Verrat!
von Joachim Honnef scanned by : horseman kleser: Larentia Version 1.0
»Bald haben wir es geschafft«, sagte Ed...
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Verrat!
von Joachim Honnef scanned by : horseman kleser: Larentia Version 1.0
»Bald haben wir es geschafft«, sagte Edmar und ließ die Peitsche knallen. Der Frachtwagen rumpelte die Steigung hinauf in den Bergpaß. »Heute abend feiere ich Wiedersehen mit der heißen Gerlinde. Hei, das wird ein Fest der Freude.« Ludwig, der Mann neben ihm auf dem Kutschbock, spuckte mißmutig aus. »Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben«, brummte er. Er war ein bißchen neidisch, denn für ihn gab es niemanden, mit dem er feiern konnte, abgesehen von einer kühlen Flasche Wein, die er nach erledigtem Geheimauftrag mit ins Bett nehmen würde.
»Du bist eine alte Unke«, sagte Edmar lachend. »Ich sage dir...« Er sagte nichts mehr. Ein Pfeil schlug in seine Brust. Es war ihm, als hätte ihn ein Blitzschlag getroffen. Seine Brust schien zu zerreißen. Blutige Schleier wallten plötzlich vor seinen Augen ...
Er schwankte auf dem Kutschbock. Wie aus weiter Ferne hörte er gellende Schreie und schrilles Wiehern. Verschwommen sah er drohende Gestalten zwischen den Felsbrocken und Büschen am Wegesrand hervorspringen. Wilde Gestalten, die mit Schwertern, Lanzen und Pfeil und Bogen bewaffnet waren. Edmar stürzte zu Boden. Er glaubte, Ludwigs Stimme in dem Durcheinander von Geräuschen zu erkennen. »Gnade, wir sind nur Holzfäller und ...« Die Stimme ging in ein Röcheln über. Jemand lachte dicht neben Edmar, der wie gelähmt am Boden lag und in dessen Brust die Schmerzen tobten. »Wir wissen genau, was ihr befördert«, sagte eine rauhe Stimme. »Los, Jungs, holen wir uns die Waffen!« Verrat! dachte Edmar noch. Dann wurde es totenstill um ihn, und er dachte nichts mehr. * Angespannt lauschten die Ritter im Tafelsaal von Schloß Camelot König Artus' ernsten Worten. Als der König seine Ansprache beendet hatte, herrschte Betroffenheit, ja Fassungslosigkeit. Ein geheimer Transport war überfallen worden. Als Holzfäller verkleidete Männer des Königs waren von einer Räuberhorde allesamt niedergemacht worden. Die Waffen, die von einem Verwandten des Königs in Verona dringend benötigt wurden, waren erbeutet worden: Armbrüste, Lanzen und Schwerter, mit denen man eine kleine Streitmacht ausrüsten konnte. Auch Rüstungen waren den Räubern in die Hände gefallen. König Artus hatte anklingen lassen, daß die Räuber genau gewußt hatten, welchen Weg die vermeintlichen Holzfäller nahmen und welche Beute zu machen war. Einen Augenblick lang herrschte angespannte Stille im Tafelsaal. Dann setzte aufgeregtes Stimmengewirr ein.
Schließlich verschaffte sich Markus von Hohenstein, ein graubärtiger Ritter, Gehör. »Ihr meint, es sei Verrat im Spiel?« fragte er mit schwerer Stimme, und seine grünen Augen blickten verständnislos. König Artus nickte leicht. »Ungeheuerlich!« rief Dietleib von Auerswald und sprach damit aus, was wohl alle Versammelten dachten. Dietleib war ein großer, schlanker Ritter mit einem schmalen, stets etwas rötlichem Gesicht, das zumeist verkniffen und griesgrämig wirkte. »Wer war in die Geheimaktion eingeweiht?« fragte Dietleib und wischte sich mit fahriger Hand über die Stirn. »Nun, zunächst einmal die hier Versammelten« , erwiderte König Artus. Betretenes Schweigen. Dann Worte der Entrüstung darüber, daß dieser Kreis in Verdacht geraten könne. Eine knappe Handbewegung des Königs, und es herrschte sofort wieder Stille. »Außerdem die Fahrer der Wagen«, fuhr König Artus fort. »Da könnte die undichte Stelle sein«, rief Dietleib von Auerswald erregt. »Wir sollten ...« König Artus unterbrach ihn. »Wir sollten unseren Verstand gebrauchen, bevor wir vorschnelle Schlüsse ziehen«, sagte er freundlich, doch bestimmt. Dietleib war etwas vorlaut und von sich eingenommen, doch nicht dumm. Er verstand die Zurechtweisung. Sein Gesicht rötete sich noch mehr. Einige der anderen Ritter versuchten, ein schadenfrohes Lächeln zu verbergen. Dietleib war ob seiner anmaßenden Art nicht besonders beliebt in dieser Runde. »Die Fahrer der Wagen waren altgediente, von mir sorgfältig ausgewählte Getreue, die über jeden Verdacht erhaben waren«, fuhr König Artus fort. Wieder entstand betretenes Schweigen. »Außerdem sind alle umgebracht worden«, sagte Markus von Hohenstein schließlich und kratzte sich am grauen Bart. »Das
schließt zwar nicht Verrat aus, doch es spricht auch nicht gerade dafür.« »Vielleicht wollten sich die Räuber den Mitwisser vom Hälse schaffen«, sagte Dietleib von Auerswald und blickte beifallheischend in die Runde. Einige nickten zustimmend, denn diese Folgerung war nicht so einfach abzutun. »Aber wir haben doch gehört, daß es gute Männer waren, die nicht als Verräter in Betracht kommen«, ereiferte sich Markus von Hohenstein. »Gewiß, gewiß«, beeilte sich Dietleib zu beteuern, denn er wollte nicht, daß der Eindruck entstand, er wolle König Artus' Urteilskraft in Frage stellen. »Aber wer sonst könnte den Verrat begangen haben, wenn nur die ausgewählten Männer und wir von dem geheimen Transport wußten und der Überfall nicht von irgendwelchen Wegelagerern begangen wurde, die zufällig unerwartete Beute machten?« Die Mienen der Versammelten verrieten Ratlosigkeit. »Es wußte noch jemand von dem Plan«, sagte König Artus. Überrascht richteten sich aller Blicke auf ihn. Der König legte eine Pause ein, als wolle er die Spannung steigern. Er legte die Hände pyramidenförmig gegeneinander und sah einen nach dem anderen in der Runde an. Keiner wich seinem Blick aus. »Ritter Roland«, sagte der König dann. »Ha!« stieß Dietleib hervor, und dieser hämische Ausruf sagte mehr als alle Worte. Die meisten der Ritter wußten, daß Dietleib von Auerswald einen tiefen Groll gegen Ritter Roland hegte, ja fast schon Haß. Ritter Roland hatte das Herz einer jungen verwitweten Gräfin erobert, auf die sich Dietleib Hoffnung gemacht hatte. Roland wußte nichts von der vorherigen Verbindung der beiden, und im Grunde hatte die sinnenfreudige Gräfin den ersten Schritt getan und Roland bei einer Feier auf Camelot schöne Augen gemacht. Doch Dietleib fühlte sich von Roland ausgestochen. König Artus war nichts von der Rivalität zwischen den beiden
Rittern zu Ohren gekommen, und seine Augenbrauen hoben sich befremdet. »Wie soll ich dieses >ha!< verstehen?« Dietleib lächelte überheblich. »Nun, ich könnte mir denken, daß dieser Ritter Roland ...« Er legte eine bedeutungsschwere Pause ein, und als er eine gewisse Unmut in König' Artus Miene zu erkennen glaubte, fuhr er anders fort als beabsichtigt, »... zumindest nicht aus dem Kreis der Verdächtigen auszuschließen ist.« »Unerhört!« rief Harald von Uhlenbruch, ein älterer Ritter, der mit Roland in väterlicher Freundschaft verbunden war. »Hier werden aus persönlicher Feindschaft haltlose Verdächtigungen vorgebracht.« »Wo ist er denn, der tolle Roland?« fragte Dietleib spöttisch und funkelte Harald von Uhlenbruch angriffslustig an. »Ist er zu feige, sich unseren Fragen zu stellen?« Um Beifall heischend, blickte Dietleib in die Runde. Harald von Uhlenbruchs Schnurrbart sträubte sich. Auch andere Ritter blickten empört drein. Doch einige hielten Dietleibs Frage offensichtlich für berechtigt und sahen fragend zu König Artus. »Ritter Roland ist in meinem Auftrag unterwegs«, sagte der König mit kühler Stimme, ohne jedoch Dietleib zurechtzuweisen oder Roland betont in Schutz zu nehmen. »Wenn seine Ermittlungn erfolgreich verlaufen, werden wir wissen, wer der Verräter ist.« Die ruhig gesprochenen Worte schlugen wie ein Donnerschlag ein. Wiederum setzte aufgeregtes Stimmengewirr ein, bis König Artus mit einer leichten Geste Schweigen gebot. »Eine Erklärung ist angezeigt«, sagte er in die erwartungsvolle Stille. »Einer der Wagenfahrer war nicht gleich tot. Er erwachte aus seiner Bewußtlosigkeit, als sich die Räuber davon überzeugten, daß unter den Holzstämmen die Waffen und das Rüstzeug versteckt waren. Er hörte, was die Räuber sprachen. Daraus ging eindeutig hervor, daß sie von einem Verräter auf Camelot Hinweise bekommen hatten. Und es fiel auch der Name des Verräters.« Wieder sah er einen nach dem anderen an. Alle blickten gespannt.
Keiner wich seinem Blick aus, »Die Räuber hielten den Mann wohl für tot und ließen ihn liegen. Er wurde sterbend von einer Frau gefunden. Ihr hat er gesagt, was er gehört hat, und diese Dame hat bei einem Polizisten in Schönau ausgesagt. Über Umwege erreichte mich dann die Nachricht aus dem Bayernlande per Kurier. Ritter Roland weilte dort unten, um den Transport zu übernehmen und weiterzuführen. Ich informierte ihn per Kurier über den Überfall und gab ihm den Auftrag, mit dem Polizisten und der Dame zu sprechen. Der Polizist konnte sich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern, die ihm die aufgeregte Dame berichtete. Ein kleiner Polizist in einem verträumten Ort. Der Mann maß der Aussage der Zeugin keine große Bedeutung bei. Ritter Roland wird ihn und die Frau nach den Einzelheiten befragen.« König Artus legte eine Pause ein und verschränkte die Hände. Dietleib von Auerswald öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schwieg dann jedoch. »Ich erwarte Ritter Roland für morgen abend zurück«, fuhr der König fort. »Und mit großer Wahrscheinlichkeit werden wir dann wissen, wer der Verräter ist.« * Der Polizist von Schönau schnarchte. Ritter Roland klopfte noch einmal von innen gegen die Tür. Das Schnarchen wechselte die Tonart, doch sonst tat sich nichts. Rolands Blick glitt durch den kleinen, schmucklosen Raum. Fliegen summten um ein angebissenes Käsebrot, das neben den Stiefelspitzen des Polizisten auf einem Stapel von Papieren lag. Zuerst dachte Roland, es sei Kümmelkäse, wegen der vielen schwarzen Punkte. Doch bei genauerem Hinsehen stellte er fest, daß das Käsebrot voller Fliegen war. Es war heller Nachmittag, und in den Sonnenstrahlen, die durch die beiden kleinen Fenster in den Raum fielen, tanzten unzählige Staubkörnchen.
Roland schritt zu dem Schläfer. »Guten Tag!« Das Schnarchen verstummte, doch der Mann schlief weiter. Ritter Roland hätte dem Polizisten glatt das Schwert wegnehmen können. Roland schüttelte leicht den Kopf, als das Schnarchen wieder einsetzte. Er neigte sich an das linke abstehende Ohr des Schläfers und brüllte: »Überfall!« Der Mann sprang auf wie von einer Tarantel gestochen. Er riß die Augen auf, starrte Roland an, als sei er ein Geist und stammelte: »Gggnade!« Roland lächelte. »Keine Angst, du unerschrockener Kämpfer für Ordnung und Recht. Ich suchte nur nach einer Möglichkeit, dich zu wecken. Bist du Blasius Schulze?« Die wäßrigen Augen blinzelten. »So ist es. Blasius Schulze.« Er begriff wohl, daß von dem Fremden tatsächlich keine Gefahr drohte, und seine Haltung straffte sich. Sein spitzes Kinn ruckte trotzig vor, und seine bläulichgrauen Augen verloren den schläfrigen Ausdruck. »Und wer bist du?« fragte er ärgerlich. »Was maßt du dir an, mich bei der Vesper zu stören, du nichtsnutziger Hunds ...« »Ich bin Ritter Roland.« Die wäßrigen Augen wurden groß. Der Mund klaffte auf. »Oh, verzeiht, Ritter Roland. Ich wußte ja nicht ... ich habe Euch schon erwartet. Ein Bote des Königs ...« »Ich weiß«, unterbrach Roland. Der schläfrige Polizist verwandelte sich verblüffend. Er wieselte um den Schreibtisch herum, putzte mit einer Hand Staub von einem Stuhl und rückte ihn für Roland zurecht. Dann nahm er Haltung an und sagte dienstbeflissen: »Blasius Schulze, königstreu und pflichtbewußt. Stehe ganz zu Diensten, Ritter!«
Roland setzte sich. Als Blasius Schulze stramm stehenblieb, forderte Roland ihn mit einem Wink auf, ebenfalls wieder Platz zu nehmen und riet ihm, sich zu entspannen. Das nahm Blasius wohl recht wörtlich. Er setzte sich und blickte zu seinem Käsebrot. Dann zwinkerte er Roland, den er gerade noch sehr unterwürfig behandelt hatte, zu wie ein Zechkumpan dem anderen und legte einen Finger auf die Lippen. Roland konnte sich keinen Reim auf das absonderliche Verhalten des Mannes machen. »Kommen wir zur Sache ...« begann er. »Pst! Nicht bewegen!« flüsterte Blasius Schulze. Er rollte ein Stück Papier zusammen und halte langsam damit aus. Klatsch! Die Papierkeule knallte auf das Käsebrot. »Erwischt!« jubelte Blasius. Er hob die Papierkeule langsam an und lugte auf die Beute. Drei Fliegenleichen garnierten das angebissene Käsebrot. Es waren ältere Stubenfliegen gewesen, die nicht mehr so flink der Attacke hatten entgehen können wie die jüngeren. »Fette Beute«, sagte Blasius erfreut, legte die befleckte Papierkeule ab und nahm das Käsebrot. »Trotzdem 'ne ziemliche Sauerei.« Roland stimmte ihm zu. »Ja, aber wir wollten zur Sache kommen.« »Ahso, ja.« Blasius Schulze wischte mit einer Hand die Fliegenleichen vom Käse und biß herzhaft in die Schnitte. »Mein Vesperbrot«, sagte er kauend und schmatzend. »Bin noch gar nicht zum Essen gekommen. Die viele Arbeit, wißt Ihr.« Roland wußte nur, daß ihm dieser Blasius auf den Geist ging. Das war offenbar der Typ, der sich als unterwürfiger Diener vorstellte, wenn er es für angebracht hielt, und der sofort unverschämt wurde und nach der ganzen Hand griff, wenn man ihm den kleinen Finger reichte.
Roland änderte die Taktik. »Hör mit dem Schmatzen auf und berichte mir von dem Überfall!« fuhr er Blasius Schulze an. Blasius verschluckte sich fast an einem Happen Käsebrot und spielte schnell den Eifrigen. »Nun, wie soll ich es sagen ...« begann er. »Faß dich kurz.« »Das war so, äh ...« »Kürzer!« Blasius zuckte zusammen. Dann berichtete er, zunächst knapp, doch dann immer wortreicher, was er von einer gewissen Franziska Hellwig erfahren hatte. Für Roland gab es nur einen Schluß: Der geheime Waffentransport war verraten worden, wie es König Artus in der versiegelten Botschaft andeutete, die Roland durch Kurier erhalten hatte. »Die Räuber erwähnten also einen Namen. Vermutlich den Namen des Mannes, der ihnen Hinweise auf den Transport gab. Was sagte diese Dame, als sie den Überfall meldete?« »Franziska? Die braucht Ihr nicht Dame zu nennen. Das ist nur eine Maid von der Alm. Und was für eine!« Er zwinkerte Roland vertraulich zu, und seine Miene nahm einen verzückten Ausdruck an. »Was sagte sie?« drängte Roland, den es herzlich wenig interessierte, was diese Franziska für eine Maid war. »Was sie sagte? Nun, sie war sehr aufgeregt. Überfall, Überfall! sagte sie. Und dann erzählte sie, daß sie auf dem Weg zur Alm einen sterbenden Mann gefunden hätte, der ihr noch etwas anvertraut hätte.« »Was?« fragte Roland, der Blasius die Antworten am liebsten aus der Knollennase gedreht hätte. »Nun, etwas von >geheim< und >Verrat< und >Mörder