Magnus Frohling Zur taktisch-operativen Planung stoffstrombasierter Produktionssysteme
WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT
Magn...
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Magnus Frohling Zur taktisch-operativen Planung stoffstrombasierter Produktionssysteme
WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT
Magnus Frohling
Zur taktisch-operativen Planung stoffstrombasierter Produktionssysteme Dargestellt an Beispielen aus der stoffumwandelnden Industrie
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Otto Rentz
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalblbliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber abrufbar.
Dissertation Universitat Karlsruhe (TH), 2005
I.Auflage Juli2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/Viktoria Steiner Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media, www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auSerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und dahervon jedermann benutztwerden diirften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheSlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0449-2 ISBN-13 978-3-8350-0449-8
fur Sandra
VII
Geleitwort Das Optimieren realer Produktionsprozesse in Betrieben der stoffumwandelnden Industrie stellt eine besondere Herausforderung flir die Produktionswirtschaft dar, da die adaquate Abbildung der Produktionsprozesse, insbesondere technischer Parameter, in okonomische GroBen, wie Deckungsbeitrage und Kosten, in den meisten Fallen scheitert bzw. gescheitert ist. Dies ist darauf zuriickzufuhren, dass die nichtlineare Welt der Stoffumwandlung mit ihren Besonderheiten auf einfachem Wege nicht zuganglich ist. Insbesondere sind MaBnahmen auf Anlagen- bzw. Prozessebene nicht einfach mit Steuerungssystemen der betriebswirtschaftlichen Ebene koppelbar. In dem vorliegenden Buch hat sich Herr Frohling daher zur Aufgabe gemacht, fur ausgewahlte Betriebe bzw. Branchen eine solche Koppelung herzustellen und damit diese Produktionen letztendlich einer Steuerung nach wirtschaftlichen Kriterien zuganglich zu machen. Konkret entwickelt Herr Frohling Ansatze zur Entscheidungsunterstiitzung auf taktischoperativer Planungsebene flir stoffstrombasierte Produktionssysteme und wendet diese exemplarisch an. Damit soil eine adaquate Abbildung der zu Grunde liegenden Stoffumwandlungsprozesse und der Unsicherheiten auf Grund nicht deterministischer oder nicht vollstandig bekannter Daten vorgenommen werden. Zur Abbildung der Stoffumwandlungen werden Planungsansatze entwickelt, die Flowsheetbasierte Prozessimulation und Regressionsanalysen mit Planungsmethoden aus der Betriebswirtschaft bzw. dem Operations Research verbinden. Herr Frohling verdeutlicht dies an einem Fallbeispiel aus der Metallerzeugung, der Verwertung metallhaltiger Reststoffe in einem Hochofenprozess. Hierbei ist hervorzuheben, dass mit dem Vergleich der Ergebnisse mit Betriebsdaten sozusagen fur den Praktiker die Nagelprobe vollzogen wird. Im Bereich der Beriicksichtigung von Unsicherheiten wird fur eine Chargenproduktion aus der Lackindustrie ein Ansatz zur Fuzzy-Ablaufplanung entwickelt, der auf reale ProblemgroBen anwendbar ist. Mit seinen Arbeiten hat sich Herr Frohling einem wichtigen Kapitel, dem Bereich der Produktionsplanung in der stoffumwandelnden
Industrie, gewidmet. Er hat einen
wesentlichen Beitrag zur Entwicklung von Methoden und Modellen zur Losung von aktuellen Problemen, insbesondere auch in mittelstandischen Untemehmen, geliefert. Er hat diese nicht nur neu entwickelt, sondem auch angewandt, getestet, auf Brauchbarkeit uberpriift und fand mit seinen Arbeiten bzw. Ergebnissen Anerkennung in der Praxis. Prof. Dr. Otto Rentz
IX
Vorwort Die stoffumwandelnde Industrie stellt einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor in Deutschland dar. Um unter gegebenen langfristigen Rahmenbedingungen den kurz- und mittelfristigen Schwankungen der Rohstoff-, Energie- und Absatzpreise sowie Kundenforderungen hinsichtlich Lieferzeiten und Termintreue erfolgreich wirtschaften zu konnen, kommt der effizienten und effektiven Planung der Produktionssysteme in diesem Industriebereich wesentliche Bedeutung zu. Die vorliegende Arbeit behandelt daher Fragestellungen der Produktionsplanung flir solche stoffstrombasierten Produktionssysteme auf taktischer und operativer Ebene. Sie stellt die Entwicklung von Methoden ftir eine problemadaquate Abbildung der Produktionsprozesse hinsichtlich der Stoffumwandlung sowie zur Beriicksichtigung von Unsicherheiten durch nicht vollstandig oder nur ungenau bekannte Daten dar, die im Rahmen von Fallstudien exemplarisch auf reale Produktionsprozesse angewandt werden. Die Arbeit entstand in den Jahren 2001 - 2005 am Institut fiir Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion (IIP) / Deutsch-Franzosischen Institut fiir Umweltforschung (DFIU) der Universitat Karlsruhe (TH). Fiir die Moglichkeit, diese Arbeit an seinem Lehrstuhl durchfuhren zu konnen und die Freiheit bei der Wahl des Themas und dessen Ausarbeitung gilt mein herzlicher Dank meinem Doktorvater, Herm Prof. Dr. O. Rentz. Ebenfalls danken mochte ich Herm Prof. Dr. A. Oberweis und Herm Prof. Dr. F. Schultmann fiir die Ubernahme der Korreferate sowie den weiteren Mitgliedem des Priifungskollegiums, Herm Prof. Dr. W.-D. Heller und Prof. Dr. A. Geyer-Schulz. Wesentliche Gmndlagen dieser Arbeit wurden im Rahmen von zwei Forschungsprojekten in Zusammenarbeit mit Industrieuntemehmen gelegt. Den Beteiligten seitens dieser Unternehmen, insbesondere Herm Dr. R. Deike, Herm Dr. C. Hillmann, Herm Dr. K.-J. Sassen und Frau Dipl.-Ing. J. Steels bei der DK Recycling und Roheisen GmbH, Duisburg sowie Herm Dipl.-Kfm. C. Wiemer und Herm Dipl.-Wi.-Ing. V. Scholzke von der Geholit+Wiemer Lackund Kunststoff-Chemie GmbH, Graben-Neudorf, sei herzlich fiir die Unterstutzung bei der Durchfuhrung dieser Projekte gedankt. Fiir die offene und angenehme Arbeitsatmosphare und viele konstmktive Diskussionen mochte ich mich bei alien derzeitigen und friiheren Kolleginnen und Kollegen am IIP/DFIU im wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Bereich bedanken. Hervorzuheben sind hier insbesondere die ehemaligen Mitglieder der Arbeitsgmppe „Industrielles Produktionsund Logistikmanagement", Herr Dr. B. Engels, Herr Dr. R. Jochum, Herr Dipl.-Ing. F. Nebel
X
VORWORT
und Herr Dr. M. Zumkeller. Mein besonderer Dank gilt meinem ehemaligen Arbeitsgruppenleiter, Herm Prof. Dr. F. Schultmann, fiir viele anregende und ermutigende Gesprache und Diskussionen sowie das Vertrauen in meine Arbeit. Herzlich danken mochte ich meiner Familie, insbesondere meinen Eltem, die mir meine Hochschulausbildung ermoglicht und mich dabei stets unterstutzt haben. Fiir die Durchsicht des Manuskripts danke ich zudem meiner Schwester Katharina. Nicht zuletzt gilt mein tiefer Dank meiner Frau Sandra. Mit viel Liebe und Verstandnis hat sie mich bei der Erstellung dieser Arbeit unterstutzt und mir selbst in den arbeitsreichsten Zeiten noch viel Freude geschenkt. Ihr widme ich diese Arbeit. Magnus Frohling
XI
Inhaltsverzeichnis Geleitwort
VII
Vorwort
IX
Inhaltsverzeichnis
XI
Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis 1
2
XIX XXIII
Einleitung
1
1.1 Problemstellung
1
1.2 Zielsetzung und Losungsweg
3
Grundlagen stoffstrombasierter Produktionsplanung und -steuerung 2.1 Einordnung stoffstrombasierter Produktionssysteme
7 7
2.1.1 Begriffliche Abgrenzung
7
2.1.2 Zu Charakteristika von Produktionssystemen
8
2.1.2.1 Eingesetzte Technologie
9
2.1.2.2 Gestalt der Input- und Outputstoffe
9
2.1.2.3 Stufigkeit von Produktionsprozessen
10
2.1.2.4 Vergenzen von Produktionsprozessen
10
2.1.2.5 Merkmale stoffstrombasierter Produktionssysteme
12
2.1.3 Rahmenbedingungen industrieller Produktion fur Untemehmen der stoffumwandelnden Industrie 2.1.3.1 Einordnung von Produktionssystemen in das Umfeld
12 13
2.1.3.2 Aspektedes wirtschaftiictien Umfelds
14
2.1.3.3 Aspekte des poiitiscli-recfitliciien Umfelds
16
2.2 Planung und Steuerung des betrieblichen Leistungserstellungsprozesses
18
2.2.1 Einordnung der Produktionsplanung und -steuerung in das Supply Chain Management
18
2.2.2 Planungsaufgaben des Produktions- und Stoffstrommanagements...20
2
Beschaffuns
/
> ^
Produktion
• Materialprogramm
• Standorte
• Lieferantenwahl
• Produktionssystem
^
y
Distribution y ^
taktisch
•
* • Produktionsprogramm (MPS)
• Materialbedarfsplanung
< •
>
• Produktprogramm
• Distributionsnetz
• strategische Absatzplanung
strategisch
• Personalplanung
Absatz
•
*
• Kapazitatsplanung
• Vertrage
operativ
*
*
• Personaleinsatzplanung
• LosgroBenbildung
• Materialabrufe
^> •
Maschinenbelegung
•
o
• Fahrzeugeinsatz
-4>'
• Ablaufplanung
Z^
Abbildung 2-3:
* . operative Absatzplanung
• Lagerdisposition
Warenflusse
^-^^
Informationsflusse
Supply Chain Planning Matrix Quelle: in Aniehnung an (Fleischmann, Meyr und Wagner, 2005), (Fleischmann und Meyr, 2001), (Rohde, Meyr und Wagner, 2000)
Auch die „klassischen" Aufgaben des Produktionsmanagements sind im taktisch-operativen Bereich der Disposition und der Produktion in der Supply Chain Planning-Matrix aufgefUhrt. Der ganzheitliche Ansatz des SCM zielt auch auf eine Bearbeitung dieser Planungs- und Steuerungsaufgaben im Kontext der gesamten Lieferkette ab, wenngleich diese Planungsaufgaben nach wie vor meist mit Fokus auf die einzelnen Akteure durchgefUhrt werden. Im folgenden Abschnitt wird auf diese Aufgaben naher eingegangen.
2.2.2 Planungsaufgaben des Produktions- und Stoffstrommanagements Ausgehend von strategischen Vorgaben der Untemehmensfuhrung obHegt es dem Produktionsmanagement, diese im Bereich der betrieblichen Leistungserstellung zu konkretisieren und umzusetzen. Im Rahmen der Produktionsplanung sind die HandlungsmogUchkeiten systematisch zu identifizieren und hinsichtlich einer moglichst optimalen Erfullung der strategischen Vorgaben zu bewerten und festzulegen. Aufgabe der Produktionssteuerung ist die Umsetzung der Produktionsplane im taglichen Produktionsablauf (vgl. (Spengler, 1998), S. 41, (Schultmann, 2003), S. 28). Wie im Supply Chain Management sind auch im Bereich
KAPITEL 2
GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG
des Produktionsmanagements
eine Reihe von Definitionen
und
21_
unterschiedlichen
begrifflichen wie inhaltlichen Differenzierungen gebrauchlich. Am haufigsten sind zwei Abgrenzungen anzutreffen. Ebenfalls wie im Supply Chain Management wird dabei einerseits eine zeitliche und andererseits eine inhaltliche Differenziemng vorgenommen (vgl. z. B. (Corsten, 1994)). Auch wenn z. T. andere Einteilungen verwendet werden, ist die Gliederung in strategische, taktische und operative Aufgaben des Produktionsmanagements ublich (vgl. z. B. (Corsten, 2000), (Zapfel, 2001), (Dyckhoff und Spengler, 2004), (Dyckhoff und Spengler, 2004) und (Schultmann, 2003)).^"^ Vor dem Hintergrund dieser zeitlichen Horizonte lassen sich die Aufgabenbereiche des Produktionsmanagements wie folgt angeben: •
Strategisches Produktionsmanagement Dem strategischen Produktionsmanagement kommt die Aufgabe der Ziel- und Strategiefindung fiir das Leistungserstellungssystem zu, um eine leistungsfahige Produktion zu schaffen, zu erhalten und die Wettbewerbsfahigkeit trotz wechselnder Umweltbedingungen zu gewahrleisten. Es besitzt einen zeitlichen Horizont von ca. fiinf bis zehn Jahren.
•
Taktisches Produktionsmanagement Aufgabe des taktischen Produktionsmanagement ist die Konkretisierung der durch das strategische Produktionsmanagement als Rahmenbedingungen vorgegebenen Strategien hinsichtlich
der
Leistungsfelder
(Output),
Produktionspotenziale
(Input)
und
Produktionsorganisationen (Throughput), es besitzt einen zeitlichen Horizont von ca. einem bis zu fiinf Jahren. •
Operatives Produktionsmanagement Im operativen Produktionsmanagement ist der durch das strategische und taktische Produktionsmanagement vorgegebene Produktionsapparat optimal einzusetzen, um einen wirtschaftlichen Vollzug der Produktion zu ermoglichen. Der zeitliche Horizont betragt bis zu einem Jahr.
'"^ Beispielsweise betrachtet Gunther mit der dispositiven Ebene eine vierte Ebene (vgl. (Gunther, 1993)). Andere Autoren, wie beispielsweise Hansmann (vgl. (Hansmann, 1994)) oder Hoitsch (vgl. (Hoitsch, 1993)), differenzieren nur hinsichtlich der strategisch(-taktisch)en und der operativen Ebene.
22
GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG
KAPITEL 2
Die inhaltliche Differenzierung der Aufgaben des Produktionsmanagements unterscheidet ebenfalls drei Bereiche. Auch wenn die verwendete Terminologie nicht bei alien Autoren einheitlich ist, findet die Einteilung gemaB des so genannten 3-P-Konzepts weithin Anerkennung. Diese von Kern (vgl. (Kern, 1992)) vorgestellte Gliederung unterscheidet die Produkt- und Programmgestaltung, die Potenzialgestaltung und die Prozessgestaltung und ist mit einer an der systemischen Betrachtung orientierten Gliederung in die Planung des Output, des Input und des Throughput des Produktionssystems weitgehend deckungsgleich (vgl. (Corsten, 2000), S. 29). Die Aufgabenbereiche lassen sich wie folgt definieren: •
Produkt- und Programmgestaltung (Output-Planung) In der Produkt- und Programmgestaltung ist der Output des betrieblichen Leistungserstellungsprozesses festzulegen. Dies umfasst langfristige Planungsaufgaben, wie die Festlegung der Produktfelder, in denen das Untemehmen tatig werden soil, beispielsweise ob es sich auf seine Kemkompetenzen beschranken oder diversifizieren soil. Auf taktischoperativer Planungsebene ist festzulegen, in welcher Breite, d. h. welche Produktgruppen zu produzieren sind und in welcher Fertigungstiefe dies geschehen soil. Femer sind fiir den betrachten Planungszeitraum die herzustellenden Produkte nach Art und Menge fiir die in dem Planungszeitraum befindlichen Perioden festzulegen.
•
Potenzialgestaltung (Input-Planung) Fiir die Umsetzung des festgelegten Produkt- bzw. Produktionsprogramms ist der Einsatz von Produktionsfaktoren notwendig. Der Potenzialgestaltung obliegt es, die Bereitstellung dieser Faktoren zu planen. Hierzu zahlen langfristige Planungen in Bezug auf Standorte, BetriebsgroBe, Kapazitatsarten, Instandhaltungsstrategien, verwendete Technologien, Personal- sowie Rohstoffbeschaffung.
Taktische Entscheidungen
beinhalten die
konkretisierende Festlegung hinsichtlich der genannten Aufgabenbereiche. Operativ sind vor allem die Beschaffung der Repetierfaktoren, Reservierung von Kapazitaten und der Mitarbeitereinsatz zu planen. •
Prozessgestaltung (Throughput-Planung) Aufgabe der Prozessgestaltung ist die Planung der Innenstruktur des Produktionssystems. Auf strategischer Planungsebene ist es vor allem der Organisationstyp der Produktion, den es festzulegen gilt. Bei der Konkretisierung der Prozessgestaltung im Rahmen der taktischen Planungsebene ist die tatsachliche Ausgestaltung der Produktion insbesondere hinsichtlich des Produktionslayout zu bestimmen. Operativ ist das gegebene Produktionssystem optimal zur Erfiillung des Produktionsprogramms einzusetzen. Es sind die Aufgaben der Ablaufplanung, d. h. der Termin- und Reihenfolgeplanung unter Beriicksichti-
KAPITEL 2
GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG
23^
gung von Kapazitatsrestriktionen sowie der Produktionssteuerung, d. h. der Veranlassung, Uberwachung und Sicherung der Produktion wahrzunehmen (vgl. (Dyckhoff und Spengler, 2004), S. 30f.). Die bei der betrieblichen Leistungserstellung aus der Umwelt entnommenen bzw. an die Umwelt abgegebenen Stoffstrome leisten einen entscheidenden Beitrag zur Erschopfung und Verknappung von Ressourcen bzw. zur Uberbeanspruchung der Aufnahmekapazitat der Umwelt (vgl. (Martel, 1999), S. 1). Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit eines integrierten Stoffstrommanagements aller relevanten Stoffstrome eines Produktionssystems, das durch die Enquete-Kommission des 13. Deutschen Bundestags im Jahr 1994 als die „...zielorientierte, verantwortliche, ganzheitliche und effiziente Beeinflussung von Stoffstromen, wobei die Zielvorgaben aus dem okologischen und okonomischen Bereich kommen, unter Beriicksichtigung von sozialen Aspekten" definiert wurde ((Enquete, 1994), S. 719). Das so definierte Stoffstrommanagement lasst sich aufgrund seines Bezuges zur Nachhaltigkeit als Teilgebiet in die Umweltokonomie einordnen, die ihrerseits definiert ist als die Wirtschaftswissenschaft, die okologische Parameter mit in ihre Betrachtungen einbezieht ((Wietschel, 2001), S. 26). Dabei ist es erst der Bezug zur Nachhaltigkeit, der diese umweltbezogene Ausrichtung im Sinne einer Kreislaufwirtschaft bestimmt, da Stoffstrommanagement bereits dort beginnt, wo Stoffstrome durch Produktionsprozesse oder gesetzliche MaBnahmen gezielt beeinflusst werden (vgl. (Kirchgeorg, 1999), S. 35). Neben den okologischen und sozialen Zielen des Stoffstrommanagements bleibt das Zielsystem des Untemehmens, insbesondere auch des Produktionsmanagements bestehen (vgl. (Spengler, 1998), S. 48, (Wietschel, 2001)). Wie bei Aufgaben der Mehrzieloptimiemng iiblich, kann es durch die nebeneinander existierenden Zielsysteme des Produktions- und des Stoffstrommanagements zu neutralen, komplementaren oder konfliktaren Zielbeziehungen kommen. SoUen beide Zielsysteme simultan verfolgt werden, ergibt sich eine Verkniipfungsmoglichkeit iiber die in beiden Bereichen zu erfassenden Stoff- und Energiestrome. Werden die ein- und ausgehenden Stoff- und Energiestrome monetar bewertet, so konnen die im Produktions- und Stoffstrommanagement verfolgten Ziele komplementar sein, wenn die extemen Kosten des Ressourcenverbrauchs und die an die Umwelt abgegebenen Abfalle und Emissionen iiber diese Bewertungen internalisiert werden. Meist werden jedoch nicht samtliche extemen Kosten internalisiert und stellen die GroBen keine tatsachlichen Knappheitspreise dar, so dass es zur Verwirklichung einer nachhaltigen Produktion der expliziten
^4
GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG
KAPITEL 2
Einbeziehung weiterer GroBen im Rahmen des betrieblichen bzw. industriellen Stoffstrommanagements bedarf (vgl. (Spengler, 1998), S. 43f., (Wietschel, 2001), S. 24).
2.2.3 Grundlagen der Produktionsplanung und -steuerung Nach der Einordnung stoffstrombasierter Produktionssysteme in Abschnitt 2.1 und der grundlegenden Produktionsplanungs- und Steuerungsaufgaben ist es Gegenstand dieses Abschnitts, grundsatzliche Verfahrensweisen und Ansatze zur Produktionsplanung und -steuerung zum einen allgemein und zum anderen mit Bezug auf stoffstrombasierte Produktionssysteme zu umreiBen. 2.2.3.1
Modellgestutzte Planung
Grundlage einer systematischen Produktionsplanung bilden in der Regel Modelle, abstrakte Abbildungen realer Systeme oder Probleme. Hinsichtlich ihres Einsatzzweeks lassen sich Modelle wie folgt unterscheiden: Zur systematischen Darstellung von Systemen und deren Bestandteilen oder Sachverhalten aus der Realitat dienen Beschreibungsmodelle, die keine Erklarungen fiir reale Vorgange oder Prognosen liefem (vgl. (Dyckhoff, 1993), S. 26, (SchneeweiB, 2002)). Erkldrungs- bzw. Kausalmodelle stellen Zusammenhange zwischen unabhangigen exogenen Variablen und durch diese beschriebene Variablen her und dienen zur Erklarung des Systemverhaltens oder zur Formulierung von Hypothesen. Zur Vorhersage von zukiinftigen Daten und zur Abschatzung von Auswirkungen moglicher Handlungsalternativen werden Prognosemodelle eingesetzt (vgl. (Domschke, Scholl und Vo6, 1997), S. 35). Bei Simulationsmodellen handelt es sich um Prognosemodelle, bei denen die Zusammenhange zwischen Ursache und Wirkung nicht oder nicht vollstandig auf analytischem Wege beschrieben werden konnen und fiir die demnach keine analytischen Losungsverfahren existieren. Sie dienen daher dem systematischen Experimentieren zur Ermittlung der Konsequenzen einzelner Altemativen (vgl. (Domschke und Drexl, 2002), S. 3). Entscheidungs- bzw. Optimiermodelle sind formale Abbildungen von Entscheidungs- oder Planungsproblemen, die darauf abzielen, mittels geeigneter Verfahren gute, besser noch optimale Losungen dieser Probleme ermitteln zu konnen (vgl. (Scholl, 2001), S. 17). Die Entscheidungslogik des Produktionsmanagements basiert in der Regel auf eben solchen Entscheidungsmodellen. Die Planungsaufgabe, das so genannte Realproblem, wird zunachst in einer Abstraktionsphase in einem so genannten Realmodell abgebildet, das die wichtigsten Aspekte des Problems moglichst vollstandig beschreibt. Da dieses aufgrund seiner haufig sehr
KAPITEL 2
GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG
25
groBen Komplexitat einer analytischen Beschreibung nicht zuganglich ist, wird in einem zweiten Schritt, der so genannten Relaxation, das Realmodell in ein Formalmodell, den so genannten Entscheidungsgenerator, uberfuhrt. Mit Hilfe dieses Formalmodells werden Losungsmoglichkeiten des zugmnde liegenden Problems generiert und vorgeschlagen. Findet diese Losung Akzeptanz, wird sie im Schritt der Implementierung umgesetzt. Zur Uberpriifung und Sicherstellung der Abbildungsgenauigkeit werden auf alien Ebenen Validierungen durchgefuhrt und ggf. Anderungen in den Modellen und der Entscheidungslogik durchgefuhrt (vgl. (Scholl, 2001), S. 31, (Dyckhoff und Spengler, 2004), S. 38). Der beschriebene Prozess ist in Abbildung 2-4 dargestellt.
,
!
'^,...,y^), x^ ={x^,...,Xj,...,x^) den Primarbedarfsvektor. Die Input-Output-Relationen der Produktionsstellen konnen durch die Direktbedarfsmatrix A dargestellt werden (vgl. (Schultmann, 2003), S. 157): /nC-) A=
/i.(-)
(3.22)
/,.(.-)
A ist quadratisch und besitzt die Dimension m . In Vektorschreibweise ergibt sich: y = A-y + x x = {E-A)-y Die Technologische Matrix T = (E-A)
y = {E-Ay^'X = Gx
(3.23)
wird durch Subtraktion der Direktbedarfsmatrix von
der m-dimensionalen Einheitsmatrix gebildet. Die Inverse zur Technologischen Matrix G = {E-Ay^
wird als Gesamtbedarfsmatrix bezeichnet (vgl. (Hahn und LaBmann, 1990),
Unter Transformationsfunktionen
werden Funktionen zur Abbildung der
Input-Output-Zusammenhange
zwischen einzelnen Produktionsstellen verstanden. Demgegeniiber bezeichnet Produktionsfunktion
eine
Abbildung der Input-Output-Beziehungen eines ganzen Produktionssystems (vgl. (Hoitsch, 1993), S. 278). Diese Unterscheidung ist im Rahmen der in diesem Abschnitt betrachteten Input-Output-Analyse sinnvoll, wird in der einschlagigen Literatur jedoch nicht durchgangig vorgenommen.
63
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
S. 370). Die Koeffizienten von G geben den gesamten durch die Produktion einer Einheit des Stoffes j ' induzierten Bedarf an Einheiten von Stoff ; an.
Die bisherigen Ausfiihrungen beruhen auf der Annahme, dass jede Fertigungsstelle nur eine Produktart erzeugen kann. Diese dient lediglich einer iibersichtlicheren Darstellung. Mit Hilfe der betriebswirtschaftlichen Input-Output-Analyse lassen sich ebenso komplexere Leistungsverflechtungen wie die der Kuppelproduktion abbilden (vgl. (Kloock, 1969), S. 95). Hierzu sind die einzelnen Fertigungsstellen wiederum als Matrizen
Fjj,(...) von eigenen
Transformationsfunktionen aufzufassen:
/ifC-)
/;fc-.) (3.24)
F,,(...):
Hierbei bestimmt, um jeweils quadratische Matrizen gleichen Ranges zu erhalten, die Fertigungsstelle mit der maximalen Anzahl n an erzeugten Produktarten, die GroBe samtlicher Teilmatrizen (vgl. (Kloock, 1969)). Die Direktbedarfsmatrix A ergibt sich somit wie folgt: ^,.(.-.)
FH(...)
A=
(3.25)
^,r(-)
^.,(-)
F^J-)
Als Transformationsfunktionen fjyi-.-) konnen eine Reihe wichtiger anderer Klassen von Produktionsfunktionen als Spezialfalle der betriebswirtschaftlichen Input-Output-Analyse dargestellt werden, bzw. deren Charakteristika auf den allgemeineren Fall der Input-OutputAnalyse ubertragen werden (vgl. z. B. (Fandel, 1996), (Steven, 1998)). Diese weiteren wesentlichen Klassen von Transformationsfunktionen
werden im folgenden Abschnitt
hinsichtlich ihrer Eignung zur Abbildung von verfahrenstechnischen Prozessen diskutiert.
Voraussetzung eindeutiger Losungen ist die Existenz und Nichtnegativitat der Andernfalls konnen bei der Berechnung negative Produktionsmengen S. 194f.).
Gesamtbedarfsmatrix.
auftreten (vgl. (Kistner, 1993),
64
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
3.2.1.3
Weitere betriebswirtschaftliche Transformationsf unktionen und deren Eignung zur Abbildung verfahrenstechnischer Prozesse
Neben den bereits vorgestellten Konzepten der Aktivitatsanalyse und der betriebswirtschaftlichen Input-Output-Analyse existieren in der produktionstheoretischen Literatur vielfaltige weitere Arbeiten zu Transformationsfunktionen und - damit verbunden - eine Vielzahl unterschiedlicher Transformationsfunktionen. Der Zielsetzung dieser Arbeit folgend, wird in diesem Abschnitt ein Uberblick liber die charakteristischen Eigenschaften wesentlicher Klassen von Transformationsfunktionen gegeben. Diese Typen werden vor dem Hintergrund einer Eignung zur Abbildung von verfahrenstechnischen Prozessen diskutiert. Auf eine vollstandige bzw. detaillierte Darstellung wird aus diesem Grund verzichtet. Fiir ausfuhrlichere Darstellungen sei auf die einschlagige Literatur, beispielsweise (Kistner, 1993), (Dyckhoff, 1993), (Fandel, 1996) und (Dyckhoff, 1998), verwiesen. Einen Uberblick iiber eine Klassifikationsmoglichkeit der betrachteten bzw. genannten Transformationsfunktionen gibt die folgende Abbildung 3-9.
AllgemeineTransformationsfunktion Mehrvarlablige Transformationsfunktionen
Einvariablige Transformationsfunktionen allgemeiner Ansatz
LeontlefFuniction
unabhangige EinflussgroBen allgemeiner linearer Ansatz Ansatz
interdependente EinflussgroBen
CES Funktion allgemeiner Ansatz
ertragsgesetzliche Funktion
Cobb-DouglasFunktion
Techno-okonomische Transformationsfunktionen
thermodynamlsche Funktionen Abbildung 3-9:
Engineering Production Functions
Uberblick uber wichtige Klassen von Transformationsfunktionen Quelle: (Penkuhn, 1997), S. 48, (Spengler, 1998), S. 103
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTOTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
65_
Einen vergleichsweise einfachen Ansatz zur Modellierung limitationaler Produktionsprozesse stellt die einvariablige linear homogene^'* Produktionsfunktion von Leontief dar. In diesem Fall liegen feste Produktionskoeffizienten QJJ. in den fjjX-") vor. Zahlreiche Autoren haben die Eignung zur Abbildung von Montage- und Demontagesystemen und die Probleme einer Anwendung auf stoffstrombasierte Produktionssysteme herausgestellt (vgl. z. B. (Rentz, 1976), (Rentz, 1979), (Penkuhn, 1997) und (Spengler, 1998)). Wesentliche Kritikpunkte sind, dass die in verfahrenstechnischen Prozessen haufig anzutreffenden Nichtlinearitaten nicht abgebildet werden, und die Variabilitat und Substituierbarkeit von eingesetzten Stoffen und technischen
EinflussgroBen
bei
streng
limitationalen
Produktionsfunktionen
nicht
beriicksichtigt werden. Moglichkeiten zur Abbildung von substitutionalen Produktionsprozessen weisen etwa die ertragsgesetzliche, die Cobb-Douglas- (C-D-) oder die CES-Transformationsfunktion auf. Allerdings beruhen diese nicht auf naturwissenschaftlich-technischen Grundlagen (vgl. (Spengler, 1998)). Das Ertragsgesetz, auch klassische Transformationsfunktion genannt, geht auf Arbeiten von Turgot aus dem 18. Jahrhundert zuriick. UrsprtingUch wurden die Ertrage landwirtschaftlicher Produktion in Abhangigkeit von partieller Variation des Produktionsfaktors Arbeit bei konstantem Einsatz der Faktoren Boden und Saatgut analysiert (vgl. (Ellinger und Haupt, 1996)). Empirisch betrachtet besitzt das Ertragsgesetz fur industrielle Produktionsprozesse jedoch lediglich eine geringe Relevanz. 1st die unterstellte Substitutionalitat durchaus in Prozessen der stoffumwandelnden Industrie anzutreffen, sind insbesondere die wachsenden Grenzertrage und der fehlende Bezug zu naturwissenschaftlich-technischen GesetzmaBigkeiten zu kritisieren (vgl. (Fandel, 1996)). Die klassische Transformationsfunktion erlangte jedoch als friiheste Formulierung einer Produktionsfunktion und darauf aufbauender Arbeiten Bedeutung (vgl. (EUinger und Haupt, 1996), S. 77). Bezogen auf die Anwendbarkeit in industriellen Prozessen verhalt es sich mit der CobbDouglas- sowie der CES-Transformationsfunktionen ahnlich (vgl. (Fandel, 1996), S. 194). Beide gehoren zur Gruppe der so genannten Neoklassischen Transformationsfunktionen. Diese weisen im gesamten Verlauf abnehmende positive Grenzertrage auf und lassen sich
^"^ Bei linearer Homogenitat (Homogenitat vom Grade 1) gilt: /iy
= f{ju • x) (vgl. (SchneeweiB, 2002), S. 40).
^6
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
somit als Sonderfall der ertragsgesetzlichen Transformationsfunktion darstellen (vgl. (Steven, 1998)). Auf einem anderen Konzept beruhen die Transformationsfunktionen von Gutenberg und Heinen. Beide Ansatze verwenden technische und okonomische Verbrauchsfunktionen zur Abbildung der Input-Output-Beziehungen (vgl. (Spengler, 1998), S. 103) und stellen damit einen Schritt im Hinblick auf eine starkere technische Fundierung der Modellierung dar (vgl. (Schultmann, 2003), S. 158). Gutenberg setzt limitationale Produktionsverhaltnisse voraus und unterscheidet zwei Faktortypen: Potenzialfaktoren, die im Produktionsprozess genutzt und dabei nicht im groBeren MaBe verbraucht werden und Repetierfaktoren, die im Leistungserstellungsprozess untergehen. Potenzialfaktoren werden durch technische Eigenschaften bzw. Parameter (Zi,Z2,...,Zv) charakterisiert. Die Konfiguration dieser technischen Parameter wird als so genannte z-Situation bezeichnet (vgl. (Gutenberg, 1966)). Die Leistung eines Aggregates ist abhangig von den technischen Parametem und der so genannten Leistungsintensitat d . Wird die z-Situation als konstant betrachtet, kann die Leistungsabgabe eines Produktionssystems nach Gutenberg durch eine zeitliche Anpassung, d. h. eine Variation der Laufzeit des Aggregats, eine quantitative Anpassung, d. h. eine Veranderung der Anzahl der eingesetzten Potenzialfaktoren sowie eine intensitdtsmdfiige Anpassung beeinflusst werden. Der Output des Prozesses ist damit unmittelbar abhangig von dem Einsatz der Potenzialfaktoren. Dagegen ist der Einsatz von Repetierfaktoren abhangig von der Leistungsintensitat des Aggregats und der zeitlichen Inanspruchnahme. Diese Abhangigkeit wird durch - als bekannt vorausgesetzte - Verbrauchsfunktionen abgebildet, die den Faktoreinsatz je Produkteinheit darstellen. So genannte Faktoreinsatzfunktionen ergeben sich durch die Multiplikation des Wertes der Verbrauchsfunktion mit der zu erzeugenden Menge an Produkteinheiten. Somit sind die Faktorverbrauche nur mittelbar abhangig vom erzeugten Output des Aggregats. Der empirische Geltungsbereich der Gutenberg-Transformationsfunktion wird zwar in der produktionswirtschaftlichen Literatur allgemein als vergleichsweise hoch eingeschatzt (vgl. z. B. (Fandel, 1996)), allerdings ist auch an ihr vielfaltige Kritik getibt worden. Eine ijbertragbarkeit auf verfahrenstechnische Prozesse ist nur sehr eingeschrankt gegeben. Zuvorderst ist die angenommene Konstanz der z-Situation und die daraus abgeleitete lineare Beziehung zwischen der Leistung eines Aggregats und der HilfsgroBe der Intensitat zu hinterfragen. Verfahrenstechnische Prozesse sind in hohem MaBe abhangig von technischen
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
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Prozessparametem wie Druck und Temperatur. Diese als fest anzusehen schrankt den Handlungsbereich fiir (technische) Produktionsoptimierung oft ein. Die in verfahrenstechnischen Prozessen im Allgemeinen vorliegenden Nichtlinearitaten (vgl. z. B. (Penkuhn, 1997), (Sieverdingbeck, 2001)), die haufig vorherrschenden, nicht streng limitationalen Beziehungen zwischen Prozessoutput und Faktoreinsatz sowie die groBen Abhangigkeiten der Produktqualitat und -quantitat von den teilweise wechselnden stofflichen Zusammensetzungen der Einsatzstoffe sind weitere Faktoren, die eine Ubertragung der GutenbergTransformationsfunktion
auf verfahrenstechnische Prozesse im Allgemeinen und das
betrachtete Produktionssystem im Besonderen als nicht zielfuhrend erscheinen lassen. Die Transformationsfunktion von Heinen (vgl. (Heinen, 1970)) stellt eine Erweiterung und Verallgemeinerung des Konzepts von Gutenberg dar (vgl. z. B. (Schwalbach, 2004), S. 113). Heinen sieht keinen zwingenden Zusammenhang zwischen der technischen und der okonomischen Leistung eines Produktionsaggregats. Daher kommen sowohl technische Verbrauchsfunktionen, die quantitativ den Zusammenhang zwischen Faktoreinsatz und der technischen
Leistung
der
Potenzialfaktoren
beschreiben,
als
auch okonomische
Verbrauchsfunktionen, die fiir wirtschaftliche Betrachtungen den Zusammenhang zwischen Faktoreinsatz und Leistung der Aggregate herstellen, zum Einsatz (vgl. (Schultmann, 2003), S. 159). Der Produktionsprozess wird soweit in Teilprozesse zerlegt, bis ein Zusammenhang zwischen
der
technischen
und
der
okonomischen
Leistung
in
so
genannten
Elementarkombinationen besteht. Der Gesamtoutput des Systems wird durch diese Elementarkombinationen, deren Wiederholungshaufigkeit und verschiedene weitere Faktoren determiniert (vgl. (Fandel, 1996), S. 199). Auch wenn es Heinen mit der nach ihm benannten Transformationsfunktion
gelingt, einen hoheren Detaillierungsgrad der Abbildung zu
erreichen und die okonomische Leistung getrennt von der technischen Leistung eines Aggregats zu betrachten, sind an der Heinen-Transformationsfunktion im Wesentlichen die gleichen Kritikpunkte hinsichtlich einer Ubertragbarkeit auf verfahrenstechnische Prozesse anzubringen wie bei der Transformationsfunktion von Gutenberg. Bleibt die Abbildung technischer Zusammenhange in den Transformationsfunktionen von Gutenberg und Heinen noch rudimentar, wird diese in den Techno-okonomischen Transformationsfunktionen, den Engineering Production Functions (EPFs) sowie den thermodynamischen Transformationsfunktionen, deutlich verbessert.
^8
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KAPITEL 3
Engineering Production Functions streben eine analytische Formulierung der Input-OutputZusammenhange von Produktionsstellen oder Industrie- und Wirtschaftsbereichen an. In EPFs werden dabei drei Guterarten, Materials, d. h. in das Produkt eingehende oder Energie liefemde Repetierfaktoren, Services, d. h. Energie anbietende, umformende oder deren Umformung kontrollierende Potenzialfaktoren sowie Products, d. h. die das Ergebnis des Produktionsprozess
darstellenden Produkte unterschieden. Zur Beschreibung dieser
Guterarten dienen zwei Typen von Variablen, so genannte Engineering Variables, die technische Variablen wie Druck oder Temperatur beschreiben und so genannte Economic Variables, Quantitatsvariablen, die sich okonomisch bewerten lassen und somit einen Ubergang von einer mengen- zu einer wertmaBigen Betrachtung ermoglichen (vgl. (Schweitzer und Kupper, 1997), (Fandel, 1996), S. 129). EPFs beschreiben die funktionalen Zusammenhange zwischen Engineering Variables der Verbrauchs- und Bestandsfaktoren, der zur Transformation zuzufiihrenden Energie und den im Produktionsprozess zu erzeugenden Produkten ((Penkuhn, 1997), S. 57). Engineering Production Functions erweisen sich prinzipiell zur Abbildung stoffstrombasierter Produktionssysteme als geeignet. Eine erste technisch orientierte Arbeit zu EPFs von Breguet aus den 1920er Jahren stammt aus dem Flugzeugbau. Verfahrenstechnische Prozesse werden u. a. von (Chenery, 1953), (Smith, 1966) und (Schweyer, 1955) behandelt. Wie eingangs erwahnt, bleibt das Anwendungsgebiet der Engineering Production Functions nicht auf einzelne Aggregate beschrankt, sondem umfasst
auch
Industrie-
und
Wirtschaftsbereiche.^^
Auch
wenn
die
meisten
Veroffentlichungen zu EPFs aus den 1950er und 1960er Jahren stammen, existieren auch spatere Arbeiten wie z. B. von (Eide, 1979), (Muller-Furstenberger, 1995) und (Martel, 1999). Die trotz ihrer erwiesenermaBen hohen empirischen Geltung (vgl. z. B. (Schweitzer und Kiipper, 1997)) vergleichsweise geringe Verbreitung und Beriicksichtigung von Engineering Production Functions in aktuellen Arbeiten ist auf die mit der Verbesserung der Abbildung einhergehende Erhohung der Modellkomplexitat sowie die Notwendigkeit, fur den jeweiligen Einzelfall eigene EPFs erstellen zu miissen, zurUckzufuhren (vgl. z. B. (Fandel, 1996), S. 201, (Penkuhn, 1997), S. 59f.). Hierzu ist ein erheblicher Aufwand fiir die Entwicklung und Bestimmung der notwendigen Parameter der jeweiligen EPF notwendig (vgl. (Schultmann, 2003), S. 160, (Spengler, 1998), S. 104).
^^ Tabellarische Ubersichten iiber verschiedene aggregat- bzw. industriezweigbezogene Ansatze zu Engineering Production Functions finden sich in (Fandel, 1996) auf den Seiten 134 und 137.
KAPITEL 3
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Thermodynamische Transformationsfunktionen verzichten auf eine analytische Formulierung der Input-Output-Zusammenhange. Bei diesem von Penkuhn (vgl. (Penkuhn, 1997)) entwickelten Typ von Transformationsfunktionen
erfolgt eine Modellierung mittels
Verfahren, die sich an der Modellbildung aus der Verfahrenstechnik orientieren. Basis der Uberlegungen bilden die Satze der Massen und der Energieerhaltung. Es wird ein System meist nichtlinearer Gleichungen auf Basis von gekoppelten Massen- und Energiebilanzen der betrachteten Grundoperationen bestimmt. Diese Gleichungen werden zur Modellierung der Input-Output-Zusammenhange des betrachteten Produktionssystems verwendet. Penkuhn zeigt, dass sich diese Gleichungen in die Input-Output-Analyse von Kloock (vgl. Abschnitt 3.2.1.2) integrieren lassen und thermodynamische Transformationsfunktionen somit auch in diesem Kontext eingesetzt werden konnen (vgl. (Penkuhn, 1997), S. 64f.). Ebenso ist eine Einbindung in die Aktivitatsanalyse moglich (vgl. z. B. (Schultmann, 2003), S. 161, (Spengler, 1998)). Auf Grund des betrachtlichen Aufwands einer Ermittlung der Bilanzgleichungen auf empirischem Wege wird von Penkuhn stattdessen eine semi-empirische Vorgehensweise vorgeschlagen. Diese beruht auf dem Einsatz von Werkzeugen aus der verfahrenstechnischen Prozesssimulation, so genannten Flowsheeting-Systemen. Da diese im Rahmen
der
Vorstellung
ingenieurwissenschaftlich
orientierter
Ansatze
zur
VerfahrensmodelUerung in Abschnitt 3.2.2.4 ausfuhrlich vorgestellt und diskutiert werden, wird an dieser Stelle auf die Vorteile im Vergleich zu einer empirischen Modellierung nicht naher eingegangen. Der vorgestellte Ansatz wird von Penkuhn zur Abbildung des stationaren Prozesses der Ammoniaksynthese nach dem AMV-Verfahren erfolgreich angewendet. Allerdings ist das dargestellte Vorgehen nicht ohne Weiteres auf eine VerfahrensmodelUerung des in dieser Arbeit betrachteten Produktionssystems ubertragbar. Der Ansatz bezieht sich auf den einperiodigen Einproduktfall eines stationar betriebenen Ammoniaksyntheseprozesses. In diesem Fall sind die z. T. nichtlinearen thermodynamischen Transformationsfunktionen anwendbar, auch wenn schon hierbei teilweise betrachtliche Rechenzeiten anfallen. Im Mehrproduktfall, insbesondere ftir eine mehrperiodige Programmplanung eines nicht stationar betriebenen Prozesses, erscheint diese Modellierung daher zu aufwandig, rechenzeitintensiv und nicht zielfuhrend.
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KAPITEL3
3.2.2 Ingenieurwissenschaftliche Ansatze zur Abbildung stoffstrombasierter Produktionssysteme Zur Abbildung von stoffstrombasierten Produktionsprozessen sind in der Praxis neben der expliziten analytischen Modellierung der physikalisch-chemischen
GesetzmaBigkeiten
hauptsachlich die Abbildung mittels • Material- und Energiebilanzierung, • fester Verteilungskoeffizienten, • Regressionsanalysen und • Simulation, insbesondere Flowsheeting-Systemen iiblich. Diese Ansatze werden in den folgenden Abschnitten skizziert, da sie durch ihre unterschiedlichen Detaillierungsgrade und Abbildungsgenauigkeiten eine problemadaquate Modellierung der betrachteten Prozesse ermoglichen konnen.
3.2.2.1
Modellierung auf Basis von Material und Energiebilanzen
Ausgangspunkt fiir die Modellierung von verfahrenstechnischen Prozessen ist deren Materialund Energiebilanzierung. Im verfahrenstechnischen Sinne bilanziert werden hier die MengengroBen fur Material, Stojfhzw. Masse und Energie in einem Bilanzbereich (System) (vgl. (Schiitt, Nietsch und Rogowski, 1990)). Grundlage der Bilanzierung bilden die empirischen Fundamentalsatze der Massen- und Energieerhaltung (vgl. (Penkuhn, 1997), S. 61). Auf diese MengengroBen konnen prinzipiell drei unterschiedliche Vorgange angewendet werden, der Transport, die Wandlung sowie die Akkumulation. Die allgemeine integrale Bilanz fiir ein betrachtetes System (z. B. eine Unit Operation) lasst sich wie folgt angeben (vgl. (Schulze und Hassan, 1981), S. 26f.): [Akkumulation] = [Transport] + [Wandlung ]
(3.26)
Gebrauchlichster Ansatz zum Aufstellen der Energiebilanz ist die Bilanzierung der Enthalpie H (vgl. (Penkuhn, 1997), S. 61). Wie eingangs erwahnt, kommen fiir die Materialbilanzierung prinzipiell sowohl Massen- als auch Stoffmengenbilanzen in Frage.^^ Nach Vollstandigkeit
Eine Uberfiihrung einer mit Hilfe einer der beiden GroBen aufgestellten Bilanz in den jeweils anderen Typ ist iiber die Molgewichte der bilanzierten Komponenten moglich.
KAPITEL 3
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der Materialbilanz werden die Gesamtmaterialbilanz und die Komponentenbilanz unterschieden. GemaB der in Abschnitt 2.2.3.1 dargestellten Detaillierungsgrade der Abbildung von Prozessen ist die Modellierung auf Grundlage der Material- und Energiebilanzierung als Black-Box-Modell anzusehen. Auch wenn diese Art der Darstellung relativ einfach ist, kann die Erstellung solcher Bilanzen durchaus sehr aufwandig sein (vgl. z. B. (Schiitt, Nietsch und Rogowski, 1990), (Fine und Geiger, 1979)). Zudem kann es bei der empirischen Ermittlung der Material- und Energiebilanzen durch Datenunsicherheiten sowie Fehler bei der Messung bzw. Analyse von Proben dazu kommen, dass die Bilanzen nicht stimmen und ausgeglichen werden miissen. Hierzu existieren zwar verschiedene Verfahren, deren Anwendung jedoch nicht ohne Weiteres moglich ist (vgl. z. B. (Fine und Geiger, 1979), (Rentz, Frohling und Nebel, 2004)). In dem beschriebenen Black-Box-Modell wird auf eine explizite Darstellung der funktionalen Zusammenhange zwischen den Input- und Outputstoff- sowie Energiestromen verzichtet. Fiir eine adaquate Abbildung der Prozesse im betrachteten Referenzfall ist diese jedoch, wie bereits mehrfach erwahnt, notwendig. In den folgenden Abschnitten wird daher auf verschiedene weitere Ansatze eingegangen, die ftir eine Abbildung verfahrenstechnischer Prozesse auf unterschiedlichen Aggregationsniveaus geeignet sind.
3.2.2.2
Modellierung auf Basis fester Verteilungskoeffizienten
Bei der Stoffstrommodellierung iiber feste Verteilungskoeffizienten wird die Verteilung der Stoffstromkomponenten im Inputstrom eines Aggregats auf verschiedene Outputstrome mittels eines Verteilungsvektors berechnet. Werden beispielsweise
J
Outputstrome
betrachtet, kann der Verteilungsvektor v. fiir Element / wie folgt angegeben werden:
(3.27)
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SIMULATIONSGESTOTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
Dabei bedeuten: m^j = Massenstrom der Stoffstromkomponenten / in Outputstoffstrom j m,'" = Massenstrom der Stoffstromkomponenten / im Inputstoffstrom Feste Verteilungskoeffizienten lassen sich empirisch durch das Erstellen von Massenbilanzen (vgl. Abschnitt 3.2.2.1) fur die betrachteten Aggregate bestimmen. Eine solche Modellierung bildet die chemischen Spezifikationen der Eingangs- und Ausgangsstoffstrome ab und ist somit detaillierter als beispielsweise die methodisch ahnliche Input-Output-Analyse (vgl. Abschnitt 3.2.1.2) im Spezialfall der Leontief-Transformationsfunktionen (vgl. Abschnitt 3.2.1.3). Durch die festen Koeffizienten ist sie jedoch lediglich fiir stationare Betriebszustande und gleichbleibende Zusammensetzungen der Inputstoffstrome geeignet. Fiir das betrachtete Produktionssystem sind diese Voraussetzungen jedoch nicht erfullt. Die in den folgenden Abschnitten dargestellten Methoden zielen daher darauf ab, auch bei nicht stationaren Betriebszustanden und variablen Inputstoffstromen geeignete Ergebnisse zu liefem. 3.2.2.3
Regressionsanalysen von Betriebsdaten
Eine haufig verwendete Methode zur Abbildung von verfahrenstechnischen Prozessen stellt die aus der Statistik stammende Regressionsrechnung und hier insbesondere die multiple (lineare) Regression dar. Auf Basis einer Analyse von empirisch ermittelten Betriebsdaten wird hierbei allgemein ein funktionaler Zusammenhang zwischen einer zu beschreibenden GroBe >' (Regressand) und k = l,...,K erklarender GroBen JCI,...,JC^ (Regressoren) ermittelt. Ausgangspunkt ist eine Annahme tiber die Form des zu ermittelnden Zusammenhangs. Im linearen Fall kann dieser wie folgt dargestellt werden (vgl. (Bamberg und Baur, 1996), S. 225): y = a-\-P^x^+ P^-x^+... + Pf. • Xf. ^£
(3.28)
Mit:
y:
SesTar!?'^^'
^' ^.'J^^^-^l
Regressionskoeffizienten
^•'•••'^^ '•
exogene Variable (Regressor)
^ ^-
AU • u /T-ui ^ Abweichung (Fehler)
Werden / = 1,...,/ Messungen mit den Messwerten x^J durchgefuhrt, lassen sich Schatzer fiir das Absolutglied sowie die weiteren Regressionskoeffizienten nach der Methode der kleinsten
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
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Fehlerquadrate bestimmen. Hierbei werden die Faktoren a und P- so gewahlt, dass die Summe der Fehlerquadrate e^ der einzelnen Messungen gemaB Formel (3.29) minimiert wird (vgl. (Myers, Montgomery und Vining, 2002), S. 8):^^
^5f>^)=Zkr=z x-^-iM,
>Min!
(3.29)
Uber eine Regressionsrechnung lassen sich funktionale Zusammenhange zwischen Input- und Outputstoffstromen bezogen auf Massen und / oder chemische Zusammensetzungen wie auch technische Parameter abbilden. Hierbei wird jedoch vorausgesetzt, dass die zugrunde gelegten exogenen Variablen normalverteilt und unabhangig voneinander sind. Zudem sind vor der Analyse AusreiBer aus den Datensatzen zu entfemen, da diese einen groBen Einfluss auf die Ergebnisse einer Regressionsanalyse haben.^^ Die Giite der Beschreibung des Zusammenhangs durch die Regressionsgleichung lasst sich u. a. durch so genannte multiple BestimmtheitsmaBe oder auch multiple Korrelationskoeffizienten bestimmen (vgl. hierzu z. B. (Hartung, Elpelt und Klosener, 1998), S. 596f.). Wesentlichster Kritikpunkt an den Verfahren der Regressionsrechnung zur Abbildung stoffstrombasierter Prozesse ist, dass die ermittelten funktionalen Zusammenhange nicht immer verfahrenstechnisch erklarbar sind bzw. teilweise auch chemisch-physikaHschen Gesetzen widersprechen konnen. Scheinkorrelationen konnen zu falschen Schlussfolgerungen bis hin zur falschen Darstellung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhangen fiihren. So konnte etwa im betrachteten Produktionssystem u. U. ein hoher CaO-Gehalt im Sinter im Rahmen
^^ Aufgrund der Zielsetzung dieser Arbeit sei fiir eine eingehende Darstellung der Vorgehensweise und der Formeln zur Bestimmung der Regressionskoeffizienten gemaB der Methode der kleinsten Fehlerquadrate z. B. auf die Arbeiten von (Myers, Montgomery und Vining, 2002), (Chatterjee und Price, 1995) und (Hartung und Elpelt, 1999) verwiesen. ^^ Kann die Normalverteilung der Datensatze haufig vorausgesetzt werden, ist insbesondere die Beachtung der Abhangigkeiten zwischen den Variablen, man spricht hier auch von so genannten Multikollinearitaten (vgl. z. B. (Hartung, Elpelt und Klosener, 1998), S. 598 und (Sen Ashish und Srivastava, 2005), S. 218) und der AusreiBer von entscheidender Bedeutung fiir die Anwendung der Regressionsrechnung. Zu Verfahren zur Identifikation von Multikollinearitaten sei beispielsweise auf (Chatterjee und Price, 1995), S. 197ff.) verwiesen. Zur Behandlung von AusreiBern existieren ebenfalls eine Reihe von Verfahren. Allerdings ist hier problematisch, dass sich die meisten Verfahren lediglich auf die Elimination von AusreiBern bei der Messung der gleichen Merkmalsauspragung beziehen. Fur weitere Verfahren sei ebenfalls auf (Hartung und Elpelt, 1999) verwiesen.
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SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
einer Regressionsanalyse durch einen erhohten Si02-Gehalt in der Nettomischung erklart werden, da beide Verbindungen durch die eingestellte Basizitat des Sinters in einem festen Verhaltnis zueinander stehen und somit bei einer Zunahme der CaO-Konzentration im Sinter auch die Si02-Konzentration in der Nettomischung ansteigt. Die Glite der dargestellten Regressionsrechnung ist dariiber hinaus von den ihr zugrunde gelegten Daten abhangig. Fur eine korrekte Berechnung der Abhangigkeiten ist es notwendig, dass die hinsichtlich ihres Einflusses untersuchten Merkmale in einer geniigenden Bandbreite unabhangig voneinander variiert werden. Theoretisch ist eine solche Variation zwar durch Betriebsversuche moglich, in der taglichen Arbeit jedoch haufig schwer zu reaUsieren und oft mit erheblichem, auch finanziellem, Aufwand verbunden.
3.2.2.4
Flowsheet-basierte Prozesssimulation
Eine MogHchkeit stationare verfahrenstechnische Prozesse detailHert abbilden zu konnen, ohne dabei die einzelnen Reaktionen expUzit durch Gleichungen beschreiben zu miissen, bietet die stationare Flowsheet-Simulation. Hierbei handelt es sich um eine Methode der Prozesssimulation, in der so genannte Flowsheeting-Programme zum Einsatz kommen. Kemstuck dieser Simulationswerkzeuge sind so genannte Fliefischemata (engl.flowsheets),in denen ein verfahrenstechnischer Prozess in Grundoperationen sowie diese verbindende Stoffund Energiestrome zerlegt dargestellt wird.^^ Auf Basis dieser FlieBschemata werden mit den spezifizierten Grundoperationen sowie Stoff- und Energiestromen computergestutzt die zugehorigen Massen- und Energiebilanzen der Hauptapparate berechnet. Somit ist es moglich, Stoffzusammensetzungen und sich einstellende Parameter wie Druck, Temperatur u. a. zu bestimmen. Die stationare Flowsheet-Simulation findet in der Verfahrenstechnik eine breite Anwendung; klassische Einsatzgebiete sind die Prozessentwicklung sowie die Planung und Auslegung von verfahrenstechnischen Anlagen (vgl. (Futterer und Munsch, 1990), S. 9).
FlieBschemata sind in der Verfahrenstechnik ein gebrauchliches Werkzeug. Je nach Darstellungszweck und DetailHerungsgrad werden so genannte Grund-, Verfahrens- sowie Rohrleitungs- und InstrumentenflieBschemata (RI-Flie6schemata) unterschieden. Begrifflichkeiten, Umfang und zeichnerische AusfUhrung der FHeBschemata sind genormt. Fiir weitere Informationen hierzu sei auf die entsprechende DIN EN ISO 10628:2000 Fliefischemata fiir verfahrenstechnische
Anlagen, Allgemeine Regeln verwiesen (vgl. (DIN,
2000)). In der friiheren Version DIN 28004 wurde anstelle von FlieBschemata von FlieBbildern gesprochen.
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
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Kommerziell verfugbare Programmpakete zur Flowsheet-Simulation lassen sich u. a. hinsichtlich des Verfahrens unterscheiden, das zur Losung der FlieBschemata zum Einsatz kommt. Es sind folgende zwei Grundtypen iiblich: • Sequenziell-modulare Systeme, bei denen die Berechnung einzeln fur jede Grundoperation
gemaB
der
Prozessreihenfolge
durchgefuhrt
wird
und
Riickfuhrungen iterativ gelost werden. Dieser Ansatz besitzt den Vorteil der Nachvollziehbarkeit von Simulationslaufen und erleichtert die Fehlererkennung. • Simultane Systeme, in denen Stoff-, Energie- und Impulsbilanzen der Einzelapparate mit Verknlipfungsvariablen der Prozessstruktur in einer Matrix zusammengefasst und simultan gelost werden. Dieser Ansatz weist bessere Konvergenzeigenschaften auf, besitzt jedoch Nachteile in Bezug auf Nachvollziehbarkeit und Fehlersuche. Die Vorteile beider Ansatze zu verbinden versuchen simultan-modulare FlowsheetingSysteme. Diese haben jedoch bislang noch keine weite Verbreitung gefunden (vgl. (Engels, 2003)). Die weiteren Ausfuhrungen beschranken sich auf den sequenziell modularen Typ, da sich dieser im Bereich der techno-okonomischen Modellierung von metallurgischen Prozessen bereits als geeignet erwiesen hat (vgl. (Schultmann, 2003)). In der Regel weisen sequenziell-modulare Flowsheeting-Programme den in Abbildung 3-10 schematisch dargestellten Aufbau auf. Zentrales Element ist ein Hauptprogramm, das die Simulationslaufe steuert. Die Ein- und Ausgabe ist iiber grafische Benutzeroberflachen (vgl. z. B. Abbildung 3-13) oder Textdateien moglich. Daneben kann auch iiber Programmierschnittstellen auf das Simulationssystem zugegriffen werden. Zur Berechnung der FlieBschemata greift das Hauptprogramm auf Unterprogramme zuriick. Hierzu zahlen Bibliotheken von Grundoperationen, in Datenbanken abgelegten Stoffdaten, beispielsweise Reinstoffdaten, Mischungsparameter u. A., und Methoden zur Berechnung von thermodynamischen GroBen. Zudem sind Berechnungsalgorithmen hinterlegt, um Material- und Energiebilanzen, Ruckstrome und die weiteren ProzesskenngroBen zu berechnen. Designspezifikationen bieten die Moglichkeit, dem Programm zur Berechnung manuelle Vorgaben - wie beispielsweise die Temperatur in einem Reaktor - zu machen. Es existiert eine Reihe von kommerziell verfugbaren Flowsheeting-Systemen. Speziell fur metallurgische Prozesse wurden die Programme METSIM und PYROSIM entwickelt (vgl. (Engels, 2003), S. 125). Weitere Flowsheeting-Programme sind beispielsweise CHEMCAD (vgl. (ChemCad, 2005)), DESIGN II (vgl. (WinSim Lie, 2004)) und das in dieser Arbeit zum
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KAPITEL 3
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Einsatz kommende ASPEN PLUS . Der urspriingliche Einsatzbereich von ASPEN PLUS lag
zwar in der Energieerzeugung und der Chemischen Industrie (vgl. (Engels, 2003), S. 125), in einer Reihe von Arbeiten hat es sich aber bereits als geeignetes Werkzeug zur Modellierung von metallurgischen Prozessen in der Eisen- und Stahlindustrie erwiesen (vgl. z. B. (Rentz et al, 1999), (Hahre, 2000), (Engels, 2003), (Schultmann, Engels und Rentz, 2004)). Verschiedene Arbeiten beschreiben Aufbau und Funktionsweise des Systems ausfiihrlich (vgl. z. B. (Sieverdingbeck, 2001), (Engels, 2003), (Schultmann, 2003)). Zum Verstandnis der in dieser Arbeit eingesetzten verfahrenstechnischen Modelle flir den Referenzfall werden im Folgenden die flir das Verstandnis notwendigen Bestandteile von ASPEN PLUS® in Anlehnung an die genannten Arbeiten zusammengefasst. Fiir weitere ausfiihrlichere Darstellungen sei auf die genannten Arbeiten verwiesen.
Eingabe
Graphisch oder ASCII
* Hauptprogramm ft
Ruckstromberechnung
Ausgabe
Schnittstellen
Grundoperatlonen
Optimierung
Designspezifikation
Numerische Unterprogramme
Stoffdatenprogramme
Thermodynamische Unterprogramme
Stoffdatenbanken
Abbildung 3-10: Aufbau von sequenziell-modularen Flowsheeting-Systemen (schematisch) Quelle: in Anlehnung an (Lohe und Futterer, 1995), S. 89
Ausgangspunkt der Modellierung von verfahrenstechnischen Prozessen mit AsPEN PLUS ist die Komponentenliste genannte Definition samtlicher in den Prozess eingehenden, austretenden und im Prozess als Zwischenprodukte verwendeten Elemente und Verbindungen. Eine Komponentenliste ist z. B. in Tabelle 3-6 fiir die verwendeten Modelle des betrachteten Produktionssystems abgebildet. Stoffstrome werden in Vektorform abgebildet, wobei die Elemente des Vektors den einzelnen Komponenten entsprechen. Die jeweiligen Mengen werden als Massen- oder Molstrom mit Hilfe von Skalaren ausgedriickt. Ahnlich findet die Abbildung von Energiestromen statt. Diese konnen entweder in eine Grundoperation
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
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hineinflieBen oder aus dieser entstehen. In ASPEN PLUS® sind rund 60 verfahrenstechnische Grundoperationen hinterlegt. Im Folgenden wird auf diejenigen Grundoperationen, die fur die Abbildung der metallurgischen Prozesse im Rahmen dieser Arbeit verwendet werden und damit fiir das Verstandnis der Modelle wichtig sind, naher eingegangen. Zur Kategorie der so genannten Black-Box-Modelle gehoren die Grundoperationen MIXER, FSPLIT und SEP I SEP 2. Hierbei handelt es sich urn Bausteine, mit denen Stoff- und Energiestrome zusammengefuhrt oder getrennt werden konnen. In die Grundoperation MIXER treten verschiedene Inputstrome ein und bilden durch komponentenweise Addition einen resultierenden Outputstrom. Diese Grundoperationen dienen der Abbildung von Modell(teil)en auf Basis von festen Verteilungskoeffizienten, wie sie in Abschnitt 3.2.2.2 vorgestellt wurden. Die Grundoperation FSPLIT (Flow-Split) dient der Abbildung von Stoffstromteilungen, in denen aus einem Inputstoffstrom verschiedene Outputstoffstrome mit gleicher chemischer Zusammensetzung entstehen. Die Aufteilung kann als Absolutwert oder auch als Anteil am Eingangsstoffstrom
definiert werden. Unter Verwendung von
Fortranblocken (s. u.) ist auch eine Definition dieser Verteilungskoeffizienten
als
mathematische Funktion moglich. Wahrend bei der Grundoperation FSPLIT der Eingangstoffstrom in identisch zusammengesetzte Stoffstrome aufgeteilt wird, konnen mit Hilfe der Grundoperationen zur Separation {SEP I SEP 1) Verteilungskoeffizienten fiir die einzelnen Komponenten eines Stoffstroms definiert werden. Damit lassen sich u. a. unterschiedliche physikaHsche Eigenschaften von Komponenten eines Stoffstroms abbilden, wie beispielsweise ein unterschiedliches Verstaubungsverhalten. Wie bei der Grundoperation FSPLIT ist es auch fiir die Separatoren moglich, iiber Fortranblocke mathematische Funktionen zur Berechnung der Verteilungskoeffizienten einzusetzen. Zur Berechnung von Warmeiibertragern stehen die Module HEATER und HE ATX zur Verfiigung. Das Modul HEATER wird zur Erwarmung oder Abkiihlung von Stoffstromen auf eine definierte Temperatur eingesetzt und dient daher der Abbildung von Heiz- oder Kiihlaggregaten. Fiir die definierte Temperatur und den gegebenen Druck werden die sich einstellenden Phasen bestimmt. Bei HEATX handelt es sich um eine Grundoperation zur Abbildung des Warmeaustauschs zwischen zwei Stoffstromen. Zur Phasentrennung existieren verschiedene Trennoperationen wie z. B. Flash 2 und Flash 3 zur Gas-Flussigtrennung, Decanter zur Flussig-Fliissigtrennung sowie fiir elektrische Abscheider (ESP), Venturi-Wascher (VScrub) oder Hydrozyklone (HyCyc). Diese basieren
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SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
auf semi-empirischen oder ingenieurwissenschaftlichen Verteilungs- bzw. Berechnungsmodellen und erlauben z. B. die Berechnung des Abscheidegrades eines elektrischen Abscheiders als Funktion physikalischer, technischer und konstruktiver Parameter wie der Partikelkonzentration, der Stromungsgeschwindigkeit und des Plattenabstands. Zur
Abbildung
von
stoffumwandelnden
Vorgangen
stellt
AsPEN PLUS® sieben
unterschiedliche Reaktortypen bereit. Zur Abbildung der in dieser Arbeit betrachteten metallurgischen Prozesse werden hauptsachlich die Reaktoren RSTOIC, RGIBBS und RCSTR benotigt. Der /?5ro/C-Reaktor dient dabei der Modellierung von Reaktionen bekannter Stochiometrie, d. h. von Stoffumwandlungen, bei denen die Produkte und das Verhaltnis der Produkte zu den Edukten bekannt ist. Dies ist wiederum fiir Modell(teil)e auf Basis fester Verteilungskoeffizienten von Bedeutung. Unter Vorgabe der Reaktionsbedingungen Druck, Temperatur, Druck und Warmebedarf oder Temperatur und Warmebedarf werden in dem Reaktortyp RGIBBS die chemischen Reaktions- und Phasengleichgewichte unter der Minimierung der freien, so genannten Gibbschen-, Enthalpie berechnet. Die Bereitstellung der hierzu notwendigen Daten erfolgt liber den Zugriff auf die in ASPEN PLUS® integrierten Datenbanken. Bei der Berechnung setzt der RGIBBS-Reaktor implizit voraus, dass die Reaktionen so lange ablaufen, bis diese Gleichgewichte tatsachlich vorliegen. Dies kann fiir viele Prozesse, deren Reaktionen schnell ablaufen und die daher den Gleichgewichtszustand naherungsweise erreichen, vereinfachend angenommen werden. Wird dieser Gleichgewichtszustand jedoch nicht erreicht, ist eine Beriicksichtigung von reaktionskinetischen Zusammenhangen notwendig. Hierzu dient der Reaktortyp RCSTR. Dieser ermoglicht die Einbeziehung der Reaktionszeiten und berechnet somit auch unvollstandig ablaufende Reaktionen. Voraussetzung hierflir ist jedoch die Kenntnis der Reaktionsgeschwindigkeit. Neben den genannten vordefinierten Modulen bietet AsPEN PLUS® die Moglichkeit, in der Programmiersprache Fortran so genannte Fortran-Blocke fiir die Definition eigener Grundoperationen USER zu erstellen und in die Flowsheets einzubinden. Die auf der folgenden Seite dargestellte Tabelle 3-5 fasst die genannten Grundoperationen mit den fiir sie verwendeten grafischen Symbolen in einer Ubersicht zusammen.
KAPITEL 3
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Quelle: in Aniehnung an (Hahre, 2000), S. 161
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KAPITEL 3
In den in AsPEN PLUS® ZU erstellenden Modellen sind sowohl die Variablen der zu modellierenden eingehenden Stoff- und Energiestrome (z. B. die Mengenstrome) als auch die zu spezifizierenden Variablen der Unit Operations (z. B. Reaktortemperaturen) manipulierbar. Diese Steuerung kann prinzipiell auf zwei Wegen erfolgen. Uber Fortran-Blocke konnen dem Programm in der Berechnungssequenz des Flowsheets eigene Befehls- und Berechnungsroutinen vorgegeben werden, in diesem Fall wird von einer so genannten Feed-ForwardKontrolle gesprochen. Diese ermoglicht die Berechnung und Vorgabe von Werten fiir Inputvariable sowie die Ausgabe von Daten wahrend eines Simulationslaufs. Die auch Feed-Back-Kontrolle genannte Vorgabe so genannter Designspezifikationen wird immer dann eingesetzt, wenn fiir Parameter, die im Normalfall in einem Simulationslauf berechnet werden, Parameterwerte vorgegeben werden sollen. So lasst sich beispielsweise eine bestimmte Reaktortemperatur bei der Verbrennung von Kohle oder eine Konzentration von Sauerstoff im Abgas durch Variation der Luftzufuhr erreichen. Fiir eine Designspezifikation muss neben dem Parameter und dessen Zielwert eine Fehlertoleranz und ein GroBenintervall fiir die Simulationsvariablen angegeben werden. Zur Losung der Designspezifikation wird eine Konvergenzschleife (s. u.) erstellt, in die Berechnungssequenz des Flowsheets eingeordnet und iterativ gelost. ASPEN PLUS® gehort zu den sequenziell-modularen Flowsheeting-Programmen. Dementsprechend werden die Grundoperationen nacheinander berechnet, wobei der Output der Vorgangeroperation der Nachfolgeoperation als Input dient. Treten RiickfUhrungen auf, werden Konvergenzschleifen definiert, in denen einer der betroffenen Strome geschnitten wird und nach Schatzung eines Startwertes die stoffliche Zusammensetzung und thermodynamischen GroBen dieses Stroms berechnet werden. Kleinere Konvergenzschleifen konnen von ASPEN PLUS® automatisch erstellt werden; bei groBeren und verschachtelten Konvergenzschleifen ist eine benutzerdefinierte Vorgabe evtl. von Vorteil. Zur Losung dieser Konvergenzschleifen stehen in AsPEN PLUS® sieben Konvergenzalgorithmen zur VerfUgung, von denen der fiir den jeweiUgen Anwendungsfall am besten geeignete ausgewahlt werden kann."^^
Es handelt sich dabei um Algorithmen der Nichtlinearen Optimierung, wie z. B. das Sekant- und das Newton-Verfahren sowie die Sequenziell-Quadratische Programmierung. Fiir weitere Informationen zu den einsetzbaren Verfahren sei auf (Aspen Technologies Inc., 2003) verwiesen.
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3.2.3 Modelle zur Abbildung von Sinter- und Hochofenprozessen Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten 3.2.1 und 3.2.2 generelle produktionstheoretische und ingenieurwissenschafdich orientierte Ansatze zur Modellierung von Produktionssystemen vorgestellt wurden, ist es Ziel dieses Abschnitts, konkrete Modelle von Sinter- und Hochofenprozessen hinsichdich ihrer Eignung fur eine Modellbildung im Referenzfall zu untersuchen. Es existiert eine Vielzahl von Modellen, die metallurgische Prozesse der Eisen- und Stahlherstellung abbilden. Diese Modelle entstammen sowohl den Wirtschafts- als auch den Ingenieurwissenschaften und sind aufgrund zum Teil flieBender Ubergange nicht immer eindeutig einem Bereich zuzuordnen. Unterscheiden lassen sich die vorhandenen Modelle einerseits
gemaB
ihres
Einsatzzweckes
in
Beschreibungs-,
Steuerungs-
und
Entscheidungsmodelle (vgl. Abschnitt 2.2.3.1). Eine weitere Unterscheidung ist hinsichtlich des zeitlichen Bezugs moglich. Bei einem statischen Modell wird von einem stationaren Betriebszustand ausgegangen. Ein dynamisches Modell bildet den zeitlichen Ablauf des Prozesses in Abhangigkeit z. B. von Betriebsparametem oder Einsatzstoffspezifikationen ab (vgl. (Sieverdingbeck, 2001), S. 76). Drittes wesentliches Unterscheidungsmerkmal sind die eingesetzten
Methoden.
Verwendet
werden
hauptsachlich
gekoppelte
Stoff-
und
Energiebilanzen. Hierfur wird der betrachtete Prozess typischerweise in einzelne Bilanzraume zerlegt, fur die in Teilmodellen iiber lineare oder auch nichtlineare Gleichungen die Transformation von Input- in Outputstrome abgebildet wird. Diese Teilmodelle werden wiederum
miteinander
verkniipft.
Daneben
kommen
auch Modelle auf
Basis von
Stromungsfeldem vermehrt zum Einsatz, wohingegen sich neuronale Netze auf Grund der Komplexitat der abzubildenden Prozesse bislang noch nicht durchgesetzt haben (vgl. (Sieverdingbeck, 2001), S. 76). Im Folgenden werden exemplarisch zunachst einzelne Sinteranlagen- und Hochofenmodelle sowie anschlieBend integrierte Modelle betrachtet, bevor diese abschlieBend hinsichtlich ihrer Einsatzmoglichkeiten im Referenzfall beurteilt werden. Dabei stehen zunachst Ansatze aus einem technisch-ingenieurwissenschaftlichen Blickwinkel im Mittelpunkt der Betrachtungen. Auf Arbeiten, die sich mit der Abbildung von Hochofenprozessen primar aus dem wirtschaftswissenschaftUchen
Blickwinkel beschaftigen
wird an dieser Stelle nicht
eingegangen, da entsprechende Arbeiten im Rahmen der Betrachtungen zu den beiden Planungsaufgaben im Referenzfall fiir die Produktionsprogrammplanung (vgl. Abschnitt
02
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
3.5.2) und die Materialeinsatzplanung
KAPITEL 3
(vgl. Abschnitt 3.6.2) fiir das betrachtete
Produktionssystem Beriicksichtigung finden.
3.2.3.1
Sintermodelle
Im Vergleich mit den im nachfolgenden Abschnitt dargestellten Modellen zur Abbildung von Hochofenprozessen gibt es relativ wenig Ansatze, die sich auf Prozesse der Sinterung von eisenhaltigen Stoffen zum Einsatz im Hochofen beziehen. Bin Steuerungsmodell fUr eine Sinteranlage auf Basis von realen Betriebsdaten stammt von lida et al. (vgl. (lida et al., 1985)). Mit Hilfe statistischer Verfahren und gemessenen Kennzahlen fiir chemisch-physikalische GroBen wird die zukiinftige Entwicklung dieser Kennzahlen prognostiziert und bei Abweichungen automatisch korrigierend eingegriffen. Allerdings werden die Werte ausschlieBlich mit Hilfe einer Zeitreihenanalyse prognostiziert, die metallurgischen Vorgange bei der Sinterung werden nicht direkt abgebildet. TianZheng, und RuZhuo (vgl. (TianZheng und RuZhuo, 1990)) entwickeln hingegen auf Basis multipler quadratischer Regressionsanalysen von Betriebsdaten und betrieblichen Kennzahlen ein Modell der Sinteranlage eines chinesischen integrierten HUttenwerks zur Optimierung der Produktion auf Basis eines Constraint-Programming Ansatzes. Straka (vgl. (Straka, 1992)) arbeitet hingegen nicht mit realen Betriebsdaten, sondem formuUert auf Basis von theoretischen Uberlegungen Differentialgleichungen und setzt diese zur Steuerung der Bandlaufgeschwindigkeit einer Sinteranlage ein. Gemein ist den genannten Ansatzen, dass diese mit ihren Betrachtungen nicht auf realen physikalisch-chemischen Zusammenhangen fuBen. Anders ist dies bei dem von Li und Tokuda (vgl. (Li und Tokuda, 1994)) vorgestellten thermodynamischen Simulationsmodell. Hierin werden die ablaufenden Reaktionen explizit abgebildet. Dariiber hinaus wird das Modell in Zonen eingeteilt, die eine raumliche Zuordnung der Reaktionen iiber das Sinterband vomehmen sollen. Ein weiteres Simulationsmodell auf Basis von thermodynamischen Zusammenhangen stammt von Rentz et al. (vgl. (Rentz et al., 1999), (Sieverdingbeck, 2001)) und wurde zur strategischen Planung produktionsintegrierter UmweltschutzmaBnahmen in der Eisen- und Stahhndustrie entwickelt. Zur Simulation wird die in Abschnitt 3.2.2.4 dargestellte Flowsheet-basierte Prozesssimulation mit dem ebenfalls beschriebenen kommerziellen Flowsheeting-Programm ASPEN PLUS® eingesetzt. Ein drei und auch ein neun Temperaturzonen umfassendes Modell
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
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bestimmen, hauptsachlich mit RGIBBS-RtakioYQn, unter Minimierung der Freien Enthalpie fiir jede Reaktionszone das Reaktionsgleichgewicht und damit die Massenbilanz des Sinterprozesses. Hinsichtlich einer Ubertragbarkeit der vorgestellten Ansatze auf das zu modellierende Produktionssystem ist zunachst festzustellen, dass sich die genannten Arbeiten jeweils mit einer spezifischen Sinteranlage beschaftigen. Grundsatzlich waren hier bei einer Ubertragung wesentliche Anpassungen an den Referenzfall notwendig. Dies gilt insbesondere fiir die Ansatze von lida et al., TianZheng und RuZhuo sowie Straka (s. o.), da diese sich nicht auf die zugrunde liegenden physikalisch-chemischen Zusammenhange sondem auf Betrachtungen und Analysen spezieller Sinteranlagen beziehen. Das Steuerungsmodell von Straka ist zudem nicht fiir einen Einsatz in der Optimierung geeignet. Geeigneter erscheinen die Arbeiten auf Basis realer thermodynamischer Vorgange, insbesondere der Simulation. Hierbei werden jedoch bei Li und Tokuda lediglich wenige Elemente betrachtet. Insbesondere fehlt eine Beriicksichtigung von Problemstoffen. Die genannte Abbildung des Sinterprozesses mittels einer Flowsheet-basierten Simulation bezieht diese Stoffe mit in die Betrachtungen ein. Allerdings sind fiir einen Einsatz in der operativen Planung im betrachteten Referenzfall neben der Kalibrierung des Modells an den betrachteten Anwendungsfall (vgl. (Rentz, 2004), S. 18) weitere Anderungen und Anpassungen des Modells notwendig. Die Modelle miissen auch fiir wechselnde Spezifikationen der Einsatzstoffe gute Planungsergebnisse liefem. Die Moglichkeit, in bestimmten Grenzen die Einsatzstoffzusammensetzung zu variieren, ist wesentliches Charakteristikum der Planungsaufgaben. Da bislang die Modelle ausschliefilich fiir Berechnungen mit relativ konstanten Spezifikationen der eingesetzten Stoffe verwendet werden, fiir die operative Planung dennoch sehr genaue Ergebnisse notwendig sind, ist trotz der prinzipiellen Eignung der Modelle die ausschlieBliche Verwendung von Gleichgewichtsreaktoren in Frage zu stellen.
^4
3.2.3.2
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
Hochofenmodelle
Eine im Vergleich zu Sinteranlagenmodellen deutlich groBere Anzahl an Arbeiten beschaftigt sich mit der Abbildung von Hochofenprozessen. Eine groBe Anzahl dieser Hochofenmodelle fuBt auf einer statischen Betrachtung eines in Zonen aufgeteilten Hochofens und einer gleichungsorientierten Beschreibung der ablaufenden Prozesse. Eines der ersten Modelle diesen Typs stammt von Mathesius (vgl. (Mathesius, 1916)), das auf Basis des ersten und des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik eine zweistufige Warmebilanz des Hochofens aufstellt. Es folgten eine Reihe weiterer Modelle auf Basis von Warmebilanzen, spatere Arbeiten (vgl. z. B. (Wartmann, 1963)) beziehen auch reaktionskinetische Aspekte mit in die Modellbildung ein. Aufbauend auf dem statischen, zonen- und gleichungsorientierten Ansatz wurden dynamische Modelle entwickelt, mit denen beispielsweise die Auswirkungen von Betriebsstorungen auf den Hochofenprozess berechnet werden konnen (vgl. (Flemming, 1976)). Um nicht im Voraus die zu beriicksichtigenden chemischen Reaktionen festlegen zu miissen besteht das von Cameron et al. (vgl. (Cameron, Morton und Patterson, 1991)) entwickelte Modell aus erweiterbaren Modulen. Weitere gleichungsorientierte Zonenmodelle fmden sich bei (Saxen, 1990), (Bi, Torssell und Wijk, 1992a), (Bi, Torssell und Wijk, 1992b), und (Yamaoka und Kamei, 1992). Die genannten Modelle betrachten allesamt den Hochofen eindimensional, d. h. es findet keine mehrdimensionale Beriicksichtigung der Ofenzonen statt. Die Arbeiten von Huaquiang et al. (vgl. (Huaqiang et al., 1994)) und Zeisel (vgl. (Zeisel, 1995)) hingegen beriicksichtigen diese unterschiedlichen raumlichen Gegebenheiten im Hochofen mit Hilfe eines zweidimensionalen Modells bzw. auf Basis von Finite-ElementeMethoden erstellten Modellen. Allerdings zieht dies einen erhohten Berechnungsaufwand nach sich, der die Anzahl der beriicksichtigten Elemente deutlich einschrankt (vgl. (Sieverdingbeck, 2001), S. 77). Daneben gibt es z. B. auch Ansatze, die iiber eine Kopplung von mathematischen
Gleichungen
mit Expertensystemen
losgelost von chemisch-
physikalischen Zusammenhangen den Hochofenprozess abbilden. Analog zu dem im vorangegangenen Abschnitt genannten Sinteranlagenmodell stammt von Rentz et al. (vgl. (Rentz et al., 1999), (Sieverdingbeck, 2001)) ein Hochofenmodell auf Basis der flieBschemabasierten Prozesssimulation, das wiederum zur strategischen Planung produktionsintegrierter UmweltschutzmaBnahmen eingesetzt wird. Ahnlich dem Sinteranlagenmodell wird auch der Hochofen in verschiedene Temperaturzonen unterteilt, die die unterschiedUchen Reaktionszonen im Hochofen (vgl. Abschnitt 3.1.1.3) abbilden sollen. Das
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
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entwickelte Modell besteht im Wesentlichen aus acht RGIBBS-Gleichgewichtsreaktoren, die in fUnf Temperaturzonen die Vorgange im Hochofen modellieren. Die besondere Geometrie des Referenzhochofens, sowie die besondere Ofenfahrweise erschweren eine Ubertragung vorhandener Ansatze. Zunachst waren erhebliche Arbeiten notwendig, um die verwendeten Gleichungen bzw. Simulationsmodelle anzupassen. Zudem beriicksichtigen viele der gleichungsorientierten Ansatze zwar die chemischen Hauptkomponenten im Hochofenprozess (hauptsachlich Fe, C, Si, O2, N2), jedoch werden Problemstoffe, die im vorliegenden Fall von zentraler Bedeutung sind, nicht oder nur bedingt betrachtet (vgl. (Sieverdingbeck, 2001), S. 78). Auch im Bereich des Hochofens erscheint der Modellierungsansatz auf Basis der Flowsheet-basierten Prozesssimulation von Rentz et al. am geeignetsten. Wie bei der Sinteranlage sind jedoch auch hier erhohte Anforderungen hinsichtlich der Berechnungszeit sowie der Genauigkeit der Abbildung fur den Einsatz in der operativen Planung zu stellen. Fiir weitere Literaturiiberblicke zu Modellen des Hochofenprozesses sei auf andere Arbeiten, beispielsweise (Sieverdingbeck, 2001) und (Bosse, 2003) verwiesen.
3.2.4 Schlussfolgerungen, Zielsetzung und Vorgehensweise zur Abbildung der Produktionsprozesse fiir eine Produktionsplanung im betrachteten Produktionssystem Die Konzepte der (linearen) Aktivitatsanalyse und der betriebswirtschaftlichen Input-OutputAnalyse
bieten
einen
geeigneten
Rahmen
fiir
die
Modellbildung
vemetzter
Produktionssysteme auch aus Bereichen der verfahrenstechnischen Industrie. In ihren einfachen Formen, insbesondere der linearen bzw. Leontief-Technologien, in denen sie auch z. T. schon fur strategische Planungs- und Bewertungsaufgaben in der Risen- und Stahlindustrie erfolgreich eingesetzt wurden, greifen sie jedoch zu kurz. Ansatzpunkte aus betriebswirtschaftlicher
Sicht bieten hier die zur Klasse der techno-okonomischen
Transformationsfunktionen
gehorenden
Engineering
Production
Functions
und
die
thermodynamischen Transformationsfunktionen. Ftir den Einsatz in einer taktisch-operativen Produktionsplanung ist jedoch bezuglich der Abbildungsgenauigkeit der Detaillierungsgrad gegen die Berechenbarkeit in Entscheidungsmodellen sorgsam abzuwagen.
^6
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
Ahnlich verhalt es sich mit ingenieurwissenschaftlich-orientierten Modellierungsansatzen. Die - vergleichsweise - einfache Modellierung auf Basis von Material- und Energiebilanzen bzw. festen Verteilungskoeffizienten weist fUr den betrachteten Prozess nicht den notwendigen Detaillierungsgrad auf. Die Bestimmung linearer Gleichungen fiir die Input-Output-Beziehungen auf Basis einer multiplen Regressionsrechnung auf empirisch bestimmten Daten erscheint vorteilhaft in Bezug auf die Berechenbarkeit von Entscheidungsmodellen, denen diese linearen Funktionen zugrunde gelegt werden konnen. Allerdings ist die Bestimmung der empirischen Daten im Praxisbetrieb realer Produktionsprozesse haufig nur schwer durchfuhrbar, zumal im taglichen Betrieb in der Regel nicht die notwendige unabhangige Variation samtlicher Parameter stattfindet und die Durchfuhrung solcher Variationen zu aufwandig ware. Somit ist nicht gewahrleistet, dass jeder Effekt auch tatsachUch adaquate Beriicksichtigung findet. Weiterer wesentHcher Kritikpunkt an einer isolierten Betrachtung linearer Regressionsgleichungen ist die mit der Linearisierung der Zusammenhange einhergehende Vereinfachung und Losung bzw. Missachtung von chemisch-physikalischen GesetzmaBigkeiten. Diese mag in bestimmten GroBenordnungen akzeptabel sein, die Giiltigkeit dieser Voraussetzung ist jedoch zu uberprufen. Abhilfe schaffen kann der Einsatz von Flowsheeting-basierter Prozesssimulation. Hierbei ist es nicht notwendig, explizite analytische Zusammenhange zwischen Input- und Outputstoffstromen zu definieren, Parametervariationen und Sensitivitatsanalysen sind ohne weiteres moglich. Allerdings stehen die vergleichsweise hohen Berechnungszeiten eines Flowsheets der Verwendung in Entscheidungsmodellen entgegen. Ein weiterer Nachteil dieser Systeme ist, dass sie nicht oder nur sehr eingeschrankt in der Lage sind, auch physikalische KenngroBen des Prozesses und der betrachteten Stoffstrome, wie z. B. die Durchgasbarkeit des Mollers, Sinterfestigkeit u. A. zu beriicksichtigen und zu berechnen.
Hinsichtlich der Frage nach bereits existierenden Modellen von Produktionsprozessen aus der Eisen- und Stahhndustrie ist zunachst festzustellen, dass es in diesem Bereich bereits eine groBe Anzahl an Arbeiten gibt, die eine Abbildung zur Beschreibung, Steuerung oder Planung der Produktion in diesem Industriebereich zum Ziel haben. Die Abbildung der chemischen Grundlagen ist in ingenieurwissenschaftlich orientierten Arbeiten jedoch meist auf die Hauptkomponenten des Prozesses beschrankt. Problemstoffe wie Zink und Alkalien, die fiir den Referenzfall von besonderer Bedeutung sind, werden oft nicht betrachtet. Weiter bilden die Prozessmodelle meist spezielle Anlagen ab, so dass bei einer Ubertragung allenfalls das Prinzip, nicht jedoch die einzelnen Gleichungen inklusive der Koeffizienten iibemommen
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
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werden konnten. Hinzu kommt, dass viele der dargestellten Ansatze lediglich ein Aggregat betrachten, flir den Referenzfall jedoch die integrierte Betrachtung sowohl der Sinteranlage als auch des Hochofens sowie der nachgeschalteten Gasreinigungen notwendig ist, um die tatsachlichen Auswirkungen der Entscheidungen abschatzen zu konnen. Geeigneter scheint ein Ansatz auf Basis der Flowsheet-basierten Prozesssimulation. Sowohl fur eine Eisenerzsinterung als auch flir einen Hochofenprozess existieren Modelle, die alle notwendigen Hauptkomponenten sowie Problemstoffe abbilden. Zudem sind die Simulationsmodelle einzelner Anlagen miteinander verkniipfbar (vgl. z. B. (Rentz et al., 1999)). Allerdings sind Anpassungen der Modelle erforderlich, so dass diese die notwendige Abbildungsgenauigkeit fur den Einsatz in einer operativen Planung bieten. Zudem sind die hauptsachlich beschreibenden Modelle flir eine Entscheidungsunterstutzung nutzbar zu machen. Hierbei ist eine Verknlipfung mit den Entscheidungsmodellen aus dem Operations Research liber den Einsatz der linearen Regressionsanalyse denkbar. Basierend auf den bislang dargestellten Ausfuhrungen und der Zielsetzung des Kapitels folgend werden Planungsansatze flir die taktisch-operative Produktionsplanung im Referenzuntemehmen entwickelt. Diese sollen die verantwortlichen Planer auf Basis einer adaquaten Abbildung der zugrunde liegenden Produktionsprozesse in die Lage versetzen, die aus okonomischer Sicht optimalen Entscheidungen in adaquater Zeit zu bestimmen. Die bei der Entwicklung der Planungsansatze verfolgte Vorgehensweise, deren einzelne Schritte in den folgenden Abschnitten 3.3 bis 3.6 ausfuhrlich dargestellt werden, wird zunachst kurz umrissen. Sie gliedert sich in die Schritte der verfahrenstechnischen Modellbildung, der Erfassung der entscheidungsrelevanten monetdren Grofien, der okonomischen Modellbildung sowie der Implementierung der Modelle: •
Verfahrenstechnische Modellbildung: Zur Abbildung der Produktionsprozesse wird zunachst die flieBschemabasierte Prozesssimulation eingesetzt. Anwendung finden Simulationsmodelle der relevanten Aggregate. Da die Losung eines Simulationsmodells zum Teil vergleichsweise viel Zeit in Anspruch nimmt, ' ist eine direkte Verwendung dieser innerhalb der okonomischen Optimierung nicht zielfuhrend. Stattdessen wird sich der multiplen linearen Regression bedient, um aus Ergebnissen umfangreicher
'^' Beispielsweise benotigt das eingesetzte Simulationswerkzeug zur Losungsfindung fiir die im folgenden Abschnitt vorgestellten Modelle fiir die Sinteranlage und den Hochofen je nach Konfiguration zwischen einigen Sekunden und einigen Minuten zur Losung des jeweiligen Flowsheets.
88
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
Simulationslaufe lineare Zusammenhange zwischen den Spezifika und Mengen des jeweiligen Inputs der Aggregate und den Spezifika und Mengen des Outputs zu generieren. •
Erfassung der entscheidungsrelevanten monetaren GroBen: Die auf diese Weise erstellten linearen Zusammenhange gilt es im zweiten Schritt monetar zu erfassen und zu bewerten, bevor eine Verwendung in Entscheidungsmodellen des Operations Research fur die Planungsaufgaben im Referenzfall mogUch ist. Um eine Ubertragung der Ansatze auf andere Anwendungen zu erleichtem, werden die betrachteten relevanten Kosten und Erlose stoffstromorientiert innerhalb eines einheithchen Schemas erfasst und zugeordnet.
•
Okonomische Modellbildung: Lmerhalb des durch dieses Schema bereiteten Modellierungsrahmens werden die Optimiermodelle zur Produktionsprogrammplanung und zur Materialeinsatzplanung aufgestellt. Die Produktionsprozesse werden in diesen Modellen
durch
die
aus
der
verfahrenstechnischen
Modellbildung
erhaltenen
Regressionsgleichungen Input-Output-Zusammenhange abgebildet. Wo dies notig und sinnvoll ist, findet eine Ruckkopplung zwischen der okonomischen Optimierung und den erstellten Simulationsmodellen statt."^^ Beide Modelle werden exemplarisch auf den Referenzfall angewendet. •
Implementiening der Modelle: Die Modelle werden in dem auf einer MS ACCESSDatenbank
basierenden
integrierten
Entscheidungsunterstutzungssystem
SCOPE"^^
implementiert. Die Datenbank dient dabei in erster Linie der Speicherung der fiir die Planungen benotigten Grunddaten, der Anbindung des Entscheidungsunterstutzungssystems an im Referenzuntemehmen im Einsatz befmdliche Softwarewerkzeuge, die eingesetzten Simulationswerkzeuge sowie die mathematische Modellierungsumgebung GAMS und der Steuerung der Optimiemngslaufe. Da die Implementiening der beiden Planungsansatze weitestgehend identisch und in einem System erfolgt, wird diese im folgenden Abschnitt naher beschrieben.
Auf die Problematik von Vereinfachungen durch den Einsatz linearer Regressionsgleichungen zur Abbildung der Produktionsprozesse wird in den folgenden Abschnitten eingegangen. '^^ Simulation combined with Optimisation in the Process Industries
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
89^
3.2.5 Implementierung der Modelle Der Aufbau des integrierten Entscheidungsunterstutzungssystems SCOPE, in dem die zu entwickelnden Modelle implementiert werden, ist in Abbildung 3-11 schematisch dargestellt. SCOPE setzt auf einer MS AcCESS-basierten relationalen Datenbank auf und gliedert sich in drei funktionale Teilbereiche. Der erste Teilbereich dient der Bereitstellung und Pflege der fiir die Planungen benotigten Grunddaten und Planungsergebnisse. Uber Abfragen ist dieser mit den im Referenzuntemehmen verwendeten Datenbanken verbunden. Aus diesen werden die Spezifikationen der einsetzbaren Roh- und Hilfsstoffe, der Sinter- und Roheisensorten, in SCOPE eingelesen. Zudem werden allgemeine Planungsparameter wie die aktuellen Preise fiir Roheisen, Reduktionsmittel, Betriebsstoffe und Kuppelprodukte gespeichert. Der zweite Teilbereich besteht aus den Anwendungen zur Planung fiir die Aufgabenbereiche. Uber Module in der hoheren Programmiersprache Visual Basic for Applications (VBA) werden sowohl fiir die Produktionsprogrammplanung (Modul MPS"^"^) als auch fiir die im folgenden Abschnitt dargestellte Materialeinsatzplanung (Modul CD"^^) die Optimierungslaufe gesteuert: Das jeweilige Modul liest die fiir die Planungen benotigten Daten aus der Datenbank aus und schreibt sie in eine Eingabedatei (scope-mps.inc bzw. scope-cd.inc). Ebenfalls wird eine Stapelverarbeitungsdatei (scope-mps.bat bzw. scope-cd.bat) erzeugt und ausgefiihrt, die den eigentlichen Optimierungslauf in der Modellierungsumgebung GAMS (General Algebraic Modelling System) auf Basis des in GAMS formulierten Planungsmodells (scope-mps.gms bzw. scope-cd.gms) mit den in der Eingabedatei spezifizierten Daten aufruft. GAMS baut das Modell auf und iibersetzt es in das Eingabeformat fiir den verwendeten Standardsolver CPLEX. Das Modell wird gelost und GAMS erzeugt einerseits eine Datei mit allgemeinen Informationen zum Modelllauf (Systemoutput) und eine Ergebnisdatei (mps.txt bzw. cd.txt). Diese wird wiederum in SCOPE eingelesen und steht fiir weitere Auswertungen zur Verfiigung. Den dritten Teilbereich von SCOPE bilden Benutzerschnittstellen. Der Anwender kann mittels der grafischen Benutzeroberflache SCOPE-GUI auf SCOPE zuzugreifen und hat daneben die Moglichkeit, Optimierungsergebnisse in ASPEN PLUS® bzw. in anderen Programmen (beispielsweise MS EXCEL) weiter zu verarbeiten. Der Zugriff erfolgt im Wesentlichen auf Basis von Formularen.
MPS steht fiir Master Production Scheduling, einem engUschen Begriff fiir Produktionsprogrammplanung. CD steht fiir Cost Determination. Das Modul wird im Referenzuntemehmen auch als Hilfsmittel zur Annahmepreisbestimmung eingesetzt (vgl. auch Ausfiihrungen hierzu in Abschnitt 3.6.5).
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SiMULATIONSGESTUTZTE P R O D U K T I O N S P L A N U N G
KAPITEL 3
Abbildung 3-11: Schematischer Aufbau des EntscheidungsunterstiJtzungssystems SCOPE
Fiir den Einsatz der Modellierungsumgebung GAMS IDE zur Formulierung der mathematischen Optimiemngsmodelle und des Solvers CPLEX zu deren Losung sprechen eine Reihe von Grunden wie z. B. (vgl. (Brooke et al., 1998), (Engels, 2003), (Sasse, 2001)): • GAMS bietet eine hohe Portabilitat zwischen unterschiedlichen Plattformen und Betriebssystemen, so dass beispielsweise nach Modellierung des Planungsproblems auf einem einzelnen PC eine (Jbertragung auf leistungsfahigere Rechner moglich ist. • Die Modellformulierung ist zunachst unabhangig vom eingesetzten Solver. Zur Losung des Problems konnen somit die jeweils besten Solver fiir den jeweiligen Problemtyp eingesetzt werden. • Durch die benutzerfreundliche und der mathematischen Form ahnlichen Darstellung ist eine effiziente, iibersichtliche Formulierung auch komplexer Modelle moglich. Insbesondere konnen Erweiterungen und Parameteranderung ohne groBeren Aufwand durchgefiihrt werden und so das Modell an geanderte Anforderungen angepasst werden.
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
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• Eine getrennte Speicherung von Daten und Modelldateien, wie im vorliegenden Konzept verfolgt, tragt weiter zu einer Strukturierung insbesondere groBer Modelle und somit zu einer besseren Ubersichtlichkeit bei. • Bei dem Solver CPLEX der Firma Hog Inc. handelt es sich um einen der derzeit leistungsfahigsten Standardsolver zur Losung von linearen, gemischt-ganzzahligen und quadratischen Optimierungsproblemen.'^ Insbesondere um eine einfache Erweiter- und Ubertragbarkeit der Planungsmodelle zu gewahrleisten, wird hier auf die genannte Modellierungsumgebung sowie den genannten Standardsolver zuriickgegriffen und auf die Entwicklung eines problemspezifischen Losungsalgorithmus verzichtet. Die spateren Ausfuhrungen zeigen, dass bei der gewahlten Vorgehensweise in akzeptabler Zeit optimale Losungen gefunden werden konnen, auch wenn ein problemspezifischer Algorithmus u. U. schneller zu einer optimalen Losung gelangen konnte. In den folgenden Abschnitten 3.3 bis 3.6 wird auf die einzelnen Schritte des vorgeschlagenen Ansatzes im Detail eingegangen. Die ersten beiden Schritte werden in separaten Abschnitten behandelt. Da es sich bei den zu entwickelnden Modellen zur Produktionsprogramm- und zur Materialeinsatzplanung um unterschiedliche Modelle handelt, werden diese separat in den Abschnitten 3.5 und 3.6 dargestellt. Nachdem der allgemeine Rahmen der Implementierung der Ansatze in dem integrierten Entscheidungsunterstutzungssystem SCOPE bereits in diesem Abschnitt vorgestellt wurde, wird in den Abschnitten zur Modellbildung nur noch auf die Spezifika der Implementierung des jeweiligen Ansatzes eingegangen. Zur Uberprlifung der Plausibilitat der Modellergebnisse, zur Analyse der Prozesse sowie zur Demonstration der Anwendungsgebiete werden die entwickelten Methoden jeweils exemplarisch im Rahmen von Szenario- bzw. Sensitivitatsanalysen angewendet.
Im Rahmen dieser Arbeit wird CPLEX in der Version 9.0 verwendet.
^2
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
3.3 Verfahrenstechnische Modelle der abzubildenden Prozesse Fur die Modellbildung wird das bereits in Abschnitt 3.2.2.4 vorgestellte sequenziell-modulare Flowsheeting-Programm ASPEN PLUS® ausgewahlt. Dieses bietet im Vergleich zu altemativen Produkten eine groBe Stoffdatenbank, die alle relevanten Stoffe umfasst, komfortable Bedienung sowohl iiber eine grafische Benutzeroberflache als auch iiber Programmierschnittstellen, die insbesondere im Hinblick auf eine Kopplung mit okonomischen Optimiermodellen und Datenbankanbindungen notwendig sind. Dariiber hinaus bietet es eine Bibliothek mit samtlichen fiir die Modellbildung notwendigen verfahrenstechnischen Grundoperationen. Wie bereits in den Abschnitten zur verfahrenstechnischen Prozesssimulation (Abschnitt 3.2.2.4) sowie zu Sinter- bzw. Hochofenmodellen (Abschnitt 3.2.3) dargestellt, haben verschiedene vorherige Arbeiten bereits die prinzipielle Eignung von ASPEN PLUS® zur Abbildung von metallurgischen Prozessen gezeigt."^^ Um die Betriebsstruktur im Referenzuntemehmen nachzubilden, eine gute Uberpriifbarkeit der Modelle mit Betriebsdaten gewahrleisten zu konnen und akzeptable Rechenzeiten sicherzustellen, werden zwei Modelle, eines fiir den Sinteranlagen- und eines fiir den Hochofenbetrieb, jeweils unter Beriicksichtigung der Haupt- und Nebenaggregate eingesetzt. Die in Tabelle 3-6 abgebildeten chemischen Komponenten sind fiir die Vorgange in den Aggregaten relevant und finden daher Beriicksichtigung in dem Sinter- bzw. dem Hochofenmodell. Neben den Hauptstoffstromkomponenten, den Risen- und Kohlenstofftragem, Sauerstoff- und Kohlenstoffverbindungen, Schlackebildnem sowie den Alkalien sind hier insbesondere die Verbindungen, in denen die Problemstoffe Zink, Chrom und Phosphor vorliegen von besonderer Bedeutung.
Hierzu sei wiederum auf die in den genannten Abschnitten angefiihrten Arbeiten verwiesen.
Liste der zu betrachtenden Elemente und V e r b i n d u n g e r1
Tabelle 3-6:
E 3
'E 3
(3.81)
f=l
Mit Hilfe einer weiteren Big-M-Formulierung wird in den Nebenbedingungen (3.75) bis (3.77) abgebildet, dass nur eine begrenzte Anzahl an Rohstoffen in der jeweiligen Mischung eingesetzt werden kann. Hierzu wird die Binarvariable S^^^ eingefuhrt, die angibt, ob Rohoder Hilfsstoff r in Periode t zur Produktion von Sinter fiir die Roheisensorte p eingesetzt wird oder nicht. SchlieBlich wird in (3.78) die Nichtnegativitat der Entscheidungsvariablen gefordert.
3.5.3.2
Implementierung des Ansatzes
Da die allgemeine Struktur des integrierten Entscheidungsunterstutzungssystems SCOPE, in dem der Ansatz zur Produktionsprogrammplanung implementiert wird, bereits in Abschnitt 3.2.4 vorgestellt wurde, werden an dieser Stelle lediglich die Spezifika der Implementierung in Bezug auf die Produktionsprogrammplanung erlautert. Die flir die Planung notwendigen Daten werden vollstandig durch die Grunddaten in SCOPE bereitgestellt. Im Rahmen der grafischen Benutzeroberflache ist es dem Nutzer moglich, sich Uber ein Formular die wesentlichsten Planungsparameter fiir die Produktionsprogrammplanung anzeigen zu lassen bzw. diese zu verandern. Links zu weiteren Formularen ermoglichen den Zugriff auf Grunddaten, wie etwa die Sinterspezifikationen oder allgemeine Planungs-
126
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
parameter. Abbildung 3-22 zeigt das genannte Formular. Der Start eines Optimierungslaufs erfolgt aus dem Formular heraus in zwei Schritten. Durch den Klick auf die Schaltflache „Include-Dateien erstellen" werden die fiir die Planung erforderlichen Daten aus der Datenbank ausgelesen und in Form der Eingabedatei scope-mps.inc geschrieben. Diese Datei kann anschlieBend angezeigt werden. Dies dient der Kontrolle der Planungsparameter vor Start des z. T. zeitintensiven Optimierungslaufs und soil Fehlplanungen verhindern. Durch Klick auf die Schaltflache „Optimierungslauf starten" wird die Stapelverarbeitungsdatei scope-mps.bat aufgerufen, die GAMS mit der Modelldatei scope-mps.gms und der Eingabedatei aufruft. Die GroBe des durch GAMS aufgebauten Modells und damit indirekt auch die fiir die Losung benotigte Zeit ist im Wesentlichen abhangig von der Anzahl der betrachteten Perioden, Rohstoffe und Roheisensorten. Nach erfolgter Berechnung kann die erzeugte Datei angezeigt Oder in SCOPE eingelesen werden und steht fiir Berichte und weitere Auswertungen zur Verfiigung. Das Ergebnisformular, in dem die Ausgabe erfolgt, ist in Abbildung 3-23 dargestellt. Im folgenden Abschnitt wird der entwickelte und implementierte Planungsansatz exemplarisch angewandt.
Abbildung 3-22: Screenshot der Benutzermaske zur Produktionsprogrammplanung
KAPITEL3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
127
Abbildung 3-23: Screenshot des Ergebnisformulars zur Produktionsprogrammplanung
3.5.4 Anwendung des Ansatzes zur simulationsgestutzten Produktionsprogrammplanung Es ist Ziel dieses Abschnitts, den in den vorangegangenen Abschnitten entwickelten und implementierten Ansatz zur Produktionsprogrammplanung exemplarisch anzuwenden. Zunachst werden in einem Basisszenario grundlegende Ergebnisse der Produktionsprogrammplanung dargestellt und analysiert. Im Rahmen einer Szenarioanalyse werden anschliefiend die Auswirkungen von Parametervariationen der Stoffflusskosten naher untersucht.
3.5.4.1
Definition der Planungsszenarien
Ausgangspunkt der Modellanwendung ist ein auf Basis realistischer Parameterwerte erstelltes Basisszenario.^^ Es wird eine Planung fur den Zeitraum eines Jahres, d. h. von 52 Perioden mit einer Lange von jeweils sieben Tagen fiir die in Tabelle 3-7 dargestellten sechs Grundtypen von Roheisensorten mit den angegebenen Parametem durchgefuhrt. Es handelt sich hierbei um Standardroheisen mit unterschiedlichen Siliziumgehalten, ein chromhaltiges
Diesem Basisszenario liegt eine reale Parameterkonstellation aus der industriellen Praxis zugrunde. Daher werden die monetaren GroBen in Geldeinheiten (GE) bzw. bei Parametervariationen in relativen Anderungen angegeben.
128
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
Roheisen mit niedrigem Siliziumgehalt, das Okoroheisen genannt wird und ein phosphorhaltiges Roheisen, so genanntes Phosphorroheisen, ebenfalls mit niedrigem Siliziumanteil.
Tabelle 3-7: Roheisensorten, -preise und Absatzmengen im Basisszenario^^ Preis
Maximale Absatzmenge [t/a]
1,00
100
18.880
1,5-2,5
2,00
96
47.200
13.500
Standardroheisen
2,5-3
2,75
99
89.680
33.100
Standardroheisen
3-4
3,50
103
51.920
18.100
Okoroheisen
0,2-1,5
1,00
89
84.960
31.200
Phosphorroheisen
0,2-3,5
1,00
117
18.880
5.500
311.520
106.320
Roheisensorte
Si-Gehalt [Gew.-%]
Standardroheisen
0,2-1,5
Standardroheisen
Si-Gehalt eingestellt [Gew.-%]
Summe
minimale Absatzmenge [t/a]
4.920 1
Als weitere Datengrundlage fUr die Berechnungen werden die 54 Rohstoffe aus der Rohstoffdatenbank des Untemehmens verwendet, die in den vergangenen Jahren die mengenmaBig groBten Anteile ausmachten. Es wird unterstellt, dass das Untemehmen im Bezug der Rohstoffe vollkommen frei ist, d. h. alle Rohstoffe in ausreichender Menge vorhanden sind und keine Abnahme- bzw. Verwertungsverpflichtungen ftir Rohstoffe vorUegen. Die Basis der Mischungen stellt eine Feinerzsorte dar, die zu mindestens zehn Prozent in den Mischungen einzusetzen ist. Als weitere Parametervorgaben werden analog zur Betriebspraxis die in der folgenden Tabelle 3-8 dargestellten Werte verwendet.
^ Wie in Abschnitt 3.1.1.3 beschrieben, werden im betrachteten Produktionssystem acht Grundtypen von Roheisensorten unterschieden. Fiir dieses Basisszenario werden diese zu sechs Sorten zusammengefasst. Eine Einteilung in acht Sorten wiirde fiir das Standardroheisen zu einer weiteren Differenzierung hinsichtlich des Siliziumgehaltes fuhren. Diese Klassen besaBen jedoch z. T. Absatzmengen unter der GroISe einer Kampagne und werden daher mit anderen Klassen zusammengefasst.
KAPITEL 3
129
SIMULATIONSGESTOTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
Tabelle 3-8: Wesentliche Planungsparameter der Produktionsprogrammplanung Planungsparameter
Wert
Parameter Aufgabemischung (netto) - min. Kohlenstoffgehalt
5,00 Gew.-% 6,00 Gew.-%
- max. Kohlenstoffgehalt 1 - max. HgO-Gehalt
13,00 Gew.-%
- max. Cl-Gehalt
0,22 Gew.-%
Parameter Sinter -Basizitat(x^:,/x;:)
0,92
- min. Anteil Schlackebildner (x^ + C )
13,00 Gew.-%
- max. Anteil Schlackebildner {x'^^^ +x2 )
17,00 Gew.-%
Weitere Grundlage bilden die chemischen Spezifikationen der Sintersorten. Es kommen drei unterschiedliche
Sintersorten
zum
Einsatz:
Standardsinter
(E-Sinter)
fUr
die
Standardroheisensorten, Okosinter fur das Okoroheisen und Phosphorsinter fiir das Phosphorroheisen. Wie in Tabelle 3-9 dargestellt, unterscheiden sich die chemischen Spezifikationen der Sintersorten lediglich hinsichtlich der minimalen und maximalen Anteile von Chrom und Phosphor. Die Ergebnisse der Planungen und die Wirtschaftlichkeit des Prozesses sind von der Situation auf den Rohstoff- und Absatzmarkten abhangig. Die Preise fiir die Rohstoffe zur Metallerzeugung sind in den vergangenen Jahren stark angestiegen (vgl. z. B. (Wagner und Wellmer, 2004), (Ameling, 2004)). Besonders hiervon betroffen war das Reduktionsmittel Koks. Beispielsweise stieg der durchschnittUche Preis fiir chinesischen Koks^^ von 55 $/t 1999 auf 70 $/t im Jahr 2002 und ca. 114 $/t im Jahr 2003. Im Jahr 2004 waren 470 $/t zu zahlen. Mittelfristig wird mit einer Stabilisierung auf Preise im Bereich von 180 - 200 $/t gerechnet (vgl. (Kasperczyk, 2004)). Allerdings ist diese keineswegs als gesichert anzusehen, da sie insbesondere von der weiteren Exportpolitik Chinas, etwaigen Kapazitatszubauten und der Nachfragesituation abhangig ist. Zu den Kokspreisanstiegen kommen aktuell auch Verteuerungen des Erzpreises, fiir den im Jahr 2005 Untemehmen wie z. B. die Nippon Steel Corporation und Arcelor S.A. Preissteigerungen von mehr als 70 % akzeptiert haben (vgl. (NSC, 2005), (HB, 2005a)). Da Erz im Referenzuntemehmen als Basis der Sintermischung
12,5 %Asche, FOB China.
130
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
verwendet wird, sind auch diese Schwankungen bedeutsam, wenngleich im Vergleich zu Untemehmen, die hauptsachlich auf Basis von Primarrohstoffen arbeiten, in einem deutlich geringerem Mafie. Ausschlaggebend fiir die Wirtschaftlichkeit der Produktionsprozesse in der Eisen- und Stahlindustrie ist, inwieweit diese Verteuerungen an Kunden (Roheisenkaufer) und Lieferanten der zu verwertenden Reststoffe weitergegeben werden konnen. Zielsetzung der im Folgenden definierten fiinf Szenarien und durchgefuhrten Berechnungen ist es daher, exemplarisch die Auswirkungen verschiedener Parametervariationen der Reduktionsmittel-, Erz-, Roheisen- und Verwertungspreise zu analysieren.
Tabelle 3-9: Chemische Spezifikationen der Sintersorten Stoffstromkomponente
Norma Isinter
Phosph orsinter
Okos inter min. [Gew.-%]
max. [Gew.-%]
min. [Gew.-%]
max.
min. [Gew.-%]
max. [Gew.-%]
Fe
52
58
52
58
52
58
Zn
0
3
0
3
0
3
NBZO
0
0,35
0
0,35
0
0,35
K2O
0
0,3
0
0,3
0
0,3
CaO
0
10
0
10
0
10
Si02
0
11
0
11
0
11
AI2O3
0
1,7
0
1,7
0
1,7
MgO
0
1,4
0
1,4
0
1,4
Mn
0
1
0
1
0
1
P
0
0,062
0
0,062
0,39
0,7655
Pb
0
1
0
1
0
1
Cr
0
0,06
0,3
0,5
0
0,06
[Gew.-%] 1
Szenario I folgt den jUngeren, auf der Rohstoff- und der Absatzseite ungunstigen Veranderungen. Es wird angenommen, dass sich das im Prozess eingesetzte Erz um 70 % verteuert. Zudem wird unterstellt, dass es zu weiteren Kokspreissteigerungen in Hohe von 50 % kommt. Die Verwertungspreise fiir die Reststoffe werden als konstant angenommen, was sich zum Beispiel durch die derzeit vergleichsweise niedrigen Deponiepreise erklaren lieBe. In diesem Szenario wird zudem unterstellt, dass sich eine 35-prozentige Erhohung der Roheisenpreise mit der Begriindung der Rohstoffpreisanstiege am Markt durchsetzen UeBe.
KAPITEL 3
131
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
In Szenario II wird von einer moderateren Entwicklung ausgegangen. Es wird eine 40-prozentige Verteuerung des eingesetzten Erz angenommen. Hinsichtlich des Kokspreises wird davon ausgegangen, dass dieser unverandert auf dem vergleichsweise hohen Niveau des Basisszenarios bleibt. Fiir die Roheisenpreise wird wiederum eine Erhohung urn 35 % fur moglich gehalten. Zusatzlich ist eine Erhohung der Verwertungspreise um 10 % durchsetzbar. Das Szenario III unterstellt einen nochmals geringeren Anstieg des Erzpreises (25 %) bei einem riicklaufigen Kokspreis (-25 %). Der Kokspreis entsprache dabei in etwa dem o. g. Wert bei einer mittelfristigen Entspannung. Es wird wieder eine unter den Rahmenbedingungen vergleichsweise hohe Preissteigerung fiir die Roheisensorten in Hohe von 20 % angenommen. Hinsichtlich der Rohstoffverwertung wird ebenfalls eine gunstige Entwicklung in Form einer Steigerung von 25 % vorausgesetzt. Szenario IV stellt eine Situation dar, wie sie vor den groBen Preisanstiegen Mitte bis Ende 2002 auf den Rohstoff- und Absatzmarkten anzutreffen war. Im Vergleich zum Basisszenario ist der Erzpreis um 30 % verringert. Der Kokspreis betragt 50 % des im Basisszenario zugmnde gelegten Preises und die Annahmepreise der weiteren Rohstoffe werden um 15 % verringert. Ebenfalls um 50 % reduziert sind die Roheisenpreise. Die ubrigen Planungsparameter bleiben mit Ausnahme der Mindestproduktionsmengen gegeniiber dem Basisszenario unverandert. Auf letztere wird in den vier Szenarien verzichtet, um die Freiheitsgrade der Optimierung zu erhohen. Die folgende Tabelle 3-10 fasst die Annahmen der vier Szenarien zusammen:
Tabelle 3-10: Parameterveranderungen im Vergleich zum Basisszenario ^^^^^^enario Parameter
Szenario 1
Szenario II
Szenario III
Szenario IV
^ ^ ^ ^ ^
Erzpreis
+ 70 %
+ 40 %
+ 25 %
-30%
Kokspreis
+ 50 %
±0%
- 25 %
-50%
Ubrige Rohstoffpreise
±0%
+ 10%
+ 20 %
-15%
Roheisenpreise
+ 35 %
+ 35 %
+ 20 %
-50%
132
3.5.4.2
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
Exemplarische Ergebnisse der Modellanwendung
Im Folgenden werden die unter Vorgabe der angefiihrten Parameter erzielten Ergebnisse dargestellt. Aus Griinden der Ubersichtlichkeit und um Redundanzen zu vermeiden, werden an dieser Stelle hauptsachlich die fiir die Produktionsprogrammplanung spezifischen Ergebnisse betrachtet und auf detaillierte Betrachtungen beispielsweise der chemischen Zusammensetzungen der Aufgabemischung und des Sinters verzichtet. Diese Betrachtungen finden im Rahmen der Anwendung des im Abschnitt 3.6 entwickelnden Modells zur Materialeinsatzplanung statt, das auf den gleichen Formeln zur Abbildung der Input-OutputBeziehungen basiert. Da sich diese Betrachtungen auf die nahezu gleichen Parameterkonstellationen beziehen, sind die Ergebnisse Ubertragbar. An dieser Stelle werden zunachst die Ergebnisse des Basisszenarios naher betrachtet, bevor auf die durch die Parametervariationen in den Szenarien I bis IV hervorgerufenen Auswirkungen eingegangen wird. Im Basisszenario berechnet der Optimierungslauf die in Abbildung 3-24 dargestellten optimalen Produktionsmengen an Roheisen. Wahrend fiir die ubrigen Roheisensorten nahezu die maximale Absatzmenge erreicht wird, betragt die Produktionsmenge fiir das Standardroheisen mit 2 % Silizium nur etwas mehr als die Mindestproduktionsmenge. Auch beim Okoroheisen wird die maximale Produktionsmenge nicht erreicht. Die beiden genannten Roheisensorten scheinen demnach hinsichtlich ihres spezifischen Deckungsbeitrags den ubrigen Roheisensorten unterlegen zu sein. Der Zielfunktionswert (Deckungsbeitrag) setzt sich aus den in Abbildung 3-29 dargestellten Kosten und Erlosen zusammen. Den mit Abstand groBten Anteil der Kosten macht das Reduktionsmittel (Koks) aus (ca. 98 %). Kosten fiir Braunkohlekoks und Kalkmilch an der Abgasreinigungsanlage und die Kosten fUr die Deponierung des EGR-Staubs und des Ruckstands aus der Abgasreinigungsanlage hingegen betragen jeweils nur ca. 0,5 bis 0,75 % der Gesamtkosten. Bin ahnliches, jedoch abgeschwachtes Bild zeigt sich hinsichtlich der Zusammensetzung der Erlose. Zu knapp 80 % entstammen diese im Basisszenario aus dem Roheisenverkauf, zu ca. 16 % aus dem Rohstoffeinsatz auf der Sinteranlage und lediglich zu etwas mehr als 4 % aus den Kuppelprodukten des Hochofens, in denen das Zinkkonzentrat und der produzierte Strom einen positiven, Schlacke und Grobstaub einen negativen Ergebnisbeitrag liefem. Der Anteil des Rohstoffeinsatzes an der Sinteranlage erscheint auf den ersten Blick relativ gering, jedoch stiinden diesen Erlosen Kosten in gleicher
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
133
GroBenordnung gegeniiber, wenn der Prozess auf Basis von Primarrohstoffen betrieben wUrde.
Abbildung 3-24: Produktionsmengen der Roheisensorten im Basisszenario
Abbildung 3-25: Ergebnisse hinsichtlich der Kosten- und Erlosstruktur im Basisszenario
Hinsichtlich der in den Szenarien I bis IV zu produzierenden Roheisenmengen fiihrt die Optimierung zu den in der nachfolgenden Abbildung 3-26 dargestellten Ergebnissen. Auffallig ist, dass es in den Szenarien lediglich geringe Verschiebungen von Produktions-
134
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
mengen zwischen den Roheisensorten gibt und sich diese auf das Basisszenario und das Szenario IV beschranken, wahrend die Szenarien I bis III zu den gleichen Produktionsmengen gelangen. Zum einen wird gegenliber dem Basisszenario in den Szenarien I bis III die Produktionsmenge an Standardroheisen mit 2 % Silizium bis zum Maximum erhoht und lediglich die ubrig gebliebene Kapazitatsmenge fur die Produktion von Okoroheisen eingesetzt. In Szenario IV hingegen wird die maximal mogliche Produktionsmenge an Okoroheisen produziert. Hierfur wird die Produktion des Standardroheisens mit 2 % Silizium eingestellt und die des Standardroheisens mit 2,75 % um vier Perioden (ca. 18.700 t) verringert. Die Verschiebungen der Produktionsmengen zwischen dem Standardroheisen mit 2 % und dem Okoroheisen sind dadurch zu erklaren, dass sich die Roheisenpreise der beiden Sorten um lediglich 7 % unterscheiden. Im Basisszenario wird dieser Unterschied durch den geringeren Reduktionsmittelverbrauch des Okoroheisens kompensiert. Dies andert sich durch die Roheisenpreissteigerungen in den Szenarien I bis III und verursacht die Verschiebungen. Mit den Verringemngen der Roheisenpreise in Szenario IV hingegen kommt es zu dem umgekehrten Effekt. Die Mindestproduktionsmenge des Standardroheisens mit 2 % Silizium fallt weg und auch die Produktionsmengen des Standardroheisens mit einem Siliziumgehalt von 2,75 % werden verringert.
Abbildung 3-26: Produktionsmengen in den betrachteten Szenarien im Pianungszeitraum
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
135^
Bei der vergleichenden Betrachtung der in Abbildung 3-27 dargestellten okonomischen Ergebnisse fur flinf Szenarien ist zunachst bemerkenswert, dass in den Szenarien I bis III trotz der z. T. erheblichen Verteuerung von Erz und Koks der Zielfunktionswert (Deckungsbeitrag) steigt. Dieser Anstieg ist in Szenario I zwar mit ca. 7,5 % im Vergleich zu den Szenarien II und III relativ gering, dennoch reicht die 35 %-ige Preiserhohung des Roheisens aus, um die Erhohung des Erz- und des Kokspreises um 70 bzw. 50 % zu uberkompensieren. Die Rahmenbedingungen des Szenarios IV hingegen fuhren zu einer sehr groBen Verringerung des Deckungsbeitrags um fast 35 %. Auch hierfiir sind in erster Linie die, in diesem Fall deutlich niedrigeren, Roheisenpreise verantwortlich. Die Verringerung der Kosten fiir das Reduktionsmittel sowie die Erhohung der Erlose fiir Rohstoffe an der Sinteranlage und des positiven Ergebnisbeitrags der Kuppelprodukte am Hochofen konnen diese verringerten Erlose nicht ausgleichen.
Abbildung 3-27: Veranderungen Basisszenario
der
Zielfunktionsbestandteile
im
Vergleicli
zum
Die Tabellen 3-11 und 3-12 geben die Input- und Outputstoff- und -energiestrome der berechneten Szenarien wieder. Im Vergleich zu den in Abschnitt 3.1.1 dargestellten realen Mengen fiir ein Jahr sind die berechneten Input- und Outputmengen an Nettomischung, Sinter und Roheisen hoher. Dies ist auf die im Praxisbetrieb vorkommenden (Teil-)Stillstande an Sinteranlage und Hochofen durch notwendige Wartungsarbeiten sowie Betriebsstorungen und u. U. notwendige Reparaturarbeiten zuriickzufiihren, die im Modell keine Beriicksichtigung
136
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
finden. Da diese Stoffstrome groBer und die weiteren Input- und Outputstrome an diese gekoppelt sind, ist ein Vergleich mit realen Betriebsdaten auf Basis spezifischer GroBen sinnvoll. Dieser wird fiir den zu entwickelnden Ansatz zur Materialeinsatzplanung ausfuhrlich in Abschnitt 3.6.4.2 vorgenommen. Da diesem Ansatz die gleichen Foraieln fiir Input-OutputZusammenhange zugmnde liegen und sich die Ergebnisse nur marginal unterscheiden, werden aus Platzgriinden und um Wiederholungen zu vermeiden, an dieser Stelle die Szenarien untereinander verglichen und auf einen detaillierten Vergleich mit den Betriebsdaten verzichtet. Wahrend sich die Gesamtmenge des herzustellenden Roheisens kaum verandert, und somit hauptsachlich die Preisanderungen fiir das Roheisen die Veranderungen an den Erlosen verursachen, ergeben sich fUr die ubrigen Zielfunktionskomponenten auch durch Veranderung der Input- und Outputmengen sowie -zusammensetzungen Auswirkungen. In Tabelle 3-11 sind zunachst die ein- und ausgehenden Stoffstrome der Sinteranlage dargestellt. Hier kommt es zu Schwankungen hinsichtlich des Anfalls an EGR-Staub, des Einsatzes von Kalkmilch und des Anfalls an AGRA-Ruckstand, die zwar im Szenario I Auswirkungen von bis zu ca. 20 % auf die Kosten- bzw. Erloskomponente in der Zielfunktion hervorrufen, jedoch auf den Zielfunktionswert nach wie vor nur untergeordneten Einfluss besitzen. Zuriickzufiihren sind die Veranderungen des Kalkmilcheinsatzes und des AGRA-Ruckstands in Szenario I auf einen deutlich geringeren Schwefelgehalt in der Aufgabemischung der Sinteranlage (vgl. Tabelle 3-13).
Tabeile 3-11:
Input- und Outputstoffstrome des Sinteranlagenbetriebs in den Szenarien Szenario III
Szenario IV
Basisszenario
Szenario 1
Szenario II
491.400
491.400
491.400
491.400
491.400
1.620
1.068
1.589
1.647
1.607
590
590
590
590
590
Input Nettomischung [t] Kalkmilch [t] Herdofenkoks [t] Output 398.034
398.034
398.034
398.034
398.034
EGR-Staub [t]
2.073
2.140
2.048
2.041
2.098
AGRA-Ruckstand [t]
3.880
2.832
3.926
4.048
3.964
Sinter
Im Hochofenbetrieb sind es vor allem der Reduktionsmittelverbrauch, die Staube (Grob- und Feinstaub) und die erzeugte Menge an elektrischem Strom, die in den Szenarien in groBerem
KAPITEL 3
137
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
Umfang variiert werden und damit die Verandemngen der ZielfunktionsgroBen verursachen. Im Falle des Reduktionsmittelverbrauchs gehen die Veranderung der ZielfunktionsgroBen allerdings auf die Verandemngen des Kokspreises und - als Reaktion darauf - des Koksinput in den Hochofen zurlick: Wahrend bei dem Kokspreisanstieg in Szenario I der Koksinput verringert wird, steigt dieser in den Szenarien II und III, in denen der Kokspreis konstant bleibt bzw. verringert wird und sich die anderen EinflussgroBen (mit Ausnahme des Erz) positiv verandem. Die leichte Verringerung in Szenario IV ist auf das ungunstigere Verhaltnis des Kokspreises zu den Roheisenpreisen zurtickzufiihren, dass sich durch die Reduktion dieser GroBen um jeweils 50 % ergibt. Die Input- und Outputstoffstrome des Hochofenbetriebs sind in Tabelle 3-12 dargestellt.
Tabelle 3-12:
Input- und Outputstoffstrome des Hochofenbetriebs in den Szenarien Basisszenario
Szenario 1
Szenario II
Szenario III
Szenario IV
Input Sinter [t]
398.034
398.034
398.034
398.034
398.034
Koks[t]
156.670
150.704
156.913
157.163
156.581
Roheisen [t]
242.064
242.410
242.410
242.410
241.534
Schlacke[t]
133.670
132.661
130.514
130.439
137.540
Grobstaub[t]
9.050
8.539
8.969
8.987
9.185
Feinstaub [t]
8.975
7.440
8.729
8.782
9.389
46.842
43.164
46.271
46.396
47.796
1 Output
Strom [MWh]
Durch die niedrigeren Anfallmengen an Feinstaub und Strom in den Szenarien I bis III ergeben sich die Verringerungen der Erlose durch die Kuppelprodukte am Hochofen. Diese werden nicht durch die ebenfalls geringeren Anfallmengen an Schlacke und Grobstaub ausgeglichen. Ein vollkommen anderes Bild zeigen die Anfallmengen der Kuppelprodukte am Hochofen in Szenario IV, in dem es zu einer entsprechenden moderaten Erhohung des positiven Ergebnisbeitrags kommt. Die durchschnittlichen Zusammensetzungen der Aufgabemischung und des Sinters sind in Tabelle 3-13 und Tabelle 3-14 dargestellt. Die wesentlichsten Anderungen im Vergleich zu den Durchschnittswerten aus dem Jahr 2002 (vgl. Tabelle 3-2 und Tabelle 3-3) sind der jeweils
hohere
Eisen- und der deutlich
geringere Zinkgehalt.
Dies legt zwei
Schlussfolgerungen nahe: Zum einen ist eine Steigerung der Roheisenausbringung durch eine
138
SIMULATIONSGESTGTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
Erhohung des Fe-Anteils in der Aufgabemischung und dadurch auch im Sinter von Vorteil. Zum anderen ist die bislang eingestellte Zinkkonzentration im Sinter unter den gegebenen Voraussetzungen (Vergtitung fiir die Verwertung, Erlos fiir das Zinkkonzentrat und Reduktionsmittelpreis) nicht (mehr) lohnend. Eine deudiche Reduzierung scheint hier vorteilhaft.^^'^^ Auf die Veranderungen der chemischen Zusammensetzung der Aufgabemischung an der Sinteranlage und dadurch auch in der Sinterzusammensetzung sind die Veranderungen der Stoff- und Energiestrome in den Szenarien zurtickzufiihren. Neben den bereits genannten Unterschieden hinsichtlich des Schwefelgehalts in Szenario I konnen unterschiedliche
Zinkgehalte
als HaupteinflussgroBen
identifiziert
werden.
Diese
sind
hauptsachlich in Folge der zugrunde liegenden Regressionsgleichungen fiir die unterschiedlichen Koksverbrauche und Anfallmengen an Grob- und Feinstaub sowie Strom verantwortlich. Die weiteren EinflussgroBen hierauf, beispielsweise die Gehalte an Si02 und CaO, variieren in deutlich geringerem Ma6e. Die Veranderung des Chromanteils im Basisszenario und in Szenario IV ist auf die Veranderung des Produktionsprogramms beztiglich des chromhaltigen Okoroheisens zurUckzufuhren.
Tabelle3-13:
Durchschnittliche Zusammensetzung der Aufgabemischung in den Szenarien
Szenario
H2O
Fe
Mn
P
Zn
Pb CaO MgO Si02 AI2O3 Cr
s
NazO K2O CI
C
Basisszenario 13,00 54,11 0,55 0,11 1,78 0,12 5,68 0,72 6,16 0,97
0,10 0,42 0,35 0,26 0,22 5,00
Szenario 1
13,00 54,11 0,56 0,11 1,10 0,14 5,60 0,68 6,08 1,22
0,07 0,28 0,36 0,29 0,22 5,00
Szenario II
13,00 54,12 0,54 0,11 1,67 0,12 5,64 0,68 6,12 0,93
0,07 0,42 0,36 0,26 0,22 5,00
Szenario III
13,00 54,12 0,54 0,11 1,69 0,11 5,64 0,67 6,12 0,92
0,07 0,43 0,36 0,26 0,22 5,00
Szenario IV
13,00 54,10 0,55 0,11 1,97 0,13 5,73 0,76 6,22 0,98
0,12 0,42 0,34 0,26 0,22 5,00
Weitergehende Untersuchungen zu den technischen und okonomischen Auswirkungen des Zinkgehalts im Sinter werden in Abschnitt 3.6.4.4 durchgefuhrt. Die erhohten Anteile fiir Phosphor und Chrom sind darauf zurtickzufiihren, dass - anders als fiir die durchschnittlichen Analysen in Tabelle 3-2 und Tabelle 3-3 - auch Oko- und Phosphorsinter in die Betrachtungen eingehen.
KAPITEL 3
Tabelle 3-14: Szenario
139
SiMULATIONSGESTUTZTE PRODL KTIONS PLANUMG
Durchschnittliche Zusammensetzung des Sinters in den Szenarien Fe
Mn
P
Zn
Pb
CaO
MgO Si02
AI203
Cr
Na20
K20
Basisszenario
58,00
0,59
0,11
1,94
0,01
6,30
1,06
0,10
0,34
Szenario 1
58,00
0,60
0,11
1,26
0,02
6,23
0,76
6,77
1,31
0,07
0,35
0,20
Szenario II
58,00
0,59
0,11
1,83
0,01
6,26
0,76
6,80
1,02
0,07
0,35
0,18
0,80
6,85
0,18
Szenario III
58,00
0,58
0,11
1,85
0,01
6,26
0,75
6,80
1,01
0,07
0,35
0,18
Szenario IV
57,99
0,59
0,11
2,13
0,01
6,35
0,84
6,91
1,07
0,12
0,33
0,18 1
Die Ergebnisse der genannten und weiterer Variablen werden von dem Entscheidungsunterstutzungssystem fur die einzelnen betrachteten Kampagnen und Roheisensorten gegliedert ausgegeben. Aus Platzgrlinden wird in dieser Arbeit die aggregierte Darstellungsweise gewahlt. Bemerkenswert hinsichtlich der kampagnen- und roheisenbezogenen
Auf-
schlusselung der Ergebnisse ist jedoch, dass, ohne dass dies in einer Nebenbedingung gefordert wurde, fur die einzelnen Standardroheisensorten identische Sintermischungen berechnet werden. Hierfur ist die Dominanz der Kosten fiir Reduktionsmittel und die besondere Vorteilhaftigkeit bestimmter Rohstoffe (vgl. hierzu auch Abschnitt 3.6.4) als verantwortlich anzusehen. Die Hauptauswirkung der hoheren Temperatur im Unterofen zur Produktion von Roheisensorten mit einem hoheren Silizium-Gehalt ist ein erhohter Koksverbrauch. Der auBerst groBe Anteil der Reduktionsmittel auf der Kostenseite sorgt jedoch scheinbar dafiir, dass auch fiir diejenigen Roheisensorten mit geringerem Siliziumgehalt eine Minimierung des Reduktionsmittelbedarfs angestrebt wird. In den betrachteten Szenarien wird die Abhangigkeit des Referenzuntemehmens von den Veranderungen der Stoffflusskosten deutlich. Hierfur sind insbesondere die Einflusse der Roheisen- und Kokspreise bestimmend. Dagegen senkt der Preis fiir das verwendete Feinerz zwar durch den vorgegebenen Mindesteinsatz die Erlose fiir die an der Sinteranlage eingesetzten Rohstoffe, dies spielt jedoch erwartungsgemaB fiir das Untemehmen eine untergeordnete Rolle. Die Veranderungen des Roheisenpreises mit Ausnahme der durch die Verschiebung der Produktionsmengen einzelner Roheisensorten verursachten Produktionsmengenanderungen spiegeln sich jeweils nahezu exakt in den entsprechenden Erlosen wider. Dies deutet darauf hin, dass bei Variationen in der Bandbreite der betrachteten Szenarien stets eine maximale Produktion an Roheisen der jeweiligen Sorten Bestandteil der optimalen Losung ist. Anders verhalt es sich mit der einzusetzenden Koksmenge. Es kommt zu Schwankungen der Einsatzmengen vor allem durch die in den Szenarien geanderten Konzentrationen des Zinks im Sinter. Durch die Parametervariationen verschiebt sich die
140
SIMULATIONSGESTOTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
optimale Zinkkonzentration in der Aufgabemischung der Sinteranlage und im Sinter. Da die weiteren den Zinkgehalt beeinflussenden GroBen, der Preis des Zinkkonzentrats und der des erzeugten Stroms, als konstant angenommen wurden und zudem die Rohstoffpreise jeweils pauschal verandert werden, verbleibt einzig der Kokspreis als fur diese Veranderungen verantwortliche GroBe. Aufgrund ihres vergleichsweise geringen Einflusses auf den Zielfunktionswert sind die Veranderungen der ubrigen Kosten- bzw. Erloskomponenten als durch die genannten Haupteinflusse determiniert anzusehen.
3.5.5 Schlussfolgerungen aus Entwicklung und Anwendung des Ansatzes zur simulationsgestutzten Produktionsprogrammplanung Zielsetzung des Abschnitts 3.5 ist es, gestlitzt auf die mittels verfahrenstechnischer Prozesssimulation und Regressionsrechnungen bestimmten Input-Output-Funktionen fiir den Sinteranlagen- und den Hochofenbetrieb ein problemadaquates Modell zur Produktionsprogrammplanung im Referenzuntemehmen zu entwickeln, zu implementieren und exemplarisch anzuwenden. Existierende Ansatze zur Produktionsprogrammplanung im Allgemeinen und im Speziellen in der Eisen- und Stahlindustrie erfullen die Anforderungen hinsichtlich einer adaquaten Abbildung der chemischen Spezifikationen und der anfallenden Mengen der einund ausgehenden Stoff- und Energiestrome, hinsichtlich des Planungshorizonts und der Berechenbarkeit nur bedingt. Trotz der Fiille an existierenden Arbeiten ist keiner der betrachteten Ansatze direkt auf die Problemstellung Ubertragbar. Viele der Arbeiten sind Lehrbeispiele oder beschaftigen
sich mit spezifischen Anwendungsfallen, die eine
Ubertragung erschweren. Wesentlichster Kritikpunkt ist jedoch eine meist nur rudimentar vorhandene Abbildung stofflicher Charakteristika, die fiir den vorliegenden Fall jedoch von entscheidender Bedeutung ist. Nur Uber die adaquate Abbildung der durch die chemische Zusammensetzung hervorgerufenen Effekte hinsichtlich der Vergutung fiir die Verwertung von Reststoffen und der Auswirkungen auf Zusammensetzung und Menge der anfallenden Stoffstrome konnen geeignete Produktionsprogramme fiir das Untemehmen bestimmt werden. Auf Basis der in den Regressionsrechnungen fiir die chemischen Spezifikationen und Stoffstrommengen bestimmten Gleichungen wird daher ein eigenes Modell zur stoffstrombasierten, mehrstufig-mehrperiodigen
Produktionsprogrammplanung als gemischt-ganz-
zahliges lineares Programm unter der Zielsetzung der Maximierung des Gesamtdeckungsbeitrags formuliert und als ein Modul innerhalb des Entscheidungsunterstiitzungssystems SCOPE implementiert.
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
141_
Die exemplarische Anwendung dieses Entscheidungsunterstutzungssystems zeigt plausible und nachvollziehbare Ergebnisse, die auf eine adaquate Abbildung der Prozesse schlieBen lassen. HaupteinflussgroBen auf den Zielfunktionswert sind auf Seiten der Erlose der Roheisenverkauf und erst in zweiter Linie die eingesetzten metallhaltigen Reststoffe. Eindeutig bestimmende GroBe auf der Kostenseite ist der Demzufolge
weisen die Aufgabemischung
Reduktionsmittelbedarf.
und die Sinterzusammensetzung
einen
vergleichsweise hohen Eisenanteil auf, wahrend der Zinkgehalt aufgrund des groBen Einflusses auf den Koksverbrauch deutlich geringer eingestellt wird als bislang in der Betriebspraxis ublich. Die berechneten funf Szenarien zeigen, dass das Untemehmen durchaus in der Lage ist, auch bei den sich verknappenden Primarrohstoffen Koks- und Feinerz und damit einhergehenden Preissteigerungen, eine Ergebnisverbesserung hinsichtlich des Deckungsbeitrags zu erzielen. Wesentlichstes Kriterium hierfur ist, dass ein Ausgleich der Veranderungen auf der Kostenseite, vor allem bezogen auf den Reduktionsmittelpreis, durch Steigerungen auf der Erlosseite gelingt. Durch die relativ geringe Menge an einzusetzendem Feinerz ist das Untemehmen von dieser GroBe jedoch weitgehend unabhangig und kann von etwaigen Preiserhohungen von Konkurrenten profitieren, die ihre Prozesse weitgehend auf Basis von Feinerz betreiben. Deutlich wird auch, dass die Veranderungen hinsichtlich des Roheisenpreises, trotz des deutlich gestiegenen Kokspreises, auBerst positive Effekte auf den erzielbaren Gesamtdeckungsbeitrag des Untemehmens gehabt haben. Fur die Produktionsprogrammplanung steht somit flir das betrachtete Produktionssystem ein geeignetes Werkzeug zur Verfiigung, das die gestellten Anforderungen an eine adaquate Prozessabbildung, den Planungshorizont und die Berechenbarkeit erfullt. Neben dem Einsatz des entwickelten Systems in der Produktionsprogrammplanung kann dieses zudem auch wertvolle Entscheidungsunterstutzung hinsichtlich der langerfristigen Planungen zu Beschaffenheit und Menge der einzusetzenden Rohstoffe bieten. Neue Rohstoffe konnen ebenso leicht aufgenommen werden wie neue Sinter- oder Roheisensorten. Uber das flexible zeitlich Raster lassen sich problemlos detailliertere Planungen fiir kurzere Kampagnen und / oder kiirzere Planungszeitraume durchfuhren. Mit Hilfe von Szenarioberechnungen lassen sich Auswirkungen der kurz- und langerfristigen Entwicklungen auf den Rohstoff- und Absatzmarkten abschatzen und somit Strategien fiir eine Anpassung an diese Trends entwickeln. Hierzu zahlt z. B. eine Anpassung, d. h. Senkung der Zinkgehalte im Sinter in Folge der in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Kosten fiir Reduktionsmittel. Wird die Fahrweise der betrachteten Aggregate jedoch grundlegend geandert, konnen die eingesetzten
142
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
Input-Output-Funktionen ihre Gultigkeit verlieren. Es waren in diesem Fall eine emeute Kalibrierung oder evd. Anderungen der verfahrenstechnischen Modelle, erneute Regressionsrechnungen sowie Anpassungen der Koeffizienten in dem Optimierungsmodell erforderlich. Auch um etwaigen Bedarf fiir solche Anpassungen zu ermitteln oder ggf. aufzuzeigen, wenn die Vereinfachungen durch die zugrunde liegenden linearen Gleichungen zu zu groBen Abweichungen fiihren, wird im folgenden Abschnitt 3.6 fur den kurzfristigen Aufgabenbereich einer detaillierteren Materialeinsatzplanung ein Ansatz fiir einzelne Roheisenkampagnen entwickelt, der eine direkte Ruckkopplung mit den verfahrenstechnischen Prozessmodellen verwirklicht. Ein Aspekt, der bei den bisherigen und den in Abschnitt 3.6 folgenden Betrachtungen auBen vor bleibt, ist die Frage der zeidichen Einplanung der Kampagnen. In dem entwickelten Ansatz wird die Zuordnung einer Roheisensorte zu einer Periode ohne zeitUchen Bezug vorgenommen und die Einhaltung von Absatzrestriktionen und Lieferverpflichtungen durch die Vorgabe einzuhaltender Mindestabsatzmengen sichergestellt. Die ebenfalls notwendigen Fragestellungen der Ablaufplanung sind Gegenstand des Kapitels 4 und werden daher an dieser Stelle nicht weiter behandelt.
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
143_
3.6 Kombination von verfahrentechnischer Prozesssimulation und gemischt-ganzzahliger linearer Programmierung zur Materialeinsatzplanung Zielsetzung des vorliegenden Abschnitts ist die Modellentwicklung und exemplarische Anwendung flir die in Abschnitt 3.1.2 beschriebene Planungsaufgabe der Materialeinsatzplanung im Referenzuntemehmen. Bevor im Abschnitt 3.6.3 ein eigener stoffstrombasierter und simulationsgestutzter Ansatz flir den Referenzfall entwickelt und in dem darauf folgenden Abschnitt dessen exemplarische Anwendung beschrieben wird, folgt zunachst eine detaillierte Darstellung des Entscheidungsfeldes und der daraus resultierenden Anforderungen an das zu entwickelnde Modell. Anhand eines Uberblicks iiber existierende Modelle und Methoden zur Materialeinsatzplanung wird gepriift, inwieweit bestehende Arbeiten fiir einen Einsatz im betrachteten Referenzfall verwendet werden konnen.
3.6.1 Entscheidungsfeld und Anforderungen an die Modellentwicklung Aufbauend auf und teilweise abweichend von den in der Produktionsprogrammplanung ermittelten zu produzierenden Roheisensorten, -mengen und Zusammensetzungen sind auf kurzfristiger Ebene Planungen der einzusetzenden Rohstoffe fiir einzelne Kampagnen im Tages- bzw. Wochenbereich notwendig. Zum einen ist dies erforderlich, weil zum Nachweis der Verwertung von Reststoffen diese z. T. relativ kurzfristig im Prozess eingesetzt werden miissen. Dartiber hinaus andem sich im Laufe der Zeit teilweise die Spezifikationen der eingesetzten Materialien, beispielsweise durch Prozessveranderungen beim Lieferanten des Rohstoffes. Zudem konnen sich kurzfristig auch andere Planungsparameter, wie z. B. der Koks-, Zink- oder Roheisenpreis, verandem. Verschiedene eingesetzte Rohstoffe sind nur in kleinen Mengen verfugbar, so dass diese bei einer Betrachtung der groBen Mengen auf Kampagnenebene in der Produktionsprogrammplanung bislang nicht betrachtet wurden. Fiir den Einsatz im Prozess ist zusatzlich auch jeweils die tatsachliche Verfiigbarkeit der Materialien entscheidend. Auch diese kann kurzfristige weitere Planungen des Materialeinsatzes notwendig machen.
144
SIMULATIONSGESTGTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
Hieraus ergeben sich flir die Modellentwicklung die nachfolgend aufgeftihrten zentralen Anforderungen:^^ •
Der zu entwickelnde Planungsansatz soil Entscheidungsunterstlitzung bei der kurzfristigen Materialeinsatzplanung im Untemehmen leisten.
•
Fiir eine vorgegebene Roheisensorte ist die deckungsbeitragsmaximale Zusammenstellung von Rohstoffen zu einer Aufgabemischung auf der Sinteranlage zu bestimmen, die bei Sinterung einen zur Roheisensorte gehorenden Sinter vorgegebener Spezifikation erzeugt.
•
Dabei sind die durch Roheisenverkauf erzielbaren Erlose, die durch Anfall an Kuppelprodukten in der Gasreinigung der Sinteranlage sowie im Hochofen erzielbaren Erlose bzw. anfallenden Kosten sowie die durch Rohstoffeinsatz auf der Sinteranlage, im Hochofen sowie in den Gasreinigungen erzielbaren Erlose bzw. anfallenden Kosten stoffstrombasiert in die Betrachtungen mit einzubeziehen.
•
Die Planungen sind auf Kampagnenbasis, d. h. ftir Planungszeitraume im Tages- bzw. Wochenbereich durchzufiihren.
•
Den variablen
Kampagnenlangen
entsprechend
sind veranderliche
Planmengen
erforderlich. •
Die Planungslaufe haben auf Basis aktuell verfugbarer Lagerbestande stattzufinden.
•
Planungsergebnisse werden einerseits im Sekunden- bzw. Minutenbereich benotigt, miissen jedoch die zugrunde liegenden Prozesse auch technisch adaquat abbilden.
•
Fiir den Einsatz in der operativen Planung sind Aussagen hinsichtlich der GUte der Abbildung der technischen Prozesse notwendig.
•
Um das benotigte Grundgeriist an Erzeinsatz sowie die zwangsweise Verwertung bestimmter Reststoffe innerhalb vorgegebener Zeitraume verwirklichen zu konnen, sind Mindesteinsatzmengen notwendig.
•
Zur moglichen Begrenzung des Einsatzes von Rohstoffen im Allgemeinen sowie von bestimmten Rohstoffen
sind Hochsteinsatzmengen zu beriicksichtigen. Dies ist
insbesondere bei Reststoffen notig, die bestimmte, in dem Modell bislang nicht erfasste, ungunstige Eigenschaften, beispielsweise geringe Festigkeit oder kleine KomgroBe, aufweisen. •
Die Vorgabe sinnvoller bzw. notwendiger technischer Parameter bzw. Spezifikationen der einzelnen Stoffstrome, wie der Aufgabemischung oder des Sinters, muss moglich sein.
Zu Anderungen gegeniiber den Anfordeningen an die Produktionsprogrammplanung vergleiche Abschnitt 3.5.1.
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
145^
Beispiele fiir solche Parameter sind der CI- oder der H20-Gehalt in der Aufgabemischung sowie die Basizitat des Sinters. •
Es ist zu beriicksichtigen, dass der Anzahl der verwendbaren Rohstoffe technisch bedingt durch die Anzahl an Dosierbandwagen Grenzen gesetzt sind.
Im folgenden Abschnitt wird unter Beriicksichtigung der beschriebenen Anforderungen untersucht, inwieweit existierende Modelle und Methoden der Materialeinsatzplanung fiir eine Anwendung im beschriebenen Referenzfall in Frage kommen.
3.6.2 Modelle und Methoden der Materialeinsatzplanung Die Planungsaufgabe der Materialeinsatzplanung kann auch als so genanntes Mischungsoptimierungsproblem verstanden werden. Allgemein wird unter der Mischungsoptimierung, auch Blending genannt, die Zusammenstellung mehrerer Komponenten zu einer Mischung verstanden, die vorgegebene Eigenschaften erfullt. Die verwendeten Komponenten besitzen als Merkmale bestimmte Eigenschaften und sind mit Kosten bewertet. Typischerweise gilt es, die Kosten zu minimieren. Das Problem der Mischungsoptimierung wird in der Literatur relativ haufig thematisiert. Bereits in den 1960er Jahren wurde es z. B. als haufig auftretendes Problem der linearen Optimierung bezeichnet (vgl. (Dantzig, 1963), S. 42). Dementsprechend vielfaltig sind die Anwendungsbereiche, die von Arbeiten in diesem Bereich adressiert werden sowie die zum Einsatz kommenden Methoden. Die folgende Darstellung der Anwendungsbereiche und Methoden erhebt daher keinerlei Anspruch auf Vollstandigkeit, sondem dient dazu, einen Uberblick iiber die unterschiedlichen Bereiche zu geben. Die Modelle zur Mischungsoptimierung sind jeweils problemspezifisch formuliert. Zum einen gibt es, wie schon bei der Produktionsprogrammplanung, eine Anzahl von Lehrbeispielen (vgl. z. B. (Dantzig, 1963), (Domschke und Drexl, 2002) oder (Kallrath und Wilson, 1997)), die sich mit einem einfachen, meist linearen Vermischen von Zutaten beschaftigen, um ein Produkt mit einer vorgegebenen Spezifikation herzustellen. Daneben gibt es eine Vielzahl von Modellen fiir praktische Problemstellungen, beispielsweise zur Mischungsoptimierung bei der Wurstwarenherstellung (vgl. z. B. (Steuer, 1984), (Steuer, 1984), (Jank und Wascher, 1999)), Mehlproduktion (vgl. (Hayta und ^akmakli, 2001)), iiber verschiedene Ansatze bei der Mischung von Kraftstoffen (vgl. z. B. (GUsmann, 2001), (Singh et al., 2004)), Kohle (vgl.
146
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
(Shih und Frey, 1995) bis bin zur Miscbungsoptimierung von radioaktiven Abfallen vor der Verglasung (vgl. (Narayan, Diwekar und Hoza, 1996)). Zudem existieren verscbiedene Arbeiten, die sicb mit der Miscbungsoptimierung vorwiegend unter tecbniscben Gesicbtspunkten bescbaftigen. Als Beispiele seien (Bajorski und Streeter, 2000) im Bereicb der Zementberstellung, (Woblbier, 1977) in Bezug auf formlose Guter in Miscbbetten sowie (Rentz, 1971) zu Mogbcbkeiten der Emissionsreduktion durcb eine gezielte Mollervorbereitung bei Niederscbacbtofen zur Herstellung von Ferrolegierungen genannt. Der groBen Anzabl an Anwendungsbereicben entsprecbend kommt zur Miscbungsoptimierung eine Fiille von Metboden zum Einsatz. Welcbe Metbode zur Anwendung gebracbt wird, wird dabei durcb die betracbtete Problemstellung induziert. Die verwendeten Metboden reicben von der scbon genannten linearen Programmierung (vgl. z. B. (Dantzig, 1963), (Jank und Wascber, 1999)), iiber nicbtlineare Programmierung (vgl. z. B. (GUsmann, 2001), (Singb et al., 2004)), stocbastiscbe Ansatze (vgl. z. B. (Narayan, Diwekar und Hoza, 1996), (Sbib und Frey, 1995)), Mebrzieloptimierungsansatze (vgl. z. B. (Steuer, 1984), (Sbib und Frey, 1995)) bis bin zum Einsatz neuronaler Netze (vgl. (Block et al., 1997)). Aucb im Bereicb der Eisen- und Stablindustrie existieren bereits verscbiedene Ansatze zur Miscbungsoptimierung. So stammt beispielsweise aus dem Jabr 1958 ein Hneares Modell zur Miscbungsoptimierung in einem integrierten Stablwerk (vgl. (Fabian, 1958)). Hierin werden die verscbiedenen Produktionsstufen Koksproduktion, Erscbmelzen des Robeisens im Hocbofen, Stablproduktion unter Zugabe von Eisen und Scbrott in einem Siemens-Martin-Ofen^^ und anscbliefiendem Walzen betracbtet. Beriicksicbtigt werden verscbiedene Erzsorten, der Verbraucb von Koks und Branntkalk sowie die Elemente Scbwefel, Pbospbor und Mangan. Die Koeffizienten fur die Formeln werden aus tbeoretiscben Uberlegungen auf Basis von Literaturangaben bestimmt.^^ Weitere Nebenbedingungen sorgen fiir die Einbaltung von Kapazitatsrestriktionen. Ein spateres Modell von Fabian (vgl. (Fabian, 1967)) stellt - fokussiert auf den Hocbofen - ein Modell auf Basis von Material- und Entbalpiebilanzen des Prozesses auf. Hier werden zwar neben den genannten cbemiscben Komponenten im
^^ Das Siemens-Martin-Verfahren ist ein kaum noch gebrauchliches Verfahren zur Stahlherstellung. ^° Angaben zur GroBe des tatsachlichen Modells und zu der fiir die Optimierung eingesetzten Hard- und Software, Dauer der Optimierungslaufe und Giite der Ergebnisse werden nicht gemacht.
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
147^
Hochofeninput mehr chemische Komponenten betrachtet^^ und technische Restriktionen wie die Basizitat der Schlacke beriicksichtigt, dafiir beschrankt sich die Mischungsoptimierung jedoch auf vier Erzsorten, Branntkalk, Koks und HeiBwind. Von Lawrence und Flowerdew (vgl. (Lawrence und Flowerdew, 1963)) stammt ein lineares Programm zur Bestimmung des kostenminimalen Einsatzes von Erzen und Koks zur Erreichung einer festgelegten Roheisenproduktion, dass mit Hilfe des Simplex-Algorithmus gelost wird. Die Mischung wird aus Sinter, Kalkstein und drei unterschiedlichen Erzen gebildet. Verschiedene chemische Zusammenhange, wie Basizitat oder maximale Gehalte z. B. von Si02 in der Schlacke, werden iiber einzelne Restriktionen abgebildet. Allerdings bleibt die Abbildung dieser chemischen Zusammenhange rudimentar. Daneben gibt es Begrenzungen des Absatzes des Sintereinsatzes. Ebenfalls aus dem Jahr 1963 stammt eine Arbeit von Duncan, die sich mit der Mischungsoptimierung fur Hochofenwerke in den USA beschaftigt (vgl. (Duncan, 1963)). Hierin werden, wiederum auf Basis der linearen Programmierung, Bilanzgleichungen fur den Eisenanteil, fur Kohlenstoff und Zuschlage aufgestellt. Allerdings findet hier keine Beriicksichtigung der stofflichen Zusammensetzung der Input- wie auch der Outputstoffe statt. Beale et al. (vgl. (Beale, Coen und Flowerdew, 1965)) entwickeln einen Ansatz, der mit Hilfe eines zweistufigen LP-Modells die Zusammenstellung der einzusetzenden Erzsorten und deren Aufteilung auf zwei Hochofenwerke fiir die Eisenproduktion optimiert. Auch hier werden lediglich wenige Elemente und Verbindungen (genannt werden Mangan und Phosphor) beriicksichtigt. Ein Problem zur Mischungsoptimierung bei der Stahlherstellung in einem schwedischen Elektrolichtbogenofen stammt von Westerberg et al. (vgl. (Westerberg, Bjorklund und Hultmann, 1977)). In einem gemischt-ganzzahligen linearen Programm werden die Kosten fiir den Materialeinsatz von Schiitt- und Stlickgutem unter Beriicksichtigung einer minimalen und einer maximalen ChargengroBe, der chemischen Spezifikation der Einsatzmaterialien sowie der Moglichkeit, den Einsatz von Materialien zu begrenzen, minimiert. Mit Hilfe der linearen Programmierung stellt Korth (vgl. (Korth, 1974))) ein Modell zur Optimierung des Hochofenmollers fiir einen Hochofen der ehemaligen Klockner Werke AG in Bremen auf. Auf Basis linearer Gleichungen werden die Vorgange im Hochofenwerk abgebildet und die kostenminimale Mollerzusammensetzung bestimmt. Das Modell wird in einem Entscheidungsunterstiitzungssystem implementiert und zur Molleroptimierung und fiir Zusatzlich finden AI2O3, Si02, MgC03 und CaCOs Beriicksichtigung.
148
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
verschieden
Analysen
der
okonomischen
KAPITEL 3
Auswirkungen,
beispielsweise
von
Parameterandemngen sowie der Bewertung neuer Einsatzstoffe, verwendet. Zwar werden die unterschiedlichen Aggregate eines Hochofenwerks betrachtet, jedoch beschrankt sich dies auf die
Abbildung
rudimentarer
Input-Output-Zusammenhange
einzelner
stofflicher
Komponenten. Bin Modell zur Optimierung der Beimischung von Stahlschrott zur Kuhlung im Konverter eines integrierten Stahlwerks wird von Bematzki et al. vorgestellt (vgl. (Bematzki et al., 1998)). Mit dem Ziel der Kostenminimierung und unter Beriicksichtigung von Material- und Transportrestriktionen wird die optimale Einsatzmischung im Konverter bestimmt. Das Modell beruht auf festen Koeffizienten („output factors"), die die Transformation der Konzentration der (Spuren-)Elemente im Konverter^^ abbilden. Auch wenn das Problem von seiner Struktur her dem Referenzfall ahnelt, sind doch wesentliche Unterschiede vorhanden. Es handelt sich um einen anderen Prozess, so dass fUr eine Ubertragung ein vollstandig neuer Modellaufbau fur den Referenzfall notwendig ware. Die Verwendung von festen Koeffizienten ist fiir den Referenzfall ungeeignet, da der Output des Prozesses sowohl bezogen auf die Mengen als auch auf die chemische Zusammensetzung abhangig von der z. T. in hohem MaBe variablen Inputzusammensetzung ist. Neben den genannten gibt es eine Reihe weiterer Arbeiten, die sich jedoch weder von den Anwendungsbereichen noch von den verwendeten Ansatzen und Methoden grundlegend unterscheiden.^^ Zusammenfassend ist festzustellen, dass es im Bereich der Materialeinsatzplanung bzw. der Mischungsoptimierung nicht, wie in anderen Bereichen des Operations Research, „klassische", typologisierte Probleme und hierzu passende Standardmodelle gibt. Stattdessen richten sich die entwickelten Modelle und die eingesetzten Methoden jeweils nach den zugrunde liegenden, sehr unterschiedlichen Einsatzzwecken bzw. -gebieten. Im Bereich der Eisen- und Stahlindustrie kommt es in besonderer Weise auf eine adaquate Abbildung der betrachteten Prozesse an. Im Referenzfall gilt dies im Besonderen, da hier die Zusammen-
^^ Betrachtet werden Kupfer, Chrom, Nickel, Molybdan und Zinn. ^^ Als weitere Beispiele fiir Ansatze zur Mischungsoptimierung in der Eisen- und Stahlindustrie seien die Arbeiten
von
(Hernandez
und
Proth,
1982)
sowie
die
Bandyopadhyay, 1972) und (Dutta und Fourer, 2001) genannt.
Uberblicksartikel
von
(McCulloch
und
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
149^
setzung der Rohstoffe in groBen Bereichen variieren. Feste Produktionskoeffizienten ohne Beriicksichtigung der chemischen Zusammensetzung, wie sie von einer Reihe von Arbeiten auch aus dem Bereich der Eisen- und Stahlindustrie verwendet werden, erscheinen daher nicht zielfuhrend. Die besondere Rohstoffbasis sowie die Charakteristika des Hochofens sind weitere Griinde, die eine Ubertragung der vorhandenen Ansatze nicht sinnvoll erscheinen lassen. Die genannten Arbeiten betrachten zudem lediglich die Kostenseite, potenzielle Erlose, beispielsweise durch den Verkauf von Roheisen und von Kuppelprodukten, werden nicht betrachtet. Zudem stammen viele der Ansatze fur Hochofenprozesse aus den 1950er und 1960er Jahren und bilden daher nicht mehr den heutigen Betrieb von Hochofen ab und sind nicht auf die Leistungsfahigkeit heutiger Computer und Losungsmethoden abgestimmt. Fur den Einsatz im Referenzuntemehmen ist daher ein neuer Ansatz zu entwickeln, der die in Abschnitt 3.6.1 dargestellten Anforderungen an die Materialeinsatzplanung im Untemehmen erfullt. Dieser kann auf bekannten Ansatzen aufbauen, muss jedoch insbesondere den Einfluss der stofflichen Zusammensetzung auf den Verbrauch an Reduktionsmitteln und den Output und dessen chemische Zusammensetzung detailUerter abbilden und die Erlosseite beriicksichtigen. Wie auch bei dem in Abschnitt 3.5 entwickehen Ansatz zur Produktionsprogrammplanung scheint hier eine Kombination der verfahrenstechnischen Prozesssimulation
und
eines
Ansatzes
aus
der
mathematischen
Programmierung
vielversprechend. Allerdings ist hierbei besonderes Augenmerk auf die Sicherstellung einer detaillierten Abbildung der Prozesse zu legen. Es miissen zudem auch kleinere verfUgbare Mengen an Rohstoffen betrachtet werden. Dagegen kann auf die simukane Betrachtung unterschiedlicher Roheisen- und Sintersorten verzichtet werden und der Planungshorizont auf eine Periode verkiirzt werden. Ein solcher Ansatz wird im folgenden Abschnitt 3.6.3 aufbauend auf dem in Abschnitt 3.5 entwickelten und implementierten Ansatz zur Produktionsprogrammplanung durch eine engere Kopplung der verfahrenstechnischen Prozesssimulation mittels eines flieBschemabasierten Simulationssystems und der gemischtganzzahligen linearen Programmierung realisiert.
150
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
KAPITEL 3
3.6.3 Entwicklung eines Ansatzes zur stoffstrombasierten simulationsgestutzten Materialeinsatzplanung Basierend auf dem in Abschnitt 3.5 entwickelten und implementierten Ansatz zur Produktionsprogrammplanung fiir das betrachtete Produktionssystem wird in diesem Abschnitt ein Ansatz zur stoffstrombasierten simulationsgestutzten Materialeinsatzplanung entwickelt. Zunachst wird hierzu ein gemischt-ganzzahliges lineares Programm formuliert, bevor in Abschnitt 3.6.3.2 die Spezifika der Implementierung dieses Ansatzes in dem integrierten Entscheidungsunterstutzungssystem SCOPE sowie der Ruckkopplung zu dem Flowsheeting-System AsPEN PLUS® beschrieben werden. 3.6.3.1
Formulierung eines gemischt-ganzzahligen linearen Programms zur Materialeinsatzplanung
Das Modell verwendet die folgenden Indexmengen, Parameter und Variablen (zur Bezeichnung der Anlagen und Stoffstrome vgl. Abbildung 3-6): Indexmengen 91
Menge der betrachteten Anlagen a, 01 = {SA, EGR, AGRA, HO,GHO, KW}
^
Menge der beriicksichtigten Stoffstrome m,
{
NM, SIN, SAL, VSAL, KKG, KM, RGS, RAGR, 1 REGR, KK,WI, RE, SL, GG, ZK,WEL, RGH, GS)
^ c OH
Menge der beriicksichtigten Kuppelprodukte b, « = {RGS, RAGR, REGR, SL, ZK,WEL, RGH, GS]
g
Menge der beriicksichtigten Elemente und Verbindungen e
31
Menge der beriicksichtigten Roh- und Hilfsstoffe r, ?f< = {NM,KKG,KM,ZS,KK,Wl], wobei NM eine Mischung der Rohstoffe NMi,..., NMn ist
r
Hauptinputstrom auf Anlage a G 21, /" c OH
O"
Hauptoutputstrom auf Anlage a e 21, O" e 0)?
A
Anzahl der Anlagen a G 21 [-]
B
Anzahl der Kuppelprodukte Z? G ^ [-]
Parameter
KAPITEL 3
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
1 ^
£^
Minimale Konzentration von ElemenWerbindung e in Massenstrom m
c^
Maximale Konzentration von ElementA^erbindung e in Massenstrom m
E
Anzahl der Elemente und Verbindungen e G (S [-]
/:"
Kosten oder Erlose fur Roh- oder Hilfsstoff r auf Anlage a [€/t]
kl
Kosten oder Erlose fiir Kuppelprodukt b auf Anlage a [€/t]
BN
GroBe Zahl [-]
M
Anzahl der Stoffstrome me^
P
Anzahl der Produkte pe"^
Pp
Erzielbarer Verkaufspreis fiir Produkt p^^
R
Anzahl der Roh- und Hilfsstoffe r e ^ [-]
S
Menge der zu sintemden Nettomischung [t]
SBF
Menge des im Hochofen eingesetzten Sinters
SN
kleine Zahl
^^
Minimaler Anteil von Roh-/Hilfsstoff r in der Nettomischung [-]
J/"*
Maximaler Anteil von Roh-/Hilfsstoff r in der Nettomischung [-]
z^Z
Basizitat des Sinters [-]
S^^
Maximale Anzahl an Roh-/Hilfsstoffen in der Nettomischung [-]
[-] [-] [€/t]
Variablen C"
Vektor der Konzentrationen cj' von ElementA^erbindung ^ e g in Massenstrom m e ^
X^
Vektor der Anteile x^ der Roh-/Hilfsstoffe r G D^l in der Einsatzmischung auf Anlage a G 21 [tRe/tNivi]
XI
Vektor der Anteile xl der anfallenden Kuppelprodukte ^ G 33 auf Anlage a G 21 bezogen auf eine Tonne Nettomischung bzw. Sinter (je nach betrachtetem Aggregat) [t/tNivi]
X
Spezifischer Anteil der Roheisenausbringung [tRE/tNM]
152
SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG
5^
KAPITEL 3
Binarvariable, die angibt, ob Roh-/Hilfsstoff
r e 9^1 Teil der
Nettomischung ist oder nicht Mit Hilfe dieser GroBen lasst sich das Modell zur Optimierung des Einsatzmischung als gemischt-ganzzahliges lineares Programm (MILP) formulieren:
Maximiere Zielfunktion (3.82)
DB'^=S-\p^-x^-l^l^K-K-l^^K'X\
unter den Nebenbedingungen (3.83)
c™=|;c;-xf
V ^ G S , \/re':j{
(3.84)
V e e S , V«e9l
(3.85)
£.: 0
existieren, so dass fiir alle JCe //? gilt: l\^T^_l\
//^W =
1
I p
; falls jc<m,,6r>0 ; falls XG[m,,m2]
(4.39)
; falls ;c>m2,y^>0.
Als verkiirzte Darstellungsform ist auch A = (m^,m2,(X,j3) gebrauchlich. Als Gipfelpunkte bezeichnet man m^ und m2, (X und fi werden Spannweiten genannt. Gilt m^=m2, liegt eine Fuzzy-Zahl vor und es wird von einer LR-Fuzzy-Zahl gesprochen (vgl. (Rommelfanger, 1994a), S. 40). Fine weitere Darstellungsform geht auf weitere Arbeiten von Rommelfanger zuriick (vgl. (Rommelfanger, 1990), (Rommelfanger, 1991)) und wird als Fuzzy-Intervall des e-A-Tyips bezeichnet (vgl. (Rommelfanger, 2000)). Hierbei wird die Zugehorigkeitsfunktion durch eine stuckweise-stetige Funktion approximiert, die aus fiinf Teilen besteht. Diese Telle werden
KAPITEL 4
FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN
249
durch eine Expertenschatzung von sechs Punkten bestimmt. Flir die drei Zugehorigkeitsniveaus ae {£, A,l} werden jeweils infxex^a und supxsx^a ermittelt. Dabei zeigt ju^(a) = l,
dass der Wert a sicher zur Menge der moglichen Werte zahlt,
jU^(a)>A,
dass der Wert a mit dem Zugehorigkeitsgrad ju^(a)>Z
eine gute
Chance besitzt, zur Menge der moglichen Losungen zu zahlen, ju^{a)5), 5^(A>B), 5'^(AB)=
J (sup^„4-sup^,,S,Ma
(4.46)
V{A,B)
UilB)
= { a | i n f ^ „ 4 >inf^„ B,,e B * gilt, subtrahiert. C{A > B) wird daher wie folgt definiert (vgl. (Hapke und Slowinski, 2000), S. 202): CiA>B) = ^{S,{A>B) + S,(A>B)-S,(A5) = 3(A)-3(B)
(4.50)
Mit Hilfe von Gleichung (4.49) kann die schwache Vergleichsregel (engl. Weak Comparison Rule {WCR)) wie folgt formuliert werden (vgl. (Hapke und Slowinski, 2000), S. 202):
256
FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN
KAPITEL 4
A>B:^C(A>B)>0
(4.51)
A>B:B)>0
(4.52)
A-B:B)
=0
(4.53)
Hapke und Slowinski zeigen, dass Verfahren, die auf der Methodik der Gebietskompensation Oder reinen Mittelwertbildung basieren, zu einer Verletzung von Vorrangbeziehungen fiihren konnen (vgl. (Hapke und Slowinski, 2000), S. 206f.). Daher fiihren sie die so genannte starke Vergleichsregel (engl. Strong Comparison Rule (SCR)) ein (vgl. (Hapke und Slowinski, 2000), S. 204): A»=B„ + max w^'
Neben der Projekthochstdauer sind auch die unscharfen friihesten und spatesten Start- und Endzeitpunkte zu bestimmen. Die friihesten Startzeitpunkte ergeben sich gemaB der erweiterten Addition zu:
1
^
wenn y = 0
r~ f ~ ~ 11 max ^ , niax £5, +minp,^ + w™"
sonst
I
•'
hePredij) L
m&M^,
JJ
(4.56)
KAPITEL 4
FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN
259^
Mit der Gleichung (4.56) ist es nun moglich, die unscharfen frlihesten Endzeitpunkte der Aktivitateny im Modus m gemaB EFj^ = ES- ® p-^ zu berechnen. Auch dies ist auf Basis der erweiterten Addition moglich. Etwas problematischer verhalt es sich mit der Berechnung der unscharfen spatesten Endzeitpunkte LF.^. Fur den crispen Fall werden diese mittels spatester Startzeitpunkte LS-^ (vgl. Gleichung (4.14)) berechnet. Fiir den unscharfen Fall muss somit emeut eine Subtraktionsoperation angewendet werden, die eine Umkehrung der unscharfen Addition ist (vgl. (Rommelfanger, 1994b), S. 124f.). Hierbei ist allerdings sicherzustellen, dass die resultierende Zugehorigkeitsfunktion eine gultige Form besitzt. Dementsprechend wird im Folgenden eine modifizierte inverse Addition ®'"^ vorgeschlagen:
Ae^•""'B=c=(/c^^c^/c^„c^,c^„c") und ,c' = Min{y - ,b\ ,a' - ,b\ ^a' -^b\^a'- y , ^ ,c' = Min[ia' - ,b\y
- ^b\y
- y, y
-
y],
- y],
(4.57)
/=Min{y - y, y - y, y - y], y=Min{y-y,y-y}, Diese inverse Addition wird flir die Berechnung der unscharfen Gleichung (4.58) verwendet: IT
wenn j = n + l
{^' ®'""• P'^ ' * ^ i { " - ®'"'' (^> ® ^T)}} «on«t Damit lassen sich die unscharfen friihesten Endzeitpunkte LF,„mitLF.=LS.+p.. jm bestimmen.
^ jm '
(4.59)
118
'^^ Eine weitere mogliche Methode ware der Einsatz der flexiblen erweiterten Addition, wie sie von Rommelfanger vorgeschlagen (vgl. (Rommelfanger, 1994b)) wird.
260
4.4.2.3
KAPITEL 4
FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN
Formulierung von unscharfer Zielfunktion und unscharfen Nebenbedingungen
Sowohl bei der Fuzzyfizierung der Zielfunktion als auch der Nebenbedingungen miissen Subtraktionen von Sj (Gleichung (4.15)), p.^ (Gleichungen (4.17), (4.18), (4.21), (4.23), (4.27), (4.28) und &^ (Gleichung (4.28)) von t modelliert werden. In diesen Fallen wurde die erweiterte Subtraktion zu den genannten logisch inkonsistenten Ergebnissen fiihren. Es wird daher
die inverse
Addition
©'""(vgl.
Tabelle
4-9) verwendet.
Das unscharfe
Ablaufplanungsproblem kann daher wie folgt angegeben werden:
Min
* zeigen eine im Vergleich zu den pessimistischen Werten ^^^ , „^^ und ^^^
deudich geringere Spreizung auf. Dies ist auf die
deutlich hoheren Abweichungen der betrachteten Zeitparameter nach oben zuriickzufUhren. Zudem fuhren die z. T. deutlich langeren Bearbeitungszeiten in den pessimistischen Fallen dazu, dass insbesondere bei Feindispergier- und Abfullvorgangen oft je Maschine oder Mitarbeiter lediglich ein Auftrag pro Tag bearbeitet werden kann, da der nachfolgende Vorgang aufgrund seiner langen Bearbeitungszeit nicht mehr am gleichen Tag begonnen werden kann. Im Vergleich zwischen den beiden Losungen zum a-Niveau 1, deren Zeitparameter sich um 10 % unterscheiden, fallt auf, dass dieser Unterschied zu einer deutlich geringeren Veranderung des Zielfunktionswerts fiihrt. AuffalUg sind zudem auch die geringen Unterschiede zwischen der optimistischen und der pessimistischen Losung zum a -Niveau 1 und der optimistischen Losung zum cr-Niveau 0,6. Der Unterschied in den Zielfunktionswerten betragt lediglich ca. 13 %. Hierfiir sind zwei Effekte verantwortlich. Zum einen verringem die vergleichsweise langen Pausen- und Nachtzeiten, die einen groBen Teil der jeweiligen Durchlaufzeiten ausmachen, den Einfluss der reinen Bearbeitungszeiten. Zum anderen spielt auch die Optimierung des Ablaufplans fiir die Ersatzprobleme eine Rolle. Der Planer kann durch Betrachtung der Ablaufplane erkennen, wo diese geringen Abweichungen durch Anderungen des Ablaufplans hervorgerufen werden, oder ob es allgemeine Charakteristika gibt, die gute Plane aufweisen. Gering sind auch die Unterschiede in den minimalen Durchlaufzeiten der sechs Ersatzprobleme. Hier ist auch die VergroBerung bei den pessimistischen Ersatzproblemen relativ gering. Vollkommen anders stellt sich dies bei den maximalen Durchlaufzeiten dar. Werden im Falle ^^ maximal vier Tage, 22 Stunden und 40 Minuten benotigt, betragt die maximale Durchlaufzeit im Falle ^^^ 23 Tage, 1 Stunde und 46 Minuten. Zur Einordnung und zum Vergleich der Ergebnisse der Fuzzy-Ablaufplanung konnen auch Optimierungsergebnisse auf Basis von mittels Gleichung (4.44) ermittelten defuzzifizierten
Fiir den GA wird, wie schon in den Anwendungen im deterministischen Fall, eine Periodenlange von einer Minute verwendet.
KAPITEL 4
267
FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN
Zeitparametem durchgefuhrt werden. In der folgenden Tabelle 4-12 sind die Ergebnisse eines solchen Optimierungslaufs, unter Verwendung der gleichen Konfiguration des GA wie in den vorangegangenen Laufen, dargestellt.
Tabelle 4-12:
Ergebnisse eines Optimierungslaufs des Genetischen Aigorithmus auf Basis defuzzifizierter Zeitparameter (Problem 7)
Zielfunktionswert [-]
297.693
Zykluszeit [Perioden] ([d:h:min])
minimale Durchlaufzeit [Perioden]
29.000
1.604
Mittlere Durchmaximale laufzeit Durchlaufzeit [Perioden] [Perioden] 13.160
3.988
Anzahl Iterationen [-] 1000
(20:03:20)
Der Zielfunktionswert der auf Basis der defuzzifizierten Zeitparameter ermittelten Losung ist nur wenig geringer als die Losung ^^ des pessimistischen scharfen Ersatzproblems zum a -Niveau A. Dies gilt auch fur die ubrigen betrachteten KenngroBen. Hierftir sind wiederum die sehr langen Bearbeitungszeiten in den pessimistischen Fallen zu den a -Niveaus A und £ verantwortlich. Die Differenz zwischen dem optimistischen
cir-Niveau 1 und den
optimistischen a -Niveaus A und £ der Bearbeitungszeiten ist im Mittel deutlich kleiner als im pessimistischen Fall. Im betrachteten Beispiel ist nun die Frage zu stellen, welche der sieben betrachteten Losungen ausgewahlt werden soil. Die Losung 7 berticksichtigt die gesamten Zugehorigkeitsfunktionen der unscharfen Zeitparameter auf aggregierte Weise. Jedoch besitzen im Beispiel die pessimistischen Werte einen sehr groBen Einfluss auf die defuzzifizierten Zeitparameter und damit die Losung des defuzzifizierten Problems. Die Probleme 2, 3 und 4 sind - wie dargestellt - bezuglich der Zielfunktionswerte und der weiteren Kennzahlen der Ablaufplane sehr ahnlich, die Losung von Problem 4 entsprache einer deterministischen Ablaufplanung. An diesem Vergleich wird der Vorteil der einzelnen Betrachtung der sechs Ersatzprobleme und einer Losung auf Basis defuzzifizierter Zeitparameter deutlich. Die Einzelbetrachtung der fiir die unterschiedlichen Realisationen und den defuzzifizierten Fall optimierten Losungen bietet ein deutlich differenzierteres Bild als die zugegebenermaBen einfachere Losung eines einzigen Ablaufplans wie im deterministischen Fall oder auf Basis der Defuzzifizierung. Der Planer bekommt einen Uberblick uber die Auswirkungen unterschiedlicher Realisationen der unscharfen Zeitparameter und wie bei diesen Realisationen eine gute bzw. optimale Entschei-
268
FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN
KAPITEL 4
dung aussieht. Prinzipiell ist denkbar, dass es zu gleichen oder sehr ahnlichen Reihenfolgen in den Ablaufplanen kommt. Diese wurden sich demnach auch bei unterschiedlichen Realisationen als gute bzw. iiberlegene Losungen darstellen. Kommt es zu sehr unterschiedlichen Ablaufplanen, kann der Planer auf Basis der ermittelten Losungen und evtl. vorhandener, nicht ohne weiteres in Gleichungen formalisierbaren, Zusatzinformationen die Entscheidung iiber den zu verwendenden Plan treffen. Zu solchem Wissen konnen UmwelteinflUsse, wie z. B. sehr hohe oder niedrige Temperaturen oder allgemeine QuaUtatsprobleme in der Produktion, sowie weitere Faktoren wie die Motivationslage der Mitarbeiter zahlen. Weitere zusatzUche Informationen bei der Entscheidungsfindung kann ein Vorteil bieten, den der Einsatz des beschriebenen Genetischen Algorithmus bietet. Eine Losung des GA wird zunachst in Form einer AktivitatsUste ausgegeben und erst durch die Anwendung des ausgewahlten Schedule-Generation-Scheme in einen Ablaufplan dekodiert. Hier ist es mogUch, durch Verwendung der optimistischen und pessimistischen Zeitparameter zu den ubrigen a -Niveaus, die Auswirkungen unterschiedlicher Realisationen der Zeitparameter auf den Ablaufplan und die ZielgroBen zu bestimmen. Aus Griinden der Ubersichtlichkeit wird jedoch in dieser Arbeit darauf verzichtet. Zur Bestimmung der Einzellosungen werden wiederum jeweils ca. zwei Stunden benotigt. Fur einen Einsatz in der taglichen Praxis im Untemehmen mag dies zu lang sein, es existieren jedoch verschiedene Moglichkeiten zur Reduzierung der Rechenzeiten. Die weitere Verringerung der Anzahl der Iterationen ware hier ein sehr einfacher Ansatzpunkt, der sich auch durch den typischen Verlauf des Zielfunktionswertes in Abhangigkeit von der Anzahl der Iterationen (vgl. Abbildung 4-7) rechtfertigen lasst. Da es nicht Ziel dieser Arbeit ist, die fur die Problemstellung idealen genetischen Operatoren und deren Konfigurationen zu bestimmen, sind die verwendeten Operatoren und Konfigurationen zudem als Beispiele zu verstehen und bietet die Implementiemng und das Testen weiterer Operatoren ebenso Verbessemngspotenziale wie auch eine Migration des Programms von Java in eine C bzw. C++-Implementiemng.
KAPITEL 4
FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN
269^
4.4.4 Schlussfolgerungen aus der Entwicklung und Anwendung eines Fuzzy-Modells zur Ablaufplanung bei Chargenproduktion und Ubertragbarkeit auf weitere Anwendungen Mit dem vorgestellten Ansatz wird ein Werkzeug zur Ablaufplanung bei Unsicherheit bereitgestellt, das dem Produktionsplaner Entscheidungsunterstutzung durch Aufzeigen der Konsequenzen unterschiedlicher Realisationen der unsicheren Zeitparameter liefert. Durch die Modellierung der unscharfen Zeitparameter iiber Fuzzy-Intervalle in Sechs-Punkt-Darstellung und die fiir diese Darstellungsform gultigen erweiterten arithmetischen Operationen kann das Fuzzy-Ablaufplanungsproblem in sechs separat losbare scharfe Ersatzprobleme zerlegt werden. Der Vergleich dieser sechs Losungen untereinander und mit einer Losung, die auf Basis von defuzzifizierten Zeitparametem erstellt wird, liefert dem Produktionsplaner ein differenziertes Bild iiber die Auswirkungen, die sechs charakteristische Punkte der moglichen Realisationen der unscharfen Zeitparameter auf das Ablaufplanungsproblem und etwaige gute bzw. optimale Losungen haben. Auf Basis dieser und zusatzlicher, nicht oder nur schwer formalisier- und damit modellierbarer Informationen kann der Planer die Entscheidung treffen, welcher ermittelte Ablaufplan die groBte Plausibilitat aufweist und daher umgesetzt werden soil. Die exemplarische Anwendung des Ansatzes auf das betrachtete Beispiel einer Lackproduktion in einem mittelstandischen Untemehmen zeigt, dass eine Umsetzung dieses Konzeptes auch fiir reale ProblemgroBen moglich ist. Durch den Einsatz eines auf den Anwendungsfall angepassten Genetischen Algorithmus gelingt es, fiir samtliche in einer Woche
in dem
Untemehmen
eingetroffenen
Auftrage
eine
Fuzzy-Ablaufplanung
durchzufiihren. Bei dem Vergleich der sechs Ersatzprobleme und der auf Basis defuzzifizierter Zeitparameter berechneten Losungen wird der Vorteil des differenzierten Bildes, das die sieben Losungen vermitteln, deutlich, indem einerseits gezeigt wird, dass es durch auf das jeweilige Szenario abgestimmte Ablaufplane teilweise moglich ist, sehr geringe Veranderungen der KenngroBen bei unterschiedlichen Realisationen der Zeitparameter zu erzielen und andererseits der groBe Einfluss, den die extremen pessimistischen Werte des a Niveaus e ausuben, deutlich wird. Obwohl der Ansatz auf den genannten realen spezifischen Anwendungsfall angepasst ist, bieten sich vergleichsweise einfach vielfaltige Moglichkeiten einer Ubertragung auf Anwendungsfalle mit ahnlich gelagerten Unsicherheiten. Dadurch, dass der Ansatz auf einem
270
FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN
KAPITEL 4
MRCPSP und damit auf einem sehr allgemeinen Modell der ressourcenbeschrankten Projektplanung aufbaut und fiir Spezifika von Chargenproduktionen erweitert wurde, liegt zunachst eine Anwendung in weiteren Chargenproduktionsprozessen nahe. Dennoch sind weitere Ubertragungen auf Produktionssysteme der Fertigungsindustrie oder im Bereich der Projektplanung ohne Weiteres moglich. Dies gilt auch fur den zur Losung der Teilprobleme eingesetzten Genetischen Algorithmus und die fiir den Anwendungsfall durchgefuhrten Erweiterungen. Durch die Konfigurationsparameter ist dieser zudem auch insoweit anpassbar, als dass die zur Losung benotigte Zeit, unter Umstanden um den Preis schlechterer Losungen, verringert werden kann und somit auch groBere Modelle gelost werden konnen.
271
5 Zusammenfassung Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung und exemplarische Anwendung von taktisch-operativen Ansatzen zur Entscheidungsunterstutzung in der Produktionsplanung fiir stoffstrombasierte Produktionssysteme. Diese sollen eine adaquate Abbildung der zugrunde liegenden stoffumwandelnden
Prozesse beinhalten und Unsicherheiten durch nicht
deterministische oder nur vage bekannte Daten beriicksichtigen. Betrachtet werden sowohl die Planung des Produktionsoutput, des -input als auch des -throughput dieser Prozesse. Untemehmen der betrachteten verfahrenstechnischen hidustrie, die einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor in der BundesrepubUk Deutschland darstellt, sind einer Vielzahl von Umfeldeinflussen,
wie z. B. kurz- und mittelfristig
schwankenden Rohstoff- und
Energiepreisen, ebenfalls schwankenden AbsatzmogHchkeiten der Produkte, Marktanforderungen sowie verschiedenen umweltrechtlichen Rahmenbedingungen ausgesetzt. Hieraus ergibt
sich die Notwendigkeit
einer
effektiven
und effizienten
Planung
dieser
Produktionssysteme auch iiber die Umsetzung der Plane der vorgelagerten Planungsebenen hinaus. Trotz vielfacher Anstrengungen zur Entwicklung von Planungsansatzen fiir die Prozessindustrie sind nach wie vor erhebliche Defizite im Hinblick auf die taktisch-operative Ebene der Produktionsplanung vorhanden. Ist es einer Reihe von Arbeiten auf strategischer Planungsebene beispielsweise durch den Einsatz von Werkzeugen zur Prozesssimulation gelungen, die zugrunde liegenden Prozesse adaquat abzubilden, liegen hierzu auf taktischoperativer Ebene noch keine derartigen Ansatze vor. Arbeiten zu operativen Fragestellungen ist es gelungen, verschiedene Aspekte stoffumwandelnder Prozesse, vornehmlich Chargenproduktionen, abzubilden. Da es sich in der Regel jedoch um Ubertragungen von Ansatzen aus der Fertigungsindustrie bzw. der Projektplanung handelt, werden wesentliche Bereiche, wie die Abbildung der Stoffumwandlungen sowie der Unsicherheiten in Form nicht-deterministischer, unscharfer oder nur vage bekannter Daten nicht betrachtet. Zudem beschranken sich viele Ansatze auf Standardprobleme aus der Literatur, mit dem Anspruch, durch deren Abbildung die Prozessindustrie abzubilden. Anwendungen auf reale Produktionsprozesse bilden derzeit noch Ausnahmen.
Daher werden Methoden zur adaquaten Abbildung von verfahrenstechnischen Prozessen und zur Beriicksichtigung von Unsicherheiten entwickelt. Dies geschieht in zwei Schwerpunkten fiir die drei Planungsaufgaben der Produktionsprogrammplanung (Outputplanung), der
272
ZUSAMMENFASSUNG
Materialeinsatzplanung (Inputplanung) und der Ablaufplanung (Throughputplanung). Zur Sicherstellung der Praxisrelevanz, zur Verdeutlichung der jeweiligen Problemstellung und zur Demonstration der Einsatzmoglichkeiten werden zwei reale Produktionssysteme fiir exemplarische Anwendungen der entwickelten Methoden herangezogen. Den ersten Schwerpunkt stellt die Entwicklung der Methoden zur problemadaquaten Abbildung verfahrenstechnischer Prozesse am Beispiel der Produktionsprogramm- und der Materialeinsatzplanung dar. Es wird eine allgemeine Verfahrensweise zur Entwicklung problemadaquater Prozessabbildungen fiir Entscheidungsmodelle vorgeschlagen und exemplarisch auf einen Verwertungsprozess von metallhaltigen Reststoffen in einem Hochofenprozess angewendet. In diesem Prozess werden durch die Roheisenproduktion, die Verwertung der Reststoffe und durch anfallende Kuppelprodukte Erlose erzielt. Bedingt durch die chemischen Zusammensetzungen der jeweiUgen Stoffstrome kommt es zu Wechselwirkungen zwischen den ein- und ausgehenden Stoffstromen, die in hohem MaBe ergebnisrelevant sind. Somit sind fiir die Planung des Produktionsprogramms und eine Bestimmung der Einsatzmischungen im Rahmen einer Materialeinsatzplanung diese Wechselwirkungen durch eine adaquate Prozessmodellierung zu beriicksichtigen. Den ersten Schritt der vorgeschlagenen Vorgehensweise stellt die verfahrenstechnische Modellbildung dar. Hierbei kommen Flowsheet-Simulationsmodelle der abzubildenden Prozessschritte zum Einsatz, die sich bereits auf strategischer Planungsebene als adaquate Werkzeuge zur Modellierung von metallurgischen Prozessen bewiesen haben. Allerdings werden in den verwendeten Modellen im Gegensatz zu den auf Gleichgewichtsreaktoren beruhenden genannten Arbeiten auch Reaktoren zur Beriicksichtigung von unvollstandig ablaufenden Reaktionen eingesetzt, da nur so die wechselnden Input-Zusammensetzungen adaquat abgebildet werden konnen. Ein Vergleich der Simulationsergebnisse mit Betriebsdaten lasst auf eine sehr gut gelungene Prozessabbildung fiir die wesentlichen Stoffstrome schlieBen. Da die Berechnungsdauem fiir die Modelle fiir einen Einsatz in Entscheidungsmodellen des Operations Research zu lang sind, werden mittels multipler Unearer Regression Input-Output-Funktionen fiir die ein- und ausgehenden Stoffstrome und deren Zusammensetzungen bestimmt. Den zweiten Schritt stellt die Erfassung der entscheidungsrelevanten monetdren Grofien fiir die Planungsmodelle in einem einheitUchen Gliederungsschema dar. Dieses baut auf der VDIRichtlinie 3800 zur Ermittlung der Aufwendungen fiir Mafinahmen zum betrieblichen
ZUSAMMENFASSUNG
273^
Umweltschutz auf (vgl. (VDI, 2001)) und erfasst zusatzliche Erloskomponenten, so dass eine Deckungsbeitragsbetrachtung ermoglicht wird. Damit wird eine einheitliche und stoffstrombezogene Erfassung der relevanten monetaren Parameter ermoglicht und eine Erweiterung der Planungsmodelle fiir weitere Planungsaufgaben sowie eine Ubertragung auf weitere Anwendungsfalle erleichtert. Die okonomische Modellbildung stellt den dritten Schritt dar, in dem fUr die spezifischen Planungsaufgaben entsprechende gemischt-ganzzahlige Entscheidungsmodelle innerhalb des vorgestellten Gliederungsschemas formuliert werden. In diese Modelle gehen die in Schritt 1 ermittelten Input-Output-Funktionen ein, um die problemadaquate Prozessabbildung sicherzustellen. Fiir die Materialeinsatzplanung wird zudem eine Ruckkopplung mit der verfahrenstechnischen Prozesssimulation implementiert, um auf diese Weise Abweichungen durch die vereinfachenden linearen Input-Output-Funktionen zu identifizieren und durch manuelle Parameteranderungen zu beheben. Den Abschluss bildet in Schritt 4 die Implementierung der Modelle in dem integrierten Entscheidungsunterstutzungssystem SCOPE. Zur Datenspeicherung, Datenpflege, Steuerung der Optimierungslaufe und als Benutzeroberflache wird eine MS AccESS-Datenbank eingesetzt, die zur Durchfuhrung der Optimierungslaufe auf die kommerzielle mathematische Modellierungsumgebung GAMS und den Solver CPLEX zuriickgreift. Beide Modelle werden in akzeptabler Rechenzeit optimal gelost. Eine Validierung der Modelle durch einen Vergleich der Optimierungsergebnisse mit Betriebsdaten des betrachteten Produktionsprozesses und im Falle der Materialeinsatzplanung zusatzlich mit Ergebnissen der Prozesssimulation auf Basis der gleichen Ausgangsdaten zeigt eine gute Abbildung der Prozesse trotz der im Rahmen der Modellbildung zu treffenden Annahmen und festzulegenden Vereinfachungen, insbesondere hinsichtlich der Linearitat der Input-OutputFunktionen. Der entwickelte Ansatz bietet fiir den betrachteten Produktionsprozess umfangreiche Entscheidungsunterstiitzung in den betrachteten und weiteren Planungsbereichen. Auf Basis einer problemadaquaten Abbildung der zugrunde liegenden Produktionsprozesse werden technisch fundierte und unter okonomischen Gesichtspunkten vorteilhafte Entscheidungen und Strategien aufgezeigt. Es werden wertvolle Erkenntnisse fiir das Untemehmen hinsichtlich der Gestaltung des Produktionsprogramms, des Ergebnisbeitrags der einzelnen
274
ZUSAMMENFASSUNG
Rohstoffe und Roheisensorten und hinsichtlich vorteilhafter Ofenfahrweisen ermittelt. Es zeigt sich in beiden Modellen, dass eine aus okonomischer Sicht optimale Ofenfahrweise auch unter Umweltgesichtspunkten Vorteile aufweist. Durch einen niedrigeren Zinkgehalt in der Aufgabemischung der Sinteranlage konnen beispielsweise die Einsatzmengen an Koks- und Kalkmilch deutlich gesenkt und somit ein Beitrag zur Ressourcenschonung geleistet werden. Zudem werden die Anfallmengen der zu deponierenden Riickstande aus den Gasreinigungen an der Sinteranlage und am Hochofen verringert und durch den verringerten Einsatz an Reduktionsmittel zudem die Emissionen an klimarelevantem CO2 gemindert. Wenngleich ein direkter Einsatz der Modelle in anderen Bereichen der Prozessindustrie nicht moglich ist, steht mit dem vorgestellten Ansatz eine Methodik mit groBer Relevanz fUr weitere Bereiche der Prozessindustrie zur Verfugung. Zwar sind die durchzufiihrenden Arbeiten in der Modellierung, bei den Regressionsanalysen, dem Aufstellen der Entscheidungsmodelle und bei der Implementiemng in einem Entscheidungsunterstiitzungssystem erheblich. Sie ermoglichen jedoch eine Entscheidungsunterstiitzung fUr den Planer, die auf einer adaquaten Prozessabbildung fuBt und somit einen Fortschritt zu bisherigen Ansatzen darstellt. Unter den genannten Rahmenbedingungen steigender Rohstoff- und Energiepreise, steigender
Kosten
durch
Emissionen,
insbesondere
CO2,
Nachfrageschwankungen,
steigendem Wettbewerbsdruck u. a. kann der Ansatz durch die im Vergleich zu bisherigen Arbeiten deutlich verbesserte technische Abbildung der Prozesse wichtige Entscheidungsunterstiitzung liefem. Allerdings ist bei solchen tJbertragungen jeweils sorgfaltig zu priifen, ob die grundlegenden Annahmen, insbesondere hinsichtlich der Linearitat der durch die Regressionsrechnung bestimmten Input-Output-Funktionen, auch fiir den neu betrachteten Prozess eine zulassige Vereinfachung darstellen bzw. in welchen Bereichen diese Vereinfachung zulassig ist. Zur Beriicksichtigung von Unsicherheiten wird im zweiten Schwerpunkt der Arbeit der Bereich der Ablaufplanung, eine operative Aufgabe der Throughputplanung, betrachtet. Bewusst wird auf die Herstellung von Lacken in einer Chargenproduktion zurtickgegriffen, in der die Aspekte der Stoffumwandlung eine untergeordnete RoUe spielen. Aus der Darstellung des Produktionsprozesses wird deutlich, dass es durch einen hohen Anteil an manuellen Tatigkeiten, beispielsweise beim Einwiegen oder Abtonen von Chargen, durch wechselnde Umgebungseinfliisse, wie z. B. Temperaturen, zu Unsicherheiten hinsichtlich der Prozesszeiten kommt und durch die teilweise geringen Wiederholraten der Chargen zudem trotz umfangreicher Datenaufnahmen nur eine begrenzte Datenbasis zur Verfugung steht. Bei
ZUSAMMENFASSUNG
275_
solchen Unsicherheiten haben sich Ansatze der Fuzzy-Optimiemng als geeignetes Mittel zur Beriicksichtigung
der
Unsicherheiten
erwiesen,
bislang
existieren
jedoch
keine
entsprechenden Ansatze zur Ablaufplanung bei Chargenproduktion, wahrend existierende Ansatze in anderen Bereichen bislang lediglich vergleichsweise kleine ProblemgroBen betrachten. Es wird daher ein eigener Ansatz zur Fuzzy-Ablaufplanung bei Chargenproduktion entwickelt, der auf Methoden der Fuzzy-Projektplanung zuruckgeht. Hierzu wird zunachst ein deterministisches Modell zur Ablaufplanung auf Basis eines Ansatzes der ressourcenbeschrankten Projektplanung, eines so genannten Multi-Mode Resource Constrained Project Scheduling Problems, fiir Chargenproduktionen im Allgemeinen vorgestellt und auf den betrachteten Anwendungsfall im Besonderen angepasst. Zur Losung des Modells wird zunachst ein exakter Ansatz prasentiert, der wiederum die mathematische Modellierungsumgebung GAMS und den Solver CPLEX verwendet. Diese Losungsmethode wird erfolgreich angewendet, wenngleich die ProblemgroBe mit bis zu elf betrachteten Auftragen fUr eine reale Anwendung zu klein ist. Daher wird ein fiir den verwendeten Typ von Projektplanungsproblemen entwickelter Genetischer Algorithmus zur Losung des vorliegenden Ablaufplanungsmodells angepasst. Die exemplarische Anwendung verschiedener genetischer Operatoren auf reale ProblemgroBen von mehr als 140 Auftragen zeigt die Eignung dieser Metaheuristik fiir den vorliegenden Fall. Das deterministische Modell wird anschlieBend fuzzifiziert. Die als unsicher aufzufassenden zeitlichen Parameter, insbesondere die Bearbeitungszeiten und die Rustzeiten, werden Uber Fuzzy-Intervalle in Sechs-Punkt-Darstellung modelliert und ein entsprechendes Ablaufplanungsmodell formuliert. Dies bietet die Moglichkeit, iiber die erweiterten arithmetischen Operationen fiir diese Fuzzy-Intervalle das unscharfe Ablaufplanungsmodell in sechs scharfe Ersatzprobleme zu zerlegen, die separat losbar sind. Zusatzlich wird ein iiber die Anwendung einer so genannten Defuzzifizierungsfunktion auf die unscharfen Zeitparameter ermitteltes scharfes Ersatzproblem gelost. Dies ermoglicht einen Vergleich der Auswirkungen unterschiedlicher Realisationen der Fuzzy-Zeitparameter und der Potenziale einer fiir die jeweilige Realisation optimierten Strategic in Form eines Schedules. Sind die Reihenfolgen der Vorgange in den Ablaufplanen gleich bzw. sehr ahnlich, deutet dies auf iiberlegene Losungen hin. Kommt es zu groBeren Unterschieden in den Planen, konnen auf Basis dieser und zusatzlicher, nicht oder nur schwer formalisier- und damit modellierbarer, Informationen
276
ZUSAMMENFASSUNG
Entscheidungen getroffen werden, welcher ermittelte Ablaufplan die groBte Plausibilitat aufweist und daher umgesetzt werden soil. Die exemplarische Anwendung des Ansatzes auf das betrachtete Ablaufplanungsproblem in der Lackherstellung durch Anwendung des Genetischen Algorithmus auf die sieben Ersatzprobleme zeigt die Anwendbarkeit der entwickelten Methodik auf reale ProblemgroBen. Auch wenn die zur Losung benotigte Zeit durch weitere Arbeiten sicherlich noch verbesserungsfahig ist, steht fUr die betrachtete Lackproduktion im Besonderen und wesentliche Aspekte von Chargenproduktionen im Allgemeinen durch die vorgestellten Arbeiten ein Ansatz zur Beriicksichtigung von Unsicherheit durch unscharfe und nicht voUstandig bekannte Daten bereit. Da dieser auf einen allgemeinen Ansatz zur Projektplanung zuriickgeht, steht er ohne weiteres auch weiteren Anwendungen, beispielsweise in der Fertigungsindustrie oder in der Projektplanung, zur VerfUgung. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die in der vorUegenden Arbeit entwickelten Methoden es ermoglichen, auf taktisch-operativer Ebene durch einen simulationsgestutzten, stoffstrombasierten Ansatz stoffumwandelnde Prozesse in produktionswirtschaftlichen Entscheidungsmodellen adaquat abzubilden, und durch den entwickelten Ansatz einer FuzzyAblaufplanung fiir Chargenproduktionen Unsicherheiten durch unscharfe und nicht voUstandig bekannte Daten in der Ablaufplanung zu beriicksichtigen. Durch die exemplarische Anwendung auf reale Produktionssysteme wird jeweils die Praxistauglichkeit der Ansatze bewiesen.
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