen-Darm-Traktes enthalten. Zu 30-50 % handelt es sich um ektope Magenschleimhaut oder Pankreasgewebe (5 %). Eine Nabelfistel entsteht aus dem offen gebliebenen Rest des Duktus am Nabel. Persistiert der Duktus in seiner ganzen Ausdehnung, verbindet ein Fistelgang das Ileum mit dem Nabel. Kommt es bei Persistenz des Duktus zum Verschluss am Nabel und Darm, entsteht eine sog. Dottergangszyste.
Bleibt das darmnahe Ende bestehen, entwickelt sich das Meckel-Divertikel (in 0,5–3 %). Es ist meist innerhalb eines Meters oral der Ileozäkalklappe lokalisiert und kann ektopes Gewebe des gesamten Magen-Darm-Trakts enthalten. Eine Nabelfistel entsteht aus dem offen gebliebenen Rest des Duktus am Nabel.
Ductus omphaloentericus
Ductus omphaloentericus
Symptome. Im Nabelgrund findet sich nach Abfallen des Nabels eine mit
Symptome. Im Nabelgrund befindet sich eine Öffnung, aus der sich Stuhl entleert.
Diagnose. Der Fistelgang ist sonographisch und röntgenologisch nach Instillation von wasserlöslichem Kontrastmittel darstellbar.
Diagnose. Der Fistelgang ist sonographisch und röntgenologisch darstellbar.
Therapie. Nach Eröffnung des Abdomens bei halbbogenförmigem subumbi-
Therapie. Es erfolgt die Resektion der Fistel.
Meckel-Divertikel
Meckel-Divertikel
Symptome. In den meisten Fällen bestehen keine Symptome. Gelegentlich
Symptome. Meist bestehen keine Symptome. Gelegentlich treten Abdominalbeschwerden oder rektale Blutungen auf.
Diagnose. Die Diagnose ergibt sich bei Komplikationen wie Ulkusblutung
Diagnose. Die Diagnose ergibt sich bei Komplikationen wie Ulkusblutung aus ektoper Magenschleimhaut, Perforation bei Ulkus oder Entzündung des Divertikels, Ileus durch Invagination oder Strangulation. Meist handelt es sich um einen Zufallsbefund bei Appendektomie. Ektope Magenschleimhaut lässt sich durch eine Technetium-Szintigraphie nachweisen ( 1 B-23.32).
rötlicher Schleimhaut ausgekleidete zentrale Öffnung, aus der sich Schleim und Stuhl entleert.
likalen Hautschnitt Darstellung der Fistelverbindung, die am Nabel und Ileum reseziert wird.
können Abdominalbeschwerden beobachtet werden bzw. rektale Blutungen auftreten.
aus ektoper Magenschleimhaut, Perforation bei Ulkus oder Entzündung des Divertikels, Ileus durch Invagination oder Strangulation. In der Mehrzahl der Fälle findet sich das Divertikel als Zufallsbefund bei der Appendektomie oder anderen abdominellen Eingriffen. Der Nachweis ektoper Magenschleimhaut im Divertikel ist durch eine Technetium-Szintigraphie mit hoher Sensitivität und Spezifität möglich ( 1 B-23.32).
1 B-23.32
Technetium-Szintigraphie
Technetium-Szintigraphie mit fokaler Anreicherung in den Belegzellen des Magens ( Á) sowie ektopen Belegzellen des Meckel-Divertikels (re. Mittelbauch) (Á Á).
Therapie. Nach ovalärer Exzision des Divertikels erfolgt die quere Anastomosierung der Darmwandresektionsränder.
Therapie. Es erfolgt die Exzision des Divertikels.
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23 Kinderchirurgie
n Merke. Grundsätzlich sollte aufgrund der Komplikationsmöglichkeiten auch das reizlose Meckel-Divertikel entfernt werden, wenn es intraoperativ als Zufallsbefund entdeckt wird.
Merke
Prognose. Die Prognose ist gut.
Prognose. Die Prognose ist gut.
23.2.8
23.2.8
Urachusfistel
Urachusfistel
n Definition. Die Urachusfistel ist eine Fistel zwischen Harnblase und Nabel.
Definition
Pathogenese. Obliteriert die fetale Verbindung zwischen Blase und Nabel nicht, bleibt eine Urachusfistel bestehen.
Pathogenese. Die fetale Verbindung zwischen Blasenscheitel und Nabel,
Symptome und Diagnose. Der Nabel sondert eine klare Flüssigkeit ab. Der Nachweis gelingt durch die Abdominalsonographie und das MCU.
Symptome und Diagnose. Der in der Neugeborenenperiode klare Flüssig-
Therapie. Es erfolgt die Resektion der Fistelverbindung.
Therapie. Es erfolgt die Resektion der Fistelverbindung im Bereich des
Prognose. Die Prognose ist gut.
Prognose. Die Prognose ist gut.
23.2.9
23.2.9
Leistenhernie/Hydrozele
der Urachus, entwickelt sich aus dem kranialen Alantoisabschnitt. Obliteriert er nicht zum Lig. vesicoumbilicale mediale, bleibt die Verbindung als Urachusfistel bestehen. keit absondernde nässende Nabel ist das typische Symptom dieser Fistelverbindung. Die diagnostische Abklärung erfolgt durch die Abdominalsonographie und die Fisteldarstellung mittels des Miktionszystourethrogramms (MCU). Nabels sowie am Übergang in die Blasenwand.
Leistenhernie/Hydrozele
n Definition. Die angeborene Leistenhernie ( 1 B-23.33 a) ist eine durch den Leistenkanal verlaufende indirekte Hernie infolge eines offenen Processus vaginalis peritonei. Bei der Hydrozele ( 1 B-23.34) kommt es zur Flüssigkeitsansammlung im Bereich des Samenleiters (Hydrocele funiculi spermatici) ( 1 B-23.33 b) oder der Hodenhüllen (Hydrocele testis; 1 B-23.33 c) bei partiell offenem Processus vaginalis peritonei. Die Häufigkeit beträgt 3 %, bei Frühgeburten 4,8 %. Knaben sind 9 « häufiger betroffen als Mädchen.
Definition
1 B-23.33
Leistenhernie und Hydrozelenformen
a Leistenhernie mit Darm als Inhalt.
b Hydrocele funiculi sperma- c Hydrocele testis mit Flüssigkeit innerhalb tici mit Flüssigkeit der Hodenhüllen. innerhalb des Samenleiters.
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23 Kinderchirurgie
n Merke. Grundsätzlich sollte aufgrund der Komplikationsmöglichkeiten auch das reizlose Meckel-Divertikel entfernt werden, wenn es intraoperativ als Zufallsbefund entdeckt wird.
Merke
Prognose. Die Prognose ist gut.
Prognose. Die Prognose ist gut.
23.2.8
23.2.8
Urachusfistel
Urachusfistel
n Definition. Die Urachusfistel ist eine Fistel zwischen Harnblase und Nabel.
Definition
Pathogenese. Obliteriert die fetale Verbindung zwischen Blase und Nabel nicht, bleibt eine Urachusfistel bestehen.
Pathogenese. Die fetale Verbindung zwischen Blasenscheitel und Nabel,
Symptome und Diagnose. Der Nabel sondert eine klare Flüssigkeit ab. Der Nachweis gelingt durch die Abdominalsonographie und das MCU.
Symptome und Diagnose. Der in der Neugeborenenperiode klare Flüssig-
Therapie. Es erfolgt die Resektion der Fistelverbindung.
Therapie. Es erfolgt die Resektion der Fistelverbindung im Bereich des
Prognose. Die Prognose ist gut.
Prognose. Die Prognose ist gut.
23.2.9
23.2.9
Leistenhernie/Hydrozele
der Urachus, entwickelt sich aus dem kranialen Alantoisabschnitt. Obliteriert er nicht zum Lig. vesicoumbilicale mediale, bleibt die Verbindung als Urachusfistel bestehen. keit absondernde nässende Nabel ist das typische Symptom dieser Fistelverbindung. Die diagnostische Abklärung erfolgt durch die Abdominalsonographie und die Fisteldarstellung mittels des Miktionszystourethrogramms (MCU). Nabels sowie am Übergang in die Blasenwand.
Leistenhernie/Hydrozele
n Definition. Die angeborene Leistenhernie ( 1 B-23.33 a) ist eine durch den Leistenkanal verlaufende indirekte Hernie infolge eines offenen Processus vaginalis peritonei. Bei der Hydrozele ( 1 B-23.34) kommt es zur Flüssigkeitsansammlung im Bereich des Samenleiters (Hydrocele funiculi spermatici) ( 1 B-23.33 b) oder der Hodenhüllen (Hydrocele testis; 1 B-23.33 c) bei partiell offenem Processus vaginalis peritonei. Die Häufigkeit beträgt 3 %, bei Frühgeburten 4,8 %. Knaben sind 9 « häufiger betroffen als Mädchen.
Definition
1 B-23.33
Leistenhernie und Hydrozelenformen
a Leistenhernie mit Darm als Inhalt.
b Hydrocele funiculi sperma- c Hydrocele testis mit Flüssigkeit innerhalb tici mit Flüssigkeit der Hodenhüllen. innerhalb des Samenleiters.
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23.2.9 Leistenhernie/Hydrozele
1 B-23.34
Hydrocele testis beidseits
Pathogenese. Die bei der Wanderung des Hodens in das Skrotum erfolgte
Pathogenese. Der Processus vaginalis peritonei obliteriert unvollständig oder gar nicht nach abgeschlossenem Descensus testis.
Symptome. Bei der Leistenhernie zeigt sich in senkrechter Position oder
Symptome. Bei der Leistenhernie zeigt sich im Bereich des äußeren Leistenrings eine Vorwölbung. Findet sich eine enge Bruchpforte, besteht erhöhte Inkarzerationsgefahr.
peritoneale Ausstülpung, der Processus vaginalis peritonei, ist nach abgeschlossenem Descensus testis unvollständig oder gar nicht obliteriert. Beim Mädchen verläuft der nicht obliterierte Processus vaginalis peritonei entlang des Lig. rotundum durch den Leistenkanal.
beim Pressen des Kindes distal des äußeren Leistenrings eine Vorwölbung, die sich in der horizontalen Lage in Ruhe spontan reponiert. Sind Bruchpforte und Leistenkanal weit, kann der Bruchsack mit Inhalt bis in das Skrotum reichen. Es imponiert ein dicker Wulst unterhalb des äußeren Leistenrings. Findet sich eine enge Bruchpforte, ist der Bruchsackinhalt schwierig zu reponieren. Es besteht erhöhte Inkarzerationsgefahr. Beim Mädchen in den ersten Lebenswochen findet sich häufig Ovar oder Tube als Bruchsackinhalt. In ca. 25 % der Fälle handelt es sich hierbei um Gleitbrüche. Läßt sich distal des äußeren Leistenrings im Verlauf des Samenstrangs ein abgrenzbares schmales Gebilde palpieren, welches nicht ausdrückbar ist, so handelt es sich in der Regel um eine Hydrocele funiculi. Kugelige Formen, die bis in das Skrotum reichen, sprechen für eine Hydrocele testis ( 1 B-23.34). Anamnestisch wird seitens der Mutter bei der Hydrocele testis häufig angegeben, dass die Schwellung im Bereich des Hodensäckchens abends stärker ist als am frühen Morgen. Die Erklärung ist darin zu suchen, dass die peritoneale Flüssigkeit in senkrechter Position im Laufe des Tages bei den Knaben über den kapillar offenen Processus vaginalis in die Hydrozele läuft, es in liegender Position (nachts) zu einem langsamen Zurücklaufen aus der Hydrozele in die Abdominalhöhle kommt.
Diagnose. Die Diagnose ergibt sich aus dem klinischen Befund. Die Diffe-
renzialdiagnose zwischen inkarzerierter Leistenhernie und Hydrocele funiculi bzw. testis kann schwierig sein. Im Zweifel sollte schnellstmöglich die Operation mit Eröffnung des Leistenkanals zur Abklärung des Befundes durchgeführt werden. n Merke. Die Diaphanie stellt keine sichere Methode zur Abklärung dar, da sich sowohl bei der Hydrozele wie auch bei der inkarzerierten Leistenhernie (Darmschlinge) ein diaphaniepositives Ergebnis findet.
Beim Mädchen in den ersten Lebenswochen findet sich häufig Ovar oder Tube als Bruchsackinhalt. Bei der Hydrocele funiculi lässt sich im Verlauf des Samenstrangs ein abgrenzbares schmales Gebilde tasten, bei der Hydrocele testis finden sich kugelige Formen, die bis in das Skrotum reichen ( 1 B-23.34).
Diagnose. Die Diagnose ergibt sich aus dem klinischen Befund. Die Differenzialdiagnose zwischen inkarzerierter Leistenhernie und Hydrocele funiculi bzw. testis kann schwierig sein.
Merke
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856 Therapie. Die Operationsindikation erfolgt mit Diagnosestellung. Das operative Vorgehen besteht in der Eröffnung des Leistenkanals bis in Höhe des inneren Leistenrings. Der offene Processus vaginalis peritonei wird verschlossen. Anschließend erfolgt der Verschluss der Leistenkanalvorderwand durch einzelne Nähte ohne Verstärkung der Hinterwand.
Bei der Hydrocele funiculi oder testis erfolgt das gleiche operationstechnische Vorgehen.
23 Kinderchirurgie
Therapie. Die Operationsindikation ist mit Diagnosestellung einer Leisten-
hernie gegeben, da von einem Spontanverschluss nicht auszugehen ist. Die Leistenhernie des Mädchens stellt eine dringliche Operationsindikation dar, da es durch Torsion von Tube oder Ovar zu Durchblutungsstörungen kommen kann. Das operative Vorgehen besteht in der Eröffnung des Leistenkanals bis in Höhe des inneren Leistenrings zwecks Darstellung des offenen Processus vaginalis peritonei, welcher beim Mädchen nach Eröffnung mittels einer Durchstechungsligatur am peritonealen Übergang verschlossen und abgetragen wird. Beim Knaben erfolgt das gleiche Vorgehen, nachdem zunächst die Vasa spermatica und der Ductus deferens von dem Bruchsack isoliert wurden. Abschließend erfolgt die Rekonstruktion der physiologischen Strukturen: der Verschluss der Leistenkanalvorderwand durch einzelne Nähte ohne Verstärkung der Hinterwand. Bei der Hydrocele funiculi oder testis erfolgt das gleiche operationstechnische Vorgehen mit Verschluss des häufig nur kapillar offenen Processus vaginalis in Höhe des inneren Leistenringes durch Naht. Bei der Hydrocele testis wird der Hydrozelensack, d.h. die äußeren Hodenhüllen, gespalten. Eine Resektion ist nicht erforderlich.
Prognose. Die Prognose ist gut.
Prognose. Die Prognose ist gut.
23.2.10 Wilms-Tumor
23.2.10
Wilms-Tumor
Synonym: Nephroblastom Definition
n Definition. Der Wilms-Tumor ist ein maligner Nierentumor des Kindesalters.
Pathogenese. Dem Wilms-Tumor liegt eine fehlerhafte Differenzierung embryonalen Nierengewebes zugrunde. Der Tumor wächst diffus und infiltrativ in Nachbarorgane. Die Metastasierung erfolgt lymphogen (paraaortal) und hämatogen (Lunge).
Pathogenese. Nach heutigen Erkenntnissen liegt der Entstehung des
Symptome. Neben uncharakteristischen Symptomen wie chronische Bauchschmerzen findet sich eine Umfangszunahme des Abdomens bei schmerzlosem palpablen Tumor. Weitere klinische Zeichen sind: Obstipation, Harnwegsinfekte, Gewichtszunahme, Blutdruckerhöhung sowie infolge pulmonaler Metastasen in seltenen Fällen Atemnot.
Symptome. Neben uncharakteristischen Symptomen – chronische Bauchschmerzen, unklare Temperaturerhöhung, Hämaturie – findet sich eine Umfangszunahme des Abdomens bei schmerzlosem palpablen Tumor, der häufig ein Zufallsbefund bei einer Routineuntersuchung ist. Besonders bei Säuglingen wird die Umfangszunahme des Abdomens als ein besonders gutes Gedeihen fehlgewertet. Weitere klinische Zeichen sind: Obstipation, Harnwegsinfekte, Gewichtsabnahme, Blutdruckerhöhung sowie infolge pulmonaler Metastasen in seltenen Fällen Atemnot.
Merke
Diagnose. Zur Diagnose und Stadieneinteilung werden i.v. Pyelogramm ( 1 B-23.35), Sonographie ( 1 B-23.36) Computertomographie, Röntgenthorax und in seltenen Fällen eine Kavographie durchgeführt.
Wilms-Tumors eine fehlerhafte Differenzierung embryonalen Nierengewebes zugrunde. Gelegentlich vorkommende konnatale Wilms-Tumoren unterstreichen die embryonale Genese. Das Tumorwachstum ist diffus und findet in der Regel in einer Niere zentral oder an einem Pol statt. Das progrediente Wachstum führt frühzeitig dazu, die Nierenkapsel zu durchbrechen und infiltrativ in Nachbarorgane und regionäre Lymphknoten einzuwachsen. Die Metastasierung erfolgt lymphogen (paraaortal) und hämatogen (Lunge). Bei 20 % der Kinder finden sich zum Zeitpunkt der Diagnosestellung pulmonale Metastasen.
n Merke. Unbedingt vorsichtig palpieren, es besteht die Gefahr der Tumorruptur.
Diagnose. Das intravenöse Pyelogramm zeigt eine Verdrängung und Verformung der Nierenkelche ( 1 B-23.35). Die Sonographie bzw. Computertomographie (CT) erlaubt eine Abgrenzung zystischer und solider Tumoranteile ( 1 B-23.36). Die Röntgen-Thoraxaufnahme dient dem Nachweis von Lungenmetastasen. In seltenen Fällen ist eine Kavographie zum Nachweis von Tumorzapfen indiziert. In der Regel wird heutzutage bei Verdacht auf V.-cava-Thrombose, Leber- und/oder Zwerchfellinfiltration sowie intrathorakaler Tumorausdehnung eine Kernspintomographie durchgeführt.
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857
23.2.10 Wilms-Tumor
1 B-23.35
1 B-23.36
Pyelogramm bei Wilms-Tumor
Rechtsseitige Tumordarstellung ( Á) bei einem 4-jährigen Knaben.
Es zeigt sich eine Verlagerung des rechten Ureters nach median ( Á).
Die postoperativ mögliche Stadieneinteilung zeigt
2 B-23.1
2
Sonographische Darstellung eines Wilms-Tumor
B-23.1.
Zur Stadieneinteilung s.
2
B-23.1.
Stadieneinteilung des Wilms-Tumor (National-Wilms-Tumor-Study/NWTS)
N Stadium I: n
der Tumor ist auf eine Niere beschränkt, die Nierenkapsel ist intakt und komplett resezierbar.
N Stadium II: n
der Tumor überschreitet die Nierengrenze, ist aber vollständig resezierbar.
N Stadium III: Tumor überschreitet die Kapsel oder das Nierenparenchym, n Tumor rupturiert bei Resektion, peritoneale Absiedlungen oder paraaortale Lymphknotenmetastasen. Der Tumor kann nicht vollständig entfernt werden, weil er lokal in lebenswichtige Strukturen infiltriert ist, die nicht reseziert werden können. N Stadium IV: hämatogene Metastasen in Lunge, Leber, Knochen, Hirn und n andere Organe. N Stadium V: n
bilaterale Wilms-Tumoren.
Therapie. Alle Nephroblastome werden im Rahmen von Studienprotokollen
national und international therapiert und erfasst. Das aktuelle Therapiekonzept sieht eine Kombination aus Operation, Bestrahlung und Chemotherapie vor, da Nephroblastome neben einer hohen Strahlensensibilität eine gute Ansprechbarkeit auf Zytostatika aufweisen. Hierbei ist zu beachten, dass in den meisten Fällen (auch Stadium I und II) eine Chemotherapie vor der Operation durchgeführt wird. Die Indikationsstellung zur Chemotherapie erfolgt allein aus der radiologischen Befundkonstellation ohne vorherige Tumorbiopsie und Gewebegewinnung, da ansonsten ein evtl. als Stadium I zu klassifizierender Tumor in ein Stadium III überführt werden würde. n
Merke. Keine Tumorbiopsie vor Therapiebeginn.
Prognose. Die Prognose ist ganz wesentlich vom Stadium abhängig. Die
Kombinationsbehandlung macht auch bei Vorliegen von Lungenmetastasen eine vollständige Heilung möglich.
Therapie. Sie erfolgt im Rahmen von Studienprotokollen als Kombination aus Radio-, Chemotherapie und Operation. In den meisten Fällen wird eine Chemotherapie vor der Operation durchgeführt, wobei die Indikationsstellung allein aus der radiologischen Befundkonstellation ohne vorherige Tumorbiopsie erfolgt.
Merke Prognose. Die Prognose ist ganz wesentlich vom Stadium abhängig.
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858 23.2.11 Neuroblastom
23 Kinderchirurgie 23.2.11
Neuroblastom
n Definition. Das Neuroblastom ist ein embryonaler, vom sympathischen Nervensystem ausgehender maligner Tumor.
Definition
Ca. 14 Erkrankungen pro 100 000 Kinder.
Es kommen ca. 14 Erkrankungen pro 100 000 Kinder vor, wobei 50 % bei der Diagnosestellung < 2 Jahre, 75 % < 4 Jahre alt sind. 70 % der Neuroblastome sind retroperitoneal lokalisiert.
Pathogenese. Von embryonalen sympathischen Neuroblasten ausgehender Tumor (Nebennierenmark, Sympathikusganglien).
Pathogenese. Der Tumor geht von embryonalen sympathischen Neuroblas-
Stadieneinteilung ( 2 B-23.2)
Stadieneinteilung. Für die Stadieneinteilung sind chirurgische und histolo-
ten entweder des Nebennierenmarkes oder der Sympathikusganglien aus. Entsprechend ist er in der Nebenniere oder im Bereich des Grenzstranges entlang der Wirbelsäule lokalisiert. gische Kriterien maßgebend ( 2 B-23.2).
2 B-23.2
Stadieneinteilung des Neuroblastoms (internationales Neuroblastomstadiensystem INSS)*
N Stadium I: n
lokalisierter Tumor mit makroskopisch kompletter Entfernung, repräsentative Lymphknoten tumorfrei
N Stadium II: n
unilateraler Tumor mit makroskopisch inkompletter Entfernung. Lymphknoten tumorfrei (a), regionale ipsilaterale LK positiv (b)
N Stadium III: n
bilateraler, nicht resektabler Tumor mit oder ohne Lymphknotenbefall oder unilateraler Tumor, mit kontralateralem Lymphknotenbefall
N Stadium IV: n
Disseminierung des Tumors in Knochenmark, Knochen, entfernte Lymphknoten, Leber, Haut und/oder andere Organe
N Stadium IV S: n
wie Stadium I–II und Disseminierung nur in Leber, Haut und/oder Knochenmark. Nur Säuglinge im 1. Lebensjahr.
* verkürzte Wiedergabe
Symptome. Die häufigsten Symptome des zervikal oder thorakal, meist jedoch abdominal lokalisierten Tumors sind Fieber, uncharakteristische Schmerzen und Gewichtsverlust. Als Folge einer Kompression der Spinalnerven können neurologische Ausfälle auftreten.
Symptome. Da sich der Tumor aus dem Grenzstrang entwickelt, kann er sowohl zervikal, thorakal als auch abdominal liegen. Am häufigsten ist der Tumor im Abdomen lokalisiert. Führende Symptome sind: π Fieber π uncharakteristische Schmerzen π Gewichtsverlust.
Diagnose. Sonographie, Computertomographie, MRT, 24-h-Urin: Erhöhung der Homovanillinsäure und Vanillinmandelsäure. Knochenmarkspunktion: Nachweis von Metastasen. Skelett- und Leberszintigraphie: Objektivierung des Metastasierungsausmaßes.
Diagnostik. Die Diagnose Neuroblastom erfolgt durch eine histologische Untersuchung des Tumorgewebes oder durch den Nachweis typischer Tumorzellnester im Knochenmark in Verbindung mit dem Nachweis erhöhter Katecholaminmetaboliten im Serum oder Urin: π Laborchemisch: Erhöhung der Katecholaminmetabolite (Vanillinmandelsäure, Homovanillinmandelsäure) π Histologie: – Gewebeprobeentnahme – Knochenmarkausstrich π Röntgen-Thorax π Sonographie Abdomen π Computertomographie oder Magnetresonanztomographie π mIBG-Szintigraphie. 123-Jod-Metajodbenzylguanidin (mIBG) reichert sich über die Katecholaminrezeptoren der Neuroblastomzellen im Tumorgewebe an. (Wichtig: Blockierung der Schilddrüse durch Kaliumjodid oder Natriumperchlorat-Tropfen erforderlich).
Therapie. Primär erfolgt die Resektion. Ist dies nicht möglich, erfolgt die Kombinationstherapie.
Therapie. Die Behandlung erfolgt risikoadaptierend. Das Risiko wird durch folgende Faktoren beschrieben: molekulargenetische Parameter (z. B. Nmyc-Amplifikation)
π
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23.3.1 Zystische Nierenerkrankungen Alter Stadium π Symptomatik π Volumen des in situ belassenen Tumors. Die Einteilung erfolgt dann in folgende Gruppen: π Beobachtungsgruppe π Standardrisikogruppe π Hochrisikogruppe. Je nach Stadium und Gruppenteilung wird eine differenzierte Kombination von Primär-Op, Zweit- bis Dritt-Op, Chemotherapie, Radiotherapie, autologem Stammzellsupport oder einer Immuntherapie mit monoklonalen Antikörpern durchgeführt. π π
Operationsverfahren: Die primäre Resektion wird zunächst angestrebt. Ist hierdurch eine Gefährdung des Patienten zu befürchten und eine maßgebliche Tumorreduktion nicht möglich, wird mit einer Chemotherapie nach Histologiegewinnung begonnen. Eine Besonderheit ergibt sich, wenn der Tumor in den Spinalkanal eingebrochen ist oder zu einer Querschnittssymptomatik geführt hat bzw. droht zu einer solchen zu führen. Hier sollte im Allgemeinen primär operativ begonnen werden.
π
Prognose. Die Remissionsrate ist wesentlich vom Stadium abhängig. Die
Rate des ereignisfreien Überlebens nach fünf Jahren sinkt von annähernd 100 % im Stadium I bis auf 31 % im Stadium IV. Sowohl im lokalisierten Stadium (I–III) als auch im metastasierten Stadium (IV + IV S) sind die Überlebenschancen im Säuglingsalter besser. Als bester molekularer Parameter zur Risikodiskriminierung hat sich die Nmyc-Untersuchung im Tumorgewebe erwiesen. Patienten mit NmycAmplifikation weisen eine schlechtere Prognose auf.
23.3
23.3.1
Urologische Erkrankungen im Kindesalter Zystische Nierenerkrankungen
n Definition. Zystische Nierenerkrankungen sind kongenitale zystische Anomalien im Bereich der Nieren. Man unterscheidet verschiedene Formen: π die multizystische Nierendysplasie (Zystenniere) π die polyzystische Nierendegeneration π die Nierenzysten.
Prognose. Sie ist wesentlich vom Stadium abhängig.
23.3
Urologische Erkrankungen im Kindesalter
23.3.1
Zystische Nierenerkrankungen
Definition
Pathogenese. Der Entstehung der zystischen Fehlbildungen der Niere liegt
Pathogenese. Infolge verspäteten/ unvollständigen Anschlusses der Tubuli an die Sammelrohre, führt die einsetzende Nierenfunktion in den Tubuli zur Harnstauung.Die sich zu Zysten ausdehnenden Tubuli gehen zugrunde.
Multizystische Nierendysplasie
Multizystische Nierendysplasie
folgende pathoembryologische Entwicklung zugrunde: Die Kontaktstelle zwischen dem metanephrogenen Gewebe und der Ureterknospe liegt im Bereich der Parenchymgrenze der Niere. Erfolgt ein verspäteter oder unvollständiger Anschluss der Tubuli an die Sammelrohre, führt die einsetzende Nierenfunktion in den Tubuli zu einer Harnstauung. Die sich zu Zysten ausdehnenden Tubuli gehen zugrunde.
Synonym: Zystenniere
Pathogenese. Einseitige vollständige Dysplasie des Nierenparenchyms bei Hypoplasie bzw. Atresie des Ureters.
Pathogenese. Einseitige vollständige Dysplasie des Nierenparenchyms mit hypoplastischem/atretischem Ureter.
Symptome. Im Neugeborenenalter findet sich ein palpabler Abdominaltumor. Die Niere besteht aus zahlreichen von Bindegewebe umgebenen traubenartigen Zysten unterschiedlicher Größe ( 1 B-23.37). Der Ureter stellt sich strangförmig dar oder fehlt.
Symptome. Es findet sich ein palpabler Abdominaltumor im Neugeborenenalter. Die Niere besteht aus zahlreichen Zysten ( 1 B-23.37).
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859
23.3.1 Zystische Nierenerkrankungen Alter Stadium π Symptomatik π Volumen des in situ belassenen Tumors. Die Einteilung erfolgt dann in folgende Gruppen: π Beobachtungsgruppe π Standardrisikogruppe π Hochrisikogruppe. Je nach Stadium und Gruppenteilung wird eine differenzierte Kombination von Primär-Op, Zweit- bis Dritt-Op, Chemotherapie, Radiotherapie, autologem Stammzellsupport oder einer Immuntherapie mit monoklonalen Antikörpern durchgeführt. π π
Operationsverfahren: Die primäre Resektion wird zunächst angestrebt. Ist hierdurch eine Gefährdung des Patienten zu befürchten und eine maßgebliche Tumorreduktion nicht möglich, wird mit einer Chemotherapie nach Histologiegewinnung begonnen. Eine Besonderheit ergibt sich, wenn der Tumor in den Spinalkanal eingebrochen ist oder zu einer Querschnittssymptomatik geführt hat bzw. droht zu einer solchen zu führen. Hier sollte im Allgemeinen primär operativ begonnen werden.
π
Prognose. Die Remissionsrate ist wesentlich vom Stadium abhängig. Die
Rate des ereignisfreien Überlebens nach fünf Jahren sinkt von annähernd 100 % im Stadium I bis auf 31 % im Stadium IV. Sowohl im lokalisierten Stadium (I–III) als auch im metastasierten Stadium (IV + IV S) sind die Überlebenschancen im Säuglingsalter besser. Als bester molekularer Parameter zur Risikodiskriminierung hat sich die Nmyc-Untersuchung im Tumorgewebe erwiesen. Patienten mit NmycAmplifikation weisen eine schlechtere Prognose auf.
23.3
23.3.1
Urologische Erkrankungen im Kindesalter Zystische Nierenerkrankungen
n Definition. Zystische Nierenerkrankungen sind kongenitale zystische Anomalien im Bereich der Nieren. Man unterscheidet verschiedene Formen: π die multizystische Nierendysplasie (Zystenniere) π die polyzystische Nierendegeneration π die Nierenzysten.
Prognose. Sie ist wesentlich vom Stadium abhängig.
23.3
Urologische Erkrankungen im Kindesalter
23.3.1
Zystische Nierenerkrankungen
Definition
Pathogenese. Der Entstehung der zystischen Fehlbildungen der Niere liegt
Pathogenese. Infolge verspäteten/ unvollständigen Anschlusses der Tubuli an die Sammelrohre, führt die einsetzende Nierenfunktion in den Tubuli zur Harnstauung.Die sich zu Zysten ausdehnenden Tubuli gehen zugrunde.
Multizystische Nierendysplasie
Multizystische Nierendysplasie
folgende pathoembryologische Entwicklung zugrunde: Die Kontaktstelle zwischen dem metanephrogenen Gewebe und der Ureterknospe liegt im Bereich der Parenchymgrenze der Niere. Erfolgt ein verspäteter oder unvollständiger Anschluss der Tubuli an die Sammelrohre, führt die einsetzende Nierenfunktion in den Tubuli zu einer Harnstauung. Die sich zu Zysten ausdehnenden Tubuli gehen zugrunde.
Synonym: Zystenniere
Pathogenese. Einseitige vollständige Dysplasie des Nierenparenchyms bei Hypoplasie bzw. Atresie des Ureters.
Pathogenese. Einseitige vollständige Dysplasie des Nierenparenchyms mit hypoplastischem/atretischem Ureter.
Symptome. Im Neugeborenenalter findet sich ein palpabler Abdominaltumor. Die Niere besteht aus zahlreichen von Bindegewebe umgebenen traubenartigen Zysten unterschiedlicher Größe ( 1 B-23.37). Der Ureter stellt sich strangförmig dar oder fehlt.
Symptome. Es findet sich ein palpabler Abdominaltumor im Neugeborenenalter. Die Niere besteht aus zahlreichen Zysten ( 1 B-23.37).
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860
23 Kinderchirurgie
1 B-23.37
Multizystische Nierendysplasie (Zystenniere)
Diagnose. Sonographie (traubenartige Zysten) und i.v. Pyelogramm (stumme Niere) sichern die Diagnose. In unklaren Fällen ist die CT oder MRT indiziert.
Diagnose. Mit Hilfe der Sonographie gelingt der Nachweis von traubenarti-
Therapie. Therapie der Wahl ist die Nephrektomie.
Therapie. Therapie der Wahl ist die Nephrektomie, welche bei Bestehen
Polyzystische Nierendegeneration
Polyzystische Nierendegeneration:
Entwicklungsstörung beider Nieren.
Bei dieser Entwicklungsstörung sind beide Nieren betroffen.
Infantile polyzystische Niere
Infantile polyzystische Niere
Symptome. Es findet sich eine ausgeprägte Organvergrößerung durch die Nieren schwammartig durchsetzende kleine Zysten. Häufig besteht zusätzlich eine Missbildung der Periportalfelder. Der Erbgang ist autosomal rezessiv. Das Abdomen ist beidseits aufgetrieben.
Symptome. Bei der infantilen Form, die klinisch bereits unmittelbar postpartal in Erscheinung tritt, handelt es sich um eine ausgeprägte Organvergrößerung, wobei kleine Zysten die Niere schwammartig durchsetzen. Der Erbgang ist autosomal rezessiv. Regelhaft findet sich auch eine Missbildung der Periportalfelder in der Leber mit einer periportalen Fibrose sowie einer Proliferation, Dilatation und frustranen Verzweigung von Gallenkanälchen. Es besteht ein beidseits aufgetriebenes Abdomen mit sonographisch objektivierbarer hochgradiger Organvergrößerung.
Prognose. Die Prognose ist infaust. Der Exitus letalis tritt innerhalb des 1. Lebensjahres ein.
Prognose. Die Prognose ist infaust. Der Exitus letalis tritt innerhalb des ersten Lebensjahres ein. Bei polyzystischer Degeneration lediglich der Nieren kann in Einzelfällen die sich entwickelnde Niereninsuffizienz durch die CAPD (kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse) überbrückt werden. Im Falle der guten körperlichen Entwicklung des Kindes käme ab einem Körpergewicht von ca. 10 kg die Nierentransplantation in Betracht.
Adulte polyzystische Niere
Adulte polyzystische Niere
Symptome. Es findet sich eine Zystenbildung in beiden Nieren unterschiedlichen Ausmaßes. Die Erkrankung wird meist erst um das 40. Lj. erkannt, der Erbgang ist autosomal dominant.
Symptome. Das Ausmaß der Zystenbildung in den beiden Nieren kann sich
gen Zysten. Im i.v. Pyelogramm stellt sich die Niere stumm dar. In unklaren Fällen wird eine Computertomographie (CT) oder eine Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt.
abdomineller Verdrängungserscheinungen bereits im Neugeborenenalter indiziert ist.
quantitativ deutlich unterscheiden. Der Erbgang ist autosomal dominant. Die Bezeichnung »adult« ist nicht ganz exakt, da sich diese Form bereits im Kindesalter nachweisen lässt, die Krankheitszeichen manifestieren sich aber oft erst im Erwachsenenalter.
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861
23.3.2 Kongenitale Urethralklappen
Diagnose. Sonographie und i.v. Pyelogramm lassen die Erkrankung bereits im Adoleszenzalter erkennen.
Diagnose. Sonographie und i.v. Pyelogramm sichern die Diagnose.
Therapie. Selten ist eine operative Abtragung bzw. Zystenpunktion zwecks
Therapie. Im Terminalstadium ist die Nierentransplantation indiziert.
Nierenzysten
Nierenzysten
Solitäre Nierenzysten
Solitäre Nierenzysten
Pathogenese. Möglicherweise auf der Basis einer Tubulusobstruktion nach lokaler Ischämie oder Entzündung entwickeln sich solitäre Nierenrindenzysten. Sie stellen bei Kindern eine Ausnahme dar.
Pathogenese. Eine Tubulusobstruktion (ischämie-/entzündungsbedingt) führt zur Entwicklung der solitären Nierenrindenzyste.
Diagnose. Die Sonographie objektiviert die flüssigkeitsgefüllte Zyste im Bereich des Nierenparenchyms.
Diagnose. Die Sonographie zeigt die flüssigkeitsgefüllte Zyste.
Therapie. In der Regel ist die Zystenabtragung nicht notwendig. Die Indikation zur operativen Maßnahme ergibt sich im Falle der Kompression des Nierenhohlsystems.
Therapie. Eine Zystenabtragung ist nur bei Vorliegen einer Kompression des Nierenhohlsystems notwendig.
Multilokuläre Zysten
Multilokuläre Zysten
Pathogenese. Hierbei handelt es sich um tumorartige, einseitige sich in
Pathogenese. Einseitige, in einem Nierensegment infiltrierend wachsende Zystenbildung mit Verdrängung des Hohlsystems.
Diagnose. Sonographisch stellt sich ein sog. Zystadenom als raumfordernder Prozess mit Verdrängung des Nierenhohlsystems dar.
Diagnose. Sonographisch erfolgt der Nachweis eines das Nierenhohlsystem verdrängenden »Zystadenoms«.
Therapie. Entsprechend der Ausdehnung und Lokalisation erfolgt die nach Möglichkeit organerhaltende Resektion.
Therapie. Es erfolgt eine organerhaltende Resektion der Zystenbildung.
Dekompression indiziert. Im Terminalstadium stellt diese Erkrankung eine gute Indikation zur Nierentransplantation dar.
einem Nierensegment während des Kindes- und Erwachsenenalters entwickelnde infiltrierend wachsende Zystenbildung, die das Hohlsystem verdrängt.
23.3.2
Kongenitale Urethralklappen
n Definition. Kongenitale Urethralklappen sind segelartige Schleimhautfalten, die zu einer obstruktiven subvesikalen Harnabflussstörung führen.
Pathogenese. Es finden sich segelartige Schleimhautfalten (Diaphragma)
im Bereich der Urethra unterhalb des Colliculus seminalis von der Hinterwand schräg bis zur Vorderwand der Harnröhre verlaufend mit einer schlitzartigen Öffnung in der Mittellinie des Diaphragmas. Dadurch kommt es zu einer obstruierenden Harnabflussstörung. Die proximale Urethra ist dilatiert. Der als Folge der Harnabflussstörung gesteigerte Blaseninnendruck führt zur Muskelhypertrophie, Extravesikalisation der Ureterostien mit vesikoureteralem Reflux, Megaureter und Hydronephrose ( 1 B-23.38).
23.3.2 Kongenitale Urethralklappen Definition
Pathogenese. Es resultiert eine obstruierende Harnabflussstörung infolge Ausbildung segelartiger Schleimhautfalten in der Urethra unterhalb des Colliculus seminalis. Der als Folge der Harnabflussstörung gesteigerte Blaseninnendruck führt zur Muskelhypertrophie, Extravesikalisation der Ureterostien mit vesikoureteralem Reflux, Megaureter und Hydronephrose ( 1 B-23.38).
Symptome. Es besteht ein Harnträufeln aufgrund einer distendierten Harn-
Symptome. Es kommt zu Harnträufeln und Enuresis diurna et nocturna. Harnwegsinfekte treten gehäuft auf.
Diagnose. Mit Hilfe der Sonographie (auch pränatal) gelingt der Nachweis.
Diagnose. Mit Hilfe der Sonographie gelingt der Nachweis. Eine Miktionszystoureterographie dokumentiert die Harnabflussstörung. Die Endoskopie stellt die segelartigen Urethralklappen dar.
blase. Bei älteren Kindern findet sich eine Enuresis diurna et nocturna. Harnwegsinfekte kommen gehäuft vor.
Eine Miktionszystoureterographie dokumentiert die Harnabflussstörung bei Dilatation der proximalen Urethra. Die Endoskopie stellt die segelartigen Urethralklappen dar. Proximal der Klappen findet sich eine Ausweitung der Urethra, intravesikal eine Trabekelblase.
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862
23 Kinderchirurgie
1 B-23.38
Synopsis Kongenitale Urethralklappen
Colliculus seminalis
segelartige Schleimhautfalten
Therapie. Es erfolgt eine transurethrale Klappenresektion.
Therapie. Es erfolgt die transurethrale Klappenresektion. Häufig ist im weiteren Verlauf eine Antirefluxplastik notwendig.
Prognose. Bei frühzeitiger Erkennung ist die Prognose gut.
Prognose. Bei frühzeitiger Diagnosestellung und Therapie ist die Prognose
23.3.3
23.3.3
Ureterabgangsstenose
gut.
Ureterabgangsstenose
n Definition. Die Ureterabgangsstenose ist eine Stenose am Übergang des Nierenbeckens zum Harnleiter mit Harnabflussstörung.
Definition
Pathogenese. Die Harnabflussstörung ist Folge einer kongenitalen Ureterabgangsstenose durch aberrierende Gefäße oder Bridenbildung, durch Ureterwandveränderungen oder durch den sog. hohen Ureterabgang im Nierenbecken. Es resultiert eine starke Erweiterung des Nierenbeckenkelchsystems (Hydronephrose), ( 1 B-23.39).
1 B-23.39
Pathogenese. Für die Entstehung einer kongenitalen Ureterabgangsstenose mit nachfolgender Nierenbeckenerweiterung (Hydronephrose) kommen verschiedene Ursachen in Frage. Aberrierende Gefäße oder Bridenbildungen können den Harnleiter am pyeloureteralen Übergang von außen komprimieren, woraus eine Harnabflussstörung mit Erweiterung des Nierenbeckens resultiert ( 1 B-23.39 a). Neben diesen durch kreuzende Gefäße und Briden bedingten sog. extrinsischen Stenosen führen Ureterwandveränderungen ungeklärter Ätiologie (embryonale Fibrose?) zur Ausbildung sog. intrinsischer Stenosen mit daraus resultierender Harnabflussstörung ( 1 B-23.39 b). Ferner kann der sog. hohe Ureterabgang im Nierenbecken zu einer funktionellen Harnabflussstörung mit Nierenbeckenektasie führen ( 1 B-23.39 c).
Synopsis Formen der Ureterabgangsstenose
a Extrinsische Stenose (Briden, aberrierende Gefäße).
b Intrinsische Stenose.
c Hoher Ureterabgang.
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863
23.3.4 Ureterostiumstenose
Symptome. In Einzelfällen findet sich bereits im Säuglingsalter ein palpab-
Symptome. Die Symptome sind zunächst uncharakteristisch. Mit zunehmendem Alter treten abdominelle Beschwerden bzw. kolikartige Schmerzen auf. Häufig findet sich eine Hämaturie und Pyurie.
Diagnose. Nach sonographischer Abklärung des Vorliegens einer Hydrone-
Diagnose. Die Sonographie stellt die Hydronephrose dar, das i.v. Pyelogramm zeigt die Stenose. Die seitengetrennte Sequenzszintigraphie objektiviert den Funktionsverlust bzw. das Ausmaß der Schädigung der betroffenen Niere.
Therapie. Nach antibiotischer Behandlung bei diagnostiziertem Harnwegs-
Therapie. Es erfolgt die Resektion der Stenose und des vergrößerten Nierenbeckens mit Reanastomosierung des Ureters.
Prognose. In Abhängigkeit der Ausprägung der hydronephrotischen Verän-
Prognose. Sie ist abhängig vom Ausmaß der hydronephrotischen Veränderungen.
ler Oberbauchtumor. In der Regel sind die Symptome im Säuglings- und Kleinkindesalter zunächst uncharakteristisch: Inappetenz, Spielunlust, Fieberschübe, quengeliges Wesen. Mit fortschreitendem Alter kommt es zu abdominellen Beschwerden wie bei der Appendizitis oder kolikartigen Schmerzen. Häufig findet sich eine Hämaturie bzw. Pyurie.
phrose erfolgt die Anfertigung eines i.v. Pyelogramms, welches das Ausmaß der Hydronephrose objektiviert und die Stenose darstellt. Ferner werden zusätzliche Abflussstörungen (z.B. eine prävesikale Stenose), die in ca. 30 % der Fälle beide Nieren betrifft, diagnostiziert. Mit der Bestimmung der Clearancewerte durch die seitengetrennte Sequenzszintigraphie wird objektiviert, ob und in welchem Ausmaß die Obstruktion zu einem Funktionsverlust der betroffenen Niere geführt hat.
infekt erfolgt die Resektion der Stenose und des vergrößerten Nierenbeckens mit Reanastomosierung des Ureters.
derungen bei ausreichender Nierenfunktion gut.
23.3.4
Ureterostiumstenose
23.3.4
Ureterostiumstenose
Synonym: primärer kongenitaler Megaureter n Definition. Die Ureterostiumstenose ist eine Stenosierung des prävesikalen terminalen Uretersegments mit Dilatation des Harnleiters ( 1 B-23.40).
1 B-23.40
Definition
Synopsis Ureterostiumstenose mit Megaureter
Megaureter
Ostiumstenose
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863
23.3.4 Ureterostiumstenose
Symptome. In Einzelfällen findet sich bereits im Säuglingsalter ein palpab-
Symptome. Die Symptome sind zunächst uncharakteristisch. Mit zunehmendem Alter treten abdominelle Beschwerden bzw. kolikartige Schmerzen auf. Häufig findet sich eine Hämaturie und Pyurie.
Diagnose. Nach sonographischer Abklärung des Vorliegens einer Hydrone-
Diagnose. Die Sonographie stellt die Hydronephrose dar, das i.v. Pyelogramm zeigt die Stenose. Die seitengetrennte Sequenzszintigraphie objektiviert den Funktionsverlust bzw. das Ausmaß der Schädigung der betroffenen Niere.
Therapie. Nach antibiotischer Behandlung bei diagnostiziertem Harnwegs-
Therapie. Es erfolgt die Resektion der Stenose und des vergrößerten Nierenbeckens mit Reanastomosierung des Ureters.
Prognose. In Abhängigkeit der Ausprägung der hydronephrotischen Verän-
Prognose. Sie ist abhängig vom Ausmaß der hydronephrotischen Veränderungen.
ler Oberbauchtumor. In der Regel sind die Symptome im Säuglings- und Kleinkindesalter zunächst uncharakteristisch: Inappetenz, Spielunlust, Fieberschübe, quengeliges Wesen. Mit fortschreitendem Alter kommt es zu abdominellen Beschwerden wie bei der Appendizitis oder kolikartigen Schmerzen. Häufig findet sich eine Hämaturie bzw. Pyurie.
phrose erfolgt die Anfertigung eines i.v. Pyelogramms, welches das Ausmaß der Hydronephrose objektiviert und die Stenose darstellt. Ferner werden zusätzliche Abflussstörungen (z.B. eine prävesikale Stenose), die in ca. 30 % der Fälle beide Nieren betrifft, diagnostiziert. Mit der Bestimmung der Clearancewerte durch die seitengetrennte Sequenzszintigraphie wird objektiviert, ob und in welchem Ausmaß die Obstruktion zu einem Funktionsverlust der betroffenen Niere geführt hat.
infekt erfolgt die Resektion der Stenose und des vergrößerten Nierenbeckens mit Reanastomosierung des Ureters.
derungen bei ausreichender Nierenfunktion gut.
23.3.4
Ureterostiumstenose
23.3.4
Ureterostiumstenose
Synonym: primärer kongenitaler Megaureter n Definition. Die Ureterostiumstenose ist eine Stenosierung des prävesikalen terminalen Uretersegments mit Dilatation des Harnleiters ( 1 B-23.40).
1 B-23.40
Definition
Synopsis Ureterostiumstenose mit Megaureter
Megaureter
Ostiumstenose
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864
23 Kinderchirurgie
Pathogenese. Durch unvollständige Rekanalisierung des entwicklungsgeschichtlich obliterierten Ureterlumens im terminalen Ureter kommt es zur obstruktiven Harnabflussstörung, Harnleiterwandhypertrophie und Dilatation im proximalen Bereich.
Pathogenese. Entwicklungsgeschichtlich obliteriert das Ureterlumen zwischen dem 37.–41. Tag der Embryonalentwicklung mit anschließender Rekanalisation, beginnend im mittleren Abschnitt und sich nach distal und proximal fortsetzend. Findet diese Rekanalisierung in dem oberhalb der Blase gelegenen terminalen Ureter nicht ausreichend statt, resultiert ein enges Segment (Länge: 0,5–4 cm). Proximal dieser obstruktiven Harnabflussstörung kommt es zur Ausbildung einer Harnleiterwandhypertrophie mit Dilatation des Ureters und Retroperistaltik.
Symptome. Es kann zu hochfieberhaften Harnwegsinfekten und zur Urosepsis kommen.
Symptome. Die Symptome sind die gleichen wie bei der Ureterabgangsste-
Diagnose. Sonographie, i.v. Pyelographie, Miktionszystoureterogramm und Szintigraphie sichern die Diagnose.
Diagnose. Sonographie, i.v. Pyelogramm, Miktionszystoureterogramm und
Therapie. Es erfolgt die Resektion des engen Segmentes und eine Ureterneueinpflanzung in die Blase. Evtl. ist eine operative Verschmälerung des dilatierten Ureterlumens notwendig. Prognose. Die Prognose ist bei frühzeitiger Diagnose gut.
Therapie. Es erfolgt eine Neueinpflanzung des Ureters in die Blase nach Resektion des engen Segmentes. Bei ausgeprägter Megaureterbildung wird eine operative Verschmälerung des dilatierten Ureterlumens durchgeführt. Eine prä- und postoperative antibiotische Behandlung ist notwendig.
23.3.5
23.3.5
Doppelureter
nose. Neben hochfieberhaften Harnwegsinfekten kann es im Ausnahmefall zu einer Urosepsis kommen. Szintigraphie sichern die Diagnose. Bei unklaren Fällen, z.B. ungenügender Ausscheidung erfolgt die retrograde Pyelographie.
Prognose. Bei frühzeitiger Diagnosestellung ist die Prognose gut.
Doppelureter
Synonym: Ureter duplex. n Definition. Bei dem Doppelureter finden sich komplett voneinander getrennte Nierenbecken mit jeweils zugehörigen Ureteren.
Definition
Pathogenese. Aus 2 getrennten Ureterknospen entsteht ein doppelter Ureter.
1 B-23.41
Pathogenese. Aus 2 getrennten Ureterknospen entsteht ein doppelter Ureter. Die am Wolf-Gang kaudal entspringende Ureterknospe erreicht den unteren, die kraniale Ureterknospe den oberen Anteil der Nierenanlage.
Synopsis Doppelureterformen
a Separate Einmündung beider Ureteren in die Harnblase.
b Vereinigung der Ureteren im oberen Drittel mit Mündung in ein gemeinsames Ostium.
c Intramurale Vereinigung der beiden Ureteren mit Mündung in ein gemeinsames Ostium.
d Ektope Mündung eines Ureters im Bereich des Blasenhalses.
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865
23.3.6 Vesikoureteraler Reflux
Formen. Man unterscheidet folgende Formen: π π
π
separate Einmündung der beiden Ureteren in die Harnblase ( 1 B-23.41 a) gemeinsames Ostium nach Vereinigung der beiden Ureteren im oberen und mittleren oder unteren Drittel bzw. intramural ( 1 B-23.41 b, c) ektope Mündung des einen Ureters im Bereich des Blasenhalses, der Samenblasen oder der Urethra ( 1 B-23.41 d).
Symptome. Die Kinder sind häufig symptomlos. Es kommt zur Enuresis diurna und nocturna bei ektoper Uretermündung, begleitet von rezidivierenden Harnwegsinfekten. Diagnose. Sonographie, i.v. Pyelogramm, Miktionszystoureterogramm und
Zystoskopie sichern die Diagnose und zeigen das Ausmaß der Folgeschäden ( 1 B-23.42).
1 B-23.42
Formen π separate Einmündung der beiden Ureteren in die Harnblase ( 1 B-23.41 a) π gemeinsames Ostium nach Vereinigung der beiden Ureteren ( 1 B-23.41 b, c) π ektope Mündung des einen Ureters ( 1 B-23.41 d). Symptome. Die Kinder sind häufig symptomlos. Bei ektoper Uretermündung kommt es zur Enuresis und rezidivierenden Harnwegsinfekten. Diagnose. Zur Diagnostik wird Sonographie, i.v. Pyelogramm, Miktionszystoureterogramm und Zystoskopie eingesetzt ( 1 B-23.42).
Doppelureter links im i.v. Pyelogramm
Therapie. Bei ektop mündendem Ureter bzw. vesikoureteralem Reflux erfolgt die Harnleiterneueinpflanzung in die Blase. Bei Hydronephrose eines Pols Heminephrektomie mit Entfernung des zugehörigen Ureters.
Therapie. Bei ektop mündendem Ureter bzw. vesikoureteralem Reflux erfolgt die Harnleiterneueinpflanzung in die Blase.
Prognose. Die Prognose ist gut.
Prognose. Die Prognose ist gut.
23.3.6
Vesikoureteraler Reflux
n Definition. Beim vesikoureteralen Reflux handelt es sich um ein Zurückfließen des Harns in Ureter und Pyelon infolge nicht ausreichender Verschlussfähigkeit des Ureterostiums.
23.3.6
Vesikoureteraler Reflux
Definition
Pathogenese. Voraussetzung für einen gut funktionierenden Verschlussme-
Pathogenese. Als Folge des fehlerhaften Aufbaus des terminalen Ureters entsteht ein klaffendes insuffizientes Ureterostium, sodass beim Anstieg des intravesikalen Drucks der Harn in den Ureter bis in das Nierenbeckenkelchsystem zurückfließen kann.
Klassifikation. Der vesikoureterale Reflux wird in 5 Schweregrade unter-
Klassifikation. Der vesikoureterale Reflux wird in 5 Schweregrade unterteilt ( 1 B-23.43).
chanismus der Uretermündung in die Harnblase ist der schräge Eintritt des Ureters durch den Detrusor in die Blase und eine ausreichende intramurale und submuköse Tunnellänge beim Durchtritt des Ureters durch die Blasenwand. Der vesikoureterale Reflux entsteht durch einen fehlerhaften Aufbau des terminalen Ureters und mangelnde Verankerung des Harnleiters in der Blasenwand in Verbindung mit Lageanomalien des Harnleiterostiums. Als Folge des fehlerhaften Aufbaus des terminalen Ureters entsteht ein klaffendes insuffizientes Ureterostium, sodass beim Anstieg des intravesikalen Drucks der Harn in den Ureter bis in das Nierenbeckenkelchsystem zurückfließen kann. teilt ( 1 B-23.43):
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
866
23 Kinderchirurgie
1 B-23.43
Synopsis Vesikoureteraler Reflux
Grad I: Füllung des Ureters.
Grad II: Füllung von Ureter, Pyelon und Kelchsystem ohne Dilatation.
Grad III: Geringgradige Dilatation des Ureters und Pyelons.
Grad IV: Stärkere Dilatation des Ureters und Pyelons bis in die noch konvexen Papillen.
Grad V: Massive Dilatation und Schlängelung des Ureters bei konkaven Papillen.
Symptome. Rezidivierende Harnwegsinfekte, Gedeih- und Entwicklungsstörungen sind typisch. Flankenschmerzen sprechen für eine infektionsbedingte Nierenparenchymbeteiligung.
Symptome. Neben rezidivierenden Harnwegsinfekten bestehen im Säug-
Diagnose. Sonographie, Miktionszystoureterogramm, Szintigraphie und Zystoskopie werden durchgeführt.
Diagnose. Sonographie, Szintigraphie, Miktionszystoureterogramm und Zystoskopie werden zur Diagnostik durchgeführt.
Therapie. Bei Reflux Grad I und II ist die konservative Therapie mit Antibiotikalangzeitprophylaxe ausreichend. Bei Reflux Grad III erfolgt bei Versagen der konservativen Therapie die Neueinpflanzung des Harnleiters mit Antirefluxplastik in die Harnblase. Für Reflux Grad IV–V besteht die grundsätzliche primäre Operationsindikation.
Therapie. Bei Reflux Grad I–II ist eine konservative Therapie des Harnwegsinfekts mit Antibiotikaprophylaxe über 6–12 Monate angezeigt. Ein leichter Reflux kann durch eine wachstumsbedingte Verlängerung des intravesikalen Ureteranteils zur Ausheilung kommen. Führt die konservative Behandlung beim Reflux Grad III nicht zum Erfolg, ist wie beim Grad IV die Operationsindikation gegeben. Für den Reflux Grad IV–V besteht die grundsätzliche primäre Operationsindikation. Es erfolgt die Neueinpflanzung des Harnleiters mit Antirefluxplastik in die Harnblase. Zur Vermeidung einer Langzeitantibiotikabehandlung beim Reflux Grad I und II besteht die Möglichkeit der endoskopischen Kollageninstillation im Bereich des Ostiums.
Prognose. Sie ist gut.
Prognose. Im Allgemeinen ist die Prognose gut. Nach operativer Neueinpflanzung des Harnleiters ist die Pyelonephritishäufigkeit deutlich geringer als bei der konservativen Therapie.
23.3.7
23.3.7
Ureterozele
Definition
Pathogenese. Es besteht eine Missbildung des Ureterostiums mit zystischer Vorwölbung in die Blase. Aus der Fehllage resultiert eine Harnstauung. Eine zusätzliche Doppelniere ist häufig.
lings- und Kleinkindesalter Gedeih- und Entwicklungsstörungen, im späteren Kindesalter verbunden mit Bauchschmerzen. Flankenschmerzen sprechen für eine infektionsbedingte Nierenparenchymbeteiligung.
Ureterozele
n Definition. Bei der Ureterozele besteht eine zystische Vorwölbung des Ureterostiums in die Blase.
Pathogenese. Es besteht eine Missbildung des Ureterostiums mit zystischer
Vorwölbung in die Blase. Infolge der Fehllage kommt es zu einer Harnstauung. Es findet sich in der Regel zusätzlich eine Doppelniere.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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23.3.8 Hypospadie
Symptome. Stauungsbedingt kommt es zu einer Harnwegsinfektion. Bei
Symptome. Stauungsbedingt kommt es zu einer Harnwegsinfektion.
Diagnose. Sonographisch und im Miktionszystoureterogramm gelingt die
Diagnose. Sonographie und Miktionsureterographie zeigen eine Aussparung im Bereich des Trigonums. Ergänzend werden ein i.v. Pyelogramm und eine Zystoskopie durchgeführt.
Therapie. Therapie der Wahl ist die Resektion der Ureterozele.
Therapie. Es erfolgt die Resektion der Ureterozele.
Prognose. Die Prognose ist gut.
Prognose. Die Prognose ist gut.
größeren Ureterozelen kann eine Verlegung des gegenüberliegenden Ureterostiums zu einer Stauung des harnableitenden Systems der Gegenseite führen.
Darstellung einer ovalären bis rundlichen Aussparung im Bereich des Trigonums der Blase. Ergänzend wird ein i.v. Pyelogramm und eine Zystoskopie durchgeführt. Die Zystoskopie zeigt eine zystische Vorwölbung des Ureterostiums.
23.3.8
Hypospadie
23.3.8
n Definition. Die Harnröhrenöffnung mündet auf der Unterseite des Penis.
Pathogenese. Anstelle der fehlenden Urethra im Schaftbereich ist es zur Ausbildung eines bindegewebigen Stranges, der Chorda, gekommen, die zu einer Peniskrümmung nach unten führt. Die Urethralmündung, der Meatus, ist häufig verengt. Die Vorhaut ist auf der Penisunterseite gespalten. Dorsal und seitlich ist sie schürzenartig über die Glans ausgebreitet vorhanden. Entsprechend der Lokalisation des Meatus werden verschiedene Hypospadieformen unterschieden ( 1 B-23.44).
1 B-23.44
Hypospadie
Definition
Pathogenese. Die Urethralmündung, der Meatus, ist häufig verengt. Die Vorhaut ist auf der Penisunterseite gespalten. Entsprechend der Lokalisation des Meatus werden verschiedene Hypospadieformen unterschieden ( 1 B-23.44).
Synopsis Klassifikation der Hypospadie
Hypospadia glandis Hypospadia penis
Hypospadia penoscrotalis
Hypospadia perinealis
a Schematische Darstellung der Hypospadieformen.
b Hypospadia penis.
Klassifikation: π Hypospadia glandis: die Harnröhrenmündung liegt im Glansbereich. π Hypospadia penis: der Meatus ist im Bereich des Penisschaftes lokalisiert. π Hypospadia penoscrotalis: anstelle der Harnröhre finden sich fibröse Stränge (Chorda), die zu einer Krümmung des Penisschafts führen. Der Meatus liegt im Bereich des penoskrotalen Übergangs. π Hypospadia perinealis: der Meatus ist bei hochgradig hypoplastischem Penis unterhalb des vollständig gespaltenen Skrotums lokalisiert.
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23.3.8 Hypospadie
Symptome. Stauungsbedingt kommt es zu einer Harnwegsinfektion. Bei
Symptome. Stauungsbedingt kommt es zu einer Harnwegsinfektion.
Diagnose. Sonographisch und im Miktionszystoureterogramm gelingt die
Diagnose. Sonographie und Miktionsureterographie zeigen eine Aussparung im Bereich des Trigonums. Ergänzend werden ein i.v. Pyelogramm und eine Zystoskopie durchgeführt.
Therapie. Therapie der Wahl ist die Resektion der Ureterozele.
Therapie. Es erfolgt die Resektion der Ureterozele.
Prognose. Die Prognose ist gut.
Prognose. Die Prognose ist gut.
größeren Ureterozelen kann eine Verlegung des gegenüberliegenden Ureterostiums zu einer Stauung des harnableitenden Systems der Gegenseite führen.
Darstellung einer ovalären bis rundlichen Aussparung im Bereich des Trigonums der Blase. Ergänzend wird ein i.v. Pyelogramm und eine Zystoskopie durchgeführt. Die Zystoskopie zeigt eine zystische Vorwölbung des Ureterostiums.
23.3.8
Hypospadie
23.3.8
n Definition. Die Harnröhrenöffnung mündet auf der Unterseite des Penis.
Pathogenese. Anstelle der fehlenden Urethra im Schaftbereich ist es zur Ausbildung eines bindegewebigen Stranges, der Chorda, gekommen, die zu einer Peniskrümmung nach unten führt. Die Urethralmündung, der Meatus, ist häufig verengt. Die Vorhaut ist auf der Penisunterseite gespalten. Dorsal und seitlich ist sie schürzenartig über die Glans ausgebreitet vorhanden. Entsprechend der Lokalisation des Meatus werden verschiedene Hypospadieformen unterschieden ( 1 B-23.44).
1 B-23.44
Hypospadie
Definition
Pathogenese. Die Urethralmündung, der Meatus, ist häufig verengt. Die Vorhaut ist auf der Penisunterseite gespalten. Entsprechend der Lokalisation des Meatus werden verschiedene Hypospadieformen unterschieden ( 1 B-23.44).
Synopsis Klassifikation der Hypospadie
Hypospadia glandis Hypospadia penis
Hypospadia penoscrotalis
Hypospadia perinealis
a Schematische Darstellung der Hypospadieformen.
b Hypospadia penis.
Klassifikation: π Hypospadia glandis: die Harnröhrenmündung liegt im Glansbereich. π Hypospadia penis: der Meatus ist im Bereich des Penisschaftes lokalisiert. π Hypospadia penoscrotalis: anstelle der Harnröhre finden sich fibröse Stränge (Chorda), die zu einer Krümmung des Penisschafts führen. Der Meatus liegt im Bereich des penoskrotalen Übergangs. π Hypospadia perinealis: der Meatus ist bei hochgradig hypoplastischem Penis unterhalb des vollständig gespaltenen Skrotums lokalisiert.
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23 Kinderchirurgie
Symptome. Der Urinstrahl ist nach hinten gerichtet. Bei Meatusstenose bestehen Miktionsstörungen.
Symptome. Es besteht eine Miktionsstörung bei Meatusstenose. Der Urinstrahl ist nach hinten gerichtet, sodass die Miktion oft nur in sitzender Position möglich ist.
Diagnose. Die Diagnose wird klinisch (Inspektion) gestellt.
Diagnose. Die Diagnose ergibt sich aus dem klinischen Untersuchungsbe-
Therapie. Der stenosierte Meatus wird operativ erweitert, die Harnröhre rekonstruiert.
Therapie. Bei Vorliegen eines stenosierenden Meatus erfolgt die operative
Prognose. Sie ist von der Lokalisation der Hypospadie abhängig. Die Komplikationsrate durch infektionsbedingte Fisteln und Stenosen liegt bei 20 %.
Prognose. Die Prognose einer suffizienten (funktionellen wie kosmetischen) Rekonstruktion ist abhängig von der Lokalisation der Hypospadie. Bei den penoskrotalen und perinealen Formen ist die Operation aufwendiger und mit einer höheren Komplikationsrate behaftet. Die postoperative Komplikationsrate durch Infektion, Fisteln, Stenosen liegt bei ca. 20 %.
23.3.9
23.3.9
Phimose
Definition
Pathogenese. Bei Neugeborenen und Säuglingen besteht eine sog. physiologische Phimose.
Im Laufe des 1.–2. Lebensjahres lösen sich diese Verklebungen aufgrund der Vergrößerung der Eichel und der Absonderung von Smegma.
Merke
fund (Inspektion).
Erweiterung durch Meatotomie. Besteht eine Penisschaftkrümmung infolge einer Chorda, wird die Exzision dieses bindegewebigen Stranges und damit die Penisschaftaufrichtung durchgeführt. Für die nachfolgende Harnröhrenneubildung gibt es zahlreiche Rekonstruktionsverfahren. Grundsätzlich sollte die Korrektur aus psychologischen Gründen vor Schuleintritt abgeschlossen sein.
Phimose
n Definition. Die Phimose ist eine Verengung (Stenose) am distalen Übergang der äußeren Vorhaut zum inneren Vorhautblatt.
Pathogenese. Bei Neugeborenen und Säuglingen besteht eine sog. physiolo-
gische Phimose: Das innere Blatt der Vorhaut ist mit der Oberfläche der Glans durch epitheliale Verklebungen verbunden. Im Bereich der Übergangsstelle des inneren zum äußeren Blatt der Vorhaut besteht eine funktionelle Enge ohne narbige Veränderungen. Im Laufe des 1.–2. Lebensjahres lösen sich diese Verklebungen aufgrund der Vergrößerung der Eichel und der Absonderung von Smegma. Durch Balanitiden kann es zu entzündlichen Veränderungen im Bereich der Präputialöffnung kommen, die narbig ausheilen. n Merke. Versucht man bereits im Säuglingsalter die Vorhaut im Präputialbereich zu dehnen, können Risse mit nachfolgenden narbigen Ausheilungen zu einer pathologischen Phimose führen.
Symptome. Nach Vollendung des 2. Lebensjahres lässt sich die Vorhaut nicht über die Eichel streifen. Es besteht eine funktionelle oder narbige Stenose ( 1 B-23.45). Eine zurückgestreifte zu enge Vorhaut kann zur Paraphimose führen ( 1 B-23.46).
Symptome. Nach Vollendung des 2. Lebensjahres lässt sich die Vorhaut
Therapie. Therapie der Wahl ist die Zirkumzision (nicht vor dem 3. Lj.).
Therapie. Therapie der Wahl ist die Zirkumzision: Sie wird als radikale oder
Prognose. Die Prognose ist gut.
Prognose. Die Prognose ist gut.
nicht über die Eichel streifen. Es besteht eine narbige Stenose an der Übergangsstelle des inneren zum äußeren Vorhautblatt ( 1 B-23.45). Wird die zu enge Vorhaut in den Sulcus coronarius zurückgestreift, kann es zu einer strangulierenden Abschnürung, der Paraphimose (»spanischer Kragen«) durch eine ödematös anschwellende Vorhaut kommen ( 1 B-23.46). Aus dem zunehmenden Ödem resultiert eine Zirkulationsstörung, die zur Zyanose und evtl. Nekrose der Glans führen kann.
sparsame (eichelbedeckende) Zirkumzision der äußeren und inneren Vorhaut und Vereinigung durch Einzelnähte durchgeführt. In der Regel sollte die Zirkumzision nicht vor dem 3. Lebensjahr durchgeführt werden.
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869
23.3.10 Maldescensus testis
1 B-23.45
23.3.10
Phimose
1 B-23.46
Paraphimose bei Vorhautverengung (Phimose)
Maldescensus testis
23.3.10 Maldescensus testis
Synonym: Retentio testis, Kryptorchismus, Hodenhochstand. n Definition. Infolge eines unvollständigen Descensus testis liegt der Hoden nicht im Skrotum.
Pathogenese. Obwohl die pathogenetischen Zusammenhänge des unvoll-
ständigen Descensus testis unklar sind, muss davon ausgegangen werden, dass mechanische, anatomische und endokrine Ursachen, z.B. der Mangel an Gonadotropinen in den letzten beiden Schwangerschaftsmonaten, dafür verantwortlich zu machen sind. Eine weitere Faktorengruppe sind die sog. primären Dysgenesien, z.B. das Klinefelter-Syndrom, das sog. männliche Turner-Syndrom, das Moon-Bardet-Biedl-Syndrom, wobei die abnormen Keimdrüsen auf den gonadotropen Stimulus nicht reagieren. Während in den beidseitig im Skrotum liegenden (orthotopen) Hoden bis in die Pubertät eine kontinuierliche Entwicklung stattfindet, sistiert diese im retinierten Hoden. Im 3. Lebensjahr stagniert die Samenkanälchenentwicklung mit Reduzierung der Spermatogonien und kompensatorischer Verbreiterung des interstitiellen Bindegewebes. Auch bei einseitiger Fehllage läuft diese Entwicklungsstörung im Laufe der weiteren kindlichen Entwicklung am kontralateral deszendierten Hoden mit den gleichen pathomorphologischen Veränderungen ab.
Definition
Pathogenese. Vermutlich sind mechanische, anatomische und endokrine Ursachen für den unvollständigen Descensus testis verantwortlich. Eine weitere Faktorengruppe sind die sog. primären Dysgenesien (z.B. Klinefelter-Syndrom).
Während in den beidseitig im Skrotum liegenden (orthotopen) Hoden bis in die Pubertät eine kontinuierliche Entwicklung stattfindet, sistiert diese im retinierten Hoden.
Häufigkeit. Die Maldeszensusrate liegt in den verschiedenen Lebensaltern
Häufigkeit. Die Maldeszensusrate liegt bei Frühgeburten zwischen 20–30 %, bei ausgetragenen Neugeborenen bis 4 %, im 2. Lebensjahr bis 1 %, im Erwachsenenalter bei 0,9 %.
Symptome. Entsprechend der Position des fehlliegenden Hodens werden folgende Formen unterschieden: Der Pendelhoden liegt physiologisch in skrotaler Position, lässt sich durch Auslösen des Kremasterreflexes aber in eine Fehlposition verlagern, tritt jedoch kurze Zeit später in die natürliche Lage zurück.
Symptome. Man unterscheidet den Pendelhoden (kommt spontan in seine physiologische Lage zurück) und den Gleithoden (retrahiert nach Reposition in seine Fehllage zurück).
unterschiedlich hoch. Bei Frühgeburten schwankt sie zwischen 20–30 %, bei 1,8–4 % der ausgetragenen Neugeborenen finden sich ein oder beide Testikel noch nicht in skrotaler Position. Innerhalb des 1. Lebensjahres kommt es bei einem Großteil der Säuglinge noch zu einem verspäteten, physiologischen Descensus testis. Die Maldeszensusrate beträgt im 2. Lebensjahr zwischen 0,7–1 %, im Erwachsenenalter 0,9 %.
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Bei der Hodenektopie ist der direkte Abstiegsweg in das Skrotum verlassen worden. Der Leistenhoden, im Leistenkanal bei weit offenem Processus vaginalis (Leistenhernie) liegend ist der untersuchenden Hand schwer zugänglich. Liegt der Hoden oberhalb des inneren Leistenringes, handelt es sich um einen Kryptorchismus bzw. Bauchhoden.
23 Kinderchirurgie Der Gleithoden liegt für die untersuchende Hand gut palpabel in Höhe des äußeren Leistenringes. Nach Transposition in das obere Skrotalfach erfolgt die Retraktion in die Fehllage. Bei der Hodenektopie ist der direkte Abstiegsweg in das Skrotum verlassen worden. Bei der häufigsten Form, der suprafaszialen Ektopie liegt der Hoden der untersuchenden Hand gut zugänglich oberhalb des äußeren Inguinalringes auf der Leistenkanalvorderwand. Neben diesen tiefen unterscheidet man folgende hohe Formen: Der Leistenhoden, im Leistenkanal bei weit offenem Processus vaginalis (Leistenhernie) liegend ist der untersuchenden Hand schwer zugänglich. Er lässt sich sonographisch darstellen. Liegt der Hoden oberhalb des inneren Leistenringes, handelt es sich um einen Kryptorchismus bzw. Bauchhoden.
Diagnose. Die Diagnose ergibt sich aufgrund der klinischen und sonographischen Untersuchung. Der Nachweis von Hodengewebe erfolgt durch HCG-Stimulation.
Diagnose. Die Diagnose ergibt sich aufgrund der klinischen Untersuchung.
Therapie. Die Behandlung beginnt erst im 2. Lebensjahr, da es bis dorthin zu einem verspäteten physiologischen Deszensus kommen kann. Zunächst sollte eine Hormontherapie mit humanem Choriongonadotropin durchgeführt werden. Ist diese erfolglos, so besteht die Indikation zur Operation. Die primär operative Indikation ergibt sich beim Bauchhoden, bei Verdacht auf ektope Hodenlage bzw. Vorliegen einer Leistenhernie.
Therapie. Da es innerhalb des 1. Lebensjahres noch zu einem verspäteten
Merke
Lassen sich beide Hoden weder bei der klinischen noch bei der sonographischen Untersuchung objektivieren, erfolgt zum Ausschluss einer Anorchie die Stimulation mit humanem Choriongonadotropin (HCG). Sind Testikel vorhanden, kommt es nach 48 Stunden zu einem Testosteronanstieg.
physiologischen Descensus testis kommen kann, nach Abschluss des 2. Lebensjahres aber die ersten pathomorphologischen Veränderungen im Keimepithel auftreten, ist das 2. Lebensjahr das optimale Behandlungsalter. Zunächst sollte eine Hormontherapie mit humanem Choriongonadotropin durchgeführt werden. Ist diese nicht erfolgreich, so ist die Operationsindikation gegeben. Eine primäre operative Indikation ergibt sich beim Bauchhoden, bei Verdacht auf ektope Hodenlage bzw. bei gleichzeitigem Vorliegen einer Leistenhernie. Der operative Eingriff besteht in einer ausgiebigen retroperitonealen Mobilisation des Ductus deferens und der Vasa spermatica, um eine spannungsfreie Verlagerung des Hodens in das Skrotum zu gewährleisten. Ist die skrotale Position infolge einer zu hohen Fehllage bei dem operativen Ersteingriff nicht zu erreichen, erfolgt nach Ablauf von 3 Monaten nach zuvor durchgeführter HCG-Therapie der Sekundäreingriff, wobei in der Mehrzahl der Fälle eine ausreichende skrotale Lage erreicht wird. n Merke. Der nicht skrotal zu verlagernde Hoden muss wegen des erhöhten Risikos der malignen Entartung entfernt werden.
Prognose. Bei rechtzeitiger skrotaler Verlagerung des Hodens ist die Prognose gut.
Prognose. Bei rechtzeitiger skrotaler Verlagerung des Hodens ist mit guten Fertilitätsspätergebnissen zu rechnen.
23.3.11 Hodentorsion
23.3.11
Definition
Pathogenese. Die fehlende Verklebung des Hodens/Nebenhodens mit der Tunica vaginalis bedingt eine erhöhte Drehbeweglichkeit um die Achse des Samenstranges. Bei einer Verdrehung resultiert eine venöse Rückflussstörung mit Ödembildung bis zur hämorrhagischen Infarzierung.
Hodentorsion
n Definition. Bei der Hodentorsion handelt es sich um eine Verdrehung des Hodens um die Längsachse mit Störung der Blutzirkulation. Man unterscheidet folgende Formen ( 1 B-23.47): Supravaginale Torsion: Es besteht eine Verdrehung des gesamten Samenstranges im Bereich des Leistenkanals. Intravaginale Torsion: Verdrehung des Hodens innerhalb der Hodenhüllen (Skrotum).
Pathogenese. Aus der fehlenden Verklebung des Hodens/Nebenhodens mit
der Tunica vaginalis resultiert eine erhöhte Motilität, die zu einer Torsion des Hodens führen kann. Ein gehäuftes Auftreten findet sich beim unvollständig deszendierten Hoden (z.B. Leistenhoden). Aus der Verdrehung um die Achse des Samenstranges resultiert eine venöse Rückflussstörung mit Ödembildung, die zu einer hämorrhagischen Infarzierung führen kann.
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Bei der Hodenektopie ist der direkte Abstiegsweg in das Skrotum verlassen worden. Der Leistenhoden, im Leistenkanal bei weit offenem Processus vaginalis (Leistenhernie) liegend ist der untersuchenden Hand schwer zugänglich. Liegt der Hoden oberhalb des inneren Leistenringes, handelt es sich um einen Kryptorchismus bzw. Bauchhoden.
23 Kinderchirurgie Der Gleithoden liegt für die untersuchende Hand gut palpabel in Höhe des äußeren Leistenringes. Nach Transposition in das obere Skrotalfach erfolgt die Retraktion in die Fehllage. Bei der Hodenektopie ist der direkte Abstiegsweg in das Skrotum verlassen worden. Bei der häufigsten Form, der suprafaszialen Ektopie liegt der Hoden der untersuchenden Hand gut zugänglich oberhalb des äußeren Inguinalringes auf der Leistenkanalvorderwand. Neben diesen tiefen unterscheidet man folgende hohe Formen: Der Leistenhoden, im Leistenkanal bei weit offenem Processus vaginalis (Leistenhernie) liegend ist der untersuchenden Hand schwer zugänglich. Er lässt sich sonographisch darstellen. Liegt der Hoden oberhalb des inneren Leistenringes, handelt es sich um einen Kryptorchismus bzw. Bauchhoden.
Diagnose. Die Diagnose ergibt sich aufgrund der klinischen und sonographischen Untersuchung. Der Nachweis von Hodengewebe erfolgt durch HCG-Stimulation.
Diagnose. Die Diagnose ergibt sich aufgrund der klinischen Untersuchung.
Therapie. Die Behandlung beginnt erst im 2. Lebensjahr, da es bis dorthin zu einem verspäteten physiologischen Deszensus kommen kann. Zunächst sollte eine Hormontherapie mit humanem Choriongonadotropin durchgeführt werden. Ist diese erfolglos, so besteht die Indikation zur Operation. Die primär operative Indikation ergibt sich beim Bauchhoden, bei Verdacht auf ektope Hodenlage bzw. Vorliegen einer Leistenhernie.
Therapie. Da es innerhalb des 1. Lebensjahres noch zu einem verspäteten
Merke
Lassen sich beide Hoden weder bei der klinischen noch bei der sonographischen Untersuchung objektivieren, erfolgt zum Ausschluss einer Anorchie die Stimulation mit humanem Choriongonadotropin (HCG). Sind Testikel vorhanden, kommt es nach 48 Stunden zu einem Testosteronanstieg.
physiologischen Descensus testis kommen kann, nach Abschluss des 2. Lebensjahres aber die ersten pathomorphologischen Veränderungen im Keimepithel auftreten, ist das 2. Lebensjahr das optimale Behandlungsalter. Zunächst sollte eine Hormontherapie mit humanem Choriongonadotropin durchgeführt werden. Ist diese nicht erfolgreich, so ist die Operationsindikation gegeben. Eine primäre operative Indikation ergibt sich beim Bauchhoden, bei Verdacht auf ektope Hodenlage bzw. bei gleichzeitigem Vorliegen einer Leistenhernie. Der operative Eingriff besteht in einer ausgiebigen retroperitonealen Mobilisation des Ductus deferens und der Vasa spermatica, um eine spannungsfreie Verlagerung des Hodens in das Skrotum zu gewährleisten. Ist die skrotale Position infolge einer zu hohen Fehllage bei dem operativen Ersteingriff nicht zu erreichen, erfolgt nach Ablauf von 3 Monaten nach zuvor durchgeführter HCG-Therapie der Sekundäreingriff, wobei in der Mehrzahl der Fälle eine ausreichende skrotale Lage erreicht wird. n Merke. Der nicht skrotal zu verlagernde Hoden muss wegen des erhöhten Risikos der malignen Entartung entfernt werden.
Prognose. Bei rechtzeitiger skrotaler Verlagerung des Hodens ist die Prognose gut.
Prognose. Bei rechtzeitiger skrotaler Verlagerung des Hodens ist mit guten Fertilitätsspätergebnissen zu rechnen.
23.3.11 Hodentorsion
23.3.11
Definition
Pathogenese. Die fehlende Verklebung des Hodens/Nebenhodens mit der Tunica vaginalis bedingt eine erhöhte Drehbeweglichkeit um die Achse des Samenstranges. Bei einer Verdrehung resultiert eine venöse Rückflussstörung mit Ödembildung bis zur hämorrhagischen Infarzierung.
Hodentorsion
n Definition. Bei der Hodentorsion handelt es sich um eine Verdrehung des Hodens um die Längsachse mit Störung der Blutzirkulation. Man unterscheidet folgende Formen ( 1 B-23.47): Supravaginale Torsion: Es besteht eine Verdrehung des gesamten Samenstranges im Bereich des Leistenkanals. Intravaginale Torsion: Verdrehung des Hodens innerhalb der Hodenhüllen (Skrotum).
Pathogenese. Aus der fehlenden Verklebung des Hodens/Nebenhodens mit
der Tunica vaginalis resultiert eine erhöhte Motilität, die zu einer Torsion des Hodens führen kann. Ein gehäuftes Auftreten findet sich beim unvollständig deszendierten Hoden (z.B. Leistenhoden). Aus der Verdrehung um die Achse des Samenstranges resultiert eine venöse Rückflussstörung mit Ödembildung, die zu einer hämorrhagischen Infarzierung führen kann.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
871
23.3.12 Varikozele
1 B-23.47
Hodentorsion Klinischer Befund bei Revision einer Hodentorsion.
Symptome. Die Hodentorsion kommt besonders häufig im Säuglingsalter
Symptome. Typisch ist der akut einsetzende heftige Schmerz im Bereich der Leiste bzw. des Skrotums.
Diagnose. Bei der klinischen Untersuchung findet sich eine Druckschmerzhaftigkeit des Hodens. Liegt das Schmerzereignis 1–2 Stunden zurück, kommt es ödembedingt zunächst zu einer Vergrößerung des Hodens und später zu einer Schwellung und Rötung des Skrotums. Differenzialdiagnostisch kommen in Betracht: die Epididymitis, die Orchitis (Anamnese), ein direktes Trauma (Anamnese), das idiopathische Skrotalödem (allergisch, Schmerzlosigkeit), die Hydatidentorsion (Verdrehung von Hodenanhangsgebilde [Morgagni-Hydatide]). Diese ist klinisch von der Hodentorsion nicht abzugrenzen.
Diagnose. Es findet sich eine Druckschmerzhaftigkeit des Hodens. Ödembedingt kommt es zu einer Vergrößerung des Hodens mit nachfolgender Schwellung und Rötung des Skrotums. Differenzialdiagnostisch kommen die Epididymitis, die Orchitis, ein direktes Trauma, das idiopathische Skrotalödem und die Hydatidentorsion in Betracht.
Therapie. Bei dem geringsten Verdacht auf eine Hodentorsion ist die Indikation zur schnellstmöglichen Operation gegeben. Nach Eröffnen des Leistenkanals wird der Funiculus spermaticus und der Hoden aus dem Skrotum hervorluxiert. Nach Hodendetorquierung und Verschluss eines evtl. vorhandenen offenen Processus vaginalis erfolgt die skrotale Fixation. Grundsätzlich soll in gleicher Sitzung zur Vermeidung der möglichen Torsion die prophylaktische Orchidopexie des Hodens der Gegenseite durchgeführt werden. Die Indikation zur Entfernung des infarzierten Hodens sollte nur zurückhaltend gestellt werden, da mit einer Erholung der hormonproduzierenden Zellen auch bei schlecht durchblutet wirkenden Hoden zu rechnen ist.
Therapie. Bei Verdacht auf eine Hodentorsion muss schnellstmöglich die operative Freilegung mit Eröffnen des Leistenkanals, Hodendetorquierung und im Anschluss die skrotale Fixation erfolgen. Bestätigt sich die Diagnose Hodentorsion, wird auch eine prophylaktische Orchidopexie des Hodens der Gegenseite in gleicher Sitzung durchgeführt.
Prognose. Sie ist abhängig von dem Ausmaß der Torsion und dem Zeitpunkt des operativen Eingriffs.
Prognose. Sie ist abhängig vom Zeitpunkt des operativen Eingriffs.
und während der Pubertät vor, das klassische Symptom ist der akut einsetzende heftige Schmerz im Bereich der Leiste bzw. des Skrotums.
23.3.12
Varikozele
n Definition. Die Varikozele ist eine varizenartige Erweiterung der Venen des Plexus pampiniformis.
23.3.12 Varikozele Definition
Pathogenese. Venös fließt das Blut aus dem Hoden über den Plexus pampiniformis in die Vv. testiculares, danach auf der linken Seite in die V. renalis, rechts in die V. cava. Als Folge einer Klappeninsuffizienz der Venae testiculares kommt es zu einer varizenartigen Erweiterung der Samenstranggefäße, die – meist linksseitig auftretend – frühzeitig zu einer fortschreitenden Störung der testikulären Entwicklung führt, welche wahrscheinlich über eine lokale Temperaturerhöhung zu erklären ist.
Pathogenese. Infolge Klappeninsuffizienz der Vv. testiculares resultiert eine – meist linksseitig auftretende – varizenartige Erweiterung der Samenstranggefäße mit daraus resultierender Störung der testikulären Entwicklung.
Symptome. Die betroffene Skrotalhälfte, meist die linke, zeigt unterschied-
Symptome. Die betroffene Skrotalhälfte zeigt unterschiedliche Ausprägungsgrade der venösen Abflussstörung:
liche Ausprägungsgrade der venösen Abflussstörung:
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23 Kinderchirurgie
I: palpable peritestikuläre Venen II: sichtbare und tastbare Varikozele III: das Skrotum sieht aus wie »ein Sack voll Würmer«
Grad I: palpable peritestikuläre Venen Grad II: sichtbare und tastbare Varikozele Grad III: die betroffene Skrotalhälfte imponiert wie »ein Sack voll Würmer«.
Subjektive Beschwerden bestehen nicht. Das klinische Bild ist in stehender Position vorhanden, in liegender Position nicht.
In stehender Position ist das betroffene Skrotum mehr oder weniger ausgeprägt vergrößert. Subjektive Beschwerden bestehen nicht. In liegender Position verschwindet die Schwellung. Bei manueller Kompression des Samenstrangs in Höhe des äußeren Inguinalrings tritt die Schwellung nach Wiedereinnehmen der stehenden Position erst wieder auf, wenn die Kompression nicht mehr durchgeführt wird. Die erneute Füllung der Varikozele spricht für die venöse Klappeninsuffizienz.
Diagnose. Ein sonographischer Ausschluss einer symptomatischen nierentumorbedingten Stauungsvarikozele muss erfolgen.
Diagnose. Ursächlich muss sonographisch ein Nierentumor (z.B. Wilms-
Therapie. Bei ausgeprägten Varikozelen besteht die Indikation zur Operation (Fertilitätsstörung!), z.B. als hohe Ligatur der Vv. testiculares.
Therapie. Bei geringer Ausprägung der Varikozele ist die abwartende Hal-
Prognose. Gut. Durch Ausbildung von Kollateralgefäßen besteht Rezidivgefahr.
Prognose. Gute Prognose. Durch Ausbildung von Kollateralgefäßen kann es
Tumor) ausgeschlossen werden, da infolge einer Kompression der linken V. renalis eine symptomatische Stauungsvarikozele bestehen kann.
tung berechtigt. Wegen der Gefahr der Fertilitätsstörung ist bei ausgeprägten Varikozelen die Operationsindikation gegeben. Operativ erfolgt z.B. die retroperitoneale Darstellung der Vv. testiculares mit hoher Ligatur.
zu einem Rezidiv kommen.
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Gefäßchirurgie
24
Gefäßchirurgie
Andreas Schmid Geschichte: 1912 erhielt der Franzose Alexis Carrel den Medizin-Nobelpreis für seine grundlegenden Arbeiten über arterielle und venöse Rekonstruktionen. Die Angiographie zur Dokumentation von Gefäßveränderungen wurde von E. Monis und R. Dos Santos 1927–1929 entwickelt. Das 1916 entdeckte Heparin wurde 1935 erstmalig von C. Crafoord intraoperativ eingesetzt, um Thrombosen zu verhüten. Die Korrektur einer Aortenisthmusstenose mittels Resektion (Crafoord, 1944) bzw. mittels homologem Gefäßinterponat (R. Gross, 1948) waren weitere Meilensteine in der Gefäßchirurgie. Die folgenden Erstoperationen waren weitere Pioniertaten der Gefäßchirurgie: die Thrombendarteriektomie (TEA, R. Dos Santos, 1946), der femoropopliteale Bypass mit autologer V. saphena magna (J. Kunlin, 1948), der homologe Aortenbifurkationsersatz wegen einer Thrombose (J. Oudot, 1950) und wegen eines Aneurysmas (Ch. Dubost, 1951). 1953 gelang De Bakey die erste offene TEA der Karotisgabel. Es folgten Rekonstruktionen der Nierenarterien bei Stenose 1953 sowie bei chronischen Verschlussprozessen der Mesenterialgefäße 1958. Fogarty berichtete 1963 erstmals über den Einsatz des nach ihm benannten Ballonkatheters, der auch heute noch weltweit bei Embolektomien Verwendung findet. Als Gefäßersatzmaterial standen zunächst nur homologe Gefäßtransplantate vom Menschen oder heterologe Transplantate von Rind oder Kalb zur Verfügung. Bei kleineren Gefäßen wurde immer auf die V. saphena magna des Patienten zurückgegriffen. 1951 gründete R. Fontaine die erste Gefäßbank Europas (homologe Leichenarterien). Aufgrund der schwierigen langfristigen Konservierung dieser biologischen Implantate waren Komplikationen nicht selten (Thrombose, Verkalkungen, Aneurysma, Ruptur). Mit Entwicklung alloplastischer Gefäßprothesen (Dacron, Goretex/PTFE usw.), die auch bei langer Verweildauer im Patienten keine wesentlichen Materialveränderungen zeigen, hat die Gefäßchirurgie seit den 60er Jahren eine zunehmende Verbreitung erfahren und ihre heutige Bedeutung erlangt.
Geschichte: 1912 Nobelpreis an A. Carrel für Grundlagenforschung in der Gefäßchirurgie 1927–29 Entwicklung der Angiographie 1935 erster Einsatz von Heparin im OP 1944 erste Korrektur einer Aortenisthmusstenose 1946 erste Thrombendarteriektomie (TEA) 1948 erster femoropoplitealer Venenbypass 1950 erster homologer Aortenbifurkationsersatz 1953 erste offene TEA der A. carotis 1963 erste Embolektomie mit Fogarty-Ballonkatheter
24.1
Erkrankungen des Arteriensystems
24.1
24.1.1
Grundlagen
Erkrankungen des Arteriensystems
24.1.1
Grundlagen
Erkrankungen der Arterien lassen sich in obliterierende (Gefäßverschluss) und dilatierende (Aneurysma) Formen unterteilen. Anatomisch lassen sich 3 Schichten der Arterienwand erkennen, die von innen nach außen Intima (Gefäßendothel, elastische Fasern und Basalmembran), Media (glatte Gefäßmuskulatur und Kollagen) und Adventitia (elastische Fasern, Kollagen, Vasa vasorum und Nervengewebe) genannt werden. Während bei den dilatativen Arteriopathien alle Gefäßwandschichten beteiligt sind, liegt bei den obliterierenden Erkrankungen vor allem eine Schädigung der beiden inneren Schichten vor (Verdickung und ulzeröse Veränderungen der Intima durch Anlagerung von Cholesterinkristallen und Thrombozytenaggregaten oder Entwicklung einer Mediasklerose durch Stoffwechselstörungen der Gefäßwand).
Die häufigste Ursache der arteriellen Verschlusskrankheit (AVK) ist die Arteriosklerose (90–95 %), die vor allem durch Nikotinabusus und Stoffwechselkrankheiten (z.B. Diabetes mellitus, Hyperlipoproteinämie, Hyperurikämie) und Hypertonie bedingt ist. Da zunehmend jüngere, erwerbstätige Menschen (Männer : Frauen = 4 : 1) betroffen sind, kommt der arteriellen Verschlusskrankheit (AVK) eine große ökonomische Bedeutung zu. In Abhängigkeit von der Lokalisation des Verschlussprozesses, der Restdurchblutung des geschädigten Stromgebietes und der Ischämietoleranz des minderperfundierten Gewebes manifestieren sich die Folgen der AVK pri-
Formen der Arteriopathie: obliterierende (Gefäßverschluss) π dilatierende (Aneurysma). Anatomisch besteht eine Schichtung der gesunden Arterienwand in Intima, Media und Adventitia. Bei der dilatativen Arteriopathie sind alle Gefäßwandschichten beteiligt, bei den obliterierenden Erkrankungen sind v.a. die beiden inneren Schichten betroffen. π
Die häufigste Ursache der AVK ist in 90–95 % die Arteriosklerose, bedingt durch: Nikotinabusus, Stoffwechselstörungen (Diabetes, Hyperlipoproteinämie, Gicht) und Hypertonus. Männer sind viermal häufiger betroffen. Die Folgen der Ischämie sind abhängig von der Verschlusslokalisation, der Restperfusion des Organs und der Ischämietoleranz des Gewebes.
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874 Manifestationsformen der AVK sind Herzinfarkt, Hirninfarkt, Verschluss der Becken-/Beinstrombahn, mesenteriale und renale Durchblutungsstörung sowie Aneurysmen und deren Komplikationen.
24 Gefäßchirurgie mär als Herzinfarkt, ischämischer Hirninfarkt, Gefäßverschlüsse der Becken-/Beinstrombahn, mesenteriale und renale Durchblutungsstörungen. Weitere Komplikationen der Arteriosklerose sind Aneurysmen der Aorta und der großen Arterien mit der Möglichkeit zu rupturieren oder Embolien mit konsekutiven Gefäßverschlüssen zu verursachen. n Merke. In den Industrieländern stellen die Komplikationen der AVK ab dem 40. Lebensjahr die mit Abstand häufigste Todes- und Erkrankungsursache dar.
Merke
Angiologische Untersuchungstechnik
Angiologische Untersuchungstechnik
Klinische Untersuchung
Klinische Untersuchung
Untersuchungsziel ist, die Lokalisation des Verschlusses/Aneurysmas und das Ausmaß der Funktionsstörung mittels Anamnese, Inspektion, Palpation, Auskultation und Funktionstests zu erkennen ( 1 B-24.1). Bei plötzlichem Verschluss (Embolie) sind schwerwiegendere Funktionsausfälle zu erwarten als bei einer langsam entstandenen Gefäßstenose mit Kollateralbildungsmöglichkeit. π Anamnese: Eine chronische Verringerung des Gefäßquerschnitts um bis zu 70 % ist hämodynamisch unwirksam. Erreicht ein chronischer Gefäßverschluss ≥ 90 %, werden Ruheschmerzen angegeben. Patienten klagen häufig über ein zunehmendes Schwächegefühl, rasche Ermüdbarkeit, Enge- oder Druckgefühl, zunehmende Kälteempfindlichkeit oder schlecht heilende Wunden nach Bagatellverletzungen. Beschwerden auf dem Boden einer peripheren AVK sind durch eine definierte Belastung (Gehstrecke) reproduzierbar. AVK-bedingte Beschwerden werden immer distal des betroffenen Gefäßabschnitts lokalisiert (z.B. Oberschenkelverschluss: Wadenschmerz). Beim Untersuchungsgespräch müssen endogene Risikofaktoren (Diabetes, Hyperlipoproteinämie, Hypertonus etc.) und exogene Risikofaktoren (Nikotin, Medikamente) erfragt werden.
Die angiologische Untersuchung verfolgt das Ziel, Ort und Ausmaß einer pathologischen Gefäßstrombahnveränderung zu erkennen und zu dokumentieren. Die klinische Untersuchung umfasst Anamnese, Inspektion, Palpation, Auskultation und Funktionstests. Diese klinischen Maßnahmen sind zur Diagnosesicherung meist ausreichend ( 1 B-24.1).
π Inspektion: Bei der Inspektion werden beurteilt: π Hautfarbe und -trophik π Schwellungen (Ödem/Infekt) π Rhagaden und Ulzera π Nekrosen π Venenfüllung. π Blutdruckmessung: Blutdruckdifferenzen > 30 mmHg im Seitenvergleich sind pathologisch. π Palpation: Bei der Palpation ( 1 B-24.1) achtet man auf: π Pulsstärke und Qualität π Schwirren π Rhythmusstörungen π Hauttemperatur π Kapillarpuls. Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer,
Anamnese: Bei einem plötzlichen Verschluss (Embolie) sind bei gleichem Umfang der Gefäßverlegung schwerwiegendere Funktionsausfälle als bei einer langsam entstandenen Gefäßstenose zu erwarten, da sich bei dieser Kollateralen ausbilden, die im Einzelfall sogar Gefäßverschlüsse kompensieren können. Eine chronische Verringerung des Gefäßquerschnitts um bis zu 70 % ist hämodynamisch unwirksam. Bei fortschreitender Stenosierung treten zunehmend Belastungsbeschwerden auf. Erreicht der Gefäßverschluss ≥ 90 %, sind Ruhesymptome zu erwarten. 90 % der Patienten mit Symptomen einer AVK werden erst durch Schmerzen zum Arzt geführt. Bei chronischem Verlauf lassen sich bereits länger bestehende Beschwerden eruieren, die vom Patienten häufig fehlgedeutet wurden. Hier sind zu erwähnen: zunehmendes Schwächegefühl, rasche Ermüdbarkeit, Enge- oder Druckgefühl, zunehmende Kälteempfindlichkeit und schlecht heilende Wunden bei der peripheren AVK. Die Beschwerden einer peripheren AVK sind in der Regel bei einer definierten Belastung (Gehstrecke) reproduzierbar. Art und Ausmaß der Beschwerden, die im Rahmen einer AVK auftreten, sind je nach betroffenem Gefäßabschnitt unterschiedlich und werden immer distal des Verschlussprozesses angegeben (z.B. Wadenschmerzen bei Oberschenkelgefäßverschlüssen, Gesäß- oder Oberschenkelbeschwerden bei Beckengefäßverschlüssen). Endogene Risikofaktoren wie Diabetes, Hyperlipoproteinämie, Hyperurikämie und Hypertonus sowie der wesentliche exogene Risikofaktor, der Nikotinabusus, müssen neben eingenommenen Medikamenten (z.B. Ergotaminpräparate bei Migräne) erfragt werden, da sie Rückschlüsse auf die Erkrankung erlauben. Evtl. durchgeführte Voroperationen können, wie bekannte andere Grundkrankheiten (koronare Herzkrankheit/KHK), wichtige Hinweise für das Vorliegen einer AVK liefern. π
Inspektion: Die Inspektion des entkleideten Patienten erlaubt die Beurteilung der Hautfarbe und -beschaffenheit, ggf. vorliegender Rhagaden, Ulzera, einer Nekrose (trocken, demarkiert) oder einer Gangrän (feucht/infiziert, nicht demarkiert) sowie der Venenfüllung im Seitenvergleich.
π
Blutdruckmessung: Die Blutdruckmessung an beiden Armen ist bei allen Patienten obligatorisch. RR-Differenzen > 30 mmHg sind pathologisch.
π
Palpation: Bei der Palpation werden alle tastbaren Arterienpulse im Seitenvergleich hinsichtlich Stärke und Qualität beurteilt ( 1 B-24.1). Bei einem vorgeschalteten Hindernis ist eine Abschwächung vorhanden. Weitere Hinweise auf eine AVK liefern ein verzögerter Kapillarpuls (d.h. > 1 Sekunde) und eine erniedrigte Hauttemperatur. Ein lokales Schwirren kann Folge
π
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24.1.1 Grundlagen
875
einer hochgradigen Stenose, eines Aneurysmas oder einer AV-Fistel sein. Rhythmusstörungen gehen überzufällig häufig mit Embolien einher.
1 B-24.1
Synopsis Klinische Untersuchung bei Erkrankungen der Arterien
Obligatorische Palpationsstellen der Pulse
Obligatorische Auskultationsregionen
A. temporalis superficialis A. carotis
Aorta abdominalis A. radialis A. ulnaris A. femoralis
A. poplitea (Kniekehle)
A. tibialis posterior A. dorsalis pedis
Familienanamnese
Hypertonus, Diabetes mellitus, Herzinfarkt, Schlaganfall, arterielle Verschlusskrankheit, Fettstoffwechselstörung, Gicht
Eigenanamnese
Größe, Gewicht, Diabetes mellitus, Herzinfarkt, Schlaganfall, Hypertonus, Hyperlipidämie, Gicht, »Durchblutungsstörungen«, Ulcera cruris, Voroperationen, Medikamente, Nikotin
Symptome
Gehstrecke, Kältegefühl, Empfindungsstörungen, Belastungsschmerz, Ruheschmerz, Ulcera cruris, Schmerzcharakter, -ausstrahlung und -dauer
Inspektion
Hautfarbe (Blässe, Rötung), Schwellungen, Ulcera cruris, Nekrosen/Gangrän, Operationsnarben, Amputationen
Palpation
Pulsqualität im Seitenvergleich, Rhythmusstörungen, Schwirren, Kapillarpuls, Hauttemperatur
Auskultation
Strömungsgeräusche
Blutdruckmessung
RR-Messung im Seitenvergleich (Differenz > 30 mmHg ist pathologisch)
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876 π Auskultation: Die Auskultation ergänzt die Palpation. Pulssynchrone Geräusche sind ab 70 %iger Stenose zunehmend hochfrequenter und schärfer auskultierbar. Auskultierbare Geräusche sind über dem Entstehungsort oder kurz dahinter am lautesten; sie können aber auch fortgeleitet sein (z.B. Aortenklappe: Schwirren über der A. carotis). AV-Fisteln verursachen Maschinengeräusche über der Fistel.
24 Gefäßchirurgie Auskultation: Die Auskultation ergänzt den Palpationsbefund. Hiermit können auch Arterienabschnitte beurteilt werden, die der direkten Palpation nicht zugänglich sind (z.B. Aortoiliakalregion). Der Auskultationsbefund kann bei beginnender Stenosierung dem Tastbefund vorausgehen, wobei ein Stenosegeräusch mit zunehmender Gefäßeinengung (>70%) hochfrequenter und lauter wird. Die Möglichkeit eines fortgeleiteten Geräusches (z.B. Schwirren über der A.carotis bei einer Aortenklappenstenose) muss bei der Auskultation stets bedacht werden. Bei einer AV-Fistel ist ein Maschinengeräusch über der Fistel auskultierbar. Verstärkte lokale Pulsationen können ein Aneurysma markieren (z.B. Leistenaneurysma).
π
n Merke. Die Konstellation einer absoluten Arrhythmie mit einer diffusen, plötzlich aufgetretenen Abdominalsymptomatik muss an einen Mesenterialinfarkt denken lassen.
Merke
π Funktions- und Belastungstests: Sie sind geeignet, das Ausmaß einer Minderdurchblutung zu dokumentieren ( 1 B-24.2). π Gehtest Man achtet darauf, wo und nach welcher Gehstrecke Schmerzen auftreten. π Ratschow-Lagerungsprobe Mit diesem Test können arterielle Durchblutungsstörungen der Beine erfasst werden.
Faustschlussprobe/Elevated-ArmStress-Test Dieser Test dient dem Nachweis einer arteriellen Minderperfusion der Arme. π
π Allen-Test Er gibt Aufschluss über die Perfusion der A. radialis, A. ulnaris und des Arcus palmaris. π Kältetest Durch Kälteexposition kann eine Raynaud-Symptomatik ausgelöst werden.
Bildgebende Untersuchungsverfahren Apparative Untersuchungsverfahren ( 1 B-24.3) werden ergänzend durchgeführt zur π Dokumentation des klinischen Befundes π adäquaten OP-Planung π Verlaufskontrolle. Als nicht invasive Methoden stehen die Doppler-Sonographie, die Oszillographie, die Sonographie und die CT sowie MRT zur Verfügung. Die Angiographie in konventioneller und DSA-Technik sind die invasiven Diagnostika der Wahl. Die Doppler-Sonographie stellt das Ausmaß von Gefäßverschlüssen dar (Richtung und Stärke des Blutstromes, peripherer Verschlussdruck, AV-Fistelvolumen).
Funktions- und Belastungstests: Sie sind geeignet, das Ausmaß einer Minderdurchblutung zu dokumentieren ( 1 B-24.2). Im Gehtest achtet man bei einer Gehgeschwindigkeit von 60 m/min darauf, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Lokalisation Schmerzen einsetzen (schmerzfreie Gehstrecke), wann eine Schonhaltung (Hinken) beginnt und nach wieviel Metern der Patient schmerzbedingt anhalten muss. Die Ratschow-Lagerungsprobe ist ein Test zur Erfassung arterieller Durchblutungsstörungen der Beine. Hierbei wird zunächst das Abblassen der Füße unter Belastung (30–40 « Flexion/Extension im OSG bei erhobenen Beinen in Rückenlage) und anschließend die Hautrötung und Venenfüllung unter Entlastung (Herabhängen der Füße im Sitzen) als ein Maßstab für die Durchblutungsverhältnisse im Seitenvergleich beurteilt, wobei sich bei Gefäßgesunden die Vorfüße nach 5 Sekunden röten und die Fußrückenvenen nach 10 Sekunden füllen. Die Faustschlussprobe bzw. der Elevated-Arm-Stress-Test nach Ross dient dem Nachweis arterieller Minderperfusion der Arme. Hierbei schließt der Patient bei erhobenen Armen wiederholt die Fäuste. Bei einer A.-subclaviaStenose distal des A.-vertebralis-Abganges (Thoracic-outlet-Syndrom, TOS) kann eine vorzeitige Ermüdung der Armmuskulatur und bei Stenose proximal des A.-vertebralis-Abganges ein Subclavian-steal-Phänomen mit Auftreten einer Synkope provoziert werden. Der Allen-Test gibt Aufschluss über die A.radialis, A.ulnaris und den Arcus palmaris. Ist eines dieser Gefäße verschlossen, blasst die Hand bei Kompression des anderen Gefäßes ab, besonders wenn gleichzeitig die Faust mehrfach geschlossen wird. Im Kältetest kann durch Kälteexposition (z.B. fließendes Wasser) ein Raynaud-Phänomen ausgelöst werden.
π
Bildgebende Untersuchungsverfahren Apparative Untersuchungsverfahren können eine gute klinische angiologische Untersuchung nicht ersetzen. Sie sind aber ergänzend notwendig, um einen Befund zu dokumentieren, Differenzialdiagnosen abzuklären und um eine adäquate Operationsplanung durchführen zu können. Es werden nicht invasive (Doppler-Sonographie, Oszillographie, Sonographie, Computertomographie, MR-Angiographie) von invasiven Methoden (Angiographie, digitale Subtraktionsangiographie) unterschieden ( 1 B-24.3). Bei der Doppler-Sonographie werden die vom Schallkopf emittierten Ultraschallwellen von den korpuskulären Bestandteilen des Blutes in Abhängigkeit von der Flussgeschwindigkeit und Richtung reflektiert und im Bereich hörbarer Frequenzen wiedergegeben. So können Strömungsverlangsamungen nach Stenosen, eine Strömungsumkehr (z.B. über der A. ophthalmica bei extrakraniellen Stenosen der A. carotis interna) und periphere Verschlussdrücke (nach Anlage und Blockung einer Blutdruckmanschette) erfasst werden. Die Farb-Doppler-Sonographie macht verschiedene Flussintensitäten und Richtungen (z.B. bei AV-Fisteln) farbunterschiedlich sichtbar.
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877
24.1.1 Grundlagen
1 B-24.2
Synopsis Funktionstests bei Erkrankungen der Arterien
Gehtest zur Erfassung der schmerzfreien Gehstrecke (60 m = 120 Schritte/min). Gehstrecke in Metern
Ratschow-Lagerungsprobe zur Erfassung arterieller Durchblutungsstörungen der Beine.
Schmerzbeginn S1
Beginn Schongang S2
Stillstand S3
30 – 40 × Beurteilungskriterien Abblassen von Fußsohlen und Zehen: •Zeit? •gleichmäßig? •seitengleich? nach 2 min
Rötung von Fußsohlen und Zehen: • Zeit? (normal 5s) •gleichmäßig? •seitengleich? Füllung der Vorfußvenen: • Zeit? (normal 10s) •seitengleich? • Nachröte?
Faustschlussprobe, Elevated-Arm-Stress-Test/EAST zur Erfassung arterieller Minderperfusion der Arme.
30–40 ×/min über 3 Minuten 80 cm H2O =60 mmHg
Allen-Test zur Erfassung von Perfusionsstörungen der A. radialis, A. ulnaris und des Arcus palmaris. Verschluss
Kältetest zur Provokation eines arteriellen Gefäßspasmus bei entsprechender Disposition.
Ein 10-minütiges Wasserbad in 12°C kaltem Wasser kann eine Raynaud-Symptomatik auslösen.
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878 1 B-24.3
24 Gefäßchirurgie
Synopsis Bildgebende Verfahren bei Erkrankungen der Arterien
Doppler-Sonographie Sie erfasst die Flussrichtung und Fließgeschwindigkeit der korpuskulären Bestandteile des Blutes; mit Hilfe einer Blutdruckmanschette kann der periphere Verschlussdruck an den Extremitäten gemessen werden.
Arm: RR 170/80 mmHg Oberschenkel:
a Flussmessung mit der Doppler-Methode.
170 mmHg
200 mmHg
Wade:
100 mmHg
170 mmHg
Knöchel:
170 mmHg
100 mmHg b Druckmessung mit der Doppler-Methode.
c Nachweis eines A.- femoralis-superficialisVerschlusses rechts mit der Doppler-Methode.
Oszillographie Sie erfasst pulssynchrone Volumenschwankungen an den Extremitäten mit Hilfe einer die Extremität umschließenden Druckmanschette.
a Oszillographie. Duplexsonographie Sie erlaubt die anatomische Darstellung von Aneurysmen, Aneurysmakomplikationen (z.B. Perforation) und Gefäßwandveränderungen (z.B. Ulkus/Plaque).
normale Pulskurve
integrierter Puls (über Kollateralen, kompletter Verschluss)
dikrotielose Kurve (Wandsklerose)
anarchischer Puls (durch kleine Kollateralen kompensiert)
Stenosepuls (schräger Anstieg, dikrotieloser Abstieg)
stumme Kurve (akuter Verschluss)
b Druckkurvendarstellungen bei Oszillographie. homogener Flow prästenotisch
Gefäßwand intra- und poststenotische FlowBeschleunigung und Turbulenzen Duplexsonographie der A. carotis communis, bei stenosierend verkalktem Gefäßwandplaque.
Computertomographie (CT)
ACC
Strömungsrichtung verkalkter Plaque mit 60 % Lumeneinengung
dorsaler Schallschatten
V. cava Aortenaneurysma (Durchmesser 7 cm)
Anschnitt der Leber Anschnitt der rechten Niere
M. psoas
Wirbelkörper
Rückenmark M. erector trunci
CT-Bild eines Aortenaneurysmas von 7 cm Durchmesser.
Dornfortsatz
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879
24.1.1 Grundlagen
1 B-24.3
Synopsis Fortsetzung
Magnetresonanzangiographie (MRA)
Aorta
Milz
Anschnitt der A. splenica
doppelt angelegte linke A. renalis
A. renalis rechts
Verschluss der A. iliaca communis links
rechte Niere Verschluss der A. iliaca interna rechts
linke Niere A. mesenterica inferior
A. iliaca externa rechts MR-Angiographie der Aorta bei Verschluss der A. iliaca communis links und der A. iliaca interna rechts.
A. rectalis ima
Angiographie und digitale Subtraktionsangiographie (DSA)
arteriosklerotisch veränderte Aorta Ektasie der A. iliaca communis rechts
DSA bei Stenose der A. iliaca communis links.
hochgradige Stenose der A. iliaca communis links abgangsnaher Verschluss der A. iliaca interna links
Mit der Oszillographie können pulssynchrone Volumenschwankungen im Bereich der Extremitäten nach Anlage einer Blutdruckmanschette an verschiedenen Stellen im Seitenvergleich mechanisch oder elektronisch aufgezeichnet werden. Mit der Belastungsoszillometrie können auch klinisch noch stumme Gefäßstenosierungen nachgewiesen werden. Die Sonographie ( 1 B-24.4) eignet sich zur Darstellung von Aneurysmen (abdominelle Aorta, Leiste, Karotis) und deren Komplikationen (Blutung, Thrombose, Perforation). Heutzutage werden viele asymptomatische Bauchaortenaneurysmen im Rahmen von Routinesonographien inzidenziell diagnostiziert. Mit hochauflösenden Schallköpfen können sogar Gefäßwandveränderungen (Ulzera, Plaques) an oberflächennahen Gefäßen (z.B. Karotisgabel) erkannt werden. Eine kombinierte Abbildung von Strömungskurve und realem Ultraschallbild ermöglicht die sog. Duplexsonographie.
1 B-24.4
Infrarenales Bauchaortenaneurysma in der Oberbauchsonographie + ∏
Die Oszillographie misst pulssynchrone Volumenschwankungen.
Die Domäne der Sonographie ( 1 B-24.4) ist die Abbildung von Aneurysmen (Abdomen, Leiste) mit ihren Komplikationen (Perforation, Blutung). Hochauflösende Schallköpfe sind in der Lage, Gefäßwandveränderungen (Ulzera, Plaques) darzustellen. Die Duplexsonographie ermöglicht die kombinierte Abbildung von Strömungskurve und realem Ultraschallbild.
∏ ∏
+
a Im Längsschnitt zeigt sich ein infrarenales Bauchaortenaneurysma auf einer Länge von 80 mm ( ∏ ) und einer Breite von 39 mm (+).
+
+ ∏
b Im Querschnitt erkennt man das 39 mm große Aortenaneurysma ( ∏ ) mit thrombotischem Randwall und einem durchflossenen Lumen von 21 mm (+).
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24 Gefäßchirurgie
Klinischer Fall Ein 56-jähriger Mann klagt über zunehmende Rückenschmerzen. Er gibt an, täglich ca. 20 Zigaretten zu rauchen. Die Blutdruckmessung ergibt einen Hypertonus mit Werten von 180/100 mmHg an beiden Armen. Bei der flachen Palpation des Bauches ist um den Nabel
1 B-24.5
herum ein verstärktes Pulsieren tastbar. Die orientierende Sonographie des Abdomens zeigt 1 B-24.4. Im Rahmen der präoperativen Planung wird eine Computertomographie des Abdomens durchgeführt ( 1 B-24.5).
Infrarenales Bauchaortenaneurysma bei CT des Abdomens 3
2
2
1
3
1 4 4 Bei guter Kontrastierung der Aorta, der V. cava (1) und der Darmschlingen (2) zeigt sich ein Aortenaneurysma mit einem Durchmesser von 4 cm mit thrombotischem
Mit der Computertomographie (CT) lassen sich Aneurysmen an sonographisch schlecht einsehbaren Regionen untersucherunabhängig darstellen (s. 1 B-24.5). Nach Kontrastmittelgabe ist bei Aortenaneurysmen eine Aussage über die Durchblutungssituation (Nieren, Mesenterialgefäße) möglich. Bei Kontrastmittelallergie kann eine MR-Angiographie indiziert sein. Die Angiographie ermöglicht als invasive Methode durch Abbildung des Ausmaßes und der Morphologie der Gefäßveränderungen eine adäquate Planung der Therapiemodalität (medikamentös/konservativ, radiologisch interventionell, operativ). Die Gefäßdarstellung erfolgt als indirekte Katheterangiographie in Seldinger-Technik mit Zugang über die A. femoralis oder A. brachialis. Durch selektive/supraselektive Katheterangiographie lassen sich einzelne Stromgebiete isoliert kontrastieren und spezielle Fragestellungen beantworten.
Randwall (3) und zentral leicht exzentrisch durchflossenem Lumen (4) ohne Anhalt für Perforation oder Penetration.
Die Computertomographie (CT) wird eingesetzt, um Aneurysmen in ganzer Größe reproduzierbar abzubilden. Auch Regionen, die sonographisch nicht darstellbar sind (z.B. wegen Darmgasüberlagerung), können so erfasst werden. Nach zusätzlicher i.v. Kontrastmittelgabe zeigt sich das Ausmaß eines thrombotischen Randwalls (s. 1 B-24.5). Bei Aortendissektionen kann zudem zwischen dem durchströmten und nicht durchströmten Lumen unterschieden werden. Dadurch ist eine Aussage über Gefäßverschlüsse im Bereich der Nieren- oder Mesenterialgefäße möglich. Liegt eine Kontrastmittelallergie vor, ist alternativ die Durchführung einer Magnetresonanz-Angiographie (MR-Angiographie) zur Abbildung eines Aneurysmas möglich. Die invasive Darstellung der Gefäße im Rahmen der Angiographie wird eingesetzt, um durch Abbildung der Art und des Ausmaßes der Gefäßveränderungen das richtige therapeutische Konzept festlegen zu können. Die Gefäßdarstellung erfolgt als indirekte Katheterangiographie in Seldinger-Technik. Hierbei wird nach Punktion der A. femoralis oder A. brachialis ein Katheter bis vor das darzustellende Stromgebiet vorgeschoben und Kontrastmittel über eine Kontrastmittelpumpe appliziert. Durch selektive und supraselektive Angiographien, bei der Katheter in Gefäßabgänge eingelegt werden (z.B. A. carotis, A. hepatica u.a.), gelingt es, spezielle Gefäßregionen optimal abzubilden und spezifische Fragestellungen zu beantworten.
Klinischer Fall Eine 66-jährige Patientin klagt über rezidivierende Schwindelattacken. Sie berichtet über kurzfristige Sehstörungen, die bereits an beiden Augen aufgetreten seien. Bei der klinischen Untersuchung ist über beiden Karotiden ein Strömungsgeräusch auskultierbar. Die Über-
sichtsangiographie der supraaortalen Gefäße in DSATechnik ( 1 B-24.6) dokumentiert eine hochgradige Stenose im Bereich beider Karotisgabeln sowie eine Abgangsstenose der A. vertebralis rechts.
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24.1.1 Grundlagen
1 B-24.6
DSA-Angiographie
1
1
881
3
4
5
Die DSA-Angiographie der supraaortalen Gefäße zeigt eine hochgradige Stenose im Bereich beider Karotisgabeln sowie eine Abgangsstenose der A. vertrebralis rechts. 1 Karotisgabel 2 A. vertebralis rechts 3 A. vertebralis 4 A. carotis communis 5 A. subclavia links 6 A. subclavia rechts 7 Truncus brachiocephalicus 8 Aortenbogen
6 7 2
8
Bei der digitalen Subtraktionsangiographie (DSA) werden die Angiographiebilder digital auf Computer abgespeichert. Die anschließende Bearbeitung ermöglicht dreidimensionale Rekonstruktionen der Gefäße. Der Hintergrund (Knochen und Weichteile) kann aus dem Bild herausgerechnet und so Kontrastmittel eingespart werden. Diese Technik ermöglicht zudem sogar die Abbildung arterieller Gefäßabschnitte nach venöser Kontrastmittelgabe, allerdings bei vergleichsweise schlechterer Bildqualität und geringerer Aussagekraft ( 1 B-24.6). Die Indikation zur Angiographie sollte wegen der möglichen Komplikationen (Hämatom, Infektion, Aneurysmabildung, Gefäßwanddissektion, Embolisation, Apoplex bei Karotisangiographie und Schock bei Kontrastmittelunverträglichkeit) eng gestellt werden. Bei niereninsuffizienten Patienten (Kreatinin > 2 mg/dl) kann nach Kontrastmittelgabe eine zusätzliche Verschlechterung der Nierenfunktion eintreten und eine Dialyse notwendig werden.
Verfahren der gefäßchirurgischen Therapie Bei der Therapie arterieller Gefäßerkrankungen werden medikamentöse, radiologisch interventionelle und chirurgische Behandlungskonzepte ergänzend eingesetzt.
Medikamentöse und interventionelle Therapie Absolute Nikotinkarenz, Gewichtsreduktion (bessere Diabeteseinstellung, Besserung der Hyperlipämie und des Hypertonus) und Gehtraining (Kollateralenbildung) sollten am Anfang der therapeutischen Überlegungen stehen. Die medikamentöse Therapie beruht auf Maßnahmen, die die Fluidität des Blutes verbessern. Dies ist durch eine Verdünnung der korpuskulären Elemente (Aderlass, Hydroxyäthylstärke/HAES-Infusion: untere Grenze Hb 12 g %, Hkt 30 %) oder Beeinflussung der Gerinnungsfaktoren (Heparin: PTT 60–70 s, Marcumar: Quick 15–25 %) und Thrombozytenaggregation (Aspi-
Die digitale Subtraktionsangiographie (DSA) ermöglicht eine exaktere Darstellung des arteriellen Gefäßbaums unter Einsparung von Kontrastmittel ( 1 B-24.6). Mögliche Komplikationen der Angiographie sind neben einem kontrastmittelbedingten anaphylaktischen Schock die Ausbildung von Hämatomen, Infekten, Blutungen, Aneurysmen, Embolien, Hirninsulten (Karotisangiographie) und die Verschlimmerung einer bestehenden Niereninsuffizienz. Daher sollte die Indikation zur Angiographie eng gestellt werden. Verfahren der gefäßchirurgischen Therapie Man unterscheidet medikamentöse, radiologisch interventionelle und chirurgische Therapiekonzepte. Medikamentöse und interventionelle Therapie Der erste Schritt der Therapie besteht in völliger Nikotinkarenz, Gewichtsreduktion und Gehtraining. Nächstes Ziel ist die Senkung der Blutviskosität durch: Aderlass und Hämodilution mit HAES-Infusionen (untere Grenze: Hb 12 g %, Hkt 30 %) Heparinisierung: initialer i.v. Bolus 5000–10 000 IE, dann ca. 1000 IE/h
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882
24 Gefäßchirurgie
(PTT 60–70 s), Marcumar: Quick 15–25 % und Aspirin: 50–100 mg/d. Bei thromboembolischem Gefäßverschluss kann die Thrombolyse mit Streptokinase, Urokinase, rt-PA oder APSAC systemisch oder als lokale Katheterlyse (geringeres systemisches Risiko) erwogen werden (TZ 60–70 s). Tödliche Komplikation: 1–2 %!
Zu Kontraindikationen, Nebenwirkungen und Dosierung der Thrombolytika s.a. 2 B-24.10, S. 936. Die Wirkung einer PTA, bei der kurzstreckige, wenig verkalkte Stenosen nach Einführung eines Ballonkatheters dilatiert werden (Dotterung), kann durch die Einbringung eines Stents (selbstexpandierender innerer Gefäßtubus) verbessert werden ( 1 B-24.7).
1 B-24.7
rin: 50–100 mg/d) zu erreichen. Marcumar und Aspirin sind bei bekannten gastrointestinalen Ulzera kontraindiziert. Bei thromboembolischem Gefäßverschluss kann eine systemische Thrombolyse mit Urokinase/Streptokinase (TZ 60–70 s), rt-PA (recombinant tissue plasminogen activator) oder APSAC (Anisoyl-Plasminogen-StreptokinaseActivator-Complex) indiziert sein. Dies ist umso erfolgversprechender, je jünger der Verschluss ist. Eine Thrombolyse ist während der ersten 10–14 Tage postoperativ, bei alten Patienten (> 70 Jahre: erhöhtes Risiko der Hirnblutung), Hypertonikern (zerebrale Massenblutung), langjährig insulinpflichtigen Diabetikern (Netzhauteinblutung bei -ablösung) und fortgeschrittenen Karzinomen (Einblutung) kontraindiziert. Bei der sog. Katheterthrombolyse wird der Katheter zur Gabe des Thrombolytikums unter Durchleuchtung direkt in den Thrombus eingelegt, was bei größerem Aufwand die Erfolgsaussichten erhöht und die systemische Blutungsneigung vermindert. Insgesamt werden tödliche Blutungskomplikationen in ca. 1–2 % beobachtet. Zu Kontraindikationen, Nebenwirkungen und Dosierung der Thrombolytika s.a. 2 B-24.10, S. 936. Kurzstreckige, wenig verkalkte Stenosen großer Gefäße sind eine Indikation für die perkutane, transluminäre Angioplastie (PTA), bei der radiologischerseits ein spezieller Ballonkatheter in der Stenose für ca. 20 Sekunden aufgeblasen und dadurch die Enge aufgeweitet wird (Dotterung) ( 1 B-24.7). Längerstreckige Stenosen können bei Risikopatienten nach Dilatation mit einem Stent (in der Stenoseregion platzierter, selbstexpandierender Maschendrahttubus) überbrückt und offengehalten werden.
Synopsis Perkutane transluminäre Angioplastie (PTA)
1a
1b
1c
2
1 Perkutane Punktion der A. femoralis (a) und Vorschieben eines Führungsdrahtes im Lumen über die Gefäßstenose hinweg (b, c) (unter Röntgen-Durchleuchtung). 2 Über den Führungsdraht wird der Dilatationskatheter unter Röntgen-Kontrolle mit seinem Ballon in die Stenose eingelegt. 3 Dilatation der Stenose durch kontrolliertes Füllen des Ballons mit Überdruck.
Bei Vorliegen einer symptomatischen pAVK der Beine kann die periphere Durchblutung vorübergehend (6–12 Monate) durch eine lumbale Sympathikolyse verbessert werden ( 1 B-24.8).
Besteht ein Raynaud-Syndrom der oberen Extremität, ist analog eine thorakale Sympathikolyse möglich.
3
4
5a
5b
4 Nach Rückzug des Dilatationskatheters kann der Erfolg der Dilatation, bei liegendem Führungsdraht, angiographisch dokumentiert werden. Bei gewünschtem Effekt wird der Draht entfernt und die Arterienpunktionsstelle komprimiert. 5 Sonderfall: Stenose der distalen Aorta (a). Hier kann ein ausreichender Dilatationsquerschnitt nur in der sog. »Kissingballon«-Technik aufgebaut werden, d.h. dass von jeder Leiste je ein Dilatationskatheter vorgeschoben und simultan in der Stenose geblockt wird (b).
Durch eine lumbale Sympathikolyse ist es möglich, bei Patienten mit einer symptomatischen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK), die kleineren Arterien mittelfristig (ca. 6–12 Monate) weit zu stellen und so die Durchblutungssituation am entsprechenden Bein zu verbessern. Hierbei wird über eine lange Infiltrationskanüle zunächst ein Lokalanästhetikum um den lumbalen Grenzstrang (zwischen LWK 2–4) eingebracht ( 1 B-24.8). Lässt sich ein klinischer Effekt nachweisen (Zunahme der Hautdurchblutung und der schmerzfreien Gehstrecke oder Rückbildung des Ruheschmerzes), erfolgt am Folgetag die Verödung des Grenzstranges durch die lokale Applikation eines Verödungsmittels (z.B. Alkohol 70 %). Bei Durchblutungsstörungen der oberen Extremität (z.B. Raynaud-Syndrom) ist analog eine thorakale Sympathikolyse im Bereich des 3.-4. thorakalen Sympathikus-Ganglions möglich.
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883
24.1.1 Grundlagen
1 B-24.8
Synopsis Schematische Darstellung der lumbalen Sympathikolyse
AB a Lagerung des Patienten auf die gesunde Seite (A Beckenkammoberkante, B Rippenbogen).
M. quadriceps lumbalis
Nadel
linke Niere M. psoas major
Grenzstrang
Aorta
M. erector spinae V. cava inferior
b Mit einer Infiltrationskanüle wird die Vorderkante des Wirbelkörpers (zwischen LWK II–IV) lokalisiert und so das Lokalanästhetikum /Sklerosierungsmittel im Bereich des Grenzstranges eingebracht.
Nahtmaterial, Prothesen
Nahtmaterial, Prothesen
Die Fortschritte in der Gefäßchirurgie wurden erst durch die Entwicklung eines speziellen Instrumentariums und synthetischer Nahtmaterialien und Prothesen möglich ( 1 B-24.9). Gefäßnähte werden im Wesentlichen mit nicht resorbierbaren, atraumatischen, monofilen Fäden (Polypropylen, Polytetrafluoroethylen) der Stärke 3–0 (Aorta) bis 6–0 (feine Anastomosen am Unterarm oder Unterschenkel) durchgeführt. Bei Kindern werden für zirkuläre Gefäßnähte in manchen Fällen resorbierbare monofile Fäden verwendet (z.B. Maxon), um ein Mitwachsen der Gefäßanastomosen zu ermöglichen. Für den Gefäßersatz stehen folgende Materialien zur Verfügung: π Dacron (gewebte Prothesen, Einsatz vor allem im aortoiliakalen/femoralen Bereich) π Goretex-Prothesen (an allen Gefäßen einsetzbar)
Das in der Gefäßchirurgie eingesetzte Instrumentarium muss eine atraumatische Behandlung der empfindlichen Gefäßwände ermöglichen. Dem entspricht auch, neben einer subtilen Operationstechnik, die Verwendung atraumatischen, nicht resorbierbaren, überwiegend monofilen Nahtmaterials (z.B. Polypropylen, Goretex/Polytetrafluoroethylen) ( 1 B-24.9). Als Prothesenmaterial hat sich Kunststoff bewährt (Dacron, Goretex/PTFE). Bei gelenküberschreitenden Rekonstruktionen können diese Prothesen ringverstärkt sein, um Abknickungen zu vermeiden.
1 B-24.9
Instrumentarium und Prothesenmaterialien 5
7
3
4 6 2 8 1 1 2 3 4
Goretex-Prothese ringverstärkte Goretex-Prothese Dacron-y-Prothese Duktusklemme
5 6 7 8
Pott’sche Schere Dissektor Fogarty-Katheter Ringstripper.
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884 1 B-24.10
24 Gefäßchirurgie
Synopsis
Gefäßchirurgische Methoden der Gefäßrekonstruktion und des Gefäßersatzes
Embolektomie (z.B. simultanes, beidseitiges Fogarty-Manöver bei reitendem Thrombus der Aortenbifurkation).
Aorta Thrombus vor der Aortenbifurkation A. iliaca externa A. femoralis communis
Thrombendarteriektomie (TEA) (z.B. halboffene, retrograde TEA der A. iliaca externa mit dem Ringstripper).
Leistenband
A. iliaca interna
Ringstripper
A. iliaca communis rechts Fogarty-Katheter A. iliaca externa
Patchplastik (z.B. Patcherweiterungsplastik der A. iliaca communis und externa rechts).
arteriosklerotischer Intimazylinder
Aorta
Goretex-Patch
Aortenersatz (z.B. als aortobifemorale Y-Prothese bei arteriosklerotischen Stenosen).
A. femoralis
Aorta
A. iliaca communis
A. iliaca interna
A. iliaca externa
A. iliaca externa
A. femoralis
a
b
c
d
Goretex-Prothesen ringverstärkt (für gelenküberschreitende, periphere Bypässe) π autologe V. saphena magna (bei Anastomosen an peripheren, z.B. kruralen Gefäßen). Während Goretex-Prothesen initial blutdicht sind, müssen Dacron-Prothesen mit nicht heparinisiertem Patientenblut intraoperativ geklottet werden. Alternativ werden mit Kollagen abgedichtete Dacron-Prothesen industriell angeboten. Bypässe mit autologer V. saphena magna haben die geringste Verschlussund Infektrate, allerdings ist die Entnahme der Vene vom ipsi- oder kontralateralen Bein mit zusätzlichem operativem Aufwand verbunden. π
Bei peripheren Anastomosen mittelbzw. kleinlumiger Gefäße ist die autologe V. saphena magna als Bypass überlegen (geringste Infekt- und Verschlussrate).
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885
24.1.1 Grundlagen
1 B-24.10
Synopsis Fortsetzung
Prothesenbypass (z.B. als femoropoplitealer Bypass bei Verschluss der A. femoralis superficialis).
A. iliaca externa
A. femoralis superficialis
femoropoplitealer Bypass Stenose/Verschluss
Venenbypass (Präparation der V. saphena magna für einen Venenbypass (a,b); bei Anlage eines In-situBypasses bleibt die Vene in anatomischer Position – dann müssen die Venenklappen mit einem Valvulotomiekatheter zerstört werden (c,d).
V. saphena magna
Ligatur von Seitenästen
A. femoralis communis a
proximales Venenende distales Venenende b
Venenklappen
Valvulotomiekatheter
c
d
Operationsverfahren
Operationsverfahren
Kann mittels konservativer oder interventioneller Maßnahmen keine Verbesserung des Beschwerdebilds erreicht werden, muss die Indikation zu einer operativen Therapie überdacht werden. Hierbei muss die klinische Gesamtsituation (Erkrankungsstadium, Operabilität, psychosoziale Situation des Patienten) gegenüber dem zu erwartenden Nutzen und der Invasivität des geplanten Eingriffs gegeneinander abgewogen werden. Welches operative Vorgehen den größten Benefit für den Patienten verspricht, muss mit Hilfe der Angiographie geklärt werden (Zustrom- und Abflussverhältnisse). Bei den Operationen werden gefäßerhaltende, rekanalisierende, rekonstruktive Verfahren von gefäßersetzenden oder gefäßumgehenden Bypass-Verfahren unterschieden ( 1 B-24.10).
Nach Ausschöpfen aller medikamentöser und minimal invasiver Maßnahmen stellt sich, nach Ausschluss allgemeiner Kontraindikationen, die Frage nach dem operativen Vorgehen anhand der angiographischen Situation.
Es werden rekonstruktive gefäßerhaltende von gefäßersetzenden Operationen unterschieden ( 1 B-24.10).
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886
24 Gefäßchirurgie
Rekonstruktive Verfahren
Rekonstruktive Verfahren
Zu den rekonstruktiven Verfahren zählen die Embolektomie und die Thrombendarteriektomie (TEA) (s. 1 B-24.10). π Embolektomie: Entfernen eines arteriellen Embolus nach Freilegen und querer Inzision des Gefäßes durch Einführen des entblockten und Rückzug des geblockten Ballonkatheters nach Fogarty.
Zu den rekanalisierenden Verfahren zählen die Embolektomie und die Thrombendarteriektomie (TEA) (s. 1 B-24.10).
π Thrombendarteriektomie: Entfernen eines arteriosklerotischen Intimazylinders nach Längsinzision des Gefäßes in Allgemeinnarkose mit Hilfe eines Gefäßdissektors (direkt/offen) oder durch Einbringen eines Ringstrippers und eines Ballonkatheters (indirekt/halboffen). Eine Arteriotomie kann bei großen Gefäßen direkt verschlossen und bei kleineren Gefäßen durch Einnähen eines Venen- oder Goretexflickens (Patch) erweitert werden.
π Thrombendarteriektomie: Eine Thrombendarteriektomie (TEA) kann nach Längsarteriotomie offen (im Bereich des freigelegten Gefäßabschnitts) oder halboffen (nach proximal und distal über die Freilegungsstelle hinaus) durchgeführt werden. Bei der offenen TEA werden die arteriosklerotisch und ulzerös veränderten Gefäßwandabschnitte mit dem Dissektor abgetragen. Dabei entstehende Intimastufen müssen mit einer Naht angeheftet werden. Bei der halboffenen Methode wird ein Ringstripper über einen liegenden Ballonkatheter nach proximal oder distal vorgeschoben. Unter Drehungen des Ringstrippers werden die veränderten Intimazylinder gelöst und durch Rückzug des geblockten Ballonkatheters geborgen. Je nach Zirkumferenz der Gefäßwand im Bereich der Arteriotomie wird diese direkt genäht (z.B. A. femoralis) oder mit einem Gewebeflicken (Vene oder Goretex) im Sinne einer Patchplastik erweitert (z.B. A. carotis).
Gefäßersetzende Verfahren
Gefäßersetzende Verfahren
Embolektomie: Die Embolektomie wird bei thromboembolischen Verschlüssen der Arm- oder Becken-/Beinstrombahn als Fernembolektomie nach Zugang über die Ellenbeuge oder Leiste retro- oder orthograd mit einem Fogarty-Ballonkatheter durchgeführt. Hierbei wird der entblockte Ballonkatheter nach Querarteriotomie über den Embolus vorgeschoben. Beim Zurückziehen des geblockten Katheters wird der Thrombus von dem Ballon vorgeschoben und über die Arteriotomie gewonnen. Eine Embolektomie kann ggf. in Lokalanästhesie durchgeführt werden.
π
Zu den gefäßersetzenden Verfahren gehören Protheseninterpositionen und Bypässe (s. 1 B-24.10). Gefäßprotheseninterpositionen: Sie sind dann notwendig, wenn aneurysmatisch veränderte Gefäßabschnitte reseziert und ersetzt werden müssen, z.B. als Aorteninterponate, aortoiliakale oder aortofemorale Y-Prothesen.
π Protheseninterpositionen: Aneurysmatisch veränderte Gefäßabschnitte (z.B. Aorta) werden reseziert und mit Protheseninterpositionen überbrückt.
π
π Bypässe: Langstreckig verschlossene Gefäßabschnitte können in anatomischer oder extraanatomischer Position mit Prothesen (Dacron, Goretex, autologe Vene) umgangen werden. An mittel- und dünnkalibrigen Arterien sollte wegen der geringsten Verschluss- und Infektrate autologe V. saphena magna bevorzugt werden. Reicht die entnommene Vene nicht aus, kann sie nach proximal mit einer Kunststoffprothese verlängert werden (Composite Graft).
Bypässe: Zur Umgehung langstreckig verschlossener, nicht rekanalisierbarer Arterienabschnitte können bei ausreichendem Abstromgebiet (sog. run off) Bypässe in anatomischer oder extraanatomischer Position eingesetzt werden. An großkalibrigen Gefäßabschnitten werden die Bypässe mittels Dacron- oder Goretex-Prothesen angelegt. An mittel- und dünnkalibrigen Arterien sollte autologe V. saphena magna bevorzugt werden, da sie die geringsten Verschluss- und Infektraten aufweist. Im Bedarfsfall kann eine kurze Vene auch nach proximal mit Kunststoffprothesen verlängert werden (Composite Graft). Bei Anlage eines In-situ-Venenbypasses wird die V. saphena magna in ihrer anatomischen Position belassen. Nach Ligatur aller Seitenäste müssen die Venenklappen mit einem feinen Valvulotomkatheter zerstört werden, um im Bypass den Blutfluss in zentripedaler Richtung zu ermöglichen.
Amputation
Amputation
Amputationen sind bei ischämisch infizierten Gliedmaßen das letzte Therapiekonzept. Grundsätzlich sollte unter Resektion aller Infektzonen ein möglichst langer, gut weichteilgedeckter Stumpf verbleiben, um eine optimale prothetische Versorgung und Rehabilitation zu ermöglichen. 1 B-24.11 fasst die Amputationsformen zusammen.
Ist eine Rekonstruktion der Gefäßstrombahn nicht möglich und liegen bereits Nekrosen (Gangrän) vor, ist eine Amputation nicht zu umgehen. Die Amputationshöhe ist so zu wählen, dass alle Infektbezirke entfernt werden und ein gut durchbluteter Muskel-/Weichteilmantel verbleibt, um den Stumpf zu decken. Je mehr funktionell intakte Extremität verbleibt, umso besser ist die Möglichkeit der prothetischen Versorgung und der sozialen Rehabilitation. 1 B-24.11 stellt die gebräuchlichen Amputationshöhen dar.
π
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887
24.1.1 Grundlagen
1 B-24.11
Synopsis Amputationsmethoden in der Gefäßchirurgie
Oberschenkel
Hüftgelenksexartikulation
M. rectus femoris
M. vastus lateralis
Oberschenkelamputation (kurzer Stumpf)
N. ischiadicus M. gracilis
Oberschenkelamputation (langer Stumpf)
M. biceps femoris
M. semitendinosus
a
M. semimembranosus b
Oberschenkelamputation: Bei jeder Amputation muss auf eine gute Weichteildeckung des geglätteten Knochenabsetzungsrandes geachtet werden, um eine optimale Belastbar- und Beweglichkeit des Stumpfes zu gewährleisten. Zu diesem Zwecke werden die Muskeln der Oberschenkelbeuger und Oberschenkelstrecker (a, b) spannungsfrei vor dem Knochenstumpf zusammengeführt und mit Fasziennähten fixiert (sog. Myoplastik).
Kniegelenksexartikulation Unterschenkelamputation (kurzer Stumpf)
Unterschenkel
Unterschenkelamputation (langer Stumpf)
Tibia Fibula
V. saphena magna
Syme-Amputation
Amputationshöhen
c
N. tibialis
V. saphena parva
d
Unterschenkelamputation: Neben einer guten Muskel- und Weichteildeckung muss darauf geachtet werden, daß die Fibula etwa 2 cm mehr als die Tibia gekürzt wird, damit diese die wesentliche Kraft auf die Prothese weiterleitet und Durchspießungen der Fibula durch die Haut vermieden werden (c,d). Vorfuß
Chopart
Lisfranc
Fußamputation nach Chopart und Lisfranc: Die Absetzungslinie folgt dem jeweiligen Gelenkspalt (Chopart: Articulatio cuneo-navicularis und cuboido-calcanearis/ Lisfranc: Articulatio tarso-metatarsea), wobei die jeweiligen Gelenkflächen entknorpelt werden. Die Weichteildeckung des Stumpfes erfolgt durch nach fußrückenwärts angehobene Anteile der Fußsohle, sodass ein endbelastungsfähiger Stumpf resultiert.
Grenzzonenamputation: Bei der Grenzzonenamputation z.B. der Großzehe (g) wird der noch gut durchblutete Weichteilmantel über dem Grundgelenk fischmaulförmig zugunsten der Plantarseite (h) abgesetzt, das Köpfchen des ersten Mittelfußknochens entknorpelt und der plantarseitige Weichteillappen fußrückenseitig über dem ehem. Grundgelenk verschlossen (i).
g
e
f
Vorfußamputation: Bei dieser Amputationsform wird die Absetzungslinie etwa durch die Mitte der Metatarsalia geführt (e). Die Weichteildeckung der gut geglätteten Mittelfußknochenstümpfe erfolgt durch Fußsohlenanteile (f).
h
i
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
888
24 Gefäßchirurgie
Komplikationen in der Gefäßchirurgie Die Komplikationen der gefäßchirurgischen Therapie ergeben sich aus der Chronizität des Grundleidens oder sind bedingt durch falsche Indikationen, falsche Anastomosentechnik, Fehldosierung von Antithrombotika oder Infekte. Bei den allgemein gefäßveränderten Patienten sind perioperative Zwischenfälle (Herzinfarkt, Apoplex) nicht selten. Über spezifische Komplikationen gibt 2 B-24.1 Auskunft.
Komplikationen in der Gefäßchirurgie Die Komplikationen einer gefäßchirurgischen Therapie erklären sich zum Teil durch die Chronizität des Grundleidens (bei fortschreitender Arteriosklerose kann es, wie bei persistierenden Herzrhythmusstörungen zu einem erneuten Gefäßverschluss kommen). Andere Komplikationen sind bedingt durch falsche Indikationen (unzureichender Zustrom/Abfluss), falsche Anastomosentechnik (Frühverschluss, Nachblutung, Nahtaneurysmabildung), Fehldosierung von gerinnungshemmenden Medikamenten (Blutung, Gefäßverschluss) oder Infekte (Abszesse, Nahtaneurysmen). Bei den allgemein gefäßveränderten Patienten sind perioperative Zwischenfälle wie Herzinfarkt, Herzinsuffizienz oder Apoplexe (vor allem nach Karotis-TEA) nicht selten. Über andere spezifische Komplikationen von Gefäßoperationen gibt 2 B-24.1 Auskunft.
2 B-24.1
Spezifische Komplikationen nach gefäßchirurgischen Operationen
N Karotisstromgebiet n
Apoplex, TIA, Verletzungen des N. hypoglossus, N. vagus und N. laryngeus recurrens
N A. subclavia n
Schädigung des Armplexus, Pleuraeröffnung
N Nierenarterien n
Nierenversagen
N Mesenterialgefäße n
Darmischämie
N infrarenale Aorta n
ischämische Kolitis des linken Hemikolons, vaskuläre und/oder neurogene Impotenz
N Beckenstrombahn n
Verletzungen der Ureteren und der Beckenvenen
N Leistenregion n
Verletzungen des N. femoralis und der V. femoralis
N Extremitäten n
Verletzungen peripherer Nerven
Bei Nachblutungen ist eine sofortige Revision angezeigt. Infizierte Prothesen müssen in der Regel entfernt werden.
Bei Nachblutungen ist nach Konsolidierung der Gerinnungsparameter eine unverzügliche Revision angezeigt. Infizierte Prothesen lassen sich in der Regel durch Antibiotika nicht sanieren. Sie müssen entfernt werden, möglichst bevor septische Komplikationen auftreten. Sollte nach Gefäßprothesenentfernung eine Revaskularisierung auch durch einen extraanatomischen Bypass im Bereich der Extremitäten nicht möglich sein, muss amputiert werden (life before limb!).
24.1.2
24.1.2
Akute Arterienverschlüsse der Extremitäten
Merke
Ätiologie. Häufigste Ursache des akuten arteriellen Gefäßverschlusses ist die Embolie (70–90 %). Andere Gründe sind arterielle Thrombosen, Gefäßverletzungen, Aortendissektionen und die Phlegmasia coerulea dolens. Gefäßspasmen können Embolien vortäuschen (Pseudoembolie). Die meisten Emboli entstehen im Herzen (meist linker Vorhof): bei Rhythmusstörungen, Klappenfehlern, Herzwandaneurysmen und Endokarditis bilden sich Thromben im Herzen, die ebenso wie mechanische Herzklappen Ausgangspunkt von Embolien sein können ( 2 B-24.2).
Akute Arterienverschlüsse der Extremitäten
n Merke. Der akute arterielle Gefäßverschluss stellt eine Notfallsituation dar, die sofortiges diagnostisches und therapeutisches Handeln erfordert.
Ätiologie. Ursachen des akuten arteriellen Gefäßverschlusses sind überwie-
gend Embolien (70–90 %). Männer und Frauen mittleren und vor allem höheren Alters sind etwa gleich häufig betroffen. Seltener sind akute Gefäßverschlüsse durch lokale arterielle Thrombosen bei Arteriosklerose oder Aortendissektion oder Thrombangitis obliterans, Gefäßverletzungen, durch eine Phlegmasia coerulea dolens bedingt. Gefäßspasmen können eine Embolie vortäuschen (Pseudoembolie). Häufigster Bildungsort eines Embolus ist das Herz (v.a. linker Vorhof). Als zugrunde liegende Herzerkrankung kommen Rhythmusstörungen (z.B. Vorhofflimmern bei Mitralvitium, Arrhythmia absoluta bei KHK), Herzwandaneurysmen, eine Endokarditis oder Herzklappenfehler (z.B. bei rheumatischem Fieber) in Betracht. Auch mechanische Herzklappen können, vor allem bei unzureichender Antikoagulation, Ausgangspunkt einer Embolie sein ( 2 B-24.2).
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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24 Gefäßchirurgie
Komplikationen in der Gefäßchirurgie Die Komplikationen der gefäßchirurgischen Therapie ergeben sich aus der Chronizität des Grundleidens oder sind bedingt durch falsche Indikationen, falsche Anastomosentechnik, Fehldosierung von Antithrombotika oder Infekte. Bei den allgemein gefäßveränderten Patienten sind perioperative Zwischenfälle (Herzinfarkt, Apoplex) nicht selten. Über spezifische Komplikationen gibt 2 B-24.1 Auskunft.
Komplikationen in der Gefäßchirurgie Die Komplikationen einer gefäßchirurgischen Therapie erklären sich zum Teil durch die Chronizität des Grundleidens (bei fortschreitender Arteriosklerose kann es, wie bei persistierenden Herzrhythmusstörungen zu einem erneuten Gefäßverschluss kommen). Andere Komplikationen sind bedingt durch falsche Indikationen (unzureichender Zustrom/Abfluss), falsche Anastomosentechnik (Frühverschluss, Nachblutung, Nahtaneurysmabildung), Fehldosierung von gerinnungshemmenden Medikamenten (Blutung, Gefäßverschluss) oder Infekte (Abszesse, Nahtaneurysmen). Bei den allgemein gefäßveränderten Patienten sind perioperative Zwischenfälle wie Herzinfarkt, Herzinsuffizienz oder Apoplexe (vor allem nach Karotis-TEA) nicht selten. Über andere spezifische Komplikationen von Gefäßoperationen gibt 2 B-24.1 Auskunft.
2 B-24.1
Spezifische Komplikationen nach gefäßchirurgischen Operationen
N Karotisstromgebiet n
Apoplex, TIA, Verletzungen des N. hypoglossus, N. vagus und N. laryngeus recurrens
N A. subclavia n
Schädigung des Armplexus, Pleuraeröffnung
N Nierenarterien n
Nierenversagen
N Mesenterialgefäße n
Darmischämie
N infrarenale Aorta n
ischämische Kolitis des linken Hemikolons, vaskuläre und/oder neurogene Impotenz
N Beckenstrombahn n
Verletzungen der Ureteren und der Beckenvenen
N Leistenregion n
Verletzungen des N. femoralis und der V. femoralis
N Extremitäten n
Verletzungen peripherer Nerven
Bei Nachblutungen ist eine sofortige Revision angezeigt. Infizierte Prothesen müssen in der Regel entfernt werden.
Bei Nachblutungen ist nach Konsolidierung der Gerinnungsparameter eine unverzügliche Revision angezeigt. Infizierte Prothesen lassen sich in der Regel durch Antibiotika nicht sanieren. Sie müssen entfernt werden, möglichst bevor septische Komplikationen auftreten. Sollte nach Gefäßprothesenentfernung eine Revaskularisierung auch durch einen extraanatomischen Bypass im Bereich der Extremitäten nicht möglich sein, muss amputiert werden (life before limb!).
24.1.2
24.1.2
Akute Arterienverschlüsse der Extremitäten
Merke
Ätiologie. Häufigste Ursache des akuten arteriellen Gefäßverschlusses ist die Embolie (70–90 %). Andere Gründe sind arterielle Thrombosen, Gefäßverletzungen, Aortendissektionen und die Phlegmasia coerulea dolens. Gefäßspasmen können Embolien vortäuschen (Pseudoembolie). Die meisten Emboli entstehen im Herzen (meist linker Vorhof): bei Rhythmusstörungen, Klappenfehlern, Herzwandaneurysmen und Endokarditis bilden sich Thromben im Herzen, die ebenso wie mechanische Herzklappen Ausgangspunkt von Embolien sein können ( 2 B-24.2).
Akute Arterienverschlüsse der Extremitäten
n Merke. Der akute arterielle Gefäßverschluss stellt eine Notfallsituation dar, die sofortiges diagnostisches und therapeutisches Handeln erfordert.
Ätiologie. Ursachen des akuten arteriellen Gefäßverschlusses sind überwie-
gend Embolien (70–90 %). Männer und Frauen mittleren und vor allem höheren Alters sind etwa gleich häufig betroffen. Seltener sind akute Gefäßverschlüsse durch lokale arterielle Thrombosen bei Arteriosklerose oder Aortendissektion oder Thrombangitis obliterans, Gefäßverletzungen, durch eine Phlegmasia coerulea dolens bedingt. Gefäßspasmen können eine Embolie vortäuschen (Pseudoembolie). Häufigster Bildungsort eines Embolus ist das Herz (v.a. linker Vorhof). Als zugrunde liegende Herzerkrankung kommen Rhythmusstörungen (z.B. Vorhofflimmern bei Mitralvitium, Arrhythmia absoluta bei KHK), Herzwandaneurysmen, eine Endokarditis oder Herzklappenfehler (z.B. bei rheumatischem Fieber) in Betracht. Auch mechanische Herzklappen können, vor allem bei unzureichender Antikoagulation, Ausgangspunkt einer Embolie sein ( 2 B-24.2).
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24.1.2 Akute Arterienverschlüsse der Extremitäten
2 B-24.2
889
Ursachen arterieller Embolien
N Herz n
Klappen: Klappenfehler (v.a. Mitralklappe), mechanische Herzklappen, Endokarditis Vorhöfe: Arrhythmia absoluta, offenes Foramen ovale, Vorhofmyxom Ventrikel: Herzwandaneurysma nach Infarkt, Rhythmusstörungen z.B. bei KHK
N Aneurysmen n
z.B. der Aorta, A. carotis, A. poplitea, A. subclavia
N ulzerierte n Gefäßwandplaques
z.B. der A. carotis, Aorta abdominalis
N Tumoren n
ins Gefäßsystem eingebrochene Karzinome oder Gefäßwandtumoren (z.B. Hämangiosarkom)
N Fettembolie n
nach Frakturen (z.B. Femur, Becken)
N Luftembolie n
nach Eröffnung großlumiger Venen
N Fremdkörperembolie n
abgebrochene Venenkatheter, Schrittmacherkabel, Sonden, Granatsplitter usw.
Weitere Bildungsorte von embolisierenden Abscheidungsthromben sind Aneurysmen und nicht selten auch Tumoren (Vorhofmyxom, Gefäßwandtumoren). Als paradoxe Embolien werden Thromben aus dem venösen Stromgebiet bezeichnet, die über das offene Foramen ovale in die arterielle Strombahn gelangen und dort embolisieren. Die meisten Embolien betreffen das Hirnstromgebiet (Apoplex). In der Peripherie befinden sich 75 % der Verschlüsse im Bereich der unteren und 20 % im Bereich der oberen Extremität. In ca. 5 % kommt es zu Mesenterialinfarkten. Prädilektionsorte für embolische Gefäßverschlüsse sind Gefäßaufzweigungen (Aortenbifurkation, A. femoralis, A. poplitea, A. brachialis, A. carotis) und Gefäßabgänge (A. mesenterica). Arterielle Thrombosen können sich in bereits arteriosklerotisch-ulzerös veränderten Gefäßabschnitten entwickeln, indem an der vorgeschädigten Gefäßwand ortsständige Thromben entstehen, die das Restlumen embolisch verschließen. Gefäßspasmen können durch die Einnahme ergotaminhaltiger Präparate (Ergotismus) z.B. bei Migräne oder durch versehentliche intraarterielle Injektion bestimmter Pharmaka (Barbiturate, Tranquilizer, Antibiotika) hervorgerufen werden. Eine Sonderform stellen sog. Mikroembolien dar. Hierbei werden maximal 1 mm große Emboli aus atheromatösen Gefäßulzera und Plaques (A. carotis, Aorten-/Poplitealaneurysma) abgeschwemmt. Bei Befall der Hirnstrombahn entsteht z.B. das Bild einer Amaurosis fugax oder einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA). Durch Mikroembolisation in der Peripherie kann ein sog. Blue-toe-Syndrom entstehen.
Symptome. Die Klinik eines akuten Gefäßverschlusses ist abhängig von der
Lokalisation, dem Vorhandensein von Kollateralen (komplette/inkomplette Ischämie), der Ischämietoleranz des Gewebes und der Zeitdauer. Als Symptome entwickeln sich die sog. »6 P« nach Pratt: π Pulselessness (Pulsverlust) π Pain (Schmerz) π Pallor (Blässe) π Paraesthesiae (Sensibilitätsstörung) π Paralysis (Bewegungsunfähigkeit) π Prostration (Erschöpfung/Schock) in dieser Reihenfolge. Ein akuter arterieller Gefäßverschluss kann mit schwersten Schmerzen einhergehen (komplette Ischämie), bei vorhandenen Kollateralen aber auch larviert verlaufen (Hand). Nach Pulsverlust kommt es zu einem Schmerzempfinden unterschiedlicher Ausprägung. Beim kompletten Arterien-
Weitere Emboliequellen sind Aneurysmen, Tumoren und das venöse Stromgebiet. Bei letzterem können bei offenem Foramen ovale Thromben aus dem venösen Stromgebiet in die arterielle Strombahn gelangen (sog. paradoxe Embolie). Embolien manifestieren sich in absteigender Häufigkeit im Hirnstromgebiet (Apoplex), in den Beinen, den Armen und den Viszeralgefäßen (Mesenterialinfarkt). Prädilektionsstellen für embolische Gefäßverschlüsse sind Gefäßaufzweigungen. In arteriosklerotischen Gefäßen können an der vorgeschädigten Gefäßwand Thromben entstehen, die embolisieren und so zu einer arteriellen Thrombose führen. Gefäßspasmen können durch ergotaminhaltige Präparate oder durch versehentliche intraarterielle Injektion bestimmter Pharmaka hervorgerufen werden. Mikroembolien (max. 1 mm Größe) entstehen an atheromatösen Gefäßwandulzera und verursachen Krankheitsbilder wie die Amaurosis fugax, transitorische ischämische Attacken (TIA) oder ein Blue-toe-Syndrom. Symptome. Die Symptomatik einer akuten kompletten Ischämie beinhaltet die sog. »6 P« nach Pratt: π Pulselessnes (Pulsverlust) π Pain (Schmerz) π Pallor (Blässe) π Paraesthesiae (Sensibilitätsstörung) π Paralysis (Bewegungsunfähigkeit) π Prostration (Erschöpfung).
Nach Pulsverlust kommt es zu einem Schmerzempfinden unterschiedlicher Ausprägung. Kälte und Blässe entstehen etwa eine Hand breit distal
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890 des Verschlusses. Im Spontanverlauf entwickelt sich eine zunehmende, anfangs noch reversible Schädigung der Nerven (Parästhesie) und Muskulatur (Bewegungsunfähigkeit). Das Vollbild des ischämischen Gewebeschadens ist irreversibel.
Toxische Stoffwechselprodukte und saure Metaboliten (TourniquetSyndrom) können innerhalb kurzer Zeit vor allem bei Verschluss der Aortenbifurkation (sog. LéricheSyndrom) einen Schock verursachen ( 1 B-24.12 b).
24 Gefäßchirurgie verschluss eines zuvor Gefäßgesunden tritt der Schmerz sehr heftig, peitschenschlagartig auf. Blässe und Kälte entwickeln sich in der Regel eine Hand breit distal des Verschlusses. Durch zunehmende Ernährungsstörung der Nerven entsteht eine Parästhesie. Bei ödematöser Schwellung der Muskulatur im Rahmen der Mangeldurchblutung tritt eine zusätzliche Druckschädigung der Nerven auf (Kompartmentsyndrom), die in eine Bewegungsunfähigkeit der Muskulatur einmündet. Im weiteren Verlauf entstehen Stagnationsthromben, die die Zirkulation zusätzlich behindern. Das Vollbild des irreversiblen Gewebetodes imponiert durch einen avitalen, sensibilitätslosen, indurierten, bewegungsunfähigen, mit Spannungsblasen übersäten Extremitätenabschnitt (ischämische Nekrose/Gangrän). Durch Einschwemmung saurer Stoffwechsel- und toxischer Abbauprodukte (Tourniquet-Syndrom) kann sich beim Vollbild der Ischämie in wenigen Stunden (vor allem bei Verschluss der Aortenbifurkation, sog. Lériche-Syndrom) ein Schock entwickeln ( 1 B-24.12 b).
1 B-24.12
Akuter arterieller Verschluss
a Akuter arterieller Verschluss der rechten Beckenstrombahn in der DSA-Angiographie ( Á rechte A. iliaca stellt sich nicht dar, Abgang verschlossen).
b Kompletter infrarenaler Verschluss der Aorta abdominalis (Á ) im Sinne eines Lériche-Syndroms in der DSA-Aortographie. Diagnose. Die Diagnose eines akuten Arterienverschlusses durch Embolie wird klinisch gestellt. Sie kann dopplersonographisch quantifiziert werden (komplett/inkomplett). Sollte sich anamnestisch der Verdacht auf eine arterielle Thrombose ergeben ( 2 B-24.3), ist zur Therapieplanung eine Angiographie indiziert ( 1 B-24.12).
Diagnose. Die Verdachtsdiagnose der Embolie lässt sich in aller Regel mit
Differenzialdiagnose. Ein Gefäßspasmus (Anamnese/Medikamente), eine Immunvaskulitis (erhöhte Entzündungsparameter, Autoantikörper), eine tiefe Beinvenenthrombose (Palpation, Doppler-Sonographie) und eine Phlegmasia coerulea dolens (Anamnese, Doppler-Sono) müssen abgegrenzt werden. Aortendissektionen können ebenfalls einen akuten Gefäßverschluss hervorrufen.
Differenzialdiagnose. Für das Vorliegen eines arteriellen Gefäßspasmus
Hilfe der Anamnese und der körperlichen Untersuchung klinisch stellen. Die Doppler-Sonographie kann den Palpationsbefund (Pulsverlust, Kälte) verifizieren. Da für eine Embolektomie nicht grundsätzlich eine Angiographie vorliegen muss, ist die klinische Abgrenzung zur arteriellen Thrombose wichtig. Deren Korrektur erfordert oft eine aufwendige Rekonstruktion, die das Vorliegen einer Angiographie zur Therapieplanung notwendig macht ( 1 B-24.12). Anamnestisch verwertbare Differenzierungsmerkmale sind in 2 B-24.3 dargestellt. (Pseudoembolie) spricht, neben dem Zusammenhang mit Injektionen und der Medikamentenanamnese (Ergotismus), jugendliches Alter, weibliches Geschlecht und das Fehlen jeglicher Risikofaktoren. Bei Ergotismus auftretende, oft fadenförmige Spasmen auch großer Gefäße sind in der Angiographie in typischer Weise darstellbar. Die Koronar- und/oder Mesenterialgefäße sind dann häufig ebenfalls betroffen. Seltene Differenzialdiagnosen für akute, arterielle Gefäßverschlüsse sind Immunvaskulitis, tiefe Beinvenenthrombosen mit einer Phlegmasia coerulea dolens sowie eine Aortendissektion.
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891
24.1.2 Akute Arterienverschlüsse der Extremitäten
2 B-24.3
Differenzialdiagnostische Hinweise für das Vorliegen einer arteriellen Embolie oder einer arteriellen Thrombose
Anhaltspunkte für eine Embolie
Anhaltspunkte für eine Thrombose
N bekannte Herzerkrankung (Klappenfehler, n Rhythmusstörungen, Infarkt)
N bekannte arterielle Verschlusskrankheit/AVK n (Claudicatio intermittens)
N Embolie in der Anamnese n
N Gefäßoperation, Angiographie, PTA in der Anamnese n
N plötzlicher Beginn mit starken Schmerzen n (komplette Ischämie, keine Kollateralen)
N schleichender Beginn mit weniger starken Schmerzen n (inkomplette Ischämie bei vorhandenen Kollateralen)
N gleichzeitig plötzliche Durchblutungsstörungen n in mehreren Regionen (z.B. periphere Embolie und Apoplex oder TIA)
N gleichzeitig abgeschwächte Pulse auf der Gegenseite n als Hinweis auf eine AVK
N bisher leere angiologische Anamnese n
N Ausschluss eines Emboliestreuherdes n
N anamnestische Hinweise auf eine auslösende n Ursache (Digitalisierung, besondere körperliche Anstrengung, Herzstolpern)
N Hinweise für thrombosefördernde Faktoren (forcierte n Diurese, Polyzythämie, Polyglobulie, Leukose)
Auch nicht gefäßchirurgische Krankheitsbilder wie Muskelzerrungen und -faserrisse sowie Bandscheibenvorfälle, Neuritiden, rheumatische Beschwerden und Tumoren müssen in die diagnostischen Erwägungen mit einbezogen werden.
Auch an nicht gefäßchirurgische Krankheitsbilder wie Muskelzerrungen, degenerative Gelenkerkrankungen, Neuritiden, Bandscheibenvorfälle und Tumoren usw. muss gedacht werden.
Klinischer Fall Ein 66-jähriger Mann mit bekanntem Nikotinabusus wird wegen akuter Ruheschmerzen im Bereich des gesamten rechten Beines eingewiesen. Anamnestisch ist bereits eine Claudicatio intermittens mit einer schmerzfreien Gehstrecke von knapp 200 m bekannt. Bei der klinischen Untersuchung imponiert eine Blässe und Kälte des gesamten rechten Beines bei Pulslosigkeit im Bereich
der A. femoralis und poplitea. Dopplersonographisch kann kein Fluss über der rechten Beinstrombahn nachgewiesen werden. Die daraufhin durchgeführte Beckenbeinangiographie ( 1 B-24.12) in DSA-Technik dokumentiert einen kompletten frischen Verschluss der rechten Beckenstrombahn.
Therapie. Die Therapie des akuten embolischen Extremitätenverschlusses
besteht in der i.v. Applikation von 5 000– 10 000 IE Heparin, der Polsterung und dem unverzüglichen Transport in den OP zur Embolektomie. Über den Erfolg entscheiden Ausmaß und Dauer der Ischämie, da durch Appositionsthromben das rekanalisierbare Gefäßsystem mit zunehmendem Zeitintervall abnimmt. Beträgt die Amputationsrate innerhalb der ersten 6 Stunden noch weniger als 5 %, so steigt sie nach 2 Tagen auf 25–30 % an. Bei Rekanalisation nach langer Ischämie ist ferner ein zunehmender Reperfusionsschaden zu erwarten, wobei über Endothelschäden durch freie Radikale und toxische Stoffwechselprodukte ein zusätzliches Ödem mit weiterem Funktionsverlust der Extremität eintritt (Tourniquet-Syndrom). Postoperativ muss eine Antikoagulation (Heparin) beibehalten und das Grundleiden behandelt werden (z.B. Digitalisierung bei Vorhofflattern, Herzklappenersatz bei Klappenfehler als Emboliequelle usw.), um Rezidive möglichst zu vermeiden. Die arterielle Thrombose bei vorbestehendem arteriosklerotischen Gefäßschaden erfordert größeren diagnostischen und therapeutischen Aufwand. Wegen der vorhandenen Kollateralen ist, außer bei einer kompletten Ischämie, eine konservative Behandlung mit Rheologika und Antikoagulanzien (Vollheparinisierung) angezeigt. Bei frischen Thromben kann eine Lyse mit Streptokinase/Urokinase/rt-PA erwogen werden, wenn keine Kontraindikationen bestehen. Eine Operationsindikation ist dann gegeben, wenn die Rekanalisierung nicht gelingt oder wenn nach angiographischem Befund eine hohe Reokklusionswahrscheinlichkeit besteht, die nicht durch Einlage eines Stents behoben werden kann. Es kommen meist eine TEA mit und ohne Patchplastik, oder ein Bypass in Frage.
Therapie. Die akute Embolie muss nach i.v. Heparinisierung (5000–10 000 IE) unverzüglich durch eine Embolektomie behandelt werden. Bei späterer Rekanalisation entsteht neben der ischämiebedingten Gewebeschädigung ein zusätzlicher Reperfusionsschaden (Tourniquet-Syndrom), der die Amputationsrate von < 5 % innerhalb der 6-Stunden-Frist auf 25–30 % nach 48 Stunden ansteigen lässt. Postoperativ muss eine Antikoagulation (Heparin) beibehalten und das Grundleiden behandelt werden, um Rezidive zu vermeiden. Eine arterielle Thrombose kann oft konservativ (Heparin, Rheologika, Lysetherapie) behandelt werden. Eine Operationsindikation (TEA, Bypass) besteht bei misslungener Rekanalisation oder hoher Reokklusionswahrscheinlichkeit nach angiographischem Befund.
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892
24 Gefäßchirurgie
Patienten mit peripheren Mikroembolien müssen heparinisiert werden. Rezidive lassen sich nur durch die Sanierung der Emboliequelle vermeiden.
Bei rezidivierenden Mikroembolien gilt es, die Emboliequelle zu lokalisieren (z.B. Echokardiographie) und zu sanieren (z.B. Herzklappenersatz bei Klappenvitium). Zwischenzeitlich ist bei einer peripheren Symptomatik eine i.v. Heparinisierung indiziert.
24.1.3
24.1.3
Akrale Ischämiesyndrome
Ätiologie. Während der primäre Morbus Raynaud vor allem Frauen von 20–40 Jahren betrifft (80 %) und durch akrale Gefäßspasmen sowie eine Kapillaropathie hervorgerufen wird, wird die Minderung des akralen Perfusionsdrucks bei der sekundären Form im Rahmen einer anderen Grunderkrankung verursacht ( 2 B-24.4). Bei der primären Form besteht eine überzufällige Koinzidenz mit der Migräne und der vasospastischen Angina pectoris (sog. PrinzmetalAngina).
2 B-24.4
Akrale Ischämiesyndrome
Ätiologie. Etwa 2 % der Erwachsenen leiden unter akralen Ischämiesyndro-
men, die sich in einen primären Morbus Raynaud und ein sekundäres Raynaud-Phänomen unterteilen lassen. Der primäre Morbus Raynaud ist ein Krankheitsbild sui generis, welches durch akrale Gefäßspasmen und eine Kapillaropathie mit Minderung des akralen Perfusionsdrucks bedingt ist. Dieses Perfusionsdefizit kann auch als sekundäres Raynaud-Phänomen im Rahmen anderer Grunderkrankungen, v.a. des TOS (Thoracic-outlet-Syndrom), der Sklerodermie, leukämischer Erkrankungen und durch Kälteagglutinine ausgelöst werden ( 2 B-24.4). Während der primäre Morbus Raynaud vor allem bei Frauen zwischen 20–40 Jahren (80 %) auftritt, die häufig zusätzlich unter einer Migräne oder einer vasospastischen koronaren, sog. Prinzmetal-Angina leiden, ist eine Geschlechts- oder Altersprädisposition bei der sekundären Form nicht vorhanden.
Anhaltspunkte und Ursachen für einen primären Morbus Raynaud oder ein sekundäres Raynaud-Phänomen
Anhaltspunkte für einen primären Morbus Raynaud
Mögliche Grunderkrankungen bei sekundärem Raynaud-Phänomen Beispiele
N anfallsartige akrale Gefäßspasmen n ohne Grunderkrankung
N arterielle Verschlusskrankheit n
AVK, Thrombangitis obliterans, Gefäßtraumen
N weibliches Geschlecht, n Alter 20–40 Jahre (80 %)
N Kompressionssyndrome n
Thoracic-outlet-Syndrom, KarpaltunnelSyndrom, Sulcus-ulnaris-Syndrom
N symmetrischer beidseitiger Befall n mit Aussparung der Daumen
N neurologische Erkrankungen n
Multiple Sklerose, Poliomyelitis, HWSSyndrom, Neuritiden, spinale Tumoren
N ggf. Schwellung der Akren nach n Beendigung des Vasospasmus
N Kollagenosen n
Sklerodermie, Lupus erythematodes, Dermatomyositis
N keine trophischen Störungen an n den Akren
N hämatologische Erkrankungen n
Leukosen, Polyglobulie, Kälteagglutinine, Thrombozytose, Paraproteinämien
N oft Migräne oder vasospastische n Angina pectoris in der Anamnese
N Medikamente n
Ergotamin, b -Blocker, Sympathomimetika, Ovulationshemmer
N fehlende berufliche Exposition n
N berufsbedingte Traumen/ n Umweltgifte
Vibrationstraumen (Presslufthammer), Fehlbelastung (Gehstützen, Klavierspiel, Maschineschreiben), chronische Schwermetallvergiftung (Maler), PVC
Symptome. Das Raynaud-Phänomen äußert sich durch eine anfallsartige Ischämie der Finger und Hände (Füße/ Zehen) mit Taubheitsgefühl und schmerzhafter Fingersteifigkeit. Pathognomonisch ist die »Trikolore« mit einer initialen Leichenblässe, die über eine Zyanose in eine terminale Rötung übergeht. Bei der primären Form imponiert ein symmetrischer Befall unter Aussparung der Daumen. Begleitend werden Parästhesien und Schmerzen angegeben. Bei der sekundären Form treten im Rahmen der progredienten Grunderkrankung oft akrale Nekrosen auf.
Symptome. Das Raynaud-Phänomen äußert sich durch eine anfallsartige Ischämie der Finger und Hände (Füße/Zehen) mit Taubheitsgefühl und schmerzhafter Fingersteifigkeit, die durch Kälte oder psychischen Stress ausgelöst wird. Pathognomonisch für eine Raynaud-Ischämie ist die sog. »Trikolore« mit einer initialen Leichenblässe, die über eine Zyanose in eine terminale Rötung übergeht. Bei der primären Form entwickelt sich die ausgeprägte, passagere Ischämie oft aus völligem Wohlbefinden, wobei die Daumen (Kleinfinger) oft ausgespart und beide Hände symmetrisch betroffen sind. Im »anfallsfreien« Intervall persistiert allenfalls eine diskrete akrale Minderdurchblutung. Bei der sekundären Form können sich durch Fortschreiten der Grunderkrankung akrale Nekrosen entwickeln.
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24.1.4 Chronische Verschlussprozesse der Extremitäten
Diagnose. Die Diagnostik soll das Raynaud-Phänomen sichern und ggf. verursachende Grunderkrankungen aufdecken. Im anfallsfreien Intervall kann das Raynaud-Phänomen durch einen Kältetest (10 Minuten im Wasserbad bei 12 ΩC) provoziert werden und das typische klinische Bild hervorrufen. Eine weitergehende Labordiagnostik (Blutbild, BSG, Autoantikörper, Kälteagglutinine) muss zum Ausschluss der sekundären Formen durchgeführt werden. Mittels Doppler-Sonographie kann der periphere Verschlussdruck bestimmt und somit eine zentrale Stenose ausgeschlossen werden. Bei einer Angiographie unter der Fragestellung eines Raynaud-Phänomens sollten Vasodilatanzien (Regitin) vorgespritzt werden (Pharmakoangiographie), da das Kontrastmittel selber Gefäßspasmen auslösen kann. Die Angiographie erlaubt meist eine Differenzierung zwischen primärem und sekundärem Raynaud-Phänomen. Ein peripher spastischer Gefäßbaum ohne Stenosen und Gefäßabbrüche spricht für einen primären Morbus Raynaud.
Diagnose. Die Diagnostik soll das Raynaud-Phänomen sichern und ggf. verursachende Grunderkrankungen aufdecken. Der Kältetest kann das klinische Bild des Raynaud-Phänomens provozieren. Laborchemisch ergeben sich möglicherweise Anhaltspunkte für ein internistisches Grundleiden. In der Doppler-Sonographie lassen sich zentrale Gefäßstenosen erkennen. Die Angiographie erlaubt meist eine Differenzierung zwischen primärem und sekundärem Raynaud-Phänomen, ein peripher spastischer Gefäßbaum ohne Stenosen und Gefäßabbrüche spricht für einen primären Morbus Raynaud.
Differenzialdiagnose. Abzugrenzen sind Krankheitsbilder wie die Akrozyanose (sich bei Kälteexposition verstärkende Zyanose der Akren auf dem Boden kardiopulmonaler Erkrankungen), das Burning-feet-Syndrom (durch Wärme provoziertes Kribbeln und Parästhesien der Fußsohlen bei Polyneuropathie), die paroxysmale Fingerapoplexie (sog. Achenbach-Syndrom: spontan oder nach Anstrengung vor allem bei Frauen auf der Volarseite eines Langfingers auftretendes, sehr schmerzhaftes Hämatom) und das Blue-toe-Syndrom (akrale Ischämie bei Mikroembolien).
Differenzialdiagnose. Die folgenden Krankheitsbilder können vom RaynaudPhänomen zumeist klinisch differenziert werden: die Akrozyanose, das Burning-feet-Syndrom, die paroxysmale Fingerapoplexie (AchenbachSyndrom) und das Blue-toe-Syndrom.
Therapie. Die Therapie des primären Morbus Raynaud besteht in der Einnahme von Vasodilatanzien (Nitropräparate, a-Blocker). Chirurgisch kann
Therapie. Nach Einsatz gefäßdilatierender Medikamente besteht beim primären Morbus Raynaud die Möglichkeit der thorakalen Sympathektomie. Die Therapie des sekundären RaynaudPhänomens besteht in der Sanierung der Grunderkrankung und bei Progredienz in Grenzzonenamputationen.
bei Beschwerdepersistenz eine thorakale Sympathektomie durchgeführt werden, die eine längerfristige Gefäßweitstellung bedingt. Beim sekundären Raynaud-Phänomen steht die Behandlung der Grundkrankheiten im Vordergrund. Bei Progredienz des Grundleidens sind oft Grenzzonenamputationen notwendig.
24.1.4
Chronische Verschlussprozesse der Extremitäten
n Merke. Die untere Extremität ist mit 80 % der weitaus häufigste Manifestationsort der chronischen AVK.
Ätiologie und Pathogenese. Die physiologische Alterung der Arterien führt zu einem Elastizitätsverlust ohne Lumeneinengung. Demgegenüber führen pathologische Prozesse an der Gefäßwand zu Stenosierungen und Gefäßverschlüssen ( 2 B-24.5). Hauptursache ist in 90–95 % die Arteriosklerose (m : w = 4 : 1), die durch endogene (z.B. Diabetes mellitus, Hyperlipoproteinämie/-cholesterinämie, Hypertonie) und exogene Faktoren (Nikotin) hervorgerufen wird ( 2 B-24.5).
2 B-24.5
24.1.4
Chronische Verschlussprozesse der Extremitäten
Merke
Ätiologie und Pathogenese. Pathologische Veränderungen an der Gefäßwand bedingen Stenosen und Gefäßverschlüsse ( 2 B-24.5). Hauptursache der AVK ist die Arteriosklerose (90–95 %), die durch endogene Faktoren wie Diabetes mellitus,
Risikofaktoren der Arteriosklerose
N unbeeinflussbare n Risikofaktoren
fortgeschrittenes Alter, männliches Geschlecht, familiäre Vorbelastung (familiäre Hypercholesterinämie, Hyperlipidämie oder Dys- b -Lipoproteinämie)
N reversible n Risikofaktoren
Nikotinabusus, Hypertonus, Adipositas
N bedingt n beeinflussbare Risikofaktoren
Hyperlipidämie, Hyperglykämie bei Diabetes mellitus, niedrige HDL-Spiegel, Hypothyreose, systemischer Lupus erythematodes, chronische Niereninsuffizienz, Homozystinurie, chronische Vitamin-D-Intoxikation
N zusätzliche prän disponierende Faktoren
körperliche Inaktivität, Art der Stressbewältigung
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24.1.4 Chronische Verschlussprozesse der Extremitäten
Diagnose. Die Diagnostik soll das Raynaud-Phänomen sichern und ggf. verursachende Grunderkrankungen aufdecken. Im anfallsfreien Intervall kann das Raynaud-Phänomen durch einen Kältetest (10 Minuten im Wasserbad bei 12 ΩC) provoziert werden und das typische klinische Bild hervorrufen. Eine weitergehende Labordiagnostik (Blutbild, BSG, Autoantikörper, Kälteagglutinine) muss zum Ausschluss der sekundären Formen durchgeführt werden. Mittels Doppler-Sonographie kann der periphere Verschlussdruck bestimmt und somit eine zentrale Stenose ausgeschlossen werden. Bei einer Angiographie unter der Fragestellung eines Raynaud-Phänomens sollten Vasodilatanzien (Regitin) vorgespritzt werden (Pharmakoangiographie), da das Kontrastmittel selber Gefäßspasmen auslösen kann. Die Angiographie erlaubt meist eine Differenzierung zwischen primärem und sekundärem Raynaud-Phänomen. Ein peripher spastischer Gefäßbaum ohne Stenosen und Gefäßabbrüche spricht für einen primären Morbus Raynaud.
Diagnose. Die Diagnostik soll das Raynaud-Phänomen sichern und ggf. verursachende Grunderkrankungen aufdecken. Der Kältetest kann das klinische Bild des Raynaud-Phänomens provozieren. Laborchemisch ergeben sich möglicherweise Anhaltspunkte für ein internistisches Grundleiden. In der Doppler-Sonographie lassen sich zentrale Gefäßstenosen erkennen. Die Angiographie erlaubt meist eine Differenzierung zwischen primärem und sekundärem Raynaud-Phänomen, ein peripher spastischer Gefäßbaum ohne Stenosen und Gefäßabbrüche spricht für einen primären Morbus Raynaud.
Differenzialdiagnose. Abzugrenzen sind Krankheitsbilder wie die Akrozyanose (sich bei Kälteexposition verstärkende Zyanose der Akren auf dem Boden kardiopulmonaler Erkrankungen), das Burning-feet-Syndrom (durch Wärme provoziertes Kribbeln und Parästhesien der Fußsohlen bei Polyneuropathie), die paroxysmale Fingerapoplexie (sog. Achenbach-Syndrom: spontan oder nach Anstrengung vor allem bei Frauen auf der Volarseite eines Langfingers auftretendes, sehr schmerzhaftes Hämatom) und das Blue-toe-Syndrom (akrale Ischämie bei Mikroembolien).
Differenzialdiagnose. Die folgenden Krankheitsbilder können vom RaynaudPhänomen zumeist klinisch differenziert werden: die Akrozyanose, das Burning-feet-Syndrom, die paroxysmale Fingerapoplexie (AchenbachSyndrom) und das Blue-toe-Syndrom.
Therapie. Die Therapie des primären Morbus Raynaud besteht in der Einnahme von Vasodilatanzien (Nitropräparate, a-Blocker). Chirurgisch kann
Therapie. Nach Einsatz gefäßdilatierender Medikamente besteht beim primären Morbus Raynaud die Möglichkeit der thorakalen Sympathektomie. Die Therapie des sekundären RaynaudPhänomens besteht in der Sanierung der Grunderkrankung und bei Progredienz in Grenzzonenamputationen.
bei Beschwerdepersistenz eine thorakale Sympathektomie durchgeführt werden, die eine längerfristige Gefäßweitstellung bedingt. Beim sekundären Raynaud-Phänomen steht die Behandlung der Grundkrankheiten im Vordergrund. Bei Progredienz des Grundleidens sind oft Grenzzonenamputationen notwendig.
24.1.4
Chronische Verschlussprozesse der Extremitäten
n Merke. Die untere Extremität ist mit 80 % der weitaus häufigste Manifestationsort der chronischen AVK.
Ätiologie und Pathogenese. Die physiologische Alterung der Arterien führt zu einem Elastizitätsverlust ohne Lumeneinengung. Demgegenüber führen pathologische Prozesse an der Gefäßwand zu Stenosierungen und Gefäßverschlüssen ( 2 B-24.5). Hauptursache ist in 90–95 % die Arteriosklerose (m : w = 4 : 1), die durch endogene (z.B. Diabetes mellitus, Hyperlipoproteinämie/-cholesterinämie, Hypertonie) und exogene Faktoren (Nikotin) hervorgerufen wird ( 2 B-24.5).
2 B-24.5
24.1.4
Chronische Verschlussprozesse der Extremitäten
Merke
Ätiologie und Pathogenese. Pathologische Veränderungen an der Gefäßwand bedingen Stenosen und Gefäßverschlüsse ( 2 B-24.5). Hauptursache der AVK ist die Arteriosklerose (90–95 %), die durch endogene Faktoren wie Diabetes mellitus,
Risikofaktoren der Arteriosklerose
N unbeeinflussbare n Risikofaktoren
fortgeschrittenes Alter, männliches Geschlecht, familiäre Vorbelastung (familiäre Hypercholesterinämie, Hyperlipidämie oder Dys- b -Lipoproteinämie)
N reversible n Risikofaktoren
Nikotinabusus, Hypertonus, Adipositas
N bedingt n beeinflussbare Risikofaktoren
Hyperlipidämie, Hyperglykämie bei Diabetes mellitus, niedrige HDL-Spiegel, Hypothyreose, systemischer Lupus erythematodes, chronische Niereninsuffizienz, Homozystinurie, chronische Vitamin-D-Intoxikation
N zusätzliche prän disponierende Faktoren
körperliche Inaktivität, Art der Stressbewältigung
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
894 Hyperlipidämie und Hypertonie sowie den exogenen Faktor Nikotin ausgelöst wird ( 2 B-24.5). Männer überwiegen um den Faktor 4.
Die Makroangiopathie manifestiert sich vor allem an Leitungsgefäßen, rechtwinkligen Gefäßabgängen und dichotomen Gefäßaufzweigungen. Beim Diabetes mellitus laufen die arteriosklerotischen Veränderungen durch Einlagerung pathologischer Stoffwechselprodukte in die Gefäßwand und eine Verdickung der Endothelbasalmembran beschleunigt ab. Die diabetische Mikroangiopathie mit vorzeitigem Verschluss kleiner arterieller Gefäße (Zehennekrose bei palpablen Fußpulsen) entsteht verstärkt auf dem Boden der peripheren diabetischen Polyneuropathie. Periphere polyneuropathische Sensibilitätsstörungen in Kombination mit der diabetischen Mikroangiopathie erklären die häufig auftretenden schmerzlosen Fußulzera.
Merke
Weitere Ursachen ( < 10 %) der AVK bilden die: π Endangiitis obliterans (Morbus Winiwarter-Buerger): chronisch rezidivierende, thrombosierende segmentale Entzündung der Beinarterien v.a. bei stark rauchenden jungen Männern. Begleitend tritt eine Phlebitis migrans auf. π Fibromuskuläre Dysplasie (perlschnurartige, segmentale Stenosen im Bereich der Iliakalgefäße junger Frauen). π Mönckeberg-Mediasklerose (steinharte, gänsegurgelähnliche Mediaverkalkungen der Unterschenkelund Fußgefäße männlicher Diabetiker und Urämiker). π Zystische Adventitiadegeneration (streng unilaterale Einengung der A. poplitea mittelalter Männer) π Immunarteriopathien: z.B. Wegener-Granulomatose, TakayasuSyndrom, Arteriitis temporalis Horton, Panarteriitis nodosa, KawasakiSyndrom oder begleitend bei Kollagenosen.
24 Gefäßchirurgie Pathogenetisch kommt es zu einer Oberflächenschädigung des Intimaendothels (mechanisch: z.B. Hypertonus, chemisch: z.B. Hyperlipidämie) und zur Gefäßwandverdickung durch Einlagerung von Cholesterinkristallen und subendotheliale Einwanderung von Makrophagen und glatten Muskelzellen (aus der Media). An ulzerösen Endothelläsionen bilden sich Thrombozytenaggregate. Die dort entstehenden Plaques und Thromben führen, wie die Gefäßwandverdickung zu einer progredienten Lumeneinengung. Im weiteren Verlauf entwickeln sich im geschädigten Bereich Verkalkungen der Gefäßwände. Prädilektionsorte dieser arteriosklerotischen Makroangiopathie sind große Leitungsgefäße (Aorta, A. femoralis superficialis), rechtwinklige Gefäßabgänge (Mesenterialgefäße, A. renalis, A. cerebri media) und dichotome Gefäßaufzweigungen (Karotisgabel, Femoralisaufzweigung). Makroangiopathische Gefäßveränderungen entstehen beim Diabetes mellitus beschleunigt, u.a. durch vermehrte Einlagerung nicht enzymatisch glykolysierter Proteine (vor allem Kollagen und Lipoproteine) in die Gefäßwand, Anhäufung gefäßwandtoxischer Stoffwechselprodukte (Sorbitol), Verdickung der Basalmembran, weil Insulin eine wachstumsfördernde Wirkung auf glatte Muskelzellen der Gefäßwand entfaltet. Die damit verbundene Gefäßwandstarre und Lumeneinengung verstärkt den Hypertonus. Zusätzlich entwickelt sich verstärkt eine diabetische Mikroangiopathie (Durchblutungsstörung der kleinen Gefäße), die neben den o.g. Pathomechanismen primär durch die diabetische Polyneuropathie verursacht wird, welche u.a. eine Innervationsstörung der Gefäße mit konsekutiver Durchblutungsstörung hervorruft. Die Kombination der peripheren polyneuropathischen Sensibilitätsstörung mit der diabetischen Mikroangiopathie erklärt die bei dieser Erkrankung häufig auftretenden, schmerzlosen Fußulzera, welche vom Patienten häufig erst im infizierten Stadium (z.B. Gangrän einer Zehe nach Pediküre) bemerkt werden. n Merke. Bei der arteriellen Verschlusskrankheit (AVK) sind meist mehrere Gefäßetagen (z.B. Becken- und Oberschenkeletage) und mehrere Organsysteme (z.B. periphere AVK und koronare Herzkrankheit/ KHK) betroffen.
Weitere Ursachen (< 10 %) der chronischen AVK sind: π Endangiitis (Thrombangiitis) obliterans (Morbus Winiwarter-Buerger) Sie ist eine chronisch rezidivierende, segmentale Entzündung kleiner und mittelgroßer muskulärer Arterien im Bereich der unteren Extremität (80 %), die multilokulär auftritt, mit Thrombosierungen oberflächlicher Venen einhergeht (Phlebitis migrans) und hauptsächlich starke Raucher unter 40 Jahren (m : w = 9 : 1) befällt. π Fibromuskuläre Dysplasie: Sie tritt vor allem bei Frauen jüngeren bis mittleren Alters auf. Sie ist gekennzeichnet durch angiographisch nachweisbare segmentale, perlschnurartige, kurzstreckige Lumeneinengungen, die fast ausschließlich im Bereich der Beckenstrombahn lokalisiert sind. π Mönckeberg-Mediasklerose: Sie wird vor allem bei Diabetikern und Urämikern beobachtet (m : w = 3 : 1). Sie ist durch steinharte, spangenförmige Mediaverkalkungen (Gänsegurgel) hauptsächlich der Unterschenkelund Fußarterien unter Beteiligung ihrer Nebenäste charakterisiert. π Zystische Adventitiadegeneration: Sie befällt streng einseitig Männer mittleren Alters (m : w = 8 : 1) und führt zu Stenosierungen gelenknaher Gefäße (vor allem A. poplitea). π Immunarteriopathien: Sie können selbst (Panarteriitis nodosa, WegenerKlinger-Granulomatose, Takayasu-Syndrom, Arteriitis temporalis Horton, Kawasaki-Syndrom) oder im Rahmen anderer Grunderkrankungen (Sklerodermie, Dermatomyositis) zu Arterienverschlüssen führen.
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895
24.1.4 Chronische Verschlussprozesse der Extremitäten
Klinik. Die Klinik der pAVK ist abhängig vom Kompensationsgrad (Leistungsfähigkeit der Kollateralen) und der Lokalisation der Verschlussprozesse ( 1 B-24.13).
1 B-24.13
Klinik. Die Symptomatik der pAVK wird bestimmt durch die Verschlusslokalisation und den Kompensationsgrad ( 1 B-24.13).
Synopsis Stadieneinteilung der chronisch peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK)
Lokalisationstyp
Schweregrad nach Ratschow-Fontaine Stadium
Beckentyp
I
Stenosen ohne klinische Symptomatik
II a
schmerzfreie Gehstrecke > 200 m, Belastungsdekompensation bedingt Claudicatio-intermittens-Symptomatik (»Schaufensterkrankheit«)
II b
Claudicatio intermittens mit schmerzfreier Gehstrecke von < 200 m
III
Ruhedekompensation bedingt Ruheschmerzen, der Patient lässt daher das Bein nachts oft aus dem Bett hängen (verbessert die Durchblutung, verursacht Unterschenkelödem)
IV a
Ruhedurchblutung nicht mehr ausreichend, es entstehen trockene Nekrosen (Mumifikation)
IV b
bei bakterieller Infektion entsteht eine feuchte Gangrän
Oberschenkeltyp
Unterschenkeltyp
akraler Typ
Beschwerdebild
Frühsymptome (Stadium I nach Fontaine) der pAVK sind unspezifisch. Sie können sich in Enge-, Kälte- oder Schwächegefühlen in den Beinen äußern. Mit zunehmender Lumeneinengung (> 70 %) entsteht eine reproduzierbare Symptomatik, wobei die Beschwerden distal des Verschlussprozesses empfunden werden. Das Ausmaß der Durchblutungsstörung zeigt sich in der Latenzzeit bis zum Auftreten der Claudicatio intermittens (»Schaufensterkrankheit«) (Stadium II a u. II b nach Fontaine). Die beschwerdefreie Gehstrecke ist beeinflussbar durch die Gehgeschwindigkeit, die Belastung (Einkaufstasche), das Schuhwerk (Bergschuhe) und den Untergrund (lockerer Sand). In manchen Fällen wird nach initialen Ischämiebeschwerden eine Rückbildung der Symptomatik angegeben. Dieses sog. »walking through« erklärt sich durch die lokale Anhäufung saurer Metaboliten, die zu einer Gefäßdilatation führen. Bei einer pAVK vom Beckentyp bestehen neben ischialgiformen Beschwerden häufig Erektionsstörungen, insbesondere wenn ein beidseitiger Befall der Iliakalgefäße (chronisches Lériche-Syndrom) oder ein Diabetes mellitus (Mikroangiopathie und Polyneuropathie) vorliegt. Erreichen Gefäßstenosen > 90 %, ist peripher davon kein Puls mehr tastbar. Bei der pAVK vom Stadium III nach Fontaine besteht Ruheschmerz, betont an den Füßen/Zehen. Das häufig begleitende Unterschenkel-/Fußödem ist dadurch bedingt, dass die Patienten ihr Bein nachts aus dem Bett hängen lassen, um somit die Durchblutung zu verbessern und die Beschwerden zu mildern (Symptome einer venösen Abflussstörung sind unter Hochlagerung rückläufig). Trophische Störungen an den Akren sind erhöht infektgefährdet. Reicht die Ruhedurchblutung nicht mehr aus, entstehen trockene Nekrosen (Mumifikation) an Zehen und Ferse (Stadium IVa nach Fontaine). Ein bakterieller Infekt der Nekrosen führt zur feuchten Gangrän (Stadium IV b) oder Phlegmone, die Ausgangspunkt für eine Sepsis sein kann. Im Gegensatz zu den akralen Ulzera bei pAVK sind venöse Stauungsulzera vor allem oberhalb des Innenknöchels lokalisiert. Bei Diabetikern ist das kombinierte Auftreten der AVK-Stadien II und IV (Makro- und Mikroangiopathie) gehäuft zu beobachten (s. 1 B-24.13).
Diagnose. Die Diagnose der Lokalisation und des Schweregrades der AVK
ist nach Anamneseerhebung und klinischer Untersuchung (Inspektion, Palpation, Auskultation, Gehtest) eindeutig zu stellen. Die Doppler-Sonogra-
Beschwerden in Stadium I nach Fontaine sind unspezifisch (Schweregefühl, Kälteempfinden, Schwäche). Im Stadium II entwickelt sich in Abhängigkeit der Verschlussprozesse, Gehgeschwindigkeit und Belastung die typische Claudicatio intermittens (»Schaufensterkrankheit«). Nach kurzer Gehstrecke können initial auftretende Ischämiebeschwerden wieder abklingen, da saure Metaboliten eine lokale Gefäßerweiterung bewirken (sog. »walking through«).
Eine pAVK vom Beckentyp geht, insbesondere beim chronischen Lériche-Syndrom und bei Diabetikern häufig mit Erektionsstörungen einher. Das Stadium III nach Fontaine ist durch akral betonte Ruheschmerzen gekennzeichnet. Oft besteht ein Begleitödem des Fußes/Unterschenkels, da die Patienten ihr Bein nachts aus dem Bett hängen lassen. Im Stadium IV a ist die völlige Dekompensation der Durchblutung erreicht. Es bilden sich Mumifikationen an Zehen und Ferse. Durch Infekte dieser Nekrosen entsteht die Gangrän (Stadium IV b), ein potenzieller Sepsisherd (s. 1 B-24.13).
Diagnose. Die Lokalisations(Verschlusstyp) und Kompensationsdiagnose (Schweregrad) kann durch
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896 die klinische Untersuchung eindeutig festgelegt werden. Dopplersonographisch lässt sich der Befund dokumentieren. Bei Interventionsnotwendigkeit nach Ausschöpfen konservativer Behandlungsmaßnahmen sind die Möglichkeiten einer operativen Therapie anhand einer Angiographie zu prüfen.
24 Gefäßchirurgie phie gibt Aufschluss über den peripheren Verschlussdruck (Differenzierung Makro-/Mikroangiopathie). In Abhängigkeit der klinischen Diagnostik wird die Indikation zur Therapie gestellt. Sind konservative Behandlungskonzepte ausgeschöpft oder unzureichend, muss die Indikation zur interventionellen/operativen Therapie gestellt werden. Die technischen Möglichkeiten und die potenziellen Erfolgsaussichten einer Intervention müssen, wie die Wahl des Behandlungsverfahrens (Sympathikolyse, PTA/Stenteinlage, Op) anhand der zuvor anzufertigenden Angiographie/DSA überprüft werden.
Klinischer Fall Bei einem 53-jährigen Patienten war wegen einer ausgeprägten Arteriosklerose mit hochgradigen Stenosen im Bereich der Beckenstrombahn beidseits 6 Jahre zuvor eine aorto-bifemorale Y-Prothese implantiert worden. Postoperativ hatte sich eine schmerzfreie Gehstrecke von über 500 Metern ergeben. Innerhalb des letzten halben Jahres war es nun zu einer deutlichen Verschlechterung der schmerzfreien Gehstrecke auf zuletzt ca. 100 Meter gekommen. Bei der klinischen Untersuchung sind beidseits keine Leistenpulse palpabel. Die Angiographie zeigt einen kompletten Verschluss der Beckenstrom-
1 B-24.14
bahn beidseits mit ausgeprägtem Umgehungskreislauf ( 1 B-24.14 a). Nach stationärer Aufnahme wird der Patient operiert und eine Thrombendarteriektomie der verschlossenen Y-Prothesenschenkel durchgeführt. Zusätzlich wird ein femoro-poplitealer Bypass rechts angelegt. Die postoperative Kontrollangiographie ( 1 B-24.14 b) dokumentiert offene Y-Prothesenschenkel beidseits mit regelrechter Gefäßversorgung im Bereich des linken Oberschenkels und regelrechtem oberen Abschnitt des femoro-poplitealen Bypass rechts.
pAVK vom Beckentyp
a Kompletter Verschluss der Becken- b Postoperativ offene Y-Prothesenstrombahn beidseits mit ausgeschenkel. prägtem Umgehungskreislauf in der Angiographie. Differenzialdiagnose. Symptome einer pAVK können auch bei Kompressionssyndromen (Entrapment der A. poplitea, Adduktoren-outlet-Syndrom) auftreten oder eine nicht vaskuläre Genese (z.B. Lumbago) haben.
Ergibt sich klinisch kein Anhalt für eine pAVK oder ein Kompressionssyndrom, sollte bei Extremitätenbeschwerden auch an Erkrankungen auf orthopädischem (Gelenke, Wirbelsäule, Muskulatur) oder neurologischem Fachgebiet (Neuritis, Wurzelsyndrome) gedacht werden ( 1 B-24.15).
Differenzialdiagnose. Symptome einer pAVK können auch bei Kompressi-
onssyndromen auftreten oder eine nicht vaskuläre Genese (z.B. Lumbago) haben. Kompressionssyndrome: Häufige Ursache einer Claudicatio-Symptomatik bei jungen Patienten ist die Einengung der A. poplitea von außen (Entrapment) durch eine Fehlinsertion des M. gastrocnemius oder eine Lagevariante der Arterie (in ca. 25 % beidseitig). Pathognomonisch ist das Verschwinden normaler Fußpulse beim Anspannen der Wadenmuskulatur. Oft entsteht ein poststenotisches Poplitealaneurysma. Bei klinischem Verdacht erfolgt die Diagnosesicherung angiographisch ggf. in Provokationshaltung (Zehenspitzenstand). Nach extremer sportlicher Belastung kann ein sog. Adduktorenoutlet-Syndrom auftreten, bei dem ein Intimaeinriss der A. femoralis superficialis an der Durchtrittsstelle aus dem Adduktorenkanal eine lokale arterielle Thrombose verursacht. Ergibt sich klinisch kein Anhalt für eine pAVK oder ein Kompressionssyndrom, sollte bei Extremitätenbeschwerden auch an Erkrankungen auf orthopädischem (Gelenke, Wirbelsäule, Muskulatur) oder neurologischem Fachgebiet (Neuritis, Wurzelsyndrome) gedacht werden ( 1 B-24.15).
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24.1.4 Chronische Verschlussprozesse der Extremitäten
1 B-24.15
897
Synopsis Häufige Differenzialdiagnosen bei chronischen arteriellen Verschlussprozessen
Verschlusslokalisation
A. subclavia
Aorta, A. iliaca communis
A. femoralis
Lokalisation des Belastungsschmerzes
mögliche Differenzialdiagnose
»Periarthritis humeroscapularis« HWS-Syndrom Schulter-Arm-Syndrom Thoracic-outletSyndrom Thoracic-inlet-Syndrom
Koxarthritis, -arthrose LWS-Syndrom
Neuritis LWS-Syndrom Ischialgie Myositis
A. poplitea
Gonarthrose Entrapment A. poplitea Adduktoren-outletSyndrom Phlebothrombose
distal der A. poplitea
Phlebothrombose
Therapie. Nach Ausschöpfen aller erfolgversprechenden konservativen
Therapie. Die Wahl der Therapie (konservativ, interventionell, operativ) richtet sich nach dem Kompensationsgrad und der Lokalisationsdiagnose der pAVK unter Berücksichtigung der psychosozialen Situation, der Begleiterkrankungen und der allgemeinen Risikofaktoren ( 1 B-24.16).
Nachbehandlung. Alle Patienten mit Bypässen der unteren Extremität wer-
Nachbehandlung. Sie besteht in einer früh-postoperativen Vollheparinisierung und einer fakultativen Antikoagulation (ASS, Marcumar) in der Posthospitalphase.
(Nikotinkarenz, vasoaktive Substanzen, rheologische Maßnahmen, Gewichtsreduktion, Gehtraining, Antikoagulanzien) und interventionellen (PTA, Stent) Behandlungskonzepte wird die Op-Indikation anhand des klinischen Stadiums (Kompensationsgrad), der psychosozialen Situation (Alter, Beruf) und der Angiographie (Zustrom- und Abflussverhältnisse) unter Berücksichtigung stattgehabter Voroperationen und der allgemeinen Operabilität (Begleiterkrankungen, lokale Infekte) gestellt ( 1 B-24.16). den früh-postoperativ vollheparinisiert. Ob über die Hospitalphase hinaus eine Antikoagulation (Marcumar) oder ein Aggregationshemmer (Aspirin) indiziert ist, muss im Einzelfall anhand der Gefäßsituation, des Prothesenmaterials, der Anastomosenhöhe und der Kooperationsfähigkeit des Patienten entschieden werden.
Klinischer Fall Ein 48-jähriger Patient stellt sich mit einem kalten rechten Unterschenkel und ausgeprägtem Ruheschmerz vor. Bei kräftigem Leistenpuls rechts ist der Puls der A. poplitea nicht zu tasten. Die anschließend durchgeführte Angiographie ( 1 B-24.17 a) dokumentiert einen kompletten Verschluss der A. poplitea ohne anschlussfähige periphere Gefäße. Es wird die Indikation zur Lysethera-
pie mit Streptokinase gestellt. Diese wird in Form einer Katheterlyse durchgeführt. Bei deutlicher klinischer Besserung erfolgt eine Kontrollangiographie 72 Stunden nach Beginn der Lyse. Sie zeigt ein völlig freies Unterschenkelstromgebiet rechts mit Abbildung der A. tibialis anterior, A. tibialis posterior und A. fibularis sowie eine kräftige Darstellung der Fußgefäße ( 1 B-24.17 b, c).
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898 1 B-24.16
24 Gefäßchirurgie
Synopsis Stadiengerechte operativ-interventionelle Therapiekonzepte bei der pAVK
Stadium II
Die Therapie ist abhängig von der Verschlusslokalisation, der Gehstrecke (IIa, IIb) und sozialen Faktoren (z.B. Beruf). Nikotinkarenz, Gewichtsreduktion und Gehtraining sind grundsätzlich indiziert. z.B. infrarenaler Aortenverschluss oder biiliakaler Verschluss:
pAVK vom Beckentyp
a Aorto-bifemorale, aorto-biiliakale Y-Prothese.
b Fehler: c Fehler: zu tiefe aortale zu langer aortaler Prothesenimplantation. Prothesenschenkel.
z.B. einseitiger Verschluss der Beckenstrombahn:
Patcherweiterungsplastik
FogartyKatheter
Ringstripper (retrograde TEA) c Aorto-femoraler Bypass (bei starker Verkalkung).
a, b Halboffene oder offene Iliaka-TEA, ggf. mit Patchplastik (bei geringer Verkalkung).
d Extraanatomischer suprapubischer iliakofemoraler Bypass.
z.B. kurzstreckige, nicht verkalkte distale Aortenstenose: PTA in der »Kissing-ballon«-Technik z.B. kurzstreckige Iliakalstenose: PTA (Dotterung) und Stenteinlage
pAVK vom Oberschenkeltyp
z.B. Verschluss der A. femoralis superficialis (AFS): A. femoralis communis
supragenualer und infragenualer femoro-poplitealer Sequenzial-Bypass (Goretex auf die supragenuale A. poplitea und Vene auf die Trifurkation)
TEA der AFP AFS AFP a
b
Goretex Patchplastik der AFP
c
supragenualer und infragenualer CompositeBypass
infragenualer femoropoplitealer Venenbypass
d
e
f
a–c Offene TEA der A. profunda femoris (AFP) mit Patchplastik, ggf. zusätzlich Sympathikolyse (bei kurzstreckiger Stenose), femoro-poplitealer Bypass (bei langstreckigem Verschluss) d–f pAVK vom Unterschenkeltyp
Femoro-kruraler Venenbypass mit Sympathikolyse, ggf. als In-situ-Venenbypass.
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899
24.1.4 Chronische Verschlussprozesse der Extremitäten
1 B-24.16
Synopsis Fortsetzung
Stadium III
Absolute Op-Indikation, Technik wie in Stadium II.
Stadium IV
Absolute Op-Indikation, Amputation der nekrotisch/gangränösen Extremitätenabschnitte, bei Möglichkeiten der Gefäßbahnrekonstruktion Technik wie in Stadium II.
Kombinierte Bypassverfahren: Alle o.g. Operationsmethoden können miteinander kombiniert werden, z.B. Y-Prothese und femoro-poplitealer Bypass bei pAVK vom Becken- und Oberschenkeltyp.
Extraanatomische Bypassverfahren:
iliakofemoraler Bypass
a, b Obturatorbypässe zur Umgehung der Leistenregion.
1 B-24.17
aortofemoraler Bypass durch das Foramen obturatum
subklavio-axillobifemoraler Bypass beidseits auf die A. femoralis profunda
c Subklavio-bifemoraler Bypass z.B. nach Ausbau einer infizierten Y-Prothese.
Kompletter Verschluss der A. poplitea rechts
c
a Angiographischer Befund vor Lysetherapie.
b
Nach Lysetherapie völlig freies Unterschenkelstromgebiet rechts (b) mit Darstellung der Fußgefäße (c).
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900 24.1.5
24 Gefäßchirurgie Neurovaskuläre Kompressionssyndrome, Thoracic-outlet-Syndrom (TOS)
Neurovaskuläre Kompressionssyndrome, Thoracic-outlet-Syndrom (TOS)
n Definition. Das Thoracic-outlet-Syndrom (TOS) fasst einen Symptomenkomplex zusammen, der durch permanente oder intermittierende Kompression des zum Arm ziehenden Gefäßnervenbündels im Bereich der Skalenuslücke, des Kostoklavikularspalts oder des Korakopektoralraums entsteht.
Definition
Pathogenese. Durch Kompression des zum Arm ziehenden Gefäßnervenbündels können Nerven- (sensomotorische Ausfälle) und Gefäßschäden (Stenose, Aneurysma, Embolie, Thrombose) verursacht werden ( 1 B-24.18).
1 B-24.18
24.1.5
Pathogenese. Im Bereich der oberen Thoraxapertur muss das den Arm ver-
sorgende Gefäßnervenbündel 3 anatomisch präformierte Engstellen, die Skalenuslücke, den Kostoklavikularraum und den Kostopektoralraum passieren. Durch pathologische, angeborene oder erworbene Veränderungen kann ein Symptomenkomplex hervorgerufen werden, der als Thoracic-outlet-Syndrom (TOS) zusammengefasst wird ( 1 B-24.18). Durch permanente oder intermittierende Kompression können Nervenschäden bis zum Armplexusausfall mit konsekutiven sensomotorischen Störungen und Gefäßkomplikationen im Sinne einer poststenotischen Aneurysmabildung mit peripheren Embolien, einer lokalen arteriellen Thrombose oder einer venösen Thrombose auftreten.
Synopsis Klinisch-anatomische Einteilung des Thoracic-outlet-Syndroms (TOS)
Anatomie der Engstellen
Ort der Kompression
Bezeichnung des Krankheitsbildes
Skalenuslücke A. subclavia Plexus brachialis Processus coracoideus
M. scalenus medius
• Halsrippensyndrom •Syndrom der 1. Rippe • Skalenussyndrom
Kostoklavikularspalt
• Kostoklavikularsyndrom •Hyperabduktionssyndrom
Korakopektoralraum
•Korakopektoralsyndrom
M. scalenus anterior Klavikula
M. pectoralis minor
Kostoklavikularspalt
Korakopektoralraum
V. subclavia
Symptome. Die zunächst nur intermittierend bei Dorsalflexion oder Hyperabduktion hauptsächlich bei körperlich trainierten, jüngeren Patienten (20–50 Jahre) auftretenden Symptome gehen später, als Ausdruck von Gefäß- und Nervenkomplikationen, in Dauerbeschwerden über. Folgende Symptome werden im zeitlichen Ablauf angegeben: Schmerzen treten initial im Bereich der Schulter und supraklavikulär auf. Es folgen Parästhesien, die bei fortschreitender Nervenschädigung in Paresen übergehen. Typisch sind vasomotorische Störungen (Raynaud-Phänomen). Bei Subklaviaaneurysmen entstehen arterielle Mikroembolien. Bei arteriellem Verschluss liegt eine permanente Minderdurchblutung vor.
Skalenuslücke
Symptome. Das TOS manifestiert sich zwischen dem 20.–50. Lebensjahr (m : w = 2 : 1). Bestimmte Berufsgruppen, die die Schulter-Arm-Region besonders belasten (Gewichtheber, Automechaniker, Anstreicher) sind vorzugsweise betroffen. Nach zunächst intermittierender Symptomatik, hauptsächlich bei Dorsalflexion der Schulter und dem Tragen schwerer Gewichte, sind permanente Beschwerden Ausdruck des fortgeschrittenen Leidens mit strukturellen Schäden an Nerven oder Gefäßen. Folgende Symptome sind im zeitlichen Ablauf zu beobachten: Schmerzen treten initial im Bereich der Schulter und supraklavikulär auf. Sie können nach präkordial (Pseudoangina) und in die Hinterkopf-/Nackenregion (okzipitaler Kopfschmerz) ausstrahlen. Es folgen Parästhesien, welche sich im Bereich der gesamten oberen Extremität, besonders im Versorgungsbereich des N. ulnaris manifestieren können. Bei fortschreitender Nerven- oder Plexusschädigung werden Paresen beklagt. Vasomotorische Störungen (Raynaud-Phänomen) werden typischerweise angegeben. Arterielle Mikroembolien sind oft wegweisend und Ausdruck des bereits entstandenen Subklaviaaneurysmas. Eine permanente Minderdurchblutung des Arms spricht für einen arteriellen Verschluss. Venöse Abflussstörungen können durch eine Einengung der V. subclavia (Thoracic-inlet-Syndrom) oder eine V.-subclavia-Thrombose (Paget-vonSchroetter-Syndrom) bedingt sein.
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901
24.1.6 Chronische Verschlussprozesse der supraaortalen Gefäße
Diagnose. Die Verdachtsdiagnose ergibt sich aus der Anamnese, Symptomatik, klinischen Untersuchung und aus Provokationstests (Faustschlussprobe und Adson-Test: der Patient retroflektiert den Kopf zur erkrankten Seite bei gleichzeitiger Inspiration), wobei diese oft auch beim Gesunden positiv sein können. Komplettiert wird die Diagnostik durch eine Thoraxaufnahme (Halsrippe?), Rö-HWS in 4 Ebenen, Messung der N.-ulnaris-Leitgeschwindigkeit und eine dynamische Armangio-/Phlebographie unter Elevationshaltung beider Arme ( 1 B-24.19).
1 B-24.19
Diagnose. Die typische klinische Symptomatik führt zur Verdachtsdiagnose TOS. Die Diagnosesicherung gelingt durch den Adson-Test, Röntgen-Thorax und -HWS, N.-ulnaris-Leitgeschwindigkeit und eine dynamische Armangiographie ( 1 B-24.19).
DSA bei A.-subclavia-Stenose 1
2
3
DSA der supraaortalen Äste mit hochgradiger abgangsnaher Stenose der linken A. subclavia. 1 A. carotis communis links 2 A. carotis communis rechts 3 A. subclavia rechts 4 Stenose der A. subclavia links 5 Aortenbogen
4
5
Differenzialdiagnose. Häufigere Erkrankungen, die teilweise Symptombe-
standteile des TOS entwickeln, sind u.a. das Schulter-Arm-Syndrom, degenerative HWS-Schäden und Insertionstendopathien auf orthopädischem, sowie primäre Erkrankungen des ZNS (z.B. Multiple Sklerose) oder periphere Nervenschädigungen (z.B. Karpaltunnelsyndrom) auf neurologischem Fachgebiet.
Differenzialdiagnose. Das SchulterArm-Syndrom, degenerative HWS-Schäden und Insertionstendopathien machen ähnliche Beschwerden wie das TOS.
Therapie. Bei ausgeprägter vaskulärer oder neurologischer Symptomatik ist die Resektion der 1. Rippe oder Halsrippe und ggf. die Durchtrennung des M. scalenus anterior oder die Abtrennung des M. pectoralis minor vom Processus coracoideus zur Erweiterung der Engen indiziert. Ein symptomatisches Subklaviaaneurysma wird reseziert und mit einem Interponat überbrückt. Zur Besserung eines Raynaud-Phänomens kann eine thorakale Sympathektomie durchgeführt werden.
24.1.6
Chronische Verschlussprozesse der supraaortalen Gefäße
Die Hirndurchblutung wird in einem weiten Bereich durch eine, im Wesentlichen durch den lokalen CO2-Partialdruck (PCO2) gesteuerte Autoregulation konstant gehalten (Bayliss-Effekt). Bei einer Perfusionsminderung auf 50 % treten Funktionsstoffwechselstörungen der Ganglienzellen auf, die ab 20 % in einen irreversiblen Strukturuntergang übergehen. In Deutschland erleiden ca. 250 000 Patienten pro Jahr einen ischämischen Apoplex. 1⁄3 dieser Erkrankungen ist durch Gefäßveränderungen im Bereich der supraaortalen, extrakraniellen Arterien bedingt, deren Gefäßabschnitte in unter-
Therapie. Es erfolgt die Resektion der 1. Rippe oder Halsrippe, ggf. die Durchtrennung des M. scalenus anterior oder des M. pectoralis minor.
24.1.6
Chronische Verschlussprozesse der supraaortalen Gefäße
Die Hirndurchblutung unterliegt einer Autoregulation, die im Wesentlichen durch den lokalen PCO 2 gesteuert wird. Unterschreitet sie ein Minimum von 50 %, kommt es zu Ganglienzelldefekten, die mit Symptomen der zerebrovaskulären oder vertebrobasilären Insuffizienz einhergehen.
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902 Bei ca. 60 000 Patienten in Deutschland könnten die hierfür verantwortlichen, chronischen Veränderungen der extrakraniellen, supraaortalen Gefäße ( 1 B-24.20) operativ saniert werden.
24 Gefäßchirurgie schiedlicher Häufigkeit betroffen sind ( 1 B-24.20). Etwa 75 % dieser Gefäßveränderungen (ca. 60 000 Patienten) sind einer operativen Therapie zugänglich. Je nach befallenem Hirnstromgebiet treten Störungen im zerebrovaskulären (A. carotis) oder im vertebrobasilären Bereich auf.
1 B-24.20
Synopsis Prozentuale und anatomische Verteilung arterieller Verschlussprozesse an den extrakraniellen supraaortalen Gefäßen
A. basilaris A. carotis externa (2–3%) A. carotis interna (50–55%) A. carotis communis (± 3%) A. vertebralis (± 10%) A. subclavia (± 15%)
Truncus brachiocephalicus (1,5%)
Zerebrovaskuläre Insuffizienz
Zerebrovaskuläre Insuffizienz
Ätiologie. Die zerebrovaskuläre Insuffizienz ist vor allem durch arteriosklerotische Gefäßveränderungen in Form von Stenosen (70 %) oder ulzerierende Plaques (30 %) an der Karotisgabel bedingt. Seltenere Ursachen sind Aneurysmen, eine fibromuskuläre Dysplasie oder Knickbildungen (Kinking, Coiling) der A. carotis interna ( 1 B-24.21).
Ätiologie. Arteriosklerotische Veränderungen der supraaortalen Gefäße
Symptome. Klinik der Karotisstenose: π homolaterale Sehstörungen π kontralaterale Paresen π Aphasien. Es gibt 4 Stadien der Ischämie ( 1 B-24.21). Prodromi wie Amaurosis fugax sind häufig (ca. 50 %). 1 ⁄ 3 der Patienten mit KHK oder pAVK weisen auch Veränderungen an der Karotis auf.
Symptome. Die Klinik der Karotisstenose äußert sich in unterschiedlich
manifestieren sich bevorzugt in Form von Stenosen (70 %) oder Mikroembolien verursachender atheromatöser Plaques (30 %) im Bereich der Karotisgabel. Stenosen sind vor allem bei Blutdruckschwankungen und beidseitigem Befall Ursache zerebraler Durchblutungsstörungen im Bereich der Großhirnhemisphären (außer Temporookzipitalrinde = vertebrobasiläres Versorgungsgebiet). Seltener werden Durchblutungsstörungen der Hemisphären durch Aneurysmen, eine fibromuskuläre Dysplasie oder Knickbildungen (Kinking, Coiling) der A. carotis interna ausgelöst ( 1 B-24.21).
ausgeprägten homolateralen Sehstörungen (Mikroembolien der Netzhaut) und/oder kontralateralen Halbseitensymptomen wie Mono-/Hemiparesen, sowie motorischen oder sensorischen Aphasien. Es werden 4 Schweregrade unterschieden ( 1 B-24.21). Etwa die Hälfte der Patienten mit Apoplex weisen Prodromi (z.B. flüchtige Erblindung = Amaurosis fugax) auf. Kommt es bei einer zuvor asymptomatischen Karotisstenose zu einem Verschluss, muss in 20 % mit einem Apoplex und in 30 % mit einer TIA gerechnet werden. Bei Patienten mit KHK oder pAVK lässt sich in 20–30 % eine mindestens 50 %ige Karotisstenose nachweisen.
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903
24.1.6 Chronische Verschlussprozesse der supraaortalen Gefäße
1 B-24.21
Synopsis Anatomie, klinische Stadieneinteilung und operative Therapie der zerebrovaskulären Insuffizienz
Anatomie
Klinische Stadieneinteilung und Symptomatik der Karotisinsuffizienz I Verschlussprozesse der A. carotis im symptomfreien Stadium (sonographischer oder angiographischer Zufallsbefund).
a > 70 % ACI-Stenose mit poststenotischem Aneurysma.
c Coiling der ACI.
b Ulkus der ACI als Streuherd für Embolien.
d Kinking der ACI.
II a Transitorisch-ischämische Attacke (TIA) mit neurologischen Ausfällen aller Schweregrade (Amaurosis fugax, Paresen, Parästhesien, Aphasien). Völlige Rückbildung der Symptome 24 Stunden.
M. sternocleidomastoideus A. carotis interna
A. carotis externa
Schnittführung
A. carotis communis
Lagerung und Schnittführung zur Operation an der rechten A. carotis.
II b Prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit (PRIND). Klinik wie Stadium IIa, die > 24 Stunden anhält. a
a–d Anatomie der pathologisch veränderten A. carotis interna (ACI).
M. digastricus N. vagus N. hypoglossus
Operationstechnik
III Frischer ischämischer Schlaganfall (progressive stroke) mit neurologischer Symptomatik 4 Wochen und bleibendem Restdefizit.
V. facialis
b
c
a–c Karotis-TEA mit Patcherweiterungsplastik. a Passagere intraoperative Einlage eines intraluminalen Shunts in die ACI. b Dissektion des stenosierenden Intimazylinders unter Anhebung des intraluminalen Shunts. c Aufbringen des Venenerweiterungspatches mit fortlaufender Naht im Bereich der ACI. Vor Beendigung der Naht wird der intraluminale Shunt entfernt.
Ansa cervicalis A. thyreoidea superior A. carotis communis M. omohyoideus V. jugularis interna Operationssitus bei Karotisoperationen.
IV Chronisches neurologisches Defizit nach Apoplex mit fehlender Rückbildung der Ausfallerscheinungen > 4 Wochen.
Resektionsränder a
b
c
a–c Resektion eines ACI-Abschnittes bei Coiling des Gefäßes (a) mit intraoperativer Einlage eines intraluminalen Shunts (b) und fakultativer Venenpatcherweiterungsplastik (c).
Bei Patienten mit einem asymptomatischen unilateralen Karotisverschluss und zusätzlicher Erkrankung weiterer supraaortaler Gefäße, beträgt die jährliche Apoplexrate ca. 10 %.
Die Hälfte der Patienten mit einem unilateralen Karotisverschluss müssen mit Symptomen einer zerebralen Ischämie rechnen.
Diagnose. Bei entsprechender Klinik und Anamnese ist in > 80 % ein Stenosegeräusch über der A. carotis auskultierbar. Die Duplexsonographie (kombinierte Abbildung von Realbild-Sonographie und Doppler-Stömungskurve) gibt Auskunft über den Schweregrad (Minderung des Blutflusses) und die
Diagnose. Bei entsprechender Klinik und Anamnese ist in > 80 % ein Stenosegeräusch über der A. carotis auskultierbar. Die Duplexsonographie gibt
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904 Auskunft über den Schweregrad und die Morphologie einer Stenose oder eines Plaques. Strömungsgeschwindigkeit und -richtung der extrakraniellen Gefäße und der Funktionszustand der Kollateralen können beurteilt werden. Die selektive Angiographie ( 1 B-24.22) der supraaortalen Gefäße, bevorzugt in DSA-Technik, kann Gefäßabschnitte abbilden, die sonographisch nicht beurteilt werden können. Das Apoplexrisiko bei der selektiven Angiographie liegt < 0,5 %. CT und MRT dokumentieren zerebrale Ischämiekorrelate bei symptomatischen und asymptomatischen Patienten. Eine ischämische Hirnregion mit der CT als hypodenses Areal frühestens nach 24 Stunden nachweisbar.
24 Gefäßchirurgie Morphologie (Ausdehnung und Beschaffenheit) einer Stenose oder eines Plaques. Strömungsgeschwindigkeit und -richtung der extrakraniellen Gefäße sowie der Funktionszustand der Kollateralen (A. ophthalmica, Circulus arteriosus Willisi) können beurteilt werden. In einem weiten Bereich korreliert der Duplexbefund mit der Angiographie, sodass bereits manchmal, bei isoliertem Befund an der A. carotis auf eine präoperative Angiographie verzichtet wird. Die Angiographie/DSA ( 1 B-24.22) des Aortenbogens und der supraaortalen Äste stellt morphologische Besonderheiten (Kinking, umspülter Thrombus u.a.) sowie Mehrgefäßerkrankungen zuverlässig dar und ist die entscheidende Hilfe beim Festlegen der OP-Indikation und -Taktik. Bei speziellen Fragestellungen können einzelne Gefäße supraselektiv sondiert und abgebildet werden. Das Apoplexrisiko der Karotisangiographie liegt < 0,5 %. Die kranielle Computertomographie (CCT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht die Beurteilung von zerebralen Strukturdefekten bei symptomatischen Patienten. Allerdings weisen auch 15 % der vermeintlich asymptomatischen Patienten zerebrale Ischämiekorrelate auf. Mittels Angio-MRT lässt sich der gesamte hirnversorgende Gefäßbaum ohne Kontrastmittel dreidimensional rekonstruiert darstellen.
1 B-24.22
Selektive Angiographie der Karotisstrombahn links in DSA-Technik Es zeigt sich eine hochgradige Abgangsstenose der A. carotis interna und externa bei sonst unauffälliger Karotisstrombahn. 1 Stenose der ACI links 2 Stenose der ACE links.
2
Differenzialdiagnose. Kardiale Synkopen, Epilepsien und intrakranielle Erkrankungen müssen erwogen werden.
1
Differenzialdiagnose. Kardiale Synkopen, Epilepsien und intrakranielle
Erkrankungen (Hirntumor, Aneurysma, Blutung) müssen ebenso wie otogener Schwindel oder ophthalmologische Sehstörungen differenziert werden.
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905
24.1.6 Chronische Verschlussprozesse der supraaortalen Gefäße
Therapie. Die Op-Indikation ist schon im Stadium I zur Prophylaxe ischämischer Insulte hauptsächlich bei > 70 %igen Stenosen gegeben. Im Ver-
gleich zur konservativen Therapie (Thrombozytenagreggationshemmer/ ASS) lässt sich durch eine Karotisdesobliteration und ASS das TIA- und Apoplexrisiko in einem Zeitraum von 4 Jahren nahezu halbieren (24,5 % vs 12,9 %), selbst wenn man die perioperative Letalität (ca. 1 %) und die perioperative Apoplexrate (ca. 2 %) berücksichtigt. Die Operation im Stadium II, nach abgelaufener transitorischer ischämischer Attacke (TIA) oder prolongiertem ischämisch-neurologischen Defizit (PRIND) ist therapeutisch. Im Stadium III kann beim nicht bewusstlosen Patienten nach Ausschluss einer Hämorrhagie innerhalb von 6 Stunden operativ eine Besserung erzielt werden (seltene Indikation). Die Op-Indikation im Stadium IV ist palliativ, um bei kontralateraler hochgradiger Stenose einen weiteren Apoplex zu verhüten. Kontraindikationen zur Operation sind allgemeine, gravierende Risikofaktoren und eine länger als 6 Stunden bestehende Symptomatik, da hier bei Wiedereröffnung der Strombahn das Risiko besteht, eine ischämische in eine hämorrhagische Hirnläsion zu überführen. Die Operation der Wahl bei Karotisstenose oder Plaque ist die Karotis-TEA (ggf. mit Venenpatchplastik). Bei Kinking und Coiling wird das Gefäß verkürzt und reanastomosiert (s. 1 B-24.21). Ein langstreckiger Verschluss der A. carotis interna lässt sich durch eine intrakranielle A.-carotis-externa-interna-Anastomose (A. temporalis auf Äste der A. cerebri media durch Neurochirurgen) umgehen. Um die intraoperative Apoplexrate (ca. 2 %) zu minimieren, wird der Patient nach Hämodilution vor Ausklemmen der A. carotis heparinisiert und der Blutdruck nach Ausklemmen hyperton gehalten. Zudem kann perioperativ ein Shunt in das Lumen der A. carotis interna eingelegt werden. Intraoperativ müssen Schädigungen des N. hypoglossus und des N. vagus/recurrens vermieden werden. Die Letalität beträgt ca. 1 %. Postoperativ erfolgt die Blutdruckeinstellung auf normotone Werte. Nach kurzzeitiger Vollheparinisierung wird der Patient mit einen Thrombozytenaggregationshemmer (z.B. ASS 100 mg/Tag) weiterbehandelt.
Vertebrobasiläre Insuffizienz n Definition. Durch verringerten Zustrom (Stenose/Verschluss) oder vermehrten Abstrom (Steal-Phänomen durch Strömungsumkehr) kann eine Minderperfusion des vertebrobasilären Stromgebietes auftreten.
Störungen des Karotisstromgebietes sind 6 « häufiger. Die verschiedenen Verschlusslokalisationen mit ihren Folgen für die Flussrichtung des Blutes sind 1 B-24.23 zu entnehmen. Eine Sonderform der vertebrobasilären Insuffizienz ist das SubclavianSteal-Syndrom. Hierbei kommt es aufgrund einer hochgradigen Stenose bzw. eines Verschlusses der A. subclavia proximal des Abganges der A. vertebralis bei physischer Anstrengung des ipsilateralen Armes zu einer Strömungsumkehr in der A. vertebralis zugunsten der gleichseitigen A. axillaris. Durch den retrograden Fluss in der A. vertebralis kommt es zum Entzug von Blut aus der Hirnversorgung zugunsten der Armversorgung. Das SubclavianSteal-Syndrom tritt in 70 % der Fälle auf der linken Seite auf.
Symptome. Entsprechend des Versorgungsgebietes der A. basilaris treten
bilaterale oder gekreuzte neurologische Ausfälle auf, die durch Minderperfusion des Hirnstamms, des Kleinhirns oder der Okzipitalrinde erklärt werden können. Die Symptome verstärken sich als Zeichen eines Steal-Phänomens bei Betätigung des Arms auf der betroffenen Seite. Sie bestehen in Hinterkopfschmerzen, Schwindel mit Nystagmus, Doppelbildern (Augenmuskelparese) und bilateralen Gesichtsfeldausfällen, Drop attacks (plötzliches Hinfallen ohne Bewusstlosigkeit), Gangunsicherheit, Hörstörungen, Dysphagie und Artikulationsstörungen, Hemi- oder Tetraparese.
Therapie. Op-Indikation besteht im Stadium I prophylaktisch und im Stadium II therapeutisch zur Prävention eines Apoplexes. Im Stadium III kann eine Operation innerhalb der ersten 6 Stunden bei erhaltenem Bewusstsein und nach Ausschluss einer Blutung (CT), in seltenen Fällen indiziert sein. Im Stadium IV kann die Operation, bei hochgradiger Stenose der Gegenseite, zur Prävention eines weiteren Apoplexes indiziert sein. Besteht zusätzlich zur zerebrovaskulären Insuffizienz eine operationswürdige KHK ist ggf. ein Simultaneingriff (Karotis-TEA und ACVB) indiziert. Kontraindikationen sind: allgemeine Risikofaktoren, eine über 6 Stunden anhaltende zerebrale Ischämie und eine schwere Zerebralsklerose. Die Operation der Wahl bei Karotisstenose oder Plaque ist die Karotis-TEA. Zur Operationstechnik der KarotisTEA s. 1 B-24.21. Op-bedingte Komplikationen: π Nachblutung, Infekt π Nervenschädigung (Hypoglossus, Vagus, Rekurrens) π Apoplexrate ca. 2 % π Letalität ca. 1 %.
Postoperative Maßnahmen: Blutzuckerregulation, Hämodilution, Heparin, ASS. Vertebrobasiläre Insuffizienz Definition
Eine Sonderform der vertebrobasilären Insuffizienz ist das Subclavian-StealSyndrom, bei dem es durch Stenose bzw. Verschluss der A. subclavia proximal des Abganges der A. vertebralis bei physischer Anstrengung des Armes zu einer Strömungsumkehr in der A. vertebralis mit Entzug von Blut aus der Hirnversorgung kommt. Das Subclavian-Steal-Syndrom tritt in 70 % der Fälle auf der linken Seite auf. Symptome. Sie können in Hinterkopfschmerzen, Claudicatio intermittens des Armes, zentralen Seh- und Hörstörungen, Ataxie, Sprach- und Schluckstörungen, zentralen Parästhesien, Paresen und Drop attacks bestehen.
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906
24 Gefäßchirurgie
1 B-24.23
Synopsis Supraaortale Verschlusslokalisationen mit Strömungsumkehr im vertebrobasilären Stromgebiet und Ausbildung eines Steal-Phänomens, Anatomie und operative Therapiemöglichkeiten
OP-Taktik
Zugangswege
Verschlussformen
3
2
4
Stenose a
a
b
1 Schnittführung zur Freilegung supraaortaler Arterienäste: 1 Sternotomie (Truncus brachiocephalicus). 2 A. carotis und A. subclavia. 3 A. subclavia (mittleres Drittel) und A. vertebralis. 4 Distale A. subclavia.
c
d
b
c
a–d Proximale Stenosen der A. carotis communis und der A. subclavia; operative Korrekturmöglichkeit. a Karotis-Subklavia-Bypass. b Transposition der A. subclavia auf die A. carotis communis. c Subklavia-Karotis-Bypass. d Transposition der A. carotis communis auf die A. subclavia.
d
a–d Formen extrakranieller Verschlusslokalisationen mit sekundärem Steal-Effekt. a Proximaler linksseitiger Subklaviaverschluss. b Proximaler rechtsseitiger Subklaviaverschluss. c Truncus-brachiocephalicus-Verschluss mit gleichzeitigem »Carotid-recovery-Phänomen«. d Atypische Coarctatio aortae.
e Extraanatomischer Subklavia-SubklaviaBypass (bei Subclavian-Steal-Syndrom links).
Diagnose. Hinweise liefern die Anamnese sowie Pulsstatus und Blutdruck im Seitenvergleich. DopplerSonographie und Angiographie/DSA sichern die Diagnose.
Diagnose. Hinweise liefern die Anamnese (Subclavian-Steal-Syndrom), der beidseitige Pulsstatus mit Blutdruckdifferenz (> 30 mmHg), die Faust-
Therapie. Nur bei deutlicher Klinik ist die Anlage extraanatomischer Bypässe indiziert, mit dem Ziel, die orthograde Perfusion wiederherzustellen ( 1 B-24.23).
Therapie. Eine Op-Indikation besteht nur bei ausgeprägten Symptomen. Es
24.1.7
24.1.7
Ischämiesyndrome der Viszeralarterien
Ätiologie. Trotz ausgezeichneter Kollateralisierung der 3 großen Eingeweidearterien Truncus coeliacus, A. mesenterica superior und A. mesenterica inferior kann es durch Arteriosklerose, Angiitiden, Kompressionssyndrome und Steal-Phänomene manchmal zu Symptomen der chronischen mesenterialen Durchblutungsstörung (Claudicatio intestinalis) kommen. Akute Mesenterialverschlüsse sind ein embolisch (in > 50 % A. mesenterica superior) bedingter, absoluter Notfall und zwingen unverzüglich zur Intervention.
schlussprobe und die Doppler-Sonographie der Aa. vertebrales (einseitige Strömungsumkehr). Ausmaß und Lokalisation einer Stenose lassen sich nur mit einer Aortenbogenangiographie dokumentieren.
kommen vor allem extraanatomische Bypässe in Frage mit dem Ziel, die betroffene A. vertebralis wieder orthograd zu perfundieren ( 1 B-24.23). Die Op-Letalität beträgt ca. 0,5 %.
Ischämiesyndrome der Viszeralarterien
Ätiologie. Die großen Eingeweidearterien (Truncus coeliacus, A. mesenterica superior und inferior) sind über die pankreatikoduodenalen Arkaden, die Riolan-Anastomosen und die A. iliaca interna/perirektale Anastomosen kollateralisiert. Daher bleiben chronische, vor allem arteriosklerotisch bedingte Verschlussprozesse in der Regel (ca. in 80 %) asymptomatisch. Chronische mesenteriale Durchblutungsstörungen (Claudicatio intestinalis) können auch durch Arteritiden (Endangiitis obliterans, Periarteriitis nodosa), fibromuskuläre Dysplasie oder externe Kompression (Tumor, Lymphome, Kompression des Truncus durch die Zwerchfellschenkel) hervorgerufen werden. Akute Mesenterialverschlüsse, hervorgerufen durch Embolien und Arterienthrombosen betreffen hauptsächlich die A. mesenterica superior (weit > 50 %) und stellen einen lebensbedrohlichen Notfall dar, der wegen der geringen Ischämietoleranz der Eingeweide unverzüglich der chirurgischen Intervention bedarf.
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24 Gefäßchirurgie
1 B-24.23
Synopsis Supraaortale Verschlusslokalisationen mit Strömungsumkehr im vertebrobasilären Stromgebiet und Ausbildung eines Steal-Phänomens, Anatomie und operative Therapiemöglichkeiten
OP-Taktik
Zugangswege
Verschlussformen
3
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Stenose a
a
b
1 Schnittführung zur Freilegung supraaortaler Arterienäste: 1 Sternotomie (Truncus brachiocephalicus). 2 A. carotis und A. subclavia. 3 A. subclavia (mittleres Drittel) und A. vertebralis. 4 Distale A. subclavia.
c
d
b
c
a–d Proximale Stenosen der A. carotis communis und der A. subclavia; operative Korrekturmöglichkeit. a Karotis-Subklavia-Bypass. b Transposition der A. subclavia auf die A. carotis communis. c Subklavia-Karotis-Bypass. d Transposition der A. carotis communis auf die A. subclavia.
d
a–d Formen extrakranieller Verschlusslokalisationen mit sekundärem Steal-Effekt. a Proximaler linksseitiger Subklaviaverschluss. b Proximaler rechtsseitiger Subklaviaverschluss. c Truncus-brachiocephalicus-Verschluss mit gleichzeitigem »Carotid-recovery-Phänomen«. d Atypische Coarctatio aortae.
e Extraanatomischer Subklavia-SubklaviaBypass (bei Subclavian-Steal-Syndrom links).
Diagnose. Hinweise liefern die Anamnese sowie Pulsstatus und Blutdruck im Seitenvergleich. DopplerSonographie und Angiographie/DSA sichern die Diagnose.
Diagnose. Hinweise liefern die Anamnese (Subclavian-Steal-Syndrom), der beidseitige Pulsstatus mit Blutdruckdifferenz (> 30 mmHg), die Faust-
Therapie. Nur bei deutlicher Klinik ist die Anlage extraanatomischer Bypässe indiziert, mit dem Ziel, die orthograde Perfusion wiederherzustellen ( 1 B-24.23).
Therapie. Eine Op-Indikation besteht nur bei ausgeprägten Symptomen. Es
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Ischämiesyndrome der Viszeralarterien
Ätiologie. Trotz ausgezeichneter Kollateralisierung der 3 großen Eingeweidearterien Truncus coeliacus, A. mesenterica superior und A. mesenterica inferior kann es durch Arteriosklerose, Angiitiden, Kompressionssyndrome und Steal-Phänomene manchmal zu Symptomen der chronischen mesenterialen Durchblutungsstörung (Claudicatio intestinalis) kommen. Akute Mesenterialverschlüsse sind ein embolisch (in > 50 % A. mesenterica superior) bedingter, absoluter Notfall und zwingen unverzüglich zur Intervention.
schlussprobe und die Doppler-Sonographie der Aa. vertebrales (einseitige Strömungsumkehr). Ausmaß und Lokalisation einer Stenose lassen sich nur mit einer Aortenbogenangiographie dokumentieren.
kommen vor allem extraanatomische Bypässe in Frage mit dem Ziel, die betroffene A. vertebralis wieder orthograd zu perfundieren ( 1 B-24.23). Die Op-Letalität beträgt ca. 0,5 %.
Ischämiesyndrome der Viszeralarterien
Ätiologie. Die großen Eingeweidearterien (Truncus coeliacus, A. mesenterica superior und inferior) sind über die pankreatikoduodenalen Arkaden, die Riolan-Anastomosen und die A. iliaca interna/perirektale Anastomosen kollateralisiert. Daher bleiben chronische, vor allem arteriosklerotisch bedingte Verschlussprozesse in der Regel (ca. in 80 %) asymptomatisch. Chronische mesenteriale Durchblutungsstörungen (Claudicatio intestinalis) können auch durch Arteritiden (Endangiitis obliterans, Periarteriitis nodosa), fibromuskuläre Dysplasie oder externe Kompression (Tumor, Lymphome, Kompression des Truncus durch die Zwerchfellschenkel) hervorgerufen werden. Akute Mesenterialverschlüsse, hervorgerufen durch Embolien und Arterienthrombosen betreffen hauptsächlich die A. mesenterica superior (weit > 50 %) und stellen einen lebensbedrohlichen Notfall dar, der wegen der geringen Ischämietoleranz der Eingeweide unverzüglich der chirurgischen Intervention bedarf.
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24.1.7 Ischämiesyndrome der Viszeralarterien Der Ursprungsort der Thromben ist vornehmlich das Herz (linker Vorhof bei Vorhofflimmern mit absoluter Arrhythmie). In zunehmendem Maße lassen sich durch die transösophageale Echokardiographie aber auch Ulzera im Aortenbogen bzw. in der proximalen Aorta descendens als Emboliequelle darstellen. 20–30 % der akuten viszeralen Durchblutungsstörungen entstehen auf dem Boden einer nicht okklusiven mesenterialen Ischämie (NOMI) durch Hypovolämie bzw. Steal-Syndrome oder Vasospasmus z.B. im Rahmen eines Volumenmangelschocks, eines Herzinfarktes, einer Herzinsuffizienz, bei Aortenisthmusstenose, bei Marathonläufen oder nach Drogeneinnahme. Eine Mesenterialvenen-/Pfortaderthrombose ist in 10 % der Patienten Ursache für akute mesenteriale Durchblutungsstörungen (v.a. bei Leberzirrhose mit portaler Hypertension). Das Durchschnittsalter der betroffenen Patienten liegt mit 48–60 Jahren deutlich unter dem der Patienten mit einer arteriellen mesenterialen Ischämie. Als Prädisposition gelten in 80 % der Fälle ein Antithrombin-III-, Protein-S- und Protein-C-Mangel, sowie alle Erkrankungen, die mit einer Koagulopathie einhergehen (Polycythaemia vera, myeloproliferative Syndrome). Die Mesenterialvenenthrombose kann auch als Komplikation der Sklerosierung von Ösophagusvarizen auftreten.
Ursprungsort der Thromben ist meist das Herz (linker Vorhof). 20–30 % der akut viszeralen Durchblutungsstörungen entstehen auf dem Boden einer nicht okklusiven mesenterialen Ischämie (NOMI) durch Hypovolämie, Steal-Syndrome oder Vasospasmus. Eine Mesenterialvenen-/Pfortaderthrombose ist bei ca. 10 % als Ursache zu finden. Die Inzidenz liegt bei 5–10 %. Als Prädisposition gelten alle Erkrankungen, die mit einer Koagulopathie einhergehen (AT-III-, Protein-S-, Protein-C-Mangel, Polycythaemia vera, myeloproliferative Syndrome).
Symptome. Die typische Symptomtrias der chronischen Angina intestinalis mit postprandialem Schmerz, Malabsorption/Gewichtsverlust und abdominellen Gefäßgeräuschen bei Stenosen der A. mesenterica superior ist selten. Das konstanteste Symptom ist der 10–30 Minuten postprandial auftretende, periumbilikal lokalisierte, 1–4 Stunden anhaltende, dumpfe Bauchschmerz. Dieser ist im Wesentlichen für die Gewichtsabnahme verantwortlich, da die Patienten eine Nahrungsaufnahme meiden. Das Beschwerdebild ist stadienabhängig ( 2 B-24.6).
Symptome. Die Symptome sind stadienabhängig ( 2 B-24.6). Die typische Symptomtrias der chronischen Angina intestinalis mit postprandialem Schmerz, Malabsorption/ Gewichtsverlust und abdominellen Gefäßgeräuschen ist selten.
2 B-24.6
Klinik der chronischen Angina intestinalis
Stadium
Klinische Symptomatik
N Stadium I n
asymptomatisch
N Stadium II n
postprandiale Beschwerden, Malabsorption
N Stadium III n
Dauerschmerz, ischämische Kolitis/Enteritis
N Stadium IV n
Darmparalyse, Gangrän, Peritonitis mit akutem Abdomen
Klagen Patienten nach Implantation einer Aortenprothese mit Ligatur der A. mesenterica inferior über peranalen Schleim- und Blutabgang, ist eine ischämische Kolitis wahrscheinlich. Der akute Mesenterialgefäßverschluss (A. mesenterica superior) verläuft in 3 Stadien: Im Initialstadium (1–2 Stunden) werden messerstichartige, diffuse Bauchschmerzen beklagt. Es besteht eine deutliche Diskrepanz zum scheinbar unauffälligen Palpationsbefund des Abdomens. Die Peristaltik ist normal. Das Allgemeinbefinden ist deutlich beeinträchtigt. Häufig besteht eine Arrhythmia absoluta. In einem Latenzstadium (2–6 Stunden) kommt es zu einer scheinbaren Abnahme der Symptomatik. Auffällig ist allenfalls eine verminderte Peristaltik. Im Endstadium (12–48 Stunden) besteht ein akutes Abdomen mit diffuser Abwehrspannung auf dem Boden eines paralytischen Ileus bei Gangrän des Darms mit Durchwanderungsperitonitis und zunehmender, septisch-toxischer Allgemeinsymptomatik. Es kann zu vermehrtem Erbrechen und zum Auftreten blutiger Durchfälle kommen. Die Gesamtletalität von fast 90 % ist dadurch bedingt, dass der Mesenterialinfarkt oft erst in diesem Stadium diagnostiziert wird. n Merke. Es besteht eine eindrückliche Diskrepanz zwischen dem Allgemeinzustand des Patienten und dem Lokalbefund.
Klinik des akuten Mesenterialgefäßverschlusses: π Initialstadium (1–2 Stunden) Der Bauch ist weich, aber diffus druckschmerzhaft, die Peristaltik ist normal. Oft besteht eine absolute Arrhythmie. π Latenzstadium (2–6 Stunden) Es kommt zu einer scheinbaren Besserung. Es entwickelt sich eine zunehmende Darmparalyse. π Endstadium (12–48 Stunden) Gangrän des Darms mit paralytischem Ileus und Peritonitis, akutes Abdomen mit zunehmender septischer Allgemeinsymptomatik. Jetzt beträgt die Letalität fast 90 %. Merke
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908
24 Gefäßchirurgie
Klinik der Mesenterialvenenthrombose: π diffuse Abdominalbeschwerden π Darmparalyse π ggf. Aszites. Eine spezifische Symptomatik fehlt. Diagnose. Die Diagnose der chronischen Angina intestinalis stützt sich auf Anamnese (AVK, KHK, Voroperationen), Auskultation (Stenosegeräusche), Doppler-Sonographie und Angiographie.
Die Diagnose des akuten Mesenterialinfarkts stützt sich auf die Anamnese und das o.g. typische klinische Bild (Embolien, absolute Arrhythmie, akutes Abdomen), Labor (Leukozytose, Laktat > 20 m g/ml) und Rö-Abdomen (Darmparalyse).
1 B-24.24
Eine Mesenterialvenenthrombose kann mit diffusen Abdominalbeschwerden, mit Darmparalyse und ggf. neu auftretendem Aszites, einhergehen. Eine spezifische Symptomatik fehlt. Typisch ist jedoch im Gegensatz zum arteriellen Verschluss der weniger schmerzhafte und langsamere Beginn.
Diagnose. Bei der Diagnose der chronischen Angina intestinalis sind phy-
sikalische Untersuchungen oft unergiebig, teilweise sind Stenosegeräusche auskultierbar. Häufig wird dieses Krankheitsbild gar nicht in die differenzialdiagnostischen Erwägungen einbezogen. Wertvolle Hinweise liefern arteriosklerotische Schädigungen anderer Stromgebiete oder gefäßchirurgische Voroperationen. Der Nachweis der chronischen intestinalen Gefäßverschlussprozesse gelingt nur angiographisch. Hierbei sind zusätzliche Aufnahmen im lateralen Strahlengang unerlässlich. Die Diagnose des akuten Mesenterialinfarktes stützt sich auf das o.g. typische klinische Bild. Außer im Initialstadium besteht radiologisch ein zunehmender, paralytischer Ileus. Im weiteren Verlauf kommt es zum Anstieg der Leukozytenzahl, der LDH und des Laktats. Ein Serumlaktatspiegel > 20 mg/ml ist nahezu beweisend (Sensitivität und Spezifität ca. 90 %). Im Zweifelsfall ist eine Laparoskopie oder Explorativlaparotomie indiziert. Die Notwendigkeit und der Nutzen einer präoperativen selektiven Mesenterikographie/DSA bei einem akuten embolischen Mesenterialgefäßverschluss werden sehr kontrovers diskutiert, da sich bei nicht arteriosklerotisch veränderter Mesenterialstrombahn keine therapeutischen Konsequenzen ergeben, zusätzliche Kosten anfallen und die Laparotomie verzögert wird. Bei Patienten mit bekannter pAVK sollte die Indikation zur Mesenterikographie allerdings weit gestellt werden, um eine gezielte Planung ggf. notwendiger Revaskularisationsmaßnahmen zu ermöglichen ( 1 B-24.24).
Angiographische Darstellung einer akuten arteriellen Dünndarmischämie
c Es ist eine Perfusion bis in die Peripherie nachweisbar.
a Subtraktionsaufnahme einer Mesenterikographie in Seitenansicht. Es zeigt sich ein vollständiger Verschluss der A. mesenterica superior 4 cm nach dem Abgang aus der Aorta.
b Mesenterikographie 8 Stunden nach Lyse (20 mg r-TPA). Die Arterie ist nahezu vollständig eröffnet.
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24.1.7 Ischämiesyndrome der Viszeralarterien
909
Der Verdacht auf eine Mesenterialvenenthrombose lässt sich mittels Duplexsonographie der Pfortader/V. mesenterica superior oder einer Doppelspiral-CT (arterielle und portalvenöse Kontrastmittelphase) erhärten. Genaue Auskunft über perfundierte bzw. verschlossene Anteile der venösen Mesenterialstrombahn gibt die indirekte Splenoportographie in DSA-Technik, bei der man den Angiographiekatheter in die A. lienalis bzw. die A. mesenterica superior einlegt und gezielt den Kontrastmittelabfluss über die V. lienalis bzw. die V. mesenterica superior in die V. porta darstellt. Laborchemisch imponiert bei Pfortaderbeteiligung ein Anstieg der Transaminasen als Ausdruck der akut verminderten Leberperfusion. Intramurale Gasansammlungen (Pneumatosis intestinalis), die sich im Rahmen einer DSA oder einer CT darstellen lassen, weisen auf eine Darmwandnekrose/-gangrän hin.
Notwendigkeit und Nutzen einer präoperativen selektiven Mesenterikographie/DSA werden sehr kontrovers diskutiert, bei Patienten mit bekannter pAVK wird die Indikation jedoch großzügig gestellt ( 1 B-24.24). Die Diagnose einer Mesenterialvenenthrombose lässt sich mittels Duplexsonographie (Pfortader/V. mesenterica superior) oder Doppelspiral-CT erhärten. Laborchemisch imponiert bei Pfortaderbeteiligung ein Transaminasenanstieg.
Differenzialdiagnose. Abdominalbeschwerden werden in der Regel durch
Differenzialdiagnose. Häufige Erkrankungen wie gastrointestinale Ulzera, Pankreatitis, Gallensteine, Malignome usw. müssen ausgeschlossen werden.
häufigere Krankheitsbilder wie Cholelithiasis, gastrointestinale Ulzera, Pankreatitis oder Malignome hervorgerufen, die anamnestisch, laborchemisch, endoskopisch und radiologisch ausgeschlossen werden müssen. Für einen chronischen Mesenterialgefäßprozess und somit für die Indikation zur Angiographie sprechen die Arteriosklerose induzierenden Risikofaktoren und eine entsprechende Anamnese. Gegenüber dem akuten Mesenterialinfarkt ist die Mesenterialvenenthrombose oft erst nach Laparotomie abzugrenzen. Ein Mesenterialinfarkt kann auch als Symptom eines Aortenaneurysmas bzw. einer Aortendissektion auftreten (Sonographie, CT, Angio). Nonokklusive Mesenterialinfarkte als Ausdruck der intestinalen Hypoperfusion können im protrahierten Schock oder bei septisch-toxischem Kreislaufgeschehen auftreten. Hier steht zunächst die Therapie des verursachenden Grundleidens im Vordergrund.
Therapie und Prognose. Die Therapie chronischer mesenterialer Verschlussprozesse ist abhängig von der Verschlusslokalisation und dem Kollateralisationsgrad ( 1 B-24.25).
1 B-24.25
Klinisch kann der akute Mesenterialinfarkt von der Mesenterialvenenthrombose nicht differenziert werden. Weitere Differenzialdiagnosen: Aortenaneurysma oder Aortendissektion, gedeckte gastrointestinale Perforation, Pankreatitis, Peritonitis, Herzinfarkt. Therapie und Prognose. Bei chronisch mesenterialen Verschlussprozessen ist die Therapie von Verschlusslokalisation und Kollateralisationsgrad abhängig ( 1 B-24.25).
Synopsis Mesenteriale Ischämieformen
a Akuter Verschluß der A. mesenterica superior, der mit einem vollständigen Dünndarminfarkt einhergeht.
b Die chronische Form mesenterialer Ischämie an den mesenterialen Gefäßabgängen (ohne Beeinflussung der Arkaden) stellen keine Gefahr für den Dünndarm dar. Sie entspricht jedoch nicht mehr den Perfusionsanforderungen, was postprandial zu einer Claudicatio intestinalis führen kann.
Grundsätzlich besteht sie in der Revaskularisation der verschlossenen, durchblutungsrelevanten Mesenterialgefäße mittels Lysetherapie, TEA ggf. mit Patchplastik oder durch einen Bypass.
c Verschlüsse der Arkade haben anatomische Segmentausfälle zur Folge.
Eine Revaskularisation mittels Lysetherapie, TEA oder Bypass ist anzustreben.
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910 Merke
Bei akuten Mesenterialinfarkten liegt zum Zeitpunkt der Laparotomie meist bereits eine Gangrän eines Darmabschnitts vor, welcher dann reseziert werden muss. Bei inkompletter Ischämie und lokalisierbarer, stammnaher Stenose, kann eine Gefäßdesobliteration erfolgreich sein. Die Letalität beträgt aufgrund verspäteter Diagnostik bis 90 %. Die Langzeitprognose wird von der Länge des Restdarms bestimmt. Nicht gangränöse, restperfundierte Darmabschnitte sollten daher möglichst erhalten werden (ggf. Versuch der selektiven Lyse s.a. 1 B-24.24). Bei einer Dünndarmlänge < 100 cm droht ein KurzdarmSyndrom.
Merke
Bei der NOMI auf dem Boden von Gefäßspasmen kann eine medikamentöse Dilatation mit Papaverin versucht werden. Die Mesenterialvenenthrombose erfordert eine Vollheparinisierung des Patienten. Die Letalität beträgt 20–50 %.
24 Gefäßchirurgie
n Merke. Perfusionsverbessernde interventionelle Maßnahmen entbinden nicht von der operativen Revision mit Resektion nekrotischer Darmanteile.
Bei akuten Verschlussprozessen muss unverzüglich laparotomiert werden. Meist ist eine Resektion der ischämischen Darmabschnitte unumgänglich. Bei inkompletter Ischämie und lokalisierbarer, stammnaher Stenose, kann eine Gefäßdesobliteration erfolgreich sein. Die perioperative Letalität ist abhängig vom Ausmaß der Peritonitis, dem Allgemeinzustand des Patienten und dem Verlauf der ggf. vorliegenden Sepsis. Aufgrund der häufig verspäteten Diagnostik beträgt die Letalität bis zu 90 %. Die Langzeitprognose wird von der Länge des zu erhaltenden Restdarms bestimmt. Daher sollen nicht gangränös veränderte, restperfundierte Darmabschnitte nach Möglichkeit erhalten werden, weil sich die Durchblutungssituation unter Stabilisierung der Perfusionsverhältnisse (Volumenersatz, Heparinisierung, Dextrane) wieder erholen kann. Bei frühzeitiger Diagnose und/oder inkompletter Ischämie kann je nach Verschlusslokalisation und Allgemeinzustand des Patienten, die selektive Lyse (s. 1 B-24.24) versucht werden. Verbleiben vom Dünndarm weniger als 100 cm, droht ein Kurzdarm-Syndrom. n Merke. Um fortschreitende Nekrosen zu erfassen und gleichzeitig die Darmperfusion zu überprüfen, sollte nach 12–48 Stunden eine Relaparotomie (sog. Second-look-Laparotomie) vorgenommen werden.
Bei der NOMI auf dem Boden von Gefäßspasmen kann eine medikamentöse Dilatation mit Papaverin (PaveronQ, 1 mg/ml und 30–60 mg/h) versucht werden. Wegen der Nebenwirkungen (Hypotension bei systemischer Vasodilatation) kann dies jedoch nur unter intensivmedizinischer Überwachung (hoher Volumenbedarf) erfolgen. Die Therapie der Mesenterialvenenthrombose besteht in der Regel in der Vollheparinisierung des Patienten zur Vermeidung von Appositionsthromben. Bei isolierter Pfortaderthrombose auf dem Boden einer passageren Hypovolämie oder Hyperkoagulabilität bei Exsikkose/Leukose kann unter Korrektur der auslösenden Faktoren eine Embolektomie der Pfortader erwogen werden. Die Letalität der Mesenterialvenenthrombose ist mit 20–50 % deutlich geringer als die der arteriellen intestinalen Ischämie.
Klinischer Fall Eine 83-jährige Patientin beklagt in der Nacht plötzlich einsetzende Bauchschmerzen, die vornehmlich auf den rechten Unterbauch reflektiert werden. Bei Beschwerdepersistenz treten Übelkeit, Erbrechen und Durchfall hinzu. Am Folgetag erfolgt die Krankenhauseinweisung. Bei der klinischen Untersuchung findet sich eine Druckdolenz im rechten Unterbauch; die rektal digitale Untersuchung lässt Teerstuhl nachweisen. In der Anamnese ist eine absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern bekannt. Die Laboruntersuchungen zeigen bis auf eine Leukozytose von 14,7/nl und ein CRP 274 mg/l vollständig normale Werte. In der Abdomenübersicht im Stehen und Liegen fällt ein ausgeprägter Dünn- und Dickdarmmeteorismus auf, dem jedoch keine übergeordnete Bedeutung zugemessen wurde. Noch am Aufnahmetag erfolgt die explorative Laparotomie, bei der sich eine Perfusionsstörung des Dünndarms zeigt, ohne dass ein definiertes Areal des Darms abgrenzbar ist. Das Abdomen wird verschlossen.
Um zur Genese der Durchblutungsstörung eine Aussage machen zu können, wird eine Übersichtsaortographie sowie eine Mesenterikographie veranlasst. Hierbei findet sich in der Seitenansicht ein vollständiger embolischer Verschluss des Hauptstammes der Arterie ( 1 B-24.24 a). Aufgrund des frischen Ereignisses wird nach selektiver Katheterisierung eine lokale Lyse mit 20 mg r-TPA (tissue-plasminogen-activator, ActilyseQ) über 8 Stunden eingeleitet. Die anschließende Kontrollangiographie zeigt eine nahezu vollständige Eröffnung der A. mesenterica superior und ihrer Seitenäste ( 1 B-24.24 b). Die Second-look-Operation nach der Kontrollangiographie zeigt gleichentags eine weitestgehende Erholung des Dünndarms. Es kommt lediglich zu einem Verlust von 120 cm Darm. Nach einem 4-wöchigen Krankenhausaufenthalt kann die Patientin bei normaler Ernährung entlassen werden.
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911
24.1.8 Renovaskuläre Insuffizienz 24.1.8
Renovaskuläre Insuffizienz
24.1.8
Renovaskuläre Insuffizienz
Ätiologie. Ein akuter Nierenarterienverschluss kann durch Embolien (ca.
Ätiologie. Ein akuter Nierenarterienverschluss kann durch Embolie (70 %), traumatische Gefäßabrisse oder Komplikation bei Aortendissektion/-aneurysma verursacht werden. Ursachen der chronischen Nierenarterienstenose (NAS) sind vor allem Arteriosklerose (70–75 %) und fibromuskuläre Dysplasie (20–25 %). In 50 % besteht beidseitiger Befall. Folgen der chronischen NAS bestehen in der Entwicklung einer renovaskulären Hypertonie durch Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems (Goldblatt-Mechanismus).
Symptome. Die warme Ischämietoleranz der Niere beträgt, je nach Kollate-
Symptome. Symptom des akuten Verschlusses ist ein akuter Flankenschmerz. Die chronische NAS verläuft zunächst klinisch inapparent. Vor allem bei beidseitigem Befall entwickelt sich ein renovaskulärer Hypertonus und konsekutiv eine chronische Niereninsuffizienz bis hin zur Dialysepflicht.
70 %), arterielle Thrombosen, Aortendissektionen und traumatische Gefäßabrisse oder Intimaeinrisse mit konsekutiver Thrombose verursacht werden. Ursachen der chronischen Nierenarterienstenose (NAS) sind vor allem Arteriosklerose (70–75 %) und fibromuskuläre Dysplasie (20–25 %). In 5 % spielen Aneurysmen, Gefäßmissbildungen, AV-Fisteln oder externe Kompression eine Rolle. In 50 % bestehen beidseitige Veränderungen der Nierenarterien. Die chronische NAS ist für 5–10 % der arteriellen Hypertonien (sog. renovaskulärer Hochdruck) verantwortlich. Kommt es zur Senkung des Perfusionsdrucks der Niere, wird kompensatorisch das Renin-AngiotensinSystem stimuliert (Goldblatt-Mechanismus). ralen (zusätzliche Polgefäße) 20–120 Minuten. Akute Verschlüsse verursachen in der Regel heftige Flankenschmerzen und bei beidseitigen Befall Anurie. Chronische Verschlussprozesse verlaufen bis auf das Auftreten eines renovaskulären Hypertonus meist klinisch stumm. Bei beidseitigem Befall entsteht längerfristig eine chronische Niereninsuffizienz, die in der Dialysepflichtigkeit enden kann. n Merke. Eine sich rasch entwickelnde, medikamentös schlecht beeinflussbare Hypertonie bei jungen Patienten (< 40 Jahre) sollte an eine renovaskuläre Ursache denken lassen.
Merke
Diagnose. Nach adäquatem Trauma muss eine akute Schädigung der Nieren
Diagnose. Akuter Flankenschmerz nach Trauma, bei Arteriosklerose oder Arrhythmien kann durch einen Nierenarterienverschluss ausgelöst sein. Richtungweisend ist die Sonographie, beweisend die Angiographie. Die Diagnostik der chronischen NAS wird in der Regel zum Ausschluss eines renovaskulären Hypertonus durchgeführt: Anamnese (AVK, früheres Trauma), Auskultation (Stenosegeräusch), Captopriltest, Duplexsonographie, Isotopen-Nephrogramm, Angio/ DSA, MR-Angiographie.
Differenzialdiagnose. Beim akuten Niereninfarkt muss die orientierende
Differenzialdiagnose des akuten Niereninfarktes: Koliken bei Nephrolithiasis, traumatische Nierenruptur, Pyelonephrits (Urinsediment), Pankreatitis, Ulkusperforation, Milzinfarkt, Aortenaneurysma, Appendizitis.
Therapie. Ziel bei akuter Ischämie ist die Funktionserhaltung der Niere
Therapie des akuten Niereninfarktes ist die sofortige Revaskularisation. Ist die warme Ischämietoleranz überschritten, muss die Niere entfernt werden. Bei der chronischen NAS haben die Möglichkeiten der Angioplastie, ggf. mit Stenteinlage, die invasive operative Therapie weitgehend verdrängt ( 1 B-24.26).
(-durchblutung) immer ausgeschlossen werden. Besteht der Verdacht auf einen akuten Nierenarterienverschluss, muss dieser unverzüglich nachgewiesen werden, um die notwendige Laparotomie nicht zu verzögern (kurze Ischämietoleranz). Es kann deshalb indiziert sein, nach einer Sonographie (z.B. Ausschluss Harnstauung bei Ureterstein, Aortenaneurysma/-dissektion) primär eine Gefäßdarstellung zu veranlassen, da lediglich hierdurch die Lokalisation und Art des Verschlusses direkt dargestellt werden kann. Die Abklärung einer chronischen NAS wird in der Regel zum Ausschluss eines renovaskulären Hypertonus durchgeführt und umfasst die Duplexsonographie (Schrumpfniere?/Durchblutungssituation?), das Infusionsurogramm (verzögerte Kontrastmittelaufnahme und -ausscheidung?), das Isotopennephrogramm (seitengetrennte Clearance) und die Angiographie/DSA (Lokalisation und Morphologie der Nierenarterienstenose). Ein massiver Anstieg des Reninspiegels auf > 180 mU/ml nach Captoprilgabe ist fast beweisend für eine einseitige NAS (Captopriltest).
Sonographie initial Hinweise liefern (Milzinfarkt bei Splenomegalie, Nephrolithiasis, Aortenaneurysma, traumatische Nierenruptur, Pankreatitis, freie Luft bei gastrointestinaler Perforation). Die Differenzialdiagnose der chronischen NAS entspricht der Differenzialdiagnose der Hypertonie.
durch unverzügliche Revaskularisation mittels TEA mit Patchplastik, Reanastomosierung oder Bypass. Ist die warme Ischämietoleranz überschritten, muss die Niere entfernt werden. Eine chronische NAS kann mit gutem Erfolg durch eine Ballondilatation (Dotterung), ggf. mit Stenteinlage behandelt werden. In 80 % der fibromuskulären und 40 % der arteriosklerotischen Stenosen ist so zumindestens eine Besserung des Hypertonus zu erzielen. Die Möglichkeiten der operativen Therapie sind 1 B-24.26 zu entnehmen.
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24 Gefäßchirurgie
1 B-24.26
Synopsis Operationsverfahren bei der Nierenarterienstenose (NAS)
Reinsertion a Thrombendarteriektomie mit Patchplastik bei NAS.
b Neueinpflanzung der Nierenarterie bei NAS.
interponierte V. saphena magna
c Interponat eines Venengrafts oder einer Goretex-Prothese und Neueinpflanzung der Nierenarterie bei fibromuskulärer Dysplasie.
24.1.9
Arterienverletzungen
24.1.9
d Beidseitige TEA mit Patchplastik bei beidseitiger NAS.
Arterienverletzungen
Ätiologie. Faktoren von Gefäßverletzungen: Krieg, Bandenkriminalität, Industrialisierung, Verkehrsdichte, Berufs- und Freizeitsport, Verletzungen im Haushalt und Hobby. Ferner nehmen Gefäßverletzungen im Rahmen diagnostischer Maßnahmen und operativer Eingriffe zu. Man unterscheidet 3 Arten von Gefäßverletzungen ( 1 B-24.27). π direkte scharfe Verletzung π direkte stumpfe Verletzung π indirekte stumpfe Verletzung.
Ätiologie. Die Inzidenz von Gefäßverletzungen ist abhängig von der Bevölkerungsstruktur (Kriminalität: Großstadt > ländliche Gemeinden) und dem
Symptome. Je nach Verletzungsmechanismus und Schweregrad stehen die Blutung oder die Ischämie im Vordergrund. Charakteristika der direkten scharfen Gefäßverletzung sind die Blutung nach außen und/oder innen und die periphere Ischämie mit Pulslosigkeit.
Symptome. Leitsymptome einer Arterienverletzung sind Blutung, Ischämie oder Embolien. Charakteristika der direkten scharfen Gefäßverletzung sind die äußerlich sichtbare Verletzung (z.B. Stichwunde) über einem Gefäß und direkte (Blutung nach außen) oder indirekte (Blutung in Körperhöhlen oder Muskeln) Blutungszeichen (Blutdruckabfall, Frequenzanstieg, Hb-Abfall) bei umschriebenem Gefäßdefekt. Während sich glatte Durchtrennungen auch größerer Arterien (A. axillaris, A. femoralis superficialis) durch Einrollen der Intima zumindestens vorübergehend selber stillen können (Kontrolle der peripheren Pulse!), blutet es aus Längsverletzungen unaufhaltsam.
Technisierungsgrad (Industrie, Haushalt, Verkehr, Sport). In Kriegszeiten überwiegen Schussverletzungen der Gefäße (Vietnamkrieg 95 %) gegenüber anderen Ursachen. Ferner nehmen Gefäßverletzungen im Rahmen diagnostischer Maßnahmen (Angiographie, Herzkatheter) und operativer Eingriffe (extrakorporale Zirkulation, Angioplastie, Tumor- und Gefäßchirurgie) zu. Man unterscheidet 3 Arten von Gefäßverletzungen ( 1 B-24.27). π direkte scharfe Verletzung (Stich, Schnitt, Schuss, Pfählung, iatrogen), mit stufenweiser Gefäßwanddurchtrennung von außen nach innen und äußerer Wunde, π direkte stumpfe Verletzung (Schlag, Quetschung, Kontusion, Kompression) π indirekte stumpfe Verletzung (Überdehnung bei Luxation oder Fraktur, Dezelerationstrauma, Gefäßspasmen, Kompartmentsyndrom) mit Schädigung der Gefäßwandschichten von innen nach außen bei meist fehlender äußerer Wunde. Diese Pathomechanismen werden auch der Stadieneinteilung zugrunde gelegt und bestimmen die klinischen Symptome (Blutung oder Ischämie) ( 1 B-24.27).
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24 Gefäßchirurgie
1 B-24.26
Synopsis Operationsverfahren bei der Nierenarterienstenose (NAS)
Reinsertion a Thrombendarteriektomie mit Patchplastik bei NAS.
b Neueinpflanzung der Nierenarterie bei NAS.
interponierte V. saphena magna
c Interponat eines Venengrafts oder einer Goretex-Prothese und Neueinpflanzung der Nierenarterie bei fibromuskulärer Dysplasie.
24.1.9
Arterienverletzungen
24.1.9
d Beidseitige TEA mit Patchplastik bei beidseitiger NAS.
Arterienverletzungen
Ätiologie. Faktoren von Gefäßverletzungen: Krieg, Bandenkriminalität, Industrialisierung, Verkehrsdichte, Berufs- und Freizeitsport, Verletzungen im Haushalt und Hobby. Ferner nehmen Gefäßverletzungen im Rahmen diagnostischer Maßnahmen und operativer Eingriffe zu. Man unterscheidet 3 Arten von Gefäßverletzungen ( 1 B-24.27). π direkte scharfe Verletzung π direkte stumpfe Verletzung π indirekte stumpfe Verletzung.
Ätiologie. Die Inzidenz von Gefäßverletzungen ist abhängig von der Bevölkerungsstruktur (Kriminalität: Großstadt > ländliche Gemeinden) und dem
Symptome. Je nach Verletzungsmechanismus und Schweregrad stehen die Blutung oder die Ischämie im Vordergrund. Charakteristika der direkten scharfen Gefäßverletzung sind die Blutung nach außen und/oder innen und die periphere Ischämie mit Pulslosigkeit.
Symptome. Leitsymptome einer Arterienverletzung sind Blutung, Ischämie oder Embolien. Charakteristika der direkten scharfen Gefäßverletzung sind die äußerlich sichtbare Verletzung (z.B. Stichwunde) über einem Gefäß und direkte (Blutung nach außen) oder indirekte (Blutung in Körperhöhlen oder Muskeln) Blutungszeichen (Blutdruckabfall, Frequenzanstieg, Hb-Abfall) bei umschriebenem Gefäßdefekt. Während sich glatte Durchtrennungen auch größerer Arterien (A. axillaris, A. femoralis superficialis) durch Einrollen der Intima zumindestens vorübergehend selber stillen können (Kontrolle der peripheren Pulse!), blutet es aus Längsverletzungen unaufhaltsam.
Technisierungsgrad (Industrie, Haushalt, Verkehr, Sport). In Kriegszeiten überwiegen Schussverletzungen der Gefäße (Vietnamkrieg 95 %) gegenüber anderen Ursachen. Ferner nehmen Gefäßverletzungen im Rahmen diagnostischer Maßnahmen (Angiographie, Herzkatheter) und operativer Eingriffe (extrakorporale Zirkulation, Angioplastie, Tumor- und Gefäßchirurgie) zu. Man unterscheidet 3 Arten von Gefäßverletzungen ( 1 B-24.27). π direkte scharfe Verletzung (Stich, Schnitt, Schuss, Pfählung, iatrogen), mit stufenweiser Gefäßwanddurchtrennung von außen nach innen und äußerer Wunde, π direkte stumpfe Verletzung (Schlag, Quetschung, Kontusion, Kompression) π indirekte stumpfe Verletzung (Überdehnung bei Luxation oder Fraktur, Dezelerationstrauma, Gefäßspasmen, Kompartmentsyndrom) mit Schädigung der Gefäßwandschichten von innen nach außen bei meist fehlender äußerer Wunde. Diese Pathomechanismen werden auch der Stadieneinteilung zugrunde gelegt und bestimmen die klinischen Symptome (Blutung oder Ischämie) ( 1 B-24.27).
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24.1.9 Arterienverletzungen
1 B-24.27
Synopsis Stadieneinteilung, Klinik, Ursachen und Therapie von Gefäßverletzungen
Stadieneinteilung
Klinik
Ursachen
Klinisch stumm, je nach Verletzung begleitender Nerven sensible oder motorische Ausfälle, im weiteren Verlauf ggf. Aneurysma, keine Ischämie.
Gefäßverletzung von außen nach innen mit äußerer Wunde durch: • Schnitt, Stich, Schuss, Pfählung • iatrogene Maßnahmen (Angiographie, PTA, diagnostische Punktionen, Operationen).
Therapie
Direkte, scharfe Gefäßverletzung Grad I
Partielle Gefäßwanddurchtrennung ohne Eröffnung des Lumens. Grad II
Durchtrennung der Gefäßwand mit Lumeneröffnung, aber erhaltener Kontinuität. Grad III
Blutung nach außen, ins Gewebe oder in Körperhöhlen, bei Begleitverletzung von Nerven entsprechende Ausfälle; evtl. periphere Ischämie.
a Transmurale Gefäßwandverletzung: direkte Naht.
b Komplette Gefäßdurchtrennung: schräge End-zu-End Naht.
c Wie a, zusätzlich zirkumferenzielles Gefäßwanddefizit: Defektverschluss durch Patchplastik.
Wie Stadium II, spontane Blutstillung durch Einrollen der Gefäßstümpfe möglich, periphere Ischämie.
Vollständige Durchtrennung des Gefäßes.
d Wie b, zusätzlich longitudinales Gefäßwanddefizit: Interposition von autologer Vene oder Kunststoffprothese.
Direkte und indirekte stumpfe Gefäßverletzung
Typische Verletzungen mit indirekten stumpfen Gefäßtraumen
Grad I
Einriss oder Quetschung der Intima.
Grad II
Einriss von Intima und Media. Im Verlauf Gefäßthrombose, später: traumatisches Aneurysma. Grad III
Völlige Zerquetschung der Arterienwand.
Keine äußere Blutung, später Mikroembolien und/oder Gefäßthrombosen mit peripherer Ischämie.
Keine Blutung, periphere Ischämie durch arterielle Gefäßthrombose, Spätfolge: traumatisches Aneurysma.
Peripheres Ischämiesyndrom durch arterielle Thrombose bei eingerollten Gefäßstümpfen.
Direkte Quetschung oder Schlag mit Verletzung der Gefäßwand von innen nach außen ohne äußere Wunde nach Kontusionen, Hämatomen oder Frakturen. Indirekte Gefäßverletzungen im Rahmen von Luxationen, Frakturen oder Dezelerationstraumen (siehe rechts).
a Trauma der b Trauma der distalen A. brachialis durch A. brachialis durch den Humeruskopf. die Trochlea humeri.
c Trauma der distalen A. femoralis superficialis durch die Femurkondylen.
d Trauma der A. poplitea durch den Tibiakopf.
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914 Mögliche Spätsymptome sind die Ausbildung einer AV-Fistel oder eines Aneurysma spurium. Bei fehlender äußerer Wunde bleiben stumpfe Gefäßverletzungen trotz langstreckigen Gefäßschadens oft initial unerkannt. 1 B-24.27 gibt typische Verletzungsmuster wieder, bei denen eine Beteiligung der Gefäße ausgeschlossen werden muss. Charakteristische Symptome stumpfer Gefäßverletzungen sind die periphere Ischämie mit Pulslosigkeit bei kompletter Ischämie und rezidivierende Embolien nach Intimaeinriss bei inkompletter Ischämie ( 1 B-24.28). Thoraxschmerz und Mediastinalverbreiterung nach schwerem Trauma müssen an ein thorakales Aortenaneurysma denken lassen.
24 Gefäßchirurgie Als Spätkomplikation eines direkten scharfen Gefäßtraumas (v.a. nach Herzkatheter oder Dilatationen) können sich falsche Aneurysmen (Aneurysma spurium) und AV-Fisteln (Leiste) ausbilden. Indirekte und direkte stumpfe Gefäßverletzungen werden oft initial trotz langstreckigen Gefäßschadens übersehen (keine äußere Wunde), da andere Traumafolgen zunächst im Vordergrund stehen. Typische Verletzungsmuster, bei denen gehäuft indirekte Gefäßverletzungen auftreten können, sind in 1 B-24.27 dargestellt. Charakteristische Symptome sind der Pulsverlust bei kompletter Ischämie, periphere Embolien bei inkompletter Ischämie (Ausgangspunkt ist die eingerissene Gefäßintima: z.B. rezidivierende TIA nach Luxationstrauma des Halses mit Intimaeinriss in der A.carotis) oder Thoraxschmerz und Mediastinalverbreiterung nach Dezelerationstrauma (traumatisches Aneurysma der thorakalen Aorta am Ansatzpunkt des Lig. arteriosum Botalli) ( 1 B-24.28). Hier kann sich auch nach vielen Jahren noch ein traumatisches Aneurysma entwickeln.
1 B-24.28
Dezelerationstrauma der A. subclavia Verschluss der A. subclavia links nach Abgang der A. vertebralis durch einen Intimaeinriss (1) nach Dezelerationstrauma in der DSA-Angiographie. 1
Ein arterieller Gefäßspasmus entsteht meist bei iatrogenen Manipulationen. Traumatische Gefäßspasmen lösen sich innerhalb von 24 Stunden spontan.
Ein arterieller Gefäßspasmus ist sehr selten und entsteht meist im Zusammenhang mit iatrogenen Manipulationen (Katheterangiographie, versehentliche intraarterielle Injektionen). Traumatische Gefäßspasmen (selten) lösen sich innerhalb von 24 Stunden spontan.
Diagnose. Die Diagnose einer Gefäßverletzung stützt sich auf die Ergebnisse der π klinischen Untersuchung (Anamnese, Pulsstatus, Auskultation) π Angiographie. bei V.a. auf ein thorakales Aneurysma π Rö-Thorax und ggf. π Thorax-CT/Angio-MRT.
Diagnose. Besteht vonseiten der Anamnese, des Unfallhergangs und des
Therapie. Die Therapie der Gefäßverletzung verfolgt das Ziel, den Verblutungstod zu verhindern und die betroffenen Gliedmaßen/Organe zu erhalten.
Therapie. Das Behandlungsprinzip akuter Gefäßverletzungen gliedert sich
Sofortmaßnahmen bestehen in der vorläufigen Blutstillung durch direkte Kompression oder Anlage eines sterilen Druckverbands unter Vermeidung sekundärer Druckschädigungen der Nerven. Die definitive Versorgung (Revaskularisation) erfolgt nach operativer Exploration mittels Übernähung, End-zu-End-Anastomose oder
Verletzungsmusters sowie einer äußeren Blutung oder peripheren Ischämie der Verdacht auf eine arterielle Gefäßverletzung, so ist diese bei peripherer Pulslosigkeit dopplersonographisch und angiographisch zu sichern. Bei Verdacht auf eine Blutung in die Bauchhöhle kann freie Flüssigkeit sonographisch nachgewiesen werden. Ergibt sich nach Dezelerationstrauma im Röntgen-Thoraxbild eine Mediastinalverbreiterung, muss ein traumatisches thorakales Aneurysma mittels Thorax-CT und ggf. zusätzlicher Angiographie ausgeschlossen werden.
in Sofortmaßnahmen, die den Verblutungstod verhindern und die definitive chirurgische Versorgung, die dem Funktionserhalt des betroffenen Organsystems dient. Sofortmaßnahmen bestehen in der vorläufigen Blutstillung durch direkte Kompression oder Anlage eines sterilen Druckverbands. Hierbei müssen sekundäre Druckschädigungen der Nerven vermieden werden. Unter parenteraler Volumensubstitution zur Schockprophylaxe muss der Patient ohne Verzögerung der endgültigen Versorgung zugeführt werden. Die Revaskularisation erfolgt nach operativer Exploration mittels Übernähung (direkt oder mit Patchplastik), End-zu-End-Anastomose oder Interponat (Vene oder Goretexprothese), wie in 1 B-24.27 dargestellt. Ligaturen sollten nur bei
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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24.1.10 Arterielle Aneurysmen kleinen Arterien, guter Kollateralisation (z.B. Verletzung der A. radialis bei intakter A. ulnaris), oder massiven Begleitdefekten durchgeführt werden. Ist keine Gefäßrekonstruktion möglich, erfolgt als Ultima ratio die Extremitätenamputation. Zeigt sich bei intraabdominellen Blutungen nach Laparotomie eine abgangsnahe Viszeralarterienverletzung muss diese rekonstruiert werden. Periphere Äste mit guter Kollateralisation können umstochen werden. Bei einer irreversiblen Ischämie des Darms sind die entsprechenden Abschnitte zu resezieren. Ein gesichertes thorakales Aortenaneurysma an typischer Stelle (unmittelbar distal des Aortenbogens bzw. des A.-subclavia-Abgangs) nach Dezelerationstrauma wird über eine linksseitige Thorakotomie entweder direkt übernäht oder mit einem Protheseninterponat versorgt (s.a. Kap. B-25.3.7). Die Amputationsrate nach rekonstruierten peripheren Gefäßverletzungen liegt < 5 %. Bei zentralem Gefäßtrauma können irreversible Ischämieschäden innerer Organe (Nieren, Leber, Darm) oder des ZNS (Gehirn, Rückenmark) die Prognose bestimmen. Komplikationen nach Revaskularisation (Re-Verschluss, Nachblutung, Infekt) oder nicht erkannter Gefäßverletzung (AV-Fistel, Aneurysma) stellen in der Regel eine Op-Indikation dar. Venenverletzungen können aufgrund guter Kollateralisation in der Regel ohne Folgen ligiert werden. Große Leitungsvenen (V. femoralis) müssen erhalten werden (Übernähung, ggf. Patchplastik oder Protheseninterponat). Verletzungen von Lymphgefäßen imponieren durch anhaltende Lymphfisteln. Abdominelle Lymphgefäßverletzungen verursachen einen Chylaskos, thorakale (Ductus thoracicus) einen Chylothorax. Während sich kleine Lymphfisteln spontan verschließen, müssen größere Lymphgefäße ligiert werden.
Interponat ( 1 B-24.27). Prinzipiell müssen alle peripheren und viszeralen Hauptarterien ohne Kollateralen rekonstruiert werden. Ist eine Gefäßrekonstruktion nicht möglich, erfolgt als Ultima ratio die Extremitätenamputation.
Thorakale Aortenaneurysmen werden nach linksseitiger Thorakotomie mittels Übernähung oder Protheseninterponat saniert (s.a. Kap. B-25.3.7). Die Amputationsrate bei regelrecht versorgten peripheren Gefäßverletzungen beträgt < 5 %. Komplikationen nach Gefäßrekonstruktion sind Re-Verschluss, Nachblutung, Infekt und die Entstehung eines Nahtaneurysmas. Therapie von Venenverletzungen: große Leitungsvenen werden rekonstruiert, kleine Venen können ligiert werden. Lymphgefäßverletzungen machen sich durch anhaltende Lymphfisteln bemerkbar. Heilen diese nicht spontan aus, müssen sie operativ ligiert werden.
Klinischer Fall Eine 26-jährige Patientin wird mit dem Notarztwagen in der Klinik vorgestellt, nachdem sie als angeschnallte Fahrerin in einen Verkehrsunfall verwickelt worden war, bei dem sich der Pkw überschlug. Auffällig ist eine deutliche Minderdurchblutung des linken Armes mit Pulslosigkeit der A. radialis et ulnaris. Die Angiographie der supraaor-
24.1.10
talen Äste in DSA-Technik (s. 1 B-24.28) dokumentiert einen Verschluss der A. subclavia links nach Abgang der A. vertebralis bedingt durch einen Intimaeinriss bei Dezelerationstrauma. Durch unverzügliche operative Revision konnte die Armstrombahn links revaskularisiert und somit die Gliedmaße erhalten werden.
Arterielle Aneurysmen
n Definition. Ein Aneurysma ist ein pulsierender arterieller Tumor, der entweder nach Dilatation aller Gefäßwandschichten (Aneurysma verum), oder nach Einriss der Intima/Media und Dilatation der Media/ Adventitia (Aneurysma dissecans), oder nach Gefäßwandverletzung und Dilatation des umgebenden Bindegewebes (Aneurysma spurium) entsteht.
Ätiologie. Die weitaus meisten echten Aneurysmen sind arterioskleroti-
schen Ursprungs (m : w = 10 : 1). Bevorzugte Lokalisation ist die infrarenale Aorta abdominalis. Seltener sind die A. iliaca interna, A. femoralis oder A. poplitea (90 % der peripheren Aneurysmen) betroffen. In 50–70 % bestehen multiple arteriosklerotische Aneurysmen ( 1 B-24.29). In Zusammenhang mit der arteriosklerotischen Genese bestehen folgende Begleiterkrankungen: KHK (ca. 55 %), periphere AVK (ca. 40 %), Herzinsuffizienz (ca. 30 %) sowie Diabetes mellitus und Zerebralsklerose in je 10 %. Meist multipel auftretende, kongenitale Aneurysmen stehen im Zusammenhang mit einer angeborenen Bindegewebsschwäche (Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom). Sie entstehen vor allem an den basalen Hirnarterien und der Aorta ascendens (oft mit Entwicklung einer Aortenklappeninsuffizienz), seltener sind die Viszeral- oder Nierengefäße beteiligt.
24.1.10 Arterielle Aneurysmen Definition
Ätiologie. Die weitaus meisten echten Aneurysmen sind arteriosklerotischen Ursprungs (m : w = 10 : 1) ( 1 B-24.29). Bevorzugte Lokalisation ist die infrarenale Aorta abdominalis. Periphere Aneurysmen betreffen überwiegend die A. poplitea. An Begleiterkrankungen liegen vor: KHK (55 %), pAVK (40 %), Herzinsuffizienz (30 %), Diabetes mellitus und Zerebralsklerose (je 10 %). Kongenitale Aneurysmen sind selten (Ehlers-Danlos- und Marfan-Syndrom). Prädilektionsorte liegen im Bereich des Circulus arteriosus Willisii und an der Aorta ascendens.
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24.1.10 Arterielle Aneurysmen kleinen Arterien, guter Kollateralisation (z.B. Verletzung der A. radialis bei intakter A. ulnaris), oder massiven Begleitdefekten durchgeführt werden. Ist keine Gefäßrekonstruktion möglich, erfolgt als Ultima ratio die Extremitätenamputation. Zeigt sich bei intraabdominellen Blutungen nach Laparotomie eine abgangsnahe Viszeralarterienverletzung muss diese rekonstruiert werden. Periphere Äste mit guter Kollateralisation können umstochen werden. Bei einer irreversiblen Ischämie des Darms sind die entsprechenden Abschnitte zu resezieren. Ein gesichertes thorakales Aortenaneurysma an typischer Stelle (unmittelbar distal des Aortenbogens bzw. des A.-subclavia-Abgangs) nach Dezelerationstrauma wird über eine linksseitige Thorakotomie entweder direkt übernäht oder mit einem Protheseninterponat versorgt (s.a. Kap. B-25.3.7). Die Amputationsrate nach rekonstruierten peripheren Gefäßverletzungen liegt < 5 %. Bei zentralem Gefäßtrauma können irreversible Ischämieschäden innerer Organe (Nieren, Leber, Darm) oder des ZNS (Gehirn, Rückenmark) die Prognose bestimmen. Komplikationen nach Revaskularisation (Re-Verschluss, Nachblutung, Infekt) oder nicht erkannter Gefäßverletzung (AV-Fistel, Aneurysma) stellen in der Regel eine Op-Indikation dar. Venenverletzungen können aufgrund guter Kollateralisation in der Regel ohne Folgen ligiert werden. Große Leitungsvenen (V. femoralis) müssen erhalten werden (Übernähung, ggf. Patchplastik oder Protheseninterponat). Verletzungen von Lymphgefäßen imponieren durch anhaltende Lymphfisteln. Abdominelle Lymphgefäßverletzungen verursachen einen Chylaskos, thorakale (Ductus thoracicus) einen Chylothorax. Während sich kleine Lymphfisteln spontan verschließen, müssen größere Lymphgefäße ligiert werden.
Interponat ( 1 B-24.27). Prinzipiell müssen alle peripheren und viszeralen Hauptarterien ohne Kollateralen rekonstruiert werden. Ist eine Gefäßrekonstruktion nicht möglich, erfolgt als Ultima ratio die Extremitätenamputation.
Thorakale Aortenaneurysmen werden nach linksseitiger Thorakotomie mittels Übernähung oder Protheseninterponat saniert (s.a. Kap. B-25.3.7). Die Amputationsrate bei regelrecht versorgten peripheren Gefäßverletzungen beträgt < 5 %. Komplikationen nach Gefäßrekonstruktion sind Re-Verschluss, Nachblutung, Infekt und die Entstehung eines Nahtaneurysmas. Therapie von Venenverletzungen: große Leitungsvenen werden rekonstruiert, kleine Venen können ligiert werden. Lymphgefäßverletzungen machen sich durch anhaltende Lymphfisteln bemerkbar. Heilen diese nicht spontan aus, müssen sie operativ ligiert werden.
Klinischer Fall Eine 26-jährige Patientin wird mit dem Notarztwagen in der Klinik vorgestellt, nachdem sie als angeschnallte Fahrerin in einen Verkehrsunfall verwickelt worden war, bei dem sich der Pkw überschlug. Auffällig ist eine deutliche Minderdurchblutung des linken Armes mit Pulslosigkeit der A. radialis et ulnaris. Die Angiographie der supraaor-
24.1.10
talen Äste in DSA-Technik (s. 1 B-24.28) dokumentiert einen Verschluss der A. subclavia links nach Abgang der A. vertebralis bedingt durch einen Intimaeinriss bei Dezelerationstrauma. Durch unverzügliche operative Revision konnte die Armstrombahn links revaskularisiert und somit die Gliedmaße erhalten werden.
Arterielle Aneurysmen
n Definition. Ein Aneurysma ist ein pulsierender arterieller Tumor, der entweder nach Dilatation aller Gefäßwandschichten (Aneurysma verum), oder nach Einriss der Intima/Media und Dilatation der Media/ Adventitia (Aneurysma dissecans), oder nach Gefäßwandverletzung und Dilatation des umgebenden Bindegewebes (Aneurysma spurium) entsteht.
Ätiologie. Die weitaus meisten echten Aneurysmen sind arterioskleroti-
schen Ursprungs (m : w = 10 : 1). Bevorzugte Lokalisation ist die infrarenale Aorta abdominalis. Seltener sind die A. iliaca interna, A. femoralis oder A. poplitea (90 % der peripheren Aneurysmen) betroffen. In 50–70 % bestehen multiple arteriosklerotische Aneurysmen ( 1 B-24.29). In Zusammenhang mit der arteriosklerotischen Genese bestehen folgende Begleiterkrankungen: KHK (ca. 55 %), periphere AVK (ca. 40 %), Herzinsuffizienz (ca. 30 %) sowie Diabetes mellitus und Zerebralsklerose in je 10 %. Meist multipel auftretende, kongenitale Aneurysmen stehen im Zusammenhang mit einer angeborenen Bindegewebsschwäche (Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom). Sie entstehen vor allem an den basalen Hirnarterien und der Aorta ascendens (oft mit Entwicklung einer Aortenklappeninsuffizienz), seltener sind die Viszeral- oder Nierengefäße beteiligt.
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Ätiologie. Die weitaus meisten echten Aneurysmen sind arteriosklerotischen Ursprungs (m : w = 10 : 1) ( 1 B-24.29). Bevorzugte Lokalisation ist die infrarenale Aorta abdominalis. Periphere Aneurysmen betreffen überwiegend die A. poplitea. An Begleiterkrankungen liegen vor: KHK (55 %), pAVK (40 %), Herzinsuffizienz (30 %), Diabetes mellitus und Zerebralsklerose (je 10 %). Kongenitale Aneurysmen sind selten (Ehlers-Danlos- und Marfan-Syndrom). Prädilektionsorte liegen im Bereich des Circulus arteriosus Willisii und an der Aorta ascendens.
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
916 Syphilitische Aneurysmen liegen bevorzugt am Aortenbogen und sind heute selten. Mykotische Aneurysmen entstehen nach bakteriellen Embolien durch Infektion der Gefäßwand kleinerer Arterien. Poststenotische Aneurysmen entwickeln sich durch vermehrte turbulente Strömungen hinter einer Stenose. Traumatische Aneurysmen entsprechen meist einem Aneurysma spurium. Häufigste Ursachen sind iatrogene Läsionen in der Leiste (Angiographie, perkutane Angioplastie) oder ein Gefäßtrauma (Aneurysma am Aortenisthmus nach Dezelerationstrauma).
Disseziierendes Aneurysma (s.a. Kap. B-25.3.7): Eine Aortendissektion entsteht durch einen Einriss der Intima, in den sich das Blut vorwühlt. Die konsekutive Aufspaltung der Gefäßwand verursacht ein echtes und ein falsches Lumen ( 1 B-24.30). Der Verlauf einer Aortendissektion wird bestimmt durch die Neigung, Organe von der Perfusion auszuschließen, zu rupturieren oder, nach Perforation der Dissektionsmembran nach innen, ein prognostisch günstiges Re-Entry zu schaffen, wobei jedoch weiterhin Rupturgefahr besteht.
Merke
24 Gefäßchirurgie Syphilitische Aneurysmen mit bevorzugter Lokalisation am Aortenbogen haben seit Einführung der Antibiotika deutlich abgenommen. Der Pathomechanismus dieser frühzeitig rupturierenden Aneurysmen ist die von den Vasa vasorum ausgehende Mediazerstörung. Im Rahmen septischer bakterieller Embolien (unter Ausschluss der Syphilis) kann es bevorzugt an kleineren und mittleren Arterien (seltener Aorta oder A. mesenterica superior) zu einer infektiösen Gefäßwandschädigung mit Ausbildung mykotischer Aneurysmen kommen, die frühzeitig zur Ruptur neigen. Poststenotische Aneurysmen sind Ausdruck der veränderten Hämodynamik mit verstärkten poststenotischen Turbulenzen, die die Gefäßwand ermüden. Typisches Beispiel ist ein Subklaviaaneurysma beim Thoracic-outlet-Syndrom (TOS). Traumatische Aneurysmen entwickeln sich nach spitzer oder stumpfer Gewalt mit Teildurchtrennung der Gefäßwand von innen oder außen als falsche Aneurysmen. Diese Aneurysmen entstehen gehäuft nach iatrogener Intervention im Bereich der Leiste (Angiographie, Herzkatheter, Dilatationen). Hier handelt es sich um bindegewebig umhüllte, pulsierende Hämatome mit großer Rupturneigung. Ein typisches posttraumatisches Aneurysma ist das des Aortenisthmus nach Dezelerationstrauma (Verkehrsunfall, Sturz aus großer Höhe). Weitere falsche Aneurysmen können an Anastomosen nach Gefäßprothesenimplantation entstehen. Hier liegt ursächlich meist ein Protheseninfekt vor. Ein Aneurysma dissecans (s.a. Kap. B-25.3.7) entsteht durch Aufsplitterung der Gefäßwand mit Zerstörung der Media im Rahmen einer Medianecrosis cystica Erdheim-Gsell (seltener Marfan-Syndrom, Lues, Riesenzellarteriitis), oder einer Schädigung der Intima durch Arteriosklerose. Nach Intimaeinriss entwickelt sich ein, im Bereich der Läsion nach antegrad und/oder nach retrograd vorwühlendes, die Gefäßwand disseziierendes Hämatom. Es entsteht ein zweikanaliges Gefäß mit einem durchströmten und einem nicht durchströmten Lumen ( 1 B-24.30). Je nach Lokalisation des initialen Intimaeinrisses ist die gesamte Aorta oder nur die A. abdominalis betroffen. Durch Vorwölbung des nicht durchströmten in das perfundierte Lumen können Gefäßabgänge okkludiert und entsprechende Ischämiesyndrome verursacht werden (Herz, Gehirn, Nieren, Leber, Darm, Extremitäten). Im weiteren Verlauf kann eine Perforation nach außen (Ruptur, Blutung) oder zurück in das durchströmte Lumen auftreten (prognostisch günstiges Re-Entry durch Fensterung der Dissektionsmembran), wobei jedoch weiterhin Rupturgefahr besteht. n Merke. Charakteristisch für jedes Aneurysma ist die Größenzunahme mit steigender Rupturgefahr. 50 % aller Aneurysmen rupturieren innerhalb von 10 Jahren.
1 B-24.29
Aneurysma der A. iliaca communis links
2 1 3
Arteriosklerotisch bedingtes Aneurysma der A. iliaca communis links (1) bei einem 85-jährigen Patienten in der DSA-Angiographie. Zudem zeigt sich eine Ektasie der Aorta (2) und eine Ektasie und Elongation der A. iliaca communis rechts (3).
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24.1.10 Arterielle Aneurysmen
1 B-24.30
Synopsis Arterielle Aneurysmen und Dissektionen
Aortenaneurysma, Morphologie und Therapie
AMI
a Mediane Laparotomie.
b Inzision des präaortalen Peritoneums.
Angiographie eines infrarenalen Bauchaortenaneurysmas (BAA).
d Ausräumen des thrombotischen Randwalls.
e Durchstechung der rückblutenden Lumbalgefäße.
f Eingenähte Rohrprothese.
c Infrarenales und biiliakales Ausklemmen der Gefäße, ggf. Ausklemmen der A. mesenterica inferior (AMI) und Eröffnen des infrarenalen BAA durch Längsinzision.
g, h Verschluss der ehemaligen Aneurysmawand vor der aorto-aortalen Rohr- (g) oder aorto-biiliakalen Y-Prothese (h).
i Fakultative Reimplantation der AMI in die Aortenprothese.
Aortendissektion, Morphologie und Therapie a Thorako-abdominelle Aortendissektion mit falschem und echtem Lumen, sowie Okklusion des Truncus coeliacus und der A. mesenterica superior (AMS). Stenose des Gefäßabgangs durch Dissektionsmembran
c
b Thorako-abdomineller Aortenersatz mit Implantation der Spinalgefäße, des Truncus coeliacus, der AMS und der Nierenechtes falsches Lumen arterien.
d
e
c – e Alternative: Eröffnen der Dissektionsmembran im Sinne einer Fensterung (c) mit distalem Anheften der Membran an die Aortenwand (d) und Patcherweiterungsplastik.
Komplikationen prä- und postoperativ Häufige Rupturlokalisationen und -häufigkeit: aorto-duodenale Perforation 2 %
retroperitoneale Perforation 80 %
aorto-kavale Fistelung 2 %
freie Perforation 10 %
a Bei Aortenaneurysma.
Nahtaneurysma mit aorto-intestinaler Fistel (meist Duodenum) b Nach Aortenersatz.
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918 Symptome. Aneurysmen verursachen Symptome durch Wachstum mit Organverdrängung, Penetration und Perforation und durch die Ausbildung von embolisierenden Thromben. Thorakale Aortenaneurysmen s. Kap. B-25.3.7. Abdominelle Aortenaneurysmen sind in > 90 % infrarenal lokalisiert. Sie werden symptomatisch bei Größenzunahme durch Druck auf Wirbelkörper, Ureter und Nerven, bei Penetration durch Fistel oder Blutung und bei Perforation durch ein akutes Abdomen mit Blutungsschock. Häufige Beschwerden wie Rücken- und Flankenschmerzen werden oft fehlgedeutet. Die Rupturhäufigkeit ( 1 B-24.30) nimmt ab einem Durchmesser von 4 cm deutlich zu. Im Falle einer Perforation liegt die Letalität aufgrund der Blutung (Schock) trotz Notoperation bei 50–80 %. Merke
24 Gefäßchirurgie
Symptome. Die Klinik eines an Größe zunehmenden Aneurysmas ist abhän-
gig von der Aneurysmalokalisation und den Aneurysmakomplikationen. Viele Aneurysmen weisen einen thrombotischen Randwall auf, der Ausgangspunkt für periphere Embolien (oft das erste Symptom) sein kann. Thorakale Aortenaneurysmen s. Kap. B-25.3.7. Abdominelle Aortenaneurysmen sind in über 90 % infrarenal lokalisiert. Sie werden symptomatisch bei Größenzunahme durch Druck auf Wirbelkörper, Ureter und Nerven, bei Penetration durch Fistel oder Blutung und bei Perforation durch ein akutes Abdomen mit Blutungsschock. Durch Zunahme der sonographischen Untersuchungen werden 30–50 % im asymptomatischen Stadium akzidentell entdeckt. Die Rupturhäufigkeit der Aneurysmen nimmt ab einem Durchmesser von 4 cm deutlich zu und beträgt bei einer durchschnittlichen Größenzunahme von 0,4 cm insgesamt etwa 10–15 %/anno. Die häufigsten Rupturrichtungen sind der 1 B-24.30 zu entnehmen. Im Falle einer gedeckten oder freien Perforation steht der Blutungsschock im Vordergrund. Die Letalität ist dann, trotz notfallmäßiger Operation hoch (50–80 %).
n Merke. Die in ca. 50 % durch Größenzunahme symptomatischen, infrarenalen Aortenaneurysmen werden häufig im Sinne von degenerativen Wirbelsäulenschäden, Nierenkoliken und Lumbalgien fehlgedeutet.
Periphere Aneurysmen verursachen periphere Embolien mit Ischämiesymptomen (thrombotischer Verschluss) und/oder Nervenirritationen durch lokale Verdrängung.
Periphere Aneurysmen, vor allem an der A. poplitea lokalisiert, stellen Emboliestreuherde dar, welche sich durch thrombotische Gefäßverschlüsse und durch lokale Nervenkompression bemerkbar machen können. Ein Aneurysma spurium der Leiste (pulsierendes Hämatom) neigt frühzeitig zur Ruptur.
Diagnose. Die Diagnose des Aortenaneurysmas stützt sich auf die: π Anamnese π klinische Untersuchung π Sonographie (Aneurysmalokalisation und Größe, freie Flüssigkeit intraperitoneal) π CT-Abdomen mit Kontrastmittelgabe ( 1 B-24.31) π Angiographie vor Elektiv-OP.
Diagnose. Die Diagnose des abdominellen Aortenaneurysmas erfolgt
meist sonographisch, wobei Darmgasüberlagerungen die Beurteilung erschweren können. Bei Verdacht auf Wirbelsäulenschaden angefertigte Röntgenaufnahmen der LWS lassen durch prävertebrale Verkalkungsstrukturen oft ein Aneurysma vermuten. Eine Darstellung des Aneurysmas in ganzer Länge und eine Beurteilung seiner Lokalisation (Nierenarterien) und Morphologie (Randthrombus, drohende Perforation/Penetration, Dissektionsmembran) erlaubt die Kontrast-CT ( 1 B-24.31). Die zusätzliche Angiographie dokumentiert die lokale und periphere Durchblutungssituation.
1 B-24.31
Gedeckt perforiertes Aortenaneurysma
2 3
1
CT mit Kontrastmittel bei gedeckt in das rechte Retroperitoneum perforiertem Aortenaneurysma. Es zeigt sich ein ca. 7 cm großes infrarenales Aortenaneurysma mit thrombotischem Randwall (1), 5 cm durchmessendem durchströmten Lumen (2) und kindskopfgroßem Hämatom im rechten Retroperitoneum mit flauer Kontrastmittelaufnahme (3).
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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24.1.10 Arterielle Aneurysmen
Klinischer Fall 65-jähriger Patient mit zunehmenden Rückenschmerzen bei bekanntem Aortenaneurysma. Das CT-Abdomen ( 1 B-24.32 a) zeigt ein ausgeprägtes, im größten Durchmesser ca. 9 cm messendes, partiell verkalktes Aortenaneurysma mit nur geringen randständigen Thromben,
1 B-24.32
welches den Lendenwirbelkörper bereits deutlich arrodiert hat. Es besteht höchste Rupturgefahr. Der intraoperative Situs dokumentiert das fast kindskopfgroße Aneurysma ( 1 B-24.32 b). Situs nach Einnähen der aortobiiliakalen Y-Prothese aus Dacron ( 1 B-24.32 c).
Aortenaneurysma im CT-Abdomen und intraoperativer Situs des Aortenaneurysmas
a Partiell verkalktes Aortenaneurysma mit geringen randständigen Thromben im CT-Abdomen. Durch das Aneurysma bedingte Arrosion des Lendenwirbelkörpers ( Á).
b Fast kindskopfgroßes Aneurysma.
c Situs nach Einnähen einer aorto-biiliakalen Y-Draconprothese.
Therapie. Die Op-Indikation bei asymptomatischen, abdominellen Aneurysmen ist abhängig vom biologischen Alter des Patienten, der Rupturwahrscheinlichkeit (Größe, Hypertonus) und den allgemeinen Risikofaktoren. Sie ist ab einem Durchmesser von 4 cm bis zum 75. Lebensjahr grundsätzlich gegeben. Entschließt man sich zur Beobachtung, sind regelmäßige sonographische Verlaufskontrollen unerlässlich. Bei symptomatischen Aneurysmen (Schmerzen) ist die Op nach Lokalisationsdiagnostik (Sono/CT) am selben Tag und bei Notfallsituationen (gedeckte oder freie Perforation) sofort gegeben. Die Operationstrategie besteht in der teilweisen Resektion des Aneurysmas und der Implantation einer aortalen Rohrprothese bzw. einer aortobiiliakalen oder aortobifemoralen Y-Prothese, wie in 1 B-24.30 zu sehen. Sind im Rahmen eines abdominellen oder thorako-abdominellen Aneurysmas Viszeralarterien oder die Nierengefäße minderperfundiert, so müssen diese revaskularisiert und in die Prothese implantiert werden. Die A. mesenterica inferior kann in der Regel folgen-
Therapie. Aufgrund der Wachstumstendenz und der Rupturgefahr ist die Op-Indikation in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand, auch bei asymptomatischen Aneurysmen ab einem Durchmesser von 4 cm bis zum 75. Lebensjahr grundsätzlich gegeben. Bei symptomatischen Aneurysmen besteht absolute, bei perforierten Aneurysmen sofortige Op-Indikation. Zur Op-Technik s. 1 B-24.30.
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24 Gefäßchirurgie los ligiert werden. Die Letalität von Elektiveingriffen liegt < 5 % und > 50 % bei Notfalleingriffen. Bei der (thorako-)/abdominellen Aortendissektion, die mit einem absteigenden Ischämiesyndrom einhergehen kann (Verschluss des Truncus coeliacus, der A. mesenterica superior, der Aa. renales) besteht oft ein LéricheSyndrom (Verschluss der Aortengabel) mit Ischämie der unteren Extremität. Wenn es der Zustand des Patienten noch zulässt, muss hier ein prothetischer Ersatz der befallenen Aorta (oft thorakoabdominell) mit Re-Implantation
Die Operationsletalität beträgt < 5 % bei Elektiv- und > 50 % bei Notfalleingriffen. Bei Aortendissektionen ist die Op-Indikation gegeben, um Ischämiesyndromen vorzubeugen. Bei gutem Allgemeinzustand sollte ein Protheseninterponat mit Re-Implantation der A. radicularis magna, der Viszeral- und Nierengefäße eingebracht werden.
1 B-24.33
Synopsis Operatives Vorgehen bei peripheren Aneurysmen
Aneurysma verum der rechten Leiste A. femoralis communis (AFC)
A. femoralis profunda (AFP) a Lateralkonvexe Schnittführung zur Versorgung eines Aneurysmas in der rechten Leiste. Die Leistenbeuge sollte nicht überschritten werden.
A. femoralis superficialis (AFS)
b Das Aneurysma wird freigelegt und proximal (AFC) sowie distal (AFS und AFP) nach systemischer Gabe von 5000 IE Heparin ausgeklemmt.
c Anschließend wird das Aneurysma längs, türflügelartig eröffnet. Rückblutende kleine Arterien werden umstochen und die Prothese (z.B. Goretex ringverstärkt) eingenäht.
b Exposition der supra- und infragenualen A. poplitea.
c Ligatur proximal und distal des Aneurysmas und Anlage eines femoro- bzw. popliteo-poplitealen Bypass.
Aneurysma der A. poplitea medialer Zugang: M. sartorius (Leitstruktur)
a Der Hautschnitt wird von proximal nach distal geführt. Der M. sartorius dient als Leitstruktur.
dorsaler Zugang: M. semitendinosus
A. poplitea V. poplitea
M. semimembranosus
N. fibularis N. tibialis
medial
lateral
a Der Hautschnitt wird von proximal-medial nach distallateral geführt.
medial
lateral
b Exposition des mittleren Poplitea-Drittels von dorsal.
c Ausklemmen der A. poplitea proximal und distal des Aneurysmas.
d Longitudinales Eröffnen des Aneurysmas und Durchstechung kleinerer Arterienabgänge von innen.
e Einnähen eines Veneninterponates (Saphena magna) mit stark angeschrägten Anastomosen (geringeres Stenoserisiko).
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24.1.10 Arterielle Aneurysmen der A. radicularis magna (Adamkiewicz-Arterie, entspringt in 80 % zwischen BWK 7 und LWK 4, essenziell zur Versorgung des Rückenmarks), der Viszeral- und Nierengefäße durchgeführt werden. Bei Dissektionen ohne Ischämiesyndrom ist die Fensterung der Dissektionsmembran ausreichend, um dem falschen Lumen ein Re-Entry zu verschaffen (s. 1 B-24.30). Periphere Aneurysmen werden entweder reseziert und mit einem Venenbzw. Protheseninterponat überbrückt oder ligiert und mittels Prothesenbypass umgangen ( 1 B-24.33). Bei falschen Aneurysmen der Leiste reseziert man das pulsierende, teilthrombosierte Hämatom und übernäht die Gefäßwandperforation. Als Komplikation nach Aortenaneurysmaoperation kann es nach Protheseninterponat, vor allem bei Arteriosklerose der Viszeralarterien, zu einer ischämischen Kolitis oder einer Gangrän des linken Hemikolons kommen (Ligatur der A. mesenterica inferior). Op-bedingt (Verletzung des Plexus hypogastricus, Umgehung der A. iliaca interna beidseits) kann beim Mann eine Impotenz resultieren bzw. eine Ureterkompression mit Abflussstörungen auftreten. Gefürchtete Spätkomplikation ist die Entwicklung einer aortointestinalen Fistel mit heftiger, meist intermittierender, oberer oder unterer gastrointestinaler Blutung nach Aortenprothesenimplantation als Ausdruck einer Nahtaneurysmabildung (falsches Aneurysma) auf dem Boden eines Protheseninfektes. Hier muss die Darmfistel übernäht, die Prothese entfernt, die Aorta verschlossen und die Blutversorgung mittels extraanatomischer, axillobifemoraler Bypässe sichergestellt werden (s. 1 B-24.16, S. 898). Die Letalität liegt im Notfall bei > 80 %.
1 B-24.34
921 Der Minimaleingriff besteht in der Fensterung der Dissektionsmembran (s. 1 B-24.30).
Periphere Aneurysmen werden reseziert und mit einem Protheseninterponat überbrückt oder mittels Prothesenbypass umgangen ( 1 B-24.33). Mögliche Komplikationen nach Protheseninterponat sind die Nachblutung, die Infektion, die ischämische Kolitis, eine Ureterkompression mit Abflussstörung und die Impotenz beim Mann. Spätkomplikationen können die Nahtaneurysmabildung bei Protheseninfekt und die Ausbildung einer aortointestinalen oder aortokavalen Fistel sein.
Aneurysma spurium (Nahtaneurysma)
a, b Kontrastmittelaustritt (Á) in der Angiographie am Übergang zwischen linkem Prothesenschenkel und der A. femoralis communis.
c
Op-Situs mit exponiertem Aneurysma
Aus Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe - Chirurgie, ISBN 313-125292-8.© 2003 Georg Thieme Verlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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24 Gefäßchirurgie
Klinischer Fall 69-jähriger Patient mit Anlage einer aortobifemoralen Y-Prothese vor 2 Jahren. Jetzt besteht eine pulsierende Schwellung im Bereich der linken Leiste. Die Angiographie ( 1 B-24.34 a + b) dokumentiert einen Kontrastmittelaustritt am Übergang zwischen linkem Prothesen-
24.1.11 Arteriovenöse Fisteln Definition
Ätiologie. Arteriovenöse Fisteln sind in ca. 30 % angeboren ( 1 B-24.35). Sie sind häufig mit anderen Gefäßmissbildungen kombiniert (Klippel-TrenaunaySyndrom, Sturge-Weber-Syndrom).
Etwa 70 % der AV-Fisteln sind erworben. Sie entstehen iatrogen (Angiographie, Punktion, Massenligatur u.a.), durch Fremdeinwirkung (Schuss, Messerstich, Pfählung) oder spontan (tumorbedingt) ( 1 B-24.35). Symptome. Die akute, großvolumige AV-Fistel verursacht eine akute Hypovolämie durch »Verbluten« nach innen und eine akute Herzinsuffizienz.
Die chronische AV-Fistel kann sich als pulsierender Tumor mit Maschinengeräusch, als einseitige chronisch venöse Insuffizienz (Varikosis mit pulsierenden Varizen), eine periphere arterielle Ischämie mit Claudikatiosymptomatik oder als Herzinsuffizienz mit Kardiomegalie manifestieren. Als Folge eines erniedrigten arteriellen PO2 kann sich eine Polyglobulie entwickeln.
Diagnose. Die Diagnose peripherer AV-Fisteln stützt sich auf die klinische Untersuchung (pulsierender Tumor, Maschinengeräusch, Varikose), den Nicoladoni-Branham-Test, die DopplerSonographie, die Messung des HZV und venösen PO2 (erhöht), sowie die Angiographie.
24.1.11
schenkel und A. femoralis communis links im Sinne eines Aneurysma spurium. Die linke Leiste wird freigelegt und das Aneurysma exponiert ( 1 B-24.34 c). Nach Aneurysmaresektion erfolgt die Rekonstruktion unter Zuhilfenahme eines kurzen Goretex-Interponates.
Arteriovenöse Fisteln
n Definition. Unter arteriovenösen Fisteln (AV-Fistel) versteht man eine direkte, pathologische Kurzschlussverbindung zwischen dem arteriellen Hochdruck- und dem venösen Niederdrucksystem.
Ätiologie. Arteriovenöse Fisteln sind entweder bereits kongenital angelegt
(30 %) oder werden im Laufe des Lebens erworben (70 %) ( 1 B-24.35). Kongenitale Fisteln sind die Folge von Differenzierungsstörungen des Kapillarplexus bzw. persistierenden Gefäßkurzschlüssen. Sie treten als lokalisierte tumoröse Längsachsenkurzschlüsse mit kavernösen Hohlräumen (Typ III nach F.P. Weber, sog. Rankenangiom) im Bereich der Kopf- und Gehirngefäße, als generalisierte Form (Typ II, F.P.-Weber-Syndrom) mit zwischengeschalteten angiomatösen Gefäßen im Bereich der Extremitäten, oder als Einzelshunts (Typ I, Ductus Botalli apertus) auf. Sie sind häufig mit anderen Gefäßmissbildungen kombiniert (Klippel-Trenaunay-Syndrom, SturgeWeber-Syndrom). Innere Organe (Lunge, Nieren, Milz) können ebenfalls kongenitale Fisteln aufweisen. Bei der Genese erworbener AV-Fisteln werden traumatische (Schuss, Stich), iatrogene (Angiographie, Nierenpunktion, Massenligatur) und spontane Ursachen (Gefäßkurzschlüsse in Tumoren, z.B. Hypernephrom; Ruptur eines arteriellen Aneurysmas in die begleitende Vene) unterschieden ( 1 B-24.35).
Symptome. Die Klinik ist abhängig von der Fistellokalisation, dem Fistelvolumen und der Geschwindigkeit der Fistelentstehung. Bei einer akuten, großvolumigen AV-Fistel entsteht eine akute Hypovolämie durch »Verbluten« in das eigene venöse Niederdrucksystem. Kompensatorisch entwickelt sich eine Vasokonstriktion nicht betroffener Gefäßabschnitte und eine Erhöhung des Herzzeitvolumens, u.a. durch Zunahme des Blutvolumens (10 Liter und mehr). Dies kann eine akute Herzinsuffizienz zur Folge haben. Bei der chronischen AV-Fistel imponiert lokal das Bild einer venösen Stauung mit pulsierenden Venen und den Symptomen einer chronisch venösen Insuffizienz (Stauungsulzera). Zudem kann eine periphere arterielle Minderperfusion mit Claudikatiosymptomatik bestehen. Über der Fistel ist ein Schwirren palpabel und ein Maschinengeräusch auskultierbar. Durch Fistelkompression kommt es zur Pulsverlangsamung und zum Blutdruckanstieg (Nicoladoni-Branham-Test). Auf dem Boden des chronisch erhöhten Herzminutenvolumens entsteht längerfristig eine Kardiomegalie mit Herzinsuffizienz. Auf dem Boden einer aortokavalen Fistel kann ein portaler Hypertonus mit allen Folgeerscheinungen (Ösophagusvarizen) entstehen. Als Folge eines erniedrigten arteriellen PO2 kann sich eine Polyglobulie entwickeln. Diagnose.