Martin StoBlein Anspruchsgruppenkommunikation
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Martin StoBlein
Anspruchsgruppenkommunika...
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Martin StoBlein Anspruchsgruppenkommunikation
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Martin StoBlein
Anspruchsgruppenkommunikation Wertorientierte Gestaltungsmoglichkeiten mitwissensbasierten Stakeholder-lnformations-Systemen
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Mertens
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnetdiese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detailllerte bibliografische Daten sind im Internet iJber abrufbar.
Dissertation Universitat Eriangen-Nurnberg, 2006 n2
l.AuflageOktober2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat Brigitte Siegel / Ingrid Walther Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media, www. duv.de Das Werk einschlieSlich aller seiner Telle ist urheberrechtllch geschijtzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulasslg und strafbar. Das gilt Insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezelchnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Umschlaggestaltung: Regine ZImmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei geblelchtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0444-1 ISBN-13 978-3-8350-0444-3
Geleitwort Schon sehr lange betreiben Untemehmen systematisch Public Relations. Jedoch fiihren ein Bedarfssog, z. B. in Gestalt vieler jiingerer gesetzlicher Auflagen, und ein Technologiedruck durch zahlreiche Weiterentwicklungen der IT, vor allem des World Wide Web und der Personalisierung, dazu, dass das Thema voUig neu iiberdacht werden muss. So entstand der Begriff „Stakeholder-Informations-Systeme" (SIS). Um die Beziehungen zu Anspruchsberechtigten systematisch im Netz zu gestalten, gewinnen derartige Systeme signifikant an Bedeutung fur das Top-Management. Die Arbeit schliefit eine merkliche Liicke zwischen der Lehre von der Untemehmensfiihrung und der Wirtschaftsinformatik. Mit viel Geduld und Gnindlichkeit hat Martin StoBlein den Stand der SIS in Untemehmen herausgearbeitet. Das Potenzial der luK-Technik wurde bis dato noch wenig ausgeschopft, wie insbesondere die im Buch beschriebenen Pannen in der Krisenkommunikation zeigen. Uber die Jahre hinweg konnte man allerdings auch vereinzelt vorbildliche Losungen fmden. Der Ermittlung des Informationsbedarfs der zahlreichen Anspruchsberechtigten von Unternehmen unterschiedlicher Lebensphasen, Wirtschaftszweigen, Branchen und Betriebstypen widmet sich Herr StoBlein mit groBer Liebe zum Detail. Die wesentlichen Einflussfaktoren auf die Informationsbedarfe werden in einem Bezugsrahmen komprimiert dargestellt. Indem der Verfasser verschiedene Arten von Expertensystemen und lemenden Systemen einsetzt, erreicht er, dass sich SIS automatisch an Situationen, Rollen sowie an personliche Eigenschaften eines Anspruchsberechtigten anpassen. Ftir diesen Zweck fiihrt er bewahrte und aktuelle Entwicklungen aus der Wirtschaftsinformatik und der Keminformatik erfolgreich zusammen, wie etwa Expertise-Systeme, Text Mining, Web Usage Mining, Collaborative Filtering, CDL4-Algorithmus, Situierung, Individualisierung, Management Cockpits, und weiB diese - dank seiner Wissensbreite und seines Gesptirs ftir den praktischen Nutzen geschickt zu kombinieren und zielfiihrend umzusetzen. Die vielfaltigen Gestaltungsoptionen des Systems kann der Leser in morphologischen Kasten rasch erkennen. Die professionelle Funktionsweise des Systems wird an zahlreichen Grafiken und Beispielen veranschaulicht.
Geleitwort
Somit kann das Buch zum Einen von Praktikem genutzt werden, um ein eigenes SIS zu konzipieren und zu realisieren. Sie werden viele wertvolle Anregungen sowohl zu den an die Stakeholder auszustrahlenden Inhalten in Form von Checklisten als auch zu IT-Bausteinen finden. Zum Anderen liefert die Schrift auch einen wichtigen und innovativen Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion uber situierte und individualisierte Informationssysteme fur die Untemehmensfuhrung. Ich wiinsche der Arbeit eine groBe Leserschaft.
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Mertens
„ Was wir nicht kommunizieren konnen, konnen wir auch nicht realisieren. " (Prof. Dr. Jiirgen Strube, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der BASF AG)
Vorwort
Das Untemehmensumfeld hat sich durch das Internet verandert: Einerseits konnen sich Anspruchsgruppen, wie etwa Kunden, Lieferanten oder Investoren, einfach und schnell iiber Betriebe informieren, sie kontaktieren und gleich Gesinnte erreichen. Betrieben bietet sich andererseits die Moglichkeit, ihre Anspruchsgruppen gezielter zu beeinflussen, deren Informationsbedarfe „treffsicherer" zu befriedigen und dadurch die Beziehung zu ihnen systematischer zu gestalten. Beispiele zeigen allerdings, dass die Untemehmensflihrung mit dieser Aufgabe haufig uberfordert ist. Das Ziel der Arbeit ist es, einen Erkenntnisfortschritt zur situierten und individualisierten Anspruchsgruppenkommunikation im Netz zu leisten. Betriebe konnen damit erhebliche Wettbewerbsvorteile entlang ihrer Wertschopfungskette der Informationslogistik erzielen. Im Wesentlichen werden folgende Losungsvorschlage fur Untemehmen vorgestellt: O Situierte, roUenorientierte und personalisierte Informationen und vorgefertigte Nachrichten fiir mehrere Hundert Adressaten und Situationen („Business Content") © Wissensbasiertes Werkzeug zur Umsetzung des rechnergestiitzten Stakeholder Relationship Managements (System zum Aufbau von „Stakeholder-Informations-Leitstanden") Die Ergebnisse des Buches helfen Untemehmen, ein Informationssystem zu betreiben, welches sich automatisch an Situationen, Anspruchsberechtigte und ihre Rollen sowie an personliche Eigenschaften und Vorlieben der Benutzer anpasst. Produktivitatsfortschritte werden durch „sinnhafte Vollautomation" erreicht. Die Erkenntnisse der Arbeit sind ein Schritt, um Anspruchsberechtigten weder ein Unter- noch ein Uberangebot von Informationen im Netz zu prasentieren, sondem diese richtig zu „dosieren". Zum Projektende iibemehme ich die angenehmste Aufgabe, meine Verbundenheit zu meinen Anspruchsberechtigten auszudriicken: Aufrichtigen Dank spreche ich meinem verehrten akademischen Lehrer und Doktorvater Prof Dr. Dr. h.c. mult. Peter Mertens aus. Sein Weitblick, seine wertvollen Anregungen und sein unvergleichlicher Scharfsinn haben zum Gelingen dieses Buches genauso beigetragen wie die produktive und von akademischer Freiheit gepragte Arbeitsatmosphare an seinem Lehrstuhl der Friedrich-Alexander-Universitat ErlangenNiimberg. Femer danke ich Prof Dr. Harald Hungenberg (Bereich Untemehmensfuhrung) fiir die ziigige Erstellung des Zweitgutachtens und far erhaltene Motivationsschtibe sowie Prof. Dr. Kai-Ingo Voigt (Bereich Industriebetriebslehre) und Prof Dr. h.c. Werner Lachmann Ph.D. (Bereich Wirtschafts- und Entwicklungspolitik) als Prufer in meinem Rigorosum.
VIII
Vorwort
Zur Abrundung des relativ neuen Forschungsgebiets der Stakeholder Information Systems waren Probleme, Ideen und Erfahrungen von Kooperationspartnem unerlasslich. Den zahlreichen Vertretem von Bain & Company, Rodl IT-Consulting GmbH (Kunde: Deutsche Post), SAP, Siemens und Siemens Business Services sei fur ihre Zeit in gemeinsamen Projekten und ihre Ruckmeldungen zu Denkmodellen herzhch gedankt. Stellvertretend mochte ich den fruchtbaren Gedankenaustausch mit Herm Dr. Wolfgang Faisst erwahnen. Die Nahe zur Praxis war ein entscheidender Erfolgsfaktor des Dissertationsprojektes. Weiterhin danke ich meinen Kolleginnen und Kollegen des Lehrstuhls und der Forschungsverbiinde FORWISS, FORSIP und FORWIN fur ihre konstruktive Kritik und fiir gemeinsame Bowling-Wettkampfe, und hier vomehmlich Dr. Dina Barbian, Dr. Andreas Billmeyer, Dr. Gerald Butterwegge, Dr. Thomas Franke, Dr. Michael Friedrich, Dr. Jom Grofie-Wilde, Dr. Philip Hartmann, Dr. Michael Hau, Herm Ralph Horstmann, Dr. Habib Lejmi, Herm Steffen Reichmaim, Dr. Jochen Speyerer, Dr. Raimer Studt, Dr. Momme Sturken, Dr. Andrew Zeller und Herm Thomas Zeller. Femer erhielt ich kontinuierliche Unterstutzung von den Damen Olga Hein, Waltraud Riick, Hermiona-Louise Schwarzmann und von Herm Elmar Dolgener. In den Dank mochte ich auch die mehr als 65 Studentinnen und Studenten aus Diplom-, Studien-, Seminar- und Projektarbeiten sowie wissenschaftlichen Hilfskrafte einschliefien, welche dazu beitmgen, die Ideen des rechnergestiitzten Stakeholder Relationship Managements umzusetzen. Zu nennen sind insbesondere die Herren Jiirgen Gamenik, Andreas Hadert, Martin Samberger und Jorg Strebel. Dieses Vorwort ware unvollstandig, ohne liebenswiirdigen Personen aus meinem personlichen Umfeld auBerordentlich zu danken, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben: Georg fur seine Sapientia und seine uneingeschrankte Hilfe in alien meinen Lebenslagen, Ursula und Gerhard fxir ihren Riickhalt und ihre Nervenkraft, und meiner lieben Melanie, die mich in meinem wissenschaftlichen Streben stets ermutigt hat. Ihr widme ich diese Arbeit. Ich wiinsche mir, dass dieses Buch einen kleinen Beitrag zur Entwicklung der situierten und individualisierten Anspmchsgmppenkommunikation und entsprechender automatisierter Informationssysteme ftir die Untemehmensfuhmng liefem kann und dass der Leser niitzliche Anhaltspunkte fur seine Arbeit gewinnt. Weitere Informationen, wie etwa PrSsentationen, VerOffentlichungen, Checklisten sowie ausgewahlte gute und schlechte Losungen der Anspmchsgmppenkommunikation, findet man unter: http://www.aidar.de. Selbstverstandlich bleibe ich ftir eventuell noch vorhandene Fehler verantwortlich. Martin StoBlein
Inhaltsverzeichnis ABKURZUNGSVERZEICHNIS
1
2
EiNLEITUNG
1
1.1
AUSGANGSLAGE UND P R O B L E M S T E L L U N G
1
1.2
FORSCHUNGSZIELE UND-METHODIK
2
1.3
AuFBAU DER A R B E I T
4
INNOVATIONSPOTENZIAL VON S T A K E H O L D E R - I N F O R M A T I O N S - S Y S T E M E N 2.1
2.2
BEDARFSSOG
5
2.1.2
Informationsanspriiche
7
2.1.3
Informationspflichten
9
2.1.4
Krisenkommunikation
10
2.1.5
Rationalisierung
10
TECHNOLOGIEDRUCK
11
Internet
11
2.2.2
Informationsfilterung
12
2.2.3
Ausreifling der Datenlager
12
STAKEHOLDER RELATIONSHIP MANAGEMENT
13 13
3.1.1
Grundlagen
13
3.1.2
Anliegen und Abgrenzungen
16
3.1.2.1 3.1.2.2 3.1.2.3 3.1.2.4 3.1.2.5 3.1.2.6 3.2
5
Beitrag zum Untemehmenserfolg
KOMMUNIKATIONSORIENTIERTES ANSPRUCHSGRUPPEN-MANAGEMENT 3.1
5
2.1.1
2.2.1
3
XV
Kunden Lieferanten Mitarbeiter Gesellschaftliche Umwelt Anteilseigner Fremdkapitalgeber
STAKEHOLDER-INFORMATIONS-SYSTEME
3.2.1
Grundlagen
3.2.2
Anliegen und Abgrenzungen
3.2.2.1 Situierung
17 18 19 20 21 22 23
23 24 29
X
Inhaltsverzeichnis
3.2.2.2 Individualisierung 3.2.2.2.1 Stakeholder-Orientiemng 3.2.2.2.2 Personalisiemng 3.3
BEZIEHUNGSORIENTIERTE ORGANISATION
Grundlagen
35
3.3.2
Anliegen und Abgrenzungen
36
3.4
BEZIEHUNGSORIENTIERTES KOMMUNIKATIONS-CONTROLLING
36 37 37
3.4.1
Grundlagen
37
3.4.2
Anliegen und Abgrenzungen
37
3.4.2.1 Investitionsplanung und-koordination 3.4.2.2 Investitionskontrolle BESTANDSAUFNAHME 4.1
I N F O R M A T I O N S B E D A R F , - A N G E B O T UND-NACHFRAGE
39 40 .....41 42
4.1.1
Situierung
42
4.1.2
Individualisierung
50
4.1.2.1 Stakeholderorientierte Informations bedarfe 4.1.2.2 Benutzerspezifische Informations aufbereitung
50 55
4.1.3
Informationspflichten
59
4.1.4
Kommunikation
60
4.1.5
Datenquellen
64
SOFTWARE-PRODUKTE
64
4.2
4.2.1
Situierung
66
4.2.2
Individualisierung
66
4.2.2.1 Stakeholderorientierte Informations bedarfe 4.2.2.2 Benutzerspezifische Informations aufbereitung
66 68
4.2.3
Informationspflichten
68
4.2.4
Kommunikation
68
4.2.5
Datenquellen
69
4.3
5
35
3.3.1
3.3.2.1 Aufbauorganisation 3.3.2.2 Ablauforganisation
4
32 32 34
FAZIT
INFORMATIONSLOGISTISCHELEITIDEEN 5.1
REFERENZMODELLIERUNG
69
71 71
Inhaltsverzeichnis
6
5.2
STUFEN DER PERSONALISIERUNG - „PERSONALISIERUNGSTRIADE"
73
5.3
AUFGABEN DES SIS-LEITSTANDS
74
5.3.1
Distribution von Informationen
76
5.3.2
Ermittlung von Meinungen
78
5.3.3
Bearbeitung von Anfragen
78
5.3.4
Integration von Daten
79
AIDAR - EiN SYSTEM ZUR AUBEN- UND INNENDARSTELLUNG VON UNTERNEHMEN .... 81 6.1 6.2
7
XI
ANFORDERUNGEN TECHNISCHER ENTWURF
81 81
6.2.1
Gesamtarchitektur
81
6.2.2
Implementiemngsumgebung
83
6.3
ROLLENMODELL DES SIS-LEITSTANDS
83
6.4
ABLAUF DER SYSTEMENTWICKLUNG
84
INFORMATIONSMODELLE 7.1
7.2
7.3
KUNDEN
85 85
7.1.1
Rollen
85
7.1.2
Situierte Informationsbedarfe
86
7.1.3
Individuelle Informationsbedarfe
87
7.1.4
Informationspflichten
88
7.1.5
Kommunikationsbedarfe
89
LlEFERANTEN
90
7.2.1
Rollen
90
7.2.2
Situierte Informationsbedarfe
91
7.2.3
Individuelle Informationsbedarfe
91
7.2.4
Informationspflichten
92
7.2.5
Kommunikationsbedarfe
92
MiTARBEITER
93
7.3.1
Rollen
93
7.3.2
Situierte Informationsbedarfe
94
7.3.3
Individuelle Informationsbedarfe
94
7.3.4
Informationspflichten
95
XII
Inhaltsverzeichnis
7.3.5 7.4
GESELLSCHAFTLICHE UMWELT
97
Rollen
97
7.4.2
Situierte Informationsbedarfe
97
7.4.3
Individuelle Informationsbedarfe
98
7.4.4
Informationspflichten
99
7.4.5
Kommunikationsbedarfe
ANTEILSEIGNER
101 101
7.5.1
Rollen
101
7.5.2
Situierte Informationsbedarfe
102
7.5.3
Individuelle Informationsbedarfe
103
7.5.4
Informationspflichten
105
7.5.5
Kommunikationsbedarfe
107
7.6
9
96
7.4.1
7.5
8
Kommunikationsbedarfe
FREMDKAPITALGEBER
108
7.6.1
Rollen
108
7.6.2
Situierte Informationsbedarfe
109
7.6.3
Individuelle Informationsbedarfe
110
7.6.4
Informationspflichten
111
7.6.5
Kommunikationsbedarfe
112
DATENQUELLEN
113
8.1
KUNDEN
113
8.2
LlEFERANTEN
114
8.3
MiTARBEITER
114
8.4
GESELLSCHAFTLICHE UMWELT
115
8.5
ANTEILSEIGNER
116
8.6
FREMDKAPITALGEBER
116
KOMPONENTEN 9.1
117
KONFIGURATOR
9.1.1
Informationsmodelle und Datenquellen
9.1.1.1 Funktionsweise 9.1.1.2 Wissensingenieur-Sicht
117
117 117 118
Inhaltsverzeichnis
9.1.2
Filter
9.1.2.1 9.1.2.2 9.1.3 9.2
119
Funktionsweise Wissensingenieur-Sicht
Erweitemngen
GENERATOR
9.2.1
125
Nachrichten-Generator
126
Funktionsweise
9.2.1.2
Leitstandspersonal-Sicht
127
9.2.1.3
Stakeholder-Sicht
128
Portal-Generatoren
9.2.2.1 Rollen-Portal 9.2.2.1.1 Funktionsweise 9.2.2.1.2 Leitstandspersonal-Sicht 9.2.2.1.3 Stakeholder-Sicht 9.2.2.2 Ereignis-Portal 9.2.2.2.1 Funktionsweise 9.2.2.2.2
Leitstandspersonal-Sicht
9.2.2.2.3 Stakeholder-Sicht 9.2.2.3 Benutzer-Portal
126
129 129 129 130 130 131 131 132 132 133
9.2.2.3.1
Funktionsweise
133
9.2.2.3.2
Stakeholder-Sicht
133
9.2.3
Fragebogen-Generator
135
9.2.4
Erweitemngen
135
ADMINISTRATOR
9.3.1
Rollen-ZBenutzerverwaltung
136
136
9.3.1.1
Funktionsweise
136
9.3.1.2 9.3.1.3
Leitstandspersonal-Sicht Stakeholder-Sicht
137 137
9.3.2
Vorlagen-Erzeugung
138
9.3.2.1
Funktionsweise
138
9.3.2.2
Leitstandspersonal-Sicht
141
9.3.3 9.4
125
9.2.1.1
9.2.2
9.3
119 122
Erweitemngen
KOMMUNIKATOR 9.4.1
Anliegenbearbeitung
142 143 143
9.4.1.1
Funktionsweise
143
9.4.1.2
Leitstandspersonal-Sicht
147
9.4.1.3
Stakeholder-Sicht
148
9.4.2
Selbstberatung
148
XIV
Inhaltsverzeichnis
9.4.2.1 Funktionsweise 9.4.2.2 Leitstandspersonal-Sicht 9.4.2.3 Stakeholder-Sicht 9.4.3 Schwarzes Brett
148 149 150 150
9.4.4
151
9.5
Erweitemngen
STAKEHOLDER-CONTROLLING
9.5.1
Adaptor
152
152
9.5.1.1 Funktionsweise 9.5.1.2 Leitstandspersonal-Sicht 9.5.1.3 Stakeholder-Sicht 9.5.2 Analysator
152 154 155 157
9.5.2.1 Funktionsweise 9.5.2.2 Leitstandspersonal-Sicht 9.5.3 Erweitemngen
157 159 161
9.6
EVALUATOR
9.6.1
Initiator
162 162
9.6.1.1 Funktionsweise 9.6.1.2 Management-Sicht 9.6.2 Scorecard Monitor
162 164 165
9.6.2.1 Funktionsweise 9.6.2.2 Management-Sicht 9.6.3 Erweitemngen
165 167 167
10 SiTUIERTE UND INDIVIDUALISIERTE P R O J E K T - W E B S I T E A I D A R
169
10.1
FUNKTIONSWEISE
169
10.2
ADMINISTRATOR-SICHT
170
10.3
BENUTZER-SICHT
170
11 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
175
11.1 ZUSAMMENFASSUNG
175
11.2 ENTWICKLUNG DER WIRTSCHAFTSINFORMATISCHEN FORSCHUNG
176
LiTERATURVERZEICHNIS
179
Abkiirzungsverzeichnis 3PL
Third Party Logistics Provider
4 P's
Product, Price, Place, Promotion
4PL
Fourth Party Logistics Provider
5 I's
Interaktion, Integration, Information, Investition, Individualisierung
AG
Aktiengesellschaft
AIDAR
AuBen- und Innendarstellung von Untemehmen
AktG
Aktiengesetz
AMG
Gesetz iiber den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz)
AnSVG
Anlegerschutzverbesserungsgesetz
ARFF
Attribute Relation File Format
ASP
Active Server Page
B2B
Business-to-Business
BAG
Bundesarbeitsgericht
Basel II
Richtlinie des Basler Ausschusses fur Bankenaufsicht II
BCH
Bose Chaudhuri Hocquenghem
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz
BGB
Burgerliches Gesetzbuch
BGH
Bundesgerichtshof
BGV
Berufsgenossenschafts-Verordnung
BLEVE
Boiling Liquid Expanding Vapour Explosion
BlmSchV
Verordnung zur Durchfiihrung des Bundesemissionsschutzgesetzes
BorsG
Borsengesetz
BPEL
Business Process Execution Language for Web Services
BSC
Balanced Scorecard
BSE
Bovine Spongiforme Enzephalopathie
BVG
Bundesverfassungsgericht
C
Kontingenzkoeffizient
CAFM
Computer Aided Facility Management
CAM
Computer Aided Manufacturing
CBR
Case-based Reasoning
Abkiirzungsverzeichnis
XVI
ceo
Chief Communication Officer
CDAX
Composite DAX
CDL4
Complementary Discrimination Learning
CEO
Chief Executive Officer
CF
Collaborative Filtering
CFO
Chief Financial Officer
ChemG
Gesetz zum Schutz vor gefahrlichen Stoffen (Chemikaliengesetz)
CIM
Computer Integrated Manufacturing
CIO
Chief Information Officer
CMS
Content-Management-System
CobiT
Control Objectives for Information and related Technology
COM+
Component Object Model
CRM
Customer Relationship Management
CSV
Comma Separated Values
DATEV
Datenverarbeitung und Dienstleistung fiir den steuerberatenden Beruf eG
DAX
Deutscher Aktienindex
DiatV
Verordnung iiber diatische Lebensmittel (Diatverordnung)
DIHK
Deutscher Industrie- und Handelskammertag
DIN
Deutsche Industrie-Norm
DiViCom
Diffusion und betriebswirtschaftliche Nutzeffekte von Virtual Communities
DOW
Dow Jones Index
DP AG
Deutsche Post AG
DRS
Deutscher Rechnungslegungsstandard
DSL
Digital Subscriber Line
DVFA
Deutsche Vereinigung fiir Finanzanalyse und Anlageberatung
ECA
Event Condition Action
EDV
Elektronische Datenverarbeitung
EEG
Gesetz uber den Vorrang Emeuerbarer Energien (Emeuerbare-EnergienGesetz)
EG
Europaische Gemeinschaft
eHR
electronic Human Resource
EN
Europaische Norm
A bkurzungsverzeichnis
ERM
Entity Relationship Model
ERP
Enterprise Resource Planning
EstG
Einkommensteuergesetz
ETL
Extraktion, Transformation und Laden
EU
Europaische Union
EuGH
Gerichtshof der Europaischen Gemeinschaft (Europaischer Gerichtshof)
EVA
Economic Value Added
FAQ
Frequently Asked Questions
FASB
Financial Accounting Standards Board
XVII
FAZ
Frankfurter AUgemeine Zeitung
FKG
Fremdkapitalgeber
FORSIP
Bayerischer Forschungsverbund fur Situierung, Individualisierung und Personalisierung in der Mensch-Maschine-Interaktion
FORWIN
Bayerischer Forschungsverbund Wirtschaftsinformatik
FORWISS
Bayerisches Forschungszentrum fiir Wissensbasierte Systeme
FU
Freie Universitat
FuE
Forschung und Entwicklung
GewO
Gewerbeordnung
GG
Grundgesetz
GM
General Motors
GmbH
Gesellschaft mit beschrankter Haftung
GmbHG
Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschrankter Haftung (GmbHGesetz)
GuV
Gewinn- und Verlustrechnung
GWG
Geldwaschegesetz
HGB
Handelsgesetzbuch
HOAI
Honorarordnung far Architekten und Ingenieure
HP
Hewlett-Packard
HTML
Hypertext Markup Language
HV
Hauptversammlung
IAS
International Accounting Standards
IBM
International Business Machines
IC
Intellectual Capital
A bkiirzungsverzeichnis
I-K-P
Infrastruktur-Kostenart-Proj ekt
IP
Internet Protocol
IPO
Initial Public Offering
IR
Investor Relations
ISO
International Organization for Standardization
IT
Informationstechnologie
luK
Information und Kommunikation
IV
Informationsverarbeitung
JPEG
Joint Photography Experts Group
KfW
Kreditanstalt fur Wiederaufbau
KI
Kunstliche Intelligenz
KMU
Kleine und mittlere Untemehmen
KSchG
Kundigungsschutzgesetz
KuMaKV
Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation
KWG
Gesetz iiber das Kreditwesen (Kreditwesengesetz)
LAG
Landesarbeitsgericht
LCD
Liquid Crystal Display
LKW
Lastkraftwagen
LZB
Landeszentralbank
MAC
Media Access Control
MDAX
Mid Cap DAX
MDStV
Mediendienstestaatsvertrag
MIS
Management-Informations-System
MIT
Massachusetts Institute of Technology
MitbestG
Gesetz uber die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz)
MPG
Gesetz iiber Medizinprodukte
MS
Microsoft
NCR
National Cash Register
NEMAX
Neuer-Markt-Index
NOPAT
Net Operating Profit after Taxes
ODBC
Open Database Connectivity
A bkiirzungsverzeichnis
OLAP
Online Analytical Processing
OLG
Oberlandesgericht
P.u.K-System Planungs- und Kontroll-System PC
Personal Computer
PDF
Portable Document Format
PDM
Product Data Management
PPS
Produktionsplanung und -steuerung
PR
Public Relations
ProdsG
Gesetz zur Regelung der Sicherheitsanforderungen an Produkte und zum Schutz der CE-Kennzeichnung (Produktsicherheitsgesetz)
PROLOG
Programming in Logic
PublG
Publikationsgesetz
RAVE
Integrated Value Management for Customer, Human, Supplier and Invested Capital
REACH
Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals
RFC
Remote Function Call
RIT
Rodl IT-Consulting
RM
Relationship Management
Rn
Randnummer
ROI
Return on Investment
RSS
Rich Site Summary
SA
Social Accountability
SAP
Systeme, Anwendungen, Produkte in der Datenverarbeitung
SBB
Schweizerische Bundesbahnen
SCM
Security Configuration Manager
SDAX
Small-Cap-Index
SEC
Securities and Exchange Commission
SEM
Strategic Enterprise Management
SGB
Sozialgesetzbuch
SIPKIS
Situierung, Individualisierung und Personalisierung in kundenzentrischen Informationssystemen
SIPRUM
Situative und personalisierte RoUen- und Untemehmensmodellierung
SIS
Stakeholder-Informations-System
Abkiirzungsverzeichnis
XX
SMAX
Small-Cap-Exchange
SMS
Short Message Service
SOAP
Simple Object Access Protocol
SOM
Self-Organizing Maps
SOP
Standard Operating Procedure
SQL
Structured Query Language
SRM
Stakeholder Relationship Management
SVM
Support Vector Machine
TDG
Teledienstegesetz
TecDAX
Technologie-Index
TRS
Total Return to Shareholders
TUI
Touristik Union International
UrhG
Deutsches Urhebergesetz
URL
Uniform Resource Locator
US-GAAP
United States Generally Accepted Accounting Principles
UWG
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
VDI
Verein Deutscher Ingenieure
VerkProspG
Verkaufsprospektgesetz
VO
Vollzugsordnung bzw. Verordnung
WACC
Weighted Average Cost of Capital
WEKA
Waikato-Environment for Knov^ledge-Analysis
WFMS
Workflow-Management-System
W-LAN
Wireless-Local Area Network
WM
Weltmeisterschaft
WpHG
Wertpapierhandelsgesetz
WpUG
Gesetz zur Regelung von offentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Untemehmensubemahmen (tjbemahmegesetz)
XBRL
Extensible Business Reporting Language
Xetra
Exchange Electronic Trading
XML
Extensible Markup Language
XSL
Extensible Stylesheet Language
1 1.1
Einleitung Ausgangslage und Problemstellung
Informationsstand und Informationssysteme zahlen zu den klassischen Themen der Wirtschaftsinformatik. Deshalb werden seit Langerem Losungen gesucht, wie exteme Informationen beschafft, gefiltert, mit intemem Wissen zusammengefuhrt, gespeichert, verteilt und wieder gefunden werden konnen [MeSt03]. Als die Umkehrung der klassischen ManagementInformations-Systeme (MIS^) konnte man Stakeholder-Informations-Systeme (SIS) [StoBOl] bezeichnen (vgl. Bild 1): Adressaten der Informationsversorgung sind die Anspruchsberechtigten des Untemehmens. Diese haben seit Mitte der 90er Jahre die Moglichkeit, per Internet mit gleich Gesinnten oder Betrieben Kontakt in virtueller Form aufzunehmen. Miihsames Bestellen von Kundenzeitschriften, Umwelt- und Geschaftsberichten entfallt. Informationen sind „nur einen Klick" entfemt. Allerdings lasst sich dadurch von Untemehmensseite kaum noch steuem, wer was in welcher Form kommuniziert („Netz-Klatsch").
Bild 1: SIS als Umkehr von MIS
In vielen Untemehmen treten zahlreiche Storungen und Pannen bei der Anspruchsgruppenkommunikation im Netz auf. Gerade die Grundungsuntemehmen des ehemaligen Neuen Marktes igelten sich in Krisen formlich ein und betrieben u. W. keine aktive Krisenkommunikation. Die Problemlage ist in Bild 2 pointiert dargestellt. Die Aussagen werden in spateren Kapiteln ausfiihrlich erlautert. Diese Probleme fuhren nicht nur zu Fehlentscheidungen und Unzufriedenheit von Anspruchsberechtigten - sie konnen sich auch auf die Primarziele eines Untemehmens auswirken: Die Untemehmensreputation leidet, moglicherweise bricht der Aktienkurs ein. In der Theorie fehlt die geschlossene Darstellung der (beziehungsorientierten) Anspruchsgruppenkommunikation im Netz. Systematische Ansatze, wie die Informationsversorgung von Anspruchsgruppen „sinnhaft voUautomatisiert" [Mert95a, 48-50] werden kann, sind kaum zu erkennen.
Um den Lesefluss nicht zu sehr zu storen, werden gebrauchliche Kiirzel nur im Abkiirzungsverzeichnis erlautert.
1 Einleitung
Bild 2: Stomngen der Anspruchsgruppenkommunikation im Netz (Ishikawa-Diagramm)
1.2
Forschungsziele und -methodik
Wie konnen kleine und mittlere Untemehmen ihre Beziehungen zu Anspruchsberechtigten im Netz verbessem? Die vorliegende Arbeit prasentiert konkrete Losungsbausteine, die sowohl Inhalte als auch Techniken der Informationsverarbeitung (IV) umfassen. Von den Erkenntnissen konnen allerdings auch GroBuntemehmen profitieren. O Das Erkenntnisziel besteht darin, die Einflussfaktoren auf die Informationsbedarfe von Anspruchsgruppen mit ihren Interdependenzen zu untersuchen bzw. zu modellieren: Zu welchen Anlassen benotigen Anspruchsgruppen Informationen? Welche Informationen brauchen Stakeholder ftir ihre Anspruche, Entscheidungen und Aufgaben? Welche intemen und externen Datenquellen sind wie anzubinden? Wie konnen die Anliegen von Anspruchsgruppen bearbeitet werden? Ein weiteres Ziel ist es, prototypische Anwendungen fxir StakeholderInformations-Systeme zu entwickeln, die der „sinnhaften VoUautomation" entsprechen. Wie lassen sich etwa roUenbasierte Stakeholder-Portale oder Nachrichten erstellen? Welche Verfahren eignen sich, die Informationskategorien an die personlichen Eigenschaften eines Anspruchsberechtigten wahrend des laufenden Betriebs anzupassen? © Das Erkenntnisinteresse lasst sich vor allem phanomenal und aktional einordnen (vgl. Bild 3). Deshalb wurden einerseits faktische Gegebenheiten gesucht und geeignete Hypothesen aufgestellt, andererseits - teilweise mit Projektpartnem - Prototypen umgesetzt. Durch die aktive Beteiligung am Geschehen erganzte man die Position des objektiven Beobachters [McKe96; Eber99, 22-58]. © Themen mit „Pilotcharakter", die wie das vorliegende noch nicht erschopfend behandeh
^ Aus Grunden der Einfachheit und Kurze wird in dieser Arbeit nur die mannliche Form verwendet.
1 Einteitung
wurden, profitieren besonders von Beobachtungen („Grounded Theory"; vgl. [SterSO; StCo90]). Daher haben wir in einem ersten Schritt das Explanandum von festen Regeln, etwa den in Deutschland geltenden Gesetzen, abgeleitet. Das Ergebnis sind die so genannten Informationspflichten. Des Weiteren wurden die zahlreichen Zusammenhange zwischen Untemehmenstypen und Informationsbedarfen gesammelt und interpretiert. Dazu analysierten wir beispielsweise laufend Websites und Newsletter. Auf diese Weise lieB sich erkennen, wie Untemehmen auf die sich rasch andemden Informationsanspriiche, die etwa in Krisensituationen entstehen, im Internet reagieren. Durch diese kombinierte Herangehensweise wurde versucht, die Nachteile der jeweils isoliert betrachteten Erkenntniswege zu minimieren. Anhand der Situierungs- und Individualisierungseinflusse wurde ein Bezugsrahmen aufgebaut, mit dem man die Informationsanspniche analytisch bestimmen konnte. Auch Expertenmeinungen flossen in die Arbeit ein, wie etwa aus Diskussionsrunden [Baet03] oder aus Interviews mit Leitem der Untemehmenskommunikation [Schw02] und mit Verantwortlichen fiir den Stakeholder-Dialog [Pleo04]. Femer waren die Erfahrungen von Analysten [Schn03a] und Aufsichtsraten [Deut95] oder Einschatzungen von Experten der Risiko- und Krisenkommunikation [Brau03] eine Hilfe. O Es ist eines unserer Anliegen, Wissen fur die Praxis zu schaffen. Deshalb wurden die Hypothesen iiber Informationsbedarfe von Anspruchsberechtigten in Checklisten abgebildet und mit ausgewahlten Experten besprochen. Diese Arbeit schlieBt sich dem fiir die Wirtschaftsinformatik bedeutsamen Paradigma der „Forschung durch Entwicklung" an: Ein funktionaler Prototyp wurde in mehreren Stufen realisiert, um die Funktionalitat des Systems unter Beweis zu stellen. Dabei boten die Praxiskontakte zu Bain & Company Germany, Inc., Rodl IT-Consulting GmbH (und damit indirekt zur Deutschen Post AG), SAP AG, Siemens AG und Siemens Business Services GmbH & Co. OHG eine gute Basis, um sich der Herausforderung sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus praktischer Sicht stellen zu konnen.
Bild 3: Forschungsmethodik (modifiziert nach [Eber99, 16])
1 Einleitung
1.3
Aufbau der Arbeit
Die Schrift gliedert sich in 11 Kapitel, wie das Bild 4 veranschaulicht. Nachdem die Probleme beschrieben wurden, haben wir die Erkenntnisziele aufgeftihrt. Die in Bild 3 dargestellte Forschungsmethodik zeigt, wie Vorschlage ftir die Praxis erarbeitet worden sind. Kapitel 2 setzt sich mit dem Innovationspotenzial von SIS auseinander: Wodurch wird die Nachfrage nach derartigen Systemen gesteigert? Welche Technologien nahren die Entwicklung? Im Kapitel 3 Bild 4: Aufbau der Arbeit wird zunachst das rechnergesttitzte Stakeholder Relationship Management (SRM^) von anderen Beziehungsformen abgegrenzt. Darauf aufbauend arbeiten wir heraus, wie SIS funktionieren. AnschlieBend werden ausgewahlte Grundlagen, wie etwa zur Wirtschaftlichkeit, und eigene Ideen zum kommunikationsorientierten Anspruchsgmppen-Management prasentiert. Mit dem aktuellen Stand der Forschung und Entwicklung befasst sich Kapitel 4. Forschungsliicken werden mit eigenen Beobachtungen im Netz geschlossen, wofiir mehr als 2.100 Praxisbeispiele kritisch betrachtet wurden. Im Kapitel 5 richtet sich der Blick auf die informationslogistischen Leitideen von SIS. Ein analytischer Bezugsrahmen gliedert die Einflusse der Informationsbedarfe von Anspruchsgruppen. Zudem werden die Aufgaben eines SIS-Leitstands umrissen. Das Kapitel 6 erlautert den Entwurf des AIDAR (AuBen- und Innendarstellung von Untemehmen)-Systems, Kapitel 7 fasst die wesentlichen Ergebnisse der Informationsbedarfsanalysen zusammen, wahrend Kapitel 8 die Brucke zu den Datenquellen schlagt. Diese Beschreibung der Wissensbasis leitet zur Implementierung der einzelnen Komponenten der „AIDAR-Familie" iiber (Kapitel 9), welche die praktische Umsetzbarkeit demonstrieren. In Kapitel 10 wird die situierte und individualisierte Projekt-Website von AIDAR vorgestellt, auf der Berichte, Prasentationen, Checklisten und ausgewahlte Beispiele aus der Praxis bereitstehen. Das Kapitel 11 fasst zum einen wesentliche Erkenntnisse der Arbeit zusammen, zum anderen wird die Entwicklung der wirtschaftsinformatischen Forschung beleuchtet.
' Das Akronym wird in der Wirtschaftsinformatik-Literatur auch fiir „Supplier Relationship Management" benutzt.
2 Innovationspotenzial von Stakeholder-Informations-Systemen Treffen die Einflusse von Technologiedruck und von Bedarfssog zusammen (vgl. Bild 5), so ist dies nach der Innovationstheorie ein viel versprechender Indikator dafiir, dass eine Innovation entstehen und sich durchsetzen kann.
Bild 5: Zur Bedeutung von SIS
2.1 2.1.1
Bedarfssog Beitrag zum Unternehmenserfolg
Der Zusammenhang zwischen dem Wert eines Untemehmens und dessen KommunikationsmaBnahmen wurde bereits durch viele Studien aufgezeigt; entsprechend gewinnen SIS zunehmend an Bedeutung. Im Folgenden interessiert uns vor allem, was Anteilseigner und Fremdkapitalgeber hiervon halten. Da diese Untersuchungsergebnisse ein wesentlicher Aspekt fur die Einflihrung eines SIS sein konnen, werden mehrere Ergebnisse betrachtet und nach der Erhebungsmethode gegliedert. O Befragungen: Bereits Mitte der 70er Jahre kam eine Studie zu dem Ergebnis, dass etwa 40 % des Aktienwertes von der Untemehmenskommunikation und dem Image gepragt werden [BuFiOO, 38; KircOO, 32]. Auch jtingere Umfragen weisen in die gleiche Richtung: 2002 fand Edelman in einer Befragung von 100 Chief Financial Officers (CFOs) heraus, dass eine breiter angelegte Finanzkommunikation, welche die Arbeitnehmergruppen, Nicht-Regierungsorganisationen oder Medien einschliefit, zur Kurspflege unabdingbar ist [OV02a]. Besonders die Personen im Top-Management tragen zur Reputation bei, wie eine Befragung durch Burson-Marsteller ergab. Nahezu jeder Finanzanalyst macht seinen Aktienerwerb von der Wertschatzung abhangig, die er dem CFO entgegenbringt [Lord02], Der Ruf eines Untemehmens wird vor allem durch dessen Innovations- und Kommunikationsfahigkeit und weniger durch dessen fmanzwirtschaftliche GroBe aufgebaut [SchwOO; Schw03a]. Hierzu wertete Schwalbach die seit 1987 vom Manager Magazin jahrlich durchgeflihrten Reputations-Umfragen aus. Auch 257 befragte Vorstande und Aufsichtsratsvorsitzende erachteten Kommunikation und Informationstransparenz als die wichtigsten Einflussfaktoren auf das Untemehmensimage [Hill03].
2 Innovationspotenzial von Stakeholder-Informations-Systemen
Institutionelle Anleger sind der Ansicht (Befragungen vgl. [Arth99, 30; RoWoOO; Egge02]), dass eine hohe Qualitat der Investor-Relations-Arbeit mit einer uberdurchschnittlichen Aktienkursentwicklung korreliert (vgl. [HareOO, 115; EcWe02, 712]). Sie belohnen die offensive Informationsweitergabe i. S. d. Corporate Governance mit einer Pramie von bis zu 20 % auf den Borsenkurswert [McKiOO]. Eine starke positive Wechselbeziehung zwischen der Reputation und dem Verhaltnis von Preis und Ertrag belegte die Befragung von 4.000 Untemehmensfuhrem durch die Opinion Research Corporation [Morl02, 12-13]. Zu ahnlichen Ergebnissen kommen auch [FoSh90; RoDo97]. Dass sich Investitionen in das Ansehen eines Untemehmens lohnen, zeigt sich gerade nach Krisen: Angesehene Betriebe erholen sich rascher als andere [RoDo02]. Dies bekraftigt eine Auswertung von Reputationsumfragen bei Untemehmensvertretem und Finanzanalysten der Fortune 1000-Untemehmen zwischen 1984 und 1998. © Theoretische und empirische Modelle: Nach [Cosh87] hangt der Wert eines Unternehmens stark davon ab, inwieweit es die Anspruche seiner Stakeholder erfullt. Werden Informationsasymmetrien abgebaut, so kann dies zu einer hoheren Marktliquiditat der Aktie [BaVe96; FiVe99; ZhanOl], einer verstarkten Nachfrage nach dem betreffenden Aktientitel [DiVe91] und zu einer Verringerung der Kapitalkosten [HaLi93; BaBr95] fahren. Einige Studien weisen aber auch auf den unerwiinschten Effekt hin, dass die Bekanntgabe von Informationen (z. B. Gewinnaussichten) Informationsasymmetrien fordert [DeFe94]. Dies hangt mit der Fahigkeit von Anlegem zusammen, wie sie die Informationen verarbeiten [KiVe94]. Eine jtingere Untersuchung von Fischer unterstreicht, dass eine verbesserte IR-Qualitat ein hoheres Handelsvolumen, genauere und weniger volatile Gewinnprognosen von Analysten und niedrigere Eigenkapitalkosten zur Folge hatte [Fisc03]. Hierzu stellte er einen „Disclosure Index" (vgl. [Cerf61]) auf und bewertete Geschaftsberichte, Pressemitteilungen und Websites von 40 amerikanischen und europaischen Pharmauntemehmen. Um die Untersuchungskriterien flir seine Dokumentenanalyse zu konkretisieren, interviewte er 27 Finanzanalysten, die Pharmabetriebe bewerteten. Je groBer die Veroffentlichungsaktivitat in der Zeit vor dem IPO (Initial Public Offering) ist, desto geringer sind nach [ScVe04] die Unterbewertung, der so genannte Bid-Ask-Spread (Differenz zwischen Geld- und Briefkurs) und die Streuung der Analysten-Vorhersagen. Bei Biotech-Untemehmen senken Informationen zur Produktentwicklung, zum Patentschutz und iiber Venture-Capital-Geber in IPO-Prospekten den Bid-Ask-Spread [GuLZ03]. Sengupta wies far 1987 bis 1991 nach, dass niedrige Fremdkapitalkosten in den USA mit einer hohen Offenlegungsgiite korrelieren [Seng98]. Letztere wurde mit dem so genannten Disclosure-Quality-Measure-Indikator der Financial Analysts Federation gemessen. Dabei schatzen ftihrende Branchenanalysten die Offenlegungsgiite eines Untemehmens anhand von Geschaftsberichten, Pressemitteilungen und IR-Berichten ein. Nahezu zeitgleich zeigte Boto-
2 Innovationspotenzial
von
Stakeholder-Informations-Systemen
san diesen positiven Wirkungszusammenhang bei Eigenkapitalkosten amerikanischer Maschinenbau-Untemehmen [Boto97]. Befassten sich allerdings viele Analysten mit dem jeweiligen Betrieb, so ergab sich ein anderes Resultat. Daraus folgt, dass sich der Nutzen einer verbesserten Informationsversorgung gerade bei borsennotierten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) auszahlen konnte, die nur von wenigen Analysten beobachtet werden. Als Botosan aber die Stichprobe erweiterte (auf 668 Untemehmen aus 43 Branchen iiber einen Zeitraum von elf Jahren von 1986 bis 1996) [BoP102], ermittelte die Autorin ein anderes Ergebnis: Nun zeigte sich, dass nur die verstarkte Offenlegung innerhalb von Geschaftsberichten zu niedrigeren Eigenkapitalkosten fiihrte. Wurde dieser Ansatz allerdings bei Pressemeldungen (inkl. Newsletter) umgesetzt, so stiegen die Kosten sogar. Sie vermutet, dass dies in einer nach der Veroffentlichung erhohten Aktienvolatilitat begrundet sein konnte. Analystenprasentationen wirkten sich dagegen nicht auf die Eigenkapitalkosten aus. Hinsichtlich Schweizer Untemehmen wies Hail den positiven Effekt der Offenlegung auf die Eigenkapitalkosten nach. Sie analysierte 73 Betriebe [Hail02; VoCM05, 141]. © Ereignisstudien: Verschiedene Studien zeigten, dass sich statistisch signifikante (positive) Aktienkursanderungen auf folgende Informationen zuriickfiihren lassen: Gewinnprognosen [Pate76], geplante Investitionen [McMu85; Brya97], Auftragsbestand [FaGW98], Kundenzufriedenheit [ItLa98], Anzahl der Kunden [AmLe96] und Analystenempfehlungen [GeOe98]. Es ist jedoch zu bedenken, dass auch andere Faktoren (z. B. Marktentwicklung) einen Aktienkurs beeinflussen konnen.
2.1.2 Informationsanspriiche Anspruchsgruppen setzen hohe Standards an die Informationsversorgung: Joumalisten wollen aktiv und schnell informiert werden, indem sie die Presseinformationen einzeln oder gebtindelt per E-Mail erhalten [NewsOl]. Da ihnen wenig Zeit bleibt, die Themen redaktionell zu bearbeiten, bevorzugen sie bereits ausformulierte Nachrichten [West03, 14]. Anteilseigner fordem „more timely, broad disclosure" [McKiOO]. Die Untemehmensfuhrung miisste beispielsweise jederzeit in der Lage sein, Risikoberichte innerhalb weniger Stunden zu veroffentlichen [WachOl, 15] („Virtual Close"). Um das zukiinftige Leistungsvermogen eines Betriebs beurteilen zu konnen, interessieren sich Anteilseigner seit Langerem auch far nichtfmanzielle SchliisselgroBen [Ems97; PricOO]. Ausloser des gestiegenen Informationsanspruchs von Fremdkapitalgebem ist die geplante Richtlinie des Basler Ausschusses fur Bankenaufsicht (Basel II). „Wie attraktiv ein Untemehmen fur einen Kreditgeber ist, hangt ganz wesentlich von der Transparenz ab, die es bietet" [Boeh02]. Zudem wiinscht sich das Bundesaufsichtsamt fur den Wertpapierhandel kurze Ad-hoc-Meldungen im Umfang von 1020 Schreibmaschinenzeilen a 80 Zeichen [LierOO]. Aus Einzelaussagen von Investoren und Analysten kann man ableiten, dass sie es vorziehen,
2 Innovationspotenzial
von
Stakeholder-Informations-Systemen
personalisierte Untemehmensinformationen auf elektronischem Weg zu erhalten (vgl. Tabelle 1): Ml.lJJJ..UJIJ14I.UJJIIJJJIUJJI.U.UI.ULIL4JJ.MIimiBl^ ..Frijher war es so, dass das Problem war, Informatio-; | „Wichtige inhaltliche Fragen, wie z. B. die Einbin; nen zu kriegen. Heute haben Sie das Problem [...],
I dung des Aufsichtsrats in die Unternehmensplanung
\ Informationen zu filtern [...], bis das ubrig bleibt, was
j oder die Erfullung der Beratungsaufgabe des
: Sie verarbeiten konnen."
I i Aufsichtsrats, werden nicht berucksichtigt."
„Das Internet ist eigentlich sehr wichtig fur uns, dort \ kriegen wir sehr viele Informationen her. [...] Der Nachteil ist, dass es oft schwierig ist, sie zu finden." „lch losche 80-100 E-Mails pro Tag ungelesen [...] : einfach weg. Kriterium ist der Name (des Absenders) und der Titel der E-Mail."
Tabelle 1: Ausgewahlte Interviewergebnisse [Pora02,128,129,209]
j „Der Wirtschaftsprufer miisste verpflichtet werden, \ \ dem Aufsichtsratsvorsitzenden Bedenken [...] mitzuteilen, auch wenn der Vorstand dies nicht will." ; | „Es konnte eine Eriauterungspflicht fiir negative | Abweichungen von der Jahresplanung eingefuhrt \ werden."
Tabelle 2: Ausgewahlte Interviewergebnisse [Deut95,28,46,73]
Wie wichtig ein schneller, unmittelbarer Informationsfluss auch fiir ein Kontrollorgan ist, zeigen ausgewahlte Aussagen (vgl. Tabelle 2). So fiihlten sich die Rate von VW bruskiert, als sie erst am Tag vor der Hauptversammlung vom Vorstandsvorsitzenden erfuhren, dass einerseits das Emirat Abu Dhabi mit ca. 10 % bei VW einsteigen wollte und andererseits iiber einen milliardenschweren Untemehmenskauf zu entscheiden war [Werr04]. Auch Betriebsrate sehen Schwachen in der Informationsweitergabe des IVlanagements: Diese werde lediglich als gesetzliche Pflichtubung angesehen, wie eine Umfrage des Instituts fur Qualifikation aus Hannover ergab [OV02b]. Eine von JVloser u. a. durchgeflihrte Befragung unter ]V[itarbeitem ergab bei vier von ftinf Probanden: Die Informationsmenge habe zugenommen, die Qualitat sei jedoch gesunken. Denn man erhalte zu viele nutzlose Informationen, fuhle sich oberflachlich angesprochen und „gestresst" [1V1PGP02, 71]. Haufig mochten Beschaftigte mehr iiber ihren Arbeitgeber erfahren. Befragungen u. a. bei der Lufthansa zeigten, dass sich 80 % der IVlitarbeiter schlecht iiber die Hintergrunde untemehmerischer Entscheidungen informiert fiihlten [Webe99, 229]. Kommunikation wird in Befragungen als Erfolgsfaktor gesehen, wie beispielsweise bei der Fusion von Raab Karcher und VEBA Immobilien [Beut03] oder wahrend betriebsintemer Veranderungsprozesse [StSSOl; Bueh03]. Jurgen Strube, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der BASF, stellt UntemehmensmaBnahmen unter das Primat der Kommunikation: „Was wir nicht kommunizieren konnen, konnen wir auch nicht realisieren" [GoKH03]. In kiihnen Visionen lassen sich SIS als die Nachfolger der klassischen Werbung betrachten. Letztgenannte verliert immer mehr an Bedeutung, wie nahezu jeder Dritte von 300 IVLarketingverantwortlichen der TNS Emnid bestatigte [En]Vlu03; West03, 216]. Zum gleichen Ergebnis kam das JMarktforschungsinstitut Yankelovich [Scho04]. Nach einer Studie von IVlcKinsey sind lediglich 2 % der IMassenmarketing-Aktionen ^ r den einzelnen Nutzer interessant [GeScOl, 3]. Experten schatzen, dass etwa 90% aller Werbeanstrengungen wir-
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von
Stakeholder-Informations-Systemen
kungslos verpuffen, da Kunden die Schliisselbotschaften zur Marke schlicht nicht verstehen [Esch04]. Die Etats werden daher immer starker fiir die personliche Ansprache verwendet. So flieBen beim Getrankehersteiler Red Bull 70 % des Werbeaufwands in die punktgenaue Ansprache jugendlicher Zielgruppen [EnMiiOS]. Wie hoch die Informationsanspriiche mittlerweile sind, zeigt sich auch in der Zahlungsbereitschaft deutscher Internet-Surfer. Jedem Zweiten ware die Deckung des eigenen Informationsbedarfs monatlich bis zu rund 20 € wert. Dies fand Fittkau & MaaB bei einer Erhebung unter 99.000 deutschsprachigen Intemetnutzem heraus [EarsOl]. Zu einem ahnlichen Ergebnis kam Smart Research [OV02c]).
2.1.3 Informationspflichten Auf die Untemehmenskrisen und -zusammenbriiche der 90er Jahre reagierte die Legislative mit der Verabschiedung mehrerer Regelungen: mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz, den Novellierungen des Kreditwesengesetzes oder auch mit dem Wertpapierhandels-, BilanzkontroU-, Abschlusspriiferaufsichts- und Anlegerschutzverbesserungsgesetz. Nach dem Letztgenannten sind nicht nur kursbeeinflussende Tatsachen unverziiglich zu melden, sondem auch Insider-Informationen. So darf also eine Kreditherabstufung nicht erst am nachsten Morgen veroffentlicht werden. Zudem hat sich seit Mai 2003 jedes DAX-, MDAX- und TecDaxUntemehmen verpflichtet, den Corporate-Govemance-Kodex einzuhalten. In Deutschland gibt es zudem etliche Vorschriften im Entwurfsstadium. Dazu zahlen das KapitalanlegerMusterverfahrens-, das Kapitalmarktinformationshaftungs- und das Bilanzrechtsreformgesetz. Auch die USA hatten nach den Skandalen um Enron und Worldcom, die auf zu wenig Einsicht in die fmanziellen Risiken beruhten, strengere Informationspflichten beschlossen (z. B. Sarbanes Oxley Act). Auch die Informationspflicht gegeniiber Verbrauchem nimmt zu, wie etwa durch die Informationspflichtverordnung, durch die in das BGB integrierte Femabsatz-Richtlinie 97/7/EG und die E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG. In Danemark mtissen Untemehmen so genannte „Intellectual Capital Statements" erstellen, von Wirtschaftspriifem testieren lassen und veroffentlichen. Diese Vorschrift entstand aus der Diskussion um jahresabschlusserganzende Informationen, die der nordische Staat als eines der ersten Lander im Jahr 2002 umsetzte. SchlieBlich verscharft auch die EU die Informationspflichten [DIHK04]. Beispielsweise sollen mit dem REACH (Registration-Evaluation-and-Authorisation-of-Chemicals)-System Hersteller, nachgelagerte Betriebe und Handler die Inhaltsstoffe der Produkte detailliert offen legen. Zum Schutz der Investoren wird erwogen, dass alle rund 6.000 borsenpflichtigen Untemehmen in der EU auch Quartalsangaben veroffentlichen.
10
2,1 A
2 Innovationspotenzial
von
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Krisenkommunikation
Jede dritte Untemehmenskrise wird durch Medienberichterstattung oder Aktionen von Burgerinitiativen ausgelost [Rose99, 7]. Aber auch Halbwahrheiten, nicht autorisierte oder nicht abgestimmte Mitteilungen sind der Nahrboden fur Geriichte, deren Ausbreitungsgeschwindigkeit sich sogar in theoretischen Formeln ausdriicken lasst [AlPo65]. Selbst wenn Gutachten das Gegenteil der urspriinglich unterstellten Krisenursache beweisen, konnen erlittene Imageschaden kaum behoben werden. Beispielsweise standen der Audi 100 wegen unbeabsichtigten Beschleunigens und der Audi TT wegen Heckausbruchs in der Kritik. „Die Erfahrung vergangener Skandale lehrt: Es dauert mindestens neun Monate, um neues Vertrauenskapital aufzubauen", so der Chefredakteur des Instituts Media Tenor [Wisk04]. Tabelle 3 untermauert den herrschenden Mangel an Krisenkommunikationskonzepten. Das hat fatale Folgen: Vier von fiinf amerikanischen Untemehmen, die unvorbereitet - also ohne Kommunikationsplan - in eine grofie Krise schlitterten, meldeten innerhalb von funf Jahren Konkurs an oder wurden ubemommen [SpaeOO, 67]. ; Eine Umfrage unter Fijhrungskraften in der AbteiDrei von vier Kommunikationsverantwortlichen sind I lung Unternehmenskommunikation der 500 grofider Uberzeugung, dass man sich durchaus auf Kri[ ten deutschen Unterneiimen ergab: Es fehit oft sen vorbereiten kann. 13 Interviews mit Experten I an Strategien und Routine^im Knsenfell [West03] ergaben, dass betroffene Betriebe in Krisen immer ^ . ^^^^ ^^^ ehrlich kommunizieren sollten [BrauOSl. Nur 27 % der Unternehmen sind durch Kommuni::i:::::z::::: z::::::::z:::: kationsmalinahmeplane auf Zwischenfalle vorbeIm Mittelstand trifft sogar nur jeder zehnte Betrieb reitet, wie eine Umfrage unter 111 Fuhrungskraf- j | mit Kommunikationsplanen Vorsorge gegen Ruckten im Kommunikationsbereich feststellte [Schu01].|| rufaktionen oder Produktionsausfalle [RoseOS]. Tabelle 3: Bedarf an Krisenkommunikationsplanen
In einer Krisensituation bleiben dem Untemehmen hochstens zwei Stunden, um Nachrichten zu veroffentlichen [Morl02, 97], denn sonst besteht die Gefahr, dass Joumalisten die Situation zum Nachteil des Betriebs auslegen oder alternative Gesprachspartner suchen. Belege bei [KeWe91; Schu04] zeigen, dass diese Gruppe grundsatzlich eher zur kritischen Darstellung neigt.
2.1.5 Rationalisierung Die verbesserte Informationslogistik bringt beachtliche Rationalisierungen aufgrund von Substitutionseffekten sowohl auf der Fuhrungsebene als auch bei Anspruchsgruppen (vgl. Tabelle 4). Das SIS einer grofien deutschen Aktiengesellschaft hatte seinen Ursprung darin, dass der Vorstandssprecher registrieren musste, wie groB der Anteil seiner taglichen Arbeitszeit geworden war, den er am Telefon mit Analysten und Joumalisten verbrachte. Daraus resultierte die Entscheidung, nach dem 80-20-Prinzip personalisierte Informationen aktiv zuzustellen (80 %) und dann nur noch die Differenz der Fragen (20 %) in personlicher Kommunikation zu beantworten [MeSt03].
2 Innovationspotenzial
von
Stakeholder-Informations-Systemen
O
Ein CEO eines gro(ien deutschen Verlagshauses [Inst04]: „Meine Tagesagenda besteht zu 75 % aus Kommunikation mit verschiedenen Anspruchsgruppen."
^
Laut Citigate Dewe Rogerson fuhrten 25 % der Vorstande und 70 % der Investor-Relations-Leiter von DAX-Untemehmen im Jahr 2002 jeweils mehr als 40 Einzelgesprache [Citi02].
iO Adolf Merckle, Eigentumer von Ratiopharm sowie Phoenix Pharmahandel, verzichtet auf einen Borsengang: „Die Zeit mit Analysten und Rating-Agenturen [...] halt doch nur vom Arbeiten ab" [OV04a]. O
Porsche widersetzte sich der Pflicht, alle drei Monate einen Finanzbericht zu publizieren. Wendelin Wiedeking: „Bei der Uberflutung mit Quartalsergebnissen verliert man leicht den Blick fijr die wichtige mittelfristige Entwicklung" [LampOl]. Der Verstoft gegen § 42 BorsG fijhrte zum Ausschluss aus dem MDAX.
0
Eine aussagekraftige Berichterstattung konnte nach Meinungen ehemaliger Aufsichtsratsmitglieder der Hoechst AG den Kommunikationsaufwand mit dem Vorstand reduzieren [Deut95, 23, 63].
1 ^ 57 von 150 deutschen Grofiunternehmen (u. a. aus dem HDAX) fuhren Dialoge mit kritischen Stakeholdern, wie Pleon Kohtes Klewes in einer Befragung feststellte. In der Regel finden Gesprache noch zu 75 % unter vier Augen statt; nur in einem einzigen Betrieb iJber das Internet [Pleo04]. O Procter & Gamble kostet ein Stakeholder-Dialog pro Aniass rund 100.000 € [Osme04, 30]. ®
Der Fahrzeugbauer Junghanns beklagt, dass die vorgeschriebenen Statistiken rund 25.000 € pro Jahr an Kosten verursachen. Der Inhaber beabsichtigt 24 Mitarbeiter zu entlassen, um der Berichtspflicht, die ab 19 Mitarbeitern entfallt, zu entgehen [Baye05].
| 0 Das Aktiengesetz sieht keine postalische Versendung der Gegenantrage an Aktionare mehr vor. ^
Nach dem Gesetz zur Namensaktie und zur Erieichterung der Stimmrechtsausubung muss das Teilnehmerverzeichnis bei der Hauptversammlung nicht mehr in Papierform gefijhrt werden. So kann der ortsferne Aktionar einem Bevollmachtigten auf der HV seine Weisung via Internet erteilen [Sass02; Zetz02; Noac04]. Tabelle 4: Ausgewahlte Rationalisierungspotenziale
2.2 2.2.1
Technologiedruck Internet
Der Teclinologiedruck entsteht in erster Linie durch das Internet. Schon fruh fanden sich liier Benutzer in „Communities" [LiTa68] zusammen („Gruppenbildung"; vgl. [Rhei93]). Diese virtuellen Gemeinschaften bilden sicli aufgrund geografisclier und/oder thematischer Zusammengehorig]
9 Komponenten
127
9.2.1.2 Leitstandspersonal-Sicht Der Nachrichten-Generator schlagt anhand von mehreren Parametem O die fur die jeweilige Situation (z. B. Busunfall ®) passenden Textbausteine (vgl. Bild 83) vor.
Bild 83: Nachrichten-Generator (zwei Screenshots aneinandergeftigt)
Da die Branche und der Wirtschaftszweig bereits bei der Systeminitialisierung mitgeteilt wurden, eriibrigen sich diese Angaben. Nun schlagt das System relevante StakeholderGruppen vor ©. Der Empfangerkreis kann bei Bedarf durch weitere Merkmale eingegrenzt werden O, indem man bestimmte Rollen (Motorradfahrer), Positionen (Top-Management) Oder Personen (z. B. aus dem Branchenumfeld) herausfiltert. SchlieBlich unterbreitet der SISLeitstand vorformulierte Elemente: Uberschriften 0 , Informationsbedarfe © und Textbausteine 0 . Der Leitstandsmitarbeiter hat die Moglichkeit, den Luckentext zu redigieren ®, die Reihenfolge der Passagen zu andem ® und weitere Hilfen abzurufen ® (vgl. Tabelle 58). Beispielsweise kann er uberpriifen, ob Nachrichtenagenturen bereits uber das Ereignis berichten („Newsticker-Funktion"). Die Meldung lasst sich u. a. als E-Mail verschicken oder als Pop-Up-Fenster anzeigen ®. Wahrend eine „Teaser-E-Mair' lediglich die Uberschriften als Link erhalt, fuhrt eine „Webzine-E-Mail" den kompletten Text auf. 1st dem System bekannt, dass ein Adressat keine elektronische Nachricht, sondem einen Anruf erhalten mochte, wird die Meldung an einen Call-Center-Mitarbeiter versandt.
128
9 Komponenten
Tabelle 58: Ausgewahlte Hilfsmittel beim Nachrichten-Generator
9.2.1.3
Stakeholder-Sicht
Aufgrund des Busunfalls (vgl. Beispiel in Kapitel 7.1.2) konnte ein Kunde vom Reiseveranstalter die in Bild 84 dargestellte Meldung mit Titel O, Zwischenuberschrift ® und Textpassagen © erhalten.
Bild 84: Situierte und individualisierte Meldung
Die Funktionsweise des Nachrichten-Generators wurde an weiteren Beispielen getestet, wie etwa an einem fiktiven Notebook-Hersteller (ausfuhrlich bei [HaPS03]). Femer beschaftigte sich [GambOS] - im Rahmen einer Studienarbeit - mit einem adaptiven mobilen SIS. Ein Geschaftsreisender, der sich mit seinem Fahrzeug kurz vor einem Stau befand, erhielt Handlungsempfehlungen (z. B. Altemativroute oder Transportwechsel) in Abhangigkeit seines Aufenthaltsorts („Lokalisierung"), Rollen- und Benutzerprofils und der technischen Restriktion seines Mobilfunkgerats. Das Teilsystem wurde auf „i-mode" von E-Plus realisiert.
9 Komponenten
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9.2.2 Portal-Generatoren Die implementierte Losung sieht vor, einen Anspruchsberechtigten moglichst rasch von der nicht-personalisierten Website eines Betriebs auf rollen- und benutzerspezifische sowie ereignisabhangige Bereiche zufiihren,welche die Informationsbedarfe besser abdecken. Um den Anspruchsberechtigten nicht in einen zeitaufwandigen Fragedialog zu verwickeln, beobachtet das System implizit den Benutzer auf der Startseite eines Webauftritts. Je nach angeklickten Inhalten ordnet es ihn einem Stereotyp zu. Hierbei wird ein temporares Benutzermodell angelegt, welches nur das Informationsverhalten wahrend einer Benutzersitzung beriicksichtigt. Zum Einsatz kommen ein regelbasiertes Verfahren und Maschinelles Lemen, was bei [GaKM03] naher beschrieben ist und aus Platzgriinden an dieser Stelle nicht vertieft wird.
9.2.2.1 RoUen-Portal 9.2.2.1.1 Funktionsweise Im SIS existieren mehrere Moglichkeiten, um zu einem Rollen-Portal zu gelangen. So kann sich der Anspruchsberechtigte durch die Eingabe eines Passwortes authentifizieren, das ihm zuvor per E-Mail geschickt wurde. Altemativ mag er selbst eine Rolle wahlen - ahnlich dem Beispiel von Schmalbach-Lubeca (Kapitel 4.1.2.1). Eine weitere Moglichkeit ist, dass ihm das System einen Zugangsschlussel per E-Mail schickt, wobei er durch das Anklicken eines Links weitergeleitet wird. Wie im Kapitel 9.2.2 skizziert, lasst sich der Benutzer auch aufgrund seines Klickverhaltens einer Rolle zuordnen. Um ein roUenbasiertes Portal zu erstellen, durchlauft das System mehrere Entscheidungstabellen der Wissensbasis. In diesen ist beispielsweise festgehalten, welche Aufgaben und Anspruche die Rollen haben. Die Sammlung der Informationskategorien wird anhand von Situierungs- und Individualisierungsmerkmalen gefiltert, wie es die SELECT-Anweisung in Bild 85 illustriert (Sequenzdiagramm vgl. [StMeOS, 184]). Die Funktionsweise wird anhand eines Aufsichtsrats-Portal veranschaulicht.
SELECT Anspruch/Aufgabe/Entscheidung.Name, I nformationsbedarf. Name FROM Situierung, Situierung_ Anspruch/Aufgabe/Entscheidung, Anspruch/Aufgabe/Entscheidung, Rollen, Rollen_ Anspruch/Aufgabe/Entscheidung, I nformationsbedarf, lnformationsbedarf_Anspruch/Aufgabe/Entscheidung, Anspruchsgruppe, Rollen_Anspruchsgruppe_Zuordnung, WHERE Situierung.Wirtschaftszweig='lndustrie' AND Situierung.Branche='Lebensmitter AND Situierung.Teilbranche='Brauerei'AND Situierung.Lebenszyklus='Reife'AND Situierung.Rechtsform='GmbH' AND Situierung.Mitarbeiterzahl < 50 AND Situierung.Lokalisierung='Deutschland'AND Situierung.Strategie='Differenzierung'AND Situierung.Fertigungstyp='kein'AND Situierung. lnternationalitat='kein'AND Anspruchsgruppe.Typ='Gesellschaftliche Umwelt' ORDER BY I nformationsbedarf ASC
Bild 85: Auswahl der Informationskategorien (Beispiel: Aufsichtsrats-Portal einer Brauerei)
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92J1A2 Leitstandspersonal-Sicht Konkrete Ausgestaltungen fiir Aufsichts- oder Beirats-Informationssysteme gibt es nur vereinzelt. Es werden lediglich Grundsatze fiir deren Informationsversorgung [Thei96; Thei98] aufgestellt. Einen konzeptionellen Ansatz fur ein Aufsichtsrats-Planungssystem entwarf Ruhwedel. Grundbausteine sind Planungsorganisation, -prozess, -subjekt und -objekte [Ruhw02]. Im Folgenden wird gezeigt, wie einfach ein Portal fur dieses Kontrollgremium mit dem SISLeitstand erstellt werden kann, um die Vorbereitungszeit fiir eine Sitzung zu verkurzen. Im ersten Schritt hat der Leitstandsmitarbeiter die Situierungsmerkmale festzulegen (vgl. Bild 86): Branche O, Betriebstyp ® und Lebensphase des Untemehmens ©. Im zweiten Schritt sind jene Rollen O auszuwahlen, ftir die ein Portal freigeschaltet werden soil. Das Ergebnis kann man in der Testansicht kontrollieren.
Bild 86: Rollen-Portal-Generator
9.2.2.1.3 Stakeholder-Sicht Ein Rollen-Portal des SIS ist in drei Abschnitte aufgeteilt (vgl. Bild 87). Auf der linken Seite befinden sich die roUenbezogenen Informationskategorien O, die je nach Anspruch, Aufgabe Oder Entscheidung (hier: eines Aufsichtsrates) gegliedert sind und sich im Arbeitsbereich ausfuhrlich anzeigen lassen ©. Auf der rechten Portalseite konnen aktuelle Nachrichten eingeblendet werden ©. SchlieBlich hat der Benutzer im Steuerungsbereich O die Moglichkeit, Feedback zu geben oder Anliegen mitzuteilen. Ein durchlaufendes Banner © weist auf ein
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besonderes Ereignis hin. Beim Klicken gelangt man auf das im nachsten Kapitel beschriebene Ereignis-Portal.
Bild 87: Portal ftir ein Mitglied des Aufsichtsrats
9.2.2.2 Ereignis-Portal 9.2.2.2.1 Funktionsweise Diese Komponente ahnelt in ihrem Ablauf dem des Nachrichten-Generators (Kapitel 9.2.1). Sie baut auf den dort verwendeten XML-Dokumenten auf. Das Leitstandspersonal kann ein EreignisPortal erzeugen, das verschiedene „Stufen der Personalisierung" (Kapitel 5.2) beriicksichtigt. Aus der Sicht des Benutzers vermag das Portal situiert, braucht aber nicht unbedingt rollenorientiert zu sein. Eine Rollenorientierung ware gegeben, wenn der Anspruchsberechtigte von der Startseite der Website weitergeleitet wiirde. Das Ereignis-Portal bietet aber auch roUenabhangige, objektive Informationskate-
SELECT Informationsbedarfe.Oberkategorie, Informationsbedarfe.Unterkategorie FROM
Situierung, Situierung_Ausl6ser_Zuordnung, Ausloser, Ausloser_RollenJnformationsbedarf_Zuordnung, Rollen, Informationsbedarf, Anspruchsgruppe, Rollen_Anspruchsgruppe_Zuordnung
WHERE Situierung.Lebenszyklus='Reife' AND Ausl6ser.Ursache='Mensch' AND Ausloser. Name='B6rsengang' AND Anspruchsgruppe.Typ='Anteilseigner' ORDER BY Oberkategorie ASC Bild 88: SELECT-Anweisung (Beispiel: Anteilseigner-Portal fur Borsengang)
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gorien als Ausgangslosung an, falls der Anspruchsberechtigte von seinem Rollen-Portal (Kapitel 9.2.2.2) oder iiber eine ihm zugesandte E-Mail kommt. Diese Situation zeigt Bild 88. Dariiber hinaus kann das Ereignis-Portal auf Benutzerpraferenzen ausgerichtet sein. Dazu miissen entsprechende (subjektive) Experteneinschatzungen in der Wissensbasis des Konfigurators (Kapitel 9.1.2.2) vorliegen.
9.2.2.2.2 Leitstandspersonal-Sicht Das Vorgehen wird anhand eines geplanten Borsengangs demonstriert (z. B. am „Pradikatsmarkt" der Borse Miinchen, der sich an junge und kleine Untemehmen richtet). Um das Ereignis-Portal zu erzeugen, muss man lediglich die moglichen Ereignisse O eingrenzen und den Ausloser © auswahlen (vgl. Bild 89). Der SIS-Leitstand schlagt daraufhin fur relevante Rollen ® Informationskategorien, namlich Ober- 0 und Unterkategorien 0 , vor. Die Branche und der Wirtschaftszweig sind seit der Initialisierung des Systems bekannt.
Bild 89: Ereignis-Portal-Generator
9.2.2.2.3 Stakeholder-Sicht Es gibt zwei Moglichkeiten, das Ereignis-Portal abzurufen. Es kann sich der Anteilseigner mit seinem Benutzemamen anmelden oder iiber sein Rollen-Portal (ein Banner macht auf das Ereignis aufmerksam) dorthin gelangen. AnschlieBend erkennt er Informationskategorien 0 , die er je nach Praferenz eher anspruchsvoll formuliert 0 oder grafisch aufbereitet betrachtet (Bild 90).
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Bild 90: Ereignis-Portal fur einen Anteilseigner
9.2.2.3 Benutzer-Portal 9.2.2.3.1 Funktionsweise Portale und Meldungen konnten sich an die Personlichkeitsstruktur des Benutzers anpassen (Kapitel 3.2.2.2.2). Um die Komplexitat des Systems zu reduzieren, wird dessen innere Struktur ausgeblendet (Black-Box-Betrachtung). Einige konzeptionelle LFberlegungen zur Umsetzung mit einem regelbasierten System fmden sich bei [HoRS04]. Die grofite Schwierigkeit besteht darin, die Personlichkeitsmerkmale zu bestimmen und somit auf die jeweiligen Darstellungspraferenzen zu schlieBen.
9.2.2.3.2 Stakeholder-Sicht Wie unterschiedlich Ereignis-Portale aufgrund von Personlichkeitsmerkmalen (hier: „Herrmann-Dominanzprofile"; vgl. [Herr91]) gestaltet sein konnen, wird im Folgenden am offentlichen Diskussionsthema „Grune Gentechnik" gezeigt. „Die Anwendung gentechnischer Verfahren in der Pflanzenziichtung und die Nutzung gentechnisch veranderter Pflanzen in der Landwirtschaft" [Tran04] trifft - besonders in Deutschland - auf eine geringe gesellschaftliche Akzeptanz. Die Bevolkerung befiirchtet beispielsweise, dass ein unkontrollierter Pollenflug ein Nachbarfeld eines landwirtschaftlichen Zulieferers verunreinigt. 1. Beispiel: Um einen Anwohner an das Thema der griinen Gentechnik heranzufuhren, nimmt die Erklarung des Zulieferers eines Lebensmittelherstellers, warum Gentechnik eingesetzt wird, einen groBen Raum ein O (vgl. Bild 91). Die Grafiken ®, auf denen Schadlinge in verschiedenen Entwicklungsstadien dargestellt werden, demonstrieren die Ursache des Problems. Der betont sachliche und somit nicht werbende Text wird in iiberschaubare Absatze ge-
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gliedert. Das Sicherheitsbediirfnis dieses Benutzertyps befriedigt das SIS dadurch, dass Links im Text und auf der rechten Navigationsleiste zu extemen Studien ftihren ©.
Bild 91: Anwohner-Portal („Sicherheitsbe(iurftiges Ich")
2. Beispiel: Durch die einleitende Frage O, die Hervorhebungen im Text ® und die expressive Satzzeichensetzung © wird der Anwohner direkt angesprochen (vgl. Bild 92).
Bild 92: Anwohner-Portal („Fuhlendes Ich")
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Die Bilder bzw. die Videosequenz 0 prasentieren den Pflanzenschadling eindrucksvoll als Gegner, wahrend gleichzeitig ein Hinweis auf ein Nahrungsmittel-Spendenprogramm © das gesellschaftliche Engagement verdeutlicht. Seinem Kommunikationsbedurfnis kann der Benutzer auf einem Diskussionsforum nachgehen. 3. Beispiel: Da dieser Benutzertyp nach objektiven Fakten forscht, wird sein Informationsbedarf u. a. durch Expertenberichte O erfullt (vgl. Bild 93). Die grafische Informationsaufbereitung © erlaubt einen raschen Uberblick. Als Ansprechpartner wird nicht nur auf Mitarbeiter der PR-Abteilung verwiesen, sondem auf einen Wissenschaftler ©.
Bild 93: Joumalisten-Portal („Rationales Ich")
9.2.3
Fragebogen-Generator
Der Fragebogen-Generator halt - je nach Anlass - vorformulierte Fragebogen mit Antwortaltemativen bereit. Diese Textkonserven helfen den Marketing-Mitarbeitem, zeitnah Fragen zu verfassen. Aufgrund der funktionalen Ahnlichkeit zu den anderen Generatoren wird diese Komponente aus Platzgriinden nicht weiter erlautert.
9.2.4
Erweiterungen
Das Situierungsmodell lieBe sich durch Lokalisierung des Anspruchsberechtigten verfeinem. Damit wtirde sich das Informationsangebot des SIS auch regionalen Gegebenheiten anpassen, wie etwa bei Anwohnem des Maisanbaugebiets (Kapitel 9.2.2.4.2). Technisch kann dies mit „Trace-Route"-Software bewerkstelligt werden. Ein SIS diirfte jedoch nicht nur BegruBungs-
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formeln variieren. Vielmehr musste der SIS-Leitstand auch Wortwahl und Sprachnuancen beriicksichtigen. Eine Moglichkeit, Benutzermodelle zu „verfeinem", besteht darin, die jeweiligen Suchanfragen einer Person zu berucksichtigen (vgl. z. B. [BriicOS]). Ein derartiger Ansatz wird im Forschungsprojekt PreBIS (Pre Built Information Space) verfolgt [Hoof03]. Das System lemt u. a. durch Tracking-Funktionen und kann auf diese Weise Informationsbedarfe vorhersagen. Femer gilt es, Uberlegungen zu einer „alters- und behindertengerechten Informationsaufbereitung" anzustellen (SchriftgroBe, Farbe etc.), denn die Personalisiemng wird aufgrund der ungunstigen Altersstruktur in Deutschland an Bedeutung gewinnen. Um einen Anspruchsberechtigten noch besser kennen zu lemen und auf explizitem Weg qualitativ hochwertiges Feedback von ihm zu erhalten, konnte man versuchen, ihn mit Anreizen zu animieren, wie etwa mit Webmiles oder kostenfreien Musik-Downloads. Diverse PraxisErfahrungen mahnen freilich zur Vorsicht: Solche „Incentives" steigem die Antwortbereitschaft oft nur marginal. Der Fragebogen-Generator lieBe sich mit PlausibilitatskontroUen, direktem Feedback an die Teilnehmer und Online-Auswertungen ausbauen. Ein verstarkter Automationsgrad durch Integration von Text-Mining-Verfahren isttiberlegenswert(Kapitel 5.3.2), um damit - je nach gegebener Antwort des Benutzers - die Fragenreihenfolge, -inhalte oder Wortwahl anzupassen.
9.3
Administrator
Die Komponente erlaubt es, auf die Wissensbasis, auf Datenquellen, auf RoUen- und Benutzerprofile von einer zentralen Stelle aus zuzugreifen. Beispielsweise lassen sich samtliche Vorlagen, d. h. Textbausteine ggf mit Grafiken, verwalten („Templates"). Somit vermeidet man Datenredundanzen („Datenintegration"). Ist also ein Betrieb von einem Riickruf betroffen, so gentigt es, entsprechende Produktinformationen einmal zu andem. Ein Adressat fmdet folglich auf weiter verzweigten Webseiten keine veralteten bzw. widerspriichlichen Informationen.
9.3.1 Rollen-ZBenutzerverwaltung 9.3.1.1 Funktionsweise Das Anlegen oder Loschen von Benutzerdaten und Rollen wird im Folgenden anhand von Mitarbeiterbeteiligungs- und Arbeitszeitmodellen demonstriert. Hierzu wurden in einer Datenbank-Tabelle zu jedem Benutzemamen eine oder mehrere Rollen hinterlegt.
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9.3.1.2 Leitstandspersonal-Sicht Das Leitstandspersonal kann Erfolgsbeteiligungsmodelle auswahlen und den Aktienoptionsplan parametrisieren, wie etwa mit der Austibungszeit der Optionen. Femer mag es veranlassen, dass die Arbeitnehmer per Pop-Up-Fenster auf wichtige Daten- oder Zeitkonstellationen aufmerksam gemacht werden. Beispielsweise hat das Untemehmen nach § 2 II Satz 2 Nr. 3 SGB III Mitarbeiter mit einem befristeten Arbeitsvertrag daruber zu informieren, dass sie sich drei Monate vor Vertragsablauf bei einer Dienststelle der Bundesagentur fiir Arbeit melden miissen.
9.3.1.3 Stakeholder-Sicht Bild 94 veranschaulicht den Bildschirmausschnitt eines Mitarbeiter-Portals, bei dem sich der Wert der Kapitalbeteiligung kurzfristig andem kann. Hintergrund ist, dass Optionsberechtigte die Wertentwicklung der in Aussicht gestellten Untemehmensbeteiligung aktiv verfolgen miissen, wenn sie einen guten Ausubungszeitpunkt fmden wollen. Das System schlagt dem Rollentrager nicht nur entsprechende Informationen vor, der Mitarbeiter hat auch die Moglichkeit, diesen Portalbereich auf seine Bediirfnisse auszurichten („personelle Adaption"). Des Weiteren mag sich der Beschaftigte berechnen lassen, auf wie viele Rentenentgeltpunkte bzw. auf welche Ahersrente er einen Anspruch hat (vgl. Bild 95).
Bild 94: Ausschnitt aus Mitarbeiter-Portal
Bild 95: Rentenratgeber (Mitarbeiter-Portal)
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Um das System zu testen, wurde eine „virtuelle Zeit" hinterlegt. Dies hilft, Aktienkurse und -handel zu simulieren und zeitabhangige Meldungen anzuzeigen. Da Mitarbeiter in der Fertigung oftmals tiber keinen Rechnerarbeitsplatz verfiigen, ist es denkbar, dass sie das Portal an Informationskiosken oder auf Heim-Rechnem aufrufen.
9.3.2 Vorlagen-Erzeugung 9.3.2.1 Funktionsweise Mit dieser Komponente ist der Leitstandsmitarbeiter in der Lage, eine vorhandene (interne oder exteme) Webseite anzubinden oder sie neu anzufertigen. Er wiisste es sicher zu schatzen, wenn ihm das System „auf Knopfdruck" individualisierte Vorlagen je nach Situation automatisch zusammenstellte. Eine Vorlage kann aus Texten, Grafiken oder Tabellen konfiguriert sein. Die Generatoren (Kapitel 9.2) greifen auf diese Vorlage zu. Eine Automation ist im Rahmen eines SIS in einigen Bereichen sinnvoll, wie etwa bei der Risikokommunikation. Gerade die Informationsversorgung eines Vorstandsmitglieds (und implizit eines Aufsichtsratsmitglieds) dauert zu lange, ist selten automatisiert und behindert eine zugige Uberwachung. Zu dem Ergebnis gelangte BARC (Business Applications Research Center) im Jahr 2005 in einer Umfrage unter 105 Untemehmen [BaG605]. Da ein Aufsichtsrat (bzw. Beirat) eine „Sammel-Rolle" verkorpert (Kapitel 3.2.2.2.1), ist eine differenzierte Ansprache von Vorteil, sodass sich ein Mitglied auch mit seiner Rolle des Arbeitgebervertreters, Bankangestellten oder Gewerkschaftsangehorigen wiederfindet. 1. Vorlage konfigurieren: Das konzeptionelle Fundament bilden Expertisesysteme, welche aus Zahlenwerken natiirlichsprachliche Texte O (vgl. Bild 96), d. h. verbale Gutachten, automatisch ableiten (Kapitel 4.2.2.1).
Bild 96: Morphologischer Kasten
Ein Textbaustein © im SIS-Leitstand hat beispielsweise den Inhalt, welche Ursachen zu einem Umsatzeinbruch gefuhrt haben oder wie sich zukiinftig der Absatz entwickelt. Eine Vorlage zu Wahrungsrisiken, die nach Symptom, Diagnose, Therapie oder nach Prognose -
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also nach Phasen im Problemlosungsprozess - strukturiert ist, erleichtert es einem Aufsichtsrat Oder einem Finanzanalysten, den Sachverhalt auf einen Blick zu verstehen. Femer lassen sich „Muss-Textbausteine" und „Kann-Textbausteine" unterscheiden ©. Die Erstgenannten hat ein Betrieb zu veroffentlichen, die Zweitgenannten konnen Erlauterungen, Begriffsdefinitionen oder Wertungen enthalten. Daruber hinaus arbeitet ein Expertisesystem gegebenenfalls Tabellen und Grafiken automatisch ein, worauf wir jedoch nicht naher eingehen. Eine entsprechende Architektur wird von [ScKr88] vorgeschlagen. Zu diesem Zweck kann auf das Regelwerk von Christ (Kapitel 9.5.1.1) Bezug genommen werden. Ein wichtiges Kennzeichen von Expertisesystemen ist die Empfangerorientierung O. Ein Regelwerk steuert die Kombination der Textbausteine, Tabellen und Grafiken. Wahrend der Realisierung der Komponente zeigte sich, dass eine Entscheidungstabelle („sicheres Verfahren") © ausreichend ist und man keiner Inferenzmaschine bedarf ©. Folgende Regeltypen © kommen im SIS-Leitstand zum Einsatz und werden hierarchisch abgearbeitet (ohne eine derartige Festlegung wiirde das System die Textpassagen in der Reihenfolge ausgeben, in dem die Regeln „feuem"): a) Kombinationsregeln: Um die Reihenfolge der Textbausteine zu steuem, ordnet der Leitstand die Passagen beispielsweise nach Symptom, Diagnose, Therapie und Prognose. Tabellen und Grafiken werden an das Ende der Textpassage gestellt. b) Stilregeln: Um stilistische Schwachen zu vermeiden, erkennt der SIS-Leitstand Wortwiederholungen und haufige Passivkonstruktionen. Er wandelt Dimensionsangaben um, wie etwa ,,0,25 Jahre" in „3 Monate". Weitere Regeln werden nicht beriicksichtigt, da Rechtschreibprogramme (z. B. „Duden Korrektor") zahlreiche Schreibempfehlungen unterbreiten konnen. Hierzu hat man die Passagen lediglich an das Programm zu tibergeben. c) Erlauterungsregeln: Je nach Vorwissen eines Adressaten lassen sich zusatzliche Textbausteine einblenden. Wahrend beispielsweise ein Kleinaktionar (mit wenig betriebwirtschaftlichen Kenntnissen) von einer Definition im Text (z. B. bei dem Begriff TRS) profitiert, ist es fur einen Aktionar mit fiindiertem Vorwissen ausreichend, wenn Erlauterungen mithilfe einer „Mouse-Over-Funktion" erscheinen. Besonders hilfreich ist diese Funktion auch bei Tabellen, da er auf diese Weise erfahrt, wie sich die Werte in den Tabellen zusammensetzen.
Damit ein Leitstandsmitarbeiter die Daten in den Text nicht personell einzufugen hat, sind in der Vorlage Platzhalter integriert. Beispielsweise erscheint die durchschnittliche Fluktuationsrate der so genannten strategischen Gruppe [Hung04, 126] in der Vorlage mit „". Derartige Benchmarks sind unerlasslich, damit vor dem Hintergrund der Wettbewerber wertende Aussagen zur Untemehmenslage Sinn haben. Die Platzhalter sind mit dem Datenquellenverzeichnis © verkniipft.
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Der Vorteil der teilautomatischen Losung liegt darin, dass der Leitstandsmitarbeiter beim Konfigurieren eines Textes keine Risiken iibersieht. Somit braucht er kein Risikokommunikations-Experte zu sein und kann sich auf die Kontrolle des Inhalts sowie auf den Schreibstil konzentrieren. Dagegen ist ein vollautomatischer Ansatz abzulehnen. Denn es ist moglich, dass sich Fehler bei maschinell erzeugten Vorlagen einschleichen, auch wenn die Textbausteine in der Wissensbasis mit groBter Sorgfalt erstellt wurden. Fehler hatten gravierende Folgen beim Adressaten (z. B. Vertrauensverlust, Beendigung der Beziehung). 2. Datenquellen anbinden: Tabelle 59 zeigt wesentliche Parameter, mit denen man interne Oder exteme Datenquellen anbinden kann.
Tabelle 59: Wesentliche Parameter ftir die Anbindung der Datenquellen
Im Folgenden soil exemplarisch dargelegt werden, wie Daten aus einem Geschaftsbericht, der im XBRL-Format vorliegt, extrahiert werden. Sobald etwa ein Aufsichtsrat oder Anteilseigner eine Informationskategorie im Browser aufruft, werden die benotigten Daten wahrend des Abrufs aus entsprechenden Quellen extrahiert und in die Vorlage iibertragen. Wenn ein Investor die Informationskategorie „H6he des Eigenkapitals" anklickt, wird die ASP-Logik angestoBen O (vgl. Bild 97). Diese liest den Geschaftsbericht ein und parst dieses XML-Dokument ®. Im nachsten Schritt werden die entsprechenden Vorlagen je nach Rollentrager geladen ©. In den Text sind - wie oben erwahnt - Platzhalter, d. h. logische Pointer, in Kommentarform eingebettet, wie etwa „" O. Diese Platzhalter werden von der ASP-Logik mit dem fur den Benutzer einsehbaren Objekt (z. B. 100.000 €) iiberschrieben. Die physischen Pointer kennen die Zugriffspfade zum Speicherort der Datei. Die Zuordnung von logischen Pointem zu dem jeweiligen physischen Pointer sind im Datenquellen-Register hinterlegt 0 . Die „regularen Ausdriicke" @ dienen dazu, Zeichenketten zu suchen und zu ersetzen: Der Leitstand identifiziert die logischen Pointer der HTML-Vorlage und wandelt sie in physische um. SchlieBlich werden die physischen Vorlagen noch einmal dereferenziert, d. h., es wird das Objekt bestimmt, fur das der physische Pointer steht. Das kann ein
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Zahlenwert, ein Textbaustein, eine URL oder sogar eine ganze HTML-Seite sein. Nachdem samtliche logischen Pointer auf diese Weise ersetzt worden sind, erstellt der Leitstand eine HTML-Seite mit realen Daten-Objekten © und verschickt diese zum Browser des Benutzers. Die Trennung zwischen logischen und physischen Pointem hat den Vorteil, dass eine Vorlage von einem Leitstandsmitarbeiter auch ohne technisches Know-how verandert werden kann.
Bild 97: Verfahren zur Anbindung intemer und extemer Datenquellen
3. Datenquellen uberprufen: Damit ein Leitstandsmitarbeiter von Routinearbeiten entlastet wird, stehen im SIS-Leitstand weitere Hilfen bereit: O Extraktion von Inhalten eines PDF-Dokuments: Musste man Grafiken bzw. Texte aus PDF-Dokumenten vor einer Weiterbearbeitung miihsam freistellen, so lassen sich diese mit PDF-Konvertem, wie etwa von Scansoft oder VoyagerSoft, in JPEG-Formate bzw. editierbare MS-Word- oder HTML-Dokumente umwandeln. © Uberprufung von Links: Um Anderungen auf der Website eines Datenlieferanten zu erkennen und nicht jeden Datenquellen-Verweis personell anpassen zu miissen, ist der Einsatz von Programmen (z. B. „WebGrabber") sinnvoll: Anderungen werden automatisch erkannt. Damit ein Untemehmen einem Anspruchsberechtigten keine veralteten oder langsamen Links anbietet, ist es von Vorteil, die Verweise auf ihre Verftigbarkeit und Aufrufgeschwindigkeit zu iiberpriifen. Diese Aufgabe konnen Software-Programme (z. B. „Web Link Validator") ubemehmen. Es reicht aus, lediglich eine URL-Liste zu iibermitteln.
9.3.2.2 Leitstandspersonal-Sicht An zwei Beispielen sei die Konfiguration einer Vorlage demonstriert, namlich fiir Lieferanten und fiir Aufsichtsratsmitglieder (Kapitel 9.2.2.1.3). 1. Webseite anbinden: Um beispielsweise von einem Lieferantenportal auf eine exteme Webseite zu verweisen, wahlt das Leitstandspersonal diejenige Informationskategorie aus, welche mit einer Datenquelle verbunden werden soil. So integriert es z. B. Arbeitsrechtsbestimmungen in China (vom Auswartigen Amt veroffentlicht).
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2, Vorlage konflgurieren: Zuerst wahlt der Leitstandsmitarbeiter die Vorlage anhand des Auslosers O und des Adressaten © aus (vgl. Bild 98). Sodann hat er einen Blick auf das Regelwerk. Im „Wenn-Teir' der Regel lassen sich Schwellenwerte ® andem, beispielsweise ab welchem Euro-Anstieg die Vorlage erscheinen soil. Als „Dann-Teil" wird die vorformulierte Vorlage O mit Platzhaltem 0 angezeigt, womit man Datenquellen © miihelos einbinden kann. Zudem mag man die Vorlage mit Tabellen oder Grafiken fiillen ©. SchlieBlich ist der Leitstandsmitarbeiter in der Lage, das Endergebnis zu betrachten, wobei ihm beispielsweise Wort- bzw. Wortstammwiederholungen ® unterstrichen angezeigt werden. Sobald er die Vorlage freigibt, greifen die Generatoren (Kapitel 9.2) hierauf zu.
Bild 98: Regeleditor
9.3.3 Erweiterungen In die Komponente „Vorlagen-Erzeugung" konnte man Ausschnitte von Regelwerken integrieren, die bereits in anderen Expertisesystemen erfolgreich verwendet wurden (Kapitel 4.2.2.1). Femer lieBe sich untersuchen, in welchen Bereichen andere KI-Methoden, wie etwa das fallbasierte SchlieBen [BERS98], dem derzeitigen System uberlegen sein konnten. Damit sich das Leitstandspersonal nicht um Programmierdetails kummem muss, bietet es sich
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an, eine hohere Abstraktionsebene einzuftihren (Schichtenmodell). Wahlt man hierbei ein objektorientiertes Vorgehen, so hat es den Vorteil, dass der Anwender lediglich Methoden einer hoheren Klasse aufzurufen hat, um Datenquellen anzubinden.
9.4
Kommunikator
Diese Komponente zielt darauf ab, Anliegen und Anfragen von Anspruchsberechtigten zu bearbeiten. Der SIS-Leitstand soil Mitarbeitem helfen, den Fragenden eine „punktgenaue" Antwort zu erteilen. Unter Umstanden mag der Anspruchsberechtigte auch mit einer vollautomatisch generierten Antwort zufrieden sein. SchlieBlich sollten Untemehmen ihre Community pflegen, indem sie Diskussionsforen anbieten.
9.4.1 Anliegenbearbeitung 9.4.1.1 Funktionsweise Die ersten Ansatze, eingehende E-Mails rechnergestutzt (mit einem Expertensystem) zu bearbeiten, gehen u. W. auf Schumann zuruck [Schu86]. Um die E-Mails nach einem vorgegebenen Ordnungsschema zu codieren, mussten die Regeln personell defmiert werden. Dieses Vorgehen wird mittlerweile durch Ansatze verbessert, welche die Regeln automatisiert erstellen [Seba02]. Die Basis bilden Text-Mining-Verfahren. Sie dienen dazu, naturlichsprachige Texte in ein einheitliches, strukturiertes Format zu uberfiihren, um bisher unbekanntes Wissen zu generieren. Dies unterscheidet Text Mining von Information Retrieval [SpWi97; Hear04]. Gleichwohl verwendet man beim Text Mining haufig Methoden aus dem (klassischen) Information Retrieval [ScSiOO; Seba04]. Wie die personelle Anliegenbearbeitung der Deutschen Post AG teilautomatisiert werden kann, wurde in einem Praxisprojekt mit der Rodl IT-Consulting GmbH gezeigt. Die Ausgangslage war, dass die Anliegen iiber ein Freitextformular im Internet eintreffen und von Mitarbeitem der Post mit „Sorry!", der Beschwerdemanagement-Software von Rodl IT-Consulting, beantwortet werden. Vorher ordnen sie die Eingange personell in folgende vier „elektronische Facher" ein: „Untemehmensbereich" (z. B. Postbank, Philatelie), „Art der Kundenartikulation" (z. B. Reklamation, Anfrage), „Artikulation" (z. B. Auslieferung, Falschzustellung) und „Produkt" (z. B. Postpaket, Nachsendung). Die Arbeitsweise der Komponente lasst sich anhand von drei Phasen beschreiben (vgl. Bild 99): Zu Beginn ist es notwendig, dass ein Wissensingenieur das System trainiert. Dazu stellt er typische Anliegen als Mustertexte fur jede Klasse (z. B. Postpaket) bereit O. Aus dieser Menge induziert das System automatisch Regeln und speichert sie ®. Das so generierte Wissen kommt in der Klassifizierungsphase zum Einsatz. Ein unbekanntes Anliegen © wird einer Klasse zugeordnet, zu welcher der SIS-Leitstand passende Antwortbausteine O bereithalt.
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Bild 99: Arbeitsweise der SIS-Komponente ,^nliegenbearbeitung"
Im Folgenden gehen wir auf ausgewahlte Aspekte der ersten beiden Phasen ein. Man erkennt, dass zahlreiche Programmbausteine wiederverwendet werden („Componentware-Ansatz"). 1. Training (Pliase 1):
Bild 100: Ablaufschema (modifiziert nach [Samb04])
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Der Praprozessor O (vgl. Bild 100) wandelt die unstrukturierten Muster-Anliegentexte linguistisch um, sodass eine kompakte, algorithmisch interpretierbare (also strukturierte) Form entsteht. Der Tokenizer © iiberfiihrt den Text in eine ungeordnete Menge von Termen [Seba02], die dann um nicht bedeutungstragende Elemente reduziert werden. Beispielsweise werden Stopp-Worte (z. B. ein, und), Zahlen oder E-Mail-Adressen entfemt. AnschlieBend fuhrt der so genannte Stemmer © die Terme auf Wortstamme zuriick, jedoch nicht mit einem grammatikalischen, sondem mit einem heuristischen Verfahren. [Seba02] zeigt, dass das erstgenannte Verfahren nicht signifikant leistungsfahiger ist. Im nachsten Schritt uberpriift das System die entstandenen Terme 0 mit statistischen Kennzahlen (z. B. Document Frequency) darauf, ob sie sich zur Differenzierung von verschiedenen Texten eignen. Um das Laufzeitverhalten von Algorithmen zu verbessem, werden nur die Terme mit der hochsten Diskriminationskraft ausgewahlt 0 . Eine tJbersicht iiber Verfahren zur Term-Selektion fmdet man bei [Yang97; Seba02]. Zu diesem Zweck wurde das so genannte Document-Frequency-Thresholding-Verfahren [YaPe97; Joac98] implementiert. Die Bedeutung eines Terms wird mit Gewichten gekennzeichnet. Entsprechende Verfahren sind ausfuhrlich bei [SaBu88; Rijs79] beschrieben. Beispielsweise zeigt ein Gewicht mit dem Wert 0, dass ein Term nicht im Text vorkommt. Die Term Frequency gibt an, wie wichtig ein Term in einem Text ist. Als Basis dient die Haufigkeit des Wortes, was allerdings eine nicht unproblematische Annahme ist. Daher misst man mit der Inverse Document Frequency die Haufigkeit eines Terms bezogen auf samtliche Texte. Als „K6nigsweg" konnte die so genannte Term-Frequency-Inverse-Document-Frequency-Gewichtung gelten. Hierzu haben wir im SIS-Leitstand mehrere Verfahren verglichen, wie Bild 101 in einem Zahlenbeispiel zeigt. Der Ursprung dieser Verfahren geht auf Zipf und Mandelbrot zuriick.
Bild 101: Term-Gewichtung (modifiziert nach [SaBu88; Samb04; Seba04])
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Die Text-Mining-Algorithmen konnen meistens nicht gleichzeitig mehrere Klassen (z. B. 1,2, ... 30) verarbeiten, sondem nur zwei (z. B. -1, 1). Daher zerlegt man den Text mit einer so genannten Codierungsmatrix [DiKo95; AISSOO] in binare Teilprobleme ©. Der Mustertext wird folglich durch eine Zahlenreihe (z. B. {-1,0, 1,0, 0, 0}) beschrieben. Ein Nullwert ergibt sich, wenn das System zu keinem eindeutigen Ergebnis kommt. Im Prototyp sind mehrere Codierungsmatrix-Typen implementiert, wie etwa der BCH (Bose-Chaudhuri-Hocquenghem)Typ [GhanOO; Berg03; Tewa03]. Fiir jedes einzelne Teilproblem © werden die relevanten Mustertexte in mehrdimensionale Vektoren ® tiberfiihrt. SchlieBlich kommt eine „Support Vector Machine" (SVM) © zum Einsatz. Sie zielt darauf ab, die Elemente zweier Klassen - reprasentiert durch Vektoren im mehrdimensionalen Raum - voneinander zu trennen, d. h. die maximal diskriminierende Hyperebene zu berechnen [Vapn95; CrShOO; Cris03]. Das Ergebnis sind die erlemten Hypothesen ®, also die Regeln. 2. Klassifikation (Phase 2): Als erster Schritt sind die zu klassifizierenden E-Mails, die unter Umstanden aus unterschiedlichen Datenquellen stammen, zu einem einzigen Daten-Korpus zusammenzufassen, sodass die Anfrage-Texte in einem einheitlichen Format weiterverarbeitet werden konnen. Nachdem der unbekannte Text ebenfalls mit dem Praprozessor ® (vgl. Bild 100) aufbereitet und in Teilprobleme (D zerlegt wurde, iiberftihrt der SIS-Leitstand den Text fiir jedes binare Teilproblem in eine Vektordarstellung (D. Die zuvor mit Mustertexten trainierte SVM ® klassifiziert so ein unbekanntes Element (einen Text) entsprechend der Lage im mehrdimensionalen Raum. Der Ausgabewert der SVM stellt den Abstand zwischen diesem Element und einer Hyperebene dar. Ein (betragsmafiig) groBerer Wert signalisiert ein hoheres Vertrauen in die Zuordnungsentscheidung. Das Ergebnis wird zu einem (Ausgabe-)Codewort CD kombiniert. Der Decoder (D ordnet den eingehenden Text letztlich entweder keiner, einer oder mehreren Klassen zu. Er bestimmt die Ahnlichkeiten der Codeworter der Kategorien (z. B. {-1,0, 1,0, 0, 0}) und das Codewort des unbekannten Textes (z. B. {-1, 1, 1, 1, 0, 0}). Die Ahnlichkeit wird mit der „Hamming"-Distanz und dem „Hinge-Loss"-Verfahren [AISSOO; WiGh03] bestimmt. SchlieBlich wird auch eine Rangordnung aller Klassen gebildet. Wahrend des Projekts bestand die Moglichkeit, rund 11.000 anonymisierte Kundenanliegen der Deutschen Post zu Testzwecken zu sichten. Um die einwandfreie Funktionalitat des SISLeitstands zu beweisen, evaluierten wir die Komponente fur das „elektronische Fach": Produkt. Jeder der 24 zugehorigen Klassen wurden 30 Beispieltexte zugeordnet. Man variierte einzelne Parameter der Standardeinstellung (vgl. Tabelle 60). Es zeigte sich, dass die Anzahl der Beispieltexte O leicht positiv, der Schwellenwert der Term-Selektion © leicht negativ mit den MessgroBen korrelierte. Dagegen wurde kein Zusammenhang zwischen MessgroBen und dem Verfahren zur Term-Gewichtung © sowie zwischen MessgroBen und dem Typ der
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Codierungsmatrix O festgestellt. SchlieBlich lieB sich beobachten, dass die Effizienz des Systems steigt, wenn zur Trainingsphase hochwertige Mustertexte vorliegen, die auch plausibel kategorisiert sind. Die Evaluation ist bei [Samb04] ausftihrlich dokumentiert.
Tabelle 60: Evaluationsergebnisse [Samb04]
9.4.1.2
Leitstandspersonal-Sicht
Wie der Leitstandsmitarbeiter durch den SIS-Leitstand bei der Beantwortung von Standardanfragen entlastet wird, sei am Beispiel eines KFZ-Handlers gezeigt. 1. Training (Phase 1): Im ersten Schritt hat der Leitstandsmitarbeiter die Datenquelle mit den vorklassifizierten Trainingsdaten zu verbinden. Hierzu wurde ein „Datenbank-Konnektor" entwickelt. Im zweiten Schritt wahlt das Leitstandspersonal jeweils ein Verfahren zur Term-Selektion O und zur Term-Gewichtung ©, legt die Codierungsmatrix © fest (vgl. Bild 102), um anschlieBend die Modellinduktion zu starten. Unmittelbar daran wird die Klassifikationsleistung ausgewertet, wofur ein verfiigbares Modell (mit den induzierten Regeln) und ein Decoder auszuwahlen sind. Bild 102: Trainingsphase
2. Beantwortung (Phase 3): Der Leitstandsmitarbeiter sieht auf seinem Portal die zu bearbeitenden Anliegen O, die automatisch einer Klasse zugeordnet wurden (vgl. Bild 103). Das System ist unter Umstanden in der Lage, den Anfragenden einer Kundenklasse oder einem Kundenwert zuzuordnen ®. Aus der eingehenden E-Mail extrahiert das System Textelemente (z. B. Namen), wodurch der Mitarbeiter Zeit beim Ausfiillen des Kundenkontaktformulars spart ©. Nach einer grammatikalischen und semantischen Analyse des Anliegens schlagt der
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SIS-Leitstand mehrere Antwortbausteine O („Antwort-Generator") und Kulanzangebote vor
e.
Bild 103: Redigieren vorgefertigter Antwortbausteine
9.4.1.3 Stakeholder-Sicht Da sich das Freitextfeld des Webformulars fur die Eingabe des Anliegens und die vom Unternehmen verschickten E-Mail-Antworten nicht von den herkommlichen Verfahren unterscheiden, wird hier auf eine Darstellung verzichtet.
9.4.2 Selbstberatung 9.4.2.1 Funktionsweise Wahrend dem Anspruchsberechtigten in einfachen Situationen ein FAQ-Katalog weiterhilft, hat ein Benutzer in schwierigen Fallen hohere Beratungsanspruche. Ein Mitarbeiter wtisste es vermutlich zu schatzen, wenn ihm sein Untemehmen einen gesundheitlichen Rat erteilen wurde, sofem er an seinem PC-Arbeitsplatz unter Ruckenschmerzen leidet, oder wie er gegen Grippe vorbeugen kann.
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Fur derartige Problemstellungen eignet sich die Methodik der Expertensysteme [Pupp87]. Nachdem ein Anspruchsberechtigter seine Lebenssituation (hier: Krankheitssymptome) grob umrissen hat, versucht das SIS ahnlich einem sensiblen Berater, ihn geschickt in einen Dialog zu verwickeln. Indem es dem Auskunftssuchenden gezielt Fragen stellt und Antworten erhalt, nahert sich das System dem Problem. Je nach Antwort folgen weitere Fragen. Der Beratungsdialog endet auf zwei Arten: zum einen mit einer Diagnose und einem Therapievorschlag („modellbasierte Diagnosen"; vgl. [Reit87; PGPB96]). Zum anderen mag der Ratsuchende an einer Stelle mit dem Dialog nicht mehr weiterkommen. In diesem Fall kann er das System iiber einen Call-Back- oder Mail-Back-Button verlassen und so einen menschlichen Experten (z. B. Betriebsarzt) anfordem, der personell antwortet. Um einen emeuten Medienbruch zu vermeiden, wird an dem Ausstiegspunkt ggf. die Expertenantwort in die Wissensbasis eingestellt bzw. das Fragenetz geandert. Die Vorgehensweise erinnert an das so genannte AnswerGarden-Prinzip [AcMc96]. Die „Baume im Garten" stellen das Fragenetz dar, in dem der Ratsuchende navigiert. „Informationen im Answer Garden wachsen ,organisch' als Frucht von Interaktionen von Experten und Benutzem mit dem System" [Mert95c, 320]. Fur diese Komponente wurde im SIS-Leitstand ein kleiner Ausschnitt einer medizinischen Diagnosedatenbank hinterlegt. Mit einem regelbasierten System konnte man Symptomerkennung, Diagnose und Therapie implementieren. Um das Laufzeitverhalten zu verbessem, iibersetzt der SIS-Leitstand das mit einem grafischen Editor erstellte Regelwerk in PROLOG, das AMZI! (Kapitel 6.2.2) kompiliert. Denkbar ware, dass das SIS den Beratungsprozess von sich aus startet. So konnte es einen Angestellten, der in eine hohere Position befordert wurde, iiber entsprechende Mitarbeiter-Beteiligungsprogramme oder iiber Alterssicherungssysteme aufklaren.
9.4.2.2 Leitstandspersonal-Sicht Der Leitstandsmitarbeiter kann nicht nur auf das im SIS-Leitstand hinterlegte Expertenwissen zuriickgreifen, sondem auch neue Falle fiir die Selbstberatung entwerfen. Hier sind im ersten Schritt lediglich Fragen und je zwei Antwortmoglichkeiten einzugeben. Im zweiten Schritt ist das Fragennetz anzulegen: Man wahh die Folgefragen ftir jede der beiden Antwortaltemativen. Der Eingabeprozess wird durch die Eingabe der Diagnose beendet. Das System ist ausfuhrlich bei [GaKM03] beschrieben. Da es bei der Modellierung eines komplexen Beratungsprozesses vorkommen kann, dass nicht alle Fragenverknupfungen in sich logisch und konsistent sind, erlaubt das System, die Baumstruktur zu testen, und weist so das Leitstandspersonal auf Fehler (z. B. Zirkelschliisse) hin.
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9.4.2.3 Stakeholder-Sicht Nachdem der Anspruchsberechtigte auf seinem Portal das jeweilige Beratungsangebot (z. B. zum Thema Erkaltung) ausgewahlt hat, beginnt das SIS mit der ersten Frage (vgl. Bild 104). Wahrend des Dialogs behalt der Anspruchsberechtigte einen Uberblick uber seine bereits gegebenen Antworten O. Bei Bedarf kann er einen menschlichen Experten kontaktieren ©. Sobald die Antwortkette des Ratsuchenden ausreicht, wird eine mogliche Diagnose © erstellt. Damit der Benutzer mit seinem Problem nicht allein bleibt, schlagt das System auch erste Verhaltensweisen O vor. Je nach Benutzerprofil macht das SIS auf weitergehende Informationen © aufmerksam oder schlagt Foren vor, die ahnliche Probleme als Thema behandeln. Das SIS bietet an, die vorlaufige Diagnose dem Hausarzt elektronisch weiterzuschicken © oder einen Arzt kostenpflichtig um eine kurze Stellungnahme zu bitten ©. Bei leichteren Erkrankungen schlagt es vor, Medikamente online zu bestellen. Eine Erweiterung ware die elektronische Verschreibung von Medikamenten durch den Arzt. Hierzu gibt es Pilotprojekte in Nachbarlandem.
Bild 104: Selbstberatungs-Dialog
9.4.3
Schwarzes Brett
Im Netz sind Schwarze Bretter in Form von Diskussionsforen u. A. vorzufmden. Hierbei kann ein Benutzer Nachrichten ohne weitere Genehmigung hinterlegen. Er wird auf Wunsch per EMail informiert, wenn auf sein Schreiben geantwortet wurde [PlewOO]. Da zahlreiche Software-Hersteller und Dienstleister, d. h. Application Service Provider, technische Plattformen fur Diskussionsforen anbieten, wurde auf eine Realisiemng dieser Komponente verzichtet. Wie das Beispiel von Shell nach der „Brent-Spar-Panne" zeigt, ist die Pflege eines informellen Netzwerks („Community") von hoher Bedeutung. Daher wird kurz auf ausgewahlte Aspekte eingegangen, die den Aufbau und die Pflege der Community fordem konnen. 1. Bevorzugte Behandlung: Hierbei zeigen sich Parallelen zu den seit den 80er Jahren vorhandenen Kundenklubs [M6bu98, 235; Buts02]. Beispielsweise erhalten die Klub-Mitglieder
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von Chip Online nicht nur Vorabmeldungen, Angebote von Kooperationspartnem zu vergunstigten Preisen oder Klub-Nachrichten, sondem werden bei ihren Anfragen auch bevorzugt behandelt. 2. Verbesserung des Mitgliederstatus: Beteiligt sich ein Benutzer an Diskussionsforen und erhalt er positives Feedback anderer, so ist er in der Lage, sich in dem informellen Zusammenschluss zu profilieren. Dartiber hinaus konnen sich Teilnehmer, die etliche Beitrage beigesteuert haben, in einer Community auch auf personHchen Homepages vorstellen. Dies bietet beispielsweise Consors an. 3. Demokratische Strukturen: Der Community-Eigentiimer (also das Untemehmen) kann demokratische Strukturen defmieren und zulassen, dass Mitglieder von sich aus Untergemeinschaften grunden. Selbststandige Verwaltung motiviert und kann die CommunityMitglieder an das Forum binden. Hierzu lassen sich verschiedene formale Rollen nach Aufgaben (z. B. Biirgermeister, Statistiker, Reporter) oder nach Fahigkeiten (z. B. Anfanger, Kenner) defmieren. Weniger positiv ist es, wenn sich Untemehmen aktiv an Diskussionen beteiligen, sich aber nicht als (neutraler) Moderator zu erkennen geben. Dieses Verfahren wird manchmal angewandt, damit sich Geriichte durch kritische Verbraucher in einer Community nicht weiter verbreiten.
9.4.4 Erweiterungen Wahrend der Trainingsphase der Anliegenbearbeitung konnte man mit altemativen Algorithmen aus dem Maschinellen Lemen experimentieren und z. B. die Klassenzuordnung mit bedingten Wahrscheinlichkeiten unterlegen. Femer erscheinen diejenigen Verfahren viel versprechend, welche auch Ruckmeldungen automatisch verarbeiten. Beim E-Mail-Versand bietet sich eine elektronische Rechtschreibpnifling an, sodass man dem Ziel eines NullFehler-Programms naher kommt. Vorteilhaft ware es, wenn das System die Fiille von E-Mails (z. B. Anfragen zu defekten Dieselpumpen) automatisch in Kemaussagen zusammenfasste. Mithilfe von Text-Mining-Verfahren fmdet man relevante Textstellen. Diese konnten in Vorlagen eingeordnet werden. Anspruchsvoller sind maschinelle Lemverfahren, die den Rechner befahigen, selbst Regelwerke zur Informationsextraktion aufzubauen [CiraOl; Mehl04]. Entsprechende Meldungen konnte das SIS dann an den Vertriebs- oder Produktionsleiter verschicken. Diese beinhalten idealerweise auch diejenigen Links zu weiter reichenden Informationen, welche fur ihre Entscheidungen und Aufgaben ntitzlich sind.
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Es liegt nahe, die Anliegenbearbeitung in Richtung des so genannten Case-based Reasoning [AaP194; BlPoOO] weiterzuentwickeln. Entwirft ein Leitstandsmitarbeiter einen Antwortbaustein fur ein neues Anliegen, so wiirde dieser Text in die Wissensbasis aufgenommen werden. Bei einer ahnlichen Anfrage eines Anspruchsberechtigen lieBe sich hierauf zuriickgreifen. Einen entsprechenden CBR-Software-Baustein fur den SIS-Leitstand bietet beispielsweise Empolis mit dem Namen „Orenge" an. Die Selbstberatung konnte durch einen Avatar menschlicher wirken. Zwar zeigen Studien die generelle Akzeptanz, die Technik stellt jedoch sehr hohe Anforderungen an die Linguistik und an die Informatik. So bereiten dem System in der Praxis bereits einfache Syntaxfehler in den Anliegen groBe Verstandnisschwierigkeiten. Eine Losung bestunde darin, die Worte in Fragmente zu zerlegen oder fonetisch umzuwandeln.
9.5
Stakeholder-Controlling
Das Anliegen dieser Komponente ist es, die sich wandelnden Informationsbedarfe und -bedtirfnisse zu berucksichtigen. Dazu wird eine Briicke von den mit den Generatoren (Kapitel 9.2) erzeugten Ausgangslosungen bin zu adaptierbaren und vor allem zu adaptiven Informationsangeboten geschlagen. SchlieBlich soil ein Ausblick gegeben werden, wie man Storfaktoren in der Informationslogistik erkennen und i. S. d. „Controlling-Regelkreises" [Horv03] entsprechende MaBnahmen einleiten kann.
9.5.1 Adaptor 9.5.1.1 Funktionsweise Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass der Anspruchsberechtigte sein Benutzermodell nicht personell pflegen mochte, sondem erwartet, dass ihm das System diesen zeitintensiven Individualisierungsaufwand noch wahrend seiner Benutzersitzung abnimmt. Um Informationskategorien und Darstellungen automatisch zu adaptieren, lassen sich drei Verfahren unterscheiden [MeSZ04, 9]. Beispielsweise kann der SIS-Leitstand einem Anspruchsberechtigten Informationskategorien aktiv zur Verfiigung stellen („Collaborative Filtering"; vgl. [RuntOO]), welche andere ahnliche Anwender, die etwa die gleiche RoUe besitzen, haufig aufrufen. Werden vordefmierte „Wenn-Dann-Regeln" verwendet, so spricht man vom „Rule-based Filtering" [AdTuOl]. Das „Content-based Filtering" beschreibt Anwender mit Schlusselbegriffen seiner bereits abgerufenen Informationen. 1. Individualisierung im RoUen-Portal (Rule-based Filtering): Regeln zur benutzungsfreundlichen Aufbereitung lassen sich der Literatur entnehmen [ChriOl; Kuhn03]. Z. B. bieten sich Kuchendiagramme zur Darstellung eindimensionaler Merkmale an. Diese Diagramme
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sollten keine negativen Werte und moglichst nicht mehr als zehn Segmente enthalten. Daneben stellt sich das System auf die Darstellungswiinsche seines Benutzers ein. VergroBert ein Benutzer innerhalb einer gewissen Zeitspanne mehr als die Halfte der Bilder auf seinem Portal durch einen Doppelklick, so werden automatisch auch diejenigen Bilder im Portal vergroBert, bei denen dadurch die Anschaulichkeit nicht verloren geht. Ahnliche Regeln (eine selten angeklickte Funktion im Menii erscheint nicht mehr auf den ersten Klick) sind den Benutzem z. B. von MS Word bekannt, sodass man mit einer hohen Akzeptanz rechnen kann. 2. Individualisierung im Ereignis-Portal (Collaborative Filtering): CF-Verfahren lassen sich in explizites und implizites CF O einteilen, wie Bild 105 veranschaulicht. Beim letztgenannten Verfahren unterscheidet man, ob Regeln vorgegeben werden („merkmalbasiertes CF") Oder ob - wie im SIS-Leitstand realisiert - das System die Regeln durch die Benutzereingaben selbst generiert („benutzerbasiertes CF") ®. Hierfur vergleicht das System jeden einzelnen in einer Datenbank gespeicherten Benutzer auf Ahnlichkeiten mit anderen. Daher spricht man auch vom „speicherbasierten CF" ©. Um die Starke des Zusammenhangs zu messen, werden im SIS-Leitstand vor allem KorrelationsmaBe verwendet. Beim altemativen Verfahren, dem „modellbasierten CF", sind die Vergleichsobjekte so genannte Cluster-Reprasentanten [BiPa98]. Man muss also Benutzer Clustem zuordnen. Fiir diese Aufgabe konnen beispielsweise der Clustered-Pearson-Algorithmus [FHHNOO, 2] oder die so genannten SelfOrganizing Maps (SOM) zum Einsatz kommen, die Informationsobjekte auf Schltisselattribute ausrichten. Bei den SOM werden die Datensatze so lange auf einer Flache verschoben, bis Objekte mit groBen Attribut-Ahnlichkeiten nebeneinander liegen. Denkbar ware es auch, Experten in der Trainingsphase personell zu Rollen vorzuklassifizieren oder mit Neuronalen Netzen Cluster-Reprasentanten zu erzeugen. Das speicher- und modellbasierte CF kombinierten Hsu, Chung und Huang [HsCH04].
Bild 105: Morphologischer Kasten (fett gedruckte Merkmale sind fur SIS besonders relevant)
Um Benutzer den vorhandenen Klassen, d. h. Rollen, zuzuordnen, gibt es mehrere Moglichkeiten 0 . Im SIS-Leitstand wurden Bayes-Netze eingesetzt. Sie bauen auf kausalen Netzen auf: Kanten reprasentieren Relationen, welche die Knoten, wie etwa Informationskategorien oder Deskriptoren (z. B. Untemehmens- und Benutzermerkmale), miteinander verbinden. In den Netzen kommen zusammen oder auseinander laufende und serielle Verbindungen vor.
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Bayes-Netze haben mehrere Vorteile. Dieses Reprasentationsschema baut Knoten und Kanten bedarfsgerecht auf. Femer sind mit Software-Werkzeugen die Bayes-Netze im Vergleich zu Neuronalen Netzen visualisierbar und somit interpretierbar. Zudem lasst sich das Wissen im Vergleich zu Tabellen kompakter darstellen: Kombiniert man fiinf Variable, so benotigt man nicht 32 (2^), sondem weniger Wahrscheinlichkeitswerte. Die Starke des Einflusses durch die Vorganger- bzw. Nachfolgezustande (Informationskategorien) speichert der SIS-Leitstand mit Wahrscheinlichkeitswerten. Veranderungen dieser Wahrscheinlichkeiten werden durch das ganze Netz propagiert, sodass keine Zirkelschliisse entstehen [Witt02]. PropagierungsAlgorithmen sind naher bei [Pear88] beschrieben. Um die Abhangigkeiten zwischen den Zustanden der Informationskategorien (also den Pfeilen im Netz) automatisch © anzulegen, lassen sich zwei Moglichkeiten unterscheiden: Testbasierte Ansatze ermitteln den Grad der Abhangigkeit zwischen den Zustanden auf statistische Weise [CGKB02], wie etwa mit dem so genannten d-Separationskriterium [Pear88]. Metrikbasierte Ansatze basieren auf heuristischen Suchverfahren [Suzu93], wie etwa Hillclimbing-Methoden [Bouc95]. Da letztgenannte Verfahren sich zum Lemen der Netzstruktur als leistungsfahiger erwiesen haben [HeGC95], wurden diese im SIS-Leitstand eingesetzt. Im SIS-Leitstand wurden mehrere CF-Verfahren mit WEKA (Kapitel 6.2.2) realisiert.
9.5. L2 Leitstandspersonal-Sicht Beim RoUen-Portal wurde auf einen Regel-Editor fur den Leitstandsmitarbeiter verzichtet, da die in der Literatur beschriebenen Regeln (Kapitel 9.5.1.1) keiner groBeren Veranderung unterliegen. Beim Ereignis-Portal ist ein Editor vorhanden, sodass der Leitstandsmitarbeiter den SISLeitstand testen und Parameter andem kann. Beispielsweise kann er uberpriifen, ob die vom System ermittelte Zuordnung zu einer Benutzergruppe nachvoUziehbar ist. Hierfxir wahlt er je nach Ausloser O (z. B. Borsengang) vorgegebene Informationsober- © und -unterkategorien ©. Das Klassifizierungsergebnis O zeigt Bild 106. Bei Bedarf mag der Leitstandsmitarbeiter verschiedene Parameter anpassen, wie etwa Collaborative-Filtering-Methoden, die maximal angezeigte Anzahl von Informationskategorien im Arbeitsbereich eines Portals oder die Anzahl der notwendigen Klicks des Anspruchsberechtigten, bis ihm ein Vorschlag generiert wird. Hilfreich ist auBerdem, dass der Leitstandsmitarbeiter auch die Wissensbasis andem kann, auf die der Adaptor zugreift. Dadurch steht es dem Mitarbeiter frei, weitere Experten etwa aus seinem Untemehmen - wie beim Konfigurator (Kapitel 9.1.2) - einzuladen. Entsteht der Eindruck, dass das System falsche Beziige herstellt, so lasst es sich auf verschiedene Wissensstande zuriicksetzen („Reset-Funktion").
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Bild 106: Adaptor (Leitstandspersonal-Sicht)
9.5.1.3 Stakeholder-Sicht Die Adaptionen werden an einem Beispiel fiir Anteilseigner veranschaulicht. 1. Individualisierung im RoUen-Portal: Beim Rollen-Portal (vgl. Bild 107) kann sich der Benutzer Texte langer oder kiirzer O, Informationen einfacher oder anspruchsvoller formuliert oder Grafiken © unterschiedlich aufbereitet anzeigen lassen.
Bild 107: Adaptionsprozess (Rollen-Portal)
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Durch jeden Klick in die rechte bzw. linke Halfte des Bildes vergroBert oder verkleinert sich die Abbildung um je zehn Prozent. Wenn eine Kegel des Systems „feuert", erscheint in der Nahe der Mausposition funf Sekunden lang ein auffalliges gelbes Banner mit roter Schrift © inklusive einer Erklarung, dass man bei Nicht-Gefallen die vorgeschlagene Anpassung iibergehen kann. Nichtsdestotrotz kann der Benutzer seine Darstellungspraferenzen auch langfristig in seinem Benutzermodell ablegen 0 . 2. Individualisierung im Ereignis-Portal: Das SIS prasentiert je nach Ausloser O (z. B. Borsengang) im Arbeitsbereich des Portals situierte Informationskategorien ® (vgl. Bild 108). Der Benutzer kann sie jeweils in vier Darstellungsarten anzeigen lassen ©.
Bild 108: Adaptionsprozess (Ereignis-Portal)
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Wie sich die Informationskategorien an das Benutzerverhalten anpassen, wird im Folgenden demonstriert: Der Stakeholder interessiert sich beispielsweise fur den Verlauf des IPOAktienkurses (einfacher Text, grafische Aufbereitung) und fur Analystenprognosen (anspruchsvoller Text) O. Aufgrund dieser Auswahl prasentiert das SIS nun in der zweiten Reihe Informationskategorien, die ahnliche Benutzer vor ihm ausgewahlt haben (z. B. Kursprognosen) 0 . Da das System dem Benutzer bereits die RoUe eines Kleinaktionars zugeordnet hat, zeigt es in der untersten Reihe diejenigen Informationen, welche dieser Rolle entsprechen 0 . Der Benutzer nimmt das geanderte Informationsangebot des SIS an und wahlt die Kategorien Handelsumsatz und Buchwert der Aktie ©. Da diese beiden Informationskategorien der Oberkategorie Aktienkurs entstammen, wird eine weitere Anpassung veranlasst: Die bisher nicht aufgerufenen Informationen, wie etwa Untemehmensplanung ©, werden durch andere Informationskategorien der Oberkategorie Aktienkurs verdrangt. Zudem fiihrt das SIS den Handelsumsatz und den Buchwert der Aktie in weiteren Darstellungsarten © auf, die interessieren konnten.
9.5.2 Analysator 9.5.2.1 Funktionsweise Die Komponente Analysator bezweckt, bisher noch unbekannte Zusammenhange in Daten aufzusptiren („Data Mining"). Nach Bissantz ist dieses Verfahren als ein „Verdachtsmomentgenerator" [BiHa96] zu begreifen. Da Daten im Zusammenhang mit dem Internet gesammelt werden, spricht man vom „Web Mining", welches in drei Bereiche unterteilt wird [CoolOO, 9]: Das „Web Content Mining" befasst sich damit, eine Webseite mit Verfahren des Information Retrieval auf Inhalte zu untersuchen. Das „Web Structure Mining" analysiert die Struktur des WWW. Fiir das AIDAR-System ist das „Web Usage Mining" relevant, bei dem es darum geht, das Benutzerverhalten u. a. mit Klickfolgen zu erkunden. Ausgewahlte Fragestellungen zeigt Tabelle 61. Die damit gewonnenen Erkenntnisse konnen veranlassen, die Wissensbasis des SIS-Leitstands anzupassen.
Wie reagieren verschiedene Anspruchsgruppen auf die vorgeschlagenen lnformationsl