GG09 - Vetusta Das Geheimnis der Dschungelwelt - und eine trügerische Chance! von Wilfried A. Hary
ISBN: 3-8328-1233-4
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Einführung
21. März 2453 = Durch einen Terroranschlag verschwinden 7 Menschen mittels eines GG (= Gaarson-Gate = eine besondere Art von Materietransmitter) - und geraten in ein fremdes GG-Netz, das schon lange existiert. Sie werden Opfer des Stationscomputers auf dem Planeten, auf dem sie stranden: Vetusta! Cora Stajnfeld ist eine der Verschollenen. Sie berichtet...
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1 Bericht: Cora Stajnfeld Ort: Vetusta »Übrigens mein Kompliment für die Nachbildung des Paralysers! Wir sind alle darauf hereingefallen. Der arme Grüne ebenfalls. Er dachte doch tatsächlich, er hätte eine echte Waffe in der Hand - eine wie sein Begleiter.« »Diese kleine Maßnahme war nötig. Leider war es allerdings nicht möglich, in der kurzen Zeit noch mehr Nachbildungen herzustellen. Wissen Sie, es gibt auf Vetusta kein für solche Zwecke brauchbares Metall. Wenigstens nicht in meiner Reichweite. Und ich bin auch nicht sonderlich geschickt im Anfertigen von Maschinen und dergleichen. Nur für die nötigsten Reparaturen reicht es.« »Ach, auch noch bescheiden, wie? Also, wenn du sozusagen den Mund aufmachst, lügst du schon. Militärische Strategie, nicht wahr? Welche Teufel haben dich eigentlich so programmiert? Denn nicht du bist ein Teufel, sondern deine Schöpfer. Kein Wunder, daß es hier einmal Krieg gab. Ich bin jetzt schon ein Gegner deiner Erbauer - und kenne sie nicht einmal. Aber ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, dir zu begegnen.« Zu mehr kam ich nicht. Ich hatte die Umgebung sehr sorgfältig beobachtet, mußte jedoch davon ausgehen, daß ein Angriff entweder aus meinem Rücken oder aus der Tür heraus erfolgen würde. Es war mir klar, daß der Computer doch noch mehr als nur den einen Roboter hatte - gewissermaßen als verlängerter Arm. Den einen Roboter hatte er uns entgegengeschickt, um erst einmal unsere Stärke zu testen. Nichts, was der Computer unternahm, war ohne Logik. Im nächsten Augenblick bildete sich genau dort eine Türöffnung, wo ich Deckung gesucht hatte. Es geschah auf die gleiche plötzliche und gespenstische Art, wie wir es schon erlebt hatten. Meine Ausweichreaktion war viel zu langsam: Ich wurde voll getroffen...
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2 Bericht: John Millory Ort: Vetusta Ich hielt es nicht mehr aus. Gemeinsam mit der Gruppe der Paggern, das war mir viel zu langsam. Ich rannte um die Ruine herum... Niemand zu sehen. Ich rannte zum Eingang, mit schußbereitem Schocker, schaute vorsichtig hinein. Alles in Trümmern dort drinnen. Auch hier niemand. Mit klopfendem Herzen trat ich ein. Es tat sich nichts, und ich fand auch keinen der Gefährten. Als hätte sie der Erdboden verschlungen. Waren wirklich nur Petro und ich übriggeblieben? Für wie lange noch? Was war hier eigentlich in unserer Abwesenheit geschehen? Ich ging durch bis zum Gaarson-Gate. Es war nach wie vor initiiert, aber das nutzte uns nichts, wenn es nicht möglich war, über den Computer das für den Sprung nötige Fluoreszenz-Feld aufzubauen. Der Computer? Steckte dieser hinter dem Verschwinden von Cora und den anderen? Inwiefern? Und wieso kümmerte er sich nicht um Petro und mich? Ich verließ den Transporterraum. »He, John!« hörte ich Petro Galinksi rufen und verließ auch den zerstörten Computerraum, um wieder ins Freie zu treten. »Bist du von allen guten Geistern verlassen, John? Was rennst du einfach weg und...?« Er verstummte, weil er jetzt endlich ebenfalls begriff, daß Cora und die anderen nicht mehr da waren. »Sie sind dort, wo schon Macson und die Benedetta Fandow sind!« vermutete ich tonlos, weil ich mir nicht vorstellen konnte, daß Cora mit den beiden einfach ihren Posten verlassen hatte. Wie denn auch? Sie hätten den bewußtlosen Fermens mitschleppen müssen. Oder war dieser inzwischen wieder zu sich gekommen? Auch unwahrscheinlich. Selbst wenn: Warum hätten sie einfach davonlaufen sollen? Dies blieb die zentrale Frage, und sie machte es ja auch so unwahrscheinlich, daß sie eigenmächtig gehandelt hatten. Nein, es war ihnen etwas zugestoßen, und ich hoffte inbrünstig, daß es nichts Schlimmes war. »Dieser verdammte Computer ist genauso wenig beschädigt wie wir!« schnappte Petro erbost und ballte unwillkürlich seine mächtigen Hände zu Fäusten. »Das ist mir jetzt auch klar.« Ich nickte und bekämpfte dabei die Verzweiflung, die in mir alles tat, um endlich Fuß zu fassen. »Fast nehme ich an, im Computerraum, das war nur eine perfekte Kulisse - bestenfalls ein unwichtiger Teil von ihm. Und wo ist die Hauptsache? Wo vor allem ist das Versteck, wo er unsere Freunde hingebracht hat?« »Ihr nix Sieger?« fragte der Door-moorn bang. »Nee, weiß der Himmel nicht! Die schlimmsten Flüche über diesen Computer!« schimpfte Petro. Er sah meinen mißbilligenden Blick ob solcher Redensarten und verstummte mit einem mißglückten Grinsen. Jetzt war er beinahe wieder der Alte. Er drehte nicht durch angesichts der Tatsachen, sondern er versuchte, gelassen zu bleiben: Durch unflätiges Schimpfen. Seine beste Methode, einen klaren Kopf zu behalten, und nur damit konnten wir unsere weiteren Schritte festlegen. Copyright 2001 by readersplanet
Er sagte bemüht ruhig: »Es gibt noch mindestens zwei gut funktionierende Roboter, die er uns wohlweislich vorenthalten hat, weil sie keine Schocker vertragen. Und wo halten die sich versteckt? Sie können in einem Versteck hier im sogenannten Heiligtum sein - aber auch im Dschungel, bei den Paggern...« Door-moorn wurde ganz eifrig: »Ja, gewiß: Haben Gefangene gemacht. Befinden sich in Dorf. Sollen sehr komisch aussehen - äh, natürlich nicht komisch, sondern nur fremdartig...« »So wie wir etwa?« »Ja, nix grünes Fell und so wie normal wäre...« Es war ein Strohhalm, mehr nicht, aber ich griff danach. »Los, dann wollen wir nicht länger zögern. Wir haben zwei Schocker.« »Unsere Gegner haben mehr Schocker und vielleicht auch noch schlimmere Waffen!« gab Petro zu bedenken. »Aber wir können besser damit umgehen als die Paggern«, blieb ich zuversichtlich, »und der Comp ist sichtlich bemüht, seine Roboter möglichst zurückzuhalten, um sie nicht zu gefährden. Sie sind für ihn unersetzlich.« »Ich wäre eher dafür, hierzubleiben und zu versuchen, die Ruine systematisch in ganz kleine Einzelteile zu zerlegen.« »Das können wir immer noch tun, Petro. Jetzt erst einmal in den Dschungel. Die Paggern zeigen uns den Weg.« Ich wandte mich direkt an sie. Keiner von ihnen wagte es so recht, den Blick zu heben. Bis ich ihnen über den Door-moorn mitteilen ließ, daß wir vorhatten, das Dorf ihrer Gegner zu überfallen. Da waren sie plötzlich ganz aus dem Häuschen. Sie freuten sich regelrecht darauf und machten sich sogleich auf den Weg. Wir folgten ihnen. Anscheinend waren sie sonst zumeist die Unterlegenen. Kein Wunder, denn bei allen Querelen war schließlich immer der listige Computer auf der Seite ihrer Gegner. Ein ewiger Kampf - um was eigentlich? Diese Frage ließ mich im Schritt stocken. Petro sagte gerade: »Sobald das hier erledigt ist, will ich nur noch heim!« »Heim?« rief der Door-moorn. »Ich euch Weg zeigen. Da!« Er deutete in die Richtung, aus der er mit den Paggern gekommen war. Nicht ohne Grund hatte man versucht, sie aufzuhalten - mit aller Gewalt. Dahinter steckte der Computer. Er wollte uns etwas verheimlichen. Einen wichtigen Hinweis auf seine einstigen Gegner? Ich war plötzlich überzeugt davon. »Ja, sicher!« sagte ich zu dem Door-moorn. »Du wirst uns alles zeigen - sobald wir die Zeit dazu haben!« Dabei wäre ich am liebsten gleich mitgegangen, aber die Gefährten gingen vor. Sie mußten erst befreit werden. Hoffentlich befanden sie sich auch wirklich im »gegnerischen« Dorf? Bei diesem Computer mußten wir mit allem rechnen - natürlich auch damit, daß er schon wieder alles tat, um uns hereinzulegen. Wir näherten uns dem Dschungel und hingen trübsinnigen Gedanken nach. Sinnigerweise ließen wir die Paggern vorgehen. Allein schon aus Sicherheitsgründen: Wenn die gegnerischen Grünen jetzt Schocker einsetzten, waren wir nicht unmittelbar gefährdet. »Was ist mit eventuellen tödlichen Waffen auf Seiten des Comps?« fragte mich Petro erneut. Ich schüttelte den Kopf: »Hätte der Computer uns mit solchen töten wollen, hätte er es längst getan.« Das war meine wichtigste Hoffnung!
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3 Bericht: John Millory Ort: Vetusta Der Dschungel verschlang uns wie das Maul eines gefräßigen Molochs. Und genauso fühlten wir uns auch dabei. »Hoffentlich lauert hier nicht zufällig eines dieser Biester mit den Tentakeln?« gab Petro zu bedenken. »Ein MUOVA?« gab Door-moorn Auskunft. »Schlimmer Feind!« »Das allerdings haben wir auch schon bemerkt!« Ich deutete mit dem Kinn auf die Paggern, die sich hier offensichtlich viel wohler fühlten als in der Nähe ihres »feindlichen Heiligtums«. »Kennen sie überhaupt den Weg?« Der Door-moorn war überfordert, wenn er von zwei verschiedenen Leuten völlig verschiedene Themen angeboten bekam. Deshalb erzählte er Petro lieber mehr von den Muovas: »Sind riesig! Haben oktopoide Gestalt...« In Wirklichkeit grollte er natürlich wieder herum und machte entsprechende Zeichen mit seinen langen, behaarten Armen, um so ungefähr die Vorstellung eines Oktopusses zu vermitteln. Das Wort oktopoid entstand erst in unseren Köpfen, angeregt durch die telepathische Verstärkung dessen, was er sagte und mit Gesten unterstrich. »Haben runden Schleimkörper, mindestens groß wie Door-moorn. Tentakel sind ganz lang. Soviel mal so lang wie Door-moorn groß!« Er zeigte seine sechs Finger an der rechten Hand. »Also etwa zehn Meter lang sind die Tentakel«, rekapitulierte ich, und wie sie an ihren Enden aussahen - das hatte ich deutlich genug bereits sehen können. Gewissermaßen: Kein Mensch war ihnen je so nahe wie ich gewesen! »Dörfer von Majorki sind hoch in Bäumen wegen schlimmen Tieren. Fressen gern Majorki, wenn Majorki schlafen. Muovas schwer und faul. Bleiben lieber unten. Lange Tentakelarme aber manchmal hoch bis Dörfer. Machen alles kaputt!« Er schlenkerte dabei so mit den Armen, daß ich unwillkürlich auf größeren Abstand ging. Hoffentlich reichte der Krach, den er dabei verursachte, nicht, die gegnerischen Paggern auf uns aufmerksam zu machen. Obwohl die sicherlich schon Bescheid wußten, daß wir auf dem Weg waren. Verwunderlich, daß sie uns noch nicht gebührend empfangen hatten? Was führten sie im Schilde - unter dem Kommando ihres »Oberstrategen«, dem Comp? Der Door-moorn schien die Möglichkeit jetzt auch in Betracht zu ziehen, daß hier irgendwo die Paggern lauerten und versuchten, jeden weiteren Schritt zu verfolgen, den wir taten: Er wurde endlich leiser, und auch Petro hatte keine Lust mehr, ihn aus der Reserve zu locken. Später nur noch einmal, als er ihn fragte, was das denn für riesige Vögel seien: »Vantas!« war die Antwort. Sie war kurz und genügte uns. Mehr brauchten wir vorläufig nicht zu wissen. Sein »Wortschatz« reichte sowieso nicht aus, um den ganzen Artenreichtum ringsum zu erklären. Eines fiel mir dabei besonders auf: In diesem Dschungel dominierten eindeutig die Pflanzen. Ich vermißte irgendwelche Tierarten und wären sie noch so klein. Oder versteckten sie sich nur vor den Fremdartigen - vor uns? Denn eines war ja klar: Wir waren fremde Eindringlinge aus einer völlig anderen Welt, und somit war nicht nur diese Welt für uns fremd - sondern auch umgekehrt! Da sah ich auf einmal etwas, was mich stutzen ließ: Eine »schlichte« Blume. Besser gesagt: eine Orchidee. Sie schillerte in allen Farben des Spektrums und zog mein Auge wie magisch an. Die Paggern achteten überhaupt nicht darauf. Ein untrügliches Zeichen für uns, daß die Copyright 2001 by readersplanet
Orchidee keine Gefahr bildete. Denn die Paggern kannten sich schließlich in ihrem eigenen Dschungel bestens aus. Was mich dabei wirklich stutzig machte, war die Tatsache, daß es eine solche Orchidee auch auf der Erde gab - zumindest so ähnlich. Schade, daß ich mich in Pflanzenkunde überhaupt nicht gut auskannte. Ich konnte gewissermaßen kaum eine Rose von einer Nelke unterscheiden. Das hier wäre ein wahres Eldorado für entsprechende Wissenschaftler gewesen. Stirnrunzelnd schaute ich mich um. Nicht nur die Orchidee hatte Ähnlichkeiten mit entsprechenden Pflanzen auf der Erde. Wenn man die Bäume so betrachtete: Es waren halt eben Bäume, zwar anders als auf der Erde - wenigstens anders als dort, wo ich gemeinhin herumlief - aber es waren und blieben Bäume - auf den ersten Blick schon erkennbar als solche. Und das durfte doch keineswegs selbstverständlich sein - oder? Mir wurde ganz eigenartig zumute. Woran lag dies alles? Konnte es sein, daß es gewisse grundsätzliche Gesetzesmäßigkeiten gab? Entwickelte sich unter entsprechenden Bedingungen haargenau eine ähnliche Flora und Fauna? Wenn nicht - wie hätte es sonst möglich sein können, entsprechende Vergleiche anzustellen? Zum Beispiel die Majorki in ihrer hier angepaßten Erscheinungsform irgendwie mit hochintelligenten und insofern sehr menschenähnlichen Gorillas zu vergleichen? Oder den Door-moorn mit einem Orang-Utan? Und wie war es mit dem Urvogel, dem Vanta, wie man ihn hier anscheinend nannte? Der hätte genauso gut in grauer Vorzeit in den Lüften hoch über dem Boden einer urweltlichen Erde kreisen können... Ich schüttelte den Kopf. Fragen über Fragen. Sie waren bei mir auch schon früher aufgetaucht. Schließlich war ich erfahrener Raumfahrer. Ich hatte viele fremde Welten besucht. Die meisten waren im menschlichen Sinne lebensfeindlich gewesen. Aber es hatte auch welche gegeben, die durchaus Menschen das Überleben ermöglicht hätten. Ich hatte sie entdeckt - und hatte stets eigentlich theoretisch unmögliche Ähnlichkeiten zur Erde gesehen. Als sei dies eine Art Naturgesetz, daß sich Leben niemals so grundverschieden entwickeln konnte - egal wo im Universum. Allerdings waren solche Ähnlichkeiten stets eher vage geblieben und niemals so weitreichend gewesen wie hier auf Vetusta... Ja, es gab immer wieder Anknüpfungspunkte, irgendwelche mehr oder weniger entfernte Ähnlichkeiten, doch kaum jemals auch nur annähernd so stark wie hier. Woran lag das? Eine neue Frage: Wie sieht es auf den anderen Welten aus, die mittels Gate erreichbar waren? Denn es war ja wohl kaum wahrscheinlich, daß es außer auf Vetusta und im Bereich der Erde nirgendwo sonst Gaarson-Gates gab... Die Wahrscheinlichkeit: Daß die Sternentore bereits lange genug existierten, um solche Übereinstimmungen überall zu erlauben! Selbst bis in den mikroskopisch kleinen Bereich des Lebens hinein, denn wenn ein Sternentor sein Fluoreszenz-Feld aufbaute, das nur Nanosekunden lang bestand, wurde alles innerhalb des Gitterkäfigs neutralisiert - jedwedes Atom, ob es nun zur Luft gehörte oder zu sonst etwas... Und wenn man dann sonstwo materialisierte... kamen auch all die Mikroben mit und dergleichen! Es sei denn, das ganze wurde von vornherein unter völlig sterilen Bedingungen durchgeführt, und das war hier sicherlich nicht immer der Fall gewesen. Ergo kamen auch Pflanzensporen mit. Zumindest im Atem der Reisenden. Davon durfte man ausgehen. Die Quintessenz aus all meinen Überlegungen mußte letztlich lauten: Irgendwann hatte es auch auf der Erde Besucher gegeben. Und diese hatten allein schon durch ihren Besuch die Flora und Fauna der Erde nachhaltig beeinflußt. Dies faszinierte mich auf einmal so sehr, daß sich automatisch mein Atem beschleunigte. Petro fiel es auf. Er betrachtete mich mißtrauisch. Schließlich wußte er nicht, was in mir vorging. Und die anderen Welten mit passender Ökosphäre, die ich gefunden hatte... waren primitive Welten gewesen, bislang unbeeinflußt durch irgendwelche Besucher.
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Die Besucher waren nicht mittels Sternentor zur Erde gelangt, weil das erst neuerdings möglich war. Nein, durch interstellare Raumfahrt, wie sie die Erde erst seit annähernd vierhundert Jahren kannte und wie sie bei jenen Besuchern letztlich ebenfalls zum Untergang der alten universalen Ordnung und zur Möglichkeit der Sternentore geführt hatte. Dadurch waren die Besucher nicht wieder aufgetaucht. Weil sie aus ihrem Bereich nicht mehr so ohne weiteres herauskamen nach der Umwandlung, und vielleicht kannten sie so etwas wie Psychonauten-Raumfahrt in ihrem Bereich gar nicht - oder zumindest nicht im ausreichenden Maße, um eigentlich unwichtige Welten erneut aufzusuchen, die sie einst zumindest als interessant erachtet hatten? Es gab auf der Erde genügend Mythen und sogar angebliche Zeugnisse von frühen Besuchern. Bislang ging ich davon aus, daß alles Unsinn war. Jetzt begann ich an meinem eigenen Unglauben zu zweifeln. Alles das, was ich hier mit eigenen Augen sehen und mit eigener Nase riechen konnte... Es gab zu viele Ähnlichkeiten. Das konnte kein reiner Zufall sein. Das Leben hier war genauso beeinflußt worden wie das Leben der Erde. Wie auch immer: Schließlich konnte nur dieselben Wesen dafür verantwortlich sein. Sie hatten mit ihren Raumschiffen die Erde besucht, ohne Rücksicht auf die sich dort entwickelnde Flora und Fauna. Das hieß, sie hatten nichts dagegen getan, daß die einheimische Tier- und Pflanzenwelt von dem beeinflußt worden war, was sie mitgebracht hatten. Der Kontakt war danach irgendwann abgebrochen, nachdem bei ihnen die Katastrophe stattgefunden hatte. Es mochte Tausende von Jahren her sein. Aber das hieß doch auch...? Ja, es war ganz klar: Es war eigentlich der Beweis dafür, daß dieselben Wesen genauso so lange Sternentore in Betrieb hielten! Nicht nur auf Vetusta, die anscheinend zu den aufgegebenen Welten gehörte. Wer waren die fremden Wesen? Wie mächtig waren sie? Wie weit hatten sie sich ausgebreitet? Handelte es sich um eine einzelne Rasse mit gegenüber der Erde einem technologischen Vorsprung von Jahrtausenden - oder gab es sogar noch mehr Rassen in der Unendlichkeit des Universums, die einst zu den raumfahrenden Rassen und nun zu den Rassen mit Gaarson-Gates gehörten? Von den Mutanten wußte ich ja, daß auf Clarks-Planet Fragmente einer einstigen Hochkultur gefunden worden waren - einer raumfahrenden Hochkultur wohlgemerkt. Aber es hatte Krieg gegeben. Zur gleichen Zeit, da auch Vetusta in die kriegerischen Auseinandersetzungen verwickelt worden war? Fragen über Fragen. Ich tat alles, um das Chaos in meinem Innern wieder zu befrieden, denn eigentlich war es jetzt viel wichtiger, einen kühlen Kopf zu bewahren, anstatt sich solche Gedanken zu machen und vor allem Fragen zu stellen, deren Antworten zur Zeit überhaupt völlig unmöglich zu finden waren! Ja, schlimmer noch: Wann immer ich mich bemühte, auch nur eine Antwort zu finden, die halbwegs einleuchtend erschien, entstanden sofort zehn neue. Ich hatte es satt, wahrlich satt! Zum Philosophen taugte ich nicht. Ich war eher ein Mann der Tat, wie man von mir behauptete. Vor allem, wenn ich mich im Einsatz befand. Aber wie sollte man sich denn gegen Erkenntnisse wehren können, die sich einem förmlich aufdrängten?
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4 Bericht: John Millory Ort: Vetusta Als die gegnerischen Paggern nach den langen Strapazen durch und über dichtes Gestrüpp endlich angriffen, war ich beinahe froh darum: Kam ich dadurch endlich über mein eigentlich unsinniges und eher quälendes Nachdenken hinweg. Die Paggern zögerten nicht lange, sondern setzten ihre von ihren Gefangenen erbeuteten Schocker gleich ein. Die Gruppe, die uns begleitete, wurde schon nach dem ersten Ansturm halbiert. Gut, daß ihnen Petro hatte sagen lassen, daß sie keinen Tod zu befürchten brauchten, daß sie wieder zu sich kommen würden, nach einem Treffer. Ich schoß ebenfalls. Weder Petro noch ich wurden getroffen. Die Paggern in unserer Begleitung hatten uns ausreichend mit ihren eigenen Körpern abgeschirmt. Der Door-moorn versteckte sich wimmernd hinter mir. Das heißt, er versuchte es wenigstens, aber da er eine größere Körpermasse hatte, war das natürlich mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Er blieb zurück, während ich mich an Zweigen emporhangelte, um auf dem Umweg durch die Baumkronen in die Rücken der Angreifer zu gelangen. Ich kam rasch voran und unterdrückte meine Angst vor irgendwelchen fleischfressenden Biestern, die vielleicht hier oben irgendwo lauerten. Falls es sie gab, hatten sie sich zurückgezogen. Ich jedenfalls kam unbehelligt voran. Bis ich durch einen Fehltritt den Halt verlor und durch das Geäst nach unten krachte. Ich konnte meinen Sturz nicht verhindern, und als ich endlich unten ankam und mich wieder halbbenommen aufrappelte, tauchte prompt einer der Gegner direkt vor mir auf - mit Schocker. Er zitterte wie Espenlaub - anscheinend erschrockener über meinen Sturz als ich selber - anstatt auf mich zu schießen. Die erbeutete Waffe schien ihm außerdem eher unheimlich zu sein. Ich entband ihn von seinen Schwierigkeiten mit einem gezielten Schuß. Petro tauchte von der Seite auf wie aus dem Nichts und fing den Schocker des Bewußtlosen auf. Wie hatte er es geschafft, bis hierher vorzudringen, ohne aufgehalten zu werden? Aber er war nicht allein: Auch der Door-moorn hatte es geschafft. Kein Wunder, denn er war als Dschungelbewohner sicher ein ausgezeichneter Kletterer - und Petro hatte sich ihm anscheinend angeschlossen, während ich mehr oder weniger blind oben im Geäst herumgeturnt war, anstatt mich ebenfalls in die Obhut des Door-moorn zu begeben. Aber war der denn nicht ängstlich zurückgeblieben - zunächst? Dann hatte er sich also schneller gefangen als ich vermutet hätte. Vielleicht auch, weil er mit seinen Extrasinnen erkannt hatte, daß die Gefahr nicht ganz so groß war. Schließlich konnte er mit seinen Sinnen die Gegner regelrecht orten. »Bitte, mitnehmen!« flehte er mich an. Das war gar nicht rührend, sondern der Bursche hatte eine Heidenangst, und mir wurde jetzt klar, daß er Petro nur zu mir geführt hatte, weil es ihm sicherer erschien, wenn wir alle drei zusammenblieben. Ein Kämpfer war er jedenfalls nicht. Eine gutmütige Rasse. Die Majorki hatten sie anscheinend irgendwann in der Vergangenheit drastisch dezimiert. Deshalb gab es von Copyright 2001 by readersplanet
ihnen nur noch wenige. Solche Vorgänge kannte man ja auch zur Genüge aus der Geschichte der Erde. Und dann hatte man herausgefunden, daß sie sehr nützlich sein konnten - und ließ den Rest am Leben. Vielleicht hatte auch der Computer erkannt, wie nützlich sie sein konnten - um uns beispielsweise in eine solche Falle zu locken? Aber wir waren nun einmal hier, und der Computer konnte sich gar nicht vorstellen, welche Ausbildung Petro und ich genossen hatten. Wir würden dem Dorf der Paggern einen Besuch abstatten, koste es, was es wolle. »Los, zeig uns das Dorf!« forderte ich den Door-moorn auf. Er wollte an mir vorbeiklettern. »Nein, Door-moorn, nicht in direkter Richtung. Wir machen lieber einen kleinen Umweg, denn dort vorn lauern die doch bestimmt auch noch!« Gottlob, das verstand er! Wir konnten uns auf ihn verlassen. Er hangelte sich davon. Ich hatte unglaubliche Mühe, ihm zu folgen, denn dies hier war sein Element. Wenn ich mir vorstellte, daß sich diese mächtigen Kerle irgendwann hatten einfach umbringen lassen - nur weil sie keinerlei Kampfinstinkte besaßen... Es krampfte sich in mir alles zusammen. »He!« beschwerte sich Petro halblaut. Er war zurückgeblieben und sah anscheinend keine Chance mehr, zu uns aufzuschließen. Der Door-moorn reagierte, indem er etwas langsamer wurde.
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5 Bericht: John Millory Ort: Vetusta Unsere Finte gelang sogar: Bei dem Durcheinander hinter uns kamen die gegnerischen Paggern anscheinend gar nicht auf die Idee, die Verfolgung aufzunehmen. Ich konnte mir auch schwerlich vorstellen, daß wir eine Chance gehabt hätten, ihnen zu entkommen. Aber sie konnten einfach nicht gezielt vorgehen. Wesen wie wir flößten ihnen Furcht ein wahrscheinlich nicht viel weniger als der Computer. Und mit den erbeuteten Waffen mochten sie nicht umgehen. Klar, das waren Wesen, für die ein schöner Bogen und ein Pfeil darauf das Höchste der Waffenkunst waren. Zwischen dem und einem Schocker lagen mindestens zweitausend Jahre Entwicklung. Die konnte man nicht in ein paar Stunden überwinden! Unser Glück - und das Pech des Computers. Door-moorn machte Zeichen, was bedeutete: »Dorf!« Ich schätzte, daß wir mindestens zehn Meter über dem Dschungelboden waren. Auf den unteren Metern waren hauptsächlich parasitäre Schlingpflanzen und dichtes Unterholz. Danach kam eine freie Distanz von mindestens fünf Metern, wo es praktisch nur glatte Stämme gab. Wir hatten uns allerdings an Schlingpflanzen hochhangeln können, die von oben herabhingen. Eine recht schweißtreibende Tätigkeit - bei dem tropischen Klima und trotz der geringeren Schwerkraft. Nur dem Door-moorn schien das nichts auszumachen. Als würde sein Fell nicht zusätzlich wärmen, sondern irgendwie kühlen! Nach dem mehr oder weniger freien Stück kamen dann die untersten Ausläufer der eigentlichen Baumkronen. Der Door-moorn hatte uns im weiten Bogen herumgeführt, und von dieser Seite her erwarteten sie uns nicht. Im Dorf herrschte viel Aufregung. Aus der Deckung heraus beobachtete ich, daß große und kleine Majorki - Kinder und Erwachsene? -, wahrscheinlich auch Frauen, obwohl die Geschlechter für Menschen nicht zu unterscheiden waren - zwischen den nestähnlichen Hütten hin- und herhetzten. Sie waren erstaunlich behende Kletterer. Aber ich wußte, daß dies nicht die einzigen Fähigkeiten der Majorki waren. Hätte es hier eine irdische Schwerkraft gegeben, wären wir körperlich hoffnungslos unterlegen gewesen. Im solchen Fall wären wir besser bei der Station geblieben und hätten uns vom Dschungel möglichst ferngehalten. Alle rasten immer aufgeregter hin und her, und es drängte sich der Vergleich mit einem Ameisenhaufen auf - bis ich eine gewisse Gesetzesmäßigkeit erkannte: Ohne Zweifel, das Dorf wurde evakuiert! Unsertwegen? Ich begann, den Computer regelrecht zu hassen, obwohl es unsinnig erschien, eine programmierte Maschine und sei sie noch so perfekt programmiert, zu hassen. Wie wäre es möglich gewesen, die Majorki davon zu überzeugen, daß wir nicht die blutrünstigen Monstren waren, für die sie uns hielten - Invasoren aus einer anderen Welt? Im Grunde genommen überhaupt nicht! konstatierte ich. »Was meinst du, Petro?« Copyright 2001 by readersplanet
»Ich meine, hier läßt sich kein Butterbrot gewinnen. Wenn unsere Gefährten irgendwo untergebracht sind, dann ganz bestimmt nicht hier.« »Ganz recht. Also haben wir den Weg umsonst gemacht.« »Nein, nicht ganz umsonst, John: Wir haben gelernt und wissen jetzt, wie aussichtslos der Kampf gegen den Computer letztlich ist.« Ich spürte den berühmt-berüchtigten imaginären Klops in der Kehle und vermochte nicht, ihn hinunterzuschlucken. Ja, bis jetzt hatten wir beide uns recht tapfer gehalten. Wir waren als einzige dem Comp entronnen. Mehr aber auch nicht! Vielleicht war dabei mehr Glück als sonst etwas im Spiel gewesen. Auf Dauer jedenfalls...? Petro hatte recht: Es war eine Frage der Zeit, daß wir ihm unterlagen. Und wenn er den ganzen Planeten auf uns hetzte. Doch halt: Niemals den ganzen Planeten, denn es gab zumindest noch die anderen Paggern, die Abtrünnigen oder wie man sie nennen wollte. Wahrscheinlich stritten sie sich unter anderem darüber, wer jetzt der echte Stamm der Paggern war - sie oder diese hier. Tatsache jedoch blieb, daß es bei ihnen ein »Heiligtum« gab, das Hinweise auf die Gegner der Erbauer geben konnte! Und ich konnte mir nicht helfen: Jetzt, wo ich wußte, daß wir gewissermaßen umsonst hergekommen waren, da juckte es mich noch mehr als zuvor, dieses geheimnisvolle Etwas zu suchen. Und einen guten Führer hatten wir obendrein: den Door-moorn... »Also auf, worauf warten wir noch?« fragte ich in der Art, wie es sonst immer Petro tat.
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6 Bericht: Cora Stajnfeld Ort: Vetusta Ich kam zu mir. Nach der ersten Verwirrung und den Schmerzen als Folge der Schockstrahlen, die mich ins Land der Träume befördert hatten, erkannte ich zumindest: Ich bin nicht allein. Der erste jedenfalls, der in mein Blickfeld geriet, war Macson. Er feixte, als er sah, daß ich erwacht war. »Guten Morgen, Cora!« »So fröhlich?« erkundigte ich mich verstimmt. Ich schaute mich um. Alle waren da - alle, die verschwunden waren. Doch nur einer zeigte gute Laune, eben Macson. »Man muß es von der guten Seite her sehen«, behauptete er. »Wir haben hier unter anderem endlich unsere Ruhe. Ich habe zwar schon die Notration an Proviant aufgebraucht, die jeder von uns bei der Ausrüstung hat... Eigentlich unglaublich, diese Uniformen, nicht wahr? - Na, jedenfalls, wie ich das überblicke, machen auch Petro und John nicht mehr lange, bis sie in der Gewalt des Computers sind.« »Was könnte denn daran so fröhlich stimmen? Wir sitzen hier im Gefängnis, werden von wachsamen Computeraugen beobachtet und...« »Nein, also über Langeweile könnte ich für meinen Teil nicht klagen, liebe Cora. Wir hatten hier schon volles Programm, stimmt's, Benedetta?« Benedetta Fandow konnte es anscheinend doch nicht ganz so positiv sehen: Sie schnitt eine fürchterliche Grimasse. Macson erklärte: »Der Computer war so freundlich, uns nette Unterhaltung zu bescheren. Wir wurden beispielsweise Zeuge der Auseinandersetzungen da oben bei euch.« »Dann ist dieser Computer vielleicht sogar noch eitel? Wollte vor euch angeben, was?« »Iwo, ich möchte es ganz anders sehen: Ich wollte von ihm informiert werden, und Gefangene haben seiner Meinung nach sogar das Recht, genau zu wissen, was zur Zeit oben vorgeht.« »Und was habt ihr noch alles in Erfahrung bringen können? Über Petro und John? Vielleicht auch etwas über Vetusta?« »Nein, seltsam, über die beiden eigentlich gar nichts sonst!« gab Macson zu und runzelte verwirrt die Stirn. »Oder kann ich mich nur nicht mehr erinnern?« »Und wieso meinst du dann, es könnte bei denen nicht mehr lange dauern, bis sie ebenfalls dem Comp in die Finger fallen?« »Eine Vermutung, sonst nichts. Aber doch recht naheliegend, nicht wahr?« Ich schaute zu Fermens hinüber. Er war wortkarg wie immer. Sein Blick war seltsam leer, als hätte er eine Droge genommen. War er nicht Präkogniker? Zwar konnte er seine Hellsicht nicht bewußt steuern, aber er hatte sich einfach so über den Haufen schießen lassen. Also hatte er es nicht einmal geahnt, daß er sich überhaupt in Gefahr befand. Und jetzt? Wußte er vielleicht als einziger, was hier wirklich vor sich ging? Copyright 2001 by readersplanet
Er schien zur Zeit überhaupt nichts zu wissen. Ich schaute nach Colman. Der zeigte mal wieder sein charmantestes Lächeln, als wollte er damit immer noch bei mir landen. Seine Augen... Waren sie nicht ebenfalls so seltsam leer? Macson? Ich betrachtete ihn genauer. Seine aufgesetzte Fröhlichkeit... Aufgesetzt? Nein, er war tatsächlich fröhlich. Das war nicht gespielt. Als hätten alle drei Mutanten Drogen genommen! Ich lauschte in mich hinein: Keinerlei Beeinträchtigung. Meine Schulungen waren umfassend gewesen - als Führerin einer einstmals verbotenen Organisation. Wir Astro-Ökologen hatten Jahrhunderte lang als die schlimmsten Feinde der Menschheit gegolten. Jeder einzelne hatte mit seinem Leben gespielt, selbst wenn er nur als Sympathisant aufgetreten war. Und ich als hochaktives Mitglied, das es schließlich bis an die absolute Spitze geschafft hatte... Wenn ich wirklich unter Drogeneinfluß gestanden hätte, wäre mir das bewußt geworden. Ich schaute Benedetta an, die sich schweigsam wie Fermens benahm. Ihr Blick war klar, aber es schien, als habe sie halbwegs resigniert. Unsere Situation erschien ja auch völlig aussichtslos. Was auch immer der Comp mit uns vor hatte: Wir hatten dem nichts entgegenzusetzen. Abermals schaute ich die drei Mutanten an. Es sah so aus, als wären alle drei nicht völlig Herr ihrer Sinne. Aber nur diese drei. Nicht Benedetta und ich. Aber wieso? Es war schon erschreckend genug, zu erkennen, daß der Comp überhaupt zu seiner solchen Maßnahme in der Lage war. Da brauchte man das eigentliche Motiv nicht mehr unbedingt auch noch zu wissen. Es wäre allerdings einfacher gewesen für ihn, uns alle fünf bewußtlos zu halten! So aber durften Benedetta und ich uns völlig unbeeinflußt fühlen. Nur die Mutanten waren beeinträchtigt. Wohl wegen ihren Parasinnen? Es konnte gar nicht anders sein! Doch inwiefern hätten diese dem Comp überhaupt gefährlich werden können? Das blieb die zentrale Frage, und ich spürte, wie mein Herz unwillkürlich ein paar Takte schneller schlug. Es gab offensichtlich einiges, was der Comp vor uns verbergen wollte, und er ließ uns nur deshalb wach, damit wir uns unterhielten. Weil er auch nicht alles über uns wußte. Woher auch? »Und über Vetusta? Na, was hast du denn darüber in Erfahrung gebracht?« knüpfte ich an unser eigentliches Thema an. »Nur ein bißchen was«, gab Macson zu. »Der Computer erzählte uns zum Beispiel, daß es sich um eine Dschungelwelt handele. Also - ehrlich - ohne ihn hätten wir das gewiß nicht herausgefunden!« Er lachte leise. »Vielleicht ein paar astronomische Daten, sofern sie uns zugänglich waren? Also, die Schwerkraft beträgt ziemlich genau 0,8 g. Ein Tag dauert durchschnittlich 13 Stunden, ein Jahr 283 Tage. Der Planet ist ständig von einer Wolkendecke umgeben, die die Temperatur bei Tage um durchschnittlich dreißig Grad hält und sie auch in der Nacht nur um wenige Grad absinken läßt. Zugleich sorgt sie für eine hohe Luftfeuchtigkeit. - Zufrieden?« »Leidlich!« gab ich einsilbig Auskunft.
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7 Bericht: Cora Stajnfeld Ort: Vetusta Ich suchte nach einem Ausweg aus unserer Zelle. Zunächst nur mit den Augen. Aber es gab anscheinend nur kahle Wände. Nicht einmal die Andeutung einer Tür. Na, irgendwie mußten wir ja wohl hereingekommen sein. Also war die Tür nur durch einen Trick zu öffnen, und diesen Trick beherrschte nur einer: der Computer. Ich hätte nie für möglich gehalten, daß ich einmal zu einem ausgesprochenen Computergegner werden könnte und alle technischen Errungenschaften in dieser Richtung, ob auf der Erde oder auch sonstwo, zum Teufel wünschte. Jetzt war ich jedenfalls soweit! »Wenn du allerdings noch Fragen haben solltest...«, hub Macson noch einmal an, »da bin ich sicher, unser guter Freund, der Computer, steht gern zu deiner Verfügung.« Ich nickte grimmig. »Also gut, Comp: Hörst du mich?« »Gewiß, liebe Cora Stajnfeld.« »Freut mich riesig. Was ist mit John und Petro? Wo sind sie?« Sogleich wurde ein Teil der Wand zum Bildschirm. Alle konnten wir John und Petro sehen von dem Zeitpunkt an, als sie sich von uns getrennt hatten, um auf der Rückseite der Ruine nachzusehen. Danach die Szene, als der Comp uns überwältigte. Die beiden kehrten wieder zurück, und wir wurden Zeugen davon, als sie den GG-Raum betraten und dort das erloschene Tor vorfanden. Ich stieß einen Laut des Entsetzens aus. »Doch schlimmer als vermutet, daß ihr jetzt hier festsitzt, nicht?« »Wenn es so ist, dann kannst du uns auch laufenlassen? Oder sollen wir hier verhungern?« »Es werden sich Mittel und Wege finden, euch los zu werden - nach wie vor. Hier könnt ihr jedenfalls auf keinen Fall bleiben, denn ihr seid ein erhebliches Sicherheitsrisiko für mich und meine Arbeit auf Vetusta.« »Für wen tust du das überhaupt? Da ist doch niemand mehr. Willst du noch Jahrtausende hier ausharren und treu und brav alle Sicherheitsrisiken entfernen, wie du dich ausdrückst? Dann wirst du die Grünen eines Tages ausrotten müssen, weil sie dir nicht alle ergeben sein werden. Sie werden so etwas wie Technik entwickeln. Außerdem gibt es sicherlich noch ganz andere Völker, die gar nichts von deiner Existenz wissen. Der Planet ist groß. Irgendwann kommen sie und machen dir die Hölle heiß. Wart's ab!« »Wie ich schon sagte«, erklärte der Computer in stoischer Ruhe: »Es wird Mittel und Wege geben.« Ich sah auf dem Bildschirm, daß John und Petro mit gezogenen Schockern die Ruine verließen und allein auf den Dschungel zugingen. »Wart's nur ab, Cora!« feixte Macson. »Und die Gegner des Computers - die gibt es tatsächlich. Nur leider ist der Computer so programmiert, daß er nicht töten kann, so lange es zu vermeiden ist. Jedenfalls ist das der humane Teil seiner Programmierung - und ausgerechnet der hat den Ansturm damals überlebt.« Er schien den Film schon komplett gesehen zu haben, denn er schaute nicht mehr hin:
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Am Dschungelrand teilten sich die Äste und Zweige. Eine paar Grüne tauchten auf. Erst gaben sich John und Petro mißtrauisch. Aber dann schlossen sie sich den Grünen an und verschwanden gemeinsam mit ihnen im Dschungel. Ich runzelte die Stirn. Irgendwie kam mir die ganze Szenenfolge seltsam vor. Ich kannte John Millory nicht lange genug, um ihn sicher einschätzen zu können, aber würde er wirklich so vorgehen? Und Petro Galinksi? Er war schließlich Sicherheitschef eines Towersatelliten geworden. Das wurde man nicht, wenn man blind auf einem fremden Planeten herumtappte. Und wie war überhaupt die Verständigung mit den Grünen möglich gewesen? Hatten die Translatoren denn die eigentliche Sprache der Grünen schon vollends entschlüsselt? Und wann? Hinter der Ruine? Ja, und wieso hatte der Comp eigentlich gar nicht gezeigt, was hinter der Ruine passiert war, ehe die beiden wieder zum Eingang zurückgekehrt waren? »Habt ihr denn auch mehr über den Krieg und seine Ursachen in Erfahrung bringen können?« fragte ich tonlos - und bemüht, mir nicht anmerken zu lassen, welche Gedanken ich in Wahrheit hegte. »Leider nein. Darüber weiß der Comp offensichtlich selber nichts mehr. Wenn ich das richtig sehe, weiß er sogar über seine Erbauer nichts mehr. Aber ansonsten ist er recht fix. Das müßt ihr doch zugeben, oder?« Macson schaute sich beifallheischend um. »Was haben die denn für ein Heiligtum - wenn du es schon nicht bist?« fragte ich den Comp. »Ich meine die Grünen, denen John und Petro sich angeschlossen haben. Und welche Sprache sprechen sie? Beherrschen Sie auch die Sprache deiner Erbauer?« Der Computer gab keine Antwort. Macson erläuterte: »Das ist keine Sturheit, daß er nicht antwortet, Cora, sondern schlichte Unwissenheit. Unser Freund hat seine Anordnungen und sein Programm. Viel mehr ist da nicht. Wenn auch die Spracheinheiten enorm sind - genauso wie die strategischen Einheiten. Aber das ist dir ja nicht neu, schätze ich. Neu dürfte vielmehr sein, daß der Computer noch nicht einmal weiß, was das für eine Welt ist, zu der er uns schicken will. Sie hat irgendwann in der Vergangenheit einmal eine bedeutende Rolle gespielt. Damit erschöpft sich sein Wissen. Anscheinend hat er auch mehrmals in den letzten hundert oder gar tausend Jahren - da will er sich leider nicht festlegen - versucht, Kontakt mit anderen Welten aufzunehmen - mit denen, die ihm geeignet erschienen. Aber er hat nur eine begrenzte Anzahl von Datenträgern, die er durch Sternentore schicken kann. Einen regelrechten Hyperfunk gibt es halt eben nicht. Deshalb muß er sparsam damit umgehen. 'ne Antwort hat er bislang jedenfalls nicht bekommen!« Er zuckte mit den Achseln. »Sei's drum, es ist ihm trotzdem gelungen, uns die Zeit ein wenig zu vertreiben - mit beachtlichen Tricks, wie du bald zugeben wirst. Schau es dir nur an. Und verzeih meine Begeisterung - obwohl es um deinen guten John geht!« »Das ist nicht mein guter John, wie du zu scherzen beliebst!« widersprach ich schneidend. Macson grinste nur breit. Er schien seine eigenen Ansichten über das Verhältnis Cora-John Millory zu haben - und hütete sich, in dieser Hinsicht zuviel zu verraten. Ich hatte auch genügend Ablenkung, denn nachdem John Millory und Petro den Dschungel betreten hatten, wechselte die Szene: Das Innere der Station wurde gezeigt. Und der Computer zeigte ihnen einen Trick, den man gut von Theaterbühnen der Erde her kannte. Dort war diese Technik bis zur Perfektion gereift, und es gab sie immer noch - die Theaterbühnen. Die Computereinheit im sogenannten Computerraum - das war nur eine Kulisse, denn der Computer hatte damit rechnen müssen - nachdem all seine Bemühungen um Kontakt nicht mehr fruchteten - daß irgendwann auch einmal eine Gefahr durch das Sternentor kam. Die einzigen, die gekommen waren, das war eine siebenköpfige Gruppe von Menschen - und für die war die sorgfältig vorbereitete Bühne anscheinend gerade richtig. Ich wurde Zeugin davon, wie sich die ganze Anordnung innerhalb des Gebäudes verschob. Dabei kam nicht nur kurzfristig der Zugang zu den Kellerräumen zum Vorschein - wo wir uns zur Zeit befanden -, sondern auch ein weiteres Gaarson-Gate. Das ganze war wie eine Copyright 2001 by readersplanet
Drehbühne aufgebaut. Man konnte es auch nach unten wegklappen. Enorm - bei einem Gaarson-Gate, das immerhin eine Kantenlänge am Bodenquadrat von schätzungsweise mindestens neun Metern hatte. Somit waren wir einem Bühnentrick zum Opfer gefallen: Der echte Computerraum existierte nach wie vor unbeschädigt. »Na?« rief Macson aus, »habe ich zuviel versprochen?« Er fügte hinzu: »Und soll ich dir sagen, was ich außerdem auch noch glaube?« Er schnalzte mal wieder mit der Zunge: »Der Computer wird die beiden nicht gefangennehmen lassen, sondern alles so deichseln, daß sie entkommen können - ohne daß sogar den Majorki auffällt, daß alles Absicht ist. Sonst würde es nicht echt genug wirken.« »Und wozu sollte er das tun?« erkundigte ich mich zweifelnd. »Ganz simpel, meine Liebe: Der Computer will endlich wissen, was es mit diesem vermaledeiten Heiligtum der anderen Paggern auf sich hat. Denn alle Beschreibungen der Eingeborenen sagen seinem stark eingeschränkten Gedächtnis recht wenig. John und Petro sind sozusagen seine letzte Hoffnung, dieses Rätsel auch noch zu lösen. Denn seine Roboter kann er nicht einsetzen - auf diese Entfernung jedenfalls nicht. Sie wären unnötig gefährdet, weil nicht mehr ausreichend steuerbar. Und das unbekannte Ding, um das es sich dreht, ist anscheinend zu schwer und nicht zerlegbar...« Ich bekam eine Gänsehaut. Das ganze wirkte auf mich wie ein gigantisches Schachspiel, und die Figuren waren echte, lebende Menschen. Sie spielten ein ungleiches Spiel mit sehr ungleich verteilten Chancen, denn sie spielten gegen einen spezialisierten Computer - was diese Art von Spielen betraf... Es konnte unmöglich einen Sieg auf der menschlichen Seite geben! Eine Erkenntnis, die alle teilten - ausnahmslos. Ich war selber nahe daran, zu resignieren, aber es hätte meinem Naturell widersprochen. Außerdem war da der deutliche Eindruck, daß der Computer nicht tatsächlich gezeigt hatte, was mit John und Petro passiert war. Er verheimlichte etwas. Und wieso hatte er die drei Mutanten beeinflußt? So hoffte ich insgeheim immer noch auf eine winzige Chance, die sich uns noch bieten könnte - in eben jenem verheimlichten Bereich. Wie diese Chance auch immer aussehen würde - ich war geschult darauf, sie zu erkennen, sobald sie sich zeigte. Und das erfüllte mich wieder mit genügend Zuversicht. Ich versuchte, von meinen Gedanken abzulenken, ganz instinktiv, denn ein Bio-Gehirn, das Mutanten so sehr beeinflussen konnte, war vielleicht auch in der Lage, meine Gedanken anzuzapfen? Ich sagte daher, scheinbar ebenfalls resignierend: »Letztlich werden wir also auf einer Welt stranden, über die nicht einmal der Computer als Absender so recht Bescheid weiß?«
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8 Bericht: John Millory Ort: Vetusta Es war ein verteufelt weiter Weg - viel weiter als vermutet - und darüber brach fast die Nacht herein. Ein eigenartiges Dämmerlicht breitete sich aus, und ich fragte mich unwillkürlich, ob es so etwas wie einen Mond über Vetusta gab? Man würde es nur feststellen können, wenn man den Planeten mit einem Raumschiff verließ... Als ich schon mal das Wort Raumschiff im Kopf hatte, wurde ich es nicht mehr los. Meine Gedanken begannen, chaotisch zu werden. Sie drehten sich nur um dieses eine Wort: Raumschiff! Und ich war auf einmal fest überzeugt davon, daß wir eins finden würden! Denn nur dann war hier alles logisch, paßte das eine endlich zum anderen: Irgendwann hatte es eine kriegerische Auseinandersetzung gegeben - zwischen der Großstation (war es nun eine Art GG-Bahnhof gewesen oder auch nicht?) und irgendwelchen Raumschiffen. Zwei verschiedene Weltraumrassen. Die eine war spezialisiert auf Sternentore - und die andere hatte Raumschiffe. Vielleicht waren beide Rassen vorher eins gewesen, wie auch die Paggern vorher ein geeinter Stamm gewesen waren? Der Vergleich faszinierte mich. Logisch, denn man brauchte ja Raumschiffe, um die Sternentore zu fremden Welten zu bringen. Und dann war es zu Auseinandersetzungen gekommen? Eine wahrlich fantastische Theorie machte sich in meinem Kopf breit, nachdem es mir gelungen war, meine chaotischen Gedankengänge endlich zu ordnen: Ein Teil der Erbauer, das waren Raumschiffleute - mit Sicherheit eine Art Psychonauten, weil sonst keine Raumfahrt mehr möglich war in Bereichen, in denen die Gates bereits funktionierten. Und ihre Aufgabe war es zunächst gewesen, mit den Raumschiffen Sternentore im Universum zu verteilen. Sogar jede Welt, die irgendwann auch nur die geringste Bedeutung erlangen könnte, wurde mit einem GG bedacht, nachdem alle wichtigeren Welten versorgt waren. Was wußten wir denn schon? Konnten wir sicher sein, daß man den Gaarson-Effekt wirklich fortwährend anwenden mußte, um nach etwa vierhundert Jahren den Energiekollaps mit den bekannten Folgen zu verursachen? Vielleicht genügte es ja auch, wenn ein Raumschiff mit Gaarson-Antrieb eine Welt anflog - wie ich es Hunderte von Malen durchgeführt hatte -, um dadurch den Kollaps sozusagen vorzubereiten? Ohne ständig benutzten Gaarson-Effekt dauerte es bis zum Kollaps dann vielleicht x-mal so lange? Dann würde es sich auch lohnen, Gates dort zu lassen, wo sie eigentlich erst in Tausenden von Jahren funktionierten. Schließlich jedoch wurde es den Gate-Erbauern zuviel: Sie wollten nicht, daß noch mehr Sternentore verteilt wurden. Ein wirtschaftliches Problem wahrscheinlich. Die Sternenfahrer wurden für ihre Tätigkeit bezahlt. Klar. Und als man ihnen keine Aufträge mehr geben wollte, wurden sie natürlich sauer... Nein, eigentlich war diese Theorie gar nicht so fantastisch. Sie erschien mir im Gegenteil sogar recht einleuchtend - zur Zeit zumindest. Was brauchte man denn noch die Raumfahrer, wenn man genügend Welten mit einem Gate erreichen konnte? Obwohl - war es wirklich so gewesen? Copyright 2001 by readersplanet
Die Zukunft würde es erweisen müssen - irgendwann! Falls es für uns überhaupt so etwas wie eine Zukunft geben konnte, nachdem alle Gefährten bis auf uns beide in die Gewalt des Computers geraten waren. Ich hatte jetzt eine - wie ich meinte - plausible Erklärung für die kriegerischen Verwicklungen gefunden und fieberte dem Augenblick entgegen, wo sich ein Teil meiner Theorie beweisen würde: Mit dem Fund eines abgestürzten oder abgeschossenen Raumschiffes nämlich! »Was ist denn bloß los mit dir?« erkundigte sich Petro Galinksi besorgt. Ich teilte ihm meine Theorie mit. Er lachte zwar nicht, aber so richtig überzeugt war er auch nicht. Bis uns der Door-moorn ans Ziel gebracht hatte. Und dann hatte er kein Gegenargument mehr, denn genau das trat ein: Wir fanden das Raumschiff!
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9 Bericht: John Millory Ort: Vetusta Es war gigantisch gewesen - vor dem Absturz jedenfalls. Und es sah völlig anders aus, als man sich Raumschiffe jahrhundertelang allgemein vorgestellt hatte: Keinerlei Pyramiden-, sondern ehemals exakte Kugelform. Wie das Kangrahschiff, von dem die Mutanten berichtet hatten? Das war jedenfalls das erste, was ich feststellte. Fast alles war zwar vom Dschungel total überwuchert, aber die ursprüngliche Form ließ sich für ein geschultes Auge eben dennoch erahnen. Der Door-moorn hielt respektvoll Abstand. Er begründete das mit irgendwelchen Geistern, die im Auftrag der Götter in dem »Heiligtum« hausten. Seine Angst war jedenfalls echt. Ich nahm an, daß es sich dabei um Tiere handelte, die in dem Wrack ihre Behausung gefunden hatten. Deshalb legte ich es auch nicht darauf an, das Wrack sogleich zu betreten. Aber es würde uns wohl letztlich nichts anderes übrigbleiben, wollten wir mehr erfahren. »Was hast du vor diesen Göttern Angst, während du bei uns bist?« fragte ihn Petro. Der Door-moorn war höchst überrascht. Anscheinend war er gar nicht selber darauf gekommen. Er stimmte endlich zu. Aber wir hielten unsere Schocker bereit, um keine böse Überraschung zu erleben. Es zeigte sich kein Paggern, obwohl sich bestimmt welche in der Nähe aufhielten. Sie trauten sich anscheinend nur nicht, näher zu kommen. Mir war es auch egal. Die Neugierde trieb mich endlich voran, und sie überstieg alles - fast sogar meine natürliche Vorsicht. Plötzlich zischten mehrere Tentakelarme aus der großen Öffnung vor uns, die nur unvollständig überwuchert war. Ich setzte den Schocker ein. Jetzt wußte ich ja, daß sich irgendwo der empfindliche Teil des Muova befand. Als meine Bemühungen endlich Erfolg zeitigten und die peitschenden Tentakelarme erlahmten, grollte der Door-moorn erst aufgeregt, aber gleich wieder halbwegs begeistert von uns. Jetzt schien er erst recht keine Furcht mehr zu haben und führte uns in das Innere. Nur wegen dem Muova, den ich betäubt hatte, war diese Angst in ihm gewesen? War das alles, was uns hier drinnen erwarten konnte? Mißtrauisch schaute ich mich erst einmal um. Auch Petro zögerte. Es gab nur diffuses Licht, aber die Ausrüstung der Uniformen war fantastisch. Sie beinhaltete auch eine winzige Knopfleuchte, die allerdings vollkommen genügte, um die Düsterkeit um uns zu erhellen. Der Door-moorn grollte mal wieder zuversichtlich. Aber er ließ uns nicht an seinen Gedanken teilhaben. Als würde er sich abkapseln. Vor wem? Irgendwie glaubte ich sogar, daß er jetzt nicht einmal mehr Kontakt zu seinen Rassegenossen hielt, die vielleicht über den ganzen Planeten verteilt lebten. Copyright 2001 by readersplanet
Eine Gedankengemeinschaft also, die auch mal aufgekündigt werden konnte, falls die Situation es verlangte? Aber welche Situation gab es hier, die ein solches Verhalten bedingte? Nein, es kann nicht nur der Muova gewesen sein, der ihn davor zurückschrecken ließ, das Wrack zu betreten! war meine Vermutung. Das Wrack selbst? Nein, ein Kugelraumer, der dermaßen beschädigt war... Es war zumindest ein Raumschiff gewesen, das keinen Gaarson-Antrieb gehabt hatte. Sonst hätte es pyramidenförmig sein müssen. Zwar war auch denkbar, daß dieses Raumschiff ein entsprechendes Gitternetz erst dann entfaltet hatte, wenn es sprungbereit gewesen war, wie man es bei irdischen Raumschiffen ja auch schon länger praktizierte - vor allem in der sogenannten Scout- oder Luxusklasse... Aber es gab keinerlei Anzeichen mehr davon. Es hat nichts zu sagen! redete ich mir ein. Es kann durchaus ein Raumschiff mit Gaarson-Antrieb gewesen sein. Das zusammengefaltete Gitternetz war vielleicht nur bei der Bruchlandung abgerissen worden. Doch ich dachte an meine Theorie: Danach konnte es sich auch genauso um eine Art Psychonauten-Schiff gehandelt haben, und bei einem solchen hätte die äußere Form nicht die geringste Rolle gespielt... Mir wurde ganz schön heiß bei diesen Gedanken. Das Ding bestand anscheinend aus einem Stück. Drinnen war alles ausgebrannt. Ein Energiestrahl oder so etwas ähnliches war hineingefahren und hatte alles zerstört, was Hinweise auf die besondere Technik dieses Raumschiffes hätte geben können. Später hatte dann die Tier- und Pflanzenwelt das Einschußloch wieder geschlossen, wie wir jetzt sahen, und sich hier drinnen teilweise breit gemacht. Außer am Eingang, durch den wir ins Innere gelangt waren, und das war wirklich ein ehemaliger Eingang gewesen und nicht etwa ein weiteres Einschußloch! Selbst wenn dieses Tentakelbiest den Eingang bewacht hatte... Das war ja fast wie eine Einladung zum Eintreten erschienen! Ich blieb abrupt stehen. Meine Nackenhaare sträubten sich. Ich ließ den Lichtkegel hin und her zucken. Nichts Verdächtiges. Nur das ausgebrannte Innenleben und der Bewuchs auf der Seite, an der sich vorher das Einschußloch befunden hatte. Als hätte es niemals hier so etwas wie Technik gegeben, sondern immer schon nur kahle, verrußte Metallwände. Ein Material, das mir völlig unbekannt vorkam. Das Raumschiff einer fremden Rasse. »Ein richtiges Sternenschiff!« sagte Petro ehrfürchtig. »Es ist durch die Weite des Alls gerast, scheinbar alle physikalischen Grundgesetze auf den Kopf stellend...« Ich schüttelte den Kopf über seine Worte. Er grinste breit. »Ich weiß, worauf du hinaus willst, John: Schließlich scheinen die Sternentore auch alle physikalischen Grundgesetze auf den Kopf zu stellen. Und dennoch tun sie es nicht. Das wissen wir. Sie sind eine Tatsache, und alles ist letztlich erklärbar. Wenn ich ehrlich sein will: Dies hier scheint ein Psychonautenschiff einer fremden Rasse zu sein, und das ist mir im Grunde genommen noch unheimlicher als die Funktion von einem Gaarson-Gate oder gar die vorherigen Raumschiffe mit Gaarson-Antrieb...« »Ein Psychonautenschiff, ja. Und ich kann mir vorstellen, daß es noch viel mehr von diesen Dingern gegeben hat. Schließlich hat man damit Krieg geführt!« »Dies sein Raumschiff?« fragte der Door-moorn und verrollte schrecklich die Augen. Was war los mit ihm? »Anderer Door-moorn sein bei anderen Paggern! - Schlimm, schlimm!« Also hatte er jetzt doch wieder Kontakt aufgenommen. »Was ist denn daran so schlimm?« »Götter von anderem Heiligtum haben Mitteilung - für euch Götter!« Copyright 2001 by readersplanet
»Was?« rief ich aus. »Kommen sofort zu Station! Computer haben Geisel!« Er hob die rechte Hand und klappte einen Finger weg. »So viele! Sind in Gefahr, wenn ihr nicht kommen!« Ich ballte in sinnloser Wut die Hände. So war das also: Der Comp hatte uns hierher gelassen, weil er nicht genau wußte, was das hier war. Die Paggern hatten es ihm anscheinend nicht ausreichend erklären können. Und jetzt wußte er es - nur durch uns? Aber wieso? Ich musterte den Door-moorn. Konnte es sein, daß der telepathische Door-moorn, wenn er mit seinen Rassegenossen Kontakt hatte... vom Comp telepathisch »belauscht« werden konnte? Ich rang unwillkürlich nach Atem. Ja, das konnte es sein: Dieser verdammte Comp hatte schließlich auch mit Macson telepathisch kommunizieren können, und auch mit den anderen beiden Mutanten. Wie hatte er Macson und Benedetta eigentlich überwältigt? Ganz ohne Schocker? Vielleicht sogar über Macson? durchzuckte es mich. Ein schrecklicher Verdacht: Der Comp hatte PSI-Fähigkeiten. Sicher nicht ausreichend, um Nicht-Mutanten zu beeinflussen, sonst hätte er das längst getan, aber auch ein Door-moorn war eigentlich nichts anderes als ein... Mutant. Und wenn ein solcher absolut nicht darauf gefaßt war, sich also nicht rechtzeitig schützte... So konnte es durchaus gewesen sein: Macson war davon überrascht worden, und er hatte seinen Willen verloren, ehe er etwas dagegen hätte tun können. Vielleicht hatte er Benedetta einfach hinterrücks niedergeschlagen, gelenkt vom Comp? Und dann hatte er sie dorthin geschleppt, wo sie sich immer noch befanden - und sie beide leider nicht mehr allein. Die anderen beiden Mutanten... Sie hatten es nicht einmal bemerkt. Standen sie denn nicht andauernd in telepathischem Kontakt miteinander? Und sie hatten auch überhaupt nichts zu sagen vermocht, was denn mit Macson passiert war... Nun, wenn er wirklich so vorgegangen war, hätte der Comp noch nicht einmal seine wertvollen Arbeitsroboter einzusetzen brauchen, um Macson und Benedetta zu überwältigen! Und er hatte von Anfang an Gewalt über die Mutanten ausgeübt - so unmerklich, daß die nicht den leisesten Verdacht bekamen. Erschreckend! Dann ein neuer Gedanke: Wieso hatte er den Dialog zwischen Petro und mir gebraucht, um ihn mittels Door-moorn zu belauschen und dadurch zu erfahren, daß es sich um ein Raumschiffswrack handelte, das hier lag? Wieso hatte er nicht einfach einen Door-moorn in Begleitung von Paggern herkommen und hier einzusteigen lassen, um über die Gedanken des Door-moorn alles zu erfahren, was ihn interessierte...? Ein Ächzen entfuhr mir. Ich hatte schußbereit den Schocker in der Hand und wirbelte einmal um die eigene Achse, als könnte ich jeden Augenblick angegriffen werden. Meine Hand wurde schweißnaß. Ich fühlte mich beobachtet, wie aus tausend Augen. Der Door-moorn grollte gequält. Er machte Anstalten zur Flucht, aber irgend etwas bannte ihn auf der Stelle. Nur die Panik? Oder etwas, das bisher stets dafür gesorgt hatte, daß jeder Door-moorn genügend Abstand zum Wrack hielt, damit dieses nicht vom Ur-Feind, dem Computer des Gaarson-Gates, ausspioniert werden konnte? Und warum hatten wir einfach so hier hereinspazieren können? Petro schrie auf. Er schien es jetzt auch zu spüren. »Was - was ist das?« stammelte er. Der Door-moorn konnte nicht mehr antworten. Er sank zusammen und gab keinen Mucks mehr von sich.
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10 Bericht: John Millory Ort: Vetusta »Wer - wer bist du?« fragte ich und versuchte dabei, meiner Stimme die nötige Festigkeit zu verleihen, was mir natürlich kläglich mißlang. Keine Antwort. Es war ja auch nur ein Gefühl, beobachtet zu werden. Vielleicht bildete ich mir alles nur ein? Ich versuchte es dennoch erneut: »Warum hast du das mit dem Door-moorn getan? Er ist doch völlig harmlos!« »Tut mir ehrlich leid, aber ich mußte ihn ausschalten, damit uns der Comp, wie ihr ihn nennt, nicht noch länger belauscht!« Ich hörte die Stimme direkt in meinem Schädel und erschrak darüber schier zu Tode. Petro preßte unwillkürlich die Hände gegen die Ohren, als könnte er damit verhindern, diese unheimliche Stimme zu hören. Ich rang nach Atem. »Verdammt noch eins, sage mir endlich, wer du bist!« »Na, wer denn schon: Das, was von dem Bordgehirn übriggeblieben ist. Ihr nennt so etwas wie mich wohl... Bio-Gehirn?« »Du - du bist ja gut informiert!« »Ich konnte eure Gedanken belauschen. Vor allem deine waren ziemlich interessant, John Millory.« »Du kannst tatsächlich einfach Gedanken lesen?« »Schließlich handelte es sich hier um ein Psychonautenschiff, und ich war hochspezialisiert, um die Psychonauten bei ihrer Arbeit zu unterstützen.« »Dann - dann hatten die keine Ghreekhoj?« vermutete ich. »Ich weiß nicht, was das ist, ein Ghreekho. - Nein, es stimmt: Die Psychonauten, die dieses Schiff hier führten, brauchten keine. Sie hatten ja mich.« »Wie - wie sahen denn die Psychonauten aus, die dieses Schiff hier führten?« »So ähnlich wie ihr, falls ich mich recht entsinne, denn ich bin schwer beschädigt. Meine Erinnerungsspeicher sind zum größten Teil zerstört. Ich glaube, da geht es mir ähnlich wie dem Comp in der Station. Aber ich weiß ja schon länger Bescheid, was ihn betrifft.« »Über die Gedanken der Door-moorn, vermute ich.« »So ist es!« »Aber dann hättest du doch auch mit dem Comp Kontakt aufnehmen können, nicht wahr?« »Zu gefährlich! Er hätte Mitteilung machen können - irgendwann, und dann wären sie gekommen, um mir den Rest zu geben. Schließlich wurde das Schiff nicht umsonst abgeschossen.« »Nun, vielleicht hat es ja auch vorher die Station zerstört - bis auf die Überreste, wie wir sie vorgefunden haben?« »Das weiß ich nicht mehr.« Copyright 2001 by readersplanet
»Aber wenn du den Kontakt so lange vermieden hast... Wieso hast du es denn jetzt ermöglicht, daß der Comp von dir erfährt?« »Er weiß jetzt von dem Wrack, aber nichts von mir.« »Du solltest nicht den Fehler machen, den auch wir begangen haben, indem wir den Comp unterschätzten. Er wußte zwar nicht, daß dies hier das abgestürzte Wrack des feindlichen Raumschiffs ist, aber er ahnt lange schon von dir. Allein schon deshalb, weil du die Door-moorn zurückgehalten hast und damit auch die Paggern. Das hat ihn sicherlich mißtrauisch gemacht. Und jetzt sieht er seinen Verdacht bestätigt. Mehr nicht. Deshalb hat er ja auch durch den Door-moorn ausrichten lassen, wir sollten zurückkehren. Er hat unsere Gefährten als Geiseln.« Petro hatte sich endlich gefangen. »...und er erpreßt uns - mit den gefangenen Gefährten als Geiseln!« erinnerte er mich. »Ich - ich bring's nicht fertig!« fügte er hinzu. »Ich meine, ich kann nicht einfach hierbleiben, auf dieser Welt - und damit die anderen im Stich lassen.« »Aber was macht er mit uns, wenn wir uns ihm stellen?« begehrte ich auf. Ich schaute nach dem Door-moorn. »Was ist mit ihm?« »Warum willst du das wissen?« erkundigte sich der Comp des Raumschiffs. »Mein Gott, ist das so schwer zu erraten? Ich will, daß du den armen Kerl wieder zu Bewußtsein kommen läßt. Ich will wissen, was der Comp der Station letztlich mit uns vorhat.« »Nein, zu riskant!« entschied der Schiffscomp. »Dann hättest du es nicht riskieren sollen, uns herkommen zu lassen. Dadurch ist doch längst eingetreten, was du immer schon hattest vermeiden wollen: Der Comp weiß jetzt endgültig Bescheid. - Und wo liegt jetzt noch das Problem? Du bist doch sowieso schon enttarnt.« Es folgte eine Pause. Dann, zögernd: »Also gut! Dem Door-moorn ist nichts geschehen. Ich habe ihm nur das Bewußtsein geraubt. Und jetzt belebe ich ihn wieder.« Tatsächlich, der Door-moorn rührte sich wieder. Grollend erhob er sich. Für einen Moment war er verwirrt, doch dann erinnerte er sich und wandte sich sogleich zur Flucht. »Halt, hiergeblieben!« befahl ich mit schneidender Stimme. Es zeitigte Wirkung: Irritiert stoppte der Door-moorn. »Und jetzt frage, was der Comp von der Station eigentlich mit uns allen vorhat?« Der Door-moorn schien in sich hineinzulauschen. Es dauerte eine Weile. »Schicken weg!« erklärte er endlich. »Wohin?« »Andere Welt. Dort Entscheidung!« »Mit dem Sternentor, mit dem wir gekommen sind?« »Nein, wäre zu riskant. Gibt noch eins, tiefer unten, größer.« »Riskant? Inwiefern?« Das bedurfte eigentlich keinerlei Antwort: Der Comp wollte natürlich nicht riskieren, daß wir geradewegs dort landeten, wo wir herkamen. Das war ganz und gar nicht in seinem Sinn. Ich legte unwillkürlich den Kopf schief. Es gab noch ein weiteres Sternentor in der zerstörten Station? Unterirdisch? Nur noch ein weiteres oder sogar noch mehr? Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich schoß sofort eine Frage nach: »Der Comp hat doch überhaupt keinen Kontakt mehr mit anderen Welten, nicht wahr? Er hält die funktionierenden Gaarson-Gates empfangsbereit - für alle Fälle. Auch das Sieben-Meter-Gate, mit dem wir gekommen sind. Ist das seine besondere Funktion - schon immer gewesen?« »Ja, geben zu: Vetusta Zwischenstation gewesen. Gates haben Zwischennormen, aber veränderbar, zum Weiterschicken. Wichtig wegen Netz.« Copyright 2001 by readersplanet
»Veränderbare Gates?« Hatte ich mich nun verhört? Wie wäre denn so etwas möglich wie veränderbare Gates - bei einer Technik, bei der es um Bruchteile von Millimetern ankam viel mehr noch als bei der alten Raumfahrt mit ihren Gitterpyramiden, die gleich mit den sich darin verbergenden Raumschiffen transistiert waren? »Aber wohin will er uns schicken, wenn es keinen echten Kontakt mehr gibt?« »Großes Gate. Einziges, das noch absendet in Zwischennorm. Andere Norm darf nicht benutzt werden auf Vetusta. Ist Vorschrift. Dürfen nicht Vorschrift verletzen. Kommt keine Antwort, wenn absendet. Gehört aber zu befreundeter Welt. Gute Welt. Kompetent für Entscheidung,.« »Dieser verdammte Comp weiß das alles doch gar nicht mehr so genau, weil er beschädigt ist!« schimpfte Petro. »Er schickt uns in die Ungewißheit. Weil wir ein Problem für ihn sind, das er gern los werden will.« Er schaute sich angriffslustig um. »Und was ist mit dir? Jetzt bist du enttarnt. Ein Risiko war das gewesen, uns zu dir zu lassen. Oder hast du dir eine besondere Chance dabei ausgedacht?« »Ich kann keine Antwort darauf geben, so lange die Verbindung mit dem Comp besteht!« sagte die Stimme in ihrem Kopf ruhig. Sie klang wie die Stimme eines Menschen. Als würden sie diese Stimme mit den Ohren hören. Ich schaute den Door-moorn an: »Bitte, warte draußen auf uns!« Nur zu gern kam der Door-moorn dieser Bitte nach. Er trollte sich. Petro packte mich an den Schultern, kaum da wir allein waren. Er drückte sie ganz fest. »Mensch, John! Wer weiß, was uns erwartet? Vielleicht aber haben wir dort eher eine Chance als hier? Und wir werden alle wieder zusammen sein! Vielleicht gibt es dort noch Wesen, mit denen man reden kann? Sie werden merken, daß wir keine blutrünstigen Invasoren sind...« Es überzeugte mich absolut nicht. Andererseits: Den Gefährten zuliebe...! Ich hätte es mir nie verziehen, den Rest meines Lebens auf einem fremden Planeten zu verbringen - ohne sie! »Jetzt kannst du mir antworten!« erinnerte ich den Schiffscomp. »Ja, in der Tat dachte ich an eine vielleicht einmalige Chance durch euch: Ich habe alles die ganze Zeit über beobachtet - über die Gedanken der Door-moorn. Meine PSI-Fähigkeiten sind denen des Stationscomps weit überlegen. Der ist noch nicht einmal in der Lage, Nicht-Mutanten zu beeinflussen.« »Aber du?« »In Grenzen allerdings«, gab der Computer zu. »Ich kann Tiere von hier abhalten, indem ich ihnen Angst einflöße - zum Beispiel. Es klappt allerdings nicht bei allen. Das Tier, das sich am Eingang aufhielt...« »Eine Chance?« rief Petro aus und schaute sich um, als könnte er irgendwo ihren Gesprächspartner leibhaftig erblicken. »Welche Chance war denn das, die du dir ausrechnetest und weshalb du sogar das Risiko der Enttarnung durch den Stationscomp eingehen wolltest?« »Die Mutanten in eurer Begleitung! Ich meine, ihr habt doch die drei Mutanten dabei - und das sind sogar Psychonauten!« »Ja, klar, aber wieso gibt dir das soviel Zuversicht?« »Ich konnte sie wahrnehmen, inzwischen aber nicht mehr.« »Sind - sind sie vielleicht... tot?« fragte mich Petro erschrocken. Ich zuckte mit den Achseln. »Wahrscheinlich nicht.« Ich hob meine Stimme: »Kann es sein, daß der Stationscomp sie irgendwie beeinflußte?« Diesen Verdacht hatte ich ja längst schon. »Es ist ganz sicherlich so: Die drei leben, aber sie werden so sehr vom Stationscomp beeinflußt, daß sie ihre PSI-Fähigkeiten nicht entfalten können.« »Worauf will der eigentlich hinaus?« fragte mich Petro lauernd. Copyright 2001 by readersplanet
Ich grinste verkrampft. »Das ist doch klar, Petro: Nicht wir beide sind die große Hoffnung für ihn, dem Stationscomp doch noch eins auswischen zu können, sondern die drei Mutanten. Er weiß nur zu wenig über sie oder so.« Ich schaute zur Seite. »Stimmt das?« »Nicht ganz!« »Was soll das denn nun wieder heißen?« fragte Petro alarmiert. »Das soll heißen, daß ich eigentlich genug über die drei Mutanten weiß. Es genügt ja sogar schon, daß ich um ihre telepathischen Fähigkeiten weiß. Nein, nein, ihr beide seid schon sehr direkt vonnöten.« »Ein - ein Plan? Und wir spielen darin eine Rolle?« Petro konnte es anscheinend nicht glauben. »Inwiefern könnten denn zwei Nicht-Mutanten eine Rolle spielen?« Die Antwort kam nicht sofort...
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11 Bericht: John Millory Ort: Vetusta »Nun, es ist mir doch auch möglich, mich mit euch telepathisch zu unterhalten, nicht wahr?« fragte der Schiffscomp unvermittelt. Und dann gab er auch noch zu: »Ich kenne selbst eure geheimsten Gedanken und hatte ausreichend Gelegenheit, nicht nur eure Sprache zu lernen, sondern auch eure Mentalität zu studieren.« Er ließ diese Eröffnungen erst einmal auf uns einwirken, ehe er fortfuhr: »Ich weiß, daß euch meine Stimme in euren Köpfen Angst macht. Weil ihr eben keine Mutanten seid und euch nicht daran habt gewöhnen können. Aber das spielt keine Rolle. Durch mich können eure Gedanken verstärkt werden. Wenn ich es allein versuchen würde, mit euren Gefährten Kontakt aufzunehmen, würde der Stationscomp das einfach abblocken. Und wenn es mir gelänge, diesen Block zu überwinden, wäre ich den drei Mutanten nicht vertraut genug.« Er präzisierte diese Aussage: »Bis es mir also gelänge, sie zu überzeugen und auf meine Seite zu ziehen, damit sie es selber schaffen, den erneuten Block durch den Stationscomp zu verhindern, wäre es möglicherweise zu spät. Der Block würde erneut entstehen. Und die Gefahr würde für mich bestehen, daß der Comp aus der Begegnung seine Lehren ziehen könnte. Er ist ein Strategieexperte und mir darin haushoch überlegen. Von mir blieb eben außer der PSI-Einheit nicht viel übrig. Leider. Sonst wäre alles ganz anders. Ich hätte mir ein paar Door-moorn geschnappt und alles getan, um das Wrack wieder flottzumachen. Eine Frage der Zeit, bis mir das gelungen wäre. Aber ich habe leider so wenig Ahnung von der Technik, die erforderlich ist, um das Schiff raumtüchtig zu machen und mit den Door-moorn den nächsten günstigen Transistionsabstand zu erreichen... Naja, lassen wir das. Vielleicht habe ich ja durch euch wenigstens die Chance, meinen Erzfeind auszuschalten?« Das war eine ziemlich lange Rede gewesen, dachte ich im stillen. Mir war dabei egal, daß der Schiffscomp meine Gedanken lesen konnte. Meine Nackenhaut zog sich mal wieder schmerzhaft zusammen. Er wollte uns tatsächlich dazu überreden, die drei Mutanten sozusagen zu wecken? Dann wären Macson, Fermens und Colman direkt im Zentrum, mitten im Geschehen, und könnten von ihrem Standort aus und mit PSI-Unterstützung des Schiffscomps und vielleicht sogar den Door-moorn dem Stationscomp womöglich tatsächlich den Garaus machen? Neue Hoffnung schwang bei diesen Gedanken mit. »Und wenn es schiefgeht?« gab Petro dennoch zu bedenken. »Denke an die Gefährten: Sie werden es vielleicht gar nicht überleben? Vielleicht wird der Comp die drei Mutanten töten, wenn er merkt, daß sie eine Gefahr für ihn werden? Und die anderen? Die tötet er vielleicht vorsichtshalber gleich mit?« Der Schiffscomp widersprach: »Er ist so programmiert, daß er nur im äußersten Notfall tötet, sonst wäre keiner von euch mehr am Leben.« Das leuchtete zwar ein, aber: »Indem wir ihn angreifen, unterstützt von seinem Erzfeind, entsteht vielleicht genau der Notfall, der den Tötungsvorgang auslöst? »Wir brauchen nur schnell, überraschend und effektiv genug zu sein, um eine solche Möglichkeit von vornherein zu verhindern!« »Der hat gut reden!« stöhnte Petro, mir zugewandt. »Es sind ja schließlich nicht seine Freunde. Und wenn alles abgeschlossen ist, was wird danach? Wenn der Comp alle tötet, sitzen wir hier für alle Zeiten fest. Und wenn er sie nicht tötet und unterliegt, ändert sich Copyright 2001 by readersplanet
daran auch nichts. Ohne den Stationscomp wird es uns nicht gelingen, das Gaarson-Gate zu benutzen, um zurückzuspringen.« Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Petro, ganz so ist es nicht. Du vergißt, daß Macson ein Fachmann ist - und auch Cora. Nicht zu vergessen Benedetta. Die würden das schon schaffen - auch mit Überresten eines besiegten Comps.« »Und worauf warten wir jetzt noch?« erkundigte sich der Schiffscomp in der typischen Art eines ungeduldigen Menschen. Ja, er hatte wahrlich viel gelernt aus ihren Gedanken. »Was sollen wir tun, damit es klappt?« »Setzt euch einfach hin und entspannt euch. Wie zur Meditation. Ihr müßt eure Gedanken frei machen. Nur so kann ich euch effektiv führen und mit euren Gedanken den drei Mutanten im entscheidenden Moment begegnen. Sie werden sie wiedererkennen - und ihnen vertrauen!« »Und dann?« fragte Petro ahnungsvoll. »Die Door-moorn!« ließ der Schiffscomp endlich die Katze aus dem Sack. Ich hatte also richtig vermutet: »Sie sind über den ganzen Planeten verteilt. Es ist wie eine Superséance, wenn ich alle koordiniere. Sie schmelzen zu einer Geisteinheit zusammen. Sie werden sich nicht dagegen wehren, denn ich bereite einen solchen Schlag schon ziemlich lange vor. Nur ist es ihnen nicht bewußt geworden - und habe ich bisher nichts zu unternehmen gewagt. Ich hatte einfach zuviel Angst vor einem Mißerfolg.« »Vielleicht wäre es tatsächlich besser, diese Angst würde immer noch überwiegen?« murmelte Petro pessimistisch. Aber er setzte sich wie ich im Schneidersitz auf den Boden. Wir lehnten uns mit dem Rücken gegen die Metallwand und schlossen die Augen. Im nächsten Augenblick spürte ich tatsächlich die Gedanken von Petro! Ich erschrak darüber genauso wie er.
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12 Bericht: John Millory Ort: Vetusta Es war nicht einfach nur ungewohnt für uns, sondern absolut erschreckend. Dieser Schiffscomp... Er schuf als eine Art Supermedium die Voraussetzungen, und wir waren wie begabte Mutanten. Allerdings ohne jegliche Übung! Da spürten wir auch ihn. Er bedrängte uns nicht, sondern er war ein sehr behutsamer Meister. Wie ein Adept innerhalb einer Psychonauten-Séance! schoß es mir durch den Kopf. »Ja, so ist es!« bestätigten seine beruhigenden Gedanken, und es war wieder, als könnte ich sie wie eine Stimme hören. »Mein Gott!« Es war die telepathische Stimme von Petro. Er hatte es bereits begriffen, seine Gedanken wie gesprochene Worte erscheinen zu lassen. Aber ich spürte gleichzeitig, daß sie unverwechselbar waren, genauso wie ein Stimmenmuster unverwechselbar blieb. Seine Gehirnströme wurden mir rasch vertraut. Sicherlich durch die Anwesenheit des Schiffscomputers, dieses speziell für solche Zwecke hochgezüchteten Bio-Gehirns. Was für ein technisches Verständnis stand hinter einer solchen Leistung - einen solchen Computer bauen zu können? Konnte man da denn diesen Begriff eigentlich noch benutzen: Computer? Ich zweifelte keinen Moment daran, daß diese Art von Computer tatsächlich so etwas wie in Bewußtsein besaß. Hätte ich ihn danach gefragt, hätte er es sicherlich bestätigt. Ich fragte nicht, denn ich war bereit! In einer Geschwindigkeit hatte ich mich daran gewöhnt, wie ich es niemals für möglich gehalten hätte. Die Gedanken von Petro und von mir vereinten sich. Wie schwangen im Gleichtakt, obwohl wir dennoch Individuen blieben. Ein mehr als seltsames Erlebnis, das uns jetzt nicht mehr erschreckte, sondern eher berauschte wie eine neue Droge, die das Bewußtsein nicht beeinträchtigte, sondern seine Fähigkeiten förderten, es öffneten für Dinge, die vordem unbekannt und eigentlich für immer verschlossen gewesen waren Es war faszinierend, erregend, aber in keiner Weise mehr... unheimlich. Der Comp war mit dem Ergebnis anscheinend zufrieden, denn er hielt uns nicht mehr länger bei unseren wie leblos zusammengesunkenen Körpern, die wir kaum noch empfanden, sondern wir verließen, von ihm geleitet, sogar die Enge des Raumschiffswracks und eilten hinaus. Ich konnte verschwommen die nähere Umgebung wahrnehmen. Das Wrack war ein dunkler, lebloser Schatten. Die Pflanzen waren sanft glühendes Leben. Dazwischen ungezählt Flecke, die sich bewegten und von den Pflanzen durch ihr stärkeres Glühen deutlich genug unterschieden: Eine verwirrende Vielfalt von Tieren. Das war eigentlich kein verschwommenes Sehen, sondern das war Wahrnehmung auf einer völlig anderen Ebene! Ich sah gemeinsam mit Petro nicht mit Augen, sondern wir erfühlten es mit unserem Innern - empfanden alles dies halt eben mit Sinnen, die uns normalerweise völlig verwehrt waren.
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Unser Empfinden, wie ich diese Art von Wahrnehmung treffend nannte, weil ich mit meinen Gefühlen »sah«, weitete sich sogar noch aus, nachdem der Schiffscomp bemerkte, daß wir diese Art von Wahrnehmung völlig zu akzeptieren bereit waren, und dann: Viele Quadratkilometer sah ich sozusagen auf einmal - gemeinsam mit Petro, der mit mir war. Wir waren wie ein zusammengeschweißter Geist, der über der Landschaft dahin eilte. Die Landschaft blieb seltsam diffus, bis auf das vielfältige Leben, das wir jetzt deutlicher wahrnehmen und sogar recht fein unterscheiden konnten - und bis auf ein paar winzige, besonders intensiv leuchtende Inseln. Sie waren zwar ziemlich weit voneinander entfernt, doch diese Entfernung schrumpfte im nächsten Augenblick zusammen. Es gab nur noch diese Inseln, gleichsam zusammengeballt, wobei uns bewußt blieb, daß sie nicht wirklich auch räumlich zusammengerückt waren. Nein, sie waren auf einer Ebene zusammengekommen, die uns bislang völlig unbekannt gewesen war: PSI! Die helleuchtenden Inseln im Meer der belebten Natur waren die Geister von Door-moorn. Einer davon war unser Begleiter. Er war... überrascht! Kein Wunder! Aber nur kurz. Unsere Gedanken waren ihm vertraut, und das gab den Ausschlag dafür, daß er sich uns öffnete - völlig ohne Argwohn. Das Medium, als das der Schiffscomp fungierte, vereinte uns sanft. Der Door-moorn hatte nichts dagegen. Ganz im Gegenteil: Es freute ihn sogar, weil wir ihm sympathisch waren. Die Anwesenheit des Schiffscomps, die ihn normalerweise erschreckt hätte, nahm er darüber gar nicht bewußt wahr. Er akzeptierte diese Anwesenheit unwillkürlich als angenehme Begleiterscheinung, die letztlich ja erst die harmonische Vereinigung seines Geistes mit uns ermöglichte. Und diese Einstellung wirkte auch auf die anderen Door-moorn, mit denen er in Verbindung stand. Sie empfanden es genauso wie er und wehrten sich in keiner Weise. Und das machte es endlich möglich, daß genau das eintraf, was der Schiffscomp mit alledem beabsichtigt hatte. Seine Rechnung ging voll auf: Die Verbindung breitete sich geradezu explosionsartig über den gesamten Planeten aus. Wie ein Netz, das jemand über einen Ball wirft und dann eng zuzieht. Alle Door-moorn waren letztlich davon betroffen. Auch der Door-moorn, über den der Stationscomp mit uns Verbindung aufgenommen hatte, um uns beide zu erpressen, damit wir zurückkehrten zum Gate und uns freiwillig in seine Gefangenschaft begaben. »Jetzt!« befahl der Schiffscomp. Die ganze Zeit über war er unendlich sanft erschienen - sanft und behutsam im Umgang mit all unseren Geistern, um sie in Harmonie zu vereinen und ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Plötzlich war er eben nicht mehr nur das sanfte Medium, das nur harmonisch vereint, sondern er hatte uns im Griff, war unser Befehlshaber, der keinerlei Widerrede duldete. Die friedliebenden Door-moorn begriffen gar nicht, wie ihnen geschah - daß man im Begriff war, ihre PSI-Kapazitäten zu Zwecken der Gewalt zu mißbrauchen. Und noch ehe sie überhaupt die Chance hatten, sich dagegen zu sträuben, und noch ehe auch in uns so etwas wie Bedenken ob unserer freiwilligen Kooperation mit dem Schiffscomp aufkeimen konnten, war es schon geschehen: Wir waren vorgedrungen zu Macson, Fermens und Colman - und gegen den Widerstand des Stationscomps! Die drei Mutanten waren wie Ertrinkende, denen nun ihre Situation erst bewußt werden konnte und die deshalb zur Oberfläche strebten, von einer Art Lebensrettern gestützt: Von uns, von unserem mächtigen Zusammenschluß der Geister, um ihnen zu helfen, aus der Beeinträchtigung zu erwachen. Da war zwar immer noch der Widerstand des Stationscomps, aber dieser Widerstand hatte unserer vereinten Macht nicht das geringste entgegenzusetzen. Sie erwachten endgültig, erkannten uns - und begriffen! Spontan und ohne jegliche Bedenken schlossen sie sich mit uns zusammen. Copyright 2001 by readersplanet
Wir spürten auch die Anwesenheit anderer Geister: Cora und Benedetta! Ehe sie begriffen, gehörten sie ebenfalls mit zur Gemeinschaft. Sie waren allerdings sehr erschrocken, nicht nur wegen dem ungewohnten Erlebnis, das wie ein Drogenrausch über sie kam, gerade so, wie wir es ebenfalls zu Beginn empfunden hatten, sondern vor allem waren sie erschrocken wegen den... Door-moorn und ihrer Fremdartigkeit, die sie im ersten Augenblick wie ein Schlag traf, weil sie mit dieser Rasse in keiner Weise gerechnet hatten. Dadurch kam es schließlich trotz allem zu der gefürchteten Panne! Ja, es geschah das, womit keiner von uns hatte rechnen wollen: Ausgerechnet die Door-moorn waren sowohl den Mutanten als auch Benedetta und Cora völlig unbekannt. Sie wußten überhaupt nichts über ihre Existenz, weil der Stationscomp ihnen vorgegaukelt hatte, wir wären nur mit Paggern losgezogen. Dieser Betrug ergab jetzt erst einen Sinn: Er hatte mit einem Angriff gerechnet. Das war jetzt offensichtlich! Dem hatte er vorbeugen wollen, um den negativen Überraschungseffekt, der durch die Anwesenheit der fremdartigen Door-moorn-Geister zwangsläufig entstehen mußte, zu seinem eigenen Vorteil nutzen zu können: Und die Gemeinschaft war tatsächlich nicht nur geschwächt, sondern drohte sogar wieder auseinanderzubrechen! Ich spürte die Angst des Schiffscomps, die für mich eigentlich der letzte Beweis dafür war, daß dieses Bio-Gehirn wirklich ein eigenes Bewußtsein entwickelt hatte! Er erkannte, daß der Stationscomp uns schon wieder hereingelegt hatte. Die Vereinigung flackerte wie eine Flamme im Wind. Nein, wir waren jetzt wahrlich nicht mehr stark genug, um den Stationscomp zu vernichten. Wir hatten ja sogar Mühe, nicht in den ursprünglichen Zustand zurückzusinken und auch wieder den Kontakt mit den Gefährten in der Gefangenschaft des Stationscomps zu verlieren. Die Irritation dauerte jedoch nicht lange an. Es waren meines Erachtens eigentlich nur Sekundenbruchteile, bis die Stabilisierung wieder gelang. Eine Meisterleistung nicht nur des Schiffscomps: Die Mutanten spürten unsere Gedanken - und reagierten mit der Professionalität geübter Psychonauten: Sie nahmen an den Inhalten unserer Erinnerung teil und erkannten dadurch ihren Irrtum. Aber es war zumindest für eines zu spät: Der Stationscomp war nicht mehr erreichbar durch die Macht unseres Konglomerats! Er hatte die Zeit leidlich genutzt und sich regelrecht eingeigelt. Das gelang ihm so perfekt, als wäre er einfach nicht mehr vorhanden. Als hätte er sich soeben in Luft aufgelöst. Oder sogar, als hätte es ihn niemals gegeben... Sogar Macson mit seiner Spezialbegabung, was Computer und vor allem Bio-Gehirne betrifft, hatte keine Chance. Wir spürten es gemeinsam mit ihm in der Gemeinschaft unserer Geister. Die Door-moorn machten keine Anstalten mehr, sich erschrocken zurückzuziehen. Denn die Irritation der Mutanten ob ihrer Anwesenheit hatte natürlich in der Tat umgekehrt auch sie erschreckt. Sonst wäre vielleicht die negative Wirkung auf den geistigen Zusammenschluß nicht gar so groß gewesen. Und da hatte Fermens den entscheidenden Einfall: »Nein, wir sind jetzt nicht mehr in der Lage, den Stationscomp zu vernichten, aber wir sind in diesem Moment mächtig genug, um etwas ganz anderes zu tun!« Er zögerte nicht, fortzufahren: »Diese Super-Séance müßte uns eigentlich ermöglichen, die unendlich erscheinenden Räume zwischen den Sternen zu überbrücken und Clarks-Planet zu rufen: Dort sind unser Adept Merrin-kläck, die Drillinge und Bahrns! Vor allem Bahrns ist ein sehr starker Mutant.« Niemand hatte etwas dagegen, und die Door-moorn waren viel zu neugierig über die Möglichkeit, mit fremden Wesen Kontakt aufzunehmen, die irgendwo in den Weiten des Alls sich befanden, um auch nur Anstalten zu machen, aus dem Konglomerat ausscheren zu Copyright 2001 by readersplanet
wollen. Ganz im Gegenteil: Sie machten sogar begeistert mit!
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13 Bericht: Adept Merrin-kläck Ort: Clarks-Planet Bahrns ließ ein überraschtes Gluckern hören. Im nächsten Augenblick erhielt ich seinen Gedankenimpuls. Ich nicht allein, sondern auch die Drillinge. Blitzschnell schlossen wir unser geistiges Potential zusammen. Wir befanden uns alle fünf an Bord unseres Raumschiffs Bahrns. Uns zog es nicht nach draußen, nachdem das Gate an Bord für den »Hauptdurchgangsverkehr« zwischen der Erde und Clarks-Planet sorgte. So lange jedenfalls, bis das erste große Gate draußen im Raumflughafen fertiggestellt war. Wir konnten den Zeitpunkt kaum erwarten. Obwohl wir auch dann nicht weiterziehen konnten, um unserem eigentlichen Auftrag zu folgen - nämlich das Aufsuchen verlorengegangener Kolonialplaneten -, bevor wir wußten, was aus unseren drei Gefährten Macson, Fermens und Colman geworden war... Und jetzt löste sich diese Frage von einem Augenblick zum anderen einfach so auf, denn wir waren angepeilt worden - ausgerechnet von den dreien? Bahrns hatte es zuerst aufgenommen. Er war ja auch der fähigste Mutant unter uns. Aber die drei Gefährten waren nicht allein, wenn man das so ausdrücken darf. Sonst wäre ihnen diese Kontaktaufnahme niemals gelungen: Sie gehörten zu einem mächtigen Konglomerat von Geistern, die uns zwar ziemlich fremdartig vorkamen, aber dennoch nicht unsympathisch. Und dann die nächste Überraschung: John Millory, Cora Stajnfeld, Benedetta Fandow und auch Petro Galinksi waren mit von der Partie! Sie waren tatsächlich an dieser Super-Séance... beteiligt? Aber sie waren doch überhaupt keine Mutanten...? Es dauerte nur einen weiteren Augenblick lang, um unterstützt von den Erinnerungen der Gefährten die Zusammenhänge zu begreifen. Wir spürten auch die Anwesenheit der Weseneinheit, die sich auf dem Raumschiffswrack befand. Es erschien schier unglaublich, daß es sich lediglich um ein Bio-Gehirn handelte... Aber auch unser Bio-Gehirn war sozusagen mit von der Partie, denn automatisch schalteten sich die Ghreekhoj von Fermens, Macson und Colman dazu, die ja immer noch an Bord waren und als emphatische Symbionten unter der Trennung sehr litten. Bei solchen Entfernungen ging die ständige Gefühlsverbindung natürlich verloren. Aber jetzt lebten die Ghreekhoj regelrecht wieder auf, und weil sie direkt mit dem Bio-Gehirn der Bahrns verbunden waren, gehörte dieses sogleich mit zur Gemeinschaft. Eine Séance über viele Lichtjahre, an der wir so beteiligt waren, als wären die Gefährten lediglich im Nebenraum. Aber wo war dieses Vetusta? Das Bio-Gehirn des Raumschiffswracks konnte darüber keine Auskunft geben. Es war einfach zu wenig von seinen Erinnerungsspeichern übriggeblieben. Aber es setzte sich dergestalt in Verbindung mit unserem Bio-Gehirn, daß es richtig gierig darauf war, mehr über die Ghreekhoj und über die Funktion der menschlichen Psychonauten zu erfahren.
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Dafür hatten wir durchaus Verständnis. Uns kam es nur ein wenig seltsam vor, daß diese Wesenheit auch noch mehr über die Menschheit an sich erfahren wollte, vor allem über die Koordinaten der Erde und nicht nur über Clarks-Planet... Rechtzeitig schritt ich ein. Ich bin zumindest überzeugt davon, daß es rechtzeitig war. Wenn diese Wesenheit jemals die Möglichkeit bekommen würde, sein Wissen einer Fremdrasse mitzuteilen, würde diese die Erde nicht so ohne weiteres in der Unendlichkeit des Universums finden. Höchstens vielleicht Clarks-Planet...? Es gefiel mir nicht, aber es war nicht mehr zu ändern. Und dann entschuldigte sich die Wesenheit - und bekannte gleichzeitig ihr Verständnis für mein mißtrauisches Einschreiten, denn sie hatte ja selber den Krieg erlebt, auch wenn sie sich daran so gut wie gar nicht mehr erinnern konnte. Mit anderen Worten: Sie sah ein, daß es für uns zu gefährlich war, wenn sie zuviel über die Menschheit erfuhr. Vor allem Detailwissen, das sie direkt aus unserem Bio-Gehirn hatte abzapfen wollen... Der Zusammenschluß war wieder harmonischer, und wir freuten uns unbändig, daß unsere Gefährten noch am Leben waren. Dabei nahm ich auch die Erinnerung von John Millory auf. Seine Theorie über den vergangenen Krieg auf Vetusta leuchtete mir zwar ein, aber sie war sicherlich nicht auf Clarks-Planet anzuwenden und vor allem nicht auf den Krieg, der offensichtlich auch auf diesem Planeten hier stattgefunden hatte. Ich machte ihn auf seinen kleinen Denkfehler aufmerksam: »Auf Clarks-Planet hat es zum Zeitpunkt des Krieges noch keine funktionierenden Gates geben können. Weil diese erst jetzt möglich sind. Also kann der Krieg hier unmöglich zwischen Gate-Anwendern und Psychonauten stattgefunden haben. Es müssen ganz im Gegenteil zwei raumfahrende Völker gegeneinander angetreten sein.« »Aber wenn die Gates zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf Clarks-Planet funktionieren konnten, war zumindest die Gaarson-Raumfahrt möglich gewesen...«, überlegte John Millory und ließ uns alle daran teilhaben. Seine darauf folgende Schlußfolgerung war erschreckend einleuchtend: »Es hat nicht nur den Krieg zwischen den Gate-Betreibern und den Psychonauten gegeben, sondern vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt, zumindest jedoch in einem anderen Bereich des Universums, das durch den Energiekollaps noch nicht umgewandelt war... zwischen Psychonauten-Raumschiffen und Gaarson-Raumschiffen?« Cora Stajnfeld setzte sogar noch eins drauf: »Zwei verschiedene Kriege mithin, die einerseits Vetusta mit betrafen - und andererseits Clarks-Planet! Unterschiedliche Zeiten? Vielleicht. Aber ganz eindeutig unterschiedliche Bereiche in der Unendlichkeit des Universums, wie John ja schon feststellte. Ist dies nicht vor allem ein überdeutlicher Hinweis darauf, daß Vetusta und Clarks-Planet schier unendlich weit voneinander entfernt sein müssen? Denn die Veränderung des Universums nach dem Energiekollaps breitet sich gemeinhin lichtschnell aus. Auf Vetusta funktionieren die Gates sicher schon seit Jahrtausenden, aber die Veränderung hier hat es noch immer nicht geschafft, bis zu Clarks-Planet sich auszubreiten. Denn die Umwandlung dort war ja erst vor kurzem geschehen, und der Bereich im Umkreis von mindestens fünfzig Lichtjahren um Clarks-Planet - ja, sogar die direkte Strecke von rund tausend Lichtjahren zwischen der Erde und Clarks-Planet! - ist garantiert noch nicht davon betroffen. Sonst wäre es von den irdischen Scouts längst festgestellt worden, die ja schon vorher Clarks-Planet entdeckt und auch immer wieder angeflogen haben!« Eine Entfernung von zumindest Tausenden von Lichtjahren zwischen Vetusta und Clarks-Planet? Es schauderte uns unwillkürlich. Ja, in dem einen Moment war dies noch kaum zu glauben - trotz der überzeugenden Argumentation -, weil die Verbindung innerhalb des Konglomerats, an dem wir voll beteiligt waren, so stark und stabil erschien, aber im nächsten Moment... gab es diese Verbindung auf einmal gar nicht mehr! Copyright 2001 by readersplanet
Ganz plötzlich riß die Verbindung, als wären die Gedankengänge von Cora Stajnfeld letztlich dafür der Auslöser gewesen. Gewiß nur ein Zufall. Aber was war wirklich die Ursache der Unterbrechung?
Ja, was unsere sieben Helden auf Vetusta betrifft, ist Pessimismus wirklich angebracht! Doch lesen Sie selbst, wie es weitergeht, in... Band 10: »Das Jüngste Gericht« Ein Roman diesmal von W. A. Travers
Den bekommt man übrigens auch in gedruckter Fassung, mit farbigem Titelbild von dem bekannten Künstler Gerhard Börnsen. Einfach mal fragen bei: HARY-PRODUCTION, Waldwiesenstraße 22, 66538 Neunkirchen, Internet: www.hary.li, eMail:
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