User Generated Content
Christian Alexander Bauer
User Generated Content Urheberrechtliche Zulässigkeit nutzergenerierter Medieninhalte
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Dr. Christian Alexander Bauer music & law RECHTSANWALT Reichenbachstraße 33 80469 München Deutschland
[email protected] ISBN 978-3-642-20067-0 e-ISBN 978-3-642-20068-7 DOI 10.1007/978-3-642-20068-7 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Meiner Mutter
Vorwort
Der Begriff „User Generated Content“ weckt bei den meisten Juristen sofort haftungsrechtliche Assoziationen: Ist der Forenbetreiber für beleidigende Äußerungen seiner Nutzer verantwortlich? Kann die Online-Videoplattform für die illegale Bereitstellung von Musikvideos durch ihre Nutzer haftbar gemacht werden? Bestehen auch gegenüber dem Betreiber eines sozialen Netzwerks im Internet Unterlassungsund Schadensersatzansprüche, wenn deren Mitglieder auf ihrer Profilseite fremde Fotos veröffentlichen? Zur Frage der Haftung des Webseitenbetreibers für rechtsverletzende Nutzerinhalte finden sich im Schrifttum bereits zahlreiche Untersuchungen. Und auch die Rechtsprechung hat sich bereits auf höchstrichterlicher Ebene dieser Thematik angenommen und erste Grundsätze zu den Haftungsvoraussetzungen bei der Bereitstellung rechtswidrig veröffentlichter Fremdinhalte aufgestellt.1 Aber ist es wirklich per se rechtswidrig, ein Karaoke-Video auf YouTube einzustellen? Macht sich ein Nutzer tatsächlich eines Verstoßes gegen das Urheberrecht schuldig, der ein Foto seines Lieblingsgemäldes auf Facebook postet, um es mit seinen Freunden zu teilen? Und ist es stets urheberrechtlich verwerflich, wenn ein Internetnutzer populäre Film-Schnipsel zu einer Videokollage zusammenschneidet, um diese auf seinem privaten Blog zu veröffentlichen? Sind also alle proaktiven Nutzer des Web 2.0 potentielle Straftäter? Im Gegensatz zu der bereits seit Jahren geführten Diskussion um die Providerhaftung findet sich zu der – einer etwaigen Drittverantwortlichkeit zwingend vorgelagerten – Fragestellung der urheberrechtlichen Zulässigkeit der Erzeugung und Veröffentlichung nutzergenerierter Medieninhalte bisher keine umfassende Darstellung. Vorliegende Arbeit geht daher der rechts- und kulturpolitisch brisanten Frage nach, ob und ggf. in welchem Umfang die unautorisierte Verwendung fremder Werke und Leistungen zur Erzeugung von User Generated Content derzeit urheberrechtlich zulässig ist und inwieweit dieses Phänomen in Zukunft privilegiert werden sollte. Die Idee zu dieser Arbeit entstand bereits 2006 während meiner Referendariatsstation in der Konzernrechtsabteilung der ProSiebenSat.1 Media AG, in der „die Promotionsthemen geradezu vom Himmel fallen“. Beim Auffangen hat mir dort vor allem Herr Rechtsanwalt Dr. Michael Kühn geholfen. Seinen visionären Anregun1
Siehe hierzu BGH GRUR 2010, 616 ff. – marions-kochbuch.de. vii
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Vorwort
gen verdanke ich mein Ursprungsthema. Der entscheidende Richtungswechsel zur exemplarischen Untersuchung des urheberrechtlichen Interessenausgleichs im Zeitalter des Web 2.0 geht jedoch auf Herrn Professor Dr. Christophe Geiger zurück. Ihm bleibe ich für diese wichtige Anregung und die fortwährende qualifizierte Betreuung meines Projektes verbunden. Im November 2010 ist die vorliegende Abhandlung von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen worden. Das Manuskript wurde bereits im März 2010 abgeschlossen. Literatur und Rechtsprechung konnten bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt werden. Für die Annahme als externen Doktoranden sowie die Gewährung größtmöglicher wissenschaftlicher Freiheit bei der Ausarbeitung meines Wahlthemas gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Karl-Nikolaus Peifer mein besonderer Dank. Ebenfalls danken möchte ich Herrn Professor Dr. Dan Wielsch, LL.M. für die Erstellung des ausführlichen Zweitgutachtens. Mein herzlicher Dank gilt ferner Herrn Professor Dr. Reto M. Hilty für die großzügige Gewährung eines zweijährigen Promotionsstipendiums der Max-Planck-Gesellschaft sowie des Zugriffs auf die herausragenden personellen und sachlichen Ressourcen des Max-Planck-Instituts für geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht in München. In meinem Kollegen und Freund, dem Promovenden und Rechtsanwalt Martin Müller fand ich zu jeder Zeit einen gleichgesinnten Weggefährten, mit dem ich viele anregende und wertvolle Diskussionen zu meinem Thema habe führen können. Hierfür danke ich ihm herzlich. Große Unterstützung habe ich auch von meiner Freundin Katharina erfahren, die mit ihrer kontinuierlichen Zuneigung und liebevollen Geduld maßgeblich zum Gelingen dieses Vorhabens beigetragen hat. Mein größter Dank gebührt allerdings meinen Eltern, Friedrich und Dagmar Bauer, die mich in den zurückliegenden Lebensabschnitten stets bedingungslos und mit voller Kraft unterstützt haben. Gewidmet ist diese Arbeit meiner Mutter, in Liebe und Dankbarkeit für mehr, als sich in wenigen Zeilen sagen ließe. München, im Januar 2011
Christian Alexander Bauer
Inhaltsverzeichnis
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Erster Teil: Das Phänomen des User Generated Content 1. Kapitel: Begriff des User Generated Content . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Herkunft und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wörtliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Referenz-Sprachgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. „User“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. „Generated“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. „Content“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Definitionsversuche im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Juristisches Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kommunikationswissenschaftliches Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Medienwissenschaftliches Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wirtschaftswissenschaftliches Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Charakteristische Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Begriffsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Begriffskonkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 7 11 12 13 13 14 15 15 18 19 22 24 25 26 27
2. Kapitel: Formen von User Generated Content . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Text-Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Webforen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Blogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Nutzer-Artikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wikis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Private Webseiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 29 29 30 32 34 35 36
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Inhaltsverzeichnis
C. Bild-Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fotos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Computer-Grafiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Virtual-Content . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Audio-Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Podcasts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Video-Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Video-Blogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Home-Videos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dokumentationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 37 38 39 40 40 41 42 42 43 44
3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content . . . . . . . . . . . A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verwertung von Text-Beiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vergütungsfreie Verwertungsmodelle für Text-Beiträge . . . . . . . . . . . II. Vergütende Verwertungsmodelle für Text-Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . C. Verwertung von Bild-Beiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vergütungsfreie Verwertungsmodelle für Bild-Beiträge . . . . . . . . . . . II. Vergütende Verwertungsmodelle für Bild-Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . D. Verwertung von Audio-Beiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vergütungsfreie Verwertungsmodelle für Audio-Beiträge . . . . . . . . . II. Vergütende Verwertungsmodelle für Audio-Beiträge . . . . . . . . . . . . . E. Verwertung von Video-Beiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vergütungsfreie Verwertungsmodelle für Video-Beiträge . . . . . . . . . . II. Vergütende Verwertungsmodelle für Video-Beiträge . . . . . . . . . . . . . F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45 45 46 46 52 53 54 57 60 60 65 67 67 75 77
Zweiter Teil: Die Zulässigkeit von User Generated Content 4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Erzeugung wahrnehmbarer elektronischer Medieninhalte . . . . . . . . . . . I. Verwendung von Gemeingut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verwendung nutzereigener Werke und Leistungen . . . . . . . . . . . . . . III. Verwendung fremder Werke und Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ökonomische Grundgedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bereitstellung über nutzereigene Webseiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bereitstellung über fremde Webseiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verlagerung sozialer Kommunikationsprozesse in die Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Webseitenbetreiber als hauptsächliche wirtschaftliche Profiteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83 83 84 85 86 87 94 97 99 103 120 120 121
Inhaltsverzeichnis
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte . . . . . . . . . . . . A. Verwertungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vervielfältigungsrecht i. S. v. § 16 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufnahmerecht i. S. d. §§ 77, 87 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Recht der öffentlichen Zugänglichmachung i. S. v. § 19 a UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bearbeitungsrecht – § 23 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Urheberpersönlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Veröffentlichungsrecht – § 12 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anerkennungs- und Namensnennungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Recht auf Integritätsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content . . . . . . A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gegenstand und Funktion urheberrechtlicher Schranken . . . . . . . . . . . . I. Urheberrechtsschranken als Ergebnis verfassungsrechtlicher Sozialbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schrankenvorschriften im System des UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Arten der Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Auslegung und Anwendung der Schrankenbestimmungen . . . . . . . . . . . I. Urheberrechtsschranken als Ausnahmeregelungen . . . . . . . . . . . . . . II. Anachronismus der engen Schrankenauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Teleologische Interpretation als Auslegungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . D. Einschlägige Urheberrechtsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Öffentliche Reden – § 48 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zeitungsartikel und Rundfunkkommentare – § 49 UrhG . . . . . . . . IV. Berichterstattung über Tagesereignisse – § 50 UrhG . . . . . . . . . . . V. Zitate – § 51 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Öffentliche Wiedergabe – § 52 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Vervielfältigung zum privaten Gebrauch – § 53 UrhG . . . . . . . . . . VIII. Unwesentliches Beiwerk – § 57 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Werke an öffentlichen Plätzen – § 59 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Freie Benutzung – § 24 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ergebnis zur Privilegierungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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141 148 155 156 158 163
174 176 177 178 179 181 183 186 186 186 192 264 281 302 304 308 315 329 367
Dritter Teil: Die Privilegierung von User Generated Content 7. Kapitel: Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz . . . . . . . . A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Neues urheberrechtsrelevantes Verwertungsanliegen . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nutzungsmotive prosumierender Bevölkerungsmitglieder . . . . . . . . II. Konkrete Ausprägung des neuen Verwertungsanliegens . . . . . . . . . . III. Quantifizierung des betroffenen Personenkreises . . . . . . . . . . . . . . .
373 373 374 374 378 379
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Inhaltsverzeichnis
C. Privilegierungswürdigkeit des Verwertungsanliegens . . . . . . . . . . . . . . . I. Substitutionsgefahr als Privilegierungshindernis . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kommerzielle Verwertungsabsicht als Ausschlusskriterium . . . . . . . III. Sozialtypische Verhaltensweise als Privilegierungsgrund . . . . . . . . . IV. Innovationsförderung als Privilegierungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Potentielle Absatzzuwächse als Privilegierungsgrund . . . . . . . . . . . . D. Ergebnis zum Privilegierungsbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Kapitel: Lösungsansätze für eine Privilegierung von User Generated Content . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ersatz des Schrankenkataloges durch eine Generalklausel . . . . . . . . . . . C. Flexibilisierung bestehender Schrankenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Einführung einer neuen Schranke für User Generated Content . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Normierung als spezieller Auffangtatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einführung eines kompensierenden Vergütungsanspruchs . . . . . . . . . E. Regelungsvorschlag für eine Privilegierung von User Generated Content . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Kapitel: Vereinbarkeit des Regelungsvorschlags mit verbindlichen Schrankenvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Betroffene Verfassungsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnismäßigkeit des Regelungsvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vereinbarkeit mit europarechtlichen Schrankenvorgaben . . . . . . . . . . . . I. Handlungsspielraum nach der Harmonisierungsrichtlinie . . . . . . . . II. Unvereinbarkeit des Regelungsvorschlages mit Art. 5 HRL . . . . . . . III. Reformbedürftigkeit der Harmonisierungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . D. Vereinbarkeit mit dem Drei-Stufen-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bestimmter Sonderfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beeinträchtigung der normalen Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unzumutbare Verletzung berechtigter Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ergebnis zur Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht . . . . . . . . . . . . . . .
380 381 381 383 388 390 390 393 393 394 394 395 396 404 407 409 409 409 410 411 417 417 418 419 420 421 421 424 425
Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431
Einleitung
Das „Web 2.0“ mitsamt seinen neuartigen Publikations-, Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten hat zu einem grundlegenden Wandel des Nutzerverhaltens im Internet geführt. Niemals zuvor war es für ein Individuum leichter, einem Massenpublikum eigens produzierte Text-, Bild-, Audio- oder Video-Beiträge zugänglich zu machen und auf diese Weise selbst Teil einer lebendigen Medienlandschaft zu werden. Immer mehr Internetnutzer gehen von der klassischen, durch eine passive und reaktive Konsumtion geprägten Mediennutzung zu einem interaktiven Nutzungsverhalten über, indem sie als so genannte „Prosumenten“1 mit konventionellen Medieninhalten sowie anderen Nutzern und deren Beiträge interagieren. Die hierbei entstehenden Beiträge beruhen allerdings nicht immer auf vollkommen selbständigem Schaffen der Nutzer. Einem Großteil liegt vielmehr die – bewusste oder unbewusste – Verwendung fremder, zumeist urheberrechtlich geschützter Medieninhalte zugrunde. Unabhängig von seiner sprachhistorischen Bedeutung steht der Begriff „User Generated Content“ daher nicht nur für internetnutzergenerierte, sondern vor allem auch für werknutzergenerierte Inhalte.2 Aus rechtlicher Perspektive bewegt sich die prosumierende Bevölkerung jedoch häufig in einer kritischen „Grauzone“, die zu einem Dilemma führt: Einerseits verspüren die Nutzer ein Interesse daran, sich im Internet interaktiv mit medialen Inhalten in kreativer Art und Weise auseinanderzusetzen und sich hierüber mitzuteilen; andererseits laufen sie dabei jedoch permanent Gefahr, fremde Urheberrechte zu verletzen.
1 Der Begriff „Prosument“ (engl. auch „prosumer“) ist eine Wortkreuzung aus „Produzent“ („Professional“) und „Konsument“ („Consumer“), mit der Personen bezeichnet werden, die die Eigenschaften eines Konsumenten und eines Produzenten in sich vereinen. Der Begriff wurde vermutlich 1980 von Alvin Toffler eingeführt, der diesen erstmals in seinem Buch „Die dritte Welle“ (The Third Wave) verwendete (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Prosument [30.03.2010]). 2 Zur sprachlichen Herkunft, Entwicklung und wörtlichen Bedeutung des Begriffs „User Generated Content“ siehe unten: „1. Kapitel: Begriff des User Generated Content“, S. 6.
C. A. Bauer, User Generated Content, DOI 10.1007/978-3-642-20068-7_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Einleitung
A. Problemstellung Die massenhafte unautorisierte Verwendung fremder urheberrechtlich geschützter Leistungsergebnisse zur Erzeugung und Veröffentlichung nutzergenerierter Medieninhalte berührt typischerweise eine ganze Reihe von urheber- und leistungsschutzrechtlichen Schutztatbeständen. Zugleich zeigt die ausgedehnte kommerzielle Verwertung jener Publikumsleistungen durch die Medienindustrie, dass User Generated Content ein nicht unerhebliches wertschöpferisches Potential immanent ist. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage nach der urheberrechtlichen Zulässigkeit dieses Massenphänomens auf. Das Phänomen des User Generated Content bietet ein exemplarisches Feld zur Untersuchung der grundlegenden Fragestellung, ob die bestehenden urheberrechtlichen Schrankenregelungen der Bevölkerung in der Informationsgesellschaft noch ausreichend Handlungs- und Gestaltungsfreiräume gewähren. Fraglich erscheint vor allem, ob durch die neue technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Gesamtsituation im Web 2.0 zwischenzeitlich nicht ein Ungleichgewicht zwischen dem monopolistischen Interesse der Urheberrechtsinhaber und den freiheitlichen Interessen der prosumierenden Allgemeinheit entstanden ist, das mit Blick auf einen gerechten Interessenausgleich im Urheberrecht eines korrigierenden Eingriffs bedarf. Dass die vorliegend diskutierte Problematik dabei nicht nur akademischer Natur, sondern mittlerweile auch von gesteigertem rechtspolitischem Interesse ist, zeigt zum einen die Tatsache, dass die Europäische Kommission der Europäischen Gemeinschaften (EU-Kommission) bereits 2008 ausdrücklich die Frage aufgeworfen hat, ob vor dem Hintergrund der Entwicklungen im Web 2.0 nicht eine „Ausnahme für von Nutzern geschaffene Inhalte“ eingeführt werden sollte.3 Zum anderen hat sich zwischenzeitlich sogar der Deutsche Bundestag dieses Themenkreises angenommen: Am 29. November 2010 veranstaltete die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft eine öffentliche Expertenanhörung zum Thema „Entwicklung des Urheberrechts in der digitalen Gesellschaft“, in der einige Fragen4 erörtert wurden, auf die vorliegende Arbeit eine Antwort geben möchte.
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Vgl. Grünbuch 2008 – Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft, S. 19 ff. Der zur Vorbereitung der o.g. Expertenanhörung entworfene Fragenkatalog enthält in der Rubrik „Grundlagen – Bestandsaufnahme – Herausforderungen“ unter anderem folgende Fragen, die einen thematischen Bezug zu vorliegender Untersuchung aufweisen: „1. Haben sich die Motivation zur Produktion und die Kreativität der Urheber mit dem Internet verändert?“, „2. Gehen mit den neuen Möglichkeiten, die das Internet und die Digitalisierung eröffnen, seinen technischen Gegebenheiten und seiner Dynamik Veränderungen bei Wertmaßstäben der Nutzer einher? Wie kann dem begegnet werden?“, „3. Muss das Verhältnis von Urhebern, Verwerter und Nutzern neu justiert werden?“, „4. Verändert das Internet die Produktion kreativer Güter in einer Weise, die es empfehlenswert erscheinen lässt, die Strukturen des Urheberrechtes – insbesondere auch im Hinblick auf die Rolle der Werknutzer und die Zuordnung des Werks zum Schöpfer – zu überdenken?“, „7. Sind Sie der Meinung, dass das geltende Urheberrecht die Interessen von Urhebern, Verwertern und Nutzern im digitalen Zeitalter angemessen ausgleicht?“, „8. Sind die Rechte der Bürgerinnen und Bürger als Mediennutzer (Verbraucher) in 4
B. Gang der Untersuchung
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B. Gang der Untersuchung Die Untersuchung erfolgt in drei großen Abschnitten. In ihrem ersten Teil erläutert die Arbeit das „Phänomen des User Generated Content“ zunächst in tatsächlicher Hinsicht. Dabei sind die mit dem neuartigen „Begriff des User Generated Content“ (1. Kapitel)5 üblicherweise bezeichneten Medieninhalte herauszuarbeiten und einzugrenzen. Einen Eindruck von der medialen Bandbreite der verfügbaren Nutzerbeiträge vermittelt die anschließende Darstellung der äußerlich differenzierbaren „Formen von User Generated Content“ (2. Kapitel).6 Danach wird ein Blick auf die derzeit existierenden „Verwertungsformen für User Generated Content“ (3. Kapitel)7 geworfen, um die wirtschaftliche, gesellschaftliche und rechtspolitische Tragweite des Phänomens zu verdeutlichen. Die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für die darauf folgende rechtliche Beurteilung der neuen partizipativen Tätigkeit der Bevölkerung im Web 2.0. Der zweite Teil der Arbeit widmet sich sodann der Kernproblematik der urheberrechtlichen „Zulässigkeit von User Generated Content“. Nach einer Analyse der im Rahmen der User-Generated-Content-Produktion typischerweise zu beobachtenden „urheberrechtsrelevanten Vorgänge“ (4. Kapitel)8 sind die regelmäßig „betroffenen Urheber- und Leistungsschutzrechte“ (5. Kapitel)9 zu bestimmen. Hierauf aufbauend kann dann der zentralen Fragestellung der „Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content“ (6. Kapitel)10 nachgegangen, d. h. danach gefragt werden, inwiefern sich die Erzeugung und Veröffentlichung nutzergenerierter Medieninhalte, die – zumindest teilweise – unter Verwendung urheberrechtlich geschützter Fremdinhalte zustande gekommen sind, unter die aktuell geltenden Schrankenregelungen des deutschen Urheberrechtsgesetzes subsumieren lässt. Der dritte Teil der Arbeit geht abschließend der Frage nach, inwiefern eine eigenständige gesetzliche „Privilegierung von User Generated Content“ erfolgen sollte. Hierfür werden zunächst die aktuellen „Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz“ (7. Kapitel)11 herausgearbeitet, indem die Privilegierungswürdigkeit des neuen urheberrechtsrelevanten Verwertungsanliegens der Allgemeinheit unterausreichendem Maße gewahrt?“ und vor allem „9. Wie beurteilen Sie das geltende Urheberrecht im Hinblick auf derivatives Werkschaffen (z.B. Remixes, Mash-ups)? Würden Sie im Bereich nicht-kommerzieller, kreativer Werknutzung die Reduktion des Ausschließlichkeitsrechts auf einen Vergütungsanspruch für vertretbar halten?“. Der gesamte Fragenkatalog und die hierzu angefertigten schriftlichen Stellungnahmen der Experten sind abrufbar unter: http://www.bundestag. de/internetenquete/dokumentation/2010/Sitzungen/20101129/index.jsp [23.01.2011]. 5 Siehe hierzu unten: „1. Kapitel: Begriff des User Generated Content“, S. 6 ff. 6 Siehe hierzu unten: „2. Kapitel: Formen von User Generated Content“, S. 27 ff. 7 Siehe hierzu unten: „3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content“, S. 42 ff. 8 Siehe hierzu unten: „4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge“, S. 75 ff. 9 Siehe hierzu unten: „5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte“, S. 115 ff. 10 Siehe hierzu unten: „6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content“, S. 163 ff. 11 Siehe hierzu unten: „7. Kapitel: Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz“, S. 358 ff.
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Einleitung
sucht wird, das durch die Weiterentwicklung des Internets zum Web 2.0 zwischenzeitlich entstanden ist. Im Anschluss daran werden verschiedene „Lösungsansätze für eine Privilegierung von User Generated Content“ (8. Kapitel)12 diskutiert und ein konkreter Regelungsvorschlag unterbreitet. Eine Stellungnahme des Verfassers zur „Vereinbarkeit des Regelungsvorschlages mit verbindlichen Schrankenvorgaben“ (9. Kapitel)13 rundet die Darstellung durch Einbeziehung nationaler, europäischer und internationaler Schranken-Schranken schließlich ab.
12 Siehe hierzu unten: „8. Kapitel: Lösungsansätze für eine Privilegierung von User Generated Content“, S. 376 ff. 13 Siehe hierzu unten: „9. Kapitel: Vereinbarkeit des Regelungsvorschlags mit verbindlichen Schrankenvorgaben“, S. 391 ff.
Erster Teil
Das Phänomen des User Generated Content
Zu Beginn der vorliegenden Untersuchung wird der Begriff des User Generated Content einer seine Herkunft, Funktion und überwiegende kontextuelle Verwendung berücksichtigenden Definition zugeführt (1. Kapitel). Hieran schließt sich eine Darstellung der verschiedenen Formen von User Generated Content an, welche nicht nur die wesentlichen Ausprägungsformen nutzergenerierter Medieninhalte aufzeigt, sondern auch den multimedialen Charakter und damit die grundlegende Bedeutung dieses beitragsformübergreifenden Massenphänomens verdeutlicht (2. Kapitel). Welches wirtschaftliche und finanzielle Wertschöpfungspotential der neuen interaktiven Partizipation der Bevölkerung an der Gestaltung des Internets und den hierbei entstehenden Medieninhalten zukommt, ergibt sich schließlich aus der nach einer etwaigen Bereitstellungsvergütung differenzierenden Analyse der bestehenden Verwertungsformen für User Generated Content (3. Kapitel).
1. Kapitel: Begriff des User Generated Content
A. Herkunft und Entwicklung Die Bezeichnung „User Generated Content“1 (UGC) ist kein Rechtsbegriff. Es handelt sich hierbei vielmehr um einen zusammengesetzten Anschauungsbegriff, der seinen Ursprung im angloamerikanischen Sprachraum hat, wo er überwiegend als Sammelbegriff für alle von einem Internetnutzer erzeugten medialen Web-Inhalte verwendet wird. Gleichwohl existiert hierfür bisher keine einheitlich anerkannte Definition. Der heute weitgehend verselbständigte Terminus des „User Generated Content“ ging aus der ursprünglich – orthographisch korrekten – nur zweiteiligen, dem allgemeinen englischen Sprachgebrauch entstammenden zusammengesetzten Beschreibung „user-generated content“ hervor. Diese wurde zunächst im Internet und anschließend auch in den konventionellen Medien immer häufiger für die von Internetnutzern selbst geschaffenen Internet-Inhalte verwendet. Aufgrund seiner umgangssprachlichen Herkunft und der im Wesentlichen durch gesellschaftliche Diskussion getragenen Begriffsentwicklung lässt sich heute weder über den exakten Entstehungszeitpunkt noch über die erste Verwendung des Begriffs eine genaue Aussage treffen. Vermutlich entstand der Begriff jedoch Mitte der 1990er Jahre im Zusammenhang mit den ersten Interaktionsformaten im Internet, wie z. B. den so genannten „Chat-Rooms“, bei denen erstmals das Prinzip des „Mitwirkens“ der Internetnutzer im Vordergrund stand.2 Jene neuen Interaktionsformate bildeten dabei 1
Für den gegenständlichen Begriff wird teilweise auch die für ein zusammengesetztes Adjektiv im Englischen formal korrekte Schreibweise „user-generated content“ oder „User-generated Content“ bzw. „User-Generated Content“ verwendet, um die Zuordnung des adjektivierenden Beiwortes zu verdeutlichen. Der Verfasser geht vorliegend jedoch davon aus, dass sich der Begriff – ebenso wie der des „World Wide Web“ – zwischenzeitlich als feststehender Begriff etabliert hat, womit dieser auch jeweils groß und ohne den sonst bei zusammengesetzten Adjektiven üblichen Bindestrich geschrieben werden kann. 2 So wurde der Begriff „user-generated content“ z.B. in der amerikanischen Tageszeitung „The New York Times“ erstmals im Dezember 1995 verwendet, wobei er als Überbegriff für die
C. A. Bauer, User Generated Content, DOI 10.1007/978-3-642-20068-7_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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1. Kapitel: Begriff des User Generated Content
gleichzeitig auch den Ausgangspunkt für den grundlegenden Wandel des Internets vom ehemals rein statischen „Informations-Web“, das heute in Anlehnung an die dem Entwicklungsstand von Softwareprogrammen entsprechenden Versionsbezeichnungen auch „Web 1.0“ genannt wird, zum heutigen so genannten „Web 2.0“3 , bei dem der Fokus vorwiegend darauf gerichtet ist, die Anwendungen für die Nutzer interaktiver und damit noch interessanter zu machen.4 Der Begriff Web 2.0 bezeichnet daher keine neue Technologie, sondern eine neue Qualität des Internets,5 das seinen Nutzern nun zusätzlich die Option bietet, aktiv am Entstehungsprozess öffentlich zugänglicher Inhalte teilzunehmen. Ermöglicht wurde diese Form der interaktiven Beteiligung der Nutzer jedoch erst aufgrund der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Kommunikationstechnologie im Zusammenhang mit der Zugangsmöglichkeit zum Internet. Diese Weiterentwicklung hatte neben den heute verfügbaren Datenübertragungsraten von bis zu 16 Mbit/s6 vor allem ein steiles Preisgefälle7 zur Folge, das es heute nahezu jedem Privathaushalt8 ermöglicht, mittels Internet-Breitbandanschluss (DSL) zu einem geringen monatlichen Pauschalpreis ohne Zeit- und Datenlimit (Flatrate) ins Internet zu von Internetnutzern in „chat rooms“ und „bulletin boards“ erstellten Text-Inhalte benutzt wurde (vgl. Jesse Kornbluth, Who needs America Online?, in: The New York Times, December 24, 1995, URL: http://query.nytimes.com/gst/fullpage.html?res= 9401EEDD1539F937A15751C1A96 3958260 [13.12.2007]). 3 Der Begriff „Web 2.0“ stammt vermutlich von Dale Dougherty, einem Mitarbeiter des bekannten Verlegers und Internet-Pioniers Tim O’Reilly, der einen Titel für eine im Herbst 2004 von O’Reilly veranstaltete Konferenz suchte, bei der die Veränderungen des Webs nach dem Platzen der Dot-comBlase im Mittelpunkt stehen sollten (vgl. hierzu Ganev, Erlösmodelle für User Generated Mobile Videos, S. 11; Alby, Web 2.0, S. 15; Lange, Web 2.0 zum Mitmachen, S. 6; O’Reilly im Interview mit Christian Stöcker, in: Leben 2.0, Wir sind das Netz, Spiegel Special Nr. 3/2007, S. 28). 4 Vgl. Gewehr/Lochmann/Szugat, Social Software, S. 108. 5 Vgl. Probst, User Generated Content im Journalismus, S. 11. 6 Die Datenübertragungsraten waren in den 90er Jahren überwiegend von den verfügbaren DatenModems abhängig, deren Leistung 1994 erst bei 28 800 bit/s (0,029 Mbit/s) lag. 1996 lag die Durchsatzrate dann zwischen 33 600 bit/s (0,034 Mbit/s) und 56 000 bit/s (0,056 Mbit/s), was bis heute die Höchstgrenze für analoge Modems darstellt. Ab 1996 waren mit Einführung der ISDN-Technologie Geschwindigkeiten von 64 000 bit/s (0,064 Mbit/s) bzw. bei Bündelung beider ISDN-Kanäle 128 000 bit/s (0,128 Mbit/s) möglich. Mit der Einführung von DSL als digitalem Teilnehmeranschluss konnte 1999 ein Durchsatzsprung auf 768 000 bit/s (0,768 Mbit/s) erreicht werden. Heute sind DSL-Anschlüsse von 1–16 Mbit/s erhältlich. Hiernach dauerte der Download einer 3 MB großen Musikdatei 1994 noch rund 14 min., 1996 12 bzw. 7 min., mit ISDN 6 bzw. 3 min. und mit DSL nur noch 37 sek.; mit einer 6 Mbit-Leitung ist der Download heute bereits nach 3 sek. abgeschlossen (vgl. hierzu Alby, Web 2.0, S. 3 ff.). 7 Während man 1995 noch rund DM 130,– (€ 66,50) und 1998 rund DM 120,– (€ 61,40) im Monat für eine tägliche Stunde im Internet bezahlen musste, fiel dieser Preis innerhalb eines Jahres auf rund DM 55,– (€ 28,10) für das Jahr 1999 und kostete 2001 bereits nur noch rund DM 15,– (€ 7,70). Heute sind zeit- und datenunabhängige DSL-Flatrates bereits ab € 19,95 pro Monat erhältlich (vgl. hierzu Alby, Web 2.0, S. 6 ff.). 8 Laut den Ergebnissen der dritten Erhebung zum Breitbandatlas des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) besteht für 97% aller deutschen Haushalte die Möglichkeit, einen Breitband-Internet-Anschluss zu bestellen (vgl. Pressemitteilung des BMWi vom 16.04.2007,
A. Herkunft und Entwicklung
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gelangen. Parallel hierzu entwickelte sich das World Wide Web (WWW), das Anfang der 1990er Jahre vor allem aus einfachen starren HTML-Seiten9 bestand, auf denen überwiegend Texte und wenige Bilder zu finden waren, zunehmend von einer reinen Informationsquelle hin zu einem Kommunikations- und Interaktionsmedium, in dem die Nutzer heute nicht nur nach verfügbaren Informationen suchen, sondern ohne spezielle Vorkenntnisse auch selbst Inhalte produzieren und kommunizieren können. Die hierfür notwendigen Technologien, die heute unter dem Schlagwort „Social Software“10 zusammengefasst werden, hielten im Laufe der vergangenen zehn Jahre vermehrt Einzug auf der ständig gewachsenen Anzahl neuer interaktiver Webseiten im Internet. Den Nutzern wurde hiermit neben der Möglichkeit der Versendung von elektronischen Nachrichten, der öffentlichen Dokumentation und Kommentierung von Meinungen und Tagesereignissen sowie der Bewertung von Produkten immer häufiger auch die Möglichkeit eröffnet, selbst erstellte digitale Fotos und Videos auf verschiedenen kostenlos zugänglichen Online-Plattformen zu veröffentlichen und sich in deren „Community-Bereichen“ zusätzlich eine eigene persönliche Profilseite anzulegen sowie mit anderen Nutzern virtuelle Freundschaften zu knüpfen. Jene Web-Angebote, die mit wachsender Funktionsvielfalt bei gleichzeitiger kostenloser Nutzungsmöglichkeit für Internet-Nutzer immer attraktiver wurden, sowie die über die Jahre gesunkenen Preise für die Internetnutzung in Verbindung mit der stetig steigenden Verbreitung von günstigem digitalem Multi-Media-Equipment wie Digitalkameras oder Kamerahandys, haben insbesondere im Bereich der Audio- und Videobeiträge zu einer immer stärkeren Beteiligung der Internetnutzer geführt.11 Die hieraus resultierende verstärkte Präsenz nutzergenerierter Inhalte im Internet12 und die hierdurch ausgelöste gesellschaftliche Diskussion über Qualität, Nutzen und Einfluss des Web 2.0 als neuem demokratischem Massenmedium, weckte in sprachlicher Hinsicht zunehmend das Bedürfnis, für jene neuartigen Inhalte einen „Neue Version des Breitbandatlas geht heute online“, URL: http://www.bmwi.de/BMWi/ Navigation/Presse/pressemitteilungen,did=198070. html [11.09. 2007]). Hiervon haben der aktuellen OECD-Breitbandstudie (Stand: Dezember 2006) zufolge bereits rund 14,1 Millionen deutsche Haushalte (d.h. rund 36%) Gebrauch gemacht (vgl. OECD Broadband Statistics to December 2006, URL: http://www.oecd.org/sti/ict/broadband [11.09.2007]). 9 Die Abkürzung „HTML“ steht für „Hypertext Markup Language“ (engl. für „HypertextAuszeichnungssprache“) und ist eine textbasierte Auszeichnungssprache zur Darstellung von Inhalten wie Texten, Bildern und Hyperlinks im Internet. HTML-Dokumente sind die Grundlage des World Wide Web und werden mithilfe eines Webbrowsers dargestellt (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Hypertext_Markup_Language [11.09.2007]). 10 Als „Social Software“ (engl. für „soziale Software“) werden internetbasierte SoftwareAnwendungen bezeichnet, die Informations-, Identitäts- und Beziehungsmanagement in den (Teil-)Öffentlichkeiten hypertextueller und sozialer Netzwerke unterstützen (vgl. dazu Schmidt, Social Software, S. 2). 11 Vgl. Kaumanns/Neus/Pörschmann, in: IBM Medienstudie 2006, S. 21. 12 Obwohl es sich bei dem WWW genau genommen nur um einen Teilbereich des Internets handelt, werden die Begriffe „WWW“ und „Internet“ nachfolgend aus sprachlichen Gründen teilweise synonym verwendet, da einer strikten Trennung in vorliegender Untersuchung keine entscheidende Bedeutung zukommt.
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1. Kapitel: Begriff des User Generated Content
einheitlichen Begriff zu verwenden, um sie von herkömmlichen, professionell recherchierten und aufbereiteten Medieninhalten abgrenzen zu können. Angesichts der prioritären Entwicklung entscheidender Social-Software-Komponenten in den USA und ihrer frühzeitigen Implementierung auf englischsprachigen Webseiten, erfolgte die gegenständliche Begriffsbildung zuerst im angloamerikanischen Sprachraum. Der rapide gewachsene Anteil jener Publikumsleistungen im Internet, der die Grenzen zwischen professionellen Autoren und Verwertern auf der einen und Rezipienten auf der anderen Seite zusehends verschwimmen lässt, zog ab Anfang des Jahres 2005 auch die Aufmerksamkeit der konventionellen Massenmedien auf sich. Diese verwendeten die vorwiegend in der IT- und Internet-Szene gebrauchten Formulierung des „user-generated content“ nun zunehmend in ihren Berichten über das neue Phänomen der aktiven Teilnahme der Nutzer an der Gestaltung des WWW.13 Ab diesem Zeitpunkt wurde die ehemals rein beschreibende Formulierung immer häufiger als Synonym für die mit ihr beschriebenen Inhalte verwendet und sodann selbst zum Gegenstand verschiedener Publikationstitel gemacht, womit sie sukzessive zum eigenständigen Begriff erhoben wurde.14 Diese Appellativierung15 machte sich anschließend auch in orthografischer Hinsicht bemerkbar. Denn im Zuge der fortschreitenden Verselbständigung des Begriffes, wandelte sich auch die für ihn im Schrifttum verwendete Schreibweise16 von „user-generated content“ über „User-generated content“17 und „User-generated Content“18 bzw. „User-Generated Content“19 bis hin zu der für einen feststehenden Begriff üblichen Schreibweise des „User Generated Content“20 .
13 So zog insbesondere die Übernahme der Online-Foto-Plattform „Flickr“ durch den amerikanischen Internet-Suchmaschinen-Betreiber „Yahoo!“ im März 2005 die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich. 14 Seit dem 28. Januar 2006 befindet sich der Begriff „User-generated content“ in der englischsprachigen Version der Online-Enzyklopädie „Wikipedia“ (vgl. Wikipedia, URL: http://en.wikipedia.org/wiki/User-generated_content [13.12.2007]); seit dem 2. Mai 2006 existiert der Begriff „User Generated Content“ auch in der deutschsprachigen Version (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/User_Generated_Content [13.12.2007]). 15 Unter „Appellativierung“ wird in der Linguistik die Erschaffung eines Substantivs verstanden, das eine Gattung gleich gearteter Gegenstände und zugleich jeden einzelnen Gegenstand dieser Gattung bezeichnet (vgl. Duden, Fremdwörterbuch, „Appellativ“, S. 76). 16 Zur unterschiedlichen Schreibweise des gegenständlichen Begriffs siehe auch oben: „1. Kapitel: Begriff des User Generated Content“, S. 6. 17 So z.B. Holmes/Ganley, User-generated content, S. 388 ff. 18 So z.B. Regner/Barria/Pitt/Neville, Is Copyright Suitable for User-generated Content?; Knöppel, User-generated Content. 19 So z.B. Beck, User-Generated Content in Online Communties;Koskinen, User-Generated Content in Mobile Multimedia. 20 So z.B. Probst, User Generated Content im Journalismus; Lange, User Generated Content als Grundlage für Trend-Scouting; Jürgens/Veigel, Zur haftungsminimierenden Gestaltung von „User Generated Content“-Angeboten; Holzinger, User Generated Content; Jürgens/Köster, AfP 2006, 219 sowie Lober/Karg, Unterlassungsansprüche wegen User Generated Content.
B. Wörtliche Bedeutung
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Jene sprachliche Emanzipation ist dabei gleichzeitig Ausdruck der immer größeren Beliebtheit und Akzeptanz nutzergenerierter Web-Inhalte21 als alternatives Informations- und Unterhaltungsangebot, welches zwischenzeitlich zu einem festen Bestandteil der Medienlandschaft geworden ist. Ihre hohe Popularität sowie das durch sie ausgelöste schrittweise Aufbrechen der jahrzehntelangen Informationshoheit traditioneller Medienkonzerne führte ab Anfang des Jahres 2006 schließlich zu regelmäßigen redaktionellen Übernahmen nutzergerierter Inhalte in das Angebot herkömmlicher Massenmedien, wodurch eine verstärkte crossmediale Präsenz von UGC geschaffen wurde. In sprachlicher Hinsicht hat dies zur Folge, dass der Begriff UGC nun mehr und mehr auch in den Fachjargon der allgemeinen Medienwirtschaft übernommen wird. Mit zunehmender Integration gewöhnlicher Konsumenten in den Produktionsprozess medialer Kommunikationsinhalte ist in jüngster Zeit eine gewisse Tendenz zu einer pauschalen Verwendung des Begriffes für jegliche Art von medialen Rezipientenbeiträgen festzustellen.22 Durch die aktuelle massenmediale Thematisierung der Produktion, Veröffentlichung und Verwertung von UGC sowie des mit ihm verbundenen Phänomens, rückt der Begriff nun auch vermehrt ins Blickfeld der allgemeinen Öffentlichkeit, wodurch er allmählich auch über die Szene hinaus in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen wird. Bedingt durch die Ubiquität des Internets und nicht zuletzt aufgrund des allgemeinen Trends der Verwendung anglizistischer Wortschöpfungen zur Bezeichnung neuer technischer Errungenschaften, ist auch im Hinblick auf den deutschen Sprachgebrauch – vor allem im wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Kontext – eine vollständige Rezeption des Begriffes zu beobachten.
B. Wörtliche Bedeutung Eine nahe liegende Herangehensweise zur Bestimmung des zusammengesetzten Begriffs „User Generated Content“ stellt zunächst die wörtliche Übersetzung seiner einzelnen mehrdeutigen Bestandteile ins Deutsche dar. Aufgrund des allgemeinen Grundsatzes, dass Sprachgebrauch auf kollektiven Vereinbarungen über Wortbedeutungen beruht, d. h. die Intensionen von Wörtern und Begriffen unter den Teilnehmern an der Kommunikation stets in einem bestimmten Umfang vereinbart werden,23 ist hierbei in erster Linie an den Gebrauch des Begriffes durch die Mitglieder 21
Im Juli 2006 verzeichnete bspw. das Online-Videoportal „YouTube“ erstmals eine Anzahl von über 16 Millionen Besuchern auf seiner Website und damit eine Steigerung um 20 % zum Vormonat Juni; bereits 64 % aller deutschen Internetnutzer unter 20 Jahren greifen regelmäßig (mind. einmal im Monat) auf die Online-Enzyklopädie „Wikipedia“ zurück, vgl. Kaumanns/Neus/Pörschmann, in: IBM Medienstudie 2006, S. 21 ff. 22 So werden bspw. von Lesern verfasste Artikel oder von Passanten angefertigte Fotos, die an eine Tageszeitung gesendet und veröffentlicht werden, heute teilweise ebenso als UGC bezeichnet, wie von Fernsehzuschauern eingesendete und ausgestrahlte Video-Aufzeichnungen (vgl. Koschnick, Focus-Lexikon, „user-generated content“). 23 Vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 196 f.
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1. Kapitel: Begriff des User Generated Content
einer bestimmten Sprachgemeinschaft anzuknüpfen. Angesichts des angloamerikanischen Ursprungs des Begriffes, seiner erfolgten Aufnahme in die deutsche Sprache sowie seiner uneinheitlichen Verwendung zur Bezeichnung unterschiedlicher medialer Inhalte stellt sich hier jedoch die Frage, welcher Personenkreis im Rahmen der für vorliegend vorzunehmende Übersetzung notwendigen Begriffsinterpretation letztlich als Referenz heranzuziehen ist.
I. Referenz-Sprachgemeinschaft Wie sich aus der vorstehenden Darstellung zur Begriffsentwicklung ergibt, existieren innerhalb der offensichtlich differenzierbaren englischen und deutschen Sprachgemeinschaft – infolge der zwischenzeitlich erfolgten Übernahme des Begriffs von der speziellen IT- und Internet-Terminologie in die allgemeine Medienfachsprache und den gewöhnlichen Sprachgebrauch – zum Zeitpunkt vorliegender Untersuchung mindestens zwei weitere Sprachgemeinschaften, die den Begriff des UGC teilweise unterschiedlich interpretieren und gebrauchen. Während ein allein interlingual bedingter Verwendungsunterschied zwischen englischem und deutschem Sprachgebrauch wegen der Ubiquität des Internets und der hierdurch bedingten unveränderten Rezeption des englischen Begriffes bisher nicht festzustellen war, zeichnet sich jedoch insbesondere in branchenspezifischer Hinsicht eine unterschiedliche inhaltliche Interpretations- und Verwendungspraxis ab. Hierdurch wird dem Begriff des UGC neben seinem originären Sinngehalt zunehmend auch eine zweite umfassendere Bedeutung beigemessen. Denn ursprünglich wurde innerhalb der „Internet(Sprach-)Gemeinschaft“ nur dann von UGC gesprochen, wenn Besucher einer Webseite selbst Inhalte auf eine Internetseite einbrachten. Heute wird umgangssprachlich, vor allem aber in der Medienwirtschaft, allgemeiner auch dann von UGC gesprochen, wenn Inhalte in beliebigen Medien von deren Nutzern produziert werden.24 Es existieren somit bereits mindestens zwei unterschiedliche (stillschweigende) Bedeutungsvereinbarungen in Bezug auf den gegenständlichen Begriff, mit dem – je nach Sprachgebrauch der jeweiligen Sprachgemeinschaft – unterschiedliche Arten von Rezipientenbeiträgen bezeichnet werden. Folglich lässt sich im Hinblick auf die Gesamtheit der mit UGC bezeichneten Inhalte, in Abhängigkeit von der jeweils vereinbarten Reichweite des Begriffes, auch zwischen „UGC im engeren Sinne“ (UGC i. e. S.) und „UGC im weiteren Sinne“ (UGC i. w. S.) unterscheiden. Die für nachfolgende Begriffsbestimmung maßgebliche Referenz-Sprachgemeinschaft ergibt sich damit unmittelbar aus der Einordnung des vorliegenden Untersuchungsgegenstandes unter eine der beiden vorgenannten Inhaltsgruppierungen. Angesichts der gravierenden gesellschaftlichen Auswirkungen der im Web 2.0 zu beobachtenden neuen Produktions- und Publikationspraxis der Bevölkerung auf den Interessenausgleich im Urheberrecht sowie der ursprünglichen Herkunft und immer noch 24
Vgl. Koschnick, Focus-Lexikon, „user-generated content“.
B. Wörtliche Bedeutung
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weit überwiegend internetbezogenen Interpretation des Begriffes UGC, kann bereits an dieser Stelle eine Zuordnung des Untersuchungsgegenstands zur Gruppe des UGC i. e. S. vorgenommen werden. Im Rahmen des nachfolgenden Diskurses wird daher zur Ermittlung der Begriffsbedeutung stets auf die kollektiven Bedeutungsvereinbarungen der Mitglieder der „Internetgemeinschaft“ als maßgeblicher Referenz-Sprachgemeinschaft abgestellt. Dabei soll zur Bezeichnung des Untersuchungsgegenstands „UGC i. e. S.“ – soweit nicht anders gekennzeichnet – nur noch die Abkürzung „UGC“ verwendet werden. Bei der Übersetzung der einzelnen Begriffsbestandteile ist daher, insbesondere bei der Auswahl zwischen verschiedenen Übersetzungsalternativen, jeweils die Variante zu wählen, die nicht nur die kontextuelle Verwendung des gesamten Begriffs durch die Mehrheit der Mitglieder der Internetgemeinschaft angemessen berücksichtigt, sondern auch der stillschweigend zwischen ihnen vereinbarten Begriffsbedeutung am nächsten kommt.
II. „User“ Das englische Wort „user“ bedeutet im Allgemeinen „Benutzer“, wird im Zusammenhang mit Software oder technischen Systemen aber häufig auch mit „Anwender“, im Zusammenhang mit Energieversorgungsleistungen mit „Verbraucher“ und gelegentlich auch mit „Konsument“ übersetzt.25 Aufgrund der erstmaligen Verwendung des Begriffs „user-generated content“ im Zusammenhang mit den ersten textbasierten Kommunikationsmöglichkeiten über Webseiten im Internet sowie seiner fortwährenden Verwendung für alle neu aufkommenden Formen von im Internet darstellbaren digitalen Inhalten, die von einem gewöhnlichen (Be-)Nutzer des Internets stammen, erscheint vorliegend das deutsche Wort „Internetnutzer“ am besten geeignet, die nahezu ausschließlich im Zusammenhang mit dem Internet erfolgende Verwendung des Begriffs UGC zu illustrieren.
III. „Generated“ Das von dem englischen Verb „to generate“ abgeleitete Adjektiv „generated“ bedeutet neben „generiert“ üblicherweise „hervorgerufen“, wird jedoch auch mit „erzeugt“ übersetzt, sofern es im Sinne von „created“ (geschaffen, kreiert) in einem technischen oder kreativen Kontext verwendet wird.26 Die durch seine Funktion als adjektivierender Bestandteil des zusammengesetzten Beiworts „user-generated“ bedingte inhaltliche Abhängigkeit von dem adjektivierten Substantiv „user“ bzw. „Internetnutzer“ legt hier zwar eine technisch/kreative Interpretation des Wortes „generated“ 25 26
Vgl. Pons, Business-Wörterbuch Englisch, „user“, S. 1271. Vgl. Pons, Business-Wörterbuch Englisch, „generate“, S. 458.
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1. Kapitel: Begriff des User Generated Content
nahe. Aufgrund der bisher aber noch uneinheitlichen Verwendung des Begriffs, der Existenz seines Begriffskonkurrenten „user-created content“27 sowie der Tatsache, dass den Wörtern „erzeugt“ und „generiert“ im Deutschen grundsätzlich keine substanziell unterschiedliche Bedeutung beigemessen wird, ist nicht zuletzt aufgrund des gemeinsamen Wortstammes „generare“ (lat. für „erzeugen“, „erschaffen“, „hervorbringen“)28 vorliegend einer wörtlichen Übersetzung mit „generiert“ der Vorzug zu geben.
IV. „Content“ Für das englische Substantiv „content“ bietet die Übersetzung zunächst nur das unbestimmte Wort „Inhalt“ an, sofern mit ihm der Gegenstand einer Mitteilung, d. h. eine Information bezeichnet wird.29 Als Hauptbestandteil des (originär) zweiteiligen Begriffs „user-generated content“ erhält das Wort „content“ bzw. „Inhalt“ seinen entscheidenden Bedeutungsgehalt hier erst durch das ihm vorangestellte zusammengesetzte Adjektiv „user-generated“, so dass es sich hier zwingend um „von Internetnutzern generierte“ Inhalte handeln muss. Diese (internet-)nutzergenerierten Inhalte werden von der Internetgemeinschaft jedoch i. d. R. nur dann als UGC bezeichnet, wenn sie auch über das Internet – als dem neuen demokratischen Massenmedium – ihren Weg in die Öffentlichkeit finden. Gleichzeitig sind sie aber nicht nur im Internet anzutreffen, da sie anschließend auch immer häufiger über andere Medien (weiter) transportiert werden. Bei vorliegender Übersetzung soll daher durch die Wahl des deutschen Wortes „Medieninhalte“ bereits eine gewisse sprachliche Konkretisierung erfolgen, die zum einen in Anlehnung an die technische Definition von Varian30 die verschiedenen digitalisierbaren Inhalte als Zustände des Mediums, z. B. in Form von Texten, Bildern oder Tönen umschreibt, zum anderen aber gleichzeitig auch deren zunehmende medienübergreifende Präsenz zum Ausdruck bringt. Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass es sich der wörtlichen Bedeutung nach bei „User Generated Content“ um „von Internetnutzern generierte Medieninhalte“ oder vereinfacht nur um „nutzergenerierte Medieninhalte“ handelt. Im Hinblick auf eine exakte Eingrenzung der mit diesem Begriff bezeichneten Inhalte ist mit dieser wörtlichen Übersetzung allerdings noch nicht viel gewonnen. Denn bei genauerer Betrachtung der Übersetzung wird schnell deutlich, dass diese – trotz ihres einschränkenden Charakters – hinsichtlich der erzeugenden Person, dem von ihr verwandten Produktionsverfahren und der konkreten Gestalt des späteren Erzeugnisses noch diverse Interpretationsspielräume offen lässt. So gibt das Wort „(Internet-)Nutzer“ bspw. keinen Aufschluss über die persönliche Eigenschaft der herstellenden Person, so dass prinzipiell jeder Internetnutzer hiervon erfasst wäre, gleich ob er zur Gruppe der „professionellen“ Urheber, der „semi-professionellen“ 27
Zu den verschiedenen Begriffskonkurrenten siehe unten: „Begriffskonkurrenzen“, S. 24. Vgl. Pons, Praxiswörterbuch Lateinisch, „generare“, S. 131. 29 Vgl. Pons, Business-Wörterbuch Englisch, „content1 “, S. 220. 30 Vgl. Varian, Markets for Information Goods, S. 3. 28
C. Definitionsversuche im Schrifttum
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Freizeitschöpfer oder den reinen Amateuren zu zählen ist. Auch das deutsche Wort „generiert“ lässt zunächst keine Rückschlüsse auf die Form der Erstellung der Inhalte zu, so dass hierunter grundsätzlich jegliche Form der Erzeugung subsumiert werden könnte, unabhängig davon, ob das Ergebnis letztlich auf ein bewusstes oder unbewusstes Verhalten des Nutzers zurückzuführen ist. Ebenso verhält es sich mit dem Wort „Medieninhalte“, das neben Texten, Bildern, Audio- und Videoinhalten im Internet durchaus auch nur mittelbar wahrnehmbare Inhalte wie z. B. Hyperlinks, HTML-Quellcodes oder ähnliche numerische Erzeugnisse bezeichnen kann. Der wörtlichen Bedeutung nach würden daher z. B. auch die von Internetnutzern allein durch ihr Surfverhalten (automatisch) generierten und von Unternehmen gespeicherten reinen Datensätze (wie sie z. B. durch die Aufzeichnung der Häufigkeit eines Seitenbesuchs, das Einkaufsverhalten der Nutzer oder eine Abstimmung oder Bewertung im Internet entstehen) von dem Begriff umfasst. Dies wäre jedoch bei Berücksichtigung der überwiegenden kontextuellen Verwendung des Begriffes durch die Internetgemeinschaft nicht zutreffend. Es zeigt sich also, dass die wörtliche Übersetzung des Begriffs UGC für sich allein noch nicht dazu geeignet ist, die mit ihm bezeichneten Inhalte zutreffend von jenen Erzeugnissen abzugrenzen, die hiervon regelmäßig nicht erfasst werden sollen. Um eine noch genauere Konkretisierung der Begriffsbedeutung vornehmen zu können, ist daher eine weitere Eingrenzung der potentiell von ihm erfassten Inhalte anhand zusätzlicher geeigneter Kriterien erforderlich. Nachfolgend soll deshalb versucht werden, mittels verschiedener bereits existierender Definitionsversuche im Schrifttum weitere charakteristische Merkmale für UGC herauszuarbeiten, die anschließend als Grundlage für eine juristische Definition des Begriffes herangezogen werden.
C. Definitionsversuche im Schrifttum Angesichts der Tatsache, dass es sich bei UGC und der hiermit verbundenen Weiterentwicklung des Internets zum Web 2.0 in erster Linie um ein kommunikations-, medien- und wirtschaftswissenschaftliches Phänomen handelt, verwundert es nicht, dass sich vor allem diese Wissenschaften zuerst jenes Themas angenommen haben. Demzufolge sind erste Untersuchungen zu Gegenstand, Wesen und Umfang von UGC bisher – soweit ersichtlich – ausschließlich in diesbezüglichem Schrifttum vorzufinden. Ihre Ergebnisse stellen jedoch eine sinnvolle, wenn nicht sogar notwendige Grundlage für vorliegende rechtswissenschaftliche Analyse von UGC und seiner wesentlichen charakteristischen Merkmale dar, weshalb diese hier nicht unerwähnt bleiben sollen.
I. Juristisches Schrifttum Die juristische Literatur hat dem Begriff des UGC, wie der neuen Problematik nutzergenerierter Inhalte im Internet insgesamt, bisher nahezu ausschließlich im
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1. Kapitel: Begriff des User Generated Content
Zusammenhang mit haftungsrechtlichen Fragestellungen Beachtung geschenkt.31 Dies erklärt womöglich auch die Entstehung eines ersten, eher beiläufigen Abgrenzungsversuchs von Jürgens/Veigel32 , die zur selektiven Qualifizierung von Internetinhalten als UGC offensichtlich eine haftungsrechtliche Differenzierung vornehmen wollen, indem sie untersuchen, ob bezüglich des jeweiligen Inhalts für den Betreiber der veröffentlichenden Webseite eine Haftungsprivilegierung nach § 10 Telemediengesetz (TMG) gegeben ist. Danach sei für die Frage, ob eine Webseite als User-Generated-Content-Angebot einzustufen ist, entscheidend, ob es sich bei ihrem Betreiber um einen Anbieter eigener (sog. „Content-Provider“) oder fremder Inhalte (sog. „Host-Povider“) handle, wobei nur im Falle des Angebots fremder Inhalte, deren Veröffentlichung keiner redaktionellen Kontrolle unterliegt, von UGC auszugehen sei. Sobald der Betreiber jedoch die fremderzeugten Inhalte in sein redaktionelles Kernangebot übernehme, mache er sich diese zu eigen, was neben dem Verlust der Host-Provider-Haftungsprivilegierung auch zur Folge habe, dass diese fortan nicht mehr als UGC zu qualifizieren seien.33 Dem kann aus zweierlei Gründen nicht gefolgt werden. Zum einen widerspräche eine solche nachträgliche, allein an haftungsrechtlichen Gesichtspunkten orientierte Beurteilung eines Internetinhalts der für eine Bestimmung eines sprachlichen Gegenstands stets erforderlichen Anknüpfung an dessen ursprüngliche Herkunft und Entstehung. Zum anderen führte eine solche Vorgehensweise zu einer nicht akzeptablen bedeutungsbestimmenden Abhängigkeit des Begriffes von den forensischen
31
Vgl. aus der Lit.: Jürgens/Köster, Die Haftung von Webforen für rechtsverletzende Einträge, in: AfP 2006, 219 ff.; Jürgens, Von der Provider- zur Provider- und Medienhaftung, in: CR 2006, 188 ff.; Feldmann, Anm. zu OLG Hamburg: Haftung des Betreibers von Internetforen – heise.de, in: MMR 2006, 744, 746 ff.; Jürgens/Veigel, AfP 2007, 181 ff.; Roggenkamp, Das neue Telemediengesetz (Teil 3) – Verantwortlichkeit der Diensteanbieter, in: juris PraxisReport, jurisPR-ITR 6/2007 Anm. 7 V.; Braun, Anm. zu VG Hannover: Missbrauch der Namen von Lehrkräften im Internet, in: juris PraxisReport, jurisPR-ITR 8/2007 Anm. 4 A.; Roggenkamp, Anm. zu LG Düsseldorf: Umfang und Zumutbarkeit von Prüfungs- und Überwachungspflichten eines Forenbetreibers nach einer Rechtsverletzung durch einen Nutzer, in: juris PraxisReport, jurisPR-ITR 9/2007 Anm. 4 A.; Heckmann, Anm. zu LG Berlin: Betreiberhaftung bei Meinungsplattformen im Internet („meinprof.de“), in: juris PraxisReport, jurisPR-ITR 11/2007 Anm. 5 D.; Braun, Anm. zu LG Köln: Bewertung von Lehrern auf Schüler-Portal, in: juris PraxisReport, jurisPR-ITR 11/2007 Anm. 4 C.; Weber/Meckbach, E-Mail-basierte virale Werbeinstrumente – unzumutbare Belästigung oder modernes Marketing?, in: MMR 2007, 482, 485 f.; Weber, Anm. zu LG Hamburg: Haftung für Foren-Einträge, in: MMR 2007, 450, 451; Engels/Jürgens/Fritzsche, Die Entwicklung des Telemedienrechts 2006, in: K&R 2007, 57, 64 ff.; Lober/Karg, Unterlassungsansprüche wegen User Generated Content gegen Betreiber virtueller Welten und Online-Spiele, in: CR 2007, 647, 652; Kreutzer, Anm. zu LG Köln: spickmich.de, in: MMR 2007, 729, 732 sowie Ott, ZUM 2008, 556, 564. Eine urheberrechtliche Betrachtung nutzergenerierter Fortsetzungen von Sprach- und Filmwerken (Fanfictions) stellte zuletzt an Knopp, GRUR 2010, 28, 33. 32 Vgl. Jürgens/Veigel, AfP 2007, 181, 185, „Vorsicht: Blogs sind nicht zwingend User Generated Content“. 33 Vgl. Jürgens/Veigel, AfP 2007, 181, 185.
C. Definitionsversuche im Schrifttum
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Auslegungsdifferenzen34 bezüglich des normativen Tatbestandsmerkmals „fremde Informationen“ i. S. d. § 10 TMG und der diesbezüglichen einzelfallabhängigen Antwort auf die Fragestellung, ob jeweils von einem „Sich-zu-eigen-Machen“35 des fremden Inhalts auszugehen ist. Das der Entstehung und Veröffentlichung regelmäßig zeitlich nachfolgende eigenverantwortliche Sich-zu-eigen-Machen eines fremden nutzergenerierten Medienbeitrags – das z. B. bereits aufgrund einer regelmäßigen Überwachung des angebotenen Publikationsmediums durch seinen Betreiber gegeben sein kann36 – sowie die hiermit verbundene Haftung, stehen jedoch in keinerlei Kohärenz zu dessen Urheberschaft, womit sie grundsätzlich nichts über die Eigenschaft des Inhalts selbst auszusagen vermögen. Gleichwohl lässt sich den vorstehenden Überlegungen der Autoren ein wichtiges Abgrenzungskriterium für UGC entnehmen, das teilweise auch der von ihnen vorgeschlagenen Verantwortlichkeitsprüfung zugrunde liegt. Es handelt sich hierbei um die Frage der redaktionellen Auswahl der veröffentlichten fremderzeugten Nutzerinhalte durch den Betreiber des Publikationsmediums. Denn im Vergleich zum herkömmlichen Weg der Informationsdistribution in klassischen Medienformaten, bei dem der redaktionelle Journalismus die Rolle eines sog. „Gate-Keepers“ einnimmt, indem die Informationen aus einem Pool von Quellen für die Rezipienten gefiltert und aufbereitet werden,37 besteht bei UGC das Phänomen ja gerade in der den Nutzern erstmals gegebenen Möglichkeit, ihre eigenen Inhalte völlig selbständig und unkontrolliert einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen zu können. Aus diesem Grunde werden innerhalb der Internetgemeinschaft auch nur solche Nutzerinhalte als UGC i. e. S. angesehen, die unabhängig von einer redaktionellen Auswahl durch deren Mitglieder im Internet veröffentlicht wurden. Eine redaktionelle Betreuung des jeweiligen Mediums steht einer Qualifikation der hierin veröffentlichten Nutzerinhalte als UGC dabei allerdings nicht zwangsläufig entgegen, da im Rahmen einer entsprechenden Abgrenzung allein auf das Fehlen einer vorherigen redaktionellen Auswahl der veröffentlichten Inhalte abzustellen ist. Denn solange sich eine redaktionelle Betreuung ausschließlich auf eine rein repressive Kontrolle der bereits veröffentlichten Inhalte beschränkt, der Nutzer zunächst also tatsächlich die Möglichkeit zur unmittelbaren, unkontrollierten und unzensier34
Die Frage, wann eine „fremde Information“ i.S.d. § 10 TMG und damit eine entsprechende Haftungsprivilegierung vorliegt, wird von den Gerichten sehr unterschiedlich beantwortet, vgl. hierzu aus der Rspr.: LG Trier MMR 2002, 694; OLG München AfP 2002, 522; LG Düsseldorf MMR 2003, 61; LG Köln MMR 2002, 254; OLG Köln MMR 2002, 548; LG Köln CR 2004, 304; KG Berlin CR 2005, 62; AG Potsdam CR 2005, 232; AG Hamburg, Urteil v. 30.05.2005 – 36 A C 75/05; AG Winsen-Luhe CR 2005, 682; LG Hamburg AfP 2006, 273; HansOLG AfP 2006, 565; OLG Düsseldorf MMR 2006, 618; OLG Düsseldorf AfP 2006, 267; BGH NJW 2007, 2558 sowie zuletzt BGH GRUR 2010, 616 ff. – marions-kochbuch.de. 35 Das Merkmal des „Sich-zu-eigen-Machens“ stellt ein wesentliches Entscheidungs- und Abgrenzungskriterium zur Feststellung des Anbietens „eigener“ oder „fremder Informationen“ i.S.d. § 10 TMG dar (vgl. hierzu insb. BGH GRUR 2010, 616 f. – marions-kochbuch.de sowie schon BGH GRUR 2004, 860 ff. – Ricardo/Rolex). 36 Vgl. Jürgens/Veigel, AfP 2007, 181, 183. 37 Vgl. Probst, User Generated Content im Journalismus, S. 13.
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1. Kapitel: Begriff des User Generated Content
ten Veröffentlichung seiner selbst erstellten Inhalte besitzt, bleibt der dem Web 2.0 wesensimmanente demokratische Charakter seiner Inhalte grundsätzlich erhalten, in dessen Umfeld der Begriff des UGC überhaupt erst entstanden ist. Im Gegensatz zu der von Jürgens/Veigel vorgenommenen haftungsrechtlichen Differenzierung lassen sich mit vorgenanntem Abgrenzungskriterium daher auch all jene Inhalte von dem Begriff UGC umfassen, die dem Betreiber der veröffentlichenden Webseite zwar aus haftungsrechtlichen Gesichtspunkten (nachträglich) zugerechnet werden, die von diesem jedoch im Einzelnen nicht für eine Veröffentlichung ausgewählt, sondern faktisch von den Nutzern (ursprünglich) selbst veröffentlicht wurden. Demgegenüber käme einer rein auf einer Verantwortlichkeitsprüfung des Diensteanbieters beruhenden (negativen) Abgrenzung hier eine zu stark einschränkende Wirkung zu. Denn ein Sich-zu-eigen-Machen eines fremdveröffentlichten Inhalts muss nicht unbedingt auf dessen vorheriger redaktioneller Auswahl beruhen, sondern kann bspw. bereits aufgrund seiner Kenntnisnahme und einer entsprechenden Billigung gegeben sein. Solche Nutzerbeiträge nicht als UGC anzusehen, würde jedoch deutlich zu kurz greifen. Im Rahmen einer selektiven Qualifizierung von Internetinhalten als UGC ist daher nicht nur an ihre ursprüngliche Herkunft und Entstehung, sondern darüber hinaus auch an die Umstände ihrer (Erst-)Veröffentlichung im Internet anzuknüpfen. Demzufolge handelt es sich weder im Falle einer redaktionell veranlassten Internet-Veröffentlichung eingesendeter Nutzerbeiträge noch bei der Übernahme von zunächst im Internet veröffentlichtem UGC in konventionelle Massenmedien um UGC i. e. S. Denn trotz ihrer grundsätzlichen Eigenschaft als „nutzergenerierte Medienbeiträge“ fehlt ihnen aufgrund der ihrer Veröffentlichung zugrunde liegenden redaktionellen Auswahl und Kontrolle die für UGC i. e. S. entscheidende Qualität eines ungefilterten, unmittelbar veröffentlichten Nutzerbeitrages, womit sie – gemeinsam mit allen anderen gewöhnlichen Rezipientenbeiträgen – ebenfalls der Gruppe des UGC i. w. S. zuzuordnen sind.
II. Kommunikationswissenschaftliches Schrifttum Im kommunikationswissenschaftlichen Schrifttum erscheint insbesondere die erste Veröffentlichung von Schweiger/Quiring38 erwähnenswert, die sich eingehend mit den Dimensionen von UGC befasst. Aufgrund der Annahme, dass UGC das Ergebnis eines Prozesses sei, in dem sowohl Mediennutzer als auch Anbieter die Öffentlichkeit zu erreichen versuchten, UGC somit im soziologischen Sinn auf Interaktion beruhe, vergleichen dieAutoren hierin UGC mit Interaktivität und untersuchen, inwieweit die zentralen Merkmale interaktiver Medien und Prozesse in charakteristischer Hinsicht auch auf UGC übertragbar sind.39 Hierbei kommen sie zu dem Ergebnis, dass UGC 38 39
Vgl. Schweiger/Quiring, User-Generated Content auf massenmedialen Websites, S. 97–120. Vgl. Schweiger/Quiring, User-Generated Content auf massenmedialen Websites, S. 97 ff.
C. Definitionsversuche im Schrifttum
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das Produkt einer auf computervermittelter Mensch-Mensch-Interaktivität basierenden Art der interaktiven Massenkommunikation sei, bei der stets die Triade aus einem Website-Anbieter, aktiven und passiven Nutzern sowie der Öffentlichkeit beteiligt sei.40 Weiterhin gehörten insbesondere der Grad des Bewusstseins der Erstellung des Medieninhalts, die ihr zugrunde liegende Intention des Nutzers sowie der Inhaltsadressat zu den entscheidenden Dimensionsparametern für UGC.41 Aus diesen Analyseergebnissen lassen sich im Wesentlichen zwei geeignete Abgrenzungskriterien für UGC isolieren: das Bewusstsein der Erstellung eines wahrnehmbaren Inhalts und dessen intendierte Veröffentlichung. Der Nutzer muss sich zunächst vollständig darüber bewusst sein, einen wahrnehmbaren Medienbeitrag zu erschaffen und dies auch wollen. Denn elektronische Medieninhalte, die allein auf die Aufzeichnung unbewusster, für ihre Herstellung jedoch notwendiger, d. h. ursächlicher Nutzeraktivitäten zurückzuführen sind, werden in aller Regel nicht als UGC bezeichnet. Hiermit lassen sich bspw. unbeabsichtigt generierte Datensätze ausschließen, die allein auf der Registrierung der für das Surf- und/oder Einkaufsverhalten notwendigen Aktionen eines bestimmten WebsiteBesuchers basieren und z. B. visuelle Darstellungen wie Diagramme, Statistiken oder individualisierte Produktempfehlungen erzeugen. Aufgrund des partizipativen massenmedialen Charakters von UGC muss es außerdem zu einer vom Internetnutzer beabsichtigten Veröffentlichung seines Beitrags kommen. Denn nur wenn der nutzergenerierte Inhalt bewusst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, findet eine gestaltende Partizipation des Internetnutzers statt, die von einer unbestimmten Anzahl anderer Nutzer wahrgenommen werden kann, worin schließlich eines der Hauptmotive42 für die neue interaktive Beteiligung der Internetnutzer zu sehen ist.43 Anhand dieses Kriteriums – dessen Reichweite sich nach Ansicht des Verfassers am urheberrechtlichen Öffentlichkeitsbegriff des § 15 Abs. 3 UrhG orientieren könnte – lassen sich bspw. all jene Inhalte ausschließen, die als Produkt ausschließlich interpersonaler Kommunikation (wie z. B. E-Mails, Privat-Chat-Texte o. Ä.) zwar bewusst von Internetnutzern erzeugt und auf einem Server im Internet gespeichert werden, von dort aus jedoch der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind.
III. Medienwissenschaftliches Schrifttum Ein weiteres wichtiges Abgrenzungskriterium für UGC lässt sich aus der medienwissenschaftlichen Untersuchung von Probst 44 herleiten, die hierin die Auswirkungen 40
Vgl. Schweiger/Quiring, User-Generated Content auf massenmedialen Websites, S. 114 f. Vgl. Schweiger/Quiring, User-Generated Content auf massenmedialen Websites, S. 107 ff. 42 Vgl. allgemein zur Kommunikation als Grundbedürfnis des Menschen Maslow, Motivation und Persönlichkeit, S. 88 f. 43 Vgl. Gewehr/Lochmann/Szugat, Social Software, S. 108 f. 44 Vgl. Probst, User Generated Content im Journalismus. 41
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1. Kapitel: Begriff des User Generated Content
von UGC auf den traditionellen Journalismus beleuchtet hat. Ausgehend von der Tatsache, dass mediale Inhalte heute nicht mehr ausschließlich von professionellen Redakteuren, sondern zunehmend auch von Rezipienten erstellt werden, stellt die Autorin hierin fest, dass es sich bei diesen regelmäßig um Laien ohne medienspezifische Qualifikation, mithin um Leser- bzw. Amateurreporter handle.45 Weiters würden für diese Form der Partizipation von Laien-Journalisten am Prozess der Recherche, des Analysierens, Berichtens und Verbreitens von Nachrichten und Informationen häufig die Begriffe „partizipativer Journalismus“46 oder „Bürgerjournalismus“47 verwendet, wobei die hierbei geschaffenen Amateur-Inhalte typische Formen von UGC seien.48 Die sich bereits aus dem Gegenstand jener Untersuchung sowie der ihr zugrunde liegenden Problemstellung49 ergebende offensichtliche Diskrepanz zwischen herkömmlichen, von ausgebildeten Journalisten erstellten Inhalten und UGC, ließe in Verbindung mit den vorstehend genannten Untersuchungsergebnissen zunächst den generalisierenden Schluss zu, dass es sich bei allen von einem professionellen Schöpfer (Journalist, Fotograf, Komponist, Regisseur etc.) erstellten Medieninhalten nicht um UGC handelte. Diese ausschließlich subjektbezogene Differenzierung nach persönlichen Qualifikationsmerkmalen des erstellenden Nutzers berücksichtigte jedoch nicht ausreichend die Tatsache, dass es nicht nur Amateuren möglich ist, UGC zu erstellen, sondern es grundsätzlich auch Profis möglich sein muss, außerhalb ihrer professionellen Routine einen Medienbeitrag zu liefern, der trotz seines qualitativ höheren Niveaus als UGC eingestuft wird. Denn sowohl das bspw. von einem hauptberuflich tätigen Journalisten verfasste, jedoch in einem nicht kommerziellen Rahmen im Internet veröffentlichte Essay als auch das von einem professionellen Fotografen gefertigte, aber auf einer öffentlichen Fotoplattform im Internet auffindbare Lichtbild, würden von der Internetgemeinschaft wohl als UGC angesehen werden. Insofern hätte hier ein positives, rein subjektbezogenes Definitionsmerkmal, das den bei UGC zwar grundsätzlich, jedoch nicht zwingend vorhandenen Amateur-Charakter zum Ausdruck brächte, eine zu enge Auswahl an potentiell als UGC zu qualifizierenden Medieninhalten zur Folge, die bei genauerer Betrachtung den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht würde.
45
Vgl. Probst, User Generated Content im Journalismus, S. 9 f. Von „partizipativem Journalismus“ wird gewöhnlich dann gesprochen, wenn Redaktionen (Print, Rundfunk, Online) Amateurmaterial in Form von Fotos, Videos oder Augenzeugenberichten überarbeiten, in einen redaktionellen Kontext bringen und in ihrem journalistischen Produkt publizieren (vgl. Probst, User Generated Content im Journalismus, S. 14 m.w.N.). 47 Als „Bürgerjournalismus“ wird hingegen die Veröffentlichung von originären RezipientenBeiträgen bezeichnet, deren Inhalt keiner redaktionellen Kontrolle und/oder Filterung unterliegt (vgl. Probst, User Generated Content im Journalismus, S. 14 m.w.N.). 48 Vgl. Probst, User Generated Content im Journalismus, S. 13 f. 49 Der Titel der dieser Veröffentlichung zugrunde liegenden Untersuchung lautet: „Chancen und Risiken von User Generated Content für den traditionellen Journalismus am Beispiel von öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten“ (vgl. Probst, User Generated Content im Journalismus, S. 4). 46
C. Definitionsversuche im Schrifttum
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Umgekehrt betrachtet könnte sich jedoch möglicherweise das Merkmal der Professionalität zur Bildung eines negativen Abgrenzungskriteriums eignen, mit dem lediglich all jene Inhalte von der Bezeichnung als UGC ausgenommen werden, die im Rahmen einer professionellen, d. h. beruflichen Tätigkeit erstellt und anschließend zu kommerziellen, d. h. gewerblichen Zwecken veröffentlicht werden, da diese mit Sicherheit nicht zu den Formen von UGC zu zählen sind.50 Durch diese kumulative Verknüpfung blieben sowohl solche Inhalte einer Qualifikation als UGC zugänglich, die zwar von einem Profi – innerhalb oder außerhalb seiner beruflichen Tätigkeit – erzeugt, dann jedoch von diesem allein zu privaten, d. h. nicht gewerblichen Zwecken veröffentlicht werden als auch solche, die von einem Laien erzeugt, anschließend jedoch in einem kommerziellen Umfeld im Internet publiziert werden.51 Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ist für eine zutreffende Selektion der von der Internetgemeinschaft als UGC bezeichneten Medieninhalte zusätzlich eine zweckorientierte Betrachtung ihrer Herstellung und Veröffentlichung erforderlich. Innerhalb einer Begriffsdefinition für UGC scheint sich dies am besten anhand des oben genannten negativen Abgrenzungskriteriums erreichen zu lassen, mit dem eine Qualifizierung aller zu gewerblichen Zwecken veröffentlichten, professionell erstellten Medieninhalte als UGC verhindert wird. Der bereits oben im Rahmen der Bestimmung seiner wörtlichen Bedeutung erwähnte obligatorische Internet-Bezug von UGC lässt sich auch den Untersuchungen von Ganev52 , Knöppel53 und Holzbauer 54 entnehmen, die UGC im Zusammenhang mit mobilen Endgeräten analysiert haben. Ihre Darstellungen der bereits existierenden mobil nutzbaren Internet-Portale für von Mobilfunkkunden generierte und veröffentlichte Medieninhalte (Texte, Bilder, Musik und Videos) bestätigen dabei nachvollziehbar die generalisierte Annahme des Verfassers, dass das Internet – unabhängig vom Zugangsweg und der hierbei genutzten Übertragungstechnik – im Hinblick auf die Qualifizierung von Medieninhalten als UGC als zwingendes Publi50
Ebenso gingen zuletzt auch Gerhards/Klingler/Trump vor, die in ihrer Studie „die berufliche Internetnutzung [d.h. die professionell erstellten und zu gewerblichen Zwecken veröffentlichten Beiträge] ausgeschlossen und E-Commerce-Anwendungen wie eBay nicht explizit eingeschlossen“ haben, was zeigt, dass die außerhalb einer beruflichen Routine erstellten Nutzerinhalte auch dann als UGC angesehen werden können, wenn ihrer Erstellung eine kommerzielle Motivation zugrunde liegt (vgl. Gerhards/Klinger/Trump, Das Social Web aus Rezipientensicht: Motivation, Nutzung und Nutzertypen, S. 132 f.). 51 Letztgenannte Variante stellt dabei den typischen Fall einer kommerziellen – für den Nutzer entgeltlichen oder unentgeltlichen – Verwertung von UGC dar (siehe dazu unten: „3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content“, S. 42. 52 Vgl. Ganev, Erfolgsfaktoren und Erlösmodelle für User Generated Mobile Videos, S. 10 ff. 53 Vgl. Knöppel, User-generated Content, Mobile Potenziale, S. 13 ff. 54 Vgl. Holzbauer, Das Potenzial von „user generated content“ im Mobilfunk am Beispiel eines Konzeptes für ein Mobile Blogging Portal in Österreich, S. 4 ff., wobei dieser hierin folgende, nach Ansicht des Verfassers zu weit reichende, unspezifische Definition für UGC liefert: „,user generated content‘ ist jeglicher Content, der von Endkunden selbst produziert wird. Der Begriff Content ist auf alle vom Kunden, je nach technischer Fähigkeit des Endgerätes, erstellten Inhaltstypen zu beziehen und reicht von Text, Bild, Audio bis zu Bewegtbild“.
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1. Kapitel: Begriff des User Generated Content
kationsmedium fungiert. Denn auch die bspw. von einem Mobilfunkkunden mittels seines Handys generierten und anschließend über ein Mobilfunknetz öffentlich zugänglich gemachten Inhalte werden faktisch im (mobilen) Internet veröffentlicht und daher richtiger Weise ebenso durchgängig55 als UGC bezeichnet. Immer dann, wenn ein Nutzer also selbst die Möglichkeit hat, die von ihm erzeugten Inhalte unmittelbar im Internet öffentlich verfügbar zu machen, kommt es hinsichtlich ihrer Qualifikation als UGC weder auf den hierfür gewählten Übertragungsweg noch die hierbei genutzte Übermittlungstechnologie an, da jene Person dann immer auch ein Nutzer des Internets ist, womit gleichzeitig das illustrative Definitionsmerkmal „Internetnutzer“ bestätigt wird.
IV. Wirtschaftswissenschaftliches Schrifttum Dass sich die für eine Einordnung nutzergenerierter Medieninhalte unter den Begriff des UGC erforderliche „Veröffentlichung“ nicht unbedingt an eine „absolute“ Öffentlichkeit richten muss, sondern hierfür grundsätzlich auch ihre Zugänglichmachung innerhalb einer bestimmten Gruppe von Personen genügt, die der Öffentlichkeit angehören, verdeutlicht die wirtschaftswissenschaftliche Abhandlung von Beck 56 , der sich hierin auf UGC in Online-Communities57 konzentriert hat. Hierbei zählt der Autor zudem neben den in Community-Foren hinterlassenen Diskussionsbeiträgen zutreffend auch alle übrigen in ein Nutzer-Profil eingegebenen sonstigen Informationen, Daten und Verknüpfungen (wie z. B. Namen, Alter, E-Mail-Adressen, Hobbys oder Links zu Lieblings-Webseiten oder Freunden) zu den klassischen Formen von UGC.58 Denn bei diesen handelt es sich ebenso um von Internetnutzern bewusst erstellte wahrnehmbare Medieninhalte, die durch ihre Speicherung auf einer ProfilWebseite über das Internet einer Mehrzahl von Personen zugänglich gemacht werden, die – trotz Vorliegens einer geschlossenen Benutzergruppe – mangels engen gegenseitigen Kontakts nicht hinreichend durch persönliche Beziehungen untereinander verbunden sind und daher im Ergebnis der Öffentlichkeit zuzurechnen sind.59 55 Vgl. Probst, User Generated Content im Journalismus, S. 14 f.; Ganev, Erlösmodelle für User Generated Mobile Videos, S. 105 f.; Holzbauer, Das Potenzial von User Generated Content im Mobilfunk, S. 4 ff.; Knöppel, User-generated Content, S. 13 f.; Vickery/Wunsch-Vincent, Participative Web and User-Created Content, S. 32. 56 Vgl. Beck, User-Generated Content in Online Communities, S. 19 ff. 57 Als „Online-Communities“ (engl. für „Netzgemeinschaften“) werden Gemeinschaften von Menschen bezeichnet, die sich via Internet auf virtuellen Plattformen begegnen und dort mittels verschiedener interaktiver Kommunikationsmöglichkeiten (Chat, Instant-Messager, Foren etc.) untereinander austauschen (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Online_Community [31.01.2008]). 58 Vgl. Beck, User-Generated Content in Online Communities, S. 13 ff. 59 Vgl. Dreier/Schulze, § 15 Rn. 43 ff. in Anlehnung an den Öffentlichkeitsbegriff des § 15 Abs. 3 UrhG.
C. Definitionsversuche im Schrifttum
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Im Hinblick auf den Bedeutungsumfang des Begriffsbestandteils „Medieninhalte“ lässt sich somit zusammenfassend feststellen, dass dieser prinzipiell jegliche Form von (unmittelbar oder mittelbar) wahrnehmbaren elektronischen Inhalten umfasst, sofern sie von einem Internetnutzer bewusst erzeugt und von diesem unmittelbar über das Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Auf internationaler Ebene hat sich insbesondere die OECD60 im Rahmen ihrer fortlaufenden Analyse der aktuellen digitalen Wirtschafts-, Informations- und Kommunikationspolitik in Form ihrer Publikationsreihe „Digital Broadband Content“ mit dem Thema Web 2.0 und seinen nutzergenerierten Medieninhalten befasst.61 Die in dieser Reihe erschienene, überwiegend an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierte Untersuchung von Vickery/Wunsch-Vincent 62 setzt sich nach einer Darstellung verschiedener Formen von „user-created content“ (UCC), der sich hieraus ergebenden möglichen Verwertungs- und Geschäftsmodelle sowie seiner wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen vor allem mit den Chancen und Herausforderungen auseinander, die durch UCC und das partizipative Internet für Nutzer, Wirtschaft und Politik entstehen. Hierbei beziehen die Autoren allerdings nur solche nutzergenerierte Medieninhalte als UCC in ihre Untersuchung ein, die zumindest ein Minimum an kreativer Eigenleistung ihres Erzeugers beinhalten, wobei es sich hierbei sowohl um einen neuen, eigenständig erzeugten Beitrag als auch um einen – allein oder in kollaborativer Zusammenarbeit – bearbeiteten fremden Inhalt handeln könne, sofern dessen Erzeuger ihm nur eine eigene gestalterische Ausprägung verleihe.63 Angesichts des bereits erwähnten enormen Subsumtionspotentials des Begriffsbestandteils „generated“ bzw. „generiert“, könnte jene aufwandsorientierte Betrachtung der vom Nutzer zur Erstellung seiner öffentlich zugänglich gemachten Inhalte eingesetzten Leistung eine weitere geeignete Möglichkeit darstellen, die Bedeutung des Begriffes UGC näher zu konkretisieren. Unabhängig von dem für nutzergenerierte Medieninhalte abweichend gewählten Begriff des UCC64 erscheint hierbei jedoch fraglich, ob dem Erfordernis einer nutzereigenen gestalterischen Leistung bei der Erzeugung eines Medienbeitrags für dessen Bezeichnung als UGC Allgemeingültigkeit zukommt und daher als charakteristisches Merkmal für UGC angesehen werden kann. Hiervon könnte vorliegend nur dann ausgegangen werden, wenn dem Adjek60 Die Abkürzung „OECD“ steht für „Organisation for Economic Co-operation and Development“ (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). 61 Vgl. OECD, OECD Work on Digital Content, URL: http://www.oecd.org/ document/62/0,3343,en_2649_34223_32160190_1_1_1_1,00.html [24.01.2008]. 62 Vgl. Vickery/Wunsch-Vincent, Participative Web and User-Created Content, S. 9 ff. 63 „A certain amount of creative effort has to be put into creating the work or adapting existing works to construct a new one; i.e. users must add their own value to the work. [. . . ] The creative effort behind UCC may also be collaborative, for example on websites that users edit collaboratively.“, Vickery/Wunsch-Vincent, Participative Web and User-Created Content, S. 18. 64 Die Autoren wählten hier offensichtlich bewusst die Wortkombination mit dem Adjektiv „created“, um den ihrer Untersuchung zugrunde liegenden beschränkten Untersuchungsgegenstand zu verdeutlichen; allgemein zur Frage existierender Begriffskonkurrenzen siehe unten: „Begriffskonkurrenzen“, S. 24.
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1. Kapitel: Begriff des User Generated Content
tiv „(nutzer-)generiert“ im Kontext einer partizipativen Tätigkeit des Internetnutzers nicht nur die Bedeutung einer allein die technische Erzeugung der jeweiligen elektronischen Inhaltsdatei betreffenden Herkunftsbeschreibung zukäme, sondern ihm darüber hinaus weit überwiegend auch eine identifizierende Aussagekraft hinsichtlich des vom Nutzer stammenden Inhaltsanteils seines Medienbeitrags beigemessen würde. Dies lässt sich jedoch, insbesondere vor dem Hintergrund der zu beobachtenden veränderten Nutzung der zahlreichen kostenlos nutzbaren Internetplattformen als öffentlich zugänglichem Speicherplatz für vermeintliche „Privatkopien“ und deren umgangssprachlicher Bezeichnung als UGC, heute nicht mehr feststellen. Denn obwohl es sich bei den ersten als UGC bezeichneten Medieninhalten noch um ausschließlich von Internetnutzern eigens verfasste und veröffentlichte Texte handelte, und auch gegenwärtig mit dem Begriff vornehmlich solche Medienbeiträge bezeichnet werden, deren Inhalt tatsächlich von ihren Erzeugern überwiegend selbst erschaffen wurde, besteht zwischenzeitlich ein nicht unerheblicher Anteil der von Internetnutzern bereitgestellten Internetinhalte aus unautorisiert veröffentlichten (Raub-)Kopien fremder Werke (wie z. B. Fernsehsendungen, Musik-Videoclips, Fotos etc.), für die mittlerweile ebenfalls regelmäßig der Terminus UGC gebraucht wird.65 Bei der Bezeichnung eines Medieninhalts als UGC ist es daher zwar üblich, aber nicht zwingend erforderlich, dass dieser eine über den rein technischen Produktionsaufwand hinausgehende nutzereigene gestalterische Leistung ihres Erzeugers verkörpert, womit dieses Kriterium mangels Allgemeinverbindlichkeit hier als zusätzliches Definitionskriterium ausscheidet.
D. Charakteristische Merkmale Wie sich aus der vorangegangenen Erörterung der in den unterschiedlichen wissenschaftlichen Fachbereichen zum Thema UGC erschienenen Publikationen ergibt, bestehen im Schrifttum sowohl hinsichtlich des Gegenstands UGC selbst als auch der Reichweite des für ihn verwendeten Begriffs bislang noch unterschiedliche Auffassungen. Auf der Basis jener Überlegungen sowie der sich bereits aus seiner wörtlichen Bedeutung ergebenden Abgrenzungskriterien ließen sich für UGC unter Berücksichtigung von Herkunft, ursprünglicher Funktion und vorherrschender kontextueller Verwendung des Begriffs innerhalb der Internetsprachgemeinschaft eine Reihe charakteristischer Merkmale isolieren, die nachfolgend kurz zusammengefasst werden: • Medieninhalt: Bei UGC handelt es sich stets um das Produkt bzw. den Inhalt einer interaktiven computervermittelten Massenkommunikation in Form von wahrnehmbaren elektronischen Informationen, wie Texten, Bildern oder Tönen und damit um mediale Inhalte. 65
Vgl. Holzinger, User Generated Content, S. 5.
E. Begriffsdefinition
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• Bewusst generiert: Als Produkt bzw. Inhalt einer willentlichen interaktiven Kommunikationshandlung muss der mediale Inhalt von seinem Erzeuger auch jeweils vollständig bewusst generiert worden sein, wobei dieser entweder direkt auf einer Webseite im Internet erzeugt und abspeichert oder aber zunächst auf einem Endgerät des Nutzers erstellt und anschließend auf einer Webseite hinterlassen werden kann. • Internetnutzer: Die erzeugende Person muss zur Kommunikation des von ihr erstellten Inhalts immer auch das Internet nutzen, wobei jedoch unerheblich ist, auf welchem Zugangsweg das Internet erreicht bzw. welche Übertragungstechnik hierfür verwendet wird, solange sie die Möglichkeit hat, unmittelbar hierauf zuzugreifen. • Veröffentlichung: Aufgrund seines maßgeblichen Charakters als massenmedialer partizipativer Kommunikationsbeitrag muss der nutzergenerierte Inhalt im Anschluss an seine Erzeugung auch veröffentlicht, d. h. einer Mehrzahl von Personen zugänglich gemacht worden sein, die mangels engen gegenseitigen Kontakts nicht durch persönliche Beziehungen untereinander verbunden sind und daher der Öffentlichkeit angehören. • Internet: Die Veröffentlichung des nutzergenerierten Medienbeitrags muss dabei stets im Internet – als dem neuen demokratischen Massenmedium der Informationsgesellschaft – erfolgen, womit diesem die Rolle eines zwingenden Publikationsmediums zukommt. • Keine redaktionelle Auswahl: Wegen seiner Qualität als unabhängiger und ungefilterter Publikumsbeitrag, die ihn grundlegend von herkömmlichen Inhalten konventioneller Massenmedien unterscheidet, darf die Veröffentlichung des als UGC bezeichneten Medieninhalts im Internet außerdem nicht auf einer vorherigen redaktionellen Auswahl beruhen, sondern muss unmittelbar durch dessen Erzeuger selbst veranlasst worden sein. • Nicht professionell erstellt und zu gewerblichen Zwecken veröffentlicht: Aus den gleichen Erwägungen handelt es sich bei UGC auch nur um solche Internetinhalte, die nicht professionell, d. h. nicht berufsmäßig66 , erstellt und zu gewerblichen Zwecken veröffentlicht wurden, da diesen schon von vornherein die Qualität eines partizipativen Rezipientenbeitrages fehlt.
E. Begriffsdefinition In Anlehnung an die vorgenannten charakteristischen Merkmale für UGC schlägt der Verfasser folgende Definition zur Erfassung seiner hauptsächlichen Begriffsbedeutung vor:
66 Das von „profession“ (frz. für „Beruf, Gewerbe“) abstammende und aus „professionnel“ abgeleitete Adjektiv „professionell“ wird einheitlich mit „berufsmäßig“ übersetzt (vgl. Duden, Das Herkunftswörterbuch, „professionell“, S. 631).
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1. Kapitel: Begriff des User Generated Content „User Generated Content“ bezeichnet die Gesamtheit aller von Internetnutzern bewusst erzeugten wahrnehmbaren elektronischen Medieninhalte, die von diesen unmittelbar und unabhängig von einer vorherigen redaktionellen Auswahl über das Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, sofern es sich hierbei nicht um professionell erstellte und zu gewerblichen Zwecken veröffentlichte Inhalte handelt.
F. Begriffskonkurrenzen Neben dem für vorliegende Untersuchung gewählten Begriff des UGC werden zur Bezeichnung nutzergenerierter Medieninhalte im Internet teilweise auch Begriffe wie „User Created Content“, „User Generated Media“, „Consumer Generated Content“, „User Driven Content“, „Consumer Created Content“, „Consumer Driven Content“ oder andere angloamerikanische Wortkombinationen benutzt. Am häufigsten67 wird jedoch der Begriff „User Generated Content“ gebraucht, der gleichzeitig auch der älteste der genannten Begriffe ist.68 Das Aufkommen dieser teils unterschiedlich zu bewertenden Inhaltsbezeichnungen ist dabei im Wesentlichen auf das über die Jahre sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht stetig gewachsene Angebot an unterschiedlichen Interaktions-, Produktions- und Publikationsmöglichkeiten für multimediale Inhalte und der hierdurch entstandenen facettenreichen Formenvielfalt an nutzergenerierten Medieninhalten im Internet zurückzuführen, für die regelmäßig der Begriff UGC verwendet wird. Bei jenen neuartigen Wortkombinationen handelt es sich daher genau genommen nicht um Begriffskonkurrenten, sondern überwiegend um untergeordnete Alternativbegriffe zur Bezeichnung einzelner differenzierbarer Beitragsformen. Durch die Verwendung einschränkender Begriffsbestandteile wird hierbei versucht, die sich innerhalb des Mengenbegriffs UGC i. e. S. befindlichen, anhand verschiedener Kriterien unterscheidbaren Inhaltsformen sprachlich näher zu bestimmen und gegeneinander abzugrenzen. So steht bspw. der Begriff „User Created Content“ aufgrund des ihn prägenden Adjektivs „created“ (erschaffen, kreieren)69 vornehmlich für solche Inhalte, die auf einer gewissen kreativen d. h. schöpferischen Eigenleistung ihres Erzeugers beruhen.70 Mit dem englischen Wort „consumer“ (Verbraucher, Konsument)71 wird in den entsprechenden Begriffen hingegen insbe67 Eine uneingeschränkte Suchabfrage der jeweiligen Begriffe mittels der Internet-Suchmaschine Google ergab am 24.03.2010 folgende Suchergebnisse: „User Generated Content“ ca. 3 980 00 Einträge, „User Created Content“ ca. 260 000 Einträge, „User Generated Media“ ca. 73 500 Einträge, „User Driven Content“ ca. 37 000 Einträge, „Consumer Generated Content“ ca. 36 000 Einträge, „Consumer Driven Content“ ca. 6 990 Einträge und „Consumer Created Content“ ca. 3 990 Einträge; Wortkombinationen, die weniger als 1 000 Treffer erzielten, werden vorliegend außer Acht gelassen. 68 Vgl. Ganev, Erlösmodelle für User Generated Mobile Videos, S. 10. 69 Vgl. Pons, Business-Wörterbuch Englisch, „create“, S. 242. 70 Vgl. Vickery/Wunsch-Vincent, Participative Web and User-Created Content, S. 18. 71 Vgl. Pons, Business-Wörterbuch Englisch, „consumer“, S. 219.
G. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands
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sondere auf diejenigen Online-Beiträge abgestellt, die z. B. in Form einer Rezension von einem Produktkäufer als Konsumenten stammen.72 Eine Verdeutlichung der mit „User Generated Media“ bezeichneten unmittelbar wahrnehmbaren Nutzerbeiträge in Form von Text-, Bild-, Audio- oder Videoinhalten soll schließlich mit dem Substantiv „media“ (Medien) erreicht werden. Bei dem Begriff UGC handelt es sich somit um einen Oberbegriff, der aufgrund seiner umfassenden wörtlichen Bedeutung sämtliche mit vorgenannten Subbegriffen bezeichnete nutzergenerierte Web-Inhalte umfasst. Dieser hat sich zwischenzeitlich – nicht zuletzt aufgrund seiner sprachlichen Priorität – innerhalb der Internetgemeinschaft als unifizierende Bezeichnung für die verschiedenen inhaltlichen Formen nutzergenerierter Medienbeiträge im Internet weitgehend durchgesetzt.
G. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands Die in der vorstehenden Definition des Begriffes UGC enthaltenen Tatbestandsmerkmale bilden die Grundlage für eine begriffsspezifische Einordnung der Vielzahl heute anzutreffender medialer Publikumsleistungen. Sie legen die Grenzen zwischen den vom Verfasser gewählten Mengenbegriffen „UGC i. e. S.“ und „UGC i. w. S.“ fest und bestimmen damit gleichzeitig den Umfang des vorliegenden Untersuchungsgegenstands. Die der vorliegenden Abhandlung zugrunde liegende Fragestellung der urheberrechtlichen Zulässigkeit nutzergenerierter Medieninhalte erfordert nur die Behandlung solcher Erscheinungs- und Verwertungsformen, bei denen eine urheberrechtlich relevante Verwendung fremder Werke und verwandter Schutzgegenstände möglich erscheint. Insofern können bei nachfolgender Darstellung verschiedene Erscheinungsformen von UGC unberücksichtigt bleiben, die der vorstehenden Definition zufolge zwar grundsätzlich zum Umfang des Untersuchungsgegenstands gehören, aufgrund offensichtlich fehlenden Verletzungspotentials für die hierauf folgende rechtliche Prüfung jedoch ohne Relevanz sind. Hierzu zählen insbesondere die von Nutzern so genannter Social-Bookmarking-Dienste73 kollaborativ zusammengetragenen „Internet-Lesezeichen“ (Bookmarks) in Form von einzelnen Hyperlinks und die zu ihrer „Verschlagwortung“ und besserenAuffindbarkeit erstellten einzelnen Wörter (Tags), Wortgruppen (Tag-Clouds) oder Stichwörter (Keywords) sowie die
72 „Consumer generated media (CGM) originated as a reference to posts made by consumers within online venues such as internet forums, blogs, wikis, discussion lists etc., on products that they have purchased.“, Wikipedia, URL: http://en.wikipedia.org/wiki/Consumer_generated_media [20.02.2008]. 73 Eine bekannte englischsprachige Social-Bookmarking-Seite („social bookmark“, engl. für „Gemeinschafts-Lesezeichen“) ist z.B. „del.icio.us“ (URL: http://www.del.iciou.us), die es jedem Nutzer ermöglicht, eigene Internet-Lesezeichen hinzuzufügen, zu löschen, zu kommentieren, diese mit Tags zu versehen und anschließend allen anderen Nutzern verfügbar zu machen.
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1. Kapitel: Begriff des User Generated Content
auf verschiedenen Social-Networking-Seiten74 zu beschreibenden, kategorisierenden oder informativen Zwecken veröffentlichten personenbezogenen Informationen oder sonstigen typografischen Einzeldaten.75
74 Social-Networking-Seiten („social netwok“, engl. für „soziales Netzwerk“), häufig auch „Community-Webseiten“ genannt, bestehen überwiegend aus individuell gestalteten Profilseiten ihrer Mitglieder und dienen dem Aufbau und der Erhaltung sozialer Kontakte in Form von virtuellen und reellen Freundschaften oder Geschäftskontakten über das Internet; bekannte SocialNetworking-Seiten sind z.B. „Facebook“ (URL: http://www.facebook.com), „StudiVZ“ (URL: http://www.studivz.net) oder „XING“ (URL: http://www.xing.com). 75 Der Verfasser geht vorliegend davon aus, dass ein Nutzer durch das Eintragen einzelner Bookmarks, Tags, Keywords oder sonstiger typografischer Einzeldaten in öffentlich zugängliche Internet-Datenbanken weder urheberrechtliche Nutzungsrechte an den einzelnen Einträgen noch eine Miturheberschaft an der Datenbank als solches erwirbt.
2. Kapitel: Formen von User Generated Content
A. Überblick Zur Veranschaulichung des neuartigen und in tatsächlicher Hinsicht breit gefächerten Untersuchungsgegenstands werden in diesem Kapitel die derzeit existierenden Formen von UGC dargestellt. Diese lassen sich – den im Internet verfügbaren Medieninhalten entsprechend – grob in die vier Beitragskategorien Text-, Bild-, Audiound Video-Beiträge einordnen. Innerhalb jener Kategorien kann sodann eine weitere Differenzierung hinsichtlich der jeweiligen inhaltlichen Zweckbestimmung der Beiträge vorgenommen werden.1 Angesichts der nahezu unbegrenzten Artenvielfalt nutzergenerierter Medienbeiträge können hierbei jedoch lediglich einige typische Erscheinungsweisen exemplarisch näher vorgestellt werden.2
B. Text-Beiträge Die mit Abstand häufigste und zugleich älteste Form von nutzergenerierten Medieninhalten stellt der vom Nutzer selbst verfasste Text dar. Aufgrund der denkbar einfachen Möglichkeit, mittels der jedem Internetnutzer zur Verfügung stehenden Computer-Tastatur einen Text zu verfassen, sowie des im Verhältnis zu anderen Medieninhalten minimalen Datenvolumens und den dementsprechend geringen Anforderungen an dessen Kopie, Speicherung und Übermittlung, waren selbständig 1 Da eine unautorisierte Verwendung fremder urheberrechtlich geschützter Werke und Leistungen grundsätzlich bei allen nachfolgend genannten Beitragsformen zu beobachten ist, bleibt die Frage der Urheberschaft an den zu ihrer Erzeugung – bewusst oder unbewusst – verwendeten (Fremd-)Inhalten im Rahmen der nachstehenden Ausführungen unberücksichtig. 2 Zu den im Rahmen der UGC-Produktion typischerweise stattfindenden urheberrechtlich relevanten Erzeugungs- und Publikationshandlungen siehe die abstrahierende Darstellung unten: „4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge“, S. 75 ff.
C. A. Bauer, User Generated Content, DOI 10.1007/978-3-642-20068-7_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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2. Kapitel: Formen von User Generated Content
erzeugte Text-Beiträge von Internetnutzern bereits im frühen Entwicklungsstadium des WWW möglich.
I. Webforen Mit dem so genannten Internetforum war es dem einfachen Internetnutzer erstmals möglich, ohne jegliche Programmierkenntnisse einen von ihm selbst erstellten Text im WWW zu veröffentlichen. Ein Internetforum („forum“, lat. für „Marktplatz“), häufig auch Diskussionsforum oder Webforum genannt, ist ein virtueller Platz zum Austausch und zur Archivierung von Gedanken und Erfahrungen zu einem bestimmten, vorher festgelegten Thema, bei dem die Kommunikation zwischen den Teilnehmern asynchron, das heißt – dem jeweiligen Eintragszeitpunkt entsprechend – zeitlich versetzt stattfindet.3 Aus technischer Sicht existieren dabei verschiedene Möglichkeiten, um ein Internetforum als internetbasierte Kommunikationsplattform zu realisieren. Neben den im Wesentlichen auf dem reinen Austausch von elektronischen Nachrichten beruhenden frühen Internetforen des Usenet 4 und der sog. Mailinglisten5 , haben sich heute beim Großteil der Internetnutzer weitgehend die auf Webseiten enthaltenen Webforen durchgesetzt. Das Webforum bietet aufgrund seiner Integration in eine bestehende Webseite den großen Vorteil, dass es mit jedem gängigen Internetbrowser dargestellt und durchsucht werden kann und es daher keiner speziellen Software zum Abrufen, Lesen oder Verfassen von Beiträgen bedarf. Bei dem sog. „Bulletin Board“ (Board), der heute am häufigsten verwendeten Webforum-Art, wird auf dessen Hauptseite zunächst eine Übersicht aller Themen (Topics) geboten, wobei jeweils der Titel des ersten Diskussionsbeitrags (Posting) angezeigt wird. Innerhalb der jeweiligen Themen werden dann alle von den registrierten Teilnehmern erstellten Diskussionsbeiträge chronologisch geordnet, wodurch ein Diskussionsstrang (Thread) entsteht, der stets den Verlauf der Diskussion erkennen lässt.6 Innerhalb der vom jeweiligen Forum-Betreiber regelmäßig vorgegebenen Themenkategorien kann somit jeder Internetnutzer durch 3
Vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Internetforum [18.09.2007]. Das bereits 1979 in den USA von Tom Truscott, Steve Bellovin und Jim Ellis als Verbindung zweier Universitäts-UNIX-Computer erfundene „Usenet“ (urspr. Unix User Network) ist heute ein weltweites, elektronisches Netzwerk, das thematisch sortierte Diskussionsforen (sog. Newsgroups) aller Art in Form von elektronischen Datei-Ordnern auf einer Vielzahl von Internet-Servern bereitstellt, deren Inhalte (News) mit Hilfe eines Computerprogramms (Newsreader) abgerufen, gelesen und beantwortet werden können (vgl. dazu Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Usenet [18.09.2007]). 5 Eine „Mailingliste“ („mailing list“, engl. für „Rundbriefliste“) ist ein auf einem zentralen „Listserver“ eingerichteter automatischer E-Mail-Verteiler, der alle bei ihm eingehenden E-Mails automatisch an alle eingetragenen Empfänger weiterleitet und somit den Nachrichtenaustausch innerhalb einer geschlossenen Nutzergruppe ermöglicht (vgl. dazu Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Mailingliste [18.09.2007]). 6 Vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Webforum [18.09.2007]. 4
B. Text-Beiträge
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Eröffnung eines neuen Threads ein beliebiges Thema zur Diskussion stellen oder sich selbst bei bereits eröffneten Diskussionen aktiv beteiligen. Aufgrund der mittlerweile verfügbaren auch für Computerlaien relativ leicht zu handhabenden Forensoftware7 sowie dem Angebot zahlreicher kostenloser Forenlösungen8 im Internet, ist es heute praktisch jedem Websitebetreiber ohne größere Schwierigkeiten möglich, ein eigenes Webforum auf seiner Webseite einzurichten und zu betreiben. Im Internet besonders beliebt sind vor allem sog. „Hilfe-Foren“, in denen die Hilfe suchenden Nutzer gegenseitig Informationen und Ratschläge zu bestimmten Themen austauschen. In diesem Zusammenhang sind bereits die unterschiedlichsten SpezialForen entstanden, die insbesondere bei sehr speziellen Problemen, für die entweder (noch) gar keine oder nur sehr wenige alternative Informationsquellen existieren, häufig die einzige Hilfe sind. Neben den unzähligen nicht kommerziellen Foren, die von Amateuren auf ihren privaten Webseiten zu allen denkbaren Themen betriebenen werden, verfügen zwischenzeitlich aber auch immer mehr kommerziell betriebene Webseiten (z. B. von Produkt-Herstellern) über so genannte „Support-Foren“, in denen sie ihren Kunden die Möglichkeit bieten, sich über die Qualität, Handhabung und eventuelle Probleme ihrer Produkte auszutauschen.9 Auch diverse Tageszeitungen, Zeitschriften und Fernsehsender verfügen heute auf ihren Webseiten über einen kostenlos nutzbaren „Community-Bereich“, in dem Sie ihren Besuchern unter anderem ein Webforum zur Verfügung stellen, das es diesen ermöglicht, mit anderen Community-Mitgliedern über diverse Themen aus Politik, Wirtschaft, Kultur oder Unterhaltung zu kommunizieren.10 Eine weitere Art von Internet-Foren sind kommerziell betriebene, aber ebenfalls kostenlos nutzbare Bewertungs-Communities für Produkte und Dienstleistungen, in denen die Nutzer unter anderem ihre persönlichen Erfahrungsberichte in Bezug auf bestimmte Produkte oder Dienstleistungen (Rezensionen) verfassen und veröffentlichen können. Diese Bewertungs-Foren werden entweder als Gegenstand eines eigenständigen Geschäftsmodells von selbständigen
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Bekannte Softwares für Webforen sind z.B. PhpMyForum, phpBB, PunBB oder YaBB. Kostenlose Webforen sind z.B. von den Anbietern „board-4you.de“, „foren.cx“, „forenking.com“, „forumon.net“ oder „kostenlosesforum.com“ erhältlich. 9 So bietet bspw. das Softwareunternehmen Microsoft unter der Adresse „http://forums.microsoft. com“ verschiedene Support-Foren zu ihren Produkten an; die Deutsche Kreditbank AG (DKB) hat unter der Adresse „www.weltweit-kostenlos-geld-abheben.de“ ein öffentliches Produkt-Forum eröffnet, in dem Internetnutzer ihre persönlichen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Abheben von Bargeld im In- und Ausland veröffentlichen, kommentieren und zugleich die Leistungen der DKB beurteilen können. 10 So verfügt die Süddeutsche Zeitung bspw. mit ihrem „Sued-Café“ auf ihrer Internetpräsenz über eine Leser-Lounge, in der die Leser Artikel kommentieren und jene Kommentare bewerten können; auch die Zeitschrift „Der Spiegel“ bietet auf ihrer Webseite mit dem „Spiegel Online Forum“ ein Internetforum zu diversen Themenbereichen an; im Fernsehbereich sind sowohl auf den Internetportalen der privaten Sendeanstalten wie RTL, ProSieben, Sat.1 oder Kabel 1 als auch auf solchen öffentlich rechtlicher Rundfunkanbieter, wie dem ZDF, Webforen enthalten. 8
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2. Kapitel: Formen von User Generated Content
Unternehmen betrieben, oder sind als nützliche Zusatzleistung in die Webseiten etablierter Internet-Kaufhäuser integriert.11 Auch die Wikipedia12 ist eine Art Webforum. Da es bei ihr jedoch möglich ist, die Beiträge anderer Nutzer zu bearbeiten, zu ergänzen oder zu löschen, und damit streng genommen für jedes Thema nur ein einziger, in kollaborativer Zusammenarbeit erstellter Beitrag existiert, ist die Abweichung zum herkömmlichen Webforum bereits so groß, dass dieser Form des Internetforums eine eigenständige Betrachtung zukommen soll.13
II. Blogs Parallel zu der ständig gewachsenen Anzahl an Internetforen entstand für Internetnutzer Mitte der 1990er Jahre mit den so genannten Weblogs14 (Blogs) eine weitere Möglichkeit, sich mit selbst verfassten Text-Beiträgen an der Meinungsbildung im Internet zu beteiligen. Ein Weblog ist eine regelmäßig aktualisierte Webseite, die hauptsächlich aus umgekehrt chronologisch sortierten Einträgen („Postings“, kurz „Posts“) ihres Betreibers (Blogger) besteht, und unter einer eindeutigen kontinuierlichen Internet-Adresse (URL)15 erreichbar ist. Das Blog16 , das ursprünglich als eine Art „Internet-Tagebuch“ überwiegend Einträge über den privaten Lebensalltag seines Betreibers enthielt, ist heute eine Art „Internet-Journal“, auf dessen Seiten sein Betreiber periodisch Einträge zu allen möglichen, meist sehr speziellen Themen veröffentlicht. Die verfassten Blog-Posts reichen dabei von banal anmutenden Einzeilern bis hin zu mehrseitigen Argumentationen mit Artikelcharakter.17 Im Gegensatz zum Webforum, bei dem der Initiator eines neuen Threads durch die Vorgabe eines Themas regelmäßig nur den Anstoß zu einer Diskussion liefert, die dann von den unterschiedlichsten Nutzern (fort-)geführt wird, handelt es sich bei einem Blog um fortlaufende Beiträge eines Autors, die von anderen Bloggern anschließend i. d. R. „nur“ kommentiert werden können. Das Blog 11 Unabhängige Produkt-Bewertungsforen bieten z.B. die Unternehmen „Ciao!“ (www.ciao.de) oder „Dooyoo“ (www.dooyoo.de) an; mit einem integrierten Produkt-Bewertungsforum ist z.B. das wohl bekannteste Internet-Kaufhaus „Amazon“ (www.amazon.de“) ausgestattet. 12 Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, erreichbar unter der URL: http://www.wikipedia.org. 13 Siehe dazu unten: „Wikis“, S. 32. 14 Der Begriff „Weblog“ ist eine englische Wortkreuzung aus den Worten „Web“ (engl. für „Netz/Internet“) und „Log“ (Abk. f. Logbuch), die erstmals 1997 – vermutlich auf der Webseite von Jorn Barger – auftauchte und für periodische neue Beiträge auf einer Webseite steht (vgl. dazu Alby, Web 2.0, S. 21). 15 Die für Internet-Adressen verwendete Abkürzung „URL“ steht für „Uniform Resource Locator“ (engl. etwa für „einheitlicher Quellenanzeiger“). 16 Mit der 24. Auflage wurde das Wort „Blog“ in den Duden aufgenommen (zusammen mit „bloggen“, „Blogger“ und „Bloggerin“); dabei wird die sächliche Form als Hauptvariante und die männliche Form als zulässige Nebenvariante dargestellt (vgl. dazu Duden, S. 261). 17 Vgl. Lange, UGC als Grundlage für Trend-Scouting, S. 35.
B. Text-Beiträge
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ist daher stets Ausdruck der Originalität und der Persönlichkeit eines Bloggers, womit es erkennbar dessen Handschrift trägt und daher viel enger mit seinem Verfasser als Individuum verbunden ist. Auch ein Weblog ist technisch im Wesentlichen auf zwei unterschiedliche Arten realisierbar. Für fortgeschrittene Internetnutzer, die neben einer eigenen Domain und/oder eigenem Webspace18 darüber hinaus auch bereits über gewisse Kenntnisse im Webdesign verfügen, besteht die Möglichkeit, sich eine entsprechende, in der Regel kostenlos verfügbare Weblog-Software19 auf dem von ihnen genutzten Server zu installieren und auf diese Weise einen Blog in ihre eigene Webseite zu integrieren. Alle anderen Nutzer können auf das Angebot zahlreicher teils kostenloser, teils kostenpflichtiger vollständiger Bloglösungen diverser Weblog-Anbieter20 (Blog-Provider) zurückgreifen, die ihren registrierten Nutzern eine Subdomain21 zur Verfügung stellen, unter der ihre bereits vorinstallierte Blog-Webseite fortan dauerhaft erreichbar ist. Weblogs, die heute neben Texten vermehrt auch Audio- und Videosequenzen enthalten, lassen sich sowohl nach den in ihnen verwendeten Medien, ihrer inhaltlichen Gattung sowie nach der Organisationsform des oder der Publizierenden typologisieren.22 Dem Vorbild des einst reinen Text-Blogs folgten so schon bald Foto-, Audiound Video-Blogs.23 Inhaltlich reicht das Blog-Spektrum hierbei von Art-Blogs über Law-Blogs (Blawgs) bis hin zu Food- oder War-Blogs. Neben den ursprünglich ausschließlich von Privatpersonen geführten Privat-Blogs existieren mittlerweile auch schon verschiedene von Unternehmen betriebene Corporate-Blogs24 , deren Inhalte jedoch in aller Regel professionell erstellt und vorwiegend zu gewerblichen Zwecken veröffentlicht werden, so dass diese – trotz ihrer Bezeichnung als „Blog“ – meist keinen UGC im vorliegenden Sinne darstellen, weshalb hierauf im Folgenden nicht näher eingegangen wird. Der zwischenzeitlich verfügbaren Themenvielfalt zufolge beschäftigen sich viele Blogger in ihren Beiträgen nicht mehr nur mit ihren eigenen persönlichen Erlebnis18 Mit „Webspace“ bezeichnet man den Speicherplatz für Dateien auf der Festplatte eines InternetServers, der von Internetdienstanbietern angeboten wird, um ihren Kunden die Speicherung und Veröffentlichung ihrer Internetpräsenzen zu ermöglichen. 19 Bekannte Weblog-Softwares (Weblog-Publishing-Systeme) sind z.B. WordPress, Movable Type oder Textpattern, die meist auf einer sog. PHP-MySQL-Lösung basieren. 20 Einer der ersten Weblog-Anbieter war „Xanga“ (URL: http://www.xanga.com), der bereits 1996 das Erstellen von eigenen Weblogs ermöglichte und im Jahr 2005 bereits 20 Mio. Weblog-Nutzer zählte; weitere bekannte kostenlose Blog-Provider sind „blogger.com“, „LiveJournal.com“ oder „blog.de“ (Vgl. dazu Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Blog [21.09.2007]). 21 Als „Subdomain“ bezeichnet man eine Domain, die in der Hierarchie unterhalb einer anderen liegt, so dass z.B. bei dem Blog-Provider „blog.de“ ein Nutzer mit dem Blog-Namen „Wunschkonzert“ für seinen Blog die Subdomain „http://wunschkonzert.blog.de“ erhält. 22 Vollmer, Jürg, Neue Typologisierung der Weblogs, auf: www.krusenstern.ch, URL: http://www. krusenstern.ch/p740 [21.09.2007]. 23 Siehe dazu auch unten: „Bild-Beiträge“, „Audio-Beiträge“ und „Video-Beiträge“, S. 34 ff. 24 Ein häufig zitiertes Corporate-Blog ist das „FRoSTA Blog“, das von Mitarbeitern des TiefkühlUnternehmens aber auch dessen Vorstand geführt wird (URL: http://www.blog-frosta.de).
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2. Kapitel: Formen von User Generated Content
sen, sondern diskutieren vermehrt auch über kuriose Entdeckungen im Internet und vor allem über Nachrichten und Berichte traditioneller Medien, indem sie auf die entsprechenden Webseiten verlinken, fremde Medieninhalte übernehmen oder andere Blogs kommentieren und bewerten.25 Durch diese gegenseitige Referenzierung und Verlinkung der Webseiten und Beiträge entsteht die so genannte Blogosphäre26 , die ein wesentliches Charakteristikum des Bloggens darstellt.
III. Nutzer-Artikel Eine weitere Form von nutzergenerierten Text-Beiträgen stellen die von Internetnutzern zu unterschiedlichen Themen verfassten vollständigen Nutzer-Artikel dar, die heute auch über zahlreiche Web-Portale traditioneller Medienunternehmen über das Internet veröffentlicht werden können. Diese häufig mit dem Begriff „Bürgerjournalismus“ oder „Graswurzel-Journalismus“ bezeichnete partizipative Tätigkeit eines Bürgers oder einer Gruppe von Bürgern, die eine aktive Rolle im Prozess der Recherche, des Berichtens, Analysierens sowie Verbreitens von Nachrichten und Informationen einnehmen, gewinnt im Zeitalter des Web 2.0 und den hiermit verbundenen neuen Publikationsmöglichkeiten zunehmend an Bedeutung.27 Während die meisten Blog-Provider ihren Nutzern durch das Zur-VerfügungStellen einer Subdomain eine vorwiegend nach Nutzern geordnete Plattform zur Veröffentlichung ihrer Inhalte bieten, sind die Online-Portale der bestehenden „Bürger-“ bzw. „Nutzer-Zeitungen“ in der Regel nach klassischen Rubriken, wie Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport oder Reise unterteilt. Vergleichbar sind die Plattformarten jedoch hinsichtlich ihrer Interaktionsmöglichkeiten, die sie ihren Mitgliedern bieten. Denn in beiden Fällen ist es registrierten Nutzern möglich neben der unmittelbaren Veröffentlichung eigener Texte auch Beiträge anderer Mitglieder zu kommentieren und zu bewerten sowie mit diesen in Kontakt zu treten, so dass die Seiten äußerlich einem Blog sehr ähnlich sind. Durch die Bewertungsfunktionen ergeben sich diverse automatische Rangordnungen und Artikel-Hierarchien, die zusätzliche Navigationsrubriken wie z. B. „Beste Artikel“, „Meistgelesene Artikel“, „Artikel der Woche“ oder „Aktuelle Artikel“ ergeben. Neben traditionellen Verlagshäusern28 , die 25
Eines der populärsten Medien-Blogs ist das „BILDblog“ (URL: http://www.bildblog.de), das sich ausschließlich mit der Berichterstattung der Zeitung „BILD“ auseinandersetzt. 26 Der Begriff „Blogosphäre“ beschreibt die Gesamtheit aller Weblogs und ihrer Verbindungen, die gemeinsam eine oder mehrere Communities bilden und somit ein soziales Netzwerk darstellen (vgl. dazu Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Blogosphäre [21.09.2007]). 27 Vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Graswurzel-Journalismus [24.09.2007]. 28 So betreibt z.B. die Magazin Verlagsgesellschaft SZ mbH – eine 100prozentinge Tochter der Süddeutsche Zeitung GmbH – mit ihrer Jugendwebseite „jetzt.de“ (URL: http://jetzt.sueddeutsche.de) ein Online-Portal für junge Erwachsene, auf dem registrierte Nutzer ihre eigenen Beiträge unmittelbar veröffentlichen können, wobei die besten Beiträge einmal pro Woche zusätzlich auf zwei Seiten der „Süddeutschen Zeitung“ erscheinen. Ebenso verfügt das Jugendmagazin „NEON“, das
B. Text-Beiträge
35
zur Ergänzung und Unterstützung ihrer verschiedenen Printmedien zusätzlich ein Leserportal im Internet bereithalten, existieren auch reine Online-Bürgerzeitungen29 , die ausschließlich aus nutzergenerierten Medienbeiträgen bestehen.
IV. Wikis Als Weiterentwicklung der bereits zur Kommunikation im Internet verwendeten Webforen wurden ebenfalls Mitte der 1990er Jahre die ersten Wikis30 als Informationsverwaltungs-Werkzeuge entwickelt, um es einer bestimmten Anzahl von Personen zu ermöglichen, über das Internet auf Webseiten enthaltene Inhalte zugreifen und diese in Echtzeit überarbeiten zu können. Ein Wiki, teilweise auch „WikiWiki“ oder „WikiWeb“ genannt, ist eine Sammlung von Intranet- oder Internetseiten, die von mehreren Nutzern in kollaborativer Zusammenarbeit verfasst und anschließend i. d. R. von jedermann nicht nur gelesen, sondern fortlaufend auch in Echtzeit online überarbeitet, d. h. geändert werden können.31 Wie Internetforen oder Weblogs bestehen auch Wikis hauptsächlich aus Texten. Technisch erfolgt die Gestaltung ihrer Webseiten durch die Nutzer jedoch nicht nachrichtenbasiert, sondern mittels einer in die Wiki-Seite implementierten Wiki-Software, die es ihnen ermöglicht, das jeweilige Web-Dokument anhand einer visuellen Benutzeroberfläche – ähnlich der Erstellung eines Word-Dokuments – über den Browser unmittelbar auf dem Server zu erstellen, zu überarbeiten und durch die Speicherung (wieder) zu veröffentlichen.32 Die Autorenschaft an den einzelnen gemeinschaftlich erstellten Beiträgen tritt hierbei allerdings häufig in den Hintergrund, da Wikis meist durch anonyme Internetnutzer überarbeitet oder ergänzt werden können, so dass i. d. R. weder die Urheberschaft an den einzelnen Teilbeiträgen noch an dem sich hieraus ergebenden Gesamtbeitrag erkennbar ist.33 Durch zum Verlagsangebot der Gruner + Jahr AG & Co KG gehört, unter der Adresse „www.neon.de“ über eine Web-Präsenz, auf der die Nutzer eigene Artikel verfassen können, von denen manche im gedruckten Magazin veröffentlicht werden. 29 Als Projekt des Stadtportals „koeln.de“ existiert seit Anfang 2007 die „Bürgerzeitung Köln“ (URL: http://bz.koeln.de), die Stadtreportern aus der Region Köln eine Nachrichten-Plattform bietet. Bereits im Sommer 2006 startete die Berliner „NZ Netzeitung GmbH“ mit der „Readers Edition“ (URL: http://www.readers-edition.de) eine Leserausgabe ihrer Internetzeitung, die seit Januar 2007 von der „BF Blogform Social Media GmbH“ betrieben wird. 30 Der Begriff „Wiki“ (hawai. für schnell) ist eine Abkürzung der hawaiianisch-englischen Wortschöpfung „WikiWikiWeb“, die von dessen Entwickler, dem US-amerikanischen Softwareautor Ward Cunningham, 1994 in Anlehnung an die auf Hawaii verkehrenden Flughafen-Shuttle-Busse („Wiki Wiki“, hawai. für sehr schnell) kreiert wurde und übersetzt so viel bedeutet wie „sehr schnelles Web“ (vgl. dazu Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Wiki [25.09.2007]). 31 Vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Wiki [25.09.2007]. 32 Vgl. Lange, UGC als Grundlage für Trend-Scouting, S. 35 f. 33 Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, Text-Dokumente nur von einer bestimmten Anzahl von Personen erstellen und überarbeiten zu lassen, wobei die Autorenschaft der einzelnen Beitragsteile
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2. Kapitel: Formen von User Generated Content
diese allen Nutzern gegebene Möglichkeit zur freien Gestaltung, gegenseitigen Kontrolle und Korrektur ihrer Wiki-Beiträge, die gleichzeitig das ausschlaggebende Unterscheidungskriterium im Vergleich zu Foren und Blogs darstellt, erfolgt eine Einbeziehung der kollektiven Intelligenz der Nutzer, die letztendlich als permanente Qualitätskontrolle fungiert. Das derzeit bekannteste und zugleich größte Wiki ist die 2001 gegründete Online-Enzyklopädie Wikipedia34 . Darüber hinaus sind auch in diesem Bereich zwischenzeitlich unzählige Wikis zu allen möglichen Themenbereichen entstanden. Das Spektrum reicht auch hier von regionalen „Stadt-Wikis“35 über „Jura-Wikis“36 bis hin zu „Reise-Wikis“37 oder „Nachrichten-Wikis“38 .
V. Private Webseiten Ebenso wie die in Blogs enthaltenen, über einen Blog-Provider als Kommunikationsplattform veröffentlichten Beiträge, stellen auch die von einer Privatperson auf ihrer eigenen Webseite zur Verfügung gestellten Inhalte nutzergenerierte Medieninhalte und damit eine weitere Form von UGC dar. Die eigene Webseite des Nutzers ist gleichzeitig die eigenständigste Beteiligungsform eines Nutzers im Rahmen der Bereitstellung von Inhalten im Internet. Denn sie müssen hier nicht nur die bereitgestellten Inhalte liefern, sondern zugleich sämtliche technische, organisatorische und finanzielle Voraussetzungen für deren Publikation schaffen. Das WWW entwickelte sich zunächst nicht – wie von dessen Erfinder, dem britischen Informatiker Sir Timothy John Berners-Lee, um 1990 vorgesehen – zu dem ursprünglich geplanten „Read-and-Write-Web“ zum Austausch von Forschungsergebnissen. In diesem hätte es eigentlich jedem Nutzer durch das Erstellen und Verändern von Web-Dokumenten möglich sein sollen, seine eigenen Inhalte im Internet zu veröffentlichen. Allerdings boten schon früh verschiedene Internet-Provider39 durch die Abspeicherung der jeweiligen Vorgängerversion des Dokuments stets erhalten bleibt, wie dies z.B. Google Docs (URL: http://www.google.com/docs) anbietet. 34 Die bekannte Online-Enzyklopädie Wikipedia ist erreichbar unter der URL: http://wikipedia.org; siehe näher hierzu unten: „Gemeinnützige Kollaborationsplattformen“, Kapitel 3, S. 46 f. 35 So betreibt bspw. die „Gesellschaft zur Förderung regionalen Freien Wissens e.V.“ unter der URL http://ka.stadtwiki.net das Informationsportal „Stadtwiki Karlsruhe“. 36 Eine deutschsprachige Kommunikations- und Kooperations-Plattform für Juristen und juristisch Interessierte im Web ist z.B. das „JuraWiki“ (URL: http://www.jurawiki.de). 37 Seit Oktober 2004 gibt es z. B. den weltweiten kostenlosen Online-Reiseführer „Wikitravel“ (URL: http://wikitravel.org), der derzeit über rund 3 600 Artikel verfügt. 38 Als bekanntes Schwesterprojekt der Wikipedia existiert seit November 2004 unter anderem das Nachrichtenportal „WikiNews“ (URL: http://wikinews.org), das derzeit in 26 Sprachen verfügbar ist. 39 So gehörten z.B. die Internet-Provider „GeoCities“ (URL: http://geocities.yahoo.com) oder „Tripod“ (URL: http://www.tripod.lycos.com) zu den ersten Web-Hostern, die jedermann die Möglichkeit zur einfachen und kostenlosen Erstellung einer eigenen Webpräsenz boten.
C. Bild-Beiträge
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die Möglichkeit, sich nach einem „Baukastenprinzip“ kostenlos eine eigene Webseite zu erstellen. Hierdurch wurden dem Nutzer insbesondere das Erlernen der für die Webseitenerstellung notwendigen Seitenbeschreibungssprache „HTML“ sowie die bürokratischen und sonstigen technisch notwendigen Schritte bis zur Veröffentlichung einer eigenen Webseite, die eine nicht zu unterschätzende Hürde für die breite Masse der Internetnutzer darstellten, nahezu vollständig abgenommen.40 Obwohl diese Angebote zunächst großen Anklang bei den Internetnutzern fanden und auf diese Weise Millionen von Privat-Homepages entstanden, waren diese für den Großteil der Internetnutzer jedoch nicht von gesteigertem Interesse, da diese vorwiegend über Familie, Haustiere oder Hobbys der Betreiber informierten und zudem aufgrund des relativ zeitaufwändigen Vorgangs zur Änderung ihrer Inhalte, meist über Jahre nicht aktualisiert wurden.
C. Bild-Beiträge Die von Nutzern erstellten und im Internet veröffentlichten Bildinhalte in Form von Fotos oder grafischen Bilddateien dürften nach den selbst verfassten Texten die zweithäufigste Beteiligungsform der Internetnutzer darstellen und bilden somit die zweite Beitragskategorie der nutzergenerierten Bild-Beiträge.
I. Fotos Spätestens seit dem Durchbruch der Digitalfotografie Ende der 1990er Jahre ist es jedem Nutzer ohne weiteres möglich, selbst nahezu kostenlos digitale Fotos zu erstellen, diese ohne nennenswerten Aufwand auf seinen Personal Computer (PC) zu übertragen und von dort aus als Bilddatei im Internet zu veröffentlichen. Aufgrund der rapide gefallenen Preise für elektronische Bauteile, sind Digitalkameras für den Heimgebrauch heute bereits für unter EUR 100,– erhältlich, was zu ihrer stark gestiegenen Verbreitung geführt hat, so dass heute rund jeder dritte deutsche Haushalt41 digitales Foto-Equipment besitzt. Hinzu kommt, dass Digitalkameras seit Anfang des 21. Jahrhundert zunehmend auch in andere Geräte integriert werden. So verfügen fast alle modernen Mobiltelefone und viele PDAs42 über eine eingebaute Digitalkamera, deren Bildauflösung bei manchen Modellen bereits bis zu fünf 40
Vgl. Alby, Web 2.0, S. 25. Nach einer Mitteilung des Statistischen Bundesamts vom 06.03.2006, die anlässlich der Computermesse CeBIT 2006 veröffentlich wurde, verfügen rund 31,5% der deutschen Haushalte über einen digitalen Fotoapparat (vgl. Pressemitteilung Nr. 096 vom 06.03.2006). 42 Die Abkürzung „PDA“ steht für „Personal Digital Assistent“ und bezeichnet kleine tragbare Computer, die überwiegend für die persönliche Kalender-, Adress- undAufgabenverwaltung benutzt werden. 41
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2. Kapitel: Formen von User Generated Content
Megapixel beträgt. Auch mit Video-Camcordern lassen sich mittels der integrierten Fotofunktionen digitale Fotodateien erzeugen. Seit der Einführung der so genannten „Internet-Flatrates“, die das Surfen im Internet ohne Zeit- und Datenlimit zu einem geringen monatlichen Pauschalpreis ermöglichen, machen immer mehr Nutzer von den unterschiedlichen meist kostenlosen Online-Angeboten zum Speichern, Sortieren und Veröffentlichen ihrer Fotos43 im Internet Gebrauch, deren Übertragung aufgrund des hohen Datenvolumens zuvor noch wesentlich zeit- und somit vor allem kostenintensiver gewesen wäre. Neben dem Foto-Upload über die jeweilige Webseite und per E-Mail, unterstützen einige Anbieter zusätzlich sogar den Empfang der Bilddateien direkt vom Mobiltelefon aus.44 Gespeicherte Fotos können sodann unter anderem mit Schlagwörtern (Tags) versehen, von anderen Nutzern kommentiert und bewertet werden. Auch eine Zugriffsbegrenzung auf bestimmte Nutzer oder Nutzergruppen ist in den meisten Fällen möglich. Eine weitere sehr beliebte Möglichkeit zur Veröffentlichung nutzergenerierter Fotografien bieten die bereits oben genannten Weblogs, die neben Texten zunehmend auch Bilddateien enthalten. Darüber hinaus existiert mittlerweile auch eine Reihe von reinen Foto-Blogs.45
II. Computer-Grafiken Zusätzlich zu den nutzergenerierten Fotografien finden sich im Internet vermehrt auch von Nutzern geschaffene Grafiken in Form von handgezeichneten Skizzen und Gemälden sowie die unterschiedlichsten mit Hilfe von Computern künstlich erzeugten Computergrafiken in 2- und 3-dimensionaler Ausführung. Sowohl zum Zwecke der Personalisierung ihrer privaten Homepages, Weblogs oder individuell gestaltbaren Mitgliedsseiten auf verschiedenen Community-Websites46 , erstellen sich immer 43 So ermöglicht z.B. die bekannte Photo-Sharing-Plattform „Flickr“ (URL: http://www.flickr.com) im Rahmen ihres „Basic-Accounts“ das kostenlose Speichern, Suchen, Sortieren, Veröffentlichen, Kommentieren und Bewerten von privaten Fotos im Internet, wovon bis heute weit mehr als 7 Mio. Nutzer Gebrauch gemacht haben und so rund 1,2 Mrd. Fotos (Stand August 2007) hochgeladen haben. 44 Neben Flickr bieten bspw. auch die Plattformen „locr“ (URL: http://www.locr.com) oder „photobucket“ (URL: http://photobucket.com) einen Upload der erstellten Bilder via Mobiltelefon an. 45 Ein bekannter Foto-Blog-Anbieter ist z.B. „photoblog“ (URL: http://www.photoblog.com). 46 Als „Community-Websites“ bezeichnet man Webseiten, die hauptsächlich aus Profil-Seiten ihrer Mitglieder bestehen, auf denen diese berufliche und/oder private Details über sich veröffentlichen und mit anderen Mitgliedern durch die Herstellung von gegenseitigen Profil-Verknüpfungen virtuelle Freundschaften schließen können, wodurch insgesamt ein soziales Netzwerk entsteht. Zu den bekanntesten Community-Sites gehören neben der Business-Community „XING“ (ehem. „OpenBC“ für Open Business Club, URL: http://www.xing.com) und dem Studentenverzeichnis „StudiVZ“ (URL: http://www.studivz.net) vor allem die Musik-Plattform „MySpace“ (URL: http://www.myspace.com), die eine individuelle Gestaltung der Profilseite durch den Nutzer zulässt.
C. Bild-Beiträge
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mehr Nutzer mit Hilfe diverser kostenlos bzw. günstig erhältlicher Bildbearbeitungsund Grafik-Computerprogramme selbst ihren individuellen Web-Auftritt, veröffentlichen ihre Werke auf den oben genannten Foto-Sharing-Webseiten oder nehmen an im Internet ausgeschriebenen Gestaltungs-Wettbewerben, auch „Crowdsourcing“47 genannt, teil. Jene Wettbewerbe werden entweder von Unternehmen48 selbst ausgeschrieben oder von diesen beauftragten Agenturen49 durchgeführt, um FirmenLogos, Produkt-Verpackungen oder ganze Werbekampagnen von Internetnutzern kreieren, veröffentlichen und anschließend bewerten zu lassen.
III. Virtual-Content Darüber hinaus lässt sich auch der so genannte „Virtual-Content“ in die Kategorie nutzergenerierter Bild-Beiträge einordnen.50 Hierbei handelt es sich vorwiegend um visuell wahrnehmbare virtuelle Gegenstände in interaktiven Internet-Rollenspielen,51 wie z. B. SecondLife52 , die von Internetnutzern im Rahmen 47 Der Begriff „Crowdsourcing“ (engl. so viel wie „Aus-der-Menge-Beschaffen“) ist eine im Jahre 2006 vermutlich von Jeff Howe und Mark Robinson (Wired Magazine) geprägte Wortschöpfung, die den Prozess der Nutzung der Intelligenz und der Arbeitskraft einer Masse von freiwillig und i.d.R. kostenlos oder gering bezahlt arbeitender Amateure zur Lösung diverser Aufgaben oder Probleme im Internet bezeichnet (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Crowdsourcing [27.09.2007]). 48 So veranstaltete z.B. die „Spreeblick Verlag KG“ als Betreiber des Weblogs „Spreeblick“ (URL: http://www.spreeblick.com) im August 2007 einen Logo-Wettbewerb unter ihren Lesern. 49 Als erstes deutsches Unternehmen hat die Berliner Community- und Crowdsourcing-Agentur „VOdA GmbH“ das Crowdsourcing-Prinzip zur Grundlage ihres Geschäftsmodells gemacht und führt so im Internet für diverse Unternehmen Kreativ-Wettbewerbe durch (vgl. URL: http://www.voagentur.de). 50 Unabhängig von der Frage, ob an virtuellen Gegenständen Eigentum erworben werden kann oder inwiefern sie einem sonstigen immaterialgüterrechtlichen Schutz zugänglich sind, werden diese – im Hinblick auf einen möglichen urheberrechtlichen Schutz – vorliegend als nutzergenerierte Bild-Beiträge eingestuft, da es sich bei diesen letztlich immer um eine visuell wahrnehmbare elektronische Bilddatei handelt. 51 Im Cyberspace werden komplexe interaktive Rollenspiele, sog. „MUDs“ (Multiuser Dungeons) oder „MMORPGs“ (Massive Multiplayer Online Role-Playing Games) immer beliebter; dabei handelt es sich um Abenteuerspiele mit zumeist Fantasy- oder Science-Fiction-Thematik, die im Internet stattfinden und an denen sich stets eine unbegrenzte Anzahl menschlicher Mitspieler innerhalb eines gemeinsamen Raumes beteiligen (vgl. Koch, Die rechtliche Bewertung virtueller Gegenstände auf Online-Plattformen, Abs. 1). 52 Das Computerspiel „SecondLife“ (engl. für „zweites Leben“), kostenlos erhältlich unter der URL: http://secondlife.com, ist eine Online-3D-Infrastruktur für von Benutzern gestaltete virtuelle Welten, in der Menschen durch sog. „Avatare“ als Spielfiguren interagieren, spielen, Handel betreiben und anderweitig kommunizieren können. Das seit 2003 online verfügbare System hat inzwischen mehr als elf Millionen registrierte Benutzerkonten, über die sich rund um die Uhr bis zu 60 000 Nutzer gleichzeitig in das System einloggen können (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Second_Life [03.03.2008]).
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2. Kapitel: Formen von User Generated Content
ihrer Teilnahme erstellt, mittels Upload oder unmittelbarer Speicherung in das Spiel eingebracht werden und sodann für alle anderen Teilnehmer dauerhaft sichtbar sind. Diese virtuellen Gegenstände stellen dabei entweder die Spielcharaktere (Avatare) selbst oder verschiedene, von diesen benutzbare bewegliche oder unbewegliche Spielgegenstände (Items), wie z. B. Kleidung, Waffen, Gebäude oder Grundstücke dar, die durch Tausch, Leihe oder realen Verkauf ihren „Besitzer“ wechseln können.
D. Audio-Beiträge Die dritte medial differenzierbare Form von UGC bilden die von den Nutzern geschaffenen Audio-Beiträge in Gestalt von regelmäßig veröffentlichten Audio-Blogs (Podcasts) und selbst komponierter bzw. selbst aufgezeichneter Musik, die im Internet auf unterschiedliche Weise Verbreitung finden.
I. Podcasts Kurz nach der Markteinführung des digitalen Musikplayers „iPod“ der Firma Apple im Jahre 2001 entstand ein neues Phänomen namens „Podcasting“, das für die von einem Internetnutzer mit geringem technischen Aufwand (z. B. am Heim-PC mittels Soundkarte und Mikrofon) erfolgende Produktion selbst gestalteter Sprach- und sonstiger Audiobeiträge und deren anschließender Veröffentlichung im Internet steht, die jedoch erst im Jahr 2005 größere Bekanntheit erlangte. Ein Podcast 53 ist somit ein von einem Internetnutzer erstellter, einer Radiosendung ähnelnder Audiobeitrag oder eine Serie von Audiobeiträgen (Episoden), die einem bestimmten Thema gewidmet sind und nach ihrer Veröffentlichung über das Internet meist kostenlos automatisch bezogen werden können. Ähnlich wie bei Text- oder Foto-Blogs, ist auch zur Veröffentlichung eines Podcasts neben dem obligatorischen Internetanschluss zusätzlich Speicherplatz auf einem Webserver (Podspace) erforderlich, um anschließend den Download der Audiodatei durch die interessierten Hörer zu ermöglichen. Neben eigenem Webspace, der den Internetnutzern heute von den meisten ihrer Internet-Zugangs- und E-MailProvider als kostenloser Zusatzservice bereitgestellt wird, kann hierfür auch das Angebot zahlreicher Podcast-Hoster54 (Podhoster) genutzt werden. Um eine optimaleVerbreitung des Podcasts zu erreichen, ist unabhängig von der reinen Bereitstellung 53 Die Wortschöpfung „Podcast“ ist eine Zusammensetzung aus dem für MP3-Player verwendeten Synonym „iPod“ und dem englischen Wort „broadcasting“ (engl. für „Sendung“), die 2004 vermutlich erstmals von Ben Hammersley verwendet wurde und seither die zuvor vorherrschende Bezeichnung „Audioblog“ ablöste (vgl. dazu Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Podcasting [27.09.2007]). 54 Kostenloser Podspace ist z.B. bei den Anbietern „savecast“ (URL: http://www.savecast.de) oder „podhost“ (URL: http://www.podhost.de) erhältlich.
D. Audio-Beiträge
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der Audiodatei auf einem Internet-Server weiterhin erforderlich, den Podcast als so genannten RSS-Feed 55 bereitzustellen und ihn in einem Podcast-Verzeichnis56 anzumelden, so dass er von interessierten Hörern gefunden und zwecks automatischem Bezug von diesen mittels Podcatcher 57 abonniert und heruntergeladen werden kann. Inhaltlich handelt es sich bei Podcasts, ebenso wie bei Weblogs, überwiegend um private Sprachbeiträge, die sich – teilweise mit Musik oder sonstigen AudioAufnahmen ergänzt – mit Themen aus nahezu allen Lebensbereichen beschäftigen. Derzeit engagieren sich allein im deutschsprachigen Raum geschätzte 1.300 Podcaster regelmäßig mit selbst generierten Beiträgen im Internet, wobei die Anzahl der seit 2005 heruntergeladenen Podcast-Sendungen im April 2006 bereits die Marke von einer Million überschritten haben soll.58
II. Musik Als weiterer nutzergenerierter Audio-Beitrag ist die von zahlreichen Nutzern selbst komponierte und/oder aufgezeichnete Musik zu nennen, die von ihren Schöpfern auf unterschiedliche Weise im Internet veröffentlicht werden kann. Eine Veröffentlichung selbst produzierter Musikstücke kann zum einen via Musik-Podcasts erfolgen, die in aller Regel von den produzierenden Nutzern selbst erstellt und anschließend zum kostenlosen Download bereitgestellt werden. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Nutzung diverser Online-Musik-Plattformen59 , auf denen die Musik-Beiträge entweder nur als Audio-Stream60 zum Anhören oder zusätzlich auch zum Download, 55
Die Abkürzung „RSS“ steht für „Really Simple Syndication“ (engl. so viel wie „sehr einfache Verbreitung“) und bezeichnet ein elektronisches Nachrichtenformat, das es dem Nutzer ermöglicht, Inhalte einer Website als so genannte RSS-Feeds zu abonnieren, die sodann automatisch geladen werden, sobald eine neue Nachricht auf der abonnierten Seite veröffentlicht wird (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/RSS [28.09.2007]). 56 Podcast-Verzeichnisse, sind Webseiten, die eine thematisch sortierte Auflistung der bei ihr angemeldeten, mit Stichwörtern (Tags) versehenen Podcasts enthalten. Ein bekanntes PodcastVerzeichnis ist z.B. „podster.de“ (URL: http://www.podster.de). Aber auch der populäre „iTunes Music Store“ bietet seit Juni 2005 eine Podcast-Kategorie an, in der ein Podcast angemeldet werden kann. 57 Ein „Podcatcher“ ist ein Computerprogramm, mit dem mehrere Podcasts abonniert werden können, die anschließend von diesem automatisch heruntergeladen werden. Auch die MultimediaSoftware „iTunes“ verfügt seit Juni 2005 über eine Funktion zum Abonnement und zur Verwaltung von Podcasts. 58 Vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Podcasting [28.09.2007]. 59 Die derzeit bekannteste Musik-Plattform im Internet ist die kostenlos nutzbare CommunityWebsite „MySpace“ (URL: http://www.myspace.com), auf der jeder registrierte Nutzer unter anderem die Möglichkeit hat, Musikdateien abzuspeichern und diese über seine Profilseite jedermann zum Anhören und/oder Herunterladen zur Verfügung zu stellen. 60 Das „Audio-Stream-Verfahren“, auch „Streaming Audio“ genannt, ist eine Form der Datenübertragung im Internet, bei der die Audiodaten kontinuierlich zum Endgerät des Nutzers übertragen
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2. Kapitel: Formen von User Generated Content
z. B. zur Verwendung in Podcasts als so genannter „Podsafe-Music“61 , angeboten werden können. Die aktuellste und gleichzeitig lukrativste Art zur Veröffentlichung nutzergenerierter Musik besteht für ihre Schöpfer jedoch in deren Verkauf über entsprechende dezentrale Musikvertriebssysteme, die es nun – im Gegensatz zu herkömmlichen kommerziellen Online-Musik-Portalen, wie musicload, dem iTunes Music Store oder Napster, die bisher ausschließlich mit Unternehmen aus der Tonträgerindustrie zusammenarbeiten – jedermann ermöglichen, seine Musik im Internet der Öffentlichkeit zum Kauf und anschließenden Download anzubieten.62
E. Video-Beiträge Digitale Videodateien mit eigens inszenierten und/oder unter Verwendung von audiovisuellem Fremdmaterial hergestellten Filmaufnahmen repräsentieren schließlich den vierten und derzeit zugleich am stärksten wachsenden Typus von UGC im Internet. Für die öffentliche Zugänglichmachung der nutzergenerierten Amateurvideos stehen heute neben den vielen Weblog-Anbietern bereits dutzende kostenlos nutzbare Video-Plattformen zur Verfügung, die innerhalb der letzten Jahre durchweg explosionsartige Nutzerzuwächse verzeichnen konnten.
I. Video-Blogs In konsequenter Weiterentwicklung der einfachen Text-Blogs entstanden parallel zu Podcasts als Audio-Blogs im Jahre 200463 bereits die ersten so genannten VideoBlogs (Vlogs), teilweise auch Video-Podcasts genannt, bei denen nun die selbst erstellten Nutzerbeiträge als Videoaufzeichnung zum Abruf bereitgestellt werden. In Analogie zu einem Blog sind auch die periodisch produzierten Beiträge in einem Video-Blog überwiegend themenbezogene eigene Werke des Video-Bloggers. und dort sogleich von einem entsprechenden Media-Player abgespielt werden, so dass es zunächst nicht zu einer Speicherung auf der Festplatte des Nutzers kommt. 61 Als „Podsafe-Music“ bezeichnet man Musikaufnahmen, die „genehmigungsfrei“ und kostenlos z.B. in Podcasts verwendet werden dürfen; eine bekannte Podsafe-Music-Plattform ist z.B. das von Adam Curry, dem Erfinder des Podcasting, im Jahre 2005 gegründete „Podsafe music network“ (URL: http://music.podshow.com). 62 Eines der ersten deutschen Musikportale, die den Verkauf von nutzergenerierter Musik ermöglicht, ist die Vertriebs-Plattform „kazzgong.com“ (URL: http://www.kazzgong.com). 63 Obwohl der weltweit erste (bekannte) Video-Blog bereits am 27. November 2000 von dem Amerikaner Adrian Miles im Internet veröffentlicht wurde, erlangte der Begriff erst ab 2004 weit reichende Verbreitung, was für den deutschsprachigen Raum vor allem auf die massenmedialen Berichterstattungen im Zusammenhang mit der Tsunami-Katastrophe im Dezember 2004 zurückzuführen sein dürfte, bei der zahlreiche Amateuraufnahmen des Unglücks gesendet wurden (vgl. Wikipedia, URL: http://en.wikipedia.org/wiki/Vlog [01.10.2007]).
E. Video-Beiträge
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Im Rahmen ihrer Produktion wird jedoch häufig auch auf urheberrechtliche Schutzgegenstände Dritter zurückgegriffen. Die prosumierenden Nutzer filmen sich bei ihrem Vortrag zumeist mittels einer Webcam oder einem digitalem Camcorder selbst, so dass sie bei dieser Form von UGC regelmäßig im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Hierin unterscheiden sich Vlogs auch grundlegend von einer reinen Sammlung selbst gedrehter Web-Videos, die meist nur eine spontane Dokumentation von zufälligen Ereignissen enthalten. Eine Veröffentlichung der erstellten Video-Blogs erfolgt von den Nutzern entweder im Rahmen eines von diesen bereits betriebenen (Text-)Weblogs oder einer sonstigen Webseite, in die der erstellte Video-Beitrag per Hyperlink eingebunden wird oder durch den Upload der Videodatei auf eine der zahlreichen Video-Plattformen im Internet.64 Wenngleich Video-Blogs zu Anfang nahezu ausschließlich das Medium junger technikaffiner Amateur-Bloggerwar, die tagebuchartig über alle möglichen Themen sinnierten, wird diese Kommunikationsform heute zunehmend auch von der Politik, Wirtschaft und klassischen Medienunternehmen für eine crossmediale Vermarktung genutzt.65 Dies darf jedoch – trotz ihrer identischen Bezeichnung als „Video-Blogs“ sowie ihres Angebots und ihrer parallelen Verfügbarkeit neben herkömmlichen nutzergenerierten Video-Blogs in unterschiedlichen Podcast-Verzeichnissen – nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich auch in diesen Fällen aufgrund des professionellen und gewerblichen Charakters der publizierten Medieninhalte nicht um nutzergenerierte Rezipientenbeiträge und daher nicht um UGC handelt. Diese Form der medienübergreifenden Verbreitung konventioneller Medieninhalte ist vielmehr Ausdruck der immer häufiger zu beobachtenden Konvergenz von Kommunikationsund Unterhaltungsmedien in der Informationsgesellschaft.
II. Home-Videos Eine weitereArt von nutzergeneriertenVideo-Beiträgen stellen die von Nutzern selbst erstellten Home-Videos dar, auf denen sie die unterschiedlichsten Tätigkeiten oder Ereignisse dokumentieren und anschließend über ein Internet-Videoportal der Öffentlichkeit präsentieren. Die thematische Bandbreite solcher Videoclips reicht auch hier von spontanen Gesangs- und Tanzdarbietungen über inszenierte Haustierakrobatik bis hin zu einstudierten Comedy-Auftritten oder einfachen Urlaubsaufnahmen. Hierbei ist zwischenzeitlich ein breites Feld an qualitativ unterschiedlichsten Filmen entstanden, so dass auf den verschiedenen Videoportalen neben nur wenige Sekunden 64
Zu den einzelnen Video-Plattformen sowie den unterschiedlichen Verwertungsmodellen für nutzergenerierte Video-Beiträge siehe unten: „3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content“, S. 42. 65 So begann z.B. die Bundeskanzlerin Angela Merkel im Juni 2006 sich in Form ihres eigenen „Kanzler-Blogs“ einmal wöchentlich an die Bevölkerung zu wenden (vgl. URL: http://www.bundeskanzlerin.de [01.10.2007]); auch die „Tagesthemen“ (URL: http://www. tagesthemen.de) oder die „Sendung mit der Maus“ (URL: http://www.die-maus.de) sind heute als „Video-Podcasts“ im Internet erhältlich.
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2. Kapitel: Formen von User Generated Content
dauernden gänzlich belanglosen Privataufnahmen auch schon durchaus professionell anmutende Produktionen zu finden sind.
III. Dokumentationen Zusätzlich zu den von den Nutzern mit mehr oder weniger großem Aufwand inszenierten und inhaltlich unterschiedlich anspruchsvollen Video-Beiträgen in Form von Video-Blogs und Home-Videos, bilden unvorhergesehene Dokumentationen von zufälligen Geschehnissen die dritte inhaltlich differenzierbare Form von User Generated Videos. Wurden lustige Ereignisse, wie tollpatschige Kinder, stürzende Bräute oder verrückte Tiere bereits seit Mitte der 80er Jahre auf privaten Videoaufzeichnungen festgehalten, sind heute unter anderem aufgrund der verbreiteten Video-Funktion vieler Handys auch immer häufiger tragische Ereignisse wie Umweltkatastrophen, Unfälle oder Terroranschläge Gegenstand zufälliger Nutzer-Dokumentationen, die heute mittels Internet auf unmittelbarem Weg von ihren Erzeugern ungefiltert an die Öffentlichkeit gelangen und anschließend auch immer häufiger von konventionellen Massenmedien aufgegriffen und einer kommerziellen Verwertung zugeführt werden.66
66 So kam es z.B. bei der in Folge eines Seebebens im Indischen Ozean entstandenen TsunamiKatastrophe im Dezember 2004 zu hundertenAmateuraufnahmen, die den Hergang und dasAusmaß des Unglücks festhielten, und parallel zu ihrer Veröffentlichung im Internet von diversen Fernsehstationen in aller Welt gesendet wurden; ebenso existieren im Internet zahlreiche Video-Aufnahmen des Terroranschlages auf das World Trade Center vom 11. September 2001 in New York City, die heute auf unterschiedliche Weise massenmedial verwertet werden (vgl. z.B. Revver, September 11, 2001: What We Saw, URL: http://www.revver.com/video/59686/september-11-2001-what-we-saw [04.03.2008]).
3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
A. Einführung Eine Beurteilung der Zulässigkeit urheberrechtlich relevanter Nutzungshandlungen kann mit Blick auf den vom Urheberrecht angestrebten gerechten Interessenausgleich zwischen Schöpfern und Werknutzern stets nur vor dem Hintergrund der mit ihnen verbundenen wirtschaftlichen Auswirkungen erfolgen. Als Grundlage für die Beurteilung der aktuellen Zulässigkeit1 sowie der im Anschluss zu untersuchenden Privilegierungswürdigkeit von UGC2 ist es daher erforderlich, vorab die hierfür existierenden Verwertungsformen zu analysieren, um zu ermitteln, ob und ggf. inwieweit im Zusammenhang mit der neuen partizipativen Tätigkeit der Bevölkerung im Web 2.0 eine wirtschaftlich relevante Verwertung urheberrechtlich geschützter Leistungsergebnisse erfolgt. Die sich aus diesem Verwertungsüberblick ergebenden Erkenntnisse liefern wichtige Anhaltspunkte für die Einschätzung des Wertschöpfungspotentials nutzergenerierter Medieninhalte, dem im Rahmen des zweiten und dritten Teils vorliegender Untersuchung3 entscheidende Bedeutung zukommen wird. Unabhängig von der der Produktion nutzergenerierter Medieninhalte zugrunde liegenden Intention4 lassen sich die für sie etablierten Verwertungsformen – aus der Sicht des publizierenden Nutzers, als dem hauptsächlichen potentiellen Privilegierungssubjekt – grundsätzlich danach unterscheiden, ob der Nutzer für die Bereitstellung der Inhalte eine Vergütung erhält oder nicht.5 Verwertungsmodell1
Siehe hierzu unten: „6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content“, S. 163 ff. Siehe hierzu unten: „7. Kapitel: Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz“, S. 358 ff. 3 Siehe hierzu unten: „Zweiter Teil: Die Zulässigkeit von User Generated Content“, S. 74 ff. sowie „Dritter Teil: Die Privilegierung von User Generated Content“, S. 357 ff. 4 Siehe näher hierzu unten: „Neues urheberrechtsrelevantes Verwertungsanliegen“, Kapitel 7, S. 358 ff. 5 Zur urheberrechtlicher Relevanz wirtschaftlicher Nutzungskonsequenzen im Hinblick auf die Privilegierungswürdigkeit neuartiger Verwertungsanliegen siehe näher unten: „Urheberrechtliche Relevanz wirtschaftlicher Nutzungskonsequenzen“, Kapitel 6, S. 344 ff. sowie Kapitel 6, Fn. 822. 2
C. A. Bauer, User Generated Content, DOI 10.1007/978-3-642-20068-7_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
übergreifend kann zudem in Abhängigkeit von der Art der mit UGC erzielten Erlöse eine Differenzierung zwischen unmittelbarer Verwertung (bei direkten Erlösen6 ) und mittelbarer Verwertung der Inhalte (bei indirekten Erlösen7 ) vorgenommen werden. Dieser Unterscheidung kommt an dieser Stelle jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung zu, so dass sie der Übersichtlichkeit halber hier nicht gesondert erfolgen soll. Dementsprechend wird in der folgenden, nach den einzelnen Beitragsgruppen sortierten Darstellung der bestehenden Verwertungsformen für UGC zunächst zwischen vergütungsfreien und vergütenden Verwertungsmodellen unterschieden. Innerhalb dieser Kategorien – die vorwiegend die Auswirkungen der primären Inhaltsverwertung durch die prosumierenden Nutzer berücksichtigen – kann sodann eine weitere Differenzierung nach inhalts- und verwertungsspezifischen Kriterien erfolgen, die auch die wesentlichen Konsequenzen der mit der UGC-Produktion typischerweise einhergehenden Sekundärverwertung nutzergenerierter Medieninhalte nebst etwaig hierin enthaltener geschützter Fremdinhalte aufzuzeigen vermag.8
B. Verwertung von Text-Beiträgen Die im Zusammenhang mit der Erzeugung und Veröffentlichung nutzergenerierter Texte im Internet über die Jahre entstandenen unterschiedlichen Verwertungsmodelle bilden die erste der vier nach ihrem medialen Charakter unterscheidbaren Beitragsverwertungsgruppen.
I. Vergütungsfreie Verwertungsmodelle für Text-Beiträge Im Vergleich zu den auditiven und vor allem den visuellen Nutzerbeiträgen, wie Fotos oder Videos, die aufgrund ihres zusätzlichen Informationsgehalts gleichzeitig mehrere Sinneseindrücke vermitteln und daher für viele Rezipienten deutlich attraktiver sind, nimmt die (unmittelbare) entgeltliche Verwertung bei den nutzergenerierten 6 Ein „direkter Erlös“ ist eine für die direkte Nutzung oder Lizenzierung eines bestimmten einzelnen Beitrags erzielte Einnahme, wie z.B. eine Lizenzgebühr. 7 Unter „indirekte Erlöse“ fallen alle erzielten Einnahmen, die nicht für die unmittelbare Nutzung eines bestimmten Beitrags, sondern nur im Zusammenhang mit deren Nutzung erzielt werden, wie z.B. Werbeeinnahmen. 8 Da sich prosumierende Internetnutzer den verfügbaren Publikationsangeboten i.d.R. unabhängig davon bedienen, ob ihre Beiträge fremde urheberrechtlich geschützte Werke und Leistungen beinhalten oder nicht, ist auch bei der nachfolgenden Darstellung der verschiedenenVerwertungsformen für UGC eine weitergehende Differenzierung hinsichtlich der Urheberschaft an den – bewusst oder unbewusst – verwendeten (Fremd-)Inhalten entbehrlich. Zur urheberrechtlichen Bewertung der nachfolgend dargestellten Publikationsmöglichkeiten siehe näher unten: „Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet“, Kapitel 4, S. 86 ff.
B. Verwertung von Text-Beiträgen
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Text-Beiträgen im Internet derzeit noch eine eher untergeordnete Rolle ein. Dementsprechend stellt die vergütungsfreie Bereitstellung nutzergenerierter Text-Beiträge derzeit (noch) die absolute Regel dar.
1. Werbefinanzierte Internetplattformen Die Veröffentlichung nutzergenerierter Text-Beiträge findet im Internet ganz überwiegend über werbefinanzierte Internetplattformen statt. Der generelle Vorteil, den die von Nutzern öffentlich zugänglich gemachten Texte mit sich bringen, ist die aufgrund ihrer elektronischen Lesbarkeit mögliche automatische inhaltliche Indizierund Indexierbarkeit, womit diese unter anderem von Internet-Suchmaschinen gefunden und analysiert werden können. Diese inhaltliche Durchsuchbarkeit der veröffentlichten Beiträge, die mit den gegenwärtig verfügbaren technischen Mitteln bei elektronischen Bild-, Audio- oder Videodateien entweder gar nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist, stellt dabei die zentrale Funktionsvoraussetzung für kontextrelevante Werbesysteme9 , wie z. B. Google’s „AdSense“10 dar. Diese werden neben der üblichen Bannerwerbung11 gegenwärtig als häufigste Werbeform auf allen textbasierten Internetplattformen, wie z. B. Webforen, Blogs, Wikis, Online-Communitys oder Online-Bürgerzeitungen eingesetzt, um den Betrieb der ganz überwiegend kostenlos nutzbaren Webseiten zu finanzieren. Die von dem jeweiligen Webseitenbetreiber mittels vorgenannter Werbesysteme vereinnahmten Beteilungen an den von dem jeweiligen Werbeanbieter (z. B. Google) generierten Werbeeinnahmen, stellen somit die erste Möglichkeit zur Generierung indirekter Erlöse mit nutzergenerierten Text-Beiträgen dar.
9 Das Internet-Werbe-Prinzip der kontextrelevanten Werbung besteht darin, thematisch angepasste Werbeanzeigen auf Webseiten einzublenden, die aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs mit den auf der Webseite veröffentlichten Informationen genau die Kunden ansprechen, die sich für das jeweilige Themengebiet interessieren; das derzeit bekannteste kontextrelevante automatische Werbesystem ist Google’s Produkt „AdSense“, das von jedem Webseitenbetreiber ohne größere Programmierkenntnisse genutzt werden kann. 10 Das von Google angebotene Werbemodell „AdSense“ basiert darauf, dass Webseitenbetreiber ein Werbefenster auf ihrer Webseite integrieren können, in dem Google automatisch Text- und Image-Anzeigen einblendet, die genau auf den Content der Betreiber-Website ausgerichtet sind. Für jeden Besuch einer werbenden Webseite, der über den im Werbefenster des Betreibers eingeblendeten Hyperlink erfolgt, erhält Google von dem Werber einen individuellen Geldbetrag, an dem der Webseitenbetreiber anschließend prozentual beteiligt wird (vgl. Google, AdSense, URL: http://www.google.com/adsense [04.03.2008]). 11 Auch Werbebanner sind eine Form der Internetwerbung, bei der vorwiegend grafische Werbeanzeigen auf der Webseite eines Betreibers eingeblendet werden, die wiederum mit der Webseite des Werbenden mittels Hyperlink verbunden sind und den Betreiber, je nach Vereinbarung, für die Anzahl der Einblendungen oder Besuche der werbenden Webseite vergüten. Im Gegensatz zu Google’s AdSense-Modell werden Werbebanner jedoch i.d.R. nicht kontextrelevant, sondern nur „webseitenbezogen“ geschaltet.
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3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
Dieses mittelbare Verwertungsmodell für nutzergenerierte Text-Beiträge wird darüber hinaus aber typischerweise beitragsübergreifend auch auf allen anderen Arten von UGC-Plattformen eingesetzt. Mangels automatischer Indizierbarkeit der hierüber bereitgestellten Bild-, Audio- oder Video-Beiträge müssen diese von den Nutzern allerdings zusätzlich mit inhaltsbeschreibenden „Keywords“ bzw. „Tags“ versehen werden. In allen Fällen der mittelbaren Verwertung nutzergenerierter Medieninhalte durch Einblendung von – ggf. kontextrelevanten – Werbeanzeigen durch den Webseitenbetreiber liefern die jeweiligen Nutzerinhalte die informationelle Basis für die Analyse ihrer thematischen Ausrichtung und die dementsprechend erfolgende zielgruppenspezifische Auswahl und automatische Einblendung der „passenden“ Werbebotschaften.
2. Bürgerjournalismus-Portale traditioneller Printmedien Neben den ausschließlich werbebasierten mittelbaren Verwertungsmodellen für nutzergenerierte Text-Beiträge haben sich zwischenzeitlich auch einigeVerwertungsformen etabliert, bei denen im Anschluss an die vergütungsfreie Veröffentlichung der Nutzer-Beiträge über eine beworbene Internetplattform durch eine unmittelbare Zweitverwertung der publizierten Texte selbst monetäre Erlöse erzielt werden. Als solche sind hier zunächst die zahlreichen unter dem Stichwort „Bürgerjournalismus“ auffindbaren Internet-Angebote traditioneller Presseunternehmen zu nennen, die ihre Leser dazu auffordern, eigenständig Artikel zu verfassen und diese über eine entsprechende Internetpräsenz unmittelbar zu veröffentlichen. Eine Reihe dieser sodann bereits im Internet veröffentlichten Nutzerartikel, die entweder von anderen Nutzern bereits positiv bewertet oder von einer Redaktion als „lesenswert“ eingestuft wurden, erscheinen sodann i. d. R. auf den zugehörigen regulären Webseiten der Tageszeitungen12 und Zeitschriften13 sowie teilweise sogar zusätzlich auf einer Extraseite der gedruckten Verkaufsexemplare.14 Hierzu lassen sich die Betreiber der jeweiligen Online-Plattform i. d. R. bereits im Rahmen der Registrierung der Nutzer durch 12
So bindet bspw. die Münchner Tageszeitung „tz“ die fünf beliebtesten Nutzer-Artikel, die über ihr Community-Portal von Nutzern veröffentlicht wurden, unentgeltlich automatisch in die Startseite ihrer Online-Präsenz unter „www.tz-online.de“ ein. 13 Auch das Augsburger Bürgerjournalismus-Portal „myheimat“ (URL: http:// www.myheimat.de) der gogol medien GmbH & Co. KG bietet seinen Nutzern bspw. die Möglichkeit, die von ihnen erarbeiteten Inhalte auf ihrem regionalen Nachrichtenportal unmittelbar zu veröffentlichen, wobei die besten und meistgelesenen Nutzer-Beiträge einmal monatlich in 17 mit Print-Werbung versehenen Stadtmagazinen abgedruckt werden. Ebenso werden bspw. manche Nutzer-Artikel in dem Jugendmagazin „NEON“, das zum Verlagsangebot der Gruner + Jahr AG & Co KG gehört, abgedruckt, die zuvor von diesen über das Magazin-Portal unter der Adresse „www.neon.de“ veröffentlicht wurden. 14 So erscheinen z.B. die „besten“ auf der Plattform „jetzt.de“ veröffentlichten Nutzer-Artikel einmal wöchentlich auf zwei Extraseiten in der Süddeutschen Zeitung (vgl. sämtliche Artikel das Labels „jetztgedruckt“, abrufbar unter der URL: http://jetzt.sueddeutsche.de/labels/anzeigen/2953 [04.03.2008]).
B. Verwertung von Text-Beiträgen
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das Anklicken der dem Angebot zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) im Voraus sämtliche urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den von den Nutzern erstellten und über ihre Seiten veröffentlichten Nutzer-Artikel räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkt zur Veröffentlichung, Bearbeitung und kommerziellen Verwertung, online wie offline, unentgeltlich15 einräumen.16 Zusätzlich zu den hierdurch generierten Mehrwerten in Form einer verstärkten Leserbindung und den daraus folgenden potentiellen Mehrverkäufen sowie einer möglichen Auflagensteigerung, erzielen die Unternehmen hiermit zusätzlich vermehrt Werbeeinnahmen durch den Verkauf von Print-Werbeflächen.
3. Konsumentengenerierte Rezensionsdatenbanken Eine weitere Form der vergütungsfreien Verwertung nutzergenerierter TextBeiträge stellt die mehrwerterzeugende Verwendung konsumentengenerierter Artikel-Rezensionen dar, die z. B. über die Webseiten diverser Internet-Kaufhäuser von deren Kunden eingebracht und hierdurch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. So bietet bspw. das Internet-Kaufhaus Amazon17 allen registrierten Kunden unter anderem die Möglichkeit, zu jedem Artikel eine 100–500 Zeichen lange Artikelrezension zu verfassen und über die Webseite zu veröffentlichen. Seit Juli 2008 sind auch Video-Rezensionen möglich. Das hierdurch geschaffene Empfehlungssystem, das letztlich einen kollaborativ bewertenden Artikel-Filter darstellt, ermöglicht das automatische Generieren tausender detaillierter Produktinformationen, die nicht zuletzt aufgrund ihrer hohen Glaubhaftigkeit für Unternehmen von unschätzbarem Wert sind und ihnen dadurch im Vergleich zu herkömmlichen Web-Shops einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen.18
15 Einen ausdrücklichen urheberrechtlichen Vergütungsausschluss findet sich z.B. in den AGB des Online-Portals jetzt.de: „Eine urheberrechtliche Vergütung wird nicht gezahlt.“ (vgl. Ziffer 4.2 S. 4 der AGB der Magazin Verlagsgesellschaft mbH abrufbar unter der URL: http://jetzt.sueddeutsche.de/agb/TrkHomeFoot [05.03.2008]). 16 Umfassende unentgeltliche Nutzungsrechtseinräumungen für die von Nutzern über das OnlineAngebot veröffentlichten Inhalte begehren z.B. die Betreiberin des Online-Portals jetzt.de (vgl. Ziffer 4.2 der AGB der Magazin Verlagsgesellschaft mbH abrufbar unter der URL: http://jetzt.sueddeutsche.de/agb/TrkHomeFoot [05.03.2008]) sowie die Betreiberin des regionalen Nachrichtenportals myheimat (vgl. § 5 Nr. 1 der AGB der gogol medien GmbH & Co. KG abrufbar unter der URL: http://www.myheimat.de/global/AGB [05.03.2008]). 17 Gemäß der AGB soll der prosumierende Nutzer Amazon mit der Bereitstellung ein ausschließliches urheberrechtliches Nutzungsrecht zur alleinigen Verwertung der Rezension für jegliche Zwecke online wie offline einräumen (vgl. § 11 der Amazon-AGB, abrufbar unter der URL: http://www.amazon.de/agb [13.11.2008]). 18 Siehe näher hierzu unten: „Unternehmenswebseiten“, Kapitel 4, S. 110 f.
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3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
4. Gemeinnützige Kollaborationsplattformen Die derzeit mit Abstand wohl bedeutendste vergütungsfreie Verwertungsform für typografischen UGC steht jedoch in Verbindung mit „gemeinnützigen“19 Kollaborationsplattformen, die meistens in Form eines Wikis betrieben werden. Diese erzielen selbst zwar i. d. R. keine Erlöse aus der Bereitstellung der kollaborativ erzeugten Nutzerbeiträge. Die kollektiv zusammengetragenen Text-Beiträge werden jedoch – in Übereinstimmung mit den teilnehmenden Schöpfern – unentgeltlich der Allgemeinheit, selbst zu kommerziellen Zwecken, zur Verfügung gestellt. Von der hierdurch eröffneten Zweitverwertungsmöglichkeit der bereitgestellten und kostenlos verfügbaren Nutzerinhalte machen täglich Millionen Privatpersonen wie auch wirtschaftlich tätige Unternehmen Gebrauch, indem sie die Inhalte in ihre täglichen Arbeitsabläufe und/oder Produktionsprozesse integrieren. So werden die genannten Inhalte nach einer entsprechenden Recherche z. B. auf diverse (beworbene) Webseiten gespiegelt, zum Download im Internet oder über mobile Endgeräte20 angeboten oder auf elektronischen Datenträgern21 oder in gedruckter Form22 vervielfältigt und verbreitet. Die größte und wohl bekannteste gemeinnützig organisierte UGC-Plattform im Internet ist die im Jahre 2001 von dem Internet-Unternehmer Jimmy Wales gegründete freie Enzyklopädie Wikipedia23 . Sie ist heute in rund 260 Sprachen verfügbar und verfolgt das Ziel, die Gesamtheit des menschlichen Wissens durch kooperative Zusammenarbeit aller Internetnutzer in lexikalischer Form kostenlos online verfügbar zu machen. Seit Mai 2001 entstanden so insgesamt über 10 Mio. Artikel, von denen allein rund 900.000 in deutscher Sprache verfasst wurden. Mehr als 7.000 freiwillige Autoren arbeiten regelmäßig an der deutschsprachigen Ausgabe mit, die täglich um ca. 500 neue Artikel wächst, und pro Monat zu rund 300 Mio. Seitenaufrufen führt.24 International wird das Projekt jeden Monat von über 150 Mio. Menschen 19 Näher zu Wesen und Begriff der „Gemeinnützigkeit“ im Zusammenhang mit der Bereitstellung von UGC über gemeinnützige Internetplattformen siehe unten: „Gemeinnützige Internetplattformen“, Kapitel 4, S. 98 ff. 20 So stellte bspw. der Medien-Großhandel „Libri.de“ bereits im September 2006 sämtliche deutschsprachige Wikipedia-Einträge zum kostenlosen Download für Handy, PDA und den PC als entsprechend konfigurierte E-Books zur Verfügung (vgl. URL: http://www.libri.de/wikipedia [05.10.2007]). 21 Bereits im Herbst 2004 veröffentlichte der Berliner Verlag „Directmedia Publishing GmbH“ eine CD-Version der Wikipedia, die seit November 2007 bereits in der dritten Auflage als DVD zum Preis von EUR 20,95 erhältlich ist (vgl. Amazon, Wikipedia 2007/2008 – Premium (PC+MAC+Linux-DVD), URL: http://www.amazon.de/Wikipedia-2007-2008-PremiumLinux-DVD/dp/3866400195/ref=pd_sim_sw_img_1 [05.03.2008]). 22 In Taschenbuch-Form wurden Auszüge aus der Wikipedia in den Jahren 2005 und 2006 von der „Zenodot Verlagsgesellschaft mbH“ unter neun verschiedenen Titeln in der Taschenbuchreihe „WikiPress“ veröffentlicht, die jedoch inzwischen eingestellt wurde (vgl. WikiPress, URL: http://www.wikipress.de [05.10.2007]). 23 Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, erreichbar unter der URL: http://www.wikipedia.org. 24 Vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia [12.11.2009].
B. Verwertung von Text-Beiträgen
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genutzt und steht damit auf Platz 6 der am häufigsten genutzten Webseiten im Internet.25 Mittlerweile wird die Online-Plattform von der US-amerikanischen Nonprofit-Organisation Wikimedia Foundation26 betrieben, der ein jährliches Budget von rund 4,6 Mio. US-Dollar zur Verfügung steht, das bisher fast ausschließlich durch Spenden aufgebracht wird.27 In Deutschland unterstützt der als gemeinnützig anerkannte VereinWikimedia Deutschland – Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e. V.28 den Betrieb der Wikipedia vor allem durch die Betreuung und den Ausbau eines Rechenzentrums in Amsterdam. Im Jahre 2008 erhielt der Verein rund 340.000,– Euro, von denen fast ein Drittel in die Erweiterung der bestehenden technischen Infrastruktur investiert wurde.29 Dem Beispiel der Wikipedia folgend sind neben verschiedenen Schwesterprojekten der Wikimedia Foundation, wie z. B. Wiktionary30 , Wikiquote31 oder Wikinews32 , zwischenzeitlich auch einige privat betriebene Webseiten entstanden, die ebenfalls mit Hilfe einer Wiki-Software ähnlich motivierte Inhaltsplattformen betreiben. Hierzu gehören z. B. das Satire-Portal Kamelopedia33 , das die Welt „aus den Augen eines Kamels“ betrachtet und gemeinhin als Parodie auf die Wikipedia angesehen wird,34 oder das Reise-Wiki Wikitravel 35 , das es sich zum Ziel gesetzt hat, durch die Beiträge reisender Internetnutzer einen vollständigen und aktuellen weltweiten Reiseführer bereitzuhalten, der vom Geiste des Wissensaustausches getragen wird.36
25
Vgl. Wikimedia Deutschland e.V., URL: http://www.wikimedia.de [12.11.2009]. Wikimedia Foundation Inc., erreichbar unter der URL: http://wikimediafoundation.org. 27 Vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Wikimedia [12.11.2009]. 28 Wikimedia Deutschland ist durch das Finanzamt für Körperschaften I Berlin mit Bescheid vom 11.10.2007 wegen Förderung der Bildung als besonders förderungswürdig im Sinne von Abschnitt A, Nr. 4 der Anlage 1 zu § 48 Abs. 2 EStDV anerkannt worden (vgl. Wikimedia Deutschland e.V., URL: http://spenden.wikimedia.de/gemeinnuetzigkeit.php [12.11.2009]). 29 Vgl. Wikimedia Deutschland e.V., Tätigkeitsbericht 2007, abrufbar unter der URL: http://www.wikimedia.de/files/Taetigkeitsbericht_2008.pdf [12.11.2009]. 30 Das Wiktionary (engl. etwa für: Wikiwörterbuch) ist ein gemeinschaftliches Projekt der Wikimedia zur Erstellung eines frei zugänglichen, vollständigen und mehrsprachigen Wörterbuches (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Wiktionary [28.10.2008]). 31 Wikiquote (engl. etwa für: Wikizitat) ist freies Online-Projekt mit dem Ziel, auf Wiki-Basis ein freies Kompendium von Zitaten in jeder Sprache, also eine freie Zitatensammlung zu schaffen (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Wikiquote [28.10.2008]). 32 Wikinews (engl. etwa für: Wikinachrichten) ist ein Wikimedia-Projekt zur gemeinschaftlichen Erstellung einer freien und neutralen Nachrichtenquelle, die es jedem Internet-Nutzer ermöglicht, Nachrichten zu einem breiten Themenkreis zu veröffentlichen (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Wikinews [28.10.2008]). 33 Die Kamelopedia ist erreichbar unter der URL: http://www.kamelopedia.org. 34 Vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Kamelopedia [28.10.2008]. 35 Die Internetplattform Wikitravel ist erreichbar unter der URL: http://wikitravel. 36 Vgl. Wikitravel, http://wikitravel.org/de/Wikitravel:Über_uns [28.10.2008]). 26
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3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
II. Vergütende Verwertungsmodelle für Text-Beiträge Obwohl die vergütungsfreie Veröffentlichung nutzergenerierter Text-Beiträge für partizipierende Internetnutzer über die genannten kollektiv nutzbaren UGCPlattformen derzeit als Standard-Publikationsform angesehen werden kann, hat der prosumierende Internetnutzer heute grundsätzlich auch die Möglichkeit, seine „Sprachwerke“ gewinnbringend über das Internet zu verwerten.
1. Werbeeinblendungen auf nutzereigenen Webseiten Ebenso wie die bereits erwähnten werbefinanzierten Internetplattformen kann auch der prosumierende Nutzer selbst seine veröffentlichten Text-Beiträge, die er über eine eigenständig betriebene Webseite zum Abruf bereithält, mit – ggf. kontextrelevanten – Werbeeinblendungen flankieren oder von einem entsprechenden Werbevermarkter flankieren lassen. Die aus dem selbständigen Verkauf von Werbeflächen für Bannerwerbung erzielten Erträge sowie die für kontextrelevante Werbelink-Einblendungen vereinnahmten Werbeerlösbeteiligungen auf seinen eigenen Webseiten stellen für den prosumierenden Nutzer in gewisser Weise eine indirekte Vergütung dar, womit hierin das erste vergütende Verwertungsmodell für nutzergenerierte Text-Beiträge zu sehen ist. Da sich die Einblendung von – teilweise multimedialen – Werbeanzeigen jedoch nicht auf Webseiten mit nutzergenerierten Text-Beiträgen beschränkt, sondern typischerweise auf allen Arten von Nutzerseiten mit UGC (wie z. B. Podcasts, Foto- oder Video-Blogs) eingesetzt wird, stellt die Schaltung von Webseitenwerbung ein beitragsübergreifendes mittelbares Verwertungsmodell für nutzergenerierte Medieninhalte dar.37
2. Blog-Provider mit Erlösbeteiligung Eine weitere Möglichkeit zur Erzielung indirekter Verwertungserlöse mit nutzergenerierten Text-Beiträgen besteht in der Veröffentlichung eines Weblogs über das Angebot eines vergütenden Blog-Providers (auch „Blog-Hoster“ genannt). So ging bspw. im Oktober 2007 mit dem Blog-Provider Overblog38 die erste deutschsprachige kostenlos nutzbare Internetplattform zur Bereitstellung nutzergenerierter Weblogs online, die ihren Nutzern eine Erlösbeteiligung anbietet, die diese durch 37 Im Rahmen der nachfolgenden Darstellung der verschiedenen Beitragsverwertungsmodelle wird zur Vermeidung von Wiederholungen daher nicht jeweils separat auf die Möglichkeit der Erzielung von Werbeerlösen durch die Schaltung von Webseitenwerbung durch den prosumierenden Nutzer eingegangen. 38 Der deutsche Ableger des 2004 in Frankreich gegründeten Blog-Portals Overblog, das mit über 700000 Blogs und täglich über einer Million Besuchern die zweitgrößte Blog-Community in Frankreich darstellt, ist erreichbar unter der URL: http://www.overblog.de (vgl. Overblog, http://wat-germany.over-blog.com/categorie-10184186.html [06.11.2008]).
C. Verwertung von Bild-Beiträgen
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vollautomatisierte Werbeeinblendungen auf deren Blog-Webseiten erzielen. Für Werbeeinnahmen qualifiziert sich ein Blogger dort allerdings nur, wenn er einen bestimmten Qualitätsindex erreicht hat. Dabei werden nicht nur die Zahl der Seitenabrufe und der Grad an Verlinkung, sondern auch die Inhalte selbst zur Berechnung herangezogen.39
3. Online-Verlage Als zweites vergütendes Verwertungsmodell für nutzergenerierte Text-Beiträge sind hier schließlich die sogenannten (reinen) Online-Verlage wie z. B. der Hamburger PEO Verlag40 zu nennen, die es jedem Internetnutzer unter anderem ermöglichen, ihre selbst erstellten Text-Dokumente über die bereitgestellte Online-Plattform zu veröffentlichen und zum Verkauf anzubieten. Der Nutzer kann hierbei frei darüber entscheiden, ob er sein Dokument entgeltlich oder unentgeltlich auf der VerlagsPlattform zur Verfügung stellt und welchen Preis er für die Nutzung seines Werkes verlangt. Die vom Online-Verlag für kostenpflichtige Downloads eingenommenen Lizenzgebühren werden anschließend in einem bestimmten Verhältnis (derzeit 50–70 %41 ) mit dem Nutzer geteilt.
C. Verwertung von Bild-Beiträgen Aufgrund ihres illustrativen Charakters und der hiermit verbundenen hohen Aussagekraft zählen Bildinhalte, wie Fotos oder Grafiken, heute zu den unverzichtbaren Inhalten eines modernen Informations- und Kommunikationsmediums. Die zwischenzeitlich verfügbaren einfachen Produktions- und Publikationsmöglichkeiten für digitale Bildinhalte haben im Internet innerhalb weniger Jahre zu einer ungeahnten Nutzerbeteiligung in diesem Bereich geführt, die gleichzeitig eine Vielfalt neuer kommerzieller Geschäftsmodelle zur Verwertung der sekündlich wachsenden digitalen Bilderflut hervorgebracht hat.
39
Vgl. Overblog, http://de.over-blog.com/offres-blog/rentabiliser-son-blog.php [06.11.2008]. Die in Hamburg ansässige „PEO Verlag GmbH & Co KG“ (PEO, Abk. für Publish Everything Online) bietet eine Art Verlags-Plattform an, die unter der Adresse „www.peo.de“ erreichbar ist und auf der jeder Nutzer seine selbst erstellten Inhalte unmittelbar veröffentlichen kann und im Falle eines Verkaufes mit 50% an den vereinnahmten Netto-Lizenzgebühren beteiligt wird. 41 Das gleiche Geschäftsmodell verfolgt der vom „GD-Verlag, Gentlement’s Digest Ltd. & Co. KG“ angebotene Web 2.0-Marktplatz „XinXii“ („xinxi“, chin. für „Information“) unter der Adresse „www.xinxii.com“, auf dem ebenfalls jedermann Informationen veröffentlichen und verkaufen kann, wobei hier die Autoren sogar 70% des jeweiligen Verkaufspreises erhalten (vgl. § 5 Nr. 2 der XinXii-AGB abrufbar unter der URL: http://www.xinxii.com/agbs_print.html [05.03.2008]). 40
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3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
I. Vergütungsfreie Verwertungsmodelle für Bild-Beiträge Auch bei der Bereitstellung nutzergenerierter Bild-Beiträge lässt sich die Tendenz erkennen, dass die Nutzer ihre Fotos ganz überwiegend über solche Plattformangebote veröffentlichen, die ihnen keine Vergütung für die Verwertung ihrer Inhalte anbieten. Die weit überwiegend kostenlose Nutzungsmöglichkeit vieler UGC-Plattformen kann in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht als „Vergütung“ angesehen werden.
1. Foto-Sharing-Plattformen Als eines der ersten vergütungsfreien Verwertungsmodelle entstanden im Internet so genannte „Foto-Sharing-Plattformen“, auf denen die Nutzer ihre digitalen Foto- und Grafikdateien kostenlos speichern, sortieren und veröffentlichen können. Zu den Pionieren in diesem Bereich zählt die im Jahre 2002 gegründete bekannte Foto-Plattform Flickr, die nach eigenen Angaben heute über täglich rund 84 Mio Seitenbesucher und sieben Millionen registrierte Nutzer verfügt, die insgesamt rund 4 Mrd. Bilddateien auf der Plattform abgespeichert haben.42 Registrierte Nutzer können ihre Fotos entweder per Internet-Upload oder sogar direkt von ihrem Mobiltelefon aus auf die Plattform laden, diese dort zu Fotoalben zusammenstellen und veröffentlichen, wobei sie frei darüber entscheiden können, wer auf ihre Bilder zugreifen kann und zu welchen Zwecken sie verwendet werden dürfen. Hierfür kann jedem Foto optional eine frei wählbare Lizenz hinzugefügt werden, um der Allgemeinheit unter bestimmten Voraussetzungen eine Nutzung der Bilder zu ermöglichen, wobei hierfür insbesondere die Standard-Lizenzverträge der Creative Commons43 (CC) angeboten werden. Neben dem kostenlosen „Basic-Account“, der freien Speicherplatz von bis zu 100 MB/Monat beinhaltet, bietet Flickr auch einen kostenpflichtigen „Pro-Account“ mit unbegrenztem Speicherplatz zum Preis von derzeit US$ 24,95 pro Jahr44 an.45 42
Die Foto-Plattform Flickr war ursprünglich ein Nebenprodukt des Online-Computerspiels „Neverending“, das von dem Unternehmen Ludicorp entwickelt wurde und einen besonders einfachen Weg für das Hochladen von Bildern bot. Im März 2005 wurde Ludicorp samt der Plattform Flickr von Yahoo! gekauft (vgl. Alby, Web 2.0, S. 94 f.). 43 Creative Commons (engl. etwa für „schöpferisches Gemeingut/Allmende“) ist eine gemeinnützige Gesellschaft, die im Internet (URL: http://creativecommons.org) verschiedene StandardLizenzverträge veröffentlicht, mittels derer Urheber unterschiedlicher Werkarten, wie z.B. Text-, Bild-, Musik- oder Filmwerke, der Öffentlichkeit unentgeltlich bestimmte Nutzungsrechte hieran einräumen können (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Creative_commons [09.10.2007]). 44 Vgl. Flickr, URL: http://www.flickr.com/upgrade [09.10.2007]. 45 Neben Flickr existieren mittlerweile hunderte gleichartige Foto-Plattformen im Internet, wie z.B. „locr“ (URL: http://www.locr.com), „photobucket“ (URL: http://photobucket.com) oder „fotocommunity“ (URL: http://www.fotocommunity.de), die jedem registrierten Nutzer kostenlosen Speicherplatz für seine Fotos zur Verfügung stellen.
C. Verwertung von Bild-Beiträgen
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Andere Foto-Plattformen, wie z. B. pixelio46 , verfolgen hingegen ganz bewusst das Ziel, mit nutzergeneriertem Bildmaterial eine kostenlose Bilddatenbank für jedermann aufzubauen, indem sie in ihren Nutzungsbedingungen generell die Bereitstellung von Bildern auf ihrer Plattform von der Einräumung eines nicht ausschließlichen kostenlosen Nutzungsrechts an alle oder nur an registrierte Nutzer der Plattform abhängig machen, wobei teilweise zwischen einer kommerziellen und nicht kommerziellen Nutzung der Bilder gewählt werden kann.47 In jedem Fall soll mit dem Upload der Bilddatei jedoch ein „Verzicht“ des Nutzers auf eine Vergütung verbunden sein, um eine kostenlose Verwendung des Plattform-Bildmaterials durch ihre Nutzer gewährleisten zu können.48 Sofern vorgenannte Foto-Sharing-Plattformen kein zusätzliches Nutzungsentgelt für die Bereitstellung ihrer Internet-Dienstleistungen verlangen, finanzieren sich diese zum einen über Werbeeinnahmen, die sie durch die Einblendung von Werbebannern innerhalb verkaufter Werbeflächen auf ihren Webseiten generieren, sowie zum anderen durch unterschiedliche Beteiligungserlöse aufgrund diverser Kooperationen mit branchenverwandten Unternehmen, wie z. B. Foto-Entwicklern, Merchandisingartikelherstellern oder Mobilfunkunternehmen.
2. Beitragshebung in traditionelle Printmedien Angesichts ihrer plakativen Wirkung bei gleichzeitig überwiegend kostenloser Verfügbarkeit sind nutzergenerierte Bild-Beiträge daneben insbesondere auch für verwertende Unternehmentraditioneller Massenmedien von großem Interesse. Als erste deutsche Tageszeitung hat dies die Saarbrücker Zeitung erkannt, die bereits seit Anfang des Jahres 2006 nutzergenerierte Bildinhalte vergütungsfrei in ihren Medien verwertet.49 Aktuell greift ihre Redaktion hierfür vorwiegend auf solche Bildbeiträge zurück, die von registrierten Nutzern ihrer SZ-Community „Meine Heimat“ über das Online-Portal „sz-meineheimat.de“ veröffentlicht wurden, wobei auch hier der Betreiberin bereits im Rahmen der Registrierung die für eine Verwertung erforderli-
46 Die Foto-Plattform „pixelio“ (URL: http://www.pixelio.de) stellt eine öffentlich zugängliche multimediale Online-Datenbank zur Verfügung, auf der die Mitglieder ihre Bilder anderen Internetnutzern zur kostenlosen Nutzung anbieten können. 47 Die pixelio media GmbH bietet während des Datei-Uploads die Möglichkeit, bei jedem Bild zwischen „nur redaktioneller“ oder „redaktioneller und kommerzieller“ Nutzungsfreigabe zu wählen, die auf zwei unterschiedlichen vorgefertigten Lizenzverträgen mit entsprechenden Nutzungsrechtseinräumungen und einem generellen Vergütungsverzicht beruht (vgl. pixelio, URL: http://www.pixelio.de/lizenzvertrag_redaktionell.php sowie URL: http://www.pixelio.de/ lizenzvertrag_redaktionell_und_kommerziell.php [05.03.2008]). 48 Weitere kostenlose Bilddatenbanken sind z.B. „fototester.de“ (URL: http://www.fototester.de) oder „online-IMAGES.de“ (URL: http://www.online-images.de). 49 Vgl. Elmar Jung, Das reporternde Rasen, auf: sueddeutsche.de (URL: http://www.sueddeutsche. de/kultur/artikel/849/127645 [09.10.2007]).
56
3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
chen Nutzungsrechte unentgeltlich50 eingeräumt werden sollen.51 Auch das Magazin FOCUS bietet seinen Lesern über sein Online-Portal „FOCUS Online LIVE“52 die Möglichkeit, ihre selbst erstellten Bilder kostenlos auf seiner Plattform zu speichern und so unmittelbar der Öffentlichkeit zu präsentieren, wobei stets eine Auswahl der besten Fotos auf die reguläre FOCUS-Webseite übernommen wird. Gleichzeitig lässt sich die Portal-Betreiberin von ihren Nutzern jedoch ein zeitlich unbegrenztes unentgeltliches Nutzungsrecht an den Bildern zur Bewerbung ihres Angebots in Onlineund Printmedien einräumen.53 Ebenso begehrt die internationale Nachrichtenagentur Reuters im Rahmen ihres Ende 2006 mit dem amerikanischen Internet-Unternehmen Yahoo! gegründeten Augenzeugen-Projekts „You Witness News“ die unentgeltliche Einräumung sämtlicher nicht exklusiver Nutzungsrechte an dem unmittelbar übertragenen bzw. über die Foto-Plattform Flickr von den Nutzern veröffentlichten Bildmaterial. Dabei werden die nutzergenerierten Bild-Beiträge im Anschluss an deren vergütungsfreie Bereitstellung im Rahmen einer redaktionellen Zweitverwertung von der Agentur gewinnbringend weiterverkauft.54
3. Crowdsourcing und Engagement-Marketing Neben Foto-Sharing-Plattformen und klassischen Massenmedien greifen seit einiger Zeit aber auch immer mehr Produkthersteller und Dienstleistungsunternehmen zu Werbe- und Marketingzwecken im Wege des so genannten Crowdsourcing55 auf nutzergenerierte Bild-Beiträge zurück. Denn für wirtschaftlich arbeitende Unternehmen ist die Nutzung von UGC gleichzeitig mit zwei wesentlichen Vorteilen 50
Vgl. § 4 Abs. 1 der Allgemeinen Nutzungsbedingungen von Meine Heimat – die SZ-Community der Saarbrücker Zeitung Verlag und Druckerei GmbH abrufbar unter der URL: http://www.szmeineheimat.de/agb.phtml [05.03.2008]. 51 Auch die Münchner Tageszeitung „tz“ lässt sich die für eine umfassenden Verwertung der von ihren Community-Mitgliedern veröffentlichten Fotos und sonstigen Beiträge durch die Mediengruppe „Münchner Merkur/tz“ auf ihrer Internet-Präsenz, in ihrer Print-Ausgabe und in sonstiger Weise nötigen Nutzungsrechte unter ausdrücklichem Ausschluss einer angemessenen Vergütung i.S.d. §§ 32 ff. UrhG im Rahmen ihrer AGB einräumen (vgl. § 7 der AGB der munich online GmbH abrufbar unter der http://www.tz-online.de/de/agb/index.html [05.03.2008]). 52 „FOCUS Online LIVE“ gehört als Teil der Online-Präsenz „FOCUS Online“ zum Angebot der TOMORROW FOCUS AG und ist seit Juni 2006 unter der URL: http://live.focus.de erreichbar. 53 Vgl. Ziffer 6.2 b der AGB der TOMORROW FOCUS AG abrufbar unter der URL: http://www.tomorrow-focus.de [05.03.2008]. 54 Das Kooperationsprojekt „You Witness News“ ermöglicht die kostenlose Bereitstellung von Foto- und Videoaufnahmen sowohl über die Webseite der Agentur Reuters als auch – im Wege einer Account-Verknüpfung – über die Yahoo!-Foto-Plattform Flickr, die anschließend von Reuters-Redakteuren durchsucht und ggf. zur Verwertung herangezogen werden (vgl. Reuters, URL: http://www.reuters.com/youwitness; Yahoo!, URL: http://news.yahoo.com/you-witnessnews [05.03.2008]). 55 Zum Begriff des „Crowdsourcing“ siehe unten: „Crowdsourcing und Engagement-Marketing“, S. 69 f.
C. Verwertung von Bild-Beiträgen
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verbunden: Mittels des Internets als unmittelbarer Schnittstelle zur kollektiven Meinung ihrer Kunden können Produkte und Dienstleistungen zum einen noch stärker anhand der Kundenwünsche ausgerichtet und vermarktet werden, zum anderen lassen sich auf diese Weise gleichzeitig Kosten für Marktforschung und Werbung einsparen. Im Mai 2007 sorgte so z. B. die unter dem Motto „Are you with us or what¿‘ initiierte Werbekampagne des australischen Mobilfunkanbieters Virgin Mobile Australia im Internet für großes Aufsehen. Das Unternehmen bediente sich (ungefragt) der nutzergenerierten Fotos, die unter einer „CC-by“-Lizenz56 über die Foto-Plattform Flickr veröffentlicht und sodann von Virgin Mobile unter anderem für großflächige Werbeplakate und eine Internet-Werbeseite eingesetzt wurden.57 Im Zusammenhang mit dem Prinzip des Crowdsourcing sind zwischenzeitlich sogar eigene Crowdsourcing-Agenturen entstanden, die im Auftrag von Unternehmen zu unterschiedlichen Zwecken Kreativ-Wettbewerbe im Internet veranstalten, deren Ergebnisse aufgrund der „obligatorischen“ mit der Teilnahme verbundenen unentgeltlichen Nutzungsrechtseinräumung anschließend von denAuftraggebern kostenlos genutzt werden können und somit die Verwertung von UGC im Rahmen ihres Geschäftsmodells bereits professionalisiert haben.58 Nachdem jene Wettbewerbe für ihre Gewinner jedoch teilweise auch Geld- und/oder Sachpreise59 vorsehen, kann das Crowdsourcing sowohl als vergütungsfreie als auch als vergütende Verwertungsform für UGC angesehen werden.
II. Vergütende Verwertungsmodelle für Bild-Beiträge Den vielen vergütungsfreien Verwertungsformen für nutzergenerierte Bildinhalte stehen mittlerweile allerdings auch einige vergütende Verwertungsmöglichkeiten ge56 Die von der Creative Commons angebotene „by-Lizenz“ erlaubt die Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Zugänglichmachung und Bearbeitung des Werkes, solange dessen Autor genannt wird; eine deutsche Lizenz-Version ist unter der URL: http://creativecommons.org/ licenses/by/2.0/de/legalcode [10.10.2007] abrufbar. 57 Die Werbekampagne, die auch unter der URL: http://areyouwithusorwhat.com.au erreichbar war, wurde nach heftigen Diskussionen im Internet von Virgin Mobile zwischenzeitlich eingestellt. Ein in Texas (USA) lebendes 16jähriges Mädchen, das sich auf einem der Werbeplakate wieder erkannte, erhob am 20. September 2007 in Dallas (USA) nun Klage gegen den Mobilfunkbetreiber und Creative Commons, da angeblich weder eine Einwilligung des Mädchens zum Abdruck ihres Bildnisses vorgelegen noch der erforderliche Urhebervermerk des Fotografen auf dem Plakat angebracht worden sei (vgl. Asher Moser, Virgin sued for using teen’s photo, The Sidney Morning Herald, auf: URL: http://www.smh.com.au/news/technology/virgin-sued-for-using-teensphoto/2007/09/21/1189881735928.html [10.10.2007]. 58 So z.B. die Berliner Community- und Crowdsourcing-Agentur „VOdA GmbH“ (URL: http:// www.vo-agentur.de). 59 Ein von der VOdA GmbH im August 2007 für das kleine Musik-Label musicpark records veranstalteter Design-Wettbewerb zur Erstellung eines CD-Sampler-Covers war bspw. mit einer Gewinnsumme in Höhe von EUR 325,– dotiert (vgl. Wettbewerbs-Ausschreibung der VOdA GmbH, abrufbar unter der URL: http://musicpark.vo-agentur.de [10.10.2007]).
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3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
genüber, denen sich der Nutzer zur Verwertung seiner Bilder und sonstigen grafischen Gestaltungen bedienen kann.
1. Kommerzielle Online-Foto-Datenbanken Eine lukrative Verwertungsmöglichkeit für nutzergenerierte Bild-Beiträge besteht zunächst in deren entgeltlicher Bereitstellung über eine kommerzielle OnlineFoto-Datenbank. Diese entgeltlichen Foto-Sharing-Plattformen arbeiten entweder wie herkömmliche Bildagenturen, indem sie Fotografien, Illustrationen und auch Filmmaterial der prosumierenden Nutzer durch den Verkauf von Nutzungsrechten (Lizenzen) über ihre Plattformen verwerten oder lediglich einen Online-Marktplatz für den Handel mit nutzergenerierten Fotos zur Verfügung stellen. Im Gegensatz zu klassischen Bildarchiven, denen meist nur professionelle Fotografen angehören, sind Online-Foto-Datenbanken wie z. B. fotolia60 oder iStockphoto61 speziell auf Hobbyfotografen und gewöhnliche Internetnutzer ausgerichtet, denen jedoch für jede verkaufte Bildlizenz eine gewisse prozentuale, an Vertriebsexklusivität und Verkaufserfolg orientierte Beteiligung (derzeit ca. 20–64 %) ausbezahlt wird.
2. Beitragsbereitstellung für traditionelle Printmedien Kurze Zeit nachdem die Saarbrücker Zeitung mit ihrem Aufruf zur unbezahlten Zurverfügungstellung von Leserfotos den „Mitmach-Journalismus“ um die Leserreporter erweitert hatte, bot erstmals die BILD-Zeitung im Juli 2006 ihren Lesern eine Vergütung für den Abdruck ihrer selbst erstellten Bilder an. Seither vergütet sie die bundesweite Veröffentlichung von Leser-Fotos in der BILD-Zeitung, die per MMS oder E-Mail eingesendet bzw. über das Leserreporter-Portal „1414“ über bild.de bereitgestellt werden können, mit einem Honorar in Höhe von EUR 500,– sowie den Abdruck in einem Regionalforum mit einem solchen in Höhe von EUR 100,–. Für die Zweitverwertung der Nutzerinhalte im Wege der Weiterveräußerung eines Leserfotos an Dritte erhält der Leser von der Axel Springer AG – der im Falle einer Veröffentlichung des Bildes in der BILD-Zeitung mit der Einsendung sämtliche Nutzungsrechte hieran eingeräumt werden sollen – zusätzlich 50 % der hierdurch 60 Die Online-Fotoagentur „fotolia“ (URL: http://fotolia.com) bietet jedem registrierten Nutzer die Möglichkeit, seine Bilder exklusiv oder nicht exklusiv über die Plattform vertreiben zu lassen, wobei in Abhängigkeit von Vertriebsexklusivität und Verkaufserfolg des jeweiligen Bildes eine Nutzerbeteiligung von 33–64% des Verkaufspreises erfolgt (vgl. fotolia, Preisgesttaltung, abrufbar unter der URL: http://de.fotolia.com/Info/Pricing#item_8 [10.10.2007]). 61 Die Foto-Plattform „iStockphoto“ (URL: http://istockphoto.com) ist hingegen als reiner OnlineMarktplatz für den Verkauf von nutzergeneriertem Bildmaterial ausgestaltet, die lediglich im Namen des Nutzers Lizenzverträge über die Online-Plattform abschließt, wobei die Nutzerbeteiligung nur bei 20–40% des Verkaufspreises liegt (vgl. iStockphoto, Vertriebsstruktur, abrufbar unter der URL: http://www.istockphoto.com/exclusivity_intro.php [10.10.2007]).
C. Verwertung von Bild-Beiträgen
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erzielten Nettoverkaufserlöse.62 Innerhalb eines Jahres gingen seither täglich im Durchschnitt zwischen 400 und 2.500 Bilder bei der 14-köpfigen Bildredaktion63 ein, die hieraus insgesamt 3.894 Bilder für den Abdruck in der BILD-Zeitung auswählte.64 Diesem Beispiel folgten schon bald weitere große Verlagshäuser wie z. B. die Gruner + Jahr AG & Co KG, die im September 2006 noch einen Schritt weiter ging und für ihre Blätter der stern-Familie in Kooperation mit der professionellen Bildagentur Picture Press das Leserreporter-Portal „augenzeuge.de“ ins Leben rief, das unter anderem aufgrund der Nutzung der Profi-Datenbank APIS gleichzeitig als weltweite exklusive „Online-Bildagentur für Amateurfotografen“ fungiert.65
3. Handel mit Virtual-Content Neben den genannten Verwertungsmodellen für rein statische Bild-Beiträge in Form von Fotos und Illustrationen existiert im Zusammenhang mit den beliebten interaktiven Internet-Rollenspielen auch die Möglichkeit, mit dem hierin von Nutzern individuell erzeugten und in das Spiel eingebrachten Virtual-Content in Form von überwiegend visuell wahrnehmbaren virtuellen Gegenständen monetäre Erlöse zu erwirtschaften. So haben zum Beispiel die Teilnehmer des Spiels SecondLife, die bereits virtuelles Land von dessen Betreiber Linden Lab erworben haben, die Möglichkeit, mittels verschiedener, in das Computerspiel integrierter Entwicklungsumgebungen virtuell verwendbare Gegenstände zu erzeugen und diese anschließend 62 Vgl. Bild.de, URL: http://www.bild.de/BILD/news/leserreporter/anmeldungen/anmeldung-foto. html sowie Bild.T-Online.de AG & Co. KG, AGB abrufbar unter der URL: http://www.bild.de/ BTO/service/rechtliches/agb-leserreporter.html [06.03.2008]. 63 Aufgrund der einer Veröffentlichung aus haftungsrechtlichen Erwägungen vorgeschalteten präventiven Kontrolle der eingesendeten Bildinhalte durch die BILD-Redakteure, im Hinblick auf mögliche Rechtsverletzungen, handelt es sich bei den im Rahmen des „Leserreporter-Projektes“ veröffentlichten nutzergenerierten Bild-Beiträgen der Definition des Verfassers zufolge zwar genau genommen nicht um UGC i.e.S. Diese erfolgreiche Integration der Bevölkerung in die Wertschöpfungskette eines konventionellen Massenmediums ist jedoch ein eindrucksvolles Beispiel für eine entgeltliche Verwertungsmöglichkeit nutzergenerierter Bild-Beiträge, das hier – angesichts der mit ihr verbundnen, gesellschaftlich bedingten Auswirkungen auf das Urheberrecht – nicht unerwähnt bleiben soll. 64 Vgl. Axel Springer AG, Der BILD-Leserreporter feiert Geburtstag, Pressemitteilung vom 12.07.2007, abrufbar unter der URL: http://www.axelspringer.de/inhalte/pressese/inhalte/presse/ 5845.html [10.10.2007]. 65 Der Online-Bildagentur „augenzeuge.de“ (URL: http://augenzeuge.de) können aktuelle, journalistische Nachrichtenfotos von jedermann exklusiv angeboten werden, die mittels professioneller Bildredakteure entscheidet, welche Bilder für den Abdruck im stern reserviert und welche zur Vermarktung an Picture Press weitergeleitet werden, die den Fotografen sodann mit 50% an ihren Nettoeinnahmen beteiligt. Das Honorar für den Abdruck der Fotos richtet sich nach der MFMTabelle der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing, so dass für einen Abdruck im stern bis zu EUR 1.000,– an den Nutzer gezahlt werden (vgl. augenzeuge.de, So funktioniert’s, abrufbar unter der URL: http://augenzeuge.stern.de/fc/text/1/565558 [11.10.2007]).
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3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
an andere Mitspieler zu veräußern.66 Zu diesem Zweck wurde die eigenständige virtuelle Währung „Linden Dollar“ eingeführt, die zur Bezahlung der bereits rund 90.000 auf der spieleigenen Handelsplattform angebotenen virtuellen Güter verwendet und jederzeit in reale US-Dollar umgetauscht werden kann.67 Von der hierdurch geschaffenen Möglichkeit, im Rahmen eines interaktiven Computerspiels mit der Erzeugung und dem Verkauf virtueller Medieninhalte tatsächliche geldwerte Einnahmen zu erzielen, haben bis 2007 bereits rund 14.000 Nutzer Gebrauch gemacht, was bisher zu einem jährlichen, zwischen den Nutzern getätigten Gesamtumsatz von durchschnittlich USD 130 Mio. geführt hat.68
D. Verwertung von Audio-Beiträgen Mit der revolutionären Erfindung des MP3-Formats, das es erstmals ermöglichte, im Wege der psychoakustischen Datenkompression digitale Audio-Daten auf rund ein Zwölftel ihrer Größe zu reduzieren, wurde die grundlegende Voraussetzung zur einfachen und schnellen Übermittlung digitaler Audio-Dateien via Internet geschaffen. Stark gesunkene Preise für elektronischen Speicherplatz und InternetBreitbandzugänge sowie die Vielzahl kostenlos erhältlicher Audio-Aufnahme- und Bearbeitungssoftware stellen weitere wichtige Vorbedingungen für die Erstellung nutzergenerierter Audio-Beiträge wie Podcasts oder Musikaufnahmen dar, die seit 2005 einen kontinuierlichen Zuwachs verzeichnet. Die hierdurch entstandene lebendige und vielschichtige Medienlandschaft bietet dem Nutzer heute sowohl vergütungsfreie als auch vergütende Verwertungsmöglichkeiten für die von ihm geschaffenen akustischen Medieninhalte.
I. Vergütungsfreie Verwertungsmodelle für Audio-Beiträge Angesichts der durchweg sehr geringen Bereitschaft rezipierender Internetnutzer für den Konsum von Online-Inhalten ein Entgelt zu entrichten, insbesondere wenn es sich hierbei um UGC handelt, stellt auch im Bereich nutzergenerierter Audio-Beiträge die vergütungsfreie Beitragsbereitstellung die ganz überwiegende Publikationsform dar. 66
„Virtual environments such as those in Second Life, Active Worlds, Entropia Universe, and Dotsoul Cyberpark provide users with a scripting language and integrated development environment which enables them to build new objects [. . . ], often permitting them to keep the associated intellectual property rights [. . . ]“, vgl. Vickery/Wunsch-Vincent, Participative Web and User-Created Content, S. 38. 67 Vgl. Rogge, Nutzergenerierte Inhalte als Erlösquelle für Medienunternehmen, S. 92. 68 Vgl. Vickery/Wunsch-Vincent, Participative Web and User-Created Content, S. 39.
D. Verwertung von Audio-Beiträgen
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1. Podcast-Verzeichnisse und Podhosting Die stetig gewachsene Beteiligung der Internetnutzer am Podcasting führte anfangs – aufgrund seines dezentralen Produktionscharakters – lediglich zu einer Ansammlung einzelner, weit verstreuter selbst veröffentlichter Sprachbeiträge im Internet. Hierdurch entstand gleichzeitig das Bedürfnis, ein zentrales Verzeichnis zu schaffen, in dem jene mehr oder weniger regelmäßig erscheinenden Beiträge thematisch sortiert aufgelistet waren, um potentiellen Hörern ihr Auffinden und Abbonieren zu erleichtern. Im Zusammenhang mit den hieraufhin geschaffenen kostenlos nutzbaren und überwiegend werbefinanzierten Podcast-Verzeichnissen wie z. B. podster.de69 entwickelten sich die ersten kommerziellen Geschäftsmodelle im Zusammenhang mit Podcasts, wie z. B. das Podhosting, bei dem einem Podcaster kostenpflichtig Speicherplatz auf einem Webserver zur Verfügung gestellt wird. Spätestens seit dem das Unternehmen Apple im Juni 2005 mit der Version 4.9 der weit verbreiteten Software iTunes die zusätzliche Möglichkeit geschaffen hat, mit der MP3-Sofware auch Podcasts zu abbonieren und dem hierüber erreichbaren iTunes Music Store eine entsprechende Podcast-Kategorie hinzugefügt hat, in der prinzipiell jeder Podcast angemeldet werden kann, und damit eine Einheitslösung für den bislang separat notwendigen Podcatcher und das Podcast-Verzeichnis schuf, erfreute sich das Thema Podcasting eines enormen Auftriebes, der schließlich auch die etablierten Medien hierauf aufmerksam machte. 2. Podcast-Plattformen Eigens geschaffene Podcast-Plattformen wie z. B. tocast.de70 , auf denen jeder Nutzer kostenlos seinen selbst erstellten Podcast hochladen, veröffentlichen und jedermann für private Zwecke zum kostenlosen Download anbieten kann, vereinten schließlich die Vorteile von Podcast-Verzeichnis und kostenlosem Podhosting in einem Angebot. Die vergütungsfreie Bereitstellung eines Podcasts über eine entsprechende Internetplattform stellt gleichzeitig die erste direkte Verwertungsform für nutzergenerierte Audio-Beiträge dar. Unabhängig von der für die Qualifikation des Nutzerbeitrags als UGC notwendigen öffentlichen Zugänglichmachung des Sprachbeitrags erfolgt allerdings auch hier häufig eine unmittelbare Zweitverwertung der Nutzerinhalte durch den jeweiligen Plattformbetreiber. Denn neben den für eine öffentliche Zugänglichmachung und den anschließenden Download der Podcasts über die Online-Plattform notwendigen Nutzungsrechten lässt sich die Betreiberin der genannten Podcast-Plattform mit dem Upload nämlich zusätzlich das Recht einräumen, 69
Das bekannte Podcast-Verzeichnis „podster.de“ (URL: http://www.podster.de) ermöglicht das kostenlose Anmelden, Suchen und Abbonieren von deutschsprachigen Podcasts. Weitere Beispiele sind „dopcast.de“ (URL: http://www.dopcast.de) oder „podcast.de“ (URL: http://www.podcast.de). 70 Die thematisch kategorisierte Podcast-Plattform „tocast.de“ (URL: http://www.tocast.de) ermöglicht das unentgeltliche Hochladen, Veröffentlichen und Bereitstellen eigens erstellter AudioBeiträge zum Download durch jeden Besucher der Webseite sowie die Kommentierung jener Beiträge durch registrierte Nutzer.
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3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
die Audio-Beiträge „honorarfrei und ohne Erlösbeteiligungsanspruch öffentlich auf tocast und an tocast beteiligten Radiosendern ganz oder teilweise wiederzugeben“.71 3. Crowdsourcing und Engagement-Marketing Ähnlich wie bei dem bereits im Zusammenhang mit der Verwertung von nutzergenerierten Bild-Beiträgen genannten Crowdsourcing, setzen Unternehmen auch im Bereich auditiver Nutzerbeiträge in jüngster Zeit vermehrt auf das so genannte Engagement-Marketing, indem sie ihre Kunden dazu aufrufen, im Rahmen eines – als Gewinnspiel gestalteten – Wettbewerbs einen medialen Beitrag zu einer ProduktWerbekampagne zu liefern, der anschließend in der Produktwerbung verwendet wird. So rief z. B. der Elektronikhersteller CASIO anlässlich der Markteinführung einer neuen Digitalkamera im Rahmen eines Wettbewerbes dazu auf, einen maximal 20-sekündigen Audio-Werbespot zu erstellen, wobei die beste von CASIO gekürte Einsendung72 anschließend im Wege des so genannten Podvertising73 als Werbespot eingesetzt wurde.74 4. Beitragshebung in den traditionellen Hörfunk Seit dem 4. November 2006 hat auch der klassische Hörfunk die nutzergenerierten Sprachbeiträge entdeckt, wobei sich als erster deutscher Rundfunksender das öffentlich-rechtlich organisierte Deutschlandradio Kultur (DRadio) für seine wöchentliche Samstagnachmittagsshow „blogspiel – blogs mit radioanschluss“ einer Auswahl an Podcasts bedient, die von teilnehmenden Nutzern vergütungsfrei auf die Podcast-Plattform breitband 75 – unter anderem erreichbar über die Adresse „www.blogspiel.de“ – hochgeladen und bewertet werden. Im Gegensatz zum DRadio, das den Autoren für die tatsächliche Sendung ihrer Beiträge ein Pauschalhonorar 71 Vgl. Ziffer 5 a) der AGB der RCD REGIOCAST DIGITAL GmbH & Co. KG, abrufbar unter der URL: http://www.tocast.de [14.10.2007]. 72 Auch die im Rahmen dieses – soweit ersichtlich – ersten deutschen Engagement-MarketingBeispiels eingesendeten nutzergenerierten Audio-Beiträge sind streng genommen mangels unmittelbarer Veröffentlichung durch ihre Erzeuger im Internet nicht als UGC i.e.S. zu qualifizieren. Allerdings zeichnet sich auch in diesem Bereich ein Trend ab, ähnliche Wettbewerbe über öffentlich zugängliche Podcast-Plattformen abzuwickeln, bei denen die Beiträge bereits vor einer entsprechenden Auswahl unmittelbar von der Öffentlichkeit wahrgenommen und bewertet werden können. 73 Zum Begriff des „Podvertising“ siehe sogleich unter: „Podvertising“, S. 61 f. 74 Vgl. CASIO, Pressemitteilung vom 21.11.2006, abrufbar unter der URL: http://www.casioeurope.com/de/news/artikel/12994686 [14.10.2007]. Nachdem auch bei diesem Wettbewerb die Gewinner unterschiedliche Sachpreise erhielten, kann dieser Wettbewerb auch als entgeltliches Verwertungsmodell qualifiziert werden. 75 Die Webseite „breitband“ (URL: http://www.breitband-online.de) ist ein Online-Portal zur gleichnamigen samstäglichen Sendung im Deutschlandradio Kultur, die gleichzeitig als Podcast-Portal für die Sendung „blogspiel“ genutzt wird.
D. Verwertung von Audio-Beiträgen
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in Höhe von EUR 300,– ausbezahlt, sind verschiedene privatrechtliche Radiostationen, wie z. B. der Vorreiter delta radio76 , dazu übergegangen, die besten Hörerbeiträge von Podcast-Plattformen (wie z. B. tocast.de) zu übernehmen und vergütungsfrei auszustrahlen.77
5. Beitragsübermittelnde Access-Provider Als neuartige Entwicklung im Bereich der Verwertung nutzergenerierter AudioBeiträge ist ein neuartiger auditiver Internetzugangs-Provider namens phonecaster.de78 zu nennen, der über eine herkömmliche Festnetztelefonnummer eine Telefonanlage betreibt, die anhand der angewählten Rufnummer den gewünschten im Internet verfügbaren Podcast, Radiosender oder Weblog abruft und dem Anrufer sodann unmittelbar über die Telefonleitung überträgt und vorspielt bzw. vorliest. Aufgrund der heute weit verbreiteten Telefon-Flatrates, die das zeitlich unbegrenzte Telefonieren sowohl vom Festnetz als auch vom Mobiltelefon aus in das deutsche Festnetz zu einem geringen monatlichen Pauschalpreis erlauben, stellt diese – derzeit ohne zusätzliche Gebühren nutzbare – Dienstleistung, eine neuartige auditive Zugangsmöglichkeit zum WWW dar, die es jedermann an jedem beliebigen Ort ermöglicht, seine Lieblings-Podcasts, Radiosender oder Weblogs mittels Telefon zu konsumieren oder eigene Podcasts live zu erstellen und zu veröffentlichen.
6. Online-Musik-Plattformen Auch für selbst komponierte und/oder selbst aufgezeichnete Musik, die neben Podcasts den zweiten großen Teil nutzergenerierterAudio-Beiträge im Internet ausmacht, haben sich in den letzten Jahren verschiedene vergütungsfreie Verwertungsmodelle herausgebildet, die ebenfalls im Wesentlichen auf dem Internetplattform-Prinzip basieren. So sind auch in diesem Bereich zahlreiche ausschließlich werbefinanzierte Musik-Plattformen, wie z. B. die im Juli 2003 gegründete soziale Netzwerkplattform
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Am 26. August 2007 startete der Kieler Radiosender delta radio unter dem Namen „tocast.de – Eure Podcastshow“ die erste Podcast-Show im deutschen Privatradio, bei der die „lustigsten, spannendsten und skurrilsten Podcasts der Podcast-Plattform tocast.de“ vorgestellt werden (vgl. delta radio, URL: http://www.deltaradio.de [14.10.2007]). 77 Weitere Radiostationen, die Hörer-Beiträge unentgeltlich ausstrahlen sind z.B. Radio ENERGY (URL: http://www.energy.de) sowie „Second Radio“ (URL: http://www.secondradio.de), ein Internet-Radiosender, der vor allem über das virtuelle Internet-Computerspiel „Second Life“ zu hören ist. 78 Der von der Heidelberger just digits GmbH angebotene Service „phonecaster.de“ (URL: http://www.phonecaster.de) bietet seit Dezember 2005 jedermann die Möglichkeit, mit jedem herkömmlichen Telefon durch Anrufen einer Festnetztelefonnummer Internetradio und Podcasts abzuhören und eigene Podcasts aufzunehmen und zu publizieren.
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3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
MySpace79 entstanden, auf denen jedes Mitglied die Möglichkeit hat, sich eine individuell gestaltbare Profilseite anzulegen, die neben beschreibenden Texten, Fotos und Computergrafiken auch eigene Musiktitel enthalten kann, die von Besuchern der Webseite kostenlos im Wege des Audio-Streaming angehört oder auch heruntergeladen werden können. Darüber hinaus können registrierte Mitglieder untereinander Nachrichten austauschen und (virtuelle) Freundschaften schließen, indem sie gegenseitig auf ihre Profilseiten verlinken und sich so zu „Freunden“ erklären, wobei diese Funktion als entscheidendes Merkmal für ein als Webseite realisiertes soziales Netzwerk anzusehen und gleichzeitig für deren einzigartigen Erfolg verantwortlich ist. MySpace zählte im September 2009 rund 268 Mio. registrierte Mitglieder80 – davon rund zwei Millionen Bands und Interpreten –, wobei deren Zahl täglich um rund 230.000 wächst.81 Die Ende 2006 erstellte deutsche Betaversion zählte Anfang 2010 rund 4 Mio. Mitglieder, wovon sich ca. 224.000 als Band oder Interpret registrierten.82 Mit rund 50 Mrd. Seitenaufrufen pro Monat zählt MySpace.com zu den am häufigsten besuchten Webseiten im Internet und damit neben Facebook zur wohl wichtigsten Web-Community weltweit.83 Neben vorwiegend zu repräsentativen Zwecken erstellten Community-Webseiten, die von ihren Mitgliedern in erster Linie zu Kommunikations- und Marketingzwecken unterhalten werden, existieren auch bereits eine Reihe von MusikPlattformen, bei denen das kostenlose Herunterladen von Musikwerken für registrierte Mitglieder und/oder jeden Nutzer der Plattform im Vordergrund steht. So hat sich z. B. das Musik-Netzwerk podsafe music network zum Ziel gesetzt, Nutzern die Möglichkeit zu geben, ihre selbst erstellten Musikaufnahmen als „lizenzfreie“ Musik zur freien Verwendung unter anderem in Podcasts unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, wobei der Download hier ausschließlich registrierten Nutzern vorbehalten ist.84 In Eigenregie veröffentlichte Musikaufnahmen unzähliger NachwuchsMusiker können hingegen von jedermann über Musik-Plattformen wie das deutsche Nachwuchsmusiker-Portal indiecator.com85 heruntergeladen werden, das zusätzlich 79
Die von Tom Anderson und Chris DeWolfe gegründete Webseite „MySpace“ (URL: http://www.myspace.com) gehört zu den bekanntesten mehrsprachigen Social-Networking-Sites, die es insbesondere Musikfans ermöglichte, unmittelbare Kontakte zu Künstlern und Bands zu knüpfen, womit deren inhaltlicher Schwerpunkt stets im Musikbereich lag. 80 Vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Myspace [04.02.2011]. 81 Vgl. Chris DeWolfe im Interview mit VANITY FAIR, in: Pressemitteilung vom 11.07.2007, abrufbar unter der URL: http://www.presseportal.de/meldung/1015092 [15.10.2007]. 82 Vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Myspace [04.02.2011]. 83 Vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Myspace sowie Alexa.com, Statistik abrufbar unter der URL: http://www.alexa.com/siteinfo/myspace.com [04.02.2011]. 84 Das im Juli 2005 von dem Podcasting-Pionier Adam Curry gegründete „podsafe music network“ (URL: http://music.podshow.com) ist eine große Musik-Datenbank, in die jeder registrierte Nutzer seine selbst erstellten Musikaufnahmen unentgeltlich zur kostenlosen Verwendung durch andere Mitglieder einstellen kann. 85 Das im Januar 2006 von dem Kieler Radiosender delta radio gegründete „idiecator musicnetwork“ (URL: http://www.indiecator.com) bietet Nachwuchskünstlern und Bands die Möglichkeit, ihre Musik kostenpflichtig (einmalig EUR 4,– pro Titel) aber unentgeltlich über die Online-
D. Verwertung von Audio-Beiträgen
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von verschiedenen Radiosendern86 frequentiert wird, die regelmäßig eine Auswahl der am besten bewerteten Titel honorarfrei in ihr Sendeprogramm übernehmen.87 Die Finanzierung der kostenlos nutzbaren Online-Musik-Plattformen erfolgt auch hier typischerweise nahezu ausschließlich über kommerzielle Werbeanzeigen.
II. Vergütende Verwertungsmodelle für Audio-Beiträge Ähnlich wie bei der Verwertung von Bild-Beiträgen hat der starke Zuwachs der Nutzerbeteiligung auch im Bereich nutzergenerierter Audio-Beiträge zur Entstehung verschiedener vergütender Verwertungsmodelle geführt.
1. Podvertising Im Gegensatz zu musikalischen Werken lassen sich Podcast-Inhalte bisher nahezu ausschließlich über indirekte Erlösmodelle, wie z. B. die Bannerwerbung auf der Webseite eines Podcasters oder das Sponsoring eines Podcasts durch ein mit der thematischen Ausrichtung des Podcasts branchenverwandtes Unternehmen verwerten. Aufgrund der im Internet unzähligen kostenlos verfügbaren Podcasts hat sich hinsichtlich jener Medienbeiträge eine gewisse „Kostenlos-Kultur“ herausgebildet, die kommerzielle Audioverlage (wie z. B. Audible88 ) derzeit noch dazu veranlasst, ihr Angebot auf professionell erstellten Content bekannter Künstler und Autoren zu beschränken. Ein erstes Erfolg versprechendes indirektes Verwertungsmodell verbirgt sich jedoch hinter dem bereits oben erwähnten Podvertising89 , bei dem vor oder Plattform zum kostenlosen Download durch jeden Besucher der Webseite sowie zur Sendung über angeschlossene Radiosender bereitzustellen. 86 Radiostationen, die regelmäßig nutzergenerierte Musikaufnahmen in ihr Programm integrieren, sind u.a. delta radio (URL: http://www.deltaradio.de), Radio ENERGY Sachsen (URL: http://www.energy.de/sachsen), sunshine live (URL: http://www.sunshinelive.de), R.SH Radio Schleswig-Holstein (URL: http://www.rsh.de), Radio PSR (URL: http://www.radiopsr.de) sowie der Berliner Sender MotorFM (URL: http://www.motorfm.de), der Newcomer über die Plattform MySpace rekrutiert. 87 Eine weitere bekannte Plattform, auf der Nachwuchs-Musiker ihre Aufnahmen unter CreativeCommons-Lizenzen veröffentlichen und sie damit jedermann zum kostenlosen Download zur Verfügung stellen, ist die luxemburgische Musik-Plattform „jamendo“ (URL: http://www.jamendo.com). 88 Über das deutsche Internet-Portal „audible.de“ (URL: http://www.audible.de) bietet die Münchner Audible GmbH neben dem Download von Hörbüchern und gesprochenen Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln auch Audio- und Sprachmagazine an, die jedoch durchweg von etablierten Autoren stammen. 89 Der Begriff „Podvertising“ ist erneut eine anglizistische Wortkreuzung aus „Podcast“ und „Advertising“ (engl. für „Werbung“) und steht für eine neue Form der kontextrelevanten Werbung innerhalb von Podcasts, bei der vor und/oder nach dem inhaltlichen Beitrag ein Audio-Werbespot eingeblendet wird.
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3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
nach dem inhaltlichen Beitrag des prosumierenden Nutzers ein themenverwandter Werbespot eingeblendet wird. Die automatische Platzierung von Werbespots in Podcasts bietet z. B. die deutsche Podcast-Plattform audioads90 an, die den Podcaster zu 60 %91 an den mit seinen Beiträgen erzielten Werbeeinnahmen beteiligt.
2. Beitragsbereitstellung für den traditionellen Hörfunk Wie bereits im Zusammenhang mit der vergütungsfreien Verwertung von Podcasts dargestellt wurde, vergütet der Radiosender DRadio dieAusstrahlung eines nutzergenerierten Podcasts im Rahmen seiner samstäglichen Sendung „blogspiel“ mit einem Honorar in Höhe von EUR 300,– pro Sendung, womit hierin auch ein vergütendes Verwertungsmodell für nutzergenerierte Audio-Beiträge zu sehen ist.
3. Dezentrale Musikvertriebssysteme Im Hinblick auf eine vergütende Verwertung musikalischer Nutzerbeiträge sind insbesondere internetbasierte dezentrale Musikvertriebssysteme (wie z. B. die deutsche Musikdatenbank Kazzong92 ) zu nennen, die den Internetvertrieb von nutzergenerierter Musik unter anderem durch implementierbare Audio-Player ermöglicht, die auf jeder beliebigen Webseite (wie z. B. MySpace) integriert werden können und hierüber den direkten Erwerb des gewünschten vorhörbaren Titels über den Anbieter erlauben. Der im Rahmen des Dateiuploads mit dem Anbieter geschlossene nicht exklusive Internetvertriebsvertrag sieht dabei i. d. R. eine nach Verkaufspreis und Titelanzahl gestaffelte Beteiligung des Nutzers (ca. 44–54 %93 ) an den erzielten Verkaufserlösen vor. Hiermit wird der Nutzer in die einzigartige Lage versetzt, seine Musikaufnahmen in Eigenregie im Internet professionell94 zu bewerben und zu ver-
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Die von der AD ON Multimedia Advertising GmbH betriebene Podvertising-Plattform „audioads“ (URL: http://www.audioads.de) ermöglicht es jedem Podcaster, seinen Audio-Beitrag mittels automatisch eingeblendeter Werbespots als Einnahmequelle zu erschließen. 91 Vgl. Ziffer 5.2 der AGB der AD ON Multimedia Advertising GmbH, abrufbar unter der URL: http://www.audioads.de/tos.html [15.10.2007]. 92 Das von der Kazzong GmbH im Mai 2007 gegründete Musikvertriebssystem „Kazzong“ (URL: http://www.kazzong.de) bietet den internetbasierten Verkauf von nutzergenerierter Musik zu Preisen zwischen EUR 0,95 und 1,29 an. 93 Vgl. Kazzong GmbH, Konditionen für Künstler/Bands, abrufbar unter der URL: https://www. kazzong.com/conditions/artist [15.10.2007]. 94 Speziell im Bereich nutzergenerierter Musik werden die fließenden Grenzen zwischen bereits als professionell und gewerblich erzeugten bzw. veröffentlichten Musikaufnahmen und den (noch) als „Amateur-“ bzw. Hobby-Beiträgen und somit – der Definition des Verfassers nach – als UGC zu qualifizierenden Nutzerinhalten besonders deutlich.
E. Verwertung von Video-Beiträgen
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kaufen, wobei er sich lediglich zur technischen und finanziellen Abwicklung eines entsprechenden Anbieters bedient.95
E. Verwertung von Video-Beiträgen Die derzeit beliebteste und gleichzeitig am stärksten wachsende Form von UGC im Internet sind die von Nutzern zu den unterschiedlichsten Anlässen erstellten digitalen Videoaufzeichnungen in Form von Video-Blogs, klassischen Home-Videos oder zufälligen Dokumentationen plötzlich eintretender Ereignisse, die sie über dutzende von Online-Video-Portalen im Internet veröffentlichen und so der Allgemeinheit zugänglich machen. Aufgrund eines scheinbar unstillbaren Mitteilungsund Geltungsbedürfnisses der Internetnutzer ist auf diese Weise innerhalb von wenigen Jahren eine schier unüberschaubare Menge jenes populären Contents entstanden, der aufgrund seiner überwiegend kostenlosen und „freien“ Verfügbarkeit schließlich auch im Bereich der User Generated Videos zu diversen kommerziellen Verwertungsformen geführt hat.
I. Vergütungsfreie Verwertungsmodelle für Video-Beiträge Die Tatsache, dass immer mehr Internetnutzer dazu übergehen, sich aktiv an der Gestaltung des Web 2.0, insbesondere auch in Form von Video-Beiträgen zu beteiligen, hat einerseits dazu geführt, dass immer mehr Webseiten, wie z. B. viele Social-Network- oder Suchmaschinen-Betreiber, über ihre Kommunikations- und Suchangebote hinaus auch das Ansehen, Veröffentlichen und Herunterladen von Videos anbieten. Andererseits ist basierend auf dem überaus fruchtbaren „Nährboden“ eines öffentlich zugänglichen Video-Portals, das sich praktisch völlig selbständig mit Inhalten füllt, eine facettenreiche Vielfalt an thematisch unterschiedlichen VideoPlattformen erwachsen, die durch die Kombination bestehender sowie das Angebot zusätzlicher interaktiver Funktionen dem Nutzer zwar diverse nützliche Vorteile, jedoch in aller Regel keine finanzielle Beteiligung an den mit ihren Inhalten erzielten Einnahmen anbieten. 1. Online-Video-Plattformen Das zentrale vergütungsfreieVerwertungsmodell für nutzergenerierteVideo-Beiträge besteht in dem Betrieb einer öffentlich zugänglichen und kostenlos nutzbaren OnlineVideo-Plattform, über die die Nutzer-Videos auf unterschiedlichste Art und Weise 95 Ein weiterer bekannter Anbieter eines internetbasierten Musikvertriebssystems ist „7digital“ (URL: http://www.7digital.com), der auch für Deutschland einen entsprechenden Service anbietet, die Autoren jedoch mit 70–80% an den erzielten Erlösen beteiligt.
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3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
verwertet werden. Nachfolgend werden zunächst die hauptsächlich differenzierbaren Geschäftsmodelle aufgezeigt (a)–(e), bevor im Anschluss kurz die verschiedenen Online-Video-Werbemodelle (f) erläutert werden.
a) Video-Sharing-Plattformen Seit der im Februar 2005 erfolgten Gründung von YouTube96 , der weltweit ersten Online-Video-Plattform ihrer Art, sind zwischenzeitlich hunderte gleichartige Videoportale97 im Internet entstanden, die kostenlos Speicherplatz für nutzergenerierte Videoclips zur Verfügung stellen und deren Abspielen anschließend nicht nur über ihre eigene, sondern prinzipiell jede andere Internet-Webseite ermöglichen, in die eine entsprechende Verknüpfung des Video-Streams integriert wird. Die Nutzer können so über ihrer Profilseite, die in Anlehnung an einen herkömmlichen TV-Sendekanal auch „Channel“ genannt wird, nicht nur ihre einfachen Home- und Dokumentations-Videos auf der Plattform veröffentlichen, sondern diese bspw. auch dazu nutzen, ihre privaten Webseiten mit regelmäßigen Video-Blogs zu „füttern“. Allein in den USA gibt es derzeit circa 105 entsprechende Anbieter, deren Zahl nahezu täglich weiter steigt.98 Mit monatlich rund 300 Mio. Nutzern99 (davon ca. 18,5 Mio. aus Deutschland)100 und einem geschätzten Marktanteil von 73 % ist YouTube die am häufigsten genutzte Video-Plattform im Internet, von der täglich im Durchschnitt 1,5 Mrd. Videos abgerufen und pro Minute rund 35 Stunden Videomaterial (ca. 650.00Videos täglich) neu hinaufgeladen werden.101 In Deutschland finden sich – nicht zuletzt aufgrund der zunehmend mehrsprachigen ubiquitären Plattformen amerikanischer Anbieter – momentan erst fünf solcher Plattformen, wovon die bekanntesten Sevenload, Clipfish und MyVideo sind.102
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Das von den drei ehemaligen PayPal-Mitarbeitern Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim gegründete Video-Portal „YouTube“ (engl. wörtl. für „Du Röhre“ bzw. ugs. „Deine Glotze“, URL: http://www.youtube.com) wurde bereits im Oktober 2006 nach nur 21 Monaten von dem Suchmaschinen-Anbieter Google Inc. für rund 1,65 Mrd. US-Dollar in Aktien übernommen (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Youtube [17.10.2007]; Alby, Web 2.0, S. 111). 97 Eine thematisch sortierte Übersicht aller Online-Video-Angebote enthält z.B. der Online Video Guide (URL: http://www.ovguide.com). 98 Vgl. Phil Harvey/Raymond McConville von Light Reading Inc., Web Video Cheat Sheet, abrufbar unter der URL: http://www.lightreading.com/document.asp?doc_id = 112147 [17.10.2007]. 99 Vgl. YouTube, URL: http://www.youtube.com/t/advertising_audience_targeting [11.02.2011]. 100 Vgl. hierzu das Online-Nutzerprofil von Nielsen Media Research für August 2010, abrufbar unter der URL: http://de.nielsen.com/news/NielsenPressemeldung-13.09.2010NetViewAugust.shtml [11.02.2011]. 101 Vgl. Alby, Web 2.0, S. 109 f.; Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Youtube [11.02.2011]. 102 Die Video-Plattform Sevenload ist erreichbar unter der URL: http://www.sevenload.de; zu Clipfish und MyVideo siehe sogleich.
E. Verwertung von Video-Beiträgen
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b) Video-Empfehlungsseiten Aufgrund der Vielzahl der bereits existierenden unterschiedlichen Video-Portale mitsamt der Fülle ihrer qualitativ stark schwankenden Inhalte wurden daneben auch so genannte „Video-Empfehlungsseiten“ wie z. B. bendecho103 oder myTV 104 gegründet. Diese Webseiten bestehen im Wesentlichen aus einer dynamischen Ansammlung von nutzergenerierten und/oder redaktionell zusammengestellten Video-Hyperlinks auf fremde Video-Plattformen und präsentieren somit eine plattformübergreifende Auswahl der beliebtesten Videos im Internet, wobei die verlinkten Videos jeweils als Video-Stream105 im Wege des „Framing“106 in das Content-Angebot der Empfehlungsseiten eingebunden und daher direkt hierüber angesehen werden können. c) Georeferenzierte Online-Nachrichten-Portale Eine Kombination aus Online-Video-Portal und Nachrichten-Wiki stellen so genannte georeferenzierte Online-Nachrichten-Portale wie z. B. plebsTV 107 dar, welches als weltweit erstes Internetportal für Bürgerjournalisten die von seinen Nutzern vergütungsfrei eingestellten Video-Botschaften gleichzeitig durch die Verknüpfung mit Google Maps108 auf einer Weltkarte einzeichnet und so die einzelnen Meldungen zusätzlich geografisch lokalisierbar macht.109 103
Auf der im Februar 2007 gegründeten Videoempfehlungsseite „bendecho“ (URL: http://www.bendecho.de) kann jedes Mitglied Links zu seinen Lieblingsvideos einstellen, wodurch ein Art Video-Tip-Verzeichnis entsteht, das aus einer Vielzahl von Video-Stream-Verknüpfung zu den jeweiligen Video-Portalen besteht. 104 Der im Mai 2007 gestartete Internet-Broadcast-Guide „myTV“ (URL: http://www.mytv.de) bietet neben dem klassischen TV-Programm insbesondere eine nutzergenerierte Auswahl von Bewegtbild-Inhalten aus Video-Portalen, Live-Streams von TV- und Web-TV-Sendern sowie im Web verfügbaren On-Demand-Inhalten, die um redaktionelle Tages-Tips ergänzt wird. 105 Zur „Stream-Technologie“ im Internet vgl. oben zu „Audio-Stream“, Kapitel 2, Fn. 60. 106 Das sog. „Framing“ (engl. für „Einrahmen“) ermöglicht die gleichzeitige Darstellung mehrerer HTML-Dateien auf einer einzigen Webseite bzw. innerhalb eines Browserfensters. Häufig wird mit dem Begriff das Einbetten von fremden Medien in eine Webseite mittels (meist unsichtbarem) Hyperlink bezeichnet. Dabei werden die auf einem fremden Server abgelegten geframten Medieninhalte vom Internetbrowser des Nutzers (automatisch) abgerufen und sodann gemeinsam mit den Inhalten der framenden Webseite dargestellt, d.h. in deren Erscheinungsbild integriert. 107 Am 7. September 2007 ging die Webseite „plebsTV“ (URL: http://www.plebstv.com) als Infotainment-Portal für demokratische Bürger-Video-Berichterstattung online. 108 Google Maps ist ein weiteres Google-Produkt, das es seit dem 8. Februar 2005 ermöglicht, Städte, Orte, Straßen, Lokalitäten und andere Objekte zu suchen, um sich deren Position auf einer grafischen Landkarte oder einem Satellitenbild anzeigen zu lassen (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Google_Maps [17.10.2007]). 109 Eigenen Angaben des Portals zufolge will plebsTV mit Ablauf der Betaphase und Start der Version 1.0 des Portals, voraussichtlich Ende 2007, seine Community-Mitglieder am Erfolg ihrer Nachrichtenbeiträge beteiligen, womit plebsTV künftig auch als (teilweise) entgeltliches Verwer-
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3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
d) Beitragshebung in Online-TV-Sender Auch eine vergütungsfreie Beteiligung der Nutzer in Online-TV-Sendern (WebTV) findet bereits statt, wie das Beispiel des Schweizer Internet-Musik-TV-Senders 105TV 110 zeigt, der sein Programm sowohl aus herkömmlichen professionellen Musikvideos und Studio-Produktionen als auch aus nutzergenerierten Musikvideos, Konzert- und Filmkritiken sowie Video-Reportagen zusammenstellt, die von seinen Zuschauern über das Online-Portal veröffentlicht wurden.
e) Video-Bearbeitungs-Plattformen Eine weitere neuartige Entwicklung im Bereich der Online-Video-Plattformen sind ergänzende kreative Zusatzfunktionen, wie z. B. die webbasierte Videobearbeitung, bei der eigene wie fremde veröffentlichte Videoclips mittels auf der Plattform implementierter Video-Bearbeitungs- und -Schnittsoftware bearbeitet, geschnitten, beliebig zu neuen Filmen zusammengefügt, mit Musik unterlegt und anschließend wieder veröffentlicht werden können. Einen solchen Service bieten z. B. die kostenlos nutzbaren amerikanischen Video-Plattformen jumpcut 111 und eyespot 112 an.
f) Online-Video-Werbemodelle Zur Finanzierung ihrer kostenlosen Angebote, die aufgrund des hohen Datenvolumens bei digitalen Videodateien und dem hiermit verbundenen „Traffic“ mitunter sehr hohe Kosten verursachen, werden die von den Nutzern „freiwillig“ zur Verfügung gestellten Video-Beiträge auf unterschiedliche Art und Weise verwertet, wobei die meisten Videodienste in erster Linie auf verschiedene Internet-Werbemöglichkeiten zurückgreifen. Neben herkömmlichen Werbebannern unterschiedlicher Größe setzen immer mehr Video-Portale zusätzlich so genannte Participatory-Video-Ads (PVA) ein, womit Werbeeinblendungen und Sponsorenclips im unmittelbaren Umfeld einzelner erfolgreicher Einzelclips bezeichnet werden. Hierbei werden i. d. R. bei den am stärksten frequentierten Video-Beiträgen unterschiedlicher Kategorien so genannte Pre- oder Post-Roll-Werbespots vor und/oder nach dem nutzergenerierten Inhalt platziert bzw. während des Nutzerbeitrags Werbeeinblendungen in Form eitungsmodell angesehen werden kann (vgl. plebsTV, Pressemitteilung vom 14.09.2007, abrufbar unter der URL: http://www.plebstv.com/press/plebsTV_press_2007-09-14.pdf [17.10.2007]). 110 Das im September 2007 in der Schweiz gestartete Web-TV „105TV“ (URL: http://www.105tv. ch) ist ein 24-stündiger interaktiver Internet-Musik-TV-Sender, der über neun Spartenkanäle seine Zuschauer bei der Programmgestaltung mit einbezieht. 111 Die Video-Remix-Plattform „jumpcut“ ist erreichbar unter der URL: http://jumpcut.com. 112 Die Plattform „eyespot“ ist erreichbar unter der URL: http://www.eyespot.com.
E. Verwertung von Video-Beiträgen
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ner „Bauchbinde“113 vorgenommen.114 Aufgrund der inhaltlichen Kategorisierung aller Video-Beiträge sowie der exakt bestimmbaren Reichweite und Abrufhäufigkeit einer jeden einzelnen Werbebotschaft lässt sich ein zielgruppenspezifischer Verkauf von Werbeflächen realisieren, der nahezu keinen Streuverlusten unterliegt und somit als indirektes Verwertungsmodell insbesondere für Werbetreibende von größtem Interesse ist.115
2. Beitragshebung in traditionelle TV-Sendungen Als erstes deutsches Fernsehunternehmen hat der Sender RTL im Juni 2006 mit der Videoplattform Clipfish die Initiative zur Gründung eines eigenen Internetportals für Kurzvideos ergriffen.116 Kurz danach beteiligte sich Anfang September 2006 die ProSiebenSat.1 Media AG an dem Betreiber des Online-Videoportals MyVideo117 und bietet den Nutzern seither während des Upload-Vorgangs auf der Internetseite die Möglichkeit, durch Anklicken von abrufbaren separaten Teilnahmebedingungen – wodurch der Sendergruppe diverse Nutzungsrechte an den eingestellten Videoclips eingeräumt werden sollen – mit ihren Beiträgen im Fernsehen gezeigt zu werden. Bereits im Dezember 2006 begann der Sender SAT.1 sodann mit der Verwertung der eingestellten Videoclips im Rahmen einer eigenen Fernsehsendung namens „Die MyVideo-Show“, in der – von einer entsprechenden Moderation begleitet – wöchentlich die „50 besten Videoclips auf MyVideo“ ausgestrahlt werden.118 Auch der amerikanische Fernsehsender CNN verwendet zuschauergenerierte Videoclips in seinen Nachrichtensendungen, die seit August 2006 über die eigens hierfür einge-
113
Als „Bauchbinde“ bezeichnet man eine grafische Einblendung am unteren Bildschirmrand, die vorwiegend im Fernsehbereich zur zusätzlichen visuellen Erläuterung sichtbarer Personen oder Ereignisse verwendet wird. Als Werbemöglichkeit bietet dies z.B. der Schweizer Internet-TV-Sender 105TV an, der bei sämtlichen Video-Beiträgen verschiedene filmähnliche Werbeeinblendungen vornimmt (vgl. 105TV, URL: http://www.105tv.ch [07.03.2008]). 114 So blendet z.B. das Video-Portal Sevenload vor verschiedenen Videoclips 10-sekündige Werbespots ein; auch die Plattform MyVideo bietet seit Anfang 2007 die Möglichkeit, Werbung vor einzelnen Videos zu platzieren. 115 Bereits im Jahr 2006 wurden rund 480 Mio. Euro in Online-Werbung investiert. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2007 wuchs das Anzeigengeschäft bereits auf 627 Mio. Euro, was einem Zuwachs von 68% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht (vgl. WELT KOMPAKT vom 08.10.2007, Online-Werbung erreicht Rekordwerte). 116 Die Opal Beteiligungs-GmbH, eine Tochter der RTL interactive GmbH, ist die Betreiberin des Online-Angebots „Clipfish“ (URL: http://www.clipfish.de), das seit dem 07.08.2006 offiziell online verfügbar ist. 117 Im September 2006 erwarb die ProSiebenSat.1 Media AG 30% des Betreibers MyVideo Broadband S.R.L. 118 Vgl. MyVideo, URL: http://www.myvideo.de/myvideoshow.html#hp; das Pendant des Senders RTL wird als ähnliches Format ebenfalls wöchentlich unter dem Titel „Clipfish TV“ ausgestrahlt (vgl. RTL, URL: http://www.clipfish.de/clipfishtv.php) [18.10.2007].
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3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
richtete Webseite „CNN Exchange“ auf das Videoportal blip.tv hochgeladen werden können.119 Immer häufiger kommt es jedoch auch zu Ausstrahlungen nutzergenerierter Video-Beiträge, die nicht über sendereigene oder solche Video-Plattformen veröffentlicht wurden, an denen der Sender wirtschaftlich beteiligt ist. Insbesondere seltene oder einzigartige Dokumentationen unvorhergesehener Ereignisse, die von Zeitzeugen zufällig bildlich festgehalten und anschließend bereitwillig über große Video-Plattformen im Internet veröffentlicht wurden, sind für konventionelle Massenmedien von großem Interesse. So wurde bspw. der zufällig von einem anonymen „Planespotter“ dokumentierte und anschließend auf YouTube veröffentlichte Beinahe-Absturz des Airbus A320 am Hamburger Flughafen anlässlich des Orkans „Emma“ am 1. März 2008 nur Stunden später auf allen Fernsehkanälen gesendet120 und entsprechende Standbilder in der Presse verbreitet.121 Ein weiterer potentieller Auswertungskanal für User Generated Videos ist das so genannte Mobile-TV, bei dem via „Digital Multimedia Broadcasting“ (DMB)122 eine terrestrische Übertragung auf mobile Empfangsgeräte wie z. B. Handys erfolgt. Über den DMB-Dienst watcha, der von dem ersten deutschen MobileTV-Anbieter Mobiles Fernsehen Deutschland (MFD)123 angeboten wird, senden bereits täglich verschiedene Fernsehsender124 ihr eigenes spezielles Mobile-TVProgramm. Hierunter befindet sich u. a. auch die ProSiebenSat.1 Media AG mit ihrem Mobile-TV-Vollprogramm „ProSiebenSat.1 Mobile“, über das sie täglich fünf
119 CNN Exchange ist erreichbar unter der URL: http://www.cnn.com/exchange [07.03.2008]; in ähnlicher Weise kooperiert der amerikanische Fernsehsender CBS mit der Video-Plattform YouTube, indem er die beliebtesten Videoclips im Fernsehen ausstrahlt (vgl. Vickery/Wunsch-Vincent, Participative Web and User-Created Content, S. 59). 120 Das vollständige Nutzervideo wurde nicht nur in zahlreichen Nachrichtensendungen verwendet, sondern darüber hinaus auch mehrmals in der SternTV -Sendung vom 05.03.2008 auf RTL gezeigt. 121 Die Original-Aufnahmen des Landeanfluges wurden von einem anonymen Planespotter zunächst auf YouTube veröffentlicht, jedoch aufgrund des hierdurch ausgelösten Medienrummels bereits am nächsten Tag wieder gelöscht. Zwischenzeitlich von Internetnutzern angefertigte Vervielfältigungen waren jedoch bereits auf diversen anderen Plattformen, insbesondere dem amerikanischen Video-Portal „LiveLeak“ (URL: http://www.liveleak.com), verfügbar, von dem auch die gesendeten Bilder stammten (vgl. LiveLeak, Hamburg - A320 nearly crashed during crosswind approach, URL: http://www.liveleak.com/view?i=ddb_1204404185 [07.03.2008]). 122 „Digital Multimedia Broadcasting“ bezeichnet eine alternaive Übertragungsform zu DVB-H für Mobile-TV und wird hauptsächlich in Japan verwendet (vgl. Ganev, Erlösmodelle für User Generated Mobile Videos, S. 75). 123 Die MFD Mobiles Fernsehen Deutschland GmbH ist momentan die einzige Inhaberin einer Mobile-TV-Lizenz in Deutschland (vgl. Ganev, Erlösmodelle für User Generated Mobile Videos, S. 75). 124 Über watcha werden derzeit die Mobile-TV-Programme der Sender Das Erste, ZDF, N24, ProSiebenSat.1 Mobile und MTV MUSIC ausgestrahlt (vgl. watcha, URL: http://www.watcha. de/index.php?id = 5 [18.10.2007]).
E. Verwertung von Video-Beiträgen
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der besten Nutzer-Videos der Plattform MyVideo in Rotation zwischen den einzelnen Programmblöcken ausstrahlt.125 Eine Vergütung der Nutzer für die Auswertung der von ihnen „freiwillig“ zur Verfügung gestellten Inhalte im Fernsehprogramm, auf begleitenden Ton- und Bildtonträgern, für Merchandisingartikel oder in anderer Form sieht jedoch keine der AGB bzw. Nutzungs- oder Teilnahmebedingungen vor.
3. Mobile-Video-Plattformen Aufgrund der weiten Verbreitung von internetfähigen Kamera-Handys und den stetig fallenden Nutzungsgebühren für mobile Kommunikationsdienstleistungen und mobile Breitbandinternetzugänge sind parallel zu den überwiegend stationär genutzten Video-Plattformen zwischenzeitlich auch Mobile-Internet-Video-Portale (wie z. B. YourVids.mobi126 oder itsmy.com127 ) entstanden, die ausschließlich für mobile Endgeräte konzipiert wurden und folglich einen Up- und Download von Videoclips vorwiegend per MMS oder E-Mail ermöglichen. Während die Plattform YourVids.mobi derzeit noch vollständig quersubventioniert wird, werden bei itsmy.com bereits verschiedene indirekte Erlöse durch Sponsoring und Werbung generiert.128 Die Nutzung der Plattformen selbst sowie der hierüber verfügbare Content werden jedoch kostenfrei angeboten, so dass die Nutzer für den Service lediglich die Transaktionskosten ihrer Netzbetreiber zu tragen haben. Im Rahmen von mobilen Erweiterungen ihrer stationären Internetplattformen machen einige Betreiber, wie z. B. YouTube, MyVideo oder Clipfish, die nutzergenerierten Inhalte zusätzlich verschiedenen Mobilfunkbetreibern – darunter Vodafone und Verizon Wireless – zugänglich, indem sie ein für mobile Endgeräte angepasstes Internet-Portal schaffen, das anschließend über kostenpflichtige Premium-Leistungen der Mobilfunkbetreiber (z. B. WAP-Services129 ) erreichbar ist.
125
Vgl. Ganev, Erlösmodelle für User Generated Mobile Videos, S. 75. Im Januar 2007 wurde „YourVids.mobi“ (URL: http://www.yourvids.mobi) als erstes deutsches mobiles Internet-Videoportal gegründet, das es den Nutzern ermöglicht, Videos direkt von ihrem Handy aus auf die Plattform zu laden. 127 Das UGC-Handy-Portal „itsmy.com“ (URL: http://www.itsmy.com) wurde im Frühjahr 2006 von der Münchner „GOFRESH GmbH“ gegründet und bietet neben dem Up- und Download von Videos, Fotos und Musik via Handy zusätzlich den ersten User Generated Handy-TV-Kanal, der unabhängig von einem Mobilfunkbetreiber-Portal angeboten wird. 128 Vgl. Ganev, Erlösmodelle für User Generated Mobile Videos, S. 79 ff. 129 Die Abkürzung „WAP“ steht für „Wireless Application Protocol“ und bezeichnet eine Sammlung von Technologien und Protokollen, deren Zielsetzung es ist, Internetinhalte für die langsamere Übertragungsrate und die längeren Antwortzeiten im Mobilfunk sowie für die kleinen Displays der Mobiltelefone verfügbar zu machen (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/WAP [19.10.2007]). 126
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3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
Zu diesem Zweck sind u. a. die Portale YouTube Mobile130 , MyVideo Mobile131 und Clipfish Mobile132 entstanden, über die teilweise direkte Umsätze pro Videoclip oder in Kooperation mit den Mobilfunkunternehmen verschiedene transaktionsabhängige Erlöse generiert werden.133
4. Crowdsourcing und Engagement-Marketing In Konsequenz des neuen Online-Nutzungsverhaltens und dem hiermit einhergehenden veränderten Medienkonsum setzen Unternehmen in jüngster Zeit zunehmend dialogbasierte interaktive Werbemaßnahmen ein, die ihnen im Wege des Crowdsourcing eine Fülle von kostenlos kundengenerierten Medieninhalten einbringen. Interaktive Online-Marketing-Maßnahmen wie das Engagement-Marketing sind daher insbesondere in Form der populären User-Generated-Video-Contests immer häufiger Gegenstand aktueller Werbekampagnen. So rief unter anderem der Hersteller Wilkinson Ende 2007 dazu auf, unter Verwendung seines neuen Herrenrasierers, ein maximal 3-minütiges individuelles „Rasier-Video“ zu produzieren und dieses über eine Subdomain der Plattform MyVideo zu veröffentlichen.134 Parallel hierzu wurden sämtliche Teilnehmervideos anschließend auch über die Produktseite des Herstellers öffentlich zugänglich gemacht sowie die besten Beiträge zusätzlich in einen professionellen Fernsehwerbespot übernommen und ausgestrahlt.135 Zwischenzeitlich ist auch die Musikindustrie auf das UGC-Verwertungsmodell des Engagement-Marketings aufmerksam geworden, was sich u. a. an dem Musikvideo-Wettbewerb des Stuttgarter Musik-Labels Four Music erkennen lässt, das dieses anlässlich der Veröffentlichung eines neuen Albums der Gruppe Fanta4 in Kooperation mit MyVideo durchgeführt hat. Auch in diesem Fall waren die Fans der Musiker aufgerufen, ihre Produktionen auf die benannte Video-Plattform 130
YouTubes mobiles InternetPortal ist unter der URL: http://m.youtube.com erreichbar. Das mobile Internet-Video-Portal „MyVideo Mobile“ ist im mobilen Internet unter der Adresse „wap.myvideo.mobile“ erreichbar. 132 Das mobile Clipfish-Portal ist unter der URL: http://handy.clipfish.de erreichbar. 133 Obwohl über die Einzelheiten der geschäftlichen Zusammenarbeit der Unternehmen keine detaillierten Informationen veröffentlicht wurden, ist jedoch davon auszugehen, dass die Plattformbetreiber im Wege des „Revenue Sharing“ eine Beteiligung an den nutzungsabhängigen Erlösen der Mobilfunkbetreiber erhalten (vgl. Ganev, Erlösmodelle für User Generated Mobile Videos, S. 71 f.). 134 Während in der ersten Kampagne mit dem Upload der Nutzerbeiträge noch eine unentgeltliche Nutzungsrechtseinräumung verbunden wurde, wird mittlerweile für die Ausstrahlung eines Videos im Fernsehen eine Vergütung von EUR 100,– angeboten (vgl. Wilkinson, URL: http://www.xtremeshaves.de; MyVideo, URL: http://xtremeshaves.myvideo.de/?p=tb [07.03.2008]). 135 Auch der Sportartikelhersteller Nike forderte bereitsAnfang 2006 in Kooperation mit dem Musiksender VIVA im Rahmen des ersten Online-Tanzwettbewerbs seine weiblichen Kundinnen dazu auf, ein persönliches Tanz-Video auf „nikewoman.com“ einzustellen, um seine Street- und DancewearProdukte zu bewerben (vgl. Nike, URL: http://nikewoman.com/dancetola [18.10.2007]). 131
E. Verwertung von Video-Beiträgen
75
hochzuladen, wodurch sie neben ihrer dortigen öffentlichen Verfügbarkeit auch zum Gegenstand verschiedener Fernseh-Berichterstattungen wurden. Im Vergleich zu vielen anderen artverwandten Wettbewerben wurde in diesem Fall jedoch eine Siegerprämie in Höhe von EUR 44.444,– ausgeschrieben, womit zumindest die anschließende Verwendung des Siegervideos als Musikvideo keine vergütungsfreie Verwertung einer Publikumsleistung darstellt.136
II. Vergütende Verwertungsmodelle für Video-Beiträge Zur Auswertung des enormen wertschöpferischen Potentials nutzergenerierter Videoclips haben sich schließlich auch hierfür einige vergütende Geschäftsmodelle herausgebildet, bei denen sich für Verwerter und Nutzer aufgrund deren monetärer Beteiligung an den mit ihren Inhalten erwirtschafteten Erlösen eine Win-winSituation ergibt, die seitens der Nutzer nicht nur aus soziologischen Gesichtspunkten mit Vorteilen verbunden ist. 1. Kommerzielle Online-Video-Datenbanken Eine unmittelbare vergütende Verwertung nutzergenerierter Videos kann insbesondere über Internetplattformen (wie z. B. die Photo-Plattform iStockphoto) erfolgen, die ihren Online-Marktplatz für Fotos zusätzlich auf nutzergenerierte Videos erweitert hat und ihre Kunden – ebenso wie beim erfolgreichen Verkauf von Foto-Lizenzen – eine an Vertriebsexklusivität und Verkaufserfolg geknüpfte Beteiligung zwischen 20 und 64 % der erzielten Lizenzeinnahmen auszahlt.137 2. Online-Video-Plattformen mit Erlösbeteiligung Auch im Bereich des regulären Video-Hosting existieren bereits Videoplattformen, die ihren Nutzern die Möglichkeit bieten, mittels in ihre Videobeiträge implementierter Werbeclips bei deren Abruf an den hierdurch generierten Werbeeinnahmen zu partizipieren. So kombiniert die Video-Sharing-Plattform Revver 138 die auf ihrer Plattform gespeicherten Videos ihrer Mitglieder automatisch mit Werbung und schüttet 50 % der durch jeden Abruf des kombinierten Clips generierten Werbeeinnahmen 136
Vgl. dazu MyVideo, URL: http://fanta4.myvideo.de [18.10.2007]. Der Online-Marktplatz iStockphoto bietet auch für Videoclips eine Plattform für den umfassenden Erwerb von Nutzungsrechten zu Preisen zwischen US$ 10 und 50 an, die von jedermann hierüber angeboten werden können (vgl. iStockphoto, Vertriebsstruktur, abrufbar unter der URL: http://www.istockphoto.com/exclusivity_intro.php [18.10.2007]). 138 Die seit November 2005 unter der URL: http://www.revver.com erreichbare Video-SharingPlattform „Revver“ war das erste Video-Portal, das die automatische Einblendung von Werbebotschaften am Ende eines nutzergenerierte Videos angeboten hat. 137
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3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
an den herstellenden Nutzer aus.139 Auch der Marktführer YouTube hat angekündigt, künftig seine Nutzer an Werbeeinnahmen teilhaben zu lassen, die durch die Nutzung ihre Inhalte generiert werden.140
3. Videoreporter-Portale mit Erlösbeteiligung Im Zuge der Bürgerjournalismus-Bewegung sind auch im Video-Segment Plattformen (wie z. B. „Deutschlandreporter.de“141 ) entstanden, die allen Hobbyreportern in Deutschland anbietet, ihre selbst erstellten Interview-, Portrait- oder ReportageVideos aus ihrer Stadt und Umgebung über das Video-Portal einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wobei die Nutzer mit 50 % an den mit Videowerbung erzielten Einnahmen beteiligt werden. Die Präsentation eines Nutzer-Videos auf der Startseite des Portals wird dabei zusätzlich mit einem Honorar in Höhe von EUR 50,– vergütet.142
4. Beitragsbereitstellung für Online-TV-Sender Mit dem amerikanischen Kabel- und Satellitenfernsehsender CurrentTV 143 ist am 1. August 2005 der weltweit erste Fernsehsender auf Sendung gegangen, der ein ausschließlich von Zuschauern generiertes und zusammengestelltes TV-Programm ausstrahlt. Über das Internet-Portal des Senders kann jeder registrierte Nutzer einen fünf- bis siebenminütigen, zu einem beliebigen Thema erstellten Video-Beitrag in Form eines „V-CAMs“ oder „Pods“ veröffentlichen, der anschließend von jedermann angesehen und für eine Fernsehausstrahlung vorgeschlagen werden kann. Eine redaktionelle Beitrags-Auswahl, die sich in erster Linie an der Meinung der Nutzer orientiert, wird dabei zunächst auf der Startseite des Internet-Portals präsentiert. Die beliebtesten Beiträge werden schließlich zur Gestaltung des TV-Programms des Senders herangezogen, wofür die Nutzer mit Honoraren von US$ 250–1.000,– pro Beitrag vergütet werden.144 139
Vgl. Revver, What is Revver?, URL: http://revver.com/go/about [18.10.2007]. Vgl. Burkhard Reitz, Geld für Hobbyfilmer, auf: sueddeutsche.de (URL: http://www. sueddeutsche.de/computer/artikel/56/102953 [18.10.2007]). 141 Das Hobbyreporter-Portal „Deutschlandreporter.de“ ist seit Juli 2007 unter der URL: http:// www.deutschlandreporter.de erreichbar. 142 Vgl. dazu Deutschlandreporter.de, URL: http://www.deutschlandreporter.de/dreporter/portal/ reporter_about [18.10.2007]. 143 Der amerikanische UGC-TV-Sender „Current TV“ (URL: http://current.com) ist über sieben Kabel- und Satelliten-TV-Kanäle in den USA und dem UK für über 52 Mio. Haushalte empfangbar (vgl. Current TV, LLC, Affiliate Kit, abrufbar unter der URL: http://current.com/ pdf/Current_AffKit.pdf [19.10.2007]). 144 Vgl. dazu Current TV, LLC, URL: http://current.com/s/faq.htm#faq35 [19.10.2007]. 140
F. Zusammenfassung
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5. Mobile-Video-Plattformen mit Erlösbeteiligung Das derzeit – soweit ersichtlich – einzige Mobile-Internet-Video-Portal, das die Nutzer am Umsatz für die von ihnen hochgeladenen und sodann kostenpflichtig angebotenen Inhalte beteiligt, ist die von dem britischen Mobilfunkbetreiber „Hutchison 3G UK“ (3) Ende 2005 gestartete Plattform SeeMeTV 145 , die ebenfalls nach dem klassischen Video-Gallery-Prinzip aufgebaut ist. Alle 3-Kunden können hierbei mit ihrem Mobiltelefon ihre selbst erstellten Inhalte auf die Plattform laden und kostenpflichtig (10–50 Pence/14–73 Cent) Videos herunterladen, wobei die Produzenten der jeweiligen Clips mit 1 Pence (1,4 Cent) an jedem heruntergeladenen Videoclip partizipieren.
F. Zusammenfassung Der vorstehende Überblick über die markantesten Verwertungsformen für UGC hat gezeigt, dass die kommerziell ausgerichteten Verwertungsmodelle zur Ermöglichung der Bereitstellung nutzergenerierter Medieninhalte die altruistisch motivierten Publikationsmöglichkeiten für UGC in Anzahl und Bedeutung deutlich überwiegen. So existieren zwar einige gemeinnützig organisierte Internet-Projekte – deren wohl bekannteste Vertreterin die freie Enzyklopädie Wikipedia ist146 –, die mit Hilfe ihrer kollaborativ nutzbaren und ausschließlich über Spenden finanzierten OnlinePlattformen einen kostenlosen Zugang zur kollektiven Intelligenz aller partizipierenden Internetnutzer ermöglichen und auf diese Weise den von diesen produzierten UGC praktisch ausschließlich „zugunsten der Allgemeinheit“ verwerten.147 Angesichts der mitunter sehr hohen Kosten, die der Betrieb einer UGC-Plattform mit sich bringt, sowie dem hierin liegenden beträchtlichen finanziellen Wertschöpfungspotential sind die kommerziell betriebenen Publikationsangebote für nutzergenerierte Medieninhalte jedoch deutlich in der Überzahl. Das zentrale Geschäftsmodell im Zusammenhang mit dem Phänomen des UGC besteht dabei in dem auf Gewinnerzielung gerichteten Betrieb einer kollektiv nutzbaren Internetplattform, die von jedermann kostenlos zur Veröffentlichung nutzergenerierter Medieninhalte genutzt werden kann und so automatisch ein multimediales Inhaltsrepertoire generiert, das sich gleichzeitig über mehrere Verwertungskanäle monetisieren lässt. Hierbei spielen insbesondere die verschiedenen Internet-Werbemodelle eine große Rolle. Aber auch die Medienindustrie hat den UGC für sich entdeckt. In Konsequenz steigender Akzeptanz und immer größerer 145 Das für alle 3-Kunden erreichbare mobile Internet-Video-Portal „SeeMeTV“ wurde von dem britischen Unternehmen Yospace entwickelt und ging im Oktober 2005 als erste mobile VideoCommunity von England online (vgl. Ganev, Erlösmodelle für User Generated Mobile Videos, S. 84 f.). 146 Siehe hierzu bereits oben: „Gemeinnützige Kollaborationsplattformen“, S. 46 ff. 147 Siehe näher hierzu unten: „Gemeinnützige Internetplattformen“, Kapitel 4, S. 98 ff.
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3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content
Beliebtheit nutzergenerierter Medieninhalte im Internet148 machen sich diverse Medienunternehmen das neue Massenphänomen und die hierbei entstehenden Inhalte verschiedentlich zu Nutze, um ihre bisherige Position in der medialen Wertschöpfungskette zu verteidigen, welche durch das wachsende Angebot alternativer Geschäftsmodelle für eine dezentrale Produktion von Inhalten und deren Übertragung zum Endkunden zunehmend in Bedrängnis gerät. Neben der redaktionell veranlassten Beitragshebung in ihr traditionelles Massenmedium nehmen sie dabei häufig auch eine Verwertung der Nutzerinhalte durch den Betrieb einer beworbenen UGC-Plattform vor. Obwohl der Erzeugung und Veröffentlichung von UGC insgesamt weit überwiegend altruistische, soziologische und/oder intrinsische Motive149 der prosumierenden Nutzer zugrunde liegen,150 besteht für sie grundsätzlich auch die Möglichkeit, die von ihnen erzeugten Medieninhalte über vergütende Verwertungsangebote im Internet gewinnbringend zu verwerten. So können sie ihre Inhalte insbesondere über solche Online-Plattformen veröffentlichen, die eine Partizipation an den hiermit generierten direkten oder indirekten Erlösen anbieten oder die über eine eigene Webseite bereitgestellten Inhalte mit entgeltlichen Werbeanzeigen flankieren (lassen). Bei einer Gesamtbetrachtung der dargestellten Formen von UGC, der hierfür existierenden Verwertungsmöglichkeiten sowie deren stetig zunehmenden Nutzungsintensität im Internet in Verbindung mit der immer größeren Beliebtheit und Akzeptanz jener nutzergenerierten Medieninhalte ergeben sich aus urheberrechtlicher Sicht im Wesentlichen vier problemträchtige Entwicklungstendenzen: Zunächst besteht für die Allgemeinheit heute eine nie da gewesene und stetig weiter wachsende Souveränität im Hinblick auf die eigenständige Produktion, Veröffentlichung und Verwertung urheberrechtlich schutzfähiger Medieninhalte, denen immer häufiger eine Verwendung fremder Schutzgegenstände zugrunde liegt. Diese Entwicklung hat innerhalb weniger Jahre zu einer unermesslichen Anzahl öffentlich zugänglicher medialer Nutzerbeiträge im Internet geführt, deren informative, inhaltliche und technische Qualität regelmäßig sehr unterschiedlich ausfällt. Die neue kreative und publizistische Freiheit wird von den Internetnutzern ferner zunehmend dazu genutzt, ihre Medienbeiträge auf unterschiedliche Weise sowohl einzelnen Verwertern und bestimmten Personengruppen als auch der Allgemeinheit überwiegend vergütungsfrei öffentlich zugänglich zu machen und zurVerwertung zurVerfügung zu stellen. Im Zusammenhang mit der neuen – überwiegend soziologisch motivierten – partizipativen Tätigkeit der Bevölkerung im Web 2.0 zeichnet sich beitragsformübergreifend jedoch gleichzeitig eine extensive Zweitverwertungspraxis für jene kostenlos verfügbaren 148 Siehe näher hierzu die repräsentative Studie von Scherf /Neus/Tietz/Waesche, Innovation der Medien, S. 11 ff. 149 Vgl. Scherf /Neus/Tietz/Waesche, Innovation der Medien, S. 10: „Der absolute Spitzenreiter hinsichtlich der Motivation der ,Prosumenten‘ war jedoch – über alle Altersgruppen stabil – die ,Freude am Austausch mit anderen zu interessanten Themen‘, gefolgt von dem ,Spaß an der Erstellung von Beiträgen‘.“ 150 Ausführlich zu den Nutzungsintentionen prosumierender Internetnutzer siehe unten: „Nutzungsmotive prosumierender Bevölkerungsmitglieder“, Kapitel 7, S. 359 ff.
F. Zusammenfassung
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Publikumsleistungen durch zahlreiche Internet- und Medienunternehmen sowie diverse Produkthersteller ab. Diese begehren überwiegend vergütungsfreien Zugriff auf das immense wertschöpferische Potential nutzergenerierter Medieninhalte, um diese zeitgleich mit oder im Anschluss an ihre obligatorische (Erst-)Veröffentlichung verschiedenen weiteren – von der unmittelbaren Beitragsbereitstellung durch den prosumierenden Nutzer unabhängigen – kommerziellen Verwertungshandlungen zuzuführen.
Zweiter Teil
Die Zulässigkeit von User Generated Content
Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit der Kernproblematik der urheberrechtlichen Zulässigkeit der Bereitstellung von UGC, der – zumindest teilweise – unter Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke und Leistungen entstanden ist. Dabei werden in einem ersten Schritt die typischen urheberrechtsrelevanten Vorgänge ermittelt, die der Erzeugung und Veröffentlichung entsprechender Nutzerinhalte typischerweise zugrunde liegen (4. Kapitel). Die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich der unautorisierten Verwendung fremder Schutzgegenstände zur Herstellung öffentlich zugänglicher Prosumenten-Beiträge ermöglichen anschließend die Bestimmung der hierdurch regelmäßig betroffenen Urheber- und Leistungsschutzrechte (5. Kapitel). Anhand dieser potentiellen Schutzrechtseingriffe kann sodann auf die Privilegierungsfähigkeit von UGC als der zentralen Fragestellung dieses Untersuchungsabschnitts eingegangen werden (6. Kapitel). Hierbei wird insbesondere überprüft, ob und ggf. inwieweit sich die durch die beschriebenen UGC-Formen begründeten Verwertungssituationen unter die derzeit geltenden Urheberrechtsschranken subsumieren lassen.
4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
A. Einführung Eine Beurteilung der urheberrechtlichen Zulässigkeit von UGC macht es zunächst erforderlich, die im Rahmen seiner Entstehung etwaig betroffenen Urheber- und Leistungsschutzrechte an bereits bestehenden, urheberrechtlich geschützten Werken und Leistungen zu bestimmen. Dies setzt jedoch voraus, dass zuvor sämtliche tatsächliche urheberrechtsrelevante Vorgänge eruiert werden, die üblicherweise mit der Erzeugung und Veröffentlichung nutzergenerierter Medieninhalte in Zusammenhang stehen. Angesichts der noch sehr jungen Erscheinung sollen zuerst die derzeit differenzierbaren verwertungs- und urheberpersönlichkeitsrechtlich relevanten Lebenssachverhalte herausgearbeitet werden, die bei der Entstehung von UGC regelmäßig zu beobachten sind. Wie sich bereits aus der vom Verfasser vorgeschlagenen Begriffsdefinition1 ergibt, setzt die Entstehung von UGC in technischer Hinsicht im Wesentlichen zweierlei voraus: zum einen die bewusste Erzeugung eines wahrnehmbaren elektronischen Medieninhalts, mithin eines wiedergabefähigen akustischen und/oder visuellen Datensatzes, und zum anderen dessen Veröffentlichung über das Internet. Bei der Entstehung von UGC handelt es sich daher in aller Regel2 um einen zweiaktigen Vorgang, bei dem der Nutzer zunächst eine wiedergabefähige Mediendatei erzeugt, die er anschließend über das Internet der Öffentlichkeit zugänglich macht. Aufgrund der Tatsache, dass auf diesen beiden Entstehungsstufen zu UGC jeweils diverse Erzeugungs- und Veröffentlichungsmöglichkeiten existieren, die auch aus urheberrechtlicher Sicht teilweise unterschiedlich zu bewerten sind, werden diese vorliegend getrennt voneinander dargestellt. 1
Siehe hierzu oben: „Begriffsdefinition“, Kapitel 1, S. 24. Neben dem hier beschriebenen zweiaktigen Entstehungsprozess ist grundsätzlich auch eine einaktige Entstehung – wie z.B. bei dem Verfassen von sofort lesbaren Texten in öffentlich zugänglichen Chat-Räumen – denkbar, bei der die Erzeugung und die Veröffentlichung des Inhalts zeitlich unmittelbar zusammenfallen. Ganz überwiegend liegen jedoch zwei separate, wenn zeitlich auch nur sehr kurz aufeinander folgende Handlungen vor. 2
C. A. Bauer, User Generated Content, DOI 10.1007/978-3-642-20068-7_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
B. Erzeugung wahrnehmbarer elektronischer Medieninhalte Um einen wahrnehmbaren elektronischen Medieninhalt zu erzeugen, kann der Nutzer zunächst eine Aufzeichnung, d. h. eine körperliche Fixierung unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbarer Signale herstellen. Diese können entweder von Gegenständen oder realen Vorgängen in der Außenwelt ausgehen, von denen der Nutzer eine originäre Uraufzeichnung herstellt, oder von bereits bestehenden Aufzeichnungen, die lediglich kopiert, d. h. vervielfältigt werden. Art und Verfahren der Aufzeichnung sind hierbei grundsätzlich unerheblich. Bedingt durch die sich der Aufzeichnung anschließende obligatorische öffentliche Zugänglichmachung des erzeugten Medieninhalts über das Internet, muss dieser jedoch in jedem Fall eine wiedergabefähige elektronische Form besitzen. Denn anderenfalls könnte dieser weder anderen Internetnutzern übermittelt noch von diesen wahrgenommen werden. Insofern steht spätestens am Ende des jeweiligen Erzeugungsprozesses, sei es nach eigenhändiger Aufzeichnung realer Vorgänge oder der Übernahme und Bearbeitung bereits bestehender analoger Eigen- oder Fremdaufnahmen, stets deren Digitalisierung, um das jeweilige Leistungsergebnis mittels moderner Datenverarbeitungsund Datenübertragungstechnologien dem anvisierten Massenpublikum zugänglich machen zu können. Sehr häufig findet heute jedoch schon zu Beginn des Erzeugungsprozesses eine Digitalisierung statt, indem der Nutzer entweder bereits eine digitale Originäraufzeichnung herstellt oder eine vorhandene analoge Aufnahme digitalisiert, um sie elektronisch überarbeiten und mit anderen digitalen Eigen- oder Fremdaufzeichnungen verbinden zu können. Die Digitalisierung, bei der eine Übersetzung der menschlich wahrnehmbaren analogen Signale (wie z. B. optische oder akustische Reize in Form von Bildern oder Tönen) in ein aus zwei Elementen bestehendes Signalsystem, den sog. Binärcode stattfindet,3 stellt somit eine unumgängliche Basistechnologie bei der Erzeugung von UGC dar. Denn die vereinheitlichende Transformation der bei einer Rezeption urheberrechtlich schutzfähiger Gestaltungen relevanten Signale ermöglicht es nicht nur, alle Werkarten i. S. v. § 2 Abs. 1 UrhG, sondern auch alle sonstigen urheberrechtlich schutzfähigen Leistungsergebnisse (wie z. B. Bild- und Tonaufzeichnungen oder künstlerische Darbietungen) zu digitalisieren, elektronisch zu bearbeiten, zu kopieren und weiter zu verbreiten. Das so geschaffene einheitliche Medienformat erlaubt es, innerhalb des sog. „digitalen Verwertungsumfeldes“ sämtliche urheberrechtlich schutzfähigen Gestaltungsformen mit den selben Verarbeitungs- und Übertragungstechnologien zu verwerten und diese ohne verwertungstechnische Probleme beliebig (multimedial) miteinander zu kombinieren.4 Eine besondere Kombinationsform digitaler Medieninhalte im Internet stellt dabei deren unmittelbare Verknüpfung mittels Hyperlinks dar, in der zugleich die zweite, wenn auch deutlich seltener genutzte Erzeugungsmöglichkeit für einen wahrnehmbaren elektronischen Medieninhalt zu sehen ist. 3 4
Vgl. Lehmann, Internet- und Multimediarecht, S. 25 f. Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 53.
B. Erzeugung wahrnehmbarer elektronischer Medieninhalte
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Auf der Basis dieser veränderten Grundvoraussetzungen ist innerhalb weniger Jahre eine ganze Reihe einfach zu bedienender, barrierefreier und vor allem kostengünstiger digitaler Aufzeichnungs-, Gestaltungs- und Bearbeitungsmöglichkeiten für mediale Inhalte entstanden. Aufgrund deren zunehmender Implementierung in alltägliche Gebrauchsgegenstände, wie z. B. PCs oder Mobilfunktelefone sowie in frei zugängliche und unentgeltlich nutzbare Web 2.0-Anwendungen5 im Internet, erfreuen sich diese bei Internetnutzern heute einer ständig wachsenden Beliebtheit. Die aus urheberrechtlicher Sicht entscheidende Differenzierung auf der ersten Entstehungsstufe zu UGC liegt nun allerdings darin, ob der Nutzer zur Erzeugung seines Beitragsdatensatzes ausschließlich Gemeingut verwendet, sich auf vollkommen selbständig geschaffene Inhalte beschränkt oder hierbei auch auf fremde urheberrechtlich geschützte Leistungsergebnisse zurückgreift. Der derzeit auffindbare UGC wird von Internetnutzern immer häufiger autonom mit Hilfe vorgenannter digitaler Schöpfungswerkzeuge erstellt, um ihren Gedanken, Meinungen und Emotionen sowie ihrer Persönlichkeit öffentlich Ausdruck zu verleihen. Dabei lassen sich verschiedene immer wiederkehrende Verwendungsformen fremder urheberrechtlich geschützter Inhalte erkennen, die nachfolgend kurz beschrieben werden.
I. Verwendung von Gemeingut Soweit es sich bei den Aufzeichnungsgegenständen ausschließlich um urheberrechtliches Gemeingut handelt, besteht mangels Verletzungsmöglichkeit fremder Urheberrechte kein Zweifel an der urheberrechtlichen Zulässigkeit ihrer Aufzeichnung und Verwertung. Zum Gemeingut gehören alle durch Natur, Geschichte, literarische und künstlerische Überlieferungen vorgegebene Stoffe und Gegenstände, wissenschaftliche, geistig-philosophische oder politische Gedanken, Lehren und Theorien6 sowie gemeinfreie Werke und sonstige Leistungsergebnisse, die nie urheberrechtlich geschützt waren oder deren Schutzfrist bereits abgelaufen ist. Dem 5 Neben den bereits oben genannten unzähligen UGC-Plattformen, über die bereits erstellte Nutzer-Beiträge veröffentlicht werden können, existieren auch schon etliche webbasierte Erzeugungs- und Bearbeitungsmöglichkeiten für Text-, Bild-, Audio- und Video-Inhalte. So bietet bspw. das Softwareunternehmen Adobe mit seinem kostenlosen Online-Texteditor „Buzzword“ (URL: http://www.buzzword.com) ein professionelles Web 2.0-Werkzeug zum Verfassen, Bearbeiten und Publizieren von Texten mit Bildern und Tabellen an; der Online-Bildeditor „Pixlr“ (URL: http://www.pixlr.com) verfügt z.B. über die wichtigsten Bildbearbeitungsfunktionen wie das Erstellen von Bildausschnitten, Colorierungen, Zeichenwerkzeuge, Kopierstempel und verschiedene Filter, wobei bearbeitete Bilder anschließend in verschiedenen Formaten und in beliebiger Qualität herunterladen werden können; über die Multimedia-Plattform „Vuvox“ (URL: http://www.vuvox.com) können sowohl eigene Videos, Fotos und Musikdateien hochgeladen als auch von anderen Plattformen wie z.B. YouTube importiert, bearbeitet, kombiniert und anschließend wieder für andere Nutzer verfügbar gemacht werden. Eine ansehnliche Zusammenstellung verfügbarer Web 2.0-Anwendungen im Internet findet sich in dem deutschsprachigen öffentlichen Web 2.0-Sammelalbum „web2null“ (URL: http://www.web2null.de) [27.08.2008]. 6 Loewenheim/Dietz, § 16 Rn. 9; vgl. näher hierzu auch Loewenheim/Loewenheim, § 7 Rn. 4.
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4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
Nutzer steht es somit insbesondere frei, seinen Lebensraum wie die Natur, Städte und Landschaften samt des dort stattfindenden Tagesgeschehens, wie dem üblichen menschlichen Verhalten und den gängigen gesellschaftlichen Ereignissen oder Nachrichten tatsächlichen Inhalts,7 selbständig aufzuzeichnen und diese Aufzeichnung anschließend, z. B. mit einer selbst hergestellten Klavier-Aufnahme von Beethovens’ Symphonie Nr. 5 oder einer bereits gemeinfreien Aufnahme hiervon aus den 1950er Jahren, musikalisch zu untermalen. Das Allgemeingut, wozu auch der Inhalt all jener veröffentlichter Nutzer-Beiträge zählt, die selbst nicht die erforderlichen sondergesetzlichen Schutzkriterien erfüllen, kann somit grundsätzlich von jedem Nutzer erlaubnisfrei zur Erzeugung von UGC verwendet werden. Die persönliche Leistung des erzeugenden Nutzers beschränkt sich in diesem Fall jedoch stets auf die geistige Leistung, die zur Herbeiführung des Aufzeichnungsvorgangs erforderlich ist, was sich entsprechend auf die urheberrechtliche Schutzfähigkeit solcher Erzeugnisse auswirkt.
II. Verwendung nutzereigener Werke und Leistungen Grundsätzlich ebenso unproblematisch stellt sich die Erzeugung, Bearbeitung und sonstige Verwertung von Aufzeichnungen dar, die lediglich urheberrechtlich geschützte Werke oder Leistungen zum Gegenstand haben, die ausnahmslos vom Nutzer stammen. So steht es dem Nutzer insbesondere frei, selbst erfundene Gedichte, Erzählungen oder eigene Erfahrungs- und Erlebnisberichte (wie sie bspw. in Internetforen, Blogs, Nutzer-Artikel oder Wikis vorkommen), die potentiell als Sprachwerk i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG urheberrechtlichen Schutz genießen, z. B. mittels PC in visueller oder akustischer Form elektronisch aufzuzeichnen und abzuspeichern. Aber auch alle anderen wahrnehmbaren Ausdrucksformen der Gefühlsoder Gedankenwelt des Nutzers, die ein nach § 2 UrhG geschütztes Werk, wie z. B. eine Melodie, ein Gemälde oder eine Choreographie hervorbringen, können von diesem zur Erzeugung von Medieninhalten aufgezeichnet werden. Vorstehendes gilt freilich nur, solange der Nutzer noch Inhaber sämtlicher an seinen Schöpfungen bestehender Verwertungsrechte ist. Gleiches gilt für die Aufzeichnung von vom Nutzer erbrachter künstlerischer Darbietungen eigener Werke, sowie die Übernahme und kreative Verwendung bereits bestehender Nutzeraufzeichnungen, die aufgrund der ihnen zugrunde liegenden technischen, wirtschaftlichen oder organisatorischen Leistungen des Nutzers durch sog. verwandte Schutzrechte (Leistungsschutzrechte)8 ebenfalls dem Schutz des UrhG unterliegen können und sodann zur Schaffung eines neuen Werkes kopiert, verändert, 7
Vgl. Loewenheim/Loewenheim, § 7 Rn. 4 m.e.N. aus der Rspr. Im Zusammenhang mit der Erzeugung von UGC kommt für den Nutzer insbesondere ein Schutz als Lichtbildner (§ 72 UrhG), ausübender Künstler (§§ 73–83), Tonträgerhersteller (§§ 85, 86 UrhG) sowie als Filmhersteller (§§ 94, 95 UrhG) in Betracht. 8
B. Erzeugung wahrnehmbarer elektronischer Medieninhalte
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kombiniert und erneut aufgezeichnet oder digitalisiert werden. Im Rahmen der UGCProduktion sind dies vor allem Bild- und Tonaufnahmen nutzereigener Darbietungen sowie die Digitalisierung analoger, vom Nutzer selbst erstellter Schutzgegenstände (wie z. B. Fotos, Grafiken oder Filme) sowie deren anschließende digitale Bearbeitung. Soweit der Nutzer also mit seinen eigens geschaffenen Werken oder erbrachten Leistungen nicht selbst in fremde Urheberrechte eingreift9 oder nicht bereits im Vorhinein einem Dritten ausschließliche urheberrechtliche Nutzungsrechte an seinen kreativen Erzeugnissen eingeräumt hat, ist auch gegen eine Verwendung dieser nutzereigenen Leistungsergebnisse zur Herstellung von UGC aus urheberrechtlicher Sicht nichts einzuwenden.
III. Verwendung fremder Werke und Leistungen Anders verhält es sich jedoch, wenn der Nutzer – wie sooft bei UGC – für die Erzeugung seines zu veröffentlichenden Medienbeitrags bewusst oder unbewusst fremde urheberrechtlich geschützte Inhalte verwendet. Denn in diesem Fall bedient sich der Nutzer – zumindest auch – fremden Geistes- und/oder Leistungsguts, an dem regelmäßig Rechte Dritter bestehen. Um die durch die Bereitstellung nutzergenerierter Medieninhalte etwaig berührten Urheber- und Leistungsschutzrechte der betroffenen Urheber und Rechteinhaber anschließend eindeutig bestimmen zu können, ist es zunächst erforderlich, die verschiedenen bei der UGC-Produktion zu beobachtenden Verwendungsformen fremder Werke und Leistungen aufzuschlüsseln. Aufgrund des einheitlichen digitalen Medienformats und der unüberschaubaren Masse an partizipierenden souveränen Internetnutzern10 sind diese heute jedoch nahezu unbegrenzt. Eine erschöpfende Darstellung aller denkbaren Verwendungsmöglichkeiten vorbestehender Werke und Leistungsaufzeichnungen kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. Mit Blick auf die im Anschluss zu untersuchende Frage der urheberrechtlichen Zulässigkeit, d. h. Privilegierungsfähigkeit bzw. Privilegierungswürdigkeit nutzergenerierter Medieninhalte sollen nachfolgend jedoch zumindest die am häufigsten praktizierten Verwendungsformen erwähnt werden, um einen Ein9 Inwieweit Nutzer durch die Herstellung eigener Aufzeichnungen in bestehende Urheberrechte an fremden Werken und sonstigen Schutzgegenständen eingreifen und dies möglicherweise gerechtfertigt ist, siehe unten: „5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte“, S. 115 ff. sowie „6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content“, S. 163 ff. 10 Einer Studie des amerikanischen Internet-Marktbeobachters eMarketer von April 2008 zufolge, liefern schon heute allein in den USA rund 77 Mio. Menschen mindestens einmal im Monat aktiv einen selbst erstellten Nutzer-Beitrag über ihre Lieblingsseiten im Internet. Bis zum Jahr 2012 werde die Zahl der amerikanischen Inhaltslieferanten auf geschätzte 108 Mio. Nutzer steigen. Genutzt würden diese Inhalte heute von rund 94 Mio. Nutzern, deren Zahl bis 2012 auf ca. 130 Mio. steigen werde (vgl. eMarketer, Comparative Estimate: US User-Generated Content Creators, 2007, abrufbar unter der URL: http://www.emarketer.com [04.09.2008]). Zur Situation in Deutschland siehe näher unten: „Quantifizierung des betroffenen Personenkreises“, Kapitel 7, S. 364.
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4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
druck davon zu vermitteln, wie Nutzer in Zeiten des Web 2.0 typischerweise mit fremden Medieninhalten verfahren und welche Zwecke sie mit ihrem UGC verfolgen. Bei der Erzeugung von UGC kann grundsätzlich zwischen vier verschiedenen Verwendungsformen unterschieden werden: die Übernahme fremder Werke und erbrachter Leistungen bzw. deren Ergebnisse (1), die anschließende Veränderung (2) und Kombination fremder Werke und bestehender Aufzeichnungen (3) sowie deren Verbindung mit vom Nutzer selbst geschaffenen Inhalten (4).
1. Übernahme fremder Werke und Leistungen Im Rahmen des für eine bewusste Erzeugung von UGC regelmäßig erforderlichen Aufzeichnungsvorgangs kommt es sehr häufig zu einer Übernahme fremder urheberrechtlich geschützter Werke und Leistungen. Dies kann vom Nutzer entweder beabsichtigt sein oder unbewusst geschehen. Insbesondere bei originären Bild- und Tonaufnahmen, die von Nutzern heute immer öfter an öffentlich zugänglichen Orten oder zu verschiedenen gesellschaftlichen Anlässen angefertigt werden, um sie als Zeitdokument mit anderen Nutzern zu teilen, lässt sich eine Aufzeichnung fremder und in diesem Zusammenhang wahrnehmbarer Schutzgegenstände (wie z. B. künstlerische Darbietungen, Bauwerke, Bilder, Möbel, Musik o. Ä.) meistens nicht vermeiden. Mindestens ebenso häufig lässt sich jedoch eine bewusste Aufzeichnung fremder Leistungsergebnisse beobachten. Diese erfolgt hingegen eher selten im Rahmen einer originären Uraufzeichnung des betroffenen Werkes, sondern meistens – vor allem innerhalb des Internets – durch eine Übernahme einer fremden, bereits bestehenden Aufzeichnung hiervon. Ungeachtet der konkreten Erwägungen, die der Aufzeichnung fremden Schaffens durch den Nutzer im jeweiligen Einzelfall zugrunde liegen mögen,11 kann an dieser Stelle in tatsächlicher Hinsicht zunächst weiter zwischen der originären Aufzeichnung fremder Werke und Leistungen einerseits und der Übernahme fremder Aufzeichnungen andererseits unterschieden werden.
a) Originäre Nutzeraufzeichnung Um in den Besitz eines wahrnehmbaren elektronischen Medieninhalts zu gelangen, hat der Nutzer zunächst die Möglichkeit, selbst eine eigeneAufzeichnung wahrnehmbarer Gegenstände oder realer Vorgänge vorzunehmen und sie auf diese Weise einer eigenen körperlichen Erstfixierung zuzuführen. Dies kann entweder unmittelbar digital, insbesondere mit Hilfe entsprechender digitaler Aufzeichnungsgeräte (wie z. B. PCs, Digitalkameras oder Multimedia-Handys) geschehen oder aber zunächst durch eine analoge Aufzeichnung (z. B. durch eigenhändige Nieder- oder Mitschrift, herkömmliche Fotografie, Film oder Tonbandaufzeichnung) erfolgen, die der Nutzer 11
Siehe näher hierzu unten: „Neues urheberrechtsrelevantes Verwertungsanliegen“, Kapitel 7, S. 358 ff.
B. Erzeugung wahrnehmbarer elektronischer Medieninhalte
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anschließend durch EDV-Eingabe, Einscannen oder sonstiger elektronischer Abtastung digitalisiert. Entscheidend hierbei ist, dass es sich nur dann um eine originäre Nutzeraufzeichnung handelt, wenn der Nutzer hierbei nicht auf eine bereits bestehende (urheberrechtlich relevante) Fremdaufzeichnung zurückgreift. Insofern stellt zwar bspw. sowohl die Aufzeichnung eines zwei- oder dreidimensionalen Gegenstands (wie z. B. eines Gemäldes, einer Zeichnung oder Skulptur) als auch einer musikalischen, tänzerischen oder schauspielerischen Darbietung eine nutzereigene Aufzeichnung dar. Das Kopieren bzw. Einscannen eines fremden Fotos, die Aufnahme eines öffentlich wiedergegebenen Bild- oder Tonträgers, dessen Digitalisierung oder das Kopieren eines fremden Videos hingegen nicht. Da somit jede Aufzeichnung einer fremden bereits bestehenden Erstaufzeichnung eine Vervielfältigung und damit eine Übernahme derselben darstellt, kommt für die Herstellung einer originären Nutzeraufzeichnung regelmäßig nur eine Aufzeichnung des Originalwerkstückes oder einer Darbietung des Werkes in Betracht. Eine ausschließlich originäre Werkaufzeichnung, die keine Vervielfältigung einer bereits vorhandenen Aufzeichnung und keine Aufnahme einer sonstigen urheberrechtlich schutzfähigen fremden Leistung darstellen darf, kann der Nutzer also grundsätzlich nur durch eine körperliche Erstfixierung und damit eine Uraufzeichnung des jeweiligen Originalwerkstückes bzw. eines gegenständlichen Vervielfältigungsstückes hiervon, das selbst nicht im Wege einer bildlichen oder akustischen Aufzeichnung geschaffen wurde, herstellen. Eine (reine) Originärwerkaufzeichnung zeitgenössischer Kunst kann der Nutzer bspw. nur erzeugen, wenn ihm ein entsprechendes Originalkunstwerk (wie z. B. ein Stencil12 , Graffiti oder eine sonstige Malerei oder Installation im öffentlichen Raum) oder eine plastische Nachbildung hiervon (wie z. B. eine Skulptur oder ein urheberrechtlich geschütztes Möbel) zugänglich ist. Eine Ausnahme hiervon stellt lediglich die Aufzeichnung von typografisch fixierten Werken (wie z. B. eines Buches, Librettos oder einer Partitur) dar. Denn in der Verwendung einer typografischen Fremdaufzeichnung eines Werkes zur Herstellung einer eigenen Aufzeichnung liegt zwar genau genommen auch eine Vervielfältigung einer bereits bestehenden Aufzeichnung des Originalwerkes. Allerdings vermögen nach zutreffender und heute wohl überwiegender Meinung13 weder die typografische Erstaufzeichnung noch die im Rahmen der Druck- und Herstellungsverfahren notwendigen fotografisch erstellten Ablichtungsvorgänge hiervon ein eigenständiges Leistungsschutzrecht zu begründen, in welches der Nutzer im Falle der Verwendung der jeweiligen Vorlage eingreifen könnte. Mangels eigenständigem 12
„Stencil“ (eng. für „Schablone“) ist der Fachbegriff für „Schablonenkunst“ als eine Form des Graffiti, die mit Hilfe von Schablonen, durch die Lackfarbe gesprüht wird, im öffentlichen Raum, z.B. an Hauswänden o.Ä, angebracht wird. Einer der bekanntesten Schablonen-Künstler ist der Brite Banksy (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Stencil [29.08.2008]). 13 Vgl. Schricker/Vogel, § 72 Rn. 23; Dreier/Schulze, § 72 Rn. 11; Möhring/Nicolini/Kroitzsch, § 72 Rn. 3; Wandtke/Bullinger/Thum, § 72 Rn. 9 ff.; Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 365; so wohl auch Schack, UrhR, Rn. 645 f. sowie Rehbinder, UrhR, Rn. 836; für den Bereich der Sprachwerke auch Krieger, GRUR Int. 1973, 286, 288; a.A. die ältere Rspr. für Faksimile-Drucke RGZ 130, 196, 198 – Codex Aureus; Katzenberger, GRUR Int. 1989, 116, 117 f.; für den Notendruck Hans-Strecker, UFITA 93 (1982), S. 18.
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4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
Leistungsschutzrecht für die Herstellung von Druckerzeugnissen sind bei der Vervielfältigung einer bestehenden typografischen Fremdaufzeichnung folglich stets nur die Verwertungsrechte an dem jeweiligen zugrunde liegenden Werk betroffen. Der Nutzer kann hier also ausnahmsweise trotzdem eine originäre Werkaufzeichnung herstellen. Dennoch sind bei der Nutzeraufzeichnung fremder Werke in der Praxis in den meisten Fällen zusätzlich Leistungsschutzrechte Dritter betroffen, die zur Vermittlung der Werke an die Öffentlichkeit beitragen. So verhält es sich insbesondere mit all jenen Werken, die sich für eine persönliche Darbietung eignen, wie z. B. Werke der Musik oder der Tanzkunst. Denn diese begegnen dem Nutzer – wenn nicht als fertige Aufnahme – regelmäßig nur in Form einer künstlerischen Darbietung, welche sodann zwangsläufig auch zum Gegenstand seiner Aufzeichnung wird. In diesem Fall findet nun zwar auch eine originäre Werkaufzeichnung statt, da sich der Nutzer keiner vorbestehenden Aufnahme bedient. Allerdings besteht durch die gleichzeitige Aufnahme der für die Werkvermittlung erforderlichen urheberrechtlich geschützten Darbietung, deren organisierte Veranstaltung oder Übermittlung zugleich die Möglichkeit des Eingriffs in fremde Leistungsschutzrechte.14 Bei manchen Werkarten ist es dem Nutzer sogar praktisch gar nicht möglich, eine reine Werkaufzeichnung herzustellen, da das Originalwerkstück bereits selbst aus einer Aufzeichnung besteht, wie dies z. B. bei Lichtbildwerken oder bei einem Filmwerk der Fall ist. In diesen Fällen ist eine Nutzeraufzeichnung folglich stets als Übernahme einer fremden Aufzeichnung zu qualifizieren, durch die sodann ebenfalls die entsprechenden hieran bestehenden Leistungsschutzrechte zusätzlich betroffen sind. Eine (reine) Originäraufzeichnung fremder Werke stellt im Bereich der UGCProduktion daher eher die Ausnahme dar. b) Übernahme fremder Aufzeichnungen Deutlich häufiger als eine originäre Aufzeichnung fremder Werke und Leistungen ist bei der Erzeugung von UGC die eigenmächtige Übernahme bestehender, zumeist im Internet veröffentlichter Fremdaufzeichnungen durch die Nutzer zu beobachten. Dies geschieht entweder – mehr oder weniger zwingend – durch die beiläufige oder notwendige Aufzeichnung vorhandener Fremdaufzeichnungen, z. B. durch den Mitschnitt öffentlich wiedergegebener Ton- und Bildtonträger, oder ganz bewusst, z. B. durch die Digitalisierung einer fremden Fotografie, die Vervielfältigung einer Bild-, Audio- oder Videodatei aus dem Internet oder deren Kopie von einem handelsüblichen oder sonst frei zugänglichen Medium. Die Nutzer übernehmen die Aufzeichnungen dabei entweder um deren Inhalte überhaupt einer digitalen Veröffentlichung im Internet zuzuführen, sich mit diesen öffentlich auseinander zu setzen oder diese durch Bearbeitung, Kombination oder Verbindung mit ihren eigenen Inhalten zur Grundlage neuer multimedialer Beiträge zu machen. Insbesondere im Internet werden so bspw. fremde Texte, Bilder, Audio- oder Videodateien zwecks 14
Siehe hierzu unten: „5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte“, S. 115.
B. Erzeugung wahrnehmbarer elektronischer Medieninhalte
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anschließender Veröffentlichung zunächst per Download auf dem PC oder sonstigen Endgerät des Nutzers aufgezeichnet oder aber direkt mittels Deep-Link15 , InlineLink16 oder Framing17 in den vom Nutzer erzeugten Beitrag, wie z. B. einem Blog, einem Wiki oder einer privaten Webseite übernommen bzw. eingeblendet. 2. Veränderung fremder Werke und Aufzeichnungen Die zweite urheberrechtlich relevante Verwendungsform fremder Werke und Leistungen bei der Erzeugung von UGC stellt deren autonome Veränderung durch den Nutzer dar. Dabei sind es vor allem die eigenmächtig übernommenen Fremdaufzeichnungen fremder Werke und Leistungen, die vom Nutzer – je nach konkret verfolgtem Zweck – gekürzt, inhaltlich abgeändert oder in einen anderen Sachzusammenhang gestellt werden. So erzeugen Nutzer bspw. Ausschnitte aus Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, Radio- und Fernsehsendungen, Kinofilmen oder Musikvideos, versehen fremde Lichtbilder sowie Ton- und Videoaufnahmen mit visuellen und akustischen Effekten oder überarbeiten umfangreiche kollaborativ erstellte Wiki-Beiträge. Mitunter kommt es aber auch bei originären Nutzeraufzeichnungen zu Veränderungen vorbestehender Werke, z. B. wenn der Nutzer eine eigene oder fremde Darbietung eines abgeänderten oder gekürzten Werkes aufzeichnet oder bei der selbständigen Nachstellung eines Lichtbild- oder Filmwerks dessen intendierte Aussage verfälscht. Zwei weitere, in tatsächlicher Hinsicht differenzierbare typische Verwendungsformen fremder Leistungsergebnisse sind die Kombination fremder Werke und Aufzeichnungen sowie deren Verbindung mit nutzereigenen Inhalten. Zwar kommt es auch bei diesen Verwendungsformen nicht selten zu einer Veränderung der benutzten Fremdinhalte durch den gestaltenden Nutzer. Die hierbei auftretenden Veränderungen stellen jedoch i. d. R. nicht (mehr) das Hauptziel des Nutzers, sondern häufig nur eine notwendige Nebenerscheinung dar. Aufgrund erkennbar unterschiedlicher Intentionen, die den verschiedenen Verwendungsformen jeweils zugrunde liegen, werden diese vorliegend getrennt voneinander dargestellt. 3. Kombination fremder Werke und Aufzeichnungen Die dritte typische Verwendungsform fremder Medieninhalte zur Erzeugung von UGC ist die Kombination vorbestehender Werke und Aufzeichnungen. Dabei bedie15 Ein „Deep-Link“ (engl. etwa für: „tiefe Verknüpfung“) ist ein Hyperlink, der nicht auf die Eingangsseite (Homepage) einer Internetpräsenz, sondern unmittelbar auf eine „tiefer liegende“ Unterseite oder eine ganz bestimmte Datei verweist und vom Nutzer aktiviert, d.h. angeklickt werden muss, um den verlinkten Inhalt anzuzeigen (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Deep_Link [03.09.2008]). 16 Im Gegensatz zum „Deep-Link“ bedarf es beim sog. „Inline-Link“ keiner separaten aktivierenden Handlung des Nutzers, um die verlinkte Datei abzurufen, da diese automatisch mit der Webseite, auf der sich der Inline-Link befindet, abgerufen und in deren Erscheinungsbild integriert wird. 17 Zum Begriff des „Framing“ vgl. oben Kapitel 3, Fn. 106.
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4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
nen sich die Nutzer regelmäßig der über diverse Internetplattformen zugänglichen Fremdaufnahmen, die sie nach ihrer Übernahme aus unterschiedlichen Erwägungen heraus multimedial miteinander kombinieren und so neue Aufzeichnungen hieraus produzieren. Auf diese Weise stellen Nutzer z. B. fremde Fotos zu einem bestimmten Thema oder von prominenten Persönlichkeiten zu Bildpräsentationen in Form von sog. „Foto-Slide-Shows“ zusammen und unterlegen diese mit aktueller oder thematisch passender Musik. So wurden bspw. zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 unzählige „Foto-Videos“ zu den verschiedensten Anlässen aus professionellen Pressefotos zusammengestellt und mit dem bekannten WM-Titel „54, 74, 90, 2006“ der Band „Sportfreunde Stiller“ unterlegt. Ebenfalls sehr beliebt ist die musikalische Synchronisation vonVideos, wobei entweder unterschiedliche Musikstücke zu einem durchgängigen Video eingeblendet, oder umgekehrt, verschiedene Bildinhalte zu einem durchgängigen Musikstück passend geschnitten werden. Ein populäres Beispiel für die zuletzt genannte Synchronisationsvariante ist das von einem Nutzer erzeugte YouTube-Video „Bert & Ernie tries Gangsta-Rap“, in dem dutzende Videoausschnitte der in der Fernsehsendung „Sesamstraße“ vorkommenden Muppet-Figuren „Ernie“ und „Bert“ lippensynchron zu dem amerikanischen Rap-Song „Ante Up“ der Gruppe „M.O.P.“ zurechtgeschnitten wurden.18 Im Gegensatz zur bloßen Übernahme fremder Werke und Aufzeichnungen, z. B. um sie einer (erneuten) Veröffentlichung im Internet zuzuführen, und einer (rein) inhaltlich-technischen Veränderung derselben, lässt sich Nutzerbeiträgen, denen eine Kombination fremder Aufnahmen zugrunde liegt, bereits deutlich häufiger eine eigenständige Aussage des erstellenden Nutzers entnehmen. Die Erzeugung solcher Medienbeiträge scheint daher weniger zur ausschließlichen Befriedigung unmittelbarer Unterhaltungs- und Konsumbedürfnisse zu erfolgen, als vielmehr schon in einem gewissen Mitteilungsbedürfnis der Nutzer zu gründen. Denn abgesehen von dem höheren Erzeugungsaufwand richtet der Nutzer die erforderliche Auswahl und Zusammenstellung der zu kombinierenden Fremdinhalte hier regelmäßig an einem bestimmten selbst gewählten Thema aus, das letztlich – ein wie auch immer zu wertender – Ausdruck seiner persönlichen Gedanken- und Gefühlswelt ist.
4. Verbindung nutzereigener und fremder Werke und Aufzeichnungen Den vergleichsweise höchsten Grad an Individualität bei der Erzeugung von UGC durch Verwendung fremder Medieninhalte erzielt der Nutzer schließlich durch deren bewusste Verbindung mit eigenständig geschaffenen Inhalten. Solche Verbindungen entstehen sehr häufig im Rahmen einer inhaltlichen Auseinandersetzung des Nutzers mit den von ihm verwendeten Fremdinhalten, bei der er seine Gedanken, Meinungen und Emotionen in durchaus unterschiedlicher Quantität und Qualität zum Ausdruck bringt. Dies geschieht entweder unmittelbar, z. B. in Form der Kritik, Erläuterung 18
Das von dem YouTube-Nutzer „stianhafstad“ produzierte Video „Bert & Ernie tries Gangsta-Rap“ ist abrufbar unter der URL: http://www.youtube.com/watch?v = 21OH0wlkfbc [03.09.2008].
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oder Bewertung, oder mittelbar, indem die Inhalte z. B. in kreativer Art und Weise zur Schaffung neuer multimedialer Inhalte verwendet werden. Diese vierte typische Form der unautorisierten Verwendung fremder urheberrechtlich geschützter Leistungsergebnisse ist neben der Aufzeichnung von Gemeingut die wohl häufigste Erzeugungsform für nutzergenerierte Inhalte im Internet.19 Dementsprechend lässt sie sich auch bei allen Formen von UGC beobachten. So setzen sich heute viele Nutzer bspw. in ihren eigenen Blogs kritisch mit konventionellen Massenmedien und deren Inhalten auseinander, indem sie Ausschnitte hiervon „zitieren“ und mit eigenen kommentierenden Textpassagen verbinden.20 In Wiki-Beiträgen werden überwiegend Text-Auszüge aus verschiedenen öffentlich zugänglichen Quellen (wie z. B. Büchern, Magazinen oder Online-Medien) zusammengetragen und durch nutzereigene Texte und Bilder ergänzt.21 Eine Verbindung fremder Tonaufzeichnungen (wie z. B. Musik, Hörspiele oder Interviews) mit nutzereigenen Sprachbeiträgen findet insbesondere im Wege des Podcasting statt, bei dem sich die Nutzer entweder gezielt mit den von ihnen ausgewählten und übernommenen Einspielern auseinandersetzen und/oder diese als schmückendes Beiwerk zusätzlich integrieren.22 Schließlich erfolgen auch bei Video-Beiträgen multimediale Verknüpfungen zwischen nutzereigenen und fremden Inhalten, wenn bspw. im Rahmen einer nutzergenerierten Nachrichtensendung in Form eines Video-Blogs über fremde Medieninhalte, wie Webseiten, Fotos, Musik, Videos, konventionelle NachrichtenSendungen oder sonstige Fremdaufzeichnungen berichtet wird und diese hierfür übernommen und mit nutzereigenen Aufzeichnungen verbunden werden.23 Daneben werden fremde Werke und Aufzeichnungen von Nutzern jedoch gerne auch aus verschiedenen intrinsischen Motiven, wie z. B. einfach „zum Zeitver19
Unberücksichtigt bleibt hierbei freilich die bewusste, nahezu unveränderte Übernahme fremder Aufzeichnungen, die ausschließlich dazu dienen soll, eine zusätzliche öffentlich zugängliche Kopie einer fremden Aufzeichnung herzustellen. Denn diese erscheinen aufgrund ihres Substitutionsbzw. Piraterie-Charakters von vornherein weder privilegierungsfähig noch privilegierungswürdig und sind daher für nachfolgende Zulässigkeitsprüfung irrelevant. 20 Ein sehr bekanntes Medien-Blog ist z.B. das bereits oben erwähnte „Bildblog“, das sich ausschließlich mit Fehlern in der Berichterstattung der Zeitung „BILD“ befasst. Ein weiteres erwähnenswertes Beispiel ist die seit 2006 als Blog gestaltete Webseite „onlinejournalismus.de“, auf der die Entwicklung des Journalismus im Internet beispielhaft dokumentiert und analysiert wird. 21 Vgl. dazu z.B. den Wikipedia-Eintrag zu Max Planck, der sowohl aus Literaturauszügen und Online-Publikationen als auch aus nutzergenerierten Textbausteinen zusammengestellt wurde. Zudem wurden nutzergenerierte Lichtbilder verschiedener Max-Planck-Abbildungen wie z.B. Portrait-Fotos, Briefmarken und einer Büste hinzugefügt (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Planck [10.09.2008]). 22 Über das Online-Podcast-Verzeichnis „podcast.de“ finden sich hunderte nutzergenerierte Podcasts zu allen möglichen Themen, in denen häufig je nach gewähltem Beitragsthema unterschiedliche Fremdaufzeichnungen verschiedentlich verwendet werden. 23 Eines der bekanntesten nutzergenerierten Nachrichten-Video-Blogs ist „Rocketboom“ (URL: http://www.rocketboom.com), das von Oktober 2004 bis Juni 2006 von der amerikanischen Schauspielerin Amanda Congdon moderiert und aufgezeichnet wurde (vgl. auch Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Rocketboom [10.09.2008]). Ein deutsches Pendant hierzu ist z.B. das dreiminütige Vlog „Ehrensenf“ (URL: http://www.ehrensenf.de).
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4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
treib“ oder im Rahmen verschiedener Freizeitbeschäftigungen mit deren eigenen Aufzeichnungen vermischt. Insbesondere im Video-Bereich werden bspw. zahlreiche Karaoke-Videos produziert, bei denen sich die Nutzer beim Singen ihrer persönlichen Lieblingslieder selbst filmen oder sonstige private Home-Videos (wie z. B. Urlaubs- oder spontane Gelegenheitsdokumentationen) im Nachhinein mit bekannten Musiktiteln untermalt. Bei einer Gesamtbetrachtung der dargestellten typischen Verwendungsformen fremder Werke und Leistungen lässt sich zusammenfassend feststellen, dass diese von den Nutzern sowohl jeweils einzeln als auch kombiniert zur Erzeugung von UGC eingesetzt werden. So kann der Nutzer entweder „nur“ fremde Werke oder Leistungen durchAufzeichnung oderVerlinkung übernehmen, eigens erzeugte oder übernommene Aufzeichnungen „zusätzlich“ kreativ verändern, mittels deren themengebundener Kombination „zumindest“ eine gewisse eigene Aussage zum Ausdruck bringen oder diese „sogar“ durch Verbindung mit eigenständig geschaffenen Inhalten im Wege einer bewussten Auseinandersetzung zur Grundlage neuer Medieninhalte machen. Die einzelnen Verwendungsformen der „Übernahme“, „Veränderung“, „Kombination“ und „Verbindung“ fremder Leistungsergebnisse erscheinen dabei äußerlich zwar als alternative Erzeugungsprozesse für UGC. Tatsächlich impliziert jedoch jede dieser vier differenzierbaren Erzeugungsvarianten i. d. R. mindestens eine oder mehrere der vorgenannten Verwendungsformen, die diesen jeweils vorangehen. Demnach lassen sich die einzelnen Verwendungsformen auch als aufeinander folgende Erzeugungsstufen begreifen, die i. d. R. jeweils Voraussetzung für die darauf folgende Erzeugungsstufe sind. Dabei lässt sich ausgehend von der bloßen Übernahme mit jedem zusätzlich verwirklichten Erzeugungsschritt zugleich ein tendenziell steigender Grad an Kreativität und Individualität in Bezug auf die erzeugten Nutzer-Beiträge feststellen. Denn die Verbindung eigenen und fremden Schaffens führt i. d. R. zu einer höheren schöpferischen Prägung des Ergebnisses als eine Kombination ausschließlich fremder Medieninhalte. Die Kombination fremder Werke oder Aufzeichnungen wiederum vermag meist ein individuelleres Ergebnis hervorzubringen als deren bloße Veränderung. Und die bewusste Veränderung fremder Leistungsergebnisse verlangt schließlich mehr kreative Eigenleistung als deren rein technisch bewerkstelligte Übernahme.
C. Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet Die zweite obligatorische und für die Entstehung von UGC charakteristische urheberrechtsrelevante Nutzerhandlung besteht sodann in der selbstbestimmten Veröffentlichung des digitalen Medieninhalts im Internet. Um dabei eine möglichst große Anzahl anderer Internetnutzer erreichen zu können, geschieht dies in aller Regel dadurch, dass der Nutzer seinen Beitrag auf einer Webseite im WWW veröffentlicht. Bevor der Medieninhalt jedoch über die Webseite von anderen Internetnutzern abgerufen und wahrgenommen werden kann, ist zuvor noch dessen Bereitstellung zum Abruf (sog. Upload) sowie ggf. eine entsprechende „Freischal-
C. Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet
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tung“ der Mediendatei erforderlich. Hierfür werden die zu übertragenden Daten auf einem Speicher einer unmittelbar an das Internet angeschlossenen Datenverarbeitungsanlage (Server) abgelegt, auf den alle oder bestimmte Internetnutzer permanent zugreifen können. Der nutzergenerierte Beitragsdatensatz wird vom Nutzer also zunächst im Wege der Datenfernübertragung (z. B. per FTP24 , SMTP25 oder MMS26 ) auf einem Internet-Server gespeichert und anschließend durch Auswählen optionaler Webseiteneinstellungen oder die direkte Verknüpfung einer fremden Mediendatei mit der Webseite des Nutzers mittels Hyperlink zum Abruf „freigeschaltet“. Der Server selbst wird dabei regelmäßig nicht vom bereitstellenden Nutzer betrieben, sondern von einem sog. „Host-Provider“, der ihn im Rahmen einer Dienstleistung dem jeweiligen Webseitenbetreiber oder sonstigen „Content-Provider“ zur Verfügung stellt. Mangels verwertungsrechtlicher Relevanz wird an dieser Stelle bewusst auf eine umfassende Darstellung und technologiespezifische Unterscheidung der verschiedenen Datenübertragungstechniken und -geräte sowie deren Anbieter bzw. Betreiber verzichtet. Denn sowohl für den Urheber als auch einen sonstigen Rechtsinhaber ist es grundsätzlich irrelevant, ob die Übertragung des nutzergenerierten Medieninhalts als solche über (Telefon- oder Fernseh-)Kabel, Mobilfunkwellen, Satellit oder andere Trägermedien vonstatten geht. Gleiches gilt für die Identität der Anbieter der Datenfernübertragung, insbesondere der verschiedenen Service-Provider als rein technischen Betreibern der durch die Vermittlung involvierten Internet-Server.27 Unerheblich ist ebenso, ob Absendung und Empfang mittels PC, Mobiltelefon oder einem sonstigen elektronischen Endgerät erfolgt. Von entscheidender Bedeutung ist hingegen die Frage, wer in wirtschaftlicher Hinsicht unmittelbar von der Veröffentlichung der nutzergenerierten Medieninhalte profitiert, die durch die Verwendung vorbestehender Werke und Leistungen ent24
Bei dem „File Transfer Protocol“ (engl. für „Dateiübertragungsverfahren“, kurz „FTP“) handelt es sich um ein Netzwerkprotokoll zur Dateiübertragung über TCP/IP-Netzwerke. FTP wird benutzt, um Dateien vom Server zum Client (Download), vom Client zum Server (Upload) oder clientgesteuert zwischen zwei Endgeräten zu übertragen (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/File_Transfer-Protocol [17.09.2008]). 25 Das „Simple Mail Transfer Protocol“ (engl. etwa „Einfaches E-Mail-Sendeverfahren“, kurz „SMTP“) ist ebenfalls ein Protokoll der TCP/IP-Internetprotokollfamilie, das zum Austausch von E-Mails in Computernetzwerken dient. Es wird dabei vorrangig zum Einspeisen und Weiterleiten der E-Mails verwendet (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/ Simple_Mail_Transfer_Protocol [17.09.2008]). 26 Der „Multimedia Messaging Service“ (MMS) ist als Weiterentwicklung von SMS (Short Message Service) und EMS (Enhanced Message Service) anzusehen und bietet die Möglichkeit, mit einem Mobiltelefon multimediale Nachrichten an andere mobile Endgeräte oder an normale E-Mail-Adressen zu schicken (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/ Multimedia_Messaging_Service [17.09.2008]). 27 Die im Rahmen der Datenfernübertragung erforderlichen, nur vorübergehenden Vervielfältigungshandlungen der vermittelnden Diensteanbieter sind aufgrund § 44 a Nr. 1 UrhG ohnehin ausdrücklich gesetzlich zulässig, unabhängig davon, ob die Nutzung, der die Übertragung dient, rechtmäßig ist oder nicht (vgl. dazu Schricker/Loewenheim, § 44 a Rn. 8).
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4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
standen sind.28 Denn für den Urheber und Rechtsinhaber ist es von existenziellem Interesse, ob und ggf. in welchem Umfang mit ihren Leistungsergebnissen ökonomisch messbare Mehrwerte, wie z. B. monetäre Erlöse, generiert werden.29 Dies ist grundsätzlich immer dann der Fall, wenn Verwertungshandlungen vorgenommen werden, denen eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung beigemessen werden kann. Insofern sind hier auch die verschiedenen Veröffentlichungsformen für UGC – insbesondere im Hinblick auf einen gerechten Interessenausgleich im Urheberrecht – aufgrund ihrer unterschiedlichen wirtschaftlichen Konsequenzen zu den urheberrechtsrelevanten Vorgängen zu zählen. Denn das Urheberrecht reagiert nicht auf die technische Entwicklung als solche, sondern auf die wirtschaftlichen Veränderungen, welche die technische Entwicklung für die Produktion, Verbreitung und Nutzung geschützter Werke und Leistungen mit sich bringt.30 Von diesen lassen sich außerdem Rückschlüsse darauf ziehen, ob die Erzeugung und Veröffentlichung von UGC eine potentielle Einnahmequelle im Rahmen der Gesamtverwertung vorbestehender urheberrechtlich geschützter Leistungsergebnisse darstellen könnte und daher als Beeinträchtigung deren normaler Auswertung einer Privilegierung möglicherweise entgegensteht.31 Deshalb sollen vorliegend die aus ökonomischer Sicht maßgeblichen Unterscheidungskriterien zum Ausgangspunkt genommen werden, um die typischen Veröffentlichungsformen für UGC zu beschreiben. Eine technologieneutrale Darstellung der Veröffentlichung nutzergerierter Medieninhalte im Internet muss aus ökonomischer Perspektive (hierzu unter (I)) die folgenden Unterscheidungskriterien aufgreifen: Zunächst ist erheblich, ob die Veröffentlichung des Medieninhalts auf einer nutzereigenen Webseite (II) oder einer fremden, öffentlich zugänglichen Internetplattform (III) erfolgt. In beiden Fällen ist sodann weiter danach zu unterscheiden, ob mit dem nutzergenerierten Medienbeitrag monetäre Erträge erwirtschaftet werden oder sonstige wirtschaftliche Vorteile
28 Zur urheberrechtlicher Relevanz wirtschaftlicher Nutzungskonsequenzen im Hinblick auf die Privilegierungswürdigkeit neuartiger Verwertungsanliegen siehe näher unten: „Urheberrechtliche Relevanz wirtschaftlicher Nutzungskonsequenzen“, Kapitel 6, S. 344 ff. 29 Streng genommen führt die massenhafte Produktion und Veröffentlichung nutzergenerierter Medieninhalte im Internet bei jedem hieran beteiligten Telekommunikations- oder Medienunternehmen zu einem wirtschaftlichen Vorteil. Wollte man jedoch jeden noch so entfernten mittelbaren Nutzen, der mit dem Phänomen des UGC einhergeht, als verwertungs- und vergütungsrelevanten Mehrwert anerkennen, erschien der hiervon betroffene Personenkreis nahezu grenzenlos. Daher kann hier nicht schon jeder indirekte wirtschaftliche Vorteil relevant sein. Nachfolgende Darstellung erfolgt daher unter der Prämisse, dass nur solchen Personen ein relevanter wirtschaftlicher Vorteil zukommt, die nach außen hin erkennbar in verwertungsrechtsrelevanter Weise an der Veröffentlichung von UGC beteiligt sind. 30 Dreier, Konvergenz und das Unbehagen im Urheberrecht, S. 77; ähnlich auch Reinbothe, der die technologische Entwicklung, die Märkte sowie das soziale und wirtschaftliche Umfeld als wichtige Parameter ansieht und im Urheberrecht einen regelmäßig zu hinterfragenden und zu erneuernden „Pakt“ zwischen den Rechtsinhabern und der Gesellschaft sieht (vgl. Reinbothe, GRUR Int. 2001, 733). 31 Siehe hierzu unten: „Privilegierungswürdigkeit des Verwertungsanliegens“, Kapitel 7, S. 365 ff.
C. Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet
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verbunden sind und inwieweit der erzeugende Nutzer hieran beteiligt ist bzw. an diesen partizipiert.
I. Ökonomische Grundgedanken Die obligatorische (Erst-)Veröffentlichung von UGC findet aktuell fast ausschließlich durch die Bereitstellung des Nutzerinhalts über Webseiten im Internet statt.32 Die einzelne Webseite stellt dabei zwar genau genommen nur das im Internet erreichbare und vom Betrachter mit Hilfe eines Browsers wahrnehmbare Portal zu den hierüber abrufbaren Medieninhalten dar. Denn die elektronischen Inhaltsdateien selbst sind auf einem Host-Server gespeichert und daher nur mittels Hyperlink mit der Webseite verbunden. Aus wirtschaftlicher Sicht kommt es jedoch nicht so sehr darauf an, von welchem Server die nutzergenerierten Medienbeiträge letztlich übermittelt werden, sondern vielmehr, über welche Webseite sie abgerufen werden können bzw. welchem erkennbaren Anbieter die wahrnehmbaren Inhalte vom Betrachter zugeordnet werden. Denn der gewöhnliche konsumierende Internetnutzer interessiert sich nicht für den tatsächlichen Speicherort der abgerufenen Datei, sondern in erster Linie für die (wieder-)auffindbare „Stelle im Internet“, an der ihm Zugang zur gewünschten Inhalts-Quelle gewährt wird. Dies gilt umso mehr, wenn die einzelnen auf einer Webseite zusammengeführten Medieninhalte auf verschiedenen Servern gespeichert sind. In diesem Fall werden die Inhalte nämlich von unterschiedlichen Orten aus gleichzeitig übermittelt, so dass das konkrete Gesamtergebnis nur über die kombinierende Webseite wahrnehmbar wird. Der wirtschaftliche Mehrwert, der durch die Bereitstellung eines nutzergenerierten Medieninhalts im Internet geschaffen wird, wächst daher – neben dem identifizierbaren Erzeuger – in erster Linie derjenigen Person zu, über deren Webseite der Inhalt abgerufen werden kann, mithin dem wirtschaftlich verantwortlichen Webseitenbetreiber. Bereits an dieser Stelle zeigt sich, dass auf der zweiten Entstehungsstufe zu UGC mit dem Webseitenbetreiber ein zusätzlicher verwertungsrelevanter Parameter hinzutritt, der zugleich das erste wichtige Unterscheidungskriterium darstellt. Denn im Gegensatz zur Erzeugung des digitalen Medieninhalts, bei der die einzelnen Verwertungshandlungen jeweils nur von dem erzeugenden Nutzer selbst vorgenommen werden, ist an dessen Veröffentlichung immer auch ein vermittelnder Webseitenbetreiber beteiligt, der den Nutzerbeitrag im Internet für jedermann erkennbar zum Abruf bereithält und hierdurch prinzipiell einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt. Da der Nutzer zur Veröffentlichung seines Beitrages praktisch nur eine eigene Webseite betreiben oder sich hierfür einer fremden öffentlich zugänglichen Internetpräsenz 32 Die einzige derzeit erkennbare Ausnahme hierzu stellt nur die Veröffentlichung von sog. „Virtual Content“ innerhalb von Internet-Rollenspielen dar. Denn dieser wird i.d.R. unmittelbar mit der auf dem Nutzer-PC installierten Spiel-Software erzeugt, an den „Spiel-Server“ übermittelt und somit auch nur hierüber allen anderen Spielteilnehmern zugänglich gemacht.
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4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
bedienen kann, ist hier grundlegend zwischen der Bereitstellung über nutzereigene und fremde Webseiten zu unterscheiden. Als „nutzereigene“ Webseiten werden dabei all jene Internetauftritte bezeichnet, die ihrem äußeren Erscheinungsbild nach ausschließlich dem betreibenden und inhaltlich verantwortlichen Nutzer zuzuordnen sind. Grundsätzlich unbedeutend ist hierbei hingegen, ob der Nutzer zur technischen Realisierung Speicherplatz eines fremden Dienstanbieters (Host-Provider) in Anspruch nimmt, solange dieser auf der Webseite oder an anderer Stelle nicht erkennbar als „Sponsor“ in Erscheinung tritt. Denn ansonsten handelte es sich nicht mehr nur um eine wirtschaftlich vernachlässigbare, rein technische Speicherung der zu übertragenden Inhaltsdaten, sondern um eine werbewirksame Nutzung eines fremden Web-Angebots. So werden bspw. nutzergenerierte Weblogs, die über einen sog. Blog-Provider (wie z. B. Blogger) bereitgestellt werden, nicht als nutzereigene Webseiten im vorstehenden Sinne betrachtet. Denn der Nutzer ist hier zwar weitgehend frei in der Gestaltung seines Blog-Inhalts; bei allen hierüber bereitgestellten Weblogs wird jedoch durch die stets vorhandene Blogger-Kopfzeile und das markante Blogger-Favicon33 eine eindeutige Zuordnung der Webseiten zu dem bekannten Fremdanbieter der GoogleFamilie34 sichergestellt. Gleiches gilt für Community-Webseiten, deren Inhalt und Design mitunter auch bis zu einem gewissen Grad individualisierbar ist, bei denen jedoch durch bestimmte fest vorgegebene Wiedererkennungsmerkmale, wie z. B. Inhalts-Strukturen, Firmenlogos oder Nutzungsfunktionen beim Betrachter stets die gedankliche Verbindung mit der fremden Inhalts-Plattform aufrecht erhalten wird. Für vorliegende, an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierte Unterscheidung zwischen „nutzereigenen“ und „fremden“ Webseiten kommt es daher entscheidend darauf an, ob der jeweilige Internetauftritt vom Betrachter anhand der Gesamtheit seiner optischen Gestaltungsmerkmale in wirtschaftlicher Hinsicht ausschließlich dem inhaltsgestaltenden Nutzer oder (zumindest) auch einem dritten Fremdanbieter zugeordnet werden würde. Denn nur im erstgenannten Fall, in dem der erzeugende Nutzer mit dem Webseitenbetreiber identisch ist, kommen die unmittelbar aus der Bereitstellung der nutzergenerierten Medieninhalte resultierenden wirtschaftlich relevanten Vorteile ausschließlich diesem allein zugute. In allen anderen Fällen ist das Verteilungsverhältnis ungleich diffiziler. Denn dort existiert stets mindestens noch eine weitere Person, die aufgrund der ihr durch die Beitragsbereitstellung zukommenden Mehrwerte zusätzlich von den Nutzerinhalten einschließlich etwaiger urheberrechtlich geschützter Fremdinhalte profitiert. 33
Ein „Favicon“ (engl. kurz für „favourite icon“) ist eine kleine, 16×16 oder 32×32 Pixel große Bilddatei, die in der Adresszeile eines Browsers links von der URL angezeigt wird und meist dazu dient, die zugehörige Website auf wiedererkennbare Weise zu kennzeichnen. Beim Hinzufügen der Seite zur Lesezeichenleiste (Favoriten) erscheint es auch in den entsprechenden Registerkarten bzw. Tabs (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Favicon [26.09.2008]). 34 Im Februar 2003 wurde der zuvor von dem amerikanischen Kleinunternehmen Pyra Labs betriebene Service „Blog*Spot“ von Google gekauft (vgl. Dan Gillmor, „Google Buys Pyra: Blogging Goes Big-Time“, URL: http://web.archive.org/web/20031008161432/http://weblog. siliconvalley.com/column/dangillmor/archives/000802.shtml [26.09.2008]).
C. Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet
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II. Bereitstellung über nutzereigene Webseiten Eine Möglichkeit zur selbstbestimmten Veröffentlichung seines autonom erzeugten Medienbeitrags im Internet besteht für den Nutzer darin, diesen über eine äußerlich vollkommen eigenständig betriebene Webseite zum Abruf bereitzustellen. Hierfür kommen allerdings nur solche Internetpräsenzen in Betracht, mit denen die Nutzer überwiegend private Interessen verfolgen. Denn wie sich aus der Begriffsdefinition des Verfassers ergibt, handelt es sich bei den bereitgestellten Medieninhalten nur dann um UGC, wenn diese nicht professionell, d. h. berufsmäßig erstellt und zu gewerblichen Zwecken veröffentlicht wurden.35 Da die Nutzer bei den von ihnen selbst betriebenen Webseiten stets allein darüber entscheiden, welche Art von Beiträgen sie hierüber veröffentlichen und zu welchem Zweck dies geschieht, teilen jene Webseiten folglich immer auch das Schicksal der hierüber publizierten Inhalte, wobei die Grenzen freilich fließend verlaufen. Ausgeschlossen sind hier also nur überwiegend beruflich genutzte Internetseiten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Nutzer mit ihren „privaten“ Webauftritten und ihren hierüber veröffentlichten Inhalten nicht auch die Möglichkeit hätten, in den Genuss gewisser wirtschaftlicher Vorteile zu gelangen. Deshalb ist nachfolgend weiter danach zu differenzieren, ob und ggf. wie die Nutzer durch die Bereitstellung ihres UGC über ihre eigenständig betriebene Webseite typischerweise auch monetäre Erlöse oder sonstige geldwerte Vorteile erwirtschaften. Die nächstliegende Abgrenzung stellt dabei eine Unterscheidung zwischen der Bereitstellung der Nutzerinhalte zum unentgeltlichen und zum entgeltlichen Abruf dar.
1. Bereitstellung zum unentgeltlichen Abruf Die ganz überwiegende und damit charakteristische Form der Veröffentlichung von UGC besteht ganz allgemein in dessen Bereitstellung zum unentgeltlichen Abruf durch die Öffentlichkeit. Die freie Verfügbarkeit soll dabei eine möglichst hohe Abrufanzahl (Views) des publizierten Nutzerbeitrags und damit eine entsprechend große Reichweite dessen Inhalts ermöglichen. Der produzierende Nutzer erhält hier also für den Abruf seines autonom erzeugten und veröffentlichten Medienbeitrags – sei es nur zum Zwecke der Wahrnehmung und Konsumtion oder auch der Speicherung im Wege des Downloads – von dem jeweiligen Internetnutzer keinerlei Vergütung. Diese Vorgehensweise entspricht dabei der bereits weit verbreiteten Ideologie der „Gratisökonomie“ im Internet, nach der es heute für Konsumenten und die Allgemeinheit insgesamt zum Alltag gehört, die im Internet verfügbaren Informationen ohne Zahlung einer Vergütung, also gratis zu erhalten. Ist der durchschnittliche Internetnutzer nun jedoch grundsätzlich nicht bereit, für den Konsum von Webseiteninhalten zu bezahlen, muss der publizierende Nutzer die Kosten für die Bereitstellung seiner Inhalte entweder selbst tragen oder diese von dritter Seite finanzieren lassen. Aus dieser 35
Vgl. dazu oben: „Begriffsdefinition“, Kapitel 1, S. 24.
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4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
Überlegung heraus entstanden bereits Mitte der 1990er Jahre die ersten kommerziellen Internet-Werbemodelle, die auch für Prosumenten heute praktisch die einzige Verdienstmöglichkeit bei einer Bereitstellung ihres UGC zum unentgeltlichen Abruf über ihre eigenen Webseiten darstellen. Die Veröffentlichung von UGC auf nutzereigenen Webseiten findet daher entweder durch eine werbefreie oder beworbene Bereitstellung statt.
a) Werbefreie Bereitstellung Nimmt der Nutzer die Bereitstellung seines Medieninhalts über seine eigene Webseite derart vor, dass weder die Webseite noch der von ihm erzeugte Beitrag als Werbemedium fungiert, so muss er die entstehenden Kosten für Domain und Hosting grundsätzlich alleine tragen. Häufig werden aber auch kostenlose bzw. vom Umfang eines mit einem Internet-Service-Provider bereits bestehenden entgeltlichen Dienstvertrages umfasste Angebote zur Speicherung und Vermittlung von privaten Webseiteninhalten genutzt. So stellen bspw. verschiedene Internet-Zugangs-Provider (Access-Provider) ihren Kunden eine Subdomain und werbefreien Speicherplatz zur Erstellung einer privaten Internetpräsenz zur Verfügung, ohne hierfür zusätzliche Gebühren zu verlangen.36 Dennoch muss der Nutzer zunächst immer erst in Vorleistung treten, um sich und seine Medienbeiträge der Öffentlichkeit präsentieren zu können und sei es nur mit der Preisgabe persönlicher (werbe- und statistikrelevanter) Daten, insbesondere seiner E-Mail-Adresse, die im Rahmen einer Nutzerregistrierung im Internet fast ausnahmslos vorausgesetzt wird. Im Gegenzug erlangt der interaktive Nutzer – als einzig erkennbarer Betreiber seiner Webseite – im Rahmen dieser Veröffentlichungsform jedoch allenfalls soziologisch bedeutsame Vorteile wie Aufmerksamkeit, soziale Anerkennung und eine gewisse Reputation. Deren Umfang korreliert zwar unmittelbar mit der Beliebtheit der von ihm bereitgestellten Inhalte. Denn die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Nutzer und die von ihm veröffentlichten Beiträge wächst grundsätzlich proportional zur Anzahl ihrer Abrufe. Gleichwohl erscheint es zweifelhaft, ob sich Werte wie Aufmerksamkeit und Reputation, die im unternehmerischen Bereich mittlerweile zweifellos zu den entscheidenden Konkurrenzvorteilen im Informationsund Produktdschungel des Internet-Zeitalters gehören, im Zusammenhang mit privat agierenden UGC-Produzenten als substantielle wirtschaftliche Vorteile begreifen lassen, die unmittelbar aus verwendeten urheberrechtlich geschützten Inhalten resultieren. Eine Möglichkeit zur Erzielung monetärer Erlöse oder sonstiger geldwerter Vorteile ist für den Nutzer im Rahmen dieser Veröffentlichungsform derzeit jedenfalls nicht ersichtlich.
36 So stellt z.B. der Internetanbieter „Alice“ (URL: http://www.alice.de) seinen Kunden selbst bei seinem günstigsten DSL-Internetanschluss kostenlosen Webspace für bis zu fünf Webseiten als Subdomain zur Verfügung.
C. Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet
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b) Beworbene Bereitstellung Anders verhält es sich jedoch, wenn der Nutzer im Umfeld seines UGC kommerzielle Werbung platziert. Dies geschieht entweder dadurch, dass er auf seiner zur Bereitstellung der Inhalte verwendeten Webseite Werbung (z. B. in Form von Werbebannern, kontextrelevanten Werbeanzeigen oder in sonstiger Form) einblendet bzw. innerhalb eines Werbe-Fensters einblenden lässt, oder aber seine Beiträge selbst (wie bspw. beim Podvertising37 ) mit auditiven und/oder visuellen Werbespots verbindet bzw. verbinden lässt. Hierbei erhält der publizierende Nutzer von dem Werbenden bzw. dem vermittelnden Unternehmen (Vermarkter) je nach Vereinbarung entweder für eine gewisse Anzahl von Einblendungen38 oder jeden „Klick“ auf die eingeblendete Werbefläche39 eine bestimmte Vergütung. Die konkrete Nutzerbeteiligung ist dort stets abhängig von dem Preis, den der Werbetreibende bereit ist, für einen „NutzerKontakt“ zu bezahlen sowie dem Abzug der jeweiligen Vermittlungsprovision des Vermarkters (sog. „Affiliate-Netzwerk-Betreiber“). Die aktuelle Vergütungsspanne reicht hier von Cent-Bruchteilen über wenige Cent bis hin zu einigen Euros pro entsprechendem Nutzer-Kontakt.40 Während die Integrierung von Werbespots in nutzergenerierte Audio- und VideoBeiträge bei deren Bereitstellung über nutzereigene Webseiten bislang noch eher die Ausnahme darstellt, werden grafische Webseiten-Werbemodelle, insbesondere Banner-, Pop-up- und kontextrelevante Werbeeinblendungen im Rahmen dieser Veröffentlichungsform bereits sehr häufig eingesetzt. Vor allem Google’s AdSeneWerbemodell41 wird von immer mehr Webseitenbetreibern zur Generierung von Werbeeinnahmen verwendet. Allein im zweiten Quartal 2008 verdienten die Betreiber von AdSense-Partnerseiten weltweit zusammen rund 1,47 Mrd. US-Dollar.42 Mangels Verfügbarkeit entsprechender Geschäftsdaten ist eine detaillierte Zuteilung der generierten Gesamteinnahmen aller Google-AdSense-Kunden auf UGCProduzenten und alle sonstigen Webseitenbetreiber zwar derzeit noch nicht möglich. Hinsichtlich einzelner Formen von UGC existieren jedoch bereits erste Untersuchungen, die sich mit Erträgen aus UGC befassen. So z. B. in Bezug auf Weblogs, 37
Zum Begriff des „Podvertising“ siehe oben Kapitel 3, Fn. 89. Die Abrechnung erfolgt dabei meist pro 1000 Sichtkontakte, weshalb die Abrechnungsbasis auch als „Tausend-Kontakt-Preis“ (TKP) bezeichnet wird. 39 Dieses Vergütungsmodell wird mit den Begriffen „Pay-per-Click“ (PPC) und „Cost-per-Click“ (CPC) bezeichnet, die häufig synonym verwendet werden. 40 So erhält der Webseitenbetreiber bspw. für jeden Textlink- oder Banner-Klick durchschnittlich etwa 0,01–0,15 Euro; für 1000 Popup-Einblendungen durchschnittlich etwa EUR 2,00–6,00 (vgl. z.B. die Tarife bei x-adservice.com der AKUD & Co Verlagsgesellschaft mbH, URL: http://www. x-adservice.com/webmaster.php [14.10.2008]). 41 Zur Funktionsweise des Google-Produktes „AdSense“ siehe auch oben Kapitel 3, Fn. 10. 42 Die „Traffic Akquistion Costs“ (TAC), d.h. die an Partner für über ihre Webseiten erzielte Einnahmen ausgeschütteten Umsätze, lagen bei 1,47 Mrd. US-Dollar, was bei einem über das AdSense-Programm erzielten Gesamtumsatz von 1,66 Milliarden USDollar einer Nutzer-Beteiligung von über 88 Prozent entspricht (vgl. heise online, URL: http://www.heise.de/newsticker/meldung/112969 [06.10.2008]). 38
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4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
deren Betreiber mit Google AdSense und ähnlichen kontextrelevanten Werbemodellen etwa 50 US-Dollar im Monat verdienen könnten. Sehr populäre Blogs sollen ihren Betreibern mitunter auch wesentlich höhere Einnahmen ermöglichen, wobei bisher allerdings kein Fall bekannt geworden sei, in dem ein Blogger allein durch sein eigenes privates Blog seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte.43 Die Schaltung von Werbeanzeigen auf seiner eigenen Webseite versetzt den Nutzer also durchaus in die Lage, monetäre Erträge zu erwirtschaften, die sich letztlich mittelbar aus den hierüber veröffentlichten nutzergenerierten Medienbeiträgen ergeben. Greift der Nutzer zur Bereitstellung seiner Webseite sowie seiner hierüber abrufbaren Medieninhalte hingegen auf ein kostenloses Hosting-Angebot zurück, dessen Anbieter zwar äußerlich weder als „Sponsor“ der Nutzerseite noch als Plattformbetreiber in Erscheinung tritt, zur Refinanzierung jedoch selbst Fremdwerbung auf der vom Nutzer gestalteten Webseite einblendet, erlangt der Nutzer hierdurch immerhin noch einen gewissen mittelbaren geldwerten Vorteil. Dieser besteht in der entgeltfreien Nutzungsmöglichkeit des Webseitenspeicherplatzes und damit letztlich in der Ersparnis des üblicherweise für die Zurverfügungstellung der notwendigen technischen Ressourcen zu zahlenden Provider-Vergütung. Der Host-Provider hingegen erlangt hierdurch die Möglichkeit zur Erzielung indirekter Werbeerlöse, so dass auch ihm hier durchaus ein gewisser mittelbarer wirtschaftlicher Vorteil aus der Bereitstellung der Nutzerinhalte zukommt.44
2. Bereitstellung zum entgeltlichen Abruf Grundsätzlich ebenfalls denkbar ist die Veröffentlichung von UGC durch dessen Bereitstellung zum entgeltlichen Abruf über die nutzereigene Webseite. In diesem Fall würde der publizierende Nutzer seinen autonom erzeugten Medienbeitrag seinen Webseitenbesuchern bspw. über einen kostenpflichtigen Nutzer-Bereich zur Konsumtion oder eine Art Web-Shop zum entgeltlichen Download zur Verfügung stellen. Hierdurch käme der Nutzer in den Genuss monetärer Erträge, die nun sogar unmittelbar aus seinen selbst erzeugten Medieninhalten resultierten. Angesichts der eindeutigen Gewerbsmäßigkeit dieser Veröffentlichungsform würde sich der Nutzer in diesem Fall jedoch wohl kaum dem „Vorwurf“ entziehen können, dass 43
Vgl. Alby, Web 2.0, S. 159; vgl. dazu auch die nicht repräsentative Umfrage des deutschen Bloggers Robert Basic aus Juni 2007, an der 148 Weblog-Betreiber teilgenommen haben. Hiernach sollen monatliche Einnahmen von durchschnittlich bis zu EUR 544,– möglich sein (vgl. Robert Basic, „Basic Thinking Blog“, URL: http://www.basicthinking.de/blog/2007/06/26/blog-umfrageauswertung-der-monatlichen-einnahmen [06.10.2008]). 44 Da sich die Bereitstellung der Nutzerinhalte bei diesem Publikationsmodell nicht nur auf eine rein technische Speicherung der Inhaltsdaten durch den Host-Provider beschränkt, sondern dieser zusätzlich eigenständige Werbeeinnahmen erzielt, stellt dieser Fall die – soweit ersichtlich – einzige Ausnahme von dem formulierten Grundsatz dar, dass bei der Inhaltsbereitstellung über eine nutzereigene Webseite alle wirtschaftlichen Vorteile allein dem publizierenden Nutzer zugute kommen.
C. Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet
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die Erzeugung seiner Inhalte vorwiegend professionellen, d. h. berufsmäßigen Charakter besitzt. Denn insbesondere die Einrichtung eines eigenständigen Verkaufs-, Abrechnungs- und Zahlungssystems auf einer nutzereigenen Webseite zeugt bereits von einem so hohen Grad an Professionalität, dass auch hinsichtlich der Erzeugung der hierüber bereitgestellten Nutzerinhalte regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass diese nicht nur zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse erfolgt ist. Das kumulative Zusammentreffen einer berufsmäßigen Erstellung medialer Inhalte und eines gewerblichen Zwecks deren Veröffentlichung schließt nach der Begriffsdefinition des Verfassers eine Qualifizierung von Internetinhalten als UGC – ungeachtet dessen ästhetischen Gehalts oder qualitativen Werts – jedoch gerade aus.45 Die im Rahmen dieser Veröffentlichungsform bereitgestellten Medieninhalte gehören daher bereits nicht zum Gegenstand vorliegender Untersuchung, weshalb auf beides hier nicht näher eingegangen wird.
III. Bereitstellung über fremde Webseiten Die zweite und mit Abstand wohl am häufigsten genutzte Möglichkeit zur selbstbestimmten Veröffentlichung autonom erzeugter Nutzerbeiträge stellt deren Bereitstellung über fremde Webseiten in Form von öffentlich zugänglichen Internetplattformen46 oder sonstigen interaktiv nutzbaren Webseiten dar. Dies geschieht regelmäßig dadurch, dass dem Nutzer vom Webseitenbetreiber die Möglichkeit gegeben wird, mittels Web-Formular oder einer sonstigen Web-Anwendung seinen Inhalt unmittelbar über seinen Internet-Browser zu erzeugen und sodann durch Übermittlung an den Server direkt auf der fremden Webseite zu hinterlassen. Insbesondere bei Webforen, Blogs und Wikis sowie anderen ähnlich motivierten Textbeitragsformen (wie z. B. Online-Kundenrezensionen) ist diese Form am häufigsten zu beobachten. Andere Medieninhalte, insbesondere Fotos, Musik und Videos, die bereits zuvor vom Nutzer auf dessen Endgerät erzeugt wurden, werden hingegen meist im Wege des herkömmlichen Uploads auf den fremden Webseiten-Server übertragen.47 Die Bereitstellung erfolgt jedoch auch hier regelmäßig über ein Webseiten-Formular, in das der (registrierte) Nutzer neben dem Speicherort seiner Mediendatei zumeist noch zusätzliche erläuternde Beitrags-Informationen einträgt. Mit dem „Abschicken“ des
45 Zur begriffsdefinierenden Abgrenzung und deren Begründung siehe oben: „Medienwissenschaftliches Schrifttum“, Kapitel 1, S. 18. 46 Als „Internetplattform“ werden nachfolgend all diejenigen fremden Webseiten bezeichnet, deren Hauptzweck darin besteht, es ihren Besuchern zu ermöglichen, auf ihnen einen selbst erzeugten Medieninhalt zu hinterlassen und deren Inhaltsstruktur und äußerliches Erscheinungsbild sich nicht oder nur sehr eingeschränkt vom Nutzer verändern lassen. 47 Zum Fall von Virtual Content, der mit Hilfe von Internet-Rollenspiel-Software erzeugt und veröffentlicht wird, vgl. oben: „Computer-Grafiken“, Kapitel 2, S. 36.
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4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
Formularinhalts werden diese Informationen sodann gemeinsam mit der eigentlichen Mediendatei übermittelt, abgespeichert und öffentlich zugänglich gemacht.48 Im Gegensatz zur Bereitstellung über nutzereigene Webseiten, bei der alle etwaigen wirtschaftlichen Vorteile nahezu ausschließlich dem publizierenden Nutzer selbst zugute kommen, wächst hier der durch die Bereitstellung seines Medienbeitrags geschaffene Mehrwert zunächst in erster Linie dem fremden Webseiten- bzw. Plattform-Betreiber zu. Dieser ergibt sich im Wesentlichen aus zwei Faktoren: Zum einen erhöht die Anzahl der bereitgestellten Nutzerinhalte – unabhängig von deren Qualität – den potentiellen Nutzen und damit die Attraktivität der entsprechenden Webseite. Zum anderen stehen den kommerziellen Webseitenbetreibern, insbesondere denjenigen, die im Rahmen der Nutzeranmeldung oder Bereitstellung der Daten die unentgeltliche Einräumung umfangreicher urheberrechtlicher Nutzungsrechte hieran begehren,49 ein breit gefächertes und zunächst kostenlos nutzbares Inhaltsrepertoire zur Verfügung, das sich zur Generierung monetärer Erlöse über verschiedene Auswertungskanäle zielgruppenspezifisch verwerten lässt. Der „Attraktivitäts-Mehrwert“ im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von UGC resultiert vorrangig aus der Überlegung, dass allein der durch die massenhafte Zurverfügungstellung nutzergenerierter Medieninhalte entstehende Größeneffekt den potentiellen Gesamtnutzen einer Internetplattform steigert.50 Denn je mehr unterschiedliche Nutzerinhalte sich auf einer Webseite befinden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für deren Besucher, auf einen Beitrag zu treffen, der sie interessiert und ihnen damit einen individuellen Nutzen bringt. Die Qualität der einzelnen Nutzerbeiträge spielt dabei praktisch kaum eine Rolle. Denn während klassische Medien aufgrund des begrenzten und damit teuren Druck- bzw. Sendeplatzes auf wenige massentaugliche Inhalte angewiesen sind, ist es Betreibern kostengünstiger Internetplattformen hingegen entsprechend dem so genannten „Long-Tail-Prinzip“51 möglich, ein nahezu unbegrenztes Inhalts-Angebot – und sei es noch so speziell oder trivial – durch Bedienung sämtlicher Nischenmärkte gewinnbringend für
48 Für den Fall der Bereitstellung von UGC von einem mobilen Endgerät aus, wie z.B. einem Mobiltelefon, tritt an die Stelle des versendeten Formularinhalts ggf. auch eine Multimedia-Mitteilung (MMS). Deren Inhalt wird jedoch i.d.R. ebenfalls automatisch von dem sie empfangenden InternetServer gespeichert und öffentlich zugänglich gemacht. Zur Funktionsweise mobil nutzbarer UGC-Plattformen siehe auch oben: „Mobile-Video-Plattformen“, Kapitel 3, S. 68. 49 Zur Praxis umfangreicher unentgeltlicher Nutzungsrechtseinräumungen an UGC siehe bereits oben: „3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content“, S. 42. 50 So auch Alby, Web 2.0, S. 164 f. sowie Lange, UGC als Grundlage für Trend-Scouting, S. 34. 51 Das so genannte „Long-Tail-Prinzip“ (engl. für „langer Schwanz“) ist eine Theorie, die der USamerikanische Journalist und Chefredakteur des „Wired Magazine“ Chris Anderson 2004 vorstellte. Danach ist ein Anbieter im Internet in der Lage, mit dem Angebot einer großen Anzahl wenig gefragter Nischenprodukte mehr Umsatz zu erzielen als mit wenigen Bestsellern. Der Name leitet sich dabei von einer grafischen Darstellung der Verkaufshäufigkeit der beliebtesten Produkte ab, deren nahezu endlose, gegen Null laufende Produktkurve einem langen Rattenschwanz ähnelt (vgl. hierzu Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Long_Tail [26.10.2007]).
C. Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet
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sich zu verwenden.52 Durch die kollektive „Zusammenarbeit“ aller teilnehmenden Nutzer und die Summe ihrer Beiträge entsteht somit ein Mehrwert, der den Wert der einzelnen Beiträge deutlich übersteigt.53 Demnach korreliert der potentielle Gesamtnutzen einer UGC-Plattform unmittelbar mit der Anzahl der hierüber abrufbaren Nutzerinhalte. Der potentielle Gesamtnutzen steht wiederum in direktem Zusammenhang mit der Attraktivität der Plattform und damit deren Besuchsfrequenz. Denn je höher der erhoffte Nutzen einer Webseite ist, desto attraktiver erscheint sie für die Allgemeinheit, was wiederum zu einer steigenden Besucherzahl führt. Diese ist schließlich das ausschlaggebende Kriterium zur Bemessung der über die Webseite zu erzielenden Werbeeinnahmen, da – ebenso wie im konventionellen Print- oder Rundfunk-Werbemarkt – deren Höhe unmittelbar von der zu erwartenden Rezeptionshäufigkeit abhängt. Mit wachsender Beitragsanzahl steigt folglich die Attraktivität der Webseite und damit zugleich deren potentielle Werbeeinnahmen, die durchaus einen greifbaren wirtschaftlichen Vorteil für ihre Betreiber darstellen. Darüber hinaus hat die Attraktivität einer Webseite auch positive Auswirkungen auf deren Beliebtheit und damit den Marktwert des hinter ihr stehenden Unternehmens nebst dessen gewerbliche Schutzrechte, worin ein weiterer, in dem Attraktivitäts-Mehrwert liegender wirtschaftlicher Vorteil zu sehen ist. Auch wenn diese mehrwerterzeugenden Effekte für gewöhnlich erst ab einer bestimmten Anzahl (sog. „kritische Masse“) an partizipierenden Nutzern und bereitgestellten Inhalten verstärkt einzusetzen beginnen54 und sie insbesondere bei großen Internetplattformen zu beobachten sind, ist dieses Phänomen nicht nur auf UGC-Plattformen beschränkt. Vorstehende Überlegungen lassen sich vielmehr grundsätzlich auch auf alle anderen Webseiten übertragen, die es ihren Besuchern ermöglichen, auf ihnen eigenständig erzeugte Inhalte zu hinterlassen. Denn gerade auch auf stark frequentierten Unternehmenswebseiten trägt die Bereitstellung von nutzergenerierten Medieninhalten, wie z. B. multimedialer Produktbewertungen, Werbespots o. Ä., nicht nur zu einer Verbesserung der angebotenen Produkte und Dienstleistungen bei, sondern erzeugt aufgrund des hierdurch erhöhten Kundennutzens auch eine stärkere Kundenbindung, die letztlich zu potentiell höheren Umsätzen führt. Der zweite wesentliche Mehrwertfaktor in Verbindung mit der Bereitstellung von UGC besteht für Betreiber kommerzieller Online-Plattformen sodann in der fakti52 In diesem Sinne auch Meyer-Lucht: „Die Medienindustrie tritt [. . . ] nur noch als Anbieter einer Infrastruktur auf, die eine besonders effiziente Koordination von Endnutzern ermöglicht. Die Qualität einer Plattform ist die Qualität ihrer Nutzerkoordination, nicht die Qualität der Inhalte.“ (vgl. Meyer-Lucht, „Die Revolutionäre des Web 2.0“, Cicero, URL: http://www.cicero.de/97.php?item = 1665&ress_id = 6 [22.10.2008]). 53 Vgl. Lange, UGC als Grundlage für Trend-Scouting, S. 34. 54 Vgl. hierzu insbesondere die empirische Untersuchung von Beck in Bezug auf UGC in OnlineCommunities, nach der die Gruppengröße, d.h. die Anzahl der partizipierenden Nutzer, einen entscheidenden Einfluss auf die Entstehung und das Andauern publizierender Nutzeraktivitäten hat. Unabhängig von anderen Faktoren ist jedoch stets eine gewisse Mindestgröße erforderlich, um Nutzer überhaupt zu einer kontinuierlichen Bereitstellung zu veranlassen (siehe hierzu Beck, User-Generated Content in Online Communities, S. 81 f.).
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schen Möglichkeit zur unmittelbaren entgeltlichen Verwertung des thematisch breit gefächerten und kategorisierten Inhalts-Angebots. Hierzu haben sich in der Praxis diverse Verwertungsmodelle herausgebildet, die oben im Rahmen der Darstellung der unterschiedlichen Verwertungsformen für UGC bereits eingehend erläutert wurden. Die Auswertungspraktiken reichen hier von der Herstellung und dem Verkauf realer Vervielfältigungsstücke über die Lizenzierung einzelner Nutzerinhalte bis hin zur Vergabe umfassender Nutzungsrechte am gesamten Datenbankinhalt im Rahmen verschiedener Gesellschaftskooperationen.55 Im Gegensatz zu dem „Attraktivitäts-Mehrwert“, der den Webseitenbetreibern eher beiläufig, also quasi als zwangsläufiger, mit der Veröffentlichung von UGC automatisch verbundener Vorteil zugute kommt, stellen die vorgenannten Praktiken hingegen selbständige und eigenverantwortlich vorgenommene Verwertungshandlungen an den nutzergenerierten Medieninhalten dar. Diese gehören jedoch nicht mehr direkt zum Gegenstand vorliegender Untersuchung. Denn für die zu untersuchende Frage der urheberrechtlichen Zulässigkeit von UGC sind hier zunächst nur diejenigen wirtschaftlichen Konsequenzen erheblich, die sich typischerweise unmittelbar aus dem für die Entstehung von UGC erforderlichen Publikationsakt ergeben. Alle darüber hinausgehenden, nutzer-unabhängigen, d. h. von Webseitenbetreibern oder sonstigen Dritten im Anschluss an die „Erstveröffentlichung“ eigenständig veranlassten Verwertungshandlungen bleiben daher vorerst außer Betracht. Nachfolgende Darstellung erfolgt somit in erster Linie aus der Sicht des publizierenden Nutzers und geht nur dann auf nachgelagerte Verwertungshandlungen Dritter ein, wenn der Nutzer an den hierdurch generierten Einnahmen in der Praxis typischerweise partizipiert. Neben zahlreichen kommerziell betriebenen Webseiten zur Veröffentlichung nutzergenerierter Medieninhalte existieren jedoch auch UGC-Plattformen, deren Betrieb nicht auf die Erzielung von Gewinn ausgerichtet ist. Aus ökonomischer Perspektive ist bei der Bereitstellung der Inhalte über fremde Webseiten daher zunächst danach zu unterscheiden, ob es sich bei der jeweiligen Internetplattform um ein gemeinnütziges oder kommerzielles Angebot handelt. Anschließend ist noch auf alle sonstigen Webseiten einzugehen, die zwar auch eine Bereitstellung nutzergenerierter Medieninhalte ermöglichen, jedoch nicht vorrangig als UGC-Plattform agieren.
1. Gemeinnützige Internetplattformen Das zentrale Kriterium bei der Unterscheidung zwischen einer gemeinnützigen und einer kommerziellen Internetplattform ist der mit ihr verfolgte Zweck. Ohne den Begriffsumfang hier auf all diejenigen UGC-Webseiten beschränken zu wollen, deren Betreiber steuerrechtlich als gemeinnützige Organisationen anerkannt wurden, scheint die gesetzliche Legaldefinition des Begriffs „gemeinnützige Zwecke“ in § 52Abs. 1 S. 1AO jedoch auch für vorliegendeAbgrenzung geeigneteAnhaltspunkte 55
Siehe hierzu bereits oben: „3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content“, S. 42.
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zu bieten. Hiernach wird der Zweck einer Tätigkeit immer dann als „gemeinnützig“ anerkannt, wenn diese darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.56 a) Uneigennützigkeit des Plattformbetriebs Der Betrieb einer Internetplattform kann insbesondere dann dazu geeignet sein, die Allgemeinheit auf materiellem und geistigem Gebiet zu fördern, wenn es jedem Internetnutzer hierüber kostenlos ermöglicht wird, z. B. zu Bildungs- oder Forschungszwecken, seinen selbst erzeugten Text-, Bild-, Audio- oder Video-Beitrag zu veröffentlichen und entsprechende Beiträge anderer Nutzer abzurufen. Die Förderung besteht hier also in der kostenlosen Zurverfügungstellung einer vermittelnden Kommunikationsschnittstelle zur Ermöglichung eines wechselseitigen Informationsflusses zwischen publizierenden und konsumierenden Internetnutzern sowie der dauerhaften öffentlichen Zugänglichmachung des hierdurch kollaborativ zusammengetragenen medialen Datenbestands. Da solche Funktionen jedoch typischerweise auch von vielen kommerziell ausgerichteten UGC-Plattformen angeboten werden, ist das Fördermerkmal allein hier nicht zu einer trennscharfen Unterscheidung geeignet. Deshalb stellt das zusätzliche Erfordernis der selbstlosen Förderung, d. h. der Uneigennützigkeit des Plattformbetriebs, auch hier das entscheidende Unterscheidungsmerkmal dar. Denn anders als kommerzielle Internetplattformen zeichnen sich gemeinnützig orientierte Anbieter (wie z. B. die Wikimedia Foundation57 ) vor allem dadurch aus, dass sie weder mit ihrer Plattform selbst, noch mit den hierüber bereitgestellten Inhalten kommerzielle Interessen verfolgen. Ihr Ziel ist es vielmehr, ein System zu unterhalten, das ausschließlich darauf ausgerichtet ist, ihren Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, um den mit ihm verfolgten gemeinnützigen Zweck dauerhaft verfolgen zu können. Der Plattformbetrieb darf also nicht erwerbswirtschaftlich ausgerichtet sein und damit nicht das Streben nach Gewinnmaximierung zum Gegenstand haben. b) Gemeinwirtschaftliches Unternehmen als begünstigte Betriebsform Aufgrund der erforderlichen Uneigennützigkeit des Plattformbetriebs ist eine Nutzung der hierfür eingerichteten Webseite zur monetären Wertschöpfung also grundsätzlich ausgeschlossen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Plattformbetreiber keinerlei finanzielle Einnahmen erzielen dürfte. Denn eine interaktiv nutzbare UGCPlattform verursacht – je nach Größe – mitunter nicht unerhebliche Kosten58 für 56 Vgl. § 52 Abs. 1 S. 1 Abgabenordnung (AO), wonach eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke verfolgt, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. 57 Siehe näher hierzu oben: „Gemeinnützige Kollaborationsplattformen“, Kapitel 3, S. 46 f. 58 So verursachen bspw. die zum Betrieb der Online-Enzyklopädie Wikipedia erforderlichen 350 Internet-Server und 10 Angestellten rund 75.000,– US-Dollar pro Monat (vgl. Patalong,
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4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
die erforderliche technische Infrastruktur (Technik, Strom, Traffic, Domains etc.) und personelle Kapazitäten (insb. Arbeitszeit), die vom Webseitenbetreiber aufgebracht werden müssen, um ihren Betrieb überhaupt erst ermöglichen zu können. Zur Deckung dieses Bedarfs ist ein uneigennützig tätiger Betreiber regelmäßig auf externe Zuwendungen (z. B. Spenden oder Mitgliedsbeiträge) angewiesen. Deren Entgegennahme steht der Gemeinnützigkeit der Plattform dabei solange nicht entgegen, als diese und etwaige hierdurch entstehende Überschüsse nicht dem persönlichen Wohl ihres Betreibers, sondern dem der Plattform und damit der Allgemeinheit zugute kommen. Sofern eine UGC-Plattform in wirtschaftlicher Hinsicht also nur die bestmögliche Bedarfsdeckung an Sachgütern und Dienstleistungen zum Ziel hat, handelt es sich hierbei um ein gemeinwirtschaftliches Unternehmen,59 das einer Qualifizierung als gemeinnützige Internetplattform vorliegend nicht entgegensteht. Für die Beurteilung der Gemeinwirtschaftlichkeit kommt es somit zwar entscheidend auf die Verwendung der vereinnahmten Leistungen und nicht so sehr auf deren Art an. Gleichwohl werden vorliegend solche UGC-Webseiten, die finanzielle Einnahmen aus kostenpflichtigen Nutzungszugängen oder Downloads erzielen, bereits deshalb nicht als gemeinnützig angesehen, weil die unentgeltliche Nutzungsmöglichkeit der Plattform hier den hauptsächlichen, die Allgemeinheit fördernden Faktor darstellt. Außerdem stellt das Angebot von Waren und Dienstleistungen gegen Entgelt nach wie vor ein klassisches Kennzeichen für eine erwerbswirtschaftliche Ausrichtung dar.60 c) Spenden als begünstigte Finanzierungszuwendungen Zur Vermeidung einer rechtlichen Qualifizierung als erwerbswirtschaftliches Unternehmen und nicht zuletzt um sich nicht in eine Abhängigkeit von der Marktund Werbewirtschaft zu begeben, finanziert sich ein Großteil gemeinnütziger Organisationen fast ausschließlich durch Spenden. Im Fall einer gemeinnützigen Internetplattform können dies neben gewöhnlichen finanziellen Zuwendungen in Form von Geldspenden auch Sachspenden (wie z. B. technische Gerätschaften) oder aber Leistungs- bzw. Zeitspenden, z. B. in Form von ehrenamtlich ausgeführten Tätigkeiten sein. Eine besondere Form der Leistungsspende stellt in diesem Zusammenhang auch die hier diskutierte „Inhaltsspende“ dar. Diese besteht in der vom Plattformnutzer freiwillig und bewusst unentgeltlich vorgenommenen Bereitstellung seines selbst erzeugten Medieninhalts zum anschließenden kostenlosen Abruf und häufig auch zur freien Weiterverwendung durch die Öffentlichkeit. Demnach ist auch die Inhaltsspende primär an die Allgemeinheit gerichtet. Ebenso wie die vorgenannten „Wikipedia: ,Aus Prinzip gemeinnützig“‘, manager-magazin.de, URL: http://www.managermagazin.de/it/artikel/0,2828,467594,00.html [20.10.2008]). 59 Vgl. hierzu Gönner, Allgemeine Wirtschaftslehre, S. 46 f. 60 Vgl. Gröpl in: Dolzer, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 110, Rn. 98.
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Spendenarten fließt jedoch auch sie aufgrund der bündelnden Bereitstellung der Inhalte über eine Gesamtdatenbank zunächst unmittelbar dem Plattformbetreiber zu. Insofern gelten hinsichtlich der hierdurch entstehenden Mehrwerte für gemeinnützige UGC-Plattformen – mit Ausnahme der unmittelbaren entgeltlichen Verwertung der Nutzerbeiträge – grundsätzlich die gleichen Überlegungen, wie sie zuvor bereits allgemein für kommerziell tätige Anbieter angestellt wurden.61 Insbesondere ist auch hier die Anzahl der Nutzerbeiträge ausschlaggebend für die Attraktivität der Plattform, die in der Folge zu einer höheren Besuchsfrequenz führt, aus der schließlich ein potentiell höheres Spendenaufkommen resultiert. Der entscheidende Unterschied besteht hier allerdings darin, dass sämtliche mit dem Betrieb einer gemeinnützigen UGC-Plattform erzielten, wirtschaftlich relevanten Vorteile nicht in das Privatvermögen eines Individuums fließen und sich dort potenzieren, sondern durch einen uneigennützig handelnden Betreiber der Allgemeinheit vermittelt werden und daher vollen Umfangs deren Wohl zugute kommen.
2. Kommerzielle Internetplattformen Erschöpft sich die Tätigkeit eines Webseitenbetreibers hingegen nicht darin, die Allgemeinheit durch die Zurverfügungstellung einer kostenlos nutzbaren Kommunikationsplattform in uneigennütziger Weise zu fördern, so handelt es sich bei ihr um einen erwerbswirtschaftlichen und damit kommerziellen Plattformbetrieb. Zur Auswertung des enormen wertschöpferischen Potentials nutzergenerierter Medieninhalte hat sich innerhalb nur weniger Jahre bereits eine Vielzahl von Verwertungsmodellen für UGC herausgebildet. Mit diesen machen sich Webseitenbetreiber das „neue“ öffentliche Mitteilungsbedürfnis der Bevölkerung zunutze, indem sie die ihnen im Rahmen der Beitragsveröffentlichung übermittelten Medieninhalte und/oder die durch die Bereitstellung entstehenden Mehrwerte gewinnbringend verwerten. Zum ganz überwiegenden Teil erfolgt dies durch den Betrieb einer Internetplattform, deren Hauptzweck in der Sammlung und gemeinsamen öffentlichen Zugänglichmachung nutzergenerierter Medieninhalte einer Vielzahl unterschiedlicher Nutzer besteht. Die zwischenzeitlich etablierten Geschäftsmodelle zur kommerziellen Verwertung nutzergenerierter Text-, Bild-, Audio- und Video-Beiträge wurden im dritten Kapitel bereits ausführlich dargestellt.62 Sie sollen hier nicht wiederholt werden. Anstatt dessen soll nachfolgend versucht werden, aus der Sicht des publizierenden Nutzers – sowie des durch den Nutzerinhalt betroffenen Urhebers bzw. Rechtsinhabers – beitragsformübergreifend darzustellen, welche relevanten wirtschaftlichen Vorteile mit dem für die Entstehung von UGC erforderlichen Publikationsakt typischerweise verbunden sind und inwieweit der Nutzer selbst an diesen partizipiert. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für die Beurteilung möglicher wirtschaftlicher Konsequenzen und damit zugleich der Realisierbarkeit einer – ggf. 61 62
Vgl. dazu oben: „Bereitstellung über fremde Webseiten“, S. 95. Siehe dazu oben: „3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content“, S. 42.
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unter Einschränkungen gewährten – gesetzlichen Privilegierung nutzergenerierter Medieninhalte. Nutzern kommerzieller UGC-Plattformen wird i. d. R. selbst nicht die Möglichkeit gegeben, auf ihren Profilseiten eigenständig Werbeanzeigen zu schalten. Die Erzielung indirekter Erlöse, insbesondere durch Werbung, ist für Nutzer hier also grundsätzlich ausgeschlossen. Manche Plattformbetreiber bieten ihnen jedoch eine Umsatzbeteiligung für die Bereitstellung ihrer Inhalte an. Diese stellt für die Nutzer einen direkten Erlös und damit eine Vergütung dar, weshalb sich vorliegend eine Unterscheidung kommerzieller Internetplattformen danach anbietet, ob die Inhaltslieferanten an den mit ihren Beiträgen erwirtschafteten Einnahmen finanziell beteiligt werden oder nicht. Es kann mithin zwischen vergütungsfreier undvergüteter Bereitstellung differenziert werden. a) Vergütungsfreie Bereitstellung Bei der Betrachtung sämtlicher kommerziell betriebener UGC-Plattformen machen diejenigen Angebote, bei denen der Nutzer für die Bereitstellung seines Inhalts keinerlei Vergütung erhält, bislang (noch) eindeutig den Löwenanteil aus. Zu dieser Gruppe gehören insbesondere die meisten großen Blog-, Foto-, Musik- und VideoPlattformen (wie z. B. Blogg.de, Flickr, MySpace oder YouTube), die etwa seit dem Jahre 2005 das Bild von UGC in der Öffentlichkeit maßgeblich geprägt haben. Aber auch die von konventionellen Medienunternehmen zur Rezipientenbeteiligung geschaffenen Online-Portale für Leserreporter und Bürgerjournalisten (wie z. B. jetzt.de oder FOCUS Online LIVE) sind hierzu zu zählen. Ferner die mobil nutzbaren UGCPlattformen wie YourVids.mobi oder itsmy.com sowie die mobilen Erweiterungen stationärer Video-Plattformen, wie MyVideo Mobile oder Clipfish Mobile.63 All diesen Publikationsmedien ist gemeinsam, dass sie von jedermann kostenlos zur Veröffentlichung medialer Inhalte genutzt werden können.64 Zum gemeinsamen Geschäftsmodell gehört hier im Gegenzug jedoch auch, dass alle Betreiber mit ihren Online-Datenbanken und den vergütungsfrei hierüber bereitgestellten Nutzerinhalten vor allem indirekte, teilweise aber auch direkte Erlöse erzielen, um den Plattformbetrieb zu finanzieren. Da eine leere Datenbankstruktur jedoch praktisch wertlos ist und auch das beste Content-Management-System (CMS) ohne Inhalte zu keiner Wertschöpfung in der Lage ist, besteht zwischen der Inhaltsbreitstellung durch die publizierenden Nutzer und dem wirtschaftlichen Erfolg der Plattform zweifellos eine kausale Verknüpfung. Die Bereitstellung des Nutzerinhalts ist damit also einerseits eine zwingend notwendige Grundvoraussetzung für den Geschäftsbetrieb einer UGC-Plattform und damit auch für die Erzielung finanzieller Einnahmen 63
Zu den einzelnen Geschäftsmodellen siehe oben: „3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content“, S. 42. 64 Etwaige Transaktionskosten der Telekommunikationsunternehmen (Access- oder MobilfunkProvider) ausgenommen. Teilweise werden neben kostenlosen „Basic-Accounts“ zusätzlich auch noch kostenpflichtige Nutzungszugänge oder sonstige Plattformdienste angeboten, die sich meist durch mehr Speichekapazität und/oder andere zusätzliche Nutzungsfunktionen auszeichnen.
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hieraus. Andererseits führt erst die Sammlung, thematische Kategorisierung und gebündelte öffentliche Zugänglichmachung der unzähligen einzelnen Beitragsströme zur Entstehung messbarer wirtschaftlicher Vorteile, da die weit überwiegende Anzahl der Einzelbeiträge für sich allein häufig völlig wertlos ist. Fraglich erscheint daher, in welchem Verhältnis die Einzelinhalte zum wirtschaftlichen Gesamtwert des Plattforminhalts stehen bzw. welcher Mehrwertanteil dem einzelnen Nutzerinhalt zukommt.65 Aufgrund der qualitativen Heterogenität öffentlich zugänglicher Internetplattformen in Bezug auf die hierüber bereitgestellten Inhalte lässt sich hierzu schwerlich eine allgemeingültige Aussage treffen. Denn wie im traditionellen Offline-Bereich lässt sich auch bei Online-Medien ein der Pareto-Verteilung66 entsprechendes Konsumverhalten feststellen, wonach nur ein relativ geringer Teil der verfügbaren Inhalte (ca. 20 %) von sehr vielen Besuchern (ca. 80 %) konsumiert wird, während die übrige, sehr große Restmenge an Nutzerinhalten (ca. 80 %) jeweils nur einige wenige Nutzer (ca. 20 %) zum Abruf veranlasst.67 Insofern erscheint die Ermittlung des Mehrwertanteils eines einzelnen Nutzerbeitrages durch eine einfache Bestimmung seines Verhältnisses zur Gesamtinhaltsanzahl einer Plattform nicht als sachgerecht. Anhand der elektronisch leicht feststellbaren Rezeptionshäufigkeit bzw. -dauer, aus der sich gleichzeitig eine Wertigkeit des jeweiligen Nutzerinhalts und damit auch ein Rangverhältnis ergibt, lassen sich wohl im Einzelfall angemessenere Ergebnisse erzielen. Insbesondere für den Fall, dass der Betreiber die Nutzerinhalte mit kontextrelevanter Werbung (wie z. B. Pre- oder Post-Roll-Werbespots) kombiniert, lässt sich der dem jeweiligen Inhalt zukommende Mehrwertanteil ziemlich genau anhand der hierdurch generierten Werbeeinnahmen bestimmen. Sofern sich erzielte Erlöse jedoch nicht einem bestimmten Nutzerinhalt zuordnen lassen (z. B. bei flankierender Bannerwerbung auf Übersichtsseiten mit mehreren gleichrangig präsentierten Beiträgen oder Lizenzeinnahmen für die Nutzung des gesamten Datenbankinhalts), ließe sich der theoretisch auf einen Nutzerbeitrag entfallende Erlösanteil zwar auch 65 Der im Falle einer Verwendung vorbestehender urheberrechtlich geschützter Werke und/oder Leistungen diesen zuzurechnende Anteil des Erfolges eines nutzergerierten Medieninhalts, d.h. deren impliziter Gesamtmehrwertanteil ist hingegen von so vielen individuellen Faktoren abhängig, dass sich hierzu keinerlei generelle Aussage treffen lässt. Solange sich die Erzeugung eines Nutzerinhalts – der Begriffsdefinition des Verfassers entsprechend – aber nicht nur auf eine (nahezu) ausschließliche Übernahme eines vorbestehenden Leistungsergebnisses beschränkt, ist dessen Mehrwert erzeugender Erfolg jedoch zumindest nicht allein den Schöpfern der vorbestehenden Werke und Leistungen zuzuschreiben. 66 Die „Pareto-Verteilung“, benannt nach dem italienischen Ingenieur, Soziologen und Ökonomen Vilfredo Pareto (1848–1923), ist eine stetige Wahrscheinlichkeitsverteilung, mit der das statistische Phänomen beschrieben wird, dass eine kleine Anzahl von hohen Werten einer Wertemenge mehr zu deren Gesamtwert beiträgt, als die hohe Anzahl der kleinen Werte dieser Menge. Pareto untersuchte die Verteilung des Volksvermögens in Italien und fand heraus, dass ca. 20 % der Familien ca. 80 % des Vermögens besitzen. Daraus leitete er das Pareto-Prinzip ab, die auch „80:20-Regel“, „80:20-Verteilung“ oder „Pareto-Effekt“ genannt wird (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Pareto-Prinzip [03.11.2008]). 67 Vgl. Anderson, The Long Tail, S. 154.
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anhand seiner Abrufhäufigkeit definieren. Angesichts der heute bereits häufig in die Millionen gehenden Nutzerbeiträge auf einer einzigen UGC-Plattform wäre dieser jedoch faktisch – selbst bei einer gleichmäßigen Erlösverteilung – nur verschwindend gering. Es zeigt sich also, dass das Geschäftsmodell einer kommerziellen UGC-Plattform, die eine vergütungsfreie Bereitstellung von Nutzerinhalten begehrt, hauptsächlich darin besteht, durch die Aggregation und systematische Eingliederung einer riesigen Menge an einzelnen, für sich genommen rechnerisch „wertlosen“ Nutzerinhalten in ein beworbenes Ordnungssystem insgesamt nicht unerhebliche Umsätze zu generieren. Charakteristisch für diese Form der Beitragsveröffentlichung ist, dass hierdurch praktisch nur der Plattformbetreiber relevante wirtschaftliche Vorteile erlangt, da nur er in der Lage ist, den erst durch die Summierung der unzähligen einzelnen Mehrwert-Bruchteile entstehenden Gesamtnutzen kommerziell zu verwerten. Rentabel ist dieses auf Massenaggregation beruhende Geschäftsmodell aber nur deshalb, weil sich aufgrund minimaler Such- und Distributionskosten im Internet heute prinzipiell auf allen Ebenen der Popularität Gewinne erzielen lassen, und seien sie noch so gering. In der Summe ergeben sie für den Aggregator jedenfalls ein ansehnliches Ergebnis.68 Für Nischenprodukte, wie z. B. UGC, gelten im Online-Bereich heute praktisch die gleichen wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten wie für traditionelle Massenprodukte (Hits).69 Denn anders als bei klassischen Medienformaten, bei denen aufgrund der hohen Produktions- und Distributionskosten eine natürliche Knappheit an verfügbarer Beitragskapazität herrscht, sind dem Inhaltsreichtum bei Online-Medien wegen der vergleichsweise minimalen Bestandsbzw. Betriebskosten nahezu keine Grenzen gesetzt. Dies führt, wie insbesondere bei UGC-Plattformen deutlich zu erkennen ist, zu einer breiten dynamischen Qualitätsspanne70 , die praktisch jedes individuelle Bedürfnis zu befriedigen vermag. Erfahrungsgemäß bewirkt das hierdurch entstehende nahezu unbegrenzte Inhaltsangebot – bei leichter Auffindbarkeit – auch eine entsprechend spezifische Nachfrage und schafft damit einen neuen, ungleich größeren Markt.71 Andererseits befinden sich innerhalb des stetig größer werdenden Inhaltsangebots aber auch immer mehr unerwünschte qualitativ schlechte Inhalte, da sich das „Signal-Rausch-Verhältnis“ in der kontinuierlich unübersichtlicher werdenden Beitragsmasse zunehmend verschlechtert. Im Gegensatz zu herkömmlichen Medien beeinträchtigt dies aber notwendigerweise weder die Attraktivität noch die Funktionalität einer Internetplattform, da deren Bestände nicht miteinander konkurrieren. Das Verhältnis von 68
So erzielt bspw. allein das Video-Portal YouTube innerhalb eines Jahres rund 200 Mio. US-Dollar (ca. 128 Mio. Euro) Werbeeinnahmen durch Anzeigen rund um seine Video-Inhalte. 69 Vgl. Anderson, The Long Tail, S. 153 ff. 70 Vgl. dazu näher Anderson, The Long Tail, S. 138 f. 71 So hat bereits das durch die ersten Internettauschbörsen (Peer-2-Peer-Netzwerke) ermöglichte umfassende (illegale) Angebot des Welt-Musikrepertoires gezeigt, wie stark in der Bevölkerung die Nachfrage für Musiktitel ist, die nicht mehr über den regulären Handel zu beziehen sind. Heute zeugt bspw. die Existenz von 140 Mio. aktiven MySpace-Nutzern – wovon 2,5 Mio. allein aus Deutschland stammen – von einer ausgeprägten Nischenaktivität innerhalb des weltweiten Musikangebots.
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„guten“ zu „schlechten“ Inhalten ist hier schlicht ein Problem von „Nutzsignal“ zu „Rauschen“, das sich mit entsprechenden Techniken beheben lässt.72 Die Qualität einer Internetplattform wird daher in erster Linie von der (objektiven) Qualität ihrer Inhaltskoordination und nicht von der (subjektiven) Qualität ihrer Inhalte bestimmt. Ein wachsendes Inhaltsangebot im Internet erfordert daher lediglich leistungsstärkere technische Filter, um weiterhin interessante bzw. gewünschte von uninteressanten bzw. unerwünschten Inhalten trennen zu können. Diese (nachträglichen) Filterfunktionen übernehmen neben den Content-Management-Systemen der jeweiligen Plattformen und den herkömmlichen Suchmaschinen im Web 2.0 heute immer häufiger auch die Nutzer selbst, indem sie vorhandene Inhalte bewerten, in spezialisierten Blogs „zitieren“ oder auf öffentlich zugänglichen Social-Bookmarking-Seiten durch thematisch sortierte Linklisten favorisieren. Die sonst aus rationellen Gesichtspunkten „aussortierten“ Nischenbeiträge, die auf Internetplattformen die ganz überwiegende Mehrheit der verfügbaren Inhalte ausmachen, sind dort also durchaus in der Lage, den Gesamtmehrwert der Plattform zu erhöhen; auch wenn jedem einzelnen Beitrag tatsächlich nur ein minimaler Mehrwertanteil zukommt. Durch die Bereitstellung ihres autonom erzeugten Medieninhalts über eine kommerzielle UGC-Plattform gliedern sie diesen also bewusst in ein vollautomatisiertes Werbemodell ein, wodurch sie den jeweiligen Plattformbetrieb und damit auch das hinter ihm stehende Unternehmen mittelbar finanzieren. Als Gegenleistung erhalten die Nutzer hierfür lediglich die Möglichkeit, sich und ihre Inhalte kostenlos der Öffentlichkeit zu präsentieren und hierdurch – sofern sie im Einzelfall identifizierbar sind – einen gewissen Grad an Bekanntheit und Anerkennung zu erlangen. Die hierdurch gewonnene Reputation mag sich zwar gelegentlich in andere Werte (wie z. B. Jobangebote, Festanstellungen, Publikum oder sonstige lukrative Offerten) konvertieren lassen, bleibt letztendlich aber bestenfalls eine Chance. Darüber hinaus profitiert natürlich auch die Allgemeinheit in gewisser Weise von dem facettenreichen Beitragsangebot, das ihr dauerhaft weltweit und jederzeit kostenlos zum Abruf und Genuss zur Verfügung steht.
b) Vergütete Bereitstellung Das Angebot an kommerziellen UGC-Plattformen wird derzeit noch eindeutig von Verwertungsmodellen dominiert, die für die Bereitstellung nutzergenerierter Medieninhalte keine Erlösbeteiligung der Erzeuger vorsehen. Dennoch ist der Nutzer keineswegs gezwungen, die mit seinem Beitrag erzielbaren individuellen Mehrwerte allein dem fremden Plattformbetreiber zu überlassen. Zwischenzeitlich existiert nämlich auch schon eine Reihe kostenlos nutzbarer Publikationsmöglichkeiten, die dem Nutzer nicht nur eine selbstbestimmte Veröffentlichung seines Text-, Bild-, Audio- oder Video-Inhalts offerieren, sondern ihn gleichzeitig auch in finanzieller Hinsicht am wirtschaftlichen Erfolg seiner Schöpfung teilhaben lassen. Diese 72
Vgl. Anderson, The Long Tail, S. 138.
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Plattformen basieren regelmäßig auf dem Prinzip der beitragsspezifischen Erlösbeteiligung, wonach der publizierende Nutzer nur von solchen Betreiberumsätzen eine Beteiligung erhält, die sich eindeutig auf einen spezifischen Nutzerbeitrag zurückführen lassen. Je nach dem, ob das Geschäftsmodell der Plattform eine mittelbare Verwertung der Nutzerinhalte (z. B. durch zurechenbare Werbeeinblendungen) oder eine unmittelbare Beitragsverwertung (z. B. durch Lizenzierung oder Übermittlung einzelner Inhalte an Dritte) vorsieht, liegen der Nutzerbeteiligung entweder indirekte oder direkte Beitragserlöse zugrunde. Bei der vergüteten Bereitstellung von UGC kann daher zwischen einer Beteiligung an indirekten und direkten Erlösen unterschieden werden. aa) Beteiligung an indirekten Erlösen Ebenso wie die vorgenannten Internetplattformen, deren Geschäftsmodell auf einer vergütungsfreien Bereitstellung basiert, stehen auch die UGC-Portale, die ihre Inhaltslieferanten an beitragsspezifischen indirekten Erlösen beteiligen, i. d. R. jedermann kostenlos zur Veröffentlichung und Konsumtion nutzergenerierter Medieninhalte zur Verfügung. Deshalb sind auch sie zur Finanzierung ihres Angebotes hauptsächlich auf Werbeeinnahmen angewiesen. Das beitragsspezifische Erlösmodell ist jedoch nicht für alle Formen von UGC gleichermaßen gut geeignet. Speziell bei Bild-Beiträgen besteht bisher – vermutlich mangels ausreichender Zurechenbarkeit des Werbeinhalts zum jeweiligen Nutzerbeitrag bei deren Rezeption mittels aktueller Webseiten-Technologien – offensichtlich (noch) kein Markt für die spezifische Bewerbung einzelner Nutzerinhalte. Ein entsprechendes Plattformangebot ist bislang jedenfalls nicht auszumachen. Ähnlich verhält es sich mit nutzergenerierten Text-Beiträgen. Bei diesen ist zwar eine ausreichende Indizier- und Zurechenbarkeit gegeben, so dass sich diese grundsätzlich mit kontextrelevanten Werbeinhalten verknüpfen lassen, wie das Beispiel der ersten vergütenden Blog-Plattform Overblog zeigt.73 Die ganz überwiegende Anzahl an Online-Plattformen für nutzergenerierte Text-Beiträge zieht jedoch das vergütungsfreie Bereitstellungsmodell vor. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass aufgrund der zahlreichen frei verfügbaren kontextrelevanten Werbesysteme (wie z. B. Google AdSense), die von Nutzern zur Generierung monetärer Erlöse im sog. Selbstbedienungsverfahren74 ganz einfach in ihre eigenen Webseiten implementiert werden können, keine ausreichende Nachfrage nach entsprechenden vergütenden Bereitstellungsangeboten besteht. Und auch bei nutzergenerierten Audio-Beiträgen, insbesondere für die werberelevanten Podcasts, hat sich das Geschäftsmodell einer kostenlos nutzbaren Publikationsplattform, die Nutzer durch eine beitragsspezifische Beteiligung an indirekten Verwertungserlösen vergütet, bislang nicht durchgesetzt. So existieren zwar bereits einige 73
Vgl. dazu oben: „Vergütende Verwertungsmodelle für Text-Beiträge“, Kapitel 3, S. 48. Um den überdimensionalen Anstieg an Online-Werbekunden (Werbetreibende und Partnerseiten) zeit- und kostengünstig bewältigen zu können, hat Google auf seiner Webseite ein „Selbstbedienungssystem“ sowohl zur Schaltung von Werbeanzeigen als auch zur Anmeldung seiner Webseite für das AdSense-Werbeprogramm eingerichtet (vgl. Alby, Web 2.0, S. 157 f.). 74
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Vermarktungsagenturen zur Platzierung kontextrelevanter Werbeinhalte in vom Nutzer eigenständig gehosteten Podcasts, wie z. B. der deutsche Podvertising-Anbieter adplace.com.75 Als zentrale UGC-Plattform im vorliegenden Sinne fungiert dabei allerdings – soweit ersichtlich – nur der Anbieter audioads, der Podcastern im Falle einer Bewerbung ihrer Beiträge 60 % der hierdurch erzielten Einnahmen ausbezahlt.76 Eine beitragsspezifische Beteiligung an indirekten Verwertungserlösen wird Nutzern aktuell am häufigsten für die Bereitstellung nutzergenerierter Video-Beiträge angeboten. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Internetplattform Revver, die als erstes Online-Video-Portal eine vollautomatische Verknüpfung bereitgestellter Nutzervideos mit kontextrelevanten Werbeinhalten in Form von Participatory-Video-Ads oder Google-AdSense-Anzeigen angeboten hat und die auf einen Beitrag entfallenden Werbeerlöse anschließend hälftig mit deren Erzeuger teilt. Eine 50 %ige Beteiligung an Werbeeinnahmen bietet unter anderem auch das videogestützte Bürgerjournalisten-Portal Deutschlandreporter.de an. Schließlich hat auch der Weltmarktführer YouTube zwischenzeitlich erste (private) Nutzer in die Reihe seiner professionellen Werbepartner aufgenommen, deren Inhalte mit Werbeeinblendungen versehen werden, so dass auch sie fortan mit einer regulären Erlösbeteiligung für die Bewerbung ihrer bereitgestellten Inhalte vergütet werden.77 Wie bei allen anderen vorgenannten Plattformmodellen dürfte aber auch hier für den Nutzer immer noch der für die Entstehung von UGC obligatorische Veröffentlichungsaspekt im Vordergrund stehen. Denn er möchte primär seinen selbst erzeugten Medienbeitrag über das Internet der Öffentlichkeit zugänglich machen, sich dabei die unmittelbar an den Erfolg seiner Kreation geknüpften Mehrwerte jedoch nicht ohne Weiteres entgehen lassen. Durch die beitragsspezifische Werbeerlösbeteiligung erhält er im Rahmen der Bereitstellung seines Medienbeitrags neben den bereits erwähnten soziologisch bedeutsamen Vorteilen hier also zusätzlich die Möglichkeit, auch in finanzieller Hinsicht von dessen Erfolg zu profitieren. Die an den Nutzer gezahlte Erlösbeteiligung ist daher letztlich als Vergütung zu qualifizieren. Denn diese resultiert unmittelbar aus der Verwertung eines konkreten Nutzerbeitrages sowie etwaiger hierin verwendeter vorbestehender Leistungsergebnisse und wird vom Plattformbetreiber letztendlich als Gegenleistung für die Bereitstellung des Inhalts gezahlt. Trotz der aus Sicht des Nutzers überwiegend privaten Intention von UGC haf75
Die von der deutschen Liquid Air Lab GmbH betriebene Werbeplattform „adplace.com“ gehört mit rund 70 betreuten Podcasts der unterschiedlichsten Bereiche und mehr als 2,2 Millionen Downloads pro Monat zu den führenden Anbietern im Bereich Podcast-Advertising in Deutschland (vgl. Liquid Air Lab, http://www.adplace.com/podcast/?page_id = 67 [07.11.2008]). 76 Vgl. dazu oben Kapitel 3, Fn. 91. 77 Die YouTube-Nutzer „LisaNova“, „renetto“, HappySlip“, smosh“ und „valsartdiary“ wurden von YouTube aufgrund deren Popularität unter den Plattformnutzern als Werbepartner ausgewählt. Ein klares Konzept, wie andere Nutzer ebenfalls in die Position eines YouTube-Partners gelangen können, gab das Unternehmen bisher allerdings nicht bekannt. Jeder Nutzer, der eigene Inhalte produziere, über die Plattform bereitstelle und so eine Zuschauerschaft aufbaue, könne sich aber um Aufnahme in das Partner-Programm bewerben (vgl. Golem, „YouTube beginnt, Nutzer zu bezahlen“, URL: http://www.golem.de/0705/52076.html [06.11.2008]).
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4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
tet dieser Veröffentlichungsform also durchaus ein gewisser erwerbswirtschaftlicher Charakter an. bb) Beteiligung an direkten Erlösen Die kommerziellste Publikationsform für über fremde Webseiten bereitgestellte nutzergenerierte Medieninhalte besteht schließlich in einem Plattformbetrieb, bei dem der Nutzer an direkten Verwertungserlösen beteiligt wird. In diesen Fällen bedient sich der Nutzer der jeweiligen Internetplattform also praktisch nur als vergütendem Distributionskanal für seine Inhalte und damit letztlich als Verkaufsinstrument. Entsprechende Anbieter sind bereits für alle Formen von UGC vorzufinden. Angefangen von dem Online-Verlag XinXii78 über die Foto- und Video-Plattform iStockphoto79 und dem dezentralen Online-Musikvertriebssystem Kazzong80 bis hin zu dem Fernsehsender CurrentTV 81 oder der Mobile-Video-Plattform SeeMeTV 82 existieren für den Nutzer bereits zahlreiche Möglichkeiten, seine privat erzeugten Inhaltsbeiträge einer unmittelbaren kommerziellen Verwertung zuzuführen. Hierbei erhalten die Nutzer – je nach Anbieter – eine durchschnittliche Erlösbeteiligung von 10–70 %83 pro Download. Es erfolgt also eine klassische (arbeitsteilige) Online-Verwertung der Nutzerinhalte, bei der die jeweilige UGC-Plattform und hierüber das Internet als digitaler Vertriebskanal genutzt wird. Der einzige Unterschied zu einer herkömmlichen kommerziellen Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke und Leistungen besteht hier darin, dass vorgenannte Plattformen jedermann zur Nutzung offen stehen. Im Vorfeld findet also kein von ökonomischen Gesichtspunkten geleitetes, spekulatives Auswahl- bzw. Ausschlussverfahren in Bezug auf die Rentabilität der Inhaltsverwertung durch den potentiellen Vertragspartner (Verwerter) mehr statt. Im Gegenteil: Das Geschäftsmodell beruht auch hier vielmehr auf der Bedienung der gesamten subjektiven Qualitätsspanne durch ein kostengünstiges Angebot unterschiedlichster digitaler Nutzerinhalte über eine öffentlich zugängliche Online-Datenbank. Über diese ist der Plattformbetreiber in der Lage, mit jedem verkauften Nutzerinhalt Gewinn zu erzielen, während er umgekehrt durch alle nicht verkauften Beiträge praktisch keinen Verlust (mehr) zu befürchten hat. Die sonst für UGC typische unentgeltliche Zurverfügungstellung eines autonom erzeugten Medienbeitrags ist hier weitgehend einer Erwerbsabsicht gewichen. Denn durch die Nutzung dieses Erlösmodells erlangen sowohl der Plattformbetreiber als auch der Nutzer ganz bewusst einen unmittelbaren 78
Siehe dazu oben Kapitel 3, Fn. 41. Siehe dazu oben Kapitel 3, Fn. 61. 80 Siehe dazu oben Kapitel 3, Fn. 92. 81 Siehe dazu oben Kapitel 3, Fn. 143. 82 Siehe dazu oben Kapitel 3, Fn. 145. 83 So erhält bspw. ein Nutzer des mobilen Internet-Video-Portals SeeMeTV eine 10 %ige Beteiligung für jeden kostenpflichtigen Download eines seiner Video-Beiträge, während bei dem Online-Verlag XinXii 70 % des Verkaufserlöses an den publizierenden Nutzer ausbezahlt werden (vgl. dazu oben: „3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content“, S. 42). 79
C. Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet
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wirtschaftlichen Vorteil in Form eines beitragsspezifischen Absatzerlöses bzw. einer monetären Vergütung aus dem Verkauf und der Lizenzierung des bereitgestellten Nutzerinhalts. Nicht nur die Existenz, sondern vor allem das starke Wachstum und die rege Nutzung vorstehend beschriebener Distributionsmechanismen durch große Teile der Bevölkerung84 verdeutlicht, wie schwierig es mittlerweile geworden ist, zwischen der Arbeit von kreativ tätigen „Profis“ und „Amateuren“ zu unterscheiden. Die Grenzen zwischen einer privaten und berufsmäßigen Erzeugung sind nicht nur bei elektronischen Medieninhalten bereits sehr unscharf und verschwimmen zusehends weiter. Dies wirkt sich letztlich auch auf die Beurteilung des UGC-Charakters eines Nutzerinhalts aus. So erscheinen vorliegend zumindest im Falle einer unmittelbaren Verwertung gegen Entgelt gewisse Zweifel an der privaten Erzeugungsabsicht angebracht. Andererseits führt bspw. das entgeltliche Anbieten von Waren über die Internet-Auktionsplattform eBay85 auch nicht zwingend sofort zur Unternehmereigenschaft deren Nutzer.86 Sobald jedoch ein „planmäßiges und auf eine gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt“87 zu erkennen ist, kann vorliegend wohl auch der UGC-Charakter eines nutzergenerierten Medieninhalts mangels Privaterzeugungsabsicht mit Sicherheit verneint werden. Dies bleibt jedoch stets eine Frage des Einzelfalls.
3. Sonstige Webseiten UGC ist heute auf immer mehr Webseiten im Internet zu finden. Nicht nur auf den vorstehend beschriebenen UGC-Plattformen, sondern zunehmend auch auf sonstigen interaktiv nutzbaren Webseiten, deren Hauptzweck nicht in der Veröffentlichung autonom erzeugter Nutzerbeiträge besteht. Während sich der Inhalt einer UGCPlattform also nahezu ausschließlich aus solchen Nutzerbeiträgen zusammensetzt, die vornehmlich um ihrer selbst willen veröffentlicht wurden, zeichnen sich die nachfolgend genannten Webseiten im Wesentlichen durch ein überwiegend redaktionell aufbereitetes Informationsangebot und/oder durch einen der Inhaltsbereitstellung übergeordneten Zweck aus. Faktisch wird dem Nutzer jedoch auch auf diesem Wege die Möglichkeit eröffnet, sich durch die Bereitstellung eines selbst erzeugten Medieninhalts über eine fremde Webseite der Öffentlichkeit mitzuteilen. Und auch in diesem Fall ist die Bereitstellung der nutzergenerierten Inhaltsdateien regelmäßig 84
Laut aktueller Online-Studien zählen sich allein in Deutschland rund 57 % der regelmäßigen Web 2.0-Nutzer (ca. 10 Mio. Menschen), d.h. rund 5,7 Mio. Personen zu den aktiv partizipierenden Nutzern, die eigenständig Inhalte verfassen und im Internet bereitstellen (siehe näher hierzu unten: „Quantifizierung des betroffenen Personenkreises“, Kapitel 7, S. 364). 85 Das bekannte Internet-Auktionshaus eBay ist erreichbar unter der URL: http://www.ebay.de. 86 So stufte bspw. das Landgericht Berlin eine Verkäuferin gebrauchter Artikel über eBay (erst) als gewerbliche Händlerin ein, die 93 Artikel innerhalb eines Monats zum Verkauf angeboten hatte (vgl. LG Berlin, Urteil vom 5.9.2006, Az.: 103 O 75/06). 87 BGH, Urteil vom 27.3.2006, Az.: VIII ZR 173/05, S. 7.
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4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
mit der Entstehung von Mehrwerten verbunden. Abschließend soll daher auch auf diese Veröffentlichungspraxis sowie auf die durch sie entstehenden wirtschaftlich relevanten Vorteile für Webseitenbetreiber und publizierende Nutzer eingegangen werden. a) Unternehmenswebseiten Zum Kreis der sonstigen Webseiten im vorliegenden Sinne sind insbesondere stark frequentierte Unternehmenswebseiten (wie z. B. die des Internet-Kaufhauses Amazon88 ) zu zählen, denen eine Publikationsmöglichkeit für ihre Besucher (nur) als interaktive Zusatzfunktion hinzugefügt wurde. Hiermit ist es ihren Betreibern bspw. möglich, ein spezifisches Bewertungs- und Empfehlungssystem entstehen zu lassen, das aufgrund seiner kollaborativen Erstellung eine hohe Glaubhaftigkeit besitzt. Angesichts des starken Sicherheitsbedürfnisses der Bevölkerung im Hinblick auf die Vermeidung von Fehlentscheidungen89 stellt eine solche, mitunter multimediale90 Rezensions-Datenbank für ihren Besitzer einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil dar. Dies gilt vor allem dann, wenn diese auf einer vergütungsfreien Beitragsbereitstellung beruht. Gleiches gilt im Prinzip auch für die durch die Implementierung anderer kollaborativer Web 2.0-Mechanismen (wie Foren, Blogs oder Wikis) sowie mittels dialogbasierter interaktiver Werbemaßnahmen (wie dem Crowdsourcing und Engagement-Marketing91 ) bereitgestellten Nutzerinhalte. Der hierdurch entstehende zusätzliche Kundennutzen, der häufig eine verstärkte Kundenbindung und höhere Umsätze zur Folge hat, stellt einen nicht unerheblichen, dauerhaft gewinnbringenden Mehrwert und damit einen relevanten wirtschaftlichenVorteil dar. Dieser resultiert jedoch – ähnlich wie bei der vergütungsfreien Bereitstellung über eine UGC-Plattform – nicht allein auf der Bereitstellung der Nutzerbeiträge, sondern zu einem gewichtigen Teil auch auf dem inhaltskoordinierenden CMS des Webseitenbetreibers. Der „prosumierende“ Nutzer erhält im Rahmen seiner Teilnahme zwar gelegentlich die Chance auf einen ausgeschriebenen Gewinn, bekommt für die Bereitstellung seines Beitrages jedoch in aller Regel keine finanzielle Gegenleistung.92 88
Vgl. dazu oben: Kapitel 3, Fn. 17. Wie wichtig die im Internet veröffentlichten Nutzerinhalte für eine Kaufentscheidung inzwischen ist, zeigt der digitale Entscheidungsindex, den das Marktforschungsunternehmen Harris Interactive ermittelt hat (siehe hierzu Schmidt, „Netzökonom Online-Marketing, zweite Generation“, auf: faz.net, URL: http://faz-community.faz.net/blogs/netzkonom/archive/2008/11/23/marketing-imweb-2-0.aspx [25.11.2008] sowie die Studie „Web 2.0 Quellen dominieren Kaufentscheidungen“ der Consline AG, abrufbar unter der URL: http://consline.com [25.11.2008]). 90 So bietet Amazon neben den herkömmlichen Text-Rezensionen seit Juli 2008 auch die Möglichkeit, eine Video-Rezension über die Webseite zu veröffentlichen (vgl. Amazon, http://www.amazon.de/b?ie=UTF8&node = 282615011 [12.11.2008]). 91 Siehe hierzu oben: „Crowdsourcing und Engagement-Marketing“, Kapitel 3, S. 69 f. 92 So versuchte bspw. Amazon anfangs durch das In-Aussicht-stellen eines 50-Euro-Gewinns seine Nutzer zur Erzeugung und Bereitstellung einer Kunden-Rezension zu animieren (vgl. Alby, Web 2.0, S. 159). Darüber hinaus veranstalten Unternehmen, insbesondere im Rahmen des heutigen Web 89
C. Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet
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b) Online-Portale mit übergeordnetem Bereitstellungszweck Ähnlich verhält es sich auch mit sonstigen kommerziellen Online-Portalen, wie z. B. dem Internet-Auktionshaus eBay93 , bei denen die Bereitstellung der Inhalte nur als Mittel zur Erreichung eines bestimmten, der Beitragsveröffentlichung übergeordneten Zwecks in der Außenwelt, wie z. B. dem Verkauf oder der Vermietung von Gegenständen oder Immobilien dient.94 Diese basieren zwar genau genommen auch auf dem Prinzip einer öffentlich zugänglichen Internetplattform, die von Nutzern zur Veröffentlichung ihrer selbst erzeugten medialen Inhalte genutzt werden kann. Allerdings werden die Nutzerinhalte auf diesen Internetportalen nicht um ihrer selbst willen, d. h. nicht primär zum Zwecke ihres Konsums, sondern hauptsächlich zur Herbeiführung des ihrer Bereitstellung jeweils übergeordneten Zwecks veröffentlicht. Mit anderen Worten: Es kommt den Beteiligten hier im Zuge der Beitragsveröffentlichung nicht auf eine (dauerhafte) Ausschöpfung des in dem Nutzerinhalt selbst liegenden Wertes, sondern vielmehr auf eine Verwertung des mit ihm beschriebenen Objektes an. Hierdurch unterscheiden sie sich deutlich von obigen UGC-Plattformen, bei denen stets der Konsum der Inhalte selbst im Vordergrund steht. Gleichwohl ist auch diese Publikationsform mit der Entstehung von (kurzzeitigen) Mehrwerten für Portalbetreiber und Nutzer verbunden. Denn auch hier erhöhen die Nutzerinhalte unzweifelhaft die Attraktivität des Webseitenangebotes. Da die gegenständlichen Online-Portale jedoch i. d. R. nicht auf eine dauerhafte Verwertung der bereitgestellten Nutzerinhalte95 ausgerichtet sind, dürfte dem einzelnen Nutzer durch seine Inhaltsbereitstellung im Vergleich zum Portalbetreiber hier ein ungleich größerer Mehrwert zukommen. Denn während sich der Mehrwert für den Nutzer sofort im Ausmaß des Erfolges seines „Einzelangebots“ niederschlägt, vermag der
2.0-Marketings, häufig einen als Gewinnspiel getarnten Kreativwettbewerb, bei dem die Nutzer im Falle eines Gewinns Geld, Sachpreise oder Reisen erhalten (siehe hierzu oben: „Crowdsourcing und Engagement-Marketing“, Kapitel 3, S. 69 f.). 93 Auf der bekannten Internetplattform eBay besteht für jeden Internetnutzer die Möglichkeit, beliebige Waren zum Verkauf anzubieten. Hierfür werden die zur Produktbeschreibung erzeugten Medieninhalte, insbesondere Texte und Fotos, vom Nutzer über das vorgegebene CMS der Plattform bereitgestellt und von dieser für den Zeitraum der „Auktion“ öffentlich zugänglich gehalten (vgl. dazu näher Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/EBay [12.11.2008]). 94 Auch bei den über diese Online-Portale veröffentlichten Inhalten dürfte der UGC-Charakter freilich häufig fraglich sein. Anderseits sind hier durchaus Fallgestaltungen denkbar, in denen die Voraussetzungen für einen (noch) in privater Absicht erzeugten und/oder veröffentlichten Medieninhalt gegeben sein können. Darüber hinaus sollen die vorgenannten Online-Portale – nicht zuletzt ob ihres hohen Bekanntheitsgrades –zu Unterscheidungszwecken hier nicht unerwähnt bleiben. 95 Bedingt durch ihr Geschäftsmodell ist bspw. die Auktionsplattform eBay nicht in der Lage, aus den bereitgestellten Nutzerinhalten über den befristeten Auktionszeitraum hinaus einen dauerhaften wirtschaftlichen Vorteil zu ziehen. Demgegenüber verfügt bspw. Amazon mit der Aggregation und dauerhaften Speicherung nutzergenerierter Bewertungen in Bezug auf die eindeutig identifizierbaren Produkte die Möglichkeit, den gesammelten Datenbestand fortwährend gewinnbringend für sich zu verwenden (siehe näher dazu Alby, Web 2.0, S. 164 ff.).
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4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
regelmäßig zeitlich begrenzte Beitragszuwachs auf Seiten des Online-Portals häufig nur eine geringe Steigerung dessen Attraktivität und Gewinns zu bewirken. Ähnlich wie bei der vergüteten Bereitstellung über eine kommerzielle Internetplattform erlangt der Nutzer also auch hier zumindest einen mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil, der sich letztlich in einem potentiell höheren Ertrag bemerkbar macht.
D. Schlussfolgerungen Wie die vorstehendenAusführungen gezeigt haben, stehen der Bevölkerung aufgrund der fortgeschrittenen technologischen Entwicklung heute deutlich mehr und vor allem günstigere Möglichkeiten zur eigenständigen Erzeugung und Veröffentlichung multimedialer Kommunikationsinhalte zur Verfügung. Dies gilt insbesondere für den Bereich digitaler Aufzeichnungs-, Bearbeitungs- und Übermittlungstechnologien, die den Nutzern heute nicht nur die Möglichkeit geben, freies Allgemeingut oder nutzereigene Schöpfungen körperlich zu fixieren, sondern auch sich nahezu ungehindert Zugang zu digitalen Fremdaufzeichnungen zu verschaffen und sich mit diesen auseinanderzusetzen. Diese neuen technischen Möglichkeiten haben zwischenzeitlich zu einem enormen Mitteilungs- und Kommunikationsbedürfnis der Bevölkerung geführt, das sich zunehmend auch auf fremde urheberrechtlich geschützte Werke und Leistungen erstreckt. Damit spielt fremdes Geistesgut mittlerweile eine zentrale Rolle im Rahmen der Erstellung von UGC, wobei die ihr zugrunde liegenden Intentionen freilich sehr vielfältig sind. Meist nehmen die Nutzer eine (unautorisierte) Verwendung fremder Leistungsergebnisse jedoch deshalb vor, um deren Inhalte überhaupt einer digitalen Veröffentlichung im Internet zuzuführen, sich mit diesen öffentlich auseinanderzusetzen oder diese durch Bearbeitung, Kombination oder Verbindung mit ihren eigenen Inhalten zur Grundlage neuer multimedialer Beiträge zu machen.
I. Verlagerung sozialer Kommunikationsprozesse in die Öffentlichkeit Die Vornahme solcher Nutzungshandlungen ist jedoch nichts gänzlich Neues. Denn auch schon früher wurden vorbestehende Werke und Leistungen von der Bevölkerung aufgezeichnet, kopiert, verändert, zur Erstellung von Collagen o. Ä. miteinander kombiniert oder zu sonstigen Zwecken mit eigenen Schöpfungen und Aufzeichnungen verbunden. Die hierbei innerhalb der jeweiligen Privatsphäre entstandenen Ergebnisse fanden jedoch praktisch nie den Weg in die Öffentlichkeit, da sie abgesehen von Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten i. d. R. keiner nennenswerten Anzahl von Personen zugänglich gemacht wurden. Diese Praxis hat sich durch die vollständige Demokratisierung der Produktionsmittel nunmehr gewandelt. Die flächendeckende Verbreitung von PCs, die freie Nutzungsmöglichkeit des Internets und die Erfindung des Webbrowsers stellten dabei jedoch „nur“ die ersten
D. Schlussfolgerungen
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notwendigen Produktionsvoraussetzungen dar. Sie haben es zwar jedem Individuum ermöglicht, eigene elektronische Medieninhalte zu erzeugen und innerhalb des WWW fremde (überwiegend professionell erstellte) Inhalte abzurufen und zu konsumieren. Aber erst die Verfügbarkeit der unterschiedlichen Web 2.0-Technologien bzw. der entsprechenden Nutzungsangebote im Internet ermöglichte eine öffentlich wahrnehmbare horizontale Interaktion aller Internetnutzer untereinander. Erst durch sie sind die Mittel zur Produktion öffentlich wahrnehmbarer Medieninhalte in die Hände derjenigen gelangt, die sich zuvor einer ausschließlich vertikalen Informationsdiktatur ausgesetzt sahen. Die erwähnten Nutzungshandlungen finden heute also entweder bereits unmittelbar in der Öffentlichkeit statt oder werden zunächst – wie bisher – innerhalb der Privatsphäre vorgenommen, anschließend aber ohne nennenswerte technische, organisatorische oder finanzielle Schwierigkeiten der Weltöffentlichkeit präsentiert. Durch die neue weltumspannende Web 2.0-Infrastruktur hat also eine Verlagerung der ehemals ausschließlich interpersonellen privaten Kommunikation und Auseinandersetzung über und mit urheberrechtlich geschützten Inhalten in die Öffentlichkeit stattgefunden.
II. Webseitenbetreiber als hauptsächliche wirtschaftliche Profiteure Die wirtschaftliche Betrachtung der aktuellen Veröffentlichungsmöglichkeiten für nutzergenerierte Medieninhalte hat darüber hinaus gezeigt, dass die Bereitstellung von UGC über Webseiten im Internet grundsätzlich immer mit der Entstehung von Mehrwerten verbunden ist. Während ein Webseitenbetreiber jedoch stets in der Lage ist, diese Mehrwerte in wirtschaftlich relevante Vorteile, insbesondere monetäre Werbeerlöse zu konvertieren, sind die dem (nur) publizierenden Nutzer zukommenden Vorteile hingegen größtenteils sozialer und damit immaterieller Natur. Nur im Fall einer vergüteten Bereitstellung über eine kommerzielle Internetplattform kommt auch der publizierende Nutzer – der selbst kein Webseitenbetreiber ist – im Einzelfall in den Genuss nennenswerter finanzieller Vorteile, die unmittelbar aus dem veröffentlichten Beitrag resultieren. Aufgrund der weit überwiegend kostenlosen Zugänglichkeit von UGC über das Internet entsteht durch dessen Publikation schließlich auch für die Allgemeinheit ein gewisser Mehrwert, der sich jedoch weder in einem konkreten wirtschaftlichen Vorteil niederschlägt noch sich auch nur annähernd zahlenmäßig bestimmen lässt. Mit Blick auf die Verwertungseffizienz der Veröffentlichung von UGC lässt sich somit in wirtschaftlicher Hinsicht eine Art Profit-Rangverhältnis erkennen: Von dem Phänomen des UGC – und damit auch von etwaigen, zu seiner Erzeugung verwendeten vorbestehenden fremden Leistungsergebnissen – profitieren tendenziell all diejenigen Personen am meisten, die es anderen Internetnutzern durch den Betrieb einer öffentlich zugänglichen (kommerziellen) Internetplattform ermöglichen, hierüber deren selbst erzeugte Medieninhalte zu veröffentlichen. Danach folgen all diejenigen Nutzer, die sich zur Veröffentlichung ihrer Inhalte einer kommerziellen
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4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge
Internetplattform bedienen und dabei mittels Beteiligung an direkten oder indirekten Verwertungserlösen für die Bereitstellung ihrer Inhaltsdateien unmittelbar vergütet werden. An dritter Stelle sind sodann all jene Nutzer einzuordnen, die ihre Inhalte auf einer eigens betriebenen (beworbenen oder unbeworbenen) Webseite zum unentgeltlichen Abruf durch die Allgemeinheit bereithalten. Zuletzt steht hier schließlich die große Masse an einzelnen Internetnutzern, die ihre Inhalte durch eine vergütungsfreie Bereitstellung über eine fremde Webseite der Öffentlichkeit zugänglich machen und hierdurch nahezu ausschließlich immaterielle Vorteile erlangen.
5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
A. Verwertungsrechte Die eigenmächtige Erzeugung undVeröffentlichung nutzergenerierter Medieninhalte kann Urheber, bzw. die jeweiligen Rechteinhaber, insbesondere in ihren Verwertungsrechten betreffen. Das Urheberrecht gewährt aber nicht nur den Urhebern von Werken i. S. v. § 2 Abs. 1 UrhG ausschließliche Befugnisse zur Verwertung ihrer Schöpfungen. Denn auch den Inhabern von dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten (Leistungsschutzberechtigten) stehen zur Durchsetzung ihrer vermögensrechtlichen (materiellen) Interessen ausschließliche Verwertungsrechte zu (hier insb. § 72 UrhG: Fotografen; §§ 74–77 UrhG: ausübende Künstler; § 81 UrhG: Theater- und Konzertveranstalter; §§ 85, 86 UrhG: Tonträgerhersteller; § 87 UrhG: Sendeunternehmen; §§ 94, 95 UrhG: Filmproduzenten). Aufgrund dieser „konkurrierenden“ Verwertungsrechte der Leistungsschutzberechtigten kommt es häufig zu einer Kumulation mehrerer Schutzrechte an ein und demselben marktgängigen Produkt. Verwendet ein Internetnutzer ein solches Produkt nun zur Erzeugung von UGC, berühren die hierbei vorgenommenen Nutzungshandlungen folglich die Rechte hinsichtlich sämtlicher darin verkörperter Schutzgegenstände. So werden bspw. durch die unautorisierte Übernahme einer fremden Werkaufzeichnung nicht nur die Verwertungsrechte an den der Aufzeichnung zugrunde liegenden vorbestehenden Werken, sondern auch die geschützten Interessen aller etwaig an der Entstehung und Vermittlung der verwendeten Aufnahme beteiligten Personen betroffen. Darüber hinaus ist bei der Entnahme und Weiterverwendung fremder Internetinhalte grundsätzlich auch ein Eingriff in den Schutz von Zusammenstellungen verschiedener Elemente als Sammel- oder Datenbankwerk i. S. v. § 4 UrhG sowie in das Sui-generis-Recht an einer Datenbank i. S. v. § 87 a UrhG in Betracht zu ziehen. Denn sofern ein Nutzer zur Erzeugung seines Medieninhalts auf Gestaltungselemente einer fremden Webseite oder die Inhalte einer UGC-Plattform zurückgreift, ist nicht nur der Schutz der übernommenen Einzelelemente zu beachten, sondern prinzipiell auch ein Eingriff in bestehende Rechte an der jeweiligen Sammlung oder
C. A. Bauer, User Generated Content, DOI 10.1007/978-3-642-20068-7_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
Datenbank denkbar, aus der das fragliche Element entnommen wurde.1 Da das Urheberrecht an einem Sammel- bzw. Datenbankwerk jedoch nur die Sammlung als solche bzw. die Struktur der Datenbank zum Gegenstand hat und sich nicht auf die einzelnen Beiträge erstreckt2 , kann vorliegend – angesichts des für die UGCProduktion typischen Rückgriffs auf nur einzelne, in einer Datenbank (wie z. B. YouTube, Wikipedia o. Ä.) enthaltene Medieninhalte3 – eine Verletzung entsprechender Verwertungsrechte praktisch ausgeschlossen werden. Ähnlich verhält es sich auch mit einem möglichen Eingriff in die Rechte eines Datenbankherstellers gemäß § 87 b UrhG. Denn auch das Datenbankherstellerrecht verschafft kein Ausschließlichkeitsrecht an den in der geschützten Datenbank enthaltenen Werken, Fakten, Daten oder sonstigen Elementen als solchen, sondern schränkt nur deren Entnahme und Weiterverwendung ein.4 Der dem Datenbankhersteller gesetzlich gewährte Investitionsschutz ist jedoch gemäß § 87 b Abs. 1 S. 1 UrhG bereits von vornherein auf die Verwendung wesentlicher Teile seiner Datenbank begrenzt, wobei zur Bestimmung der Wesentlichkeit grundsätzlich auf Art und Umfang sowie Qualität und wirtschaftlichen Wert des entnommenen Teils abzustellen ist.5 Angesichts der Tatsache, dass sich die Erzeugung von auf fremden Medieninhalten beruhendem UGC in den meisten Fällen auf die gelegentliche Übernahme einzelner Webinhalte wie Texte, Artikel, Bilder oder Videos – meist verschiedener Anbieter – beschränkt, kann vorliegend davon ausgegangen werden, dass hierdurch lediglich eine Verwertung unwesentlicher Datenbankteile stattfindet. Diese kann jedoch gemäß § 87 b Abs. 1 UrhG nicht untersagt werden und ist daher regelmäßig zulässig. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn sich die Bereitstellung von UGC als „wiederholte und systematische“ Verwertung unwesentlicher Datenbankteile darstellen würde, die gemäß § 87 b Abs. 1 S. 2 UrhG der Verwertung wesentlicher Teile gleichsteht. Eine solche liegt aber immer nur dann vor, wenn sich wiederholte Nutzungen unwesentlicher Teile in ihrer Summe zu einer Nutzung eines wesentlichen Teils der Datenbank addieren und zugleich auf einem systematischen Vorgehen beruhen.6 Wiederholte Nutzungen ohne systematisches Vorgehen reichen hierfür nämlich nicht aus.7 Eine Erfüllung dieser Voraussetzungen wäre bei UGC allenfalls durch die Integration bzw. Einblendung fremder Medieninhalte mittels Hyperlink denkbar. Mit der Einrichtung eines einzelnen Links wird der verlinkte Datenbankinhalt jedoch nicht wiederholt 1
Zur Frage der Schutzfähigkeit einzelner Webseiten als Sammel- bzw. Datenbankwerk gem. § 4 Abs. 1, 2 UrhG sowie als Datenbank i.S.v. § 87 a UrhG vgl. Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 104 ff. 2 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 4 Rn. 18, 39. 3 Vgl. hierzu bereits dieAusführungen oben: „Verwendung fremder Werke und Leistungen“, Kapitel 4, S. 79 ff. 4 Die „Datenbankrichtlinie“ stellt insoweit klar, dass das Sui-generis-Recht nicht zur Entstehung eines neuen Rechts an den Inhalten führen soll, die in der Datenbank enthalten sind (vgl. Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 92). 5 Vgl. Schricker/Vogel, § 87 b Rn. 9. 6 Vgl. Schricker/Vogel, § 87 b Rn. 32 m.w.N. 7 Vgl. Wandtke/Bullinger/Thum, § 87 b Rn. 63.
A. Verwertungsrechte
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und systematisch, sondern lediglich einmalig bzw. dauerhaft öffentlich zugänglich gemacht. Auch mehrere Verwertungshandlungen verschiedener Nutzer stehen in Bezug auf denselben Anbieter insoweit in keinem Zusammenhang und stellen sich auch nicht als planmäßige Umgehung des auf wesentliche Teile beschränkten Datenbankschutzes dar.8 Jedenfalls wird eine Verletzung des Datenbankherstellerrechts durch UGC aber an der zusätzlichen Voraussetzungen des § 87 b Abs. 1 S. 2 UrhG scheitern, wonach die wiederholten und systematischen Nutzungen unwesentlicher Teile einer Datenbank entweder deren normaler Auswertung zuwiderlaufen oder die berechtigten Interessen ihres Herstellers unzumutbar beeinträchtigen müssten. Denn unabhängig davon, dass viele UGC-Plattformen (wie z. B.YouTube oder Revver) ausdrücklich mit einer Integration ihrer Inhalte in Webseiten ihrer Nutzer einverstanden sind, ist kaum davon auszugehen, dass durch die dezentrale Bereitstellung einzelner nutzergenerierter „Inhaltskopien“ jeweils ein Konkurrenzprodukt entsteht, das die in die Datenbank getätigte Investition bzw. deren Amortisation erheblich gefährdet.9 Im Gegenteil: Im Falle der Einbindung von Internet-Video-Streams ist sogar eher mit einem erhöhten Interesse an der Quell-Datenbank und deren Nutzung zu rechnen, durch die die Interessen des Datenbankinhabers eher gefördert denn beeinträchtigt werden. Eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen beiden verwertungsrechtlichen Problemkreisen aus Sicht des einzelnen Nutzers ist in dieser Abhandlung mithin nicht erforderlich.10 Im Übrigen kann sich nachfolgende Prüfung zwecks Vereinfachung der Darstellung im Wesentlichen auf die in §§ 15 ff. UrhG geregelten „zentralen“ urheberrechtlichen Verwertungsrechte konzentrieren, da die den Urhebern und Leistungsschutzberechtigten gewährten Verwertungsrechte grundsätzlich dieselben Nutzungen betreffen,11 und auch die gesetzlichen Schrankenregelungen aufgrund gesetzesinterner Verweise12 auf Leistungsschutzrechte weitgehend entsprechende Anwendung finden. Für den vorliegenden Fall der Entstehung von UGC kommen hiervon insbesondere das Vervielfältigungsrecht i. S. v. § 16 UrhG (I), das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung i. S. v. § 19 a UrhG (III) sowie das Bearbeitungsrecht nach § 23 UrhG (IV) in Betracht. Aufgrund des leistungsschutzrechtlichen „Sonderfalls“ für Interpreten, Veranstalter und Sendeunternehmen ist hier allerdings auch auf das Aufnahmerecht i. S. d. §§ 77, 87 UrhG (II) ergänzend einzugehen. 8
Vgl. Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 253 f. 9 Im Ergebnis ebenso Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 310. 10 Zur Frage, in wieweit durch die Verlinkung urheberrechtlich geschützter Inhalte mittels Hyperlinks in die Rechte des Datenbankherstellers eingegriffen wird, siehe eingehend Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 242 ff. 11 Vgl. Rehbinder, UrhR, Rn. 294. 12 So erklären die §§ 83, 85 Abs. 4, 87 Abs. 4, 94 Abs. 4 sowie § 95 über § 94 UrhG die Vorschriften des Abschnitts 6 des Teils 1 des UrhG („Schranken des Urheberrechts“) für sie als entsprechend anwendbar. Für Lichtbilder i.S.v. § 72 UrhG gelten die Schrankenregelungen bereits aufgrund des grundsätzlichen Verweises auf Lichtbildwerke in § 72 Abs. 1 UrhG.
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
I. Vervielfältigungsrecht i. S. v. § 16 UrhG Bei der Entstehung von UGC besteht zunächst die Möglichkeit der Beeinträchtigung eines fremden Vervielfältigungsrechts i. S. v. § 16 UrhG. 1. Allgemeines Unter einer Vervielfältigung ist jede körperliche Festlegung zu verstehen, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar, z. B. unter Zuhilfenahme technischer Einrichtungen,13 wahrnehmbar zu machen.14 Gemäß § 16 Abs. 1 UrhG ist es dabei gleichgültig, ob die Vervielfältigungsstücke die Werke nur vorübergehend oder dauerhaft verkörpern, welches Herstellungsverfahren gewählt wurde und in welcher Stückzahl sie hergestellt wurden. Dass auch die Übertragung eines Werkes auf einen Bild- oder Tonträger15 eine Vervielfältigung darstellt – gleichviel, ob dies im Wege einer Erstaufnahme des Werkes oder durch dessen Übertragung von einem Bild- oder Tonträger auf einen anderen geschieht – wird von § 16 Abs. 2 UrhG klargestellt. a) Vervielfältigungen von Teilen eines Werkes Nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, jedoch zwischenzeitlich in Literatur und Rechtsprechung weitgehend anerkannt16 ist, dass nicht nur die vollständige Übernahme, sondern grundsätzlich auch die Vervielfältigung von Teilen eines Werkes unter § 16 UrhG fällt. Werden von einem vorbestehenden Medieninhalt also lediglich Teile herausgelöst und unverändert separat weiterverwendet, so kommt im Falle einer Speicherung dieser Teile durchaus eine Beeinträchtigung des Vervielfältigungsrechtes in Betracht. Voraussetzung hierfür ist jedoch stets, dass die konkret übernommenen Teile als solche selbständig schutzfähig sind. Denn soweit schutzunfähige Teile eines Werkes vervielfältigt werden, besteht das Verbotsrecht aus §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG nicht.17 Insofern ist es stets eine Frage des Einzelfalls, 13
Vgl. Schack, UrhR, Rn. 378. Vgl. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 47; Schricker/Loewenheim, § 16 Rn. 5; Dreier/Schulze, § 16 Rn. 6, beide m.w.N. 15 Eine Legaldefinition des Begriffs „Bild- und Tonträger“ ist in § 16 Abs. 2 UrhG enthalten. Diese gilt für das gesamte UrhG. Hiernach handelt es sich um Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe von Bild- oder Tonfolgen. Unter diesen Begriff fallen nicht nur traditionelle Bild- und Tonträger wie Schallplatten, Bildplatten oder Filmstreifen, sondern auch digitale Speichermedien wie CDs, DVDs, Festplatten usw. (vgl. Schricker/Loewenheim, § 16 Rn. 27 m.w.N.). 16 Siehe hierzu insb. OLG Köln GRUR 2001, 97 ff. – Suchdienst für Zeitungsartikel sowie Schricker/Loewenheim, § 16 Rn. 14; Dreier/Schulze, § 16 Rn. 9; Wandtke/Bullinger/Heerma, § 16 Rn. 4; Pierson/Ahrens/Fischer, Recht des geistigen Eigentums, S. 290, jeweils m.w.N. aus Lit. und Rspr. 17 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 16 Rn. 14. 14
A. Verwertungsrechte
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ob der vom Nutzer jeweils gespeicherte Werkteil so groß ist, dass er für sich die Voraussetzungen des Urheberrechtsschutzes erfüllt, also selbst eine persönlich geistige Schöpfung i. S. v. § 2 Abs. 2 UrhG ist.
b) Vervielfältigungen kleinster Teile eines Leistungsergebnisses Umstritten war in diesem Zusammenhang jedoch die Frage, ob auch bei der Übernahme kleinster Teile „nur“ leistungsschutzrechtlich geschützter Medieninhalte, wie Lichtbilder, Ton- oder Filmaufnahmen, eine urheberrechtsrelevante Vervielfältigungshandlung vorliegt. Für den Bereich des Lichtbildschutzes plädierte insbesondere Schulze18 unter Hinweis auf die Schutzwürdigkeit des der jeweiligen Aufnahme zugrunde liegenden wirtschaftlichen, organisatorischen und technischen Gesamtaufwands generell für einen uneingeschränkten Schutzumfang. Da der Herstellungsaufwand nicht von der Größe des jeweils übernommenen Teils abhängig sei, sei auch die Übernahme kleinster Teile eines Lichtbilds oder einer Tonaufnahme als Vervielfältigung zu qualifizieren.19 Demgegenüber ging ein großer Teil der Literatur hier von einem eingeschränkten Schutzbereich aus.20 Hiernach sei es nach dem Schutzzweck des § 72 UrhG geboten, in entsprechender Anwendung der urheberrechtlichen Grundsätze auch Lichtbildteile dem ausschließlichen Vervielfältigungsrecht zu unterstellen, sofern der fragliche Ausschnitt des Lichtbildes dessen Substanz berührt.21 Davon könne regelmäßig ausgegangen werden, wenn es sich bei den entnommenen Bildteilen um individualisierbare und dem Ursprungsbild (noch) zurechenbare Bildteile handle, was bei einzelnen Pixeln jedoch nicht mehr der Fall sei.22 Eine ganz ähnliche vermittelnde Auffassung wurde auch in Bezug auf den Schutzbereich des Tonträgerherstellungsrechts vertreten. Diese beruhte jedoch im Wesentlichen auf tatsächlichen Erwägungen, namentlich den praktischen Problemen der Zuordnung einzelner Töne zu einer bestimmten Aufnahme, und den damit verbundenen Beweisschwierigkeiten.23 Hiernach sollte die Frage der Schutzrechtsverletzung eher unter Rückbesinnung auf die wettbewerbsrechtlichen Wurzeln des Tonträgerherstellungsrechts gelöst werden, wonach die Herstellerleistung erst dann berührt sei, wenn ein substanzieller Teil des Tonträgers vervielfältigt wird.24 Vogel25 18
Vgl. Schulze in: Dreier/Schulze, § 72 Rn. 15 sowie ausführlich § 85 Rn. 25. Vgl. Dreier/Schulze, § 72, Rn. 15, § 85 Rn. 25. 20 Siehe hierzu: Schricker/Vogel, § 72 Rn. 29; Wandtke/Bullinger/Thum, § 72 Rn. 17; sowie Reuter in: GRUR 1997, 23, 28, der von der Übernahme wesentlicher Teile der Fotografie spricht. 21 Vgl. Schricker/Vogel, § 72 Rn. 29. 22 Vgl. Loewenheim/Vogel, § 37 Rn. 17. 23 Vgl. dazu insb. die Argumentation von Vogel in: Schricker/Vogel, § 85 Rn. 43. 24 Vgl. Schricker/Vogel, § 85 Rn. 43; ebenso Häuser, Sound und Sampling, S. 113; v. Lewinski in: Schricker, Urheberrecht auf dem Weg zur Informationsgesellschaft, S. 218 ff. 25 Vgl. Vogel in: Schricker/Vogel, § 85 Rn. 43. 19
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
konstatiert in diesem Zusammenhang ergänzend, dass ein einzelner Ton ohnehin meist nur Ausgangspunkt weiterführender kreativer Arbeit sei, die durch kein Verbotsrecht behindert werden sollte. Die bisherige Rechtsprechung26 und ein gewichtiger Teil der Literatur27 stellten hingegen eine wirtschaftliche Betrachtung an, wonach nur bei einer messbaren Beeinträchtigung des Tonträgers als wirtschaftlichem Gut von einer urheberrechtsrelevanten Vervielfältigung auszugehen sei. Der überwiegende Teil des Schrifttums sprach sich allerdings auch bei Übernahme kleinster Tonpartikel (Licks) für einen Eingriff in das Vervielfältigungsrecht nach § 85 Abs. 1 UrhG aus.28
c) Partikelschutz-Entscheidung des BGH Dem hat sich nun auch der BGH29 angeschlossen und damit – zumindest für den Bereich der Tonaufnahmen – den jahrzehntelangen Streit zugunsten der Rechteinhaber entschieden. Nach Auffassung des ersten Zivilsenats schützt die Bestimmung des § 85 Abs. 1 UrhG die zur Festlegung der Tonfolge auf dem Tonträger erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Tonträgerherstellers. Da der Tonträgerhersteller diese unternehmerische Leistung für den gesamten Tonträger erbringt, gebe es faktisch keinen Teil des Tonträgers, auf den nicht ein Teil dieses Aufwands entfiele und der daher nicht geschützt wäre.30 Ein Eingriff in die Rechte des Tonträgerherstellers ist deshalb bereits dann gegeben, wenn einem fremden Tonträger auch nur kleinste Tonfetzen entnommen werden.31 Denn „die für die Aufnahme erforderlichen Mittel müssen für den kleinsten Teil der Aufnahme genauso bereitgestellt werden wie für die gesamte Aufnahme; selbst der kleinste Teil einer Tonfolge verdankt seine Festlegung auf dem Tonträger der unternehmerischen Leistung des Herstellers. In diese unternehmerische Leistung greift auch derjenige ein, der einem fremden Tonträger kleinste Tonfetzen entnimmt. Es kommt nicht darauf an, ob derjenige, der in die Rechte des Tonträgerherstellers eingreift, dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erzielt oder eigenen Aufwand erspart oder ob der Tonträgerhersteller durch diesen Eingriff einen messbaren und nachweisbaren wirtschaftlichen Nachteil erleidet.“32 Das höchste Zivilgericht folgt damit der überwiegenden – dogmatisch korrekten – Lehrmeinung im Schrifttum, nach der es für die 26 Vgl. insb. OLG München ZUM 1991, 540, 548 – U2 sowie OLG Hamburg GRUR Int. 1992, 390, 391 – Tonträgersampling. 27 Vgl. Häuser, Sound und Sampling, S. 111; Knies, Die Rechte der Tonträgerhersteller, S. 193; Münker, Urheberrechtliche Zustimmungserfordernisse beim Digital Sampling, S. 257 f. 28 Vgl. Dreier/Schulze, § 85 Rn. 25; Wandtke/Bullinger/Schaefer, § 85 Rn. 26; Schack, UrhR, Rn. 624; Fromm/Nordemann/Hertin, § 85/86 Rn. 8; sowie ergänzend zum Streitstand Schricker/Vogel, § 85 Rn. 43 m.w.N. 29 Siehe BGH ZUM 2009, 219 ff. – Metall auf Metall. 30 Vgl. BGH ZUM 2009, 219, 221 – Metall auf Metall. 31 Vgl. BGH ZUM 2009, 219, 220 – Metall auf Metall. 32 BGH ZUM 2009, 219, 221 – Metall auf Metall; s.a. zustimmend Stieper, ZUM 2009, 223, 224.
A. Verwertungsrechte
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Beurteilung einer urheberrechtlichen Vervielfältigungshandlung weder auf etwaige Feststellungs- oder Beweisprobleme in der Praxis noch auf die Frage einer tatsächlichen wirtschaftlichen Beeinträchtigung des Rechtsinhabers im Einzelfall ankommen kann.33 Es sei dem Tonträgerhersteller aus Rechtsgründen nicht zuzumuten, im Interesse einer freien musikalischen Entwicklung generell auf einen Leistungsschutz für kleinste Teile von Tonaufnahmen zu verzichten.34 Hiermit hat das Gericht ferner zu erkennen gegeben, dass es auch das von Vogel angeführte Argument der Freihaltebedürftigkeit zur Förderung des kreativen Schaffens (zumindest hier)35 bei der Bestimmung des Vervielfältigungsbegriffes keine Relevanz beimisst. Zentraler Ansatzpunkt ist daher – ebenso wie bei Werken i. S. v. § 2 Abs. 2 UrhG – vielmehr die Frage der selbständigen „Schutzfähigkeit“ des konkreten (Leistungs-)Ausschnitts, die sich wiederum aus dem gesetzlichen Schutzzweck der jeweils einschlägigen Norm ergibt. Sieht diese einen umfassenden Schutz des Berechtigten vor, so ist dessen Leistungsergebnis grundsätzlich auch vor der Übernahme einzelner Teile – und seien sie noch so klein – durch sein ausschließliches Vervielfältigungsrecht geschützt.
d) Partikelschutz-Grundsatz im Bereich der Leistungsschutzrechte Aufgrund ihrer gemeinsamen Rechtsnatur als den mit dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten, die einen besonderen unternehmerischen Aufwand sichern, kann vorliegend davon ausgegangen werden, dass die Überlegungen des BGH bezüglich des Tonträgerherstellungsrechts (§ 85 UrhG) auch auf die Schutzrechte des Veranstalters (§ 81 UrhG), des Sendeunternehmens (§ 87 UrhG) und des Filmherstellers (§§ 94, 95 UrhG) übertragen werden können.36 Fraglich erscheint allerdings, ob Gleiches auch für den Lichtbildschutz (§ 72 UrhG) gelten kann. Denn dieser gehört zwar auch zu den mit dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten. Sein Inhalt bestimmt sich wegen des Verweises auf die Lichtbildwerke in § 72 Abs. 1 UrhG jedoch grundsätzlich nach dem des Urheberrechts.37 Insofern steht hier prinzipiell immer noch die Frage im Raum, ob wegen des zwingenden Erfordernisses der selbständigen Schutzfähigkeit eines Werkteils zur Beeinträchtigung des Vervielfältigungsrechtes am Ursprungswerk, hier nur Lichtbildteile bestimmten Umfangs dem ausschließlichen Vervielfältigungsrecht nach 33
„Schwierigkeiten bei der Feststellung und dem Nachweis einer Rechtsverletzung können aber kein Grund für eine Einschränkung des Rechtsschutzes sein.“ (vgl. BGH ZUM 2009, 219, 222 – Metall auf Metall). 34 Vgl. BGH ZUM 2009, 219, 222 – Metall auf Metall. 35 Inwiefern der Schutzbereich des Vervielfältigungsrechts jedoch ggf. (nachträglich) durch § 24 UrhG eine Einschränkung erfährt siehe unten: „Korrekturfunktion des § 24 UrhG“, Kapitel 6, S. 339. 36 Zum Schutz von kleinsten Teilen einer Filmaufzeichnung mit ähnlicher Begründung vgl. insbesondere BGH GRUR 2008, 693, 697 – TV-Total. 37 Vgl. Rehbinder, UrhR, Rn. 839.
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
§§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16, 72 UrhG unterstehen. Aufgrund seiner leistungsschutzrechtlichen Natur finden die Anforderungen an die Individualität einer Werkschöpfung nach § 2 Abs. 2 UrhG jedoch auf Lichtbilder gerade keine entsprechende Anwendung. Dies muss letztlich auch für die Beurteilung etwaiger Lichtbildteile gelten. Denn nach dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen, auch all jene Fotografien vor einem unberechtigten Zugriff Dritter zu schützen, denen weder eine handwerkliche noch eine schöpferische Leistung zugrunde liegt,38 soll – in Abgrenzung zum Lichtbildwerk – ja gerade die rein technische Herstellungsleistung zur Begründung des Schutzrechtes genügen. Der unternehmerische Aufwand und die anfallenden Investitionskosten mögen im Rahmen einer Lichtbildherstellung zwar tendenziell geringer ausfallen. Jedoch stellt sich auch die Herstellung eines Lichtbildes als urheberrechtlich geschützte, einheitliche unternehmerische Leistung dar, die sich jeweils auf das gesamte Lichtbild erstreckt. Mit den Worten des BGH existiert daher auch beim Lichtbild praktisch kein Teil, für den die vom UrhG geschützte technische Leistung des Lichtbildners nicht erbracht wird und der daher nicht geschützt wäre. Insofern wird das Vervielfältigungsrecht des Fotografen auch durch die Übernahme kleinster Lichtbildteile tangiert.39 Schließlich müssen die vorstehenden Überlegungen konsequenterweise auch entsprechend für das Vervielfältigungsrecht des ausübenden Künstlers (§ 77 UrhG) gelten. Zwar war auch in diesem Fall bislang umstritten, wie groß der übernommene Darbietungsteil sein muss, um noch von einer Vervielfältigung sprechen zu können,40 bzw. ob der künstlerische Eigenwert der Darbietung auch in dem entlehnten Teil (mit-) enthalten sein muss41 . Sobald es sich bei der verwendeten Quelle jedoch insgesamt um eine urheberrechtlich geschützte Darbietung i. S. d. § 77 UrhG handelt,42 muss in stringenter Fortführung der Überlegungen des BGH letztlich auch die Übernahme eines Teils hiervon als Vervielfältigung i. S. d. § 16 UrhG angesehen werden. Der vom BGH für das Tonträgerherstellungsrecht aufgestellte „PartikelschutzGrundsatz“ ist somit nach der hier vertretenen Auffassung auch auf Lichtbilder und urheberrechtlich geschützte Darbietungen und damit grundsätzlich auf alle verwandten Schutzrechte gleichermaßen anzuwenden. Somit stellt also jegliche Übernahme eines leistungsschutzrechtlich geschützten Medieninhalts eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigungshandlung dar, die grundsätzlich mindestens der Zustimmung des jeweiligen Leistungsschutzberechtigten bedarf. Erfüllt der entlehnte Teil außerdem die Schutzvoraussetzungen des § 2Abs. 2 UrhG, sind dieVervielfältigungsrechte an den vorbestehenden Werken zusätzlich betroffen. Unbillige Ergebnisse in der Praxis sind hierdurch indessen nicht zu befürchten. Denn sofern sich die konkrete 38
Vgl. AmtlBegr. in: Schulze, Materialien zum Urheberrechtsgesetz, S. 418 und 531. Ebenso Dreier/Schulze, § 72 Rn. 15. 40 Vgl. zum Streitstand Loewenheim/Vogel, § 38 Rn. 43 und 65. 41 So Rüll, Allgemeiner und urheberrechtlicher Persönlichkeitsrechtsschutz des ausübenden Künstlers, S. 129; vgl. ergänzend zum Streitstand Schricker/Krüger, § 77 Rn. 9. 42 Zu den Schutzvoraussetzungen und den diesbezüglichen Meinungsstreitigkeiten vgl. ausführlich Loewenheim/Vogel, § 38 Rn. 38 ff. 39
A. Verwertungsrechte
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Leistungsübernahme tatsächlich nur auf einen minimalen Teil des ursprünglichen Leistungsergebnisses erstreckt, kann dem hierdurch eingeschränkten Schutzumfang des Ausschnitts im Rahmen der Prüfung der Schrankenregelungen der §§ 44 a ff. UrhG bzw. der freien Benutzung nach § 24 UrhG im Einzelfall angemessen Rechnung getragen werden.
2. Einschlägige Nutzerhandlungen Durch die Erzeugung von UGC wird das Vervielfältigungsrecht i. S. d. § 16 UrhG durch mehrere Nutzerhandlungen berührt.
a) Originäre und derivative Erzeugungsvorgänge Zunächst liegt in jedem vom Nutzer zur Herstellung eines wahrnehmbaren elektronischen Medieninhalts durchgeführten Aufzeichnungsvorgang43 (z. B. im Wege der Digitalisierung mittels Scanner, Digitalkamera o. Ä., dem Abruf und der Kopie einer digitalen Inhaltsdatei aus dem Internet in den Arbeitsspeicher oder deren Download auf eine Festplatte oder einen anderen Wechseldatenträger) eine Vervielfältigung fremder Leistungsergebnisse.44 Denn hierbei wird stets eine (erstmalige oder erneute) körperliche Festlegung der fremden Inhalte hergestellt, die dazu dient, mit menschlichen Sinnen wahrgenommen zu werden. Während es zur Beurteilung der Beeinträchtigung des Vervielfältigungsrechts bei der originären Nutzeraufzeichnung fremder Werke im Ergebnis stets darauf ankommt, ob der konkret aufgezeichnete Teil selbst urheberrechtlichen Schutz genießt, ist aufgrund des erwähnten PartikelschutzGrundsatzes bei der Übernahme fremder Aufzeichnungen – unabhängig vom Umfang der Entlehnung – in jedem Fall ein Eingriff in das Vervielfältigungsrecht aller beteiligten Leistungsschutzberechtigten anzunehmen. Stellt der übernommene Werkteil darüber hinaus (noch) eine persönlich geistige Schöpfung dar, ist zusätzlich auch das Verwertungsrecht des Urhebers des verwendeten Werkes betroffen. Auch die vom Nutzer im Anschluss an den Aufzeichnungsvorgang häufig vorgenommenen unterschiedlichen Veränderungs-, Kombinations- und Verbindungshandlungen45 an den fremden Leistungsinhalten bringen regelmäßig zahlreiche Vervielfältigungen mit sich. Denn sowohl die Übertragung der Nutzeraufzeichnung auf seinen PC als auch das für deren Bearbeitung notwendige Laden der Datei in den Arbeitsspeicher oder die erneute Speicherung des Bearbeitungsergebnisses auf dem 43
Siehe dazu oben: „Übernahme fremder Werke und Leistungen“, Kapitel 4, S. 80. G.h.M., vgl. Schricker/Loewenheim, § 16 Rn. 18; Wandtke/Bullinger/Heerma, § 16 Rn. 13; Dreier/Schulze, § 16 Rn. 7, jeweils m.w.N. sowie ausführlich zu weiteren urheberrechtsrelevanten Vorgängen im digitalen Umfeld Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 55 ff. 45 Siehe dazu oben: „Verwendung fremder Werke und Leistungen“, Kapitel 4, S. 79 ff. 44
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
Server, der Festplatte des PCs oder einem anderen Datenträger, wie z. B. CD, DVD, USB-Stick o. Ä., stellen allesamt Vervielfältigungshandlungen dar.46 b) Dateieinbindung mittels Hyperlinks Eine Vervielfältigung liegt dagegen nicht in der Verwendung von Hyperlinks, durch die der Nutzer auf andere, urheberrechtlich geschütztes Material enthaltende Webseiten und/oder deren Dateien verweist.47 Stellt der Nutzer zur Erzeugung seines Medienbeitrags also keinerlei Aufzeichnung einer bereits bestehenden Fremdaufzeichnung her, sondern bindet eine fremde Inhaltsdatei „nur“ mittels Inline-Link oder Framing in seinen eigenen Webauftritt ein, ist dies nicht als Vervielfältigung i. S. v. § 16 UrhG zu qualifizieren. Denn durch die Installation eines Hyperlinks wird eine Vervielfältigungshandlung zwar ermöglicht, aber noch nicht vollzogen; dies geschieht frühestens, wenn der gesetzte Link durch einen anderen Nutzer aktiviert wird.48 c) Beitragsbereitstellung (Uploading) Anders verhält es sich jedoch mit der für die Entstehung von UGC zwingend erforderlichen Veröffentlichungshandlung des Nutzers, die in einer elektronischen Bereitstellung seines autonom erzeugten Medienbeitrags auf einen Internet-Server (Uploading) besteht. Denn hierbei erfolgt im Ergebnis immer eine Festlegung der in der nutzergenerierten Mediendatei enthaltenen fremden Werke und Leistungen auf dem Datenspeicher eines Internet-Servers, von wo aus diese anschließend jedem Internetnutzer zur mittelbaren Wahrnehmung zur Verfügung stehen. Unabhängig von dem zur Übermittlung der Inhaltsdaten genutzten Verfahren oder der vom Nutzer zur Veröffentlichung gewählten Webseiten- bzw. Plattform-Art erfolgt also auch beim Heraufladen des UGC ins Internet stets eine weitere urheberrechtlich relevante Vervielfältigung.49 46 Allg. Ansicht, vgl. etwa Schricker/Loewenheim, § 16 Rn. 16 ff.; inwieweit einzelne dieser zur Festlegung der umgestalteten Fassung notwendigen Vervielfältigungshandlungen jedoch von der durch § 23 S. 2 UrhG gewährten „Herstellungsfreiheit“ gedeckt sind, vgl. unten: „Bearbeitungsrecht – § 23 UrhG“, Kapitel 5, S. 139. 47 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 16 Rn. 24 m.w.N. sowie ausführlich zur urheberrechtlichen Einordnung von Hyperlinks Ott, Linking und Framing, S. 321 ff. 48 Vgl. BGH GRUR 2003, 958, 961 f. – Paperboy; Wandtke/Bullinger/Heerma, § 16 Rn. 16. 49 So die g.h.M., vgl. etwa Schricker/Loewenheim, § 16 Rn. 23; Wandtke/Bullinger/Heerma, § 16 Rn. 14; Dreier/Schulze, § 16 Rn. 7, jeweils m.w.N. sowie ausführlich zu weiteren internetspezifischen Datenübertragungsvorgängen Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 79 ff.; a.A. neuerdings LG München, ZUM 2009, 788 ff. – myvideo, das unzutreffend davon ausgeht, dass der Schutzbereich des § 16 UrhG gar nicht erst betroffen sei, weil die Vervielfältigung beim Upload eines Werkes auf einen Server durch § 19 a UrhG „konsumiert“ werde und deshalb bereits keinen eigenständigen Eingriff bilde. Gegen diese, aus rechtsdogmatischen Gründen abzulehnende Entscheidung siehe ausführlich Jani, ZUM 2009, 722 ff.
A. Verwertungsrechte
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II. Aufnahmerecht i. S. d. §§ 77, 87 UrhG Bedient sich der Nutzer zur Herstellung seines Medieninhalts nicht (nur) einer bereits bestehenden Fremdaufzeichnung, sondern fertigt er (zumindest auch)50 eine originäre Aufzeichnung fremder Werke und Leistungen an, greift er hierdurch ggf. auch in das – neben der Vervielfältigung gesondert geregelte – Aufnahmerecht verschiedener Leistungsschutzberechtigter ein. 1. Allgemeines Das ausschließliche Aufnahmerecht steht nach dem Urheberrechtsgesetz insgesamt drei leistungsschutzberechtigten Personengruppen zu. a) Aufnahmerecht des ausübenden Künstlers Zunächst gewährt das Gesetz in § 77 Abs. 1 UrhG ausübenden Künstlern das ausschließliche Recht der Einwilligung in die Aufnahme ihrer Darbietung auf Bildoder Tonträger, um ihnen die Kontrolle über den unmittelbaren Wirkungsbereich ihrer Darbietungen51 zu sichern. Aufgrund des immaterialgüterrechtlichen Charakters des Interpretenrechts bedeutet dies nichts anderes, als das Recht, die erstmalige körperliche Fixierung einer geschützten Darbietung gestatten zu können, gleich, ob die Aufnahme unmittelbar oder mittelbar erfolgt.52 Mit welchen technischen Mitteln dies geschieht, ist ebenfalls unbeachtlich.53 Entscheidend ist, dass die als solche vergängliche Darbietung durch die Festlegung wiederholbar gemacht wird. Deshalb ist die erste Aufzeichnung des Signals einer Live-Sendung ebenso eine Aufnahme i. S. v. § 77 UrhG wie die Fixierung auf einem digitalen Datenträger.54 Immer muss jedoch eine Aufnahme der Darbietung als solche erfolgen, nicht nur eine des ausübenden Künstlers anlässlich seiner Darbietung, z. B. durch eine Fotografie.55 Denn ein Foto vermag stets nur ein einzelnes Bild (wiederholt) wiederzugeben. Mangels Wiedergabemöglichkeit einer Bild-Folge fällt das Foto also bereits nicht unter den Begriff des Bildträgers i. S. d. §§ 77, 16 Abs. 2 UrhG, so dass § 77 Abs. 1 UrhG insoweit keine Anwendung findet. 50 Wie bereits erwähnt, stellt eine reine Originäraufzeichnung eines Werkes bei UGC eher die Ausnahme dar. Häufig sind aufgrund der Kumulation mehrer Schutzrechte bzw. durch die Aufzeichnung der zur Werkvermittlung erforderlichen Darbietungen und sonstigen Leistungen mehrere Verwertungsrechte gleichzeitig betroffen. So z.B. bei der Aufzeichnung eines „Playbacks“ beim Mitschnitt einer Konzertveranstaltung oder einer Live-Sendung. 51 Vgl. Dreier/Schulze, § 77 Rn. 1 mit Bezug auf Schricker/Vogel, § 75 Rn. 1 und 2. 52 Vgl. Loewenheim/Vogel, § 38 Rn. 63. 53 Vgl. Dreier/Schulze, § 77 Rn. 4. 54 Vgl. Schricker/Krüger, § 77 Rn. 6. 55 Vgl. Schricker/Krüger, § 77 Rn. 7; Dreier/Schulze, § 77 Rn. 4, beide m.w.N.
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
b) Aufnahmerecht des Veranstalters Für den Fall, dass die Darbietung des ausübenden Künstlers von einem in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht verantwortlichen Unternehmen veranstaltet wird, verfügt auch dieses als Veranstalter gemäß § 81 UrhG über ein eigenständiges, von dem des Interpreten unabhängiges Aufnahmerecht i. S. d. § 77 Abs. 1 UrhG.56 Da das Gesetz dem Veranstalter grundsätzlich die gleichen Verwertungsrechte gewährt, wie dem Interpreten57 , gelten hinsichtlich der tatbestandlichen Merkmale der Aufnahme die vorstehenden Ausführungen hierzu entsprechend. § 81 UrhG kommt jedoch nur dort zur Anwendung, wo es um eine veranstaltete Darbietung i. S. d. § 73 UrhG, d. h. um einen Vortrag oder eine Aufführung eines grundsätzlich urheberrechtlich schutzfähigen Werkes oder einer Ausdrucksform der Volkskunst (folkloristische Darbietung) geht.58 Ein Aufnahmerecht des Veranstalters besteht mithin nur für veranstaltete Live-Darbietungen, die nach wohl h. M. sowohl öffentlich59 sein als auch vor einem Publikum60 stattfinden müssen. Ein ausschließliches urheberrechtliches Aufnahmerecht steht somit bspw. weder den Organisatoren von Filmvorführungen, Sport- oder Zirkusereignissen noch solchen von rein privaten Veranstaltungen zu.61
c) Aufnahmerecht des Sendeunternehmens Schließlich steht auch Sendeunternehmen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG für ihre investitionsintensive technische und wirtschaftliche Leistung ein eigenständiges Aufnahmerecht bezüglich der von ihnen veranstalteten bzw. durchgeführten Funksendungen zu. Auch hier wird unter einer Aufnahme die erste Festlegung der sich flüchtig vollziehenden Rundfunkausstrahlung auf Bild- oder Tonträger verstanden.62 Nach dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich mit eingeschlossen ist darüber hinaus die Anfertigung (auch nur) einzelner Lichtbilder einer Sendung. Der Schutz bezieht sich also sowohl auf den Ton- wie auch den Bildteil einer Sendung, wobei der Programminhalt für die Entstehung des Leistungsschutzrechts unerheblich ist.63 Es kommt daher nicht darauf an, ob an dem ausgestrahlten Sendegut seinerseits Urheber- oder 56
Vgl. Schricker/Krüger, § 81 Rn. 1. Vgl. Möhring/Nicolini/Kroitzsch, § 81 Rn. 1. 58 Vgl. Dreier/Schulze, § 81 Rn. 3; Schricker/Vogel, § 81 Rn. 16; Möhring/Nicolini/Kroitzsch, § 81 Rn. 3. 59 So Dreier/Schulze, § 81 Rn. 3; Fromm/Nordemann/Hertin, § 81 Rn. 4; Schricker/Vogel, § 81 Rn. 18; Wandtke/Bullinger/Büscher, § 81 Rn. 5, jeweils m.w.N. 60 So Möhring/Nicolini/Kroitzsch, § 81 Rn. 4; Schricker/Vogel, § 81 Rn. 17; Fromm/Nordemann/ Hertin, § 81 Rn. 4; Dreier/Schulze, § 81 Rn. 3 sowie Wandtke/Bullinger/Büscher, § 81 Rn. 5; a.A. Möhring/Nicolini/Kroitzsch, § 81 Rn. 4. 61 Vgl. Dreier/Schulze, § 81 Rn. 3. 62 Vgl. Loewenheim/Flechsig, § 41 Rn. 34. 63 Allg. Meinung vgl. Dreier/Schulze, § 87 Rn. 11; Schricker/v. Ungern-Sternberg, § 87 Rn. 28 m.w.N.; Schack, UrhR, Rn. 629. 57
A. Verwertungsrechte
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Leistungsschutzrechte bestehen.64 Dem Sendeunternehmen steht daher auch ein ausschließliches Aufnahmerecht bezüglich ausgestrahlter ungeschützter Mitteilungen, wie z. B. Wetterberichten und Lottoergebnissen, oder sonstiger schutzloser Programminhalte zu.65 Aufgrund des vom BGH zum Tonträgerherstellungsrecht aufgestellten Partikelschutz-Grundsatzes66 ist nach hier vertretener Auffassung auch im Falle des unternehmerischen Leistungsschutzrechts des Sendeunternehmens – das einen rein vermögensrechtlichen Charakter, d. h. keinerlei persönlichkeitsrechtlichen Gehalt aufweist67 – von einem umfassenden Schutz der konkreten Funksendung auszugehen. Das Sendeunternehmen wird daher grundsätzlich auch gegen eine unautorisierte Aufnahme nur kleinster Teile seiner Funksendung geschützt.68
d) Aufnahmerecht der Online-Programmanbieter Nicht abschließend geklärt ist bislang jedoch die Frage, in welchen Fällen ein Sendeunternehmen bei Übermittlung seines Programms via Internet in den Genuss des Leistungsschutzrechts nach § 87 UrhG kommt. Gemäß §§ 87 Abs. 1 Nr. 1, 19 a UrhG steht einem Sendeunternehmen nun zwar ausdrücklich auch das Recht zu, seine Sendung bzw. Mitschnitte hiervon öffentlich zugänglich zu machen. Damit obliegt es folglich allein dem Sendeunternehmen darüber zu entscheiden, ob seine Rundfunksendungen in Datenbanken gespeichert und ob sie über das Internet „ausgesandt“ werden sollen.69 Dies beantwortet jedoch noch nicht die Frage, ob die hierdurch möglichen Formen der Programmübermittlung selbst unter den Begriff der Funksendung fallen. Das Vorliegen einer Funksendung i. S. v. § 87 UrhG ist aber zentrale Voraussetzung für die Entstehung des originären Leistungsschutzrechts und damit auch für den Bestand eines Aufnahmerechtes bezüglich des Programminhalts bei dessen Übermittlung über das Internet. Denn vom Schutzgegenstand des § 87 UrhG werden ausschließlich solche Funksendungen erfasst, die den Begriff des Sende-
64 Vgl. hierzu insb. OGH GRUR Int. 1991, 653 f. – Oberndorfer Gschichtn, für den parallelen § 76a öUrhG. 65 Vgl. Dreier/Schulze, § 87 Rn. 11. 66 Vgl. dazu BGH ZUM 2009, 219, 220 – Metall auf Metall sowie die Ausführungen oben: „Vervielfältigungsrecht i.S.v. § 16 UrhG“, S. 117 ff. 67 Vgl. hierzu bereits v. Gamm, UrhG, Einf. Rn. 37. 68 Ebenso von Münchhausen, Der Schutz der Sendeunternehmen, S. 146 f.; mit Blick auf die von Dreier zur vergleichbaren Situation des Lichtbildschutzes und dem Tonträgerherstellungsrecht vertretene Ansicht inkonsequent a.A. Dreier/Schulze, § 87 Rn. 12, der hier für einen Eingriff einen gewissen Mindestumfang des übernommen Sendeteils verlangt; ähnlich Schricker/v. Ungern-Sternberg, § 87 Rn. 29, der die zum Schutz einzelner Lichtbilder der Sendung getroffene Sonderregelung in § 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG als Argument heranzieht. Vielmehr ist es jedoch umgekehrt; mit der genannten Klarstellung wollte der Gesetzgeber gerade den umfassend gewährten leistungsschutzrechtlichen Schutz – zumindest bezüglich der Funksendung selbst – verdeutlichen. 69 Vgl. Dreier/Schulze, § 87 Rn. 15.
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
rechts i. S. v. § 20 UrhG erfüllen.70 Gemäß § 20 UrhG ist das Senderecht das Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehfunk, Satellitenfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In Abgrenzung zur öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19 a UrhG liegt eine Funksendung daher nur dann vor, wenn i. S. v. § 20 UrhG gesendet wird, nicht hingegen, wenn die Inhalte von ihren Empfängern nach freier Wahl jederzeit (auch mehrfach) abgerufen werden können.71 Vom Leistungsschutzrecht nach § 87 UrhG ausgeschlossen sind daher mangels gleichzeitiger Öffentlichkeit i. S. d. § 15 Abs. 3 UrhG bereits all jene Anbieter von Abrufdiensten, bei denen nur durch mehrfache, auf Einzelabruf hin durchgeführte Übertragungen insgesamt eine Öffentlichkeit angesprochen wird.72 Hierzu zählen insbesondere die reinen On-Demand-Dienste,73 wie z. B. das klassische Video-on-Demand in Form einer Online-Videothek oder Videoplattform (z. B. YouTube) sowie das Angebot von Audio- oder Video-Podcasts.74 Als Funksendung durch „ähnliche technische Mittel“ werden vom Senderecht jedoch alle Arten von Sendungen im Internet erfasst, die zu einem vom Sendenden bestimmten Zeitpunkt zugleich an eine Öffentlichkeit gerichtet sind. Denn als Verwertungsrecht bezieht sich § 20 UrhG nicht auf technische Vorgänge als solche, sondern auf Vorgänge der Werknutzung durch eine zeitgleiche Werkwiedergabe an die Öffentlichkeit zu einem von dem Sendenden bestimmten Zeitpunkt.75 Technisch lässt sich dies heute mithilfe des bereits erwähnten Streamings76 realisieren, bei der ein laufendes Programm (fast) in Echtzeit über das Internet an eine Öffentlichkeit übertragen werden kann. Der Nutzer hat hierbei die Möglichkeit, sich durch Abruf in das laufende Programm einzuschalten, ohne jedoch Einfluss auf das Programm selbst oder dessen zeitliche Abfolge nehmen zu können. Er kann also nur bestimmen, ob eine Übertragung (auch an ihn) stattfinden soll.77 Insofern kann das Zugreifen des Nutzers auf den Programm-Stream hier praktisch dem Einschalten eines Empfangsgeräts bei herkömmlichen Rundfunksendungen gleichgesetzt werden.78 Erfolgt eine 70
G.h.M. vgl. etwa Wandtke/Bullinger/Ehrhardt, § 87 Rn. 14; Schricker/v. Ungern-Sternberg, § 87 Rn. 20. 71 So auch Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 19 a Rn. 34. 72 Allg. Meinung vgl. etwa Schricker/v. Ungern-Sternberg, § 20 Rn. 9; Wandtke/Bullinger/ Ehrhardt, §§ 20–20b Rn. 13; Dreier/Schulze, § 20 Rn. 13. 73 Vgl. dazu im Einzelnen ausführlich Wandtke/Bullinger/Bullinger/Ehrhardt, § 19 a Rn. 34 und §§ 20–20b Rn. 11 ff. 74 Aufgrund der mitunter sehr kurzen Ausstrahlungsabstände der Inhalte bei sog. „Near-Video-onDemand-Angeboten“ (z.B. das in „Sendungs-Schleifen“ ausgestrahlte ARD-Programm „EinsPlus“) ist deren urheberrechtliche Einordnung weiterhin umstritten. Da diese Übermittlungsart bei der Erzeugung von UGC jedoch typischerweise nur von untergeordneter Bedeutung ist, soll hierauf nicht näher eingegangen werden. Siehe ausführlich zum Streitstand Wandtke/Bullinger/Ehrhardt, §§ 20–20b Rn. 11 ff. 75 Vgl. Schricker/v. Ungern-Sternberg, § 20 Rn. 45. 76 Siehe näher hierzu Bortloff, GRUR Int. 2003, 669 f. sowie Büscher/Müller, GRUR 2009, 558 ff. 77 Vgl. Schricker/v. Ungern-Sternberg, Vor §§ 20 ff. Rn. 7. 78 Vgl. Castendyk, MMR 2000, 294, 295.
A. Verwertungsrechte
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solche Internet-Übertragung nun zeitgleich mit der herkömmlichen Ausstrahlung des Programms im Rundfunk, spricht man auch von „Simulcasting“, während eine ausschließliche Internet-Ausstrahlung als „Webcasting“ bezeichnet wird.79 Hierunter fallen nach g. h. M.80 insbesondere das Internet-Radio (Webradio) und das Internet-TV (Web-TV ) sowie vergleichbare Formen der linearen Internetübertragung gesendeter Rundfunkprogramme. Deren Anbieter veranstalten folglich eine Funksendung i. S. v. § 87 UrhG, so dass auch ihnen ein selbständiges Aufnahmerecht bezüglich ihres ausgestrahlten Programminhalts zukommt. 2. Einschlägige Nutzerhandlungen Im Rahmen der Erstellung von UGC kann in die vorstehend beschriebenen Aufnahmerechte – aufgrund deren gemeinsamer Voraussetzung der körperlichen Erstfixierung – praktisch nur durch eine originäre Nutzeraufzeichnung81 eingegriffen werden. Das geschieht grundsätzlich immer, wenn der Nutzer eine eigenständige Aufzeichnung einer unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbaren künstlerischen Live-Darbietung oder Sendung vornimmt. a) Originäre Aufzeichnung fremder Werkinterpretationen Denkbar ist dies zum einen, indem der Nutzer bspw. mit seinem Kamera-Handy an einem privaten oder öffentlich zugänglichen Ort eine digitale Video-Aufnahme einer singenden, tanzenden, spielenden oder in sonstiger Weise an einer geschützten Darbietung künstlerisch mitwirkenden Person herstellt. Da es für die Entstehung der Leistungsschutzrechte der §§ 74 ff. UrhG nach der inzwischen wohl h. M.82 nicht (mehr) erforderlich ist, dass das dargebotene Werk die nach § 2 Abs. 2 UrhG erforderliche Schöpfungshöhe erreicht und damit selbst urheberrechtlich geschützt ist, sondern nur eine „Interpretation eines Werkes“ vorliegen muss, hat sich der Schutzbereich hier deutlich erweitert.83 Zwar ist nicht schon jede Aufführung, jedes Singen oder Spielen eine Darbietung i. S. v. § 73 UrhG.84 Denn eine Interpretation ist grundsätzlich nur bei einer künstlerischen Werkwiedergabe gegeben, durch die dem Hörer oder Betrachter ein „die Stimmung, das Empfinden, das Gefühl 79
Vgl. hierzu auch Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 19 a Rn. 34. Vgl. Loewenheim/Flechsig, § 41 Rn. 45; Wandtke/Bullinger/Manegold, Vor §§ 88 ff. Rn. 40; Schricker/v. Ungern-Sternberg, § 20 Rn. 45. 81 Siehe dazu oben: „Originäre Nutzeraufzeichnung“, Kapitel 4, S. 80 f. 82 So schon Möhring/Nicolini/Kroitzsch, § 73 Rn. 3, vgl. ferner Wandtke/Bullinger/Büscher, § 73 Rn. 4; Dreier/Schulze, § 73 Rn. 8 und nun auch Schricker/Krüger, § 73 Rn. 10 f. u.a. mit Hinweis auf die vom Gesetzgeber vorgenommene Erweiterung des Schutzbereichs auf die Folklore. 83 Mitunter wird sogar gefordert, von der zwingenden Werkinterpretation gänzlich Abstand zu nehmen und den Schwerpunkt der Schutzfunktion der §§ 73 ff. UrhG auf die Art und Weise der künstlerischen Darbietung zu verlagern (siehe hierzu Schricker/Krüger, § 73 Rn. 11 f. m.w.N.). 84 Vgl. Dreier/Schulze, § 73 Rn. 10. 80
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
oder die Phantasie anregender Sinneseindruck“85 vermittelt wird. Ausreichend ist jedoch bereits ein Minimum an eigenpersönlicher künstlerischer Ausprägung,86 so dass auch in diesem Bereich die sog. kleine Münze Schutz genießt.87 Eine schlichte Übermittlung von Sachinformationen (wie z. B. bei Nachrichtensprechern) soll dieser Voraussetzung hingegen nicht mehr genügen.88 Demnach verletzt bspw. eine vom Nutzer vorgenommene Aufzeichnung von Artisten und Varietékünstlern89 (wie z. B. Clowns, Akrobaten, Zauberkünstlern etc.) sowie Sportlern90 (z. B. im Fußballstadion) bereits mangels Werkdarbietung in aller Regel keine urheberrechtlichen Leistungsschutzrechte.91 Demgegenüber ist vorliegend jedoch davon auszugehen, dass de lege lata das Aufnahmerecht eines ausübenden Künstlers nach § 77 Abs. 1 UrhG bspw. beim Abfilmen eines Straßenmusikanten, einer Schüler-Band oder ähnlicher, im Alltag anzutreffender persönlicher (Amateur-)Darbietungen ebenso berührt wird, wie bei der Aufnahme professioneller Tanz- und Theateraufführungen oder traditioneller Pop- und Rock-Konzerte.
b) Audio- und Video-Aufnahmen im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen Häufig befindet sich der Nutzer – wie in den zuletzt genannten Fällen – während der Anfertigung seiner Darbietungs-Aufzeichnung zudem auf einer öffentlichen Veranstaltung, deren Vorbereitung und Durchführung ein gewisses Maß an organisatorischer und wirtschaftlicher, insbesondere finanzieller Investition92 erfordert. In diesen Fällen wird er durch seine Dokumentationshandlung i. d. R. zusätzlich in das ausschließliche Aufnahmerecht des Veranstalters gemäß §§ 81, 77 Abs. 1 UrhG eingreifen. Dies gilt jedoch nicht für jede öffentliche Veranstaltung, bei der es zu 85
Vgl. BGH GRUR 1981, 419, 421 – Quizmaster. Vgl. BGH GRUR 1981, 419, 420 – Quizmaster; so auch Wandtke/Bullinger/Büscher, § 73 Rn. 7; Schricker/Krüger, § 73 Rn. 25; Dreier/Schulze, § 73 Rn. 11. 87 Vgl. hierzu insb. Schricker/Büscher/Loewenheim, § 73 Rn. 25 und § 2 Rn. 38–40 m.w.N. 88 Vgl. hierzu den Präzedenzfall LG GRUR 1976, 151 – Rundfunksprecher sowie im Anschluss daran BGH GRUR 1981, 419, 420 – Quizmaster. 89 Vgl. hierzu insb. LG Berlin AfP 1988, 168 – Trickkünstler. 90 So im Ergebnis auch Laier, Die Berichterstattung über Sportereignisse, S. 135; zu Fußballspielern vgl. auch Winter, ZUM 2003, 531, 535 sowie OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 181 ff. 91 Im Hinblick auf Sportarten, denen eine Choreographie zugrunde liegt, wie z.B. dem Tanzsport, Eiskunstlauf oder Dressurreiten, gehen die Meinungen auseinander. Zutreffend gegen eine Einbeziehung mangels Werkcharakter i.S.d. § 2 UrhG insb. Schricker/Krüger, § 73 Rn. 10 m.w.N. und wohl auch Wandtke/Bullinger/Büscher, § 73 Rn. 16 sowie Laier, Die Berichterstattung über Sportereignisse, S. 135; dafür jedoch Dreier/Schulze, § 73 Rn. 12 und Möhring/Nicolini/Kroitzsch, § 73 Rn. 10 sowie weitergehend Fromm/Nordemann/Hertin, § 73 Rn. 17. 92 Ob der Veranstalter zusätzlich ein wirtschaftliches Auswertungsrisiko, d.h. die Ungewissheit über dieAmortisation derVeranstaltungskosten, übernehmen muss, ist umstritten. Dafür Schricker/Vogel, § 81 Rn. 24 teilweise wohl auch Möhring/Nicolini/Kroitzsch, § 81 Rn. 5; zu Recht a.A. Dreier/Schulze, § 81 Rn. 4; ähnlich Wandtke/Bullinger/Büscher, § 81 Rn. 9; Fromm/Nordemann/Hertin, § 81 Rn. 6. 86
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einer künstlerischen Darbietung i. S. v. § 73 UrhG vor einem Publikum kommt. Denn nach umstrittener, aber zutreffender Ansicht ist die Anwendung des § 81 UrhG auf solche Veranstaltungen zu beschränken, deren primärer Veranstaltungszweck in der Werkvermittlung liegt,93 d. h. bei denen die Live-Darbietung des ausübenden Künstlers im Vordergrund steht. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Danach ist es die „Darbietung des ausübenden Künstlers“, die von einem Unternehmen veranstaltet werden muss,94 so dass diesem Tatbestandsmerkmal bei der Bestimmung des Schutzgegenstands entscheidendes Gewicht zukommen muss. Nicht zuletzt in Anbetracht des weitreichenden Schutzes, der Veranstaltern im Allgemeinen bereits durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB, durch § 826 BGB sowie durch § 3 i. V. m. § 4 Nr. 9 UWG zukommt, kann davon ausgegangen werden, dass nach der Intention des Gesetzgebers95 nur solche Veranstaltungen von § 81 UrhG privilegiert werden sollten, bei denen die Darbietung des Interpreten nicht nur der Umrahmung oder Untermalung dient.96 Die (hauptsächliche) Veranstaltung kulturunabhängiger Events, wie z. B. Jubiläen, Industriemessen, Sportereignisse oder sonstige Festakte oder Verkaufsförderungsveranstaltungen, führt daher – auch wenn es in deren Verlauf zu einer geschützten Darbietung kommt – grundsätzlich nicht zur Entstehung eines urheberrechtlichen Leistungsschutzrechtes für deren Organisatoren. Aus leistungsschutzrechtlicher Sicht beeinträchtigte der Nutzer hier folglich nur das Aufnahmerecht der Interpreten. Bei Diskotheken und sonstigen Tanzveranstaltungen wird hingegen zu differenzieren sein. Auch hier gehören multimediale Nutzeraufzeichnungen mittlerweile zur allgegenwärtigen Praxis der jungen und technikaffinen Bevölkerungsschicht. Die Existenz eines eigenständigen Aufnahmerechts des Veranstalters hängt hier entscheidend davon ab, ob die dort auftretenden Personen, insbesondere die jeweils verpflichteten Discjockeys (DJs) und Live-Acts als ausübende Künstler i. S. v. § 73 UrhG einzustufen sind. Dabei ist ein Live-Auftritt eines Künstlers – insbesondere auch im Bereich der elektronischen Musik –, der mit Hilfe elektronischer Geräte gezielt die seinen Musikwerken97 zugrunde liegenden Klangeffekte erzeugt, ohne Weiteres unter den Begriff der künstlerischen Darbietung zu subsumieren.98 Die Einordnung eines DJs als Interpreten erscheint hingegen problematisch. Beschränkt sich dessen Tätigkeit lediglich auf die lückenlose Aneinanderreihung einzelner auf 93
So Schricker/Vogel, § 81 Rn. 19 und dem folgend Wandtke/Bullinger/Büscher, § 81 Rn. 6; a.A. Fromm/Nordemann/Hertin, § 81 Rn. 2 und 5. 94 So auch Möhring/Nicolini/Kroitzsch, § 81 Rn. 3. 95 Vgl. hierzu insb. die AmtlBegr. (UFITA 45 (1965), S. 240, 312), in der exemplarisch Theaterund Konzertveranstaltungen als Schutzgegenstände genannt werden. 96 Ebenso Loewenheim/Vogel, § 39 Rn. 5. 97 Zum urheberrechtlichen Schutz von neueren Musik-Formen vgl. Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 127; Loewenheim/Czychowski, § 9 Rn. 63 ff. sowie zur Schutzfähigkeit von Techno-Musik Rehbinder, UrhR, Rn. 177. 98 Vgl. hierzu bereits OLG Hamburg GRUR 1976, 708 – Staatstheater; siehe auch Schricker/Krüger, § 73 Rn. 29.
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
Tonträgern festgehaltener fremder Werkdarbietungen im Wege des (rein technischen) Plattenauflegens, erbringt dieser unstreitig keine eigenständige Darbietung.99 Im Bereich der Hip-Hop-, House- und Techno-Musik fügt der DJ die auf den verschiedenen Tonträgern festgelegten, oder digital gespeicherten Musikwerke jedoch sehr häufig vermittels eines ganzen Repertoires an Misch-Techniken zu einem nicht vorher festgelegten Klangerlebnis zusammen, dem mitunter selbst Werkcharakter zukommt.100 Dabei bedient er die jeweiligen Abspielgeräte (z. B. Plattenspieler, CD-Player, Notebook o. Ä.) und damit die einzelnen Werkinterpretationen sowie das multifunktionale Mischpult letztlich nach Art eines (neuartigen) Musikinstruments. Hierdurch entsteht im Zuhörerraum regelmäßig eine klangbezogene Erfahrung, die keinerlei dingliches Äquivalent in Form eines aus diesem Zusammenhang herauslösbaren „Stücks“, „Titels“ oder „Produkts“ mehr besitzt.101 Vor allem in der Techno-Kultur gilt der DJ deshalb als Musiker.102 Aufgrund des dem DJ grundsätzlich gegebenen, nicht unerheblichen interpretatorischen Spielraums, kann seine Tätigkeit in vorgenannten Fällen also durchaus eine Interpretationsleistung und damit eine eigenständige künstlerische Darbietung darstellen. Denn ob Klangeffekte mit Hilfe von herkömmlichen Instrumenten oder elektronischen Geräten erzielt werden, ist gemessen am Normzweck unerheblich.103 Ob das jeweilige DJ-Set tatsächlich das Merkmal „künstlerisch“ erfüllt, und dessen Aufzeichnung durch einen Nutzer damit in bestehende Verwertungsrechte des DJs sowie des ihn engagierenden Veranstalters eingreift, bleibt gleichwohl eine diffizile Tatfrage im Einzelfall. Bei etablierten und in der Szene anerkannten DJ-Größen wird diese jedoch häufig zu bejahen sein.
c) Herstellung von Sendungsmitschnitten Nutzergenerierte Medieninhalte werden schließlich auch aus Mitschnitten von Funksendungen hergestellt. Wie bereits erwähnt, fallen hierunter nicht nur die traditionellen Rundfunkmedien wie der Hörfunk (Radio) und das Fernsehen (TV), sondern auch verschiedene Internet-Streams. Greift der Nutzer eines dieser Sendesignale ab und stellt hiervon eine zur wiederholbaren Wiedergabe geeignete Aufnahme (z. B. mittels Kassetten-, CD-, MP3-, Video-, DVD-Recorder, Digitalkamera oder Aufnahme-Software) her, greift er hierdurch – unabhängig von Art und Umfang des Sendungsinhalts – u. a. in das Aufnahmerecht des übertragenden Anbieters gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG ein. Bei einem Programm-Mitschnitt aus dem Internet gilt dies jedoch nur dann, wenn der vom Nutzer aufgezeichnete Inhalt vom Anbieter an alle 99 Allgemeine Ansicht vgl. etwa Dreier/Schulze, § 73 Rn. 12; in Bezug auf § 81 UrhG vgl. auch Schricker/Vogel, § 81 Rn. 16. 100 So ausdrücklich Dreier/Schulze, § 73 Rn. 12; siehe hierzu auch Loewenheim/Czychowski, § 9 Rn. 70; Wandtke/Bullinger/Büscher, § 73 Rn. 17. 101 Vgl. Wicke, Von der diskursiven Konstruktion des Musikalischen, S. 421, 433. 102 Vgl. Kawohl/Kretschmer, Urheberrecht zwischen Melodieneigentum und Musikpraxis, S. 189, 209. 103 Vgl. Wandtke/Bullinger/Büscher, § 73 Rn. 17.
A. Verwertungsrechte
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teilnehmenden Empfänger gleichzeitig übermittelt wird. Auf die von den beliebten audio-visuellen UGC-Plattformen (wie z. B. MySpace, YouTube oderMyVideo) genutzten Stream-Technologien trifft dies aber bspw. nicht zu. Denn diese verwenden technisch i. d. R. das Verfahren des Unicast, bei dem jeder Teilnehmer den Stream eigens und nur für sich anfordert.104 Anders verhält es sich jedoch bei sog. LiveStreams, die häufig von konventionellen Rundfunkstationen angeboten werden. Sie stellen einen Simulcast dar, der als Sendung i. S. v. § 20 UrhG zu werten ist.105 Liegt dem ausgestrahlten Live-Stream darüber hinaus auch eine – ggf. im Rahmen einer geschützten Veranstaltung – vom ausübenden Künstler dargebotene Werkinterpretation zugrunde, ist neben dem Aufnahmerecht des Sendeunternehmens schließlich auch das des ausübenden Künstlers sowie ggf. das des Veranstalters zusätzlich betroffen.
III. Recht der öffentlichen Zugänglichmachung i. S. v. § 19 a UrhG Mit der für die Entstehung von UGC zwingend erforderlichen Veröffentlichung seines selbst erzeugten Medieninhalts im Internet beeinträchtigt der publizierende Nutzer regelmäßig auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung fremder Urheber und Leistungsschutzberechtigter i. S. v. § 19 a UrhG. 1. Allgemeines Mit § 19 a UrhG wird dem Urheber und – kraft entsprechender Formulierungen bzw. Verweise in den §§ 70 ff. UrhG – sämtlichen Leistungsschutzberechtigten das ausschließliche Recht gewährt, ihre geschützten Werke und Leistungsergebnisse dadurch zu nutzen, dass sie in Netzwerken, insbesondere im Internet, für Mitglieder der Öffentlichkeit zum interaktiven Abruf bereitgehalten werden. Das Gesetz umschreibt dies mit der technischen Besonderheit des Mediums, bei dem die geschützten Inhalte „Mitgliedern der Öffentlichkeit zu Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich“ sind.106
a) Übermittlung auf individuellen Abruf Unbeachtlich ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, ob die Übertragung der Daten dabei „drahtgebunden oder drahtlos“ erfolgt, d. h. welche Technik hierfür verwendet wird. Von § 19 a UrhG wird folglich jede individuelle Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werkes, einschließlich der Funkübertragung (wie 104
Vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 19 a Rn. 34. So auch Büscher/Müller, GRUR 2009, 558; zum Simulcasting siehe bereits oben: „Aufnahmerecht der Online-Programmanbieter“, S. 127 f. 106 Vgl. Dreier/Schulze, § 19 a Rn. 1. 105
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
z. B. bei WLAN107 , UMTS108 oder GPRS109 ), erfasst,110 sofern diese mit dem (frei wählbaren) Zeitpunkt des Empfängerabrufs beginnt.111
b) Bereitstellung zum Abruf durch die Öffentlichkeit Immer muss das geschützte Werk jedoch Mitgliedern der Öffentlichkeit zugänglich sein. Gemäß der Legaldefinition in § 15 Abs. 3 UrhG ist somit immer von einer öffentlichen Zugänglichmachung auszugehen, wenn die geschützten Inhalte von einer Mehrzahl von Personen abgerufen werden können, von denen mindestens eine112 weder mit demjenigen, der das Werk verwertet, noch mit anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehung verbunden ist. Eine rein technische Verbundenheit einzelner miteinander vernetzter Teilnehmer untereinander oder zu demjenigen, der das Werk zugänglich macht, reichen für die Schaffung einer persönlichen Verbundenheit und damit den Ausschluss der Öffentlichkeit nicht aus.113 Gleiches gilt für gleichgerichtete (ausschließlich) sachbezogene Interessen eines Personenkreises, wie z. B. gemeinsame berufliche, sportliche oder sonstige private Interessen.114 Da die maßgebliche Verwertungshandlung bei der öffentlichen Zugänglichmachung in dem Bereitstellen des Werkes zum interaktiven Abruf besteht, wird diese bereits in dem Moment begangen, in dem die technischen Voraussetzungen für einen Abruf des Werkes durch die Öffentlichkeit tatsächlich gegeben sind, d. h. eine Übermittlung theoretisch möglich ist. Ob sodann tatsächlich ein Abruf der verfügbaren Inhaltsdatei erfolgt, ist unerheblich.115
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DieAbkürzung „WLAN“ steht für „Wireless LocalArea Network“ und bezeichnet ein drahtloses, lokales Funknetz, das häufig für einen kabellosen Internetzugang genutzt wird. 108 Die Abkürzung „UMTS“ steht für „Universal Mobile Telecommunications System“, den Mobilfunkstandard der dritten Generation (3G), mit dem deutlich höhere Datenübertragungsraten von bis zu 7,2 Mbit/s möglich sind. 109 Die Abkürzung „GPRS“ steht für „General Packet Radio Service“, mit dem ein paketorientierter Übertragungsdienst im Bereich des Mobilfunks bezeichnet wird. 110 Vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 19 a Rn. 5. 111 Zur Abgrenzung zum Senderecht nach § 20 UrhG siehe bereits oben: „Aufnahmerecht der Online-Programmanbieter“, S. 127 f. 112 Für eine „Mehrzahl von Personen“ reichen grds. bereits zwei Personen aus (vgl. BGH GRUR 1996, 875, 876 – Zweibettzimmer im Krankenhaus). 113 Vgl. AmtlBegr. zum „1. Korb“, BT-Drucks. 15/38, S. 17. 114 Vgl. dazu insb. BGHZ 17, 376, 380 – Betriebsfeiern; BGH GRUR 1975, 33, 34 – Alterswohnheim; BGH GRUR 1984, 734, 735 – Vollzugsanstalten. 115 Allg. Meinung vgl. etwa Koch, Internet-Recht, S. 357; dem folgend auch Wandtke/ Bullinger/Bullinger, § 19 a Rn. 10.
A. Verwertungsrechte
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c) Öffentliche Zugänglichmachung mittels Hyperlinks Nach wie vor umstritten ist allerdings die Frage, inwieweit auch durch das Setzen von Hyperlinks in das Verwertungsrecht der öffentlichen Zugänglichmachung eingegriffen werden kann. aa) Surface-Links und Deep-Links Hinsichtlich einfacher Links (Surface-Links und Deep-Links)116 , d. h. solcher Internetverweise, bei denen der Surfer in gleicher Weise auf eine fremde Webseite gelangt, wie wenn er die jeweilige Ziel-Adresse (URL) selbst in seinen Browser eingegeben hätte, geht die g. h. M. davon aus, dass der Linksetzer keine eigene, urheberrechtlich relevante Verwertungshandlung an den verlinkten Inhalten vornimmt.117 Denn ein einfacher Hyperlink (auch in Form eines Deep-Links) enthält lediglich eine elektronische Verknüpfung zu einer fremden Mediendatei, die das geschützte Werk enthält.118 Dies setzt jedoch voraus, dass der durch den Link in Bezug genommne Inhalt bereits zuvor öffentlich zugänglich gemacht wurde. Bei der Erstellung eines einfachen Hyperlinks wird die für § 19 a UrhG typische Verwertungshandlung der (eigenen) Bereitstellung eines Werkes zum Abruf also gerade nicht erneut von dem Linksetzenden ausgeführt.119 Die Anzahl der wahrnehmbaren Werkexemplare wird also nicht erhöht. Der Linksetzer weist vielmehr nur auf einen (an anderer Stelle) bereits verfügbaren Inhalt hin, auf dessen Fortbestand oder technische Übermittlung er jedoch keinen Einfluss hat. Wird der angebotene Hyperlink von einem Surfer verfolgt, bekommt dieser den verlinkten Inhalt genau in der Gestalt präsentiert, wie ihn der jeweilige Content-Provider der verlinkten Webseite ins WWW gestellt hat. bb) Inline-Links und Framing Fraglich ist aber, ob dies auch für das Setzen von Inline-Links120 und das Framing121 gelten kann. Auf technischer Ebene unterscheiden sich Inline-Links und framende Links zwar praktisch nicht von einem Deep-Link. Denn sowohl beim Inline-Linking als auch beim Framing stellt der Linksetzer – genau wie bei einem 116 Surface- und Deep-Links unterscheiden sich einzig durch ihr Sprungziel. Als „Surface-Links“ werden Verweise bezeichnet, die auf die Startseite (Homepage) eines fremden Content-Providers führen. Mittels „Deep-Links“ gelangt man hingegen direkt auf eine tiefer liegende Webseite des fremden Anbieters, bspw. das Impressum o.Ä. (vgl. Ott, Linking und Framing, S. 48 f.). 117 Für die Zulässigkeit eines Deep-Links vgl. BGH GRUR 2003, 958, 961 – Paperboy; hierzu bereits zuvor Ott, Linking und Framing, S. 295 ff.; siehe auch Schricker/v. Ungern-Sternberg, § 19 a Rn. 46 m.w.N.; a.A. soweit ersichtlich nur Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 178. 118 Vgl. Schricker/v. Ungern-Sternberg, § 19 a Rn. 46. 119 So auch Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 19 a Rn. 29; Schricker/v. Ungern-Sternberg, § 19 a Rn. 46; sowie Ott, Linking und Framing, S. 453. 120 Zum Begriff des „Inline-Links“ siehe oben Kapitel 4, Fn. 16. 121 Zum Begriff des „Framing“ siehe oben Kapitel 3, Fn. 106.
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
Deep-Link – mit der URL lediglich eine Adresse zur Verfügung, von der ein bereits verfügbarer Fremdinhalt vom Internetbrowser des Surfers abgerufen und angezeigt wird.122 Im Unterschied zum Deep-Link werden die mittels Inline-Link und framenden Link eingebundenen Fremdinhalte (wie z. B. einzelne Texte, Bilder, Audiooder Video-Streams sowie ggf. ganze Teile fremder Webseiten) jedoch regelmäßig ohne zusätzliche aktivierende Handlung des Surfers in das Erscheinungsbild der aufgerufenen Webseite integriert. Die Fremdheit der verlinkten Inhalte ist für den Surfer dabei häufig nicht ohne Weiteres erkennbar. Im Gegensatz zu dem (zulässigen) Setzen eines Deep-Links, ist die durch die Verwendung von Inline-Links und framenden Links erzielte automatische Integrierung fremder Inhalte daher mit einem Sich-zu-eigen-Machen der fremden Leistungsergebnisse in Form einer öffentlichen Wiedergabe verbunden, die der Rechtsinhaber grundsätzlich nicht zu dulden braucht.123 Die wohl überwiegende Meinung geht deshalb zu Recht davon aus, dass der Linksetzer in diesen Fällen unmittelbar selbst eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung an den verlinkten Inhalten vornimmt.124 Ob diese jedoch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19 a UrhG tangiert oder einen unbenannten Fall einer öffentlichen Wiedergabe i. S. v. § 15 Abs. 2 S. 1 UrhG darstellt, ist noch nicht abschließend geklärt.125 Nach einem zum Framing eines fremden Fotos ergangenen Urteil des LG München I126 soll das Einbinden externer Dateien in das Erscheinungsbild einer Website als ein Fall des öffentlichen Zugänglichmachens gemäß § 19 a UrhG zu bewerten sein. Nach Ansicht des Gerichts mache der Betreiber der Webseite gegenüber dem Nutzer den geframten Inhalt in gleicher Weise zugänglich, wie bei dessen Übermittlung von einer auf dem eigenen Server befindlichen Kopie, da er sich durch das Framing den fremden Inhalt in einer Weise zu eigen mache, dass für den Nutzer auf den ersten Blick nicht zu erkennen sei, dass die Datei auf Veranlassung des 122
Vgl. Ott, WRP 2008, 393, 410. So auch Ott, Linking und Framing, S. 332 ff., mit der überzeugenden Begründung, dass eine Kombination fremder Leistungsergebnisse, die ein Verwender offline nur unter Verletzung von Urheberrechten erstellen kann, auch online unter Berufung auf die Verwertungsrechte grds. verboten werden können muss. Nach Ott ist zur Beurteilung einer Beeinträchtigung der Verwertungsrechte maßgeblich darauf abzustellen, ob ein Linksetzer sein eigenes Angebot mit Inhalten der verlinkten Webseite erst vervollständigt oder ergänzt, indem er diese selbst in seine eigene Webseite integriert. 124 Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 82 m.w.N.; noch weitergehend Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 164 ff.; bzgl. des Framings eines Fotos siehe auch LG München, MMR 2007, 260 ff.; bzgl. des Framings eines Lichtbildes im Rahmen der von Google angebotenen „Bilder-Suche“ unzutreffend a.A. LG Hamburg, Urteil vom 26.09.2008, Az.: 308 O 42/06 (Thumbnails III). 125 Für einen Eingriff in § 19 a UrhG durch Setzen eines Inline-Links: Schack, MMR 2001, 9, 14; Ernst/Vassilaki/Wiebe, Hyperlinks, Rn. 57; Börsch, Sind Hyperlinks rechtmäßig?, S. 149 f., jeweils m.w.N. Einen unbenannten Fall von § 15 Abs. 2 S. 1 UrhG nehmen hingegen an: Dustmann, Die privilegierten Provider, S. 201; Ott, WRP 2008, 393, 410. 126 Vgl. hierzu LG München, MMR 2007, 260 ff. 123
A. Verwertungsrechte
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Webseitenbetreibers von einem anderen Server zugeliefert werde. Dem Begriff des „Zugänglichmachens“ lasse sich nämlich nicht entnehmen, dass eine Übermittlung des Inhalts von dem die framende Webseite bereitstellenden Server aus erfolgen müsse. Demnach werde ein Werk vielmehr auch dann öffentlich zugänglich gemacht, wenn technische Maßnahmen auf einer Webseite dessen Einbindung in das Erscheinungsbild der Seite bewirkten, ohne dass eine physikalische Kopie der geframten Datei, in der das Werk verkörpert ist, auf demselben Server abgelegt werde wie der übrige Inhalt der Webseite. Eine solche, auch bloße Weiterverbreitungen des Werkes umfassende Auslegung des Begriffs der öffentlichen Zugänglichmachung i. S. v. § 19 a UrhG sei schließlich auch in Anbetracht europarechtlicher Vorgaben geboten. Denn Erwägungsgrund 23 zur Informationsgesellschafts-Richtlinie spreche ausdrücklich davon, dass das Recht der öffentlichen Wiedergabe „im weiten Sinne verstanden werden [sollte], nämlich dahin gehend, dass es jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist“, d. h. „jegliche [. . . ] öffentliche Übertragung oder Weiterverbreitung des Werkes, einschließlich der Rundfunkübertragung“.127 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.128 Dogmatisch überzeugender erscheint es jedoch, zur Begründung der Vornahme einer eigenen, urheberrechtlich relevanten Nutzungshandlung – anders als das LG – nicht auf die Erkennbarkeit der Fremdheit des geframten Inhalts abzustellen. Vielmehr ist unabhängig davon – in Anlehnung an Ott 129 – immer dann von einem Eingriff in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung auszugehen, wenn der Linksetzer seine eigene Webseite mit den verlinkten Fremdinhalten erst vervollständigt oder ergänzt. Denn die vorwerfbare urheberrechtliche Nutzungshandlung liegt hier – unabhängig von der technischen Realisierung – allein in der tatsächlich erfolgenden Wiedergabe des fremden Werkes innerhalb der verlinkenden Webseite.130 Dies steht auch nicht im Widerspruch zu der vom BGH in seinem Paperboy-Urteil festgestellten Zulässigkeit von Deep-Links. Denn der Verwender eines Inline-Links oder framenden Links hat zwar auch keine physische Herrschaft über den bereits zugänglichen Fremdinhalt und bewirkt daher nicht das (weitere) ursächliche Bereithalten des Werkes.131 Im Gegensatz zum Verwender eines Deep-Links veranlasst er jedoch in adäquat kausaler Weise eine für den Besucher seiner Webseite sofort wahrnehmbare Abrufübertragung des Werkes an den Nutzer. Eben diese Möglichkeit zur unkörperlichen Verwertung des Werkes durch 127
Vgl. Erwägungsgrund 23 der Richtlinie 2001/29/EG v. 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (HRL). 128 A.A. wohl Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 19 a Rn. 29. 129 Vgl. hierzu Ott, WRP 2008, 393, 410 sowie eingehend Ott, Linking und Framing, S. 330 ff. m.w.N., der jedoch einen Eingriff in ein unbenanntes Verwertungsrecht i.S.d. § 15 Abs. 2 UrhG annimmt; zuletzt auch Ott, ZUM 2008, 556, 559 ff. 130 Siehe hierzu auch oben zur wirtschaftlichen Betrachtung von UGC: „Ökonomische Grundgedanken“, Kapitel 4, S. 88 f. 131 Vgl. hierzu BGH GRUR 2003, 958, 961 f. – Paperboy.
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
eine öffentliche Wiedergabe auf Abruf soll jedoch gemäß §§ 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, 19 a UrhG ausschließlich dem Urheber vorbehalten bleiben. Die Erkennbarkeit der Fremdheit der wiedergegeben Inhalte kann in dieser Konstellation hingegen keine entscheidungserhebliche Rolle spielen.132
2. Einschlägige Nutzerhandlungen Die Zugänglichkeit eines nutzergenerierten Medieninhalts für die Öffentlichkeit ist bereits per definitionem133 Voraussetzung für dessen Qualifikation als UGC. Insofern gelten hinsichtlich der die Veröffentlichung betreffenden Qualifikationsmerkmale vorliegend die gleichen Voraussetzungen, wie sie auch für den Tatbestand des § 19 a UrhG gefordert werden. Demzufolge greift ein Nutzer grundsätzlich bei jeder Erzeugung eines als UGC zu qualifizierenden Medienbeitrags – der unter Verwendung fremder Leistungsergebnisse entstanden ist – in das ausschließliche Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung der betroffenen Urheber und Leistungsschutzberechtigten ein.
a) Dateiupload Dies ist zunächst immer dann der Fall, wenn der Nutzer seine Text-, Bild-, Audiooder Video-Datei zwecks Veröffentlichung im Wege des Dateiuploads in einem öffentlich zugänglichen Verzeichnis eines Internet-Servers ablegt. Denn hierdurch wird eine permanente Verfügbarkeit der in dem Nutzerbeitrag enthaltenen fremden Werke bewirkt, die ab diesem Zeitpunkt dauerhaft weltweit zum Abruf durch die Öffentlichkeit bereitstehen. Dies gilt unabhängig vom genutzten Übertragungsweg sowohl für die Bereitstellung über nutzereigene Webseiten (z. B. per FTP-Upload vom PC) als auch über fremden Webseiten (z. B. per Web-Formular, E-Mail oder vom Mobiltelefon aus per SMS, MMS, UMTS oder GPRS), insbesondere alle UGC-Plattformen, wie z. B. Wikipedia, Flickr, MySpace, YouTube oder auch Clipfish Mobile.134 Gleichgültig ist dabei, ob die den UGC beinhaltenden Webseiten den Internetnutzern erst nach einer Registrierung und/oder Passworteingabe zugänglich sind, wie dies bei manchen Internetplattformen – wenn auch nur teilweise – der Fall ist. Denn in diesem Kontext ist im Hinblick auf die erforderliche Öffentlichkeit i. S. v. § 15 Abs. 3 UrhG allein darauf abzustellen, wem eine Registrierung erlaubt oder wem ein 132
Unzutreffend daher LG Hamburg, Urteil vom 26.09.2008, Az.: 308 O 42/06 (Thumbnails III), das im Anschluss an LG München, MMR 2007, 260 ff. mit dem Argument der Erkennbarkeit der Fremdheit des geframten Inhalts eine urheberrechtliche Nutzungshandlung hieran mangels Sich-zu-eigen-Machen durch den Linksetzer verneint. 133 Vgl. hierzu oben: „Begriffsdefinition“, Kapitel 1, S. 24. 134 Zu den verschiedenen Bereitstellungsmöglichkeiten und deren Einzelheiten siehe auch oben: „Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet“, Kapitel 4, S. 86 ff.
A. Verwertungsrechte
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entsprechendes Passwort gegeben wird.135 Nur soweit dies ausschließlich an Personen geschieht, die durch persönliche Beziehungen miteinander verbunden sind, ist die Zugänglichmachung als nicht öffentlich zu werten. Für eine UGC-Plattform wäre dies jedoch kontraproduktiv. Denn der Zweck nutzergenerierter Medieninhalte und der hierfür geschaffenen Plattformen ist ja gerade darauf gerichtet, eine möglichst große und unbegrenzte Öffentlichkeit zu erreichen. Eine entsprechende persönliche Verbindung zwischen allen registrierten Plattform-Mitgliedern dürfte daher nahezu ausgeschlossen sein. Die den Nutzern verschiedener Online-Communities technisch eingeräumten Möglichkeiten zur Knüpfung sog. „Freundschaften“ und die sich hieraus ergebenden virtuellen Mitglieder-Strukturen, wie z. B. bei Facebook oder MySpace, genügen den von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen an eine persönliche Verbundenheit jedenfalls nicht. Entscheidet sich ein Nutzer jedoch bspw. dazu, seine auf der Foto-Plattform Flickr gespeicherten Privatfotos ausschließlich seinen ebenfalls registrierten Familienmitgliedern zugänglich zu machen, stellt dies freilich keine öffentliche Zugänglichmachung i. S. v. § 19 a UrhG dar. Jene Fotos sind dann aber auch nicht als UGC im vorliegenden Sinne zu klassifizieren. b) Integration fremder Medieninhalte Neben dem herkömmlichen Upload-Verfahren bzw. der Speicherung unmittelbar online erstellter Nutzerinhalte auf öffentlich zugänglichen Speichermedien berührt nach der hier vertretenen Auffassung ferner auch die bei Nutzern äußerst beliebte interaktive Einbettung fremder Medieninhalte in ihre eigenen Web- oder Profilseiten das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen fremde, meist über externe Internetplattformen oder sonstige Webseiten bereits öffentlich zugängliche Texte, Bilder, Audio- oder Video-Sequenzen von den Nutzern mittels Inline-Links oder dem Framing in ihre Blogs, CommunityProfilseiten oder sonstigen Internetpräsenzen eingebunden werden.136 Wie bereits oben erwähnt, ist für einen Eingriff in § 19 a UrhG aber stets Voraussetzung, dass den Besuchern der Nutzerseiten sodann automatisch das gesamte, aus diversen externen Quellen gespeiste Medienkonglomerat innerhalb eines Browserfensters präsentiert wird. Die einzelnen Fremdinhalte müssen also in unmittelbar wahrnehmbarer Form in die Gestaltung der nutzergenerierten Webseite integriert sein, so dass sie gleichsam „über“ die verlinkende Nutzerseite wiedergegeben werden. Gleiches gilt auch für die Implementierung sog. Embedded-Player 137 , die von verschiedenen Internetplattformen zur Wiedergabe ihrer Inhalte über fremde Webseiten 135
So zutreffend auch Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 19 a Rn. 6. Die zur interaktiven Einbindung notwendigen HTML-Quellcodes inklusive der zutreffenden URLs werden den Nutzern von verschiedenen UGC-Plattformen, insbesondere von YouTube, häufig unmittelbar im Anschluss an die Wiedergabe des Inhalts oder direkt daneben zur „Copy-and-PasteÜbernahme“ zur Verfügung gestellt. Insofern ist auch diese Form der Verlinkung heute praktisch jedem Internetnutzer ohne große Programmierkenntnisse möglich. 137 Als „Embedded-Player“ (engl. etwa für „eingebettetes Wiedergabegerät“) bezeichnet man eine Software in Form eines Media-Players, der mit Hilfe eines bestimmten HTML-Codes so in eine 136
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
angeboten werden. Anders verhält es sich hingegen bei der Verwendung solcher Hyperlinks, die zum Aufruf eigenständiger Wiedergabemedien (sog. „StandalonePlayer“138 ) beim konsumierenden Nutzer führen, die unabhängig vom Besuch der nutzergenerierten Webseite zur Wiedergabe extern gespeicherter Medien über das Internet (weiterhin) verwendet werden können. Denn diese Form der Inbezugnahme eines externen Fremdinhalts beruht wieder auf dem Setzen eines zulässigen DeepLinks, bei dem sich der publizierende Nutzer das fremde Werk weder unmittelbar noch mittelbar zu eigen macht.
IV. Bearbeitungsrecht – § 23 UrhG UGC entsteht häufig durch eine gestalterische Auseinandersetzung mit urheberrechtlich geschützten Leistungsergebnissen. Wie im Rahmen der Darstellungen der urheberrechtsrelevanten Vorgänge aufgezeigt werden konnte, kommt es dabei vor allem zu deren Veränderung, Kombination oder Verbindung mit eigenständig geschaffenen Inhalten der prosumierenden Nutzer.139 Aus verwertungsrechtlicher Perspektive drängt sich daher auch ein Eingriff in die den Urhebern durch § 23 UrhG gewährten Rechte an Bearbeitungen und anderen Umgestaltungen ihrer benutzten Werke auf.
1. Allgemeines Gemäß § 23 S. 1 UrhG dürfen Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen des Werkes nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes veröffentlicht oder verwertet werden.
a) Rechtsnatur des Bearbeitungsrechts Wie sich die beiden, vom Gesetzgeber mit den Begriffen der „Bearbeitung“ und der „anderen Umgestaltung“ umschriebenen Regelungsgegenstände voneinander unterscheiden, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. Nach überlieferter Auffassung, die sich insbesondere auf den Wortlaut der amtlichen Webseite integriert werden kann, dass der Player in der Seite eingebettet erscheint. Damit lässt sich das gewünschte Medium direkt auf der Webseite wiedergeben, ohne dass sich ein neues Browserfenster öffnet. Dies setzt jedoch voraus, dass der Webseitenbesucher ein entsprechendes „Plug-in“, wie z.B. den Adobe „Flash Player“, auf seinem PC installiert hat. 138 Die Alternative zu einem „Embedded-Player“ ist die Nutzung eines herkömmlichen SStandalone-Players“, bei dem zum Abspielen des jeweiligen Mediums ein separates Browserfenster bzw. das Programm selbst auf dem PC des Nutzers aufgerufen wird. 139 Siehe hierzu oben: „Verwendung fremder Werke und Leistungen“, Kapitel 4, S. 79 ff.
A. Verwertungsrechte
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Begründung140 beruft, soll der Unterschied zwischen Bearbeitungen und anderen Umgestaltungen darin liegen, dass die Bearbeitung dem Werk diene und dieses einem veränderten Zweck anpassen wolle, während dies bei anderen Umgestaltungen nicht der Fall sei.141 Nach neuerer und vorzugswürdiger Auffassung soll – in Anlehnung an den vom Gesetz in § 3 UrhG verwendeten Bearbeitungsbegriff – die eigenständige urheberrechtliche Schutzfähigkeit der Nachschöpfung als Unterscheidungskriterium dienen, so dass nur solche Kreationen als Bearbeitungen zu bezeichnen seien, die unter § 3 UrhG fielen, also selbst den Grad einer persönlichen geistigen Schöpfung i. S. v. § 2 Abs. 2 UrhG erreichten.142 Da das Gesetz an die terminologische Unterscheidung keine abweichenden Rechtsfolgen knüpft, soll auf diesen Streit hier nicht näher eingegangen werden.143 In beiden Fällen ergibt sich für den Urheber aus § 23 UrhG das Recht, über die Verwertung seines Werkes nicht nur in der Originalfassung, sondern grundsätzlich auch in umgestalteter Form bestimmen zu können. Das sog. Bearbeitungsrecht stellt sich daher weniger als ein eigenständiges, dem Urheber neben den §§ 15 ff. UrhG zugestandenes besonderes Verwertungsrecht dar,144 sondern ist eher als ausdrückliche Erweiterung des gesetzlich gewährten Schutzumfangs zu verstehen.145 Gleichwohl ist die Vorschrift aufgrund ihres überwiegend verwertungsrechtlichen Charakters146 systematisch den urheberrechtlichen Verwertungsrechten zuzuordnen.
b) Anwendbarkeit auf Leistungsschutzberechtigte Im Gegensatz zu den vorstehend erörterten Verwertungsrechten stehen die aus § 23 UrhG resultierenden Rechte neben den Urhebern jedoch nicht allen Inhabern von dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten zu. Von den eingangs erwähnten – für den Bereich des UGC relevanten – Leistungsschutzberechtigten verfügen vorliegend nur die Lichtbildner (insb. Fotografen und Kameramänner) kraft des ausdrücklichen gesetzlichen Verweises in § 72 Abs. 1 UrhG über ein Bearbeitungsrecht an den von ihnen erstellten Lichtbildern. Demgegenüber können nach h. M. 140
Vgl. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 51. Vgl. etwa Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, § 28 V 1; Dreier/Schulze, § 23 Rn. 5; Schricker/Loewenheim, § 23 Rn. 3 m.w.N. zum Streitstand. 142 Vgl. etwa Fromm/Nordemann/Vinck, § 3 Rn. 2; Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 23 Rn. 3; Schack, UrhR, Rn. 237; sowie Loewenheim/Hoeren, § 9 Rn. 207; zu weiteren Abgrenzungsvorschlägen vgl. Möhring/Nicolini/Ahlberg, § 23 Rn. 11 f. 143 Zur Vereinfachung der Darstellung wird nachfolgend – soweit nicht anders gekennzeichnet – einheitlich von „Bearbeitungen“ gesprochen, sofern eine Unterscheidung im Einzelnen nicht notwendig erscheint. 144 So aber Haberstumpf, Handbuch des Urheberrechts, Rn. 290; v. Gamm, UrhG, § 23 Rn. 2 ff. 145 So schon Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, § 56 II 2; ebenso Loewenheim/Loewenheim, § 8 Rn. 1 f. sowie Schricker/Loewenheim, § 23 Rn. 1 m.w.N. und Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 23 Rn. 1.; so auch LG Hamburg GRUR 2004, 313, 316 (Thumbnails I). 146 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 23 Rn. 1. 141
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
weder ausübende Künstler147 noch Veranstalter,148 Tonträgerhersteller,149 Sendeunternehmen150 oder Filmhersteller151 aufgrund des abschließenden Charakters der für sie und ihre Leistungen geltenden Vorschriften auf eine entsprechende Befugnis zurückgreifen.152 c) Reichweite des Bearbeitungsrechts Durch § 23 S. 1 UrhG gewährt das Gesetz dem Urheber nur das Recht, die Veröffentlichung und Verwertung der von einem Nutzer geschaffenen Bearbeitung des geschützten Werkes zu bewilligen oder zu untersagen. Hieraus ergibt sich in argumentum e contrario, dass die Vornahme der Umgestaltungshandlungen an dem vorbestehenden Werk, d. h. die bloße Herstellung der umgestalteten Fassung, grundsätzlich zulässig ist (sog. Herstellungsfreiheit).153 Jedermann steht es damit also frei, mit welcher Absicht auch immer, fremde Werke zu verändern, miteinander zu kombinieren oder anderweitig umzugestalten, sofern nicht ein Fall des § 23 S. 2 UrhG vorliegt, dessen Ausnahmen für die Erzeugung von UGC jedoch praktisch ohne Bedeutung sind.154 Zwingende Voraussetzung für die Herstellungsfreiheit ist nach dem Gesetzeswortlaut jedoch stets, dass die jeweilige Bearbeitung nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Die Vornahme der Werkänderungen ist de lege lata also nur innerhalb der Privatsphäre privilegiert. Zudem dürfen die Umgestaltungshandlungen – mit Ausnahme der für die Herstellung der Bearbeitung erforderlichen körperlichen Festlegung derselben155 – keine eigenständigen Verwertungshandlungen i. S. d. §§ 15 ff. UrhG implizieren. Anderenfalls unterliegen sie dem Einwilligungsvorbehalt des Urhebers. Dieser greift grundsätzlich bei jederVeränderung des Originalwerks ein, es 147
Vgl. hierzu Dreier/Schulze, § 77 Rn. 5; ebenso Wandtke/Bullinger/Büscher, § 77 Rn. 6. Aufgrund der Bezugnahme auf die Rechte des ausübenden Künstlers in § 81 S. 1 UrhG gilt für die Veranstalter hier dasselbe. 149 Vgl. hierzu Dreier/Schulze, § 85 Rn. 33; Wandtke/Bullinger/Schaefer, § 85 Rn. 19. 150 Vgl. hierzu Wandtke/Bullinger/Ehrhardt, § 87 Rn. 1 ff. 151 Vgl. hierzu Schricker/Katzenberger, § 94 Rn. 8. 152 Das im Rahmen der Bearbeitung betroffene Vervielfältigungsrecht bleibt ihnen dann jedoch mangels Anwendbarkeit der Herstellungsfreiheit nach § 23 S. 1 UrhG unbenommen; siehe hierzu sogleich sowie oben: „Vervielfältigungsrecht i.S.v. § 16 UrhG“, S. 117 ff. 153 Allg. Meinung vgl. etwa Schricker/Loewenheim, § 23 Rn. 15; Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 23 Rn. 9; Dreier/Schulze, § 23 Rn. 16; jeweils m.w.N. 154 Die einzige für UGC in Betracht kommende Ausnahme nach § 23 S. 2 UrhG besteht in dem Verbot der „Verfilmung des Werkes“. Eine Konzertaufzeichnung reicht hierfür jedoch bspw. noch nicht aus (vgl. BGH ZUM 2006, 318, 320 – Alpensinfonie). 155 Die (zulässige) Herstellung der Bearbeitung schließt deren körperliche Festlegung ein, so dass die hierbei vorgenommene Vervielfältigungshandlung von § 23 S. 1 UrhG ebenfalls privilegiert ist und damit nicht als eigenständige Verwertungshandlung dem Einwilligungserfordernis des Urhebers unterliegt (so schon Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, § 56 IV 1; dem folgend Schricker/Loewenheim, § 23 Rn. 15; s.a. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 23 Rn. 25). 148
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sei denn, die vorgenommenen Änderungen sind so geringfügig, dass das Ergebnis noch als Vervielfältigung anzusehen ist.156 Denn die bloße Übernahme eines vorbestehenden Werkes ohne Änderungen stellt grundsätzlich weder eine Umgestaltung noch eine Bearbeitung dar.157 Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das geschützte Werk vom Nutzer, z. B. durch dessen Kombination oder Verbindung mit anderen Medieninhalten, in einen anderen Sachzusammenhang gestellt wird. Aufgrund seines immateriellen Charakters kann eine Bearbeitung des Werkes nämlich auch dann vorliegen, wenn die Substanz des ihn verkörpernden Werkstücks nicht berührt, sondern „nur“ dessen konkret wahrnehmbarer Gesamteindruck verändert wird.158 Umstritten war in diesem Zusammenhang, ob die Verbindung von Musik mit den Bildfolgen einer Filmaufzeichnung (Synchronisation) zu einem veränderten Gesamteindruck des Musikwerks führt,159 der den vertonten Film insgesamt dem Zustimmungsvorbehalt des Musikurhebers unterwirft. In seiner AlpensinfonieEntscheidung160 hat der BGH nun jedoch klargestellt, dass die unveränderte Übernahme eines Musikwerkes auf die Tonspur eines Filmträgers keine Bearbeitung i. S. v. § 23 UrhG, sondern lediglich eine Vervielfältigung darstellt. Nach Ansicht des Gerichts gehörten Musik und Bildfolgen verschiedenen Kunstformen an und erschienen deshalb auch nach ihrer Verbindung nicht in der Weise als Teil desselben Werkes, wie das etwa bei Zutaten zu einem Werk der bildenden Kunst der Fall sein könne.161 Auch eine „Verfilmung“ des Musikwerkes i. S. v. § 23 S. 2 UrhG sei durch eine bloße Filmaufzeichnung dessen Darbietung ausgeschlossen. Zwar werde das während der Darbietungsaufzeichnung wahrnehmbare Musikwerk im ästhetischen Sinn Teil des „Gesamtkunstwerkes“ Film; letztlich könne aber auch bei einem Film über eine Konzertaufführung eines Werkes lediglich dessen Darbietung gezeigt werden.162 Sobald zur Vertonung einer Filmaufzeichnung jedoch nur Teile einer Musikaufnahme (Samples) bzw. des dieser zugrunde liegenden Musikwerks, wie z. B. der Refrain oder sonstige das Werk prägende Tonfolgen oder Sounds, verwendet werden, kommt allerdings – das tatsächliche Geschütztsein der entlehnten Werkteile vorausgesetzt – nach wie vor eine Beeinträchtigung des Bearbeitungsrechts des Musikurhebers in Betracht. Das Gleiche gilt auch, wenn einem Lichtbild nur ein Ausschnitt entnommen und dieser anschließend in anderem Zusammenhang weiterverwendet wird.163 Umgekehrt liegt eine Bearbeitung dann nicht mehr vor, wenn sich die vom Nutzer in Verwendung eines fremden Werkes geschaffene Umgestaltung von dem ursprüng156
So auch Fromm/Nordemann/Vinck, § 23 Rn. 6; dem folgend Schricker/Loewenheim, § 23 Rn. 6. 157 Vgl. BGH GRUR 1990, 669, 673 – Bibelreproduktion. 158 Vgl. hierzu BGH GRUR 2002, 532, 534 – Unikatrahmen; s.a. Dreier/Schulze, § 23 Rn. 8. 159 So insbesondere Dreier/Schulze, § 23 Rn. 21. 160 Siehe hierzu BGH ZUM 2006, 318 ff. – Alpensinfonie. 161 Vgl. BGH ZUM 2006, 318, 320 – Alpensinfonie unter Hinweis auf BGH GRUR 2002, 532, 534 – Unikatrahmen. 162 Vgl. BGH ZUM 2006, 318, 320 – Alpensinfonie. 163 Vgl. LG München, AfP 1994, 239, 240; s.a. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 23 Rn. 4.
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lichen Werk bereits so weit entfernt hat, dass das UrhG sie als freie Benutzung i. S. v. § 24 UrhG einstuft.164 § 24 UrhG legt damit die für eine gestalterische Auseinandersetzung relevante Grenze der durch das UrhG gewährten Werkherrschaft des Urhebers fest. Als eine den Schutzbereich des UrhG begrenzende Vorschrift165 ist sie damit ihrem Wesen nach den Schranken des Urheberrechts i. S. d. §§ 44 a ff. UrhG ähnlich.166 Der BGH hat § 24 UrhG in seiner oben genannten „Partikelschutz-Entscheidung“ zuletzt sogar ausdrücklich als Urheberrechtsschranke bezeichnet.167 Im Hinblick auf eine gemeinsame Darstellung der vom UrhG gewährten Gestaltungsfreiräume in der Informationsgesellschaft soll ihre Behandlung in Bezug auf UGC daher vorzugsweise im Rahmen der Darstellung der gesetzlichen Urheberechtsschranken erfolgen.168 2. Einschlägige Nutzerhandlungen Die erste Entstehungsstufe zu UGC birgt für den Nutzer kaum Potential für eine Verletzung fremder Bearbeitungsrechte. Denn soweit die Erzeugung des nutzergenerierten Medieninhalts nicht ausnahmsweise169 unmittelbar in der Öffentlichkeit, sondern zunächst regelmäßig im privaten Bereich stattfindet, darf der Nutzer geschützte Fremdaufzeichnungen aufgrund der urheberrechtlichen Herstellungsfreiheit grundsätzlich beliebig verändern, kombinieren oder anderweitig umgestalten. a) Veröffentlichung umgestalteter Werke und Lichtbilder Bearbeitungsrechtlich relevant wird das gestalterische Nutzerverhalten erst, wenn der erzeugte UGC der Öffentlichkeit präsentiert werden soll. Denn nach richtiger Auffassung erstreckt sich der dem Urheber gewährte Einwilligungsvorbehalt bereits auf die (Erst-)Veröffentlichung einer jeden (neuen) Bearbeitung oder anderen Umgestaltung seines Ursprungswerkes.170 Dieses Recht ist nämlich gerade nicht davon abhängig, dass das Ausgangswerk noch nicht veröffentlicht wurde. Eine solche Auslegung würde in legislatorischer Hinsicht auch keinen Sinn ergeben, da 164
Vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 24 Rn. 1. So ausdrücklich Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 24 Rn. 1. 166 So auch OLG Frankfurt NJW 2008, 770, 771 (Abstracts), das § 24 UrhG als eine „urheberrechtliche Schrankenbestimmung im weiteren Sinn“ ansieht. 167 „Auch bei der Bestimmung des § 24 Abs. 1 UrhG handelt es sich der Sache nach um eine, wenn auch an anderer Stelle des Urheberrechtsgesetzes geregelte Schranke des Urheberrechts.“ (vgl. BGH ZUM 2009, 219, 222 – Metall auf Metall). 168 Siehe näher hierzu unten: „Freie Benutzung – § 24 UrhG“, Kapitel 6, S. 316 ff. 169 Zum zweiaktigen Entstehungsprozess bei UGC und den bekannten Ausnahmen siehe oben: „4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge“, S. 75. 170 So schon Hörnig, Das Bearbeitungsrecht und die Bearbeitung im Urheberrecht, S. 13, 68; dem folgend Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 23 Rn. 7 sowie Dreier/Schulze, § 23 Rn. 17; s.a. Schack, UrhR, Rn. 424; a.A. Schricker/Loewenheim, § 23 Rn. 14 m.w.N.; Möhring/Nicolini/Ahlberg, § 23 Rn. 17; Rehbinder, UrhR, Rn. 368. 165
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der Veröffentlichungsvorbehalt in § 23 UrhG dann – abgesehen von dem sonderbar anmutenden Ausnahmefall der Existenz einer Bearbeitung eines unveröffentlichten und damit gänzlich unbekannten Werkes – praktisch bedeutungslos wäre. Demgegenüber ist vielmehr davon auszugehen, dass der Gesetzgeber – in Anbetracht des dem Erstveröffentlichungsrecht nach § 12 UrhG zugrunde liegenden Schutzgedankens – dem Urheber die Entscheidungsfreiheit darüber zugestehen wollte, welche Konkurrenzprodukte (die eben nicht in freier Benutzung entstanden sind) er neben seinem Ursprungswerk, ggf. gegen Entgelt, dulden möchte und welche nicht.171 Diese Auffassung wird schließlich auch durch den Wortlaut des § 37 Abs. 1 UrhG bestätigt. Denn dieser sichert dem Urheber – im Zweifel – ausdrücklich das Recht der Einwilligung zur Veröffentlichung einer Bearbeitung seines Werkes zu, auch wenn er einem anderen bereits zuvor ein Nutzungsrecht an seinem Ursprungswerk eingeräumt hat. Da die Veröffentlichung von UGC jedoch stets gleichzeitig mit einer urheberrechtlichen Verwertungshandlung verbunden ist, steht dem Urheber im Falle einer unzulässigen Bearbeitung seines Werkes auch nach anderer Auffassung ein entsprechendes Verbotsrecht zu. b) Reproduktion fremder Medieninhalte Auf der zweiten Entstehungsstufe zu UGC ist daher von entscheidender Bedeutung, inwieweit die progressiven Erzeugungsformen für UGC eine Gestaltung hervorzubringen vermögen, deren Veröffentlichung und Verwertung dem Einwilligungsvorbehalt der Urheber der benutzen Ausgangswerke unterliegt. Wie oben bereits angedeutet, reicht eine im Wege der Nutzeraufzeichnung stattfindende bloße Veränderung der Art der körperlichen Festlegung des Ursprungswerkes, insbesondere die Digitalisierung fremder Werke und Leistungen, deren Aufzeichnung oder Kopie auf Bild- oder Tonträger (z. B. durch vollständiges Abfotografieren, Einscannen oder Downloaden einer Werkvorlage), hierfür aber noch nicht aus.172 Denn soweit der Aufzeichnungsvorgang nur eine unveränderte Übernahme des Werkes auf einen separaten Datenträger zur Folge hat, wird hierdurch lediglich die Art seiner Verkörperung, nicht jedoch der durch sie vermittelte Werkgenuss verändert. Die unveränderte Werkwiedergabe in Form einer (erneuten) körperlichen Festlegung wird vielmehr als Vervielfältigung bezeichnet.173 c) Veränderungen mit abweichendem Wahrnehmungserlebnis Nimmt der Nutzer hingegen nur eine partielle Werk- oder Leistungsaufzeichnung (wie z. B. bei einem 30-sekündigen Konzert- oder Sendungsmitschnitt) vor, so ist hiermit regelmäßig eine – beabsichtigte oder unbewusste – inhaltliche Änderung der 171
Mit ähnlicher Einschränkung auch Schack, UrhR, Rn. 424. Vgl. Schricker/Loewenheim, § 23 Rn. 6. 173 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 23 Rn. 6 m.w.N. 172
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
Werkaussage und damit eine Bearbeitung verbunden. Gleiches gilt auch für sonstige Kürzungen, Streichungen und jegliche Form der nachträglichen digitalen Bildund Tonmanipulation174 , die im Ergebnis zu einer Wiedergabe des Originalwerks in umgestalteter Form führen. Bei der vollständigen Wiedergabe eines Bildes in einem anderen Größenverhältnis ist allerdings zu differenzieren: Eine reine Formatänderung, d. h. eine proportionale Veränderung der Lichtbildgröße, die auf Seiten des Betrachters zu keinem (merklich) abweichenden Wahrnehmungserlebnis führt, stellt mangels inhaltlicher Veränderung der Bildaussage keine urheberrechtlich relevante Bearbeitung dar.175 Ist mit der Skalierung jedoch gleichzeitig eine Reduzierung der Bildauflösung verbunden, die eine sichtbare Verschlechterung der Bildqualität nach sich zieht, wie dies bspw. bei (echten) Thumbnails176 der Fall ist, liegt durchaus eine zustimmungspflichtige Bearbeitung bzw. andere Umgestaltung des Ausgangswerkes vor.177 Die von einem Nutzer auf seiner Webseite zusammengestellte Bildergalerie beeinträchtigt daher bspw. noch nicht zwingend deswegen das Bearbeitungsrecht der jeweiligen Urheber der gezeigten Lichtbilder, weil diese aus Anordnungs- oder Platzgründen – trotz voller Erkennbarkeit – um ein Drittel verkleinert dargestellt werden. Insbesondere ist die bloße Aneinanderreihung von optisch getrennt wiedergegebenen Einzelbildern nicht als Bearbeitung i. S. v. § 23 UrhG anzusehen.178 Eine andere Beurteilung wird jedoch gerechtfertigt sein, wenn der Nutzer multimediale Kombinationen fremder Medieninhalte vornimmt, bei denen die einzelnen Fremdinhalte nur Teile eines neuartigen digitalen Werkkonglomerats sind. Denn sobald ein geschütztes Werk in ein neues Gesamtkunstwerk derart integriert wird, dass es (nur noch) als dessen Teil erscheint, d. h. für einen unvoreingenommenen Betrachter der Gesamteindruck eines einheitlichen Ganzen entsteht, greift der Nutzer mit diesem Gestaltungsergebnis – sofern nicht eine freie Benutzung i. S. v. § 24 UrhG vorliegt – in das Bearbeitungsrecht der betroffenen Urheber ein.179 174 Vgl. näher hierzu Maaßen, ZUM 1992, 338, 346 sowie Reuter, GRUR 1997, 23 ff.; s.a. Wandtke/Bullinger/Thum, § 72 Rn. 26. 175 So auch Schricker/Vogel, § 72 Rn. 26 und wohl auch Schricker/Loewenheim, § 23 Rn. 8; in Bezug auf Thumbnails im Ergebnis ebenso Schack, MMR 2008, 414 ff.; a.A. Berberich, MMR 2005, 145, 147 f. 176 Als „Thumbnails“ (engl. für „Daumennagel“) werden verkleinert dargestellte Bilddateien bezeichnet, die als Vorschau für eine größere Bildversion dienen. Diese Vorschaubilder werden aufgrund ihrer reduzierten Platz- und Dateigröße und der sich hieraus ergebenden kürzeren Ladezeit meist im Internet, z.B. bei Suchmaschinen, eingesetzt. 177 Ähnlich differenzierend Schricker/Vogel, § 72 Rn. 26; s.a. Wandtke/Bullinger/Thum, § 72 Rn. 23; zu Thumbnails als „unfreie Bearbeitung“ i.S.v. § 23 UrhG vgl. insb. LG Hamburg GRUR 2004, 313 ff. (Thumbnails I), fortführend LG Hamburg, Urteil vom 26.9.2008, Az.: 308 O 248/07 (Thumbnails II) sowie LG Hamburg, Urteil vom 26.09.2008, Az.: 308 O 42/06 (Thumbnails III); s.a. OLG Jena GRUR-RR 2008, 223, 224 (Thumbnails II); ebenso Schrader/Rautenstrauch, UFITA 2007, 761, 764. 178 Vgl. hierzu insb. BGH GRUR 1990, 669, 673 – Bibelreproduktion sowie OLG Köln GRUR 1987, 42, 44 – Lichtbildkopien. 179 Vgl. BGH GRUR 2002, 532, 534 – Unikatrahmen.
B. Urheberpersönlichkeitsrechte
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Bei einer nutzergenerierten Bildpräsentation in Form einer einfachen „Foto-SlideShow“ wird dies meist noch nicht der Fall sein. Wohl aber bei allen Text-, Bild-, Film- oder Musik-Collagen, bei denen durch Einblendungen, Überblendungen oder sonstige Inhaltskombinationen die einzelnen Werke zur Erzeugung fließender Übergange miteinander vermischt werden. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob sich die fremden Inhalts-Samples auf dem Server des publizierenden Nutzers befinden oder von externen Speicherorten mittels Hyperlinks abgerufen und in die Nutzercollage integriert werden. In Konsequenz der Ausführungen des BGH in seiner Alpensinfonie-Entscheidung ist nun allerdings davon auszugehen, dass nur noch solche Inhaltsverbindungen ein Bearbeitungsrecht tangieren können, bei denen beide miteinander kombinierte Werke entweder einer visuell oder akustisch wahrnehmbaren Kunstform entstammen. Denn mangels Rezeptionsfähigkeit der sensuell unterschiedlichen Werkarten auf ein und derselben Wahrnehmungsebene seien diese nicht dazu geeignet, sich gegenseitig zu bearbeiten bzw. umzugestalten.180 Bei einer einfachen Synchronisation nutzergenerierter Video-Beiträge (wie z. B. Hobby-, Reise- oder sonstige Privat-Videos) mit unveränderten Musikaufnahmen liegt daher – ungeachtet etwaiger Eingriffe in Urheberpersönlichkeitsrechte i. S. d. §§ 12 ff. UrhG – zunächst nur eine Vervielfältigungshandlung vor. Vorgenannte Grundsätze gelten schließlich auch für alle Formen der Verbindung nutzereigener und fremder Werke und Aufzeichnungen, die zu den am häufigsten angewandten Erzeugungsformen für UGC zu zählen sind.181 Setzen sich Nutzer also in ihren Blogs, Wikis, Podcasts oder Video-Blogs mit fremden Medieninhalten dergestalt auseinander, dass sie die vorgefundenen Fremdaufzeichnungen durch eigene Texte, Bild-, Ton- oder Filmaufnahmen ergänzen, führt dies grundsätzlich immer dann zu einer Bearbeitung der verwendeten Werke, wenn hierdurch der Eindruck einer einheitlichen individuellen „Neuschöpfung“ des Nutzers entsteht. Eine reine Werkinterpretation genügt dem jedoch noch nicht,182 so dass insbesondere die beliebte Herstellung sog. Karaoke-Videos – wie sie millionenfach auf UGC-Plattformen zu finden sind – i. d. R. keine Bearbeitung des Musikwerks i. S. v. § 23 UrhG zur Folge hat.
B. Urheberpersönlichkeitsrechte Das Urheberrecht schützt den Urheber nicht nur in der Nutzung des Werkes, sondern auch in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk (§ 11 S. 2 UrhG). Zum Inhalt des Urheberrechts gehört daher neben den vermögenswerten Verwertungsrechten auch das Urheberpersönlichkeitsrecht, das bei sämtlichen 180
Vgl. dazu BGH ZUM 2006, 318, 320 – Alpensinfonie. Zu den verschiedenen Nutzungshandlungen siehe ergänzend oben: „Verbindung nutzereigener und fremder Werke und Aufzeichnungen“, Kapitel 4, S. 84 ff. 182 Allg. Meinung vgl. etwa Schricker/Loewenheim, § 23 Rn. 6; ebenso Dreier/Schulze, § 3 Rn. 27. 181
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
Werkarten und allen Werknutzungen zu beachten ist.183 Die wichtigsten urheberpersönlichkeitsrechtlichen Befugnisse werden in den §§ 12–14 UrhG genannt: das Veröffentlichungsrecht (I), das Anerkennungs- und Namensnennungsrecht (II) und das Recht auf Integritätsschutz (III). Teilweise kommt das Urheberpersönlichkeitsrecht auch im Bereich der urheberrechtlichen Leistungsschutzrechte zum Zuge – hier insbesondere bei den Lichtbildern i. S. v. § 72 UrhG, auf die die Vorschriften des Urheberpersönlichkeitsrechts entsprechend anzuwenden sind. Persönlichkeitsrechtliche Sonderregelungen finden sich außerdem für ausübende Künstler in den §§ 74, 75 UrhG und für Filmhersteller in den §§ 93, 94 UrhG. Inwieweit bei der Erstellung von UGC durch unautorisierte Nutzung fremder Leistungsergebnisse neben der Möglichkeit eines Eingriffs in Verwertungsrechte zusätzlich auch eine Beeinträchtigung von Urheberpersönlichkeitsrechten in Betracht kommt, ist Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen.
I. Veröffentlichungsrecht – § 12 UrhG Die Bereitstellung eines nutzergenerierten Medieninhalts im Internet, der unter Verwendung einer urheberrechtlich geschützten Fremdleistung entstanden ist, könnte zunächst das Veröffentlichungsrecht des betroffenen Urhebers berühren.
1. Recht zur Erstveröffentlichung Gemäß § 12 Abs. 1 UrhG hat der Urheber „das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist“. Der Urheber kann also frei darüber entscheiden, ob er sein Werk überhaupt veröffentlichen möchte, wann er hierfür den geeigneten Zeitpunkt sieht, wo und vor allem in welcher Form er sein Werk in den kulturellen Kommunikationskreislauf184 entlassen will. Nach der wohl h. M.185 ist der Begriff der „Veröffentlichung“ allerdings als Erstveröffentlichung des Ursprungswerkes zu verstehen, gleichviel, auf welche Art und Weise sie stattfindet. Der Urheber kann dieses Recht durch die irreversible Entscheidung, sein geistiges Kind aus seiner Privatsphäre in die Öffentlichkeit zu entlassen, also grundsätzlich nur einmal ausüben. Danach ist es verbraucht. Dem Urheber stehen an ein und demselben Werk also nicht etwa für verschiedene Medien jeweils eigene Veröffentlichungsrechte zu. Fraglich erscheint daher, ob das Veröffentlichungsrecht i. S. v. § 12 UrhG vorliegend über-
183
Vgl. Dreier/Schulze, Vor § 12 Rn. 4. So Haberstumpf, Handbuch des Urheberrechts, Rn. 199. 185 Vgl. Schricker/Dietz, § 12 Rn. 7; Dreier/Schulze, § 12 Rn. 6; Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 12 Rn. 7; Schack, UrhR, Rn. 328; a.A. LG Berlin GRUR 1983, 761, 762 – Portraitbild; Fromm/Nordemann/Hertin, § 12 Rn. 10. 184
B. Urheberpersönlichkeitsrechte
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haupt betroffen sein kann. Denn die Erzeugung von UGC erfolgt i. d. R. nur aus solchen Fremdinhalten, die von ihren Schöpfern bereits veröffentlicht wurden.186
2. Veröffentlichungsrecht an Bearbeitungen Nach umstrittener, aber zutreffender Ansicht erstreckt sich die Veröffentlichung jedoch immer nur auf diejenige Werkform, die der Urheber für die Veröffentlichung vorgesehen hat. Wird von dieser konkreten Form ohne Absprache mit dem Urheber abgewichen, ist sein Veröffentlichungsrecht tangiert; und zwar auch, wenn das Ursprungswerk bereits veröffentlicht wurde.187 Denn die modifizierte Form seines Werkes hatte der Urheber schließlich nicht für die Öffentlichkeit freigegeben.188 Das (Erst-)Veröffentlichungsrecht entsteht also an bearbeiteten Werkfassungen jeweils neu,189 da bei ihnen die ursprüngliche, vom Urheber freigegebene Gestaltungsform des Werkes verändert wurde. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Veröffentlichung einer Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes dasVeröffentlichungsrecht des Urhebers des Ausgangswerkes berührt, kommt daher stets dem jeweiligen Gesamteindruck entscheidende Bedeutung zu. Dieser lässt sich jedoch nicht aufteilen in denjenigen des bearbeiteten Werks einerseits und einen weiteren Gesamteindruck, der durch die Bearbeitung und deren Änderungen hinzukommt, andererseits. Vielmehr entsteht ein einheitlicher neuer Gesamteindruck, welcher Elemente des ursprünglichen Werks und Elemente der Bearbeitung enthält.190 Sofern diese konkrete Form des Werkes durch die vorangegangene Veröffentlichung des bearbeiteten Ursprungswerks noch nicht an die Öffentlichkeit gelangt ist, darf auch sie (erneut) nur mit Einwilligung des Urhebers des Ausgangswerkes veröffentlicht werden. Diese Rechtsfolge entspricht im Übrigen auch dem Wortlaut des § 23 S. 1 UrhG, mit dem der Gesetzgeber u. a. die Veröffentlichung von Bearbeitungen oder anderen Umgestaltungen eines Werkes ausdrücklich dem Einwilligungsvorbehalt des Urhebers unterstellt und damit indirekt auch zu Bezugsobjekten des § 12 UrhG gemacht hat.191 Denn das Recht, die Veröffentlichung von Bearbeitungen oder Umgestaltungen zu untersagen, bezieht sich auf das Recht des Urhebers nach § 12 UrhG, zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist. Der Schutzumfang des Ver-
186 Sollten zur Erzeugung des Nutzerbeitrags jedoch solche Inhalte verwendet worden sein, die ohne Zustimmung deren Urheber an die Öffentlichkeit gelangt sind, ist das (Erst-)Veröffentlichungsrecht an diesen freilich noch nicht verbraucht. 187 Str., ebenso Dreier/Schulze, § 23 Rn. 17; Hörnig, Das Bearbeitungsrecht und die Bearbeitung im Urheberrecht, S. 69; Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 23 Rn. 7; a.A. Schricker/Loewenheim, § 23 Rn. 14 m.w.N.; Möhring/Nicolini/Ahlberg, § 23 Rn. 17. 188 Vgl. Dreier/Schulze, § 12 Rn. 8. 189 Vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 23 Rn. 7. 190 Dreier/Schulze, § 23 Rn. 17. 191 Siehe hierzu schon oben: „Bearbeitungsrecht – § 23 UrhG“, S. 139 ff.
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
öffentlichungsrechts wird über § 23 UrhG also auch auf umgestaltete Werkfassungen erstreckt.192 Handelt es sich bei dem nutzergenerierten Medienbeitrag also um ein als Bearbeitung oder Umgestaltung i. S. v. § 23 UrhG zu qualifizierendes Werk oder Lichtbild, beeinträchtigt dessen Bereitstellung zum Abruf durch die Öffentlichkeit grundsätzlich auch das Veröffentlichungsrecht des Urhebers bzw. Lichtbildners nach § 12 i. V. m. § 23 UrhG, sofern die Nutzung nicht im Einzelfall durch eine Schrankenregelung gestattet wird.193
II. Anerkennungs- und Namensnennungsrecht Veröffentlicht ein Nutzer seinen selbst erzeugten Medienbeitrag, ohne dabei die Schöpfer und/oder Quellen der von ihm verwendeten Fremdinhalte zu nennen, könnten hierdurch auch Anerkennungs- und Namensnennungsrechte von Urhebern und verschiedenen Leistungsschutzberechtigten verletzt werden. 1. Recht auf Anerkennung der Urheberschaft – § 13 UrhG Der Urheber hat nach § 13 S. 1 UrhG das unveräußerliche Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Mit dieser Vorschrift wird es ihm in erster Linie ermöglicht, gegen jeden anderen vorzugehen, der ihm seine Urheberschaft streitig macht.194 Dies wird im Zusammenhang mit UGC eher selten durch eine ausdrückliche Inanspruchnahme einer fremden Urheberschaft geschehen, da es i. d. R. nicht das erklärte Ziel prosumierender Nutzer ist, sich selbst als Schöpfer der von ihnen verwendeten Fremdinhalte auszugeben. a) Generelle Urhebernennungspflicht Außer durch Anmaßung der Urheberschaft kann das Recht des Urhebers aus § 13 UrhG jedoch bspw. auch durch Unterlassung der Urheberbenennung bei Gelegenheit öffentlicher Wiedergaben, z. B. via Internet, verletzt werden.195 Eine Aberkennung der Urheberschaft liegt ferner dann vor, wenn der Bearbeiter eines Werkes als Alleinurheber genannt wird, ohne den Urheber des bearbeiteten Werkes anzugeben.196 Selbst wenn es also nicht die eigentliche Intention des Werknutzers ist, sich eines fremden Urheberrechts zu berühmen, stellt die fehlende Urheberbezeichnung 192
Vgl. Schricker/Loewenheim, § 23 Rn. 14. Vgl. Dreier/Schulze, § 12 Rn. 17; Schricker/Dietz, § 12 Rn. 29; s.a. OLG Frankfurt ZUM-RD 1999, 379, 383. 194 Vgl. Dreier/Schulze, § 13 Rn. 1. 195 Vgl. Schricker/Dietz, § 13 Rn. 8. 196 Siehe hierzu insb. BGH GRUR 2002, 799, 800 – Stadtbahnfahrzeug. 193
B. Urheberpersönlichkeitsrechte
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i. d. R. eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. Denn nach h. M. im Schrifttum197 und ständiger Rechtsprechung198 ist der Urheber grundsätzlich bei jeder Nutzung seines Werkes – sei sie körperlich oder unkörperlich199 – zu nennen. Dies folgt bereits aus dem Grundgedanken des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft. Der Schutzzweck der Regelung besteht nämlich darin, im Hinblick auf die nicht unerhebliche wirtschaftliche Bedeutung der nach außen dokumentierten Urheberschaft am Werk, sicherzustellen, dass das „geistige Band“ zwischen Werk und Urheber – soweit er selbst es will – öffentlich in Erscheinung tritt, damit jeder Dritte von seiner Urheberschaft erfährt.200 Dem steht auch nicht die Regelung des § 13 S. 2 UrhG entgegen, wonach der Urheber bestimmen kann, ob seine Schöpfung (überhaupt) mit einer Urheberbezeichnung zu versehen ist und wie diese ggf. ausgestaltet sein soll. Entgegen seiner missverständlichen Formulierung als (Mit-)Bestimmungsrecht ist nämlich nicht davon auszugehen, dass die Urheberbenennung erst auf Verlangen des Urhebers zu erfolgen hätte.201 Es ist daher vielmehr eine generelle Urhebernennungspflicht anzunehmen.
b) Begrenzung der Nennungspflicht durch Schrankenregelungen Eingeschränkt wird der vorstehende, vorwiegend auf das traditionelle Verwertungsverhältnis zwischen Urheber und Nutzungsrechtsinhaber abstellende Grundsatz jedoch von der ergänzenden Vorschrift des § 63 UrhG. Dessen Wortlaut stellt zunächst einmal klar, dass das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft auch für die meisten durch gesetzliche Schranken (§§ 45–59 UrhG) privilegierten Verwertungssituationen gilt. Denn auch wenn das Gesetz bestimmte Nutzungshandlungen an geschützten Werken von der Zustimmung des Urhebers freistellt, soll doch wenigstens dem Interesse des Urhebers an der Namensnennung (Werbeeffekt) Schutz gewährt werden.202 Kann sich ein Werknutzer also auf eine durch § 63 UrhG in Bezug genommene Schranke berufen, hat er dennoch die verwendete Quelle einschließlich des Urhebers deutlich anzugeben. Aus der Systematik, nur für bestimmte Fälle privilegierter Werknutzung ein Gebot der Quellenangabe zu statuieren, ergibt sich jedoch gleichzeitig auch ein das allge197 Vgl. Dreier/Schulze, § 13 Rn. 3; Fromm/Nordemann/Hertin, § 13 Rn. 2; Schricker/Dietz, § 13 Rn. 8; Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 13 Rn. 7; so wohl auch Möhring/Nicolini/Kroitzsch, § 13 Rn. 8 ff. 198 Vgl. BGH GRUR 1963, 40, 43 – Straßen – gestern und morgen; BGH GRUR 1972, 713, 714 – Im Rhythmus der Jahrhunderte; BGH ZUM 1995, 40, 41 – Namensnennungsrecht des Architekten. 199 Str., gegen eine Beschränkung auf körperliche Werkexemplare Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 13 Rn. 7; Fromm/Nordemann/Hertin, § 13 Rn. 2; ebenso Dreier/Schulze, § 13 Rn. 3; a.A. Schricker/Dietz, § 13 Rn. 6. 200 Vgl. Loewenheim/Dietz, § 16 Rn. 68. 201 Siehe hierzu insb. OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 249, 250; ebenso Schricker/Dietz, § 13 Rn. 12a m.w.N. 202 So schon Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, § 62 IV; dem folgend Schricker/Dietz, § 63 Rn. 1.
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
meine Prinzip des § 13 UrhG einschränkender Regelungsgehalt.203 Denn wenn § 63 UrhG in zusammenfassender Weise die vorgeschriebenen Fälle der Verpflichtung zur Quellenangabe positiv bestimmt, kann im Umkehrschluss davon ausgegangen werden, dass die nicht genannten Fälle diejenigen sind, bei denen eine Quellenangabe nicht erforderlich ist.204 Dies sind zum einen die in § 63 UrhG nicht genannten Fälle zulässiger Vervielfältigung (z. B. vermischter Nachrichten tatsächlichen Inhalts und von Tagesneuigkeiten gem. § 49 Abs. 2 UrhG, zum privaten und sonstigen Eigengebrauch gem. § 53 UrhG oder unwesentlichen Beiwerks gem. § 57 UrhG) und zum anderen die durch § 63 Abs. 2 S. 1 UrhG bestimmten Fälle der öffentlichen Wiedergabe, bei denen eine Quellenangabe nicht der „Verkehrssitte“ entspricht. Umgekehrt wirkt das Gebot der Quellenangabe durch Rückverweisung auf die Schrankenvorschriften jedoch auch im Bereich der verwandten Schutzrechte,205 wie in einem Fall der unerlaubten Verwendung von Einzelbildern aus einer Fernsehsendung für das Schutzrecht des Sendeunternehmens nach § 87 Abs. 3 i. V. m. § 63 UrhG entschieden wurde.206 Damit wird also indirekt auch den Leistungsschutzberechtigten im Falle einer gesetzlich zulässigen Nutzung zumindest ein Namensnennungsrecht zugestanden. Lässt sich eine Werknutzung also unter eine Schranke subsumieren, die nicht in § 63 UrhG genannt ist, und entspricht eine Quellenangabe im Falle einer öffentlichen Wiedergabe auch sonst nicht der „allgemeinen Übung unter loyalen, den Belangen des Urhebers mit Verständnis gegenübertretenden, billig und gerecht denkenden Benutzern“207 , entfällt mit der Pflicht zur Quellenangabe grundsätzlich auch die Namensnennungspflicht. Hierbei darf jedoch nicht vorschnell von einer etwa aus Nachlässigkeit entstandenen Unsitte auf eine vermeintliche „Verkehrsgewohnheit“ oder „Branchenübung“ geschlossen werden.208 Die Bezugnahme auf angebliche Verkehrsgepflogenheiten darf insbesondere nicht zu einer Aushöhlung der Rechte des Urhebers nach § 13 UrhG führen.209 Es ist daher vielmehr in jedem Einzelfall sorgfältig abzuwägen, ob und ggf. in welcher Form eine Urheberbenennung möglich und der von ihr angestrebten Werbefunktion dienlich ist. Im Ergebnis wird man dabei – vor allem im Bereich der Werknutzung im Internet – nur ausnahmsweise von der Entbehrlichkeit einer Quellenangabe ausgehen können.210 Denn gerade die öffent203 So auch Schricker/Dietz, § 63 Rn. 1; ebenso Fromm/Nordemann/Vinck, § 63 Rn. 1; dem folgend Dreier/Schulze, § 63 Rn. 3; teilweise a.A. wohl Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 63 Rn. 28. 204 Vgl. Schricker/Dietz, § 63 Rn. 6. 205 Vgl. Loewenheim/Dietz, § 16 Rn. 85; so auch Dreier/Schulze, § 63 Rn. 2. 206 Vgl. LG Berlin GRUR 2000, 797 ff. 207 Fromm/Nordemann/Vinck, § 63 Rn. 2. 208 So auch Schricker/Dietz, § 13 Rn. 25; Dreier/Schulze, § 13 Rn. 26; Möhring/Nicolini/Kroitzsch, § 13 Rn. 20; Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 13 Rn. 24; Schack, UrhR, Rn. 338; siehe hierzu auch LG München ZUM 1995, 57, 58. 209 Vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 13 Rn. 24. 210 So auch Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 13 Rn. 24; in Bezug auf den Bereich des Kunstgewerbes, der serienmäßig hergestellten Gebrauchsgegenstände sowie die „kleine Münze“ teilweise a.A. Schricker/Dietz, § 13 Rn. 24; einem Zuviel der Urhebernennung, insbesondere im Filmbereich
B. Urheberpersönlichkeitsrechte
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liche Zugänglichmachung über das Internet ermöglicht es einem Urheber heute, im Gegensatz zu den übrigen, eher flüchtigen Formen öffentlicher Wiedergabe, jederzeit weltweit aufgefunden und wiederholt wahrgenommen werden zu können. Darüber hinaus besteht bei der Werknutzung im Internet wie bei keinem anderen Medium die Möglichkeit, nicht nur eine unmittelbar interaktiv nutzbare, sondern auch eine das optische Erscheinungsbild nicht zwingend beeinträchtigende Quellenangabe (z. B. in Form einer unsichtbaren URL oder einer sonstigen elektronisch gespeicherten Signatur oder Bildinformation) vorzunehmen.
c) Beeinträchtigung durch User Generated Content Entscheidend für die Frage, ob die Bereitstellung von UGC unter eine der vorgenannten Ausnahmen fällt und es damit zu einer möglichen Einschränkung der Namensnennungspflicht kommt, ist jedoch stets, inwieweit die zur Erstellung nutzergenerierter Medieninhalte erforderlichen Verwertungshandlungen überhaupt vom UrhG privilegiert werden. Dies ist wiederum von den jeweils hierfür einschlägigen Schrankenregelungen abhängig.211 Ist die Nutzung fremder Werke und Leistungen nach einer gesetzlichen Schranke im Einzelfall als zulässig zu erachten, die in § 63 UrhG erwähnt wird, ändert sich nichts an der generellen Urhebernennungspflicht, so dass der Nutzer eine Quellenangabe vorzunehmen hat. Tut er dies nicht, obwohl die erforderlichen Angaben auf dem benutzten Werkstück oder bei der benutzten Werkwiedergabe genannt wurden oder ihm anderweit bekannt sind, verletzt er hierdurch die Rechte des jeweiligen Urhebers bzw. Rechtsinhabers nach § 13 i. V. m. § 63 UrhG. Ist die konkrete Verwendung hingegen als unzulässig zu bewerten, weil sie vom Umfang keiner gesetzlichen Schrankenregelungen erfasst wird, liegt in ihr eine Urheberrechtsverletzung und bei fehlender Quellenangabe auch ein Verstoß gegen das Urhebernennungsrecht begründet. Denn wer ein fremdes Werk zu einem gesetzlich nicht privilegierten Zweck nutzt, muss den Urheber in jedem Falle nennen und ihn ggf. ausfindig machen, um für die jeweilige Nutzung die erforderlichen Nutzungsrechte von ihm oder seinem Rechtsnachfolger zu erwerben.212
2. Recht auf Anerkennung als ausübender Künstler – § 74 UrhG Während Fotografen und anderen Lichtbildnern i. S. v. § 72 UrhG die vorgenannten Anerkennungs- und Namensnennungsrechte nach § 13 UrhG aufgrund des gesetzlichen Verweises auf Lichtbildwerke in § 72Abs. 1 UrhG in gleichem Maße zukommen
kritisch gegenüberstehend Rehbinder, UrhR, Rn. 242 sowie Schack, UrhR, Rn. 338; mit Verweis auf das Informationsinteresse der Verbraucher zurecht dagegen Dreier/Schulze, § 13 Rn. 6. 211 Siehe hierzu unten: „Einschlägige Urheberrechtsschranken“, Kapitel 6, S. 175 ff. 212 Vgl. Dreier/Schulze, § 13 Rn. 22.
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
wie den Urhebern, gilt dies grundsätzlich nicht für die übrigen durch UGC betroffenen Leistungsschutzberechtigten.213 Eine Ausnahme hiervon bilden lediglich die ausübenden Künstler i. S. v. § 73 UrhG. Denn ihnen steht seit Einführung des § 74 UrhG durch das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10.09.2003 (1. Korb) nun ebenfalls ein entsprechendes Persönlichkeitsrecht zur Seite, mit dem ihr Authentizitätsinteresse geschützt wird.214 Da auch § 74 Abs. 1 UrhG zwischen dem Recht auf Anerkennung (S. 1) und dem Recht auf Namensnennung (S. 2) unterscheidet, entspricht die Regelung systematisch der für Urheber geltenden Vorschrift des § 13 UrhG.215 Diese Parallele verdeutlicht, dass der Gesetzgeber darbietende und schöpferische Leistungsergebnisse in Bezug auf die hieraus erwachsenden persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse grundsätzlich gleich behandelt wissen will. Insofern gelten die vorstehenden Ausführungen zu § 13 UrhG im Wesentlichen auch für die Rechte des ausübenden Künstlers aus § 74 UrhG. a) Generelle Künstlernennungspflicht Im Gegensatz zum Bezeichnungsrecht des Urhebers nach § 13 UrhG bezieht sich das Namensnennungsrecht nach § 74 Abs. 1 S. 2 UrhG jedoch ausdrücklich sowohl auf körperliche Vervielfältigungsstücke als auch auf jede unkörperliche Verwertung der künstlerischen Darbietung. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut kann der ausübende Künstler frei „bestimmen, ob und mit welchem Namen er genannt“ zu werden wünscht. Dies gilt bspw. sowohl für Ankündigungen von Live-Darbietungen in gedruckten Medien, im Fernsehen, Radio oder in Form von Lautsprecheransagen vor oder während eines Konzerts als auch für festgelegte Darbietungen in Form einer Nennung auf dem Cover eines Bild- oder Tonträgers sowie für die öffentliche Zugänglichmachung einer Darbietungsaufzeichnung im Internet.216 Da die wahrnehmbare Verknüpfung des Künstlernamens mit der jeweiligen Darbietung eine unverzichtbare Voraussetzung für deren wirtschaftliche Verwertung darstellt,217 ist in Anlehnung an den bereits für § 13 UrhG formulierten werblichen Schutzgedanken auch aus § 74 UrhG eine generelle „Künstlernennungspflicht“ abzuleiten.218 b) Gesetzliche Einschränkungen des Namensnennungsrechts Eine Einschränkung erfährt das absolute Namensnennungsrecht des ausübenden Künstlers zum einen durch § 74 Abs. 2 S. 1 UrhG, der im Falle einer Ensembleleistung das Nennungsrecht des einzelnen Mitwirkenden aus praktischen Gründen 213
Vgl. Dreier/Schulze, § 13 Rn. 10. Vgl. AmtlBegr. zum „1. Korb“, BT-Drucks. 15/38, S. 23. 215 Vgl. Wandtke/Bullinger/Büscher, § 74 Rn. 2. 216 Vgl. Loewenheim/Vogel, § 38 Rn. 123; siehe hierzu auch Schricker/Vogel, § 74 Rn. 17. 217 So Schricker/Vogel, § 74 Rn. 8. 218 So wohl auch Loewenheim/Vogel, § 38 Rn. 122; Dreier/Schulze, § 74 Rn. 4; Schricker/Vogel, § 74 Rn. 6; weitergehend Wandtke/Bullinger/Büscher, § 74 Rn. 7. 214
B. Urheberpersönlichkeitsrechte
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auf die Nennung lediglich der Künstlergruppe reduziert.219 So müssen bspw. nicht alle Musiker eines Orchesters einzeln namentlich genannt werden; eine Anführung der offiziellen Ensemblebezeichnung ist hier ausreichend. Zum anderen sieht § 93 Abs. 2 UrhG für den Fall der Mitwirkung in einem Film eine weiterreichende Beschränkung vor, nach der die Nennung eines mitwirkenden Künstlers unter Umständen ganz entfallen kann, wenn auch sie einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde.220 Aufgrund der generellen Verweisung des § 83 UrhG auf die gesetzlichen Schrankenbestimmungen findet schließlich auch die Vorschrift des § 63 UrhG bezüglich der Verpflichtung zur Quellenangabe auf die Rechte des ausübenden Künstlers entsprechendeAnwendung.221 Werden Darbietungen eines ausübenden Künstlers also in den Grenzen der Schrankenregelungen der §§ 44 a ff. UrhG öffentlich wiedergegeben oder in sonstiger Weise genutzt, so trifft den Nutzer nach § 63 UrhG die Verpflichtung zur Quellenangabe, d. h. zur namentlichen Bezeichnung des Künstlers.222 Umgekehrt ergibt sich daraus aber auch eine Einschränkung des Künstlernennungsrechts, wenn im Falle einer zulässigen Werknutzung eine Verpflichtung zur Quellenangabe nicht bestehen sollte. Dies ist aber auch hier wiederum davon abhängig, inwieweit die gesetzlichen Schranken die Erstellung nutzergenerierter Medieninhalte privilegieren.
III. Recht auf Integritätsschutz In persönlichkeitsrechtlicher Hinsicht kann die Veröffentlichung von UGC schließlich noch mit einem Eingriff in die geschützten Interessen an Bestand und Unversehrtheit (Integrität) der verwendeten Werke und Leistungen der betroffenen Urheber und Leistungsschutzberechtigten verbunden sein.
1. Schutz gegen Entstellungen des Werkes – § 14 UrhG Zum Schutz seiner Ehre und seines Ansehens, aber auch zum Schutz seiner sonstigen ideellen Interessen gewährt § 14 UrhG dem Urheber „das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten“.223
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Vgl. Wandtke/Bullinger/Büscher, § 74 Rn. 22. Vgl. Schricker/Vogel, § 74 Rn. 20. 221 So die wohl h.M., vgl. etwa Schricker/Vogel, § 83 Rn. 13; Dreier/Schulze, § 83 Rn. 4; Wandtke/Bullinger/Büscher, § 83 Rn. 8. 222 Wandtke/Bullinger/Büscher, § 83 Rn. 8. 223 Vgl. Rehbinder, UrhR, Rn. 407. 220
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
a) Erfordernis einer objektiven Beeinträchtigung Mit der h. M.224 ist dabei davon auszugehen, dass es sich bei der vom Gesetz erwähnten „Entstellung“ um einen besonders schweren Fall der als Oberbegriff zu bewertenden „Beeinträchtigung“ handelt.225 Obwohl der Begriff der Beeinträchtigung im allgemeinen Sprachgebrauch hauptsächlich mit einer qualitativen Verschlechterung oder Abwertung verbunden wird, ist eine solche für die Erfüllung des gleichlautenden Tatbestandsmerkmals in § 14 UrhG nicht erforderlich. Unabhängig von einer Auf- oder Abwertung des Werkes vom Standpunkt eines Dritten führt nämlich bereits jede objektiv nachweisbare Änderung des vom Urheber geschaffenen geistig-ästhetischen Gesamteindrucks des Werkes zu dessen Beeinträchtigung.226 Diese kann sowohl direkter als auch indirekter Natur sein. Denn für eine Beeinträchtigung i. S. v. § 14 UrhG ist es nicht unbedingt notwendig, dass in die körperliche Substanz des Werkes, insbesondere durch eine inhaltliche Veränderung (z. B. durch Kürzung, Verstümmelung oder Teil-Werknutzung) desselben eingegriffen wird. Ausreichend ist vielmehr bereits ein Eingriff in die „geistige Substanz des Werkes“227 (z. B. durch verfälschende Interpretation, Ergänzung oder Verbindung mit geschützten oder schutzlosen Fremdinhalten), durch die der vom Urheber vorgegebene Umfang des Werkes verlassen wird.228 Aber auch die konkrete Art und Weise einer Werkwiedergabe oder Werknutzung kann sich beeinträchtigend auf das Werk auswirken. So stellt insbesondere die Wiedergabe eines (inhaltlich unveränderten) Werkes in einem seine Wesenszüge verzerrenden Sachzusammenhang eine persönlichkeitsrechtliche Beeinträchtigung dar, wenn hierdurch die vom Urheber beabsichtigte Aussage des Werkes diskreditiert oder insgesamt der Lächerlichkeit preisgegeben wird.229 Aufgrund des vorstehend beschriebenen hohen Schutzniveaus impliziert praktisch jede Form von UGC im vorliegenden Sinne eine urheberpersönlichkeitsrelevante Beeinträchtigung der zu seiner Erzeugung verwendeten urheberrechtlich geschützten Werke. Denn wie im Laufe der Untersuchung bereits mehrfach gezeigt werden konnte, gehört die inhaltliche Kürzung, gestalterische Veränderung, Kombination und Verbindung fremder Werke mit nutzereigenen Inhalten zu den typischen Ver224
Vgl. etwa Dreier/Schulze, § 14 Rn. 10; Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 14 Rn. 3; Schricker/Dietz, § 14 Rn. 19 m.z.N. aus Lit. und Rspr.; a.A. Fromm/Nordemann/Hertin, § 14 Rn. 5. 225 Da das Gesetz alle Fälle von Beeinträchtigungen und Änderungen einschließlich der Entstellung methodisch gleich behandelt, kann hier auf eine scharfe begriffliche Abgrenzung verzichtet werden. 226 So Schricker/Dietz, § 14 Rn. 21 mit Hinweis auf BGH GRUR 1989, 106/107 m. Anm. v. Loewenheim – Oberammergauer Passionsspiele II sowie OLG München GRUR 1993, 332, 333 – Christoph Columbus. 227 So Dreier/Schulze, § 14 Rn. 11. 228 Vgl. Schricker/Dietz, § 14 Rn. 23 ff.; s.a. Dreier/Schulze, § 14 Rn. 10 ff. mit zahlreichen Bsp. sowie insb. zur Online-Nutzung Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 14 Rn. 62. 229 Vgl. Schack, UrhR, Rn. 345 mit Hinweis auf KG ZUM 1989, 246, 247 (Abdruck eines Gedichts in einer satirischen Zeitungsausgabe) sowie OLG Frankfurt a.M. GRUR 1995, 215, 216 – Springtoifel (Veröffentlichung eines Musikwerks auf einem Sampler zusammen mit rechtsradikalen Musikgruppen).
B. Urheberpersönlichkeitsrechte
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haltensweisen im Rahmen der Erstellung nutzergenerierter Medieninhalte.230 Keine Beeinträchtigung i. S. v. § 14 UrhG liegt hingegen vor, wenn das Werk vom Nutzer nur zum Gegenstand sachlicher, wenn auch abwertender Kritik gemacht wird. Dies gilt selbst dann, wenn der Nutzer das Werk auf das schärfste verurteilt.231 Denn Ziel des Kritikers ist dann nicht das vom Urheberpersönlichkeitsrecht allein geschützte geistige Band zwischen dem Urheber und seinem Werk, sondern die Person des Urhebers in ihrer vermeintlichen Unzulänglichkeit.232 Zum gleichen Ergebnis wird man grundsätzlich auch bei der Wiedergabe eines unveränderten Werkes auf einer beworbenen Webseite kommen müssen, solange dort nur gewöhnliche Werbebanner eingesetzt werden, die in einem eigenen Frame enthalten sind und somit lediglich flankierenden Charakter besitzen. Denn diese werden von jedem verständigen Betrachter ohne Weiteres als separate Werbung erkannt, durch die die Integrität des jeweiligen Werkes in aller Regel unberührt bleibt.233 Anders verhält es sich jedoch, wenn sich eine Werbeanzeige bspw. vor das benutzte Werk schiebt und erst nach einer gewissen Dauer vom Webseitenbesucher aus der Sicht genommen werden kann (sog. „Overlay-Werbebanner“). Hierin kann durchaus eine Beeinträchtigung der öffentlichen Werkwiedergabe gesehen werden. Ferner kann eine objektive Entstellung i. S. v. § 14 UrhG z. B. auch darin bestehen, dass ein Nutzer eine urheberrechtlich geschützte Comic-Figur – ohne Änderungen an dieser vorzunehmen – in seinem Blog in einem obszönen Zusammenhang darstellt.234
b) Gefährdung berechtigter Urheberinteressen Andererseits ist längst nicht jede Entstellung oder sonstige Beeinträchtigung letztendlich auch verboten. Denn zusätzliche Voraussetzung für einen Eingriff in das Recht des Urhebers nach § 14 UrhG ist stets, dass die konkrete Beeinträchtigung im Einzelfall dazu „geeignet ist, die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen [des Urhebers] am Werk zu gefährden“. Dies bedeutet zweierlei: Zum einen wird mit diesem zweiten Halbsatz klargestellt, dass nicht das Werk als solches, sondern vorwiegend das geistige oder persönliche Interesse des Urhebers an der Integrität seines Werkes geschützt wird.235 Zum anderen wird hiermit dem allgemeinen Grundsatz Ausdruck verliehen, dass das UrhG dem Integritätsinteresse des Urhe230
Siehe dazu oben: „4. Kapitel: Urheberrechtsrelevante Vorgänge“, S. 75 ff. sowie die Ausführungen zu den jeweils einschlägigen Nutzerhandlungen unter „Verwertungsrechte“, S. 115 ff. 231 Vgl. Rehbinder, UrhR, Rn. 408. 232 So Schack, UrhR, Rn. 346; die Möglichkeit des Urhebers, sich hiergegen kraft seiner allgemeinen Persönlichkeitsrechte gem. §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 StGB sowie § 824 BGB zu wehren, bleibt ihm freilich unbenommen. 233 So im Ergebnis auch Ott, ZUM 2004, 357, 360. 234 Vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 14 Rn. 63; zur Problematik der Werkbeeinträchtigung durch Werbung siehe auch Peifer, Werbeunterbrechungen in Spielfilmen, der zwischen werkfreundlichen und werkfeindlichen Änderungen differenziert. 235 Vgl. Schack, UrhR, Rn. 341.
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
bers keinen absoluten, d. h. unbegrenzten Schutz gewährt. Denn wie sich aus einer Gesamtbetrachtung der änderungsrelevanten Vorschriften der §§ 14, 39, 62 und 93 UrhG ergibt, werden die Urheberinteressen in Ansehung verschiedener berechtigter Fremdinteressen grundsätzlich nur in gewissen Grenzen geschützt.236 Das objektive Vorliegen einer Entstellung oder Beeinträchtigung führt also noch keineswegs zwingend zur Entstehung des Verbotsrechts aus § 14 UrhG.237 Dies macht es vielmehr erst erforderlich, in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob durch die konkrete Verwendung berechtigte Interessen des Urhebers gefährdet werden. Diese Eignung wird angesichts des generell anzunehmenden Interesses des Urhebers an der Integrität seines Werkes sowie der bei der Erzeugung von UGC regelmäßig fehlenden Einwilligung allerdings in den meisten Fällen schon durch das objektive Vorliegen der Beeinträchtigung indiziert.238
c) Einheitliche Interessenabwägung Sind nun die beiden vorgenannten Prüfkriterien erfüllt, ist schließlich in die einheitliche Interessenabwägung239 nach den §§ 14, 39 UrhG einzusteigen, in deren Rahmen die Grenzen des Integritätsinteresses des Urhebers unter Berücksichtigung sämtlicher (berechtigter) Gegeninteressen im konkreten Einzelfall „auszuloten“ sind.240 Ausgangspunkt ist dabei zwar stets das originäre Bestands- und Integritätsinteresse des Urhebers.241 Diesem kann jedoch – etwa wegen seiner persönlichkeitsrechtlichen Struktur – keineswegs immer der Vorzug gegenüber den Nutzungsinteressen privilegierungswürdiger Dritter eingeräumt werden, weil sonst das zu ermittelnde Ergebnis der Abwägung in den meisten Fällen schon von vornherein feststünde.242 Anderenfalls wäre auch eine praktische Handhabung der zahlreichen änderungsrele236
So die inzwischen h.M. (vgl. Wandtke/Bullinger/Wandtke/Grunert, § 39 Rn. 2 ff. mit einem aufgeräumten Überblick über den Streitstand); s.a. Schricker/Dietz, § 14 Rn. 2 ff. 237 Mit der inzwischen wohl h.M. wird hier davon ausgegangen, dass in den §§ 14, 39, 62, 93 UrhG ein „Gesamtkomplex änderungsrechtlicher Vorschriften“, die in engem Zusammenhang zueinander stehen und geprüft werden müssen, zu sehen ist. Dabei wird von folgendem dreistufigen Prüfungsverfahren ausgegangen: (1.) Vorliegen einer Änderung bzw. einer Entstellung oder sonstigen Beeinträchtigung, (2.) Eignung der Änderung zur Interessengefährdung und (3.) Interessenabwägung im Einzelfall (vgl. Castendyk, ZUM 2005, 9, 16; eingehend hierzu Schricker/Dietz, § 14 Rn. 1 ff. m.w.N.). 238 Vgl. OLG München GRUR 1993, 332, 333 – Christoph Columbus. 239 So auch Schricker/Dietz, § 14 Rn. 4, 14, nach dem jede änderungsrechtliche Fragestellung letztlich zu einer Interessenabwägung führt; ebenso Schack, UrhR, Rn. 350. 240 So auch Dreier/Schulze, § 14 Rn. 15; Loewenheim/Dietz, § 16 Rn. 89; Schack, UrhR, Rn. 350; Rehbinder, UrhR, Rn. 243 ff. 241 So BGH GRUR 1971, 35, 37 – Maske in Blau; ebenso OLG München GRUR 1993, 332, 333 – Christoph Columbus. 242 Vgl. hierzu Peifer, Werbeunterbrechungen in Spielfilmen, S. 225; dem folgend Loewenheim/Dietz, § 13 Rn. 111; s.a. Schricker/Dietz, § 14 Rn. 29 m.w.N.
B. Urheberpersönlichkeitsrechte
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vanten Schrankenbestimmungen243 sowie eine Anpassung von Werken an veränderte technische Anforderungen schlichtweg unmöglich.244 Jedes Werk der Literatur, Wissenschaft und Kunst befindet sich nach seiner Veröffentlichung im kulturellen Kommunikationskreislauf unserer Gesellschaft und ist damit unweigerlich Gegenstand verschiedener sozialer Verhaltensweisen wie der informatorischen Konsumtion, geistigen Auseinandersetzung oder kreativen Weiterentwicklung.245 Dies gilt umso mehr in Zeiten des Web 2.0, in denen sich jeder Internetnutzer unabhängig von Ort und Zeit nahezu jede (aktuell) relevante Information beschaffen und sich mit dieser in kommunikativer Weise öffentlich auseinandersetzen kann.246 Die hierbei erfolgenden Nutzungen – seien sie vertraglich vereinbart oder gesetzlich gestattet – stellen das Werk in einen technisch-ökonomischen Gebrauchszusammenhang, der die Erhaltung der ursprünglichen Werkgestalt in ihrer absoluten Reinheit in den seltensten Fällen erlaubt.247 Die Nutzungs- und Gebrauchsinteressen der Nutzer sind daher stets entsprechend zu berücksichtigen, wobei der Urheber insbesondere auf die Realitäten des Lebens und die Gewohnheiten des Verkehrs gebührend Rücksicht zu nehmen hat.248 Besonders deutlich tritt dieser, dem gesamten Urheberrecht zugrunde liegende vermittelnde Grundgedanke in dem Verhältnis zwischen Urheber und dem gesetzlich Nutzungsberechtigten zu Tage, das hauptsächlich durch die Urheberrechtsschranken geregelt wird.249 Denn wie die Vorschriften der §§ 44 a ff. UrhG erkennen lassen, werden die ausschließlichen Rechte des Urhebers in zahlreichen Fällen bereits von vornherein zugunsten einzelner Nutzer, der Kulturwirtschaft und der Allgemeinheit eingeschränkt.250 In den vom Gesetz enumerativ aufgezählten Konstellationen ist es den jeweils privilegierten Personenkreisen also durchaus gestattet, ein Werk unter den dort genanntenVoraussetzungen auf die beschriebeneArt und Weise erlaubnisfrei zu nutzen. Zwar gilt mit Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte des Urhebers auch 243
Siehe hierzu sogleich. So auch Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 14 Rn. 10. 245 Ähnlich auch BVerfGE 79, 29, 42 –Vollzugsanstalten, wonach das Werk mit derVeröffentlichung bestimmungsgemäß in den gesellschaftlichen Raum trete und damit zu einem eigenständigen, das kulturelle und geistige Bild der Zeit mitbestimmenden Faktor werde. 246 Zu der fundamentalen Bedeutung dieser Interessen vgl. schon Art. 27 Abs. 1 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948, wonach jeder das Recht hat, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzunehmen. Betreffend der Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit siehe auch Art. 19: „Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinung und Meinungsäußerung; dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten anzuhängen und Informationen und Ideen mit allen Verständigungsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“ (Hervorh. d. Verf.). 247 Vgl. Loewenheim/Dietz, § 16 Rn. 110. 248 So schon Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 218. 249 Zur Rechtsnatur der Urheberrechtsschranken siehe insb. Geiger, GRUR Int. 2004, 815, 819, der in den Beschränkungen des Urheberrechts keine Ausnahmen zum Recht des Urhebers, sondern vielmehr Rechtsinstrumente sieht, die den Inhalt und die Grenzen des Urheberrechts bestimmen. 250 Vgl. Rehbinder, UrhR, Rn. 432. 244
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
dort ein grundsätzliches Änderungsverbot, wie sich aus § 62 Abs. 1 S. 1 UrhG ergibt. Denn das Werk soll der Öffentlichkeit grundsätzlich nur in der Gestalt präsentiert werden, die ihm sein Schöpfer ursprünglich verliehen hat.251 Hiervon wird jedoch dann wiederum eine „Ausnahme“ gemacht, wenn gewisse Werkänderungen zur Erreichung des mit der jeweiligen Schranke verfolgten Zwecks unbedingt erforderlich sind, eine Beeinträchtigung der Werkintegrität also praktisch unvermeidlich ist. Solche Fälle sind vom Gesetzgeber in Form einer Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes der Interessenabwägung ausdrücklich in § 62 Abs. 2–4 UrhG berücksichtigt worden. Hiernach werden bspw. die Verstümmelung beim Kleinzitat gemäß §§ 51 S. 2 Nr. 2, 62 Abs. 2 UrhG oder die häufig entstellend wirkende zwangsläufige Verkleinerung im Rahmen der Katalogbildfreiheit nach §§ 58, 62 Abs. 3 UrhG grundsätzlich für zulässig erklärt. Ergänzend wird durch die Rückverweisung auf § 39 UrhG in § 62 Abs. 1 S. 2 UrhG jedoch auch für die übrigen Fälle einer aus einer Schrankenausübung üblicherweise resultierenden Beeinträchtigung des Werkes der Weg für die korrigierende Interessenabwägung nach den §§ 14, 39 UrhG eröffnet.252 Insofern unterliegt also auch das Recht des Urhebers aus § 14 UrhG den gesetzlichen Schrankenregelungen der §§ 44 a ff. UrhG.253
d) Beeinträchtigung durch User Generated Content Wird die Bereitstellung von UGC durch eine gesetzliche Urheberrechtsschranke privilegiert, wird hierdurch also prinzipiell auch das Recht des betroffenen Urhebers aus § 14 UrhG eingeschränkt. Soweit sich der Nutzer dabei ausschließlich im Bereich der von § 62 Abs. 2–4 UrhG genannten Ausnahmen bewegt, hat der Urheber die mit der Erstellung des nutzergenerierten Medieninhalts verbundenen erforderlichen Beeinträchtigungen seines Werkes grundsätzlich hinzunehmen. Im Übrigen ist die Frage ob und ggf. inwieweit das Integritätsinteresse des Urhebers im konkreten Einzelfall gegenüber den berechtigten Interessen des publizierenden Nutzers zurückzutreten hat, im Rahmen der oben beschriebenen Interessenabwägung herauszuarbeiten. Dabei ist zunächst anhand des durch die jeweils einschlägige Schrankenbestimmung erlaubten Nutzungszwecks einerseits und dem unverletzlichen Kernbereich des Urheberpersönlichkeitsrechts – der auch durch eine Schrankenvorschrift nicht verletzt werden darf (Schranken-Schranke)254 – andererseits der potentielle „Ermessensspielraum“ zur Einschränkung des Verbotsrechts nach § 14 UrhG zu ermitteln. Innerhalb dieses einer Rechtfertigung zugänglichen 251
So auch Dreier/Schulze, § 14 Rn. 2. Vgl. Loewenheim/Dietz, § 16 Rn. 95; s.a. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 14 Rn. 10, der in der stets durchzuführenden Interessenabwägung expressis verbis ein „Korrektiv“ zur Vermeidung unrichtiger Ergebnisse im Zusammenhang mit einem ansonsten absolut geltenden Entstellungsund Beeinträchtigungsverbot erblickt. 253 So ausdrücklich Schack, UrhR, Rn. 343. 254 Allg. Meinung, vgl. etwa Dreier/Schulze, § 14 Rn. 41; Schack, UrhR, Rn. 354; Rehbinder, UrhR, Rn. 406. 252
B. Urheberpersönlichkeitsrechte
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Eingriffsbereichs kann sodann mittels der werk- und nutzungsspezifischen Kriterien, wie Rang und Gestaltungshöhe des verwendeten Werkes sowie Art und Intensität des Eingriffs, eine Entscheidung für oder gegen die urheberpersönlichkeitsrechtliche Zulässigkeit der konkreten Werknutzung getroffen werden. Je mehr sich die zu beurteilenden Änderungen dabei auf inhaltliche, vorgegebene oder gemeinfreie Elemente erstrecken, desto eher werden sie durch berechtigte Interessen des Nutzers gerechtfertigt sein. Umgekehrt entfällt eine derartige Rechtfertigung, je stärker höchst individuelle Züge des Werkes betroffen sind.255 Ist die Erstellung des nutzergenerierten Medieninhalts hingegen nicht durch eine gesetzliche Schrankenbestimmung gedeckt, begeht der parfümierende Nutzer aufgrund des für ihn sodann uneingeschränkt geltenden Änderungsverbots eine Urheberpersönlichkeitsrechtsverletzung. Denn wer weder vertraglich noch gesetzlich zur Werknutzung berechtigt ist, kann sich nicht auf die Ausnahmeregelung des § 39 Abs. 2 UrhG berufen. Er steht dann dem nichtberechtigten Werknutzer gleich, dem nach dem Gesetz jegliche Änderung des Werkes versagt ist.256
2. Schutz gegen Beeinträchtigungen der Darbietung – § 75 UrhG Bei der Erzeugung von UGC ist häufig eine Verwendung von urheberrechtlich geschützten Fremdaufzeichnungen künstlerischer Darbietungen zu beobachten. Nahe liegend ist daher auch die Möglichkeit eines Eingriffs in den persönlichkeitsrechtlichen Integritätsschutz des ausübenden Künstlers gemäß § 75 UrhG. Hiernach hat der ausübende Künstler „das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seiner Darbietung zu verbieten, die geeignet ist, sein Ansehen oder seinen Ruf als ausübender Künstler zu gefährden“. Die Vorschrift gewährt ihm damit ein der Regelung des § 14 UrhG nachgebildetes Recht auf „Leistungstreue“, das in seinem Schwerpunkt das ideelle Interesse des Interpreten an der Integrität seiner Werkinterpretation schützt.257 Auch hier liegt der Schutzgrund also in dem engen persönlichkeitsrechtlichen Band zwischen ausübendem Künstler und seiner Darbietung.258
a) Vergleichbarkeit mit Integritätsschutz des Urhebers Da § 75 UrhG somit im Wesentlichen der Regelung des § 14 UrhG entspricht, gelten hier sowohl hinsichtlich der identischen Tatbestandsmerkmale der Entstellung und anderen Beeinträchtigung als auch des dreistufigen Prüfungsverfahrens (Feststellung 255 Vgl. Schricker/Dietz, § 14 Rn. 30; dem folgend Dreier/Schulze, § 14 Rn. 31; i.E. ebenso Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 14 Rn. 16. 256 So ausdrücklich Wandtke/Bullinger/Wandtke/Grunert, § 39 Rn. 21. 257 Vgl. Schricker/Vogel, § 75 Rn. 1; ebenso Wandtke/Bullinger/Büscher, § 75 Rn. 1. 258 Vgl. Dreier/Schulze, § 75 Rn. 1.
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
der Beeinträchtigung, Eignung zur Ruf- oder Ansehensgefährdung und Berücksichtigung von Gegeninteressen) die vorstehenden Ausführungen zum Integritätsrecht des Urhebers entsprechend.259 Gleiches gilt auch für die umfangreiche Interessenabwägung einschließlich der hierbei zu berücksichtigenden Einschränkungen des Entstellungsschutzes im Falle gesetzlich gestatteter Nutzungshandlungen.260 Denn ebenso wie das Integritätsinteresse des Urhebers wird auch der persönlichkeitsrechtliche Entstellungsschutz dem ausübenden Künstler nicht absolut gewährt.261 Vielmehr muss auch hier unter Heranziehung der leistungs- und verwendungsspezifischen Kriterien, wie dem Grad der künstlerischen Leistung und dem Ruf des Künstlers zum einen sowieAusmaß und Schwere der Beeinträchtigung der Darbietung zum anderen, im Einzelfall eine interessengerechte Entscheidung getroffen werden.
b) Erfordernis der Zurechenbarkeit zur künstlerischen Leistung Voraussetzung für eine Ruf- oder Ansehensgefährdung i. S. v. § 75 UrhG ist nach hier vertretener Auffassung jedoch stets, dass die durch den Nutzer verursachte Veränderung der Darbietung von den Zuschauern oder Hörern auch dem Interpreten als dessen mangelhafte künstlerische Leistung zugerechnet wird.262 Denn Eingriffe, die der Rezipient für „normal“ erachtet und daher ohnehin nicht dem ausübenden Künstler zugeschrieben werden (wie z. B. eine verminderte Klang- oder Bildqualität aufgrund einer technisch mangelhaften Signalaufzeichnung und/oder übertragung), vermögen ein Verbotsrecht aus § 75 UrhG nicht zu begründen.263 So ist bspw. ein von einem Nutzer mittels Kamera-Handy hergestellter Audio- und/oder Video-Mitschnitt einer Live-Darbietung nicht allein deshalb unzulässig, weil u. a. die aufgezeichnete Stimme oder das Instrument des Interpreten aufgrund der zu erwartenden „Übersteuerung“ der Aufnahme nur zerzerrt wiedergegeben oder von anderen Nebengeräuschen überlagert wird. Wird eine Aufzeichnung nämlich mit hierfür offensichtlich ungeeigneten Gerätschaften vorgenommen, werden die erkennbar hieraus resultierenden Störungen des Wiedergabeergebnisses von einem unvoreingenommenem Durchschnittsbetrachter264 später kaum als Unvermögen des Künstler angesehen werden. 259
Siehe hierzu oben: „Einheitliche Interessenabwägung“, S. 156 ff. Aufgrund der in § 83 UrhG enthaltenen Verweisung auf die gesetzlichen Schrankenbestimmungen finden auch auf den Entstellungsschutz des ausübenden Künstlers die §§ 62 Abs. 1 S. 2, 39 Abs. 2 UrhG Anwendung, die auch hier letztlich zu einer Abwägung der widerstreitenden Interessen führen. 261 Vgl. Dreier/Schulze, § 75 Rn. 7; Schricker/Vogel, § 75 Rn. 2; Wandtke/Bullinger/Büscher, § 75 Rn. 13. 262 So ausdrücklich Schack, UrhR, Rn. 608. 263 Siehe hierzu insb. BGH GRUR 1987, 814, 816 – Die Zauberflöte; OLG Hamburg GRUR 1989, 525, 526 – Die Zauberflöte II; OLG Hamburg ZUM 1991, 545, 547 – The Rolling Stones; OLG Köln GRUR 1992, 388, 389 – Prince; sowie LG Berlin ZUM 2006, 761 ff. 264 So OLG München ZUM 1991, 540, 541 – U2. 260
B. Urheberpersönlichkeitsrechte
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Dies gilt insbesondere für alle Formen von Amateur- und Hobbyaufnahmen, bei denen von vornherein bestenfalls mit einer semi-professionellen Qualität gerechnet wird. Raum für eine Interessenabwägung im Zusammenhang mit UGC ist daher praktisch nur bei bearbeitungsähnlichen Eingriffen in bereits fixierte Darbietungen,265 die bei dem Rezipienten den Eindruck einer vermeintlich mangelhaften künstlerischen Leistung des Interpreten entstehen lassen. Hierher gehören vor allem die Fälle der Nachsynchronisierung266 nutzergenerierter Video-Beiträge, das sog. Sound-Sampling267 – sofern die Herkunft des Samples dabei noch erkennbar und somit dem Interpreten zurechenbar ist – sowie die öffentliche Wiedergabe einer künstlerischen Darbietung in einem abträglichen Kontext 268 im Internet bspw. einem Blog neofaschistischer Gesinnung oder einer Internetplattform mit überwiegend pornografischen Inhalten.
3. Schutz des Filmherstellers gegen Beeinträchtigungen – § 94 UrhG Aufgrund der außerordentlichen Popularität nutzergenerierter Video-Beiträge im Internet kommt für die prosumierenden Nutzer schließlich auch noch eine Beeinträchtigung des leistungsschutzrechtlichen Kürzungs- und Entstellungsschutzes des Filmherstellers gemäß § 94 Abs. 1 S. 2 UrhG in Betracht. Als einzigem Inhaber eines unternehmerischen Leistungsschutzrechts wird dem Filmhersteller hierin das den §§ 14, 75 UrhG nachgebildete Recht zugestanden, „jede Entstellung oder Kürzung des Bildträgers oder Bild- und Tonträgers zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten Interessen an diesem zu gefährden“.269
a) Erfordernis der Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen Trotz seines annähernd gleichen Wortlauts wurzelt das Verbotsrecht aus § 94 UrhG nicht im Urheberpersönlichkeitsrecht, sondern in der unternehmerischen Lei265
Ebenso gegen eine Anwendbarkeit des § 75 UrhG auf Live-Darbietungen Freitag, Die Kommerzialisierung von Darbietung und Persönlichkeit des ausübenden Künstlers, S. 82 ff.; dem folgend auch Schack, UrhR, Rn. 608. 266 Zur nachträglichen Synchronisation einer schauspielerischen Leistung durch eine andere Stimme in derselben Sprache vgl. insb. OLG München UFITA 28 (1958), S. 342; zustimmend Möhring/Nicolini/Kroitzsch, § 83 Rn. 10; Dreier/Schulze, § 75 Rn. 12; Schricker/Vogel, § 75 Rn. 28; Wandtke/Bullinger/Büscher, § 75 Rn. 10. 267 Das sog. „Sampling“ bezeichnet das Herauslösen einzelner Sequenzen einer Darbietung aus der Ursprungsaufnahme und deren anschließende Verwendung in einem neuen musikalischen Zusammenhang (vgl. näher hierzu Häuser, Sound und Sampling, S. 98 f.); siehe hierzu auch Schricker/Vogel, § 75 Rn. 29. 268 Vgl. Schricker/Vogel, § 75 Rn. 30 mit weiteren Bsp. aus der Praxis. 269 Im Gegensatz zu den Rechten des Filmherstellers nach § 94 UrhG kennen die verwandten Schutzrechte der Sendeunternehmen, Tonträger- und Datenbankhersteller keinen vergleichbaren Entstellungsschutz.
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5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte
stung.270 Damit dient es nicht dem Schutz ideeller Interessen, sondern ausschließlich dem der wirtschaftlichen Leistung des Filmherstellers.271 Das Gesetz statuiert damit also ein grundsätzliches Änderungsverbot in Bezug auf Entstellungen und substanzielle Kürzungen eines Filmes, soweit hierdurch berechtigte wirtschaftliche Interessen seines Herstellers gefährdet werden.272 Das können folglich nur solche Änderungen sein, die die wirtschaftliche Auswertung eines Filmes beeinträchtigen.273
b) Interessenabwägung zur Konkretisierung des Schutzbereichs Aus dem Erfordernis, die Eignung zur Beeinträchtigung berechtigter Interessen darlegen zu müssen, folgt im Umkehrschluss jedoch auch, dass der Filmhersteller Veränderungen des Bild- und Tonträgers unterhalb dieser Schwelle dulden muss.274 Der unbestimmte Rechtsbegriff des berechtigten Interesses verlangt somit eine Konkretisierung durch Abwägung der beteiligten, widerstreitenden Interessen am Maßstab materieller Verhältnismäßigkeit.275 Dies gilt darüber hinaus auch im Verhältnis zu allen gesetzlich Nutzungsberechtigten, deren Verwertungshandlungen zwar objektiv die Tatbestandsmerkmale der Kürzung und/oder Entstellung erfüllen, im Interesse der geistigen Auseinandersetzung jedoch gesetzlich privilegiert werden. Denn gemäß § 94 Abs. 4 UrhG unterliegt auch das Verbotsrecht des Filmherstellers nach § 94 Abs. 1 S. 2 UrhG den gesetzlichen Schrankenregelungen der §§ 44 a ff. UrhG, so dass über § 62 Abs. 1 S. 2 UrhG auch hier die vorgenannte Interessenabwägung gemäß §§ 94, 39 Abs. 2 UrhG Platz greift.276 Soweit also Vervielfältigungen, Zitate, öffentliche Wiedergaben und dgl. gesetzlich gestattet sind, werden auch die Leistungsschutzrechte des Filmherstellers eingeschränkt.277
270
Vgl. Wandtke/Bullinger/Manegold, § 94 Rn. 60. Vgl. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 102; s.a. Schricker/Katzenberger, § 94 Rn. 6. 272 Vgl. Loewenheim/Schwarz/Reber, § 42 Rn. 32. 273 Str.; wie hier Schricker/Katzenberger, § 94 Rn. 28. 274 So Fromm/Nordemann/Hertin, § 94 Rn. 3. 275 So ausdrücklich Wandtke/Bullinger/Manegold, § 94 Rn. 63. 276 Insofern kann auch hier auf die Ausführungen zur Interessenabwägung beim Integritätsrecht des Urhebers nach § 14 UrhG verwiesen werden (siehe hierzu oben: „Einheitliche Interessenabwägung“, S. 156 ff.). 277 Vgl. Dreier/Schulze, § 94 Rn. 58. 271
6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
A. Einführung Die vorstehende Darstellung hat gezeigt, dass die Erstellung von UGC typischerweise eine ganze Reihe von urheber- und leistungsschutzrechtlichen Verwertungstatbeständen erfüllt. Aber auch urheberpersönlichkeitsrechtlich motivierte Interessen und Befugnisse der betroffenen Schöpfer und Unternehmen werden durch die Bereitstellung von nutzergenerierten Medieninhalten regelmäßig gefährdet. Inwieweit durch die selbstbestimmte Erzeugung und Veröffentlichung von UGC aufgrund der unautorisierten Verwendung fremder urheberrechtlich geschützter Leistungsergebnisse jedoch tatsächlich Urheberrechtsverletzungen begangen werden, hängt letztendlich von der Anwendbarkeit und Reichweite der aktuellen gesetzlichen Schrankenregelungen ab. Denn sofern die mit der Erstellung von UGC verbundenen Nutzungshandlungen in den §§ 44 a ff. UrhG gesetzlich gestattet werden oder sich noch innerhalb des mittels § 24 UrhG zu bestimmenden zulässigen kreativen Wirkbereichs bewegen, stellen sie mangels eines diesbezüglichen Verbotsrechts der Berechtigten grundsätzlich keinen Eingriff in urheberrechtlich geschützte Rechtspositionen dar. Die Zulässigkeit von UGC richtet sich daher entscheidend danach, ob und ggf. inwieweit die Erzeugung und Veröffentlichung nutzergenerierter Medieninhalte mit den vom UrhG privilegierten Tatbeständen in Einklang zu bringen ist. Im Anschluss an einen kurzen Überblick über Gegenstand und Funktion der urheberrechtlichen Schranken (B) sowie deren Auslegung und Anwendung (C) werden daher im Folgenden die für eine Privilegierung der beschriebenen Nutzerhandlungen in Betracht kommenden Urheberrechtsschranken (D) diesbezüglich untersucht. Für den Fall, dass hierbei eine Subsumtion unter die einschlägigen Ausnahmetatbestände aktuell nicht möglich erscheint, soll zugleich darüber nachgedacht werden, ob die Bereitstellung nutzergenerierter Medieninhalte zukünftig in den Anwendungs-
C. A. Bauer, User Generated Content, DOI 10.1007/978-3-642-20068-7_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
bereich der jeweiligen Schranke mit einbezogen werden sollte, sich im Einzelfall also bereits als privilegierungswürdiges Verwertungsanliegen darstellt.1
B. Gegenstand und Funktion urheberrechtlicher Schranken Jedes urheberrechtlich geschützte Werk und die darin verkörperte geistige Leistung seines Schöpfers stellt in vermögensrechtlicher Hinsicht (geistiges) Eigentum i. S. v. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG dar.2 Ebenso wie das Sacheigentum fällt daher auch das Urheberrecht unter die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie. Mit dem Sacheigentum teilt das Urheberrecht damit aber nicht nur das Schicksal seiner Inhaltsbestimmung durch den Gesetzgeber,3 sondern auch dessen Sozialgebundenheit.4
I. Urheberrechtsschranken als Ergebnis verfassungsrechtlicher Sozialbindung Sozialbindung oder Sozialgebundenheit eines subjektiven Rechts meint dessen Begrenzung zugunsten Dritter und der Allgemeinheit.5 Diese – ausgehend vom Verständnis des Eigentums als absolutes Recht – prima vista widersprüchlich erscheinende Eigenschaft wird verständlicher, wenn man sich Gegenstand und Wesen des Eigentums verdeutlicht: Eigentum ist nämlich weder ein Ding noch eine Herrschaft über eine Sache, sondern vielmehr eine Beziehung zwischen Menschen bezüglich einer Sache.6 Insofern ist die in der juristischen Terminologie gängige Wendung vom Sachherrschaftsrecht missverständlich. Denn die Frage nach dem Eigentum gewinnt 1 Da die urheberrechtlichen Schrankenregelungen aufgrund gesetzesinterner Verweise auch auf alle für UGC relevanten Leistungsschutzrechte anwendbar sind (vgl. oben Kapitel 5, Fn. 12) wird nachfolgend zwecks Vereinfachung der Darstellung nicht weiter zwischen den verschiedenen Rechtsinhabern unterschieden, sondern – soweit nicht anders gekennzeichnet – einheitlich von „Urhebern“ gesprochen. 2 Vgl. BVerfGE 31, 229, 239 – Kirchen- und Schulgebrauch; BVerfGE 49, 382, 392 – Kirchenmusik. 3 Für den anerkannten Grundsatz, dass die Inhaltsbestimmung der Grundrechte, und damit auch die Reichweite der Eigentumsgarantie, durch Gesetz zu erfolgen hat vgl. Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 37; Sachs/Battis/Wendt, GG, Art. 14 Rn. 85. 4 So schon Riezler, Deutsches Urheber- und Erfinderrecht, S. 430; dem folgend RG, Urteil v. 26.4.1933, RGZ 140, 264, 270; s.a. Loewenheim/Götting, § 30 Rn. 1; Schricker/Melichar, Vor §§ 44 a ff. Rn. 1; Dreier/Schulze, Vor §§ 44 a ff. Rn. 1; Wandtke/Bullinger/Lüft, Vor §§ 44 a ff. Rn. 1; für einen Überblick über die Sozialbindung des Urheberrechts heute siehe Leinemann, Die Sozialbindung des „Geistigen Eigentums“, S. 52 ff. 5 Pahud, Zur Begrenzung des Urheberrechts im Interesse Dritter und der Allgemeinheit, S. 116. 6 „Whatever technical definition of property we may prefer, we must recognize that a property right is a relation not between an owner and a thing, but between the owner and other individuals in reference to things.“ (M. Cohen, zit. aus Brocker, Arbeit und Eigentum, S. 573).
B. Gegenstand und Funktion urheberrechtlicher Schranken
175
in Wahrheit erst durch sozialen Kontakt Bedeutung, wenn es darum geht, andere vom Zugang auszuschließen.7 Eigentum beschreibt demnach ein Verhältnis zwischen Menschen: Eigentum ist keine Sache, sondern ein soziales Verhältnis.8 Dies gilt um so mehr für das geistige Eigentum. Dem Einzelnen sollen von der Rechtsordnung zwar subjektive Rechte eingeräumt werden. Dabei ist aber auf die Interessen anderer, insbesondere auf die Interessen der Allgemeinheit gebührend Rücksicht zu nehmen.9 Deshalb wird auch das geistige Eigentum – wie sich aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 GG ergibt – von der Verfassung nicht „schrankenlos“ geschützt.10 Im Interesse der Allgemeinheit muss sich der Urheber vielmehr gewisse Einschränkungen seines ausschließlichen Herrschaftsrechts über das von ihm geschaffene Werk gefallen lassen, die ein in Grenzen legitimes Interesse an der erlaubnisfreien Nutzung von Werken hat.11 Für das Urheberrecht ergibt sich diese Sozialbindung insbesondere daraus, dass der Urheber sein Werk nicht als von der Umwelt losgelöstes Subjekt, sondern vielmehr als Mitglied seines Kulturkreises schafft. Er baut damit stets auf einem Fundament auf, das über Jahrzehnte und Jahrhunderte von anderen Urhebern gelegt wurde und damit zum allgemeinen Kulturgut gehört.12 Die Grenzen für die Rechtezuweisung an den Urheber ergeben sich außerdem aus der Tatsache, dass die von ihm geschützten Geisteswerke von vornherein auf Kommunikation zielen.13 Denn der Veröffentlichung eines Geisteswerkes ist schließlich der spezifische Zweck immanent, seinen Gedanken- und Gefühlsinhalt möglichst vielen anderen Menschen zugänglich zu machen.14 Darüber hinaus unterliegen Immaterialgüter – im Gegensatz zu den vom Sacheigentum geschützten körperlichen Gegenständen – auch keinem nutzungsbedingten Verschleiß und können von mehreren Personen gleichzeitig genossen werden.15 Eben die hieraus resultierenden konkurrierenden
7 Vgl. Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 206. Hält man sich die Robinsonade – die Fiktion eines isolierten Individuums – vor Augen, wird dies klarer: Der auf einer einsamen Insel allein lebende Mensch wird sich keine Gedanken darüber machen, wessen „Eigentum“ die Palmen, der Strand, die Früchte etc. sind, die ihn umgeben. Denn es gibt weit und breit niemanden, der ihm diese Dinge streitig machen könnte bzw. es ist schlicht unnötig, jemanden vom Zugang auszuschließen (vgl. Nuss, Copyright & Copyriot, S. 123). 8 Vgl. Nuss, Copyright & Copyriot, S. 123 f. m.w.N. 9 Pahud, Zur Begrenzung des Urheberrechts im Interesse Dritter und der Allgemeinheit, S. 116. 10 Vgl. BVerfGE 31, 270, 272 – Schulfunksendungen. 11 Vgl. Schricker/Melichar, Vor §§ 44 a ff. Rn. 1. 12 Vgl. Pahud, Zur Begrenzung des Urheberrechts im Interesse Dritter und der Allgemeinheit, S. 118. 13 Vgl. Roeber, Urheberrecht oder geistiges Eigentum, S. 150, 166; dem folgend Peifer, Individualität im Zivilrecht, S. 99. 14 Vgl. hierzu schon die AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 63: „Urhebergut ist dagegen seinem Wesen nach Mitteilungsgut. Ein Geisteswerk soll gerade – jedenfalls von dem Augenblick an, in dem der Urheber es veröffentlicht hat – in seinem Gedanken- und Gefühlsinhalt möglichst vielen anderen Menschen zugänglich gemacht werden.“ 15 Vgl. Peifer, Individualität im Zivilrecht, S. 99.
176
6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Interessen der Urheber und der Allgemeinheit angemessen in Ausgleich zu bringen, ist die hauptsächliche Funktion der Schranken des Urheberrechts.16 Die hierfür erforderliche Schrankenziehung darf allerdings nicht völlig frei geschehen, sondern muss die von der Verfassung und diversen internationalen Regelungen gesetzten Grenzen (Schranken-Schranken) beachten.17 Denn einerseits ist die grundsätzliche Zuordnung der vermögenswerten Ergebnisse des geistigen Eigentums zum Urheber zu wahren und dessen Verfügungsrecht zu respektieren. Andererseits müssen jedoch auch „sachgerechte Maßstäbe“ für eine „der Natur und sozialen Bedeutung des Rechts entsprechenden Nutzung und angemessenen Verwertung“ der Werke geschaffen werden.18 Zur Erfüllung dieses aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Verfassungsauftrages19 hat der Gesetzgeber zur Ausgestaltung der Eigentumsgarantie Inhalt und Schranken der vermögensrechtlichen Befugnisse des Urhebers im UrhG bestimmt.20 Dabei ist er in drei Stufen vorgegangen: Er regelte nacheinander Objekt, Inhalt und Schranken des Urheberrechts.21
II. Schrankenvorschriften im System des UrhG Zunächst wird in den §§ 1, 2 und 11 UrhG die persönlich-geistige und wirtschaftliche Beziehung des Urhebers zu seinem Werk der Literatur, Wissenschaft oder Kunst zum Schutzobjekt des Urheberrechts erklärt. Zugunsten der Allgemeinheit beschränkt § 2 Abs. 2 UrhG jedoch bereits an dieser Stelle den Schutzbereich des Gesetzes auf „persönliche geistige Schöpfungen“22 (Werkbegriff). Auf der zweiten Stufe wird in den §§ 11–27 UrhG sodann der Inhalt der urheberrechtlichen Befugnisse festgelegt, von denen die dem Urheber ausschließlich und umfassend gewährten Verwertungsrechte23 (§§ 15–23 UrhG) für die Schrankenregelungen von besonderer Bedeutung sind. Denn diese geben – freilich nur im Rahmen ihres durch § 24 UrhG beschränkten Schutzumfangs – gemeinsam mit den vom Werkbegriff erfassten Schutzobjekten den konkreten Anwendungsbereich der Schranken vor, innerhalb dessen 16
So schon die AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 27, 30. Siehe näher hierzu unten: „9. Kapitel: Vereinbarkeit des Regelungsvorschlags mit verbindlichen Schrankenvorgaben“, S. 391 ff. 18 So ausdrücklich BVerfGE 31, 229, 241 – Kirchen- und Schulgebrauch; s.a. BVerfGE 49, 382, 392 – Kirchenmusik. 19 Vgl. BVerfGE 31, 270, 272 – Schulfunksendungen. 20 Zur verfassungsrechtlichen Verankerung der Sozialbindung im Urheberrecht siehe auch Leinemann, Die Sozialbindung des „Geistigen Eigentums“, S. 61 ff. 21 Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 31. 22 Vgl. hierzu auch Peifer, Individualität im Zivilrecht, der zutreffend darauf hinweist, dass von Schranken des Urheberrechts nur bezüglich solcher Werkbestandteile gesprochen werden kann, die persönlich-individuell sind (S. 102). Der Allgemeinheit wird also nichts genommen, was ohne den Urheber vorhanden wäre (S. 100). 23 Vgl. Schricker/v. Ungern-Sternberg, § 15 Rn. 22. 17
B. Gegenstand und Funktion urheberrechtlicher Schranken
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ein Ausgleich der verschiedenen, durch das Urheberrecht berührten Interessen vorgenommen werden muss. Die auf der dritten Stufe in den §§ 44 a–60 UrhG normierten Urheberrechtsschranken dienen schließlich der Feinabstimmung der Konturen der dem Urheber vorbehaltenen Rechte innerhalb des durch den Werkbegriff und den Bestimmungen zum Rechtsinhalt vorgegebenen Anwendungsbereichs.24 Der konkrete gesetzliche Schutzumfang ergibt sich daher immer erst aus dem Zusammenspiel von Inhalt und Schranken des Urheberrechts.25 Dabei ist zu beachten, dass die aus dem Eigentumsrecht fließenden Befugnisse des Urhebers – anders als die aufgezeigte dreigliedrige Systematik vermuten lassen könnte – diesem stets von vornherein nur in den vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen zustehen.26
III. Arten der Beschränkung Die Schrankenbestimmungen der §§ 44 a ff. UrhG lassen sich im Wesentlichen in zwei unterschiedliche Schrankenarten einteilen: die ersatzlose Aufhebung des ausschließlichen Verwertungsrechts (Freistellung) und die Gewährung einer gesetzlichen Lizenz.27 Die häufigste Schrankenart ist die verwertungsrechtliche Freistellung.28 Durch sie ist der privilegierte Nutzer berechtigt, das Werk im Rahmen der durch den Schrankentatbestand aufgestellten Voraussetzungen zu verwerten, ohne dass er eine Erlaubnis des Berechtigten einholen oder eine Vergütung hierfür bezahlen müsste.29 Lediglich das grundsätzliche Änderungsverbot nach § 62 UrhG und die Pflicht zur Quellenangabe nach § 63 UrhG sind hier vom Nutzer zu beachten. Bei der gesetzlichen Lizenz wird das ausschließliche Verwertungsrecht des Urhebers zwar ebenfalls aufgehoben und bestimmte Nutzungen werden ohne Einwilligung des Urhebers für zulässig erklärt. Als Ausgleich für die mit der „Lizenzerteilung“ verbundene Aufhebung des Verbotsrechts gewährt das Gesetz dem Urheber hier jedoch einen Anspruch auf angemessene Vergütung.30 Dieses abgestufte System der Eingriffsintensität ist Ausfluss der verfassungsrechtlich gebotenen Interessenabwägung, mit welcher der Gesetzgeber versucht hat, im Rahmen der Einführung der 24
Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 33. Vgl. Schack, UrhR, Rn. 463. 26 Vgl. Loewenheim/Götting, § 30 Rn. 1 m.w.N. 27 Mangels Relevanz für die Untersuchung der Zulässigkeit von UGC wird auf die Befristung der urheberrechtlichen Schutzdauer (§§ 64 ff. UrhG) sowie der teilweise ebenfalls als Urheberrechtsschranke angesehenen Zwangslizenz (§ 42a UrhG) und die Verwertungsgesellschaftspflichtigkeit an dieser Stelle nicht näher eingegangen. 28 Eine vergütungsfreie Freistellung ist in den §§ 44 a, 45, 47, 48, 50, 51, 55, 56, 57, 58, 59 und 60 UrhG sowie teilweise in §§ 45a und 52 UrhG vorgesehen. 29 Vgl. Rehbinder, UrhR, Rn. 433. 30 Ein angemessener Vergütungsanspruch aufgrund einer gesetzlichen Lizenz steht dem Urheber für die erlaubnisfreie Nutzung seines Werkes in bestimmten Fällen der §§ 45a, 46, 47, 49, 52, 52a und 53 UrhG zu. 25
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Schrankenbestimmungen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz31 angemessen Rechnung zu tragen.32 Denn soweit dem Allgemeininteresse nur der Verbotscharakter der urheberrechtlichen Befugnisse, nicht jedoch das wirtschaftliche Interesse des Urhebers entgegensteht, aus der Verwertung seines Werkes einen angemessenen Nutzen zu ziehen, wird dem Urheber anstatt eines ausschließlichen Verwertungsrechts so zumindest ein Vergütungsanspruch für die erlaubnisfreie Nutzung seines Werkes gewährt. Wie schon die Aufteilung in verschiedene Einzeltatbestände zu erkennen gibt, lassen sich die Urheberrechtsschranken nicht auf einen einheitlichen Privilegierungszweck zurückführen. Insbesondere existiert im deutschen UrhG keine generalklauselartige Ausnahmebestimmung, wie sie bspw. im US-amerikanischen Copyright Act mit der Fair-Use-Doktrin (17 U.S.C. § 107) vorgesehen ist. Es handelt sich vielmehr um ein Konglomerat von verschiedenen rechtspolitischen Zielen, die mit den einzelnen Schrankenbestimmungen verfolgt werden.33 Regelungstechnisch setzen die Vorschriften hierfür nahezu ausschließlich an den geschützten Verwertungshandlungen an und erklären sie in den enumerativ aufgezählten34 und genau beschriebenen Verwertungssituationen unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig. Im Gegensatz zu Schutzobjekt und Schutzinhalt regelt das UrhG die berechtigten Interessen der Allgemeinheit also grundsätzlich abschließend und detailliert.35 Im Mittelpunkt steht dabei die Sicherung der Freiheit der geistigen Auseinandersetzung, worunter insbesondere die Freiheit der Information und Berichterstattung sowie die Zitierfreiheit einzuordnen sind.36 Aber auch der Freiheit der Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch sowie verschiedenen wirtschaftlichen Partikularinteressen kommt innerhalb der gesetzlich privilegierten Werknutzungen ein nicht unerhebliches Gewicht zu.
C. Auslegung und Anwendung der Schrankenbestimmungen Nahezu sieben Jahrzehnte37 lang wurde in Literatur und Rechtsprechung die einhellige Meinung vertreten, dass die Schrankenbestimmungen des Urheberrechts Aus-
31
Vgl. BVerfGE 31, 229, 241 f. – Kirchen- und Schulgebrauch. Zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben siehe näher Schricker/Melichar, Vor §§ 44 a ff. Rn. 7 ff. 33 Vgl. Loewenheim/Götting, § 30 Rn. 7. 34 So ausdrücklich BGH GRUR 2003, 956 – Gies-Adler. 35 So auch Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 33 f. 36 Vgl. Loewenheim/Götting, § 30 Rn. 8. 37 Als eines der ersten deutschen Gerichte setzte sich das Reichsgericht mit der „gesetzlichen Regel ausschließlicher Urheberbefugnis und ihrem Verhältnis zu ihren Ausnahmen“ in seinem Urteil vom 5. November 1930 auseinander (vgl. RGZ 130, 196 ff. – Codex aureus). 32
C. Auslegung und Anwendung der Schrankenbestimmungen
179
nahmeregelungen darstellten, die aufgrund ihrer Rechtsnatur weder einer extensiven Auslegung noch einer analogen Anwendung zugänglich seien.38
I. Urheberrechtsschranken als Ausnahmeregelungen In der Tat sind Urheberrechtsschranken – regelungstechnisch – „Ausnahmen“.39 Denn ist man gewillt – dem vorherrschenden Eigentumsparadigma in Form der bürgerlichen Eigentumstheorie entsprechend –, die kapitalistisch motivierte Zuordnung geistig-kreativer Schöpfungen zu einem Individuum durch das Instrument des Eigentums40 grundsätzlich zu akzeptieren,41 wird man in dogmatischer Hinsicht um den deontisch fundierten Grundsatz nicht umhin kommen, dass die Schrankenregelungen den dem Urheber umfassend zugesprochenen Verwertungsrechten letztlich als Ausnahmeregelungen gegenüberstehen.42 Es entspricht allgemeinen logischen Grundsätzen, dass zur normativen Fixierung gesellschaftlicher Konventionen auf ein zweistufiges Regel-Ausnahme-Verhältnis zurückgegriffen wird, welches leicht kommunizierbar und damit für jedermann verständlich ist. Gleichwohl ist das Urheberrecht seinerseits nur eine begründungspflichtige Ausnahme gegenüber der
38 Für eine enge Auslegung der Schranken: RGZ 128, 102 – Schlagerliederbuch; RGZ 153, 1 – Rundfunksendung und Schallplatten; BGHZ 11, 135, 143 – Lautsprecherübertragung; BGHZ 17, 266, 282 – Grundig-Reporter; BGHZ 50, 147, 152 – Kandinsky I; BGHZ 58, 262, 265 – Landesversicherungsanstalt; BGH GRUR 1983, 28, 29 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe II; BGH GRUR 1985, 874, 875 – Schulfunksendung; BGHZ 114, 368, 371 – Liedersammlung; BGHZ 116, 305, 308 – Altenwohnheim; BGHZ 123, 149, 155 – Verteileranlagen; BGHZ 126, 313, 317 – Museumskatalog. Aus der Literatur vgl. etwa Schricker/Melichar, Vor §§ 44 a ff. Rn. 15 m.w.N.; Möhring/Nicolini/Nicolini, § 45 Rn. 2; Wandtke/Bullinger/Lüft, Vor §§ 44 a ff. Rn. 1; Dreier in: Schricker, Urheberrecht auf dem Weg zur Informationsgesellschaft, S. 139; Schack, Urheberrechtliche Schranken, übergesetzlicher Notstand und verfassungskonforme Auslegung, S. 511, 514 f. 39 So im Ergebnis wohl auch Hilty, ZUM 2003, 983, 994: „Der Anbieter verfügt [. . . ] über ein absolut wirkendes Recht. Die Berechtigung, jenes geltend zu machen, ist daher als Grundsatz, die Einschränkung dieses Rechts als Ausnahme zu sehen.“ Siehe hierzu auch Hilty, Verbotsrecht vs. Vergütungsanspruch, S. 325, 327; Koch, Die Auswirkungen der digitalen Informationstechnologien auf die Schranken des Urheberrechts, S. 24 ff., die in den Schranken „Erlaubnistatbestände“ sieht. 40 So stelltNuss zutreffend heraus, dass das Urheberrecht „eine Institution des kapitalistischen Privateigentumsystems“ (Nuss, Copyright & Copyriot, S. 214) ist. Denn die Etablierung von Eigentum im Zeitalter unendlicher Reproduzierbarkeit geistiger Schöpfungen ist letztlich nichts anderes, als die Subsumtion digitaler Güter unter das Kapital. Damit wurde geistiges Eigentum ebenso Privateigentum wie es das Sacheigentum ist (vgl. Nuss, Copyright & Copyriot, S. 199). 41 Insofern erinnert Peukert zutreffend an „die unverzichtbare Ordnungsleistung des privaten Eigentums in einer freiheitlich-demokratischen Ordnung“ (vgl. Peukert in: Berger/Macciacchini, Populäre Irrtümer im Urheberrecht, S. 41). 42 Allg. Ansicht, vgl. etwa Schricker/Melichar, Vor §§ 44 a ff. Rn. 1 m.w.N.; dem folgend sogar auch Kröger, Informationsfreiheit und Urheberrecht, S. 119.
180
6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
grundsätzlich anzunehmenden Informationsfreiheit.43 Denn urheberrechtliche Monopolrechte entstehen erst, wenn und soweit die Auswahl und Zusammenstellung von an sich schutzlosen und frei zirkulierenden Einzeldaten oder Informationen44 bei einem Individuum ein überdurchschnittliches Maß erreicht.45 Insofern kann Geiger zwar durchaus dahingehend zugestimmt werden, dass man sich das Urheberrecht als „eine Insel von Exklusivität in einem Meer von Freiheit“46 vorstellen kann. Die Zugrundelegung dieser zutreffend gewählten Metapher für das durch Schrankenbestimmungen ausgebildete Urheberrecht verhindert es nach der hier vertretenen Ansicht jedoch nicht, die das (ausnahmsweise gewährte) Monopolrecht beschränkenden Vorschriften trotzdem als „Ausnahmen“ zu begreifen. Denn wenn man davon ausgeht, dass es sich bei dem normativ geprägten Urheberrecht um ein von allen Seiten begrenztes Eiland handelt, wird diesem zunächst immer ein ganzheitlicher, d. h. runder Schutzumfang zugedacht.47 Erst bei genauerer Betrachtung werden sodann – um im Bild zu bleiben – gewisse Ausbuchtungen dieses „Insel-Rechts“ erkennbar, deren positive und negative Extremwerte einen Übergangsbereich – gleichsam einer durch Naturgegebenheiten geformten Küstenstruktur – zwischen gesichertem „Festland“ und schutzlosen „Meeresströmungen“ bilden. Die Rechts-Substanz wird hier, entsprechend ihrer Einbindung in das gesellschaftliche und weltliche Gesamtsystem, aufgrund unterschiedlich stark ausgeprägter Vorbedingungen an verschiedenen Stellen unregelmäßig zurückgedrängt. Damit werden den individuellen Berechtigungen und Befugnissen des Schöpfers im Interesse des Allgemeinwohls die erforderlichen Grenzen gezogen.48 An diesen Grenzstellen stoßen die „Ausnahmen“ also in das durch umfassend formulierte Verwertungsbefugnisse vorgegebene Rechts-Massiv vor, indem sie gewisse Handlungen – die
43
So auch Kröger, Informationsfreiheit und Urheberrecht, S. 224; Kröger, MMR 2002, 18, 20; Hoeren, GRUR 1997, 866, 870; Hoeren, MMR 2000, 3; Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 461; Geiger, GRUR Int. 2004, 815, 819; Geiger, IIC 2008, 178, 193; Hilty, in: Ohly/Klippel, Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit, S. 111. 44 Zu Recht hebt Peukert daher die Selbstverständlichkeit hervor, dass alle „nicht zugeordneten Güter von jedermann [frei] genutzt werden“ können (vgl. Peukert in: Berger/Macciacchini, Populäre Irrtümer im Urheberrecht, S. 57; eingehend zum Verhältnis von Güterzuordnung und Freiheitsschutz im Privatrecht Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 891 ff.). 45 Vgl. Kröger, Informationsfreiheit und Urheberrecht, S. 224. 46 Vgl. Geiger, IIC 2008, 178, 193: „intellectual property rights represent exceptions to a greater principle of freedom“ (Hervorh. d. Verf.); s.a. Geiger, Die Schranken des Urheberrechts im Lichte der Grundrechte, S. 143, 150 f.; Geiger, GRUR Int. 2004, 815 ff.; Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 461. 47 Vgl. hierzu auch Peifer, Individualität im Zivilrecht, S. 100: „Doch erstreckt sich der Schutz des Urheberrechts zunächst pauschal auf das Werk und differenziert nicht danach, welche Teile darin individuell und welche frei sind. Bei der Werknutzung ist daher im Einzelfall zu bestimmen, welche Nutzungen den freien Bestand betreffen und in welchem Umfang auch auf den geschützten Bestand zugegriffen werden darf. [. . . ] Von einer Schranke des Urheberrechts kann insoweit erst gesprochen werden, wenn der Zugriff auf den persönlich individuellen Gehalt selbst gestattet wird.“ 48 Vgl. BVerfGE 31, 229, 240 – Kirchen- und Schulgebrauch.
C. Auslegung und Anwendung der Schrankenbestimmungen
181
sonst dem Alleinverfügungsrecht des Urhebers unterlägen – von vornherein vom Urheberrechtsschutz „ausnehmen“. Bei den Schrankenregelungen handelt es sich also genau genommen um Rückausnahmen von der Ausnahme des Alleinverfügungsrechts des Urhebers vom Prinzip der verfassungsrechtlich geschützten Informations- und Kommunikationsfreiheit.49 Nichtsdestotrotz hat sich der deutsche Gesetzgeber dazu entschlossen, dem Urheber kraft Gesetzes ein Alleinverfügungsrecht bezüglich seiner Werke zuzusprechen, das nur in bestimmten Situationen dem Gemeinwohlinteresse weichen muss. In dieser Lesart wird deutlich, dass der Begriff der „Ausnahme“ die auf einfach-gesetzlicher Ebene bestehende Situation des Regel-Ausnahme-Verhältnisses im Urheberrecht – nämlich die grundsätzlich umfassende Zuordnung des Urheberrechts an persönlichgeistigen Schöpfungen, das nur ausnahmsweise von Schrankenreglungen wieder aufgehoben wird – durchaus zutreffend beschreibt.
II. Anachronismus der engen Schrankenauslegung Abzulehnen ist daher die lange Zeit allseits akzeptierte „Grundregel“, Schrankenbestimmungen seien aufgrund ihres „Ausnahmecharakters“ stets eng auszulegen und keiner analogen Anwendung zugänglich.50 Denn zum einen kennt die zivilrechtliche Methodenlehre keine allgemeine Regel, wonach Ausnahmebestimmungen gegenüber generellen Regeln restriktiv auszulegen und einer analogen Anwendung nicht zugänglich seien.51 Spezielle, negative Geltungsanordnungen zu einer generellen 49
Vgl. hierzu auch Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 219: „Die Schranken des Urheberrechts geben daher nur eine Freiheit zurück, die ohnehin schon bestand und nur durch das Urheberrecht genommen wurde.“ 50 Unmissverständlich hierzu Hilty, GRUR 2005, 819, 823: „Das Ammenmärchen von der ,engen Auslegung von Schrankenbestimmungen‘ dürfte mittlerweile als entlarvt angesehen werden.“ Ebenfalls gegen eine enge Auslegung: Raue, Zum Dogma von der restriktiven Auslegung der Schranken des Urheberrechtsgesetzes, S. 327, 330; Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 43 f.; Schweikart, Die Interessenlage im Urheberrecht, S. 109; Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 51 f.; Geiger, GRUR Int. 2004, 815, 819; Hilty, Verbotsrecht vs. Vergütungsanspruch, S. 325, 327; Kröger, MMR 2002, 18, 20; Kröger, Informationsfreiheit und Urheberrecht, S. 221; Hoeren in: Hilty/Geiger, Impulse für eine europäische Harmonisierung des Urheberrechts, S. 267 ff.; Hoeren, MMR 2000, 3, 4 f.; Löffler, NJW 1980, 201, 204; ebenfalls für eine verfassungskonforme Auslegung Pahud, Zur Begrenzung des Urheberrechts im Interesse Dritter und der Allgemeinheit, S. 125; Koch, Die Auswirkungen der digitalen Informationstechnologien auf die Schranken des Urheberrechts, S. 41. 51 So schon Weinsheimer, NJW 1959, 566; ebenso Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 175 f.; deutlicher noch Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 181: „Kaum eine verfehlte Regel hat soviel Unheil gestiftet, wie die Behauptung, Ausnahmevorschriften seien ihrem Wesen nach einer Analogie unzugänglich; immer wieder hat sich die Rechtsprechung darauf berufen und sich auf diese Weise die Mühe einer genaueren Begründung erspart.“; siehe auch Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 440.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Regel dürfen vielmehr nur dann nicht erweiternd ausgelegt oder analog angewendet werden, wenn dadurch die mit der generellen Norm verfolgte Regelungsabsicht des Gesetzgebers vollkommen in ihr Gegenteil verkehrt würde.52 Auch das BVerfG hat ausgeführt, dass jede verfassungskonforme Auslegung (erst) dort ihre Grenze findet, wo sie mit dem Wortlaut und dem darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde.53 Zum anderen ergibt sich auch aus dem vom Gesetzgeber aus regelungstechnischen Erwägungen54 heraus gewählten Regel-Ausnahme-Verhältnis für das UrhG kein abweichendes Auslegungsgebot. Keinesfalls darf der vorgenannten Gesetzestechnik nämlich ein Prinzip entnommen werden, wonach (quasi „in dubio pro auctore“) den Interessen der Urheber – insbesondere auf grundrechtlicher Ebene – im Zweifel stets der Vorrang gegenüber den Gemeinwohlinteressen gebührte.55 Eine solche Wertung sieht das Grundgesetz nicht vor. Sie wäre auch bereits deshalb verfehlt, weil die jeweils hinter den kollidierenden Interessen stehenden Verfassungswerte, namentlich die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und die persönlichkeitsrechtlichen Interessen der Urheber (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) einerseits und die Informations-, Medien- und Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 1 und 3 GG) anderseits, abstrakt gleichrangig sind.56 Das heißt, dass die jeweils betroffenen Verfassungsrechte, die bei der Auslegung gesetzlicher Normen stets mit zu berücksichtigen sind,57 durch eine simultane Optimierung in praktische Konkordanz gebracht werden müssen.58 Aus den tangierten Grundrechtspositionen kann sich daher für keine der beteiligten Parteien von vornherein ein generelles Vorrecht ergeben. Demzufolge ist auch jegliche Form prinzipieller Gebote zur restriktiven oder weiten Auslegung urheberrechtlicher Schranken fehl am Platze. Denn diese werden ob ihres undifferenzierten Charakters den komplexen verfassungsrechtlichen 52
So ausdrücklich Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 176. Vgl. BVerfGE 8, 28, 34; BVerfGE 18, 97, 111. 54 Vgl. BVerfGE 49, 382, 393 – Kirchenmusik; s.a. Schricker/Melichar, Vor §§ 44 a ff. Rn. 8. 55 Insofern wird der dem Begriff der „Ausnahme“ häufig zugeschriebene Hierarchie-Charakter zugunsten des Urhebers dem Wesen und der Funktion der Urheberrechtsschranken als balancierende Rechtsnormen, die dem Urheberrecht gleichwertig gegenüberstehen, zugegebenermaßen nicht gerecht. Auf die Gefahr einer Fehlinterpretation der als Ausnahmen wahrgenommenen Urheberrechtsschranken wies schon Löffler hin, indem er klarstellte, dass im Rahmen einer freiheitlichen Rechtsordnung eine die Informationsfreiheit sichernde Bestimmung schon ihrem Wesen nach keinen Ausnahmecharakter haben könne. Denn wo immer das Grundrecht auf Kommunikationsfreiheit in den einzelnen Gesetzesbereichen konkret in Erscheinung trete, möge es zwar innerhalb der speziellen Gesetzesmaterie textlich wie eine Ausnahme erscheinen. Rechtlich aber verkörpere es ein für die freiheitliche Demokratie konstituierendes Grundprinzip, das seiner Natur nach jedes Ausnahmecharakters entbehre (vgl. Löffler, NJW 1980, 201, 204). Ebenfalls gegen eine einseitige leitbildorientierte Auslegung Schweikart, Die Interessenlage im Urheberrecht, S. 109 f. 56 Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 43. 57 Vgl. Jarass/Pieroth, GG, Vor Art. 1 Rn. 58; s.a. Fechner, Medienrecht, Rn. 81. 58 Auch das BVerfG hat verschiedentlich die Herstellung von Konkordanz bei Grundrechtskollisionen gefordert (vgl. BVerfGE 49, 382, 392 – Kirchenmusik; BVerfGE 31, 229, 239 – Kirchen- und Schulgebrauch; vgl. auch BVerfGE 41, 29, 51; BVerfGE 77, 240, 255; BVerfGE 81, 298, 308). 53
C. Auslegung und Anwendung der Schrankenbestimmungen
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Interessenlagen nicht gerecht.59 Ein angemessener Ausgleich der konkurrierenden Verfassungsgüter kann vielmehr nur durch eine verfassungskonforme Auslegung60 der urheberrechtlichen Schrankenregelungen erreicht werden, bei der sämtliche im Einzelfall kollidierenden Grundrechte herausgearbeitet und gegeneinander abgewogen werden. Da nicht jede Schrankenbestimmung so verfassungsrechtlich „abgesichert“ ist wie z. B. die Zitierfreiheit oder die Presseberichterstattung, muss dabei allerdings eine differenzierte Betrachtung erfolgen.61 Insbesondere muss jede einzelne Schranke auf ihren verfassungsrechtlichen Kern zurückgeführt und die in ihr zum Ausdruck kommende grundrechtliche Wertentscheidung bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden.
III. Teleologische Interpretation als Auslegungsziel Schrankenbestimmungen sind demnach – wie alle anderen Rechtsnormen auch – in erster Line nach dem mit ihnen verfolgten Zweck auszulegen.62 Dieser ist mit den verfügbaren Hilfsmitteln der Auslegung, nämlich dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte der jeweiligen Schranke zu erforschen.63 Bei der – insbesondere für vorliegende Abhandlung entscheidenden – Frage der Anwendbarkeit aktueller urheberrechtlicher Schranken auf neue Verwertungshandlungen und -technologien liegt das Ziel der Gesetzesauslegung nun aber vor allem darin, den „heute zweckadäquaten und plausiblen Regelungsinhalt“64 der gesetzlichen Privilegierungstatbestände zu ermitteln. Angesichts des sich stetig wandelnden und rasant fortentwickelnden technischen Verwertungsumfeldes ist dabei zunächst zu prüfen, ob die neue Nutzungsart nicht im Wesentlichen eine schon bekannte, von den Schrankenbestimmungen umfasste Nutzungsart ergänzt oder sogar ersetzt und daher die Tatbestandsvoraussetzungen auch bei Zugrundelegung der ursprünglichen 59 So zutreffend Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 43. 60 So auch das BVerfG in seiner Germania III-Entscheidung: „Zur Bestimmung des zulässigen Umfangs dieser Eingriffe dienen die Schrankenbestimmungen des Urheberrechts (§§ 45 ff. UrhG), die ihrerseits wieder im Lichte der Kunstfreiheit auszulegen sind und einen Ausgleich zwischen den verschiedenen – auch verfassungsrechtlich – geschützten Interessen schaffen müssen.“ (vgl. BVerfG GRUR 2001, 149 ff. – Germania III); s.a. Schack, UrhR, Rn. 481b. 61 Vgl. Hoeren in: Hilty/Geiger, Impulse für eine europäische Harmonisierung des Urheberrechts, S. 267. 62 Ebenso Hilty, GRUR 2005, 819, 823; Koch, Die Auswirkungen der digitalen Informationstechnologien auf die Schranken des Urheberrechts, S. 39 f.; vgl. auch BVerfG GRUR 2001, 149 ff. – Germania III. 63 Vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 725, der zutreffend davon ausgeht, dass entgegen der traditionellen juristischen Auslegungslehre, die meistens auf die vier Kriterien Friedrich Carl von Savignys (die grammatische, logische, historische und systematische Auslegung) zurückgreift, der Normzweck das zentrale Ziel jeder Gesetzesauslegung ist. 64 Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 47.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Intention und Zielrichtung des Gesetzgebers – eben auf moderne Art – erfüllt.65 Voraussetzung für eine entsprechende extensive Auslegung oder analoge Anwendung ist dabei jedoch stets, dass der konkreten Urheberrechtsschranke ein Regelungsgrund oder ein sonstiges Prinzip entnommen werden kann, der bzw. das auch für den vom Wortlaut nicht erfassten Fall gilt, ohne dass bei einer konsequenten Verwirklichung dieses Geltungsgrundes oder Prinzips die entgegenstehende generelle Regel insgesamt ausgehebelt werden würde.66 Mit anderen Worten: Eine extensive Auslegung oder analoge Anwendung von Urheberrechtsschranken findet ihre Grenze dort, wo ihre Konsequenzen das gesetzlich vorgesehene Regel-Ausnahme-Verhältnis – mit dem die Balance zwischen den persönlichen und vermögenswerten Interessen der Urheber und Rechteinhaber einerseits und den freiheitlichen Interessen der Allgemeinheit andererseits aufrecht erhalten wird – in seiner Gesamtheit zu bedrohen beginnen. Denn bei der Subsumtion neuer gesellschaftlicher oder technischer Sachverhalte geht es nicht allein um begriffliche Deduktion.67 Die Frage der Privilegierungswürdigkeit bestimmter Werknutzungen lässt sich vielmehr stets nur durch die ergänzende Einbeziehung der durch sie verursachten Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Marktverhältnisse und damit den jeweiligen wirtschaftlichen Interessen und deren Bewertung beantworten. Ist es hiernach jedoch so, dass die Anwendung einer Schrankenbestimmung den Urheber ausnahmsweise günstiger stellt als die Geltung des Ausschließlichkeitsrechts (z. B. weil ihm für die Nutzung ein kollektiv wahrgenommener gesetzlicher Vergütungsanspruch zusteht oder er allein gar nicht in der Lage ist, eine entsprechende – ohnehin stattfindende – Nutzung zu kontrollieren), kann auch eine extensive Schrankenauslegung im Einzelfall durchaus vorzugswürdig sein.68 Auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist mittlerweile eine eindeutige Tendenz zu einer flexibleren Handhabung urheberrechtlicher Schranken im Informationszeitalter zu erkennen. Obwohl der BGH seit jeher eher zu einer engen Auslegung von Urheberrechtsschranken tendiert, ließ er dennoch in einigen Fällen eine extensive Auslegung bzw. analoge Anwendung von Urheberrechtsschranken zu69 oder zog
65
Vgl. Schricker/Melichar, Vor §§ 44 a ff. Rn. 15b. Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 44. 67 Vgl. Dreier, Konvergenz und das Unbehagen im Urheberrecht, S. 77. 68 Siehe hierzu BGH ZUM 2002, 740, 743 – Elektronischer Pressespiegel sowie BGH ZUM 2005, 651, 652 – WirtschaftsWoche; s.a. Schricker/Melichar, Vor §§ 44 a ff. Rn. 15b. 69 Vgl. hierzu insb. die Entscheidungen BGH GRUR 1987, 362, 363 – Filmzitat sowie BGH GRUR 1999, 707, 710 – Kopienversanddienst, bei denen sich das Gericht ausdrücklich gegen eine einschränkende Auslegung der einschlägigen Schranken ausgesprochen hat. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Entscheidung BGH GRUR 2001, 51, 53 – Parfumflakon, in der der BGH unter Berufung auf den „allgemeinen Grundsatz, dass das Urheberrecht ebenso wie andere Schutzrechte gegenüber dem Interesse an der Verkehrsfähigkeit der mit Zustimmung des Berechtigten in Verkehr gesetzten Waren zurückstehen“ müsse, den in § 17 Abs. 2 UrhG normierten Erschöpfungsgrundsatz analog auch auf das gleichzeitig mitverwirklichte Vervielfältigungsrecht anwendete. 66
C. Auslegung und Anwendung der Schrankenbestimmungen
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eine solche zumindest in Erwägung.70 Speziell in jüngeren Entscheidungen wird nun bereits ausdrücklich anerkannt, dass in Einzelfällen der mit einer Schranke verfolgte Zweck oder ein gesteigertes öffentliches Interesse an einer bestimmten Werknutzung ggf. auch eine extensive Auslegung oder sogar eine analoge Anwendung einer Schrankenbestimmung erforderlich machen kann.71 Dass hierbei auch die Möglichkeit der Schaffung eines vermögensrechtlichen Ausgleichs durch das Bestehen oder die Gewährung eines kompensatorischen Anspruchs auf eine angemessene Vergütung auf Seiten der Urheber und/oder Rechteinhaber eine entscheidungserhebliche Rolle spielen kann, haben nicht zuletzt die Entscheidungen des BGH zum Kopienversanddienst72 und dem elektronischen Pressespiegel73 gezeigt. Denn der Zweck des Urheberrechtsgesetzes – einschließlich seiner Schrankenregelungen – besteht gemäß § 11 S. 2 UrhG schließlich (auch) darin, dem Urheber eine angemessene Vergütung für die Nutzung seines Werkes zu sichern. Folglich ist auch dieser Gesichtspunkt bei der Auslegung der gesetzlichen Schranken gebührend zu berücksichtigen.74
70 Vgl. hierzu insb. BGH GRUR 2002, 605 f. – Verhüllter Reichstag sowie BGH GRUR 2001, 51 53 – Parfumflakon, wo der BGH bereits verstanden wissen wollte, dass seine Rechtsprechung weniger dahingehend zu interpretieren sei, „dass Ausnahmevorschriften generell eng auszulegen wären“, sondern die Zurückhaltung bzgl. einer weiten Auslegung eher darauf beruhe, „dass der Urheber an der wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke tunlichst angemessen zu beteiligen ist“. 71 Vgl. hierzu insb. BGH GRUR 2003, 956, 957 – Gies-Adler, wonach involvierte Drittinteressen „schon bei der Auslegung der dem Urheber zustehenden Befugnisse, in jedem Fall aber bei der Auslegung der Schrankenbestimmungen berücksichtigt werden“ müssten, was „im Einzelfall dazu führen [könne], dass eine enge, am Gesetzeswortlaut orientierte Auslegung einer großzügigeren, dem Informations- und Nutzungsinteresse der Allgemeinheit Rechnung tragenden Interpretation weichen“ müsse. Ähnlich auch BGH GRUR 2005, 670 ff. – WirtschaftsWoche. In BGH GRUR 2002, 963, 965 – Elektronischer Pressespiegel stellte das Gericht außerdem klar, dass „ein im Rahmen der Schrankenregelungen [. . . ] verwendeter Begriff infolge technischer Fortentwicklung veralten“ könne und dass dem ggf. „durch eine extensive Auslegung Rechnung getragen werden“ müsse. 72 Vgl. BGH GRUR 1999, 707, 710 – Kopienversanddienst: „Für dieses Ergebnis ist allerdings tragend, dass im Hinblick auf die technische und wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre nunmehr ein gesetzlicherAnspruch der Urheber auf eine angemessene Vergütung für diese Werknutzung anzuerkennen ist.“ 73 Vgl. BGH GRUR 2002, 963, 966 – Elektronischer Pressespiegel: „Vor allem ist bei der Frage einer ausnahmsweise extensiven Auslegung einer Schrankenbestimmung zu berücksichtigen, wie sich die Geltung der Schranke auf die Interessen des Urhebers auswirkt. Insofern können für eine Schranke, die eine unentgeltliche Nutzung ermöglicht, andere Kriterien maßgeblich sein als im Falle einer gesetzlichen Lizenz, bei der das urheberrechtliche Ausschließlichkeitsrecht lediglich zu einem Vergütungsanspruch herabgestuft wird. Danach spielt es für die Auslegung der Schrankenregelung auch eine Rolle, wenn ausnahmsweise die Anwendung der Schranke den Urheber günstiger stellt als die Geltung des Ausschließlichkeitsrechts.“ 74 Vgl. Schricker/Melichar, Vor §§ 44 a ff. Rn. 13; ausführlich hierzu Hilty, Verbotsrecht vs. Vergütungsanspruch, S. 325, 331 ff.; s.a. Hilty, in: Ohly/Klippel, Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit, S. 111; Hilty, ZUM 2003, 983 ff.; dem folgend auch Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 463.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken I. Überblick Für eine Privilegierung von UGC kommen von den zahlreichen Beschränkungen des Urheberrechts insbesondere diejenigen Vorschriften in Betracht, welche die geistige und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit fremden Geisteswerken fördern wollen. Dies sind vor allem die §§ 48–50 UrhG für die öffentliche Berichterstattung über Tagesereignisse (I–III) und die Zitierfreiheit nach § 51 UrhG (IV). Mit Blick auf ihren rechtspolitischen Hintergrund erscheinen aber auch die Regelungen bezüglich der öffentlichen Wiedergabe veröffentlichter Werke nach § 52 UrhG (V) und der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch gemäß § 53 UrhG (VI) untersuchungswürdig. Da die gesetzlichen Ausnahmen für unwesentliche Beiwerke in § 57 UrhG (VII) und Werke an öffentlichen Plätzen in § 59 UrhG (VIII) in gewisser Weise seit jeher dazu bestimmt sind, nutzergenerierte Medieninhalte zu legitimieren, darf deren Erörterung auch im aktuellen Kontext des Web 2.0 nicht fehlen. In einem weiteren Sinne hierher gehört schließlich auch das in § 24 UrhG niedergelegte Institut der freien Benutzung75 (IX), auf dessen Methodik und Privilegierungspotential für UGC im Rahmen vorliegender Zulässigkeitsprüfung abschließend ebenfalls eingegangen wird.
II. Öffentliche Reden – § 48 UrhG Die allgegenwärtige Erstellung nutzergenerierter Medieninhalte im Internet könnte zunächst gemäß § 48 UrhG zulässig sein. Die Bestimmung ermöglicht im Interesse der Öffentlichkeit an einer urheberrechtlich ungehinderten, aktuellen und schnellen Berichterstattung die vergütungsfreie76 Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von öffentlichen Reden und dient damit der verfassungsrechtlich geschützten Informations- und Pressefreiheit.77 Dabei unterscheidet die Vorschrift grundlegend zwischen zwei unterschiedlichen Arten von Reden: zum einen Reden über tagesaktuelle Fragen, die bei öffentlichen Versammlungen gehalten oder öffentlich wiedergegeben worden sind (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 UrhG), und zum anderen solche Reden, die vor staatlichen, kommunalen oder kirchlichen Organen gehalten worden sind (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 UrhG). Mangels praktischer Relevanz der – zusätzlich durch § 169 S. 2 GVG stark eingeschränkten – zuletzt genannten „VerhandlungsredenAusnahme“ für UGC befassen sich nachfolgende Ausführungen lediglich mit der 75
Siehe näher hierzu unten: „Rechtsnatur des § 24 UrhG“, S. 317 f. Vgl. hierzu Möhring/Nicolini/Engels, § 48 Rn. 1: „§ 48 schließt für die erfassten Tatbestände die Nutzungsbefugnis des Urhebers, insbesondere seinen Vergütungsanspruch, völlig aus.“ 77 Siehe näher hierzu Schricker/Melichar, § 48 Rn. 1 ff.; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 48 Rn. 1 ff.; Möhring/Nicolini/Engels, § 48 Rn. 1 ff.; Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 74 ff. 76
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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Schranke bzgl. Reden über Tagesfragen, die für Nutzer von ungleich höherem Interesse sein dürften.78 1. Reden über Tagesfragen Typische Beispiele für die von § 48 Abs. 1 S. 1 UrhG erfassten Reden über Tagesfragen sind politische Kundgebungen aller Art,79 Reden auf Veranstaltungen von Parteien, Gewerkschaften, Verbänden und sonstigen Organisationen, sofern diese an die Allgemeinheit gerichtet sind.80 Ferner sind auch die im Rundfunk gesendeten Reden und Vorträge, wie z. B. Fernsehansprachen der Bundesregierung und – sofern ihnen Werkcharakter zukommt auch – die von Politikern vor und nach Reisen zu bzw. von Konferenzen vor der Presse abgegebenen Erklärungen81 hierzu zu zählen. Richtigerweise werden von § 48 UrhG außerdem auch alle übrigen – insbesondere künstlerischen, wissenschaftlichen oder unterhaltenden – öffentlichen Reden und Vorträge bzw. Teile hiervon erfasst, wenn und soweit sich diese inhaltlich hauptsächlich und nicht nur beiläufig mit einem tagesaktuellen Thema auseinandersetzen.82 Schließlich fällt aufgrund der im Jahre 2003 erfolgten Erweiterung um Reden, die durch öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 19 a UrhG veröffentlicht worden sind, grundsätzlich auch der wöchentliche Video-Podcast der Bundeskanzlerin Angela Merkel („Kanzler-Blog“)83 unter diese Ausnahmebestimmung. 2. Eingeschränkte Schutzgegenstände Angesichts der Tatsache, dass die weit überwiegende Anzahl nutzergenerierter Medieninhalte – die fremde Schutzgegenstände enthalten – im Wege der eigenmächtigen Übernahme bestehender Fremdaufzeichnungen entstehen,84 wird jedoch unabhängig von dem ohnehin eingeschränkten Anwendungsbereich des § 48 UrhG eine 78 Gemäß § 169 S. 2 GVG sind Ton- und Filmaufnahmen bei öffentlichen Gerichtsverhandlungen verboten. Für einen möglicherweise anwesenden Nutzer verbliebe damit lediglich die Möglichkeit des Mitschreibens bzw. Mitstenographierens der gesprochenen Wortlaute, deren Ergebnisse angesichts des Mediennutzungsverhaltens im Web 2.0 jedoch für die Bereitstellung von UGC praktisch wertlos sein dürften. 79 Vgl. Möhring/Nicolini/Engels, § 48 Rn. 8; Schricker/Melichar, § 48 Rn. 5. 80 Vgl. Schricker/Melichar, § 48 Rn. 5. 81 Vgl. Möhring/Nicolini/Engels, § 48 Rn. 9. 82 So auch Möhring/Nicolini/Engels, § 48 Rn. 6, der zutreffend auf Sinn und Zweck des § 48 UrhG abstellt, der nach der Begründung des Gesetzgebers darin besteht, eine schnelle Unterrichtung der Allgemeinheit über solche Reden zu erleichtern, die sich mit Tagesfragen befassen (vgl. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 65, Hervorh. d. Verf.); dem folgend auch Wandtke/Bullinger/Lüft, § 48 Rn. 2; ebenfalls differenzierend Dreier/Schulze, § 48 Rn. 5; a.A. Schricker/Melichar, § 48 Rn. 4. 83 Vgl. „Die Bundeskanzlerin“, abrufbar unter der URL: http://www.bundeskanzlerin.de [02.03.2009]. 84 Vgl. hierzu oben: „Verwendung fremder Werke und Leistungen“, Kapitel 4, S. 79 ff.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Privilegierung von diesbezüglichem UGC in vielen Fällen bereits daran scheitern, dass die Vorschrift ausschließlich die Verwertungsrechte des Urhebers an der gehaltenen Rede selbst einschränkt, nicht jedoch die Rechte derjenigen, die an der Aufzeichnung und/oder Übermittlung der Rede an die Öffentlichkeit mitgewirkt haben (wie z. B. Radio- und Fernsehunternehmen als Tonträger- und Filmhersteller sowie Sendeunternehmen). Die Schranke des § 48 UrhG gestattet nämlich nur die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe des der gehaltenen Rede zugrunde liegenden Sprachwerkes, also eine Übernahme und Weiterverbreitung des Wortlauts der Rede, nicht jedoch die Übernahme einer sie enthaltenden fremden Tonoder Filmaufzeichnung.85 § 48 UrhG ist insoweit eindeutig: Der Kreis der von der Freistellung erfassten Werke ist ausdrücklich auf „Reden“ i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG86 begrenzt.87 Dies entspricht auch dem mit der Vorschrift verfolgten Zweck, der bekanntlich darin besteht, eine unmittelbare urheberrechtskonforme Übermittlung tagesaktueller Ansprachen vomVortragenden (Quelle) an dieAllgemeinheit (avisierter Rezipientenkreis) mittels hierfür geeigneter Medien sicherzustellen (unmittelbare Berichterstattung88 ). Eine im Anschluss an diese „Primärübermittlung“ stattfindende, auf ihren Inhalt aufbauende Weiterverbreitung, Erörterung oder Auseinandersetzung durch Dritte ist – nicht zuletzt mit Blick auf die hierfür geschaffene Sonderregelung des § 49 UrhG89 – hiervon nicht gedeckt.90 Ausgeschlossen ist hiernach also jegliche unmittelbare Übernahme gesendeter oder öffentlich zugänglich gemachter fremder Ton- und Filmaufnahmen (z. B. durch Download oder Mitschnitt entsprechender 85 Siehe allgemein zu der bedeutsamen Frage, welche Schutzgegenstände jeweils von den in den einzelnen Urheberrechtsschranken enthaltenen Freigaben betroffen werden Möhring/Nicolini/Nicolini, § 45 Rn. 3: „Die Freigabe betrifft nicht stets dieselben Schutzobjekte. Zum Teil sind diese ganz allgemein als ,Werke‘ bezeichnet, z.B. in §§ 45, 47, 50; dann sind alle Arten von Werken i.S.d. § 2 [. . . ] gemeint. Zum Teil sind die betroffenen Werkarten auch genau bezeichnet, z.B. in § 46 Abs. 2, § 48, § 52 Abs. 3. – Außerdem sind die Vorschriften des 6. Abschnitts (mit einzelnen Ausnahmen) auf einzelne im 2. und 3. Teil des UrhG behandelte Schutzobjekte anwendbar [. . . ]. Inwieweit praktisch Raum für die Anwendung des 6. Abschnitts auf diese Schutzobjekte ist, richtet sich nach dem Inhalt der einzelnen Freigabevorschriften“; dem folgend auch Möhring/Nicolini/Engels, § 48 Rn. 3 und § 49 Rn. 2. 86 Siehe hierzu insb. die AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 65: „§ 48 gibt im wesentlichen § 17 LUG wieder, verwendet jedoch nicht die Worte ,Vorträge und Reden‘, sondern spricht nur von ,Reden‘. Eine sachliche Änderung bedeutet dies nicht, weil jeder Vortrag zugleich auch eine Rede im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ist.“ 87 Vgl. hierzu Möhring/Nicolini/Engels, § 48 Rn. 3: „[. . . ] eine Anwendung der Vorschrift auf andere Tatbestände des § 2 Abs. 1 sowie auf die Tatbestände der §§ 3, 4 oder der §§ 72, 74–76, 81, 85, 87, 94 und 95 [ist] ausgeschlossen.“; ebenso Möhring/Nicolini/Hillig, § 87 Rn. 47, der eine Anwendbarkeit des § 48 UrhG auf das Leistungsschutzrecht der Sendeunternehmen ebenfalls ausschließt. 88 So zutreffend bereits v. Gamm, UrhG, § 49 Rn. 1. 89 Ähnlich auch Möhring/Nicolini/Engels, § 48 Rn. 4. 90 De lege ferenda sogar für eine Einschränkung des durch § 48 UrhG privilegierten Nutzerkreises auf traditionelle Massenmedien Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 210.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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Rundfunksendungen, Podcasts oder Online-Streams von Radio- und Fernsehsendern, Nachrichtenagenturen oder sonstiger Medienunternehmen) zum Zwecke deren öffentlicher Wiedergabe, auch wenn diese ein von § 48 UrhG erfasstes Sprachwerk enthalten.
3. Freigestellte Verwertungshandlungen Möglicherweise erlaubt die Norm aber eine Bereitstellung von UGC, der auf einer originären Nutzeraufzeichnung urheberrechtlich geschützter Reden (z. B. durch digitale Tonaufzeichnung des Redners mittels Multimedia-Handy oder durch Abtippen und Speichern des Redetextes) basiert, welche im Rahmen einer der genannten öffentlichen Veranstaltungen entstanden ist. Denkbar ist dies insbesondere deshalb, weil im Unterschied zu den körperlichen Verwertungsformen der Vervielfältigung und Verbreitung, die nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 UrhG nur ausgewählten Medien eingeräumt werden, das ebenfalls freigegebene Recht der öffentlichen Wiedergabe nicht auf bestimmte Publikationsorgane begrenzt ist, sondern – dem Wortlaut nach – prinzipiell jedermann zusteht.91 Demnach stünde es also jedem prosumierenden Internetnutzer frei, eine von ihm selbst hergestellte Aufnahme einer privilegierten Rede im Internet (z. B. auf einer privaten Webseite, in einem Blog oder über eine UGC-Plattform) zum Abruf durch die Öffentlichkeit bereitzustellen. Fraglich ist in diesem Zusammenhang jedoch, ob § 48 Abs. 1 Nr. 1 UrhG auch die für eine öffentliche Zugänglichmachung der Rede technisch notwendigen Vervielfältigungshandlungen, d. h. insbesondere die eine Online-Übertragung vorbereitenden Speichervorgänge gestattet. Denn diese werden in den seltensten Fällen immer auf Datenträgern erfolgen, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sondern regelmäßig auf solchen Speichermedien (z. B. Host-Servern), die ganz überwiegend nicht aktuelle Inhalte aufweisen.92 In Bezug auf die vergleichbare Situation der zeitversetzten Ausstrahlung im Rundfunk wird allgemein die Auffassung vertreten, dass die hierbei ebenfalls erforderlichen Aufzeichnungen der Reden auf Tonoder Bildtonträger sowie die verschiedenen sendungsbedingten Zwischenspeicherungen nur durch einen Rückgriff auf § 55 UrhG gerechtfertigt werden könnten.93 Für den Fall der öffentlichen Zugänglichmachung von Reden sieht das Gesetz jedoch
91
Vgl. Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 81; Fromm/Nordemann/Nordemann, § 48 Rn. 2. Mit Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, können deshalb nur die an Endverbraucher ausgelieferten Wechselspeichermedien gemeint sein, nicht aber die unterschiedlichen Speichermodule von großer Kapazität eines Verwerters, der über die Rede im Wege der öffentlichen Wiedergabe berichten will (so zutreffend Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 209). 93 Vgl. Schricker/Melichar, § 48 Rn. 9; Dreier/Schulze, § 48 Rn. 7; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 48 Rn. 5; Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 81; Fromm/Nordemann/Nordemann, § 48 Rn. 2; so zuletzt auch Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 209. 92
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
keine entsprechende Regelung – wie sie bspw. in § 52 a Abs. 3 UrhG94 enthalten ist – vor.95 Folglich wären die zur Realisierung der über die „öffentlichen Wiedergabe“ ausdrücklich mitprivilegierten öffentlichen Zugänglichmachung notwendigen Vervielfältigungen der Reden nur in dem durch § 44 a UrhG vorgegebenen Umfang zulässig. Da die auf einem Internet-Server (für die Zeit der Nutzung dauerhaft) zum Abruf abgelegte Kopie eines Werkes jedoch – wie bereits für die Bereitstellung von Thumbnails entschieden wurde96 – weder eine flüchtige noch eine rein begleitende Vervielfältigung i. S. v. § 44 a UrhG darstellt, ist eine Inanspruchnahme dieser Privilegierung de lege lata generell nicht ohne Verletzung des Vervielfältigungsrechts möglich.97 Während sich diese – offensichtlich planwidrige – Regelungslücke in Bezug auf alle vom Gesetzgeber seit jeher privilegierten Publikationsorgane (wie z. B. Zeitungsund Zeitschriftenverlage oder Radio- und Fernsehunternehmen) mit Blick auf Sinn und Zweck der Vorschrift wohl durch eine extensive Auslegung des § 48 Abs. 1 Nr. 1 UrhG bzw. durch eine analoge Heranziehung des § 55 UrhG schließen ließe,98 erscheint dies hinsichtlich einer von der Allgemeinheit vorgenommenen Bereitstellung nutzergenerierter Medieninhalte eher zweifelhaft. Denn der Normzweck des § 48 UrhG besteht in erster Linie darin, es der Öffentlichkeit zu ermöglichen, sich über den Wortlaut einer Rede über Tagesfragen zu unterrichten, die sie selbst nicht hören konnten.99 Diesem durchaus berechtigten Interesse der Allgemeinheit wurde mit der an die konventionellen Medienkonzerne gerichteten Genehmigung zur 94 Gemäß § 52a Abs. 3 UrhG sind in den privilegierten Fällen der öffentlichen Zugänglichmachung von Werken für Unterricht und Forschung ausdrücklich „auch die zur öffentlichen Zugänglichmachung erforderlichen Vervielfältigungen“ zulässig. 95 Insofern kommt hier auch keine teleologische Reduktion des § 48 UrhG dahingehend in Betracht, dass die vorbereitenden Vervielfältigungshandlungen nur „Zwischenschritte“ auf dem Weg zum Endnutzer darstellten, mit der Begründung, es komme letztendlich nur darauf an, ob das Ausgabemedium als solches von der Vorschrift privilegiert wird. Diese von Eidenmüller, CR 1992 321, 323 und Loewenheim, GRUR 1996, 636, 640 im Zusammenhang mit § 49 UrhG vertretene Argumentation kommt nämlich nicht für eine verwertungsrechtsübergreifende Situation in Betracht, bei der es um Vervielfältigungshandlungen im Vorfeld einer öffentlichen Wiedergabe geht. 96 Vgl. OLG Jena GRUR-RR 2008, 223, 224 (Thumbnails II); Schack, MMR 2008, 414, 415; Wandtke/Bullinger/v. Welser, § 44 a Rn. 2. 97 Darüber hinaus privilegiert § 44 a Nr. 1 UrhG nur den Vermittler einer Übertragung in einem Netz zwischen Dritten, also dieAbspeicherung etwa imArbeitsspeicher des Dienstanbieters. Nicht erfasst werden schon nach dem klaren Wortlaut die Abspeicherungen in den Arbeits- oder Massenspeichern der Absender und Empfänger (vgl. KG Berlin GRUR-RR 2004, 228, 231 – Ausschnittdienst). 98 In Bezug auf die öffentliche Zugänglichmachung von Reden ebenfalls für eine Privilegierung all jener Verwerter, „die für eine schnelle Unterrichtung der Allgemeinheit prädestiniert sind“ Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 210. Ähnlich auch Dreyer, die – ohne auf § 55 UrhG zurückzugreifen – davon ausgeht, dass durch § 48 UrhG in der aktuellen Fassung „auch die der öffentlichen Wiedergabe vorangehende Fixierung des Werkes erfolgen“ könne. Der Verwerter dürfe daher insb. eine i.S.d. § 48 UrhG gehaltene Rede auf einem Server speichern und im Internet öffentlich zugänglich machen (vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 48 Rn. 17). 99 Vgl. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 66.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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erlaubnis- und vergütungsfreien Wiedergabe der Rede jedoch bereits ausreichend Rechnung getragen. Denn diese sind aufgrund ihrer hohen Reichweite und der ihnen hiermit zukommenden potentiellen Massenwirkung faktisch (immer noch) am besten dazu geeignet, aktuelle Informationen zeitgleich einer möglichst großen Anzahl an Bevölkerungsmitgliedern zu übermitteln. Demgegenüber ist die objektive Reichweite von UGC eher begrenzt. Je nach dem, welcher Art von Webseite sich der Nutzer zur Veröffentlichung seines Mitschnitts bedient, ist sein Medienbeitrag zwar mitunter bereits nach sehr kurzer Zeit über gängige Suchmaschinen (wie z. B. Google, Yahoo, Lycos etc.) zu finden.100 Dennoch ist die tatsächlich zu erwartende Rezeptionshäufigkeit innerhalb des durch die „Tagesaktualität“ vorgegebenen zulässigen Nutzungszeitraums101 – nicht zuletzt aufgrund der tendenziell geringeren Glaubwürdigkeit der Quelle – hier aus zweierlei Gründen deutlich geringer: Zum einen ist die „Verbreitung“ von öffentlichen Reden via UGC von vornherein auf das passive, d. h. auf einen aktiven Abruf angewiesene Medium „Internet“ beschränkt. Zum anderen ist die Auffindbarkeit einer aktuellen, noch unbekannten Information aufgrund der typischerweise dezentralen Wiedergabeform bei UGC ungleich schwieriger als bei herkömmlichen zentralisierenden Informationsmedien, bei denen der Rezipient die Information praktisch automatisch „präsentiert“ bekommt. Insofern ist die „Ungleichbehandlung“ zwischen den vom Gesetz bevorzugten Massenmedien und der Allgemeinheit hinsichtlich öffentlicher Reden auch im aktuellen Kontext des Web 2.0 noch gerechtfertigt. Eine darüber hinausgehende Freiheit zur unmittelbaren Berichterstattung über urheberrechtlich geschützte Reden durch einzelne Nutzer auf von ihnen selbst betriebenen oder fremden Webseiten oder Plattformen erscheint – zumindest im Rahmen von § 48 UrhG – derzeit weder erforderlich noch geboten. Dies gilt umso mehr, als die die Reden wiedergebenden Artikel und Sendungen in zunehmendem Maße zusätzlich auch über die Online-Portale der einschlägigen Medienunternehmen kostenlos bereitgestellt werden und daher auch zeitunabhängig im Internet für die Allgemeinheit zum Abruf zur Verfügung stehen. 4. Ergebnis zu § 48 UrhG Abgesehen von dem ohnehin stark eingeschränkten Anwendungsbereich der Vorschrift auf Sprachwerke, die „Reden über Tagesfragen“ zugrunde liegen, ist die 100
In Abhängigkeit von Aktualität, Besuchs- und Verlinkungshäufigkeit werden Webseiten im Internet in unterschiedlicher Häufigkeit von Suchmaschinen-Crawlern besucht und die dort neu aufgefundenen Inhalte im sog. „Storeserver“ bzw. dem „Repository“ des Suchmaschinenbetreibers abspeichert. Hierbei sind neue Informationen auf stark frequentierten Internetseiten mitunter bereits nach wenigen Stunden über eine Suchmaschine auffindbar. 101 Der aus dem Tatbestandsmerkmal „Tagesfragen“ resultierenden zeitlichen Beschränkung der zulässigen Nutzung muss im Zusammenhang mit einer Online-Nutzung besondere Beachtung zukommen. Denn aufgrund der mit einer öffentlichen Zugänglichmachung im Internet regelmäßig verbundenen fortwährenden Verfügbarkeit eines Werkes, muss die Abrufmöglichkeit der Rede nach dem Erlöschen der Tagesaktualität des jeweiligen Themas hier aktiv beendet werden (vgl. Möhring/Nicolini/Engels, § 48 Rn. 15).
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Schranke des § 48 UrhG aber auch aufgrund der nur für bestimmte Medien freigestellten Verwertungshandlungen praktisch nicht für eine Privilegierung entsprechender nutzergenerierter Medieninhalte geeignet. Denn eine Übernahme fremder Medieninhalte, die urheberrechtlich geschützte Reden über tagesaktuelle Fragen beinhalten, ist mangels Anwendbarkeit der Schranke auf verwandte Schutzrechte aufzeichnender oder übermittelnder Dritter bereits für jedermann unzulässig. Aber auch im Falle einer unmittelbaren nutzergenerierten Berichterstattung vermag § 48 UrhG die Nutzung des betroffenen Sprachwerkes nicht zu rechtfertigen, da die Schranke im Ergebnis die für eine Online-Übertragung von UGC notwendigen vorbereitenden Speichervorgänge nicht umfasst.
III. Zeitungsartikel und Rundfunkkommentare – § 49 UrhG Die im Zuge der technischen Entwicklung mittlerweile weltweit üblich gewordene Erzeugung und Veröffentlichung von UGC könnte jedoch – zumindest teilweise – durch die Ausnahmeregelung des § 49 UrhG gedeckt sein. Denn im Gegensatz zu § 48 UrhG erlaubt diese Vorschrift ausdrücklich eine Übernahme und Weiterverbreitung fremder urheberrechtlich geschützter Medieninhalte. So ist gemäß § 49 Abs. 1 UrhG die Vervielfältigung und Verbreitung einzelner Rundfunkkommentare, einzelner Artikel und mit ihnen im Zusammenhang veröffentlichter Abbildungen aus Zeitungen und anderen lediglich Tagesinteressen dienenden Informationsblättern in bestimmten Medien sowie deren öffentliche Wiedergabe zulässig, wenn sie politische, wirtschaftliche oder religiöse Tagesfragen betreffen. Unbeschränkt zulässig ist gemäß § 49 Abs. 2 UrhG ferner die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von vermischten Nachrichten und Tagesneuigkeiten, die durch Presse oder Funk veröffentlich worden sind. Diese Ausnahme ist für UGC jedoch kaum von Relevanz. Denn Voraussetzung für die Freistellung nach Abs. 2 ist stets, dass der übernommene Beitrag ausschließlich „Nachrichten“ enthält, sein Inhalt also tatsächlicher Natur ist. Sobald hieran erläuternde oder belehrende Kommentierungen, Betrachtungen oder Ergänzungen geknüpft werden, entfällt die Voraussetzung für die Befreiung nach Abs. 2.102 Da eine reine Nachrichtenwiedergabe bzw. Tatsachenmitteilung, die keine eigene Stellungnahme des Autors enthält, jedoch mangels ausreichenden Gestaltungsspielraums i. d. R. keine persönliche geistige Schöpfung i. S. v. § 2 Abs. 2 UrhG darstellen und daher auch keinen urheberrechtlichen Schutz genießen wird,103 handelt es sich bei den von § 49 Abs. 2 UrhG in Bezug genommenen Inhalten – von dem in der Praxis sehr seltenen Fall eines in urheberrechtlich schützenswerter Form wiedergegeben Tatsachenberichts abgesehen – in aller Regel ohnehin nur um freies Gemeingut.104 Dass die Verwen102
Vgl. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 25 m.w.N. Vgl. v. Gamm, UrhG, § 49 Rn. 7; Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 102. 104 Ob § 49 Abs. 2 UrhG lediglich einen klarstellenden Hinweis auf die ohnehin fehlende Schutzfähigkeit von Nachrichten und den ihnen gleichgestellten Tagesneuigkeiten darstellt oder auch solche 103
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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dung von Gemeingut bei der Bereitstellung von UGC aber aus urheberrechtlicher Sicht keinerlei Bedenken begegnet, wurde bereits oben im Rahmen der Darstellung der urheberrechtsrelevanten Vorgänge festgestellt.105 Die nachfolgenden Ausführungen sollen daher auf die Frage der Zulässigkeit einer Übernahme urheberrechtlich geschützter Medieninhalte nach § 49 Abs. 1 UrhG beschränkt werden.
1. Erfasste Medieninhalte Zu den von § 49 Abs. 1 UrhG erfassten Medieninhalten gehören zunächst einzelne Rundfunkkommentare. Hierzu zählen alle verlesenen oder selbst gesprochenen Meinungsäußerungen in Form eines Sprachwerkes i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, die im Rahmen einer Sendung i. S. v. § 20 UrhG öffentlich wiedergegeben werden.106 Nach zutreffender Ansicht107 ist mit dem Begriff des „Kommentars“ dabei nicht zwingend eine Beschränkung nur auf solche Meinungsäußerungen verbunden, die – wie dies vorwiegend zu Zeiten des LUG108 und der Einführung des § 49 UrhG in den 50er und 60er Jahren üblich war – von einer Einzelperson verfasst und von sich aus in Form eines Monologs vorgetragen werden.109 Mit Blick auf Sinn und Zweck der Vorschrift erscheint es angesichts der veränderten Gegebenheiten in Zeiten einer interaktiven und lebendigen Medienlandschaft vielmehr geboten, heute auch all jene mit sprachlichen Mitteln entäußerten Kommentare und Statements unter den (überkommenen) Begriff des Rundfunkkommentars zu subsumieren, die auf Befragen hin, insbesondere in Interview- oder sonstigen wechselseitigen Gesprächssituationen (wie z. B. Podiumsdiskussionen, Workshops oder Talkrunden) von deren Teilnehmern abgegeben werden.110 Hauptsächlicher Beweggrund für die Einführung dieser Schranke war es nämlich, den kollektiven Kommunikations- und Meinungsbildungsprozess in der Tatsachenmitteilungen erfasst, die ausnahmsweise in urheberrechtlich geschützter Form wiedergegeben wurden, ist in der Literatur umstritten; zum Streitstand vgl. ausführlich Schricker/Melichar, § 49 Rn. 24 ff. Mit Hinweis auf ihren fehlenden Anwendungsbereich de lege ferenda sogar für eine ersatzlose Streichung des § 49 Abs. 2 UrhG Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 235 f. 105 Siehe hierzu oben: „Erzeugung wahrnehmbarer elektronischer Medieninhalte“, Kapitel 4, S. 75 ff. 106 Vgl. Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 94; Dreier/Schulze, § 49 Rn. 5; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 49 Rn. 4. 107 Vgl. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 3; Loewenheim/Götting, § 49 Rn. 94; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 49 Rn. 4; so wohl auch Dreier/Schulze, § 49 Rn. 5. 108 Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst, in der Fassung vom 19. Juni 1901 (LUG). 109 So aber Fromm/Nordemann/Nordemann, § 49 Rn. 3; dem folgend auch Möhring/Nicolini/ Engels, § 49 Rn. 6 sowie Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 49 Rn. 6. 110 Im Hinblick auf den Normzweck de lege ferenda sogar für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf alle „Sprachwerke“ zu den näher bestimmten Tagesfragen, die in Massenmedien gleich welcher Art veröffentlicht wurden Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 215.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Gesellschaft durch die Ermöglichung einer umfassenden und raschen Berichterstattung über die wichtigsten gesellschaftsrelevanten Tagesthemen zu fördern.111 Hierbei kann die Form der persönlichen Darbietung einer privilegierten Meinungsäußerung jedoch keine Rolle spielen. Eine solche Auslegung steht nicht einmal in Widerspruch zum Wortlaut des § 49 UrhG. Denn neben dem überlieferten Verständnis eines Kommentars als „Vortrag“, „Rede“, „Erörterung“ oder „kritische Stellungnahme“112 werden unter dem Begriff im allgemeinem Sprachgebrauch auch Meinungsäußerungen in Form von bloßen „Bemerkungen“ oder „Anmerkungen“ verstanden,113 die jedoch typischerweise in Wechselgesprächen mit anderen Personen geäußert werden. Die Vorschrift erlaubt ferner die Übernahme „einzelner Artikel aus Zeitungen und anderen lediglich Tagesinteressen dienenden Informationsblättern“. Artikel sind jegliche den Inhalt eines publizistischen Erzeugnisses bildenden eigenständigen Ausführungen, die den Umfang einer bloßen Tatsachenmitteilung übersteigen, d. h. im Ergebnis alle Text-Beiträge, die ein Sprachwerk i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG verkörpern.114 Seit dem 1.1.2008 ist nunmehr auch die Übernahme von mit Artikeln im Zusammenhang veröffentlichter Abbildungen im Rahmen von § 49 Abs. 1 UrhG zustimmungsfrei zulässig. Erfasst werden hiervon Abbildungen jeglicher Art, insbesondere Lichtbilder und Lichtbildwerke sowie Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie z. B. Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen, Grafiken oder statistische Übersichten.115 Im Gegensatz zum Artikel, dessen Platzierung innerhalb des Publikationsmediums für die Privilegierung der Übernahme unerheblich ist,116 muss die übernommene Abbildung hingegen im Zusammenhang mit dem Artikel 117 veröffentlicht worden sein, um das Verbotsrecht des Lichtbildners im Hinblick auf ihre Weiterverbreitung auszuschließen. Das setzt nicht nur einen räumlichen, sondern vor allem auch einen thematischen Zusammenhang dergestalt voraus, dass die Abbildung der Illustration, Komplettierung oder Auseinandersetzung mit dem Textteil dient.118 Soweit die Nutzer zur Erzeugung ihrer Medienbeiträge also auf klassischen journalistischen Content zurückgreifen, kann sich § 49 UrhG durchaus als taugliche Schrankenbestimmung darstellen. Dies gilt insbesondere für all diejenigen Formen von UGC, die sich bewusst mit der Berichterstattung traditioneller Medienunternehmen kritisch auseinandersetzen, wie z. B. die oben genannten Medien-Blogs, entsprechend motivierte Nutzer-Artikel in sog. „Online-Bürger- bzw. Online-
111
Vgl. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 66; ebenso Schricker/Melichar, § 49 Rn. 3. Vgl. hierzu v. Gamm, UrhG, § 49 Rn. 3; Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 6. 113 Vgl. Duden, Das Herkunftswörterbuch, „Kommentar“, S. 430. 114 Allg. Meinung, vgl. etwa Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 7; Dreier/Schulze, § 49 Rn. 6. 115 Siehe hierzu die AmtlBegr. zum „2. Korb“, BT-Drucks. 16/1828, S. 52. 116 Vgl. Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 7; s.a. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 4 m.w.N. 117 Nach Ansicht von Dreyer sollen von der Ausnahme auch solche Abbildungen erfasst werden, die im Zusammenhang mit Rundfunkkommentaren veröffentlicht wurden (vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 49 Rn. 8); a.A. wohl Wandtke/Bullinger/Lüft, § 49 Rn. 5. 118 So Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 49 Rn. 8. 112
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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Nutzerzeitungen“, Podcasts oder Video-Blogs.119 Voraussetzung für eine zustimmungsfreie Übernahme nach § 49 Abs. 1 UrhG ist jedoch stets, dass der Artikel oder Rundfunkkommentar „politische, wirtschaftliche oder religiöse Tagesfragen“ betrifft. Kulturelle oder auch nur unterhaltende Inhalte werden daher von der Schranke des § 49 Abs. 1 UrhG grundsätzlich nicht erfasst.120 Ausreichend ist zwar, dass der betreffende Kommentar oder Artikel zumindest auch einen durch die Freistellung privilegierten Inhalt hat;121 gleichwohl wird sich ein bedeutender Teil des verfügbaren UGC im Internet, der z. B. Medienberichte aus den Bereichen Mode, Musik, Film, Prominenz, Comedy o. Ä. enthält, bereits aufgrund dieser inhaltlichen Einschränkung nicht über § 49 UrhG rechtfertigen lassen. Andererseits hat die durch das Web 2.0 eingetretene vollständige Demokratisierung der medialen Produktionsmittel dazu geführt, dass sich Nutzer zunehmend auch mit den von § 49 Abs. 1 UrhG privilegierten Tagesfragen sowie entsprechenden Berichten hierüber öffentlich auseinandersetzen. Diese Formen nutzergenerierter Medieninhalte sollen hier nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
2. Betroffene Quellmedien Da ein überwiegendes Informationsinteresse der Allgemeinheit an den vorgenannten Medieninhalten vom Gesetzgeber grundsätzlich erst dann anerkannt wird, wenn diese bereits einem größeren Rezipientenkreis zugänglich gemacht wurden, ist deren Übernahme de lege lata nur aus bestimmten Quellmedien ohne Zustimmung der Rechteinhaber zulässig.122 Bei Rundfunkkommentaren ergibt sich diese Einschränkung bereits aus dem Tatbestandsmerkmal des „Rundfunks“. Für Artikel und die sie begleitenden Abbildungen sieht die Vorschrift als zweite wesentliche Voraussetzung vor, dass sie in einer „Zeitung“ oder einem anderen lediglich Tagesinteressen dienenden „Informationsblatt“ veröffentlicht wurden.
a) Zeitungen Unter einer Zeitung versteht man für gewöhnlich ein periodisch erscheinendes Nachrichtenblatt mit aktuellem Inhalt, das hauptsächlich Tagesinteressen befriedigt, also 119
Siehe näher hierzu oben: „2. Kapitel: Formen von User Generated Content“, S. 27 ff. So noch ausdrücklich § 18 S. 2 LUG: „Der Abdruck von Ausarbeitungen wissenschaftlichen, technischen oder unterhaltenden Inhalts ist, auch wenn ein Vorbehalt der Rechte fehlt, unzulässig.“ (Hervorh. d. Verf.); s.a. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 7; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 49 Rn. 10. 121 So die h.M., vgl. etwa Schricker/Melichar, § 49 Rn. 7; Fromm/Nordemann/Nordemann, § 49 Rn. 3; Dreier/Schulze, § 49 Rn. 8; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 49 Rn. 10; Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 96 m.w.N. 122 Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Gesetzgeber von 1965 in Anbetracht der seinerzeit einzig maßgeblichen Massenmedien der Presse und des Rundfunks die Weiterverbreitungsfreiheit bewusst auf bestimmte Inhalte dieser Medien begrenzt hat. 120
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
über Tagesereignisse berichtet.123 Gleichwohl fallen nach der Rechtsprechung124 nicht nur Zeitungen im engeren Sinn, also Tageszeitungen, unter § 49 UrhG, sondern grundsätzlich auch andere periodisch erscheinende Publikationen. Hierzu können insbesondere auch wöchentlich oder gar monatlich erscheinende Periodika, wie Nachrichtenmagazine, Illustrierte oder sonstige Publikumszeitschriften125 (wie z. B. „Der Spiegel“, „Stern“, „Die Zeit“, „Focus“, „DM“ oder „WirtschaftsWoche“) zu zählen sein, sofern sie im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ihren Schwerpunkt in der aktuellen Berichterstattung haben.126 b) Informationsblätter Als drittes potentielles Quellmedium kommen schließlich noch andere lediglich Tagesinteressen dienende Informationsblätter in Betracht, die nach Ansicht des Gesetzgebers „gleichfalls der schnellen Unterrichtung der Öffentlichkeit dienen und daher den Zeitungen gleichgestellt“127 wurden. Mit dem Begriff des Informationsblattes sollten ergänzend alle unterhalb von Zeitungen angesiedelte Korrespondenzen, Nachrichten- und Informationsdienste (z. B. Mitteilungsblätter von Verbänden, regelmäßig erscheinende Wirtschaftsbriefe oder Pressespiegel) erfasst werden.128 Um die Anzahl der durch diesen vagen Begriff erfassten Werke nicht ausufern zu lassen und damit der Gefahr unverhältnismäßiger Eingriffe in die Rechte deren Schöpfer zu begegnen, dürfen sich diese Informationsblätter – im Gegensatz zu Zeitungen – jedoch lediglich, d. h. ausschließlich und nicht nur überwiegend Tagesinteressen widmen.129 Im Hinblick auf den für eine zustimmungsfreie Übernahme erforderlichen Verbreitungsgrad der erfassten Medieninhalte – der vom Gesetzgeber bei (Tages)Zeitungen und im Rundfunk gesendeten Kommentaren offensichtlich als gegeben vorausgesetzt wurde – müssen die Informationsblätter außerdem i. S. v. § 6 Abs. 2 S. 1 UrhG erschienen, d. h. in genügender Anzahl der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sein.130 123
Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 49 Rn. 10. Für einen Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung zum Zeitungsbegriff sowie weitere Nachweise aus der Lit. siehe Schricker/Melichar, § 49 Rn. 5. 125 Vgl. Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 95; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 49 Rn. 6. 126 Vgl. hierzu insb. BGH GRUR 2005, 670, 672 – WirtschaftsWoche; a.A. Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 65 f. 127 Vgl. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 66. 128 So ausdrücklich BGH GRUR 2005, 670, 671 – WirtschaftsWoche mit Hinweis auf dieAmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 65. 129 So die dem Gesetzeswortlaut folgende h.M., vgl. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 6; Fromm/Nordemann/Nordemann, § 49 Rn. 3; Dreier/Schulze, § 49 Rn. 7; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 49 Rn. 6 sowie Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 10 mit dem zutreffenden Hinweis, dass „ganz vereinzelte Ausreißer“ die Privilegierung nicht entfallen lassen. 130 So die wohl h.M., vgl. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 6; Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 95; Fromm/Nordemann/Nordemann, § 49 Rn. 3; so wohl auch Dreier/Schulze, § 49 Rn. 7; a.A. nur v. Gamm, UrhG, § 49 Rn. 4. 124
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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c) Online-Medien Nicht abschließend geklärt ist bislang die – insbesondere für die Erzeugung von UGC bedeutende – Frage, ob die genannten Medieninhalte auch dann von § 49 Abs. 1 UrhG erfasst werden, wenn diese in online verfügbaren Informationsquellen (wie z. B. Online-Zeitungen, Online-Zeitschriften, Webradios, Internetfernsehsender oder die jeweiligen Online-Angebote konventioneller Medienunternehmen) veröffentlicht wurden. Bei Rundfunkkommentaren wird diesbezüglich auf das Merkmal der „Sendung“ abgestellt. Wird der Beitrag also über das Internet im Wege des Weboder Simulcasting öffentlich wiedergegeben, so soll dieses Angebot ohne Weiteres unter die Schranke des § 49 Abs. 1 UrhG fallen.131 Sofern der Kommentar jedoch in Form eines On-Demand-Angebotes i. S. v. § 19 a UrhG öffentlich zugänglich gemacht wird, soll dieser aufgrund des eindeutigen Wortlauts („Rundfunk“ bzw. „Sendung“) nach g. h. M.132 nicht mehr zu der angesprochenen Verwertungsbasis gehören. Anders soll es sich hingegen bei der Übernahme von Artikeln und den sie begleitenden Abbildungen verhalten.133 Zwar spreche auch hier der Wortlaut der Vorschrift grundsätzlich gegen die Erfassung von Inhalten elektronischer Trägermedien, da sich die Regelung mit den Begriffen der „Zeitung“ und „Blätter“ – dem seinerzeitigen technischen Stand entsprechend – ausdrücklich nur auf Printmedien beziehe.134 Aufgrund der wachsenden Bedeutung von online angebotenen Nachrichtendiensten und der Tatsache, dass durch die technische Entwicklung das Papier immer häufiger als Trägermedium von digitalen Medien abgelöst werde, sei § 49 Abs. 1 UrhG jedoch analog auch auf öffentlich zugänglich gemachte Artikel und Abbildungen anzuwenden.135 Letztgenannter Auffassung ist zuzustimmen.136 Eine an Sinn und Zweck der Schranke orientierte Auslegung spricht dagegen, die für eine geistige Auseinandersetzung zur Verfügung stehenden Quellmedien allein danach zu bestimmen, welchen
131
Zur Qualifikation von Internet-Sendungen in Form des Webcasting und Simulcasting als Sendung i.S.v. § 20 UrhG siehe bereits oben: „Aufnahmerecht der Online-Programmanbieter“, Kapitel 5, S. 127 f. 132 Vgl. Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 6; Schricker/Melichar, § 49 Rn. 3; Dreier/Schulze, § 49 Rn. 5; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 49 Rn. 4; so wohl auch Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 49 Rn. 6. 133 Zur Zulässigkeit von Online-Publikationen als Primärmedien i.S.v. § 49 Abs. 1 UrhG bereits Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, kap. 4 § 2 A. II. 2; s.a. Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 191 f. 134 Vgl. hierzu Dreier/Schulze, § 49 Rn. 7; Schricker/Melichar, § 49 Rn. 33; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 49 Rn. 8; s.a. Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 101. 135 Vgl. Dreier/Schulze, § 49 Rn. 7; ähnlich auch Wandtke/Bullinger/Lüft, § 49 Rn. 8; Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 15 sowie Schricker/Melichar, § 49 Rn. 33 m.w.N. 136 So auch Hoeren in: Hilty/Geiger, Impulse für eine europäische Harmonisierung des Urheberrechts, S. 273 mit Hinweis auf die von der Verwertungsgesellschaft „Wort“ (VG Wort) vertretene Auffassung, dass bei einer sinnvollen und sachgerechten Interpretation des Begriffs „Zeitung“ auch Online-Zeitungen hierunter zu subsumieren sind.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Trägermediums sie sich zur Veröffentlichung ihrer Inhalte bedienen.137 Die Intention der Schrankenregelung besteht vielmehr darin, eine Verwertungsbasis aus all denjenigen Massenmedien zu bilden, die unabhängig von der ihr zugrunde liegenden Technik besonders dazu geeignet sind, den kollektiven Meinungsbildungsprozess der Gesellschaft zu beeinflussen.138 Hiervon wird man mit Blick auf die fortschreitende Konvergenz der Informationsmedien wohl immer ausgehen müssen, wenn das jeweilige Online-Medium in Bezug auf Funktion, Format und Inhalt im Wesentlichen seinem traditionellen Pendant entspricht.139 Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn es sich um ein auf Dauer angelegtes, d. h. nicht nur vorübergehend betriebenes, periodisch publizierendes bzw. sendendes Informationsmedium handelt. Dies dürfte zumindest bei den die traditionellen Presseerzeugnisse ergänzenden OnlineAngeboten (wie z. B. Spiegel Online, sueddeutsche.de, faz.net etc.) unproblematisch der Fall sein. Denn diese werden – nicht zuletzt aufgrund der von ihnen häufig angebotenen RSS-Feeds140 – mindestens ebenso häufig rezipiert, wie das entsprechende Printprodukt. Berücksichtigt man die informationstechnische Weiterentwicklungen der vergangenen Jahre, insbesondere im Web 2.0, und die hierdurch bewirkten Veränderungen des Mediennutzungsverhaltens der Bevölkerung, wird man schwerlich bestreiten können, dass das Internet und die hierüber bereitgestellten Medieninhalte heute die traditionellen Medienangebote in punkto Informationsbeschaffung und Meinungsbildung nicht nur ergänzen, sondern in manchen Bereichen sogar bereits abgelöst haben.141 Einer derartigen Verlagerung des Mediennutzungsverhaltens auf reine Funktionsäquivalente zu den herkömmlichen Print-Produkten muss letztlich auch das Urheberrecht angemessen Rechnung tragen. Vor diesem Hintergrund erscheint es dann jedoch inkonsequent, Rundfunkkommentare prinzipiell anders zu behandeln. Denn auch und gerade bei der Nutzung von Radio- und Fernsehinhalten spielt das Internet heute eine immer größere Rolle. Das flüchtige und an starre Sendezeiten gebundene Medium der Rundfunksendung wird zunehmend von der zeit- und ortssouveränen Konsumtion gesendeter Inhalte über 137
Ebenso Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 196; Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 191. 138 Ebenso Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 215 f. 139 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Dreier, Konvergenz und das Unbehagen im Urheberrecht, S. 78 f., der zutreffend feststellt, dass es angesichts der technisch bedingten Konvergenz „legislatorisch immer weniger Sinn macht, Produkte und Dienstleistungen, die rechtlich aufgrund ihrer bisherigen technischen Verschiedenheiten und wirtschaftlichen Auswirkungen unterschiedlich geregelt sind, auch weiterhin unterschiedlich zu behandeln. Es ist nur schwer zu rechtfertigen, wenn ein und dieselbe Wettbewerbssituation nur deshalb eine unterschiedliche Behandlung erfährt, weil sich die Wettbewerber einer jeweils unterschiedlichen Technik bedienen, die als solche jedoch austauschbar ist. [. . . ] Die Konvergenz auf technischer Ebene, welche eine Konvergenz auf wirtschaftlicher Ebene nach sich zieht, muss danach also zwangsläufig zu einer Konvergenz auch der Modelle zur Regelung der konvergierenden Inhalte führen.“ 140 Zu Anwendung und Funktion von „RSS-Feeds“ siehe oben Kapitel 2, Fn. 55. 141 Zum veränderten Mediennutzungsverhalten der Bevölkerung siehe ausführlich unten: „Privilegierungswürdigkeit“, S. 200 ff.
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entsprechende Online-Portale abgelöst.142 Werden die oben bezeichneten Rundfunkkommentare im Anschluss an ihre Ausstrahlung nun aber sogar von den jeweiligen Sendeanstalten in Form von Audio- oder Video-„Podcasts“143 über deren multimediale Webseiten kostenlos zum Abruf durch die Öffentlichkeit bereitgestellt (wie z. B. bei der „ZDFmediathek“144 ), ist nach hier vertretener Auffassung kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum auf dieses alternative Angebot im Rahmen von § 49 Abs. 1 UrhG nicht zurückgegriffen werden können sollte. Aus privilegierungsrechtlicher Sicht kann es schließlich keine entscheidende Rolle spielen, über welchen Distributionskanal der Nutzer an die (identischen) Inhalte des von der Schranke erfassten Quellmediums gelangt. Eine entsprechende Anwendung des § 49 UrhG auf diesen alternativen Nutzkanal dient hier lediglich dazu, die vom Gesetz mit veralteten Begriffen umschriebene Verwertungsbasis in zweckkonformer Weise auf das Internet, als dem Massenkommunikationsmittel der Informationsgesellschaft, auszudehnen. Eine übermäßige Belastung der Urheber oder Rechtsinhaber ist hierdurch angesichts des bestehenden gesetzlichen Vergütungsanspruchs gemäß § 49 Abs. 1 S. 2 UrhG nicht zu befürchten. Mit Rücksicht auf den vom Gesetzgeber durch Bezugnahme auf die beiden konventionellen Massenmedien der „Zeitung“ und des „Rundfunks“ geforderten Verbreitungsgrad der publizierten Inhalte ist nach Ansicht des Verfassers für eine Einbeziehung reiner Online-Medien – deren Online-Angebot also nicht nur einen ergänzenden Zugriff auf die primär in konventioneller Form verbreiteten Inhalte ermöglicht – in die von § 49 UrhG umschriebene Verwertungsbasis jedoch zusätzlich eine den traditionellen Medien vergleichbare Reichweite zu fordern. Denn während herkömmlichen Beitragsveröffentlichungen in auflagenstarken Zeitungen und Zeitschriften oder im Rundfunk typischerweise eine massenmediale Breitenwirkung zukommt, ist dies bei einer Bereitstellung der identischen Inhalte über eine Webseite im Internet nicht zwingend der Fall. Zentrales Anliegen des § 49 Abs. 1 UrhG ist es jedoch, gerade eine zustimmungsfreie Übernahme von Inhalten derjenigen Medien zu ermöglichen, die aufgrund ihrer hohen Reichweite und der damit zu erwartenden überdurchschnittlichen Rezeptionshäufigkeit ihrer Inhalte tatsächlich einen besonders großen Einfluss auf den kollektiven Meinungsbildungsprozess in der Bevölkerung haben. Nur hinsichtlich dieser Medien erscheint es erforderlich, 142 Insgesamt sind es derzeit rund 23 Mio. Menschen (55 % Bewegtbildnutzer im Internet), die Videos und Fernsehsendungen im und über das Internet, linear und zeitversetzt, auf unterschiedlichen Endgeräten und an unterschiedlichen Orten zumindest ab und zu nutzen. Während dabei ältere Anwender noch stark dem Rezeptionsmuster klassischer Medien verpflichtet sind, folgen die Jüngeren bereits sehr viel stärker dem Prinzip der Zeitsouveränität. So sehen sich bspw. nur ca. 9 Prozent der ab 50-Jährigen zumindest selten Fernsehsendungen auf Videoportalen an, während es bei den 14- bis 29-Jährigen fast drei Viertel (72 %) sind, die Fernsehen zeitversetzt auf Videoportalen nutzen (vgl. Eimeren/Frees, Bewegtbildnutzung im Internet, S. 350 ff.) Siehe hierzu auch Oehmichen/Schröter, Medienübergreifende Nutzungsmuster: Struktur- und Funktionsverschiebungen, S. 394 ff. 143 Die nachträglich über die Webseiten der Sendeunternehmen zur Verfügung gestellten, einzeln abrufbaren Rundfunksendungen werden von diesen häufig ebenfalls als „Podcasts“ bezeichnet, ohne dass hiermit jedoch UGC gemeint ist. 144 Die „ZDFmediathek“ ist erreichbar unter der URL: http://mediathek.zdf.de [31.03.2009].
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eine über das jedermann gemäß § 51 UrhG zustehende Zitierrecht hinausgehende Möglichkeit zu schaffen, schnell und möglichst ungehindert eine dort vertreten Stellungnahme vollumfänglich weiterzuverbreiten und dabei zu bestätigen und zu unterstützen oder eben anzugreifen und zu entkräften.145 Schließlich sind es auch eben diese Massenmedien, die die aktuellen gesellschaftlichen Gesprächsthemen und damit auch die von § 49 UrhG erfassten politischen, wirtschaftlichen und religiösen Tagesfragen erst definieren. Bei der Bestimmung des für eine Beitragsübernahme in Betracht kommenden Primärmediums kann es daher nicht auf die von ihm verwendete Übertragungstechnik,146 sondern allein auf die im Einzelfall erzielte Reichweite ankommen. Diese lässt sich bei einem Online-Medium am besten durch die Anzahl der jeweiligen Webseitenaufrufe bzw. Inhaltsabrufe bestimmen. An diese sind zwar keine allzu großen Anforderungen im Sinne einer mit dem Verkauf, der Auflage oder den Zuhörern/-schauern identischen Besucherzahl zu stellen.147 Denn die Begriffe Zeitung und Rundfunk beziehen sich schließlich auch nicht nur auf überregional oder gar international erscheinende Publikationen bzw. empfangbare Radiound TV-Sendungen. Vielmehr schließen diese auch kleine Gemeinde-, Lokal- oder Stadtteilzeitungen sowie Regionalsender mit ein. Erforderlich ist aber eine so hohe Rezeptionshäufigkeit, die einen tatsächlich erhöhten Einfluss des Mediums auf die kollektive Meinungsbildung innerhalb eines abgrenzbaren interessierten Personenkreises zumindest möglich erscheinen lässt. Es muss sich also um ein bei dem jeweils angesprochenen Publikum in gewisser Weise etabliertes Online-Medium handeln. Als potentielle Quellmedien für die Erzeugung von UGC kommen hier folglich nicht nur die herkömmlichen Massenmedien (Presse, Radio und TV) samt der von ihnen betriebenen Online-Portale, sondern grundsätzlich auch alle redaktionell betreuten etablierten Online-Medien in Betracht, soweit diese hinsichtlich 145
Vgl. hierzu auch Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 216, der eine technologieneutrale Formulierung des § 49 UrhG vorschlägt, gleichzeitig aber auch nur solche Informationsangebote in die Verwertungsbasis mit einbezogen wissen will, „die als dauerhaft präsente Akteure im Meinungsmarkt tatsächlich einen erhöhten Einfluss auf die kollektive Meinungsbildung haben.“ 146 Soweit die in den Gesetzesmaterialien verwendeten Begrifflichkeiten der „Zeitung“, „Zeitschrift“, des „Rundfunks“ oder der „Sendung“ (insb. in § 49 UrhG; Art. 10bis Abs. 1 RBÜ und Art. 5 Abs. 3 lit. c HRL) eine sprachliche Beschränkung der von der Schranke zu bildenden Verwertungsbasis zur Folge haben, ist eine solche lediglich darauf zurückzuführen, dass die hiermit beschriebenen Medien zur Zeit der Einführung der Regelungen die einzig verfügbaren Massenkommunikationsmittel darstellten. Diese Umschreibungen sind in der heutigen Informationsgesellschaft jedoch nicht mehr zeitgemäß und berücksichtigen nicht ausreichend die bereits allgegenwärtige Fortentwicklung des Internet einschließlich der hierüber verfügbaren alternativen Informationsquellen. Da auch die Bedeutung höherrangiger Rechtsvorschriften und Übereinkommen letztlich maßgeblich von dem mit ihnen zu erreichenden Zweck bestimmt wird, ergibt sich unter Berücksichtigung der vorgenannten Argumente auch aus diesen Regelungen vorliegend kein abweichendes Ergebnis. 147 Nach Dreier soll im Falle einer Übernahme eines Artikels aus einem Online-Nachrichtendienst bereits dessen Veröffentlichung i.S.v. § 6 Abs. 1 UrhG ausreichend sein (vgl. Dreier/Schulze, § 49 Rn. 7, § 6 Rn. 16).
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Funktion, Nutzungsstruktur und Reichweite im Wesentlichen dem analogen Format entsprechen.148
d) Nutzergenerierte Medieninhalte UGC selbst, insbesondere in Form von Foren-Einträgen, Blogs, Wikis oder sonstigen privaten Webseiten wird von § 49 Abs. 1 UrhG nur dann erfasst, wenn er – wie bspw. ein in der „Blogosphäre“149 stark frequentierter Weblog – über die erforderliche zielgruppenspezifische Reichweite verfügt. Außerdem muss für eine zustimmungsfreie Übernahme von geschützten Text-Beiträgen nach § 49 Abs. 1 UrhG auch im Online-Bereich stets das Kriterium der „Tagesaktualität“ des veröffentlichenden Mediums erfüllt sein. Das heißt, die nutzergenerierte Online-Publikation muss ihren inhaltlichen Schwerpunkt in der aktuellen Berichterstattung haben. Dies ist bei UGC, der über nutzereigene Webseiten veröffentlicht wird, zwar nicht typischerweise der Fall; denn nutzergenerierte Medieninhalte befassen sich häufig auch mit persönlichen Erlebnissen, fiktiven Erzählungen oder realen Entdeckungen ihrer Verfasser. Wie bereits erwähnt, machen es sich jedoch auch immer mehr Nutzer zur Aufgabe, in bestimmten Themenbereichen eine eigene Webseite zu betreuen, über die sie regelmäßig Beiträge zu aktuellen gesellschaftsrelevanten Gesprächsthemen veröffentlichen. Bei einer Bereitstellung von UGC über fremde Webseiten, wie z. B. der Veröffentlichung eines Nutzer-Artikels über eine Online-Nutzer- bzw. -Bürger-Zeitung oder eines Wiki-Beitrags, ist zur Feststellung dieser Voraussetzung auf den Gesamtcharakter des veröffentlichenden Fremdmediums, also die Online-Zeitung oder das Wiki insgesamt abzustellen.150 Periodisch produzierte Audio- und Video-Podcasts müssen ebenfalls über den geforderten Berichterstattungsschwerpunkt verfügen. Allerdings wird es bei ihnen – sofern es sich noch um nicht professionell erstellte Medieninhalte und damit um UGC i. e. S.151 handelt – häufig an der für eine zustimmungsfreie Auswertung erforderlichen massenmedialen Breitenwirkung fehlen. Sollte eines der genannten Nutzerangebote gleichwohl über eine ausreichende Reichweite verfügen, ist konsequenterweise auch diese neue Medienform – im Wege einer an Sinn und Zweck der Vorschrift orientierten Auslegung bzw. analogen Anwendung – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen in die von § 49 UrhG betroffene Verwertungsbasis einzubeziehen.152
148
Ähnlich auch Kröger, Informationsfreiheit und Urheberrecht, S. 347. Zum Begriff der „Blogosphäre“ siehe oben Kapitel 2, Fn. 26. 150 Siehe hierzu bereits die Ausführungen zum Tatbestandsmerkmal der „Zeitung“, S. 184 f. 151 Zur Abgrenzung zwischen UGC i.e.S. und UGC i.w.S. siehe oben: „Wörtliche Bedeutung“, Kapitel 1, S. 10 ff. sowie „Begriffskonkurrenzen“, Kapitel 1, S. 24. 152 Zur grundsätzlichen Vereinbarkeit einer Einbeziehung auch reiner Online-Angebote in die vom Gesetz beschriebenen Quellmedien mit höherrangigem Recht siehe oben Kapitel 6, Fn. 146. 149
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
3. Eingeschränkte Schutzgegenstände Die Untersuchung der urheberrechtlichen Zulässigkeit von UGC – dessen Produktion auf einer Verwendung einzelner Artikel oder Rundfunkkommentare aus einer der vorgenannten Quellmedien basiert – wirft mit Blick auf etwaige an den übernommenen Inhalten bestehenden Leistungsschutzrechten zusätzlich die Frage auf, welche urheberrechtlichen Schutzgegenstände von § 49 Abs. 1 UrhG erfasst werden.
a) Rundfunkkommentare und Artikel Dem Wortlaut nach bezieht sich die Vorschrift ganz allgemein auf „Rundfunkkommentare“ und „Artikel“, ohne hiermit konkret urheberrechtsspezifische Werkformen zu benennen. Unklar ist daher, ob die Vorschrift nur die Verwertungsrechte der Urheber der den genannten Medieninhalten zugrunde liegenden Sprachwerken einschränkt, oder sich auch auf etwaige mit ihnen im Zusammenhang stehende Leistungsschutzrechte erstreckt. Mangels Bestehens eines urheberrechtlichen Leistungsschutzrechts für die verlegerische Leistung bei der Veröffentlichung von Zeitungs- oder Zeitschriftenartikeln und nach der neuerlichen ausdrücklichen Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 49 Abs. 1 UrhG auf artikelbegleitende Abbildungen jeglicher Art, beschränkt sich vorgenannte Problematik hier allerdings auf die Verwendung von Rundfunkkommentaren.153 Fraglich ist somit, ob § 49 Abs. 1 UrhG im Falle der Weiterverbreitung von Sendungsmitschnitten auch die publikationsspezifischen Leistungsschutzrechte der involvierten Sendeunternehmen, Tonträger- und Filmhersteller einschränkt.
b) Publikationsspezifische Leistungsschutzrechte Die Anwendbarkeit des § 49 UrhG auch auf die Rechte der Sendeunternehmen, Tonträger- und Filmhersteller ergibt sich zunächst aus den §§ 87 Abs. 4, 85 Abs. 4 und 94 Abs. 4 UrhG. Hiernach gelten die Bestimmungen des sechsten Abschnitts des ersten Teils über die Schranken des Urheberrechts (§§ 44 a ff. UrhG) ausdrücklich auch für die vorgenannten verwandten Schutzrechte. Dennoch wird in der Literatur 153
Auch die Frage, inwieweit den vom Gesetz in § 49 Abs. 1 UrhG untechnisch bezeichneten Medieninhalten Werkcharakter zukommen, d.h. diese den Anforderungen des § 2 Abs. 2 UrhG genügen müssen, ist für „Artikel“ und „Abbildungen“ irrelevant. Denn soweit das einem Artikel zugrunde liegende Sprachwerk keine persönlich geistige Schöpfung darstellt, kann der Artikel – mangels anderweitigen urheberrechtlichen Schutzes – ohnehin frei verwendet werden. Ähnlich verhält es sich mit den begleitenden Abbildungen: sofern diese geschützte Werke der bildenden Kunst, Lichtbildwerke oder Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art wiedergeben, werden diese ohne Weiteres von der Vorschrift erfasst; aber auch die an dem etwaig für dieAbbildung verwendeten Lichtbild bestehenden Leistungsschutzrechte werden nach der Gesetzesbegründung ausdrücklich von der Privilegierung erfasst (vgl. AmtlBegr. zum „2. Korb“, BT-Drucks. 16/1828, S. 52). Zu dieser Problematik in Bezug auf „Rundfunkkommentare“ siehe sogleich.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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– soweit dieses Problem überhaupt behandelt wird – eine Einschränkung der vorgenannten Rechte durch § 49 Abs. 1 UrhG teilweise abgelehnt.154 Dem wird hier nicht gefolgt. Richtigerweise müssen im Fall einer privilegierten Übernahme eines Rundfunkkommentars nach § 49Abs. 1 UrhG auch die hierbei betroffenen Leistungsschutzrechte einer entsprechenden Einschränkung unterliegen.155 Denn während § 48 UrhG „nur“ die unmittelbare Berichterstattung über öffentliche Versammlungen und Verhandlungen erleichtert, erlaubt § 49 UrhG darüber hinaus ausdrücklich eine mittelbare Berichterstattung durch die Verwertung fremder Artikel, Kommentare und Nachrichten.156 § 49 UrhG will die politische, wirtschaftliche und religiöse Meinungsbildung durch ein zustimmungsfreies gegenseitiges Entlehnen und Kommentieren in den Massenmedien fördern.157 Denn gerade der freie öffentliche und individuelle Kommunikations- und Meinungsbildungsprozess setzt voraus, dass die Allgemeinheit und jeder Einzelne möglichst schnell und ungestört von möglichst vielen Informationen Kenntnis erlangen kann. Dieser insbesondere durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Prozess wäre jedoch empfindlich beeinträchtigt, wenn die Öffentlichkeit vordringlich auf die Kenntnisnahme anhand der ersten Veröffentlichungsquelle angewiesen wäre.158 Mit Blick auf das parallel gewährte Zitierrecht ist dabei davon auszugehen, dass das Ziel von § 49 UrhG vor allem darin besteht, einen über § 51 UrhG hinausgehenden Freiraum für die wechselseitige Auseinandersetzung und Erörterung zu schaffen.159 Die privilegierten Nutzer sollen also möglichst ungehindert, insbesondere durch eine unmittelbare Übernahme, Erörterung, Diskussion und Auseinandersetzung mit veröffentlichten Artikeln und Kommentaren in den Diskurs mit ihrer Konkurrenz eintreten können. Hierfür ist es aber unvermeidlich, dass nicht nur die Verwertungsrechte des Urhebers des übernommenen Kommentars, sondern auch die Leistungsschutzrechte der jeweiligen Übermittler, d. h. insbesondere der ausstrahlenden Sendeunternehmen sowie etwaig involvierter Tonträger- oder Filmhersteller in dem hierfür notwendigen
154 So Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 2: „Anwendung findet § 49 [. . . ] nicht dagegen auf [. . . ] die Fälle der §§ 72, 74 bis 76, 81, 85, 87, 94 und 95.“ 155 Wie hier Dreier/Schulze, § 49 Rn. 16; so wohl auch Fromm/Nordemann/Nordemann, § 49 Rn. 3. 156 So zutreffend v. Gamm, UrhG, § 49 Rn. 1. 157 Vgl. hierzu die AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 66: „Für die Meinungsbildung der Öffentlichkeit über die bezeichneten Tagesfragen ist es von erheblicher Bedeutung, daß andere Blätter bereits erschienene Artikel, soweit sie solche Tagesfragen betreffen, aufgreifen können, um die darin vertretene Stellungnahme zu erörtern, sie zu unterstützen oder zu bekämpfen. Eine solche Weiterverbreitung der genannten Artikel liegt auch regelmäßig im Interesse der Zeitung selbst.“ 158 Vgl. Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 3. 159 Insbesondere die einzelfallabhängigen Fragen über das Vorliegen eines zulässigen Zitatzwecks und über den vom Zitatzweck abhängigen zulässigen Umfang des Zitats könnten den Diskurs über die privilegierten Themen empfindlich behindern (vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 214).
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Umfang eingeschränkt werden.160 Anderenfalls ergäbe sich bspw. die sinnwidrige Situation, dass ein zur Weiterverbreitung eines Rundfunkkommentars befugtes Sendeunternehmen gezwungen wäre, den auf einem anderen Sender ausgestrahlten Rundfunkkommentar einer bestimmten Person durch einen eigenen Sprecher nachsprechen zu lassen. Sinn und Zweck der Ausnahme ist es jedoch gerade auch, die dem O-Ton bzw. Bild des jeweiligen Sprechers entnehmbare Gefühls- und Stimmlage sowie die hiermit verbundenen Interpretationsmöglichkeiten der gesprochenen Worte zu übermitteln. Dieses Auslegungsergebnis steht auch im Einklang mit dem Wortlaut des § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG, der die öffentliche Wiedergabe der von ihm benannten Inhalte jedermann ohne zusätzliche inhaltliche Einschränkungen gestattet. Dies muss ebenso für die auf ihn Bezug nehmenden verwandten Schutzrechte gelten. Die erhebliche Bedeutung einer vollumfänglichen und möglichst anschaulichen Berichterstattung zeigt sich letztlich auch in der jüngsten Gesetzesänderung, mit der die Verwertung von mit Artikeln veröffentlichter Abbildungen nun ebenfalls ausdrücklich für zulässig erklärt wurde.
c) Werkcharakter als Privilegierungsvoraussetzung Vor diesem Hintergrund stellt sich dann jedoch die Frage, ob § 49 Abs. 1 UrhG tatsächlich nur auf solche Rundfunkkommentare Anwendung finden kann, die auf einem geschützten Sprachwerk basieren. In der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, der Werkcharakter sei zwingende Voraussetzung für die Anwendbarkeit der vorliegenden Schranke, da die Inhalte anderenfalls ohnehin frei übernommen werden dürften und eine besondere Freigabe der Verwertungshandlungen sonst überflüssig wäre.161 Zuzugeben ist, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des § 49 Abs. 1 UrhG – wie bei allen anderen Schranken auch – als zentralen Schutzgegenstand zunächst die den genannten Medieninhalten etwaig zugrunde liegenden geschützten Werke i. S. v. § 2 Abs. 1 UrhG im Auge hatte. Übersehen wird hierbei jedoch, dass mit einer zwingenden Voraussetzung des Werkschutzes die Weiterverbreitung urheberrechtlich nicht geschützter Meinungsäußerungen, die im Rahmen einer Sendung veröffentlicht wurden und keine „Nachrichten“ oder „Tagesneuigkeiten“ i. S. v. § 49 Abs. 2 UrhG darstellen, praktisch unmöglich gemacht würde. Denn bei der Weiterverbreitung eines urheberrechtlich nicht geschützten Rundfunkkommentars ist zwar die Übernahme des gesprochenen Textes zulässig; ein für den wortgetreuen Nachdruck erforderlicher Mitschnitt der Sendung wäre dann jedoch mangels Anwendbarkeit der Schranke und damit auch ihrer entsprechenden Anwendbarkeit
160
Auch die HRL spricht in Art. 5 Abs. 3 lit. c ausdrücklich von „sonstigen Schutzgegenständen dieser Art“, deren Vervielfältigung zum Zwecke der Berichterstattung von den Mitgliedstaaten gestattet werden kann. 161 Vgl. Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 91; Dreier/Schulze, § 49 Rn. 1; Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 6; Fromm/Nordemann/Nordemann, § 49 Rn. 2; v. Gamm, UrhG, § 49 Rn. 1.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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auf die an dem Kommentar bestehenden Rechte des Sendeunternehmens unzulässig. Wenn de lege lata jedoch sogar eine Übernahme und Weiterverbreitung von Sendungsmitschnitten urheberrechtlich geschützter Kommentare zustimmungsfrei zulässig ist, muss dies a maiore ad minus erst recht für Mitschnitte solcher Meinungsäußerungen gelten, deren Inhalt nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 UrhG erfüllt. In einem solchen Fall entfaltet die Vorschrift mangels Existenz urheberrechtlicher Verwertungsrechte am Textteil des Kommentars ihre einschränkende Wirkung folglich nur gegenüber den an dem gesendeten Kommentar bestehenden Leistungsschutzrechten. Anderenfalls würden die an einem urheberrechtlich nicht geschützten Rundfunkkommentar bestehenden Leistungsschutzrechte dessen ansonsten gesetzlich privilegierte Weiterverbreitung verhindern. Dies kann aber sichtlich nicht gewollt sein.162 Genau aus diesem Grund ist der Gesetzgeber bei dieser Schranke auch von der sonst üblichen Terminologie abgewichen und hat die von § 49 Abs. 1 UrhG zu erfassenden Medieninhalte bewusst mit den allgemeinen Begriffen des „Artikels“, „Rundfunkkommentars“ und nun zuletzt auch mit dem der „Abbildung“ umschrieben. Hinsichtlich der Zulässigkeit von UGC lässt sich somit festhalten, dass die Schranke des § 49 UrhG grundsätzlich auch für eine Privilegierung von solchen nutzergenerierten Medieninhalten in Betracht kommt, bei denen – wie insbesondere bei der Verwendung von Sendungsmitschnitten ausgestrahlter Rundfunkkommentare – neben den urheberrechtlichen Verwertungsrechten an den den übernommenen Fremdinhalten zugrunde liegenden Werken zusätzlich auch publikationsspezifische Leistungsschutzrechte Dritter betroffen sind.
4. Privilegierte Sekundärmedien Die entscheidende Frage im Rahmen vorliegender Zulässigkeitsprüfung bzgl. der Erstellung von UGC ist nun jedoch, ob auch die von einzelnen Internetnutzern erzeugten und bereitgestellten Medienformate bzw. deren Inhalte zu den von § 49 UrhG privilegierten Sekundärmedien gezählt werden können.163 Dies erscheint hier vor allem deshalb denkbar, weil die Vorschrift nicht per se eine Sonderrege162 Vgl. hierzu auch die AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 97 (Hervorh. d. Verf.): „Es erscheint allerdings wie bei den sonstigen Leistungsschutzrechten nicht gerechtfertigt, den Sendeunternehmen in gleich umfassender Weise ausschließliche Rechte an ihren Sendungen zu gewähren, wie den Urhebern an ihren Werken. Vielmehr ist auch hier der Schutz auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken.“ Diese Aussage bezieht sich zwar „nur“ auf die dem Sendeunternehmen „überhaupt“ zugestandenen Rechte, ist jedoch im Rahmen der Auslegung der sie betreffenden Schranken ebenfalls zu berücksichtigen. 163 Die nachfolgende Darstellung erfolgt unter der Prämisse, dass die fraglichen Online-Angebote der Nutzer im Einzelfall über den von § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG geforderten Berichterstattungsschwerpunkt verfügen und die verwendeten Quellmedien nicht von dem ihnen gemäß § 49 Abs. 1 S. 1 letzter HS UrhG zustehenden Rechtevorbehalt durch eine entsprechende Formulierung, wie z.B. „Nachdruck verboten“, „Rechte vorbehalten“ o.Ä., Gebrauch gemacht haben.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
lung zugunsten der periodischen Presse oder des Rundfunks ist.164 Vielmehr dient sie auch anderen Medien, wenn und soweit sie ebenfalls den Kommunikationsund Meinungsbildungsprozess fördern oder ermöglichen, so dass insbesondere auch andere Informationsblätter (wie z. B. Pressespiegel, Nachrichtendienste oder Korrespondenzen) von dieser Norm profitieren.165 Gemäß § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG ist die Vervielfältigung und Verbreitung der oben definierten Medieninhalte „in anderen Zeitungen und Informationsblättern dieser Art sowie die öffentliche Wiedergabe“ dieser Inhalte zulässig. Diesem Wortlaut zufolge werden die körperlichen Verwertungshandlungen der Vervielfältigung und Verbreitung nur bestimmten – und zwar den damals maßgeblich hierfür in Betracht kommenden – Printmedien zugebilligt. Die öffentliche Wiedergabe und damit auch die für eine Bereitstellung von UGC relevante öffentliche Zugänglichmachung der übernommenen Medieninhalte i. S. v. § 19 a UrhG wird hingegen nicht an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft, so dass eine solche scheinbar jedermann offen steht. Wie bereits im Zusammenhang mit § 48 UrhG erörtert,166 stellt sich allerdings auch hier das Problem, dass die zur öffentlichen Zugänglichmachung der übernommenen Inhalte notwendigen vorbereitenden Vervielfältigungshandlungen durch all diejenigen Nutzer, die nicht zum Kreis der zur Vervielfältigung Berechtigten gehören, eine Privilegierung nur im Zusammenspiel mit anderen Schranken (insb. des § 55 UrhG) in Frage kommt.167 Dies gilt insbesondere für alle audio-visuellen Medieninhalte – wozu auch Podcasts oder Video-Blogs zu zählen sind – da sich diese offensichtlich weder als „Zeitung“ noch als „Informationsblatt“ einstufen lassen. Aufgrund dieser gesetzestechnischen Differenzierung zwischen Print- und Rundfunkmedien wird auch im Folgenden zwischen Webseiten mit nutzergenerierten Text- und Bildbzw. Audio- und Video-Beiträgen auf der einen sowie den eigenständig privilegierungsfähigen Medienformaten der Podcasts und Video-Blogs auf der anderen Seite unterschieden.
164 Vgl. hierzu Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 3 sowie Schricker/Melichar, § 49 Rn. 1, der zutreffend ausführt, dass die gegenteilige Auffassung, wonach § 49 UrhG eine Sonderregelung zugunsten der „Presse“ sei, bereits aus prinzipiellen Erwägungen unhaltbar ist. Denn die Sozialbindung des Urheberrechts könne nicht die Bevorzugung eines bestimmten Gewerbebetriebes rechtfertigen. „Jedenfalls darf die Berufung auf die soziale Bindung des Urheberrechts nicht den Interessen einzelner Verwertungsgruppen dienen.“ (vgl. Oekonomidis, Die Zitierfreiheit im Recht Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten, S. 70). 165 Vgl. Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 3. 166 Siehe hierzu oben: „Öffentliche Reden – § 48 UrhG“, S. 175 ff. 167 Ausdrücklich gegen eine Zulässigkeit vorbereitender Vervielfältigungshandlungen Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 49 Rn. 19 ff., die hinsichtlich des von ihr genannten Beispiels des zu Sendezwecken erfolgenden Überspielens von Rundfunkkommentaren auf Bild- oder Tonträger jedoch die eindeutig entgegenstehende Ausnahme des § 55 UrhG übersieht.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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a) Webseiten mit nutzergenerierten Text- und Bild-Beiträgen Fraglich ist zunächst, ob auch Webseiten mit nutzergenerierten Text- und BildBeiträgen zu den von § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG zur Vervielfältigung berechtigten Publikationsmedien gezählt werden können.168 Zu den vom Gesetz privilegierten Sekundärmedien gehören zunächst alle Zeitungen. Der Begriffsumfang deckt sich hier mit demjenigen, der bereits zur Bestimmung der betroffenen Quellmedien verwendet wurde.169 Obwohl hierzu grundsätzlich auch reine Online-Publikationen zu zählen sein können,170 lassen sich UGC-Webseiten – abgesehen von den durch Nutzer-Artikel gespeisten Online-Bürger- bzw. -Nutzerzeitungen, die i. d. R. bereits aufgrund ihrer Eigenschaft als „Online-Zeitung“ als privilegiertes Sekundärmedium anzusehen sein werden – aber offensichtlich nicht unter den Begriff der „Zeitung“ subsumieren.171 Möglicherweise können Webseiten mit nutzergenerierten Text- und BildBeiträgen jedoch den gesetzlich privilegierten Informationsblättern untergeordnet werden. Denn während eine Entnahme von Artikeln und Abbildungen nur aus solchen Informationsblättern zulässig ist, die sich an die Öffentlichkeit richten, d. h. im urheberrechtlichen Sinne (§ 6 Abs. 2 UrhG) erschienen sind, braucht diese Voraussetzung nach h. M.172 bei dem zur Übernahme privilegierten Medium nicht vorzuliegen. Folglich werden von vorliegender Schranke auch solche Sekundärmedien begünstigt, die sich nur an einen begrenzten Personenkreis richten.173 Die tatsächliche Reichweite des Mediums spielt hier – anders als bei der Bestimmung der Verwertungsbasis – also keine entscheidende Rolle. Denn wenn schon täglich erscheinende Publikumsorgane wie Zeitungen in großer Auflagenhöhe gemäß § 49 Abs. 1 UrhG nachdrucken 168
Da eine Weiterverbreitung von Zeitungsartikeln und mit ihnen in Zusammenhang veröffentlichter Abbildungen über das Internet praktisch nur mittels einer Webseite in Frage kommt – welche zugleich das einzig denkbare Trägermedium zur Veröffentlichung nutzergenerierter Text- und BildBeiträge darstellt – erfolgt die nachfolgende Prüfung ausschließlich in Bezug auf die den UGC jeweils bereitstellenden Webseiten. 169 So die g.h.M., vgl. etwa Schricker/Melichar, § 49 Rn. 11. Siehe hierzu bereits oben: „Betroffene Quellmedien“, S. 184 f. 170 Vgl. Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 202 f. 171 Der zeitungswissenschaftlichen Definition zufolge wird als „Zeitung“ heute zwar jedes periodisch, d.h. in regelmäßiger Folge erscheinende Informationsmedium mit universellem und aktuellem Inhalt angesehen (vgl. etwa Schricker/Melichar, § 49 Rn. 5 m.w.N.). Im allgemeinen Sprachgebrauch wird hiermit jedoch ganz überwiegend ein professionell erstelltes und zu gewerblichen Zwecken vertriebenes Presseerzeugnis verstanden, das sich mit den in vorliegender Arbeit herausgearbeiteten charakteristischen Merkmalen von UGC jedoch offensichtlich nicht vereinbaren lässt. Außerdem werden nutzergenerierte Medieninhalte nicht typischerweise in regelmäßigen Abständen von den Nutzern erzeugt, so dass sich UGC vorliegend nicht unter den Begriff der Zeitung einordnen lässt. 172 Vgl. Dreier/Schulze, § 49 Rn. 17; Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 9; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 49 Rn. 12; sowie Schricker/Melichar, § 49 Rn. 12 m.w.N. 173 Vgl. Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 100.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
dürfen, so muss dies erst recht für die Vervielfältigung in kleinerem Rahmen, z. B. für ein einmaliges Informationsblatt gelten.174 Aus dem gleichen Grund ist für die Privilegierung auch ein periodisches Erscheinen der übernehmenden Publikation nicht zwingend erforderlich.175
aa) Wortlaut als Subsumtionshindernis Gegen eine Subsumtion unter den Begriff des „Informationsblattes“ könnte jedoch der technologiebezogene Begriffsbestandteil des „Blattes“ sprechen. Auf den ersten Blick ließe sich aus diesem durchaus eine Beschränkung der Vervielfältigungsfreiheit lediglich auf körperliche, d. h. vor allem papierene Vervielfältigungsexemplare entnehmen. Ebenso wie bei den von § 49 Abs. 1 UrhG umfassten Quellmedien176 ist jedoch auch bei der Bestimmung der privilegierten Zielmedien nicht zwingend am Wortlaut zu haften, sondern mit Rücksicht auf die neuen technischen Möglichkeiten zu fragen, ob die Schrankenbestimmung nicht im Wege einer extensiven Auslegung bzw. analogen Anwendung ausnahmsweise auch auf ein digitales Funktionsäquivalent angewendet werden kann.177 Dass eine Anwendung der Vorschrift auf elektronisch erzeugte und übermittelte Publikationen nicht unbedingt am analogen Wortlaut des „Informationsblattes“ scheitern muss, hat bereits die wegweisende Entscheidung des BGH bezüglich der Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel178 gezeigt. Hierin stellte der Senat fest, dass „ein im Rahmen der Schrankenregelungen [. . . ] verwendeter Begriff infolge technischer Fortentwicklung veralten“ könne und dass dem ggf. „durch eine extensive Auslegung Rechnung getragen werden“179 müsse. Dabei sei zwar der Grundsatz zu beachten, „dass sich bei der Auslegung der urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen das Verständnis der privilegierenden Norm vor allem an den technischen Gegebenheiten der Information im Zeitpunkt der Einführung des Privilegierungstatbestands zu orientieren“ habe. Gleichwohl dürfe hierin aber keine „starre Grenze gesehen“ werden. Denn auch „wenn 1965 die digitalen Speichermöglichkeiten noch nicht bekannt waren, werden Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch als privilegiert angesehen, auch wenn es sich um eine digitale Vervielfältigung handelt“. Daraus werde deutlich, „dass die Anwendung der Schrankenbestimmungen nicht notwendig auf technische Sachverhalte beschränkt ist, die bei Schaffung des Privilegierungstatbestands schon bekannt waren.“180
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Vgl. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 12. So die wohl h.M., vgl. etwa Dreier/Schulze, § 49 Rn. 17; Schricker/Melichar, § 49 Rn. 12; Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 11. 176 Siehe hierzu oben: „Betroffene Quellmedien“, S. 184 ff. 177 Vgl. Wandtke/Bullinger/Lüft, § 49 Rn. 8. 178 Vgl. BGH GRUR 2002, 963 ff. – Elektronischer Pressespiegel. 179 Vgl. BGH GRUR 2002, 963, 965 – Elektronischer Pressespiegel. 180 Vgl. BGH GRUR 2002, 963, 966 – Elektronischer Pressespiegel. 175
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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Nachdem eine Bereitstellung nutzergenerierter Text- und Bild-Beiträge nahezu ausschließlich über Webseiten im Internet erfolgt,181 konzentriert sich die vorstehend beschriebene Subsumtionsproblematik hier zunächst auf die allgemeine Fragestellung, ob auch eine Webseite ein Informationsblatt i. S. v. § 49 Abs. 1 UrhG darstellen kann. Dies ist grundsätzlich zu bejahen. Denn eine „Seite“ im WWW stellt letztendlich ebenso ein Trägermedium dar, wie die gedruckte Seite in einem körperlichen Werkexemplar. In beiden Fällen wird es dem Rezipienten ermöglicht, die auf den einzelnen Seiten befindlichen Inhalte mit seinen menschlichen Sinnen wahrzunehmen. Dass es sich bei einer Webseite lediglich um ein virtuelles Gebilde handelt, das aus mehreren, mithilfe von verschiedenen technischen Hilfsmitteln übermittelten und angezeigten Text- und Bilddateien besteht, ist für deren Qualifikation als Informationsmedium unerheblich. Das Lesen eines Artikels, der auf Papier gedruckt wurde, unterscheidet sich hier praktisch nicht von einem solchen, der in digitaler Form über eine Webseite wiedergegeben wird. In beiden Fällen „öffnet“ der Nutzer die gewünschte Seite, um deren Inhalt zu rezipieren und sie danach wieder zu „schließen“. Die Konvertibilität vorgenannter Trägermedien kommt ferner dadurch zum Ausdruck, dass im allgemeinen Sprachgebrauch auch zur Bezeichnung der im Internet bereitgestellten Inhalte, d. h. eines elektronischen Informationsmediums durchgehend der (ebenfalls) analoge Begriff der Web- bzw. Internet-„Seite“ verwendet wird. Unter Berücksichtigung der Realität der aktuellen Mediennutzung in der Informationsgesellschaft kann folglich auch eine Webseite im Internet als „Informationsblatt“ i. S. v. § 49 Abs. S. 1 UrhG anzusehen sein. Eine Einbeziehung von UGC in den von § 49 Abs. 1 UrhG privilegierten Medienkreis erscheint daher zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen. bb) Zweck von § 49 UrhG Inwiefern es allerdings gerechtfertigt erscheint, im Wege einer extensiven Schrankenauslegung heute auch herkömmlichen „Informationsblättern“ vergleichbare Webseiten mit nutzergenerierten Medieninhalten einzelner Internetnutzer in Form von Internet-Foren, Blogs, Wikis oder sonstigen virtuellen Kollaborationsergebnissen zu privilegieren, hängt letztlich maßgeblich von dem mit der Vorschrift verfolgten Zweck ab. Wie die Geschichte182 des § 49 UrhG zeigt, war der Gesetzgeber zur Aufrechterhaltung eines gerechten Interessenausgleichs zwischen der Informationsfreiheit einerseits und dem Urheberrechtsschutz andererseits stets bestrebt, all diejenigen (neuen) Massenkommunikationsformen in den Kreis der privilegierten Sekundärmedien aufzunehmen, die es der Bevölkerung ermöglicht haben, sich schnell und ungehindert über die gesellschaftsrelevanten Tagesthemen zu unterrichten und sich 181
Siehe hierzu oben: „Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet“, Kapitel 4, S. 86 ff. Ausführlich zur Entstehungsgeschichte des § 49 UrhG einschließlich seiner Vorgängerbestimmungen Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 72 ff.; vgl. demgegenüber auch die geschichtliche Interpretation von Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 125 ff.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
hierzu ein eigenes Urteil zu bilden. Zu diesem Zweck wurden die jeweiligen Fassungen der vorliegenden Schrankenregelung immer wieder der tatsächlichen Situation des Pressewesens zu der jeweiligen Zeit, d. h. genauer den jeweiligen technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten sowie der aktuellen Marktstruktur angepasst.183 So war gemäß § 18 S. 1 LUG zunächst nur „der Abdruck einzelner Artikel aus Zeitungen“ zulässig. Angesichts der sich stetig fortentwickelnden Vervielfältigungstechnologien erlangten jedoch sehr bald auch andere, unterhalb der Tageszeitungen angesiedelte Publikationen zunehmende Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung. Dieser Entwicklung wurde sodann im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum UrhG im Jahre 1965 durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs des neu geschaffenen § 49 UrhG auf „Informationsblätter“ Rechnung getragen. Ähnlich verhielt es sich auch mit der zwischenzeitlich etablierten Technologie der Funksendung. Denn soweit ein Werk nach den §§ 16 bis 24 LUG ohne Einwilligung des Berechtigten vervielfältigt werden durfte, erklärte § 26 LUG zwar auch dessen Verbreitung, öffentliche Aufführung und öffentlichen Vortrag für zulässig. Eine Sendung der benannten Artikel im Rundfunk gehörte dem Wortlaut nach jedoch nicht zum Umfang der gewährten Weiterverbreitungsfreiheit. Gleichwohl wurde die Rundfunksendung nach der im Schrifttum herrschenden Rechtsauffassung bereits nach damals geltendem Recht für zulässig erachtet, da der Rundfunk ebenso wie die Presse dazu diene, die Allgemeinheit über Tagesfragen zu unterrichten.184 Folglich wurde auch die Sendung i. S. v. § 20 UrhG durch die sie einschließende Formulierung der „öffentlichen Wiedergabe“ den zustimmungsfrei zulässigen Verwertungshandlungen hinzugefügt. Auf Vorbringen des Rechtsausschusses wurden umgekehrt allerdings auch die gesendeten Rundfunkkommentare in die von § 49 UrhG erfasste Verwertungsbasis einbezogen, um die sachlich gerechtfertigte Gleichbehandlung von Presse und Rundfunk auf beiden Seiten sicherzustellen.185 Schließlich wurde im Jahre 2002 auch die im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung und Vernetzung via Intra- und Internet üblich gewordene elektronische Erzeugung und Übermittlung bzw. Versendung nutzerinterner Pressespiegel vom BGH186 für zulässig erklärt.187 Dass diese neue Nutzungsform vom Gesetzgeber bisher nicht ausdrücklich in den Gesetzeswortlaut mit aufgenommen wurde, sei allein darauf zurückzuführen, dass der BGH mit vorgenannter Entscheidung keine Regelungslücke in richterlicher Rechtsfortbildung 183
Vgl. Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 181 f. und Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 125 ff. 184 Vgl. hierzu die AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 66; s.a. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 2. 185 Der Rechtsausschuss argumentierte seinerzeit: „Wenn aktuelle Zeitungsartikel ohne Erlaubnis des Urhebers im Rundfunk gesendet werden dürfen, sollte es unter den gleichen Voraussetzungen auch umgekehrt zulässig sein, entsprechende Rundfunkkommentare in Zeitungen nachzudrucken.“ (vgl. Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Urheber- und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) UFITA 46 (1966) 174, 185). 186 Vgl. BGH GRUR 2002, 963 ff. – Elektronischer Pressespiegel. 187 Ob diese Entscheidung jedoch im Ergebnis zutreffend war, ist nach wie vor umstritten. Siehe hierzu sogleich unten: „Kommentarlose Weiterverbreitung“, S. 210 ff.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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gefüllt, sondern lediglich im Wege der Auslegung entschieden habe, dass elektronische Pressespiegel unter den vom Gericht spezifizierten Voraussetzungen unter § 49 UrhG zu subsumieren seien.188 Anhand der vorstehenden Ausführungen wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Vorschrift des § 49 UrhG stets sukzessive den durch die technologische Entwicklung, den verfügbaren Märkten sowie dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld geprägten Realitäten des Lebens und damit letztlich den hierdurch veränderten Bedürfnissen der Urheber und der Allgemeinheit angepasst hat.189 Dass hierbei stets versucht wurde, einen gerechten Interessenausgleich herzustellen, zeigt sich insbesondere daran, dass die Änderungen keineswegs immer einseitig, sondern – je nach Technologie und deren Verbreitungsgrad – entweder zugunsten der Allgemeinheit oder zugunsten der Urheber erfolgten: Während die gesetzliche Weiterverbreitungsfreiheit für Druckerzeugnisse seit 1870 parallel zur technischen Entwicklung inhaltlich immer weiter zugunsten der Urheber eingeschränkt wurde190 , lässt sich umgekehrt mit zunehmender Verbreitung neuer Vervielfältigungs- und Verbreitungsmöglichkeiten in technischer Hinsicht tendenziell eine kontinuierliche Erweiterung der Nutzungsbefugnisse der Allgemeinheit in Bezug auf die (noch) verbliebenen „Schutzobjekte“ der politischen, wirtschaftlichen und religiösen Tagesartikel feststellen191 . Die Regelungshistorie zeugt somit einerseits von dem Willen des Gesetzgebers, eine Weiterverbreitung nur bestimmter urheberrechtlich geschützter Medieninhalte zu erlauben, diese jedoch andererseits – parallel zur fortschreitenden technologischen Entwicklung – durch eineAusweitung entsprechender Nutzungsbefugnisse auch über neu aufkommende Publikumsmedien sicherstellen zu wollen. Dieser Konklusion lässt sich schließlich auch das übergeordnete Ziel der Ausnahmeregelung entnehmen: § 49 UrhG soll einen Freiraum für die wechselseitige Auseinandersetzung und Erörterung in denjenigen Massenmedien schaffen, die als Kommunikationsplattform für die öffentliche Meinungsbildung fungieren und da188
Vgl. AmtlBegr. zum „2. Korb“, BT-Drucks. 16/1828, S. 41; s.a. Schricker/Melichar, § 49 Rn.
32. 189
Ähnlich auch Dreier in einer Anmerkung zur Pressespiegel-Entscheidung des BGH, die beispielhaft beleuchte, „wie das Recht auf die wirtschaftlichen Folgen einer immer leistungsfähigeren Vervielfältigungstechnologie“ reagiere (vgl. Dreier, JZ 2003, 477); siehe hierzu auch Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 181 f. mit Hinweis auf Lehmann/Katzenberger, Elektronische Pressespiegel und Urheberrecht, S. 27 f. 190 Ein Abdruck „novellistischer Erzeugnisse und wissenschaftlicher Ausarbeitungen“ war schon von § 7 b LUG (1870) nicht erlaubt. Mit Einführung des § 18 LUG (1901) wurden sodann auch Ausarbeitungen „technischen oder unterhaltenden Inhalts“ von der Privilegierung ausgenommen. Mit Einführung von § 49 UrhG im Jahre 1965 erfolgte schließlich eine Umkehrung des bisherigen Regel-Ausnahme-Verhältnisses, indem ab sofort nur noch „Artikel über wirtschaftliche, politische und religiöse Tagesfragen“ abgedruckt werden durften. 191 Mangels anderweitiger Reproduktionstechniken war die Weiterverbreitungsfreiheit bis Anfang der 1960er Jahre praktisch auf den Abdruck in Zeitungen beschränkt. Mit § 49 UrhG wurde sodann mit derAufnahme der „Informationsblätter“ nicht nur der fortgeschrittenenVervielfältigungstechnik sondern durch gleichzeitige Privilegierung der öffentlichen Wiedergabe und der Übernahme von Rundfunkkommentaren auch der Errungenschaft der Funksendung Rechnung getragen.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
mit einen Beitrag zur demokratischen Streitkultur leisten.192 Der zentrale Zweck der Vorschrift besteht demnach darin, den vorwiegend mittels Massenkommunikationsmitteln stattfindenden Prozess der kollektiven Meinungsbildung dadurch zu fördern, dass die an der Kommunikation beteiligten Personen in die Lage versetzt werden, sich frei von Verbotsrechten eines Nutzungsberechtigten und unabhängig von der hierbei verwendeten Technik mit bestimmten tagesaktuellen Themen und den hierzu veröffentlichten Medieninhalten durch deren Übernahme, Erörterung oder Kritisierung öffentlich auseinandersetzen zu können.193 cc) Privilegierungswürdigkeit Wie die Entwicklungsgeschichte des § 49 UrhG zeigt, will der Gesetzgeber mit dieser Ausnahmeregelung ganz allgemein die öffentliche Debatte durch Foren stärken, in denen publizierte Meinungen und Sachverhalte diskutiert und beleuchtet werden.194 Eben diese Funktion ist jedoch ein typisches charakteristisches Merkmal von UGC und des hierdurch geprägten Web 2.0. Denn wie im ersten Teil der Arbeit195 sowie im Rahmen der Darstellung der urheberrechtsrelevanten Vorgänge196 bereits ausführlich dargelegt wurde, werden die neuartigen Publikations-, Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten von der Bevölkerung heute zunehmend dazu genutzt, auf vielfältige Art und Weise mit den Inhalten konventioneller Massenmedien sowie anderen Nutzern und deren Beiträge im Internet zu interagieren und sich mit diesen öffentlich auseinanderzusetzen. Die enorme Anzahl der in diesem Zusammenhang bereits entstandenen virtuellen Kommunikationsplattformen, der sich hieran beteiligenden Nutzer sowie der einzelnen hierüber bereitgestellten Medieninhalte spiegelt dabei nicht nur die fortschreitende Verlagerung der privaten Kommunikation in die Öffentlichkeit wider, sondern ist zugleich ein gewichtiger Indikator für das gesteigerte Mitteilungs- und Kommunikationsbedürfnis einer mündigen und emanzipierten Informationsgesellschaft. aaa) Nutzerinhalte als Teil des meinungsbildenden Medienangebots Der mittels nutzergenerierter Medieninhalte in Form von Foren-Einträgen und Blogs öffentlich stattfindende Informations- und Meinungsaustausch stellt bereits einen wichtigen Teil des heutigen Medienangebots dar.197 Und auch in der (politischen) Mei192
Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 214. Siehe hierzu die AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 66; s.a. OLG Köln GRUR 2000, 417, 420 – Elektronischer Pressespiegel; ähnlich auch Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 82. 194 Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 214. 195 Siehe hierzu oben: „2. Kapitel: Formen von User Generated Content“, S. 27 ff. 196 Siehe hierzu oben: „Verwendung fremder Werke und Leistungen“, Kapitel 4, S. 79 ff. sowie „Schlussfolgerungen“, Kapitel 4, S. 112 ff. 197 Vgl. Thomas Hess, zit. nach der Pressemitteilung des Münchner Kreis – Übernationale Vereinigung für Kommunikationsforschung e.V. vom 02.04.2009, „Wenn der Medienkonsument zum Medienmacher wird“, abrufbar unter der URL: http://www.muenchner-kreis.de/presse.html [24.4.2009]. 193
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nungsbildung spielen diese relativ jungen interaktiven Medien eine wachsende Rolle.198 Die bei Internet-Foren199 regelmäßig anzutreffende Kommentierungsfunktion bietet dabei allen interessierten Internetnutzern die Möglichkeit, sich unmittelbar am öffentlichen Meinungsaustausch bezüglich eines bestimmten Topics zu beteiligen, indem sie ihre persönliche Meinung zu dem jeweils diskutierten Thema selbst oder den hierzu bereits veröffentlichten Einträgen anderer Nutzer auf den betreffenden Webseiten hinterlassen können. Die hierdurch geschaffenen öffentlich zugänglichen Diskussionsplattformen sind so durchaus in der Lage, nicht unerheblich zur öffentlichen Meinungsbildung bezüglich der diskutierten Themen beizutragen. Der entscheidende Vorteil solcher Online-Foren gegenüber herkömmlichen „Nur-lese-Quellmedien“ ist dabei vor allem darin zu sehen, dass der Rezipient hier nicht mit der Agenturmeldung oder der Meinung eines einzelnen Journalisten „allein“ gelassen wird, sondern zugleich unmittelbaren Zugriff auf eine Meinungsvielfalt erhält, die durch den öffentlichen Kommunikationsprozess zwischen mehreren unabhängigen Internetnutzern über das jeweilige Thema entstanden ist. Ähnlich verhält es sich auch mit Blogs200 . Sofern diese die Kommentierung der dort veröffentlichten Nutzerinhalte erlauben, stellen auch diese privaten Webseiten eine Kommunikationsplattform dar, auf die jedermann zugreifen und sich an dem dort geführten Meinungsaustausch unmittelbar beteiligen kann. Anderenfalls bieten sie zunächst „nur“ dem jeweiligen Blogger eine Plattform, um sich der Öffentlichkeit mitzuteilen. Der für den Meinungsbildungsprozess in der Gesellschaft wichtige öffentlich wahrnehmbare gegenseitige Austausch zwischen den einzelnen Akteuren erfolgt hier typischerweise durch die Verlinkung fremder Blogs mittels Hyperlinks. Das durch diese gegenseitige Referenzierung entstehende virtuelle soziale Netzwerk aller partizipierenden Internetnutzer wird auch als Blogosphäre201 bezeichnet. Die Gesamtheit der sich hierin befindenden Weblogs, die sich an der Diskussion über ein bestimmtes Thema beteiligen, lässt sich daher ebenfalls als öffentliche Kommunikationsplattform begreifen, die zur persönlichen Meinungsbildung genutzt 198
Vgl. Matthias Jung, zit. nach der Pressemitteilung des Münchner Kreis – Übernationale Vereinigung für Kommunikationsforschung e.V. vom 02.04.2009, „Wenn der Medienkonsument zum Medienmacher wird“, abrufbar unter der URL: http://www.muenchner-kreis.de/presse.html [24.4.2009]. 199 Rund ein Viertel aller Internetnutzer in Deutschland tauscht sich bereits in Gesprächsforen, Newsgroups oder Chats aus, womit die Teilnahme an Internet-Foren gemeinsam mit dem Versenden und Empfangen von E-Mails sowie der Nutzung von Instant-Messaging-Diensten zu den am meisten genutzten Internetanwendungen zählt (vgl. Fisch/Gscheidle, Mitmachnetz Web 2.0, S. 356 f.). Siehe hierzu auch oben: „Webforen“, Kapitel 2, S. 27 ff. 200 Nach der ARD/ZDF-Onlinestudie 2008 stimmen bereits knapp die Hälfte der Befragten (47 %), die Weblogs kennen oder nutzen, „voll und ganz“ oder „weitgehend“ der Aussage zu, dass die auf Weblogs verbreiteten Beiträge interessante Informationen enthalten. Ein Drittel (33 %) sieht in diesen sogar schon eine Konkurrenz zu professionellen journalistischen Angeboten (vgl. Fisch/Gscheidle, Mitmachnetz Web 2.0, S. 360). Siehe hierzu auch oben: „Blogs“, Kapitel 2, S. 30 ff. 201 Zum Begriff der „Blogosphäre“ siehe oben Kapitel 2, Fn. 26.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
werden kann. Aber auch Wikis202 und sonstige virtuelle Kollaborationssysteme in Form von sog. Social-Communities203 werden von den Nutzern zunehmend zum öffentlich wahrnehmbaren Austausch von Neuigkeiten und Meinungen genutzt. Insofern sind grundsätzlich auch die hierbei entstehenden Nutzerinhalte dazu geeignet, von der Allgemeinheit wahrgenommen und so zum Gegenstand ihres persönlichen Meinungsbildungsprozesses zu werden. bbb) Erforderlichkeit einer urheberrechtlichen Gleichbehandlung Vor diesem Hintergrund drängt sich mit Blick auf das Erfordernis eines gerechten Interessenausgleichs zwischen Informationsfreiheit und Urheberrechtsschutz die Frage auf, ob aufgrund der veränderten tatsächlichen Gegebenheiten in den Zeiten des Web 2.0 heute nicht eine urheberrechtliche Gleichbehandlung von herkömmlichen Massenmedien einerseits und der durch das Internet emanzipierten Allgemeinheit andererseits geboten ist, um jedem Einzelnen eine öffentliche Auseinandersetzung mit massenmedial verbreiteten Sachverhalten, Meinungen und sonstigen Stellungnahmen durch entsprechende Entlehnungen im Internet zu ermöglichen.204 Denn solange die Bevölkerungsmitglieder zur Erlangung der für ihren Meinungsbildungsprozess notwendigen Informationen und Stellungnahmen ausschließlich auf die wenigen, nicht unbedingt repräsentativen Meinungen einzelner Massenmedien angewiesen waren – da sie selbst nicht die Möglichkeit hatten, ihren Meinungen wirksam öffentlich Ausdruck zu verleihen oder umgekehrt die Meinungen ihrer Mitbürger wahrzunehmen –, stand die aktuelle Fassung des § 49 UrhG unstreitig noch im Einklang mit dem Informations- und Mitteilungsbedürfnis der Allgemeinheit. Mit Hilfe des Internets und der genannten Produktions- und Publikationstechnologien sind die Bevölkerungsmitglieder heute jedoch zu einer weltweiten horizontalen Interaktion untereinander und mit den traditionellen Medien sowie deren Inhalte in der Lage. Dadurch sind sie zur Bildung ihrer persönlichen Meinung faktisch nicht mehr allein von dem – ehemals zwingend notwendigen – „Hilfsmittel“ der traditionellen Massenmedien abhängig. Mit anderen Worten: Die Bevölkerung ist heute 202 DerARD/ZDF-Onlinestudie 2008 zufolge ist bspw. dieAttraktivität von Wikipedia ungebrochen. 60 Prozent aller Onliner haben sich im internetbasierten Nachschlagewerk bereits informiert. Für ein Viertel der Onliner zählt Wikipedia bereits zum regelmäßigen Begleiter und wird mindestens wöchentlich aufgerufen (vgl. Fisch/Gscheidle, Mitmachnetz Web 2.0, S. 357 f). Siehe hierzu auch oben: „Wikis“, Kapitel 2, S. 32. 203 Wie keine andere Web 2.0-Anwendung werden Online-Gemeinschaften bereits in tägliche Routinen eingebunden. Bei den 14- bis 19-Jährigen gehören StudiVZ und Co. ebenso zu den festen Koordinaten im Netz wie bei den 20- bis 29-Jährigen (je 28 % tägliche Nutzung). Die zweite große Gruppe stellen die wöchentlichen Nutzer, bei den 14- bis 19-jährigen Onlinern sind dies 25 Prozent, bei den 20- bis 29-jährigen 18 Prozent. Somit besucht jeder zweite Onliner im Alter von 14 bis 29 Jahren eine private Community zumindest einmal in der Woche. Ein Drittel der Anwender nutzen die Community dabei zur Suche nach Informationen und zum Schreiben von Beiträgen und Kommentaren (vgl. Fisch/Gscheidle, Mitmachnetz Web 2.0, S. 362 f.). 204 Ähnlich auch Ott, der im Hinblick auf die Entwicklungen im Web 2.0, insbesondere die dort zu beobachtenden Kombinationen fremder Werke und Leistungen in Form von „Mashups“ eine vorsichtige Ausweitung der Schrankenbestimmungen durch den Gesetzgeber in Erwägung zieht (vgl. Ott, K&R 2007, 623, 625).
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nicht mehr nur auf den in den traditionellen Massenmedien stattfindenden Meinungsaustausch zwischen einzelnen, anhand subjektiver Kriterien ausgewählter Personen angewiesen. In Zeiten des Web 2.0 haben sie vielmehr unmittelbaren Zugriff auf eine Vielzahl von Meinungen unterschiedlichster Nutzer- und Bevölkerungsgruppen und können gleichzeitig selbst an dem öffentlich stattfindenden Meinungsaustausch teilnehmen und das (neue) Massenmedium Internet zur Verbreitung ihrer eigenen Meinung nutzen. Stellt sich das Phänomen des UGC somit als eine neue Form der informatorischen Massenkommunikation dar, die mitunter auch die von § 49 Abs. 1 UrhG erfassten Medieninhalte zum Gegenstand hat, erscheint hier mit Blick auf die für eine demokratische Gesellschaft unentbehrliche Meinungs- und Informationsfreiheit eine Gleichbehandlung von UGC und den traditionellen Medien bzw. deren Inhalte sachlich gerechtfertigt. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Ausnahmeregelung des § 49 UrhG bzw. ihre Vorgänger im LUG zu einer Zeit geschaffen wurden, in der die öffentliche Meinungsbildung ausschließlich über konventionelle Massenmedien denkbar war. Als urheberrechtlich privilegierte Repräsentanten verschiedener Bevölkerungsgruppen führen diese bis heute die öffentliche Debatte über die gesellschaftsrelevanten Themen quasi stellvertretend für die Allgemeinheit.205 Wenn der technologische Fortschritt es heute jedoch sogar jedem einzelnen Bevölkerungsmitglied ermöglicht, über die reine Rezeption der für sie erstellten tagesaktuellen Medieninhalte hinaus selbst aktiv bzw. interaktiv am öffentlichen Meinungsbildungsprozess teilzunehmen, muss dies erst recht zum Umfang der von § 49 UrhG vorzubehaltenden Freiheiten der Allgemeinheit gehören. Denn der auf diese Weise ermöglichte unmittelbare Publikations-Pluralismus kommt der in einer Demokratie angestrebten idealtypischen Öffentlichkeit um ein Vielfaches näher, als die von den repräsentativen Medienorganen produzierte Meinungsvielfalt. ccc) § 49 UrhG als Privileg traditioneller Massenmedien? In der Literatur wird demgegenüber die Auffassung vertreten, der von § 49 Abs. 1 UrhG privilegierte Personenkreis sei bereits heute zu groß, da mit der öffentlichen Zugänglichmachung i. S. v. § 19 a UrhG inzwischen eine Art der öffentlichen Wiedergabe zur Verfügung stehe, die jedermann ausüben könne.206 Der Zweck der Schranke, die gesellschaftsweite Meinungsbildung zu bestimmten Tagesfragen durch eine möglichst breite Informationsbasis zu fördern, verlange lediglich, die für den kollektiven Diskurs relevanten Massenmedien zu privilegieren.207 Denn vor allem über die herkömmlichen Massen205
Ähnlich auch Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 80: „Die Presse und andere berichterstattende Medien ,dienen‘ [. . . ] [dem] Ziel [der Meinungsbildung und dem Interesse der Allgemeinheit an schneller und umfassender Berichterstattung] insoweit, als sie Adressaten der Schrankenregelungen sind und damit eine Vermittlerrolle einnehmen.“ (Hervorh d. Verf.). 206 So ausdrücklich Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 218. 207 Vgl. Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 202; Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 218; Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 82 f.; Dreyer/
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
medien finde der für den gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess notwendige Informations- und Meinungsaustausch statt.208 Dem kann hinsichtlich der von § 49 UrhG privilegierten Sekundärmedien – angesichts der beschriebenen Weiterentwicklung im Bereich der Internettechnologien und dem hiermit verbundenen neuen Mediennutzungsverhalten209 immer größerer Teile der Bevölkerung210 – hier nicht mehr gefolgt werden. (1) Mediennutzung und Meinungsbildung im Web 2.0 Die Informationsgewinnung und Meinungsbildung hat sich mit den heute verfügbaren Publikationsmöglichkeiten im Web 2.0 bereits grundlegend verändert: Von einem regional geprägten Fokus der Medien mit einseitigem Informationsfluss, wie Fernsehen, Radio und Zeitung, zu einem Web 1.0, das den Nutzern in einem strukturierten Rahmen die Option bot, Informationen weltweit zu beschaffen, hin zu dem Medium Web 2.0, das jedermann aktiv mitgestalten kann.211 Mit diesem neuen Mediennutzungsverhalten hat sich nun jedoch auch der typische Meinungsbildungsprozess in der Gesellschaft verändert. Die Bevölkerung bildet sich ihre Meinung in Zeiten des Web 2.0 nämlich nicht mehr nur anhand der ihnen durch die periodische Presse, das Radio oder Fernsehen präsentierten Meinungen und zusammengestellten Inhalten, sondern recherchiert immer häufiger auch selbst gezielt nach Informationen und Stellungnahmen zu einem bestimmten Thema im Internet.212 Aufgrund der gestiegenen Anzahl nutzergenerierter Medieninhalte stoßen die Bürger dabei vermehrt auch auf Meinungsäußerungen Kotthoff/Meckel, § 49 Rn. 12; Rehbinder, UrhR, Rn. 507; so wohl auch v. Gamm, UrhG, § 49 Rn. 1; Fromm/Nordemann/Nordemann, § 49 Rn. 3. 208 Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 218. 209 Vergleicht man die Mediennutzung der drei Gattungen Fernsehen, Hörfunk und Internet, so zeigt sich zwar, dass nach wie vor das Fernsehen mit einer täglichen Nutzungsdauer von 225 Minuten unangefochten die zeitlich intensivste Nutzung auf sich vereint. Der Hörfunk kommt auf 186 Minuten. Beide haben sich in den vergangenen Jahren jedoch kaum bzw. ggf. rückläufig entwickelt. Im Gegensatz dazu ist die Nutzung des Internets seit vielen Jahren jährlich steigend, wenngleich die hohen Intensitäten der „alten“ Medien noch längst nicht erreicht sind. Das Internet wird im Durchschnitt 58 Minuten täglich genutzt – das entspricht einem Plus von vier Prozent gegenüber 2007. Einen ähnlichen Befund ergibt auch die Darstellung der Tagesreichweiten: Derzeit erreicht das Internet in Deutschland täglich 26 Prozent der Bevölkerung; das Fernsehen 83 Prozent. Allerdings lässt sich auch hier am Zeitverlauf zeigen, dass – während Fernsehen und Radio stagnieren – das Internet seine Tagesreichweite jährlich um zwei Prozent steigern kann (vgl. Kubicek, Teilhabe an der Informationsgesellschaft, S. 23). 210 Einer Sonderanalyse des Marktforschungsinstituts Nielsen/NetRatings zufolge besuchten im Februar 2007 über die Hälfte (54 %) der deutschen Internetnutzer Web 2.0-Seiten im Internet. Die Zahl der Nutzer (Unique Audience) auf Web 2.0-Seiten ist zwischen Februar 2006 und Februar 2007 um 32 % auf 19,7 Mio. gestiegen. Die Seitenaufrufszahl (Page Views) kletterten im selben Zeitraum sogar um 77 % auf 2,1 Mrd. und die auf diesen Seiten verbrachte Zeit wuchs um 48 % auf durchschnittlich 45 Minuten pro Monat (vgl. Nielsen/NetRatings, Pressemitteilung vom 21. Mai 2007, abrufbar unter der URL: http://www.nielsen-online.com/pr/pr_070521_DE.pdf [28.04.2009]). 211 Vgl. Schenk, Soziale Innovation in der Informationsgesellschaft, S. 28. 212 Vergleicht man die von der deutschen Bevölkerung 2008 vorgenommene intermediale Priorisierung der für die Meinungsbildung relevanten Nutzungsfunktionen zwischen den Medien Radio, Fernsehen, Tageszeitung und Internet, ergibt sich bereits eine relativ homogene Verteilung: Während
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einzelner Individuen, die so in den sozialen Prozess der Meinungsbildung integriert werden. Umgekehrt platzieren erstere dann immer öfter auch selbst ihre eigene Meinung auf den entsprechenden Webseiten, um selbst wiederum von anderen Mitgliedern der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden.213 Im Web 2.0 spielen also nunmehr auch die Meinungen einzelner Individuen und somit der Allgemeinheit eine nicht unerhebliche Rolle, die zuvor – von redaktionell ausgewählten und ggf. zensierten Leserbriefen einmal abgesehen – niemals den Weg in die interessierte Öffentlichkeit gefunden hätten.214 Folglich hat in dem „Many-to-many-Medium“ Web 2.0 die allgemeine Öffentlichkeit grundsätzlich an Einfluss gewonnen.215 Mit Schenk ist davon auszugehen, dass das Internet die Vorstellungen und Orientierung jedes Einzelnen immer stärker beeinflussen wird, da jedes Individuum eine steigende Anzahl an Inhalten im Netz generiert und dort passende Ansprechpartner und Kommunikationswillige findet. Denn gerade in der heutigen Zeit, in der sich Wahrnehmung und Kommunikation in Richtung Visualisierung und „always on“ entwickeln, fällt es neuen Medienakteuren zunehmend leichter, mit Einträgen im Netz Meinungen, Verhaltensnormen und Wertvorstellungen vieler anderer Teilnehmer zu beeinflussen.216 Die absolute Anzahl derjenigen, die mit aktiven Beiträgen direkten Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung nehmen, ist gegenwärtig zwar noch relativ gering.217 In den USA sind Communitys und Blogs jedoch schon heute wichtiger Bestandteil der aktuellen Berichterstattung, da es den meisten amerikanischen Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft wichtig ist, was die Blogosphäre sagt.218 Darüber hinaus sind hier die enormen soziodemografischen Unterschiede das Fernsehen (34 %) und die Tageszeitung (32 %) je in etwa von einem Drittel der Bevölkerung zu dem genannten Zweck genutzt werden, liegt das Internet mit knapp einem Viertel (21 %) bereits vor dem Radio, das nur noch von rund 14 Prozent der Bevölkerung zur Meinungsbildung favorisiert wird. Zwischen 2003 und 2008 ist die Bedeutung des Internets als Informations- und Orientierungsmedium ebenso gewachsen wie die als Medium, dem man sich zuwenden sollte, um „mitreden“ zu können. Es ist erkennbar stärker zu einem Alltagsinstrument geworden (vgl. hierzu die Ergebnisse der Fünfjahresstudie zur intermedialen Verteilung der täglichen Aufmerksamkeit auf die einzelnen Medien in: Oehmichen/Schröter, Medienübergreifende Nutzungsmuster: Struktur- und Funktionsverschiebungen, S. 399). 213 Der Wille, sich aktiv im Internet mit eigenen Beiträgen einzubringen, ist unter allen deutschen Internetnutzern bislang zwar nur wenig ausgeprägt; nur 13 Prozent der Onliner zeigen sich „sehr interessiert“ am aktiven Mitwirken. Zumindest jeder Dritte (45 %) hat jedoch grundsätzlich Interesse am Bereitstellen eigener Inhalte im Netz (vgl. Fisch/Gscheidle, Mitmachnetz Web 2.0, S. 356 f.). 214 Vgl. hierzu auch Jeff Jarvis im Interview mit Rainer Stadler, in: Süddeutsche Zeitung Magazin, Nr. 19 vom 8. Mai 2009, Wozu Zeitung?, S. 10: „Außerdem kommen im Internet viele neue Stimmen und Perspektiven hinzu, die bisher kaum an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Das Internet fördert also eine gewisse Kakophonie und damit auch die Demokratie. [. . . ] Nicht die Zeitungen sind wichtig für die Demokratie, der Journalismus ist es.“ 215 So auch Schenk, Soziale Innovation in der Informationsgesellschaft, S. 28. 216 Vgl. Schenk, Soziale Innovation in der Informationsgesellschaft, S. 29. 217 So haben in Deutschland bspw. nur knapp 28 Prozent der täglichen Internetnutzer ihren eigenen Blog (vgl. Schenk, Soziale Innovation in der Informationsgesellschaft, S. 28). 218 Vgl. Felix Salmon, Blog – Zehn Gründe, warum Blogs in Deutschland nicht funktionieren, in: Süddeutsche Zeitung Magazin, Nr. 19 vom 8. Mai 2009, Wozu Zeitung?, S. 5.
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hinsichtlich der Nutzung des Internets im Allgemeinen,219 dem Anteil der medialen Aufmerksamkeit220 und der Bereitschaft zur aktiven Beteiligung im Netz durch die Bereitstellung von UGC221 zu berücksichtigen. In allen drei Bereichen zeichnet sich aktuell noch ein eindeutiger Generationsunterschied und damit eine „digitale Spaltung“ der Gesellschaft in Deutschland ab: Je jünger die Internetnutzer, umso intensiver nutzen sie das Internet und die Angebote des Web 2.0. Nach Kubicek ist zukünftig allerdings aufgrund des Kohorteneffektes mit einer Umkehrung des „Alterseffektes“ zu rechnen. Die heute noch „Jüngeren“ werden zunehmend in die dann älteren Altersgruppen nachrücken und es ist nicht davon auszugehen, dass die internalisierte Nutzung des Internets in „jungen Jahren“ im Alter in weiten Teilen aufgegeben werden wird. Für die nachkommende jüngere Generation der „Digital Natives“ spielt das Internet und das Leben mit und in diesem eine zentrale Rolle im Hinblick auf die Gestaltung des Lebens und der sozialen Bindungen.222 Insofern wird sich das Internet auch in Zukunft noch stärker von einem Informationsmedium zu einem Ort der Kommunikation und Kooperation wandeln. Dabei wird sich insbesondere das Ausmaß an Partizipation entscheidend verändern, indem Internetnutzer die Chance, sich aktiv an Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen zu beteiligen, in immer stärkerem Maße wahrnehmen werden.223 Ein anschauliches Beispiel, das diese Ansicht bestätigt, ist die rege Beteiligung der Bevölkerung an der vom Deutschen Bundestag ins Leben gerufenen Internet-Plattform zur Einreichung und öffentlichen Diskussion von Petitionen.224 Insbesondere die Petition zur Überprüfung der Vereinbarkeit der Tätigkeit der GEMA225 mit urheber-, vereins- und
219 Im Jahr 2008 sind 91 Prozent der 14- bis 29-Jährigen Internetnutzer; bei den Menschen im Alter von 50Plus sind es lediglich 40 Prozent, was einer Differenz von 51 Prozentpunkten entspricht (vgl. Kubicek, Teilhabe an der Informationsgesellschaft, S. 22). 220 Weit mehr als ein Drittel der medialen Aufmerksamkeit entfällt in der jungen Generation der 14- bis 29-Jährigen auf das Internet (37 %), bei 30- bis 49-Jährigen liegt dieser Wert bei rund 17 Prozent und bei den ab 50-Jährigen nur bei 14 % (vgl. Oehmichen/Schröter, Medienübergreifende Nutzungsmuster: Struktur- und Funktionsverschiebungen, S. 396). 221 Mehr als die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen (51 %) zeigen sich „sehr“ bzw. „etwas interessiert“ an der Bereitstellung von UGC. Bei den 30- bis 49-Jährigen kann dies noch rund ein Drittel (31 %) von sich behaupten. Bei den ab 50-Jährigen sind es nur noch 24 Prozent (vgl. Fisch/Gscheidle, Mitmachnetz Web 2.0, S. 356 f.). 222 Vgl. Kubicek, Teilhabe an der Informationsgesellschaft, S. 22. 223 Vgl. Schenk, Soziale Innovation in der Informationsgesellschaft, S. 30. 224 Siehe hierzu die als Web-Forum organisierte Webseite des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages, erreichbar unter der URL: https://epetitionen.bundestag.de [23.6.2009]. 225 GEMA – Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, Berlin, erreichbar unter der URL: http://www.gema.de [23.6.2009].
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verfassungsrechtlichen Vorgaben226 hat zu einer bemerkenswerten Beteiligung227 und kontroversen öffentlichen Diskussion geführt, der auch von den traditionellen Medien zunehmend Beachtung geschenkt wurde.228
(2) Verhältnis zwischen Nutzerinhalten und herkömmlichen Massenmedien Diese Aussagen verkennen nicht die Funktion und den Stellenwert konventioneller Medien innerhalb einer demokratischen Gesellschaft. Sicherlich wird es den traditionellen Journalismus weiterhin geben und diesem kommt auch in Zukunft noch grundlegende Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung eines großen Teils der Bevölkerung zu. Die Existenzberechtigung herkömmlicher Massenmedien soll hier also nicht in Abrede gestellt werden. Andererseits sind die ehemals zwingend notwendigen „repräsentativen Medien“ in Zeiten des Web 2.0 nicht mehr die einzig maßgeblichen „Stimmen“ innerhalb einer demokratisch organisierten Informationsgesellschaft. Nutzergenerierte Medieninhalte sind heute durchaus in der Lage, in ihrer Gesamtheit ein fruchtbares publizistisches Gegengewicht gegenüber den von einigen wenigen Massenmedien verbreitenden Einzelmeinungen zu bilden. Insofern ist nutzergenerierten Text- und Bild-Beiträgen heute prinzipiell dieselbe Daseinsberechtigung zuzusprechen wie den massenmedial verbreiteten Stellungnahmen, die letztendlich auch immer nur die persönliche Auffassung eines einzelnen Journalisten bzw. Redakteurs repräsentieren. Denn Demokratie bedeutet nicht nur „Herrschaft des Volkes“, sondern in unserer Tradition auch die „Steuerung durch begründeten Diskurs“.229 Ist dem Individuum mit dem Web 2.0 heute also ein nahezu ebenso wirksames Instrument zur demokratischen Intervention und Interaktion im kollektiven Meinungsbildungsprozess gegeben, so muss dem auch die Rechtsordnung angemessen Rechnung tragen.230 Dies gilt umso mehr, als das Urheberrecht die geistige Auseinandersetzung prinzipiell fördern und nicht behindern will – wenn Verbotsrechte in diesem Sinne kontraproduktiv zu werden drohen, müssen sie eingeschränkt
226 Vgl. hierzu die Petition von Monika Bestle „Bürgerliches Recht – Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) vom 19.5.2009“ (URL: https:// epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition = 4517 [23.6.2009]). 227 Innerhalb eines Monats wurden hierzu 342 Diskussionsbeiträge in Form von eigenständigen Foreneinträgen bereitgestellt. In der gleichen Zeit fanden sich insgesamt über 48.500 Mitzeichner, die das Vorhaben unterstützen. 228 Vgl. hierzu etwa Musikmarkt – das Branchenmagazin, „Petition in Sachen GEMA sorgt für Irritationen“ vom 22.6.2009, abrufbar unter der URL: http://www.musikmarkt.de/ site/start/il/1/bid/41719/ridtb/112/pid/1 [23.6.2009]. 229 Vgl. Lessig, Freie Kultur, S. 50. 230 Mittlerweile erwägt sogar die Europäische Kommission der Europäischen Gemeinschaften (EUKommission) in ihrem Grünbuch bzgl. Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft vom 16.7.2008 (Grünbuch 2008) eine „Ausnahme für von Nutzern geschaffene Inhalte“ einzuführen (vgl. hierzu Frage 25 im Grünbuch 2008 – Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft, S. 21: „Sollte die Richtlinie um eine Ausnahme für von Nutzern geschaffene Inhalte erweitert werden?“).
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werden.231 Dies muss auch für eine nachträglich eintretendes Ungleichgewicht aufgrund technischen Fortschritts gelten. Das Web 2.0 stellt mithin eine neue, für die öffentliche Meinungsbildung relevante Kommunikationsplattform und damit ein neues Massenkommunikationsmittel dar, das bei einer sachgerechten, an Sinn und Zweck orientierten Auslegung des § 49 UrhG grundsätzlich ebenfalls vom Anwendungsbereich der Regelung umfasst wird. Anders als bei der legislatorischen Anerkennung der Funksendung anno 1965 ist mit der befürworteten Aufnahme nutzergenerierter „Internetseiten“ in den Kreis der privilegierten Sekundärmedien umgekehrt allerdings nicht automatisch auch eine Einbeziehung von UGC in die Verwertungsbasis der Vorschrift verbunden. Hinsichtlich der von § 49 UrhG erfassten Quellmedien vermag die nach der überlieferten Literaturmeinung gebotene Einschränkung232 dem Grunde nach nämlich auch heute noch zu überzeugen. Denn wie oben bereits dargelegt wurde, erscheint eine über den durch § 51 UrhG vorgegebenen Umfang hinausgehende Weiterverbreitungsfreiheit nur hinsichtlich der Inhalte solcher Quellmedien gerechtfertigt, die tatsächlich eine – stets relativ betrachtet233 – besonders große Zahl an Bevölkerungsmitgliedern erreichen.234 Da vorliegende Ausnahme bisher nur zwischen solchen Medien Anwendung fand, die aufgrund ihres Charakters als sog. „One-to-many-Medien“ jeweils über eine annähernd gleiche Reichweite verfügten, standen sich diese hinsichtlich einer wechselseitigen Übernahmefreiheit bislang gleichberechtigt gegenüber. Nachdem die in dem neuen „Many-to-many-Medium“ des Web 2.0 veröffentlichten Online-Inhalte jedoch nicht immer dieselbe Reichweite erzielen, erscheint diesbezüglich – ebenso wie für Informationsblätter in gedruckter Form235 – eine Differenzierung gerechtfertigt: Im Internet soll zwar jedermann das Recht haben, sich mit Hilfe der heute verfügbaren Web 2.0-Technologien mit massenmedial verbreiteten Berichten über tagesaktuelle Ereignisse öffentlich auseinanderzusetzen. Und zwar auch dann, wenn die tatsächlich zu erwartende (absolute) Rezeptionshäufigkeit des Nutzerbeitrags eher gering ist. Denn es kann grundsätzlich nicht von der Größe seines Empfängerkreises abhängig gemacht werden, ob jemand bereits erschienene Artikel oder Beiträge zum Zwecke der Information und Meinungsbildung als Diskussionsgrundlage verwenden darf.236 Schließlich wird nach aktueller Rechtslage wohl auch kaum jemand einer Lokal- oder Stadtteilzeitung die Berechtigung zur Übernahme von Artikeln aus der Großstadtpresse mit dem Argument absprechen wollen, ihr eigener Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung sei mit dem der bundesweit erschei231
Vgl. Schack, UrhR, Rn. 482. Vgl. hierzu oben Kapitel 6, Fn. 190. 233 Zum Erfordernis einer zielgruppenspezifischen Reichweite siehe bereits oben: „Betroffene Quellmedien“, S. 184 f. 234 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen zu den von § 49 UrhG betroffenen Quellmedien, S. 184 f. 235 Zu dem für einen Nachdruck von lediglich Tagesinteressen dienenden Informationsblättern geforderten Erscheinen i.S.v. § 6 Abs. 2 UrhG vgl. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 6; Fromm/Nordemann/Nordemann, § 49 Rn. 3. 236 Ebenso Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 203 f.; dem folgend auch Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 123. 232
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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nenden Publikation nicht vergleichbar. Insofern ist es eher die heute grundsätzlich jedermann gegebene Möglichkeit, bezüglich bestimmter gesellschaftsrelevanter Themen mittels dem Web 2.0 eine Öffentlichkeit herzustellen, die für eine grundsätzliche Privilegierung nutzergenerierter Medieninhalte spricht. Umgekehrt erscheint eine Übernahme von UGC nach § 49 Abs. 1 UrhG in herkömmliche Massenmedien oder andere nutzergenerierte Medieninhalte jedoch nur dann erforderlich und geboten, wenn diese Angebote (bereits) über eine ausreichende zielgruppenspezifische Reichweite verfügen und damit eine gewisse Breitenwirkung erwarten lassen.237 Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, bleibt freilich stets eine Frage des Einzelfalls. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass unter Berücksichtigung des durch das Web 2.0 veränderten Mediennutzungsverhaltens der Bevölkerung und des sich hierdurch verändernden Meinungsbildungsprozesses in der Gesellschaft bei sachgerechter Interpretation des Begriffes „Informationsblatt“ heute prinzipiell auch nutzergenerierte Text- und Bild-Beiträge bzw. die sie bereitstellenden Webseiten als privilegierte Sekundärmedien i. S. v. § 49 Abs. 1 UrhG anzusehen sein können. § 49 UrhG ist daher nicht nur ein Privileg traditioneller Massenmedien, so dass heute auch die Allgemeinheit zum Kreis der von § 49 Abs. 1 UrhG zur Vervielfältigung Berechtigten gehören kann. Das Fehlen einer ausdrücklichen Gestattung vorbereitender Vervielfältigungshandlungen im Rahmen einer öffentlichen Zugänglichmachung von politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Medieninhalten steht der Zulässigkeit einer Bereitstellung von entsprechendem UGC daher grundsätzlich nicht entgegen. dd) Kommentarlose Weiterverbreitung Fraglich ist allerdings, ob sich UGC vorliegend auch dann (noch) als privilegiertes Verwertungsanliegen darstellt, wenn sich die zur Bereitstellung der Nutzerinhalte verwendeten Webseiten ausschließlich aus fremden Medieninhalten zusammensetzen, also lediglich eine kommentarlose Weiterverbreitung der von § 49 Abs. 1 UrhG erfassten Artikel und Abbildungen stattfindet. In diesem Zusammenhang kann auf die in Literatur und Rechtsprechung bereits seit vielen Jahren geführte Diskussion über die Zulässigkeit von (elektronischen) Pressespiegeln nach § 49 UrhG zurückgegriffen werden. Denn Dreh- und Angelpunkt des dortigen Meinungsstreit ist ebenfalls die grundlegende Frage, ob auch solche Sekundärmedien als „Informationsblätter“ begünstigt werden, die selbst keine entnahmefähigen Inhalte zur Verfügung stellen, d. h. im Ergebnis auch eine kommentarlose Weiterverbreitung fremder Medieninhalte eine nach § 49 UrhG privilegierte Verwertungshandlung darstellt. In seinem Urteil vom 11.7.2002 hat der BGH die unkommentierte Weiterverbreitung bereits erschienener Artikel in herkömmlichen Pressespiegeln – die typischerweise ebenfalls keine eigenen redaktionellen Beiträge enthalten – ausdrücklich für zulässig erklärt.238 Hieraus ließe sich schlussfolgern, dass vorstehende 237
Zu der für eine Qualifikation als potentielles Quellmedium i.S.v. § 49 Abs. 1 UrhG siehe bereits die Argumentation oben: „Betroffene Quellmedien“, S. 184 f. 238 Vgl. BGH GRUR 2002, 963, 964 f. – Elektronischer Pressespiegel.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Grundsatzfrage nun geklärt und fortan zu bejahen ist. Hinsichtlich der streitgegenständlichen elektronischen Pressespiegel sprach sich das Gericht jedoch – dogmatisch inkonsequent – zugleich dafür aus, dass diese nur dann unter § 49 UrhG zu subsumieren seien, wenn sie „betriebs- oder behördenintern“ und in Form einer „grafischen Datei“ zugänglich gemacht werden.239 Dieses Auslegungsergebnis steht in klarem Widerspruch zu dem mit der Vorschrift ursprünglich einmal verfolgten Zweck der Stärkung der Presse als – der seinerzeit einzig denkbaren – Plattform der öffentlichen Meinungsbildung240 und der hierfür vorgesehenen räumlich und technisch unbeschränkten Weiterverbreitungsfreiheit. Da die vom BGH zusätzlich aufgestellten Privilegierungsvoraussetzungen darüber hinaus im Gesetz keine Stütze finden und die Entscheidung auch im Schrifttum zunehmend auf Kritik stößt,241 sind an ihrer Richtigkeit durchaus Zweifel angebracht. Insbesondere die Frage des Erfordernisses der Bereitstellung eigener redaktioneller Inhalte als Privilegierungsvoraussetzung nach § 49 Abs. 1 UrhG kann daher keinesfalls als geklärt angesehen werden. Da diese Problematik auch für die Untersuchung der Zulässigkeit von UGC grundsätzliche Bedeutung besitzt, ist auf sie im Folgenden näher einzugehen.242 aaa) Free flow of information? Die Zulässigkeit der kommentarlosen Wiedergabe fremder Medieninhalte wird von einem Teil der Literatur zunächst mit dem pauschalen Argument befürwortet, § 49 UrhG diene der „Informationsfreiheit der Allgemeinheit“.243 Voraussetzung für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess sei, dass die Allgemeinheit und jeder Einzelne möglichst schnell und ungestört 239
Vgl. BGH GRUR 2002, 963, 966 – Elektronischer Pressespiegel. Siehe hierzu bereits oben: „Zweck von § 49 UrhG“, S. 198 ff.; ebenso Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 79; Wallraf, AfP 2000, 23, 26; Fromm/Nordemann/Nordemann, § 49 Rn. 1; Loewenheim, GRUR 1996, 636, 641. 241 Gegen eine Privilegierung elektronischer Pressespiegel durch den BGH bereits Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 49 Rn. 12; Berger, CR 2004, 360, 366; Waldenberger, MMR 2002, 743; neuerdings sogar gegen eine Privilegierung auch herkömmlicher Pressespiegel nach § 49 UrhG Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 234 sowie Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 117. 242 Angesichts der Tatsache, dass die Frage der Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel im Schrifttum bereits hinreichend untersucht wurde, soll diese Problematik hier nicht erneut vollständig aufgerollt werden. Nachfolgende Darstellung beschränkt sich daher im Wesentlichen auf die für vorliegende Untersuchung relevanten allgemeinen Argumentationslinien zur Frage der Bereitstellungspflicht entnahmefähiger Medieninhalte als Privilegierungsvoraussetzung nach § 49 Abs. 1 UrhG. Ausführliche Auseinandersetzungen mit der Problematik elektronischer Pressespiegel enthalten u.a. Rogge, Elektronische Pressespiegel; Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft; Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel; Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld; Lehmann/Katzenberger, Elektronische Pressespiegel und Urheberrecht; zu weiteren Fundstellen in Lit. und Rspr. siehe auch Schricker/Melichar, § 49 Rn. 11 ff. 243 Vgl. Kröger, Informationsfreiheit und Urheberrecht, S. 347; Fischer, ZUM 1995, 117, 121; Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 89; Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 131; Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 218 ff.; Hoeren, GRUR 2002, 1022. 240
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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Zugang zu Informationen erhalte.244 Häufig wird in diesem Zusammenhang schlagwortartig auch die Wendung des „free flow of information“ gebraucht.245 Teilweise wird § 49 UrhG gar als Ausformung eines verfassungsrechtlich geschützten „Rechts auf Information“ der am politischen Meinungsbildungsprozess beteiligten Bürger verstanden.246 Diesem ebenfalls privilegierten Zweck der bloßen Informationsweitergabe entsprechend sei § 49 UrhG weit auszulegen. Eine Beschränkung auf berichterstattende Medien sei daher nicht gerechtfertigt.247 Abgesehen davon, dass die in erschienenen Artikeln veröffentlichten „Informationen“ ohnehin frei weiterverbreitet werden dürfen, da diesen als Gemeingut ein urheberrechtlicher Schutz stets verwehrt bleibt248 , ließe sich ein dem „free flow of information“ gerecht werdendes uneingeschränktes Weiterverbreitungsrecht hinsichtlich urheberrechtlich geschützter Medieninhalte weder verfassungs- noch konventionsrechtlich rechtfertigen. Das durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Grundrecht auf Informationsfreiheit gewährt dem Individuum nämlich lediglich ein Recht auf ungehinderte Unterrichtung aus allgemein zugänglichen, d. h. bereits existierenden Informationsquellen. Es zwingt den Gesetzgeber jedoch nicht dazu, neue Quellen für eine effektivere Unterrichtung durch entsprechende Schranken zu eröffnen.249 Da die nutzungsrelevanten „Informationen“ ab dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung gemeinsam mit den sie enthaltenden Medien i. d. R. jedermann zum Erwerb offen stehen, ist die verfassungsrechtlich abgesicherte „Eigenunterrichtungsfreiheit“250 der Allgemeinheit nicht in einem Maße eingeschränkt, welches es rechtfertigen würde, das ihr entgegenstehende Ausschließlichkeitsrecht der Journalisten etc. durch eine entsprechende „Mega-Schranke“ praktisch aufzuheben.251 Hieraus wird auch deutlich, dass das allgemeine Interesse an einem freien Zugang zu Informationen bereits deshalb kein tragfähiges Argument für die extensive Interpretation einer urheberrechtlichen Schranke darstellen kann, weil dieses Argument – konsequent zu Ende gedacht – jedem urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrecht 244
Vgl. Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 3. Vgl. Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 83 mit Hinweis auf Kröger, Informationsfreiheit und Urheberrecht, S. 344; Schricker/Melichar, § 49 Rn. 1; Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 89; Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 101 f. sowie Will, MMR 2000, 368, 369. 246 Vgl. Kleinke, Pressedatenbanken und Urheberrecht, S. 46 ff. und 129 ff., zit. nach Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 83. 247 Vgl. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 12; Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 3, 15; Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 203; Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 125. 248 Hierauf weist der Gesetzgeber auch in § 49 Abs. 2 UrhG noch einmal ausdrücklich hin. 249 Vgl. Fechner, Medienrecht, Rn. 134 ff. 250 So Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 148. 251 Dass mit der Auswahl und Beschaffung von Informationen ggf. ein gewisser – insbesondere ein finanzieller – Aufwand verbunden ist, stellt bekanntlich kein Hindernis für die Ausübung des Grundrechts auf Informationsfreiheit dar (vgl. Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 84 m.w.N.). 245
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
entgegensteht und somit insgesamt zur Abschaffung des Urheberrechts als Ausschließlichkeitsrecht führen müsste.252 Die Vorschriften des UrhG, einschließlich des § 49 UrhG, wären dann überflüssig.253 Angesichts der systemsprengenden Reichweite des pauschalen Hinweises auf die Informationsfreiheit als Argument für eine erweiternde oder analoge Anwendung der Schranken des Urheberrechts, soll diese Argumentationslinie hier nicht weiter zurückverfolgt werden. bbb) Grammatikalische Argumente Für die Zulässigkeit einer kommentarlosen Weiterverbreitung fremder Medieninhalte ohne Bereitstellungspflicht eigener Stellungnahmen könnte jedoch der Wortlaut der Vorschrift sprechen. So geht ein Teil des Schrifttums im Wege einer rein sprachlichen Interpretation des Begriffes „Informationsblatt“ davon aus, dass es sich hierbei lediglich um ein Blatt handeln müsse, das „Informationen“ enthält.254 Für ein Informationsblatt sei typisch, dass sein Herausgeber von sich aus und im eigenen Interesse oder dem eines Dritten die Adressaten über bestimmte aktuelle Themen informieren wolle und deshalb entsprechende Artikel und Beiträge auswähle, zusammenstelle und anschließend den Nutzern zugänglich mache.255 Insofern sei hier allein die Informationsweitergabe als Intention für die Weiterverbreitung ausreichend.256 Dem wird von anderer Seite entgegengehalten, dass das Gesetz in § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG nur Informationsblätter „dieser Art“ privilegiere, womit das Informationsblatt als Übernahmemedium in direkten Bezug zu der ebenfalls als Quellmedium genannten Zeitung gesetzt worden sei.257 Diese Wortlautbeziehung deute darauf hin, dass das Gesetz nicht zwischen Entnahme- und Übernahmemedien unterscheide258 , Informationsblätter und Zeitungen mithin als gleichwertig anzusehen seien. Dementsprechend müssten auch Informationsblätter die Voraussetzungen und pressetypischen Charakteristika einer Zeitung aufweisen.259 Aufgrund des sich hieraus 252
So überzeugend Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 44; ähnlich auch Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 84. 253 Vgl. hierzu Berger/Degenhart, AfP 2002, 557, 571. 254 Vgl. Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 203; ähnlich auch Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 124; Will, MMR 2000, 368, 369; s.a. Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 193. 255 Vgl. Loewenheim, Urheberrechtliche Grenzen der Verwendung geschützter Dokumente in Datenbanken, S. 76; dem folgend Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 121 f. sowie Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 202. 256 Vgl. Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 203; Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 124; Schricker/Melichar, § 49 Rn. 12 und 14; Möhring/Nicolini/ Engels, § 49 Rn. 11. 257 Vgl. Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 122. 258 Vgl. Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 71 mit Hinweis auf Soehring, Presserecht, Rn. 3.22; Wild, AfP 1989, 701, 705. 259 Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 49 Rn. 7; Berger/Degenhart, AfP 2002, 557, 563; Wallraf, AfP 2000, 23, 26; Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 122 sowie zuletzt Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 71.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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ergebenden Erfordernisses einer qualitativen Gleichwertigkeit von Primär- und Sekundärmedien könnten Informationsblätter ohne eigenen redaktionellen Teil nicht als zulässige Sekundärmedien angesehen werden.260 Auch der BGH ist der Auffassung, dass der Wortlaut der Vorschrift es nahe lege, dass „das Privileg nur solchen Informationsblättern zugute kommen sollte (,. . . dieser Art‘), die ihrerseits eigene Artikel veröffentlichen und damit nicht nur Nutznießer, sondern auch Opfer des Privilegs werden können“.261 Andererseits lässt sich der genannte Wortlautbezug jedoch ebenso gut in der Weise interpretieren, dass es sich auch bei dem übernehmenden Informationsblatt um ein „lediglich Tagesinteressen dienendes“ Medium handeln muss, hiermit also ein Bezug auf das Merkmal der „Tagesaktualität“ beabsichtigt war.262 Gegen eine vom Gesetzgeber beabsichtigte Gleichwertigkeit zwischen Quell- und Sekundärmedien wird außerdem vorgebracht, dass allein aus dem Nebeneinander der beiden Begriffe „Zeitung“ und „Informationsblatt“ nicht der zwingende Schluss folgen müsse, dass auch die Informationsblätter als Presseorgane über einen redaktionellen Teil verfügen müssen. Vielmehr lasse sich aus der ergänzenden Einführung des Begriffes gerade schließen, dass neben den zwingend über einen redaktionellen Teil verfügenden Zeitungen auch solche Blätter von der Privilegierung erfasst werden sollten, denen es gerade daran fehlt. Anderenfalls wäre die Aufnahme dieses zusätzlichen Mediums überflüssig gewesen.263 Wie vorstehende Ausführungen zeigen, ist weder der Begriff „Informationsblatt“ allein noch in Verbindung mit dem nicht eindeutig zu bestimmenden Wortlautbezug „dieser Art“ dazu geeignet, hinreichende Anhaltspunkte für eine sachgerechte Bestimmung der von der Vorschrift privilegierten Sekundärmedien zu geben. Der Wortlaut ist viel zu vage formuliert, als dass sich aus ihm klare Konturen für eine Differenzierung ableiten ließen – er kann somit allenfalls als Orientierungshilfe dienen. Da sich sowohl eine einschränkende wie eine erweiternde Auslegung des Wortlauts „Informationsblätter dieser Art“ mit plausiblen Argumenten befürworten sowie mit ebenso guten Gegenargumenten ablehnen lässt, erscheint hier keine der in diesem Zusammenhang vertretenen Argumentationslinien vorzugswürdig. Der Gesetzeswortlaut allein erweist sich folglich nicht als taugliches Hilfsmittel zur Beantwortung der Frage, ob der Gesetzgeber auch eine kommentarlose Weiterverbreitung publizierter Medieninhalte erlauben wollte. ccc) Historische Argumente Möglicherweise lassen sich aber aus der Historie des § 49 UrhG tragfähige Anhaltspunkte zur Bestimmung des zulässigen Umfangs bzw. der Anwendungsvoraussetzungen der Weiterverbreitungsfreiheit entnehmen. Allerdings gehen auch hinsichtlich der Interpretation der Gesetzgebungsgeschichte in 260
Vgl. Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 71; sowie Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 123 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus Lit. und Rspr. 261 BGH GRUR 2002, 963, 965 – Elektronischer Pressespiegel. 262 Ebenso Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 122 f. 263 So Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 202 f.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Bezug auf die Bereitstellungspflicht entnahmefähiger Medieninhalte die Meinungen in Literatur und Rechtsprechung auseinander.264 Von den Befürwortern einer Pressespiegelfreiheit wird die Entstehungsgeschichte des § 49 UrhG einschließlich seiner Vorgängerbestimmungen überwiegend dahingehend ausgelegt, dass für den Gesetzgeber die Gewährleistung des freien Zugangs und Austauschs von Informationen regelungsbestimmend gewesen sei.265 Dementsprechend seien nicht nur redaktionelle Zusammenstellungen an die Öffentlichkeit, sondern auch solche Medien von der Schrankenregelung des § 49 UrhG erfasst, die – wie herkömmliche Pressespiegel – lediglich eine kommentarlose Weiterverbreitung fremder Artikel zum Gegenstand haben.266 So sei bereits gemäß der großzügigen Schrankenregelung des § 7 b LUG267 von 1870 nicht nur der Abdruck von Beiträgen in Zeitungen, Zeitschriften und anderen öffentlichen Blättern möglich gewesen, sondern es sei auch als erlaubt angesehen worden, Artikel in besonderen Druckschriften zusammenzustellen.268 Daher sei weder die redaktionelle Eigenleistung noch eine Gleichartigkeit des übernehmenden Mediums von Bedeutung gewesen. Die Vorschrift sei vielmehr als Privileg zur Sicherung eines freien und möglichst flächendeckenden Informationsaustauschs zu verstehen.269 Auch die im Jahre 1910 erfolgte Einschränkung des in § 18 LUG270 genannten Kreises der privilegierten Wiedergabemedien auf „Zeitungen“ sei nur deshalb erfolgt, weil sich die zum Urheberschutz zuvor eingeführte Verpflichtung zur Quellenangabe in der Praxis als untauglich herausgestellt habe.271 Schließlich deute auch die Einführung der Vergütungspflicht in § 49 Abs. 1 S. 2 UrhG darauf hin, dass der Gesetzgeber schon 1965 an die Privilegierung von Pressespiegeln als Informationsblätter gedacht habe. Denn die Presseübersichten als klassischer Anwendungsbereich des § 49 Abs. 1 UrhG seien schließlich ausdrücklich von der Vergütungspflicht ausgenommen worden.272 264 Für eine ausführliche Darstellung der Gesetzgebungsgeschichte vgl. Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 72 ff.; Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 125 ff. sowie Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 206 f. 265 Vgl. Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 131. 266 Vgl. Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 131; s.a. Berger/Degenhart, AfP 2002, 557 ff. 267 Eine Vorgängerbestimmung von § 49 UrhG stellte § 7 b des Literarischen Urheberrechtsgesetzes (LUG) von 1870 dar, der den Abdruck einzelner Artikel aus Zeitschriften und anderen öffentlichen Blättern vom sonst verbotenen Nachdruck ausnahm. Gestattet war danach „der Abdruck einzelner Artikel aus Zeitschriften und anderen öffentlichen Blättern mit Ausnahme von novellistischen Erzeugnissen und wissenschaftlichen Ausarbeitungen, sowie von sonstigen größeren Mitteilungen, sofern an der Spitze der letzteren der Abdruck untersagt ist.“ 268 Vgl. Dambach, Die Gesetzgebung des norddeutschen Bundes betreffend des Urheberrecht, S. 90. 269 Vgl. Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 125 f. 270 § 18 LUG von 1910 hatte folgenden Wortlaut: „Zulässig ist der Abdruck einzelner Artikel aus Zeitungen in anderen Zeitungen [. . . ]“. 271 Vgl. Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 126 f. 272 Vgl. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 20; BGH GRUR 2002, 963, 965 – Elektronischer Pressespiegel.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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Demgegenüber wird die gesetzgeberische Entwicklung der Schranke von den Kritikern einer Pressespiegelfreiheit nach § 49 UrhG eher dahingehend verstanden, dass mit der Vorschrift seit jeher nur die Arbeit der Presse erleichtert und damit die traditionellen Presseorgane als Plattform öffentlicher Meinungsbildung gestärkt werden sollten.273 Die Förderung der Presse sei schon der ersten Vorläuferbestimmung des § 49 UrhG zugrunde gelegen. Denn durch das Nachdruckrecht aus § 7 b LUG von 1870 sei mangels Etablierung von Presseagenturen zum einen erst die Voraussetzungen für die Existenz der Kleinstadtpresse geschaffen worden, zum anderen habe die Unterstützung der Kleinstadtpresse dazu gedient, ein Informationsmonopol der Großstadtpresse zu verhindern. Ferner lasse sich an der Entstehungsgeschichte des § 49 UrhG ablesen, dass der Schranke das Prinzip des „Gebens und Nehmens“ zugrunde liege.274 Dies werde bereits dadurch deutlich, dass das Gegenseitigkeitserfordernis im Jahre 1910 ausdrücklich in die Vorschrift aufgenommen worden sei.275 Die Identität von Entnahme- und Übernahmemedien sei auch nicht mit der Schaffung des § 49 UrhG aufgegeben worden, was sich vor allem daran zeige, dass mit der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf Rundfunkkommentare und Informationsblätter auf der Entnahmeseite die Einführung dieser Medien auf der Seite der Übernahmemedien einhergegangen sei.276 Schließlich könne auch aus der Einführung der Vergütungspflicht nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber hiermit die Praxis der Herstellung von Pressespiegeln konkludent habe legalisieren wollen. Insbesondere sei die im Zusammenhang mit der Vergütungspflicht vorgesehene Ausnahme für Presseübersichten in § 49 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 UrhG kein tauglicher Hinweis darauf, dass im Umkehrschluss den Herstellern von Pressespiegeln eine gesetzliche Lizenz gewährt werden sollte.277 Denn das vergütungspflichtige Gegenstück zur Wiedergabe nur kurzer Auszüge in Form einer Presseübersicht sei nicht der (kommentarlose) Pressespiegel, sondern die Übernahme ganzer Artikel in Zeitungen und andere Informationsblätter.278 Darüber, wer Begünstigter der zwar zustimmungsfreien, aber vergütungspflichtigen Artikelübernahme ist, sage § 49 Abs. 1 S. 2 UrhG nichts aus.279 273
Vgl. Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 79; Wallraf, AfP 2000, 23, 26; Fromm/Nordemann/Nordemann, § 49 Rn. 1; Loewenheim, GRUR 1996, 636, 641; ebenfalls für eine Begünstigung nur redaktioneller Presseerzeugnisse Katzenberger, GRUR Int. 2004, 739, 740. 274 Für ein wechselseitiges Privileg Berger/Degenhart, AfP 2002, 557, 571. 275 Im Jahre 1910 wurde die im Wortlaut der bislang geltenden Fassung des § 18 LUG von 1901 nicht zum Ausdruck kommende Gegenseitigkeit von Primär- und Sekundärmedien in § 18 LUG in der Fassung von 1910 ausdrücklich geregelt: „Zulässig ist der Abdruck einzelner Artikel aus Zeitungen in anderen Zeitungen“ (vgl. Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 73). 276 Vgl. Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 79. 277 Vgl. Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 75. 278 Vgl. Niemann, CR 2002, 817, 819. 279 Vgl. Berger/Degenhart, AfP 2002, 557, 573; dem folgend Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 75.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Die vorstehende Gegenüberstellung zeigt, dass sich – vermutlich aufgrund der eine starke Polarisierung erfordernde Pressespiegeldiskussion als zentralem Gegenstand der bisherigen Auseinandersetzung – hinsichtlich der Frage der Bereitstellungspflicht entnahmefähiger Inhalte als Privilegierungsvoraussetzung des § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG im Wesentlichen zwei Extrempositionen herausgebildet haben: einerseits eine sehr liberale Auffassung, wonach praktisch jedermann eine Weiterverbreitung erschienener Artikel nach § 49 Abs. 1 UrhG vornehmen können soll, ohne selbst aktiv durch eigene Stellungnahmen am öffentlichen Meinungsbildungsprozess teilnehmen zu müssen; andererseits eine sehr konservative Ansicht, nach der ausschließlich traditionelle Presseorgane zu einer Weiterverbreitung berechtigt sein sollen, die (immer noch) den stärksten Einfluss auf die öffentliche Meinung bezüglich der massenmedial diskutierten Tagesthemen haben. Der erstgenannten Meinung ist zunächst dahingehend zuzustimmen, dass sich der historischen Entwicklung des § 49 UrhG durchaus die Funktion eines flächendeckenden Informationsaustausches entnehmen lässt. Dabei entspricht es der allgemeinen Meinung, dass bereits § 7 b LUG (1870) dem Anschub der Regional- und Provinzpresse zur Sicherung eines flächendeckenden und von Meinungsvielfalt geprägten Pressewesens dienen sollte.280 Aber auch die Nachfolgebestimmungen des § 18 LUG von 1901 und 1910 sollten eindeutig eine schnelle und umfassende Orientierung und Diskussionsmöglichkeit der Allgemeinheit in Bezug auf wichtige Tagesfragen ermöglichen.281 Dies ist auch ohne Weiteres plausibel. Denn die Rezeption der zu einem bestimmten Thema publizierten Meinungen und Stellungnahmen stellt schließlich eine elementare Voraussetzung für die öffentliche Meinungsbildung eines jeden Einzelnen dar. Jedermann soll die Möglichkeit haben, sich mittels der von ihm bevorzugten Publikation einen möglichst vollständigen Überblick über das aktuelle Tagesgeschehen und die hierzu vertretenen Meinungen zu verschaffen. Denn für die Bevölkerung ist es, insbesondere im Offline-Bereich, die Regel, sich zur Unterrichtung über die (gesamten) aktuellen Geschehnisse in Politik, Wirtschaft und Religion lediglich eine Publikation, wie z. B. eine – zumeist regional erscheinende – Tageszeitung, zu beschaffen. Diese sollte dem Rezipienten daher einen möglichst umfassenden Überblick über die in allen Medien zu den aktuellen Tagesthemen vertretenen Meinungen vermitteln können. Es ist nämlich nicht zu erwarten, dass ein durchschnittlicher Bürger zu Eigeninformationszwecken neben einer regionalen Zeitung zusätzlich eine überregionale Publikation und eine Großstadtzeitung erwirbt. Insofern ist es zwar zutreffend, dass die Vorschrift seit jeher einen intranationalen Informationsfluss zur Unterrichtung der Öffentlichkeit sicherstellen und damit auch zur Vermeidung von Informationsmonopolen beitragen will.282 Die unverän280
Vgl. Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 125 f.; Berger/Degenhart, AfP 2002, 557, 571; Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 72. 281 Siehe hiezu im Einzelnen Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 126 f. 282 Dies wird von der Gegenansicht auch nicht in Abrede gestellt, vgl. Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 72.
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derte Weiterverbreitung fremder Medieninhalte zur Unterrichtung der Bevölkerung ist damit zweifellos eine der Hauptfunktionen des § 49 UrhG. Diese Unterrichtungsfunktion kann nun jedoch nicht einfach abstrahiert und anschließend isoliert als genereller Rechtfertigungsgedanke anderen Verwertungskonstellationen zugrunde gelegt werden. Sie muss vielmehr vor dem Hintergrund der zur damaligen Zeit vorherrschenden Mediensituation gesehen werden. Insofern ist der zweitgenannten, als konservativ bezeichneten Meinung zuzugeben, dass bei Betrachtung sämtlicher Vorgängerbestimmungen des § 49 UrhG eine gewisse Gegenseitigkeit von Primär- und Sekundärmedien nicht zu übersehen ist. So wurde schon in der Gesetzesbegründung zu § 7 b LUG (1870) ausgeführt: „Der literarische Verkehr fordert unbedingt die gegenseitige Mittheilung und Entlehnung auch solcher Artikel“.283 Darüber hinaus fand von 1870 bis Anfang der 1960er Jahre unstreitig eine Weiterverbreitung mangels massentauglicher Vervielfältigungstechnologien praktisch ausschließlich über solche Medien statt, die ihrerseits – zumindest einige wenige – eigene Inhalte veröffentlichten. Diese regelungsbestimmende Ausgangsposition spiegelt sich schließlich auch in der Begründung des Regierungsentwurfs von 1965, wonach die erlaubnisfreie Weiterverarbeitung von Artikeln und Kommentaren zu Tagesfragen wünschenswert sei, um die Möglichkeit zu schaffen, „die darin vertretenen Stellungnahmen zu erörtern, sie zu unterstützen oder zu bekämpfen.“284 Diese zum Zeitpunkt der Einführung der jeweiligen Ausnahmetatbestände vom Gesetzgeber vorgefundene tatsächliche Alltagssituation darf bei der Auslegung des Gesetzes nicht außer Acht gelassen werden. Richtigerweise werden deshalb nur solche Sekundärmedien von § 49 UrhG privilegiert, die auch ihrerseits entnahmefähige Inhalte zur Verfügung stellen.285 Schließlich sollte die Privilegierung nicht nur der schnellen Information bzw. Erleichterung der Unterrichtung der Öffentlichkeit dienen, sondern von Anfang an auch einen Platz für die geistige Auseinandersetzung in den Pressemedien schaffen.286 Für dieses Ergebnis sprechen nicht nur eine sachgerechte, an der – bis zum Beginn des Web 2.0-Zeitalters – vorherrschenden Berichterstattungspraxis orientierte Interpretation der Gesetzgebungsgeschichte, sondern vor allem Zweckmäßigkeitserwägungen. Denn wie oben bereits ausgeführt wurde, besteht der übergeordnete Zweck der Vorschrift in erster Linie darin, den kollektiven Meinungsbildungsprozess in der Gesellschaft zu fördern, d. h. inhaltlich voranzubringen.287 Dies 283
Zitiert nach Osterrieth, GRUR 1897, 37, 44 (Hervorh. d. Verf.). Vgl. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 66. 285 So auch Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 85; Wallraf, AfP 2000, 23, 26; Niemann, CR 2002, 817, 823; Berger/Degenhart, AfP 2002, 557, 573; Wild, AfP 1989, 701, 705; Soehring, Presserecht, Rn. 3.33. 286 Ähnlich auch Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 194 mit Hinweis auf die AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 62 ff., wonach die Schranken unter anderem der „Erleichterung der Unterrichtung der Öffentlichkeit“ dienten und die zusätzlich in § 49 UrhG einbezogenen Informationsblätter speziell zur „schnellen Unterrichtung der Öffentlichkeit“ geeignet seien. 287 Siehe hierzu bereits oben: „Zweck von § 49 UrhG“, S. 198 f. 284
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kann jedoch nur dadurch erfolgen, dass das übernehmende Sekundärmedium seinerseits auch eigene bzw. neue Kommentare, Berichte oder Stellungnahmen zu den diskutierten Tagesthemen in den gemeinschaftlichen Prozess der geistigen Auseinandersetzung einbringt.288 Anderenfalls beschränkte sich die Funktion des betreffenden Mediums allein auf das Sammeln, Zusammenstellen und unveränderte (Wieder-)Veröffentlichen fremder Berichte und Stellungnahmen, was zwar zur vorbereitenden Orientierung innerhalb der vertretenen Meinungsvielfalt beizutragen, für sich genommen jedoch die gesamte Diskussion nicht voranzubringen vermag. Auch wenn somit die überzeugenderenArgumente für die zuletzt genannteAuffassung der Vertreter einer restriktiven Auslegung des § 49 UrhG zu sprechen scheinen, kann deren Sichtweise nicht uneingeschränkt geteilt werden. Denn nach hier vertretener Auffassung führt das Erfordernis einer Bereitstellungspflicht entnahmefähiger Medieninhalte nicht zwangsläufig auch zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehenden Primär- und Sekundärmedien vollends identisch sein müssen.289 Hiergegen spricht bereits die bewusste Wahl der eindeutig unterschiedlichen Begrifflichkeiten der „Zeitung“ und des „Informationsblattes“. Nach der amtlichen Begründung des Urheberrechtsgesetzes wollte der Gesetzgeber mit § 49 UrhG nämlich bewusst die bis dato enge Begrenzung auf abdruckberechtigte „Zeitungen“ unter § 18 LUG aufheben und auf andere Schriften ausdehnen.290 Hätte der Gesetzgeber tatsächlich weiterhin ausschließlich redaktionell gestaltete traditionelle Presseerzeugnisse begünstigen wollen, hätte es einer Aufnahme dieses zusätzlichen Mediums nicht bedurft. Der einheitliche auslegungsfähige Begriff der „Zeitung“ hätte hierfür ausgereicht und mithin beibehalten werden können. In diesem Fall wäre die Gesetzesänderung jedoch als überflüssig zu bewerten, da der einzig hier relevante Unterschied zwischen den beiden Medien letztlich darin besteht, dass ein Informationsblatt eben nicht die strengen presserechtlichen Voraussetzungen erfüllen muss, die an den Begriff einer „Zeitung“ geknüpft werden.291 Vor allem bietet aber die Einführung der Vergütungspflicht einen verlässlichen Hinweis darauf, dass von § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG nicht nur eine wechselseitige Entlehnung zwischen gleichrangigen Presseorganen erlaubt werden sollte, die sich in 288 Im Ergebnis ebenso OLG Köln GRUR 2000, 417 ff. – Elektronischer Pressespiegel; OLG Hamburg ZUM 2000, 960 ff.; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.04.2002, Az.: 2/03 O 419/01, S. 10; Löffler/Löffler, Presserecht, UrhGBT, Rn. 92; Soehring, Presserecht, Rn. 3.22; Zahrt, Der urheberrechtliche Schutz elektronischer Printmedien, S. 115; Berger/Degenhart, AfP 2002, 557, 573; vgl. hierzu auch Löffler/Bullinger, Presserecht, § 1 LPG, Rn. 214; Maaß, Elektronische Pressespiegel im Lichte des Urheberrechts, S. 726; Wallraf, AfP 2000, 23, 26; Wild, AfP 1989, 701, 705. 289 So aber Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 79; wie hier Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 126; s.a. Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 202 f. 290 So zutreffend Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 206 mit Hinweis auf AmtlBegr., BTDrucks. IV/270, S. 66: „In einem Punkt bringt der Entwurf eine Erweiterung gegenüber dem geltenden Recht [§ 18 LUG], indem neben den Zeitungen auch Informationsblätter, die im wesentlichen den Tagesinteressen dienen, in die Regelung einbezogen werden.“ 291 Vgl. Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 202 f.
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annähernd gleichem Umfang voneinander „bedienen“, sondern auch solchen (darunter angesiedelten292 ) Medien der Gebrauch der Schranke eröffnet werden sollte, auf deren Repertoire ein Zugriff durch ihre Quellmedien eher nicht zu erwarten war. Denn mit dem Instrument der künftig für alle Übernahmemedien geltenden Vergütungspflicht sollte nach Ansicht des Verfassers ja gerade verhindert werden, dass das durch die Erweiterung des Privilegiertenkreises eintretende bzw. verstärkte quantitative Missverhältnis zwischen entlehnenden Sekundär- und von einer Entlehnung betroffenen Quellmedien auch ein Ungleichgewicht in wirtschaftlicher Hinsicht zur Folge haben würde. Anders gewendet: Die Pflicht zur Zahlung einer angemessenen „Entlehnungsvergütung“ sollte insbesondere die bei „beliebten“ Massenmedien tätigen Urheber293 vor einer finanziellen Benachteiligung schützen, die dadurch entstanden wäre, dass sie von der Vielzahl an privilegierten Sekundärmedien viel häufiger als Übernahmequelle in Anspruch genommen werden würden, als ihre Quellmedien selbst in der Lage gewesen wären, umgekehrt auch nur annähernd so häufig auf das Angebot jedes einzelnen Übernahmemediums zurückzugreifen. Mit der Vergütungspflicht und dem zusätzlichen Erfordernis der Angemessenheit des Ausgleichs hat der Gesetzgeber daher eine Möglichkeit geschaffen, flexibel auf die durch den technologischen Fortschritt veränderte Eingriffsintensität zu reagieren. Hieran wird deutlich, dass weniger die Gleichrangigkeit von Primär- und Sekundärmedien dem § 49 UrhG wesensimmanent ist, als dass der Gesetzgeber vielmehr versucht hat, die Möglichkeit der Nutzung von Artikeln in ein angemessenes Verhältnis zu den Urheberrechten der Autoren zu stellen.294 Aus historischer Perspektive lässt sich somit zusammenfassend feststellen, dass mit der Aufnahme der „Informationsblätter“ in den Kreis der privilegierten Sekundärmedien zwar künftig auch solchen Publikationen eine zustimmungsfreie Weiterverbreitung erlaubt werden sollte, die nicht als „qualitativ gleichwertiges Presseerzeugnis“ im herkömmlichen Sinne zu qualifizieren sind, dies gleichzeitig jedoch nicht in der Weise interpretiert werden darf, dass damit auch eine Weiterverbreitung der urheberrechtlich geschützten Medieninhalte ausschließlich zu Informationszwecken zulässig ist. Im Ergebnis kann daher weder der einen noch der anderen hier diskutierten Extremposition uneingeschränkt gefolgt werden. Ein korrektes Verständnis der mit § 49 UrhG intendierten Regelung lässt sich vorliegend jedoch durch eine Kombination der einzelnen, in den beiden Meinungen enthaltenen zutreffenden geschichtlichen Interpretationsansätze erzielen. Nach der hier vertrete292
Vgl. BGH GRUR 2005, 670, 671 – WirtschaftsWoche: „Auch der Begriff des Informationsblattes kann nicht als ein die Zeitschriften umfassender Oberbegriff herangezogen werden, weil damit unterhalb von Zeitungen angesiedelte Korrespondenzen, Nachrichten- und Informationsdienste gemeint sind“ (Hervorh. d. Verf.); s.a. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 65. 293 Die nach § 49 Abs. 1 S. 2 und S. 3 UrhG vorgesehene Pflicht zur Zahlung einer verwertungsgesellschaftspflichtigen angemessenen Vergütung steht freilich jedem Urheber gleichermaßen zu. Gleichwohl liegt es in der Natur der Sache, dass die Artikel und Rundfunkkommentare der bei überregional und international agierenden Medienunternehmen tätigen Redakteure weitaus häufiger übernommen werden, als die Beiträge der Urheber ausschließlich regional verbreiteter Publikationen. 294 Vgl. Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 131.
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nen (vermittelnden) Auffassung weist die Gesetzgebungsgeschichte des § 49 UrhG insgesamt darauf hin, dass die Schranke zwar durchaus der flächendeckenden Weiterverbreitung publizierter Medieninhalte zum Zwecke der schnellen Unterrichtung der Öffentlichkeit dienen soll, dabei jedoch seit jeher nur diejenigen Nutzer privilegiert, die selbst aktiv am öffentlichen Meinungsbildungsprozess durch die Bereitstellung eigener entnahmefähiger Stellungnahmen teilnehmen. ddd) Systematische Argumente Neben den genannten historisch fundierten Argumenten sprechen aber auch gesetzessystematische Erwägungen gegen die Annahme, dass eine kommentarlose, rein zu Informationszwecken erfolgende Weiterverbreitung fremder Artikel und Abbildungen von Sinn und Zweck der Vorschrift umfasst wird. So lässt sich das (ungeschriebene) Erfordernis einer Bereitstellungspflicht eigener entnahmefähiger Inhalte insbesondere aus der Stellung des § 49 UrhG innerhalb der teleologisch sortierten Schrankenbestimmungen des UrhG entnehmen: Als Mitglied der von §§ 48–50 UrhG gebildeten Gruppe von Ausnahmeregelungen zur Erleichterung der Berichterstattung in Presse, Bild, Film und Rundfunk295 teilt auch § 49 UrhG den Charakter einer Schranke zugunsten berichterstattender Medien, also zugunsten solcher vermittelnd tätig werdender Akteure im Meinungsmarkt, die über aktuelle gesellschaftlich relevante Ereignisse in Form von redaktionell gestalteten Beiträgen berichten und damit den Kommunikations- und Meinungsbildungsprozess in der Gesellschaft fördern.296 Dass sich die hierzu erforderliche Tätigkeit nicht nur auf das Angebot medialer Konkurrenzprodukte beschränken darf, sondern stets auch die Veröffentlichung „eigenständig verfasster“ Beiträge erfordert,297 ergibt sich bereits aus dem Selbstverständnis eines freien und unabhängigen Informationsmediums sowie der im Pressewesen seit jeher praktizierten Branchenübung. Anderenfalls würde die Vorschrift letztlich auch eine vollumfängliche Erfassung und systematische Ausbeutung fremder redaktioneller Arbeit begünstigen,298 was jedoch mit keinem schützenswerten Allgemeinwohlinteresse zu rechtfertigen wäre.299 Dafür, dass der Gesetzgeber mit § 49 UrhG einer unmittelbaren kommerziellen Folgeverwertung urheberrechtlich geschützter Presseerzeugnisse 295
Vgl. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 31. Die Tätigkeit der „Berichterstattung“ wird mitunter auch als „wirklichkeitsgetreue Schilderung einer tatsächlichen Gegebenheit“ definiert (vgl. Schricker/Vogel, § 50 Rn. 10; Möhring/Nicolini/Engels, § 50 Rn. 6). Aber auch dieser Definition zufolge ist für die Annahme einer Berichterstattung zweifellos mehr erforderlich, als ein bloßes Zusammenstellen von publizierten Fremdbeiträgen. 297 Im Ergebnis ebenso Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 80 f.; Lehmann/Katzenberger, Elektronische Pressespiegel und Urheberrecht, S. 33; Katzenberger, Elektronische Printmedien und Urheberrecht, S. 59; Niemann, CR 2002, 817, 825; Wallraf, AfP 2000, 23, 26. 298 Vgl. Soehring, Presserecht, Rn. 3.22. 299 Dass die „Informationsfreiheit der Allgemeinheit“ allein kein tragfähiges Argument zur Begründung einer auf § 49 UrhG gestützten Weiterverbreitungsfreiheit bzgl. fremder Medieninhalte ist, wurde bereits ausgeführt. Siehe hierzu oben: „Free flow of information?“, S. 211 ff. 296
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Vorschub leisten wollte, fehlen jegliche Anhaltspunkte.300 Im Gegenteil: „Unbeschränkt zulässig ist [gemäß § 49 Abs. 2 UrhG lediglich] die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von vermischten Nachrichten tatsächlichen Inhalts und von Tagesneuigkeiten, die durch Presse oder Funk veröffentlicht worden sind.“301 Andererseits ist für eine privilegierte Berichterstattung mittels eines Informationsblattes i. S. v. § 49 Abs. 1 UrhG nicht unbedingt erforderlich, dass sich der Nutzer mit den zu Unterrichtungszwecken übernommenen Artikeln bzw. den darin enthaltenen Stellungnahmen der jeweiligen Autoren auch im Einzelnen inhaltlich auseinandersetzt.302 Insofern darf die bereits erwähnte gesetzgeberische Begründung zu § 49 UrhG – wonach die erlaubnisfreie Weiterverarbeitung von Artikeln und Kommentaren zu Tagesfragen wünschenswert sei, um die Möglichkeit zu schaffen, „die darin vertretenen Stellungnahmen zu erörtern, sie zu unterstützen oder zu bekämpfen“303 – nicht dahingehend missverstanden werden, dass nur die Übernahme solcher Artikel und Abbildungen von § 49 Abs. 1 UrhG gedeckt wäre, mit denen im eigenständigen Beitragsteil des jeweiligen Sekundärmediums auch eine inhaltliche Auseinandersetzung stattfindet. Denn mit Blick auf das unter jenen Voraussetzungen ohnehin jedermann gewährte Zitierrecht gemäß § 51 UrhG ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich bei den von § 49 UrhG zu erfassenden Sachverhalten gerade um solche Verwertungssituationen handelt, in denen typischerweise keine unmittelbare Bezugnahme auf die entlehnten Inhalte stattfindet. Der privilegierten Weiterverbreitung eines Artikels muss also insbesondere keine Belegfunktion zugrunde liegen, da § 49 UrhG neben § 51 UrhG ansonsten kein eigenständiger Anwendungsbereich mehr zukäme. Eine innere Verbindung zwischen den jeweiligen Inhalten muss lediglich insofern bestehen, als der für die Anwendbarkeit der Vorschrift zu fordernde eigenständige Nutzerbeitrag in thematischer Hinsicht mit den übernommenen Fremdinhalten in Zusammenhang steht. Folglich führt auch eine Betrachtung der Gesetzessystematik zu dem Ergebnis, dass mit § 49 UrhG nicht per se die kommentarlose Weiterverbreitung publizierter Medieninhalte gefördert werden soll. Vielmehr soll hiermit allen berichterstattenden Medien die Möglichkeit gegeben werden, zur möglichst umfassenden Information ihrer Rezipienten sowie zum besseren Verständnis des von ihnen mittels eigener Stellungnahme behandelten Tagesthemas, zusätzlich entsprechende Beiträge Dritter mit erläuterndem, befürwortendem oder kritisierendem Inhalt in ihre Publikation übernehmen zu können.
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Ebenso Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 194; s.a. OLG Hamburg ZUM 2000, 960, 963. Siehe hierzu auch unten: „Keine kommerzielle Nutzung“, S. 227 ff. 301 Zur deklaratorischen Natur des § 49 Abs. 2 UrhG siehe bereits oben: „Zeitungsartikel und Rundfunkkommentare – § 49 UrhG“, S. 181 ff. 302 Insoweit zutreffend Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 202 f. 303 Vgl. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 66.
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eee) Reichweite der Vorschrift Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, besteht die dem § 49 UrhG übergeordnete Regelungsintention weder darin, ein möglichst freies und wohlfeiles „Weiterverbreitungsrecht für jedermann“ zu statuieren, noch hiermit ausschließlich die traditionelle Institution der „Presse“ als bestimmten abgegrenzten Personenkreis zu privilegieren. Bei einer Gesamtbetrachtung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Gesetzessystematik ergibt sich vielmehr, dass es mit der Vorschrift zuvorderst der Allgemeinheit ermöglicht werden soll, sich anhand eines allgemein zugänglichen Mediums einen Überblick über die zu den aktuellen Tagesfragen veröffentlichten Meinungen und Stellungnahmen zu verschaffen, indem sie all denjenigen Nutzern eine Weiterverbreitung entsprechender themenspezifischer Artikel erlaubt, die auch ihrerseits durch die Veröffentlichung einer eigenen Stellungnahme zu den jeweils diskutierten Tagesthemen einen selbständigen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leisten. § 49 UrhG will mithin nicht die bloße Informationsweitergabe allein, sondern stets nur in Verbindung mit der Zurverfügungstellung eigener entnahmefähiger Bewertungen und Stellungnahmen zu den jeweils behandelten Tagesthemen privilegieren. Zu den von § 49 UrhG als „Informationsblätter“ begünstigten Sekundärmedien können somit all diejenigen Medien-Angebote gezählt werden, die grundsätzlich dazu geeignet sind, durch die Veröffentlichung eines eigenständig verfassten Beitrags zu einem gesetzlich privilegierten Tagesthema den Prozess der kollektiven Meinungsbildung zu fördern. Hierbei muss es sich zwar nicht unbedingt um ein mit einer Zeitung qualitativ vergleichbares Medium handeln. Andererseits darf sich die Publikation aber auch nicht nur aus „Konkurrenzinhalten“ zusammensetzten, sondern muss zumindest auch einen – wenn auch verhältnismäßig geringen – eigenständigen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung in der Gesellschaft leisten. fff) User Generated Content Überträgt man das vorstehend gefundene abstrakte Untersuchungsergebnis nun auf die Praxis der Bereitstellung von UGC, ergibt sich hinsichtlich der grundsätzlich angenommenen Privilegierungswürdigkeit304 von nutzergenerierten Medieninhalten folgendes Bild: Eine zustimmungsfreie Weiterverbreitung von (massenmedial) publizierten Artikeln und mit ihnen im Zusammenhang veröffentlichter Abbildungen kann über Webseiten mit nutzergenerierten Text- und Bild-Beiträgen nur dann nach § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG als gerechtfertigt angesehen werden, wenn hierbei zugleich auch eigenständig verfasste entnahmefähige Stellungnahmen zu denjenigen diskutierten Tagesthemen bereitgestellt werden, welche mit unverändert übernommenen Fremdinhalten flankiert werden. Dabei muss der jeweilige Nutzer weder periodisch über bestimmte von ihm favorisierte Themen noch umfassend innerhalb der gesetzlich privilegierten Themenbereiche publizieren, um in den Genuss der gesetzlichen Weiterverbreitungslizenz zu kommen. Um dem mit § 49 Abs. 1 UrhG intendierten Zweck der Ermöglichung massenmedialer Diskussionsfreiräume zur Förderung des öffentlichen Diskurses zu entsprechen, muss nämlich nicht unbedingt eine regelmäßig aktualisierte „Diskussionsplattform“ in Form einer herkömmlichen Pressepublikation, wie z. B. einer Tages- bzw. Wochen-Zeitung 304
Siehe hierzu oben: „Privilegierungswürdigkeit“, S. 200 ff.
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oder einem monatlichen Mitteilungsblatt unterhalten werden, die eine Vielzahl an themenübergreifenden eigenen Berichten und kritischen Stellungnahmen zu den aktuellen gesellschaftsrelevanten Geschehnissen bereithält. Das UrhG begünstigt vielmehr auch einmalig erscheinende Publikationen.305 Denn wenn schon in regelmäßig erscheinenden Printmedien nachgedruckt werden darf, so muss dies im Umkehrschluss erst recht für einmalige Informationsblätter, wie z. B. ein aus aktuellem Anlass veröffentlichtes Weißbuch, gelten.306 Entsprechendes wird man heute auch für den Online-Bereich annehmen müssen. Das Web 2.0 eröffnet jedermann die Möglichkeit, innerhalb kürzester Zeit nahezu kostenlos einen öffentlich zugänglichen und weltweit verfügbaren Diskussionsbeitrag zu jedem beliebigen Thema zu erstellen. Damit ist es heute ohne Weiteres möglich, auch nur ein einziges ausgewähltes Geschehnis oder sonstiges privilegiertes Tagesereignis, z. B. im Rahmen eines Internet-Forums, Blogs oder einer sonstigen privaten Webseite im Internet, öffentlich zur Diskussion zu stellen. Beschränkt sich die vom Nutzer hierbei vorgenommene Übernahme und Weiterverbreitung entsprechender fremder Medieninhalte auf solche Artikel und Abbildungen, die inhaltlich mit dem von ihm konkret behandelten Thema in Zusammenhang stehen, so muss es für eine gesetzliche Privilegierung ausreichend sein, wenn der prosumierende Nutzer ebenfalls nur zu diesem einen Thema eine eigene Stellungnahme bereithält. Will ein Nutzer in größerem Umfang über bestimmte Geschehnisse durch die Entlehnung fremder Medieninhalte informieren, muss er in gleichem Maße auch die Anzahl seiner eigenen Stellungnahmen zu den einzelnen, zu einheitlichen Lebenssachverhalten zusammenzufassenden Tagesthemen erhöhen. Eine privilegierte Übernahme fremder urheberrechtlich geschützter Artikel und Abbildungen nach § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG setzt daher stets die Zurverfügungstellung einer ausreichenden Anzahl eigener Bewertungen und Stellungnahmen zu den jeweils behandelten Tagesthemen voraus. Als ausreichend erscheint dabei die Bereitstellung mindestens einer eigenen Stellungnahme zu jedem diskutierten Tagesthema, das von einer Entlehnung flankiert wird. Demgegenüber können Webseiten mit nutzergenerierten Text- und BildBeiträgen, die ausschließlich die kommentarlose Weiterverbreitung der von § 49 Abs. 1 UrhG erfassten Artikel und Abbildungen durch ihre (erneute) öffentliche Zugänglichmachung – gleich eines Online-Pressespiegels307 – zum Gegenstand haben, mangels ausreichend schützenswerten Allgemeininteresses nicht als privilegierungswürdig angesehen werden. Dies gilt sowohl für vereinzelte nutzereigene als auch für fremde Webseiten, insbesondere öffentlich zugängliche Internetplattformen. Der Betrieb einer entsprechenden UGC-Plattform kann jedoch dann privilegierungswürdig sein, wenn die Gesamtheit der von ihren Nutzern hierüber bereitgestellten Text- und Bild-Beiträge das zuvor beschriebene Verhältnis zwischen eigenstän305 Vgl. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 12; ebenso Dreier/Schulze, § 49 Rn. 17; Eidenmüller, CR 1992 321, 323; a.A. Ekrutt, GRUR 1975, 358, 361; Wild, AfP 1989, 701, 705. 306 Vgl. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 12. 307 Gegen eine Zulässigkeit von Internet-Pressespiegeln auch Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 232 ff.; ebenso Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 201 f.
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dig verfassten und entlehnten Medieninhalten aufweist. Denn dann ist eine solche Plattform praktisch genauso zu bewerten, wie eine „herkömmliche“ privilegierte Online-Zeitung. ee) Einzelne Artikel und Abbildungen Als weitere Voraussetzung für eine erlaubnisfreie Weiterverbreitung sieht § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG die Beschränkung vor, dass nur „einzelne Artikel und Abbildungen“ übernommen werden dürfen. Hiermit soll verhindert werden, dass die Schranke die Entstehung von Konkurrenzprodukten fördert, die allein auf einer – im Übrigen privilegierten – vollständigen oder nahezu vollständigen Übernahme von Artikeln fremder Publikationen basieren.308 Unzulässig ist daher in jedem Fall die Weiterverbreitung einer ganzen Zeitung.309 Unzweifelhaft ist auch bei der Übernahme einer ganzen Rubrik, mehrerer Seiten310 und bei einer fortlaufenden Übernahme von Artikeln aus nur einer Zeitung (z. B. als „Best of . . . “)311 die Beschränkung auf einzelne Artikel überschritten.312 Nach überwiegender Auffassung wird das Tatbestandsmerkmal „einzelne Artikel“ dem allgemeinen Sprachgebrauch zufolge wie „einige wenige Artikel“ ein und desselben Urhebers sowie einige wenige Artikel aus ein und derselben Zeitung313 verstanden.314 Zur Konkretisierung dieser ebenfalls auslegungsbedürftigen Wendung hat Eidenmüller 315 eine relative Obergrenze von 20 % des Quellmediums vorgeschlagen. An anderer Stelle wird sogar eine absolute Höchstgrenze von nur drei übernommenen Artikeln befürwortet.316 Beide Ansätze sind in der Literatur wegen ihrer Pauschalität und Unflexibilität zu Recht auf Kritik
308 So schon Ekrutt, GRUR 1975, 358, 359; s.a. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 9; Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 5; Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 59. 309 Vgl. OLG Hamburg ZUM 2000, 960, 964; Kröger, Informationsfreiheit und Urheberrecht, S. 342. 310 Vgl. Loewenheim, GRUR 1996, 636, 640; Katzenberger, Elektronische Printmedien und Urheberrecht, S. 61; Berger/Degenhart, AfP 2002, 557, 572; Zahrt, Der urheberrechtliche Schutz elektronischer Printmedien, S. 111. 311 Vgl. Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 5. 312 Vgl. Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 59. 313 Die Begrenzung bezieht sich also grundsätzlich nur auf das zur Entnahme dienende Quellmedium (so die wohl h.M., vgl. etwa Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 49 Rn. 14; Schricker/Melichar, § 49 Rn. 9; Loewenheim, Urheberrechtliche Grenzen der Verwendung geschützter Dokumente in Datenbanken, S. 75; so wohl auch Dreier/Schulze, § 49 Rn. 9; a.A. v. Gamm, UrhG, § 49 Rn. 5, der von einer quantitativen Beschränkung sowohl in Bezug auf die benutzten Werke als auch auf das aufnehmende Werk ausgeht). 314 Vgl. Dreier/Schulze, § 49 Rn. 9; s.a. Wandtke/Bullinger/Lüft, § 49 Rn. 4; Schricker/Melichar, § 49 Rn. 9; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 49 Rn. 14; Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 97; Loewenheim, GRUR 1996, 636, 640. 315 Siehe hierzu Eidenmüller, CR 1992 321, 322. 316 So Berger/Degenhart, AfP 2002, 557, 572.
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gestoßen.317 Eine genaue Anzahl genehmigungsfrei entnehmbarer Artikel lässt sich im Hinblick auf den Zweck der Privilegierung, zur Meinungsbildung der Öffentlichkeit beizutragen, nur anhand einer Abwägung der gesamten Umstände des Einzelfalls ermitteln. Hierbei sind insbesondere Anzahl, Zusammenstellung, Umfang und Gewicht der übernommenen Inhalte jeweils im Verhältnis zum Gesamtangebot und der Bedeutung des betroffenen Quell- und übernehmenden Sekundärmediums zu sehen.318 Fraglich ist nun, inwiefern sich eine Weiterverbreitung erschienener Artikel und mit ihnen in Zusammenhang veröffentlichter Abbildungen in Form von UGC mit dieser quantitativen Beschränkung vereinbaren lässt. Wie sich den Darstellungen bezüglich der urheberrechtsrelevanten Vorgänge bei der Erzeugung nutzergenerierter Medieninhalte entnehmen lässt, stellt die Verwendung (nur) einzelner Fremdinhalte durchaus einen typischen Vorgang bei der Erzeugung von UGC dar.319 Dies gilt grundsätzlich für alle Formen von UGC, die durch Übernahme, Veränderung, Kombination und/oder Verbindung nutzereigener und fremder Werke und Leistungen entstehen. Bei der Veröffentlichung vorgenannter Nutzerinhalte ist dann jedoch zu differenzieren: Bei einer Bereitstellung von UGC über nutzereigene Webseiten, insbesondere Blogs und sonstige private Webseiten, werden typischerweise ebenfalls nur einzelne Fremdinhalte verwendet. Denn der über eine eigene Webseite publizierende Nutzer hat praktisch immer ein konkretes persönliches Anliegen, das er mit dem Betrieb seiner eigenen Webseite und den hierüber bereitgestellten Inhalten verfolgt. Dementsprechend wird er regelmäßig auch nur Artikel und Abbildungen bezüglich dieses speziellen Themas übernehmen. Es gehört nämlich nicht zu den typischen Charakteristika von UGC, dass die einzelnen ihn produzierenden Nutzer jeweils eine möglichst umfassende Auswertung fremder Medieninhalte durch deren Bereitstellung im Internet anstrebten. Anders verhält es sich jedoch bei der kollektiven Bereitstellung von UGC über fremde Webseiten, insbesondere den einschlägigen UGC-Plattformen. Die Intention des einzelnen Nutzers ist dort zwar grundsätzlich dieselbe. Jeder Nutzer nimmt i. d. R. nur eine Veröffentlichung der ihn persönlich interessierenden Inhalte vor. Aufgrund der Struktur einer UGC-Plattform als einheitlichem Internetportal – über das eine Vielzahl von Internetnutzern eine zentralisierende Bereitstellung fremder Medieninhalte vornimmt, die anschließend gesammelt über ein und dieselbe Webseite abgerufen werden können – ist dort jedoch insgesamt mit einer nahezu vollständigen Übernahme der relevanten Quellmedien zu rechnen. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass die Gesamtheit der teilnehmenden Nutzer versuchen wird, den Artikelbestand zu einem bestimmten Thema zu vervollständigen, wie die Erfahrung mit der sy317
Vgl. hierzu etwa Schricker/Melichar, § 49 Rn. 9; Dreier/Schulze, § 49 Rn. 9; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 49 Rn. 4; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 49 Rn. 14; Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 5 sowie Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 59 m.w.N. 318 Vgl. Dreier/Schulze, § 49 Rn. 9; Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 5; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 49 Rn. 4. 319 Vgl. hierzu insbesondere dieAusführungen oben: „Verwendung fremder Werke und Leistungen“, Kapitel 4, S. 79 ff.
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stematisch vergleichbaren Online-Enzyklopädie Wikipedia bereits zeigt. Insofern wird die Bereitstellung von erschienenen Artikeln und mit ihnen in Zusammenhang veröffentlichter Abbildungen über eine entsprechende Internetplattform nur in wenigen Fällen dem einschränkenden Tatbestandsmerkmal „einzelne Artikel und Abbildungen“ genügen. Denn zur Feststellung der Privilegierungsvoraussetzungen ist bei Internetplattformen320 grundsätzlich nicht auf Wesen, Inhalt und Umfang der sie enthaltenden einzelnen Nutzer-Beiträge, wie z. B. einzelne Nutzer-Unterseiten oder sog. Nutzer-Channels,321 sondern den Gesamtcharakter der bereitstellenden Internetplattform bzw. den Webseitenbetreiber abzustellen.322 Darüber hinaus besteht beim Betrieb einer UGC-Plattform auch die Gefahr, dass hierbei eine wiederholte und systematische Nutzung der übernommenen –als unwesentliche Teile einer Datenbank einzustufenden – Artikel und Abbildungen erfolgt, die deren normaler Auswertung durch ihre Rechtsinhaber, wie z. B. Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, zuwiderlaufen könnte. Das gilt umso mehr, als in absehbarer Zeit eine nahezu vollständige Abwanderung der gedruckten Tagespresse in das Internet und deren Konsumtion durch hierüber vertriebene Online-Informationsdienste zu erwarten ist. Eine solche Auswertung bedeutete – im Gegensatz zu der sonst üblichen Bereitstellung nur einzelner Nutzerbeiträge auf einzelnen Webseiten323 – einen Eingriff in die Rechte der Urheber an den als Datenbank bzw. Sammel- oder Datenbankwerk i. S. d. §§ 4, 87 a UrhG zu qualifizierenden Publikationen, für die dann weder § 49 UrhG noch § 55 a UrhG oder § 87 c UrhG eine Rechtfertigungsgrundlage böte. Bereits an dieser Stelle zeigt sich, dass sich die Weiterverbreitung von urheberrechtlich geschützten Artikeln und Abbildungen durch eine zentralisierende Bereitstellung über fremde Webseiten, insbesondere öffentlich zugängliche UGCPlattformen, de lege lata nur in seltenen Ausnahmefällen als privilegiertes Verwertungsanliegen darstellen wird. Demgegenüber scheint sich eine unterrichtende und unterstützende Veröffentlichung der Fremdinhalte über nutzereigene Webseiten mit nutzergenerierten Text- und Bild-Beiträgen viel eher mit der Schranke des § 49 UrhG vereinbaren zu lassen. ff) Keine kommerzielle Nutzung Wie bereits mehrfach erwähnt, ist es nicht Sinn und Zweck des § 49 Abs. 1 UrhG, eine kommerzielle Folgeverwertung von erschienenen Presseerzeugnissen zu ermöglichen.324 Die Einstufung einer UGC-Webseite als privilegiertes Sekundärmedium nach dieser Schranke scheidet daher bereits von vornherein aus, wenn 320
Zur Definition des Begriffs „Internetplattform“ vgl. oben Kapitel 4, Fn. 46. Siehe näher hierzu oben: „Online-Video-Plattformen“, Kapitel 3, S. 63 ff. 322 Vgl. hierzu auch die Ausführungen oben zu der Frage, wer in wirtschaftlicher Hinsicht von der Bereitstellung von UGC profitiert: „Ökonomische Grundgedanken“, Kapitel 4, S. 88 ff. 323 Siehe hierzu bereits oben: „Verwertungsrechte“, Kapitel 5, S. 115 f. 324 So die wohl h.M., vgl. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 36; Dreier/Schulze, § 49 Rn. 18; Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 194; Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 237 f.; Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer 321
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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der sich auf die Ausnahmevorschrift berufende Nutzer mit den übernommenen „Print-Medieninhalten“ selbst unmittelbar monetäre Erlöse erwirtschaftet.325 Im Zusammenhang mit der Bereitstellung von UGC ist dies insbesondere dann der Fall, wenn der prosumierende Nutzer die übernommenen Fremdinhalte (1.) zum entgeltlichen Abruf über eine nutzereigene Webseite bereitstellt326 oder (2.) eine vergütete Bereitstellung über kommerzielle Internetplattformen327 stattfindet, bei der er für die Bereitstellung eine Beteiligung an direkten oder indirekten Verwertungserlösen des Plattformbetreibers erhält. Da sich aber auch eine vergütungsfreie Bereitstellung über fremde kollektiv genutzte Internetplattformen in den meisten Fällen wegen der damit verbundenen Übernahme nicht nur „einzelner Artikel und Abbildungen“ im Ergebnis als nicht-privilegiertes Verwertungsanliegen darstellt,328 lässt sich bezüglich des Betriebs einer UGC-Plattform zur Veröffentlichung bereits erschienener Print-Medieninhalte – mit Ausnahme einer redaktionell gestalteten Online-NutzerZeitung – insgesamt feststellen, dass ein solcher i. d. R. nicht durch § 49 Abs. 1 UrhG gerechtfertigt sein wird.329 Als privilegierungsfähige Weiterverbreitungsvariante für erschienene Printinhalte verbleibt daher vorliegend nur noch deren Bereitstellung zum unentgeltlichen Abruf über eine – werbefreie oder beworbene – nutzereigene Webseite, wie z. B. einem Blog oder einer sonstigen privaten Internetpräsenz. Zwar erzielt der Nutzer auch im Falle des Betriebs einer beworbenen Webseite wirtschaftlich relevante Vorteile, wie z. B. indirekte nicht-beitragsspezifischeVerwertungserlöse330 (z. B. aus flankierender Bannerwerbung) sowie eine Reihe soziologisch bedeutsamer Vorteile immaterieller Natur. Zum einen sind diese jedoch regelmäßig nicht primär auf die Übernahme der einzelnen Fremdinhalte zurückzuführen, sondern ergeben sich überwiegend allgemein aus dem Betrieb der Nutzerseite. Zum anderen sind diese Vorteile bei UGC letztlich nicht anders zu bewerten, als diejenigen, die auch einer herkömmlichen Tageszeitung oder Zeitschrift zukommen, wenn diese eine gesetzlich privilegierte Pressespiegel, S. 114; vgl. hierzu auch die Ausführungen von Nordemann zur Unzulässigkeit des Vertriebs von Rundfunkmitschnitten in: Fromm/Nordemann/Nordemann, § 49 Rn. 3; vgl. aus der Rspr. bereits OLG Düsseldorf AfP 1988, 93; OLG Hamburg ZUM 2000, 960, 963; BGH GRUR 2002, 963, 966 – Elektronischer Pressespiegel; dem folgend OLG Hamburg AfP 2003, 356, 359 sowie KG Berlin AfP 2004, 278, 281. 325 Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus der AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 63: „Dabei ist darauf zu achten, dass das Urheberrecht keinen Einschränkungen unterworfen wird, die lediglich dem wirtschaftlichen Interesse einzelner Werknutzer dienen. Es muss auch vermieden werden, dass eine an sich im Allgemeininteresse gebotene Einschränkung mittelbar zu einer nicht gerechtfertigten Förderung derartiger wirtschaftlicher Einzelinteressen führt.“ 326 Siehe hierzu oben: „Bereitstellung über nutzereigene Webseiten“, Kapitel 4, S. 90 ff. 327 Siehe hierzu oben: „Bereitstellung über fremde Webseiten“, Kapitel 4, S. 95 ff. 328 Siehe hierzu die vorstehenden Ausführungen zu „Einzelne Artikel und Abbildungen“, S. 224 ff. 329 Im Rahmen der Diskussion um eine digitale Pressespiegelfreiheit gemäß § 49 UrhG bezüglich eines selektiven Datenbankabrufs ebenso Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 153 m.w.N. 330 Zu Begriff und Abgrenzung des „beitragsspezifischen“ Verwertungserlöses vgl. die Ausführungen oben unter „Vergütete Bereitstellung“, Kapitel 4, S. 105 ff.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Weiterverbreitung fremder Artikel und Abbildungen durch einen Nachdruck vornehmen. Die genannten Vorteile sind jedenfalls nicht als Ausfluss einer unmittelbaren kommerziellen Verwertungshandlung zu qualifizieren,331 die einer Privilegierung nach § 49 UrhG entgegenstünde. Ansonsten verbliebe für die Schranke in der Praxis nahezu kein Anwendungsbereich mehr. Schließlich finanzieren sich auch die privilegierten Printmedien ganz überwiegend über Anzeigenwerbung. Insofern sind die vorgenannten sekundären Betriebsvorteile aus urheberrechtlicher Sicht hier praktisch vernachlässigbar und stehen nach Ansicht des Verfassers einer Privilegierung einzelner privater Nutzerseiten nach § 49 Abs. 1 UrhG grundsätzlich nicht entgegen. gg) Faksimile-Beschränkung Fraglich ist jedoch, ob privilegierte Nutzer die ausgewählten Artikel auch im Volltext auf ihre UGC-Webseiten übernehmen dürfen. Denn der BGH hat in seiner Pressespiegel-Entscheidung bekanntlich die Weiterverbreitungsfreiheit nach § 49 Abs. 1 UrhG bezüglich erschienener Artikel für das digitale Verwertungsumfeld332 auf die Übernahme in ein grafisches Format, d. h. als grafische Datei oder als Datei, in die die einzelnen Artikel als Faksimile eingebunden sind, beschränkt.333 Um der Gefahr einer missbräuchlichen Nutzung vorzubeugen, könne eine Privilegierung nur in Betracht kommen, wenn der Einsatz der Datenverarbeitung sich darauf beschränkt, die fremden Presseartikel – als Faksimile – grafisch darzustellen. Nicht vom Privileg erfasst sei dagegen eine Volltexterfassung, die es ermöglicht, die einzelnen Presseartikel indizierbar zu machen und in eine Datenbank einzustellen.334 Mit dieser neuartigen und dem Wesen der Schranke fremden Beschränkung wollte der BGH potentielle, mit der elektronischen Pressespiegel-Variante verbundene zusätzliche Nutzungs- und Missbrauchsmöglichkeiten eindämmen, um eine Gleichstellung mit den vermeintlich privilegierten Pressespiegeln in Papierform 331 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Entscheidung des LG München GRUR-RR 2008, 303 ff. – studi.de, in dem das Gericht klargestellt hat, dass „nicht jede Werbeeinblendung auf einer privaten Homepage [. . . ] ein ,Handeln im geschäftlichen Verkehr‘ i.S.v. § 14 MarkenG [begründet]“ und dass auch „die Inanspruchnahme von Web-Diensten, die – gesponsert durch Werbung – kostenfrei angeboten werden, in einem erkennbar privat ausgerichteten Webauftritt [. . . ] für sich allein genommen noch keine Zielrichtung erkennen [lässt], entweder selbst wirtschaftlich tätig zu werden oder gar eine fremde erwerbswirtschaftliche Tätigkeit zu fördern.“ Das Gericht hat hier zutreffend erkannt, dass allein die Schaltung von Webseiten-Werbung i.d.R. noch keinen ausreichenden Grund darstellt, von einer Beeinträchtigung eines auf der Webseite befindlichen immaterialgüterrechtlichen Schutzobjektes (wie z.B. einer Marke) auszugehen. Dieses Ergebnis lässt sich nach Auffassung des Verfassers auch auf den vorliegenden Sachverhalt transferieren, wo der Ansatz im Rahmen der Schrankenauslegung fruchtbar gemacht werden kann. 332 Für eine Anwendung der vom BGH für elektronische Pressespiegel aufgestellten Einschränkung der Übernahme in eine grafische Datei auch bei der öffentlichen Zugänglichmachung (z.B. durch eine andere Zeitung) vgl. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 13; so wohl auch Dreier/Schulze, § 49 Rn. 19. 333 Vgl. hierzu BGH GRUR 2002, 963, 966 – Elektronischer Pressespiegel. 334 Vgl. BGH GRUR 2002, 963, 967 – Elektronischer Pressespiegel.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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rechtfertigen zu können. Richtigerweise sind jedoch bereits die klassischen Pressespiegel nicht als privilegierte Sekundärmedien anzusehen, da eine ausschließlich kommentarlose Weiterverbreitung fremder Medieninhalte nicht zu den von § 49 Abs. 1 UrhG vorbehaltenen Verwertungshandlungen der Allgemeinheit gehört.335 Ob die vom BGH konstruierte Schranken-Schranke vor diesem Hintergrund also überhaupt (noch) allgemeine Geltung beanspruchen kann, erscheint fragwürdig. Jedoch selbst wenn man von einer generellen Anwendbarkeit auf die öffentliche Zugänglichmachung ausginge,336 erscheint die Richtigkeit dieser Nutzungseinschränkung aus mehreren Gründen zweifelhaft. Zunächst findet sie im Gesetz keine Stütze. Es ist insbesondere nicht einzusehen, warum gerade bei der Schranke des § 49 Abs. 1 UrhG und dort auch nur bei Artikeln – also Text-Beiträgen – eine derartige Beschränkung der Weiterverbreitungsfreiheit erfolgen sollte. Weder bei der Verwendung von Rundfunkkommentaren noch bei der nun ebenfalls zulässigen Übernahme von mit Artikeln in Zusammenhang veröffentlichter Abbildungen ist eine der Faksimile-Beschränkung vergleichbare Nutzungseinschränkung denkbar, geschweige denn praktisch durchsetzbar. Dass die Verwertung von erschienenen Zeitungsartikeln in Online-Medien allein wegen der Möglichkeit einer Volltextrecherche nicht mehr unter das Privileg fallen soll, dürfte kaum gerechtfertigt sein.337 Denn die genannte Einschränkung ist in der Praxis weder dazu geeignet, eine Aufnahme der übernommenen Artikel in ein elektronisches Archiv zu verhindern noch die einzelnen Beiträge durch Zuordnung von Attributen und Schlagwörtern (Tags) indizier- und so elektronisch auffindbar zu machen. Ganz im Gegenteil: Aufgrund fehlender elektronischer Lesbarkeit der Artikel-Bilddateien würde das Bedürfnis ihrer Indizierung durch die Vergabe aussagekräftiger Dateinamen und mit ihnen in Zusammenhang stehender Keywords, z. B. auf einer Webseite, gerade erst hervorgerufen. Auch die mit der Möglichkeit einer Volltextrecherche verbundenen zusätzlichen Vorteile würden durch die Beschränkung nur geringfügig eingeschränkt. Denn im Rahmen der üblichen themenbezogenen (Internet-)Suchprozesse werden meist ohnehin nur die aussagekräftigsten Suchbegriffe verwendet, die sich entweder bereits im jeweiligen Dateinamen bzw. der entsprechenden URL oder im unmittelbaren Umfeld des jeweiligen Artikels wiederfinden werden. Durch die Begrenzung der elektronischen Verwertung auf ein grafisches Format würde somit letztlich nur die Informations-
335 Ebenso Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 85; ähnlich auch Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 223 ff., der vorschlägt, die Pressespiegelnutzung zukünftig der vertraglichen Lizenzierung durch die Beteiligten zu überlassen; näher zur Frage der Privilegierung einer kommentarlosen Weiterverbreitung siehe oben: „Kommentarlose Weiterverbreitung“, S. 210 ff. 336 So ausdrücklich Schricker/Melichar, § 49 Rn. 13. 337 Vgl. Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 198.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
aufnahme unnötig erschwert.338 Sinn und Zweck der Schranke ist jedoch genau das Gegenteil.339 Schließlich ist auch das in der Diskussion um die Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel häufig ins Feld geführte Argument einer erhöhten Missbrauchsgefahr bei einer elektronischen Weiterverbreitung fremder Artikel zur Begründung der Faksimile-Beschränkung heute nicht mehr überzeugend. Denn eine Rückumwandlung der bisher durch Einscannen erstmals erstellten elektronischen ArtikelBilddateien mittels OCR-Software340 – die in nahezu jedem, beim Kauf eines handelsüblichen Scanners beiliegenden Softwarepaket enthalten ist – ist schon seit vielen Jahren jedermann ohne größere Schwierigkeiten möglich. Von einem Ausschluss der Missbrauchsgefahr durch die Bilddatei-Vorgabe konnte daher auch bisher keine Rede sein. Ganz entscheidend ist allerdings, dass die Gefahr einer missbräuchlichen Nutzung von Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln heute auch unabhängig von der vorerwähnten Digitalisierungspraxis besteht. Denn zwischenzeitlich sind nahezu alle relevanten Printmedien dazu übergegangen, ihre gedruckten Ausgaben zeitgleich auch über eine eigene Internetpräsenz im Volltext ins Internet zu stellen. Durch die Beschränkung, einen bereits im Volltext verfügbaren Artikel nur als Bilddatei weiterverbreiten zu dürfen, lässt sich dessen originäre öffentliche Zugänglichkeit und die hiermit unweigerlich verbundene latente Gefahr der Erstellung eines elektronischen Pressearchivs, das eine Volltextrecherche ermöglicht, offensichtlich nicht wieder ausräumen. Überdies mutete eine solche Beschränkung innerhalb einer sich im Internetzeitalter befindenden Informationsgesellschaft geradezu weltfremd an. Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass es aufgrund der in absehbarer Zeit zu erwartenden nahezu vollständigen Verlagerung der Printmedien – insbesondere der Tagespresse – ins Internet in Zukunft fast nur noch Volltext-Online-Artikel geben wird. Ein Einscannen und Weiterverbreiten der ehemals nur in gedruckter Form vorliegenden Artikel als Bilddatei wird sich daher ohnehin bald erübrigen.341 Bereits heute ist die vom BGH erschaffene Faksimile-Beschränkung hinsichtlich aller elektronisch veröffentlichten Zeitungsartikel praktisch obsolet, will man nicht verlangen, dass die Weiterverbreitung eines Online-Artikels nur als „Webseiten-Screenshot“ zulässig ist. Dass mit der öffentlichen Zugänglichmachung medialer Inhalte neben einer potentiell erhöhten Nutzungsintensität zugleich auch gesteigerte Missbrauchsmöglichkeiten einhergehen, dürfte inzwischen ein Allgemeinplatz sein. Diese generellen Gefahren bestehen jedoch bei allen über das Internet zur Verfügung gestellten urheberrechtlich geschützten Inhalten – seien es nun Text-, Foto-, Musik- oder 338
Ebenso Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 198. 339 Siehe näher hierzu oben: „Zweck von § 49 UrhG“, S. 198 ff. 340 Die Abkürzung „OCR“ steht für „Optical Character Recognition“ (engl. etwa für „Optische Zeichenerkennung“) und beschreibt die softwarebasierte automatische Texterkennung von gedruckten Vorlagen. 341 Siehe hierzu auch Spindler, AfP 2006, 408, der mit Blick auf den technischen Fortschritt zu Recht bezweifelt, ob die Unterscheidung zwischen Faksimile-Dateien und recherchierbaren Volltextdateien auf Dauer tragfähig ist.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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Filmdateien – gleichermaßen, so dass eine entsprechende Nutzungseinschränkung konsequenterweise auch bei allen anderen Schrankenregelungen zur Anwendung kommen müsste, die eine öffentliche Zugänglichmachung erlauben. Eine alleinige Anwendung auf die von § 49 Abs. 1 UrhG erfassten Artikel ist hingegen sowohl aus prinzipiellen als auch aus praktischen Erwägungen abzulehnen. Soweit die übrigen Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 UrhG vorliegen, ist ein privilegierter Internetnutzer folglich auch berechtigt, einzelne Artikel im Volltext auf seine zu privaten Zwecken betriebene Webseite zu übernehmen. hh) Eingeschränkte Nutzungsdauer Problematisch erscheint nun jedoch die eingeschränkte Nutzungsdauer der nach § 49 Abs. 1 UrhG zulässigerweise übernommenen Medieninhalte. Denn der Zeitraum einer zulässigen Verwendung fremder Artikel und Abbildungen ist durch die dem Tatbestandsmerkmal der „Tagesfragen“ immanenten Tagesaktualität i. d. R. auf wenige Tage oder Wochen beschränkt.342 Nach h. M. muss die Tagesaktualität im Zeitpunkt der Vornahme der privilegierungsbedürftigen Verwertungshandlung, wie z. B. des Nachdrucks oder der Sendung, (noch) vorliegen.343 Das heißt, dass die Ereignisse, über die durch gleichzeitige Verwendung themenbezogener Artikel und Abbildungen berichtet wird, zum Zeitpunkt ihrer Verwendung „jüngst stattgefunden haben“ müssen.344 Im Gegensatz zu dem meist nur einmalig stattfindenden Nachdruck oder der flüchtigen Sendung übernommener Fremdinhalte hat deren Bereitstellung über eine Webseite jedoch typischerweise eine andauernde öffentliche Zugänglichmachung und damit eine fortwährende Nutzung zur Folge. Hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit einer Online-Weiterverbreitung ist daher auf die durch § 49 Abs. 1 UrhG privilegierte Gesamtnutzungszeitspanne abzustellen. Diese ergibt sich nach richtiger Auffassung aus dem Zeitraum zwischen dem Ereignis – das Gegenstand der Erörterung ist – und dem letztmöglichen – anhand von Auftreten und Dauer der diesbezüglichen öffentlichen Diskussion zu bestimmenden – Zweitverwertungszeitpunkt. Die flankierende Bereitstellung der vom Nutzer zu Unterrichtungszwecken übernommenen fremden Artikel und Abbildungen ist also nur solange zulässig, wie sich das der nutzergenerierten Stellungnahme zugrunde liegende Thema in der öffentlich stattfindenden gesellschaftlichen Diskussion befindet. Folglich muss die öffentliche Zugänglichkeit der betroffenen Medieninhalte vom Nutzer in dem Moment wieder aktiv beendet werden, in dem die behandelte Thematik für die kollektive Meinungsbildung in der Gesellschaft nicht mehr aktuell ist. Ebenso wie die nach § 49 Abs. 1 UrhG zulässige Anzahl der übernommenen Fremdbeiträge lässt sich jedoch auch 342
Dreier spricht von einem „zeitlich engen Bezug“ (vgl. Dreier/Schulze, § 49 Rn. 8). Der OGH fordert das „Vorliegen eines tagesaktuellen Vorgangs“ (vgl. OGH MR 1997, 320 ff.). 343 Vgl. Wild, AfP 1989, 701, 705; Loewenheim, GRUR 1996, 636, 640; Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 96; Schricker/Melichar, § 49 Rn. 8; Dreier/Schulze, § 49 Rn. 8; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 49 Rn. 9; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 49 Rn. 15; Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 61; a.A. Möhring/Nicolini/Engels, § 49 Rn. 16. 344 Vgl. Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 61 m.w.N.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
der hier angesprochene privilegierte Nutzungszeitraum nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zutreffend ermitteln. ii) Verfassungsmäßigkeit der Privilegierung Abschließend stellt sich vorliegend noch die Frage, ob gegen die befürwortete Einbeziehung von Webseiten mit nutzergenerierten Text- und Bild-Beiträgen in den Kreis der von § 49 Abs. 1 UrhG privilegierten Sekundärmedien im Wege einer erweiternden Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Informationsblatt“ aus verfassungsrechtlicher Sicht Bedenken bestehen. Im Ausgangspunkt stehen sich im Wesentlichen die wirtschaftlichen Interessen der Autoren und Verleger als Rechteinhaber und die freiheitlichen Interessen der Bevölkerung als prosumierende Nutzer gegenüber. Dabei werden die vermögenswerten Interessen der Inhaber der Urheberrechte durch Art. 14 Abs. 1 GG und dem daraus abgeleiteten Grundsatz geschützt, dass der Urheber bzw. der Inhaber der Verwertungsrechte angemessen an den wirtschaftlichen Erträgen seiner Leistung zu beteiligen ist. Demgegenüber wird das Interesse der Nutzer, möglichst ungehindert auf die im Internet verfügbaren Inhalte zugreifen bzw. diese nutzen zu können, über die Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG sowie die allgemeine Handlungsfreiheit bzw. das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG erfasst. Wie eingangs bereits erläutert wurde, sind die das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum bestimmenden Schranken des Urheberrechts ihrerseits stets im Lichte der konfligierenden Grundrechte auszulegen.345 Denn die Begrenzungen des geistigen Eigentums dürfen ihrerseits nicht weiter gehen, als das Allgemeinwohl dies erfordert.346 Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind die widerstreitenden Interessen dabei nach dem Prinzip des schonendsten Ausgleichs zu berücksichtigen, d. h. in praktische Konkordanz zu bringen.347 Die Herstellung praktischer Konkordanz erfordert die „verhältnismäßige“ Zuordnung von Grundrechten und grundrechtsbegrenzenden Rechtsgütern. Das heißt, die einzelnen entgegenstehenden, verfassungsrechtlich geschützten Interessen sind in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so auszugleichen, dass sie beide möglichst weitgehend wirksam werden bzw. optimal zur Geltung kommen. Folglich ist die Verfassungskonformität der Abwägung insgesamt immer dann gewahrt, wenn die konkrete Grundrechtsbegrenzung – durch die die genannten Verfassungsgüter in einen schonenden Ausgleich gebracht werden sollen – dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz standhält, also insbesondere erforderlich und angemessen ist. aaa) Erforderlichkeit der Privilegierung Die Erforderlichkeit der Qualifizierung von Webseiten mit nutzergenerierten Text- und Bild-Beiträgen als gesetzlich 345
Vgl. hierzu BVerfG GRUR 2001, 149 ff. – Germania III; BGH GRUR 2003, 956 f. – Gies-Adler; BGH GRUR 2002, 605, 636 – Verhüllter Reichstag. 346 Vgl. BVerfGE 79, 29, 40 – Vollzugsanstalten. 347 Vgl. BVerfGE 49, 382, 392 – Kirchenmusik; BVerfGE 31, 229, 239 – Kirchen- und Schulgebrauch; vgl. auch BVerfGE 41, 29, 51; BVerfGE 77, 240, 255; BVerfGE 81, 298, 308.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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begünstigte Sekundärmedien ergibt sich bereits aus den oben im Rahmen der Privilegierungswürdigkeit von UGC genannten Argumenten.348 Danach ist es vor allem die revolutionäre Weiterentwicklung des Internets hin zum Web 2.0, das es heute jedem einzelnen Bevölkerungsmitglied ermöglicht, selbst aktiv bzw. interaktiv am öffentlichen Meinungsbildungsprozess teilzunehmen, die vorliegend dafür spricht, nicht nur traditionellen Presseorganen, sondern auch einzelnen Internetnutzern eine Weiterverbreitung aktueller Artikel und Abbildungen zu bestimmten Tagesfragen zu gestatten. Denn die massenhafte, aktive wie passive Nutzung der beschriebenen Web 2.0-Technologien beeinflusst maßgeblich das Mediennutzungsverhalten immer größerer Teile der Bevölkerung und hat bereits heute den öffentlichen Meinungsbildungsprozess verändert. Nutzergenerierte Medieninhalte gehören heute ebenso zum meinungsbildenden Medienangebot wie herkömmliche redaktionell erstellte Medieninhalte, so dass diese grundsätzlich genauso zu behandeln sind.349 Geht man weiters davon aus, dass die gesetzlichen „Berichterstattungsprivilegien“ in der Praxis den großen Medienkonzernen bislang vornehmlich wegen den mit einer Massenpublikation verbundenen personellen, organisatorischen und finanziellen Aufwendungen vorbehalten wurden, diese faktische Vormachtstellung nun jedoch durch das Web 2.0 in weiten Teilen egalisiert wurde, ist hiermit auch ein gewichtiger Grund für die rechtliche „Ungleichbehandlung“ weggefallen. Es ist also nicht allein der technische Fortschritt, der vorliegend für die Erforderlichkeit der extensiven Auslegung der Schranke spricht, sondern vor allem die hiermit verbundenen neuen Massenkommunikationsmöglichkeiten, die heute einen unmittelbaren Publikations-Pluralismus ermöglichen, der der in einer Demokratie angestrebten idealtypischen Öffentlichkeit um ein Vielfaches näher kommt, als die von den repräsentativen Medienorganen produzierte „Meinungsvielfalt“. Eine funktionierende Demokratie beweist sich schließlich nicht nur durch einen freien Meinungsaustausch zwischen den einzelnen Menschen, sondern vor allem auch durch einen freien Meinungsmarkt der (aktuell verfügbaren) Massenmedien.350 Führt der technische Fortschritt für die Allgemeinheit mithin zur Entstehung neuer Informationsund Nutzungsinteressen, die zu den unentbehrlichen Grundfreiheiten einer demokratischen Gesellschaft gehören, müssen diese im Rahmen der zur Auslegung der Urheberrechtsschranken notwendigen Abwägungsentscheidung als berechtigte Allgemeininteressen gebührend berücksichtigt werden. Zweifel an der Erforderlichkeit der Privilegierung nutzergenerierter Medienformate könnten allerdings mit der Begründung erhoben werden, dass eine unveränderte Weiterverbreitung thematisch verwandter Fremdinhalte aufgrund der ubiquitären Verfügbarkeit nahezu aller zu den tagesaktuellen Themen vertretenen Meinungen und Stellungnahmen über entsprechende Online-Portale heute überhaupt nicht mehr notwendig ist, um die Allgemeinheit über den aktuellen Meinungsstand in der Bevölkerung zu unterrichten. In diesem Zusammenhang ließe sich insbesonde348
Siehe hierzu oben: „Privilegierungswürdigkeit“, S. 200 ff. Siehe ausführlich hierzu oben: „§ 49 UrhG als Privileg traditioneller Massenmedien?“, S. 204 ff. 350 Vgl. Fechner, Medienrecht, Rn. 1. 349
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re argumentieren, dass heute grundsätzlich jedermann in der Lage ist, sich durch den direkten Besuch einschlägiger Medienportale im Internet oder die Eingabe ihn interessierender Schlagwörter in eine bekannte Suchmaschine innerhalb weniger Minuten einen nahezu vollständigen Überblick über die in der gesamten Medienlandschaft vertretenen Stellungnahmen zu den aktuellen Tagesereignissen zu verschaffen. Denn wenn massenmedial publizierte Artikel und Abbildungen, z. B. einer Tageszeitung, erst einmal online verfügbar sind, bräuchten diese grundsätzlich nicht erneut auf einer (nutzergenerierten) Webseite im Internet bereitgestellt werden, um dem Informationsinteresse der Allgemeinheit genüge zu tun. Diese Argumentation ist jedoch von so grundlegender Natur, dass sich hiermit nicht nur die Erforderlichkeit nutzergenerierter Medieninhalte in Frage stellen, sondern im Prinzip auch herkömmliche Presseübersichten und damit die Existenzberechtigung der Schranke im digitalen Umfeld insgesamt anzweifeln ließe. Diese Frage kann und soll hier nicht abschließend beantwortet werden.351 Für eine Beibehaltung der Möglichkeit, im Rahmen einer aktiven Teilnahme am Meinungsbildungsprozess durch medienübergreifende Entlehnungen einzelner Fremdbeiträge die eigene Stellungnahme untermauern oder in unmittelbaren Bezug zu kontroversen Meinungsäußerungen stellen zu können, sprechen jedenfalls die (technologieneutralen) Grundsätze einer konstruktiven demokratischen Streitkultur. Voraussetzung für eine möglichst genaue und damit effektive – aktive wie passive – geistige Auseinandersetzung mit fremdem Gedankengut ist es nämlich, der Bevölkerung eine möglichst unmittelbare Bezugnahme auf fremde Stellungnahmen zu ermöglichen. Der Rezipient soll die zu dem behandelten Tagesthema vertretenen Standpunkte möglichst schnell, einfach und direkt wahrnehmen und miteinander in Beziehung setzen können, um sich hieraus sein eigenes Urteil zu bilden. Nicht umsonst hat der Gesetzgeber zur Begründung des § 49 Abs. 1 UrhG seinerzeit schon die „Erleichterung der Unterrichtung der Öffentlichkeit“352 als ausreichendes Rechtfertigungsargument angesehen. Hieran hat sich auch im digitalen Umfeld – insbesondere im Internet – nichts geändert. Vereinzelt wird zwar in Erwägung gezogen, auf publizierte Fremdinhalte im Internet per Hyperlink zu verweisen, anstatt diese durch eine Übernahme erneut öffentlich zugänglich zu machen. Dies wird jedoch zu Recht mit dem Argument abgelehnt, dass aufgrund der Flüchtigkeit der Inhalte im Internet nicht gewährleistet ist, dass sich unter ein und demselben Link über längere Zeit die gleichen Inhalte abrufen lassen (Gefahr des sog. „Dead Link“).353 Die Flüchtigkeit der Internetinhalte und das mit ihrem unaufhaltsamen Wachstum zunehmend unüberschaubar werdende Meinungsspektrum stellt sogar eher einen zusätzlichen Grund für die Erforderlichkeit einer unmittelbaren Gegenüberstellung der zur Meinungsbildung im Einzelfall erforderlichen Medienbeiträge auf ein und derselben Webseite dar. Hat das Privileg im herkömmlichen Mediensektor somit nach wie vor 351
Für eine Beibehaltung der Schranke des § 49 UrhG auch im digitalen Umfeld vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 213 ff. 352 So die AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 62 (Hervorh. d. Verf.). 353 Koch, Die Auswirkungen der digitalen Informationstechnologien auf die Schranken des Urheberrechts, S. 50; vgl. hierzu auch Fromm/Nordemann/Nordemann, § 51 Rn. 11.
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seine Berechtigung, muss dies aus den oben genannten Gründen konsequenterweise auch für den Bereich neuer Medienformate (wie z. B. UGC) gelten. Gegen die Erforderlichkeit der urheberrechtlichen Gleichbehandlung traditioneller und nutzergenerierter Medienformate könnte weiterhin eingewendet werden, dass letztere aufgrund ihres amateurhaften Charakters und der dadurch zu erwartenden geringeren journalistischen Qualität im kollektiven Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung nur eine untergeordnete Rolle spielen. Abgesehen davon, dass nutzergenerierten Medieninhalten im Hinblick auf die mediale Aufmerksamkeitsverteilung der Bevölkerung insgesamt eine immer größere Relevanz zukommt,354 wäre dieser Einwand jedoch bereits aus prinzipiellen Gründen unhaltbar. Denn die Ausübung der verfassungsrechtlich gesicherten Kommunikationsgrundrechte einschließlich der Meinungsäußerungs-, Presse- und Informationsfreiheit darf prinzipiell nicht von der individuellen Qualifizierung ihrer Träger bzw. der Qualität der publizierten Inhalte abhängig gemacht werden. Die Mediengrundrechte sind Freiheitsgrundrechte, die sowohl der Entfaltung des Einzelnen als auch durch die Sicherstellung eines pluralen Meinungsangebots der demokratischen Willensbildung im Staatswesen dienen.355 Sie wären weithin wertlos, wenn bereits der Zugang zu ihnen von individualrechtlichen Faktoren abhängig gemacht werden könnte. Sie stehen daher vielmehr jedem Menschen gleichermaßen zu – und zwar unabhängig von dessen persönlicher Qualifikation oder der Qualität der von ihm produzierten Stellungnahmen.356 Für die Erforderlichkeit einer Privilegierung von UGC streitet aus verfassungsrechtlicher Sicht schließlich noch ein weiterer Aspekt ganz grundlegender Natur. Dem Medienrecht kommt nämlich in zunehmendem Maße die Aufgabe zu, die Medien und damit auch die Bevölkerung selbst vor einseitiger Beeinflussung einzelner Medienunternehmen zu schützen. War es früher nahezu ausschließlich Aufgabe des Medienrechts, eine inhaltliche Einflussnahme des Staates auf die Medien auszuschließen, so besteht die Aufgabe des zukünftigen Medienrechts – zu dem unstreitig auch das Urheberrecht gehört – in erster Linie darin, Monopolbildungen in den Medien zu verhindern.357 Mit der vorgeschlagenen erweiternden Auslegung des § 49 Abs. 1 UrhG können vorliegend sogar beide übergeordnete Zielsetzungen erreicht 354 Vgl. hierzu die Ergebnisse der Fünfjahresstudie zur intermedialen Verteilung der täglichen Aufmerksamkeit auf die einzelnen Medien in: Oehmichen/Schröter, Medienübergreifende Nutzungsmuster: Struktur- und Funktionsverschiebungen, S. 399; ausführlich hierzu oben: „Mediennutzung und Meinungsbildung im Web 2.0“, S. 205 ff. 355 Vgl. Fechner, Medienrecht, Rn. 578. 356 Die Entwicklung des Internets zum Web 2.0 sowie das hiermit verbundene Phänomen des UGC ist auch im Zusammenhang mit der Diskussion um ein einheitliches Mediengrundrecht von Bedeutung. Sie sind ein weiterer Beleg für die Entwicklung des Zusammenwachsens der Medien und deren Protagonisten, die letztlich dafür sprechen, die bisher deutlich voneinander getrennten Grundrechte der „Presse-“, „Rundfunk-“ und „Filmfreiheit“ stärker im Sinne eines einheitlichen, die Freiheit der Medien insgesamt sichernden Grundrechts zu interpretieren. Dieses Grundrecht umfasst dann auch die Betätigungen innerhalb der „neuen Medien“, die an die Allgemeinheit gerichtet sind und bestimmt oder geeignet sind, die öffentliche Meinung zu beeinflussen (vgl. Fechner, Medienrecht, Rn. 963). Hierzu wird man im Ergebnis wohl auch nutzergenerierte Medieninhalte zu zählen haben. 357 Vgl. Fechner, Medienrecht, Rn. 4.
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werden. Zum einen verhindert die sachgerechte Interpretation der Schranke einen mit staatlichen Mitteln erfolgenden Ausschluss neuer meinungsbildender Massenmedien gegenüber partizipierenden Bevölkerungsmitgliedern. Zugleich wird hierdurch aber auch die jahrzehntelange vertikale „Informationsdiktatur“ durch die herkömmlichen repräsentativen Medienorgane und den von ihnen ausgewählten Protagonisten beendet, denen insgesamt – mit einem gewissen Abstand betrachtet – ebenfalls eine gewisse Monopolstellung innerhalb der heutigen erweiterten Medienlandschaft zukommt. Die Privilegierung nutzergenerierter Medienformate durch deren Einbeziehung in den Kreis der von § 49 Abs. 1 UrhG begünstigten Sekundärmedien und die damit verbundene Einschränkung des ausschließlichen Verfügungsrechts der betroffenen Urheber und sonstigen Rechteinhaber ist somit insgesamt erforderlich im Sinne des zweiten Kriteriums des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. bbb) Angemessenheit der Privilegierung Die befürwortete Einbeziehung nutzergenerierter Medienformate in den Anwendungsbereich des § 49 Abs. 1 UrhG müsste jedoch auch angemessen, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Ein Grundrechtseingriff ist grundsätzlich dann angemessen, wenn das eingesetzte Mittel und der hiermit verfolgte Zweck in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Das wäre vorliegend dann der Fall, wenn die mit der Privilegierung verbundenen Nachteile für die betroffenen Rechteinhaber nicht größer wären als der mit ihr verbundene Nutzen für die Allgemeinheit. Es stehen sich daher das Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG und die Kommunikations- bzw. Medienfreiheiten aus Art. 5 Abs. 1 GG sowie die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG gegenüber. Diese sind nachfolgend gegeneinander abzuwägen. (1) Eigentumsgarantie als Prüfungsmaßstab Das Urheberrecht ist als geistiges Eigentum i. S. d. Art. 14 Abs. 1 GG geschützt, wobei insbesondere der wirtschaftliche Wert dem Werkschöpfer zugerechnet wird.358 Diese Zuordnung gehört zu den konstituierenden Merkmalen des Urheberrechts als Eigentum. Der grundrechtliche Kern des Urheberrechts sichert dem Schöpfer eines Werkes demnach jedenfalls die wirtschaftlichen Ergebnisse seiner schöpferischen Leistung.359 Gleichwohl ist allgemein anerkannt, dass dem Urheber nicht jede erdenkliche wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit gesichert werden muss.360 Auch das Urheberrecht ist wie jedes absolute Recht sozial gebunden, so dass die Rechte des Urhebers durch berechtigte Interessen der Allgemeinheit beschränkt werden können.361 Die Privilegierung nutzergenerierter Medienformate müsste folglich gemäß Art. 14 Abs. 2 GG einem Interesse des allgemeinen Wohls dienen. Entscheidend zu berücksichtigen ist hierbei, dass dem Urheber mit der vorgeschlagenen Privilegierung lediglich sein Verbotsrecht 358
Vgl. BVerfGE 31, 229, 240 f. – Kirchen- und Schulgebrauch. Vgl. BVerfGE 31, 229, 238 – Kirchen- und Schulgebrauch; BVerfGE 49, 382, 392 – Kirchenmusik. 360 Vgl. Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 1; BVerfGE 31, 229 ff. – Kirchen- und Schulgebrauch. 361 Vgl. Kröger, Informationsfreiheit und Urheberrecht, S. 217. 359
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zur Nutzung seines Werkes entzogen würde, nicht jedoch sein (unverzichtbarer) Anspruch auf angemessene Vergütung gemäß § 49 Abs. 1 S. 2 UrhG. Dies ist hier deshalb von besonderer Bedeutung, weil nach der Rechtsprechung des BVerfG für die Rechtfertigung von Eingriffen in das Verbotsrecht und einer Aberkennung von Vergütungsansprüchen abgestufte Anforderungen gelten.362 Danach bedarf die Beschneidung bisher anerkannter und zum wesentlichen Inhalt der Verwertungsrechte des Urhebers gehörende Befugnisse wegen der Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG der Rechtfertigung durch ein überwiegendes Allgemeininteresse.363 Für den gegenständlichen Eingriff in das Verbotsrecht des Urhebers ist demzufolge bereits ein „berechtigtes“ bzw. „gesteigertes“ öffentliches Interesse als ausreichend anzusehen. (2) Gemeinwohlinteresse i. S. v. Art. 14 Abs. 2 GG Ein hinreichendes Gemeinwohlinteresse im vorgenannten Sinne kann mit Blick auf Sinn und Zweck des § 49 Abs. 1 UrhG vorliegend nur für solche Medienangebote angenommen werden, die sich nach ihrem Inhalt und ihrem Adressatenkreis an die Allgemeinheit wenden – also an potentiell jeden gerichtet sind –, weil nur sie den für eine Demokratie konstitutiven kollektiven Meinungsbildungsprozess über bestimmte gesellschaftsrelevante Tagesthemen fördern und durch neue Stellungnahmen zu diesen Themen voranbringen.364 Genau dies ist bei den hier diskutierten nutzergenerierten Medienformaten jedoch der Fall. Webseiten mit nutzergenerierten Text- und Bild-Beiträgen, wie Blogs, vom Nutzer moderierte Foren, Wikis oder sonstige privat betriebene Webseiten politischer, wirtschaftlicher oder religiöser Ausrichtung sind neuartige Medienangebote, die letztlich von der Allgemeinheit für die Allgemeinheit bereitgestellt werden. Diese basieren zwar mitunter auf mittelbarer oder unmittelbarer Kommunikation zwischen dem prosumierenden Nutzer und den interaktiv partizipierenden Rezipienten sowie zwischen allen kollaborierenden Teilnehmern untereinander. Im Ergebnis sind die genannten Medienformate jedoch von Anfang an allesamt darauf angelegt, dass ihre (teilweise kollaborativ entstandenen) Inhalte von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Sie sind bereits per definitionem365 nicht an einen bestimmten oder bestimmbaren Empfängerkreis adressiert und daher prinzipiell an eine Vielzahl von Personen gerichtet. Nutzergenerierte Medieninhalte sind somit keine Form der Individualkommunikation, sondern vielmehr eine neue Spezies unter den zu den Massenmedien zählenden Internetinhalten.366 Dies zeigt sich unter anderem auch daran, dass UGC immer häufiger Gegenstand öffentlicher Diskussionen ist und so zunehmend in den 362 Vgl. BGH GRUR 1999, 707, 709 – Kopienversanddienst; BVerfGE 31, 229, 243 – Kirchen- und Schulgebrauch; BVerfGE 49, 382, 400 – Kirchenmusik; BVerfGE 79, 29, 41 – Vollzugsanstalten. 363 Vgl. Kröger, Informationsfreiheit und Urheberrecht, S. 160. 364 So zutreffend Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 224. 365 Siehe hierzu oben: „Begriffsdefinition“, Kapitel 1, S. 24. 366 Massenmedien sind durch drei Charakteristika bestimmt, ohne dass diese rechtlich festgelegt wären: 1. verbreitet werden geistige, optische und akustische Gehalte, 2. die Verbreitung erfolgt durch distanzüberwindende technische Mittel und 3. die Verbreitung richtet sich an eine Vielzahl von Personen (vgl. Fechner, Medienrecht, Rn. 8). All diese Voraussetzungen werden vorliegend von UGC erfüllt.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
kollektiven Prozess der Meinungsbildung integriert wird. Bei den nutzergenerierten Medienformaten handelt sich also um öffentlich zugängliche Kommunikationsplattformen zur Publikation und Rezeption nutzereigener und fremder themenspezifischer Meinungen und Stellungnahmen, deren aktive wie passive Nutzung prinzipiell jedermann möglich ist, womit deren (legale) Existenz – ebenso wie die herkömmlicher Informationsblätter – grundsätzlich im Interesse des Gemeinwohls liegt. (3) Substitutionsgefahr Fraglich ist nun jedoch, ob die mit einer Privilegierung verbundenen Nachteile für die Rechteinhaber bei einer summarischen Gesamtbetrachtung nicht größer sind, als der mit ihr verbundene Nutzen für die Allgemeinheit. Das wohl schwerwiegendste und am häufigsten diskutierte Problem bei der Gestattung einer unveränderten Weiterverbreitung fremder Medieninhalte ist die Entstehung einer unmittelbaren Konkurrenzsituation und damit die Gefahr einer gesetzlich legitimierten Substitution des geschützten Primärangebotes.367 Eine solche ist hier jedoch tatsächlich nicht zu befürchten. Denn erfahrungsgemäß beschäftigt sich UGC immer nur mit einzelnen, von Herkunft, Tätigkeit, Interesse sowie politischer und persönlicher Ausrichtung des jeweiligen prosumierenden Nutzers abhängigen Themen. Dementsprechend beschränken sich naturgemäß auch Inhalt und Umfang der übernommenen Fremdbeiträge auf eben diese vereinzelten Themengebiete. Webseiten mit nutzergenerierten Text- und Bild-Beiträgen stellen damit nicht einmal ansatzweise einen vergleichbaren Ersatz für herkömmliche themenübergreifende Publikationsorgane (wie z. B. eine Tageszeitung) dar. Was zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Urheber und Verlage jedoch verhindert werden muss, ist die Zulässigkeit der Bildung und Unterhaltung zentraler Informationsdatenbanken mit einem dauerhaften, kostenlos verfügbaren sowie themen- und medienübergreifenden Inhaltsangebot, da solche Alternativquellen der – künftig wahrscheinlich hauptsächlich über Internetwerbung finanzierten – Online-Tagespresse unmittelbar Konkurrenz machen würden. Die Zulässigkeit einer unveränderten Übernahme und dauerhaften Bereitstellung fremder Artikel und Abbildungen zum kostenlosen Abruf durch die Öffentlichkeit könnte nämlich zur Folge haben, dass die kostenpflichtigen und/oder beworbenen Webseiten der betroffenen Primärmedien aufgrund des vollwertigen medienübergreifenden Ersatzmediums gar nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt besucht bzw. genutzt werden würden. Eine Privilegierung von entsprechenden zentralisierenden UGC-Plattformen kommt jedoch bereits aufgrund der oben erörterten einschränkenden Tatbestandsmerkmale des § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG nicht in Betracht. Denn die gesetzliche Gestattung einer existenzgefährdenden Substituierung redaktioneller Publikationsmedien wird insbesondere durch das Verbot einer kommentarlosen Weiterverbreitung sowie die quantitative Beschränkung der Weiterverbreitung auf nur einzelne Artikel und Abbildungen verhindert. Darüber hinaus darf die Übernahme der Fremdinhalte keinen 367 Zur Substitutionsproblematik im Zusammenhang mit (elektronischen) Pressespiegeln siehe eingehend Vogtmeier, Elektronischer Pressespiegel in der Informationsgesellschaft, S. 149 ff.; Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 215 f.; Glas, Die urheberrechtliche Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel, S. 97 ff.; Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 200 ff.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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kommerziellen Zwecken dienen und die öffentliche Zugänglichmachung ist auch nur für eine begrenzte Zeitspanne zulässig. All diese Einschränkungen führen im Ergebnis dazu, dass die Privilegierung einzelner Nutzerseiten mit themenspezifisch entlehnten Fremdbeiträgen keine ernstzunehmende Substituierungswirkung auf die benutzten Quellmedien zur Folge hätte, so dass die Statuierung einer gesetzlichen Lizenz allenfalls geringfügige wirtschaftliche Nachteile mit sich brächte. Dagegen könnte nun jedoch vorgebracht werden, dass eine dezentrale Verfügbarkeit aller erschienenen Presseartikel nebst begleitender Abbildungen über unzählige einzelne Nutzerseiten aufgrund deren ubiquitärer Verfügbarkeit im Endeffekt das gleiche Ergebnis hervorbrächte, wie eine Bereitstellung über eine zentralisierende Internetplattform. Diese Argumentation wäre jedoch insbesondere vor dem Hintergrund des durchschnittlichen Pressekonsumverhaltens der Bevölkerung und ihrem hier zu berücksichtigenden unterschiedlichen Nutzungsverhalten nicht stichhaltig. Es ist nämlich ein großer Unterschied, ob sich ein Konsument lediglich allgemein über das aktuelle Geschehen in Politik, Wirtschaft und Religion informieren möchte oder gezielt zu einem bestimmten Tagesthema Informationen nachsucht. Soweit der Konsument eine allgemeine themenübergreifende Information wünscht, die unbestritten zu den Hauptaufgaben der periodischen Presse zu zählen ist, stehen die privilegierten UGC-Webseiten praktisch überhaupt nicht in Konkurrenz zu den als Quellmedien verwendeten Presse-Publikationen, da es ihnen schlicht an der thematischen Übersicht fehlt. Zur Unterrichtung über das aktuelle Tagesgeschehen wird die Allgemeinheit also nach wie vor auf das von ihr bevorzugte, redaktionell gestaltete professionelle Masseninformationsmedium zurückgreifen. Hieran wird sich auch in absehbarer Zeit nichts ändern, da es aufgrund des allgemeinen Informationsbedürfnisses der Bevölkerung auch künftig noch einen Bedarf an themenübergreifender Tagespresse geben wird.368 Die Erfahrung in Bezug auf das Mediennutzungsverhalten, die Gewohnheit und nicht zuletzt auch die Bequemlichkeit des Menschen sprechen eindeutig dafür, dass der gewöhnliche Pressekonsument auch in Zukunft noch die von ihm favorisierte Informationsquelle in Form eines herkömmlichen, thematisch strukturierten Massenmediums zur Unterrichtung über die aktuellen Tagesthemen nutzen wird. Zuzugeben ist zwar, dass es seit einiger Zeit insgesamt zu einem Rückgang derVerkaufszahlen für gedruckte Printerzeugnisse und damit auch – vor allem in den USA – zu einem Schwund der umfassend berichterstattenden Medien selbst gekommen ist. Diese Entwicklung ist jedoch nicht auf das Phänomen des UGC, sondern im Wesentlichen auf die Existenz der von den Medienunternehmen selbst bereitgestellten weitgehend identischen Online-Angebote ihrer Publikationsmedien zurückzuführen. Die hohen Kosten, die mit der Herstellung und Distribution körperlicher Vervielfältigungsexemplare verbunden sind, machen das Printmedium in Zeiten weltweiter elektronischer Verfügbarkeit ein und derselben Informationen einfach nicht mehr profitabel. Eine kausale Verknüpfung zwischen einer themenspezifischen Weiterverbreitung entlehnter Medieninhalte über einzelne Webseiten mit nutzergenerierten Text- und Bild-Beiträgen und einem möglichen Besucherrückgang sowie einem et368
So auch Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 217.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
waig hieraus resultierenden Umsatzrückgang für die betroffenen Quellmedien lässt sich mit Blick auf den typischen Pressekonsumenten folglich nicht ausmachen. Aufgrund der gesetzlichen Pflicht zur qualifizierten Quellenangabe gemäß § 63 Abs. 3 S. 1 UrhG – der die Nutzer innerhalb des Internets vornehmlich mittels Hyperlink nachzukommen haben369 – ist sogar eher davon auszugehen, dass die Weiterverbreitung der entlehnten Medieninhalte mittels UGC zu einer Steigerung der Besuchsfrequenz der Webseiten der betreffenden Quellmedien führen würde. Denn die zahlreichen Quellverweise in Form von rückverweisenden Hyperlinks eröffneten für die betroffenen Primärmedien letztlich zusätzliche Distributions- bzw. Werbekanäle für ihr Inhaltsangebot. Die erhöhte Anzahl dieser sog. „Backlinks“370 steigert nämlich automatisch die themenspezifische Relevanz einer Quellseite innerhalb der Bewertungsprozesse bei den einschlägigen Suchmaschinen, womit deren Position in der Ergebnisliste (sog. „Pagerank“371 ) im Falle einer passenden Suchanfrage deutlich verbessert wird. Hierdurch würde es also sogar zu einer erhöhten Aufmerksamkeit auf die Primärmedien und damit auch zu größeren Besucherzahlen ihrer Internetpräsenzen kommen.372 Dies gereicht letztlich nicht nur den verwertenden Medienunternehmen zum Vorteil, sondern ist auch für die hierüber publizierenden Autoren von Interesse. Besteht für den Konsumenten hingegen das Bedürfnis, im Internet bezüglich eines ganz bestimmten Tagesthemas zu recherchieren, stehen die genannten Primärund Sekundärmedien, d. h. die originären Medien-Webseiten (Online-Zeitungen etc.) und die UGC-Webseiten, zwar grundsätzlich in einem unmittelbaren Konkurrenzverhältnis. Solange das betreffende Thema und die hierzu auffindbaren Artikel jedoch „tagesaktuell“ sind, entspricht diese Konkurrenzsituation im Grunde genau der bisherigen Sachlage zwischen den verschiedenen herkömmlichen Tageszeitungen, Zeitschriften und Rundfunksendern. Denn auch diese treten im privilegierten Nutzungszeitraum als Sekundärmedien auf, wenn sie eine Zweitverwertung ihrer Konkurrenzinhalte vornehmen. An der grundsätzlichen Wertentscheidung des Gesetzgebers, diese zeitlich begrenzte Konkurrenzsituation im Interesse einer schnellen und effektiven Unterrichtung der Bevölkerung im Hinblick auf die Interessen der Ur369 Siehe hierzu oben: „Recht auf Anerkennung der Urheberschaft – § 13 UrhG“, Kapitel 5, S. 148 ff. 370 Der Begriff „Backlink“ (engl. etwa für „eingehender Link“) oder auch „Inbound-Link“ bezeichnet einen hypertextuellen Verweis im Internet, der auf eine andere Webseite zeigt. Diese eingehenden Links spielen seit der Pagerank-Bewertung von Google eine bedeutende Rolle. Hier wird die Relevanz einer Webseite an der Anzahl und der Qualität der eingehenden Links gemessen. Je mehr Links von Seiten, die selbst viele Links auf sich ziehen und damit qualitativ hochwertig sind, auf die betreffende Webseite verweisen, desto höher ist deren Relevanz (vgl. Erlhofer, Suchmaschinen-Optimierung, S. 437 f.). 371 Der „Pagerank“ bezeichnet die Link-Popularität einer Webseite bei Google. Je mehr eingehende Verweise eine Webseite verzeichnen kann, desto höher ist ihr Pagerank (vgl. Erlhofer, Suchmaschinen-Optimierung, S. 445). 372 Eingehend zu Gewichtung und Relevanz einzelner Internetseiten innerhalb der suchmaschineninternen Bewertungsprozesse sowie der hierauf beruhenden Pagerank-Berechnung siehe etwa Erlhofer, Suchmaschinen-Optimierung, S. 115 ff.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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heber für zumutbar zu erachten, hat sich bislang – auch durch die Weiterentwicklung des Internets – nichts geändert. Insofern sind neue meinungsbildende Medienangebote aus den genannten Gleichbehandlungsgründen ebenfalls in den Kreis der Privilegierten einzubeziehen. Hierdurch wird den Rechteinhabern – im Gegensatz zur Pressespiegelnutzung373 – auch keine potentielle Zweitverwertungsmöglichkeit für ihre Inhalte abgeschnitten. Denn wie oben im Rahmen der ökonomischen Darstellung der Veröffentlichung von UGC374 gezeigt werden konnte, erzielen die Nutzer durch die Bereitstellung entlehnter Fremdinhalte über nutzereigene Webseiten praktisch keine wirtschaftlich relevanten Vorteile. Es erscheint daher höchst zweifelhaft, ob die Nutzer bereit wären, für die aus ihrer Sicht rein privat motivierte Verwendung einzelner Medieninhalte jeweils eine gesonderte Vergütung zu bezahlen. Abgesehen davon, dass für eine solche Massennutzung eine vertragliche Einzellizenzierung bereits aus organisatorischen und zeitlichen Gründen praktisch nicht zu realisieren sein wird, wäre ein entsprechendes Lizenzierungsmodell aufgrund der unverhältnismäßig hohen Transaktionskosten im Ergebnis jedenfalls nicht profitabel. Die unterrichtende Verwendung fremder Artikel und mit ihnen in Zusammenhang veröffentlichter Abbildungen auf UGCWebseiten stellt mit Blick auf eine „normale Verwertung“ daher ohnehin keinen potentiellen Markt für die betroffenen Rechteinhaber dar. (4) Reproduktions- und Archivierungsrisiko Nicht zu leugnen ist hingegen ein gewisses zusätzliches Reproduktions- und Archivierungsrisiko, das mit einem erhöhten Verbreitungsgrad der betroffenen Schutzgegenstände zwangsläufig einhergeht. Wie bereits angedeutet, ist dieses jedoch kaum merklich höher als das bestehende Missbrauchsrisiko, das mit einer öffentlichen Zugänglichmachung digitaler Informationsgüter im Internet ohnehin verbunden ist.375 Um eine dauerhafte kostenlose Alternativquelle zu verhindern, sieht die Schranke mit dem Erfordernis der „Tagesaktualität“ eine zeitliche Beschränkung vor, die die Nutzer dazu zwingt, ihre Webseiten fortlaufend zu aktualisieren und ältere Fremdbeiträge zu entfernen und so einem dauerhaften kostenlosen Zugriff durch die Allgemeinheit zu entziehen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass Interessenten für ältere, nicht mehr aktuelle Artikel nach wie vor auf das (vergütungspflichtige) Archivangebot der Verlage zurückgreifen müssen. Insofern brächte die erweiternde Auslegung des § 49 Abs. 1 UrhG auch in Bezug auf recherchierende Pressekonsumenten keine Gefahr merklicher wirtschaftlicher Nachteile mit sich. (5) Wertender Interessenvergleich Den vorgenannten vermögensrechtlichen Verwertungsinteressen und Bedenken der Urheber und Rechteinhaber stehen nun jedoch zwei grundrechtsrelevante Gemeinwohlinteressen der Verbraucher und der Allgemeinheit gegenüber: ein gesteigertes Interesse an themenspezifischer, pluralistisch 373 Vgl. hierzu die Ausführungen von Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 226 f. 374 Siehe hierzu oben: „Bereitstellung über nutzereigene Webseiten“, Kapitel 4, S. 90 ff. 375 Siehe hierzu oben: „Faksimile-Beschränkung“, S. 229 ff.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
entstandener Information sowie das korrespondierende Interesse an einer interaktiven Nutzung erschienener Pressepublikationen zwecks eigenständiger Partizipation am öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Die Weiterentwicklung des Internets zum Web 2.0 und der hierdurch ermöglichte UGC haben zwischenzeitlich zu einem völlig neuen, viel spezielleren Informationsbedürfnis der Allgemeinheit geführt. Für die Bevölkerung ist es heute bereits selbstverständlich, dass sie zu aktuellen Themen über das Internet eine breite Auswahl an individuellen Meinungen und Stellungnahmen sowie nahezu alle diesbezüglich relevanten Informationen erhält. Hierzu leisten nutzergenerierte Medieninhalte, insbesondere in Foren, Blogs, Wikis oder auf sonstigen privaten Webseiten, einen nicht unerheblichen Beitrag. Die von prosumierenden Internetnutzern zu einzelnen gesellschaftsrelevanten Tagesthemen erstellten Webseiten mit speziell ausgesuchten Informationen, eigenen und fremden Meinungen sowie individuellen Stellungnahmen befriedigen dabei ein Informationsbedürfnis, das von traditionellen Medienorganen in dieser Form praktisch gar nicht bedient werden kann. Denn abgesehen von der naturgemäß beschränkten Anzahl an publizierenden Individuen wäre es für diese schlicht unwirtschaftlich, zu jedem kleinen „Mikro-Ressort“ ein entsprechendes Inhaltsangebot mit den hierfür erforderlichen Ressourcen bereitzustellen. Das Web 2.0 hat somit insgesamt zu einer drastischen Diversifikation der Medien376 geführt, wonach die Menge einzelner Spezialmedien, die sich nur mit ausgesuchten, ihnen vertrauten Spartenthemen befassen, die Anzahl rubrikübergreifend berichterstattender Massenmedien bereits jetzt bei weitem übersteigt. Diese Entwicklung trägt maßgeblich zur pluralistischen Meinungsbildung und Kontrolle staatlicher Machtausübung bei. Angesichts der fundamentalen Bedeutung, die den vorgenannten Funktionen in einem demokratischen Rechtsstaat zukommt, kann das aus dieser Entwicklung resultierte Interesse der Bevölkerung, sich mittels der vorliegend diskutierten alternativen Medienformate ungehindert zu unterrichten, durchaus als gesteigertes Gemeinwohlinteresse bezeichnet werden. Aus den gleichen Gründen besteht umgekehrt jedoch zugleich ein ebenso schutzwürdiges Interesse, bereits erschienene Presse-Artikel nebst Abbildungen zur Erzeugung des vorgenannten medialen Alternativangebots verwenden zu dürfen, da nur so das vorgenannte Informationsbedürfnis befriedigt werden kann. Diese bedeutenden, dem Eigentumsrecht der Urheber und Rechteinhaber gegenläufigen Interessen der Verbraucher und der Allgemeinheit würden in unzumutbarer Weise eingeschränkt, wenn nutzergenerierte Medienformate nicht in den Kreis der von § 49 Abs. 1 UrhG privilegierten Sekundärmedien einbezogen werden würden.
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Zur Diversifikation im Bereich der Tagespresse vgl. Jeff Jarvis im Interview mit Rainer Stadler, in: Süddeutsche Zeitung Magazin, Nr. 19 vom 8. Mai 2009, Wozu Zeitung?, S. 10: „Die meisten Zeitungen produzieren Tag für Tag ein vollwertiges Nachrichtenangebot. Im Internet ist das nicht mehr nötig, weil der Rest der Welt nur einen Link entfernt ist. Eine Regionalzeitung braucht im Internet keinen eigenen Kinokritiker mehr. Wozu Filme rezensieren, die im Internet und auch in den großen Zeitungen schon dutzendfach besprochen wurden? Im Internet gilt die Maxime: Tu nur das, was du am besten kannst. Für alles Übrige gibt es Links.“
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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Die Abwägung der hier betroffenen grundrechtsrelevanten Rechtsgüter ergibt somit, dass die mit einer Privilegierung von UGC verbundenen Nachteile für die betroffenen Urheber und Rechteinhaber in keinem Verhältnis zu den mit einer Gewährung des urheberrechtlichen Verbotsrechts verbundenen Einschränkungen für die Allgemeinheit stünden. Insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die durch § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG gewährte gesetzliche Lizenz nicht kostenlos ist, sondern stets nur gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung gewährt wird, die den Autoren als Ausgleich für die privilegierte Nutzung zugute kommt,377 stellt die Gestattung der Entlehnung aktueller Presseinhalte durch einzelne Bevölkerungsmitglieder vorliegend keinen unzumutbaren Eingriff in die von der Eigentumsgarantie erfassten vermögensrechtlichen Interessen der Urheber dar.378 Den Freiheitsrechten der Allgemeinheit ist daher – nicht zuletzt mit Blick auf die für eine funktionstüchtige Informationsgesellschaft notwendigen Gestaltungsfreiräume – im Ergebnis gegenüber den Eigentumsinteressen der Urheber und Verleger der Vorzug zu geben. Insgesamt stellt sich die aus der vorgeschlagenen Privilegierung nutzergenerierter Medienformate resultierende Grundrechtsbegrenzung durch eine zeitgemäße Auslegung des Begriffes „Informationsblatt“ i. S. v. § 49 Abs. 1 UrhG vorliegend als angemessen im engeren Sinne und damit insgesamt als verhältnismäßig dar. jj) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lässt sich somit festhalten, dass grundsätzlich auch einzelne Webseiten mit nutzergenerierten Text- und Bild-Beiträgen zu den von § 49 Abs. 1 UrhG privilegierten „Informationsblättern“ und damit zu den zu einer Vervielfältigung und öffentlichen Wiedergabe berechtigten Sekundärmedien gezählt werden können. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die sie betreibenden Nutzer hierüber nicht nur Artikel und Abbildungen aus von der Schranke erfassten On- oder Offline-Medien weiterverbreiten, sondern zugleich auch ausreichend eigenständig verfasste entnahmefähige Stellungnahmen zu denjenigen Tagesthemen bereithalten, welche sie mit entlehnten Fremdbeiträgen flankiert haben. Zur Aufrechterhaltung eines gerechten Interessenausgleichs zwischen der Informations- und Medienfreiheit sowie dem Urheberrechtsschutz im Web 2.0 erscheint eine Gleichbehandlung von traditionellen Pressemedien und entsprechenden UGC-Webseiten (wie z. B. Blogs oder ähnliche private Webseiten) geboten, weil grundsätzlich auch deren Inhalte den kollektiven Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu fördern vermögen. Die Übernahme der themenspezifischen Fremdinhalte muss sich dabei jedoch stets auf einzelne Beiträge der jeweiligen Quellmedien beschränken und darf nicht zu kommerziellen Zwecken erfolgen. Außerdem ist die Nutzung der Fremdinhalte nur für den Zeitraum zulässig, in dem sich die ihnen zugrunde liegenden Ereignisse 377 Zur Vergütungspflicht bei der Inanspruchnahme der gesetzlichen Lizenz gem. § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG siehe sogleich unter: „Vergütungspflicht“, S. 251 f. 378 Zur Rechtmäßigkeit bloßer Vergütungsansprüche bei im Allgemeininteresse liegender Massennutzungen vgl. die wegweisenden Ausführungen von Hilty, Verbotsrecht vs. Vergütungsanspruch, S. 325, 339 ff. m.w.N.
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(noch) in der öffentlichen Diskussion befinden. Da diese Voraussetzungen auf die meisten kollektiv genutzten Webseiten, insbesondere UGC-Plattformen, nicht zutreffen, beschränkt sich die zustimmungsfreie Weiterverbreitungsfreiheit für Artikel und Abbildungen praktisch auf diejenigen Fälle, in denen Nutzer eine unentgeltliche Bereitstellung über nutzereigene Webseiten vornehmen. b) Webseiten mit nutzergenerierten Audio- und Video-Beiträgen Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass sich die unterrichtende Verwendung fremder Artikel und Abbildungen zur Erstellung politisch, wirtschaftlich oder religiös ausgerichteter Webseiten mit nutzergenerierten Text- und Bild-Beiträgen zu entsprechenden Tagesfragen grundsätzlich als privilegiertes Verwertungsanliegen darstellt. Fraglich ist nun, ob selbiges auch für eine Weiterverbreitung von Rundfunkkommentaren i. S. v. § 49 UrhG über Webseiten mit nutzergenerierten Audiound Video-Beiträgen, insbesondere themenspezifischen Podcasts und Video-Blogs gilt. Aufgrund der Tatsache, dass § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG auch die Vervielfältigung von einzelnen Rundfunkkommentaren in Informationsblättern sowie ihre öffentliche Wiedergabe privilegiert, sind nach hier vertretener Auffassung keine vernünftigen Gründe ersichtlich, weshalb die Vorschrift nicht auch eine Übernahme audio-visueller Medieninhalte auf eine privilegierte Nutzerseite umfassen sollte. Einer solchen Auslegung steht der Wortlaut der Vorschrift nicht zwingend entgegen. Eine Übernahme audio-visueller Medieninhalte in ein herkömmliches (gedrucktes) Informationsblatt mag zum Zeitpunkt der Einführung der Schranke mangels technischer Realisierbarkeit zwar noch nicht vorstellbar gewesen sein. Dass das Gesetz jedoch ganz allgemein auch eine crossmediale Verbreitung der von der Schranke erfassten Medieninhalte gestattet, zeigt sich eindeutig an der wechselseitigen Privilegierung von Print- und Rundfunkmedien, die es auch bisher schon ermöglichte, Rundfunkkommentare in einer Zeitung nachzudrucken oder Zeitungsartikel im Rundfunk zu senden.379 Für die Annahme, dass eine Weiterverbreitung aktueller Medieninhalte ausschließlich über publikationstechnisch identische Medien erlaubt werden sollte, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Dies widerspräche auch klar der gesetzgeberischen Intention der Ausnahme, die letztendlich eine möglichst effektive Unterrichtung der Allgemeinheit verfolgt. Geht man außerdem davon aus, dass auch eine Webseite ein „Informationsblatt“ im Sinne der Vorschrift darstellen kann,380 besteht hinsichtlich der Privilegierungswürdigkeit zwischen einer Übernahme von Rundfunkkommentaren und der Weiterverbreitung fremder Artikel und Abbildungen über ein und dieselbe Webseite kein Unterschied. Mit anderen Worten: Wenn Texte und Bilder über eine Webseite im Internet weiterverbreitet werden dürfen, muss bei identischer Sachlage konsequenterweise auch die (heute) technisch mögliche Übernahme von entsprechenden Audio- und Video-Inhalten zulässig sein. 379
Zur wechselseitigen Privilegierung von Print- und Rundfunkmedien siehe bereits oben: „Zweck von § 49 UrhG“, S. 198 ff. 380 Siehe hierzu oben: „Wortlaut als Subsumtionshindernis“, S. 196 f.
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Für eine Gleichbehandlung der Medieninhalte spricht ferner, dass es zwischenzeitlich bereits üblich ist, dass auch die privilegierten Online-Ausgaben traditioneller Printmedien über Audio- und/oder Video-Angebote verfügen, wodurch diese immer mehr zu „Multimedia-Zeitungen“ werden. Die hier angesprochenen audio-visuell geprägten Webseiten lassen sich daher auch als „multimediale Informationsblätter“ begreifen. An diesem Beispiel zeigt sich erneut, dass die aktuelle gesetzliche Differenzierung zwischen Print- und Rundfunkmedien aufgrund der zunehmenden Konvergenz der Informationsmedien immer weniger Sinn ergibt. Das gilt in besonderem Maße für das Web 2.0. Es erscheint insgesamt fragwürdig, Produkte und Dienstleistungen, die rechtlich aufgrund ihrer bisherigen technischen Verschiedenheiten und wirtschaftlichen Auswirkungen unterschiedlich geregelt sind, trotz zunehmender gegenseitiger Annäherung, auch weiterhin unterschiedlich zu behandeln.381 Eine Beibehaltung bestehender gesetzlicher Differenzierungen, die angesichts nicht konvergierender analoger Produkte und Dienstleistungen im Gesetz getroffen worden sind, ist daher abzulehnen.382 Die Konvergenz auf technischer Ebene muss vielmehr zu einer Konvergenz auch der Modelle zur Regelung der konvergierenden Inhalte bzw. ihrer Distributionskanäle führen.383 Bei sachgerechter, an Sinn und Zweck des § 49 Abs. 1 UrhG ausgerichteter Interpretation der Vorschrift stellt sich die Weiterverbreitung fremder „Rundfunkkommentare“ über eine Webseite mit themenspezifischen Podcasts oder Video-Blogs somit als ebenso privilegiertes Verwertungsanliegen dar, wie die Übernahme von entsprechenden Artikeln und mit ihnen in Zusammenhang veröffentlichter Abbildungen. Voraussetzung hierfür ist jedoch stets, dass die jeweilige Webseite als tragendes Medium insgesamt die oben genannten Privilegierungsvoraussetzungen erfüllt. Aufgrund der Form der Weiterverbreitung durch separate Bereitstellung der einzelnen übernommenen Fremdbeiträge über eine Webseite ist darüber hinaus auch bei den von § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG erfassten Kommentaren die Unterscheidung zwischen nutzereigenen Webseiten und fremden, kollektiv genutzten Internetplattformen zu beachten. Denn eine zentralisierende Bereitstellung entlehnter Rundfunkkommentare über eine einheitliche UGC-Plattform erscheint aus den oben genannten Gründen hier ebenso wenig privilegierungswürdig wie bei Artikeln und Abbildungen. Insofern beschränkt sich die zulässige Weiterverbreitung öffentlich wiedergegebener Kommentare in Form von separat abrufbaren Einzeldateien auch bei Webseiten mit entsprechenden – die behandelten Tagesfragen aufbereitenden – nutzergenerierten Audio- und Video-Beiträgen auf einzelne Internetpräsenzen, die von prosumierenden Nutzern zu nicht kommerziellen Zwecken betrieben werden.
381
So auch Dreier, Konvergenz und das Unbehagen im Urheberrecht, S. 78 f. Vgl. Dreier, Konvergenz und das Unbehagen im Urheberrecht, S. 88. 383 Vgl. Dreier, Konvergenz und das Unbehagen im Urheberrecht, S. 78 f. 382
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
c) Podcasts und Video-Blogs Neben der unveränderten Weiterverbreitung fremder Medieninhalte durch deren separate Bereitstellung über eine Webseite – über welche die Beiträge einzeln wiedergegeben bzw. abgerufen werden können – ist bei nutzergenerierten Audio- und Video-Beiträgen zusätzlich noch eine weitere Verwendungsform denkbar. Aufgrund der medientechnischen Besonderheiten bei audio-visuellen Kommunikationsinhalten – namentlich ihrer Multimedialität – kommt bei diesen nämlich auch eine Integration der entlehnten Medieninhalte (z. B. durch Verlesen oder Abfilmen von Artikeln und Abbildungen oder die Übernahme gesendeter Rundfunkkommentare in Podcasts oder Video-Blogs selbst) in Betracht. aa) Eigenständig privilegierungsfähige Sekundärmedien Im Gegensatz zu nutzergenerierten Text- und Bild-Beiträgen, deren Bereitstellung nur in Verbindung mit einer als Trägermedium fungierenden Webseite für eine Privilegierung in Frage kommt, stellen Podcasts und Video-Blogs – ähnlich einzelner Radio- und Fernsehsendungen – auch selbst eigenständig privilegierungsfähige Sekundärmedien dar. Letztere können von den Nutzern nämlich auch ohne eigens hierfür geschaffene Webseiten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Weit verbreitet ist insbesondere die Veröffentlichung mittels eines RSS-Feeds, dessen Abonnement mit einem Podcatcher einen Webseitenbesuch zur Rezeption der nutzergenerierten Inhalte überflüssig macht.384 Zur Feststellung der gesetzlichen Privilegierungsvoraussetzungen nach § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG kann im Falle von Podcasts und Video-Blogs daher nicht nur auf die zu ihrer Bereitstellung etwaig genutzten Webseiten, sondern auch unabhängig von diesen unmittelbar auf die einzelnen Nutzerbeiträge bzw. deren Inhalt abgestellt werden. Wie bereits angedeutet, stellt sich bei audio-visuellen Medieninhalten jedoch das Problem, dass sich diese selbst weder unter das Tatbestandsmerkmal der „Zeitung“ noch dem des „Informationsblattes“ i. S. v. § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG subsumieren lassen. Das bedeutet, dass Produzenten von Podcasts und Video-Blogs – ebenso wie Rundfunksender – zunächst nicht zum Kreis der von § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG zur Vervielfältigung Berechtigten gehören.385 Eine Privilegierung der für die öffentliche Zugänglichmachung der zu übernehmenden Fremdinhalte notwendigen vorbereitenden Vervielfältigungshandlungen kommt daher – ebenso wie im Vorfeld einer Sendung – nur durch einen Rückgriff auf § 55 UrhG in Betracht.386 384 Zu Begriff und Funktionsweise eines Podcatchers sowie den unterschiedlichen Distributionsmöglichkeiten für Podcasts und Vlogs siehe bereits oben: „Podcasts“, Kapitel 2, S. 37 f. sowie „Video-Blogs“, Kapitel 2, S. 39 f. 385 Insoweit zutreffend Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 49 Rn. 19 ff.; ebenso Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 375 f. 386 Wie bereits erörtert kommt insbesondere eine Privilegierung über § 44 a UrhG nicht in Betracht, da weder eine flüchtige noch eine rein begleitende Vervielfältigung i.S.v. § 44 a UrhG vorliegt; siehe näher hierzu oben: „Freigestellte Verwertungshandlungen“, S. 178 f.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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bb) Anwendbarkeit des § 55 Abs. 1 UrhG Gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 UrhG darf ein Sendeunternehmen, das zur Funksendung eines Werkes berechtigt ist, das Werk mit eigenen Mitteln auf Bild- oder Tonträger übertragen, um diese (ephemeren Aufnahmen) zur Funksendung zu benutzen. Fraglich ist allerdings, ob auch einzelne prosumierende Nutzer als Sendeunternehmen im Sinne der Vorschrift angesehen werden können. Der Begriff des „Sendeunternehmens“ ist im Gesetz nicht legaldefiniert. Er wird jedoch bereits dadurch näher bestimmt, dass § 87 UrhG die „Funksendung“ des Sendeunternehmens als Gegenstand des Schutzrechts bezeichnet und so auf § 20 UrhG (Senderecht) verweist. Sendeunternehmen i. S. d. § 87 UrhG ist danach jedes Unternehmen, das – unabhängig von der Organisationsform – mit Hilfe von Funk i. S. d. § 20 UrhG (d. h. durch „Ton- und Fernsehfunk, Satellitenfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel“) Funksendungen veranstaltet, die zum unmittelbaren gleichzeitigen Empfang durch die Öffentlichkeit bestimmt sind.387 Auch § 55 UrhG nimmt eindeutig und abschließend auf die Funksendung Bezug: Die nach § 55 Abs. 1 UrhG erlaubtermaßen hergestellten ephemeren Aufnahmen dürfen nur „zur Funksendung“ benutzt werden. Entsprechend der Definition in § 20 UrhG fallen hierunter zwar grundsätzlich auch Kabel- und Satellitensendungen, nach h. M. jedoch keine Online-Angebote.388 Wie im Rahmen der betroffenen Urheber- und Leistungsschutzrechte389 bereits erörtert wurde, sind Audio- und Video-Podcasts nicht als Sendungen i. S. v. § 20 UrhG, sondern als klassische On-Demand-Angebote zu qualifizieren. Prosumierende Internetnutzer sind daher – selbst wenn sie ein eigenes Programm produzieren bzw. zusammenstellen – keine Sendeunternehmen i. S. d. genannten Vorschriften. Eine direkte Anwendung des § 55 UrhG zur Privilegierung der für die Bereitstellung im Internet notwendigen vorbereitenden Vervielfältigungshandlungen scheidet somit aus. Möglicherweise lässt sich der Anwendungsbereich des § 55 Abs. 1 S. 1 UrhG jedoch im Wege der Gesetzesanalogie auch auf solche Programmveranstalter ausdehnen, die ihr Programm in Form eines On-Demand-Angebotes öffentlich zugänglich machen.390 Für einen solchen Analogieschluss wäre jedoch erforderlich, dass das UrhG an dieser Stelle eine planwidrige Regelungslücke enthält. Denn „Analogie“ bezeichnet die Anwendung einer Rechtsnorm mit anderen Tatbestandsvoraussetzungen auf einen ähnlichen, ungeregelten Sachverhalt.391 Dass § 55 Abs. 1 UrhG eine teleologische Lücke enthält, weil die Gesetzgebung „vergessen“ hat, dass auch Online-Anbieter ein Interesse daran haben, hinsichtlich der technisch notwendigen 387
Vgl. Schricker/v. Ungern-Sternberg, § 87 Rn. 12. Vgl. etwa Schricker/Melichar, § 55 Rn. 6; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 55 Rn. 4; Dreier in: Schricker, Urheberrecht auf dem Weg zur Informationsgesellschaft, S. 168; Möhring/Nicolini/Gass, § 55 Rn. 30. 389 Siehe hierzu oben: „Aufnahmerecht i.S.d. §§ 77, 87 UrhG“, Kapitel 5, S. 124 ff. 390 Zur grundsätzlichen Analogiefähigkeit urheberrechtlicher Schrankenbestimmungen siehe oben: „Auslegung und Anwendung der Schrankenbestimmungen“, S. 168 ff. 391 Vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 889. 388
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Vervielfältigungshandlungen für die ihnen aus einem anderen Rechtsgrund gestattete öffentliche Wiedergabe der Fremdinhalte in den Genuss einer Privilegierung zu kommen, oder das Bedürfnis der Sendeunternehmen „übersehen“ hat, die gesendeten Werke zusätzlichen im Internet zum Abruf bereitzuhalten, erscheint indes zweifelhaft. Sinn und Zweck der Schranke ist es nämlich nur, Sendeunternehmen in die Lage zu versetzen, ihren Sendebetrieb nicht nur live, sondern auch zeitlich versetzt durch zuvor angefertigte Bild- und Tonträger durchführen zu können.392 Der Gesetzgeber hielt den urheberrechtsfreien Einsatz von im Voraus produzierten Sendekonserven zur Gewährleistung einer reibungslosen Sendeabfolge, insbesondere im 24-Stunden-Betrieb für geboten. Da derartige Vervielfältigungen nicht zu einer gesonderten Verwertung bestimmt seien, sondern als technische Hilfsmittel lediglich eine berechtigte Sendung erleichterten, schien ihm eine Unterwerfung unter das urheberrechtliche Verbotsrecht nicht gerechtfertigt.393 Insofern wurde das Privileg zur Anfertigung der aufgrund ihrer vorübergehenden Funktion auch als „ephemer“ bezeichneten Vervielfältigungen lediglich zur Realisierung eines störungsfreien Sendebetriebs aus technischen bzw. sendeorganisatorischen Gründen eingeführt.394 Die Hilfsschranke des § 55 Abs. 1 UrhG legalisiert somit nur die technisch notwendigen Vervielfältigungsexemplare, die allesamt ein und derselben Verwertungsform – nämlich der (flüchtigen) Funksendung – dienen. Eine Online-Nutzung bedarf hingegen einer – für die gesamte Zeit der öffentlichen Zugänglichkeit – dauerhaften Speicherung395 der übernommenen Werke.396 Eine entsprechende Privilegierung über § 55 Abs. 1 UrhG hätte damit nicht mehr nur die Gestattung vorübergehender Vervielfältigungen zur Folge. Es kann daher nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass sich der Privilegierungswille des Gesetzgebers auch auf diese Verwertungsform bezogen hätte. Eine Gesamtbetrachtung der im Zusammenhang mit der Normierung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19 a UrhG begleitend eingeführten Vorschriften spricht hier sogar eher gegen eine Gesetzeslücke. Denn mit § 44 a UrhG hat der Gesetzgeber bereits einen neuen Schrankentatbestand eingeführt, der die notwendigen Vervielfältigungen unter anderem auch für rechtmäßige Nutzungen in begrenztem Maße zulässt und hat damit dem Interessenausgleich zwischen Urhebern und Nutzern aus seiner Sicht angemessen Rechnung getragen.397 Ferner zeigt das Beispiel des neu hinzugefügten
392
Vgl. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 74 f. Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 373. 394 Vgl. Dreier/Schulze, § 55 Rn. 1; Schricker/Melichar, § 55 Rn. 1; Möhring/Nicolini/Gass, § 55 Rn. 1. 395 Die zu Sendezwecken hergestellten Werkkopien sind zwar regelmäßig auch von einer gewissen Dauer; der entscheidende Unterschied liegt jedoch in der Dauer der Nutzungsmöglichkeit des jeweiligen Vervielfältigungsstücks durch die Öffentlichkeit. Diese ist bei der öffentlichen Zugänglichmachung um ein Vielfaches höher, als bei der einmaligen flüchtigen Rundfunksendung. 396 Ebenso Dreier in: Schricker, Urheberrecht auf dem Weg zur Informationsgesellschaft, S. 168. 397 Im Ergebnis ebenso Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 375. 393
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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§ 52 a Abs. 3 UrhG,398 dass das Problem der vorbereitenden Vervielfältigungshandlung auch bei anderen Schrankenbestimmungen erkannt und diese – im Falle ihrer Privilegierungswürdigkeit – mit einer entsprechenden Formulierung für zulässig erklärt wurden. Im Umkehrschluss ist daher eher davon auszugehen, dass die Gesetzgebung zu dem vorgenannten Sachverhalt (bisher) bewusst geschwiegen hat, weil sie ihn nicht geregelt sehen wollte. Es handelt sich hier also mehr um ein „beredetes“ bzw. „qualifiziertes“ Schweigen und nicht um eine planwidrige Gesetzeslücke, die durch das Instrument der Gesetzesanalogie auszufüllen wäre. Folglich kommt auch eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 1 UrhG zur Privilegierung der zur Erzeugung und Bereitstellung von Podcasts und Video-Blogs erforderlichen Vervielfältigungshandlungen vorliegend nicht in Betracht. Da die Integration fremder Medieninhalte in nutzergenerierte Podcasts oder Video-Blogs bzw. deren öffentliche Zugänglichmachung somit aktuell nicht durch § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG gerechtfertigt werden kann, stellen diese de lege lata keine privilegierten Sekundärmedien im Sinne dieser Vorschrift dar. cc) Podcasts und Vlogs als privilegierungswürdige Medienformate Zwar sind nach hier vertretener Auffassung nutzergenerierte Audio- und VideoBeiträge in Form von Podcasts und Video-Blogs mit integrierten Fremdbeiträgen als ebenso privilegierungswürdige Medienformate i. S. v. § 49 Abs. 1 UrhG anzusehen wie herkömmliche Radio- und Fernsehsendungen traditioneller Medienorgane. Denn aus den oben genannten Gründen399 sind diese, insbesondere aufgrund der kontinuierlich zunehmenden Konvergenz der Informationsmedien, grundsätzlich in gleichem Maße dazu geeignet, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten. Gleichwohl muss die einfachgesetzliche Wertung des Gesetzgebers, im Bereich audio-visueller Medienformate de lege lata ausschließlich ephemere Vervielfältigungen (wie sie z. B. bei dem von Internet-Radios verwendeten Simulcasting erfolgen) zu privilegieren, vom Rechtsanwender akzeptiert werden. Denn dieser ist bei der Lückenfeststellung und Lückenausfüllung generell an die Wertungen und Regelungsziele der Gesetzgebung gebunden.400 In der Entscheidung, eine Weiterverbreitung fremder Medieninhalte mittels nutzergenerierter Podcasts und Video-Blogs mangels Anwendbarkeit von § 55 UrhG vorliegend als unzulässig einzustufen, liegt auch kein Wertungswiderspruch zu der oben befürwortenden Einbeziehung (zusätzlicher) audio-visueller Online-Angebote betroffener Medienorgane in die von § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG erfasste Verwertungsbasis.401 Denn mit Blick auf die Auslegungs- bzw. Analogiefähigkeit vorliegender Schrankenbestimmung ist 398 § 52a UrhG regelt die öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung, dessen Absatz 3 folgenden Wortlaut besitzt: „Zulässig sind in den Fällen des Absatzes 1 auch die zur öffentlichen Zugänglichmachung erforderlichen Vervielfältigungen.“ 399 Hinsichtlich der grundsätzlichen Privilegierungswürdigkeit nutzergenerierter Medieninhalte siehe oben: „Privilegierungswürdigkeit“, S. 200 ff. 400 Vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 901. 401 Siehe hierzu oben: „Online-Medien“, S. 185 ff.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
es nach hier vertretener Auffassung ein erheblicher Unterschied, ob auf den Umfang der Verwertungsbasis – also diejenigen Medienformate, auf die der privilegierte Personenkreis zugreifen darf – oder den Kreis der vom Gesetz privilegierten Medien selbst abgestellt wird. Ist ein geschützter Medieninhalt nämlich erst einmal veröffentlicht worden, kann der von den betroffenen Quellmedien konkret verwendete Distributionskanal, über den der Nutzer letztlich an den Inhalt gelangt, keinen privilegierungsrelevanten Faktor mehr darstellen. Welches Medienformat bzw. welche Nutzergruppe jedoch letztlich berechtigt sein soll, die übernommenen Fremdinhalte weiterzuverbreiten und in welcher Form, ist hingegen eine Entscheidung, die aufgrund ihrer Tragweite im Hinblick auf Quantität und Qualität des hierdurch entstehenden „Konkurrenzangebots“ allein dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben muss. Es ist daher Sache des Gesetzgebers, hinsichtlich der privilegierten Medienformate korrigierend einzugreifen, um künftig auch einzelnen prosumierenden Internetnutzern die Ausübung ihrer verfassungsrechtlich garantierten allgemeinen Handlungs-, Informations- und Meinungsfreiheit durch eine freie, mit Dokumenten belegte geistige und politische Auseinandersetzung mit fremden urheberrechtlich geschützten Werken zu ermöglichen, die zu den unentbehrlichen Manifesten einer demokratisch organisierten Informationsgesellschaft gehört.402 5. Vergütungspflicht Gemäß § 49 Abs. 1 S. 2 UrhG ist für die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe der übernommenen Medieninhalte eine angemessene Vergütung zu zahlen, die der Rechteinhaber gegenüber dem privilegierten Nutzer nach § 49 Abs. 1 S. 3 UrhG allerdings nur über eine Verwertungsgesellschaft geltend machen kann.403 Selbst wenn die unterrichtende Verwendung fremder Medieninhalte zur Erstellung meinungsbildender nutzergenerierter Medienformate also im Einzelfall nicht unter das Verbotsrecht der jeweiligen Urheber und Rechteinhaber fällt, entbindet dies den prosumierenden Nutzer jedoch grundsätzlich nicht von seiner Verpflichtung, für die Nutzung der Fremdinhalte eine angemessene Vergütung zu zahlen. Der Zweck der Schranke, den Prozess der kollektiven Meinungsbildung über Massenkommunikationsmittel zu fördern, erfordert es nämlich nicht, dass die übernommenen Schutzgegenstände auch vergütungsfrei verwertet werden dürfen.404 Es ist vorlie402
So schon Löffler, NJW 1980, 201, 205; für eine technologieneutrale Umschreibung des von § 49 UrhG intendierten Verwertungsfreiraums siehe auch die Ausführungen nebst Regelungsvorschlag bei Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 213 ff. 403 Zuständig für die Verwaltung der gesetzlichen Vergütungsansprüche ist für Artikel die „VG WORT“ – Verwertungsgesellschaft WORT, München, erreichbar unter der URL: http://www.vgwort.de [07.08.2009] sowie für Abbildungen aller Art grundsätzlich die „VG BILD-KUNST“ – Verwertungsgesellschaft BILD-KUNST, Bonn, erreichbar unter der URL: http://www.bildkunst.de [07.08.2009]. 404 So auch Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 234.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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gend insbesondere kein gesteigertes öffentliches Interesse an einer vollkommenen Vergütungsfreiheit erkennbar, so dass der gesetzliche Vergütungsanspruch gemäß § 49 Abs. 1 S. 3 UrhG grundsätzlich auch im Bereich nutzergenerierter Medienformate gewährt werden sollte. Wie bereits im Rahmen der verfassungsrechtlichen Interessenabwägung angedeutet, erscheint bei der vorliegend diskutierten Massennutzung jedoch zweifelhaft, ob eine Einzelauswertung – wie sie insbesondere im Bereich der (elektronischen) Pressespiegel praktiziert wird405 – aus zeitlichen und organisatorischen Gründen überhaupt noch kostendeckend zu bewerkstelligen wäre. Eine vergleichbare Situation findet sich bspw. bei der Veranstaltung von Internetradio. Auch dort wäre es höchst unpraktikabel, jeden einzelnen, zumeist privaten Betreiber eines Internetradios – wie herkömmliche Sendeanstalten – dazu zu verpflichten, eine werkgenaue Auflistung der gesendeten Musiktitel zu Lizenzierungszwecken an die zuständige Verwertungsgesellschaft zu übermitteln. Deshalb hat die GEMA für diesen Bereich einen Pauschaltarif eingeführt, nach dem sich die Vergütung für die Nutzung des gesamten GEMA-Repertoires – ausgehend von einer Mindestvergütung – im Wesentlichen an der Reichweite des Angebotes, d. h. an der Anzahl der individuellen tatsächlichen Hörer pro Monat („unique user“) orientiert.406 Denkbar wäre daher, auch für nutzergenerierte Sekundärmedien eine ähnliche Pauschalabgabe einzuführen, mit der für die Dauer des Betriebs einer privilegierten UGC-Webseite eine Nutzung der von § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG erfassten Medieninhalte in Abhängigkeit von der Anzahl der Webseitenbesucher pauschal vergütet wird. 6. Pflicht zur Quellenangabe Sofern die Nutzer mit ihrem selbst erzeugten Medienformat im Einzelfall die Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG erfüllen, haben sie bei jeder zulässigen Verwendung fremder Medieninhalte die qualifizierte Quellenangabe gemäß § 63 Abs. 3 UrhG zu beachten. Danach sind nicht nur der Urheber zu benennen, sondern auch die Zeitung bzw. das „andere Informationsblatt“ oder das Sendeunternehmen, in dem der betreffende Artikel oder Kommentar zuerst wiedergegeben wurde.407 7. Ergebnis zu § 49 UrhG Die mit dem Massenphänomen des UGC verbundenen Verwertungsrechtseingriffe lassen sich mit der Schranke des § 49 UrhG nur in wenigen Fällen rechtfertigen. Zulässig sind nach § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG allenfalls solche Formen von UGC, denen eine unautorisierte Verwendung frei verfügbarer Massenmedieninhalte, insbesondere Rundfunkkommentare, Artikel oder mit ihnen in Zusammenhang veröffentlichter 405
Vgl. Dreier/Schulze, § 49 Rn. 21. Vgl. hierzu den GEMA-Tarif „S-VR/Hf-Pr (Tarif Radio/Webradio)“, abrufbar unter der URL: http://www.gema.de/index.php?eID=download_file&file = 22 [07.08.2009]. 407 Vgl. Schricker/Melichar, § 49 Rn. 23; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 49 Rn. 33. 406
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Abbildungen zu politischen, wirtschaftlichen und religiösen Tagesfragen zugrunde liegt. Dies jedoch auch nur dann, wenn es sich um eine unterrichtende Bereitstellung über einzelne nutzereigene Webseiten handelt, die eine ausreichende Anzahl von vom prosumierenden Nutzer eigenständig verfassten entnahmefähigen Stellungnahmen zu den mit den Fremdbeiträgen flankierten Tagesthemen bereithalten. Denn eine zur Aufrechterhaltung eines gerechten Interessenausgleichs zwischen der Informations- bzw. Medienfreiheit und dem Urheberrechtsschutz im Web 2.0 erfolgende erweiternde Auslegung des § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG erscheint – auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht – nur für solche nutzergenerierten Medienformate gerechtfertigt, die grundsätzlich dazu geeignet sind, einen eigenständigen Beitrag zum Prozess der kollektiven Meinungsbildung in der Bevölkerung zu leisten. Von Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung nicht gedeckt ist hingegen eine planmäßige oder systematische, insbesondere kommerzielle Zweitverwertung fremder redaktioneller Arbeit. Letzteres ist jedoch insbesondere im Bereich zentralisierender UGC-Plattformen denkbar. Deren Betrieb wird bei einer Gesamtbetrachtung ihres Inhaltsangebotes zumeist entweder gegen die erforderliche Bereitstellungspflicht ausreichend „eigenständig“ verfasster Nutzerbeiträge verstoßen, die durch die „Tagesaktualität“ vorgegebene zeitliche Nutzungsbeschränkung nicht einzuhalten vermögen oder aber wegen Missachtung der quantitativen Beschränkung der Weiterverbreitungsfreiheit auf nur „einzelne“ Medieninhalte urheberrechtlich unzulässig sein. Außerdem sind Internetplattformen für UGC – mit Ausnahme von gemeinnützig organisierten Kollaborationssystemen wie z. B. Wikipedia – zumeist gerade darauf ausgerichtet, mit der Bereitstellung nutzergenerierter (Fremd-)Inhalte direkte oder indirekte monetäre Erlöse zu erwirtschaften. Vom Anwendungsbereich des § 49 UrhG ebenfalls nicht erfasst wird ferner die Übernahme kultureller oder unterhaltender Medieninhalte, die in der Praxis der Erzeugung und Veröffentlichung von UGC jedoch eine ganz erhebliche Rolle spielen. Schließlich vermag die Vorschrift auch eine Weiterverbreitung fremder Medieninhalte innerhalb nutzergenerierter audio-visueller Medienformate (wie z. B. Podcasts oder Video-Blogs) – trotz ihrer etwaigen Privilegierungswürdigkeit – mangels Anwendbarkeit des § 55 UrhG zur Rechtfertigung der für die Bereitstellung erforderlichen Vervielfältigungshandlungen aktuell nicht zu erlauben. Um die Entrichtung der angemessenen Vergütung gemäß § 49 Abs. 1 S. 2 UrhG sicherzustellen, die den Urhebern für die privilegierte Verwendung fremder tagesaktueller Medieninhalte auf einzelnen Webseiten gegenüber deren Betreiber zusteht, empfiehlt sich die Aufstellung eines der Massennutzung adäquat Rechnung tragenden Pauschaltarifes durch die zuständigen Verwertungsgesellschaften.
IV. Berichterstattung über Tagesereignisse – § 50 UrhG Auch die Vorschrift des § 50 UrhG bietet ein nennenswertes Privilegierungspotential für die Erzeugung und Veröffentlichung von UGC. Die Schrankenregelung dient der Erleichterung einer anschaulichen Berichterstattung über aktuelle Ereignisse, indem
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sie die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe geschützter Werke, die im Verlauf von Tagesereignissen wahrnehmbar werden, ohne den Erwerb entsprechender Nutzungsrechte und ohne die Zahlung einer Vergütung für zulässig erklärt.408 Da die Vorschrift auch eine Berichterstattung „durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel“ erlaubt, sich ihr Anwendungsbereich also vor allem auch auf digitale Online-Medien erstreckt,409 stellt § 50 UrhG aus verwertungstechnischer Sicht eine durchaus taugliche Schranke für die Privilegierung nutzergenerierter Medieninhalte dar. Das Gesetz sieht hier – im Gegensatz zu den zuvor behandelten §§ 48, 49 UrhG – weder hinsichtlich der erfassten Schutzgegenstände410 noch der freigestellten Verwertungshandlungen publikationsspezifische Einschränkungen vor. Folglich könnten von der Schranke grundsätzlich nicht nur die für die Erzeugung von UGC unumgänglichen (vorbereitenden) Vervielfältigungshandlungen, sondern auch die obligatorische öffentliche Zugänglichmachung jeglicher urheberrechtlich geschützter Leistungsergebnisse gerechtfertigt werden. 1. Erfordernis der Berichterstattung Eine grundlegende Einschränkung erfährt die Anwendbarkeit der Vorschrift hier jedoch durch das Erfordernis der Berichterstattung. Eine Freistellung der vorgenanten Verwertungshandlungen kommt nämlich nur im Rahmen einer „Berichterstattung“, d. h. einer möglichst wirklichkeitsgetreuen, akustisch und/oder visuell wahrnehmbaren Wiedergabe oder sachlichen Schilderung einer tatsächlichen Begebenheit in Betracht.411 Abzugrenzen ist die sachliche Berichterstattung von Kommentaren und sonstigen Meinungsäußerungen des Autors. Im Hinblick auf das Interesse der Allgemeinheit an einer ungehinderten und schnellen Unterrichtung über aktuelle Tagesereignisse sowie die schwer vorzunehmende Trennung zwischen Berichterstattung und Kommentar sind grundsätzlich auch solche Darstellungen privilegiert, die Berichterstattung und Meinungsäußerung kombinieren, sofern die sachlichen Schilderungen den Schwerpunkt des Beitrages bilden.412 408
Vgl. Schricker/Vogel, § 50 Rn. 1 mit Hinweis auf AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 66 f. Vgl. AmtlBegr. zum „1. Korb“, BT-Drucks. 15/38, S. 19; s.a. Schricker/Vogel, § 50 Rn. 3; Dreier/Schulze, § 50 Rn. 5; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 50 Rn. 3. 410 Der Wortlaut des § 50 UrhG bezieht sich ganz allgemein auf „Werke“, womit sich der Ausnahmetatbestand auf alle Werkarten i.S.v. § 2 Abs. 1 UrhG bezieht. Aufgrund der einschlägigen gesetzesinternen Verweise schränkt § 50 UrhG darüber hinaus jedoch auch die Rechte betroffener Leistungsschutzberechtigter ein. So erklären die §§ 83, 85 Abs. 4, 87 Abs. 4, 94 Abs. 4 sowie § 95 über § 94 UrhG die Vorschriften des Abschnitts 6 des Teils 1 des UrhG („Schranken des Urheberrechts“) für sie als entsprechend anwendbar. Für Lichtbilder i.S.v. § 72 UrhG gelten die Schrankenregelungen bereits aufgrund des grundsätzlichen Verweises auf Lichtbildwerke in § 72 Abs. 1 UrhG. 411 Vgl. Schricker/Vogel, § 50 Rn. 9; dem folgend auch Dreier/Schulze, § 50 Rn. 3; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 50 Rn. 2. 412 Vgl. Wandtke/Bullinger/Lüft, § 50 Rn. 2 mit Hinweis auf Möhring/Nicolini/Engels, § 50 Rn. 5; ähnlich auch Schricker/Vogel, § 50 Rn. 9; Dreier/Schulze, § 50 Rn. 3. 409
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Vor diesem Hintergrund beschränkt sich das Privilegierungspotential des § 50 UrhG vorliegend bereits von vornherein auf all diejenigen Formen von UGC, die im weitesten Sinne dem sog. „Bürgerjournalismus“ oder „GraswurzelJournalismus“ zuzuordnen sind.413 Hierzu gehören insbesondere Nutzer-Artikel in Online-Bürgerzeitungen,414 nutzergenerierte Video-Beiträge auf UGC-Plattformen wie z. B. „Deutschlandreporter.de“415 oder plebsTV 416 sowie entsprechende Text-, Audio- oderVideo-Blogs, die prosumierende Nutzer über ihre eigenen Webseiten veröffentlichen. Wofür die Schranke des § 50 UrhG aufgrund ihres eindeutigen Wortlauts sowie ihrer Zweckbindung jedoch offensichtlich keine Rechtfertigungsgrundlage bietet, ist die kommentarlose Bereitstellung von (nahezu) vollständigen Aufführungs-, Veranstaltungs- oder Sendungsmitschnitten,417 wie sie z. B. über VideoPlattformen wie YouTube veröffentlicht werden oder gänzlich subjektive Dokumentationen, die nahezu ausschließlich die persönlichen Ansichten ihres Verfassers zu dem thematisierten Ereignis wiedergeben. Der Schwerpunkt nachfolgender Darstellung wird daher auf all diejenigen Nutzerinhalte gelegt, die typischerweise im Rahmen der Partizipation ihrer Erzeuger am Prozess der Recherche, des Berichtens, des Analysierens sowie des Verbreitens von Nachrichten und Informationen im Web 2.0 entstehen.
2. Gegenstand der privilegierten Berichterstattung Als privilegierten Berichterstattungsgegenstand nennt das Gesetz ausschließlich „Tagesereignisse“. Ein Tagesereignis i. S. v. § 50 UrhG ist eine aktuelle tatsächliche Begebenheit, die für die Öffentlichkeit von allgemeinem Interesse ist.418 Da die Vorschrift hinsichtlich des Wesens des Tagesereignisses keine Wertung enthält, kommen als Privilegierungsobjekt grundsätzlich tatsächliche Begebenheiten jeglicher Art in Betracht, unabhängig davon, ob sie den Bereichen Politik, Wirtschaft, Sport, Kunst oder Kultur angehören.419 Auch banale oder triviale Vorgänge können bei entsprechendem Publikumsinteresse ein Tagesereignis im vorstehenden Sinne darstellen.420 413
Eingehend zu den Auswirkungen von UGC auf den traditionellen Journalismus siehe Probst, User Generated Content im Journalismus. 414 Siehe näher hierzu oben: „Nutzer-Artikel“, Kapitel 2, S. 31 f. 415 Siehe näher hierzu oben Kapitel 3, Fn. 141. 416 Siehe näher hierzu oben Kapitel 3, Fn. 107. 417 Vgl. hierzu bereits OLG Frankfurt GRUR 1985, 380 ff. – Operneröffnung sowie zuletzt LG Köln, Urteil vom 13.5.2009, Az.: 28 O 811/08. 418 Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 50 Rn. 5; v. Gamm, UrhG, § 50 Rn. 3; Schricker/Vogel, § 50 Rn. 11; Möhring/Nicolini/Engels, § 50 Rn. 5; s.a. BGH GRUR 2002, 1050, 1051 – Zeitungsbericht als Tagesereignis. 419 Allg. Meinung, vgl. etwa Schricker/Vogel, § 50 Rn. 12; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 50 Rn. 4; BGH GRUR 2002, 1050, 1051 – Zeitungsbericht als Tagesereignis. 420 Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 50 Rn. 5; BGH GRUR 2002, 1050, 1051 – Zeitungsbericht als Tagesereignis.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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Insofern besteht für die Nutzer zumindest hinsichtlich der inhaltlichen Ausrichtung ihrer Medienbeiträge praktisch keine privilegierungsrelevante Einschränkung.
a) Interessierte Publikumsgröße als Privilegierungsmerkmal Nach h. M. in Literatur421 und Rechtsprechung422 muss der Berichterstattungsgegenstand jedoch für eine breite Öffentlichkeit von Interesse sein. Unter „Öffentlichkeit“ sei dabei die Allgemeinheit oder doch zumindest Teile von dieser zu verstehen, sofern es sich nicht lediglich um kleine Gruppen handle.423 Im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung des Internets zum Web 2.0, der zunehmenden Präsenz von UGC und die ihm typischerweise zugrunde liegende öffentliche Auseinandersetzung mit spezifischen, mitunter auch unpopulären Themen und regionalen Ereignissen stellt sich vorliegend die Frage, inwieweit dieses enge, vorwiegend auf Präsenz, Funktion und Nutzung traditioneller Massenmedien beruhende Verständnis der Schranke heute noch zeitgemäß ist. Denn angesichts der rasch fortschreitenden Diversifikation der heutigen Medienlandschaft in unzählige einzelne Spezialmedien und Spartenkanäle besteht heute – wie bereits im Zusammenhang mit § 49 UrhG erörtert424 – in der Gesellschaft und damit auch innerhalb der „Öffentlichkeit“ bereits ein stark ausgeprägtes Bedürfnis nach entsprechenden themenspezifischen und regionalen Informationsangeboten. Zu diesen zählt letztlich auch die Berichterstattung über „unpopuläre“, nur für begrenzte Adressatenkreise interessante Veranstaltungen oder Ereignisse, die für herkömmliche Massenmedien mangels hinreichender Rezipientenakzeptanz wirtschaftlich nicht rentabel wäre und somit von diesen nicht angeboten werden würde. Die Frage, was (überhaupt) als „berichtenswertes Tagesereignis“425 i. S. v. § 50 UrhG anzusehen ist, hängt zwar nicht von der Kapazität und der Reichweite der verfügbaren Medien, sondern stets vom persönlichen und gesellschaftlichen Umfeld der einzelnen Bevölkerungsmitglieder ab. Das Ausmaß des Bedürfnisses an einer entsprechenden Berichterstattung ist jedoch um ein Vielfaches höher, wenn die Rahmenbedingungen für ein nahezu allumfassendes Informationsangebot gegeben sind. Ist es über das Internet heute also grundsätzlich möglich, ohne nennenswerten organisatorischen oder finanziellen Aufwand auch informatorische Partikulärinteressen vereinzelter Bevölkerungsgruppen zu befriedigen, ist nach hier vertretener Auffassung kein vernünftiger Grund 421
Vgl. v. Gamm, UrhG, § 50 Rn. 3; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 50 Rn. 4; Möhring/Nicolini/Engels, § 50 Rn. 5; Dreier/Schulze, § 50 Rn. 4; Schricker/Vogel, § 50 Rn. 11; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 50 Rn. 5. 422 Vgl. BGH GRUR 1983, 25, 26 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe I; BGH GRUR 1983, 28, 29 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe II; OLG Frankfurt GRUR 1985, 380, 382 – Operneröffnung; BGH GRUR 2002, 1050, 1051 – Zeitungsbericht als Tagesereignis. 423 Vgl. Dreier/Schulze, § 50 Rn. 4. 424 Siehe hierzu oben: „Angemessenheit der Privilegierung“, S. 237 ff. 425 So zutreffend Schricker/Vogel, § 50 Rn. 1.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
ersichtlich, warum die urheberrechtliche „Berichterstattungsfreiheit“ des § 50 UrhG weiterhin auf die von herkömmlichen Massenmedien thematisierten, zumeist überregional interessierenden Ereignisse beschränkt werden sollte. Zur Aufrechterhaltung eines gerechten Interessenausgleichs in der Informationsgesellschaft erscheint es vielmehr angebracht, das in semantischer Hinsicht publikumsneutrale Merkmal des „Tagesereignisses“ nicht dahingehend auszulegen, dass hiervon ausschließlich massenmedientaugliche Ereignisse erfasst werden, sondern – jeweils in Abhängigkeit von der angesprochenen Zielgruppe des publizierenden Mediums – im Wege einer sachgerechten Interpretation auch unpopuläre „Randgruppenereignisse“ in den Anwendungsbereich der Vorschrift mit einbezogen werden.426
b) Wirklichkeitsgetreue Wiedergabe Zu beachten ist ferner, dass der Gegenstand der Berichterstattung stets das aktuelle Ereignis sein muss, und nicht das betroffene Werk oder die Leistung selbst, da nur solche Schutzgegenstände in die Berichterstattung einbezogen werden dürfen, die im Verlauf der Vorgänge, über die berichtet wird, wahrnehmbar werden.427 Denn nur dann, wenn das Werk nicht den eigentlichen Gegenstand der Berichterstattung bildet, ist es gerechtfertigt, den Berechtigten nicht an den Einnahmen aus der Berichterstattung zu beteiligen, weil diese nicht auf der Wiedergabe des Werkes beruhen.428 Das Werk selbst darf somit nicht ausschließlicher Gegenstand des Tagesereignisses sein, sondern lediglich anlässlich eines anderen Ereignisses unmittelbar in Erscheinung treten, ohne dabei jedoch bloßer Hintergrund und damit unwesentliches Beiwerk i. S. v. § 57 UrhG sein zu müssen.429 Es gilt das Prinzip der wirklichkeitsgetreuen Wiedergabe.430 Dies schließt nicht von vornherein aus, dass das Werk im Rahmen einer Berichterstattung selbständig und ohne einen das eigentliche Tagesereignis betreffenden bildlichen Bezug dargestellt wird, solange es nicht deren alleiniger Gegenstand ist.431 Soweit die Nutzer also eine unmittelbare Berichterstattung mittels einer originären Aufzeichnung432 der am Ort des Ereignisses wahrnehmbaren Werke und Leistungen vornehmen, stellt § 50 UrhG für die hierbei stattfindenden 426 Bezüglich einer etwaigen hierdurch entstehenden Gefahr einer unangemessenen Benachteiligung der Urheber und Rechteinhaber siehe sogleich unter: „Keine unangemessene Benachteiligung“, S. 264 f. 427 Vgl. Schricker/Vogel, § 50 Rn. 21; BGH GRUR 1983, 28, 30 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe II. 428 So wörtlich OLG Frankfurt GRUR 1985, 380, 382 – Operneröffnung; ebenso Möhring/ Nicolini/Engels, § 50 Rn. 3. 429 Vgl. BGH GRUR 1983, 25, ff. – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe I; BGH GRUR 1983, 28, 30 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe II; BGH GRUR 2002, 1050, 1051 – Zeitungsbericht als Tagesereignis. 430 Vgl. näher hierzu etwa Schricker/Vogel, § 50 Rn. 19 f. 431 Vgl. BGH GRUR 1983, 25 ff. – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe I. 432 Siehe hierzu oben: „Originäre Nutzeraufzeichnung“, Kapitel 4, S. 80 ff.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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Verwertungshandlungen ohne Weiteres eine potentielle Rechtfertigungsgrundlage dar. c) Virtuelle Ereignisse Fraglich ist jedoch, ob neben den von derAusnahme unproblematisch erfassten realen Geschehnissen in der Außenwelt auchvirtuelle Vorkommnisse ein Tagesereignis i. S. v. § 50 UrhG und damit einen privilegierten Berichterstattungsgegenstand darstellen. Im Hinblick auf die typischen Erzeugungsformen für UGC433 stellt sich hierbei vor allem die Frage, inwieweit die Vorschrift auch eine Übernahme von urheberrechtlich geschützten Werken und Leistungen aus fremden Medien, insbesondere solcher im Internet zu privilegieren vermag. Nach Auffassung des BGH kann – je nach Art und Weise der Berichterstattung – auch ein Zeitungsbericht oder eine Sendung über ein Ereignis selbst eine die Privilegierung des § 50 UrhG auslösende tatsächliche Begebenheit sein.434 Soweit eine fremde Berichterstattung – z. B. aufgrund ihres Sensationscharakters oder einem gesteigerten Publikumsinteresse an ihrem Inhalt – also selbst ein Tagesereignis i. S. v. § 50 UrhG darstellt, ist grundsätzlich auch eine Verwertung der durch sie wahrnehmbaren Werke und Leistungen im Rahmen einer diesbezüglichen Berichterstattung zulässig. Selbiges muss konsequenterweise auch für Online-Berichterstattungen gelten. Nachdem das Tatbestandsmerkmal des Tagesereignisses im Gesetz weder in inhaltlicher noch technischer Hinsicht eine Einschränkung erfahren hat und sich damit auf tatsächliche Begebenheiten jeglicher Art bezieht, ist vorliegend weiters davon auszugehen, dass die Vorschrift auch solche Ereignisse erfasst, die ausschließlich online, z. B. in einer virtuellen Realität im Internet stattfinden.435 Hierzu gehören bspw. aufsehenerregende eBay-Auktionen, besondere Vorkommnisse in einer „virtuellen Welt“,436 wie z. B. SecondLife, die Veröffentlichung außergewöhnlicher Nutzervideos bei YouTube oder die Bereitstellung neuartiger Produkt- oder KünstlerWebseiten. Vorstehend genannte Online- bzw. Internet-Ereignisse sind gerade für prosumierende Internetnutzer von gesteigertem Interesse, die im Rahmen einer nutzergenerierten Berichterstattung mittels ihres themenspezifischen Weblogs, Podcasts 433 Siehe eingehend hierzu oben: „Erzeugung wahrnehmbarer elektronischer Medieninhalte“, Kapitel 4, S. 75 ff. 434 Vgl. Schricker/Vogel, § 50 Rn. 12; BGH GRUR 2002, 1050, 1051 – Zeitungsbericht als Tagesereignis. 435 Vgl. hierzu OLG Köln GRUR-RR 2005, 105 f. – Elektronischer Fernsehprogrammführer, das zutreffend auch das aktuelle Fernsehprogramm oder einzelne Programmpunkte hieraus als (imaginäre) kulturelle Tagesereignisse i.S.v. § 50 UrhG angesehen und so die Wiedergabe eines Fotos aus einer bevorstehenden Sendung für erlaubnisfrei zulässig erachtet hat. 436 Mit dem Begriff „virtuelle Welt“ sind hier mittels Computer simulierte, dreidimensionale Räume gemeint, in denen der Benutzer den wiedergegebenen Bildausschnitt und insbesondere die Perspektive der Wiedergabe bestimmt. Dabei wird durch eine fortlaufende Anpassung der Bilder dem Benutzer der Eindruck vermittelt, dass er sich in dem künstlichen Raum befindet (vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 419).
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
oder Video-Blogs über entsprechende Neuigkeiten im Internet berichten. Die zu ihrer Herstellung erforderlichen Verwertungshandlungen, insbesondere die Vervielfältigung und erneute öffentliche Zugänglichmachung der betroffenen Werke und Leistungsaufzeichnungen können daher grundsätzlich auch dann von § 50 UrhG gedeckt sein, wenn letztere nur virtuell über eine Webseite im Internet zum Abruf bereitgehalten werden. Dem steht auch nicht das Erfordernis der unmittelbaren Wahrnehmbarkeit der Werke entgegen. Hiernach müssen die geschützten Werke nämlich im Verlauf der Vorgänge, über die berichtet wird, tatsächlich wahrnehmbar, d. h. hör- und/oder sichtbar gewesen sein. Dies ist jedoch auch bei einer Berichterstattung über ein Online-Ereignis der Fall. Denn alle in seinem unmittelbaren Umfeld durch die Öffentlichkeit – ggf. mittels Hyperlink – abrufbaren Text-, Bild-, Audiooder Video-Inhalte sind für die Internetnutzer tatsächlich wahrnehmbar und damit zugleich Teil des behandelten Online-Vorgangs. Der Besuch der entsprechenden Webseite bzw. der Abruf der jeweiligen Mediendateien und deren visuelle und/oder akustische Rezeption sind insoweit mit dem Besuch eines realen Veranstaltungsortes und dem Betrachten und/oder Anhören der dort wahrnehmbar gemachten Werke und Leistungen vergleichbar.437 d) Aktualität als relative Privilegierungsbeschränkung Zwingende Privilegierungsvoraussetzung ist jedoch auch hier, dass es sich bei dem Berichterstattungsgegenstand um ein aktuelles Ereignis handelt. Die Aktualität ist dabei nur so lange gegeben, wie der Verkehr die Berichterstattung noch als „Gegenwartsberichterstattung“ versteht.438 Bei der Beurteilung der Aktualität ist allerdings auch die Erscheinungsweise des privilegierten Mediums zu berücksichtigen.439 So muss ein monatlich erscheinendes Medium die Möglichkeit haben, auch noch über solche Ereignisse zu berichten, die sich kurz nach Redaktionsschluss der jeweils aktuellen Ausgabe ereignet haben, auch wenn diese im Zeitpunkt der Veröffentlichung dann möglicherweise schon über einen Monat zurückliegen.440 Bei einem täglich publizierenden Medium hingegen reduziert sich der zulässige Nutzungszeitraum entsprechend auf wenige Tage zwischen dem Zeitpunkt des Geschehens und der Berichterstattung.441 Bei Online-Medien ist ebenfalls eine relative Beurteilung der tatbestandlichen Aktualität angebracht, wobei die Schnelllebigkeit und die tendenziell höhere Aktualisierungsfrequenz bei Webseiten im Internet gebührend berücksichtigt werden muss. Gleichwohl erscheint es auch hier gerechtfertigt, Online-Medien mit wöchentlicher oder monatlicher Publikationspraxis, wie z. B. 437
Vgl. hierzu BGH GRUR 1983, 28, 30 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe II, der das Beschaffen, Aufschlagen und Betrachten eines bei einem Verlag neu erschienenen Kunstbandes dem Besuch und der Besichtigung einer entsprechenden Kunstausstellung gleichgestellt hat. 438 Vgl. Möhring/Nicolini/Engels, § 50 Rn. 5; dem folgend Wandtke/Bullinger/Lüft, § 50 Rn. 4. 439 Vgl. Wandtke/Bullinger/Lüft, § 50 Rn. 4. 440 Vgl. hierzu LG Hamburg GRUR 1989, 591 – Neonrevier. 441 Vgl. hierzu auch das Beispiel bei Wandtke/Bullinger/Lüft, § 50 Rn. 4.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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Weblogs, Podcasts oder Video-Blogs, im Falle ihrer Privilegierungswürdigkeit die Möglichkeit zu geben, über alle in ihre individuellen Produktionsintervalle fallenden Ereignisse berichten zu können. Ein längerer Nutzungszeitraum als ein Monat wird sich im Internet jedoch eher selten rechtfertigen lassen. Nach Ablauf des zulässigen Nutzungszeitraumes entsteht mit Blick auf die dauerhafte Verfügbarkeit einer Online-Berichterstattung – ebenso wie bei § 49 UrhG442 – eine Verpflichtung des privilegierten Nutzers zur aktiven Löschung aller nicht mehr aktuellen Beiträge, um eine dauerhafte kostenlose Verfügbarkeit der hierin enthaltenen fremden Werke und Leistungen zu verhindern.
3. Privilegierte Medien Der entscheidende Faktor für das Privilegierungspotential des § 50 UrhG hinsichtlich berichterstattendem UGC ist nun jedoch die Frage, ob auch nutzergenerierte Medienformate zu den gesetzlich privilegierten Medien gezählt werden können.
a) Wortlaut der Vorschrift Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob auch einzelne Internetnutzer von der gesetzlichen „Berichterstattungsschranke“ Gebrauch machen können, ist zunächst der Wortlaut der Vorschrift. Gemäß § 50 UrhG ist die Verwertung von Werken, die im Verlauf der Berichterstattung über Tagesereignisse wahrnehmbar werden, „durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel“ zulässig. Mit dieser Formulierung erlaubt das Gesetz pauschal die Berichterstattung mittels sämtlicher unkörperlicher Übertragungstechnologien, wie z. B. durch Hörfunk, Fernsehen oder Online-Abruf, unabhängig von der thematischen Ausrichtung der hierüber verbreiteten Inhalte. Demgegenüber ist die Verwertung mittels körperlicher Werkträger, wie Zeitungen, Zeitschriften und sonstiger Druckschriften oder Datenträger, auf solche Medien beschränkt, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen.443 Da sich die vorgenannte Einschränkung dem Wortlaut nach allerdings eindeutig nur auf körperliche Medien bezieht, kann § 50 UrhG für eine Verwertung von Werken in Online-Medien potentiell von jedermann in Anspruch genommen werden.444 Demnach wären vorliegend auch die von einzelnen prosumierenden Internetnutzern erzeugten Medienformate zu den gesetzlich privilegierten Online-Medien zu zählen.
442
Siehe hierzu auch oben: „Eingeschränkte Nutzungsdauer“, S. 231 f. Vgl. hierzu Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 50 Rn. 7: „Anders als bei der Berichterstattung in Druckschriften und sonstigen Datenträgern ist bei der Funk- und Filmberichterstattung nicht erforderlich, dass diese im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung trägt.“ 444 So auch Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 239; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 50 Rn. 3; a.A. Schricker/Vogel, § 50 Rn. 14. 443
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
b) Erforderlichkeit einer teleologischen Reduktion Fraglich ist jedoch, ob dieses Ergebnis auch mit Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung in Einklang steht. In der Literatur wird – entgegen des eindeutigen Wortlauts – teilweise die Auffassung vertreten, der Anwendungsbereich des § 50 UrhG sei dem Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechend und im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG im Wege einer teleologischen Reduktion insgesamt auf solche Medien zu beschränken, die im Wesentlichen auf die Berichterstattung über Tagesereignisse ausgerichtet sind, gleich auf welchem Wege und mit welchen technischen Mitteln die Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe erfolgt.445 Der Privilegierungszweck des § 50 UrhG erfordere es nämlich nur diejenigen Medien zu privilegieren, die als institutionalisierte Informationsanbieter dauerhaft am Markt auftreten und deshalb zur weitreichenden Unterrichtung über Tagesereignisse besonders geeignet seien. Schon im analogen Kontext habe der Gesetzgeber die grundsätzlich jedermann mögliche Berichterstattung im Wege der Verbreitung körperlicher Vervielfältigungen nur für Zeitungen und Zeitschriften freigegeben, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, weil nur diese Medienerzeugnisse das Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Unterrichtung über Tagesereignisse befriedigten. Demzufolge sei auch im Bereich der digitalen Online-Medien der Kreis der Privilegierten auf die für eine weitreichende Berichterstattung in besonderem Maße geeigneten Informationsanbieter zu begrenzen.446 Dieser Auffassung kann hier nicht beigetreten werden. aa) Zweck von § 50 UrhG Gegen eine einschränkende Auslegung des eindeutigen Wortlauts spricht hier zunächst der übergeordnete Zweck der Ausnahmeregelung. Dieser besteht nämlich nicht darin, einzelne Verwertungsgruppen, wie z. B. die periodische Presse oder Sendeunternehmen zu privilegieren, sondern ganz allgemein den Tätigkeitsbereich der medialen Berichterstattung über aktuelle Ereignisse von Verbots- und Vergütungsansprüchen betroffener Schutzrechtsinhaber freizuhalten. Denn die Sozialbindung des Urheberrechts dient nicht der Bevorzugung bestimmter Gewerbebetriebe, sondern steht prinzipiell im Dienste der Allgemeinheit.447 Die aus dem Eigentumsrecht des Urhebers fließenden Ausschließlichkeitsrechte dürfen hier nur so weit reichen, dass sie die Befriedigung des legitimen Interesses der Öffentlichkeit an einer anschaulichen Berichterstattung über aktuelle, gesellschaftlich relevante Ereignisse nicht vereiteln. Ebenso wie die Vorschriften der §§ 48, 49 UrhG findet auch die Ausnahmeregelung des § 50 UrhG ihre Rechtfertigung in der jedermann zustehenden Meinungs- und Pressefreiheit sowie im Interesse der Allgemeinheit an einer raschen, 445
Vgl. Schricker/Vogel, § 50 Rn. 14; dem folgend Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 112; s.a. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 239 f. 446 Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 239. 447 So auch vgl. Oekonomidis, Die Zitierfreiheit im Recht Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten, S. 70; siehe näher hierzu bereits die Ausführungen im Zusammenhang mit § 49 UrhG unter: „Privilegierungswürdigkeit“, S. 200 ff.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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sachgerechten und möglichst lebensnahen Information über berichtenswerte Tagesereignisse.448 Der Zweck der Schranke steht damit in engem Zusammenhang mit dem allgemeinen Auftrag der Medien, die informationellen Grundlagen für den kommunikativen Austausch im zwischenmenschlichen Bereich zu schaffen.449 Den zur Erfüllung dieser bedeutenden Funktion erforderlichen urheberrechtlichen Freiraum zu sichern, ist die zentrale Aufgabe des § 50 UrhG. bb) Ausmaß des Berichterstattungsfreiraums Aufgrund des verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses zwischen der Eigentumsgarantie einerseits und der Presse-, Informations-, und Meinungsfreiheit andererseits wird das Ausmaß des einschränkenden „Berichterstattungsfreiraums“ im Ergebnis durch eine Abwägung der widerstreitenden Parteiinteressen bestimmt. Auf Seiten der Allgemeinheit ist dabei hauptsächlich das Ausmaß ihres berechtigten Interesses nach aktueller Berichterstattung zu berücksichtigen. Dieses ist wiederum in nicht unerheblicher Weise von Anzahl, Kapazität, Reichweite und Nutzungsmöglichkeit der verfügbaren Informationsmedien abhängig. Denn es macht durchaus einen Unterschied, ob der Allgemeinheit nur wenige Informationsmedien zur Verfügung stehen, die aufgrund ihrer eingeschränkten Kapazität ohnehin nur über einzelne, für den Großteil der Bevölkerung interessante Begebenheiten berichten können, oder ob aufgrund technischer Neuerungen plötzlich Rahmenbedingungen existieren, die auch eine Befriedigung informatorischer Partikulärinteressen kleinster Bevölkerungsgruppen ermöglichen. Wie bereits im Zusammenhang mit § 49 UrhG ausführlich erläutert wurde, hat die Weiterentwicklung des Internets zum Web 2.0, die Existenz von UGC und das hierdurch veränderte Mediennutzungsverhalten der Bevölkerung zu einem drastisch gesteigerten – von den traditionellen Medienorganen i. d. R. nicht zu befriedigendem – Allgemeininteresse an themenspezifischer, pluralistisch entstandener Information sowie dem korrespondierenden Interesse an einer eigenständigen Partizipation am öffentlichen Informations- und Kommunikationsprozess geführt.450 Die hiermit verbundene Erweiterung des Kreises der gesellschaftlich relevanten Informationsmedien hat damit zugleich progressiven Einfluss auf den von § 50 UrhG im Interesse der Allgemeinheit zu sichernden medialen Berichterstattungsfreiraum.451 Für eine Begrenzung der urheberrechtlichen Berichterstattungsfreiheit streitet auf Seiten der Urheber und Leistungsschutzberechtigten hingegen deren berechtigtes Interesse, dass eine erlaubnis- und vergütungsfreie Verwertung ihrer Leistungsergebnisse nur in solchen Medien gestattet wird, bei denen auch die Möglichkeit besteht, 448
Vgl. Schricker/Vogel, § 50 Rn. 1. Vgl. Fechner, Medienrecht, Rn. 28. 450 Siehe hierzu oben: „Wertender Interessenvergleich“, S. 242 ff. 451 Dies zeigt sich eindrucksvoll an der kürzlich vorgenommenen Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 50 UrhG auf digitale Online-Medien durch das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10.9.2003 (vgl. AmtlBegr. zum „1. Korb“, BT-Drucks. 15/38, S. 19). 449
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
dass sie von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Denn eine unmittelbare (Einzel-)Verwertung fremder Werke im eigentlichen Sinn ist durch § 50 UrhG nicht gedeckt.452 Insofern ist es nur konsequent, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Berichterstattung mittels körperlicher Werkexemplare – nach wie vor – die Beschränkung auf solche Medienerzeugnisse vorsieht, die „im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen“. Denn die Produktion und Verbreitung körperlicher Werkträger in einer zur potentiellen Unterrichtung der Öffentlichkeit erforderlichen Anzahl ist seit jeher ein aufwendiges und kostenintensives Vorhaben, das nicht von jedermann zu bewerkstelligen ist. Hieran hat sich auch durch die Verbreitung des Internets und dessen Weiterentwicklung zum Web 2.0 nichts geändert. Die für eine Privilegierung eines nutzergenerierten Informationsmediums relevante potentielle Reichweite ist im Printbereich daher unverändert geblieben. Hier beherrschen nach wie vor die traditionellen, im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragenden Massenmedien den gesellschaftlichen Informations- und Meinungsmarkt. Bei diesen kann nämlich davon ausgegangen werden, dass mit ihrem Erscheinen eine Zugriffs- und Rezeptionsmöglichkeit für eine repräsentative Anzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit gegeben ist. Selbiges gilt auch für digitale Offline-Medien, wie z. B. CDs, CDROMs, DVDs, USB-Sticks etc., da deren Distribution aufgrund ihrer Körperlichkeit denselben Aufwand erfordert wie ein herkömmliches Druckerzeugnis. In diesem Bereich ist daher auch in Zukunft keine unmittelbare mediale Partizipation einzelner Bevölkerungsmitglieder zu erwarten. Online hingegen herrscht heute hinsichtlich der Publikations- und Wahrnehmungsmöglichkeit für eine aktuelle Berichterstattung durch die Öffentlichkeit ein nahezu ausgeglichenes Chancenverhältnis. Insbesondere aufgrund der mittlerweile alltäglichen Nutzung von Internet-Suchmaschinen und der hierüber zu einzelnen themenrelevanten Stichwörtern auffindbaren nutzergenerierten Einzelbeiträge über Weblogs oder zentralisierende UGC-Plattformen, wie z. B. plebsTV 453 oder YouTube, haben nutzergenerierte Medienformate im Internet grundsätzlich die gleiche Chance, von der interessierten Öffentlichkeit rezipiert zu werden, wie ein vergleichbarer Beitrag eines herkömmlichen Medienunternehmens. Dies gilt vor allem dann, wenn die Bevölkerung sich über ein bestimmtes Tagesereignis im Internet informieren will und zu diesem Zweck gezielt nach (alternativen) Informationsquellen sucht. Dabei sind die von einzelnen Internetnutzern erzeugten und über einschlägige Internetplattformen bereitgestellten Medieninhalte mitunter sogar deutlich früher der Öffentlichkeit zugänglich, als dies über konventionelle Medienkanäle möglich wäre. Insofern spricht hier auch der Aspekt der schnellen Unterrichtung der Öffentlichkeit für eine Privilegierung entsprechender nutzergenerierter Medieninhalte. In Bezug auf thematisch speziellere, regional bezogene oder eher unpopuläre Tagesereignisse sind nutzergenerierte Medieninhalte ohnehin konkurrenzlos, da klassische Medien sowohl aus Kosten- als auch aus Kapazitätsgründen zumeist auf eine diesbezügliche Berichterstattung verzichten. Für die Menschen der jeweils betroffenen Interessengruppe oder des verwandten personellen oder regionalen Umfeldes kann 452 453
Vgl. v. Gamm, UrhG, § 50 Rn. 2. Siehe näher hierzu oben Kapitel 3, Fn. 107.
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es sich jedoch durchaus um ein berichtenswertes Tagesereignis handeln. Hier sind praktisch nur nutzergenerierte Medienformate in der Lage, das berechtigte Informationsinteresse der Bevölkerung an regionaler oder themenspezifischer bürgernaher Berichterstattung zu erfüllen. Die Allgemeinheit leistet mittels UGC (wie z. B. Weblogs, Podcasts oder VideoBlogs) demnach im Internet ebenfalls einen bedeutenden informationellen Beitrag für den kommunikativen Austausch im zwischenmenschlichen Bereich. Diese Funktion kam bislang jedoch typischerweise allein den traditionellen Medienorganen zu. Vor diesem Hintergrund erscheint es nunmehr angezeigt, eine urheberrechtliche Gleichbehandlung von (trägerlosen) nutzergenerierten Medienformaten und redaktionell gestalteten Massenmedien grundsätzlich zu befürworten, soweit sie im Einzelfall ebenfalls eine Berichterstattungsfunktion erfüllen. Darüber hinaus lässt sich die Privilegierungswürdigkeit nutzergenerierter Berichterstattungsbeiträge mit zahlreichen weiteren Argumenten begründen, die bereits oben im Zusammenhang mit § 49 UrhG angeführt wurden.454 Diese sollen hier nicht wiederholt werden. In diesem Zusammenhang sei insbesondere auf die Ausführungen zur veränderten Informationsgewinnung und Meinungsbildung der Bevölkerung im Web 2.0455 sowie die Argumentationslinien im Rahmen der verfassungsrechtlichen Interessenabwägung456 verwiesen. Nach hier vertretener Auffassung besteht daher im Ergebnis kein Grund, die durch § 50 UrhG gesicherte Berichterstattungsfreiheit hinsichtlich unkörperlicher Übertragungstechnologien – insbesondere im Online-Bereich – entgegen des eindeutigen Wortlauts ausschließlich auf institutionalisierte Informationsanbieter zu beschränken, die dauerhaft am Meinungsmarkt auftreten und periodisch über Tagesereignisse berichten. Denn ist es im Web 2.0 heute grundsätzlich jedermann möglich, auch nur über ein einziges berichtenswertes Tagesereignis einen wahrnehmbaren elektronischen Medienbeitrag zu erzeugen, der ab dem Zeitpunkt seiner Bereitstellung im Internet unmittelbar von der gesamten interessierten Öffentlichkeit wahrgenommen werden kann, muss mit Blick auf die Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG letztlich auch eine solche pluralistische Berichterstattungstätigkeit vom Freiraum des § 50 UrhG umfasst werden. Dies gilt umso mehr, wenn hiermit ein berechtigtes Informationsbedürfnis der Allgemeinheit befriedigt werden kann, das von den herkömmlichen Medien typischerweise nicht bedient wird. Die allgemeine kostenlose Nutzungsmöglichkeit sowie die potentiell unbeschränkte Kapazität und Reichweite des partizipativen Massenmediums Web 2.0 sprechen vorliegend eindeutig für eine wörtliche Interpretation der Vorschrift und somit gegen deren restriktive Handhabung im Wege einer teleologischen Reduktion. Eine restriktive Interpretation des § 50 UrhG wäre im Hinblick auf die in einer Informationsgesellschaft notwen-
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Vgl. hierzu die grundlegenden Argumentationslinien zur Weiterverbreitungsfreiheit bezüglich fremder Artikel und Rundfunkkommentare mittels nutzergenerierter Medieninhalte oben: „Privilegierungswürdigkeit“, S. 200 ff. sowie „Verfassungsmäßigkeit der Privilegierung“, S. 232 ff. 455 Siehe hierzu ausführlich oben: „Mediennutzung und Meinungsbildung im Web 2.0“, S. 205 ff. 456 Siehe hierzu ausführlich oben: „Verfassungsmäßigkeit der Privilegierung“, S. 232 ff.
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digen kommunikations- und informationstechnischen Freiräume überdies äußerst kontraproduktiv. cc) Keine unangemessene Benachteiligung Mit der vorgeschlagenen wortlautgetreuen Auslegung des § 50 UrhG im Falle der Berichterstattung in digitalen Online-Medien ist auch keine unangemessene Benachteiligung der betroffenen Urheber oder Leistungsschutzberechtigten bzw. der entsprechenden Rechteinhaber verbunden. Der um UGC erweiterte Anwendungsbereich der Vorschrift führt zwar im Ergebnis zu einer Freistellung zahlreicher unautorisierter Verwertungshandlungen prosumierender Internetnutzer und damit zu einer vermehrten Inanspruchnahme urheberrechtlich geschützter Werke und Leistungen. Zum einen sind die betroffenen Schutzgegenstände im Falle einer privilegierten nutzergenerierten Berichterstattung jedoch ebenso wenig alleiniger Gegenstand der Verwertung wie im Rahmen einer traditionellen Berichterstattung. In beiden Fällen sind sie nämlich stets nur illustratives Beiwerk. Schließlich bleibt es häufig dem Zufall überlassen, ob geschützte Werke oder Leistungen ausübender Künstler (§§ 73, 83 UrhG), Fotografen (§ 72 Abs. 1 UrhG), und/oder wirtschaftlicher Unternehmen wie Veranstalter (§ 81 UrhG), Tonträgerhersteller (§ 85 UrhG), Sendeunternehmen (§ 87 UrhG) oder Filmproduzenten (§§ 94, 95 UrhG) während der Aufzeichnung eines berichtenswerten Tagesereignisses in Erscheinung treten.457 Zum anderen gereicht eine zeitweilige Präsenz der im Rahmen der Berichterstattung übernommenen Werke und Leistungen in zahlreichen Online-Medienkanälen den jeweiligen Berechtigten sogar eher zum Vorteil, als ihnen hierdurch ein nennenswerter, geschweige denn ein messbarer Schaden entstünde.458 Denn die gesteigerte Rezeptionshäufigkeit der in der Berichterstattung enthaltenen Medieninhalte führt in jedem Fall zu einer erhöhten Aufmerksamkeit auf die einzelnen Schutzgegenstände, deren Urheber und Verwerter. Da dies letztlich auch das Ziel klassischer Marketingmaßnahmen ist, kann nutzergenerierten Medieninhalten im Ergebnis sogar ein gewisser kostenloser Werbeeffekt zugeschrieben werden. Nicht umsonst gehören in Zeiten des Web 2.0 die neuartigen UGC-Marketingmaßnahmen wie das Crowdsourcing und EngagementMarketing zu den beliebtesten Kundenbindungsaktivitäten diverser Produkthersteller und Dienstleistungsunternehmen.459 Das entscheide Argument ist vorliegend jedoch, dass aufgrund der Korrelation zwischen werkbezogener Nutzungsintensität und der gesellschaftlichen Bedeutung eines Tagesereignisses sowie des proportional zur Relevanz des Ereignisses 457
Vgl. Schricker/Vogel, § 50 Rn. 1. Vgl. hierzu auch BGH GRUR 1983, 25, 27 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe I: „Dadurch werden die Interessen des Urhebers in aller Regel nicht nennenswert beeinträchtigt, sondern eher gefördert. Die Vervielfältigung und Verbreitung eines Werkes in einer Tageszeitung wird nach der Lebenserfahrung das Interesse am Künstler und seinem Werk wecken bzw. verstärken und kommt daher letztlich auch dem Künstler zugute.“ Dem folgend auch Möhring/Nicolini/Engels, § 50 Rn. 4. 459 Siehe hierzu oben: „Crowdsourcing und Engagement-Marketing“, Kapitel 3, S. 69 f. 458
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wachsenden Rechtfertigungspotentials des § 50 UrhG im Bereich der OnlineBerichterstattung eine unangemessene Benachteiligung der Rechteinhaber praktisch von vornherein ausgeschlossen ist. Im Gegensatz zur Berichterstattung mittels körperlicher Medienerzeugnisse, bei der die Werkträger unabhängig vom Interesse der Bevölkerung am Gegenstand der Berichterstattung und deren tatsächlichen Rezeptionshäufigkeit in der zuvor festgelegten Anzahl vervielfältigt und verbreitet werden, ist die Nutzungsintensität der betroffenen Schutzgegenstände bei der OnlineBerichterstattung nämlich unmittelbar von der tatsächlichen Anzahl ihrer Abrufe abhängig, die wiederum direkt vom Bedeutungsgrad des ihr zugrunde liegenden Tagesereignisses beeinflusst wird. Anders ausgedrückt: Je größer die gesellschaftliche Bedeutung eines Tagesereignisses ist, desto größer ist die zu erwartende Anzahl und tatsächliche Abrufhäufigkeit der ihn behandelnden Berichterstattungen im Internet und damit auch die Nutzungsintensität der sie enthaltenden Werke und Leistungen. Diese Nutzungsintensivierung ist dann jedoch auch gerechtfertigt. Denn mit zunehmender gesellschaftlicher Bedeutung eines Tagesereignisses wächst zugleich auch das Bedürfnis der Allgemeinheit an einer entsprechend ausgeprägten Berichterstattung und mit ihm in gleichem Maße das Rechtfertigungspotential des § 50 UrhG. Beschränkt sich der interessierte Adressatenkreis einer (nutzergenerierten) Tagesberichterstattung hingegen auf eine kleine, thematisch oder regional geprägte Bevölkerungsgruppe, ist auch die diesbezügliche Produktionsund Rezeptionshäufigkeit entsprechend geringer. Die Anzahl öffentlich zugänglicher Online-Berichterstattungen sowie deren nachfragebedingte Abrufhäufigkeit verhält sich somit annähernd proportional zur gesellschaftlichen Relevanz der betreffenden Tagesereignisse. Im Falle einer sachlich privilegierten – gleich ob nutzergenerierten oder herkömmlichen – Online-Berichterstattung ist daher praktisch kein Fall denkbar, in dem die durch die vermehrte Produktions- und Abrufhäufigkeit erhöhte Nutzungsintensität der betroffenen Schutzgegenstände nicht von einem entsprechend akzentuierten Allgemeinwohlbelang gedeckt wäre. Folglich herrscht im Bereich der Online-Berichterstattung zwischen den Rechteinhabern und der Allgemeinheit hinsichtlich der Nutzungsintensität der im Rahmen einer Berichterstattung über ein Tagesereignis wahrnehmbaren Werke und Leistungen – bei Vorliegen der übrigen Privilegierungsvoraussetzungen – praktisch immer ein der gesellschaftlichen Relevanz des Ereignisses entsprechendes, ausgeglichenes Interessenverhältnis. c) Privilegierungsrelevanz der Bereitstellungsform Da die Schranke des § 50 UrhG die Berichterstattung mittels digitaler Online-Medien unabhängig vom konkret gewählten Medienformat privilegiert, ist an dieser Stelle eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Bereitstellungsvarianten für nutzergenerierte Medieninhalte,460 insbesondere zwischen nutzereigenen Webseiten und öffentlich zugänglichen UGC-Plattformen, nicht erforderlich. Dies gilt auch 460
Siehe ausführlich hierzu oben: „Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet“, Kapitel 4, S. 86 ff.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
mit Blick auf die eigenständigen urheberrechtlichen Verwertungshandlungen, die von den jeweiligen Plattformbetreibern (wie z. B. YouTube etc.) begangen werden, derer sich die Nutzer zur öffentlichen Zugänglichmachung ihrer Beiträge bedienen. Denn die gesetzliche Freistellung zur Ermöglichung einer ungehinderten medialen Berichterstattung wird nicht nur demjenigen gewährt, der den Bericht hergestellt hat bzw. hat herstellen lassen, sondern auch demjenigen, der sein Recht von ihm ableitet.461 Anderenfalls wäre die Privilegierung einer Berichterstattung letztlich von publikationstechnischen Parametern abhängig, was dem Sinn und Zweck der Vorschrift jedoch diametral entgegenliefe. Der konkreten Veröffentlichungs- bzw. Bereitstellungsform eines nutzergenerierten Berichterstattungsbeitrags kommt im Internet daher keine privilegierungsrelevante Bedeutung zu. 4. Umfang der privilegierten Berichterstattung Zur Wahrung eines gerechten Interessenausgleichs zwischen Urheberschutz und Informationsfreiheit ist die Nutzung einzelner im Verlauf von Tagesereignissen wahrnehmbar gewordener Werke stets nur in einem durch den Zweck der Berichterstattung gebotenen Umfang zulässig. Da § 50 UrhG nicht den vollen Werkgenuss gestatten, sondern lediglich eine informative Illustration der aktuellen Berichterstattung ermöglichen will,462 muss sich der Bericht regelmäßig auf eine ausschnittsweise Wiedergabe des betreffenden Ereignisses beschränken.463 Die Berichterstattung darf insbesondere keinen Ersatz für den unmittelbaren Werkgenuss bieten.464 Das Korrektiv der Zweckbindung der Berichterstattung schließt die Wiedergabe ganzer Werke, namentlich solcher geringen Umfangs, zwar nicht grundsätzlich aus, führt bei umfangreicheren Musik-, Film- und Sprachwerken jedoch zumeist nur zur zulässigen Nutzung kleinerer Ausschnitte.465 Nach Auffassung des LG Köln ist eine Verwertung nämlich nur dann als durch den von § 50 UrhG privilegierten Zweck anzusehen, wenn sich der Nutzer im Rahmen seiner Berichterstattung insoweit fremden Materials bedient, dass die Berichterstattung zugunsten des interessierten Publikums überhaupt zustande kommen kann. Nicht zulässig sei es hingegen, wenn ein Gesamtbeitrag zum weit überwiegenden oder doch erheblichen Teil aus Fremdmaterial bestehe bzw. wenn die Berichterstattung maßgeblich hiervon lebe. Letzteres sei dann anzunehmen, wenn bei objektiver Betrachtungsweise davon auszugehen sei, dass bei Hinwegdenken des im Hinblick auf den privilegierten Zweck zu viel übernommenen Materials der Beitrag nicht oder nicht in der gleichen Form hätte veröffentlicht werden können.466 Bei kurzen Werken und bei Werken der bildenden Kunst ist hingegen 461 Vgl. Möhring/Nicolini/Engels, § 50 Rn. 13 mit Hinweis auf BGHZ 37, 1, 12 f. – AKI; dem folgend Schricker/Vogel, § 50 Rn. 14. 462 Vgl. Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 109. 463 Vgl. Schricker/Vogel, § 50 Rn. 9. 464 Vgl. v. Gamm, UrhG, § 50 Rn. 6. 465 Vgl. Schricker/Vogel, § 50 Rn. 23. 466 Vgl. LG Köln, Urteil vom 13.5.2009, Az.: 28 O 811/08.
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grundsätzlich auch eine vollständige Wiedergabe zulässig.467 Nach Auffassung des BGH dürfen hierfür auch Archivaufnahmen verwendet werden, da der Wortlaut der Bestimmung die Wiedergabe der Werke schlechthin erlaube und es lediglich auf die konkrete Gestalt ankomme, in der die Werke anlässlich des Ereignisses in Erscheinung getreten sind.468 Treten bei dem Ereignis, über das berichtet wird, mehrere Werke in Erscheinung, so dürfen zwar mehrere Werke gezeigt werden, doch ist vom Nutzer stets eine zurückhaltende Auswahl zu treffen. Unzulässig ist jedenfalls eine Abbildung aus bloßen Layoutgründen.469 Im Zusammenhang mit UGC dient diese Einschränkung insbesondere vor einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Schranke zur Rechtfertigung einer öffentlichen Zugänglichmachung vollständiger oder nahezu vollständiger Konzert-, Theateroder sonstiger originär angefertigter Veranstaltungsmitschnitte, wie sie häufig von Nutzern aus dem Publikum über Video-Plattformen wie YouTube etc. veröffentlicht werden.470 Da es sich bei vorgenannten Publikumsaufzeichnungen regelmäßig um unveränderte, zumeist unkommentierte Aufführungsmitschnitte handelt, fallen diese jedoch – unabhängig von ihrer Dauer – bereits mangels des erforderlichen Berichterstattungscharakters nicht in den Anwendungsbereich des § 50 UrhG.471 Ein nutzergenerierter Medienbeitrag in Form eines aktuellen Blog-Eintrags, Podcasts oder Video-Blogs über eine öffentliche Veranstaltung (wie z. B. eine Ausstellungseröffnung, ein Popkonzert, Straßen-, Stadt- oder Dorffest o. Ä.), der den formalen Anforderungen an eine Berichterstattung i. S. v. § 50 UrhG genügt, kann nach hier vertretener Auffassung jedoch dann als zulässig zu bewerten sein, wenn und soweit hierfür – ebenso wie bei einer herkömmlichen massenmedialen Berichterstattung – Übernahmen nur in einem durch den Zweck des Nutzerberichts gebotenen Umfang vorgenommen wurden. Im Bereich nutzergenerierter Berichterstattung über virtuelleOnlineTagesereignisse läge bspw. die Übernahme und öffentliche Zugänglichmachung aller über eine berichtenswerte Webseite abrufbaren Lichtbilder, Musiktitel oder Videos ebenfalls nicht mehr im Rahmen des Berichterstattungszwecks. Die auszugsweise Wiedergabe eines beschreibenden Webseitentextes, die Verwendung eines Webseiten-Screenshots, einzelner aussagekräftiger Fotos und Grafiken oder einer vorhandenen Hintergrundmusik kann hingegen durchaus von der Ausnahmeregelung gedeckt sein, wenn und soweit dies für eine anschauliche Unterrichtung über das Online-Ereignis erforderlich ist. Die gleichen Grundsätze 467
Vgl. Dreier/Schulze, § 50 Rn. 8 mit Hinweis auf BGH GRUR 1983, 28, 29 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe II. 468 Vgl. BGH GRUR 1983, 25, 27 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe I; dem folgend Möhring/Nicolini/Engels, § 50 Rn. 14; ebenso Wandtke/Bullinger/Lüft, § 50 Rn. 6; Dreier/Schulze, § 50 Rn. 7; a.A. Schricker/Vogel, § 50 Rn. 19. 469 Vgl. Dreier/Schulze, § 50 Rn. 8; siehe näher hierzu Schricker/Vogel, § 50 Rn. 24. 470 Zur Unzulässigkeit einer vollständigen Übertragung öffentlicher Konzert- bzw. Opernaufführungen vgl. OLG Frankfurt GRUR 1985, 380 ff. – Operneröffnung sowie OGH GRUR Int. 1971, 41 ff. – Bad Ischler Operettenwochen. 471 Siehe hierzu bereits oben: „Erfordernis der Berichterstattung“, S. 254 f.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
wird man auch bezüglich berichtenswerter Tagesereignisse in virtuellen Welten im Internet, wie z. B. SecondLife, anzuwenden haben.472 Ähnlich verhält es sich schließlich mit der Berichterstattung über UGC selbst. Sofern die Veröffentlichung eines nutzergenerierten Medieninhalts im Einzelfall als Tagesereignis i. S. v. § 50 UrhG angesehen werden kann, ist auch dessen Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung einschließlich der hierin enthaltenen fremden Werke und Leistungen – unabhängig von der Rechtmäßigkeit deren Verwendung – zum Zwecke der Berichterstattung urheberrechtlich zulässig. Ist die Veröffentlichung des berichtenswerten Nutzerbeitrags über eine der bekannten UGC-Plattformen erfolgt, hat sich die Berichterstattung jedoch i. d. R. auf die Wiedergabe des konkret behandelten Nutzerbeitrags zu beschränken. Der zulässige Umfang der jeweiligen Übernahme ergibt sich dabei stets aus den Umständen des Einzelfalls, richtet sich jedoch auch hier danach, wie viel Fremdmaterial gezeigt werden muss, um dem avisierten Rezipientenkreis die Berichtenswürdigkeit des Ereignisses zu vermitteln. 5. Pflicht zur Quellenangabe Gemäß § 63 Abs. 2 S. 1 UrhG unterliegt der prosumierende Nutzer im Falle einer zulässigen öffentlichen Wiedergabe, d. h. einer privilegierten Bereitstellung, seiner Berichterstattung im Internet nur nach Maßgabe einer bestehenden Verkehrssitte dem Gebot der Quellenangabe hinsichtlich der enthaltenen Schutzgegenstände. Unter Verkehrssitte ist eine allgemeine Übung unter loyalen, den Belangen des Urhebers mit Verständnis gegenübertretenden, billig und gerecht denkenden Benutzern zu verstehen.473 Eine solche Übung stellt jedoch bereits im professionellen Bereich der Ton- und Bildberichterstattung eher die Ausnahme denn die Regel dar.474 Im Bereich von UGC existiert sie bisher – soweit ersichtlich – überhaupt nicht. Eine Quellenangabe ist bei berichterstattendem UGC daher nicht erforderlich. 6. Ergebnis zu § 50 UrhG Für alle Formen von UGC, die im weitesten Sinne dem sog. „Bürgerjournalismus“ oder „Graswurzel-Journalismus“ zuzuordnen sind, bietet die Vorschrift des § 50 Ur472 Problematisch erscheint dabei jedoch die fehlende Anwendbarkeit der gesetzlichen Schrankenbestimmungen der §§ 44 a ff. UrhG, sofern es sich bei Online-Computer-Rollenspielen, wie z.B. SecondLife, um Computerprogramme i.S.v. § 69 a UrhG handelt, da § 69 d UrhG eine abschließende Auflistung der Ausnahmen von den zustimmungsbedürftigen Handlungen der § 69 c UrhG enthält. Interessant wäre in diesem Zusammenhang eine Untersuchung, inwieweit eine multimediale Berichterstattung über ein Ereignis innerhalb eines kollektiv verwendeten Computerprogramms (überhaupt) eine Beeinträchtigung der zustimmungsbedürftigen Handlungen an Computerprogrammen nach § 69 c UrhG darstellt und wie ein etwaiger Interessenskonflikt zufrieden stellend gelöst werden könnte. Dies kann im Rahmen vorliegender Untersuchung jedoch nicht geleistet werden. 473 Vgl. Fromm/Nordemann/Vinck, § 63 Rn. 2; dem folgend Schricker/Dietz, § 63 Rn. 12. 474 Vgl. Schricker/Dietz, § 63 Rn. 12.
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hG grundsätzlich eine taugliche Rechtfertigungsgrundlage. Dies gilt unabhängig von der zur öffentlichen Zugänglichmachung gewählten Bereitstellungsform. Wie die vorstehendenAusführungen gezeigt haben, kann im Bereich digitaler Online-Medien grundsätzlich jedermann von der urheberrechtlichen Berichterstattungsschranke Gebrauch machen. Denn die Vorschrift hält ihrem eindeutigen Wortlaut zufolge den Bereich der medialen Berichterstattung über Tagesereignisse mittels unkörperlicher Übertragungstechnologien unabhängig von dem hierüber verbreiteten Medienformat, seiner thematischen Ausrichtung und seinem Erzeuger insgesamt frei. Eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs auf institutionalisierte Informationsanbieter ist nicht zuletzt mit Blick auf die in einer Informationsgesellschaft notwendigen Informations- und Kommunikationsfreiheiten heute mehr denn je abzulehnen. Die neuartigen, jedermann offen stehenden Publikationsmöglichkeiten im Web 2.0 sowie das veränderte Mediennutzungsverhalten der Bevölkerung sprechen vorliegend vielmehr für eine urheberrechtliche Gleichberechtigung von herkömmlichen Medienorganen und prosumierenden Bevölkerungsmitgliedern im Bereich der digitalen Online-Berichterstattung. Darüber hinaus erscheint es – entgegen der bislang h. M. – aufgrund der potentiell unbegrenzten Anzahl, Kapazität und Reichweite der verfügbaren Online-Medien im Internet sowie dem nicht unerheblichen informationellen Beitrag, den UGC für den kommunikativenAustausch im zwischenmenschlichen Bereich liefert, heute sogar angezeigt, eine Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs der Schranke im Wege einer sachgerechten Interpretation des technologie- und publikumsneutralen Tatbestandsmerkmals des „Tagesereignisses“ vorzunehmen. Hierdurch können nämlich auch solche Ereignisse von der Vorschrift erfasst werden, die ausschließlich online stattfinden und/oder nur für kleine Bevölkerungsgruppen von Interesse sind. Wie im Bereich herkömmlicher Berichterstattung auch, ist eine unveränderte, insbesondere kommentarlose Weiterverbreitung fremder Leistungsergebnisse aufgrund der Substitutionsgefahr hingegen ebenso unzulässig, wie eine sich nicht am Zweck der Berichterstattung orientierende, rein ausschmückende Verwendung der in Erscheinung getretenen Werke und Leistungen.
V. Zitate – § 51 UrhG Für eine Privilegierung von UGC kommt auch die in § 51 UrhG normierte urheberrechtliche Zitierfreiheit in Betracht. Gemäß § 51 S. 1 UrhG ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zwecke des Zitats zulässig, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Aufgrund dieser umfassenden und nicht zwischen den einzelnen Verwertungsrechten differenzierendenAnknüpfung an sämtliche für die digitalen Verwertungshandlungen maßgeblichen Rechte ist das Zitieren grundsätzlich auch im Rahmen digitaler Verwertungsformen zulässig.475 Da die Schranke darüber hinaus nicht nur die Rechte der Urheber an veröffentlichten Werken i. S. v. § 2 Abs. 1 475
Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 243.
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UrhG einschränkt, sondern aufgrund der gesetzlichen Verweise in den §§ 70 ff. UrhG auch die an (nur) leistungsschutzrechtlich geschützten Medieninhalten bestehenden verwandten Schutzrechte von dem Tatbestandsmerkmal des „veröffentlichten Werkes“ erfasst werden, kommt der Regelung im Zusammenhang mit UGC erhebliches Privilegierungspotential zu. Soweit die übrigen Voraussetzungen des § 51 S. 1 UrhG erfüllt sind, können die nutzerseitigen Verwertungsrechtseingriffe im Rahmen der Erstellung von UGC daher über das Zitierrecht grundsätzlich hinsichtlich aller an den verwendeten Medieninhalten bestehenden Urheber- und Leistungsschutzrechte gerechtfertigt werden.476
1. Privilegierte Leistungsergebnisse Fraglich ist jedoch, inwieweit die typischen nutzergenerierten Medienformate überhaupt zu den von § 51 UrhG privilegierten Leistungsergebnissen zu zählen sind. Denn nach h. M. in Literatur und Rechtsprechung ist die Zitierfreiheit nur auf selbständige, urheberrechtlich schutzfähige Werke anwendbar.477
a) Zitierfähige Werkgattungen Nach bisherigem Recht waren Zitate, die – wie im Regelfall – weder wissenschaftlichen Zwecken dienten noch Musikwerke betrafen, gemäß § 51 Nr. 2 UrhG a. F. nur unter der Voraussetzung zulässig, dass die Verwertung in einem selbständigen „Sprachwerk“ erfolgte.478 Da diese Beschränkung der zu einem Zitat fähigen
476 Dies muss angesichts des generalklauselartigen und nun verstärkt auf den „Zweck des Zitats“ abstellenden Gesetzeswortlauts zumindest für all diejenigen Leistungsschutzrechte gelten, die mit dem zitierten Werk unmittelbar und damit praktisch untrennbar verbunden sind. So erscheint es bspw. geboten und durchaus gerechtfertigt, sämtliche an Bild-, Ton- und Filmaufnahmen – in Form von handelsüblichen Ton- und Bildtonträgern – veröffentlichter Musik- und Filmwerke bestehenden Leistungsschutzrechte zur Ermöglichung deren Zitierens gemeinsam mit den Rechten der betroffenen Urheber einzuschränken (vgl. hierzu auch die Entscheidung BGH GRUR 1987, 362 ff. – Filmzitat, in der die Übernahme mehrerer – auch leistungsschutzrechtlich – geschützter Filmausschnitte in ein zitierendes Filmwerk insgesamt als zulässig erachtet wurde). Anders verhält es sich lediglich dann, wenn dem Zitierenden die Herstellung einer eigenen originären Aufzeichnung des zu zitierenden (Original-)Werkes im Einzelfall möglich ist und zugemutet werden kann, wie es z.B. bei berühmten Gemälden oder sonstigen öffentlich zugänglichen Kunstwerken der Fall sein kann (siehe zu dieser Problematik auch Schack, UrhR, Rn. 491; für eine Erstreckung der Zitierfreiheit auf Reproduktionsfotografien Stang, ZGE 2009, 167, 197 ff. m.w.N.). 477 So die h.M., vgl. etwa Wandtke/Bullinger/Lüft, § 51 Rn. 8; Dreier/Schulze, § 51 Rn. 6; Möhring/Nicolini/Waldenberger, § 51 Rn. 11; Fromm/Nordemann/Vinck, § 51 Rn. 3; v. Gamm, UrhG, § 51 Rn. 8; Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 132 sowie Schricker/Schricker, § 51 Rn. 20 m.w.N. aus Lit. und Rspr. 478 Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 53.
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Werkgattungen jedoch kaum geeignet war, den Bedürfnissen der Praxis hinreichend Rechnung zu tragen,479 wurden die aus der unflexiblen Grenzziehung des alten Rechts folgenden Privilegierungslücken mit der Neuformulierung der Zitierfreiheit als Generalklausel im Rahmen des zweiten Korbes geschlossen.480 Somit sind Film- und Fernsehzitate sowie Zitate in Multimediawerken nunmehr direkt zulässig, ohne dass hierfür auf eine analoge Anwendung der Regelung zurückgegriffen werden müsste.481 Angesichts des technologieneutralen Zwecks der Zitierfreiheit, der bekanntlich in dem schützenswerten Allgemeininteresse an „freier geistiger Auseinandersetzung“ mit fremdem Geistesgut sowie der „Begünstigung der kulturellen Entwicklung im weitesten Sinne“ besteht,482 ist vorliegend davon auszugehen, dass nun auch das Zitieren in Werken einer nicht in § 51 S. 2 UrhG (beispielhaft) genannten Werkgattung sowie in zusammengesetzten Werken zulässig ist.483 Da die geistige Auseinandersetzung mittels digitaler Werkformen – gerade über das Internet – immer stärker an Bedeutung gewinnt und der Zweck des Zitats unabhängig vom Format des zitierenden Werkes gleich bleibt,484 muss letztlich auch in nutzergenerierten Medienformaten, wie z. B. Weblogs, Foren, Wikis, Podcasts oder Video-Blogs in zulässiger Weise zitiert werden können.
b) Werkcharakter als Privilegierungsvoraussetzung Voraussetzung für eine Qualifizierung von UGC als „zitierberechtigtes“ Leistungsergebnis ist jedoch stets, dass dem Nutzerinhalt urheberrechtliche Schutzfähigkeit zukommt. Der Wortlaut des § 51 S. 1 UrhG enthält nun zwar nicht mehr ausdrücklich das Erfordernis der Aufnahme bzw. der Anführung des Zitats in einem selbständigen „Werk“; dieses findet sich nun nur noch in den Beispielen des § 51 S. 2 Nr. 1–3 UrhG. Da mit der Neufassung des § 51 UrhG als Generalklausel die Zitierfreiheit 479 Schon Löffler beklagte seinerzeit die allzu enge Regelung des Zitierrechts in § 51 UrhG, die mit dem Prinzip der Informationsfreiheit nicht vereinbar sei: „Sie erschwert die für eine demokratische Gesellschaft unentbehrliche Form einer freien, mit Dokumenten belegten geistigen und politischen Auseinandersetzung und Meinungsbildung.“ (vgl. Löffler, NJW 1980, 201, 205). 480 Im Rahmen der Änderungen durch das zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft ist die bisherige Struktur des § 51 UrhG in einen generalklauselartigen allgemeinen Teil (Satz 1) und einen solchen mit „Insbesondere-Beispielen“ (Satz 2) umgestellt worden. Damit wurde unter anderem auf die zwischenzeitlich ergangene ausweitende Rechtsprechung reagiert, die – ebenso wie die Literatur – die bisherige Formulierung zu Recht als zu eng und zu kasuistisch angesehen hat (vgl. Czychowski, GRUR 2008, 586, 588 f. sowie die AmtlBegr. zum „2. Korb“, BT-Drucks. 16/1828, S. 25). 481 Vgl. näher hierzu Wandtke/Bullinger/Lüft, § 51 Rn. 1; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 53; AmtlBegr. zum „2. Korb“, BT-Drucks. 16/1828, S. 25. 482 Vgl. Schricker/Schricker, § 51 Rn. 6 m.w.N. 483 Ähnlich auch Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 53. 484 Vgl. Koch, Die Auswirkungen der digitalen Informationstechnologien auf die Schranken des Urheberrechts, S. 49.
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jedoch nicht grundlegend erweitert werden sollte,485 muss davon ausgegangen werden, dass die vorgenannte Einschränkung auch (weiterhin) für § 51 S. 1 UrhG gilt.486 Wie bislang auch darf also nur in selbständigen Werken i. S. d. §§ 1, 2 Abs. 1 und 2 UrhG zitiert werden. Damit scheidet eine Inanspruchnahme der Zitierfreiheit für Leistungsergebnisse, die nur verwandten Leistungsschutz genießen, bereits von vornherein aus.487 Denn soweit in den §§ 70 ff. UrhG auf § 51 UrhG verwiesen wird, darf zwar aus den durch ein verwandtes Schutzrecht geschützten Leistungsergebnissen zitiert werden, insbesondere also auch aus nicht schöpferischen Filmen (Laufbildern), Fotos (Lichtbildern) oder Tonaufnahmen.488 Da die Zitierfreiheit jedoch in erster Linie das geistige Schaffen fördern soll, steht das Privileg nur denjenigen zu Gebote, die selbst eine persönliche geistige Schöpfung zustande bringen. Anderenfalls könnten fremde Werke und Leistungen allein durch das Hinzufügen trivialer Randbemerkungen, knapper Einleitungsworte oder sonstiger simpler „Garnierung“ erlaubnis- und vergütungsfrei verwertet werden, was jedoch nicht der Sinn des urheberrechtlichen Zitierrechts ist.489 Hieran hat sich auch durch die Einführung der Generalklausel im Rahmen des zweiten Korbes nichts geändert. Die Auffassung, dass der Gesetzgeber gleichwohl den Kreis der zum Zitat Berechtigten auf die Inhaber verwandter Schutzrechte oder sogar auf solche Personen ausdehnen wollte, deren Leistungen überhaupt keinen Sonderschutz genießen, findet im Gesetz keine Stütze.490 Schließlich sollte mit der Gesetzesänderung ausweislich der amtlichen Begründung nicht etwa der Umfang der Zitierfreiheit erweitert, sondern es sollten im Grunde nur die Konturen, die von der Rechtsprechung bisher auch schon gezogen wurden, deutlicher hervorgehoben werden.491 Eine Privilegierung von zitierendem UGC kommt folglich nur bei solchen Nutzerinhalten in Betracht, die als Werk der Literatur, Wissenschaft oder Kunst den Anforderungen an eine persönliche geistige Schöpfung gemäß § 2 Abs. 2 UrhG genügen. Da zur Beurteilung der Zulässigkeit eines Zitats stets das konkrete, den zitierten Fremdinhalt aufnehmende Werk herangezogen wird, ist hinsichtlich des erforderlichen Werkcharakters hier nicht auf die Schutzfähigkeit der zur Bereitstellung des nutzergenerierten Medienformats genutzten Webseite, sondern in aller Regel auf die Schöpfungshöhe des jeweils hierüber abrufbaren Text-, Bild-, Audiooder Video-Beitrags selbst abzustellen. In Abhängigkeit von den publikationstechnischen Besonderheiten der verschiedenen UGC-Formen ist dabei entweder nur das Leistungsergebnis des einzelnen prosumierenden Nutzers oder die Gesamtleistung 485
Vgl. AmtlBegr. zum „2. Korb“, BT-Drucks. 16/1828, S. 25. Ebenso Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 9; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 51 Rn. 8. 487 So die wohl h.M., vgl. Schricker/Schricker, § 51 Rn. 41; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 9; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 51 Rn. 18; Dreier/Schulze, § 51 Rn. 9; a.A. OLG München ZUM RD 1998, 124, 126. 488 Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 9. 489 Vgl. Schricker/Schricker, § 51 Rn. 20; ebenso Wandtke/Bullinger/Lüft, § 51 Rn. 8. 490 So Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 9. 491 Vgl. Czychowski, GRUR 2008, 586, 588 f.; ebenso Wandtke/Bullinger/Lüft, § 51 Rn. 1; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 2. 486
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aller kollaborierenden Nutzer zu beurteilen. So kommt es bei nutzergenerierten Web-Artikeln, Blogs und Foren-Einträgen für die Zulässigkeit eines hierin aufgenommenen Zitats stets nur auf die Schutzfähigkeit des einzelnen, vom zitierenden Nutzer bereitgestellten Text-Beitrags an. Bei einem Wiki-Zitat wird hingegen der gesamte, kollaborativ entstandene Beitrag zu bewerten sein. Denn während die zuerst genannten Beitragsformen allesamt abgeschlossene, eigenständig zu beurteilende Einzelleistungen darstellen, lässt sich aufgrund des neuartigen kollaborativen Publikationsprozesses im Rahmen eines Wikis die einzelne, auf die Erreichung des gemeinsamen Ziels gerichtete Nutzerleistung im Nachhinein praktisch nicht mehr isolieren und gesondert beurteilen. Außerdem erschiene es nicht gerechtfertigt, von jedem kollaborierenden Nutzer, der einen bestehenden Wiki-Artikel um ein geschütztes Zitat erweitert, zu verlangen, selbst einen Beitrag von Werkcharakter zu leisten, solange der Artikel – bei Addition aller einzelner Nutzerleistungen – insgesamt ein eigenständig schutzfähiges (Sprach-)Werk verkörpert. Aufgrund ihrer eigenständigen Privilegierungsfähigkeit ist bei Podcasts und Video-Blogs hingegen wieder allein auf den jeweiligen, das Zitat enthaltenden Einzelbeitrag (Episode) abzustellen. Auch hier spielt die Schutzfähigkeit der zur Veröffentlichung genutzten Webseite bzw. UGCPlattform keine privilegierungsrelevante Rolle. Für die Freistellung kommt es hier allein darauf an, ob der nutzergenerierte Medienbeitrag – bei Hinwegdenken der übernommenen Fremdinhalte – selbst die Anforderungen des § 2 Abs. 2 UrhG erfüllt. Soweit den vorgenannten Nutzerinhalten allerdings nur leistungsschutzrechtlicher Schutz zukommt, wie z. B. bei einfachen Fotos, Ton- oder Videoaufzeichnungen, scheidet eine Privilegierung nach § 51 UrhG aufgrund fehlenden Werkcharakters und mangels analoger Anwendbarkeit der Vorschrift auf Fotografen, Film- und Tonträgerhersteller i. S. d. §§ 72, 85, 94 UrhG bereits von vornherein aus. Das strenge Kriterium der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit stellt im Zusammenhang mit UGC eine Hürde dar, die von seinen Erzeugern in vielen Fällen nicht zu überwinden sein wird. Dies ist und bleibt jedoch stets eine Frage des Einzelfalls. c) Selbständigkeit des übernehmenden Werkes In engem Zusammenhang mit der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit des Nutzerbeitrags steht das zusätzliche Privilegierungserfordernis der Selbständigkeit des zitierenden Leistungsergebnisses. Der nutzergenerierte Medienbeitrag muss nämlich nicht nur eigenständig schutzfähig, sondern auch von dem zitierten Werk unabhängig sein. Hieran fehlt es bspw. dann, wenn der Nutzerinhalt lediglich eine Bearbeitung oder sonstige Umgestaltung (§ 23 UrhG) des zitierten Werkes darstellt.492 Außerdem bezieht sich das aus der „Selbständigkeit“ resultierende Erfordernis der Unabhängigkeit nicht nur auf das einzelne zitierte Werk, sondern auf alle in ihm enthaltenen Werke insgesamt.493 Die Selbständigkeit fehlt mithin auch dann, wenn einzelne 492
So schon v. Gamm, UrhG, § 51 Rn. 8; s.a. Schricker/Schricker, § 51 Rn. 21; dem folgend auch Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 133. 493 Vgl. Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 133.
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Zitate ohne besondere eigene Leistung zusammengestellt und wiedergegeben werden.494 Die urheberrechtliche Unabhängigkeit ist daher nur dann gegeben, wenn der Schwerpunkt der Schöpfung auf der eigenen geistigen Leistung des zitierenden Nutzers liegt.495 Dies bedeutet freilich nicht, dass ein Zitat nur dann zulässig ist, wenn es im Verhältnis zur eigenen Schöpfung des Zitierenden eine völlig untergeordnete Rolle spielt.496 Entscheidend ist vielmehr, ob die nutzereigene Leistung auch dann noch eine eigenständige individuelle Schöpfung darstellt, wenn man sich sämtliche übernommene Fremdinhalte wegdenkt.497 Ist dies nicht der Fall, so werden nur „unter dem Schein eines Zitats oder einer Mehrheit von Zitaten fremde Werke ohne wesentliche eigene Leistung wiedergegeben“.498 Auch diesem Kriterium kommt bei der Prüfung der Zulässigkeit von zitierendem UGC entscheidende Bedeutung zu. Denn wie im Rahmen der Darstellungen der urheberrechtsrelevanten Vorgänge gezeigt werden konnte, entsteht ein Großteil des verfügbaren UGC lediglich durch eine Übernahme, Veränderung und/oder Kombination fremder Werke und Leistungen bzw. deren Aufzeichnungen.499 Diese häufig aus intrinsischen oder soziologischen Motiven, z. B. „zum Zeitvertreib“ oder zur Selbstpräsentation spontan erstellten Medieninhalte mit überwiegend trivialem Inhalt werden i. d. R. keinen ausreichenden „selbständigen Gedankeninhalt“500 der prosumierenden Nutzer aufweisen. Sie sind vielmehr zumeist als (unfreie) Bearbeitungen bzw. sonstige Umgestaltungen der benutzen Fremdinhalte einzustufen und scheiden daher als zitierfähige Leistungsergebnisse regelmäßig aus. Anders verhält es sich jedoch mit all jenen Nutzerbeiträgen, die aus einer Verbindung nutzereigener und fremder Werke und Aufzeichnungen bestehen.501 Dieser Erzeugungsform – der die meisten der hier diskutierten nutzergenerierten Medienformate, wie Nutzer-Artikel, Blogs, Wiki-Beiträge, Podcasts oder Video-Blogs zuzuordnen sind – liegt deutlich häufiger eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den übernommenen Fremdinhalten zugrunde. Da die Quantität und Qualität der nutzereigenen Beitragsleistungen jedoch durchweg sehr unterschiedlich ausfällt, lässt sich vorliegend keine pauschale Aussage über die privilegierungsrelevante Selbständigkeit hinsichtlich der einzelnen UGC-Formen treffen. Auch hier kann nur im Einzelfall entschieden werden, ob der nutzereigene Leistungsbeitrag einen ausreichenden inneren Abstand zu 494
Vgl. Wandtke/Bullinger/Lüft, § 51 Rn. 8. Vgl. Schricker/Schricker, § 51 Rn. 22 m.w.N. 496 So aber Fromm/Nordemann/Vinck, § 51 Rn. 3; dagegen Schricker/Schricker, § 51 Rn. 22; dem folgend auch Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 134. 497 Vgl. BGH GRUR 1973, 217 – Handbuch moderner Zitate; BGH GRUR 1994, 802 f. – Museumskatalog. 498 So wörtlich Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, § 67 II 2 a. 499 Siehe hierzu oben: „Erzeugung wahrnehmbarer elektronischer Medieninhalte“, Kapitel 4, S. 75 ff. 500 Einen ausreichenden „selbständigen Gedankeninhalt“ des zitierenden Werkes fordert insb. BGH GRUR 1994, 800, 802 f. – Museumskatalog. 501 Siehe ausführlich hierzu oben: „Verbindung nutzereigener und fremder Werke und Aufzeichnungen“, Kapitel 4, S. 84 ff. 495
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den übernommenen Fremdinhalten wahrt und – nach Subtraktion sämtlicher „Zitate“ – für sich genommen (noch) ein existenzfähiges Werk verkörpert, das den Voraussetzungen der §§ 1, 2 Abs. 1 und 2 UrhG genügt. 2. Zitatzweck Eine Privilegierung von UGC gemäß § 51 UrhG kommt ferner nur dann in Betracht, wenn die zur Erzeugung der Nutzerinhalte vorgenommenen Übernahmen „zum Zwecke des Zitats“ erfolgt sind, d. h. wenn sich die Entlehnungen mit dem gesetzlichen Privilegierungszweck der Vorschrift in Einklang bringen lassen. a) Unterstützungsfunktion als zentraler Zitatzweck § 51 UrhG ermöglicht nur eine Verwertung zum Zwecke des Zitats. Unter einem Zitat versteht man die der freien geistigen Kommunikation oder Auseinandersetzung dienende erkennbare Aufnahme eines fremden Werkes oder Werkteiles in ein eigenes Werk in unveränderter oder veränderter Form.502 Eine konkrete Intention für eine zulässige Entlehnung nennt das UrhG nur im Beispiel des wissenschaftlichen Großzitats gemäß § 51 S. 2 Nr. 1 UrhG, wonach die Übernahme insbesondere „zur Erläuterung des Inhalts“ zulässig ist. In allen anderen Fällen kommen mangels einer gesetzlichen Bestimmung neben dem Erläuterungszweck aber auch andere Zwecke in Frage, wie z. B. der Zweck, eine Stimmung zu verdeutlichen oder der Zweck, dem Benutzer des zitierenden Werkes die Orientierung über das behandelte Thema zu erleichtern.503 Im Übrigen ist der Zitatzweck am Wesen des Zitats zu bestimmen.504 Da jedoch nicht jede erkennbare Verwendung fremder Werkteile ein zulässiges Zitat bilden kann, verlangt die h. M. in inhaltlicher Hinsicht stets die Herstellung einer inneren Verbindung zwischen dem aufgenommenen und dem aufnehmenden Werk.505 Hieran hat sich auch durch die Neufassung des Zitierrechts als Generalklausel nichts geändert. Die erforderliche inhaltliche Anknüpfung des zitierenden Werkes an das zitierte Werk kann negativ zur kritischen Auseinandersetzung, positiv zur Bestätigung der eigenen Auffassung oder neutral zur referierenden Darstellung erfolgen.506 Ein Zitat ist deshalb grundsätzlich nur dann zulässig, wenn es als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheint.507 Die Entlehnung anderer Schutzgegenstände muss zwar nicht ausschließlich im Rahmen des Zitatzwecks erfolgen, dieser muss jedoch gegenüber sonstigen Zwecken – 502
Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 14. Vgl. Möhring/Nicolini/Waldenberger, § 51 Rn. 5. 504 Schricker/Schricker, § 51 Rn. 14. 505 Vgl. etwa Wandtke/Bullinger/Lüft, § 51 Rn. 3; Dreier/Schulze, § 51 Rn. 4; Möhring/ Nicolini/Waldenberger, § 51 Rn. 5 sowie Schricker/Schricker, § 51 Rn. 16 m.w.N. 506 Vgl. Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 131 m.w.N. aus der Rspr. 507 Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 14. 503
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insbesondere dem Schmuckzweck – überwiegen, um insgesamt als zulässig angesehen werden zu können.508 Das bloße „Zur-Kenntnis-Bringen“ des Werkes um seiner selbst willen, das Einfügen oder Anhängen eines Werkes ohne innere Verbindung mit den eigenen Gedanken des Nutzers ist somit kein Zitat im Sinne des Gesetzes.509 Unzulässig ist es daher, fremde Schutzgegenstände nur zur „Ausschmückung“ in das zitierende Werk zu übernehmen, als „Blickfang“ ohne Belegfunktion zu verwenden oder mit „Zitaten“ eigene Ausführungen des Autors zu ersetzen.510 So ist bspw. die Übernahme komischer TV-Ausschnitte mit nur einigen erklärenden Hinweisen, die keine neue schöpferische Leistung darstellen und keine geistige Auseinandersetzung mit dem übernommenen Beitrag beinhalten, nicht durch § 51 S. 1 UrhG gedeckt.511 Im Ergebnis kommt es also entscheidend darauf an, ob das Zitat für die Vermittlung der nutzereigenen Aussage tatsächlich erforderlich ist oder vielmehr ein Illustrationszweck im Vordergrund steht.512 Soweit sich die Nutzer also mit ihrem UGC, z. B. in Form eines Blogs, WikiBeitrags oder Podcasts, eines ganz bestimmten Themas annehmen und zur Erläuterung des Inhalts ihrer sprachlichen Ausführungen bspw. fremde Texte, Abbildungen oder Tonaufnahmen integrieren, um „den im Worttext zum Ausdruck kommenden Gedankeninhalt aufzuhellen, zu veranschaulichen und damit dem Verständnis zu erschließen“,513 ist dies – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – ohne Weiteres vom Zweck der Vorschrift umfasst. Dies gilt vor allem dann, wenn sie mit ihrem Beitrag von ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG Gebrauch machen. Der übernommene Fremdinhalt als „Nebensache“ muss hierbei jedoch stets zum besseren Verständnis des Nutzerinhalts als „Hauptsache“ dienen, nicht umgekehrt der Nutzerbeitrag nur zur Erläuterung des Fremdinhalts.514 Insofern ist es nach § 51 UrhG nicht zulässig, fremde Medieninhalte nur deshalb zu übernehmen und ggf. mit kurzen Kommentaren oder Anmerkungen über eine Webseite zum Abruf bereitzustellen, um sie „überhaupt“ online verfügbar zu machen, sie mit anderen Nutzern „zu teilen“ oder sie schlicht als Ausdrucksmittel ihres Geschmacks, ihrer Weltanschauung oder aktuellen Gefühlslage einzusetzen. Der Zweck der Übernahme muss vielmehr stets mit dem Inhalt des schutzfähigen Nutzerbeitrags zusammenhängen. Das Zitat muss also als Hilfsmittel der eigenen Darstellung des prosumierenden Nutzers in Bezug genommen werden,515 womit ihm grundsätzlich nur eine unterstützende Funktion zukommt.
508 Vgl. Wandtke/Bullinger/Lüft, § 51 Rn. 5; Schricker/Bearbeiter, § 51 Rn. 17; Möhring/ Nicolini/Waldenberger, § 51 Rn. 5. 509 Vgl. BGH GRUR 1987, 362, 364 – Filmzitat; BGH GRUR 2008, 693, 696 – TV-Total. 510 Vgl. Wandtke/Bullinger/Lüft, § 51 Rn. 3 m.w.N.; s.a. LG Berlin GRUR 2000, 797 – Screenshots. 511 Vgl. hierzu BGH GRUR 2008, 693, 696 – TV-Total. 512 Vgl. Dreier/Schulze, § 51 Rn. 24. 513 Vgl. RGZ 130, 196, 199 f. – Codex aureus. 514 Vgl. hierzu Schricker/Schricker, § 51 Rn. 17. 515 Vgl. Möhring/Nicolini/Waldenberger, § 51 Rn. 5.
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b) Zitat als künstlerisches Gestaltungsmittel Im Hinblick auf die durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützte Kunstfreiheit kann es im Rahmen einer eigenständigen künstlerischen Gestaltung allerdings auch zulässig sein, urheberrechtlich geschützte Werke nicht nur zur Verdeutlichung übereinstimmender Meinungen, zum besseren Verständnis der eigenen Ausführungen oder zur Begründung oder Vertiefung des Dargelegten zu entlehnen.516 Die Übernahme von urheberrechtlich geschützten Werkteilen kann nach Auffassung des BVerfG auch ohne einen solchen Bezug zulässig sein, wenn die Zitate als solche Gegenstand und Gestaltungsmittel der eigenen künstlerischen Aussage des Zitierenden sind.517 Die künstlerische Verarbeitung fremder Werke sei nämlich nicht auf eine kritische Erörterung der darin enthaltenen Aussagen beschränkt, sondern könne sich in verschiedenen Formen vollziehen, die der Künstler nach seinen ästhetischen Vorstellungen auswähle. Die Zulässigkeit der Verwendung des fremden Werkes im Rahmen eines Kunstwerkes hänge daher nicht davon ab, ob der Künstler sich damit „auseinander setze“. Maßgeblich sei vielmehr allein, ob sich das Zitat funktional in die künstlerische Gestaltung und Intention des zitierenden Werkes einfüge und als integraler Bestandteil einer eigenständigen künstlerischen Aussage erscheine.518 An anderer Stelle hat das BVerfG bereits zutreffend festgestellt, dass ein Werk mit der Veröffentlichung bestimmungsgemäß in den gesellschaftlichen Raum trete und damit zu einem eigenständigen, das kulturelle und geistige Bild der Zeit mitbestimmenden Faktor werde. Mit der Zeit löse sich das Werk von der privatrechtlichen Verfügbarkeit und werde geistiges und kulturelles Allgemeingut.519 Dieser Umstand führe letztlich dazu, dass das Werk um so stärker als Anknüpfungspunkt für eine künstlerische Auseinandersetzung dienen könne, je mehr es seine gewünschte gesellschaftliche Rolle erfülle. Diese gesellschaftliche Einbindung der Kunst sei damit gleichzeitig Wirkungsvoraussetzung für sie und Ursache dafür, dass die Künstler in gewissem Maße Eingriffe in ihre Urheberrechte durch andere Künstler als Teil der sich mit dem Kunstwerk auseinandersetzenden Gesellschaft hinzunehmen hätten. Insofern mache es die Kunstfreiheit erforderlich, eine innere Verbindung der zitierten Stellen mit den Gedanken und Überlegungen des Zitierenden über die bloße Belegfunktion hinaus auch als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzuerkennen.520 Je stärker das zitierte Werk also eine gesellschaftliche Rolle erfüllt, um so eher ist ein von der Kunstfreiheit gedecktes Anliegen anzuerkennen, den fremden Autor als Person der Zeit- und Geistesgeschichte durch Zitate 516
Wandtke/Bullinger/Lüft, § 51 Rn. 4; Schricker/Schricker, § 51 Rn. 17; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 43. 517 Vgl. BVerfG GRUR 2001, 149, 152 – Germania III; zustimmend Schricker/Schricker, § 51 Rn. 17; Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 145; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 51 Rn. 4, Dreier/Schulze, § 51 Rn. 4; Fromm/Nordemann/Vinck, § 51 Rn. 4; siehe eingehend hierzu Kröger, Informationsfreiheit und Urheberrecht, S. 154 ff. 518 Vgl. BVerfG GRUR 2001, 149, 152 – Germania III. 519 Vgl. BVerfGE 79, 29, 42 – Vollzugsanstalten. 520 Vgl. BVerfG GRUR 2001, 149, 151 – Germania III.
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selbst „zu Wort kommen zu lassen“, um seine politische und moralische Haltung sowie die Intention und Wirkungsgeschichte seines Werkes zu kennzeichnen.521 Dem Interesse der Urheberrechtsinhaber vor Ausbeutung ihrer Werke ohne Genehmigung zu fremden kommerziellen Zwecken stehe das durch die Kunstfreiheit geschützte Interesse anderer Künstler gegenüber, ohne die Gefahr von Eingriffen finanzieller oder inhaltlicher Art in einen künstlerischen Dialog und Schaffungsprozess zu vorhandenen Werken treten zu können. Soweit der künstlerischen Entfaltungsfreiheit hierbei jedoch nur geringfügige Eingriffe in die Urheberrechte ohne Gefahr merklicher wirtschaftlicher Nachteile (z. B. Absatzrückgänge) gegenüberstünden, hätten die Verwertungsinteressen der Urheberrechtsinhaber im Vergleich zu den Nutzungsinteressen für eine künstlerische Auseinandersetzung zurückzutreten.522
c) User Generated Content als zweckkonformes Verwertungsergebnis Unabhängig von den zuvor genannten klassischen Verwertungssituationen, in denen die erläuternde Verwendung fremder Werke und Leistungen zur Erzeugung nutzergenerierter Medieninhalte unproblematisch von § 51 UrhG erfasst wird,523 stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, inwieweit die Zitierfreiheit auch von gewöhnlichen Internetnutzern zur Rechtfertigung von „kreativem UGC“ in Anspruch genommen werden kann. Aufgrund der Tatsache, dass die verfassungsrechtlich abgesicherte Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG all jenen Personen dient, die sich in und mit Hilfe von Medien künstlerisch betätigen,524 ist grundsätzlich jeder prosumierende Internetnutzer in der Lage, Zitate fremder Werke und Leistungen als „künstlerisches Gestaltungsmittel“ einzusetzen und sich insoweit auf die Zitierfreiheit zu berufen. Angesichts des besonders gravierenden Grundrechtseingriffs, der mit einer (erweiterten) Freistellung durch § 51 UrhG verbunden sein kann, ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jegliche, kreativ anmutende Verwendung fremder Werke und Leistungen als zulässiges „Zitat“ erachtet werden kann. Insofern müssen die vorstehenden Ausführungen des BVerfG dahingehend verstanden werden, dass das Zitieren zwar grundsätzlich auch als ein privilegiertes künstlerisches Gestaltungsmittel in Betracht zu ziehen ist, dieses jedoch keinesfalls immer – wie z. B. bei einer gewöhnlichen Kollagetechnik, d. h. einer ausschnittsweisen Kombination fremder Leistungsergebnisse ohne erkennbaren eigenständigen Gedankeninhalt – eine Schöpfungsform darstellen muss, die zu einer Freistellung der vorgenommenen Verwertungshandlungen führt. Es kommt daher stets auf „die künstlerische Bedeutung des Zitats“525 im Einzelfall an.
521
Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 43. Vgl. BVerfG GRUR 2001, 149, 151 – Germania III. 523 Siehe hierzu oben: „Unterstützungsfunktion als zentraler Zitatzweck“, S. 275 f. 524 Vgl. Fechner, Medienrecht, 3. Kapitel, Rn. 115. 525 So auch BVerfG GRUR 2001, 149, 152 – Germania III. 522
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Hieran ändert auch der weit gefasste Zweck der Zitierfreiheit nichts, der ganz allgemein auf die „Begünstigung der kulturellen Entwicklung im weitesten Sinne“526 und damit die Förderung des kulturellen Lebens zum Nutzen der Allgemeinheit gerichtet ist.527 Denn das Web 2.0 – einschließlich der gesamten Bandbreite seines UGC – ist zwar mittlerweile unstreitig ein fester Bestandteil der heutigen Medienlandschaft und so zugleich auch Teil des von der Bevölkerung wahrgenommenen Kulturangebots. Von einer „Förderung“ des kulturellen Lebens kann jedoch nur dann ausgegangen werden, wenn dem verfügbaren Kulturangebot – gleichsam im Gegenzug – etwas substanziell Neues und Eigentümliches hinzugefügt wird. Hier besteht erneut eine unübersehbare Parallele zu der einheitlichen Privilegierungsvoraussetzung der selbständigen Schutzfähigkeit eines zitierenden Werkes, die auch im Falle des künstlerischen Einsatzes eines Zitats zur Anwendung gelangt. Die von Internetnutzern mehr oder weniger „spielerisch“ erfolgende Verwendung fremder Medieninhalte in Form deren Übernahme, Kombination und/oder Verbindung mit eigenen Beitragsteilen, der keine erkennbare nutzereigene Aussagefunktion beigemessen werden kann, fällt jedenfalls regelmäßig nicht unter den gesetzlichen „Förderungszweck“ im vorgenannten Sinne. Schließlich stellt nicht jede multimediale Kombination vorbestehender Werke oder Leistungen zugleich auch eine selbständige, urheberrechtlich schutzwürdige Schöpfung dar. Beispielhaft lässt sich hierfür die von Internetnutzern aus unterschiedlichen persönlichen Erwägungen erfolgende musikalische Synchronisation von Videos nennen.528 Hierbei werden entweder unterschiedliche Musiktitel zu einem durchgängigen Video eingeblendet, oder umgekehrt, verschiedene fremde Bildinhalte zu einem durchgängigen Musikstück (ggf. lippensynchron) zurechtgeschnitten. Abgesehen davon, dass viele solcher Nutzerbeiträge mangels der erforderlichen Unabhängigkeit bereits den Anforderungen an ein selbständig schutzfähiges Werk i. S. d. §§ 1, 2 Abs. 1 und 2 UrhG nicht genügen, werden die eingesetzten „Zitate“ jedenfalls zumeist die vom BVerfG geforderte Eigenschaft als „integraler Bestandteil einer eigenständigen künstlerischen Aussage“529 vermissen lassen. Die Frage der Zulässigkeit solcher im Internet massenhaft auftretenden neuartigen Produktionsweisen scheint sich – ähnlich wie die antithematische Behandlung eines Werkes in Form der Parodie oder das Sound-Sampling – eher noch nach den Grundsätzen der freien Benutzung gemäß § 24 UrhG einer sachgerechten Lösung zuführen zu lassen.530
526
Dietz zit.: nach Schricker/Schricker, § 51 Rn. 6. Vgl. Schricker/Schricker, § 51 Rn. 6 m.w.N. 528 Siehe hierzu bereits oben: „Kombination fremder Werke undAufzeichnungen“, Kapitel 4, S. 83 f. 529 Vgl. BVerfG GRUR 2001, 149, 152 – Germania III. 530 Ebenso Schack, Kunst und Recht, Rn. 352, 272 sowie Czernik, Die Collage in der urheberrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Kunstfreiheit und Schutz des geistigen Eigentums, S. 284 m.w.N.; siehe näher hierzu unten: „Freie Benutzung – § 24 UrhG“, S. 316 ff. 527
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d) Zitierfreiheit als Nutzungsgeneralklausel? Nach hier vertretener Auffassung wäre es verfehlt, den ohnehin relativ breit angelegten Anwendungsbereich der Zitierfreiheit im Wege einer extensiven Auslegung auch auf solche Verwertungssituationen auszudehnen, die mit einem Zitieren im eigentlichen Sinne nichts mehr gemein haben. Die in vorliegender Abhandlung beschriebenen technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Web 2.0 dürfen nicht zu einer Aufweichung der allgemein geltenden Privilegierungsvoraussetzungen der Zitierfreiheit führen. Die dem allgemeinen Interesse an freier geistiger Kommunikation sowie dem kulturellen und wissenschaftlichen Fortschritt gewidmete Schrankenregelung darf nicht dazu herangezogen werden, gleichsam einer amphibolischen Nutzungsgeneralklausel, zusätzlich hiervon abweichende, durch neue technische Produktions-, Kommunikations- und Publikationsmöglichkeiten entstandene urheberrechtlich relevante soziale Verhaltensweisen der Bevölkerung zu privilegieren. Soweit diesen neuartigen Nutzungsformen aus anderen Beweggründen ein ausreichend schutzwürdiges Allgemeininteresse zu attestieren ist, erscheinen sie für sich genommen zwar möglicherweise privilegierungswürdig. Sie dürfen jedoch nicht zu einer Verzerrung der Tatbestandsvoraussetzungen aktueller urheberrechtlicher Ausgleichsregelungen führen, die vom Gesetzgeber für die – nach wie vor – bestehenden legitimen Nutzungsinteressen der Allgemeinheit geschaffen wurden. Ein ausreichend akzentuiertes Allgemeininteresse, das es gerechtfertigt erscheinen lässt, dem Urheberrechtsinhaber im Rahmen des § 51 UrhG seine Verbots- und Vergütungsansprüche vorzuenthalten, kann daher auch innerhalb des neuartigen Verwertungsumfeldes des Web 2.0 nur angenommen werden, wenn der Nutzer selbst eine dem jeweiligen Zitatzweck entsprechende respektable, ggf. künstlerische Eigenleistung erbringt. Das wird bei kreativem UGC aufgrund der aufgezeigten strengen Voraussetzungen beim künstlerischen Einsatz von Zitaten eher selten der Fall sein. Soweit ein Nutzerbeitrag jedoch eine entsprechende funktionale Verwendung eines fremden Zitats erkennen lässt, bei der die mit dem fremden Werk bezweckte Intention oder Aussage seines Schöpfers gezielt aufgegriffen und in Bezug genommen wird, ist gegen eine Privilegierung von UGC als neuartiger Ausdrucksform öffentlicher, ggf. künstlerischer Auseinandersetzung interessierter Mitglieder der Allgemeinheit mit publizierten Medieninhalten nichts einzuwenden. Ob das Zitat tatsächlich dieses Ziel verfolgt oder in Wahrheit nur als tragende Substanz oder bloße Anreicherung eines nutzergenerierten Medieninhalts verwendet wird, ist anhand einer umfassenden Würdigung des gesamten Nutzerbeitrags im jeweiligen Einzelfall zu ermitteln.531 3. Umfang des zulässigen Zitats Handelt es sich bei einem nutzergenerierten Medieninhalt um ein grundsätzlich privilegiertes Leistungsergebnis, das zu einem der vorgenannten gesetzlichen Zitatzwecke 531
Vgl. BVerfG GRUR 2001, 149, 152 – Germania III.
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erzeugt wurde, hängt dessen urheberrechtliche Zulässigkeit schließlich noch davon ab, ob die Verwendung der entlehnten Fremdinhalte auch in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck des Zitats gerechtfertigt ist.
a) Urheberrechtsrelevanter Zitatumfang Der Zitatzweck bestimmt nicht nur ob, sondern auch in welchem Umfang das Zitat erlaubt ist. Dulden muss es der Urheber nach dem Wortlaut der Generalklausel des § 51 S. 1 UrhG nur, soweit es „durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist“. Dies setzt freilich voraus, dass das jeweilige Zitat für sich genommen auch urheberrechtlich geschützt ist. Bei dem übernommenen Text-, Bild-, Audio- oder Videoinhalt muss es sich folglich stets um ein selbständiges Werk, einen geschützten Werkteil oder zumindest eine leistungsschutzrechtlich geschützte Schöpfung handeln.532 Werden zur Erzeugung von UGC nämlich nur urheberrechtlich nicht geschützte Fremdinhalte verwendet, ist deren Übernahme und Nutzung mangels eines Verwertungsrechtseingriffes auch ohne § 51 UrhG zulässig.533 Denn soweit die benutzen Werkteile – bspw. aufgrund ihrer Kürze – einem urheberrechtlichen Schutz selbst nicht zugänglich sind, sind sie als Allgemeingut ohnehin von jedermann frei verwendbar. Eine Verwendung fremder Bild-, Audio- und Videoinhalte wird – unabhängig von ihrem Umfang534 – in aller Regel zumindest ein fremdes Leistungsschutzrecht tangieren und somit einen Rückgriff auf die Ausnahme des § 51 UrhG erforderlich machen. Bei der Übernahme fremder Texte ist die Situation hingegen nicht so eindeutig. Hier kommt es mangels eines entsprechenden verwandten Schutzrechts stets darauf an, ob der entlehnte Text-Beitrag für sich genommen als Sprachwerk den Anforderungen an eine persönliche geistige Schöpfung gemäß § 2 Abs. 2 UrhG genügt. Insbesondere beim „Zitieren“ fremder Kommentare, Rezensionen oder sonstiger kurzer Webseiten-Texte innerhalb von Webforen, Blogs oder Social-Networking-Seiten bzw. Community-Webseiten wird aufgrund der Kürze der übernommenen Fremdtexte eine urheberrechtliche Schutzfähigkeit als Sprachwerk mangels hinreichender Individualität häufig ausscheiden. In diesen Fällen ist eine Privilegierung der Nutzerhandlungen folglich überhaupt nicht erforderlich. Ähnlich verhält es sich auch mit Wiki-Beiträgen. Sofern zur Erstellung eines Wiki-Artikels nur einzelne Sätze aus einer erschienenen Publikation, wie z. B. einem Lexikon oder einem anderen Sprachwerk übernommen und mit der erforderlichen Quellenangabe über die Wiki-Webseite öffentlich zugänglich gemacht werden, ist dies mangels selbständiger Schutzfähigkeit des „Zitats“ i. d. R. urheberrechtlich irrelevant. Werden hingegen längere TextPassagen, z. B. durch Verlesen in einem Podcast oder Video-Blog genutzt, kann 532
Vgl. Fromm/Nordemann/Vinck, § 51 Rn. 1. Siehe hierzu bereits oben: „Verwendung von Gemeingut“, Kapitel 4, S. 77 f. 534 Vgl. hierzu insb. die „Partikelschutz-Entscheidung“ BGH ZUM 2009, 219, 220 – Metall auf Metall, nach der auch kleinste Teile leistungsschutzrechtlich geschützter Gegenstände selbständig urheberrechtlich geschützt sind. Siehe näher hierzu oben: „Partikelschutz-Entscheidung des BGH“, Kapitel 5, S. 120 ff. 533
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dies durchaus einen möglichen Verwertungsrechtseingriff bedeuten, der über das Zitierrecht zu rechtfertigen wäre. b) Zweckdienlicher Zitatumfang Gemäß § 51 S. 1 UrhG ist ein Zitat zulässig, sofern die Nutzung des fremden Werkes „in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist“. Durch die Neufassung des § 51 UrhG als Generalklausel ist der zulässige Umfang eines Zitats nun also hauptsächlich von dessen Zweck abhängig. Dies hat zu einer gewissen Erweiterung der Zitierfreiheit auf bestimmte Großzitate geführt,535 die für eine Privilegierung von UGC von besonderer Bedeutung sind. Bereits nach altem Recht war anerkannt, dass trotz des zu engen Wortlauts des § 51 Nr. 2 UrhG a. F. („Stellen eines Werkes“, sog. „Kleinzitat“) in bestimmten Fällen das Zitieren ganzer Bilder (sog. „Bildzitat“) zulässig sein musste, wenn anders ein sinnvolles Zitieren nicht möglich ist.536 Man sprach insoweit vom „großen Kleinzitat“. Aufgrund der Einführung der Generalklausel ist für diese Fälle heute auf § 51 S. 1 UrhG zurückzugreifen.537 Bedingt durch diesen zentralen Rechtfertigungstatbestand kann künftig – je nach Entlehnungsumfang – auch generell von einem Klein- oder Großzitat gesprochen werden. Mit der neuen Generalklausel lässt sich allerdings auch nicht jegliches Großzitat rechtfertigen. Denn sowohl die Gesetzesmaterialien als auch die Beibehaltung der Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinzitat in den Regelbeispielen des § 51 S. 2 Nr. 1–3 UrhG sprechen vorliegend dafür, dass die Möglichkeiten des Großzitats nicht uneingeschränkt erweitert werden sollten. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Großzitate der gesetzgeberischen Wertung nach auch nach der Reform die Ausnahme bilden. Sie kommen prinzipiell nur dann in Betracht, wenn sich der Zitatzweck durch das Zitieren lediglich von Stellen des Werkes (ausnahmsweise) nicht erreichen lässt.538 Entscheidendes Kriterium muss dabei sein, ob sich der Aussagegehalt des Werkes, mit dem sich der Zitierende auseinandersetzen oder den er anführen will, bereits aus einzelnen Teilen des Werkes erschließt (dann nur Kleinzitat), oder ob er erst bei Wahrnehmung des Werkes in seiner Gesamtheit offenbar wird (dann ggf. auch Großzitat).539 Das Zitieren ist daher – nach wie vor – nur in insgesamt vernünftigem und sachgerechtem Umfang zulässig.540 Der Umfang eines Zitats darf insbesondere nicht so weitgehend sein, dass hierdurch die normale Auswertung des Werkes unzumutbar beeinträchtigt wird.541 Die genaue Bestimmung der Grenzen 535
Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 54. Vgl. näher hierzu Schricker/Schricker, § 51 Rn. 45 m.w.N. 537 So auch Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 54. 538 Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 54; so wohl auch Wandtke/Bullinger/Lüft, § 51 Rn. 14; ebenfalls für eine restriktive Handhabung Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 248. 539 So zutreffend Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 54. 540 Vgl. Dreier/Schulze, § 51 Rn. 5; Schricker/Schricker, § 51 Rn. 19. 541 Vgl. BGH GRUR 1987, 362, 364 – Filmzitat. 536
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des Zulässigen setzt daher immer eine umfassende Abwägung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere des Zitatzwecks, der Besonderheiten sowie des Umfangs des zitierten und des zitierenden Werkes voraus.542 Soweit die Entlehnung fremder Werke und Leistungen zur Erzeugung nutzergenerierter Medieninhalte im Wege der Vervielfältigung i. S. v. § 16 UrhG erfolgt – sei es durch das Kopieren von Texten in einen Nutzer-Artikel oder Blog, das Bereitstellen eines Fotos über eine Webseite durch dessen Upload auf einen Server oder die Aufnahme und Integration eines Audio- oder Video-Mitschnitts in einen nutzergenerierten Podcast oder Video-Blog –, ergeben sich für UGC hinsichtlich des zulässigen Zitatumfangs gegenüber herkömmlichen Nutzungsformen keine privilegierungsrelevanten Unterschiede. Entscheidend für die Zulässigkeit des Nutzer-Zitats ist auch hier stets das tatsächliche Erfordernis des konkreten Entlehnungsumfangs. So dürfen die von einem Nutzer entlehnten Texte nicht ein derartiges Maß erreichen, dass sie nicht mehr lediglich eine in dem Nutzerbeitrag vertretene Ansicht stützen, sondern diesen über weite Strecken selbständig tragen.543 Gleiches gilt für den Umfang übernommener Audio- und Video-Aufzeichnungen. Lediglich bei der Verwendung fremder Werke der bildenden Kunst, wie Zeichnungen, Grafiken und Karikaturen, aber auch von Lichtbildwerken, einfachen Lichtbildern oder wissenschaftlichen und technischen Darstellungen muss regelmäßig eine vollständige Wiedergabe des Bildes erfolgen, um dem Zitatzweck gerecht zu werden.544 Dabei ist jedoch zu prüfen, ob das betreffende Bild für die Ausführungen des Nutzers tatsächlich erforderlich ist oder ob nicht doch der Illustrationszweck überwiegt. Außerdem darf die Anzahl der zitierten Bilder insgesamt nicht über den zulässigen Zitatzweck hinausgehen. Insoweit gelten für UGC die gleichen Bedingungen wie für herkömmliche Medienformate.545
c) Hyperlinks als privilegierte Zitatform Fraglich ist jedoch, inwiefern die Einbindung fremder, öffentlich zugänglicher Online-Inhalte in eine Webseite mit nutzergenerierten Medienbeiträgen mittels Hyperlinks durch die Zitierfreiheit gerechtfertigt werden kann. Surface-Links und Deep-Links kommen hierfür aus zweierlei Gründen nicht in Frage: Zunächst sind diese Link-Formen bereits nicht als „Zitat“ zu qualifizieren, da deren unmittelbar wahrnehmbarer URL als elektronische Internet-Verknüpfung lediglich einen Hinweis auf eine Fundstelle im Internet darstellt und damit weder eine Übernahme noch eine eigenständige Bereitstellung der verlinkten Fremdinhalte zur
542
Vgl. Dreier/Schulze, § 51 Rn. 5. Vgl. Schricker/Schricker, § 51 Rn. 19. 544 Vgl. Wandtke/Bullinger/Lüft, § 51 Rn. 15; Möhring/Nicolini/Waldenberger, § 51 Rn. 16; Schricker/Schricker, § 51 Rn. 45 m.w.N. 545 Ausführlich mit Beispielen aus der Rspr. siehe Schricker/Schricker, § 51 Rn. 45 sowie Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 44. 543
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Folge hat.546 Aus demselben Grund bedürfen diese Nutzerhandlungen auch keiner Rechtfertigung durch die Schranke des § 51 UrhG, da sie ohnehin keine urheberrechtlich relevanten Nutzungshandlungen darstellen.547 Als privilegierungsbedürftige „Hyperlink-Zitierform“ kommt somit praktisch nur der Einsatz von Inline-Links und des Framings in Betracht. Hierbei werden die verlinkten Fremdinhalte nämlich unmittelbar an einer bestimmten Stelle der verlinkenden Webseite des Nutzers wiedergegeben, als ob er selber eine Kopie der betreffenden Datei hergestellt und auf seinem Server zum Abruf bereitgestellt hätte. Diese Form der unmittelbaren elektronischen Verknüpfung eines zitierenden Werkes mit der Wiedergabequelle des Zitats ermöglicht in gewisser Weise erstmals ein „Ideal-Zitat“ durch direkte Integration des zitierten Ausgangswerkes.548 Voraussetzung für eine Einstufung als Zitat ist aber stets, dass der verlinkte Fremdinhalt nicht ununterscheidbar in den nutzergenerierten Medieninhalt integriert, sondern als fremde Zutat ersichtlich gemacht wird. Der mittels Inline-Link oder in einem separaten Frame wiedergegebene entlehnte Schutzgegenstand muss also immer erkennbar vom nutzereigenen Beitragsteil abgehoben sein.549 Im Hinblick auf die Zulässigkeit vorgenannter Hyperlink-Zitate erscheint jedoch problematisch, dass sich bei der Verwendung eines Hyperlinks die Bezugnahme und integrative Wiedergabe aus technischen Gründen nicht auf „einzelne Stellen“ des verlinkten Schutzgegenstands beschränken lässt, so dass sich dieser stets auf den gesamten Medieninhalt, wie z. B. einen ganzen Webseitenteil oder eine vollständige Bild-, Audio- oder Video-Datei bezieht.550 Da dies im Ergebnis eine öffentliche Zugänglichmachung der verlinkten Leistungsergebnisse im Ganzen bewirkt,551 ist die zu Zitatzwecken erfolgende Integration fremder Online-Inhalte grundsätzlich als Großzitat einzustufen, welches nur unter den vorgenannten Bedingungen zulässig ist. Sofern ein Nutzer also einen fremden Medieninhalt, wie z. B. einen Video-Stream von YouTube in seinen Blog integriert, muss stets der gesamte Umfang der mittels Inline-Link zitierten Video-Datei zur Erläuterung der nutzereigenen Ausführungen erforderlich sein. Ist nicht die gesamte Länge des verlinkten Videos vom Zitatzweck gedeckt, ist grundsätzlich das gesamte „Video-Zitat“ unzulässig. Denn hält sich 546
Ähnlich auch Ott, Linking und Framing, S. 387; Möhring/Nicolini/Waldenberger, § 51 Rn. 1; Schricker/Schricker, § 51 Rn. 7. 547 Siehe hierzu bereits ausführlich oben: „Recht der öffentlichen Zugänglichmachung i.S.v. § 19 a UrhG“, Kapitel 5, S. 132 ff. 548 Insofern kann hier der Auffassung Claus’ nicht gefolgt werden, nach der Hyperlinks weder von der Funktion noch von dem gegebenen Nutzungspotential einem herkömmlichen Zitat entsprächen (vgl. Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 206). 549 Vgl. Schricker/Schricker, § 51 Rn. 15. 550 So auch Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 206. 551 Zur rechtlichen Einordnung eines Inline-Links bzw. framenden Hyperlinks als öffentliche Zugänglichmachung des verlinkten Schutzgegenstands i.S.v. § 19 a UrhG siehe oben: „Recht der öffentlichen Zugänglichmachung i.S.v. § 19 a UrhG“, Kapitel 5, S. 132 ff.
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ein Zitat nicht in dem durch den Zitatzweck gebotenen Umfang, ist die gesamte Wiedergabe nicht mehr von der Ausnahme des § 51 UrhG gedeckt; rechtswidrig ist dann nicht nur die Wiedergabe des überschießenden Teils.552 Selbiges gilt freilich auch für die Integration fremder Texte, Bilder oder Audio-Streams. Bei der Verwendung von Hyperlinks zu Zitatzwecken ist mithin zu unterscheiden: Rechtfertigt der zitierende Nutzerbeitrag nach den allgemeinen Grundsätzen eines Großzitats die Übernahme des gesamten Medieninhalts, insbesondere aufgrund einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit diesem, kann er in zulässiger Weise mittels Inline-Link oder framendem Link (z. B. in Form eines Media-Streams) in Gänze in die Webseite des Nutzers integriert und über diese wiedergegeben werden. Anderenfalls, z. B. wenn der Nutzerbeitrag den Anforderungen an ein Großzitat nicht genügt oder eine andere Privilegierungsvoraussetzung nicht vorliegt, ist eine integrative Übernahme nicht mehr von der Zitierfreiheit gedeckt. Dem Nutzer bleibt dann jedoch unbenommen, zu Unterstützungs- oder Informationszwecken mittels eines (normalen) Surface- oder Deep-Links auf die betreffende Inhaltsdatei zu verweisen.
4. Zulässige Verwertungshandlungen Liegen die Voraussetzungen des § 51 S. 1 UrhG vor, werden die Verwertungsrechte der betroffenen Urheber und Leistungsschutzberechtigten zum Zwecke des NutzerZitats eingeschränkt. Das gilt vorliegend insbesondere für das zur Veröffentlichung eines nutzergenerierten Medieninhalts erforderliche Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19 a UrhG sowie das Vervielfältigungsrecht gemäß § 16 UrhG.
a) Vorbereitende Vervielfältigungshandlungen Nach einer Auffassung in der Literatur soll das Vervielfältigen eines Werkes „zum Zwecke der Vorbereitung der geistigen Auseinandersetzung“ allerdings nicht von § 51 UrhG gedeckt sein.553 Dies darf nach Ansicht des Verfassers jedoch nicht dahingehend missverstanden werden, dass die dem Zitieren (unmittelbar) vorangehenden und somit unumgänglichen Vervielfältigungshandlungen nicht von der Zitierfreiheit gedeckt wären. Denn anderenfalls wäre die Zulässigkeit eines Zitats letztlich von der Anwendbarkeit anderer Schrankenbestimmungen – im privaten Umfeld z. B. von § 53 UrhG – abhängig. Dies widerspräche jedoch dem Zweck der Zitierfreiheit, die eine größtmögliche Unabhängigkeit der Vorschrift verlangt.554 Es ist daher davon auszugehen, dass nicht nur die mit der Bereitstellung der Nutzerinhalte verbundenen Vervielfältigungshandlungen, sondern auch die zur Erzeugung des nutzergenerierten 552
Vgl. Wandtke/Bullinger/Lüft, § 51 Rn. 6 unter Hinweis auf LG München, AfP 1994, 326. Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 14. 554 Zur Unabhängigkeit des § 51 UrhG von anderen Schrankenregelungen vgl. Schricker/Schricker, § 51 Rn. 30. 553
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Medieninhalts notwendigen, unmittelbar vorbereitenden Aufzeichnungsvorgänge nach Sinn und Zweck der Vorschrift von der Freistellung umfasst werden, wenn und soweit sie auf die Herstellung eines (zulässigen) Zitats i. S. v. § 51 UrhG gerichtet sind.
b) Privilegierungsrelevanz der Rechtmäßigkeit der Zitiervorlage Im Übrigen ist die Rechtmäßigkeit der für das Zitat verwendeten Vorlage für die Zulässigkeit des Nutzerzitats – anders als bei der Rechtmäßigkeit der „Privatkopie“ nach § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG – grundsätzlich ohne Belang. Denn die Nutzung eines rechtswidrig entstandenen Vervielfältigungsstückes eines bereits veröffentlichten Werkes als Zitatvorlage kann das an sich zulässige Zitat nicht unzulässig machen. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit der Verwendung von im Internet verfügbaren Medieninhalten als Zitatvorlage oder Wiedergabequelle von Bedeutung. Problematisch ist hier allenfalls die Frage, ob es sich bei dem zitierten Medieninhalt auch tatsächlich um ein „veröffentlichtes Werk“, d. h. ein i. S. v. § 6 Abs. 1 UrhG mit Zustimmung des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemachtes Leistungsergebnis handelt. Dies wird bei einem Rückgriff auf UGC als Zitatquelle für einen prosumierenden Nutzer nicht immer eindeutig zu beurteilen sein. Aufgrund der Unumkehrbarkeit555 der Veröffentlichung eines Werkes unterliegen jedoch alle Medieninhalte, die einmal mit Zustimmung des Berechtigten im vorstehenden Sinne veröffentlicht wurden, unabhängig von Art und Weise, Ort und Zeitpunkt der Veröffentlichung, fortan der Zitierfreiheit des § 51 UrhG.
c) Privilegierungsrelevanz des Publikationsmediums Ebenso wie bei der Berichterstattungsfreiheit nach § 50 UrhG hat auch bei der Zitierfreiheit nach § 51 UrhG die vom Nutzer konkret gewählte Veröffentlichungsbzw. Bereitstellungsform seines Beitrags keinen Einfluss auf die Zulässigkeit des Zitats.556 Denn das urheberrechtliche Zitierrecht besteht unabhängig von dem zur Veröffentlichung des Zitats genutzten Medium. Sofern der einzelne Nutzerbeitrag (wie z. B. ein Forumskommentar, Nutzer-Artikel, Wiki-Beitrag, Blog, Podcast oder Video-Blog) – auf den zur Beurteilung der Privilegierungsvoraussetzungen abzustellen ist – als solcher die Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 UrhG erfüllt, kann dieser von seinem Erzeuger sowohl über seine eigene als auch eine fremde Webseite, insbesondere eine UGC-Plattform veröffentlicht werden. Die Privilegierung bleibt dem zitierenden Nutzerinhalt also unabhängig vom gewählten Publikationsmedium immanent. 555 556
Vgl. hierzu Schricker/Katzenberger, § 6 Rn. 15 ff. Siehe hierzu bereits oben: „Privilegierungsrelevanz der Bereitstellungsform“, S. 266.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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5. Relatives Änderungsverbot Nur bedingt von § 51 UrhG eingeschränkt werden hingegen die verschiedenen Urheberpersönlichkeitsrechte der betroffenen Urheber und Leistungsschutzberechtigten. Im Rahmen der Erstellung von zitierendem UGC wird insbesondere das Recht auf Integritätsschutz (§§ 14, 75, 94 UrhG) berührt. Ob und inwieweit beim Zitieren Änderungen an dem zitierten Medieninhalt vorgenommen werden dürfen, ergibt sich in erster Linie aus § 62 UrhG, der in Abs. 1 Satz 1 ein grundsätzliches Änderungsverbot im Zusammenhang mit privilegierten Werknutzungen statuiert. Gemäß § 62 Abs. 2 und 3 sowie Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 39 UrhG hängt die Zulässigkeit einer Änderung allerdings stets von einer den konkreten Benutzungszweck berücksichtigenden Abwägung und Wertung der widerstreitenden Interessen ab. So wird bspw. die Umwandlung der direkten in die indirekte Rede im Rahmen eines Zitats allgemein als zulässig erachtet.557 Grundsätzlich ebenso unproblematisch ist die mit einer auszugsweisen Entlehnung verbundene Kürzung eines Werkes, soweit diese zum Zwecke des Zitats erforderlich ist.558 Dabei dürfen die entlehnten Auszüge jedoch nicht aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen und anschließend in einem sinnentstellenden Zusammenhang wiedergegeben werden.559 Bei der Verwendung von Zitaten als künstlerisches Gestaltungsmittel zur Erzeugung von kreativem UGC sind die urheberpersönlichkeitsrechtlichen Belange besonders sorgfältig zu prüfen, da hier das Verletzungspotential erfahrungsgemäß überdurchschnittlich hoch ist. Auf das Verhältnis zwischen Urheberpersönlichkeitsrechten und den sie begrenzenden Schrankenregelungen der §§ 44 a ff. UrhG wurde bereits im Rahmen der Darstellung der betroffenen Urheberpersönlichkeitsrechte eingegangen. Auf diese grundsätzlichen Ausführungen ist hier zur Vermeidung von Wiederholungen zu verweisen.560 Da sich allein aus der Existenz des Massenphänomens UGC hinsichtlich der Beurteilung einer Entstellung i. S. v. § 14 UrhG oder einer sonstigen Beeinträchtigung eines urheberrechtlichen Schutzgegenstands – abgesehen von etwaigen sich aus dem (neuen) Benutzungszweck ergebenden, rein technisch bedingten Werkeingriffen – keine abweichenden Beurteilungskriterien ergeben, gelten für die urheberpersönlichkeitsrechtliche Zulässigkeitsprüfung eines Zitats in Form eines nutzergenerierten Medieninhalts die gleichen Grundsätze, wie für ein solches innerhalb eines herkömmlichen Medienformats.561
557
Vgl. Schricker/Schricker, § 51 Rn. 26. Vgl. hierzu Schricker/Schricker, § 62 Rn. 19. 559 Vgl. Möhring/Nicolini/Gass, § 62 Rn. 15. 560 Siehe hierzu bereits ausführlich oben: „Urheberpersönlichkeitsrechte“, Kapitel 5, S. 146 ff. 561 Zur urheberpersönlichkeitsrechtlichen Problematik einer Entstellung oder sonstigen Beeinträchtigung eines fremden Leistungsergebnisses im Zusammenhang mit UGC siehe bereits ausführlich oben: „Recht auf Integritätsschutz“, Kapitel 5, S. 153 ff. Zu einzelnen Fällen zulässiger Änderungen im Rahmen von § 62 i.V.m. § 39 UrhG vgl. Schricker/Gass, § 62 Rn. 12 ff. sowie Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 62 Rn. 12 ff. 558
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
6. Pflicht zur Quellenangabe Auch das Anerkennungs- und Namensnennungsrecht (§§ 13, 74 UrhG) der betroffenen Urheber und ausübenden Künstler wird bei einem Zitat ihrer Werke und Leistungen regelmäßig tangiert. Diese Rechte werden von § 51 UrhG allerdings nur in Ausnahmefällen zugunsten eines prosumierenden Internetnutzers eingeschränkt. Denn gemäß § 63 Abs. 2 S. 2 UrhG ist im Falle einer nach § 51 UrhG privilegierten öffentlichen Wiedergabe die Quelle einschließlich des Namens des Urhebers stets anzugeben, es sei denn, dass dies nicht möglich ist. Die Pflicht zur Nennung der Zitatquelle ist folglich nur durch die Unmöglichkeit der Quellenangabe begrenzt.562 Eine solche Unmöglichkeit kann entweder auf unverschuldeter Unkenntnis der Berechtigten oder technischer Unmöglichkeit bzw. wirtschaftlicher Unzumutbarkeit ihrer Nennung beruhen. Wie sich § 63 Abs. 1 S. 3 UrhG entnehmen lässt, entfällt die Pflicht zur Quelleangabe insbesondere dann, wenn die Quelle weder auf dem benutzten Werkstück oder bei der benutzten Werkwiedergabe genannt noch dem privilegierten Werknutzer – trotz zumutbarer Nachforschungen563 – anderweit bekannt ist (unbenannte und unbekannte Quelle). Daneben kann die Unmöglichkeit der Angabe der Quelle aber auch aus technischen oder anderen praktischen Gründen auf der Wiedergabeseite bestehen, wobei hier Verkehrssitte und Branchenübung zu berücksichtigen sind.564 Auch an dieser Stelle sei ergänzend auf die grundsätzlichen Ausführungen zum Recht des Urhebers auf Anerkennung seiner Urheberschaft gemäß § 13 UrhG sowie zum korrespondierenden Recht des ausübenden Künstlers nach § 74 UrhG im Rahmen der Darstellung der bei der UGC-Produktion regelmäßig betroffenen Urheber- und Leistungsschutzrechte verwiesen.565 Insgesamt wird ein Wegfall der Pflicht zur Quellenangabe im Rahmen der Erstellung von zitierendem UGC hauptsächlich beim Zitieren von nutzergenerierten Medieninhalten selbst in Betracht kommen, da diese erfahrungsgemäß nur sehr selten ausreichend verifizierbare Informationen zu ihren Schöpfern aufweisen. Eine insoweit bestehende Teilunmöglichkeit entbindet den Nutzer allerdings nicht von seiner Pflicht, zumindest die ihm bekannten Quellinformationen, insbesondere das genutzte Publikationsmedium nebst der zugehörigen URL zu nennen.566 Handelt es sich bei der verwendeten Quelle um ein Sekundärmedium, das den zitierten Inhalt seinerseits aus einer Primärquelle bezogen hat, so ist stets die Primärquelle anzugeben.567 Dies erlangt insbesondere in solchen Fällen Bedeutung, in denen Nutzer für ihr Zitat einen öffentlich zugänglichen TV- oder Film-Ausschnitt verwenden, der bereits zuvor von einem Dritten über eine Video-Plattform im Internet (wie z. B. YouTube) bereitgestellt wurde. Hier ist darauf zu achten, dass nicht nur die zur Wiedergabe 562
Vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 63 Rn. 27. So die wohl h.M., vgl. etwa Schricker/Dietz, § 63 Rn. 17 m.w.N. 564 Vgl. Schricker/Dietz, § 63 Rn. 18a. 565 Siehe hierzu ausführlich oben: „Anerkennungs- und Namensnennungsrecht“, Kapitel 5, S. 148 ff. 566 Ähnlich auch Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 63 Rn. 14; zustimmend Schricker/Dietz, § 63 Rn. 18. 567 Vgl. Schricker/Dietz, § 63 Rn. 14. 563
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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genutzte UGC-Plattform, sondern zusätzlich – soweit möglich – der ausstrahlende Sender bzw. ursprüngliche Rechteinhaber als Quelle des Zitats genannt wird. In der Regel wird ein prosumierender Internetnutzer also zur Angabe von Urheber und Titel des entlehnten Werkes bzw. der übernommenen Leistung sowie des verwendeten Distributionsmediums verpflichtet und imstande sein. Denn eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Quellenangabe ist heute angesichts der fortgeschrittenen Technologien – worauf Schulze zutreffend abstellt568 – bei den meisten UGC-Formen ohne Weiteres möglich und zumutbar.569 Insbesondere bei Zitaten innerhalb von nutzergenerierten Text-Beiträgen wie Nutzer-Artikeln, Foren-Einträgen, Blogs und Wikis ist eine Nennung der Berechtigten mittels ergänzendem Text nebst Hyperlink unproblematisch möglich. Bei entlehnten Bildern ist die Quelle i. d. R. in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wiedergabe, also darunter oder daneben, anzugeben.570 In Podcasts hat die Quellenangabe – in Anlehnung an herkömmliche Rundfunksendungen571 – bei An- oder Absage der jeweiligen Episode zu erfolgen. Auch bei nutzergenerierten Video-Beiträgen, vor allem bei Video-Blogs, ist eine Angabe der Zitatquelle durch Einblendung und/oder begleitende Quellverweise in Textform durchaus möglich und geboten.
7. Ergebnis zu § 51 UrhG Aufgrund ihres breit angelegten Anwendungsbereichs sowie ihrer technologie- und medienneutralen Formulierung bietet die Schranke des § 51 UrhG grundsätzlich ein beachtliches Privilegierungspotential für urheberrechtlich relevanten UGC. Dies gilt allerdings nur insoweit, als die nutzergenerierten Medieninhalte selbständig urheberrechtlich geschützt sind und zu einem der gesetzlich privilegierten Zitatzwecke erzeugt werden. Die Zulässigkeit von zitierendem UGC unterliegt daher prinzipiell denselben Privilegierungsvoraussetzungen wie ein herkömmliches mit Zitaten versehenes Medienerzeugnis auch. Nach hier vertretener Auffassung sollte die innovationsfördernde Schrankenregelung des § 51 UrhG – trotz ihrer vorsichtigen Erweiterung durch ihre Neufassung als Generalklausel – also nicht im Wege einer extensiven Interpretation zu einer Nutzungsgeneralklausel für zitatfremde Verwertungsanliegen der Bevölkerung im Web 2.0 umfunktioniert werden. Soweit nutzergenerierte Medieninhalte den bisherigen, von Literatur und Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen an eine Freistellung der Verwendung fremder Werke und Leistungen zum Zwecke des Zitats genügen, sind (auch) sie ohne Weiteres urheberrechtlich zulässig. Bleiben sie dahinter zurück, sind sie nicht durch die Zitierfreiheit gedeckt. Insofern ergeben sich aus der 568
Vgl. Dreier/Schulze, § 62 Rn. 24 f. Ähnlich auch Dreier in: Schricker, Urheberrecht auf dem Weg zur Informationsgesellschaft, S. 174. 570 Vgl. LG Berlin GRUR 2000, 797, 798 – Screenshots. 571 Vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 63 Rn. 29. 569
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Existenz des Massenphänomens UGC für Anwendbarkeit, Reichweite und Privilegierungsvoraussetzungen der urheberrechtlichen Zitierfreiheit im Grunde keine Besonderheiten. Eine Ausnahme hiervon bildet lediglich die im Zusammenhang mit UGC häufig zu beobachtende (neue) Zitatform der Wiedergabe fremder OnlineInhalte auf nutzergenerierten Webseiten mittels integrativer Hyperlinks. Aber auch diese – überwiegend aus technischer Perspektive – neuartige Zitierform lässt sich prinzipiell anhand der für Großzitate (bzw. „großen Kleinzitaten“) entwickelten Grundsätze einer sachgerechten Lösung zuführen. Trotz zahlreicher möglicher Anwendungsfälle für „Nutzer-Zitate“ im Web 2.0 wird man bei UGC aufgrund der Kürze vieler Nutzerbeiträge sowie der häufig anzutreffenden fehlenden „Ernsthaftigkeit“ ihrer Erzeugung gleichwohl in vielen Fällen zu einer Unzulässigkeit der unautorisierten Entlehnungen kommen. Dies gilt vor allem für die Erzeugung von „kreativem UGC“ durch die Verwendung von Zitaten als künstlerisches Gestaltungsmittel, da letztendlich nicht jegliche kreativ anmutende Verwendung fremder Medieninhalte als zulässiges „Zitat“ erachtet werden kann.
VI. Öffentliche Wiedergabe – § 52 UrhG Prima vista scheint die Schranke des § 52 UrhG den idealen Privilegierungstatbestand für die Bereitstellung nutzergenerierter Medieninhalte darzustellen, die unter Verwendung fremder Werke und Leistungen entstanden sind. Denn gemäß § 52 Abs. 1 S. 1 UrhG ist die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zulässig, wenn die Wiedergabe keinem Erwerbszweck des Veranstalters dient und die Teilnehmer der Veranstaltung ohne Entgelt zugelassen werden. Unabhängig von der Frage, ob die öffentliche Zugänglichmachung nutzergenerierter Medieninhalte im Einzelfall einem Erwerbszweck des als Veranstalter i. S. v. § 52 Abs. 1 S. 1 UrhG zu qualifizierenden Webseitenbetreibers dient, kommt eine Privilegierung von UGC nach dieser Vorschrift aber bereits aufgrund der in § 52 Abs. 3 UrhG enthaltenen Gegenausnahmen nicht in Betracht. Denn diese nehmen sowohl die öffentliche Zugänglichmachung i. S. v. § 19 a UrhG als auch die Funksendung ausdrücklich aus dem Kreis der durch § 52 Abs. 1 UrhG zugelassenen Verwertungshandlungen heraus. Da die öffentliche Wiedergabe über das Internet jedoch zu den zwingenden charakteristischen Merkmalen von UGC gehört,572 stellt die Schranke des § 52 UrhG de lege lata keine taugliche Rechtfertigungsgrundlage für die Bereitstellung nutzergenerierter Medieninhalte dar. Im Übrigen fällt die Bereitstellung von UGC aber auch nicht unter den aktuellen gesetzlichen Privilegierungszweck der Schranke. Denn bei näherer Betrachtung von Regelungsgehalt und Entstehungsgeschichte des § 52 UrhG zeigt sich, dass die Vorschrift – entgegen ihres weitreichenden Wortlauts573 – lediglich öffentliche 572
Siehe hierzu oben: „Charakteristische Merkmale“, Kapitel 1, S. 23 f. Die umfassende Beschränkung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe i.S.v. § 15 Abs. 2 S. 2, 19 ff. UrhG bei gleichzeitiger Normierung einzelner korrigierender Gegenausnahmen kritisiert 573
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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Wiedergaben gegenüber persönlich Anwesenden privilegiert. Schon ihre Vorgängerbestimmung – § 27 LUG – schränkte nur das „Aufführungsrecht“ des Urhebers im Sinne des heutigen § 19 Abs. 2 UrhG ein.574 Auch aus den in der Gesetzesbegründung genannten Anwendungsbeispielen ergibt sich, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Schranke vor allem „musizierende Wandergruppen“, das abendliche „Singen einer Jugendgruppe unter der Dorflinde“, das „unentgeltliche Ständchen eines Bläserchors“ oder „öffentliche Schulaufführungen“ als privilegierungswürdige Verwertungsanliegen vor Augen hatte.575 Als maßgeblichen Zweck hinter § 52 UrhG lässt sich somit das Anliegen ausmachen, nicht kommerzielle persönliche Darbietungen wegen ihres gemeinschaftsbildenden Moments bzw. wegen des durch sie ermöglichten intensiven persönlichen Austauschs zu ermöglichen.576 Selbst wenn sich UGC in gewissen Formen ein ähnlicher Gemeinwohlaspekt – insbesondere in Anbetracht der zunehmenden Verlagerung zwischenmenschlicher Kommunikationsprozesse in die Öffentlichkeit des Internets, wie z. B. durch öffentliche Diskussionen in Webforen, kollaborative Bereitstellung von Wiki-Artikeln, Veröffentlichung nutzereigener Werkinterpretationen über UGC-Plattformen oder die interaktive Teilnahme an mitgliedschaftlich organisierten Community-Webseiten – beimessen ließe, scheiterte eine Privilegierung über § 52 UrhG jedenfalls aufgrund der mit einer unveränderten öffentlichen Zugänglichmachung verbundenen Konsequenzen für die normale Auswertung der betroffenen Medieninhalte. Denn auch eine nicht zu Erwerbszwecken dienende öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19 a UrhG wäre aufgrund der damit einhergehenden permanenten und potentiell weltweiten Verfügbarkeit unverändert übernommener Werke und Leistungen praktisch dazu geeignet, jegliche normale Auswertung durch deren Rechteinhaber im digitalen Verwertungsumfeld erheblich zu beeinträchtigen, wenn nicht sogar gänzlich zu verhindern. Eine derartige Beeinträchtigung wäre weder mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG noch mit konventionsrechtlichen Anforderungen, insbesondere den Vorgaben des – u. a. in Art. 9 Abs. 2 RBÜ normierten – „Drei-Stufen-Tests“ zu vereinbaren.577 Insofern käme auch de lege ferenda eine Privilegierung von UGC – unabhängig vom Beweggrund seiner Erzeugung und Veröffentlichung578 – durch die Schranke des § 52 UrhG, die Poeppel insofern zu Recht als „Konstruktionsfehler“ der Vorschrift (vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 260). 574 Gemäß § 27 S. 1 LUG bedarf es „für öffentliche Aufführungen eines erschienenen Werkes der Tonkunst der Einwilligung des Berechtigten nicht, wenn sie keinem gewerblichen Zwecke dienen und die Hörer ohne Entgelt zugelassen werden“. 575 Vgl. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 70. 576 Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 255 m.w.N. 577 Ebenso Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 258. 578 Zu den Nutzungsmotiven prosumierender Internetnutzer und deren Verhältnis zu den § 52 UrhG zugrunde liegenden Privilegierungszwecken siehe ausführlich unten: „7. Kapitel: Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz“, S. 358 ff.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
typischerweise die unveränderte öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Leistungsergebnissen gegenüber persönlich Anwesenden erlaubt, bereits aus verwertungspräventiven Gründen nicht in Betracht.
VII. Vervielfältigung zum privaten Gebrauch – § 53 UrhG Gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern zulässig, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen und soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird. Auf den ersten Blick könnte diese Ausnahmeregelung vor allem die im Rahmen der Erzeugung von UGC stattfindenden Vervielfältigungshandlungen durch originäre Nutzeraufzeichnungen fremder Werke und Leistungen oder eine Übernahme bestehender Aufzeichnungen hiervon rechtfertigen. Denn nutzergenerierten Medieninhalten liegen typischerweise nur einzelne Inhaltskopien zugrunde, die von Internetnutzern auf deren analogen oder digitalen Aufzeichnungsgeräten in der Privatsphäre zu nicht kommerziellen Zwecken, vorwiegend zur Befriedigung rein persönlicher Bedürfnisse hergestellt wurden.579 In der Regel verwenden die Nutzer auch keine offensichtlich rechtswidrig hergestellten oder öffentlich zugänglich gemachten Medienquellen für die Übernahme der gewünschten Inhalte. Diese stammen vielmehr überwiegend von handelsüblichen Bild-, Ton- und sonstigen Datenträgern, aus herkömmlichen On- und Offline-Massenmedien oder von diversen öffentlich zugänglichen Webseiten, die – im Gegensatz zu einem Peerto-Peer-Netzwerk – keineswegs per se als rechtswidrige Vervielfältigungsquellen angesehen werden können.
1. User Generated Content als offensichtlich rechtswidrige Kopiervorlage? Etwas anderes gilt allenfalls bei einer Nutzung von UGC-Plattformen, d. h. einem Rückgriff auf UGC als Kopiervorlage. Aber auch hier herrscht allgemein wenig Klarheit darüber, ob und inwiefern nutzergenerierte Medieninhalte im Einzelfall tatsächlich fremde Urheberrechte verletzten. Nach zutreffender Ansicht ist die Offensichtlichkeit der Rechtswidrigkeit zwar nach allgemeingültigen, objektiven Kriterien zu beurteilen – nicht subjektiv vom Standpunkt des jeweiligen Nutzers aus –, da der Umfang eines absoluten Rechts stets objektiv zu bestimmen ist und nicht vom jeweiligen Kenntnisstand einzelner Personen abhängen kann.580 Offensichtlichkeit ist 579 Zu Wesen und Entstehung von UGC siehe ausführlich oben: „1. Kapitel: Begriff des User Generated Content“, S. 6 ff. sowie „Erzeugung wahrnehmbarer elektronischer Medieninhalte“, Kapitel 4, S. 75 ff. 580 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 53 Rn. 14 c m.w.N.; a.A. Wandtke/Bullinger/Lüft, § 53 Rn. 16, der für einen Schutz des gutgläubigen Nutzers plädiert.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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folglich dann anzunehmen, wenn ohne Schwierigkeiten – gleichsam „auf den ersten Blick“ – erkennbar ist, dass die Vorlage rechtswidrig hergestellt oder öffentlich zugänglich gemacht wurde.581 Hervorzuheben ist hierbei, dass eine eingehende Prüfung der Umstände vom Nutzer nicht verlangt werden kann.582 Umgekehrt bedeutet dies jedoch, dass es an der Offensichtlichkeit fehlt, wenn Umstände erkennbar sind, die eine Rechtfertigung der Herstellung oder öffentlichen Zugänglichmachung der Vorlage möglich bzw. wahrscheinlich erscheinen lassen. Eben dies ist bei UGC jedoch durchaus denkbar. Denn wie vorliegende Abhandlung zeigt, gibt es eine Reihe von Konstellationen, in denen die Bereitstellung nutzergenerierter Medieninhalte durch einzelne Schrankenregelungen – ggf. im Wege deren bedürfnisorientierter, erweiternder Auslegung – gerechtfertigt werden kann. Darüber hinaus wirkt sich auch die zunehmende Akzeptanz und weltweite Popularität des Angebots einschlägiger UGC-Plattformen, wie z. B. YouTube, abschwächend auf die an das Tatbestandsmerkmal der „Offensichtlichkeit der Rechtswidrigkeit“ zu stellenden Anforderungen aus. Dies gilt umso mehr, als bereits zahlreiche Plattformbetreiber urheberrechtliche Nutzungsvereinbarungen mit Verwertungsgesellschaften und originären Rechteinhabern zur Legalisierung ihres Internetangebots abgeschlossen haben.583 Eine ähnliche Wirkung dürfte auch von den „User Generated Content Principles“ ausgehen, auf die sich verschiedene führende Rechteinhaber und Betreiber von UGC-Plattformen geeinigt haben.584 Hierin sind die beteiligten Parteien unter anderem dahingehend übereingekommen, dass rechtsverletzender UGC von den betreffenden Webseiten entfernt, das Hochladen von vollständigen und autorisierten Original-Inhalten gefördert und die redliche Verwendung („fair use“) von geschützten Medieninhalten durch Plattformnutzer toleriert werden soll.585 All diese Gründe sprechen vorliegend 581
Vgl. Schricker/Loewenheim, § 53 Rn. 14 c. So zutreffend Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 53 Rn. 21; dem folgend Schricker/Loewenheim, § 53 Rn. 14 c. 583 So hat bspw. die UGC-Plattform YouTube von November 2007 bis Ende März 2009 mit der GEMA eine Lizenzvereinbarung getroffen, die es dem Plattformbetreiber erlaubte, Videos, die unter Verwendung von Musik aus dem GEMA-Repertoire hergestellt worden sind, unabhängig davon, ob es sich dabei um Musikvideos oder UGC handelte, öffentlich zugänglich zu machen. Auch mit den vier Musik-Majors EMI, Warner Music, Sony BMG und Universal hat die Videoplattform Lizenzvereinbarungen über die Nutzung ihres Werkkatalogs geschlossen. 584 Mitte Oktober 2007 haben sich die Rechteinhaber CBS, Disney, Fox Entertainment, Microsoft, NBC Universal, Sony Pictures und Viacom sowie die UGC-Plattformen Crackle, Dailymotion, MySpace, Sevenload und Veoh auf eine Reihe von Prinzipien im Umgang mit nutzergenerierten Medieninhalten („Principles for User Generated Content Services – Foster Innovation. Encourage Creativity. Thwart Infringement“) geeinigt. Der Text des Übereinkommens ist abrufbar unter der URL: http://www.ugcprinciples.com [23.09.2009]. 585 „In coming together around these Principles, Copyright Owners and UGC Services recognize that they share several important objectives: (1) the elimination of infringing content on UGC Services, (2) the encouragement of uploads of wholly original and authorized user-generated audio and video content, (3) the accommodation of fair use of copyrighted content on UGC Services [. . . ] We believe that adhering to these Principles will help UGC Services and Copyright Owners achieve those objectives.“, vgl. „Principles for User Generated Content Services“, URL: http://www.ugcprinciples.com [23.09.2009]. 582
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dafür, dass UGC (zumindest) nicht von vornherein als offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage i. S. v. § 53 Abs. S. 1 UrhG angesehen werden kann.586 Folglich scheint die Erzeugung von UGC ein nach § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG grundsätzlich privilegierungsfähiges Verwertungsanliegen zu sein. Gleichwohl kommt der Schranke im Ergebnis – selbst bei Vorliegen der vorgenannten Tatbestandsvoraussetzungen – aufgrund der in § 53 Abs. 6 und 7 UrhG vorgesehenen Rückausnahmen von der privaten Vervielfältigungsfreiheit (Schranken-Schranken) im Zusammenhang mit UGC praktisch kein Privilegierungspotential zu. 2. Vervielfältigungen in der Öffentlichkeit Zunächst wird die Anwendbarkeit auf UGC durch das Verbot der Aufnahme von öffentlichen Vorträgen, Aufführungen und Vorführungen auf Bild- und Tonträger gemäß § 53 Abs. 7 UrhG eingeschränkt. Solche Aufzeichnungen sind also bereits von vornherein nicht als private Vervielfältigungen privilegiert und daher stets nur mit Einwilligung der Berechtigten zulässig. So sind insbesondere nutzergenerierte Ton- und Bildaufzeichnungen von öffentlichen Werkaufführungen in einem Theater oder von Filmvorführungen in einem Kino stets unzulässig. Aber auch die von Nutzern an einem Veranstaltungsort z. B. mittels Kamera-Handys häufig vorgenommene Herstellung von Konzertmitschnitten, wie sie massenhaft auf Video-Plattformen wie YouTube zu finden sind, sind aufgrund dieser Schranken-Schranke urheberrechtlich unzulässig. Anders verhält es sich jedoch in Bezug auf solche Konzertmitschnitte, die durch eine Aufzeichnung einer (Live-)Sendung der Aufführung vom Radio- oder Fernsehgerät oder einer nachträglichen öffentlichen Zugänglichmachung einer entsprechenden (zulässigen) Sendungsaufzeichnung zustande gekommen sind.587 Denn das Aufnahmeverbot des § 53 Abs. 7 UrhG umfasst weder die öffentliche Wiedergabeform der Sendung (§ 20 UrhG) noch die der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19 a UrhG) eines Werkes. Selbiges gilt für die öffentliche Wiedergabe von Tonträgern, da diese – mit Blick auf das eigenständige Verwertungsrecht des § 21 UrhG – insbesondere keine Vorführung i. S. v. § 19 Abs. 4 UrhG der hierauf festgehaltenen Werke und Leistungen darstellt.588 Insofern werden audio-visuelle Nutzeraufzeichnungen von öffentlich wiedergegebenen Tonträgern, wie sie bspw. in einer Diskothek oder bei sonstigen öffentlichen Tanzveranstaltungen angefertigt werden, nicht von 586
DerVollständigkeit halber ist hier zu erwähnen, dass die Rückausnahme des § 53Abs. 5 S. 1 UrhG – wonach die Privatkopie-Schranke des Absatzes 1 keine Anwendung auf Datenbankwerke findet, deren Elemente einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel zugänglich sind – vorliegend unbeachtlich ist, da sich bereits das Urheberrecht am Datenbankwerk nicht auf die einzelnen Elemente erstreckt. Zur Frage der urheberrechtlichen Relevanz des Rückgriffs auf Inhalte einer als Datenbankwerk oder Datenbank zu qualifizierenden UGC-Plattform im Zusammenhang mit der Erzeugung von UGC siehe bereits ausführlich oben: „Verwertungsrechte“, Kapitel 5, S. 115 ff. 587 Vgl. hierzu Schricker/Loewenheim, § 53 Rn. 53; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 53 Rn. 46. 588 Vgl. hierzu die zutreffende Ansicht von Schricker/v. Ungern-Sternberg, § 19 Rn. 38 f.
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der Rückausnahme des § 53 Abs. 7 UrhG erfasst. Diesbezüglich ist eine zulässige private Vervielfältigung gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG also prinzipiell möglich. Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht daraus, dass die Vervielfältigung in der Öffentlichkeit stattfindet. Denn für die Qualifikation als privilegierte „Privatkopie“ kommt es nicht auf den Ort der Vervielfältigung, sondern hauptsächlich auf deren Zweck an.589 Ein privater Gebrauch kann daher auch dann vorliegen, wenn der Kopiervorgang nicht in der häuslichen Umgebung oder der Privatsphäre stattfindet, sondern an einem öffentlich zugänglichen Ort.590 So kann bspw. auch die Aufzeichnung (vorübergehend) öffentlich aufgestellter Kunstwerke, gedruckter Lichtbildwerke oder Lichtbilder (z. B. in Form eines Werbeplakats o. Ä.) durchaus als erlaubte private Vervielfältigungshandlung zu bewerten sein.
3. Verbot der öffentlichen Wiedergabe Entscheidend für die fehlende Privilegierungsfähigkeit von UGC ist hier jedoch, dass die nach § 53 UrhG zulässigerweise hergestellten Privatkopien gemäß § 53 Abs. 6 S. 1 UrhG nicht zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden dürfen. Dies hat angesichts der begrenzten Reichweite der Schranke, die lediglich das Vervielfältigungsrecht des Urhebers einschränkt, zwar auf den ersten Blick nur deklaratorische Bedeutung. Denn die öffentliche Wiedergabe eines Werkes, insbesondere dessen öffentliche Zugänglichmachung gemäß §§ 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, 19 a UrhG, ist als eigenständige Verwertungshandlung ohnehin nur mit Zustimmung des Urhebers oder nach Maßgabe einer anderen Schranke zulässig. Bedeutung hat die Vorschrift jedoch, weil die h. M. davon ausgeht, dass sie die ursprüngliche Legitimation zur Vervielfältigung des Werkes nachträglich wieder entfallen lässt, sobald die Privatkopie für eine öffentliche Wiedergabe benutzt wird.591 Begründet wird dies damit, dass § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG nur Vervielfältigungen zu privaten Zwecken legitimiere und diese Zweckbindung den Vervielfältigungsstücken immanent bleibe.592 Insofern stelle deren spätere Verwendung zu anderen Zwecken eine unzulässige nachträgliche Zweckänderung dar, die das Vervielfältigungsrecht der Berechtigten verletze.593 Wer die Kopie hingegen – wie sooft bei UGC – bereits in der Absicht hergestellt, sie öffentlich wiederzugeben, z. B. sie über das Internet zugänglich zu machen, ist schon in Bezug auf die Vervielfältigung nicht durch § 53 UrhG privilegiert.594 Dies ist insofern konsequent, als die Vorschrift die Herstellung der Vervielfältigungen nur unter der Bedingung erlaubt, 589 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 53 Rn. 12 unter Hinweis auf OLG München GRUR-RR 2003, 356, 366 – CD-Münzkopierautomaten. 590 Vgl. OLG München GRUR-RR 2003, 356, 366 – CD-Münzkopierautomaten. 591 Vgl. BGH GRUR 1997, 459, 462 – CB-Infobank I; Schricker/Loewenheim, § 53 Rn. 55; Fromm/Nordemann/Nordemann, § 53 Rn. 13; Dreier/Schulze, § 53 Rn. 53; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 53 Rn. 44. 592 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 53 Rn. 55. 593 Vgl. Fromm/Nordemann/Nordemann, § 53 Rn. 13. 594 Vgl. Dreier/Schulze, § 53 Rn. 53; Fromm/Nordemann/Nordemann, § 53 Rn. 13.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
dass diese anschließend dem „eigenen Gebrauch“, d. h. zur eigenen Verwendung, und nicht zur Weitergabe an Dritte dienen. „Privater Gebrauch“ ist – als Unterfall des eigenen Gebrauchs – der Gebrauch in der Privatsphäre durch die eigene Person oder die mit ihr durch ein persönliches Band verbundenen Personen.595 Dies ist bei UGC, der per definitionem zur Rezeption durch die Öffentlichkeit via Internet und damit zur Weitergabe an Dritte bestimmt ist, jedoch offensichtlich nicht der Fall. Die Rückausnahme des § 53 Abs. 6 S. 1 UrhG ist im Zusammenhang mit UGC daher in zweierlei Hinsicht von privilegierungsverhindernder bzw. privilegierungsvernichtender Bedeutung: Zum einen bewirkt sie die nachträgliche Rechtswidrigkeit ursprünglich zulässig hergestellter Vervielfältigungen fremder Medieninhalte – z. B. in Form von (zulässigen) Internet-Downloads, Rundfunkmitschnitten oder sonstigen Privatkopien veröffentlichter Sprach-, Lichtbild-, Musik- oder Filmwerke bzw. einfacher Lichtbilder, Tonaufnahmen oder Laufbilder –, sobald der Nutzer seinen hierauf basierenden Text-, Bild-, Audio- oder Video-Beitrag im Internet veröffentlicht hat. Vor allem verhindert die Regelung aber schon von vornherein eine Privilegierung prosumierender Internetnutzer, wenn bereits der Kopiervorgang der Erzeugung von UGC dient, da dieser typischerweise via Internet veröffentlicht, d. h. öffentlich wiedergegeben zu werden pflegt. 4. Ergebnis zu § 53 UrhG Aufgrund der zentralen Zweckbegrenzung der Privatkopie auf den eigenen Gebrauch, der letztlich ein Verbot der Weitergabe an Dritte impliziert, erweist sich die Schranke des § 53 UrhG zur Privilegierung nutzergenerierter Medieninhalte im Ergebnis als ungeeignet. Denn entweder werden die zunächst in privilegierter Absicht hergestellten Privatkopien durch ihre Bereitstellung als UGC im Internet nachträglich rechtswidrig oder aber die Nutzer sind von vornherein nicht zur Vervielfältigung privilegiert, weil sie bereits zum Aufzeichnungszeitpunkt eine Verwendung der Kopie zum Zwecke der Veröffentlichung als UGC beabsichtigen.
VIII. Unwesentliches Beiwerk – § 57 UrhG Nicht unerhebliche Bedeutung im Zusammenhang mit der Erstellung von UGC kommt der technologieneutralen Schranke des § 57 UrhG zu. Diese gestattet die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, wenn sie (lediglich) als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind. Da die Vorschrift nicht nur alle Werkarten und urheberrechtlich geschützten Leistungen erfasst, sondern durch Anknüpfung an das Vervielfältigungsrecht sowie sämtliche Rechte der öffentlichen Wiedergabe – einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung – 595
Vgl. BGH GRUR 1978, 474, 475 – Vervielfältigungsstücke.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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alle für eine digitale Online-Verwertung relevanten Verwertungsrechte einschränkt, scheint ihr vorliegend ein enormes Privilegierungspotential zuzukommen. Die Bestimmung ist nämlich grundsätzlich dazu geeignet, sowohl die Erzeugung als auch die anschließende Bereitstellung nutzergenerierter Medieninhalte – unabhängig von deren Schutzfähigkeit596 – zu rechtfertigen.
1. Nebensächlichkeit als maßgebliche Privilegierungsvoraussetzung Ausgangspunkt für das Privileg des § 57 UrhG war die Überlegung, dass die für den Urheber gesetzlich vorgesehenen Befugnisse ihm nur ermöglichen sollen, die Nutzung seines Werkes zu erlauben oder zu verbieten, wenn das Werk den eigentlichen Gegenstand der Verwertungshandlung darstellt.597 Erscheint ein Werk während einer Aufzeichnung und Wiedergabe hingegen mehr oder weniger zufällig bzw. nur beiläufig neben dem eigentlichen Gegenstand, soll die Zustimmung des betroffenen Rechteinhabers für die (unbedeutende) „Mitverwertung“ seines Beiwerks nicht erforderlich sein.598 Entscheidende Voraussetzung für die Qualifikation als „unwesentliches Beiwerk“ ist somit, dass den mitaufgezeichneten und wiedergegebenen Schutzgegenständen jeglicherinhaltliche Bezug zu dem hauptsächlichen Gegenstand fehlt, um den es dem durch § 57 UrhG privilegierten Nutzer geht.599 Das heißt, das Beiwerk muss nebensächlichen Charakter haben.600 Nebensächlichkeit bedeutet weder, dass die Einbeziehung „unvermeidbar“ gewesen, noch „gänzlich unbewusst“ geschehen sein muss.601 Richtigerweise ist für die Nebensächlichkeit drauf abzustellen, ob das Beiwerk ausgetauscht oder ganz weggelassen werden könnte, ohne dass hierdurch die Gesamtwirkung des aufnehmenden Medienerzeugnisses, insbesondere dessen Informations- und Unterhaltungswert, merklich beeinträchtigt werden würde und ohne dass ein nicht eigens hierauf achtender Rezipient dies bemerkte.602 Um zu verhindern, dass die Ausnahmeregelung als bequemer Vorwand zur Rechtfertigung von Urheberrechtsverletzungen herangezogen wird, sind an das Vorliegen der maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzung des „unwesentlichen Beiwerks“ nach
596 Ob es sich bei dem zu privilegierenden Medienerzeugnis selbst um ein Werk oder ein sonstiges urheberrechtlich schutzfähiges Leistungsergebnis handelt, ist nach § 57 UrhG unerheblich (vgl. Dreier/Schulze, § 57 Rn. 1; dem folgend Schricker/Vogel, § 57 Rn. 6; missverständlich insoweit Wandtke/Bullinger/Lüft, § 57 Rn. 2, der von einem „Hauptwerk“ spricht). Insofern spielt hier – anders als bei § 51 UrhG – die Schutzfähigkeit des UGC für die Frage der Freistellung der vorangegangenen Verwertungshandlungen des Nutzers keine Rolle. 597 Vgl. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 75. 598 Vgl. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 75; Schricker/Vogel, § 57 Rn. 2. 599 So zutreffend Schricker/Vogel, § 57 Rn. 6. 600 Vgl. Schricker/Vogel, § 57 Rn. 8; Dreier/Schulze, § 57 Rn. 2. 601 So aber Fromm/Nordemann/Nordemann, § 57 Rn. 2. 602 Ähnlich Dreier/Schulze, § 57 Rn. 2; Schricker/Vogel, § 57 Rn. 8; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 57 Rn. 2.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
h. M. strenge Anforderungen zu stellen.603 Ob ein urheberrechtlicher Schutzgegenstand im konkreten Einzelfall tatsächlich (nur) unwesentliches Beiwerk ist, oder absichtlich in den fraglichen Medieninhalt einbezogen wurde, um dessen Wirkung zu erhöhen,604 ist nach objektivem Maßstab aus der Sicht des Betrachters, nicht anhand der Absicht des Verwerters des eigentlichen Gegenstands zu beurteilen.605 Keinesfalls darf die Anwendung der Schranke zu einer Aushöhlung der ausschließlichen Verwertungsrechte der Berechtigten führen. 2. User Generated Content als privilegierungsfähiges Verwertungsanliegen Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage, auf welche Formen von UGC sich die Schranke des § 57 UrhG privilegierend auszuwirken vermag. a) Mashups und typografische Nutzerbeiträge Aufgrund der gesetzgeberischen Intention nur eine unbewusste Mitverwertung urheberrechtlich geschützter Gegenstände zu erlauben, der praktisch keine wirtschaftliche Bedeutung zukommt, da sie nicht den eigentlichen Gegenstand der Verwertungshandlung darstellen,606 scheidet eine (vollständige) Privilegierung von UGC nach § 57 UrhG in all denjenigen Fällen bereits von vornherein aus, in denen Nutzer ganz bewusst fremde Werke und Leistungen zur Erzeugung ihrer Medieninhalte verwenden.607 Denn hier werden absichtlich fremde Werke und Leistungen um 603 In Lit. und Rspr. ist durchgängig von einer „engen Auslegung“ die Rede (vgl. etwa Dreier/Schulze, § 57 Rn. 2: „tendenziell“; Schricker/Vogel, § 57 Rn. 5: „geboten“; Möhring/Nicolini/Gass, § 57 Rn. 3 und Wandtke/Bullinger/Lüft, § 57 Rn. 1: „grundsätzlich“; Fromm/Nordemann/Nordemann, § 57 Rn. 2 sogar: „muss“; dem folgend Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 192). Dem kann aufgrund der oben zur Auslegung von Schrankenbestimmungen genannten Grundsätzen nicht gefolgt werden. Es ist vielmehr auch hier eine zweckorientierte Auslegung der Schranke im Einzelfall vorzunehmen (siehe hierzu ausführlich oben: „Auslegung und Anwendung der Schrankenbestimmungen“, S. 168 ff.). 604 Vgl. Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 193 mit Hinweis auf OLG München NJW 1989, 404 – Kunstwerke in Werbeprospekten. 605 Vgl. Dreier/Schulze, § 57 Rn. 3; Schricker/Vogel, § 57 Rn. 10; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 57 Rn. 2; s.a. OLG München NJW 1989, 404 – Kunstwerke in Werbeprospekten. 606 So sind die Ausführungen in der Gesetzesbegründung zu verstehen, wenn die Verwertung einer Spielfilmproduktion nicht von der Genehmigung eines Urhebers abhängig sein soll, dessen Gemälde lediglich im Hintergrund zu sehen ist, ohne dass es für die Handlung des Filmes irgendeine Rolle spielt (vgl. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 75; kritisch hierzu Schricker/Vogel, § 57 Rn. 9; Dreier/Schulze, § 57 Rn. 2; Fromm/Nordemann/Nordemann, § 57 Rn. 2). 607 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Nutzung der Fremdinhalte aus einem anderen Grund zulässig ist und diese ihrerseits „unwesentliches Beiwerk“ i.S.v. § 57 UrhG enthalten. Denn nach Sinn und Zweck der Schranke deckt die Vorschrift des § 57 UrhG auch die Verwertung von unwesentlichem Beiwerk, das innerhalb eines Medieninhalts erscheint, das selbst als unwesentliches Beiwerk einzustufen ist.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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ihrer selbst willen verwertet, womit sie den hauptsächlichen Gegenstand der Verwertungshandlungen bilden. Mit Blick auf die typischen Erzeugungsformen für UGC608 kommt eine Anwendung der Schranke somit insbesondere auf solche Nutzerinhalte nicht in Betracht, die auf einer gezielten Aufzeichnung, Übernahme, Veränderung, Kombination oder Verbindung fremder Werke und Leistungen mit nutzereigenen Beitragsteilen beruhen (sog. „Mashups“609 ). Da außerdem eine unbewusste Mitverwertung fremder Werke und Leistungen bei der Erzeugung typografischer Informationsgüter nicht denkbar ist, findet die Ausnahme auch auf nutzergenerierte Text-Beiträge generell keine Anwendung. b) Auditive und visuelle Alltagsdokumentationen Als taugliche Privilegierungsobjekte bleiben damit praktisch nur die unzähligen Ton-, Foto-, Film- oder Video-Aufnahmen aus dem Alltag prosumierender Bevölkerungsmitglieder, auf denen – zumeist im Hintergrund – urheberrechtlich geschützte Gegenstände wahrgenommen werden können, die zufällig oder zwangsläufig mit aufgezeichnet wurden. Aber auch bei diesen digitalen Alltagsdokumentationen, wie sie millionenfach auf UGC-Plattformen (wie z. B. Flickr, YouTube etc.) oder sonstigen Webseiten im Internet zu finden sind, ist stets anhand der Zusammenhänge im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden, ob die enthaltenen Schutzgegenstände nur unwesentliches Beiwerk oder in Wahrheit „beigeordnetes Hauptwerk“ sind. Kommt den Fremdinhalten nämlich ausschmückender oder erläuternder Charakter zu, sind diese zwar nur von geringerer oder untergeordneter Bedeutung; sie sind für den Nutzerbeitrag dann jedoch nicht mehr „unwesentlich“.610 Letzteres ist insbesondere dann anzunehmen, wenn Nutzer einen Fremdinhalt erkennbar in das dokumentierte Geschehen einbeziehen.611 Das ist bspw. nicht nur dann der Fall, wenn sie sich beim persönlichen Vortrag eines Werkes (z. B. beim Singen eines Liedes oder Tanzen einer Choreografie) selbst filmen (Karaoke- und Tanz-Videos), sondern auch dann, wenn sie sich gezielt in unmittelbare Umgebung urheberrechtlich geschützter Werke oder Darbietungen begeben (z. B. vor eine Konzertbühne, einen Fernseher oder neben ein Kunstwerk), um diese zusätzlich zum eigentlichen Dokumentationsgegenstand aufzunehmen. Andererseits ist nicht schon jede dokumentarische Nutzeraufzeichnung, die im Umfeld urheberrechtlich geschützter Gegenstände erfolgt, von vornherein unzuläs608
Siehe hierzu ausführlich oben: „Erzeugung wahrnehmbarer elektronischer Medieninhalte“, Kapitel 4, S. 75 ff. 609 Der Begriff „Mashup“ bezeichnet die Erstellung neuer Medieninhalte durch die nahtlose (Re-) Kombination bereits bestehender Inhalte. Der Begriff stammt aus dem Musikbereich und bedeutet dort im Englischen soviel wie „Remix“. Im Kontext des Web 2.o wird der Begriff für Internetinhalte, wie Texte, Bilder, Töne oder Videos verwendet, die z.B. collagenartig neu kombiniert werden (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Mashup_%28Internet%29 [29.09.2009]). 610 „Unwesentliches Beiwerk ist weniger als ein Gegenstand von geringer oder untergeordneter Bedeutung.“ (vgl. Schricker/Vogel, § 57 Rn. 7). 611 Vgl. Möhring/Nicolini/Gass, § 57 Rn. 10; Dreier/Schulze, § 57 Rn. 2.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
sig. Das gilt insbesondere für UGC, der im öffentlichen Raum entstanden ist.612 So macht bspw. die zufällig ertönende Musik aus einem Autoradio oder das an einer Hauswand befindliche Werbeplakat die Video-Aufzeichnung einer Straßenszene ebenso wenig unzulässig, wie die beiläufig aufgenommene Hintergrundmusik in einem Supermarkt, Kaufhaus oder einer Diskothek, soweit diese in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem Zweck des Nutzerbeitrags steht und dem Rezipienten objektiv keinen nennenswerten Mehrwert bietet. Gleiches gilt für nutzergenerierte Fotoaufnahmen, die bspw. neben einer Person, die auf einem urheberrechtlich geschützten Bauhaus-Möbel sitzt und ein geschütztes Kleidungsstück (wie z. B. einem T-Shirt mit „Ed-Hardy“- oder Foto-Aufdruck) trägt,613 auch ein im Hintergrund wahrnehmbares Gemälde oder Fernsehbild wiedergibt. Denn anders als bei professionellen Fotoaufnahmen, Film- und Fernsehproduktionen, bei denen Hintergrund und Umgebung gezielt ausgewählt und ggf. mit geschützten Gegenständen ausgestaltet werden, um eine bestimmte Charakteristik oder ein spezielles Milieu zu schaffen,614 ist die Mitverwertung bei UGC häufig dem Zufall geschuldet. Je mehr das Erscheinen der Fremdinhalte also erkennbar durch äußere Einflüsse, wie fremde Personen oder den Zufall bestimmt wird, desto eher wird eine Unwesentlichkeit des Erscheinens und damit die erforderliche Nebensächlichkeit der Mitverwertung vorliegen. Allerdings verliert auch ein zufällig erscheinendes Werk seine Unwesentlichkeit, wenn es im Laufe der Aufzeichnung zu deren Schwerpunkt wird, einen gleichrangigen Verwertungsgegenstand bildet oder – objektiv betrachtet – zumindest zu einer merklichen Aufwertung des Informations- oder Unterhaltungswertes des erzeugten Medieninhalts führt.615 Denn hierdurch wird wieder ein inhaltlicher Bezug zum ursprünglich alleinigen Hauptgegenstand der Verwertung hergestellt, der die objektive Nebensächlichkeit des fremden Schutzgegenstands entfallen lässt. Existiert hingegen neben dem fraglichen Beiwerk sonst kein eigenständiger Hauptverwertungsgegenstand, liegt schon begrifflich kein unwesentliches „Beiwerk“ vor, da hierfür mindestens zwei Objekte erforderlich wären, von denen eines deutlich im Vordergrund stehen müsste.616 Aufgrund der Tatsache, dass auch nutzergenerierteAlltagsdokumentationen sowie herkömmliche Home-Videos prosumierender Bevölkerungsmitglieder sehr häufig gerade anlässlich der Wahrnehmung urheberrechtlich geschützter Werke und Leistungen erfolgen, um sie im Nachhinein als Zeitdokumente mit anderen Nutzern 612 Hierzu können virtuelle Realitäten im Internet jedoch grds. nicht gezählt werden, da eine dort angefertigte Aufzeichnung stets eine gezielte, d.h. absichtliche und nicht nur beiläufige Verwertung der urheberrechtlich geschützten Umgebung impliziert. Hier kommt § 57 UrhG allenfalls als Hilfsschranke – ggf. i.V.m. §§ 50, 51 UrhG – in Betracht. 613 Vgl. OLG München, Urteil vom 13. März 2008 – 29 U 5826/07 bzgl. eines geschützten T-ShirtDesigns, das samt tragender Person auf der Titelseite eines Nachrichtenmagazins abgedruckt wurde; vgl. hierzu auch das zutreffende Beispiel der Aufzeichnung einer Rednerin mit urheberrechtlich geschütztem Schmuck bei Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 57 Rn. 7. 614 Vgl. näher hierzu Schricker/Vogel, § 57 Rn. 9. 615 Ähnlich auch Dreier/Schulze, § 57 Rn. 2. 616 Vgl. Möhring/Nicolini/Gass, § 57 Rn. 7.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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und der Öffentlichkeit zu teilen, stehen auch bei diesen UGC-Formen die aufgezeichneten Fremdinhalte häufig im Mittelpunkt des Interesses. So sind bspw. bei einer kurzen Video-Aufnahme singender Gäste in einem Festzelt auf dem Oktoberfest oder eines tanzenden Brautpaares die Musikwerke und deren Darbietung kein unwesentliches Beiwerk, sondern eigentlicher Gegenstand der Verwertungshandlungen des Nutzers. Insofern spielen Zweck und Aussagegehalt der bereitgestellten Nutzerbeiträge für ihre Privilegierungsfähigkeit nach § 57 UrhG eine tragende Rolle. c) Content-Tags als Beurteilungskriterium Ein brauchbarer Anhaltspunkt zur Beurteilung der Unwesentlichkeit bzw. Nebensächlichkeit des Beiwerks bei UGC sind die von den Nutzern im Rahmen der Veröffentlichung ihrer Medieninhalte vergebenenBeitragstitel, Dateinamen und sog. „Tags“617 bzw. „Content-Tags“. Sie dienen hauptsächlich der Indexierung und thematischen Kategorisierung nutzergenerierter Medieninhalte innerhalb elektronischer (Online-)Datenbaken und ermöglichen so derenAuffinden und Ordnen anhand aussagekräftiger Schlagwörter. Sowohl die gewählten Beitragstitel als auch die ergänzten Content-Tags orientieren sich erfahrungsgemäß nahezu ausschließlich am Inhalt der jeweiligen Nutzer-Beiträge und geben damit auch etwaige hierin enthaltene Fremdinhalte preis, sofern diese aus der Sicht des Nutzers für den Rezipienten von Interesse sind. Insofern sind die kontextrelevanten Zusatzinformationen ein durchaus taugliches Kriterium zur Beurteilung der Privilegierungsfähigkeit nutzergenerierter Medieninhalte, da sie stets den hauptsächlichen Informationsgehalt und Unterhaltungswert der hierin vorkommenden Inhalte reflektieren. Enthalten also bereits die Dateinamen oder Content-Tags Hinweise auf urheberrechtlich geschützte Inhalte, ist dies ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen eines wesentlichen Verwertungsgegenstands. Mit anderen Worten: Die in nutzergenerierten Beitragstiteln, Dateinamen und Content-Tags genannten Schutzgegenstände sind grundsätzlich kein unwesentliches Beiwerk i. S. v. § 57 UrhG. 3. Pflicht zur Quellenangabe Im Rahmen der Veröffentlichung von UGC besteht für den prosumierenden Nutzer hinsichtlich des unwesentlichen Beiwerks grundsätzlich keine Pflicht zur Quellenangabe. Denn gemäß § 63 Abs. 2 S. 1 UrhG ist die Quellenangabe bei einer zulässigen öffentlichen Wiedergabe von unwesentlichem Beiwerk nur dann erforderlich, wenn und soweit die Verkehrssitte dies erfordert. Eine allgemeine Übung dahingehend, dass ein Nutzer eine inhaltsspezifische Analyse, Recherche und gesonderte Angabe der Berechtigten unwesentlicher Werkbestandteile vornimmt, lässt sich „unter 617 Der Begriff „Tag“ (engl. für „Etikett“, „Anhänger“ oder „Aufkleber“) steht in der Datenverarbeitung und Informatik für die Auszeichnung eines Datenbestandes mit zusätzlichen Informationen. Im Zusammenhang mit UGC wird der Begriff für deskriptive Schlagwörter verwendet, die den Inhalten zwecks Indexierung von Internetnutzern zugeordnet werden.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
loyalen, den Belangen des Urhebers mit Verständnis gegenübertretenden, billig und gerecht denkenden Benutzern“618 insgesamt nicht feststellen. Dies erscheint angesichts des hierfür erforderlichen unverhältnismäßigen Aufwands – auch im Bereich des UGC – durchaus interessengerecht.
4. Ergebnis zu § 57 UrhG Die maßgebliche Privilegierungsvoraussetzung des § 57 UrhG ist die objektiveNebensächlichkeit eines Werkes, d. h. dessen unbedeutende Mitverwertung innerhalb eines ihn wiedergebenden nutzergenerierten Medieninhalts. Diese Zweckbegrenzung verhindert eine direkte Anwendung der Schranke auf eine Vielzahl von UGC-Formen, die typischerweise durch eine bewusste Verwendung fremder Werke und Leistungen zustande kommen. So findet die Ausnahme insbesondere auf sog. „Mashups“ und nutzergenerierte Text-Beiträge grundsätzlich keine Anwendung. Aber auch im Rahmen nutzergenerierter Alltagsdokumentationen kommt es häufig zu einer absichtlichen Aufzeichnung fremder Werke und Leistungen oder einer bewussten Einbeziehung zufällig in Erscheinung getretener Schutzgegenstände, die ihre Qualifikation als unwesentliches Beiwerk letztendlich ausschließt. Hinsichtlich der Beurteilung der Nebensächlichkeit des Beiwerks ergeben sich bei UGC gegenüber bisherigen Verwertungsformen hingegen keine Besonderheiten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der „gesteigerten Inanspruchnahme“ der Vorschrift durch die massenhafte Bereitstellung privilegierter Nutzerinhalte im Internet. Denn angesichts der Tatsache, dass die entscheidungserhebliche „Unwesentlichkeit“ des Beiwerks aus der fehlenden bzw. nicht messbaren Ursächlichkeit für den potentiellen wirtschaftlichen Erfolg des verwertenden Medienerzeugnisses resultiert, besteht die Privilegierungswürdigkeit einer unbedeutenden Mitverwertung fremder Leistungsergebnisse unabhängig von der Größe des begünstigten Personenkreises und dem Verwertungsausmaß des wiedergebenden Medieninhalts. Solange die betroffenen Schutzgegenstände nämlich objektiv nebensächlichen Charakter haben – und damit weder vermögens- noch persönlichkeitsrechtliche Interessen der Berechtigten nennenswert beeinträchtigen –, spielt die Anzahl der privilegierten Personen und das Ausmaß der Verwertung für die Berechtigten des Beiwerks keine Rolle. Mit Blick auf die stetig zunehmende Verbreitung massentauglicher digitaler Aufzeichnungsgeräte und der wachsenden Popularität internetbasierter Publikationsmöglichkeiten für urheberrechtlich schutzfähige Werke und Leistungen kommt der Schranke des § 57 UrhG im Zusammenhang mit UGC also nur in quantitativer Hinsicht ein gesteigertes Privilegierungspotential zu.
618
Vgl. Fromm/Nordemann/Vinck, § 63 Rn. 2; dem folgend Schricker/Dietz, § 63 Rn. 12.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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IX. Werke an öffentlichen Plätzen – § 59 UrhG Als letzte für eine Privilegierung von UGC relevante Schrankenregelung der §§ 44 a ff. UrhG ist schließlich noch die Panoramafreiheit des § 59 UrhG in Betracht zu ziehen. Nach § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG ist es jedermann gestattet, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei, Grafik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Angesichts des bereits vielfach erwähnten hohen Verbreitungsgrades massentauglicher digitaler Aufzeichnungsgeräte – die zunehmend auch in artfremde Alltagsgegenstände (wie z. B. Mobiltelefone oder MP3-Player) integriert werden und mit denen die Bevölkerung sich und ihr tägliches Umfeld audio-visuell dokumentiert und immer häufiger der Öffentlichkeit im Internet präsentiert – ist die Bedeutung der Wiedergabefreiheit des § 59 UrhG heute größer denn je. Ihr konkretes Privilegierungspotential für UGC wird im Wesentlichen durch zwei Faktoren bestimmt: die von der Schranke erfassten Schutzgegenstände (1) und den Umfang der freigestellten Verwertungshandlungen (2).
1. Betroffene Schutzgegenstände Fraglich ist zunächst, welche urheberrechtlichen Schutzgegenstände von den Nutzern zur Erzeugung ihrer Medieninhalte erlaubnis- und vergütungsfrei verwendet werden dürfen.
a) Sichtbare Werke und Lichtbilder Dem Wortlaut nach erfasst die Vorschrift alle „Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen befinden“. Obwohl das umfassende Tatbestandsmerkmal der „Werke“ grundsätzlich alle Werkarten i. S. v. § 2 Abs. 1 UrhG erfasst,619 kommen aufgrund der Beschränkung der zulässigen Reproduktionsmittel auf die Malerei, die Graphik, das Lichtbild und den Film im Ergebnis nur abbildungsfähige, d. h. sichtbare Werke für eine privilegierte Verwendung in Betracht. Das sind vor allem Werke der bildenden Kunst i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, wie z. B. Denkmäler, Brunnen, Skulpturen, Graffitis, Stencils620 oder ähnliche Wandbilder sowie Werke der Baukunst, insbesondere die Außenansichten von Häusern, Türmen, Kirchen, Schlössern oder sonstigen Gebäuden.621 Andere Werkarten, insbesondere Sprach- und Musikwerke, werden nur dann von § 59 UrhG erfasst, wenn sie sich in optisch wahrnehmbarer Form (z. B. als Gedicht oder Partitur auf einer Gedenktafel 619 Vgl. Wandtke/Bullinger/Lüft, § 59 Rn. 3; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 59 Rn. 6; Dreier/Schulze, § 59 Rn. 2; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, § 74 III 1. 620 Zum Begriff des „Stencils“ siehe bereits oben Kapitel 4, Fn. 12. 621 Vgl. eingehend hierzu Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 91 ff.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
o. Ä.) an einem öffentlichen Platz befinden.622 Die in den §§ 70 ff. UrhG enthaltenen Verweise auf die Schranken der §§ 44 a ff. UrhG ermöglichten zwar theoretisch auch eine Anwendung der Panoramafreiheit des §Â 59 UrhG auf alle Leistungsergebnisse, die einem dem Urheberrecht verwandten Schutzrecht unterliegen. Trotz der visuellen Wahrnehmbarkeit von Werkinterpretationen, Laufbildern und entsprechenden Sendungen erweist sich letztlich aber nur das Lichtbild i. S. v. § 72 UrhG als erfasstes Leistungsschutzobjekt, da nur dieses sich bleibend im öffentlichen Raum installieren lässt.623 Die Anwendbarkeit des § 59 UrhG ist somit bereits von vornherein auf nutzergenerierte Bild- und Video-Beiträge beschränkt. Denn während es nutzergenerierten Text-Beiträgen schlicht an der Wiedergabe eines zu privilegierenden (statischen oder laufenden) Abbildes fehlt, scheitert eine Privilegierung von auditivem UGC bereits daran, dass die (Audio-)Aufzeichnung (z. B. eines öffentlich zugänglichen Glockenspiels oder sonstiger Straßenmusik) nicht mit den in § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG genannten bildnerischen Mitteln erfolgt.624 b) Exhibition im öffentlichen Raum Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Wiedergabefreiheit des § 59 UrhG auf visuellen UGC ist jedoch stets, dass sich die aufgezeichneten Schutzgegenstände „an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden“. Die Schranke zieht eine urheberrechtliche Konsequenz daraus, dass Werke, die im öffentlichen Raum zur Schau gestellt werden, der Allgemeinheit gewidmet sind und von jedermann ungehindert betrachtet werden können.625 Da sie in gewissem Sinne gesellschaftliches Gemeingut sind, ist es zulässig, sie zweidimensional abzubilden und die Abbildungen zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.626 Durch diesen Ausnahmetatbestand trägt der Gesetzgeber zugleich dem berechtigten Interesse der Allgemeinheit an der urheberrechtsfreien Abbildung des öffentlichen Raumes Rechnung. Denn die Abbildung von Werken, die sich dauerhaft im öffentlichen Raum befinden, ist als sozialtypisches Verhalten anerkannt und wird daher urheberrechtlich nicht sanktioniert.627 Zum öffentlichen Raum i. S. d. Vorschrift gehören alle im Gemeingebrauch stehenden, für jeden Nutzer frei zugängliche Örtlichkeiten, unabhängig davon, in wessen Eigentum sie stehen.628 Hierunter fallen nicht nur alle gewöhnlichen Stra622
Vgl. Schricker/Vogel, § 59 Rn. 8. Ähnlich auch Ulmer, der Filmwerke mangels dauerhafter Belegenheit im öffentlichen Raum vom Anwendungsbereich des § 59 UrhG ausnimmt, vgl. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, § 74 III 1. 624 So zutreffend Dreier/Schulze, § 59 Rn. 2; a.A. wohl Schricker/Vogel, § 59 Rn. 8. 625 Vgl. Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 201. 626 Vgl. die AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 76. 627 Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 417. 628 Vgl. Schricker/Vogel, § 59 Rn. 9; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 59 Rn. 3. 623
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ßen und Gehwege innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften, sondern auch Privatwege und Privatparks, sofern sie nur jedermann frei zugänglich sind.629 Ist ein urheberrechtlich geschütztes Werk für einen Nutzer von einem der vorgenannten Orte aus ohne besondere Hilfsmittel (wie z. B. eine Leiter, einen Hubschrauber, Spiegel o. Ä.) frei einsehbar ist, kommt es für eine zulässige UGC-Produktion grundsätzlich in Betracht. Nach zutreffender Ansicht können darüber hinaus auch Werke, die sich innerhalb eines dem öffentlichen Verkehr dienenden Gebäudes, wie z. B. einer Bahnhofhalle, U-Bahnstation oder einem Flughafengebäude befinden, von § 59 UrhG erfasst werden. Dies gilt jedoch nur dann und nur für solche Bereiche, die – auch wenn sie zeitweise geschlossen werden630 – keinerlei Zugangskontrollen unterliegen.631 Denn auch an diesen Plätzen muss der Urheber letztlich damit rechnen, dass sein Werk von jedermann frei betrachtet und verwertet werden kann. c) Internet als privilegierter öffentlicher Raum? Die in vorliegender Arbeit beschriebene Weiterentwicklung des Internets zum Web 2.0 und die bei prosumierenden Internetnutzern immer häufiger anzutreffende Praxis der bewussten Bereitstellung urheberrechtlich schutzfähiger Leistungsergebnisse zwecks freier Rezeption, Bearbeitung und/oder Verwertung durch die Öffentlichkeit, wirft hier unweigerlich die Frage auf, inwieweit die Panoramafreiheit auch im Internet zur Anwendung gelangen kann. Hierfür müsste sich das Internet als ein „öffentlicher Platz“ i. S. v. § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG begreifen lassen. Denkbar ist dies zumindest insofern, als es sich beim Internet bzw. den hierüber abrufbaren Webseiten heute in gewisser Weise auch um einen „von der Allgemeinheit frei zugänglichen Ort“632 handelt, der dem „Gemeingebrauch gewidmet“633 ist und an dem jedermann die dort befindlichen Werke frei betrachten kann. Wie sich jedoch bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift („öffentliche Wege, Straßen und Plätze“) ergibt, bezieht sich die Schranke aus guten Gründen nur auf öffentliche Plätze in der realen Außenwelt – insbesondere unter freiem Himmel634 – nicht hingegen auf Medien, gleich welcher Art. Denn im Gegensatz zu Werken, die sich an öffentlichen Plätzen im Freien befinden, kann bei solchen innerhalb des Internets nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass diese vom Urheber der Allgemeinheit gewidmet wurden. Auch wenn es bereits zahlreiche Webseiten gibt, die für jedermann frei zugänglich sind und über die die unterschiedlichsten Urheberrechtsinhaber ihre Leistungsergebnisse der Öffentlichkeit kostenlos zu Verwertungszwecken zur Verfügung stellen, 629
Vgl. Dreier/Schulze, § 59 Rn. 3. So schon RGSt 40, 122, 126 für einen nächtlich geschlossenen Friedhof. 631 Vgl. Wandtke/Bullinger/Lüft, § 59 Rn. 4; a.A. Schricker/Vogel, § 59 Rn. 9; Dreier/Schulze, § 59 Rn. 3; Möhring/Nicolini/Gass, § 59 Rn. 14; Fromm/Nordemann/Nordemann, § 59 Rn. 3. 632 Vgl. Schricker/Vogel, § 59 Rn. 10. 633 Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 59 Rn. 3. 634 Vgl. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, § 74 III 1; v. Gamm, UrhG, § 59 Rn. 2. 630
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
d. h. praktisch der Allgemeinheit widmen, geht von diesen keinesfalls eine derart generalisierende Wirkung aus, welche es rechtfertigen würde, das Internet insgesamt zu einer „urheberrechtsfreien Zone“ zu erklären. Ebenso wie Bücher, Zeitschriften, Ton-, Bild- und sonstige Datenträger sowie der Hörfunk und das Fernsehen ist auch das Internet letztlich (nur) ein Informationsmedium, über das eine Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke und Leistungen – für die Nutzer nicht notwendigerweise vergütungsfrei – erfolgt. Nur weil sich ein Werk dauerhaft in einem jedermann frei zugänglichen bzw. empfangbaren Medium befindet bzw. über ein solches abgerufen werden kann, bedeutet dies jedoch noch nicht, dass es auch der Allgemeinheit gewidmet wurde. Eine Qualifizierung des Internets als „öffentlicher Platz“ i. S. v. § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG hätte letztlich zur Folge, dass alle sich dort „bleibend“ befindenden bzw. abrufbaren visuellen Medieninhalte zu Gemeingut würden, was deren normale Auswertung faktisch unmöglich machte. Damit käme der Schranke des § 59 UrhG allerdings eine Reichweite zu, die weitgehend dem für das Internet teilweise geforderten Grundsatz des „free flow of information“ entspräche, der aufgrund seines systemsprengenden Charakters jedoch abzulehnen ist.635 § 59 UrhG kann folglich auf Werke innerhalb eines Mediums – selbst wenn dieses jedermann frei zugänglich und damit dem Gemeingebrauch gewidmet ist – prinzipiell keine direkte Anwendung finden. d) Aufzeichnungen von Werken an öffentlichen Plätzen Auch wenn somit die im Internet verfügbaren Werke und Lichtbilder selbst nicht nach § 59 UrhG verwertet werden dürfen, stellt sich aufgrund der für UGC typischen Erzeugungsform der Übernahme fremder Medieninhalte die Frage, ob die Verwertung eines von der Vorschrift betroffenen Werkes auch durch die (privilegierte) Verwendung einer bestehenden Fremdaufzeichnung hiervon durch § 59 UrhG gerechtfertigt werden kann. Fraglich ist also insbesondere, ob eine vorhandene Privilegierung dem hergestellten und verbreiteten bzw. öffentlich wiedergegebenen Vervielfältigungsstück immanent bleibt. Dies ist zu bejahen. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut der Vorschrift, der die Verwertung der betroffenen Werke mittels sie wiedergebender Abbildungen insgesamt freistellt, sondern auch ihr Sinn und Zweck, wonach die der Allgemeinheit gewidmeten Werke jedermann zur Nutzung offen stehen sollen. Anderenfalls wäre nur derjenige zur Verwertung berechtigt, der selbst an dem Ort gewesen ist, an dem das Werk öffentlich ausgestellt ist, um eine Abbildung hiervon anzufertigen. Für eine derartige Einschränkung besteht angesichts des Charakters des Straßenbildes als gesamtgesellschaftliches Gemeingut jedoch keine Notwendigkeit. Dies gilt um so mehr, als die Freistellung mangels abweichender Regelung auch dann zur Anwendung kommt, wenn sich die abgebildeten Werke zum (Zweit-)Verwertungszeitpunkt nicht mehr an dem öffentlichen Platz befinden. Sofern dem Nutzer also die Übernahme einer privilegierten Werkabbildung eines Dritten – z. B. aufgrund einer anderen Schrankenbestimmung oder eines vorangegan635
Siehe hierzu bereits oben: „Free flow of information?“, S. 211 f.
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genen Rechtsverzichts bzw. der Gewährung eines unentgeltlichen Nutzungsrechts für jedermann (§ 32Abs. 3 S. 3 UrhG) – gestattet ist, ist ihm auch die (Zweit-)Verwertung des hierauf wiedergegebenen Werkes erlaubt, selbst wenn das Werk zwischenzeitlich entfernt wurde oder nicht mehr existiert. Folglich können grundsätzlich auch öffentlich zugänglich gemachte Fremdaufzeichnungen von Werken an öffentlichen Plätzen zur Erzeugung von UGC herangezogen werden, ohne in die Verwertungsrechte des Urhebers des abgebildeten Werkes einzugreifen.
e) Zweckbedingte Kontinuität der Werkpräsentation Eine entscheidende Einschränkung der Wiedergabefreiheit des § 59 UrhG ergibt sich für die Nutzer jedoch aus der erforderlichen Kontinuität der öffentlichen Werkpräsentation. Für eine nach § 59 UrhG zulässige Erzeugung nutzergenerierter Bild- und Video-Beiträge kommen nämlich nur solche Werke und Lichtbilder in Betracht, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden. Von welcher Dauer die öffentliche Präsentation des Schutzgegenstands sein muss und inwieweit sie vom Willen dessen Schöpfer abhängt, wird uneinheitlich beurteilt.636 Einigkeit besteht insoweit, dass die Schranke auf all diejenigen Werke anwendbar ist, die sich für die Zeit ihrer materialbedingten Lebensdauer und ohne Befristung auf öffentlichem Grund befinden.637 So sind insbesondere vergängliche bzw. kurzlebige Werke, wie z. B. Pflastermalereien, Schneeskulpturen, Stencils oder sonstige Graffitis an Hauswänden oder öffentlichen Verkehrsmitteln ohne Weiteres von § 59 UrhG erfasst, bis sie von der Witterung ausgelöscht oder von Menschenhand entfernt oder übermalt werden.638 Problematisch erscheint die Interpretation des Merkmals „bleibend“ jedoch bei solchen Werken, die von vornherein nur temporär an einem der Allgemeinheit frei zugänglichen Ort zur Schau gestellt werden. Allein auf die Widmung durch den Verfügungsberechtigten, also dessen Willen, das Werk dauerhaft oder nur vorübergehend öffentlich zu präsentieren, kann es dabei jedoch nicht ankommen.639 Denn nachdem die urheberrechtlichen Schranken die Reichweite der Ausschließlichkeitsrechte des Urhebers im Interesse der Allgemeinheit erst näher bestimmen,640 können ihre Rechtsfolgen nicht allein zur Disposition des Urhebers stehen.641 Mit dem BGH ist daher in erster Linie auf die – objektiv zu bestimmende – anfängliche Zweckbe636
Vgl. ausführlich zum Streitstand in Lit. und Rspr. Schricker/Vogel, § 59 Rn. 11 ff. Vgl. Schricker/Vogel, § 59 Rn. 11. 638 Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 59 Rn. 7; Schricker/Vogel, § 59 Rn. 15; Dreier/Schulze, § 59 Rn. 5; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 59 Rn. 5. 639 So aber Fromm/Nordemann/Nordemann, § 59 Rn. 2; wie hier BGH GRUR 2002, 605, 606 – Verhüllter Reichstag; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 59 Rn. 4; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 59 Rn. 7. 640 Siehe grundlegend hierzu bereits oben: „Urheberrechtsschranken als Ausnahmeregelungen“, S. 168 ff. 641 Ähnlich auch BGH GRUR 2002, 605, 606 – Verhüllter Reichstag, der sinngemäß ausführt, dass es der Urheber ansonsten in der Hand hätte, sein Werk durch entsprechende Absichtserklärungen 637
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stimmung abzustellen, mit der das Kunstwerk aufgestellt oder installiert wurde.642 Wird ein Werk also für eine so lange Zeitspanne im öffentlichen Raum aufgestellt oder belassen, dass es schon zum Bestandteil der betreffenden Örtlichkeit zu werden scheint, wird es als Teil des Straßenbildes von der Panoramafreiheit des § 59 UrhG erfasst. Denn hierdurch tritt eine nicht unerhebliche Lockerung der Beziehung des Urhebers zu seinem Werk ein, die es hier in gewisser Weise zu gesellschaftlichem Gemeingut643 werden lässt.644 Kommt der Werkpräsentation hingegen (nur) ein gewisser Eventcharakter zu (z. B. in Form eines zweiwöchigen Aktionskunstwerkes oder einer Präsentation im Zusammenhang mit einer Ausstellung, Messe o. Ä.), ist i. d. R. für jedermann zu erkennen, dass das Werk nicht zum festen Bestandteil seiner Umgebung werden soll. In diesem Fall findet keine Einschränkung der Verwertungsrechte durch die Schranke des § 59 UrhG statt.645 Privilegierungsfähig sind daher nur diejenigen nutzergenerierten Bild- und VideoDokumentationen, die sich ausschließlich dem statischen, sich nicht verändernden und damit täglich identisch vorzufindenden Straßen-, Stadt- und Landschaftsbild widmen. Demgegenüber ist UGC, der gerade anlässlich solcher urheberrechtsrelevanter Ereignisse (z. B. mittels Handy-Kamera o. Ä.) erzeugt wird, die die öffentliche Wahrnehmungsroutine der Nutzer durchbrechen (wie z. B. in einer Fußgängerzone vorübergehend aufgestellte Plastiken, ein auffälliges Werbeplakat646 an einer Litfaßsäule oder Filmausschnitte, die über einen durch ein Schaufenster sichtbaren Bildschirm wiedergegeben werden), nicht durch § 59 UrhG gerechtfertigt. Eben diese außergewöhnlichen Anlässe sind für prosumierende Bevölkerungsmitglieder jedoch von gesteigertem Interesse und daher besonders häufig Gegenstand nutzergenerierter Medieninhalte im Internet. f) Panoramafreiheit als Nutzungsgeneralklausel? Wie vorstehende Ausführungen gezeigt haben, stellt sich UGC, der ausschließlich von § 59 UrhG zu Gemeingut deklarierte, dauerhaft in der Öffentlichkeit befindliche Werke enthält, hinsichtlich der verwendeten Schutzgegenstände ohne Weiteres als privilegierungsfähige Verwertungsform dar. Insofern ergeben sich für UGC auch die Anwendung der Schrankenbestimmung des § 59 UrhG zu umgehen und so sein Werk vor privilegierter Nutzung zu schützen. 642 Vgl. BGH GRUR 2002, 605, 606 – Verhüllter Reichstag. 643 Die AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 76 spricht davon, dass „die Aufstellung eines Kunstwerkes an öffentlichen Orten zum Ausdruck bringe, dass damit das Werk der Allgemeinheit gewidmet werde.“ 644 Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 59 Rn. 7. 645 Vgl. hierzu BGH GRUR 2002, 605, 607 – Verhüllter Reichstag. 646 Mangels ausreichender Dauerhaftigkeit der öffentlichen Präsentation gegen die Privilegierung der Verwertung von Werken an Plakatwänden und Litfasssäulen Schricker/Vogel, § 59 Rn. 16; a.A. Dreier/Schulze, § 59 Rn. 5, der jedoch übersieht, dass öffentlich angebrachten Werbeplakate nicht Bestandteil ihrer Umgebung werden sollen, sondern von vornherein nur als zeitlich begrenzte Informationsmedien fungieren. Ihre Verwertung kann jedoch ggf. nach § 57 UrhG zulässig sein.
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hier – ebenso wie im Falle der unbewussten Mitverwertung unwesentlichen Beiwerks nach § 57 UrhG – gegenüber einer Verwertung in herkömmlichen Medienerzeugnissen keine Besonderheiten.647 Da die Erzeugung nutzergenerierter Medieninhalte jedoch erfahrungsgemäß sehr häufig von der nur beschränkt zulässigen Aufzeichnungspraxis abweicht, bietet die Schranke insgesamt nur ein relativ begrenztes Privilegierungspotential für UGC. Fraglich ist daher, ob und ggf. inwieweit das Massenphänomen des UGC eine entsprechende Erweiterung der Panoramafreiheit des § 59 UrhG erforderlich macht bzw. zu rechtfertigen vermag. aa) Erzeugung von User Generated Content als sozialtypische Verhaltensweise Die Möglichkeit zur urheberrechtsfreien Aufzeichnung des öffentlichen Raumes einschließlich sämtlicher sich dort befindender urheberrechtlich geschützter Werke und Leistungen (z. B. in Form von Urlaubsvideos, Hobby-Fotografien oder sonstigen Gelegenheitsdokumentationen) zu privaten, d. h. vor allem nicht kommerziellen Zwecken, stellt seit jeher ein schutzwürdiges Allgemeininteresse dar. Gleiches gilt auch für die anschließende Verbreitung (z. B. per E-Mail oder mittels Datenträger) und Wiedergabe solcher Aufnahmen im Familien-, Freundesund Bekanntenkreis, damit die zugehörigen Personen sich einen Eindruck hiervon machen können. Derartige Nutzeraufnahmen dienen nahezu ausschließlich der Unterstützung des zwischenmenschlichen Austauschs über persönliche Erlebnisse, Erfahrungen und das Lebensumfeld des jeweiligen Nutzers und stellen somit eine unverzichtbare Grundlage für soziale Kommunikationsprozesse dar. Dieses grundlegende Bedürfnis der Bevölkerung wird für den „Offline-Bereich“ – unabhängig von der Art des aufgezeichneten Schutzgegenstands und der Dauer seiner Präsentation in der Öffentlichkeit – auch in den meisten Fällen durch die Erlaubnis der Privatkopie nach § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG gewahrt.648 Eine moderne bzw. „zeitgemäße“ Online-Nutzung solcher Privataufnahmen auf einer UGC-Plattform (wie z. B. Flickr), Community-Webseite (wie z. B. Facebook, StudiVZ o. Ä.) oder einem Blog ist trotz derselben Zielrichtung des Verwertungsvorgangs hingegen weder durch § 53 UrhG noch durch § 59 UrhG privilegiert. Denn während § 53 UrhG eine Veröffentlichung von „Privatkopien“ bereits von vornherein ausschließt, geht die eine öffentliche Zugänglichmachung grundsätzlich erlaubende Wiedergabefreiheit des § 59 UrhG im Hinblick auf die betroffenen Schutzgegenstände für UGC häufig nicht weit genug. Nach hier vertretener Auffassung kann heute allerdings auch die Bereitstellung von in der Öffentlichkeit angefertigten Werkaufzeichnungen, deren Herstellung nur nach Maßgabe des § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG zulässig ist, insbesondere auf Blogs, Foto- und Video-Plattformen sowie innerhalb von mitgliedschaftlich organisierten 647
Vgl. hierzu oben: „Ergebnis zu § 57 UrhG“, S. 301. Zur grundsätzlichen Zulässigkeit privater Vervielfältigungen (auch) in der Öffentlichkeit siehe oben: „Vervielfältigungen in der Öffentlichkeit“, S. 294 f. Lediglich die Aufnahme öffentlicher Aufführungen oder Vorführungen eines Werkes auf Bild- oder Tonträger ist gemäß § 53 Abs. 7 UrhG stets nur mit Zustimmung des Urhebers zulässig. 648
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Social-Communities im Internet als anerkennenswertes sozialtypisches Verhalten der Mitglieder einer Informationsgesellschaft angesehen werden.649 Denn wie im ersten Teil der Arbeit sowie im Rahmen der Ausführungen zu den urheberrechtsrelevanten Vorgängen bereits aufgezeigt wurde,650 hat durch das Web 2.0 eine Verlagerung der ehemals ausschließlich interpersonellen privaten Kommunikation und Auseinandersetzung der Bevölkerung über und mit urheberrechtlich geschützten Inhalten in die Öffentlichkeit stattgefunden. Hierbei werden nicht nur bereits bestehende persönliche Kontakte online gepflegt,651 sondern es findet in zunehmendem Maße auch eine öffentlich wahrnehmbare horizontale Interaktion aller Internetnutzer untereinander statt, wodurch sich das soziale Umfeld eines jeden einzelnen Internetnutzers in gewisser Weise um die „Öffentlichkeit“ erweitert hat. Früher war die private zwischenmenschliche Kommunikation gezwungenermaßen auf das nahe persönliche Umfeld der Bevölkerungsmitglieder beschränkt. Heute ist es unter Internetnutzern bereits durchaus üblich, dass diese sich selbst, ihre Meinung, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie die von ihnen geschaffenen Medieninhalte im Internet präsentieren, der Kritik interessierter Mitglieder der Öffentlichkeit aussetzen und mit diesen online interagieren.652 Das Erstellen und Veröffentlichen eigener Medieninhalte dient den Nutzern dabei zur Selbstpräsentation und zur (gruppen-)identitätsstiftenden Kommunikation mit Freunden, aber auch zur Verarbeitung biografischer Ereignisse.653 Aufgrund dieser wichtigen gesellschaftlichen Funktionen lässt sich die Bereitstellung von UGC, insbesondere von nutzergenerierten Alltagsdokumentationen grundsätzlich als privilegierungswürdiges Allgemeinwohlinteresse erachten. Dieses ließe es mit Blick auf die Sozialbindung des Urheberrechts als gerechtfertigt erscheinen, die Ausschließlichkeitsrechte der betroffenen Urheber und Leistungsschutzberechtigten – unabhängig von der Widmung der aufgezeichneten Schutzgegenstände – im Rahmen des § 59 UrhG zugunsten der Allgemeinheit einzuschränken.654
649 Siehe eingehend hierzu unten: „7. Kapitel: Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz“, S. 358 ff. 650 Siehe hierzu insbesondere oben: „Schlussfolgerungen“, Kapitel 4, S. 112 ff. 651 Aktuell sind es vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, die UGC-Plattformen dazu nutzen, um mit und über UGC ihre sozialen Beziehungen zu pflegen. So sieht sich ein großer Teil junger Internetnutzer nicht nur Videos an, sondern nutzt die Plattformen, um sich selbst in Beziehung zu den Inhalten zu setzen (rund 66 % der Nutzer bewerten Videos online, 60 % kommentieren sie zusätzlich). Dabei nutzen sie u.a. das Verweisen auf Videos als Mittel, um sich selbst gegenüber Gleichaltrigen mit ihren Präferenzen, Sichtweisen und momentanen Befindlichkeiten zu präsentieren (vgl. Schorb/Würfel/Kießling/Keilhauer, YouTube und Co. – neue Medienräume Jugendlicher, S. 23, 32). 652 Vgl. hierzu die repräsentative Studie von Schorb/Würfel/Kießling/Keilhauer, YouTube und Co. – neue Medienräume Jugendlicher, S. 23. 653 Vgl. Schorb/Würfel/Kießling/Keilhauer, YouTube und Co. – neue Medienräume Jugendlicher, S. 23. 654 Grundlegend zur Privilegierungswürdigkeit der Erstellung von UGC und deren konkretem Umfang siehe ausführlich unten: „Privilegierungswürdigkeit des Verwertungsanliegens“, Kapitel 7, S. 365 ff.
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bb) Konsequenzen einer Privilegierungserweiterung Ob eine entsprechende Erweiterung des Anwendungsbereichs der urheberrechtlichen Panoramafreiheit – ähnlich einer Nutzungsgeneralklausel – auf alle in der Öffentlichkeit wahrnehmbaren Werke und Leistungen vorliegend jedoch das geeignete Mittel zur Privilegierung nutzergenerierter Medieninhalte darstellt, erscheint zweifelhaft. Dass sich sämtliche im Internet „befindliche“ abbildungsfähige Werke und Lichtbilder nicht im Wege einer extensiven Interpretation des Tatbestandsmerkmals „öffentlicher Platz“ über § 59 UrhG erfassen lassen, ohne hiermit zugleich den Urheberrechtsschutz im Online-Bereich aufzugeben, wurde bereits angedeutet.655 Aber auch eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs de lege ferenda auf alle nicht dauerhaft im öffentlichen Raum anzutreffende Schutzgegenstände erweist sich aufgrund der mit einer solch weitreichenden Freistellung verbundenen Konsequenzen im Ergebnis als nicht empfehlenswert. Denn wie bereits im Zusammenhang mit der Zitierfreiheit gemäß § 51 UrhG erörtert wurde,656 erschiene es bedenklich, die durch das Web 2.0 neu entstandenen – unter gewissen Voraussetzungen durchaus ebenfalls privilegierungswürdigen – Verwertungsanliegen der Bevölkerung über einen vom Gesetzgeber bereits geschaffenen speziellen Ausnahmetatbestand zu privilegieren, obwohl sie sich mit dem ursprünglich vorgesehenen Privilegierungszweck und/oder Privilegierungsausmaß – trotz ggf. bedarfsorientierter Auslegung der Vorschrift – nicht (mehr) in Einklang bringen lassen. Als vom Gesetzgeber durch § 59 UrhG freigestelltes „Gemeingut“ sind nämlich nur diejenigen Werke vorgesehen, die sich tatsächlich „dauerhaft“ im öffentlichen Raum befinden. Hieran ändert auch das Phänomen des UGC nichts. Nur vorübergehend oder spontan in der Öffentlichkeit anzutreffende, urheberrechtlich geschützte Werke und Leistungen werden nicht deshalb zu – nota bene auch kommerziell 657 – frei verwertbarem Gemeingut, weil prosumierenden Internetnutzern ggf. ein berechtigtes Interesse zuzugestehen ist, sie bildlich zu fixieren und unter bestimmten Voraussetzungen mit anderen Nutzern bzw. der Öffentlichkeit über das Internet zu teilen. Die für eine hinreichende Privilegierung von UGC notwendige Ausweitung der Wiedergabefreiheit hätte nämlich zur Folge, dass eine Verwertung der erfassten Schutzgegenstände nicht nur mittels UGC, sondern auch durch kommerzielle Informationsartefakte zustimmungs- und vergütungsfrei zulässig wäre. Aber auch hier darf das Phänomen des UGC nicht zu einer Aufweichung der allgemeingültigen Grenzen der Panoramafreiheit und damit zu einer Verzerrung des vom Gesetzgeber für gerecht erachteten Interessenausgleichs führen.658 Dass sich die durch 655
Siehe hierzu bereits oben: „Internet als privilegierter öffentlicher Raum?“, S. 305 f. Siehe hierzu bereits oben: „Zitierfreiheit als Nutzungsgeneralklausel?“, S. 280 f. 657 Vgl. Dreier/Schulze, § 59 Rn. 7; Schricker/Vogel, § 59 Rn. 18. 658 Inwiefern die gesetzliche Erlaubnis zur kommerziellen, insbesondere gewerblichen Verwertung von Werken, die sich dauerhaft im öffentlichen Raum befinden, ohne Zahlung einer angemessenen Vergütung heute noch gerechtfertigt ist, ist seit dem Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ vom 11.12.2007 umstritten (vgl. hierzu Schlussbericht der EnqueteKommission „Kultur in Deutschland, BT-Drucks. 16/7000, S. 264 ff.). Hierauf soll jedoch angesichts der Beschränkung des Untersuchungsgegenstands auf „UGC“, als „nicht professionell 656
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UGC neu entstandenen schutzwürdigen Nutzungsbedürfnisse de lege lata nicht vollständig unter § 59 UrhG subsumieren lassen, stellen somit zwar kein Defizit der geltenden Schrankenregelung dar, verdeutlicht aber die Existenz eines – mit bereits erlaubten sozialen Verhaltensweisen der Bevölkerung teilidentischen – neuen privilegierungswürdigen Verwertungsanliegens. Hierfür müsste ggf. eine eigenständige Regelung mit entsprechenden Voraussetzungen und notwendigen Beschränkungen geschaffen werden, die den gewandelten Verhältnissen mit Blick auf einen gerechten Interessenausgleich zwischen Urhebern und Nutzern in der Informationsgesellschaft angemessen Rechnung trägt.
2. Freigestellte Verwertungshandlungen Beschränkt sich die Erzeugung eines nutzergenerierten Medieninhalts auf die vorstehend herausgearbeiteten Schutzgegenstände, ist der prosumierende Nutzer zu ihrer zustimmungs- und vergütungsfreien Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe berechtigt. Damit stellt § 59 UrhG grundsätzlich alle bei der Erstellung von UGC maßgeblichen Verwertungshandlungen vom Zustimmungserfordernis der betroffenen Urheber und Leistungsschutzberechtigten frei. Dem Wortlaut der Schranke zufolge dürfen die genannten Nutzungshandlungen im Falle einer elektronischen bzw. digitalen Verwertung jedoch nur „durch Lichtbild oder durch Film“ vorgenommen werden. Fraglich ist daher, ob sich hierdurch Einschränkungen im Bereich der öffentlichen Wiedergabe ergeben. Dies könnte insbesondere bei solchen Wiedergabeformen der Fall sein, für die vorbereitende Vervielfältigungshandlungen erforderlich sind, die selbst nicht mit den in § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG genannten bildnerischen Mitteln erfolgen. So soll nach Dreyer die digitale Speicherung der betroffenen Werke auf einem Server zur Ermöglichung ihrer öffentlichen Zugänglichmachung unzulässig sein, da diese nicht durch Malerei, Grafik, Lichtbild oder Film erfolge.659 Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Mit der wohl h. M.660 ist vielmehr davon auszugehen, dass durch die Aufzählung der Aufzeichnungstechniken Malerei, Grafik, Lichtbild und Film der Kreis der freigegebenen Verwertungshandlungen auf flächenhafte, zweidimensionale Darstellungen – also auf Abbildungen bzw. Bildfolgen – begrenzt und (nur) der dreidimensionale, plastische Nachbau der Werke aus dem Kreis der zugelassenen Verwertungshandlungen herausgehalten werden sollte.661 Dies entspricht im Übrigen auch Sinn und Zweck der Schranke, die jedermann die Verwertung von Werkabbildungen, die im Wege der genannten Aufzeichnungsverfahren entstanden sind, unabhängig von erstellte und zu gewerblichen Zwecken veröffentlichte Medieninhalte“, im Rahmen vorliegender Abhandlung nicht weiter eingegangen werden. 659 Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 59 Rn. 12. 660 Vgl. Schricker/Vogel, § 59 Rn. 15; Dreier/Schulze, § 59 Rn. 7; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 59 Rn. 6; Fromm/Nordemann/Nordemann, § 59 Rn. 3. 661 Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 418 f.
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der anschließend verwendeten Reproduktionstechnik gestatten will.662 Anderenfalls wäre jegliche elektronische Vervielfältigung einer zulässigerweise hergestellten Abbildung sowie jegliche hierauf beruhende Zweitverwertung der aufgezeichneten Werke unzulässig. Privilegiert wären dann faktisch nur originäre Werkaufzeichnungen sowie unmittelbar hierauf zurückgreifende Wiedergabevorgänge (wie z. B. eine Dia-Vorführung). Eine derart beschränkte Panoramafreiheit wäre im digitalen Zeitalter jedoch weithin wertlos. Die Beschränkung ist daher so zu verstehen, dass auch die öffentliche Wiedergabe nur in zweidimensionaler Form erfolgen darf. Die Freistellung der öffentlichen Wiedergabe in § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG bezieht sich demgemäß auf alle Formen der unkörperlichen Werkverwertung gemäß § 15 Abs. 2 S. 2 UrhG, einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung i. S. v. § 19 a UrhG.663 Die Wiedergabefreiheit des § 59 UrhG vermag somit grundsätzlich sowohl die Erzeugung als auch die Veröffentlichung nutzergenerierter Medieninhalte im Internet einschließlich der hierfür notwendigen vorbereitenden Vervielfältigungshandlungen der betroffenen Leistungsergebnisse zu privilegieren, soweit diese von der Vorschrift erfasst werden. 3. Relatives Änderungsverbot Grundsätzlich nicht von § 59 UrhG gedeckt ist jedoch die Vornahme von Änderungen an den abgebildeten Werken und Lichtbildern. Denn das Urheberpersönlichkeitsrecht des Schöpfers eines betroffenen Schutzgegenstands bleibt von der Wiedergabefreiheit des § 59 UrhG i. d. R. unberührt. So können sich die Betroffenen im Rahmen von Treu und Glauben (§ 62 Abs. 1 i. V. m. §§ 14, 39 UrhG) grundsätzlich gegen Änderungen oder sogar Entstellungen ihrer Werke zur Wehr setzen. a) Zulässigkeit reproduktionsbedingter Änderungen Reproduktionsbedingte Änderungen hat der Urheber jedoch gemäß § 62 Abs. 3 UrhG regelmäßig hinzunehmen.664 Insofern ermöglicht die Schranke prosumierenden Internetnutzern zwar ggf. eine dem Publikationszweck entsprechende Anpassung der Größe und des Ausschnitts des aufgezeichneten Werkes sowie die Bereitstellung des so entstandenen Medienbeitrags bspw. über eine UGC-Plattform im Internet. Eine kreative Weiterverarbeitung der Werkaufzeichnung, z. B. durch deren Veränderung, Ergänzung, Kombination und/oder Verbindung mit nutzereigenen Bildelementen mittels fototechnischer oder computergestützter Maßnahmen, durch die das aufgezeichnete äußere Erscheinungsbild des betroffenen Werkes beeinträchtigt wird, 662 Vgl. Schricker/Vogel, § 59 Rn. 18.; AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 76, wonach „jedermann das Werk abbilden und die Abbildung verwerten darf“ (Hervorh. d. Verf.); siehe ergänzend hierzu oben: „Aufzeichnungen von Werken an öffentlichen Plätzen“, S. 306. 663 Vgl. Schricker/Vogel, § 59 Rn. 20; Dreier/Schulze, § 59 Rn. 6; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 59 Rn. 6; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, § 74 III 2 b. 664 Vgl. Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 205 f.
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wird von der Wiedergabefreiheit des § 59 UrhG hingegen grundsätzlich nicht gestattet. Die urheberrechtliche Panoramafreiheit ist somit für eine Privilegierung von kreativem UGC nur bedingt geeignet. b) Zulässigkeit der Abbildung bereits veränderter Werke Anders kann es sich hingegen mit solchen Nutzerbeiträgen verhalten, die öffentlich präsentierte Werke wiedergeben, die von Dritten, d. h. ohne Zutun des Nutzers verändert oder entstellt wurden.665 Dass die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines von § 59 UrhG erfassten Werkes unabhängig davon zulässig ist, ob der Nutzer es im öffentlichen Raum in originalgetreuer oder veränderter Form antrifft, ergibt sich bereits daraus, dass die zugunsten der Allgemeinheit eingeschränkten Verwertungsrechte dem Urheber nicht dadurch wieder zufallen können, dass Dritte an dem Werk – ohne dessen Standort zu verändern – Veränderungen vornehmen.666 Anderenfalls könnte sich der Urheber über § 59 UrhG finanzielle Erträge sichern, die mit Blick auf die ursprüngliche Gemeinfreiheit seines Werkes allein auf Handlungen Dritter zurückzuführen sind. Dies wäre jedoch weder mit § 59 UrhG noch mit dem den §§ 15 ff. UrhG zugrunde liegenden Rechtsgedanken zu vereinbaren.667 Fraglich erscheint daher allenfalls, ob durch die Verwertung eines von dritter Hand unzulässigerweise veränderten Werkes, das sich bleibend im öffentlichen Raum befindet, das Integritätsinteresse des betroffenen Urhebers nach § 14 UrhG verletzt wird. Nach § 14 UrhG hat der Urheber das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. Da die an einer Werkvorlage vorgenommene Veränderung jedem auf ihr beruhenden Verwertungsergebnis immanent bleibt, führt auch die Vervielfältigung eines bereits entstellten Werkes zu einem entstellenden Vervielfältigungsstück, das grundsätzlich dem Verbotsrecht des Urhebers unterliegt. Zu beachten ist dabei jedoch, dass § 14 UrhG nur unter gewissen Voraussetzungen, insbesondere nur bei Gefährdung „berechtigter Interessen“ des Urhebers als Ergebnis einer – ggf. korrigierenden668 – Interessenabwägung nach §§ 14, 39 i. V. m. § 62 Abs. 1 S. 2 UrhG im Einzelfall Schutz gewährt.669 665
Ähnlich auch Poeppel, der mit Blick auf die fehlende Erkennbarkeit der Zustimmung des Verfügungsberechtigten zur öffentlichen Präsentation des Werkes (Widmung) sogar für eine Einbeziehung jedes dauerhaft im öffentlichen Raum befindliche Werk in den Anwendungsbereich des § 59 UrhG plädiert (vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 417). 666 So zutreffend LG Mannheim, GRUR 1997, 364, 366 – Freiburger Holbein-Pferd. 667 Vgl. LG Mannheim, GRUR 1997, 364, 366 – Freiburger Holbein-Pferd. 668 Siehe hierzu auch Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 14 Rn. 10, der in der stets durchzuführenden Interessenabwägung expressis verbis ein „Korrektiv“ zur Vermeidung unrichtiger Ergebnisse im Zusammenhang mit einem ansonsten absolut geltenden Entstellungs- und Beeinträchtigungsverbot sieht. 669 So zutreffend Schricker/Dietz, § 14 Rn. 1. Grundlegend zum Umfang der durch UGC betroffenen Urheberpersönlichkeitsrechte und deren Verhältnis zu den sie begrenzenden Schrankenregelungen
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Im Fall von entsprechendem UGC, für dessen Erstellung die Panoramafreiheit des § 59 UrhG in Anspruch genommen wird, ist insofern zwar problematisch, dass durch die freigestellten Verwertungshandlungen der beeinträchtigte Werkzustand perpetuiert wird. Andererseits muss es mit Blick auf das berechtigte Informationsinteresse der Allgemeinheit sowie zu Illustrationszwecken jedoch möglich sein, die Entstellung eines Werkes mittels Abbildungen zu dokumentieren und diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So muss z. B. im Rahmen eines Blogs, NutzerArtikels, Wikipedia-Beitrags670 oder Video-Podcasts, der sich mit einer konkreten oder fortlaufenden Entstellung eines öffentlich aufgestellten Kunstwerks beschäftigt, die Verwendung einer Abbildung hiervon zulässig sein. Auch aus Gründen der Rechtssicherheit scheint es im Ergebnis nicht geboten, im Falle rein privat motivierter Nutzungshandlungen die Panoramafreiheit davon abhängig zu machen, ob das ausgestellte Werk vom Nutzer in unveränderter oder veränderter Form angetroffen wird. Dies gilt umso mehr, als sich der Urheber hier bewusst dazu entschlossen hat, sein Werk der Allgemeinheit zu widmen und daher in gewisser Weise damit rechnen muss, dass es – zumeist vorübergehend – zum Gegenstand verschiedener künstlerischer oder sozialer Verhaltensweisen gemacht wird. Bei einer ausschließlich kommerziellen Zwecken dienenden Verwertung dürften hingegen die Interessen des betroffenen Urhebers regelmäßig überwiegen.671
4. Pflicht zur Quellenangabe Bezüglich des Rechts des Urhebers auf Namensnennung (§ 13 UrhG) richtet sich auch bei UGC die Verpflichtung des Nutzers zur Quellenangabe nach § 63 Abs. 2 S. 1 UrhG. Hiernach ist die Quellenangabe bei einer zulässigen öffentlichen Wiedergabe eines Werkes, das sich bleibend an einem öffentlichen Platz befindet, nur dann erforderlich, wenn und soweit die Verkehrssitte dies erfordert. Folgt man der von Vinck geprägten Definition der Verkehrssitte als „allgemeiner Übung unter loyalen, den Belangen des Urhebers mit Verständnis gegenübertretenden, billig und gerecht denkenden Benutzern“672 , so wird bei UGC hinsichtlich des Publikationszwecks zu differenzieren sein: Verwendet der Nutzer die Aufnahmen lediglich als private Alltagsdokumentationen auf seiner Profilseite einer Online-Community (wie z. B. StudiVZ) oder einem „privaten Fotoalbum“ auf einer UGC-Plattform (wie z. B. Flickr) wird man eine Angabe des Schöpfers i. d. R. für entbehrlich halten dürfen. Setzt sich der Nutzer in seinem, mit dem abgebildeten Werk versehenen der §§ 44 a ff. UrhG siehe bereits oben: „Urheberpersönlichkeitsrechte“, Kapitel 5, S. 146 ff. sowie „Recht auf Integritätsschutz“, Kapitel 5, S. 153 ff. 670 Ein Wikipedia-Artikel zur fortlaufenden Entstellung des in LG Mannheim, GRUR 1997, 364 ff. – Freiburger Holbein-Pferd behandelten Kunstwerks einschließlich mehrerer die unterschiedlichen Entstellungen wiedergebender Fotos ist abrufbar unter der URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Holbeinpferd [14.10.2009]. 671 So im Ergebnis auch LG Mannheim, GRUR 1997, 364, 366 – Freiburger Holbein-Pferd. 672 Vgl. Fromm/Nordemann/Vinck, § 63 Rn. 2.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Medienbeitrag jedoch inhaltlich auseinander bzw. erfolgt die Veröffentlichung der Abbildung gerade wegen des hierauf wiedergegebenen Werkes (z. B. im Rahmen eines erläuternden Wikipedia- oder Nutzer-Artikels, (Video-)Blogs oder einer sonstigen themenspezifischen privaten Webseite), besteht auch für prosumierende Internetnutzer grundsätzlich die Pflicht zur Quellenangabe. Dies gilt freilich nur nach Maßgabe der in § 63 Abs. 1 S. 3 UrhG genannten Voraussetzungen. Demzufolge hat der Nutzer den Urheber – insbesondere bei Werken der bildenden Kunst – immer zu nennen, wenn das abgebildete Werk signiert ist. Fehlt eine Signatur, hat er die nach Treu und Glauben erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen, um den Urhebernamen ausfindig zu machen.673 Gelingt ihm dies nicht und ist dem privilegierten Nutzer der Urheber auch nicht anderweit bekannt, entfällt die Pflicht zur Quellenangabe.674
5. Ergebnis zu § 59 UrhG Auch die in § 59 UrhG geregelte Panoramafreiheit vermag die Erzeugung und Veröffentlichung nutzergenerierter Medieninhalte im Wesentlichen nur in den von Literatur und Rechtsprechung herausgearbeiteten, allgemein geltenden Grenzen zu privilegieren. So kommt die Ausnahmeregelung aufgrund der gesetzlichen Beschränkung ihres Anwendungsbereichs auf alle zweidimensional abbildungsfähigen Werke bereits von vornherein nur für eine Privilegierung von nutzergenerierten Bild- und Video-Beiträgen in Betracht. Bei deren Erzeugung dürfen – wie bei herkömmlichen Medienerzeugnissen auch – ferner nur solche Werke aufgezeichnet werden, die sich bereits für eine so lange Zeitspanne an einem öffentlichen, für jedermann frei zugänglichen Ort in der realen Außenwelt befinden, dass sie bereits als (fester) Bestandteil ihrer Umgebung anzusehen sind. Auch wenn im Web 2.0 heute vermehrt urheberrechtlich geschützte Leistungsergebnisse von ihren Verfügungsberechtigten der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verwertung zur Verfügung gestellt und damit in gewisser Weise der Allgemeinheit „gewidmet“ werden, stellt das Internet keinen „öffentlichen Platz“ i. S. v. § 59 UrhG dar, da die Panoramafreiheit auf Werke innerhalb eines Mediums prinzipiell keine Anwendung findet. Nachdem einer zulässigerweise hergestellten Werkabbildung die gesetzliche Privilegierung aber auch bei ihrer Vervielfältigung und öffentlichen Wiedergabe immanent bleibt, können ggf. öffentlich zugänglich gemachte Fremdaufzeichnungen von Werken an öffentlichen Plätzen zur zulässigen Erzeugung von UGC herangezogen werden, sofern die Übernahme der Abbildung von ihrem Hersteller gestattet wird. Eine kreative Weiterverarbeitung privilegierter Werkabbildungen ist aufgrund des in § 62 UrhG vorgesehenen Änderungsverbots allerdings nur sehr eingeschränkt zulässig. Für kreativen UGC, insbesondere Mashups, wird die Schranke daher als Rechtfertigungsgrundlage i. d. R. ausscheiden. Eine Verwertung bereitsverändert vorgefundener Werke ist in nutzergenerierten Medieninhalten hingegen regelmäßig zulässig. 673 674
Vgl. Dreier/Schulze, § 59 Rn. 12. Vgl. Schricker/Vogel, § 59 Rn. 22.
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Obwohl heute auch die Bereitstellung von in der Öffentlichkeit angefertigten Aufzeichnungen fremder Werke und Leistungen, insbesondere auf Blogs, Foto- und Video-Plattformen sowie Online-Communities im Internet grundsätzlich als anerkennenswertes sozialtypisches Verhalten angesehen werden kann, kommt eine nicht nach Art des Werkes sowie der Dauer seiner Präsentation in der Öffentlichkeit unterscheidende Privilegierung von entsprechendem UGC über § 59 UrhG nicht in Betracht. De lege lata steht dem bereits der eindeutige Wortlaut der Schranke entgegen. Aber auch de lege ferenda scheidet eine Privilegierung über die Panoramafreiheit aus, da die hierfür erforderliche Erweiterung ihres Anwendungsbereichs dann eine kommerzielle Verwertung aller erfassten Schutzgegenstände erlaubte. Eine derartige Verzerrung der allgemeingültigen Grenzen der Vorschrift sollte jedoch vermieden werden.
X. Freie Benutzung – § 24 UrhG Schließlich kommt für eine Privilegierung von UGC noch das in § 24 UrhG niedergelegte Institut der freien Benutzung in Betracht. Nach § 24 Abs. 1 UrhG darf ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung eines anderen geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden. Die Bestimmung eröffnet damit jedermann die Möglichkeit, durch ungefragten Zugriff auf ein vorbestehendes Werk eines anderen ein selbständiges eigenes Werk zu schaffen und zu verwerten, ohne dass der Originalurheber hiervon Kenntnis haben, geschweige denn seine Zustimmung hierzu geben müsste. Aufgrund der generalklauselartig formulierten Freistellung der Herstellung, Veröffentlichung und Verwertung werknutzergenerierter Leistungsergebnisse scheint die Vorschrift als Privilegierungstatbestand für die unautorisierte Erzeugung und Veröffentlichung von UGC geradezu prädestiniert zu sein. Ihr tatsächliches Privilegierungspotential offenbart sich jedoch auch hier erst bei einer näheren Betrachtung ihrer Rechtsnatur, ihres Anwendungsbereichs und ihrer einzelnen Tatbestandvoraussetzungen.
1. Rechtsnatur des § 24 UrhG Angesichts der thematischen Ausrichtung dieses Untersuchungsabschnitts erscheint an dieser Stelle zunächst diskussionswürdig, ob § 24 UrhG (überhaupt) als „Urheberrechtsschranke“ bezeichnet werden kann. Angesprochen ist damit die Rechtsnatur der freien Benutzung.
a) Konstitutive oder deklaratorische Rechtsnorm Eine Qualifikation des § 24 UrhG als Schranke des Urheberrechts wäre bereits von vornherein ausgeschlossen, wenn die Vorschrift nur einen deklaratorischen Hinweis
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
auf die urheberrechtliche Zulässigkeit der Benutzung freien Gemeinguts darstellte. Denn das typische Merkmal einer Schranke ist, dass sie das „Recht des Urhebers“ in einem Bereich verkürzt, an dem es ohne diese Regelung bestünde. Eine solche Rechtsfolge kann jedoch nur von einer konstitutiven Rechtsnorm ausgehen.675 In Literatur und Rechtsprechung wird einheitlich die Auffassung vertreten, eine freie Benutzung setze voraus, dass das fremde Werk „lediglich als ,Anregung‘ für das eigene Schaffen“676 diene. Dies darf jedoch nicht in der Weise verstanden werden, dass einzig dann eine freie Benutzung vorliegt, wenn der Benutzer durch das Original nur auf die Idee zu einem dann völlig abweichenden Schaffen gekommen ist.677 § 24 UrhG ist nicht nur ein (überflüssiger) Hinweis auf die Verwertungsfreiheit urheberrechtlichen Gemeinguts,678 sondern legitimiert im Einzelfall die Verwendung urheberrechtlich geschützter (Teil-)Werke i. S. v. § 2 Abs. 2 UrhG zur Sicherstellung der kulturellen Innovation. Anderenfalls hätte es der Einführung dieser Bestimmung überhaupt nicht bedurft. Denn alles, was zum Gemeingut gehört, ist ohnehin von jedermann frei verwendbar. Hierzu gehören auch alle vom menschlichen Geist geschaffenen Gestaltungen, die dem Urheberschutz nicht unterliegen.679 Dies ergibt sich jedoch bereits unmittelbar aus den originären Schutzvoraussetzungen des Urheberrechts, insbesondere aus § 2 Abs. 2 UrhG. Einer Heranziehung des § 24 UrhG bedarf es insoweit nicht.680 Grundlage des § 24 UrhG ist vielmehr die Erkenntnis, dass jede kulturelle Schöpfung auf fremdem Vorschaffen beruht und kulturelle Fortentwicklung deswegen darauf angewiesen ist, auf frühere Leistungen anderer Urheber zurückgreifen zu können.681 Im Interesse der geistigen und kulturellen Innovation muss es daher insbesondere möglich sein, auf dem jeweils aktuellen Stand kultureller Entwicklung aufbauen und nicht nur (bereits) gemeinfreies Gut verarbeiten zu dürfen,682 wobei die Grenzen freilich fließend verlaufen. Das Institut der freien Benutzung schafft daher den unverzichtbaren Freiraum für eine künstlerische Auseinandersetzung mit vor675 Das Wesensmerkmal eines konstitutiven Rechtsakts ist, dass durch ihn ein Recht oder Rechtsverhältnis begründet, aufgehoben oder gestaltet wird (vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, „Deklaratorische Wirkung“, S. 261). 676 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 10 m.w.N. (Hervorh. d. Verf.). 677 So zutreffend Reinhart, Das Institut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 65, 76. 678 So aber Hörnig, Das Bearbeitungsrecht und die Bearbeitung im Urheberrecht, S. 13 ff. und Hefti, Die Parodie im Urheberrecht, S. 103, die die Meinung vertreten, das Institut der freien Benutzung sei überflüssig, da es nur erlaubt sei, Elemente des Gemeinguts zu übernehmen, während Elemente mit individuellem Charakter nie in eine andere Schöpfung einfließen dürften. Ebenfalls eine bloß feststellende Vorschrift nimmt an Brauns, Die Entlehnungsfreiheit im Urheberrechtsgesetz, S. 13 ff. sowie Czernik, Die Collage in der urheberrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Kunstfreiheit und Schutz des geistigen Eigentums, S. 302 ff. 679 Vgl. Fromm/Nordemann/Vinck, § 24 Rn. 1. 680 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 1; Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 24 Rn. 3; Dreier/ Schulze, § 24 Rn. 4. 681 Vgl. Möhring/Nicolini/Ahlberg, § 24 Rn. 1. 682 Vgl. Brauns, Die Entlehnungsfreiheit im Urheberrechtsgesetz, S. 13.
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handenen Werken und hält so – unter gewissen Voraussetzungen – die Grundlagen für neues abgeleitetes Schaffen frei. Denn nur so wird rechtlich die Möglichkeit eröffnet, auch solche Gestaltungen zu privilegieren, die genau zwischen den vollkommenen – ohne erkennbare Benutzung fremder Werke entstandenen – Neuschöpfungen einerseits und den zwar urheberrechtlich schutzfähigen, jedoch – aufgrund der offensichtlichen Benutzung fremder Werke – abhängigen Bearbeitungen i. S. v. § 3 UrhG andererseits anzusiedeln sind. Hierdurch existiert heute ein der vielschichtigen Benutzungsintensität Rechnung tragendes abgestuftes System,683 das es ermöglicht, hinsichtlich der urheberrechtlichen Zulässigkeit der innovationsfördernden Benutzung fremder Leistungsergebnisse – in Abhängigkeit von der vom fremdinspirierten Benutzer erbrachten Eigenleistung684 – im Einzelfall zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen. Anderenfalls bestünden lediglich die beiden Extrempositionen der völligen „Neuschöpfung“ und der stets erlaubnispflichtigen „Bearbeitung“. Eine solch strenge „Schwarz-Weiß-Dogmatik“ ignorierte jedoch die naturgegebenen urheberrechtlichen Graubereiche, wie z. B. die Parodie, und widerspräche damit klar der künstlerischen Wirklichkeit. Dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 24 UrhG eine „freie Benutzung“ gerade auch dann ermöglichen wollte, wenn wesentliche, d. h. individuell geprägte und damit selbständig schutzfähige Teile eines fremden Werkes vom Benutzer übernommen wurden,685 lässt sich außerdem aus der eindeutigen gesetzlichen Differenzierung zwischen dem absoluten (Melodie-)Schutz nach § 24 Abs. 2 UrhG und dem relativen Urheberrechtsschutz ableiten, wie er sich aus § 24 Abs. 1 UrhG ergibt. Eine „freie“ Benutzung ist im Bereich des absoluten Schutzes nämlich nicht möglich: Jede Benutzung, in der geschützte Elemente aus dem Original noch irgendwie erkennbar wiederkehren, fällt unter die Herrschaft des am Original Berechtigten.686 Wenn jedoch überhaupt ein relevanter Unterschied zwischen dem absoluten und dem relativen Schutz bestehen soll, so muss es unter letzterem erlaubt sein, mit individuellen Formen aus anderen Werken zu arbeiten.687 Freie Benutzung i. S. v. § 24 UrhG 683
Schack spricht in diesem Zusammenhang von einer „gleitenden Skala“ (vgl. Schack, Kunst und Recht, Rn. 340). 684 Näher zur Abgrenzung zwischen „Bearbeitung“ und „freier Benutzung“ siehe unten: „Selbständigkeit als zentrales Abgrenzungskriterium“, S. 328 f. 685 Dies erkennt selbst Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 23, der gleichwohl zu dem Ergebnis kommt, dass § 24 UrhG das Urheberrecht nicht beschränke. Dem liegt die irrige Annahme zugrunde, dass „wenn es dem Benutzer gelingt, individuelle Elemente aus dem Schutzbereich des Urheberrechts am Ausgangswerk herauszulösen, [. . . ] sich die Werkherrschaft des am Original Berechtigten auch ohne gesetzliche Regelung nicht mehr hierauf“ erstrecken würde (S. 23, Hervorh. d. Verf.). Aber genau dies wäre wegen der §§ 16, 23 UrhG ohne § 24 Abs. 1 UrhG der Fall. 686 So zutreffend Reinhart, Das Institut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 65, 70. 687 Vgl. Reinhart, Das Institut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 65, 76; a.A. Czernik, Die Collage in der urheberrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Kunstfreiheit und Schutz des geistigen Eigentums, S. 356, der im starken Melodienschutz in § 24 Abs. 2 UrhG lediglich „eine Klarstellungsfunktion für Musikwerke“ erkennt. Diese Ansicht ist strikt abzulehnen, da sich Czernik über den unmissverständlichen Wortlaut der Vorschrift („Absatz 1 gilt nicht für [. . . ]“) als „Rück-
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
ist somit die Benutzung eines geschützten Werkes und nicht die Benutzung freien Gemeinguts, womit der Rechtsnorm nicht nur deklaratorische, sondern vielmehr konstitutive Wirkung zukommt.688 b) Rechtsbeschränkende oder inhaltsbestimmende Rechtsnorm In dogmatischer Hinsicht umstritten689 ist, ob die Vorschrift des § 24 UrhG die dem Urheber durch die Verfügungsrechte der §§ 12–23 UrhG zunächst vollumfänglich gewährten Werkherrschaft „nachträglich“ wieder einschränkt oder selbst zu den inhaltsbestimmenden, d. h. schutzgewährenden Rechtssätzen zu zählen ist.690 aa) Systematische Einordnung Betrachtet man die Stellung des § 24 UrhG im Aufbau des Gesetzes, so ist festzustellen, dass die freie Benutzung nicht in dem den „Schranken des Urheberrechts“ gewidmeten sechsten Abschnitt des ersten Teils, sondern bereits in dessen vierten Abschnitt geregelt ist, der den „Inhalt des Urheberrechts“ zum Gegenstand hat. Aus dieser systematischen Einordnung könnte nun geschlossen werden, dass es sich bei § 24 UrhG um eine – gemeinsam mit den in ihrem Unterabschnitt geregelten Verwertungsrechten aufgezählte – inhaltsbestimmende Rechtsnorm handelt. Dass das Rechtsinstitut der freien Benutzung unmittelbar im Anschluss an das Bearbeitungsrecht (§ 23 UrhG) geregelt wurde, ist jedoch nicht materiellrechtlich bedingt, ausnahme“ zum Privilegierungstatbestand des § 24 Abs. 1 hinwegsetzt. Für eine „Klarstellung“ fehlen hier jegliche Anhaltspunkte. 688 Anderer Ansicht zuletzt Czernik, Die Collage in der urheberrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Kunstfreiheit und Schutz des geistigen Eigentums, S. 301 f., der davon ausgeht, dass es sich bei § 24 Abs. 1 UrhG „nicht um ein Sinnbildnis verfassungsrechtlich motivierter Gesetzesnormen handelt, deren Hintergrund sich nur in der Kunstfreiheit äußert, sondern dass in Form des § 24 Abs. 1 UrhG schon der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit nicht als eröffnet angesehen werden kann“. 689 Siehe ausführlich hierzu Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 25 ff. 690 Die Einordnung der freien Benutzung in das System von Schutzumfangsbestimmungen oder Werkschutzbeschränkungen ist aufgrund der dem Urheber auf einfachgesetzlicher Ebene von vornherein nur beschränkt zustehenden Verwertungsrechten in der Praxis lediglich in semantischer Hinsicht von Bedeutung. Insofern sind die Definition des Instituts der freien Benutzung und die Bestimmung des Schutzumfanges eines (Original-)Werkes – unter verschiedenen Vorzeichen – praktisch ein und dasselbe (so schon Reinhart, Das Institut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 65, 71; zur Systematik und mehrstufigen Vorgehensweise des Gesetzgebers zur Erfüllung seines aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Verfassungsauftrages die Eigentumsgarantie durch gleichzeitige Bestimmung von Inhalt und Schranken der vermögensrechtlichen Befugnisse des Urhebers im UrhG auszugestalten siehe bereits die grundlegenden Ausführungen oben: „Urheberrechtsschranken als Ergebnis verfassungsrechtlicher Sozialbindung“, S. 164 ff.). Gleichwohl soll nachfolgend kurz auf die Unterscheidung der beiden Normtypen eingegangen werden, da deren kontroverse Charakteristik für das Verständnis der Dogmatik des – vor allem auf verfassungsrechtlicher Ebene relevanten – Interessenausgleichs im Urheberrecht von entscheidender Bedeutung ist.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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sondern hat ganz überwiegend ordnungstechnische Gründe, die sich aus der Historie der Bestimmung ergeben.691 Der Begriff der „freien Benutzung“ wurde erstmals in § 4 des Reichsgesetzes von 1876692 verwendet, um eine Abgrenzung zu der nunmehr geschützten (originalgetreuen) Nachbildung eines Werkes vorzunehmen. Die Vorschrift enthielt jedoch weder das Erfordernis der eigenständigen Schutzfähigkeit des nachgeschaffenen Werkes noch sonstige – über die Neuheit der Nachschöpfung hinausgehende – Anhaltspunkte, wann von einer freien Benutzung auszugehen sei.693 Die erste mit dem Rechtsinstitut der freien Benutzung im heutigen Sinne vergleichbare Vorläuferbestimmung wurde erst im Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst vom 19. Juni 1901 (LUG) normiert. Dessen § 12 regelte dabei erstmals, dass sich die ausschließliche Befugnis des Urhebers auch auf die Bearbeitungen seines Werkes erstrecken, wobei § 12 Abs. 2 LUG verschiedene Formen der Bearbeitung aufzählte. Ausgehend von der Überlegung, dass eine freie Benutzung nun nicht mehr in Betracht komme, wenn eine der genannten Bearbeitungsformen vorlag,694 wurde die freie Benutzung fortan in Abgrenzung zur Bearbeitung in § 13 LUG in Form eines „Ausnahmetatbestands“695 normiert. Dabei erkannte § 13 Abs. 1 LUG die Zulässigkeit der freien Benutzung „unbeschadet der ausschließlichen Befugnisse, die dem Urheber nach §. 12 Abs. 2 zustehen“ an, wenn durch die Benutzungshandlung eine eigentümliche Schöpfung hervorgebracht wurde. Die hierdurch begründete Regelungsnähe zum Bearbeitungsrecht wurde seither beibehalten. Gegen die Gesetzessystematik als geeignetes Definitionskriterium spricht vorliegend außerdem, dass im LUG noch gar kein eigener Gesetzesabschnitt für die „Schranken des Urheberrechts“ vorgesehen war, mit der Folge, dass sämtliche zugunsten derAllgemeinheit vorgesehenenAusnahmeregelungen unmittelbar imAnschluss an die rechtsgewährenden Normen (§§ 11–15 LUG) in den §§ 16–28 LUG geregelt wurden. So war bspw. der Vorläufer des § 53 UrhG zur Privatkopie als Annex zu dem das Vervielfältigungsrecht gewährenden § 15 LUG in § 15 Abs. 2 LUG696 normiert. Auf ihre (ursprüngliche) systematische Einordnung abstellend müssten dann jedoch konsequenterweise alle – heute unstreitig – als „Urheberrechtsschranken“ anerkannte Regelungen der §§ 44 a ff. UrhG als inhaltsbestimmende Rechtsnormen 691 Zur historischen Entwicklung des Instituts der freien Benutzung siehe ausführlich Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 15 ff. 692 Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste vom 9. Januar 1876, RGBl. I 4, abrufbar unter der URL: http://de.wikisource.org/wiki/Gesetz,_betreffend_ das_Urheberrecht_an_Werken_der_bildenden_Künste [19.11.2009]. 693 § 4 des Reichsgesetzes von 1876 lautete lediglich: „Als Nachbildung ist nicht anzusehen die freie Benutzung eines Werkes der bildenden Künste zur Hervorbringung eines neuen Werkes.“ 694 Vgl. Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 20. 695 § 13 Abs. 1 LUG lautete: „Unbeschadet der ausschließlichen Befugnisse, die dem Urheber nach §. 12 Abs. 2 zustehen, ist die freie Benutzung seines Werkes zulässig, wenn dadurch eine eigenthümliche Schöpfung hervorgebracht wird.“ (Hervorh. d. Verf.). 696 § 15 Abs. 2 LUG lautete: „Eine Vervielfältigung zum persönlichen Gebrauch ist zulässig, wenn sie nicht den Zweck hat, aus dem Werke eine Einnahme zu erzielen.“
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
qualifiziert werden, sofern sie sich auf einen in den §§ 16–28 LUG geregelten Tatbestand zurückführen lassen. Dass dies dogmatisch nicht richtig sein kann, liegt jedoch auf der Hand. Plausibel wird die „systemwidrige“ Ansiedelung der freien Benutzung jedoch, wenn man sich Funktion und Voraussetzungen des § 24 UrhG verdeutlicht: Die Bestimmung dient zum einen als zentrale Abgrenzungshilfe zur Bearbeitung (§§ 3, 23 UrhG), womit die vorhandene Regelungsnähe – ebenso wie bei der Beschränkung des Verbreitungsrechts in § 17Abs. 2 UrhG – der Übersichtlichkeit und dem Verständnis der Rechtsmaterie durchaus zuträglich ist. Schließlich können die aufgezählten Verwertungsrechte immer nur durch unfreie, nie aber durch freie Benutzung verletzt werden. Vor allem setzt die freie Benutzung aber regelmäßig eine individualitätsverblassende Veränderung697 der benutzen Werkelemente voraus, die dem in § 62 UrhG statuierten Änderungsverbot für die – vorrangig eine unveränderte Übernahme erfordernden – Verwertungsanliegen der §§ 44 a ff. UrhG diametral entgegenstünde. Aus den vorgenannten Gründen darf der heutigen Stellung des § 24 UrhG im Gesetzesaufbau bei seiner dogmatischen Einordnung keine allzu große Bedeutung beigemessen werden. bb) Inhaltliche Analyse Maßgebliches Kriterium zur Bestimmung der Rechtsnatur einer Vorschrift ist und bleibt vielmehr deren inhaltliche Aussage. aaa) Sprachliche Formulierung als Erlaubnistatbestand Zentraler Anknüpfungspunkt bei der inhaltlichen Auslegung einer Rechtsnorm ist zunächst immer deren Wortlaut.698 Dass es sich bei § 24 UrhG danach „um eine, wenn auch an anderer Stelle des Urheberrechtsgesetzes geregelte Schranke des Urheberrechts“699 handelt, ergibt sich bereits eindeutig aus dessen sprachlicher Formulierung als Erlaubnistatbestand. Die vom Gesetzgeber typischerweise hierfür verwendete Wortwahl „darf [. . . ] veröffentlicht und verwertet werden“ findet sich dabei nicht nur in § 24 UrhG, sondern bspw. auch in den Schranken des § 47 UrhG („Schulen [. . . ] dürfen einzelne Vervielfältigungsstücke [. . . ] herstellen.“) sowie des § 55 UrhG („Ein Sendeunternehmen[. . . ] darf das Werk [. . . ] übertragen[. . . ].“). Ähnlich verhält es sich auch mit dem in § 17 Abs. 2 UrhG geregelten Erschöpfungsgrundsatz, der streng genommen ebenfalls eine systemwidrig platzierte Urheberrechtsschranke darstellt. Hier hat der Gesetzgeber die für denAbschnitt der Urheberrechtsschranken gebräuchlichste Wendung „zulässig ist“ ebenfalls dazu verwendet, um das Verbreitungsrecht des Urhebers in bestimmten Fällen zugunsten der Allgemeinheit einzuschränken: „Sind das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes [. . . ] in Verkehr gebracht worden, so ist ihre Weiterverbreitung [. . . ] zulässig.“). Entscheidend für die Qualifikation als Urheberrechtsschranke ist dabei, dass das Verbreitungsrecht dem 697
So sinngemäß erstmals Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, § 58. Vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 731 ff. 699 So ausdrücklich BGH ZUM 2009, 219, 222 – Metall auf Metall. 698
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Urheber bis zu dem beschriebenen Zeitpunkt insgesamt, sowie hinsichtlich sämtlicher nicht hiervon erfasster Vervielfältigungsstücke im Übrigen uneingeschränkt zusteht. Es erfolgt also eine – denklogisch – „nachträgliche“ Einschränkung des durch die rechtsgewährende Norm „zunächst“ grundsätzlich umfassend gewährten Verwertungsrechts. Inhaltsbestimmende Rechtsnormen sind demgegenüber immer rechtsbegründend formuliert: „Der Urheber hat das Recht, [. . . ] zu verwerten.“ Durch sie wird die betreffende Rechtsposition überhaupt erst zur Entstehung gebracht. Dies gilt auch dann, wenn dabei eine negative Abgrenzung verwendet wird. Eine negativ formulierte Inhaltsbestimmung enthält bspw. § 19 Abs. 4 S. 2 UrhG: „Das Vorführungsrecht umfasst nicht das Recht, [. . . ] öffentlich wahrnehmbar zu machen.“ Hierdurch wird klargestellt, dass sich das Recht des Urhebers – nota bene – zu keiner Zeit und niemandem gegenüber auf die ausgeschlossene Verwertungshandlung erstreckt.700 Es war also überhaupt nie existent. bbb) Abgrenzung durch gedankliche Subtraktion Eine in dogmatischer Hinsicht zutreffende Differenzierung zwischen „schutzgewährenden“ und „schutzbeschränkenden“ Vorschriften lässt sich daher durch eine gedankliche Subtraktion der betreffenden Rechtssätze aus dem System des UrhG erreichen: Dabei ist danach zu fragen, ohne welche Vorschriften der Urheber (überhaupt) keine geschützte Rechtsposition erhalten würde (= inhaltsbestimmende Normen) und ohne welche Regelungen der Urheber ein praktisch unbegrenztes Herrschaftsrecht an seiner Schöpfung erhielte (= Urheberrechtsschranken). Denkt man sich nun die Bestimmung des § 24 UrhG hinweg, würde aufgrund der (verbleibenden) §§ 16, 23 UrhG jede Benutzung, in der das Original in irgendeiner Form701 umgestaltet wiedergegeben wird, unter die Werkherrschaft des Originalurhebers fallen. Ohne die inhaltsbestimmenden Vorschriften der §§ 16, 23 UrhG dürfte hingegen jedermann ein fremdes Werk beliebig kopieren, umgestalten und anschließend wieder veröffentlichen, ohne dass der Urheber dies verhindern könnte. § 24 UrhG wäre dann jedoch ebenso überflüssig wie die §§ 44 a ff. UrhG. Es zeigt sich also, dass § 24 UrhG – genau wie die §§ 44 a ff. UrhG – in Wahrheit erst durch die §§ 12–23 UrhG Bedeutung erlangt und ohne seine Existenz dem Schutzbereich eines Werkes, mangels einer vergleichbaren verwertungsrechtsbegrenzenden Regelung auf einfachgesetzlicher Ebene, eine praktisch uneingeschränkte Reichweite zukäme. Das Institut der freien Benutzung legt damit die für eine gestalterische Auseinandersetzung relevante Grenze der durch das UrhG im Übrigen gewährten Werkherrschaft des Urhebers fest. § 24 UrhG ist der Rechtsnatur nach also eine rechtsbeschränkende Vorschrift, deren Funktion es jedoch ist, gemeinsam mit den gleichzeitig geltenden rechtsgewährenden Normen 700 Gleiches gilt bspw. auch für die Norm des § 17 Abs. 3 S. 2 UrhG, die mit der Wendung „Als Vermietung gilt jedoch nicht [. . . ]“ bestimmte Handlungen von vornherein vom Herrschaftsrecht des Urhebers ausnimmt. 701 Diese müsste in Abgrenzung zum Gemeingut freilich den Anforderungen des § 2 Abs. 2 UrhG noch genügen.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
den Schutzumfang des Urheberrechts festzulegen.702 Als eine den Schutzbereich des UrhG begrenzende Regelung703 ist sie ihrem Wesen nach den Ausnahmetatbeständen der §§ 44 a ff. UrhG vergleichbar und daher im Ergebnis ebenfalls als „Urheberrechtsschranke“ zu qualifizieren.704 2. Anwendungsbereich der freien Benutzung Ein weiteres Problem, das sich aus der systemwidrigen Ansiedlung des § 24 UrhG im vierten Abschnitt des ersten Teils des UrhG ergibt, ist, dass die vom Gesetzgeber zur Anwendbarkeit der Urheberrechtsschranken im zweiten Teil des Gesetzes („Verwandte Schutzrechte“) vorgenommenen Verweise auf „die Vorschriften des Abschnitts 6 des Teils 1“705 das Institut der freien Benutzung dem Wortlaut nach nicht erfassen. Fraglich ist daher, ob gleichwohl eine freie Benutzung der im zweiten Teil des UrhG geschützten Leistungsergebnisse statthaft ist. Für Lichtbilder i. S. v. § 72 UrhG ergibt sich die Zulässigkeit einer freien Benutzung bereits aus dem schutzbegründenden Verweis in § 72 Abs. 1 UrhG auf die im ersten Teil des UrhG geregelten Lichtbildwerke i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG. Angesichts der fundamentalen Bedeutung des dem § 24 UrhG zugrunde liegenden Rechtsgedankens706 ist die Vorschrift nach wohl h. M. aber auch im Bereich der übrigen Leistungsschutzrechte entsprechend anwendbar.707 Dies ergibt sich in argumentum a maiori ad minus nicht zuletzt daraus, dass wenn selbst der Urheber eine Beschränkung seines Urheberrechts hinnehmen muss, auch dem Inhaber eines Leistungsschutzrechts eine entsprechende Einschränkung zuzumuten ist.708 Die Interessenlage zwischen Urhebern und Leistungsschutzberechtigten ist hinsichtlich dieser offensichtlichen 702
Zur einheitlichen Ausgestaltung des Urheberrechts durch gleichzeitige Bestimmung von dessen Objekt, Inhalt und Schranken durch den Gesetzgeber siehe bereits oben: „Urheberrechtsschranken als Ergebnis verfassungsrechtlicher Sozialbindung“ S. 164 ff. 703 Vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 24 Rn. 1. 704 Der BGH hat § 24 UrhG zuletzt sogar ausdrücklich als Urheberrechtsschranke bezeichnet: „Auch bei der Bestimmung des § 24 Abs. 1 UrhG handelt es sich der Sache nach um eine, wenn auch an anderer Stelle des Urheberrechtsgesetzes geregelte Schranke des Urheberrechts.“ (vgl. BGH ZUM 2009, 219, 222 – Metall auf Metall); zustimmend Stieper, ZUM 2009, 223, 224; zuvor bereits ebenso OLG Frankfurt NJW 2008, 770, 771 (Abstracts), das § 24 UrhG als eine „urheberrechtliche Schrankenbestimmung im weiteren Sinn“ ansieht; differenzierend hierzu Peifer, Individualität im Zivilrecht, S. 100 ff., nach dem von einer Schranke des Urheberrechts erst dann gesprochen werden könne, wenn der Zugriff auf den persönlich individuellen Gehalt des Werkes selbst gestattet wird. 705 So insb. in den §§ 83, 85 Abs. 4, 87 Abs. 4 und 94 Abs. 4 UrhG. 706 Siehe hierzu bereits oben: „Konstitutive oder deklaratorische Rechtsnorm“ S. 317 ff. 707 So die wohl h.M., vgl. etwa Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 19 a; Dreier/Schulze, § 24 Rn. 10; BGH ZUM 2009, 219, 222 – Metall auf Metall; BGH GRUR 2008, 693, 694 – TV-Total; BGH GRUR 2000, 703, 704 – Mattscheibe; OLG München ZUM-RD 1998, 124, 126; so wohl auch Bullinger/Garbers-von Boehm, GRUR 2008, 29 und Czernik, Die Collage in der urheberrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Kunstfreiheit und Schutz des geistigen Eigentums, S. 310 ff. 708 Vgl. Bindhardt, Der Schutz von in der Popularmusik verwendeten elektronisch erzeugten Einzelsounds, S. 132; dem folgend BGH ZUM 2009, 219, 222 – Metall auf Metall.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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Gesetzeslücke identisch. Da mit Blick auf die historischen Ausführungen zur Rechtsnatur des § 24 UrhG709 darüber hinaus davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei dem fehlenden Verweis auf die freie Benutzung um eine planwidrige Regelungslücke handelt, sind vorliegend auch die formalen Voraussetzungen an eine Gesetzesanalogie erfüllt. Im Zusammenhang mit UGC vermag die Vorschrift des § 24 UrhG also grundsätzlich auch eine derivative Übernahme fremder, „nur“ bzw. „auch“ leistungsschutzrechtlich geschützter Medieninhalte – mit Ausnahme der vom starren Melodienschutz des § 24 Abs. 2 UrhG erfassten Musikwerke – und deren (erneute) öffentliche Zugänglichmachung in veränderter Form zu erlauben. Dies ist typischerweise bei kreativem UGC, insbesondere bei Mashups der Fall. Gleichwohl begegnet die Anwendbarkeit des § 24 UrhG auf UGC im Wesentlichen zwei grundlegenden Problemen: dem Erfordernis des Werkcharakters der nutzergenerierten Neuschöpfung und den von der Rechtsprechung aufgestellten strengen Anforderungen an die Selbständigkeit des produzierten Nutzerbeitrags.
3. Werkcharakter der Nachschöpfung Ein nicht unerhebliches Privilegierungshindernis für nutzergenerierte Medieninhalte stellt bereits der für eine freie Benutzung gesetzlich vorausgesetzte Werkcharakter des bereitgestellten Nutzerbeitrags dar. Denn § 24 Abs. 1 UrhG verlangt, dass durch die Benutzung eines fremden Werkes ein selbständiges „Werk“ entsteht, d. h. durch die Verwendung eine persönliche geistige Schöpfung i. S. v. § 2 Abs. 2 UrhG hervorgebracht wird.710
a) Erforderliche Gestaltungshöhe Nach dem ursprünglichen gesetzgeberischen Regelungszweck des § 24 UrhG ist die Nutzung fremden schöpferischen Schaffens nur dann ohne Zustimmung der Berechtigten zulässig, wenn hierbei ein selbständiges Werk entsteht.711 Dies erfordert ein hinreichendes Maß an Individualität,712 eine gewisse Gestaltungshöhe. Die Gestaltungshöhe bezeichnet das quantitative Maß an Individualität, das in einem „Werk“ zu Tage treten muss.713 Zur Beurteilung der erforderlichen Gestaltungshöhe
709
Siehe hierzu bereits oben: „Systematische Einordnung“, S. 320 f. So die g.h.M., vgl. etwa Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 9; Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 24 Rn. 2; Dreier/Schulze, § 24 Rn. 12; BGH ZUM 1999, 644, 647 – Laras Tochter. 711 Vgl. BGH GRUR 2008, 693, 695 – TV-Total. 712 Eingehend zur Individualität als Legitimationsquelle des Urheberrechtsschutzes Peifer, Individualität im Zivilrecht, S. 76 ff. 713 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 24; Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 2 Rn. 23. 710
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
ist die betreffende Nachschöpfung mit der Gesamtheit der vorbekannten Gestaltungen zu vergleichen.714 Urheberrechtlichen Schutz genießen dabei nur solche Ergebnisse geistigen Schaffens, die sich von der Masse des Alltäglichen, üblicherweise Hervorgebrachten, dem Banalen, kurz dem, was jedermann in ähnlicher Weise erbracht hätte, abheben.715 Die konkrete Gestaltung muss im Vergleich also die durchschnittliche Gestaltertätigkeit überragen.716 Nicht von der erforderlichen Individualität geprägt und damit vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossen sind somit alle Schaffensergebnisse, die lediglich auf handwerklicher, wenn auch fachmännisch erbrachter Leistung, auf Routine oder bloßer Schablone beruhen.717
b) Schutzrechtsunabhängiges Privilegierungskriterium Die vorgenannten Kriterien gelten dabei unabhängig davon, ob der Nutzer ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder – wie bei UGC häufig – „nur“ leistungsschutzrechtlich geschützte wirtschaftliche Leistungen in Anspruch nimmt. Denn nach Ansicht des BGH gelten bei der entsprechenden Anwendung des § 24 UrhG auf leistungsschutzrechtlich geschützte Fremdinhalte grundsätzlich keine anderen Anforderungen als bei der unmittelbaren Anwendung auf Werke.718 Es könne insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass aufgrund des unterschiedlichen Schutzzwecks zwischen den Urheberrechten und den Leistungsschutzrechten, z. B. bei der Übernahme bloßer Laufbilder auch an das übernehmende Produkt nur die für Laufbilder i. S. v. § 95 UrhG geltenden Anforderungen zu stellen und für die Unterscheidung zwischen freier und unfreier Benutzung alternativ zu bildende Kriterien heranzuziehen seien. Allein die Tatsache, dass bei den unternehmensbezogenen Leistungsschutzrechten nicht das Werk, sondern allein der unternehmerische, organisatorische und wirtschaftlicheAufwand geschützt werde, führe nicht dazu, dass allein quantitative oder wirtschaftliche Erwägungen anstatt der künstlerischen Gesichtspunkte, insbesondere der Gestaltungshöhe maßgeblich seien. Denn der Regelung des § 24 UrhG liege die Erwägung zugrunde, dass die Inanspruchnahme fremden Schaffens nur dann gerechtfertigt sei, wenn sie zu einer Bereicherung des kulturellen Gesamtguts durch eine neue eigenschöpferische Leistung führe. Allein der Umstand, dass ein Eingriff in fremde Rechte – gemessen an dem damit verfolgten Zweck oder der dadurch geschaffenen Leistung – verhältnismäßig gering sei, vermöge diesen nicht nach § 24 Abs. 1 UrhG zu rechtfertigen.719
714 Vgl. BGH GRUR 2004, 855 ff. – Hundefigur; BGH GRUR 1986, 739, 740 f. – Anwaltsschriftsatz. 715 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 26; Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 2 Rn. 23. 716 Vgl. Möhring/Nicolini/Ahlberg, § 2 Rn. 76. 717 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 26. 718 Vgl. BGH GRUR 2008, 693, 694 – TV-Total; BGH ZUM 2009, 219, 222 – Metall auf Metall. 719 Vgl. BGH GRUR 2008, 693, 694 f. – TV-Total.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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Dieser Auffassung ist zuzustimmen.720 Hiermit wird nicht zuletzt verhindert, dass die Übernahme fremder Leistungen lediglich zur Ersparnis eigener Aufwendungen nicht durch § 24 UrhG gerechtfertigt werden kann.721 Mit Blick auf die Zulässigkeit von UGC bedeutet dies allerdings, dass im Falle einer Erzeugung bloß leistungsschutzrechtlich geschützter Leistungsergebnisse (wie z. B. neu entstehende Lichtbilder, Tonaufnahmen oder einfache Laufbilder) eine Privilegierung nutzergenerierter Medieninhalte nach § 24 Abs. 1 UrhG bereits von vornherein ausscheidet. c) User Generated Content als nutzergenerierte Alltagserzeugnisse Wie bereits im Rahmen der Entlehnungsfreiheit nach § 51 UrhG erwähnt,722 werden nutzergenerierte Medieninhalte als massenhafte Alltagserzeugnisse in vielen Fällen nicht die für einen Urheberrechtsschutz nach § 2 Abs. 2 UrhG erforderliche Gestaltungshöhe aufweisen. Sie sind häufig schlicht „Allerweltsprodukte“. Die Anforderungen an das Maß der schutzbegründenden Gestaltungshöhe werden zwar nicht derart hoch angesetzt, dass nur herausragende Werke einer bestimmten Werkart geschützt wären. Das Urheberrecht dient nämlich nicht nur dem Schutz der wenigen künstlerischen Spitzenleistungen, sondern gewährt vielmehr unabhängig von dem künstlerischen Wert auch Schöpfern durchschnittlicher Werke ausschließliche Verwertungsrechte.723 Selbst die sog. „kleine Münze“, d. h. schöpferische Gestaltungen, die bei einem Minimum an Individualität gerade noch urheberrechtsschutzfähig sind, werden vom UrhG erfasst.724 Stets muss das Werk jedoch vom individuellen Geist des Urhebers geprägt sein, d. h. das Ergebnis seines individuellen geistigen Schaffens sein.725 Dies setzt zum einen die Existenz eines Gestaltungsspielraums voraus,726 der vom Urheber zum anderen aber auch persönlich individuell ausgenutzt worden sein muss.727 An einer Entfaltung persönlicher Individualität fehlt es allerdings dann, wenn UGC nur durch einfache Übernahme und/oder Kombination fremder Werke und Leistungen erzeugt wird.728 Das gilt insbesondere dann, wenn vorgefundene Fremdinhalte aus verschiedenen intrinsischen oder soziologischen Motiven – ggf. gekürzt 720
Zur Frage, inwieweit auch bei der Bestimmung der für eine freie Benutzung erforderlichen Selbständigkeit eine entsprechende Gleichbehandlung gerechtfertigt erscheint, siehe unten: „Ausschließlich leistungsschutzrechtlich geschützte Elemente“, S. 335 f. 721 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 19 a; Dreier/Schulze, § 24 Rn. 10. 722 Siehe hierzu bereits oben: „Werkcharakter als Privilegierungsvoraussetzung“, S. 272 ff. sowie „User Generated Content als zweckkonformes Verwertungsergebnis“, S. 278 ff. 723 Vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 2 Rn. 24. 724 Siehe näher hierzu Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 38 f. 725 BGHZ 9, 262, 268 – Lied der Wildbahn I. 726 Vgl. Dreier/Schulze, § 2 Rn. 33. 727 Vgl. Peifer, Individualität im Zivilrecht, S. 82. 728 So auch Ott, K&R 2007, 623, 625.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
oder nur ausschnittsweise – um ihrer selbst Willen wiedergegeben werden. Denn eine individuelle Schöpfung scheidet bereits von vornherein aus, wenn eine Person lediglich vorhandene Ausdrucksformen wiederholt, ohne dem Werk persönliche Züge zu geben.729 Es handelt sich dann nicht um eine Nachschöpfung mit dem Ziel, etwas Neues hervorzubringen, sondern um die Reproduktion von etwas Vorgefundenem, der jedoch der eigenschöpferische Beitrag fehlt.730 Der betreffende Nutzerinhalt muss sich daher von anderen, älteren Werken durch seine Formgestaltung unterscheiden. Eine nur geringfügige Veränderung oder Umgestaltung der übernommenen Fremdinhalte, insbesondere in technischer Hinsicht (wie z. B. durch Kürzung, Änderung des Größenverhältnisses oder die Übertragung auf einen anderen Werkträger), reicht dabei jedoch noch nicht aus.731 Denn durch sie wird i. d. R. weder der Charakter noch die Aussage der verwendeten Ausgangswerke verändert. Diese Handlungen führen also zu einer Vervielfältigung individuell geprägter Elemente des Originalwerks, nicht jedoch zu einer eigenständigen „Schöpfung“.732 Um urheberrechtlichen Werkschutz zu begründen, müssen die vorgenommenen Änderungen vielmehr eine eigenschöpferische Ausdruckskraft besitzen, durch die sich der Nutzerinhalt merklich vom Original abhebt.733 Wie groß die Abweichung von der benutzten Vorlage im Einzelfall sein muss, hängt dabei maßgeblich vom Charakter und der schöpferischen Eigenprägung des Ausgangsmaterials ab. Denn die für einen Werkcharakter erforderliche schöpferische Ausdruckskraft ist bei einem Originalwerk von erheblicher Eigenprägung naturgemäß schwerer zu erzielen als bei einem Werk von geringerer Individualität.734 Für eine Privilegierung nach § 24 Abs. 1 UrhG kommen somit praktisch nur solche nutzergenerierten Medieninhalte in Frage, die durch eine künstlerische Veränderung fremder Werke und Leistungen und/oder deren Verbindung mit individualitätsbegründenden nutzereigenen Beitragsteilen entstanden sind. Angesichts der unüberschaubaren Menge und Artenvielfalt der im Web 2.0 publizierten Nutzerinhalte sowie der stark differierenden persönlichen Qualifizierung der partizipierenden Bevölkerungsmitglieder erscheint es vorliegend allerdings keineswegs ausgeschlossen, dass auch entsprechende Publikumsleistungen zumindest die Anforderungen an den Schutz der „kleinen Münze“ erfüllen.
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Vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 2 Rn. 22. Vgl. Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 41. 731 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 3 Rn. 14 ff. 732 Siehe hierzu auch Möhring/Nicolini/Ahlberg, § 24 Rn. 9: „Ein nicht schöpferischer Eingriff [. . . ] ist keine freie Benutzung, weil § 24 verlangt, dass mit dem Eingriff eine neue persönliche geistige Schöpfung entsteht. Vielmehr handelt es sich hierbei lediglich um eine zustimmungspflichtige Vervielfältigung.“ 733 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 3 Rn. 11; s.a. BGH GRUR 1972, 143, 145 – Biografie: Ein Spiel. 734 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 3 Rn. 12; Dreier/Schulze, § 3 Rn. 11; BGH GRUR 1972, 143, 144 – Biografie: Ein Spiel. 730
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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4. Selbständigkeit gegenüber dem Original Allein die Tatsache, dass ein nutzergenerierter Medieninhalt im Einzelfall eine ausreichende schöpferische Eigenprägung besitzt, d. h. insgesamt hinreichende Individualität aufweist, um ihm urheberrechtlichen Werkschutz nach §§ 1, 2 Abs. 2 UrhG zubilligen zu können, sagt jedoch noch nichts darüber aus, ob die vorangegangene Benutzung der fremden Werke und Leistungen „frei“ oder „unfrei“ erfolgt ist. Für die Annahme einer freien Benutzung i. S. v. § 24 Abs. 1 UrhG ist nämlich darüber hinaus erforderlich, dass die nutzergenerierte Nachschöpfung gegenüber den zu ihrer Erzeugung verwendeten Fremdinhalten selbständig ist. a) Selbständigkeit als zentrales Abgrenzungskriterium Bei der Betrachtung der urheberrechtlichen Literatur zu § 24 UrhG lässt sich teilweise der Eindruck gewinnen, die Feststellung der freien Benutzung erfolge im Wesentlichen durch die Überprüfung zweier Tatbestandsvoraussetzungen: erstens das Vorliegen eines „selbständigen Werkes“ und zweitens die „Freiheit der Benutzung“.735 Tatsächlich sind die beiden Merkmale deckungsgleich. Denn ein selbständiges Werk kann niemals in unfreier, sondern – im Zusammenhang mit § 24 UrhG – nur in freier Benutzung eines anderen Werkes geschaffen werden.736 Die Selbständigkeit eines Werkes, das an vorbestehendes Schaffen anknüpft, setzt die Freiheit seiner Benutzung daher bereits voraus. Aus diesem Grund werden Bearbeitungen i. S. v. § 3 S. 1 UrhG auch nur „wie selbständige Werke“ geschützt. Diese sind aufgrund ihrer eigenschöpferischen Prägung zwar ebenfalls urheberrechtlich schützenswert. In ihnen sind die das Originalwerk prägenden Wesenszüge jedoch noch derart stark erkennbar, dass es gerechtfertigt erscheint, ihre Veröffentlichung und Verwertung (auch) von der Zustimmung des Originalurhebers abhängig zu machen (§ 23 S. 1 UrhG). Damit sind sie jedoch keine selbständigen, sondern abhängige Werke. Auch die Gesetzesbegründung zu § 24 UrhG weist darauf hin, dass eine schöpferische Geistestätigkeit alleine für die Annahme einer freien Benutzung nicht 735
So bereits Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, § 58 II: „Entscheidend sind dabei die Merkmale der Selbständigkeit des Werkes und der Freiheit der Benutzung[. . . ].“; widersprüchlich hierzu Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 8 ff. sowie Loewenheim/Loewenheim, § 8 Rn. 11, der zwar sowohl das Vorliegen eines „selbständigen Werkes“ als auch dessen „freie Benutzung“ voraussetzt, gleichzeitig jedoch konstatiert, dass sich „beide Tatbestandsmerkmale überschneiden [. . . ]; das in unfreier Benutzung geschaffene Werk [sei] regelmäßig kein selbständiges Werk, sondern abhängige Nachschöpfung.“ (vgl. Loewenheim/Loewenheim, § 8 Fn. 30, Hervorh. d. Verf.); weitergehend Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 75, der die in § 24 Abs. 1 UrhG geforderte „Selbständigkeit“ sogar für überflüssig hält und daher nicht als „eigenständiges Abgrenzungskriterium für die Unterscheidung von freier und unfreier Benutzung“ anerkennt. 736 Dies erkennt auch Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 75: „Eine Nachschöpfung, die frei ist, weil in ihr die benutzten urheberrechtlich geschützten Bestandteile eines anderen Werkes verblassen, ist zugleich selbständig. [. . . ] Umgekehrt ist keine Benutzung denkbar, die aufgrund ihres Wesenskerns selbständig ist, obwohl das vorbestehende Werk über eine bloße Anregung hinausgehend zu erkennen ist.“
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
ausreichend ist. Diese muss vielmehr eine „völlig selbständige Neuschöpfung“737 zum Ergebnis haben. Denn die freie Benutzung löst sich von ihrer Vorlage und schafft so ein neues Werk mit neuem Wesenskern und neuen, eigenen Grundzügen, eben ein selbständiges Werk.738 Erreicht sie diesen Status nicht, ist die Neuschöpfung „lediglich“ als (unselbständige, d. h. abhängige) Bearbeitung i. S. v. § 3 UrhG geschützt. Während die Bearbeitung also durch ihre Abhängigkeit vom Originalwerk gekennzeichnet ist, zeichnet sich das Ergebnis der freien Benutzung durch dessen Selbständigkeit aus. Vom Gesetzgeber als privilegierungswürdig erachtet und daher sprachlich in den Vordergrund gerückt wird zwar die Handlung der freien „Benutzung“. Dies ändert jedoch nichts daran, dass letztlich immer das vom Benutzer hervorgebrachte Ergebnis den maßgeblichen Beurteilungsgegenstand bildet. Denn praktisch lässt sich das Vorliegen einer freien Benutzung vorbestehender Werke und Leistungen immer nur anhand des konkreten Benutzungsergebnisses beurteilen. Auch der BGH stellt bei der Beurteilung der Frage, ob eine freie oder unfreie Benutzung vorliegt, ausdrücklich auf die „Selbständigkeit des neuen Werkes“739 ab. Die privilegierungsrelevante Benutzungsqualifikation (frei/unfrei) wird also stets durch einen Rückschluss vom Grad der Abhängigkeit der Neuschöpfung vom Original ermittelt. Richtigerweise ist neben dem Werkcharakter daher die Selbständigkeit das zentrale Kriterium zur Unterscheidung der in freier oder unfreier Benutzung entstandenen Nachschöpfungen.740 b) Vergleich von Nutzerinhalt und Original Die Feststellung der für eine freie Benutzung erforderlichen Selbständigkeit des nutzergenerierten Medieninhalts lässt sich nur durch dessen Vergleich mit dem ihm zugrunde liegenden Ausgangsmaterial treffen. Nachschöpfung und Original müssen einander gegenübergestellt werden.741 Hat der prosumierende Nutzer mehrere Fremdinhalte benutzt, muss der Nutzerbeitrag mit allen betroffenen Originalinhalten verglichen werden. Entscheidend ist dabei stets, welche Elemente beiden Vergleichsgegenständen gemeinsam sind.742 Unberücksichtigt bleiben hingegen all jene 737
Vgl. AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 51. So zutreffend Fromm/Nordemann/Vinck, § 24 Rn. 2; ebenso Reinhart, Das Institut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 65, 77. 739 Vgl. BGH ZUM 2009, 219, 223 – Metall auf Metall; BGH GRUR 2008, 693, 695 – TV-Total. 740 Im Ergebnis ebenso Möhring/Nicolini/Ahlberg, § 24 Rn. 2; Fromm/Nordemann/Vinck, § 24 Rn. 2; Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 24 Rn. 2; Dreier/Schulze, § 24 Rn. 5; Reinhart, Das Institut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 65, 76; hinsichtlich der Selbständigkeit als maßgeblichem Tatbestandsmerkmal ebenso Brauns, Die Entlehnungsfreiheit im Urheberrechtsgesetz, S. 14; a.A. Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 75. 741 Vgl. Reinhart, Das Institut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 65, 72. 742 So die heute g.h.M., vgl. etwa Dreier/Schulze, § 24 Rn. 13; Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 24 Rn. 9; Loewenheim/Loewenheim, § 8 Rn. 13; Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 69; zuletzt BGH GRUR 2006, 53, 54 f. – Wagenfeld-Tischleuchte. 738
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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Elemente, die für sich genommen einem urheberrechtlichen Schutz nicht zugänglich sind. Denn das Urheberrecht an einem Werk erstreckt sich prinzipiell nicht auf in ihm enthaltene schutzlose Elemente des Gemeingutes.743 Diese können vielmehr von jedermann verändert oder unverändert wiedergegeben werden. Vor einem benutzungsqualifizierenden Vergleich von Nachschöpfung und Originalwerk sind daher zuerst sämtliche dem Gemeingut zuzuordnende Elemente zu ermitteln und gedanklich zu subtrahieren. Übrig bleiben dann nur noch die individualitätsbegründenden Werkelemente, die in ihrer ästhetischen Gesamtwirkung744 für die Beurteilung der erforderlichen Selbständigkeit und damit der Qualifikation der Benutzung letztlich maßgebend sind. Fraglich ist jedoch, ob dies auch für die Fälle der Benutzung fremder leistungsschutzrechtlich geschützter Gegenstände gilt.745 Denn in Konsequenz des vom BGH in seiner „Partikelschutz-Entscheidung“746 statuierten Grundsatzes, dass auch kleinste Teile leistungsschutzrechtlich geschützter Gegenstände eigenständigen Schutz genießen, lassen sich entsprechende Medieninhalte – ungeachtet ihres Inhalts oder Umfangs – nicht schon von vornherein zum urheberrechtlichen Gemeingut zählen. Dem Rechtsinhaber sei es aus Rechtsgründen nämlich nicht zuzumuten, im Interesse einer freien kulturellen Entwicklung generell auf einen Leistungsschutz für kleinere Teile ihrer Leistungsergebnisse zu verzichten.747 Während im Urheberrecht also die von § 2 Abs. 2 UrhG geforderte Gestaltungshöhe den Schutzbereich eines Werkes bereits im Ausgangspunkt zugunsten der Allgemeinheit auf seine individuellen Züge beschränkt, existieren im Bereich der Leistungsschutzrechte praktisch überhaupt keine – per se – schutzlosen, von jedermann frei verwertbaren Elemente (mehr).748 Mangels „leistungsschutzrechtlichen Gemeinguts“ ist dort dann allerdings auch eine Unterscheidung zwischen eigenschöpferischen und gemeinfreien Elementen obsolet. Dies ist vorliegend insbesondere deshalb von Bedeutung, weil bei der Erzeugung von UGC sehr häufig eine unmittelbare Übernahme fremder, „nur“ bzw. „auch“ leistungsschutzrechtlich geschützter Medieninhalte (wie z. B. fremde Fotos, Audio- oder Video-Aufzeichnungen künstlerischer Darbietungen oder Sendungen) zu beobachten ist.749 Aus diesem Grund sind bei der Prüfung von UGC prinzipiell alle zu seiner Erzeugung herangezogenen Elemente, die direkt oder indirekt ein fremdes Leistungsschutzrecht berühren, als „individuell geprägte Werkelemente“ im
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Allg. Meinung, vgl. etwa Dreier/Schulze, § 24 Rn. 4. Vgl. Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 71 f.; Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 12 m.w.N. 745 Zur Anwendbarkeit des § 24 UrhG auf urheberrechtliche Leistungsschutzrechte siehe oben: „Anwendungsbereich der freien Benutzung“, S. 323 f. 746 Siehe näher hierzu oben: „Partikelschutz-Entscheidung des BGH“, Kapitel 5, S. 120 ff. 747 Vgl. BGH ZUM 2009, 219, 222 – Metall auf Metall. 748 Inwieweit dies mit Blick auf die in vergleichbaren Situationen benachteiligten Urheber auch für kleinste Leistungsausschnitte gerechtfertigt erscheint siehe unten: „Abstandsreduktion auf null bei fehlender Individualisierbarkeit“, S. 338. 749 Siehe ausführlich hierzu oben: „Übernahme fremder Aufzeichnungen“, Kapitel 4, S. 82 ff. 744
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
vorstehenden Sinne zu behandeln und als solche in den abhängigkeitsbestimmenden Inhaltsvergleich einzustellen.
c) Abstand als selbständigkeitsbegründendes Merkmal Selbständigkeit erfordert Abstand. Dies erkannte bereits das Reichsgericht, das für die Annahme einer freien Benutzung seinerzeit verlangte, dass die Entlehnungen aus dem benutzten Werk im neuen „in den Hintergrund zu treten“ hätten.750 Der Eindruck des Urwerks müsse durch den Eindruck der Neuschöpfung vergessen gemacht werden.751 Manche Autoren versuchten auch die Voraussetzungen der schwierigen Benutzungsqualifikation durch eine negative Metapher zu konkretisieren; sie gingen davon aus, dass es immer dann an einer die freie Benutzung rechtfertigenden eigentümlichen Schöpfung fehle, wenn das Urwerk bei der Betrachtung der Nachschöpfung noch „durchschillere“.752 Heute bedienen sich Literatur und Rechtsprechung ganz überwiegend der von Ulmer geprägten Formel, wonach eine freie Benutzung dann vorliege, wenn „angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen“.753
aa) Äußerer Abstand Allen vorgenannten Formulierungen ist gemeinsam, dass sie auf die bei einer vergleichenden Gegenüberstellung der betroffenen Schutzgüter nach Außen hin, gleichsam „auf den ersten Blick“ feststellbare Eigenständigkeit der Nachschöpfung abstellen. Der hierbei unmittelbar wahrnehmbare „äußere Abstand“ zwischen den betreffenden Vergleichsobjekten kann entweder darin begründet liegen, dass der Nutzer ein fremdes Werk als Vorlage verwendet und dieses anschließend durch Umformung, Reduzierung und/oder Ergänzung soweit abgeändert hat, dass es in der Neuschöpfung praktisch nicht mehr erkennbar ist. Oder er hat das Original lediglich als Ausgangspunkt für eine völlig eigenständige Darstellung der in ihm behandelten Thematik verwendet. In beiden Fällen dominiert jedoch nicht die vom Originalberechtigten geschaffene Form das neu entstandene Werk, sondern es ist jene des Benutzers, die der Neuschöpfung die prägenden Züge verleiht.754
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Vgl. RGZ 82, 16, 19 – Die lustige Witwe. Vgl. Marwitz/Möhring, Das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst in Deutschland, § 13, Rn. 13. 752 Siehe hierzu die Nachweise bei Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 72 f. 753 So erstmals Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, § 58; dem folgend die g.h.M., vgl. etwa Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 10 m.w.N.; s.a. BGH GRUR 2008, 693, 695 – TV-Total sowie zuletzt BGH ZUM 2009, 219, 223 – Metall auf Metall. 754 Vgl. Reinhart, Das Institut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 65, 67. 751
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bb) Innerer Abstand Eine freie Benutzung gemäß § 24 Abs. 1 UrhG liegt aber nicht nur dann vor, wenn die aus dem Ausgangsmaterial entlehnten Elemente für den hierauf aufbauenden Nutzerbeitrag von derart untergeordneter Bedeutung sind, dass sie in urheberrechtlich nicht mehr relevanter Weise durchschimmern. Vielmehr existieren auch anerkannte Kunstformen, die es im Wege einer künstlerischen Auseinandersetzung erforderlich machen, das benutzte Werk und dessen individuelle Züge erkennbar in das neue Werk zu übernehmen. So kommt bspw. die Parodie nicht ohne die Erkennbarmachung des persiflierten Werkes aus, weil die sie kennzeichnende antithematische Behandlung des entlehnten Stoffes nur dann stattfinden und begriffen werden kann, wenn der Betrachter die Bezugnahme auf das fremde Werk erkennt.755 Aufgrund der offensichtlichen Übereinstimmungen zwischen Original und Benutzung liegt in diesen Fällen allerdings weder ein „Zurücktreten“ noch ein „Verblassen“ der entlehnten Züge vor. Es fehlt hier typischerweise an dem regelmäßig geforderten „äußeren Werkabstand“. Bei deutlichen Übernahmen kann der für die erforderliche Selbständigkeit gleichwohl einzuhaltende Abstand zum Ausgangsmaterial jedoch dadurch gewahrt werden, dass ein so großer „inneren Abstand“ besteht, dass die Nachschöpfung ihrem Wesen nach als selbständig anzusehen ist.756 Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn das neue Werk ein anderes Gepräge757 aufweist als das Ursprungswerk und so dessen persönliche Züge durch seinen eigenschöpferischen Gehalt überlagert werden.758 Entscheidend hierbei ist, dass sich die Neuschöpfung das fremde Werk nicht einverleibt, sondern zu einem inneren Dialog mit diesem führt.759 Der prosumierende Nutzer muss sich mit den Eigenheiten des fremden Stoffes also inhaltlich auseinandersetzen. Denn die bloße Absicht, durch die Bezugnahme auf ein fremdes Werk Heiterkeit hervorzurufen, begründet für sich allein noch keine zulässige Parodie.760 Eine weitere für die Privilegierung von UGC in Betracht kommende Erscheinungsform der freien Benutzung ist die sog. Paraphrase.761 Bei dieser Kunstform benutzt der Urheber das fremde Werk nicht dazu, eigene durch fremde Kreativität zu ersetzen, sondern beschäftigt sich vielmehr mit dem fremden Schaffen, um es mit Mitteln der gleichen Gattung in Form eines neuen Werkes zu durchdringen.762 Es handelt sich also gewissermaßen um „Kunst über Kunst“, die jedoch ebenfalls zwingend eine inhaltliche Auseinandersetzung mit fremdem Gedankengut in künstlerischer Form voraussetzt. Da auch das Wesen dieser Benutzungsform die 755 Vgl. hierzu BGH ZUM 1993, 537, 543 – Asterix-Persiflagen; BGH ZUM 1999, 644, 647 – Laras Tochter; BGH GRUR 2000, 703, 704 – Mattscheibe; BGH GRUR 2003, 956, 958 – Gies-Adler. 756 Vgl. Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 74. 757 Vgl. BGH ZUM 1993, 537, 543 – Asterix-Persiflagen. 758 Vgl. Dreier/Schulze, § 24 Rn. 25. 759 Vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 24 Rn. 14. 760 Vgl. Poll, ZUM 2004, 511, 516 unter Hinweis auf OLG Frankfurt ZUM 1996, 97, 99. 761 Siehe hierzu die Beispiele bei Schack, Kunst und Recht, Rn. 339. 762 Vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 24 Rn. 13.
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Erkennbarkeit der benutzten Fremdinhalte verlangt, kann die für eine Privilegierung der Paraphrase erforderliche Selbständigkeit auch hier nur bei einem ausreichenden inneren Abstand zu den übernommenen Elementen des Ausgangsmaterials angenommen werden. Zu dessen Feststellung ist neben dem Umfang der Entlehnung vor allem auf die eigenständige Aussage, d. h. den geistigen Gehalt des neuen Werkes abzustellen. Bloße Verfremdungen vorbestehender Medieninhalte ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit der Vorlage reichen für die Annahme einer freien Benutzung nach der Rechtsprechung hingegen nicht aus.763 Denn privilegieren will § 24 UrhG nicht mehr oder weniger kleine Veränderungen der benutzten Vorlage, sondern die grundlegend neue künstlerische Sicht auf ein vorbestehendes Thema.764 So kommt insbesondere bei einfachen Collagen, Montagen und sonstigen nutzergenerierten Inhaltskombinationen, bei denen Ausschnitte fremder Leistungsergebnisse für ein neues Werk verwendet werden, eine freie Benutzung nur dann in Betracht, wenn die Neuschöpfung nicht durch die individuellen Züge dieser Ausschnitte bestimmt wird.765 Denn die bloße Auswahl und Anordnung solcher Ausschnitte ist i. d. R. keine freie Benutzung, mag sie auch selbständig schutzfähig sein.766
d) Grad der Individualität als abstandsbestimmender Faktor Wie die vorstehenden Ausführungen bereits erkennen lassen, ist im Rahmen der urheberrechtlichen Benutzungsqualifikation Abstand nicht gleich Abstand. Dessen objektive Feststellung führt daher keineswegs automatisch zu einer Privilegierung des neu geschaffenen Benutzungsergebnisses. Wie groß der Abstand zwischen dem 763
Vgl. BGH ZUM 1993, 537, 543 – Asterix-Persiflagen. Vgl. Schack, Kunst und Recht, Rn. 338. 765 Eingehend zur Frage der urheberrechtlichen Zulässigkeit der Collage als Ergebnis freier Benutzung nach § 24 UrhG Czernik, Die Collage in der urheberrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Kunstfreiheit und Schutz des geistigen Eigentums, S. 295 ff., der – entgegen der hier vertretenenAuffassung – i.E. davon ausgeht, dass es gerechtfertigt sei, „wenn man vom nachschaffenden Künstler fordere, dass sich die von ihm übernommene Leistung letztlich ausschließlich auf die bloße geistige Idee des Werkes, im wörtlichen Sinne der Anregung, reduziere“ (S. 355, Hervorh. d. Verf.). Zur Inanspruchnahme des § 24 Abs. 1 UrhG müsse der Nutzer daher „einen grundlegenden Wandel im Rahmen der Werkkonzeption oder im Falle der Übernahme der konkreten, äußeren Gestaltungsform eine grundlegend eigene Fundamentalkonzeption herbeiführen“, die zu einer derart veränderten Individualität führe, „dass man nicht mehr davon sprechen könne, dass die in der Individualität [des Ausgangswerkes] verkörperte Leistung in [der Nachschöpfung] noch zum Tragen komme“ (S. 445, Hervorh. d. Verf.). Czernik setzt damit das Ergebnis einer freien Benutzung einer vollkommenen Neuschöpfung, die ohne erkennbare Benutzung fremder Werke geschaffen wurde, gleich und deklassiert die Vorschrift des § 24 UrhG damit i.E. zu einem rein deklaratorischen Hinweis auf die ohnehin offenkundige Zulässigkeit der Nutzung von Elementen des urheberrechtlichen Gemeinguts, was jedoch aus den oben genannten Gründen abzulehnen ist (siehe hierzu oben: „Rechtsnatur des § 24 UrhG“, S. 317 ff. sowie „Selbständigkeit als zentrales Abgrenzungskriterium“, S. 328 f.). 766 Vgl. Dreier/Schulze, § 24 Rn. 31 mit Hinweis auf OLG Hamburg ZUM 2001, 330, 332 – Anzeigenkarte. 764
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verwendeten Ausgangsmaterial und dem nutzergenerierten Medieninhalt im Einzelfall sein muss, um dessen Selbständigkeit zu begründen, ist vielmehr in ganz erheblichem Maße vom Schutzbereich und damit der schöpferischen Eigenprägung der entlehnten Fremdinhalte abhängig. aa) Ausschließlich urheberrechtlich geschützte Elemente Die Grundkonstellation besteht zunächst darin, dass der Benutzer zur Herstellung seiner Nachschöpfung fremde Werke i. S. v. § 2 Abs. 1 UrhG bzw. eigenständig schutzfähige Elemente hiervon verwendet. Dabei ist der für eine freie Benutzung notwendige Abstand in dem neuen Werk schneller erreicht, wenn das Original nur einen geringen Grad an Individualität aufweist. In diesen Fällen führen bereits geringfügige Abweichungen aus dem Schutzbereich hinaus.767 Denn die Züge eines Werkes, das eher am unteren Rand des urheberrechtlichen Schutzes anzusiedeln ist („kleine Münze“) verblassen tendenziell leichter als die einer im hohen Grade eigenständigen, komplexen Schöpfung.768 Ist der ästhetische Gehalt des benutzten Werkes hingegen beträchtlich, fällt auch dessen Schutzumfang entsprechend weiter aus.769 Hinsichtlich des für eine Selbständigkeit von UGC erforderlichen (äußeren oder inneren) Abstandes gilt mithin der Grundsatz, dass je ausgeprägter die Individualität der übernommenen Fremdinhalte ist, desto stärker muss deren Umformung bzw. die eigenständige Aussage des nutzergenerierten Medieninhalts sein, damit die Benutzung als frei qualifiziert werden kann. Abzustellen ist dabei auf die Sichtweise eines Betrachters, der das benutzte Original kennt und aufgrund seines intellektuellen Verständnisses zur Auseinandersetzung mit der Nachschöpfung in der Lage ist, d. h. der über ein durchschnittliches Fachwissen in der betreffenden Materie verfügt.770 bb) Urheber- und leistungsschutzrechtlich geschützte Elemente Soweit der Nutzer zur Erzeugung seines Medienbeitrags ausschließlich urheberrechtlich geschützte Elemente fremder Werke benutzt, indem er die in ihnen verkörperte persönliche geistige Leistung des Urhebers (z. B. in Form eines Gedichtes oder des Inhalts bzw. der Gestalt eines Werkes der bildenden Kunst) als solche verwertet, ohne hierbei unmittelbar auf eine bereits bestehende Aufzeichnung hiervon oder eine sonstige zur Werkvermittlung erbrachte fremde Leistung (wie z. B. einen Tonoder Filmträger oder eine Sendung) zurückzugreifen, ergibt sich der selbständigkeitsbegründende Werkabstand unproblematisch aus der jeweiligen schöpferischen Eigenprägung der verwendeten Originalwerke. 767 Vgl. Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 78; Dreier/Schulze, § 24 Rn. 15; Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 16. 768 Vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 24 Rn. 10; Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 10; Möhring/Nicolini/Ahlberg, § 24 Rn. 7; BGH GRUR 1991, 531, 532 – Brown Girl I; BGH GRUR 1991, 533, 534 – Brown Girl II. 769 Vgl. Dreier/Schulze, § 24 Rn. 15. 770 Vgl. Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 79 m.w.N.; s.a. BGH GRUR 2000, 703, 705 – Mattscheibe.
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Fraglich ist jedoch, wie zu verfahren ist, wenn durch die Übernahme der vom Nutzer verwendeten Fremdinhalte nicht nur in hieran bestehende Urheberrechte, sondern zusätzlich in verschiedene Leistungsschutzrechte eingegriffen wird, wie es bei der Erzeugung von UGC typischerweise der Fall ist. Denkbar wäre hier insbesondere die Annahme einer zusätzlichen Einbeziehungspflicht etwaiger gestalterischer Einflüsse durch betroffene Leistungsschutzberechtigte (z. B. ausübende Künstler) und damit das Erfordernis einer kumulativen Berücksichtigung sämtlicher an den entlehnten Elementen bestehenden individualitätsbegründenden Leistungsergebnisse. Aufgrund der grundsätzlich geringer einzustufenden Schutzwürdigkeit des Leistungsschutzberechtigten gegenüber dem Urheber771 werden im Falle einer freien Benutzung des der Entlehnung zugrunde liegenden Werkes jedoch auch die an der Übernahme zusätzlich bestehenden Leistungsschutzrechte von § 24 Abs. 1 UrhG (automatisch) mit eingeschränkt. Denn es wäre schlicht nicht einzusehen, warum dem Leistungsschutzberechtigten in einem Fall, in dem der Urheber – nach Abwägung der betroffenen Rechtsgüter – schutzlos bleibt, ein weitergehender Schutz gewährt werden sollte.772 Bei einer Kumulation mehrer urheberrechtlicher Schutzrechte an ein und demselben marktgängigen Produkt773 teilen im Falle einer freien Benutzung des ihm zugrunde liegenden Werkes folglich alle akzessorischen Leistungsschutzrechte dasselbe Schicksal wie die an ihm bestehenden Urheberrechte, will man nicht über den „Umweg“ der verwandten Schutzrechte einer innovationshemmenden Monopolisierung des weltlichen Gedankenguts Vorschub leisten. Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit einer Benutzung fremder Medieninhalte, die sowohl urheber- als auch leistungsschutzrechtlich geschützt sind, können demnach die (nur) mit einem verwandten Schutzrecht bedachten Gestaltungselemente bei der Feststellung der zu vergleichenden eigenpersönlichen Züge unberücksichtigt bleiben. Denn rechtlich relevant sind hier nur die im Schutzbereich des benutzten Werkes liegenden Entlehnungen.774 Hieraus lässt sich der allgemeine Grundsatz ableiten, dass der für die urheberrechtliche Benutzungsqualifikation relevante Individualitätsgrad des verwendeten Ausgangsmaterials stets aus den objektiven Merkmalen desjenigen hierin verkörperten Schutzgegenstands resultiert, der die höchste schöpferische Eigenprägung aufweist. cc) Ausschließlich leistungsschutzrechtlich geschützte Elemente Fraglich ist allerdings, inwieweit die vorstehenden Grundsätze auch in denjenigen Fällen gelten, in denen die vom prosumierenden Nutzer übernommenen Fremdinhalte ausschließlich leistungsschutzrechtlichen Schutz genießen; sei es, weil der 771 In diesem Sinne bereits Bindhardt, Der Schutz von in der Popularmusik verwendeten elektronisch erzeugten Einzelsounds, S. 132; dem folgend BGH ZUM 2009, 219, 222 – Metall auf Metall. 772 Ebenso Stieper, ZUM 2009, 223, 225 unter Hinweis auf BGH ZUM 2009, 219, 222 – Metall auf Metall. 773 Siehe hierzu bereits oben: „Verwertungsrechte“, Kapitel 5, S. 115 ff. 774 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 12; BGH GRUR 1991, 533, 534 – Brown Girl II.
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einer Aufzeichnung entnommene Werkteil zu kurz ist, um eine ausreichend individuelle Prägung aufzuweisen oder sei es, weil die Entlehnung einer Aufnahme einer insgesamt nicht schutzwürdigen Schöpfung oder eines bereits gemeinfrei gewordenen Werkes entstammt. Dem BGH zufolge müsse hier „in entsprechender Weise geprüft werden, ob das neue Werk einen ausreichenden Abstand“775 zu den vom Nutzer übernommenen fremden Leistungsergebnissen wahrt. Gegenstand des leistungsschutzrechtlichen Schutzes ist jedoch nicht die „entäußerte menschliche Individualität“776 , die den Ursprung schöpferischer Eigenprägung bildet,777 sondern ganz überwiegend eine rein organisatorisch-technische Leistung, insbesondere die dahinter stehende Investition in Form von Arbeit und Geld.778 aaa) Urheberrechtlicher Schutzbereich unternehmerischer Leistungen In der Literatur wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich der selbständigkeitsbegründende Abstand im Falle der Benutzung entsprechender wirtschaftlicher Leistungen nicht feststellen ließe, da diese für sich genommen keinerlei Raum für eine eigene Gestaltung ließen und daher schon von Natur aus keine schöpferische Eigenprägung aufwiesen, auf die zur Feststellung ihres Schutzbereichs abgestellt werden könnte.779 Von einer bloßen „Anregung“ durch eine organisatorische oder technische Leistung des Berechtigten könne schon begriffslogisch nicht gesprochen werden.780 Richtig hieran ist, dass es den vorwiegend vom Gedanken des Investitionsschutzes motivierten verwandten Schutzrechten nicht um die Verwechslungsfähigkeit persönlicher Individualität geht, sondern um einen auf die objektive Besonderheit begrenzten Objektschutz.781 Dieser vom klassischen Urheberrechtsschutzgedanken abweichende Schutzgrund782 hat zwar auchAuswirkungen auf den Schutzbereich der organisatorisch-technisch geprägten Leistungsschutzrechte. Er führt jedoch zunächst nur dazu, dass die entsprechend geschützten Medieninhalte nur gegen unmittelbare Übernahme, nicht jedoch gegen Nachahmung geschützt sind.783 Denn die erbrachten Investitions- oder Organisationsleistungen sind nur in Form des durch sie hervorgebrachten Produktes geschützt. Gerade hierin unterscheiden sich die Lei775
BGH ZUM 2009, 219, 223 – Metall auf Metall; BGH GRUR 2008, 693, 695 – TV-Total. Vgl. Peifer, Individualität im Zivilrecht, S. 107. 777 Eingehend zur Individualität als Legitimationsquelle des Urheberrechtsschutzes Peifer, Individualität im Zivilrecht, S. 76 ff. 778 Vgl. Peifer, Individualität im Zivilrecht, S. 111 m.w.N. 779 So wohl Stieper, ZUM 2009, 223, 224; ähnlich auch Dreier/Schulze, § 24 Rn. 10 und 38; Wandtke/Bullinger/Schaefer, § 85 Rn. 25. 780 Vgl. Stieper, ZUM 2009, 223, 224 f. unter Hinweis auf Schack, UrhR, Rn. 624. 781 So zutreffend Peifer, Individualität im Zivilrecht, S. 112. 782 Siehe näher hierzu BGH ZUM 2009, 219, 221 ff. – Metall auf Metall. 783 Vgl. hierzu Dreier/Schulze, § 24 Rn. 10 m.w.N.; zur fehlenden Sperrwirkung bspw. des Lichtbildschutzes hinsichtlich nachschaffenden Leistungen und des gewählten Motivs siehe Schricker/Vogel, § 24 Rn. 27; eingehend zu nachgestellten Fotos aus urheberrechtlicher Sicht siehe Bullinger/Garbers-von Boehm, GRUR 2008, 24 ff. 776
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stungsschutzobjekte von den urheberrechtlich geschützten Schöpfungen, bei denen sich der Schutz – unabhängig von der Nutzung eines Werkexemplars – weitgehend auch auf den Inhalt erstreckt.784 Hiermit wird nicht zuletzt verhindert, dass urheberrechtlich nicht schutzfähige Inhalte über den Umweg investitionsschützender Leistungsschutzrechte monopolisiert werden können. Der urheberrechtliche Schutzbereich unternehmerischer Leistungsergebnisse ist daher aufgrund des andersartigen Schutzgrundes bereits von vornherein um die Möglichkeit ihrer originalgetreuen Nachschaffung reduziert. bbb) Leistungsergebnis als schutzrechtsübergreifender Beurteilungsgegenstand Übersehen wird bei der vorgenannten Betrachtungsweise jedoch, dass der Grund für die Zuerkennung eines Schutzrechtes keinen Einfluss auf die – objektiv zu bestimmende785 – Eigentümlichkeit eines Leistungsergebnisses hat. Denn allein die Tatsache, dass die vom UrhG mit einem verwandten Schutzrecht belohnte Leistung einen nicht schöpferischen Charakter besitzt, vermag nichts daran zu ändern, dass sich auch diese Leistung – ebenso wie die schöpferische – letztlich in einem wahrnehmbaren Objekt niederschlägt, das seinerseits – je nach Inhalt – sehr wohl eine Eigenprägung aufweisen kann. Eben von diesem wahrnehmbaren Leistungsergebnis geht – unabhängig von dessen Schutzfähigkeit – auch die den Benutzer „anregende Wirkung“ aus, und nicht von den zu seiner Entstehung erforderlichen Leistungen. Schließlich ist die Inspiration des Benutzers unabhängig davon, ob es sich um Medieninhalte handelt, denen eine individuell-schöpferische oder eine nur bedingt schützenswerte geistige Leistung zugrunde liegt. Im Rahmen der urheberrechtlichen Benutzungsqualifikation nach § 24 Abs. 1 UrhG ist daher zur Feststellung des den selbständigkeitsbegründendenAbstand bestimmenden Individualitätsgrades nicht auf die den benutzten Schutzgegenstand hervorbringenden Leistungen abzustellen, sondern stets das konkrete Leistungsergebnis als maßgeblicher Beurteilungsgegenstand heranzuziehen. Insofern ist die vom BGH geforderte „entsprechende Prüfung“ des erforderlichen Gestaltungsabstands auch bei rein leistungsschutzrechtlich geschützten Benutzungsobjekten ohne Weiteres möglich. ccc) Abstandsbestimmender Eigentümlichkeitsgrad Um nun den für die Prüfung der Selbständigkeit des nutzergenerierten Medieninhalts erforderlichen abstandsbestimmenden Eigentümlichkeitsgrad des benutzten Fremdinhalts feststellen zu können, müssen zunächst – ebenso wie bei Werken – die ihn prägenden Gestaltungsmerkmale definiert werden. Hierzu ist im Einzelnen festzustellen, durch welche objektiven Merkmale sich das benutzte Ausgangsmaterial auszeichnet.786 Anders als bei der Bestimmung des Individualitätsgrades urheberrechtlich geschützter Werkelemente wird die Eigentümlichkeit der ausschließlich leistungsschutzrechtlich 784
Vgl. Loewenheim/Loewenheim, § 7 Rn. 8 ff.; Fromm/Nordemann/Vinck, § 2 Rn. 57; Schack, UrhR, Rn. 160. 785 Vgl. Möhring/Nicolini/Ahlberg, § 24 Rn. 7; Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 12. 786 Vgl. Möhring/Nicolini/Ahlberg, § 24 Rn. 10; s.a. BGH GRUR 2004, 855, 857 – Hundefigur.
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geschützten Fremdinhalte jedoch nicht durch einen Gesamtvergleich des Originals mit sämtlichen vorbekannten Gestaltungen vorgenommen, um die dem urheberrechtlichen Gemeingut zuzuordnenden Gestaltungsmerkmale von der Betrachtung auszuschließen. In Konsequenz der „Partikelschutz-Entscheidung“ des BGH ist vielmehr davon auszugehen, dass sämtliche objektiv unterscheidbaren Merkmale des betreffenden Leistungsergebnisses bei der Feststellung des abstandsbestimmenden Eigentümlichkeitsgrades zu berücksichtigen sind.787 Dies ergibt sich unmissverständlich aus den Ausführungen des Gerichts, nach dem „selbst wenn [die entlehnten Elemente] für sich genommen nicht den urheberrechtlichen Schutzanforderungen genügten, dies nicht dem zur Beurteilung der Selbständigkeit erforderlichen Vergleich entgegenstünde, ob das neue Werk zu [den] aus dem benutzten [Leistungsergebnis] entlehnten [Elementen] einen so großen Abstand halte, dass es seinem Wesen nach als selbständig anzusehen sei.“788 Bei ausschließlich leistungsschutzrechtlich geschützten Entlehnungen bestimmt sich der prüfungsrelevante Eigentümlichkeitsgrad also nicht nur anhand derjenigen Merkmale, die ggf. Ausdruck der Individualität ihrer Erzeuger sind und durch die sich das benutzte Leistungsergebnis von der Masse des Alltäglichen abhebt, sondern vielmehr anhand aller objektiv eigenartigen Merkmale, die eine tatsächliche Wiedererkennung des benutzten Fremdinhalts (Individualisierung) ermöglichen.789 Es ist somit stets das gesamte vom prosumierenden Internetnutzer übernommene Leistungsschutzobjekt in den abhängigkeitsbestimmenden Inhaltsvergleich zwischen UGC und benutztem Ausgangsmaterial einzubeziehen. (1) Abstandsreduktion auf null bei fehlender Individualisierbarkeit Ist der betreffende Ausschnitt nach den vorstehend beschriebenen Feststellungen (z. B. aufgrund seines minimalen Umfangs) nur von so geringer Individualität, dass man ihn praktisch nicht mehr eindeutig dem benutzten Medieninhalt zuordnen kann, so ist der erforderliche Abstand zu dem benutzten Ausgangsmaterial so gering, dass die Entlehnung regelmäßig derart in der neuen Schöpfung aufgehen wird, dass von einer Selbständigkeit der nutzergenerierten Nachschöpfung gesprochen werden kann.790 Im Extremfall kann sich der zur Begründung der notwendigen Selbständigkeit erforderliche Abstand also sogar auf null reduzieren. Dies wird insbesondere bei der unmittelbaren Übernahme kleinster Bild-, Ton- oder Video-Ausschnitte (insb. Einzeltöne, Bildpunkte bzw. Pixel-Gruppen) der Fall sein, die als Grundlage für ein neues Werk herangezogen werden.791 787
Siehe hierzu bereits oben: „Vergleich von Nutzerinhalt und Original“, S. 329 f. BGH ZUM 2009, 219, 223 – Metall auf Metall (Hervorh. d. Verf.). 789 Vor diesem Hintergrund erscheint indes fragwürdig, ob die Aussage, dass „leistungsschutzrechtlich geschützte Elemente, wenn überhaupt, gegenüber urheberrechtlich geschützten Werken regelmäßig eine sehr viel geringere Eigenprägung aufweisen“ (vgl. Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 19 a; ebenso Dreier/Schulze, § 24 Rn. 10) in dieser Pauschalität heute noch als zutreffend angesehen werden kann. 790 Hinsichtlich Werken der „kleinen Münze“ ebenso Möhring/Nicolini/Ahlberg, § 24 Rn. 11. 791 An dieser Stelle scheinen die bislang im Zusammenhang mit dem Sound-Sampling und dem hiermit verbundenen Meinungsstreit um den Eingriff in das Vervielfältigungsrecht des Tonträger788
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(2) Korrekturfunktion des § 24 UrhG In den vorgenannten Fällen kommt der Schranke des § 24 UrhG mit Blick auf den vom BGH bestätigten, grundsätzlich umfassenden Schutzbereich der Leistungsschutzrechte eine wichtige Korrekturfunktion zu.792 Denn der den Berechtigten aufgrund seines nicht schöpferischen Charakters zunächst vollumfänglich gewährte Leistungsschutz793 wird (nur bzw. erst) im Falle einer freien Benutzungshandlung, die ein eigenständig schutzfähiges Werk zum Ergebnis hat, im Wege eines abhängigkeitsbestimmenden Individualitätsvergleichs zwischen Ausgangsmaterial und nutzergeneriertem Medieninhalt auf ein sozial verträgliches Maß zugunsten der Allgemeinheit reduziert. Anderenfalls wäre dem „Partikelschutz-Grundsatz“ zufolge jegliche Verwendung fremder Leistungsschutzobjekte – und sei sie noch so unbedeutend oder unbeweisbar – eine rechtswidrige Urheberrechtsverletzung. Dies würde jedoch nicht nur die Fortentwicklung des Kulturschaffens gefährden, sondern vor allem auch zu unauflöslichen Wertungswidersprüchen zu den Befugnissen der Urheber führen, die in vergleichbaren Sachverhalten – ebenfalls zu Recht – schutzlos blieben.794 (3) Substituierbarkeit der Entlehnung als ungeschriebenes Ausschlusskriterium? Das in diesem Zusammenhang vom BGH aufgestellte Ausschlusskriterium der Substituierbarkeit der Entlehnung durch eine identische nutzereigene Aufzeichnung bzw. die individuelle Fähigkeit des Benutzers zur Herstellung einer solchen ist nach hier vertretener Auffassung jedoch nicht haltbar.795 Dessen zusätzliche Einbeziehung wird damit begründet, dass die Rechte der Leistungsschutzberechtigten der Fortentwicklung des Kulturschaffens – als hauptsächlichem Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 UrhG – nicht entgegenstünden, wenn der Benutzer imstande sei, die entlehnten Elemente selbst herzustellen.796 Dieses über die gesetzlichen Anforderungen des § 24 Abs. 1 UrhG hinausgehende Privilegierungserfordernis kann für die einheitliche Benutzungsqualifikation im Urheberrecht jedoch bereits aus rechts-
herstellers vorgebrachten Argumente auf weitaus fruchtbareren Boden zu fallen, da sie sich im Rahmen der schrankenrechtlichen Benutzugsqualifikation des § 24 Abs. 1 UrhG nicht den oben genannten rechtsdogmatischen Problemen ausgesetzt sehen (siehe hierzu bereits oben: „Vervielfältigungen kleinster Teile eines Leistungsergebnisses“, Kapitel 5, S. 118 ff.). Zum Meinungsstreit hinsichtlich des Sound-Sampling und der verschiedenen Argumentationsansätze siehe etwa die Darstellung bei Schricker/Vogel, § 85 Rn. 43. 792 Ebenso Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 76. 793 Vgl. hierzu Wandtke/Bullinger/Schaefer, § 85 Rn. 25. 794 Ebenso Hoeren, Sounds von der Datenbank, S. 113 ff.; Bortloff, ZUM 1999, 476, 478; Bortloff, Der Tonträgerpiraterieschutz im Immaterialgüterrecht, S. 110 f.; Münker, Urheberrechtliche Zustimmungserfordernisse beim Digital Sampling, S. 252; a.A. BGH ZUM 2009, 219, 221 – Metall auf Metall, dessen Argumentation mit den differierenden Schutzgütern jedoch nur hinsichtlich der grundsätzlichen Annahme einer Vervielfältigungshandlung i.S.v. § 16 UrhG überzeugend erscheint. Ebenfalls kritisch hierzu Stieper, ZUM 2009, 223, 225. 795 Hinsichtlich der funktionellen Substituierbarkeit eines konkreten Leistungsausschnitts wohl a.A. Stieper, ZUM 2009, 223, 225 a.E. 796 Vgl. BGH ZUM 2009, 219, 222 – Metall auf Metall.
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dogmatischen Gründen keine Rolle spielen.797 Denn stellt sich die Nachschöpfung, z. B. aufgrund des geringen Individualitätsgrades des benutzten Ausgangsmaterials, als selbständiges Werk dar, ist die vorangegangene Benutzung als „frei“ zu qualifizieren und damit urheberrechtlich zulässig. Für eine ergänzende Berücksichtigung einer „Erforderlichkeit der Übernahme“ besteht dann kein Raum mehr. Auf die Erforderlichkeit der Übernahme soll es nach der Rechtsprechung des BGH im Rahmen des § 24 Abs. 1 UrhG sonst gerade nicht ankommen, da ein solches Kriterium nicht dem Wesen eigenschöpferischer Werke entspreche, sondern deren Wirkung stets von den eingesetzten Mitteln abhängig sei.798 Die Anwendbarkeit des Instituts der freien Benutzung auf urheberrechtliche Leistungsschutzrechte nicht objektiv vom konkreten Benutzungsergebnis, sondern subjektiv von den individuellen Fähigkeiten des jeweiligen Benutzers abhängig zu machen, erschiene mit Blick auf eine möglichst einheitliche Rechtsordnung demgegenüber nicht nur inkonsequent,799 sondern widerspräche auch allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsätzen. Denn jeder, der trotz der Verwendung fremder urheberrechtlich geschützter Leistungsergebnisse im Einzelfall ein als „selbständiges Werk“ anzusehendes Benutzungsergebnis hervorzubringen vermag, sollte durch die Schranke des § 24 Abs. 1 UrhG privilegiert werden – und zwar unabhängig vom Charakter des hierzu in Anspruch genommenen Schutzrechts sowie seiner individuellen künstlerischen Begabung oder seinen sonstigen persönlichen Fähigkeiten. Es gibt keinen Grund, bei identischem Benutzungsergebnis besser qualifizierte Benutzer zu benachteiligen, minderbegabte Akteure hingegen bevorzugt zu behandeln.800 (4) Analoge Abstandsbestimmung bei vorhandener Individualisierbarkeit Beizupflichten ist dem BGH jedoch – wie eingangs erwähnt – hinsichtlich der grundsätzlichen Feststellung, dass auch bei der Benutzung ausschließlich leistungsschutzrechtlich geschützter Leistungsergebnisse in entsprechender Weise geprüft werden könne, ob das neue Werk einen ausreichenden Abstand zu den entlehnten Fremdinhalten wahrt.801 Hinsichtlich der Feststellung des selbständigkeitsbegründenden Abstands gelten hier – von den vorstehend genannten Einschränkungen abgesehen – grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen wie bei urheberrechtlich geschützten Werken. Lässt sich der vom prosumierenden Nutzer übernommene Leistungsausschnitt anhand seiner eigenartigen Gestaltungsmerkmale dem benutzten Ausgangmaterial zuordnen, ist er also objektiv individualisierbar, muss der 797
Anderer Auffassung wohl BGH ZUM 2009, 219, 222 – Metall auf Metall, der eine entsprechende Anwendung des § 24 UrhG von vornherein für ausgeschlossen hält, wenn es möglich sei, den entlehnten Ausschnitt selbständig herzustellen. Zur Anwendbarkeit der Vorschrift siehe sogleich. 798 So zutreffend Stieper, ZUM 2009, 223, 225 unter Hinweis auf BGH GRUR 2000, 703, 704 – Mattscheibe. 799 Zur einheitlichen Beurteilung der entsprechenden Anwendbarkeit des § 24 UrhG auf urheberrechtliche Leistungsschutzrechte siehe bereits oben: „Anwendungsbereich der freien Benutzung“, S. 323 f. 800 Ebenfalls kritisch hierzu Stieper, ZUM 2009, 223, 225. 801 Vgl. hierzu BGH ZUM 2009, 219, 223 – Metall auf Metall.
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Abstand auch hier in Abhängigkeit vom Wiedererkennungswert der Entlehnung entsprechend größer ausfallen, damit der nutzergenerierte Medieninhalt insgesamt als selbständiges Werk angesehen werden kann. Werden fremde Leistungsergebnisse gerade wegen ihres hohen Wiedererkennungswertes übernommen, kann die vom BGH ins Feld geführte Erforderlichkeit der Übernahme zwar durchaus eine privilegierungsrelevante Rolle spielen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Effekt, der durch die unmittelbare Bezugnahme entstanden ist, durch eine eigenständige Herstellung bzw. Nachahmung der Entlehnung nicht in gleicher Weise hätte erreicht werden können. Beispielhaft seien hier Fälle genannt, in denen es sich bei den benutzten Medieninhalten um einmalige, nicht wiederholbare Aufzeichnungen oder solche von ganz bestimmten Künstlern oder Persönlichkeiten handelt. Dies lässt umgekehrt jedoch nicht den Schluss zu, dass eine freie Benutzung dann nicht möglich ist, wenn die Bezugnahme nicht zwingend erforderlich ist. Hierdurch würde ein zusätzliches Privilegierungshindernis geschaffen, welches das Gesetz nicht vorsieht. Andererseits darf das vorgenannte Argument jedoch auch nicht als bequeme Ausrede zur Rechtfertigung der Ersparnis eigener Aufwendungen missbraucht werden. Insofern vermag eine etwaig „erforderliche“ Übernahme fremder Leistungsschutzobjekte den Benutzer freilich nicht von seiner Pflicht zum Nachweis des Werkcharakters seiner Neuschöpfung bzw. seiner individuellen Beigaben sowie deren Selbständigkeit gegenüber den entlehnten Leistungsausschnitten zu befreien, die die beiden einzig maßgeblichen Privilegierungsvoraussetzungen nach § 24 Abs. 1 UrhG darstellen. Aufgrund der „äußerlich“ erkennbaren Übereinstimmungen des übernehmenden Nutzerinhalts mit den entlehnten Schutzgegenständen kann auch hier die erforderliche Selbständigkeit nur durch die Erzeugung eines ausreichenden inneren Abstands zu den übernommenen Elementen erreicht werden. Denkbar ist dies vor allem dann, wenn die Fremdinhalte gezielt als künstlerisches Gestaltungsmittel eingesetzt werden, um eine gedankliche Verbindung zu der in der Aufzeichnung verkörperten geistigen Leistung bzw. deren Urheber herzustellen. Die Grenze der erlaubten Bezugnahme auf fremde Leistungsergebnisse ist indessen dort erreicht, wo das neue „Werk“ mit seiner Vorlage äußerlich (vollkommen) identisch ist, wie dies bspw. bei der nicht unumstrittenen „Appropriation Art“802 regelmäßig der Fall ist.803 Hier reduziert der Künstler den für eine Selbständigkeit erforderlichen Abstand zwar bewusst auf null, um durch den Akt der Aneignung das Wesen der Originalität zu reflek-
802 Als Ausdrucksform des zeitgenössischen künstlerischen Schaffens wird die „Appropriation Art“ der sog. Konzeptkunst zugeordnet, bei der sich die Künstler bewusst und mit strategischer Überlegung mit vorgefundenem ästhetischem Material auseinandersetzen. Sie beschäftigen sich meist mit abstrakten Eigenschaften von Kunstwerken und des Kunstmarktes selbst und problematisieren durch den Akt der Aneignung fundamentale Kategorien der Kunstwelt wie Autorschaft, Originalität, Kreativität, geistiges Eigentum, Signatur, Marktwert, Geschichte, Geschlecht, Subjekt, Identität und Differenz. Dabei konzentrieren sie sich auf Paradoxien und Selbstwidersprüche und machen diese sichtbar und ästhetisch erfahrbar (vgl. Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Appropriation_Art [05.02.2010]). 803 Siehe näher hierzu Schack, Kunst und Recht, Rn. 350 ff. m.w.N.
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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tieren.804 Da die Behauptung kunsttheoretischer Ambitionen allein eine schlichte Kopie jedoch niemals zu einem selbständigen Werk werden lässt,805 kommt eine Privilegierung derartiger Schaffensprozesse nach § 24 Abs. 1 UrhG mangels eines nutzereigenen belohnenswerten Leistungszusatzes dort nicht in Betracht. In allen anderen Fällen lässt sich die Feststellung, ob und ggf. wann ein nutzergenerierter Medieninhalt einen ausreichenden Abstand zu den in ihm enthaltenen Fremdinhalten wahrt, auch bei der Verwendung ausschließlich leistungsschutzrechtlich geschützter Entlehnungen letztlich immer nur durch eine wertende Gesamtbetrachtung aller vorgenannten Entscheidungskriterien im konkreten Einzelfall treffen.806 5. Privilegierungspotential für User Generated Content Aufgrund des durchweg strengen Maßstabs, der von der Rechtsprechung807 bei der Prüfung der vorgenannten Privilegierungsvoraussetzungen angelegt wird, ist vorliegend davon auszugehen, dass nutzergenerierte Medieninhalte in den meisten Fällen als abhängige Bearbeitungen und nicht als freie Benutzungen einzustufen sein werden.808 Ein Paradebeispiel für grundsätzlich privilegierungswürdigen UGC, der von der Rechtsprechung jedoch im Ergebnis wohl als urheberrechtsverletzend eingestuft werden würde, sind die Werke des bekannten YouTube-Video-Künstlers „Kutiman“, der dutzende 1- bis 6-sekündige Ausschnitte aus fremden Online-Videos musizierender Internetnutzer als Grundlage für neuartige 3- bis 6-minütige Musik- und VideoKompositionen benutzt.809 Dabei kommt den fertigen Video-Remixes aufgrund der völlig neu geschaffenen Ton- und Bildkompositionen zweifellos das Prädikat einer persönlichen geistigen Schöpfung i. S. v. § 2 Abs. 2 UrhG und damit Werkcharter zu. Da diese Video-Collagen jedoch ausschließlich aus einer Kombination vorbestehender Leistungsergebnisse bestehen, werden diese Nachschöpfungen insgesamt noch so stark durch die individuellen Züge der audio-visuellen Fremdbeiträge geprägt, dass ihnen die für eine freie Benutzung erforderliche Selbständigkeit gegenüber den Ausgangsvideos nach derzeitiger Rechtslage vermutlich nicht zugesprochen werden würde.810 Bereits am Erfordernis der eigenständigen urheberrechtlichen Schutzfähigkeit werden all diejenigen Medienbeiträge scheitern, denen eine weitaus weniger 804
Vgl. Schack, Kunst und Recht, Rn. 351 f. So zutreffend Schack, Kunst und Recht, Rn. 351. 806 Zur Vermeidung von Wiederholungen hinsichtlich der Bestimmung des selbständigkeitsbegründenden Abstands wird im Übrigen auf die obigen Ausführungen zum erforderlichen äußeren oder inneren Abstand verwiesen (siehe hierzu oben: „Abstand als selbständigkeitsbegründendes Merkmal“, S. 330 ff. 807 Vgl. hierzu Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 15; Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 24 Rn. 9. 808 Ebenso Ott, K&R 2007, 623, 625; in Bezug auf sog. „Fanfictions“ als nutzergenerierte Fortsetzungen bekannter Sprach- oder Filmwerke ebenso Knopp, GRUR 2010, 28, 30. 809 Eine Zusammenstellung der YouTube-Video-Remixes findet sich auf der Webseite des Künstlers „Kutiman“, erreichbar unter der URL: http://thru-you.com [05.02.2010]. 810 Vgl. hierzu Dreier/Schulze, § 24 Rn. 31 a.E.; zu weitgehend allerdings Czernik, Die Collage in der urheberrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Kunstfreiheit und Schutz des geistigen 805
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
kreative Eigenleistung zugrunde liegt. Dies sind vor allem solche Nutzerinhalte, die vorwiegend aus soziologischen oder sonstigen intrinsischen Motiven811 heraus, insbesondere als Grundlage für soziale Kommunikationsprozesse im Internet erzeugt werden. Die Bestimmung des § 24 Abs. 1 UrhG wird in der Praxis daher nur äußerst selten dazu geeignet sein, die Erstellung nutzergenerierter Medieninhalte zu rechtfertigen, womit ihr tatsächliches Privilegierungspotential in Bezug auf UGC eher als gering zu bewerten ist.
6. Freie Benutzung als Nutzungsgeneralklausel? Vor diesem Hintergrund drängt sich abschließend die Frage auf, ob und ggf. inwieweit das Massenphänomen des UGC tragfähige Argumente für eine entsprechende Erweiterung des Anwendungsbereichs der freien Benutzung nach § 24 UrhG liefern kann bzw. eine solche zu rechtfertigen vermag. Die beiden maßgeblichen Privilegierungskriterien des „Werkcharakters“ und der „Selbständigkeit“ gegenüber dem benutzten Ausgangswerk sowie die von der Rechtsprechung an ihr Vorliegen gestellten strengen Anforderungen belegen beispielhaft, wie stark das geltende Urheberrecht an traditionellen, insbesondere kommerziellen Verwertungsvorgängen durch gewerblich tätige Werknutzer ausgerichtet ist.812 Hierdurch wird zwar die seit jeher bestehende Gefahr des unlauteren Ausnutzens fremder geistiger Leistungen und der hierdurch ermöglichten Ersparnis eigener Aufwendungen erfolgreich auf ein Minimum reduziert, ohne dabei ein Aufbauen auf bestehendes Schaffen von vornherein unmöglich zu machen. Sofern die Benutzung fremder Schutzgegenstände nämlich nur dazu dient, sich eigene Mühen zu ersparen oder den der Entlehnung immanenten Wiedererkennungseffekt gezielt für ein kommerzielles Produkt auszunutzen, erscheint es nach wie vor gerechtfertigt, den hierin liegenden Mehrwert allein dem Urheber bzw. Rechteinhaber zuzuschreiben. Schließlich ist es die grundlegende Aufgabe des Urheberrechts, dem Schöpfer möglichst umfassend die Beteiligung an der wirtschaftlichen Verwertung seiner Werke zu ermöglichen. Im Falle eines unzureichenden Individualitätsabstandes ist dann mangels der erforderlichen Selbständigkeit der Nachschöpfung – vollkommen zu Recht – nicht von einer freien Benutzung auszugehen. Fraglich erscheint allerdings, ob diese hohen Privilegierungshürden auch noch sinnvoll und gerechtfertigt erscheinen, wenn eine Nachschöpfung offensichtlich Eigentums, S. 336, der davon ausgeht, „dass eine Collage immer dann den Kriterien des § 24 Abs. 1 UrhG genüge, wenn sich in der Gesamtbetrachtung beider Werke ergebe, dass es innerhalb der Werkoder Fundamentalkonzeption der neugeschaffenen Collage zu einer tiefgehenden Veränderung der vorgefundenen Individualität gekommen sei“, durch die sich „die äußere Gestalt des Fremdmaterials quasi auf die bloße Hülle, in der keinerlei Individualität des vormaligen Künstlers mehr vorhanden sei, reduziere“ (S. 356). Siehe hierzu bereits oben: „Innerer Abstand“, S. 331 ff. 811 Siehe hierzu bereits oben Kapitel 3, Fn. 149. 812 Ebenfalls eine zunehmende Ökonomisierung des Urheberrechts annehmend Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 82 ff.
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kein Konkurrenzprodukt für das benutzte Original darstellt und mangels Bestehens eines entsprechenden Marktes auch seine Verwertung durch sie praktisch nicht beeinträchtigt wird.813 Aufgrund des technologischen Quantensprungs hinsichtlich elektronischer Produktions- und Publikationstechniken sowie der parallel hierzu erfolgten Ausweitung der urheberrechtlichen Verwertungstatbestände innerhalb des letzten Jahrzehnts kommt das UrhG heute bereits in immer mehr Alltagssituationen zur Anwendung, in denen urheberrechtliche Verbotsrechte häufig weder zwingend erforderlich noch angemessen erscheinen.814 Das Massenphänomen des UGC ist dabei nur ein weiteres Beispiel, das diese Entwicklung eindrucksvoll verdeutlicht.815 Gleichzeitig differenziert die Vorschrift des § 24 UrhG im Gegenzug aber nicht danach, ob ein Benutzungsergebnis im Einzelfall in Subtitutionskonkurrenz zu seinem Original tritt oder mit Gewinnerzielungsabsicht des Nutzers geschaffen wurde, d. h. ob ihm eine kommerzielle oder – wie bei UGC – ganz überwiegend nicht kommerzielle Verwertungshandlung816 zugrunde liegt.817 Hierdurch hat sich der Schutzbereich des UrhG deutlich zugunsten der Urheber und Rechteinhaber erweitert, woraus sich umgekehrt jedoch tendenziell eine Benachteiligung der Interessen der Allgemeinheit ergibt, die sich allein mit den vom Individualitätsgrad abhängigen Privilegierungskriterien keiner sachgerechten Lösung zuführen lässt. Ob die alleinige Anwendung der ausschließlich werkbezogenen Kriterien zur Abgrenzung zwischen „freier“ und „unfreier“ Benutzung heute noch als ausreichend angesehen werden kann, erscheint daher zumindest zweifelhaft.
a) Flexibilisierung durch Berücksichtigung ökonomischer Gesichtspunkte Um künftig eine zeitgemäße und interessengerechte Abgrenzung zwischen erlaubnisfreier Benutzung und zustimmungspflichtiger Bearbeitung bzw. rechtswidrigem Plagiat zu ermöglichen, könnte die Vorschrift des § 24 Abs. 1 UrhG durch die Ergänzung wirtschaftlicher Tatbestandsmerkmale flexibilisiert werden. 813
Ausführlich zu dieser Fragestellung bereits Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 82 ff. 814 Ähnlich auch Knopp, GRUR 2010, 28, 32, der im Zusammenhang mit nutzergenerierten Fortsetzungen veröffentlichter Werke die Ansicht vertritt, dass es „einen Schutz davor, dass eine Auseinandersetzung mit dem Werk erfolgt, [. . . ] über das wirtschaftliche Interesse hinaus nicht geben sollte“. Außerdem bestehe „kein zwingender Grund, den Urheber vor der Veröffentlichung nichtgeschäftlicher Bearbeitungen zu schützen.“ (Hervorh. d. Verf.). 815 Siehe näher hierzu unten: „Neues urheberrechtsrelevantes Verwertungsanliegen“, Kapitel 7, S. 358 ff. 816 Der Anteil prosumierender Internetnutzer in Deutschland, die als Motivation zur Erstellung von UGC „finanzielle Anreize“ angeben, liegt lediglich zwischen 10 und 15 % (vgl. Scherf /Neus/Tietz/Waesche, Innovation der Medien, S. 10). 817 Zu den derzeit verfügbaren Publikationsmöglichkeiten für UGC sowie deren Nutzung durch prosumierende Internetnutzer siehe ausführlich oben: „3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content“, S. 42 ff.; hinsichtlich der hierdurch entstehenden Mehrwerte sie oben: „Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet“, Kapitel 4, S. 86 ff.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
aa) Urheberrechtliche Relevanz wirtschaftlicher Nutzungskonsequenzen Bevor auf einzelne für eine Flexibilisierung in Frage kommende Tatbestandsmerkmale eingegangen wird, erscheint es zunächst erwähnenswert, dass auch den wirtschaftlichen Auswirkungen einer Nutzungshandlung durchaus urheberrechtliche Relevanz zukommen kann.818 Dies gilt – zumindest soweit hauptsächlich Verwertungsrechte betroffen sind und urheberpersönlichkeitsrechtliche Elemente nicht im Vordergrund stehen – sowohl für die Beurteilung der Zulässigkeit einer konkreten Nutzungshandlung im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung bestehender Schrankenregelungen und erst recht für die verfassungsrechtlich verankerte Aufgabe des Gesetzgebers, mittels (neuer) Inhalts- und Schrankenbestimmungen den urheberrechtlichen Schutzbereich eines Werkes festzulegen.819 Insbesondere die jüngere Rechtsprechung stellt zur Begründung einer extensiven Auslegung urheberrechtlicher Schrankenregelungen mitunter auch auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Nutzung auf die Situation des Urhebers ab. So hat das BVerfG in seiner „Germania III-Entscheidung“ hervorgehoben, dass durch die streitgegenständlichen Entlehnungen nur ein „geringfügiger Eingriff in die Urheberrechte ohne die Gefahr merklicher wirtschaftlicher Nachteile (z. B. Absatzrückgänge [. . . ])“820 zu befürchten sei und die extensive Auslegung dem Urheberrechtsinhaber deshalb eher zugemutet werden könne. In ähnlicher Weise berücksichtigte auch der BGH im Zusammenhang mit seiner Entscheidung zur Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel die Auswirkungen der Nutzung auf die Situation des Urheberrechtsinhabers, indem er anmerkte, dass dieser aufgrund des Vergütungsanspruchs aus § 49 Abs. 1 S. 2 UrhG von einer extensiven Auslegung der Schranke sogar profitiere.821 Aber auch das Gesetz selbst erhebt wirtschaftliche Nutzungskonsequenzen zu privilegierungsrelevanten Tatbestandsmerkmalen. Beispielhaft sei hier die Vorschrift des § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG genannt, die die Zulässigkeit einer Privatkopie ausdrücklich von ihrer fehlenden Erwerbswirtschaftlichkeit abhängig macht.822 Schließlich nimmt auch die supranationale 818 Zur ökonomischen Dimension schöpferischer Leistungen siehe auch Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 82 ff.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 451 ff.; Reich, Die ökonomischeAnalyse des Urheberrechts, S. 40 f., 227 f.; Lehmann/Katzenberger, Elektronische Pressespiegel und Urheberrecht, S. 86 f.; Peukert in: Hilty/Peukert, Interessenausgleich im Urheberrecht, S. 20 ff. 819 Siehe hierzu bereits ausführlich oben: „Urheberrechtsschranken als Ergebnis verfassungsrechtlicher Sozialbindung“, S. 164 f. 820 Vgl. BVerfG GRUR 2001, 149, 151 – Germania III. 821 Vgl. BGH GRUR 2002, 963, 966 – Elektronischer Pressespiegel. 822 Daneben hat der Gesetzgeber auch in § 52 Abs. 1 S. 1 UrhG die Zulässigkeit der öffentlichen Wiedergabe eines Werkes in erster Linie davon abhängig gemacht, dass „die Wiedergabe keinem Erwerbszweck des Veranstalters dient“ und „die Teilnehmer ohne Entgelt zugelassen werden.“ Ähnlich verhält es sich mit § 58 Abs. 2 UrhG, der dann eine Ausnahme von der Katalogbildfreiheit vorsieht, wenn mit den freigestellten Verwertungshandlungen ein „eigenständiger Erwerbszweck verfolgt wird.“ Schließlich sind die durch § 44 a UrhG freigestellten vorübergehenden Vervielfältigungshandlungen nur dann privilegiert, wenn diese „keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben.“ Vgl. ergänzend hierzu auch die AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 68 ff. worin der Gesetzgeber im Rahmen der Interessenabwägung zwischen den Urhebern und der Allgemeinheit
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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Schranken-Schranke des – u. a. in Art. 9 Abs. 2 RBÜ normierten – „Drei-StufenTests“ ausdrücklich auf die Auswirkungen auf die „normale Verwertung“ des Werkes Bezug und gewährt nur solchen nationalen Schranken eine Daseinsberechtigung, die diese nicht beeinträchtigen.823 Wirtschaftliche Aspekte finden sich daher bereits heute auf allen Ebenen urheberrechtlicher Regelungsbegründung und werden im Rahmen des urheberrechtlichen Interessenausgleichs nach Ansicht des Verfassers in Zukunft sogar noch deutlich an Bedeutung gewinnen.824 Denn je stärker sich das deutsche Urheberrecht in Richtung eines Investitionsschutzrechts verändert, desto mehr können entsprechende Erwägungen auch bei der Auslegung von Urheberrechtsschranken Berücksichtigung finden.825 bb) Ergänzung von Fair-Use-Faktoren Mit Blick auf die Ubiquität des Phänomens UGC, seines Ursprungs in den USA826 sowie seiner maßgeblich durch amerikanische Internetunternehmen (wie z. B.YouTube, Facebook oder Wikipedia) ermöglichten Existenz und Entwicklung bieten sich für eine Ergänzung der schöpfungsspezifischen Tatbestandsmerkmale des § 24 Abs. 1 UrhG zunächst die nicht-werkbezogenen Beurteilungskriterien der US-amerikanischen Fair-Use-Doktrin (17 U.S.C. § 107) an. Auch wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen der Benutzung für den Urheberrechtsinhaber in Deutschland bisher lediglich als „Korrektiv“ herangezogen werden und daher – im Gegensatz zu den USA – typischerweise nicht den Kernpunkt der richterlichen Argumentation bilden,827 erscheint es vor dem Hintergrund, dass das moderne Urheberrecht in verstärkter Weise an wirtschaftlichen Bedürfnissen ausgerichtet wird,828 zumindest überlegenswert, inwieweit die der Fair-Use-Doktrin zugrunde liegenden ökonomischen Merkmale geeignet wären, künftig treffsicherer zwischen privilegierungswürdigen und nicht-privilegierungswürdigen Benutzungshandlungen zu differenzieren.829 durchweg mit der „Gewinnerzielungsabsicht“ der Nutzer und dem „kommerziellen Charakter“ der Nutzungshandlung argumentiert. 823 Siehe näher hierzu unten: „Vereinbarkeit mit dem Drei-Stufen-Test“, Kapitel 9, S. 402 f. 824 Ähnlich auch Knopp, GRUR 2010, 28, 33, der davon ausgeht, dass „angesichts der vielfachen Erleichterungen bei der Medienproduktion und der Tendenz zum nutzergenerierten Inhalt [. . . ] die Bedeutung der Trennung zwischen geschäftlichen Handlungen und Nutzungen und altruistischen oder zumindest nicht gewinnorientierten Handlungen [beim Ausgleich der sich hierbei gegenüberstehenden Interessen] ein größeres Gewicht zukommen“ werde. 825 So zutreffend Förster, Fair Use, S. 186. 826 Siehe hierzu oben: „Herkunft und Entwicklung“, Kapitel 1, S. 6 ff. 827 Vgl. Förster, Fair Use, S. 73. 828 Ebenso Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 94; siehe hierzu auch Dieselhorst, Was bringt das Urheberpersönlichkeitsrecht?, S. 183. 829 Im Zusammenhang mit dem notwendigen Interessenausgleich zwischen Urhebern und Nutzern ebenfalls rechtsvergleichend auf die Fair-Use-Doktrin abstellend Förster, Fair Use, S. 214 f.; Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 94 ff.; Kröger, Informationsfreiheit und Urheberrecht, S. 303 f.; Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 317; Hoeren, MMR 2000, 3, 5; siehe hierzu auch
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Immerhin kamen im Rahmen der erweiternden Auslegung der deutschen Urheberrechtsschranken in den vorgenannten Entscheidungen des BVerfG und des BGH inhaltlich ähnliche Argumente zum Tragen, wie sie auch die Interpretation der Fair-Use-Doktrin durch die US-amerikanischen Gerichte dominieren.830 aaa) Kommerzielle oder nichtkommerzielle Benutzung Als zusätzliches Beurteilungskriterium kommt zunächst das im ersten Fair-Use-Faktor („The purpose and character of the use, including whether such use is of a commercial nature or is for nonprofit educational purposes“) enthaltene Merkmal der kommerziellen oder nichtkommerziellen Benutzung in Betracht. Ihm billigte der „US Supreme Court“ zunächst eine negative Vermutungswirkung in Bezug auf die Annahme eines „Fair Use“ dergestalt zu, dass jede kommerzielle Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes die Annahme begründe, dass hierdurch eine ungerechtfertigte Ausbeutung des allein dem Urheberrechtsinhabers zustehenden Monopolrechts erfolge.831 Diese Vermutung stieß in der amerikanischen Rechtswissenschaft auf starke Kritik und auch in der darauf folgenden Entscheidungspraxis der US-Gerichte ist sie nicht konsequent umgesetzt worden.832 So lassen sich zwar Urteile finden, in denen der Gewinnerzielungsabsicht des Nutzers eine wichtige Rolle innerhalb der Fair-UseAnalyse zugewiesen wird, daneben existieren aber auch Entscheidungen, in denen trotz eindeutiger Kommerzialität der Benutzung der Fair-Use-Einwand zugelassen und der Gewinnerzielungsabsicht des Nutzers keine allzu große Beachtung geschenkt wurde.833 Insgesamt spielt das Argument der Kommerzialität der Benutzung in der geltenden amerikanischen Rechtsprechung nur eine untergeordnete Rolle. Dies gilt insbesondere dann, wenn im Einzelfall eine transformative Nutzung des Originals („transformative use“)834 angenommen werden kann, d. h. wenn dem benutzten Werk etwas Neues hinzugefügt oder dieses in einen neuen Zusammenhang gestellt und auf diese Weise durch die Nutzungshandlung einem neuen Zweck zugeführt wird.835 bbb) Auswirkungen auf die wirtschaftliche Verwertbarkeit des Werkes Daneben erscheint grundsätzlich auch der vierte Fair-Use-Faktor („Effect of the use upon the potential market“) für eine interessengerechte Differenzierung geeignet, der ausdrücklich den negativen Auswirkungen einer Benutzung auf den Wert des Originalwerkes Beachtung schenkt und dem von den US-amerikanischen Gerichten ein Ott, K&R 2007, 623, 625, Schack, UrhR, Rn. 481 sowie Schack, Urheberrechtliche Schranken, übergesetzlicher Notstand und verfassungskonforme Auslegung, S. 511 ff. 830 Ebenso Förster, Fair Use, S. 111; zu den wirtschaftlichen Erwägungen als Leitmotiv der FairUse-Doktrin siehe Förster, Fair Use, S. 72 f. 831 „Every commercial use of copyrighted material is presumptively an unfair exploitation of the monopoly privilege that belongs to the owner of the copyright, noncommercial uses are a different matter.” (Sony vs. Universal, 464 U.S. 417, 451 (1984)). 832 Vgl. Förster, Fair Use, S. 49 f. m.w.N. 833 Förster, Fair Use, S. 50 m.w.N. 834 Zu Inhalt, Bedeutung und Gewichtung der einzelnen Fair-Use-Faktoren im US-amerikanischen Recht siehe ausführlich die rechtsvergleichende Untersuchung von Förster, Fair Use, S. 37 ff. 835 Vgl. Förster, Fair Use, S. 42 ff., 51 m.w.N.
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hoher Stellenwert innerhalb der Fair-Use-Analyse zuerkannt wird.836 Je stärker die negativen Auswirkungen einer Benutzung auf den ökonomischen Wert eines Werkes sind, desto mehr müssen andere Aspekte ins Feld geführt werden, um eine „faire Benutzung“ zu begründen.837 Klare Fälle eines zu berücksichtigenden Marktschadens liegen bspw. vor, wenn sich die Nutzungshandlung unmittelbar beim Rechtsinhaber auswirkt. Dies sind insbesondere Nutzungssituationen, in denen Original und Nachschöpfung in direkter Konkurrenz zueinander stehen und das Werk des Nutzers unmittelbar die Nachfrage nach dem Originalwerk bedient.838 Einen solchen wertmindernden Konkurrenzeffekt wird man bei nicht-transformativen Nachschöpfungen eher annehmen können als bei solchen, denen man eine transformative bzw. produktive Nutzung zusprechen kann. Insofern ist davon auszugehen, dass transformative Werke tendenziell keinen negativen Einfluss auf den Wert des benutzten Werkes haben.839 Neben den vom Rechtsinhaber tatsächlich bedienten Märkten kommen bei der Bestimmung der Verwertungsmöglichkeiten zwar grundsätzlich auch noch nicht betretene potentielle Märkte in Betracht.840 Allerdings wird auch in den USA nicht jede denk- und durchführbare Verwertungsmöglichkeit als potentieller Markt im Sinne des vierten Faktors anerkannt,841 sondern es werden nur solche Tätigkeiten berücksichtigt, von denen traditionell oder vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie vom Urheberrechtsinhaber selbst wahrgenommen oder von diesem lizenziert werden.842
cc) Einführung eines wettbewerblichen Abgrenzungskriteriums Für eine Weiterentwicklung des Instituts der freien Benutzung unter Bezugnahme auf die US-amerikanische Fair-Use-Doktrin, insbesondere das ökonomische Kriterium des Markteffektes, hat sich bereits Chakraborty ausgesprochen, dessen Vorschlag zur Einführung eines wettbewerblichen Abgrenzungskriteriums hier nicht unerwähnt bleiben soll. Angesichts der zunehmenden Ökonomisierung des Urheberrechts843 und der sich immer häufiger als unzureichend erweisenden herkömmlichen Abgrenzungsversuche, die insgesamt nicht in der Lage seien, ausreichende Rechtssicherheit zu gewähren, seien bei der urheberrechtlichen Benutzungsqualifikation nicht nur
836
Vgl. Förster, Fair Use, S. 65. Vgl. Förster, Fair Use, S. 65 unter Hinweis auf MCA, Inc. vs. Wilson, 677 F.2d 180, 183 (2nd Cir. 1981). 838 Vgl. Förster, Fair Use, S. 66 unter Hinweis auf Wainwright Sec. Inc. vs. Wall Street Corp., 558 F.2d 91, 96 f. (2nd Cir. 1977). 839 Vgl. etwa Campbell vs. Acuff-Rose, 510 U.S. 569, 591 (1994). 840 Vgl. Förster, Fair Use, S. 65. 841 Zur Rechtslage in Deutschland vgl. etwa BVerfGE 31, 229 ff. – Kirchen- und Schulgebrauch; Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 1. 842 Vgl. Förster, Fair Use, S. 69 m.w.N. 843 Vgl. Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 100. 837
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an der schöpferischen Leistung orientierte Merkmale zu berücksichtigen, sondern ergänzend wettbewerbliche Aspekte einzubeziehen.844 aaa) Auswirkungen auf die potentielle Verwertung Nach Chakraborty sind bei der Feststellung des für eine freie Benutzung erforderlichen Abstands auch die Auswirkungen auf die Verwertung des Originalwerkes mit einzubeziehen. Es sei zu prüfen, ob die Verwertung der Nachschöpfung sich negativ auf die mögliche und denkbare Verwertung des Originales auswirken könne. Dies sei bspw. dann der Fall, wenn das nachgeschaffene Werk an die Stelle der Vorlage trete und deshalb eine Verwertung des älteren Werkes nicht mehr möglich sei. Eine solche Verdrängung könne eintreten, wenn für die Nutzer des jüngeren Werkes niedrigere Entgelte vereinbart würden. Sofern sich hingegen negative Effekte ausschließen ließen, könne der für eine freie Benutzung notwendige Abstand auch dann gegeben sein, wenn die zu vergleichenden Werke weitgehende Ähnlichkeiten aufwiesen.845 bbb) Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses Darüber hinaus sei zu prüfen, ob das nachgeschaffene Werk in Konkurrenz zu der Vorlage trete, da die Verwertung der Nachschöpfung nur dann messbare Auswirkungen auf das Ergebnis der Verwertung des Originals haben werde, wenn beide Werke in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zueinander stünden. Bezogen auf die freie Benutzung liege ein Wettbewerbsverhältnis vor, wenn die Nachschöpfung die gleiche Zielgruppe anspreche und somit den gleichen Abnehmerkreis wie die Vorlage habe, also in Subtitutionskonkurrenz zu dieser trete. Die Verwertung des jüngeren Werkes durch den Benutzer müsse eine nachweisliche Erhöhung des Konkurrenzgrades auf dem Markt des Ausgangswerkes erwarten lassen. Wenn aber die Verwertung des jüngeren Werkes ohne Einfluss auf die wettbewerbliche Lage des Ausgangswerkes bleibe, liege auch kein Wettbewerbsverhältnis vor. In diesem Falle sei das Aufbauen auf einem geschützten Werk auch in größerem Umfange möglich.846 b) Stellungnahme zur Ergänzung wirtschaftlicher Abgrenzungsmerkmale Obwohl den dargestellten Fair-Use-Faktoren inhaltlich einiges abzugewinnen ist und auch der dem dargestellten wettbewerblichen Abgrenzungsversuch zugrunde liegende Gedanke der Flexibilisierung des Urheberrechtsgesetzes grundsätzlich zu begrüßen ist, erscheint es im Ergebnis – zumindest soweit es das Phänomen des UGC betrifft – nicht empfehlenswert, den Anwendungsbereich des § 24 Abs. 1 UrhG mittels zusätzlicher wirtschaftlich ausgerichteter Tatbestandsmerkmale zu erweitern. 844
Vgl. Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 99; kritisch hierzu Czernik, Die Collage in der urheberrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Kunstfreiheit und Schutz des geistigen Eigentums, S. 333 f. 845 Vgl. zum Vorstehenden Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 99. 846 Vgl. zum Vorstehenden Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 100.
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aa) Entscheidungshilfe zur Beurteilung der Privilegierungswürdigkeit Die wirtschaftlichen Aspekte einer urheberrechtlichen Nutzungshandlung können zwar durchaus eine sachdienliche Entscheidungshilfe bei der Beantwortung der Frage der Privilegierungswürdigkeit einer neuartigen urheberrechtsrelevanten Verhaltensweise der Bevölkerung darstellen.847 Insbesondere die vom US-amerikanischen Gesetzgeber geschaffenen Fair-Use-Faktoren der Kommerzialität der Benutzung sowie deren Auswirkungen auf die Verwertbarkeit des Originals erscheinen an sich gut geeignet, zusätzliche Argumente für eine angemessene bzw. interessengerechte Abgrenzung zwischen privilegierungswürdigen und nicht privilegierungswürdigen Verwertungshandlungen im Web 2.0 zu liefern. Für den zuletzt genannten Faktor gilt dies bereits deshalb, weil er sich im Wesentlichen auf den gleichen Grundgedanken zurückführen lässt, der auch dem Merkmal der „normalen Auswertung“ i. S. d. „Drei-Stufen-Tests“ zugrunde liegt. Existiert für die betreffende Verwertungshandlung nämlich ein aktueller oder potentieller Markt, führte eine entsprechende Privilegierung zu einer eingriffsbegründenden Verkürzung der dem Urheber verfassungsrechtlich garantierten Verwertungshoheit in Bezug auf sein Werk, die gravierender Gründe bedürfte, will man die Schranke nicht dem Vorwurf der ungerechtfertigten Enteignung aussetzen. Bestehen hingegen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine bestimmte Nutzungshandlung die aktuellen oder künftig zu erwartenden Verwertungsmöglichkeiten des Urhebers merklich beeinträchtigt oder diese selbst einen möglichen Lizenzierungsgegenstand darstellt, wird man die Begründungsanforderungen an einen möglichen Privilegierungstatbestand deutlich geringer ansetzen können. In diesem Zusammenhang hat auch der zuerst genannte Fair-UseFaktor der Kommerzialität der Benutzungshandlung durchaus seine Berechtigung. Denn die Möglichkeit der Gewinnerzielung auf Seiten des Nutzers ist ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen eines noch nicht erschlossenen Absatzmarktes, der dem Urheber prinzipiell nicht vorenthalten werden sollte. Vor allem aber verdeutlichte ein negatives Privilegierungsmerkmal der „kommerziellen Nutzung“ in Form eines Ausschlusskriteriums den allgemein anerkannten Grundgedanken, dass nur derjenige wirtschaftlich vom Schaffen anderer profitieren soll, der selbst einen eigenen substantiellen Beitrag zum Kulturgut leistet.848 Die entscheidende Frage ist an dieser Stelle jedoch, inwieweit es die massenhafte Erzeugung und Veröffentlichung nutzergenerierter Medieninhalte zu rechtfertigen vermag, die vorgenannten ökonomischen Gesichtspunkte in das Institut der freien Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG zu integrieren. Die etwaig hiermit einhergehende generelle Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift kann vom Verfasser – unabhängig von der noch näher zu bestimmenden Privilegierungswürdigkeit nutzer-
847 Siehe hierzu auch oben: „Urheberrechtliche Relevanz wirtschaftlicher Nutzungskonsequenzen“, S. 344 ff. 848 Vgl. etwa Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 9; BGH GRUR 2008, 693, 694 f. – TV-Total; siehe hierzu auch oben: „Schutzrechtsunabhängiges Privilegierungskriterium“, S. 325 ff.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
generierter Medieninhalte849 – jedoch aus verschiedenen Gründen nicht befürwortet werden. bb) Keine Reduktionsmöglichkeit gesetzlicher Privilegierungsvoraussetzungen Gegen eine zusätzliche Integration wirtschaftlicher Abgrenzungskriterien in § 24 Abs. 1 UrhG zur Flexibilisierung der urheberrechtlichen Benutzungsqualifikation spricht in erster Linie die fehlende Reduktionsmöglichkeit der gesetzlichen Privilegierungsvoraussetzungen – und zwar sowohl in praktischer wie in normativer Hinsicht. aaa) Fehlendes Reduktionspotential wirtschaftlicher Beurteilungskriterien Eine unmittelbare Integration der genannten wirtschaftlich ausgerichteten Beurteilungskriterien in § 24 Abs. 1 UrhG scheidet bereits deshalb aus, weil sie praktisch nicht dazu in der Lage wären, die durch die gestalterischen, d. h. leistungs- und werkbezogenen Abgrenzungsmerkmale aufgestellten Privilegierungsanforderungen zu reduzieren. Denn die Beurteilung der für den Werkcharakter erforderlichen schöpferischen Leistung ist unabhängig von der Frage, inwieweit die Nachschöpfung negative Auswirkungen auf die potentielle Verwertung des benutzten Originals hat oder ob die vom Nutzer vorgenommene Benutzungshandlung kommerzieller oder nichtkommerzieller Natur ist. Selbiges gilt auch für den zur Begründung der Selbständigkeit erforderlichen Individualitätsabstand. Dies übersieht Chakraborty, wenn er festhält: „Sofern sich hingegen negative Effekte ausschließen lassen, kann der für eine freie Benutzung notwendige Abstand auch dann gegeben sein, wenn die zu vergleichenden Werke weitgehende Ähnlichkeiten aufweisen.“850 Diese Lösung der „wettbewerbsabhängigen Abstandsreduktion“ ist dogmatisch höchst problematisch, da hier – grundsätzlich beachtenswerte – wirtschaftliche Erwägungen mit gestalterischen bzw. leistungsbezogenen Beurteilungskriterien vermengt werden.851 Nur weil ein Benutzungsergebnis nicht mit dem Original konkurriert, macht dies die Nachschöpfung inhaltlich noch lange nicht „selbständig“. Es richtet sich zwar möglicherweise an einen abweichenden Verkehrskreis, bleibt an sich jedoch stets eine abhängige Nachschöpfung. Ist also der (äußere oder innere) Abstand einer Nachschöpfung zum benutzten Original faktisch nicht ausreichend, lässt sich dieser auch durch ein fehlendes Konkurrenz- oder Wettbewerbsverhältnis nicht vergrößern. Er bleibt vielmehr unabhängig vom konkreten Verwertungszweck derselbe. bbb) Keine Verzerrung der urheberrechtlichen Benutzungsqualifikation Denkbar wäre eine Flexibilisierung des § 24 UrhG mittels wirtschaftlicher Gesichtspunkte daher allenfalls durch dessen Ergänzung um eine eigenständige „Rückausnahme“ von den gesetzlichen Voraussetzungen der freien Benutzung, wonach der Werkcharakter 849
Siehe hierzu unten: „Privilegierungswürdigkeit des Verwertungsanliegens“, Kapitel 7, S. 365 ff. Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 99. 851 Ebenfalls kritisch hierzu Czernik, Die Collage in der urheberrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Kunstfreiheit und Schutz des geistigen Eigentums, S. 333 f. 850
D. Einschlägige Urheberrechtsschranken
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und/oder die Selbständigkeit der Nachschöpfung bspw. dann nicht erforderlich wären, wenn das Benutzungsergebnis die Verwertung der Vorlage nicht beeinträchtigt, d. h. insbesondere nicht in Konkurrenz zu ihr steht, und die Veröffentlichung keine kommerzielle Verwertungshandlung des prosumierenden Nutzer darstellt, diese also nicht in Gewinnerzielungsabsicht vorgenommen wird. Eine solche Aufweichung der urheberrechtlichen Benutzungsqualifikation widerspräche jedoch klar dem schöpfungsfördernden Sinn und Zweck der Schrankenregelung. Denn die durch § 24 UrhG eröffnete Möglichkeit zur „freien Benutzung“ fremder urheberrechtlich geschützter Werke soll im Grunde (nur) dazu dienen, durch die Ermöglichung des Aufbaus auf fremden Werken und Leistungen den kulturellen Fortschritt zu gewährleisten und so das künstlerische Schaffen insgesamt zu fördern.852 Von einer „Förderung“ der kulturellen Entwicklung im vorstehenden Sinne kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn dem verfügbaren Kulturangebot durch die privilegierte Veröffentlichung des Benutzungsergebnisses etwas substanziell Neues und Eigentümliches hinzugefügt wird.853 Die erlaubnis- und vergütungsfreie Inanspruchnahme fremder Leistungen erscheint in diesem Zusammenhang also nur gerechtfertigt, wenn der privilegierte Benutzer ein selbständiges Werk schafft, auf dem andere Benutzer ihrerseits wieder ihre Schöpfungen aufbauen können. Die Herstellung und Veröffentlichung eines Benutzungsergebnisses, das keinen Werkcharakter aufweist und zudem eindeutig von seiner Vorlage abhängig ist, hat demgegenüber schon begrifflich nichts mehr mit einer „freien Benutzung“ zu tun. Im Übrigen sind sich selbst die Befürworter einer Erweiterung der freien Benutzung darüber einig, dass ökonomische Gesichtspunkte die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht ersetzen, sondern allenfalls ergänzen sollten.854 cc) Spezielles Verwertungsanliegen Abgesehen davon, dass sich § 24 UrhG bereits aus teleologischer und regelungshistorischer Sicht nicht als richtige Norm zur Privilegierung schöpfungsarmer Nutzungsphänomene erweist, erschiene es auch aus systematischer Sicht wenig sinnvoll, ein so spezielles und allenfalls beschränkt privilegierungswürdiges Verwertungsanliegen wie das der Erzeugung und Veröffentlichung nutzergenerierter Medieninhalte in einem so grundlegenden und weitreichenden Schrankentatbestand wie dem – ohnehin schon systemwidrig platzierten855 – Institut der freien Benutzung zu regeln. Nicht umsonst hat der Gesetzgeber alle seit dem LUG zugunsten der Allgemeinheit als privilegierungswürdig anerkannten Verwertungsanliegen – einschließlich der jeweils für sie erforderlichen Ausnahmen und deren Begrenzung – gebündelt in dem kasuistischen Schrankenkatalog der §§ 44 a ff. UrhG normiert. 852
Vgl. hierzu etwa Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 2. Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur Zitierfreiheit oben: „User Generated Content als zweckkonformes Verwertungsergebnis“, S. 278 f. 854 Vgl. etwa Chakraborty, Das Rechtsinstitut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 100. 855 Siehe hierzu bereits oben: „Systematische Einordnung“, S. 320 f. 853
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
Diese Regelungstradition sollte nicht zuletzt aus Gründen der Übersichtlichkeit und Rechtssicherheit grundsätzlich beibehalten werden. dd) Fehlende finanzielle Kompensationsmöglichkeit Schließlich steht der Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 24 UrhG mittels wirtschaftlicher Abgrenzungsmerkmale zu einer interessenausgleichenden „Nutzungsgeneralklausel“ im Web 2.0 noch die „Alles-oder-Nichts-Rechtsfolge“ der freien Benutzung entgegen. Denn ob der dem § 24 Abs. 1 UrhG immanente Kerngedanke der erlaubnis- und vor allem vergütungsfreien Veröffentlichung und Verwertung der benutzten Werke und Leistungen im Zusammenhang mit dem Phänomen des UGC interessengerecht wäre, darf angesichts seines im dritten und vierten Kapitel dargestellten enormen Wertschöpfungspotentials bereits an dieser Stelle bezweifelt werden. Zumindest auf Seiten der Betreiber einschlägiger UGC-Plattformen entstehen durch die neuartige Publikationspraxis der Bevölkerung typischerweise nicht unerhebliche Mehrwerte, die größtenteils aus den hierüber bereitgestellten Fremdinhalten der betroffenen Urheber und Rechteinhaber resultieren. Für diese neue Form der (Zweit-)Verwertung vorbestehender Werke und Leistungen sieht § 24 UrhG jedoch naturgemäß keinerlei finanzielle Ausgleichsmöglichkeit vor. Das Institut der freien Benutzung aus diesem Grund durch Einführung eines etwaigen kompensierenden Vergütungsanspruchs zu einer gesetzlichen Lizenz herabzustufen, wäre jedoch nicht nur systemfremd, sondern erschiene mit Blick auf die Intensität eines entsprechenden Regelungseingriffs auch als unverhältnismäßiger Lösungsansatz, auf den hier nicht näher eingegangen werden soll.
7. Ergebnis zu § 24 UrhG Hinsichtlich des konkreten Privilegierungspotentials des § 24 UrhG für die Erstellung von UGC lässt sich Folgendes zusammenfassend festhalten: Ergibt der Vergleich des nutzergenerierten Medieninhalts mit den durch ihn betroffenen Werken und Leistungen, dass erkennbare Übereinstimmungen hinsichtlich urheberrechtlich schutzfähiger Bestandteile des Ausgangsmaterials bestehen, ist für die Annahme einer freien Benutzung de lege lata entscheidend, dass das Ergebnis der nutzereigenen Beitragsleistung erstens Werkcharakter besitzt und zweitens im Rahmen einer ästhetischen Gesamtbetrachtung insgesamt einen ausreichenden Abstand zu den entlehnten Fremdelementen aufweist. Die hierfür erforderliche Unabhängigkeit von den verwendeten Originalen lässt sich dabei entweder dadurch erzielen, dass sich der Nutzerinhalt objektiv so weit von ihnen entfernt, dass die entlehnten Züge verblassen („äußerer Abstand“), oder dieser wegen der Erforderlichkeit der erkennbaren Übername individuell geprägter Elemente einen hinreichenden „inneren Abstand“ zu diesen aufweist und deshalb seinem Wesen nach als selbständig angesehen werden kann. Urheber- und leistungsschutzrechtlich geschützte Entlehnungen sind dabei grundsätzlich gleich zu behandeln, wobei der für die urheberrechtliche Benutzungsqualifikation relevante Individualitätsgrad des verwendeten Ausgangsmaterials stets
E. Ergebnis zur Privilegierungsfähigkeit
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aus den objektiven Merkmalen desjenigen hierin verkörperten Schutzgegenstands resultiert, der die höchste schöpferische Eigenprägung aufweist. Soweit kreativer UGC im Einzelfall von so hoher „künstlerischer Qualität“ ist, dass er die vorgenannten Anforderungen erfüllt, lassen sich die ihm zugrunde liegenden Verwertungshandlungen bereits heute über § 24 Abs. 1 UrhG legitimieren. Aufgrund der ausschließlich werk- bzw. leistungsbezogenen Abgrenzungskriterien, die der urheberrechtlichen Benutzungsqualifikation nach aktueller Rechtslage zugrunde liegen, sowie der durchweg von der geltenden Rechtsprechung an ihr Vorliegen gestellten strengen Anforderungen, ist jedoch davon auszugehen, dass nutzergenerierte Medieninhalte nur in den seltensten Fällen in „freier Benutzung“ der verwendeten Fremdinhalte entstehen. Vielen Nutzerbeiträgen wird bereits die erforderliche Werkqualität fehlen, da die nutzereigenen Beitragsleistungen die Anforderungen an eine persönliche geistige Schöpfung i. S. v. § 2 Abs. 2 UrhG häufig nicht erfüllen werden. Bedingt durch die für die UGC-Produktion typische unmittelbare Übernahme fremder Medieninhalte werden die meisten Nutzerinhalte darüber hinaus nicht die für eine freie Benutzung erforderliche Selbständigkeit aufweisen, sondern allenfalls als abhängige Bearbeitungen i. S. v. § 3 UrhG zu qualifizieren sein. Am Beispiel nutzergenerierter Medieninhalte konnte gezeigt werden, dass das Institut der freien Benutzung de lege lata nicht dafür ausgelegt ist, neue schöpfungsarme Nutzungsphänomene zu privilegieren, selbst wenn die hierbei entstehenden Benutzungsergebnisse in keinem merklichen Konkurrenzverhältnis zu den benutzten Originalen stehen, d. h. deren normale Verwertung nicht beeinträchtigen und die prosumierenden Nutzer mit ihrer Veröffentlichung nahezu ausschließlich nichtkommerzielle Zwecke verfolgen. Die vorstehenden Ausführungen haben jedoch auch deutlich gemacht, dass eine Flexibilisierung des § 24 UrhG durch zusätzliche Berücksichtigung – grundsätzlich beachtenswerter – ökonomischer Gesichtspunkte, insbesondere nach dem Vorbild der US-amerikanischen Fair-Use-Doktrin, zahlreiche dogmatische, teleologische, regelungshistorische und systematische Probleme aufwerfen würde, die im Ergebnis gegen eine Ergänzung des Tatbestands um leistungsunabhängige Beurteilungskriterien sprechen. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der freien Benutzung de lege ferenda auf neuartige Verwertungsanliegen abseits herkömmlicher Schöpfungsprozesse ist daher – unabhängig vom Umfang ihrer Privilegierungswürdigkeit856 – bereits aus systemimmanenten Gründen abzulehnen.
E. Ergebnis zur Privilegierungsfähigkeit Bei einer Gesamtbetrachtung des Privilegierungspotentials der geltenden Urheberrechtsschranken für nutzergenerierte Medieninhalte zeigt sich, dass die Erstellung 856
Siehe näher hierzu unten: „7. Kapitel: Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz“, S. 358 ff.
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6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content
von UGC in einigen Fällen durchaus mit den vom Gesetzgeber bereits als privilegierungswürdig anerkannten Verwertungssituationen vergleichbar ist. Dies trifft vor allem auf solche Nutzerbeiträge zu, die im Wege einer geistigen oder gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit fremden Geisteswerken (z. B. in Form einer nutzergenerierten Berichterstattung i. S. d. §§ 49, 50 UrhG oder durch Zitate gemäß § 51 UrhG) entstanden sind, bei denen nur Verwertungshandlungen untergeordneter Bedeutung stattfinden (z. B. bei der Mitverwertung unwesentlichen Beiwerks nach § 57 UrhG) oder die ausschließlich zu Allgemeingut deklarierte Werke an öffentlichen Plätzen i. S. v. § 59 UrhG zum Gegenstand haben. Insofern lässt sich die Erzeugung und Veröffentlichung derartiger Nutzerbeiträge zwar theoretisch – ggf. unter Rückgriff auf eine an Sinn und Zweck der Schranke orientierte sowie die das veränderte Mediennutzungsverhalten und die Meinungsbildung der Bevölkerung im Zeitalter des Web 2.0 angemessen berücksichtigende erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung des Gesetzes – über die hierfür geschaffenen Schrankenregelungen rechtfertigen. Doch wird der weit überwiegende Teil nutzergenerierter Medieninhalte die hohen Privilegierungsanforderungen der genannten Urheberrechtsschranken nicht erfüllen. Denn die regelmäßig von gestalterischen Amateuren aus verschiedenen intrinsischen oder soziologischen Motiven produzierten Medienbeiträge werden bspw. nicht immer ein urheberrechtlich „selbständiges Werk“ darstellen. Als problematisch erweisen sich außerdem all diejenigen Formen von UGC, die eine kreative Veränderung vorbestehender Werke oder Aufzeichnungen implizieren, da aufgrund des in § 62 UrhG niedergelegten Änderungsverbots grundsätzlich nur solche Änderungen zulässig sind, die im Hinblick auf den mit der Schrankenregelung jeweils verfolgten Zweck erforderlich sind. Besonders deutlich wird das hierdurch verminderte Privilegierungspotential der aktuellen Schrankenregelungen bei der Bemühung des Instituts der freien Benutzung nach § 24 UrhG zur Rechtfertigung von künstlerisch motiviertem UGC. Denn trotz ihrer generalklauselartigen Formulierung ist die Vorschrift mit ihren ausschließlich werk- bzw. leistungsbezogenen Abgrenzungskriterien letztlich nicht dazu geeignet, die Problematik nutzergenerierter Medieninhalte in urheberrechtlicher Hinsicht einer interessengerechten Lösung zuzuführen. Andererseits lassen sich aber auch einige Verhaltensweisen prosumierender Internetnutzer beobachten, für die das Gesetz zu Recht keinen passenden Schrankentatbestand vorhält und die sich auch nicht unter vermeintlich hierfür geeignete „situationsverwandte“ Ausnahmevorschriften, wie z. B. die Freiheit der öffentlichen Wiedergabe (§ 52 UrhG) oder der Privatkopie (§ 53 UrhG) subsumieren lassen. Hierzu gehört insbesondere die öffentliche Zugänglichmachung von unveränderten oder nahezu unveränderten Vervielfältigungen fremder Werke und Leistungen (sog. „1:1-Kopien“), auch wenn es sich dabei um vergütungsfreie Bereitstellungen oder Veröffentlichungen über gemeinnützige Internetplattformen (wie z. B. Wikipedia) handelt. Derartige für Urheber und Rechteinhaber mit unzumutbaren Beeinträchtigungen der normalen Auswertung verbundene Publikationspraktiken sind wegen der
E. Ergebnis zur Privilegierungsfähigkeit
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durch sie begründeten Substitutionsgefahr und dem hiermit verbundenen nicht zu rechtfertigenden Grundrechtseingriff nicht privilegierungsfähig.857 Bei der Prüfung der urheberrechtlichen Zulässigkeit von UGC hat sich gezeigt, dass das in erster Linie an traditionellen Schöpfungs- und Verwertungsprozessen ausgerichtete UrhG den Rechtsanwender dazu zwingt, auch bei der Beurteilung neu aufkommender schöpfungsarmer Nutzungsphänomene, die i. d. R. keine erwerbswirtschaftlichen Verwertungsabsichten auf Seiten der unmittelbar handelenden Protagonisten erkennen lassen, dieselben strengen Maßstäbe anzulegen, wie bei herkömmlichen, hauptsächlich zu gewerblichen Zwecken hergestellten und vertriebenen Informationsartefakten. Eine flexible und interessengerechte Handhabung der gesetzlichen Privilegierungstatbestände ist im Zusammenhang mit UGC entweder gar nicht oder nur mit erheblichem Begründungsaufwand möglich, so dass sich insgesamt die neue partizipative Tätigkeit der Bevölkerung im Internet nur ausnahmsweise hierunter subsumieren lässt. Das zwischenzeitlich weltweit allgegenwärtige Phänomen der eigenständigen Erzeugung und Veröffentlichung nutzergenerierter Medieninhalte, die zumindest teilweise unter Verwendung vorbestehender urheberrechtlich geschützter Fremdinhalte entstanden sind, ist daher in vielen Formen nach geltendem deutschem Urheberrecht regelmäßig unzulässig. Ob dieses Ergebnis vor dem Hintergrund der Bedürfnisse und dem Selbstverständnis einer im Internetzeitalter lebenden Informationsgesellschaft gerechtfertigt ist, erscheint allerdings fragwürdig.
857 Dies gilt freilich nur, wenn und soweit eine entsprechende Verwertung im Einzelfall nicht aufgrund einer anderen Schrankenregelung, insbesondere der Zitierfreiheit nach § 51 UrhG, zulässig ist.
Dritter Teil
Die Privilegierung von User Generated Content
Die Darstellung der urheberrechtlichen Zulässigkeit nutzergenerierter Medieninhalte hat gezeigt, dass sich die ihnen typischerweise zugrunde liegenden Nutzungshandlungen nur selten über die geltenden Urheberrechtsschranken rechtfertigen lassen. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der tief greifenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des beschriebenen Massenphänomens widmet sich der dritte Teil vorliegender Untersuchung nun abschließend der Frage, ob und ggf. inwieweit die neuen partizipativen Verhaltensweisen der Bevölkerung im Zusammenhang mit der Bereitstellung von UGC in Zukunft gesetzlich privilegiert werden sollten. Hierzu werden zunächst die Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz herausgearbeitet, die durch die Weiterentwicklung des Internets zum Web 2.0 zwischenzeitlich entstanden sind (7. Kapitel). Mit Blick auf einen gerechten Interessenausgleich zwischen prosumierenden Internetnutzern als Teil der Allgemeinheit und den hierdurch betroffenen Urhebern und Rechteinhabern werden sodann mögliche Lösungsansätze für eine Privilegierung von User Generated Content diskutiert sowie ein konkreter Regelungsvorschlag unterbreitet (8. Kapitel). Abgerundet wird die Darstellung schließlich durch eine Prüfung der Vereinbarkeit des Regelungsvorschlages mit verbindlichen Schrankenvorgaben aus höherrangigen Rechtsvorschriften (9. Kapitel).
7. Kapitel: Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz
A. Einführung Die Beantwortung der Frage, ob die unautorisierte Verwendung urheberrechtlich geschützter Fremdinhalte zur Bereitstellung nutzergenerierter Medieninhalte durch einzelne prosumierende Internetnutzer im Internet künftig gesetzlich erlaubt werden sollte, hängt maßgeblich davon ab, ob das UrhG diesbezüglich ein Privilegierungsdefizit aufweist. Hierfür wäre erforderlich, dass es Formen von UGC bzw. prosumierende Verhaltensweisen gibt, die aus bestimmten Gründen des Allgemeinwohls privilegierungswürdig erscheinen, nach aktueller Gesetzeslage jedoch als urheberrechtlich unzulässig zu bewerten sind. Obwohl zwischenzeitlich durchaus einige nutzergenerierte Medienformate existieren, die – wie oben gezeigt werden konnte – im Wesentlichen den vom Gesetzgeber bereits als privilegierungswürdig anerkannten Zwecken entsprechen (wie z. B. zitierende medienkritische Blogs, nutzergenerierte Berichterstattungen in Form von Video-Blogs, audio-visuelle Nutzerbeiträge mit unwesentlichem Beiwerk oder Werken an öffentlichen Plätzen sowie auf Entlehnungen basierende schöpferische „Volkskunst“), erweist sich die eigenmächtige Erstellung von UGC bei näherer Betrachtung de lege lata ganz überwiegend als Urheberrechtsverletzung.1 Entweder weil die von den traditionsverhafteten Schrankenbestimmungen vorgesehenen Voraussetzungen von den einzelnen partizipierenden Nutzern nicht erfüllt werden (können) oder die Bereitstellung der Inhalte zu einem vom Gesetz bislang nicht privilegierten Zweck erfolgt. Die diesen beiden Publikationskategorien zugrunde liegenden Nutzungsintentionen ergeben zusammengenommen das durch das Web 2.0 neu entstandene urheberrechtlich relevante Verwertungsanliegen der Allgemeinheit, das nun Gegenstand der nachfolgenden Betrachtung ist. Inwiefern dieses Verwertungsanliegen jedoch auch ein Defizit auf Seiten der Urheberrechtsschranken verursacht, ist letztlich da1
Siehe im Einzelnen hierzu die Prüfungsergebnisse oben: „Einschlägige Urheberrechtsschranken“, Kapitel 6, S. 175 ff.
C. A. Bauer, User Generated Content, DOI 10.1007/978-3-642-20068-7_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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7. Kapitel: Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz
von abhängig, ob bzw. inwieweit es als privilegierungswürdig anzuerkennen ist. Das aktuelle Privilegierungsdefizit des UrhG im Web 2.0 ist daher in zwei aufeinander folgenden Prüfungsschritten zu eruieren: Zunächst ist der konkrete Umfang des neuen urheberrechtsrelevanten Verwertungsanliegens zu bestimmen (B) und sodann dessen Privilegierungswürdigkeit zu überprüfen (C).
B. Neues urheberrechtsrelevantes Verwertungsanliegen Das Vorliegen eines neuartigen urheberrechtlichen Verwertungsanliegens setzt zunächst voraus, dass die ihm zugrunde liegenden Nutzungshandlungen aus einem dem Gesetzgeber bislang unbekannten Verwertungsbedürfnis auf Seiten der Allgemeinheit resultieren. Die urheberrechtliche Zulässigkeitsprüfung des Phänomens UGC anhand der hierfür in Betracht kommenden Schrankenbestimmungen hat gezeigt, dass sich die neue massenhafte Publikationspraxis selbst bei einer extensiven Auslegung und analogen Anwendung der geltenden Ausnahmevorschriften in weiten Teilen nicht hierüber rechtfertigen lässt. Denn entweder verfolgen die geltenden Urheberrechtsschranken zu spezielle Zwecke, so dass sie für eine Privilegierung von UGC nicht genügend Potential aufweisen; oder aber die Privilegierungsvoraussetzungen derjenigen Ausnahmetatbestände, deren Zwecke und Rechtsfolgen grundsätzlich ausreichend Spielraum gewähren würden, werden von den Nutzern – gewollt oder ungewollt – regelmäßig nicht erfüllt. Diese Kombination von fehlender gesetzlicher Privilegiertheit und mangelnder Privilegierungsfähigkeit der beschriebenen Verhaltensweisen legt vorliegend den Schluss nahe, dass den betreffenden Nutzungs- und Publikationshandlungen offensichtlich ein beitragsformübergreifender Zweck zugrunde liegt, der von der inhaltlich-thematischen Ausrichtung (wie z. B. der Medienkritik, Berichterstattung, Alltagsdokumentation oder künstlerisch-kreativen Auseinandersetzung) der publizierten Nutzerbeiträge unabhängig ist. Da es für die Frage der Privilegierungswürdigkeit einer urheberrechtlich relevanten Verhaltensweise vor allem auf den mit ihr verfolgten Zweck bzw. die ihr zugrunde liegenden Beweggründe ankommt, ist im Folgenden auf die erkennbaren Nutzungsmotivationen der prosumierenden Bevölkerungsmitglieder näher einzugehen.
I. Nutzungsmotive prosumierender Bevölkerungsmitglieder Rückschlüsse auf die der Bereitstellung nutzergenerierter Medieninhalte zugrunde liegenden Intentionen ihrer Erzeuger lassen sich vor allem aus einer näheren Betrachtung der differenzierbaren Nutzertypen des Web 2.0 ziehen. Angesichts der verhaltensspezifischen Fragestellung ist hierfür ein interdisziplinärer Ansatz mittels Rückgriff auf kommunikations- und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse unabdingbar. Da eine Typisierung prosumierender Bevölkerungsmitglieder ferner nur vor dem Hintergrund der ihnen zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten sinnvoll
B. Neues urheberrechtsrelevantes Verwertungsanliegen
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erscheint, sind zunächst die wesensimmanenten Nutzungsdimensionen des Web 2.0 zu bestimmen.
1. Nutzungsdimensionen des Web 2.0 Das Web 2.0 kann aus kommunikationssoziologischer Perspektive über zwei Dimensionen der Internetnutzung definiert werden: Über den Grad der Mitgestaltung (auf einem Kontinuum von rein betrachtender Nutzung bis hin zur Herausgabe von Inhalten) und über den Kommunikationsgrad (auf einem Kontinuum von rein individueller bis hin zu öffentlich vernetzter Kommunikation). Gekennzeichnet wird so eine bestimmte Art und Weise, das Internet zu verwenden: gestaltend undöffentlich kommunizierend.2
2. Nutzertypen des Web 2.0 Vor dem Hintergrund dieser beiden maßgeblichen Nutzungsmöglichkeiten der im Web 2.0 vorzufindenden Produktions-, Publikations- und Kommunikationsangebote werden in der kommunikationssoziologischen Literatur insgesamt acht verschiedene Nutzertypen des Web 2.0 erkannt, die sich hinsichtlich ihrer Hauptnutzungsmotive3 unterscheiden lassen: „Produzenten“, „Selbstdarsteller“, „spezifisch Interessierte“, „Netzwerker“, „profilierte Nutzer“, „Kommunikatoren“, „Infosucher“ und „Unterhaltungssucher“.4 Für vorliegende Untersuchung sind hiervon jedoch nur die ersten fünf Nutzertypen relevant, da die drei zuletzt genannten Typen entweder rein betrachtend agieren oder aber ihre Partizipation von so niedriger Mitgestaltung zeugt, dass eine durch sie vorgenommene Verwendung urheberrechtlich geschützter Fremdinhalte ausgeschlossen werden kann.5 2
Vgl. Gerhards/Klinger/Trump, Das Social Web aus Rezipientensicht: Motivation, Nutzung und Nutzertypen, S. 129. 3 Eine weitere Aufstellung typischer Motive zur Erzeugung von UGC findet sich auch in Aufderheide/Jaszi, Recut, Reframe, Recycle: Quoting Copyrighted Material in User-Generated Video, S. 5 ff. sowie Schorb/Würfel/Kießling/Keilhauer, YouTube und Co. – neue Medienräume Jugendlicher, S. 23 ff.; siehe hierzu auch die Studie von Scherf /Neus/Tietz/Waesche, Innovation der Medien, S. 10. 4 Vgl. Gerhards/Klinger/Trump, Das Social Web aus Rezipientensicht: Motivation, Nutzung und Nutzertypen, S. 129 ff., die in ihrer Studie – der vom Verfasser vorgeschlagenen Definition für UGC entsprechend – ebenfalls die „berufliche Internetnutzung“, d.h. die zu gewerblichen Zwecken erfolgende Bereitstellung professionell erzeugter Medieninhalte, von vornherein von der Betrachtung ausgeschlossen haben. Damit wurde der Fokus ihrer Untersuchung zutreffend auf die „private Mediennutzung“ gelegt, ohne jedoch eine kommerzielle Zielrichtung der Inhaltsbereitstellung im Einzelfall auszuschließen, da insbesondere E-Commerce-Anwendungen wie eBay grundsätzlich mit umfasst wurden (S. 133). 5 Vgl. hierzu die motivationsspezifische Typisierung der „Infosucher“, Unterhaltungssucher“ und „Kommunikatoren“ bei Gerhards/Klinger/Trump, Das Social Web aus Rezipientensicht: Motivation, Nutzung und Nutzertypen, S. 144 f.
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7. Kapitel: Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz
a) Produzenten „Produzenten“ seien Nutzer, denen es in erster Linie darum gehe, Inhalte zu veröffentlichen, und die dafür Web 2.0-Angebote nutzten. Die Möglichkeit, hierüber zu publizieren und Herausgeber eigener Produkte mit einem gewissen künstlerischen oder journalistischen Anspruch zu sein, stehe dabei im Vordergrund. „Produzenten“ seien vordringlich an der Verbreitung ihrer Inhalte interessiert, die analog auch in der „Offline-Welt“ über andere Medien veröffentlicht werden könnten. Kommunikation und Vernetzung seien für diese Gruppe nur insofern interessant, als sie der Verbreitung ihrer Leistungsergebnisse dienten. Die Kommunikation darüber hinaus mit einer „Community“ sei in diesem Zusammenhang eher zweitrangig, werde jedoch zusätzlich in unterschiedlich stark ausgeprägter Art und Weise genutzt.6
b) Selbstdarsteller Den „Selbstdarstellern“ gehe es wie den „Produzenten“ in erster Linie um das Veröffentlichen von Inhalten, nur stehe bei „Selbstdarstellern“ im Unterschied zu den „Produzenten“ nicht ein künstlerisches Produkt, sondern die Darstellung der eigenen Person im Vordergrund. Erreichen die Inhalte eine über die bloße Selbstdarstellung hinausgehende künstlerische Qualität, überschneide sich diese Gruppe mit den „Produzenten“ oder den „profilierten Nutzern“. Erreicht der kommunikative Austausch mit anderen Nutzern eine Qualität, die über die bloße Selbstdarstellung hinausreicht, hätten diese Nutzer einen Überschneidungsbereich mit den „Netzwerkern“.7
c) Spezifisch Interessierte Die Gruppe der „spezifisch Interessierten“ nutze die Partizipationsmöglichkeiten des Web 2.0 im Kontext ganz bestimmter Interessen oder Hobbys. Im Gegensatz zu den „Produzenten“ und „Selbstdarstellern“ zeichne sich diese Gruppe nicht durch eine persönlichkeitsimmanente Extraversion aus, d. h. sie gehörten nicht zu einer Gruppe von Menschen, die es ohnehin an die Öffentlichkeit drängt, sondern sie nutzten die Kommunikations- und Mitgestaltungsmöglichkeiten des Web 2.0 vor allem im Dienste ihres speziellen Interessengebietes. Angehörige dieser Gruppe nutzten sowohl die Mitgestaltungsmöglichkeiten des Web 2.0, um Informationen zu ihrem speziellen Interesse in Wort, Bild und Ton zu verbreiten, als auch die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen.8 6
Vgl. Gerhards/Klinger/Trump, Das Social Web aus Rezipientensicht: Motivation, Nutzung und Nutzertypen, S. 140. 7 Vgl. Gerhards/Klinger/Trump, Das Social Web aus Rezipientensicht: Motivation, Nutzung und Nutzertypen, S. 141. 8 Vgl. Gerhards/Klinger/Trump, Das Social Web aus Rezipientensicht: Motivation, Nutzung und Nutzertypen, S. 141 f.
B. Neues urheberrechtsrelevantes Verwertungsanliegen
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d) Netzwerker „Netzwerker“ nutzten das „Social Web“ am stärksten im Sinne des Wortes. Ihnen ginge es vor allem um den Austausch mit anderen Menschen: Sie möchten über das Internet Menschen kennenlernen und bestehende Kontakte über diesen Weg halten. Dies geschehe bspw. dadurch, dass jemand einen Weblog unterhalte, um über die Veröffentlichung von Texten und Fotos Kontakt mit Familie, Freunden und Bekannten halten zu können, unabhängig von Ort und Zeit. Aber auch Nutzer von Social-Networking-Seiten sowie Video- und Fotocommunities fielen in diesen Bereich hoch-kommunikativer Nutzung des „Social Webs“.9 e) Profilierte Nutzer „Profilierte Nutzer“ schöpften die Möglichkeiten der Mitgestaltung und Kommunikation im Netz schließlich vollständig aus und verwendeten das Web 2.0 damit in idealtypischer Weise. Sie gebrauchten das Internet, um sich selber darzustellen, mit anderen Menschen Kontakt aufzunehmen und zu halten oder auch um Inhalte in Text, Bild oder Ton zu veröffentlichen. Diese Gruppe befinde sich im Feld maximaler Verknüpfung von „Gestaltung“ und „öffentlicher Kommunikation“: Die Veröffentlichung eigener Beiträge sei hier eng verbunden mit der damit verknüpften öffentlichen Kommunikation.10 3. Gemeinsame Nutzungsmotive Auch wenn die konkrete Nutzungsintensität der verfügbaren Mitgestaltungs- und Kommunikationsinstrumente und der mit ihnen konkret verfolgte Zweck in Abhängigkeit von der jeweiligen Persönlichkeit des prosumierenden Internetnutzers durchaus sehr unterschiedlich ausfallen können, weisen die Verhaltensweisen aller genannten Nutzertypen dennoch eine entscheidende Gemeinsamkeit auf: die soziologischen Motive ihrer Publikationshandlungen. Denn prosumierende Bevölkerungsmitglieder nutzen die ihnen zur Verfügung stehenden Web 2.0-Angebote immer häufiger zur persönlichen Identitätsbildung und sozialen Beziehungspflege.11 Sie veröffentlichen die von ihnen erzeugten Inhalte, um sich selbst zu präsentieren (z. B. als (Karaoke-)Sänger, Tänzer, (Laien-)Schauspieler oder als ausgewiesener „Experte“ in einem sonstigen kulturellen, technischen oder wissenschaftlichen Fachgebiet) und sich anschließend über ihr Leistungsergebnis mit anderen gleich 9
Vgl. Gerhards/Klinger/Trump, Das Social Web aus Rezipientensicht: Motivation, Nutzung und Nutzertypen, S. 142 f. 10 Vgl. Gerhards/Klinger/Trump, Das Social Web aus Rezipientensicht: Motivation, Nutzung und Nutzertypen, S. 143. 11 Vgl. Schmidt, Was ist neu am Social Web? – Soziologische und kommunikationswissenschaftliche Grundlagen, S. 33; s.a. Lauber/Wagner, Podcasts und Internetradio – Wie sich Jugendliche und junge Erwachsene die neuen Medien zwischen Radio und Internet aneignen, S. 184.
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7. Kapitel: Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz
gesinnten Internetnutzern auszutauschen und/oder bewertende Rückmeldungen zu erhalten. Das Erstellen und Veröffentlichen eigener Medieninhalte dient diesen Nutzern in erster Linie zur (gruppen-)identitätsstiftenden Kommunikation mit ihrem sozialen Umfeld und zur Verarbeitung biografischer Ereignisse.12 Die publizierten Inhalte – einschließlich etwaiger zu ihrer Erzeugung verwendeter urheberrechtlich geschützter Fremdinhalte13 – werden dabei also weniger um ihrer selbst willen wiedergegeben, als vielmehr zur Unterstützung des zwischenmenschlichen Austauschs herangezogen. In gewisser Weise stellen sie somit die „notwendige“ Grundlage für den sozialen Online-Kommunikationsprozess im Web 2.0 dar und dienen den Protagonisten praktisch nur als „Mittel zum Zweck“. Andererseits vermag die vorstehende Nutzertypisierung jedoch nicht auszuschließen, dass prosumierende Bevölkerungsmitglieder – trotz überwiegend soziologischer Erzeugungsmotivation – durch die Bereitstellung ihrer nutzergenerierten Medieninhalte auch in den Genuss verschiedener wirtschaftlicher Vorteile gelangen und daher ggf. auch kommerzielle Interessen verfolgen. Dies entspricht im Übrigen auch der vom Verfasser beobachteten und im Rahmen der differenzierbaren Verwertungsformen14 und Bereitstellungsmöglichkeiten für UGC15 dargestellten Nutzungsrealität im Web 2.0. Auch wenn die mittels direkter oder indirekter Erlösbeteiligung honorierte Bereitstellung nutzergenerierter Medieninhalte insgesamt eher die Ausnahme darstellen dürfte, ist sie nach hier vertretener Auffassung ebenso zum Phänomen des UGC zu zählen, wie die Bereitstellung unveränderter Übernahmen fremder Werke und Leistungen („1:1-Kopien“). Im Rahmen der durch das Web 2.0 insgesamt hervorgerufenen Nutzungsbedürfnisse der Allgemeinheit dürfen daher auch sie – unabhängig von der Frage ihrer Privilegierungswürdigkeit – nicht fehlen.
II. Konkrete Ausprägung des neuen Verwertungsanliegens Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass der Öffentlichkeit im Web 2.0 zwischenzeitlich Akteure hinzugetreten sind, die mit der Bereitstellung ihrer Leistungsergebnisse vorrangig Ziele des Identitäts- und Beziehungsmanagements 12 Vgl. Schorb/Würfel/Kießling/Keilhauer, YouTube und Co. – neue Medienräume Jugendlicher, S. 23. 13 Da für den Fall des Vorliegens eines soziologischen Publikationsmotivs auf Seiten des Prosumenten sämtliche dem Nutzerbeitrag zugrunde liegenden Leistungsergebnisse unabhängig von ihrer Herkunft bzw. der Rechtsinhaberschaft prinzipiell das gleiche Schicksal teilen, lässt sich der im Einzelfall festgestellte Charakter der Publikationshandlung grundsätzlich auch auf die Nutzung der etwaig in den bereitgestellten Nutzerbeiträgen enthaltenen fremden Werke und Leistungen übertragen. 14 Siehe ausführlich hierzu oben: „3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content“, S. 42 ff. 15 Siehe ausführlich hierzu oben: „Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet“, Kapitel 4, S. 86 ff.
B. Neues urheberrechtsrelevantes Verwertungsanliegen
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verfolgen.16 Aus kommunikationssoziologischer Perspektive haben sich somit durch das Web 2.0 sog. „persönliche Öffentlichkeiten“ gebildet. Darunter sind diejenigen verteilten Konversationen zu verstehen, die über Themen vorrangig persönlicher Relevanz geführt werden.17 Dieser kommunikations- und sozialwissenschaftliche Befund bestätigt die vom Verfasser aufgestellte These, dass durch das Web 2.0 eine „Verlagerung der ehemals ausschließlich im privaten Umfeld stattfindenden identitätsstiftenden Kommunikation und Auseinandersetzung der Bevölkerung über und mit urheberrechtlich geschützten Inhalten in die Öffentlichkeit stattgefunden“ hat.18 Dadurch hat sich das soziale Umfeld eines jeden prosumierenden Internetnutzers in gewisser Weise um die „Öffentlichkeit“ erweitert. Die hierdurch bedingte Grenzverschiebung hat auf Seiten der Allgemeinheit zu dem Bedürfnis geführt, in den durch das Web 2.0 gebildeten virtuellen Räumen in gleicher Weise ihren gewohnten „privaten“ Nutzungs- und sozialen Kommunikationsbedürfnissen nachkommen zu dürfen, wie sie dies von ihren realen Interaktionsräumen gewohnt sind. Das neue urheberrechtsrelevante Verwertungsanliegen besteht also darin, sämtliche bisher üblichen identitätsbildenden und beziehungspflegenden Verhaltensweisen in Bezug auf urheberrechtlich geschützte Werke und Leistungen, die bislang nahezu ausschließlich im privaten Bereich, d. h. im Familien-, Freundesund Bekanntenkreis vorgenommen wurden, jetzt auch in der Öffentlichkeit des Web 2.0 vornehmen zu dürfen. Die Neuartigkeit ist dabei insbesondere darin zu sehen, dass die Vornahme der genannten privat motivierten Nutzungshandlungen in der Öffentlichkeit bzw. die dauerhafte Wahrnehmbarkeit ihrer Ergebnisse vor dem Siegeszug des Web 2.0 weder in dieser Dimension möglich war noch von einer beachtenswerten Anzahl an Bevölkerungsmitgliedern praktiziert wurde. Daraus ergibt sich jedoch auch, dass aus den neuen partizipativen Praktiken der prosumierenden Internetnutzer eine „Konkurrenz zum ,klassischen‘ Paradigma der Produktion von Wissensund Kulturgütern erwächst, das vorrangig auf geistigem Eigentum und marktlicher Distribution beruht“19 – und zwar nicht nur aus der Sicht der Prosumenten, sondern auch der hiervon betroffenen Urheber.
III. Quantifizierung des betroffenen Personenkreises Mit Blick auf die nachstehend zu erörternde Privilegierungswürdigkeit des dargestellten Verwertungsanliegens erscheint eine zahlenmäßige Bestimmung der poten16 Vgl. Schmidt, Was ist neu am Social Web? – Soziologische und kommunikationswissenschaftliche Grundlagen, S. 33. 17 Vgl. Schmidt, Was ist neu am Social Web? – Soziologische und kommunikationswissenschaftliche Grundlagen, S. 32. 18 Siehe hierzu bereits oben: „Schlussfolgerungen“, Kapitel 4, S. 112 ff. sowie „Erzeugung von User Generated Content als sozialtypische Verhalten“, Kapitel 6, S. 308 f. 19 Vgl. Schmidt, Was ist neu am Social Web? – Soziologische und kommunikationswissenschaftliche Grundlagen, S. 28.
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7. Kapitel: Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz
tiell „privilegierungsbedürftigen“ Gesellschaftsmitglieder lohnenswert. Denn eine Quantifizierung des betroffenen Personenkreises vermag insbesondere wertvolle Anhaltspunkte zur Beurteilung der Frage zu liefern, inwieweit das in dem Phänomen des UGC zum Ausdruck kommende Nutzungsbedürfnis prosumierender Internetnutzer im Interesse des Gemeinwohls liegt. Laut aktueller Online-Studien20 nutzen allein in Deutschland rund 12 % der Gesamtbevölkerung, also ca. 10 Mio. Menschen, mindestens einmal pro Woche ein Web 2.0-Angebot im Internet.21 Von diesen regelmäßigen Web 2.0-Nutzern zählen sich rund 57 %, also ca. 5,7 Mio. Personen, zu den aktiv partizipierenden Nutzern, die eigenständig Inhalte verfassen und im Internet bereitstellen.22 Das Phänomen des UGC besitzt damit auch in Deutschland bereits eine Größenordnung, die es unmöglich macht, die zu beobachtenden Verhaltensweisen pauschal als rechtswidrig zu verurteilen oder gar einfach zu ignorieren. Nach Ansicht des Verfassers sollte sie vielmehr Anlass dazu geben, die überkommene Regelungsstruktur der Urheberrechtsschranken mit Blick auf einen gerechten Interessenausgleich in der Informationsgesellschaft kritisch zu reflektieren.
C. Privilegierungswürdigkeit des Verwertungsanliegens Die Entwicklung rund um das Web 2.0 sowie das Phänomen des UGC haben zu einer Verschiebung der Grenzen der Öffentlichkeit geführt. Die hieraus resultierenden Problemstellungen vermag das geltende Urheberrecht, insbesondere aufgrund seines einheitlichen Öffentlichkeitsbegriffs – wie ihn § 15 Abs. 3 S. 1 UrhG vorsieht – jedoch keiner zufriedenstellenden Lösung zuzuführen. Die zentrale Frage lautet daher, inwiefern es gerechtfertigt erscheint, über den Geltungsbereich der aktuellen Schrankenregelungen hinaus, der Bevölkerung einen zusätzlichenurheberrechtlichen Freiraum zur identitätsbildenden Selbstdarstellung und Kommunikation mittels überwiegend schöpfungsarmer Medienbeiträge in der Öffentlichkeit des Web 2.0 zu eröffnen. Ob und ggf. inwieweit die Anerkennung eines solchen Privilegierungsbedürfnisses gerechtfertigt erscheint, ist letztlich eine rechtspolitische Wertungsfrage. Ihre Beantwortung wird jedoch maßgeblich vom Ergebnis einer sachgerechten Abwägung der durch das Phänomen des UGC beeinträchtigten Parteiinteressen bestimmt. Die Privilegierungswürdigkeit von UGC bzw. der seiner Erzeugung und Veröffentlichung typischerweise zugrunde liegenden Nutzungshandlungen ergibt sich daher aus einer wertenden Gesamtbetrachtung der widerstreitenden Interessen prosumierender Bevölkerungsmitglieder als Werknutzer und den hiervon betroffenen Urhebern und Verwertern als Rechteinhaber. 20 Siehe hierzu insb. die ARD/ZDF-Onlinestudien 2008/2009, abrufbar unter der URL: http://www.ard-zdf-onlinestudie.de [01.03.2010]. 21 Vgl. hierzu die Auswertung von Gerhards/Klinger/Trump, Das Social Web aus Rezipientensicht: Motivation, Nutzung und Nutzertypen, S. 134. 22 Vgl. hierzu die Auswertung von Gerhards/Klinger/Trump, Das Social Web aus Rezipientensicht: Motivation, Nutzung und Nutzertypen, S. 138.
C. Privilegierungswürdigkeit des Verwertungsanliegens
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I. Substitutionsgefahr als Privilegierungshindernis Gegen eine urheberrechtliche Privilegierung der unautorisierten Verwendung fremder Werke und Leistungen zur Erstellung von UGC spricht aus Sicht der Urheber und Rechteinhaber zunächst die mit einer Inhaltsbereitstellung im Internet verbundene Gefahr der Substituierung der hierin enthaltenen Originalwerke und/oder Aufzeichnungen hiervon. Mit Blick auf den nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsschutz kommt eine Privilegierung von UGC daher grundsätzlich nicht in Betracht, soweit den Internetnutzern hierdurch die Möglichkeit eröffnet würde, eine unveränderte öffentliche Zugänglichmachung von kostenlos abrufbaren Alternativaufzeichnungen fremder Werke und Leistungen („1:1-Kopien“) über das Internet vorzunehmen. Eine öffentliche Zugänglichmachung kann daher keinesfalls uneingeschränkt erlaubt werden, da dies mit hoher Wahrscheinlichkeit verheerende Auswirkungen auf die „normale Auswertung“ der betroffenen Fremdinhalte hätte.23 Dies gilt umso mehr, als mit fortschreitender Bandbreitenerhöhung zu erwarten ist, dass die Verbreitung von Inhalten über das Internetprotokoll zu einem Standardweg für alle Medien (Print, Radio, TV) und das Internet damit in absehbarer Zeit insgesamt zum hauptsächlichen Distributionskanal für urheberrechtlich geschützte Informations- und Kulturgüter werden wird.24 Aus denselben Gründen ist auch die – zu Recht äußerst kontrovers diskutierte – Einführung einer „Kultur-Flatrate“25 prinzipiell abzulehnen. Denn eine Freistellung der Weiterverbreitung urheberrechtlich geschützter Kulturgüter durch eine uneingeschränkte Legitimierung ihrer öffentlichen Zugänglichmachung gegen Zahlung einer geringen Entgeltpauschale würde den Rechteinhabern praktisch jede individuelle Online-Verwertung unmöglich machen.
II. Kommerzielle Verwertungsabsicht als Ausschlusskriterium Eine Privilegierung von UGC kommt ferner dann nicht in Betracht, wenn der prosumierende Nutzer mit der Bereitstellung seines unter Verwendung fremder urheberrechtlich geschützter Werke und Leistungen erzeugten Medieninhalts direkt oder indirekt einen Erwerbszweck verfolgt.26 Dies gilt insbesondere für die Fälle der vergüteten Bereitstellung von UGC über kommerzielle Internetplattformen, die eine
23 Siehe hierzu auch die Ausführungen oben: „Öffentliche Wiedergabe – § 52 UrhG“, Kapitel 6, S. 290 f. 24 So wohl auch Gerhards/Klinger/Trump, Das Social Web aus Rezipientensicht: Motivation, Nutzung und Nutzertypen, S. 148. 25 Siehe näher hierzu Roßnagel/Jandt/Schnabel/Yliniva-Hoffmann, Die Zulässigkeit einer Kulturflatrate nach nationalem und europäischem Recht. 26 Siehe hierzu auch die Ausführungen oben: „Stellungnahme zur Ergänzung wirtschaftlicher Abgrenzungsmerkmale“, Kapitel 6, S. 349 f.
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7. Kapitel: Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz
direkte oder indirekte Erlösbeteiligung für die prosumierenden Nutzer vorsehen.27 Denn dem Ausnutzen fremder geistiger Leistungen zur Erzielung eigener wirtschaftlicher Vorteile haftet stets der Geruch von „Piraterie“ an, die immer ein Unrecht darstellt. Die unautorisierte kommerzielle Verwertung urheberrechtlich geschützter Leistungsergebnisse muss daher – sofern sie nicht im Einzelfall durch eine andere Schrankenregelung gerechtfertigt werden kann – stets dem Zustimmungsvorbehalt der Berechtigten unterliegen. Auch wenn heute bereits zahlreiche kommerzielle Verwertungsmodelle für UGC existieren, die von Internetnutzern zunehmend auch zur Erzielung monetärer Erlöse genutzt werden können,28 so ist aufgrund der durch das Web 2.0 getragenen gesellschaftlichen Entwicklung jedenfalls kein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit zu erkennen, hierüber auch solche Medieninhalte verwerten zu dürfen, die urheberrechtlich geschütztes Fremdmaterial beinhalten. Denn UGC verdient keine (eigenständige) Privilegierung, wenn die partizipative Tätigkeit in Wahrheit nur als Deckmantel für die wirtschaftliche Ausbeutung des verwendeten Ausgangsmaterials benutzt wird. Wirtschaftlich soll schließlich nur derjenige von fremden Leistungsergebnissen profitieren, der selbst einen eigenständig schutzfähigen, d. h. substantiellen Beitrag zum Kulturgut leistet.29 Jedes andere Ergebnis ließe sich weder mit den einschlägigen verfassungsrechtlichen noch konventionsrechtlichen Schrankenvorgaben vereinbaren. Dass die Betreiber der für die Bereitstellung von UGC geschaffenen Internetplattformen durch die partizipative Tätigkeit der prosumierenden Internetnutzer letztlich die Möglichkeit erhalten, nicht unerhebliche Einnahmen zu erzielen, steht einer Privilegierung hingegen nicht zwingend entgegen. Denn solange es sich bei den hierbei erlangten Erträgen, insbesondere aus dem Verkauf von Werbeflächen, nur um solche wirtschaftlichen Vorteile handelt, die typischerweise unmittelbar mit dem für die Erstellung von UGC erforderlichen Publikationsakt des Nutzers verbunden sind, bzw. die zur Aufrechterhaltung der kostenlosen Bereitstellungsmöglichkeit für erforderlich gehalten werden können, sind die Plattformbetreiber lediglich mittelbare Profiteure des vorliegend diskutierten Phänomens. Alle darüber hinausgehenden nutzerunabhängigen, d. h. von Webseitenbetreibern oder sonstigen Dritten im Anschluss an die „Erstveröffentlichung“ eigenständig veranlassten Verwertungshandlungen an den eingebrachten Inhalten (wie z. B. die Herstellung und der Verkauf realer Vervielfältigungsstücke, die Lizenzierung einzelner Nutzerinhalte oder die Vergabe umfassender Nutzungsrechte am gesamten Datenbankinhalt im Rahmen verschiedener Gesellschaftskooperationen)30 sind in diesem Zusammenhang freilich nicht privilegierungswürdig. Sofern die Bereitstellung von UGC – der nicht nur eine unveränderte Übernahme vorbestehender Fremdinhalte verkörpert – durch eine natürliche Person jedoch als privilegierungswürdig anzuerkennen ist, muss konsequenterwei27
Siehe ausführlich hierzu oben: „Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet“, Kapitel 4, S. 86 ff. 28 Siehe hierzu oben: „ 3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content“, S. 42 ff. 29 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 24 Rn. 9. 30 Siehe eingehend hierzu oben: „3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content“, S. 42 ff.
C. Privilegierungswürdigkeit des Verwertungsanliegens
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se auch eine hierzu typischerweise benötigte Infrastruktur (begrenzt) mitprivilegiert werden können, um die Ausübung einer entsprechenden Verhaltensweise nicht praktisch unmöglich zu machen.31 Insofern ist dieser Fall grundsätzlich mit der Situation der Betreiber von Ablichtungsgeräten i. S. v. § 54 c UrhG (insb. der „Copy-ShopBetreiber“) vergleichbar, die ebenfalls von dem durch § 53 UrhG privilegierten „Privatkopieverhalten“ der Allgemeinheit wirtschaftlich profitieren.
III. Sozialtypische Verhaltensweise als Privilegierungsgrund Den berechtigten Interessen der Urheber und Rechteinhaber an einem möglichst weitgehenden Schutzumfang ihrer ausschließlichen Verwertungsrechte stehen jedoch auf Seiten der Allgemeinheit ebenfalls gewichtige Gründe gegenüber, die für eine Privilegierung des durch das Web 2.0 neu entstandenen Verwertungsanliegens sprechen. Die grundsätzliche Privilegierungswürdigkeit von UGC ergibt sich mit Blick auf die Sozialgebundenheit des geistigen Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG nach hier vertretener Auffassung vor allem daraus, dass die partizipative Tätigkeit prosumierender Bevölkerungsmitglieder in vielen Fällen bereits als sozialtypische Verhaltensweise anzusehen ist, die urheberrechtlich nicht sanktioniert werden sollte.32
1. Identitätsbildung und Beziehungspflege als überwiegende Nutzungszwecke Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass die massenhafte Partizipation der Bevölkerung im Web 2.0 in hohem Grad auf dem Aufgreifen, Zitieren, Kommentieren und Weiterverbreiten von Fremdinhalten basiert. Den auf diese Weise – de lege lata i. d. R. rechtswidrig – erstellten UGC verwenden die prosumierenden Internetnutzer jedoch überwiegend zur persönlichen Identitätsbildung und Beziehungspflege mit ihrem sozialen Umfeld. Die Erstellung nutzergenerierter Medieninhalte dient ihnen dabei vor allem dazu, sich öffentlich zu äußern und zu präsentieren. Über diese kommunikativen und produktiven Verhaltensweisen gehen die Prosumenten zentrale Dimensionen ihrer Identitätsarbeit an. Sie realisieren darüber erstens soziale Einbettung, die insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene eine unabdingbare Bedingung gelingender psychosozialer Entwicklung darstellt. Zweitens optimieren die Nutzer über ihr Medienhandeln ihr Kompetenzerleben, da sie im Kommunizieren und Produzieren sowie über das daran gekoppelte Feedback die eigene Wirksamkeit erfahren und Anerkennung finden und drittens unterstützt die Eigenaktivität und
31
Siehe näher hierzu sogleich: „Keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung“, S. 369 f. Siehe hierzu insb. das bereits im Rahmen der Panoramafreiheit nach § 59 UrhG erörterte Beispiel oben: „Erzeugung von User Generated Content als sozialtypische Verhaltensweise“, Kapitel 6, S. 308 ff. 32
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7. Kapitel: Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz
Selbstbestimmung ihre Autonomieerfahrung, welche die Chance der Partizipation in der sozialen Welt erhöht.33
2. Gemeinschaftsbildender Werknutzungseffekt als Allgemeinwohlbelang Diese weit überwiegend von sozialen Motiven geprägten Werknutzungen verdeutlichen, dass die in vorliegender Arbeit erläuterte Entwicklung eine zunehmende Konvergenz realer und virtueller sozialer Interaktionsräume bewirkt. In Zeiten des Web 2.0 wird damit auch der virtuelle Raum zunehmend relevant für die Erfahrung sozialer Gemeinschaft.34 Hierin ist ein wichtiger Gemeinwohlbelang zu erkennen, der vom Gesetzgeber für die „reale Welt“ unter anderem durch die Normierung des § 52 UrhG berücksichtigt wurde. Auch dort besteht der hauptsächliche Privilegierungszweck darin, die nichtkommerzielle Werknutzung wegen ihres gemeinschaftsbildenden Moments bzw. wegen des durch sie ermöglichten intensiven persönlichen Austauschs zu erlauben.35 Aufgrund der zwingend elektronisch erfolgenden Übermittlung der Kommunikationsinhalte über das Internet findet im Falle des UGC zwar keine „gemeinsame Werknutzung unter persönlich Anwesenden“ statt, wie sie für den Tatbestand des § 52 UrhG typisch ist.36 Wie die kommunikationssoziologischen Untersuchungen zeigen, kann die gemeinschaftsbildende Rückkopplung in den künstlich geschaffenen virtuellen Kommunikationsräumen jedoch in vergleichbarer Weise erfolgen, so dass auch den durch die UGC-Produktion hervorgerufenen Werknutzungseffekten eine privilegierende Wirkung zugesprochen werden kann. Die Ausübung dieses wichtigen gesellschaftlichen Grundbedürfnisses wird durch die umfassend normierten Verwertungsrechte, den starren Öffentlichkeitsbegriff sowie die eingeschränkte Flexibilität der Schranken des Urheberrechtsgesetzes derzeit jedoch empfindlich beeinträchtigt. Denn vor dem Hintergrund dieses traditionellen Regulierungsrahmens konnte die – vorwiegend durch den technologischen Fortschritt getragene – Weiterentwicklung des Internets zum Web 2.0 den Anwendungsbereich des UrhG deutlich zugunsten der Urheber und Rechteinhaber erweitern. Er reguliert nun einen gesellschaftlichen Lebensbereich derAllgemeinheit, der bislang typischerweise frei war von urheberrechtlichen Verboten. Dies erscheint aus rechtspolitischer Perspektive jedoch fragwürdig: Denn wenn man es der Technik ermöglicht, die Reichweite des Urheberrechts zu vergrößern, bedeutet das, dass die Kontrolle des Urheberrechts nicht länger vom Grundsatz der Ausgewogenheit 33
Vgl. zum Vorstehenden Lauber/Wagner, Podcasts und Internetradio – Wie sich Jugendliche und junge Erwachsene die neuen Medien zwischen Radio und Internet aneignen, S. 184. 34 Vgl. Lauber/Wagner, Podcasts und Internetradio – Wie sich Jugendliche und junge Erwachsene die neuen Medien zwischen Radio und Internet aneignen, S. 184. 35 Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 255 m.w.N.; siehe hierzu auch die AmtlBegr., BT-Drucks. IV/270, S. 68 ff. 36 Vgl. hierzu bereits oben: „Öffentliche Wiedergabe – § 52 UrhG“, Kapitel 6, S. 290 f.
C. Privilegierungswürdigkeit des Verwertungsanliegens
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bestimmt wird; sie liegt nunmehr im Ermessen des privaten Eigentümers.37 Hier muss der Gesetzgeber eingreifen und der durch die technologische Weiterentwicklung entstandenen Konvergenz durch die Schaffung neuer Freiräume angemessen Rechnung tragen.38 Insofern ist Hilty beizupflichten, wenn er festhält, dass die Informationsgesellschaft Bedürfnisse hat, die das Urheberrecht auf Dauer nicht behindern darf. Wenn es möglich ist, mit Mehrwertdiensten auf der Basis von Vorbestehendem abgeleitete Produkte herzustellen, an welchen die Allgemeinheit ein erhebliches Interesse hat, so muss der Gesetzgeber dem Rechnung tragen, wenn er will, dass das Urheberrecht als Gesamtkonzept nachhaltige Akzeptanz findet.39
3. Keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung Für die Annahme einer privilegierungswürdigen sozialtypischen Verhaltensweise spricht ferner die Tatsache, dass der Erzeugung und Veröffentlichung von UGC durch einzelne prosumierende Bevölkerungsmitglieder keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Sie ist dem grundsätzlich schutzbedürftigen Urheber gegenüber insbesondere nicht als verwerflich anzusehen. Denn allen Formen von UGC, die dem vorstehend näher konkretisierten Verwertungsanliegen entspringen, ist gemeinsam, dass die Nutzer mit ihnen keinerlei erwerbswirtschaftliche Zwecke verfolgen.40 Ihnen liegen vielmehr rein „privat“ motivierte Verhaltensweisen zugrunde, die bislang nicht zum Bereich der normalen Auswertung urheberrechtlich geschützter Werke und Leistungen zu zählen waren. Da die Erstellung von UGC mangels entsprechender Zahlungsbereitschaft prosumierender Internetnutzer erfahrungsgemäß keinen potentiellen Markt für die Rechteinhaber darstellt, ist auch in Zukunft nicht zu erwarten, dass sich hier ein neuer Zweitverwertungsmarkt erschließen ließe, der ihnen durch eine gesetzliche Privilegierung vorenthalten würde. Dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass eine vertragliche Einzellizenzierung bereits aus zeitlichen und organisatorischen Gründen praktisch nicht zu realisieren sein wird. Jedenfalls wäre ein entsprechendes Lizenzierungsmodell aber aufgrund der unverhältnismäßig hohen Transaktionskosten im Ergebnis nicht profitabel. Möglicherweise kommt aber dem Betrieb der UGC-Plattformen, die zur kostenlosen Veröffentlichung der Nutzerinhalte bereitgehalten werden, eine eigenständige 37
So zutreffend Lessig, Freie Kultur, S. 152 f. Ähnlich auch Ott, K&R 2007, 623, 625: „Perspektivisch ist zu überlegen, ob mit den Entwicklungen im Web 2.0 nicht eine vorsichtige Ausweitung der Schrankenbestimmungen durch den Gesetzgeber vorgenommen werden sollte.“ Weitergehend Knopp, GRUR 2010, 28, 32, der „einen Schutz davor, dass eine Auseinandersetzung mit dem Werk erfolgt, [. . . ] über das wirtschaftliche Interesse hinaus“ für nicht erforderlich hält. Es bestehe insbesondere „kein zwingender Grund, den Urheber vor der Veröffentlichung nichtgeschäftlicher Bearbeitungen zu schützen.“ 39 Hilty, ZUM 2003, 983, 1005; ähnlich auch Gowers, Gowers Review of Intellectual Property, S. 4: „Balanced and flexible rights should enable consumers to use material in ways that do not damage the interests of right holders and will help ensure that citizens have trust in the system.“ 40 In Bezug auf Mashups ebenso Ott, K&R 2007, 623, 625. 38
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7. Kapitel: Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz
wirtschaftliche Bedeutung zu. Wie bereits erwähnt, ist jedoch bei der Beurteilung der Privilegierungswürdigkeit der Bereitstellung von UGC durch einzelne prosumierende Bevölkerungsmitglieder – als dem hauptsächlichen Untersuchungsgegenstand vorliegender Arbeit – der Fokus zunächst (nur) auf die unmittelbar mit der Erzeugungs- und Publikationshandlung verbundenen Verwertungshandlungen zu richten. Die hierdurch bei den Plattformbetreibern mittelbar entstehenden wirtschaftlichenVorteile können im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen den Urhebern und der Allgemeinheit nur eine untergeordnete Rolle spielen. Anderenfalls ließe sich praktisch jede urheberrechtliche Schrankenregelung mit dem Hinweis auf mittelbar durch sie hervorgerufene Privilegierungsvorteile in angrenzenden Geschäftszweigen bereits im Keim ersticken.41 Entscheidend kann daher nur sein, dass der hauptsächlich zu privilegierenden Verhaltensweise selbst keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt bzw. der Prosument hieraus keinen direkten wirtschaftlichen Nutzen zieht. Das wirtschaftliche Gesamtpotential von Geschäftsmodellen, welche die Ausübung der schützenswerten Verhaltensweise überhaupt erst ermöglichen, kann somit allenfalls sekundär Berücksichtigung finden.42 Mangels eines „gesteigerten“, im Ergebnis jedoch wohl als „schutzwürdig“ anzuerkennenden öffentlichen Interesses an der Ermöglichung der Bereitstellung von privilegierungswürdigem UGC erschiene hinsichtlich der von den Plattformbetreibern vorzunehmenden Nutzungshandlungen allerdings nur eine Herabstufung des Ausschließlichkeitsrechts zu einem kompensierenden Vergütungsanspruch gerechtfertigt.43 4. Erhöhte Nutzungsintensität als Ausschlussgrund? Fraglich bleibt jedoch, inwieweit sich die aufgrund derVerwendung als UGC deutlich erhöhte Nutzungsintensität der betroffenen Werke und Leistungen mit der Annahme eines sozialtypischen Verhaltens vereinbaren lässt. Denn was die Diskussion um die Privilegierungswürdigkeit von UGC letztendlich so problematisch macht, ist die ihn charakterisierende öffentliche Werknutzung. Die Erstellung von UGC erfordert aus urheberrechtlicher Sicht vor allem die öffentliche Zugänglichmachung der nutzergenerierten Leistungsergebnisse, einschließlich der hierzu verwendeten, regelmäßig umgestalteten Fremdinhalte. Auch wenn der Nutzerinhalt häufig nur von einem relativ kleinen, spezifisch interessierten Personenkreis wahrgenommen wird oder sich aus Sicht des Prosumenten nur an seine – im Wesentlichen durch sein soziales Umfeld geprägte – „persönliche Öffentlichkeit“ richtet, bleibt die Bereitstellung im Internet faktisch dennoch „öffentlich“. 41 Zu denken sei hier nur an die Tatbestände der §§ 44 a, 49, 50, 53 oder 58 UrhG bei denen es durchweg zu unvermeidbaren positiven Privilegierungseffekten im Umfeld der unmittelbar privilegierten Personenkreise kommt. 42 Zur Frage, inwieweit die akzessorische Privilegierung der von den Webseitenbetreibern vorgenommenen Verwertungshandlungen die normale Auswertung beeinträchtigt siehe unten: „Beeinträchtigung der normalen Auswertung“, Kapitel 9, S. 403 ff. 43 Siehe näher hierzu unten: „Einführung eines kompensierenden Vergütungsanspruchs“, Kapitel 8, S. 386 f.
C. Privilegierungswürdigkeit des Verwertungsanliegens
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Objektiv überschreitet der prosumierende Privatnutzer damit eine kritische urheberrechtliche Grenze, die durch zahlreiche Vorschriften des UrhG, insbesondere die §§ 12, 19 a und 23 UrhG markiert wird. Aufgrund der dargelegten gesellschaftlichen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Web 2.0 und der mit ihr einhergegangenen Verschiebung der Öffentlichkeitsgrenzen nimmt die Bevölkerung die geltende urheberrechtliche Verbotsgrenze jedoch subjektiv nicht mehr als entsprechende Grenze für die Zulässigkeit ihres neuen Medienhandelns wahr. Waren früher die urheberrechtlichen und gesellschaftlichen Verbotsgrenzen annähernd deckungsgleich, wird eine traditionell-urheberrechtliche Grenzüberschreitung heute nicht mehr zwingend als Unrecht empfunden. Diese grundlegenden Veränderungen sprechen bezüglich des gesellschaftlichen Phänomens des UGC daher nach hier vertretener Auffassung für eine sozialtypische Verhaltsweise, die grundsätzlich privilegiert werden sollte.44 Dabei darf zwar nicht übersehen werden, dass der unautorisierten Nutzung fremder Werke und Leistungen durch ihre Vervielfältigung, Bearbeitung und öffentliche Zugänglichmachung in umgestalteter Form de lege lata ein nicht unerhebliches Verletzungspotential bezüglich urheberrechtlich geschützter Rechtspositionen zukommt. Ob dies die vorliegend für notwendig erachtete Privilegierung jedoch im Ergebnis auszuschließen vermag, erscheint zweifelhaft. Denn die mit einer Privilegierung verbundenen Beeinträchtigungen für Urheber und Rechteinhaber erscheinen zumindest dann nicht mehr so gravierend, wenn man die Zulässigkeit nutzergenerierter Medieninhalte zum einen davon abhängig macht, dass es sich bei ihnen nicht nur um eine reine Vervielfältigung eines vorbestehenden Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands, d. h. eine unmittelbare Übernahme ohne jegliche kreative oder gestalterische Eigenleistung des Prosumenten, handeln darf und zum anderen zwar die Veröffentlichung der bearbeiteten oder anderweitig umgestalteten bzw. interpretierten Fremdinhalte – freilich unter Wahrung der berechtigten urheberpersönlichkeitsrechtlichen Belange – grundsätzlich legitimiert, eine kommerzielle, d. h. erwerbswirtschaftliche Verwertung durch den privilegierten Nutzer jedoch kategorisch ausschließt. Auf diese Weise wäre sichergestellt, dass den betroffenen Rechteinhabern durch die Privilegierung nicht die Möglichkeit abgeschnitten wird, ihre Werke selbst einer vermögenswirksamen Verwertung zuzuführen. Zieht man zudem die Möglichkeit in Betracht, auf Seiten der mittelbar wirtschaftlich profitierenden Plattform- bzw. Webseitenbetreiber entsprechender Angebote eine gesetzliche Vergütungspflicht einzuführen, durch die der verfassungsrechtliche Eingriff – zumindest teilweise – abgefedert würde, scheint sich der aktuelle Interessenkonflikt insgesamt einer sach-
44
Einen entsprechenden Handlungsbedarf sieht offensichtlich auch die EU-Kommission, die in ihrem Grünbuch bzgl. Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft vom 16.7.2008 (Grünbuch 2008) explizit die Frage aufwirft, ob eine „Ausnahme für von Nutzern geschaffene Inhalte“ eingeführt werden sollte (vgl. hierzu Grünbuch 2008 – Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft, S. 19 ff.).
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7. Kapitel: Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz
gerechten und rechtspolitisch opportunen Lösung zuführen zu lassen.45 Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass die Urheber für die – ohnehin stattfindende – massenhafte Nutzung ihrer Werke aufgrund des Marktversagens in diesem Bereich derzeit überhaupt keine Vergütung erhalten.46
IV. Innovationsförderung als Privilegierungsgrund Für eine grundsätzliche Privilegierung der Erzeugung und Veröffentlichung von UGC als der wohl evidentesten Erscheinungsform des vorstehend definierten neuen urheberrechtsrelevanten Verwertungsanliegens der im Web 2.0-Zeitalter lebenden Informationsgesellschaft spricht ferner, dass auch diese Verhaltensweise einen schützenswerten Beitrag zur gesellschaftlichen und kulturellen Innovationsförderung leistet. Denn das Phänomen des UGC ist ein gutes Beispiel dafür, dass neben der bislang – vor allem auf europäischer Ebene – verfolgten Zielsetzung, ein möglichst hohes Schutzniveau geistigen Eigentums zu garantieren, um durch entsprechende Schöpfungsanreize Innovationen, Kreativität und Investitionen zu fördern,47 auch die umgekehrte Betrachtungsweise einen beachtenswerten Ansatz darstellt. Ausgehend von der unbestrittenen Tatsache, dass das Urheberrecht Freiräume schaffen muss, um die kreative Nutzung von Bestehendem (überhaupt) zu ermöglichen, besteht dieser Ansatz im Wesentlichen darin, die Kreativitätsförderung dadurch voranzutreiben, eine weitgehende Reduzierung des Ausschließlichkeitsrechts durch dessen Umwandlung in Vergütungsansprüche herbeizuführen, um so das weitgehend erlaubnisfreie Entstehen neuer Werke durch kreative Nutzung urheberrechtlich geschützten Materials zu legitimieren.48 Immerhin leisten auch die dem Phänomen des UGC entspringenden schöpfungsarmen Leistungsergebnisse einen gewissen Beitrag zum gemeinschaftlichen Kulturgut.49 Dieser ist zwar in aller Regel nicht – wie vom UrhG bislang vorausgesetzt – von so hoher „künstlerischer Qualität“, dass er 45 Zur rechtspolitischen Opportunität der Einführung eines kompensierenden Vergütungsanspruchs auf Seiten der Plattformbetreiber siehe näher unten: „Einführung eines kompensierenden Vergütungsanspruchs“, Kapitel 8, S. 386 ff. 46 Ebenfalls für eine Umwandlung urheberrechtlicher Verbotsansprüche in gesetzliche Lizenzen im unkontrollierbaren Massenmarkt Hilty, Verbotsrecht vs. Vergütungsanspruch, S. 325, 336 f.; s.a. Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 463 f. sowie Geiger, IIC 2007, 707 ff. 47 Kritisch hierzu Peukert in: Berger/Macciacchini, Populäre Irrtümer im Urheberrecht, S. 40 ff. m.w.N. 48 Vgl. hierzu insb. den Ansatz von Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 462 ff. m.w.N.; Geiger, IIC 2007, 707, 714 ff.; Peukert in: Berger/Macciacchini, Populäre Irrtümer im Urheberrecht, S. 39 ff.; Hilty, Verbotsrecht vs. Vergütungsanspruch, S. 325, 336 ff.; Hilty, ZUM 2003, 983, 1001 ff. 49 Hiervon geht nun wohl auch die EU-Kommission aus, wenn sie festhält: „Die Verpflichtung, sich vor der Veröffentlichung von Adaptionen erst der Rechte des zugrunde liegenden Werks zu versichern, kann als Innovationshindernis angesehen werden, da sie der Verbreitung neuer, potenziell wertvoller Werke im Wege steht.“ (vgl. Grünbuch 2008 – Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft, S. 20 (Hervorh. d. Verf.)).
C. Privilegierungswürdigkeit des Verwertungsanliegens
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den durch § 24 UrhG bzw. § 51 UrhG gesetzten traditionellen Anforderungen der persönlich geistigen Schöpfung i. S. v. § 2 Abs. 2 UrhG und dem entsprechenden Individualitätsabstand gerecht würde. UGC repräsentiert in seiner Gesamtheit jedoch in gewisser Weise eine neue Art der „Volkskunst“, die ebenfalls als zusätzliche Inspirationsquelle für Urheber neuer, selbständig schutzfähiger Werke dienen kann; auch wenn bei seiner Herstellung eher kommunikative und soziale, denn (ernsthaft) künstlerische Intentionen im Vordergrund stehen. Jedenfalls kann es nicht in einem objektiv schützenswerten Interesse des Originalurhebers liegen, alle noch irgendwie aus seinem Werk abgeleiteten Formen zu beherrschen, wenn diese weder seine wirtschaftlichen noch ideellen Interessen gefährden.50 Einer derart weiten Ausdehnung der Herrschaft über Geistesgüter, als Ausfluss eines übertrieben individualistisch denkenden Zeitalters,51 muss nicht zuletzt mit Blick auf die in einer Informationsgesellschaft notwendigen Gestaltungsfreiräume mehr denn je entgegengewirkt werden. Denn das dem sozialen Rechtsstaat eigene Ziel der gemeinschaftsgebundenen Freiheit und sozialen Gerechtigkeit schließt es ein, dass das Gesetz über die Schaffung und Sicherung einer Eigentumsordnung hinaus den gesellschaftlichen Fortschritt fördern darf und auch befugt ist, zur Wahrung der Erfordernisse des Gemeinwohls auf die gegebenen Bestände sozialgestaltend und umverteilend einzuwirken.52 Dabei muss der Rechtsschutz insgesamt so ausgestaltet werden, dass die durch ihn ermöglichte Erzeugung neuer Geistesprodukte stets mehr Vorteile mit sich bringt, als die hierdurch eingeschränkteVerwertungsmöglichkeit der geschützten Güter an Nachteilen verursacht.53 Eben dies scheint sich jedoch – zumindest für den Bereich des Web 2.0 – mit einer eingeschränkten Privilegierung nutzergenerierter Medieninhalte bei gleichzeitiger Einführung eines kompensierenden Vergütungsanspruchs erreichen zu lassen.54 Aus den vorgenannten Gründen sollte den Entwicklungen rund um das Web 2.0 daher nicht konsequent unter Hinweis auf die traditionellen Werte des UrhG der Garaus gemacht werden, zumal UGC zwischenzeitlich wohl unbestritten zum festen Bestandteil der aktuellen Medienlandschaft gehört.55 Rechtspolitisches Ziel sollte es vielmehr sein zu versuchen, die positiven Effekte dieses „Strukturwandels in Kommunikation und Gesellschaft“56 zu nutzen und seine unvermeidbaren Nebenwir-
50
So schon Reinhart, Das Institut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 65, 82; im Ergebnis ebenso Knopp, GRUR 2010, 28, 32 f. 51 Vgl. Reinhart, Das Institut der freien Benutzung im Urheberrecht, S. 65, 82. 52 So zutreffend Badura, Privatnützigkeit und Sozialbindung des geistigen Eigentums, S. 45, 48 f. (Hervorh. d. Verf.). 53 Eingehend zum Verhältnis von Güterzuordnung und Freiheitsschutz im Privatrecht Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 891 ff. 54 Zu den verschiedenen Rechtsetzungsalternativen siehe näher unten: „8. Kapitel: Lösungsansätze für eine Privilegierung von User Generated Content“, S. 376 ff. 55 Siehe hierzu auch die Ausführungen oben: „User Generated Content als zweckkonformes Verwertungsergebnis“, Kapitel 6, S. 278 f. 56 Zerfaß/Welker/Schmidt, Kommunikation, Partizipation und Wirkungen im Social Web, S. 9.
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7. Kapitel: Privilegierungsbedürfnisse im Urheberrechtsgesetz
kungen, insbesondere die mit einer Privilegierung verbundenen „urheberrechtlichen Kollateralschäden“, auf ein Minimum zu begrenzen.
V. Potentielle Absatzzuwächse als Privilegierungsgrund Schließlich lässt es sich nicht leugnen, dass der massenhaften Produktion und Veröffentlichung von UGC im Internet auch ein gewisser kostenloser Werbeeffekt für die sie betreffenden Werke und Leistungen zukommt, der hier ebenfalls als Privilegierungsgrund in Betracht gezogen werden soll. Denn in aller Regel wird die massenhafte Publikation nutzergenerierter Medienbeiträge sogar ein verstärktes Interesse an dem zu ihrer Erzeugung verwendeten Ausgangsmaterial wecken, womit sich diese Praktiken grundsätzlich mit herkömmlichen kostenlosen Marketing- oder Werbe- bzw. Kundenbindungsmaßnahmen vergleichen lassen.57 Die identitätsstiftende gestalterische Auseinandersetzung mit von prosumierenden Internetnutzern favorisierten Kulturgütern sowie die Rezeption der so erzeugten Nutzerbeiträge durch andere Web 2.0-Nutzer lässt vorliegend durchaus den Schluss zu, dass hiermit auch eine potentielle Steigerung des herkömmlichen Absatzes der verwendeten Werke einhergehen kann. Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass sogar die Urheber und Rechteinhaber vermehrt dazu übergehen, populäre UGCPlattformen (wie z. B. YouTube oder MySpace) zu Marketingzwecken zu nutzen, indem sie dort eigene Nutzer-Profile anlegen, Medien-Kooperationen schließen und vor allem auch ihre Originalinhalte hierüber zum Abruf bereitstellen.
D. Ergebnis zum Privilegierungsbedürfnis Durch die Weiterentwicklung des Internets zum Web 2.0 und seiner zunehmenden Bedeutung als zentrales Informations-, Publikations- und Kommunikationsmedium ist in der Bevölkerung ganz allgemein das Bedürfnis entstanden, in den hierdurch entstandenen virtuellen Räumen die gleichen urheberrechtlichen Nutzungsfreiheiten zu genießen, die ihnen auch im privaten Bereich vom Gesetzgeber zugestanden werden. Besonders deutlich tritt dieses Bedürfnis seit einigen Jahren – von der häufig mit der „Privatkopierfreiheit“ zu rechtfertigen versuchten P2P-Download-Problematik einmal abgesehen – durch die zunehmende Partizipation prosumierender Bevölkerungsmitglieder an der interaktiven (Mit-)Gestaltung des Internets mittels unautorisiert erzeugter und veröffentlichter nutzergenerierter Medieninhalte zutage, die das Wesen des Phänomens UGC ausmachen. Die 57
Wie erfolgreich UGC heute von verschiedenen Unternehmen gezielt zur Kundenbindung eingesetzt werden kann, haben bereits die Ausführungen zum Crowdsourcing und EngagementMarketing im Rahmen der Darstellung der Verwertungsformen für UGC gezeigt. Auf diese Erkenntnisse sei an dieser Stelle ergänzend Bezug genommen: siehe hierzu insb. oben: „Crowdsourcing und Engagement-Marketing“, Kapitel 3, S. 69 f.
D. Ergebnis zum Privilegierungsbedürfnis
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vorstehenden Ausführungen haben deutlich gemacht, dass der Publikation all derjenigen Nutzerinhalte, die sich aktuell nicht unter die geltenden urheberrechtlichen Schrankenregelungen subsumieren lassen, ganz überwiegend eine beitragsformübergreifende Nutzungsmotivation gemeinsam ist: die persönliche Identitätsbildung und soziale Beziehungspflege der Prosumenten. Aufgrund der hierdurch beschleunigten Konvergenz realer und virtueller sozialer Interaktionsräume hat eine Verschiebung der Grenzen der Öffentlichkeit stattgefunden, die im Ergebnis dazu führt, dass heute auch die aktive Teilhabe am Web 2.0 eine nicht unerhebliche Relevanz für die Erfahrung sozialer Gemeinschaft zukommt. Hieraus ist auf Seiten der Allgemeinheit zwischenzeitlich das neue urheberrechtsrelevante Verwertungsanliegen erwachsen, sämtliche privat motivierte Nutzungshandlungen in Bezug auf urheberrechtlich geschützte Werke und Leistungen jetzt auch in ihrer „persönlichen“ Öffentlichkeit des Web 2.0 vornehmen zu dürfen. Die aus der UGC-Produktion resultierenden gemeinschaftsbildenden Werknutzungseffekte stellen einen wichtigen Allgemeinwohlbelang dar, der in Verbindung mit der Tatsache, dass der nahezu ausschließlich sozial motivierten Tätigkeit einzelner prosumierender Internetnutzer keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt, die Annahme einer grundsätzlich zu privilegierenden sozialtypischen Verhaltensweise rechtfertigt. Diese sollte urheberrechtlich allerdings nur insoweit nicht sanktioniert werden, als hierdurch keine kostenlosen Werksubstitute geschaffen werden, die Nutzung auch in sonstiger Weise nicht der normalen Auswertung zuwiderläuft und der privilegierte Nutzer mit ihr keinerlei Erwerbsabsichten verfolgt. Soweit die vorstehend als privilegierungswürdig erachteten Nutzungsinteressen vom UrhG nicht hinreichend geschützt werden, weil sie vom geltenden Schrankenkatalog entweder überhaupt nicht berücksichtigt werden oder sich aufgrund eines entgegenstehenden Wortlauts oder der Gefahr der Verzerrung allgemeingültiger Tatbestandsvoraussetzungen aktueller Schrankenregelungen selbst im Wege deren extensiver Interpretation nicht rechtfertigen lassen, besteht aktuell ein Privilegierungsbedürfnis zugunsten der Interessen der Allgemeinheit, das mit Blick auf einen gerechten Interessenausgleich in der im Web 2.0-Zeitalter lebenden Informationsgesellschaft eines korrigierenden Eingriffs bedarf.
8. Kapitel: Lösungsansätze für eine Privilegierung von User Generated Content
A. Überblick Angesichts desAusmaßes, in dem Menschen mit Hilfe des Web 2.0 heute ihre Bedürfnisse nach Identitätsbildung, Kontaktpflege und Informationsbeschaffung befriedigen, also hochgradig „reale“ Aktivitäten im nur scheinbar virtuellen Raum zeigen,1 muss die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Regulierung neu gestellt werden. Denn ein Regulierungsrahmen, der solche Verhaltensweisen generell als rechtswidrige Urheberrechtsverletzungen qualifiziert, wird der veränderten Nutzungsumgebung in der Informationsgesellschaft nicht mehr gerecht.2 Aufgrund der zentralen Funktion, die den urheberrechtlichen Schranken als Ergebnis verfassungsrechtlicher Sozialbindung in Bezug auf den Interessenausgleich zwischen Urhebern und der Allgemeinheit zukommt, erscheint es daher erforderlich, mit den Entwicklungen im Web 2.0 die Reichweite der gesetzlichen Schrankenbestimmungen insgesamt zu erweitern. Hierzu sind im Wesentlichen drei Rechtsetzungsvarianten denkbar: Der Ersatz des Schrankenkataloges durch eine Generalklausel (B), die Flexibilisierung bestehender Schrankenregelungen (C) oder die Einführung einer neuen Schranke für User Generated Content (D).3
1
Vgl. Schmidt, Was ist neu am Social Web? – Soziologische und kommunikationswissenschaftliche Grundlagen, S. 36. 2 Ebenso Schmidt, Was ist neu am Social Web? – Soziologische und kommunikationswissenschaftliche Grundlagen, S. 35. 3 Auf die zusätzlich denkbare (vierte) Rechtsetzungsvariante der Ergänzung des bestehenden Schrankenkataloges um eine Generalklausel als Auffangtatbestand wird vorliegend nicht gesondert eingegangen, da ein Rückgriff auf eine allgemein gefasste Schrankengeneralklausel im Falle unbefriedigender Ergebnisse bei Heranziehung konkret formulierter bestehender Schrankentatbestände wegen des „Lex-specialis-Grundsatzes“ regelmäßig unzulässig wäre (ebenso Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 509).
C. A. Bauer, User Generated Content, DOI 10.1007/978-3-642-20068-7_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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8. Kapitel: Lösungsansätze für eine Privilegierung von User Generated Content
B. Ersatz des Schrankenkataloges durch eine Generalklausel Mit Blick auf die immer häufiger notwendig werdende Anpassung des Gesetzes an den technologischen Fortschritt könnte man zunächst geneigt sein, den bestehenden Schrankenkatalog durch eine einheitliche, technologieneutrale Generalklausel zu ersetzen. Dass die Veränderung der technischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen das Urheberrecht immer wieder vor neue Probleme stellt, ist keine neue Erkenntnis. Das Phänomen des UGC stellt insofern nur ein weiteres Beispiel für die eingeschränkte Flexibilität des geltenden Schrankensystems dar. Im Schrifttum wurde bereits mehrfach in Erwägung gezogen, als Ersatz für die enumerative Aufzählung spezieller, vom Gesetzgeber für privilegierungswürdig erachteter Verwertungssituationen in den §§ 44 a ff. UrhG eine allgemeine generalklauselartige Schrankenregelung – ähnlich der US-amerikanischen Fair-Use-Doktrin (17 U. S. C. § 107) oder des „Drei-Stufen-Tests“ – einzuführen.4 Der unbestreitbare Vorteil einer Schrankengeneralklausel, der vor allem in seiner enormen Flexibilität zur einzelfallgerechten Lösung nahezu jeder Interessenkollision besteht, wird jedoch von einer ebenso großen Rechtsunsicherheit überschattet. Denn je größer der Anwendungsbereich einer Generalklausel ist bzw. je weniger Einzeltatbestände existieren, desto häufiger muss der Interessenausgleich im Wege der Einzelfalljurisprudenz gelöst werden.5 Die Rechtsunsicherheit wächst damit umgekehrt proportional zur Anzahl der gesetzlichen Urheberrechtsschranken und würde im Falle einer Abschaffung des Schrankenkataloges ein derart unerträgliches Maß erreichen, dass die ersatzweise Einführung einer Schrankengeneralklausel – ungeachtet ihres Lösungspotentials für UGC – bereits aus prinzipiellen Gründen abzulehnen ist.6
C. Flexibilisierung bestehender Schrankenregelungen Als zweite Möglichkeit zur Herbeiführung eines gerechteren Interessenausgleichs zwischen Urhebern und prosumierenden Nutzern im Web 2.0 bietet sich die Flexibilisierung einzelner Urheberrechtsschranken durch deren Erweiterung um zusätzliche Tatbestandsmerkmale an. Dies hätte gegenüber der „großen Lösung“ der Schrankengeneralklausel zunächst den Vorteil einer tendenziell höheren Rechtssicherheit. Problematisch erscheint hierbei jedoch die notwendige „Zersplitterung“ des oben 4
Vgl. etwa Hoeren, MMR 2000, 3, 5; Schack, UrhR, Rn. 480 ff.; näher zum Diskussionsstand hinsichtlich der Einführung einer Schrankengeneralklausel siehe Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 495 f.; s.a. die Ansätze von Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 335 ff. sowie Förster, Fair Use, S. 213 ff. 5 So zutreffend Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 496. 6 Im Ergebnis ebenso Förster, Fair Use, S. 220 ff.; Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 507 ff.; teilweise a.A. Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 337 f.
D. Einführung einer neuen Schranke für User Generated Content
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als privilegierungswürdig erachteten beitragsformübergreifenden Verwertungsanliegens auf alle hiervon „betroffenen“ Einzeltatbestände. Denn wie die Darstellung der Privilegierungsfähigkeit von UGC gezeigt hat, wäre derzeit keine der geltenden Urheberrechtsschranken allein dazu geeignet, durch eine entsprechende Erweiterung als „amphibolische Nutzungsgeneralklausel“ im Web 2.0 zu fungieren.7 Abgesehen von dem für eine hinreichende Privilegierung von UGC erforderlichen enormen Regelungsaufwand und dem hiermit verbundenen erhöhten Risiko für erneute Privilegierungslücken sowie der in regelungstechnischer Hinsicht zu erwartenden erheblichen Unübersichtlichkeit spricht jedoch vor allem ein weiterer Grund gegen eine partielle Flexibilisierung bestehender Ausnahmetatbestände: die notwendige Aufweichung der einschlägigen Schrankenbestimmungen. Diese würde nämlich – sofern man den jeweiligen Schrankencharakter grundsätzlich unverändert lässt – zusätzlich die Gefahr bergen, dass hierdurch die allgemein geltenden Privilegierungsvoraussetzungen verzerrt und so möglicherweise der Anwendungsbereich der Vorschriften auch für kommerzielle Nutzungen ungerechtfertigt erweitert werden würde.8 Lediglich die auf den Medienfreiheiten nach Art. 5 Abs. 1 GG beruhenden Schranken zur Erleichterung der Berichterstattung, insbesondere die §§ 49 und 50 UrhG, sind aufgrund des veränderten Mediennutzungsverhaltens insoweit anzupassen, dass eine gleichberechtigte Inanspruchnahme durch traditionelle Medienorgane und die zweckkonform partizipierende Allgemeinheit gleichermaßen gewährleistet ist.9 Nicht zuletzt in Anbetracht des sehr speziellen Verwertungsanliegens, das die durch das Web 2.0 verursachte gesellschaftliche Entwicklung hervorgebracht hat und das vorzugsweise gemeinsam mit einer, seine Privilegierung kompensierenden Vergütungsregelung normiert werden sollte, erscheint eine punktuelle Anpassung der vorhandenen Schrankenbestimmungen allein zur Lösung des vorliegenden Interessenkonflikts im Ergebnis nicht empfehlenswert.
D. Einführung einer neuen Schranke für User Generated Content Die dritte Variante zur Herstellung eines gerechten Interessenausgleichs im Web 2.0 besteht schließlich in der Normierung einer neuen, das – der Erzeugung und Veröffentlichung nutzergenerierter Medieninhalte zugrunde liegende – privilegierungswürdige Verwertungsanliegen der Allgemeinheit konkret beschreibenden
7
Siehe hiezu oben: „6. Kapitel: Privilegierungsfähigkeit von User Generated Content“, S. 163 ff. Siehe hierzu bereits die Ausführungen oben: „Zitierfreiheit als Nutzungsgeneralklausel?“, Kapitel 6, S. 280 f.; „Panoramafreiheit als Nutzungsgeneralklausel?“, Kapitel 6, S. 308 f. sowie „Freie Benutzung als Nutzungsgeneralklausel?“, Kapitel 6, S. 343 ff. 9 Siehe hierzu bereits ausführlich oben: „Privilegierte Sekundärmedien“, Kapitel 6, S. 194 ff. sowie „Verfassungsmäßigkeit der Privilegierung“, Kapitel 6, S. 232 ff. 8
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8. Kapitel: Lösungsansätze für eine Privilegierung von User Generated Content
Schrankenregelung.10 Auch die EU-Kommission zieht angesichts „zunehmender Konvergenz“ und der hieraus entstandenen Möglichkeiten „zur Einbeziehung der Nutzer in die Schaffung und Verbreitung von Inhalten“11 ausdrücklich die Einführung einer eigenständigen Schrankenregelung zur Privilegierung nutzergenerierter Medieninhalte in Erwägung.12 Auf der Grundlage der bisherigen Untersuchungsergebnisse soll daher nachfolgend versucht werden, einen neuen Schrankentatbestand zu erarbeiten, der das neue urheberrechtsrelevante Verwertungsanliegen der Allgemeinheit in seinem privilegierungswürdigen Umfang legitimiert und so zu einer sachgerechten Abgrenzung des Urheberrechtsschutzes im Web 2.0 beiträgt.
I. Normierung als spezieller Auffangtatbestand Da zumindest manche Erscheinungsformen von UGC in den Anwendungsbereich bestehender Urheberrechtsschranken fallen können, ist es zur Schließung der unerwünschten Privilegierungslücken erforderlich, eine neue „UGC-Schranke“ regelungstechnisch als Auffangtatbestand zu konzipieren, der sowohl etwaig einschlägige Schranken lückenfüllend ergänzt als auch einen eigenständigen Anwendungsbereich für all diejenigen Nutzerinhalte eröffnet, für die derzeit noch kein geeigneter Tatbestand existiert. Dabei muss die Regelung so gestaltet werden, dass sie prosumierenden Internetnutzern einerseits ausreichend Freiraum zur identitätsbildenden Selbstdarstellung und öffentlichen Kommunikation gewährt, andererseits jedoch nicht die Gefahr begründet, dass das Web 2.0 zur „urheberrechtsfreien Zone“ wird. Verhindert werden muss also insbesondere, dass die §§ 24, 44 a ff. UrhG – die ein im Übrigen ausgeglichenes Interessengleichgewicht sicherstellen – unterlaufen werden und so das Urheberrecht insgesamt ausgehöhlt wird. Aufgrund des mannigfaltigen Charakters nutzergenerierter Medieninhalte bei gleichzeitig beitragsformübergreifend ähnlicher Erzeugungsmotivation lassen sich gewisse Überschneidungen mit geltenden Schrankenregelungen jedoch praktisch nicht verhindern. Zur Vermeidung unauflöslicher Anwendungskonkurrenzen ist die Vorschrift daher als eine den bestehenden Schranken gegenüber speziellere Ausnahme zu entwerfen, die stets vorrangig zu prüfen ist und deren Rechtsfolgen insgesamt nicht weiter reichen, als die vergleichbarer Konkurrenztatbestände. 10 Ähnlich auch Geiger/Macrez/Bouvel/Carre/Hassler/Schmidt-Szalewski, What Limitations to Copyright in the Information Society? A Comment on the European Commission’s Green Paper „Copyright in the Knowledge Economy“, IIC 2009, 412, 431, die jedoch – unter Bezugnahme auf die von der EU-Kommission in ihrem Grünbuch 2008 aufgeworfene Frage nach einer Ausnahme für nutzergenerierte Inhalte – eine Schrankenregelung zur Innovationsförderung vorschlagen, die erst nach dem Tod des betroffenen Urhebers zur Anwendung kommen soll. Dieser Regelungsvorschlag ist zur Lösung der hier diskutierten Problematik des permanenten Rechtsbruchs der Bevölkerung im Bereich unkontrollierbarer Massennutzungen jedoch nur bedingt geeignet. 11 Vgl. Grünbuch 2008 – Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft, S. 19. 12 Vgl. Grünbuch 2008 – Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft, S. 21: „Sollte die Richtlinie um eine Ausnahme für von Nutzern geschaffene Inhalte erweitert werden?“
D. Einführung einer neuen Schranke für User Generated Content
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Geeignete Tatbestandsmerkmale für eine UGC-Schranke lassen sich – der typischen Normstruktur einer Urheberrechtsschranke entsprechend – vorliegend dadurch ermitteln, dass zunächst die privilegierungsbedürftigen Nutzungshandlungen konkretisiert und sodann hierauf aufbauend diejenigen einschränkenden Rückausnahmen definiert werden, die zur Umschreibung der auszuschließenden Sachverhaltskonstellationen am besten geeignet erscheinen.
1. Privilegierungsbedürftige Nutzungshandlungen Die für eine Legitimierung von UGC zu privilegierenden Nutzungshandlungen ergeben sich im Wesentlichen aus den bereits im zweiten Teil der Arbeit dargestellten betroffenen Urheber- und Leistungsschutzrechten.13 Ob und ggf. inwieweit die typischerweise betroffenen Verwertungsrechte fremder Urheber und/oder Leistungsschutzberechtigter mit Blick auf das festgestellte Privilegierungsdefizit des UrhG jedoch zugunsten der Allgemeinheit eingeschränkt werden sollten, um insgesamt ein interessengerechtes Ergebnis zu erzielen, ist nun Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen.
a) Vervielfältigung Von grundlegender Bedeutung für eine UGC-Schranke ist zunächst die grundsätzliche Gestattung der zur Erzeugung eines wahrnehmbaren elektronischen Medieninhalts erforderlichen Vervielfältigungshandlungen nach § 16 Abs. 1 UrhG.14 Da jedoch nur einzelne prosumierende Internetnutzer in den Genuss einer entsprechenden Privilegierung kommen sollen, dürfen die erlaubten Verwertungshandlungen nur „durch eine natürliche Person“ vorgenommen werden. Angesichts der für die Erzeugung von UGC typischen Übernahme bestehender Fremdaufzeichnungen muss sich die Privilegierung – ähnlich wie bei § 44 a UrhG – neben Werken ferner auch auf alle „sonstigen Schutzgegenstände“ beziehen, die vom sechsten Abschnitt des ersten Teils des UrhG erfasst werden.
b) Aufnahme gesendeter Werke und Leistungen Die Erzeugung von UGC berührt häufig das selbständig geregelte Aufnahmerecht i. S. d. §§ 77, 87 UrhG ausübender Künstler, Veranstalter, Sendeunternehmen und verschiedener Online-Programmanbieter.15 Insofern erscheint es – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass in Konsequenz der „Partikelschutz-Entscheidung“ des 13
Siehe hierzu oben: „5. Kapitel: Betroffene Urheber- und Leistungsschutzrechte“, S. 115 ff. Siehe ausführlich hierzu oben: „Vervielfältigungsrecht i.S.v. § 16 UrhG“, Kapitel 5, S. 117 ff. 15 Siehe ausführlich hierzu oben: „Aufnahmerecht i.S.d. §§ 77, 87 UrhG“, Kapitel 5, S. 124 ff. 14
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8. Kapitel: Lösungsansätze für eine Privilegierung von User Generated Content
BGH im Rahmen der Leistungsschutzrechte nunmehr von einem nahezu uneingeschränkten Schutzbereich16 ausgegangen werden muss17 – vorliegend erforderlich, zumindest hinsichtlich gesendeter Werke und Leistungen eine eigenständige Ausnahme von dem weitreichenden Aufnahmeverbot zu statuieren. Im Rahmen der UGC-Produktion ist somit zumindest „die Aufnahme eines gesendeten“ Werkes oder sonstigen Schutzgegenstandes für zulässig zu erklären. Im Übrigen soll hier jedoch – in Übereinstimmung mit der vom Gesetzgeber in § 53 Abs. 7 UrhG getroffenen Entscheidung, auch die zu privaten Zwecken erfolgende Aufnahme öffentlicher Vorträge, Aufführungen oder Vorführungen eines Werkes auf Bild- oder Tonträger stets von der Einwilligung der Berechtigten abhängig zu machen – von einer weitergehenden Einschränkung etwaig betroffener Aufnahmerechte nach den §§ 77, 87 UrhG abgesehen werden. Etwaig notwendige Einwilligungen können von den Betroffenen in der Praxis entweder unproblematisch eingeholt werden oder es besteht nach Ansicht des Verfassers im Ergebnis kein ausreichend akzentuiertes Allgemeinwohlinteresse an einer erlaubnisfreien Aufzeichnungsmöglichkeit zur Herstellung nutzergenerierter Medieninhalte (z. B. im Kino, Theater oder auf einem Konzert).18 c) Öffentliche Zugänglichmachung Wesentlicher und zugleich weitest reichender Bestandteil des hier vorgeschlagenen Privilegierungstatbestands für UGC ist die notwendige Gestattung der öffentlichen Zugänglichmachung der in den nutzergenerierten Medienbeiträgen verkörperten fremden Werke und Leistungen nach § 19 a UrhG, um den prosumierenden Nutzern eine erlaubnisfreie Bereitstellung ihrer Leistungsergebnisse über das Internet zu ermöglichen. Da die privilegierungswürdige Publikationsinitiative immer von den einzelnen partizipierenden Bevölkerungsmitgliedern ausgehen muss, sind diese zugleich die hauptsächlichen Normadressaten. Angesichts der Tatsache, dass die Bereitstellung von UGC jedoch typischerweise über eine fremde Webseite, insbesondere die einschlägigen UGC-Plattformen, und damit einen externen Dienstanbieter erfolgt,19 muss eine funktionsfähige UGC-Schranke auch diejenigen Personen (mit-)privilegieren, die die von den Prosumenten unmittelbar bereitgestellten Medieninhalte dauerhaft zum Abruf bereithalten.20 Dies gilt für „die öffentliche 16
Hinsichtlich des eingeschränkten Schutzbereichs leistungsschutzrechtlich geschützter Elemente im Rahmen einer freien Benutzung nach § 24 UrhG siehe bereits die Ausführungen oben: „Abstandsreduktion auf null bei fehlender Individualisierbarkeit“, Kapitel 6, S. 338. 17 Siehe hierzu insb. die Ausführungen oben: „Partikelschutz-Grundsatz im Bereich der Leistungsschutzrechte“, Kapitel 5, S. 121 ff. 18 Der Anwendungsbereich bestehender Schranken bleibt hiervon freilich unberührt; vgl. hierzu insb. die Ausführungen oben: „Umfang der privilegierten Berichterstattung“, Kapitel 6, S. 267 ff. 19 Siehe ausführlich hierzu oben: „Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet“, Kapitel 4, S. 86 ff. 20 § 44 a UrhG kommt für eine Privilegierung der Plattformbetreiber regelmäßig nicht in Betracht, da die Speicherung nicht nur vorübergehend erfolgt und außerdem der öffentlichen Wiedergabe
D. Einführung einer neuen Schranke für User Generated Content
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Zugänglichmachung sowie die hierfür erforderlichen Vervielfältigungen“ gleichermaßen. Zwingende Voraussetzung für eine (Mit-)Privilegierung des Anbieters als „Dritter“, „dessen technische Einrichtung21 zur Wiedergabe des privilegierten Medieninhalts genutzt wird“, muss allerdings sein, dass der unmittelbar handelnde Prosument seinerseits die Privilegierungsanforderungen erfüllt, damit hier keine Wertungswidersprüche entstehen können.
d) Bearbeitung Im Rahmen der Erzeugung von UGC kommt es regelmäßig auch zu einer Bearbeitung oder anderen Umgestaltung der betroffenen Fremdinhalte i. S. v. § 23 S. 1 UrhG.22 Während die – regelmäßig im privaten, d. h. nicht öffentlichen Bereich stattfindende – Herstellung der Bearbeitung jedoch bereits von § 23 S. 1 UrhG privilegiert bzw. ein entsprechendes Verbotsrecht dem Urheber erst gar nicht gewährt wird,23 muss ein Privilegierungstatbestand für eine erlaubnisfreie Bereitstellung von UGC die öffentliche Zugänglichmachung, d. h. praktisch die Veröffentlichung der hierin enthaltenen Werke und Lichtbilder „auch in bearbeiteter oder anderweitig umgestalteter Form“ gestatten.
2. Auszuschließende Sachverhaltskonstellationen Um nun jedoch eine Aushöhlung der durch die §§ 12 ff. UrhG gewährten Verwertungs- und Urheberpersönlichkeitsrechte bzw. ein Unterlaufen der durch die §§ 24 und 44 a ff. UrhG festgelegten Voraussetzungen für eine erlaubnisfreie Inanspruchnahme fremder geistiger Leistungen zu verhindern, muss der zu formulierende Ausnahmetatbestand verschiedene unerwünschte Privilegierungsfolgen ausschließen. Die hierfür zu implementierenden negativen Tatbestandsmerkmale bzw. einschränkenden Rückausnahmen werden nachfolgend durch die Betrachtung der auszuschließenden Sachverhaltskonstellationen herausgearbeitet.
der betroffenen Werke i.d.R. dadurch eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt, dass die betreffenden Unternehmen mittels diverser Geschäftsmodelle, insbesondere durch die Schaltung von Werbeanzeigen, mit den Fremdinhalten indirekt nicht nur unerhebliche monetäre Erlöse erwirtschaften. 21 Mit der Formulierung der „technischen Einrichtung“ lassen sich vorliegend auch die notwendigerweise mitzuprivilegierenden Host-Provider erfassen, die sonst nur auf ihre Haftungsprivilegierung nach § 10 S. 1 Nr. 1 TMG zurückgreifen könnten, die in vorliegendem Zusammenhang jedoch weithin wertlos sein dürfte, zumal letztere Unterlassungsansprüche prinzipiell unberührt lässt (siehe näher hierzu Wandtke/Bullinger/v. Wolff, § 97 Rn. 25). 22 Zu den betroffenen Rechtssubjekten und den zu einem Eingriff führenden Nutzerhandlungen siehe im Einzelnen oben: „Bearbeitungsrecht – § 23 UrhG“, Kapitel 5, S. 139 ff. 23 Siehe näher hierzu oben: „Rechtsnatur des Bearbeitungsrechts“, Kapitel 5, S. 139 f.
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8. Kapitel: Lösungsansätze für eine Privilegierung von User Generated Content
a) Unveränderte kommentarlose Weiterverbreitung Wie im Rahmen der Ausführungen zur Privilegierungswürdigkeit von UGC bereits erwähnt wurde, darf eine neue UGC-Schranke keinesfalls als Generalklausel zur Rechtfertigung solcher Nutzerinhalte dienen, die lediglich aus unverändert oder nahezu unverändert übernommenen fremden Werken und Leistungen bestehen („1:1Kopien“).24 So besteht insbesondere für eine Privilegierung einer kommentarlosen Weiterverbreitung fremder Medieninhalte ohne erkennbare Änderung von Inhalt oder Aussage kein schützenswertes Allgemeininteresse. Andererseits sollte aber bspw. die zu Selbstdarstellungszwecken erfolgende Interpretation eines fremden Musikwerkes, wie sie häufig in Form von Karaoke-Darbietungen prosumierender Amateurnutzer erfolgt, grundsätzlich zulässig sein, auch wenn es hierbei nicht zwingend zu einer Bearbeitung oder anderweitigen Umgestaltung des Originals kommt, sondern vielmehr eine vollständige Wiedergabe des genutzten Musikwerkes erfolgt. Ähnlich verhält es sich auch mit den zu identitätsstiftenden Kommunikationszwecken publizierten nutzergenerierten Alltagsdokumentationen25 sowie den typischerweise durch multimediale Kombination fremder Medieninhalte erzeugten Mashups,26 die trotz teilweise identisch übernommener Fremdinhalte grundsätzlich ebenfalls privilegierungswürdig erscheinen. Aus rechtspolitischer Perspektive ist für die Privilegierungswürdigkeit der UGCProduktion also zu fordern, dass der Prosument entweder ein Minimum an kreativer Eigenleistung erbringt, durch die er dem verwendeten Schutzgegenstand eine eigene gestalterische Prägung verleiht, oder den fremden Werken und Leistungen dadurch eine neue Bedeutung beimisst, dass der Nutzer sie zur Grundlage einer sozialen Kommunikationshandlung macht. Mit Blick auf diese beiden, das sozialtypische Verhalten prosumierender Bevölkerungsmitglieder charakterisierenden Nutzungsintentionen27 erscheint es zunächst sinnvoll, das neue urheberrechtsrelevante Verwertungsanliegen zum maßgeblichen Zweck der Schranke zu erheben, indem es explizit in den Wortlaut der Regelung aufgenommen wird. Die privilegierungsbedürftigen Nutzungshandlungen sind daher nur für zulässig zu erklären, „soweit dies zum Zwecke der persönlichen Identitätsbildung oder sozialen Beziehungspflege in einem öffentlichen Netzwerk geschieht.“28 24
Siehe hierzu insb. oben: „Substitutionsgefahr als Privilegierungshindernis“, Kapitel 7, S. 365 f. Siehe hierzu bereits oben: „Erzeugung von User Generated Content als sozialtypische Verhaltensweise“, Kapitel 6, S. 308 ff. 26 Zur Privilegierungswürdigkeit nutzergenerierter Mashups siehe ergänzend das Beispiel oben: „Privilegierungspotential für User Generated Content“, Kapitel 6, S. 342 f. 27 Siehe hierzu ausführlich oben: „Nutzungsmotive prosumierender Bevölkerungsmitglieder“, Kapitel 7, S. 359 ff. 28 Der Verfasser folgt hierbei dem abstrakten Konstruktionsvorschlag von Poeppel, „möglichst flexible und technologieneutrale Benutzungskriterien vorzusehen.“ Anzustreben seien insbesondere Schrankentatbestände, die konkrete Verwertungsinteressen aufgreifen und so stets eine charakteristische Verwertungssituation betreffen, hierfür aber flexible Begrenzungskriterien vorsehen. Derart konstruierte Schranken sollten auf einem zweistufigen Filter beruhen: bestimmt definierte, cha25
D. Einführung einer neuen Schranke für User Generated Content
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Fraglich erscheint indessen, ob sich mit vorstehender Zweckbindung eine hinreichende Einschränkung der durch die bisher genannten Tatbestandsmerkmale gegebenen Privilegierungsreichweite erzielen lässt. Eine unveränderte oder nahezu unveränderte Weiterverbreitung vorgefundenen Materials hat zwar mit „persönlicher Identitätsbildung“ nichts zu tun. Der alternativ zu privilegierende Nutzungszweck der „sozialen Beziehungspflege“ lässt jedoch recht weitreichende Interpretationsspielräume offen, so dass sich eine sachgerechte Abgrenzung des Urheberrechts im Web 2.0 nach Ansicht des Verfassers vorliegend nur durch eine zusätzliche Rückausnahme erreichen lässt. Eine zielgenaue Umschreibung der hier benötigten negativen Abgrenzung enthält die im „Drei-Stufen-Test“ enthaltene Formulierung der fehlenden Beeinträchtigung der „normalen Auswertung“. Denn die Grenze der aus soziologischen und gesellschaftlichen Gemeinwohlgründen gebotenen gesetzlichen Legitimation der UGC-Produktion ist spätestens dann erreicht, wenn „hierdurch die normale Auswertung des Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands beeinträchtigt“ wird.29 Auch wenn sich das Vorliegen dieser Voraussetzungen stets nur im konkreten Einzelfall bestimmen lässt, bietet die vorgenannte verwertungstechnologieneutrale Formulierung den großen Vorteil, dass sie jederzeit eine Berücksichtigung etwaiger zukünftig eintretender technischer und/oder wirtschaftlicher Änderungen in Bezug auf die Werkverwertung erlaubt und so die Verwertungsinteressen der Rechteinhaber vor der gesetzlichen Legitimation enteignender Publikationspraktiken prosumierender Bevölkerungsmitglieder (wie z. B. dem „P2P-Austausch“) schützt. Eine nähere Konkretisierung der unter den vorgeschlagenen Privilegierungszweck der Schranke zu subsumierenden Verhaltensweisen muss jedoch ohnehin der Rechtsprechung vorbehalten bleiben. b) Kommerzielle Verwertung Innerhalb herkömmlicher urheberrechtlicher Wertschöpfungsketten gehört eine (neue) kommerzielle Verwertungsmöglichkeit eines urheberrechtlichen Schutzgegenstands quasi per definitionem in den Bereich der normalen Werkverwertung. Fraglich erscheint daher, ob vorliegend überhaupt eine zusätzliche Einschränkung der Ausnahme durch ein ausdrückliches kommerzielles Verwertungsverbot erforderlich ist. Angesichts des bereits erwähnten Marktversagens ist das Phänomen des UGC jedoch mangels eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung ausnahmsweise nicht zur normalen Auswertung eines Werkes zu zählen,30 so dass eine mögliche entgeltliche rakteristische Verwertungssituationen bzw. Verwertungsanliegen, innerhalb derer flexible Kriterien bei der Bestimmung des Ausmaßes der Freistellung zur Anwendung kommen (vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 510). 29 Zur Zulässigkeit der Inkorporation dieser konventionsrechtlich verankerten Schrankenvorgabe des „Drei-Stufen-Tests“ siehe unten: „Beeinträchtigung der normalen Auswertung“, Kapitel 9, S. 403 f. 30 Siehe hierzu bereits oben: „Keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung“, Kapitel 7, S. 369 f. sowie unten: „Vereinbarkeit mit dem Drei-Stufen-Test“, Kapitel 9, S. 402 ff.
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8. Kapitel: Lösungsansätze für eine Privilegierung von User Generated Content
Verwertung nutzergenerierter Medieninhalte dieser nicht zwangsläufig zuwiderläuft. Daher ist es – nicht zuletzt aus Gründen der Rechtsklarheit – dringend geboten, jegliche aus kommerziellen Gesichtspunkten erfolgende Bereitstellung nutzergenerierter Medieninhalte ausdrücklich von der Privilegierung auszuschließen. Hierzu gehören insbesondere alle Formen der vergüteten Bereitstellung von UGC über fremde Webseiten, bei denen die Nutzer an direkten oder indirekten Erlösen des Plattformbetreibers beteiligt werden.31 Demgegenüber muss eine vergütungsfreie Bereitstellung von UGC über fremde Webseiten – als dem hauptsächlichen Anwendungsfall der Schranke – grundsätzlich zulässig sein, und zwar auch dann, wenn es sich dabei um die kostenfreie Nutzung beworbener Webseiten handelt.32 Die neu einzufügende Schrankenregelung darf eine Aufnahme, Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung fremder Schutzgegenstände durch eine natürliche Person also nur dann privilegieren, „sofern sie hiermit weder direkt noch indirekt einen Erwerbszweck verfolgt.“
c) Verletzung von Urheberpersönlichkeitsrechten In Konsequenz der durch UGC i. d. R. zusätzlich tangierten Urheberpersönlichkeitsrechte der §§ 12 ff. UrhG muss schließlich auch sichergestellt sein, dass diese in ihrem Kern unberührt bleiben.33 Insbesondere das Erstveröffentlichungsrecht des Urhebers i. S. v. § 12 UrhG muss vorliegend geschützt werden. Es erscheint daher geboten, sämtliche privilegierungsbedürftige Verwertungshandlungen auf bereits „veröffentlichte Werke“ zu beschränken, um nicht über den Umweg nutzergenerierter Medieninhalte eine öffentliche Wiedergabe eines bislang unveröffentlichten Werkes oder Lichtbildes zu ermöglichen.34 Das Veröffentlichungsrecht des Urhebers an bearbeiteten oder anderweitig umgestalteten Werkfassungen35 muss allerdings – ähnlich wie bspw. im Fall des § 51 UrhG – zur Ermöglichung der erlaubnisfreien Bereitstellung von UGC zwingend eingeschränkt werden. Hinsichtlich der – zumindest teilweise – ebenfalls einzuschränkenden Anerkennungs- und Namensnennungsrechte der Berechtigten nach den §§ 13, 74 UrhG besteht angesichts der gesetzlichen Vorgaben in § 63 Abs. 2 S. 1 UrhG im Zusammenhang mit UGC kein eigenständiger Regelungsbedarf. Hiernach ist der privilegierte Prosument verpflichtet, die Quelle des von ihm öffentlich wiedergegebenen Fremdinhalts deutlich anzugeben, wenn und soweit die Verkehrssitte es erfordert. In den meisten Fällen wird der Nutzer daher zumindest den Namen des
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Siehe ausführlich hierzu oben: „Vergütete Bereitstellung“, Kapitel 4, S. 105 ff. Siehe näher hierzu oben: „Vergütungsfreie Bereitstellung“, Kapitel 4, S. 102 ff. sowie „Sozialtypische Verhaltensweise als Privilegierungsgrund“, Kapitel 7, S. 367 ff. 33 Siehe ausführlich hierzu oben: „Urheberpersönlichkeitsrechte“, Kapitel 5, S. 146 ff. 34 Siehe näher hierzu oben: „Veröffentlichungsrecht – § 12 UrhG“, Kapitel 5, S. 147 ff. 35 Siehe hierzu bereits oben: „Veröffentlichungsrecht an Bearbeitungen“, Kapitel 5, S. 147 f. 32
D. Einführung einer neuen Schranke für User Generated Content
403
Urhebers und – soweit möglich – eine URL auf die von ihm genutzte Quelle zu setzen haben.36 Anders verhält es sich jedoch mit schwerwiegenden, im Einzelfall als unzumutbare Entstellung i. S. v. § 14 UrhG zu wertende Beeinträchtigungen der verwendeten Werke und Leistungen bzw. deren Schöpfer. Diese dürfen sich nicht pauschal über eine UGC-Schranke rechtfertigen lassen. Da die Erstellung nutzergenerierter Medieninhalte jedoch typischerweise die Vornahme diverser Veränderungen an den benutzten Fremdinhalten und deren anschließende erlaubnisfreie Veröffentlichung erfordert,37 muss die Zulässigkeit der notwendigen urheberpersönlichkeitsrechtlichen Eingriffe und damit die Privilegierungsreichweite – wie bei anderen eine Änderung von Werken erfordernden Schranken auch – von einer wertenden Interessenabwägung abhängig gemacht werden. In deren Rahmen sind die Grenzen des Integritätsinteresses des Urhebers oder Leistungsschutzberechtigten unter Berücksichtigung sämtlicher (berechtigter) Gegeninteressen im konkreten Einzelfall „auszuloten“.38 Dass die Einführung einer Schranke für kreative Adaptionen oder abgeleitete Werke keinesfalls bedeuten muss, dass die Urheber um ihre persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse in Bezug auf ihre Werke gebracht werden, ergibt sich auch aus den Ausführungen Gowers. Dieser stellt zutreffend fest, dass die Betroffenen nach wie vor gegen solche Nutzerinhalte vorgehen könnten, die einen persönlichen Angriff oder eine vorsätzliche Schädigung des Ausgangswerkes bzw. dessen Schöpfer zum Gegenstand haben.39 Alle übrigen, mit den berechtigten Interessen der Urheber und Leistungsschutzberechtigten nicht konfligierenden Beeinträchtigungen, die mit einer zweckkonformen Ausübung der privilegierten Verhaltensweise einhergehen, müssen demgegenüber von diesen hingenommen werden. Als normative Grundlage bietet sich nach Ansicht des Verfassers auch in diesem Zusammenhang die für eine entsprechende Interessenabwägung im „Drei-Stufen-Test“ vorgesehene Formulierung an. Deshalb wird vorgeschlagen, auch dessen dritte Prüfungsstufe in die oben genannte eigenständige Rückausnahme zu integrieren, so dass die Privilegierung ergänzend immer dann nicht zur Anwendung kommen kann, wenn hierdurch „die berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar verletzt werden.“
36
Siehe näher hierzu bereits oben: „Anerkennungs- und Namensnennungsrecht“, Kapitel 5, S. 148 ff. 37 Siehe ausführlich hierzu oben: „Erzeugung wahrnehmbarer elektronischer Medieninhalte“, Kapitel 4, S. 75 ff. 38 Eingehend zur Frage der Beeinträchtigung urheberpersönlichkeitsrechtlicher Interessen, insbesondere des Rechts auf Integritätsschutz, durch UGC und deren Rechtfertigungsmöglichkeiten durch Urheberrechtsschranken siehe bereits die Ausführungen oben: „Einheitliche Interessenabwägung“, Kapitel 5, S. 156 f. 39 Vgl. Gowers, Gowers Review of Intellectual Property, S. 68: „The moral rights of the creator are inalienable, as such any work which builds on previous creation is subject to the moral rights of the original creator. Enabling transformative use would not negate existing moral rights, the right to be identified and the right to object to derogatory treatment. Creators would still be able to use difamation laws to prevent works that are offensive or damaging to the original creator from being made available.“
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8. Kapitel: Lösungsansätze für eine Privilegierung von User Generated Content
II. Einführung eines kompensierenden Vergütungsanspruchs Wie bereits mehrfach angedeutet, wird das durch die beschriebenen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Web 2.0 entstandene neue Verwertungsanliegen der Allgemeinheit nicht von einem derart stark akzentuierten Allgemeinwohlbelang getragen, welcher es über die erlaubnisfreie Benutzungsmöglichkeit veröffentlichter Medieninhalte hinaus rechtfertigen würde, auch eine kostenlose Verwertung fremder Werke und Leistungen zur autonomen Erzeugung und Veröffentlichung von UGC zu erlauben.40 Schließlich ist der Urheber tunlichst angemessen an dem wirtschaftlichen Nutzen seines Werkes zu beteiligen, und zwar auch dort, wo die Werke erlaubnisfrei genutzt werden.41 Mit Blick auf einen beiderseitig gerechten Interessenausgleich im Web 2.0 ist die vorstehend herausgearbeitete UGC-Schranke zur Berücksichtigung der den freiheitlichen Interessen der Allgemeinheit gegenüberstehenden vermögenswerten Interessen der Urheber und Rechteinhaber daher um einen, die gestatteten Nutzungshandlungen kompensierenden Vergütungsanspruch zu ergänzen.42
1. Webseitenbetreiber als Anspruchsgegner Dem vom Verfasser festgestellten ökonomischen „Profit-Rangverhältnis“ entsprechend, das aus der Verwertungseffizienz der Bereitstellung nutzergenerierter Medieninhalte über Webseiten im Internet43 abgeleitet wurde, profitieren diejenigen Personen mit Abstand am meisten von dem Phänomen des UGC – und damit indirekt auch von den zu seiner Erzeugung verwendeten vorbestehenden fremden Werken und Leistungen –, die es anderen Internetnutzern durch den Betrieb einer öffentlich zugänglichen (kommerziellen) Internetplattform ermöglichen, hierüber selbst erzeugte Medieninhalte zu veröffentlichen. Am anderen Ende der wirtschaftlichen Vorteilsskala findet sich die große Masse an einzelnen prosumierenden Bevölkerungsmitgliedern, die ihre Medieninhalte durch eine vergütungsfreie Bereitstellung über eine fremde Webseite der Öffentlichkeit zugänglich machen und hierdurch nahezu ausschließlich soziologisch bedeutsame Vorteile immaterieller Natur erlangen.44 40 Siehe hierzu bereits oben: „Vergütungspflicht“, Kapitel 6, S. 251 f.; „Fehlende finanzielle Kompensationsmöglichkeit“, Kapitel 6, S. 352 f.; „Erhöhte Nutzungsintensität als Ausschlussgrund?“, Kapitel 7, S. 371 ff. 41 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 54 a Rn. 2 unter Hinweis auf BGH NJW 1997, 3440 – Betreibervergütung. 42 Ähnlich auch Geiger/Macrez/Bouvel/Carre/Hassler/Schmidt-Szalewski, IIC 2009, 412, 432; Claus, Hyperlinks und die Nutzung und Verwertung von geschützten Inhalten im Internet, S. 316 f. 43 Siehe ausführlich hierzu die Ausführungen oben: „Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet“, Kapitel 4, S. 86 ff. 44 Siehe hierzu oben: „Webseitenbetreiber als hauptsächliche wirtschaftliche Profiteure“, Kapitel 4, S. 113 f.
D. Einführung einer neuen Schranke für User Generated Content
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Rechtspolitisch opportun erscheint es daher, die „wirtschaftlich verantwortlichen Betreiber“ kollektiv nutzbarer UGC-Webseiten (wie z. B. YouTube, Flickr, blogger.com etc.) zu einer „UGC-Abgabe“ heranzuziehen, mit der – ähnlich wie mit der Betreiberabgabe gemäß § 54 c Abs. 1 UrhG – die unmittelbar von den partizipierenden Internetnutzern initiierte „öffentliche Wiedergabe“45 der in den Nutzerbeiträgen enthaltenen Werke und Leistungen vergütet wird, von der Erstere wirtschaftlich in nicht unerheblichem Maße mittelbar profitieren. Dieser Lösungsansatz ist im Wesentlichen mit der vom Gesetzgeber gewählten Konstellation der gesetzlichen Lizenz im Fall der „Privatkopie“ vergleichbar. Denn auch dort werden die Betreiber der Reprographiegeräte gemäß § 54 c Abs. 1 UrhG für die Ermöglichung der nach § 53 UrhG privilegierten und aus praktischen Gründen zumeist nicht einzeln erfassbaren erlaubnisfreien Vervielfältigungshandlungen anderer Personen zur Zahlung einer aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenen Urheberrechtsvergütung herangezogen.46 Ebenso wie im Falle der Vergütungspflicht des Betreibers von Ablichtungsgeräten erscheint es daher auch im vorliegenden Zusammenhang geboten, die „wirtschaftlich verantwortlichen Betreiber der technischen Einrichtung“, die zur UGC-Produktion bereitgehalten wird, als Kostenschuldner eines eigenständigen Vergütungsanspruchs heranzuziehen. Anspruchsgegner ist demzufolge, wer die zur öffentlichen Zugänglichmachung genutzte Web-Einrichtung bereitstellt und unterhält.47 Dieser kann sowohl Eigentümer als auch Mieter oder nur Besitzer im Rahmen eines Leasingvertrages sein.48 Der „Betreiber“ muss also nicht unbedingt auch der Host-Provider der UGC-Plattform sein, wenn Letzterer seine technische Infrastruktur bspw. nur an einen wirtschaftlich eigenverantwortlichen Webseitenbetreiber vermietet hat. Hält der privilegierte Nutzer selbst eine entsprechende Web-Einrichtung bereit, gilt er als abgabepflichtiger Betreiber, womit „dieser die Vergütung zu zahlen“ hat. Hiermit werden insbesondere die Fälle erfasst, in denen die Bereitstellung von UGC über nutzereigene Webseiten erfolgt.49
45
Die im Rahmen der Erzeugung von UGC durch prosumierende Internetnutzer erfolgenden Vervielfältigungshandlungen werden in der Praxis wohl größtenteils über die nach den §§ 54 ff. UrhG (ohnehin) anfallenden Geräte-, Bild- oder Speichermedienabgaben vergütet, so dass eine erneute Einbeziehung vorliegend entbehrlich erscheint. 46 Siehe näher hierzu Schricker/Loewenheim, § 54 a Rn. 11 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Betreibervergütung als Überbürdung der Vergütungspflicht siehe BVerfG GRUR 1997, 123 – Kopierladen I; BVerfG GRUR 1997, 124 – Kopierladen II. 47 Vgl. hierzu Schricker/Loewenheim, § 54 a Rn. 17 unter Hinweis auf Dreier/Schulze, § 54 a Rn. 10 und Möhring/Nicolini/Gass, § 54 a Rn. 20. 48 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 54 a Rn. 17. 49 Siehe hierzu bereits ausführlich oben: „Bereitstellung über nutzereigene Webseiten“, Kapitel 4, S. 90 ff.
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8. Kapitel: Lösungsansätze für eine Privilegierung von User Generated Content
2. Verwertungsgesellschaftsmitglieder als Anspruchsberechtigte Erfahrungsgemäß wird der größte Teil (urheberrechtsverletzender) nutzergenerierter Medieninhalte – zumindest teilweise – unter Verwendung bekannter, d. h. professionell erzeugter und weit überwiegend verwertungsgesellschaftspflichtiger Werke und Leistungen erzeugt.50 Zur Kompensation des aus wirtschaftlicher Sicht bedeutendsten und aus praktischer Sicht zugleich größtmöglichen Teils aller durch die Schranke privilegierten Verwertungshandlungen sind daher – ebenso wie in den Fällen der §§ 54 ff. UrhG – all diejenigen Urheber und Leistungsschutzberechtigten als Anspruchsberechtigte der UGC-Abgabe vorzusehen, die Mitglied in einer urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaft sind. Auch wenn mit einer entsprechenden Vergütungsregelung im Bereich der Massennutzung kaum je auch nur annähernd alle privilegierten Nutzungshandlungen erfasst werden können, wird auf diese Weise jedoch zumindest sichergestellt, dass vor allem diejenigen Betroffenen eine kompensierende Vergütung erhalten, die typischerweise von ihrer schöpferischen Tätigkeit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Neben der Verwertungsgesellschaftspflichtigkeit lassen sich aber auch die übrigen im Zusammenhang mit den §§ 54 ff. UrhG etablierten Praktiken in Bezug auf die Vergütungsansprüche für private Vervielfältigungshandlungen auf eine UGC-Abgabe übertragen. So scheint insbesondere die einheitlich erfolgende Wahrnehmung der Vergütungsansprüche für die private Vervielfältigung audio-visueller Schutzgegenstände durch die „Zentralstelle für private Überspielungsrechte“ (ZPÜ) auch für den Fall des UGC ein brauchbares Modell darzustellen. Denn angesichts des multimedialen Charakters nutzergenerierter Medieninhalte macht es durchaus Sinn, dass sich die zur Wahrnehmung des gesetzlichen Vergütungsanspruchs beauftragten Verwertungsgesellschaften (dies sind i. d. R. die GEMA, VG-Wort, VG Bild-Kunst, GVL, GÜFA, GWFF, VFF und VGF)51 einer zentralen Institution bedienen, welche die – je nach inhaltlicher Ausrichtung der jeweiligen UGC-Webseite von deren Betreiber – eingezogenen Vergütungen in Abhängigkeit von den in Anspruch genommenen Schutzgegenständen einer nutzungsgerechten Verteilung an ihre Gesellschafter52 sowie deren berechtigte Mitglieder zuführt. Um die bereits bestehenden Einzugs- und Verteilungsmechanismen im Bereich der kollektiven Rechtswahrnehmung durch die genannten Verwertungsgesellschaften zu nutzen, wird daher abschließend vorgeschlagen, den Privilegierungstatbestand um eine Formulierung zu ergänzen, wonach der Vergütungsanspruch „nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden“ kann.
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Siehe hierzu die Ausführungen oben: „Verwendung fremder Werke und Leistungen“, Kapitel 4, S. 79 ff. 51 Siehe näher hierzu Schricker/Loewenheim, § 54 h Rn. 3. 52 Die ZPÜ ist eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter die vorgenannten Verwertungsgesellschaften sind.
E. Regelungsvorschlag für eine Privilegierung von User Generated Content
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E. Regelungsvorschlag für eine Privilegierung von User Generated Content Zur Herstellung eines gerechten Interessenausgleichs im Web 2.0 wird vom Verfasser im Ergebnis die Einführung einer neuen Schrankenregelung für UGC favorisiert, die hinsichtlich der privilegierungswürdigen Partizipation prosumierender Internetnutzer als ein den bestehenden Schrankenkatalog ergänzender Auffangtatbestand fungiert. In dogmatischer Hinsicht sollte die Vorschrift als gesetzliche Lizenz gestaltet werden, nach der die zweckkonforme Nutzung veröffentlichter Werke und Leistungen durch einzelne prosumierende Bevölkerungsmitglieder gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung gestattet wird. Aus organisatorischen, praktischen und rechtspolitischen Gründen erscheint es dabei opportun, die Vergütungspflicht den typischerweise wirtschaftlich nicht unerheblich mittelbar profitierenden Webseitenbetreibern aufzubürden, die durch die Bereitstellung ihrer technischen Einrichtungen maßgeblich an den privilegierten Verwertungshandlungen beteiligt sind. Darüber hinaus bietet es sich an, den Vergütungsanspruch verwertungsgesellschaftspflichtig zu machen, um zum einen die hauptsächlich betroffenen Urheber und Rechteinhaber zu entschädigen und zum anderen die etablierten Strukturen zur Geltendmachung und anteilsmäßigen Verteilung der eingezogenen Vergütungszahlungen der bestehenden Verwertungsgesellschaften zu nutzen und so insgesamt eine möglichst effektive Rechtswahrnehmung sicherzustellen. Angesichts der mit der Erstellung von UGC beabsichtigten gemeinschaftsbildenden Werknutzungseffekte, die als maßgeblicher Privilegierungsgrund auch der öffentlichen Wiedergabefreiheit nach § 52 UrhG zugrunde liegen, sowie den übrigen für eine Privilegierung sprechenden „privaten“ Nutzungsmotivationen, bewegt sich die vorliegend diskutierte UGC-Schranke auch gesetzessystematisch zwischen den §§ 52 und 53 UrhG. Eine entsprechende Schrankenregelung zur Privilegierung nutzergenerierter Medieninhalte könnte somit wie folgt lauten: § 52 c UrhG Nutzergenerierte Medieninhalte. 1. 1 Zulässig ist die Aufnahme eines gesendeten und die Vervielfältigung eines veröffentlichten Werkes oder sonstigen Schutzgegenstandes sowie deren öffentliche Zugänglichmachung, auch in bearbeiteter oder anderweitig umgestalteter Form, durch eine natürliche Person, soweit dies zum Zwecke der persönlichen Identitätsbildung oder sozialen Beziehungspflege in einem öffentlichen Netzwerk geschieht und sofern sie hiermit weder direkt noch indirekt einen Erwerbszweck verfolgt. 2 Dies gilt nicht, wenn hierdurch die normale Auswertung des Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands beeinträchtigt oder die berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar verletzt werden. 2. 1 Sofern die Voraussetzungen des Absatz. 1 vorliegen, sind die öffentliche Zugänglichmachung sowie die hierfür erforderlichen Vervielfältigungen auch einem Dritten gestattet, dessen technische Einrichtung zur Wiedergabe des privilegierten Medieninhalts genutzt wird. 2 Für die öffentliche Wiedergabe hat der wirtschaftlich verantwortliche Betreiber der technischen Einrichtung eine angemessene Vergütung zu zahlen. 3 Erfolgt die Wiedergabe über eine technische Einrichtung des Berechtigten nach Absatz 1 Satz 1, so hat dieser die Vergütung zu zahlen. 4 Der Anspruch kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.
9. Kapitel: Vereinbarkeit des Regelungsvorschlags mit verbindlichen Schrankenvorgaben
A. Überblick Der mittels vorliegender Abhandlung gesuchte Interessenausgleich im Web 2.0 zwischen Urhebern und Rechteinhabern auf der einen sowie der prosumierenden Allgemeinheit auf der anderen Seite kann nur dann wirksam durch die vorstehend entwickelte UGC-Schranke herbeigeführt werden, wenn sich diese auch mit höherrangigem Recht vereinbaren lässt. Denn der Handlungsspielraum des deutschen Gesetzgebers in Bezug auf die Ausgestaltung von Inhalt und Schranken des Urheberrechts wird sowohl durch nationale als auch durch supra- und internationale Schrankenvorgaben begrenzt. Im Rahmen dieses letzten Kapitels wird daher abschließend zur Vereinbarkeit des Regelungsvorschlages mit verbindlichen Schrankenvorgaben Stellung genommen. Der gesetzlichen Normenhierarchie entsprechend wird der zu untersuchende Schrankentatbestand des § 52 c VerfE1 dabei in aufsteigender Reihenfolge zunächst anhand verfassungsrechtlicher Vorgaben aus dem deutschen Grundgesetz gemessen (B), bevor seine Vereinbarkeit mit europarechtlichen Schrankenvorgaben (C) sowie dem konventionsrechtlich verankerten und damit international bedeutsamen „Drei-Stufen-Test“ geprüft wird (D).
B. Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Vorgaben Auf nationaler Ebene müsste die vorgeschlagene Schrankenregelung zur Privilegierung der Erzeugung und Veröffentlichung nutzergenerierter Medieninhalte, die unter Verwendung fremder Werke und Leistungen entstanden sind, zunächst mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar sein.
1
Zum „Verfasser-Entwurf“ (VerfE) siehe oben: „Regelungsvorschlag für eine Privilegierung von User Generated Content“, Kapitel 8, S. 389 f.
C. A. Bauer, User Generated Content, DOI 10.1007/978-3-642-20068-7_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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9. Kapitel: Vereinbarkeit des Regelungsvorschlags mit verbindlichen Schrankenvorgaben
I. Betroffene Verfassungsgüter Die Einführung einer neuen Urheberrechtsschranke zur erlaubnisfreien Erstellung von UGC würde zunächst einen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsrechte der betroffenen Urheber und Rechteinhaber nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG darstellen. Denn verkürzt der Gesetzgeber durch eine einfachgesetzliche Maßnahme eine grundrechtlich geschützte Position des Urhebers, so ist die entsprechende Norm als Grundrechtsbeeinträchtigung zu werten, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere dem Übermaßverbot, gerecht werden muss. Auch wenn die Urheberrechtsschranke letztlich vor allem im Horizontalverhältnis zwischen Urheberrechtsinhaber und privilegiertem Nutzer Anwendung findet, stellt bereits ihre Einführung eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. v. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar, die aufgrund von Art. 1 Abs. 3 GG der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Fraglich ist, ob die zur Privilegierung von UGC notwendige Einschränkung der betroffenen Verwertungsrechte zugleich auch einen Eingriff in das Selbstdarstellungsrecht des Urhebers als Teil dessen Persönlichkeitsgrundrechts darstellt. In diesem Fall wäre nämlich auch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG neben Art. 14 GG als verfassungsrechtlicher Maßstab zu Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Schrankenregelung heranzuziehen. Dem BVerfG zufolge besteht zwar allgemein eine „unlösbare Verbindung von persönlich-geistiger Schöpfung mit ihrer wirtschaftlichen Auswertbarkeit“,2 so dass die Beschränkung der Verwertungsrechte stets zugleich einen Eingriff in das Persönlichkeitsgrundrecht des Urhebers verursacht.3 Gleichwohl werden die ideellen Interessen der Urheber vom BVerfG regelmäßig nur im Rahmen des Schutzbereichs des Art. 14 GG berücksichtigt.4 Dies erscheint insofern gerechtfertigt, als die Schranken der §§ 44 a ff. UrhG hauptsächlich die Verwertungsrechte betreffen und die persönlichkeitsrechtliche Komponente regelmäßig unberührt lassen. Außerdem wird die zusätzliche Einschlägigkeit vonArt. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG neben Art. 14 GG aufgrund der grundsätzlichen Übertragbarkeit der Argumentation ohnehin nur selten zu abweichenden Ergebnissen führen.5 Ähnlich verhält es sich auch im vorliegenden Fall: Die vom Verfasser vorgeschlagene Schrankenregelung lässt den Schutzbereich des Persönlichkeitsgrundrechts – trotz der grundsätzlichen Erlaubnis zur Veröffentlichung auch umgestalteter Werkfassungen – aufgrund ihrer Beschränkung auf „veröffentlichte Werke“ sowie die einschränkende Rückausnahme in § 52 c Abs. 1 S. 2 VerfE6 zum Schutze der berechtigten Integritätsinteressen der betroffenen Grundrechtsträger weitgehend un2
Vgl. BVerfGE 31, 229, 239 f. – Kirchen- und Schulgebrauch. Ebenso Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 145. 4 Vgl. etwa BVerfGE 31, 229, 238 – Kirchen- und Schulgebrauch; BVerfGE 79, 29, 40 – Vollzugsanstalten. 5 Ebenso Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 145 sowie Förster, Fair Use, S. 163 m.w.N. 6 Siehe hierzu oben: „Regelungsvorschlag für eine Privilegierung von User Generated Content“, Kapitel 8, S. 389 f. 3
B. Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Vorgaben
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angetastet.7 Aber auch soweit der Schutzbereich durch die Schranke eröffnet wird, ergibt sich hieraus kein anderes Ergebnis. Denn soweit der zur Rechtfertigung nutzergenerierter Medieninhalte herangezogene Gemeinwohlbelang der sozialtypischen identitäts- und gemeinschaftsbildenden öffentlichen Kommunikation8 eine Beeinträchtigung der materiellen Kontrollinteressen des Urhebers zu rechtfertigen vermag, sind auch die hiermit verbundenen Eingriffe in die ideellen Schöpferinteressen gerechtfertigt. Die Eingriffsintensität ist hier nicht wesentlich schwerer zu bewerten, als bspw. bei den durch ein Zitat verursachten persönlichkeitsrechtlichen Eingriffen. Aus den genannten Gründen kann der Prüfungsmaßstab also auch im vorliegenden Fall auf die verwertungsrechtliche Seite beschränkt und der Regelungsvorschlag daher im Ergebnis nur an Art. 14 GG gemessen werden.
II. Verhältnismäßigkeit des Regelungsvorschlags Der Gesetzgeber steht bei der Erfüllung des ihm nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG erteilten Auftrages, Inhalt und Schranken des geistigen Eigentums zu bestimmen, vor der Aufgabe, nicht nur die Individualbelange des Urhebers zu schützen, sondern – wie sich aus der Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG ergibt – auch die im Interesse des Gemeinwohls erforderlichen Grenzen zu ziehen, um den individuellen Berechtigungen und Befugnissen der Nutzer angemessen Geltung zu verschaffen.9 Neben der Sozialpflichtigkeit des Eigentums sind dabei auf Nutzerseite insbesondere die Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG zu berücksichtigen, die den Eigentumsinteressen der Urheber und Rechteinhaber im Ausgangspunkt abstrakt gleichrangig gegenüberstehen.10 Im Rahmen einer wohlwollenden Güterabwägung hat der Privatrechtsgeber die gegenläufigen Interessen jeweils möglichst weitgehend zur Geltung zu bringen, wobei ihm vom BVerfG ein recht weiter Gestaltungsspielraum zugestanden wird.11 Gleichwohl verfügt er freilich nicht über eine uneingeschränkte Dispositionsbefugnis: Die äußersten Grenzen, die der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken einer Eigentumsposition zu beachten hat, ergeben sich aus der Institutsgarantie als einer Ausprägung der Eigentumsgarantie i. S. v. Art. 14 GG. Sie verbietet dem Gesetzgeber, dem Urheber solche
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Siehe ergänzend hierzu die Ausführungen oben: „Verletzung von Urheberpersönlichkeitsrechten“, Kapitel 8, S. 384 ff. 8 Siehe eingehend hierzu oben: „Privilegierungswürdigkeit des Verwertungsanliegens“, Kapitel 7, S. 365 ff. 9 Siehe näher hierzu bereits oben: „Urheberrechtsschranken als Ergebnis verfassungsrechtlicher Sozialbindung“, Kapitel 6, S. 164 ff. 10 Siehe hierzu bereits oben: „Auslegung und Anwendung der Schrankenbestimmungen“, Kapitel 6, S. 168 ff.; ebenso Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 133 f. 11 Vgl. Jarass/Pieroth, GG, Vor Art. 1 Rn. 45 ff.
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9. Kapitel: Vereinbarkeit des Regelungsvorschlags mit verbindlichen Schrankenvorgaben
Befugnisse zu entziehen, die zum „elementaren Bereich grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich“ gehören.12 Außerhalb des durch die Institutsgarantie garantierten Kerngehalts an vermögenswerten Ausschließlichkeitsbefugnissen – der von § 52 c VerfE angesichts seines Charakters als gesetzlicher Lizenz wohl unberührt bleiben dürfte13 – ergeben sich die maßgeblichen Grenzen der Gestaltungsfreiheit bei der Normierung von Umfang und Sozialbindung des Urheberrechts in erster Linie aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.14 Denn in dessen Rahmen kann der Gesetzgeber Privatrechtsverhältnisse grundsätzlich frei gestalten.15 Insofern müsste der vom Verfasser vorgeschlagene Privilegierungstatbestand insbesondere geeignet, erforderlich und angemessen sein. 1. Geeignetheit der Schranke Das verfassungsrechtliche Erfordernis der Geeignetheit verlangt zunächst, dass das gesetzgeberische Mittel tauglich sein muss, den mit ihm verfolgten Zweck zu erreichen. Ausreichend ist dabei, dass die Norm den mit ihr verfolgten Zweck tatsächlich fördert.16 Zweifel an der Geeignetheit des hier zu bewertenden Mittels der vorgeschlagenen UGC-Schranke in Form einer gesetzlichen Lizenz dürften indes nicht bestehen. Denn durch die Einführung einer eigenständigen Schrankenregelung zur (eingeschränkten) Privilegierung nutzergenerierter Medieninhalte würde nicht nur eine bereits millionenfach17 stattfindende sozialtypische Verhaltensweise18 der Bevölkerung legitimiert und damit maßgeblich zur Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Internet beigetragen, sondern vor allem auch den betroffenen Urheberrechtsinhabern ein zusätzlicher finanzieller Vorteil gewährt. Die verwertungsgesellschaftspflichtige gesetzliche Lizenz zur Erzeugung und Veröffentlichung von UGC würde Urhebern und Rechteinhabern nämlich zu einer Vergütung verhelfen, die sich angesichts der unkontrollierbaren Nutzungsvorgänge im Web 2.0 ohne sie nicht in vergleichbarer Weise erzielen lässt. § 52 c VerfE käme somit auf beiden Seiten des Interesses eine fördernde Wirkung zu, womit die Vorschrift aus verfassungsrechtlicher Sicht für den angestrebten Interessenausgleich im Web 2.0 zweifellos geeignet wäre. 12
Vgl. BVerfGE 24, 367, 389; 25, 112, 117. Von einer grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des gesetzgeberischen Instruments der gesetzlichen Lizenz gehen insb. aus Hilty, Verbotsrecht vs. Vergütungsanspruch, S. 325, 339 f. sowie Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 465 unter Hinweis auf Grzeszick, ZUM 2007, 344, 353. Siehe hierzu auch Förster, Fair Use, S. 170: „Der Gesetzgeber wird durch die Institutsgarantie nicht gehindert, Schrankenvorschriften einzuführen, solange er das Urheberrecht als System privater Ausschließlichkeitsrechte unangetastet lässt.“ 14 Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 139. 15 Vgl. Jarass/Pieroth, GG, Vor Art. 1 Rn. 49. 16 Vgl. Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 38. 17 Siehe hierzu bereits oben: „Quantifizierung des betroffenen Personenkreises“, Kapitel 7, S. 364. 18 Siehe hierzu bereits oben: „Sozialtypische Verhaltensweise als Privilegierungsgrund“, Kapitel 7, S. 367 ff. 13
B. Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Vorgaben
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2. Erforderlichkeit der Schranke Der vom Verfasser entwickelte Privilegierungstatbestand müsste weiters auch erforderlich sein. Eine rechtsbeschränkende Norm ist erforderlich im Sinne des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wenn der mit ihr verfolgte Zweck nicht durch eine gleich wirksame, aber Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG weniger belastende Regelung erreicht werden kann.19 Fraglich ist daher, ob die genannte Schranke auch das mildeste Mittel zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen darstellt. Angesichts der Tatsache, dass eine flächendeckende Regulierung unkontrollierbarer Massennutzungen de facto nur über eine zweckorientierte Schrankenregelung erreicht werden kann, führt an einer pauschalen Einschränkung der betroffenen urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrechte praktisch kein Weg vorbei. Im Gegensatz zu der sich ebenfalls in der Diskussion befindlichen uneingeschränkten „Kultur-Flatrate“20 wurde die Anwendbarkeit von § 52 c VerfE jedoch zum einen von seiner Inanspruchnahme zum Zwecke der (gruppen-)identitätsstiftenden öffentlichen Kommunikation und zum anderen davon abhängig gemacht, dass die von ihm privilegierten Nutzungshandlungen die „normale Auswertung“ der betroffenen Werke und Leistungen nicht beeinträchtigen. Darüber hinaus wurde vorliegend bewusst die Konstruktion einer gesetzlichen Lizenz gewählt, bei der der Grundrechtseingriff durch die gleichzeitige Gewährung eines kompensierenden Vergütungsanspruchs abgefedert und damit sichergestellt wird, dass der durch die Institutsgarantie „grundgesetzlich geschützte Kern des Urheberrechts“21 unberührt bleibt. Eine weniger belastende Maßnahme zur Ermöglichung eines vergleichbaren urheberrechtlichen Gestaltungsfreiraums für prosumierende Bevölkerungsmitglieder ist aus Sicht des Verfassers derzeit nicht denkbar. Es ist daher insgesamt kein milderes Mittel ersichtlich, das die durch das Web 2.0 hervorgerufene urheberrechtliche Konfliktlage im Zusammenhang mit dem Phänomen des UGC auf ebenso effektive Weise zu lösen vermag, womit die Einführung einer UGC-Schranke in Form einer gesetzlichen Lizenz auch erforderlich wäre. 3. Angemessenheit der Schranke Die dritte und letzte Stufe der verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt schließlich, dass die Schranke auch angemessen ist, d. h. dass die betroffenen Urheber und Rechteinhaber durch sie nicht übermäßig oder unzumutbar belastet werden. Maßgeblich für die Beurteilung der Angemessenheit der Schranke ist das Verhältnis zwischen der durch sie bewirkten Eigentumsbeschränkung und der mit ihr bezweckten bzw. erzielten Gemeinwohlsteigerung. Durch die Schrankenregelung muss ein annähernd ausgewogenes Verhältnis zwischen der Eingriffsschwere und 19
Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 140. Siehe hierzu bereits oben: „Substitutionsgefahr als Privilegierungshindernis“, Kapitel 7, S. 365 f. 21 Vgl. BVerfGE 31, 229, 241 – Kirchen- und Schulgebrauch. 20
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9. Kapitel: Vereinbarkeit des Regelungsvorschlags mit verbindlichen Schrankenvorgaben
dem Eingriffsnutzen, mithin eine gewisse „Proportionalität in der Zweck-MittelRelation“ erreicht werden.22 Dabei müssen die für die Zulässigkeit der Nutzung ins Feld geführten Allgemeinwohlbelange um so bedeutender sein, je stärker der grundrechtlich geschützte Bereich des Urheberrechts beeinträchtigt wird.23 Obwohl der Gesetzgeber verfassungsrechtlich dazu verpflichtet ist, dem Urheber die vermögenswerten Ergebnisse seiner schöpferischen Leistung grundsätzlich zuzuordnen, resultiert aus der Eigentumsgarantie nicht das Erfordernis, dem Schöpfer jede denkbare Verwertungsmöglichkeit seines Werkes ausschließlich zuzuweisen.24 Seine Aufgabe besteht vielmehr darin, „bei der inhaltlichen Ausprägung des Urheberrechts sachgerechte Maßstäbe festzulegen, die eine der Natur und sozialen Bedeutung des Rechts entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung sicherstellen.“25 Dabei kann die grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der geistig-schöpferischen Leistung an den Urheber durch Gewährung eines Ausschließlichkeitsrechtes bei Vorliegen schutzwürdiger Interessen der Allgemeinheit in Anbetracht der verfassungsrechtlich verankerten Sozialbindung auch zum bloßen Vergütungsanspruch herabgestuft werden;26 greift ein „gesteigertes öffentliches Interesse“27 Platz, d. h. wiegen die Erwägungen des Gemeinwohls so schwer, dass ihnen auch bei Betrachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Vorrang vor dem grundrechtlich geschützten Anspruch des Urhebers zukommt, dann kann auch der Vergütungsanspruch entfallen.28 Die hinter einer ersatzlosen Aufhebung stehenden Gründe des Gemeinwohls müssen dann jedoch derart beschaffen sein, dass gerade die Unentgeltlichkeit der Verwertung erforderlich ist.29 Wie die Ausführungen zur Privilegierungswürdigkeit des durch das Web 2.0 neu entstandenen Verwertungsanliegens gezeigt haben, besteht für die gesetzliche Privilegierung nutzergenerierter Medieninhalte nach hier vertretener Auffassung zwar ein durchaus „berechtigtes“ öffentliches Interesse, das es rechtfertigt, eine zustimmungsfreie Verwendung fremder, bereits veröffentlichter Leistungsergebnisse zur Erzeugung von soziologisch motiviertem UGC heranzuziehen.30 Ein zwingendes Erfordernis, den betroffenen Urhebern und Rechteinhabern nicht nur ihren urhe22
Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 140. Vgl. Schricker/Melichar, Vor §§ 44 a ff. Rn. 9 unter Hinweis auf BVerfGE 49, 382, 400 – Kirchenmusik. 24 Vgl. Peukert in: Berger/Macciacchini, Populäre Irrtümer im Urheberrecht, S. 48; näher zur Ausgestaltung der Eigentumsgarantie durch Bestimmung von Inhalt und Schranken des UrhR durch den Gesetzgeber siehe bereits oben: „Urheberrechtsschranken als Ergebnis verfassungsrechtlicher Sozialbindung“, Kapitel 6, S. 164 ff. 25 Vgl. BVerfGE 49, 382, 392 – Kirchenmusik (Hervorh. d. Verf.). 26 Siehe hierzu insb. die Entscheidungen BVerfGE 31, 229 ff. – Kirchen- und Schulgebrauch, BVerfGE 31, 270, 271 – Schulfunksendungen sowie BVerfGE 49, 382, 384 – Kirchenmusik. 27 Vgl. etwa BVerfGE 31, 229, 243 – Kirchen- und Schulgebrauch (Hervorh. d. Verf.). 28 Vgl. Schricker/Schricker, Einl. Rn. 12. 29 Vgl. Lerche, Fragen sozialbindender Begrenzungen urheberrechtlicher Positionen, S. 104. 30 Zur Vermeidung von Wiederholungen sei an dieser Stelle auf die Ausführungen in Kapitel 7 verwiesen: „Privilegierungswürdigkeit des Verwertungsanliegens“, Kapitel 7, S. 365 ff. 23
B. Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Vorgaben
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berrechtlichen Verbotsanspruch, sondern darüber hinaus auch ihren gesetzlichen Vergütungsanspruch für die privilegierten Nutzungshandlungen zu nehmen, vermag der Verfasser jedoch nicht zu erkennen. So ist es zwar unbedingt erforderlich, die prosumierenden Internetnutzer selbst von einer (unmittelbaren) Abgabepflicht zu befreien, da – abgesehen von den in der Praxis wohl kaum zu bewältigenden organisatorischen Problemen und unverhältnismäßigen Kosten einer entsprechenden Vergütungseinziehung und deren Verteilung – anderenfalls die zu fördernde sozialtypische Partizipation der Bevölkerung an der kollaborativen Gestaltung des Internets künftig wohl nicht mehr in vergleichbarer Weise stattfinden würde. Denn es ist kaum vorstellbar, dass die ausschließlich „privat“ agierenden Internetnutzer bereit wären, für jeden einzelnen urheberrechtlich relevanten Nutzungsvorgang im Zusammenhang mit ihrer prosumierenden Tätigkeit – soweit diese lediglich zur persönlichen Identitätsbildung sowie der Herstellung und Aufrechterhaltung sozialer Kontakte dient – eine Vergütung zu entrichten. Hier herrscht vielmehr ein klassisches Marktversagen.31 Möglich und zumutbar erscheint es demgegenüber, diejenige Personengruppe zu einer kompensierenden Urheberrechtsabgabe heranzuziehen, die wirtschaftlich in nicht unerheblichem Maß von der Publikationsfreudigkeit der Bevölkerung mittelbar profitiert. Dies sind in erster Linie die wirtschaftlich verantwortlichen Betreiber der einschlägigen UGC-Plattformen, die die technische Infrastruktur zur öffentlichkeitswirksamen Kommunikation und identitätsstiftenden Publikation mittels UGC bereitstellen und die Nutzerbeiträge i. d. R. mit (kontextrelevanter) Werbung Dritter flankieren.32 Das Urheberrecht der Informationsgesellschaft muss sicherstellen, dass die von ihm geschützten Leistungsergebnisse als digitale Güter auch unter den Bedingungen moderner Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere im Internet, noch als Ware gehandelt werden können. Dabei muss durch die urheberrechtlichen Schranken zwar den berechtigten Interessen der Allgemeinheit im Zeitalter des Web 2.0 angemessen Rechnung getragen, gleichzeitig jedoch darauf geachtet werden, dass die Akkumulation des Kapitals nicht gefährdet wird.33 Das verfassungsrechtlich geschützte Verwertungsinteresse des Urhebers muss einerseits zwar gesichert, andererseits aber auch beschränkt werden, damit die gesellschaftliche Innovationsdynamik nicht beeinträchtigt wird. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich bei den Schranken des Urheberrechts also um ausgehandelte Kompromisse, die vor dem Hintergrund der sich stetig fortentwickelnden technischen und gesellschaft31
Näher zum Marktversagen als Rechtfertigungsgrund für den Ersatz urheberrechtlicher Verbotsansprüche durch gesetzliche Vergütungsansprüche Hilty, Verbotsrecht vs. Vergütungsanspruch, S. 325, 337 ff.; s.a. Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 467. 32 Ausführlich zu den verschiedenen Geschäftsmodellen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von UGC siehe oben: „3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content“, S. 42 ff. sowie „Veröffentlichung der Medieninhalte im Internet“, Kapitel 4, S. 86 ff.; ergänzend zur rechtspolitischen Opportunität der Einführung einer kompensierenden UGC-Abgabe zu Lasten mittelbar privilegierter Webseitenbetreiber siehe oben: „Einführung eines kompensierenden Vergütungsanspruchs“, Kapitel 8, S. 386 ff. 33 Vgl. hierzu auch Nuss, Copyright & Copyriot, S. 227.
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9. Kapitel: Vereinbarkeit des Regelungsvorschlags mit verbindlichen Schrankenvorgaben
lichen Realität permanent überprüft und ggf. neu „verhandelt“ werden müssen.34 Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die „Schmerzgrenze“ dabei spätestens dort erreicht, wo die Kosten für das Gemeinwohl und die durch die technische Entwicklung entstandenen „paritätischen Verhältnisse“ die Akkumulationsrate des Kapitals gefährden.35 Um dies zu verhindern, würde § 52 c VerfE nur solche Nutzungshandlungen privilegieren, die erstens zum Zwecke der persönlichen Identitätsbildung oder sozialen Beziehungspflege in einem öffentlichen Netzwerk erforderlich sind, denen zweitens keinerlei Erwerbszweck zugrunde liegt und die drittens kein die normale Auswertung beeinträchtigendes Werksubstitut hervorbringen. Bereits durch diese Einschränkungen würde der gesetzgeberische Eingriff in das grundrechtlich geschützte Eigentum auf ein Minimum reduziert. Um den Urheberrechtsinhabern darüber hinaus eine finanzielle Partizipationsmöglichkeit an den Früchten ihrer Arbeit zu gewähren, sieht der Entwurf ergänzend einen verwertungsgesellschaftspflichtigen Vergütungsanspruch für die Inanspruchnahme der Privilegierung vor, durch den der Grundrechtseingriff zusätzlich abgefedert würde. Kann dem Urheber damit de lege ferenda mit einer Schrankenregelung eine Vergütung gesichert werden, die sich – trotz entsprechender Rechtsgrundlage – derzeit ohne sie praktisch nicht realisieren lässt, dann ist in einer zielorientierten Betrachtungsweise diese Vergütungsmöglichkeit dem Weg über das Ausschließlichkeitsrecht vorzuziehen.36 Schließlich trägt der hier vorgeschlagene Lösungsweg auch dazu bei, der bedenklichen Entwicklung einer übermäßigen Pönalisierung der Bevölkerung im Web 2.0 entgegenzuwirken. Zentrales Anliegen des Urheberrechts der Zukunft muss es nämlich auch sein, zu verhindern, dass sich die Nutzer im Bereich der unkontrollierbaren Massennutzung im Zustand des ständigen Rechtsbruchs befinden.37 Gerade in einer Informationsgesellschaft kann ein überzogener Urheberschutz der Akzeptanz des Urheberrechts nur schaden und systemsprengende Gegenreaktionen auslösen,38 wie die teilweise Forderung nach einer verfassungsrechtlich nicht zurechtfertigenden „Kultur-Flatrate“ eindrucksvoll belegt. Demgegenüber würde der hier diskutierte Regelungsvorschlag nicht nur dazu beitragen, dass das Urheberrecht von der Bevölkerung auch im Internet (wieder) als gerechter Regulierungsrahmen akzeptiert wird, sondern auch zu einer spürbaren Entlastung der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte führen, wenn den zahlreichen Ermittlungs- und Gerichtsverfahren wegen
34 Ähnlich auch Reinbothe, der im Urheberrecht einen regelmäßig zu hinterfragenden und zu erneuernden „Pakt“ zwischen den Rechtsinhabern und der Gesellschaft sieht (vgl. Reinbothe, GRUR Int. 2001, 733). 35 Vgl. Johannes Agnoli, zit. nach Nuss, Copyright & Copyriot, S. 229. 36 So zutreffend Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 467; im Ergebnis ebenso Hilty, GRUR 2005, 819, 827 f. 37 Siehe hierzu auch die wegweisende Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichts, Urteil vom 26. Juni 2007 – 4C.73/2007 – Presseausschnitt- und Dokumentationslieferdienst, ZUM 2009, 84 ff. 38 Vgl. Schack, Urheberrechtliche Schranken, übergesetzlicher Notstand und verfassungskonforme Auslegung, S. 511, 520.
C. Vereinbarkeit mit europarechtlichen Schrankenvorgaben
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wirtschaftlich bedeutungsloser sozialtypischer Verhaltensweisen prosumierender Privatpersonen die juristische Grundlage entzogen würde. Im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung stehen den mit der vorgeschlagenen UGC-Schranke verbundenen Beeinträchtigungen auf Seiten der Urheber und Rechteinhaber folglich ausreichend akzentuierte Gemeinwohlbelange gegenüber, die einen entsprechenden Grundrechtseingriff rechtfertigen würden. Die Einführung von § 52 c VerfE wäre damit auch angemessen im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und somit insgesamt verfassungsrechtlich zulässig.
C. Vereinbarkeit mit europarechtlichen Schrankenvorgaben Die Ergänzung des deutschen Urheberrechtsgesetzes um die vom Verfasser entwickelte UGC-Schranke müsste ferner auch mit europäischem Recht vereinbar sein. Verbindliche Vorgaben für die Ausgestaltung nationaler urheberrechtlicher Schrankenregelungen finden sich in zahlreichen europäischen Richtlinien mit urheberrechtlichen Regelungsgegenständen, von denen jedoch nur die EG-Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft (HRL)39 generelle Vorgaben von übergreifender Bedeutung enthält. Auf sie soll die nachfolgende Überprüfung von § 52 c VerfE beschränkt werden.
I. Handlungsspielraum nach der Harmonisierungsrichtlinie Die HRL sieht ein durchweg hohes Schutzniveau im Bereich des geistigen Eigentums vor und lässt den Mitgliedsstaaten durch die in Art. 5 HRL vorgesehene abschließende Aufzählung40 möglicher Ausnahmetatbestände zu den in Art. 2–4 HRL garantierten Verwertungsrechten nur einen sehr geringen Spielraum zur Einführung neuer Schrankenregelungen.41 Denn aufgrund der enumerativen Aufzählung der gewährten Schranken-Optionen dürfen Mitgliedstaaten nur dann urheberrechtliche Schranken vorsehen, sofern sie durch eine der Ermächtigungen in Art. 5 HRL gedeckt sind.42 Bei der Durchsicht der für vorliegende UGC-Schranke grundsätzlich in Betracht kommenden Einzeltatbestände in Art. 5 Abs. 2 und 3 HRL fällt auf, dass 39 Richtlinie 2001/29/EG vom 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. 40 Siehe hierzu Erwägungsgrund (32): „Die Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Wiedergabe sind in dieser Richtlinie erschöpfend aufgeführt.“ (vgl. Walter in: Walter, Europäisches Urheberrecht, Info-RL, Rn. ErwG 32 (Hervorh. d. Verf.); s.a. Reinbothe, GRUR Int. 2001, 733, 737. 41 Kritisch hierzu Peukert in: Berger/Macciacchini, Populäre Irrtümer im Urheberrecht, S. 39 ff. 42 Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 124.
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9. Kapitel: Vereinbarkeit des Regelungsvorschlags mit verbindlichen Schrankenvorgaben
diese durchweg sehr konkrete, in den Mitgliedsstaaten bereits bekannte Verwertungssituationen umschreiben, für welche sie situationsspezifische Maximalvorgaben statuieren.
II. Unvereinbarkeit des Regelungsvorschlages mit Art. 5 HRL Vor dem Hintergrund des hierdurch stark eingeschränkten Handlungsspielraums nationaler Urheberrechtsgesetzgeber liegt die Antwort auf die Frage der Vereinbarkeit eines neuen Schrankentatbestands zur Privilegierung der erlaubnisfreien Vervielfältigung, Bearbeitung und öffentlichen Zugänglichmachung fremder Werke und Leistungen in Form von nutzergenerierten Medieninhalten mit den in Art. 5 HRL vorgesehenen Ermächtigungen auf der Hand: er wäre es derzeit nicht.43 Denn von den in Art. 5 Abs. 2 HRL beschriebenen Lebenssachverhalten käme hier allenfalls Art. 5 Abs. 2 lit. b) HRL in Betracht, der Ausnahmen oder Beschränkungen „in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung [erlaubt], dass die Rechteinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten [. . . ].“ Unabhängig davon, ob die in § 52 c Abs. 2 S. 1 VerfE vorgesehene mittelbare Privilegierung der kommerziell tätigen Plattformbetreiber der Floskel „weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke“ zum Opfer fallen würde,44 stellt sich auch auf europäischer Ebene vorrangig das Problem, dass der privilegierte „private Gebrauch“ jedenfalls eine Weitergabe der Kopie an die Öffentlichkeit ausschließt.45 Jedoch selbst wenn man unter Berücksichtigung der durch das Web 2.0 verschobenen Öffentlichkeitsgrenzen sowie den rein privat motivierten sozialen Nutzungshandlungen einen „privaten Gebrauch“ annähme, würde dies nicht darüber hinweghelfen, dass Art. 5 Abs. 2 HRL lediglich die Erlaubnis zur Einschränkung des Vervielfältigungsrechts erteilt. Eine Schranke, die – wie der vorliegend zu beurteilende Regelungsvorschlag – neben dem Vervielfältigungsrecht auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung einschränken muss, wäre hingegen nur in den Fällen des Art. 5 Abs. 3 HRL zulässig. Die einzige Ermächtigungsnorm des Art. 5 Abs. 3 HRL, die keinen spezifischen Privilegierungszweck erfordert und damit grundsätzlich auch eine Berücksichtigung 43
Eine Unvereinbarkeit einer UGC-Schranke mit der HRL nimmt auch an Gowers, Gowers Review of Intellectual Property, S. 68: „At present it would not be possible to create a copyright exception for transformative use as it is no tone of the exceptions set out as permitted in the Information Society Directive.“ Im Übrigen geht selbst die EU-Kommission davon aus, dass „die Richtlinie derzeit keine Ausnahme enthält, die es erlauben würde, bestehende urheberrechtlich geschützte Inhalte zur Schaffung neuer oder abgeleiteter Werke zu nutzen.“ (vgl. Grünbuch 2008 – Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft, S. 20). 44 Für eine strenge Auslegung in diesem Sinne wohl Bayreuther, ZUM 2001, 828, 832; ebenso Reinbothe, GRUR Int. 2001, 733, 739. 45 Siehe ergänzend hierzu die Ausführungen oben: „Verbot der öffentlichen Wiedergabe“, Kapitel 6, S. 295 f.
C. Vereinbarkeit mit europarechtlichen Schrankenvorgaben
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solcher privilegierungswürdiger Verwertungsanliegen ermöglichte, die nicht explizit in dem Katalog des Art. 5 HRL genannt sind, ist die sog. „Auffangklausel“ des Art. 5 Abs. 3 lit. o) HRL. Aber auch sie bietet vorliegend keine taugliche Legitimationsgrundlage für § 52 c VerfE. Denn zum einen handelt es sich bei ihr genau genommen nur um eine schrankenrechtliche „Bestandschutzklausel“, die es den Mitgliedsstaaten ermöglicht, solche Schranken weiterhin beizubehalten, die bereits „in einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind“; zum anderen gilt die Vorschrift unabhängig von Sinn und Zweck der zu rechtfertigenden Ausnahme nur für nicht-digitale, d. h. „analoge Nutzungen“, weshalb sie für UGC bereits von vornherein ausscheidet. Da schließlich auch der in Art. 5 Abs. 5 HRL vorgesehene europarechtliche „Drei-Stufen-Test“ nur auf die in der HRL bereits genannten Ausnahmetatbestände Anwendung findet und so keine weitergehenden Ausnahmen ermöglicht, sondern lediglich schutzerhöhend wirkt, kommt auch diese Norm nicht als Ermächtigungsgrundlage zur Einführung einer UGC-Schranke in Frage.
III. Reformbedürftigkeit der Harmonisierungsrichtlinie Die Unvereinbarkeit des vom Verfasser entwickelten Privilegierungstatbestands mit den europäischen Schrankenvorgaben aus der HRL verdeutlichen den innovationshemmenden Charakter dieser EG-Richtlinie. Dies macht eine (Wieder-)Herstellung eines gerechten Interessenausgleichs zwischen Urheberrechtsinhabern und der Allgemeinheit im Web 2.0 – unabhängig von Gegenstand und Gewicht des betreffenden Privilegierungsgrundes – auf nationaler Ebene derzeit unmöglich. Ebenso wie im deutschen Urheberrecht hat auch auf europäischer Ebene die nur einseitig erfolgte Anpassung der urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrechte an die Anforderungen des Internets, insbesondere die Verpflichtung der Mitgliedstaaten den Urhebern das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ihrer Werke zu gewähren, bei gleichzeitiger Normierung eines abschließenden und damit unzureichend flexiblen Katalogs an möglichen Schrankenregelungen zu einem Interessenungleichgewicht zulasten der Allgemeinheit geführt, das eines korrigierenden Eingriffs bedarf. Ebenfalls auf die behindernde Wirkung des limitierten Schrankenkatalogs der HRL hinweisend, welche die Informationsgesellschaft – paradoxerweise – noch weitgehend an das analoge Zeitalter binde, fordert auch Hilty zu Recht eine entsprechende Weiterentwicklung des europäischen Rechts: „Schließlich kann die Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft kaum die letzte Antwort auf die laufende technologische und gesellschaftliche Entwicklung gewesen sein.“46 Die Reformbedürftigkeit der HRL im Zeitalter des Web 2.0 hat zwischenzeitlich auch die EU-Kommission erkannt, die in ihrem Grünbuch 2008 ausdrücklich die Ergänzung der HRL um Ausnahmetatbestände für eine Reihe neuartiger Verwertungssituationen in Erwägung zieht.47 Die Kombination aus umfassenden ausschließlichen Rechten 46 47
Vgl. Hilty, Verbotsrecht vs. Vergütungsanspruch, S. 325, 342; s.a. Hilty, GRUR 2005, 819, 828. Vgl. Grünbuch 2008 – Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft, S. 20 f.
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9. Kapitel: Vereinbarkeit des Regelungsvorschlags mit verbindlichen Schrankenvorgaben
einerseits und bestimmten begrenzten Ausnahmen andererseits werfe nämlich die Frage auf, ob mit der erschöpfenden Ausnahmenliste der Richtlinie ein angemessener Rechts- und Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern und Nutzern erreicht werden könne.48 Neue Technologien sowie gesellschaftliche und soziale Praktiken würden diesen Ausgleich permanent gefährden. Es stelle sich daher insbesondere die Frage, ob es angesichts der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Internet-Technologien und der weit verbreiteten Erwartungen von Wirtschaft und Gesellschaft noch angemessen ist, sich auf eine Liste nicht verbindlicher Ausnahmen zu stützen.49 Die durch das Phänomen nutzergenerierter Medieninhalte aufkommende urheberrechtliche Konfliktlage richtig einschätzend, hat Gowers bereits 2006 in seinem „Gowers Review of Intellectual Property“ eine Berichtigung der HRL vorgeschlagen, um die Einführung einer Schranke zu ermöglichen, die kreative, transformative bzw. abgeleitete Werke im Rahmen der durch den „Drei-Stufen-Test“ festgelegten Vorgaben erlaubt.50 Diesen visionären Vorschlag greift die Kommission in ihrem Grünbuch ausdrücklich auf und stellt in dem Papier explizit zur Diskussion, ob die „Richtlinie um eine Ausnahme für von Nutzern geschaffene Inhalte erweitert werden“ sollte.51 Auf der Basis der in vorliegender Untersuchung gefundenen Ergebnisse kann diese Frage grundsätzlich bejaht werden.
D. Vereinbarkeit mit dem Drei-Stufen-Test Für die Herstellung eines rechtswirksamen Interessenausgleichs im Web 2.0 ist schließlich noch erforderlich, dass sowohl die Einführung von § 52 c VerfE in das deutsche UrhG als auch die hierfür auf europäischer Ebene erforderliche Flexibilisierung der HRL den Vorgaben des sog. „Drei-Stufen-Tests“ genügen würde. Zur Einhaltung dessen Vorgaben hat sich die Bundesrepublik Deutschland durch mehrere Staatsverträge völkerrechtlich verpflichtet.52 Als internationale „Schranken-Schranke“ findet sich der Drei-Stufen-Test in nahezu identischer Form in allen wichtigen urheberrechtlichen Staatsverträgen, womit er sich mittlerweile als entscheidender konventionsrechtlicher Maßstab für die Beschränkung von Urheberrechten durchgesetzt hat.53 Nach Art. 9 Abs. 2 RBÜ, Art. 13 TRIPs und Art. 10 WCT 48
Vgl. Grünbuch 2008 – Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft, S. 21. Vgl. Grünbuch 2008 – Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft, S. 6. 50 Vgl. Gowers, Gowers Review of Intellectual Property, S. 68: „Recommendation 11: Propose that Directive 2001/29/EC be amended to allow for an exception for creative, transformative or derivative works, within the parameters of the Berne Three-Step-Test.“ 51 Vgl. Grünbuch 2008 – Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft, S. 21. 52 Ausführlich zu den verbindlichen Schrankenvorgaben aus urheberrechtlichen Staatsverträgen einschließlich der teilweise divergierenden Voraussetzungen siehe Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 107 ff. 53 Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 107. 49
D. Vereinbarkeit mit dem Drei-Stufen-Test
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ist eine Urheberrechtsschranke nur dann zulässig, wenn sie einen bestimmten Sonderfall betrifft (I), die normale Verwertung des Werkes nicht beeinträchtigt (II) und die berechtigten Interessen des Urhebers (RBÜ, WCT) bzw. Rechtsinhabers (TRIPs) nicht unzumutbar verletzt (III).54
I. Bestimmter Sonderfall Um die erste Teststufe zu bestehen, müsste es sich bei § 52 c VerfE zunächst um eine Schrankenregelung handeln, die einen „bestimmten Sonderfall“ regelt. Auch wenn im Schrifttum im Einzelnen umstritten ist, welche Eigenschaften eine Schranke erfüllen muss, um der Anforderung des bestimmten Sonderfalls zu genügen,55 dürfte wohl insoweit Einigkeit bestehen, dass die Voraussetzung zumindest dann gegeben ist, wenn die Schranke einen spezifischen Nutzungszweck 56 privilegiert.57 Die vorliegend diskutierte UGC-Schranke verfolgt den Zweck, natürlichen Personen die erlaubnisfreie, ausschließlich nicht-kommerzielle Nutzung fremder Werke und Leistungen zu gestatten, soweit dies zu ihrer persönlichen Identitätsbildung und sozialen Beziehungspflege im Web 2.0 erforderlich ist. Da der (unmittelbar) von § 52 c VerfE begünstigte Adressatenkreis durch die Bezugnahme auf Privatpersonen klar bestimmt und die Reichweite der Privilegierung zudem auf all diejenigen Handlungen beschränkt wurde, die zu identitätsstiftenden öffentlichen Kommunikationszwecken vorgenommen werden, bezieht sich der Regelungsvorschlag zweifellos auf einen bestimmten Sonderfall im Sinne des Drei-Stufen-Tests.
II. Beeinträchtigung der normalen Auswertung Der Regelungsvorschlag müsste ferner so gestaltet sein, dass er die „normaleAuswertung“ der von ihm eingeschränkten Schutzgegenstände nicht beeinträchtigt. Diese Voraussetzung ist vorliegend bereits deshalb erfüllt, weil der Wortlaut der zweiten Teststufe in die eigenständige Rückausnahme des § 52 c Abs. 1 S. 2 VerfE übernommen und so zur zusätzlichen Privilegierungsvoraussetzung erhoben wurde.58 Der 54
Allgemein zur Auslegung des „Drei-Stufen-Tests“ siehe die Erklärung von Geiger/Griffiths/ Hilty/Suthersanen, GRUR Int. 2008, 822 ff. 55 Eingehend zum Streitstand siehe Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 112 ff. 56 So Bornkamm, Der Dreistufentest als urheberrechtliche Schrankenbestimmung, S. 45 f. 57 Vgl. hierzu Geiger/Griffiths/Hilty/Suthersanen, GRUR Int. 2008, 822, 824; Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 113; Jehoram, GRUR Int. 2001, 807, 808; Senftleben, GRUR Int. 2004, 200, 207; Hilty, Verbotsrecht vs. Vergütungsanspruch, S. 325, 343 f.; Hilty, GRUR 2005, 819, 825. 58 Für die Zulässigkeit der unmittelbaren Übernahme des Drei-Stufen-Tests in nationales Recht Geiger/Griffiths/Hilty/Suthersanen: „Der Drei-Stufen-Test erfüllt auf verschiedenen Regelungsebenen und in verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedliche Funktionen. Auf internationa-
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9. Kapitel: Vereinbarkeit des Regelungsvorschlags mit verbindlichen Schrankenvorgaben
Verfasser trägt damit dem Umstand Rechnung, dass der Drei-Stufen-Test heute bereits jegliche Debatten über die Zukunft urheberrechtlicher Schrankenbestimmungen beeinflusst und darüber hinaus zunehmend Einzug in die nationalen Gesetzgebungen findet.59 Da die im Drei-Stufen-Test verankerte Schranken-Schranke somit selbst Bestandteil des zu überprüfenden Regelungsvorschlags ist, ist eine Beeinträchtigung der normalen Auswertung der zur Erzeugung und Veröffentlichung von UGC verwendeten Ausgangsmaterialen durch § 52 c VerfE bereits rechtstechnisch ausgeschlossen. Fraglich bleibt damit allenfalls, ob der auf diese Weise eingeschränkten UGCSchranke überhaupt noch ein hinreichender Anwendungsbereich zukommt, bzw. inwieweit die typischen, vom Verfasser mit § 52 c Abs. 1 S. 1 VerfE anvisierten Fälle der Erstellung nutzergenerierter Medieninhalte zu einer Beeinträchtigung der normalen Auswertung im Sinne des Drei-Stufen-Tests führen könnten. Richtiger Auffassung zufolge bezeichnet der Begriff der „normalen Auswertung“ den Kreis derjenigen Nutzungshandlungen, von denen ein Urheber vernünftigerweise erwarten kann, dass sie ihm für eineVerwertung seines Werkes zustehen.60 Dies sind zwar nicht nur alle bisher üblichen Verwertungshandlungen, sondern grundsätzlich auch alle zukünftig noch entstehenden Verwertungsformen, von denen mit einem ausreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit und Plausibilität erwartet werden kann, dass ihnen eine eigenständige ökonomische und praktische Bedeutung zukommen wird.61 Von einer Beeinträchtigung der normalen Auswertung kann nach hier vertretener Auffassung jedoch nur dann gesprochen werden, wenn die betreffende Schranke die Rechtsinhaber – direkt oder indirekt – einer aktuellen oder potentiellen Einnahmequelle beraubt.62 Denn mit der zweiten Teststufe sollen vor allem die „intakten Marktsegmente“ geschützt werden,63 in denen der Urheber seinen Beteiligungsanspruch mittels seines Verbotsrechts realisieren kann. Umgekehrt bedeutet dies jedoch auch, dass ein neu entstandenes Verwertungsanliegen die „normale Auswertung“ eines urheberrechtlichen Schutzgegenstands zumindest so lange nicht beeinträchtigt, als hinsichtlich der Lizenzierung der ihm zugrunde liegenden Nutzungshandlungen ein Marktversagen herrscht und die hieraus resultierenden Leistungsergebnisse keine kostenlos verfügbaren Werksubstitute verkörpern. Ähnlich wie im Fall der Privatkopie nach § 53 UrhG lässt sich auch im Bereich der nutzergenerierten Medieninhalte aufgrund der massenhaften und ler Ebene kontrolliert er die staatliche Autonomie bei der Gestaltung nationaler Ausnahmen und Beschränkungen. Auf der nationalen Ebene kann er unmittelbar übernommen werden oder lediglich als Auslegungshilfe bei der Interpretation nationalen Rechts dienen.“ (vgl. Geiger/Griffiths/Hilty/Suthersanen, GRUR Int. 2008, 822, 824 (Hervorh. d. Verf.)). 59 Vgl. Geiger/Griffiths/Hilty/Suthersanen, GRUR Int. 2008, 822. 60 Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 116 m.w.N. 61 Ähnlich auch Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 117. 62 Vgl. Senftleben, GRUR Int. 2004, 200, 209. 63 So zutreffend Senftleben, GRUR Int. 2004, 200, 208.
D. Vereinbarkeit mit dem Drei-Stufen-Test
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praktisch unkontrollierbaren Nutzungsvorgänge ein klassisches Marktversagen beobachten. Wie bereits erwähnt, stellen die von § 52 c Abs. 1 S. 1 VerfE erfassten Nutzungshandlungen einzelner prosumierender Bevölkerungsmitglieder damit weder aktuell noch in absehbarer Zukunft eine (potentielle) Einnahmequelle für Urheber oder sonstige Rechtsinhaber dar.64 Nachdem die zu den privilegierten sozialen Zwecken publizierten Medieninhalte i. d. R. auch keine tauglichen Werksubstitute sind, kann insgesamt davon ausgegangen werden, dass die Privilegierung der von denprosumierenden Internetnutzern vorgenommenen Nutzungshandlungen ohne merkliche Beeinträchtigung für die normale Werkverwertung im Sinne der zweiten Teststufe bliebe. Problematisch könnte hier höchstens die – aus praktischer Sicht unvermeidliche – komplementäre Privilegierung der von den Plattform- bzw. Webseitenbetreibern als technischen Dienstanbietern vorgenommenen Verwertungshandlungen sein. Zu beachten ist hier jedoch, dass die Privilegierung der Betreiber der technischen Wiedergabeeinrichtungen normtextlich davon abhängig gemacht wurde, dass die sie nutzenden Prosumenten ihrerseits sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 52 c Abs. 1 VerfE erfüllen müssen.65 Damit ist die eine normale Werkverwertung beeinträchtigende Gefahr der gesetzlichen Legitimation der Bereitstellung kostenlos verfügbarer Werksubstitute in jedem Fall ausgeschlossen. Eine Beeinträchtigung der normalen Werkauswertung könnte somit allenfalls darin begründet liegen, dass die öffentliche Wiedergabe der privilegierten Nutzerbeiträge durch die mittelbar begünstigten Webseitenbetreiber regelmäßig erwerbswirtschaftlichen Zwecken dient. Denn den durch § 52 c Abs. 2 S. 1 VerfE privilegierten Nutzungsvorgängen kommt aufgrund der zahlreichen hierauf aufbauenden Geschäftsmodelle zur kommerziellen Verwertung von UGC66 durchaus eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung zu. Eine Urheberrechtsschranke beeinträchtigt die normale Auswertung des Schutzgegenstands im Sinne des Drei-Stufen-Tests jedoch dann nicht, wenn sie auf wichtigen konkurrierenden Erwägungen beruht und zusätzlich eine angemessene Vergütung für die privilegierten Nutzungshandlungen vorsieht.67 So verhält es sich hier. Wie bereits im Rahmen der Darstellung der Privilegierungswürdigkeit nutzergenerierter Medieninhalte erörtert wurde, ist es für einen effektiven Schutz des neu entstandenen Gemeinwohlinteresses an einer (gruppen-)identitätsstiftenden öffentlichen Kommunikation der Bevölkerung im Web 2.0 erforderlich und angemessen, die hierzu notwendige technische Infrastruktur akzessorisch mitzuprivilegieren.68 Da die hierdurch – quasi als Kehrseite des gewährten wirtschaftlichen Vorteils 64
Siehe hierzu bereits oben: „Keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung“, Kapitel 7, S. 369 f. Siehe hierzu die Formulierung von § 52 c Abs. 2 S. 1 VerfE: „Sofern die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, sind die öffentliche Zugänglichmachung sowie die hierfür erforderlichen Vervielfältigungen auch einem Dritten gestattet, dessen technische Einrichtung zur Wiedergabe des privilegierten Medieninhalts genutzt wird.“ 66 Siehe hierzu ausführlich oben: „3. Kapitel: Verwertungsformen für User Generated Content“, S. 42 ff. 67 Vgl. Geiger/Griffiths/Hilty/Suthersanen, GRUR Int. 2008, 822, 824. 68 Siehe hierzu oben: „Keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung“, Kapitel 7, S. 369 f. 65
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9. Kapitel: Vereinbarkeit des Regelungsvorschlags mit verbindlichen Schrankenvorgaben
rechtstheoretisch – entstehende finanzielle „Einbuße“ auf Seiten der Urheber und Rechteinhaber nicht den von der zweiten Teststufe zu schützenden „ökonomischen Kern“ des Urheberrechts betrifft, ist die Beschränkung auch konventionsrechtlich rechtfertigungsfähig.69 Völkerrechtlich zulässig wird die Schranke jedoch erst durch den in § 52 c Abs. 2 S. 2 VerfE vorgesehenen Vergütungsanspruch, der den aus Gemeinwohlgründen erforderlichen Urheberrechtseingriff finanziell kompensiert. Dass die hierbei realisierbare Vergütung ggf. geringer ausfällt, als bspw. im Falle der Einführung einer Zwangslizenz, steht der Zulässigkeit der Schranke dabei nicht entgegen. Denn wo Drittinteressen die Einführung von Ausnahmen und Beschränkungen für ausschließliche Rechte rechtfertigen, darf eine Schranke aufgrund des Drei-Stufen-Tests nicht allein deshalb für unzulässig erklärt werden, weil die Vergütung unterhalb des Marktpreises liegt.70 Da die zu erwartende Differenz zwischen tatsächlicher und theoretisch erzielbarer Marktpreisvergütung hier ebenfalls durch die überwiegenden Prosumenteninteressen gerechtfertigt werden könnte, würde die Einführung der vom Verfasser vorgeschlagenen UGC-Schranke im Ergebnis nicht nur keine Beeinträchtigung der normalen Auswertung im Sinne des Drei-StufenTests verursachen, sondern sogar eine bisher nicht erschlossene Einnahmequelle eröffnen.
III. Unzumutbare Verletzung berechtigter Interessen Als dritte und finale Prüfungsstufe sieht der Drei-Stufen-Test schließlich vor, dass eine Schrankenregelung die „berechtigten Interessen der Urheber nicht unzumutbar verletzen“ darf, womit sowohl die ideellen als auch die materiellen Interessen der betroffenen Rechteinhaber geschützt werden sollen.71 Auch diese Voraussetzung ist bereits aufgrund der erfolgten Integration dieser Teststufe in die Rückausnahme des § 52 c Abs. 1 S. 2 VerfE erfüllt. Aber auch soweit der Anwendungsbereich der UGC-Schranke eröffnet ist bzw. diese die akzessorisch privilegierten Plattformbetreiber begünstigt, liegt keine unzumutbare Verletzung der berechtigten Interessen der Urheber vor. Denn aus der Formulierung, dass nur die unzumutbare Verletzung der genannten Interessen untersagt ist, lässt sich schlussfolgern, dass der DreiStufen-Test keineswegs jede Verletzung berechtigter Urheberinteressen verbietet.72 Unzulässig sind vielmehr nur solche Schranken, durch welche die Urheberinteressen gegenüber den mit ihnen privilegierten Interessen unangemessen zurückgestellt werden. Für das Bestehen der dritten Teststufe ist somit „nur“ erforderlich, dass sich im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung feststellen lässt, dass die 69
Vgl. hierzu Senftleben, GRUR Int. 2004, 200, 209; s.a. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 118. 70 Vgl. Geiger/Griffiths/Hilty/Suthersanen, GRUR Int. 2008, 822, 824. 71 Vgl. Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld, S. 119 m.w.N. 72 Vgl. Senftleben, GRUR Int. 2004, 200, 210; siehe hierzu auch Schweizerisches Bundesgericht, Urteil vom 26. Juni 2007 – 4C.73/2007 – Presseausschnitt- und Dokumentationslieferdienst, ZUM 2009, 84, 88.
E. Ergebnis zur Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht
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Interessen der Allgemeinheit die beeinträchtigten Interessen der Urheber insgesamt überwiegen. Zu berücksichtigen sind hierbei nicht nur möglicheAlternativen zur Einführung der zu beurteilenden Ausnahmeregelung, sondern auch die Frage, ob und ggf. inwieweit die Aufhebung eines konventionsrechtlich gewährten Mindestrechts durch gesetzliche Vergütungsansprüche kompensiert wird.73 Da diese Interessenabwägung im Wesentlichen der verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung nach deutschem Recht entspricht,74 kann an dieser Stelle auf die vorstehenden Ausführungen sowie die Begründung der Vereinbarkeit des Regelungsvorschlags mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben verwiesen werden.75 Im Ergebnis wäre die Einführung des vom Verfasser entwickelten Regelungsvorschlages für einen Interessenausgleich im Web 2.0 folglich auch mit den verbindlichen Vorgaben aus dem konventionsrechtlich verankerten Drei-Stufen-Test vereinbar.
E. Ergebnis zur Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht Die Überprüfung der Vereinbarkeit der vorgeschlagenen UGC-Schranke des § 52 c VerfE in Form einer gesetzlichen Lizenz mit den verbindlichen Schrankenvorgaben hat ergeben, dass sich eine gesetzliche Privilegierung der erlaubnisfreien Verwendung fremder Werke und Leistungen zur Erstellung von sozial motiviertem UGC sowohl verfassungsrechtlich als auch konventionsrechtlich rechtfertigen ließe. Lediglich auf europäischer Ebene lässt sich ein entsprechender Interessenausgleich im Web 2.0 wegen des durch die Harmonisierungsbemühungen angestrebten hohen Schutzniveaus zugunsten der Urheber und Rechteinhaber derzeit nicht realisieren. Insbesondere der abschließende Ausnahmenkatalog des Art. 5 HRL verhindert aktuell die rechtswirksame Einführung einer neuen, durch die gewandelten technischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten notwendig gewordenen Schrankenregelung in nationales Recht. Am Beispiel des Phänomens UGC konnte der dringende Reformierungsbedarf der genannten EG-Richtlinie in der Informationsgesellschaft aufgezeigt werden. Es bleibt damit nur zu hoffen, dass der Ruf nach dem europäischen Gesetzgeber in Brüssel nicht ungehört bleibt.
73 Vgl. Bornkamm, Der Dreistufentest als urheberrechtliche Schrankenbestimmung, S. 47 f.; s.a. Senftleben, GRUR Int. 2004, 200, 211; Hilty, GRUR 2005, 819, 825. 74 Vgl. Senftleben, GRUR Int. 2004, 200, 210; Hilty, GRUR 2005, 819, 825; Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 468; Geiger, ZUM 2009, 49, 52; s.a. Schweizerisches Bundesgericht, Urteil vom 26. Juni 2007 – 4C.73/2007 – Presseausschnitt- und Dokumentationslieferdienst, ZUM 2009, 84, 88. 75 Siehe hierzu oben: „Verhältnismäßigkeit des Regelungsvorschlags“, S. 393 ff.
Gesamtergebnis
Die vorliegende Abhandlung hat gezeigt, dass die mit dem Begriff des „User Generated Content“ bezeichneten nutzergenerierten Medienbeiträge nicht nur eine Vielzahl verschiedener Formen und (Fremd-)Inhalte aufweisen können, sondern auch zu ganz unterschiedlichen Zwecken erzeugt und veröffentlicht werden. Dementsprechend fällt auch das vorliegende Untersuchungsergebnis hinsichtlich der urheberrechtlichen Zulässigkeit besagter Nutzerinhalte aus: Manche Formen von UGC sind aufgrund der Vergleichbarkeit des ihnen zugrunde liegenden Verwertungsanliegens mit den vom Gesetzgeber anerkannten Ausnahmesituationen bereits nach geltendem Recht zulässig. Andere sind es aus guten Gründen nicht. Daneben existiert heute jedoch auch eine große Zahl von Nutzerbeiträgen, die sich trotz der grundsätzlichen Privilegierungswürdigkeit des ihnen zugrunde liegenden neuen urheberrechtsrelevanten Verwertungsanliegens nicht über die geltenden Schrankenregelungen rechtfertigen lassen. Entspricht der Zweck eines nutzergenerierten Medieninhalts einem vom Gesetzgeber bereits als privilegierungswürdig anerkannten Verwertungsanliegen, ist ein solcher – bei Vorliegen der übrigen Privilegierungsvoraussetzungen – grundsätzlich ebenso zulässig wie ein herkömmliches Medienerzeugnis. Dient die Bereitstellung des Nutzerinhalts hingegen nur der unveränderten, kommentarlosen öffentlichen Zugänglichmachung eines vorgefundenen urheberrechtlichen Schutzgegenstands, ist und bleibt dies auch im Web 2.0 eine rechtswidrige Urheberrechtsverletzung. Wie gezeigt werden konnte, hat sich mit den neuen Produktions-, Publikations- und Kommunikationsmöglichkeiten im Web 2.0 jedoch daneben eine neuartige sozialtypische Verhaltensweise in der Bevölkerung etabliert, deren Leistungsergebnisse entweder zu einem gesetzlich nicht privilegierten Zweck erstellt werden oder die den durchweg strengen Voraussetzungen der Rechtsprechung an eine urheberrechtliche Privilegierung nach den §§ 24, 44a ff. UrhG regelmäßig nicht genügen. Insofern bieten die gesetzlichen Urheberrechtsschranken de lege lata nur ein sehr begrenztes Privilegierungspotential für UGC. Da den neuen Publikationspraktiken der Bevölkerung jedoch zumindest insoweit ein schützenswertes Allgemeinwohlinteresse zukommt, als diese ausschließlich zur persönlichen Identitätsbildung und sozialen Beziehungspflege im Internet vorC. A. Bauer, User Generated Content, DOI 10.1007/978-3-642-20068-7_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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genommen werden und die Prosumenten hiermit keinerlei Erwerbszweck verfolgen, weist das UrhG aktuell ein Privilegierungsdefizit zuungunsten der Interessen der Allgemeinheit auf. Als Korrektiv zur Wiederherstellung eines gerechten Interessenausgleichs zwischen Urhebern und der Allgemeinheit im Web 2.0 schlägt der Verfasser daher die Einführung einer neuen Schrankenregelung vor, die als spezieller Auffangtatbestand in Form einer gesetzlichen Lizenz beide Seiten des Interesses möglichst optimal zur Geltung kommen lässt: Die in § 52c UrhG anzusiedelnde UGC-Schranke sollte dabei „die Aufnahme eines gesendeten und die Vervielfältigung eines veröffentlichten Werkes oder sonstigen Schutzgegenstandes sowie deren öffentliche Zugänglichmachung, auch in bearbeiteter oder anderweitig umgestalteter Form, durch eine natürliche Person [für zulässig erklären], soweit dies zum Zwecke der persönlichen Identitätsbildung oder sozialen Beziehungspflege in einem öffentlichen Netzwerk erforderlich ist und sofern sie hiermit weder direkt noch indirekt einen Erwerbszweck verfolgt.“ Dies darf jedoch dann nicht gelten, „wenn hierdurch die normale Auswertung des Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands beeinträchtigt oder die berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar verletzt werden.“ Zum Ausgleich des hierdurch erfolgenden Eingriffs in die Eigentumsrechte der betroffenen Urheber und Rechteinhaber und zur Wahrung der verfassungsund konventionsrechtlichen Schrankenvorgaben ist es darüber hinaus erforderlich, einen kompensierenden Vergütungsanspruch zu normieren, der verwertungsgesellschaftspflichtig ausgestaltet sein sollte. Rechtspolitisch opportun erscheint es dabei, die verhältnismäßigkeitswahrende Vergütungspflicht – ähnlich wie im Falle der §§ 53, 54 ff. UrhG – den typischerweise wirtschaftlich nicht unerheblich mittelbar profitierenden und akzessorisch mitprivilegierten Plattform- bzw. Webseitenbetreibern aufzubürden. Denn durch die Bereitstellung ihrer technischen Einrichtungen sind diese maßgeblich an den (unmittelbar) privilegierten Verwertungshandlungen der prosumierenden Bevölkerungsmitglieder beteiligt. Mit dieser Vorschrift soll der Informationsgesellschaft – und nicht zuletzt der Rechtsprechung – ein flexibler Regulierungsrahmen geboten werden, innerhalb dessen eine interessengerechte Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Seite getroffen werden kann. Eine individuelle Betrachtung der im jeweiligen Einzelfall gegebenen Umstände vermag sie freilich nicht ersetzen. Vielleicht trägt der vorliegend erarbeitete Lösungsvorschlag jedoch dazu bei, das urheberrechtliche Gleichgewicht zwischen Schöpfern und Werknutzern in der Informationsgesellschaft – zumindest soweit es das Phänomen des UGC betrifft – wiederherzustellen, das durch die weitgehend einseitige Gewährung von urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrechten zur Sicherung eines möglichst hohen Schutzniveaus ins Wanken geraten ist. Zentrales Anliegen des Urheberrechts darf es nämlich nicht nur sein, neu entstehende Verwertungsformen für urheberrechtlich geschützte Inhalte durch die Umschreibung der ihnen zugrunde liegenden Nutzungshandlungen undVerwertungstechniken vollumfänglich dem Ausschließlichkeitsrecht der Urheber zu unterwerfen. Bei jeder durch das Schutzbedürfnis der Urheber motivierten Erweiterung ihrer ausschließlichen Verwertungsrechte ist vielmehr stets zugleich eine Neubewertung der korrespondierenden Interessen der Allgemeinheit vorzunehmen und ggf. durch eine Anpassung der Urheberrechtsschranken balancierend einzugreifen. Denn jede Aus-
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dehnung des Schutzbereichs urheberrechtlicher Verwertungsbefugnisse ist zugleich immer auch mit einer Einschränkung der Informations- und Handlungsfreiheit der Allgemeinheit verbunden. Soweit die Berücksichtigung des Gemeinwohls dabei keine (gänzlich) kostenlose Nutzungsmöglichkeit erfordert, kann den wirtschaftlichen Interessen der Urheber und Rechteinhaber durch einen kompensierenden verwertungsgesellschaftspflichtigen Vergütungsanspruch angemessen Rechnung getragen werden. In jedem Fall muss der Gesetzgeber jedoch verhindern, dass sich die Bevölkerung im Bereich unkontrollierbarer Massennutzungen im Zustand des ständigen Rechtsbruchs befindet. Ein urheberrechtlich relevantes Massenphänomen, dem sozialtypische Verhaltensweisen zugrunde liegen und das faktisch nicht zu kontrollieren ist, sollte gesetzlich legitimiert werden, soweit hierdurch keine unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Rechteinhaber zu erwarten sind, um die Akzeptanz des Urheberrechts und den notwendigen Respekt hiervor in der Bevölkerung zu wahren und auch in Zukunft aufrechtzuerhalten. Denn der Staat sollte die Ausschließlichkeitsrechte der Urheber schützen, aber nur so lange, wie sie der Gesellschaft nützen.
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