Hatto Schneider Auswuchttechnik
Hatto Schneider
Auswuchttechnik 7., neu bearbeitete Auflage
Mit 174 Abbildungen, 51 Tabellen und authorisiertem Abdruck von DIN ISO 1940-1 und DIN ISO 11342
123
Dipl.-Ing. Hatto Schneider Im Kantelacker 39 64646 Heppenheim Deutschland
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ISBN 978-3-540-49091-3 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN 978-3-540-00596-4 6. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2003, 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Satz: Digitale Druckvorlage des Autors Herstellung: LE-TEX, Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Einbandgestaltung: WMXDesign, Heidelberg; Entwurf Titelbild vom Autor Gedruckt auf säurefreiem Papier 68/3180 YL – 5 4 3 2 1 0
Vorwort zur 7. Auflage
Die weltweit am häufigsten genutzte Auswuchtnorm – ISO 1940-1 – definiert zweckmäßige Unwuchttoleranzen für starre Rotoren. Im deutschsprachigen Raum wird für diese Aufgabe die identische DIN ISO 1940-1 verwendet. Diese Normen legen in ihren neuesten Ausgaben eine wichtige Änderung fest: Die Toleranzen werden nicht mehr auf die Ausgleichsebenen bezogen, sondern auf spezielle Toleranzebenen. Diese Festlegung hat weitgehende Konsequenzen für das Auswuchten der meisten Rotoren und kann diesen Prozess wirtschaftlicher und zuverlässiger machen. Auch die Auswuchtmaschinen können weiterentwickelt werden, um für Toleranzebenen, die von Ausgleichsebenen getrennt sind, neue Lösungen und erweiterte Möglichkeiten zu bieten. Dagegen ist der erhoffte internationale Durchbruch bei der Bezeichnung von Rotoren – starr und nachgiebig – und eine übergreifende Beschreibung leider noch nicht gelungen. In diesem Buch wird jedoch an verschiedenen Stellen auf wahrscheinlich kommende Änderungen aufmerksam gemacht. Bereits in der 6. Auflage wurde das Kapitel über den Schutz an Auswuchtmaschinen revidiert, entsprechend neuerer Versuchsergebnisse und den darauf aufbauenden neuen Ausgaben von ISO 7475 und DIN ISO 7475. Manche Begriffe und Definitionen der Auswuchttechnik wurden international diskutiert und geändert. Leider ist dieser Prozess noch nicht abgeschlossen, so dass DIN ISO 1925 noch nicht aus einem Guss ist. Das Vorwort zur 5. Auflage gab eine kurze Einleitung in dieses Buch und seine Verwendung; es wird deshalb nachfolgend unverändert wiedergegeben. Heppenheim, im Februar 2007
Hatto Schneider
Vorwort zur 5. Auflage Die ersten Rotoren wurden vermutlich schon im Altertum ausgewuchtet, z.B. Wasser- und Windräder. Richtig interessant wurde es aber erst mit dem Beginn des „Maschinenzeitalter“ im 19. Jahrhundert und dann im 20., als weitere wichtige Unwuchtarten entdeckt wurden. Nahezu alles, was rotiert oder drehbar gelagert ist, wird heute ausgewuchtet. Die Palette der Rotoren reicht vom Motoranker einer Modelleisenbahn bis zu dem Generator eines Kraftwerkes, von der Festplatte eines Computers bis zum Kommunikationssatelliten, vom Haarföhn bis zu Strahltriebwerken von Flugzeugen.
VI
Vorwort
Die Entwicklung dieser Maschinen setzt sich auch jetzt noch – um die Jahrtausendwende – beschleunigt fort; mit neuen Konzepten, Materialien, Bearbeitungsmethoden und Stückzahlen. Damit steigen auch die Anforderungen an die Auswuchttechnik in Theorie und Praxis. Gleichzeitig wächst die Einsicht in Hintergründe und Zusammenhänge auf diesem Spezialgebiet. Das Buch „Auswuchttechnik“ ist vor knapp 30 Jahren im VDI-Verlag das erste Mal erschienen und wurde mehrfach neu verlegt. Es hat im Laufe dieser Zeit weltweit Anklang gefunden, unterstützt durch Übersetzungen, z.B. ins Englische und Chinesische. Die hier vorliegende fünfte Auflage hat der Springer-Verlag in Kooperation mit dem VDI übernommen. Sie wurde von Grund auf überarbeitet und beschreibt den Kenntnisstand, wie er sich heute in den Normen und Richtlinien – vor allem ISO, DIN ISO und VDI – manifestiert. An verschiedenen Stellen werden jedoch weitergehende Erklärungsansätze erwähnt bzw. erläutert, z.B. eine übergreifende Beschreibung der Unwucht von Rotoren vom starren bis zum nachgiebigen Zustand, die erst in mehreren Jahren zur Norm oder Richtlinie reifen können. Das Buch soll die systematische Einarbeitung in dieses Fachgebiet unterstützen, im Studium ebenso wie in der Industrie. Dazu wurde es neu gegliedert und mit aktuellen Zeichnungen, Fotos und Tabellen versehen. Den Erfahrenen in Konstruktion, Maschinenbeschaffung, Arbeitsvorbereitung, Fertigung, Entwicklung und Versuch kann es auch als Nachschlagewerk dienen. Dazu wurde das Sachverzeichnis weiter detailliert und die Querverweise im Text weiter ausgebaut. Das Auswuchten eines Rotors stellt typische Aufgaben, die durch seine Funktion, Konstruktion, gewählten Herstellverfahren, vorgesehene Stückzahl, Abnahmevorschriften, spätere Servicebedingungen usw. noch variiert werden. Dadurch erhält das Auswuchten immer wieder neue Aspekte und macht diesen kleinen Schritt im Produktionsprozess so interessant und zu einer echten technischen und organisatorischen Herausforderung. Die ganze Bandbreite wird sichtbar, wenn man bedenkt, dass die Stückkosten für das Auswuchten manchmal nur wenige Groschen betragen, in anderen Fällen aber auch 100 000.- DM überschreiten können. Bei der Suche nach der jeweiligen optimalen Lösung dieser komplexen Aufgabe helfen keine Patentrezepte, sondern nur fundiertes Wissen über die theoretischen Hintergründe des Auswuchtens, seine praktische Durchführung und die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Auswuchtsysteme. Ich hoffe, dass dieses Buch allen, die in der täglichen Arbeit beim Auswuchten immer wieder vor neue Fragestellungen gestellt werden, ein verlässliches Werkzeug ist. Heppenheim, im Juni 2000
Hatto Schneider
Inhaltsverzeichnis
Einführung ....................................................................................... 1
1 1.1 1.2
Entwicklung der Auswuchttechnik ....................................................... 2 Normen und Richtlinien ....................................................................... 8
2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4 2.4.1 2.4.2 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.5.6 2.5.7 2.5.8 2.5.9 2.6 2.6.1 2.6.1.1 2.6.1.2 2.6.1.3 2.6.2 2.6.3
Physikalische Grundlagen ............................................................ 9 Physikalische Größen ........................................................................... 9 Skalar und Vektor ................................................................................. 9 Addition .............................................................................................. 10 Multiplikation ..................................................................................... 10 Maßsystem .......................................................................................... 12 Grundgrößen ....................................................................................... 12 Abgeleitete Größen ............................................................................. 12 Physikalische Gesetze ......................................................................... 13 Dynamische Grundgleichung ............................................................. 13 Massenanziehung ............................................................................... 14 Kreisbewegung ................................................................................... 14 Ebener Winkel .................................................................................... 15 Winkelfrequenz .................................................................................. 16 Bahngeschwindigkeit .......................................................................... 16 Winkelbeschleunigung ....................................................................... 17 Bahnbeschleunigung ........................................................................... 17 Antriebsdrehmoment .......................................................................... 17 Trägheitsmoment ................................................................................ 18 Radialbeschleunigung ......................................................................... 18 Fliehkraft ............................................................................................ 19 Schwingungen .................................................................................... 20 Einmassenschwinger mit Fliehkraftanregung ..................................... 20 Unterkritisches Gebiet ........................................................................ 23 Resonanzgebiet ................................................................................... 24 Überkritisches Gebiet ......................................................................... 24 Freiheitsgrade ..................................................................................... 25 Dynamische Steifigkeit ....................................................................... 25
3 3.1 3.2
Theorie des starren Rotors ......................................................... 27 Definitionen und Erläuterungen ......................................................... 28 Unwucht eines scheibenförmigen Rotors ........................................... 30
VIII
Inhaltsverzeichnis
3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.8.1
Unwucht eines allgemeinen Rotors .................................................... Statische Unwucht .............................................................................. Momentenunwucht ............................................................................. Quasi-statische Unwucht .................................................................... Dynamische Unwucht ......................................................................... Darstellung des Unwuchtzustandes .................................................... Neue Ansätze ......................................................................................
31 33 36 37 39 40 44
4 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.3.5.1 4.3.5.2 4.3.6 4.3.6.1 4.3.6.2 4.3.6.3
Theorie des nachgiebigen Rotors ............................................. Plastischer Rotor ................................................................................. Körperelastischer Rotor ...................................................................... Wellenelastischer Rotor ...................................................................... Idealisierter wellenelastischer Rotor ................................................... Einfluss der Lagersteifigkeit ............................................................... Standfrequenz und kritische Drehzahl ................................................ Allgemeiner Rotor mit wellenelastischem Verhalten ......................... Unwuchtwirkungen am Rotor mit wellenelastischem Verhalten ........ Modale Unwuchten ............................................................................ Äquivalente modale Unwuchten ........................................................ Ausgleich eines Rotors mit wellenelastischem Verhalten .................. Erste Biegeeigenform ......................................................................... Zweite Biegeeigenform ...................................................................... Dritte Biegeeigenform ........................................................................
47 48 48 50 51 52 54 55 55 56 56 57 58 59 60
5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.7.1 5.7.2 5.7.3
Toleranzen des Rotors mit starrem Verhalten .................... Allgemeines ........................................................................................ Toleranzebenen ................................................................................... Ausgleichsebenen ............................................................................... Ähnlichkeitsbetrachtungen ................................................................. Festlegen der zulässigen Restunwucht ............................................... Verteilung auf die Toleranzebenen ..................................................... Zuordnung der Unwuchttoleranz zu den Ausgleichsebenen ............... Zusammengebaute Rotoren ................................................................ Nachprüfen der Restunwucht ............................................................. Akzeptanzkriterien ............................................................................. Nachprüfung durch den Hersteller ...................................................... Nachprüfung durch den Abnehmer .....................................................
61 61 62 63 64 66 70 73 74 74 75 76 76
6 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.4.1
Toleranzen des nachgiebigen Rotors ...................................... Unwuchttoleranzen nach DIN ISO 11342 .......................................... Vorschlag des Verfassers .................................................................... Darstellung der Unwucht eines Rotors ............................................... Toleranzgrenzen ................................................................................. Verteilung auf mehrere Unwuchten .................................................... Unterschiedliche Unwuchtsituationen ................................................ Ausgewuchteter Rotor ........................................................................
77 77 78 78 79 80 81 81
Inhaltsverzeichnis
IX
6.2.4.2 6.2.4.3 6.2.4.4 6.2.5 6.2.6 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.2.1 6.3.2.2 6.3.3 6.3.4 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4
Ein-Ebenen-Auswuchten .................................................................... Zwei-Ebenen-Auswuchten ................................................................. Mehr-Ebenen-Auswuchten ................................................................. Diskussion .......................................................................................... Betriebsdrehzahl ................................................................................. Beurteilung des Unwuchtzustandes .................................................... Niedrigtourige Auswuchtmaschine .................................................... Hochtourige Auswuchtmaschine oder -anlage ................................... Zulässige Schwingungen .................................................................... Zulässige Unwuchten ......................................................................... Im Prüffeld ......................................................................................... Im Betriebszustand ............................................................................. Anfälligkeit und Empfindlichkeit von Maschinen gegen Unwuchten Klassierung der Anfälligkeit von Maschinen ..................................... Bereiche der modalen Empfindlichkeit .............................................. Grenzkurven ....................................................................................... Experimentelle Ermittlung der modalen Empfindlichkeit ..................
81 82 83 84 85 85 86 86 86 87 87 87 88 88 89 90 93
7 7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5
Verfahren zum Auswuchten starrer Rotoren .......................... 95 Körper ohne eigene Lagerzapfen ........................................................ 95 Unwuchten durch Montage ................................................................ 95 Auswuchten auf Umschlag ................................................................. 99 Weitere Verwendung der Umschlag-Methode ................................. 102 Hilfswellen, Adapter ......................................................................... 102 Baugruppen ....................................................................................... 102 Austauschbarkeit von Teilen ............................................................ 103 Ausgleich des Montagefehlers .......................................................... 104 Ersatzmassen (Dummies) ................................................................. 104 Rotoren mit Passfedern ..................................................................... 104 Welle mit ganzer Passfeder .............................................................. 105 Welle mit halber Passfeder ............................................................... 105 Einfluss auf den Unwuchtzustand .................................................... 106 Vorhalt .............................................................................................. 106 Konstruktive Maßnahmen ................................................................ 106
8 8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.3.1 8.1.3.2 8.1.3.3 8.1.4 8.1.5 8.1.6
Verfahren zum Auswuchten nachgiebiger Rotoren ........... Rotorkonfiguration ........................................................................... Grundelemente wellenelastischer Rotoren ....................................... Auswuchtprinzipien .......................................................................... Rotor mit Scheiben ........................................................................... Eine Scheibe ..................................................................................... Zwei Scheiben .................................................................................. Mehr als zwei Scheiben .................................................................... Starre Abschnitte .............................................................................. Walzen .............................................................................................. Integraler Rotor ................................................................................
107 107 107 108 109 109 110 110 111 112 112
X
8.1.7 8.1.8 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3
Inhaltsverzeichnis
112 112 113 113 113
8.2.5.1 8.2.5.2 8.2.5.3 8.2.6 8.2.7 8.2.7.1 8.2.7.2 8.2.7.3 8.2.7.4 8.2.7.5 8.2.8 8.2.9 8.2.10
Kombinationen ................................................................................. Reparaturfall ..................................................................................... Auswuchtverfahren ........................................................................... Verfahren A: Ein-Ebenen-Auswuchten ............................................ Verfahren B: Zwei-Ebenen-Auswuchten .......................................... Verfahren C: Auswuchten einzelner Bauteile vor dem Zusammenbau ................................................................................... Verfahren D: Auswuchten nach Begrenzung der Urunwucht ........... Verfahren E: Schrittweises Auswuchten während des Zusammenbaus ................................................................................. Problem Transferunwuchten ............................................................ Lösung .............................................................................................. Problem Montage ............................................................................. Verfahren F: Auswuchten in optimalen Ebenen ............................... Verfahren G: Auswuchten bei mehreren Drehzahlen ....................... 2+N-Methode und N+2-Methode ..................................................... Ausgleichsverhältnis ........................................................................ Empfehlung ...................................................................................... Rechnerunterstützung ....................................................................... Entwurf VDI-Richtlinie 3835 ........................................................... Verfahren H: Auswuchten bei Betriebsdrehzahl .............................. Verfahren I: Auswuchten bei einer festen Drehzahl ......................... Verfahren für ein plastisches Verhalten ............................................
9 9.1 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.1.4 9.2 9.3
Beschreibung der Auswuchtaufgabe ..................................... Rotor mit Zapfen .............................................................................. Tabellarische Beschreibung des Rotortyps ....................................... Weitere Tabellen .............................................................................. Maximaldaten ................................................................................... Zusätzliche Angaben zu den Rotoren ............................................... Rotor ohne Zapfen ............................................................................ Hochtouriges Auswuchten ................................................................
123 123 124 124 124 124 126 128
10 10.1 10.1.1 10.1.1.1 10.1.1.2 10.1.1.3 10.1.1.4 10.1.1.5 10.1.1.6 10.1.1.7 10.1.1.8 10.1.1.9 10.1.2 10.1.2.1
Auswuchtmaschinen .................................................................. Angebot und technische Dokumentation .......................................... Horizontale Auswuchtmaschinen ..................................................... Grenzen für die Rotormasse und die Unwucht ................................. Wirtschaftlichkeit des Messlaufs ...................................................... Unwuchtreduzierverhältnis .............................................................. Rotorabmessungen ........................................................................... Lagerzapfen ...................................................................................... Einstellbereich der Ausgleichsebenen .............................................. Antrieb .............................................................................................. Bremse .............................................................................................. Zusätzliche Angaben ........................................................................ Vertikale Auswuchtmaschinen ......................................................... Grenzen für die Rotormasse und die Unwucht .................................
129 129 129 129 130 130 130 132 132 132 132 133 133 134
8.2.4 8.2.5
114 114 114 114 115 116 117 117 117 118 119 120 121 121 122 122
Inhaltsverzeichnis
XI
10.1.2.2 10.1.2.3 10.1.3 10.1.4 10.1.4.1 10.1.4.2 10.1.4.3 10.2 10.2.1 10.2.1.1 10.2.1.2 10.2.1.3 10.2.1.4 10.2.1.5 10.2.1.6 10.2.1.7 10.2.1.8 10.2.1.9 10.2.2 10.2.3 10.2.4 10.2.5 10.2.6 10.2.6.1 10.2.6.2 10.2.7 10.2.8 10.2.9 10.2.9.1 10.2.9.2 10.2.9.3 10.2.9.4 10.2.9.5 10.2.9.6 10.2.10 10.2.11 10.2.12 10.2.12.1 10.2.12.2 10.2.13 10.2.14 10.2.15 10.2.16 10.3
Rotorabmessungen ........................................................................... 134 Einfluss der Momentenunwucht ....................................................... 135 Schwerpunktwaagen ......................................................................... 136 Hochtourige Auswuchtmaschinen .................................................... 136 Antrieb .............................................................................................. 137 Lagerständer ..................................................................................... 137 Messeinrichtung ............................................................................... 138 Technische Details und ihre Beurteilung .......................................... 138 Antrieb .............................................................................................. 138 Kurzschlussläufermotor .................................................................... 139 Schleifringläufermotor ..................................................................... 139 Gleichstrommotor ............................................................................. 139 Antriebsleistung ............................................................................... 140 Gelenkwellenantrieb ......................................................................... 140 Bandantrieb ...................................................................................... 141 Drehfeldantrieb ................................................................................. 143 Eigenantrieb ..................................................................................... 144 Druckluftantrieb ............................................................................... 144 Anzeigesysteme ................................................................................ 145 Aufnehmer ........................................................................................ 147 Bremse .............................................................................................. 147 Drehzahl ........................................................................................... 147 Kalibrierung und Einstellen der Messeinrichtung ............................ 148 Wegmessende Auswuchtmaschine ................................................... 148 Kraftmessende Auswuchtmaschine .................................................. 149 Fundamentierung .............................................................................. 150 Kleinste erreichbare Restunwucht Uker ............................................. 151 Lagerung ........................................................................................... 151 Tragrollenlager ................................................................................. 151 Prismenlager ..................................................................................... 152 Gleitlager .......................................................................................... 152 Spindellager ...................................................................................... 153 Betriebslager .................................................................................... 153 Sonderlagerung ................................................................................. 154 Massenträgheitsmoment, Zyklenzahl ............................................... 155 Messverfahren .................................................................................. 155 Testrotoren, Testmassen ................................................................... 156 Testrotoren ....................................................................................... 156 Testmassen ....................................................................................... 157 Überlastung ....................................................................................... 157 Umgebungseinflüsse ......................................................................... 158 Unwuchtreduzierverhältnis URV ...................................................... 158 Wirtschaftlichkeit ..............................................................................158 Randbedingungen ............................................................................. 159
11 11.1
Tests an Auswuchtmaschinen ................................................. 161 Statistik mit Unwuchten .....................................................................162
XII
Inhaltsverzeichnis
11.1.1 11.1.2 11.1.3 11.1.4 11.1.5 11.1.6 11.1.7 11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.3 11.2.4 11.3 11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.3.4 11.3.5 11.4 11.4.1 11.4.2 11.4.3 11.4.4 11.5 11.5.1 11.6 11.6.1 11.6.2 11.6.3
Kreisförmiges Streufeld......................................................................163 Ringförmiges Streufeld.......................................................................164 Kenndaten ein- und zweidimensionaler Normalverteilungen.............165 Weitere Besonderheiten......................................................................166 Stichproben und hundertprozentige Kontrolle....................................166 Kennzahlen .........................................................................................167 Ausschuss ...........................................................................................167 Testrotoren..........................................................................................167 Testrotoren Typ A .............................................................................169 Testrotoren Typ B ..............................................................................170 Testrotoren Typ C ..............................................................................172 Testbedingungen.................................................................................173 Test der kleinsten erreichbaren Restunwucht Uker ..............................176 Startbedingung....................................................................................176 Ausgleich............................................................................................176 Testläufe mit Testmassen ...................................................................177 Auswertung des Uker -Tests ................................................................177 Verkürzter Uker –Test..........................................................................179 Test des Unwuchtreduzierverhältnisses URV .....................................179 Startbedingung....................................................................................179 Testläufe mit Testmassen ...................................................................180 Auswertung des URV-Tests................................................................181 Verkürzter URV-Test..........................................................................182 Test des Momentenunwucht-Einflussverhältnisses ME .....................182 Auswertung des ME-Tests..................................................................182 Test der Umschlag-Kompensation .....................................................183 Startbedingungen................................................................................183 Testläufe mit Testmassen ...................................................................183 Auswertung des Kompensations-Tests...............................................184
12 12.1 12.1.1 12.1.2 12.1.3 12.2 12.3 12.3.1 12.3.2 12.3.3 12.3.3.1 12.3.3.2 12.3.3.3 12.3.4 12.3.5 12.4
Ausgleich ....................................................................................... Ausgleichsarten ................................................................................ Abtragen von Material ...................................................................... Verlagern von Material ..................................................................... Zugeben von Material ....................................................................... Ausgleichszeit ................................................................................... Fehler beim Ausgleich ...................................................................... Ausgleichsmasse ............................................................................... Ausgleichsebenen ............................................................................. Ausgleichsradien .............................................................................. Radialer Ausgleich ........................................................................... Ausgleich am Umfang ...................................................................... Ausgleich durch Spreizen von zwei Ausgleichsmassen ................... Winkel .............................................................................................. Zulässige Abweichungen beim Ausgleich ........................................ Unwuchtreduzierverhältnis ...............................................................
185 185 186 188 188 189 190 191 191 191 192 192 192 192 193 194
Inhaltsverzeichnis
XIII
13 13.1 13.2 13.3 13.4 13.5 13.6 13.7 13.8
Vorbereitung und Durchführung des Auswuchtens .......... Ursachen für Unwuchten .................................................................. Wirkungen von Unwuchten .............................................................. Konstruktionsrichtlinien und Zeichnungsangaben ........................... Auslegen des Ausgleichs .................................................................. Arbeitsvorbereitung .......................................................................... Beladen und Entladen ....................................................................... Vorbereitungen am Rotor ................................................................. Fertigungsgang Auswuchten ............................................................
195 195 196 196 197 198 204 205 206
14 14.1 14.2 14.2.1 14.2.1.1 14.2.1.2 14.2.1.3 14.2.2 14.2.2.1 14.2.2.2 14.2.2.3 14.2.2.4 14.2.2.5 14.2.2.6 14.2.2.7 14.2.2.8 14.2.2.9 14.2.2.10 14.2.2.11 14.2.2.12 14.2.2.13 14.2.2.14 14.2.2.15 14.3 14.4
Abweichungen beim Auswuchten ........................................... Begrenzung der Auswuchtgüte durch den Rotor .............................. Abweichungen .................................................................................. Art der Abweichung ......................................................................... Systematische Abweichungen .......................................................... Zufällige Abweichungen .................................................................. Skalare Abweichungen ..................................................................... Übersicht, Erläuterungen .................................................................. Bewegliche Teile .............................................................................. Flüssigkeiten oder Festkörper in Hohlräumen .................................. Thermische Einflüsse und Effekte der Schwerkraft ......................... Luftströmungen ................................................................................ Magnetismus .................................................................................... Schrägstellung von Kugellagern ....................................................... Unvollständige Montage .................................................................. Kupplungsstelle am Rotor ................................................................ Passungsspiel .................................................................................... Verdrehen aufgesetzter Teile ............................................................ Unwucht der Aufnahme ................................................................... Unwucht im Antriebselement ........................................................... Laufabweichungen der Aufnahme ................................................... Exzentrizität der Auswuchtlager ...................................................... Systematische und zufällige Abweichungen der Messkette ............. Abschätzung der Gesamtabweichung ............................................... Abnahmekriterien .............................................................................
207 207 207 207 208 208 209 209 209 212 213 213 214 214 215 215 215 215 216 216 216 216 217 217 217
15 15.1 15.2 15.2.1 15.2.2 15.2.2.1 15.2.2.2 15.2.3 15.2.4 15.3
Schutz beim Auswuchten .......................................................... Gefahren durch den Rotor ................................................................. Schutzklassen ................................................................................... Beispiele der Schutzklassen............................................................... Schutzklasse C .................................................................................. Flächenspezifische Energie ............................................................... Absolute Energie ............................................................................... Auslegung des Schutzes ................................................................... Kennzeichnung des Schutzes............................................................. Zuständigkeiten ................................................................................
219 219 220 221 223 223 224 226 226 226
XIV
Inhaltsverzeichnis
16 16.1 16.2 16.3 16.3.1 16.3.2 16.3.3 16.3.3.1 16.3.3.2 16.3.3.3 16.4 16.4.1 16.4.2 16.4.3 16.5
Auswuchten im Betriebszustand ............................................ Schwingungsgrenzwerte ................................................................... Aufgabenstellung .............................................................................. Theorie des Auswuchtens im Betriebszustand ................................. Ursachen für Unwuchten .................................................................. Problematik ....................................................................................... Methodik .......................................................................................... Ausgleich in einer Ebene .................................................................. Ausgleich in zwei Ebenen ................................................................ Ausgleich in mehr als zwei Ebenen .................................................. Praxis des Auswuchtens im Betriebszustand .................................... Messtechnische Hilfsmittel ............................................................... Messebenen ...................................................................................... Randbedingungen ............................................................................. DIN ISO 20806 .................................................................................
227 227 228 229 229 230 230 230 232 233 234 234 235 235 236
17 17.1 17.2 17.2.1 17.2.2 17.2.3 17.2.4 17.2.5 17.2.6 17.2.7 17.2.8 17.3 17.3.1 17.3.2 17.3.3 17.4 17.4.1
Anhang ........................................................................................... Formelzeichen .................................................................................. Bezeichnungen und Definitionen ..................................................... Mechanik .......................................................................................... Rotorsysteme .................................................................................... Unwucht ........................................................................................... Auswuchten ...................................................................................... Auswuchtmaschinen und Ausrüstung ............................................... Nachgiebige Rotoren ........................................................................ Rotierende freie starre Körper .......................................................... Zubehör zu Auswuchtmaschinen ...................................................... Unterlagen zur Berechnung .............................................................. Dezimale Vielfache und Teile .......................................................... Umrechnungsfaktoren für SI-Einheiten und inch/pound-Einheiten . Nomogramme, Diagramme .............................................................. Normen ............................................................................................. DIN ISO 1940-1: Mechanische Schwingungen − Anforderungen an die Auswuchtgüte von Rotoren in konstantem (starren) Zustand. Teil l (2004): Festlegung und Nachprüfung der Unwuchttoleranz, anschließend Berichtigung 1 ............................................................ DIN ISO 11342: Mechanische Schwingungen − Verfahren und Kriterien für das mechanische Auswuchten nachgiebiger Rotoren, anschließend Berichtigung 1 ............................................................
237 237 240 240 241 244 247 250 257 260 261 262 262 263 264 286
17.4.2
287 321
Literatur ........................................................................................................... 349 Bildquellen ..................................................................................................... 352 Sachverzeichnis ............................................................................................ 353
1 Einführung
Auswuchten ist ein Vorgang, bei dem die Massenverteilung eines Rotors geprüft und soweit verbessert wird, dass die unwuchtbedingten Kräfte und Schwingungen in zulässigen Grenzen liegen. Als Rotor in diesem Sinne gelten nicht nur alle die Teile, die sich im Betriebszustand drehen, sondern auch jene, die aus funktionalen Gründen drehbar gelagert sind. Rotoren können extrem unterschiedliche Eigenschaften haben und dadurch extrem unterschiedliche Aufgaben stellen, Tabelle 1.1. Tabelle 1.1. Bandbreite von Rotoren Kriterium
Untere Grenze Beispiel
Obere Grenze Beispiel
Masse
300 t ND-Dampfturbine
Durchmesser
< 3 mm Falschdrahtspindel
>6m Wasserturbine
Länge
< 10 mm Anker Modelleisenbahn
> 20 m Turbogenerator
Betriebsdrehzahl
0 min-1 grüne Schleifscheibe
> 1 000 000 min-1 Turbine Zahnarztbohrer
Unwuchttoleranz als Schwerpunktsexzentrizität
< 0,01 μm Luftfahrtkreisel
> 0,5 mm Eisenbahnrad
Wert eines Rotors
< 1 EURO Spielzeuganker
> 500 Mio. EURO Kommunikationssatellit
Auswuchten von Rotoren auf einer Maschine
< 10 Stück pro Jahr Satelliten
> 3 Mio. Stück pro Jahr Motoranker für KFZ
Bei nahezu allen Rotoren wird heute das Auswuchten als unbedingt notwendig angesehen, sei es, um die Lebensdauer der Maschine zu verlängern, ihre Funktion zu verbessern oder um durch den schwingungsarmen Lauf ein zusätzliches Verkaufsargument zu erhalten. Obwohl viele Verantwortliche von seiner Notwendigkeit überzeugt sind, wird der Arbeitsgang „Auswuchten“ nur manchmal harmonisch in den Fertigungsablauf eingegliedert. Häufig – ausgenommen in der Großserienfertigung – wird der Auswuchtprozess als kostspieliges, aber leider unumgängliches Übel betrachtet, irgendwo angehängt und dadurch unnötig teuer.
2
1 Einführung
Während für andere Arbeitsgänge, wie z.B. Drehen, alle wichtigen Daten vorgegeben werden − die Werkzeugmaschine, die Aufnahme für das Werkstück, der Drehstahl, Schnittgeschwindigkeit, Vorschub, Spantiefe, Rüst- und Stückzeit − überlässt man beim Auswuchten häufig alles dem „Wuchter“, dem Vorarbeiter oder dem Meister. Diese müssen dann aufgrund von Erfahrungen oder aus dem Gefühl heraus entscheiden, was und wie es getan werden soll. Das liegt hauptsächlich daran, dass trotz aller Informations- und Normungsarbeit, die Ingenieure und Fachleute seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet leisten, das Grundlagenwissen der Auswuchttechnik noch nicht hinreichend Allgemeingut geworden ist. Manchmal wird auch verkannt, in welchem Maße Einsichten und Methoden weiterentwickelt wurden, man arbeitet nach tradierten Verfahren und Maßstäben, so dass die heute gegebenen Möglichkeiten nur unzureichend genutzt werden. Kein geübter Konstrukteur wird heute ein Maschinenteil entwerfen, ohne die Fertigungsmöglichkeiten zu berücksichtigen und dafür sachgemäße Toleranzen festzulegen. Das Auswuchten wird dabei häufig ausgeklammert, obwohl die wesentlichen Voraussetzungen für einen realisierbaren und kostengünstigen Auswuchtvorgang bereits im Konstruktionsbüro geschaffen werden müssen. Ebenso besteht weitgehend Unklarheit darüber, wie die verschiedenen Auswuchtprobleme am zweckmäßigsten gelöst werden, und welche Möglichkeiten der Auswuchtmaschinenmarkt heute bietet. Dieses Buch soll zum Verständnis der Auswuchttechnik beitragen, dem Anfänger zur Einarbeitung in dieses Fachgebiet dienen, aber vor allem dem Praktiker in Industrie und Forschung eine selbständige Beurteilung der anstehenden Auswuchtprobleme ermöglichen.
1.1 Entwicklung der Auswuchttechnik und der -maschinen Man kann annehmen, dass das Problem „Auswuchten“ schon vor vielen tausend Jahren mit den ersten Wasser- und Windrädern auftauchte. Wenn diese Laufräder nicht hinreichend symmetrisch gebaut wurden, oder bei der Auswahl des Materials nicht sorgsam auf gleiche Dichte und identische Abmessung geachtet wurde, traten Schwierigkeiten auf: das Rad drehte sich gerne in eine bestimmte Position (schwere Stelle nach unten) und lief bei schwachen Strömungen erst gar nicht an. Diese „statische Unwucht“ konnte man empirisch durch Zusatzmassen m auf dem Radius r (im Ruhezustand oberhalb der Achse) ausgleichen, so dass das Laufrad anschließend „rund“ lief (Bild 1.1). Im Laufe der Zeit wurden die Hilfsmittel verbessert und Anfang des 19. Jahrhunderts hatte man die statische Unwucht hinreichend im Griff: die Rotoren wurden mit viel Geschick und Einfühlungsvermögen auf Schneiden oder Rollen „ausgependelt“. Manchmal mussten sie aber auch im Betriebszustand noch weiter korrigiert werden, um einen ruhigen und störungsfreien Lauf zu erreichen.
1.1 Entwicklung der Auswuchttechnik
3
m
r
Bild 1.1. Ein Problem seit vielen Jahrtausenden: Eine statische Unwucht an einem Wasserrad, d.h. der Schwerpunkt liegt im Ruhezustand unterhalb der Achse. Die statische Unwucht kann durch eine Ausgleichsmasse m am Radius r korrigiert werden
Dazu wurden Ausgleichsmassen in unterschiedliche Positionen gesetzt und aus den Ergebnissen Rückschlüsse auf einen optimalen Ausgleich gezogen. Mit den ersten schnelllaufenden Maschinen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und dem Siegeszug der elektrischen Maschinen trat ein weiteres, bis dahin unbekanntes Unwuchtproblem auf, die erprobten Auswuchtmethoden reichten plötzlich nicht mehr aus. Man entdeckte eine weitere Unwuchtart, die „Momentenunwucht“ (Bild 1.2) und lernte, dass man sie nur unter Rotation erkennen kann. Durch die wachsende Zahl der Dampfturbinen, Generatoren, Elektromotoren, Kreiselpumpen und -kompressoren wurde dieses Problem immer ausgeprägter. Im Betriebszustand oder in einfachen Gestellen und mit einfachen Markiermitteln – Kreide, Bleistift – wurde in zwei Ausgleichsebenen ausgewuchtet. Es war ein iteratives Verfahren, d.h. man kam dem Ziel nur in kleinen Schritten näher. Meist hatte jeder Hersteller rotierender Maschinen seine eigenen Auswuchtvorrichtungen, sein eigenes „Geheimrezept“ und spezielle Auswuchtexperten für diese „Geheimwissenschaft“.
Bild 1.2. Ein bis dahin unbekanntes Problem, die Momentenunwucht: zwei gleich große, aber entgegengesetzt liegende Unwuchten in zwei verschiedenen Radialebenen. Eine Momentenunwucht kann nur während der Rotation entdeckt werden
4
1 Einführung
Bild 1.3. Modale Unwucht: die Einzelunwuchten entlang des Rotors werden mit einer BiegeEigenform (hier erste Eigenform) gewichtet. Zur Korrektur modaler Unwuchten werden im Allgemeinen mehr als 2 Ausgleichsebenen benötigt
In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts traten wiederum neue Probleme beim Auswuchten aus. Rotoren, die mit der Erfahrung der Vergangenheit ausgewuchtet wurden, zeigten gravierende Schwingungsprobleme. Es waren immer Rotoren, deren Betriebsdrehzahl knapp unterhalb oder sogar oberhalb einer Biegeresonanz liefen, die also typische Resonanzphänomene zeigten. Für diese Rotoren wurden zusätzliche bzw. ganz spezielle Auswuchtverfahren erforderlich, wobei man meistens in die Nähe dieser Resonanzen fuhr, um die Durchbiegungen durch gezielte Korrekturen in mehreren Ebenen reduzieren zu können. Später wurden diese besonderen Unwuchten „modale“ Unwuchten genannt (Bild 1.3). Ein sehr frühes Patent, das sich mit dem Auswuchten beschäftigte, wurde 1870 − also vier Jahre nach Erfindung der Dynamomaschine durch W. VON SIEMENS − in Kanada von H. MARTINSON angemeldet (Bild l.4). Es handelte vom Antrieb durch eine Gelenkwelle und zeigt das Modell einer Auswuchtmaschine, das noch nicht auf die Belange der Industrie abgestimmt war. Um die Jahrhundertwende erhielt die Auswuchttechnik neue Impulse durch N.W. AKIMOFF in den USA und A. STODOLA in der Schweiz. In Deutschland wurde 1907 durch F. LAWACZEK eine Maschine zum Auswuchten in zwei Ebenen zum Patent angemeldet (Bild 1.5) und bei Carl Schenck, Darmstadt, gebaut. Die erste Ausführung machte noch einige Probleme, aber die Idee wurde weiterentwickelt (Patent auf horizontale Auswuchtmaschine 1912) und durch die Arbeit von H. HEYMANN erfolgreich modifiziert. Diese Maschinen wurden an Firmen in der ganzen Welt geliefert und stellten damit den Beginn einer industriellen Produktion von Auswuchtmaschinen dar. Maschinen aus den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts haben nur wenige Gemeinsamkeiten mit den modernen Auswuchtmaschinen des beginnenden 21. Jahrhunderts. Zwar musste auch damals der Rotor eingelagert und angetrieben werden − im Grunde mit ähnlichen Elementen wie heute − aber die Messtechnik steckte noch in den Kinderschuhen. Man war für die industrielle Nutzung auf robuste und einfach anwendbare Lösungen und damit auf rein mechanische Messmittel angewiesen.
1.1 Entwicklung der Auswuchttechnik
5
Bild 1.4. Ein Auszug aus dem Patent von H. MARTINSON über eine Auswuchtmaschine, 1870. Es handelt sich hier eher um ein physikalisches Modell als um eine Lösung für die industrielle Produktion
6
1 Einführung
Bild 1.5. Auszug aus Patent LAWACZEK (1907). Auswuchtmaschine mit vertikaler Anordnung des Rotors
Um die Messempfindlichkeit zu steigern, wurde während des Auslaufs in der Abstützungsresonanz gemessen, wobei als Nebenprodukt eine recht gute Frequenzselektivität anfiel. Über die Winkellage konnten anfangs aber nur Vermutungen angestellt werden, und eine exakte Zuordnung der Messwerte zu den gewünschten Ausgleichsebenen (Ebenentrennung) war ebenfalls noch nicht möglich.
Bild 1.6. Eine LAWACZEK-HEYMANN-Auswuchtmaschine mit horizontal gelagertem Rotor (1), Pendelkugellager (2), Markierer für den Unwuchtwinkel (3) und für die Unwuchtgröße (4)
1.1 Entwicklung der Auswuchttechnik
7
Mit einer Fülle von neuen Ideen und Patenten wurden in den folgenden Jahrzehnten die Maschinen vervollständigt und verbessert, Varianten oder neue Systeme entwickelt (Bild 1.6). Wesentliche Ziele waren dabei immer die Verbesserung der Genauigkeit, um den steigenden Forderungen zu genügen, und eine Erhöhung der Wirtschaftlichkeit, die vor allem durch Kürzung der Stückzeiten erreicht werden konnte. Alle diese Fortschritte fanden damals nur auf der Maschinenbauseite statt. Dies änderte sich etwas mit der Einführung der mechanisch-elektrischen Messwertwandlers, aber die grundlegende Veränderung kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit der raschen Entwicklung der elektronischen Messtechnik, der Halbleitertechnik und der Einführung von Computern in alle Bereiche der Industrie. Mit der stärkeren Betonung der Messseite konnte die Mechanik der Auswuchtmaschine wieder einfacher gestaltet werden und hat, abgesehen von Sondermaschinen, wieder zu der übersichtlichen Bauweise der frühen Jahre zurückgefunden (Bild 1.7). Alle wichtigen Aufgaben wie: Empfindlichkeit, Frequenzselektion, Ebenentrennung, Ausgleichsanweisung usw. werden heute von der Messeinrichtung übernommen. Trotzdem darf man die Bedeutung der Mechanik nicht vergessen, denn es geht letztlich immer um das harmonische Zusammenspiel von allen Komponenten: der Mechanik, der Antriebstechnik und der Messtechnik. Auch wenn heute noch gelegentlich Auswuchtmaschinen älterer Bauart auf den Markt kommen, werden im folgenden nur neuzeitliche Konzeptionen zu Grunde gelegt und beschrieben.
Bild 1.7. Aktuelle Auswuchtmaschine für universelle Anwendung, mit Gelenkwellenantrieb und Schutz gegen wegfliegende Teile durch Teleskop-Verkleidung nach DIN ISO 7475, Klasse C
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1 Einführung
1.2 Normen und Richtlinien Die ersten Bestrebungen, einheitliche Maßstäbe zu erhalten, betrafen die Maschinenschwingungen. In Deutschland begann Mitte der fünfziger Jahre ein Arbeitsausschuss der VDI1-Fachgruppe „Schwingungstechnik“ die Arbeit für die Richtlinie VDI 2056 „Beurteilungsmaßstäbe für mechanische Schwingungen von Maschinen“ (1964). Überlegungen zur Unwucht führten zu der Richtlinie VDI 2060 „Beurteilungsmaßstäbe für den Auswuchtzustand rotierender starrer Körper“ (1966). Die VDI-Richtlinie 2060 wurde dem zuständigen ISO2-Sekretariat als Vorschlag eingereicht. Sie war wesentliche Grundlage für die ISO 1940 „Balance quality of rotating rigid bodies“ (1973). Für die Verständigung auf dem Gebiet der Auswuchttechnik wurde die ISO 1925 „Balancing – Vocabulary“ (1974) eine wesentliche Hilfe. In ihr wurden die wichtigsten Begriffe der Auswuchttechnik festgelegt und definiert. Eine Anleitung für die vollständige Beschreibung und richtige Beurteilung von Auswuchtmaschinen für universellen Einsatz entstand mit der ISO 2953 „Balancing machines − Description and evaluation“ (1975). ISO 5406 „The mechanical balancing of flexible rotors“ (1980) beschreibt verschiedene nachgiebige Rotoren und ordnet ihrem Verhalten niedrigtourige und hochtourige Auswuchtverfahren zu. Auswuchttoleranzen für dieses Gebiet wurden in der ISO 5343 „Criteria for evaluating flexible rotor balance“ (1983) beschrieben. Beide wurden später zur ISO 11342 (mit dem gleichen Titel wie ISO 5406) zusammengefasst und aktualisiert. Zu den Gefahren beim Auswuchten von Rotoren nahm erstmalig ISO 7475 „Balancing machines − Enclosures and other safety measures“ (1984) Stellung und empfahl gestaffelte Maßnahmen. Nach den frühen Jahren, in denen jedes Land seine eigenen Maßstäbe und Klassifizierungen aufgestellt hat, erfolgt bis etwa zur Jahrtausendwende die richtungweisende Arbeit auf internationaler Ebene − getragen von den wesentlichen Industrieländern, so dass die Verständigung auch auf diesem Gebiet einfacher wurde. Dann ließ das internationale Interesse leider etwas nach, so dass der für Deutschland zuständige Ausschuss im NALS3 C 6.1 zwei Arbeitskreise einrichtete, um wichtige Themen weiter zu bringen: • Die Anwendung statistischer Verfahren zur Qualitätskontrolle beim Auswuchten und die • praktische Vorgehensweise beim Auswuchten wellenelastischer Rotoren. Viele ISO-Standards wurden wortgetreu übersetzt als DIN4 ISO Norm oder als VDI-Richtlinie veröffentlicht. Die für die Auswuchttechnik wichtigen heute gültigen Normen und Richtlinien sind im Literaturverzeichnis aufgelistet. 1 2 3 4
VDI: Verein Deutscher Ingenieure ISO: International Organization for Standardization NALS: Normenausschuss Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik im DIN und VDI DIN: Deutsches Institut für Normung
2 Physikalische Grundlagen
Die Auswuchttechnik basiert in ihrer Theorie auf den allgemeinen physikalischen Grundlagen. Damit nicht aus anderen Büchern die einzelnen Ableitungen und Erklärungen mühsam zusammengesucht werden müssen, wurden die wichtigsten Punkte für das Auswuchten in den nächsten Abschnitten zusammengestellt.
2.1 Physikalische Größen Physikalische Sachverhalte werden durch Gleichungen zwischen physikalischen Größen beschrieben. Wesentliches Merkmal einer Größe ist ihre Messbarkeit. Man unterscheidet Grundgrößen, die nicht durch Gleichungen auf andere, bereits festgelegte Größen zurückgeführt werden, und abgeleitete Größen, die aus der Verbindung der Grundgrößen untereinander entstehen. Jede physikalische Größe ist aus Zahlenwert und Einheit zusammengesetzt, z.B.: s = 12 m Kurzzeichen für die Größe (Weg)
Zahlenwert
Einheit
Die Einheit ist eine willkürlich gewählte und vereinbarte Bezugsgröße für die physikalische Größe. Damit die Zahlenwerte nicht zu groß oder zu klein werden, verwendet man dekadische Vielfache und dezimale Teile der Einheiten, z.B. km und mm (s. 17.3.1). Nur bei Vielfachen der Zeiteinheit Sekunde sind nicht-dekadische Vielfache (Minute, Stunde, Tag, Jahr) zugelassen.
2.2 Skalar und Vektor Es gibt ungerichtete Größen, die Skalare, und gerichtete Größen, die Vektoren. Ein typischer Skalar ist die Masse: Die Angabe „7,5 kg“ ist zur Beschreibung der Sachlage ausreichend. Die Eigenschaft eines Vektors kann man sich z.B. am Weg klarmachen: Die Angabe „12 m“ ist offensichtlich nicht ausreichend. In der Umgangssprache setzt man meistens hinzu: hoch, lang, weit o.ä., bei einem gegebenen Objekt oder Vorgang bedeutet dies eine Richtungsangabe. Zur Veranschaulichung physikalischer Sachverhalte oder Vorgänge verwendet man Koordinatensysteme (Bezugssysteme) und gibt die Lage der
10
2 Physikalische Grundlagen
a
b
s2
s1
− s2 s1 − s2 s1
s1 + s2 Bild 2.1. Addition und Subtraktion von Vektoren, (a) Addition, (b) Subtraktion
Vektoren darin an. Vektoren werden am besten durch Pfeile dargestellt, die in die gewünschte Richtung weisen, wobei die Länge dem Betrag entspricht. In Gleichungen werden Vektoren mit einem querliegenden Pfeil über dem Kurzr zeichen gekennzeichnet, der Weg also z.B. mit s . Beim Rechnen zeigen Skalare und Vektoren wesentliche Unterschiede. 2.2.1 Addition Grundsätzlich dürfen nur Größen mit der gleichen Einheit addiert oder subtrahiert werden. Während aber bei den Skalaren die Maßzahlen nur unter Berücksichtigung ihrer Vorzeichen miteinander verrechnet werden (3 kg + 9 kg = 12 kg), müssen die Vektoren „vektoriell“ addiert werden: An r r den Endpunkt des Vektors s1 wird der Vektor s2 angefügt, die vektorielle r r Summe ist der Vektor vom Anfang des Vektors s1 zum Ende des Vektors s 2 (Bild 2.1a). r r r Die Differenz s1 − s2 wird gebildet, indem s2 in der entgegengesetzten Richtung angetragen und nach dem gleichen Schema verfahren wird (Bild r r 2.1b).: s1 + (− s2 ) 2.2.2 Multiplikation Aus der Multiplikation eines Skalars mit einem anderen Skalar entsteht wieder ein Skalar, z.B. Pt = W
Leistung⋅Zeit = Arbeit
(2.1)
Wird ein Skalar mit einem Vektor multipliziert, so entsteht ein neuer Vektor, der im allgemeinen einen anderen Betrag, aber immer die gleiche Wirkungsachse hat wie der ursprüngliche Vektor, z.B. r r vt = s Geschwindigkeit⋅Zeit = Weg (2.2)
2.2 Skalar und Vektor
11
F
s
F cos ϕ
Bild 2.2. Beispiel für ein skalares Produkt: Arbeit ist Kraft⋅Weg
Bei der Multiplikation zweier Vektoren gibt es dagegen zwei grundsätzlich verschiedene Formen: Das skalare Produkt hat, wie der Name schon sagt, einen Skalar als Ergebnis, die Gleichung lautet z.B. rr r F s =W ; Kraft⋅Weg = Arbeit (2.3) Solange die Kraft mit dem Weg in einer Linie liegt, kann man dafür auch schreiben: F s = W, ohne den Vektorcharakter der Kraft und des Weges zu berücksichtigen (die Vorzeichen müssen aber beachtet werden). Steht die Kraft senkrecht auf dem Weg, so ist die Arbeit gleich null. Es ist daher nur die Komponente in Richtung des Weges zu berücksichtigen (Bild 2.2). In diesem Fall werden die Größen wie Skalare behandelt. F s cos ϕ = W
N⋅m
(2.4)
Bei einem Vektorprodukt erhält man als Ergebnis wieder einen Vektor, der eine bestimmte Lage zu den ursprünglichen Vektoren einnimmt, z.B. r r r r×F = M ;
Radius „kreuz“ Kraft = Drehmoment.
(2.5)
Entgegengesetzt zu dem skalaren Produkt ist dabei das Ergebnis besonders groß, wenn zwischen Radius- und Kraft-Vektor ein rechter Winkel ist, das Ergebnis ist null, wenn beide Vektoren in die gleiche Richtung weisen. Zahlenmäßig bedeutet dies rF sin ϕ = M
N⋅m
(2.6)
Die Richtung, in der man den Radiusvektor drehen muss, um ihn auf dem kürzesten Wege in die gleiche Richtung zu bringen wie den Kraftvektor, gibt den Drehsinn des Momentes an (Bild 2.3).
r F sin ϕ
F
Bild 2.3. Beispiel für ein Vektorprodukt: Drehmoment ist Hebelarm×Kraft
12
2 Physikalische Grundlagen
r r Der Vektor des Drehmomentes steht senkrecht auf der Ebene, in der r und F liegen (also hier senkrecht auf der Bildebene), die Spitze zeigt nach unten.
Man sieht also auf sein Rückende (man sagt auch, dass er die Bewegungsrichtung einer Rechtsschraube unter der rDrehung des Momentes angibt). r Daraus ergibt sich, dass r und F nicht einfach vertauscht werden dürfen (da sich ein anderer Drehsinn ergeben würde); als Gleichung geschrieben ergibt sich r r r r r × F = −F × r N⋅m (2.7) Die Angabe des Drehmomentvektors enthält drei Aussagen: die Drehachse, die Größe und die Drehrichtung des Momentes.
2.3 Maßsystem Im Internationalen Einheitensystem SI (ISO 1000, DIN 1301, DIN 1304) sind sechs Grundgrößen festgelegt. 2.3.1 Grundgrößen Von diesen Grundgrößen interessieren uns für das Gebiet der Auswuchttechnik nur folgende: • • •
Weg Zeit Masse
s t m
mit der Einheit Meter mit der Einheit Sekunde mit der Einheit Kilogramm
m, s, kg.
Während Weg und Zeit leicht verständlich sind, muss die dritte Grundgröße etwas näher erläutert werden. Die Masse ist eine Körpereigenschaft, ortsunabhängig und kann in diesem Zusammenhang (beim Auswuchten) als konstant angenommen werden. Eine Masse wird üblicherweise auf einer Waage gemessen (im Vergleich zu geeichten Gewichtsstücken oder durch direkte Anzeige (DIN 1305). 2.3.2 Abgeleitete Größen Wichtige abgeleitete Größen für das Auswuchten sind: r Geschwindigkeit v als Quotient aus dem zurückgelegten Weg und der dazu benötigten Zeit. r r s v= t
in m/s
(2.8)
2.4 Physikalische Gesetze
Δv
a v1
v2
13
b v1
Δv
v2 r
Bild 2.4. Lage der Geschwindigkeitsvektoren, (a) beim Beschleunigen, wobei Δv gleichgerichr r r r tet mit v1 ist und damit a positiv wird, (b) bei der Verzögerung (Bremsen), wobei Δv und a negativ werden
r Ist die Geschwindigkeit v nicht konstant, entspricht dieser Wert der Durchschnittsgeschwindigkeit. Soll die Momentangeschwindigkeit angegeben werden, so muss geschrieben werden: r r in m/s (2.9) v = ds / dt r
Unter ds und dt sind unendlich kurze Weg- und Zeitintervalle zu verstehen. Geschwindigkeits- und Wegvektor haben stets die gleiche Richtung. r Beschleunigung a gibt an, wie schnell sich die Geschwindigkeit ändert. r r in (m/s)/s bzw. m/s2 (2.10) a = dv / dt r
Wird die r Geschwindigkeit größer, dann wird a positiv, verringert sie sich, so wird a negativ (Bild 2.4). In der Umgangssprache wird dieser Vorgang unterschiedlich bezeichnet: im einen Fall mit Beschleunigen, im anderen mit Bremsen.
2.4 Physikalische Gesetze Zum Verständnis der Theorie der Auswuchttechnik und zum praktischen Umgang sind zwei physikalische Gesetze wesentlich, die kurz erläutert werden sollen. 2.4.1 Dynamische Grundgleichung Die dynamische Grundgleichung (das dynamische Bewegungsgesetz) lautet: r r r dv F =m = ma Kraft = Masse⋅Beschleunigung (2.11) dt Bei einem Körper mit der Masse mrändert sich der Geschwindigkeitsvektor auf Grund einer angreifenden Kraft F . Die Kraft ist ein Vektor und hat die
14
2 Physikalische Grundlagen
r r gleiche Richtung wie dv bzw. a . Die Einheit der Kraft ergibt sich, wenn eine 2 Masse von l kg mit l m/s beschleunigt wird, sie wird Newton genannt: 1kg ⋅ 1
m s2
= 1N
1 Newton
(2.12)
r
Die Kraft, die unter der Erdbeschleunigung g = 9,81 m/s 2 auf einen Körper r einwirkt, nennen wir seine Gewichtskraft G : r r G = mg N (2.13) Die Gewichtskraft einer Masse von l kg ist G = l kg⋅9,81 m/s2 = 9,81 N
(2.14)
Für Näherungsrechnungen kann g ≈ 10 m/s2 gesetzt werden, so dass die Gewichtskraft G einer Masse von l kg ≈ 10 N ist. 2.4.2 Massenanziehung Die Erdanziehung und damit die Gewichtskraft ist ein Sonderfall des Massenanziehungsgesetzes, wonach sich zwei Massen gegenseitig anziehen; es ergibt sich: r mm F = a 12 2 r
a Konstante in N⋅m2/kg2
(2.15)
Dabei sind m1 und m2 die beiden Massen und r der Abstand zwischen ihren Schwerpunkten. Mit der Masse des Körpers m1 und der Erde m2 wird deutlich, dass die Gewichtskraft auf der Erde anders als z.B. auf dem Mond ist, also keine Konstante des Körpers sein kann.
2.5 Kreisbewegung Alle Körper, für die das Auswuchten von Bedeutung ist, rotieren oder sind zumindest drehbar gelagert. Die Drehbewegung und alle mit ihr zusammen hängenden Begriffe und Formeln sind also für die Auswuchttechnik sehr wichtig. In den nächsten Abschnitten werden die wichtigen Grundlagen erläutert und die beim Auswuchten benötigten physikalischen Größen abgeleitet. Dabei geht es mehr um das grundsätzliche Verständnis als um eine exakte Mathematik.
2.5 Kreisbewegung
15
2
b ϕ
1
r
0
r
r
r
Bild 2.5. Zusammenhang zwischen Bogen b , Radius r und Winkel ϕ
2.5.1 Ebener Winkel Bewegt sich in Bild 2.5 ein Punkt auf einer Kreisbahn mit dem Radius r von l nach 2, so hat er den Weg b zurückgelegt. Der Quotient b =ϕ r
mit Radiant (rad) als Einheit
(2.16)
wird als ebener Winkel bezeichnet. Der ebene Winkel ist ein Vektor, der gleichzeitig die Drehachse, den Drehsinn und den Drehwinkel festlegt1. Im Bild 2.5 weist er im Mittelpunkt 0 aus der Bildebene nach vorn (Rechtsschraube). Für b = r wird ϕ = l rad, für einen vollen Umlauf ergibt sich b = 2π r und damit ϕ = 2π rad. Es ist ersichtlich, dass der ebene Winkel eine analoge Angabe zum Winkel in Grad ist: Beide Bezeichnungen geben auf unterschiedliche Art an, welche Drehung der Strahl vom Kreismittelpunkt 0 zum Punkt während dessen Wanderung von l nach 2 durchgeführt hat. In Winkelgraden ausgedrückt, ist eine volle Umdrehung 360°, als ebener Winkel 2π rad; daraus folgt: 1 rad =
360° ≅ 57 ,3° 2π
(2.17)
Wird Gl. (2.16) nach b aufgelöst und als Vektorprodukt geschrieben, so erhält man mit r r r b =ϕ ×r
mit m als Einheit
(2.18)
eine sehr einfache Berechnungsmöglichkeit für die auf der Kreisbahn zurückgelegte Strecke. 1
In der ISO 1000 wird durchaus richtig dem ebenen Winkel eine Dimension gegeben. Das Maßsystem ist aber leider nicht ganz einheitlich, denn die Dimension „rad“ wird bei später folgenden Rechengängen wieder fallengelassen (s. Bahngeschwindigkeit, -beschleunigung usw.). Deshalb wird der ebene Winkel als Ergänzungseinheit bezeichnet. DIN 1301, die sonst weitgehend mit der ISO 1000 übereinstimmt, ordnet den ebenen Winkel unter die abgeleiteten Einheiten ein. An der Handhabung der Dimension „rad“ ändert sich aber nichts.
16
2 Physikalische Grundlagen
2.5.2 Winkelfrequenz r Bei einer gleichförmigen Kreisbewegung vergrößert sich der Vektor ϕ stetig. r Teilt man den ebenen Winkel ϕ durch die Zeit, die während der Drehung r vergeht, so erhält man die Winkelfrequenz ω zu r r ϕ ω= mit rad/s als Einheit (2.19) t
Bei einer ungleichförmigen Kreisbewegung ändert sich die Winkelfrequenz dauernd. Um den Momentanwert der Winkelfrequenz zu erfassen, müssen unendlich kleine Bewegungen und kleine Zeiten zu Grunde gelegt werden, also r r dϕ ω= rad/s (2.20) dt r Die Winkelfrequenz ω gibt also an, wie viel Radiant je Sekunde zurückgelegt wird und entspricht damit in der Aussage der Drehzahl n, welche die Umdrehungen je Minute beschreibt (min-1) sowie der Frequenz f, die angibt, wie viele Umdrehungen in der Sekunde (s-1 oder Hz) erfolgen. Der formelmäßige Zusammenhang ist leicht herzustellen: Gl. (2.19) gilt allgemein, also auch für eine volle Umdrehung, bei der sich ϕ = 2π und t = T (mit T als Periodendauer) ergibt. Somit ist ω = 2π / T . Die Periodendauer T ist umgekehrt proportional der Frequenz f, also T = 1/f, und damit
ω = 2π f
rad/s
(2.21)
Die im Maschinenbau übliche Angabe ist die Drehzahl n. Mit n = 60 f oder f = n/60 ergibt sich:
ω=
2π n π n n = ≈ 60 30 10
rad/s
(2.22)
Der Näherungswert n/10 ist für alle Überschlagsrechnungen hinreichend genau. r Außer der Größe sind in dem Vektor ω auch noch die Lage der Drehachse und der Drehsinn enthalten. 2.5.3 Bahngeschwindigkeit Wird Gl. (2.16) durch die Zeit geteilt, so erhält man: r r b ϕ r = ×r m/s t t
(2.23)
2.5 Kreisbewegung
17
r r Hierbei werden der zurückgelegte Bogen b und der ebene Winkel ϕ durch r die erforderliche Zeit t geteilt; es ergibt sich die Bahngeschwindigkeit v des Punktes zu: r r r v =ω ×r m/s (2.24) r r Da ω immer senkrecht auf v steht, kann man auch einfach (ohne Vektorpfeile und Vektorprodukt) schreiben: v =ω r
m/s
(2.25)
Beispiel: Gesucht ist die Bahngeschwindigkeit v eines Punktes auf dem Radius r = 1,5 m bei der Drehzahl n = 1000 min-1. Lösung: ω ≈ 100 rad/s nach Gl. (2.22); v ≈ 100⋅1,5 m/s
2.5.4 Winkelbeschleunigung Ändert sich die Winkelfrequenz mit der Zeit, z.B. beim Hochfahren oder Abbremsen einer Maschine, so kann in jedem Moment die Winkelbeschleunir gung α ermittelt werden zu: r r dω α= mit rad/s2 als Einheit (2.26) dt 2.5.5 Bahnbeschleunigung Analog zu Gl. (2.24) ergibt sich die Bahnbeschleunigung des Punktes zu: r r r in m/s2 2) (2.27) a =α ×r r Die Bahnbeschleunigung a wird bei der Kreisbewegung auch als Tangenr tialbeschleunigung at bezeichnet. Beispiel: Der Punkt auf dem Radius 1,5 m wird gleichmäßig so beschleunigt, dass die Drehzahl 1000 min-1 in einer Zeit von 5 s erreicht wird Lösung: ω ≈ 100 rad/s (Gl. 2.22); α ≈ 100 / 5 = 20 rad/s 2 (Gl. 2.26); at ≈ 20 ⋅1,5 = 30 m/s
2.5.6 Antriebsdrehmoment r Hat der Punkt eine Masse m, so muss vom Antriebr her eine Umfangskraft F r auf ihn einwirken, um ihn zu beschleunigen. Mit F = ma und Gl. (2.27) wird r r r r daraus F = m(α × r ) . Diese Kraft wirkt auf den Radius r , so dass das Drehmoment M wird (ohne Vektorzeichen und Vektorprodukt): 2
siehe Anmerkung zu Abschnitt 2.5.1
18
2 Physikalische Grundlagen
M = r F = mα r 2
in N·m
(2.28)
Dabei ist m r2 das Massenträgheitsmoment des Punktes, bezogen auf die Drehachse. Für einen allgemeinen Rotor mit dem Trägheitsmoment J ergibt sich: r r M = Jα in N·m (2.29) Beispiel: In dem in Abschn. 2.1.5.5 angegebenen Beispiel beträgt die Masse des Punktes l kg. Lösung: Entsprechend Gl. (2.28) M ≈ 1 ⋅ 20 ⋅ 1,5 2 = 45 N ⋅ m
3)
2.5.7 Trägheitsmoment Das axiale Massenträgheitsmoment gibt an, welchen Widerstand ein Rotor auf Grund seiner Massenverteilung einer Drehzahländerung (Winkelbeschleunigung) entgegensetzt. Es entspricht damit der Wirkung der Masse eines Körpers bei translatorischer (geradliniger) Bewegung. Die Gln. (2.1l) und (2.29) sind daher ganz ähnlich aufgebaut. Für einen allgemeinen Körper ergibt sich das Trägheitsmoment aus der Summe der Produkte aller Massenteile mit dem Quadrat ihres Abstandes zur Drehachse zu:
∫
J = r 2 dm
kg⋅m2
(2.30)
Zum leichteren Verständnis kann man sich vorstellen, dass die ganze Masse des Körpers in einen schmalen Ring mit dem Radius ri (Trägheitsradius) zusammengezogen wird, ohne dabei das Trägheitsmoment zu verändern. Dann wird aus Gl. (2.30): J = m ri 2
kg⋅m2
(2.31)
Hinweis: Der Zahlenwert ist dabei 1/4 der früher üblichen Angabe des Schwungmomentes G D2. 2.5.8 Radialbeschleunigung Die Aussage in Gl. (2.1l) kann so beschrieben werden: Jeder Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung in geradliniger Bahn, solange keine äußere Kraft auf ihn einwirkt. Bei einer Kreisbahn mit konstanter Winkelfrequenz ändert sich zwar nicht die Größe der Bahngeschwindigkeit der punktförmigen Masse (Gl. 2.24), aber ihre Richtung. Der Geschwindigkeitsvektor, der immer auf dem Radius senkrecht steht, also tangential zur Kreisbahn, ändert sich stetig; es tritt eine Beschleunigung auf (Bild 2.6). 3
siehe Anmerkung zu Abschnitt 2.5.1
2.5 Kreisbewegung
v2
a
19
b
v1
b
r2
Δv ϕ
ϕ
v2
r1
0
v1
Bild 2.6. Ableitung der Radialbeschleunigung, (a) Bewegung auf dem Kreis, (b) Vektordifferenz
r r r Hierin sind r1 und v1 Radius und Geschwindigkeit im Zeitpunkt l, r2 und r r r r v2 im Zeitpunkt 2 (Bild 2.6 a). Der Unterschied zwischen v1 und v2 ist Δv r r r r r (Bild 2.6 b), der Bogen b ist: b = ϕ × v1 . Für sehr kleine Winkel Δϕ ist der r r r r r Bogen b hinreichend genau gleich der Sehne Δv , so dass man dv = dϕ × v1 schreiben kann. Mit dt, der benötigten Zeit, wird daraus: r r r r dv dϕ × v1 r r a= = = ω × v1 m/s2 (2.32) dt
dt
Mit Gleichung 2.24 ergibt sich die Radialbeschleunigung zu: r r r r ar = ω × ( ω × v1 ) m/s2
(2.33)
oder, vereinfacht (ohne Vektorzeichen und Vektorprodukt): ar = ω 2 r =
v2 r
m/s2
(2.34)
Die Kraft, die diese Beschleunigung hervorruft, ist zur Achse hin gerichtet; sie heißt Zentripetalkraft. 2.5.9 Fliehkraft Die entgegengesetzt gleichgroße Kraft, die Trägheitskraft der Masse – die Zentrifugalkraft – wird Fliehkraft genannt, sie ist: r r r F = − m ar = m r ω 2 (2.35) oder, mit der Umfangsgeschwindigkeit v (Gl. 2.24): F =m
v2 r
Beispiel: Fliehkraft einer Masse von l kg auf dem Radius 1,5 m bei 1000 min-1. Lösung: ω ≈ 100 rad / s ; F = 1 ⋅1,5 ⋅100 2 = 15 000 N
(2.36)
20
2 Physikalische Grundlagen
2.6 Schwingungen Die Veränderung einer physikalischen Größe mit der Zeit wird Schwingung genannt. Von den verschiedenen Arten der Schwingungen sind im Zusammenhang mit der Auswuchttechnik vor allem die periodischen Schwingungen interessant. Bei ihnen ändert sich eine physikalische Größe mit der Zeit so, dass nach der Periodendauer T der gleiche Änderungsverlauf wieder beginnt. Der einfachste Fall einer periodischen Schwingung ist die harmonische Schwingung, bei der sich die zeitliche Änderung der physikalischen Größe mit einer Sinus-Gleichung beschreiben lässt: x = xˆ sin (ω t + ϕ 0 )
(2.37)
Die harmonische Schwingung kann man sich durch Projektion einer gleichförmigen Kreisbewegung auf eine (in der Ebene der Kreisbewegung liegende) Achse entstanden denken. Alle anderen periodischen Schwingungen lassen sich durch eine endliche Zahl sich überlagernder Sinus-Schwingungen unterschiedlicher Frequenz und Amplitude hinreichend genau beschreiben. 2.6.1 Einmassenschwinger mit Fliehkraftanregung Eine Masse m ist so geführt, dass sie sich nur in der Richtung x bewegen kann, außerdem ist sie über eine Feder mit der Steifigkeit c und einen geschwindigkeitsproportionalen Dämpfer b mit dem Dämpfungsgrad D abgestützt. An der Masse läuft eine Unwucht u r mit der veränderlichen Winkelfrequenz Ω um (Bild 2.7). Ω wird im Folgenden stets für die Winkelfrequenz der Betriebsdrehzahl verwendet.
Ω
r e b
Bild 2.7. Unwuchterregter Einmassenschwinger mit Dämpfung
2.6 Schwingungen
xˆ u⋅r m
21
D D
D
Ω ωe
Bild 2.8. Amplitudenverlauf beim Einmassenschwinger für verschiedene Dämpfungen D
Die Amplitude der Masse hat dann folgenden charakteristischen Verlauf (Bild 2.8): Für den Dämpfungsgrad D = 0 steigt die bezogene Amplitude A = xˆ /(u ⋅ r / m) von dem Wert 0 erst quadratisch mit der Drehzahl, dann schneller wachsend an, wird unendlich, fällt dann wieder ab und nähert sich langsam dem Wert l. Die drei Gebiete werden „unterkritisch“, „kritisch“ (Resonanzgebiet) und „überkritisch“ genannt. Die Eigenwinkelfrequenz des freischwingenden, ungedämpften Systems ist: c rad/s (2.38) m Mit wachsendem Dämpfungsgrad verschiebt sich die maximale Amplitude von Ω / ω e = 1 zu höheren Werten. Bei zunehmender Winkelfrequenz ändert sich auch die Winkellage zwischen der erregenden Fliehkraft und der Schwingung (Bild 2.9), die Schwingung eilt der Erregung um den jeweiligen Phasenverschiebungswinkel ϕ nach. Aus diesen Darstellungen können wir zwei Merkmale entnehmen:
ωe =
• •
In der Resonanz Ω = ω e beträgt der Phasenunterschied immer 90°, und zwar unabhängig von der Dämpfung, der Phasenumschlag von 0° auf 180° zieht sich mit wachsender Dämpfung über einen längeren Frequenzbereich hin.
22
2 Physikalische Grundlagen D=0
ϕ
D = 0,1 D
D= 1 D
Ω ωe
Bild 2.9. Nachlaufwinkel ϕ der Schwingung gegenüber der Erregung beim Einmassenschwinger
Bild 2.10 ist eine Zusammenfassung von Bild 2.8 und 2.9; es ist die Darstellung in Polarkoordinaten, und zwar für zwei verschiedene Dämpfungsgrade. Die Zahlen an den Kurven sind die Werte für Ω / ω e . Der Abstand vom Nullpunkt zu einem Kurvenpunkt gibt die bezogene Amplitude und die Richtung dieser Verbindungslinie die Phasenlage an (die erregende Fliehkraft liegt in Richtung 0°). 3
2
0
1
F
180°
0°
ϕ D =1
1
xˆ e
2
0.9
Ω ωe
3 0.95 4
D = 0,1
5 1
90° Bild 2.10. Ortskurven (polare Darstellung des Amplituden- und Phasen-Verlaufs) eines Einmassenschwingers für zwei unterschiedliche Dämpfungsgrade D
2.6 Schwingungen
23
Die allgemeinen Gleichung für die bezogene Schwingamplitude bei Fliehkrafterregung (F=urω2 ) lautet:
xˆ = ur m
⎛Ω ⎜ ⎜ω ⎝ e ⎡ ⎛ ⎢1 − ⎜ Ω ⎢ ⎜⎝ ω e ⎣
2⎤
⎞ ⎟ ⎟ ⎠
2
dimensionslos
2
⎞ ⎛Ω ⎟ ⎥ + 4 D2 ⎜ ⎟ ⎥ ⎜ω ⎠ ⎦ ⎝ e
⎞ ⎟ ⎟ ⎠
(2.39)
2
Die allgemeinen Gleichung für den Phasenverschiebungswinkel bei Fliehkrafterregung (F=urω2) lautet: 2D
ϕ = arctan
Ω ωe
⎛Ω ⎞ ⎟⎟ 1 − ⎜⎜ ⎝ ωe ⎠
rad
2
(2.40)
Um prinzipielle Zusammenhänge zu erkennen, setzt man den Dämpfungsgrad D = 0; aus Gl. (2.39) wird dann 2
⎛Ω ⎞ ⎜⎜ ⎟ ω e ⎟⎠ xˆ ⎝ = 2 ur ⎛Ω ⎞ ⎟⎟ m 1 − ⎜⎜ ⎝ ωe ⎠
dimensionslos
(2.41)
2.6.1.1 Unterkritisches Gebiet Für kleine Erregerfrequenzen gegenüber der Eigenfrequenz (also Ω ωe, kann im Nenner von Gl. (2.41) die l gegenüber (Ω /ωe )2 vernachlässigt werden: xˆ = −1; ur m
dimensionslos
(2.43)
m
(2.44)
oder, aufgelöst nach xˆ : xˆ = −
ur m
Das System schwingt dann mit einer konstanten Amplitude, unabhängig von der Drehzahl. Umgeformt und mit Ω 2 erweitert zu Massenkräften erhält man xˆ m Ω 2 = − u r Ω 2
N
(2.45)
Man erkennt, dass sich im überkritischen Bereich die Massenkraft des bewegten Systems und die unwuchtbedingte Fliehkraft die Waage halten. Bei der Berechnung des Phasenverschiebungswinkels wird bei kleinem D der arctan eines sehr kleinen, negativen Wertes gesucht, also wird ϕ ≈ 180°. Der überkritische Zustand kann auch folgendermaßen beschrieben werden: Der Gesamtschwerpunkt der Massen m und u bleibt in Ruhe; von ihm aus gesehen liegen die Schwerpunkte der Massen m und u in entgegengesetzter Richtung − daher die Phasenverschiebungswinkel von 180° zwischen den Bewegungen der Massen m und u.
2.6 Schwingungen
25
2.6.2 Freiheitsgrade Die Masse m, Bild 2.7, hat nur eine Bewegungsmöglichkeit, sie lässt sich in Richtung der x-Achse verschieben. Man sagt, sie hat einen Freiheitsgrad. Ist zu der Verschiebung z.B. noch eine Drehung möglich, so sind zwei Freiheitsgrade vorhanden. Ein starrer Körper kann im Raum maximal in drei voneinander unabhängigen Richtungen verschoben werden und um drei voneinander unabhängige Achsen gedreht werden; er hat also sechs Freiheitsgrade. Ist der Körper nicht starr, sondern besteht er aus mehreren, durch Federelemente verbundene Massen, so wächst die Anzahl der Freiheitsgrade entsprechend. Ist er sogar ein kontinuierliches Gebilde (gemeinsame Verteilung von Massen und Steifigkeiten), so wird die Anzahl der Freiheitsgrade unendlich. Wichtig ist die Frage nach der Anzahl der Freiheitsgrade hauptsächlich, weil damit die Anzahl der Eigenfrequenzen relativ leicht bestimmt werden kann. Jedes System hat stets genauso viele Eigenfrequenzen, wie Freiheitsgrade vorhanden sind. Im Allgemeinen sind aber nur die Eigenfrequenzen interessant, die in der Praxis erregt werden. 2.6.3 Dynamische Steifigkeit Analog zur statischen Steifigkeit ist die dynamische Steifigkeit der Quotient aus Wechselkraftamplitude (urΩ 2 ) und verursachter Schwingwegamplitude (xˆ ) . Dazu wird in Gl. (2.41) für D = 0 und für m = c/ωe2 gesetzt: 2
⎛Ω ⎞ ⎜⎜ ⎟⎟ ω xˆ = ⎝ e⎠ 2; 2 ω ⎛Ω ⎞ ur e 1 − ⎜⎜ ⎟⎟ c ⎝ ωe ⎠
xˆ c = ur
Ω2 ⎛Ω 1 − ⎜⎜ ⎝ ωe
⎞ ⎟⎟ ⎠
2
dimensionslos
(2.46)
und wenn wird weiter umgeformt zu: ⎡ ⎛Ω u rΩ 2 = c ⎢1 − ⎜⎜ xˆ ⎢ ⎝ ωe ⎣
⎞ ⎟⎟ ⎠
2⎤
⎥ ⎥ ⎦
N/m
(2.47)
Daraus ist zu ersehen, dass • • •
im unterkritischen Gebiet, d.h. für Ω < ωe die dynamische Steifigkeit konstant und etwa gleich der statischen Steifigkeit c ist, im Resonanzgebiet, d.h. für Ω = ωe die dynamische Steifigkeit null wird, im überkritischen Gebiet d.h. für Ω > ωe die dynamische Steifigkeit etwa quadratisch mit der Winkelfrequenz ansteigt, also schnell größer wird (negatives Vorzeichen) als die statische Steifigkeit.
26
2 Physikalische Grundlagen
Bildet man das Verhältnis der dynamischen Steifigkeit zur statischen Steifigkeit, so erhält man Gl. (2.47) cdyn cstat
⎛Ω = 1 − ⎜⎜ ⎝ ωe
⎞ ⎟⎟ ⎠
2
dimensionslos
und Bild 2.11.
cdyn cstat
1
0
Ω ωe -1
-2
-3 0
1
2
Bild 2.11. Verlauf der dynamischen Steifigkeit über der Drehzahl
(2.47)
3 Theorie des starren Rotors
Das Wort „Unwucht“ haben viele, die noch keinen oder nur wenig Kontakt mit der Auswuchttechnik gehabt haben, schon gehört, es wird aber häufig nicht richtig gedeutet. Dabei ist das physikalische Phänomen den meisten bekannt, aber eher unter dem Begriff „Fliehkraft“. Nach DIN ISO-Definition1 (zu Begriffen und Definitionen s. Abschn. 3.1 und 17.2) ist in einem rotierenden System (Rotor) dann eine Unwucht vorhanden, wenn als Folge von nicht ausgeglichenen Fliehkräften Schwingkräfte oder Schwingbewegungen auf die Lager übertragen werden. In Abschn. 2.5.9 ist rekapituliert, dass eine Masse u , die r r auf einem Radius r r mit der Winkelfrequenz Ω umläuft, eine Fliehkraft F erzeugt. Das Pror dukt u r ist dabei das die Fliehkraft nach Richtungr und Betrag bestimmende Glied, es wird in der Auswuchttechnik Unwucht U genannt. Man kann also schreiben: r r U =ur
kg⋅m
(3.1)
Dabei ist: r U Unwucht, ein Vektor, SI-Einheit kg⋅m, häufig benutzte Einheit g⋅mm, u Unwuchtmasse, ein Skalar, SI-Einheit kg, häufig benutzt g, r r Radius, Abstand des Schwerpunktes der Unwuchtmasse von der Schaftachse (s. Abschn. 3.1), ein Vektor, SI-Einheit m, häufig benutzt: mm. Die Unwucht ist also ein Vektor und hat stets die gleiche Richtung wie der Radius-Vektor der Unwuchtmasse. r Die Unwucht ist unabhängig von der Drehzahl (n oder Ω sind in der Gleir chung nicht enthalten) unter der Voraussetzung, dass der Radius r konstant ist (starrer Rotor). Beispiel: Wie groß ist die Unwucht U, die durch eine Unwuchtmasse u = 24 g auf einem Radius r = 500 mm erzeugt wird? Lösung: U = u r = 24⋅500 = 12 000 g⋅mm.
1
DIN ISO 1925: Mechanische Schwingungen − Auswuchttechnik − Begriffe.
28
3 Theorie des starren Rotors
3.1 Definitionen und Erläuterungen Einige ganz zentrale Begriffe sollen an dieser Stelle näher erläutert werden, eine Übersicht aller wichtigen Begriffe und Definitionen für die Auswuchttechnik wird in Abschn. 17.2 gegeben: Rotor Ein rotierender Körper mit Lagerzapfen, die in Lagern gehalten werden, ist per Definition ein Rotor. Ein Körper ohne eigene Lagerzapfen wird erst dann zu einem Rotor, wenn durch zusätzliche Teile Lagerzapfen fest mit ihm verbunden werden (z.B. ein scheibenförmiger Körper mit Bohrung durch Aufstecken auf eine Welle). Schaftachse Die Achse, von der aus der Radius der Unwuchtmasse gemessen wird, muss genau definiert werden: Es ist die Schaftachse, d.h. die Verbindungslinie zwischen den Lagerzapfenmittelpunkten. Die Schaftachse ist eine rotor-feste Achse, sie macht alle Bewegungen des Rotors mit. Starrer Rotor Die meisten Rotoren sind so aufgebaut, dass sich der Unwuchtzustand und ihre Form bis zu der Betriebsdrehzahl des Rotors nicht merkbar oder nur unwesentlich ändern. Man bezeichnet diese Rotoren als starre Rotoren. Dies bedeutet, dass die Unwucht des Rotors als eine feste Größe angegeben werden kann, ohne sie an eine bestimmte Drehzahl zu binden, und dass sie bei einer beliebigen Drehzahl unterhalb der Betriebsdrehzahl gemessen und ausgeglichen werden kann. Das wird sich ändern: Die Definitionen des starren und des nachgiebigen Rotors werden z.Zt. auf ISO-Ebene überarbeitet, s. Abschnitt 3.8.1. Da sich das Verhalten des Rotors verändern kann, spricht man anstelle von einem „starren Rotor“ von einem „Rotor mit starrem Verhalten“.
Ausgleich Der Unwuchtausgleich ist ein Vorgang, durch den die Massenverteilung des Rotors korrigiert wird (Näheres s. Kap. 12). Die Korrektur geschieht meistens durch Ansetzen oder Wegnehmen von Material, und zwar so, dass die Summe der Fliehkräfte – und damit die Summe der Unwuchten – Null wird. Für eine Ausgleichsebene kann man schreiben: r r U + u a ra = 0
(3.2)
3.1 Definitionen und Erläuterungen
U
U ra
− ua
29
U
ra
ua a
b
c r Bild 3.1. Ausgleich einer Unwucht. (a) Unwucht U , (b) Ansetzen von Material auf der gegenüberliegenden Seite – Ausgleichsmasse positiv, (c) Wegnehmen von Material auf der gleichen Seite – Ausgleichsmasse negativ
Betrachtet man zuerst die Beträge der beiden Unwuchten, so sieht man, dass r das Produktr der Ausgleichmasse u a mit dem Ausgleichradius ra gleich der Unwucht U des Rotors sein muss (nicht die Ausgleichmasse gleich der Unwuchtmasse). Wird die Richtung mit berücksichtigt, so wird klar, dass der Ausgleich nur in der gleichen Winkellage wie die Unwucht oder aber entgegengesetzt erfolgen kann (Bild 3.1), also: • Der Ausgleichsradius kann beliebig gewählt werden, die Ausgleichsmasse wird dann entsprechend berechnet: ua =
U ra
g
(3.3)
mm
(3.4)
oder umgekehrt: ra =
U ua
r • Die Unwucht U kann ausgeglichen werden durch − Ansetzen von Material auf der gegenüberliegenden Seite, − Wegnehmen von Material auf der gleichen Seite. Beispiel: Die Unwucht U = 12 000 g⋅mm soll auf dem Ausgleichsradius r = 300 mm ausgeglichen werden. Wie groß ist die Ausgleichsmasse? Lösung: u a =
U 12000 = = 40 g ra 300
Diese Art des Ausgleichs, bei der entsprechend der jeweiligen Lage der Unwucht jeder Winkel benutzt werden kann, heißt polarer Ausgleich (abgeleitet von Polarkoordinaten, also einer Angabe in Winkel und Radius). Kann wegen der Eigenart des Rotors oder der Art des Ausgleichs nur in bestimmten Richtungen (an festen Orten) korrigiert werden, so spricht man von Festortausgleich.
30
3 Theorie des starren Rotors 90°
U 90°
120°
120° U
U 0°
U 0°
U120°
30° U 30°
U U120° U 0°
0°
a
b c r Bild 3.2. Zerlegen der Unwucht U in zwei Komponenten, z.B. für Festortausgleich. (a) in 90°Komponenten, (b) in gedrehte 90°-Komponenten, (c) in 120°-Komponenten
Die Unwucht einer Ausgleichsebene wird dabei entsprechend den möglichen Ausgleichsrichtungen in Komponenten zerlegt und jede Komponente für sich ausgeglichen (Bild 3.2). Ausgleichsebene Darunter versteht man eine Ebene senkrecht zur Schaftachse des Rotors, in der ein Unwuchtausgleich durchgeführt wird. Die Lage der Ausgleichsebenen ist (bei einem starren Rotor) beliebig wählbar, nur müssen die Besonderheiten des betreffenden Rotors beachtet werden.
3.2 Unwucht eines scheibenförmigen Rotors Bis jetzt wurde die Unwucht auf einen theoretischen Fall bezogen, bei dem nur die Unwucht eine Masse hat, nicht aber der Radius und die Achse. Wie sieht es nun bei einem wirklichen Rotor mit der Masse m aus? Der einfachste Fall ist ein scheibenförmiger Rotor, der senkrecht auf der Schaftachse sitzt.2 r Dreht sich der Rotor mit der Winkelfrequenz Ω , so erzeugt jedes Masseteilr r chen ui auf seinem Radius ri eine Fliehkraft Fi r r Fi = mi ri Ω 2 N (3.5) Die Vektorsumme der Fliehkräfte aller Einzelelemente ist die Fliehkraft, die auf die Lagerung wirkt, und zwar: r F=
n
∑m r Ω r
i i
2
N
(3.6)
i =1
2
Wenn eine Scheibe nicht senkrecht auf der Schaftachse sitzt, entsteht eine Momentenunwucht, s. Abschn. 3.5 und 3.8.
3.3 Unwucht des allgemeinen Rotors
31
F r ri mi
Bild 3.3. Beschreibung des Unwuchtzustands eines scheibenförmigen Rotors
dabei ergeben sich zwei Möglichkeiten: r • F = 0 : Es wirkt keine Fliehkraft, der Rotor ist also unwuchtfrei, es ist ein „vollkommen ausgewuchteter Rotor“, r • F ≠ 0 : Der Rotor ist unwuchtig. Es stellt sich nun die Frage, wie der Unwuchtzustand am besten ausgedrückt werden kann. Die verbleibende Fliehkraft kann man sich aus einer Unwucht r r u r oder U entstanden denken (Gl. 3.7) und kürzt dann den Drehzahleinfluss auf beiden Seiten weg (Gl. 3.8): r F=
n
∑ mi ri Ω 2 = u r Ω 2 r
r
N
(3.7)
g⋅mm
(3.8)
i =1
n
∑m r
r
i i
r r = ur =U
i =1
Dies bedeutet: • Der Unwuchtzustand eines scheibenförmigen, starren (und senkrecht auf der Schaftachse stehenden, s. Fußnote 2) Rotors kann durch einen Unwuchtvektor vollständig beschrieben werden. • Der Ausgleich der Unwucht erfordert nur eine Korrektur in einer Ebene.
3.3 Unwucht eines allgemeinen Rotors Bei einem starren Rotor mit größerer axialer Erstreckung, z.B. einem walzenförmigen Rotor, ergeben sich zusätzliche Aspekte gegenüber einem Scheibenrotor, da längs des Rotors überall Unwuchten auftreten können. Aber man kann den scheibenförmigen Rotor und die dort gewonnenen Erkenntnisse zu Hilfe nehmen.
32
3 Theorie des starren Rotors
Ui U II gi UI
fi
b
r Bild 3.4. Alle Unwuchten U i des in Scheiben aufgeteilten walzenförmigen Rotors r werdenr in die Endebenen umgerechnet. Die Vektorsummen in diesen Ebenen I und II sind U I und U II , sie werden komplementäre Unwuchten genannt und bilden die dynamische Unwucht
Man denkt sich den walzenförmigen Rotor in viele dünne Scheiben aufgeteilt, die alle senkrecht auf der Schaftachse stehen. Für jede Scheibe lässt sich dann eine Unwucht ermitteln (s. Abschn. 3.2), die den Unwuchtzustand dieser Scheibe repräsentiert. Der Unwuchtzustand des walzenförmigen Rotors ist also durch viele Einzelunwuchten in vielen verschiedenen Radialebenen gegeben. Nach den Gesetzen der Statik können nun die unwuchtbedingten Einzelfliehkräfte in zwei beliebig wählbaren Ebenen I und II (z.B. den Endebenen) zusammengefasst und dort wieder in entsprechende Unwuchten umgeformt werden (Bild 3.4). Diese werden komplementäre Unwuchten genannt. n
r FI =
∑
r U i gi Ω 2
i =1
b n
r FII =
∑
r U i gi Ω 2
i =1
b
n
r = U I Ω 2;
r UI =
∑
r U i gi
i =1
n
r = U II Ω 2 ;
r U II =
(3.9)
b r
∑ U i gi i =1
b
(3.10)
Im allgemeinen sind Betrag und Winkel der beiden Unwuchtvektoren abhängig von der Lage der Ausgleichsebenen. Besonders wichtig ist dabei, dass sich beide Unwuchtvektoren verändern, auch wenn nur eine Ausgleichsebene anders gewählt wird. Dies bedeutet: • Der Unwuchtzustand eines walzenförmigen, starren Rotors kann durch zwei komplementäre Unwuchten in zwei beliebig gewählten Ebenen vollständig beschrieben werden. • Der Ausgleich der Unwucht eines solchen Rotors erfordert im allgemeinen Fall je eine Korrektur in zwei Ebenen. Das gleiche gilt auch für den beliebig geformten starren Rotor.
3.4 Statische Unwucht
33
US
S
r Bild 3.5. Statische Unwucht infolge einer im Schwerpunkt S angreifenden Unwucht U s
3.4 Statische Unwucht Wird an einem vollkommen ausgewuchteten Rotor eine einzelne Unwucht in der Radialebene angebracht, in der sein Schwerpunkt liegt, so spricht man von r einer statischen Unwucht U s (Bild 3.5). An Hand eines Querschnitts durch den Rotor an dieser Stelle (Bild 3.6), kann man sich leicht klarmachen, dass • bei einem vollkommen ausgewuchteten Rotor der Schwerpunkt auf der Schaftachse liegen muss (andernfalls würde eine Fliehkraft wirken, s. Abschn. 2.5.9), • infolge der hinzukommenden Unwuchtmasse der Schwerpunkt von der Schaftachse weg wandert. Die Gleichgewichtsbedingung ergibt: r r (m + u ) e = u r
(3.11)
r
e S
Unwucht
S'
Bild 3.6. Der Querschnitt durch den Rotor in Bild 3.5 r zeigt (Schwerpunkt S in der Schaftachse), wie infolge der r Unwuchtmasse u auf dem Radius r der neue Gesamtschwerpunkt S ' mit der Exzentrizität e von der Schaftachse entsteht
34
3 Theorie des starren Rotors
oder r r ur e= m+u
Länge
(3.12)
Da die Unwuchtmasse u in fast allen Fällen wesentlich kleiner ist als die Rotormasse m, wird sie üblicherweise im Nenner vernachlässigt, so dass sich ergibt r r r u r Us Länge (3.13) = e= m m r Dabei gibt e an, wie weit und in welche Richtung (Winkel) der Schwerpunkt aus der Schaftachse verlagert ist rund wird deshalb Schwerpunktsexzen r trizität genannt. Im Allgemeinen ist e sehr viel kleiner als r , die zweckmäßige Einheit ist deshalb μm. Wenn z.B. u in Gramm, m in Kilogramm und r in Millimeter eingesetzt werden, erhält man e in Mikrometer: 1μ m =1
g ⋅ mm kg
Länge
(3.14)
r Beispiel: Ein Rotor mit m = 600 kg hat eine statische Unwucht U s = 12 000 g⋅mm. Wie groß ist seine Schwerpunktsexzentrizität? Lösung: e =
U s 12 000 = = 20 μ m m 600
Die Fliehkraft infolge der statischen Unwucht greift im Schwerpunkt an. Bei einem symmetrisch gelagerten Rotor sind die Kräfte in beiden Lagern gleich groß und gleichgerichtet. Beispiel: Wie groß sind die unwuchtbedingten Lagerkräfte FA und FB an diesem Rotor bei einer Drehzahl n = 1 000 min-1? Lösung: Fliehkraft F = U s Ω 2 ≈ 0,012 ⋅ 100 2 = 120 N (Newton). Die Unwucht Us muss dabei in kg⋅m eingesetzt werden (s. Abschn. 2.5.9). Weiterhin ist bei einem symmetrisch gelagerten Rotor FA = FB und die Summe der Lagerkräfte gleich F: F FA + FB = F ; FA = FB = ≈ 60 N 2
Zum Ausgleich der statischen Unwucht ist nur eine Ausgleichsebene erforderlich, die Schwerpunktsebene. Falls in einer anderen Ebene korrigiert wird, entsteht durch die Korrektur als Nebeneffekt eine Momentenunwucht (s. Abschn. 3.5). Man kann die Ausgleichsmasse aber auch so auf zwei Ebenen verteilen, dass die Wirkung einer einzelnen Masse in der Schwerpunktsebene entsteht (Bild 3.7). Aus den Gleichungen: uaI + u aII = u a
uaI = u a
und
u aI f + uaII g = 0
g f ; u aII = u a g+ f g+ f
erhält man
g⋅mm
(3.15)
3.4 Statische Unwucht I
uaI
35
II
uaII
ua
f
Bild 3.7. Aufteilen der Ausgleichsmasse u a , auf die Ausgleichsebenen I und II
Beispiel: Ein Rotor soll durch eine Ausgleichsmasse ua = 40 g ausgeglichen werden. Die Abstände der Ausgleichsebenen l und II von der Schwerpunktebene gemäß Bild 3.7 betragen f = 150 mm, g = 250 mm. Wie groß sind die erforderlichen Ausgleichsmassen u aI , und u aII in den Ebenen I und II? g 250 u aI = u a Lösung: = 40 = 25 g 150 + 250 f +g u aII = u a
f 150 = 40 = 15 g 150 + 250 f +g
Beispiel: Der gleiche Rotor soll so ausgeglichen werden, dass beide Ausgleichsebenen auf der gleichen Seite liegen, wobei f = 200 mm und g = 600 mm festgelegt sind (Bild 3.8). Lösung (hier wird f negativ eingesetzt): u aI = u a
g −f ; u aII = u a − f +g − f +g
u aI = u a
g 600 = 40 = 60 g − f +g 400
u aII = u a
−f −200 = 40 = −20 g − f +g 400
, also
Für u aII wird entweder in der gleichen Winkellage wie u a Material weggenommen oder aber auf der entgegengesetzten Seite hinzugefügt.
Anmerkung: Wenn die Ausgleichsradien nicht alle gleich sind, werden die Ausgleichsmassen entsprechend umgerechnet (umgekehrt proportional). II
I
ua
f
u aII
u aI
Bild 3.8. Aufteilen der Ausgleichsmasse bei einseitig gelagerten Ausgleichsebenen
36
3 Theorie des starren Rotors
−U S l
U Bild 3.9. Eine Momentenunwucht r rentsteht durch ein Unwuchtpaar − zwei entgegengesetzte, gleich große Unwuchten U und − U mit dem Ebenenabstand l
3.5 Momentenunwucht Werden an einem vollkommen ausgewuchteten Rotor zwei gleich große Unwuchten so angebracht, dass sie sich in zwei verschiedenen Radialebenen genau gegenüberliegen (Unwuchtpaar)3, so spricht man von einer Momentenunwucht. Sind die beiden Ebenen um die Länge l voneinander entfernt und r r ist die Größe der beiden Unwuchten jeweils U = u r (Bild 3.9), so ist die Momentenunwucht: r r r U m = l ×U g⋅mm2 (3.16) r Der Vektor U m steht senkrecht auf der Längsebene, in der die Unwuchten liegen, ähnlich einem Drehmomentvektor. Vereinfacht kann man schreiben (ohne Vektorzeichen und Vektorprodukt): U m = lU = l u r
g⋅mm2
(3.17)
Die Momentenunwucht ist die Alternative zu der statischen Unwucht: der Schwerpunkt des Rotors hat keine Exzentrizität. Bei gleichem l U ist es gleichgültig, ob die beiden Ebenen, in denen die Unwuchten wirken, symmetrisch zum Schwerpunkt liegen oder asymmetrisch.
3
Die Bezeichnungen sind national und international leider noch nicht ganz einheitlich: Das r r Vektorprodukt l × U bezeichnen wir entsprechend DIN ISO 1925 mit Momentenunwucht, in der ISO 1925 heißt es couple unbalance, die Einheit ist in beiden Fällen g⋅mm2. Dem Wortsinne nach wäre couple unbalance aber eher das Unwuchtpaar, das durch die einzelnen Unwuchr r ten U und − U (Einheit g⋅mm) gebildet wird, die um den Abstand l von einander entfernt sind. Der Begriff Unwuchtpaar ist bisher nicht in DIN ISO 1925 genormt, wird aber in der Praxis benötigt.
3.7 Dynamische Unwucht
37
−U FB
FA A
B l
U L
Bild 3.10. Lagerreaktionen FA und FB auf Grund einer Momentenunwucht lU
Der Schwerpunkt braucht noch nicht einmal zwischen den beiden Unwuchtebenen zu liegen − immer sind die Momentenunwucht und ihre Wirkung gleich: Die Unwuchten verursachen ein Unwuchtmoment4 (Fliehkraftmoment), das in beiden Lagern stets gleich große, aber entgegengesetzte Kräfte hervorruft. Beispiel: Ein Rotor hat zwei im Winkel gegenüberliegende Unwuchten (Unwuchtpaar) von je U = 6 000 g⋅mm; der Ebenenabstand ist l = 700 mm, der Lagerabstand ist L = 1 000 mm (Bild 3.10). Wie groß sind die Momentenunwucht und bei einer Drehzahl n = 1 000 min-1 die unwuchtbedingten Lagerkräfte FA und FB? Lösung: Momentenunwucht Um = l U = 700⋅6 000 = 4 200 000 g⋅mm2; wegen des Zahlenwertes besser Um = 4 200 kg⋅mm2. Fliehkraft F der Unwucht U: F = U Ω 2 ≈ 0,006⋅1002 = 60 N (auch hier muss U in kg⋅m eingesetzt werden). Unwuchtmoment Mu = l F ≈ 0,7⋅60 = 42 N⋅m Lagerreaktionen: aus L FA⋅ = − Mu ; L FB = Mu folgt FA = − Mu /L ≈ − 42/1 = − 42 N (Belastung nach oben) FB = Mu /L ≈ 42/1 = 42 N
3.6 Quasi-statische Unwucht Wenn an einem vollkommen ausgewuchteten Rotor eine einzelne Unwucht in einer Ebene angesetzt wird, in der nicht der Schwerpunkt liegt, so wird sie quasi-statische Unwucht genannt. Sie entspricht einer Kombination einer statischen Unwucht mit einer Momentenunwucht mit dem Kennzeichen, dass beide in derselben Längsebene des Rotors liegen. Die Situation kann man sich am besten an Hand von Bild 3.11 klarmachen: 4
Der Unterschied zwischen Momentenunwucht und Unwuchtmoment ist zu beachten: Die Momentenunwucht ist ein Sonderfall der Unwucht, das Unwuchtmoment das Fliehkraftmoment auf Grund einer Unwucht.
38
3 Theorie des starren Rotors
U q =U s
Uq
S l
−Uq Bild 3.11. Quasi-statische Unwucht
Eine quasi-statische Unwucht Uq liege um l vom Schwerpunkt entfernt. Wird im Schwerpunkt ein gleicher Unwuchtvektor angetragen und außerdem der gleiche Vektor mit negativen Vorzeichen (entgegengesetzte Richtung), so heben sich die neu eingefügten Unwuchten gegenseitig auf − gegenüber der Anfangssituation hat sich nichts geändert. Das System von Unwuchten kann man jetzt folgendermaßen erklären: Der gleichgerichtete Unwuchtvektor im Schwerpunkt ist eine statische Unwucht, die beiden verbleibenden Unwuchten bilden eine Momentenunwucht. Eine quasi-statische Unwucht kann − wenn die Ausgleichsebene frei wählbar ist − durch eine Korrektur in einer Ebene vollständig ausgeglichen werden: in unserem Beispiel in der Ebene, in der die quasi-statische Unwucht liegt (d.h. die statische und die Momentenunwucht werden gleichzeitig korrigiert, obwohl dafür normalerweise zwei (oder drei) Ausgleichsebenen nötig wären). Beispiel: In einer Ebene, die l = 200 mm von der Schwerpunktsebene entfernt ist, befindet sich eine Unwucht Uq = 400 g⋅mm. Wie groß sind die statische Unwucht und die Momentenunwucht? Lösung: Statische Unwucht Us = Uq = 400 g⋅mm Momentenunwucht Um = l Uq = 200⋅400 = 80 000 g⋅mm2. Beispiel: An einem Rotor werden eine statische Unwucht Us = 1 000 g⋅mm und eine in der gleichen Längsebene liegende Momentenunwucht Um = l U = 350 000 g⋅mm2 festgestellt (Bild 3.12). Wo liegt die Ausgleichsebene, in der sich mit einer Korrektur beide Unwuchtarten beseitigen lassen (wie groß ist l )? Lösung: Quasi-statische Unwucht Uq = Us = 1 000 g⋅mm Abstand der Ebene der quasi-statischen Unwucht von der Schwerpunktsebene U 350 000 − f Uq = Um; f = − m = − = −350 mm Uq 1 000 (f Uq muss mit negativem Vorzeichen eingesetzt werden, weil ihr Drehsinn entgegengesetzt zu dem Moment Um läuft.) Die Ausgleichsebene liegt also 350 mm links von der Schwerpunktsebene.
3.7 Dynamische Unwucht
US
−U
39
Uq
S f
l
U Bild 3.12. Ermittlung der richtigen Ausgleichsebene für eine quasi-statische Unwucht; Unwuchtzustand gegeben durch eine statische Unwucht und eine Momentenunwucht
3.7 Dynamische Unwucht Der allgemeine Unwuchtzustand eines Rotors (s. Abschn. 3.3) besteht aus einer Mischung der beiden Unwuchtarten, also aus der Überlagerung einer statischen Unwucht mit einer Momentenunwucht (im allgemeinen mit unterschiedlichen Winkellagen). Die dynamische Unwucht eines Rotors wird beschrieben: • üblicherweise durch Angabe der komplementären Unwuchtvektoren in zwei beliebigen Ebenen, • manchmal durch Angabe der statischen Unwucht und der Momentenunwucht. Die dynamische Unwucht kann aus statischer Unwucht und Momentenunwucht abgeleitet werden (Bild 3.13). Die Momentenunwucht wird hier darger r stellt durch das Unwuchtpaar, d.h. die Unwuchten − U in der linken und U in der rechten Ebene mit dem Abstand l.
US
−U UI r l −U L
US 2
S
US 2
U II
r l U L
l L
U
r Bild 3.13. Umwandlung einer statischen Unwucht U s und einer Momentenunwucht (Unwuchtr r r r paar −U , U ) in zwei komplementäre Unwuchten U I und U II , eine dynamische Unwucht
40
3 Theorie des starren Rotors
Für den symmetrischen Rotor wird die statische Unwucht hälftig auf beide Ebenen verteilt, das Unwuchtpaar mit dem Ebenenverhältnis l/L verrechnet und dann in beiden Ebenen die Vektorsumme gebildet (Bild 3.13). Bei asymmetrischer Ebenenlage wird die statische Unwucht entsprechend der Hebelverhältnisse verteilt, dabei kann Bild 3.7 zugrunde gelegt werden. Die Umrechnung der Momentenunwucht bleibt unverändert. Jede dynamische Unwucht kann auch in eine statische Unwucht und eine Momentenunwucht zerlegt werden (Geometrie in Anlehnung an Bild 3.4): r r r r r r r r U s = U I + U II ; U m = f × U I + g × U II g⋅mm; g⋅mm2 (3.18) Statische Unwucht, quasi-statische Unwucht und Momentenunwucht sind Sonderfälle der dynamischen Unwucht. Das wird sich ändern: Die Begriffe und Definitionen der verschiedenen Unwuchten werden z.Zt. auf ISO-Ebene überarbeitet. Zwei Unwuchten, die „resultierende Unwucht“ – die Summe aller Einzelunwuchten entlang der Rotorachse – und die Momentenunwucht, beschreiben den Unwuchtzustand, s. 3.8.1.
3.8 Darstellung des Unwuchtzustandes Um deutlich zu machen, dass je nach Betrachtungsweise und Aufgabenstellung der Unwuchtzustand unterschiedlich dargestellt werden kann und soll, wird in der Richtlinie ISO 1940-1 der Unwuchtzustand eines „Rotors mit starrem Verhalten“ (s. Abschn. 3.8.1) in sechs Varianten ausgedrückt, Bild 3.14. Manche prinzipiellen Zusammenhänge lassen sich besser erläutern, wenn von den verschiedenen Unwuchtarten (resultierende Unwucht, Momentenunwucht) ausgegangen wird (Bild 3.14, links) und nicht von der dynamischen Unwucht (Bild 3.14, rechts), die meistens für den Ausgleich verwendet wird. 5 Außer durch alle bisher behandelten Arten der Darstellung kann der Unwuchtzustand aber auch durch Angabe der Lage der (zentralen, benachbarten Massen-) Trägheitsachse zu der Schaftachse ausgedrückt werden. Beim vollkommen ausgewuchteten Rotor fällt die Trägheitsachse mit der Schaftachse zusammen: Massensymmetrie, also keine Fliehkraft, kein Unwuchtmoment (Bild 3.15).
S, T
S
S, T
m
Bild 3.15. Beim vollkommen ausgewuchteten Rotor fällt die Trägheitsachse T–T mit der Schaftachse S–S zusammen 5
Das Zentrum der Unwucht Zu ist jener Ort der resultierenden Unwucht auf der Schaftachse, für den die Momentenunwucht ein Minimum ist.
3.8 Darstellung des Unwuchtzustandes
5
41
3,16 71,6° 1 1
1,41 1
2,24
1,41
S
116,6°
S 1
5
3 1,12
1
0,5 1
2
S
1 0,5
S
1
1,12
5
3
1 Zu 1
56,3°
3 123,7°
S
Bild 3.14. Verschiedene Darstellungen ein- und desselben Unwuchtzustandes eines starren Rotors, nach ISO 1940-1(2004). Starke Betonung der resultierenden Unwucht und des Unwuchtpaares (a bis c) als Ausgangspunkt der Überlegungen gegenüber der Darstellung in zwei Ebenen (d bis f). Unwuchten in g⋅mm, Längen in mm. S Schwerpunkt, Zu Zentrum der Unwucht (c)
42
3 Theorie des starren Rotors
Us
r S
T
u
e
S
T
S
m
Bild 3.16. Durch eine statische Unwucht wird die Trägheitsachse um die Schwerpunktsexzentrizität e aus der Schaftachse parallel verschoben
Wird eine statische Unwucht (resultierende Unwucht in S) hinzugefügt, so wandert die Trägheitsachse parallel aus der Schaftachse um die Schwerpunktsexzentrizität e heraus (Bild 3.16). Die Schwerpunktsexzentrizität kann nach der in Abschn. 3.4 abgeleiteten Gleichung: e = Us /m berechnet werden. Wird eine Momentenunwucht angebracht, so bildet die Trägheitsachse mit der Schaftachse einen Winkel, schneidet aber die Schaftachse im Schwerpunkt r (Bild 3.17). Der Winkel ϕ (in Radiant) kann berechnet werden mit r r 1 2 Um ϕ = arcsin rad (3.19) 2 Jx − Jz bei kleinen Winkeln vereinfacht sich die Gleichung zu r r Um ϕ= rad Jx − Jz
(3.20)
Dabei bedeuten: r U m Momentenunwucht, Jx Massen-Trägheitsmoment um die Querachse durch den Schwerpunkt, Jz Massen-Trägheitsmoment um die Längsachse durch den Schwerpunkt. -U
S
T
S
b
ϕ
S
T
U
Bild 3.17. Eine Momentenunwucht – dargestellt durch ein Unwuchtpaar (U, -U) mit dem Eber nenabstand b – dreht die Trägheitsachse um den Winkel ϕ aus der Schaftachse heraus, der Schwerpunkt bleibt auf der Schaftachse
3.8 Darstellung des Unwuchtzustandes
43
r
r
Beispiel: Wie groß ist der Winkel ϕ infolge einer Momentenunwucht U m = 100 000 g ⋅ mm 2 , wenn J x = 90 kg ⋅ m 2 und J z = 20 kg ⋅ m 2 ist? r
Lösung: ϕ =
r r 0,1 Um = ≈ 0,0014 rad; in Winkelgrad : ϕ ≈ 0,08° J x − J z 90 − 20
Dabei ist zu beachten, dass die Differenz der Trägheitsmomente (Nenner der Gleichung) für lange Rotoren positiv ist, der Winkel also mit der Momentenunwucht dreht. Für scheibenförmige Rotoren ist die Differenz negativ, d.h. in diesem Fall dreht der Winkel entgegengesetzt zu der Momentenunwucht. Falls der Rotor nicht rotationssymmetrisch ist, muss die Momentenunwucht in entsprechende Komponenten zerlegt werden. Annahme: die Achsen x und y (die y-Achse steht senkrecht auf den Achsen x und z) sind die Hauptträgheitsachsen. Wenn die Trägheitsmomente Jy und Jx verschieden sind, wird die Momentenunwucht in Richtung der Hauptträgheitsachsen x und y zerlegt und mit den zugehörigen Trägheitsmomenten gerechnet, also r r Umx Umy r r ϕx = ; ϕy = rad (3.21) Jx −Jz Jy −Jz Eine quasi-statische Unwucht (resultierende Unwucht) verlagert die Trägheitsachse und winkelt sie auf. Da beide Unwuchten aber dieselbe Winkellage haben, ergibt sich zwingend ein Schnittpunkt mit der Schaftachse (Bild 3.18). Zur Berechnung der genauen Lage können die Gln. (3.13) und (3.20) kombiniert werden. Bei einer dynamischen Unwucht liegen die Trägheitsachse und die Schaftachse beliebig, im allgemeinen windschief zueinander (Bild 3.19). Die anderen Unwuchtarten können als Sonderfälle der dynamischen Unwucht gedeutet werden: • Schnittpunkt im Schwerpunkt: Momentenunwucht, • Schnittpunkt im Unendlichen (parallele Lage): statische Unwucht, • Schnittpunkt zwischen Schwerpunkt und dem Unendlichen: quasi-statische Unwucht. Uq
T
e
S b
S
ϕ T
S
Bild 3.18. Eine quasi-statische (resultierende) Unwucht im Abstand b von dem Schwerpunkt r verlagert den Schwerpunkt um das Maß e und dreht die Trägheitsachse um den Winkel ϕ aus der Schaftachse heraus. Es gibt immer einen Schnittpunkt mit der Schaftachse
44
3 Theorie des starren Rotors
S
T
S
T S
Bild 3.19. Bei einer dynamischen Unwucht liegen Trägheitsachse und Schaftachse windschief zu einander (allgemeiner Fall)
3.8.1 Neue Ansätze Die resultierende Unwucht (DIN ISO 1925:2002) wird an Bedeutung gewinnen, d.h. sie wird eine der Basis-Unwuchten neben Momentenunwucht und modalen Unwuchten sein. Geht man wieder von einem allgemeinen Rotor aus, so muss man eigentlich mit einer unendlichen Zahl von Unwuchten entlang der Rotorachse rechnen, aber wenn man die Unwuchten in Rotorelementen kleiner axialer Erstreckung zusammenfasst (deren Momentenunwucht vernachlässigbar ist), kann man den Unwuchtzustand auch mit einer endlichen Zahl von Unwuchten hinreichend beschreiben (Bild 3.20). Durch die perspektivische Darstellung ist die Lage und Größe der Unwuchten nicht zu erkennen. Sieht man jedoch axial auf die einzelnen Rotorelemente, so kann für jedes Element der Unwuchtvektor in Größe und Winkel richtig dargestellt werden (Bild 3.21). r r Die resultierende Unwucht U r ist die Vektorsumme aller Unwuchten U k : K r r Ur = Uk g⋅mm (3.22)
∑
k =1
Darin ist k der Laufzähler für die Ebenen. Die resultierende Momentenunwucht (DIN ISO 1925) ist eine andere physikalische Größe (s. Einheit) als die Unwucht und sollte deshalb anders gekennzeichnet werden, z.B. mit P. 10
9
4
z
1 3
x
0
2
5
6 8 7
y
Bild 3.20. Rotor, modelliert mit 10 Elementen mit je einem Unwuchtvektor
3.8 Darstellung des Unwuchtzustandes
1
45
4 3 5
2
9
6
7
10
8
Bild 3.21. Die 10 Rotorelemente, als Scheiben dargestellt, mit ihren Unwuchtvektoren
r
Sie ist die Vektorsumme der Produkte aller Einzelunwuchten U k mit dem r Ebenenabstand zu der Ebene der resultierenden Unwucht U r , also: K r r r r Pr = ( z k − zU r ) ×U k g⋅mm2 (3.23)
∑
k =1
r Darin ist z k der Abstand von einem Bezugspunkt (z.B. 0) zur r Ebene k und r zU r der Abstand von demselben Bezugspunkt zur Ebene von U r . ANMERKUNG 1: Die resultierende Unwucht ist immer gleich, ganz egal welche Ebene des Rotors gewählt wird. ANMERKUNG 2: Die Momentenunwucht verändert sich in Abhängigkeit von dieser Ebene. ANMERKUNG 3: Wird die resultierende Unwucht in der Schwerpunktsebene angegeben, wird sie zur statischen Unwucht. In allen anderen Ebenen ist sie eine quasi-statische Unwucht.
Für die graphische Darstellung betrachtet man den Rotor in Achsrichtung: Alle Unwuchtvektoren erhalten einen gemeinsamen Ursprung (Bild 3.22). Die resultierende Unwucht wird durch Addition aller Unwuchtvektoren gebildet (Bild 3.23). 4
1 9
10
6
3 5
8 2 7
Bild 3.22. Blick in Achsrichtung des Rotors: alle Unwuchtvektoren haben den gleichen Ursprung
46
3 Theorie des starren Rotors 10
6 5
4
9
7
Ur
8
2
3
1
Bild 3.23. Die Vektorsumme aller Unwuchtvektoren ist die resultierende Unwucht Ur des Rotors
Die Momentenunwucht wird am besten anhand der Unwuchtpaare gebildet und dargestellt (s. Abschn 3.5). Dabei wurde angenommen: • die resultierende Unwucht liegt in der Mittenebene des Rotors (gleicher Abstand zu den Lagern), • die Unwuchtpaare werden für die Endebenen des Rotors gebildet (Ebenenabstand b), • vom Unwuchtpaar wird nur eine Unwucht dargestellt, z.B. die der rechten Ebene (die Unwucht der linken Ebene ist gleich groß, aber um 180° versetzt). Damit ergibt sich das Unwuchtpaar für ein Rotorelement nach der Gleichung: r z z − zU r r C II = U z = − CI g⋅mm (3.24) b und für das resultierende Unwuchtpaar: k r k r C rII = C II =
∑
∑
z =1
z =1
r z z − zU r r U z = − C rI b
(3.25)
4
1 9
5
10
10
6
3
9
8 2
2 6
5 3 4 7
7
a
g⋅mm
CrII 8 1
b
3 1 2 4 6 5
c
7
10
9 8
Bild 3.24. Aus den Unwuchtvektoren der einzelnen Elemente (a) werden die Unwuchtpaare (Gl. 3.22) gebildet. Hier sind die Unwuchten der rechten Ebene (II) dargestellt (b). Diese Unwuchten werden vektoriell addiert zu dem resultierenden Unwuchtpaar (Gl. 3.23), die Bildung für die rechte Ebene zeigt (c)
4 Theorie des nachgiebigen Rotors
In Kap. 3 wurde ein starrer Rotor vorausgesetzt, dessen Unwucht und Form sich mit der Drehzahl nicht verändern, Bild 4.1. Wie sieht es nun mit einem Rotor aus, der nicht starr ist, dessen Zustand sich also mit der Drehzahl verändert? Das wird sich ändern: Die Definitionen des starren und des nachgiebigen Rotors werden z.Zt. auf ISO-Ebene überarbeitet. Man versucht Definitionen des Rotorverhaltens zu finden, die auch den Übergang vom starren in den wellenelastischen Verhalten besser erklären.
Man unterscheidet Plastizität (die Verformung bleibt, auch nachdem die Last weggenommen wurde) und Elastizität (die Verformung bildet sich mit der Lastrücknahme wieder zurück). Die Elastizität wird im Zusammenhang mit dem Auswuchten zweckmäßigerweise noch in Körperelastizität und Wellenelastizität unterteilt. In allen drei Fällen ist das Rotorverhalten drehzahlabhängig1; die richtige Handhabung beim Auswuchten ist aber sehr unterschiedlich. Gerade die drehzahlmäßig hoch belasteten Rotoren können heute ganz erhebliche elastische und plastische Verformungen aufweisen. A
a
a
b
Tol.
b n1
n2
Bild 4.1. Unwuchtanzeige A bei starrem Verhalten. Betrag (links) und Vektor (rechts). (a) unausgewuchtet, (b) ausgewuchtet, n1 Auswuchtdrehzahl (niedrigtourig), n2 Betriebsdrehzahl 1
Siehe „Das wird sich ändern“ auf dieser Seite. Ein Problem ist z.Z., dass der Begriff „nachgiebig“ (in ISO 11342: flexible) als Sammelbegriff für „wellenelastisch“, körperelastisch“ und „plastisch“ genutzt wird, manchmal jedoch auch nur das wellenelastische Verhalten meint. Da die Normen im Umbruch sind, sind die Aussagen noch nicht vereinheitlicht. Hier wird die Formulierung „beim nachgiebigen Rotor ist das Rotorverhalten drehzahlabhängig“ verwendet.
48
4 Theorie des nachgiebigen Rotors
a2
A
a1 b Tol.
a1 b
n1
a2 n2
Bild 4.2. Unwuchtanzeige (Betrag und Vektor) bei einem plastischen Rotorverhalten. (a1) vor, (a2) nach der Verformung/Setzung. Andere Bezeichnungen wie Bild 4.1
Es soll deutlich festgehalten werden, dass nur die Verformungen den Unwuchtzustand verändern, die asymmetrisch zur Schaftachse erfolgen. Diese Verformungen können sehr unterschiedliche Erscheinungsbilder zeigen und unterschiedliche Maßnahmen erforderlich machen. Sie werden im Folgenden erläutert.
4.1 Plastischer Rotor Rotoren mit plastischen Verformungen erreichen bei höheren Drehzahlen häufig einen Beharrungszustand, der dann auch bei kleineren Drehzahlen erhalten bleibt (Bild 4.2). Durch Schleudern mit einer Drehzahl, die erfahrungsgemäß einen typabhängigen Betrag über der Betriebsdrehzahl liegt, kann dann meist ein für alle Drehzahlen bis zur Betriebsdrehzahl stabiler Unwuchtzustand erreicht werden (z.B. das Setzen der Wicklungen von Elektroankern oder der aufgeschrumpften Laufräder bei Turbinen). Nach dem Schleuderlauf kann dann bei beliebiger Drehzahl (unterhalb der Betriebsdrehzahl) ausgewuchtet werden. Falls außer der Plastizität auch noch eine Form der Elastizität auftritt, ist nach dem Schleudern so vorzugehen, wie in den Abschn. 4.2 und 4.3 beschrieben.
4.2 Körperelastischer Rotor Wenn Massen, die ihren Schwerpunkt weder auf noch sehr nahe der Schaftachse haben, sich infolge der drehzahlabhängigen Fliehkräfte elastisch verlagern, so spricht man von körperelastischem Verhalten (Bild 4.3).
4.2 Körperelastischer Rotor
A
49
a
b Tol.
a
b n1
n2
Bild 4.3. Unwuchtanzeige bei körperelastischem Rotorverhalten. (a) Veränderung der Urunwucht, (b) Veränderung nach dem Auswuchten. Andere Bezeichnungen wie Bild 4.1
Der Unwuchtzustand ändert sich dabei im allgemeinen bei Drehzahlsteigerung immer schneller, die Materialbelastungen können sehr groß werden und zum Bruch der Verbindungselemente (zwischen diesen Massen und der Schaftachse) führen. Kennzeichnend ist, dass bei weiterer Steigerung der Drehzahl keine Umkehr dieser Tendenz zu beobachten ist, d.h. dass der Unwuchtzustand nicht wieder besser wird. Allerdings gibt es Fälle, in denen die Verlagerung der Massen nur bis zu einem Anschlag gehen kann, so dass von da an ein stabiler Unwuchtzustand herrscht. Rotoren mit körperelastischem Verhalten müssen bei Betriebsdrehzahl ausgewuchtet werden, bzw. bei einer Drehzahl, die oberhalb der Grenze liegt, wo ein stabiler Unwuchtzustand erreicht wird. Anschließend sind sie dann meist bei kleinen Drehzahlen außerhalb der Toleranz. Eventuell ist − wenn z.B. auch die Kräfte und Schwingungen beim Hochlauf auf Betriebsdrehzahl in bestimmten Grenzen liegen sollen − eine Kompromissauswuchtung erforderlich, bei der zwischen Hochlauf und Betriebsdrehzahl gemittelt werden muss. Wichtig ist, dass diese exzentrischen Massen in sich selbst nicht symmetriert werden können (also durch Massenausgleich die Ursache der Körperelastizität nicht beseitigt werden kann), da diese Massen einen zu großen Abstand von der Schaftachse haben. Beispiel: In einer Trommel sind sechs von Boden zu Boden durchlaufende Zuganker auf gleichem Radius eingebaut, von denen einer versehentlich nicht richtig vorgespannt wurde, Bild 4.4.
Bild 4.4. Durch die Spannanker erhält diese Trommel ein körperelastisches Verhalten
50
4 Theorie des nachgiebigen Rotors
Bild 4.5. Einfacher Rotor mit wellenelastischem Verhalten (Laval-Rotor)
Dieser Zuganker verlagert sich infolge der Fliehkräfte stärker als die anderen fünf: Es entsteht ein körperelastisches Verhalten: der Zuganker kann nicht im Rotor zentriert, also in der Schaftachse eingebaut werden. Außer der oben beschriebenen Methode − bei Betriebsdrehzahl auszuwuchten − bietet sich hier die Möglichkeit, durch gezieltes Nachspannen der Zuganker die Asymmetrie und damit die (die Unwucht verändernde) Körperelastizität so weit zu reduzieren, dass der Körper als starr gelten kann. Als bessere Möglichkeit (gegenüber einer Kompromiss-Auswuchtung) ist also die Beseitigung der Körperelastizität zu nennen, die je nach der Ursache unterschiedliche Maßnahmen – in Konstruktion oder Montage – erfordert.
4.3 Wellenelastischer Rotor Verlagern sich (in sich starre) Massen, deren Schwerpunkte auf oder nahe bei der Schaftachse liegen (s. Bild 4.5), elastisch infolge von Fliehkräften, so spricht man von einem wellenelastischen Rotorverhalten. Wird dieser Rotor unterhalb seiner kritischen Drehzahl betrieben, sieht die Veränderung der Unwuchtanzeige zuerst (Bild 4.6, Lauf a) so ähnlich aus wie bei einem körperelastischen Rotor (vergleiche Bild 4.3). A
a
a
b
Tol.
b
n1
n2
Bild 4.6. Unwuchtanzeige eines wellenelastischen Rotorverhaltens. (a) Urunwucht, (b) nach dem Auswuchten (s. Kap. 8). Andere Bezeichnungen wie Bild 4.1. Die Unwuchttoleranzen für höhere Drehzahlen können in diese Darstellung nicht angegeben werden (s. Kap. 6)
4.3 Wellenelastischer Rotor
51
A
a b Tol.
a b n1
n2
Bild 4.7. Unwuchtanzeige eines Rotors mit wellenelastischem Verhalten und Durchfahren einer Resonanz. (a) Urunwucht, (b) ausgewuchtet (s. Kap. 8). Andere Bezeichnungen wie Bild 4.1. Die Unwuchttoleranzen für höhere Drehzahlen können hier nicht angegeben werden (s. Kap. 6)
Der wesentliche Unterschied zeigt sich erst nach dem speziellen Auswuchten: im Gegensatz zu dem körperelastischen Rotor ist der wellenelastische Rotor im ganzen Drehzahlbereich in Toleranz. Liegt die Betriebsdrehzahl oberhalb der ersten kritischen Drehzahl (Bild 4.7), verändert sich der Unwuchtzustand bei Drehzahlsteigerung immer schneller, die Verformung erreicht ein Maximum und fällt dann wieder ab. Es ist genau das Erscheinungsbild einer Resonanz, wie sie beim EinmassenFeder-System beschrieben wurde (s. Abschn. 2.6.1). Wird die Drehzahl weiter gesteigert, so folgen oft noch weitere Resonanzen. Im Gegensatz zur Plastizität und Körperelastizität ist Wellenelastizität häufig konstruktiv beabsichtigt, z.B. um durch den überkritischen Lauf die Lagerkräfte und -Schwingungen klein zu halten. Wellenelastische Rotoren sind zwar nicht so häufig wie starre Rotoren, kommen aber gerade bei sehr hochwertigen Rotorsystemen vor, z.B. bei Textilmaschinen, Papiermaschinen, Turbopumpen und -kompressoren, Turboladern, Turbinen und Turbogeneratoren. Die richtige Behandlung wellenelastischer Rotoren ist deshalb von großer wirtschaftlicher Bedeutung. 4.3.1 Idealisierter Rotor mit wellenelastischem Verhalten Am einfachsten kann man sich einen Rotor mit wellenelastischem Verhalten als eine Walze vorstellen, die an beiden Enden gelagert ist (Bild 4.8). Auch die Rotordynamik ist relativ leicht zu durchschauen.
Bild 4.8. Ein idealisierter Rotor mit wellenelastischem Verhalten, dargestellt als massive, lange, dünne Walze mit starrer Lagerung an beiden Enden
52
4 Theorie des nachgiebigen Rotors
Bild 4.9. Die ersten drei Eigenformen des Rotors mit wellenelastischem Verhalten von Bild 4.8 bei absolut starrer Lagerung
Wesentlich dabei ist, dass Massen und Nachgiebigkeiten (Steifigkeiten) über die ganze Rotorlänge verteilt sind (beim idealisierten Rotor sind sie gleichmäßig verteilt). Es ist also ein System mit unendlich vielen Freiheitsgraden, also auch mit unendlich vielen Resonanzen (s. Abschn. 2.6.2). Wichtig sind allerdings nur die Resonanzen, die unterhalb der maximalen Betriebsdrehzahl und in deren Nähe liegen. Beim Auswuchten werden zudem nur die Schwingungen quer zur Schaftachse berücksichtigt. 4.3.2 Einfluss der Lagersteifigkeit Die ersten drei Eigenformen bei absolut starren Lagern zeigt Bild 4.9. In den Lagern sind jeweils Schwingungsknoten; die Schwingungsformen sind sinusförmig (bei gleichmäßig verteilter Masse und Steifigkeit). Bei sehr weicher Lagerabstützung sind die beiden ersten der drei Eigenformen wesentlich anders, Bild 4.10. Der Rotor zeigt noch keine Durchbiegung, er schwingt in der ersten Eigenform parallel, in der zweiten mit seinen Enden gegenläufig. Erst in der dritten Eigenform des Systems biegt sich der Rotor aus. Zu beachten ist, dass seine Enden bereits entgegengesetzt zum Mittelteil schwingen, die Schwingungsknoten also nicht an den Enden liegen, sondern etwas zur Mitte verschoben sind.
Bild 4.10. Die ersten drei Eigenformen des Rotors mit wellenelastischem Verhalten von Bild 4.8 bei sehr weicher Lagerung
4.3 Wellenelastischer Rotor
53
Bild 4.11. Die ersten drei Eigenformen des Rotors mit wellenelastischem Verhalten von Bild 4.8 mit steifen (etwas nachgiebigen) Lagern
Im Belastungszustand des Rotors (Durchbiegung) ähnlich und deshalb vergleichbar sind immer die Eigenformen mit gleicher Knotenzahl. Es ist deshalb die erste Eigenform der starren Lagerung der dritten Eigenform der weichen Lagerung zuzuordnen, wenn der Zustand des Rotors vorrangig ist. Analog zu einer schwingenden Saite, deren Tonhöhe (Frequenz) durch Abgreifen (Verkürzen des Knotenabstandes) heraufgesetzt wird, liegt die Drehzahl, bei der die dritte Eigenform der weichen Lagerung auftritt, höher als die Drehzahl der ersten Eigenform bei absolut starrer Lagerung. In der Praxis ist der Fall, in dem die Lagerabstützung nur etwas nachgiebig ist, sehr häufig. In diesem Fall bewegen sich die Lager immer etwas mit, so dass die Knoten der Eigenformen außerhalb der Lagerstellen liegen, Bild 4.11. Die Resonanzdrehzahlen (Drehzahlen, bei denen Eigenformen auftreten) liegen etwas niedriger als bei dem absolut starr abgestützten Rotor, was an den größeren Knotenabständen zu erkennen ist. Diese drei Lagerabstützungen und Eigenformen existieren nicht isoliert voneinander. Der kontinuierliche Übergang zwischen den verschiedenen Lagersteifigkeiten und ihr Einfluss auf die kritischen Drehzahlen des Rotors lässt sich am besten an Hand eines Diagramms zeigen, Bild 4.12. Auf der horizontalen Achse ist die kritische Drehzahl ne des Rotorsystems bzw. die Rotordrehzahl n aufgetragen; die vertikale Achse kennzeichnet die Lagersteifigkeit. Es wird die dynamische Steifigkeit, wie sie in Abschn. 2.6.3 definiert ist, verwendet. Die Skala reicht von −∞ (unendlich große Massensteifigkeit) bis +∞ (unendlich große Federsteifigkeit). Die starre Lagerung (Bild 4.9) entspricht dem Steifigkeitswert +∞, die weiche Lagerung (Bild 4.10) positiven Werten nahe Null. Die fast starre Lagerung (Bild 4.11) liegt dann in der Nähe von +∞. Der Verlauf der kritischen Drehzahlen ne1 bis ne3 in Abhängigkeit von der dynamischen Steifigkeit ist durch die entsprechenden Kurven gekennzeichnet. Die Kurven für ne1 und ne2 beginnen im Ursprung, d.h. bei Lagersteifigkeit Null werden auch die Resonanzdrehzahlen Null. Die Kurven für ne3 und alle höheren kritischen Drehzahlen beginnen bei der Steifigkeit −∞ und bei einer Drehzahl, bei der die Kurve für die jeweils 2 Zähler niedrigere kritische Drehzahl bei +∞ endet.
54
4 Theorie des nachgiebigen Rotors
Bild 4.12. Diagramm zur Darstellung der kritischen Drehzahlen eines Rotors mit wellenelastischem Verhalten in Abhängigkeit von der dynamischen Lagersteifigkeit
Statische Steifigkeiten sind in diesem Diagramm Geraden parallel zur Drehzahlachse. Ist eine dynamische Lagersteifigkeit zu berücksichtigen (die mit dem Rotor schwingende Lagermasse ist dabei die Masse, die Abstützung die Federsteifigkeit), so kann die entsprechende Kurve (s. Abschn. 2.6.3) direkt in das Diagramm eingezeichnet werden (gestrichelte Kurve). Die Schnittpunkte dieser Kurve mit den Kurven der kritischen Drehzahlen ergeben die Rotordrehzahlen, bei denen das Rotor-Lager-System Eigenformen aufweist. Aus einem derartigen Diagramm kann man entnehmen, bei welchen Drehzahlen Resonanz auftritt, aber leider nicht, wie „kritisch“ diese Zustände sind: Darüber entscheidet die Dämpfung im System, die im zweidimensionalen Diagramm nicht zu erkennen ist. Hat die Lagerabstützung in radialer Richtung unterschiedliche dynamische Steifigkeiten, so gibt es für die beiden Hauptsteifigkeitsrichtungen unterschiedliche kritische Drehzahlen, d.h. die Resonanzen treten in jeder der beiden Hauptrichtungen unabhängig voneinander auf. 4.3.3 Standfrequenz und kritische Drehzahl Auch ohne dass der wellenelastische Rotor sich dreht, können seine Resonanzdrehzahlen ermittelt werden. Man verwendet dazu Erreger, die entweder in einer wählbaren Richtung senkrecht zur Schaftachse eine Wechselkraft veränderlicher Frequenz auf den Rotor wirken lassen, oder umlaufend wirken. Stattdessen kann auch ein einzelner Impuls aufgebracht und die Schwingungsantwort ausgewertet werden (Impulshammer). Wenn die Abstützung durch das Stillstehen des Rotors nicht verändert werden − bei Gleitlagern z.B. fehlt in diesem Fall der Ölfilm − stimmt die im Stand gemessene Resonanzfrequenz mit der unter Rotation gemessenen Resonanzdrehzahl häufig gut überein. Voraussetzung ist allerdings, dass die Kreiselkräfte, die bei der Rotation zu einer Verlagerung der kritischen Drehzahlen
4.3 Wellenelastischer Rotor
55
zu höheren Werten führen, vernachlässigbar sind. Diese Bedingung ist bei vielen derartigen Rotoren, meistens langgestreckten Körpern, erfüllt. 4.3.4 Allgemeiner Rotor mit wellenelastischem Verhalten Im allgemeinen Fall sind Massen und Steifigkeiten nicht gleichmäßig über die Rotorlänge verteilt. Die Lager befinden sich nicht an den Enden; es können mehr oder weniger große überhängende Massen vorhanden sein. Daraus folgt, dass die Biegelinien nicht mehr sinusförmig verlaufen, sondern im Einzelfall berechnet (oder gemessen) werden müssen. Trotzdem gelten die Prinzipien, die zu dem idealisierten wellenelastischen Rotor erläutert wurden, auch für den allgemeineren Fall.2 Stimmen die Knoten einer Eigenform mit beiden Lagern überein, so hat die Lagersteifigkeit keinen Einfluss auf diese Resonanzdrehzahl. In diesem Grenzfall kann diese Resonanz nicht durch eine Messung der Lagerkräfte oder -Schwingungen beobachtet werden, weil keine Messwerte auftreten). 4.3.5 Unwuchtwirkungen am Rotor mit wellenelastischem Verhalten Die biegekritischen Drehzahlen werden von einer oder mehreren Unwuchten angeregt (Bild 4.13).3 Dabei ergibt sich immer die gleiche Eigenform (d.h. die Biegelinie ist immer ähnlich, die Lage der Knoten ist stets gleich), gleichgültig, in welcher Radialebene eine einzelne Unwucht liegt, bzw. wie die Unwuchten verteilt sind. In den praktischen Fällen ist die Dämpfung des Systems meist so klein, dass die Eigenform eben ist, d.h. dass sie in einer Längsebene des Rotors liegt. 10
9
4
z
1 3
x
0
2
5
6 8 7
y
Bild 4.13. Rotor, modelliert mit 10 Elementen mit je einem Unwuchtvektor 2
3
Zumindest solange der Knotenabstand der ersten Biegeeigenform in weichen Lagern nicht größer ist als der Lagerabstand. Tritt dieser Fall ein, dann drehen sich einige Tendenzen um. Dieser Extremfall kommt jedoch in der Praxis so selten vor, dass hier auf eine Beschreibung verzichtet werden kann. Bei biegekritischen Drehzahlen dominiert die Biegung des Rotors gegenüber der Bewegung der Lager
5 6 Element
0,37
4
0,63
0,99 1 0,99
3
0,80
0,94
2
0,94
0,80
1
7
8
9
10
max.
0,63
4 Theorie des nachgiebigen Rotors 0,37
56
Bild 4.14. Biegelinie der ersten Eigenform mit Biegepfeilen und Zahlenwerten zur Kennzeichnung der Wirksamkeit von Unwuchten auf die Durchbiegung
Die Eigenform ist nur von den Rotor- und Lagerdaten abhängig. Natürlich ist die Amplitude der Biegung abhängig vom Betrag der Unwucht, darüber hinaus aber auch von der Ebene, in der die Unwucht liegt. In den Knotenebenen kann die Unwucht die Schwingung nicht anregen, außerhalb der Knoten aber um so stärker, je größer an dieser Stelle der Biegepfeil ist, Bild 4.14. 4.3.5.1 Modale Unwuchten Aus der Unwuchtverteilung und der jeweiligen Biegelinie kann die modale Unwucht für jede Eigenform ausgerechnet werden. Sie ist die Summe der Produkte aus einer einzelnen Unwucht und dem Biegepfeil der Eigenform in dieser Ebene φ n ( z k ) : K r r Un = U k φn ( z k )
∑
(4.1)
k =1
Diese modale Unwucht ist eine Unwuchtverteilung (in der entsprechenden Eigenform), aber leider ist sie in der Praxis so nicht zu gebrauchen. 4.3.5.2 Äquivalente modale Unwucht r Die äquivalente Unwucht in der n-ten Eigenform U ne ist diejenige Einzelunwucht in der empfindlichsten Ebene, die in ihrer Wirkung auf die n-te Eigenform der modalen Unwucht entspricht. Die Gleichung lautet: K
r
∑ U z φn ( z k )
r U ne = k =1
φmax
K
=
r φn ( z k )
∑Uz
k =1
φmax
g⋅mm
(4.2)
Dieser Rechengang kann auch graphisch dargestellt werden (Bild 4.15), wobei der zweite Term der Gl. 4.2 zugrunde gelegt wird. In diesem Fall werden die lokalen Werte der Biegeeigenform zuerst auf den maximalen Wert bezogen, dann wird mit der lokalen Unwucht multipliziert.
4.3 Wellenelastischer Rotor
4
1 9
4 10
6
3 5
1 9 5
2
5
6
4 7
9
8
2
10
8
7
7
a
6
10
8
57
1
b
c
3
U ne
2
r
Bild 4.15. Ableitung der äquivalente Unwucht U ne eines Rotors (Blick in Richtung Rotorachse). (a) Die Einzelunwuchten 1-10, entsprechend Bild 4.14, (b) gewichtete Einzelunwuchten r (mit dem Verhältnis des jeweiligen Biegepfeils zum Maximalwert), und (c) die Vektorsumme U ne
4.3.6 Ausgleich eines Rotors mit wellenelastischem Verhalten Beim niedrigtourigen Auswuchten eines Rotors mit wellenelastischem Verhalten (d.h. bei einer Drehzahl, bei der er noch starr ist) kann jeder Unwuchtzustand durch eine Korrektur in zwei beliebigen Ebenen ausgeglichen werden (s. Abschn. 3.3). Besitzt der Rotor (Bild 4.16) z.B. die Unwuchtmasse u, so wird sie normalerweise niedrigtourig durch entsprechende Ausgleichsmassen in den Ebenen I und II so ausgeglichen, dass die Lagerreaktionen Null sind. Auf die Durchbiegung des wellenelastischen Rotors wirken die Unwuchtmasse und die Ausgleichsmassen aber grundlegend anders (s. Abschn. 4.3.5), so dass sie sich in ihrer Wirkung auf die Durchbiegung nicht aufheben können. Die Folge davon sind modale Unwuchten und damit Durchbiegungen. Um die Durchbiegung auf das gewünschte Maß zu verkleinern, müssen zusätzliche Ausgleichsmassen gesetzt werden. Dazu sind stets mehr als zwei Ausgleichsebenen erforderlich, denn diese Massen dürfen den niedrigtourig erzielten Ausgleich nicht wieder verschlechtern, sie dürfen also keine dynamische Unwucht des starren Rotors verursachen. Das bedeutet, dass die resultierende Unwucht (und damit die Summe der Kräfte) und die Momentenunwucht (und damit die Summe der Kraftmomente) der zusätzlichen Ausgleichsmassen Null sein müssen. Diese Gruppe von Ausgleichsmassen für eine Eigenform wird Massensatz genannt. Die einzelnen Massen haben ein − nur von den Ebenenabständen und den Ausgleichsradien abhängiges − festes Verhältnis zueinander und sind auch in der Winkellage zueinander festgelegt (gleicher Winkel oder 180° versetzt). I
uaI
u
II
uaII
Bild 4.16. Niedrigtouriger Ausgleich der Unwuchtmasse u durch Ausgleichsmassen ua in den Ebenen I und II
58
4 Theorie des nachgiebigen Rotors I
II
III
IV
V
Bild 4.17. Ein wellenelastischer Rotor mit fünf Ausgleichsebenen.
In der Resonanz wirkt dieser Massensatz ebenfalls auf die Durchbiegung ein. Da er aber im Betrag beliebig wählbar ist und als Gesamtheit in eine beliebige Winkellage gebracht werden kann, so kann jede beliebige Durchbiegung erzeugt und damit auch beseitigt werden. Für jede Eigenform (bei der sich der Rotor durchbiegt, s. Bild 4.11) ist ein anderer Massensatz erforderlich. Die Anzahl der Ausgleichsebenen muss die Anzahl der Knoten der Eigenform um mindestens eins übersteigen. Die Mindestanzahl für die ersten drei Eigenformen sind also der Reihe nach: 3, 4 und 5 Ausgleichsebenen. Soll der Rotor nach Bild 4.17 für drei Biegeeigenformen beruhigt werden, so müssen die Ausgleichsebenen I bis V vorhanden sein. Für jede Eigenform werden einige Ausgleichsebenen so gewählt, dass die Wirkung auf die Durchbiegung möglichst groß ist. Die Massen, die nur den Einfluss auf den bisher erreichten Auswuchtzustand klein halten sollen, werden möglichst nahe an die Lager bzw. die jeweiligen Knoten gelegt. 4.3.6.1 Erste Biegeeigenform Bei der ersten Biegeeigenform (mit zwei Knoten und den Ebenen I, III und V, Bild 4.18a), lauten die Bestimmungsgleichungen für die Unwuchten des Massensatzes: U I − U III + UV = 0 ;
a U I − b UV = 0
(4.3)
Wird eine Unwucht, z.B. UIII der Mittelebene, angenommen, so sind die zugehörigen Unwuchten in den anderen Ebenen: U I = U III
b ; a+b
UV = U III
a a+b
(4.4)
An Stelle einer Berechnung lässt sich die richtige Verteilung auch messen: Eine der drei Unwuchten, z.B. in der Mittelebene, wird angesetzt.
Bild 4.18. Massensätze für verschiedene Biegeeigenformen: (a) für die erste, (b) für die zweite Biegeeigenform
4.3 Wellenelastischer Rotor
59
Danach werden die in den anderen Ebenen erforderlichen Unwuchten gemessen (durch einen zusätzlichen niedrigtourigen Messlauf) und angesetzt. Dabei können auf einfache Weise auch unterschiedliche Ausgleichsradien mit erfasst werden. 4.3.6.2 Zweite Biegeeigenform Für die zweite Biegeeigenform (mit drei Knoten und den Ebenen I, II, IV und V, Bild 4.18b) - können auf Grund des Gleichgewichtes der Kräfte und Momente nur zwei Gleichungen aufgestellt werden, die zu einer Bestimmung der vier Unwuchten nicht ausreichend sind, auch wenn eine Unwucht angenommen wird. Als zusätzliche Forderung kommt hier aber hinzu, dass dieser Massensatz die Durchbiegung mit zwei Knoten nicht stören darf. Für den allgemeinen Fall ist die Berechnung entsprechend umfangreich. Wenn die Ausgleichsebenen aber etwa symmetrisch liegen und die Massen und Steifigkeiten etwa gleichmäßig verteilt sind, ist die Empfindlichkeit des Rotors in seiner zweiten Biegeeigenform in den Ebenen I und V etwa gleich groß (aber entgegengesetzt), ebenso in den Ebenen II und IV so dass weitere Bedingungen hinzukommen: U I − UV = 0 ;
U II − U IV = 0
(4.5)
Die Gleichung für die Momentenunwucht vereinfacht sich dadurch zu d U I − b U II = 0
(4.6)
oder, wenn UII vorgegeben wird, zu U I = − U II
b ; d
U IV = − U II ;
UV = U II
b d
(4.7)
Für den allgemeinen Fall, wenn die Eigenformen nicht bekannt sind, oder eine Berechnung zu aufwendig ist, kann der 4-Massensatz, der den niedrigtourigen Ausgleich und die Durchbiegung mit zwei Knoten nicht stört, folgendermaßen ermittelt werden, Bild 4.19: •
In den Ebenen I, II und V wird ein 3-Massensatz (s. Abschn. 4.3.6.1) angebracht, der den Auswuchtzustand des starren Rotors nicht stört. Dieser Massensatz beeinflusst die Durchbiegungen mit zwei und drei Knoten.
Bild 4.19. Richtige Abstimmung eines 4-Massensatzes zum Ausgleich der zweiten Biegeeigenform: + erster 3-Massensatz. & zweiter 3-Massensatz zur Kompensation des Einflusses des ersten Satzes auf die erste Biegeeigenform. Jeder 3-Massensatz ist so abgestimmt, dass er den niedrigtourigen Ausgleich nicht stört
60
•
•
•
4 Theorie des nachgiebigen Rotors
Der Einfluss der Durchbiegung mit zwei Knoten wird durch einen zweiten 3-Massensatz in den Ebenen I, IV und V vollständig kompensiert. Dieser 3-Massensatz beeinflusst den starren Rotor ebenfalls nicht. Aufgrund der beiden 3-Massensätze hat sich nur die Durchbiegung mit drei Knoten verändert. Die Massen in den Ebenen I und V werden zu je einer Masse zusammengezogen und bilden mit den Massen in den Ebenen II und IV den gewünschten 4-Massensatz, der den Unwuchtzustand des starren Rotors und die Eigenform mit zwei Knoten nicht stört. Der 4-Massensatz muss nun noch in Betrag und Winkellage so angepasst werden, dass die Durchbiegung mit drei Knoten im gewünschten Maß beruhigt wird.
4.3.6.3 Dritte Biegeeigenform Zur Behandlung der dritten Biegeeigenform muss der 5-Massensatz so festgelegt werden, dass er den Unwuchtzustand des starren Rotors sowie die Durchbiegung in der ersten und zweiten Biegeeigenform nicht beeinflusst. Das oben erläuterte Vorgehen lässt sich entsprechend fortschreiben, jedoch würde heute für eine so schwierige Aufgabe sicher ein Computersystem eingesetzt werden, so dass der manuelle Weg hier nicht näher erläutert zu werden braucht. Das wird sich ändern: Es scheint nicht richtig zu sein, einem Rotor einfach den Stempel „starr“, oder „nachgiebig“ aufzudrücken. Die Praxis der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass Rotoren, die bisher als starr galten, plötzlich nachgiebige Eigenschaften zeigten, auch ohne dass in Konstruktion oder Fertigung etwas geändert wurde. Schon ein leichtes Anheben der Betriebsdrehzahl, eine Verringerung der Unwuchttoleranz, oder eine Veränderung der Lagerungsbedingungen kann einen derartigen „Wandel“ hervorrufen, d.h. der Übergang ist fließend. DIN ISO 19499 wird in naher Zukunft als Entwurf veröffentlicht werden. Diese Norm stellt eine andere Betrachtungsweise vor, die den ganzen Bereich von einem starren Verhalten bis zu einem wellenelastischen Verhalten umfasst. In Abschn. 6.2 dieses Buches wird beschrieben, wie mit dieser Betrachtungsweise Toleranzen für wellenelastische Rotoren abgeleitet werden können. Außerdem ist damit zu rechnen, dass der Entwurf der VDI-Richtlinie 3835 bald erscheinen wird, der das Auswuchten wellenelastischer Rotoren ausführlich erläutert. Von den in DIN ISO 11342 beschriebenen verschiedenen hochtourigen Verfahren wird in der VDI-Richtlinie 3835 das wichtigste Verfahren, das „Auswuchten bei mehreren Drehzahlen“ für die Praxis erklärt.
5 Toleranzen des Rotors mit starrem Verhalten
5.1 Allgemeines Das Auswuchten eines Rotors mit starrem Verhalten hat meistens eine bestimmte Laufruhe im Betrieb zum Ziel. Diese Laufruhe wird häufig als Schwinggeschwindigkeit bei Betriebsdrehzahl definiert (s. Abschn. 16.1). Auf einer Auswuchtmaschine werden diese Rotoren dagegen bei niedrigeren Drehzahlen ausgewuchtet, zudem stimmt die Lagerabstützung nicht mit dem Betrieb überein. Die o.g. Grenzwerte sind deshalb hier nicht verwendbar. Eine Eigenschaft des Rotors mit starrem Verhalten, die unabhängig von den o.g. Randbedingungen ist, ist seine Unwucht (s. Kap. 3). Beim Auswuchten wird nicht ein „vollkommen ausgewuchteter Rotor“ angestrebt, sondern von der technischen Seite her ist eine gewisse Toleranz zulässig, die aus wirtschaftlichen Gründen auch nicht unterschritten werden sollte. Es ist verständlich, dass nicht jeder Rotor aus der unendlichen Anzahl auszuwuchtender Körper einzeln bewertet werden kann, um die zulässige Toleranz (zulässige Restunwucht) zu ermitteln. Man suchte deshalb nach einem passenden Maßstab, mit dem Rotoren von weniger als l g Masse (z.B. Uhrunruhen) bis zu 320 t (Niederdruckturbine eines Kernkraftwerkes) ebenso einfach beurteilt werden können wie langsam laufende Werkzeugmaschinenspindeln mit 100 min-1 neben Turbinen von Zahnbohrern, die eine Drehzahl bis zu 1 000 000 min-1 haben. DIN ISO 1940-11 gibt seit Jahrzehnten Hinweise für eine zweckmäßige Festlegung der Unwuchttoleranz und ihre Nachprüfung. In der Ausgabe von 2004 kommt eine ganz wesentliche Änderung hinzu: Für die Toleranzen werden spezielle Bezugsebenen verwendet, nicht wie bisher die Ausgleichsebenen. Das führt zu einer präziseren Aussage über den Unwuchtzustand des Rotors, hat aber auch gravierende Auswirkungen auf den Auswuchtprozess und sogar auf die Auswuchtmaschinen, die in Zukunft das Erreichen des Toleranzzieles besser unterstützen müssen. Die Toleranzebenen werden im folgenden Abschnitt näher erläutert. 1
DIN ISO 1940-1:2004 ist in Abschn. 17.4.1 komplett abgedruckt. Deshalb werden hier nur die Prinzipien erläutert, Rechenbeispiele gegeben und auf kommende Änderungen hingewiesen. Der Titel dieser Norm verwendet den Begriff „in konstantem (starren) Zustand“. Inzwischen wurde diese Bezeichnung bei der Arbeit an DIN ISO 19499 verändert in „mit starrem Verhalten“. Dieser Ausdruck wird deshalb in diesem Kapitel verwendet.
62
5 Toleranzen des Rotors mit starrem Verhalten
5.1.1 Toleranzebenen Traditionell werden die Unwuchttoleranzen in den Ausgleichsebenen angegeben. Das ist eigentlich falsch, denn Unwuchttoleranzen sollten möglichst in Ebenen angegeben werden, in denen sie sich nicht gegenseitig beeinflussen. Präziser: in Ebenen, in denen kein wesentlicher Unterschied besteht, gleichgültig ob die Restunwuchten dominierend eine resultierende Unwucht oder eine Momentenunwucht bilden. In einem Rotor mit starrem Verhalten gibt es stets zwei ideale Ebenen für die Unwuchttoleranzen. Meistens liegen diese Ebenen in der Nähe der Lagerebenen. Vereinfachend können deshalb die Lagerebenen als Bezugsebenen für die Unwuchttoleranzen verwendet werden. Diese Ebenen werden als Toleranzebenen bezeichnet. Ein paar Erläuterungen zum Hintergrund: • Bei Unwuchttoleranzen wird allgemein nur der Betrag betrachtet, der Winkel ist beliebig, es gibt also (2-Ebenen-Aufgabe) zwei Toleranzfelder. • Während die Vektoren einer dynamischen Unwucht auf andere Ebenen umgerechnet werden können, geht das mit Toleranzfeldern nicht. • Betrachtet man jedoch Toleranzen einer statische Unwucht und eines Unwuchtpaares, kann man für unterschiedliche Ebenenabstände2 Folgendes erkennen, Bild 5.1: Die Werte sind in den Toleranzebenen gleich. Die zulässige statische Unwucht Uzul S bleibt konstant, das zulässige Unwuchtpaar Uzul C ist umgekehrt proportional dem Ebenenabstand. • Wenn man Toleranzfelder für eine dynamische Unwucht festlegt, lässt man in den Ausgleichsebenen nur den jeweils kleineren Toleranzwert zu: zwischen den Lagern den Wert für die statische Unwucht, außerhalb der Lager den Wert des Unwuchtpaares (graue Linie in Bild 5.1). Für jeden Winkel zwischen den Restunwuchten ist man dann auf der sicheren Seite.
Uzul S Uzul C
L/4 L
Bild 5.1. Verlauf der zulässigen statische Unwucht Uzul S und dem zulässigen Unwuchtpaar Uzul C über dem Ebenenabstand. Gleichheit besteht in den Toleranzebenen, hier den Lagerebenen 2
Vereinfachend sind hier symmetrisch liegende Ebenen angenommen, jedoch gelten für unsymmetrische Ebenen ähnliche Tendenzen.
5.1 Allgemeines
63
Das wird sich ändern: Bei vielen Auswuchtmaschinen kann schon jetzt die Unwucht auch in den Lagerebenen gemessen und damit geprüft werden, ob der Rotor in Toleranz ist. Allerdings können die traditionellen Messgeräte nicht diese Toleranz in den Lagerebenen überprüfen und die dazu passenden Ausgleichsanweisungen für die Ausgleichsebenen geben. Hier sind noch Innovationen denkbar und notwendig.
5.1.2 Ausgleichsebenen Bei Rotoren die nicht in Toleranz sind, muss ein Ausgleich erfolgen. Dieser Ausgleich kann nur dort durchgeführt werden, wo Material hinzugefügt, entfernt oder verlagert werden kann. Dies sind meistens nicht die Toleranzebenen, zumindest dann nicht, wenn die Lagerebenen dafür genutzt werden. Bei kleinen gewickelten Elektroankern z.B. werden entweder Ausgleichsmassen auf den Wickelköpfen angebracht, oder aber Fräsungen in das Paket durchgeführt. Der Abstand der Ausgleichsebenen variiert in diesen Fällen sehr stark und beträgt manchmal nur ½ oder ¼ vom Lagerabstand, Bild 5.2. Auch bei diesen Rotoren werden bisher meistens die Toleranzen für eine dynamische Unwucht in den Ausgleichsebenen festgelegt. Bilden die Restunwuchten im Wesentlichen eine statische Unwucht, wird die Toleranz gut genutzt. Bilden sie vor allem ein Unwuchtpaar, muss diese Unwucht auf ½ bzw. ¼ des eigentlich erforderlichen Wertes ausgewuchtet werden, s. Bild 5.1. Das ist aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu vertreten. Die Anzahl der notwendigen Ausgleichsebenen hängt von der Größe und Verteilung der Unwucht ab, sowie von der Gestaltung des Rotors und der Lage der Ausgleichsebenen. Im Allgemeinen werden so viele Ausgleichsebenen benötigt, wie Toleranzebenen gegeben sind, also eine oder zwei. L/4
L/2 L Bild 5.2. Typische Situation bei kleinen Elektroankern: Der Abstand der Ausgleichsebenen ist wesentlich kleiner als der Lagerabstand. Wird eine dynamische Unwuchttoleranz in den Ausgleichsebenen angegeben, muss ein darin enthaltenes Unwuchtpaar auf ½ bzw. ¼ des eigentlich erforderlichen Wertes ausgewuchtet werden, s. Bild 5.1, d.h. unnötig genau. Deshalb empfiehlt DIN ISO 1940-1:2004 die Verwendung spezieller Toleranzebenen (z.B. Lagerebenen)
64
5 Toleranzen des Rotors mit starrem Verhalten
Obwohl theoretisch jeder Rotor mit starrem Verhalten in zwei Ebenen ausgeglichen werden kann, werden in der Praxis manchmal mehr als zwei Ausgleichsebenen verwendet, beispielsweise wenn: • die resultierende Unwucht und das Unwuchtpaar unabhängig voneinander ausgeglichen werden, d.h. wenn für den Ausgleich der resultierenden Unwucht nicht die Ebenen des Unwuchtpaares verwendet werden. • Der Ausgleich über die Rotorlänge verteilt wird.3 5.1.3 Begrenzung der Restunwucht Bei einem scheibenförmigen Rotor, bei dem die Momentenunwucht vernachlässigbar klein r ist, kann der Unwuchtzustand durch einen einzigen Vektor, die Unwucht U beschrieben werden. Der Rotor ist dann in Toleranz, wenn der Betrag dieser Unwucht nicht größer ist als der zulässige Wert Uzul, d.h. U ≤ U zul
g⋅mm
(5.1)
Diese Aussage gilt für jede Rotorform, also auch für einen allgemeinen Rotor. Die zulässige Unwucht Uzul ist auch im allgemeinen Fall die gesamte Toleranz in der Ebene des Schwerpunktes. Beim Zwei-Ebenen-Ausgleich muss dieser Wert auf die beiden Toleranzebenen verteilt werden, s. Abschn. 5.4.2.
5.2 Ähnlichkeitsbetrachtungen Da Unwuchttoleranzen für eine große Bandbreite von Rotoren festgelegt werden sollen, können Ähnlichkeitsbetrachtungen helfen einen Maßstab zu bilden. 5.2.1 Rotormasse und zulässige Restunwucht Im Allgemeinen darf die zulässige Unwucht umso größer sein, je größer die Rotormasse ist. Es ist deshalb angebracht, die zulässige Restunwucht Uzul auf die Rotormasse m zu beziehen. Die zulässige bezogene Unwucht ezul ist: ezul =
U zul m
m
(5.2)
Die zulässige bezogene Unwucht ezul entspricht der Schwerpunktexzentrizität des Rotors (meistens angegeben in μm oder g⋅mm/kg, s. Abschn. 3.4).
3
Manchmal ist die Verteilung des Ausgleichs über die Rotorlänge erforderlich, um die Funktion oder die Festigkeit des Bauteils zu erhalten, oder wegen Einschränkungen in den Ausgleichsebenen, z.B. bei Kurbelwellen, bei denen der Ausgleich in den Gegengewichten vorgenommen wird.
5.2 Ähnlichkeitsbetrachtungen
65
Bei Rotoren, die eine resultierende Unwucht und eine Momentenunwucht haben, ist ezul eine Hilfsgröße, die die Wirkung beider Unwuchtarten enthält. Deshalb ist ezul bei einem allgemeinen Rotor nicht so anschaulich. Für die erreichbare bezogen Restunwucht ezul gibt es Grenzen, die von der Auswuchtmaschine abhängen, z.B. deren Zentrierung, Lagerung, Antrieb. Kleine Werte von ezul können in der Praxis nur dann erreicht werden, wenn auch der Rotor hohe Anforderungen erfüllt, z.B. in Bezug auf die Maßhaltigkeit (Form und Oberfläche der Lagerzapfen, ihre Ausrichtung) und seine Konsistenz (s. Abschn. 14.1). In einigen Fällen kann es notwendig sein, den Rotor in seinen Betriebslagern auszuwuchten und dabei Band-, Luft-, oder Eigenantrieb zu verwenden. In anderen Fällen ist es erforderlich, dass der Rotor zum Auswuchten unter Betriebsbedingungen läuft, d.h. vollständig zusammengebaut in seinem Gehäuse, mit Betriebslagern und Eigenantrieb, evtl. sogar bei Betriebstemperatur. 5.2.2 Betriebsdrehzahl und zulässige Restunwucht Praktische Erfahrungen (statistische Auswertungen von Schadensfällen) zeigten, dass für gleichartige Rotoren die bezogene zulässige Restunwucht ezul sich meist umgekehrt proportional zur Rotordrehzahl n verändert. Der Zusammenhang kann geschrieben werden: ezul n = konst., oder besser e zul Ω = const m/s (5.3) Der Ausdruck e zul Ω ist die Bahngeschwindigkeit des Rotor-Schwerpunktes (s. Abschn. 2.5), meistens ausgedrückt in mm/s. Die gleiche Abhängigkeit ergibt sich aus Ähnlichkeitsbetrachtungen. In geometrisch ähnlichen Rotoren (z.B. Turboladern) mit gleicher – weil werkstoffbedingter – Umfangsgeschwindigkeit werden gleiche Spannungen im Rotor und gleiche Flächenpressungen in den Lagern erzeugt, wenn der Kennwert e zul Ω konstant gehalten wird (starre Lagerung vorausgesetzt). Ob diese Behauptung stimmt, kann am einfachsten folgendermaßen überprüft werden: Tangential- und Radialspannungen in geometrisch ähnlichen Rotoren sind dem Quadrat der Umfangsgeschwindigkeit proportional, ihre Verteilung ist ebenfalls ähnlich. Wenn also die Umfangsgeschwindigkeit konstant gehalten wird, werden auch die Tangential- und Radialspannungen an ähnlicher Stelle konstant gehalten und mit ihnen alle Größen mit der Dimension N/m2, also auch die Flächenbelastung der Lager. e zul Ω ist eine Geschwindigkeit wie die Umfangsgeschwindigkeit des Rotors, und wenn diese konstant gehalten wird, muss aus Ähnlichkeitsgesichtspunkten auch e zul Ω konstant gehalten werden. 5.2.2.1 Sonderfälle Es gibt einige Sonderfälle, in denen die geometrische Ähnlichkeit nicht gegeben ist und dementsprechend die Festlegung von e zul Ω nicht passt:
66
5 Toleranzen des Rotors mit starrem Verhalten
Bei Rotoren, deren Betriebsdrehzahl deutlich unter der konstruktiv vorgesehenen Höchstdrehzahl liegt – z.B. der Läufer eines Drehstrommotors, der für 3000 min-1 ausgelegt ist, jedoch in einem Stator für 1000 min-1 läuft – kann die Festlegung nach Gl. 5.3 zu einschränkend sein. In solchen Fällen kann für ezul , auch wenn es für die Betriebsdrehzahl 1000 min-1 gerechnet wurde, ein größerer Wert (entsprechend 3000/1000) zugelassen werden. Dies führt dann wieder zu gleichen Belastungen im System.
5.3 Festlegen der zulässigen Restunwucht 5.3.1 Allgemeines Da es auch „zulässige Anfangsunwuchten“ gibt – z.B. bei aus vielen Einzelteilen zusammengebauten Strahltriebwerksrotoren – muss man korrekterweise von „zulässigen Restunwuchten“ reden; meistens wird aber verkürzt nur „zulässige Unwucht“ gesagt und damit der Endzustand gemeint. Die passende Anforderung an die Auswuchtqualität kann auf 5 verschiedenen Wegen gefunden werden: • Die Zuordnung zu Gütestufen beruht auf langjähriger weltweiter Erfahrung mit vielen Rotortypen (s. Abschn. 5.3.2). • Eine experimentelle Ermittlung wird manchmal bei Serienprodukten angewandt (s. Abschn. 5.3.3). • Sonderfälle sind die Festlegung auf Grund zulässiger Lagerkräfte und die Festlegung auf Grund zulässiger Schwingungen, die durch Unwuchten hervorgerufen werden (s. DIN ISO 1940-1). • Die Festlegung auf Grund nachgewiesener Erfahrung kann für Firmen mit einer dokumentierten Auswuchtgeschichte interessant sein (s. DIN ISO 1940-1). DIN ISO 1940-1 empfiehlt die Wahl des Verfahrens zwischen Hersteller und Abnehmer zu vereinbaren. 5.3.2 Auswucht-Gütestufen G 5.3.2.1 Einteilung in Klassen Auf der Basis der Ähnlichkeitsbetrachtungen (s. Abschn. 5.2) und weltweiter Erfahrung sind Auswuchtgütestufen G festgelegt worden, die für typische Maschinen eine Einteilung der erforderlichen Gütestufen in Klassen ermöglichen. Die Gütestufen werden entsprechend dem Betrag des Produktes e zul Ω bezeichnet, mit der Einheit mm/s. Das Produkt e zul Ω könnte jeden Wert annehmen; man hat sich jedoch auf eine Reihe fester Werte geeinigt.
5.3 Festlegen der zulässigen Restunwucht
67
Diese Werte liegen jeweils um den Faktor 2,5 auseinander. In manchen Fällen, vor allem bei hoher Auswuchtgüte (kleine Unwuchttoleranz), kann eine feinere Stufung erforderlich sein, z.B. mit einem Faktor 1,6. Es werden Gütestufen von G 0,4 bis G 4000 verwendet (s. DIN ISO 1940-1 in Abschn. 17.4). Wenn der Betrag von e zul Ω z.B. 6,3 mm/s ist, wird die Gütestufe als G 6,3 bezeichnet. Die Tabelle 5.1 zeigt einen Auszug aus der Tabelle in DIN ISO 1940-1, alphabetisch geordnet. Hier sind nur die wichtigsten Gütestufen als Beispiel aufgeführt, d.h. G 1, G 2,5 und G 6,3. Manche Rotoren sind, entsprechend ihrer unterschiedlichen Verwendung, in mehreren Gütestufen vertreten, z.B. Elektromotoren in den Stufen G 6,3, G 2,5 und G l. Zu der Tabelle in DIN ISO 1940-1 gibt es eine Reihe von Anmerkungen. Die wichtigsten werden hier auszugsweise als Fußnoten wiedergegeben.4 Tabelle 5.1. Richtwerte für die Auswucht-Gütestufen für Rotoren mit starrem Verhalten (Auszug aus DIN ISO 1940-1) AuswuchtGütestufe G
e zul Ω [mm/s]
Maschinenart allgemeine Beispiele
G 6,3
6,3
G 2,5
2,5
G1
1
Elektromotoren mit einer Wellenhöhe unter 80 mm Elektromotoren und Generatoren mit mindestens 80 mm Wellenhöhe und höchster Nenndrehzahl bis 950 min-1 Getriebe Lüfter Maschinen der Verfahrenstechnik Maschinen des allgemeinen Maschinenbaus Papiermaschinen Pumpen Strahltriebwerke Turbolader Wasserkraftturbinen Werkzeugmaschinen Zentrifugen (Schleudern) Computer-Laufwerke Elektromotoren und Generatoren mit mindestens 80 mm Wellenhöhe und höchster Nenndrehzahl über 950 min-1 Gasturbinen, Dampfturbinen Kompressoren Textilmaschinen Werkzeugmaschinen-Antriebe Antriebe von Audio- und Videogeräten Schleifmaschinen-Antrieb
4
In der Tabelle sind typische, vollständig zusammengebaute Rotoren aufgeführt. Abhängig vom jeweiligen Anwendungsfall kann jedoch die nächsthöhere oder -niedrigere Gütestufe verwendet werden. Alle aufgeführten Maschinen haben nur rotierende Teile soweit nicht anders lautend bezeichnet – z.B. oszillierend oder selbsterklärend – Kurbeltriebe.
68
5 Toleranzen des Rotors mit starrem Verhalten
Diese Klassifizierung in Gütestufen G stellt eine Empfehlung dar, basierend auf den bisherigen Erfahrungen. Werden die Richtwerte eingehalten, so ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine befriedigende Laufruhe zu erwarten. Es ist denkbar, dass diese Liste ergänzt oder geändert wird, wenn neue Rotorsysteme entstehen oder sich neue Gesichtspunkte für die Einordnung ergeben. Bild 5.3 gibt den Verlauf der Gütestufen über der Drehzahl wieder. Dabei stellt das helle Feld den Bereich dar, für den allgemeine Erfahrungen bei der Anwendung vorliegen. Beispiel: Wie groß ist die zulässige bezogene Restunwucht e zul in der Gütestufe G 6,3 bei einer Betriebsdrehzahl n = 3 000 min-1?
Lösung: Auf der Drehzahlachse (horizontal) 3 000 min-1 suchen, senkrecht hinaufgehen bis zu der Linie G 6,3, von dort horizontal nach links zu der e zul -Achse und dort ablesen: e zul ≈ 20 μm (oder 20 g⋅mm/kg).
5.3.2.2 Sonderkonstruktionen Die Gütestufen setzen eine typische Maschinenkonstruktion voraus, bei der die Rotormasse einen bestimmten Teil der kompletten Maschine darstellt. Falls eine Konstruktion stark davon abweicht, sind Modifikationen nötig. Beispiel: Elektromotoren mit einer Wellenhöhe unter 80 mm fallen in die Gütestufe G 6.3, woraus die zulässige Unwucht abgeleitet werden kann, s. Abschn. 5.3.2.1. Dieser Wert der zulässigen Unwucht ist richtig, solange die Rotormasse einen typischen Prozentsatz der Maschinenmasse darstellt, z.B. 30 %. Bei leichten Rotoren – Beispiel: eisenlose Läufer – kann es vorkommen, dass die Rotormasse nur 10% der Gesamtmasse ausmacht. Dann darf der 3fache Wert der o.g. zulässigen Unwucht zugelassen werden. Wenn im Gegensatz dazu die Rotormasse extrem groß ist – bei einem Motor mit Außenläufer kann sie bis zu 90 % der Gesamtmasse betragen – muss die zulässige Unwucht entsprechend reduziert werden, z.B. auf ein Drittel.
5.3.2.3 Zulässige Restunwucht Der Wert ezul im Beispiel zu Abschn. 5.3.2.1 kann auch berechnet werden: G 6,3 bedeutet, dass die zulässige Bahngeschwindigkeit des Schwerpunktes (vzul =ezul Ω) 6,3 mm/s beträgt. Dann ist v 6,3 e zul = zul ≈ = 0,021 mm oder 21 μm 5) Ω 300
(5.4)
Die zulässige Unwucht Uzul ergibt sich dann (Gl. 5.2 und 5.4) zu: v U zul = e zul m = zul m
Ω
g⋅mm
(5.5)
Beispiel: Wie groß ist die zulässige Restunwucht U zul für einen Rotor von m=125 kg? Lösung: U zul = ezul m = 125 ⋅ 21 ≈ 2600 g ⋅ mm (gerundet, eine genauere Angabe der Unwuchttoleranz macht keinen Sinn). 5
Der Unterschied zwischen den Ergebnissen entsteht, weil Ω etwas größer als n/10 ist.
5.3 Festlegen der zulässigen Restunwucht
69
100 000 50 000
G
20 000
40
G
16
10 000
G 5 000
G
zulässige bezogene Restunwucht ezul in μm bzw. g·mm/kg
2 000
G
1 000 500
0
25
0
10
0
40
G
16
100
G 50
G 20
6,
3
2,
5
G
10 5
G
2
G
1
00
63
G
200
00
1
0,
0,
4
16
0,5
0,2 0,1 0,05
0,02 0,01
20
50
100
200
500
1000
Der helle Bereich ist der allgemein gebräuchliche Bereich entsprechend allgemeiner Erfahrung
2000
5000
10 000
20 000
50 000
Betriebsdrehzahl n in min
100 000 200 000
-1
Bild 5.3. Zulässige bezogene Restunwucht in Abhängigkeit von der maximalen Betriebsdrehzahl für verschiedene Gütestufen G (nach DIN ISO 1940-1)
70
5 Toleranzen des Rotors mit starrem Verhalten
5.3.3 Experimentelle Festlegung Bei Großserienprodukten kann es sinnvoll sein, die erforderliche Auswuchtgüte experimentell zu ermitteln, um den Auswuchtprozess zu optimieren. Die Messungen werden meist im Betriebszustand durchgeführt. Um für einen bestimmten Rotor den tatsächlich zulässigen Grenzwert zu ermitteln, wird dieser Rotor zuerst so gut wie irgend möglich (etwa auf 1/10 bis 1/20 des empfohlenen Richtwertes) ausgewuchtet. Anschließend werden so lange Testunwuchten mit steigender Größe am Rotor angesetzt, bis sich im Betriebszustand der Einfluss der Unwucht von dem Pegel der anderen Störungen abzuheben beginnt, d.h. bis diese Unwucht merkbar den Schwingungszustand, die Laufruhe oder die Funktion der Maschine beeinflusst.6 Wird der Rotor in zwei Ebenen ausgeglichen, muss mit dynamischen Testunwuchten in zwei Ebenen oder mit einer statischen Unwucht und einer Momentenunwucht abgefragt werden. Bei einer dynamischen Testunwucht sind möglichst die Toleranzebenen (s. Abschn. 5.1.1) zu verwenden. Wenn das nicht geht, müssen die unterschiedliche Auswirkung einer statischen Unwucht gegenüber einer Momentenunwucht berücksichtigt werden. Außerdem muss der Grenzwert so festgelegt werden, dass die während des Betriebes zu erwartenden Veränderungen des Unwuchtzustandes noch ertragen werden können.
5.4 Verteilung auf die Toleranzebenen 5.4.1 Rotoren, die nur eine Toleranzebene benötigen Bei manchen Rotoren mit starrem Verhalten ist nur die resultierende Unwucht außer Toleranz, nicht die Momentenunwucht. Dieser Fall tritt typisch bei scheibenförmigen Rotoren auf, wenn: • der Lagerabstand hinreichend groß ist, • die Scheibe hinreichend senkrecht auf der Schaftachse steht (eine hinreichend kleine Planlaufabweichung hat), • die Ausgleichsebene für die resultierende Unwucht geeignet gewählt werden kann (so dass die Momentenunwucht klein genug bleibt). Ob diese Bedingungen erfüllt sind, kann im Einzelfall untersucht werden. Nachdem eine größere Anzahl Rotoren von dem interessierenden Typ in einer Ebene ausgewuchtet worden ist, wird die größte verbleibende Momen-
6
Andere Fragen – z.B. wie die Lebensdauer von der Unwuchttoleranz abhängt – sind meistens nicht kurzfristig zu beantworten, sondern erfordern Langzeitversuche.
5.4 Verteilung auf Toleranzebenen
71
tenunwucht ermittelt und durch den Lagerabstand geteilt. Wenn diese Unwucht UC auch im ungünstigsten Fall nicht größer ist als die Hälfte der zulässigen Restunwucht Uzul , dann ist normalerweise ein Ein-Ebenen-Auswuchten ausreichend. In dieser Ebene darf der volle zulässige Wert von Uzul vorhanden sein. Beispiel: Ein Ventilatortyp von 20 kg Masse soll auf ezul = 40 g⋅mm/kg ausgewuchtet werden. Der Lagerabstand ist L = 800 mm. Nach dem Auswuchten in einer Ebene wird an einer größeren Anzahl die Momentenunwucht kontrolliert und ein Maximalwert Um = 240 000 g⋅mm2 festgestellt. Reicht ein Auswuchten in einer Ebene aus? Lösung: Die zulässige Unwucht ist:
U zul = e zul m = 40 ⋅ 20 = 800 g ⋅ mm
Das Unwuchtpaar (die Momentenunwucht, bezogen auf die Lagerebenen) ist: U m 240 000 = = 300 g ⋅ mm L 800 U Damit ist U A, B ≤ zul , 2 U A, B =
d.h. ein Auswuchten in einer Ebene ist vermutlich ausreichend, die ermittelten 800 g⋅mm können in dieser einen Ebene zugelassen werden.
Die Größe der Momentenunwucht ist abhängig von der Lage der einen Ausgleichsebene (s. Abschn. 3.6). Wenn unter mehreren Ebenen gewählt werden kann, ist experimentell zu ermitteln, für welche Ebene die verbleibende Momentenunwucht typisch am kleinsten ist. 5.4.2 Rotoren, die zwei Toleranzebenen benötigen Wenn ein Rotor mit starrem Verhalten die Bedingungen von 5.4.1 nicht erfüllt, muss auch die Momentenunwucht ausgeglichen werden. Dazu wird meistens die resultierende Unwucht und die Momentenunwucht zu einer dynamischen Unwucht zusammengefasst, also zu zwei Unwuchten in zwei Ebenen (komplementäre Unwuchten genannt). Die Toleranzebenen sind sinnvollerweise spezielle Bezugsebenen, oder vereinfachend die Lagerebenen (s. Abschn. 5.1.1). Die zulässige Unwucht wird jedoch meist für andere Ebenen festgelegt, z.B.: • Aus der Gütestufe G gewinnt man eine zulässige Unwucht für den gesamten Rotor in der Schwerpunktsebene. Die zulässige Unwucht in der Schwerpunktsebene muss also auf die Toleranzebenen (Lagerebenen A und B) umgerechnet werden. Das geschieht entsprechend der Massenverteilung mit Hilfe der Hebelgesetze, dabei ist L der Abstand der Lagerebenen, LA und LB die Abstände der Lager vom Schwerpunkt: LB U zul A = U zul g⋅mm (5.6) L U zul B = U zul
LA L
g⋅mm
(5.7)
72
5 Toleranzen des Rotors mit starrem Verhalten
Toleranzebenen
Schwerpunkt
B
A
LB
LA L
Bild 5.4. Innenbord-Rotor, der Schwerpunkt (asymmetrisch) liegt zwischen den Lagern
Für einen Rotor mit Schwerpunkt zwischen den Lagern (Innenbord-Rotor) gilt Bild 5.4, für einen Rotor mit fliegendem Schwerpunkt (Außenbord-Rotor) Bild 5.5. 5.4.2.1 Beschränkungen bei Innenbord-Rotoren Wenn sich in Bild 5.4 der Schwerpunkt in der Nähe einer Toleranzebene (Lagerebene) befindet, ist die für diese Ebene berechnete Toleranz sehr groß, der Wert für die andere Toleranzebene jedoch sehr klein, er kann gegen Null gehen (Gln. 5.6 und 5.7). Um eine derartig extreme Verteilung zu vermeiden – man könnte den kleineren Wert nicht zuverlässig erreichen – soll der • größere Wert nicht größer sein als 0,7 Uzul, • kleinere Wert nicht kleiner sein als 0,3 Uzul. Beispiel: Wie ist die zulässige Restunwucht eines Innenbord-Rotors mit asymmetrischer Lage des Schwerpunktes zu den Lagerebenen mit L = 750 mm, LA = 150 mm und LB = 600 mm auf die Lager A und B zu verteilen? Lösung: U zul A = U zul
600 = 0,8 U zul ; 750
U zul B = U zul
150 = 0,2 U zul 750
Da diese Werte außerhalb der als sinnvoll angesehenen Schranken liegen, wird korrigiert: U zul A = 0,7 U zul ;
U zul B = 0,3 U zul
5.4.2.2 Beschränkungen bei Außenbord-Rotoren Wenn sich in Bild 5.5 der Schwerpunkt in der Nähe der rechten Toleranzebene (Lagerebene) befindet, ist der Wert für die linke Toleranzebene sehr klein, er kann gegen Null gehen (Gln. 5.6 und 5.7). Um eine derartig extreme Verteilung zu vermeiden – man könnte den kleineren Wert nicht zuverlässig erreichen – soll der • größere Wert nicht größer sein als 1,3 Uzul, • kleinere Wert nicht kleiner sein als 0,3 Uzul.
5.5 Zuordnung der Unwuchttoleranz zu den Ausgleichsebenen
73
Toleranzebenen
Schwerpunkt
B
A
LA L
LB
Bild 5.5. Außenbord-Rotor, der Schwerpunkt liegt im Wellenüberhang
Der obere Grenzwert ist hier anders definiert als bei dem Innenbord-Rotor, aus folgendem Grund: Es wird angenommen, dass das Lager B und die dortigen Bauteile so ausgelegt sind, dass sie die höhere statische Belastung durch die fliegend angeordnete Masse aufnehmen können. Dann können sie auch entsprechend höhere dynamische Lasten durch Unwuchten tragen. Beispiel: Wie ist die zulässige Restunwucht eines Außenbord-Rotors mit einer Lage des Schwerpunktes zu den Lagerebenen mit L = 700 mm, LA = 900 mm und LB = 200 mm auf die Lager A und B zu verteilen? Lösung: U zul A = U zul
200 = 0,28 U zul ; 700
U zul B = U zul
900 = 1,28 U zul 700
Für Lager A wird korrigiert: U zul A = 0,3 U zul , der Wert für B bleibt.
Wenn die o.g. Annahme über die Belastbarkeit der Lager nicht stimmt, sollten die Grenzwerte für Innenbord-Rotoren verwendet werden.
5.5 Zuordnung der Unwuchttoleranz zu den Ausgleichsebenen DIN ISO 1940-1(2004) empfiehlt dringend für die Festlegung der Unwuchttoleranzen spezielle Bezugsebenen zu verwenden (s. Abschn. 5.1.1 und 5.4) und nicht mehr die bisher verwendeten Ausgleichsebenen. Wenn trotzdem Ausgleichsebenen zur Festlegung der Toleranzen verwendet werden sollen, sind der Ein-Ebenen-Fall und der Zwei-Ebenen-Fall getrennt zu betrachten. Beim Ausgleich in einer Ebene kann die gesamte zulässige Unwucht Uzul in dieser Ebene zugelassen werden. Beim Ausgleich in zwei Ebenen werden in DIN ISO 1940-1 nur Fälle betrachtet, bei denen die Ausgleichsebenen in der Nähe der Lagerebenen liegen. Dann wird empfohlen: • bei Ausgleichsebenen zwischen den Lagerebenen den gleichen Wert zuzulassen wie in dem jeweiligen benachbarten Lager,
74
5 Toleranzen des Rotors mit starrem Verhalten
• bei Ausgleichsebenen (mit dem Abstand b) außerhalb der Lagerebenen (Abstand L) den Wert des jeweils benachbarten Lagers, multipliziert mit dem Faktor L/b zu verwenden. DIN ISO 1940-1(2004) erläutert dies anhand von Zeichnungen. Nur im Fall der experimentell ermittelten zulässigen Restunwuchten beziehen sich die gefundenen Werte manchmal bereits auf die Ausgleichsebenen (s. Abschn. 5.3.3). Ein Umrechnen entfällt in diesem Fall.
5.6 Zusammengebaute Rotoren Aus Einzelteilen und/oder Baugruppen zusammengebaute Rotoren können als Ganzes ausgewuchtet werden, oder indem Einzelteile und Baugruppen einzeln ausgewuchtet werden. Beim Zusammenfügen überlagern sich die Unwuchten der einzelnen Teile und durch Abweichungen bei der Montage – z.B. durch Rund- und Planlaufabweichungen sowie Spiel – entstehen zusätzliche Unwuchten (s. Abschn. 7.2). Wenn Bauteile einzeln ausgewuchtet werden, weist DIN ISO 1940-1 auf folgende Punkte hin: 1. Normalerweise wird für alle Bauteile das gleiche Toleranzniveau (zulässige bezogene Restunwucht ezul) verwendet. Falls sich jedoch Montagefehler negativ bemerkbar machen, muss die zulässige bezogene Restunwucht der einzelnen Teile entsprechend kleiner sein als die des Rotors. 2. Wenn dies nicht für alle Teile sinnvoll ist – z.B. bei einem leichten Lüfterrad auf einem schweren Elektrorotor – dann darf die Unwuchttoleranz beliebig aufgeteilt werden, solange die Gesamtunwucht der Baugruppe in Toleranz bleibt (s. Beispiel in Abschn. 7.2). 3. Hersteller und Abnehmer müssen sich darüber verständigen, auf welchen Zustand des Rotors sich die Toleranzfestlegung bezieht, z.B. welche Verbindungselemente bei Baugruppen eingeschlossen sind (für Passfedern s. Abschn. 7.3). Wenn durch das Auswuchten der Einzelteile und Baugruppen die Unwuchttoleranz nicht sichergestellt werden kann, ist ein Ausgleich des Zusammenbaus erforderlich. Wenn es trotzdem sinnvoll ist, auch die Einzelteile auszuwuchten, gibt es also Unwuchttoleranzen für den zusammengebauten Rotor und (ggf. andere) für die einzelnen Teile.
5.7 Nachprüfen der Restunwucht Nach dem Auswuchten wird in vielen Fällen – auch wenn man annehmen kann, dass die Toleranz erreicht wurde – die Restunwucht kontrolliert. Da jede Messung Fehler beinhaltet, müssen auch beim Auswuchten Fehler in angemessener Weise berücksichtigt werden.
5.7 Nachprüfen der Restunwucht
75
Bisher wurden in DIN ISO 1940-1 in Abhängigkeit von der Gütestufe unterschiedliche Prozentsätze genannt, mit denen der Lieferant die angestrebte Toleranz unterschreiten musste. Für eine Kontrollmessung galten andere Prozentsätze, mit denen die Toleranz überschritten werden durfte. DIN ISO 1940-2:1998 beschreibt allgemein die Abweichungen, die beim Auswuchten auftreten können, und – für eine Reihe gängiger Probleme – ihre systematische Reduzierung (s. Abschn. 14.4). Außerdem wird eine Methode erläutert, Fehlergrenzen der Auswuchtmaschine festzustellen. Davon abhängig kann dann festgelegt werden, welche Messwerte beim Auswuchten und bei der Kontrolle zulässig sind. DIN ISO 1940-1:2004 übernimmt diesen Ansatz und formuliert die entsprechenden Forderungen für die Toleranzebenen (Lagerebenen) A und B. 5.7.1 Akzeptanzkriterien Entsprechend DIN ISO 1940-2 wird der „Betrag der nicht korrigierten Gesamtabweichung“ für den Rotor ΔU gebildet.7 Besser sind jedoch die auf die Toleranzebenen (Lagerebenen) bezogenen „nicht korrigierten Gesamtabweichungen“ ΔUA und ΔUB. Bei der Festlegung der zulässigen Messwerte werden folgende Größen verwendet: Betrag der zulässigen Restunwucht in Ebene A Uzul A Betrag der zulässigen Restunwucht in Ebene B Uzul B Betrag der bei einem einzelnen Messvorgang ermittelten RestunUrm A wucht in Ebene A Betrag der bei einem einzelnen Messvorgang ermittelten RestunUrm B wucht in Ebene B ΔUA Betrag der Gesamtabweichung in Ebene A ΔUB Betrag der Gesamtabweichung in Ebene B Die Beträge der beiden Gesamtabweichungen ΔUA und ΔUB sind auf verschiedenen Auswuchtmaschinen üblicherweise unterschiedlich – sogar bei identischen Maschinen. Bei unterschiedlichen Maschinenausführungen können erhebliche Unterschiede deutlich werden. Für das Auswuchten und das Nachprüfen muss man deshalb unterschiedliche Werte zugrunde legen. Wenn ΔUA oder ΔUB kleiner als 5% von Uzul A bzw. Uzul B ist, darf die jeweilige Abweichung unberücksichtigt bleiben.
7
DIN ISO 1940-2:1998 beschreibt ausführlich die verschiedenen Möglichkeiten, die Gesamtabweichung abzuschätzen. Der dabei verendete Begriff „Messebene“ ist zweckmäßigerweise als Toleranzebene (Lagerebene) zu verstehen.
76
5 Toleranzen des Rotors mit starrem Verhalten
5.7.2 Nachprüfung durch den Hersteller Beim Hersteller (bzw. beim Auswuchten) wird der Rotor als in Toleranz liegend angesehen, wenn beide folgenden Bedingungen erfüllt sind: Urm A ≤ Uzul A – ΔUA Urm B ≤ Uzul B – ΔUB Dabei sind ΔUA und ΔUB die Daten der zum Auswuchten verwendeten Auswuchtmaschine. 5.7.3 Nachprüfung durch den Abnehmer Wenn eine vom Auswuchtvorgang unabhängige Nachprüfung der Auswuchtgüte vorgenommen wird, wird der Rotor als in Toleranz liegend angesehen, wenn beide folgenden Bedingungen erfüllt sind: Urm A ≤ Uzul A + ΔUA Urm B ≤ Uzul B + ΔUB Dabei sind ΔUA und ΔUB die Daten der zum Nachprüfen verwendeten Auswuchtmaschine. 5.7.4 Nachprüfung auf einer Auswuchtmaschine In ISO 2953 werden zwei Kennwerte der Auswuchtmaschine festgelegt, die kleinste erreichbare Restunwucht Uker und das Unwuchtreduzierverhältnis URV (s. Abschn. 11.3 und 11.4). Wenn diese beiden Kennwerte der Aufgabenstellung entsprechen, kann die Restunwucht auf der Auswuchtmaschine direkt gemessen werden. Die in Abschn. 5.7.2 und 5.7.3 genannten Bedingungen gelten weiterhin. 5.7.5 Nachprüfung ohne eine Auswuchtmaschine Die Restunwucht kann auch ohne Auswuchtmaschine ermittelt werden, z.B. am Aufstellungsort mit Hilfsmitteln und Verfahren, wie sie zum Betriebsauswuchten verwendet werden (s. Kap. 16). Allerdings ist dabei die Gesamtabweichung der Messung viel schwieriger zu ermitteln als auf einer Auswuchtmaschine.
6 Toleranzen des nachgiebigen Rotors
Beim Auswuchten nachgiebiger Rotoren wird das Ziel verfolgt, akzeptable Werte für alle von der Unwucht des Rotors erzeugten Effekte zu erreichen, den Schwingungen, den Kräften, den Durchbiegungen. Für die Messung und Bewertung der Schwingungen im Betriebszustand gibt es eine ganze Reihe von Normen: DIN ISO 7919, Teil 1- 4, DIN ISO 10816, Teil 1- 4 und 6 (s. Abschn. 16.1). Da das Auswuchten nachgiebiger Rotoren im Betriebszustand aber sehr aufwendig und manchmal gar nicht zu realisieren ist, wird es in der Produktion nur ganz selten eingesetzt. Meistens werden Auswuchtanlagen dafür verwendet, die für eine ganze Palette von Rotoren eingesetzt werden. Die anderen Daten der Lagerabstützung führt – für einen gegebenen Unwuchtzustand – zu einem anderen Schwingungsbild als im Betriebszustand (s. Abschn. 4.3.2). DIN ISO 113421 gibt Anregungen wie zulässige Schwingungen im Betriebszustand auf zulässige Schwingungen auf der Auswuchtanlage umgerechnet werden können (s. Abschn. 17.4.2), jedoch reichen diese Faktoren nicht aus, solange keine ausreichenden Erkenntnisse über das Verhalten der Rotoren vorliegen. Dieser Ansatz wird deshalb hier nicht weiter verfolgt. Ähnlich wie bei starren Rotoren kann man auch bei nachgiebigen Rotoren versuchen, zulässige Unwuchten zu definieren. Dabei konzentrieren wir uns im Folgenden auf den wellenelastischen Rotor. D. WIESE hat darauf hingewiesen, dass Unwuchten (des noch starren Rotors und modale Unwuchten) ein viel verlässlicheres Kriterium sind als Schwingungen, wenn es darum geht, einen wellenelastischen Rotor unter anderen Lagerungsbedingungen auszuwuchten, als er im Betrieb läuft.
6.1 Unwuchttoleranzen nach DIN ISO 11342 Die DIN ISO 11342 empfiehlt, für den wellenelastischen Rotor zuerst eine zulässige Restunwucht genau wie für einen starren Rotor zu errechnen (s. Abschn. 5.3). Von diesem Wert ausgehend werden dann definiert: • • •
zulässige Unwuchten für den noch starren Zustand (nicht zwingend), äquivalente modale Restunwuchten für die verschiedenen Biegeeigenformen und zulässige Restunwuchten für den Betriebszustand (nicht zwingend).
Eine Übersicht zeigt Tabelle 6.1. 1
Diese Norm ist in Abschn. 17.4.2 komplett abgedruckt. Der Begriff „nachgiebig“ (in ISO 11342: flexible) wird dabei als Sammelbegriff für „wellenelastisch“, „körperelastisch“ und „plastisch“ benutzt. In diesem Kapitel 6 wird jedoch das wellenelastische Verhalten behandelt.
78
6 Toleranzen und Beurteilung des nachgiebigen Rotors
Tabelle 6.1. Übersicht über empfohlene Unwuchttoleranzen nach DIN ISO 11342 zulässige Restunwuchten [in % Uzul ] Rotor wird beeinflusst durch Unwucht in der
des noch starren Rotors
der 1. Biegeeigenform
der 2. Biegeeigenform
der 3. Biegeeigenform
bei Betriebsdrehzahl (entfällt, s. Berichtigg.)
1. Biegeeigenform 2. Biegeeigenform 3. Biegeeigenform
100
60
-
-
100
100
60
60
-
100
keine Angaben
6.2 Vorschlag des Verfassers Nach Meinung des Verfassers sind hier die in der Praxis sehr unterschiedlichen Resonanzabstände nicht ausreichend berücksichtigt. Sein Vorschlag zur VDI-Schwingungstagung 2000 fand Eingang in die VDI-Richtlinie 3835, die 2007 im Entwurf veröffentlicht werden soll. Das dabei angestrebte Ziel ist: Die Bandbreite des möglichen Verhaltens allgemeiner Rotoren – und damit der Ausgleich in einer Ebene bis zu mehreren Ebenen – wird geschlossen dargestellt; für jede Situation werden Unwuchttoleranzen definiert. 6.2.1 Darstellung der Unwucht eines Rotors Der Unwuchtzustand (die Unwuchtverteilung) eines beliebigen Rotors, der starr, aber auch wellenelastisch sein kann, kann durch folgende Unwuchtarten komplett, d.h. für alle Verhaltensweisen, beschrieben werden: a) resultierende Unwucht Ur b) resultierende Momentenunwucht Pr c) äquivalente modale Unwuchten Umod, n, e Dass diese Unwuchtarten unterschiedliche Charakteristika beschreiben, ist deutlich an den prinzipiell anders gearteten Gleichungen zu erkennen, die zur Berechnung genutzt werden (s. Gln. 3.20, 3.21 und 4.2). Die Größen dieser Unwuchtarten können graphisch in Balkendiagrammen dargestellt werden (auf Uzul bezogen, Bild 6.1). Resultierende Unwucht und Momentenunwucht haben nur je einen Balken, die äquivalenten modalen Unwuchten haben auf der Drehzahlachse mehrere Balken, entsprechend der Anzahl der interessierenden Biegeeigenformen (Betriebsdrehzahl nB). Bei der Festlegung der Resonanzdrehzahlen muss von dem Betriebszustand ausgegangen werden, da hier (und nicht in der Auswuchtanlage) die Wirkung der Unwuchten auf das gewünschte Maß reduziert werden soll. Nur ersatzweise können die Werte auf der Auswuchtmaschine genommen werden.
6.2 Vorschlag des Verfassers Unwuchten bei starrem Verhalten
79
äquivalente modale Unwuchten
Ur Uzul
Pr l Uzul
Umod,e,n Uzul
1
1
1
nkrit,1
nkrit,2
nB
nkrit,3
nkrit,4
n
nkrit,5
Bild 6.1. Darstellung der Beträge der drei Unwuchtarten, jeweils bezogen auf Uzul
6.2.2 Toleranzgrenzen Zur Berechnung der gesamten zulässigen Unwucht Uzul für den Rotor wird – wie in DIN ISO 11342 – auch hier DIN ISO 1940-1 herangezogen, da sie eine erprobte Basis darstellt. Wenn stets nur eine Unwuchtart zu beachten wäre, würde für diese Unwuchtart immer der volle Wert Uzul zulässig sein: a) nur resultierende Unwucht b) nur Momentenunwucht
→ →
c) nur eine modale Unwucht
→
Uzul Uzul multipliziert mit dem Abstand L der Toleranzebenen (s. Abschn. 3.5) Uzul als äquivalente modale Unwucht
Diese Toleranzgrenzen für die verschiedenen Unwuchtarten können in einem gleichartigen Diagramm wie Bild 6.1 grafisch dargestellt werden (ebenfalls auf Uzul bezogen, Bild 6.2), so dass man sie später zusammenfügen kann. Die Grenzen für die zulässigen Unwuchten des starren Rotors sind horizontale Linien, für die zulässigen äquivalenten modalen Restunwuchten gibt es Grenzkurven Gn,. abhängig von der jeweiligen modalen Dämpfung. für Unwuchten bei starrem Verhalten Ur Uzul
Pr L Uzul
1
1
für äquivalente modale Unwuchten Umod,e,n Uzul
Gn = 1/Mn
1 2Dn
nB
n
Bild 6.2. Darstellung der Toleranzgrenzen der Unwuchtarten, bezogen auf Uzul, falls sie nur einzeln auftreten. Grenzkurven Gn für verschiedene modale Dämpfungen Gn = 0; 0,05; 0,1; 0,2
80
6 Toleranzen und Beurteilung des nachgiebigen Rotors
Diese Grenzkurven Gn entsprechen den Kehrwerten der modalen Vergrößerungsfunktionen.2 Modale Vergrößerungsfunktionen entsprechen der Vergrößerungsfunktion eines Einmassenschwingers mit Fliehkraftanregung (s. Abschn. 2.6.1), nur gilt für jede Eigenform eine eigene Funktion. Gibt man die Betriebsdrehzahl nB vor und verändert n stufenlos, erhält man den Kurvenverlauf für die modale Grenzkurve Gn entsprechend Gl. (6.1):
Gn =
1 = Mn
⎡ ⎛n ⎢1 − ⎜ B ⎢⎣ ⎝ n
⎞ ⎟ ⎠
2⎤
2
⎛n ⎞ ⎥ + 4 Dn 2 ⎜ B ⎟ ⎥⎦ ⎝ n ⎠
⎛ nB ⎞ ⎜ ⎟ ⎝ n ⎠
2
2
dimensionslos
(6.1)
Die Kurve startet für niedrige Kreisfrequenzen – Resonanzen weit unterhalb der Betriebsdrehzahl – mit dem Wert 1. In der Betriebsdrehzahl fällt sie auf ein Minimum ab (der durch die modale Dämpfung bestimmt ist) und steigt dann mit höheren Kreisfrequenzen quadratisch an. 6.2.3 Verteilung auf mehrere Unwuchten Wenn mehrere Unwuchten gleichzeitig den Unwuchtzustand des Rotors bestimmen, soll die Summe ihrer Wirkungen die Wirkung der zulässigen Unwucht Uzul nicht übersteigen. Die Überlagerung der Wirkungen ist aber wegen der Phasenverschiebungen bei Resonanzdurchgängen recht kompliziert, so dass sicher nur in Einzelfällen die erforderlichen Rechengänge durchgeführt werden können. Für den allgemeinen Fall wird deshalb eine einfache Regel gesucht. Unter der Annahme, dass die verschiedenen Unwuchten nicht in Größe und Winkel voneinander abhängig sind, kann man für die zulässigen Restunwuchten festlegen (Summe der Fehlerquadrate): U r , zul 2 + Cr , zul 2 +
n
∑U mod, e, n, zul 2 = U zul
g⋅mm
(6.2)
1
Anstelle dem zulässigen resultierenden Unwuchtpaar Cr,zul kann auch die zulässige dynamische Unwucht Udyn, zul zugrunde gelegt werden, aufgeteilt auf zwei Toleranzebenen, z.B. die Lagerebenen 1 und 2: U1, zul 2 + U 2, zul 2 +
n
∑U mod, e, n, zul 2 = U zul
g⋅mm
(6.3)
1
2
Die modale Vergrößerungsfunktion beschreibt die Vergrößerung von Schwingungsantworten über den Frequenzbereich. Je stärker die Antwort vergrößert wird, umso kleiner muss die zulässige modale Unwucht sein, deshalb wird der Kehrwert verwendet.
6.2 Vorschlag des Verfassers
81
Wenn keine besonderen Bedingungen vorliegen, werden alle Unwuchten als gleich groß angenommen. In diesem Fall erhält man folgende Staffelung (Tabelle 6.2). Abhängig von der Anzahl der Unwuchten ist der je Unwucht zulässige Wert: Uzul multipliziert mit dem empfohlenen Prozentwert. Tabelle 6.2. Anteil je Unwucht abhängig von ihrer Anzahl Anzahl der Unwuchten3
1
2
3
4
5
6
Rechnerisch je Unwucht [%] Empfohlen je Unwucht [%]
100 100
71 70
58 60
50 50
45 45
41 40
Im Einzelfall können die Unwuchten unterschiedlich gewichtet werden, z.B.: • •
um Resonanzen, die bis zur Betriebsdrehzahl durchfahren werden, besonders zu beruhigen, wenn Unwuchten, die sich während des Betriebs der Maschine in größerem Maße verändern als andere (s. Abschn. 6.4), mit einem größeren Toleranzwert ausgestattet werden sollen.
6.2.4 Unterschiedliche Unwuchtsituationen Die wichtigsten unterschiedlichen Unwuchtsituationen werden im Folgenden anhand der oben aufgestellten Prinzipien und Darstellungsformen beschrieben und erläutert. Da durch den Unwuchtausgleich nicht nur die gewünschten Unwuchtanteile gezielt verändert werden, sondern auch andere beeinflusst werden können, muss der Ausgleich gut überlegt sein, und die eventuellen Veränderungen der anderen Unwuchtanteile berücksichtigt werden. Eventuell müssen wegen dieser Beeinflussung mehr Unwuchtanteile ausgeglichen werden als der Urunwucht-Situation entsprechen würde. 6.2.4.1 Ausgewuchteter Rotor Wenn alle Unwuchtanteile hinreichend unter den zulässigen Werten liegen, ist der Rotor in Toleranz. 6.2.4.2 Ein-Ebenen-Auswuchten Es ergeben sich Messwerte für die verschiedenen Unwuchtanteile, bei denen nur die resultierende Unwucht oberhalb des zulässigen Wertes liegt (Bild 6.3). Damit ist ein Ein-Ebenen-Auswuchten ausreichend (s. Abschn. 5.4.1), jedoch Folgendes zu beachten: 3
Dabei wird jede modale Unwucht, die berücksichtigt werden muss, einzeln gezählt.
82
6 Toleranzen und Beurteilung des nachgiebigen Rotors
Unwuchten bei starrem Verhalten
äquivalente modale Unwuchten
Ur
Pr
Umod,e,n
Uzul
L Uzul
Uzul
1
1
1
Gn =
1
Mn
1
nB
nkrit,1
n
Bild 6.3. Nur die resultierende Unwucht muss korrigiert werden: Ein-Ebenen-Auswuchten ist ausreichend. ― 1 Toleranzfaktor für diese Unwucht
• •
Ein Ausgleich der resultierenden Unwucht in der gewählten Ebene (für die Ermittlung der Momentenunwucht) verändert die resultierende Momentenunwucht nicht, kann aber die modalen Unwuchten verändern. Ein Ausgleich der resultierenden Unwucht in einer anderen Ebene verändert die resultierende Momentenunwucht und kann die modalen Unwuchten verändern.
6.2.4.3 Zwei-Ebenen-Auswuchten Sind resultierende Unwucht und Momentenunwucht oberhalb der zulässigen Werte (Bild 6.4), wird ein Zwei-Ebenen-Auswuchten benötigt (s. Abschn. 5.4.2). Dabei ist zusätzlich zu den Hinweisen in Abschn. 6.2.4.2 Folgendes zu beachten: •
Ein Ausgleich der resultierenden Momentenunwucht kann die modalen Unwuchten verändern. Unwuchten bei starrem Verhalten
äquivalente modale Unwuchten
Ur
Pr
Umod,e,n
Uzul
L Uzul
Uzul
1
1 0,7
Gn =
1
Mn
1 0,7
nB
nkrit,1
n
Bild 6.4. Die resultierende Unwucht und die resultierende Momentenunwucht müssen korrigiert werden: Zwei-Ebenen-Auswuchten. ― 0,7 Toleranzfaktoren für diese Unwuchtanteile
6.2 Vorschlag des Verfassers
83
6.2.4.4 Mehr-Ebenen-Auswuchten Wenn auch modale Unwuchten oberhalb der zulässigen Werte liegen, wird ein Mehr-Ebenen-Auswuchten benötigt (s. Abschn. 4.3.6) In einfachsten Fall läuft der Rotor noch unterhalb seiner ersten Biegeresonanz. Die zulässige Unwucht ist dann auf drei Unwuchtanteile aufzuteilen. Für komplizierte Fälle, bei denen vermutlich mehrere modale Unwuchten berücksichtigt werden müssen (Bild 6.5), stellt man die Daten am besten in Form einer Tabelle zusammen, Tab. 6.3. Tabelle 6.3. Berechnung der zulässigen Unwuchtanteile Unwuchtanteil
zul. Unwucht aus DIN ISO 1940-1
Wert aus Tabelle 6.2
nB/nkrit, n
Gn
Ux, zul/Uzul
― ―
― ―
0,4 0,4
Ur Pr/L Umod, e, 1 Umod, e, 2
Uzul
40%
3,1
0,9
0,4
1,18
0,3
0,1
Umod, e, 3
0,77
0,7
0,3
Umod, e, 4
0,59
1,9
0,8
Umod, e, 5
0,46
3,8
1,5
Bild 6.5 zeigt ein Beispiel, bei dem die Betriebsdrehzahl knapp oberhalb der zweiten Biegekritischen liegt, aber insgesamt fünf biegekritische Drehzahlen betrachtet werden müssen. Daraus kann man erkennen: • • •
Alle Unwuchten bis einschließlich der 4. äquivalenten modalen Unwucht sind größer als die zulässigen Werte, müssen also reduziert werden Die 5. äquivalente modale Unwucht ist ohne Korrektur in Ordnung. Die Unwuchttoleranzen sind sehr unterschiedlich, die Faktoren reichen von 0,1 bis 0,8. Unwuchten bei starrem Verhalten
äquivalente modale Unwuchten
Ur
Pr
Umod,e,n
Uzul
L Uzul
Uzul
Gn =
1
Mn
1,5 1
1 0,4
1 0,4
0,8 0,4
0,3
0,1 nkrit,1
nkrit,2
nB
nkrit,3
nkrit,4
n
nkrit,5
Bild 6.5. Beispiel für ein Mehr-Ebenen-Auswuchten eines Rotors, dessen Betriebsdrehzahl oberhalb seiner zweiten Biegeresonanz liegt. ― x,x Toleranzfaktoren für 6 Unwuchtanteile
84
6 Toleranzen und Beurteilung des nachgiebigen Rotors
6.2.5 Diskussion Dieser Vorschlag klingt vermutlich kompliziert, entspricht aber der Realität. Das grundsätzliche Vorgehen ist schon vom starren Rotor her bekannt: Beim Ein-Ebenen-Auswuchten gilt die volle Toleranz Uzul für diese eine Ebene (s. Abschn. 5.4.1). Ob zwei Ebenen erforderlich sind, kann im Allgemeinen nur durch eine Messung der Momentenunwucht ermittelt werden. Wenn ein Zwei-EbenenAuswuchten notwendig ist, wird Uzul auf diese beiden Ebenen verteilt (s. Abschn. 5.4.2).4 Im allgemeinen Fall, der den wellenelastischen Rotor einschließt, kommen nun noch die äquivalenten modalen Unwuchten hinzu und werden in gleicher Weise behandelt, d.h. Unwuchtanteile messen, vergleichen mit den Toleranzen, entscheiden, welche (und wie viele) behandelt werden müssen. Bei der hier gewählten Darstellung (Bild 6.1 bis 6.5) geht deutlich hervor, dass nicht nur der Resonanzabstand darüber entscheidet, ob und welche modalen Unwuchten ausgeglichen werden müssen.5 Es ist letzten Endes ausschlaggebend, wie groß die verschiedenen Unwuchtanteile des Rotors sind, und welche Unwuchttoleranz (gesamt, und je Unwuchtanteil) zugelassen wird. Es kann also passieren, dass durch Veränderung der Betriebsdrehzahl, aber auch der Fertigung, der Montage, oder durch Absenken der Unwuchttoleranz der Rotor • • • •
von einem ausgewuchteten Rotor zu einem auszuwuchtenden Rotor wird, von einem Rotor, bei dem ein Ein-Ebenen-Ausgleich reicht, zu einem Rotor mit Zwei-Ebenen-Ausgleich wird, von einem starren zu einem wellenelastischen Rotor wird, dessen modale Unwuchten mit einer Toleranz versehen und ausgeglichen werden müssen, von einem starren zu einem körperelastischen Rotor wird, der sich vor dem Ausgleich erst setzen muss (s. Abschn. 4.2).
Ein wichtiger Punkt ist die Anzahl der Unwuchtanteile, weil sich daraus der Prozentsatz ableitet, der auf jede Unwucht entfällt (Tabelle 6.2). Grundsätzlich müssen alle Unwuchten gezählt werden, die im Urzustand des Rotors (nach der Fertigung, vor dem 1. Auswuchtschritt) eine Rolle spielen, entweder weil sie ausgeglichen werden, oder weil ihre Größe kontrolliert werden muss. Die verschiedenen Grenzkurven Gn können häufig zu einer Kurve vereinfacht werden, die der Eigenform, die der Betriebsdrehzahl am nächsten ist. 4 5
DIN ISO 1940-1 lässt für zwei Unwuchtarten bzw. in zwei Ebenen nur 50% des Gesamtwertes zu, hier werden – wenn die Unwuchten unabhängig voneinander sind – 70% empfohlen. Leider werden auch heute noch Frequenzabstände genannt, die angeblich ganz allgemein ein Mehr-Ebenen-Auswuchten unnötig machen würden. Derartige Werte können allenfalls mit viel Erfahrung für Rotorgruppen, die ähnlich gebaut und gefertigt werden, aufgestellt werden.
6.3 Beurteilung des Unwuchtzustandes
85
Man kann außerdem klar erkennen, dass auch modale Unwuchten von einer oder sogar zwei Biegeresonanzen, die oberhalb der Betriebsdrehzahl liegen, beachtet und ggf. ausgeglichen werden müssen. Diese Resonanzen können normalerweise nicht angefahren werden, die üblichen Mittel zur Selektion und Steigerung der Messempfindlichkeit fehlen also hier. Das kann zum einen (Selektion) bedeuten, dass man den Einfluss dieser höheren Eigenformen erst dann sieht, wenn die anderen Unwuchtanteile in Toleranz sind. Zum anderen (Messempfindlichkeit) wachsen die modalen Toleranzen für die höheren Eigenformen mit steigendem Abstand zur Betriebsdrehzahl schnell an (s. Bild 6.2), so dass die relativ niedrige Messempfindlichkeit trotzdem ausreicht. 6.2.6 Betriebsdrehzahl Wenn die Unwuchttoleranzen für den noch starren Rotor und für die modalen Unwuchten richtig gesetzt und der Rotor entsprechend ausgewuchtet wurde, sollte er auch bei der Betriebsdrehzahl (im Betriebszustand) gut, d.h. schwingungsarm laufen. Hinter manchen Problemen, die in der Praxis auftreten, vermutet der Verfasser eine nicht korrekte Toleranzvorgabe entsprechend den oben erläuterten Prinzipien und eine Vernachlässigung der modalen Eigenformen oberhalb der Betriebsdrehzahl. Die Körperelastizität (s. Abschn. 4.2) kann sich jedoch einer Wellenelastizität überlagern und eine drehzahlabhängige Veränderung des Unwuchtzustandes verursachen. In diesem Fall kann eine Messung bei Betriebsdrehzahl notwendig werden. Wenn dann alle Effekte der verschiedenen Unwuchtarten (und -anteile) zusammengefasst gemessen und ausgewertet werden, kann – wie in DIN ISO 11342 beschrieben – der Wert von 100% Uzul gesetzt werden.
6.3 Beurteilung des Unwuchtzustandes Entsprechend DIN ISO 11342 kann die Beurteilung des Unwuchtzustandes in einer oder mehreren der folgenden Bedingungen vorgenommen werden, abhängig von der Art und dem Einsatz des jeweiligen Rotors: • • • •
in einer niedrigtourigen Auswuchtmaschine, in einer hochtourigen Auswuchtmaschine oder -anlage, in einem Prüffeld als zusammengebaute Maschine und am Einsatzort im endgültigen Montagezustand.
Wellenelastische Rotoren können bei längerem Stillstand (Lagerung) eine vorübergehende Biegung annehmen. Bevor Unwuchtmessungen gemacht werden, muss der Rotor dann eine Weile laufen (10 min bis l h, es reicht eine kleine Drehzahl), um diese Biegung zu verlieren. Zwischen den Messungen sind lange Stillstandszeiten zu vermeiden.
86
6 Toleranzen und Beurteilung des nachgiebigen Rotors
6.3.1 Niedrigtourige Auswuchtmaschine Die Auswuchtmaschine soll die Forderungen der ISO 2953 erfüllen, vor allem bezüglich der kleinsten erreichbaren Restunwucht (s. Abschn. 11.1). Nur wellenelastische Rotoren, die mit speziellen Verfahren niedrigtourig ausgewuchtet werden, können auf einer niedrigtourigen Auswuchtmaschine beurteilt werden (s. Abschn. 8.2). Für den fertig montierten Rotor kann aber nur noch der Endzustand überprüft werden. Die üblichen Einzelschritte, die an Einzelteilen und Baugruppen ausgeführt werden, können ohne Demontage des Rotors nicht nachgeprüft werden. Umso wichtiger ist eine sorgfältige Qualitätssicherung dieser Schritte. Auch der Ausgangszustand – die Urunwucht - ist in manchen Fällen begrenzt, d.h. er muss geprüft und protokolliert werden. 6.3.2 Hochtourige Auswuchtmaschine oder -anlage DIN ISO 11342 gibt verschiedene Hinweise zur Installation, der Handhabung, zur Messeinrichtung und zum Versuchsablauf (s. Anhang), einige wichtige Punkte sind in Abschn. 11.5.4 zusammengefasst. Dabei können entweder Schwingungen gemessen werden, oder Unwuchten in einzelnen Ausgleichsebenen der Beurteilung zugrundegelegt werden. 6.3.2.1 Zulässige Schwingungen Für die Messung und Bewertung der Schwingungen im Betriebszustand gibt es eine ganze Reihe von Normen: DIN ISO 7919, Teil 1- 4, DIN ISO 10816, Teil 1- 4 und 6. Sie werden leider manchmal auch in der Auswuchtmaschine angewendet. Problematik dabei s. Abschn.4.3.2. Alle diese Richtlinien spezifizieren Grenzwerte für die Summe aller Schwingungen einer rotierenden Maschine. Zur Beurteilung der Auswuchtqualität muss jedoch bekannt sein, welches Niveau der umlauffrequente Anteil allein haben darf. Bei der Beurteilung des Schwingungszustandes eines Rotors oder eines Maschinensystems soll man Messungen zugrunde legen, die an der kompletten Maschine gewonnen wurden, und zwar unter Bedingungen, die möglichst weitgehend denen im Betriebszustand nach der Installation entsprechen (s. Abschn. 6.3.4). Wenn Messungen unter anderen Versuchsbedingungen durchgeführt werden, z.B. • • •
nicht im eingebauten Zustand, an der Welle und nicht am Lagergehäuse, nicht in den Lagerebenen, sondern an Stellen größerer Amplituden,
so müssen die für den Normalzustand geltenden zulässigen Schwingungen korrigiert werden. Die ISO schlägt dafür eine Reihe von Faktoren vor. Da
6.3 Beurteilung des Unwuchtzustandes
87
dieser Weg aber nur bei sehr genauer Kenntnis der typischen Unterschiede zwischen dem Schwingungsverhalten im Betrieb und auf der Auswuchtmaschine gegangen werden kann, wird er hier nicht weiter erläutert. 6.3.2.2 Zulässige Unwuchten Entsprechend den Abschn. 6.1 oder 6.2 werden die Restunwuchten des noch starren Rotors sowie seine äquivalenten modalen Restunwuchten überprüft. Die Restunwuchten des noch starren Rotors werden wie beim starren Rotor niedrigtourig ermittelt (s. Abschn. 5.4). Die Ermittlung der äquivalenten Restunwuchten kann man sich folgendermaßen vorstellen: Es werden einzelne Testunwuchten nacheinander in den Ausgleichsebenen gesetzt, in denen sie die einzelnen Eigenformen maximal beeinflussen. Die Unwuchten sollen jeweils etwa das 5fache der vermutlichen äquivalenten Restunwucht betragen. Nacheinander werden Drehzahlen in der Nähe der kritischen Drehzahlen gefahren, wo eine gut auswertbare Resonanzüberhöhung auftritt. Durch Vergleich der Schwingungen im ausgewuchteten Zustand mit dem durch die Testunwuchten veränderten Schwingungszustand kann auf die äquivalente Restunwucht der einzelnen Eigenformen geschlossen werden. Das Auswerteverfahren entspricht dem Ein-Ebenen-Betriebsauswuchten (vgl. Abschn. 16.3.1). Wird auch die Betriebsdrehzahl überprüft, so scheint die Abfrage mit zwei Testunwuchten in der Nähe der Lager am sinnvollsten. Die Auswertung entspricht dem Zwei-Ebenen-Betriebsauswuchten (vgl. Abschn. 16.3.2). Heute werden bei hochtourigen Auswuchtmaschinen häufig Computer mit speziellen Programmen zum Auswuchten wellenelastischer Rotoren eingesetzt. Mit Hilfe der dort üblichen Einflusskoeffizienten lässt sich manchmal eine Aussage über die Restunwuchten des noch starren Rotors, über die modalen Restunwuchten und ggf. über den Unwuchtzustand bei Betriebsdrehzahl einfacher treffen (s. Abschn. 17.4.2: DIN ISO 11342, Anhang D). 6.3.3 Im Prüffeld Meist wird eine Schwingungsmessung zugrunde gelegt, bei der man Prinzipien der Messung im Betriebszustand heranziehen kann (s. Abschn. 6.3.4). 6.3.4 Im Betriebszustand Für diese Beurteilung bildet immer die Schwingungsmessung die Grundlage, da meistens einige Ausgleichsebenen nicht mehr zugänglich sind, um die modalen Restunwuchten zu skalieren (s. Abschn. 6.3.2.2). Für diese Messung und Bewertung steht eine ganze Reihe von Normen zur Verfügung: DIN ISO 7919, Teil 1-5, sowie DIN ISO 10816, Teil 1-6 (s. Abschn. 16.1).
88
6 Toleranzen und Beurteilung des nachgiebigen Rotors
6.4 Anfälligkeit und Empfindlichkeit von Maschinen gegen Unwuchten Kleine Unwucht- oder Schwingungswerte bei der Abnahme einer Maschine garantieren noch nicht einen ungestörten Lauf über längere Zeit, denn alle Rotoren verändern ihren Unwuchtzustand – abhängig vom Rotortyp, der Konstruktion und den Arbeitsbedingungen – mehr oder weniger stark • •
unter Belastung, mit der Zeit.
Maschinen reagieren auch sehr unterschiedlich empfindlich auf Unwuchten, wobei vor allem Resonanznähe und Dämpfung maßgebend sind. Auf diesem sehr schwierigen Gebiet versucht die ISO 108146 mit einem systematischen Ansatz das Verhalten von Maschinen zu beschreiben und zu überprüfen. 6.4.1 Klassierung der Anfälligkeit von Maschinen Es werden drei verschiedene Klassen von Maschinen gebildet, die sich in der Wahrscheinlichkeit unterscheiden, dass sich ihr Unwuchtzustand verändert, die also unterschiedlich anfällig gegen Unwuchten sind. Dazu werden jeweils Beispiele genannt: I.
geringe Anfälligkeit Kennzeichen: Diese Maschinen haben typisch große Rotormassen im Vergleich zu den Lagergehäusen, arbeiten in einer reinen Umgebung, haben einen vernachlässigbaren Verschleiß und zeigen minimale Verformungen durch Temperaturwechsel. Beispiele: Papiermaschinen-Walzen, Druckmaschinen-Walzen, hochtourige Vakuumpumpen.
II.
mittlere Anfälligkeit Kennzeichen: Diese Maschinen arbeiten in einer Umgebung mit großen Temperaturunterschieden und/oder mit mittlerem Verschleiß. Beispiele: Pumpen in reinem Medium, Elektroanker, Gas- und Dampfturbinen, kleine Turbogeneratoren für Industrieanwendung, Turbokompressoren.
III. hohe Anfälligkeit Kennzeichen: Diese Maschinen arbeiten in Umgebungen, in denen Ablagerungen auftreten, oder ein hoher Verschleiß, starke Korrosion. Beispiele: Zentrifugen, Dekanter, Hammermühlen. 6
Laut Norm soll dieser Standard nur bei einfachen Systemen angewendet werden, die eine Resonanz im Drehzahlbereich haben. Der Verfasser ist jedoch der Ansicht, dass diese Betrachtungsweise auch bei mehreren Resonanzen verwendet werden kann, wenn diese Resonanzen weit genug von einander entfernt sind, z.B. je nach Anfälligkeit mehr als 20% bis 60%.
6.4 Anfälligkeit und Empfindlichkeit von Maschinen gegen Unwuchten
89
6.4.2 Bereiche der modalen Empfindlichkeit Ein weiteres Kriterium ist die Empfindlichkeit gegen Unwuchten, d.h. die Veränderung des Schwingungszustandes bei einer Änderung der Unwucht. Die modale Empfindlichkeit (der modale Vergrößerungsfaktor) ist:
Mn =
⎛ nB ⎞ ⎜ ⎟ ⎝ n ⎠ ⎡ ⎛n ⎢1 − ⎜ B ⎢⎣ ⎝ n
2⎤
2
2
⎞ 2⎛ n ⎞ ⎟ ⎥ + 4D ⎜ B ⎟ ⎠ ⎥⎦ ⎝ n ⎠
dimensionslos
(6.4)
2
Die modale Empfindlichkeit in der Resonanz Qn ist nur von dem Dämpfungsgrad abhängig, sie ergibt sich zu: Qn =
1 2D
dimensionslos
(6.5)
Für die modale Empfindlichkeit M n werden fünf Bereiche definiert, mit denen alle praktisch vorkommenden Fälle abgedeckt werden sollen: A) Sehr niedrige Empfindlichkeit Erwartetes Laufverhalten: sehr ruhige Resonanzdrehzahl, schwer zu entdecken. B) Niedrige Empfindlichkeit Erwartetes Laufverhalten: ruhig, niedrige und stabile Schwingungen. C) Mittlere Empfindlichkeit Erwartetes Laufverhalten: annehmbar, mittlere und leicht wechselnde Schwingungen. D) Hohe Empfindlichkeit Erwartetes Laufverhalten: empfindlich gegen Unwuchten; regelmäßiges Betriebsauswuchten kann erforderlich sein. E) Sehr hohe Empfindlichkeit Erwartetes Laufverhalten: zu empfindlich gegen Unwuchten; dieser Bereich muss vermieden werden. Zu diesen Bereichen der modalen Empfindlichkeit gibt ISO 10814 noch einige Kommentare: • •
Obwohl theoretisch der Bereich A stets wünschenswert zu sein scheint, machen es die Berücksichtigung von Kosten und die Realisierbarkeit oft erforderlich, mit einer höheren Empfindlichkeit zu arbeiten. Für Hochleistungsmaschinen (z.B. solche, die eine kurze Laufzeit zwischen geplanten Überholungen haben) können höhere Werte der modalen Empfindlichkeit zulässig sein.
90
• •
6 Toleranzen und Beurteilung des nachgiebigen Rotors
Für Maschinen, bei denen ein Betriebsauswuchten nicht durchführbar oder nicht wirtschaftlich ist, müssen ggf. kleinere Werte der modalen Empfindlichkeit gewählt werden. Überlegungen zur modalen Empfindlichkeit geben nicht immer eine ausreichend Sicherheit, dass an allen Teilen der Maschine die Grenzwerte der Schwingungen eingehalten werden. Ergänzend werden deshalb lokale Empfindlichkeiten definiert (das Verhältnis zwischen Veränderung der Schwingung aufgrund einer Veränderung der Unwucht).
6.4.3 Grenzkurven Für jede Klasse von Maschinen (unterschiedliche Anfälligkeit gegen Unwuchten) werden Grenzkurven gebildet, welche die verschiedenen Bereiche der modalen Empfindlichkeit voneinander abgrenzen (Bild 6.6 bis 6.8). Diese Grenzkurven stellen verschiedene modale Empfindlichkeiten (modale Vergrößerungen) dar, d.h. alle Punkte auf einer Kurve haben dieselbe modale Empfindlichkeit. Mit wachsendem Resonanzabstand kann demnach der Dämpfungsgrad abnehmen. Die Klasse I erlaubt wegen der geringen Anfälligkeit gegen Unwuchten höhere modale Vergrößerungen (für die modalen Empfindlichkeits-Bereiche A bis E) als die Klasse II und diese wiederum höhere modale Vergrößerungen als die Klasse III. Beispiel: Gasturbine, Betriebsdrehzahl 3 000 min-1, erste Resonanzdrehzahl 2 730 min-1, Dämpfungsgrad D = 0,04, gemessen mit Hilfe der Vergrößerung in der Resonanz, Qn = 12,5 (s. Abschn. 6.4.4).
20
0,025
18
E
16
0,028
M n=14
0,031
M n=10
14 D
12
0,036
M n= 6,5
0,042
M n= 3,3
10
0,05
C
8 6
0,063 0,083
B
4 2
0,125
A
0,25
8
0 0,7
0,8
0,9
1
1,1 1,2 1,3 1,4 Betriebsdrehzahl ηn= Resonanzdrehzahl
1,5
1,6
Bild 6.6. Anfälligkeit Klasse I, Bereiche der modalen Empfindlichkeit A bis E
1,7
Dämpfungsgrad D n
Vergrößerungsfaktor bei Resonanz Q n
Lösung: Die Maschine gehört bezüglich der Anfälligkeit gegen Unwuchten zur Klasse II, also gilt Bild 6.7. Das Resonanzverhältnis η1 = 3 000/2 730 = 1,1. Aus Bild 6.7 ergibt sich der Bereich C, also eine mittlere modale Empfindlichkeit. Das System ist akzeptabel.
20
91
0,025 0,028
M n=10
16
E
14
0,031
M n= 7,5
0,036
M n= 5
12
0,042
M n= 2,5
10
0,05
D
8
0,063
6
C
0,083
4
B
0,125
2
0,25
A
0 0,7
0,8
0,9
Dämpfungsgrad D n
18
8
Vergrößerungsfaktor bei Resonanz Q n
6.4 Anfälligkeit und Empfindlichkeit von Maschinen gegen Unwuchten
1
1,1 η n=
1,2
1,3
1,4
1,5
1,6
1,7
Betriebsdrehzahl Resonanzdrehzahl
Bild 6.7. Anfälligkeit Klasse II, Bereiche der modalen Empfindlichkeit A bis E
Wenn jedoch keine konstante Betriebsdrehzahl vorliegt, sondern ein Drehzahlbereich, in dem die Resonanz liegt, muss die ungünstigste Situation gewertet werden. Beispiel: Gasturbine, variable Betriebsdrehzahl bis 3 000 min-1, die erste Resonanzdrehzahl liegt bei 2 730 min-1, Dämpfungsgrad D = 0,04.
20
0,025 0,028
M n= 6,5
16
0,031
M n= 5
14
0,036
M n= 3,3
E
12
0,042
M n= 1,6
10
0,05
8
0,063
6
2
D C B
0
A
4
0,7
0,8
0,9
0,083 0,125 0,25
1
1,1 η n=
1,2
1,3
1,4
1,5
1,6
Betriebsdrehzahl Resonanzdrehzahl
Bild 6.8. Anfälligkeit Klasse III, Bereiche der modalen Empfindlichkeit A bis E
1,7
Dämpfungsgrad D n
18
8
Vergrößerungsfaktor bei Resonanz Q n
Lösung: Die Maschine gehört bezüglich der Anfälligkeit gegen Unwuchten zur Klasse II, also gilt Bild 6.7. Der Bereich der Betriebsdrehzahlen schließt die Resonanz mit ein, damit ist das Resonanzverhältnis η1 = 1. Aus Bild 6.7 ergibt sich der Bereich E, also eine sehr hohe modale Empfindlichkeit. Das System ist so nicht akzeptabel.
92
6 Toleranzen und Beurteilung des nachgiebigen Rotors
Bild 6.9. Abnahme der modalen Empfindlichkeit in Abhängigkeit von dem Dämpfungsgrad und der bezogenen Winkelbeschleunigung a
Wenn Resonanzen so schnell durchfahren werden, dass sich die Schwingungsamplituden nicht voll ausbilden, kann auch dieser Effekt berücksichtigt werden, Bild 6.9. Die Kurven stellen Winkelbeschleunigungen dar, die auf das Quadrat der Winkelfrequenz (in der Resonanz) bezogen sind. Dabei werden Beschleunigung und Verzögerung unterschiedlich gewertet, wie aus den Kurvenverläufen hervor geht. Beispiel: Gasturbine mit Betriebsdrehzahl 4 000 min-1, erste Resonanzdrehzahl 2 730 min-1, Dämpfungsgrad D = 0,025, Beschleunigung von 1 200 min-1 auf 3 600 min-1 innerhalb t = 0,1 s, Verzögerung gleiche Größe. Lösung: Die Maschine gehört bezüglich der Anfälligkeit gegen Unwuchten zur Klasse II, also gilt Bild 6.7. Δ ω Δ n 2 400 α= Winkelbeschleunigung ≈ = = 2 400 rad/s 2 t
Verhältnis a
a=
α
≈
10 t
10 ⋅ 0,1
2 400
= 32 ⋅ 10 −3
ω n 2 2732 Aus Bild 6.9 ergeben sich – von D = 0,025 auf der x-Achse ausgehend – mit Hilfe der Kurven für 32⋅10-3 auf der y-Achse Werte von etwa 6,9 (Beschleunigung) und 5,8 (Verzögerung). Der schlechtere (größere) Wert wird zugrunde gelegt. Diese Betrachtung schließt die Resonanz mit ein, damit ist das Resonanzverhältnis η1 = 1. Aus Bild 6.7 ergibt sich der Bereich C, also eine mittlere modale Empfindlichkeit.
Das System ist akzeptabel.
6.4 Anfälligkeit und Empfindlichkeit von Maschinen gegen Unwuchten
93
6.4.4 Experimentelle Ermittlung der modalen Empfindlichkeit Wenn der Rotor langsam durch die Resonanz gefahren werden kann und dabei Messwerte aufgenommen werden können (dargestellt z.B. als Polardiagramm, oder Nyquist-Diagramm, Bild 6.10), kann aus den verschiedenen Drehzahlen die modale Empfindlichkeit in der Resonanz berechnet werden: Qn =
ω n ⋅ Ω 45 ω n 2 − Ω 45 2
dimensionslos
(6.6)
Dabei ist Qn die maximale modale Empfindlichkeit (in der Resonanz), ω r die Kreisfrequenz der Resonanz und Ω 45 die Kreisfrequenz derjenigen Drehzahl, bei der sich die Phasenlage um 45° gegenüber der Resonanz verändert hat. Beispiel: aus Bild 6.10 entnehmen wir Resonanzdrehzahl nr = 3 000 min-1, Drehzahl mit 45° Phasenschiebung n45 = 2 710 min-1. Wie groß ist Qn ? Lösung: anstelle der Kreisfrequenzen kann direkt mit den Drehzahlen gerechnet werden: Qn =
nr ⋅ n45 nn 2 − n45 2
=
3 000 ⋅ 2 710 3 000 2 − 2 710 2
= 4.91
Das heißt, dass in der Resonanz eine Vergrößerung von 4,91 auftritt.
y [μm]
x [μm]
Bild 6.10. Polardiagramm des Schwingweges beim Durchlaufen der Resonanz. Geraden für 45° Abweichung von dem Resonanz-Winkel und die dabei gefundenen Drehzahlen dienen zur Ermittlung der Vergrößerung in der Resonanz und damit des Dämpfungsgrades
94
6 Toleranzen und Beurteilung des nachgiebigen Rotors
Verhältnis der Schwingwege
Sr
0,707 Sr
n1 nr n2
Drehzahl
Bild 6.11. Amplitudenverlauf des Schwingweges beim Durchfahren der Resonanz. Gesucht werden die Resonanzdrehzahl und die Drehzahlen, bei denen die Amplitude 0,707 der Resonanzamplitude beträgt
Alternativ kann mit den Beträgen der Schwingwege alleine gerechnet werden, aber die zu erwartenden Fehler sind etwas größer. Entsprechend Bild 6.11 werden diejenigen Drehzahlen gesucht, bei denen die Amplituden gegenüber der Resonanz auf 0,707 abgenommen haben. Mit den entsprechenden Kreisfrequenzen (oder Drehzahlen) ergibt sich der Vergrößerungsfaktor in der Resonanz zu: Qn =
ωr
Ω 2 − Ω1
dimensionslos
(6.7)
Beispiel: Eine Amplitudenkurve (Bild 6.11) wurde aufgenommen. Wie groß ist Qn ? Lösung: Wir finden Resonanzdrehzahl nr = 3 000 min-1, n1 = 2 770 min-1, n2 = 3 370 min-1. Anstelle der Kreisfrequenzen kann direkt mit den Drehzahlen gerechnet werden: Qn =
nr 3 000 = =5 n2 − n1 3 370 − 2 770
Das heißt, dass in der Resonanz eine Vergrößerung von 5 auftritt.
7 Verfahren zum Auswuchten starrer Rotoren
Mit den Grundlagen (s. Kap. 2), der Theorie des starren Rotors (s. Kap. 3) und den Hinweisen zu den Unwuchttoleranzen (s. Kap. 5) sind die grundlegenden Voraussetzungen zum Auswuchten starrer Rotoren beschrieben. In der Praxis können aber noch Probleme auftreten, die besondere Verfahren erforderlich machen. Die wichtigsten Probleme werden im Folgenden vorgestellt und geeignete Verfahren erläutert.
7.1 Körper ohne eigene Lagerzapfen Viele auszuwuchtende Körper, z.B. Riemenscheiben, Ventilator-Laufräder, Schwungscheiben usw. haben keine eigenen Lagerzapfen. Um ein derartiges Teil auswuchten zu können, muss es eine Schaftachse erhalten. Dafür gibt es zwei verschiedene Wege. Das Teil wird auf • •
eine Hilfswelle montiert und in einer horizontalen Auswuchtmaschine, z.B. auf Tragrollen eingelagert, mit Hilfe eines Adapters auf die Spindel einer (horizontalen oder vertikalen) Auswuchtmaschine montiert.
Die folgenden Abschnitte beschreiben Grundlagen bei der Verwendung von Hilfswellen und Adaptern. Die dabei erläuterten Methoden und Möglichkeiten können aber auch in anderen Zusammenhängen sinnvoll eingesetzt werden. 7.1.1 Unwuchten durch Montage Bei der Montage von einem Körper auf einer Hilfswelle oder einem Adapter entstehen unvermeidbare Fehler infolge Radial-Spiels sowie durch Rundlaufund Planlaufabweichungen. Die dadurch verursachten Unwuchten können aus den Verlagerungen und den Masse-Daten des Körpers errechnet werden (Gln. 3.13 und 3.20). Beim Messen des Unwuchtzustandes addieren sich diese Unwuchten zu den Unwuchten des Körpers selbst. Falls jetzt die Gesamtunwucht ausgeglichen wird, scheint der Rotor ausgewuchtet, das stimmt aber nur zusammen mit der Aufnahme. Ohne Aufnahme, d.h. auf den Körper selbst bezogen (seine Bohrungsachse), ist aber der Unwuchtzustand nicht gut, der Montagefehler ist durch den Ausgleich in den Körper hineingewuchtet worden, Bild 7.1.
96
7 Verfahren zum Auswuchten starrer Rotoren
UMon UKör
UMon UKör
Uges
Ua UKör
Ua -UMon
a
b
c
Bild 7.1. Unwuchten durch die Montage, dargestellt für eine Ebene: (a) die Unwuchten des Körpers und durch die Montage addieren sich zu einer Gesamtunwucht, (b) diese Unwucht wird ausgeglichen, (c) der Körper allein (auf seine Bohrung bezogen) hat eine Unwucht in der Größe der Montageunwucht
Wird der Körper anschließend betriebsmäßig montiert, z.B. ein Ventilator auf seiner Betriebswelle, so treten neue Verlagerungen auf, die einen neuen Unwuchtzustand hervorrufen. Die wirkliche Unwucht ist die vektorielle Summe der Unwuchten in beiden Fällen. Will man dagegen die maximale passungsbedingte Unwucht wissen, spielt die Winkellage keine Rolle, da sie im Allgemeinen nicht kontrolliert wird. Die maximale passungsbedingte Unwucht ergibt sich aus der Summe der in beiden Fällen – in der Auswuchtmaschine und im Betriebszustand – maximal möglichen Unwuchtbeträgen, bzw. aus den Beträgen der Verlagerungen. Während beim Auswuchten des Körpers auf der Hilfswelle (oder einer Aufnahme in der Auswuchtmaschine) durch einen entsprechenden Vorgang die passungsbedingten Unwuchten erkannt und ausgeschaltet werden können (Auswuchten auf Umschlag, s. Abschn. 7.1.2), kann sie im betriebsmäßig montierten Zustand in voller Größe auftreten, ohne dass man sie beim Auswuchten berücksichtigen kann. Die für diesen Zustand zulässige Unwucht muss also auf die Unwucht des Einzelteils und die passungsbedingte Unwucht aufgeteilt werden. Dabei ist auf ein sinnvolles Verhältnis zwischen beiden zu achten. Ist die zulässige Restunwucht z.B. 30 g⋅mm, die passungsbedingte Unwucht max. 28 g⋅mm, so bliebe für die zulässige Restunwucht des Einzelteils selbst nur 2 g⋅mm übrig. Da es sicher nicht sinnvoll und eventuell auch nicht möglich ist, das Einzelteil so genau auszuwuchten (z.B. Veränderungen von Lauf zu Lauf), müssen entweder • • •
die Passungstoleranzen überprüft und enger festgelegt werden, der Rotor, auf den dieses Einzelteil kommen soll, mit Ausgleich für diesen Montagefehler ausgewuchtet werden (s. Abschn. 7.2.3), der Rotor mit fertig montiertem Einzelteil ausgewuchtet werden (s. Abschn. 7.2.2).
Beispiel: Wie groß ist die passungsbedingte Unwucht eines Ventilators? Gegebene Daten: Masse m = 100 kg, Massenträgheitsmoment um die Schaftachse Jz = 15 kg⋅m2, Massenträgheitsmoment um die Querachse Jx = Jy = 10 kg⋅m2. Der Ventilator sitzt auf einer Welle von 100 mm ∅, Passung H7/h6.
7.1 Körper ohne eigene Lagerzapfen
97
Weitere Daten: Rundlaufabweichung zu der Schaftachse (Lagerstellen) 0,06 mm. Planlaufabweichung des Bundes auf 200 mm ∅: 0,04 mm. Der Abstand der Toleranzebenen (Lagerebenen) ist L = 800 mm, die beiden Lagerebenen sind etwa gleich weit vom Schwerpunkt entfernt. Lösung (zulässige Restunwucht gleichmäßig verteilt, s. Abschn. 5.4.2): 1)
Passungsspiel bei 100 mm und H7/h6 ist max. 35 μm + 22 μm = 57 μm, die Exzentrizität infolge des Spiels esp = 28,5 μm. Die Unwucht wegen der maximal möglichen Verlagerung innerhalb des Spiels: Usp = esp m = 28,5 ⋅ 100 = 2 850 g⋅mm
2)
Rundlauf: Die Exzentrizität ist bei der zulässigen Rundlaufabweichung von 60 μm max. eru = 30 μm. Die Unwucht durch Verlagerung infolge der Exzentrizität ist also: Uru = eru m = 30 ⋅ 100 = 3 000 g⋅mm
3)
Planlauf: Der Winkel ϕ, um den der Körper schief aufgespannt wird, Bild 7.2, lautet: ϕ=
pl / 2 pl 0,04 = = = 2 ⋅ 10 −4 rad D/2 D 200
Die Momentenunwucht infolge der Planlaufabweichung ist: U m pl = ϕ ( J x − J z ) und für das Unwuchtpaar in den beiden Ausgleichsebenen, ergibt sich: C pl / − C pl =
ϕ (J x − J z ) L
=
2 ⋅10−4 (10 − 15) 109 = 1250 g ⋅ mm 800
(Die Massenträgheitsmomente werden dabei zweckmäßigerweise gleich in g⋅mm2 eingesetzt: l kg⋅m2 = l09 g⋅mm2) Diese Einzelfehler addieren sich vektoriell. Falls sie voneinander unabhängig sind, könnte man bei größeren Stückzahlen die Statistik zu Hilfe nehmen, um die wahrscheinliche Größe und Streuung zu errechnen. Bei Einzelrotoren muss man jedoch von dem ungünstigsten möglichen Wert ausgehen, d.h. der Summe der Beträge. Die gesamten passungsbedingten Unwuchten je Lagerebene A, B können also maximal sein: U pa A, B = U sp / 2 + U ru / 2 + C pl = 4180 g ⋅ mm
Für den Ventilator bedeutet das, als Schwerpunktexzentrizität ausgedrückt: e pa =
2 U pa A, B m
=
2 ⋅ 4180 ≈ 84 μ m 100
D
ϕ
pl Bild 7.2. Rotor mit Planlaufabweichung. pl auf dem Durchmesser D führt zu dem Winkel ϕ
98
7 Verfahren zum Auswuchten starrer Rotoren
Teil und Lage
Anzeige
Bemerkung
H Hilfswelle mit Unwucht H
Körper mit Unwucht U U
H U A
,
A
Körper mit Unwucht U auf der Hilfswelle mit der Unwucht H. Anzeige A ist die vektorielle Summe beider Unwuchten
-U H
Körper auf der Hilfswelle um 180° (halbe Umdrehung) weiter gedreht. Unwucht H bleibt, U dreht um 180° , und wird -U. Neue Anzeige A
Bild 7.3. Trennen der Unwuchten einer Baugruppe durch Umschlag. Der Vorgang ist in vier gedankliche Schritte zerlegt, um die Vorstellung zu erleichtern (das Auswuchten auf Umschlag beinhaltet eigentliche nur die beiden letzten Schritte). Das Koordinatensystem für die Winkelanzeige ist fest mit der Hilfswelle verbunden
7.1 Körper ohne eigene Lagerzapfen
99
Forts. Beispiel: Der Ventilator hat eine Betriebsdrehzahl n = 650 min-1 und soll in Gütestufe G 6,3 ausgewuchtet werden. Es ergibt sich eine zulässige Schwerpunktsexzentrizität ezul = 92 μm. Für den Ventilator selbst bleiben also nur 8 μm, ein viel zu kleiner Wert. Um für diesen Fall vernünftige Verhältnisse zu schaffen, müssen die o.g. Maßnahmen ergriffen werden, oder der Ventilator im Betriebszustand ausgewuchtet werden (s. Kap. 16).
7.1.2 Auswuchten auf Umschlag Dieses Verfahren, mit dem die Fehler der Aufnahme von der Unwucht eines Körpers getrennt werden, macht man sich am besten zuerst für eine Ebene und nur für Unwuchten an beiden Teilen klar (Bild 7.3).1 Das Ergebnis der beiden Messungen und die Auswertung ist Bild 7.4 zu entnehmen. Der Unterschied zwischen den Messpunkten r r A und A′ (Abstand der Pfeilenden voneinander) entspricht 2U ( U und − U bedeuten die gleiche Unwucht des Körpers, nur in 180° unterschiedlicher Winkellage gemessen). Beim Auswuchten auf den Punkt X hin (Mitte der Verbindungslinie der Messpunkte A und A′ ) wird die Unwucht im Körper beseitigt. Kontrolle: r Bei einer neuen Drehung um 180° bleibt die Anzeige bei X. Die Unwucht H der Hilfswelle kann an der Hilfswelle selbst ausgeglichen werden. Die nächsten Körper (vom gleichen Typ) können dann auf dieser Hilfswelle ausgewuchtet werden, ohne dass ein Umschlag gemacht wird. ,
A
-U
,
A
X H A
U
A
r
r
r
Bild 7.4. Auswertung der Messergebnisse von Bild 7.3. Die Vektoren H , U und −U sind nicht direkt sichtbar, sondern werden konstruiert. 1
In diesem Fall ist die Referenz für die Winkellage (für das Koordinatensystem) mit der Hilfswelle verbunden. Wenn sie mit dem Körper verbunden ist – z.B. die Abtastmarke bei Fotoabtastung – drehen sich die Verhältnisse um: Die Unwucht des Körpers bleibt im Winkel erhalten, die Unwucht der Hilfswelle wird bei der zweiten Messung um 180° versetzt gemessen. r Das Prinzip der Auswertung ist identisch (Bild r7.4), aber jetzt beschreiben der Vektor H die r Unwucht des Körpers, die Vektoren U bzw. −U die Unwucht der Hilfswelle.
100
7 Verfahren zum Auswuchten starrer Rotoren
Teil und Lage
Anzeige
Bemerkung
H
e
Hilfswelle mit Unwucht H und um e exzentrischen Sitz für den Rotor
Körper mit Unwucht U U
esp
E H
S U
A
Körper mit Unwucht U und um e exzentrisch (verursacht Unwucht E) und um halbes Spiel versetzt (esp) (verursacht Unwucht S) auf Hilfswelle mit Unwucht H. Anzeige A ist die vektorielle Summe aller Unwuchten
-U E
esp
,
A
S H
Körper auf der Hilfswelle um 180° (halbe Umdrehung) weiter gedreht. Unwuchten H, E und S bleiben, U dreht um 180° und wird -U. , Neue Anzeige A
Bild 7.5. Auswuchten auf Umschlag mit Unwuchten, Exzentrizität und Spiel. Der Vorgang ist in vier gedankliche Schritte zerlegt, um die Vorstellung zu erleichtern (das Auswuchten auf Umschlag beinhaltet eigentliche nur die beiden letzten Schritte).Das Koordinatensystem für die Winkelanzeige ist fest mit der Hilfswelle verbunden
7.1 Körper ohne eigene Lagerzapfen
101
,
A ,
A
-U H
E S X U
A A
Bild 7.6. Auswertung der Messergebnisse von Bild 7.5
In diesem Fall (an der Hilfswelle ist nur eine Unwucht, Bild 7.3) wäre es einfacher gewesen, die Hilfswelle zuerst leer auszuwuchten und dann erst den Körper aufzuspannen. Die anderen, die passungsbedingten Fehler – Spiel, Plan- und Rundlaufabweichungen – werden aber erst mit aufgesetztem Körper sichtbar. Das Verfahren ist auch in diesem Fall prinzipiell gleich, es müssen nur wesentlich mehr Einflüsse erfasst werden, Bild 7.5. Die Auswertung der Messergebnisse von Bild 7.5 ist in Bild 7.6 zu erkennen: Der Abstand zwischen A und A′ entspricht wieder 2U, es wird auf den Punkt X hin ausgeglichen, wobei die Korrektur am Körper erfolgt. Der Punkt r X ist entstanden durch die Unwucht der Hilfswelle H , den exzentrischen Sitz r E des Körpers, der die Unwucht erzeugt und durch das Spiel, das die Unr r r wucht S bedingt. E und S sind (als Produkt mit der Körpermasse) vom Körper abhängig. Falls nurr ein Körpertyp auf dieser Hilfswelle ausgewuchtet wird, kann die r Unwucht E zusammen mit der köperunabhängigen Unwucht H durch eine Massenkorrektur an der Hilfswelle ausgeglichen werden. Dadurch wird das r Auswuchten des Körpers einfacher. Die Unwucht S kann nicht genau ausgeglichen werden, da sie von der Größe des Spiels abhängt und deshalb im Betrag stark veränderlich ist. Aber man kann einen Mittelwert ausgleichen und somit den Fehler halbieren. Wichtig ist dabei, dass das Spiel jedes Mal in der gleichen Richtung (auf die Aufnahme bezogen) „herausgedrückt“ wird, bevor der Körper fest gespannt wird, so dass die dadurch bedingte Unwucht mit der Hilfswelle verbunden zu sein scheint.
102
7 Verfahren zum Auswuchten starrer Rotoren
Ein Körper mit zwei Ausgleichsebenen kann ebenfalls auf Umschlag ausgewuchtet werden (Auswertung für jede Ausgleichsebene getrennt). Es können auch von 180° abweichende Umschlagwinkel verwendet werden. Dabei sind die richtige Zuordnung der Verdrehung des Teils (Richtung) zu der Lage des Winkels bei der Auswertung der Messwerte ausschlaggebend. 7.1.3 Weitere Verwendung der Umschlag-Methode Diese Methode – das Auswuchten auf Umschlag – wird auch eingesetzt, um • •
den Einfluss des Antriebs einer Auswuchtmaschine (Gelenkwelle, Mitnehmer) auf den Rotor zu eliminieren (s. Kap. 14), bei Baugruppen (s. Abschn. 7.2) die Unwuchtanteile der verschiedenen Rotorkomponenten zu trennen.
Moderne Auswuchtmaschinen unterstützen dieses Verfahren. Meist kann für Serien der Umschlagwert gespeichert werden, so dass nicht jedes Teil umgeschlagen werden muss. 7.1.4 Hilfswellen, Adapter Alle Teile zur Aufnahme von Körpern ohne eigenen Zapfen müssen: • •
entweder so genau gefertigt sein, dass die zulässige Restunwucht erreicht werden kann, oder einen Umschlag erlauben, damit dieser Fehler erkannt und eliminiert werden kann.
Dabei darf nicht vergessen werden, einen Unwuchtausgleich vorzusehen, der nicht nur die Unwucht des Hilfsteils, sondern auch die Verlagerung des aufgesetzten Teils ausgleichen kann. Die Unwuchten infolge Verlagerung sind häufig eine Dekade größer als die des Hilfsteils.
7.2 Baugruppen Besteht ein Rotor aus mehreren Einzelteilen, so können naturgemäß alle Teile einzeln ausgewuchtet werden. Beim Zusammenbau addieren sich dann alle Unwuchten der Einzelteile vektoriell. Da aber die Restunwuchten der Einzelteile jede beliebige Lage haben können, addieren sie sich im ungünstigsten Fall voll mit ihren jeweiligen Beträgen. Hinzu kommen noch die passungsbedingten Unwuchten (s. Abschn. 7.1). Kann die geforderte Auswuchtgüte der Baugruppe durch Auswuchten der Einzelteile nicht erreicht werden, so muss die Baugruppe als Ganzes ausgewuchtet werden oder zumindest die Hauptbestandteile gemeinsam. Wichtig ist dabei, dass die Baugruppe nach dem Auswuchten nicht mehr demontiert wird. Ist eine Demontage nicht zu umgehen, so sind die Einzelteile
7.2 Baugruppen
103
in ihrer Lage zueinander sorgfältig zu markieren, und bei der Remontage ist auf genau gleiche Lage zu achten. Außerdem muss geprüft werden, welche Fehler durch Spiel entstehen. Als Baugruppe in diesem Sinn ist bereits ein schnelllaufender Elektromotor anzusehen, der in Wälzlagern gelagert ist. Beispiel: Ein Anker mit einer Betriebsdrehzahl n = 15 000 min-1 soll in Gütestufe G 2,5 ausgewuchtet werden. Der zulässige Exzentrizitätsfehler der Wälzlager (des Innenringes) sei 3 μm. Muss der Anker mit seinen Betriebslagern ausgewuchtet werden? Lösung: Die zulässige Schwerpunktsexzentrizität ist ezul = 1,6 μm (s. Abschn. 5.3.2.3). Da die Exzentrizität der Wälzlager größer ist als die zulässige Schwerpunktsexzentrizität, ist hier die Antwort eindeutig: Der Anker muss mit Wälzlagern ausgewuchtet werden.
Während man üblicherweise die für die Baugruppe zulässige Schwerpunktsexzentrizität auch für die Einzelteile zugrunde legt (reduziert um die Passungsfehler, s. Abschn. 7.1), kann bei sehr unterschiedlichen Gewichten der Einzelteile eine andere Aufteilung vorzuziehen sein. Erhält der Anker aus dem letzten Beispiel eine leichte Riemenscheibe, so kann ohne weiteres die größere Masse, der Anker, etwas genauer ausgewuchtet werden, so dass für das leichtere Teil, die Riemenscheibe (die vielleicht öfter ausgewechselt werden muss), eine normale, ohne weiteres auf einer Aufnahme zu erreichende Auswuchtgüte übrig bleibt. Beispiel: Die Masse des Ankers ist m1 = 5 kg, die der Riemenscheibe m2 = 0,1 kg, die passungsbedingte Exzentrizität beträgt epa = 10 μm, kein Spiel, da Konusverbindung. Die Unwucht der Riemenscheibe ist einer Toleranzebene des Ankers voll zuzurechnen, da die Riemenscheibe fliegend angeordnet ist. Der Anker und die Toleranzebenen (Lagerebenen) sind nahezu symmetrisch. Wie ist die zulässige Unwucht der Baugruppe zu verteilen, damit die Riemenscheibe als Einzelteil ausgewuchtet werden kann? Lösung: 1) Die zulässige Unwucht je Toleranzebene (Lagerebenen A, B) ist: U zul A, B =
1 1 ezul (m1 + m2 ) = 1,6 (5 + 0,1) ≈ 4,1 g ⋅ mm 2 2
Die Riemenscheibe lässt sich als Einzelteil (auf Umschlag) auf etwa 5 μm auswuchten. Hinzu kommt die passungsbedingte Exzentrizität von 10 μm. Im ungünstigsten Fall addieren sich beide Werte, so dass mit einer Gesamtexzentrizität der Riemenscheibe eri = 15 μm gerechnet werden muss. Die Unwucht der Riemenscheibe beträgt also maximal
2)
U ri = eri m2 = 15 ⋅ 0,1 = 1,5 g ⋅ mm
3)
Der Anker muss um diesen Wert besser ausgewuchtet werden: U korr A, B = U zul A, B − U ri = 4,1 − 1,5 = 2,6 g ⋅ mm
Eventuell ist es sinnvoll, in der von der Riemenscheibe entfernten Ebene den vollen Wert von 4,1 g⋅mm zuzulassen.
7.2.1 Austauschbarkeit von Teilen Im obigen Beispiel können Anker und Riemenscheibe separat ausgewuchtet werden. Da der Montagefehler bei der Festlegung der Einzeltoleranzen berücksichtigt ist, kann diese Riemenscheibe – falls erforderlich – gegen eine andere, genauso behandelte, ausgetauscht werden. Dabei braucht weder be-
104
7 Verfahren zum Auswuchten starrer Rotoren
kannt zu sein, unter welchen Winkeln die Restunwuchten der Einzelteile liegen, noch beim Zusammenbau auf eine bestimmte Lage geachtet zu werden. Liegen die passungsbedingten Unwuchten aber in der Größenordnung der Unwuchttoleranzen (oder sind sie sogar größer) so reicht ein so einfaches Verfahren nicht mehr aus; der Montagefehler muss mit ausgeglichen werden. 7.2.2 Ausgleich des Montagefehlers Beim Auswuchten des Ankers (im obigen Beispiel) ist die Riemenscheibe montiert, durch Umschlag (s. Abschn. 7.1.2) werden die verschiedenen Unwuchten getrennt. Da die passungsbedingten Unwuchten – durch dessen fehlerhaften Sitz für die Riemenscheibe – vom Anker verursacht sind, verändern diese Unwuchten beim Umschlag der Riemenscheibe die Winkellage genauso wenig wie die Unwucht des Ankers: Die Auswuchtmaschine misst die vektorielle Summe von beiden Unwuchten.2 Wird der Anker so ausgewuchtet, passt anschließend jede für sich gewuchtete Riemenscheibe auf den Anker, ohne dass die zulässige Restunwucht überschritten wird. Zu beachten ist, dass der Anker allein nicht in Toleranz sein muss; er ist ja erst für den späteren Zusammenbau ausgewuchtet. 7.2.3 Ersatzmassen (Dummies) Der Ausgleich des Montagefehlers gilt streng genommen nur für identische Teile. Jedes Teil mit abweichender Masse, Schwerpunktlage, Trägheitsmomenten würde ja andere passungsbedingte Unwuchten hervorrufen und damit einen anderen Ausgleich benötigen. Bei sehr teuren Teilen (oder nicht vorhandenen Originalen) kann es sinnvoll sein, mit Ersatzmassen (Dummies) zu arbeiten, die dem Original entsprechen. Die Abweichungen der physikalischen Daten müssen um so kleiner sein, je größer die passungsbedingten Unwuchten Upa im Verhältnis zur Toleranz Uzul sind. Beispiel: Upa /Uzul = 5; empfohlene zulässige Abweichungen ca. 5%.
7.3 Rotoren mit Passfedern Drehmomente zwischen Wellen und aufgesetzten Teilen – z.B. Elektromotoren/Riemenscheiben – werden häufig durch Passfedern übertragen. Will man den Anker und die Riemenscheibe jeweils als Einzelteil auswuchten, muss über das Verbindungsstück (also die Passfeder) eine Vereinbarung getroffen werden. 2
Hier ist angenommen, dass die Referenz für die Unwuchtmessung (z.B. die Abtastmarke für die Fotoabtastung) fest mit dem Anker verbunden ist.
7.3 Rotoren mit Paßfeder
105
Drei Möglichkeiten sind denkbar: 1) Die Passfeder wird ganz der Welle zugeteilt. 2) Die Passfeder wird zur Hälfte der Welle, zur anderen Hälfte der Riemenscheibe zugeteilt. 3) Die Passfeder wird ganz der Riemenscheibe zugeteilt. In der Praxis werden nur die beiden Varianten 1) und 2) gehandhabt, jeweils mit einer Reihe von Vor- und Nachteilen: 7.3.1 Welle mit ganzer Passfeder Diese Handhabung war früher in Europa weit verbreitet und in Normen vorgeschrieben (z.B. DIN ISO 2373 für elektrische Maschinen). Vorteile: • • •
Die Welle kann mit der originalen Passfeder ausgewuchtet und geliefert werden. Ein Probelauf (ohne Riemenscheibe) zeigt, ob richtig ausgewuchtet wurde (ohne Änderung an der Passfeder). Ein aufgesetztes Teil – separat, ohne Passfeder ausgewuchtet – kann unterschiedliche Nabenbreiten haben; der Auswuchtzustand ist immer in Ordnung.
Nachteile: • •
Für die ganze Passfeder muss am Rotor ein Unwuchtausgleich durchgeführt werden, der bei großem Wellenüberhang und/oder schmalem Ausgleichsebenenabstand Probleme bereiten kann. Bei wellenelastischen Rotoren (s. Kap. 4) können unzulässig große Anregungen der Biegeeigenformen entstehen.
7.3.2 Welle mit halber Passfeder Diese Methode, die früher vor allem in USA Verwendung fand, ist heute auf internationaler Ebene standardisiert (DIN ISO 8821). Hier sind die Vor- und Nachteile gegenüber Abschn. 7.3.1 gerade vertauscht. Vorteile: • •
kein unnötiger Ausgleich an den Teilen, keine unnötige Anregung der Biegeeigenformen.
Nachteile: • • •
spezielle Passfedern zum Auswuchten erforderlich, spezielle Passfedern bei Probelauf; speziell konturierte Passfedern erforderlich, wenn Nabenlänge abweichend von Länge der Passfeder.
106
7 Verfahren zum Auswuchten starrer Rotoren
DIN ISO 8821 verlangt eine Kennzeichnung der Teile entsprechend der angewandten Methode, damit beim Paaren von Teilen keine unangenehmen Überraschungen auftreten. 7.3.3 Einfluss auf den Unwuchtzustand Bei einem typischen Elektroanker bedeutet die volle Passfeder eine Unwucht, die einer Schwerpunktsexzentrizität von etwa 10 μm entspricht (abhängig von Massen und Geometrie kann es im Einzelfall weniger oder mehr sein). Das bedeutet, dass die Passfeder beim Auswuchten erfasst werden sollte, wenn die zulässige spezifische Restunwucht kleiner als 30 μm ist, also z.B. bei Gütestufe G 6,3 und einer Betriebsdrehzahl von mehr als 2 000 min-1. Man kann daraus aber auch abschätzen, wie genau die Passfeder dem Idealzustand entsprechen muss (s. Tabelle 7.1). Tabelle 7.1. Geschätzte zulässige Abweichung bei der Erfassung der Passfeder, in Abhängigkeit von der zulässigen Schwerpunktsexzentrizität. Beispiel: Elektroanker ezul Abweichung
[μm]
30
10
3
1
[%]
< 100
< 30
< 10