Ursula Nickel Ansgar Brambrink (Hrsg.) Allgemein- und Regionalanästhesie in der Traumachirurgie
Ursula Nickel · Ansgar Brambrink (Hrsg.)
Allgemein- und Regionalanästhesie in der Traumachirurgie Mit 66 Abbildungen und 47 Tabellen
13
Dr. Ursula Nickel
Priv.-Doz. Dr. Ansgar Brambrink, MD, PhD
Klinik für Anästhesiologie Universität Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz E-mail:
[email protected] Klinik für Anästhesiologie Universität Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz Visiting Associate Professor Oregon Health & Science University Department of Anesthesiology and Perioperative Medicine Mail Code: UHS-2 3181 SW Sam Jackson Park Road Portland, Oregon 97239-3098, USA E-mail:
[email protected] ISBN 3-540-21480-1 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag. Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2005 Printed in The Netherlands Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literarturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Ulrike Hartmann Projektmanagement: Gisela Schmitt Copy-Editing: Dr. Sirka Nitschmann, Stuttgart Design: deblik Berlin SPIN 1092 6086 Satz: medionet AG Druck: Krips, Meppel Gedruckt auf säurefreiem Papier
22/2122 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort Die Traumachirurgie bietet dem Anästhesisten, wie kaum ein anderes operatives Gebiet, vielfältige Möglichkeiten die ganze Bandbreite der Anästhesietechniken zu praktizieren. Dies macht die tägliche Arbeit einerseits sehr abwechslungsreich, andererseits erschwert es aber gerade jüngeren Kollegen die Auswahl des adäquaten Narkoseverfahrens. Die tägliche Erfahrung dieser Problematik inspirierte die Herausgeber zunächst ein kliniksinternes, unmittelbar praxisorientiertes Manual als »Kittelreferenz« zu entwickeln. Auf dieser Basis entstand jetzt ein wesentlich detallierteres, umfangreicheres und zusätzlich bebildertes Fachbuch. Ein wesentliches Ziel des Buches ist es, eine praxisorientierte Hilfestellung bei der Planung des bestmöglichen Anästhesieverfahrens für den individuellen Patienten zu geben. Im Sinne einer patientenorientierten Medizin sollen dabei neben Vorerkrankungen und aktuellen Begleitumständen auch die individuellen Wünsche des Patienten berücksichtigt werden. Darüber hinaus spielen jedoch auch die operativen Abläufe des geplanten Eingriffs sowie institutionelle Möglichkeiten der Anästhesie eine ganz wesentliche Rolle. Aus diesem Grund wurde den operativen Aspekten und Vorgehensweisen ein eigenes Kapitel gewidmet, das entsprechende Informationen zu den häufigsten Operationen in der Traumachirurgie vermittelt. Ein weiteres Ziel ist die Betonung des großen Stellenwerts von Regionalanästhesieverfahren, insbesondere der vielfältigen Möglichkeiten der peripheren Leitungsanästhesie in der Traumachirurgie. Diese werden vielerorts aus unserer Sicht immer noch zu selten berücksichtigt. Die Darstellung von Regionalanästhesieverfahren bildet daher einen Schwerpunkt des Buches. Aus didaktischen Gründen haben wir uns auf die für traumachirurgische Operationen wesentlichen Techniken beschränkt und jeweils die aus unserer Sicht einfachste und sicherste Vorgehensweise beschrieben. Dem ungewöhnlich breiten Patientenspektrum, das Kinder und sehr alte Menschen, aber auch lebensgefährlich verletzte Patienten einschließt, wurde durch entsprechende Kapitel Rechnung getragen, ebenso dem für die postoperative Phase so wichtigen individuell ausgerichteten Schmerzmanagement. Dieses Buch ersetzt kein Lehrbuch der Anästhesiologie. Es baut auf vorhandene Grundlagen auf und soll die tägliche Arbeit des Anästhesisten – von der Prämedikation bis zur Entlassung aus dem Aufwachraum – erleichtern. Unser Dank gebührt Frau Ulrike Hartmann, Senior Editor des Springer Medizin Verlages, die uns jederzeit mit fachlicher Kompetenz und Ansporn zur Seite stand und so wesentlich zum Gelingen des Werkes beitrug. Herrn PD Dr. med. von Issendorff, Klinik für Unfallchirurgie der Universitätsklinik Mainz, gilt unser Dank für die Durchsicht und Korrektur der operativen Aspekte von Kapitel 2 und Frau Dr. med. Christina Müller, Klinik für Anästhesiologie der Universitätsklinik Mainz, für ihre unermüdliche Bereitschaft zur Durchsicht der Manuskripte und ihre wertvollen Hinweise zur Korrektur. Mainz, im Oktober 2004 Ursula Nickel Ansgar Brambrink
VII
Autorenverzeichnis Brambrink, Ansgar, Priv.-Doz. Dr. Visiting Associate Professor Oregon Health & Science University Department of Anesthesiology and Perioperative Medicine Mail Code: UHS-2 3181 SW Sam Jackson Park Road Portland, Oregon 97239-3098 USA Luckhaupt-Koch, Kornelia, Dr. Klinik für Anästhesiologie Universität Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz Nickel, Ursula, Dr. Klinik für Anästhesiologie Universität Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz Richter, Bärbel, Dr. Klinik für Anästhesiologie Universität Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz Scherhag, Anton, Dr. Klinik für Anästhesiologie Universität Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz Thierbach, Andreas, Dr. Klinik für Anästhesiologie Universität Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz
IX
Inhaltsverzeichnis I
3.4 3.5 3.6
Anästhesiologisches Management in der Traumachirurgie
Allgemeine Aspekte zur Anästhesieplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . U. Nickel 1.1 Differenzialindikation verschiedener Anästhesieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Präoperative Vorbereitung . . . . . . . . . . . 1.4 Kommunikation mit dem Patienten . . 1.5 Ambulante Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Lagerungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . Protektion gegen Wärmeverlust . . . . . . Typische Komplikationen in der traumachirurgischen Anästhesie . . . . .
1
Typische Eingriffe in der Traumachirurgie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U. Nickel, A. Brambrink 2.1 Eingriffe bei Verletzungen der Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Eingriffe bei Verletzungen des Beckens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Eingriffe bei Verletzungen der Schulter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Eingriffe bei Verletzungen des Oberarms. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Eingriffe bei Verletzungen des Unterarms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Eingriffe bei Verletzungen der Hand . . 2.7 Eingriffe bei Verletzungen der Hüfte . . 2.8 Eingriffe bei Verletzungen des Oberschenkels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Eingriffe bei Verletzungen des Kniegelenks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.10 Eingriffe bei Verletzungen des Unterschenkels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1 3.2 3.3
Intraoperatives Management in der Traumachirurgie . . . . . . . . . . . . . A. Brambrink Flüssigkeits- und Volumentherapie . . . Transfusionstherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . Fremdblutsparende Maßnahmen. . . . .
54
3 II 4 5 5 5 6 9
2
3
49 53
11
4
Besonderheiten der Allgemeinanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . A. Brambrink Differenzialindikation verschiedener Narkoseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monitoring, Zugänge . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherung der Atemwege . . . . . . . . . . . . Auswahl der Medikamente . . . . . . . . . . .
4.1 4.2 4.3 4.4 III
13 14 14 16 17 18 19 20 22 23 25
35 37 41 46
Allgemeinanästhesie in der Traumachirurgie
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60 63 65 65
Rückenmarknahe Regionalanästhesie in der Traumachirurgie
Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Auswirkungen auf physiologische Regelmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie . . . . . U. Nickel 5.1 Spezielle Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Blutgerinnung und rückenmarknahe Regionalanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Antikoagulanzien und rückenmarknahe Regionalanästhesie. . . . . . . . . . . . . 5.4 Auswahl der Lokalanästhetika . . . . . . . . 5.5 Überprüfung der Anästhesiewirkung . 5.6 Konzepte der intraoperativen Analgosedierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Erkennen und Management von Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Dokumentation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9 Bewertung der rückenmarknahen Regionalanästhesieverfahren. . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70 72 75
77 78 79 81 86 87 87 92 92 96
X
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Inhaltsverzeichnis
6
Spinalanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 U. Nickel 6.1 Spezielle Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 6.2 Kanülen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 6.3 Technik der Spinalanästhesie. . . . . . . . . 99 6.4 Management häufiger Probleme bei der Anlage der Spinalanästhesie. . . . . . 103 6.5 Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . . 104 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 7
Kontinuierliche Spinalanästhesie (CSA). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U. Nickel 7.1 Spezielle Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Kanülen, Katheter, Sets. . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Technik der CSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Management häufiger Probleme bei der Anlage der CSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
15
Lumbale Epiduralanästhesie . . . . . . . . U. Nickel 8.1 Spezielle Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Kanülen, Katheter, Sets. . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Technik der lumbalen Epiduralanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Management häufiger Probleme bei der Anlage der Epiduralanästhesie . . . 8.5 Testdosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6 Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
9
11 12 13 14
17 18 19 20
Kombinierte Spinalepiduralanästhesie (CSE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U. Nickel 9.1 Spezielle Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Kanülen, Katheter, Sets. . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Technik der CSE. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Management häufiger Probleme bei der Anlage der CSE . . . . . . . . . . . . . . . 9.5 Besonderheiten der CSE. . . . . . . . . . . . . . 9.6 Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105
106 106 106 108 108 110 111
IV 10
Allgemeine Aspekte peripherer Leitungsanästhesien. . . . . . . . . . . . . . . . U. Nickel 10.1 Allgemeine Kontraindikationen peripherer Leitungsanästhesien . . . . . . 10.2 Blutgerinnung und periphere Leitungsanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Kanülen und Katheter für die periphere Leitungsanästhesie . . . . . . . . 10.4 Auswahl der Lokalanästhetika . . . . . . . . 10.5 Prinzip der elektrischen Nervenstimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Ultraschall und periphere Leitungsanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7 Überprüfung der Anästhesiewirkung . 10.8 Konzepte der intraoperativen Analgosedierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.9 Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.10 Erkennen und Management allgemeiner Komplikationen bei peripheren Leitungsanästhesien . . . . . 10.11 Dokumentation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113 113
V
114 116 117 118 119
121
123 123 123 126 127 127 128
Periphere Leitungsanästhesie
11
11.1 11.2 11.3 11.4 11.5
12
131
133 134 134 135 137 138 138 139 139
139 141 142
Periphere Leitungsanästhesie bei Eingriffen an der oberen Extremität Blockade des Plexus brachialis . . . . . . A. Brambrink Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Indikationen und Kontraindikationen. Interskalenäre Blockade des Plexus brachialis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertikal infraklavikuläre Blockade des Plexus brachialis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axilläre Blockade des Plexus brachialis Bewertung der unterschiedlichen Verfahren zur Blockade des Plexus brachialis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145 147 149 151 157 162
167
Leitungsanästhesie an Oberarm und Ellbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A. Brambrink Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . 171
XI
Inhaltsverzeichnis
12.1 12.2 12.3 12.4 12.5 12.6 12.7 12.8 13
13.1 13.2 13.3 13.4 14
14.1 14.2 14.3 14.4
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kanülen, Katheter, Sets. . . . . . . . . . . . . . . Nervenstimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N. musculocutaneus: Blockadetechnik am proximalen Oberarm . . . . . N. radialis: Blockadetechnik am Ellbogen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N. medianus: Blockadetechnik am Ellbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N. ulnaris: Blockadetechnik am Ellbogen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . . Handgelenkblockade . . . . . . . . . . . . . . . A. Brambrink Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Spezielle Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zubehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik der Handgelenkblockade . . . . Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . . Leitungsanästhesien am Finger (Oberst-Block) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Brambrink Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Spezielle Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zubehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik des Oberst-Block . . . . . . . . . . . . Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . .
Intravenöse Regionalanästhesie (IVRA), Bier-Block . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U. Nickel 15.1 Indikationen und Kontraindikationen. 15.2 Kanülen und Zubehör . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3 Technik der intravenösen Regionalanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4 Management häufiger Probleme . . . . . 15.5 Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
172 172 172
VI
16
Bewertung der unterschiedlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 U. Nickel, A. Scherhag
17
Psoaskompartmentblockade . . . . . . . . A. Scherhag Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Indikationen, Differenzialindikation und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . Kanülen, Katheter, Sets. . . . . . . . . . . . . . . Blockadetechnik (nach Chayen) . . . . . . Management häufiger Probleme bei der Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . .
195
Ischiadikusblockade . . . . . . . . . . . . . . . . A. Scherhag, B. Richter Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Indikationen, Differenzialindikation und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . Proximale Ischiadikusblockade . . . . . . . Distale Ischiadikusblockade (Poplitealblockade) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
203
Inguinale Blockade des N. femoralis B. Richter Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Indikationen und Kontraindikationen. Kanülen, Katheter, Sets. . . . . . . . . . . . . . . Blockadetechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Management häufiger Probleme bei der Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . .
215
Obturatoriusblockade . . . . . . . . . . . . . . B. Richter Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Indikationen und Kontraindikationen. Kanülen, Katheter, Sets. . . . . . . . . . . . . . . Blockadetechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . .
221
173 174 176 177 178 179 180 180 180 181 184
183
17.1 17.2 17.3 17.4 17.5 18
18.1 18.2 18.3
184 184 184 184 184
15
185 186 186 187 188 188 188
Periphere Leitungsanästhesie bei Eingriffen an der unteren Extremität
19
19.1 19.2 19.3 19.4 19.5 20
20.1 20.2 20.3 20.4
196 196 198 198 201 201
204 204 205 209
216 216 217 217 219 219
222 222 222 222 224
1 2 3 4 5 6 7 8
XII
Inhaltsverzeichnis
21
Saphenusblockade . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Richter Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Indikationen und Kontraindikationen. Zubehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blockadetechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . .
225
Fußblock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Richter Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . 22.1 Indikationen und Kontraindikationen. 22.2 Zubehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3 Blockadetechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4 Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . . Literatur zur peripheren Leitungsanästhesie der unteren Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
229
21.1 21.2 21.3 21.4 22
VII
9
226 226 226 226 227
230 231 231 231 232
235
13
Polytrauma. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Thierbach 23.1 Schockraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2 Management des polytraumatisierten Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3 Innerklinische Erstversorgung . . . . . . . . 23.4 Besonderheiten bei speziellen Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
24
249
10 11 12
15 16 17 18 19 20
Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U. Nickel, K. Luckhaupt-Koch 24.1 Typische Verletzungsmuster bestimmter Altersgruppen . . . . . . . . . . . 24.2 Vorbereitung des Kindes . . . . . . . . . . . . . 24.3 Analgosedierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4 Allgemeinanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.5 Regionalanästhesie bei Kindern . . . . . . 24.6 Postoperative Schmerztherapie . . . . . . 24.7 Spezielle Problemstellungen . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 25.1
Besonderheiten bei der Vorbereitung des Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 25.3 Spezielle Problemstellungen . . . . . . . . . 269 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 VIII Postoperative anästhesiologische Versorgung 26
Postoperative Schmerztherapie . . . . . U. Nickel 26.1 Konzepte der postoperativen Schmerztherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.2 Analgetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.3 Verfahren zur postoperativen Schmerztherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
277
27
299
278 281 291 297
232
Besondere Versorgungssituationen
23
25.2
236 238 239
Aufwachraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Richter 27.1 Apparative und personelle Ausstattung des Aufwachraums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.2 Übergabe und Überwachung . . . . . . . . 27.3 Entlassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.4 Management typischer Komplikationen im Aufwachraum . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
300 300 301 302 303
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 246 248
250 251 252 254 255 260 261 264
Geriatrische Patienten . . . . . . . . . . . . . . 267 U. Nickel, K. Luckhaupt-Koch Typische Verletzungsmuster des geriatrischen Patienten . . . . . . . . . . . . . . 268
I Anästhesiologisches Management in der Traumachirurgie 1
Allgemeine Aspekte zur Anästhesieplanung
–3
2
Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
3
Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
– 11 – 35
1 Allgemeine Aspekte zur Anästhesieplanung U. Nickel
1.1
Differenzialindikation verschiedener Anästhesieverfahren – 4
1.2
Aufklärung
1.3
Präoperative Vorbereitung
1.4
Kommunikation mit dem Patienten
1.5
Ambulante Patienten
Literatur
–9
–5
–6
–5 –5
4
1
Kapitel 1 · Allgemeine Aspekte zur Anästhesieplanung
)) Die Anästhesie in der Traumachirurgie wird charakterisiert durch: Notfalleingriffe – nicht nüchterne Patienten – Multimorbidität – kindliche und geriatrische Patienten – Regionalanästhesie – Polytrauma
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1.1
Differenzialindikation verschiedener Anästhesieverfahren
! Die Auswahl des Anästhesieverfahrens sollte individuell erfolgen.
Die Traumachirurgie ist die Domäne der Regionalanästhesie. Grundsätzlich sind natürlich alle operativen Eingriffe in Allgemeinanästhesie möglich; bei einer Vielzahl von traumatologischen Operationen bieten jedoch Regionalanästhesieverfahren – ob rückenmarknah oder peripher – eine Reihe von Vorteilen, die bei der Anästhesieplanung berücksichtigt werden sollten. Bei Patienten ohne besonderes gesundheitliches Risiko und Eingriffen ohne Notwendigkeit für eine postoperative Schmerztherapie mit einem Katheterverfahren kann in der Regel den Wünschen des Patienten entsprochen werden. Bestehen narkoserelevante Vorerkrankungen, wie z. B. ein schweres Asthma bronchiale oder kardiale Erkrankungen, muss eine sorgfältige NutzenRisiko-Abwägung erfolgen. Hier stellen rückenmarknahe Verfahren oder – wenn möglich – periphere Leitungsanästhesien eine brauchbare Alternative dar. Die Auswahl des geeigneten Narkoseverfahrens hängt somit zum einen vom Gesundheitszustand des Patienten, zum anderen aber auch von den in einer Klinik routinemäßig durchgeführten Verfahren ab. Grundsätzlich herrscht Uneinigkeit darüber, ob rückenmarknahe Regionalanästhesieverfahren dem Patienten tatsächlich Vorteile bringen. Übersichten und Metaanalysen der letzten Jahre konnten z. B. keine deutliche Überlegenheit der Spinal- oder Epiduralanästhesie bei Patienten mit frakturbedingten Hüftoperationen nachweisen. Rückenmarknahe Verfahren reduzierten bei die-
sen Operationen zwar die kurzfristige Mortalität und die Häufigkeit thromboembolischer Ereignisse, im Gegensatz dazu wurden aber hypotensive Phasen und zerebrovaskuläre Ereignisse teilweise häufiger beobachtet. Daher kann man z. Zt. nur von marginalen Vorteilen der rückenmarknahen Regionalanästhesie im Vergleich zur Allgemeinanästhesie bei diesen Eingriffen ausgehen. Etwas anders sieht es aus, wenn die Regionalanästhesie als Katheterverfahren (Epiduralkatheter oder kontinuierliche periphere Leitungsanästhesie) durchgeführt wird und zur postoperativen Schmerztherapie genutzt werden soll. Eine suffiziente postoperative Schmerztherapie führt zur Stressreduktion, was sich v. a. bei kardialen Risikopatienten positiv auswirkt. Die Förderung der Mobilisation wirkt thrombembolischen Komplikationen entgegen. Es gibt Belege dafür, dass z. B. in der Kniechirurgie und -endoprothetik die postoperative Katheterregionalanästhesie der Schmerztherapie mittels einer intravenösen Opioid-PCA überlegen ist. Periphere Leitungsanästhesien sind, wenn möglich, rückenmarknahen Techniken vorzuziehen, da sie mit einem geringeren Risiko schwerwiegender Komplikationen behaftet sind. So wurden, wenn auch sehr selten, selbst bei jungen und gesunden Patienten bei Spinalanästhesien plötzliche Herzkreislaufstillstände mit häufig erfolgloser kardiopulmonaler Reanimation beschrieben. Schwerwiegende neurologische Komplikationen treten bei rückenmarknahen Regionalanästhesien selten, aber häufiger als bei peripheren Leitungsanästhesien auf. Die Entscheidung für ein Anästhesieverfahren sollte nicht standardisiert erfolgen (z. B. Kniearthroskopie → Spinalanästhesie), sondern sich individuell an der Situation des Patienten (Elektiveingriff oder Notfall, nüchtern oder nicht nüchtern), den anästhesierelevanten Vorerkrankungen (z. B. Asthma bronchiale, Z. n. Myokardinfarkt etc.), dem Ausmaß des geplanten Eingriffs (großer Volumenumsatz, sehr lange Operationsdauer), der geplanten postoperativen Schmerztherapie und natürlich auch an den Wünschen des Patienten orientieren.
5
1.4 · Kommunikation mit dem Patienten
1.2
Aufklärung
Bei Elektiveingriffen muss die Aufklärung mindestens am Vortag des Eingriffs erfolgen. In Notfallsituationen kann diese, in Abhängigkeit von der Dringlichkeit, auch bis unmittelbar vor der Operation durchgeführt werden. Die in Frage kommenden Anästhesieverfahren werden dem Patienten dargestellt und erklärt, Vor- und Nachteile werden erläutert und es wird auf typische Risiken und Komplikationsmöglichkeiten hingewiesen. Die Aufklärung umfasst auch zusätzliche anästhesiologische Maßnahmen wie die Bluttransfusion, invasives Monitoring sowie eine mögliche postoperative Intensivtherapie. Bei Nichteinwilligungsfähigkeit, etwa bei einer Altersdemenz, bei bewusstseinsgetrübten oder sedierten Patienten, muss die Einwilligung durch einen gesetzlich bestimmten Betreuer (Gesundheitsfürsorge) erfolgen. Die Betreuungsurkunde ist in der Regel beim zuständigen Amtsgericht innerhalb eines Tages zu erhalten. In absoluten Notfallsituationen, z. B. bei einem Polytrauma, ist eine Anästhesie auch ohne Einwilligung möglich.
1
cker, auch am Morgen des Operationstages einnehmen. Ist eine rückenmarknahe Regionalanästhesie geplant, sollten der Station konkrete Anweisungen über ein evtl. erforderliches Aussetzen der Thromboembolieprophylaxe gegeben werden. Bei sehr umfangreichen Eingriffen oder gravierenden Vorerkrankungen muss vorab über die Notwendigkeit einer postoperativen Intensivbehandlung entschieden werden. Werden größere Blutverluste erwartet, so sind die erforderlichen Blutprodukte zeitgerecht anzufordern. Am Vorabend der Operation wird bei Elektiveingriffen in der Regel ein Benzodiazepin zur Anxiolyse und zur Verbesserung des Nachtschlafes verabreicht. Am Operationstag wird zeitgerecht ebenfalls ein Benzodiazepin zur Anxiolyse und leichten Sedierung gegeben. Bei geriatrischen, leber- oder niereninsuffizienten Patienten ist eine Dosisreduktion erforderlich. Bestehen präoperativ Bewusstseinsstörungen oder ist der Patient schläfrig, ist eine medikamentöse Prämedikation nicht indiziert.
Checkliste präoperative Vorbereitung 1.3
5 Erforderliche Laborwerte vorhanden? 5 Weitere Untersuchungen nötig (z. B. Rö-
Präoperative Vorbereitung
Thorax, internistisches Konsil, LUFU)?
Im Hinblick auf die Multimorbidität der häufig in der Traumachirurgie behandelten alten Patienten ist eine gute präoperative Vorbereitung wichtig, um das Risiko der Narkose zu minimieren (7 Kap. 25). Im Rahmen der Prämedikationsvisite verschafft sich der Anästhesist ein Bild vom Gesundheitszustand des Patienten. Anhand der Krankenakte und der vorliegenden Befunde, dem Anästhesiefragebogen und der anästhesiebezogenen klinischen Untersuchung ist eine Risikoabschätzung möglich. Es muss festgelegt werden, ob eine Notwendigkeit für zusätzliche präoperative Labor- oder sonstige Untersuchungen oder für die Einleitung einer medikamentösen Behandlung einer aktuellen Gesundheitsstörung besteht. Anschließend wird ein geeignetes Anästhesieverfahren für den Patienten ausgewählt. Patienten, die unter einer Dauermedikation stehen, müssen einige Medikamente, z. B. β-Blo-
5 Medikamentöse Einstellung aktueller Ge-
sundheitsstörungen nötig? 5 Dauermedikation? 5 Aussetzen der Thromboembolieprophyla-
xe bei Regionalanästhesie nötig? 5 Volumenstatus? Flüssigkeitssubstitution 5 5 5 5
1.4
präoperativ erforderlich? Geeignete Prämedikation verordnen! Ggf. Vorbefunde anfordern. Ggf. Intensivbett anfordern. Ggf. Blutprodukte anfordern.
Kommunikation mit dem Patienten
! Die Kommunikation des Anästhesisten mit dem Patienten beginnt mit der Prämedikation und endet mit der postoperativen Visite.
6
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Kapitel 1 · Allgemeine Aspekte zur Anästhesieplanung
Viele Patienten erleben gerade präoperativ erheblichen Stress aus Angst vor der Narkose. Häufige Ängste sind etwa »nicht aus der Narkose aufzuwachen« oder »während der Operation Schmerzen zu spüren«. Der Kontrollverlust über die Funktionen des eigenen Körpers wird als beängstigend erlebt. Gerade Notfallsituationen sind hier als problematisch anzusehen. Eine adäquate Kommunikation mit dem Patienten kann ganz wesentlich zur perioperativen Stress- und Angstreduktion beitragen. Es ist essenziell die Aufklärung dem Informationsbedürfnis des Patienten anzupassen. Hierbei sollte nicht nur auf die Komplikationsmöglichkeiten der Anästhesie eingegangen, sondern auch das geplante Vorgehen während der Narkose/-einleitung erklärt werden. Die Informationsvermittlung muss in einer für den Patienten verständlichen Weise erfolgen. Es ist sinnvoll, Ängste offen anzusprechen und durch adäquate Informationen zu mindern. Bei der Auswahl des Anästhesieverfahrens sollten dem Patienten zur Entscheidungsfindung Vor- und Nachteile erläutert werden. Ein Patient, der z. B. eine Regionalanästhesie ablehnt, sollte niemals dazu »überredet« werden; vielmehr ist es sinnvoll zu eruieren, ob die Ablehnung auf einer schlechten Erfahrung oder einer falschen Vorstellung über den Ablauf beruht (z. B. »während des Eingriffs wach zu sein«). Durch entsprechende Informationen (z. B. der Möglichkeit der intraoperativen Sedierung) kann der Patient möglicherweise zu einer anderen Entscheidung gelangen. Hilfreich während der Narkoseeinleitung ist die Erläuterung der gerade durchgeführten Maßnahmen. Insbesondere bei Regionalanästhesieverfahren, die meist außerhalb des Sichtfeldes des Patienten angelegt werden, kann dadurch die Kooperation verbessert werden. Bei Vollnarkosen können zum einen die Maske während der Präoxygenierung, zum anderen die eintretende Wirkung der Hypnotika und Opioide Ängste verursachen. Indem man auf den Patienten eingeht (z. B. »ist es unangenehm, dass die Maske so dicht sitzt?«) bzw. ihm erklärt, was er gleich fühlen wird (Schwindel, Verschwommensehen, etc.) wird die Situation weniger bedrohlich erlebt.
! Gerade weil der Anästhesist den Großteil der Zeit mit nicht zur Kommunikation fähigen Patienten verbringt, sollte er in der verbleibenden Zeit den Kontakt zum Patienten optimal gestalten.
Ambulante Patienten
1.5
Zunehmend werden kleinere Eingriffe an den Extremitäten oder Metallentfernungen auch in Kliniken ambulant durchgeführt. Die anästhesiologischen Erfordernisse müssen an diese Gegebenheiten angepasst werden. Nicht jeder Patient eignet sich für eine ambulante operative Versorgung, eine geeignete Patientenselektion ist daher wichtig. In der Regel können Patienten der ASA-Risikogruppen I und II, Patienten der ASA-Risikogruppe III nur bei stabiler chronischer Erkrankung (z. B. gut eingestellter Hypertonus, Diabetes mellitus) ambulant anästhesiert werden. Der Eingriff sollte mit einem minimalen Risiko von Nachblutungen oder postoperativ auftretenden respiratorischen Komplikationen verbunden sein. Extreme Altersgruppen eignen sich nicht für die ambulante Anästhesie. In der folgenden Übersicht sind Kontraindikationen für die ambulante Durchführung einer Narkose dargestellt.
Kontraindikationen für die ambulante Anästhesie 5 Patienten der ASA-Risikogruppe III bei in-
5 5 5 5 5 5 5 5
stabiler chronischer Erkrankung und der ASA-Risikogruppe IV Säuglinge in den ersten 3 Lebensmonaten Ehemalige Frühgeborene im ersten Lebensjahr Vorbestehende Herz-Kreislauf-Erkrankungen Vorbestehende pulmonale Erkrankungen Adipositas per magna Muskuläre Erkrankungen Familiäre MH-Disposition Vorbeschriebene schwierige Intubation
1.5 · Ambulante Patienten
7
1
Schon bei der Prämedikation sollten die Patienten auf die Besonderheiten der ambulanten Anästhesie hingewiesen werden. Dies kann in Form eines Merkblattes geschehen (. Abb. 1.1). Das Abholen nach dem Eingriff sowie die Betreuung durch einen Angehörigen in den ersten Stunden zu Hause muss gewährleistet sein. Der Eingriff selbst sollte zeitlich so geplant werden, dass der Patient nach entsprechender Überwachungszeit von einem Anästhesisten beurteilt und entlassen werden kann. Die Entlassungskriterien sollten klar definiert sein und dokumentiert werden (. Abb. 1.2).
. Abb. 1.1. Merkblatt Anästhesie bei ambulanten Patienten (Merkblatt der Klinik für Anästhesiologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
8
Kapitel 1 · Allgemeine Aspekte zur Anästhesieplanung
. Abb. 1.2. Dokumentationsbogen für die Entlassung nach einem ambulanten Eingriff (Dokumentationsbogen der Klinik für Anästhesiologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
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Entlassungskriterien bei ambulanter Anästhesie
5 Unauffällige Wundverhältnisse 5 Häusliche Betreuung über 24 h gewähr-
5 Frühestens 4 Stunden nach Narkoseende 5 Vollständige Rückkehr des Bewusstseins,
leistet Zusätzlich bei rückenmarknaher Anästhesie
volle Orientierung
5 Vollständige Rückkehr der Sensibilität und
5 Respiratorisch und kardiozirkulatorisch
Motorik
über mindestens 60 min stabil 5 Keine Übelkeit, kein Erbrechen 5 Tolerieren von Flüssigkeit ohne Erbrechen 5 Subjektiv ausreichende Schmerzlin-
derung, Verordnung einer geeigneten Schmerztherapie für zu Hause
6
5 Spontanmiktion
Der Patient erhält Anweisungen über Verhaltensmaßnahmen, sonstige relevante Maßnahmen sowie die postoperative Schmerztherapie für zu Hause. Die Übermittlung einer Kontaktrufnum-
Literatur
mer für den Fall des Auftretens von Komplikationen ist obligat.
Literatur Allen HW, Liu SS, Ware PD, Nairn CS, Owens BD (1998) Peripheral nerve blocks improve analgesia after total knee replacement surgery. Anesth Analg 87: 93–97 Beland B, Prien T, van Aken H (2000) Differenzialindikation zentraler und peripherer Leitungsanästhesien. Anästhesist 49: 494–504 Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin für ambulantes Operieren bzw. Tageschirurgie (1998) Anästhesiologie & Intensivmedizin 39: 201–206 Parker MJ, Handoll HH, Griffiths R (2001) Anaesthesia for hip fracture surgery in adults. Cochrane Database Syst Rev 4: CD 000521 O’Hara DA, Duff A, Berlin JA et al. (2000) The effect of anesthetic technique on postoperative outcomes in hip fracture repair. Anesthesiology 92: 947–957 Rodgers A, Walker N, Schug S et al. (2000) Reduction of postoperative mortality and morbidity with epidural or spinal anaesthesia. Results from overview of randomised trials. Br Med J 321: 1493 Singelyn FJ, Deyaert M, Joris D, Pendeville E, Gouverneur JM (1998) Effects of intravenous patient-controlled analgesia with morphine, continuous epidural analgesia, and continuous three-in-one block on postoperative pain and knee rehabilitation after unilateral total knee arthroplasty. Anesth Analg 87: 88–92 Urwin SC, Parker MJ, Griffiths R (2000) General versus regional anaesthesia for hip fracture surgery: a meta-analysis of randomized trials. Br J Anaesth 84: 450–455
9
1
2 Typische Eingriffe in der Traumachirurgie U. Nickel, A. Brambrink
2.1
Eingriffe bei Verletzungen der Wirbelsäule
– 13
2.1.1
Wirbelsäulenfraktur – 13
2.2
Eingriffe bei Verletzungen des Beckens
2.2.1
Beckenringfraktur, Azetabulumfraktur, Symphysensprengung,
– 14
Sakrumfraktur – 14
2.3
Eingriffe bei Verletzungen der Schulter
–14
2.3.1
Klavikulafraktur – 14
2.3.2
Schultereckgelenksprengung – 15
2.3.3
Impingementsyndrom – 15
2.3.4
Rotatorenmanschettenruptur –15
2.3.5
Schulterluxation – 15
2.4
Eingriffe bei Verletzungen des Oberarms
2.4.1
Proximale Humerusfraktur
2.4.2
Humerusschaftfraktur – 16
2.4.3
Suprakondyläre Humerusfraktur
2.5
Eingriffe bei Verletzungen des Unterarms
2.5.1
Olekranonfraktur – 17
2.5.2
Unterarmschaftfraktur – 18
2.5.3
Distale Radiusfraktur
2.6
Eingriffe bei Verletzungen der Hand
2.6.1
Frakturen, Luxationen, Band- und Sehnenverletzungen
2.6.2
CTS (Karpaltunnelsyndrom)
– 16
– 16 – 17
– 17
– 18
– 18
– 18 – 18
2.7
Eingriffe bei Verletzungen der Hüfte
2.7.1
Coxarthrose – 19
2.7.2
Hüftprothesenlockerung – 19
2.8
Eingriffe bei Verletzungen des Oberschenkels
2.8.1
Mediale Schenkelhalsfraktur, per- und intertrochantäre Fraktur, subtrochantäre Fraktur
– 19
– 20
2.8.2
Femurschaftfraktur – 21
2.8.3
Distale Femurfraktur
2.9
Eingriffe bei Verletzungen des Kniegelenks
2.9.1
Patellafraktur – 22
2.9.2
Kreuzbandruptur – 22
2.9.3
Meniskusverletzung, Knorpelverletzung
2.9.4
Patellaluxation – 23
2.9.5
Gonarthrose – 23
2.10
Eingriffe bei Verletzungen des Unterschenkels
2.10.1
Tibiakopffraktur – 23
2.10.2
Tibiaschaftfraktur – 24
2.10.3
Pilon-tibiale-Fraktur – 24
2.10.4
Sprunggelenkfraktur – 24
2.10.5
Kalkaneusfraktur – 24
2.10.6
Mittel- und Vorfußfraktur
Literatur
– 25
– 20
– 22
– 24
– 22
– 23
– 23
13
2.1 · Eingriffe bei Verletzungen der Wirbelsäule
)) Eine Reihe von Eingriffen, die im Bereich der Traumachirurgie besonders häufig sind, werden im Folgenden unter Berücksichtigung sowohl operativer als auch anästhesiologischer Aspekte ausführlicher dargestellt. Die osteosynthetische Versorgung von Frakturen kann sehr vielgestaltig sein und hängt zum einen von der Lokalisation (gelenknah oder -fern, Schaftfraktur), der Art der Fraktur (Zwei- oder Mehrfragment-, Trümmerfraktur), von der Weichteilbeteiligung (offene oder geschlossene Fraktur), zum anderen auch von klinikspezifischen operativen Vorgehensweisen ab (. Tabelle 2.1). Es kann deshalb an dieser Stelle nur eine Auswahl gegeben werden.
2.1
Eingriffe bei Verletzungen der Wirbelsäule
Spondylodese mit Auffüllung des Defektes durch einen Knochenspan aus dem Beckenkamm und Osteosynthese der benachbarten Wirbelkörper. Obere BWS (BWK 3–6)
Anterolaterale Thorakotomie; Ausräumung des betroffenen Wirbelkörpers und des Bandscheibengewebes, Einsetzen eines Knochenspans aus dem Beckenkamm; Stabilisierung mit einer Osteosynthese. Untere BWS/LWS
Eingriff von dorsal; Aufrichtung des Wirbelkörpers mittels Fixateur interne; ggf. zusätzlich von ventral Ausräumung des betroffenen Wirbelkörpers und Wirbelkörperersatz sowie segmentübergreifende Stabilisierung; ggf. partielle Laminektomie.
Anästhesiologische Aspekte Anästhesieverfahren
ITN, bei Notfalleingriff → RSI
2.1.1 Wirbelsäulenfraktur
Bei (V. a.) HWS-Fraktur/Instabilität → fiberoptische Intubation!
Operative Aspekte
Bei Thorakotomie →Ein-LungenBeatmung (Doppellumentubus)
Frakturen der Wirbelsäule treten häufig bei unfallbedingt polytraumatisierten Patienten auf. Eine typische Unfallursache ist aber auch ein Sprung oder ein Sturz aus großer Höhe. Bei jedem bewusstlosen Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma muss die Halswirbelsäule (HWS) radiologisch abgeklärt und eine Fraktur ausgeschlossen werden. Eine notfallmäßige operative Versorgung von Frakturen der Wirbelsäule ist immer dann erforderlich, wenn ein (in)komplettes Querschnittssyndrom besteht, radikuläre Ausfälle, eine Kompression des Rückenmarks oder eine Luxation vorliegen. Instabile Frakturen mit oder ohne neurologische Ausfälle stellen ebenfalls meist Operationsindikationen dar.
Lagerung
Distale HWS
Operation von ventral; Ausräumung der Bandscheibe, bei Fraktur zusätzlich Ausräumung des verletzten Wirbelkörpers; anschließend interkorporale
HWS/BWS: Rückenlage; ggf. Seitenlage bei Thorakotomie Untere BWS/LWS: Bauchlage
Zugänge
2 venöse Zugänge, bei Polytrauma ggf. ZVK
Monitoring
Blasenkatheter (wegen möglicher Blasenlähmung), Magensonde, spez. Monitoring nicht grundsätzlich er-forderlich, arterielle Kanüle bei Ein-Lungen-Beatmung Zu Besonderheiten bei Polytraumatisierten: 7 Kap. 23
Blutprodukte
2–4 EK
POAnalgesie
Ggf. i.v.-PCA mit Opioiden
Eingriff In Abhängigkeit von der Lokalisation der Schädigung werden folgende Eingriffe durchgeführt:
2
Bei OP von ventral sowie bei Polytrauma in Abhängigkeit von Be gleitverletzungen ggf. größerer Bedarf, ggf. FFP
ITN: Intubationsnarkose, RSI: Rapid Sequence Induction, EK: Erythrozytenkonzentrat, FFP: Fresh Frozen Plasma, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie, ZVK: zentraler Venenkatheter.
14
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Kapitel 2 · Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
Aufgrund der drohenden Querschnittssymptomatik sollte die Umlagerung sehr vorsichtig und in Anwesenheit eines Chirurgen durchgeführt werden. Sind neurologische Ausfälle vorhanden, werden hochdosiert Kortikoide, falls nicht schon vom Notarzt begonnen, zur Ödemprophylaxe nach folgendem Schema gegeben: Methylprednisolon (Urbason) 30 mg/kgKG initial, anschließend 5,4 mg/ kgKG/h über 23 Stunden. Bei Rückenmarktraumata kann die neuronale Kontrolle der Kreislaufregulation beeinträchtigt sein, was zu einer Abnahme des venösen Rückstroms, des Herzzeitvolumens und der Kontraktilität des Myokards führt. Auch ohne begleitende Hypovolämie können beträchtliche Blutdruckabfälle die Folge sein.
2.2
Anästhesiologische Aspekte
2.2.1 Beckenringfraktur,
Operative Aspekte Verletzungen im Bereich des Beckens können, in Abhängigkeit ihres Ausmaßes, Bagatelltraumata sein, aber auch eine unmittelbare Lebensgefahr darstellen. Beckenringfrakturen sind häufig mit Begleitverletzungen wie Rupturen der unteren Harnwege, Einrissen des Rektums, Läsionen des Plexus lumbosacralis und der Beckengefäße assoziiert. Offene, komplexe oder dislozierte Beckenfrakturen sowie begleitende Gefäßverletzungen stellen Notfallindikationen dar.
ITN, bei Notfalleingriff →RSI
Lagerung
Rücken-, Seiten-oder Bauchlage, je nach Lokalisation (Symphysenruptur→ Rückenlage, Azetabulumfraktur→ Zugang von ventral oder dorsal, Rücken-, Seiten- oder Bauchlage, Sakrumfraktur→ Bauchlage)
Zugänge
2 großlumige venöse Zugänge, bei Polytrauma ggf. ZVK
Monitoring
Blasenkatheter, Magensonde, spez. Monitoring nicht grundsätzlich erforderlich Bei Polytrauma oder Mehrfachverletzung arterielle Blutdruckmessung
Eingriffe bei Verletzungen des Beckens
Azetabulumfraktur, Symphysensprengung, Sakrumfraktur
Anästhesieverfahren
Blutprodukte
4 EK Bei Polytrauma größerer Bedarf, ggf. Einsatz eines Cellsavers (in Rücksprache mit Operateur)
POAnalgesie
ggf. i.v.-PCA mit Opioiden
ITN: Intubationsnarkose, RSI: Rapid Sequence Induction, EK: Erythrozytenkonzentrat, FFP: Fresh Frozen Plasma, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie, ZVK: zentraler Venenkatheter.
Beckenfrakturen können mit erheblichen, lebensbedrohlichen Blutverlusten einhergehen. Bis zu 3 Litern Blut können in das Weichteilgewebe eindringen und bereits präoperativ eine hämodynamische Instabilität verursachen. Zu den Primärmaßnahmen zählt die Stabilisierung der Kreislauffunktion mittels großzügiger Volumenzufuhr; meist ist die Substitution mit Blutprodukten erforderlich.
Eingriff In Abhängigkeit von der Lokalisation Plattenoder Schraubenosteosynthese; als vorübergehende Erstmaßnahme evtl. Anlage eines Fixateur externe, bei massiver Blutung bereits im Schockraum Anlage einer Beckenzwinge möglich.
2.3
Eingriffe bei Verletzungen der Schulter
2.3.1 Klavikulafraktur
Operative Aspekte Klavikulafrakturen stellen häufige Verletzungen dar und entstehen durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung, meist im mittleren Drittel. Als
15
2.3 · Eingriffe bei Verletzungen der Schulter
2
Begleitverletzungen können eine Schädigung des Armplexus, der A. subclavia oder der Pleura auftreten. Eine operative Behandlung wird bei offenen Frakturen, drohender Perforation der Haut bei dislozierten Verletzungen oder begleitenden Verletzungen der Nerven oder Gefäße durchgeführt.
2.3.4 Rotatorenmanschettenruptur
Eingriff
Eingriff
Offene Reposition; Stabilisierung der Fraktur mittels einer Plattenosteosynthese.
Refixation der abgerissenen Sehnen durch Bandnaht, häufig simultane Akromioplastik.
2.3.2 Schultereckgelenksprengung
2.3.5 Schulterluxation
Operative Aspekte Die Rotatorenmanschettenruptur beruht meist auf degenerativen Veränderungen, kann aber auch traumatisch durch Sturz oder Schulterluxation entstehen.
Operative Aspekte
Operative Aspekte
Die Schultereckgelenksprengung bezeichnet die unvollständige oder vollständige Zerreißung von Kapsel und Bändern. Die Klassifikation erfolgt nach Tossy (I–III). Erst bei vollständiger Zerreißung der Bänder (Tossy-III-Verletzung) ist in der Regel eine Operationsindikation gegeben.
Schulterluxationen können durch ein Trauma verursacht werden oder habituell auftreten. Meist stellen sie keine Operationsindikationen dar, sondern werden in Analgosedierung reponiert. Bei schwieriger Reposition ist eine Vollnarkose mit Relaxierung zur Verminderung des Muskelzuges der Schulter- und Oberarmmuskulatur erforderlich.
Eingriff Naht der verletzten Bänder; Stabilisierung des Schultereckgelenks mittels einer Hakenplatte oder ggf. einer Zuggurtungsosteosynthese.
2.3.3 Impingementsyndrom
Operative Aspekte Das Impingementsyndrom bezeichnet eine Funktionsbeeinträchtigung des Schultergelenks durch chronische Überbelastung. Degenerative Veränderungen der Supraspinatussehne sind die Folge. Der Gleitraum für die Sehnen der Rotatorenmanschette zwischen Oberarmkopf und Schulterdach ist eingeengt.
Eingriff Subakromiale Dekompression der Supraspinatussehne, ggf. arthroskopische Operation oder offene Akromioplastik; Durchtrennung des Ligamentum subacromiale, gleichzeitig Schulterarthroskopie.
Eingriff Geschlossene Schulterreposition, ggf. spätere Bankart-OP; bei der Reposition Gefahr der Zerrung des N. axillaris mit resultierender Lähmung.
Anästhesiologische Aspekte bei Eingriffen an der Schulter Anästhesieverfahren
ITN, bei Notfalleingriff → RSI
Lagerung
»beach-chair« (halbsitzende Position)
Zugänge
1 venöser Zugang
Monitoring
Meist jüngere Patienten, kein spezielles Monitoring
Blutprodukte
Keine
POAnalgesie
Bei Impingement-Syndrom und Rotatorenmanschettenruptur oft starke Schmerzen → interskalenärer Katheter, i.v.-PCA mit Opioiden
ITN: Intubationsnarkose, RSI: Rapid Sequence Induction, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie
16
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Kapitel 2 · Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
Eingriffe an der Schulter werden in »beachchair«-Lagerung (halbsitzende Position) durchgeführt (7 Kap. 3.4). Hier drohen v. a. bei hypovolämischen Patienten Blutdruckabfälle. Es empfiehlt sich frühzeitig ausreichend Volumen zu substituieren. Der Kopf wird meist in einer Schale gelagert; auf eine Sicherung der Position des Kopfes, z. B. durch Fixierung mit einer Binde, ist zu achten, da der Kopf während des Eingriffs schwer zugänglich ist und durch Zugmanöver des Operateurs aus der Schale rutschen kann. Auch die Augen sollten geschützt werden.
2.4
Eingriffe bei Verletzungen des Oberarms
2.4.1 Proximale Humerusfraktur
Operative Aspekte Proximale Humerusfrakturen sind sehr häufige Frakturen in höherem Lebensalter, v. a. bei begleitender Osteoporose. Meist entstehen sie im Rahmen eines Sturzes auf den Arm. Nichtdislozierte und eingestauchte Frakturen können konservativ behandelt werden.
Anästhesiologische Aspekte Anästhesieverfahren
ITN, bei Notfalleingriff → RSI
Lagerung
»beach-chair« (halbsitzende Position), Arm frei beweglich gelagert
Zugänge
1 venöser Zugang
Monitoring
Invasives Monitoring in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen
Blutprodukte
Ggf. 2 EK, normalerweise kein großer Blutverlust
POAnalgesie
Interskalenäre Plexusblockade/-katheter; bei Implantation einer Hemiprothese wegen der potenziellen Luxationsgefahr weniger sinnvoll, ggf. i.v.-PCA mit Opioiden
ITN: Intubationsnarkose, RSI: Rapid Sequence Induction, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie.
Wie auch bei Eingriffen an der Schulter sind die Besonderheiten der Lagerung (halbsitzende Position) zu berücksichtigen (7 Kap. 3.4). Bei den meist älteren Patienten muss besonders auf Begleiterkrankungen geachtet werden. Bei Implantation einer zementierten Prothese kann eine Palakos-Reaktion (7 Kap. 3.6) auftreten.
Eingriff
13 14 15 16
In Abhängigkeit vom Frakturtyp werden folgende Verfahren durchgeführt.
2.4.2 Humerusschaftfraktur
2- und 3-Fragment-Frakturen. Nach Reposition
Die Humerusschaftfraktur tritt etwas seltener als die proximale Humerusfraktur auf und entsteht meist durch einen Sturz auf den Arm. Bisweilen ist sie aufgrund der anatomischen Nachbarschaft von einer Läsion des N. radialis begleitet (v. a. bei Frakturen in Schaftmitte). Bei offenen Frakturen kann auch eine Begleitverletzung der A. brachialis vorliegen. Als pathologische Fraktur kann sie bei ossären Metastasen z. B. eines Mammakarzinoms auftreten. Sofortige Operationsindikationen bestehen bei offenen Frakturen, Läsionen des N. radialis mit neurologischen Ausfällen und u. U. bei gelenknahen Frakturen. Geschlossene Oberarmschaftfrakturen ohne begleitende Nervenläsion werden ebenfalls meist operativ versorgt.
Operative Aspekte der Fraktur osteosynthetische Versorgung mittels Kleeblattplatten- und Schraubenosteosynthese; ggf. Osteosynthese mit einem Spezialnagel (proximaler Humerusnagel [PHN]).
18
4-Fragment-Frakturen mit Unmöglichkeit der Reposition oder Frakturen im Collum anatomicum mit kompletter Dislokation (Gefahr der Humeruskopfnekrose). Implantation einer Humeruskopf-
19
prothese; hierzu Auffräsung des Markraumes des Humerus, zementiertes Einsetzen der Prothese.
17
20
17
2.5 · Eingriffe bei Verletzungen des Unterarms
Eingriff Stabilisierung der Schaftfraktur i.d.R. mittels eines Nagels, der von proximal oder distal über die Frakturstelle in das andere Fragment eingebracht wird; geschlossene Reposition; bei unaufgebohrtem Humerusnagel (UHN) keine Markraumaufbohrung; abschließend proximale und distale Verriegelung des Nagels mittels Schrauben; bei Lagerung und Repositionsmanöver iatrogene Schädigung des N. radialis durch Überdehnung oder Interposition möglich.
anschließend Refixation des Olekranon mit einer Zuggurtung.
Anästhesiologische Aspekte
Anästhesiologische Aspekte Anästhesieverfahren
ITN, bei Notfalleingriff → RSI
Lagerung
»beach-chair«-Lagerung, Schulter überhängend (wegen Durchleuchtung)
Zugänge
1 venöser Zugang
Monitoring
Invasives Monitoring in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen
Blutprodukte
In Abhängigkeit von Laborwerten, kein großer Blutverlust
POAnalgesie
Ggf. interskalenäre Plexusblockade/-katheter ! Cave: Beurteilung der Funktion des N. radialis erschwert
2
Anästhesieverfahren
ITN, bei Notfalleingriff → RSI
Lagerung
Bauchlage
Zugänge
1 venöser Zugang
Monitoring
Magensonde, invasives Monitoring in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen
Blutprodukte
In Abhängigkeit von Laborwerten
POAnalgesie
Ggf. interskalenäre Plexusblockade/-katheter
ITN: Intubationsnarkose, RSI: Rapid Sequence Induction, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie.
Die Besonderheiten der Bauchlagerung sind zu beachten (Legen einer Magensonde, ggf. Rachentamponade, Beatmung in Bauchlage) (7 Kap. 3.4).
2.5
Eingriffe bei Verletzungen des Unterarms
2.5.1 Olekranonfraktur ITN: Intubationsnarkose, RSI: Rapid Sequence Induction, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie.
Es gelten die gleichen Hinweise zur Lagerung wie in 7 Kap. 3.4. beschrieben.
Operative Aspekte Die Olekranonfraktur entsteht durch Sturz auf das gebeugte Ellbogengelenk. Sie stellt immer eine Operationsindikation dar.
Eingriff 2.4.3 Suprakondyläre Humerusfraktur
Operative Aspekte Fast alle distalen Humerusfrakturen sind disloziert (Muskelzug) und müssen operativ versorgt werden, meist besteht eine Gelenkbeteiligung.
Eingriff Eingriff in Bauchlage und Blutsperre; Darstellung des N. ulnaris, evtl. Verlagerung des Nerven; Osteotomie des Olekranon, Stabilisierung der Fraktur mittels Platten-und Schraubenosteosynthese;
Eingriff in Blutsperre; Entfernung der mitverletzten Bursa olecrani, Eröffnung der Gelenkkapsel, Darstellung des N. ulnaris; offene Reposition der Frakturfragmente, Kirschnerdrahtosteosynthese; Anlage eines Zuggurtungsdrahtes durch einen Bohrkanal und achterförmige Kreuzung desselben.
18
Kapitel 2 · Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
Eingriffe bei Verletzungen der Hand
1
2.5.2 Unterarmschaftfraktur
2.6
Operative Aspekte
2
2.6.1 Frakturen, Luxationen, Band-
Unterarmschaftfrakturen entstehen durch direkte oder indirekte Gewalt. Isolierte Frakturen des Radiusschaftes sind selten, isolierte Frakturen des Ulnaschaftes häufiger anzutreffen (Parrierfraktur). Meist sind beide Unterarmknochen zusammen frakturiert. Sonderformen sind die Monteggia-Fraktur (Kombination von Ulnaschaftfraktur und Radiusköpfchenluxation) und die GaleazziFraktur (Kombination von Radiusschaftfraktur und Ulnaköpfchenluxation). Unterarmschaftfrakturen werden, von sehr seltenen Ausnahmen abgesehen, immer operativ versorgt.
3 4 5 6 7
Eingriff
8 9 10 11 12 13 14 15
17 18 19 20
Operative Aspekte Verletzungen an der Hand werden häufig konservativ behandelt. Eine operative Versorgung erfolgt bei Luxation, Gelenkfrakturen, höhergradig offenen Frakturen, komplexen Verletzungen, Sehnenverletzungen und speziellen Indikationen.
Eingriff In Abhängigkeit vom Verletzungstyp Stabilisierung mittels Kirschnerdraht-, Platten- oder Schraubenosteosynthese bzw. Band- oder Sehnennaht in Blutsperre.
Eingriff in Blutsperre; offene Reposition der Frakturfragmente; Stabilisierung mit einer Plattenund Schraubenosteosynthese oder geschlossene Reposition und Stabilisierung mit Verriegelungsnägeln.
2.6.2 CTS (Karpaltunnelsyndrom)
2.5.3 Distale Radiusfraktur
Das CTS bezeichnet die Schädigung des N. medianus im verengten Karpaltunnel durch Verdickung des Retinaculum flexorum. Es kommt zu sensiblen und motorischen Ausfällen des N. medianus mit v. a. nächtlichen Schmerzen.
Operative Aspekte Die distale Radiusfraktur ist eine der häufigsten Frakturen und ist meist durch einen Sturz auf die Hand bedingt. Die Operationsindikation ist abhängig vom Ausmaß der Dislokation und der Art der Fraktur. Die meisten distalen Radiusfrakturen werden konservativ (durch Reposition und Gips) behandelt.
Eingriff
16
und Sehnenverletzungen
Eingriff in Blutsperre; offene Reposition; volarseitig Anlage einer Plattenosteosynthese, Fixierung der Platte mittels Schrauben. Bei begleitenden Weichteilverletzungen und Trümmerfrakturen häufig Anlage eines Fixateur externe; hierbei Reposition und Stabilisierung der Fraktur von außen; Ausheilung der Fraktur mit Fixateur externe; Abnahme des Fixateurs nach 5– 6 Wochen.
Operative Aspekte
Eingriff Offene oder endoskopische Spaltung des Retinaculum flexorum.
Anästhesiologische Aspekte bei Eingriffen an Hand und Unterarm Anästhesieverfahren
Proximale Frakturen, Schaftfraktur, distale Radiusfraktur → VIB, ggf. ITN Eingriffe an der Hand → axilläre Plexusblockade, ggf. ITN Kurze Eingriffe an der Hand → IVRA, ggf. axilläre Plexusblockade, ggf. ITN CTS → IVRA, ggf. axilläre Plexusblockade
Lagerung
Rückenlage, Auslagerung des betroffenen Armes auf einem Handtisch
Zugänge
1 venöser Zugang
19
2.7 · Eingriffe bei Verletzungen der Hüfte
Monitoring
Kein spezielles Monitoring
Blutprodukte
Keine
POAnalgesie
Keine
ITN: Intubationsnarkose, VIB: vertikal infraklavikuläre Plexusblockade, IVRA: intravenöse Regionalanästhesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie
Eingriffe an Unterarm und Hand werden in der Regel in Oberarmblutsperre oder -leere durchgeführt. Bei Intubationsnarkosen stellt diese kein Problem dar. Bei Plexusblockaden (v. a. beim axillären Zugang) ist jedoch der Tourniquetbereich nicht hinreichend anästhesiert und es treten nach einiger Zeit oft erhebliche Schmerzen auf (Tourniquet-Schmerz), die eine zusätzliche (Analgo)sedierung erforderlich machen können.
2.7
Eingriffe bei Verletzungen der Hüfte
2.7.1 Coxarthrose
Operative Aspekte Wenngleich eine Coxarthrose nicht primär durch ein akutes Trauma verursacht wird, wird sie dennoch häufig in der Traumachirurgie operativ versorgt. Eine Coxarthrose entsteht u. a. durch rheumatische Erkrankungen, Fehlstellung des Schenkelhalses, Hüftdysplasie, posttraumatische Veränderungen oder bei Adipositas.
Eingriff Coxarthrose-TEP: bei Patienten 75 Jahren zementierte TEP. Zur Operationstechnik 7 Kap. 2.8.1.
2
Anästhesiologische Aspekte Anästhesieverfahren
SPA, CSE (in Abhängigkeit von geplanter OP-Dauer und postoperativer Schmerztherapie), ggf. ITN
Lagerung
Rückenlage
Zugänge
2 venöse Zugänge
Monitoring
Blasenkatheter, in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen ggf. arterielle Blutdruckmessung
Blutprodukte
4 EK, ggf. Eigenblut
POAnalgesie
Epiduralkatheter, ggf. Psoaskompartmentkatheter, ggf. i.v.-PCA mit Opioiden
ITN: Intubationsnarkose, SPA: Spinalanästhesie, CSE: kombinierte Spinalepiduralanästhesie, EK: Erythrozytenkonzentrat, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie.
Das Patientengut besteht meist aus älteren Patienten mit internistischen Vorerkrankungen. Die TEP bei Coxarthrose ist ein Elektiveingriff, daher ist eine gute präoperative Vorbereitung erforderlich. Bei sonst gesunden Patienten ist die Eigenblutspende möglich (7 Kap. 3.3).
2.7.2 Hüftprothesenlockerung
Operative Aspekte Nach Implantationen von Gelenkprothesen kann eine Lockerung des Implantates auftreten. Diese kann aseptisch oder septisch bedingt sein. Das operative Vorgehen richtet sich nach der Ursache der Lockerung.
Eingriff Bei aseptischer Lockerung Ausbau der Prothese und Implantation einer stielverlängerten Prothese, ggf. neue Prothesenpfanne evtl. mit Abstützschale. Bei septischer Lockerung vollständige Entfernung aller Implantate und avitalen Teile (Girdlestone-Hüfte) und Einlage von Septopalketten und antibiotisch wirksamen Schwämmen; bei persistierender Entzündung regelmäßige Revisionen (Spülungen).
20
1
Kapitel 2 · Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
Anästhesiologische Aspekte
2 3
Anästhesieverfahren
ITN, ggf. CSE, bei Revisionen (Spülung) SPA möglich
Lagerung
Rückenlage
Zugänge
2 großlumige venöse Zugänge
Monitoring
Blasenkatheter, invasives Monitoring in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen
Blutprodukte
4 EK, ggf. Einsatz eines Cell-Savers bei Prothesenwechsel (nicht bei septischer Hüfte)
POAnalgesie
i.v.-PCA mit Opioiden, ggf. Epiduralkatheter, ggf. Psoaskompartmentkatheter
4 5 6 7 8
ITN: Intubationsnarkose, SPA: Spinalanästhesie, CSE: kombinierte Spinalepiduralanästhesie, EK: Erythrozytenkonzentrat, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie.
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
oder innerhalb von 12–36 Stunden nach dem Unfall erfolgen. Selten treten mediale Schenkelhalsfrakturen bei Kindern und Jugendlichen auf. Bei ihnen ist wegen der Gefahr der Hüftkopfnekrose eine Notfallindikation gegeben. Die per- oder intertrochantäre Fraktur ist eine Fraktur des alten Menschen (Patientenkollektiv ca. 10 Jahre älter als bei Schenkelhalsfraktur). Die subtrochantäre Fraktur tritt zum einen bei alten Patienten nach Sturz, zum anderen bei jüngeren Patienten nach starker Krafteinwirkung, z. B. im Rahmen eines Polytraumas, auf. Der Zeitpunkt der Operation sowie die Wahl des Operationsverfahrens sind abhängig vom Frakturtyp, der Vitalität des Hüftgelenkkopfes, den Begleiterkrankungen oder Verletzungen sowie dem Alter und der Mobilität des Patienten vor dem Trauma.
Eingriff Es handelt sich meist um ältere Patienten mit entsprechenden Vorerkrankungen. Ein Prothesenwechsel ist mit größerem Blutverlust verbunden. Eine ausreichende Menge an Blutkonserven sollte bereitstehen. Regionalanästhesieverfahren bieten sich bei Prothesenwechseln weniger an, da die lange Lagerung auf dem OP-Tisch für die Patienten unkomfortabel und stressinduzierend ist.
2.8
Eingriffe bei Verletzungen des Oberschenkels
2.8.1 Mediale Schenkelhalsfraktur,
per- und intertrochantäre Fraktur, subtrochantäre Fraktur Operative Aspekte Die Schenkelhalsfraktur ist eine sehr häufige Verletzung, die bevorzugt im höheren Lebensalter auftritt. Die Ursache ist meist ein Sturz bei vorbestehender Osteoporose; Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Nach der Lokalisation werden diese Frakturen in mediale (95% der Frakturen) und laterale (sehr selten) Schenkelhalsfrakturen eingeteilt. Die Operation sollte je nach geplantem Operationsverfahren als Notoperation
Mediale Schenkelhalsfraktur
Bei Patienten unter 65 Jahren kopferhaltende Operation (Osteosynthese), bei Patienten zwischen 65 und 80 Jahren HEP (Hemi-) oder TEP (Totalendoprothese). Osteosynthese. Reposition der Fraktur auf dem
Extensionstisch, Osteosynthese der Fraktur durch 3 Schrauben; Notfalleingriff wegen Erhaltung der Vitalität des Hüftkopfes. Hüftprothese. Nach Freilegung des Hüftgelenks
Inzision der Gelenkkapsel und Resektion des verletzten Hüftkopfes; Fräsung des Pfannenlagers, zusätzliche Anlage von Verankerungslöchern zum Eindringen des Knochenzementes (Palakos); Einführung einer Kunststoffpfanne; nach Vorbereitung des Schaftlagers Einbringen des Knochenzementes und des Prothesenschaftes; Probereposition mit einem Probekopf; anschließend Einsetzen des definitiven Implantates und endgültige Reposition. Hemiendoprothese (HEP). Hier entfällt die Präparation und Implantation der Hüftgelenkpfanne; Verwendung eines Duokopfes oder großen Keramikkopfes als Hüftkopfersatz.
21
2.8 · Eingriffe bei Verletzungen des Oberschenkels
Laterale Schenkelhalsfraktur Dynamische Hüftschraube (DHS). Reposition der
Fraktur auf dem Extensionstisch; Aufbohren des Schenkelhalses und Eindrehen einer speziellen Schraube, anschließend Aufsetzen einer entsprechenden Platte auf die Schraube und Fixierung am Femurschaft. Per-/intertrochantäre Fraktur
DHS, ggf. zusätzlich Trochanterabstützplatte. Subtrochantäre Fraktur Proximaler Femurnagel (PFN), DHS. Einbringen des PFN von proximal nach distal in den Femur, dabei geschlossene Reposition der Fraktur; Einbringen von Schenkelhalsschrauben und distale Verriegelung des Nagels.
Anästhesiologische Aspekte Anästhesieverfahren
SPA, CSE (in Abhängigkeit von geplanter Operationsdauer und postoperativer Schmerztherapie), ggf. ITN
Lagerung
Rückenlage, ggf. Extensionstisch (bei DHS und PFN)
Zugänge
2 venöse Zugänge
Monitoring
Blasenkatheter, invasives Monitoring in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen
Blutprodukte
4 EK
POAnalgesie
Epiduralkatheter, ggf. i.v.-PCA mit Opioiden, ggf. Psoaskompartmentkatheter
2
Bei zementierten Gelenkprothesen ist auf eine mögliche Palakos-Reaktion hinzuweisen (7 Kap. 3.6). Die Hemi- und Totalendoprothesenimplantation sowie die Femurnagelung sind zum Teil mit größeren Blutverlusten verbunden (Aufbohren des Markraums, großes Weichteiltrauma). Es ist aber nicht nur auf den intraoperativen, sondern auch auf den oft erheblichen postoperativen Blutverlust (Redon-Drainagen) zu achten, um frühzeitig eine Substitutionstherapie zu beginnen. Die DHS ist mit eher geringen Blutverlusten verbunden. Bei der Reposition im Rahmen von Prothesenimplantationen ist eine gute Muskelrelaxierung gewünscht. Bei aufgebohrter Technik besteht aufgrund der hohen Markraumdrücke die Gefahr der Thrombembolie bzw. Fettembolie.
2.8.2 Femurschaftfraktur
Operative Aspekte Die Femurschaftfraktur ist bei normaler Knochenqualität Folge eines hochenergetischen Traumas (Verkehrs- oder Sportunfall). Geringere Traumata sind nur bei Osteoporose oder Knochenmetastasen ursächlich. Eine operative Versorgung ist immer indiziert. Bei polytraumatisierten Patienten oder einem Weichteiltrauma kann vorübergehend ein Fixateur externe angelegt werden.
Eingriff
ITN: Intubationsnarkose, SPA: Spinalanästhesie, CSE: kombinierte Spinalepiduralanästhesie, EK: Erythrozytenkonzentrat, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie.
Das Patientengut bei diesen Eingriffen besteht meist aus alten Patienten mit multiplen Vorerkrankungen. Regionalanästhesieverfahren sind, wenn möglich, zu bevorzugen. Die Anästhesieplanung für eine Osteosynthese bei Schenkelhalsfraktur, bei der DHS und Femurnagelung (PFN) muss auch die bei diesen Operationen zeitaufwändige Lagerung auf dem Extensionstisch berücksichtigen (ca. 30 min).
In der Regel Marknagelung (UFN = unaufgebohrter Femurnagel) oder aufgebohrte Technik von antegrad; Plattenosteosynthesen bei Kontraindikationen (Gefäßbeteiligung, höhergradig offene Frakturen, ausgeprägte Beteiligung der Kondylen oder des intertrochantären Bereiches); Lagerung auf dem Extensionstisch; bei aufgebohrter Technik Aufbohrung des Femur von proximal Einführung des Marknagels; danach proximale und distale Verriegelung des Nagels mittels Schrauben; aufgebohrte Technik kontraindiziert bei Patienten mit Volumenmangelschock und pulmonalen Komplikationen. Bei unaufgebohrter Technik Eröffnung des Markraums mit speziellem Instrument und Einstoßung des Nagels mit einem Hammer; Vorschieben über die zuvor reponierte Fraktur; auch hier proximale und distale Verriegelung.
22
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 2 · Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
2.9
2.8.3 Distale Femurfraktur
Die Patellafraktur ist die Folge eines direkten Traumas in Knieflexion. Operiert werden dislozierte Frakturen. Offene Frakturen stellen eine dringliche Operationsindikation dar, da das Kniegelenk eröffnet ist.
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
2.9.1 Patellafraktur
Operative Aspekte
Operative Aspekte Distale Femurfrakturen sind trans- oder suprakondyläre Frakturen, die auf direkte Gewalteinwirkung (Armaturenbrettverletzung bei Aufprallunfall) oder ein indirektes Trauma zurückzuführen sind. Alle Frakturen stellen Operationsindikationen dar.
Eingriff
8
Eingriffe bei Verletzungen des Kniegelenks
Retrograde Nagelung indiziert bei distalen Femurfrakturen, v. a. mit Kondylenbeteiligung: z. B. distaler Femurnagel (DFN); hierbei Eröffnung des Kniegelenks.
Bei extraartikulären Frakturen Nagelung, bei Gelenkbeteiligung Platten- und Schraubenosteosynthese (Kondylenplatte, dynamische Kondylenschraube (DCS) oder Kondylenabstützplatte), bei hochgradigem Weichteilschaden Anlage eines Fixateur externe. Nach offener Reposition der Fraktur Einbringen von Platte bzw. Schrauben und Stabilisierung der Fraktur; bei transkondylären Frakturen Eröffnung des Kniegelenks.
Anästhesiologische Aspekte bei Femurfrakturen Anästhesieverfahren
SPA, CSE (in Abhängigkeit von geplanter Operationsdauer und postoperativer Schmerztherapie), ggf. ITN
Lagerung
Rückenlage, ggf. Extensionstisch
Zugänge
1–2 venöse Zugänge
Monitoring
Blasenkatheter, invasives Monitoring in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen
Blutprodukte
2-4 EK
POAnalgesie
Ggf. Epiduralkatheter, Psoaskompartment-/Femoraliskatheter, ggf. i.v.-PCA mit Opioiden
ITN: Intubationsnarkose, SPA: Spinalanästhesie, CSE: kombinierte Spinalepiduralanästhesie, EK: Erythrozytenkonzentrat, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie.
Eingriff Eingriff in Blutsperre; nach Darstellung der Fraktur offene Reposition mit der Zange und Durchführen zweier Kirschnerdrähte durch die Patella, verbunden mit einer Zuggurtung; bei Mehrfragmentfrakturen ggf. zusätzliche Verschraubung erforderlich.
2.9.2 Kreuzbandruptur
Operative Aspekte Die (vordere oder hintere) Kreuzbandruptur entsteht durch eine schwere Distorsion des Kniegelenks. Die häufigere vordere Kreuzbandruptur sollte bei aktiven Patienten 5 mmHg, Vorsicht geboten ist). Bei Patienten mit bekannten Rechtsherzproblemen muss im Einzelfall für große unfallchirugische Eingriffe die Platzierung eines Pulmonaliskatheters erwogen werden (WedgeDruck 18 mmHg: relative Hypervolämie). Allerdings erfordert die Beurteilung der mittels Pulmonaliskatheter generierten Messwerte ebenso die Beurteilung aller möglichen Einflussfaktoren sowie entsprechende klinische Erfahrung, ohne die eine rationale Umsetzung der Ergebnisse in therapeutische Interventionen nicht möglich ist. So sind z. B. bei Patienten mit linksventrikulärer Dysfunktion weit höhere Wedge-Drücke bereits hinweisend auf weiteren Flüssigkeitsbedarf und bei entsprechenden Funktionsstörungen der Herzklappen (z. B. Mitralis-, bzw. Aortenstenose) sind die Messwerte möglicherweise wenig verlässlich. Wenn verfügbar können auch andere Methoden, wie z. B. die transösophageale Echokardiographie eingesetzt. Solche Techniken verlangen jedoch ein spezielles Instrumentarium sowie reichhaltige klinische Erfahrung in der Beurteilung, sodass sie im Prinzip nur in größeren Anästhesieabteilungen und nur von Spezialisten sinnvoll eingesetzt werden können.
Möglichkeiten zur therapeutischen Regulation Zur perioperativen Therapie stehen kristalloide sowie kolloidale Lösungen zur Verfügung. Bei der Behandlung unfallchirurgischer Patienten werden je nach Bedarf häufig beide Substanzklassen parallel eingesetzt. Empfohlen wird vielerorts eine Kombinationstherapie, wenn die benötigte Infusionsmenge beim Erwachsenen 3–4 Liter überschreitet. Das differenzielle Indikationsspektrum der unterschiedlichen Lösungen variiert dagegen signifikant zwischen Klinikern, letztlich auch in enger Assoziation mit der jeweiligen Schule, der sie sich verbunden fühlen. Kristalloide sind wässrige Lösungen, denen unterschiedliche Mengen an Elektrolyten sowie u. U. Glukose bzw. Laktat beigemischt sind. Für die traumachirurgische Routine werden Vollelektro-
3.1 · Flüssigkeits- und Volumentherapie
lytlösungen empfohlen, während andere Zubereitungen, wie z. B. 5%-ige Glukoselösungen, 0,9%ige bzw. 7,5%-ige NaCl-Lösungen, speziellen Indikationen vorbehalten sind. Kolloide sind wässrige Lösungen (typischerweise in 0,9% NaCl), die Substanzen mit hohem Molekulargewicht (40.000–450.000) enthalten, wie z. B. langkettige Zucker (Dextran, Hydroxyäthylstärke), Gelatine oder Eiweiße (Plasmaproteine z. B. in 5 bzw. 25%-iger Lösung). Der wichtigste Unterschied in Bezug auf eine Flüssigkeits- und Volumentherapie ist ihre jeweilige Verweildauer im intravasalen Kompartiment. Aufgrund der großen Mobilität von Salzen und Wasser äquilibrieren sich kristalloide Lösungen rasch nach Infusion mit dem Extrazellulärraum (intravasale Halbwertzeit 20–30 min). Ihre unmittelbare Wirkung auf den Füllungszustand des Intravasalraums ist daher kurz. Im Gegensatz dazu bleiben die großen Moleküle der kolloidalen Lösungen über einen sehr viel längeren Zeitraum im Intravasalraum (intravasale Halbwertzeit 3–6 h) mit der Konsequenz einer entsprechend längeren Volumenwirkung. Entsprechend halten Befürworter einer großzügigen Kolloidgabe deren Einsatz speziell zur Wiederherstellung eines adäquaten Intravasal- und Herzzeitvolumens für vorteilhaft. Gegner dieses Ansatzes erachten die Gabe von kristalloiden Lösungen in ausreichender Menge für ebenso gut geeignet und verweisen v. a. auf zusätzliche Gefahren, z. B. durch Molekülablagerung in Geweben mit beeinträchtigter Kapillarpermeabilität und nachfolgendem Ödem, oder durch negative Effekte auf die Blutgerinnung bzw. allergische/anaphylaktische Reaktionen bestimmter Substanzen (Gelatine, Dextran). ! Für die Praxis in der traumachirurgischen Anästhesie gilt sicher, dass bei einem ausgeprägten intravasalen Volumenbedarf die Gabe von kolloidalen Lösungen rascher zu einer Normalisierung führt.
Auch bei plötzlichem und ausgeprägtem Blutverlust kann durch eine solche Maßnahme die Zeit bis zur Bereitstellung von Blut- bzw. Plasmakonserven überbrückt werden. Von einigen Klinikern werden diese Substanzen auch zur kontrollierten
39
3
Hämodilution eingesetzt, um bei stabilen Perfusionsverhältnissen den Gesamtverlust an Sauerstoffträgern einzuschränken. Andererseits gilt sicher auch für Patienten in der traumachirugischen Anästhesie grundsätzlich, dass zu Beginn der anästhesiologischen Maßnahmen das intravasale Defizit proportional zum extrazellulären Flüssigkeitsmangel ist. Der initiale Einsatz von kristalloiden Lösungen stellt daher eine für beide Kompartimente sinnvolle, weil kausale, Therapie dar. Insgesamt müssen jedoch etwa 3- bis 4-mal mehr kristalloide Lösungen appliziert werden um den einer kolloidalen Infusion vergleichbaren intravasalen Effekt zu erzielen. Es ist bekannt, dass bei ausgedehnter kristalloider Infusionstherapie relativ ausgeprägte generalisierte Gewebeödeme mit entsprechenden Folgen (Gasaustauschstörungen, Perfusionsstörungen, Wundheilungsstörungen, Funktionsstörungen des Magen-Darm-Trakts) entstehen können. Befürworter argumentieren, dass eine solche Entgleisung im Gegensatz zu den Folgen einer relativen Überinfusion mit kolloidalen Lösungen relativ einfach durch den Einsatz von Diuretika zu korrigieren ist.
3.1.2 Praktisches Vorgehen
Eine suffiziente perioperative Flüssigkeitstherapie muss selbstverständlich neben den akuten Flüssigkeitsverschiebungen – nicht Blutverlust – durch den chirurgischen Eingriff auch präoperative Defizite, nicht sichtbare Verluste sowie den normalen Flüssigkeitsbedarf einbeziehen. Dabei gelten für unfallchirurgische Patienten die gleichen Regeln wie in anderen Spezialgebieten der Anästhesie (. Tabelle 3.1). Grundsätzlich ist jedoch anzumerken, dass rein chirurgisch verursachte Flüssigkeitsverluste bei vielen traumachirurgischen Operationen im Schnitt geringer ausfallen als beispielsweise bei Eingriffen in der Bauchchirurgie. Flüssigkeitsverluste durch operative Einwirkung sind im Prinzip in Relation zum Wundgebiet, dem Grad der Gewebetraumatisierung und der Dauer der Operation abzuschätzen (Verdunstung, Flüssigkeitssequestrierung, Ödembildung; beachte z. B. die ausgedehnte Wundfläche, Trau-
40
1 2 3 4 5
Kapitel 3 · Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
. Tabelle 3.1. Anhaltswerte zur Kalkulierung der perioperativen Flüssigkeitstherapie Erhaltungsdosis (gewichtsorientiert) Für die ersten 10 kgKG
4 ml/ kgKG/h
Für jedes kg von 11–20 kgKG
2 ml/ kgKG/h
Für jedes kg über 20 kg KG
1 ml/ kgKG/h
! Präoperative Defizite sollten prinzipiell – falls keine Kontraindikationen bestehen – mit Vollelektrolytlösungen ersetzt werden.
Präoperatives Defizit (gewichtsorientiert)
6 7 8 9 10 11
Erhaltungsdosis × Nüchternzeit
ml × h
(ideal vor Narkoseeinleitung)
Chirurgische Flüssigkeitsverluste (nicht Blutverlust; je nach Gewebetrauma) Gering (z. B. Hand-OP, Kniearthoskopie)
1–2 ml/ kgKG/h
Mittel (z. B. OP an großen Röhrenknochen, Wirbelsäule [kleine Wundfläche])
2–4 ml/ kgKG/h
Groß (z. B. OP am Becken, Wirbelsäule mit großer Wundfläche)
4–8 ml/ kgKG/h
12 13 14 15 16 17 18 19 20
gen (Vermeidung von Gewebshypoxie) sollte in solchen Fällen auch die Indikation zur Substitution von Blutprodukten großzügig gestellt werden.
matisierung der unterschiedlichen Gewebe sowie die Länge des Eingriffs bei Hüftendoprothetik im Vergleich zu handchirurgischen Eingriffen). Weiterhin sind in diesem Zusammenhang großflächige Verbrennungen oder Wiederholungseingriffe bei Wund- bzw. Implantatinfektion zu erwähnen. Diese Flüssigkeitsverschiebungen können weder rückgängig gemacht werden, noch kann ihnen durch eine Flüssigkeitsrestriktion entgegengewirkt werden. Die entsprechenden Verluste zu Ungunsten von Extra- (inklusive Intraval-) und Intrazellulärraum können nur durch eine angemessene Flüssigkeitstherapie kompensiert werden, sonst kommt es zwangsläufig zu Zirkulationsstörungen (Blutdruckabfall). Resultiert eine Versorgungsstörung in betroffenen Arealen (Ischämie), kann ein Circulus vitiosus getriggert werden, in dem die resultierende zelluläre Funktionsstörung einen weiteren Flüssigkeitsaustritt nach sich zieht. Aus ähnlichen Erwägun-
Während bei jungen gesunden Patienten (z. B. bei Kniearthroskopie) von einer guten Kompensationsfähigkeit ausgegangen werden kann, sollte bei älteren Patienten (z. B. nach Schenkelhalsfraktur) unbedingt genügend Zeit für den präoperativen Defizitersatz eingeplant werden (z. B. bereits in der Wartezone bzw. auf der Station mit Infusionstherapie beginnen). Die gilt insbesondere, wenn eine rückenmarknahe Regionalanästhesie geplant ist, und das Risiko für einen Blutdruckeinbruch im Rahmen der Sympathikolyse reduziert werden soll. Bei älteren Menschen kann grundsätzlich von einem relativ ausgeprägteren Flüssigkeitsdefizit ausgegangen werden, die präoperative Substitution sollte jedoch dennoch schonend und entsprechend der Vorerkrankungen erfolgen. Am unproblematischsten sind in diesem Zusammenhang kindliche Patienten, da sie normalerweise für ihren Perfusionsdruck deutlich weniger auf den Sympathikotonus angewiesen sind und in der Regel kein ausgeprägtes Flüssigkeitsdefizit aufweisen. Bei traumachirugischen Patienten können zusätzliche trauma- bzw. infektionsbedingte Flüssigkeitsverschiebungen zu erheblichen präoperativen intravaskulären Defiziten führen, die häufig initial übersehen werden und sich erst nach Einleitung der Narkose bzw. Etablierung einer Regionalanästhesie demaskieren. Die Erhaltungstherapie könnte theoretisch mit hypotonen Infusionslösungen bestritten werden (z. B. 5%-ige Glukoselösungen) da es sich um einen Ersatz von überwiegend Wasser- und weniger von Elektrolytverlusten handelt (Urinproduktion, Magendarmsekretion, Transpiration über Haut und Atmungssystem, Cave: febrile Patienten benötigen mehr Flüssigkeit). Dennoch werden bei Erwachsenen und Kindern, außer bei Säuglingen, eher aus praktischen Erwägungen, in der Regel auch für diese Indikation Vollelektrolytlösungen verwendet.
41
3.2 · Transfusionstherapie
3.2
Transfusionstherapie
Der mögliche intraoperative Blutverlust in der Traumachirugie variiert von minimal (z. B. bei Eingriffen in Blutleere, Handchirugie, etc.), mäßig (z. B. Eingriffe an langen Röhrenknochen), ausgeprägt (Eingriffe an Hüfte, Becken, Wirbelsäule) bis hin zu maximal bei der Versorgung von polytraumatisierten Patienten. Die oben skizzierten Methoden und Berechnungen der Flüssigkeitstherapie setzen stets voraus, dass perioperative Blutverluste separat ersetzt werden, entweder, wie oben beschrieben, mittels 3- bis 4-facher Menge einer Vollelektrolytlösung oder einfacher Menge einer kolloidalen Substanz. Ziel ist die Erhaltung einer Normovolämie. Limitiert ist ein solches Vorgehen durch die zunehmende Gefährdung des Patienten durch die sich nach und nach entwickelnde Anämie. So muss z. B. das Herzzeitvolumen proportional zum Verlust an O2-Trägern gesteigert werden, um eine adäquate O2-Versorgung in der Peripherie sicherzustellen und es resultiert eine zunehmende Verdünnung von Gerinnungsfaktoren und Thombozyten.
3
bestimmungen. Diese setzen neben der institutionellen Infrastuktur (z. B. Analysegerät in räumlicher Nähe) in der Regel auch die Anlage eines arteriellen bzw. zentralvenösen Zugangs voraus, damit verlässliche Blutabnahmen häufig und für den Patienten schonend durchgeführt werden können. Basierend auf präoperativen Laborwerten kann allerdings auch der Blutverlust als Anhaltspunkt zur Indikationsstellung dienen. ! Bei Patienten mit präoperativ normalem Hämatokrit sollte, abhängig von Vorgeschichte und operativem Eingriff, eine Bluttransfusion diskutiert werden, wenn der Blutverlust 10–20% des geschätzten Blutvolumens übersteigt (. Tabelle 3.2).
Besteht Einigkeit über den Hämoglobin-Grenzwert zur Transfusionsindikation, kann der maximal tolerierbare perioperative Blutverlust, d. h. die Transfusionsgrenze auch individuell berechnet werden.
Berechnungsverfahren zur individuellen Bestimmung der Transfusionsgrenze 5 Präoperatives Blutvolumen abschätzen
3.2.1 Indikationsstellung
(. Tabelle 3.2) 5 Blutvolumen × präoperativer Hämatokrit =
! Während bei sonst gesunden Patienten von vielen Klinikern ein Hämoglobingehalt von 7– 8 g/100 ml Blut (Hämatokrit 21–24%) als Grenzwert zur Transfusionsindikation betrachtet wird, wird dieser für ältere Patienten oder solche mit wesentlichen kardiopulmonalen Vorerkrankungen eher bei 10 g/100 ml Blut (Hämatokrit 30%) gesehen.
Die Entscheidung über die geeignete Strategie muss jedoch in jedem Einzelfall vor dem Hintergrund der Krankengeschichte, des vermutlichen weiteren Verlaufs des Eingriffs und der postoperativen Phase (noch weiterer größerer Blutverlust zu erwarten, etc.) sowie der geplanten postoperativen Therapie in Absprache mit dem Operateur getroffen werden. Voraussetzung für ein derartiges Vorgehen ist die zeitnahe intraoperative Verfügbarkeit von seriellen Hämoglobin- bzw. Hämatokrit-
präoperatives Volumen an Erythrozyten 5 Blutvolumen × Grenzhämatokrit (z. B. 30%)
= Grenzvolumen an Erythrozyten 5 Präoperatives Volumen an Erythrozy-
ten – Grenzvolumen an Erythrozyten × 3 = erlaubter maximaler Blutverlust bis zur Transfusionsindikation (= individuelle Transfusionsgrenze)
. Tabelle 3.2. Abhängigkeit des zirkulierenden Blutvolumens von Alter und Gewicht (Durchschnittswerte) Erwachsene Frauen
65 ml/kgKG
Erwachsene Männer
75 ml/kgKG
Säuglinge
80 ml/kgKG
Neugeborene
85 ml/kgKG
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1
Kapitel 3 · Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
Beispiel. Männlicher Patient, 90 kgKG; bekannte
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koronare Herzerkrankung; präoperativer Hämatokrit 40%; perioperativ soll der Hämatokrit bei wenigstens 30% gehalten werden. Frage: wo liegt die individuelle Transfusionsgrenze, d. h der erlaubte Blutverlust: 1. Präoperatives Blutvolumen (geschätzt): 75 ml/ kgKG × 90 kgKG = 6750 ml 2. Präoperatives Volumen an Erythrozyten: 6750 ml×40% = 2700 ml 3. Akzeptierbares Grenzvolumen an Erythrozyten: 6750 ml × 30% = 2025 ml 4. 2700 ml–2025 ml = 675 ml (= erlaubter Volumenverlust an Erythrozyten) × 3 = 2025 ml (= maximaler Blutverlust bis zur Transfusionsindikation)
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Schlussfolgerung: eine Transfusion von Erythro-
2 3 4 5 6
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zytenkonzentraten sollte bei diesem Patienten erwogen werden, wenn der intraoperative Blutverlust 2000 ml übersteigt.
10 3.2.2 Praktisches Vorgehen
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Ist die Indikation zur Transfusion von Erythrozyten gestellt, sollte von diesem Zeitpunkt an die gleiche Menge Blut ersetzt werden, die pro Zeiteinheit verloren geht.
Zwei Faustregeln zur Planung und Erfolgsbewertung von Erythrozytentransfusionen
! Erythrozytenkonzentrate (Hämatokrit je nach Aufbereitung ca. 70%) sind kein Volumenersatz.
Werden mehr als 4–6 Erythrozytenkonzentrate notwendig, sollte die parallele Substitution von anderen Blutkomponenten (Plasmapräparationen, wie z. B. Fresh Frozen Plasma; FFP) erwogen werden. Eine weitere Verdünnungstherapie mit kristalloiden bzw. kolloiden Lösungen wäre in dieser Situation in mehrfacher Hinsicht kontraproduktiv bzw. gefährlich (Medikamentenbindung, onkotischer Druck, Blutgerinnung). Neben dem reinen Volumenersatz wird an einem bestimmten Punkt eine Substitution von gerinnungsaktiven Elementen notwendig, um eine kritische Zunahme der Blutungsneigung zu verhindern. Mit der Gabe von FFP werden bereits Gerinnungsfaktoren substituiert. Von großer Bedeutung zur Aufrechterhaltung einer akzeptablen Gerinnungsfunktion ist allerdings die rechtzeitige Gabe von Thrombozytenkonzentraten. In seltenen Fällen werden auch Spezialpräparationen, wie z. B. Kryopräzipitate notwendig. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die regelmäßige Kontrolle und geeignete Substitution von Kalzium, da es von Zitrat (gerinnungshemmender Zusatz zu Erythrozytenkonzentraten) gebunden wird. Wird die Volumensubstitution im Prinzip durch Blutprodukte (FFP) realisiert, zielt die begleitende Flüssigkeitstherapie von nun an nur noch auf die Erhaltungsdosis, falls noch nicht geschehen Ersatz des präoperativen Defizits sowie auf den reinen chirurgischen Flüssigkeitsverlust.
5 Ein Erythrozytenkonzentrat (ca. 300 ml)
hebt den Hämoglobinwert eines Erwachsenen um etwa 1 g/100 ml Blut (Hämatokritwert um ca. 3%) 5 Nach Transfusion von 10 ml/kg Erythrozytenkonzentrat steigt der Hämoglobingehalt etwa um 3 g/100 ml Blut (Hämatokritwert um ca. 10%)
Werden nur Erythrozyten ersetzt, muss weiterhin ein Volumenäquivalent zur Erhaltung eines ausreichenden Blutvolumens infundiert werden.
Einige Faustregeln zur Planung und Erfolgsbewertung von Transfusionen anderer Blutkomponenten Fresh Frozen Plasma (FFP) 5 Indikation für FFP in der traumachirurgi-
schen Anästhesie: ausgeprägter Blutverlust, Massentransfusion (>6, definitiv bei >10 Erythrozytenkonzentraten [beim Erwachsenen]), klinisch zunehmende Blutungsneigung, Defizit an Gerinnungsfak6 toren (Labor).
43
3.2 · Transfusionstherapie
5 Ein FFP-Konzentrat (ca. 300 ml, ABO-Kom-
patibilität wünschenswert) erhöht bei Erwachsenen die einzelnen Gerinnungsfaktoren um jeweils 2–3%. Therapeutisches Ziel ist die Konzentration an Gerinnungsfaktoren auf etwa 30% des Normwerts zu stabilisieren. 5 FFP wird initial in einer Dosis von etwa 10–15 ml/kgKG appliziert.
3
. Tabelle 3.3. Empfehlungen für die präoperative Bereitstellung von Erythrozytenkonzentraten für typische traumachirugische Eingriffe (7 Kap 2) Typische Operation
Präoperativ bereitstellen
Schulter Totalendoprothese (Schulter-TEP)
2 EK
Oberarm
Thrombozytenkonzentrat (TK) 5 Indikation für TK in der traumachirurgi-
schen Anästhesie: Thrombozytopenie, üblicherweise durch Verdünnung nach ausgedehnter Infusions- bzw. Transfusionstherapie oder vorbestehender Gerinnungsstörung (Grenzwert etwa bei Thrombozytenzahlen von 800–1000 ml (abzüglich Beimengungen wie z. B. Spülfüssigkeit; teurer apparativer Aufwand, Schlauchsysteme etc.). Vor Reinfusion wird das aufgefangene Blut gewaschen und zentrifugiert (durch Schwester oder andere Assistenzkraft), um Zelltrümmer, Gewebereste und das Antikoagulanz zu entfernen und schließlich in einen speziellen Transfusionsbeutel gepumpt, der Bestandteil des Systems ist.
Das Blutendprodukt aus in Kochsalzlösung suspendierten roten Blutzellen des Patienten (autologes Erythrozytenkonzentrat, AEK) sollte eine Hb-Konzentration von etwa 15–16 g% (HK ca. 45– 50%) haben (nach eigenen Beobachtungen liegt der Hb-Wert eines frischen AEK aus dem Cell Saver 3 Plus jedoch nur etwa bei 10–12 g%; jedes Gerät verfügt über eine unterschiedliche Konzentrationsleistung). Vor der Blutaufbereitung muss vom verantwortlichen Anästhesisten sichergestellt werden, dass der Transfusionsbeutel für das zu gewinnende autologe Erythrozytenkonzentrat (AEK) eindeutig für den betreffenden Patienten gekennzeichnet ist (Patientenaufkleber, wenigstens jedoch Name, Vorname sowie Geburtsdatum des Patienten). Nach Aufbereitung kann das AEK direkt transfundiert werden (geschlossenes System). Wurde der AEK-Beutel einmal vom System dekonnektiert, müssen vor der Transfusion des AEKs erst die typischen Sicherheitsprozeduren bei Blutprodukten durchlaufen werden (AB0Bedside-Test zur Bestimmung der Blutgruppe von Patient und Konserve); verantwortlich ist der transfundierende Arzt. Das AEK sollte nicht als Druckinfusion verabreicht werden, da es leicht zu Schlauchdiskonektionen am Transfusionsbeutel kommen kann. Aufgrund des Infektionsrisikos gilt grundsätzlich »Eigenblut vor Fremdblut«, d. h. wenn die Indikation zur Transfusion besteht, sollte zunächst das gesammelte Operationsblut aufbereitet werden; in einem solchen Fall ist genug Blut im Reservoir, sodass sich eine Aufbereitung auch unter ökonomischem Gesichtspunkten lohnt. Ist ein komplettes Schlauchsystem installiert, sollte das bis gegen Ende des Eingriffs gesammelte Blut aufbereitet werden. Das resultierende AEK kann anschließend z. B. im Aufwachraum transfundiert werden (AB0-Test, s. oben). Die in letzter Zeit zunehmend propagierten Methoden der Reinfusion von nichtzentrifugiertem Blut, sei es aus dem OP-Sauger oder den Redondrainagen, ist nach wie vor umstritten. Einige Experten sehen mit der zur Zeit verfügbaren Technologie eine mögliche Gefährdung des Patienten durch potenziell hämolytisch wirksame Bestandteile sowie durch Triggerung der Gerin-
49
3.4 · Lagerungstechniken
nungs- und Komplementkaskade durch reinfundierte Zelltrümmer. Geeignete klinische Untersuchungen werden helfen, den Stellenwert derartiger Konzepte zu bestimmen.
3
Traumachirurgische Eingriffe können fast alle Regionen des Körpers betreffen. Es kommen dabei eine Vielzahl von Lagerungstechniken zum Einsatz, die eine entsprechende Planung auf Seiten des Anästhesisten erfordern (. Tabelle 3.5).
nem speziellen Operationstisch gelagert werden (z. B. Extensionstisch), oder es müssen geeignete Erweiterungen angebracht werden (z. B. Handtisch). Das Narkosegerät sollte im Prinzip immer auf der Gegenseite der zu operierenden Extremität/ Region platziert werden (ggf. vorab ausreichend Schlauchverlängerungen bereit legen), sodass auf der betroffenen Seite genügend operativer Freiraum bleibt. Wenn immer möglich, sollte der Narkosearbeitsplatz dabei nahe am Kopf des Patienten etabliert werden (ggf. direkte Absprache mit dem Operateur).
3.4.1 Ergonomie im Operationssaal
3.4.2 Rückenlagerung
Bei der täglichen Anästhesieplanung sollte initial auch über die Positionierung des Narkosearbeitsplatzes (Narkosegerät) im Operationssaal entschieden werden. Viele Eingriffe sind technisch aufwendig und erfordern entsprechend viel Platz. Häufig werden mehrere Instrumentiertische, Röntgengeräte (z. B. C-Bogen mit entsprechenden Bildschirmen) und andere Ausrüstungsgegenstände benötigt. Für manche Eingriffe muss der Patient darüber hinaus auf ei-
Ein Großteil der traumachirurgischen Operationen wird in Rückenlagerung durchgeführt (z. B. die meisten Extremitäteneingriffe, allerdings mit einigen Ausnahmen, wie z. B. Operationen am Kalkaneus und der Achillessehne). Bei dieser Lagerung wird die Hauptverantwortung für die Position von Arm und Kopf auf Seiten der Anästhesie angesiedelt, wenn gleich grundsätzlich der Chirurg wie auch der Anästhesist gemeinsam die Lagerung des Patienten verantworten (gegensei-
3.4
Lagerungstechniken
. Tabelle 3.5. Typische Lagerungstechniken und ihre Indikationen bei traumachirurgischen Eingriffen Lagerungstyp Rückenlagerung
In der Traumachirurgie indiziert Standardlagerung: z. B. bei 5 Extremitäteneingriffen 5 Handchirurgie
Bauchlagerung
Wirbelsäulen-OP (z. B. Fixateur interne [USS]) Os-sacrum-OP (z. B. Sacrumverschraubung) Acetabulum-OP (z. B. Beckenfraktur; ggf. auch in Seitenlagerung) Olekranon-OP (z. B. Ellenbogenosteosynthese; je nach Frakturverlauf ggf. auch in Rücken- bzw. Seitenlage) Achillessehnen-OP (z. B. Bandnaht) Rücken-OP (z. B. plastische OP)
Beach-chair-Lagerung
Oberarmosteosynthese (z. B. Humeruskopf, -schaft, Klavikula) Schulterprothese Schulterarthroskopie Rotatorenmanschettennaht
Seitenlagerung
Kalkaneusosteosynthese Plastische OP (z. B. am lateralen Torso)
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Kapitel 3 · Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
tige Hinweispflicht). Nicht selten wird der Patient nach Narkoseeinleitung »nachpositioniert«, und z. B. bei Eingriffen an der unteren Extremität eine kurze Strecke auf dem OP-Tisch fußwärts gezogen. Dabei ist wichtig, dass der Anästhesist die Kontrolle hat, d. h. er gibt letztlich das Kommando und sichert die vitalen Zugänge (Endotrachealtubus, Kanülen und Katheter). Für einige Eingriffe gelten spezielle Besonderheiten, die jedoch von Einrichtung zu Einrichtung variieren können. So wird z. B. bei Oberschenkelhalsfrakturen oder Hüftendoprothesen der ipsilaterale Arm vielfach nach oben in eine Schlaufe gelagert, um dem Chirurgenteam genügend Bewegungsraum nach kranial zu gewähren (Cave: Arm gut polstern; Zugänge mit Verlängerung; arterielle Kanüle wenn möglich nicht am hochgelagerten Arm). Bei der Lagerung auf dem Extensionstisch (z. B. Schenkelhalsfraktur, Osteosynthese mit »dynamischer Hüftschraube«) werden die Beine des Patienten in spezielle Extensionshalterungen am OP-Tisch eingespannt. Diese unbequeme Lagerung stellt für viele Patienten ein großes Problem dar, wenn der Eingriff in Regionalanästhesie durchgeführt wird. Es empfiehlt sich daher den Zeitraum mit einer angemessenen Sedierung (z. B. Midazolam, Propofolinfusion) zu überbrücken. Im Einzelfall kann auch ein Übergang zur Allgemeinanästhesie mit entsprechender Atemwegssicherung (LMA oder Endotrachealtubus) indiziert sein.
14 15 16 17 18 19 20
3.4.3 Bauchlagerung
Einige traumachirurgische Operationen (z. B. an Wirbelsäule, Becken, Achillessehne) erfordern eine Bauchlagerung. Die Bauchlage in Allgemeinanästhesie birgt klar definierbare Risiken mit potenziell schwerwiegenden Folgen für den Patienten (Umlagerung: Verlust des Atemwegs; Verlust von intravenösem bzw. intraarteriellem Zugang; Torsion von HWS, Schulter, Extremitäten; Sturz vom Operationstisch; Bauchlage: Zug-, Druckschäden an peripheren Nerven sowie an verschiedenen Organen, z. B. an Augen, Brust, Abdomen, Genitalien, Extremitäten; Gasaustauschprobleme, z. B. wegen signifikanter Änderungen der Ventila-
tions-, Perfusionsverhältnisse, insbesondere bei entsprechenden Vorerkrankungen bzw. Intensivpatienten). Die Umlagerung des Patienten in die Bauchlage sollte daher unbedingt gut vorbereitet, in kontrollierter Weise durchgeführt und abschließend überprüft und abgesichert werden.
Durchführung einer Bauchlagerung 5 Vorbereitung:
Wenn möglich sollte der endotracheale Tubus auf die Gegenseite der zu operierenden Region geklebt werden, damit dieser in Bauchlagerung im oberen Mundwinkel liegt; der Patienten sollte eine (orale) Magensonde sowie ggf. eine Rachentamponade erhalten; die Augenlider werden mit geeignetem Pflaster gesichert und die EKG-Elektroden bereits auf den Rücken geklebt. 5 Umlagerung: Die Anzahl der zur Drehung des Patienten nötigen Personen hängt vom Patientengewicht ab (in der Regel 4–6); unmittelbar vor der Drehung sollte die Narkose vertieft und der Patient ggf. relaxiert werden (Cave: sind perioperativ ein EMG-Monitoring oder ein Aufwachversuch geplant, z. B. bei Wirbelsäulenoperationen, sollten keine länger wirksamen Substanzen verabreicht werden); Infusionen, Katheter etc. sollten gesichert werden (ggf. kurzfristig abstöpseln); beide Arme des Patienten werden an den Rumpf anlegt; die EKG-Kabel werden am besten ebenfalls entfernt, während die Pulsoxymetrie bis kurz vor Umlagerung belassen wird; wenn alle bereit sind (Drehrichtung absprechen!) wird der Endotrachealtubus vom Beatmungssystem dekonnektiert und der Patient wird rasch umgelagert. Wegen des hohen Risikos für den Patienten sollten grundsätzlich der Operateur und der verantwortliche Anästhesist bei der Prozedur anwesend sein (beide ver-
6
antworten die Umlagerung gemeinsam!); die Drehung des Patienten sollte, wenn möglich, über den Tubus erfolgen, d. h. liegt der Tubus im rechten Mundwinkel wird nach rechts gedreht; wenn möglich sollte nicht über die zu operierende Körperseite gedreht werden; der Anästhesist sichert bei der Drehung den Kopf des Patienten: dieser muss jederzeit achsengerecht unter leichtem Zug gehalten werden und der Endotrachealtubus wird fixiert; der Anästhesist gibt bei der Umlagerung das Kommando. 5 Nach Umlagerung: Der Anästhesist stellt zunächst sicher, dass der Patient unmittelbar wieder regelgerecht beatmet werden kann (Kapnometrie, -graphie, Beatmungsdrücke, Auskultation, seitengleiche Belüftung). Erst dann wird die Patientlagerung optimiert: der Kopf sollte unbedingt in einer Ebene mit dem Thorax liegen; dazu wird der Kopf in eine Kopfschale oder auf einem Kopfring gelagert und es wird sichergestellt, dass Augen und Nase sowie die entsprechenden Zugänge (z. B. Endotrachealtubus) frei zu liegen kommen (Cave: Druckstellen durch Tubus and Mund und Nase, Abknicken der Zugänge); Thorax und Beine werden unterpolstert; der Druck auf Kehlkopf, Abdomen, Genitalien und Kniegelenk sollte durch geeignete Maßnahmen minimiert werden, die Arme sollten nach vorne gelagert werden (Schultergelenk physiologisch, Ellbogengelenk 90°, ca. 15° bodenwärts gekippt durch Unterpolsterung); abschließend sollte der verantwortliche Anästhesist erneut eine Auskultation durchführen und den Vorgang dokumentieren.
Wiederholt wurde über dauerhaften Sehverlust nach Bauchlagerung berichtet. Obwohl die genaue Ätiologie dieser dramatischen Komplikation nicht genau geklärt ist, scheint vieles darauf hin zu deu-
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51
3.4 · Lagerungstechniken
ten, dass es sich primär um die Folgen einer regionalen Ischämie handelt. Die Ischämie resultiert vermutlich aus einem multifaktoriellen Geschehen, bei dem Erhöhung des intraokulären Drucks, Reduktion des systemischen Blutdrucks, perioperative Anämie sowie die Operationsdauer eine Rolle spielen. Der Anästhesist sollte also nicht nur auf eine ausreichende Abpolsterung des Auges gegen Druck von außen achten, sondern stets auch die potenziell negativen Konsequenzen der leicht abschüssigen Position des Kopfes auf den venösen Abfluss des Auges (Gefäßerweiterung, Ödembildung) sowie eines demgegenüber inadäquaten Perfusionsdrucks bzw. einer kritisch herabgesetzten O2-Transportkapazität bedenken und zeitnah therapeutisch intervenieren. Ziel ist eine ausreichende Blutversorgung zum gegenüber O2-Mangel sehr empfindlichen N. opticus sicherzustellen.
3.4.4 Beach-chair-Lagerung
Der Patient wird hierbei wie in einem Strandstuhl sitzend gelagert (Oberkörperhochlagerung, halbsitzende Position), um einen möglichst freien Zugang zu Schulter und Oberarm zu erhalten. In traumachirurgischen Abteilungen mit einem hohen Anteil an schulterassoziierten Operationen gehört die Beach-chair-Lagerung zur täglichen Routine. Ebenso wie bei der Bauchlagerung sollte die Prozedur nach einem bestimmten Schema erfolgen. Einige lagerungsspezifische Maßnahmen zur Verbesserung der Patientensicherheit sollten stets beachtet werden.
Durchführung einer Beach-chairLagerung 5 Vorbereitung:
Vor der tatsächlichen Lagerung wird der Kopf des Patienten in einer am Operationstisch angeschraubten Kopfschale bzw. in eine unter den Kopf geschobenen Schaumstoffkopfschale gelagert (der Patient muss dazu in der Regel kranialwärts gezogen werden).
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Kapitel 3 · Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
5 Umlagerung:
Mit Hilfe der Tischsteuerung wird der Patient anschließend vorsichtig aufgerichtet (Operateur ist anwesend; jederzeit auf Arm- und Kopflagerung achten). Der Patient wird dann nach lateral gezogen, bis die zu operierende Schulter bzw. der entsprechende Oberarm frei beweglich sind. Besondere Sorgfalt sollte dabei auf die Lagerungsstabilität des Patienten auf dem OP-Tisch sowie auf eine Begrenzung der Achsendeviation von Kopf und Rumpf gerichtet werden; die endgültige Positionierung wird von Anästhesist und Operateur gemeinsam festgelegt. 5 Nach Umlagerung: Ist die eigentliche Lagerung abgeschlossen, werden die Lungen nochmals auskultiert und eine seitengleiche Beatmung sichergestellt; die Augen werden geeignet abgepolstert (z. B. mittels Watte, speziellen Augenschutzbrillen) und der Kopf wird abschließend in der Kopfschale fixiert (z. B. mittels elastischer Binde bzw. speziellen Vorrichtungen an der Kopfschale); nach steriler Abdeckung des Operationsgebiets sollte der Anästhesist sicherstellen, dass er stets Zugang zum Kopf des Patienten behält und diesen jederzeit sehen kann; von Fall zu Fall kann es notwendig werden, den Patienten während der Operation erneut zu bewegen (typischerweise Zug nach ipsilateral), um den chirurgischen Zugang zu optimieren, wobei der Kopf aus seiner Fixierung rutschen kann. 5 Unbedingt zu beachten: Bei der Beach-chair-Lagerung ist grundsätzlich eine Luftembolie durch Eröffnen von Gefäßen im Operationsgebiet (oberhalb des Herzniveaus) möglich. Darüber hinaus kann durch Einschwemmen von Spülflüssigkeit (z. B. bei Schulterarthroskopie) eine Kreislaufdysregulation, ähnlich wie beim TUR-Syndrom ausgelöst werden. Ob ein Zentralvenenkatheter so
6
wie eine perioperative Dopplersonographie nötig sind, muss in jedem Einzelfall entschieden werden. Die meisten Zentren sind diesbezüglich jedoch sehr zurückhaltend. Bei Risikopatienten kann auch die Anlage eines arteriellen Zugangs hilfreich sein. Besteht der Verdacht auf eine Luftembolie, sollte das Operationsgebiet umgehend mit warmer Kochsalzlösung geflutet werden.
3.4.5 Seitenlagerung
Für einige unfallchirurgische Eingriffe muss der Patient auf die Seite gelagert werden, um das Operationsgebiet möglichst gut zu exponieren (z. B. Kalkaneusosteosynthese, plastische Operationen am lateralen Torso bzw. an den Außen- oder Innenseiten der Extremitäten). Auch hier sollten einige grundsätzliche Aspekte beachtet werden.
Durchführung der Seitenlagerung 5 Vor und während der Umlagerung:
Initial sollte daran gedacht werden, die i. v.-Kanüle gut zu fixieren; ggf. vor Umlagerung die Narkose adäquat vertiefen und den Patient ggf. relaxieren, um ein Husten gegen den Endotrachealtubus zu verhindern. 5 Nach der Umlagerung: Der Patient sollte unmittelbar nach der Drehung auskultiert werden, um eine adäquate und seitengleiche Belüftung sicherzustellen. Der Kopf kann gut in einem Kopfring (Gel) bzw. einer Kopfschale (Schaumstoff) gelagert werden; die Arme sollten möglichst physiologisch positioniert werden; das untenliegende Schultergelenk kann ein wenig nach vorne gezogen werden (auf i. v.Kanüle achten), etwas kaudal der Axilla sollte eine »Schulterrolle« (z. B. kleine Gel-
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3.5 · Protektion gegen Wärmeverlust
3.5 rolle) unter die untenliegende Flanke des Patienten geschoben werden, um mehr Freiraum für das Schultergelenk zu gewinnen und die Gefäßnervenbündel der untenliegenden Extremität zu entlasten; der oben liegende Arm wird in eine am OPTisch angebrachte Armschale gelegt; beide Arme, Ellbogen und Handgelenke müssen gut polstert und fixiert werden; spezielle Rücken- und Bauchabstützung werden vom OP-Personal seitlich am OP-Tisch angebracht, in manchen Einrichtungen werden auch spezielle evakuierbare Styropor-Matratzen (ähnlich einer Vakkummatratze) zur Fixierung des Torsos bei Seitenlagerung verwendet; die Beine werden leicht angewinkelt und mit Kissen abgepolstert, um Druckstellen zu verhindern (speziell zwischen den Beinen).
3
Protektion gegen Wärmeverlust
Traumachirurgische Operationen erfordern nicht selten die Exposition eines relativ großen Anteils der Körperoberfläche. Darüber hinaus erfordern eine ganze Reihe von Eingriffen längere Operationszeiten. Zusätzlich besteht bei den Operateuren eine (verständliche) Tendenz die Raumtemperatur niedrig zu wählen. Werden keine adäquaten Maßnahmen ergriffen, droht ein ausgeprägter Wärmeverlust des Patienten mit unter Umständen dramatischen Folgen.
Mögliche Folgen einer perioperativen Hypothermie Perioperativ 5 Blutungsneigung durch Thrombozyten-
funktionsstörung 5 Veränderte Pharmakokinetik von Medika-
menten (verzögerter Metabolismus)
Noch einige grundsätzliche Regeln zur Patientenlagerung 5 Bei jeder Lagerung sollte stets auf eine aus-
reichende Polsterung geachtet werden (keine Kompromisse, z. B. aus Zeitgründen); in Zweifelsfällen oder bei langen Operationszeiten kann auch eine intraoperative Umlagerung erwogen werden; so können z. B. Extremitäten in eine andere Stellung gebracht werden, um das Risiko von Plexus- bzw. Nervenschädigungen zu reduzieren. 5 Der Anästhesist sollte während des Eingriffs die regelgerechte Lagerung des Patienten regelmäßig überprüfen und – falls nötig – in Absprache mit dem Operateur korrigieren. 5 In Deutschland ist der Anästhesist ausschließlich für die Lagerung der Extremität verantwortlich, an der eine i. v.- oder i.a.-Kanüle platziert wurde; der Operateur verantwortet die übrige Lagerung zur Operation; dennoch gilt stets eine gemeinsame Sorgfaltspflicht. 5 Bei Problemen sollte der Anästhesist den Operateur sofort informieren; die Lagerung einschließlich möglicher Probleme und Komplikationen muss adäquat dokumentiert werden.
5 Herzrhythmusstörungen 5 Zunahme des peripheren Gefäßwider-
stands 5 Linksverschiebung der Sauerstoffbin-
dungskurve 5 Nierenfunktionsstörung
Postoperativ 5 Zittern (»Shivering«, zunehmender O2-
Verbrauch, Ischämiegefahr) 5 Bewusstseinsstörungen 5 Exazerbation der katabolen Stoffwech-
sellage 5 Wundheilungsstörung
Dabei ist der Wärmeverlust bei Allgemeinanästhesien größer, da er über den gesamten Körper erfolgt, bei Regionalanästhesien dagegen nur über die betroffenen Körperareale. Eine anästhesiebedingte periphere Vasodilatation ist bei beiden Techniken für den Verlust von – unbehandelt – etwa 2°C während der ersten Stunde verantwortlich (Umverteilung von dem wärmeren Körperkern zur kühleren Körperperipherie; gleicher Mechanismus bei beiden Anästhesietechniken). Im
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Kapitel 3 · Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
Folgenden kommt es dann – ebenfalls ohne aktive Maßnahmen – zu einer weiteren Absenkung der Körperkerntemperatur um etwa 1°C im Verlauf von ca. 3 Stunden (Wärmeabstrahlung an die Umgebung; bei Allgemeinanästhesie: zentrale Wirkung der Anästhetika → Aufhebung der hypothalamischen Temperaturregulation; bei Regionalanästhesie: fehlende Temperaturinformation aus anästhesierten Arealen). Anschließend halten sich Wärmeverlust an die Umgebung und stoffwechselbedingte Wärmeproduktion in etwa die Waage. Die Ausprägung der beschriebenen Veränderungen ist allerdings stark beeinflusst von der exponierten Körperoberfläche sowie der Umgebungstemperatur. Das beste Verfahren zur Bestimmung der Körperkerntemperatur stellt offensichtlich die ösophageale Messung dar (kaudales Ösophagusdrittel). Entsprechende Temperatursonden sind z. B. in Kombination mit einem ösophagealen Stethoskop lieferbar. Ähnlich gut messen nasopharyngeale Sonden, Blasenthermometer (im Blasenkather) oder intravasale Thermistoren, z. B. im Pulmonaliskatheter. Weniger zuverlässige Messorte sind das Rektum (bei Änderungen langsame Äquilibrierung), der Gehörgang (relative Isolation durch Zerumen, Verletzungsgefahr) oder Axilla, Leiste bzw. andere Hautareale (stets abhängig von der regionalen Perfusion). In vielen Einrichtungen werden Patienten in Allgemeinanästhesie temperaturüberwacht, wenn die Narkosedauer 30 Minuten überschreitet. Wie in anderen Bereichen ist es auch in der traumachirurgischen Anästhesie von ausgesprochener Bedeutung, dem absehbaren Wärmeverlust aktiv entgegenzuwirken. Durch längerfristige aktive Wärmung vor Narkoseeinleitung kann der initiale Temperaturverlust entsprechend reduziert werden. Es gelingt den Temperaturgradienten zwischen Körperkern und -peripherie zu reduzieren. Der weitere perioperative Wärmeverlust kann mit den bekannten Maßnahmen eingeschränkt werden: 5 Wärmematten auf dem Operationstisch, 5 Abdeckung des Patienten mit Warmluftgebläsesystemen (z. B. »Bear Hugger«), 5 gewärmte Infusionslösungen (insbesondere bei kalten Bluttransfusionen), 5 Anwärmen der Beatmungsgase und
5 Erhöhung der Umgebungstemperatur (OP-
Saaltemperatur). Beim Einsatz von Warmluftgebläsesystemen muss beachtet werden, dass auch ihr Effekt letztlich flächenabhängig ist. Es sollte daher eine möglichst große Abdeckung des Patienten angestrebt werden, was allerdings bei einer ganzen Reihe von Eingriffen durch die großflächige operative Exposition limitiert wird. Im Einzelfall können z. B. 2 unabhängige Warmluftdecken verwendet werden, um die verbleibenden Körperregionen optimal abzudecken. Aktive Wärmemethoden dürfen allerdings grundsätzlich nur an ausreichend perfundierten Körperregionen eingesetzt werden. Eine Extremität mit Blutsperre darf niemals gewärmt werden, da Verbrennungen drohen (kein Wärmeabtransport durch Zirkulationsstillstand). Alternativ müssen dann passive Maßnahmen ergriffen werden, wie beispielsweise OP-Tücher bzw. Baumwolldecken, wenn gleich ihre wärmeerhaltenden Effekte limitiert sind.
3.6
Typische Komplikationen in der traumachirurgischen Anästhesie
Eine nicht unwesentliche Zahl von Patienten, die sich operativen Eingriffen in der Traumachirurgie unterziehen müssen, sind älteren Lebensalters und haben zum Teil signifikante systemische Grunderkrankungen (z. B. KHK, Herzinsuffizienz, ausgedehntes Lungenemphysem, Nieren- bzw. Leberinsuffizienz), die für eine Vielzahl von perioperativen Komplikationen verantwortlich sein können. Eine entsprechende Darstellung würde den Rahmen dieses Abschnitts sprengen und es wird daher auf einschlägige Fachliteratur verwiesen. Traumachirurgische Operationen bergen allerdings einige spezifische intraoperative Komplikationen, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen.
3.6.1 Fettemboliesyndrom
Bei Frakturen der langen Röhrenknochen (z. B. Schenkelhalsfraktur) oder des Beckens können nicht unwesentliche Mengen an Fettpartikeln aus
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3.6 · Typische Komplikationen in der traumachirurgischen Anästhesie
dem Knochenmark freigesetzt werden. Geraten diese Partikel in die ebenfalls eröffneten Knochenmarksvenen, werden sie in Richtung Lungenstrombahn abtransportiert. Andere Theorien vermuten eine De-novo-Bildung von Fettpartikeln im Rahmen des Postaggressionsstoffwechsels. Unabhängig von der möglichen Ätiologie kommt es in der Lungenendstrombahn offensichtlich zu einer Reaktion der Fettpartikel mit dem Gefäßendothel bzw. der Alveolarmembran, bei der gefäßaktive Substanzen freigesetzt werden, und in deren Verlauf sich eine akute Gasaustauschstörung bis hin zum Lungenversagen entwickeln kann. Auch in anderen Organen lassen sich Fettpartikel und vergleichbare Gefäßreaktionen beobachten, die u. U. auch dort zu Störungen von Organfunktionen führen können (Gehirn, Nieren, Retina, Haut, Leber, Pankreas). Es wird vermutet, dass es bei den meisten Röhrenknochenfrakturen zu subklinisch verlaufenden Fetteinschwemmungen kommt. Bei ausgeprägter Einschwemmung von Fett in die Lungenvenen kann ein sog. Fettemboliesyndrom ausgelöst werden (geschätzte Letalität 10–20%). Klassische Symptomatik 1–3 Tage nach Fraktur: 5 Atemnot, 5 Bewusstseinsstörungen, 5 Petechien, v. a. am Thorax und den oberen Extremitäten. Eine intraoperative Manifestation der Symptomatik wird häufig initial über eine Gasaustauschstörung (endtidale CO2-Messung, Blutgasanalyse) oder plötzliche EKG-Änderungen (ST-Segment, Rhythmusstörungen) bemerkt. Therapeutisch bleibt nicht viel mehr als eine symptomatische Therapie, die auf eine Verbesserung der Gasaustauschstörung zielt (PEEP, Anheben des FiO2, postoperative Nachbeatmung). Bei neurologischen Manifestationen (Hirnödem) wird von manchen Autoren eine hochdosierte Steroidtherapie empfohlen.
3
3.6.2 Zementimplantationssyndrom
(»Palakosreaktion«) Bei Operationen, die eine Zementierung von Implantaten, z. B. in Hüftknochen oder Kniegelenk implizieren, kommt es häufig zu Nebenwirkungen der Anwendung von sog. Knochenzement. Es handelt sich dabei um Methymetacrylat, das als Zweikomponentenkleber unmittelbar vor Einsetzen des jeweiligen Implantats angemischt wird. Nach Einbringen in die präparierten Knochenareale polymerisiert das Material. Bei dieser exogenen Reaktion dehnt es sich aus, presst sich dabei in winzige Knochenöffnungen und stellt schließlich eine ausgesprochen feste Verbindung zwischen biologischer und technischer Struktur her. Durch das Eindringen von polymerisierendem Knochenzement können feinste Fettpartikel, Knochenreste und Bestandteile des Knochenmarks sowie Luft in die venöse Strombahn gelangen und entsprechende embolische Geschehen verursachen. Die Einschwemmung von Geweberesten kann das Gerinnungssystem aktivieren (Thrombozytenaggregation, Mikrothrombenbildung) und so ebenfalls die Lungenperfusion empfindlich stören. Durch letzteres und u. U. in Folge der gleichzeitigen Freisetzung von vasoaktiven Substanzen kann eine signifikante kardiovaskuläre Instabilität resultieren. Nicht selten kommt es in der Folge zu arterieller Hypoxämie (intrapulmonale Shuntzunahme), Reduktion des arteriellen Mitteldrucks bis hin zur arteriellen Hypotension (in der Regel durch pulmonale Vasokonstriktion und Reduktion des Herzzeitvolumens) und Herzrhythmusstörungen. Eingeschwemmte Reste des Methymetacrylats können darüber hinaus eine systemische Gefäßweitstellung verursachen. Besonders ausgeprägt ist diese Symptomatik beim Einsatz von Hüftendoprothesen in den Femurschaft. Bei kardialen Risikopatienten empfiehlt sich daher eine invasive Blutdrucküberwachung (arterielle Kanüle), in seltenen Fällen u. U. sogar ein Pulmonaliskatheter, um die symptomatische Therapie besser steuern zu können. Letztendlich bleiben dem Anästhesisten in dieser Situation nicht viel mehr Möglichkeiten, als ausreichend hohe O2-Konzentrationen anzubieten, zu-
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Kapitel 3 · Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
vor auf eine adäquate Flüssigkeitstherapie zu achten und bei Bedarf vorsichtig Katecholamine (z. B. Effortil i. v.) zu verabreichen, um den systemischen Blutdruck zu stabilisieren. Bei Hochrisikopatienten wird u. U. eine differenzierte, pulmonaliskathetergesteuerte Therapie nötig. Auf operativer Seite können Entlastungsbohrungen in den Knochenschaft sowie Hochdrucklavage (Entfernung von Gewebetrümmern) vor Zementeinsatz die Ausprägung der Symptomatik möglicherweise mildern.
3.6.3 Tiefe Beinvenenthrombose
Ein signifikantes thromboembolisches Geschehen (Lungenembolie) nach traumachirurgischen Operationen stellt eine wichtige und gefürchtete postoperative Komplikation dar; ursächlich sind meistens tiefe Beinvenenthrombosen, gelegentlich auch Beckenvenenthrombosen. Prädestiniert sind Patienten nach bestimmten operativen Eingriffen, insbesondere solche am Becken und an der unteren Extremität (z. B. TEP an Hüfte und Knie), aber auch patientenspezifische Faktoren sind zu beachten (höheres Lebensalter, weibliches Geschlecht, zurückliegende Thrombosen, Varikosis). In den meisten Institutionen erhalten daher alle Risikopatienten perioperativ eine niedrig dosierte Antikoagulanzientherapie, meistens mit fraktionierten Heparinpräparaten. Gleichzeitig wird eine frühest mögliche Mobilisation entsprechender Patienten propagiert. Ähnlich der positiven Effekte in Bezug auf den perioperativen Blutverlust scheint die Verwendung von Regionalanästhesieverfahren auch das Risiko für eine tiefe Beinvenenthrombose und konsekutiven Embolien nach traumachirurgischen Eingriffen zu reduzieren. Auch hier werden als ursächlich günstige Einflüsse auf den Blutfluss im dann relativ weitgestellten Gefäßsystem der unteren Extremität vermutet.
3.6.4 Massiver intraoperativer Blutverlust
Bei einigen traumachirugischen Eingriffen muss mit einem ausgedehnten intraoperativen Blutver-
lust gerechnet werden (Eingriffe an Hüfte, Becken und Wirbelsäule). Aber auch bei anderen Operationen (z. B. in der Nähe von großen Gefäßen; solche mit ausgedehntem Knochenmarkstrauma) kann ein massiver Verlust nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Ein tatsächliches Problem mit der Notwendigkeit zur differenzierten Transfusionstherapie (>30% des Blutvolumens) ergibt sich jedoch nur in Einzelfällen. Das Ausmaß des Blutverlusts ist sicher im Wesentlichen abhängig vom operativen Geschick der Chirurgen und der Komplexität des Eingriffs, der Operationstechnik, der Operationsdauer aber auch von der Qualität verschiedener Maßnahmen, die primär in anästhesiologischer Verantwortung liegen, wie z. B. aktive Wärmeerhaltung, Balanzierung des Kalziumhaushalts, bestimmte blutsparende Techniken (z. B. intraoperative Blutaufbereitung, Eigenblutspende, etc.) sowie einer Transfusionsstrategie, die auch dem möglicherweise notwendigen Ersatz von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten Rechnung trägt. Der Einsatz von Regionalanästhesieverfahren hat möglicherweise auch einen reduzierenden Einfluss auf den perioperativen Blutverlust, z. B. bei Hüftgelenkeingriffen. Einige klinische Studien konnten bei vergleichbarem arteriellen Mitteldruck einen signifikanten Vorteil gegenüber alleiniger Allgemeinanästhesie nachweisen. Die Ursachen für diesen Effekt sind bis heute ungeklärt. Es wird allerdings vermutet, dass die spezifischen vasodilatatorischen Effekte der Regionalanästhesie auf Venen und Arterien und eine konsekutive Umverteilung des Blutflusses eine wesentliche Rolle spielen. Andere Interventionen (Inhibition der fibrinolytischen Aktivität, kontrollierte Hypotension) werden immer wieder zur Blutungskontrolle propagiert, sind jedoch umstritten in Bezug auf ihr Risiko-Nutzen-Profil. Detaillierte Ausführungen zu diesem Themenkomplex finden sich in den 7 Abschn. 3.2 »Transfusionstherapie« und 3.3 »Fremdblutsparende Maßnahmen«.
II Allgemeinanästhesie in der Traumachirurgie 4
Besonderheiten der Allgemeinanästhesie
– 59
59
4.1 ·
Besonderheiten der Allgemeinanästhesie A. Brambrink
4.1
Differenzialindikation verschiedener Narkoseverfahren – 60
4.1.1
Regional- versus Allgemeinanästhesie
4.1.2
Indikationen für eine Allgemeinanästhesie in der Traumachirurgie
– 62
4.2
Monitoring, Zugänge
– 63
4.3
Sicherung der Atemwege
4.4
Auswahl der Medikamente
– 65 – 65
– 61
4
60
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 4 · Besonderheiten der Allgemeinanästhesie
)) Kaum ein anderes Teilgebiet der Anästhesie bietet so viel Abwechslung in der klinischen Routine wie das der Traumachirurgie. Was auf den ersten Blick eher trocken und langweilig wirkt – Narkosen für Knochenchirurgie – bietet für viele erfahrene Praktiker ein ausgesprochen angenehmes und vielseitiges Tätigkeitsgebiet, dem manche über viele Jahre ihres Berufslebens als Anästhesisten eng verbunden bleiben. Patienten jedes Alters können zu traumachirurgischen Operationen anstehen. Dementsprechend vielfältig können die Begleitprobleme sein. Knochenchirurgische Eingriffe können praktisch jeden Körperteil betreffen, wenngleich bei Kopfverletzungen traditionellerweise Neuro- bzw. Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen tätig werden. Die Eingriffe können die verschiedenen Körperhöhlen, z. B. bei der Wirbelsäulenchirurgie, oder periphere Regionen betreffen, wie z. B. in der Handchirurgie. Sie können mit ausgeprägtem Blut- und Volumenverlust (Eingriffe an Becken, Hüfte, Wirbelsäule) einhergehen oder in Blutleere erfolgen (Hand-, Knieoperationen). Daher benötigt der verantwortliche Narkosearzt ausgesprochen breite theoretische anästhesiologische Kenntnisse, umfangreiche klinische Erfahrung und eines großes manuelles Geschick, will er eben nicht nur Allgemeinanästhesie sondern, wenn immer möglich, auch regionalanästhesiologische Verfahren anwenden, sei es für den unmittelbaren perioperativen Zeitraum oder vordringlich zur postoperativen Analgesie. Er sollte eine Vielzahl an Lagerungstechniken beherrschen sowie die gesamte Bandbreite der Flüssigkeits- und Volumentherapie einschließlich Transfusionspraxis und blutsparender Maßnahmen in seinem Repertoir haben.
rynxmaske verabreichen, sowie die vitale Stabilisierung und zugleich Narkoseführung während einer komplizierten Wirbelsäulenrekonstruktion mit Eröffnung eines Hemithorax und Einlungenbeatmung bei einem polytraumatisierten Patienten managen können. Gerade wegen dieser enormen Vielfalt fällt es schwer, wenige Einzelaspekte als »Besonderheiten der Allgemeinanästhesie in der Traumachirurgie« herauszugreifen. Andererseits kann und soll dieses Kapitel kein Ersatz für entsprechend ausführliche Abschnitte zum Thema »Allgemeinanästhesie« in allgemeinen Anästhesielehrbüchern darstellen. ! Als Essenz zur Allgemeinanästhesie in der Traumachirurgie bleibt letztlich nur festzustellen: Es gibt keine Besonderheiten.
Im Folgenden werden einige Aspekte der Allgemeinanästhesie für traumachirugische Patienten aus der »Vogelperspektive« beleuchtet, und einige wesentliche Fragen jeweils orientierend beantwortet. Falls nicht weiter ausgeführt, sei für spezifische Details der angesprochenen Konzepte, Materialien und Techniken sowie bezüglich der erwähnten Medikamente (z. B. Pharmakokinetik und -dynamik, Kontraindikationen, Nebenwirkungen, Dosierung bei verschiedenen Begleiterkrankungen) auf die bekannten Textbücher der Anästhesiologie verwiesen.
4.1
Differenzialindikation verschiedener Narkoseverfahren
Grundsätzlich sollte immer das Narkoseverfahren gewählt werden, welches für den Patienten das geringste Risiko birgt nach dem Prinzip: ! So viel wie nötig, so wenig wie möglich!
Der Anästhesist muss in der Traumachirugie sowohl den älteren Patienten für eine Mittelfußknochenoperation mit einer peripheren Nervenblockade am Bein versorgen, beim Kleinkind mit einer Radiusfraktur zur geschlossenen Reposition eine Rapid-Sequence-Induction (RSI) erfolgreich bewältigen, einen jungen Patienten zur 10-minütigen Metallentfernung eine Kurznarkose mit La-
Vor weiteren Überlegungen zur Differenzialindikation unterschiedlicher Allgemeinanästhesieverfahren sollte bei unfallchirurgischen Patienten stets geprüft werden, ob der jeweilige Eingriff auch in Regionalanästhesie durchführbar wäre. Bei einer ganzen Reihe von Operationen, insbesondere bei Risikopatienten, legt eine genaue Nutzen-Ri-
61
4.1 · Differenzialindikation verschiedener Narkoseverfahren
siko-Abwägung den Einsatz eines solchen Verfahrens zur Betäubung nahe. In diesen Fällen sollte – abhängig von den logistischen Bedingungen und vor dem Hintergrund der Präferenzen des Operateurs – dem Patienten ein regionales Betäubungsverfahren angeboten werden.
Vor- und Nachteile der Allgemeinanästhesie gegenüber Regionalanästhesieverfahren Vorteile 5 Kein Risiko für die speziellen Komplikatio-
5 5 5
5
nen der rückenmarknahen Regionalanästhesie (z. B. epidurales Hämatom, epiduraler Abszess) Immer möglich, auch bei Patienten unter Antikoagulanzientherapie Kein Risiko für »unvollständige« Anästhesie U. U. stabilerer Narkoseverlauf, z. B. bei kardiovaskulären Risikopatienten, Operationen mit hohem Blutverlust Keine schwierigen oder schmerzhaften Lagerungsmaßnahmen zur Etablierung der Betäubung
Nachteile 5 In Bezug auf zahlreiche physiologische Re-
5 5 5
5
gelmechanismen das invasivere Verfahren (z. B. Atmung, Metabolismus, Temperaturkontrolle) Spezifische Allgemeinanästhesierisiken, wie z. B. Aspiration, Heiserkeit, PONV Keine postoperative Analgesie Postoperative Schmerztherapie nur systemisch möglich (z. B. i. v.-Dipidolor, i. v.PCA; dagegen ermöglicht die Kombination einer Allgemeinanästhesie mit einem geeigneten Regionalanästhesieverfahren postoperativ eine regionale Schmerzbehandlung, insbesondere wenn diese in Kathetertechnik durchgeführt wird Längere Nüchternperiode nach dem Eingriff notwendig
4
4.1.1 Regional- versus
Allgemeinanästhesie Selbstverständlich favorisiert nicht jeder Operateur regionale Narkosetechniken. Vielfach stehen Bedenken in Bezug auf den logistischen Ablauf im Vordergrund, wie z. B. Wechselzeiten zwischen den Eingriffen seien länger, der Patient sei intraoperativ wach, es bestehe mehr Interaktionsbedarf, Ausdehnung und Qualität der chirurgischen Anästhesie und Muskelrelaxation seien unsicher. Diesbezüglich kann dem Operateur eine Beurteilung des Anästhesieniveaus vor Hautschnitt und in den meisten Fällen eine intraoperative Sedierung des Patienten zugesichert werden. Andererseits werden auf Seiten der Operateure oft die Möglichkeiten der perioperativen Regionalanästhesie für eine hervorragende postoperative Analgesie, schnellere Mobilisierbarkeit und höhere Patientenzufriedenheit übersehen. Von großer Bedeutung für die Akzeptanz dieser Technik bei den chirurgischen Kollegen sind aber auch Wissen und Beurteilungsfähigkeit der ausgeprägten Vorteile der Regionalanästhesieverfahren aufgrund deren geringerer Invasivität, z. B. durch Erhalt der Spontanatmung, Vermeiden einer ausgeprägten Kreislaufdepression durch starkwirksame Narkotika sowie bessere postoperative Lungenfunktion, insbesondere bei Risikopatienten. Wenig bekannt sind auch die durch zahlreiche Studien belegten Möglichkeiten zur Reduktion des intraoperativen Blutverlusts sowie zur Risikominderung für postoperative Venenthrombosen und Lungenembolien durch rückenmarknahe Regionalanästhesietechniken. Werden dem Patienten perioperativ Antikoagulanzien verabreicht, können dennoch im Einzelfall periphere Leitungsblockaden zur chirurgischen Anästhesie zum Einsatz kommen, falls diese für den Eingriff geeignet erscheinen. Um dem Patienten jedoch überhaupt eine Wahl ermöglichen zu können, ist eine kontinuierliche und systematische Überzeugungsarbeit des Anästhesisten gegenüber dem chirurgischen Team gefordert: dies impliziert zuallererst eine Ablaufqualität auf höchst möglichem Niveau in jedem Einzelfall sowie ein aktives und professionelles Management von unvollständigem Regional-
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Kapitel 4 · Besonderheiten der Allgemeinanästhesie
anästhesieerfolg und Komplikationen vor Beginn des chirurgischen Eingriffs (Qualität überzeugt am besten). Nahezu vergleichbar wichtig sind jedoch grundsätzliche Absprachen über die jeweilige Vorgehensweise und die Entwicklung von institutionsspezifischen Standards, die möglichst schriftlich fixiert werden sollten (z. B. in Form von entsprechenden Manuals). Darüber hinaus helfen regelmäßige Kommunikation sowie gemeinsame retrospektive Fallbesprechungen von Chirurgen und Anästhesisten beim Aufbau eines Arbeitsverhältnisses, das von gegenseitigem Respekt für die jeweilige ärztliche Tätigkeit geprägt ist. In allererster Linie wird der Patient von derartigen Bemühungen profitieren, jedoch werden durch die bessere Vorhersehbarkeit die Arbeitsabläufe vereinfacht und die Patientenversorgung wird besser planbar. Auf diese Weise und durch die damit verbundene Konfliktreduktion steigt darüber hinaus auch die Arbeitszufriedenheit. Aber auch nicht jeder grundsätzlich geeignete Patient ist bereit einen operativen Eingriff in Regionalanästhesie durchführen zu lassen. Häufig resultiert die Ablehnung des Patienten aus der Angst etwas »mitzubekommen«. Bei den meisten Patienten ist eine zusätzliche Sedierung möglich und sollte einen festen Bestandteil der gemeinsamen Anästhesieplanung darstellen. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Bereitschaft des Patienten Regionalanästhesieverfahren als Anästhesiemanagement zu akzeptieren ist die grundsätzliche Akzeptanz des Vorgehens durch den Operateur und das übrige chirurgische Team. Die Interaktion zwischen Patient, Operateur, Krankenschwestern bzw. -pflegern und Physiotherapeuten hat erfahrungsgemäß großen Einfluss auf die Wünsche und Vorstellungen des Patienten. Nicht übersehen werden sollte auch der große Einfluss von »Mund-zu-Mund-Propaganda« zwischen den Patienten auf der Station bzw. außerhalb des Krankenhauses. Viele gut verlaufende Regionalanästhesien mit postoperativ zufriedenen Patienten helfen die Bereitschaft zukünftiger Patienten zu verbessern. Dagegen kann bereits ein schlecht verlaufenes Anästhesieverfahren das Vertrauen von Patienten und Operateuren nachhaltig belasten.
Auch hier liegt es wesentlich in der Hand des Anästhesisten durch entsprechendes Geschick diese Konstellation erfolgreich zu beeinflussen (z. B. adäquate und uneingeschränkte Nachbetreuung der Patienten gemeinsam mit dem Chirurgen, ausreichende Kommunikation).
4.1.2 Indikationen für eine
Allgemeinanästhesie in der Traumachirurgie Operative Eingriffe im Bereich der Traumachirurgie, bei denen wegen absoluter oder relativer Kontraindikationen eine Regionalanästhesie nicht möglich ist, das Operationsgebiet nicht mit Regionalanästhesieverfahren erreicht werden kann, oder aufgrund der geplanten Operationsdauer bzw. -ausdehnung oder sehr aufwendiger operativ-technischer Verfahren eine Regionalanästhesie ausscheidet, werden in Allgemeinanästhesie durchgeführt. Gleiches gilt für Eingriffe, bei denen eine bereits durchgeführte Regionalanästhesie keine ausreichende chirurgische Anästhesie ergeben hat, d. h. vollständige Versager ebenso wie Teilversager, wenn entsprechende Nachinjektionen keinen Erfolg hatten. Es sollte – auch aus oben genannten Gründen – stets vor Beginn des chirurgischen Eingriffs eine entsprechende Entscheidung getroffen und die Allgemeinanästhesie eingeleitet werden. In seltenen Fällen kann es intraoperativ notwendig werden, eine Allgemeinanästhesie einzuleiten. So ist es immer möglich, dass der operative Eingriff unvorgesehen länger dauert und die Wirkdauer der Regionalanästhetika nicht ausreichend ist (Kathetertechniken haben daher große Vorteile und sollten in Zweifelsfällen erwogen werden). Darüber hinaus können auch andere unvorhersehbare Ereignisse einen Übergang zur Allgemeinanästhesie nahe legen, wie z. B. zunehmende Rückenschmerzen durch langes Liegen auf dem Operationstisch, Kreislaufprobleme bei ausgedehntem Blutverlust oder vergleichbaren kritischen Verschlechterungen des Patientenstatus.
63
4.2 · Monitoring, Zugänge
Typische Indikationen für eine Allgemeinanästhesie in der Traumachirurgie
4
den sowie – wenn indiziert – unter Gabe von Muskelrelaxanzien).
5 Schwerkranker Patient (invasives Monito-
ring notwendig)
4.2
Monitoring, Zugänge
5 Kritischer bzw. lebensbedrohlicher Zu-
stand des Patienten 5 Lebensgefährliche Verletzung 5 Kontraindikation für die Anlage einer peri-
pheren Blockade
Absolut Ablehnung durch Patienten Infektion an der Punktionsstelle Bekannte Lokalanästhetikaallergie Das Operationsgebiet kann nicht erreicht werden 5 Dauer und Art des Eingriffs ungeeignet 5 Insuffiziente Regionalanästhesie 5 5 5 5
Relativ 5 Gerinnungsstörungen (abhängig von Lo-
kalisation) 5 Vorbestehende Nervenschäden (nach ge-
nauer Dokumentation Regionalanästhesie möglich)
Ist die Entscheidung zur Allgemeinanästhesie für einen traumachirurgischen Eingriff getroffen worden, kann für die weitere Planung grundsätzlich auf alle Narkosetechniken zurückgegriffen werden. Die Festlegung erfolgt dann vor dem Hintergrund der geplanten Operationsdauer entsprechend der Bedürfnisse der Patienten. So kann z. B. bei kurzen peripheren Eingriffen eine reine intravenöse Technik gewählt werden (z. B. Propofol, Alfentanil/Remifentanil, ggf. über Perfusor; je nach Atemwegsmanagement (Larynxmaske/Endotrachealtubus) und operativen Bedürfnissen mit oder ohne Muskelrelaxanzien. Bei längeren und v. a. invasiveren Operationen empfiehlt sich eher die sog. balanzierte Anästhesietechnik (nach i. v.-Einleitung und Muskelrelaxazion zur endotrachealen Intubation erfolgt die Narkoseaufrechterhaltung mittels einem volatilen Anästhetikum und adäquaten Mengen an Opioi-
Bei traumachirurgischen Eingriffen ergibt sich die Entscheidung über das notwendige Monitoring weniger aus der Narkosetechnik als vielmehr aus den Bedürfnissen des Patienten und dem geplanten Eingriff. Neben den derzeit als Standardüberwachung bei Vollnarkosen angesehenen Einheiten (EKG, nichtinvasive Blutdruckmessung, periphere O2Sättigung, inspiratorische O2-Konzentration, endtidale CO2-Spannung, Beatmungsfrequenz und drücke sowie Narkosegaskonzentration) werden in vielen Abteilungen bei längeren Narkosezeiten (>30 min) auch regelmäßig die Temperatur sowie elektrophysiologische Parameter (EEG, BIS, SEF [speziell bei TIVA]) überwacht. Selbstverständlich erfolgt eine kontinuierliche Überwachung der Flüssigkeitsbilanz (Infusionen von Flüssigkeit und ggf. Blutprodukten, Blutverlust, Urinproduktion). Eine Katheterisierung der Blase erfolgt stets in Abhängigkeit vom vermuteten Effekt des operativen Eingriffs auf die Flüssigkeitsbilanz (erwarteter Blutverlust) sowie der geplanten Operationsdauer (>2 h). Werden Muskelrelaxanzien appliziert sollte ein intermittierendes neuromuskuläres Monitoring (z. B. TOF am N. ulnaris, N. facialis) durchgeführt werden. Bei traumachirurgischen Routineeingriffen reicht in vielen Fällen ein einzelner peripherer intravenöser Zugang zur Einleitung und Weiterführung der Narkose aus. Ist ein größerer Blutverlust nicht ausgeschlossen oder wird aus operationstechnischen Gründen der Zugang zu den Armen erschwert, sollte unbedingt nach Einleitung und vor Beginn des operativen Eingriffs ein zweiter, möglichst großlumiger intravenöser Zugang geschaffen werden. Bei Anlagerung eines oder beider Arme sollte unbedingt auf eine ausreichende Verlängerung der Infusionsleitung sowie auf einwandfreie Funktionsfähigkeit geachtet werden, bevor mit der Abdeckung des Patienten begonnen wird.
64
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Kapitel 4 · Besonderheiten der Allgemeinanästhesie
Müssen sich Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko, pulmonalen Vorerkrankungen oder anderen schwerwiegenden Begleitstörungen der Homöostase (in der Regel Patienten der Risikogruppen III und höher nach der bekannten ASA-Klassifizierung) einem Eingriff in Vollnarkose unterziehen, ist es ratsam die Anlage einer arteriellen Kanüle zu erwägen. Neben der kontinuierlichen und invasiven Blutdruckmessung erlaubt dieser zusätzliche Zugang regelmäßige Blutentnahmen zur Überwachung der Blutgase und des metabolischen Status ohne wiederholte Punktionen. Die individuelle Narkosesteuerung wird auf diese Weise wesentlich vereinfacht. Gleiches gilt für Eingriffe mit einem voraussehbar großen Blutverlust (Becken-, Hüft- und Wirbelsäulenoperationen), da so auch die notwendigen Parameter zur Indikationsstellung und Steuerung einer individuell abgestimmten Transfusionstherapie (Hämoglobinkonzentration, Hämatokrit, Thrombozytenzahl, Fibrinogen, Gerinnungswerte, etc.) durch wiederholte Blutabnahmen überwacht werden können. Je nach Indikationsstellung erfolgt die Anlage der arteriellen Kanüle vor Einleitung (schwere kardiovaskuläre Begleiterkrankung des Patienten) oder erst in Narkose (z. B. intraoperative Blutdrucküberwachung, wiederholte Blutabnahmen). Bei Hochrisikopatienten (z. B. grenzkompensierter Herzinsuffizienz, Patienten mit klinisch wirksamen Vitien) sowie bei Operationen mit vermutlich ausgesprochen großem intraoperativen Flüssigkeits- und Blutumsatz (v. a. komplexe Beckenoperationen) kann auch die Anlage eines zentralen Venenkatheters indiziert sein, um den zentralen Venendruck zu überwachen. Darüber hinaus gibt es sicher noch eine Reihe weiterer operationaler Gründe für die Anlage eines Zentralvenenkatheters bei traumachirurgischen Patienten (z. B. langfristige i. v.-Antibiotikatherapie, postoperative Intensivtherapie). In jedem Einzelfall sollte jedoch eine sorgfältige Risiko-NutzenAbwägung erfolgen und die endgültige Indikation mit den weiterversorgenden Kollegen abgestimmt werden. Wegen der Gefahr einer intraoperativen Luftembolie sehen einige Autoren bei ausgedehnten Schultereingriffen in Beach-chair-Position ei-
nen Zentralvenenkatheter in Verbindung mit einer präkordialen Ultraschallsonde für indiziert. Diese Indikation bleibt jedoch sicher Einzelfällen vorbehalten, bei denen auch auf Seiten des Patienten ein entsprechend großes kardiovaskuläres Begleitrisiko besteht, das die Risiken der Zentralvenenkatheterisierung aufwiegt. In seltenen Einzelfällen kann auch die Anlage eines Pulmonalarterienkatheters bei traumachirurgischen Eingriffen indiziert sein, um die Narkosesteuerung bei schwerkranken Patienten (z. B. floride Sepsis, fixierte pulmonale Hypertonie) zu erleichtern. Die Gründe für eine solche Überwachung ergeben sich ausschließlich aus der speziellen Konstellation der Begleiterkrankungen des Patienten und nicht primär durch den geplanten traumachirurgischen Eingriff. Dieser stellt höchstens einen zusätzlichen Risikofaktor für den Patienten dar, der für die Indikationsstellung entsprechend mitbewertet werden muss. Bei bestimmten Wirbelsäulenoperationen (z. B. Stabilisierung und Fusion [Fixateur interne] einer thorakalen Wirbelsäulenfraktur) werden von einigen Operateuren intraoperativ somatosensorisch-evozierte Potentiale (SSEP) abgeleitet, um die Funktionsfähigkeit der Leitungsbahnen (leider nur der sensiblen) im Rückenmark zu überwachen. Diese Maßnahme erfordert ein differenziertes und dieser Überwachungstechnik angepasstes anästhesiologisches Vorgehen: möglichst keine Benzodiazipine, volatile Anästhetika nicht über 1 MAC, kombiniert mit adäquaten Dosen an Opioiden und ggf. Lachgas; die Komplementierung mit Muskelrelaxanzien beeinflusst die Qualität der SSEP nicht, wird aber von vielen Operateuren nicht gewünscht, um eine direkte Schädigung der motorischen Bahnen durch plötzliches Auslösen motorischer Reaktionen distal des Operationsgebiets zu bemerken (Cave: unzuverlässige Methode). Wesentlich sensitiver für eine Überprüfung der motorischen Funktion des Rückenmarks sind zusätzliche peripher abgeleitete Elektromyogramme (EMG). Soll eine derartige Überwachungstechnik angewendet werden, muss die Wirkung von Muskelrelaxanzien abgeklungen sein. Einige Operateure verlassen sich auf einen intraoperativen Wachheitstest, nachdem die Imp-
65
4.4 · Auswahl der Medikamente
lantate an den entsprechenden Wirbelsäulensegmenten fixiert sind. Dabei müssen die volatilen Anästhetika frühzeitig abgestellt werden (gleiches gilt bei Verwendung von Propofol); Opioide (Ausnahme: Remifentanil) und Muskelrelaxanzien werden – falls notwendig – antagonisiert. Der noch intubierte und typischerweise auf dem Bauch liegende Patient wird zunächst gebeten seine Finger zu bewegen, um seine Kooperationsfähigkeit zu belegen; erst dann wird in gleicher Weise die motorische Funktion an der unteren Extremität überprüft. Unmittelbar anschließend wird mittels eines geeigneten intravenösen Narkotikums (z. B. Propofol) ein adäquates Anästhesieniveau wiederhergestellt. Unmittelbar nach Beendigung des operativen Eingriffs und Erwachen des Patienten sollte die Prozedur wiederholt werden, um die Funktionsfähigkeit des Rückenmarks nochmals zu bestätigen. Selbstverständlich erfordern alle Überwachungsmaßnahmen bei geplanten Eingriffen, insbesondere aber invasive Techniken, wie z. B. die Anlage einer arteriellen Kanüle oder eines Zentralvenenkatheters, eine detaillierte Aufklärung über den Sinn des Verfahrens und dessen Risiken sowie eine schriftliche Einwilligung. Gleiches gilt für den intraoperativen Aufwachtest.
4.3
Sicherung der Atemwege
Bei traumachirurgischen Eingriffen gibt es nur sehr wenige prozedurenspezifische Erfordernisse für die Auswahl der Methode zur Atemwegssicherung. Prinzipiell kann eine Allgemeinanästhesie bei vielen Eingriffen mit oder ohne endotracheale Intubation erfolgen. Wesentlich erscheinen dabei die geplante Operationsdauer und das Operationsgebiet. Bei kurzen Eingriffen in Rückenlage ist eine Larynxmaske (z. B. LMA classic, ProSeal-LMA) bzw. alternative Methoden zur Atemwegssicherung (z. B. Larynxtubus) ausreichend, falls nicht kontraindiziert (z. B. bei ösophagealem Reflux, Zwerchfellhernie). Dies gilt darüber hinaus natürlich ausschließlich für Wahleingriffe bei Patienten, die länger als 12 h nüchtern sind, d. h. nicht für Notfalleingriffe.
4
Ultrakurze Eingriffe, z. B. Schraubenmobilisierung, kurze Weichteilspülung, kleine Verbandswechsel können im Einzelfall auch ausschließlich in Maskennarkose durchgeführt werden. Eine Schulterreposition, obwohl in der Regel ebenfalls eine kurze operative Prozedur, betrifft dagegen fast immer nicht nüchterne Patienten (Notfallindikation) und ist daher sicher nicht für eine Maskenkurznarkose geeignet (immer RSI). Bei längeren Eingriffen in Allgemeinanästhesie und bei Operationen, die nicht in Rückenlage durchgeführt werden können (Seitenlage, Bauchlage), garantiert nur eine endotracheale Intubation eine adäquate Atemwegssicherung. Bei Eingriffen in Bauchlage sollte zusätzlich eine doppellumige orale Magensonde gelegt werden um den Magen kontinuierlich drainieren zu können. In seltenen Fällen wird sogar die Platzierung eines Doppellumentubus bzw. eines Bronchusblockers in der traumachirurgischen Anästhesie notwendig. Eine solche apparative aufwendige Atemwegssicherung wird manchmal zur Durchführung einer Einlungenbeatmung bei transthorakaler Wirbelsäulenchirurgie notwendig. Bei der Versorgung eines polytraumatisierten Patienten kann im Einzelfall die Platzierung eines Bronchusblockers notwendig werden, falls endobronchiale Blutungen oder ein größeres alveoläres Leck in den Pleuralspalt eine adäquate Oxygenierung unmöglich machen. Die Technik der Platzierung sowie die Bestätigung der regelrechten Lage (direkte Laryngoskopie, endtidales Kohlendioxyd, bilaterale Atemgeräusche, symmetrische Thoraxexkursionen), die regelrechte Fixierung sowie das Management eines schwierigen Atemweges (erwartet: fiberoptische Intubation; unerwartet: z. B. IntubationsLMA, Combitubus, Bougie, chirurgische Atemwegssicherung) einschließlich der entsprechenden Atemwegalgorithmen sei auf entsprechende Anästhesietextbücher bzw. Spezialliteratur verwiesen.
4.4
Auswahl der Medikamente
Für jeden Patienten muss die Zusammenstellung der Medikamente zur Allgemeinanästhesie indivi-
66
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 4 · Besonderheiten der Allgemeinanästhesie
duell an seinen Zustand angepasst und dem Ausmaß des Eingriffs angemessen sein. Dabei werden, wie bereits oben ausführlich erläutert, grundsätzlich zwischen langen und u. U. invasiven und kurzen, zumeist peripheren operativen Eingriffen unterschieden. Erstere werden typischerweise in balancierter Technik (alternativ als vollständig intravenöse
Anästhesie [TIVA]) und mit endotrachealer Intubation, letztere als intravenöse Kurznarkose, oftmals mittels LMA zur Atemwegssicherung durchgeführt. Die 7 Tabellen 4.1. und 4.2. fassen jeweils Vorschläge zur Medikamentenauswahl und Dosierung zusammen.
. Tabelle 4.1. Vorschlag zur Medikamentenauswahl und Dosierung für eine balancierte Anästhesie mit endotrachealer Intubation Anästhesiephase
Medikation
Prämedikation
Oxazepam 10 mg oder Midazolam 7,5 mg p.o.
Prophylaxen
Tri-Natrium-Citrat 20 ml p.o. (zur Aspirationsprophylaxe; Standard)
8
Ggf. Fenistil 8 mg /Tagamet 400 mg i. v. (bei allergischer Diathese) Ggf. Odansedron 4 mg i. v., ggf. zusätzlich 10 mg Methylprednisolon i. v. (bei Risiko für PONV)
9 Narkoseeinleitung
10
Fentanyl 0,15–0,3 mg i. v. (3µg/kgKG) (ist eine Präcurarisierung gewünscht: Atracurium 5 mg bzw. Rocuronium 5 mg i. v.)
11
Thiopental 4–6 mg/kgKG bzw. Propofol 2 mg/kgKG i. v. Atracurium 0,5 mg/kg KG bzw. Rocuronium 0,6–0,8 mg/kgKG (bei kurzen Eingriffen: Mivacurium 0,2 mg/kgKG) i. v.
12 Endotracheale Intubation
13 14 15 16 17 18 19 20
Narkoseaufrechterhaltung
Isoflurane 1–1,5 MAC in Sauerstoff/Air; ggf. Lachgas statt Air
Intraoperative Relaxierung
Weiter mit Atracurium 0,1 mg/kg KG bzw. Rocuronium 0,1 mg/kg KG i. v. (s. o.)
Narkoseausleitung
Vor Extubation Schwellung der oberen Luftwege ausschließen (insbesondere nach Bauchlage)
Postoperative Schmerztherapie
Siehe 7 Kap. 26
67
4.4 · Auswahl der Medikamente
4
. Tabelle 4.2. Vorschlag zur Medikamentenauswahl und Dosierung für eine intravenöse Kurznarkose mit Larynxmaske (LMA) Anästhesiephase
Medikation
Einleitung
Remifentanil 0,5–1,0 µg i. v.a alternativ: Alfentanil 10–20 µg i. v. Propofol 2 mg/kgKG i. v.
Platzierung der Larynxmaske Aufrechterhaltung
Propofol 5–6 (10) mg/kgKG/h i. v. (Perfusor) später reduzieren auf 4–5 mg/kgKG/h alternativ: z. B. Sevoflurane 1–1,5 MAC Remifentanila 0,1–1,0 µg/kgKG/min (ggf. 0,5 µg/kgKG als Bolus)a alternativ: Alfentanil 0,5–1,0 µg/kgKG/min (ggf. 7–15 µg/kgKG als Bolus)
a
Narkoseausleitung
Propofol frühzeitig beenden (5–10 min vor Operationsende) Remifentanil bis zur letzten Hautnaht (Anschließend unbedingt Perfusorschlauchsystem entfernen, um eine akzidentelle Infusion von Restmengen zu vermeiden)
Postoperative Schmerztherapie
Siehe 7 Kap. 26
Bei geriatrischen Patienten (>65 Jahre) sollte die Remifentanildosis aufgrund veränderter Pharmakokinetik bzw. -dynamik um ca. 30– 50% reduziert werden.
III Rückenmarknahe Regionalanästhesie in der Traumachirurgie 5
Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie – 75
6
Spinalanästhesie
7
Kontinuierliche Spinalanästhesie
8
Lumbale Epiduralanästhesie
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Kombinierte Spinalepiduralanästhesie
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– 111 – 121
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III · Rückenmarknahe Regionalanästhesie in der Traumachirurgie
)) Rückenmarknahe Regionalanästhesien sind zentrale Nervenblockaden. Die Injektion eines Lokalanästhetikums in den Subarachnoidalraum (Spinalanästhesie) bzw. Epiduralraum (Epiduralanästhesie) oder gleichzeitig in Subarachnoidal- und Epiduralraum (kombinierte Spinal-Epidural-Anästhesie) führt zu einer temporären Unterbrechung der Erregungsleitung in den Nervenwurzeln. Es resultiert eine reversible sensorische, sympathische und motorische Blockade, die klinisch durch Analgesie bzw. Anästhesie, Vasodilatation und Muskelrelaxation gekennzeichnet ist. Rückenmarknahe Verfahren können sowohl einzeitig (»single-shot«) zur Anästhesie bei Operationen als auch als kontinuierliche Techniken (Katheterverfahren) in der postoperativen Schmerztherapie eingesetzt werden. Sie zeichnen sich durch eine hohe Erfolgsquote aus.
Anatomische Grundlagen Wirbelsäule Die Wirbelsäule besteht aus 33 Wirbeln (7 zervikale, 12 thorakale, 5 lumbale, 5 sakrale und 4 kokzygeale).
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Die Wirbelsäule weist typische Krümmungen auf, die einen Einfluss auf die Ausbreitung spinal applizierter Lokalanästhetika haben. In Rückenlage finden sich die höchsten Punkte bei C5 und L3, die tiefsten bei Th5 und S2.
Bänder Der Bandapparat gewährleistet Stabilität und Beweglichkeit der Wirbelsäule. Bei einer rückenmarknahen Regionalanästhesie werden einige dieser Bänder perforiert (. Abb. III.1): 1. Lig. supraspinale (verbindet die Spitzen der Dornfortsätze), 2. Lig. interspinale (verbindet die Dornfortsätze in ihrer ganzen Länge miteinander), 3. Lig. flavum (Auskleidung der dorsalen und lateralen Seite des Wirbelkanals). Verknöcherungen der Bänder, die die Punktion erschweren können, sind v. a. bei älteren Patienten nicht selten. Das Lig. flavum besteht, im Gegensatz zu den anderen Bändern, hauptsächlich aus elastischen Fasern. Diese derbe Struktur führt bei der Einführung einer Kanüle zu einem typischen Widerstand. Nach Penetration des Ligamentes wird ein deutlicher Widerstandsverlust spürbar, was man sich bei der »Loss-of-resistance«-Technik (»Widerstandsverlusttechnik«) zu Nutze macht.
Orientierungshilfen 5 Vertebra prominens (7. Halswirbel): C7 5 Interscapularlinie (Verbindungslinie des
Unterrandes der Scapulae): Th7 5 Beckenkammlinie: L4/5
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Der Wirbel besteht aus einem Körper und einem Bogen, einem Dornfortsatz (Processus spinosus) und zwei Querfortsätzen (Processus transversi) sowie jeweils zwei oberen und unteren Gelenkfortsätzen. Zwischen den Wirbelkörpern liegen die Bandscheiben. Bei lumbalen Wirbeln steht der Proccessus spinosus fast horizontal, was die Punktion erleichtert. Die sitzende, leicht nach vorne gebeugte Position (»Katzenbuckel«) führt zu einer weiteren Aufklappung der Dornfortsätze in diesem Bereich. Die Verbindungslinie der Dornfortsätze ist in der Regel zu tasten und stellt die sog. Mittellinie dar.
. Abb. III.1. Bandapparat der Wirbelsäule. Die Bänder werden in der Reihenfolge Lig. supraspinale → Lig. interspinale → Lig. flavum perforiert.
III · Rückenmarknahe Regionalanästhesie in der Traumachirurgie
III
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Die Distanz Haut – Lig. flavum beträgt bei individuell großer Variationsbreite etwa 4–5 cm.
Epiduralraum Der Epiduralraum reicht vom Foramen magnum bis zum Hiatus sacralis und umgibt die Rückenmarkhüllen von außen. Seine dorsale Begrenzung ist das Lig. flavum. Er enthält neben Fett, Bindegewebe sowie Blut- und Lymphgefäßen auch die Spinalnervenwurzeln (. Abb. III.2). Es besteht ein negativer Druck im Epiduralraum (thorakal stärker ausgeprägt als lumbal), der bei der Punktion mit der Technik des »hängenden Tropfens« genutzt wird.
Spinalkanal Der Spinalkanal enthält das von (von außen nach innen) Dura mater, Arachnoidea und Pia mater umgebene Rückenmark (. Abb. III.3). Dura und Arachnoidea sind eng miteinander verbunden, reichen bis auf Höhe von S2 und werden bei der Spinalanästhesie in der Regel immer gemeinsam durchstochen. Der Subduralraum ist ein feiner Spalt zwischen Dura und Arachnoidea. Sehr selten gelangt bei der Spinalanästhesie versehentlich Lokalanästhetikum in den Subduralraum. Die Pia mater umkleidet das Rückenmark und Gehirn; der Raum zwischen Pia mater und Arachnoidea ist der mit Liquor gefüllte, die Spinalnervenwurzeln enthaltende Subarachnoidalraum. Das Rückenmark stellt die Verlängerung der Medulla oblongata dar und reicht nach kaudal bis zum Conus medullaris. Dieser reicht beim Erwachsenen in der Regel bis zum Segment L1/2, gelegentlich auch bis L2/3. ! Cave Eine spinale Punktion darf keinesfalls höher als L2/3 und sollte am besten unterhalb von L3 durchgeführt werden, um einer akzidentellen Verletzung des Rückenmarks vorzubeugen.
Ep Ep
. Abb. III.2. Der Epiduralraum. Ansicht von seitlich vorn. (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
. Abb. III.3. Das Rückenmark und seine Hüllen. (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
Liquor Die Nervenfasern des Conus terminalis, die Cauda equina, erstrecken sich noch tiefer bis zum Os sacrum. Diese weichen bei einer Berührung durch die Punktionskanüle zurück; die Verletzungsgefahr ist gering.
Bei der Spinalanästhesie wird das injizierte Lokalanästhetikum mit dem Liquor verdünnt, bevor die Wirkung im zentralen Nervensystem stattfindet. Das Liquorvolumen unterliegt einer großen interindividuellen Variabilität und hat, ebenso wie die Dichte, Einfluss auf die Ausbreitung des Lo-
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III · Rückenmarknahe Regionalanästhesie in der Traumachirurgie
kalanästhetikums. Zuverlässige Prädiktoren hinsichtlich der individuellen Liquormenge existieren nicht.
Liquor cerebrospinalis 5 Gesamtmenge: 120–150 ml (2 ml/kgKG) 5 Liquormenge lumbosakral: 8–81 ml (gro-
ße Variabilität) 5 Aussehen: klar, farblos 5 Liquordruck lumbal: 7–17 cm H2O in Sei-
tenlage, sitzend >20 cm H2O
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5 pH-Wert: 7,4–7,6 5 Spezifisches Gewicht: 1000 g/cm2 bei 37°C 5 Elektrolyte: Na+ 140–150 mmol/l, Cl– 120–
Blutversorgung Die arterielle Versorgung des Rückenmarks wird durch die paarig angelegten Aa. spinales posteriores und posterolaterales sowie die unpaarige A. spinalis anterior sichergestellt. Die A. spinalis anterior versorgt die vorderen 2/3 des Rückenmarks und wird im zervikalen und thorakalen Bereich durch die A. vertebralis, im thorakolumbalen Bereich durch die A. radicularis magna (Adamkiewicz) gespeist. Der venöse Abfluss erfolgt über Venenplexus. Da diese nicht über Venenklappen verfügen, übertragen sich Druckschwankungen im Epiduralraum, Thorax und Liquor leicht und beeinflussen den Füllungszustand der venösen Gefäße.
130 mmol/l 5 Glukose: 50–80 mg/dl 5 Gesamteiweiß: 15–45 mg/dl 5 Neusynthese: etwa 500 ml/Tag im Plexus
choroideus
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Auswirkungen auf physiologische Regelmechanismen Neben der neuralen Blockade mit Anästhesie im entsprechenden Innervationsgebiet hat die rückenmarknahe Regionalanästhesie auch systemische Wirkungen, die im Wesentlichen von der Ausdehnung der Blockade abhängig sind.
Spinalnerven
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Die Spinalnervenwurzeln sind die Wirkorte der Spinalanästhesie. Eine große interindividuelle Variabilität in deren Größe und Anatomie erklärt die unterschiedlichen Ausprägungen der Spinalanästhesie. Es gibt 31 Spinalnervenpaare, die über je eine hintere und vordere Wurzel mit dem Rückenmark kommunizieren. ! Afferente Impulse wie Schmerz, Temperatur, Berührung und Lagesinn werden über die – dickere – Hinterwurzel (Radix posterior) geleitet.
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18 19 20
! Die kardiovaskulären Wirkungen sind variabel und abhängig vom Ausmaß der Sympathikusblockade. Sie sind bei der Epiduralanästhesie durch das langsamere Einsetzen der Wirkung initial geringer ausgeprägt als bei der Spinalanästhesie.
Der Sympathikus tritt auf Höhe von Th1 bis L2 aus. ! Durch die Blockade präganglionärer sympathi-
! Efferente Impulse (motorische Funktion) werden
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Kardiovaskuläre Wirkungen
über die – dünnere – Vorderwurzel (Radix anterior) geleitet.
Nach dem Austritt aus dem Subarachnoidalraum kreuzen die noch von Dura und Arachnoidea umkleideten Spinalnervenwurzeln den Epiduralraum. Die Bildung der gemischten Hauptstämme der Spinalnerven erfolgt im Foramen intervertebrale.
scher Nervenfasern resultiert eine Abnahme des peripheren Widerstandes durch arterielle und v. a. venöse Vasodilatation sowie eine Abnahme von Vor- und Nachlast mit konsekutiver Hypotension.
Bei starker Ausprägung kann auch das Herzzeitvolumen vermindert sein. Gesunde Patienten reagieren bei einer Ausdehnung der Blockade bis maximal Th5 mit einer kompensatorischen Vasokonstriktion oberhalb dieses Niveaus, die hauptsäch-
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III · Rückenmarknahe Regionalanästhesie in der Traumachirurgie
lich durch nicht blockierte sympathische Vasokonstriktorfasern von Th1–Th4 vermittelt wird. Zusätzlich kommt es zu einer gesteigerten Katecholaminfreisetzung. Unblockierte kardiale sympathische Fasern bewirken eine Steigerung der myokardialen Kontraktilität und der Herzfrequenz. Erstreckt sich die Blockade auch auf höhere Segmente (Th1–Th4), spricht man von einer totalen Sympathikusblockade (Th1–L2). Hinzu kommen die Blockade der segmentären Herzreflexe, der Efferenzen aus dem Vasomotorenzentrum zu den Nn. accelerantes (sympathische Herznerven aus Th1–Th4), die Blockade vasokonstriktorischer Sympathikusfasern in Kopf, Hals, oberen Extremitäten sowie des N. splanchnicus (Th5–L1) mit Ausschaltung der Katecholaminsekretion. Die vorher beschriebenen reflektorischen Kompensationsreaktionen sind in diesem Fall vollständig ausgeschaltet. Bei der Epiduralanästhesie können zusätzlich durch dem Lokalanästhetikum zugesetzte Vasopressoren Kreislaufreaktionen hervorgerufen werden.
III
Hypotension Die Inzidenz einer Hypotension nach Spinalanästhesie wird in der Literatur mit 33% angegeben. Bei normovolämischen Patienten werden gelegentlich leichte Blutdruckabfälle beobachtet, die durch die Abnahme des peripheren Widerstandes und des venösen Rückstroms durch die Sympathikusblockade erklärbar sind, und denen durch die genannten Kompensationsmechanismen entgegengesteuert wird. Eine schwere Hypotension droht besonders hypovolämischen Patienten durch die Abnahme der Herzleistung aufgrund der reduzierten Vorlast. Bei schwerer Hypovolämie ist eine Spinalanästhesie deshalb kontraindiziert. ! Cave Risikofaktoren für das Auftreten einer Hypotension sind: Anästhesieausbreitung höher als Th5, Alter >40 Jahre, systolischer Ausgangsblutdruck 5 Tagen
6
Niedermolekulare Heparine (high dose)
24 h
2–4 h
Thrombozyten bei Therapie >5 Tagen
20–22 h
2–4 h
7
Fondaparinuxa Kumarine
INR 2 Tage
Nach Katheterentfernung
Clopidogrel
>7 Tage
Nach Katheterentfernung
Ticlopidin
>10 Tage
Nach Katheterentfernung
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Empfohlene Zeitintervalle vor und nach rückenmarknaher Punktion bzw. Katheterentfernung. Überarbeitete Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin; (Mod. nach Gogarten W et al. [2003] Anästhesiologie & Intensivmedizin 44: 218–230). a bei normaler Nierenfunktion, bei eingeschränkter Nierenfunktion (Creatininclearance 97%
Beginn
Dauer
Rasch
Lang
2% sollten grundsätzlich nicht verwendet werden.
5
Vergleich zur systemischen Gabe, geringerer Inzidenz an Nebenwirkungen. Die bedrohlichste Nebenwirkung der epiduralen Opioidapplikation ist die Atemdepression, die, in Abhängigkeit von der Lipophilie des verwendeten Opioids, auch verzögert auftreten kann. Weitere unerwünschte Wirkungen sind Blutdruckabfall, Bradykardie, Juckreiz und Harnretention. Das Monitoring der Atmung wird bei epiduraler Opioidapplikation empfohlen.
5.4.6 Zusätze zu Lokalanästhetika ! Cave
Glukose Durch Zusatz von Glukose zu Lokalanästhetika wird deren spezifisches Gewicht erhöht und die Lösung hyperbar. Die Ausbreitung einer Spinalanästhesie mit hyperbaren Lösungen ist besser steuerbar. Bupivacain ist als fertig zubereitete hyperbare Lösung im Handel.
Bei kontinuierlicher epiduraler Opioidapplikation ist die gleichzeitige Gabe von systemischen Opioiden wegen der Gefahr der Atemdepression untersagt.
Am häufigsten werden in Deutschland Fentanyl und Sufentanil zur epiduralen Gabe eingesetzt.
Vasokonstriktoren
Clonidin
Der Zusatz von Vasokonstriktoren ist v. a. bei kurz- und mittellang wirkenden Lokalanästhetika von Bedeutung. Die Resorption des Lokalanästhetikums wird hierdurch vermindert, die Wirkdauer verlängert. Meist wird Adrenalin in einer Konzentration von 1:200.000 eingesetzt. Bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen sollte ganz auf Vasokonstriktorenzusätze verzichtet werden. Bei Epiduralanästhesien werden adrenalinhaltige Lösungen als Testdosis eingesetzt. Darüber hinaus sollten diese Zusätze bei rückenmarknahen Verfahren aufgrund potenzieller lokaler Effekte (Beeinflussung der Rückenmarkdurchblutung) nicht zum Einsatz kommen.
Clonidin (Catapresan) ist ein α2-Rezeptoragonist mit analgetischem Effekt. Über verschiedene Mechanismen verlängert und intensiviert Clonidin in Kombination mit Lokalanästhetika die sensorische und motorische Blockade bei Spinal- und Epidural- sowie peripheren Leitungsanästhesien. Auch eine kontinuierliche epidurale Gabe ist möglich. Typische systemische Nebenwirkungen von Clonidin, wie z. B. Hypotension, Bradykardie und Sedierung, zeigen sich auch nach rückenmarknaher Gabe und bei peripheren Leitungsanästhesien. Bei starker Sedierung kann auch eine Abnahme der O2-Sättigung auftreten, schwere Atemdepressionen wurden nicht beschrieben. Die rückenmarknahe Applikation von Clonidin in Kombination mit einem Lokalanästhetikum kann die Sympathikolyse verstärken, in klinischen Studien zeigte sich jedoch selten eine ausgeprägte Zunahme des Blutdruckabfalls oder der Bradykardie. Eine Sedierung tritt, dosisabhängig, bevorzugt nach Bolusinjektionen auf. Aufgrund der potenziellen Nebenwirkungen wird eine Überwachung der Herzkreislauffunktion für mindestens 2 Stunden nach Bolusgabe, der pulsoxymetrischen O2-Sättigung nach Gabe hoher Dosen empfohlen.
Opioide Rückenmarknah verabreichte Opioide und Lokalanästhetika haben synergistische analgetische Effekte. Bei epiduraler Gabe werden durch die Kombination der Substanzgruppen die erforderliche Dosis des Lokalanästhetikums und dessen unerwünschte Wirkungen reduziert. Rückenmarknahe Opioide führen, im Gegensatz zu den Lokalanästhetika, nicht zu einer motorischen Blockade. Dies ist insbesondere für die Anwendung in der postoperativen Schmerztherapie vorteilhaft. Die analgetische Potenz der Opioide ist hoch bei, im
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Kapitel 5 · Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie
Die Dosierungsbreite für die epidurale Gabe in den Untersuchungen ist variabel, eine Einzeldosis von 75–150 µg Clonidin epidural reicht aus, um die beschriebenen Effekte zu erreichen. Eine Zulassung für die genannten Indikationsgebiete besitzt Clonidin nicht.
5.5
Überprüfung der Anästhesiewirkung
Nach der Fixierung des Lokalanästhetikums müssen Ausbreitung und Qualität der Blockade beurteilt werden. Es werden sowohl sensorische als auch motorische Funktionen seitengetrennt geprüft und dokumentiert. Die sympathische Blockade zeigt sich zuerst durch Erwärmung der unteren Extremitäten, kann jedoch nicht objektiviert werden. Die segmentale sensible Ausdehnung der Blockade wird mittels Pinprick bestimmt. Hierbei
wird die Ausschaltung von A-δ-Fasern mittels eines Nadelreizes geprüft (Spitz-Stumpf-Differenzierung). Mamillenhöhe entspricht etwa dem Niveau Th4, das Xiphoid Th6, der Nabel Th10 und das Tuberculum pubicum L1 (. Abb. 5.1). Die Austestung sollte von distal nach proximal erfolgen, da eine Zunahme der Sensibilität vom Patienten meist besser angegeben werden kann als eine Abnahme. Die motorische Blockade wird nach dem Bromage-Schema beurteilt (. Tabelle 5.4). ! Die sympathische Blockade liegt üblicherweise 2–4 Segmente oberhalb der sensiblen, die motorische Blockade 2 Segmente darunter.
Für traumachirurgische Eingriffe ist ein sensibles Niveau von Th10 ausreichend.
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. Abb. 5.1. Segmentale Innervation der Haut.
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5.7 · Erkennen und Management von Komplikationen
. Tabelle 5.4. Einteilung der motorischen Blockade nach Bromage
5.6
Grad
Beschreibung
0
Keine motorische Blockade
1
Unfähigkeit im Hüftgelenk zu beugen
2
Unfähigkeit im Hüft- und Kniegelenk zu beugen
3
Beine und Füße können nicht mehr bewegt werden / komplette Paralyse
Patienten Ketamin oder Opioide (Piritramid) eingesetzt. Zur Anwendung von Remifentanil als Supplementierung einer Regionalanästhesie gibt es aktuell noch wenige Untersuchungen. Es deutet sich jedoch eine Überlegenheit im Vergleich zu Propofol an. ! Bei intraoperativen Schmerzäußerungen des Patienten sollte man zunächst die Schmerzursache eruieren. Sind die Schmerzen stärker und durch eine unvollständige Blockade im Operationsgebiet bedingt, sollte umgehend auf eine Allgemeinanästhesie übergegangen werden.
Konzepte der intraoperativen Analgosedierung
Viele Patienten lehnen eine Regionalanästhesie ab, weil sie die Operation nicht wach miterleben möchten. Eine Sedierung kann den Patientenkomfort erhöhen oder auch schon die Anlage der Regionalanästhesie erleichtern. Gerade bei kardialen und pulmonalen Risikopatienten ist diese Maßnahme zur Stressreduktion empfehlenswert. Die Möglichkeit der Sedierung sollte mit dem Patienten bereits bei der Prämedikation besprochen werden. Leichte, während der Operation auftretende Schmerzen können z. T. durch die zusätzliche Gabe von Analgetika beherrscht werden. Häufig sind sie durch eine unvollständige Blockade im Operationsbereich, Abklingen der Regionalanästhesie gegen Operationsende, aber auch durch eine längerdauernde unbequeme Lagerung (z. B. Rückenschmerzen) oder die Blutsperre in unvollständig anästhesiertem Gebiet bedingt. Die Konzepte zur intraoperativen (Analgo-) sedierung sind vielfältig. Sowohl die bolusweise Applikation von Analgetika oder Sedativa als auch die kontinuierliche Infusion eines Sedativums sind denkbar. Am häufigsten werden zur Sedierung Benzodiazepine (Midazolam) eingesetzt. Zumeist ist eine einmalige Gabe zu Operationsbeginn ausreichend. Bei längerdauernden Eingriffen bietet sich Propofol als niedrig dosierte kontinuierliche Infusion an. Zur Analgesie werden in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand und den Vorerkrankungen des
5
Möglichkeiten der intraoperativen Analgosedierung 5 Midazolam (Dormicum) fraktioniert je
1 mg als Bolus 5 Propofol (Disoprivan) 1,5–4,5 mg/kgKG/h,
ggf. Bolus von 10–20 mg 5 Ketamin (Ketanest) 10 mg als Bolus, ggf.
Repetition (bis max. 1 mg/kgKG), in Kombination mit Midazolam 5 Piritramid (Dipidolor) 3 mg als Bolus, ggf. Repetition 5 Ggf. Remifentanil (Ultiva) 0,05(–0,1) µg/ kgKG/min
5.7
Erkennen und Management von Komplikationen
Rückenmarknahe Regionalanästhesien können mit einer Reihe von Komplikationen vergesellschaftet sein. Gefürchtet sind v. a. neurologische Komplikationen, die, wenn nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, gravierende bleibende Schäden hinterlassen können.
5.7.1 Frühkomplikationen
Vasovagale Reaktion Vasovagale Reaktionen treten bevorzugt beim Anlegen von Spinal- aber auch bei Epiduralanäs-
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Kapitel 5 · Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie
thesien auf. Sie sind harmloser Natur. In der Regel reicht die Flachlagerung und Sauerstoffgabe als Therapie aus.
Blutdruckabfall Hypotonien nach Spinal- oder Epiduralanästhesien werden relativ häufig beobachtet. Sie sind bedingt durch die Sympathikusblockade und abhängig vom Volumenstatus des Patienten und der Ausbreitung der Anästhesie. Bei Spinalanästhesien tritt eine Hypotonie früher und stärker ausgeprägt als bei Epiduralanästhesien auf. Therapiemaßnahmen sind eine ausreichende Volumensubstitution, die Gabe von Sauerstoff und ggf. auch von Vasopressoren (z. B. Akrinor, Effortil).
Herzstillstand
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In seltenen Fällen wurden auch plötzliche Herzstillstände bei sonst herzgesunden und hämodynamisch stabilen Patienten im Rahmen einer Spinalanästhesie berichtet. In der Regel wird eine dem Herzstillstand vorausgehende Bradykardie beobachtet. Als Ursache vermutet man ein reflektorisches Geschehen im Sinne des Bezold-JarischReflexes. Die Inzidenz wird in der aktuellen Literatur zwischen 1,8/10.000 und 6,4/10.000 Spinalanästhesien angegeben, höher als bei allen anderen Regionalanästhesieformen. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus auch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Spinalanästhesie stehende Faktoren, die in den Fallberichten mit einem fatalen Ausgang des Herzstillstandes einhergingen wie z. B. fortgeschrittenes Lebensalter, ASARisikogruppe, das Intervall zwischen Lokalanästhetikainjektion und dem Ereignis, Art des chirugischen Eingriffs und intraoperativer Blutverlust. Im Falle einer Bradykardie sollte umgehend Atropin verabreicht werden, bei Asystolie sind die Maßnahmen der erweiterten kardiopulmonalen Reanimation indiziert.
Übelkeit und Erbrechen Übelkeit und Erbrechen während einer rückenmarknahen Regionalanästhesie werden durch ein Überwiegen der Parasympathikuswirkung erklärt. Es empfiehlt sich die Gabe von Sauerstoff und ggf. von Antiemetika.
Harnretention Durch die Blockade sakraler Fasern können Blasenentleerungsstörungen auftreten. Bei länger dauernden Eingriffen (>2 Stunden) und geplanter postoperativer Analgesie über den Epiduralkatheter ist die Anlage eines Blasenkatheters ratsam. Unter Umständen kann eine Einmalkatheterisierung erforderlich werden.
Hohe/totale Spinalanästhesie Die exzessive Ausbreitung des Lokalanästhetikums z. B. durch eine fälschlich hohe Dosierung oder eine falsche Lagerung nach der Injektion kann zu einer hohen oder »totalen Spinalanästhesie« mit Atemstillstand und Hypotension führen. Ein sensorisches Niveau höher als Th2 deutet sich aufgrund der Beeinträchtigung der abdominellen und Interkostalmuskulatur zumeist als Dyspnoe an. Die Ausbreitung der Anästhesie auf die zervikalen Segmente (C3–C5) führt zu einer Zwerchfelllähmung. Bei weiter kranialer Ausbreitung spricht man von einer »totalen Spinalanästhesie«. Durch eine Ischämie des Hirnstammes aufgrund der ausgeprägten Hypotension resultiert eine zentrale Atemlähmung.
Symptome der hohen/totalen Spinalanästhesie 5 5 5 5 5 5
Agitation Übelkeit und Erbrechen Hypotension Angst Atemnot bis hin zum Atemstillstand Bewusstlosigkeit
Die Therapie besteht in der Sicherung der Atemwege durch sofortige Intubation und kontrollierte Beatmung bis zum Abklingen der Blockade sowie Wiederherstellung eines ausreichenden arteriellen Blutdruckes durch adäquate Lagerung, Gabe von Flüssigkeit (Ringer-Lösung, ggf. Kolloide) und Vasopressoren.
89
5.7 · Erkennen und Management von Komplikationen
5
5.7.2 Spätkomplikationen 5 Lageabhängigkeit (Auftreten in vertika-
Als Spätkomplikationen werden die Komplikationen bezeichnet, die nicht im Verlauf der eigentlichen Anästhesie auftreten. Hierzu zählen auch die neurologischen Komplikationen. Die Inzidenz persistierender schwerwiegender neurologischer Komplikationen nach rückenmarknaher Regionalanästhesie ist glücklicherweise gering und wird in der Literatur mit 4 cm) nach kaudal umschlagen oder eine Schleifenbildung auftreten kann.
7.5
Spezifische Komplikationen
Für die kontinuierliche Spinalanästhesie gelten alle bei rückenmarknahen Regionalanästhesieverfahren möglichen Komplikationen (7 Kap. 5.7).
109
7.5 · Spezifische Komplikationen
Bedingt durch die technischen Besonderheiten des Verfahrens und der Kathetertechnik erfordern einige spezifische Komplikationsmöglichkeiten besondere Beachtung.
7
7.5.3 Postpunktioneller Kopfschmerz
(PDPH)
Besondere Vorsicht ist beim Abbrechen eines Katheters mit einer Metallspitze geboten. Es könnten sich metallhaltige Fragmente im Liquor befinden, die den Patienten bei Durchführung eines MRT gefährden können.
Aufgrund des Duradefektes, der durch früher verwendete großlumige Tuohy-Kanülen und Katheter verursacht wurde, wurden postpunktionelle Kopfschmerzen häufig beobachtet. Mit der Entwicklung der Mikrokatheter ging die Häufigkeit deutlich zurück, ist aber höher als bei der einzeitigen Spinalanästhesie mit atraumatischen, dünnlumigen Kanülen. Auch hier besteht eine Abhängigkeit nicht nur von der Größe der Punktionsnadel und des Katheters, sondern auch vom Alter des Patienten.
7.5.2 Dehnung einer Nervenwurzel
7.5.4 Cauda-equina-Syndrom
7.5.1 Verknoten, Zerbrechen oder
Zerreißen des Mikrokatheters
durch Vorschieben oder Entfernen des Katheters ! Das Cauda-equina-Syndrom umfasst die Sympto-
Diese äußert sich klinisch in Parästhesien, die sich in der Regel nach Lagekorrektur des Katheters zurückbilden.
me Rückenschmerz, Reithosenanästhesie, Stuhlinkontinenz und Blasenentleerungsstörungen.
In der Literatur wurden im Zusammenhang mit der Durchführung einer kontinuierlichen Spinalanästhesie 12 Fälle eines Cauda-equina-Syndroms
. Abb. 7.1. Katheterset für die CSA. (Mit freundlicher Genehmigung der Firma Braun, Melsungen)
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Kapitel 7 · Kontinuierliche Spinalanästhesie (CSA)
beschrieben. Bis auf eine Ausnahme traten alle Fälle nach Verwendung von 28G-Mikrokathetern auf, in allen Fällen wurden hochkonzentrierte hyperbare Lokalanästhetika verwendet (z. B. Lidocain 5% hyperbar). Häufig waren aufgrund unzureichender Anästhesieausbreitung größere Mengen an Lokalanästhetika erforderlich. Als Ursache vermutet man einen toxischen Nervenschaden durch die wiederholte Injektion der hochosmolaren Lokalanästhetikalösung. Durch inhomogene Verteilung des Lokalanästhetikums kann es zur Akkumulation im Sakralbereich und regionaler Überdosierung kommen. Dieses Risiko scheint bei der Verwendung von Mikrokathetern erhöht zu sein. Die Verwendung von spinalen Mikrokathetern wurde in diesem Zusammenhang in einigen Ländern (darunter die USA) verboten. Bei vorsichtigem Handling des Katheters, Einschränkung der Konzentration und der Dosis des Lokalanästhetikums und ausschließlicher Verwendung von isobaren Lokalanästhetika sind nach aktuellen Untersuchungen keine weiteren Fälle eines Cauda-equina-Syndroms beschrieben worden.
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
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8 Lumbale Epiduralanästhesie U. Nickel
8.1
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
8.1.1
Indikationen
8.1.2
Kontraindikationen
8.2
Kanülen, Katheter, Sets
8.3
Technik der lumbalen Epiduralanästhesie
8.3.1
Lagerung – 114
8.3.2
Leitstrukturen
8.3.3
Zugangswege – 114
8.3.4
Single-shot oder Kathetertechnik
8.3.5
Punktion und Injektion
8.3.6
Lagerung nach Injektion
8.3.7
Faktoren mit Einfluss auf die Ausbreitung
8.4
Management häufiger Probleme bei der Anlage der Epiduralanästhesie – 116
8.4.1
Schwierige Punktion
8.4.2
Parästhesien – 116
8.4.3
Blutaspiration – 116
8.4.4
Unvollständige Epiduralanästhesie
8.4.5
Einseitige Epiduralanästhesie
8.4.6
Katheter nicht vorschiebbar
8.5
Testdosis
8.5.1
Risiko der intrathekalen und intravasalen
– 113 – 113
– 113
– 114 – 114
– 114 – 115 – 115
– 116
– 116
– 117 – 117
– 117
Lokalanästhetikainjektion – 117 8.5.2
– 114
Testdosis mit einem Lokalanästhetikum
– 118
– 113
8.6
Spezifische Komplikationen
8.6.1
Akzidentelle Duraperforation
8.6.2
Akzidentelle intrathekale Injektion
8.6.3
Hohe Spinalanästhesie
8.6.4
Intravasale Katheterlage/Injektion
Literatur
– 119
– 118 – 118 – 119
– 119 – 119
113
8.2 · Kanülen, Katheter, Sets
ziert ist. Eine weitere Indikation ist die postoperative Schmerztherapie mittels Katheter.
)) Die Injektion eines Lokalanästhetikums in den lumbalen Epiduralraum führt zu einer segmentalen reversiblen sensiblen, motorischen und sympathischen Blockade. Charakteristisch ist, dass die verschiedenen Nervenfasertypen unterschiedlich schnell (zeitlich dissoziiert) blockiert werden. Die Blockade der Nervenfasern findet in folgender Reihenfolge statt: präganglionärer Sympathikus → Temperatur und Schmerz → Berührung und Druck→ Motorik. Daneben ist auch eine qualitative Differenzierung vorhanden. In Abhängigkeit von der Entfernung zum Injektionsort nimmt die Konzentration des Lokalanästhetikums ab. Demzufolge ist das Niveau der sympathischen Blockade am höchsten, das der motorischen Blockade am tiefsten. Im Vergleich zur Spinalanästhesie sind größere Volumina des Lokalanästhetikums erforderlich. Die längere Zeitdauer, die für die Diffusion des Lokalanästhetikums zum Zielort erforderlich ist, führt zu einer verlängerten Anschlagzeit von bis zu 30 Minuten.
8.1
8
! Für Soforteingriffe ist die Epiduralanästhesie nicht geeignet.
8.1.2 Kontraindikationen
Spezifische Kontraindikationen für die lumbale Epiduralanästhesie gibt es nicht. Es gelten die in 7 Kap. 5.1 ausführlich erläuterten Kontraindikationen.
8.2
Kanülen, Katheter, Sets
Zur Punktion des Epiduralraums werden dicklumige (meist 18G) Tuohy-Kanülen verwendet (. Abb. 8.1). Diese erleichtern die Identifikation
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
8.1.1 Indikationen
Für die Epiduralanästhesie gelten grundsätzlich die in 7 Kap. 5.1 angeführten Indikationen. Einschränkungen ergeben sich zum einen aus der langen Anschlagzeit, zum anderen aus der im Vergleich zur Spinalanästhesie geringer ausgeprägten motorischen Blockade. Da im operativen Alltag der Traumachirurgie schnelle Wechselzeiten und eine gute motorische Blockade gewünscht sind, wird meist anderen Verfahren wie der Spinalanästhesie oder der kombinierten Spinalepiduralanästhesie der Vorzug gegeben. Bei Patienten unter 25–30 Jahren, bei denen eine erhöhte Inzidenz postspinaler Kopfschmerzen besteht oder Patienten mit postspinalem Kopfschmerz in der Anamnese stellt die Epiduralanästhesie eine gute Alternative zur Spinalanästhesie dar, wenn ein rückenmarknahes Verfahren indi-
. Abb. 8.1a,b. Kanüle für die Epiduralanästhesie: a Tuohy-Kanüle mit Markierungen, b Detailansicht der Spitze. (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
114
1 2 3 4
Kapitel 8 · Lumbale Epiduralanästhesie
Kanülen, Katheter
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Tuohy-Kanüle
5 Mepivacain 1% (Hautin-
5 Regionalanästhesie-Basisset:
18G, 8 cm (bei extremer Adipositas: Tuohy-Kanüle 18G, 15 cm) 5 Epiduralkatheter, z. B. Perifix-Katheter (Fa. Braun, Melsungen) Durchmesser 0,45×0,85 mm mit 3 seitlichen Öffnungen, L=1000 mm
filtration) 2 ml 5 Testdosis: z. B. Lidocain 1% mit Adrenalin 1:200.000 (3–4 ml) 5 Bupivacain 0,5% isobar, alternativ: Ropivacain 1%
– Sterile Kompressen – Abdecktuch – Aufziehkanülen – Subkutankanüle – Spritzen (2 ml, 5 ml, 2×10 ml) 5 10 ml NaCl 0,9% 5 Lösung zur Hautdesinfektion
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
des Epiduralraums bei der »Loss-of-resistance«Technik. Die Spitze der Tuohy-Kanüle ist gebogen, die Öffnung befindet sich am seitlichen Kanülenende. Auf der Kanüle sind Markierungen im Abstand von 1 cm angebracht, mit denen man die Distanz von der Haut zum Epiduralraum ermitteln kann. Die entsprechenden Katheter sind ebenfalls markiert und werden im Set zusammen mit der Kanüle angeboten. In nachfolgender Tabelle ist das für die Durchführung einer lumbalen Epiduralanästhesie benötigte Material zusammengestellt.
8.3
Technik der lumbalen Epiduralanästhesie
8.3.2 Leitstrukturen
Der Punktionsort für die lumbale Epiduralanästhesie liegt auf Höhe L3/4 oder L4/5, seltener L2/3. Der Schnittpunkt einer Linie zwischen den beiden Cristae iliacae mit der Lendenwirbelsäule trifft den 4. Lendenwirbelkörper oder den Zwischenwirbelraum L4/5 (7 Kap. 6.3, . Abb. 6.2).
8.3.3 Zugangswege
Der Zugang zum lumbalen Epiduralraum wird in der Regel von der Mittellinie aus gewählt. Bei schwieriger Punktion durch verknöcherte Ligamente kann alternativ der paramediane Zugang gewählt werden (7 Kap. 6.3).
8.3.1 Lagerung
Die Punktion kann in sitzender Position oder in Seitenlage erfolgen. Die sitzende Position ist für die Identifikation der Mittellinie und der für die Punktion erforderlichen Winkel am einfachsten. Der Patient wird auf dem OP-Tisch aufgesetzt oder an die Seite des OP-Tisches mit über die gegenüberliegende Kante hängenden Beinen platziert. Er wird zur maximalen Flexion der LWS aufgefordert (»Katzenbuckel«) und sollte das Kinn auf die Brust nehmen. Ein Helfer ist erforderlich, der den Patienten von vorne stützt. Die Anlage der Epiduralanästhesie in Seitenlage erfolgt analog dem in 7 Kap. 6.3 beschriebenen Vorgehen bei der Spinalanästhesie.
8.3.4 Single-shot oder Kathetertechnik
Die Epiduralanästhesie kann als Single-shot-Injektion durch die Tuohy-Kanüle oder als Katheterverfahren durchgeführt werden. Aufgrund der langen Anschlagzeit der Epiduralanästhesie im Vergleich zur Spinalanästhesie verliert die Single-shot-Technik zunehmend an Bedeutung. Durch die Kathetertechnik ist zum einen eine zeitlich unbegrenzte Blockade, zum anderen die Nutzung des Katheters zur postoperativen Schmerztherapie möglich.
8.3.5 Punktion und Injektion 5 Identifikation des entsprechenden Zwischen-
wirbelraums, sorgfältige Desinfektion und steriles Abdecken.
115
8.3 · Technik der lumbalen Epiduralanästhesie
8
5 Hautquaddel und Infiltration des Stichkanals
5 Nach korrekter Katheterpositionierung Aspi-
mit 1–2 ml Lokalanästhetikum im Bereich der geplanten Punktionsstelle. 5 Einführen der Tuohy-Kanüle (Öffnung nach kranial) bis zum Lig. supraspinale. 5 Entfernen des Mandrins und Aufsetzen einer mit Kochsalz gefüllten 10-ml-Spritze. 5 Beim weiteren Vorschieben Abstützung der führenden Hand am Rücken des Patienten (Vermeidung ruckartiger Bewegungen).
rationskontrolle (kein Liquor!) und Gabe einer Testdosis mit Adrenalin zum Ausschluss einer intravasalen oder intrathekalen Lage (7 Kap. 8.5). 5 Bei negativer Testdosis: fraktionierte Injektion des Lokalanästhetikums in 5-ml-Schritten bis zum gewünschten Anästhesieniveau. 5 Fixierung des Katheters und steriler Verband; bei geplanter postoperativer Schmerztherapie über den Epiduralkatheter empfiehlt es sich diesen anzunähen.
5 »Loss-of-resistance«-Technik:
Ausübung eines (leichten) kontinuierlichen Druckes auf den Spitzenkolben durch die führende Hand; erhöhter elastischer Widerstand beim Erreichen des Lig. flavum; plötzlicher Widerstandsverlust beim Eintritt der Kanülenspitze in den Epiduralraum; plötzlich leichte Injektion von mehreren ml Kochsalz möglich. 5 Der Epiduralraum befindet sich üblicherweise in 4–8 cm Tiefe. 5 Alternativ zur »Loss-of-resistance«-Technik:
Dosierungsvorschlag 5 Altersabhängig werden initial zwischen
0,7 ml (alte Patienten) und 1,5 ml (junge Patienten) Bupivacain 0,5% oder Ropivacain 0,75–1% pro zu blockierendem Segment benötigt (nach Bromage). Die Testdosis ist inbegriffen.
Technik des »hängenden Tropfens«:
Nach Erreichen des Lig. interspinale Entfernung des Mandrins aus der Tuohy-Kanüle, es wird etwas Kochsalz in das Kanülenende gegeben, sodass am Ende ein »hängender Tropfen« entsteht. Durch den negativen Druck im Epiduralraum während der Inspiration wird dieser Tropfen bei Erreichen des Epiduralraums angesaugt.
Nachinjektionen erfolgen je nach Wirkdauer des Lokalanästhetikums. Bei Verwendung von Bupivacain sollte eine Nachinjektion mit der Hälfte der Initialdosis etwa nach einer Stunde erfolgen. Wurde der Patient in der Zwischenzeit umgelagert, muss vor der Injektion erneut eine Testdosis appliziert werden.
5 Single-shot-Technik:
Injektion der Testdosis; bei negativer Testdosis fraktionierte Injektion des Lokalanästhetikums in 5-ml-Schritten bis zum gewünschten Anästhesieniveau. 5 Kathetertechnik:
Vorschieben eines Katheters 3–4 cm nach kranial über die Tuohy-Kanüle, anschließend Zurückziehen der Tuohy-Kanüle. Filter am Katheterende aufschrauben. 5 Bei Auftreten von Parästhesien oder plötzlich einschießenden Schmerzen in Gesäß oder Bein (Nervenwurzelkontakt) Kathetervorschub unterbrechen (in der Regel sofortige Rückbildung der Beschwerden); bei Fortbestehen der Beschwerden sofortige gemeinsame Entfernung von Katheter und Tuohy-Kanüle, danach ggf. erneute Punktion.
8.3.6 Lagerung nach Injektion
Nach Fixierung des Katheters wird der Patient in Rückenlage gebracht. Die fraktionierten Injektionen bei der Kathetertechnik erfolgen bereits in dieser Position.
8.3.7 Faktoren mit Einfluss
auf die Ausbreitung Die Ausbreitung der Epiduralanästhesie ist nicht genau vorhersehbar und wird durch verschiedene Faktoren moduliert. Sowohl anatomische (z. B. fibröse Septen im Epiduralraum) als auch technische Aspekte (Injektionsgeschwindigkeit) können
116
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Kapitel 8 · Lumbale Epiduralanästhesie
die Ausbreitung der Blockade beeinflussen. Die Lagerung nach der Injektion spielt, im Gegensatz zur Spinalanästhesie, nur eine untergeordnete Rolle. Relevant sind Größe, Gewicht und v. a. das Alter des Patienten sowie bestimmte Vorerkrankungen wie Arteriosklerose oder Diabetes mellitus. Mit zunehmendem Alter bzw. Adipositas oder bestimmten Erkrankungen muss die Dosis reduziert werden.
8.4
Management häufiger Probleme bei der Anlage der Epiduralanästhesie
17
Das Auftreten von Parästhesien oder Schmerzen im Gesäß oder einer Extremität deutet auf die Irritation einer Nervenwurzel im Epiduralraum durch die Nadel- oder Katheterspitze hin. Dies kann bei zu lateraler Nadel-/Katheterposition der Fall sein. Eine Injektion des Lokalanästhetikums oder weitere Einführung des Katheters darf nicht erfolgen, da neurologische Schäden resultieren könnten. Bei spontanem Sistieren der Beschwerden kann versucht werden, den Katheter un-
20
Die Tuohy-Kanüle selbst darf bei eingeführtem Katheter niemals gedreht werden. Der Katheter darf nie durch die liegende Tuohy-Kanüle zurückgezogen werden (Gefahr der Katheterabscherung!).
8.4.3 Blutaspiration
Bei adipösen und nicht optimal gelagerten Patienten kann die Punktion deutlich erschwert sein. Im Vergleich zur Spinalanästhesie ist die Punktion mit der dicklumigeren Tuohy-Kanüle gerade bei älteren Patienten häufig noch problematischer. Bei Knochenkontakt der Kanüle werden folgende Maßnahmen empfohlen: 5 Überprüfung der Lagerung des Patienten und ggf. Optimierung (stärkere Flexion der Wirbelsäule). 5 Überprüfung, ob die Punktion in der Mittellinie erfolgt ist. 5 Zurückziehen der Tuohy-Kanüle bis in das Subkutangewebe und erneutes Vorschieben mit kranialer Ausrichtung. 5 Ggf. erneute Punktion in einem anderen Zwischenwirbelraum. 5 Ggf. Punktion über den paramedianen Zugang.
8.4.2 Parästhesien
19
! Cave
8.4.1 Schwierige Punktion
16
18
ter leichter Drehung erneut vorzuschieben. Bleiben die Beschwerden bestehen oder treten sie erneut auf, müssen Tuohy-Kanüle und Katheter zusammen komplett zurückgezogen werden und es muss erneut punktiert werden.
Fließt bereits während der Punktion des gefäßreichen Epiduralraumes Blut aus der Tuohy-Kanüle oder ist Blut zu aspirieren, muss die Punktion abgebrochen und in einem anderen Segment erneut punktiert werden. Ist durch den Katheter Blut zu aspirieren, kann zunächst versucht werden, den Katheter etwa 1 cm zurückzuziehen und erneut zu aspirieren. Tritt nur leicht blutig tingierte Flüssigkeit aus dem Katheter aus, kann nach Spülung mit einer geringen Menge physiologischer NaCl-Lösung ein erneuter Aspirationsversuch durchgeführt werden. Eine negative Aspiration durch den Katheter schließt jedoch eine intravasale Fehllage aufgrund des dünnen Lumens nicht sicher aus. Deshalb muss die folgende Injektion des Lokalanästhetikums auf jeden Fall in kleinen Schritten unter ständiger Beobachtung des Patienten und verbalem Kontakt erfolgen.
8.4.4 Unvollständige Epiduralanästhesie
Eine unvollständige Blockade tritt bei der Epiduralanästhesie häufiger als bei der Spinalanästhesie auf. Ist die Ausbreitung der Epiduralanästhesie 30 min nach der Injektion völlig unzureichend (keine oder nur extrem gering ausgeprägte sensomotorische Blockade), kann man zunächst über den liegenden Katheter (ggf. nach Lagekorrektur) eine Nachinjektion vornehmen.
117
8.5 · Testdosis
Führt diese Maßnahme nicht zum gewünschten Erfolg, muss auf eine Spinalanästhesie (sofern die Operation damit möglich ist) oder eine Allgemeinanästhesie ausgewichen werden.
8.5
8
Testdosis
8.5.1 Risiko der intrathekalen und
intravasalen Lokalanästhetikainjektion
! Eine erneute Epiduralanästhesie – etwa in einem anderen Segment – ist aufgrund der verwendeten hohen Lokalanästhetikamenge nicht erlaubt.
8.4.5 Einseitige Epiduralanästhesie
Gelegentlich finden sich im dorsomedianen Bereich des lumbalen Epiduralraumes bindegewebige Septen, die dazu führen können, dass sich das Lokalanästhetikum vorwiegend auf einer Seite ausbreitet und es zu einer vorwiegend oder komplett einseitigen Blockade kommt. Ist die Blockade auf der zu operierenden Seite lokalisiert, sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Besteht die Blockade auf der kontralateralen Seite, kann man zunächst nach geringfügigem Zurückziehen des Katheters eine Nachinjektion vornehmen. Bei Erfolglosigkeit der Nachinjektion muss auch hier eine andere Anästhesieform gewählt werden.
8.4.6 Katheter nicht vorschiebbar
Ist der Katheter nach eindeutiger Identifikation des Epiduralraumes nicht vorschiebbar, so kann z. B. ein Anstoßen an die Wand des Epiduralraums die Ursache sein. Vorsichtiges Drehen des Katheters kann unter Umständen Abhilfe schaffen. Niemals darf jedoch der Katheter durch die liegende Kanüle zurückgezogen werden. Lässt sich der Katheter weiterhin nicht vorschieben, so müssen Katheter und Kanüle zusammen entfernt werden und eine erneute Punktion stattfinden.
Mit der Injektion eines relativ großen Lokalanästhetikavolumens in den Epiduralraum sind einige potenzielle Risiken verbunden. Die subdurale Injektion ist eine seltene und weniger schwerwiegende Komplikation, bei der ein hohes sensorisches und motorisches Anästhesieniveau mit allerdings langsamerer Ausbreitung als bei der spinalen Injektion erreicht wird. Eine akzidentelle Duraperforation mit u. U. versehentlicher intrathekaler Injektion des Lokalanästhetikums hat eine Inzidenz von 1–10% und kann sowohl bei der Punktion als auch im Verlauf (durch Kathetermigration) auftreten. Wird sie nicht erkannt und das Lokalanästhetikum injiziert, resultiert eine »totale Spinalanästhesie«. Die versehentliche intravasale Injektion des Lokalanästhetikums stellt die schwerwiegendste Komplikation dar. Sie ist bei der Epiduralanästhesie wahrscheinlicher als bei der Spinalanästhesie. Die Inzidenz wird in der Literatur mit 0,2–11% angegeben. Nach einer intravasalen Injektion (initial oder im Verlauf) kommt es schnell zu toxischen Konzentrationen des Lokalanästhetikums, die klinisch zu Krampfanfällen, Atemstillstand, und – v. a. bei der Verwendung von Bupivacain – bis hin zum Herzstillstand und Tod führen können. Geeignete und zuverlässige Testmethoden sollen zum frühzeitigen Erkennen einer intrathekalen oder intravasalen Fehllage und dem Vermeiden schwerwiegender Komplikationen beitragen. Sorgfältige Aspiration vor jeder Injektion ist ein erster Schritt; jedoch kann bei fehlender Aspiration von Blut oder Liquor nicht sicher von einer korrekten Katheterlage ausgegangen werden, da eine Aspiration z. B. durch dünnlumige Katheter erschwert sein oder die Öffnung des Katheters an der Gefäßwand anliegen kann. Die Injektion einer größeren Menge eines Lokalanästhetikums sollte daher immer fraktioniert erfolgen; klinische Zeichen einer Intoxikation können so evident werden, bevor die Krampfschwelle überschritten wird. Diese Methode al-
118
1
Kapitel 8 · Lumbale Epiduralanästhesie
leine hat sich jedoch in großangelegten Untersuchungen nicht als zuverlässig erwiesen.
2 8.5.2 Testdosis mit einem
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Lokalanästhetikum Die Injektion einer Menge von 3 ml eines Lokalanästhetikums (z. B. Lidocain 1%) wird allgemein als Standardtest zum Ausschluss einer intrathekalen Lage empfohlen. Sensorische Ausfälle im sakralen Bereich treten nach Injektion von 3 ml einer hyperbaren Lösung bereits nach wenigen Minuten auf. Generell wird die Ausbildung einer Spinalanästhesie 3–5 min nach Injektion der Testdosis als Hinweis auf eine intrathekale Injektion gewertet. Die Verwendung von isobarem Bupivacain als Testdosis wird aufgrund der variablen Ausbreitung und dem verzögerten Wirkungseintritt nicht empfohlen. Zum Ausschluss einer intravasalen Lage ist die oben genannte Dosis nicht geeignet. Zentralnervöse Symptome machen sich meist erst bei höheren Dosen bemerkbar. Der Zusatz von Adrenalin (1:200.000) zur Testdosis führt innerhalb 1 min zu einem Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz. Der Anstieg des systolischen Blutdruckes um 15 mmHg sowie der Herzfrequenz um 20/min wird als Indikator einer intravasalen Injektion angesehen. ! Eine Einschränkung ergibt sich bei Patienten unter β-Blocker-Therapie. Bei ihnen ist der Herzfrequenzanstieg begrenzt, der Anstieg des systolischen Blutdruckes innerhalb von 2 min wird als verlässlicher Indikator angesehen. Bei älteren Patienten kann generell die Antwort auf eine β-adrenerge Stimulation reduziert sein, daher ist hier bei der Interpretation der Testdosis Vorsicht geboten.
! Bei kardialen Risikopatienten sollte der erhöhte myokardiale O2-Verbrauch durch Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz beachtet werden, der zu Herzrhythmusstörungen sowie myokardialen Ischämien führen kann.
Kein Test alleine kann eine Fehlinjektion des Lokalanästhetikums sicher vorhersagen; zur Verbesserung der Sicherheit einer epiduralen Injektion trägt die Beachtung aller Vorsichtsmaßnahmen wie Aspiration, fraktionierte Injektion und Testdosis bei.
8.6
Spezifische Komplikationen
Alle in 7 Kap. 5.7 ausführlich dargestellten Komplikationsmöglichkeiten können auch bei der Epiduralanästhesie auftreten. Darüber hinaus gehende spezifische Komplikationen sind nachfolgend aufgeführt.
8.6.1 Akzidentelle Duraperforation
Eine versehentliche Perforation der Dura kann sowohl bei der Punktion mit der Tuohy-Kanüle als auch durch Vorschieben oder Lageveränderungen des Katheters auftreten. Aufgrund der Dicke der Tuohy-Kanüle entsteht ein großer Duradefekt, verbunden mit einer hohen Inzidenz an postspinalen Kopfschmerzen. Wird die Duraperforation erkannt, ist die Tuohy-Kanüle (ggf. zusammen mit dem Katheter) unmittelbar zu entfernen. Eine erneute Punktion in einem anderen, höheren Segment ist denkbar. Es ist jedoch nicht sicher auszuschließen, dass dennoch eine gewisse Menge des Lokalanästhetikums durch das vorhandene Duraleck nach intrathekal gelangt. Deshalb ist eine intensive Beobachtung des Patienten in dieser Situation obligat. Im Einzelfall muss entschieden werden, ob eine Spinalanästhesie für die Operation ausreichend ist und eine spinale Dosis des Lokalanästhetikums injiziert werden kann. Danach wird die Kanüle/der Katheter entfernt. Wird die versehentliche Duraperforation nicht oder zu spät erkannt, resultiert eine potenziell weitaus schwerwiegendere Komplikation, die akzidentelle intrathekale Injektion.
119
Literatur
8
8.6.2 Akzidentelle intrathekale Injektion
Literatur
Wurde die Testdosis in den Spinalraum injiziert, muss die Ausbreitung der Anästhesie genau überwacht werden; bei Auftreten von kardiozirkulatorischen bzw. respiratorischen Komplikationen sind die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen.
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8.6.3 Hohe Spinalanästhesie
Von einer hohen Spinalanästhesie wird bei einer Ausbreitung des Anästhesieniveaus oberhalb von Th4 gesprochen. Sie entsteht durch versehentliche Injektion von größeren Anteilen oder der gesamten Lokalanästhetikadosis in den Spinalraum. Bezieht die Blockade den aus dem Dermatom C7 entspringenden N. phrenicus mit ein, so ist bei Beeinträchtigung der Atmung die Einleitung einer Narkose und Intubation bis zum Abklingen der Wirkung des Lokalanästhetikums erforderlich.
8.6.4 Intravasale Katheterlage/Injektion
Bei akzidenteller intravasaler Injektion einer größeren Menge des Lokalanästhetikums kommt es zu einer Lokalanästhetikaintoxikation, die zentralnervöse (Krampfanfälle) bis hin zu lebensbedrohlichen kardiovaskulären Reaktionen hervorruft (7 Kap. 10.10). Initialsymptome können metallischer Geschmack, periorales Taubheitsgefühl, Müdigkeit und verwaschene Sprache sein. Die Therapie besteht bei zentralnervösen Komplikationen in adäquater Oxygenierung, der Gabe von Benzodiazepinen, ggf. auch dem Einsatz von Barbituraten bis hin zur Allgemeinanästhesie. Bei Auftreten kardiotoxischer Komplikationen erfolgt die Unterstützung des Kreislaufs, der Ausgleich von Elektrolyten und des Säure-BasenHaushalts nach Blutgasanalyse, ggf. der kardiopulmonalen Reanimation und Gabe von Katecholaminen.
9 Kombinierte Spinalepiduralanästhesie (CSE) U. Nickel
9.1
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
9.1.1
Indikationen – 123
9.1.2
Kontraindikationen – 123
9.2
Kanülen, Katheter, Sets
9.3
Technik der CSE
9.3.1
Lagerung – 123
9.3.2
Leitstrukturen
9.3.3
Zugangswege – 124
9.3.4
Technik – 124
9.3.5
Punktion und Injektion
9.3.6
Lagerung nach Injektion
9.4
Management häufiger Probleme bei der Anlage der CSE – 126
9.4.1
Spinalanästhesie nicht möglich
9.4.2
Epiduralanästhesie nicht möglich
9.5
Besonderheiten der CSE
9.5.1
Epidurale Nachinjektion
9.5.2
Testdosis – 127
9.6
Spezifische Komplikationen
9.6.1
Versehentliche intrathekale Lage des Epiduralkatheters
9.6.2
Komplikationen durch Kontakt der Spinalkanüle
– 123
– 123
– 123
– 123
– 125 – 126
– 126 – 127
– 127
– 127
mit dem Epiduralkatheter – 128
– 127 – 127
9.6.3
Postspinaler Kopfschmerz (PDPH)
9.6.4
Neurologische Komplikationen
Literatur
– 128
– 128
– 128
123
9.3 · Technik der CSE
9.2
)) Die Kombination von Spinal- und Epiduralanästhesie vereint die Vorzüge einer schnellen und intensiven zentralen Blockade mit der Möglichkeit der Nachinjektion und der postoperativen Analgesie.
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
Kanülen, Katheter, Sets
Die CSE wird mittels spezieller Kombinationen von Kanüle und Katheter durchgeführt (Einzelheiten 7 Kap. 9.3.4). Generell wird das in nachfolgender Tabelle aufgeführte Material benötigt.
9.3 9.1
9
Technik der CSE
9.3.1 Lagerung
9.1.1 Indikationen
Ebenso wie die anderen rückenmarknahen Techniken ist die CSE grundsätzlich bei allen Eingriffen im Bereich der unteren Extremitäten möglich (7 Kap. 5.1). Aufgrund der aufwändigeren Technik sollte jedoch eine gezielte Indikationsstellung erfolgen. Indiziert ist die CSE durch die Möglichkeit der Nachinjektion bei Eingriffen von mehr als 2 Stunden Operationsdauer. Sie bietet, im Vergleich zur alleinigen Epiduralanästhesie, den Vorteil des raschen Wirkungseintritts. Postoperativ kann der Epiduralkatheter belassen und zur Schmerztherapie genutzt werden.
Die Punktion kann in sitzender Position oder in Seitenlage erfolgen. Die sitzende Position ist für die Identifikation der Mittellinie und der für die Punktion erforderlichen Winkel am einfachsten. Der Patient wird auf dem OP-Tisch aufgesetzt oder an die Seite des OP-Tisches mit über die gegenüberliegende Kante hängenden Beinen platziert. Er wird zur maximalen Flexion der LWS aufgefordert (»Katzenbuckel«) und sollte das Kinn auf die Brust nehmen. Ein Helfer ist erforderlich, der den Patienten von vorne stützt. Die Anlage der Epiduralanästhesie in Seitenlage erfolgt analog dem in 7 Kap. 6.3 beschriebenen Vorgehen bei der Spinalanästhesie.
9.1.2 Kontraindikationen
9.3.2 Leitstrukturen
Die Kontraindikationen entsprechen denen anderer rückenmarknaher Verfahren (7 Kap. 5.1). Darüber hinausgehende spezifische Kontraindikationen existieren für die CSE nicht.
Der Punktionsort für die CSE liegt auf Höhe L3/4 oder L4/5, seltener L2/3. Der Schnittpunkt einer Linie zwischen den beiden Cristae iliacae mit der Lendenwirbelsäule trifft den 4. Lendenwirbelkörper oder den Zwischenwirbelraum L4/5 (7 Kap. 6, . Abb. 6.2).
Kanülen, Katheter
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 CSE-Set z. B. Epi Star CSE Maxi-
5 Mepivacain 1% (Hautin-
5 Regionalanästhesie-Basisset:
Set (Fa. Rüsch) mit: – Tuohy-Kanüle 18G – Standardspinalkanüle 26G (45×127 mm) – Epiduralkatheter (L=900 mm) – Zubehör (Flachfilter, Adapter) 5 alternativ z. B. Espocan Katheterset (Fa. Braun, Melsungen)
filtration) 2 ml 5 Testdosis: z .B. Lido-
cain 1% mit Adrenalin 1:200.000 (3–4 ml) 5 Bupivacain 0,5% isobar, alternativ für epidurale Injektion: Ropivacain 1%
– Sterile Kompressen – Abdecktuch – Aufziehkanüle – Subkutankanüle – Spritzen (2 ml, 2×5 ml, 2×10 ml) 5 NaCl 0,9% 10 ml 5 Lösung zur Hautdesinfektion
124
1 2 3 4 5 6
9.3.3 Zugangswege
Der Zugang zum lumbalen Epiduralraum wird in der Regel von der Mittellinie aus gewählt. Grundsätzlich ist eine Punktion auch vom paramedianen Zugang aus möglich; dies sollte von der jeweiligen Technik (»Needle-through-needle« oder Punktion in 2 unterschiedlichen Segmenten) abhängig gemacht werden.
9.3.4 Technik ! Verschiedene Techniken der CSE werden beschrieben: die Ein-Segment-Technik, »Single-segment«-Technik (SST), als »Needle-through-needle«-Technik durchgeführt und die Zwei-SegmentTechnik, »Double-segment«-Technik (DST).
7 8 9 10 11 12 13 14
Kapitel 9 · Kombinierte Spinalepiduralanästhesie
Es gibt bisher keinen Konsens darüber, welche der Techniken die günstigere ist, da beide Vor- und Nachteile aufweisen. Ursprünglich wurde die CSE als Zwei-Segment-Technik eingeführt: der Epiduralkatheter wird hierbei in einem Segment vorgeschoben, und, nach vorheriger Applikation einer epiduralen Testdosis, die Spinalanästhesie in einem tieferen Segment durchgeführt. Diese Technik ist etwas aufwändiger, gilt jedoch als sicherer und geht mit einer höheren Erfolgsquote einher als die Ein-Segment-Technik. Bei der Ein-Segment-Technik erfolgen spinale und epidurale Punktion in einem Segment. Hierzu
wurden spezielle CSE-Sets mit modifizierter Tuohy-Kanüle entwickelt, die in verschiedenen Ausführungen angeboten werden. Die Spinalkanüle wird durch die Tuohy-Kanüle eingeführt (»Needlethrough-needle«-Technik). Die meisten Tuohy-Kanülen haben an ihrem zentralen Ende in der Achse der Kanüle eine zusätzliche Öffnung (»back eye«), durch die die Spinalkanüle austritt (. Abb. 9.1). Die Spinalkanüle benutzt die gleiche Führung wie der Epiduralkatheter. In diesem Fall wird aufgrund der möglichen Beschädigung des Epiduralkatheters durch die Spinalkanüle die Spinalanästhesie zuerst durchgeführt, erst anschließend wird der Katheter platziert. Nachteil hierbei ist, dass die epidurale Testdosis keine Aussagekraft hinsichtlich einer möglichen intrathekalen Lage des Katheters hat und sogar das Risiko einer hohen Spinalanästhesie beinhaltet. Zudem kann auch bei korrekter Katheterlage nach bereits erfolgter Durapunktion nicht selten Liquor aspiriert werden. Viele der heute eingesetzten Sets haben in der Tuohy-Kanüle eine spezielle Führungsrille oder einen Führungsschlauch für die Spinalkanüle. Dies ermöglicht, dass der Epiduralkatheter zunächst gefahrlos eingeführt werden kann, und die Spinalanästhesie erst nach negativer Testdosis durchgeführt wird. Nachteile der »Needlethrough-needle«-Technik sind eine höhere Versagerquote sowie nicht selten technische Schwierigkeiten aufgrund der zu kurzen Spinalkanüle. Im Folgenden wird die weit verbreitete »Needle-through-needle«-Technik (. Abb. 9.2) mit ei-
15 16 17 18 19 20
a
b
. Abb. 9.1a,b. Tuohy-Kanüle mit sog. »back eye« zum Austritt der Spinalkanüle
125
9.3 · Technik der CSE
Epiduralkatheter
Spinalkanüle
Epiduralraum
9
. Abb. 9.2. Durchführung der CSE: Schematische Darstellung der epiduralen und spinalen Punktion bei der »Needlethrough-needle-Technik« (Sagittalschnitt). Der Epiduralkatheter wird zunächst in den Epiduralraum eingeführt, nach negativer Testdosis wird über das sog. »back eye« die Spinalkanüle platziert
. Abb. 9.3. CSE-Set zur »Needle-through-needle-Technik« (EpiStar, Fa. Rüsch)
ner in die Tuohy-Kanüle integrierten Führungsrille für die Spinalkanüle (z. B. EpiStar CSE Maxi Set, Fa. Rüsch; . Abb. 9.3) dargestellt.
9.3.5 Punktion und Injektion 5 Identifikation des entsprechenden Zwischen-
wirbelraums, sorgfältige Desinfektion und steriles Abdecken. 5 Hautquaddel und Infiltration des Stichkanals mit 1–2 ml Lokalanästhetikum. 5 Einführen der speziellen Tuohy-Kanüle mit der Öffnung nach kranial bis zum Lig. supra-
spinale. Bei kranialer Ausrichtung der Tuohy-Kanüle besteht die größtmögliche Distanz zwischen Epiduralkatheter und dem Ort der Durapunktion. 5 Entfernen des Mandrins und Aufsetzen einer mit Kochsalz gefüllten 10-ml-Spritze. 5 Beim weiteren Vorschieben wird die führende Hand am Rücken abgestützt (Vermeidung ruckartiger Bewegungen). 5 »Loss-of-resistance«-Technik:
Die führende Hand übt einen (leichten) kontinuierlichen Druck auf den Spritzenkolben aus. Das Lig. flavum stellt in der Regel einen erhöhten elastischen Widerstand dar. Beim
126
1 2 5
3
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Kapitel 9 · Kombinierte Spinalepiduralanästhesie
Eintritt der Kanülenspitze in den Epiduralraum kommt es zu einem plötzlichen Widerstandsverlust, es lassen sich leicht mehrere ml Kochsalz injizieren. Der Epiduralraum befindet sich üblicherweise in 4–8 cm Tiefe. Das Aufsuchen des Epiduralraums ist auch mit der Technik des »hängenden Tropfens« möglich (7 Kap. 8.3). Vorschieben des Epiduralkatheters 3–4 cm nach kranial über die Tuohy-Kanüle hinaus. Beim Auftreten von Parästhesien oder plötzlich einschießender Schmerzen in Gesäß oder Bein (Nervenwurzelkontakt) Kathetervorschub unterbrechen (in der Regel sofortige Rückbildung der Beschwerden). Bei Fortbestehen der Beschwerden Katheter und TuohyKanüle sofort zusammen entfernen, danach ggf. erneute Punktion. Nach korrekter Katheterpositionierung Aspirationskontrolle (kein Liquor!) und Gabe einer Testdosis mit Adrenalin zum Ausschluss einer intravasalen oder intrathekalen Lage (7 Kap. 8.5). Bei negativer Testdosis: Vorschieben der Spinalkanüle durch den speziell dafür vorgesehenen parallelen Kanal der Tuohy-Kanüle. Nach Aspiration von Liquor Injektion der spinalen Dosis des Lokalanästhetikums. Entfernen der Spinalkanüle. Entfernen der Tuohy-Kanüle. Fixierung des Epiduralkatheters und steriler Verband; bei geplanter postoperativer Schmerztherapie über den Epiduralkatheter empfiehlt sich eine Annaht.
16 Dosierungsvorschlag: Spinale Dosis
17
5 In der Regel werden 2 ml Bupivacain 0,5%
isobar spinal appliziert.
18 19 20
Bei unzureichender Ausdehnung der Blockade kann nach der Fixierungszeit des Lokalanästhetikums epidural nachinjiziert werden.
Dosierungsvorschlag: Epidurale Nachinjektion 5 Die erforderliche epidurale Dosis von Bu-
pivacain 0,5% isobar beträgt zwischen 1,5 und 2 ml pro unblockiertem Segment.
Nachinjektionen erfolgen je nach Wirkdauer des Lokalanästhetikums. Nach vorheriger Austestung des Anästhesieniveaus kann bei initial ausreichender Blockadehöhe etwa nach einer Stunde mit der fraktionierten Nachinjektion über den Epiduralkatheter begonnen werden. Wurde der Patient in der Zwischenzeit umgelagert, sollte vor der Injektion eine erneute Testdosis appliziert werden.
9.3.6 Lagerung nach Injektion
Nach Fixierung des Katheters wird der Patient in Rückenlage gebracht.
9.4
Management häufiger Probleme bei der Anlage der CSE
Zu allgemeinen Schwierigkeiten bei der Anlage von Spinal- bzw. Epiduralanästhesien wird auf die 7 Kap. 6 (Spinalanästhesie) und 8 (Epiduralanästhesie) verwiesen. Zusätzlich können spezifische Probleme bei der CSE auftreten.
9.4.1 Spinalanästhesie nicht möglich
Bei der »Needle-through-needle«-Technik ist es in ca. 5–10% der Fälle nicht möglich nach Einführen des Epiduralkatheters die Spinalanästhesie durch die liegende Tuohy-Kanüle durchzuführen. Ein möglicher Grund dafür ist, dass die Spinalkanüle nicht lang genug ist, und selbst bei maximaler Einführtiefe die Dura nicht erreicht. Da der Abstand von der Spitze der Tuohy-Kanüle bis zur Hinterwand des Duraschlauches mehr als 10 mm betragen kann, ist eine extra lange Spinalkanüle erforderlich. Diese ist in den kommerziellen CSESets enthalten.
127
9.6 · Spezifische Komplikationen
Das Handling dieser sehr langen und dünnen Spinalkanülen ist schwierig. Eine Abweichung der Spinalkanüle von der Sagittalebene nach Austritt aus der Tuohy-Kanüle ist denkbar, sodass die Nadelspitze den Durasack lateral passiert. Ist die korrekte Identifikation des Spinalraums bei Einführung der Spinalkanüle durch die Tuohy-Nadel nicht möglich, so empfiehlt es sich auf eine Zwei-Segment-Technik überzugehen und in einem tieferen Segment mit einer herkömmlichen Spinalkanüle erneut zu punktieren.
9
meneffekt). Aber auch der Abfluss von Lokalanästhetikum durch das Duraleck und Veränderungen des epiduralen Druckes spielen möglicherweise eine – wenn auch untergeordnete – Rolle. Die genannten Faktoren sind v. a. vor der endgültigen Fixierung des spinal applizierten Lokalanästhetikums relevant.
9.5.2 Testdosis ! Sorgfältige Aspiration; stets nur kleine Bolusdosen über den Epiduralkatheter geben.
9.4.2 Epiduralanästhesie nicht möglich
Die Versagerquote der Epiduralanästhesie im Rahmen einer CSE unterscheidet sich wahrscheinlich kaum von der einer Epiduralanästhesie alleine. Sollte die Einführung des Epiduralkatheters nicht möglich sein und ist eine alleinige Spinalanästhesie für die Dauer der Operation nicht ausreichend, so muss eine Allgemeinanästhesie durchgeführt werden.
9.5
Besonderheiten der CSE
Erfolgt die Spinalanästhesie vor der Einführung des Epiduralkatheters, ist die epidurale Testdosis nur bedingt aussagekräftig. Im Gegenteil, es kann durch eine zusätzliche (unter Umständen versehentlich subarachnoidale) Dosis von 3–4 ml des Lokalanästhetikums zu einer unvorhergesehen hohen Ausbreitung der Spinalanästhesie kommen. Eine sorgfältige Aspiration ist vor jeder Injektion wichtig. Alle Dosen über den Katheter sollten immer nur als kleine Boli verabreicht werden. Wird der Epiduralkatheter zuerst plaziert, hat die Testdosis ihre übliche Aussagekraft.
! Die CSE ist ein Multikompartmentblock. Epidurale Injektionen können die Ausbreitung der Spinalanästhesie beeinflussen.
9.5.1 Epidurale Nachinjektion ! Epidurale Nachinjektionen von Lokalanästhetika nach Gabe der spinalen Dosis führen bei der CSE zu einer schnellen und ausgeprägten Ausdehnung der spinalen Blockade. Eine langsame und fraktionierte Injektion kleiner Einzeldosen ist daher ratsam.
Mögliche Ursachen für die rasche Ausdehnung der Blockade durch eine epidurale Nachinjektion sind in erster Linie der Volumeneffekt und der Effekt des Lokalanästhetikums selbst. Aus der Zunahme des epiduralen Volumens resultiert eine Durakompression mit konsekutiver kranialer Ausbreitung des Liquors und des Lokalanästhetikums (Volu-
9.6
Spezifische Komplikationen
Alle in 7 Kap. 5.7 aufgeführten Komplikationsmöglichkeiten können auch bei der CSE auftreten. Schwere Komplikationen im Rahmen einer CSE sind selten. Durch das Verfahren bedingte spezifische Komplikationen sind nachfolgend aufgeführt.
9.6.1 Versehentliche intrathekale Lage
des Epiduralkatheters Eine akzidentelle Duraperforation kann sowohl bei der Punktion mit der Tuohy-Kanüle als auch beim Vorschieben des Katheters erfolgen. Auch eine Kathetermigration in den Subarachnoidalraum z. B. durch das Duraleck im weiteren Verlauf ist denkbar. Es gibt jedoch keine Hinweise dafür, dass diese Komplikation häufiger als bei einer herkömmlichen Epiduralanästhesie auftritt.
128
1 2 3
Kapitel 9 · Kombinierte Spinalepiduralanästhesie
Das Risiko einer intrathekalen Kathetermigration kann durch eine größtmögliche Distanz zwischen der Stelle der Durapunktion und dem Austritt des Epiduralkatheters (z. B. Verwendung einer Tuohy-Kanüle mit sog. »back eye«) vermindert werden.
4
9.6.2 Komplikationen durch Kontakt
5
der Spinalkanüle mit dem Epiduralkatheter
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Wird die Spinalkanüle nach Einführen des Epiduralkatheters vorgeschoben, so ist ein Kontakt bzw. eine Perforation des Katheters möglich. Das Risiko ist u. a. vom Typ der Spinalkanüle (Schliff) und der Laufrichtung des Katheters (kranial oder kaudal), abhängig.
9.6.3 Postspinaler Kopfschmerz (PDPH)
Das Risiko eines postspinalen Kopfschmerzes ist im Vergleich zu anderen rückenmarknahen Techniken nicht erhöht.
9.6.4 Neurologische Komplikationen
Die Inzidenz für das Auftreten von Parästhesien während der Durapunktion kann aufgrund der verwendeten langen Spinalkanülen etwas erhöht sein. Das Risiko schwerwiegender neurologischer Komplikationen ist im Vergleich zu den anderen rückenmarknahen Anästhesieverfahren jedoch nicht erhöht.
17
Literatur
18
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IV Periphere Leitungsanästhesie 10
Allgemeine Aspekte peripherer Leitungsanästhesien
– 131
10 Allgemeine Aspekte peripherer Leitungsanästhesien U. Nickel
10.1
Allgemeine Kontraindikationen peripherer Leitungsanästhesien – 133
10.1.1
Absolute Kontraindikationen
10.1.2
Relative Kontraindikationen
10.2
Blutgerinnung und periphere Leitungsanästhesie
10.3
Kanülen und Katheter für die periphere Leitungsanästhesie – 134
10.4
Auswahl der Lokalanästhetika
10.4.1
Mepivacain und Lidocain
10.4.2
Prilocain
10.4.3
Bupivacain
– 136
10.4.4
Ropivacain
– 136
10.4.5
Levobupivacain
10.4.6
Mischung von Lokalanästhetika
10.4.7
Zusätze zu Lokalanästhetika
10.5
Prinzip der elektrischen Nervenstimulation
10.6
Ultraschall und periphere Leitungsanästhesie
10.7
Überprüfung der Anästhesiewirkung
10.8
Konzepte der intraoperativen Analgosedierung
– 133 – 133
– 134
– 135
– 136
– 135
– 136 – 136
– 137
– 137 – 138
– 138 – 139
10.9
Monitoring
– 139
10.10
Erkennen und Management allgemeiner Komplikationen bei peripheren Leitungsanästhesien – 139
10.10.1 Lokalanästhetikaintoxikation 10.10.2 Nervenschäden 10.10.3 Infektion
10.11
– 141
Dokumentation
Literatur
– 142
– 140
– 141
– 139
133
10.1 · Allgemeine Kontraindikationen peripherer Leitungsanästhesien
)) Durch Injektion eines Lokalanästhetikums in die Nähe eines peripheren Nerven, eines Nervenstammes oder eines Nervengeflechts (Plexus) entsteht eine dem Versorgungsgebiet des jeweiligen Nerven oder Nervengeflechts entsprechende umschriebene Blockade. In Abhängigkeit der Eigenschaften des Nerven (gemischter Nerv, rein sensibler Nerv) führt dies zu einer sensiblen und/oder sympathischen bzw. motorischen Blockade. Die Erfolgsquote dieser Verfahren liegt unter der rückenmarknaher Verfahren und ist im Wesentlichen von anatomischen Kenntnissen und manuellem Geschick abhängig. Periphere Leitungsanästhesien können sowohl in Verbindung mit einer Allgemeinanästhesie als auch als alleinige Anästhesieverfahren eingesetzt werden. Im Vergleich zur rückenmarknahen Regionalanästhesie sind sie mit einer geringeren Komplikationsrate behaftet und bieten, als Kathetertechnik durchgeführt, gleichermaßen die Möglichkeit einer effizienten postoperativen Analgesie. Nachteilig sind die aufwändige Technik, der größere Zeitaufwand für die Anlage und die Latenz bis zur chirurgischen Toleranz sowie die höhere Versagerrate, die bisweilen zum Wechsel des Anästhesieverfahrens führt.
10.1
Allgemeine Kontraindikationen peripherer Leitungsanästhesien
Es existiert eine Reihe von allgemeinen Kontraindikationen für periphere Leitungsanästhesien, die für alle Blockadetechniken gleichermaßen gültig sind. Sie werden nachfolgend ausführlich dargestellt. Spezifische Kontraindikationen einzelner Verfahren werden in den jeweiligen Kapiteln erwähnt.
10.1.1 Absolute Kontraindikationen
10
oder Hämatome im Bereich der Punktionsstelle sowie für eine generalisierte Sepsis. Peripher lokalisierte Infektionen einer Extremität, die außerhalb des Punktionsgebietes liegen, sind nicht als Kontraindikationen anzusehen. Bei Bakteriämien sind Single-shot-Blockaden möglich, aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos sind Katheterverfahren nicht indiziert. Bei Störungen der Blutgerinnung oder Antikoagulanzientherapie sind Blockaden in Regionen, in denen keine Kompression von Blutgefäßen durchgeführt werden kann (Kopf-, Hals- und Rumpfbereich, z. B. Psoaskompartment-, Vertikal Infraklavikuläre Blockade), nicht durchzuführen. Blockaden in peripheren Bereichen (z. B. axilläre Plexusblockade, distale Ischiadikusblockade, Fuß- oder Handblock) können unter sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung durchgeführt werden (z. B. Fußblock bei einem dialysepflichtigen Diabetiker mit Fußgangrän). Bei bekannter Allergie gegen Lokalanästhetika ist eine periphere Leitungsanästhesie kontraindiziert.
10.1.2 Relative Kontraindikationen
Stabile neurologische Erkrankungen oder neurologische Defizite stellen per se keine Kontraindikation für eine periphere Leitungsanästhesie dar. Aus forensischen Gründen sollte jedoch vorher eine Beurteilung und Dokumentation des neurologischen Status erfolgen und der Patient auf mögliche Nervenschäden hingewiesen werden. Schwierige anatomische Verhältnisse, z. B. ausgeprägte Adipositas, können die Lokalisation der Leitstrukturen und die Punktion erheblich erschweren. In diesen Fällen ist von einer Leitungsanästhesie abzuraten.
Allgemeine Kontraindikationen peripherer Leitungsanästhesien Absolut 5 Ablehnende oder unkooperative Patien-
Ablehnende oder unkooperative Patienten stellen, wie auch bei rückenmarknahen Techniken, absolute Kontraindikationen für periphere Leitungsanästhesien dar. Das gleiche gilt für Infektionen
ten 5 Infektionen oder Hämatome im Bereich
der Punktionsstelle
6
134
1 2 3 4 5
Kapitel 10 · Allgemeine Aspekte peripherer Leitungsanästhesien
5 Störungen der Blutgerinnung/Antikoagu-
lanzientherapie (absolute Kontraindikation bei Blockaden im Kopf-/Hals-Bereich oder am Rumpf) 5 Allergie gegen Lokalanästhetika
Relativ 5 Neurologische Erkrankung/Nervenschä-
den 5 Schwierige anatomische Verhältnisse
Bei Patienten mit manifester Gerinnungsstörung müssen die Blutgerinnung untersucht und Grenzwerte beachtet werden.
Erforderliche Blutgerinnungswerte bei peripheren Leitungsanästhesien (in Anlehnung an Tryba, 1989) 5 Quick >45% 5 aPTT 50.000/ml
6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
10.2
Blutgerinnung und periphere Leitungsanästhesie
Auch bei peripheren Leitungsanästhesien ist eine intakte Blutgerinnung von Bedeutung, wenngleich die möglichen Komplikationen weniger schwerwiegend als bei rückenmarknahen Regionalanästhesien sind. Hier ist zwischen Blockaden in Gebieten, in denen keine direkte Kompression von Gefäßen möglich ist und Blockaden in peripher gelegenen Gebieten mit guter Kompressionsmöglichkeit zu differenzieren. ! Für Blockaden im Hals-, Kopf- und Rumpfbereich (z. B. infra-, supraklavikuläre und interskalenäre Plexusblockade sowie die Psoaskompartmentblockade gelten hinsichtlich des Gerinnungsstatus und der Komedikation mit gerinnungshemmenden Substanzen die gleichen Kriterien wie für rückenmarknahe Regionalanästhesien (7 Kap. 5).
Bei Blockaden in peripheren Gebieten (z. B. axilläre Plexusblockade, distale Ischiadikus-, Femoralisblockade, Fußblock) ist bei fehlenden anamnestischen und klinischen Hinweisen auf eine Gerinnungsstörung (7 Kap. 5.1) kein Gerinnungsscreening erforderlich. Auch die Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern oder eine low-doseHeparinisierung stellen keine Kontraindikationen dar, sofern keine klinischen Hinweise auf eine manifeste Gerinnungsstörung vorliegen.
10.3
Kanülen und Katheter für die periphere Leitungsanästhesie
Für die Punktion unter kontinuierlicher Nervenstimulation stehen spezielle Stimulationskanülen zur Verfügung, die am Schaft isoliert und an der Spitze leitfähig sind (. Abb. 10.1). Hinsichtlich des Schliffes gibt es verschiedene Varianten. Stumpfe Kanülen mit 45°-Schliff eignen sich v. a. bei Techniken, bei denen eine Faszienhülle penetriert wird (»Faszienklick« bei Widerstandsverlust), wie z. B. bei der axillären Plexusblockade. Spitzere Kanülen (15°/30°-Schliff) sind besser durch größere Gewebeschichten einzuführen (z. B. bei der dorsalen Ischiadikusblockade), bergen aber ein erhöhtes Traumatisierungsrisiko für den Nerven. In Abhängigkeit von der Tiefe des zu blockierenden Nerven werden Stimulationskanülen unterschiedlicher Länge verwendet. Zum Teil besitzen die Kanülen eine Zuspritzmöglichkeit. Das Lokalanästhetikum kann bei korrekter Kanülenlage direkt injiziert werden, was den Vorteil einer zusätzlichen Kontrolle der Kanülenlage bietet, da während der Injektion die Stimulation fortgesetzt werden kann. Nach Injektion weniger Milliliter des Lokalanästhetikums sollte die Reizantwort sistieren und auch nach Erhöhung der Stimulationsstromstärke nicht wieder auftreten. Bei Kanülen ohne Zuspritzmöglichkeit muss der Mandrin aus der Kanüle entfernt und eine Injektionsleitung angeschlossen werden.
135
10.4 · Auswahl der Lokalanästhetika
a
10
b
. Abb. 10.1a,b. Kanülen für die periphere Leitungsanästhesie: a Übersicht: links immobile Nadel/rechts Kanüle ohne Zuspritzmöglichkeit; b detaillierte Darstellung der Nadelspitze: links Kanüle mit scharfem/rechts mit stumpfen Schliff
10.4
Auswahl der Lokalanästhetika
Die in 7 Kap. 5 aufgeführte . Tabelle 5.3 gibt eine ausführliche Übersicht über alle in Deutschland gebräuchlichen Amid-Lokalanästhetika. Im Folgenden wird auf spezielle Aspekte der bei peripheren Leitungsanästhesien eingesetzten Lokalanästhetika eingegangen.
10.4.1 Mepivacain und Lidocain
. Abb. 10.2. Stimulierbarer Katheter für die periphere Leitungsanästhesie
Auch für Kathetertechniken werden verschiedene Systeme angeboten. Der Katheter wird nach erfolgreicher Stimulation des Nerven durch eine Führungshülse vorgeschoben. Bei Verwendung von nichtstimulierbaren Kathetern ist eine spätere Verifizierung der Lage nicht mehr möglich. Beim Einsatz stimulierbarer Katheter (. Abb. 10.2) kann nach Positionierung des Katheters und Entfernung der Kanüle durch erneute Nervenstimulation die Lage kontrolliert und ggf. korrigiert werden.
Mepivacain (Meaverin, Scandicain) und Lidocain (Xylocain) zählen zu den mittellang wirkenden Amid-Lokalanästhetika. Sie haben eine kurze Anschlagzeit, jedoch verbunden mit einer kürzeren Wirkdauer als Prilocain, Bupivacain und Ropivacain. Aus diesem Grund werden diese Substanzen zunehmend von den heute gängigeren länger wirkenden Lokalanästhetika abgelöst und häufig nicht mehr routinemäßig eingesetzt.
10.4.2 Prilocain
Prilocain (Xylonest) unterscheidet sich von den anderen Amid-Lokalanästhetika durch sein großes Verteilungsvolumen, den damit verbundenen geringeren Plasmakonzentrationen und seiner geringeren Toxizität. Diese Eigenschaft ist gerade bei peripheren Leitungsanästhesien relevant, da
136
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Kapitel 10 · Allgemeine Aspekte peripherer Leitungsanästhesien
hohe Lokalanästhetikadosen eingesetzt werden. Prilocain wird deshalb gerade hier bevorzugt eingesetzt. Bei der intravenösen Regionalanästhesie ist Prilocain das Lokalanästhetikum der Wahl. Die Wirkdauer von Prilocain als mittellang wirkendes Lokalanästhetikum übersteigt die von Lidocain und Mepivacain, ist jedoch kürzer als die von Bupivacain und Ropivacain. Zur Verlängerung der Wirkung werden bei der peripheren Leitungsanästhesie gerne Kombinationen mit langwirkenden Lokalanästhetika verwendet. Die Tendenz geht heute dahin die Dosierung von Prilocain etwas großzügiger zu handhaben. Eine klinisch sichtbare Methämoglobinämie tritt bei Dosen von 8–10 mg/kgKG auf. In der Literatur werden klinisch relevante Zeichen ab einem Methämoglobingehalt von >20% beschrieben, die in der Regel bei noch höheren Dosierungen (>900 mg) auftreten. Bei gesunden Patienten ist die Methämoglobinämie selten klinisch relevant. Vorsicht ist bei Patienten mit kardialer bzw. pulmonaler Beeinträchtigung oder Anämie geboten. Hier sind die Dosierungen von Prilocain zu reduzieren.
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
10.4.3 Bupivacain
Bupivacain (Bucain, Carbostesin) wird aufgrund seiner langen Wirkdauer häufig bei peripheren Single-shot-Leitungsanästhesien eingesetzt. Bupivacain führt zu einer guten sensorischen und motorischen Blockade und wird in Konzentrationen von 0,5% verwendet. Bei peripheren Leitungsanästhesien ist die Kardiotoxizität von Bupivacain aufgrund der hohen Dosierungen besonders zu beachten. Um sich den Vorteil der langen Wirkungsdauer zunutze zu machen, werden oft Kombinationen mit Prilocain verwendet.
10.4.4 Ropivacain
Ropivacain (Naropin) ist wegen der im Vergleich zu Bupivacain geringeren Kardio- und Neurotoxizität gerade bei peripheren Leitungsanästhesien interessant. Ähnlich wie auch bei rückenmarknaher Anwendung ist die Anästhesiequali-
tät von Ropivacain auch bei peripheren Leitungsanästhesien mit der von Bupivacain vergleichbar. Die Anschlagzeit bei Verwendung der 0,5%igen Lösung ist ähnlich. Es werden Konzentrationen von 0,5–0,75% eingesetzt, wobei unklar ist, ob die 0,75%ige Lösung der 0,5%igen tatsächlich überlegen ist. Zu beachten ist die leicht vasokonstriktorische Wirkung von Ropivacain, die nur bei niedrigen Konzentrationen nachzuweisen ist. Injektionen in Endstromgebiete sollten deshalb nicht erfolgen.
10.4.5 Levobupivacain
Auch Levobupivacain (Chirocain) 0,5% eignet sich aufgrund seiner im Vergleich zu Bupivacain geringeren Kardiotoxizität bei ebenfalls langer Wirkdauer gut zur peripheren Leitungsanästhesie. Die Wirkdauer übersteigt deutlich die der epiduralen Anwendung. Motorische und sensorische Blockade halten ähnlich lange an. Dies im Gegensatz zur epiduralen Applikation, bei der die motorische Blockadedauer kürzer als die sensorische ist. Der Einsatz von Levobupivacain zur IVRA ist nicht erlaubt. Da Levobupivacain erst seit kurzem in Deutschland im Handel ist, sind die klinischen Erfahrungen mit dieser Substanz derzeit noch begrenzt.
10.4.6 Mischung von Lokalanästhetika
Kombinationen verschiedener Lokalanästhetika werden in der klinischen Praxis häufig eingesetzt, unterliegen jedoch einer kontroversen Beurteilung. Durch Kombination eines Lokalanästhetikums mit kurzer Anschlagzeit (und mittellanger Wirkdauer) mit einem Lokalanästhetikum mit langer Wirkdauer (und langer Anschlagzeit), zumeist Prilocain mit Bupivacain oder Ropivacain, verspricht man sich optimale Wirkbedingungen und, durch Dosisreduktion der Einzelsubstanzen, eine geringere Toxizität. Eindeutig ist die durch die Kombination der Substanzen erreichte Wirkverlängerung. Dies ist v. a. bei Single-shot-Blockaden ein klarer Vorteil. Bei Kathetertechniken ist
137
10.5 · Prinzip der elektrischen Nervenstimulation
eine Kombination nicht nötig, da die Wirkdauer durch Nachinjektionen oder eine kontinuierliche Infusion beliebig verlängert werden kann.
10
den, sodass dieser weder bei Single-shot-Blockaden noch bei kontinuierlichen Verfahren derzeit routinemäßig empfohlen werden kann.
! Cave Zu beachten ist jedoch, dass Kombinationen von Lokalanästhetika nicht weniger toxisch als die Monosubstanzen sind; im Gegenteil: sie addieren sich in ihrer Systemtoxizität.
Hinzu kommen noch nicht hinreichend erforschte pharmakokinetische Interaktionen, die z. B. durch die Veränderung des pH-Wertes durch Mischung der Substanzen entstehen können.
10.5
Prinzip der elektrischen Nervenstimulation
Die elektrische Nervenstimulation ist heute Standard bei der Lokalisation von Nerven im Rahmen peripherer Leitungsanästhesien. Sie gewährleistet einen guten Blockadeerfolg bei gleichzeitiger Reduktion von Komplikationen. Für diesen Zweck wurden spezielle Nervenstimulatoren entwickelt (. Abb. 10.3), die mit speziellen Stimulationskanülen zusammen verwendet werden.
10.4.7 Zusätze zu Lokalanästhetika ! Die einstellbaren Parameter sind Impulsbreite
Clonidin
[ms], Stromstärke [mA] und Impulsfrequenz [Hz].
Der Zusatz von Clonidin zu kurz- und mittellang wirkenden Lokalanästhetika verkürzt die Anschlagzeit, verbessert die sensorische Blockade und verlängert die Wirkdauer peripherer Nervenblockaden nach einmaliger Bolusgabe schon in niedrigen Dosen (30–90 µg). Die minimale Dosis zur Verlängerung der Anästhesie wird in der Literatur mit 0,5 µg/kgKG angegeben. Dosisabhängig können typische α2-agonistische Nebenwirkungen wie Hypotension und Sedierung auftreten. Auch eine Abnahme der pulsoxymetrisch gemessenen O2-Sättigung kann beobachtet werden. Eine Überwachung von Atmung und Kreislauf ist daher beim Einsatz höherer Dosen anzuraten.
Vasokonstriktoren Der Zusatz von Vasokonstriktoren (z. B. Adrenalin) zu mittellang wirkenden Lokalanästhetika wie Mepivacain und Lidocain führt zu einer Verlängerung der Blockade. Für Prilocain, Bupivacain und v. a. Ropivacain ist dies nicht relevant, ebenso wenig für kontinuierliche Techniken. Mögliche systemische Nebenwirkungen wie Tachykardie oder Blutdrucksteigerung sind zu beachten.
Opioide Bisher konnte kein eindeutig positiver Effekt eines Opioidzusatzes zu Lokalanästhetika bei peripheren Leitungsanästhesien nachgewiesen wer-
. Abb. 10.3. Nervenstimulator Stimuplex HNS 11 (Fa. B. Braun, Melsungen)
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Kapitel 10 · Allgemeine Aspekte peripherer Leitungsanästhesien
Bei der Einstellung spielt die Impulsbreite eine wesentliche Rolle. Zur Reizung eines motorischen Nerven sind in der Regel (bei Patienten ohne neurologische Vorschädigung) Impulsbreiten 0,15 ms werden auch sensible Aδ- und C-Fasern gereizt, was die Stimulation für den Patienten unangenehm und schmerzhaft machen kann. Als adäquate Reizantwort ist die Kontraktion des jeweiligen Kennmuskels zu werten. Zwischen der Stärke der Kontraktion und der Distanz zwischen Nadelspitze und Nerv besteht eine Korrelation. Kommt es nur bei hoher Impulsbreite oder hoher Stromstärke zu einer Muskelkontraktion, so ist die Kanülenspitze noch weit vom Nerven entfernt. Eine Injektion ist nicht sinnvoll. Die Distanz ist v. a. bei Nerven, die in einer Faszienhülle (z. B. bei der Femoralisblockade oder der axillären Plexusblockade) liegen, relevant. Der Plexus kann bei hohen Stromstärken oder hohen Impulsbreiten sogar durch diese Fazienhülle gereizt werden. Werden jedoch Impulsbreite und Stromstärke zu niedrig gewählt, besteht das Risiko einer Nervenverletzung. Die Impulsfrequenz wird in der Regel mit 2 Hz eingestellt. Durch die höhere Frequenz ist eine bessere Lokalisation möglich. Bei verletzten Extremitäten kann die Impulsfrequenz ggf. auf 1 Hz reduziert werden, was die Stimulation für den Patienten weniger unangenehm macht. Die Stromstärke zu Beginn der Stimulation beträgt 0,8–1 mA. Mit zunehmender Annäherung an den Nerven wird die Stromstärke bei gleichbleibender Impulsbreite schrittweise bis auf 0,3 mA reduziert. Unter dieser Stromstärke sollte noch eine Reizantwort vorhanden sein (Injektionsstromstärke). Nimmt die Reizantwort unter der Reduktion zu stark ab oder verschwindet sie, muss die Position der Kanüle korrigiert werden. Ist bei einer Stromstärke von 0,3 mA eine ausreichende Reizantwort vorhanden, erfolgt eine weitere Reduktion zur Bestimmung der Schwellenstromstärke. Diese sollte nicht unter 0,1–0,2 mA liegen, andernfalls muss die Kanüle etwas zurückgezogen werden. Anschließend kann das Lokalanästhetikum bei weiterhin adäquater Reizantwort nach Erhöhung auf 0,3 mA injiziert werden.
Elektrische Nervenstimulation 5 Impulsbreite: motorische Nerven 0,1 ms,
sensible Nerven 0,3 ms (bei Patienten mit Polyneuropathie bis zu 1,0 ms) 5 Impulsfrequenz: 2 Hz 5 Stromstärke: Beginn mit 0,8–1 mA, schrittweise Reduktion auf 0,3 mA 5 Injektionsstromstärke: 0,3 mA
10.6
Ultraschall und periphere Leitungsanästhesie
Bei schwierigen anatomischen Verhältnissen (z. B. ausgeprägter Adipositas) kann die Lokalisierung der Leitstrukturen erheblich erschwert sein. Ist eine Palpation der gesuchten Arterie nicht möglich, so kann man mit Hilfe eines Ultraschallgerätes die Gefäß-Nerven-Scheide darstellen und die Lokalisation des Nervs erleichtern. Eine ultraschallgesteuerte Punktion und Nervenlokalisation ist ebenfalls möglich, aber aufgrund des erheblichen Aufwandes noch nicht für den Routinebetrieb geeignet.
10.7
Überprüfung der Anästhesiewirkung
Nach Ablauf der Anschlagzeit des Lokalanästhetikums müssen Ausbreitung und Effizienz der Blockade beurteilt werden. In Abhängigkeit vom verwendeten Lokalanästhetikum kann die Zeit bis zur vollständigen Anästhesie 30–45 min betragen. Erstes Zeichen einer erfolgreichen Blockade ist eine Wärmeempfindung in der betroffenen Extremität, die durch Sympathikolyse hervorgerufen wird. Im weiteren Verlauf stellen sich dann ein zunehmendes Taubheitsgefühl sowie (bei gemischten Nerven) eine motorische Blockade ein. Die sensible Ausdehnung der Blockade wird mittels »Pinprick« bestimmt. Hierbei wird die Ausschaltung von Aδ-Fasen mittels eines Nadelreizes geprüft (Spitz-Stumpf-Differenzierung). Die endgültige Beurteilung der Anästhesiequalität sollte nicht zu früh vorgenommen werden, da sonst
139
10.10 · Erkennen und Management allgemeiner Komplikationen …
möglicherweise die Wirkung noch nicht voll entfaltet ist.
10.8
Konzepte der intraoperativen Analgosedierung
10
rationsgebiet beruhen, sollte umgehend auf eine Allgemeinanästhesie übergegangen werden.
Möglichkeiten der Analgosedierung 5 Midazolam (Dormicum) 1-mg-weise als
Wie bei der rückenmarknahen Regionalanästhesie kann auch bei peripheren Leitungsblockaden eine Sedierung den Komfort des Patienten während der Operation erhöhen und/oder den Stress bei der Anlage der Blockade reduzieren. Von klinischer Relevanz ist diese Maßnahme zum einen beim Risikopatienten, zum anderen erleichtert sie die Anlage einer Blockade bei Kindern. Bei Verwendung eines Nervenstimulators ist die Anlage der Leitungsanästhesie auch unter Sedierung möglich. Intraoperativ kann eine (Analgo-)sedierung beim Auftreten von Schmerzen erforderlich werden. Diese können durch eine nicht ganz zufriedenstellende Blockadequalität, durch einen Tourniquet in nicht vollständig anästhesiertem Gebiet oder durch Abklingen der Leitungsanästhesie gegen Operationsende bedingt sein. Viele Patienten wünschen jedoch generell eine leichte Sedierung während des Eingriffs. Analgetika oder Sedativa können sowohl bolusweise als auch als kontinuierliche Infusion appliziert werden. Zur Sedierung werden am häufigsten Benzodiazepine (Midazolam) eingesetzt. Eine einmalige Gabe zu Operationsbeginn ist oft ausreichend. Bei längerdauernden Eingriffen bietet sich Propofol, niedrig dosiert, als kontinuierliche Infusion an. Zur Analgesie werden in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand und den Vorerkrankungen des Patienten Ketamin oder Opioide (Piritramid) eingesetzt. Zur Anwendung von Remifentanil zur Supplementierung einer Regionalanästhesie liegen aktuell noch nicht viele Untersuchungen vor. Es deutet sich jedoch eine Überlegenheit im Vergleich zu Propofol an.
Bolus 5 Propofol (Disoprivan) 1,5–4,5 mg/kgKG/h,
ggf. Bolus von 10–20 mg 5 Ketamin (Ketanest) 10 mg als Bolus, ggf.
Repetition (bis max. 1 mg/kgKG), in Kombination mit Midazolam 5 Piritramid (Dipidolor) 3 mg als Bolus, ggf. Repetition 5 ggf. Remifentanil (Ultiva) 0,05(–0,1) µg/ kgKG/min
10.9
Monitoring
Die Überwachung des Patienten beginnt vor der Anlage der peripheren Leitungsanästhesie und wird bis zur Entlassung aus dem Aufwachraum fortgesetzt. Sie beinhaltet das Monitoring des Herz- und Kreislaufsystems mittels EKG und noninvasiver Blutdruckmessung sowie die kontinuierliche Pulsoxymetrie, die Überwachung der Atmung und des Bewusstseins. Ein invasives Monitoring ist nur bei besonders gefährdeten Patienten mit gravierenden Vorerkrankungen indiziert. ! Ein venöser Zugang ist bei jeder Art von Regionalanästhesie obligat.
10.10 Erkennen und Management
allgemeiner Komplikationen bei peripheren Leitungsanästhesien 10.10.1 Lokalanästhetikaintoxikation
! Bei intraoperativen Schmerzäußerungen des Patienten sollte man als Erstes die Schmerzursache eruieren. Treten stärkere Schmerzen auf, die auf einer unvollständigen Blockade im Ope-
Die systemisch-toxische Wirkung der Lokalanästhetika bei akzidenteller intravasaler Injektion oder Überdosierung gehört zu den schwerwie-
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Kapitel 10 · Allgemeine Aspekte peripherer Leitungsanästhesien
4
gendsten Komplikationen peripherer Leitungsanästhesien. Nach der Einführung von Bupivacain traten einige Todesfälle auf, die zu einer Sensibilisierung für dieses Thema geführt haben. Lokalanästhetika üben ihre systemischen Wirkungen am zentralen Nervensystem (ZNS) und am Herzen aus. Das ZNS reagiert empfindlicher als das Herz, d. h. die Symptome am Herzen treten erst später bzw. nach höheren Dosen auf.
5
Zentralnervöse Komplikationen
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6 7 8
Die zentralnervösen Symptome sind variabel und vielgestaltig und abhängig von der Dosis des injizierten Lokalanästhetikums und der Injektionsgeschwindigkeit. Erste Zeichen einer Lokalanästhetikaintoxikation können ein periorales Taubheitsgefühl und metallischer Geschmack sein, weitere Symptome können sich innerhalb kürzester Zeit entwickeln.
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Zeichen der Lokalanästhetikaintoxikation am Herzen 5 5 5 5 5 5 5
Reduktion der Kontraktilität Verlängerung des PR-Intervalls Verbreiterung des QRS-Komplexes AV-Blockierung Reentryphänomene Kammertachykardie, Kammerflimmern Herzkreislaufstillstand
Die Therapie besteht im sofortigen Abbruch der Injektion und der Gabe von Sauerstoff. Bei Zeichen eines Krampfanfalls werden Benzodiazepine oder Barbiturate verabreicht, bei einem Herzkreislaufstillstand wird sofort mit der erweiterten kardiopulmonalen Reanimation begonnen. Der Patient wird intubiert und beatmet. Hypoxie, Azidose und Hyperkaliämie sind unbedingt zu vermeiden.
Zeichen der Lokalanästhetikaintoxikation am zentralen Nervensystem 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
Periorales Taubheitsgefühl Metallischer Geschmack Verwirrtheit Verwaschene Sprache Akustische und visuelle Störungen Zittern Wirre Sprache Bewusstlosigkeit Grand-mal-Anfälle Koma Atemstillstand
Prävention der Lokalanästhetikaintoxikation 5 Sorgfältige Aspiration vor jeder Injektion
eines Lokalanästhetikums. 5 Langsame und schrittweise Injektion (eini-
ge Minuten nach jeder Spritze abwarten). 5 Ständiger Sprechkontakt zum Patienten
während der Injektion zum Erkennen von Frühsymptomen. 5 Keine starke Sedierung während der Anlage der Blockade.
Kardiovaskuläre Komplikationen Am Herzen führen Lokalanästhetika zur Beeinträchtigung der Erregungsleitung und der Kontraktilität. Bupivacain beeinflusst beide Faktoren stärker als Lidocain und Ropivacain.
10.10.2 Nervenschäden
Die Inzidenz schwerwiegender bzw. anhaltender Nervenschäden nach peripheren Leitungsanästhesien ist gering (30 min) Handflächeb Fingerb (OP-Dauer 60 mmHg TV 8–10 ml/kgKG, f = 10/min paCO2 ca. 40 mmHg PEEP 5–10 cmH2O (von Kreislauf und Oxygenierung abhängig)
Die Atemwege und der Gasaustausch polytraumatisierter Patienten sind durch vielfältige Mechanismen direkt oder indirekt beeinträchtigt. Dadurch entwickelt sich regelmäßig eine schwere respiratorische Insuffizienz, die wiederum eine Hypoxämie verursacht und damit zur weiteren Schädigung der Organe beiträgt. Einen auslösenden Mechanismen stellt die Aspiration (z. B. infolge Bewusstseinsstörung, Blutungen in die oberen Atemwege, Alkoholeinfluss) dar, die sich bei bis zu 30% aller polytraumatisierten Patienten im Verlauf nachweisen lässt. Häufig findet sich auch eine insuffiziente Spontanatmung durch zentrale (z. B. infolge Schädel-Hirn-Trauma, Medikamentengabe) und periphere (z. B. durch direktes oder indirektes Trauma der Atemwege, Thoraxtrauma) Störungen. Alle diese Mechanismen bedingen oder verstärken eine evtl. bestehende Hypoxie, die gemeinsam mit einer durch den Schock bedingten Perfusionsstörung zusätzliche Schäden, v. a. am Gehirn, verursachen kann. Die Indikation zur Intubation bei polytraumatisierten Patienten muss deshalb großzügig gestellt werden.
Indikationen zur Intubation eines polytraumatisierten Patienten 5 Reanimation oder Apnoe 5 Respiratorische Insuffizienz: O2-Sättigung
1 l/min Flüssigkeit. Sollte die Punktion peripherer Venen mit entsprechend dimensionierten Venenverweilkanülen (14 und 16 G) nicht möglich sein, ist die Anlage eines großlumigen zentralvenösen Katheters mit einer Flussrate von 250 bis über 400 ml in der Minute (z. B. Sheldon-Katheter) in die V. jugularis interna oder V. subclavia indiziert. Schlägt auch dies fehlt, wird eine Venae sectio, in der Regel an der V. saphena magna, durchgeführt. Über Druckinfusionssysteme kann die Flussrate noch weiter gesteigert werden, jedoch ist hierbei auf die nicht unerhebliche Gefahr der iatrogenen Hypothermie zu achten, wenn die Lösungen und Blutprodukte nicht entsprechend erwärmt werden. Zu den wichtigsten Komponenten der Therapie eines Volumenmangelschocks infolge massiven Blutverlusts zählen neben Kristalloiden und kolloidalen Volumenersatzmitteln v. a. Erythrozytenkonzentrate (EK) als O2-Träger und Fresh Frozen Plasma (FFP). Nach den aktuellen Empfehlungen liegt die Transfusionsschwelle bei polytraumatisierten Patienten bei einem Hämoglobin-Wert zwischen 8 und 10 g/dl. Diese Schwelle richtet sich jedoch weniger nach Laborparametern als nach dem klinischen Zustand des Patienten. Bei hämodynamisch instabilen Patienten sollten bereits im Schockraum sowohl EK als auch FFP bereitgestellt werden, bevor der Patient dort eintrifft. Bei Männern können in einer solchen Situation EK der Blutgruppe O Rh positiv, bei Frauen bis zum Alter von ca. 40 Jahren hingegen ausschließlich EK der Blutgruppe O Rh negativ transfundiert werden. Schnellstmöglich müssen sich jedoch eine Bestimmung der Blutgruppe, eine Kreuzprobe anschließen, um die Transfusion kompatibler Blutprodukte vornehmen zu können. Spätestens während der Phase Delta, in der die erste operative Versorgung des Patienten durch-
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Kapitel 23 · Polytrauma
geführt wird, sollte ein Cell-Saver zur Aufbereitung und Retransfusion von autologem Blut eingesetzt werden. Bei Patienten mit ausgeprägten Schockzuständen kann es im Rahmen der Akutphase erforderlich werden, Katecholamine zu applizieren, wenn
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Blutdrucks erreicht werden kann. Die Messung der Widerstände im großen und kleinen Kreislauf ist zur gezielten Steuerung der Katecholamine und zur Auswahl der geeigneten Substanz (Adrenalin, Dopamin oder Noradrenalin) erforderlich.
Analgesie, Sedierung, Narkose
Wärmeerhaltung
trotz suffizienter Therapie mit Volumenersatzmitteln und Blutprodukten keine Stabilisierung des
Ziel: Suffiziente Analgesie und Ventilation 5 Nur i.v. Applikation 5 Alternative Analgetika, Repetitionsdosen
− − − −
Fentanyl, je 0,1–0,15 mg Piritramid, je 3–5 mg Ketamin, je 0,5 mg/kgKG S-Ketamin, je 0,25 mg/kgKG
5 Intravenöse Anästhesie mit Opioiden oder
Ketamin und Benzodiazepinen − Fentanyl, je 2–5 µg/kgKG oder − Ketamin, je 1–2 mg/kgKG (auch S-Ketamin 0,5–1,0 mg/kgKG) und − Midazolam, je 0,05–0,1 mg/kgKG
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Die Hypothermie stellt ein typisches Problem in der Akutphase dar, sie verursacht u. a. Störungen der Blutgerinnung sowie eine Suppression des Immunsystems. Sowohl eine Hypothermie als auch Störungen der Blutgerinnung werden durch die Flüssigkeits- und Volumentherapie noch verstärkt. ! Als Faustregel gilt, dass die Körpertemperatur mit jedem Liter 20°-warmer Infusionslösung um 0,3°C absinkt.
Unabhängig von den teilweise eingeschränkten Möglichkeiten, den Patienten adäquat zu erwärmen, ist eine kontinuierliche Kontrolle der Körperkerntemperatur erforderlich.
− Etomidate 0,2–0,3 mg/kgKG 5 Narkoseunterhaltung mit alternierenden
Repetitionsdosen des Opioids bzw. Ketamins/Benzodiazepins
16 17
ven vegetativen Reaktionen führen und sowohl den O2-Bedarf als auch den Hirndruck erhöhen.
Eine Aktivierung des Sympathikus führt aber auch zu einer Vasokonstriktion und Steigerung der Inotropie, die besonders im Schock einen sinnvollen Mechanismus darstellt. Fällt dieser Effekt durch eine adäquate Analgesie weg, so muss der ggf. resultierende Blutdruckabfall mit der Applikation von Volumenersatzmitteln, notfalls auch mit Katecholaminen, abgefangen werden.
5 Dann Narkoseeinleitung
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! Die Reaktion auf Schmerzen kann u. a. zu massi-
Potente Opioide sind bei polytraumatisierten Patienten generell zur Analgesie oder Anästhesie indiziert. Sie dienen sowohl der Reduktion von schwersten Schmerzen, lassen damit erst Manipulationen am Patienten zu, und führen zu einer Normalisierung der Sympathikusaktivierung. Dieser Effekt ist jedoch in der Regel nur im Rahmen einer Allgemeinanästhesie zu erzielen.
Monitoring Essenzielle Überwachungsmaßnahmen polytraumatisierter Patienten beinhalten sowohl klinische als auch apparative Untersuchungen durch qualifiziertes medizinisches Personal. Zu den klinischen Untersuchungen zählen v. a. die Auskultation und die Perkussion des Thorax. Besonderer Wert muss auf die Erfassung von seitendifferenten Befunden gelegt werden, die Hinweise auf endobronchiale Tubusfehllagen oder Thoraxtraumata geben. Die Minimalstandards der apparativen Verfahren beinhalten die nichtinvasive Blutdruckmessung, die Pulsoximetrie, die Elektrokardiographie und die Messung der Körpertemperatur. Bei intubierten Patienten müssen diese Methoden
245
23.3 · Innerklinische Erstversorgung
um die üblichen Beatmungsparameter (Drucke, Volumina, inspiratorische Sauerstoffkonzentration) ergänzt werden. Zur Lagekontrolle des Endotrachealtubus bietet sich die Kapnometrie, ergänzt durch klinische Untersuchungen, an. Ein sog. »esophageal detector device« ist besonders für Patienten im HerzKreislausstillstand geeignet. Eine komplette Labordiagnostik ist zum frühestmöglichen Zeitpunkt angezeigt, um Störungen rechtzeitig therapieren zu können und einen »Ausgangswert« bei Aufnahme des Patienten zu erhalten.
Labordiagnostik bei Aufnahme im Schockraum 5 BGA, Elektrolyte, Hb, Hkt, BZ direkt über
Blutgasanalysator 5 Blutgruppe und Kreuzprobe 5 Blutbild (Hb, Hkt, Thrombozyten) 5 Elektrolyte (Natrium, Kalium, Kalzium,
Chlorid) 5 Enzymchemie (Kreatinkinase, CRP, GOT, 5 5 5 5
Laktat, Troponin-T) Gerinnung (Quick/INR, APTT, Fibrinogen) Glukose Nierenfunktion (Kreatinin, Harnstoff-N) Toxikologie-Screening bei Bedarf
Moderne Blutgasanalysatoren bieten den großen Vorteil, innerhalb von wenigen Minuten umfangreiche Daten zu liefern. Mit einer arteriellen Blutgasanalyse können der Sauerstoff- und Kohlendioxidpartialdruck, »base excess«, Hämoglobin, Hämatokrit, Serumnatrium und -kalium sowie der Blutzucker bestimmt werden. Bei instabilen Patienten muss das kardiozirkulatorische Monitoring um die Messung des invasiven Blutdrucks (iBP) erweitert werden. Eine arterielle Kanülierung bietet außerdem den Vorteil, ohne weitere Punktionen regelmäßig arterielle Blutgasanalysen abnehmen zu können. Zusätzlich ist bei instabilen Patienten auch ein mehrlumiger zentraler Venenkatheter erforderlich. Außerdem muss ein Blasenkatheter mit integrierter Temperatursonde eingeführt werden.
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Werden bei einem polytraumatisierten Patienten Katecholamine erforderlich, ist auch die Platzierung eines Pulmonalarterienkatheters sinnvoll, um das Herzzeitvolumen, den pulmonalarteriellen Verschlussdruck und die Widerstände im großen und kleinen Kreislauf bestimmen zu können. Alle invasiven Monitoringverfahren dürfen jedoch nicht dazu führen, dass die essenzielle Diagnostik oder unmittelbar erforderliche Operationen verzögert werden.
Apparative Diagnostik Nach Abschluss der Phase Bravo erfolgt in der Phase Charly das sog. »secondary survey« als kraniokaudaler Check durch einen Unfallchirurgen. Hierbei werden systematisch die verschiedenen Körperregionen vom Kopf, über Hals, Thorax, Abdomen, Becken, Wirbelsäule sowie obere und untere Extremitäten untersucht. Anschließend bzw. parallel dazu werden bei jedem Patienten, bei dem der Verdacht auf eine schwere Traumatisierung besteht, generell die folgenden Untersuchungen durchgeführt: 5 Röntgen der Halswirbelsäule lateral einschließlich des 7. Halswirbelkörpers, 5 Röntgen a.p. des Thorax, nach Möglichkeit in Expiration, 5 Röntgen a.p. des Beckens, 5 Sonographie des Abdomens. Zusätzliche apparative Untersuchungen beinhalten eine Computertomographie (CT; kraniales CT ohne Kontrastmittel, CT-Thorax und CT-Abdomen mit Kontrastmittel), ggf. weitere Nativröntgenuntersuchungen oder – bei speziellen Fragestellungen – eine Angiographie.
Operative Versorgung In der Phase Delta erfolgt die erste operative Versorgung der Verletzungen. Dabei werden alle begonnenen Maßnahmen der Überwachung und Therapie übergangslos fortgesetzt. Liegt bei einem Patienten eine kardiovaskuläre Instabilität vor, die konservativ nicht behandelt werden kann, müssen lebensrettende operative Maßnahmen so rasch wie möglich, ggf. unter Übergehung vorheriger Versorgungsphasen, begonnen werden.
1 22 23 4 5 6 7
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Kapitel 23 · Polytrauma
23.4
Besonderheiten bei speziellen Verletzungen
23.4.1 Schädel-Hirn-Trauma
Ziel: Vermeidung sekundärer Schäden 5 5 5 5 5 5
Endotracheale Intubation FiO2 1,0 Normoventilation, kontrolliert durch BGA Pressen und Husten vermeiden MAP nicht