Yakuza-Rache
Sinclair Crew John Sinclair TB Nr. 114 von Jason Dark, erschienen am 11.09.1990, Titelbild: Vicente Balle...
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Yakuza-Rache
Sinclair Crew John Sinclair TB Nr. 114 von Jason Dark, erschienen am 11.09.1990, Titelbild: Vicente Ballestar
In Japan entriß man sie dem jahrhundertealten Tod. Sie sollten zurückkehren, sie sollten das Grauen und die Vernichtung bringen und für diejenigen kämpfen, die unter dem Namen Yakuza eine asiatische, mafiaähnliche Organisation bildeten. Zwei Zombie Samurais erschienen in London. Eine unheimliche Magie trieb sie an. Und sie töteten. Ihren Schwertern entkam niemand. Keiner konnte diese Wesen stoppen, bis wir eingriffen und plötzlich erkennen mußten, daß hinter den beiden Samurais eine noch stärkere Macht stand. Die des Dämons Shimada!
Die Männer zogen durch die Nebelschwadon. Ihre muskulösen Körper hielten sie unter Kimonos verborgen. Die dunklen Haare waren rasiermesserscharf geschnitten, und hinter ihnen blieb eine Welt zurück, die aus Macht, Geld, Korruption und Verbrechen bestand, die stärker war als die Mafia und die in Japan mit einem Namen umschrieben wurde, vor dem viele zitterten. Yakuza! Vor ihnen lag das Reich des Todes, der Ort des Vergessens, der Vergänglichkeit. Ein legendenreiches Areal, vom Hauch des Todes umweht, von Geistern und Seelen beschützt und gekennzeichnet durch mehr oder weniger schlichte Gräber. Der Friedhof lag in den Hügeln, in einer ziemlich feuchten Gegend, wo die Sonne es oft nicht schaffte, den Nebel bis zum Mittag aufzulösen. Aus diesem Grunde sah der Friedhof stets aus, als wäre er von Leichentüchern eingehüllt worden. Wer hier begraben lag, der bekam selten Besuch. Die einfachen Menschen aus der Umgebung schlugen einen Bogen um ihn. Wenn mal einer der Bauern an diesem Friedhof vorbeigehen mußte, verhüllte er sein Antlitz, um die Ruhe der Geister und der Götter nicht zu stören. Es war eine unheimliche Gegend, die kaum Vegetation aufwies. Die Ruhe des Todes herrschte in dieser Senke vor. Die Männer gingen schweigend hintereinander her, manchmal schwer atmend, immer mit gesenkten Köpfen, als wollten sie den feuchten Boden absuchen. Dann und wann raschelten die kostbaren Seiden-Kimonos. Sie zeigten Motive wie Drachen oder maskenhaft verzerrte Gesichter, die allesamt Emma-Ho, den Herrn der Hölle, darstellen sollten, diesen Oberteufel, der in verschiedenen Gestalten auftreten konnte und ein Heer von Dienern der schrecklichsten Sorte befehligte. Zurückgelassen hatten die Männer ihre Leibwächter und ihre Limousinen, ausschließlich Karossen aus dem fernen Deutschland, die mit dem Stern. Gepanzert, gesichert und blankpoliert wie Spiegel. Für ihre Vorhaben durfte es keine Zeugen geben, sie waren diejenigen, die etwas durchführen wollten, das seit langer Zeit nicht mehr getan worden war, an dem jedoch kein Weg vorbeiging. Über dem eigentlichen Friedhof lag der Nebel nicht mehr so dick. Es war, als hätte er Mitleid mit denen, die ihn besuchten, um dafür zu sorgen, daß sie ihr Ziel so rasch wie möglich fanden. Keine prunkvollen Gräber warteten auf die drei Yakuza. Schlichte Steine ragten aus dem weichen Untergrund, der zur Mitte hin an Feuchtigkeit zunahm, weil ein schmaler Bach den alten Totenacker teilte. Als die drei Männer auf der alten Holzbrücke über den Bach gingen, lag die unheimlichste Ecke des Friedhofs vor ihnen. Geschützt durch eine
Hecke gegen rauhe Winde, als sollte die Ruhe der Toten auf keinen Fall gestört werden. Auch die zwei Gräber lagen dort. Von beiden Seiten ragten die weichen Arme der Büsche über die grauen Platten hinweg, auf denen keine Namen zu lesen waren, und das mit Absicht. Die drei Männer wußten Bescheid. Am Fußende der Gräber blieben sie stehen und verneigten sich zunächst gemeinsam, dann noch einmal einzeln, um ihre Demut zu zeigen, mit der sie sich dem Ziel genähert hatten. Der Nebel strich an ihren feucht gewordenen C iesii-h-tern vorbei. In der Hecke krallte er sich fest, slieg manchmal aus ihr hoch, um einem leichten Windstoß entgegenzuwallen, damit dieser ihn zerflattern konnte. Das alles kümmerte die Männer nicht, die mit einer besonderen Aufgabe gekommen waren. Die Seide der Kimonos raschelte, als sie vor den Gräbern niederknieten. Ihre Knie verschwanden im nassen Gras. Gemeinsam beugten sie die Körper so weit vor, daß sie mit ihren Stirnen die feuchten Grabsteine berührten. Nichts rührte sich in den Gesichtern. Kein Lächeln umspielte die zusammengepreßten Lippen, als sie die Arme vorstreckten und ihre Handflächen mit den gespreizten Fingern auf das Gestein legten. Keiner von ihnen besaß noch alle Finger. Bei einem fehlte der Ringfinger, bei dem anderen sogar der Mittel-und Ringfinger, beim dritten der Zeigefinger. Sie hatten sich die Finger abgehackt, um die Treue zur Organisation zu dokumentieren. Ein Wahnsinn! So blieben sie sitzen. Stumm, sich anschauend oder die Köpfe senkend, damit sie die beiden Grabplatten ansehen konnten. Minuten des Schweigens entstanden und auch Minuten der Stille, denn keiner von ihnen sprach ein Wort. Keiner rührte sich. Die drei Männer schienen selbst zu Stein geworden zu sein. Sie gaben sich den Erinnerungen an die Personen hin, die in der kalten Erde lagen und für die die Zeit der Totenruhe vorbei sein sollte. Als hätten sie sich gegenseitig abgesprochen, bogen sie die Oberkörper wieder hoch, hielten ihre Augen halb geschlossen und bewegten die Lippen, ohne daß Worte zu hören gewesen wären! Stummes Reden gehörte dazu. Sie beteten, sie beschworen, die waren völlig versunken in eine Trance, die schon magisch angehaucht war, denn ihr Fallen in eine geistige Tiefe wurde bei ihnen von schlimmen Gedanken begleitet. Gedanken an die schrecklichen Totengötter, an diejenigen, die in den anderen Welten herrschten und die es schafften, den Tod zu überwinden. Sie lebten in den tiefen Grüften der Dimensionen, aus denen sie hervorgeholt wurden. Nicht nur durch Worte, auch durch Taten.
Gemeinsam griffen die Yakuza in ihre Seitentaschen und holten dort etwas hervor, das sie aus ihren Fäusten rieseln ließen. Ein sehr feines Pulver, von unterschiedlicher Farbe. Bei einem war es ein schimmerndes Weiß, bei dem zweiten leuchtendes Rot, beim dritten Violett. Gleichmäßig verteilten sie die drei Pulversorten über die beiden Gräber. Die Feuchtigkeit sorgte für farbige Flecken. Auf der grüngrauen Erde hoben sie sich sehr deutlich ab. Es entstanden kleine Seen, die dem Erdboden andere Farben gaben und immer tiefer in ihn hineinsickerten. Der Boden saugte es an. Er schluckte es, er sorgte dafür, daß es in der Erde arbeiten konnte. Die drei Männer warteten. Noch knieten sie, diesmal mit aufgerichteten Oberkörpern und starren, unbewegten Gesichtern, in denen nur die Augen nach unten gerichtet waren, denn sie wollten erkennen können, was mit dem Pulver geschah. Es hatte lange gedauert, um überhaupt an diese magischen Ingredienzien heranzukommen. Es war mit Mühe und Gewalt verbunden gewesen, sie hatten es geschafft, jetzt sollte das magische Totenpulver, aus den getrockneten Körpern von Götzendienern hergestellt, auch seine Wirkung zeigen. Sie warteten, denn es machte ihnen nichts aus, wenn Zeit verging. Jeder von ihnen wußte genau, daß die Zeil für sie arbeitete, je mehr verstrich, um so mehr vergrößerte sich die Chance, daß der Tod überwunden werden konnte. Die drei verschiedenen Pulverarten, fein säuberlich auf beiden Gräbern verteilt, blieben nicht allein als farbige Flecke zurück, sie drangen auch in den Boden ein, wo sie ihre eigentliche Kraft ausbreiten konnten, die Kraft, auf die es ihnen ankam. Die Yakuza wußten nicht, wie lange sie vor den Gräbern hockenbleiben mußten, ohne sich zu rühren. Das konnte Stunden dauern, vielleicht sogar einen halben Tag und noch mehr. In Betracht kam auch das Gegenteil, eine sehr kurze Zeit. Daß sie es schaffen würden, daran zweifelte keiner von ihnen. Und so blieben sie hocken . . . Die Minuten reihten sich zusammen. Der Nebel lok-kerte sich nicht auf, er bedeckte die Szenerie als gespenstischer Begleiter und lag haubenartig über den Köpfen der drei Männer. In den beiden Gräbern jedoch geschah etwas: Aus der Tiefe drang ein widerlicher Geruch hervor, süßlich und penetrant. Es roch nach verfaultem Fleisch und irgendwelchen Kräutern. Hin betörender Duft, der den drei Männern um die Nasen wehte. Dabei trat auf ihre Gesichter ein anderer Ausdruck. Man konnte sich vorstellen, daß eine fremde Macht von den Gangstern Besitz ergriff.
Noch immer taten sie nichts. Sie waren Japaner, und die waren es gewohnt, trotz ihrer Macht zu dienen. Nicht den Menschen, sondern den Kräften, die sie herlocken wollten. Das Aroma blieb, es nahm sogar Gestalt an, denn aus den zahlreichen Lücken und Poren im Grasboden quoll ein Nebel hervor, der die Farben des Pulvers angenommen hatte, mit denen die drei Männer die Gräber bestäubt hatten. Für sie war es eine Bereicherung, denn nun näherten sie sich allmählich dem Ende. Die Augen hielten sie nicht mehr geschlossen. Halbgeöffnet und nach unten gerichtet nahmen sie all das wahr, was sich auf den Gräbern abspielte. Die Erde bekam Risse. Nicht sichtbare Hände wühlten sie von unten her auf. Dem Totenpulver war es gelungen, Kräfte zu wek-ken, die in der Tiefe lauerten, über die Jahrhunderte hinweg, und sie krochen nun geheimnisvoll, dumpf und als eine finstere Botschaft hervor. Vorboten eines noch schlimmeren Ereignisses, eines schaurigen Finales, gespickt mit dem Grauen der uralten Vergangenheit, einer Zeit, die für die Männer jetzt, in der Gegenwart, wichtig geworden war. Die Risse blieben nicht nur, sie bekamen durch die innere Spannkraft auch eine ungewöhnliche Länge und Breite. Die schwere Erde schien losgelöst zu sein. Sie wurde aus der Tiefe hervor aufgerissen. Magie und Kraft bildeten einen Verbund, dem selbst tonnenschwere Erde nichts anhaben konnte. So öffnete sich das erste Grab. Die Kraft aus der Tiefe schob etwas in die Höhe. Umrisse waren zu erkennen. Umrisse eines Menschen! Mit einem Schlag gelang der Durchbruch! Andere wären aufgesprungen und hätten voller Panik die Flucht ergriffen, nicht aber die Yakuza. Sie blieben unbeweglich sitzen, die Blicke auf die Gräber gerichtet, die Lippen zusammengepreßt, und in ihren Gesichtern sah es aus, als würde sich kein Leben mehr dort abzeichnen. Die Männer warteten, und sie hallen nicht umsonst gewartet, denn was dort aus dem Grab stieg, war das Gestalt gewordene Grauen. Eine lebende Leiche! Gelblichbraun das alte, zerfurchte Gesicht, mit schräggestellten, pupillenlosen Augen, einem Mund, dessen Lippen sich kaum mehr abzeichneten, und einer Kleidung, die trotz der langen Zeit unter der Erde noch gut erhalten war. Das grüne Lederwams klebte an ihnen ebenso wie die alten Beinkleider und der dunkelrote Schurz darüber. Gleichzeitig stieg der zweite Untote aus seinem Grab. Keiner der beiden fürchterlichen Gestalten sprach ein Wort. Schweigend kletterten sie aus
ihren Gräbern, aber in den pupillenlosen Augen stand ein Wissen, das erschrecken konnte. Seitmehrais vierhundert Jahren hatten sie in den kalten Gräbern gelegen. Sie waren nicht verwest, nicht von der Erde zerdrückt worden, sie stiegen so aus den Gräbern, wie sie damals begraben worden waren, und sie glichen sich wie ein Ei dem anderen. Auch die Bewaffnung stimmte bei ihnen. Damals waren sie mit ihren beiden Schwertern zu Grabe getragen worden. Noch steckten die Waffen in den alten, hölzernen Scheiden, die aussahen, als wären sie aus Baumrinde gefertigt worden. Ja, es waren Krieger. Sie hatten damals zu den besten gehört, und für die besten gab es einen Namen. Samurai! Die Kämpfer, die keine Übermacht störte, die ihr Leben einsetzten und sich nicht daran störten, als kleine Gruppe gegen kleine Armeen anzugehen. Samurai waren eine Legende und gleichzeitig der Traum vieler Japaner, denn es gab nicht wenige, die davon träumten, ein Samurai zu sein. Vieles von dieser alten Tradition war in das heutige Japan mit hinübergerettet worden, und auch die Yakuza fühlten sich im Prinzip als Samurai. Kämpfen bis zum Tod, niemals aufgeben, vor keiner Macht ducken, fest verwurzelt in Ehre und Tradition, obwohl die Geschäfte zu achtzig Prozent blutig waren. Aber über die Leichen sprach man nicht. Man ließ sie verschwinden. In Japan wurde trotz der räumlichen Enge noch immer viel gebaut, und der noch flüssige Beton hatte schon so manches Yakuza-Opfer geschluckt. Wie zwei Helden aus der Vergangenheit standen sie auf ihren Gräbern, ohne daß sie tief einsanken. Sie schauten auf die Köpfe der mächtigen Syndikatsbosse herab, die es nicht wagten, ihre Blicke zu heben. Für sie waren diese Minuten so etwas wie heilig. Sie wollten keinen stören, sie durften die beiden Gestalten nicht reizen, denn sie wurden gebraucht. Es hatte sehr lange gedauert, bis sich die Männer zu den entsprechenden Entschlüssen durchgerungen hatten, aber sie sahen keine andere Möglichkeit mehr, als zu den alten Mitteln zu greifen. Ein schleifendes Geräusch entstand, als beide Samurai gleichzeitig ihre Kampfschwerter hervorzogen. Blanke Klingen schimmerten in den feuchten Nebelschwaden. Nichts hatte die lange Zeit in den Gräbern den Waffen anhaben können. Sie waren nach wie vor blank, scharf und tödlich. Und die Samurai zeigten ihre Künste.
Auf den Gräbern stehend handhabten sie die Waffen mit einer artistischen Geschwindigkeit. Die große Kunst des Schwertfechtens wurde den knienden Yakuza vorgeführt. Sie bekamen einen Einblick dessen, was Gegner dieser beiden erwartete. Auch als die Klingen um Haaresbreite über ihre Köpfe hinwegfegten, rührten sich die Männer nicht. Es wäre ein Fehler gewesen, Angst zu zeigen, denn so etwas hätte den Tod bedeuten können. Sie blieben sitzen, als wären sie innerlich eingefroren, sie schauten den blitzenden Klingen zu, wenn diese tödlich nah an ihren Gesichtern vorbeihuschten. Sie bemerkten den Luftzug, der über ihre feuchte Haut hinwegglitt, und sie nahmen den Geruch des Todes wahr. Nur wenige Millimeter vor ihnen rammten die beiden Samurai die Schwerter in den weichen Grasboden. Der zweite Teil des Rituals begann, das wußten auch die drei YakuzaChefs. Der erste beugte sich vor und küßte die Klinge, als wollte er ihr Leben einhauchen, dann überließ er dem zweiten das Schwert. Auch dieser Mann reagierte entsprechend und fühlte sich ebenso erleichtert wie sein Partner. Blieb der dritte. Er nahm sich das zweite Schwert vor, um es zu liebkosen. Dabei schloß er die Augen. Durch die Gestalt lief ein Zittern, die Hände zuckten. Bei ihm sah es so aus, als wollte er mit den gespreizten Fingern die Klinge umfassen. Die untoten Samurai rührten sich nicht. Als der dritte Gangster sich zurücksetzte, rissen sie die Schwerter aus der lehmigen Erde und schlugen zu. Das geschah blitzschnell. Ein heimlicher Beobachter hätte nur das Blitzen der Klinge gesehen und das danach aus der Wunde quellende Blut der drei Yakuza, die auf ihren Stirnen und den Wangen das Zeichen der Samurai aufgeprägt bekommen hatten. Lange Schnittwunden. Von den Stirnen beginnend über die Augenbrauen hinweg und erst an den Wangen endend, wo sie allmählich ausliefen in einem feinen Netz aus Blutfäden. Die Yakuza-Bosse rührten sich auch jetzt nicht, sie blieben in ihren demütigen Haltungen, für die Mächtigen war dies etwas Unwahrscheinliches, ein Novum, denn sie waren es gewohnt, daß Tausende von Mitgliedern vor ihnen kuschten und nicht umgekehrt. Hier zahlten sie Tribut, was sie wiederum gern taten, denn sie brauchten die Samurai. Ihre Pläne beschränkten sich nicht allein auf Japan, sie waren viel weiter gesteckt, denn Europa wartete. Dort hatten sie gewisse Aufgaben zu
erledigen, eine fürchterliche Rache, die in einem Meer von Blut enden sollte. Diese Pläne existierten in ihren Köpfen und würden auch in die unheimliche Gedankenwelt der Samurai hineinfahren, um dort so etwas wie einen Befehl auszulösen. An den Klingen der Schwerter klebte noch das Blut der Menschen. Die untoten Krieger sahen dies, hoben die Waffen an und leckten das Blut mit ihren Zungen, die aussahen wie grauen Klumpen, ab. In diesem Augenblick festigte sich ein Band zwischen den YakuzaBossen und den beiden untoten Samurai. Sie waren nun bereit, sich dem Willen derjenigen zu beugen, die durch einen geheimnisvollen Totenzauber für ihre Rückkehr aus den Gräbern gesorgt hatten. Die Japaner standen auf. Trotz des langen Hockens erhoben sie sich mit geschmeidigen Bewegungen. Sie blieben für einen Moment stehen und schauten in die zerklüfteten Gesichter der fast gleich großen Samurai. Darin rührte sich nichts. Sie blieben unbewegt wie zerfurchte Masken. Aber sie ließen es zu, daß Hände sie berührten und an der Haut entlangstreichelten. Die Yakuza ließen den Kontakt mit den Untoten in den nächsten Sekunden nicht abreißen. Sie wußten genau, wie sie das Band dichter zu knüpfen hatten, und sie merkten, daß etwas von ihrem Willen und ihren Plänen in die beiden Gestalten aus den Gräbern hineinsickerte. Die Gedanken der Lebenden wühlte die Leere der Toten auf, erfüllten sie mit Aufträgen, die die Welt das Fürchten lehren sollten. Als der Kontakt zwischen ihnen abbrach, neigten die Samurai die Köpfe. Ein Beweis dafür, daß sie die Gangster als Herren erkannt hatten und für sie kämpfen würden. Danach drehten sie sich um. Die Männer taten es mit abgezirkelten Bewegungen, ohne auf die Krieger zu achten, denn sie gingen davon aus, daß diese ihnen folgen würden. Und sie hatten sich nicht getäuscht. In einer gewissen Entfernung gingen diese hinter ihnen her und tauchten ein in den schwadigen Nebel, der noch immer wie aus feuchten Tüchern zusammenklebte. Ihre Tritte hinterließen auf dem weichen Boden dumpfe Geräusche. Wieder schritten Gestalten hintereinander her, und wieder wirkten die Gesichter wie in den Nebel hineingezeichnet. Der alte Friedhof blieb hinter ihnen zurück. Die Welt des Todes, der Magie, und auch der Nebel lichtete sich, je mehr sie sich ihrem Ziel näherten, der alten Hütte, in der früher einmal die Ernte eines Reisbauern gelagert worden war.
Seit einiger Zeit diente die Hütte als Treffpunkt der Yakuza, wo sie sich zusammenhockten und finstere Pläne schmiedeten. Von außen sah man ihr nicht an, wie sie eingerichtet worden war. Mit Holz verkleidet und mit elektronischen Geräten versehen, bildete sie etwas wie die Filiale eines Hauptquartiers. In ihr warteten die Leibwächter. Um einen niedrigen Tisch herum hockten die mus-kelbepacktcn Männer mit den schweren Waffen unter ihren schwarzen maßgeschneiderten Jacketts. Sie alle gehörten zu den trainierten Kämpfern. Ihre Körper zeigten kunstvolle Tätowierungen, der Beweis, daß sie zur oberen Kaste der Bande gehörten. Bei ihnen fehlten keine Finger, denn das wäre beim Schießen hinderlich gewesen. Sie waren zu sechst. Zwei für jeden der Bosse, und sie erhoben sich, als die Bosse eintraten. Nach dem Verbeugen und dem Hochheben der Köpfe starrten sie auf die beiden Besucher. Nichts regte sich in ihren Gesichtern, sie waren zu gut trainiert, um sich eine Blöße zu geben, aber in den Augen blitzte es schon auf, denn mit diesen beiden Ankömmlingen hatten sie nicht gerechnet. Man hatte sie nicht tief in die Pläne eingeweiht. Es war nur bekannt, daß jemand kommen würde, doch sie hatten bereits erkannt, um wen es sich handelte, denn die japanische Historie war ihnen nicht fremd. Kein Wort wurde zwischen ihnen gewechselt. Das Schweigen stand wie eine Mauer. So lange, bis sich einer der Bosse bewegte. Er streckte seinen Daumen aus. Dessen Nagel zielte auf den links außen stehenden Leibwächter. Der Mann mit dem lackschwarzen gescheitelten Haar nickte und hörte seinem Auftrag zu. »Geh und warte zehn Schritte vor der Hütte!« Wieder verbeugte sich der Mann, bevor er dem Befehl nachkam. Er wußte nicht, was sein Boß vorhatte. Es spielte bei ihm auch keine Rolle, er wäre für ihn auch durch die Hölle und in den Tod gegangen. Und der genau sollte ihn ereilen! *** Die zehn Schritte waren exakt abgemessen worden und kein einziger zuviel. Der Leibwächter hatte sich gedreht. Wer jetzt aus der Hütte trat, dem wandte er sein Gesicht zu. Die Yakuza-Bosse verließen sie zuerst. Sie sprachen nicht miteinander, auch schweigend wußte jeder von ihnen, was zu tun war. In ihren mit
Blut verschmierten Gesichtern rührte sich nichts, als sie eine bestimmte Stelle einnahmen. Sie warteten auf die Samurai. Und die verließen Sekunden später die alte Hütte. Schwerfällig und doch geschmeidig gingen sie. Obwohl ihre Füße auf den Boden drückten, sah es beinahe so aus, als würden sie darüber hinwegschweben. Sie sahen das knappe Nicken der Bosse, drehten sich und schauten den Leibwächter an. Der Mann stand wie ein Pfahl! In diesem Augenblick hatte er sein Denken ausgeschaltet. Er war bereit, alles in sich aufzunehmen, er würde nichts und gar nichts Widerstand entgegensetzen. Die Untoten bewegten sich. Es war wie bei den Gräbern, als sie die Schwerter gezogen hatten. Nur griffen sie diesmal zu anderen Waffen, die sie in den Falten ihrer Kleidung versteckt gehalten hatten. In den Händen waren die gefährlichen Waffen kaum zu sehen; erst als sie die Arme hoben und die Fäuste öffneten, blitzte es auf. Das Blitzen bekam Fahrt, es raste auf den Mann zu und traf an zwei Stellen seinen Körper. Hoch oben in den Schulterbogen. Zur Hälfte noch schauten die gezackten Sterne hervor, die von den Untoten mit ungemein starker Kraft geschleudert worden waren. Wurfsterne, auch Churiken genannt! Sie hatten dort getroffen, wie sie es haben wollten. Der Leibwächter, auf das Aushalten von Schmerzen trainiert, verschluckte seinen Schrei. Durch seine Gestalt rann ein Zittern. Wie das Fauchen einer alten Dampflok drang der Atem aus dem Mund. Plötzlich lag der Schweiß dick auf seiner Stirn. Dann passierte das Unwahrscheinliche! Der Mann leuchtete von innen her auf. Sein Körper strahlte, als bestünden seine Adern aus langen, feinen Leuchtfäden. Einen Moment später brüllte er auf, bevor er zusammensackte. Nicht als Mensch, als Staub fiel er zu Boden und bildete einen kleinen Hügel. Die drei Bosse nickten sich mit unbewegten Gesichtern zu. Triumph war nicht zu erkennen, aber das feine Lächeln glich einem Wissen und zeigte Zufriedenheit. Die Mörder gingen zu den Resten und hoben die magischen Wurfsterne auf, bevor sie die beiden Waffen blitzschnell wieder einsteckten. Sie hatten ihren Auftrag erfüllt. Die Bosse bewegten sich aufeinander zu, steckten 'In' Köpfe zusammen und besprachen leise ihre Pläne Sie sahen sehr zufrieden aus, und einer von ihnen, der größte und breiteste, flüsterte den zwei Samurai etwas
zu. Er sprach nicht laut, seine Stimme glich dem Säuseln des Windes, aber die Killer wußten Bescheid. Sie hoben gleichzeitig ihre rechten Arme und zeichneten Kreise in die Luft, einmal, zweimal. Beim drittenmal umflorte sie ein großer, dunkelrot schimmernder Kreis. Und er saugte sie auf wie ein Trichter. Von einem Augenblick zum anderen waren sie verschwunden. Erst jetzt zeigten die Yakuza-Bosse so etwas wie Freude. Sie fielen sich zwar nicht um den Hals, verbeugten sich aber voreinander, eine Geste des Respekts und ein Zeichen, daß sie zufrieden waren. Einer von ihnen sprach aus, was die anderen beiden dachten. »Europa, jetzt nimm dich in acht!« Gemeinsames Nicken, dann wurden die Leibwächter geholt. Es waren nur mehr fünf. Keiner stellte eine Frage, das waren sie nicht gewohnt. Auch den Aschehügel bedachten sie kaum mit einem Blick. Sie gingen einfach weiter und hielten dort an, wo die schweren Limousinen aus Deutschland standen. Wie immer öffneten sie ihren Bossen die Türen, die sich noch einmal zum Abschied verneigten. Im Abstand von jeweils zehn Sekunden rollten die Limousinen davon, als wäre nichts geschehen... *** Beine — er sah nur Beine! Man nannte ihn Köbes, weil er vor Jahren einmal in einem Lokal in der Altstadt gekellnert hatte, aber das war lange her. Eine Schlägerei mit einem Gast hatte ihn einen Arm gekostet. Den Beruf als Kellner konnte er nicht mehr ausüben. Deshalb hatte Köbes umgesattelt und war etwas anderes geworden — nämlich Bettler oder Schnorrer. Er bettelte nicht irgendwo, sondern dort, wo Düsseldorf am elegantesten, am feinsten und auch am hochnäsigsten war. Auf der Königsallee, kurz Kö genannt! Dort hockte er zwischen einer Einkaufspassage und einem Kino, spielte hin und wieder auf seiner Mundharmonika und genoß die warmen Strahlen der Aprilsonne, die wenige Tage vor dem Monatswechsel schon kräftig schien. Er saß auf seiner alten braunen Decke, auf der auch Platz für seinen verbeulten Hut war, und konnte mit der bisherigen Einnahme zufrieden sein. Das Wetter machte die Leute high. Es törnte sie an, es lockerte ihre Laune, es beschleunigte ihren Kreislauf. Jetzt gaben sie auch lieber und befanden sich in einer swingenden Laune, wie sie Köbes eigentlich nur
aus der Vorweihnachtszeit her kannte. Da wollten dann einige Menschen ihr schlechtes Gewissen beruhigen. Beine, nichts als Beine! Nylons, Stretchröcke, manche davon verboten kurz, aber mit einem tollen Inhalt. Köbes konnte bereits am Gang der Menschen erkennen, wer oder was sie waren. Wenn sie daherschaukelten und nur hin und wieder einen Blick in die teuren Auslagen der Geschäfte warfen, gehörten sie bestimmt zu den mit Bussen angekarrten Touristen, die zumeist aus den nahegelegenen Niederlanden kamen und einmal den Hauch der Kö einatmen wollten. Die gaben nichts, die hatten auch kaum einen Blick für den Bettler, nicht einmal einen der Vei achtung. Dann gab es noch die Beine der Männer. Umhüllt von teurem Tuch oder einem engen Jeansstoff. Es kam darauf an, wer sie waren oder was sie vorgaben. Die Banker und Geschäftsleute hatten es immer eilig. Sie schritten schnell aus, wobei der Hosenstoff oft fah-nenhaft um ihre Beine flatterte. Anders die Jeansträger. Sie swingten über die Kö, gaben sich locker, sie hatten Zeit. Dann gab es noch die Beaus, die >beautiful people