Nr. 2565
Michael Marcus Thurner
Vastrears Odyssee Der Frequenzfolger auf der Flucht – und auf der Suche nach einer neuen Bestimmung In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das ent spricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Eigentlich herrscht seit über hundert Jahren Frieden. Doch seit die Terraner auf die sogenannten Polyport-Höfe gestoßen sind, Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, tobt der Konflikt mit der Frequenz-Monarchie: Sie beansprucht die Macht über jeden Polyport-Hof und greift mit Raumschiffen aus Formenergie oder über die Transportkamine der PolyportHöfe an. Die Terraner und ihre Verbündeten wehren sich erbittert – der Kampf findet in der Milchstraße und in Andromeda statt. Man entdeckt die
Achillesferse der Vatrox, der Herren der Fre quenz-Monarchie: Sie verfügen mittels ihrer Hibernationswelten über die Möglichkeit der »Wiedergeburt«. Als die Terraner ihnen diese Welten nehmen und die freien Bewusstseine dieses Volkes einfangen, beenden sie die Herrschaft der Frequenz-Monarchie. Allerdings sind damit nicht alle Gefahren be seitigt: Noch immer gibt es Vatrox und mindes tens zwei rivalisierende Geisteswesen, die mit dieser fremden Zivilisation zusammenhängen. Für den einzelnen Vatrox ändert das aber wenig an der prekären Situation, und manch Frequenz folger muss sich mit den unangenehmen Folgen des Krieges auseinandersetzen. Und so beginnt VASTREARS ODYSSEE ...
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den Lichtjahre, und sie meinte, ganz weit hinten, dort wo alles endete, die Geburts wellen einer neuen Epoche wahrzuneh men. Es ist doch immer wieder etwas Beson Zeitstränge, manche dünn wie Haar, deres, dachte S’Karbunc. andere massiv wie Stahltaue, umschlan Du meinst die Passage? Die Farbwech gen einander. Sie bereiteten neue Ge sel, das Spiel von Rot und Blau? Satwa schichten alt auf – oder war es umgekehrt? hatte für die Betrachtungen ihres Symbi Jene Figuren und Bilder, die Satwa zu onten derzeit nicht sonderlich viel übrig. sehen und zu fühlen bekam, zeigten sie Sie waren auf der Flucht und sie hatten und ihre Begleiter. den Handelsstern FATICO aufgeben müs Den Frequenzfolger Vastrear, eben sen. noch Herr über den Handelsstern FATI Rot und Blau, pah! Du solltest deine CO, nun aber ein Vertriebener. Eine düs Parasinne schärfen, um deine Umgebung tere hagere Gestalt, wirklich wahrnehmen voll Glauben an das, zu können. Oh, ich was er im Dienst der vergaß: Da gibt es Die Hauptpersonen des Romans: Frequenz-Monarchie kaum etwas zu schär tat. fen. Bloß diesen leicht Vastrear – Der Frequenzfolger flieht vor den Schatten der Niederlage in Andromeda. Die Kriegsordon verkümmerten Drü nanz Bhustrin, ewiger sen-Appendix ... Bhustrin – Die Kriegsordonnanz folgt ihrem Herrn, Begleiter Vastrears. Satwa ließ S’Kar wohin er auch geht. Ein Gnom, grob bunc auf sanfte Weise Satwa – Die geklonte Tefroderin dient Vastrear als Au schlächtig und mitun spüren, wer das Sagen tochthon-Ordonnanz. ter lächerlich wirkend. hatte. Sie sendete Im S’Karbunc – Der Symbiont macht einen wesentlichen Er war flink wie ein pulse, die den Symbi Teil der Autochthon-Ordonnanz aus. Nager, skrupellos und onten wie Hitze vor gemein. Er bewachte kommen mochten. und beschützte seinen Ich meinte den ZeitHerrn mit Eifersucht, Raum-Ozean rings um die sich manchmal durch Eintrübun uns, dachte S’Karbunc ein wenig klein gen seines fast transparenten Körpers laut. Das Werden und Wachsen und Blü zeigte. hen und Sterben. Der schöpferische Akt, Sie selbst. Die autochthone Ordonnanz, in all seiner Vielfalt ... fühlst du es denn ebenfalls im Dienst des Frequenzfolgers nicht? tätig. Ein Klonwesen mit tefrodischem Ich kann es sehen. Satwa blickte um Gengut. Groß gewachsen, dunkelhaarig, sich. Sie bemerkte Schwarze Löcher, die meist neckisch lächelnd, gemeinsam mit grau wurden und verdorrten. Sternenin ihrem Seelenpartner S’Karbunc zu einem seln, die sich ineinander verkeilten und Werkzeug der Frequenz-Monarchie her nach Sekunden, die zugleich Jahrmillio angezogen. nen waren, wieder auseinanderdrifteten Zusammen befanden sie sich auf der und völlig neue Form annahmen. Gala Flucht, von einer Station des Polyportxien, die einander umtanzten wie Fisch Netzes zur nächsten. Vertrieben von chen, die wiederum von kleineren Artge einem kleinen Kommando der Terraner, nossen umringt wurden. das FATICO im Sturm genommen hatte. Licht- und Partikelstrahlen schossen Gedemütigt und geschwächt waren sie, scheinbar willkürlich umher und formten kaum in der Lage, die Niederlage im sich zu einem asynchronen Geflecht. Ein Handelsstern zu begreifen ... Brunnen spie Zeit und ein klein wenig Die Zeitfäden entwirrten sich. Satwa Raum aus; Satwas Wahrnehmungsbe schüttelte verwirrt den Kopf. – War dies reich vergrößerte sich um einige Milliar 1. Satwa: Reiseimpressionen
Vastrears Odyssee denn eben die Realität gewesen? Oder waren sie bloß die Reflektionen eines Be trachters, der aus einer anderen Perspek tive dieses Zeitgewirrs auf sie blickte? Würden sie mitsamt ihres Zeitfadens ver schwinden, wenn er seine Aufmerksam keit von ihnen abwandte? Was für seltsame, was für beunruhi gende Gedanken ... Satwa schob sie tun lichst beiseite und unterhielt sich im Stil len mit S’Karbunc, dessen Fladenleib sie um ihren Oberkörper geschlungen hielt. Irgendwann verstummten sie beide und verbrachten den Rest der Reise durch den Polyport-Tunnel unabhängig voneinan der. Kontemplativ, jeder in sich selbst versunken. Manche Momente waren viel zu wertvoll, um sie mit dem jeweils ande ren zu teilen. 2. Vastrear: Die alte Heimat Er trat aus dem Transferkamin, legte die Verbindung zum Handelsstern mithil fe seines C-Controllers endgültig lahm und ging zügig zu einem wartenden Ok rivar. Der Wasserstoffatmer grüßte ehrerbie tig, prüfte die Legitimation des Ankömm lings oberflächlich und bedeutete den Darturka ringsum, den Weg frei zu ma chen. Die Soldaten der Frequenz-Monar chie ließen Vastrear und seine Begleiter anstandslos passieren. Er suchte das monochrome graue Leuchten, das inmitten der Verladeplatt form auf eine Informationsinsel hinwies, und als er es entdeckt hatte, ging er forsch darauf zu. Bhustrin bahnte ihm den Weg; wie immer. Allerlei Volk umlagerte die LogistikSchnittstelle. Roboteinheiten flogen auf geregt umher, einfache Soldaten fassten ihre Waffen aus, höhere Dienstränge der Darturka sprachen Einsatzpläne ab, eine Gruppe Okrivar beschwerte sich laut stark über die Verzögerung einer Liefe rung, die sie aus einem Distribut-Depot der Galaxis Brak-Nok-Zo erwarteten,
5 zwei weißpelzige Slitaren debattierten aufgerichtet und sichtlich nervös über ei nen Versetzungsbefehl ... Man machte Vastrear und seinen Be gleitern bereitwillig Platz. Vor Bhustrin öffnete sich eine Gasse, ein Ghimelaun winkte ihm ehrerbietig zu. »Willkommen auf Hibernation-3«, sagte der Medusenähnliche und gönnte sich eine Salzwasserdusche. Er verknote te die langen Tanzfühler nervös, um sie auf wundersame Weise wieder voneinan der zu lösen. »Du bist ...?« »Vastrear. Ich möchte Kumoson spre chen. Augenblicklich.« Der Ghimelaun ließ einen Teil des Fa tiwas, des Gelee-Gesichts, auf das Einga befeld fallen. Körpereigene Magnetfelder des Ghimelaun vergrößerten da und dort das Gewicht des Fatiwas und erzeug ten derart Schriftbilder, während die Tanzarme mit zunehmender Schnellig keit seltsame Bilder in die Luft zeichne ten. »Frequenzfolger Kumoson ist derzeit nicht erreichbar«, beschied ihm der Ghi melaun nach einer Weile. »Ich kann dir einen Termin in der Adjutanz verschaf fen. Dort wird man dich ...« »Du hast mich wohl nicht richtig ver standen, Geschöpf!« Vastrear drehte den Kopf, sodass das lange, sorgfältig ge pflegte Pigasoshaar sichtbar wurde. »Ich lege keinen Wert auf Kontakt mit irgend welchen untergeordneten Befehlsemp fängern. Ich möchte mit Kumoson spre chen – und mit niemandem sonst!« Der Ghimelaun drehte sich irrwitzig rasch im Kreis, die Tanzarme rollten sich spindelartig um den dürren Körper, wäh rend das Fatiwa vollends zu zerfallen drohte. »Es tut mir leid, Herr! Entkorkt, trocknet oder entleibt mich – aber ihr werdet keine andere Antwort aus mir quetschen können. Kumoson ist dieser Tage ein vielbeschäftigter Mann.« Vastrear war es leid. Ein Ghimelaun, ein wertloses Geschöpf eines ebenso wert losen Volkes, das aufgrund seiner phy sischen Schwächen lediglich für Verwal tungsaufgaben herangezogen werden
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konnte, widersetzte sich seinen Anwei sungen? Denen eines Frequenzfolgers? Er würde ein Exempel statuieren las sen. Darturka sollten sich um den Kerl kümmern ... Satwa trat nahe an ihn heran. Viel nä her, als er es guthieß. »Mit Verlaub, Vastrear«, flüsterte ihm die geklonte Tefroderin zu, als hätte sie seine Gedanken gelesen, »der Tod dieses armseligen Wesens würde uns keinen Schritt weiterbringen; ganz im Gegenteil. Wir sollten das Angebot annehmen und mit der Adjutanz Kontakt aufnehmen. Diese Leute wissen die Ankunft eines Frequenzfolgers sicherlich anders einzu schätzen und beschaffen dir im Handum drehen einen Termin bei Kumoson.« »Ich brauche keinen Termin!«, entgeg nete Vastrear. »Ich bin Kumoson gleich gestellt und ich habe wichtige Informati onen für ihn!« »Solche, die er offenbar schon besitzt.« Satwa deutete hinter sich. Er folgte ihren Blicken. Tatsächlich. Er war zu sehr auf seinen Ärger konzentriert gewesen und hatte sich kaum um das gekümmert, was rings um ihn geschah. Zahlreiche Darturka be völkerten die Station. Die Soldaten meh rerer Vao-Regimenter standen in Reih und Glied, die Waffen griffbereit. Schweres Schützenmaterial wurde so eben herangeschafft. Okrivar huschten umher, beschäftigten sich an den Schaltpulten der Station, dis kutierten angeregt. Ihre Blicke galten den Transferkaminen. Jedes Mal wenn sich die Farbe eines der vier Transportwege von Blau auf Rot änderte, richtete sich aller Aufmerksamkeit darauf. »Man bereitet sich auf einen Angriff vor«, sagte der klein gewachsene Bhus trin. »Es besteht aber keine echte Ge fahr.« * Vastrear ließ Gnade vor Recht ergehen und schonte das Leben des Ghimelaun. Mit einem Permit in der Hand, das ihm
einen Termin in der Adjutanz noch am gleichen Abend gewährleistete, verließ er den Transporthof durch einen gut gesi cherten Zugangstunnel. Er trat ins Licht der Sonne, die im Jar gon der hiesigen Bewohner den Namen »Wiege« erhalten hatte. Die offizielle Be zeichnung, eine Zahlen-BuchstabenKombination, war hingegen kaum ge bräuchlich; zu Vastrears Bedauern und Ärger. Er verachtete Unschärfen, sowohl in der Arbeit als auch im Privatbereich. Sofern ein Angehöriger der FrequenzMonarchie so etwas wie Privatsphäre für sich in Anspruch nehmen durfte. »Du erinnerst dich?«, fragte Bhustrin. »Woran?« »Du wurdest hier wiedergeboren. Ich weiß noch sehr gut, Herr, als du und ich ...« »Lass das Geplapper!«, unterbrach Vastrear die Kriegsordonnanz forsch. »Sentimentale Anwandlungen sind das Letzte, was ich derzeit gebrauchen kann.« »Verzeih.« Bhustrin senkte ehrerbietig seinen kantigen massiven Kopf. Erinnerungen ... wozu waren sie gut? Sie banden gedankliche Kapazitäten und beeinträchtigten das Konzentrationsver mögen. Er hatte nach vorn zu blicken. In Richtung jener glorreichen Zeiten, die sie erwarteten, sobald sie ihren lästigen Gegner besiegt und Zugriff auf das PARALOX-ARSENAL bekommen hat ten. Es war heiß. Es musste Sommer in der Stadt 457 sein. Der Boden reflektierte un gefiltert die Hitze des rotgolden leuchtenden Gestirns. Auf den wenigen unge pflegten Rasenstreifen tummelten sich Slitaren und grunzten wohlig, während sie die Erde mit ihren Bauchstacheln durchfurchten. Ein Referror streifte ziellos umher. Das Kunstwesen war offensichtlich dienstfrei gestellt; es hatte keinen wiedererwachten Vatrox zu betreuen. Widerlich! Er blieb stehen, konzentrierte sich und verinnerlichte die architektonische
Vastrears Odyssee Struktur von Zentrial 457. Es war nicht schwer; alle Wohn-Metropolen auf Hiber nation-3 ähnelten einander. Kannte man eine von ihnen, fand man sich in allen zu recht. Die Industrie- und Produktions städte, meist auf der Süd-Hemisphäre der Welt angesiedelt, folgten einem geringfü gig anderen Gestaltungsmuster. »Wir haben einen halben Tag Zeit, Herr«, sagte Bhustrin. »Sollen wir eine Wohnung requirieren? Möchtest du dich ausruhen?« »Nein.« Vastrear überlegte. »Es gibt ei nen Ort, den ich wiedersehen möchte; um nachzudenken: das Refugium.« »Ich besorge uns eine Passage.« Bhus trin gab sich weiterhin ehrerbietig, warf aber Satwa einen bedeutungsvollen Blick zu. Das Konfliktpotenzial zwischen der Kriegsordonnanz und der Tefroderin war enorm, da beide um seine Gunst wett eiferten und alles unternahmen, um bes ser dazustehen als der jeweils andere. Unter anderen Umständen hätte sich Vastrear an den Reibereien zwischen sei nen beiden engsten Mitarbeitern delek tiert. Doch nicht bei dieser Gelegenheit. Vastrears Sorgen waren zu groß und zu schwer geworden, um sich für derlei Fir lefanz zu interessieren. Bhustrins semitransparenter Körper dunkelte ein wenig nach, während er die notwendigen Schritte zur Erlangung ei ner Passage-Erlaubnis in die Wege leitete. Über eines der vielen, frei umherstehen den Terminals klinkte er sich in einen Rechnerknoten ein und gab seine Wün sche bekannt. Das Ansuchen der Kriegs ordonnanz würde nach Dringlichkeit be handelt werden. Vastrear kümmerte sich nicht weiter um Bhustrin; auch nicht um Satwa, die sich aufmerksam umblickte und mit ih ren wachen Sinnen diese neue Umgebung zu verinnerlichen versuchte. Sie war ein recht gut gelungenes Zuchtexemplar. Ein besonders erfreuliches Resultat ihrer For schungs- und Entwicklungsarbeit. Und doch hatte sie auf FATICO schlech te Arbeit geleistet ...
7 Ohne dass es Vastrear verhindern konnte, schweiften seine Gedanken ab. Er dachte an den Handelsstern, für des sen Verlust letztlich er verantwortlich war. Es gelang ihm nach wie vor nicht, die Ereignisse, die zum Verlust dieses Macht symbols geführt hatten, nüchtern zu be urteilen. Er fühlte Empörung. Ohnmäch tige Wut. Ratlosigkeit, sobald er daran dachte. Sorge. Erinnerungen sind nicht gut!, mahnte er sich einmal mehr und erinnerte sich eines alten Lehrspruchs: Befrei dich von den Problemen der vergangenen Nacht, sonst werden sie zu den Bürden des kom menden Tages. Nach jedem Schlaf kommt ein neuer Anfang, so wie nach jedem Tod ein neues Leben beginnt. »Ich habe die Passage«, unterbrach Bhustrin seine Gedankengänge. »Ein Geamint wird uns in dreißig Pulsen auf nehmen.« Sie warteten schweigend, bis ihr Ge fährt landete und seine Aufnahmezunge nach ihnen ausstreckte. Der biomime tische Körper, Produkt einer auf Hiber nation-3 entwickelten Technologie, war kaum wahrzunehmen. Bloß einige Un schärfen, die das Gebilde zur Umgebung hin abgrenzten, deuteten das Vorhanden sein des Fluggeräts an. Vastrear betrat die Zunge, tat die we nigen Schritte ins Leere – und fand sich unvermittelt im Inneren des Schiffs wie der. Spartanisch eingerichtet war es; mit wenigen Sitzgelegenheiten, einer offenen Hygienezelle und mehreren Arbeitsplät zen entlang der Reihen kleiner Bullau genfenster. Satwa folgte ihm. Sie gab sich unbe eindruckt; doch der Frequenzfolger hatte längst gelernt, ihre Mimik zu durch schauen. Bhustrin betrat das Schiff und befahl den Start. Das Geamint erhob sich ruck frei und machte sich auf den Weg Rich tung Nordwesten. Hin zum Refugium in Stadt 383. »Wo sind wir hier?«, fragte Satwa. Sie hatte sich in eine der Stuhlschalen gesetzt
8 und bewegte ihren Körper unruhig hin und her. »In einem biomimetischen Fahrzeug«, antwortete Vastrear knapp. »Die Schiffs hülle wurde mit einem biomechanischen Anstrich überzogen. Mit intelligenten Farbpigmenten auf bakterieller Basis, wenn man es so nennen möchte. Die Gea mint-Bakterien wurden auf größtmög liche Anpassungsfähigkeit gezüchtet. Je nach Lichteinfall verändern sie sich der art, dass sie fast wie unsichtbar erschei nen.« »Sind die Geamints vakuumtauglich, Herr? Ein biomimetischer Tarnschirm, der ohne Energieemissionen auskommt, scheint mir eine recht probate – und vom Feind nicht erwartete – Defensivwaffe zu sein.« »Die Geamints sind eine Fehlentwick lung. Das Konzept erwies sich angesichts des großen Zuchtaufwands als zu teure Alternative zu herkömmlichen Tarnschir men. Es wurde lediglich eine Kleinserie von etwa einer Million bodengebunde nen Fahrzeugen mit Geamint-Bakterien überzogen. Allesamt sind diese Einheiten auf Hibernation-3 im Einsatz. Das Kon zept wurde und wird niemals über diesen lokalen Charakter hinauskommen.« »Das ist schade.« »Das ist Selektion, Satwa. Manches setzt sich durch, anderes bleibt auf der Strecke.« Er blickte die beiden Ordon nanzen nacheinander an. Lange. Sie soll ten den tieferen Sinn seiner Worte verin nerlichen. Vastrear setzte sich an einen der Ar beitsplätze und aktivierte die UniversalFolie. Das dünne Leitblatt sprang auf eine Fingerberührung an und machte ihn in Wort und Bild mit den neuesten Ent wicklungen auf Hibernation-3 vertraut. Er betrachtete die Nachrichten bloß oberflächlich. Sie waren wenig aussage kräftig und in erster Linie für NichtVatrox gedacht. Selbstverständlich exis tierte für die Angehörigen seines Volkes eine eigene Leseart der Daten- und Infor mationsreihen. Eine Sprache hinter der Sprache, sozusagen. Eine, die Besorgnis
Michael Marcus Thurner und Unsicherheit über die Situation in dieser Sterneninsel ausdrückte. Doch sie war zu vage, zu unbestimmt. Vastrear verstand den Kern der Aussa gen nicht. Aber eines war klar: Kumoson, nomineller Befehlshaber auf Hibernati on-3, war irritiert. Und das war ganz und gar nicht gut. * Er verbrachte einen Teil der Reise dö send. Er hatte dem Geamint eine geringe Geschwindigkeit befohlen. Ohne selbst zu wissen, warum er Zeit vergeudete. Als sie in der Stadt 383 landeten, fühl te er sich besser – und war ein wenig auf geregt. Er würde das Refugium wiederse hen. Jenen Ort, den er nach seiner Wiedergeburt so sehr zu schätzen gelernt hatte. Im Inneren des Gebäudes hatte er die Agenden, die Pläne, die Konzepte der Frequenz-Monarchie vollständig verin nerlicht. Vastrear ging von Bord, ohne sich um seine Begleiter zu scheren. Sie würden ihm nachlaufen, wie immer. Es war kalt. Die Stadt lag nur wenige hundert Kilometer vom Nordpol entfernt, auf einem der kleineren Kontinente. Ei nige Landesteile waren unberührt belas sen worden; aus Gründen, die Vastrear nicht nachvollziehen konnte. Mickrige Bäume, Latschen, Moosgewächse und seltsame Kriechtiere, die unter der dün nen Humusschicht ihre Eier in klebrige Bodennetze legten, beherrschten dieses raue Land. Was für eine Verschwendung! Hiberna tion-3 diente bestimmten Zwecken, und der wichtigste war zweifelsohne, das Genmaterial der Vatrox zu horten und ihre Wiedergeburten zu betreiben. War um also wertvolles Land verschenken, das für forschungstechnische Zentren hätte viel besser genutzt werden kön nen? Zentrial 383 ragte vor ihm in die Höhe. Es war ein Koloss von einem Bauwerk. Die Spitze durchbrach die rosa schim mernde Wolkendecke. 6000 Meter hoch
Vastrears Odyssee war der Turm, und er beherbergte mehre re Millionen Vatrox, die auf dem Weg zu rück waren. Die nach ihrer Wiedergeburt und der Einschulung durch Referrors auf kommende Aufgaben vorbereitet wur den. Er betrat das Gebäude, nannte dem Okrivar-Pförtner die Adresse jenes Orts, den er niemals vergessen hatte, und ließ sich von einem Express-Rohr in die ihm so vertraute 1244. Etage bringen. Der Transport nahm mehrere Minuten in Anspruch. Vastrear ließ die Umgebung von Zentrial 383 an die Wände ringsum projizieren, während er mit atemberau bender Geschwindigkeit in die Höhe schoss, immer höher, den Wolken entge gen, um sie zu durchdringen und schließ lich, als er glaubte, über die Spitze des Gebäudes hinauszuschießen, unvermit telt anzuhalten. Vastrear wartete einige Pulse, bis das letzte Alarmzeichen erlosch. Er wusste, was nun kam – und dennoch wurde er von Kälte und dünner Luft überrascht. Die Anpassung an die hiesigen Umweltbedin gungen, die denen der Außenumgebung glichen, nahm einige Zeit in Anspruch. Er atmete rasch und flach, um ausreichend Sauerstoff in die Lungen zu bekommen. Allerdings durfte er nicht zu lange warten, sich keine Blöße geben. Nicht vor den beiden Ordonnanzen. Er stieg mit wackligen Beinen aus der Express-Röhre, tat die paar Schritte hin zum zentralen Vorraum der Refugien, orientierte sich zur Linken und ging den schmalen Gang entlang, der ihn an sein Ziel brachte. An diesem Ort hatte er gelernt. Die »Lehrjahre« seines derzeitigen Lebens verbracht. Wissen und Verständnis für die Frequenz-Monarchie entwickelt und sich auf seine zukünftigen Arbeitsbe reiche vorbereitet. In einer Umgebung, wie sie wohltuender und angenehmer nicht sein konnte. Im Refugium hatte er sich selbst gefun den. »Der Raum ist frei«, sagte Bhustrin. »Der Benutzer wurde für die Dauer dei nes Aufenthalts ausquartiert.«
9 Vastrear entriegelte die Tür und betrat das Zimmer. Da war der Hauch eines fremdartigen Geruchs. Wer auch immer hier wohnte – er stank. »Ich bin zu Hause«, sagte er so leise, dass ihn weder die Kriegsordonnanz noch Satwa verstehen konnten. Er unter drückte einen Seufzer und setzte sich auf den Boden. Es war schön an seiner Erweckungs stätte. So ruhig. So fernab allen Seins. Nichts trübte den Blick auf sich selbst. Auf Ziele, Aufgaben, Vorhaben, Vorga ben. Das Refugium maß drei mal zwei Me ter. Die Wände waren nackt. Keine Fens ter. Keine Einrichtung. Ein rauer Boden, der einmal täglich über versteckt gehal tene Düsen abgespritzt wurde. Ein Hygi eneloch, eine Nahrungsklappe. Kein Bett, kein Schrank, kein Zugang zu den Infor mationskanälen der Frequenz-Monar chie. Ein Raum, wie es Millionen im Zentri al gab – und dennoch ein ganz besonderer. Der Raum, in dem er zu demjenigen ge worden war, den er heute darstellte. 3. Satwa: Schwindel-Freiheit »Wir warten hier draußen!«, verkünde te Bhustrin und schloss die Tür hinter dem Frequenzfolger. »Was macht er bloß in dieser Abstell kammer?«, fragte Satwa. »Sich erholen. Neu fokussieren. Sich auf die kommenden Aufgaben vorberei ten.« »In einer Abstellkammer?« »Was dem einen ein gesichtsloser Raum ist, ist dem anderen eine gewohnte Um gebung. Eine Heimat.« Berühre ihn!, forderte S’Karbunc. Ich möchte ihn fühlen. Er ist zu schlau, entgegnete Satwa. Er weiß, wie wir funktionieren, und wird sorgfältig darauf achten, den Körperkon takt mit dir und mir zu vermeiden. Außer dem hat er die Macht, uns zu schaden.
10 Versuch es dennoch! Warte auf den ge eigneten Augenblick. Finde einen Weg, um ihn abzulenken. Der Symbiont gab sich aggressiv wie selten zuvor. Ihr Zusammenleben und ihre Zusammenarbeit waren von einer Harmonie geprägt, wie sie nur selten zu stande kam. Der Ton zwischen ihnen mochte zwar manchmal rau klingen – aber niemals prägten ihn Neid, Hass oder Konkurrenzdenken. Diesmal jedoch waren die Dissonanzen nicht zu über hören. Ich weiß, wie ich mit Bhustrin fertig werde, gab Satwa ihrem Partner zu ver stehen. Lass ihn gefälligst meine Sorge sein. »Wir warten hier draußen«, wiederhol te die Kriegsordonnanz. Sie gelangten in einen runden Warte raum – und Satwa meinte, den Boden un ter ihren Füßen weggezogen zu bekom men. Wenige Schritte vor ihr begann das Nichts. Ein Schacht, vielleicht 30 Meter im Durchmesser. Schmale, kaum fußbrei te Zubringer führten aus mehreren Rich tungen zum Zentrum des Gebäudes, einem zylindrischen Steher, nur wenige Meter breit. Dort befanden sich Nah rungs- und Getränkeautomaten, die von Vatrox und Angehörigen verschiedener Hilfsvölker genutzt wurden. Sie drängten sich eng an eng, ohne sich um das Loch hinter ihnen zu kümmern, das womöglich 6000 Meter in die Tiefe reichte. Links und rechts der schmalen Zubrin ger waren Schalensessel angebracht. Bhustrin trat sicheren Schrittes auf eines der schmalen Metallgestänge, balancierte darauf entlang, kümmerte sich nicht um hochfauchende Windböen – und warf sich in den erstbesten freien Stuhl. Die kurzen Beinchen ragten ins Leere. »Hast du Angst?«, fragte er und grinste. »Ich dachte, du wärst mit Raum und Tie fe vertraut?« Satwa trat vorsichtig an den Rand des Schachts. Scheinwerfer leuchteten ihn mangelhaft aus. Stimmengemurmel drang zu ihnen hoch; sie erkannte Ange hörige der Frequenz-Monarchie, die in
Michael Marcus Thurner den Stockwerken unterhalb auf ähn lichen Gestängen herumturnten. Referrors taten in den diversen Ebenen Dienst. Die rosafarbenen künstlichen Ge schöpfe beaufsichtigten Vatrox, deren Erinnerungsvermögen sie bisher nicht vollständig befähigte, zurück in den Dienst der Frequenz-Monarchie gestellt zu werden. Hilf mir!, forderte sie S’Karbunc auf und ließ es zu, dass der Symbiont stärke ren Einfluss auf ihr Körperempfinden als üblich nahm. Das Gleichgewichtsgefühl des Maeddonten war weitaus stärker als ihres ausgeprägt. Satwa trat auf den Zubringer und vi sierte einen Platz neben der Kriegsordon nanz an. Als ein Vatrox von der gegen überliegenden Zentrumsseite auf sie zukam, kehrte sie respektvoll um. Die Im merwiedergeborenen verstanden keinen Spaß und hatten alle Rechte aller Welten, sie grundlos in die Tiefe zu werfen. Als der Vatrox sie passiert hatte, unter nahm Satwa einen zweiten Versuch, das hämische Grinsen Bhustrins tunlichst missachtend. Die Beine fühlten sich wa ckelig an, das Atmen fiel ihr schwer. Sie geriet mehr und mehr in eine Atemnot, und ihr Kopf schmerzte. Hab Vertrauen!, dachte S’Karbunc. Satwa spürte seine Einflussnahme auf ihren Bewegungsapparat. Sie fühlte sich wie eine Puppe. Ihre Beine bewegten sich wie von selbst, taten einen Schritt vor den anderen. Ohne sich um die Böen oder die gut spürbaren Schwankungen des fragil wirkenden Geflechts an Metallstreben zu scheren. Sie erreichte glücklich ihren Platz, setzte sich vorsichtig und atmete tief durch. Sie war schwindelfrei, gewiss; dennoch erforderte es gehörigen Mut, um sich unter derart widrigen und unbere chenbaren Bedingungen zu bewegen. »Gibt es Prallfelder, die Abstürzende abfangen?« »Selbstverständlich nicht!« Bhustrin stieß ein fauchendes Geräusch aus, das einem verächtlichen Lachen gleichkam. »Ein Vatrox, der mit derartigen Verhält
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nissen nicht zurechtkommt, hat es nicht verdient, unterrichtet zu werden. Er wird einer weiteren Wiedergeburt überant wortet.« »Überlässt man bei den Reinkarnati onen eigentlich alles dem Zufall, oder greifen Genetiker in die DNS der Vatrox ein?« »Darüber wird nicht geredet«, sagte Bhustrin knapp. »Und nun ruhig! Ich möchte mich erholen. Und nachdenken.« »Worüber?« Er drehte ihr den Kopf zu. Sein Atem roch sauer. »Ich überlege, wie ich dich bei Vastrear diskreditieren kann. So, dass er gezwun gen ist, dich endlich fallen zu lassen und zu töten.« * Die Stunden verstrichen ereignislos. Satwa rührte sich nicht vom Fleck und versuchte sich von dem endlosen Ab grund unter ihren Beinen abzulenken. Sie beobachtete Vatrox, die aus- und ein gingen, sich in aller Stille um Nahrung anstellten und einander ansonsten tun lichst ignorierten. Referrors redeten mit leisen Stimmen auf sie ein, verlangten ihnen Gleichgewichtsübungen ab oder brachten ihnen bei, wie man Nahrung zu sich nahm. Die Vatrox befanden sich in unter schiedlichen Stadien der Erweckung, und allesamt wirkten sie, als lebten sie in ei ner eigenen, kaum durchschaubaren Welt. Ihre Pigasoshaare waren kurz bis gar nicht vorhanden, ihre Blicke wirkten trüb. Satwa hielt die Kopfschmerzen kaum aus. Darüber hinaus litt sie unter Orien tierungsproblemen. Nur dank S’Karbuncs gedanklicher Unterstützung konnte sie scharf sehen und links von rechts unter scheiden. Der Abgrund unter ihren Beinen zog sie magisch an. Mehr als einmal meinte sie, gezwungen zu sein, zur Kante des Stuhls vorzurutschen und sich fallen zu lassen, hinab in diesen Strudel. Es war,
als gäbe es in der Tiefe jemanden, der nach ihr rief und sie lockte. »Wir gehen!«, hörte sie Vastrears Stim me. Sie zuckte zusammen und konnte den Sturz gerade noch verhindern. Wieder überließ sie S’Karbunc einen Teil der Körperkontrolle. Der Sym biont hob den gemeinsamen Körper aus der Sitzschale und steuerte ihn über den Zuträger zurück auf sicheren Boden. »Du transpirierst!«, sagte Vastrear. Er achtete nicht auf die Blicke der anderen Vatrox, die seinem lang gewachsenen Pi gasoshaar galten. »Sie kommt mit den Verhältnissen im Zentrial nicht zurecht!«, ließ sich Bhus trin vernehmen. Er drängte sich neben den Frequenzfolger. »Für gewisse Dinge ist sie einfach nicht geeignet.« Satwa wischte sich den Schweiß von der Stirn. Jede Bewegung schmerzte, sie konnte sich kaum auf den Beinen hal ten. »Verzeih meine Schwäche, Herr!« Sie beschönigte nichts, täuschte nichts vor, denn Vastrear würde sie dabei durch schauen. Der Frequenzfolger drehte sich wortlos um und ging davon. Sein Gang wirkte federnd. Was auch immer er in sei nem Refugium getan haben mochte – es hatte ihm geholfen, seine Mitte zu finden. Ein Referror folgte ihnen in respekt vollem Abstand. Er war dick, fast unför mig, und er wirkte verbraucht. Wie eine Maschine, die viel zu oft eingesetzt wor den war und knapp davorstand, recycelt zu werden. Sie setzten sich in eines der zigarren förmigen Gefährte, Express-Rohr ge nannt. Der Referror hob einen Arm zum Gruß. Vastrear achtete nicht auf die melan cholisch anmutende Geste des Kunstwe sens. Ungeduldig wartete er darauf, dass die Dachkappe des Gefährts mit einem Zischen schloss und es davonsauste. Ohne Nutzung eines Andruckabsorbers ging es abwärts, verschlungene Wege entlang, durchs Innere des Zentrials.
12 »War das dein Referror, Herr?«, fragte Satwa. »Ja.« »Er kennt dich also seit dem Beginn deiner Wiedergeburt?« »Derartige Fragen sind nicht ange bracht. Ich habe schon Bessere als dich aus geringeren Anlässen töten lassen.« Kaum wieder auf sicherem Boden an gelangt, nahm sie das Geamint auf. Es beschleunigte diesmal mit hoher Ge schwindigkeit. Satwa konnte von ihrem Sitzplatz aus mitverfolgen, wie sich die biomecha nischen Bakterien der Außenhülle unter Einwirkung der Reibungshitze grellrot verfärbten, sich stellenweise ablösten und einen langen brennenden Schweif hinter dem Geamint bildeten. Sie sah Inseln und Kontinente unter sich vorbeihuschen. Allesamt waren sie von Städten überzogen, die durch ein gut ausgebautes Straßennetz miteinander verbunden waren. Riesige Containerfahr zeuge schleppten sich über diese Wege, Individualverkehr war kaum zu beobach ten. Sie konzentrierte sich auf die Städte. Auf jene eintönigen Komplexe, die einan der auf beinahe erschreckende Weise äh nelten. Stets stand ein beherrschendes Zentrial in der Mitte. Es wurde von Wohntürmen umringt, die im Vergleich winzig wirkten – und dennoch mehr als zweitausend Meter in die Höhe ragten. Am Ostrand jeder Siedlung befand sich ein kreisrunder Komplex, in dem angeb lich die Gen-Fabriken und die Hiberna tionsareale angesiedelt waren. Im Norden herrschten Flachbauten vor, über deren Zweck Vastrear schwieg. Im Westen wu cherten pflanzenorganische Anbauge biete. Ausgedehnte Grünflächen zeigten sich in mehreren, gegeneinander verscho benen Stockwerken. Das natürliche Son nenlicht wurde durch riesige bewegliche Breitenstrahler verstärkt. Daneben befanden sich Tierfarmen, graubraune Gebäude, die angeblich meh rere hundert Meter in die Tiefe reichten. Plumpe, bewegungsunfähige Wesen, de
Michael Marcus Thurner ren Vorfahren vor langer Zeit die Ober fläche von Hibernation-3 bevölkert hat ten, lagen dort unten dicht an dicht. Sie wurden gemästet, mit Nährstoffen voll gestopft und nach nicht einmal einem Planetenjahr bedauernswerter Existenz zu den Schlachtrobotern gebracht. Bhustrin machte sich einen Spaß dar aus, ihr die unappetitlichsten Details des hiesigen Lebens möglichst bildhaft zu be schreiben. Satwa gab durch nichts zu er kennen, wie sehr ihr vor der völlig ent seelten Tierhaltung und -verarbeitung graute. Sie achtete nun auf die freien Flächen zwischen den Städten. Auf diese kargen Landschaften, die kaum einmal von einem Gewässer durchbrochen wurden; und wenn, schwappte eine bräunliche Brühe durch kerzengerade Kanäle. Jede Baumgruppe erfreute ihr Herz, und als sie eine karstige Felsformation erblickte, die bislang allen Bemühungen der Vatrox, sie zu glätten und ihrem Ver ständnis von einer idealen Hibernations welt anzupassen, widerstanden hatte, konnte sie sich ein Grinsen nicht verknei fen. »Stadt 1«, sagte Vastrear und deutete voraus. Dieses Gebäudekonglomerat unter schied sich kaum von all den anderen, die sie mittlerweile überflogen hatten. Das Zentrial mochte einen Hauch höher ge baut sein, wie auch die Gen-Fabriken zwei oder drei zusätzliche Stockwerke hatten. Sie landeten im Osten, auf einem kreis runden Platz, unweit mehrerer unschein barer Gebäude. Vastrear blickte auf die Tischfolie. Be vor Satwa die Schriftzeichen entziffern und die Bilddarstellungen verstehen konnte, verwischte er sie mit einer Hand. »Kumoson ist pünktlich zur Stelle. Ihr wartet hier. Achtet auf Ungewöhn liches.« »Was meinst du, Herr?« »Was denkst du denn, Satwa?« Er warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. »Ich
Vastrears Odyssee zeichne ihn für einen der schwersten Ver luste verantwortlich, die die FrequenzMonarchie jemals hinnehmen musste. Kumoson wird mich kaum mit offenen Armen empfangen. Mag sein, dass er ver sucht, mein Versagen zu bestrafen.« Vastrears Rechte ging zum Pigasoshaar. Er streichelte darüber. »Ich bin bereit, die Schuld auf mich zu nehmen und zu ster ben. Doch ich möchte keinesfalls von der Hand eines einfachen Planetenverwalters gerichtet werden.« Bhustrin drängte sich an seine Seite. »Ich begleite dich, Frequenzfolger. Ich be schütze dich ...« »Nein, sagte ich! Ihr haltet die Augen offen und informiert mich, sollte sich et was Ungewöhnliches ereignen.« »Was, zum Beispiel?« »Ihr werdet es wissen, sobald ihr es seht.« Der Vatrox verließ das Geamint und ging auf den Eingang eines der Gebäude zu. Die Straßen waren nahezu leer; Be fehle eines Darturka gellten aus der Ferne über den Platz, ein mehrhundertköpfiger Chor anderer antwortete ihm. Hinter den Mauern rechts des Landeplatzes befand sich ein Drillhof. Drei Vatrox querten die breite Chaussee, ohne das Gefährt oder sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Die Luft flirrte vor Hitze. Satwa wischte sich Schweiß von der Stirn. Die Temperaturschwankungen schlugen ihr aufs Gemüt. Sie hatten die Distanz vom Nordpol zu dieser Stadt nahe des Äqua tors binnen weniger Minuten hinter sich gebracht und dabei mehrere Kontinente überquert. »Ich habe ein schlechtes Gefühl«, sagte Bhustrin. »Warum?« »Ich habe von diesem Kumoson gehört. Er ist Vertreter einer besonders kompro misslosen Linie, wenn es um ... um ... Ver sager geht.« »Vastrear ist kein Versager!«, brach es aus Satwa hervor. »Er hat sein Bestes ge tan, um FATICO zu halten!« Die Erinne rung kam ihr hoch. Die Begegnung mit dem tefroiden Feind, der mehrere Mutan
13 ten an seiner Seite hatte. Und dann dieses Robotgeschöpf, dessen Möglichkeiten weit über das hinausgingen, was in den Reihen der Frequenz-Monarchie Dienst tat ... »Ich weiß. Du solltest dich an seiner Stelle verantworten.« Satwa würdigte Bhustrin keiner Ant wort. Sie wusste, woran sie mit der Kriegsordonnanz war. Sie musste sich vor dem Kleinen in Acht nehmen. Er war heimtückisch und von nicht zu unter schätzender Intelligenz. Er würde alles daransetzen, sie aus der Gunst des Fre quenzfolgers zu nehmen. Alles. 4. Vastrear: Unordnung Kumoson war derselbe geblieben. Der Frequenzfolger, um einige Jahre jünger als er, galt als trockener Verwalter des Status quo, dessen Flexibilität der von Stahl nahekam. Seine größte Schwäche, ein Hang zur Eitelkeit, zeigte sich bereits während der ersten Pulse ihres Beisam menseins: Immer wieder streichelte er über sein Pigasoshaar, immer wieder salbte er es mit einer nach Nadelholz rie chenden Substanz. »Was willst du von mir, Vastrear? Ich habe nicht viel Zeit für Bittsteller.« »Wie du weißt, wurde FATICO verlo ren ...« »Aufgrund deines persönlichen Versa gens. Du wirst dich hoffentlich bald für diesen herben Verlust vor einer höheren Instanz verantworten müssen.« »Ich habe zweifellos Fehler begangen, Kumoson. Aber ich möchte verhindern, dass Derartiges anderen ebenfalls ge schieht. Deshalb bin ich hier: Um dich zu warnen. Diese Terraner und ihre Verbün deten sind nicht zu unterschätzende Geg ner. Sie haben binnen kurzer Zeit enorm viele Informationen über die FrequenzMonarchie gewonnen. Sie haben starke Paratalente in ihren Reihen; es ist ihnen gelungen, Allianzen zu schmieden. Sie
14 sind wie Schmeißfliegen, die einen um kreisen und so lange lästig sind, bis man die Flucht ergreift.« Kumoson blickte an ihm vorbei. »Das ist deine Sicht der Angelegenheit. Aber komm endlich zur Sache. Ich habe heute Abend noch einige wirklich wichtige Gäste zu Besuch.« »Ich möchte dir einen Datenträger zu kommen lassen, auf dem meine Eindrü cke und Meinungen zur Eroberung FATI COS gespeichert sind. Ich möchte, dass du meine Informationen zur Kenntnis nimmst. Ernst nimmst. Dir Gedanken machst, wozu die Terraner in der Lage sind. Ich befürchte, dass sie über kurz oder lang gemeinsame Sache mit den Gaid-Rebellen machen werden ...« »Mit den Angehörigen jenes Volkes, das du einstmals für Wert befunden hast, ins Klon-Programm aufgenommen zu wer den?« Kumoson fletschte die Zähne. »Warst nicht du derjenige, der beschloss, die Gaids für unsere Zwecke einzusetzen? Mir scheint, dass du über die Jahrzehnte hinweg einige sehr zweifelhafte Entschei dungen getroffen hast.« Vastrear ließ sich nicht provozieren. Er hatte sich im Refugium auf dieses Aufein andertreffen vorbereitet und besonders darauf geachtet, zu Gelassenheit und Ru he zurückzufinden. Er überging die Frage seines Gegen übers und sagte: »Achte darauf, dass du nicht in dieselbe Falle tappst wie ich. Überheblichkeit ist ...« Kumoson winkte ungeduldig ab. »Ich bin nicht daran interessiert, die Beleh rungen eines Verlierers über mich erge hen zu lassen. Schick mir meinethalben deinen Datenträger, und ich werde ihn mir zu Gemüte führen, sofern ich die Zeit finde.« Vastrear wechselte das Thema. »Hiber nation-3 steht bereits im Fokus unserer Feinde ...« Kumoson zögerte. »Mag sein. Wir be reiten uns darauf vor, angegriffen zu wer den. Allerdings sehe ich keinen Grund, nervös zu werden. Unsere Schlachtlichter sind ein nicht zu überwindender Macht
Michael Marcus Thurner faktor – sofern es den Terranern jemals gelingen sollte, durch den Facettennebel hierher vorzudringen.« »Ich warne dich nochmals: Sie sind ge schickt, einfallsreich und lassen sich kaum einmal von ihrem Weg abbrin gen.« »Ich verstehe. War’s das nun? Ja? – Dann lass mich jetzt allein. Andere, wichtigere Angelegenheiten erfordern meine Auf merksamkeit. Du kennst ja den Weg zum Ausgang.« »Ja, Kumoson.« Vastrear klatschte die Hände zum Zeichen der Ehrerbietung zwischen Gleichrangigen auf die Schen kel, sein Gegenüber reagierte nicht. Der Verwalter von Hibernation-3 ließ ihn ein mal mehr seine Verachtung spüren. Vastrear verließ den karg eingerichte ten Raum, die so unscheinbar wirkende Planetare Zentrale. Er meinte zu spüren, dass der frostige Abschied Kumosons mit seinem Abschied von den Hebeln der Macht gleichzusetzen war. Er tastete nach dem C-Controller. Er gab ihm das Gefühl, nach wie vor etwas Besonderes zu sein. Hoffentlich kam nie mand auf den Gedanken, ihm dieses un endlich wertvolle Gerät wegzunehmen. * »Hast du erreicht, was du wolltest?«, fragte Bhustrin. Vastrear würdigte ihn keiner Antwort. Er beschäftigte sich längst mit strate gischen Überlegungen, die im Zusam menhang mit dem Verlust von FATICO standen. Er würde sich so intensiv wie möglich mit der Nachbereitung der ges trigen Ereignisse befassen, weil er genau wusste, dass Kumoson seine Kommentare unbeachtet liegen lassen würde. Doch die Aufarbeitung der Vorgänge auf dem Han delsstern gab ihm die Gelegenheit, sich neu zu finden. Neu zu fokussieren, sich seiner Stärken und Schwächen bewusst zu werden. Er hatte nicht vor, sich unter kriegen zu lassen. Eine Niederlage, aus der man lernte, war mitunter wertvoller als ein Sieg.
Vastrears Odyssee
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Es würde zu kurz greifen, die Verant wortung für den Verlust FATICOS einzig und allein auf seine Untergebenen – und damit in erster Linie auf Satwa – zu schieben. Es gab andere, tiefer liegende Probleme, die es neu zu bewerten galt. Solche, die die Organisation der Fre quenz-Monarchie per se in Frage stellte. * Vastrear ließ einen ausreichend großen Wohnkubus für seine Vorstellungen an passen. Immerhin gestand ihm Kumoson eine Datenleitung zu, mittels der er sich über die weiteren Entwicklungen in Ha thorjan informieren konnte. Er erhielt unbeschönigte und unzensierte Berichte aus allen Teilen dieser Sterneninsel. Die Rechnerleistung seiner Haus-Einheit war groß genug, um weitere Entwicklungen nach von ihm erstellten Parametern be urteilen zu lassen und Extrapolationen zu erstellen. Bhustrin und Satwa durften sich frei bewegen. Die beiden Ordonnanzen soll ten sich »auf der Straße« umhören. Ob wohl kein Vatrox ihnen gegenüber ein unvorsichtiges Wort fallen lassen würde, wollte Vastrear nichts unversucht lassen, um Stimmungsbilder einzufangen. Selbst in der Unterhaltung mit Angehörigen von Hilfsvölkern der Frequenz-Monarchie mochten sich neue wichtige Erkenntnisse ergeben. Bhustrins Eifersucht auf Satwa nahm immer drastischere Züge an. Die Kriegs ordonnanz verunglimpfte die Klon-Frau, stichelte und intrigierte gegen sie. Vastrear nahm das Verhalten Bhustrins zur Kenntnis. Sein Begleiter, den er fast sein Leben lang an der Seite wusste, be saß diese ganz besondere Prägung, die ihn gar nicht anders reagieren ließ. Sie war der gemeinsamen Vergangenheit geschul det – und dem Affinitätsschwur, den Bhustrin in frühester Jugend abgelegt hatte. Zwei Tage nach ihrer Ankunft auf Hi bernation-3 schickte Vastrear sein Resü mee der Ereignisse auf FATICO an Kumo
son weiter. Der Verwalter nahm den Bericht kommentarlos zur Kenntnis. Wie erwartet weigerte er sich, die Zusammen hänge zwischen dem Verlust des Handels sterns sowie all der kleinen oder großen Niederlagen in Hathorjan und der Milch straße zu erkennen. Sehenden Auges ver leugnete er die Gefahr, die der FrequenzMonarchie – und insbesondere den Hibernationswelten – durch den Wider stand mehrerer Völker erwuchs. Informationsschnipsel über einen »Bund von Sicatemo« sickerten durch. Terraner, andere Milchstraßenbewohner, Tefroder, Maahks, Gaids und sogar Schat ten-Maahks hatten sich zusammengefun den, um konzertierte Aktionen gegen die Frequenz-Monarchie durchzuführen. Al lerorten ließen sich Raumeinheiten des Gegners blicken. Sie zeigten Präsenz, provozierten, griffen an, zogen sich wie der zurück. Das Verhaltensmuster war leicht zu durchschauen: Die Verbündeten wollten Aufmerksamkeit erregen – und vom eigentlichen Ziel ihrer Bemühungen ablenken. Kumoson ließ neue Informationen ver lautbaren, die einen Angriff auf die Welt als »möglich, aber sehr unwahrschein lich« definierten. Mehr als 10.000 Schlachtlichter, die im Orbit des Planeten kreisten oder weiter draußen im Facet tennebel Patrouille flogen, galten als un überwindbare Schutzmacht. Kein ver nünftiges Wesen würde einen Angriff auf Hibernation-3 wagen. So die Meinung des Verwalters. »Wir sollten Pläne für den Notfall schmieden«, sagte Satwa, nachdem sie auf Vastrears Verlangen seine Informati onen gesichtet hatte. »Geht’s ein wenig deutlicher?« »Was haben wir hier noch zu suchen?« Die Tefroderin leckte sich über die Lip pen. Sie wirkte ungewöhnlich nervös. »Niemand interessiert sich für dich; ob wohl du dich längst als verfügbar gemel det hast, gibt es vonseiten der FrequenzMonarchie keinerlei Hinweise, dass man dich anderwärtig einsetzen möchte.« »Weiter!«
16 »Hibernation-3 ist in Gefahr. Du weißt es, wir wissen es.« »Gefahr ist ein Begriff, mit dem ich we nig anfangen kann.« Vastrear log. Er ver schwieg jene Ängste, die ihn überkamen, sobald er an VATROX-VAMU dachte. An den Erzfeind der Frequenz-Monarchie. Satwa blickte wie Hilfe suchend zu Bhustrin. Seltsamerweise kam ihr die Kriegsordonnanz zu Hilfe. »Wir sollten uns auf alle Eventuali täten vorbereiten«, murmelte der Kleine verdrießlich. Vastrear dachte nach. Lange. Und sagte dann, verwundert: »Ihr habt Angst! Ihr fürchtet euch vor dem Ende eurer Exis tenz!« Die beiden unterschiedlichen Die nerkreaturen blieben stumm. Blickten betreten zu Boden, stiegen unruhig von einem Fuß auf den anderen. Vastrear winkte Bhustrin näher. Holte aus und schlug ihm heftig ins Gesicht. Der Kleine taumelte zurück, hielt sich aber auf den Beinen. Er steckte den Schlag ohne Anzeichen von Schmerz weg. Satwa reagierte wesentlich heftiger auf seinen Hieb. Obwohl sie ihn kommen sah und sich bemühte, den Kopf mit dem Schlag mitgehen zu lassen, platzte ihre Lippe. Die Geklonte fiel zu Boden. Blut lief über das Kinn auf ihre grüngraue Uniform und bildete dort rasch eine klei ne Pfütze. »Ich hätte euch auf FATICO zurücklas sen sollen, ihr undankbaren Geschöpfe! Wir sind der Frequenz-Monarchie bis über den Tod hinaus loyal. Hibernation-3 ist bloß der Beginn einer Reise, die uns zu neuen Ufern bringen wird. Wir stehen für weitere Aufgaben zur Verfügung, und wenn VATROX-CUUR entscheidet, dass wir zu warten haben, dann warten wir!« Er trat zu Satwa und half ihr mit einem kräftigen Ruck auf die Beine. »Sollte ich aus euren Mündern noch ein einziges Mal die Worte Flucht oder Angst hören, be reitet euch auf Schmerzen jenseits eurer Vorstellungskraft vor. Verstanden?« Satwa sah ihn benommen an und mur
Michael Marcus Thurner melte hinter vorgehaltener Hand ein un deutliches »Ja«. Bhustrin verbeugte sich ergeben, bevor auch er antwortete. Vastrear wedelte mit einer Hand, als Zeichen für sie, den Raum zu verlassen. Die Ordonnanzen traten ab und ließen ihn allein. Allein mit seinen Gedanken, die sich mit den Worten Flucht und Angst beschäftigten. * Hibernation-3 nahm im Gefüge der acht Geburtswelten der Vatrox eine Au ßenseiterrolle ein. So lag die Feste des Frequenzmittlers am Südpol und war seit Beginn der vierten Hyperdepression ver waist. Niemand kümmerte sich um diesen Bau, dessen technische Möglichkeiten Anlass zu vielerlei Spekulationen gaben. Auch die städtischen Zweckbauten auf Hibernation-3 standen ganz im Gegen satz zu jenen der anderen Hibernations welten. Sie lagen fast ausschließlich auf der Planetenoberfläche. Aus dem Welt raum gut sichtbar, zeigten sie sich wie die Stacheln einer Frucht. Die Zentrials waren eine weitere Be sonderheit dieser Geburtswelt. Nirgend wo sonst wurde auf die innere Findung der Vatrox so viel Wert gelegt wie auf Hi bernation-3. Wiedergeborene sollten sich in bisweilen wochenlanger Meditation ohne Nahrung ihres Selbst bewusst wer den – und dadurch begreifen, wofür VATROX-CUUR und VATROX-DAAG standen. Aus den Zentrials, so sagte man nicht ohne Stolz, waren einige der fähigs ten Frequenzfolger und Frequenzmittler hervorgegangen. Mit ein Grund für all die Besonder heiten auf und um Hibernation-3 war Kota-53, der Facettennebel. Diese Ster nengeburtszone, in der mitunter heftige Hyperstürme tobten, stellte einen si cheren Hafen für die Angehörigen der Frequenz-Monarchie dar. Die unausgereifte Raumfahrttechnik, der sich die Völker Hathorjans bediente, schloss ein Vordringen ins Innere des Fa cettennebels so gut wie aus.
Vastrears Odyssee Ausgeklügelte Wachsysteme und stark bewaffnete Weltraumforts, die seit eini gen Ewigkeiten im Orbit von Hibernati on-3 kreisten und regelmäßiger Wartung unterzogen wurden, sorgten für zusätz liche Sicherheit. Kein Vatrox glaubte den Planeten in Gefahr. Ausgenommen ich!, machte sich Vastrear bewusst. Ich habe den Einfalls reichtum und die Durchschlagskraft die ser Milchstraßenbewohner kennenge lernt. Ich ahne, wozu sie in der Lage sind. Und ich kenne den Anführer der rebel lischen Gaids, diesen Cerdo Perisa. Ich habe mich ausführlich mit seinen Klonen beschäftigt. Ein ganz besonderes Feuer brennt in ihrem genetischen Vater. Er und seinesgleichen stemmen sich mit all ihrer Willenskraft gegen die Segnungen der Frequenz-Monarchie. Er suchte das Gespräch mit Schiffs kommandeuren, Festungskommandan ten, Befehlshabern der Wachforts, Dar turka-Ausbildern, Zuchtmeistern der Kriegsordonnanzen; ja, selbst mit Vatrox, die eben erst das Zentrial hinter sich ge lassen hatten, bemühte er sich, in Kon takt zu treten. Niemand interessierte sich für ihn, den Verlierer von FATICO. Er war stigmati siert, man ging ihm tunlichst aus dem Weg. Andere Vatrox speisten ihn mit un verbindlichen Aussagen ab. Das Urteil über ihn war längst gefällt. VATROX CUUR würde gewiss kein Erbarmen ken nen; und bis sich die Wesenheit um ihn kümmerte, duldete man ihn auf Hiberna tion-3. »Ich verlange, einen Termin bei Ajezat zu bekommen!«, forderte er den rang höchsten Okrivar der Zentralen Adjutanz auf. »Der Befehlshaber der Schutzflotte wird sich gefälligst die Zeit nehmen, um sich meine Bedenken anzuhören!« »Ich bedaure.« Der Okrivar wiegte sei nen Oberkörper hin und her. »Ajezat ist derzeit nicht bereit, dich zu empfangen. Er bietet dir einen Gesprächstermin in zwanzig Tagen an ...« »In zwanzig Tagen?!«, brüllte Vastrear. »Bis dahin kann alles zu spät sein! Besorg
17 mir diesen Termin, oder ich lasse dich hinrichten.« »Mein Tod würde dir nichts nützen«, sagte der Okrivar nüchtern. »Weder ich noch mein Nachfolger können dir in ir gendeiner Weise weiterhelfen. Wir haben unsere Anweisungen.« Hinter den feinsten Nebelschwaden, die sein narbiges Gesicht umspielten, sah er die unverkennbaren Anzeichen von Nervosität. Vastrear war Frequenzfolger. Er hatte es weit gebracht, hatte über eine der wichtigsten militärischen Komponenten im Abwehrkampf gegen VATROX-VAMU verfügt. Und nun wurde er von einem minderwertigen Geschöpf abgekanzelt, ohne etwas dagegen unternehmen zu können? – So steil sein Aufstieg vor sich gegangen war, so tief drohte sein Fall zu werden. Er wandte sich ab und verließ den Empfangsraum. Ging vorbei an Vatrox, deren Pigasoshaar bloß wenige Zentime ter lang war. Ihre Körperhaltung drückte Missbilligung und Verachtung aus. Wahr scheinlich tuschelten sie hinter seinem Rücken und überlegten, wie sie ihn, den unangenehmen Störenfried, so rasch wie möglich loswerden konnten. Er trat aus dem Gebäude und schützte seine empfindlichen Augen mit vorgehal tener Hand vor dem ungewohnten Son nenlicht. Wie immer gellten die Kom mandos von Darturka über den Platz. Die Mitglieder eines Vao-Regiments marschierten in tadelloser Exerzier-Ord nung vorüber. Sie nutzten die gesamte Breite der Straße und versperrten ihm den Weg zum gegenüber parkenden Transfer-Fahrzeug. Bhustrin stand davor, die Hand an der Waffe, wie immer um Vastrears Sicherheit besorgt. Vastrear wartete ungeduldig. Er wollte nur noch zurück in sein Heim, im Fitness raum Dampf ablassen und sich dann mit einer Flasche gekühlten Xamaches ins Entspannungszimmer zurückziehen. Der Gleichklang der Schritte der Dar turka wurde durchbrochen. Sein geübtes Ohr erkannte die geringfügigen Abwei
18 chungen augenblicklich. Die Klon-Sol daten gerieten tatsächlich aus dem Takt! Drei von ihnen verließen das Glied, trotz der wütenden Zurufe ihres Komman danten. Sie hielten auf Vastrear zu, die Hände an den Waffen. Ihre Blicke wirkten trüb, die Muskelpakete im Nacken ange spannt. Vastrear stand still. Er wollte nicht glauben, was hier geschah. Unmittelbar vor dem Adjutanz-Gebäude, dem obers ten Verwaltungszentrum von Hibernati on-3! Der Darturka im Rang eines VaoforEins brüllte den drei Renegaten zu, au genblicklich stehen zu bleiben, und als sie nicht gehorchten, ließ er das Vao-Regi ment anhalten, um durch die Reihen auf die drei Ausreißer zuzustürmen. Die Soldaten wirkten verwirrt und überfordert. Sie verstanden nicht, was vor sich ging. Sie blieben stehen, starrten geradeaus, taten nichts. Vastrear meinte, all diese Geschehnisse rings um ihn in Zeitlupe mitzuverfolgen. Er konnte und wollte nicht verstehen, dass die drei Darturka die Waffen auf ihn anlegten, ihn töten wollten! Er reagierte fast zu spät. Er warf sich zur Seite, entkam der ersten Salve, die aus drei schweren Energiewaffen abge feuert wurden, und als die Attentäter von Neuem anlegten, war er längst zwischen den anderen Darturka-Soldaten ver schwunden. Der Kommandant erreichte ihn. Schubste ihn unsanft weiter, weg von den Angreifern, und geriet dabei selbst vor die Läufe der Meuchelmörder. Wurde in ein Häufchen Asche verwandelt, noch be vor er weitere Befehle erteilen oder selbst das Feuer eröffnen konnte. Weitere Feuerlohen fauchten über die Angehörigen des Vao-Regiments hin weg. Einige von ihnen starben, Vastrear kümmerte es herzlich wenig. Die Solda ten hatten ihn mit Leib und Leben zu schützen – und in diesem Fall mussten sie eben als lebende Schutzmauer her halten. Erst in diesem Moment begriffen einige
Michael Marcus Thurner Darturka, was vor sich ging. Dass drei aus ihren Reihen einen Vatrox angreifen könnten, lag eigentlich außerhalb ihres Begriffsvermögens. »Schützt mich!«, rief Vastrear, während er durch die Reihen der Soldaten hetzte. Die Darturka entsicherten ihre Waffen, sahen sich nach einem möglichen Feind um, entdeckten aber bloß andere Dartur ka. Drei Darturka, die feuerten, ohne Rücksicht zu nehmen, sich eine Schneise durch das Regiment bahnten, auf der Jagd nach Vastrear. Die Verwirrung steigerte sich von Puls zu Puls. Überall brannte und rauchte es, Entsetzens- und Schmerzensschreie hall ten über den Platz. Jegliche Ordnung im Regiment ging verloren. Vastrear drohte die Orientierung zu verlieren. Wo stand sein Transporter? Wo hin war Bhustrin verschwunden? Er fühlte sich gepackt. Vastrear wollte den eisernen Griffen entkommen. Er schlug zu, traf bloß ins Leere. Er stolperte über einen kokelnden Darturka-Leichnam, fiel schwer zu Bo den, kam trotz stechender Schulter schmerzen rasch wieder auf die Beine, fühlte sich erneut aus dem Gleichge wicht gebracht. »Unten bleiben!«, hörte er die altbe kannte Stimme Bhustrins – und ge horchte. Er kroch zur Leiche des Dartur ka und verbarg sich hinter deren Rücken, den schrecklichen Gestank und die Brandherde auf dem Leichenkörper tun lichst missachtend. Das Chaos ringsum nahm die Dimen sionen eines Krieges an. Immer lauter, immer verwirrender. Gestank, Feuer und Rauch bildeten eine schaurige Kulis se, in deren Mittelpunkt er, Vastrear, stand. Irgendwann ließ der Lärm nach und der letzte Schuss erklang. Eine Windbö fegte über den Platz und vertrieb die Schwaden. Zurück blieben verletzte und unver letzte Darturka. Die einen jammerten lei se vor sich hin, die anderen wirkten nach wie vor ratlos. Bis ein Vaofor-Drei in sei
Vastrears Odyssee ner blassvioletten Uniform endlich die Initiative ergriff und die gemeinen Solda ten zur Ordnung rief. »Alles in Ordnung, Herr!«, hörte Vastrear die bekannte Stimme Bhustrins. Die Kriegsordonnanz trat in sein Ge sichtsfeld. Der teiltransparente Körper hatte im Inneren eine gräuliche Tönung. Bhustrin streckte eine seiner kleinen kräftigen Hände nach ihm aus und half ihm auf die Beine. »Verzeih, dass ich dich so hart anpacken musste. Ich hatte keine andere Wahl ...« »Schon gut.« Er gab sich so ruhig wie möglich. »Wo sind die Verräter?« »Zwei konnte ich töten, Herr. Und be vor ich den dritten Attentäter dingfest machen konnte, richtete er die Waffe ge gen sich selbst. Die Darturka hatten wohl eindeutige Befehle.« »Attentäter«, wiederholte Vastrear. So als hätte er das Wort niemals zuvor ge hört. »Aus den Reihen unserer treuesten Zuchtsoldaten. Wie konnte das bloß ge schehen?« »Der Kreis möglicher Täter ist klein. Es kann nur jemand gewesen sein, der wuss te, dass du dich heute hier aufhalten wür dest. Satwa zum Beispiel ...« Vastrear unterbrach ihn mit einer un geduldigen Handbewegung. »... oder ein Vatrox, dem ich mit meinen Fragen und Eingaben in der Adjutanz zu lästig ge worden bin.« »Ich glaube nicht, dass Kumoson so dumm sein würde ...« »Schweig! Bring mich weg von hier. Ich muss nachdenken.« »Ja, Herr.« Bhustrin bahnte sich einen Weg zwi schen den Darturka, die vier- bis fünfmal so groß waren wie er, aufmerksam nach links und nach rechts sichernd. Er trat mit der Selbstsicherheit einer Kriegsor donnanz auf, die weder VATROX-VAMU noch den Tod fürchtete. Sie flüchteten sich in die Sicherheit ih res Fahrzeugs, Bhustrin aktivierte den Schutzschirm. Vastrear wollte seinen treuesten Be gleiter loben, nahm aber dann davon Ab
19 stand. Zu frisch waren die Erinnerungen an sein renitentes, von Furcht geprägtes Verhalten. »Nach Hause!«, befahl er, überlegte es sich dann aber doch anders: »Kommando zurück! Wir requirieren eine andere Wohneinheit und wirbeln dabei so wenig Staub wie möglich auf. Kumoson soll nicht wissen, wo wir uns derzeit aufhal ten.« »Wenn ich einen Vorschlag machen darf ...?« »Rede!« »Wir sollten uns eine leer stehende, desaktivierte Wohneinheit suchen. Damit wären wir zwar nicht an die allgemeinen Informationsnetze angeschlossen und hätten nicht den Komfort vollautoma tischer Versorgung; hätten aber den Vor teil, nicht augenblicklich identifiziert zu werden.« »Einverstanden. Darüber hinaus wech seln wir täglich unsere Unterkunft und unser Fahrzeug. Wer immer hinter diesem Anschlag steckt – er soll keine zweite Ge legenheit erhalten.« »Was soll mit Satwa geschehen?« »Sie kommt selbstverständlich mit uns.« »Und wenn sie eine Verräterin ist, Herr? Du weißt, dass ich sie längst im Verdacht habe ...« »Genug! Ich möchte darüber kein Wort mehr verlieren. Ich vertraue ihr ebenso, wie ich dir vertraue. Wenn du verstehst, was ich meine.« »Ja, Herr.« Bhustrin startete das Fahrzeug und raste davon, während auf dem Vorplatz der Adjutanz immer mehr Sicherheits truppen eintrafen. Man forderte Vastrear über Funk auf, sich den Verwaltungsbehörden für ein Verhör zur Verfügung zu stellen. Er ver weigerte, wies auf seine prekäre Situation hin und endete, nicht ohne Hohn: »Wenn Kumoson tatsächlich an einem Gespräch interessiert ist, steht es ihm frei, sich bei mir zu melden. Vielleicht habe ich irgendwann Zeit für ihn. Etwa in zwanzig Tagen.«
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Michael Marcus Thurner 5. Satwa: Eine Zweckgemeinschaft
Sie musste sich wohl oder übel mit Bhustrin arrangieren. Der Kleine stand in der Gunst des Frequenzfolgers besser als sie da – und er hatte ebenso viel Interesse, Hibernation-3 rasch zu verlassen. Der Planet war nicht mehr sicher. Die Vatrox unterschätzten die Gefahr. Sie sa hen lediglich kleine, meist unbedeutend wirkende Nadelstiche, die ihnen ihre Gegner versetzten – und wollten nicht wahrhaben, dass tausend kleine Stiche ebenso lebensbedrohlich sein konnten wie ein großer. Durfte Satwa es riskieren, ein Zweck bündnis mit der Kriegsordonnanz einzu gehen? Bhustrin wollte ihr die Schuld für den Anschlag auf Vastrear in die Schuhe schieben. Er stichelte, mäkelte daran her um, dass sie ausgerechnet an jenem Tag nicht mit zur Adjutanz gekommen war, faselte vom angeblich guten Verhältnis, das sie zu Darturka-Soldaten hatte, jong lierte mit Halbwahrheiten und Verleum dungen, verfolgte sie mit fast manischem Hass und Eifersucht. »So kann es nicht weitergehen!«, fuhr sie den Kleinen eines Tages an, während ihr Herr im Entspannungszimmer ruhte. »Wir leben in stetiger Unsicherheit. Die Nachrichten sind beunruhigend. Angeb lich wurden Schiffsverbände der Terra ner und ihrer Verbündeten unmittelbar vor Kota-53 gesichtet. Wir müssen Vastrear dazu bewegen, Hibernation-3 zu verlassen.« »Du hast Angst!« »Du etwa nicht? – Ich habe Pläne und Ziele! Mir liegt nichts daran, hier, an einer Nebenfront, mein Leben zu las sen.« »Unsere Schiffseinheiten und die Ab wehrforts werden die Angreifer wegfe gen, sollten sie es tatsächlich schaffen, ins Innere des Facettennebels vorzudrin gen.« »Bist du dir da so sicher? – Ich kann mich gut in unsere Feinde versetzen. Sie würden es niemals auf eine offene Raum
schlacht ankommen lassen, wenn sie nicht eine gute Chance sähen, uns zu be siegen.« »Sie sind verzweifelt. Es ist ihr letztes Aufbäumen.« »Ach ja? So, wie sie in all ihrer Ver zweiflung FATICO erobert haben?« Bhustrin schwieg. Lange. »Was schlägst du vor?«, fragte er dann. »Zusammenarbeit, bis auf Weiteres. Wir sollten alles versuchen, um Vastrear von unseren Argumenten zu überzeugen. Gemeinsam.« »Er wird uns nicht verstehen. Er kann uns nicht verstehen. Der Tod hat für ihn keinerlei Bedeutung. Er wird uns züchti gen oder gar hinrichten lassen.« »Wir müssen es geschickt angehen. Sei ne Verunsicherung nach dem Attentat nutzen und ihn immer wieder darauf hin weisen, dass er es auf einem anderen Stützpunkt der Frequenz-Monarchie leichter hätte, wieder auf die Beine zu kommen.« »Verunsicherung? Vastrear zweifelt niemals. »Er ist ein Vatrox.« »Warten wir’s ab ...« * Eine rigide Zensur sorgte dafür, dass die Informationen über das Attentat auf Vastrear nur kurze Zeit abrufbar blieben. Die Spuren wurden verwischt, das betrof fene Vao-Regiment nach Anthuresta ver setzt. Kumoson und die anderen Ent scheidungsträger auf Hibernation-3 vermieden es tunlichst, Staub aufzuwir beln. So wenig Leute wie möglich soll ten wissen, dass sich Darturka gegen ihre Herren aufgelehnt hatten. Tage vergingen. Satwa, Bhustrin und der Frequenzfol ger wechselten immer wieder ihren Auf enthaltsort. Sie taten ihr Bestes, um un erkannt zu bleiben. Vastrear ließ sich trotz seiner prekären Situation nicht da von abhalten, Eingaben, Beschwerden, Proteste und gute Ratschläge bei der Ad jutanz abzugeben. Er übermittelte sie über öffentlich zugängliche Terminals –
Vastrears Odyssee und sie verhallten ungehört, ein ums an dere Mal. Der Frequenzfolger störte sich nicht daran. Er legte eine Sturheit an den Tag, die nur mit seiner bedingungslosen Hin gabe zur Frequenz-Monarchie zu erklä ren war. »Bist du etwa nicht von den Zielen VATROX-CUURS und VATROX-DAAGS überzeugt?«, fragte Bhustrin mit lau ernder Stimme, als die beiden Ordon nanzen wieder einmal die Gelegenheit zu einem vertraulichen Gespräch unter vier Augen erhielten. »Selbstverständlich bin ich das!« Sat wa tat die Frage der Kriegsordonnanz mit einer unwirschen Handbewegung ab. »Aber Vastrear müsste allmählich einse hen, dass er mit seiner Strategie keinerlei Erfolge erzielt.« »Du wagst es, Vastrear zu kritisie ren?!« »Ich dachte, wir sind über derlei Spiel chen hinaus, Bhustrin! Ich kritisiere nicht. Ich fürchte um die mentale Ge sundheit unseres Herrn. Der Schock über den Verlust FATICOS sitzt nach wie vor tief. Er macht, dass Vastrear Fehlent scheidungen trifft ...« »Still!« Vastrear betrat den Gemeinschafts raum ihrer Wohneinheit. Seine helloran gefarbenen Augen glänzten fiebrig. Er achtete nicht auf seine beiden Diener, drängte sich an ihnen vorbei und setzte sich an seinen Arbeitsplatz. Er aktivierte den zentralen Nachrichtensender von Hi bernation-3. Die gelangweilt klingende Stimme eines Okrivar erklang. Er sprach über Forschungsfortschritte im Bereich der Blastogenese, referierte über transzen dentale Annäherungsversuche an das We sen VATROX-CUURS, kündigte Trup penbewegungen und Trainingsflüge mehrerer Darturka-Regimenter an ... »Was für ein hanebüchener Unsinn!« Vastrear war zornig. »Man verschiebt un zählige Einheiten nach Anthuresta, und kein Vatrox scheint sich für den Zweck dieser Umstrukturierungen zu interessie
21 ren. Warum kümmert sich niemand um die Probleme, die hier, in Hathorjan, im mer größere Dimensionen annehmen?« »Vermutlich steht VATROX-CUUR selbst hinter diesen ...« »Das weiß ich, Bhustrin!«, brüllte der Frequenzfolger. »Und ich weiß auch um die Unfehlbarkeit seiner Entschei dungen.« Vastrear beruhigte sich, richtete seine Konzentration neuerlich auf die Nachrichteninformationen, um leise zu murmeln: »Wenn man bloß auf mich hö ren würde ...« Der Frequenzfolger zweifelt, dachte S’Karbunc. Ich habe ihn niemals zuvor derart schwach und angreifbar erlebt. Der Attentatsversuch macht ihm zu schaffen. Er hätte sich niemals vorstellen können, dass sich Darturka gegen ihn wenden. Und wenn er völlig durchdreht? Wenn er sich offen gegen Kumoson wendet? Dann werden wir ihm zur Seite stehen, mein teurer, anhänglicher Freund. Ohne Vastrear sind wir nichts. Er ist unser ein ziger Überlebensgarant in einer Umge bung, die mit Unseresgleichen große Pro bleme hat. Dachte sie tatsächlich so? War es die Sorge ums eigene Überleben, die sie an der Seite Vastrears hielt? Sollte es nicht die Hingabe zur Frequenz-Monarchie sein, die sie antrieb? VATROX-CUUR war bloß ein abstrak tes Etwas oder Jemand. Eine Wesensform, deren Existenz die Vatrox niemals auch nur wagen würden, in Zweifel zu ziehen. Satwa hingegen brauchte etwas Hand festes, an das sie glauben konnte. Vastrear, der sie aus dem Sumpf ihrer kleinen kleingeistigen Welt auf FATICO gezogen und sie mit ihrem Symbionten vermählt hatte, entsprach viel eher ihrer Vorstel lung desjenigen, dem sie folgen wollte. »Lasst mich allein!«, verlangte Vastrear. »Ich möchte nachdenken. Es muss einen Weg geben, Kumoson zu überzeugen, es muss ...« Es schmerzte Satwa, den Frequenzfol ger derart leiden zu sehen. Er gab all sei ne Energie, um seinen Fehler auf FATICO
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wiedergutzumachen und ein Umdenken bei der Frequenz-Monarchie zu bewir ken. Doch so viel er auch mahnte und warnte: Niemand wollte auf ihn hören, und je öfter dies der Fall war, desto schlechter fühlte er sich. Bhustrin und sie gehorchten. Sie zogen sich in ihr gemeinsames Quartier zurück; einen winzigen Verschlag, in dem gerade Platz für eine kleine und eine große Liege blieb. Nebeneinander lagen sie auf den Bet ten, jeder in seinen eigenen Gedanken verhangen. Das Warten war ebenso zer mürbend wie die stetigen Stimmungs schwankungen ihres Herrn. So konnte und durfte es nicht weiter gehen. Es bedurfte eines Anstoßes von außen, um Vastrears brillanten Geist zu befreien und ihn wieder zu demjenigen zu machen, der er einstmals gewesen war. Doch was, so fragte sich Satwa, könnte das sein? Du weißt es ganz genau!, dachte S’Karbunc zuckersüß. Eine Wand pulsierte plötzlich blutrot. Satwa schreckte hoch. Der stille Alarm wurde gleich darauf durch Sirenengeheul ergänzt, gefolgt von Durchsagen, die aus allen Kommunikationsgeräten dröhnten. Es war so weit: Hibernation-3 wurde angegriffen. 6. Vastrear: Flucht Er hatte recht behalten: Die Einheiten des Sicatemo-Bündnisses griffen an. Ihre Raumer durchdrangen den Facettenne bel; mehrere zehntausend Einheiten, die Gaid-Rebellen, Maahks und Angehörigen der Milchstraßenvölker zuzurechnen wa ren. Wenn Kumoson und Ajezat schnell handelten, konnten sie den Konflikt wo möglich auf einen winzigen Sektor des Facettennebels beschränken; immerhin war jenes Gebiet, in dem die gegnerischen Raumer Richtung Hibernation-3 vor drangen, auf einen Bereich mit einer Aus
dehnung von zwei Lichtminuten be schränkt. Es existierte also ein Nadelöhr; eine genau definierte Strecke, die die feindlichen Schiffe entlangreisten, um im Abstand von etwa einem Lichttag zur Hi bernationswelt in sicherem Fahrwasser zu materialisieren. Zu Vastrears Entsetzen verfolgten die Verteidiger eine gänzlich andere Strate gie, als er es sich gewünscht hätte: Sie gaben den Gegnern Raum und Zeit, sich zu orientieren, und bauten ihrerseits die Schlachtlichter in einer breiten Front auf. »Diese Idioten! Sie glauben nach wie vor, die Verbündeten von Sicatemo wie unbewegliche Zielscheiben abknallen zu können!« Niemand hörte ihn. Niemand hörte auf ihn. Er war ein Vatrox ohne Stimme, ein Paria. Satwa und Bhustrin traten ins Ge meinschaftszimmer. Sie sahen ihn an, und er wusste, was sie sagen wollten. »Wir werden nicht fliehen«, kam er ih nen zuvor. »Die Treue zur Frequenz-Mon archie gebietet uns zu bleiben. Wir wer den alles unternehmen, um den Feind aufzuhalten. Außerdem sehe ich keinen Grund, nervös zu werden. Zehntausend Schlachtlichter sind eine unüberwind bare Streitmacht für den Hathorjan-Ver bündeten, selbst wenn der Feind das Zehnfache an Schiffen aufbietet!« »Gewiss!« Bhustrin gab sich unterwür fig. Er kam an seine Seite, wie es ihm sein Beschützerinstinkt befahl. »Sind wir einer Meinung, AutochthonOrdonnanz Satwa?« »Natürlich. Aber wir haben bereits Er fahrungen mit der Hinterlist unserer Gegner gemacht. Es würde nichts scha den, Alternativpläne vorzuhalten.« Sie wagte schon wieder, ihm zu wider sprechen! Immer mehr bereute Vastrear, Satwa mitgenommen zu haben. Bhustrin hatte recht: Sie schadete ihnen. Ihre per fide Gedankenwelt war jener der Tefroder und Terraner viel zu ähnlich. Alle Alarmsignale verstummten, für einige wenige Pulse herrschte Ruhe. Dann wurde das Trampeln schwerer Füße auf
Vastrears Odyssee den Straßen laut. Tonnenschwere Dartur ka in Kampfmonturen eilten Transport fahrzeugen entgegen, die sie so rasch wie möglich zu ihren Kampfeinheiten brin gen würden. Die Truppenmobilisierung auf Hibernation-3 lief an. Vastrear spähte aus einem schießschar tenähnlichen Fensterspalt ins Freie. Der Anblick der Darturka rief widersprüch liche Gefühle in ihm wach. Einerseits empfand er angesichts dieser zu allem entschlossenen Krieger Stolz. Anderer seits: Würde er den Klonsoldaten nach dem Attentat auf ihn jemals wieder un befangen gegenübertreten können? »Nachrichtenkanäle einschalten!«, be fahl er der intelligenten Wohnungsein heit. Drei Holos entstanden nebeneinander. Gegen den Hintergrund der Sternenge burtsstätte zeigten sie Zehntausende Ein sprengsel; Einheiten der Frequenz-Mon archie, Einheiten des Feindes. Unsichtbare Sprecher verbreiteten nahezu gleichlau tende Informationen: Den Eindringlingen sei es gelungen, einen Brückenkopf im Facettennebel zu sichern. Ihre Kampf kraft stelle allerdings keine Gefahr für Hibernation-3 dar, und man werde dem Gegner binnen kürzester Zeit eine emp findliche Niederlage beibringen. »Herr ...« »Was gibt es, Satwa?«, fragte er unwil lig. »Da stimmt etwas nicht! Sieh dir die strategischen Verlagerungen unserer Wi dersacher an. Sie stürzen zu Dutzenden auf Schlachtlichter, trennen sie vom Flot tenkörper und beharken sie mit Ge schützen, deren Offensivkraft deutlich größer als erwartet ist.« »Mag sein, dass sie technisch aufgeholt haben. Mag sein, dass wir einige Schiffe verlieren. Doch das sind bloß punktuelle Erfolge.« »Sie verzögern! So als wäre ihnen, ent gegen unserer Annahmen, gar nicht dar an gelegen, einen raschen Erfolg herbei zuführen.« »Gut für uns.« »Sie haben etwas vor! Sie warten auf
23 etwas. Vielleicht ist dies bloß die Vorhut – oder sie haben eine ganz besondere Überraschung für uns parat ...« »Schluss jetzt! Schick ein Ansuchen an Kumoson und die Adjutanz! Per Di rektleitung. Keine Verschlüsselungen und kein Versteckspielen mehr. Ich bitte den Planetenverwalter, einem Schlacht licht zugewiesen zu werden, um meine Erfahrung im Kampf einbringen zu kön nen.« Satwa zögerte, gehorchte dann aber. Und lieferte ihm bereits nach wenigen Minuten ungeduldigen Wartens eine Ant wort: »Kumoson fordert dich auf, dich bei Violett-Drei zu melden. Er sagt, dass all deine Fehler vergeben und vergessen seien und du dir um dein Wohlergehen keine Sorgen mehr machen müsstest. An gesichts der bevorstehenden Kämpfe sei man auf jeden erfahrenen Mann angewie sen. Dir wird das Kommando über ein DF-Schlachtlicht zugeteilt.« »Endlich!« Wie weggeblasen waren die Anflüge von Angst und Zweifel. Er hatte wieder ein Ziel vor Augen. Er durfte für die Fre quenz-Monarchie in den Kampf ziehen. Die Aussicht auf einen ehrenhaften Tod erfüllte ihn mit Stolz. * Violett-Drei befand sich abseits der üblichen Sammelpunkte. Dort zeigten sich weder Darturka noch Angehörige anderer Hilfsvölker. Das flache unschein bare Gebäude zog ausschließlich Vatrox und deren Kriegsordonnanzen an. Satwa wurde von allen Seiten scheel angeblickt, und einmal mehr fragte sich Vastrear, warum er diesen Ballast mit sich herumschleppte. War es, weil er ihr be weisen wollte, dass sie sich mit all ihren Bedenken irrte? Oder schätzte er ihren Widerspruchsgeist mehr, als er sich selbst eingestehen wollte? Rings um Violett-Drei herrschte fast langweilige Geschäftigkeit, so geregelt schien sie Vastrear. Vatrox wussten eben jederzeit, was zu tun war. Manche setzten
24 ihren Weg in Richtung einer subplaneta risch geführten Express-Rohrbahn fort, die sie zum Polyport-Hof in Stadt 457 bringen würde. Andere wurden Boden gleitern zugeteilt, die in waghalsig rasch aufeinanderfolgenden Manövern vom Flachdach von Violett-Drei aus starteten und landeten. Alles funktionierte bes tens. Wieder einmal zeigten sich die Vorteile klar umrissener Ziele. Dank des geradli nigen und kühlen Denkens der FrequenzMonarchisten waren sie ihrem Feind überlegen. An allen Informationsständen wurden die nunmehr gleich geschalteten HoloNachrichten eingeblendet. Sie lieferten Zahlen und Daten, deren Relationen sich allmählich zu Gunsten der heimatlichen Truppen neigten. Den 10.000 Schlacht schiffen standen insgesamt 45.000 Ein heiten der Feinde gegenüber, die sich wie derum in drei Blöcke gliederten. Die Gaid-Rebellen griffen mit größter Vehe menz an, und irgendwie bedauerte es Vastrear zu sehen, dass sie mit wesentlich mehr Leidenschaft als die Gaid-Klone kämpften, die im Sold der FrequenzMonarchie standen. »Feindverluste: 1587. Eigene Verluste: 123«, gab eine Stimme nüchtern bekannt. »Planetenverwalter Kumoson teilt mit, dass die strategischen Absichten des Si catemo-Bundes deutlich geworden wä ren und bei weiteren Kampfhandlungen berücksichtigt werden könnten. Nähere Anweisungen werden soeben den Be fehlshabern der Abwehrflotte übermit telt ...« Vor Vastrear und seinen Begleitern hat te sich eine Schlange gebildet, die zügig abgearbeitet wurde. Bald würde er ein Kommando erhalten. Er würde es diesen ignoranten Verwaltungsbeamten zeigen und ihnen durch große Taten beweisen, was für ein ausgezeichneter Stratege in ihm steckte. Ein Vatrox, der ein wenig abseits ge standen war, drehte sich ihm zu. Die Au gen glühten dunkelrot. Er griff nach seiner Handfeuerwaffe.
Michael Marcus Thurner Legte auf Vastrear an. Feuerte. * Vastrear fühlte sich beiseitegerempelt. Stolperte, rutschte über den Boden. Hitze versengte seine Kleidung, das rechte Bein schmerzte. Weitere Schüsse, ein wildes Durcheinander. Chaos, ver stärkt durch den Lärm neuerlich einset zenden Sirenengejaules. Vastrear kam auf die Beine. Er sah den Attentäter, nur wenige Schritte entfernt. Ein Teil der Schädeldecke fehlte, das kur ze Pigasoshaar stand in Flammen. Der Blick war ins Leere gerichtet, und dann stürzte er vornüber. Tot, mit einem Strahl schuss hingerichtet. Ein zweiter Vatrox lag unmittelbar neben ihm auf dem Bo den. Auch er hielt eine aktivierte Waffe in der Hand. »Wir müssen weg von hier!«, rief Sat wa, packte ihn am Arm und zog ihn mit sich. »So rasch wie möglich. Die Gegend ist nicht mehr sicher. Die Stadt ist nicht mehr sicher.« Willenlos ließ er sich mitziehen, weg von Violett-Drei. Der Schmerz an seinem Bein ließ allmählich nach. Das intelli gente Material seines Beinkleids reagier te und isolierte die betroffenen Nerven bahnen, um gleich darauf Heil-Gel auszuscheiden. Bhustrin eilte vorweg, an Zweckbauten vorbei, auf die Express-Rohrstation zu. Rücksichtslos schoben er und Satwa sich zwischen die Wartenden, drängten ande re Vatrox beiseite. Warum das Sirenengeheul? Galten die Alarmtöne, die von überall her zu kom men schienen, einzig und allein dem An schlag auf ihn? Sie betraten die Station. Soeben sauste eines der Röhrengefährte da von, das nächste glitt in den Einstiegs bereich. Vastrear riss sich von Satwa los. Er meinte, den zaghaften geistigen Zugriff ihres Symbionten gespürt zu haben. Sie versuchte ihn zu beeinflussen! Just in die
Vastrears Odyssee sen Momenten, da er mit der Aufarbei tung eines weiteren Schocks nach all den Aufregungen der letzten Tage beschäftigt war. Er kümmerte sich nicht um andere Vatrox. Er schob sie beiseite, lief, so rasch er konnte, über die Plattform, und setzte sich im vordersten Bereich des Gefährts in eine Einzelkabine. Kommandos ertönten, die Klimaanlage sprang an. Ein schrilles Pfeifen kündigte die Abfahrt des Rohrzugs an. Vastrear blickte weder nach links noch nach rechts. Er wollte nicht wissen, was hinter ihm geschah, ob ihm seine beiden Gefährten folgten oder zurückblieben. Nur weg von diesem entsetzlichen Ort, so schnell wie möglich! Mit einem Ruck fuhr der Zug an und glitt rasch in die enge Beschleunigungs fassung, um gleich darauf durch ein künstlich erzeugtes Vakuum in die ge wünschte Richtung gesogen zu werden. Andruckabsorber minderten die Wucht der Beschleunigung, Prallfelder sorgten für die Abdichtung. Sanfte Beleuchtung erzeugte einen si cheren Hafen inmitten des schwarzen Rohrs, durch das sie sich bewegten; ohne die Geschwindigkeit des Gefährts auch nur zu erahnen oder irgendeinen Anhalts punkt dafür zu haben, wo sich der Zug befand. Im Abteil vor ihm saßen drei Vatrox. Sie stierten geradeaus, redeten nicht mit einander und hielten die Hände eng an den Beinen, um den jeweils anderen unter keinen Umständen zu berühren. Einer von ihnen drehte sich ihm zu. Blickte ihn nachdenklich an, wandte sich dann wieder ab. War er ebenfalls ein Attentäter? Würde er, sobald der Zug in die nächste Station einfuhr, über ihn herfallen? Vastrears Hände zitterten. Dank Satwas Hilfe war er einem wei teren Anschlag entkommen. Er war so dumm, so verblendet gewesen! Wie hatte er jemals den Worten dieses heimtücki schen Kumoson vertrauen können? Und warum, bei Vao, wollten die Alarmsire
25 nen nicht verstummen? Selbst im Ex pressrohr dröhnten sie mit voller Laut stärke. Ein Vatrox sprach dazu mit nervös klingender Stimme; Vastrear achtete nicht darauf. Der Kampf gegen die Ha thorjan-Verbündeten nahm seinen Lauf, und er würde ihn nicht mehr beeinflussen können. Ein kurzer Ruck kündete von der Ein fahrt in die nächste Station. Holos leuch teten auf und blendeten Orientierungs pläne in die kleine Kabine. Sie zeigten – Zentrial 457! War es Zufall, dass es ihn ausgerechnet hierher verschlagen hatte? Zurück zum namenlosen Polyport-Hof von Hibernati on-3? Vastrear stand auf und drückte die Schutztüren auseinander. Wo war seine Waffe? Er tastete über sein OberschenkelHalfter. Es war leer. Er trug bloß noch das Vibratormesser bei sich. Hatte er den Strahler etwa zurückgelassen, war er ihm entrissen worden? Er wartete ab, bis die drei Vatrox das Abteil vor ihm verlassen und sich nach rechts gewandt hatten. Weitere Vatrox strebten dem Ausgang Richtung Poly port-Hof zu, manche von Kriegsordon nanzen begleitet. Bloß eine Minderheit der Fahrgäste suchte einen der anderen Ausgänge. Er trat aus dem Rohr. Sah sich um. Entdeckte Satwa und seine Kriegsordon nanz. Die beiden winkten ihm; sie wollten wohl, dass er stehen blieb und auf sie wartete. Wann würde dieses enervierende Ge heul der Alarmsirenen endlich enden? Jedermann auf Hibernation-3 wusste mittlerweile, dass die Welt angegriffen wurde. Vastrear zögerte weiterhin. Wusste nicht, ob er seine beiden Begleiter hinter sich lassen und im Alleingang versuchen sollte, sich durchzuschlagen. Durfte er ihnen vertrauen? Wohin sollte er sich durchschlagen; und zu welchem Zweck? Er war sich sei nes Lebens auf der Hibernationswelt nicht mehr sicher. Kumoson würde weder
26 rasten noch ruhen, bevor er ihn erwischt hatte. Handelte der Verwalter in fremdem Auftrag? Hatte er von einer höheren Ins tanz Anweisungen erhalten? Endete so eine viel versprechende Karriere im Dienst der Frequenz-Monarchie? »Warte!«, rief Satwa ihm zu, ohne sich um die zornigen Blicke anderer Vatrox in der schmalen Stationsröhre zu kümmern. »Bitte!« Vastrear blieb stehen. Unfähig, einen Schritt zu tun oder eine Entscheidung zu treffen. All die Selbstsicherheit, die ihn zeit seines Lebens ausgezeichnet hatte, war dahin. »Sag, was du zu sagen hast!«, forderte er die Autochthon-Ordonnanz auf und bemühte sich um einen möglichst arro ganten, abweisenden Tonfall. »Wir müssen von hier verschwinden!«, sagte Bhustrin anstelle der Frau. »Du bist dir deines Lebens nicht mehr si cher.« »Wenn die Frequenz-Monarchie mei nen Tod verlangt, soll sie ihn bekommen. Ein neues Leben, ein neues Glück.« Die beiden Ordonnanzen sahen einan der an. »Hast du es denn nicht gehört? Die Durchsagen ...?« »Interessieren mich nicht. In dieser Existenz werde ich keine Gelegenheit mehr erhalten, gegen unsere Feinde vor zugehen.« Er achtete tunlichst darauf, ausreichend Abstand zu Satwa zu halten. Seine Induktivzelle, die seit einiger Zeit nahezu inaktiv geblieben war, meldete sich überraschend und riet ihm, dem Klonwesen unter keinen Umständen zu vertrauen. »Dann hast du wohl überhört, dass sich die Situation unübersichtlicher darstellt, als es Kumoson gerne hätte.« »Was soll das heißen?« »Die Verteidigungsflotte erleidet große Verluste. Es gelingt den Verbündeten, im mer mehr Schlachtlichter unter Punktbe schuss zu nehmen. Insbesondere die Feindeinheit ›JULES VERNE‹ wütet dank unbekannter Waffentechnik unter unseren Schiffen.«
Michael Marcus Thurner »Ein einziger Raumer mag großen Schaden anrichten, aber keine Schlacht gewinnen.« »Stimmt. Doch die Berichte von der Front klingen auch aus anderen Gründen nicht besonders vertrauenerweckend.« Satwa trat an einen aktiven Informa tions-Terminal und spielte ihm die letz ten Berichte vor. Vastrear hörte zu. Zuerst gelangweilt, dann immer hellhöriger werdend. »Was war das mit dem Vamu?«, hakte er nach, stoppte die Nachrichten und ließ sie wie derholen. »Es verschwindet«, sagte Bhustrin. »Das Vamu verstorbener Vatrox kehrt an geblich nicht mehr zu den Hibernations welten zurück.« »Unmöglich!« »Wie ich bereits sagte: Die Verbünde ten würden niemals den offenen Konflikt mit der Frequenz-Monarchie suchen, wenn sie nicht zumindest eine Aussicht auf Erfolg sähen. Es gelingt ihnen, das Vamu sterbender Vatrox zu beeinflussen oder zu vernichten. Sie bewirken den endgültigen Tod. Die Wiedergeburt ist abgeschafft.« * Nein. »Nein!«, schrie er, ohne sich um die Gaffer ringsum zu kümmern. »Das ist ei ne Lüge! Verleumdung! Propaganda! Ku moson verbreitet Unwahrheiten, um uns aufzustacheln und zu größeren Leistun gen zu zwingen.« »Warum sollte er das tun?« »Weil er ein Idiot ist! Weil er ein simp ler Verwalter ist und keinerlei Ahnung von strategischem Handeln hat!« »Sieh dir die anderen Vatrox an«, sagte die Autochthon-Ordonnanz. »Sie sind womöglich ein wenig verunsichert – und dennoch erfüllen sie ihre Aufgaben, ohne an die Endgültigkeit ihres Todes zu den ken. Sie ignorieren die Fakten. Ignorierst du sie ebenfalls, Vastrear?« Satwas Stimme klang drängend und fordernd zugleich. Die Frau schlug einen
Vastrears Odyssee mehr als ungebührlichen Ton an – und erzielte eine Wirkung, die seine Induktiv zelle augenblicklich rebellieren ließ. »Ich weigere mich zu sterben«, flüster te er. »Der Tod ist sinnlos, wenn es keine Wiedergeburt gibt. Er stellt unsere Le bensgrundsätze infrage.« »Diese Welt wird fallen«, sagte Bhus trin. »Ich bitte dich, Hibernation-3 ge meinsam mit uns zu verlassen. Noch bleibt uns die Zeit dafür. Je länger wir zögern, desto schwieriger wird es, das Passagerecht für den Polyport-Hof zu er halten.« »Habt ihr mich etwa deshalb hierher geschafft?« Die beiden blickten einander an. »Ja«, sagte Satwa und setzte nach kurzem Zögern fort: »Unser Plan ergab sich aus der Situation. Es hieß, so rasch wie möglich zu handeln.« Sie leckte sich über ihre hässlich wulstigen Lippen. »Nach dem zweiten Anschlag wussten wir, dass du dir deines Lebens nirgendwo mehr sicher sein konntest. Und nachdem wir vom möglichen Verlust des Vamu er fuhren, war uns endgültig klar, was wir zu tun hatten.« »Ich verrate die Frequenz-Monarchie, wenn ich Hibernation-3 verlasse.« »Nein, Herr. Du rettest sie möglicher weise. Die Frequenzmittler und VATROX CUUR müssen auf die neu entstandenen Gefahren aufmerksam gemacht wer den ...« »Der Duumvir wird auch ohne meine Mithilfe erfahren, was im Facettennebel geschieht, und wird seine Schlüsse zie hen.« »Glaubst du, Herr?«, mischte sich Bhustrin ein. »Sieh doch hin: Nach wie vor streben die anderen Vatrox ihren Zie len zu. Sie tun so, als wäre nichts gesche hen. Sie bemannen die Schlachtlichter und die Wachtforts; sämtliche Truppen verteilungen über das Polyport-Netz er folgen nach Normen und Schlüsseln, die vor langer Zeit festgelegt wurden. Nie mand denkt auch nur im Entferntesten daran, wichtiges Gerät in Sicherheit zu bringen, versierte Kriegstaktiker anzu
27 fordern oder irgendetwas zu unterneh men, was den alten Regeln nicht gänzlich entspricht. Die Gegner werden nicht ernst genommen, und der Fokus von VATROX CUURS Aufmerksamkeit verlagert sich in Richtung Anthuresta, ohne dass wir die Hintergründe dafür kennen.« »Du maßt dir Kritik an der FrequenzMonarchie an!«, sagte Vastrear im üb lichen Verteidigungsreflex, obwohl er die Argumentation der Kriegsordonnanz durchaus nachvollziehen konnte. Satwa drängte sich am Kleinen vor bei. »Herr«, sagte sie eindringlich, »die an deren Vatrox verstehen nicht, was rings um sie vorgeht. Der endgültige Tod ist ab heute Teil ihrer Existenz. Es gibt darüber hinaus nichts mehr. Wir wissen, was das bedeutet. Ich glaube, dass du es nach der Niederlage in FATICO und den zwei knapp überstandenen Attentaten eben falls begreifst.« Vastrear verstand mit einem Mal. Alle Nebel lichteten sich; Unsicherheiten und Stimmungsschwankungen, die ihn über Tage hinweg fest im Griff gehabt hatten, fanden nun eine Erklärung: Er empfand Angst vor der Bedeutungslosigkeit – und vor dem Ende seiner Existenz. Sein Le ben würde nur dann einen Sinn bekom men, wenn er sein Wissen weitergeben und die Frequenz-Monarchie damit be reichern konnte. Der Boden bebte, das Licht flackerte. Vatrox huschten an ihnen vorbei, ohne den Hauch einer Unsicherheit in ihrem Handeln zu zeigen. Alles lief nach Plan, stur, unabänderlich. Vastrear meinte, erkennen zu können, wie das über zehn Millionen Jahren ge hegte und gepflegte Gesellschaftssystem der Vatrox seiner Existenzgrundlage be raubt wurde, ohne dass es jemand zur Kenntnis nehmen wollte. Die FrequenzMonarchie erstarrte und erstickte. Wan del war in diesem so wunderbaren Reich aus Kraft und Stärke nicht vorgesehen. Er allein erkannte die Wahrheit. Dank dieser beiden unnützen, eigens für ihn herangezogenen Lebewesen! Sie gaben
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ihm Unterricht und lehrten ihn Demut vor dem Leben. Was für ein Treppenwitz der Geschichte! »Sehen wir zu, dass wir von Hibernati on-3 verschwinden!«, sagte Vastrear und winkte den beiden Handlangern, ihm zu folgen. * Blaues und rotes Licht flackerte durch die Transferkamine. Eben erst in Dienst gestellte Vao-Regimenter wurden durch den ersten Kamin in andere Galaxien entsandt, mittels des zweiten machten sich ein Frequenzfolger samt Kriegsor donnanz auf den Weg, um einen neu ent deckten Polyport-Hof in Besitz zu neh men, während im dritten Arm dieses technischen Wunderwerks leichtes Kriegsgerät auf den Weg gebracht wur de. Das Lärmen der Alarmsirenen wollte einfach nicht enden. Kein Vatrox nahm es mehr zur Kenntnis. Mittlerweile wusste man, dass den Bewohnern und dem Zuchtvolk von Hibernation-3 eine große Belastungsprobe bevorstand. Immer wieder erklang Kumosons Stim me. Nicht einmal er wusste, was mit dem Vamu sterbender Vatrox geschah. Warum es nicht zurückkehrte, warum die VamuReservoirs auf Hibernation-3 leer blieben – und ob die Verbündeten von Sicatemo mit diesen seltsamen Vorgängen tatsäch lich etwas zu tun hatten oder ob ihnen nur ein unseliger Zufall half. Vastrear konzentrierte sich auf die ... die Flucht. Er, Satwa und Bhustrin wür den offiziell gewiss keinen Platz im Transport- und Ablaufschema finden. Sie waren dafür nicht vorgesehen. Moch te der Aufwand, sie wegzubringen, im Vergleich zu den meisten anderen Beför derungen als lächerlich erscheinen, wür de man dennoch auf Vastrears Wünsche keine Rücksicht nehmen. Umso weniger, da er von Kumosons Häschern gesucht wurde. »Könnt ihr ein Ablenkungsmanöver arrangieren?«, fragte er Bhustrin. »So,
dass ich Zeit finde, die Systeme mithilfe meines Controllers zu beeinflussen?« »Können wir«, antwortete die Kriegs ordonnanz. »Wie viel Zeit brauchst du?« »Zehn bis zwölf Pulse, nicht mehr. Al lerdings muss die Aufregung groß sein und die Abfertigungsabläufe an allen vier Transferkaminen zum Stillstand brin gen.« »Ich bin bereit.« Bhustrin deutete Sat wa, den Kopf zu ihm herabzubeugen. Die beiden so unterschiedlichen Wesen unter hielten sich flüsternd. »Nun?«, fragte Vastrear nach einer Weile. »Wir wissen, was wir zu tun haben. Sag uns, welchen Transferkamin du nutzen wirst, damit wir dir rechtzeitig folgen können.« Vastrear war versucht zu lügen. Sollte er sich den Ballast dieser beiden Begleiter denn weiterhin antun? Sie hatten ihren Zweck erfüllt. Er entschied sich für die Wahrheit. Sat wa und Bhustrin arbeiteten mit Blick winkeln, die ihm nach wie vor völlig fremd waren. Ihre Entsorgung war noch nicht zweckmäßig. Auch war die Beschaf fung neuer Ordonnanzen schwer gewor den in Zeiten wie diesen. »Dort.« Vastrear deutete nach links. »Ich sorge für ein Zeitfenster von zwanzig Pulsen, sobald ich in den Transferkamin vorgedrungen bin. Innerhalb dieser Zeit spanne müsst ihr mir folgen.« »Verstanden«, meldeten die beiden Or donnanzen in ungewohntem Gleichklang. »Wir melden uns über Funk, bevor es los geht.« Sie wandten sich ab und tauchten in das geordnete Chaos ein, das rings um die vier Transferkamine herrschte. Die Stimmung in der riesigen Halle veränderte sich allmählich. Immer beun ruhigender wurden die Meldungen über Verluste an Lebendmaterial und Schiffs einheiten, immer deutlicher zeichnete sich die Katastrophe ab. Die Gaid-Rebellen stürzten sich mit unbegreiflicher Verve auf die verteidi genden Schlachtlichter. Sie scherten sich nicht um eigene Verluste. Sie opferten
30 mehr als hundert Einheiten, um ein ein ziges DF-Schlachtschiff zu überwinden. Sie hatten nur dieses eine Ziel vor Augen: den Abwehrriegel der Verteidiger zu durchbrechen und die Planetenoberfläche unter Beschuss zu nehmen. Widerlich. Die Gaids stellten sich ge gen alles, was Vastrear heilig war. Ohne Skrupel vernichteten und mordeten sie, ohne Rücksicht auf Klone ihrer eigenen Art zu nehmen, die in diesen Tagen auf der Hibernationswelt produziert wurden. Sie verstanden nichts, gar nichts ... Die Lichter gingen aus, der Boden un ter Vastrears Füßen bebte. Die akusti schen Alarme endeten. Roter und blauer Schimmer, der aus dem Inneren der Transferkamine drang, zeichneten ge spenstische Bilder an die Wände des Po lyport-Hofs. »Augen zu!«, hörte er Bhustrins Stim me über Funk. Vastrear gehorchte, auch wenn ihm der rüde Ton der Kriegsordonnanz keinesfalls schmeckte. Er blickte zu Boden, blieb ru hig, zählte die Pulse. Eine Helligkeit, so grell, dass sie trotz geschlossener Augen weiße Punkte auf der Netzhaut hinter ließ, erfüllte das Innere der Station. Seine beiden Helfer hatten eine Blendgranate gezündet und, wie er am angewiderten Geheul der robotischen Überwachungs einheiten im Raum erkannte, darüber hinaus sinnesverwirrende Metallparti kelwolken ausgestreut. Er öffnete die Augen. Einige Vatrox fluchten lauthals und drehten sich orien tierungslos im Kreis, während die mo mentan erblindeten Darturka gegenein ander rempelten und das Chaos noch weiter vergrößerten. Vastrear eilte aufs Steuerterminal zu. Besah die vorgenommenen Schaltungen, synchronisierte seinen Controller mit den Apparaten und ließ für ein Zeitfenster von 15 Pulsen ein neues zusätzliches Ziel einspeisen. 15, nicht 20. Jeder Puls er höhte das Risiko, dass seine Manipulation entdeckt werden würde. Die beiden Or donnanzen würden sich beeilen müssen, wollten sie ihm rechtzeitig folgen.
Michael Marcus Thurner Er rannte in Richtung »seines« Trans ferkamins und ordnete sich in die Reihe der Wartenden ein, die allmählich zu sich kamen. Nahe eines Ausgangs rotteten sich mehrere Darturka zusammen. Sie gingen mit Fäusten aufeinander los; eines der Wesen hielt weitere Blendgranaten in der Hand. Das Werk Satwas und ihres Symbi onten. Das symbiotische Paar hatte einen der Krieger animiert, die Verantwortung für die eben entstandene Unruhe zu über nehmen. Der Darturka stürzte. Bevor er den Bo den berührte, war er tot. Andere Klonsol daten schlugen auf den Leichnam ein. Voll Zorn und voll Verwirrung, die sich erst legte, als Kommandos eines Vatrox über den Verladeplatz gellten. Über die Lautsprecher erklang eine ruhige Stimme. Irgendjemand tat sein Bestes, um die Reisenden im PolyportHof zu beruhigen. Er log und erklärte die Zustände mit einem »Zufallstreffer der Gaid-Rebellen«, die eines der Haupt energie-Aggregate des Polyport-Hofs ge troffen und für Verwirrung unter den anwesenden Klon-Soldaten gesorgt hät ten. Lügen. Schutzbehauptungen. Reali tätsverweigerung. Die Vatrox übertünch ten ihre Ratlosigkeit und taten so, als stünde alles zum Besten der FrequenzMonarchie. Vastrear fühlte sich angewidert. Waren die anderen so sehr in ihrer Überheblich keit verhangen, dass sie sich die Realität zurechtbogen, wie sie sie benötigten? Gab es keine Fehler im System, weil es keine geben durfte? Irrsinn. Der Anfang vom Ende. Wieder bebte der Boden, einmal, zwei mal. Es gelang ihm kaum, auf den Beinen zu bleiben. Er meinte zu fühlen, dass die Einschläge näher kamen. Die Erfolge ein zelner Gaid-Raumer mehrten sich. Mit jedem Schlachtlicht, das aus den Verteidigungsreihen geschossen wird, sterben Vatrox und gehen große Mengen an Vamu verloren. Vamu, das VATROX CUUR gehört!
Vastrears Odyssee Nur nicht daran denken. Nicht zum ge genwärtigen Zeitpunkt. Er musste sich auf jenes Zeitfenster konzentrieren, das er sich selbst geschaffen hatte. Die Mani pulation konnte jeden Augenblick ent deckt werden. Warum vergingen die Pulse bloß so langsam? Was, wenn ihn die diensthabenden Okrivar genauer kont rollierten und Diskrepanzen zwischen den vorherbestimmten Ladungen und seiner nachträglichen Beeinflussung ent deckten? Was, wenn sie seine Kennung in Zweifel zogen? Donner rollte durch die Halle, brach sich an den Wänden, erzeugte ein vielfäl tiges Echo. Ganz in der Nähe mussten Explosionen stattgefunden haben. Feuer loderten an mehreren Stellen der Halle zugleich auf. Darturka-Komman danten hielten ihre Truppen an, ruhig zu bleiben. Die meisten Vatrox verharrten stoisch an ihren Plätzen – auch wenn sie sich na he an den Brandherden befanden. Einige stimmten ein Loblied an VATROX-CUUR und VATROX-DAAG an. Es war ihnen einerlei, ob sie starben oder nicht. Sie verstanden nicht, dass dies ihr letztes Leben war. Sie ignorierten die Meldun gen Kumosons über verlorengegangenes Vamu. Der diensttuende Okrivar am Transfer kamin rief einen Namen, und Vastrear benötigte einige Pulse, bevor er regis trierte, dass die Aufforderung ihm galt. Selbstverständlich hatte er bei seinen Manipulationen eine fremde Identität an gegeben. Er näherte sich dem Techniker. Der Wasserstoffatmer strahlte jene Ruhe aus, die fast allen Angehörigen dieses Volks gegeben war. Er schaltete den Transfer kamin frei und verlangte dann nach Vastrears Legitimation. Sein Fehler. Einer, mit dem Vastrear gerechnet hatte. Der umgekehrte Vorgang wäre der richtige gewesen. Doch wer glaubte schon daran, dass ein Vatrox die Flucht ergreifen und aus dem System ausbrechen würde? Vor ihm loderte das Blau des Transfer
31 kamins. Bereit, ihn auf Reisen zu schi cken. Vastrear trat auf den Okrivar zu, deu tete an, ihm Identifikationsmarkierung und Legitimation am Armband zu zeigen – und beschleunigte mit dem Flugaggre gat seines Anzugs auf Höchstgeschwin digkeit, raste auf das lodernde Nichts zu. Hinter ihm erfolgte eine Explosion, so heftig, dass sie alle vorherigen vergessen ließ. Eine Druckwelle raste auf Vastrear zu, packte ihn trotz der Gyro-Stabilisie rung seiner Ausrüstung, wehte ihn vor wärts wie das welke Blatt eines Baumes, in Richtung des lockenden Blaus. Er fühl te Hitze in seinem Rücken. Hörte ohren betäubenden Lärm. Der endgültige Tod verfolgte Vas trear – und erreichte ihn doch nicht ganz. Er glitt in den Kamin und fühlte sich ge packt, fortgezogen, bevor ihn die auf blühende Knospe der Explosion er reichte. Er hatte die Flucht geschafft – und er fühlte sich wie ein Verräter. * Er taumelte ins Leere, hielt mühsam das Gleichgewicht – und klatschte gegen das Bein eines Darturka. Der Krieger trat respektvoll zurück, kniete nieder und bat um Verzeihung. Vastrear kümmerte sich nicht um das Wesen. Er suchte nach Orientierungsta feln und Piktogrammen, die ihm bewie sen, dass er von seiner Wiedergeburtswelt entkommen war. Er drehte sich im Kreis und fand, was er suchte: Zeichen wiesen darauf hin, dass er wie gewünscht auf Hibernation-4 gelandet war. Andere Vatrox musterten den Neuan kömmling misstrauisch. Er ignorierte sie und blickte gespannt auf den auf Emp fang stehenden Transferkamin, durch den er gerade gekommen war. Mehrere Pulse vergingen. Ein Klecks zeigte sich im Inneren der Röhre, dicht gefolgt von einem weiteren. Zwei Wesen
32 taumelten aus der rot leuchtenden Röhre, die eben noch leer gewesen war. Satwa und Bhustrin. Beide schrien, ih re Schutzanzüge leuchteten. Elektrosta tische Entladungen tanzten über ihre Körperhüllen hinweg und verloren sich allmählich, wie Wasser, das versickerte. Sollte er traurig oder froh darüber sein, dass den beiden Ordonnanzen ebenfalls die Flucht gelungen war? »Lasst sie in Ruhe! Sie gehören zu mir!«, rief er, als die ersten Darturka ihre Waffen auf das seltsame Paar anlegten. Selbstbewusstsein zeigen!, sagte sich Vastrear. Du darfst unter keinen Umstän den zu erkennen geben, welche Schrecken du eben erst durchgemacht hast. Ein Vatrox, der Angst zeigt, ist verdächtig. Ein Vatrox kam auf ihn zu und muster te ihn argwöhnisch. Er hielt ein Logbuch in der Hand. Natürlich war Vastrear auf dieser Seite des Kamins so wenig für den Transport vorgesehen gewesen wie seine beiden Ordonnanzen. »Warum bin ich auf Hibernation-4?«, kam Vastrear jeder Frage zuvor und gab sich verwundert. »Ich war für Bra-NokZo vorgesehen gewesen. Dann war diese Detonation. Das Feuer ...« Ein Okrivar näherte sich ihnen mit al len Zeichen der Ehrerbietung und flüster te Vastrears Gegenüber einige Worte ins Ohr. Der Körper des Vatrox versteifte sich und sein Kopf zitterte ein wenig, bevor er sich wieder unter Kontrolle hatte. »Du und deine Begleiter kommen von Hibernation-3?« »So ist es.« »Die Welt wurde angegriffen? Von Milchstraßenbewohnern, Maahks, Tefro dern und Gaids?« »Unbedeutende Kalamitäten«, wie gelte Vastrear ab, wie es von ihm erwar tet wurde. »Die gegnerischen Verbünde ten landeten einige wenige Zufallstreffer. Planetenverwalter Kumoson sagte, dass es ...« »Es gibt keinen Planetenverwalter Ku moson und wahrscheinlich auch keine Welt namens Hibernation-3 mehr. Unsere Suchsignale greifen ins Leere. Der dor
Michael Marcus Thurner tige Polyport-Hof ist nicht mehr verfüg bar.« Der Vatrox kümmerte sich nicht um ihn und ging wie in Trance davon, so, wie auch die anderen Anwesenden in der Hal le völlig ratlos reagierten. Eine Hibernationswelt war verloren gegangen. Eine von acht. Der Schaden, den ihre Feinde ange richtet hatten, war unabschätzbar – und er würde sich als noch viel größer erwei sen, wenn sich die Gerüchte über den Ver lust des Vamu von 150 Millionen Vatrox, die sich auf seiner Geburtswelt aufgehal ten hatten, als wahr herausstellten. 7. Satwa: Partner fürs Leben Hibernation-4 also. Eine weitere Säule, auf der das Fundament der FrequenzMonarchie ruhte. Der Planet war inmit ten des 1500 Lichtjahre durchmessenden Sternenentwicklungsgebiet Hath gele gen. Sie befanden sich auf der zweiten von vier Welten, die eine gelbe Sonne um kreisten. Die Gravitation auf der graublauen Planetenmurmel war relativ niedrig, und ein Großteil des naturbelassenen, primi tiven Lebens spielte sich in luftigen Hö hen ab; dort, wo flugfähige Beuteltiere mit seltsamen Silikatklumpen, die sie in ihren Kröpfen lagerten, eine Partner schaft eingingen. Die Inks betrachteten die kühle Stickstoff-Kohlendioxid-At mosphäre als ihr Jagdrevier und stellten die Spitze der Nahrungskette dar. Doch wen interessierte das schon? Die Reinkarnationsanlagen und deren infra strukturelle Umgebung waren unter der Planetenoberfläche verborgen. Was auf Hibernation-3 stolz und trutzig in die Höhe geragt hatte, lag auf der vierten Wiedergeburtswelt sorgfältig versteckt und getarnt. Satwa meinte zu spüren, dass sich die Lebensweise auch auf die hiesigen Fre quenz-Monarchisten auswirkte. Niemals wanderte ein Blick der Vatrox nach oben,
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Vor wor t Werte Leserinnen und Leser,
Urlaub war bereits, jetzt lockt die Buchmesse am Ho
rizont – die Zeit fliegt.
Per aspera ad astra! Euer Hermann Ritter
Nachrichten Empfehlung des Monats Sehr schön ist er geworden, der Story Reader 2 des SFC Universums mit den Siegern des Story-Wettbe werbs 2009 zum GarchingCon 2009. Aufgabe war es, eine Eröffnung für PERRY RHODAN 2005 zu schreiben. Die Jury bestand aus Uschi Zietsch, Hermann Urbanek und Marc A. Herren – war also hervorragend besetzt. Die Siegerstory von Ziska Schmitt ist wirklich gelun gen, von der Dame würde man gerne mehr lesen. Die anderen Plätze sind ebenfalls mit guten Geschichten besetzt, wobei Andreas Schweitzer und Olaf Brill mit ihren Geschichten mir sehr gut gefallen haben. Das einzige Ärgernis ist, dass das Heft kein Impressum besitzt ... und keinen Preis. Online: Fantasy Alishia Bionde und die »Fantastische Flüstertüte« finden eine Fortsetzung in Fantasia 287e. Bergeweise Rezensionen ... Ganz anders präsentieren sich Fantasia 288e bis Fan tasia 292e. Dies sind der erste bis vierte Teil einer Reihe von Peter M. Gaschler namens »Meisterwerke des Horrorfilms«, nämlich 1960/1961, 1962/1963, 1964/1965, 1966/1967 und 1968/1969. Erstaunlich, was damals alles an Filmen auf den Markt kam. In seinem Vorwort zum ersten Teil entwickelt Gaschler einen ausgesprochen lesenswerten Vergleich zwi-
Vierwöchentliche Beilage zur PERRY RHODAN-Serie. Ausgabe 449.
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schen den Horrorfilmen der 60er- und den »Remakes« der folgenden 30 Jahren. Er kommt (wie ich) zu dem Schluss, dass die Originale meistens besser sind als die Kopien. Herausgeber ist der EDFV e.V., Postfach 1371, 94033 Passau (im Internet unter www.edfc.de; E-Mails ge hen an
[email protected]). Wieder einmal hat Peter Emmerich mit Sumpfgeblubber 75 bewiesen, dass man ein nettes Magazin mit schö nen Bildern auch online anbieten kann, ohne das »Ge fühl« eines gedruckten Heftes zu verlieren. Ich drucke das Ding immer aus und gucke es mir in Ruhe an. Man findet Conberichte vom »Fest der Fantasy 2010« samt einigen Bildern, Leserbriefe und Informationen über die auf der Fantasy-Welt Magira angesiedelte Substanz-Kultur. Herausgeber ist Peter Emmerich, Wittmoosstraße 8, 78465 Konstanz (Kontakt über http://substanz. markt-kn.de). Online: Science Fiction Einige Rollenspieler erinnern sich vielleicht noch an das vom »Dungeons & Dragons«-Hersteller TSR geförder te Science-Fiction-Rollenspiel »Star Frontier«. Zufällig habe ich im Netz entdeckt, dass da immer noch ein sehr schönes, SF-lastiges und sehr gut illustriertes Magazin erscheint. Das Beeindruckende daran ist, dass man es kostenlos unter http://starfrontiers.us herunterladen kann. Die aktuelle Ausgabe ist Star Frontiersman Magazin 14, voll mit Rollenspiel-Informationen, lustigen Artikeln und sehr, sehr guten Illustrationen. Abenteuer & Phantastik Die Themenhefte sind immer toll, und da Abenteuer & Phantastik 78 ein Themenheft ist, ist es logischerwei se toll. Es geht – passend zu den Filmstarts in diesem Sommer und Herbst – um Magie, um Zauberschulen, Hexerei und alles, was damit zu tun hat. Dem PERRY RHODANFan wird das noch durch ein Interview mit Falko Löffner versüßt, der über sein Werk »Cademar« spricht. Das Heft gibt es im Fachhandel und per Abo. Heraus geber ist der Abenteuer Medien Verlag, Jaffestra ße 6, 21109 Hamburg (im Internet unter www.aben teuermedien.de). Das Heft kostet 4,50 Euro.
Comix Schön aufgemacht, ein wenig über A4, aber auf einer Art Zeitungspapier, präsentiert sich Comic 07/2010 (mit einem gelben »o« im Namen, das ich hier nicht simuliert kriege). Neben einer Anzeige für PERRY RHODAN gibt es auf dem Backcover und im Heft Hinweise auf die Ausstellung »Helden, Freaks und Superrabbis – die jüdische Farbe des Comics«, die gerade in Berlin läuft (aber beim Erscheinen dieses Heftes schon vorbei ist). Da ich diese (so ähnlich) in Frankfurt gesehen habe, besteht Hoffnung, dass diese wundervolle Ausstellung noch an ein paar anderen Orten gezeigt wird. Im Heft gibt es ein paar Fortsetzungsserien, wobei »Justifiers – Collector« eine Serie nach dem ScienceFiction-Roman »Collector« von Markus Heitz ist. Der Rest ist ausgesprochen unterhaltsam; Cartoons und Comics, Rezensionen und Veranstaltungsankündi gungen. Herausgeber ist der JNK-Verlag, Mühsamstraße 40, 10249 Berlin (E-Mail:
[email protected]). Das Heft kostet 2 Euro. Exterra Herausgeber Wolfgang Höfs beklagt in seinem Vor wort, dass wenig Material eingegangen ist. Man merkt es, denn Exterra 48 ist ungewohnt dünn. Claas M. Wahlers schreibt über die Leipziger Buchmesse, Ro bert Hector über PERRY RHODAN; einige weitere Bei träge folgen, aber es ist – wie gesagt – ein wenig dünn. Herausgeber ist der SFC Universum; der Bezug ist im Clubbeitrag enthalten. Die Redaktion liegt bei Wolf gang Höfs, Eichhaldestraße 3, 72574 Bad Urach (E-Mail:
[email protected]). Fandom Observer Statt eines Vorworts bringt der fandom observer 254 Bilder vom AlzCon 2010. Inhaltlich findet man eine längere Rezension zu den Büchern des Fantasy-Auto ren Joe Abercrombie, einen Nachruf auf James P. Hogan, der gewisse rechtslastige politische Verwick lungen des alten Mannes aufführt, und eine Bespre chung von »Corpus Delicti«. Autorin Juli Zeh hat sich angeblich gegen ihre Nominierung für den Kurd-Laß witz-Preis gewehrt – es gibt immer noch Autoren, die
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mit dem Label »Science Fiction« ihre Schwierigkeiten
zu haben scheinen.
Ein prall gefülltes Heft mit auch kritischen Anmer
kungen. Gut gemacht!
Herausgeber ist Martin Kempf, Märkerstraße 27,
63755 Alzenau. Eine Ausgabe kostet 2 Euro; Näheres
im Internet unter www.fandom-observer.de.
Fantasy Club e.V. Zum zehnten Mal erschien mit Magira 2010 das Se kundärwerk zur Fantasy. Ich bin selbst einer der bei den Herausgeber, daher hier nur der Hinweis, dass man das Buch natürlich haben muss; mehr Informa tionen unter www.magira.de. Aktuell erschien Follow 407. Neben Clanberichten (das sind die einzelnen Simulationsgruppen auf der Fanta sywelt »Magira«) finden sich Kurzgeschichten und Conberichte. Ein schönes Magazin mit über 350 Sei ten Länge und einem farbigen Cover. Herausgeber ist der Fantasy Club e.V., im Internet unter www.fantasy-club-online.de zu finden. Infor mationen zum Club und den Publikationen gibt es bei Hermann Ritter, Soderstraße 67, 64287 Darmstadt (E-Mail:
[email protected]). Future Magic 68 Thema von Future Magic 68 sind Magier und Zauberer. Um dieses Thema gruppieren sich Kurzgeschichten und Artikel sowie die Illustrationen. Dazu kommen Dinge wie ein Nachruf auf Frank Franzetta von Fred H. Schütz und (für mich inhaltlich nicht nachvollziehbar) ein Nachruf auf George H. Scithers. Der Abschnitt wirkt so, als würden hier ein paar Zeilen Text fehlen. Das farbige Cover von Franz H. Miklis ist großartig, ebenso die gesamte Aufmachung des Innenteils. Herausgeber ist der SFC Stardragons, die Redaktion liegt bei Andreas Leder (E-Mail: andreas.leder@ chello.at). Den Verein erreicht man am einfachsten über die Kontakterin Eva Kalvoda, Kundratstraße 20/8/25, A-1100 Wien (E-Mail: kalvoda@call-and more.at). Geschichten der Nacht Mit der Serie »Stargate Atlantis« beschäftigt sich Ge schichten der Nacht 64 des Terranischen Club Eden.
Autorin Monika Abt und Illustrator Andy Schmid liefern den vierten Teil einer Fangeschichte zu eben genann ter Serie. Paradise 80 wirbt auf dem Cover mit Andreas Esch bach, Peter Terrid und Kai Meyer. Alle drei sind natür lich im Heft vertreten. Von Terrid findet sich ein Werk stattbericht »Wie schreibe ich eine Fantasy-Story?«, kommentiert von Kai Meyer. Eschbachs erste Kurzge schichte aus PERRY RHODAN 739 wird nachgedruckt und von ihm kommentiert. Es gibt eine Besprechung zu Hans Kneifels »Interstellare Freihändler«, die heiß geliebten News zur englischen TV-Serie »Dr. Who«, PERRY-Rezis und »Stargate«-Infos (selbst wenn letz tere Kolumne wegen sinkender Qualität der Serie eingestellt wird). Sehr schön, eine super Arbeit! Geschichten der Nacht kostet 2,50 Euro, Paradise ist bei der Mitgliedschaft enthalten. Herausgeber ist Volker Wille, Hacheneyer Straße 124, 44265 Dort mund für den Club; per E-Mail erreicht man ihn un ter
[email protected], womit gleich deren Homepage verraten sei. Intravenös Voll mit Berichten zum ACD-Jahrescon 2010 ist das Intravenös 195. Nett gemacht, aber für jemand, der nicht da war, nicht sooo interessant ... Die Farbbilder sind cool, besonders wenn man verfolgen kann, wie mancher Fan altert. Herausgeber ist der Atlan Club Deutschland (ACD); Kontakter ist Rüdiger Schäfer, Kolberger Straße 96, 51381 Leverkusen (E-Mail: kontakter@atlan club-deutschland.de). Das Heft ist im Mitgliedsbei trag enthalten. Mephisto Oft geht Fanzines vor einer Jubiläumsnummer der »Atem« aus; bei Mephisto 49 ist das dankenswerter weise nicht so. Die Stärke des Heftes sind die Rezensionen zu allen »Darreichungsformen« des Genres, man findet aber Platz für Dinge wie ein Interview mit Oliver Plaschka (Autor von »Der Magier von Montparnasse«) oder Abenteuern zu gängigen Rollen- und Brettspielen (dieses Mal außerordentlich gut: der Hintergrundarti kel zum Rollenspiel »Shadowrun«).
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Herausgeber ist Martin Ellermeier, An der Lehm kaute 30, 64625 Bensheim (E-Mail: ellermeier@ mephisto.name). Das Heft kostet 5,95 Euro.
Peter Emmerich macht sich viel Arbeit mit seinem Werk Vom Auftauchen und Wirken der Substanz von Mhjin. Es handelt sich um den ersten Teil der Beschrei bung seiner Kultur auf der von FOLLOW simulierten Fantasy-Welt Magira, nämlich um die Substanz. Böse, böse, böse – der Klappentext beginnt mit dem schönen Satz: »Die Substanz von Mhjin ist die Essenz des Bö sen; von den finsteren Alten Göttern in einer blasphe mischen Zusammenkunft erschaffen, wurde sie nach Magira geschleudert, um dort als Fünfte Kolonne die Pläne der Finsternis auszuführen und Samen der Zwie tracht und des Hasses unter den Völkern zu säen.« Beeindruckender kann man das kaum sagen. Das bunt illustrierte und mit vielen Karten versehene Werk bietet einen ersten Einblick in eine Kultur Magi ras; für Außenstehende wie für Mitglieder eine ausge sprochen unterhaltsame Lektüre. Ein Preis ist nicht angegeben; den Herausgeber kon taktiert man unter Peter Emmerich, Wittmoosstra ße 8, 78465 Konstanz (oder über das Kontaktformu lar unter http:://substanz.markt-kn.de).
Immerhin wurden die CN einmal geschaffen, um über die Clubs und die Fan-Szene zu informieren, gerne kritisch. Wenn ich nur Lobhudeleien schreiben würde, dann ... bräuchte man die CN nicht. Ich harre also des ersten Antrags auf Vereinsausschluss wegen eines Beitrags in den CN. Das mitversandte Andromeda Nachrichten 230 ist durch die hervorragenden Illustrationen von Franz H. Miklis eine optische Augenweide. Statt eines Vorworts bringt Herausgeber Michael Haitel einen Nachdruck von Andromeda Nachrichten 1 aus dem Jahre 1970. Dirk van den Boom wird zu seinen »Kaiserkriegern« interviewt, es gibt wieder einen längeren Beitrag mit Neuigkeiten zu PERRY RHODAN, und Thomas Harbach liefert eine vorzügliche Rezension zu Jo Waltons Alter nativwelttrilogie »Small Change«. Großartig ist der Quietsche-Entchen-Kugelraumer, den Frank G. Gerigk ausgegraben hat. Dazu üppig Rezensionen und Conberichte. Eine beilie gende CD zum Jubiläum »40 Jahre Andromeda Nach richten 1970–2010« bringt Interviews, Filmberichte, Rezensionen und einen Video-Teil. Wäre der Ärger nicht ... großartig. Kontakt für den SFCD ist der 1. Vorsitzende Stefan Manske, Krefelder Straße 58, 46226 Duisburg (EMail:
[email protected]). Der Bezug ist im Mitgliedspreis enthalten.
SFCD
World of Cosmos
Die alte Dame der deutschen Science Fiction, der Sci ence Fiction Club Deutschland, scheint nicht zur Ruhe zu kommen. Im aktuellen sfcd:intern 7 gibt es sogar einen Hinweis auf die CN; der Kassenführer glaubt weiterhin, dass jeder, der mit Michael Haitel einer Meinung ist, dessen »Spezi« ist. Wenn ich dann dort lesen darf, meine Äußerungen im CN seien »ver einsschädigend«, dann kann ich nur voller Trauer dar an denken, dass Walter Ernsting sich wohl im Grabe umdreht.
World of Cosmos 64 bringt Rezensionen der aktuellen PERRY RHODAN-Hefte, einen weiteren Teil des Rück blicks auf die Serie ATLAN, Filminfos zu meinen ge liebten Serien, ein paar Rezensionen und ein paar Leserbriefe. Einfach unterhaltsam und schön zu lesen. Das Heft kostet 3,50 Euro. Herausgeber ist der SFC Black Hole Galaxie c/o Andreas Dempwolf, Feldro senweg 18, 22523 Hamburg. Der Club findet sich im Internet unter www.sfc-bhg.de.tf.
Substanz
Impressum Die PERRY RHODAN-Clubnachrichten erscheinen alle vier Wochen als Beilage zur PERRY RHODAN-Serie in der 1. Auflage. Anschrift der Redaktion: PERRY RHODAN-Clubnachrichten, Pabel-Moewig Verlag GmbH, Postfach 2352, 76413 Rastatt. Bei allen Beiträgen und Leserzu schriften behält sich die Redaktion das Recht auf Bearbeitung und gegebenenfalls auch Kürzung vor; es besteht kein Anspruch auf Veröffent lichung. Für unverlangte Einsendungen wird keine Gewähr übernommen.
Vastrears Odyssee weil dort sowieso bestenfalls eine Kunst sonne, ein künstlicher Himmel und ein ebenso falscher Horizont zu bewundern waren. Die Erbauer der Anlage hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, die künstliche Modellierung durch Ästhetik zu übertünchen. Alles wirkte so, als be wegte man sich durch eine unendlich schlecht zusammengeflickte Filmkulisse, deren Komparsen meist stumm in der Ge gend herumstanden und sich kaum be wegten. »Die Verbündeten der Hathorjan-Alli anz haben einen Erfolg eingefahren, aber sie werden sich gewiss nicht darauf aus ruhen«, sagte Satwa zu Bhustrin. »Sie werden alles daransetzen, ihn auf den an deren Hibernationswelten zu wiederho len.« »Die Frage ist nicht mehr das Wie«, pflichtete ihr der Kleine bei, »sondern das Wann. Keine Hibernationswelt Hathor jans ist mehr sicher. Unsere Feinde wollen den Wiedergeburtszyklus der Vatrox end gültig und ohne Rücksicht auf eigene Ver luste brechen.« Sie schwiegen und starrten gegen die Wand des winzigen Gemeinschaftsraums. Vastrear hatte sie zurückgelassen, um Aussagen vor den hiesigen Autoritäten zu machen und einen Augenzeugenbericht über die Vorgänge auf Hibernation-3 ab zuliefern. Kaum ein Vatrox konnte und wollte glauben, was geschehen war – und welche Gefahr ihnen drohte. Sie waren ebenso verbohrt wie jene auf Hibernati on-3, die dafür den – womöglich – end gültigen Tod gefunden hatten. »Wir müssen weiterflüchten«, fachte Satwa das Gespräch neuerlich an. »Fort aus Hathorjan. Dies ist eine verbrannte Galaxis; eine verlorene Galaxis. Unsere Feinde perfektionieren ihre Waffensys teme immer weiter. VATROX-CUUR schweigt zu den Verlusten der letzten Ta ge. Die Truppenumverteilungen deuten darauf hin, dass er alle Kapazitäten nach Anthuresta verlegt.« »Der Duumvir wird seine Gründe ha ben.« Satwa schaltete das Informationster
37 minal zu und analysierte zum gewiss hundertsten Mal die Strukturen dieser subplanetarischen Welt. Im Grunde ge nommen stimmten sie mit jenen von Hi bernation-3 überein. Es gab zwar keine Zentrials, und die Ausbildung der wie dergeborenen Vatrox vollzog sich wesent lich rascher; doch die Bauten stellten im Grunde genommen einen negativen Ab druck der architektonischen Infrastruk tur von Hibernation-3 dar. Ein Piepsen kündete die Rückkehr Vastrears an. Der Frequenzfolger betrat das Gemeinschaftszimmer, ging an ihnen vorbei und zog sich in seinen Ruheraum zurück. Er hatte kein Wort für sie übrig; er fand es nicht einmal der Mühe wert, sie, wie so oft, zu schmähen oder sich über ihren mangelhaften Wert zu beschweren. »Er weiß selbst, dass wir hier am falschen Ort sind«, sagte Bhustrin nach einer Weile. »Er braucht bloß ein wenig Zeit, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.« »Zeit, die wir nicht haben«, sagte Sat wa nüchtern. »Du weißt, wie knapp es auf Hibernation-3 war. Rings um uns ging al les in Flammen auf; der Polyport-Hof brach in sich zusammen, Stadt 457 hörte auf zu existieren. Vermutlich sind wir die Letzten, die von der Hibernationswelt fliehen konnten. – Noch einmal werden wir nicht so viel Glück haben.« »Was schlägst du vor?« »Im Interesse unseres Herrn sollten wir eigene Pläne schmieden. Wir müssen zu sehen, dass wir die notwendigen Legi timationen für eine Weiterreise so rasch wie möglich erhalten. Wenn es sein muss, auch gegen Vastrears ausdrücklich er klärten Wunsch.« »Du gehst zu weit!« Bhustrin erhob sich. Der geleeartige Körperinhalt trübte sich ein wenig ein, die Muskelpakete an seinem Oberkörper schwollen an. »Wenn mich die letzten Tage und Wo chen etwas gelehrt haben, dann die Tat sache, dass mir mein eigenes Leben sehr viel wert ist. Weitaus mehr als diesen stu piden Darturka-Kriegern, den Angehöri gen anderer Hilfsvölker oder den Vatrox.
38
Michael Marcus Thurner
Meine Existenz ist die einzige, über die ich verfügen kann, und ich denke gar nicht daran, sie grundlos aufs Spiel zu setzen. Vastrear benötigte noch ein wenig Zeit, um zu erkennen, dass er uns in punc to Sterblichkeit nun gleichgestellt ist. Und um diese Zeitspanne unbeschadet zu überstehen, benötigt er unsere Hilfe.« »Du rückst dir die Wahrheit zurecht, wie es dir beliebt. Eine Eigenschaft, die vermutlich auf deine genetischen Eltern zurückzuführen ist.« »Mag sein.« Satwa hob und senkte die Schultern, ohne zu wissen, wo sie sich diese ungewöhnliche Körpergeste abge schaut hatte. »Fakt ist, dass wir handeln müssen. In Vastrears Namen und in Vastrears Interesse.« »Du lehnst dich weit aus dem Fenster.« Bhustrin bleckte die Zähne. »Ich könnte dich an unseren Herrn verraten. Könnte sein Misstrauen dir gegenüber weiter schüren und für deinen Tod sorgen.« »Das wirst du nicht tun, Kriegsordon nanz«, sagte Satwa mit zuckersüßer Stimme. »Du weißt, dass ich recht habe, und du hast ebenso großes Interesse wie ich daran, diese dem Untergang geweihte Welt so rasch wie möglich zu verlassen.« Sie spielte mit hohem Einsatz; doch sie wusste, dass der Kleine ebenso sehr wie sie am Leben hing. Andernfalls hätte er sich niemals auf Diskussionen eingelas sen und sie längst bei Vastrear ange schwärzt. »Wir hintergehen also unseren Herrn, um ihm zu helfen«, sagte Bhustrin. »Ja. Wir werden ihn zu seinem Glück zwingen, wenn es denn sein muss. Hör gut zu, was ich mir überlegt habe ...« * Satwas Seelenpartner S’Karbunc erle digte ausgezeichnete Arbeit. Wo immer sie mit Problemen zu kämpfen hatte, trat er in Aktion. Eine Berührung mit ihm, der wie ein Tuch um ihren Rücken gefaltet war, reichte, um andere Wesen für sich einzunehmen. Sie fielen in eine Art Tran ce und taten, was Satwa ihnen befahl.
Sie besorgten sich Bevollmächtigungen. Schüchterten Darturka und Okrivar ein – und setzten über Mittelsmänner sogar die Vatrox unter Druck. Je weiter sie sich vorwagten, desto leichter fiel es ihnen, sich durchzuset zen. Kein Wunder; standen die Herren der Monarchie-Zivilisationen doch alle samt unter Schock. Die Geschehnisse auf Hibernation-3, die mittlerweile von mehreren Seiten bestätigt worden wa ren, bedeutete für sie den ersten gewich tigen Rückschlag seit Urzeiten. Noch nie war eine der Hibernationswelten ent deckt oder gar angegriffen worden. VATROX-VAMU war ihr erklärtes Feindbild, vor dessen Kräften sie sich fürchten mussten. Aber doch nicht vor den Angehörigen irgendwelcher Völker aus Epochen zwischen den Hyperdepres sionen! Wie war es der Hathorjan-Allianz bloß gelungen, derart viel Wissen über die Frequenz-Monarchie zusammenzutragen und sie an einer ihrer empfindlichsten Stellen, den Hibernationswelten, auszu hebeln? Satwa ließ sich von einem Beeinfluss ten Imprints aushändigen, die ihnen frei en Zugang zu allen subplanetarischen Städten des Planeten verschaffte. »Die Vatrox werden bei einem Angriff kaum Widerstand leisten«, sagte sie zu ihrem Verbündeten wider Willen. »Hiber nation-4 ist so gut wie verloren.« »Wie alle anderen Wiedergeburtswelten in Hathorjan«, ergänzte Bhustrin. Seine sonst so voluminöse Stimme klang dünn und zittrig. Sie verließen die Registrierungsstelle. Niemand nahm daran Anstoß, dass eine Kriegsordonnanz und ein Fremdwesen, das noch dazu den Angehörigen eines Feindvolkes ähnelte, sich völlig frei durch die Korridore dieser Stadtanlage be wegten. Ihr Weg war vorgezeichnet: Sie würden den hiesigen Polyport-Hof auskundschaf ten und alles daransetzen, Zugriff auf die Steuerung zu erhalten. Seit ihrer Ankunft galten rigide Sicherheitsbestimmungen für diesen wichtigsten Bestandteil der
Vastrears Odyssee hiesigen Infrastruktur. Kaum jemand er hielt Zutritt, der Personen- und Waren verkehr war fast vollständig zum Erlie gen gekommen. Satwa seufzte unterdrückt. Mithilfe von Vastrears C-Controller wäre ihnen alles viel leichter gefallen. Sie schüttelte den Gedanken ab. Der Frequenzfolger war tabu. Ihn zu besteh len, ging weit über das hinaus, was sie bereits anstellten. Jene Schwelle würden sie nicht überschreiten. Niemals. Sie stellte sich in die Reihe der War tenden des hiesigen Express-Rohrs. Bhus trin blieb neben ihr und zappelte mit den Beinen, ungeduldig wie ein Kleinkind. Wenn sich einer der Vatrox in der Schlan ge an ihrer Anwesenheit störte, zeigte er es nicht. Bhustrin zog sie vorwärts, auf die eben in die Station einfahrende Rohrbahn zu. Trotz seines nervösen Auftretens und sei ner manchmal naiven Ansichten gab der Kleine einen nicht zu unterschätzenden Gegner ab. Sie durfte ihn niemals aus den Augen lassen – und sich keinesfalls dar auf verlassen, dass er sich an ihr Stillhal teabkommen hielt. Und wenn ich ihn vor das einfahrende Express-Rohr schubse?, fragte sie sich unvermittelt. Sie blickte ihn an, sah, wie sich sein Körper versteifte, wie er nach ihr greifen wollte ... »Denkst du etwa dasselbe wie ich?«, fragte sie. Lauernd, wachsam. »Mag sein«, sagte die Kriegsordonnanz nach einer Weile. »Du gäbest einen wun derschönen roten Farbklecks in diesem grauen Einerlei der Station ab.« »Du ebenso; allerdings einen wesent lich kleineren.« Das Rohr hielt. Sie stiegen ein und setzten sich in gegenüberliegende Scha lensitze. Sie beobachteten und belauer ten einander. Warteten darauf, dass der jeweils andere einen Fehler beging, Schwäche zeigte oder unaufmerksam wurde. »Das wird eine interessante Reise«, versprach Satwa, »und eine lange.«
39 »Zumindest für einen von uns bei den.« Bhustrin schloss die Augen und ver schränkte die Hände vor seinem Bauch. 8. Vastrear: Lethargie Es kostete ihn Kraft aufzustehen. Sich zu waschen, die üblichen Übungen, die er im heimatlichen Zentrial gelernt hatte, zu verinnerlichen und einen Weg zu ver schütteten Erinnerungen zu finden. So gerne hätte er gewusst, was und wer er früher einmal gewesen war. Zu Zeiten der anderen Hyperdepressionen. Wie er sich damals verhalten und in welchem Verhältnis er zur Frequenz-Monarchie gestanden hatte. Unwillig wischte er diese kruden Ideen beiseite. Sie lenkten ihn von seinen eigentlichen Problemen ab. Vastrear war kaum in der Lage, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Die Szenen, die zu seiner Flucht von Hiber nation-3 geführt hatten, kehrten immer und immer wieder. Er lebte in einer Schleife des Grauens. Attentate. – Verrat. – Explosionen. – Flucht. Und noch einmal: Attentate. – Ver rat. – Explosionen. – Flucht. Diese wenigen, aber umso deutlicheren Erinnerungsbilder fassten zusammen, was sich während der letzten Tage geän dert hatte. Die Macht der Frequenz-Mon archie in Hathorjan war angegriffen und gefährdet. Was ganz harmlos mit dem Verlust ITHAFORS begonnen hatte, fand nun eine grässliche Fortsetzung. Seine Gen-Probe war auf Hiberna tion-3 zurückgeblieben. Es gab derzeit keine Basis für die Neuzüchtung seines Körpers mehr. »Schluss! Steh endlich auf!«, rief er, in jenem energischen Ton, den er oft genug Bhustrin und Satwa gegenüber ange wandt hatte. Diesmal galt der Befehl ihm selbst. Er musste sich aufraffen. Den Kampf
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aufnehmen. Versuchen, beim hiesigen Planetenverwalter mehr zu erreichen als bei diesem unsäglichen und verräte rischen Kumoson. Hibernation-4 musste evakuiert und so viel Material wie mög lich in Sicherheit gebracht werden. Er lachte über seine anmaßenden Ge danken. Es würde ihm niemals gelingen, die hiesigen Vatrox aus ihrer Lethargie zu reißen. Sie verstanden nicht, was gesche hen war. Was sich geändert hatte. Sie konnten es einfach nicht. Was für ein entsetzlicher Gedanke. Vastrear ließ sich zurück aufs Bett fal len. Alles war so sinnlos geworden. Er hatte Gerüchte aufgeschnappt. Hin weise darauf, dass sich VATROX-CUUR seit geraumer Zeit gar nicht mehr in Ha thorjan aufhielt. Irgendein besonderes Ereignis hatte den Zweiten Triumvir ver schwinden lassen – oder war es etwa die Angst vor einer Niederlage? Wenn gar VATROX-CUUR sie verließ – wie konnten sie den Glauben an einen Sieg über ihre vielen, vielen Gegner be wahren? Er zog die dünne Decke über den Kopf, wälzte sich zur Seite und starrte die nack te Wand an. Es lohnte nicht, weiter nach zudenken. Das Ende war nahe. Er musste sich damit abfinden. * Vastrear döste vor sich hin. Er träumte von Alarm und von Durchsagen, von Schlachtschiffen, die sich gegenüberstan den, von Erschütterungen und Explosi onen. Einmal mehr durchlebte er die Er eignisse auf Hibernation-3, die in der Zerstörung des Planeten gemündet hat ten. »... wach auf!« »Lass mich in Ruhe, Bhustrin!« Er wandte sich ab. Wollte mit diesem wider lich unterwürfigen Wesen nichts mehr zu tun haben. »Hibernation-4 wird angegriffen! Wir müssen verschwinden, so rasch wie mög lich!« Vastrear vernahm die stampfenden
Schritte der Kriegsordonnanz. Er um tanzte sein Bettlager, kam einmal näher und entfernte sich dann wieder, zwischen kreatürlicher Angst und grenzenlosem Respekt schwankend. Jemand griff ihn an. Tastend zuerst, dann mit festem Druck. Vastrear sprang hoch. Sah sich Satwa gegenüber. Die Frau wehrte sich nicht gegen den Schlag, den er ihr versetzte. Ihre Blicke blieben fest, ihre Stimme ebenso: »Unsere Gegner haben Hibernation-4 erreicht und beginnen soeben ihre Angriffe auf die Wachflotte.« Vastrear schüttelte endgültig seine Be nommenheit ab. Traum und Wirklichkeit hatten sich vermengt und ihm vorgegau kelt, sich nach wie vor auf Hibernation-3 zu befinden. »Sie sind nicht mehr aufzuhalten«, sagte er schwermütig. »Sie schrecken nicht davor zurück, all unsere Lebens grundlagen zu zerstören.« »Wenn wir rasch handeln, können wir entkommen.« Bhustrins Bewegungen und Körperdrehungen geschahen so schnell, dass er sie kaum noch wahrnahm. »Wozu?«, fragte Vastrear. Er schöpfte Wasser aus dem winzigen Hygienebecken und spritzte es sich ins Gesicht. »Was hat eine Flucht für einen Sinn?« »Wir haben uns Passagen besorgt«, sagte Satwa mit jener seltsamen, unheim lichen Ruhe in der Stimme, die er so sehr verabscheute. »Die Legitimationen brin gen uns fort aus Hathorjan. Wir können dem Chaos hier entkommen; in eine an dere Galaxis reisen. Du wirst die Gele genheit erhalten, deine Geschichte zu erzählen und andere Frequenzfolger oder Frequenzmittler aufzurütteln. Erzähle ihnen von deinen Erfahrungen. Von der Ignoranz deiner Landsleute. Vielleicht ergibt sich gar die Möglichkeit, mit VATROX-CUUR oder VATROX-DAAG Kontakt aufzunehmen ...« »In Anthuresta?« »Ja, in Anthuresta.« Zweifel und Hoffnung hielten sich die Waage. Aus Hathorjan zu flüchten erschien ihm wie schändlicher Verrat.
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Er hatte so viele Fehler begangen, dass er kein Recht mehr besaß, davonzulau fen. Andererseits würde er einen Teil seiner Schulden zurückzahlen, wenn er über die erschreckenden Schwächen der Fre quenz-Monarchie in Hathorjan berichte te. Es bedurfte eines Machtworts der bei den Duumvirn. Nur sie würden den Vatrox beibringen können, dass sie sich von nun ans Leben klammern mussten. »Ihr habt Passagen gebucht?«, fragte er nach. »Ja.« Bhustrin zupfte an seiner Rech ten. »Wir haben einige Hebel in Bewe gung gesetzt ...« Diese Allianz zwischen Bhustrin und Satwa behagte ihm ganz und gar nicht. Er würde einen weiteren Keil zwischen die beiden Ordonnanzen treiben müssen. Es war nicht gut, wenn sich diese min deren Geschöpfe allzu gut verstanden ... Was für ein angenehmer Gedanke. Vastrear fühlte, dass er auf dem Weg zurück zu geistiger Genesung war. Er dachte wieder wie jener Stratege, der er einstmals gewesen war. * Die Bilder und Eindrücke auf Hiberna tion-4 ähnelten jenen auf der Schwes ternwelt. Die Vatrox verließen sich auf die 10.000 Schiffe starke Wachflotte, und als erste Berichte über abgeschossene Schlachtlichter eintrafen, nahmen sie sie kommentarlos zur Kenntnis. Sie wollten nicht glauben, dass sie einem ungemein gefährlichen Gegner gegenüberstanden; selbst dann nicht, als die Planetenverwal tung beunruhigende Nachrichten über nicht zurückkehrendes Vamu getöteter Vatrox bekannt gab. »Habt ihr denn nichts gelernt?«, brüllte Vastrear. »Seht ihr noch immer nicht, was hier geschieht? Ihr werdet sterben, und es gibt diesmal kein Zurück!« »Pst, Herr!«, versuchte ihn Bhustrin zu beruhigen. »Du hilfst ihnen nicht, aber du gefährdest uns.« Die Kriegsordonnanz hatte recht.
Vatrox wandten sich ihm zu und blickten ihn hasserfüllt an. Sie wollten nicht hö ren, was er zu sagen hatte; ganz im Ge genteil: Der Überbringer schlechter Nachrichten wurde mehr gehasst als der Verursacher. Während sie dem Polyport-Hof zu strebten, geführt von Satwa, die genau zu wissen schien, was sie zu tun hatte, hörte Vastrear aufmerksam zu, was über die allgegenwärtigen Informationskanäle be richtet wurde: Die Angreifer erzielten einige Anfangs erfolge. 6000 robotische Fragmentraumer aus der Milchstraße, 18.000 Maahk-Ein heiten sowie 6000 Kugelraumer der Te froder kämpften im Verhältnis drei zu eins gegen die Wachflotte. Den Oberbe fehl hatte ein Tefroder-Admiral namens Meruv Tatur inne. Er befehligte die Schiffseinheiten umsichtig und scheute allzu großes Risiko. Die von sogenannten Posbis bemannten Fragmentraumer spielten die Brecher und nahmen große Verluste in Kauf, während sich die Tefro der-Einheiten darauf spezialisierten, Breschen in die Verteidigungslinien zu schlagen und einzelne Flottenteile der Frequenz-Monarchie zu isolieren, die an schließend von den Maahks in die Mangel genommen wurden. Vastrear beobachtete Satwa. Die KlonTefroderin gab sich ungerührt, obwohl sie wusste, dass genetische Verwandte auf der anderen Seite der Schlachtlinie star ben. Es kümmerte sie nicht. Gut so. 3000 verlorenen Schiffen der Hathor jan-Allianz standen nun 220 zerstörten Schlachtlichtern gegenüber. Die Verbün deten drohten zu verlieren, und für einen Moment hegte Vastrear Hoffnung. Es hat te den Anschein, als wäre dieser gegne rische Flottenverband schwächer aufge stellt als jener, der Hibernation-3 zerstört hatte. Die bernsteinfarbenen Anbauten des Polyport-Hofes tauchten vor ihnen auf. Sie füllten einen riesigen Hohlraum aus, der in einer Tiefe von nahezu zehn Kilo metern angelegt worden war. Nur wenige Vatrox ließen sich hier blicken, und noch
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weniger kümmerten sich um Vastrear und seine Begleiter. Er zögerte. Blieb stehen. Weitere, er mutigende Nachrichten wurden über die Informationsnetze verbreitet. Die gegne rischen Verbündeten hatten sich offenbar verspekuliert. Immer spektakulärer ge stalteten sich die Raumgewinne der Fre quenz-Monarchie, und wenn sich der Trend nicht umkehrte, würde sie bald den Sieg davontragen. »Weiter, Herr!« Bhustrin zog und zupfte an seinem Ärmel. »Bitte!« »Lass mich gefälligst in Ruhe!«, fuhr Vastrear ihn an. »Diesmal ist alles ganz anders.« »Nein!«, wagte Satwa zu widerspre chen. »Erkennst du denn nicht das Mus ter, nach dem die feindlichen Verbünde ten vorgehen? Wiege den Gegner in Sicherheit, lulle ihn ein – und schlag dann erbarmungslos zu.« »Diesmal ist alles ganz anders«, wie derholte Vastrear. Er spürte etwas. Einen ganz besonde ren Impuls. Er durchfuhr ihn, brachte eine bislang unbekannte Seite in ihm zum Schwingen. Endlich, endlich wusste er, was zu tun war. Er griff nach seinem Vibratormesser, aktivierte es, führte es an seinen Hals und stach zu. 9. Satwa: Der Flucht zweiter Akt S’Karbunc, ihr Seelenpartner, ließ sie rascher reagieren, als es einer normalge borenen Tefroderin jemals möglich gewe sen wäre. Satwa griff zu, umfasste das Handgelenk des Frequenzfolgers, hielt es fest umklammert und verhinderte, dass sich Vastrear das Messer in den Hals rammte. Der Frequenzfolger ließ nicht locker, griff mit der zweiten Hand zu. Blicklos starrte er geradeaus und reagierte nicht auf Satwas Zurufe. Er verfügte über Kräfte, die sie ihm niemals zugetraut hat te. Nahezu mühelos löste er ihre Hand
vom Schaft der Waffe, Finger für Finger. Sein Mund bewegte sich. Er murmelte Unverständliches. Worte, die seltsam und falsch klangen. »Bhustrin!« Sie versuchte, ihren Griff nochmals zu verstärken. »Hilf mir!« Der Kleine stand regungslos da, blick te um sich und versuchte zu begreifen, was vor sich ging. Es dauerte lange Au genblicke, bis er endlich begriff, dass Vastrear vom selben Wahnsinn wie alle Vatrox rings um sie befallen war. Dann stürzte er auf Vastrear zu und zog sich wieselflink an seinem Herrn nach oben, hoch zu dessen Brust. Er schrie: »Verzeih mir, Herr!«, immer wieder, wäh rend sich seine Muskeln anspannten und er mit großem Kraftaufwand die Waffe aus den Händen des Frequenzfolgers lös te. Er ließ sie zu Boden fallen und schlug zu, eine letzte, besonders laut vorgetra gene Entschuldigung schreiend. Er traf Vastrear an der Schläfe. Die orangeroten Augen rollten nach oben, verschwanden unter den schmalen Lidern. Haltlos stürz te der Vatrox zu Boden. Bhustrin achtete tunlichst darauf, dass sich der Frequenzfolger beim Sturz nicht verletzte. Ohne zu ächzen oder zu klagen, lud er sich den doppelt so großen Mann auf seine breiten Schultern. »Oh, er wird schlimme Sachen mit uns anstellen«, klagte der Kleine und schnaufte fest durch. »Er kennt Folter methoden, die nicht einmal mir einfallen würden. Und ich habe einige Erfahrung mit diesen Dingen.« Satwa ließ das Gegreine Bhustrins unkommentiert. Rasch drängte sie S’Karbuncs Einfluss zurück, sodass sie wieder allein über ihren Körper ver fügte. Erschüttert blickte sie sich um. Alle Vatrox weit und breit richteten sich selbst. Manche taten es mit Waffen, die sie bei sich trugen, andere mit völlig unzuläng lichen Mitteln. So als wollten sie sich be strafen und einen möglichst schmerz haften Tod erleiden; gesteuert wurde dies wohl von diesem seltsamen Impuls, des sen Wirkung auch sie wie ein unange
Vastrears Odyssee nehmes Ziehen im Nacken spürte. Die Para-Drüse, dieses nahezu verkümmerte Relikt ihrer genetischen Vorfahren, sprach an. Die feindlichen Verbündeten hatten ei ne weitere unbekannte Waffe gezündet. Eine Psi-Waffe, der die Vatrox nichts ent gegenzusetzen hatten. Deren Wirkung war wie aus heiterem Himmel über sie gekommen und trieb sie in den Suizid. Sie konnten sich nicht dagegen schützen. Oder waren sie etwa zu ... schwach, um sich gegen die Psi-Waffe zu wehren? »Weiter!«, trieb Satwa die Kriegsor donnanz an. Derartige Gedanken waren viel zu gefährlich, um sie länger als ein paar Pulse im Kopf zu behalten. Bhustrin stolperte auf den Eingang zum Polyport-Hof zu. Vorbei an toten und sterbenden Vatrox und solchen, die völlig von Sinnen waren. Einige von ih nen tobten durch den breiten Gang. Sie schlugen ihre Köpfe so lange gegen die Wände, bis sie blutverschmiert und mit zerbrochenen Schädeldecken zu Boden fielen, oder sie rissen sich Fleischfetzen aus dem Körper, um an lebenswichtige Organe zu gelangen und sie zu zerstören. Satwa sah erschütternde Dinge. Dinge, die in keinster Weise mit ihrem Respekt vor diesen großartigen Geschöpfen ver einbar waren. Über einen großzügig angelegten Wen delweg gelangten sie nach unten, zum Verladeplatz des Polyport-Hofes. Dort herrschte Ruhe. Kein Vatrox war weit und breit zu sehen. Die Angehörigen zweier Vao-Regimenter standen da, in Reih und Glied. Die Darturka verstanden nicht, warum sie im Stich gelassen wur den. Stumpfsinnig starrten sie vor sich hin und versuchten zu begreifen. Sie be nötigten Befehle – und niemand war an wesend, der sie ihnen zu erteilen ver mochte. Zwei Okrivar kümmerten sich um ei nen toten Vatrox. Er hatte sich die Augen aus den Höhlen gekratzt. Er hatte seine eigene Zunge verschluckt, um sterben zu können. Weiter. Nicht nachdenken. Du musst
43 Vastrear in Sicherheit bringen. Nichts an deres zählt. S’Karbunc machte sich bemerkbar. Wahrscheinlich spielen sich diese schreck lichen Szenen an jedem beliebigen Ort auf Hibernation-4 ab, wie auch auf den Schlachtlichtern der Verteidigungsflotte. Wie wurde dieser Psi-Effekt erzeugt?, fragte sie ihren Seelenpartner. Stecken die Verbündeten aus der Milchstraße da hinter? Etwa dieser Perry Rhodan, von dem man sagt, dass er unsterblich sei? Hat er einen Mutanten an seiner Seite, der einen derartigen Wahnsinn auszu lösen imstande ist, oder arbeitet er mit Psi-Materie? Man sagt, dass er mit bösen Mächten in Verbindung stehe, die die heh ren Ziele der Frequenz-Monarchie mit allen Mitteln zu stören versuchen. S’Karbunc verzichtete auf die Fortset zung des inneren Dialogs. Sein Vorhan densein war kaum noch zu spüren. Si cherlich litt auch er unter den Wirkungen des Psi-Einflusses. Die Wachtposten reagierten nicht auf sie, wie auch die Sicherheitsmechanis men völlig versagten. Niemand verwehrte ihnen den Zutritt zum erhöhten Steuer pult. Satwa unterdrückte ein bitteres La chen. Der Betrug, die Lügen, die erpress ten Legitimationen – all ihre Vorarbeiten waren umsonst gewesen. Sie konnten völ lig ungehindert ins Innere der mächtigen Anlage spazieren – und sich ebenso unge stört um die Schaltanlagen kümmern. Die vier Transferkamine leuchteten in sattem Blau. Es waren keine Zielhöfe ein gestellt, die Anlage war inaktiv. Ein Darturka in schwarzvioletter Uni form kam zögerlich auf sie zu. Satwa musste den Kopf weit in den Nacken stre cken, um zu ihm aufblicken zu können. »Was sollen wir tun?«, fragte der Vao for-Eins. »Es ist niemand mehr da, der uns helfen könnte. Sag mir, was wir ma chen sollen. Lebt euer Vatrox noch? Weck ihn auf; bitte!« Er gab Geräusche von sich, die an ein Schluchzen erinnerten. Sein Körper zit terte, die mächtigen Hände fuchtelten hilflos durch die Luft.
44 »Ihr müsst fliehen. Vastrear hat es so befohlen«, sagte Satwa, einer Eingebung folgend. Sie deutete auf den Bewusstlo sen, den Bhustrin nach wie vor geschul tert hielt. »Ich aktiviere die Transferka mine. Gib die Informationen an alle Darturka-Kommandanten weiter.« »Fliehen? Was bedeutet das?« »Ihr sollt euch zurückziehen. So rasch wie möglich.« Der bernsteinfarbene Boden zitterte, Licht flackerte. Es war wie ein Déjà-vu. Eine Wiederholung jener Erlebnisse, die Satwa auf Hibernation-3 durchgemacht hatte. Sie kümmerte sich nicht weiter um den Darturka und all die anderen jämmer lichen Gestalten, die sich rings um sie eingefunden hatten, angezogen wie Nachtfalter vom Licht. Sie schlüpfte an dem riesigen Krieger vorbei und deutete Bhustrin, ihr zu folgen. Die Ordonnanz gehorchte. Ächzend und keuchend schleppte sie Vastrear hinterher, auf einen der Transferkamine zu. Ein Okrivar stell te sich ihnen in den Weg. Satwa schubste den schwächlichen Techniker einfach beiseite. Sie griff nach dem C-Controller. Oft genug hatte sie den Frequenzfolger damit umgehen sehen. Sie kannte die Aktivie rungskodes und sie kannte die Prinzipien, nach denen das geheimnisvolle Instru ment arbeitete. Wie selbstverständlich ging sie damit um. Alle Scheu war wie weggeblasen. Ihr Leben hing von ihrer Geschicklichkeit im Umgang mit dem Gerät ab. Es musste ihr gelingen, einen Kontakt zum hiesigen Polyport-Hof herzustellen und zumin dest einen Transferkamin einzujustie ren. Die Schaltbilder des Geräts klappten aus. Farb- und Zeichensymbole mussten in der richtigen Reihenfolge aktiviert werden. Ihre Finger huschten über die Energiefelder; so, wie sie es Vastrear ab geschaut hatte. Ein Kennungszeichen leuchtete auf, der Kamin vor ihr ging auf Sende- und Empfangsbetrieb. Satwa schubste zwei
Michael Marcus Thurner weitere Okrivar beiseite und suchte in den dreidimensionalen Darstellungen des Controllers nach Passagen, über die sie auf schnellstem Weg nach Anthuresta ge langen konnten. Wenn sich VATROX CUUR tatsächlich in dieser geheim nisumwobenen Sterneninsel aufhielt, mussten sie ihn finden. Er allein konnte Vastrear Absolution erteilen – und damit ihrer aller Leben sichern. Fehlanzeige. Es stand kein Handelsstern zur Verfü gung, über den ein direkter Transport möglich war, und das nächstgelegene Dis tribut-Depot war beschädigt. Sie muss ten Umwege in Kauf nehmen, zumindest eine weitere Zwischenstation einlegen. Der Boden bebte, es knirschte irgendwo weit über ihr an der Hallendecke. Schnell! Satwa wählte einen Polyport-Hof, der für den Umstieg Richtung Anthuresta ge eignet war, und aktivierte dann in rascher Folge die drei anderen Transferkamine. Sie befahl den wartenden Darturka, die Passage zu wagen. Mehr konnte sie für die führerlosen Krieger nicht tun. Sie ging in das Transportfeld, vorbei an völlig ratlosen Technikern, und aktivierte im Laufen die Schutzvorrichtungen ihres Anzugs. Sie wusste Bhustrin hinter sich, der wiederum den bewusstlosen Vastrear trug. Satwa hatte ihr Bestes getan, um zu mindest einige wenige Soldaten der Fre quenz-Monarchie zu retten. Vielleicht würde es ihnen gelingen, anderswo Fuß zu fassen und über die Zustände auf Hi bernation-4 zu berichten. Über Massen selbstmorde der Vatrox, die fremdgesteu ert waren und den Feinden in die Hände spielten. Die, dachte sie, im Grunde genommen einen Verrat an der Frequenz-Monarchie darstellen. Du solltest derartige Gedanken tun lichst vermeiden!, tadelte S’Karbunc. Hä retiker haben im Reich der FrequenzMonarchie kein besonders langes Leben. Satwa ließ den Symbionten wissen, was sie von seiner Meinung hielt. Klein
Vastrears Odyssee laut zog er sich zurück, erschrocken über die Intensität ihrer Gedanken. Sie fühlte sich in den Transferkamin eingesogen. Rot wurde zur alles beherr schenden Farbe, zum alles beherr schenden Gemütszustand. Bhustrin ging/ schwebte/lief neben ihr her, auf einen weiteren Polyport-Hof zu, von dem aus sie Anthuresta zu erreichen hofften. Das Rot bekam einen Grünstich, und die Bilder kosmischer Umgebung, durch die sie trieben, drohten zu zerreißen. Das Dahinter kam zum Vorschein. Ein Nichts, das sie begehrte, sie auffressen wollte. Etwas ging ganz schrecklich schief. 10. Vastrear: Geflippert Er erwachte im Nichts. Fernab von sei nem herkömmlichen Leben. War sein Leib gestorben, bestand sein Ich nur noch aus Vamu, das seinen Weg zurück in eine neue Existenz suchte? Nein. Er befand sich auf einer höchst profanen Reise, von einem Ort zum nächs ten, die virtuelle Straße von einem Poly port-Hof zu einem anderen entlang. Er schwebte. Er saß auf dem Rücken Bhustrins. Zornig hieb er der Kriegsor donnanz in die Seite, befreite sich aus dessen Händen und rollte sich ab. Nur vage erinnerte er sich an den Grund für seine Bewusstlosigkeit. Da war ein Drang in ihm gewachsen, so stark, dass er sich gezwungen gefühlt hatte, da vonzulaufen. Auf den einzigen möglichen Ausgang zu, den er vor sich sah und der so verlockend gewirkt hatte, dass er ihn unter allen Umständen erreichen wollte. Satwa und Bhustrin hatten ihn daran gehindert. Die beiden Ordonnanzen hat ten ihre Kompetenzen bei weitem über schritten. Er würde sie zur Rechenschaft ziehen. Doch nicht jetzt, nicht hier. Denn die Passage verlief keinesfalls so, wie sie gedacht gewesen war. Er entdeckte den Controller in Satwas Händen. Sie hatte es gewagt ... »Gib das her!«, fuhr er sie an, »augenblicklich!«
45 Die Tefroderin schlug die Augen nieder und gehorchte. Vastrear griff nach dem unendlich wertvollen Instrument. Er meinte, ihre Fingerabdrücke zu sehen und zu riechen. Sie hatte das Gerät ent ehrt, hatte einen ganz besonderen Mo ment der Schwäche abgewartet, um es für sich zu nutzen. Vastrear ließ die beiden Ordonnanzen nicht aus den Augen, während er die Funktionstüchtigkeit des Controllers überprüfte. Alarmsignale deuteten auf eine Umleitung hin, die vom Transport system vorgenommen worden war. Für wenige Augenblicke war es instabil ge worden, um nunmehr wieder mit jener Sicherheit zu arbeiten, die Vastrear ge wohnt war. Das handgroße Instrument funktio nierte im Inneren eines Transferkamins nur eingeschränkt. Aber erklärte dies die vielen Fehlermeldungen, die er er hielt? Was war geschehen, wo lag der Auslöser für all die unterbrochenen Ver bindungen, die er schematisch darge stellt bekam? Wenn er den Anzeigen vertraute, litt das Polyport-Netz unter Schäden, die von »Außenstehenden« verursacht wurden. Drangen die Feinde der Frequenz-Mon archie etwa ins System vor? Vastrear versuchte sich zu erinnern, was unmittelbar vor seinem geistigen Aussetzer geschehen war. Er war kaum in der Lage, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Zu verwirrend, zu vielschichtig zeigten sich die Bilder in seinem Kopf. Da war diese unbestimmte Todessehnsucht gewesen; dazu ein Impuls, der einen Schalter in ihm umgelegt hatte und ihn zwingen wollte, gegen den Willen der Frequenz-Monarchie zu handeln. Ein Schlag, der ihn betäubt hatte. Stimmen von Darturka und Okrivar, die er im De lirium wahrgenommen hatte – und immer wieder das grässliche Geplapper Satwas, die es wagte, über sein Leben zu bestim men. »Was ist passiert, während ich bewusst los war?«, fragte er Bhustrin, ohne den Kleinen anzublicken. Der Kriegsordon
46 nanz war weit mehr zu trauen als dem Tefroder-Klon. Den Großteil seiner Aufmerksamkeit legte er indes auf die Neujustierung des Controllers. Das Gerät ließ ihn weiterhin im Unklaren darüber, wohin sie sich be wegten. Das ursprüngliche Ziel würde es gewiss nicht werden. Bhustrin berichtete, während sie wei terhin durch das Universum gezogen wurden. Vastrear achtete auf Nuancen, auf Hebungen und Senkungen in der Stimme seines Begleiters. Er wusste die Ordonnanz seit langer Zeit an seiner Sei te, und eine Lüge würde ihm gewiss nicht entgehen. Er hatte versucht, sich umzubringen. Ausgelöst durch eine noch unbekannte Waffe ihrer Feinde, die mit hoher Wahr scheinlichkeit einen mächtigen Psi-Im puls ausgelöst hatte. Die beiden Ordon nanzen hatten ihm das Leben gerettet; ihm allein! Hibernation-4 war dem Un tergang geweiht gewesen, als sie die Flucht geschafft hatten, so wie Hiberna tion-3. Viele weitere Millionen Vatrox waren gestorben, ihr Vamu eingefangen oder vernichtet! Vastrear hatte keinen Zweifel: Bhus trin sagte die Wahrheit. Satwa hatte ihn geistesgegenwärtig davor bewahrt, sich das Vibratormesser in den Hals zu ram men – und anschließend dafür gesorgt, dass sie von der dem Untergang geweih ten Hibernationswelt entkommen wa ren. »Du hast den Controller benutzt!«, fuhr er die tefrodische Frau an. »Ich sah keine andere Möglichkeit ...« »Niemand außer mir hat das Recht, den Controller anzufassen! Hast du mich ver standen, Satwa? Niemand!« »Selbstverständlich.« Sie neigte demü tig ihr Haupt vor ihm. Sie hatte ihm das Leben gerettet, und er schenkte ihr nunmehr das ihre. Sie wa ren quitt. Das Ende des Transferkamins kam in Sicht. Ihre scheinbare Fahrt verlang samte sich, verschwommen wirkende Ge stalten gewannen an Konsistenz. Vastrear
Michael Marcus Thurner bemerkte zu seinem Erstaunen, dass er erleichtert war. Das System hatte gehal ten, der Transfer war geglückt. Bhustrin drängte sich nach vorn, sein Beschützerinstinkt schlug einmal mehr durch. Er stolperte ins »Freie«, durch blaues Flackern. Er blieb stehen und machte sich so breit wie möglich, um ihm, seinem Herrn, Schutz vor weiteren Un bilden zu bieten. Vastrear folgte der Kriegsordonnanz – und meinte, in eine weitere Schleife dieses endlos wirkenden Albtraums zu stolpern, der ihn nun seit Tagen begleitete. Auch an ihrem Zielort wurde erbittert gekämpft. * Maahks und Tefroder griffen mit aller Vehemenz Darturka an. Die feindlichen Truppen kamen in großen Mengen aus dem Transferkamin zu seiner Rechten. Sie feuerten auf alles, was sich bewegte, und ließen sich auch nicht von stür mischen Gegenangriffen der Angehö rigen eines Vao-Regiments davon ab halten, immer größere Teile des Verladeplatzes zu besetzen und in peri phere Gänge und Wege des PolyportHofes einzusickern. »Wir müssen weiter«, sagte Satwa mit dem ihr eigenen Pragmatismus. »Dieser Ort ist ebenso wenig sicher wie die beiden Hibernationswelten.« Die Hathorjaner führten schweres Ge rät mit sich. Kleinraumer, Roboter sowie massive und selbst gelenkte Waffenein heiten. Die Angriffe auf die Besitzungen der Frequenz-Monarchie erfolgten auf einer breiteren Ebene, als Vastrear es je mals für möglich gehalten hätte. Er ging hinter umgekippten Lastele menten in Deckung. »Distribut-Depot ARTHA«, las er von den Resten einer verschmorten Schaltta fel ab. »Wir befinden uns in der Galaxis Diktyon. Die Hathorjan-Allianz be schränkt sich also nicht nur auf die hei matliche Sterneninsel, sondern geht auf breiter Front zum Angriff über.«
Vastrears Odyssee Strahlenschüsse verfingen sich in einem Energieschirm, der die wichtigsten tech nischen Anlagen schützte. Unweit von ihnen taten mehrere Vatrox Dienst. Frequenzfolger, die die Verteidi gung des Depots dirigierten und mit der üblichen Ruhe gegen den Feind vorgin gen. Erleichtert nahm Vastrear zur Kennt nis, dass der Wahnsinn von Hibernation 4 nicht bis hierher übergegriffen hatte. »Schatten-Maahks, Herr«, sagte Bhus trin und deutete auf eine Gruppe Wasser stoffatmer, die sich von den Kämpfen fernhielt. Es wirkte, als würden diese fremdar tigen Wesen, die eine ähnliche Atmo sphäre benötigten wie die Okrivar, bloß dastehen und die Kämpfe beobach ten. Manche von ihnen saßen oder lagen gar. Was hatten sie hier zu suchen? Seit wann verbündeten sie sich mit Maahks, ihren verfeindeten Stammvätern? Vastrear zögerte. Er könnte sich seinen Landsleuten anschließen und seine Er fahrung im Umgang mit dem Feind in die Waagschale werfen. Doch würde das einen Unterschied ma chen? Wusste er denn so viel über die Vor gehensweise der Hathorjaner? Sie hatten ihn bereits mehrfach überrascht – und jedes Mal andere Taktiken angewandt. Sie gaben sich wendig, ideenreich und erbarmungslos. Er dachte an Anthuresta und VATROX CUUR. Gewiss war es ein vermessener Gedanke, von ihm Rehabilitation zu er warten, indem er den Duumvir über die Psyche der Angreifer unterrichtete – und zugleich auf die eigenen Schwächen hin wies. Und doch musste er es wagen. »Die Frequenz-Monarchie verliert den Kampf«, sagte Satwa. Sie stand da, re gungslos, den Kopf zur Seite gewandt, und scherte sich kaum um das Chaos rings um sie. Offenbar kommunizierte sie mit ihrem Seelenpartner S’Karbunc. Vastrear ließ sich vom Controller eine dreidimensionale Aufarbeitung der er reichbaren Polyport-Höfe zeigen. Es wa ren nicht viele. Sie würden weitere Um
47 wege gehen müssen, um Anthuresta zu erreichen. »Du da!«, rief ein Vatrox und befahl Vastrear, sich zu ihm zu gesellen. »Hilf uns gefälligst!« Er tat, als hätte er nichts gehört, und kümmerte sich um eine Neujustierung des Transferkamins, durch den sie eben gekommen waren. So weit war es also schon gekommen, dass er seinem Volk die Hilfe verweigerte! Doch es gab Prioritäten. Solche, die der Frequenz-Monarchie, den Vatrox und ihm selbst nützen würden. »Ich rede mit dir!«, brüllte der andere. »Hör mir gefälligst zu!« Vastrear fand, wonach er suchte. Eine Strecke, die ihn und seine Begleiter über weitere Umstiege ans Ziel bringen würde – sofern von nun an keine Schwierig keiten mehr auftraten. »Lass die Steuerung in Ruhe!« Ein letzter, fast verzweifelt klingender Schrei des anderen Vatrox verklang. Vastrear betrat den Transferkamin und verschwand in diesem seltsamen Reise universum. Ohne zu entstofflichen und ohne unter Entzerrungseffekten zu lei den, glitt er vorwärts, einem weiteren Ziel entgegen. Bhustrin und Satwa folgten ihm, wie immer. Sie verhielten sich wie brave klei ne Schoßtierchen. Beide hatten ihre Sternstunde gehabt und ihre Auftritte genossen. Nun kehrten sie in ihre Rollen als Wissenszuträger, Berater und Be schützer zurück. * Während des Transports fiel kaum ein Wort. Satwa warf immer wieder unruhige Blicke um sich. Nicht zu unrecht befürch tete sie einen neuerlichen Kollaps des Systems – und damit weitere Gefahren, weitere Umwege. Doch alles lief glatt. Wie erhofft er reichten sie das Distribut-Depot CHO RAN in der Galaxis Bra-Nok-Zo. Einen Außenposten der Frequenz-Monarchie, dessen Umfeld von vielen Darturka abge
48 riegelt wurde. Allesamt wirkten sie wach sam und angespannt. »Ihr kommt von ARTHA?«, fragte ein Okrivar, ohne die übliche Höflichkeit einem Frequenzfolger gegenüber zu wah ren. »Ja.« »Wird dort bereits gekämpft?« »Ja.« Vastrear kümmerte sich nicht weiter um den aufdringlichen Kerl. Das Schick sal dieser Zwischenstation kümmerte ihn nicht. Wichtig war einzig und allein die Neujustierung des Transferkamins für ihr nächstes Ziel. »Uns stehen zu wenige Darturka-Ein heiten zur Verfügung«, meinte der ge schwätzige Okrivar. »Unsere Feinde wer den uns überrennen.« »Aha.« »Der hiesige Frequenzfolger rührt sich nicht. Er sitzt in seinem Befehlsstand und grübelt über Verteidigungstaktiken. Kannst du ihm nicht zur Hand gehen, Herr? Ich sehe, dass du jemand Besonde res sein musst. Einen derartigen Control ler habe ich niemals zuvor zu Gesicht bekommen ...« »Es hat dich nicht zu kümmern, wer oder was ich bin«, wies ihn Vastrear zu recht. »Ich kann euch nicht helfen. Seht zu, dass das Depot gehalten wird; mit welchen Mitteln auch immer. Und jetzt lass mich gefälligst in Ruhe!« Der Okrivar wollte nachsetzen, wollte noch näher an Vastrear heranrücken. Bhustrin hielt ihn am Schutzanzug fest und gab einen brummigen unmissver ständlichen Warnton von sich. Der Schwätzer zog sich augenblicklich zu rück. »Weiter!«, sagte Vastrear, justierte ihr nächstes Reiseziel und betrat den Transferkamin. »Auf ein Neues.« Einer Intuition folgend, drehte er sich ein letztes Mal um. Er meinte zu sehen, wie eine weitere Transportröhre rot zu leuchten begann, um gleich darauf groß gewachsene Gestalten auszuspucken. Maahks, die augenblicklich wild um sich feuerten.
Michael Marcus Thurner Der nächste Außenposten der Fre quenz-Monarchie drohte dem Feind in die Hände zu fallen. * Das Innere des Handelssterns GARON FO rührte an Erinnerungen, die Vastrear gerne vergessen hätte. Die Peripherie die ser Station glich jener in FATICO wie ein Ei dem anderen. Er hätte sich blind durch sie bewegen, jederzeit die Kontrolle über das gewaltige Konstrukt übernehmen können ... Nur wenige Wesen – Sphärengeschöpfe, deren wattebauschartige Leiber von einem Metallgitterkonstrukt eingefasst waren – kümmerten sich vordergründig um die Steuerung der Station. Vastrear sah Darturka-Einheiten, die unweit des Verladeplatzes in Bereitschaft standen. In GARONFO herrschte Ruhe, trüge rische Stille. Er atmete kräftig durch. Es war ihm, als wäre er zurückgekehrt. Als hätte er eine zweite Chance erhalten, um seinen Wert für die Frequenz-Monarchie zu be weisen. Dieses Mal würde er seine Gegner nicht unterschätzen, würde sich nicht von ihnen überrumpeln lassen. »Herr ...« Satwa zerstörte seinen Tagtraum wie schon so vieles. Er hasste ihre quengelnde Stimme. Ihre Aufdringlichkeit, ihr ste tiges Nachsetzen – und dass sie einmal mehr recht hatte. Er war drauf und dran, sein eigentliches Ziel aus den Augen zu verlieren. Ein Vatrox wollte Kontakt aufnehmen, offenkundig der hiesige Frequenzmittler. Vastrear ignorierte die Anfrage. Er durfte keine Zeit mehr verlieren. Weg von hier, weg von all den Erinnerungen. Anthures ta war das Ziel. Die Zukunft. Nur dort konnte er im Angesicht der höchsten Mächte auf Vergebung und Absolution hoffen. Die Sphärenwesen zogen sich zurück, als er seinen Controller aktivierte; so als würden sie die Omnipotenz des Geräts spüren.
Vastrears Odyssee Der Kontakt mit dem Polyport-Netz kam augenblicklich zustande, und auch das nächste Ziel ihrer Reise ließ sich un erwartet rasch identifizieren. »BAGNORAN also«, murmelte Vas trear. »Gut so.« Er initiierte die üblichen Schaltbefehle und machte sich für den Transport bereit. Alles geschah in beklemmender Stille. Satwa und Bhustrin verhielten sich ru hig; die Sphären wagten sich nicht näher an ihn heran. Ein Transferkamin meldete Bereit schaft. Vastrear holte tief Atem und ließ sich ins Rot treiben. Sosehr er an diese Art des Transports auch gewöhnt war: Er konnte seine Nervosität kaum mehr verleugnen. Nichts war mehr so, wie es einst gewe sen war. 11. Satwa: Endstation Der wievielte Durchgang war dies? Welch Umwege hatten sie auf sich neh men müssen, um nun – endlich! – den Handelsstern BAGNORAN am Rand des Restkerns der Anthuresta-Galaxis zu er reichen? Vastrear blieb am Ausgang des Trans ferkamins stehen. Sie drängte sich ge meinsam mit Bhustrin am Frequenzfolger vorbei. In seltener Eintracht sicherten sie, sahen sich nach möglichen Gefahren punkten um. Waren sie endlich in Sicher heit, oder hatten es ihre Feinde geschafft, sogar bis hierher vorzudringen? Sie standen mehreren Okrivar gegen über. Die Wasserstoffatmer gaben sich ungewohnt zögerlich. »Wer hat hier das Kommando?«, blaffte Satwa sie an. »Frequenzfolger Sorgatairo.« »Wieso ist diese Station nicht besser besetzt?« Sie deutete auf ein Dutzend Darturka, die ihnen keinerlei Aufmerk samkeit schenkten und sich zu einem un melodiösen Stück der von ihnen so sehr geliebten Musik bewegten.
49 »Ich verstehe nicht ...« »Das Polyport-Netz wird angegriffen!«, mischte sich Bhustrin ein. »Der Feind kann jederzeit auch hier auftauchen.« Der Okrivar machte sich klein und zog sich einige Schritte zurück. Er redete in ein Akustikfeld, nahm mit einer überge ordneten Instanz Kontakt auf. »Sorgatai ro befindet sich derzeit auf Kontrollreise an der Peripherie des Handelssterns«, sagte er. »Er kann euch leider nicht emp fangen.« »Er wird gefälligst mit mir reden!«, meldete sich Vastrear erstmals seit ihrer Ankunft zu Wort. »Stell eine Bildverbin dung her! Augenblicklich!« Der Okrivar gab keinen Ton mehr von sich. Seine Greifklauen wanderten über das virtuelle Arbeitspad, und nur wenige Sekunden später tauchte die überlebens große Darstellung eines Vatrox als dreidi mensionales Bild auf. »Was gibt’s?«, fragte Frequenzfolger Sorgatairo. »Was habt ihr auf BAGNO RAN zu suchen? Ich wüsste nicht, dass ich Gäste eingeladen hätte.« Satwa beäugte den Vatrox sorgfältig. In gewisser Weise ähnelte er Vastrear. Derselbe mürrische und etwas überheb lich wirkende Gestus. Angespannte Kör perhaltung. Misstrauen. »Wir befinden uns auf der Flucht«, gab Vastrear mit ungewöhnlicher Offenheit zu. »Ich vermute, du hast von den feind lichen Angriffen auf die Polyport-Höfe in Hathorjan gehört?« »Gerüchteweise. Bis jetzt habe ich kei ne verlässlichen Informationen erhalten. Es existieren derzeit keine offenen Di rektverbindungen. Auch jene nach FATI CO ist unterbrochen.« Die roten Augen glänzten. Er hatte sein Gegenüber er kannt. »Aus gutem Grund.« Vastrear lieferte seinem Gegenüber einen gerafften Be richt über ihre Erlebnisse während der letzten Tage. Natürlich war er geschönt, und es fehlten jene heiklen Stellen, die Vastrears unrühmliche Rolle bei der Er oberung FATICOS betrafen. »Das klingt alles etwas unrund«, gab
50 sich Sorgatairo argwöhnisch. »Vamu, das nicht mehr auf die Hibernationswelten zurückkehrt; Angriffe auf breiter Front, der unsere Einheiten kaum etwas entge genzusetzen haben; der mögliche Einsatz von Psi-Waffen.« Er streichelte über sein Pigasoshaar. Es wirkte ausgefranst und spröde. Die letzten Zentimeter zeigten darüber hinaus einen merkwürdigen Grauschimmer. »Wie, sagtest du, bist du hierher gelangt?« »Über weite Umwege.« Vastrear winkte ungeduldig ab. »Ich muss so rasch wie möglich mit VATROX-CUUR in Verbin dung treten. Ich habe wichtige Informa tionen ...« »Selbstverständlich«, spöttelte Sorga tairo. »Wie wir alle wissen, ist der Duum vir begierig darauf, über jedwede Flatu lenz eines beliebigen Frequenzfolgers Bescheid zu wissen. Weil er ja keine an deren Sorgen hat.« Vastrears Gesicht dunkelte nach. Er rang mit Worten – und sah sich dann wie Hilfe suchend um. So, als benötigte er Satwas Ratschläge. Sie räusperte sich. »Herr, hast du zu mindest eine Ahnung, wo sich VATROX CUUR derzeit aufhält?« »Was ist das da?«, fragte Sorgatairo, ohne ihr auch nur einen Blick zu wid men. »Eine Autochthon-Ordonnanz. Sie ist eine meiner wichtigsten Helferinnen aus einem rebellischen Volk.« »Und du vertraust diesem Geschöpf?« »Es hat sich als wertvoll erwiesen.« »Na schön.« Sorgatairo verschränkte die langen schlanken Finger ineinander. »Sag dem Wesen, dass es mich niemals mehr persönlich ansprechen soll. Andern falls werde ich es einäschern lassen. Es ist mir einerlei, mit welcher Art von Gesell schaft du dich umgibst, Vastrear. Aber ich lege dir nahe, BAGNORAN so rasch wie möglich wieder zu verlassen. Manche meiner Freunde könnten eine Beziehung zwischen Vatrox und einem Minderwesen falsch deuten.« Sorgatairo machte sich kaum die Mü he, seine Drohung hinter irgendwelchen
Michael Marcus Thurner Verklausulierungen zu verbergen. Er ließ Vastrear und seine Begleiter wissen, dass sie hier nicht gerne geduldet waren. Ei nen »Unfall« zu konstruieren bedeutete für den heimischen Frequenzfolger eine leichte Übung. »An welche Instanz können wir uns in Anthuresta wenden?«, hakte Vastrear nach. »Du bist hartnäckig. Was für eine Un tugend in Zeiten wie diesen.« »Nun?« Sorgatairo fletschte die Zähne. Auf dem Lippenfleisch zeigten sich goldene Einlagen, Tätowierungen nicht unähn lich. Wellenlinien und kreisförmige Dar stellungen überlappten einander und bil deten verwirrende Muster. »Versucht es auf dem Handelsstern JERGALL«, sagte er nach langem Zau dern. »Wie du weißt, bestand zwischen FATICO und JERGALL eine Großverbin dung, die die Galaxien Hathorjan und Anthuresta miteinander verband. Fre quenzfolger Sinnafoch konnte sie, nach dem dein Handelsstern verloren ging, kurzfristig reaktivieren, um seinen Schlachtturm, die VART, und eine gegne rische Einheit nach Anthuresta zu ver bringen. Man munkelt, dass der Trans port nicht zufriedenstellend funktioniert hat.« »Kannst du etwas spezifischer wer den?« »Weder Sinnafoch noch das Feindschiff sind jemals bei JERGALL eingetroffen.« »Was, bitte schön, soll diese Angele genheit mit meinem Anliegen zu tun ha ben?« »Du wolltest einen Hinweis, und ich habe ihn dir gegeben. Mag sein, dass Fre quenzmittler Demeiro, Befehlshaber des Handelssterns JERGALL, Interesse an dir zeigt.« »Ein Frequenzmittler. Demeiro.« Satwa beobachtete Vastrear. Ihr Herr wirkte verunsichert. Er wusste nicht, wie und was er entscheiden sollte. Vastrear musste doch erkennen, dass er keine an dere Wahl hatte, als den »Ratschlägen« Sorgatairo zu folgen!
Vastrears Odyssee
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Sie trat einen Schritt näher. War ver sucht, S’Karbunc trotz aller Warnungen, die sie erhalten hatte, auf Vastrear anzu setzen und seine Entscheidung zu beein flussen. Je länger sie warteten, desto un geduldiger wirkte Sorgatairo. Der hiesige Befehlshaber mochte ohne Weiteres auf den Gedanken kommen, sie allesamt fest zunehmen und einem hochnotpeinlichen Verhör zu unterziehen. »Also weiter nach JERGALL«, sagte Vastrear zu Satwas Erleichterung. »Wenn du erlaubst ...?« Er nahm seinen Control ler zur Hand und justierte das Gerät neu. Sorgatairo nickte ihm zu und wollte die Bildverbindung ohne ein Wort des Grußes kappen. »Warte!«, rief Vastrear. »Was denn noch?« »Ich rate dir, BAGNORAN besser zu schützen. Zieh deine Darturka-Regi menter und Schlachtlichter rings um die Station zusammen und trichtere ihnen ein, stets wachsam zu bleiben.« »Ratschläge von einem Versager sind das Letzte, was ich derzeit gebrauchen kann.« »Die Grenze zwischen Sieg und Nie derlage ist sehr, sehr dünn. Ein einziger Fehler mag den Ausschlag für die falsche Seite geben.« »Herzlichen Dank dafür, dass du mich
an deinen weisen Ansichten teilhaben lässt.« Sorgatairos Darstellung löste sich in einer Glitzerwolke auf; dahinter ka men die Okrivar zum Vorschein, die sich ängstlich gegen die Wand drückten. »Du kennst Frequenzmittler Demei ro?«, fragte Satwa. »Wir hatten bereits das Vergnügen«, meldete sich Bhustrin nicht ohne Häme zu Wort. Immer wieder ließ er durchklin gen, wie gut er mit Vastrear stand und was sie alles gemeinsam erlebt hatten. »Sehr schön.« Satwa gab sich unge rührt. »Das macht die Angelegenheit et was leichter.« »Daran zweifle ich«, murmelte Vastrear, ohne sich in seiner Konzentration stören zu lassen. »Demeiro gilt als schwierig.« Er schwieg nun, und nach wenigen Pulsen stand die Verbindung zum Han delsstern JERGALL. Sie traten in den Transferkamin. Ein neues Ziel, ein neues Glück. * Wie immer es Sorgatairo geschafft hat te, die Informationen weiterzureichen; als sie im Handelsstern JERGALL ankamen, erwartete sie Frequenzmittler Demeiro bereits. Er schwenkte das lange Pigasoshaar weit hin und her, zum Zeichen dafür, dass
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52 er stolz darauf war, als einer der ersten Vatrox wiedererweckt worden zu sein. Satwa fühlte sich beobachtet. Demeiro zeigte ein wie auch immer geartetes Inter esse an ihr und Bhustrin – und stellte dies auch noch unverhohlen zur Schau. »Willkommen auf JERGALL, Vastrear«, sagte er, ohne seine Blicke von Satwa ab zuwenden. »Wir haben uns lange nicht mehr gesehen.« »Viel zu lange.« »Wir haben gehört, dass ihr eine recht komplizierte Anreise hinter euch habt?« »So ist es. Ich habe einiges zu berich ten, und ich würde mich freuen ...« »Das kann warten. Es gilt, dringendere Angelegenheiten zu erledigen.« »Dringendere Angelegenheiten?! Wir haben Hathorjan verloren! Mehrere Hi bernationswelten wurden vernichtet, wenn nicht gar alle in dieser Sternenin sel!« »Vielleicht ergibt sich später die Gele genheit, darüber zu sprechen. In aller Ru he.« Satwa sah sich alarmiert um. Vier Dar turka näherten sich mit maskenhaft star ren Gesichtern; so als wäre ihnen die An weisung Demeiros unangenehm. »Was hat das zu bedeuten?« Vastrear hatte alle Mühe, die Beherrschung zu wahren. »Du wirst erwartet. Im Beisein deiner Begleiter.« Der Frequenzmittler bemühte sich, ru hig zu bleiben. Satwa konnte seine Ner vosität dennoch spüren. Was war hier los? Sollten sie ohne viel Aufsehen »entsorgt« werden? Doch welchen Zusehern galt dann dieses Schauspiel? Außer Darturka, einigen Okrivar und einem einzelnen Ghimelaun ließ sich niemand blicken. Die vier Krieger der Frequenz-Monar chie waren heran. Sie umschlossen sie wie eine Mauer, ließen ihnen kaum Bewe gungsfreiheit. Demeiros verschwand aus Satwas Gesichtsfeld, und als sich die Darturka vorwärts bewegten, musste sie ihnen folgen, ob sie nun wollte oder nicht. Vastrear setzte mehrmals zu einem ge
Michael Marcus Thurner harnischten Protest an. Er schimpfte und fluchte, fluchte und schimpfte. Bis er end lich einsah, mit wem er es zu tun hatte. Mit tumben Kreaturen, deren einziges Lebensziel es war, der Frequenz-Monar chie bis in den Tod zu dienen. Sie verließen den Verladeplatz und wurden in Richtung einen der vielen Gän ge gedrängt, die von hier abzweigten. Der bernsteinfarbene Boden machte einem grüngelblichen Belag Platz. Er wirkte spröde und zeigte vielfältige Spuren der Alterung. Irgendwann waren wohl ein mal Ausbesserungsarbeiten vorgenom men worden. Zeit verging. Bhustrin hatte Mühe, mit dem Tempo der Darturka mitzuhalten. Je weiter sie in die Tiefen der Station vor drangen, desto düsterer präsentierte sich diese. Kaum ein Licht brannte. An den Wänden zeigten sich Fäulnisspuren. Die ser Teil JERGALLS wirkte herunterge wirtschaftet. So als hätten ihn unzählige Vao-Regimenter der Darturka im Laufe der Zeit für Trainingszwecke genutzt. Satwa beobachtete Vastrear. Der Fre quenzfolger mühte sich immer wieder mit seinem Controller ab, als wollte er Gewalt über die Steuerung des Handelssterns ge winnen. Doch er scheiterte, so oft er es auch versuchte. Demeiro besaß sicherlich ein ähnliches Gerät, das für den hiesi gen Stationsrechner prioritätsgeschaltet war. Der Weg machte einen Knick. Waren die Darturka darauf aus, sie zu verwirren, sie in diesem Labyrinth ihrer Orientie rung zu berauben? Satwa stellte erstaunt fest, dass sie kei nerlei Angst hatte. Gelassen sah sie dem Ende ihrer Reise entgegen. Es wurde Zeit, dass sie irgendwohin gelangten! Sie wa ren mithilfe des Polyport-Systems durch mehrere Galaxien spaziert, im wahrsten Sinne des Wortes, und hatten dabei ein beunruhigendes Bild vom derzeitigen Zu stand der Frequenz-Monarchie erhalten. Vastrears Wunsch, sich einer höheren Instanz mitzuteilen und vor drohenden Gefahren zu warnen, würde wohl nicht Wirklichkeit werden. Es gab gewiss an
Vastrears Odyssee dere, die diese Aufgabe übernehmen und die Frequenz-Monarchie auf das Kom mende vorbereiten würden. Die Fre quenz-Monarchie hatte in ferner wie na her Vergangenheit Rückschläge erlitten – und hatte es dennoch geschafft, den Zei tenlauf zu überdauern. Um stärker als jemals zuvor zurückzukehren. »Da hinein, Herr!«, sagte einer der Darturka mit respektvollem Unterton. Er gab ihnen den Weg frei und deutete auf ein breites großes Tor. Es war beschädigt; mehrere kunstvolle Rahmenarbeiten wa ren von ungelenker Hand übermalt wor den. Es öffnete sich einen Spaltbreit. Ge rade so weit, dass sie sich hintereinander durchquetschen konnten. Vastrear blickte Satwa an. Er fürchtete sich davor, den ersten Schritt zu tun. Er brauchte jemanden, der ihm Mut zu sprach. Was für ein Jammerlappen!, sagte sie sich und wurde von S’Karbunc in ihrer Meinung bestätigt. Der Frequenzfolger war nicht mehr je ner Mann, den sie verehrt und dem sie bedingungslos gefolgt war. Vor ihr stand eine armselige Gestalt, die kaum mehr in der Lage war, ihre Situation verstandes mäßig zu begreifen. Bhustrin folgte dem angeborenen Be schützerinstinkt und drängte sich an sei nem Herrn vorbei. Er würde den Tod als unabänderliche Tatsache akzeptieren und im Bewusstsein sterben, Vastrear bis zum letzten Augenblick seines Lebens gedient zu haben. Und sie? Dachte sie ebenso? Nein. Vastrear folgte der Kriegsordonnanz. Seine Hand ruhte auf dem Griff des Vi bratormessers. Sie zitterte. Der Raum war riesig und leer. Ein ein zelner Spot konzentrierte sein Licht auf einen Fleck in ungefährer Mitte der Halle. Die Einladung war unübersehbar. Sie gingen auf das Licht zu. Jeder Schritt kostete Überwindung. Sie blieben stumm; es gab nichts mehr zu sagen. Der Lichtkegel war erreicht; Vastrear hieß sie zu warten. Er betrat den scharf
53 umrissenen Kreis, kniff die Augen zusam men und drehte sich um, auf der Suche nach ihrem ... Gastgeber. Und er erschien. Mit einer Wucht, die Satwa in die Knie zwang und sie wün schen ließ, diesen Raum niemals betreten zu haben. 12. Vastrear: Eine angeregte Unterhaltung Er. Stülpte sich über ihn, durchdrang ihn, ließ ihn an sich teilhaben. Erzeugte den dringenden Wunsch, zurückzukriechen in diesen in sich geschlossenen Raum aus Bewusstseinen, aus Vamu. Er ließ ein schwermütiges Gelächter in Vastrears Kopf anklingen. Es brachte Hoffnung, Zuversicht, Ärger, Gleichmut, ein klein wenig Angst und eine gehörige Portion Unzufriedenheit zum Ausdruck. Vastrear fiel auf die Knie und beugte sich der mentalen Wucht VATROX DAAGS, des Dritten Triumvirs und Bru der VATROX-CUURS. »Frequenzfolger Vastrear, du hast mich gesucht und gefunden. Was möchtest du mir mitteilen?« Ihm fehlten die Worte. Da waren bloß unzusammenhängende Gedankenfetzen, die keinen Sinn ergaben. »Lass dir Zeit – aber nicht zu viel. Auch andere Dinge beanspruchen meine Auf merksamkeit.« Wie konnte er dem Dritten Triumvir, diesem allumfassenden und allgegenwär tigen Geschöpf, einen Haufen trivialer Eindrücke begreiflich machen? Gewiss verteilte sich VATROX-DAAGS Auf merksamkeitsbreite auf mehrere Ebenen in Raum und Zeit. Vielleicht hörte er hier zu, traf in der Zukunft Entscheidungen und griff zugleich auf Geschehnisse in der Vergangenheit zurück – und dies alles mit einer Selbstverständlichkeit, mit der Vastrear Atem schöpfte? »Ich ahne, was du mir mitteilen möch test«, erklang der Duumvir zur gleichen Zeit in Gedanken und Ohren Vastrears.
54 »Es ehrt dich, dass du die Reise auf dich genommen hast, um mich zu warnen. An dernfalls hätte ich dich und deine Beglei ter niemals wahrgenommen.« Vastrear meinte, VATROX-DAAG in sich zu fühlen. Er verhielt sich wie ein gut gelaunter Spaziergänger, der ein Ge dächtniskämmerchen nach dem anderen betrat, ein wenig Staub beiseitewischte und Bauklötze, die über die Räume ver teilt waren, aufsammelte, um die darauf geschriebenen Buchstaben zu Worten zu sammenzusetzen. Der Duumvir half ihm, wie man einem wiedergeborenen Vatrox half, seine Erinnerungen wiederzufinden. »Ich sehe. Du hast Zweifel. Bist dir dei ner Schuld bewusst. Möchtest dich reha bilitieren und mir die während deiner Irrfahrt gewonnenen Erkenntnisse mit teilen.« Die freundliche Grundstimmung, mit der sich VATROX-DAAG ihm bislang mitgeteilt hatte, verflüchtigte sich. Die Gedankenstimme war nun nüchtern. »Wir durchlaufen in der Tat schwere und ernste Zeiten, Frequenzfolger. Ich bin mit dem wahren Feind zusammengetrof fen. In einer direkten Konfrontation. Es gab kein Ausweichen, kein Vorwärts oder Zurück. VATROX-VAMU befindet sich in unmittelbarer Nähe. In einem vorgelager ten Kugelhaufen Anthurestas, der für meine Sinne erst vor Kurzem sichtbar und erreichbar wurde.« VATROX-VAMU! Jener Gegner, den die Frequenz-Monarchie seit mehr als zehn Millionen Jahren fürchtete! Eine Trauerwolke ging von VAROX DAAG aus. Sie war so gewichtig und schmerzend, dass es Vastrear Drüsen sekret in die Augenwinkel drückte. »Ich stehe allein gegen den wahren Feind. Ich habe VATROX-CUUR verlo ren. Der Zweite Triumvir ist erloschen. Verschwunden, durch eine Wahnsinnstat minderer Feinde aus dem kollektiven Be wusstsein der Vatrox getilgt.« Vastrear fühlte sich zu Boden gedrückt. Der Schmerz war groß, so groß, dass er die Grenzen des Universums zu sprengen
Michael Marcus Thurner drohte. VATROX-CUUR war nicht mehr. Ein Wesen, mit dem die Vatrox eins wa ren, war nicht mehr. Die Intensität in der Stimme VATROX DAAGS nahm weiter zu. »Sechs von acht Hibernationswelten wurden entdeckt. Angegriffen. Gingen verloren – oder wur den gar vernichtet. Das Vamu von mehr als einer Milliarde Vatrox ist mir entzo gen. Ich kann nicht mehr darauf zurück greifen.« Eine Woge Selbstmitleid und Wehmut schwappte über Vastrear hinweg. Er fühl te sich noch tiefer zu Boden gepresst. Er meinte, jegliche Mehrdimensionalität zu verlieren und bloß noch aus Flecken, Bil dern und träge dahinfließenden Gedan kenströmen zu bestehen. VATROX DAAGS Last ruhte auf ihm. Er war ein Mülleimer, in dem der Duumvir einen Teil seines Ballasts ablud. »Zwei Hibernationswelten sind uns in Anthuresta als Refugium und für Wieder geburten geblieben. Der Gegner erobert indes in Hathorjan einen Polyport-Hof nach dem anderen. Er greift nach Dik tyon, sondiert die Situation in anderen Sterneninseln unseres ... meines Einfluss bereiches.« Pause. Die Last auf Vastrears Körper und Geist ließ nach. Rote und weiße Pünktchen tanzten vor seinen Augen. Hastig schnappte er nach Luft, bevor sich die schiere Allgewalt VATROX-DAAGS neuerlich über ihn legte. Der Dritte Triumvir tastete nach seinen Erinnerungen. Er saugte Informationen ab. All jene Eindrücke, die er im Laufe seiner Flucht gesammelt hatte und die ihm helfen sollten, die Achtung der An führer der Frequenz-Monarchie zurück zugewinnen. Mit spielerischer Leichtig keit nahm VATROX-DAAG all diese Gedankensplitter an sich, um sie weiter zu verarbeiten und zu beurteilen. »VATROX-VAMU hat sich zurückge zogen«, fuhr das Geisteswesen fort, als wäre nichts geschehen. »Der wahre Feind hockt in einem Versteck und brütet über neuen Plänen, um mich, um uns, um die Frequenz-Monarchie zu vernichten. Die
Vastrears Odyssee Raumeinheiten seiner Hilfstruppen, der Jaranoc, sind unterwegs. Sie schüren Un ruhen in Anthuresta. Wo immer deren Kegelstumpf-Schlachtschiffe auftauchen, schlagen sie unerbittlich zu. – Die Fre quenz-Monarchie muss sich so rasch wie möglich erholen. Unser Augenmerk wird in nächster Zukunft auf der Absicherung der Polyport-Höfe liegen. Nur über ein gesichertes und gut geschütztes Trans portsystem wird es uns gelingen, unsere Gegner zurückzudrängen – und den wah ren Feind zu schlagen.« VATROX-DAAG projizierte Zuver sicht. Durfte Vastrear hoffen? Galten die positiven Impulse ihm? Immerhin war er Herr über einen Han delsstern gewesen. Er beherrschte den C-Controller meisterhaft, und er wusste besser über das Polyport-System Be scheid als die meisten anderen Vatrox. Durfte er etwa neue Verantwortung über nehmen und den Schutz des Netzes ge währleisten? War er rehabilitiert, aner kannte VATROX-DAAG seinen Willen, den begangenen Fehler wiedergutzuma chen? Er vernahm schallendes Gelächter. Es ließ ihn stolpern und zu Boden fallen. Der Heiterkeitsausbruch war so gewaltig, dass jede Nervenfaser in seinem Körper zu schmerzen begann. »Du erwartest, dass ich dir vergebe? Einfach so?! Es muss einmal gesagt wer den, Vastrear: Du bist ein wahrer Trot tel!«
55 erkannte seine Zweifel, seine Paranoia, Hoffnungen und Ängste. »Du hast versagt«, fuhr der Dritte Tri umvir fort, »so wie fast alle Angehörigen der Frequenz-Monarchie. Verabschiede dich von dem Gedanken, jemals wieder in führender Position tätig sein zu dürfen. Du bist von nun an ein Nichts. Ein Nie mand.« Vastrear reagierte mit einem inneren Aufschrei, der den Triumvir irritierte. Aber er wischte die Panikgedanken des Frequenzfolgers mit einem Anflug von Ärger beiseite. Vastrear war leer, weder zu geistigen noch zu körperlichen Re gungen fähig. Stumm musste er sich an hören, was VATROX-DAAG weiter zu sagen hatte. »Deine Inkompetenz ist bemerkens wert. Du bist ein ums andere Mal geschei tert, wenn es darum ging, dir Gehör zu verschaffen. Du, der Träger eines C-Con trollers! Es gelang dir nicht, andere Fre quenzfolger von deinen Argumenten oder deiner eingebildeten Autorität zu über zeugen. Was soll ich mit einem vorgeblich treuen Diener der Frequenz-Monarchie anfangen, der es nicht einmal schafft, ein fachste Aufgaben zu erledigen, und der stattdessen Chaos und Unordnung aus löst?«
Die Welt des
13. Satwa: Paukenschlag Sie empfand und hörte die Worte VATROX-DAAGS – und konnte keiner lei räumliche Zuordnung treffen. Wo war der Duumvir? Befand er sich in dieser schmuddeligen Halle oder sandte er Botschaften quer durch Raum und Zeit? Auch Vastrears Gedanken ließen sich spüren. Satwa war dem Frequenzfolger niemals zuvor derart nahe gewesen. Sie
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Michael Marcus Thurner
Satwa sah eine Bewegung zu ihrer Rechten. Bhustrin trat ins Scheinwerfer licht, wohl einmal mehr von dem Wunsch getrieben, seinen Herrn zu schützen. Selbst in der Gewissheit, nichts gegen den Dritten Triumvir ausrichten zu können, stellte er sich vor den Frequenzfolger. »Du irrst, VATROX-DAAG!«, rief er mit sich überschlagender Stimme. »Vastrear ist keinesfalls für all das Un glück verantwortlich, dem wir begegne ten. Er hatte mit widrigen Umständen zu kämpfen – und mit einem Verräter in den eigenen Reihen.« Er richtete einen seiner Arme anklagend auf ... sie. »Diese da wollte ihn töten lassen!« Dieses miese kleine Arschloch!, dachte Satwa wütend und musste hilflos mit an sehen, wie die Kriegsordonnanz ein Holo in den Raum blendete. Ein Holo, das alle Beweise lieferte. * Eine Reihe von Bildern zeigten in ra scher Abfolge, wie sich Satwa auf Hiber nation-3 mehreren Darturka näherte. Wie sie mithilfe ihres Seelenpartners S’Kar bunc Kontakt aufnahm. Die Krieger be rührte, sie abschätzte und taxierte – und einige von ihnen auswählte. Die Blicke der Darturka wurden stumpf. Sie standen ruhig da und lauschten, während Satwa ihnen mit ruhiger Stimme Anweisungen erteilte. Blende. Sie sprach mit Vastrear und teilte ihm mit, dass er einen Termin in der Zentralen Adjutanz hätte. Blende. Satwa saß an einem Terminal und diri gierte ihre Attentäter über Funk. Blende. Satwa, wie sie mittels weiterer Mani pulationen ein Vao-Regiment just in dem Moment über den Platz vor der Adjutanz exerzieren ließ, als Vastrear das Gebäude verließ. Blende. Der Befehl an die Darturka. Sie lösen sich aus ihrer Gruppe. Greifen an.
Blende. Blende. Blende ... Insgeheim musste Satwa zugeben, dass Bhustrin ausgezeichnete Arbeit geleistet hatte. Die Beweiskette war in sich schlüs sig. Nur eines fehlte: das Motiv. »Warum sollte ich so etwas tun?«, fragte sie und fühlte im selben Moment das In teresse VATROX-DAAGS. Der Dritte Tri umvir wirkte amüsiert. »Sag du es uns, Verräterin!«, schrie Bhustrin. »Du wolltest dich nach deinem Versagen in FATICO gut mit unserem Herrn stellen. Wolltest nicht, dass er dich zur Verantwortung zieht – und dass er so rasch wie möglich von Hibernation-3 flüchtet. Du hattest Angst um deine jäm merliche Existenz und hast dein Überle ben vor das Wohl der Frequenz-Monar chie gestellt.« »Dann wäre ich wohl nicht die Einzige gewesen ...« »Was willst du damit andeuten?« Bhus trin stellte sich breitbeinig vor sie hin. Er geiferte vor Zorn. »Dass ich über Beweise verfüge, die deine Schuld am zweiten Attentat auf Vastrear belegen.« Satwa aktivierte die sorgfältig vorbe reitete Datei. Die im Schutzanzug veran kerte Recheneinheit ließ die Bilder auf leuchten. Bhustrin in einem Zentrial, in Gesell schaft mehrerer frisch wiedergeborener Vatrox, die ihn irritiert anstarrten. Bhustrin, wie er auf sie einredete und ihnen Getränke verabreichte. Bhustrin, der mit verzerrt klingender Stimme Anweisungen erteilte, die die Vastrear auf einen Reizimpuls hin agieren lassen würden. Bhustrin, wie er den vorgeblichen Be fehl Kumosons verfasste, in dem Vastrear zu Violett-Drei gerufen wurde. Bhustrin, der sich lautstark räusperte und somit seine Attentäter aktivierte. »Wie du siehst«, sagte Satwa so gelas sen wie möglich, »hegten wir beide ähn liche Gedanken.« Sie schwiegen sich an, während
Vastrears Odyssee S’Karbunc so etwas wie Wohlgefallen ausdrückte. Der Seelenpartner zeigte sich damit einverstanden, dass Satwa in die sem Augenblick ihren Trumpf ausspielte. Was auch immer nun mit ihnen geschah – die Kriegsordonnanz war mit seinem Plan gescheitert, sie reinzulegen. Satwa fühlte Vastrears Blicke schwer auf sich lasten. Der Frequenzfolger über legte wohl gerade, wie er ihren Tod ge stalten und wie lange er dauern würde. Schallendes mentales Gelächter. So stark, so intensiv, dass sie meinte, ihre Schädeldecke würde platzen. »Was für eine gelungene Scharade!«, hörte sie den Dritten Triumvir nach einer Weile sagen. »Diese gespielte Empörung! All die gefälschten Beweise. Die vielen, vielen Details in der vorgeblichen Pla nung, geschickt in Szene gesetzt. Großar tig!« Vastrear tastete mit fahrigen Fingern über sein Pigasoshaar. »Ich verstehe nicht, was ...« »Womit wir bei deinem Problem sind, Frequenzfolger! Du verstehst viel zu sel ten, was rings um dich vorgeht. Weil du
57 zu sehr auf deine eigenen Schwierigkeiten fokussiert bist und es versäumst, andere Perspektiven anzuerkennen. Leider er zeugt das Wissen um ein immer wieder kehrendes Leben eine Ignoranz in den Vatrox, die ein ungesundes Ausmaß an nimmt. Und genau das beabsichtige ich zu ändern. So rasch wie möglich.« VATROX-DAAG zog den Fokus seiner Aufmerksamkeit von Vastrear ab. »Ihr, Bhustrin und Satwa, habt die Be weise manipuliert«, fuhr der Dritte Tri umvir fort. »Tatsächlich habt ihr das je weils andere Attentat verüben lassen. Um im geeigneten Moment Vastrear eure klei nen Filmchen vorzulegen und den Gegen spieler zu diskreditieren. Stimmt’s?« Der Druck baute sich explosionsartig auf. Er erfasste Satwas Kopf und machte, dass sie gar nicht anders konnte, als die Wahrheit zu sagen. »Ja«, flüsterte sie. Und nochmals: »Ja.« Sie hatten sich gegenseitig belauert. Schattenboxen betrieben. Dokumente gefälscht und möglichst stichhaltige Be weise für den Verrat des jeweils anderen
58 herbeigezaubert. Um ihn anzuschwärzen und selbst als verlässlicher Lebensretter dazustehen. Um sich weiterhin die Gunst Vastrears zu sichern. Um zu überleben. VATROX-DAAG verstärkte seinen Einfluss. Bitte, mach, dass es aufhört!, jammerte S’Karbunc. Ich sterbe, ich verliere mich sonst ... So abrupt, wie er gekommen war, en dete der Schmerz auch wieder. Warme Flüssigkeit drang aus Satwas Ohren, die Zähne klapperten laut aufeinander. »Ihr gefallt mir«, verkündete VATROX DAAG zu ihrer grenzenlosen Überra schung. »Ihr zeigt Phantasie und kämpft mit allem, was ihr habt, um eure Chan cen. Ihr biegt die Vorschriften der Fre quenz-Monarchie, bewegt euch dabei aber immer innerhalb eines gewissen Rahmens.« »Sie haben mich verraten!«, ließ sich Vastrear vernehmen. »Jemanden, der auf allen Linien ver sagt hat.« VATROX-DAAGS Gedanken stimme bekam einen kalten Unterton. »Satwa und Bhustrin werden von nun an deine Agenden übernehmen, Frequenzfol ger. Sie geben ein gutes Team ab und wer den frischen Wind in die Operationen der Frequenz-Monarchie in Anthuresta brin gen. Du, Vastrear, darfst nominell deinen Rang behalten. Um den Schein zu wah ren. Doch du bist nicht länger weisungs befugt.« Wie bitte? Vastrear war degradiert, und Satwa sollte mit Bhustrin zusammenar beiten? Mit diesem speichelleckerischen Geschöpf, das sie hasste? VATROX-DAAG sandte ihr einen gut gezielten Schmerzimpuls. Satwa musste ihr Haupt beugen. Widerworte waren nicht erlaubt. Sie musste die Anweisungen VATROX DAAGS ausführen. Sie und die Kriegsor donnanz waren einander auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Und sie waren aller Pflichten gegen über Vastrear befreit. Satwa fühlte sich erleichtert und frei wie niemals zuvor. Hatte VATROX-DAAG
Michael Marcus Thurner sie imprägniert, sodass Vastrear ihr nichts mehr antun konnte? »Wie lautet unser Auftrag?«, fragte sie ins Leere, nachdem sie ihre Stimme wie dergefunden hatte. Sie benötigte Ruhe, um die Geschehnisse der letzten Tage aufzuarbeiten und zu begreifen, was hier und in diesem Augenblick geschehen war. Doch wie es aussah, wollte ihr der Dritte Triumvir keine Gelegenheit dazu geben. »Ich habe erfahren, dass eine bestimm te Person der Andromeda-Allianz über einen besonderen Controller verfügt. Das Gerät ist gefährlich; selbst für mich. Es steht zu befürchten, dass diese Person über kurz oder lang in Anthuresta auftau chen wird – oder bereits eingetroffen ist. Ihr werdet diesen Feind suchen. Ihn ver folgen. Ich melde mich beizeiten und liefere euch weitere Informationen ...« Die Gedankenstimme VATROX DAAGS wurde schwächer. Sie verwehte. Satwa fühlte unbestimmte Traurig keit – und Sehnsucht danach, Zeit mit dem Dritten Triumvir zu verbringen. In ihm. Sie hatte kaum Gelegenheit, zu sich zu kommen und sich mit ihrer neuen Situa tion zu arrangieren. Fronten zwischen Vastrear, Bhustrin und ihr gehörten abge klärt, Kompetenzen besprochen ... Schon öffnete sich das Hallentor. Dar turka stapften ins Innere, angeführt von Demeiro. Vastrear drängte sich vor. »Frequenzmittler, ich ...« »Schweig! Wir haben uns nichts zu sa gen!« Demeiro starrte an Vastrear vorbei ins Leere. »Wag es ja nicht, noch einmal das Wort an mich zu richten.« Er deutete einem Okrivar, näher zu kommen. »Erledige deine Arbeit.« Der Techniker trat, ohne viel Respekt zu zeigen, an Vastrear heran. Zu Satwas Erstaunen nahm er eine Gewebeprobe vom Arm und eilte davon, als wären böse Geister hinter ihm her. Der Frequenzfolger, eben noch zer knirscht und völlig verunsichert, gab sich erfreut. Hoffte er, dass in Anthuresta neue
Vastrears Odyssee
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Klonkörper von ihm angefertigt würden und dass er seine Reise durch die Zeit mithilfe weiterer Wiedergeburten fortsetzen durfte? »Ich werde wieder leben! Ihr aber werdet irgendwann einmal sterben, ohne Aussicht auf eine neue Zukunft«, sagte er mit hasserfüllter Stimme zu Satwa. Satwa sah ihn an und schüttelte den Kopf.
Sie empfand so etwas wie Mitleid für
dieses armselige Wesen.
»Du hast nichts gelernt, Vastrear. Gar
nichts. Deine Reise war umsonst.«
Demeiro führte sie ohne weiteren Kom mentar zu einem raumtemporalen Saugtunnel. Sie wurden aufgenommen und verschwanden, glitten einer ungewissen Zukunft im Dienst VATROX-DAAGS entgegen.
ENDE
Vastrears Odyssee spiegelt die Situation der Frequenz-Monarchie wider, die sich in einer tiefen Krise befindet. Wo eine Krise um sich greift, erwachsen jedoch auch Chancen, die ein tapferer Vatrox nutzen kann. Einer dieser Vatrox ist der den Galaktikern nur allzu bekannte Frequenzfolger Sinnafoch, der genau wie Perry Rhodan nach Anthuresta verschlagen wurde. Mehr über die dortige Entwicklung verrät Frank Borsch im Roman der kom menden Woche, der als Band 2566 unter folgendem Titel überall im Zeitschrif tenhandel erscheint: OASE DER WISSENDEN
PERRY RHODAN – Erbe des Universums – erscheint wöchentlich in der Pabel-Moewig Verlag GmbH, 76437 Rastatt. Internet:
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Kommentar
Geheimnisvolles Talanis (II) Der Name Ammandul war längst schon kein Begriff mehr, als ES seine Verrichtungen wieder aufnahm. Lemur, ehemals der Asylplanet, wurde zum Zentrum eines riesigen Sternenreiches, das man Tamanium nannte. Die fernen Nachfahren von Gun und Ruu nannten sich Lemurer. Ein gewaltiger Krieg, der die zehn Planeten der gelben Sonne auf neun reduzierte, verstreute sie in alle Winde, bis in die Nachbargalaxis Andromeda. In der Heimatgalaxis gingen aus lemu rischen Splittergruppen die Akonen hervor, aus die sen wiederum die Arkoniden, Eroberer einer späteren Epoche. (PR 2000) Die vergessene Insel der Schmetterlinge, Talanis, wurde zum Keimträger einer neuen Menschheit, be vor sie, Atlantis genannt, im Ozean versank. (...) Die Schmetterlinge flogen wieder, und eines Tages wür den sie aufsteigen, dem blauen Himmel entgegen. ES sah sie größer und größer werden, sich verpuppen, und den Kokons entschlüpften mächtige Kugelraum schiffe. (PR 2048) Lange Zeit war nichts mehr von Talanis zu hören – bis im Stardust-System erstmals die Nebelkuppeln auf den Planeten Zyx, Aveda, Trondgarden und Katarakt beobachtet wurden und erste Stardust-Terraner in sie vordrangen, eine Insel unter strahlendem Son nenschein erreichten, Schmetterlinge beobachteten und merkwürdige Dilatationseffekte erlebten. Bald kam die Umschreibung »unsichtbare Insel im Nebeldom« auf, weil sie im Normalfall weder zu se hen noch anzumessen war. Weil sie in Größe und Form der Insel der Schmetterlinge von Talan/Terra entsprach, war ebenso bald auch die Bezeichnung Talanis im Umlauf. Mit der Ankunft von Rhodan & Co. am 17. Januar 1463 NGZ wurde von der Raumortung das – seither dauerhafte – Erscheinen von Nebelkuppeln gemel det: auf Zyx südwestlich von Avanya, auf Aveda süd lich von Nadok, auf Trondgarden zwischen Estanimo und Endyl und auf Katarakt westlich von Hemontar. Alle vier Gebilde erreichen jeweils einen Durchmes ser von etwa 2650 Kilometern Durchmesser und eine Zenithöhe von rund 100 Kilometern. Verbunden damit war in der Halle der 1000 Aufgaben das bläuliche Aufleuchten einer neben der Darstel lung von Talanis/Atlantis befindlichen Kartusche, die ihr Aussehen leicht verändert hatte. Zunächst gab es nur vier als Eckpunkte eines Quadrats angeordnete Kreise; diese waren nach der Änderung durch diago nale gestrichelte Linien verbunden, während im
Zentrum als weitere Darstellung der von einem ge strichelten Kreis umgebene Grundriss von Talanis/ Atlantis hinzugekommen war – sowie die mental wahrnehmbare Botschaft erklang: »Die Tore der Vier Himmel wurden geöffnet!« Bekannt ist inzwischen, dass die riesigen Nebelkup peln »dimensionale Verwerfungen« oder »Bruchzo nen von Raum und Zeit« verbergen, an deren Gren zen beachtliche hyperphysikalische Kräfte wirksam sind. Hinzu kommt, dass sie untereinander »Direkt verbindungen«, wenn nicht sogar »Überlappungen« aufweisen. Bei der Insel handelt es sich um eine Landmasse, die in einer Hyperraumnische, einer anderen Existenz ebene oder was auch immer genau eingebettet ist und Teil aller vier bewohnbaren Planeten im Star dust-System werden kann beziehungsweise im Ex trem sogar scheinbar viermal existiert – verbunden durch die »Tore/den Palast der Vier Himmel«. Und genau wie die frühere Insel der Schmetterlinge auf Terra/Talan hat auch die Unsichtbare Insel im Stardust-System einen besonderen Bezug zur Su perintelligenz ES, ist zweifellos ein wichtiger Be standteil des Zweiten Galaktischen Rätsels und ge stattet überdies, wie Rhodan erfahren hat, einen direkten Sprung zur Kunstwelt Wanderer. Unklar ist, was es genau mit diesem Gebilde auf sich hat. Handelt es sich »nur« um eine von ES geschaf fene Kopie? Ist es ein Teil von Wanderer, der quasi zu den Planeten im Stardust-System »ausgestülpt« werden kann? Oder ist es gar das echte Atlantis/ Talanis? Denn dass dergleichen ES möglich ist, wur de wiederholt auf Wanderer erlebt und von ES wie folgt erklärt: Der gleiche Gegenstand kann tausend fach existieren, wenn man ihn in jeweils andere Zeit ebenen versetzt. Jene Inseln dort – es sind in der Tat Inseln von der Erde. Aber sie existieren nicht jetzt und in diesem Augenblick auf der Erde, sondern vor Jahr millionen. Das wirst du, alter Freund, feststellen kön nen, wenn du sie betrittst. Die Vegetation ist nicht die der Gegenwart, sondern die der ältesten Vergangen heit. (PR 32) Damit nicht genug: Auch auf der Erde kam es bereits im Januar 1463 NGZ zu einem vergleichbaren Phä nomen in Form einer Nebelkuppel (PR 2513) – das nun als der Fünfte Himmel, das Tor nach Terra, um schrieben wurde (PR 2561). Rainer Castor
Leserkontaktseite Vorwort Liebe Perry Rhodan-Freunde, als die Terraner einst auf dem Weg nach Andromeda die Hohlwelt Horror entdeckten und durchkämmten, ging ein Raunen und Staunen durch die Reihen der Leser. Das Innere dieses Planeten war in unterschiedliche Schalen geteilt, mit einem großen Hohlraum im Zentrum. Auf den Gesteinsschalen lebten unterschiedliche Völker. Ähnliches Staunen gab es beim Rätsel der Unsterblichkeit des Alten von Wanderer zu Beginn der Serie, dem Planetarium der Oldtimer im Singenden Berg auf Impos, beim Schwarm, bei den Sieben Mächtigen ... Hunderte von Beispielen aus den einzelnen Zyklen ließen sich anführen. Das Verblüffende: Damals hatte der Begriff »Sense of Wonder« noch gar nicht Einzug in unseren Sprachgebrauch gefunden. Heutzutage hingegen wird bei jedem Roman und jedem Setting sofort die Gretchenfrage nach dem »Sense of Wonder« gestellt. Die DysonSphäre mit den 20.000 eingelagerten Scheibenwelten ist allenfalls »interessant«, wenn man der einen oder an deren Äußerung im Leserforum auf der PERR YRHODN-Homepage folgt. Es ist gut, dass es dort diskutiert wird. Interessieren wird es alle Leser, deshalb dieses ausführliche Vorwort dazu. Vor allem das persönliche emotionale Erleben des Lesers macht den »Sense of Wonder« aus, das Staunen über die Unendlichkeit, die Großartigkeit, die Geheimnisse hinter den Dingen. »Sense of Wonder« ist also eine ausge sprochen individuelle Erfahrung. Entsprechend versteht jeder Leser etwas anderes darunter, und entsprechend fällt auch das Feedback aus. Es ist meiner Ansicht nach nicht sinnvoll, alle diese individuellen Erfahrungen in ein Schema namens »Sense of Wonder« pressen zu wollen, in eine allgemeingültige literarische oder schriftstellerische Regel. Die gibt es nicht. Wie seht ihr das? Den LKS-Onkel gibt es jetzt übrigens auch bei: http://twitter.com/Ellmermail. Zum Abschluss der LKS noch ein paar historische Daten zur aktuellen Kalenderwoche: Am 18. Oktober 1980 erschien Band 1000 der Erstauflage von PERRY RHODAN. Am 20. Oktober 1967 war die Premiere des PR-Films »SOS aus dem Weltall«. Frisch aus der Mailbox Michel Wuethrich,
[email protected] Wie jeden Samstag nahm ich am frühen Morgen meine Pilgerreise zum Bahnhofskiosk auf, ergatterte ohne Gegenwehr der Kioskfrau den neusten PERRY RHODAN-Roman – sie war sehr empfänglich und auch sehr dankbar für das hingehaltene Geld – und pflanzte mich ins gegenüberliegende Kaffee, das an diesem prächtigen Tag direkt zum Verweilen einlud. Die Sonne zeigte sich von ihrer sommerlichsten Seite, Menschen begegneten und verabschiedeten sich am Bahnsteig, und ich war mitten drin in diesem Chaos, in meiner eigenen Welt voller Science und Fiction. Nebst Kaffee trinken und Croissants essen, kamen
während dem Lesen auch Sweets von Dannemann zum Zuge, die ich mir aber nur an einem freien Tag gönne, da ich sonst aus den Schuhen kippe, wenn ich so früh rauche. Auf diese Weise verweilte ich über eine Stunde an diesem Ort und wurde von deinen Worten in den aktuellen Roman getragen. Die Welt um mich verblasste. Essen, Trinken und Rauchen wurden beim Lesen zu Automatismen. Mir hat der Sinn danach gestanden, die Seele baumeln zu lassen und einen gemütlichen Wochenendstart hinzulegen. Ich bekam mehr geboten als erwartet. Welch eine Freude! Du teilst dieses Erlebnis mit unendlich vielen Lesern auf Terra, den Nachbarplaneten, der Westside der Milch
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ja so etwas wie telepathische Verständigung zwischen den beiden möglich. Vielleicht kann Kantiran auch das eine oder andere Geheimnis um Ramoz lüften, sofern Ramoz das zulässt. Wo kommt Ramoz her? Wie intelligent ist er? Odan,
[email protected] Möglichkeiten, z. B. wie Kantiran Perry und Mondra über Eigentlich habe ich immer gedacht, Perry sei nur was den Weg laufen kann, sollte es geben. Vielleicht haben für Freaks und irgendwie keine »richtige« SF. Zu eurem die Friedensfahrer das Polyport-Netz bereits früher ge Glück verkauft Pabel-Moewig die E-Books DRM-frei, kannt, es aber nur im Geheimen genutzt, um keine und Band 2500 gab es sogar gratis.
kriegerischen Völker darauf aufmerksam zu machen. Nach knapp vier Monaten Überlegen dachte ich mir,
komm, lad dir den 2500er Band mal runter und lies.
Vielleicht liegt es ja in der Absicht der Exposé-Factory, Was dann passiert ist, könnt ihr euch denken. Ruck, Kantiran und Ramoz derzeit noch nicht zusammentref zuck habe ich die nächsten »Hefte« gekauft und gestern fen zu lassen. Eine Lösungsmöglichkeit wäre eventuell mein zweites Zehner-Pack, die Bände 2520 bis 2529. folgende: Uwe ein paar Flaschen Wein einflößen und Ich hätte nicht gedacht, dass mich Perry so fesselt.
dann die Antwort aus ihm herauskitzeln. Eines kann ich Was mache ich nur, wenn ich beim aktuellen Band an verraten. Es funktioniert nur bei Rotwein ab 100 Euro gelangt bin? Perry nur noch einmal die Woche?
die Flasche. Zum Glück gibt es Band 1 und folgende regelmäßig als Polyport-Netz:Wir haben im vergangenen Zyklus so viel E-Book, veröffentlicht bei »Beam«. Ich habe Nachhol über die Vergangenheit der Friedensfahrer erfahren, da bedarf. Die Meister der Insel kommen bei vielen Leser wären die Kenntnisse des Polyport-Netzes nicht unbe kommentaren gut weg. Das weckt in mir den Appetit merkt geblieben. Sie nachträglich aus dem Hut zu zau auf alte Ausgaben.
bern – na, ich weiß nicht ... Macht weiter so.
Dass es irgendwann wieder zu einem Zusammentreffen kommt, davon gehen wir aus. Auch wenn die OREONTun wir. Prima, dass du die ideale Möglichkeit für dich Kapseln bekanntlich nicht überall funktionieren, aber es gefunden hast, die Romane zu lesen. gibt da ja noch ein gewisses Hantelschiff, das durchs Mehrere unserer Lizenzpartner bieten auch PERRY Universum schippert. Die SOL auf großer Fahrt ... RHODAN-Taschenbuchzyklen als E-Books an. Schau mal bei www.perry-rhodan-shop.de rein. Armin Müller,
[email protected] Die Endphase des letzten Halbzyklus hat mir nicht ge Andreas Schindel,
[email protected] fallen, obwohl ich zugeben muss, dass die Handlung Was wurde eigentlich aus Kantiran da Vivo-Rhodan? Ich ziemlich realistisch war. Ein kosmischer Krieg ist ein vermute, dass er immer noch Friedensfahrer ist; und fach nicht besonders schön zu lesen, nach dem Motto: da seine Lebenserwartung als Sohn des Aktivatorträ »Es ist ein schmutziger Job, aber irgendjemand muss gers Perry Rhodan deutlich erhöht sein sollte, müsste ihn halt machen.« Das Ganze wird im weiteren Verlauf er nach wie vor weit weg vom Rentenalter sein. der Handlung sicherlich noch einen Sinn ergeben. Lasst ihn doch einmal zwei bis drei Hefte lang mit Der neue Abschnitt fängt dagegen sehr erfrischend an. Perry und Mondra zusammentreffen. Allein diese Herausheben möchte ich den spannenden und humor Konstellation sollte bereits Stoff für interessante Dis vollen Doppelband von Frank Borsch. Bemerkenswert kussionen zwischen den dreien bieten. Ebenfalls in fand ich auch den Roman »Der Mentalpilot«, weil du teressant wäre, ob sich Kantiran mit Ramoz verstän darin etwas, das ich normalerweise auf den Tod nicht digen könnte. ausstehen kann, nämlich ausgedehnte parareale Hand Ramoz sollte aber bei Mondra bleiben, und Kantiran lungsverläufe, auf eine Art beschreibst, dass ich sie sollte auch nicht versuchen, Ramoz mit seiner Gabe der nicht nur gut nachvollziehen, sondern sogar genießen Instinkttelepathie zu »kontrollieren«. Aber vielleicht ist konnte. Riesenkompliment! straße, der Lokalen Gruppe, dem uns bekannten Uni versum ... Äh, ich schweife wohl ein wenig ab. Aber es macht Spaß und bereitet uns Freude zu sehen, mit wel chem Enthusiasmus du zu Werke gehst.
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Großartig auch das »Spiderman-Zitat« auf dem Cover von Nummer 2558. Nicht nur, weil es cool aussieht, sondern auch, weil es darauf hinweist, dass Alaska Saedelaere ein typischer Marvel-Held sein könnte, wie sie Stan Lee in der Anfangszeit seines Verlags reihen weise erfunden hat; tragische Figuren, die in Verbin dung mit ihren überragenden Fähigkeiten auch immer ein großes physisches oder psychisches Problem mit sich herumschleppen. PERRY RHODAN, »Marvel Comics« und die griechische Tragödie – so viel zum Thema Trivialliteratur ... Das war’s für heute. Ich freue mich auf weitere schöne Hefte. Manchmal nützt es eben doch was, wenn man (etwa als späterer Autor) in der Schule klassische Literatur pauken muss. Griechische Tragödien entsprechen zwar nicht unbedingt unserem heutigen Sprachemp finden, aber das gilt für die Originalfassung von Goe thes »Faust« auch nicht. Ach ja: Weitere schöne Hefte sind in Arbeit. Eckhard Siegert,
[email protected] Kürzlich habe ich etwas Neues erfahren. Perry hat ebenfalls ein fotografisches Gedächtnis. Zitat aus Heft 2554 von Leo Lukas auf Seite 30: »Wenn ich mich nicht irre, wurde Dysons Artikel 1960 alter Zeitrechnung (...) veröffentlicht.« Nach 3090 Jahren kann sich Perry noch an das Jahr eines nebensächlichen Ereignisses erinnern. Alle Ach tung! Ich muss heute schon krampfhaft überlegen, was vor fünf Jahren auf der Tagesordnung stand. Ein gewisser Arndt Ellmer würde in dem Fall sagen, den Fakt hätte Perry in der Datenbank des SERUNS gefun den. Nur, wie viel Wissen braucht ein SERUN? Er weiß sicher viel, aber bestimmt nicht, wer den »Tell« ge schrieben hat. Ansonsten von Leo Lukas zwei schöne Romane, voller Sarkasmus und Ironie, ein Spiegelbild unserer teils heutigen klerikalen Verhältnisse. Für mich sind es die zwei besten Romane seit 2550. Leo Lukas gefällt mir mit seiner Schreibweise. Er darf sein Talent als Kabarettist aber nicht zu stark ausleben. Fein dosiert ist er eine Bereicherung für die Serie. Perry wurde eigentlich immer als sehr höflich und
rücksichtsvoll geschildert.Auch der »private« Perry hat sich nie »gehen« lassen. Eine Ansprache wie »Alter« passt eigentlich nicht zu ihm. Die jetzigen Autoren wol len ihn damit vielleicht für die heutige Generation der Leser gefälliger machen. Nach so vielen Romanen ist es aber schwierig, Perry anders als früher zu schildern. Er muss vom Charakter her glaubwürdig bleiben. In Fällen wie diesem greift das fotografische Gedächt nis des »Dritten Mannes« ein, das des LKS-Onkels nämlich. Und das gibt dir folgende Stichworte, damit du bei www.wikipedia.proc.org recherchieren kannst: Nonggo, Kenteullen-Rad. Das ist noch nicht so lange her, und deshalb ist es keineswegs verwunderlich, wenn Perry die historischen Eckdaten zum Thema Dyson-Sphäre im Kopf hat. Andreas,
[email protected] Die Serie lese ich schon seit Band 800 und war auch schon beim Weltcon 1980 in Mannheim dabei. Alles war super bis circa Band 2000. Viele Meinungen habe ich über den sogenannten Tech nobabbel und Technokraten über mich ergehen lassen. Hallo!? Das ist eine SF-Romanserie und nichts ande res. Leider habe ich seit Band 2500 die Lust am Lesen verloren. Wo sind die Wunder des Universums geblie ben? Mit der Frequenz-Monarchie kann ich nichts anfangen. Ich hätte auch mehr »erinnerte Leben« gewollt. Meine Lieblingsromane waren kurz vor dem Band 2000 – die über die Diener der Materie. Ich habe diese Hefte wieder und wieder gelesen. Saugeil waren auch MATERIA und die »dunkle« Seite mit dem Chaotender ... Space-Opera pur! Meinen ersten Leserbrief habe ich in ATLAN 563 ver öffentlicht. Lang ist’s her. Bitte bringt schnellstens mehr »Wunder des Univer sums« und beantwortet endlich die Dritte Ultimate Frage. Fazit: PERRY RHODAN als der Erbe des Universums hat kein »Downsize« verdient. Nach den gigantischen kosmischen Zyklen muss auch mal wieder Zeit sein zum Luftholen. Die Diskussionen um den »Sense of Wonder« zeigen, dass die Wunder
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des Universums und der Hauch des Kosmischen vor handen sind. Lies mal ins Forum auf unserer PERRY RHODAN-Homepage rein, da wird über solche Themen diskutiert. Mit der Beantwortung der Dritten Ultimaten Frage »erbt« Perry vermutlich das Universum, und die Serie ist zu Ende. Ist das dein sehnlichster Wunsch? Keine wöchentliche Dröhnung mehr? Schlimmer noch: Was wird aus dem deutschen Heftro man am Kiosk, wenn es PERRY RHODAN nicht mehr gibt (ist meines Erachtens mal eine Diskussion wert)? Ungeachtet dessen stoßen wir jetzt in die Abgründe des Universums und der menschlichen Phantasie vor und fangen da ein wenig an zu wühlen ... Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann? Uwe Anton, bestens bekannt als Exposé- und Chefautor von PERRY RHODAN, hat ein Sachbuch über Stephen King geschrieben. Unter dem Titel »Wer fürchtet sich vor Stephen King?« erschien es kürzlich im HannibalVerlag. Uwe Anton hat sich über Jahre hinweg einen hervorra genden Ruf als Genre-Kenner erarbeitet: Zahlreiche Artikel zur Science Fiction, zur Fantasy, zum Horroroder Kriminalroman stammen von ihm. Kein Wunder, dass er sich auch mit dem amerikanischen Bestseller autor Stephen King bestens auskennt. Auf 304 Seiten im Paperback-Format liefert es einen kompetenten Werkführer, der den Zugang zu den be deutendsten Romanen und Kurzgeschichten des Autors
eröffnet. Im Wechsel mit biografischen Kapiteln gibt der Autor kurze Inhaltsanrisse bis hin zum aktuellen Best seller »Die Arena«, die Lust auf die Lektüre machen. Bei den biografischen Kapiteln legt Uwe Anton beson deren Wert auf Anekdoten und gut recherchierte Hin tergrundfakten. »Meine Bücher sind das literarische Äquivalent eines Big Mac mit einer großen Portion Pom mes«, hat Stephen King einmal selbstironisch über sein Werk gesagt – und Uwe Anton geht dem Phänomen King auf den Grund. Das Sachbuch kostet 17,95 Euro und ist mithilfe der ISBN 978-3-85445-318-5 überall im Buchhandel zu beziehen. Selbstverständlich kann man es auch bei Versendern wie amazon.de bestellen.
Zu den Sternen!
Euer Arndt Ellmer • Pabel-Moewig Verlag GmbH • Postfach 2352 • 76413 Rastatt •
[email protected] Impressum Alle abgedruckten Leserzuschriften erscheinen ebenfalls in der E-Book-Ausgabe des Romans. Die Redaktion behält sich das Recht vor, Zuschriften zu kürzen oder nur ausschnittsweise zu übernehmen. E-Mail- und Post-Adressen werden, wenn nicht ausdrücklich vom Leser anders gewünscht, mit dem Brief veröffentlicht.
Glossar
BAGNORAN Der Handelsstern BAGNORAN ist am Rand des Kerns von An thuresta stationiert und wie alle anderen von einer Sonnentar nung umgeben; in diesem Fall handelt es sich um die einer K-Sonne von rund einer Million Kilometern Durchmesser. BAGNORAN erweist sich (ähnlich den ausgebrannten Han delssternen in Andromeda) als vergleichsweise klein – ein grob kugelförmiges Objekt mit einem Durchmesser von 16,5 Kilometern. Ausgehend von dieser Kugel ragen in alle Rich tungen Auswüchse wie Stacheln, Korkenzieherspiralen, dünne Türme oder schlanke Obelisken in scheinbar willkürlicher An ordnung bis zu 117 Kilometer in den Raum. Es ergibt sich also ein maximaler Gesamtdurchmesser von 250,5 Kilometern. JERGALL Der Handelsstern JERGALL umgibt sich mit der Sonnentar nung eines Roten Zwergsterns mit einem Durchmesser von 700.000 Kilometern. Die Größe des eigentlichen Handels sterns entspricht jener von FATICO in Andromeda: Die kuge lige Kernstruktur erreicht einen Durchmesser von rund 1520 Kilometern. Von ihr ragen insgesamt 62 grob kegelförmige Zapfen bzw. Stachel auf, die an der Basis einen Durchmes ser von rund 200 Kilometern haben und bis zu etwa 340 Kilometer hoch sind. Der Gesamtdurchmesser beträgt somit etwa 2200 Kilometer. FATICO Der Handelsstern FATICO befand sich zunächst unweit des Sicatemo-Systems in Andromeda. Es handelte sich um den einzigen funktionstüchtigen Handelsstern in dieser Galaxis, aufgrund der ruhigen Lage war er aber personell nur minimal besetzt. Als sich wegen der Aktivitäten VATROX-VAMUS im Machtbereich der Vatrox die Jagd nach dem PARALOX-AR SENAL zuspitzte, wurden die beiden zurückeroberten Dis tribut-Depots KJALLDAR und HASTAI in der Nähe von FATI CO stationiert; neben den Polyport-Höfen der Hibernations welten sowie dem Distribut-Depot LORRAND in der großen Hades-Dunkelwolke dienten sie der Verteilung jener Trup pen, die die Suche nach den »verlorenen Höfen« in diversen Galaxien vorantrieben. Frequenzfolger Vastrear, der das Kommando über FATICO führte, musste den Handelsstern dem Zugriff der Terraner entziehen, die nach Andromeda vordrangen und sich als erstaunlich mächtig erwiesen. Als deutliches Zeichen der Warnung wurde die Sonne Sicatemo zur Supernova gezün det, was zum Tod der gesamten tefrodischen Bevölkerung und damit letztlich zur Gründung des Bundes von Sicatemo als Widerstandsorganisation gegen die Frequenz-Monarchie führte. Im April 1463 NGZ gelang Perry Rhodan die Erobe rung FATICOS, und Vastrear musste fliehen. Frequenz-Monarchie; Frequenzfolger Frequenzfolger ist eines der einflussreichsten militärischen Ämter der Vatrox-Hierarchie. Ein Frequenzfolger befehligt
mehrere Darturka-Regimenter, die ihm mit bedingungsloser Hingabe gehorchen, und kann auf Schlachtlichter zurück greifen. Ihm zur Seite steht üblicherweise eine Kriegsordon nanz. Frequenzfolger sind der Frequenz-Monarchie gegen über bedingungslos loyal und befolgen jeden Befehl; einer Gefangennahme durch etwaige Gegner haben sich Fre quenzfolger durch Selbstmord zu entziehen, wobei ihr Vamu zu den Hibernationswelten zurückkehrt. Viele Frequenzfolger haben eine besondere Hirnanhangkam mer, den Induktionsdamm. Dieser ermöglicht es dem Fre quenzfolger, mehreren Gedankengängen gleichzeitig zu folgen, wobei der Induktionsdamm unabhängig vom restli chen Gehirn und wie ein Kontracomputer arbeitet: Dadurch ist der Frequenzfolger in der Lage, sich schnell auf verän derte Gegebenheiten einzustellen und alternative Lösungs wege zu finden. Die Eigenschaften des Induktionsdamms können durch eine implantierte Induktivzelle unterstützt werden. Der bewusste Zugriff auf die Induktivzelle ist nur über den Induktionsdamm möglich. Hierbei handelt es sich jedoch um einen für den Frequenzfolger unangenehmen Vorgang. Es ist nicht bekannt, ob alle Frequenzfolger eine Induktivzelle tragen. Kriegsordonnanz Frequenzfolgern und -mittlern dient oft – je nach Bedeutung – eine Kriegsordonnanz, die jedoch nie ein Vatrox ist, son dern einem bisher unbekannten humanoiden Volk angehört: Die Haut ist transparent, wodurch die inneren Organe sicht bar sind, allerdings kein Blut, das ebenfalls im Regelfall transparent ist. Kriegsordonnanzen sind sehr klein, ungefähr so groß wie ein fünfjähriges Menschenkind. Eine Kriegsor donnanz fungiert als persönlicher Diener eines Frequenzfol gers, den er häufig wie ein flinker Schemen umkreist. Er erledigt unterschiedliche Aufgaben, angefangen vom Prüfen des korrekten Sitzes des Pigasoshaares, über die sichere Verwahrung wichtiger Gegenstände und Botengängen, bis hin zu den Aufgaben eines Leibwächters. Transferkamin; Färbung Transportkamine haben normalerweise eine blaue Färbung. Wenn ein Transport beginnt, verfärben sich die blauen Trans ferkamine bis zur Ankunft der transportierten Objekte in ein pulsierendes Rot; erst mit Abschluss der Transports werden die Kamine wieder blau. Vamu Der Begriff Vamu bedeutet bei den Vatrox »Erster/Erstes/das Erste/das Einzige/das Einzigartige«. Mit ihm bezeichnen die Vatrox ihre Bewusstseine: Wenn ein Vatrox stirbt, geht sein Vamu nicht verloren, sondern wechselt zurück zu einer Hi bernationswelt. Dort kann es in einem Klonkörper zu einem neuen Leben werden, allerdings gehen dabei oft Teile des Gedächtnisses verloren. Die Vatrox fürchten deshalb norma lerweise nicht den Tod, sondern vielmehr den Verlust von Gedächtnis.