Babylon in Hongkong
Sinclair Crew John Sinclair TB Nr. 106 von Jason Dark, erschienen am 09.01.1990, Titelbild: Vicent...
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Babylon in Hongkong
Sinclair Crew John Sinclair TB Nr. 106 von Jason Dark, erschienen am 09.01.1990, Titelbild: Vicente Ballestar
Selten zuvor hatte ich meinen Freund Suko so aufgeregt gesehen. Er hatte Post von seinem Vater bekommen, einem Mann, der längst tot war. Oder nicht? Suko wollte es wissen. Wir jetteten nach Hongkong, in eine Stadt voll Gegensätze. Wo sich die westlichen und asiatischen Kulturen trafen, gerieten wir in den Brennpunkt einer mörderischen Magie, in die sich auch Shao, das Mädchen aus dem Jenseits einschaltete...
Suko band den Knoten des Handtuchs dicht über seinem Bauchnabel fest, wollte die Spindtür schließen und blieb plötzlich stehen. Etwas störte ihn. Nicht die Ruhe innerhalb der Umkleidekabine, auch nicht das Schimpfen des Bademeisters draußen, der sich mit einigen Halbwüchsigen angelegt hatte, und ebenfalls nicht das gelbliche Licht, das nur spärlich durch die dicken Glasbausteine an der Westseite des Baues sickerte. Es war ein heftiges Atmen, das ihn aufhorchen ließ. Es hörte sich an, als würde ein Mensch keuchen, der einen langen Lauf hinter sich hatte. Suko rührte sich nicht. Sein trainierter Instinkt, gepaart mit einem hellwachen Verstand, sagte ihm, daß er in den nächsten Sekunden eine Überraschung erleben würde. Er wollte die Spindtür wieder aufziehen, um die Beretta herauszuholen, überlegte es sich aber, weil das Geräusch der sich öffnenden Tür den anderen unter Umständen hätte warnen können. So wartete er ab. Er schlüpfte nur aus den Badelatschen, denn barfüßig hatte er einen besseren Halt, wenn es darauf ankam. Sein Spind war der letzte in der langen Reihe. Die Bodenfliesen glänzten nur matt, sie würden später geputzt werden. Dann sah er ihn. Er tauchte am Ende der schmalen Spindreihe auf. Ein noch junger Mann, ziemlich nachlässig gekleidet. Um die Stirn trug er einen blassen Reifen, der das lange, pechschwarze Haar in Form hielt. Hatte er gekeucht? Der junge Mann schaute sich vorsichtig um. Er wischte die nassen Handflächen am Stoff der Jeans ab, bevor er Suko anstarrte. Suko entspannte sich, weil er keine Waffe bei dem Ankömmling entdecken konnte. Er ließ ihn herankommen. Als der Schmalschultrige die Distanz um die Hälfte verkürzt hatte, sprach Suko ihn an. »Wollen Sie zu mir, Mister?« »Sind Sie Suko?« »Seit meiner Geburt.« Der andere lachte. »Geburt ist gut.« »Und wie heißen Sie?« »Nennen Sie mich einfach den Namenlosen. Ich habe vergessen, wie ich heiße.« Suko grinste schief. »Namenlos haben Sie gesagt? Wissen Sie, ich habe es mir zum Prinzip gemacht, mit Namenlosen nicht zu sprechen.« »Kann sein.« »Dann verschwinden Sie .. .« »Nein, nein, Sie verstehen mich falsch.« Der junge
Mann streckte seinen Arm aus. »Mit mir werden Sie reden müssen, Suko. Ich habe Ihnen nämlich etwas zu übergeben.« »Was?« Der Junge gab nicht sofort eine Antwort. Wieder schaute er sich um, als hätte er Furcht davor, überrascht zu werden. Das stieß Suko sauer auf. »Was ist mit Ihnen, Meister? Weshalb schauen Sie sich um?« »Ich . . . ich habe so ein Gefühl.« »Werden Sie verfolgt?« »Eigentlich dachte ich, sie abgeschüttelt zu haben. Aber jetzt. . .« Er räusperte sich. »Ist auch egal. Ich bin nurderÜber-bringer, mehr nicht. Mehr will ich auch nicht sein.« »Was wollen Sie mir geben?« Der Namenlose atmete tief durch. »Eine Nachricht, mehr nicht. Ich habe den Brief bekommen und . . .« »Wer ist der Absender?« »Ihr . . .« Weiter kam der junge Mann nicht. Plötzlich entstand hinter ihm, genau dort, wo die lange Reihe der Spindschränke aufhörte, eine Bewegung. Es machte >puffSind Sie wahnsinnig!klebte
chic< gemacht hatte, weil sie mit ihrem Lover ausging. An der Rezeption zeigte man mir das freundliche Lächeln. Ich erkundigte mich, ob jemand eine Nachricht für micht hinterlassen hatte. Das Mädchen schaute nach, drehte sich wieder lächelnd um und hob dabei bedauernd die Schultern. »Nichts, Sir, tut mir leid.« »Mir auch, danke.« Mitten in der Halle blieb ich stehen, rauchte eine Zigarette, hörte dem Klavierspieler zu, ohne etwas von den Melodien mitzubekommen, in weiches Licht getaucht, das über die Ledersessel und den beigebraunen Teppich floß. Was sollte ich tun? Mich mit Superintendent Demi-son in Verbindung setzen? Das brachte nichts, der Mann würde mich bedauern oder auslachen. Was die weißen Masken in die Hand nehmen, das taten sie gründlich. Da waren sie perfekt. Suko und ich hatten vorgehabt, dem Knochensetzer einen Besuch abzustatten. Und diesen Plan wollte ich nicht fallenlassen. Falls es eine Chance gab, etwas über Suko zu erfahren, dann auf diese Art und Weise. Der Knochensetzer war in Hongkong ein ungewöhnlicher Mann, der einen noch ungewöhnlicheren Beruf ausübte. Möglicherweise kannte er sich aus, konnte ich von ihm mehr über die weißen Masken erfahren, wobei ich auch davon ausgehen mußte, daß er sich einem Europäer gegenüber sehr verschlossen zeigte. Hongkong — welch eine Stadt. Unter der Oberfläche brodelte sie, wobei sie ansonsten ein anderes, ein kaltes Gesicht zeigte, wie die Fassaden mancher Hotelbauten. Hongkong hatte es tatsächlich geschafft, verschiedene Gesellschaftsformen miteinander zu mischen. Taoismus, Buddhismus lebten heute hautnah mit messerscharfer Technologie und Geschäftssinn zusammen. Religion, Aberglaube und überlieferte Wissenschaften wie die des Knochensetzers sind zu einer ungewöhnlichen Mischung aus Zweckdenken und Schicksalergebenheit verflochten. Einem Touristen wird, wenn er in der Stadt nach billigen
Waren stöbert, davon kaum etwas auffallen, aber der Fremde kann davon ausgehen, daß die Türen und Eingänge der Geschäfte, die Anordnung von Theken, Farben, Materialien, Stühlen und Tischen nach den Regeln des feng-shuiersonnen wurden. Daran mußte ich denken, als ich vor der hellerleuchteten Fassade des Hotels stand und mir von einem uniformierten Portier ein Taxi heranwinken ließ, was etwas dauerte, denn vor mir enterten Männerhorden aus Europa gleich fünf Wagen. Schließlich hielt der sechste. Der Fahrer war schon älter, nickte mir freundlich zu und fragte nach dem Ziel. »Wan Chai«, sagte ich. »Oh.« Er lächelte verständnisvoll. »Wollen Sie in Hongkong eine tolle Nacht verbringen, Sir?« »Mal schauen.« »Nun ja, da könnte ich Ihnen behilflich sein. Offiziell gibt es bei uns keine Prostitution. Bei uns läuft es mehr hinter den Fassaden. Es gibt natürlich genügend Mädchen, die sie mitnehmen können, aber die wirkliche Klasse erleben Sie in den Clubs, deren Adressen sehr geheim und nur Eingeweihten bekannt sind.« »Daran hatte ich eigentlich nicht gedacht.« »Was wollen Sie dann dort?« Er hielt vor einer Ampel. Ströme von Nachtschwärmern gingen über die Straße. »Ich wollte eigentlich mehr in die Basare.« »Ah — einkaufen?« »Auch.« »Da kenne ich bessere Läden. In den Basaren werden sie betrogen, glauben Sie mir.« »Vielleicht, ich suche nach einem bestimmten Laden, denn ich will keine Kamera zum Sonderpreis und auch keine Rolex-Imitation, weil ich eine echte trage.« »Sie sind wohl Fachmann?« »Mehr oder weniger.« Ich versuchte es geradeheraus. »Kennen Sie Cheng Wang, Mister?« »Wer soll das sein?« »Ein Knochensetzer.« Der Fahrer schwieg zunächst. Ich wurde das Gefühl nicht los, ins Schwarze getroffen zu haben, ein Glücksfall wahrscheinlich. Ein jüngerer Mann hätte mir da wohl nicht helfen können. Lichter huschten in einer wirbelnden Vielfalt und Farbenpracht zu beiden Seiten vorbei, daß sie mir schon sinnverwirrend vorkamen. Hongkong spie sein Angebot an Vergnügen auch äußerlich aus. Dazwischen schleichende, hupende Autos, Fußgänger, Gerüche, die aus Garküchen über die Fahrbahnen wehten und Appetit machten. Ich sah die Kochstellen unter Zeltdächern im grellen Licht der Leuchtstoffröhren und entdeckte auch elegante Restaurants auf dem Wasser, das ich hin und wieder wie einen dunklen Spiegel zwischen den
Lücken in den langen Baureihen entdeckte, auf dem sich zahlreiche Lichtreflexe ein schon künstlerisch anmutendes Stelldichein gaben. »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet«, wandte ich mich an den Fahrer. »Das weiß ich.« »Na und?« Er hielt an, weil jemand mehrere Hunde über die Straße führte. Sie hingen an starken Leinen, bellten wütend und zerrten kräftig. »Die wissen Bescheid, daß sie geschlachtet und enthäutet werden«, sagte der Fahrer leise. »Das ist nichts für Europäer. Ihr mögt kein Hundefleisch. Überhaupt sollte der Fremde sich in Hongkong an die Dinge halten, die für ihn gemacht sind.« »Und nicht nach Knochensetzern fragen, wie?« Der Mann ließ den Wagen anrollen. »Wenn Sie es so sehen, muß ich Ihnen recht geben. Das Knochensetzen ist etwas Heiliges, man soll es nicht europäisieren.« »Das will ich auch nicht.« »Sind Sie Arzt, Sir?« »Nein.« »Ich will auch nicht unhöflich sen, aber ich frage mich...« »Sie brauchen sich nicht weiter etwas zu fragen. Ich will mit Cheng Wang über eine andere Sache reden, und die ist nicht negativ. Begreifen Sie das nicht?« Er mußte wieder stoppen und drehte sich zu mir um. Im Schein der Reklamebeleuchtung hatte sein Gesicht einen grünen Schimmer bekommen. So sahen Wasserleichen aus. »Nun?« fragte ich. Sehr bedächtig nickte er. »Ich kann in des Teufels Küche gelangen, aber ich tue es, Sir. Ich bringe Sie hin. Ihre Augen blicken nicht falsch. Ich lese darin, daß Sie einen triftigen Grund haben, Cheng Wang zu besuchen. Nur sagen Sie ihm bitte nicht, daß ich Sie hergebracht habe. Er würde es nicht gern hören.« »Schon vergessen — und danke.« Er fuhr wieder an. Bisher hatten wir uns auf einer Hauptstraße befunden. An der nächsten Kreuzung lenkte er den Wagen nach links. Dort führte der Weg auch zum Hafen. Davon sah ich nichts, denn ich befand mich wenig später mitten im Basar, wo für das Taxi kein Durchkommen mehr war. Wir fanden kaum einen Platz zum Halten. Zur Rechnung legte ich ein anständiges Trinkgeld, über das sich der Fahrer freute. Er schärfte mir noch einmal ein, den Mund zu halten, und wünschte mir den Segen aller Glücksgötter. »Ja, den werde ich brauchen können.« Dann schlug ich die Tür von außen zu und kam mir vor wie auf einer lärmenden Insel. Der Fahrer
hatte mir noch gesagt, daß Cheng Wangs Faden etwa hundert Yards weiter vorn auf der linken Seite liegen würde. Die Straße war ein Schlauch. Eingerahmt von den unterschiedlichsten Häusern und Bauten, ein wahnsinniger Wirrwarr von Fassaden, Türen, Eingängen, Durchlässen und Schlupflöchern, in dem sich ein Fremder unweigerlich verirren mußte. Und immer wieder dieses blitzende, grelle Licht, schreiend bunt, eingepackt in einem ewigen Singsang von Stimmen, Lachen, Schreien oder Musik, die ebenfalls aus vielen Läden schrillte, denn dort liefen die Bil-lig-Kassetten. Wer hier war, der kaufte ein. Es gab nur wenige, die nicht eine prallgefüllte Tüte oder Tasche bei sich trugen. Hier drängelte und schoben sich die Menschen in verschiedene Richtungen, überwölkt von Dampfschwaden, die aus zahlreichen kleinen Imbißbuden und Restaurants drangen. Zahlreiche Köche zauberten in ihren Woks, jenen typisch asiatischen Kochkesseln, die schmackhaftesten Gerichte. Zwar verspürte ich Hunger, ließ mir aber nicht die Zeit, etwas zu mir zu nehmen. Ich ging nur vorbei an den Krebsen, den Fischen, dem Fleisch, dem Gemüse, den Hühnern, Enten und Gänsen, die, schon gerupft, vor den Lokalen hingen und gleichzeitig Landeplätze für zahlreiche Fliegen waren, eine Tatsache, die es mir leichter machte, aufs Essen zu verzichten. In diesem Gedränge war sich jeder selbst der Nächste. Da fiel es zudem nicht auf, wenn einer den anderen verfolgte. Ich ging immer davon aus, beobachtet zu werden. Die weißen Masken hatten ihr Netz eben zu dicht gespannt. Etwas typisch Chinesisches entdeckte ich nicht, wenigstens nichts Altes. Hier zollte man den dollarschwangeren Touristen Tribut. Einige Male wurde ich angesprochen. Man wollte mich zu den tollsten Mädchen führen, man bot mir auch die Freuden des Himmels — sprich Opium — an, oder wollte mir die besten Anzüge der Welt auf den Leib schneidern. »Pure silk, Sir, reine Seide.. .« »Schon gut.« Ich schlenderte weiter. Hellwach, aufmerksam, fast immer auf dem Sprung stehend. Grell geschminkte Mädchen verkauften in schmalen, schlauchähnlichen Geschäften die Billigwaren der Unterhaltungsindustrie. Von der Filmkamera, den Taschenrechnern bis hin zu Kassetten, Recordern und TV-Apparaten war alles zu haben. Mich interessierten die Angebote nicht die Bohne, ich suchte einzig und allein den Laden von Cheng Wang. Es dauerte seine Zeit, wenn man fast hundert Yards in einer prallgefüllten Gasse wie dieser zurücklegen will. Dabei behielt ich die
linke Seite besonders im Auge und wunderte mich plötzlich, daß die Menschenströme weniger wurden. Der Grund war klar. Eis gab weniger Geschäfte. Läden, die nicht mehr den Kram verkauften, sondern andere Dinge. Vögel, Gewürze, Haustiere, Heuschrecken, frisch aus China importiert, und noch eine größere Garküche, die nach vorn hin offen war und wo mehrere Köche lächelnd mit ihren Woks hantierten. Die Gefäße standen auf Gaskochern, wurden von langen Flammenzungen knatternd umweht, während Huhn, Fisch oder Fleisch in das siedende Fett glitten. Der köstliche Rauch trieb auch mir das Wasser im Mund zusammen, und das einladende Lächeln der Köche trug dazu bei, daß ich fast umfiel. Dann dachte ich an Suko, an meinen Job und ging weiter. Auf der linken Seite, der großen Garküche schräg gegenüber und beinahe in der Dunkelheit versteckt, fand ich den Laden. Über der schmalen Eingangstür brannte eine einsame Lampe. Ihr Schein fiel gegen chinesische Schriftzeichen, die ich nicht entziffern konnte. Die Tür sah verschlossen aus, sie war sehr schmal, kaum breiter als das Schaufenster, hinter dessen Scheibe die gelblichen Knochen eines Skeletts sich deutlich vom samtschwarzen Hintergrund der Bespannung abhoben. Hatte Cheng Wang geschlossen? Ich hoffte es nicht, probierte die Klinke, mußte mich etwas gegen die Tür stemmen und hörte über mir ein leises Glockenspiel. Ich warf einen Blick nach oben. Im genau richtigen Winkel hingen durch kleine Glocken verzierte Knochen, die von der Türkante angestoßen und zum Klingen gebracht wurden. Sanft schloß ich die Für hinter mir. Der Laden war alt, dunkel und ein einziges Durcheinander. Als Fremder kam ich mir in dieser Enge verloren vor, denn erst im Hintergrund des Ladens brannte Licht. Der Schein mußte von Öllampen abgegeben werden. Nach meinem Geschmack strahlte das schwache Licht etwas Beruhigendes aus. Ich ging die ersten Schritte und hörte es unter meinen Sohlen knirschen. Es lag an den zahlreichen Kräutern, mit denen der Boden bedeckt war. Sie strömten einen sehr frischen Geruch aus, der mich irgendwie wieder mobil machte. Regale engten den schlauchartigen Weg noch mehr ein. In den Fächern standen Medizinflaschen der unterschiedlichsten Größen und der verschiedensten Inhalte. Auf einer schmalen Theke leuchteten in einem hellen Weiß dicke Mullbinden-Pakete. Ein Teil der Wand, sogar etwas zurückgebaut, bestand aus zahlreichen Holzschubladen. Es waren bestimmt über hundert tiefe Schubfächer wie
in einer alten Apotheke oder Eisen warenhandlung. Jede Schublade enthielt eine andere Mischung von Kräutern, deren Aroma durch die Ritzen drang und sich zu einer Duftnote vermischte, wie ich sie zuvor noch nie kennengelernt hatte. Die Schubladen waren in englischer und chinesischer Sprache beschriftet. Aus Interesse und Faszination begann ich zu lesen. Exotische Mittelchen wie Pilze, Seepferdchen, Hirschschwänze, Affenhaar, Seegras, Tang und sogar Teesorten. Langsam ging ich weiter. Wahrscheinlich war ich der einzige Kunde oder Patient in Cheng Wangs Laden. Der Chinese ließ sich nicht blicken. Aber er mußte da sein. Wahrscheinlich versteckte ersieh irgendwo in der liefe des schlauchartigen Raumes und wartete in aller Ruhe ab, was ich wohl unternehmen würde. Zunächst erreichte ich einen relativ großen, uralten Holzschreibtisch, versehen mit zahlreichen Fächern und Schubladen. Von einem Draht über dem Schreibtisch baumelten, an zahlreichen Wäscheklammern hängend, eine Anzahl großformatiger Röntgenbilder. Sie zeigten schwierige Fälle von Knochenbrüchen, die Cheng Wang behandelt hatte, das konnte selbst ich als Laie erkennen. Auf einem Informationsblatt las ich, daß der Mensch genau 206 Knochen besitzt und Cheng Wang sie alle kenne. Er machte für sich Reklame. Viel mehr konnte ich nicht sehen, denn weiter in der Tiefe des Ladens entdeckte ich weder Regale, Schränke noch Schubkästen, aber einen Vorhang, den ich schon fast vermißt hatte. Er war dunkel, das Öllicht erreichte ihn kaum, so daß er wie ein gefährlicher Schatten wirkte. Ich überlegte, ob ich auf ihn zugehen und ihn öffnen sollte, als er sich bewegte. Von der anderen Seite her wurde er zur Seite geschoben. Ich rechnete mit dem Erscheinen des Knochensetzers — und bekam vor Überraschung einen trockenen Mund, als ich sah, wer mir da entgegenkam. Eine junge Frau, die in diesem alten Laden wirkte wie ein heller Stern am finsteren Nachthimmel. »Guten Abend, Sir«, sagte sie... Ich war baff, von den Socken, und glaubte an eine Vorspiegelung falscher Tatsachen, weil ich diese Person in einem Laden wie diesem einfach nicht erwartet hatte. Deshalb blieb ich auch stumm, schaute sie nur mehr an, und das lohnte sich wirklich. War sie Suzie Wong? Es hatte beinahe den Anschein, jedenfalls stand vor mir eine Eurasierin, die von beiden Elternteilen nur das Beste mitbekommen hatte. Das lackschwarze Haar hatte sie hochgesteckt. Es umgab den Kopf wie ein Kranz und rahmte ein Gesicht ein, dessen Haut die Weichheit von Aprikosen aufwies. Hinzu kamen die Mandelaugen, der wunderschön
geschwungene Mund, das kleine Kinn und die ebenfalls schmale Nase, die sich harmonisch in dieses Gesicht einfügte. Ich schätzte sie auf Anfang bis Mitte Zwanzig. Eine Frau, die keinen aggressiven oder ordinären Sex ausstrahlte, sondern eine wirklich weibliche Anmut, die auch die weit geschnittene Samthose nicht verbergen konnte. Darüber fiel der Saum einer langen hellen Bluse, die auf der vorderen Seite wunderschöne Stickereien zeigte. Aus dem runden Ausschnitt wuchs der schmale Hals. Er wurde von einer schlichten Perlenkette verziert, deren einzelne Stücke einen bläulichen Schim mer besaßen. Trotz der schlechten Lichtverhältnisse entging mir nicht die Faszination ihrer Augen, die einen etwas spöttischen Ausdruck angenommen hatten. Wahrscheinlich amüsierte sie sich über meine Verblüffung. »Habe ich etwas an mir?« fragte sie plötzlich. »Nein, im Gegenteil, es ist alles in Ordnung.« Ich hob die Schultern. »Es ist nur so, eine Person, wie Sie es sind, hätte ich in diesem Laden nicht erwartet, und deshalb darf ich davon ausgehen, daß Sie nicht Cheng Wang sind.« »Das dürfen Sie.« »Mein Name ist übrigens John Sinclair. Ich komme aus London.« »Ein weiter Weg.« »An dessen Ende hoffentlich ein Erfolg steht.« »Ich wünsche es Ihnen. Ich heiße übrigens Suzie, wie eben Suzie Wong, an die Sie bestimmt dachten, als sie mich sahen. Man konnte es Ihnen direkt vom Gesicht ablesen.« »Stimmt.« »Aber ich habe mit der Suzie Wong nichts zu tun.« »Das habe ich auch nicht angenommen.« Mit der rechten Hand deutete ich einen Halbkreis an. »Ferner kann ich mir nicht vorstellen, daß Sie ein weiblicher Knochensetzer sind, obwohl Hongkong ja viele Überraschungen bereithä11.« »Sie haben recht. Das bin ich nicht.« Ein feines Lächeln umspielte ihre Lippen. »Cheng Wang ist ein Bekannter meines Vaters, die beiden sind sogar Freunde. Ich stamme nicht aus Hongkong und helfe dem Meister nur aus, sofern mir mein Studium Zeit läßt.« »Sie studieren?« »Geschichte des alten China, Sprachen und noch etwas Kunst. Sehr interessant übrigens.« »Das glaube ich. Aber mit dieser Arbeit, dem Knochensetzen, haben Sie nichts zu tun?« »Nein.« Mit war schon die ganze Zeit über aufgefallen, daß sie mich sehr genau, prüfend und abschätzend betrachtet hatte. Und zwar so, als wollte sie
etwas fragen, sich aber nicht traute, diese Frage zu stellen. Ich sprach Suzie direkt an. »Sie haben etwas auf dem Herzen?« »Das kann schon sein.« »Hat es mit mir zu tun?« »Nicht direkt. Sie kommen aus London, wie Sie sagten. Sie hätten sich mir gegenüber nicht vorzustellen brauchen, denn ich habe Bescheid gewußt, daß Sie hier eintreffen würden.« »Wieso?« »Feng. . .« Sie sprach den Namen zögernd aus und wartete auf meine Erwiderung. »Ich kenne ihn. Er trug eine Visitenkarte bei sich, als wir ihn durchsuchten.« Suzie begriff schnell. »Moment, soll das heißen, daß er es nicht mehr geschafft hat?« »Fast nicht mehr. Er konnte Suko einen Brief übergeben, bevor ihn ein Killer tötete.« Sie wurde bleich. Mit der rechten Hand umfaßte sie ihren Hals, und es sah so aus, als wollte sie sich die Perlenkette zerreißen. »Nein, nein«, flüsterte sie, »nicht Feng, bitte nicht. . .« Fengs Tod ging ihr nahe. Zuckend bewegten sich die Lippen, als würde sie etwas kauen. Auch zuckte sie mit den Wimpern, drehte sich zur Seite, wischte über die Augen und holte tief Luft. »Sie haben ihn gemocht?« »Nicht nur das, auch geliebt. Wir waren Freunde, Liebende, er studierte Mathematik, wir halfen hier gemeinsam aus, aber jetzt. . .« Sie hob die Schultern. »Der Mandarin ist eben zu mächtig«, sagte ich. »Sein verlängerter Arm reichte bis nach London, aber er hat sein Ziel nicht erreicht. Suko und ich sind trotzdem hierhergeflogen.« »Das wollte Cheng Wang auch.« »Oh, dann hat er es inszeniert?« Suzie nickte heftig. »Ja, er wußte von Ihnen und Suko. Er war der Meinung, daß nur Sie beide es schaffen können, die Macht des Mandarins zu brechen. Nur Sie beide.« Ich schüttelte den Kopf. »Das verstehe, wer will, ich nicht. Wieso kann er das sagen?« »Ich habe keine Ahnung. Er hat mich nicht in alle Geheimnisse eingeweiht, was ich auch gut finde. Manchmal ist es besser, wenn man nicht alles erfährt. Er hat sich allerdings besonders auf Suko verlassen. Ihr Freund war für ihn wichtig.« »Hing es vielleicht mit Sukos Vater zusammen?« »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Sie sind allein gekommen. Wo befindet sich Ihr Fartner?«
»Das, meine liebe Suzie, hätte ich auch gern gewußt.« Ich erzählte ihr, was ich erlebt hatte, und sah, wie ihr Mund einen zornigen, fast haßerfüllten Zug bekam. »Ja, so machen sie es. Sie sind überall, sie werden ihn entführt haben.« »Ich will ihn herausholen!« Suzie starrte mich an, als hätte ich von ihr etwas Schlimmes verlangt. »Sie wollen tatsächlich.. .?« »Ja, ihn holen.« »Das schaffen Sie nicht. Nein, das ist unmöglich. Wen die weißen Masken einmal haben, den lassen sie lebend nicht frei. Glauben Sie das nur nicht; John.« »Da wäre ich mir nicht so sicher. Ich frage mich nämlich, aus welch einem Grund man meinen Freund entführt hat. Wie ich die Bande bisher eingeschätzt habe, ist sie daran interessiert, möglichst viele Menschen umzubringen, die in ihre Nähe kommen und ihnen eventuell gefährlich werden könnten. Sie hätten Suko leicht töten können, sie haben es nicht getan. Ich frage mich nach dem Warum.« »Das weiß ich auch nicht. Ich kenne diese Bande nicht so genau, und auch ihre Ziele sind mir unbekannt.« »Wahrscheinlich wollen sie etwas von Suko«, sagte ich. »Sie brauchen ihn. Vielleicht hängt es mit seinem Vater zusammen. Ich kenne mich nicht aus, aber ich bin fest entschlossen, es herauszufinden.« »Sic würden allein stehen, John.« »Auch das ist mir klar.« »Stellen Sie sich das nicht so einfach vor. Nicht in einer Stadt wie Hongkong, die selbst vielen Chinesen noch fremd ist. Nein john, es ist unmöglich.« »Zum Feil gebe ich Ihnen recht, Suzie, aber ich möchte Sie darauf hinweisen, daß ich nicht grundlos hier erschienen bin. Cheng Wang ist nicht nur eine Spur, ich gehe davon aus, daß mir der Freund Ihres Vaters sehr wohl helfen kann.« »Möglich.« »Nehmen Sie es bitte nicht persönlich, aber wäre es möglich, daß wir unsere Unterhaltung später fortsetzen und Sie mich zu Cheng Wang führen? Oder ist er nicht hier?« »In seiner Wohnung.« Ich deutete mit dem Zeigefinger gegen die Decke. »Dort?« »Ja.« »Wie wird er reagieren?« »Er hat Sie erwartet, und er wird über Fengs Tod sicherlich entsetzt sein. Aber damit haben wir rechnen müssen, so schlimm es sich anhört. Kommen Sie, John, ich gehe vor.« Sie drehte sich um und tauchte in die Düsternis des Vorhangs ein, dessen Falten sich schlangengleich bewegten, als Suzie ihn aufzog und fürmich eine Lücke schuf.
Ich blieb dicht hinter ihr und rechnete damit, in ein Büro zu gelangen. Ein Irrtum. Die Deckenleuchte erhellte einen Lagerraum, in dem ich noch zahlreiche Knochen sah, die numeriert worden waren. Der Geruch von Leim drang in meine Nase. In einer Ecke standen kunstvolle Knochengebilde, und die die Knochen verbindenden Hauptsehnen waren durch Nylonschnüre gekennzeichnet. Ein ungewöhnliches Lager, das ein anderer bestimmt mit einer Gänsehaut verlassen hätte, im Gegensatz zu Suzie und mir, die eine schmale Tür geöffnet hatte und sie mir offenhielt. Eine Wohnung befand sich nicht dahinter, dafür ein sehr schmaler Flur, der am Fuß einer steilen Treppe endete. Vor der ersten Stufe stand eine Lampe. Der breite Schirm streute das Licht und warf es auf die blanken Holzstufen. »Ich gehe vor, John.« »Bitte.« Es war nicht zu erkennen, ob die Treppe auf einem Absatz mündete. Die Stufen bewegten sich unter unserem Gewicht und gaben knarrende Laute ab. Einmal drehte sich Suzie um. Am Zucken ihrer Mundwinkel erkannte ich, daß sie mir zulächelte. »Es ist ein wenig unheimlich hier, aber man kann sich daran gewöhnen«, flüsterte sie. »Bestimmt.« Am Ende der Treppe wuchs eine dunkle Tür hoch, die nach irgendwelchen Gewürzen roch. Jedenfalls gab das Holz diesen Geruch ab. Es war still und kaum vorstellbar, daß nicht allzu weit entfernt Massen von Touristen durch die Straßen strömten. Doch hier hielt mich eine andere Welt gefangen, Hongkongs zweites Gesicht. Die Tür besaß keine Klinke, dafür einen Knauf, den Suzie umfaßte. Lautlos konnte sie das dunkle Rechteck nach innen drücken, und wenig später wunderte ich mich über die Größe des Flures, der sich vor mir auftat. Suzie sah es und gab eine Erklärung ab. »Oft genug sind die Häuser zur Straßenseite hin nur mehr schmale Fassaden. Das wahre Gesicht erscheint an der Rückseite, das ist typisch für unsere Mentalität.« Wieder glitt ein sphinxhaftes Lächeln über ihre Lippen, das sehr schnell erlosch, denn beide hatten wir einen dumpfen Laut vernommen, als wäre ein schwerer Gegenstand zu Boden gefallen. Suzie ging einen Schritt zurück, bis sie in den Bereich einer schmalen Tischleuchte geriet. Ihre Lippen zitterten plötzlich. Sic sah aus, als wäre sie von einer schlimmen Ahnung überfallen worden. »Was kann das gewesen sein?« fragte ich mit kaum hörbarer Stimme. »In seinen Räumen.« »Cheng Wang?« Sie nickte. »Ist er allein?«
Scharf atmete sie durch die Nase ein. »Er war es jedenfalls, als ich ihn verließ.« »Kann es sein, daß er Besuch bekommen hat?« »Weiß nicht.« »Gibt es einen zweiten Eingang? Bestimmt — oder?« »Ja — natürlich. Man kann vom Hof.. .« »Wo hält sich Cheng Wang zumeist auf?« Sie drehte sich nach rechts, nicht weit, streckte den Arm aus und wies auf eine dunkle Tür, die größte des Flurs. »Da hat er sein Büro, dort arbeitet er auch.« »Gut. Sie bleiben hier.« »Wieso? Ich. ..« Als sie vorging, umfaßte ich ihre Schulter und zog sie zurück. »Nein, Suzie.« »Glauben Sie denn.. .« »Was ich glaube, spielt keine Rolle. Nur soviel: Der Mandarin und seine weißen Masken können überall sein.« Ich holte bei den letzten Worten die Beretta hervor. Suzie versteifte. Ihr Gesicht glich einem geschnitzten Stück Holz. Es paßte ihr nicht, aber sie fügte sich und ließ mich allein auf die Tür zugehen. Normalerweise bin ich ein höflicher Mensch und klopfe an. Das sparte ich mir hier. Ich legte meine Hand auf den kühlen Knauf und drehte ihn vorsichtig herum. Die Tür war offen. Mit der selben Hand drückte ich sie nach innen. Schweiß perlte auf meiner Stirn. Die Warnung hatte mich urplötzlich erreicht und war wie ein Strahl. Aus dem Zimmer wehte mir ein staubiger, etwas muffiger Geruch entgegen. Die Dunkelheit lag über dem Raum, kroch in Ecken und Winkel hinein, als wollte sie das Grauen verbergen. Ich sah die Schatten der Regale, einen Schreibtisch, auch zwei niedrige Sitzkissen, dazwischen eine Bastmatte oder einen Teppich, und darauf lag die Gestalt. »Verkrümmt, die Arme etwas angezogen, beide Hände gegen den Magen gepreßt. Kein Atem wehte mir entgegen, dennoch wollte ich mich davon überzeugen, ob der Mann noch lebte. Links von ihm unterbrachen zwei schmale Fenster das Mauerwerk. Sie wirkten wie Gucklöcher und ließen nur mehr einen schmalen Lichtschein durch, der vom Hinterhof hereinfiel. Als ich mit schußbereiter Beretta den ersten Schritt vorging, raschelte hinter mir Stoff. Suzie war da. »Bleiben Sie zurück!« wisperte ich scharf. »Was ist mit Cheng?« »Ich weiß es noch nicht.« Sie drängte sich trotzdem vor, schaute an mir vorbei und sah das gleiche wie ich.
Kein Schrei drang über ihre Lippen. Diese junge Frau hatte sich ausgezeichnet in der Gewalt. Diesmal gehorchte sie und lehnte sich gegen den Türrahmen. Wo steckten diejenigen, die die Tat zu verantworten hatten? Erst als ich tiefer in den Raum hineingegangen war, fiel mir auf, daß die Fenster nicht geschlossen waren. Man hatte sie hochgeschoben und festgeklemmt. Ein idealer Fluchtweg. Mein Magen krampfte sich zusammen. Mein Herz pochte schneller, ich wollte zu den Fenstern, trat aber auf Cheng Wang zu und ging neben ihm mit einer steif wirkenden Bewegung in die Hocke, so daß ich den größten Teil des Raumes unter Kontrolle halten konnte. Aus der Nähe stellte ich fest, daß diesem Mann niemand mehr helfen konnte. Er war getötet worden, und ich dachte daran, daß der Mandarin und seine verfluchten weißen Masken jede Spur radikal auslöschten. Wunden waren kaum zu sehen, nur am Hals des Toten fielen mir die feuchten Flecke auf. Ich dachte daran, daß diese Bande mit den unterschiedlichsten Waffen arbeitete, meist mit solchen, die lautlos töteten. »Ist er. . .?« »Ja, Suzie, ihm kann keiner mehr helfen.« »O nein.« Ich hörte sie schluchzen und kam wieder hoch. In diesem Augenblick sah ich einen hellen Flek-ken genau dort, wo die Regale standen, hörte gleichzeitig hinter mir schnelle kurze Schritte, und Suzies schriller Schrei gellte durch den Raum. Zwei Masken waren da und hatten es geschafft, mich in eine tödliche Zange zu nehmen... *** In derartigen Augenblicken reagierte ich rein reflexhaft, ohne daß die Bewegungen bewußt vom Gehirn gesteuert wurden. Ich wuchtete mich flach nach hinten, prallte mit dem Rücken auf und sah die weiße Maske wie ein verzerrtes Clownsgesicht über mir. In der Hand hielt der Mann einen Gegenstand, der lang, dünn und vorn sehr spitz aus der geschlossenen Faust hervorragte: eine Killernadel! Um mein Leben zu retten, blieb mir nur eine Wahl. Der Zeigefinger krümmte sich automatisch, ein schnelles Zurückzucken, und das überlaute Echo des Schusses tobte in meinen Ohren. Ich bekam noch mit, wie der Killer zusammenzuckte und sein weißes Gesicht grimassenhaft verzerrt vor mir verschwand, dann rollte ich mich herum, schleuderte mich einige Male um die eigene Achse, gerade rechtzeitig genug, um dem mörderischen Stoß des zweiten Mannes zu entwischen.
Die Nadel zischte dicht an mir vorbei und rammte in die Holzdielen. Sie brach nicht ab, denn mit einer reflexhaften Bewegung zog der Killer seine Hand wieder hervor und stach nach mir. Ich drehte mich, feuerte nicht, denn ich wollte unbedingt einen Zeugen haben. Mit beiden Füßen griff ich an. Dabei wuchtete ich meinem Körper hoch, er bildete eine Brücke, und der Killer nahm seinen Kopf nicht so schnell zur Seite. Ich erwischte ihn am Hals, brachte ihn aus dem Konzept, aber er fing sich sehr schnell, denn seine Glieder zogen sich zusammen wie die einer Katze, die auf die Pfoten kommen wollte. So ähnlich sah es auch bei ihm aus. Der Kerl war flink, mit allen Wassern gewaschen, aber in mir steckte eine unheimliche Wut, die trotzdem nicht überschäumte, so daß ich cool reagieren konnte. Um Suzie kümmerte ich mich nicht. Ich wußte nicht einmal, ob sie noch zuschaute oder sich zurückgezogen hatte. Jetzt war der Chinese wichtig, und der kam. Er flog hoch, dann nach vorn, wollte Karate Kid spielen. Ich war flinker und schleuderte ihm einen Sessel entgegen. Den traf er, nicht mich. Es klatschte, als sein Fuß gegen das Leder hämmerte. Dadurch geriet er aus dem Konzept, was ich ausnutzte, denn über den zur Seite kippenden Sessel hinweg stieß ich meine Faust. Die traf sein Gesicht. Er taumelte durch das halbe Zimmer. Ein Regal stoppte ihn. Dort stand er und schüttelte den Kopf. Ich schlug wieder zu. Diesmal mit der Beretta, aber der Killer drehte den Kopf zur Seite, so daß ich gegen die strammen Buchrük-ken hämmerte. Wäre er nicht so benommen gewesen, er hätte mich bestimmt mit der verfluchten Nadel erwischt, weil ich zu unaufmerksam war. Doch so war er zu langsam, und ich konnte mich leicht zur Seite drehen. Er rammte den Kopf vor. Ich hob mein Knie an, verfehlte ihn, erwischte ihn aber mit einem Rundschlag. Die Linke hatte genau getroffen. Die Wucht schleuderte ihn auf die Für zu. Er trieb dorthin wie ein Blatt, das der Wind bewegte. Und an der Für tauchte Suzie auf. Was sie in der Hand hielt, erkannte ich nicht. Jedenfalls war es ein größerer und härterer Gegenstand, den sie zielsicher gegen den Kopf des Chinesen schlug. Sein taumelnder Gang fand ein abruptes Ende. Suzie mußte zur Seite springen, sonst wäre er noch gegen ihre Beine gefallen. So rollte er sich förmlich vor ihr zusammen, bevor er still liegenblieb und Suzie tief durchatmete.
Mit zitternden Knien ging sie mir entgegen und sah mein Nicken. In der Hand hielt sie eine Metallvase, die konnte auch bei einem Volltreffer nicht zerbrechen. »Danke«, sagte ich. Suzie nickte nur. »Flaben Sie jetzt erlebt, wie grausam und gefährlich die Leute sind?« »Leider.« »Wir. .. wir hatten Glück, aber er nicht.« Ihre Stimme sackte allmählich ab. Dann ging sie neben der Leiche in die Knie. Ich hörte sie weinen, während ich mich um die weiße Maske kümmerte. Der Mann war bewußtlos. Die Schminke auf seinem Gesicht besaß nicht mehr die Festigkeit. An einigen Stellen war sie zerlaufen und bildete einen schmierigen Film. Vom Flur her fiel noch genügend Restlicht in den Raum, um die Beule an der Stirn sehen zu können. Sie wuchs wie ein kleiner Hügel an. Bestimmt hatte er noch einige Tage unter den Schmerzen zu leiden. Ich drehte ihm die Waffe aus der Hand. Sie war ein hinterhältiges Instrument, widerlich und gemein. Die Waffe besaß die Stärke einer Stricknadel, war aber wesentlich härter. Dieses Einrammen in den Boden hatte es mir bewiesen. Als Griff diente, ähnlich wie bei einem Schraubenzieher, ein Gebilde aus Kunststoff, in das einige Fingermulden eingearbeitet waren. Im Schein meiner Lampe untersuchte ich die Spitze nach irgendwelchen Resten. Ich dachte dabei an Gift, konnte aber keine Verfärbung erkennen und ebenfalls keine winzigen Kristalle. Als ich mich aufrichtete, wischte Suzie sich die Tränen aus den Augen. Ich ließ sie in Ruhe und kümmerte mich um den Mann, der von meiner Kugel erwischt worden war. Er war von dem geweihten Silber nicht tödlich getroffen worden, dennoch zeigte mir sein gebrochener Blick, daß kein Leben mehr in ihm steckte. Der Grund war simpel. Dieser Mann hatte sich selbst umgebracht, und zwar mit der verdammten Nadel. Sie steckte an einer tödlichen Stelle in seinem Körper. Suzie hatte die Tür eines sideboardartigen Schranks geöffnet, schaltete zwei Lampen an, holte aus dem Sideboard eine Flasche und dazu zwei kunstvoll geblasene Gläser. »Möchten Sie auch einen Schluck, John?« »Was ist es?« »Ein Kräuterelixier. Es tut dem Magen gut und enthält keinen Tropfen Alkohol.« »Dann ja.« Sie schenkte ein. Ich nahm ein Glas entgegen, trank, spürte Bitterkeit und Wohlbefinden in einem. lief atmete ich durch, als ich das Glas wegstellte. »Nun?«
»Nicht schlecht«, lobte ich und lächelte. »Aber weiter sind wir noch nicht gekommen.« »Leider.« »Vielleicht haben wir eine Chance, wenn der Bewußtlose erwacht. Ich werde ihn sicherheitshalber fesseln. Dazu reicht ein Handschellenpaar auch.« Suzie dämpfte meine Hoffnungen. »Ich glaube nicht, daß er nur ein Wort sagen wird. Sie haben selbst erlebt, wie die Leute reagieren, wenn sie verloren haben. Sie bringen sich um, einfach so.« Sie hob die Schultern. »Denen ist ihr Leben überhaupt nichts wert.« »Also Harakiri.« »So ähnlich.« »Dann ist die Macht des Mandarins über die Menschen mehr als groß«, murmelte ich. »Das war auch Cheng Wang bekannt.« Suzie stand hinter dem Schreibtisch, ich davor. Wir schauten uns an, und sie hörte meine Frage. »Cheng Wang scheint mir ein besonderer Mensch gewesen zu sein. Einer, der sehr viel wußte.« Sie nickte. »Man kann sein Wissen kaum in Worte kleiden. Es gab kaum ein Gebiet, auf dem er nicht firm war, wenn Sie verstehen, John. Er war Mystiker und Wissenschaftler, er war ein Mann, der die Geschichte des alten China ebenso studiert hat wie die Medizin. Hongkong hat durch seinen Tod einen immensen Verlust erlitten.« »Was wußte er von dem Mandarin?« Suzie hob die Schultern. »Das kann ich Ihnen leider nicht sagen, John. Er hat darüber nie mit mir gesprochen.« »Haben Sie gefragt?« »Nie.« »Dann stehen wir abermals vor dem Nichts, und Suko bleibt verschwunden.« Ich ballte die Hände zu Fäusten. »Damit hätte ich nicht gerechnet. Es gibt noch eine Chance.« »Nicht der Bewußtlose.« »Ich denke an die Polizei.« Suzie lachte mich aus. »Nein, John, nein, die Polizei wird Ihnen nicht helfen können. Die Polizisten sind und bleiben Fremde in dieser Stadt, da können sie noch hundert Jahre hier die Stellung halten. Es wird sich nichts ändern. Zudem gibt es in Hongkong unzählige Verstecke, der Mandarin hat Vertraute, die sich eherdie Zunge abbeißen, als über ihn zu reden, aber. . .« Suzie sprach nicht mehr weiter, denn ihr war etwas aufgefallen. Der Schreibtisch sah aufgeräumt aus, aber unter dem Telefon schaute etwas hervor, ein heller Zipfel, der eine dreieckige Form aufwies. Der Apparat stand auf einer schmalen Unterlage, die verrutscht war, deshalb war der Gegenstand erst jetzt zum Vorschein gekommen, den Suzie mit spitzen Fingern an sich nahm. »Was ist es?«
»Ein Brief«, flüsterte sie. »An wen?« Sie schüttelte den Kopf. »Nicht an mich, sondern an Suko und auch an Sie, John.« »Oh.« Ich nahm den Brief entgegen. Die Nachricht steckte in einem hellen Umschlag aus Büttenpapier, den ich aufriß. Ich holte die zwei Seiten lange Nachricht hervor. In der Stille hörte sich das Knistern sehr laut an, als ich den Brief auseinanderfaltete. Suzie kam zu mir, sie wollte mitlesen, was bei dieser Helligkeit gut möglich war. »Der ist lang«, sagte sie, »und sehr eng geschrieben.« Da hatte sie recht. Ich mußte mir große Mühe geben, die einzelnen Worte zu entziffern. Ich las leise, obwohl sich meine Lippen bewegten, und ich war, das mußte ich zugeben, fasziniert von dem Geschriebenen. Cheng Wang hatte eine Botschaft hinterlassen, die einen gewissen Sprengstoff beinhaltete. Vieles sah ich plötzlich klarer, und ein Großteil der Lösung stand vor meinem geistigen Auge. Auch Suzie dachte wie ich. Nur schüttelte sie ab und zu den Kopf. Sie war völlig perplex, holte zwischendurch Luft und sagte immer wieder: »Das kann doch nicht wahr sein, das ist ja. . .« »Interessant, nicht?« »Und wie!« hauchte sie. Ich faltete den Brief zusammen, zündete mir eine Zigarette an und trank noch ein Glas von diesem Kräutergebräu. Dabei ließ ich mich in einen Sessel fallen. »Geschockt?« fragte Suzie. »Nicht direkt, aber diese Zusammenhänge hätte ich eigentlich ahnen können.« »Ich auch.« Den Inhalt des Briefes möchte ich hier nicht wiedergeben, sondern eine Zusammenfassung. Cheng Wang und der geheimnisvolle Mandarin hatte tatsächlich eng zusammengearbeitet, denn der Mandarin konnte nur durch Chengs Hilfe existieren. Dieser Mann hatte es geschafft, den Mandarin zusammenzuflicken. Er war irgendwo gestürzt, man hatte ihn halbtot und mit gebrochenen Knochen aus der Schlucht geholt und zu Cheng Wang geschafft, durch dessen Kunst der Mandarin so weit genesen war, daß er sich wieder bewegen und auch laufen konnte. Später allerdings, als Cheng Wang mehr über die Pläne des Mandarins erfuhr und auch dessen Taten sah, hatte er sich Vorwürfe gemacht. Tage und Wochen voller Qualen waren vergangen, er hatte überlegt geforscht und war schließlich zu dem Entschluß gekommen, daß er die Macht und den Einfluß dieser Person stoppen mußte. Er selbst besaß nicht die Kraft, überhaupt würde er in Hongkong niemanden finden, der
eine derartige Aufgabe übernahm, und so war er auf die Idee gekommen, Suko und mich nach Hongkong zu holen, weil er über uns bereits einiges gehört hatte. Auf irgendeine Art und Weise hatten die weißen Masken Wind von dem Plan bekommen, waren ebenfalls nach London gereist — vielmehr einer von ihnen — und hatten zugeschlagen. Die Visitenkarte in der lasche des toten Feng hatte uns letztendlich auf die richtige Spur gebracht. Ich ließ den Brief sinken und hörte den geflüsterten Protest der jungen Frau. »Haben Sie auch alles gelesen?« »Sicher.« »Und den letzten Teil?« Suzie fragte es mit zitternder Stimme. »Er ist doch wichtig.« Ich nickte. Wie recht sie hatte, denn Cheng Wang wußte mehr. Ihm war bekannt, wo sich der Mandarin aufhielt. Sein Hauptquartier besaß keinen festen Standort, weil er sich eine Dschunke ausgesucht hatte, auf der er ständig über das Meer kreiste. Eine alte Dschunke, die den Namen >Stern von Hongkong< trug. »Kennen Sie das Schiff?« fragte ich Suzie. »Nein.« »Wir müssen es finden.« Ihr Nicken zeigte Entschlossenheit. »Das werden wir auch, John, keine Sorge.« Sie ging zum Telefon, überlegte einen Moment und rief jemand an. Was sie mit dem Mann redete, konnte ich nicht verstehen, denn sie sprach den hier üblichen Kanton-Dialekt. Ich beobachtete nur ihr Gesicht und las darauf die Zufriedenheit ab. »Positiv?« Suzie lächelte. »Und wie. ich habe einen Studienkollegen angerufen, der Dschunkenforschung betreibt. So etwas gibt es auch bei uns, und er wußte Bescheid.« Ich bekam große Augen. »Fleißt das, wir wissen, wo sich die Dschunke befindet?« »Zumindest, wo sie kreuzt. Und ich kenne in der Nähe eine Bucht, die ziemlich versteckt liegt. Sie ist eigentlich ein idealer Platz. Auch meinem Kollegen war die Bucht bekannt. Vor langer Zeit galt sie als Paradies für Opiumschmuggler, jetzt eignet sie sich als ein ideales Versteck. Nur, was machen wir mit ihm?« Ich schaute auf den Bewußtlösen. »Den Mann überlassen wir der Polizei. Superintendent Demison wird sich freuen.« »Kennen Sie den auch?« Ich lächelte. »Das blieb nicht aus.« »Wir hatten auch mal mit ihm zu tun. Ich meine, Cheng Wang. Manchmal nahm die Polizei seinen Rat in Anspruch.«
Die Nummer suchte mir Suzie heraus. Ich hoffte, Demison noch im Büro zu finden, erwischte ihn nicht, bekam aber die Nummer, unter derer zu erreichen war. Gern störte ich ihn nicht, denn ich hörte im Hintergrund den typischen Partylärm. »Ach, Sinclair, sagen Sie nur, Sie haben eine Spur entdeckt. Sagen Sie nur.« »Ja, Sir, ich kann Ihnen eine weiße Maske abliefern.« »Wie?« »Sie können den Diener des Mandarins bei Cheng Wang abholen. Leider auch zwei Tote. ..« »Der Knochensetzer?« »Ja, und eine weitere weiße Maske, die Selbstmord verübte.« »Mann, Sinclair, das ist ein Hammer. Sind Sie noch da?« »Ich rufe von Cheng Wang aus an. Wenn Sie hier erscheinen, werde ich nicht mehr anwesend sein. Die Spur ist heiß, ich will sie nicht erkalten lassen.« Er schrie plötzlich. »Hören Sie, Sinclair, machen Sie keinen Unsinn. Sie kommen allein nie gegen. . .« »Ich muß es allein machen. Wir hören voneinander.« Bevorersich noch starker aufregen konnte,hatte ich die Verbindung unterbrochen und drehte mich Suzie zu, die wieder blaß geworden war. »Wollen Sie tatsächlich allein gegen die weißen Masken angehen, John?« »Ich will die Dschunke entern. Gern tue ich es nicht, aber ich möchte Sie fragen, ob Sie mir dabei behilflich sein könnten. Ich brauche ein Motorboot und . ..« »Kein Problem.« »Kommen Sie mit?« »Und ob«, erwiderte sie hart. »Wenn ich Cheng Wang je etwas schuldig war, will ich es jetzt abarbeiten.« An der Tür hielt ich sie fest. »Damit wir uns richtig verstehen, Suzie, Sie bringen mich bis an die Dschunke heran, falls dies möglich ist. Dann drehen Sie um und verständigen Superintendent Demison. Klar?« Sie überlegte, bevor sie nickte. Überzeugt, daß sie Wort halten würde, war ich allerdings nicht. . . Suko fühlte sich wie ein Tier, das in einen Käfig gesperrt worden war. Sein Gaumen war dermaßen dick angeschwollen, daß er kaum Luft bekam. Er war erwacht, schaffte es aber nicht, herauszufinden, wo er sich befand. Er schwankte von einer Seite zur anderen und spürte den Magen, der in Intervallen immer wieder in Richtung Kehle zu steigen schien. Allerdings mußte er sich nicht übergeben.
Die Schwäche war so heftig , daß vor seinen Augen alles verschwamm Lind die Schatten einer erneuten Bewußtlosigkeit ihn überfielen. Beim zweitenmal erwachte er durch einen Schmerz, der den Körper malträtierte. Jemand hatte ihn kurzerhand zu Boden geworfen. Über ihm tat sich etwas, er hörte flüsternde Stimmen, dann öffnete sich sein Gefängnis. Zwei starke Hände packten ihn und zerrten ihn aus tiem Sack hervor. Mit den Absätzen schleifte er über einen rauhen Boden, nahm fremde Gerüche wahr und merkte auch, daß der Boden unter ihm leicht schwankte. Das konnte nur einen Grund haben. Er befand sich auf einem Schiff, von denen es Tausende rund um Hongkong und Kowloon gab. Wer ihn hier finden wollte, mußte schon übersinnliche Fähigkeiten besitzen. Sehen konnte Suko nichts. Er lag in einer absoluten Finsternis, er roch seine Gegner nur und spürte auch die flinken Finger auf seinem Körper, die ihn abtasteten. Sie durchsuchten ihn noch einmal gründlich, fanden aber nichts mehr. Die Beretta und seine Dämonenpeitsche waren ihm sowieso schon abhanden gekommen. Wieder flüsterten sie, lachten kehlig, dann hörte Suko ihre Schritte leiser werden. Irgendwo schlug eine Tür, und Suko blieb allein in der Finsternis des Schiffsbauchs zurück. Er mußte noch immer davon ausgehen, daß ersieh im Bauch eines Schiffes befand, sehen konnte er nichts. Allein die typischen Bewegungen wiesen darauf hin. Das Schiff fuhr nicht. Es dümpelte auf den Wellen, und Suko versuchte, in die Finsternis hineinzuhorchen. Er nahm alles auf, was er konnte, die feuchten, fremden Gerüche, das Aroma, das vom alten Holz abgegeben wurde, einfach alles. Und er spürte, daß es ihm wieder besser ging. Zwar war noch eine Restübelkeit vorhanden, ansonsten hatte Suko den Gasangriff gut überstanden. Er tastete sich selbst noch einmal ab. Sogar das Taschemesser war ihm abgenommen worden, allerdings hatte man ihm eine Waffe gelassen. Es war der Stab! Der große Religionsstifter Buddha hatte ihn einst besessen. In einem tibetanischen Kloster war Suko dieser Stab übergeben worden. Durch seine Hilfe konnte er, wenn er dabei ein bestimmtes Wort rief, die Zeit für fünf Sekunden anhalten. Dann erstarrte in seiner Rufweite jegliche Bewegung. Nur der Stabträger konnte so handeln wie immer, allerdings durfte er keinen Gegner dabei töten, dann wäre die Wirkung des Stabs aufgehoben worden. Weshalb hatte man ihm diese Waffe gelassen? Er konnte sich einfach nicht vorstellen, daß die Männer sie bei der Durchsuchung übersehen hatten, sogar das Taschenmesser war ihnen in die Hände gefallen.
Warum nicht der Stab, der aussah wie ein Stück braungrünes Hartgummi und halb so lang wie ein Gummiknüppel war? Oder hatten sie sich nicht getraut, den Stab zu berühren? Das war auch möglich. Vielleicht war ihnen bekannt, was dieser Stab für eine Wirkung besaß, oder sie hatten es instinktiv gespürt. Suko war es egal, er freute sich darüber, daß er ihn noch bei sich trug. Sicherlich würde er ihm helfen können, zu überleben. Dabei überlegte er auch, was sie von ihm wollten. Sie hätten ihn schon längst töten können, aber nein, sie schleppten ihn fort und brachten ihn auf irgendein Schiff. Als Suko mit seinen Gedanken so weit gekommen war, spürte er einen Ruck und hörte gleichzeitig ein Grummein, Rumoren und ein leichtes Donnern, das sich durch den gesamten Schiffsrumpf fortsetzte und in seinen Ohren widerhallte. Das Schiff fuhr. . . Suko lag noch immer auf dem Rücken. Er merkte jetzt, wie es sich durch die Dünung kämpfte oder gegen querlaufende Wellen anlief, deren Klatschen gegen die Bordwand selbst an Sukos Ohren drang. Hongkong ist von Wasser umgeben. Suko konnte sich aussuchen, in welch eine Richtung sie schipperten. Er versuchte, es sich vorzustellen, es war ohne einen Orientierungspunkt nicht möglich. Auch ärgerte ihn, daß ihm die kleine Lampe entwendet worden war. Die hätte er jetzt gut gebrauchen können. So lag er nach wie vor in der Dunkelheit und versuchte, die Schwankungen des Schiffes durch Bewegungen des Körpers auszugleichen, was ihm nicht immer gelang. Sein Magen begann wieder energische zu protestieren. Die Reise wurde für ihn zu einer regelrechten Tortur. Immer wieder trieben Wellen seinen Magen in die Flöhe, der kalte Schweiß war ihm längst ausgebrochen, in der Finsternis ging auch das Zeitgefühl verloren, irgendwann mußte er sich übergeben und konnte dann wiederum nur hoffen, daß die Reise bald ein Ende hatte. Das war der Fall, doch Suko bekam kaum mit, wie das Schiff anlegte. Er war zu fertig. Zusammengekrümmt lag er nahe der Bordwand, atmete stöhnend und hatte mit der Übelkeit zu kämpfen, die allerdings nicht mehr aufs Neue auf die Probe gestellt wurde, denn sein schwimmendes Gefängnis blieb liegen und bewegte sich nur mehr schwerfällig auf den Wellen. Er glaubte auch, Stimmen zu hören. Wenn es keine Täuschung war, dann waren sie über ihm an Deck aufgeklungen. Suko ging davon aus, daß seine Entführer das Ziel ihrer Reise erreicht hatten. Dann würden sie bald bei ihm erscheinen, um ihre Forderungen zu stellen oder Taten lolgen zu lassen, was für Suko durchaus den Tod bedeuten konnte.
Er dachte an den Mandarin. Diese geheimnisvolle Figur im Hintergrund hielt sämtliche laden in der Hand. Suko fragte sich, was der Mandarin von ihm wollte. Informationen vielleicht? Was konnte ein Mann, der aus London kam, schon Wissenswertes sagen? Suko kam zu keinem Ergebnis. Ein Achselzucken, mehr nicht. Seine Gedanken irrten von diesem Problem ab und konzentrierten sich auf ein anderes. Suko beschäftigte sich mit seinem Valer und dem von ihm geschriebenen Brief. Seltsamerweise hatte man ihm das Schreiben nicht abgenommen. Es steckte in seiner Innentasche und knisterte, wenn er sich bewegte. Natürlich überlegte Suko, aus welch einem Grund man ihm die Nachricht gelassen hatte. Bestimmt nicht, weil seine Gegner nicht lesen konnten. Da mußte es irgendeine Verbindung zwischen ihm, dem Schreiben und seinem Vater geben. Es war für ihn der einzige Grund seiner Gefangenschaft hier. Sein Vater! Suko lachte auf, als er über ihn nachgrübelte. Nicht einmal den Namen seiner Eltern hatte er gekannt. Anders verhielt es sich mit einem Ahnherrn, der vor einigen hundert Jahren gelebt hatte und ein dämonischer Mandarin gewesen war. Suko erinnerte sich noch an den Namen. La-Kau hatte er geheißen. La-Kau war ein grausamer Tyrann gewesen und hatte damals viel Schrecken verbreitet. In Rotchina war es Suko und seinem Freund John gelungen, La-Kau zu vernichten, demnach konnte er auch nicht hinter dem Fall stecken.* Mandarine hatten in Chinas Geschichte schon immer eine große Rolle gespielt. Männer, die es nicht gewohnt waren, Macht zu teilen, und oftmals die Kaisertreue nur spielten, ansonsten aber ihr eigenes Süppchen kochten. Dieser Mandarin hier in Hongkong hatte mit den anderen nichts zu tun. Er war dabei, ein neues Imperium aufzubauen, oder hatte es bereits aufgebaut. Körperlich war Suko nicht so fit wie geistig, doch er spürte, daß dieses verfluchte Würgegefühl nachgelassen hatte. Jetzt noch frische Luft, und es würde ihm blendend gehen. Das blieb leider ein Wunschtraum. Nach wie vor war er gezwungen, die modrige, alte, verbrauchte Luft einzuatmen, was er als widerlich empfand. Die Stimmen blieben, vermischten sich hoch über ihm mit dumpfen Trittgeräuschen. Suko wollte zwar nicht an eine Hektik glauben, aber es hatte sich an Deck etwas verändert. Irgendwelche Leute waren dabei, bestimmte Vorbereitungen zu treffen.
* Siehe Sinclair-Taschenbuch 73041: »Die Grabräuber«
Dann hörte Suko das Klopfen. Eine Tür konnte er nicht sehen, er hatte nur die Richtung, aus der das Geräusch kam, festgestellt. Danach vernahm er das leise Knarren, als jemand eine Tür oder ein Schott aufzog. Graues Schattenlicht strömte in sein Verlies. Auf der Schwelle zeichnete sich eine mächtige Gestalt ab, die Suko an ein wahres Monster erinnerte, das sich nun bückte, etwas zu Boden stellte, ein Zündholz anrieb, mit der Flamme den Docht einer dicken Kerze anzündete, die auf einer ovalen Metallschale stand. Das Licht der Kerze schuf eine helle Insel, die vor allen Dingen den Ankömmling erreichte, so daß Suko ihn jetzt besser erkennen konnte und sich eingestehen mußte, daß dieser Mann zu den stärksten gehörte, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Er trug schwarze Seidenkleidung, die einen malten Glanz abgab. Sie war sehr weit geschnitten, dennoch wußte Suko, daß sich darunter ein mächtiger Körper verbarg. Fett, Muskeln, Fleisch und Kraft waren dort eine Verbindung eingegangen. Auf dem Kopf saß eine dunkle Kappe, die das Haar des Mannes verbarg und dafür sorgte, daß sein hellweiß geschminktes Gesicht mit den nachgezogenen Augenbrauen und den scharf konturierten Lippen noch deutlicher hervortrat. Eine weiße Maske! Ohne daß Suko ihn gefragt hätte, wußte er sofort, daß dieser Mann in der Hirarchie der Mandarin-Diener etwas ganz Besonderes darstellte. Allein sein Äußeres wies darauf hin, und auch die Bewegungen, die kaum zu ihm paßten, weil sie so geführt waren, als müßte er seine eigentliche Kraft unterdrücken. Er ging schwer, stampfte dabei nicht auf, wie es hätte sein müssen, sondern rollte sich über die Fußballen ab. Das Gesicht blieb dabei starr und die Lippen fest aufeinandergepreßt. Daß eine weiße Farbe auch schlimm und schaurig aussehen kann, bewies der Ankömmling. Seine Züge strahlten etwas aus, das anderen Furcht einjagen konnte, und als er den Lichtschein verließ, wurde seine Gestalt zu einem mächtigen Schatten, der dicht neben Suko stehenblieb, sich vorbeugte und einen Satz sprach. »Ich bin Tao!« Suko lauschte der Stimme nach. Nein, so hoch wie die eines Eunuchen klang sie nicht, aber auch nicht viel tiefer, denn sie hatte einen singenden Klang, der Suko überhaupt nicht gefiel. Seiner Ansicht nach sprach dieser Mensch hinterhältig. »Ich kenne dich nicht.« »Aber du wirst mich kennenlernen, denn ich bin der Vertraute des Mandarins. Ich bin sein wertvollster Diener, das weiß der Mandarin auch, und ich gehe für ihn in den Tod, verstehst du?« »Ja.« »Weißt du auch, was das bedeutet?«
»Du kannst es mir ja erklären.« Das Gesicht befand sich dicht über dem Sukos. Er roch die Schminke und konnte erkennen, daß sie als dicke Schicht auf der Haut lag, wobei der Nasenrücken dicker angemalt worden war, damit die Nase optisch verlängert wurde. »Ich erkläre es dir gern.« Die Lippen bewegten sich beim Sprechen wie eine zuckende Wunde. »Wenn du den Mandarin durch ein Wort oder eine Geste beleidigst, greife ich ein. Dan nehme ich dich unter meine Folter. Ich werde mich mit deinen Fingern und dabei besonders mit den Nägeln beschäftigen.« Er grinste breit und kicherte. »Du bist selbst Chinese und weißt, was es bedeutet.« Suko ging nicht weiter darauf ein. Er wollte erfahren, was der Mandarin für einen Grund gehabt hatte, ihn zu entführen. »Das wird er dir selbst sagen. Wäre es nach mir gegangen, ich hätte dich getötet.« »Zum Glück geht es nicht nach dir. Was soll ich machen?« Tao ging einen Schritt zurück. »Aufstehen. Komm hoch, dann darfst du den Frachtraum verlassen.« Hinter Sukos Stirn jagten sich die Gedanken. Er überlegte, ob er es diesem Koloß so einfach machen sollte. Waffen hatte er an Tao nicht feststellen können. Außerdem gehörte Suko nicht eben zu den Schwächlingen, gefesselt war er nicht, das Schott stand offen, und Tao konnte er durch einen Überraschungsangriff aus dem Weg räumen. Er gab sich schwächer, als er war. Mühte sich ab, auf die Beine zu kommen, und hörte Taos Lachen. Eine Sekunde später lachte der Koloß nicht mehr. Da hatte Suko zugetreten, ziemlich weit unten war die Fußspitze gelandet, und Tao quiekte plötzlich, walzte zurück, preßte die Hände auf die getroffene Stelle und kam nicht mehr vom Fleck. Das alles kümmerte Suko nicht. Er hetzte auf die Lichtinsel zu und damit auch in Richtung des offen stehenden Schotts. Mit einem Sprung war er hindurch — und lief genau in die Falle. Er hatte sie nicht gesehen, nicht einmal ihre Gesichter leuchteten als bleiche Schatten, aber sie hatten auf so etwas gelauert und Suko auflaufen lassen. Zwei straff und kniehoch gespannte Bänder, in der Dunkelheit nicht zu sehen, waren Suko zum Verhängis geworden. Er hörte sich selbst noch fluchen, dann kippte er nach vorn und landete hart auf den Schiffsplanken. Zwar rollte er sich geschickt ab, nur nutzte ihm das kaum etwas, denn die weißen Masken waren in der Überzahl und sofort bei ihm. Suko sah nicht nur ihre Gesichter, er entdeckte auch das Schimmern, wie es nur Waffenstahl abgeben konnte. Dann spürte er die Kälte des Metalls im Nacken, am Kopf und auf den Beinen.
Vorbei. Dieser Meute konnte er nicht entkommen. Es wurde für ihn noch schlimmer. Hinter Suko vibrierte der Boden. Auch ohne sich umzudrehen, wußte er, was anlag. Tao kam. Diesmal hämmerte er bei jedem Schritt seine Füße auf die Planken, er war wie ein Untier, das sich seiner gefangenen Beute näherte, um sie aufzufressen. Suko hörte ihn gehen und keuchen. Dazwischen vernahm er weinerliche Laute. Der Tritt mitten in sein Leben mußte ihm schwer zu schaffen machen. Suko grinste noch, als er sich daran erinnerte. Als der Waffendruck von seinem Körper verschwand, grinste er nicht mehr, da war es passiert. Suko hatte das Gefühl, ein Ballon zu sein, aus dem die Luft herausgepreßt wurde. Tao, dieser Riese, hatte sich kurzerhand auf Sukos Rücken gesetzt und ihm die Luft aus den Lungen gepreßt. Er hörte sich selbst nur keuchend atmen, und vor seinen Augen entstanden verschwommene Bilder. Bunte Farben, die sich mit Schmerzen anfüllten, denn er kam sich vor, als würden ihm allmählich die Knochen gebrochen. So plötzlich, wie er den Druck gespürt hatte, verschwand er auch wieder. Tao hatte sich aufgerichtet, blieb aber nicht lange auf seinen Beinen, sondern hockte sich neben Suko, suchte dessen Ohren, fand sie auch und zerrte daran. Der Schmerz war wie eine Glut, und Suko mußte sich stark zusammenreißen, um nicht aufzustöhnen. Er hörte auch die Worte des Riesen nur schwach. »An den Ohren werde ich dich in die Höhe ziehen lassen, bevor ich mich mit deinen Fingern beschäftige. Hast du gehört?« Suko schwieg. »Ob du gehört hast?« kreischte Tao und zerrte noch fester. »J . . .ja ...« »Gut.« Er ließ Suko los, dessen Kopf fiel wieder nach vorn. Mit dem Kinn schlug er hart gegen den Boden. Die Tortur hatte ihn fertig gemacht. Er merkte nicht, daß sich Tao keuchend zurückzog und mit seinen Fingern die getroffene Stelle betastete. Andere packten zu und rissen ihn in die Höhe. Sie hielten ihn diesmal fest, paßten auf wie die Schießhunde, aber Suko war nicht lebensmüde. Er sah nicht die Spur einer Chance. Jemand hatte mehrere Öllampen angezündet, die in einem der Gänge leuchteten. Erdurchschnittden Bauch der Dschunke genau in der Mitte, so daß er sie praktisch in zwei Hälften teilte. Sie schoben Suko vor, dessen Sohlen über den rauhen Boden schleiften. Auch Tao ging mit, er hörte es an den Echos der Schritte. Der Koloß blieb dicht hinter ihm, als würde er seinen eigenen Leuten nicht trauen. Schließlich hatte ihm Suko ja eine Kostprobe seines Könnens gezeigt.
Wo führten sie ihn hin? Eine Antwort war leicht zu finden. Der Mandarin wartete auf den Inspektor. All das hatte er nur auf sich nehmen müssen, um dem Mandarin gegenüberzustehen. Seine Ohren brannten, als würden Flammenzungen über sie hinwegstreichen. Suko schwor sich, dem Koloß das zurückzuzahlen, wenn es eben möglich sein sollte. Auch seine Rippen schmerzten. Es war nicht jedermanns Sache, den Druck eines derart mächtigen Körpers auszuhallen. Ein weiteres Schott versperrte ihnen den Weg. Die Öllampen warfen ihren Schein als große Kreise gegen das Holz. Als Bemalung zeigte der Zugang einen Drachen mit weit aufgerissenem Maul. Er hatte den Kopf gedreht, der Betrachter konnte in den Schlund schauen und mußte das Gefühl haben, jeden Moment aufgefressen zu werden. Tao schob sich vor, die anderen Masken traten zurück, warteten hinter Suko und gingen auch nicht weg, als Tao das Schott öffnete, in einen dunklen Raum schaute, sich verbeugte und etwas in die Finsternis hineinflüsterte. Suko vernahm eine schwache Antwort, wobei er nicht verstehen konnte, was der andere sagte. Tao drehte sich um und kam auf Suko zu. Er erinnerte Suko an einen gewaltigen Kraken, der eine helle Haube auf dem Körper trug, so stark schimmerte das Gesicht. Er legte seine rechte Hand auf Sukos Schultern, die Finger bewegten sich, klammerten sich fest, dann bekam Suko den Ruck mit, der ihn in die Dunkelheit des anderen Laderaums hineinschleuderte. Er hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten, da er nicht nach vorn schaute, denn hinter ihm geschah etwas. Auch Tao betrat den Raum. Fr hielt eine Öllampe in der FFand, deren Docht nicht brannte. Jemand schloß hinten dem Koloß die Tür und ließ die drei in der dichten Finsternis allein zurück. Suko blieb stehen. Seine Nackenhaare sträubten sich. Ein warnendes Gefühl hatte ihn befallen und zugleich das Wissen, daß bald etwas geschehen würde. Noch stand er da und wartete. Nichts regte sich, auch der Koloß sagte kein Wort. Nur sein Atmen war zu hören. Das Geräusch klang in der Dunkelheit überlaut, wurde von einem heftigen Stöhnen begleitet, das ebenso schnell verstummte wie das Knacken der Knochen. Dafür vernahm Suko eine Stimme. Sie gehörte einem Mann. Es mußte der Mandarin sein, und er sagte einen Satz, der Suko völlig unvorbereitet traf und ihm einen Schock fürs Leben versetzte. »Willkommen, Sohn...«
*** Der Bootsverleiher, ein kleines mickriges Männchen mit ausgefransten Jeans und einem Hongkong-Lacoste-Hemd stellte keine Fragen und forderte nur einen saftigen Preis, als wir bei ihm das Boot leihen wollten. »Sollen wir handeln?« fragte Suzie. »Das ist ein Hundesohn, der betrügt uns.« »Keine Zeit.« Ich griff bereits in die lasche und holte die HongkongDollars hervor. Der Kerl grinste noch gieriger, riß mir die Scheine aus den Fingern und führte uns zu der schmalen Anlegestelle, wo nicht nur alte Kähne schaukelten, sondern auch zwei schnittige Motorboote, die aussahen wie schwarze Pfeile. Wir entschieden uns für das mit den roten Streifen an beiden Bordwänden, auf dessem Heck ein kleines Ruderboot vertäut war, und verzichteten auf eine Einweisung, denn mit einem Motorboot umgehen, das konnte ich. Ich half Suzie hinein, ließ mir den Schlüssel zuwerfen und schaute zu, wie der Verleiher das Boot enttäute. Die Technik war gut gewartet, kaum hatte ich den Zündschlüssel herumgedreht, schallte der satte Klang an unsere Ohren und überdeckte die anderen Geräusche. Wir glitten hinaus in die schwarze Fläche der See, über die hin und wieder funkelnde Lichtreflexe huschten. Ich drehte mich für einen Moment um. Die Gestalt des Verleihers war bereits verschwunden. Hinter dem Heck schäumte das Wasser zu breiten Streifen auseinander. Suzie stand neben mir. Ich wußte, daß sie sich erst zurechtfinden mußte. Innerhalb des Hafenwirrwarrs, der aus hohen Bordwänden, Containerschiffen, erleuchteten Restaurantbooten, Kränen, Licht, Schatten und zahlreichen Geräuschen bestand, war es auch für eine Einheimische nicht leicht, die Orientierung zu behalten. »Westen oder Osten?« fragte ich. Sie fuhr durch ihr Haar. Der Wind hatte es aufgebläht. »Die Generalrichtung ist Westen.« »Stark, dann sind wir auf dem richtigen Weg.« Die Frau neben mir nickte. »Aber halten Sie sich bitte nahe der Küste auf.« »Das will ich wohl meinen.« Wir blieben in Sichtweite und natürlich außerhalb der Brandungswellen, die wir als lange, schaumige Streifen sahen, wie sie gegen das Ufer schäumten.
Der Himmel lag über uns als ein weites, dunkles Tuch, bedeckt mit Sternen und illuminiert von Lichtreflexen, die aus der Tiefe der Millionenstadt gegen den Himmel blitzten. Ein künstliches Licht, grell, farbig, nichts für Menschen, die sich den Sinn nach Romantik bewahrt hatten. Die Kulisse der Stadt glitt an der Backbordseite vorbei. Ein einziges Meer aus Häusern, Lichtern und Lärm. Letzterer schallte glücklicherweise nicht bis zu uns herüber. Die Luft war besser geworden. Der dichte Mief der City lag hinter uns, Frische peitschte in unsere Gesichter, wir atmeten sie tief ein, ich erlaubte mir sogar ein Lächeln. »Ihnen geht es gut, wie?« Suzie rief die Frage gegen den Lärm der Motoren an. »Ja — im Moment. Bei meinem Job muß man die Momente genießen, in denen nicht das Grauen über den Köpfen schwebt. Wer sich in einem permanenten Streß befindet, der nutzt jede Chance. Ich freue mich über die Luft, auch wenn ich weiß, daß sie verschmutzt ist, und das Hafenwasser den Fischen jegliche Überlebenschance nimmt.« Ich hob die Schultern. »Trotzdem, an irgendeiner Sache muß der Mensch in dieser Welt noch Gefallen finden, und sei es nur an den Kleinigkeiten.« Etwas länger als gewöhnlich schaute mich Suzie an, ohne mir eine Antwort zu geben. »Stimmt doch — oder?« »Ja, ich meine das auch.« Sie blickte zur Lichterkette hinüber, die an Dichte und Glanz verloren hatte. Es taten sich viele Lücken auf, ein Zeichen, daß wir die direkte City hinter uns gelassen hatten und uns den einsameren Stellen der Inseln näherten, die es in Hongkong tatsächlich auch noch gab. Auch die Küste veränderte sich. Ich erkannte es an der Form der Brandung, die in unterschiedlichen Höhen und Breiten gegen die Felsen schäumte. Wenn mich nicht alles täuschte, verlief sie nicht mehr so gerade. Sie war mehr zerklüftet. Kleine Buchten, Einschnitte, aber auch Felsnasen, die vorstanden. Je länger wir fuhren, um so mehr nahm auch meine Skepsis zu. »Sie kennen die Bucht wirklich?« Suzie nickte. »Ich werde sie selbst in der Dunkelheit der Nacht zu finden wissen.« »Das ist allerhand.« »Nein. Nicht wenn man so etwas gelernt hat. In Hongkong lebe ich nicht nur, diese Stadt ist für mich zu einer Heimat geworden, wenn Sie verstehen. Ich habe mich mit ihrer Geschichte, aber auch mit ihrer Geologie beschäftigt, und freue mich darüber, denn es ist wirklich eine außergewöhnliche Insel, die eine besondere Vergangenheit hinter sich hat.« »Und die Zukunft?«
Sie lachte bitter. »Niemand weiß, was geschieht, wenn Rotchina sie im Jahre 1997 übernimmt. Wir haben Hoffnungen gehabt, daß es Umwälzungen geben würde, aber aus dem Reformer Deng ist ein Schlächter geworden, der den Platz des Himmlischen Friedens mit dem Blut Tausender überschwemmt hat.« »Regiert die Furcht in Hongkong?« »Das müßte sie eigentlich. Seltsamerweise ist dies nicht so. Wenigstens nicht nach außen hin. Es wird noch immer gebaut, und auch noch höher. Neue Hotels entstehen, manchmal glaube ich, daß der Boom die Stadt noch vor der Übergabe zerfressen hat. Was wir in Hongkong erleben, ist Kapitalismus pur.« Ich konnte ihr nur zustimmen. Das Mutterland hatte tatsächlich Probleme mit der Kronkolonie, die man in Hongkong selbst wohl nicht als so schlimm sah. Die Wellen liefen teilweise quer gegen unser Boot und schaukelten es durch. Harte Schläge hatte die Bordwand auszuhalten. Gischt schäumte oft genug als dichter Schaum über und flog auch gegen unsere Gesichter. Immer häufiger wischten wir uns das Wasser von der Haut. »Soll ich den Kurs beibehalten?« »Noch.« »Und dann?« »Gebe ich Ihnen rechtzeitig genug Bescheid, John. Wir müssen natürlich näher an die Küste heran.« Wir schwammen nicht allein auf der weiten, wogenden, dunklen Fläche. Ich sah genügend Schiffe, die auf den Wellen schaukelten. Vergnügungsdampfer, bunt beleuchtet, umschwebt von Musikfetzen. Zudem bewegten wir uns auf dem Kurs der Fähre nach Lantau Island, die allerdings sahen wir um diese Zeit nicht mehr. Das Lichtermeer der großen Stadt war als helle Glocke irgendwo hinter uns verschwunden, und Suzie überfiel so etwas wie Unruhe. Sie hatte Karten gefunden und studierte sie im Schein meiner kleinen Bleistiftleuchte. »Alles klar?« Sehr bedächtig nickte sie. »Ändern Sie den Kurs, John. Wir müssen /.um Ufer hin.« »Okay. Eine Frage noch. Wie sieht es mit Stromschnellen aus, mit Felsbuckeln, die aus dem Wasser schauen, mit...« »Hier nicht so schlimm. Die Bucht, die ich meine, liegt ziemlich günstig. Wir müßten eigentlich ohne Schwierigkeiten hinkommen können.« »Wird man uns sehen?« »Eher hören, schließlich fahren wir ohne Positionsleuchten. Sie müssen den Motor drosseln und die Strömungen ausnutzen, dann haben wir eine gute Chance.«
Mein Nicken zeigte Anerkennung. »Sie kennen sich hervorragend aus, Suzie, Kompliment.« »Auch hier hat man gelernt, sich zu emanzipieren. Man kann als Frau viele Möglichkeiten nutzen, wenn man nicht im alten Rollen-Klischee hängenbleibt.« »Es bleibt trotzdem dabei, daß Sie wieder zurückfahren und Superintendent Demison alarmieren.« »Das habe ich versprochen.« »Wunderbar.« Ich hatte den Kurs gewechselt, ließ das Motorboot in südlicher Richtung über die Wellen gleiten. Manchmal hatte ich das Gefühl, als würden wir auf dem Wasser tanzen. Die Küste selbst lag als dunkler Streifen vor uns. Nur tiefer im Innern schimmerten Lichter. Das Ufer blieb dunkel. Es kam mir vor wie ein Ungeheuer, das auf Beute wartet. Ich hatte mir vorgenommen, mich nicht verschlingen zu lassen, konzentrierte mich sehr stark auf meine Aufgabe und behielt auch die hellen, schaumigen Streifen genau im Auge. Sie hatten verschiedene Formen angenommen, sie tanzten, sie sprudelten und schäumten in die Höhe, klatschten gegen düstere Felswände und kippten dann über. Die ersten Strudel griffen nach dem Boot wie gierige Hände. Sie zerrten, sie ließen keine Stelle des Kiels aus, als wollten sie das Boot in einen Kreis drängen. Ich mußte mehr Gas geben. Schaukelnd entwischten wir den gefährlichen Untiefen. Am Ufer blinkte das Wasser so hell, als wäre es mit zahlreichen Diamanten bestreut. Von der Dschunke sah ich nichts. Meine Augen hatten sich dennoch gut an die Finsternis gewöhnt, so daß es mir gelang, Umrisse wahrzunehmen. Vor uns öffnete sich tatsächlich die Bucht wie ein gewaltiges Maul. Felsen standen vor, zwischen ihnen schäumte das Wasser, weil es zusammengedrängt wurde und deshalb eine gefährliche Strömung bildete, die schon einem Fluß glich, der auf direktem Weg zum Ufer führte. Suzie hatte sich leicht geduckt ud wippte dabei auf den Zehenspitzen. Ihr Gesicht glich einer kalten Maske, an deren Haut Wassertropfen hingen, als seien sie dort festgeleimt. »Was ist?« fragte ich. »Wenn die Dschunke hier liegt, müßten wir ihren Umriß eigentlich gleich sehen können.« »Dann ist es wohl besser, wenn ich mit halber Kraft fahre.« »Mit noch weniger.« »All right, Madam, einverstanden.«
Wir nutzten die Strömung aus, die uns näher in die Bucht hineinschob. Ich suchte nach Lichtern, aber auch die weißen Masken auf ihrer Dschunke hatten keine Positionsleuchten gesetzt. »Mit dem Boot kommen wir nicht bis dicht an das Schiff heran.« Suzie drehte sich. »Es wäre besser, wenn Sie das Rettungsboot am Heck nehmen und den letzten Rest rudern.« »Das habe ich mir auch vorgenommen, ich. . .« »Da«, unterbrach sie mich, »da ist die Dschunke. Links von uns. Himmel, ist die groß.« Es kam auf die Perspektive an. Tatsächlich schob sich die Bordwand wie ein gewaltiger Fels von der Wasserfläche aus in die Höhe. Noch waren die Aufbauten nicht genau zu erkennen, aber ich wollte nicht näher heran und stellte den Motor ab. Unser Boot lief aus, die Strömung erfaßte es, spielte mit ihm, drehte es im Kreis, schob es mal vor, zerrte es wieder zurück, während ich zum Heck gegangen war und den kleinen Ruderkahn losband, mit dessen Hilfe ich die letzte Strecke bis zum Ziel überwinden wollte. Suzie war mir dabei behilflich, das Boot zu Wasser zu lassen. Es klappte so, als hätten wir es zuvor studiert. Sie beugte sich über die Reling, als ich die Riemen aufnahm. Nach einem kleinen Außenborder hielt ich vergeblich Ausschau. »Sie wissen, was Sie zu tun haben?« rief ich ihr zu. »Klar doch, viel Glück.« Ihre Stimme klang sehr leise. Ich hörte ihre Angst. Auch mir war nicht wohl zumute. Wenn ich mir vorstellte, es gegen die Horde von weißen Masken aufnehmen zu müssen, wobei ich nicht einmal über ihre Anzahl informiert war, wurde mir schon etwas mulmig zumute. Ich hatte die Riemen gepackt, zog sie durch, und Suzie ließ den Motor an. Dann drehte sie ab und tuk-kerte mit halber Kraft davon. Sie wollte nicht bis zum Hafen zurückfahren, eine Telefonzelle fand sie auch an anderer Stelle, schließlich kannte sie die Insel wie ihre Handtasche. Ich ruderte mit der Strömung, die glücklicherweise stärker an- als zurücklief. Im Laufe der Jahre bekommt man bei gewissen Tätigkeiten Routine, so auch hier. Das Rudern schaffte ich schon fast profihaft. Wieder einmal mußte ich erleben, daß in der Dunkelheit die Entfernungen doch täuschen können. So sehr ich mich auch in die Riemen legte, es dauerte, bis die Bordwand der Dschunke näher kam. Außerdem mußte ich immer damit rechnen, entdeckt zu werden. Auch wenn keine Positionsleuchten gesetzt worden waren, Wachen hatte der Mandarin bestimmt aufstellen lassen. Ich dachte über ihn nach, während ich die Ruderblätter durch das Wasser zog. Was war er für ein Mensch? Oder mußte man ihn schon als
Dämon oder magisch beeinflußte Person ansehen? Vielleicht wollte er nur das Verbrechen fördern, und dies auf eine Art und Weise, die ihn selbst im Hintergrund ließ. Wellen hatten einen Kranz aus hellem Schaum um die Bordwand der Dschunke gelegt. Eine etwas weite Dünung ließ es zu, daß ich auf den letzten Yards nicht mehr zu rudern brauchte. Die langen Wellen schoben mich auf die Dschunke zu, die tatsächlich normal vor Anker lag, und zwar noch ein ziemliches Stück vom Ufer entfernt, weil dort das Wasser einfach zu flach war. Ich packte noch einmal die Riemen und sah zu, daß ich bis an die Bordwand herankam und eines der dort hängenden Taue packen konnte. Beim ersten Versuch mißlang es. Ich duckte mich, als die Dünung mein Boot bis gegen die Bordwand trieb, wo es cntlangscheuerte, und der dumpfe Aufprall mir überlaut vorkam. Hatte man ihn gehört? Nein, es zeigte sich niemand an Deck, der über das Schanzkleid blickte. Auch hörte ich keine Stimmen. Ich trieb weiter ab, dann abermals heran, hatte die Riemen eingeholt, trieb im Boot und grjff mit beiden Händen zu. Diesmal gelang es mir, das Tau zu packen. Rasch vertäute ich das Boot daran. Dann lösten sich meine Füße von den Planken, das Boot trieb ein Stück ab, und ich hing zwischen Wasser und Himmel am Tau fest. Für die Dauer einiger Sekunden ruhte ich mich aus, bewegte die Beine nach vorn und umklammerte auch mit ihnen das starke, nasse Tau. Sekunden später begann der schwierigste und härteste Teil der Arbeit. An einem Tau in die Höhe zu klettern ist nicht eben das Wahre. Ich riß mir die Haut auf, spürte den bösen Schmerz, machte aber weiter. Jede Sekunde, in der ich früher bei Suko war, zählte. Ich löste die Beine vom Tau, weil ich mich mit den Füßen an der Bordwand abstützen wollte. So klappte es besser. Das Schanzkleid war vorgebaut worden. Mit Geschick und Glück überkletterte ich es, dann aber hatte ich Pech. Ob sie mich erwartet hatten oder ob es Zufall gewesen war, ich konnte es nicht sagen. Kaum hatte ich die fremden Schiffsplanken berührt •wobei ich mich geduckt hatte -•, da passierte es. Sie waren da, und sie kamen aus allen Richtungen auf mich zugehetzt. Beinahe lautlos, nur die dumpfen Schläge ihrer Schuhe waren zu vernehmen. Als ich in die Höhe kam, griffen sie an. Wie eine Woge aus Menschenleibern schlugen sie über mir zusammen. Meine Chance, falls ich je eine gehabt hatte, wurde schon im Ansatz brutal erstickt.
Zwar setzte ich noch eine Faust in ein weißes Gesicht, säbelte mit einem Handkantenschlag zudem eine Maske von den Beinen und sah plötzlich, wie etwas Großes, Schweres auf mich zukam. Eine gewaltige Harpune mit einer immensen Durchschlagskraft. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Sie besaß die Breite eines Kanonenrohres und hätte meinen Schädel beim Auftreffen zerschmettert, wenn es mir nicht gelungen wäre, mich zur Seite zu rollen, so daß die Finger der weißen Masken an meiner Kleidung abglitten. Die Planken vibrierten, als die Ummantelung der Harpune dicht neben meinem Kopf das Deck traf. Dafür erwischte mich ein harter Tritt am Kinn, der mich von einer Sekunde zur anderen groggy werden ließ, aber nicht in die Bewußtlosigkeit hineinriß... *** »Willkommen, Sohn . ..« Nein, es war kein Scherz, keine böse Satire, keine Einbildung gewesen. Suko hatte den Satz tatsächlich aus der Finsternis gehört, und er war mit einer krächzenden und alt klingenden Stimme gesprochen worden, der dennoch eine gewisse Härte nicht abgesprochen werden konnte. Danach vernahm Suko wieder das Knacken und ein tiefes Seufzen. Auf diese Geräusche achtete er nur mit halbem Ohr, denn der Satz, hatte ihn zu stark geschockt. Nicht nur innerlich, auch körperlich, denn ihm war verdammt weich in den Knien geworden. Aus ihnen war die Kraft gewichen, dafür hatte sich das berühmte Pudding-Gefühl ausgebreitet, das dem Inspektor auch nicht unbekannt war. Ebensowenig wie der Schauer auf seinem Rücken, der ihm vorkam wie festgefroren. Sein Vater und der Mandarin waren ein— und dieselbe Person. Auch wenn Suko ihn bisher noch nicht zu Gesicht bekommen hatte, bestand daran kein Zweifel. Unzählige Gedanken wirbelten durch seinen Kopf. Er stellte sich Fragen, ohne je eine Antwort zu bekommen, und war nicht in der Lage, diese Fragen auch in die Finsternis des Laderaums hineinzusprechen. Seine Kehle saß zu. Er hätte viel Geld für einen Stuhl gegeben, um sich setzen zu können. Doch das war nicht möglich. Dafür hörte er das leise Lachen, verbunden mit einem Knak-ken, wie es nur bei Knochen und Sehnen der Fall ist, wenn jemand seine Fingerlangzieht. »Na, Sohn. . .?« Schon wieder dieses Wort, das Suko Schauer übeiden Rücken trieb. Sohn, nein, er war nicht der Sohn, er wollte es nicht akzeptieren.
Er war als Waise aufgewachsen, aber nicht als Sohn eines verfluchten Mandarins, der sich als Verbrecher herausgestellt hatte. »Wo ist Cheng?« Die Frage hatte Tao gegolten, der auch eine Antwort gab. »Er konnte nicht mehr geholt werden. Er hat sich gewehrt, da haben ihn deine Diener getötet.« Der Mandarin schwieg, dann stöhnte er auf. »Was haben sie getan? Ihn getötet?« »Ja.« »Aber das geht nicht! Ich brauche ihn! Er hat mich wieder zurechtgeflickt. ..« »Tut mir leid.« Der Mandarin heulte auf. »Wie soll ich meinem Sohn gegenübertreten, wenn ihr nicht in der Lage seid, für meine Gesundheit zu sorgen, ihr Versager?« »Er ist aber hier!« »Das weiß ich. Ich freue mich auch darüber, daß er vor mir steht. Mach Licht!« »Sehr wohl, Herr!« Suko war gespannt. Er hörte, wie sich der Koloß bewegte. Etwas flackerte auf, beleuchtete das Gesicht des Leibwächters und ließ es noch schauriger aussehen. Dann drehte er den Docht einer Öllampe höher, deren Schein so stark war, daß er einen Großteil des Laderaums ausleuchten konnte. Vor allen Dingen die Hälfte, in der Sukos Vater saß. Zum erstenmal sah er ihn! Und er war geschockt. Schon oft hatte er sich vorgestellt, wie er wohl ausgesehen haben mochte, aber dieses Bild war ihm überhaupt nicht vertraut. Auf einem Stuhl mit hoher Lehne in einer schiefen und gleichzeitig verkrümmten Haltung ein Mensch, der bereits ins Greisenalter gekommen war. Auf seinem Kopf wuchs kein Haar. Eine Kappe bedeckte etwa ein Drittel der Glatze. Das Gesicht besaß eine faltenreiche, reliefartige Haut, die Augenbrauen waren geschwungen, so daß er einen verächtlichen Ausdruck bekommen hatte. Er trug ein langes, dunkelgrünes Gewand, das seinen Körper verbarg und nur die Hände freiließ, die aus den Ärmellöchern hervorwuchsen. Suko fiel auf, daß sein Vater sehr lange Finger besaß, als wären sie künstlich an die Hand genäht worden. Tao stand einige Schritte seitlich von ihm entfernt und hatte dort eine lauernde Haltung eingenommen. Er würde sofort eingreifen, wenn er es für nötig hielt. Ein dünner, schwarzer Bart wuchs auf der Oberlippe des Mandarins und zeichnete noch die Mundwinkel ein Stück weiter nach. Suko gefiel diese Erscheinung überhaupt nicht, und auch nicht der Blick dieser dunklen Augen, in deren Pupillen noch der Widerschein des Öllichts geisterte.
Der Mandarin bewegte seine Finger. Er zerrte an ihnen, als wollte er sie abreißen. Wieder erklang das Knacken, aber diesmal in sein kratziges Lachen hinein. »Hast du es gehört, Sohn? Hast du es gehört?« Suko nickte. »Du wunderst dich, wie?« »Kaum.« Suko sprach mit einer Stimme, die er selbst nicht kannte. »Es ist nicht zu überhören, denn es hat seinen Sinn. Glaube nur nicht, daß ich nur wegen der Geräusche meine Finger, Gelenke und Sehnen in die Länge ziehe, glaube das nur nicht. Es hat seinen Grund, und der ist verdammt schlimm. Ich will es dir erzählen, denn du könntest mein Nachfolger werden.« Der Mandarin nickte, wobei es so aussah, als würde er jeden Moment seinen Kopf verlieren. »Ich bin sehr alt, ich habe immer versucht, am Leben zu bleiben und den Göttern zu dienen. Es war nicht einfach, und sie erwischten mich. Zuerst dachte ich, daß sie mir die Kehle durchschneiden würden, denn sie haßten alle Mandarine. Dann aber warfen sie mich in eine Schlucht und ließen mich liegen, weil sie mich für tot hielten. Doch ich war nicht tot. Freunde fanden mich und holten den Knochensetzer. Er sorgte dafür, daß ich wieder gehen, stehen und sitzen konnte, wenn auch unter großen Mühen. Aber ich lebte, und ich zahlte es den anderen zurück. Ich sammelte meine Getreuen um mich. Wir zerschlugen die Bande der Tongs und rissen die Herrschaft an uns. Es war klar, daß ich dabei keinen Sohn gebrauchen konnte. Ich gab dich in ein Kloster. Niemals solltest du erfahren, wer dein Vater gewesen war. In unserer langen Ahnenreihe hat es viele Mächtige gegeben, auch Dämonen und Menschen, die den Göttern zu Diensten waren. Weißt du nun Bescheid?« »Etwas mehr.« »Ich bin alt geworden, ich suche jemand, der mir nachfolgen kann. Ich wollte es mit dir versuchen.« »Nein!« Der Mandarin lachte. »Du wirst es dir bestimmt noch überlegen, glaube mir.« »Wer war meine Mutter?« Wieder zerrte der Mandarin an seinen Fingern, hob mühevoll den Kopf und schielte Suko von der Seite her an. »Sie war eine schöne Frau, eine sehr schöne sogar.« »Lebt sie noch?« »Nein.« »Wie kam sie um?« Der Mandarin winkte ab. Die Bewegung sah schlimm aus. Wieder hatte Suko den Eindruck, als würde die Hand nur mehr an dünnen Fäden mit dem Arm verbunden sein. »Sie brachte sich selbst um.« »Du hast sie dazu getrieben?«
»Nein, sie war es selbst. Sie konnte den Druck nicht mehr ertragen. Aber ich will darüber nicht reden. Ich habe einen Sohn, ich habe ihn gefunden, das allein zählt.« »Stammt der Brief von dir?« Da lachte Sukos Vater. Mühsam hob er beide Arme. »Schau mich an, kann ich schreiben?« »Das glaube ich nicht.« »Eben. Cheng Wang schrieb ihn für mich. Er ist ein Künstler und ein Wissenschaftler gewesen, aber kein Freund, denn er hat mich enttäuscht. Er war ein Verräter.« »Er meinte es gut. Er kannte dich. Er wollte nicht, daß du das Grauen bringst, Mandarin.« Mitdem Wort Vater konnte Suko diese Person nicht ansprechen. Diese Person war ihm zu fremd, außerdem stand sie auf der anderen Seite. »Er irrte«, erklärte der Mandarin. »Ich bin zu alt. Ich will meinen Auftrag an dich übergeben, Sohn.« »Wie sieht der aus?« »Du wirst Herr über die weißen Masken. Eine alte Gruppe, die schon vor Jahrhunderten bekannt war und einstens der Prinzessin Li gedient hatte, der Tochter des Erhabenen aus Jade.« Natürlich kannte Suko die Mythologie seines Heimatlandes. Der Erhabene aus Jade hatte in alter Zeit die Spitzenposition des Kaisers inne und seinen Untertanen, zu denen oft genug die Mandarine gehörten, Posten am Hof verschafft! Die Prinzessin Li war die Tochter des Erhabenen und als Schutzpatronin auserwählt. Suko und sein Freund John Sinclair hatten bereits mit ihr Bekanntschaft gemacht, als sie den Fall der Pesthügel von Shanghai lösten, und er wußte auch, daß die Prinzessin auf seiner Seite stand. »Wenn die Masken wirklich der Prinzessin gedient haben, dann wären ihnen Morde zuwider gewesen.« »Heute nicht mehr.« »Ich glaube dir nicht, Mandarin. Ich weiß, daß du ein Babylon in Hongkong errichten willst. Du möchtest alles unter Kontrolle bekommen, aber dem werde ich einen Riegel vorschieben.« Der Greis verzog das Gesicht. »Rede nicht so dumm. Nicht ich will die Macht, du sollst sie bekommen. Gib acht«, sprach er weiter, bevor Suko Widerspruch einlegen konnte. »Gib genau acht.« Schlenkernd bewegte er seine rechte Hand, bevor er sie in den Falten seines grünen Gewandes verschwinden ließ. Ebenso schlenkernd zog er sie wieder hervor. Diesmal war sie zur Faust geballt. Mühsam streckte er Suko Arm und Faust entgegen. »Komm her, Sohn, komm näher, ich will dir etwas zeigen.« Suko zögerte zunächst, ließ sich dann auf zwei Schritte ein, was den Mandarin zufriedenstellte. Er öffnete die Faust. Gebannt starrte Suko auf den Gegenstand, der plötzlich zum Vorschein kam. Es war eine Figur.
Wunderbar geschnitzt, aus Jade bestehend, mit kleinen vorstehenden Brüsten, mit einem feingeschwungenen Gesicht, in dem sogar die Augen genau zu sehen waren. »Kennst du sie?« »Es ist die Prinzessin Li!« Die Lippen des Mandarins verzogen sich zu einem breiten Grinsen. »Ja, es ist die Prinzessin, die uns damals so unterstützt hat. Wenn du meine Nachfolge antrittst, wird sie auch dich unterstützen. Hier, nimm sie an dich, ich übergebe dir die Macht, die sie auf mich übertragen hat. Jetzt sollst du sie haben.« »Ich will sie nicht!« »Du bist mein Sohn!« »Nein, Mandarin, das mag zwar sein, aber ich werde dich niemals Vater nennen können. Hast du gehört? Niemals!« »Nimm sie, spüre die Macht.« Er ließ sich nicht beirren. »Los, du mußt sie nehmen!« Suko überlegte. Er dachte in zwei verschiedene Richtungen. Wenn er sie nicht nahm, blieb alles beim alten. Griff er jedoch zu, konnte er möglicherweise etwas verändern, und deshalb war er nach Hongkong gekommen. Diese Stadt sollte kein Babylon erleben. Tao, der Koloß, Aufpasser und Leibwächter, rührte sich nicht vom Fleck. Ausdruckslos beobachtete er die Szene, nichts in seinem weißgeschminkten Gesicht rührte sich. »Willst du mir die Qualen des Aufstehens nicht ersparen, Sohn?« keuchte der Mandarin. »Bleib sitzen!« erwiderte Suko und schritt auf seinen sitzenden Vater zu. Als er die kleine Figur an sich nahm, berührten sich für einen Moment die Hände der beiden. Fast wäre Suko zurückgezuckt, denn durch seine Finger rieselte ein kalter Schauer. Der Mandarin mußte die Hand eines Toten haben, so kalt und steif war sie. Er nahm die jadefigur zwischen zwei Finger und betrachtete sie aus der Nähe. Sie stellte tatsächlich ein kleines Kunstwerk dar. Einmalig in ihrer Art, und das Material selbst fühlte sich warm an, als würde Leben in ihm stecken. Wieder knackte der Mandarin mit den Gelenken. »Ist sie nicht schön?« flüsterte er. »Ist sie nicht wunderbar? Merkst du, daß etwas in ihr steckt? Spürst du dieses Leben?« Suko schaute ihn an. »Ja, du hast recht.« »Dann hat sie dich angenommen. Ihre Macht wird auf dich übergehen. Sie wird dich leiten.« Das genau wollte Suko nicht. Daß in der Figur eine geheimnisvolle Kraft steckte, hatte er schon längst festgestellt. Aber diese Kraft gefiel ihm
überhaupt nicht. Sie strömte keine positiven Wellen aus, sondern Vibrationen, die auf ihn negativ wirkten. Diese kleine Figur versuchte tatsächlich, ihn zum Bösen hin zu beeinflussen, was er von der Prinzessin Li eigentlich nicht kannte. »Na, was ist?« Suko hatte den lauernden Ton aus der Frage des Mandarins hervorgehört. Er schaute noch einmal hin und sah tatsächlich, daß sich die Augen innerhalb der Figur bewegten. Zuerst zuckten, dann rollten sie, und plötzlich bekamen sie Farbe. Tief in den Schächten der Pupillen stieg das Leuchten hervor. Eine Mischung aus rot und grün, und der kleine Mund verzog sich zu einem grausam wirkenden Halbkreis. Laß sie los! schrie es in Suko. Laß sie los! Er ließ sie fallen. Mit einem hell klingenden Laut fiel sie auf die Planken. Suko hörte den Mandarin scharf atmen und auch den leisen Schrei des Leibwächters. Er hob den Fuß. Dann rammte er ihn mit aller Kraft nach unten. Nein, die Figur schrie nicht. Sie blitzte hell auf, als sie durch den Druck in zahlreiche Stücke zertreten wurde. Gleichzeitig schrie der Mandarin, als würde er gefoltert. Er heulte auf, sein Körper zitterte, er bewegte seine gekrümmten Hände hektisch und brüllte Suko an. »Du hast sie vernichtet, Sohn! Du hast sie nicht angenommen. Du wolltest ihre Macht nicht. Du bist ein Feind!« »Es war nicht der wahre Geist der Prinzessin. Etwas Böses steckte in der Figur.« »Es ist die Macht gewesen. Du bist ihr Feind!« Die alte brüchige Stimme überschlug sich fast. »Und wer ihr Feind ist, der ist auch mein Feind! Ich will dich nicht mehr, Sohn, ich will dich nicht! Töte ihn, Tao, vernichte ihn!« Und Tao gehorchte. Er riß Sukos eigene Beretta hervor, um auf den Inspektor anzulegen. Suko war schneller. Bevor die Mündung noch auf ihn zeigen konnte, hielt er seinen Stab in der Hand. Ein Wort rief er, das für fünf Sekunden alles zu seinen Gunsten veränderte. »Topar!« *** Es waren wohl nur Sekunden gewesen, in denen ich mich nicht zurechtfand. Sie hatten gereicht. Die weißen Masken umstanden mich so dicht, daß mich ihre Füße berührten. Die weißen, widerlichen
Gesichter glotzten unbewegt auf mich nieder, und nicht ein Lippenpaar zuckte. In ihren Augen las ich eine Unbarmherzigkeit, die mich erschreckte. Sie würden mich töten, wenn mir nicht im letzten Augenblick noch etwas einfiel. An die Beretta kam ich nicht heran, denn sie rissen mich hart auf die Beine. Sechs Gestalten zählte ich. Line der Masken holte eine dünne Waffe hervor. Gefährlich blitzte die Nadel vor meinem Gesicht auf, während mich andere hielten. Ich trat zu. Der Mann mit der Mordnadel gurgelte nur, als er zurückkippte und auf das Deck fiel. Ein anderer zog seine Waffe, jemand packte mein Bein, hielt mich fest -da geschah es. Ich bekam es nicht so schnell mit, weil mich der Vorgang überraschte. Etwas sirrte durch die Luft. Ich hörte die Einschläge, Schreie gellten auf, hinter meinem Rük-ken brachen zwei Masken zusammen, die mich festgehalten hatten. Plötzlich konnte ich mich wieder bewegen, tauchte weg und sah, daß neben mir jemand von einem Pfeil in die Brust getroffen wurde. Er taumelte zurück, beide Hände um den Schaft geklammert. Dann hatte ich Ruhe, bewegte mich rückwärts gehend auf das Schanzkleid zu, lehnte mich dagegen, schaute zum Heck hin und sah auf dem Oberdeck eine dunkle Gestalt, deren obere Gesichtshälfte von einer schwarzen Maske verdeckt war. In der Hand hielt die Gestalt ihre Waffe, eine Armbrust mit aufgelegtem Pfeil, seit einiger Zeit das Wahrzeichen einer Person, die einmal an Sukos Seite gekämpft hatte und auf den Namen Shao hörte, die letzte in der langen Ahnenkette der Sonnengöttin Amaterasu. Ich staunte sie an und schaute zu, wie sie mit geschmeidigen Bewegungen ihren Platz verließ, auf das normale Deck sprang und mir entgegenlief. Vier Masken lagen auf den Planken. Zwei von ihnen rührten sich nicht mehr, die anderen beiden stöhnten. Shao nickte nur. Wie immer war sie ganz in Leder gekleidet, das schwarze Haar hatte sie zusammengebunden. Sie wirkte in dieser Kleidung wie ein Gespenst oder ein weiblicher Klabautermann. Ich schüttelte den Kopf. »Meine Güte, Shao, wo kommst du denn her? Was ist geschehen?« Shao entspannte sich etwas, senkte den Arm, der aufliegende Pfeil wies nach unten. »Ich mußte kommen, ich habe gespürt, wie sehrSuko in Nöten war.«
»Geht es ihm schlecht?« »Er befindet sich unter Deck und steht wahrscheinlich seinem Vater gegenüber.« Stöhnend und zischend atmete ich aus, während ich nickte. »Dann stimmt es also doch. Dann hat er nicht gelogen. Sukos Vater lebt.« Ich hob die Schultern. »Wird er ebenfalls hier gefangengehalten?« Shao lachte mich aus. »Gefangengehalten? Nein, was denkst du? Sukos Vater ist der Mandarin.« Ein Treffer in den Magen hätte mich kaum härter erwischen können als diese Antwort. »Sag. . . sag das noch einmal. . .« Sie wiederholte den Satz. »Und das ist wahr?« »Ja, er ist der Mandarin. Aber das später. Wir haben nur einen kleinen Schritt getan, die anderen sind größer, die noch vor uns liegen. Wir müssen Suko befreien.« »Er befindet sich unter Deck?« »Im Laderaum.« »Dann los.« Sie hielt mich fest. Ich wunderte mich über den harten Griff. »Nicht so voreilig, John, du hast noch etwas vergessen.« »Was denn?« »Das hier.« Shao wies auf die Harpune, die so schwer und mächtig aussah. »Die soll ich mitnehmen?« »Und ob.« »Weshalb denn?« »Sie ist eine Waffe, die du eventuell gebrauchen kannst. Du mußt Brücken abbrechen, Wege zerstören, nur so kannst du ein Babylon in Hongkong vernichten. Du mußt das Feuer mit Benzin löschen, so schlimm es sich anhört. Diese Waffe besitzt nur einen Schuß, aber er wird reichen. Tao hatte sie hergestellt, er ist ein genialer Feuerwerker, er wollte damit das Babylon in Hongkong einläuten.« Ich schaute mir die Waffe aus der Nähe an. Die Harpune oder was immer sie sein mochte, bestand aus einem Metallzylinder, der sich an seinem Ende verdünnte und in einen Gegenstand mündete, den man als Gewehrkolben bezeichnen konnte. Sogar einen Abzugshahn sah ich. »Nur einmal«, sagte Shao, »nicht mehr.« »Gut.« »Dann bleibe hinter mir.« Wir schlichen über das Deck. Ich hatte die mächtige Harpune, die trotz ihrer Masse relativ leicht war, unter den linken Arm geklemmt, in der rechten Hand hielt ich die Beretta. Zwar wußte ich nicht genau, wie zahlreich die weißen Masken auf der Dschunke verteilt waren, ging jedoch davon aus, daß sich noch einige hier aufhielten. Shao dachte nicht anders. Sehr vorsichtig bewegte sie sich über die Planken, ein gespenstischer schwarzer Schatten, der an vielen Stellen
mit der Dunkelheit verschmolz. Sie suchte und fand stets eine gute Deckung, und wir näherten uns einem Niedergang, der tief hinein in den Bauch der alten Dschunke führte. »Ist niemand mehr im Ruderhaus?« wisperte ich. »Da war ich schon.« »Aha.« Mir reichte die Antwort, und ich stellte keine weiteren Fragen mehr. In einem kleinen Aufbau entdeckten wir eine Tür, die leicht vibrierte. Ich wollte mich an Shao vorbeischieben, sie aber drückte mich zurück. Mit dem sicheren Instinkt einer Person, die sich in fremden Welten aufhielt, mußte sie bemerkt haben, daß sich hinter der Tür etwas tat. Und sie hatte recht. Plötzlich wurde die Tür nach außen gedrückt. Shao huschte gedankenschnell zur Seite. Ein weißes Gesicht erschien, dann ein Körper, der geduckt das Deck betrat. Der Mann trug ein Kurzschwert in der Hand, schaute nach links, hörte mein geflüstertes »He, du!«, drehte sich und sah meine Hand nicht einmal, so schnell hatte ich zugeschlagen. Das Gewicht der Pistole hatte dem Treffer noch mehr Wucht verliehen. Die weiße Maske fiel zusammen und blieb rücklings auf dem Deck liegen. Shao nickte mir zu, nahm das Schwert und schleuderte es weit über die Reling. »Weiter!« sagte sie, tauchte durch die Tür und wartete auf einer geländerlosen Treppe auf mich. Ich hatte damit gerechnet, den Bauch des Schiffes dunkel vorzufinden, wurde angenehm enttäuscht, denn in den Gängen verbreiteten kleine Öllampen einen genügend hellen Schein, der das Licht auch über die Wände fließen ließ. Niemand erwartete uns. Mir fiel die Stille auf, weil ich eigentlich damit gerechnet hatte, Sukos Stimme zu hören, der aber blieb ebenfalls ruhig. Shao schaute sich um, als wollte sie sich orientieren. Ein Pfeil lag gespannt auf der Sehne. »Wohin jetzt?« Shao deutete von mir aus gesehen nach rechts in die Tiefe des Ganges hinein. »Gehst du zuerst?« »Ja.« Wir bewegten uns so leise wie möglich weiter. Die Dschunke lag nicht ruhig, sie schaukelte auf den in die Bucht hineinlaufenden Wellen, schwang mal vor, dann wieder zurück. Auch hörten wir das Klatschen des Wassers gegen die Bordwand, und ich wurde den Eindruck nicht los, mich in einem schwimmenden Gefängnis zu befinden.
Shao ging, als wäre sie hier immer schon gewesen. Phantomhaft huschte ihre Gestalt durch den Lichtschein, der uns bis zu einem breiten Schott begleitete, das diesen Laderaum von einem zweiten trennte. »Dahinter?« fragte ich. Sie nickte. »Okay, und jetzt?« Ich hatte sie angeschaut und sah, wie sich ihre Lippen unter der Maske bewegten. »Werden wir angreifen...« *** Fünf Sekunden blieben Suko! Er nahm sich noch die Zeit und schaute nach links, wo sein Vater krumm im Stuhl hockte. Seine Figur sah aus, als müßte erst an Fäden gezogen werden, um sie wieder normal hinsetzen zu können. Diesmal wirkte der Koloß Tao tatsächlich wie eine Statue, wozu vor allen Dingen Gesicht und Haltung beitrugen. Nur die Waffe gefiel Suko nicht, die entwand er ihm mit einer raschen Drehung. Suko wußte auch, daß Tao noch die Dämonenpeitsche besitzen mußte, deshalb durchsuchte er ihn und hatte Glück, daß er seine freie Hand unter das lange Gewand schieben konnte. Der Peitschenstiel schmiegte sich in seine Faust, als die Zeit vorbei war. Tao brüllte auf. Sein geschminkter Mund öffnete sich dabei sehr weit. Er sah aus, als wollte er Suko in den Hals beißen. Der jedoch war schneller und versetzte Tao einen harten Schlag mit der flachen Hand. Der Koloß geriet in Bewegung. Er >rollte< förmlich zurück, bis er mit dem Rücken gegen die Bordwand prallte und dort stehenblieb. Jetzt sah er die Mündung der Beretta auf sich gerichtet. »Eine Bewegung noch, und es hat dich gegeben!« Tao rührte sich nicht. Er machte den Eindruck, als hätte er aufgegeben. Suko ließ sich davon nicht täuschen. Sicherlich wartete der Koloß auf eine günstige Chance. Der Inspektor trat etwas zur Seite, um einen besseren Blickwinkel zu bekommen. Neben ihm lag die zersplitterte Figur der Prinzessin Li. »Komm hoch, Mandarin. Ich werde dich von diesem verdammten Schiff schleppen, und wenn es das letzte ist, was ich in meinem Leben tue. Ich werde dich den Behörden übergeben, damit sie endlich einen Grund haben aufzuatmen. Die Macht der weißen Masken ist gebrochen. Das Babylon in Hongkong wird es nicht geben. Cheng Wangs Einsatz hat sich letztendlich doch gelohnt. Er soll nicht umsonst gestorben sein.« Der Mandarin knackte wieder mit seinen Knochen und Gelenken. Er hatte sich auf seinem Stuhl bewegt und etwas nach vorn gedrückt, wobei
er den Eindruck machte, als wollte er jeden Augenblick starten. Das aber würde er kaum schaffen. »Los, hoch!« »Du bist nicht mehr mein Sohn. . .« »Das habe ich nie behauptet. Ich würde mich auch schämen, der Sohn eines Verbrechers zu sein. Ich wäre froh gewesen, wenn Cheng Wang dich nicht zusammengeflickt hätte.« Der Mandarin öffnete weit den Mund und lachte. »Was du alles willst, verdammt, was du alles willst.« »Komm endlich!« Der Mandarin nickte Suko zu. »Nein«, sagte er dann, »ich werde nicht mit dir gehen. Ich bleibe hier. Wenn du das willst, mußt du mich schon töten und meinen Körper als Leiche über das Deck der Dschunke schleifen. Willst du das?« »Wenn es sein muß, mache ich auch das«, erklärte ihm Suko. »Du weißt, daß ich dich nicht als Vater ansehe, und danach solltest du dich richten.« »Komm her!« Suko ahnte, daß der Mandarin eine Schlechtigkeit vorhatte. Bestimmt besaß er noch einen Trumpf, von dem Suko keine Ahnung hatte. Äußerlich sah er ihm nichts an. Zudem mußte er noch diesen Tao im Auge behalten. Der Koloß rührte sich nicht. Er klebte förmlich innen an der Bordwand. Die Schminke um seine Augen herum war verlaufen. Als dunkle Rinnsale rann das Zeug über das bleiche Gesicht. »Hol mich!« Das ließ Suko sich nicht mehr länger sagen. Mit festen Schritten ging er auf den Mandarin zu. Der wich zurück, als wollte er an der Rückenlehne Schutz suchen. Mit der Linken griff Suko zu und umklammerte das Handgelenk des Mandarins. Es fühlte sich hart an, irgendwie fleischlos. Suko empfand so etwas wie Ekel. Dann zerrte er den alten Mann zu sich heran. Der Mandarin keuchte, greinte, seine Knochen klapperten zwar nicht, aber sie bewegten sich unkontrolliert, so daß Suko den Eindruck bekam, er hätte schon einige Sehnen zerrissen. Zwar stemmte sich sein Vater gegen den Griff, schaute ihn aus weit aufgerissenen Augen an, keuchte etwas, und Suko setzte noch mehr Kraft ein. Es war ein Fehler, denn er hatte den Zusammenhalt der Knochen unterschätzt. Plötzlich fiel er zurück, etwas brach unter dem Griff seiner zufassenden Hand, der Widerstand war verschwunden, und er selbst taumelte zurück.
Er sah noch, wie der Mandarin die Hand schlenkerte und sich Tao in Bewegung setzte. Trotz seiner Körperfülle bewegte sich der Koloß ungemein schnell. Er überwand die Distanz leicht, und er hatte noch aus seinem Umhang Waffen hervorgezogen. Es waren zwei Nadeln, die er in seinen dicken Händen hielt, sie zuckend bewegte, bevor er damit auf Suko einstach. Der war wieder hochgekommen, hörte seinen Vater schreien wie einen kleinen Vogel und hätte den Koloß mit Kugeln stoppen können, was er nicht wollte. Suko steckte die Beretta weg, um die Hände freizuhaben. Als Tao mit den Nadeln zustach, unterlief Suko beide Arme und hebte den Koloß aus. Schwer und dröhnend fiel Tao um, fluchte dabei, rollte sich weiter. Er bekam von Suko einen Tritt, als er sich aufrichten wollte. Eine Nadel wirbelte aus seiner Hand. Mit der zweiten stach er noch zu, rammte sie aber in die Planken und kassierte den nächsten Karatetritt des Inspektors, der ihn endgültig ins Reich der Träume schickte, denn der Koloß besaß so etwas wie ein Glaskinn, einen schwachen Punkt bei diesem immensen Körper. Wie ein riesiges Stück Fleisch, das allmählich zur Ruhe kam, lag er neben der Öllampe. Das Hindernis war beseitigt. Suko drehte sich um, weil er den Mandarin holen wollte - und hob plötzlich beide Hände. Sein Vater hielt eine Waffe in der Hand. Die beiden Mündungen der kurzläufigen Schrotflinte glotzten Suko an wie böse Augen. Und die Augen des Mandarins selbst leuchteten ebenfalls. Aus ihnen strahlte Suko der blanke Haß und die reine Mordlust entgegen. »Ich habe sie einem Engländer abgenommen. Es ist schon lange her«, erklärte der Mandarin, der die Waffe nur mit der rechten Hand hielt, den Kolben aber so in die Fllbogenbeuge eingestemmt hatte, daß er sie auch ruhig halten konnte. »Dieser Engländer ist stolz auf die Watte gewesen, sehr stolz, nun habe ich sie. Sie ist zu meinem letzten Trumpf geworden, verstehst du?« »Sicher!« »Du hast gesagt, daß du nicht mein Sohn sein willst, dann will ich auch nicht länger dein Vater sein, dann bist du für mich nur noch ein Feind und Verräter. Diese Waffe streut, du kennst sie, ein Kind kann sie bedienen, auch jemand, der schwach ist, wie ich. Wenn ich gleich abdrücke, werden dich die Ladungen zerreißen.« Suko blieb äußerlich ruhig. »Es hat dir nie etwas ausgemacht, jemand zu töten, wie?« »So ist es. Du bist hier in Hongkong geboren, und in
Hongkong wirst du sterben. Dein Tod läutet das Babylon für diese verdammte Stadt ein, die sich gegen mich gestellt hat, anstatt mir zu Füßen zu liegen. Dafür wird sie bezahlen.« Der Mandarin war nur eine Figur, das Abziehbild eines Menschen, aber er hatte recht, was die Funktion der Schrotflinte anging. Die konnte ein Kind bedienen, er brauchte nicht einmal zu ziehen, die Streuwirkung reichte aus. »Das hat doch keinen Sinn«, versuchte es Suko noch einmal. Er merkte, daß er ins Schwitzen geraten war. »Ich bin nicht allein gekommen, ich habe Unterstützung.« »Ja, dein weißer Freund.« »Genau, er ist es. Auch die Polizei weiß Bescheid. Wir haben sie eingeweiht. Du wirst kaum eine Chance haben, Mandarin.« »Aberdu auch nicht.« »Ich wollte die Macht nicht haben, ich wollte nur wissen, ob mein Vater tatsächlich noch lebt.« »Jetzt siehst du ihn vor dir!« »Ja, ich sehe ihn. Es ist die größte Enttäuschung meines Lebens. Ich wußte nicht, daß ich es mit einem Verbrecher zu tun bekomme. Ich habe dich nie hassen können, weil ich keine Hintergründe kannte. Nun aber fange ich damit an. Ja, ich hasse dich, weil ich erkannt habe, was hinter dir steckt. Du läßt dich von Kräften leiten, die nur in den Abgrund führen können. Es wäre wirklich besser gewesen, wenn man dich in der Schlucht hätte liegenlassen.« »Willst du mir sonst noch etwas sagen, Sohn?« »Ich sehe mich nicht als dein Sohn an. Ich besitze den Stab des Buddha, ich stehe auf der anderen Seite und werde dort immer stehen, solange ich lebe!« Der Mandarin deutete so etwas wie ein Nicken an. Die kleine Lampe des Öllichts flackerte, weil sie von einem Luftzug getroffen wurde. Suko bemerkte es nur am Rande, denn er konnte es nicht fassen, daß ihn sein eigener Vater erschießen wollte. Das war zuviel... »Dann stirb, Sohn!« erklärte der Mandarin. Im nächsten Augenblick ging für beide die Welt unter in einem mörderischen Inferno... *** Suko, der sich wirklich schnell bewegen konnte, hatte sich zur Seite geworfen, weil er davon ausging, dann nicht von der vollen Ladung direkt erwischt zu werden, doch diese Aktion hätte er sich sparen können. Nichts schlug in seinen Körper ein. Er prallte auf, starrte seinen Vater an und glaubte, sich in einem wirren Traum zu befinden. Etwas hatte gekracht, nur war es nicht die Schrotflinte gewesen, sondern eine andere Waffe. Ein langer, vorn etwas unförmiger Stab war an ihm
vorbeigezischt, hatte den Mandarin getroffen, war durch seinen Körper hindurchgerast und hatte ihn zurück in den Sitz geschleudert, wo er starr hockte, die Schrotflinte noch festhaltend, aber es nicht mehr schaffte, den Abzug zu ziehen. Der Mandarin war tot, die Waffe, die ihn durchbohrt hatte, steckte irgendwo in der Schiffswand. Suko hörte ein Zischen, das sehr gefährlich klang. Plötzlich packte ihn jemand, zerrte ihn herum, er schaute in Shaos Maskengesicht, verstand die Welt nicht mehr. Er sah auch seinen Freund Sinclair an dem offenen Schott stehen, der soeben eine unförmige Waffe wegschleuderte, deren Ladung dem Mandarin ein linde bereitet hatte. »Weg, wir müssen weg!« brüllte Shao. »Und schließt das Schott. Sonst fliegen wir mit in die Luft!« Das Zischen, dachte ich. Das verdammte Zischen. Diese Harpune war mit einem Explosivgeschoß geladen gewesen. Shao und Suko rannten vor mir her, während ich das Schott noch mit aller Kraft zuzerrte. Ich taumelte hinten ihnen her, erreichte sie auf den Stufen und sah, wie Suko an Deck von zwei weißen Masken attackiert wurde, sie aus dem Weg räumte, sich drehte und zusamen mit Shao auf mich wartete, die gegen die Reling deutete. »Runter!« Sie hatte das Wort kaum ausgesprochen, als im Bauch der Dschunke eine Hölle losbrach. Eine mörderische Explosion ließ das gesamte Schiff erzittern. Wir hatten dabei Glück und standen relativ günstig, denn die Dschunke brach auf, entließ einen gewaltigen Schwall aus Feuer, Rauch und Trümmern, zwischen denen ich auch zwei Körper sah. Der Mandarin und der Koloß hatten es nicht geschafft. Sie mußten zahlen. Andere weiße Masken gerieten in Panik. Die Druckwelle schleuderte sie über das Deck, auch wir blieben nicht verschont und prallten irgendwo gegen das Schanzkleid. Aus dem Loch stiegen dicke schwarze Rauchschwaden, vermischt mit zischendem Feuer und immer wieder explodierenden Knallkörpern. Ich hechtete als erster über Bord. Auf der schwarzen Wasserfläche sah ich den tanzenden Widerschein der Flammen und hatte das Gefühl, direkt in das Feuer hineinzutauchen. Dicht neben mir verschwand Suko im Wasser, von Shao sah ich nichts, dann biß die Kälte des Wassers zu, die mich nicht weiter störte, denn unter der Oberfläche schwamm ich so weit wie möglich dorthin, wo ich mein Boot an dem Tau angebunden hatte. Die Dschunke ächzte und stöhnte. Sie senkte sich bereits. Wenn sie unterging, und wir nicht weit genug entfernt waren, konnte uns der Strudel mit in die Tiefe reißen.
Deshalb war ich froh, als ich die Bootsleine mit dem Dolch kappen konnte. Suko schwang sich bereits über den Rand und lag flach im Boot, als ich die Riemen packte. Dann mußte ich pullen. Suko unterstützte mich dabei. Wir faßten jeder einen Riemen und schafften sogar den Gleichklang. Wieviel Zeit verstrichen war, wußte ich nicht. In der Dunkelheit hinter uns nahm der Himmel eine glutrote Färbung an. Gleichzeitig stand über der Stelle, wo die Dschunke endgültig auseinandergebrochen war, ein Feuerball, als hätte ihn jemand auf eine düstere Leinwand gemalt. Innerhalb des Feuers blitzte es auf, dann fiel alles in sich zusammen, und das schwarze Wasser verschlang die Dschunke wie das Maul eines Riesenfisches die Beute. Ein gewaltiger Sog entstand, der immer weitere Kreise zog. Suko und ich ruderten wie die Weltmeister, trotzdem konnten wir dem Sog nicht völlig entwischen. Er packte uns, hob uns an, schleuderte uns herum, eine Welle schlug über uns zusammen, wir mußten schöpfen, rudern, schöpfen und wurden vom Licht eines Scheinwerfers geblendet, der über die Wasserfläche strich und zu einem Boot der Küstenwache gehörte, daß zusammen mit anderen die Bucht anlief. Suzie hatte Wort gehalten. Suko lehnte sich zurück, bleich, zitternd. »Und wo ist Shao?« fragte er krächzend. »Wahrscheinlich dort, wo sie noch hingehört. Im Reich der Sonnenkönigin Amaterasu. ..« »Ja, ja«, sagte Suko und vergrub sein Gesicht in beiden Händen. Es machte ihm nichts aus, daß er weinte und ich ihm dabei zusah. Auch Geisterjäger sind keine Maschinen... *** Am nächsten Abend. Mit der Hongkonger Polizei hatten wir geredet, ich hatte auch mit London gesprochen und den Erfolg unserer Aktion gemeldet. Sir James erkundigte sich nach Sukos Zustand, da wollte ich nicht viel sagen. Er verstand es und erkundigte sich nur, wann wir wieder in England eintreffen würden. Den genauen Flugplan hatte ich nicht im Kopf, deshalb konnte ich ihm keine Zeit angeben. Zudem mußte ich mich noch bei jemand für seine tatkräftige Mithilfe bedanken. Es war Suzie, mit der ich in einem wirklich vorzüglichen Restaurant kantonesisch essen ging. Suko war im Hotel geblieben, er wollte allein sein, was er allerdings nicht war, wie ich später erfuhr.
Mitten in der Nacht erhielt er Besuch, und der blieb bis zum frühen Mittag. Auch wenn Shao und Suko durch ein widriges Schicksal noch getrennt leben mußten, bei einem Wiedersehen wurde es doppelt so schön. Zudem hoffte ich, daß Suko die Wahrheit über seinen Vater und den damit verbundenen Schock so schnell wie möglich überwinden würde...
ENDE