Nr. 265
Brennpunkt Cherkaton Der Mondträger im Einsatz für Atlan - ein Kolonialplanet wird zum Krisenherd von Harvey P...
29 downloads
409 Views
427KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Nr. 265
Brennpunkt Cherkaton Der Mondträger im Einsatz für Atlan - ein Kolonialplanet wird zum Krisenherd von Harvey Patton
Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Feinde ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindli che Rückschläge entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III., den Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen. Atlans geheime Zentrale, von der aus alle Aktionen gegen Orbanaschol ihren An fang nehmen, ist der Planet Kraumon. Mehr als 12.000 verschworene Anhänger des Kristallprinzen leben bereits dort, und Morvoner Sprangk, der Kommandant von Kraumon, sieht sich vor immer größe re Schwierigkeiten gestellt, die Versorgung der dort befindlichen Arkoniden zu ge währleisten, zumal Kraumon selbst wenig an Nahrung bietet. Da geht Mekron Dermitron, der Mondträger, in den Einsatz für Atlan, um Versor gungsgüter heranzuschaffen. Das Ziel seines Raumschiffs ist der BRENNPUNKT CHERKATON …
Brennpunkt Cherkaton
3
Die Hautpersonen des Romans:
Mekron Dermitron - Der Mondträger geht in seinen ersten Einsatz für Atlan.
Morvoner Sprangk - Kommandant des Geheimstützpunkts Kraumon.
Geraban - Gouverneur von Cherkaton.
Moringol - Ein Agent der POGIM auf Rekrutenfang.
Letschyboa - Ein alter Bekannter Atlans.
1. Die Strukturtaster schlugen an, eine steile Amplitude zuckte über die mit ihnen gekop pelten Monitoren. In relativer Nähe von Cherkaton mußte ein Raumschiff aus der Transition gekommen sein. Schon Sekunden später griff der junge Mann vor den Geräten nach dem Knopf, der den Alarm im gesam ten Siedlungsgebiet auslösen mußte. Im letzten Moment griff eine andere Hand zu und hielt seinen Arm fest. »Nicht so ha stig, Junge«, sagte Ascarmon, der Leiter der Ortungszentrale. »Bisher sind die Maahks noch nie bis in diese Gegend vorgestoßen. Es wäre also voreilig, schon Alarm zu geben, solange wir noch gar nicht wissen, wer da kommt. War ten wir erst einmal die Computerauswertung ab, auf die paar Sekunden kommt es wohl kaum an.« »Sie haben doch aber selbst gesagt …«, protestierte der Jüngere, aber Ascarmon un terbrach ihn durch eine Handbewegung. »Das gilt nur, wenn du allein hier bist. Wenn ich zur Stelle bin, treffe ich die Entscheidun gen. Es wäre wirklich ein Unding, die ganze Kolonie aufzuscheuchen … ah, da kommt die Auswertung schon!« Der Computer spie eine Folie aus, und die beiden Männer lasen die darauf ausgedruck ten Angaben. Gleich darauf nickte Ascar mon. »Nun, was habe ich gesagt? Ein kleines Schiff in Kugelform, Durchmesser nicht mehr als fünfzig Meter. Ein Imperiumsrau mer also, ein kleiner Kreuzer oder ein Pri vatschiff, auf keinen Fall aber ein Fahrzeug der Maahks. Kein Grund zur Beunruhigung, Junge, vermutlich wird man uns bald anru
fen.« Er behielt auch diesmal recht, denn schon zwanzig Sekunden später leuchtete die Ruf lampe des Normalfunkgeräts auf. Der Leiter schaltete den Apparat ein, die Bildfläche er hellte sich. Auf ihr erschien das Abbild eines Arkoniden in Flottenuniform. Ascarmon meldete sich und bekam sofort Antwort. »Sonderschiff TERKRAN an Raumhafen Cherkan«, sagte der Uniformierte. »Wir kommen vom Stützpunkt Sarkomier und werden in einer halben Stunde bei Ihnen lan den. Informieren Sie bitte den Gouverneur, er soll sich bereithalten, um Angehörige ei nes Sonderkommandos zu empfangen. Er bitte Bestätigung, Ende.« »Was mag das bedeuten?« fragte der jun ge Techniker. Ascarmon zuckte mit den Schultern. »Woher soll ich das wissen, Junge? Ich kann auch nur raten. Vielleicht will man sich nur davon überzeugen, ob wir gut durch den Winter gekommen sind. Man hat zwar da mals, als der Zwang des fremden Hypnowe sens von uns genommen war, einiges für uns getan, aber doch längst nicht genug. Schon möglich, daß jetzt jemand auf Arkon sein schlechtes Gewissen plagt.« Der Jüngere stieß verächtlich die Luft aus. »Daß ich nicht lache, Ascarmon! Den Her ren auf der Kristallwelt ist es doch herzlich egal, was mit einer Handvoll von Siedlern auf einem Hinterwäldlerplaneten geschieht. Die denken doch nur an sich selbst, und der Imperator …« Wieder einmal wurde er unterbrochen. Ein eisiger Blick ließ ihn verstummen, und der Stationsleiter sagte: »Du solltest deine Zunge etwas besser hüten, Junge! Nicht je der in Cherkan denkt so wie du und ich, und Zuträger gibt es immer. Sobald der Gouver
4
Harvey Patton
neur von solchen Reden erfährt, setzt es har te Strafen, das weißt du doch. Wir können nur froh sein, daß es hier keine Leute vom Geheimdienst gibt. Anderenfalls wäre unser Gefängnis bestimmt schon überfüllt.« Er tastete ein anderes Gerät ein und stellte eine Verbindung zum Verwaltungsgebäude her. Mit knappen Worten unterrichtete er die dortige Nachrichtenzentrale und schaltete wieder ab. »So, Junge, jetzt gibt es Arbeit für uns«, meinte er. »Wir müssen einen Peilstrahl für die TERKRAN abstrahlen, der sie zu uns herleitet. Unser Siedlungsgebiet ist klein und nicht leicht zu finden, der sogenannte Hafen ein besseres Rübenfeld. In ein paar Stunden werden wir mehr wissen.«
* Auch Gouverneur Geraban wußte mit der Nachricht von der Ankunft des kleinen Schiffes nicht viel anzufangen. Wie die meisten Arkoniden war er groß und schlank, mit silberblondem Haar und rötlichen Augen. Er war ein Mann in den be sten Jahren, sein schmales Gesicht zeugte von Energie und Tatkraft. Der Administrator einer jungen Kolonialwelt mußte intelligent und entschlußfreudig sein, denn es gab im mer neue Probleme zu meistern. Er hatte auch sein Bestes für Cherkaton getan, als es die Folgen der langen geistigen Versklavung zu überwinden galt. Das hatten auch jene anerkannt, die dem derzeitigen Imperator nicht wohl gesinnt waren. Die Kolonie war wenige Jahre nach dem Tode Gonozals VII. gegründet worden. Damals hatten sich viele seiner Anhänger zur Auswanderung gemeldet, um dem stren gen Arm des neuen Regimes zu entkommen. Geraban war zwar ein loyaler Anhänger Or banaschols, aber unter ihm ließ es sich le ben. Nun rätselte er eine Weile herum, kam da mit aber auch nicht weiter. Schließlich hob er die Schultern, verständigte den Fahrzeug park und ließ einen Gleiter bereitstellen. Er
unterrichtete seinen Stellvertreter, verließ dann das trichterförmige Zentralgebäude und flog zum Raumhafen. Ein Offizier der Polizei von Cherkan begleitete ihn. Auch er wunderte sich, konnte aber natür lich keine befriedigende Antwort erhalten. »Ich bin nicht klüger als Sie, Korschizyn«, erwiderte der Gouverneur. »Ein Sonderkom mando von Sarkomier – das kann alles und nichts bedeuten. Wir müssen wohl oder übel abwarten, bis man uns eine Aufklärung gibt.« Diese erhielt er jedoch vorerst selbst noch nicht. Das Schiff landete, schleuste zehn Män ner und einen großen bewaffneten Gleiter aus und startete dann sofort wieder. Die Uni formierten bestiegen das Fahrzeug und steu erten das Kontrollgebäude des Hafens an, vor dem Geraban wartete. Dann stieg ein Offizier aus und verneigte sich knapp vor dem Gouverneur. »Orbtan Larschinok, persönlicher Beauf tragter des Kommandanten von Sarkomier«, stellte er sich vor. Er war offenbar ein Mischling, denn Haut und Haar waren er heblich dunkler als die eines reinrassigen Arkoniden. »Würden Sie uns bitte voraus fliegen und zu Ihrem Sitz leiten? Dort kön nen wir dann mit unseren Gesprächen begin nen.« Er zeigte eine Legitimation vor, war je doch sonst zu keinerlei Auskünften bereit. Geraban ärgerte sich über seine kaum ver hüllte Arroganz, ließ sich aber nichts davon anmerken. Der Planet war arm und durch das verhängnisvolle Wirken des Propheten der Unwissenheit noch sehr in seiner Ent wicklung zurückgeworfen worden. Sein Gouverneur konnte es sich einfach nicht lei sten, jene Leute zu verärgern, von denen vielleicht die Zukunft aller Kolonisten ab hing. Er behandelte sie sehr zuvorkommend und veranlaßte ihre Unterbringung in den komfortabelsten Räumen, die der Zentralbau aufzuweisen hatte. Als sie ihre Sachen un tergebracht und sich erfrischt hatten, ließ er
Brennpunkt Cherkaton sie zum Mittagessen bitten. Er aß mit ihnen, aber das Tischgespräch ging über neben sächliche Dinge nicht hinaus. Larschinok hatte seine Männer angewiesen, kein Wort zuviel zu sagen, das wurde Geraban bald klar. Er selbst verstand es, aalglatt alle Fragen des Gouverneurs zu umgehen oder sie zu ignorieren. Erst nach dem Mahl zeigte er sich bereit, ihn über die Mission zu unter richten, die das »Sonderkommando« nach Cherkaton geführt hatte. Das Gespräch fand in Gerabans Amtsräumen statt. Auf Larschi noks Wunsch hin wurde auch Korschizyn dazu hinzugezogen. Er selbst brachte einen seiner Männer mit, einen großen massigen Mann mit einem eckigen Gesicht und kalten Augen. Der Gouverneur fühlte sich nach wie vor unbehaglich, eine ungute Vorahnung erfüllte ihn. Trotzdem bemühte er sich um möglichst große Zuvorkommenheit. Er eröffnete die Unterhaltung mit einer Schilderung der Schwierigkeiten, vor die der lange Winter die Kolonisten gestellt hatte. Mangel und Hunger hatten geherrscht, etwa zweihundert meist ältere Leute waren ihnen erlegen. Doch nun war die kalte Jahreszeit vorüber, es ging auf Cherkaton wieder aufwärts, wie Geraban mit berechtigtem Stolz betonte. Larschinok hatte ihm geduldig zugehört, ein neutrales Lächeln umspielte seine Lip pen. Bisher hatte er kaum etwas gesagt, doch nun beugte er sich vor, und seine blaß violetten Augen hielten den Blick des Gou verneurs gefangen. »Wie schön für Sie, daß alles wieder in Ordnung ist«, meinte er mit einem seltsam lauernden Unterton. »Arkons Hilfe hat ja auch einen Teil dazu beigetragen, nicht wahr? Es ist dann also wohl auch nicht zu viel verlangt, wenn das Imperium nun eine kleine Gegenleistung von Ihnen erwartet. Stimmen Sie mir zu?« Geraban nickte, wenn auch widerstre bend. Er brachte es einfach nicht fertig, auf das viel zu geringe Ausmaß der Hilfe hinzu weisen. Nun ließ der »Beauftragte« die Kat
5 ze aus dem Sack. »Gut, dann will ich Ihnen jetzt sagen, weshalb wir auf Ihre Welt gekommen sind. Die Verluste der Imperiumsflotte durch die ständigen Angriffe der Maahks erfordern einen gewissen Nachschub an geeigneten Kräften. Wir brauchen vor allem junge Män ner mit guter technischer Ausbildung, mög lichst bereits mit Kenntnissen der Raum fahrt. Wieviel solche Rekruten kann Cherka ton uns stellen?« Der Gouverneur fuhr zusammen, seine Haltung versteifte sich. »Ist das Ihr Ernst?« forschte er ungläubig. »Welten mit derart geringer Bevölkerungszahl sind doch von je her von jeder Art von Rekrutierung ausge nommen worden! Gerade die von Ihnen er wähnten jungen Leute werden dringend für die Durchführung neuer Kolonisationspro jekte gebraucht. Wir müssen expandieren, jeder Stillstand kommt immer einem Rück schritt gleich.« Larschinok lächelte nun nicht mehr. »Das gilt aber nicht nur für Cherkaton, Gouver neur. Auch unsere Flotte unterliegt dem gleichen Gesetz, und die Reserven an geeig netem Personal sind auf den größeren Wel ten bereits weitgehend erschöpft. Deshalb hat Seine Erhabenheit Orbanaschol III. vor kurzem verfügt, daß nun auch die bisher ge schonten Planten ein angemessenes Kontin gent stellen müssen. Der Krieg gegen die Methans ist eine ernste Sache, vergessen Sie das nicht. Wie würde es Ihnen gefallen, wenn Ihr Planet von ihnen überfallen würde, weil die Flotte des Großen Imperiums infol ge Personalmangels nicht mehr imstande wäre, ihn zu schützen?« Das war eine Suggestivfrage, vor der es kein Ausweichen gab. Geraban resignierte innerlich bereits, nahm aber trotzdem noch einen zweiten Anlauf. »Hier leben nur zwanzigtausend Leute, Orbtan, mehr als neunzig Prozent davon sind Farmer und Jä ger. Der von Ihnen angesprochene Personen kreis umfaßt nicht mehr als einige hundert von ihnen. Was kann eine solche Handvoll Männer der Flotte schon nützen?«
6 Larschinoks Stimme klang seidenweich. »Sehr viel, Gouverneur. Diese jungen Män ner genügen bereits, um einen großen Kreu zer zu bemannen. Und gerade dieses Schiff könnte es sein, das im Ernstfall Ihre Welt verteidigt! Ist das nichts?« Geraban warf dem Polizeioffizier einen hilfesuchenden Blick zu, doch Korschizyn wich ihm aus. Dafür ergriff nun der bisher schweigsam gebliebene Begleiter Larschi noks das Wort. »Lassen Sie die Wortfechterei, Orbtan«, sagte er so grob, wie er aussah. »Wir sind schließlich gekommen, um den Befehl des Imperators durchzuführen und nicht, um dem Gouverneur eines unbedeutenden Pla neten um den Bart zu gehen. Passen Sie auf, Geraban: Mein Name ist Moringol, ich ge höre nicht der Flotte an, sondern bin ein Be amter der Politischen Geheimpolizei des Im perators! Als solcher rate ich Ihnen, keine weiteren Ausflüchte mehr zu suchen, die Zweifel an Ihrer Loyalität wecken könnten. Wir sind schon mit ganz anderen Leuten fertig gewor den, und ich habe alle Vollmachten in der Tasche. Darunter auch die, Sie kurzerhand abzusetzen und als Verräter zu erschießen, um dann Ihre Stelle einzunehmen … Was ziehen Sie vor?« Das war mehr als massiv, und Geraban kapitulierte endgültig. Er beeilte sich, seine Zustimmung zu Dingen zu geben, auf die er ohnehin keinen Einfluß mehr besaß. Schon zwei Stunden später hielt er eine Ansprache über den Videofunk und sagte darin genau das, was Moringol und Larschinok von ihm erwarteten. Kein Bewohner von Cherkaton merkte ihm an, daß in ihm inzwischen der Glaube und das Vertrauen in die Person des Imperators zerbrochen war. Die Männer des »Sonderkommandos« übernahmen die wirkliche Herrschaft über seine Welt. Larschinoks Spezialisten such ten den Zentralcomputer auf und riefen aus ihm alle Daten ab, die sie benötigten. So be saßen sie bereits alle Informationen über den in Frage kommenden Personenkreis, ehe
Harvey Patton noch das Rekrutierungsbüro eröffnet wurde. Am nächsten Morgen nahm es seine Ar beit auf, und jeder wußte, daß es kein Sträu ben gab.
2. Ein Gleiter landete vor dem Gebäude 17 der Stadt Gonozal-Mitte auf Kraumon, dem Geheimstützpunkt Atlans. Ihm entstieg ein schlanker, hochgewach sener Arkonide von etwa vierzig Jahren. Er bewegte sich geschmeidig, die etwas schräg stehenden Augen in dem breiten Gesicht zeugten von überdurchschnittlicher Intelli genz. Er trug eine einfache Kombination, die keine Rückschlüsse auf seine Herkunft oder Stellung ermöglichte. Mekron Dermitron befand sich erst seit wenigen Wochen auf Kraumon. Früher war er Kommandant des ImperiumsSchlachtschiffs HADESCHA gewesen und hatte es bis zum Rang eines Mondträgers ge bracht. Sein Schiff war von den Maahks zu sammengeschossen worden und bei einer Notlandung restlos zu Bruch gegangen. Nur er und weitere fünf Männer der Besatzung hatten diese Katastrophe überlebt. Sie waren auf dem Planeten Olkeep ge sundgepflegt worden, sollten aber bald schon wieder zu einem Flottenstützpunkt ge bracht werden, um in neue Einsätze zu ge hen. Dem hatten sie sich bei einer günstigen Gelegenheit durch die Flucht in einem Bei boot entzogen. Sie hatten erkannt, daß der Krieg gegen die Methanatmer unter dem in triganten und unfähigen Orbanaschol nicht zu gewinnen war. Ein Zufall hatte ihnen geholfen, zum Ge folge des Kristallprinzen zu stoßen. Nun hat te Mekron vom Kommandanten Morvoner Sprangk den Befehl über den 200-Meter-Raumer MEDON erhalten und bereitete sich auf seinen ersten Einsatz für Atlan vor. Bragos Neschbar erwartete ihn bereits. Er war früher Beschaffungsmeister der Arkon flotte gewesen und nahm nun auf Kraumon
Brennpunkt Cherkaton die gleiche Stellung ein. Hier waren die Schwierigkeiten für ihn jedoch erheblich größer. Der größtenteils wüstenartige Planet kreiste um eine alte rote Sonne, weitab des Imperiums. Alles, was die zwölftausend Be wohner des Stützpunkts brauchten, mußte von weither herangeschafft werden. Nicht auf legalen Wegen, sondern heimlich. Ein besonderes Handikap für Atlans Män ner war, daß sich eine gewaltsame Beschaf fung der lebensnotwendigen Güter von selbst verbot. Mit voller Absicht war der Kristallprinz durch Orbanaschol in den Ruf eines Renegaten und Piraten gebracht wor den. Nun mußten seine Gefolgsleute alles vermeiden, das eine Unterstützung dieser Verleumdung bedeutete. Neschbar hatte das sehr genau bedacht, als er seine Planungen traf. Er begrüßte den Mondträger herzlich. Die beiden Männer hatten sich schon früher auf einem Flottenstützpunkt kennengelernt, sich dann aber wieder aus den Augen verloren. Nun verfolgten sie beide das gleiche Ziel: Den Sturz Orbanaschols III. und die Über nahme der Macht im Großen Imperium durch Atlan, den rechtmäßigen Thronfolger. »Passen Sie auf, Mekron«, sagte der Be schaffungsmeister. »Sie haben ja inzwischen auch erfahren, welche fast unglaublichen Abenteuer Atlan im Laufe der Zeit bestan den hat. Nach dem Überfall der Maahks auf Trantagossa gelangte er – nach einem klei nen Umweg über den Mikrokosmos – auf den Planeten Cherkaton. Dorthin war der Befehlshaber Armakavor Heng mit seinem Sonderschiff SKORGON geflohen, und das vermutlich aus gutem Grund. Ein Mann wie er hätte nie eine so abgelegene und unbedeu tende Welt aufgesucht, ohne damit bestimm te Zwecke zu verfolgen. Verstehen Sie, was ich meine?« Dermitron nickte ohne Zögern. »Natürlich, Bragos. Heng wird sich dort bei zeiten ein geheimes Quartier für schlechte Tage geschaffen haben. Gut versteckt natür lich und aus zweckentfremdeten Vorräten der Raumflotte reich ausgestattet, daran gibt
7 es wohl keinen Zweifel. Das sollen wir nun also suchen und ausräumen?« »Vollkommen richtig, Mekron. Die Ver hältnisse dort ähneln denen auf dem Planten Olkeep, den Sie ja kennengelernt haben. Auch auf Cherkaton gibt es nur ein kleines Siedlungsgebiet auf einem einzigen Konti nent. Das erleichtert Ihre Aufgabe; sie wer den kaum mit Schwierigkeiten bei der Suche zu rechnen haben.« »Das bezieht sich aber wohl nur auf die Kolonisten«, korrigierte der Mondträger. »In anderer Hinsicht bin ich ausgesprochen skeptisch, Bragos. Hengs Absonderlichkeit und krankhaftes Mißtrauen waren in weiten Kreisen der Flotte bekannt. Es liegt also die logische Schlußfolgerung nahe, daß er bei seinen Planungen auf Cherkaton extrem vor sichtig gewesen ist. Mit anderen Worten: Dieser Geheimstützpunkt dürfte es in sich haben! Er wird nicht nur gut versteckt, son dern auch erstklassig abgesichert und mit ei ner Menge von Fallen gegen unerwünschte Eindringliche versehen sein. Doch das soll mich nicht abschrecken, ich nehme diese Herausforderung an. Wir werden die Nuß schon irgendwie knacken.« Neschbar wiegte den Kopf. »Allerdings nur ohne zu großes Risiko für Schiff und Besatzung«, warnte er. »Sie wissen ja, wie klein unsere Flotte noch ist. Wir können es uns einfach nicht leisten, die MEDON und zwanzig gute Leute zu verlieren, Mekron! Wenn Atlan einmal zur Endabrechnung ge gen Orbanaschol antritt, brauchen wir jedes Schiff und jeden Mann.« Dermitron lachte leise auf. »Wir sollen al so nach der Devise handeln: Wasch mich, aber mach mich nicht naß …«, bemerkte er leicht ironisch. »Gut, Bragos, ich werde das nach Möglichkeit beherzigen. Gibt es An haltspunkte dafür, in welcher Gegend des Planeten der Stützpunkt liegt?« »Leider nicht«, meinte der Beschaffungs meister bedauernd. »Die SKORGON wurde damals von dem Varganen Magantilliken geflogen, nachdem Heng und Atlan durch eine Versuchswaffe der Maahks in den Mi
8 krokosmos versetzt worden waren. Er steu erte sie nach Daten, die er in den Speichern des Bordcomputers fand. Daß der damalige Landeort in der Nähe von Hengs Station lag, ist aber stark zu bezweifeln. Dafür befand er sich zu dicht bei der Stadt Cherkan.« Mekron nickte. »Das klingt logisch, Bra gos. Die krankhafte Mentalität des Befehls habers muß bei der Wahl des Standortes ei ne bestimmende Rolle gespielt haben. Sein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis läßt eher darauf schließen, daß er eine entlegene Ge gend auf einem anderen Kontinent gewählt hat. Nun, irgendwie werden wir den Stütz punkt wohl trotzdem finden. Die MEDON ist auch für solche Aufgaben gut ausgerü stet.« Der Beschaffungsmeister reichte ihm einen Speicherkristall. »Darauf finden Sie die Koordinaten und auch sonst alles, was uns über Cherkaton be kannt ist. Atlan hat die Daten persönlich er gänzt, also kann es kaum Lücken geben. Seit der Erweckung seines Extrahirns auf Larga menia besitzt er ja ein fotografisches Ge dächtnis, wie alle Absolventen der ARK SUMMIA. Ich beneide ihn öfters darum, wenn ich vor Arbeit nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht.« Dermitron legte seine Stirn in Falten. »Eine solche Gabe muß nicht unbedingt ein Vorzug sein«, bemerkte er nachdenklich. »Sie ist gewiß in vieler Hinsicht nützlich, aber längst nicht in jeder. Die Natur hat es wohl nicht umsonst so eingerichtet, daß man das Schlechte relativ leicht vergißt, während das Schöne viel länger im Geist haften bleibt. Die psychische Belastung wäre sonst für die Menschen einfach zu groß. Ich bin jedenfalls froh, daß ich vergessen kann, ich habe während dieses grausamen Krieges schon zuviel unschöne Dinge erlebt.« Er nickte Neschbar zu, verließ dann das Gebäude und flog zu seinem Haus am Stadt rand von Gonozal-Mitte zurück. Dort wohn te er mit seinen Männern von der HADE SCHA zusammen, die gleich ihm darauf brannten, ihre Bewährungsprobe für Atlan
Harvey Patton zu bestehen.
* Am nächsten Morgen war die MEDON startbereit. Morvoner Sprangk und Corpkor waren auf dem Hafen erschienen, um die Bedeu tung von Dermitrons Aufgabe zu unterstrei chen. Sonst kümmerte sich aber kaum je mand darum. Die Männer und Frauen auf Kraumon befanden sich auf ihren Ar beitsplätzen. Nur wenige Neugierige standen am Rand des Landefelds und verfolgten das kurze und formlose Zeremoniell. Die Stimmung auf Kraumon war zwie spältig. Noch vor kurzem war sie ausgesprochen euphorisch gewesen. Damals war die ISCH TAR nach langer Abwesenheit zurückge kehrt. Zwar ohne Atlan und schwer beschä digt, aber mit Gonozal VII. an Bord. Doch schon kurz nach der Landung hatte sich ge zeigt, daß der frühere Imperator kaum noch ein Schatten seiner ehemals beeindrucken den Persönlichkeit war. Er war zwar wieder erweckt worden, aber nur noch eine leere Hülle ohne Seele und Geist, praktisch ein le bender Toter. Dann hatte die Nachricht von dem sensa tionellen Ereignis bei den »Wahlen« im Im perium neuen Gesprächsstoff geliefert. Erst mals hatte das neue Robotgehirn auf Arkon III die Auswertungen vorgenommen, und dabei war etwas wirklich Unglaubliches pas siert. Der Rechner hatte zum Schluß Orba naschol III. als Brudermörder bezeichnet und angegeben, daß das diesmal besonders hohe »Vertrauensvotum« für ihn nur durch eine illegale Manipulation zustande gekom men sei! Und das vor aller Öffentlichkeit, denn die Videosendung war im ganzen Im perium gesehen worden … Zuerst hatte man angenommen, daß das einer direkten Aktion des Kristallprinzen zu zuschreiben sei. Der Kommandant der ISCHTAR, Helos Trubato, hatte jedoch da gegen gesprochen. Er wußte, daß Atlan gar
Brennpunkt Cherkaton nicht die Möglichkeit gehabt hatte, etwas in dieser Art zu tun. Als er der Besatzung des Schiffes den Befehl gegeben hatte, sich nach Kraumon durchzuschlagen, war er machtund willenlos. Er stand mit einer Gruppe sei ner Leute unter dem geistigen Einfluß des jungen Suggestors Akon-Akon. Mit ihm zu sammen waren sie durch einen Transmitter gegangen und mit unbekanntem Ziel ver schwunden. Diese neue schlechte Nachricht hatte rasch die Runde gemacht. Nun war von Eu phorie nirgends mehr etwas zu merken. Die Leute sorgten sich erneut um Atlan, dagegen trat alles andere in den Hintergrund. Selbst die größten Optimisten waren unsicher ge worden. Auf den Gesichtern von Sprangk und Cor pkor war nichts von solchen Gefühlen zu le sen. Natürlich sorgten sich beide Männer um den Prinzen, aber sie waren gewohnt, sich zu beherrschen. Wer sollte Atlans Gefolge auf Kraumon ein Beispiel geben, wenn nicht sie? Die Blicke des alten Haudegens musterten die zwanzig Männer, die sich vor dem Schiff aufgebaut hatten. Die MEDON war umge baut worden und sollte nun vor allem dazu dienen, Bedarfsgüter für die zwölftausend Bewohner des Stützpunkts heranzuschaffen Mit voller Absicht hatte man ihre Besatzung auf das Mindestmaß reduziert. Beim Zusam mentreffen mit anderen Arkoniden sollte je des Aufsehen vermieden werden. Die Männer trugen neutrale Kombinatio nen ohne alle Abzeichen. Vierzehn von ih nen waren schon früher mit dem Schiff ge flogen, akzeptierten aber Dermitron und sei ne Gefährten voll. Ein Probeflug hatte be reits ein Beispiel reibungsloser Zusammen arbeit gegeben. Sprangk nickte ihnen zu. »Machen wir es kurz«, sagte er nüchtern, wie es seine Art war. »Sie wissen um Ihre Aufgabe und ihre Bedeutung für uns alle. Tun Sie Ihr Bestes und kommen Sie heil wieder zurück.« Mekron Dermitron salutierte kurz. »Wir
9 werden es versuchen, Kommandant«, erwi derte er mit leichtem Lächeln. »Für Atlan und Arkon – auf Leben und Tod!« »Legen Sie die Betonung nach Möglich keit auf ›Leben‹!« ergänzte Corpkor trocken. Sein Körper zeigte nur noch schwache Spu ren der Eisnarben aus dem Mikrokosmos, er war wieder vollkommen gesund. »Kein Hel dentum um jeden Preis, Mekron – ein lebender Feigling ist uns weit lieber als ein toter Held.« Die Männer begannen zu grinsen, selbst Morvoner Sprangk verzog amüsiert das Ge sicht. Auf Kraumon gab es den innerhalb der Flotte üblichen steifen Umgangston nicht. Niemand wurde wegen Stand oder Herkunft bevorzugt, nur die Leistung galt. Das war es, was Dermitron als besonders wohltuend empfand. Was nützte das Katzbuckeln vor den »Erhabenen«, wenn sich dahinter nur Widerwillen und Verachtung verbargen? Ein letzter Gruß, dann begaben sich die Männer an Bord. Alle Vorbereitungen waren getroffen, der Kurs programmiert. Zehn Mi nuten später hob die MEDON mit summen den Antigravprojektoren vom Hafen ab und stieg in den rötlichen Himmel des kleinen Planeten empor. Sprangk und Corpkor sahen dem Schiff nach, bis es nur noch als matter Reflex zu erkennen war. »Hoffentlich geht es gut«, sagte der Kommandant, als sie ihren Gleiter bestiegen. »Wenn ja, wird Dermitron dann regelmäßig zu ähnlichen Unternehmen star ten. Ich möchte, daß Atlan hier optimale Be dingungen vorfindet, wenn er zurückkehrt. Die Blamage, die Orbanaschol anläßlich sei ner 'Wahl' erlitten hat, muß seine Autorität beträchtlich untergraben haben. Der geeig nete Zeitpunkt, seinen endgültigen Sturz zu betreiben, dürfte bald gekommen sein!«
* Der Bordcomputer gab das Zeichen, die letzte Transition stand dicht bevor. Die MEDON hatte bereits vier Sprünge durchgeführt. Nun war sie nur noch zehn
10 Lichtjahre vom Cherkaton-System entfernt. Auf dem Panoramaschirm gleißte die Ster nenfülle des Arkonhaufens, in dessen Rand bezirke das Schiff eingedrungen war. Alle Stationen waren besetzt, die Impulsgeschüt ze und die Abschußanlagen für Kampfrake ten feuerbereit. Erst vor kurzer Zeit mußte in dieser Gegend ein größeres Gefecht zwi schen Einheiten der Imperiumsflotte und Maahkschiffen stattgefunden haben. Nach der dritten Transition hatte die Funkstation der MEDON Signale aufgefangen, die den erfahrenen Männern Hinweise darauf gege ben hatten. Es hieß also, vorsichtig zu sein. »Alles in Ordnung, Waynjoon?« fragte Dermitron, der gerade die Zentrale betrat und seinen Platz einnahm. Der Pilot, ein Mann der früheren Besatzung, sah kurz auf und nickte ihm zu. »Jawohl, Mekron. Die Transition ist so berechnet, daß wir etwa zwei Lichtstunden außerhalb des Systems herauskommen werden. Über diese Distanz hinweg kann man den Eintauchschock vom Planeten aus nicht mehr anmessen.« Der Mondträger dankte und mußte un willkürlich lächeln. Das Gesicht Waynjoons forderte diese Reaktion geradezu heraus. Es war rundlich und rosig mit Grübchen in den Wangen, die ihm einen Ausdruck ständiger Fröhlichkeit verliehen. Es blieb auch in Mi nuten starker nervlicher Beanspruchung be stehen und trug dann zur Auflockerung der Atmosphäre bei. Trotzdem war es keine blo ße Maske, denn Waynjoon war ein Mann, der stets zu einem Scherz aufgelegt war. Er war 32 Jahre alt und stammte von Narjoc, nur wenige Lichtjahre von Arkon entfernt. Dermitrons Blick glitt weiter. Auf dem Kopilotensitz befand sich der kleine und schmächtige Dermato, einst Pilot der HA DESCHA, der sich mit Waynjoon in der Führung des Schiffes abwechselte. Vor den Ortungsgeräten saß der massige, wortkarge Ventron, als Navigator fungierte der »schöne Mann« der Besatzung Hong Olvan. Sie und der Erste Offizier Salmoon gehörten zu Mekrons alten Gefährten, ebenso wie der Mischling Berkosch, der die Position des
Harvey Patton Feuerleitoffiziers einnahm. »Noch zwanzig Sekunden bis zum Sprung«, sagte Natsyboa vom Computer her. Er war ein unauffälliger älterer Mann mit einem schmalen Gesicht und vorzeitig ergrautem Haar und der zweite Mann des alten MEDON-Teams in der Zentrale. Er re dete kaum mehr als Ventron, war aber als Computerspezialist kaum zu übertreffen. Seine Berechnungen stimmten stets bis zur letzten Dezimalstelle im untersten Bereich. Träge vergingen die Sekunden. Dann lief das Sprungtriebwerk an, die MEDON wurde durch den Hyperraum gerissen und materia lisierte übergangslos wieder vor dem Zielsy stem. Der schwache Transitionsschock klang ab, die sekundenlang grau geworde nen Bildschirme erhellten sich wieder. Doch schon im nächsten Moment fuhren die Män ner zusammen, denn die Alarmpfeifen gell ten auf. »Ortung, Mekron!« rief Ventron aus. »Ein großer länglicher Körper, etwa hunderttau send Kilometer entfernt. Energieortung posi tiv.« »Verdammt!« sagte der Mondträger hei ser. »Ein Maahkschiff, darauf könnte ich wetten … Auswertung, schnell!« Die Männer handelten bereits mit der aus jahrelanger Übung geborenen Präzision. Al le durch die Ortungen ermittelten Daten wurden über eine Verbundschaltung direkt in den Computer geleitet. Natsyboas Finger hasteten über die Bedienungselemente, er schien förmlich mit dem Rechner zu ver wachsen. Dermitron hatte inzwischen den Alarm abgestellt und den Befehl gegeben, den Schutzschirm einzuschalten. Es hatte keinen Sinn, sich energetisch totzustellen, der Gegner mußte die MEDON schon beim Austritt aus dem Hyperraum angemessen haben. Dermato hatte einen der Sektorenschirme einreguliert, auf dem nun das fremde Schiff deutlich zu sehen war. Eine Walze mit stumpfem Bug und bündelförmig im Heck angeordneten Triebwerken – ein Raumer des verhaßten Feindes!
Brennpunkt Cherkaton »Ihre Befehle, Mekron?« fragte Wayn joon knapp. Sein Gesicht war jetzt ebenso starr wie die Züge der anderen, seine Hand schwebte über der Taste, durch die eine Nottransition ausgelöst werden konnte. Der mitron überlegte hastig, während die durch den Computer errechneten Daten auf einem Monitor vor seinem Sitz erschienen. Das Maahkschiff war fünfhundert Meter lang, gehörte also zur Klasse der Schweren Kreu zer. Hatte es einen Sinn, sich mit diesem überlegenen Gegner anzulegen? Er hatte die MEDON längst geortet, das bewiesen die Signale der eigenen Geräte. »Feindeinheit fährt Konverter hoch!« gab Ventron lakonisch bekannt. Ein grünliches Flimmern legte sich um den Walzenkörper und verriet, daß auch die Maahks ihren Schutzschirm aktiviert hatten. Auf normalem Wege konnte die MEDON dem Gegner nicht mehr entkommen. Er trieb mit annähernd gleicher Geschwindigkeit und fast auf derselben Höhe dahin. Was mochte das Schiff in diese Gegend geführt haben? Hatte es vielleicht den Auftrag, Cherkaton zu überfallen und die dortige Kolonie zu vernichten? Weit und breit befand sich kein anderes Ziel. Dieser Gedanke gab den Ausschlag. Der Haß auf den Feind stieg in Mekron Dermitron auf. Im Geist befand er sich plötzlich wieder in der HADESCHA! Er sah die beiden Leichten Kreuzer explodieren, in denen mit einem Schlag vierzig seiner Män ner gestorben waren. Er glaubte die schwe ren Schläge der auftreffenden Raumminen wieder zu spüren, die aus seinem stolzen Schiff ein hilfloses Wrack gemacht und den größten Teil der Besatzung getötet hatten. Alles in ihm schrie nach Rache. »Angriff!« befahl er. »Tod den Maahks!« antworteten seine Männer im Chor. Waynjoon handelte von nun an vollkom men selbständig. Die Normaltriebwerke sprangen an, die MEDON beschleunigte und zog nach oben hin weg. Gerade noch recht zeitig, denn schon rasten die ersten Kampf
11 torpedos der Maahks heran und verfehlten sie nur ganz knapp. Berkosch reagierte sofort. Die unteren Strahlgeschütze feuerten und brachten die Torpedos zur Explosion, ehe ihre Suchköpfe sie auf neuen Kurs bringen konnten. Dafür schickte der Feuerleitoffizier eine Salve ei gener Raketen auf den Weg, denen es aber auch nicht besser ging. Nur eine fand das Ziel, explodierte jedoch bereits am Schutz schirm, ohne Schaden anzurichten. Auch der Walzenraumer beschleunigte nun. Seine Triebwerke wurden einseitig hochgefahren, so daß er sich nach oben hin drehte, um dem zu erwartenden Angriff bes ser begegnen zu können. Doch seine Manö ver wirkten schwerfällig, und bald hatte Me kron auch den Grund dafür erkannt. »Das Schiff ist bereits beschädigt!« rief er triumphierend aus. »Es muß bei dem letzten Gefecht etwas abbekommen haben, das gibt uns eine gute Chance. Berkosch – Punktfeu er aus allen Geschützen, sobald die Schußdi stanz erreicht ist. Gleichzeitig Torpedos ab feuern, auf denselben Punkt. Wir schaffen es!« Es wurde ein hartes Gefecht. Obwohl der Gegner bereits angeschlagen war, wehrte er sich verbissen. Die Maahks kannten keine Emotionen, also auch keine Todesfurcht. Er wäre ihnen nie in den Sinn gekommen, das Feuer einzustellen und sich zu ergeben. Sie kämpften bis zum letzten. Strahlbahnen und Kampfgeschosse wur den beiderseits abgefeuert und kreuzten sich. Der Schutzschirm der MEDON leuchtete grell auf, seine Belastung stieg schlagartig bis auf fast neunzig Prozent. Ein dumpfes Dröhnen durchlief das Schiff, gemischt aus den Einschlägen der feindlichen Waffen, dem Grollen der Konverter und Transformer und dem Salventakt der eigenen Kampfkup peln. Waynjoon hatte alle Hände voll zu tun, um durch rasche Ausweichmanöver das Schlimmste zu verhüten. Doch auch Berkosch verstand sein Hand werk. Dem schweigsamen Mann kam es zu gute, daß die MEDON während des Umbaus
12 weitgehend automatisiert worden war. Re chenelemente ersetzten die Funktionen der fehlenden Männer, und sie bewährten sich voll. Ein ununterbrochener Schauer von Strahlen und Geschossen traf den Walzen raumer stets an der gleichen Stelle, und bald zeigte sich die Wirkung. Der Schutzschirm begann zu flackern, erste Strukturrisse wur den sichtbar. Kampftorpedos durchstießen diese Lücken, und dann erschütterten Explo sionen das feindliche Schiff. Mekron Dermitron hörte seine Männer begeistert aufschreien und wußte nicht, daß er selbst mit ihnen schrie. Sie alle waren De serteure und Verfemte, aber sie waren Arko niden! Sie kämpften nicht für den Imperator, wohl aber für das Imperium. Der Pilot führte die MEDON noch näher an das Maahkschiff heran – und das wäre ih nen fast zum Verhängnis geworden. Noch immer feuerten die Methanatmer zurück, und auch sie schossen gut. Plötzlich durch fuhr das Schiff ein schwerer Schlag, die An tigravprojektoren heulten auf und setzten für einen Augenblick aus. Die Männer wurden tief in ihre Kontursitze gepreßt, der Schutz schirm begann bedenklich zu flackern. Die überlegene Bewaffnung des Walzenraumers machte sich nun drastisch bemerkbar. Der Mondträger sah erstaunt, daß Wayn joon trotzdem wieder zu lächeln begann. Gleich darauf erkannte er auch den Grund dafür: Weitere Atomgeschosse hatten den Weg durch den Schirm des Feindes gefun den. Ein halbes Dutzend von Feuerbällen glutete gleichzeitig auf, vereinigte sich zu einem einzigen – der Untergang des Maahkschiffs war besiegelt! Seine Hülle wurde mittschiffs aufgeris sen, und dann brach es wie in Zeitlupe aus einander. Konverter und Atomgeschosse wurden von den Kernreaktionen erfaßt und mit in den Sprengprozeß einbezogen. Der Walzenraumer verging in einer wahrhaft gi gantischen Explosion. Plötzlich wurde es fast still in der ME DON. Die Arbeitsgeräusche der Aggregate verstummten fast ganz, niemand schrie
Harvey Patton mehr. Schweigend starrten die Männer das Inferno auf den Bildschirmen an, während der Pilot sich beeilte, das Schiff aus seinem Bereich zu bringen. Schlagartig fiel die Spannung von Me kron Dermitron ab. Ja, wir haben gesiegt, dachte er müde. Wir haben einen weit überlegenen Gegner mit unserem kleinen Schiff zur Strecke ge bracht – aber warum das alles? Die Maahks können nur auf Riesenplaneten mit giftiger Atmosphäre leben, sie haben gar keinen Grund, die Arkoniden zu bekämpfen. Wo bleibt da ihre angeblich so perfekte Logik …? Die Antwort wußte niemand.
3. Zehn Stunden Pause. Das Schiff wurde durchgecheckt, die an einigen Instrumenten aufgetretenen Fehler beseitigt, die Abschußkammern der Kampf geschosse nachgefüllt. Es wurde gegessen und geschlafen, nur ein Mann hielt ständig in der Hauptzentrale Wache und beobachtete die Ortungen. Nichts geschah, in weitem Umkreis war alles ruhig. Dann nahm die MEDON wieder Fahrt auf und flog in das System ein. Dermato fun gierte als Pilot und steuerte das Schiff so, daß es sich Cherkaton aus Richtung der Son ne näherte. Alle Daten über den Planeten la gen vor. Es konnte also eingerichtet werden, daß sich der bewohnte Kontinent während des Anflugs auf der Gegenseite befand. Da durch wurde eine Ortung durch die Anlagen von Cherkan praktisch ausgeschlossen. »Früher oder später wird man uns aber doch entdecken, Mekron«, sagte Salmoon, als die MEDON in den Orbit einschwenkte. »Wir werden unsere Suche nach der Station aus größerer Höhe vornehmen müssen, sonst verlieren wir zuviel Zeit. Irgendwann wer den wir also zwangsläufig auch in den Or tungsbereich des Raumhafens kommen. Und was dann?« Dermitron zuckte mit den Schultern.
Brennpunkt Cherkaton »Halb so schlimm, Salmoon. Aus Atlans Angaben geht hervor, daß der Hafen nur sehr klein ist und über keine Abwehrforts verfügt. Man kann uns also höchstens anru fen, und dann geben wir uns einfach als Pro spektoren aus. Schließlich sind wir ja auch so etwas wie Schatzsucher, nicht wahr?« Cherkaton war eine Welt von mehr als zwanzigtausend Kilometer Durchmesser. Die Massendichte war jedoch relativ gering, so daß die Gravitation nur geringfügig über der Arkonnorm lag. Siebzig Prozent der Oberfläche waren von Ozeanen bedeckt, es gab drei große und zwei kleinere Kontinen te. Für einen Umlauf um die große weißgel be Sonne brauchte der Planet fast zwei Stan dardjahre. Auch die Tage waren entspre chend der langsamen Rotation sehr lang und dauerten mehr als achtundzwanzig Stunden. Die Arbeit begann. Die Männer setzten alle verfügbaren In strumente ein. Die Energiemeßgeräte liefen, ebenso die Metallorter und die Hohlraumde tektoren. Mit ihrer Hilfe mußte es möglich sein, Hengs Geheimstützpunkt zu entdecken, und wenn er noch so gut versteckt war. Die ersten zehn Stunden brachten jedoch kein Ergebnis. Ein großer und ein kleiner Kontinent auf der Südhalbkugel waren durchforscht worden. Einige Male hatten Metallorter und Hohlraumtaster angespro chen, aber es war immer blinder Alarm ge wesen. Die Datenanalysen durch den Com puter hatten erwiesen, daß es sich um natür liche Metallvorkommen oder Höhlungen handelte. »Wir machen jetzt Pause«, bestimmte Mekron schließlich. »Bringen Sie das Schiff auf Nordkurs und schalten Sie dann den Au topiloten ein, Dermato. In drei Stunden neh men wir uns den nächsten Kontinent vor.« Das Ergebnis war aber auch dort entmuti gend. Sie suchten noch den Inselkontinent ab, der dieser Landmasse vorgelagert war, und wieder ohne Erfolg. Schließlich kratzte sich Ventron gedankenvoll im Nacken. »Sieht schlecht aus, Mekron«, meinte er knapp wie immer. »Müssen also doch in der
13 Nähe von Cherkan suchen, wie?« Der Mondträger nickte. »Etwas anderes bleibt uns kaum übrig, selbst auf die Gefahr hin, daß man uns ortet. Vorerst reicht es aber. Steuern Sie das Schiff so ein, daß wir über dieser Gegend bleiben, Dermato. Wenn wir ausgeschlafen sind, suchen wir weiter.« Die willkürlich festgesetzte »Nacht« blieb ruhig. Dieser Planet war so abgelegen, daß nicht einmal das Videoprogramm von Arkon I zu empfangen war. Vermutlich war es we gen der zwanzigtausend Kolonisten nicht die Mühe wert, eigens einen Relaissatelliten in der Nähe zu stationieren. Trotzdem wachte stets einer der Männer in der Kommando zentrale. Der Zusammenstoß mit dem Maahkschiff war ihnen Warnung genug ge wesen. Dann übernahm Waynjoon die Führung des Schiffes. Die MEDON setzte sich wie der in Bewegung und steuerte in zwanzig Kilometer Höhe den Kontinent an, auf dem sich das Siedlungsgebiet befand. Das engte zwar den Suchradius der Instrumente be trächtlich ein, schob aber den Zeitpunkt der Entdeckung hinaus. Das alte Spiel begann. Die Energieortung schwieg nach wie vor, aber man stieß relativ oft auf subplanetare Hohlräume oder Metal lager. Nur von Amarkavor Hengs Geheim stützpunkt fand sich keine Spur. Dann kam das, was kommen mußte: Die Ruflampe des Normalfunkgeräts flackerte auf, Amplituden auf den Monitoren zeigten an, daß sich das Schiff im Taststrahl der Or tungsgeräte von Cherkan befand. Das Ver steckspiel war beendet. »Sollen wir uns einfach totstellen?« er kundigte sich der Pilot mit gewohnt fröhli cher Miene. Dermitron winkte ab. »Auf gar keinen Fall, Waynjoon. Man könnte sonst da unten auf den Gedanken kommen, uns als verdächtig einzustufen. Dann genügt ein kurzer Hyperspruch zur nächsten Flottenbasis, und in ein paar Stun den schickt man uns ein Jagdkommando auf den Hals! Das wäre so ziemlich das letzte, was wir brauchen können, also werden wir
14 uns schön folgsam melden. Nein, lassen Sie, das übernehme ich selbst.« Er griff hinter sich und stülpte sich eine abgegriffene Mütze über den Kopf, die vor sorglich bereitlag. Dann nahm er den Platz vor der Funkanlage ein und aktivierte das Gerät. Der Bildschirm flackerte auf, und auf ihm erschien das Gesicht eines älteren Arko niden. Die im Hintergrund sichtbaren Anla gen zeigten das Innere einer primitiv anmu tenden Ortungsstation. Mekron nickte ihm mit neutralem Lächeln zu. »Hier Raumhafen Cherkan«, sagte der Anrufer. »Darf ich Sie bitten, sich zu identi fizieren?« Der Mondträger nickte freundlich. »Selbstverständlich, Erhabener. Hier Pro spektorenschiff MEDON unter dem Kom mando von Derm Mekron, lizensierter Uran sucher. Ich wußte bisher nicht, daß es hier eine Kolonie und einen Raumhafen gibt. Ir gend jemand bei der Lizenzbehörde muß wohl geschlafen haben, wie üblich.« Über das Gesicht auf dem Schirm flog ein Lächeln. »Es passiert selten, daß sich einmal ein fremdes Schiff bis zu uns verirrt. Ich bin übrigens ebensowenig 'erhaben' wie Sie, mein Name ist schlicht und einfach Ascar mon. Kann ich etwas für Sie tun? Sie kön nen selbstverständlich hier bei uns landen, wenn Sie wollen, Mekron.« Dermitron winkte ab. »Vielleicht später, die Arbeit geht vor. Die Lizenz hat mich schließlich eine Menge Geld gekostet, das es wieder hereinzuholen gilt. Oder haben Sie einen Tip für mich, wo hier etwas zu finden ist? Ich wäre gern zu einer kleinen Gegenlei stung bereit.« Ascarmon hob die Schultern. »Tut mir leid, damit kann ich Ihnen nicht dienen. Wir sind einfache Kolonisten, uns gehen andere Dinge vor. Falls Sie Hilfe brauchen, können Sie sich aber an Letschyboa wenden, er wohnt hier in der Stadt. Keiner kennt diesen Kontinent besser als er.« Der Kommandant dankte und unterbrach die Verbindung. Dann schwang er mit sei nem Kontursitz herum und schob die ver-
Harvey Patton beulte Mütze ins Genick. »Letschyboa«, sagte er, »diesen Namen kenne ich doch! Und er kennt Atlan, wenn auch nicht als den Kristallprinzen von Ar kon. Diesen Namen müssen wir uns merken …«
* Im Hospital von Cherkan herrschte Hoch betrieb. Eine lange Schlange junger Männer war tete auf den Korridoren. Alle zehn Minuten wurden sechs von ihnen aufgerufen und ver schwanden dann in den Untersuchungs- und Diagnosezimmern. Die Musterung für die Flotte war in vollem Gange. Im Grunde war sie nur eine Farce. Lar schinok und Moringol hatten die feste Ab sicht, jeden Mann in ihre »Obhut« zu neh men, der die Voraussetzungen in technischer Hinsicht halbwegs erfüllte. Die untersuchen den Ärzte hatten Anweisung erhalten, über gesundheitliche Mängel bis zu einem gewis sen Maß hinwegzusehen. Ganz gesund waren ohnehin die wenig sten Bewohner der Stadt. Die lange Zeit der vollkommenen Unterdrückung durch den Propheten der Unwissenheit hatte bei allen ihre Spuren hinterlassen. Sie hatten schwer arbeiten und dabei hungern müssen, viele äl tere Leute waren damals gestorben. Die Fol gen der Unterernährung waren längst noch nicht voll überwunden. Doch das kümmerte Orbanaschols Män ner wenig. Sie waren fest gewillt, ihr Soll zu erfüllen, denn für jeden neuen Rekruten gab es eine Prämie. Sie selbst traten aber kaum in Erscheinung. Ihr Sprachrohr war der Gou verneur, in dessen Namen alle Anweisungen ergingen. Geraban gehorchte schweren Herzens, aber er hatte keine andere Wahl. Er wußte wohl, daß die Leute murrten, doch die An wesenheit eines POGIM-Mannes hatte sich schnell herumgesprochen. Niemand konnte es unter diesen Vorzeichen wagen, sich of fen gegen die Rekrutierung zu sträuben. Die
Brennpunkt Cherkaton Kolonisten waren nicht autark, sondern auf regelmäßigen Nachschub von Gütern ange wiesen, die man auf Cherkaton nicht erzeu gen konnte. Nur ein Wort Moringols an eine zuständi ge Stelle – und schon würden die Versor gungsschiffe ausbleiben! Die Folgen waren absehbar: Neuer Mangel und neue Entbeh rungen für die zwanzigtausend Bewohner, ein erneuter Rückschlag. Es war also besser, sich zu fügen. Eine Anzahl junger Männer hatte ins un wegsame Hinterland zu fliehen versucht, als der Aufruf zur Musterung ergangen war. Sie waren jedoch nicht weit gekommen. Auch die Polizei hatte ihre Instruktionen erhalten und sie mit Hilfe ihrer schnellen Gleiter wie der eingefangen. Man hatte sie zwar nicht bestraft, dafür aber als erste dem Rekrutie rungsbüro zugeführt, das in einem Unterge schoß des Zentralgebäudes eingerichtet wor den war. Daß sie mit Sicherheit bei der Flot te landen würden, war nicht zu bezweifeln. Der Gouverneur war restlos deprimiert. An jedem Morgen erschienen Larschinok und Moringol bei ihm und diktierten ihm sein Verhalten. Widerstand leisten zu wol len, war für ihn vollkommen aussichtslos. An diesem Morgen hatte er schweren Herzens den Befehl weitergeben müssen, am Rand des Raumhafens ein Zeltlager einzu richten. Dorthin wurden nun all jene Männer gebracht, die als geeignet befunden wurden. Inzwischen waren fünf Männer des »Sonderkommandos« daran gegangen, rings um dieses Areal Strahlprojektoren in Stel lung zu bringen. »Ausschließlich zur Sicherheit der Rekru ten«, hatten ihm Moringol süffisant erklärt. »Das Gelände ist etwas abgelegen, und auch auf Cherkaton gibt es wilde Tiere. Wir kön nen doch nicht riskieren, daß sie die zukünf tigen Streiter für das Imperium anfallen und fressen, nicht wahr?« Das war natürlich blanker Hohn gewesen. Die wenigen wirklich gefährlichen Tiere in der Umgebung von Cherkan hatten längst ihre Lektion bekommen. Seit Jahren wagten
15 sie sich nicht mehr in die Nähe der Stadt. Selbst in der chaotischen Zeit des Vorjahrs hatten sie das Siedlungsgebiet gemieden, ob wohl sie damals reiche Beute hätten machen können. Die Strahlensperren hatten also nur den einen Zweck, die widerwilligen Rekruten an einem Ausbruch zu hindern. Eine logische Maßnahme, denn die Handvoll Männer des Kommandos wären nie dazu imstande gewe sen. Larschinok und Moringol wußten das, sie hatten auf anderen Planeten bereits ent sprechende Erfahrungen gemacht. Für sie war dieses Vorgehen nur noch Routine, mehr nicht. Der Gouverneur saß an seinem Schreib tisch und starrte mutlos vor sich hin. Er fühl te sich alt und müde. Fünf Tage lang würde er diese fortgesetz ten Demütigungen noch ertragen müssen. Dann sollte ein Truppentransportschiff der Imperiumsflotte eintreffen, um die jungen Männer abzuholen. Es war schon jetzt so gut wie sicher, daß nur die wenigsten von ihnen wieder zurückkehren würden. Wen der uner sättliche Dämon »Krieg« einmal in den Klauen hatte, den gab er nur in den selten sten Fällen wieder her. Der Summer des Videogeräts vor ihm schlug an. Er tastete es ein, und auf der Bild fläche erschien das Gesicht Romanturs, der Chefarzt des Hospitals von Cherkan war. Er und Geraban kannten sich gut. Als es darum gegangen war, nach der Rückkehr der Geisteskräfte wieder Ordnung zu schaffen, hatten diese beiden Männer die Hauptarbeit leisten müssen. Romantur war nicht mehr jung und sonst durchweg ruhig und beson nen. Jetzt glühte sein Gesicht vor Erregung. »Bei allen Göttern: Was mutest du mir zu, Geraban?« begann er sofort. »Als verant wortungsvoller Arzt kann ich einfach nicht mehr weiter mitmachen! Gewiß, ich sehe ein, daß das Imperium Raumfahrer braucht. Du kannst doch aber nicht im Ernst von mir verlangen, daß ich nach den Richtlinien handle, die du ausgegeben hast. Mindestens ein Drittel der jungen Männer ist körperlich
16 längst noch nicht wieder auf der Höhe. Was soll die Flotte mit solchen Leuten anfangen? Ich weigere mich entschieden …« Er verstummte, denn nun war ihm aufge fallen, wie verfallen das Gesicht des Gou verneurs aussah. »Was ist mit dir?« fragte er besorgt. »Bist du krank, Geraban?« Der Administrator winkte müde ab. »Es ist nichts, was du kurieren könntest, Bauch aufschneider. Mich bedrückt dasselbe wie dich, das ist alles. Trotzdem muß ich dich bitten, dich an die Anweisungen zu halten. Es geht einfach nicht anders, verstehst du?« »Nein, das verstehe ich beim besten Wil len nicht«, knurrte der Arzt. »Diesem Lar schinok kann doch auch nichts daran liegen, Leute zu rekrutieren, die den Anforderungen einfach nicht gewachsen sind. Oder ist da et was anderes im Spiel? Hat man dich unter Druck gesetzt?« Geraban nickte langsam. Mit Romantur konnte er offen reden, das wußte er. »Genau das, Bauchaufschneider. Oder sollte dir als einzigem verborgen geblieben sein, daß sich ein Mann der Politischen Geheimpolizei bei dem Rekrutierungskommando befindet? Moringol steckt hinter allem, nach seiner Pfeife muß ich tanzen, so schwer es mir auch fällt.« Das Gesicht des Mediziners verzog sich abfällig. »Warum läßt du dir so etwas bie ten, Geraban? Diese zehn Figuren stellen doch kein großes Problem dar. Nur ein Be fehl von dir, dann sind sie verhaftet! Wenn dann der Transporter kommt …« Er unterbrach sich, denn der Gouverneur lachte bitter auf. »Glaubst du? Wir leben nicht mehr in der Zeit deines heimlich verehrten Imperators Gonozal, Romantur! Dieser Moringol hat al le Vollmachten in der Tasche – sogar die, mich hinrichten zu lassen, wenn ich nicht gehorche. Wenn ich nach deinem Rezept handeln wollte, wäre das Hochverrat. Ich mußte mich fügen, um Repressalien gegen Cherkaton zu verhindern. Daß wir auf Hilfe von Arkon angewiesen sind, weißt du doch.«
Harvey Patton Romanturs Züge versteinerten. »So ist das also!« sagte er langsam. »Verzeih, das konn te ich wirklich nicht ahnen. Wir müssen also ein Übel akzeptieren, so sehr uns das auch widerstrebt, um unserer Welt Schlimmeres zu ersparen. Gut, ich werde mich danach richten, so schwer es mir auch fällt. In was für einer Zeit leben wir nur, Geraban? Die ser verdammte Dickwanst …« Er unterbrach die Verbindung gerade noch rechtzeitig, ehe der Name Orbanaschol über seine Lippen kommen konnte. Trotz dem wußte der Gouverneur sehr genau, wen er gemeint hatte – und im stillen gab er ihm recht. Bisher war er ein loyaler Beamter des Imperators gewesen, aber das war nun vor bei. Die Rekrutierung ging weiter. Am Nach mittag hatte Moringol sein Ziel erreicht. Mehr als vierhundert junge Männer befan den sich im Zeltlager, die Strahlensperren waren eingeschaltet. Es gab nur einen Aus gang, und der wurde von den Männern der Flotte bewacht.
4. »Diesen Amarkavor Heng sollen die Göt ter noch nachträglich strafen«, sagte Sal moon entmutigt. »Was sollen wir jetzt noch tun, Mekron? Wir können doch nicht mit leeren Händen nach Kraumon zurückkehren, wo man so große Erwartungen in unser Un ternehmen setzt.« Nicht nur er war niedergeschlagen, son dern die ganze Besatzung der MEDON. Das Schiff hatte unermüdlich seine Kreise gezo gen und den gesamten Kontinent abgesucht. Das Ergebnis war gleich Null gewesen. Man hatte lediglich die Trümmer des Blorbonen schiffs entdeckt, mit dessen Absturz damals die Leidenszeit für Cherkaton begonnen hat te. Die SKORGON Hengs befand sich na türlich nicht mehr auf dem Planeten. Atlan hatte sie den Kolonisten überlassen, damit sie Hilfe von anderen Welten herbeiholen konnten. Die Blicke der Männer richteten sich fra
Brennpunkt Cherkaton gend auf Dermitron, als sie nun im Messe raum beim Essen zusammensaßen. Der Mondträger nahm einen Schluck Tee aus seinem Becher, seine Brauen waren überle gend zusammengekniffen. Er schwieg noch eine Weile, dann sah er auf. »Wir werden uns Rat und Hilfe in Cher kan holen müssen«, gab er zurück. »Ich neh me stark an, daß der Ausbau von Hengs Stützpunkt zwar streng geheim, aber doch nicht ganz unbemerkt vor sich gegangen ist. Zu diesem Zweck mußten Schiffe hier lan den, deren Anwesenheit der Ortungsstation kaum entgangen sein kann. Vermutlich ist das schon längere Zeit her, aber man wird es wohl noch nicht vergessen haben. Wenn wir es geschickt genug anstellen, wird niemand Verdacht schöpfen. Geld, in die richtigen Hände gedrückt, dürfte auch auf dieser Welt seinen Zweck als Gedächtnishilfe nicht ver fehlen.« Eine halbe Stunde später löste sich ein Beiboot von der MEDON, die in einem sta tionären Orbit über dem Nordteil des Konti nents blieb. Es war klein und sah mitgenom men aus, wie man es von dem Fahrzeug ei nes einfachen Prospektors erwarten mußte. Das war natürlich nur Tarnung, denn es be saß einen leistungsstarken Antrieb und meh rere versteckt eingebaute Waffen. Dermitron flog es selbst. In seiner Beglei tung befand sich Ventron, der mit seiner massigen Gestalt und dem derb anmutenden Gesicht das Idealbild eines folgsamen, nicht übermäßig klugen Gehilfen abgab. Daß er ein ausgezeichneter Spezialist mit guter All gemeinbildung war, sah man ihm nicht an. Beide Männer hatten entsprechende Klei dung angelegt. Schon während des Abstiegs nahm Me kron Funkverbindung mit dem Raumhafen auf. Das Gesicht des Leiters der Ortungssta tion erschien auf dem Bildschirm, und er nickte ihm freundlich zu. »Ich begrüße Sie, Ascarmon: Im Augen blick bin ich mit einem Boot nach Cherkan unterwegs, Sie werden uns bald in die Or tung bekommen. Leider gibt es Schwierig
17 keiten, wir kommen nicht so voran, wie wir das erhofft hatten. Vermutlich liegt es an den Instrumenten, unsere Ausrüstung ist nicht mehr ganz neu. Gibt es in der Stadt Leute, die sich früher schon als Prospekto ren betätigt haben? Ich würde sie natürlich angemessen entlohnen.« Ascarmon wiegte den Kopf. »Es gibt ein paar, darunter auch Letschyboa, auf den ich Sie schon hingewiesen habe. Allerdings dürfte es gut sein, wenn Sie sich erst mit dem Gouverneur in Verbindung setzen. Er weiß immer gern, was in seinem Bereich vorgeht. Er ist ein Mann, der mit sich reden läßt. Sie können ihn unbesorgt aufsuchen.« »Wird das sehr teuer?« erkundigte sich Dermitron mit gewollt skeptischem Gesicht. Das Stationsleiter lächelte. »So habe ich das nicht gemeint, Mekron. Geraban ist nicht auf persönliche Bereiche rung aus, keine Sorge. Sie werden lediglich die üblichen Abgaben entrichten müssen, wenn Ihre Suche Erfolg gehabt hat.« Der Mondträger dankte ihm und unter brach die Verbindung. »Ein aufrechter Mann ohne Fehl und Tadel also«, meinte er mit leichtem Spott. »Zweifellos gut für Cherka ton – ob auch für uns, ist eine andere Frage. Beamte, die mehr eine Politik der offenen Hand betreiben, sind meist leichter zu be handeln. Sie halten zwar stets die Ohren ge spitzt, aber sie drücken dafür auch gern ein Auge zu, sofern ihnen das genug einbringt.« Das Boot überquerte das Gebirge und die Wälder nördlich von Cherkan, die Stadt kam in Sicht. Die nicht sehr hohen Gebäude wirkten nüchtern, die Straßen dazwischen zogen sich streng symmetrisch angeordnet zwischen ihnen hin. Im Mittelpunkt lag der große Zentralplatz, aus seinen Grünanlagen ragte der Trichterbau der Verwaltung auf. Ein Polizeigleiter tauchte auf und gab Blinkzeichen, also hatte Ascarmon die An kunft des Bootes weitergemeldet. Seine In sassen dirigierten Dermitrons Fahrzeug zu einem geeigneten Landeplatz. Die beiden Männer stiegen aus und machten sich zu Fuß auf den Weg zum Gouverneur.
18 »Hoffentlich geht alles glatt«, brummte Ventron besorgt. »Wenn man uns schnappt …« »Warum sollte man?« unterbrach Mekron ihn. »Wir sind offen gekommen, also wird uns niemand irgendwie verdächtigen. Im Gegenteil, man wird uns sogar sehr zuvor kommend behandeln, meine ich. Von einem Abbau von Uranerz in großem Stil würde auch die Kolonie profitieren.« Er schwieg, denn ihnen kamen Leute ent gegen, die sie neugierig musterten. Das Bild der Umgebung unterschied sich kaum von dem auf anderen Siedlerplaneten. Zwar wirkten die Mienen der meisten Passanten irgendwie bedrückt, aber Dermitron schob das auf die Sorgen, die es hier zweifellos noch immer gab. Sie erreichten die Basis des Zentralgebäu des, betraten die Eingangshalle und orien tierten sich an einer Hinweistafel. Es war be reits später Nachmittag, der Publikumsver kehr war nur noch gering. Ein Antigravlift brachte sie nach oben in das Stockwerk, in dem Geraban seine Amtsräume hatte. Die Folgen der Zerstörung aller Technik unter dem falschen Propheten waren längst über wunden. Ein Vorzimmer nahm sie auf, sie trugen einem freundlich lächelnden Mädchen ihr Anliegen vor. Ein kurzes Visiphongespräch, dann mußten sie warten. Doch schon zehn Minuten später ertönte ein Summer, der Weg zum Gouverneur war frei. Geraban empfing sie freundlich. »Ascarmon hat mich schon auf Ihr Kommen vorbereitet, Mekron«, erklärte er. »Das ist hier so üblich, denn fremde Besucher sind bei uns Hinterwäldlern eine Seltenheit. Darf ich Ihre Lizenz sehen?« Dermitron reichte ihm das Papier, eine hervorragende Fälschung aus den Labors von Kraumon. Der Gouverneur überflog es kurz und gab es ihm dann zurück. »In Ord nung, Mekron. Sie können sich überall auf Cherkaton frei bewegen und Helfer anwer ben, wenn das nötig ist. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, er würde auch uns zugute kom-
Harvey Patton men.« Der Mondträger verneigte sich. »Ich dan ke Ihnen, Erhabener, und erwidere Ihre Wünsche. Es hat sich bereits bis zu uns her umgesprochen, daß Ihr Planet Schweres durchgemacht hat. Mögen die Götter Ihnen weitere Ungelegenheiten ersparen.« Eine kurze Verabschiedung, und sie ver ließen das Gebäude wieder. Verwundert sah Ventron die steile Falte, die sich auf der Stirn des Kommandanten gebildet hatte. »Stimmt etwas nicht, Mekron?« erkundigte er sich. »Es sieht ganz so aus«, meinte Dermitron nachdenklich. »Mir fiel die abrupte Verän derung in Gerabans Miene als Reaktion auf meine letzten Worte auf. Dieser Mann muß schwere Sorgen haben, er kann sich nur mühsam beherrschen. Irgend etwas scheint auf Cherkaton faul zu sein, Ventron. Wir sollten unsere Augen offenhalten, damit wir keine unliebsamen Überraschungen erle ben.«
* Sie waren dabei, sich ihrem Gleiter zu nä hern, als ein Mann direkt auf sie zukam. Er hatte auf einer Bank in den Anlagen geses sen und sie bereits beim Aussteigen beob achtet. Mekron taxierte ihn kurz und war dann sicher, daß von ihm keine Gefahr aus ging. Er war schon sehr alt und humpelte auf einen Stock gestützt dahin. »Können wir etwas für Sie tun?« fragte der Mondträger, der durch ihn an seinen Va ter erinnert wurde, der von Orbanaschol in die Verbannung geschickt worden war. Der Alte blieb bei ihm stehen und lachte heiser auf. »Sie für mich?« meinte er krächzend. »Im Gegenteil, junger Mann, ich will etwas für Sie tun! Ich will Sie warnen. Passen Sie nur auf, daß Sie nicht den Leuten des Rekrutie rungskommandos über den Weg laufen! Sie haben unsere besten jungen Leute geholt und in ein Lager gesperrt. Dort müssen sie nun darauf warten, bis sie abtransportiert
Brennpunkt Cherkaton werden, um als Kanonenfutter gegen die Maahks zu dienen. Meinen Sie, daß es die sen Schergen etwas ausmachen würde, auch Sie mitzunehmen?« Er drehte sich mit grimmiger Miene um und humpelte davon. Sekundenlang stand Mekron Dermitron wie erstarrt da, und in seinem Gesicht arbeitete es. Dann kam wie der Leben in ihn und er schob Ventron ha stig auf das Beiboot zu. »So ist das also!« sagte er tonlos, als er das Fahrzeug gestartet hatte. »Verdammt, jetzt streckt der Brudermörder auf dem Im peratorenthron seine Finger schon bis in die letzten Winkel unserer Sterneninsel aus. Kein Wunder, daß der Gouverneur aufs tief ste deprimiert ist. Cherkaton hat sich noch nicht von den Wunden erholt, die der ver rückte Blorbone dieser Welt geschlagen hat. Daß man sich trotzdem nicht scheut, hier ge rade die wertvollsten Kräfte wegzuholen, ist eine Schande und ein Verbrechen!« Auch Ventron war tief erschüttert. »Können wir das nicht verhindern, Me kron?« fragte er heiser. »Wir haben doch ein gutes Schiff und die nötigen Waffen. Ein kurzer Handstreich, und der ganze Spuk ist beseitigt.« Der Mondträger überlegte. »Nein, Ven tron«, gab er schließlich zurück. »Ich möch te es bestimmt gern, aber übereiltes Handeln könnte hier mehr schaden als nützen. Ent scheidende Informationen fehlen uns noch. Wir müssen vorerst so tun, als wüßten wir von nichts, und weitere Erkundigungen ein ziehen. Ob wir dann etwas unternehmen, hängt ganz von den Umständen ab. Wir ha ben schließlich eine fest umrissene Aufgabe, das dürfen wir nie außer acht lassen.« »Trotzdem!« beharrte der Techniker erbit tert. Dermitron zuckte mit den Schultern und gab keine Antwort mehr. Letschyboas Haus lag am südlichen Stadt rand, eine Grünfläche bot ausreichend Lan deplatz für das kleine Boot. Als die beiden Männer ausstiegen, trat ihnen der Hausherr bereits entgegen. Verwundert sah er die un vermuteten Besucher an.
19 Der Jäger und Prospektor stand etwa im gleichen Alter wie Mekron Dermitron. Er war auch ungefähr gleich groß, aber er schreckend mager, die rötlichen Augen la gen tief in ihren Höhlen. Es war auf den er sten Blick zu sehen, daß er noch immer schwer an den Folgen der langen Entbehrun gen litt, die er als 'Prophet der Unwissenheit' hatte erdulden müssen. Ein halbes Standardjahr lang war er der geistige Sklave und das willenlose Medium des fremden Gehirnwesens gewesen. Die ganze Zeit über hatte er unter einem PsiVerstärker in einem Fragment des abge stürzten Schiffes gesessen und von dort aus Befehle an die Kolonisten übermittelt. Ro boter des Blorbonen hatten ihn nur unzurei chend mit dem Notwendigsten versorgt. Sei ne Leidenszeit war erst durch das Eingreifen Atlans und der Varganin Ischtar beendet worden. Es war fast ein Wunder, daß er gei stig gesund geblieben war. Der Mondträger kannte alle Details seiner Geschichte durch Atlans Schilderungen. Er schüttert betrachtete er den Mann und fragte sich, ob er ihnen in seinem Zustand über haupt würde helfen können. Schließlich hob er grüßend die Hand. »Derm Mekron, lizensierter Prospektor«, stellte er sich vor. »Dies ist mein Gehilfe Ventron. Wir suchen auf Cherkaton nach Uranerz, haben jedoch Schwierigkeiten, As carmon hat uns an Sie verwiesen. Er meinte, Sie könnten uns helfen.« Letschyboa schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, daß Sie bei mir an der falschen Adresse sind, Mekron«, sagte er mit seltsam tonloser Stimme. »Ich bin ein kranker Mann und habe bis vor sechs Wochen im Hospital gelegen. Eine Expedition in die Wildnis würde meine Kräfte bei weitem überstei gen.« Dermitron winkte ab. »Deswegen brau chen Sie sich keine Sorgen zu machen, Let schyboa. Ich habe ein Raumschiff und führe meine Suche von oben her durch. Unsere In strumente sind aber nicht mehr neu. Viel leicht liegt es daran, vielleicht auch an Stö
20 rungen durch das Magnetfeld von Cherka ton. Daß es auf diesem noch jungen Planeten kein Uranerz geben soll, kann ich einfach nicht glauben.« Nun erwachte doch das Interesse in dem ausgezehrten Mann. »Doch, hier gibt es Uran, Mekron. Ich habe zwar bisher immer nur nach Gold gesucht, weil dessen Abbau weniger aufwendig und kostspielig ist, aber ich habe oben im Norden auch unverkennba re Anzeichen für das Vorhandensein von Pechblende gefunden. Kommen Sie bitte mit ins Haus, dort können wir uns weiter unter halten.« Drinnen trat ihnen ein zierliches, aber gut gewachsenes Mädchen entgegen. »Meine Nichte Seracia«, bemerkte Letschyboa. »Sie ist die Tochter meines Bruders Korschizyn und betreut mich geradezu rührend. Ohne sie hätte ich mir in der ersten Zeit kaum zu helfen gewußt, ich bin Junggeselle.« »Bring Wein und Gebäck für meine Gä ste«, trug er ihr auf. Sie eilte hinaus, das leichte Frühjahrskleid wehte um ihre Ge stalt. So, das ist also Seracia! dachte Der mitron und sah ihr neugierig nach. Auch dieses Mädchen war in Atlans Auf zeichnungen genannt worden. Sie hatte zu den weniger von der geistigen Reduzierung Betroffenen gehört und ihm geholfen. Der Kristallprinz hatte sie mehr am Rande er wähnt, aber einige Redewendungen hatten Mekron doch zu denken gegeben. Sollte At lan vielleicht … Das geht mich nichts an, sagte sich Me kron und wandte sich wieder Letschyboa zu. Er griff in die Tasche und holte eine Schach tel mit kleinen rötlichen Kapseln hervor. »Hier habe ich etwas, das Ihnen sicher gut tun wird«, sagte er. »Zwei dieser Kapseln täglich, und Sie werden schnell wieder zu Kräften kommen.« Der Prospektor nahm die Packung, und dann wurden seine Augen groß. »Das sind ja Majalla-Kapseln!« staunte er. »So etwas kennen wir hier nur vom Hörensagen, diese Schachtel muß ein kleines Vermögen ko sten. Wie sind Sie daran gekommen?«
Harvey Patton Dermitron lächelte leicht. Die MajallaPflanze war ziemlich selten, ihre Wirkstoffe vollbrachten jedoch wahre Wunder an Schwachen und Kranken. Auf Kraumon fand man sie dagegen im Überfluß. Fartulo ons stets wachsame Augen hatten das be merkt und in den Labors die Produktion der heilkräftigen Kapseln aufgezogen. Das konnte er Letschyboa aber natürlich nicht sagen. »Das Geschenk eines Freundes«, wich er aus. »Sie können sie ohne Gewissensbisse nehmen, ich würde sie vermutlich doch nur irgendwo verlieren. Wenn man gesund ist, achtet man nicht sehr auf solche Dinge.« Letschyboa bedankte sich auf seine Wei se. »Sie können über mich verfügen, Me kron«, sagte er. »Ich werde Ihnen behilflich sein, soweit das in meinen Kräften steht. Jetzt wollen wir aber erst einmal etwas zu uns nehmen. Anschließend können Sie mir Ihre Sorgen schildern.« Seracia hatte einen Tisch gedeckt. Auf den Tellern lagen appetitlich aussehende kleine Kuchen, in den Gläsern schimmerte goldgelber Wein. Sie aßen und tranken, es mundete den Männern ausgezeichnet. Der mitron lobte Seracias Backkunst, und das Mädchen errötete. Sie dankte mit einigen launigen Worten, räumte wieder ab und ver schwand in der Küche. Nun lehnte sich der Prospektor zurück und sah Mekron an. »Sie haben sich eine schlechte Zeit für Ihr Hiersein ausgesucht«, meinte er vorsichtig. »Man hat Ihnen sicher schon von der Rekru tierung erzählt, die augenblicklich hier im Gange ist. Die Leute murren, und das zu Recht. Die Götter scheinen es in letzter Zeit nicht gut mit Cherkaton zu meinen.« Der Mondträger nickte. »Sie haben sei nerzeit besonders viel mitgemacht, wie ich hörte. Würde es Ihnen etwas ausmachen, uns davon zu erzählen? Ich frage keineswegs aus Neugier, das dürfen Sie nicht denken, die Sache an sich interessiert mich.« Letschyboa winkte ab. »Keine Sorge, ich bin längst darüber hinweg. Heute erscheint mir das alles nur noch wie ein böser Traum.
Brennpunkt Cherkaton Ich war mit einem Freund zur Jagd im Ge birge. Plötzlich erschien ein feuriges Phan tom am Himmel …« Er redete weiter und schilderte die Dinge von seiner Perspektive aus. Mekron hörte aufmerksam zu und verglich die Erzählung mit Atlans Version. Das meiste stimmte überein, nur der Schluß nicht. Dort trat an Atlans Stelle der Befehlshaber von Trant agossa, Amarkavor Heng. Auch Ischtar und ihr Pyramidenschiff wurden mit keinem Wort erwähnt. »Heng hat also das fremde Wesen erle digt«, griff Dermitron zum Schluß den Fa den auf. »Wo ist er aber anschließend ge blieben? Er mußte doch wissen, daß er sich allein in der Wildnis nicht behaupten konn te, auch wenn er geistig nicht mehr ganz in Ordnung war.« Letschyboa sah starr vor sich hin, man sah ihm an, daß ihm dieses Thema nicht behag te. Er zuckte mit den Schultern und setzte zu einer Antwort an, aber im gleichen Augen blick wurde von der Tür her ein Schluchzen hörbar. Seracia war unbemerkt dort aufgetaucht und hatte zugehört. Nun konnte sie sich nicht mehr länger beherrschen. »Alles Lü ge!« stieß sie unter Tränen hervor. »Ich kann es einfach nicht mehr mitanhören, Onkel. Warum sagst du nicht, daß es Mascaren war, der uns geholfen hat? Die meisten Leute wissen es ja ohnehin.« »Schweig, Mädchen!« herrschte sie der Prospektor an. »Willst du uns alle in Teufels Küche bringen? Ich zittere ohnehin schon bei dem Gedanken, daß jemand sich gegen über den Männern Larschinoks verrät. Dann wäre es nicht mehr weit bis zur Aufdeckung der wahren Zusammenhänge, und eine Straf expedition wäre Cherkaton sicher …« Er verstummte erschrocken, als er be merkte, daß er selbst auch schon zuviel ge sagt hatte. Dermitron und Ventron sahen sich an, im Kopf des Mondträgers über schlugen sich die Gedanken förmlich. Nach wenigen Sekunden glaubte er klarzusehen, und er legte Letschyboa beruhigend die
21 Hand auf die Schulter. »Kein Grund zur Sorge, Freund. Von uns wird bestimmt niemand erfahren, daß es Kristallprinz Atlan war, der hier auf Cherka ton gewesen ist …!«
5. Mekron Dermitron war schon immer ein Freund schneller Entschlüsse gewesen. Als Kampfkommandant hatte er meist nur weni ge Sekunden Zeit gehabt, die Lage richtig einzuschätzen, wenn die Maahks unvermutet aufgetaucht waren. Nun hatte er auch hier rein intuitiv gehandelt und alles auf eine Karte gesetzt. Für einen Moment wurde es fast geister haft still im Raum. Alle hielten den Atem an, auch Seracias Schluchzen war abrupt verstummt. Sie hatte beide Hände vor den Mund gepreßt, ihre Augen waren schreck voll geweitet. Letschyboa war noch bleicher geworden als zuvor, sein Blick zeigte einen undefinierbaren Ausdruck. »So, Sie wissen es also auch«, sagte er langsam und sah dem Mondträger scharf in die Augen. »Von unseren Leuten aber ganz bestimmt nicht, das steht fest. Auch hier gibt es Spitzel, vor denen wir das Geheimnis sorgsam verbergen mußten, nachdem wir die Zusammenhänge erfaßt hatten. Deshalb jetzt meine Frage: Woher wissen Sie es, und wer sind Sie wirklich, Mekron?« Die Spannung fiel von Dermitron ab – seine Karte hatte gestochen! Er lehnte sich aufatmend zurück, ein Lächeln flog über sei ne Züge. »Wir sind Freunde, Letschyboa«, erwider te er einfach und gab den Blick fest zurück. »Freunde des Prinzen und aller aufrechten Arkoniden und Gegner Orbanaschols, der sich durch Mord und Intrigen des Thrones von Arkon bemächtigt hat.« Auch der Prospektor begann nun zu lä cheln. »Dann sind Sie aber nicht rein zufäl lig hier, nicht wahr? Hat Atlan Sie ge schickt, um hier nach dem Rechten zu se hen?«
22 »Dann lebt er also und ist in Sicherheit?« fragte Seracia mit glänzenden Augen. »Wie geht es ihm, Mekron?« Dermitron wurde wieder ernst. »Ja, er lebt, aber er ist ständig irgendwo unterwegs. Auf sein Wirken waren auch die Ereignisse bei Marlackskor zurückzuführen, von denen Sie bestimmt auch gehört haben. Ich selbst habe ihn noch nicht zu Gesicht bekommen, denn ich bin mit meinen Leuten erst vor kur zem zu seinem Gefolge gestoßen. Dafür ha be ich aber Gonozal VII. gesehen, der wie der zum Leben erweckt worden ist.« »Dann stimmt dieses Gerücht also auch«, meinte Letschyboa zufrieden. »Es hat hier auf Cherkaton große Hoffnungen geweckt. Die meisten hierher ausgewanderten Koloni sten waren Anhänger des alten Imperators, die sich vor dem neuen Regime in Sicherheit bringen wollten. Sie sind es auch geblieben und haben ihre Kinder in diesem Sinn erzo gen. Dürfen wir hoffen, daß die Schreckens herrschaft Orbanaschols bald ihr Ende fin den wird?« Mekron zuckte mit den Schultern. »Das wird nicht von heute auf morgen gehen, Let schyboa. Sehr viele Arkoniden denken so wie wir, aber es gibt noch keinen organisier ten Widerstand. Auch Atlan kann keine Wunder wirken, dafür sind zu viele auf sei nen Kopf aus. Immerhin gibt es Ansätze, wie letzthin die Panne bei den ›Wahlen‹ ge zeigt hat.« »Mann, das war wirklich ein Ding!« freu te sich der Prospektor, der nun förmlich auf zuleben schien. »Ich wette, daß Orbanaschol hier nicht mehr als tausend Stimmen von rund vierzehntausend Wahlberechtigten be kommen hat. Als dann diese Schrift plötz lich auf den Schirmen erschien, gab es einen Jubel ohnegleichen. Nur der Umstand, daß wir nach dem Chaos zu sehr von Arkon ab hängig sind, hat die Leute von Unbesonnen heiten zurückgehalten. Der Gouverneur ist ein guter Mann, aber er steht zum Imperator. Er hätte einen Aufstand gewaltsam nieder schlagen lassen.« Dermitron wiegte den Kopf. »Ich glaube,
Harvey Patton daß seine Gesinnung nach dem Auftreten der ›Rekrutenwerber‹ auch einen Knacks ab bekommen hat. Wir waren vorhin erst bei ihm, und er schien ernsthaft bedrückt zu sein. Das rigorose Auftreten dieser Männer muß ihn sehr vor den Kopf gestoßen haben.« »Kein Wunder, einer davon ist ein Beam ter der POGIM«, gab Letschyboa grimmig zurück. Dermitron zuckte zusammen. »Ist das sicher?« fragte er. »Ganz sicher«, warf Seracia ein. »Ich weiß es von meinem Vater, er ist Polizeioffi zier. Er war selbst dabei, als dieser Moringol Geraban mit Absetzung und Erschießen drohte, falls er sich nicht fügen sollte.« »Dann werden wir verdammt aufpassen müssen, daß wir ihm nicht über den Weg laufen«, meldete sich Ventron zum Wort. »Dieser Mann hat bestimmt auch Fahn dungslisten mitgebracht.« »Vorläufig hat er bestimmt keine Zeit, in die Stadt zu kommen«, meinte der Prospek tor. »Er sitzt jetzt mit allen Männern seines Kommandos draußen beim Raumhafen, um die jungen Leute zu bewachen. Ich glaube nicht, daß er sich noch um andere Dinge kümmern wird.« »Hoffentlich bleibt es auch so«, sagte Dermitron. »Eine Frage noch, Letschyboa: Wie ist man hier eigentlich darauf gekom men, daß Atlan in Cherkan gewesen ist? Er hat sich doch immer nur Mascaren ge nannt.« Der hagere Mann lächelte. »Ich wußte es von vornherein, Mekron. Als ich nach dem Tode des fremden Suggestors wieder zu mir kam, unterhielt er sich mit der goldhaarigen Frau und dem Schwarzhäutigen, die bei ihm waren. Sie beachteten mich nicht weiter, aber ich konnte alles hören, war sie sagten. Die Fremde redete ihn einmal mit ›Atlan‹ an, und das genügte mir. Ich habe es jedoch niemandem verraten außer Seracia. Er war aber von vielen gesehen worden, darunter auch von dem Arzt Romantur, einem der alten Anhänger Gonozals. Von ihm ging dann das Gerücht aus und wurde bald als festste hende Tatsache angesehen. Trotzdem wäre
Brennpunkt Cherkaton nie jemand auf den Gedanken gekommen, ihn zu verraten. Dafür ist die Dankbarkeit für unsere Befreiung zu groß, die ohne ihn vielleicht zu spät gekommen wäre.« Der Mondträger wechselte das Thema. »Wann sollen die Zwangsrekrutierten abge holt werden? Ich nehme an, daß dazu ein Transporter kommen wird, vermutlich mit Geleitschutz. Wenn er eintrifft, müssen wir schleunigst verschwinden, ehe man uns auf den Zahn fühlen kann.« Letschyboa winkte ab. »Damit eilt es noch nicht. Sie haben noch vier Tage Zeit. Jetzt habe ich aber auch eine Frage: Wes halb sind Sie eigentlich hier? Daß Atlan Sie hergeschickt hat, um nach Uranerz zu su chen, ist doch sehr unwahrscheinlich. Sie wollen meine Hilfe – wozu?« Dermitron sagte es ihm, und Letschyboa zog die Brauen hoch. »Ein kühner, aber durchaus nicht abwegiger Plan, Mekron. Es gibt genügend Anzeichen dafür, daß Heng sich hier einen Ausweichstützpunkt zugelegt hat. Vor etwa vier Jahren kam ein großer Flottenkreuzer nach Cherkaton, landete aber nicht auf dem Hafen, sondern etwa hundert fünfzig Kilometer weiter im Norden. Bald darauf kam ein hoher Offizier mit einem Gleiter in die Stadt und erklärte die dortige Gegend zum militärischen Sperrgebiet. Etwa zwei Wochen später verschwand der Kreu zer wieder, ohne daß weitere Erklärungen abgegeben wurden. Natürlich waren wir neugierig geworden, und ich habe zusam men mit ein paar Freunden dann die Gegend aufgesucht. Wir fanden zwar den Landeplatz des Schiffes in einem großen Talkassel, aber sonst nichts, obwohl wir gründlich gesucht haben. So geriet die Sache bald wieder in Vergessenheit.« »Würden Sie die Stelle wiederfinden?« erkundigte sich Mekron. Der Prospektor nickte. »Selbstverständlich, ich kenne diesen Kontinent genau. Für heute ist es allerdings zu spät, in etwa zwei Stunden wird es schon dunkel. Darf ich Sie einladen, diese Nacht in meinem Haus zu verbringen?« Dermitron sagte zu. Er nahm Funkverbin
23 dung mit der MEDON auf und unterrichtete seine Männer über die Lage. Der Raumer blieb vorerst weiter im Orbit.
* Eine Viertelstunde später landete ein Gleiter mit drei Männern vor dem Haus. Mekron wollte sich zurückziehen, aber Let schyboa winkte ab. »Sie können ruhig bleiben, Mekron. Das ist nur mein Bruder mit zwei Freunden, alles vertrauenswürdige Leute. Korschizyn ist zwar Polizeioffizier, aber das hat nichts zu sagen. Er liebt Orbanaschol genauso wenig wie wir.« »Trotzdem bitte kein Wort über meine wahre Mission«, bat ihn der Mondträger. Der Prospektor entsprach seinem Wunsch und stellte ihn und Ventron als Berufsgenos sen vor. Einige höfliche Worte wurden ge wechselt, und Dermitron beobachtete die Ankömmlinge verstohlen. Er liebte es, sich sein Urteil selbst zu bilden. Korschizyn war etwas älter als sein Bru der und wesentlich kompakter, ähnelte ihm aber sehr. Velos Lekkagor war noch relativ jung, ein schmächtiger Mann mit hoher Denkerstirn und feingliedrigen Händen. Er war Arzt im Hospital, während Sofartes Chef des Energiewesens von Cherkan war. Er fiel etwas aus dem Rahmen, denn er war kein reinrassiger Arkonide und wirkte mit seiner samtbraunen Haut und dem dunklen Haar eher wie ein Akone. Alle drei betrach teten Dermitron und Ventron zwar mit un verhüllter Neugier, gaben sich aber völlig ungezwungen. Gleich darauf bat Seracia zu Tisch. Das Mahl verlief ruhig, dann zogen sich die Männer in den großen Wohnraum zurück. Korschizyn sah seinen Bruder verwundert an. »Es scheint dir heute wesentlich besser zu gehen, Letschyboa. Du wirkst längst nicht so müde und abgespannt wie sonst. Haben unsere Bauchaufschneider endlich das richtige Mittel für dich entdeckt?« Der Prospektor grinste und sah den jun
24 gen Arzt an. »Nicht sie, aber mein Gast«, meinte er launig. »Mekron hat mir angese hen, was ich brauche, auch ohne Mediziner zu sein. Nur zwei Kapseln, und schon fühle ich mich erheblich wohler. Ich hoffe, es kränkt Sie nicht allzusehr, Velos?« Die Männer lachten, das Eis war gebro chen. Lekkagor griff nach der Schachtel, die Letschyboa auf den Tisch gelegt hatte und las die Beschriftung. Staunen trat in seinen Blick, und er wandte sich an den Mondträ ger. »Sie haben da ein kleines Vermögen ver schenkt, Mekron! Wir haben Letschyboa be handelt, so gut wir konnten, aber für uns hier am Ende der Welt gibt es solche Dinge nicht. Haben Sie noch mehr davon? Roman tur würde jeden halbwegs akzeptablen Preis bezahlen, um Majalla-Kapseln zu bekom men.« Ein Gedanke stieg in Dermitron auf, der ihm sehr beachtenswert erschien. Vielleicht konnte er später darauf zurückkommen, wenn dieses Unternehmen gut verlief und Morvoner Sprangk seine Zustimmung gab. Er lächelte und hob die Hände. »Ich habe die Packung selbst geschenkt bekommen, bisher aber noch nicht ge braucht. Daß ich sie Letschyboa gab, war im Grunde purer Eigennutz. Er soll mir helfen, Uranerz zu finden, als Kranker kann er das aber kaum. Ich habe also mit der Wurst nach dem Schinken geworfen, wie man so sagt.« Sofartes lachte dröhnend auf. »Sie gefal len mir, Mekron. Wenigstens einmal ein Mann, der nicht heuchelt, sondern ehrlich zugibt, was er denkt.« Er wurde unvermittelt ernst und schlug mit der Hand auf den Tisch, daß die Gläser tanzten. »Das ist es, was uns hier und überall fehlt! Er stände viel besser um das Imperium, wenn es nicht so viele Duckmäuser und Konformisten gäbe. Jeder geht nur den Weg des geringsten Wi derstands, wenn er nur seine eigene Haut retten kann. Daß Arkon dabei langsam vor die Hunde geht, ist Nebensache. Und das mitten in einem Krieg auf Sein oder Nicht sein – es ist wirklich eine Schande!«
Harvey Patton Betretenes Schweigen folgte diesem uner warteten Ausbruch. Das schien Sofartes noch mehr aufzubringen. Herausfordernd sah er seine Freunde an. »Habe ich etwa nicht recht? Oder hat auch nur einer von euch einen Finger gerührt, um unsere Jun gen vor Larschinoks Zugriff zu bewahren?« »Du schießt über das Ziel hinaus, wie üb lich«, erwiderte Korschizyn darauf. »Was du eben gesagt hast, ist reichlich inkonsequent, Freund. Diese jungen Männer sollen ja gera de mithelfen, das Imperium zu retten. Das müßte doch eigentlich ganz in deinem Sinne sein.« »Haha!« machte Sofartes sarkastisch. »Sag du ihm, Velos, was mit unseren 'Ret tern' los ist. Du mußt es ja am besten wissen, du warst bei den Untersuchungen dabei. Keiner von ihnen ist ganz gesund, alle leiden noch unter den Folgen der langen Unterer nährung. Die Ausbildung durch die Schleifer der Flotte wird ihnen den Rest geben, ein Teil wird ganz zusammenbrechen. Diejeni gen, die es durchstehen, werden zwar auf Schiffe kommen, aber kaum vollwertige Soldaten sein. Damit sollen wir den Krieg gewinnen? Man könnte lachen, wenn es nicht so traurig wäre.« »Verdammt, was sollten wir denn tun?« fragte der junge Arzt aufgebracht. »Romantur hat beim Gouverneur protestiert, weil er deine Ansicht teilt. Geraban gab ihm recht, aber er ist machtlos, der Mann von der POGIM hat ihn massiv unter Druck gesetzt. Du warst doch dabei, nicht wahr, Korschi zyn?« Dermitron verfolgte diese Erörterung mit wachsendem Interesse. Sofartes war ehrlich empört, Lekkagor deprimiert, weil er gegen sein ärztliches Gewissen handeln mußte. Doch welche Rolle spielte der Polizeioffi zier in diesem Kreis? Mekron glaubte aus seinen Worten eine feine Ironie herausge hört zu haben, die den anderen entgangen war. »Ja, ich war dabei«, sagte er nun. »Hätte Geraban nicht gehorcht, wäre er jetzt bereits ein toter Mann und Moringol der Gouver
Brennpunkt Cherkaton neur! Wir müssen kuschen, Sofartes, ob wir wollen oder nicht. Gegen direkte Befehle des Imperators kommen wir beim besten Willen nicht an.« »Gerade das ist es ja, was mir gegen den Strich geht«, knurrte der Leiter des Energie wesens. »Wie kann ein verantwortungsvol ler Herrscher solche Befehle geben? Zumin dest in unserem Extremfall hätte eine Aus nahme gemacht werden müssen. Doch auch auf vielen anderen Kolonialwelten wird es Rückschläge geben, wenn man neben den üblichen Freiwilligen auch noch gezielt die besten Leute wegholt. Und es wird immer so weitergehen, wenn nicht mal jemand den Anfang macht und sich dagegen auflehnt. Sind wir denn schon ganz rechtlos? Mit dem Hinweis auf den Krieg kann man vieles ent schuldigen, aber nicht alles.« Nun mischte sich Letschyboa erstmals ein. »Du hast natürlich recht, Sofartes«, meinte er mit undurchdringlicher Miene. »Wie wäre es, wenn du hier den Anfang machtest? Trommle so viele Leute wie mög lich zusammen und veranstalte eine Protest demonstration! Schön friedlich natürlich, am besten wäre wohl ein Schweigemarsch, bei dem nur Transparente gezeigt werden. Die Polizei hat dann keine Handhabe, dagegen einzuschreiten. Oder doch, Korschizyn?« Plötzlich grinste der Polizeioffizier. »Endlich habt ihr es begriffen – darauf woll te ich ja hinaus! Momentan ist es aber noch zu früh dazu, das Rekrutierungskommando könnt ihr ohnehin nicht beeindrucken. Der Aufmarsch muß dann stattfinden, wenn die Schiffe gelandet sind und die Mannschaften ihn sehen können. Das wird ihnen zu denken geben, und sie werden die Nachricht davon weiterverbreiten. Sie wird auch auf anderen Planeten gelangen und den Leuten dort Mut machen, unserem Beispiel zu folgen. Kleine Ursache, große Wirkung, wie man so schön sagt.« Der Mondträger begann zu lachen. »Sie sind mir ein schöner Polizeioffizier, Kor schizyn«, spöttelte er. »Den Leuten auch noch Anleitungen zum Aufruhr geben –
25 schämen Sie sich denn gar nicht?« Korschizyn wurde unvermittelt ernst. »Ich schäme mich schon seit langem, Mekron! Eigentlich habe ich es nur so lange auf mei nem Posten ausgehalten, weil er mir die Möglichkeit gab, anderen zu helfen, die un ter einem hundertfünfzigprozentigen Anhän ger Orbanaschols in den Kerker gewandert wären. Meine einzige Hoffnung ist, daß At lan möglichst bald zuschlägt und das ganze korrupte Regime wegfegt.« »Dann sind wir uns ja einig«, stellte Sof artes befriedigt fest. »Nur schade, daß der Kristallprinz nicht weiß, über wie viele An hänger er hier verfügt. Schließlich war er schon einmal hier auf Cherkaton, und das werden wir ihm nie vergessen.« Dermitron fing einen auffordernden Blick Letschyboas auf. »Sie sind hier unter echten Freunden, Mekron. Es würde sie zweifellos sehr ermutigen, wenn Sie ihnen wenigstens soviel sagten, wie Sie verantworten kön nen.« Der Mondträger gab sich einen Ruck und begann zu erzählen.
6. »Buuuh!« machte Ventron und hielt den Kopf unter den kalten Wasserstrahl. »Das war eine lange Nacht, und der Wein von Cherkaton hat es in sich. Sehen Sie den Ka ter auf meinen Schultern hocken?« Dermitron feixte. »Ich bin vor lauter Re den gar nicht zum Trinken gekommen Ven tron. Nun, das haben Sie ja für mich besorgt, so gleicht sich alles wieder aus. Auf jeden Fall läßt sich unsere Mission hier besser an, als ich zu hoffen wagte. Kommen Sie jetzt, wir dürfen keine Zeit vertrödeln. Hengs Ge heimstation wartet auf uns.« Letschyboa lebte unter der Wirkung der Majalla-Kapseln wirklich auf. Obwohl auch er nicht lange geschlafen hatte, sah er fri scher und gesünder aus als bei ihrer An kunft. Sie aßen mit gutem Appetit, Seracia erwies sich als vorzügliche Hausfrau. Ihr Anblick erinnerte Mekron an Retsa Dolisch
26 kor, die jetzt sicher um ihn bangte. Er kam aber nicht dazu, diesen Gedanken weiter nachzuhängen. Gleich nach dem Frühstück zog ihn der Prospektor in einen Geräteraum. Dort lagen auf einem Regal mehrere kleine Instrumente, auf die er wies. »Das sind ja positronische Schlüsselgerä te«, sagte Dermitron überrascht. »Hochwertige und seltene Spezialanferti gungen sogar, wie es scheint. Wo haben Sie die her?« Über das hagere Gesicht Letschyboas flog ein Lächeln. »Sie würden es vermutlich doch nicht er raten, also will ich es Ihnen gleich sagen. Atlan war damals so freundlich, uns Hengs Schiff zu überlassen, damit wir Hilfe her beiholen konnten. Der Antrieb der SKOR GON war blockiert, und unsere Techniker haben sich gleich darauf gestürzt, nachdem sie geistig wieder dazu imstande waren. Während sie nach dem Unterbrecher such ten, den der verrückte Befehlshaber einge baut hatte, sah ich mich in der Schiffszentra le um. In den ersten Tagen war ich noch halbwegs munter, der Zusammenbruch kam erst später. Ich fand diese Geräte in einem sorgsam verborgenen Geheimfach, das durch eine Vernichtungsschaltung abgesi chert war. Es gelang mir, diese außer Be trieb zu setzen, und ich nahm den Inhalt an mich. Er erschien mir zu wertvoll, und spä ter hätte sich ihn doch nur irgend jemand von der Flotte unter den Nagel gerissen. Meinen Sie, daß uns diese Geräte etwas nüt zen können?« Ventron war hinzugetreten und sah ihnen über die Schultern. »Schon möglich, daß sie auf die Anlagen im Stützpunkt abgestimmt sind«, meinte er. »Was halten Sie davon, Mekron?« Dermitron nahm eines der Geräte auf und betrachtete es von allen Seiten. Es handelte sich um Mikroausführungen, kaum größer als eine Handfläche und extrem flach. An der Oberfläche waren je vier kleine ver schiedenfarbige Knöpfe angebracht, dazwi schen befand sich jeweils eine winzige Os-
Harvey Patton zilloscheibe. »Codegeber sind es auf jeden Fall«, stellte er fest. »Ob sie aber das sind, was wir brau chen, ist schwer zu sagen. Wir müßten erst einmal sorgfältig alle Funktionen überprü fen, am besten mit dem Bordcomputer der MEDON.« Letschyboa winkte ab. »Das können Sie auch einfacher haben, Mekron. Ich habe einen Freund im hiesigen Rechenzentrum, der mir schon öfters geholfen hat. Wenn ich ihn darum bitte, erledigt er die Prüfungen für Sie.« Der Mondträger stimmte zu. Er führte noch ein Gespräch mit Salmoon in seinem Schiff, dann flogen die drei Männer mit dem Gleiter des Prospektors zum Rechenzen trum, das sich am jenseitigen Stadtrand be fand. Es wurde eine lange und mühevolle Ar beit. Amarkavor Hengs Mißtrauen und Angst hatte auch hier seine Blüten getrieben. Selbst in diesen Geräten gab es noch Ver nichtungsschaltungen, die mit den internen Energiezellen gekoppelt waren. Der erste der sieben Codegeber zerschmolz den Män nern unter den Händen, von ihm blieb nur ein Häufchen Asche übrig. Dermitron zog eine Grimasse. »Das war der mit der Nummer sieben. Eins bis sechs haben wir noch, sofern sie sich nicht auch noch in Wohlgefallen auflö sen. Ich habe es aber so im Gefühl, als ob gerade dieses letzte Gerät das wichtigste wä re! Vielleicht gelingt es uns, sechs Fallen zu neutralisieren, und anschließend geht die ganze Station mit uns zusammen in die Luft …« Sie arbeiteten mit äußerster Vorsicht wei ter. Die Gehäuse der Geräte waren strahlenab weisend, ließen also ein Durchleuchten nicht zu. Der Kybernetiker war jedoch ein Könner auf seinem Gebiet. Innerhalb von dreißig Minuten hatte er zwei Raggan-Detektoren so modifiziert, daß unter ihrer Einwirkung eine Umgruppierung der Molekülketten der Ge
Brennpunkt Cherkaton häuse eintrat. Er rieb sich zufrieden die Hän de. »Jetzt schaffen wir es«, meinte er zuver sichtlich. »Sobald ich einmal den inneren Aufbau der Codegeber kenne, kann ich da von auf die richtige Funktionsweise schlie ßen. Dann läßt sich auch bestimmen, in wel cher Reihenfolge die Schaltknöpfe gedrückt werden müssen, ohne daß die Vernichtungs schaltungen aktiviert werden. Die notwendi gen Berechnungen hierfür sind ein besseres Kinderspiel.« Kaum meßbare Impulse wurden in die Apparaturen geleitet und darin je nach der Beschaffenheit des Materials mehr oder we niger absorbiert oder reflektiert. Hochemp findliche Computersensoren registrierten diese Vorgänge, und dann erschien auf einer Mattscheibe eine vergrößerte Darstellung des Geräteinnern. Farbige Symbole stellten Werte dar, mit denen Dermitron und Let schyboa beim besten Willen nichts anzufan gen wußten. Der Spezialist studierte sie kurz und nickte. »Ganz schön raffiniert aufgebaut, die Din ger. Sehen Sie da die giftgrünen Linien? Das sind die Energieleiter zu den Schmelzladun gen. Leider kann ich sie nicht mit einem La serstrahl durchtrennen. Das wäre der ein fachste Weg, aber die dabei auftretende Temperatursteigerung würde schon ausrei chen, um die Ladungen zur Reaktion zu bringen. Vielleicht würde … nein, das geht auch nicht. Zerpulverung durch Ultrastrahl ist der einzig gangbare Weg.« Er schaltete die Meßapparatur ab und kratzte sich hinter dem Ohr. »Da haben wir noch eine verdammt zeitraubende Arbeit vor uns, Herrschaften. Wofür sind diese Dinger eigentlich konstruiert worden, Mekron? Hält Orbanaschol mit ihrer Hilfe sein Gewissen unter Verschluß?« Der Mondträger lächelte unwillkürlich, die frische Art des Mannes gefiel ihm. »Das nicht gerade, Dromartes – ich nehme an, daß er überhaupt keines hat. Nein, es handelt sich um seinen Vasallen Heng, dessen Hin terlassenschaft wir suchen. Kann ich Ihnen
27 behilflich sein? Wir haben Ultraschallpro jektoren im Schiff.« Der Kybernetiker winkte ab. »Mit norma len Geräten ist da überhaupt nichts zu ma chen, Mekron, sie sind viel zu groß. Es wäre dasselbe, als wollte man ein Impulsgeschütz verwenden, um einen Colbisbock zu erle gen. Ich werde mich wohl oder übel daran machen müssen, einen Mini-Ul traschallgeber zu bauen. Zum Glück habe ich hier alles, was ich dazu brauche, aber es wird eine sehr langwierige Arbeit werden.« Er behielt recht. Es war bereits Mittag, als er immer noch vor der Werkbank saß, eine Lupe ins Auge geklemmt. Mekron und der Prospektor ließen ihn für einige Zeit allein. Sie flogen zu Letschyboas Haus zurück, um dort zu essen. Dort trafen sie auf Sofartes, der auf sie wartete. Der Leiter des Energiewesens grinste zu frieden. »Moringol und Larschinok tun alles, um uns den Weg zu ebnen«, sagte er. »Sie ma chen sich so unbeliebt wie nur möglich. Et wa ein Dutzend Angehörige der Rekruten hat sie darum gebeten, noch einmal mit den Jungen sprechen und ihnen dies oder jenes bringen zu dürfen. Man hat sie brüsk zu rückgewiesen und ihnen jede Kontaktauf nahme untersagt. Der Geheimdienstler hat sogar damit gedroht, zukünftig auf jeden schießen zu lassen, der sich dem Zeltlager nähert, ohne dazu aufgefordert zu sein. Das hat sich natürlich schnell in der Stadt herum gesprochen. Die Erbitterung über diese Un gerechtigkeit steigt ständig. Sogar die mei sten, die bisher loyale Anhänger des Impera tors waren, schwenken jetzt um.« Letschyboa nickte. »Das wundert mich nicht sehr. Bis jetzt haben wir hier auf Cher katon kaum etwas davon gespürt, was sich anderswo tut. Den ersten Einbruch für Orba naschol gab es anläßlich der Wahlen, die überraschende Aussage des Robotgehirns hat viele seiner Anhänger nachdenklich ge macht. Das rüde Auftreten der 'Rekrutenwer ber' gab den zweiten Anstoß. Mit den neuen rigorosen Maßnahmen zwingen sie die Leu
28 te förmlich auf unsere Seite.« »Ich tue natürlich alles, um die Unzufrie denheit zu schüren«, gab Sofartes zurück. »Vor zwei Stunden kam ich dazu, als meine Männer im Kraftwerk über diese Dinger dis kutierten. Sie waren der Meinung, daß Gera ban unbedingt etwas tun müßte, um das Los der Jungen bis zu ihrem Abtransport zu er leichtern. Als ich ihnen sagte, daß der Gou verneur ein toter Mann wäre, sobald er das versuchte, gingen sie fast in die Luft. Ich hatte Mühe, ihnen Unbesonnenheiten auszu reden. Dafür ist jetzt aber eine rege Flüster propaganda gegen Orbanaschols Männer im Gange.« Dermitron hatte bereits seine eigenen Plä ne, aber er verriet noch nichts davon. »Mehr soll es auch vorläufig nicht sein, Sofartes. Geben Sie die Parole aus, daß zwar über die Dinge diskutiert, aber vorläufig nichts unter nommen wird. Trauen Sie sich den nötigen Einfluß dafür zu?« »Ich denke schon, Mekron. Meine Fami lie ist gut angesehen, auf uns hat man immer gehört, wenn es um wichtige Dinge ging. Sind Sie auch vorangekommen?« Der Mondträger unterrichtete ihn während des Mittagessens, dem besonders Ventron eifrig zusprach. Dann brachen die vier Män ner wieder auf. Sofartes flog zu seiner Dienststelle zurück, Dermitron und seine Begleiter suchten erneut die Computerzen trale auf. Der Kybernetiker hatte seine Arbeit in zwischen vollendet. Er wies stolz auf das unscheinbare Gerät, das vor ihm lag. »Damit knacken wir die Dinger, Me kron«, sagte er zuversichtlich. »Dieser Pro jektor erzeugt Ultraschall und bündelt ihn so stark, daß der Ausgang bis auf ein Hundert stel Millimeter Stärke komprimiert werden kann. Ich brauche jetzt aber eine kurze Pau se, mein Magen knurrt ganz erbärmlich.« Er flog nach Hause, die anderen mußten notgedrungen warten. Das war etwas, das Dermitron gar nicht gefiel. Ihm brannte die Zeit unter den Nägeln, und er sah schon jetzt, daß er an diesem Tage kaum noch et-
Harvey Patton was unternehmen konnte. Er rechnete trotz der Codegeber noch mit erheblichen Schwierigkeiten bei dem Versuch, Hengs Geheimstation auszuheben. Zwei Tage konnten unter diesen Umständen schnell vergehen. Und schon am dritten Morgen war damit zu rechnen, daß die Einheiten der Flotte erschienen, um die Rekruten abzuho len! Ventron zeigte dagegen eine fast stoische Ruhe. »Was sein muß, das muß sein, Me kron«, sagte er. »Seien Sie froh, daß wir die Codegeber überhaupt haben. Ohne sie wür den wir uns vielleicht gewaltig die Finger verbrennen.« Nach einer Stunde kam der Kybernetiker zurück und ging ohne große Vorrede wieder an die Arbeit. Sein eigentlicher Dienst wur de von seinen Mitarbeitern übernommen, ohne daß sie ihm Fragen stellten. Er tat es für Cherkaton, das genügte ihnen.
* Eine Stunde später zerschmolz der Code geber Nummer vier. Dromartes wurde davon vollkommen überrascht. Er konnte später selbst nicht sa gen, wie es zu dieser Panne gekommen war. Fluchend fuhr er zurück und schwenkte die angesengte linke Hand durch die Luft. Er hatte aber noch Geistesgegenwart genug, mit der Rechten den Ultraschallprojektor aus dem Bereich der jäh aufglutenden Hitze zu bringen, ehe er auch noch Schaden nehmen konnte. »So eine verdammte Gemeinheit!« fluchte er. »Die Götter sollen diesen Heng für seine Tücke noch nachträglich strafen. Dreimal ist es gutgegangen, und jetzt das …« Dermitron lächelte resigniert. »Fast die gleichen Worte hat mein Erster Offizier vor kurzem auch gebraucht. Kommen Sie, ich habe hier eine Dose mit Sprühverband. Wer den Sie trotz der Verletzung weitermachen können?« Dromartes atmete auf, als sich die schüt zende und heilende Schicht über die ver
Brennpunkt Cherkaton brannten Hautpartien legte. »Jetzt erst recht, Mekron. Bei den letzten beiden Geräten werde ich besonders gut aufpassen. Dafür dürfte es aber Schwierigkeiten für Sie ge ben, weil Ihnen nun zwei Codegeber feh len.« Mekron zuckte mit den Schultern. »Wenn man es genau bedenkt, besteht das ganze Le ben aus Schwierigkeiten, Freund. Man kann nur immer versuchen, aus allem das Beste zu machen, ungeachtet aller Widerstände.« Die beiden restlichen Geräte wurden be sonders vorsichtig behandelt. Dromartes schaffte es ohne weitere Komplikationen, die Zuleitungen zu den Vernichtungsschal tungen mittels des haarfeinen Ultraschall strahls zu durchtrennen. Erlöst atmete er auf. »Jetzt ist alles Weitere ein Kinderspiel, Mekron. Der Computer kennt bereits die Frequenzen, auf denen die Geräte arbeiten. Nur jeweils eine Probeschaltung, und er wird uns die richtige Reihenfolge der zu drückenden Knöpfe angeben. Ihrem Eindrin gen in Hengs Festung steht dann nichts mehr im Wege.« Eine halbe Stunde später war alles fertig. Dermitron hatte für jeden der fünf verbliebe nen Codegeber die richtigen Daten. Er woll te Dromartes für seine Mühen entlohnen, aber der Kybernetiker winkte nur ab. »Wofür halten Sie mich, Mekron? Ich ha be diese Arbeit für uns alle getan – für ein besseres Imperium, in dem für Leute wie Orbanaschol und Komplizen kein Platz mehr ist! Viel Glück für Sie und Ihre Män ner – und für Atlan.« Als die drei Männer das Rechenzentrum verließen, stand die Sonne schon dicht über dem Horizont. Letschyboa verzog das Ge sicht. »Jetzt ist es auf jeden Fall zu spät, um noch etwas unternehmen zu können. Ver bringen Sie die Nacht wieder bei mir, wir brechen dann in aller Frühe auf.« Mekron Dermitron stimmte zu. Es wurde ein ruhiger Abend. Sie saßen zusammen und erzählten, Letschyboa und Seracia stellten immer neue Fragen über At lan und Kraumon. Das Videoprogramm ein
29 zuschalten, lohnte nicht. Der Sender Cher kan strahlte nur uralte Sendungen vom Band aus und brachte bedeutungslose Lokalnach richten. Über das, was die Leute wirklich bewegte, fiel kein Wort. Am frühen Morgen flogen die drei Män ner los. Sie benutzten das Beiboot und steu erten die MEDON an, die sich noch immer im Orbit befand. »Endlich kommen Sie!« begrüßte Salmoon sie. »Es war eklig lang weilig hier oben. Geht es jetzt endlich los?« Dermitron stellte Letschyboa vor, der von den Männern aufmerksam gemustert wurde. Alle kannten die Ereignisse, die ihn und At lan verbanden. Dann wandte sich der Mond träger an den Piloten. »Wir machen uns sofort auf den Weg«, bestimmte er. »Bringen Sie das Schiff hin unter, Dermato, Letschyboa wird Ihnen den Landeort angeben. Salmoon, lassen Sie in zwischen schon die beiden Kampfgleiter fer tigmachen, damit es später keine unnützen Verzögerungen gibt.« Über dem Norden des Kontinents lag eine dichte Wolkendecke. Dermato schaltete die Teleoptiken auf Infrarot um, das diese Sicht behinderung eliminierte. Nun dauerte es nicht mehr lange, bis der Prospektor die Stelle ausfindig gemacht hatte, an der sei nerzeit der Kreuzer gelandet war. Es handelte sich um eine tiefe Talmulde zwischen zwei Bergketten, durch die sich ein schmaler Fluß wand. Noch jetzt war deutlich die Spur zu sehen, die die Triebwer ke in die Vegetation gebrannt hatten. Der mato machte eine Punktlandung auf genau dem gleichen Fleck. Dann gab Mekron Hong Olvan und Ventron einen Wink. »Bestreichen Sie die gesamte Umgebung mit den Hohlraumtastern und Metallortern. Ich vermute, daß Amarkavor Heng die Stati on in einen der umliegenden Berge hinein bauen ließ, so daß die Felsmassen das Auf finden erschweren mußten. Aus dieser kurz en Distanz muß sie aber unbedingt auszuma chen sein.« Die beiden Techniker machten sich an die Arbeit, und schon nach wenigen Minuten
30 stieß Ventron einen halblauten Ruf aus. »Da hinten müßte es sein«, sagte er und justierte einen Sektorenbildschirm auf die betreffen de Stelle ein. »Dort gibt es einen Hohlraum von beträchtlichen Ausmaßen und auch deutliche Spuren von verschiedenen Metal len.« Dermitron studierte die Anzeigen der In strumente und nickte aufatmend. »Danke, Ventron. Salmoon, übernehmen Sie solange wieder das Schiff. Fünf Männer in den einen Gleiter, den anderen steuere ich selbst. Ber kosch, Olvan und Natsyboa werden mich und Letschyboa begleiten. Kampfanzüge sind anzulegen, Kombistrahler sowie Spreng- und Thermosätze werden mitge nommen. Wir müssen mit unliebsamen Überraschungen aller Art rechnen.« Eine Viertelstunde später verließen die beiden Fahrzeuge das Schiff. Sie durchquer ten das Tal mit seiner üppigen Vegetation und hielten auf die Flanke eines steil aufra genden, etwa 1500 Meter hohen Berges zu. Dermitron steuerte konzentriert, jederzeit bereit, den Gleiter aus dem Kurs zu reißen. Einem Psychopathen wie Heng war es zuzu trauen, daß er seinen Geheimstützpunkt auch durch automatische Geschützstellungen ab gesichert hatte. Es geschah jedoch nichts. Die beiden Fahrzeuge erreichten unbehelligt den Fuß des Berges, die zehn Männer stiegen aus. Bis auf Natsyboa hielten alle ihre Waffen schußbereit. Der Computertechniker trug die kostbaren Codegeber, an denen Dromartes kleine Folien befestigt hatte. Auf ihnen war die richtige Reihenfolge notiert, in der die Knöpfe gedrückt werden mußten. »Sie muß auf jeden Fall eingehalten wer den«, schärfte der Mondträger Natsyboa ein. »Jeder falsche Griff kann zur Folge haben, daß die erwünschte Wirkung ins Gegenteil umgekehrt wird.« Die zweihundert Meter bis zur Bergflanke waren uneben und dicht bewachsen; deshalb gab Dermitron die Anordnung, den Weg fliegend zurückzulegen. Die zehn Männer aktivierten ihre Flugaggregate, stiegen über
Harvey Patton die Baumwipfel empor und schwebten dann in breiter Kette auf den Berg zu. Sie hatten noch etwa fünfzig Meter zurückzulegen, als Letschyboa plötzlich zusammenzuckte. »Was war das?« fragte er erregt in sein Funkmikrofon. Auch Mekron hatte es gespürt. Für weni ge Sekundenbruchteile hatte etwas wie ein geistiger Blitz sein Gehirn durchzuckt! Das Gefühl war nicht unangenehm gewesen, aber fremd und auf eine unbestimmbare Weise beunruhigend. Der Mondträger rea gierte sofort. »Augenblicklich landen und Deckung nehmen!« rief er seinen Männern zu. »Vermutlich Psychosensoren, die unsere Annäherung registriert haben. Abwarten, bis ich weitere Befehle gebe.« Innerhalb weniger Sekunden waren alle zehn Männer am Boden und warfen sich hinter Bäume und Büsche nieder. Jeder hatte den kurzen Kontakt gefühlt, aber es gab kei ne Panikreaktionen. Ehemalige Angehörige der Raumflotte von Arkon waren daran ge wöhnt, sich blitzartig auf bedrohliche Situa tionen einzustellen. Doch auch der Prospek tor stand ihnen nicht nach. Schweigend warteten sie und lauschten mit angespannten Sinnen. Sie hörten jedoch nichts außer dem leisen Rauschen des Mor genwindes und den schrillen Schreien eini ger Vögel, die durch sie aufgescheucht wor den waren. Schließlich erhob sich Dermitron vorsichtig. Seine Blicke suchten durch eine Lücke im Gebüsch die vor ihm liegenden Felsen ab, ohne daß er aber etwas Unge wöhnliches sah. Trotzdem blieb er vorsichtig. »Langsam weiter vorarbeiten, auf Deckung achten. Die Flugaggregate werden nicht mehr benutzt. Achtung, MEDON!« »Ich höre«, meldete sich Salmoon sofort. »Was ist passiert, Mekron? Wir haben nichts Verdächtiges registriert.« »Behalten Sie die fragliche Stelle scharf im Auge. Falls nötig, eröffnen Sie das Feuer, sofern wir dadurch nicht gefährdet werden.« »Verstanden«, gab der Erste Offizier zu
Brennpunkt Cherkaton rück. Behutsam schlängelten sich die Männer zwischen Buschwerk und ersten Felsblöcken hindurch. Ihr Weg endete etwa zehn Meter vor der steil vor ihnen aufragenden Berg wand, wo die letzten niedrigen Büsche stan den. Eng an den Boden gepreßt, warteten sie dort ab. »Was jetzt, Mekron?« erkundigte sich Berkosch schließlich. Dermitron setzte zu einer Antwort an, aber das Wort wurde ihm abgeschnitten. »Aufpassen!« rief Salmoon ihnen vom Schiff aus erregt zu. »In der Wand vor Ihnen tut sich eine Öffnung auf. Ein Gang wird sichtbar, er ist hell erleuchtet.« Im gleichen Moment vernahmen die zehn Männer das Geräusch. Ein dumpfes Rum peln und Poltern war hörbar geworden, ihre Blicke suchten automatisch die betreffende Stelle. Sie lag etwa zwanzig Meter über ih nen, und der Augenschein bestätigte Salmo ons Worte. In der scheinbar soliden Felswand hatte sich ein Tor oder Schott geöffnet. Es war rechteckig und so groß, daß es ein Gleiter ohne Schwierigkeiten hätte passieren kön nen. Es gab den Blick in einen tief in den Berg führenden Gang frei, der durch eine nicht erkennbare Lichtquelle hell ausge leuchtet wurde. Sonst tat sich nichts, alles blieb ruhig. »Merkwürdige Sache«, sagte Ventron halblaut und wieder in der meist üblichen Wortkargheit. Dermitron lachte sarkastisch auf. »Eine überaus freundliche und zuvorkom mende Einladung«, meinte er. »Allerdings eine zum Selbstmord, nehme ich an!«
7. Sie warteten noch einige Minuten, aber es ereignete sich weiter nichts. Schließlich mel dete sich Salmoon wieder aus der MEDON. »Ich befinde mich jetzt in der unteren Hangarschleuse«, berichtete er. »Von hier aus kann man den Gang in den Berg gut ein sehen. Er führt etwa hundert Meter weit und
31 mündet dann offenbar in einen großen dunklen Raum. Wir haben auch Messungen vorgenommen, aber viel ist dabei nicht her ausgekommen. Es gibt nur eine schwache energetische Streustrahlung wie von einer Speicherbank, die vermutlich die Lichtquel len versorgt.« »Danke, Salmoon«, sagte der Mondträger mit gerunzelter Stirn. »Das alles kommt mir reichlich merkwürdig vor. Es paßt so gar nicht zu der Vorstellung, die wir uns von Hengs Stützpunkt gemacht haben. Vor allem die Existenz der Codegeber ließ doch darauf schließen, daß jedem Fremden der Zugang so sehr wie möglich erschwert werden soll te. Oder stellt dieser sich automatisch öff nende Tunnel vielleicht eine besondere Raf finesse dar? Soll er Eindringlinge anlocken, damit sie später um so sicherer getötet wer den können?« Trotz dieser Möglichkeit gab er schließ lich doch den Befehl, in den Gang einzuflie gen. Sie waren nun einmal gekommen, um die Geheimstation zu knacken und auszuräu men. Durch untätiges Warten ließ sich das Problem gewiß nicht lösen. Dermitron landete als erster im Eingang. Er hielt den Kombistrahler schußbereit, wußte jedoch, daß ihm das im Ernstfall nicht viel schützen konnte. Wenn es drinnen auto matische Abwehranlagen gab, genügte ein einziger Feuerschlag, um alle zu töten, die sich in den Gang wagten. Nirgends gab es auch nur die geringste Deckungsmöglich keit. Er schob sich weiter und machte den an deren Platz. Als alle angekommen waren, winkte er den Computerfachmann zu sich. »Kommen Sie, Natsyboa, wir gehen voraus. Halten Sie die Codegeber eins und zwei be reit, prägen Sie sich nochmals genau das Knopfdrucksystem ein. Unser Leben kann davon abhängen.« Ihre Schritte klangen in dem Tunnel selt sam hohl. Das Licht schien direkt aus den Wänden zu kommen, die mit einem matt silbrig schimmernden Überzug versehen wa ren. Sie hatten etwa dreißig Meter zurückge
32 legt, als erneut ein kurzer Impuls in ihren Gehirnen aufzuckte. Unwillkürlich warfen sich beide Männer zu Boden, Natsyboa betä tigte hastig die Schaltknöpfe des ersten Co degebers. Es erfolgte jedoch keinerlei wahr nehmbare Reaktion, und Mekron lachte un sicher auf. »Eine Art von Nervenkrieg, wie mir scheint, nur sehe ich keinen Sinn darin. Die Methode, zuerst jemand anzulocken und dann wieder zu verunsichern, sieht einem Mann wie Amarkavor Heng so gar nicht ähnlich. Kommen Sie, wir gehen weiter. Al le anderen bleiben vorerst beim Eingang. Es genügt, wenn wir beide unser Leben riskie ren.« Als sie das Ende des Ganges erreicht hat ten, war noch immer nichts geschehen. Die beiden Männer preßten sich rechts und links an die Wände und versuchten, mit ihren Blicken das vor ihnen liegende Dunkel zu durchdringen. Sie konnten jedoch nichts er kennen, und Dermitron griff nach dem Schalter seiner Brustlampe. Im gleichen Moment erhellte sich wie durch Zauberhand der vor ihnen liegende Raum. Die plötzlich aufblendende Lichtfülle zwang sie dazu, die Lider zu schließen. In diesem Augenblick waren sie vollkommen wehrlos, willkommene Zielscheiben für jeden lebenden oder mechanischen Gegner. Doch alles blieb ruhig, nur ihre schweren Atemzüge, durchbrachen die lastende Stille. Langsam öffneten sie die Augen wieder, und dann stieß Natsyboa einen Ruf der höchsten Überraschung aus. »Was ist denn das …?« Das fragte sich Mekron Dermitron auch. Sie sahen in eine große rechteckige Halle mit hoher Decke, die kuppelförmig gewölbt war. An den Wänden erstreckten sich lange Reihen von seltsam geformten, vollkommen fremdartigen Maschinenanlagen verschiede ner Größe. Keine davon schien in Betrieb zu sein. Es waren keine Arbeitsgeräusche zu hören, die überall sichtbaren Kontrollanla gen waren dunkel und leblos. Dafür zog et-
Harvey Patton was anderes ihre Blicke fast magisch an. Ungefähr im Mittelpunkt des Raumes stand ein Kubus, dessen Kantenlänge minde stens zwanzig Meter betrug. Er schimmerte in einem matten, gläsern wirkenden Blau, das jedoch zunehmend heller und intensiver wurde. Verwundert starrten die Männer auf das rätselhafte Gebilde, das weder Sinn noch Zweck erkennen ließ. Dermitron zuckte schließlich mit den Schultern. »Die Götter mögen wissen, wo wir hier hineingeraten sind«, bemerkte er halblaut. »Das alles wirkt so fremd, es kann auf kei nen Fall von Arkoniden gebaut worden sein. Hengs Station ist es ganz bestimmt nicht.« Schon im nächsten Moment erhielten sie die Aufklärung. Wieder stellte sich das seltsame Gefühl in ihren Hirnen ein. Diesmal blieb es jedoch, und gleich darauf vernahmen sie ein merk würdiges Zischen und Wispern. Es kam je doch nicht von außen, sondern schien direkt in ihren Köpfen zu entstehen. Mekron erfaß te intuitiv, daß sich hier eine fremde Lebens form darum bemühte, telepatisch Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Hastig beruhigte er Natsyboa, der sich vor diesem Phänomen sehr zu ängstigen schien. Gleichzeitig begann der Riesenwürfel in der Mitte der Halle immer heller zu strahlen. Sein Leuchten stabilisierte sich zu einem be ruhigend wirkenden Himmelblau, auf dem aber nach wenigen Sekunden dunklere Kon turen erschienen. Sie nahmen allmählich vertraute Formen an, und der Computerspe zialist griff nach Dermitrons Arm. »Sehen Sie nur, Mekron – das sind wir!« Tatsächlich bildete sich auf der ihnen zu gewandten Seite des Würfels deutlich das Bild der beiden Männer heraus. Es handelte sich aber nicht nur um eine bloße Wider spiegelung. Dermitron und Natsyboa sahen sich selbst, vollkommen plastisch und ins Riesenhafte vergrößert. Das Wispern in ih ren Hirnen nahm noch an Intensität zu, ver änderte sich aber immer mehr. Schließlich vernahmen sie Worte, die auch für sie ver ständlich waren.
Brennpunkt Cherkaton »Seid gegrüßt, Fremdlinge! Das Volk der Tyrr spricht zu euch, über einen unvorstell bar großen Zeitraum hinweg. Ruft auch eure Gefährten herbei, damit sie an unserer Kom munikation teilnehmen können.« Der Mondträger, seit langem nur an unlie bsame Überraschungen gewöhnt, blieb trotz dieser beruhigenden Worte wachsam. »Wir leben in einer unruhigen, von Kämpfen er füllten Zeit«, gab er gedanklich zurück. »Wer bürgt uns dafür, daß euer Volk uns freundlich gesinnt ist? Wir halten nicht viel von Versprechen, die nur zu leicht gebro chen werden können.« Die Antwort war ein Seufzer auf telepa thischer Ebene. »Wir sind vor langer Zeit aus ähnlichen Gründen der Welt entflohen, in der ihr euch befindet. Mächtige Gegner bedrängten uns, gegen die wir infolge unserer Mentalität wehrlos waren. Unsere Körper waren schwach, das Töten anderer Lebewesen wi derstrebte uns. Sie nannten sich Varganen, waren euch zwar ähnlich, kannten jedoch kein Mitleid mit uns. Nach und nach errich teten sie immer mehr Stützpunkte auf den von uns bewohnten Planeten, verdrängten uns oder rotteten uns aus, wo sie nur konn ten.« Die fremde »Stimme« war immer leiser geworden und schwieg nun ganz, wie in tiefer Erschöpfung. Dermitron überlegte kurz und rief dann über Funk auch die ande ren Männer herbei. Er war zu der Erkenntnis gelangt, daß ihnen von den seltsamen Ge sprächspartnern keine Gefahr drohte. Wie alle Gefolgsleute Atlans auf Krau mon wußte auch er von dem Volk aus dem Mikrokosmos, das vor langer Zeit viele Pla neten der Galaxis beherrscht hatte. Was sich aber während ihrer Expansion im Makrokos mos abgespielt hatte, war so gut wie unbe kannt. Jetzt zeugten nur noch Relikte auf den sogenannten »Versunkenen Welten« von ihrer einstigen Macht. Die übrigen acht Männer fanden sich ein und betrachteten gleichfalls staunend und voller Scheu den Kubus. »Wir haben alles
33 mit angehört, Mekron«, sagte Berkosch. »Von einem Volk der Tyrr ist in unserer Ge schichte nichts überliefert. Wie mögen sie wohl ausgesehen haben?« Die Abbilder der Männer waren zugleich mit der Unterbrechung des Kontakts ver schwunden, das Strahlen des Würfels hatte sich erheblich vermindert. Nun leuchtete er jedoch von neuem auf, und auf seiner Wan dung bildeten sich andere Konturen aus. »Das waren wir!« sagte die nun wieder deutlich vernehmbare telepathische Stimme.
* Zwei Geschöpfe wurden auf der schim mernden Wandung sichtbar. Bei ihrem An blick mußten Mekron und seine Gefährten an riesige Schmetterlinge denken. Ihre bräunlichen Körper waren länglich und gra zil, die Köpfe groß und rund, mit riesigen Facettenaugen und zwei antennenartigen Fühlern. In der Mitte der Leiber gab es eine Einschnürung, unterhalb derer sich die lan gen mehrgelenkigen Beine befanden. Etwas unterhalb der Köpfe saßen die Armpaare mit je vier Fingern. Riesige bunt changierende Flügel spannten sich nach beiden Seiten hin aus. Sie wirkten zerbrechlich wie die Elfen in den alten Sagen der arkonidischen Völker. Das Abbild Natsyboas, das nun in ihrer Mit te erschien, zeigte, daß sie kaum anderthalb Meter groß gewesen waren. Was mochte die Varganen wohl dazu bewogen haben, die Ausrottung dieser Geschöpfe zu betreiben? Daß sie ihnen gefährlich geworden waren, erschien Dermitron höchst unwahrschein lich. Seine Frage fand ihre Beantwortung, so bald er sie in seinen Gedanken formuliert hatte. »Wir traten ihnen in Freundschaft ent gegen, doch sie wollten sie nicht. Ihre ganze Wesensart war nur aufs Herrschen ausge richtet, sie duldeten niemand neben sich. Unbarmherzig zerstörten sie unsere Städte, Häfen und Raumschiffe. Wir konnten uns nicht wehren, weil wir keine wirksamen
34 Waffen besaßen. Wir flohen deshalb auf un bewohnte Welten, aber ihre Doppelpyrami denraumer folgten uns auch dorthin. Schließlich waren nur noch wenige Hundert tausende von uns übriggeblieben. Dieser kümmerliche Rest konnte sich auf diesem Planeten verbergen. In einer letzten großen Anstrengung bauten wir diese Anlage hier, die uns die Flucht in eine ferne Zukunft er möglichte.« »Eine Art von Zeittransmitter also«, stell te Dermitron fest. »Warum seid ihr aber nicht längst wieder zurückgekehrt? Die Macht der Varganen ist schon seit Jahrtau senden gebrochen.« Ein telepathischer Seufzer klang in ihm auf. »Wir können nicht mehr zurück, Fremd ling! Als die letzten von uns diese schlimme Zeit verlassen hatten, war die Kraft der Ma schinen verbraucht. Nur dieser Block aus zeitloser Energie hält noch eine schwache Verbindung zur Vergangenheit aufrecht. Ei nige von uns haben stets in einer Gegenstati on gewartet, um vielleicht doch noch einmal eine Nachricht über die Zeit hinweg zu er halten. Ihr seid jedoch die ersten, mit denen eine Verbindung zustande gekommen ist. Habt ihr unsere Stadt in dem Talkessel ge funden?« »Hier gibt es keine Stadt mehr«, gab der Mondträger zurück. »Es tut mir leid, euch das berichten zu müssen, aber es ist so. Un sere Instrumente haben nicht einmal mehr Spuren davon entdeckt, nur unberührte Ve getation.« »Es braucht dir nicht leid zu tun«, lautete die Antwort. »Wir sind glücklich in der Zeit, in der wir jetzt leben. Sie liegt etwa hundert tausend Jahre in eurer Zukunft, unser Volk ist wieder groß geworden und hat sich über viele Planeten verbreitet. Auf einigen fanden wir auch Hinweise auf eure Rasse in Form von uralten Ruinen, die aber nichts mehr über euer Aussehen verrieten. Jetzt sehen wir euch in einem gleichartigen Würfel und konnten Aufzeichnungen anfertigen. Unsere Altertumsforscher werden sich freuen, ihre Wissenslücken nun ausfüllen zu können.
Harvey Patton Dürfen wir dich bitten, uns deinen Geist ganz zu öffnen? Die darin enthaltenen Infor mationen würden eine wertvolle Ergänzung dazu bieten.« Ehe Dermitron jedoch seine Zustimmung geben konnte, ebbte das Leuchten des Wür fels erneut ab. Der Mondträger erwachte aus seiner Versunkenheit und bemerkte die flackernde Ruflampe seines Funkgeräts. Er schaltete es ein, und die besorgte Stimme Salmoons klang ihm aus dem Lautsprecher entgegen. »Endlich, Mekron! Wir rufen Sie jetzt schon seit fast zwei Stunden und waren aufs höchste besorgt. Ich war drauf und dran, Ih nen in den Stollen zu folgen, um nach Ihnen zu sehen.« Dermitron sah auf sein Armbandchrono und stellte erstaunt fest, daß während der Kommunikation über die Zeit hinweg tat sächlich eine so lange Zeitspanne verstri chen war. »Es gibt keinen Grund zur Beun ruhigung, Salmoon«, entgegnete er. »Wir haben zwar Hengs Station nicht gefunden, dafür aber Anlagen einer alten Rasse. Nähe res erkläre ich Ihnen später. Ende.« Er schaltete wieder ab und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf den Kubus, der wieder hell zu strahlen begann. Leise Be merkungen der anderen Männer zeigten, daß auch sie alles hatten mit verfolgen können. Der Hauch einer unwirklichen Faszination lag über der ganzen Szene. Die Gedankenstimme klang wieder auf. »Wir bedauern diese Unterbrechung, Fremd linge. Es ist nicht leicht, die Verbindung über die Zeit hinweg aufrecht zu erhalten, sie stellt hohe Anforderungen an unsere Gei steskräfte dar. Ist unsere Bitte noch verstan den worden?« Mekron bestätigte und erhielt die Anwei sung, sich geistig vollkommen zu entspan nen. Er folgte ihr willig, und Sekunden spä ter versank die Umwelt für ihn. Er stand reg los wie eine Statue da, während die gedank lichen Fühler der Schmetterlingswesen nach seinem Erinnerungszentrum griffen und es eingehend durchforschten.
Brennpunkt Cherkaton Darüber vergingen Stunden. Die anderen Männer wurden unruhig, aber beruhigende Impulse zerstreuten ihre Bedenken. Diesmal waren sie jedoch von der Kommunikation ausgeschlossen. Sie gingen umher und durchforschten die Halle, aßen und tranken. Zwischendurch nahm Berkosch Verbindung mit der MEDON auf und berichtete in großen Zügen von dem Geschehen. Trotzdem waren alle erleichtert, als sich Dermitron endlich wieder zu regen begann. Wie erwachend rieb er sich die Augen und sah sich in dem Raum um. Dann erreichte ihn eine letzte Botschaft der Tyrr. »Wir danken dir, Mekron Dermitron. Was wir von dir erfahren haben, war faszinierend und bestürzend zugleich. Also habt auch ihr mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, eu re Feinde sind ebenso unerbittlich, wie es die unseren waren. Es ist uns gelungen, alle Angaben aus deinem Gedächtnis auf Gedan kenmatrizen festzuhalten, so daß nichts da von wieder verloren gehen kann. Wir bedau ern sehr, daß wir dir nichts darüber mitteilen können, wie euer Krieg gegen die Maahks schließlich ausgegangen ist. Unsere Wissen schaftler haben alle Archive eingehend durchforscht, aber auch über diese Rasse fanden sich keinerlei Anhaltspunkte mehr.« Dermitron zuckte mit den Schultern. »Die Rassen kommen und vergehen, nur das Uni versum bleibt bestehen. Vielleicht können wir später wieder hierher zurückkehren, um euch weitere Berichte zu geben.« Ein bedauernder Impuls klang in ihm auf. »Das wird leider nicht mehr möglich sein. Wir haben alle unsere Hilfsmittel erschöpft, um die Verbindung zu dir so lange bestehen lassen zu können. Jetzt sind unsere Verstär ker fast ausgebrannt, und wir haben keinen Ersatz mehr dafür. Wir können euch nur noch alles Glück wünschen, mehr nicht.« Die Gedankenverbindung über die Zeit hinweg wurde rapide schwächer. Das Leuchten des Würfels verging, die in ihm abgebildeten Gestalten verblaßten. Die letz ten Worte erreichten Mekron nur noch wie ein verwehender Hauch. Gleichzeitig wurde
35 auch das Licht in der Halle immer dunkler, um schließlich ganz zu erlöschen. Die Gestalt des Mondträgers straffte sich wieder. »Schluß der Vorstellung, Männer«, sagte er leise. »Es war ein wirklich unge wöhnliches Erlebnis. Doch nun fordert die Gegenwart wieder ihren Tribut von uns; wir kehren zum Schiff zurück.«
8. »Das alles gefällt mir nicht, Mekron«, sagte Salmoon mit verkniffener Miene. »Gewiß, Sie haben ein äußerst ungewöhnli ches Erlebnis gehabt. Der Nutzen für uns war jedoch Null, nur die Schmetterlinge in ferner Zukunft haben davon profitiert. Wir sind von unserem Ziel noch ebensoweit ent fernt wie zuvor! Inzwischen ist es bereits Nachmittag, und noch immer haben wir kei ne Spur von Hengs Stützpunkt gefunden.« Der Mondträger lächelte versonnen. »Muß denn wirklich unbedingt alles, was wir tun, auch einen greifbaren Nutzen zeiti gen, Salmoon? Sie waren nicht dabei, also können Sie auch die Faszination nicht er messen, die von diesem Kontakt über einen für uns unbegreiflichen Zeitraum ausging. Eine Frage: Was haben Sie in den vergange nen Stunden noch getan, außer sich Sorgen um uns zu machen? Sie wußten ja nun, wo sich die Geheimstation mit Sicherheit nicht befand. Haben Sie versucht, durch weitere Messungen ihren Standort zu finden?« Es war äußerst ungewöhnlich, daß Der mitron gegenüber einem seiner alten Mit kämpfer einen solchen Ton anschlug. Der Erste Offizier schluckte, mußte dann aber zugeben, daß inzwischen nichts getan wor den war, um die Station des fahnenflüchti gen Befehlshabers von Trantagossa zu fin den. Dermitron lächelte nun nicht mehr. »Sehr schön«, bemerkte er sarkastisch. »Im Grunde fällt es also auf Sie zurück, daß diese Stunden ungenützt verstrichen sind … Gut, reden wir nicht mehr darüber. Ich wer de mich für etwa eine halbe Stunde zurück
36 ziehen, um etwas zu essen und mich zu er frischen. Veranlassen Sie, daß inzwischen bereits mit weiteren Versuchen begonnen wird, Hengs Stützpunkt ausfindig zu ma chen.« Salmoon beeilte sich, diesem Befehl nachzukommen. Als der Mondträger wieder in die Kommandozentrale zurückkehrte, war das gesamte technische Instrumentarium des Schiffes voll in Betrieb. Mit angespannten Gesichtern saßen die Männer vor den Gerä ten, jeder Meter der Umgebung wurde wie der und wieder mit äußerster Sorgfalt abge tastet. »Nichts zu finden, Mekron«, sagte Ven tron resigniert. »Ein paar natürliche Höhlen, aber alle viel zu klein. Sollte sich Letschy boa vielleicht geirrt haben?« Der Prospektor hatte diese Worte gehört und kam nun heran. »Das glaube ich nicht«, warf er ein. »Schließlich ist der Kreuzer sei nerzeit genau hier gelandet, und das be stimmt nicht nur rein zufällig. Dieses Tal ist das einzige in der Umgebung, das meiner Ansicht nach für die Errichtung der Geheim station in Frage kommt. Sie anderswo zu bauen, wäre äußerst schwierig und umständ lich gewesen. Man hätte dann alles – Bau maschinen wie auch die Einrichtung – über die Berge hinweg transportieren müssen.« Dermitron überlegte eine Weile und schlug sich dann vor die Stirn. »Verdammt, das könnte es sein! Wir ha ben uns bis jetzt nur auf die umliegenden Bergwände konzentriert, weil wir es als selbstverständlich ansahen, daß sich die Sta tion irgendwo zwischen den Felsmassen be finden müßte. Es gibt mir jedoch zu denken, daß Hengs Leute die Anlagen der Tyrr nicht entdeckt haben. Und warum nicht? Weil sie sich gar nicht die Mühe gemacht haben, in den Bergen nach einem geeigneten Ort zu suchen! Das läßt nur die eine Schlußfolge rung offen: Der Geheimstützpunkt muß ir gendwo in den Talboden hineingebaut wor den sein.« Der Ortungstechniker lachte auf. »Viel zu einfach, um logisch zu sein, nicht wahr?
Harvey Patton Gut, versuchen wir es einmal damit.« Eine kurze Verständigung, und die Män ner vor den Ortungen justierten ihre Instru mente neu ein. Alle Antennen wurden nun nach unten gerichtet, der Boden der Talmul de wurde meterweise durchforscht. Die ME DON ragte zwar hoch über ihre Umgebung auf, aber es waren fast zehn Quadratkilome ter, die es abzusuchen galt. Einige Male gab es falschen Alarm. Man entdeckte Risse und Spalten im Boden, die sich im Laufe der Zeit mit Humus und Ge röll gefüllt hatten. Es kostete jedesmal eini ge Zeit, bis der Computer seine Auswertung gab und die Irrtümer aufdeckte. Schließlich winkte Olvan dem Komman danten. »Ich habe da etwas auf dem Schirm, das mir merkwürdig erscheint, Mekron. Et wa fünfhundert Meter weiter rechts gibt es eine Stelle – da, wo die hohen Bäume stehen –, wo die Reflexion der Ortungsstrahlen so etwas wie einen ›blinden Fleck‹ auf dem Os zillo erscheinen läßt. Die Hohlraumtaster sprechen dagegen nicht an.« Dermitron strich sich über das halblange Silberhaar und betrachtete die bunten Lini en, die nur einem Fachmann etwas sagten. »Hm, daran könnte etwas sein. Der Fleck durchmißt etwa fünfzig Meter und erscheint annähernd quadratisch; viel zu regelmäßig also, um natürlichen Ursprungs zu sein. Man könnte dort ein Material eingebracht haben, das Taststrahlen nicht vollkommen absor biert, so daß die Stelle unverdächtig er scheint, solange man nicht auf den richtigen Gedanken kommt. Wir wollen sie uns ein mal vormerken. Falls wir sonst nichts ent decken, sehen wir dort nach.« Eine Stunde später stand fest, daß es in der Talmulde wirklich nichts sonst gab, das als Versteck der Geheimstation in Frage kam. Der Mondträger ließ die Versuche ab brechen und rief über Interkom die Männer auf, die ihn schon bei der ersten Exkursion begleitet hatten. Wieder wurden die beiden Gleiter ausgeschleust, die zusätzlich zwei Zugstrahlprojektoren an Bord hatten. Damit sollten die Vegetation und das Erdreich ent
Brennpunkt Cherkaton fernt werden, es war die einfachste und zeit sparendste Methode.
* Das Erdreich war zäh, von unzähligen Wurzeln und Ranken durchsetzt. Die Trak torstrahler mußten mit voller Kraft arbeiten, es ging aber trotzdem nur langsam voran. Berkosch schüttelte verwundert den Kopf. »Hier scheinen Hengs Leute aber wirklich übertrieben zu haben. Im Ernstfall hätte er erhebliche Schwierigkeiten gehabt, schnell unterzutauchen. Ich verstehe das nicht ganz, Mekron.« Dermitron zuckte mit den Schultern. »Seine SKORGON war ein Schiff mit allen Schikanen, wie Atlan berichtet hat. Er wird schon über die nötigen Mittel verfügt haben, um schnell … verdammt, wo hatte ich nur meine Gedanken! Das Erlebnis mit den Tyrr scheint mich doch erheblich strapaziert zu haben. Aufhören!« Sein Zuruf galt den beiden Männern, die die Projektoren bedienten. Sie schalteten ab, letzte Erdmassen wurden seitlich davonge wirbelt und fielen zu Boden. Ein halbrunder flacher Trichter war entstanden, in der Mitte etwa zwei Meter tief. Dermitron gab den Gleiterpiloten Anweisung, die Fahrzeuge ein Stück zur Seite zu steuern. Dann winkte er Natsyboa. »Auch ein Mondträger ist kein Super mann«, bemerkte er mit einem Schuß von Selbstironie. »Nehmen Sie den Codegeber Nummer eins und drücken Sie zu. Das wird uns viel Arbeit ersparen, nehme ich an.« Verblüfft sahen die Männer, wie sich Se kunden später ein sauber abgegrenztes Qua drat von mehr als fünfzig Meter Durchmes ser unter dem reißenden Geräusch starker Wurzeln langsam in die Höhe schob. Erd schollen polterten nieder und nahmen ihnen vorübergehend die Sicht. Dann erkannten sie die meterstarken hydraulischen Stempel an den vier Ecken, die sich knarrend nach oben bewegten. Sie trugen eine dicke Platte, die ungefähr drei Meter Erdreich mitsamt der
37 darauf befindlichen Vegetation mühelos trug, ohne sich durchzubiegen. »Nimmt denn das gar kein Ende?« staunte Ventron, als schon zehn Meter Höhe erreicht waren und die Aufwärtsbewegungen noch immer nicht aufhörte. Dermitron lächelte in verhaltenem Triumph. »Es hätte wenig Sinn gehabt, wenn Heng hier ohne sein Schiff untergetaucht wäre. Man hat es also so eingerichtet, das er das SKORGON ebenfalls unter dem Boden ver schwinden lassen konnte. Sehen Sie sich den Schacht an, der nun zum Vorschein kommt. Das ovale Schiff war an der stärksten Stelle nicht dicker als vierzig Meter, paßte also oh ne weiteres hinein.« Er behielt recht. Die Platte hob sich bis in die Höhe von fünfzig Meter und kam dann knarrend zum Stillstand. Die Anzeigen der Energiemesser wiesen aus, daß nach der Be tätigung des Codegebers tief unter der Erde ein Konverter angelaufen war. Nun flamm ten an den Schachtwänden Leuchtflächen auf und erhellten den Zugang in die Tiefe. »Fertigmachen zum Sterben«, meinte Berkosch mit schiefem Grinsen. Mekron nickte nur kurz. »Der zweite Gleiter bleibt vorerst oben. Wir fliegen in den Schacht ein und erkunden die Gegebenheiten. Natsyboa, den zweiten Codegeber vorerst nicht gebrauchen. Ich vermute, daß er dazu dient, die Öffnung wieder zu schließen. Berkosch, Sie überneh men das Impulsgeschütz; geschossen wird aber erst, wenn ich es befehle, klar?« Die Männer nickten, und Dermitron griff in die Kontrollen des Fahrzeugs. Er schaltete den Schutzschirm ein und ließ dann den Gleiter langsam vorwärts schweben, bis er sich über dem Schacht befand. Draußen be gann es allmählich dämmerig zu werden, die Suche hatte mehr Zeit gefordert, als ur sprünglich angenommen worden war. Die Männer erkannten, daß der Schacht mindestens hundert Meter tief war. Er er weiterte sich nach unten hin allmählich, bis er schließlich einen Durchmesser von rund achtzig Meter besaß. Etwa in der Hälfte öff
38 nete er sich nach rechts hin trichterförmig. Dort zweigte ein horizontal verlaufender Stollen ab, in den Dermitron den Gleiter hin einschweben ließ. Er durchmaß etwa achtzig Meter und endete in einem Hangarraum mit gewölbter Decke, der eindeutig auf die Aus maße von Hengs Sonderschiff zugeschnitten war. Im Hintergrund war ein schweres Panzer schott zu sehen, vor dem ein grünlich schim mernder Energievorhang lag. Die Meßgeräte zeigten, daß er so stark war, daß ihn auch der Beschuß mit einem schweren Impulsge schütz nicht zum Zusammenbruch bringen konnte. »Reine Energieverschwendung«, meinte Ventron halblaut. »Wer hier drin ein Ge schütz abfeuert, röstet sich praktisch selbst. Typisch Amarkavor Heng.« Mekron gab Natsyboa einen Wink. Der Techniker nahm den dritten Codegeber zur Hand und studierte die von Dromartes erhal tenen Angaben. Dann drückte er betont langsam auf die bunten Knöpfe. Kaum eine Sekunde später ertönte ein leises Geräusch wie von einer Implosion, und der Schutz schirm löste sich auf. Die Männer atmeten befreit auf, und der Mondträger griff nach dem Mikrophon. Er beorderte den zweiten Gleiter herunter, der nach zwanzig Sekunden ankam. »Nach links hinüber«, wies er den Piloten ein, während er das eigene Fahrzeug an die rechte Wand des Hangars dirigierte. »Wir steigen jetzt aus, in jedem Gefährt bleibt ein Mann zu rück und wartet auf Befehle. Auf keinen Fall eigenmächtig handeln, falls es zu Zwischen fällen kommt, sofort die Schutzschirme ein schalten. Sie sind unsere Lebensversiche rung, denken Sie daran.« Die acht Männer schlossen die Helme ih rer Kampfanzüge und regulierten die Ver sorgungssysteme ein. Dann bewegten sie sich langsam auf das Panzerschott zu, die Kombistrahler schußbereit. Die Wandungen des Hangars waren, ebenso wie die das Schachtes, mit einer grünlichen Beschich tung versehen, die das Licht der Leuchtplat-
Harvey Patton ten nicht reflektierte. Das war offenbar das Material, das die Taster irregeführt hatte. Vermutlich waren alle Wände damit ausge kleidet. Das Schott war etwa fünf Meter breit und zehn Meter hoch und bestand aus Arkonit. »Ein ganz schöner Brocken«, meinte Ber kosch. Dermitron nickte. »Wahrscheinlich wurde hier die gesamte Einrichtung herein geschafft, deshalb die Ausmaße. Mir bereitet aber vor allem das Fehlen des vierten Code gebers Sorge. Falls er dazu bestimmt war, das Schott zu öffnen, gibt es ernstliche Schwierigkeiten. Aufbrennen können wir es nicht, höchstens sprengen, und dann besteht die Gefahr, daß der ganze Laden hier ein stürzt.« Er atmete auf, als er dann an der linken Seite den Öffnungskontakt entdeckte. »Sehr gut, damit erledigt sich das Problem von selbst.« Aufmerksam beobachtete er die An zeigen des Meßgeräts an seinem Handge lenk. »Es sieht aber ganz so aus … Tolkry sch, was tun Sie da? Zurück, Mann!« Seine Warnung kam zu spät. Tolkrysch, ein Mann der alten MEDON-Besatzung, war vorgetreten und hatte die linke Hand auf den Öffnungskontakt gelegt. Ein schrecklicher Schrei klang auf, grünliche Gluten umwa berten den Körper des jungen Mannes. Er stürzte zu Boden, zuckte noch sekundenlang konvulsivisch und lag dann still da. Das Ge sicht hinter der Helmscheibe war grauenvoll verzerrt, die weit aufgerissenen Augen ver dreht. Amarkavor Hengs Todesfallen hatten ihr erstes Opfer zur Strecke gebracht … Wie zum Hohn schwang nun das meter dicke Schott langsam auf und gab den Weg in den Stützpunkt frei.
* Die anderen sieben Männer waren hastig zur Seite gesprungen. Stumm vor Schreck starrten sie nun auf die Leiche des Techni kers. Tolkrysch war bei allen beliebt gewe sen, lustig und impulsiv – zu impulsiv, wie
Brennpunkt Cherkaton sich nun herausgestellt hatte. Dermitron machte sich heftige Vorwürfe, aber Ber kosch legte ihm sanft die Hand auf den Arm. »Sie können nichts dafür, Mekron«, sagte der ältere Mann. »Sie waren mit der Able sung der Meßdaten beschäftigt, und auch wir haben nicht damit gerechnet, daß einer unbedacht handeln würde. Menschliches Versagen, für das niemand verantwortlich ist.« In der Kehle des Mondträgers saß ein dicker Kloß. »Mit etwas in dieser Art rech nete ich«, gab er heiser zurück. »Das Meß gerät zeigte einen Stromfluß an, vermutlich Ruhespannung, die erst dann gefährlich ist, wenn ihr Fluß unterbrochen ist. Ich wollte den Ausgangspunkt lokalisieren, aber Tol krysch kam mir zuvor.« »Kommen Sie«, forderte ihn der Feuer leitoffizier nachdrücklich auf. »An dem Ge schehenen läßt sich nichts mehr ändern, in Zukunft werden sich alle vorsehen. Das Schott ist offen, die Station liegt vor uns.« Dermitron nickte, er hatte sich wieder ge fangen. Sein Blick richtete sich in den wei ten Korridor, der jenseits des Eingangs lag. Es war etwa fünfzig Meter lang und hell er leuchtet, an beiden Seiten waren je vier hohe Türen zu sehen. An seinem Ende befand sich ein weiteres Panzerschott, vor dem wie der ein grüner Schutzschirm lag. Alles war ruhig, nur das leise Arbeitsgeräusch des Konverters lag in der Luft. Nichts deutete auf weitere Gefahren hin, obwohl es sie mit Sicherheit gab. Der Kommandant winkte Natsyboa zu sich. »Jetzt wissen wir, wozu der vierte Co degeber bestimmt war. Wirklich raffiniert ausgedacht, in dem ganz normal erscheinen den Öffnungskontakt hätte niemand eine Falle vermutet. Doch nun ist das Schott of fen, weitere Sicherungsanlagen dürften sich automatisch eingeschaltet haben. Es dürfte gut sein, das nächste Gerät zu betätigen, ehe wir den Korridor betreten.« Natsyboa nickte und ging voran. Der schmächtige Computerfachmann hielt sich ausgezeichnet, obwohl er nicht für kritische
39 Einsätze dieser Art ausgebildet war. Er war tete ab, bis zwei Männer den Toten beiseite geschafft hatten, stellte sich dann direkt in den Eingang und drückte die Knöpfe des fünften Codegebers. Von innen drang ein leises Scharren her aus. In beiden Wänden des Korridors gab es ungefähr in Hüfthöhe in regelmäßigen Ab ständen Öffnungen von etwa zehn Zentime ter Durchmesser. Sie wirkten vollkommen harmlos und schienen weiter nichts als Aus laßöffnungen des Belüftungssystems der Station zu sein. Nun schoben sich bisher un sichtbare Blenden vor diese Löcher, und Ventron lachte grimmig auf. »Dahinter sind mit Sicherheit ein paar nette 'Spielzeuge' verborgen! Impulsstrahler, Säurespritzen oder ähnliches Teufelszeug …« Berkosch nickte. »Die ersten Anlagen hät ten wir vermutlich noch ungehindert passie ren können. Zweifellos gibt es auch Detek toren, die genau registrieren, wie viele Per sonen eindringen, dazu einen Computer, der die Auswertung besorgt. Wir wären viel leicht bis zur Mitte des Korridors gekom men, erst dann hätte das Feuerwerk einge setzt. Ob wir dann weiter nach vorn gelaufen wären oder uns zurückgezogen hätten, wäre gleich gewesen. Irgendeine dieser Waffen hätte uns bestimmt erwischt.« Erst jetzt erfaßte Dermitron in vollem Ausmaß, wie ungeheuer wertvoll die Code geber für ihn und seine Männer waren. Ohne Letschyboas Voraussicht wären sie nie dazu imstande gewesen, überhaupt in diese Fe stung einzudringen. Jetzt waren sie drin, aber was mochte noch auf sie warten? Sie hatten nur noch ein Gerät dieser Art, das sie bente und letzte existierte nicht mehr! Viel leicht war gerade sein Fehlen, das sie am Endeffekt doch noch scheitern ließ …? Er schob diese unerfreulichen Gedanken beiseite. Jetzt kam es darauf an, rasch zu handeln, denn die Zeit drängte. Es ging schließlich nicht nur allein um Hengs Stati on. In der Stadt Cherkan gab es auch noch
40 einige Dinge zu erledigen, ehe man kam, um die Zwangsrekrutierten zu holen! Er winkte seinen Männern und betrat dann an ihrer Spitze den Korridor nichts rührte sich, die Blenden vor den Schußöff nungen blieben geschlossen. Nur der Schutzschirm vor dem Schott im Hinter grund flimmerte leicht und ließ sie nicht ver gessen, daß sie hier noch mit einigem zu rechnen hatten. Vermutlich waren die Waf fen, von deren Vorhandensein sie nun wuß ten, gewissermaßen nur die Spitze eines Eis bergs. Es konnte noch Dutzende weiterer solcher Anlagen und heimtückische Fallen geben. Wenn sie unabhängig von den Schlüsselgeräten waren und sich plötzlich automatisch einschalteten, stand den Ein dringlingen noch Schweres bevor. Dermitron hielt vor der ersten, links gele genen Tür an und suchte sie sorgfältig mit seinen Blicken ab. Auch sie bestand aus Ar konit und saß fugendicht in einer elastischen Kunststoffüllung. In Brusthöhe gab es einen Öffnungskontakt, den die Männer äußerst skeptisch betrachteten. Mekron lächelte hu morlos. »Ich glaube nicht, daß derjenige, der sich all die netten Dinge hier ausgedacht hat, zweimal mit dem gleichen Trick gearbeitet hat. Trotzdem müssen wir vorsichtig sein, man lebt dann länger. Treten Sie zurück, ich übernehme das.« Er nahm seitlich von der Tür Aufstellung, packte dann den Strahler am Lauf und drückte mit dem Kunststoffkolben auf den Kontakt. Diesmal gab es kein tödliches Feu erwerk. Nach etwa einer Sekunde ertönte ein leises Summen, und dann schwang die Tür nach außen hin auf. Leuchtflächen erhellten sich flackernd und übergossen einen großen Raum mit hellem Licht. Er war mit langen Regalen angefüllt, auf denen eine Unzahl von Kisten lag. Alle tru gen die Signatur der Arkonflotte und große Aufschriften in schwarzer Farbe. Als der Mondträger die ersten gelesen hatte, pfiff er bedeutungsvoll durch die Zähne. »Waffen und Munition, so weit das Auge
Harvey Patton reicht! Nicht nur Handwaffen, sondern auch zerlegte Impulsgeschütze samt allem Zube hör, Kampfraketen, Mikrobomben und ähn liche Dinge. Mir ist nur schleierhaft, was ein einzelner Mann mit dieser Menge von Kriegsmaterial anfangen wollte. Sein krank haft übersteigertes Sicherheitsbedürfnis scheint wirklich seltsame Blüten getrieben zu haben« »Das kann uns nur recht sein«, meinte Ventron lakonisch. »Atlan kann alles brau chen, wenn es einmal ernst wird.« Er wollte den Raum betreten, doch der Mondträger hielt ihn zurück. »Denken Sie an Tolkrysch!« warnte er und wies auf zwei kaum sichtbare Öffnun gen in der Türfüllung, die sich in Meterhöhe genau gegenüberlagen. »Das sieht nach Fo tozellen aus, zwischen denen ein unsichtba rer Kontaktstrahl schwingt. Es sollte mich nicht wundern, wenn dieses wertvolle Depot nicht noch zusätzlich gesichert wäre.« Wieder nahm er den Strahler zur Hilfe und hielt den Kolben in die Türöffnung. Im nächsten Moment zuckte er zurück – von oben her sauste ein stählernes Phantom her ab, schlug ihm den Strahler aus der Hand und verschwand in einem Schlitz, der sich gleichzeitig auf der Schwelle geöffnet hatte! Die Waffe polterte zu Boden, und Dermitron rieb sich mit schmerzverzerrten Zügen den geprellten Arm. »Eine Art von automatischem Fallbeil«, sagte er grimmig. »Es wird ausgelöst, sobald der Strahl zwischen den Fotozellen unter brochen wird. Wahrscheinlich warten über der Tür noch Dutzende davon, um jeden zu zerschmettern, der hineingehen will, ohne zuvor den Mechanismus abgeschaltet zu ha ben.« »Danke, Mekron«, sagte Ventron, dessen grobes Gesicht nur langsam seine Farbe wie derbekam. »Wenn Sie mich nicht daran ge hindert hätten …« Der Mondträger winkte ab. »Ich habe nur etwas schneller und weiter gedacht als Sie, das ist alles. Jetzt wissen wir jedenfalls, woran wir sind. Wir werden uns auch die
Brennpunkt Cherkaton anderen Räume noch ansehen, sie jedoch nicht betreten. Ich nehme an, daß diese Art von Mordanlagen nur von der Zentrale aus abgeschaltet werden kann, die zweifellos hinter dem Schott am Gangende liegt. Erst wenn wir sie in der Hand haben, ist die Fe stung wirklich gefallen – immer vorausge setzt, daß nicht noch Schwierigkeiten wegen des fehlenden Codegebers entstehen! Geben Sie mir Ihren Strahler, Natsyboa, meiner ist unbrauchbar geworden. Wir gehen weiter.« Auch die übrigen sieben Türen ließen sich ohne weiteres öffnen. Hinter ihnen lagen weitere Depots, deren Anblick die Herzen der Männer schneller schlagen ließ. In Hengs Station gab es all jene Dinge in Mas sen, an denen es auf Kraumon mangelte! Ki sten und Container enthielten weitere Waf fen, aber auch technische und positronische Geräte in Vielfalt, Kampfanzüge und Ersatz teile für Triebwerksanlagen. Daneben gab es riesige Mengen von konservierten Lebens mitteln, die Atlans gesamtes Gefolge für mindestens einen Monat aller Nahrungssor gen entheben würden. Berkosch schüttelte den Kopf. »Ich be greife beim besten Willen nicht, weshalb Heng hier solche Unmengen aller nur mögli chen Dinge einlagern ließ, Mekron. Vermut lich hat er alle Lieferungen beiseitege schafft, die für Schiffe bestimmt waren, die nicht mehr vom Einsatz nach Trantagossa zurückgekehrt sind. Doch wozu das? Wollte er irgendwann einen kleinen Privatkrieg an fangen?« Dermitron zuckte mit den Schultern. »Das mögen allein die Götter wissen. Wer von uns kann schon ermessen, was in dem Ge hirn eines Psychopathen seiner Art vorge gangen sein mag. Kümmern wir uns nicht weiter darum – die Zentrale wartet auf uns!«
9. Die sieben Männer blieben in achtungs voller Entfernung von dem grünen Energie vorhang stehen. Ihre Nerven waren bis zum Zerreißen angespannt, denn jetzt mußte sich
41 entscheiden, ob ihr Unternehmen auch wirk lich von Erfolg gekrönt sein würde. Den Einsatz radikaler Mittel erwog Mekron nur für den äußersten Notfall. Es war schließlich gut möglich, daß die ganze Station in die Luft flog, sobald größere Sprengungen oder Schmelzungen vorgenommen wurden. Daß Amarkavor Heng auch an eine als umfassen de Vernichtungsschaltung gedacht hatte, war als sicher vorauszusetzen. Natsyboa war nervös geworden. Unsicher betrachtete er den letzten noch verbliebenen Codegeber, in dem schmalen Gesicht unter dem grauen Haar zuckte es. Er wandte sich zögernd zu Dermitron um. »Ob es wirklich auch diesmal gutgehen wird, Mekron? Ich habe so ein Gefühl …« Der Mondträger nahm ihm das Gerät aus der Hand. »Gehen Sie zurück in einen der Gleiter«, bestimmte er kategorisch. »Ich nehme es Ihnen in keiner Weise übel, daß Ihre Nerven dieser Belastung nicht mehr ge wachsen sind. Melden Sie sich per Funk, so bald Sie draußen sind. Wir warten so lange.« Dermitron meinte auch, was er sagte. Der Computertechniker war in seiner Weise ebenso wertvoll wie alle anderen Männer seines Kommandos, nur eben keine Kämp fernatur. Als das Signal aus dem Gleiter kam, straffte sich seine Gestalt. Er konzen trierte sich voll, auf seinem breiten Gesicht zeigte sich keine Regung. Noch einmal überflog er die Anweisungen von Dromar tes, dann drückte er zu. Die bunten Knöpfe rasteten leise knackend ein. Dann geschah eine endlos an mutende Zeitspanne lang nichts, bis auf die schweren Atemzüge der Männer in den Kopfhörern war alles totenstill. Es funktio niert nicht! dachte Mekron resigniert. Es wä re ja auch zu schön gewesen, um wahr zu sein … Er fuhr zusammen, als dann doch eine steile Amplitude über den kleinen Oszillo des Geräts zuckte. Einige weitere Blips folg ten – dann fiel der Schutzschirm vor dem Schott wie in Zeitlupe in sich zusammen. Die Männer stöhnten unwillkürlich auf, als
42 sich gleich darauf das Tor zur Zentrale öff nete. Also hatten sie es doch noch geschafft! Dermitron steckte den Codegeber weg und nahm wieder seine Waffe in die Hand. Mit gespannter Aufmerksamkeit überflogen seine Augen den Ausschnitt des Raumes, der von seinem Standpunkt aus zu über blicken war. Vieles daran erinnerte an den Kontrollstand eines Raumschiffs. Es gab Schaltkonsolen aller Art, selbst die Wände waren mit vielfältigen Instrumenten und zahlreichen Bildschirmen verschiedener Größe versehen. Im Mittelpunkt stand je doch ein breites, halbkreisförmiges Schalt pult, vor dem sich ein drehbarer Kontursitz befand. Dies war das Herzstück von Hengs Geheimstützpunkt, das stand fest. Doch noch waren alle Anzeigen und Bildschirme dunkel. Würden sie sich vielleicht nur akti vieren lassen, wenn auch der fehlende letzte Codegeber betätigt wurde? Keiner der Männer sagte ein Wort. Alle Blicke richteten sich nun auf den Mondträ ger, der allein die ganze Last der Verantwor tung trug. Von seinem Handeln hing es nun ab, ob auch diese letzte entscheidende Phase noch gut verlief. Natürlich dachte er auch diesmal nicht daran, einen anderen vorzuschicken. Seine Blicke suchten die Schottfüllung ab, ohne jedoch etwas Verdächtiges zu entdecken. Entschlossen trat er vor und setzte den Fuß in den Raum, der sich gleichfalls automa tisch erhellt hatte. Er hatte aber kaum die Schwelle übertre ten, als auch schon ein infernalischer Lärm losbrach. Alarmpfeifen gellten auf, Sirenen schrillten, das Grollen anlaufender Konver ter und Transformer wurde hörbar. Die Männer sahen sich erschrocken nach Deckung um, aber es gab keine. Im nächsten Moment kam die Stimme des Ersten Offi ziers aus dem Helmradio. »Was ist passiert, Mekron? Wir messen eine plötzliche starke Energieentwicklung innerhalb der Station an. Sind Sie in Ge fahr?« »Bis jetzt noch nicht«, gab Dermitron zu-
Harvey Patton rück. »Ich habe die Zentrale geöffnet und betreten, und im gleichen Augenblick war hier der Teufel los. Vermutlich gibt es hier Sensoren, die auf die Individualimpulse Hengs abgestimmt sind und mich sofort als Fremden identifiziert haben. Bisher ist aber … nein, eben geschieht etwas! Die Blenden vor den Abwehranlagen im Korridor haben sich wieder geöffnet, so daß uns der Rück weg abgeschnitten ist.« Abrupt verstummten die Alarmsignale. Dafür öffneten sich etwa fünfzehn Meter vor dem Eingang zur Zentrale plötzlich zwei bisher unsichtbare Türen auf beiden Seiten des Ganges. Die knallenden Schritte mar schierender Kampfroboter wurden hörbar, und Mekron fuhr zusammen. »Hier herein!« rief er seinen Männern zu. »Die Maschinen dürften eine Sperrschaltung besitzen, die sie daran hindert, die Zentrale mit ihren wertvollen Einrichtungen zu zer stören. Das gibt uns eine Chance.« Die Männer hasteten in den Raum. Einige fanden hinter den Gehäusen von Computern und Speicherbänken Deckung, die anderen warfen sich neben dem Schott zu Boden. Die Schritte der Roboter wurden lauter, und der Mondträger überlegte einen Augenblick lang. Dann rief er nach Ventron. »Gehen Sie zum Hauptschaltpult, schnell! Dort muß es eine Schaltanlage geben, durch die sich alle internen Abwehranlagen stille gen lassen, auch die Roboter. Drücken Sie alle in Frage kommenden Knöpfe, wir weh ren die Angreifer solange ab.« Der Ortungstechniker sprang auf und eilte zu dem halbkreisförmigen Pult. Im gleichen Augenblick kamen die ersten Kampfmaschi nen von beiden Seiten in den Korridor. Sie glichen den Standardmodellen der Imperi umsflotte, nur die mechanischen Hände fehl ten. Statt dessen besaßen sie an den Armen den starr eingebaute Waffen, je einen Im pulsstrahler und Paralysator. Ehe sie sich je doch orientieren und die Männer mit ihren Zieloptiken erfassen konnten, hatten diese bereits geschossen. Die ersten beiden Ma schinen vergingen in schmetternden Explo
Brennpunkt Cherkaton sionen, die Überreste ihrer Körper wurden nach allen Seiten fortgewirbelt. Sie trafen auch die beiden folgenden Roboter. Einer von ihnen schlug schwer zu Boden und blieb regungslos liegen. Der andere begann sich ziellos im Kreis zu drehen und löste seinen Strahler aus. Er befand sich im rechten Arm, der schräg nach oben gerichtet blieb. Die feurige Bahn brannte sich in die Kunststoff verkleidung des Ganges, gelbliche Qualm wolken stiegen auf. Dermitron erledigte ihn mit einem wohlgezielten Schuß, ehe der Strahl durch das offenstehende Schott in der Zentrale Unheil anrichten konnte. Auch dieser Automat zerbarst und riß den nachfolgenden mit ins Verderben. Eine wei tere Explosion erfolgte, als Berkosch dann den Roboter traf, der von rechts kam und über den am Boden liegenden hinwegstieg. Der Korridor war nun von Rauchwolken er füllt, Splitter sausten und jaulten nach allen Seiten. Einige wurden bis in die Zentrale ge wirbelt, richteten aber dort keinen Schaden an. Sie zwangen jedoch die Männer in Deckung, und schon kamen weitere Maschi nen unbeirrt nach. »Nur noch auf ihre Beine schießen!« brüllte der Mondträger, um den Nachhall der Detonationen zu übertönen. »Es genügt, wenn sie fallen, dann können sie uns nicht mehr schaden. Wie weit sind Sie, Ventron?« »Schwierige Sache«, gab dieser zurück. »Mehr als zweihundert Schalter und Senso ren, jeder mit einer anderen Funktion. Hier muß es viel mehr versteckte Waffen geben, von denen wir noch nichts ahnen. Ich tue, was ich kann.« Die neue Taktik zeitigte ihre Erfolge. Die Roboter explodierten nicht mehr, sondern fielen nur noch und bildeten bald unentwirr bare Knäuel vor den beiden Zugängen. Doch immer noch drängten weitere nach und schoben ihre Vorgänger durch Tritte ihrer stählernen Beine vor sich her. In Hengs Ar senal schien es eine ganze Armee von ihnen zu geben, und Dermitron stöhnte unterdrückt auf.
43 Die Strahler der fünf Männer waren be reits überhitzt und ließen nur noch vereinzel te Schüsse zu. So kamen schließlich doch zwei der Maschinen ungehindert zum Schuß. Sie feuerten jedoch nicht mit den Im pulsstrahlern, sondern setzten lediglich ihre Paralysatoren ein. Mekron hatte also richtig vermutet, aber diese Erkenntnis erleichterte ihn kaum. Zwei der Verteidiger sackten ge lähmt zusammen, nun waren nur noch drei Männer einsatzbereit. Es gelang ihnen, auch diese beiden Robo ter noch zu fällen, aber dann schleuderte Berkosch seine Waffe von sich. »Es geht nicht mehr, Mekron, beim nächsten Schuß wäre das Ding explodiert! Und da kommen schon wieder die nächsten Maschinen …« Der Mondträger biß die Zähne zusammen und feuerte nochmals, obwohl die Hitze nun bereits durch die Handschuhe des Kampfan zugs drang. Diesmal hielt er absichtlich auf die Brust des Roboters, wo sich der Mikro reaktor befand. Es gab eine weitere Explosi on, ein Gewirr von stählernen Körpern und Gliedern wurde durch den Gang geschleu dert. Auch Letschyboa schoß nun und erziel te auf der Gegenseite denselben Effekt. Das gab für ein paar Sekunden Luft, Berkosch sprang auf und holte sich die Waffe des Pa ralysierten, der in seiner Nähe lag. Trotzdem war die Lage so gut wie aus sichtslos. Mindestens zwanzig Kampfrobo ter waren nun bereits erledigt, der Korridor war ein wahres Schlachtfeld. Als es nun aber für einen Augenblick still wurde, hörte Der mitron deutlich, daß immer noch weitere nachfolgten. Der halbverrückte Amarkavor Heng hatte bei der Planung seiner Geheim station wirklich ganze Arbeit geleistet. Nur noch Minuten, und dann … »Geschafft!« jubelte Ventron plötzlich auf. »Ich habe den zentralen Schaltknopf ge funden – der Zauber ist vorbei!« Mekron schüttelte ungläubig den Kopf, seine Augen konnten die dunklen Rauch schwaden kaum noch durchdringen. Dafür hörte er nun aber, wie die stampfenden Schritte der Kampfmaschinen schlagartig
44
Harvey Patton
verstummten. Eine wohltuende Stille breite te sich aus, und langsam erhoben sich die drei Männer. Sie schlugen Ventron dankbar auf die Schultern, als er sich nun zu ihnen gesellte, ein breites Grinsen auf dem Ge sicht. »Alles in Ordnung, Salmoon«, sagte der Mondträger erschöpft in sein Helmmikro phon. »Die Station gehört uns, schicken Sie alle Männer mit Antigravplattformen herun ter. Wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns.«
* Seine Worte bewahrheiteten sich. Pausen los waren die Antigravscheiben und Gleiter unterwegs, die Depots des Geheimstütz punkts wurden systematisch ausgeräumt. In den Laderäumen der MEDON stapelten sich die Kisten und Container, und noch immer kamen weitere nach. Alle neunzehn Männer beteiligten sich an der Bergung, auch die beiden Paralysierten, die inzwischen wieder zu sich gekommen waren. »Das ist eine runde Sache«, meinte Sal moon begeistert, als endlich das Ende der Aktion in Sicht war. »Bragos Neschbar wird jubeln, wenn wir mit dieser Ladung nach Kraumon kommen. Sollen wir nicht auch noch die Anlagen der Zentrale ausschlach ten, Mekron? Platz dafür haben wir noch.« Dermitron trank den Becher mit einem belebenden Tee leer und lehnte sich dann entspannt zurück. »Darauf müssen wir leider verzichten, Salmoon, es würde zu lange dau ern. Wir sind alle erschöpft und brauchen dringend einige Stunden Schlaf. Jetzt ist es elf Uhr Planetenzeit, der halbe Tag ist also bald vorbei. Sechs Stunden Pause, dann flie ge ich mit Letschyboa nach Cherkan zurück. Sie wissen, was ich vorhabe, und ohne eine genaue Übersicht und Planung geht das nicht. Bis zum letzten Moment zu warten, wäre viel zu riskant. Wenn das Transport schiff für die Rekruten früher kommt als er wartet, wird mein ganzer Plan durchkreuzt.« Ventron kam in den Kommandoraum,
rieb sich die geröteten Lider und ließ sich schwer in einen Kontursitz fallen. »Wir sind am Ende, Mekron – mit der Station und mit den Kräften! Soll der Zugang zu den Anla gen wieder geschlossen werden?« Der Mondträger schüttelte den Kopf. »Das werden wir schön bleiben lassen, und zwar aus gutem Grund. Die Leute der Flotte sollen den Stützpunkt finden und sich ein Bild davon machen können, was wir alles herausgeholt haben. Hengs Vasallen, die ihn eingerichtet haben, waren so freundlich, eine detaillierte Aufstellung von allem zu ma chen und in der Zentrale zu hinterlassen. Dort habe ich sie liegen lassen – ich will ei nigen hohen Herren Gelegenheit geben, sich so richtig zu ärgern.« Salmoon lachte schallend auf, wurde je doch sofort wieder ernst. »Ich muß eben an den toten Tolkrysch denken, Mekron. Sollen wir ihn hier bestatten, oder nehmen wir die Leiche mit nach Kraumon? Wir haben ihn in seiner Kabine aufgebahrt.« »Wir nehmen ihn mit«, entschied Der mitron. »Er ist für Atlan gestorben und soll in Gonozal-Mitte ein würdiges Begräbnis bekommen.« Er erhob sich und gähnte aus giebig. »Ich ziehe mich jetzt zurück. Auch alle anderen sollen sich aufs Ohr legen, bis auf einen Mann, der in der Zentrale Wache hält.« »Das übernehme ich natürlich«, sagte der Erste Offizier. »Ich habe als einziger nicht körperlich gearbeitet und bin noch frisch. Daß es irgendwelche Zwischenfälle gibt, ist ja wohl kaum anzunehmen.« Er behielt recht. Die Ruhestunden vergin gen wirklich ereignislos, dann wurde es im Schiff dafür um so lebendiger. Es gab Essen, und dann gingen die Männer daran, die »organisierten« Güter zu katalogisieren und rationeller zu stapeln. Dermitron hatte ange ordnet, einen der Laderäume wieder freizu machen – für eine ganz besondere Fracht, wie er bedeutungsvoll bemerkte. Er selbst bereitete sich darauf vor, mit Letschyboa und Ventron nach Cherkan zu fliegen. Die drei Männer hatten eben ihren
Brennpunkt Cherkaton Gleiter bestiegen, als darin die Ruflampe des Funkgeräts zu flackern begann. »Ein Anruf vom Raumhafen für Sie, Mekron«, meldete Waynjoon. »Ich stelle zu Ihnen um.« Gleich darauf erschien Ascarmons Ge sicht auf dem Bildschirm. Auf seinen Zügen zeichnete sich tiefe Besorgnis ab. »Sie sol len so rasch wie möglich in die Stadt kom men, Mekron. Die Leute werden immer un ruhiger, ein offener Aufruhr ist nur noch ei ne Frage von Stunden. Vielleicht gelingt es Ihnen, sie zu zügeln, ehe sie Dummheiten begehen.« Der Mondträger, zog die Brauen hoch. »Wie kommen Sie darauf, daß ich das könn te, Ascarmon? Ein einfacher Prospektor, wie ich es bin …« Der Leiter der Ortungsstation unterbrach ihn kurzerhand. »Vor mir brauchen Sie nicht mehr Verstecken zu spielen, Mekron. Ich war immer ein Anhänger Gonozals VII. und Sofartes hat mich inzwischen über Ihre Mis sion aufgeklärt. Er ist es auch, der Sie bitten läßt, schleunigst zu kommen. Er befindet sich beim Gouverneur, wo gerade Kriegsrat abgehalten wird. Auch Geraban steht jetzt voll auf unserer Seite.« »Wir werden uns beeilen«, versprach ihm Dermitron. Gleich darauf schoß der Gleiter aus der Schleuse und nahm Kurs nach Sü den. Letschyboa, der sich sichtlich weiter er holt hatte, verzog das Gesicht. »Sofartes hat mit seiner Agitation schein bar etwas zuviel des Guten getan«, bemerkte er. »Er ist impulsiv und neigt leicht dazu, über das Ziel hinauszuschießen. Wir müssen auf jeden Fall verhindern, daß sich die Be völkerung dazu hinreißen läßt, einen Ge waltakt gegen die 'Rekrutenwerber' zu star ten, Mekron! Die Folgen könnten schreck lich sein.« Der Mondträger nickte. »Darin stimme ich Ihnen voll zu. Vermutlich würden es die Siedler relativ leicht schaffen, die Handvoll Leute Larschinoks zu überrennen und die jungen Männer herauszuholen. Es wäre auch für die Rekruten kein Problem, irgendwohin zu verschwinden, Cherkaton ist groß. Eben
45 so sicher ist aber auch, daß dann bald eine Strafaktion von Flotte und POGIM folgen würde. Man würde sich nicht erst lange be mühen, einzelne Schuldige herauszupicken, sondern die gesamte Bevölkerung kollektiv als Verräter am Imperium behandeln. Soweit darf es nicht kommen.« Cherkan kam in Sicht. Die drei Männer bemerkten sofort, daß sich dort allerhand verändert hatte. Es gab keinen Fahrzeugver kehr, weder auf den Straßen noch in der Luft. Niemand schien mehr zu arbeiten, überall standen Männer und Frauen herum, und debattierten hitzig. Auch auf dem Zen tralplatz wogten die Leute hin und her, aber Dermitron kümmerte sich nicht darum. Er brachte den Gleiter dicht vor dem Trichter bau zu Boden und eilte dann mit seinen Be gleitern hinein.
* Die Spitzen von Cherkan hatten sich in ei nem Konferenzraum versammelt. Es waren etwa zwanzig Männer und Frauen, deren Mienen mehr oder weniger von Ratlosigkeit zeugten. Als Mekron den Saal betrat, sprang Sofartes auf und kam ihm mit großen Schrit ten entgegen. Sein Gesicht hellte sich auf. »Den Göttern sei Dank, daß Sie so schnell gekommen sind, Mekron! Wir sitzen hier gewissermaßen auf einer Bombe, die über kurz oder lang hochgehen muß. Mit solchen Folgen hatte ich nicht gerechnet, als ich die Dinge ins Rollen brachte. Jetzt gibt es hier tatsächlich niemand mehr, der auch nur eine Hand für Orbanaschol rühren würde.« Dermitron lächelte sarkastisch. »Man soll eben nie mit dem Feuer spielen, wenn man es nicht auch unter Kontrolle halten kann, Freund. Ich habe den Eindruck, daß sich in Cherkan auch jene Leute als Brandstifter be tätigen, die eigentlich die Aufgabe haben sollten, die Flammen zu kontrollieren … Im Ernst, Sofartes: Ist der Gouverneur wirklich auf unserer Seite?« Diese Frage wurde im nächsten Moment von authentischer Seite beantwortet. Gera
46 ban gesellte sich zu den Männern, seine Miene war bedrückt. »Was sollen wir nun tun, Mekron? Bis jetzt ist es der Polizei noch gelungen, die Bevölkerung von unbedachten Schritten abzuhalten. Doch selbst die Polizi sten erfüllen ihre Pflicht nur noch widerwil lig. Wenn der Sturm losbricht, werden sie vermutlich die ersten sein, die zum Sturm auf das Lager am Raumhafen ansetzen. Ich teile die Gefühle der Leute voll, schließlich mußte ich als erster erfahren, welcher Mittel sich das Regime ganz unverhüllt bedient. Ich sehe aber auch, was anschließend unwei gerlich auf uns zukommen wird – was raten Sie mir, Mekron?« Dermitron kniff die Augen zusammen. »Die Emotionen der Leute sind nun einmal geweckt; sie ganz zu unterdrücken, dürfte so gut wie unmöglich sein. Schaffen Sie ihnen ein Ventil, durch das der überschüssige Dampf entweichen kann, ohne unnötigen Schaden anzurichten. Das geeignete Mittel dazu wäre zweifellos eine Ansprache über Video. Ich denke da an eine Mahnung zur Besonnenheit, in der sie der Bevölkerung eindringlich schildern, was sie anderenfalls erwarten würde. Das wird die Hitzköpfe so weit abkühlen, daß der Verstand wieder die Oberhand gewinnt. Zum Schluß rufen Sie dann zu einer Massendemonstration auf, die morgen in aller Frühe stattfinden soll. Dage gen kann niemand etwas einwenden, offizi ell gibt es im Großem Imperium immer noch die Rede- und Versammlungsfreiheit.« Der Gouverneur wiegte den Kopf. »Alles schön und gut, Mekron, aber praktisch kaum durchführbar. Wenn ich eine Ansprache über das Videonetz halte, wird sie automa tisch aufgezeichnet! Ich kann es mir einfach nicht leisten, so vorzugehen, denn …« Der Mondträger grinste breit. »Doch, das können Sie! Die Techniker der Videostation vergessen dann eben einfach die Aufzeich nung Ihrer Rede. Ihre Unterlagen sagen sch licht und einfach aus, daß am heutigen Tage das Programm völlig normal abgewickelt wurde. Nur ein paar Worte zu den richtigen Leuten, und Ihre Loyalität steht überhaupt
Harvey Patton nicht mehr zur Debatte. Die Demonstration erfolgt spontan, niemand führt irgendeine Waffe mit sich. Man zeigt lediglich Trans parente, auf denen sachlich auf Cherkatons Nöte hingewiesen wird. Dagegen kann selbst der Geheimdienst nichts einzuwenden haben.« Gerabans Miene hellte sich auf. »Das müßte sich einrichten lassen, Mekron. Der Leiter des Videofunks ist zufällig ein Ver wandter meiner Frau und ein Anhänger des alten Imperators. Bisher haben wir uns nicht sonderlich leiden können, aber nun hat sich ja einiges geändert. Man muß wohl erst am eigenen Leib erfahren, wie groß die Unge rechtigkeit unter Orbanaschol ist, um zur Einsicht zu kommen.« Dermitron nickte ernst. »Genauso ist es auch mir ergangen, Geraban. Zögern Sie jetzt nicht mehr, sonst spitzt sich die Lage noch mehr zu. Schicken Sie sämtliche Poli zeifahrzeuge los und lassen Sie über die Lautsprecher eine Ankündigung Ihrer An sprache verbreiten. Die Neugier wird den größten Teil der Einwohner von der Straße holen und vor die Videogeräte bringen. Al les weitere hängt dann davon ab, wie über zeugend Sie auftreten können. Und das ha ben Politiker ja schon immer gut gekonnt, nicht wahr?« Der Gouverneur lächelte säuerlich. »Gut, ich werde mein Bestes geben. Damit wäre dann aber lediglich erreicht, daß es nicht zu Zwischenfällen kommt, die Repressalien nach sich ziehen könnten. Doch was wird mit den jungen Leuten im Lager? Für sie än dert sich dadurch doch überhaupt nichts! Sie sitzen nach wie vor fest, bis sie schließlich an Bord des Transportschiffs getrieben wer den. Sie sind schon jetzt verzweifelt und hät ten längst einen Ausbruch versucht, wenn die Energiesperre nicht wäre.« »Woher wollen Sie das wissen?« fragte Mekron verwundert. »Ist inzwischen doch jemand gestattet worden, in Kontakt zu ih nen zu treten?« Sofartes schüttelte den Kopf. »Das nicht, die Wächter reagieren auf jede Annäherung
Brennpunkt Cherkaton mit gezückten Waffen. Es ist aber einem der Jungen gelungen, ein Armbandtelekom ins Lager zu schmuggeln. Er hat inzwischen mit seinen Angehörigen gesprochen und ihnen die Lage geschildert. Keiner von ihnen möchte fort, um für Orbanaschol zu kämp fen. Die Reden der Leute des Kommandos und die schlechte Behandlung haben ihnen den richtigen Vorgeschmack auf das gege ben, was sie erwartet.« Ein Gedanke durchzuckte den Mondträ ger. Er überlegte nur sekundenlang und frag te dann: »Läßt es sich einrichten, daß ich einmal kurz mit dem jungen Mann spreche? Ich möchte ihm einige Verhaltensregeln für morgen früh geben, die er an alle im Lager weitergeben soll. Das würde es mir vermut lich sehr erleichtern, meinen Plan so rei bungslos wie möglich zur Durchführung zu bringen.« »Natürlich läßt sich das machen«, gab Sofartes zurück, aber sein Gesicht war ein einziges Fragezeichen. »Von welchem Plan sprechen Sie, Mekron? Heraus damit – wir werden Sie in jeder Weise unterstützen, wenn es uns aus diesem Dilemma hilft!« Dermitron nickte lächelnd und begann zu reden.
10. In der folgenden Nacht schliefen die mei sten Bewohner von Cherkan sehr schlecht. Gerabans Ansprache hatte gewirkt und sie von einer Aktion gegen das Rekrutierungs kommando zurückgehalten. Dafür brannten sie nun darauf, den verhaßten Männern Or banaschols mit einer großen Demonstration zu zeigen, was sie dachten. Als die Morgendämmerung einsetzte, wa ren bereits die meisten Erwachsenen auf den Straßen. Sie formierten sich zu einem langen Zug, in dem Transparente mitgeführt wur den, deren Wortlaut sich an die Anweisun gen des Gouverneurs hielt. Schweigend be wegten sie sich auf der Zufahrtsstraße zum Raumhafen dahin, den sie kurz nach Son nenaufgang erreichten. Dann verteilten sie
47 sich und schwärmten in einem weiten Bogen um das Zeltlager aus, in dem sich ihre Jun gen befanden. Polizeigleiter hingen in der Luft und überwachten die Demonstration. Die Besatzungen hatte strenge Anweisung, sofort gegen jeden einzuschreiten, der sich unbesonnen verhielt. Es war nicht ausge schlossen, daß der eine oder andere doch ei ne Waffe mitgebracht hatte und sich zu ih rem Gebrauch hinreißen ließ. Moringol und Larschinok wurden durch diese Entwicklung der Dinge vollkommen überrascht. Keiner von ihnen hatte es in den vergangenen Tagen noch für nötig gefunden, sich darum zu kümmern, was in Cherkan vorging. Sie hatten das, was sie haben woll ten, alles anderes interessierte sie nicht. Die Hinterwäldler waren gerade noch gut genug, ihnen jeden Tag die nötigen Lebensmittel zu liefern. Moringol hatte nur zuweilen noch Funkgespräche mit Geraban geführt, um ihn ständig unter Druck zu halten. So ahnte er auch nichts davon, daß sich seit einigen Tagen ein »Prospektorenschiff« auf Cherkaton aufhielt … Die beiden Lagerwachen alarmierten ihn und Larschinok, als sie die anrückende Men ge ausgemacht hatten. Beide Anführer klei deten sich hastig an und begaben sich ins Freie. Sie erschraken beim Anblick der vie len tausend Menschen, aber der Mann vorn Geheimdienst faßte sich schnell wieder. »Das hat nicht viel zu bedeuten, Orbtan«, meinte er wegwerfend. »Diese Leute wissen sehr genau, daß es ihnen schlecht ergehen würde, wenn sie uns angreifen wollten. Die Strahlensperre können sie doch nie überwin den, und außerdem paßt ja die Polizei auf sie auf. Sollen sie also ruhig ihre lächerlichen Transparente schwingen. In einigen Stunden wird das Transportschiff ankommen, und dann ist der ganze Spuk automatisch vor bei.« Larschinok schien jedoch nicht ganz über zeugt. Hastig gab er seinen Männern den Befehl, den Gleiter zur Strukturlücke am La gereingang zu bringen und das Impulsge schütz feuerbereit zu machen. Dann setzte er
48 ein Fernglas an die Augen und betrachtete dadurch die Demonstranten, deren Mauer et wa hundert Meter Abstand zum Lager hielt. Plötzlich zuckte er zusammen. Er übergab Moringol das Fernglas. »Sehen Sie einmal genau hin«, knurrte er. »Sie haben doch immer wieder betont, daß der Gouverneur nichts weiter als Wachs in Ihren Händen wäre. Wie kommt es dann, daß er sich an der Spitze dieser Aufrührer befindet …?« Der Beamte der POGIM sah ihn ungläu big an, doch schon ein Blick durch das Glas bewies die Wahrheit dieser Worte. Er schüt telte den Kopf, aber dann flog ein hämisches Lächeln über seine Züge. »Dem werde ich es zeigen!« meinte er er grimmt. Er reichte Larschinok das Glas zu rück und eilte dann zu dem Gleiter. Gleich darauf schallte seine Stimme über die Au ßenlautsprecher zu den Demonstranten hin über. »Moringol an Gouverneur Geraban: Ich forderte Sie auf, umgehend zu mir zu kom men, allein und unbewaffnet. Ihre Teilnah me an diesem lächerlichen Spektakel be weist deutlich, daß Sie nicht mehr loyal, sondern ein Verräter am Großen Imperium sind. Befolgen Sie meinen Befehl sofort, sonst lasse ich das Feuer auf die Leute eröff nen!« Empörtes Geschrei antwortete ihm. Auch die jungen Männer im Lager waren aus ih ren Zelten gekommen und stimmten mit ein. Dann klang, durch ein Megaphon verstärkt, die Antwort des Gouverneurs auf. »Ich bin kein Verräter, Moringol! Es war uns unmöglich, mehr als zehntausend Män ner und Frauen von diesem spontanen Mar sch abzuhalten, ohne ein Blutbad anzurich ten. Ich billige ihr Verhalten keineswegs, obwohl nach dem geltenden Recht des Im periums Demonstrationsfreiheit besteht. Daß ich jetzt hier bin, dient allein dem Zweck, sie durch mein Beispiel von Unbesonnenheit abzuhalten. Dafür können auch Sie mir nicht den geringsten Vorwurf machen.« Seine Worte blieben ohne Eindruck, denn
Harvey Patton Moringol war fest entschlossen, ein Exem pel zu statuieren. Auf vielen dieser isolierten Welten neigten die Bewohner bereits zur Aufsässigkeit gegen das System des Impera tors. Man mußte ihnen beweisen, daß ihre angeblichen Rechte nichts wert waren, so bald es um höhere Interessen ging. Ein toter Gouverneur wirkte da immer! Ein kurzer Befehl, und dann jagte ein Feuerstoß aus dem Gleitergeschütz über die Köpfe der Menge hinweg. Die Wirkung ent sprach voll der Absicht des POGIM-Man nes. Es gab kein Ausweichen, dafür waren die Reihen der Demonstranten zu dicht. Nur eine wohlgezielte Salve, und Hunderte von ihnen mußten sterben … Die Lage war bedrohlich, das erkannte auch Geraban. Er hatte gehofft, Moringol noch einige Zeit hinhalten zu können, aber das erwies sich nun als Trugschluß. Resi gniert ergriff er erneut das Megaphon. »Ich weiche der Gewalt und komme, Moringol. Zugleich mache ich Sie aber darauf auf merksam, daß alle Vorgänge von einem Vi deoteam aufgezeichnet werden. Es wird Ih nen schwerfallen, sich an höherer Stelle zu rechtfertigen, falls Sie mich töten sollten. Es gibt dann Beweise, die …« Seine restlichen Worte gingen in einem lauten Brausen und Pfeifen unter. Es kam aus dem Himmel über Cherkan und bewies, daß ein Schiff zur Landung auf dem Hafen ansetzte. Etwas zu früh für den Mann der POGIM, der nun seine Pläne vereitelt sah. Zugleich aber auch eine machtvolle Rücken deckung für ihn, gegen die es kein Aufbäu men gab. Moringol grinste und sprang aus dem Fahrzeug. »Bereiten Sie alles für eine schnelle Ein schiffung der Rekruten vor«, wies er Lar schinok an. »Das geht jetzt vor, aber den Gouverneur werde ich trotzdem nicht ver gessen. Ihn knöpfe ich mir vor, sobald alles andere erledigt ist.« Das Geräusch des landenden Schiffes wurde leiser, der Pilot hatte die Triebwerke abgeschaltet. Er erschien als blitzender Punkt am Himmel und sank, nur noch vom
Brennpunkt Cherkaton Antigrav getragen, langsam dem Boden ent gegen. Offenbar war es durch die Ortungs station genau eingewiesen worden, denn er setzte unmittelbar hinter dem Rekrutenlager auf. Nun brüllte Larschinok seine Befehle. Die Energiesperre wurde an der rückwärtigen Seite abgeschaltet und gab den Weg zu dem Raumer frei. Er trug deutlich sichtbar den Namen MEDON, hatte allerdings nur einen Durchmesser von zweihundert Meter. Das war etwas ungewöhnlich, im allgemeinen wurden größere Schiffe für solche Aufgaben eingesetzt. Doch seine Besatzung hatte of fenbar bereits erkannt, daß es hier Schwie rigkeiten gab, davon zeugten die geöffneten Geschützluken. Nun konnte also wirklich nichts mehr schiefgehen. Moringol stellte befriedigt fest, daß so wohl die Bewohner von Cherkan wie auch die Rekruten resignierten. Ringsum war es totenstill geworden, nur die Rufe der Wäch ter waren noch zu hören. Die Rekruten machten keinen Versuch, sich ihnen zu wi dersetzen. Gehorsam setzten sie sich in Be wegung und trotteten auf den Raumer zu, dessen untere Polschleuse sich inzwischen geöffnet hatte. »Alles klar, Orbtan!« grinste Moringol und ging mit raschen Schritten auf das Schiff zu.
* Zwölf Soldaten mit schußbereiten Kombi strahlern eilten die Rampe hinab und schwärmten nach beiden Seiten aus. Dann kam ein hochgewachsener Offizier, auf der linken Brustseite seiner Uniform prangte ein schwarzes Mondsymbol. Seine Augen schweiften wachsam umher und hefteten sich dann auf den Mann der POGIM, der in zwischen herangekommen war. »Kommandant Mekron«, stellte er sich kurz vor. »Wir scheinen gerade zur richtigen Zeit gekommen zu sein. Machen Ihnen die Einheimischen Schwierigkeiten?« »Moringol, Sonderbeauftragter des Impe
49 rators«, sagte der massige Mann mit dem eckigen Gesicht. »Schwierigkeiten ist wohl etwas zuviel gesagt, wir beherrschen die La ge voll. Die paar tausend Leute hier schei nen noch gewissen alten Denkweisen ver haftet zu sein, wie ihr Vorgehen beweist. Wir werden ihnen etwas Nachhilfeunterricht geben müssen, glaube ich. Doch zuvor wol len wir die Rekruten an Bord bringen, we nigstens sie scheinen vernünftig zu sein.« Der Mondträger nickte kurz und begrüßte dann auch Larschinok, der ihn neugierig musterte. Sie traten zur Seite, um die jungen Männer vorbeizulassen, dann fragte er: »Sie sind wohl noch nicht lange auf Sarkomier, Mekron? Ich erinnere mich nicht, schon von Ihnen und Ihrem Schiff gehört zu haben.« »Richtig«, bestätigte der Kommandant. »Mein Verband wurde vor einer Woche auf gerieben, nur wir und ein weiteres Schiff konnten entkommen. Sarkomier war die nächstgelegene Flottenbasis, also landeten wir dort. Man gab mir den Auftrag, nach Cherkaton zu fliegen, weil fast alle anderen Einheiten in den Kampfeinsatz gehen muß ten. Die verdammten Maahks sind momen tan wieder ziemlich aktiv. Ich habe Anwei sung, so schnell wie möglich wieder von hier abzufliegen, die MEDON soll nach ih rer Rückkehr sofort wieder in einen Kampf verband eingegliedert werden.« Larschinoks dunkles Gesicht verzog sich. »So geht es immer wieder. Die Methans müssen endlich geschlagen werden, damit das Große Imperium seine alte Blüte wieder erlangen kann. Deshalb ich es auch so wich tig, daß der Nachschub an Rekruten nicht ins Stocken kommt. Und doch versuchen diese lausigen Kolonisten, uns dabei zu behindern, wie Sie sehen.« »Wirklich unbegreiflich«, stimmte ihm Mekron zu. »Sie sagen eben etwas von ›Nachhilfeunterricht‹, Moringol. Was ge denken Sie zu unternehmen?« Der Geheimdienstler lächelte hämisch. »Wir werden uns den Gouverneur greifen, Mondträger. Ich habe Vollmachten, die mir seine Hinrichtung ohne gerichtliche Aburtei
50 lung erlauben. Das wird den Leuten eine wirksame Lehre für alle Zeiten sein.« Er sah den letzten Rekruten nach, die ge rade die Rampe passierten und in der Schleuse verschwanden. Plötzlich nahm sein Gesicht einen nachdenklichen Ausdruck an. »Sind wir beide uns nicht früher schon ein mal begegnet, Mekron? Ihr Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor, ich weiß nur nicht, woher.« Mekron Dermitron versteifte sich inner lich. Sein gewagter Bluff war schon so gut wie gelungen, es fehlten nur noch Minuten bis zum erfolgreichen Abschluß. Sollte es jetzt, im letzten Augenblick, doch noch Är ger geben …? Er beherrschte sich meisterhaft, obwohl alles in ihm fieberte. »Ich glaube nicht, daß wir uns irgendwie kennen, Moringol«, gab er mit ruhiger Stimme zurück. »Schließlich war ich nie zuvor auf Sarkomier, und … Ja, was gibt es, Olvan?« Der Navigator war auf ihn zugetreten und salutierte. »Die Einschiffung ist beendet, Er habener. Der Erste Offizier läßt Ihnen be stellen, daß wir bereits in fünf Minuten abf liegen können.« Dermitron dankte kurz und wandte sich wieder um. »Ich bin dafür, daß Sie auf Ihr Strafexempel verzichten, es würde uns nur unnütz Zeit kosten. Es dürfte doch wohl ge nügen, wenn Sie beim Flottenkommando Meldung über die Vorfälle hier machen. Sollen es doch andere übernehmen, die reni tenten Leute angemessen zu bestrafen. Ru fen Sie Ihre Männer zusammen …« Er unterbrach sich, denn er sah, wie sich die Züge des Geheimdienstbeamten plötz lich verzerrten. »Jetzt weiß ich, woher ich Sie kenne!« rief Moringol aus, und seine Hand fuhr zur Waffe. »Ein Mondträger Me kron Dermitron steht auf der Fahndungsliste – Sie sind ein schmutziger Deser …« Seine Worte erstickten in einem Gurgeln, als ihn der Strahl aus Dermitrons Waffe in die Brust traf. Er hatte zuerst gezogen, aber der Mondträger war trotzdem schneller ge wesen. Reaktionsschnell wirbelte er herum
Harvey Patton und feuerte nun auf Larschinok, der gleich falls seinen Strahler gezogen hatte. Der Offi zier sackte neben Moringol zusammen und hielt sich stöhnend die rechte Schulter. Von ihm drohte keine Gefahr mehr. Dafür griffen nun die anderen Männer des Rekrutierungskommandos ein. Sie hatten al les mitangehört und ihre Anführer fallen se hen. Hastig warf sich der Mondträger zu Bo den, die Strahlbahnen mehrerer Waffen zuckten dicht über ihn hinweg. Er wälzte sich sofort zur Seite, gerade noch rechtzei tig, um einer weiteren Salve zu entgehen. Sein Leben und der Erfolg des gesamten Unternehmens stand auf des Messers Schneide. Doch auch seine zwölf Leute hatten nun ihre Schrecksekunde überwunden. Sie fan den hinter der Rampe Deckung und schos sen von dort aus auf die Angreifer. Sie tra fen gut, aber es gab trotzdem keine weiteren Opfer mehr. Ihre Kombistrahler waren auf Paralyse geschaltet und setzten die Gegner außer Gefecht, ohne sie zu töten. Innerhalb weniger Sekunden war alles vorbei. Dermitron erhob sich und sah nach Larschinok, der sich mühsam wieder halb aufgerichtet hatte. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, doch aus seinen Augen schlug dem Mondträger blanker Haß entge gen. »Sie elender Verräter!« ächzte er. »Das Imperium steht im Kampf gegen einen uner bittlichen Feind, und doch finden sich noch Subjekte wie Sie, die ihn sabotieren. Wir können Sie es mit Ihrem Gewissen vereinba ren, daß dadurch die Zahl unserer Opfer noch größer wird?« Dermitron schüttelte den Kopf. »Haben Sie es denn immer noch nicht begriffen, Lar schinok? Wenn Arkon wirklich diesen Krieg verliert, ist das ausschließlich die Schuld Or banaschols und seiner unfähigen Günstlinge! Hat er sich auch nur einmal bei der kämp fenden Flotte blicken lassen, wie früher Go nozal? Denken Sie nur einmal an Marlacks kor, Kommandant, vielleicht gehen Ihnen dann die Augen auf.«
Brennpunkt Cherkaton Im nächsten Moment dröhnte Salmoons Stimme aus den Außenlautsprecher der ME DON. »Alarm, Mekron! Eben sind zwei große Schiffe aus dem Hyperraum gekom men und nehmen Kurs auf Cherkaton. Sie werden den Planeten in spätestens einer Stunde erreichen.« Das wird verdammt knapp! dachte der Mondträger. »Alle zurück ins Schiff«, be fahl er hastig. »Die Kolonisten werden sich um Larschinok und seine Leute kümmern. Für uns kommt es jetzt auf jede Sekunde an.« Eine halbe Minute später hob die ME DON ab und schoß in den Morgenhimmel empor. Die guten Wünsche aller Bewohner von Cherkaton begleiteten sie und ihre Söh ne, die mit ihr flogen.
* Dermitron sah besorgt auf den Ortungs schirm, auf dem zwei grüne Punkte immer deutlicher sichtbar wurden. Sie wirkten klein und unscheinbar, aber dieser Eindruck täuschte. Es handelte sich um zwei Schlacht schiffe der Arkonflotte von je achthundert Meter Durchmesser, die sich unerbittlich im mer näher an die MEDON heranschoben. Sie hatten das Schiff von Kraumon sofort geortet, als es von Cherkaton aufgestiegen war. Auf Funkanrufe hatte Mekron natürlich nicht geantwortet. Daraufhin hatten sie den Anflug auf den Planeten abgebrochen und sich sofort an die Verfolgung gemacht. Ihre Triebwerke waren weit stärker als die der MEDON, und das machte sich nun unlieb sam bemerkbar. »Werden wir es schaffen, Waynjoon?« fragte der Kommandant. Der Pilot zuckte mit den Schultern. Sein Gesicht war ange spannt und hätte das übliche Lächeln verlo ren. »Schwer zu sagen, Mekron. Ich hole al les aus den Triebwerken heraus, aber die an deren sind uns um 200 km/sek überlegen.« »Ascarmon hätte sie aufhalten sollen«, warf Salmoon ein. »Vielleicht hätten sie ihm das Märchen vom Prospektorenschiff ge
51 glaubt und uns unbehelligt gelassen.« Dermitron schüttelte den Kopf. »Er hat mir etwas Ähnliches angeboten, aber ich ha be strikt abgelehnt. Er mußte alles tun, um die Kolonisten zu schützen, das habe ich ihm klargemacht. Nur eine sofortige Infor mation über unseren 'Überfall' konnte ver hindern, daß sie in den Verdacht der Kolla boration gerieten. Geraban wird ohnehin ei niges zu tun haben, um sich da herauszuwin den. Er müßte es aber schaffen, ich habe ihm die nötigen Richtlinien gegeben. Daß er noch einmal umschwenkt, ist nicht zu be fürchten, ihm sind die Augen aufgegangen.« Die Männer schwiegen wieder und starr ten auf die Instrumente. Das Arbeitsge räusch der überlasteten Konverter, Transfor mer und Triebwerke drang trotz der Isolie rungen dröhnend bis in die Kommandozen trale durch. Die Verfolger waren noch mehr als eine Million Kilometer entfernt, aber die Distanz verringerte sich mit jeder Sekunde weiter. Die MEDON hatte von Null aus be schleunigen müssen, während die Schlacht schiffe bereits mit etwa einem Viertel der Lichtgeschwindigkeit geflogen waren, als die Jagd begann. »Noch zehn Minuten bis zum Erreichen der Transitionsfahrt«, meldete Waynjoon nach einer Weile. »Das wird zu knapp, Me kron! In spätestens acht Minuten werden wir in Reichweite ihrer Geschütze sein.« »Nottransition?« fragte Ventron wortkarg wie üblich. Der Mondträger winkte ab. »Nicht mit diesem überladenen Schiff, der Schock wäre zu stark. Wir könnten ihn in unseren Kontursitzen noch ertragen, zumal wir daran gewöhnt sind. Nicht aber die mehr als vierhundert jungen Männer, die unten im Laderaum zusammengepfercht sind! Nein, wir müssen es so durchstehen.« Die MEDON befand sich längst in voller Gefechtsbereitschaft. Nur der Schutzschirm war noch nicht eingeschaltet, die dafür not wendige Energie wurde mit zu den Trieb werken geleitet. Der Mondträger machte sich jedoch keine Illusionen über den Aus gang eines etwaigen Kampfes. Zwei große
52 Schlachtschiffe gegen einen Kreuzer der Mittelklasse, das war einfach zuviel. Gab es keinen Weg mehr, dieser Konfron tation aus dem Wege zu gehen? Dermitron überlegte angestrengt. Seine Augen wanderten während des Nachdenkens umher und blieben schließlich an der Ruf lampe des Funkgeräts hängen, die noch im mer flackerte. Rasch erhob er sich und ging auf das Funkpult zu. Salmoon sah ihn ver wundert an. »Wollen Sie doch mit ihnen reden, Me kron? Das dürfte wohl ziemlich aussichtslos sein; schließlich wissen die anderen längst, mit wem sie es zu tun haben.« »Ein Versuch kann nie schaden«, sagte Mekron lakonisch und aktivierte das Gerät. »Solange man miteinander redet, wird im allgemeinen nicht geschossen. Wir haben es hier schließlich mit Arkoniden zu tun, nicht mit Maahks.« Der Bildschirm erhellte sich, das Abbild eines Arbtans der Flotte wurde sichtbar. »… an fliehendes Schiff«, sagte er gerade. »Wir fordern Sie letztmalig auf, sofort zu stoppen und sich zu ergeben, anderenfalls wird das Feuer eröffnet. Melden Sie sich!« Der Mondträger schaltete nun auch den Sendeteil ein. Er war nun auf den Schirmen der Verfolger zu sehen, und der Arbtan rea gierte sofort. Er nahm eine Schaltung vor, die Bildfläche in der MEDON wurde grau. Dann erschien auf ihr das Gesicht eines älte ren Mannes, und Dermitron riß verblüfft die Augen auf. »Sie, Sonnenträger Mantasch …?« sagte er fassungslos, als er seinen frü heren Vorgesetzten vom 187. Jagdgeschwa der sah. Gerade mit ihm hatte er sich immer gut verstanden, sie hatten auch Seite an Seite gegen die Maahks gekämpft, bis Mekrons Schiff zusammengeschossen worden war. »Sie, Dermitron …?« gab Mantasch nicht weniger verwundert zurück. »Verdammt, jetzt komme ich einfach nicht mehr mit! Sit zen denn drüben auf Cherkaton lauter Idio ten? Man hat uns angerufen und etwas von einem Handstreich angeblicher Anhänger Atlans gefaselt. Dann startete Ihr Schiff, und
Harvey Patton wir haben es daraufhin natürlich verfolgt. Warum haben Sie sich nur nicht schon frü her gemeldet? Es kann sich doch nur um ein Mißverständnis handeln, das schnell aus der Welt zu schaffen ist.« Das Gesicht des Sonnenträgers schien un bewegt, aber Mekron sah das kaum wahr nehmbare Blinzeln seiner Augen. Guter alter Mantasch! dachte er gerührt. Er hat natürlich längst alles begriffen, aber er hat auch die Zeiten des gemeinsamen Kampfes nicht ver gessen. Jetzt will er mir eine Brücke bauen – und die ist sogar gangbar! Ich trage schließ lich meine alte Flottenuniform, niemand sonst kann ahnen, daß ich nicht mehr echt bin … Er ergriff seine Chance mit beiden Hän den. »Auf Cherkaton muß tatsächlich etwas Ungewöhnliches passiert sein, Sonnenträger. Wir fingen einige konfuse Funksprüche auf, konnten uns jedoch nicht darum kümmern. Wir hatten einen Geheimauftrag und die Or der, uns keinesfalls blicken zu lassen. Nur deshalb sind wir überstürzt gestartet. Sie ha ben offenbar die Falschen verfolgt, vermut lich sitzen Atlans Piraten noch drüben auf dem Planeten, falls es sie überhaupt gibt.« Mantasch nickte langsam. »Ein Geheim auftrag also – das erklärt vieles. Man hätte uns davon unterrichten sollen, aber die Dienstwege in der Flotte sind bekanntlich lang. Gut, ich vertraue Ihrem Wort und lasse die Verfolgung einstellen. Weiterhin alles Gute, Dermitron.« »Danke, Sonnenträger!« gab Mekron un endlich erleichtert zurück. Die beiden Schlachtschiffe fielen rasch zurück, fünf Mi nuten später transitierte die MEDON und war in Sicherheit.
11. »Das darf doch nicht wahr sein!« sagte Morvoner Sprangk perplex. »Daß ein einzel ner Mann soviel Glück hat, grenzt wirklich schon ans Unwahrscheinliche. Sie scheinen ein ganz besonderer Liebling der Götter zu sein, Dermitron.«
Brennpunkt Cherkaton Der Mondträger zuckte mit den Schultern. »Dann haben sich die Götter früher aber gut verstellt, Kommandant«, gab er sarkastisch zurück. »Sie haben schließlich zugelassen, daß Orbanaschol meine Familie ins Unglück stürzte und noch einiges mehr. Daß ich nach der Zerstörung der HADESCHA mit dem Leben davonkam, habe ich auch nur dem Geschick eines Bauchaufschneiders auf Ol keep zu verdanken.« Sprangk schüttelte den kahlen Kopf. »Ich sehe das anders«, bemerkte er in seiner nüchternen und pragmatischen Art. »Die Götter helfen nur dem Tüchtigen, wie das al te Wort sagt, auch wenn sie ihn zuvor prü fen.« Dermitron nickte lächelnd. »Gut, belassen wir es dabei. Die Götter müssen für so vieles herhalten, warum nicht auch hier? Sie haben Letschyboa auf den Gedanken gebracht, mir die Codegeber auszuhändigen, ohne die wir nie in Hengs Stützpunkt gelangt wären. Auch alles weitere haben sie geradezu vor bildlich gelenkt. Die Krönung des Ganzen war dann, daß ich im entscheidenden Au genblick ausgerechnet auf Mantasch traf, der vor ein paar Monaten noch in einem weit entfernten Raumsektor seine Einsätze flog …« Plötzlich wurde er ernst. »Sie haben recht, Kommandant, etwas scheint doch daran zu sein, wenn man es recht bedenkt. Hoffent lich helfen die Götter jetzt auch den Leuten auf Cherkaton und Mantasch, sich gut aus der Affäre zu ziehen!« Der alte Haudegen wiegte den Kopf. »Der Sonnenträger wird sich schon zu helfen wis sen. Er ist jetzt Kommandant eines neuen großen Schiffes. Als solcher hat er genügend zu tun und kann sich nicht auch noch um die Fahndungslisten kümmern, die mittlerweile wohl den Umfang eines Lexikons angenom men haben dürften. Natürlich wird man ihn maßregeln, aber mehr wohl kaum, ein Son nenträger ist nicht irgendwer. Auch um die Kolonisten sollten Sie sich keine großen Sorgen machen. Wenn sie sich an den Plan halten, den Sie für sie entworfen haben, wird
53 man ihnen nichts beweisen können. Der Gouverneur wird alles auf Sie schieben; Mo ringol ist tot, Larschinok und seine Männer haben praktisch von nichts gewußt. Der ein zige wirkliche Bösewicht werden Sie sein.« »Ich will versuchen, es mit Fassung zutra gen«, grinste Mekron. »Auf jeden Fall haben wir dem Imperator gleich zwei böse Streiche gespielt: Wir haben nicht nur Hengs Ge heimstützpunkt ausgeräumt, sondern auch noch über vierhundert neue Anhänger für Atlan gewonnen! Die jungen Männer haben spontan erklärt, mit uns gegen Orbanaschol kämpfen zu wollen. Er wird toben, wenn er von den Ereignissen erfährt.« »Das wird ihm nicht mehr viel nützen«, meinte Sprangk, über dessen narbiges Ge sicht ein Lächeln flog. »Dafür dürfte sich die Nachricht schnell herumsprechen, und auch das bringt uns doppelten Nutzen. Das Presti ge des Dicken auf Arkon I wird weiter abge baut, während das Atlans eine Aufwertung erfährt. Wir haben Ihnen wirklich viel zu verdanken, Dermitron.« Der Mondträger winkte ab. »Genug der Lobreden, Kommandant. Meine Männer ha ben auch ihr Teil dazu beigetragen, einer hat sogar sein Leben lassen müssen. Und was gibt es Neues hier auf Kraumon? Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, mich mit anderen zu unterhalten, weil ich Ihnen um gehend Bericht erstatten wollte.« Sprangk schmunzelte. »Die Stimmung hier hat sich merklich gebessert, seit bekannt geworden ist, daß in absehbarer Zeit mit At lans Ankunft zu rechnen ist. Er hat einen langen Irrweg hinter sich, befindet sich jetzt aber wieder im Bereich des Großen Imperi ums. Die Sonnenträgerin Karmina Arthamin brachte uns diese gute Nachricht.« »Dann ist also die restliche Besatzung der ISCHTAR inzwischen zurückgekehrt?« fragte Dermitron überrascht. Der Komman dant nickte. »Alle bis auf Atlan und Fartuloon. Es ist ihnen gelungen, sich auf dem Planeten Trav nor ein Schiff anzueignen und damit zu ent kommen. Sie waren lange unterwegs, hatten
54
Harvey Patton
allerdings nicht mit so großen Schwierigkei ten zu kämpfen, wie Trubatos in der ISCHT AR. Karmina hat übrigens auch berichtet, daß es überall im Imperium zu gären be ginnt. Die Aussage des Robotgehirns anläß lich der 'Wahlen' hat den Leuten doch sehr zu denken gegeben, die fortgesetzten Über griffe von Orbanaschols Vasallen schaffen zusätzlich böses Blut. Viele hoffen jetzt be reits auf Atlan, unter dem alles besser wer den soll.« Dermitron nickte. »Es ist auch wirklich höchste Zeit, daß etwas geschieht, Komman dant. Arkons Feinde im Innern müssen aus geschaltet werden, damit die wirklichen Feinde wirksam bekämpft werden können: die Maahks!« »Alles zu seiner Zeit«, sagte Morvoner Sprangk. »Mit den paar Schiffen, die wir be sitzen, können wir beim besten Willen nichts in dieser Richtung tun. Sie werden Ih ren Haß auf die Methans vorläufig noch zü geln müssen, wenn Sie nicht wie diesmal zu fällig auf sie stoßen.« Der Mondträger nippte nachdenklich an seinem Glas und sah dann auf. »Das Versor gungsproblem für Kraumon ist ja nun für ei nige Zeit gelöst. Dafür ist mir aber auf Cher katon eine Idee gekommen, wie ich einen neuen Einsatz mit der MEDON in Angriff nehmen könnte. Allerdings müßte ich des wegen zuerst Rücksprache mit Bragos Ne schbar halten. Er wird mir sagen können, ob die nötigen Voraussetzungen gegeben sind.« Sprangk erhob sich und klopfte ihm auf
die Schulter. »Sie werden Ihren Eifer noch etwas be zähmen müssen, Mekron. Der Beschaf fungsmeister wird noch Tage daran verwen den müssen, all die schönen Dinge zu regi strieren und zu verteilen, die Sie uns ge bracht haben. Ruhen Sie sich inzwischen richtig aus, das haben Sie und Ihre Männer verdient.«
* »Da fliegen sie ab!« sagte Sofartes, als die Silhouetten der beiden Schlachtschiffe im Himmel über Cherkan verschwanden. »Das waren wirklich böse Tage für uns, Geraban. Wie haben Sie es nur geschafft, auf die vie len Fragen der Geheimdienstler immer eine befriedigende Antwort zu finden?« Der Gouverneur lächelte tiefsinnig. »Ich habe an jene Worte gedacht, die Mekron während unserer Beratung sagte: 'Es hängt alles davon ab, wie überzeugend Sie auftre ten können.' Sie haben mich angespornt, ob wohl ich innerlich meist gezittert habe. Er hat mir ein Beispiel gegeben und die Augen geöffnet.« Sofartes nickte. »Er ist wirklich ein außer gewöhnlicher Mann, den ich gern wiederse hen würde. Vielleicht erinnert er sich eines Tages an uns, wenn Atlan das Imperium be freit hat …«
ENDE
Lesen Sie nächste Woche ATLAN Nr. 266: Die Partisanen von Whark von Hans Kneifel Sie suchen den Weg nach Arkon – der Minen planet soll der Ausgangspunkt sein Überall im Zeitschriften- und Bahnhofsbuchhandel erhält lich.