Tscherne Unfallchirurgie 2
Unfallchirurgie im Kindesalter Untere Extremität Körperhöhlen Besonderheiten des kindlichen Skelettes A.-M. Weinberg · H. Tscherne (Hrsg.)
Tscherne Unfallchirurgie in 12 Bänden
Trauma-Management H. Tscherne, G. Regel
Wirbelsäule H. Tscherne, M. Blauth Becken und Acetabulum H. Tscherne, T. Pohlemann Kopf und Körperhöhlen O. Trentz Ellenbogen, Unterarm, Hand K.-P. Schmit-Neuerburg, H. Towfigh, R. Letsch Weichteilverletzungen und -infektionen M. Nerlich, A. Berger Unterschenkel R. Szyszkowitz Unfallchirurgie im Kindesalter A.-M. Weinberg, H. Tscherne Fuß H. Zwipp Hüfte, Oberschenkel N. Haas, C. Krettek Knie C. Krettek, Ph. Lobenhoffer Schulter, Oberarm N. Südkamp
A.-M. Weinberg · H. Tscherne (Hrsg.)
Tscherne Unfallchirurgie Unfallchirurgie
im Kindesalter 2 Untere Extremität Körperhöhlen Besonderheiten des kindlichen Skelettes Zeichnungen von R. Henkel
Mit 902 zum Teil farbigen Abbildungen in 2505 Einzeldarstellungen und 117 Tabellen
Springer-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+ Business Media springer.com
ISBN-10 3-540-63287-5 (in 2 Bänden) ISBN-13 978-3-540-63287-0 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York
© Springer Verlag Berlin Heidelberg 2006 Printed in Germany
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Planung: Gabriele Schröder, Heidelberg Redaktion: Christiane Hocke, Heidelberg Zeichnungen: Reinhold Henkel, Heidelberg Einbandgestaltung: deblik, Berlin Reproduktion der Abbildungen: AM-productions GmbH, Wiesloch Satz: K. Detzner, Speyer Gedruckt auf säurefreiem Papier 24/3151/ML 5 4 3 2 1 0
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden.
Vorwort
Der achte Band des umfassenden Gesamtwerkes zur Unfallchirurgie ist den Verletzungen im Kindesalter gewidmet. Im ersten der beiden Teilbände werden nach einer allgemeinen Einführung die Läsionen der oberen Extremität einschließlich der Kopf- und Wirbelsäulenverletzungen dargestellt. Der zweite Teil umfasst neben den Brüchen und Weichteilverletzungen der unteren Extremität, einschließlich des Beckens und des Acetabulums, die traumatischen Läsionen der Körperhöhlen, komplexe Verletzungsmuster sowie besondere Situationen am kindlichen Skelett. Die Kapitel der topographisch aufgebauten speziellen Teile des Buches sind überwiegend in einen theoretischen und einen praktischen Bereich unterteilt. Im theoretischen Teil werden die jeweiligen Phänomene des Wachstums und ihr Einfluss auf die Behandlung, die zugrunde liegende spezifische Klassifikation und die diagnostischen Besonderheiten aufgezeigt. Im praktischen Teil werden bewährte und verbreitete Techniken zur konservativen und operativen Behandlung des jeweiligen Verletzungsmusters vorgestellt. Die Darstellung umfasst die Möglichkeiten, altersentsprechend die Grenzen der Spontankorrektur in den Behandlungsalgorithmus zu integrieren, die Gipsanlage bei einer konservativen Therapie, die Lagerung, die verschiedenen Zugänge bis hin zur Fixation kindlicher Verletzungen. Daneben werden auch alternative Methoden geschildert, wenn deren Einsatz als Ergänzung oder gleichrangige Behandlungsform sinnvoll erscheint. Die Autoren beschreiben außerdem zahlreiche »Tipps und Tricks« und erwähnen sämtliche ihnen bekannten Komplikationen und deren Beherrschung. Die meisten Behandlungsschritte sind instruktiv gezeichnet und vielfältig mit klinischen und röntgenologischen Beispielen illustriert. Selbst ein Projekt dieses Umfangs kann nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Nicht alle Thera-
pien sind bereits evaluiert, sodass einige der vorgeschlagenen Therapien auf den persönlichen Erfahrungen der Autoren basieren. Herausgeber und Autor wünschen, den kindertraumatologisch tätigen Kollegen praktisch nutzbare Anleitungen zur Behandlung kindlicher unfallchirurgischer Verletzungen an die Hand zu geben. Die Kinderunfallchirurgie bewegt sich zwischen der Notwendigkeit, dass Kinder überall behandelt werden müssen, aber auch der Tatsache, dass eine kindgerechte Behandlung oftmals nur noch in einem Kinderzentrum stattfinden kann. Auch an den im Anschluss an den chirurgischen Eingriff betreuenden Stationsarzt ist unser Buch gerichtet. So gehört zu einer optimalen Behandlung unserer Patienten auch eine entsprechende postoperative Schmerztherapie. Die Unfallchirurgie im Kindesalter setzt die Kenntnis der unterschiedlichen Wachstumsstadien voraus. Bedingt durch die sinkende Anzahl von Kindern, aber auch durch präventive Maßnahmen, kann es durchaus vorkommen, dass der behandelnde Arzt Verletzungen an bestimmten Lokalisationen noch nie begegnet ist. Nur durch die Kenntnis des natürlichen Verlaufs kann eine Übertherapie vermieden und der einfachste Behandlungsweg eingeschlagen werden. Ein Schwerpunkt des Buches liegt daher in der Darstellung der konservativen Therapie, die im Erwachsenenalter zunehmend in den Hintergrund gerät. Ein weiterer Fokus wird auf die Nachbehandlung gelegt, die in jedem Kapitel beschrieben wird. Kritische Hinweise, Verbesserungsvorschläge und die Mitteilung persönlicher Erfahrungen aus dem Leserkreis sind uns jederzeit willkommen.
Annelie-Martina Weinberg Harald Tscherne
Danksagung
Ohne die Unterstützung vieler Beteiligter in den jeweiligen Entstehungsphasen dieses Buches, die im Einzelnen nicht alle erwähnt werden können, insbesondere die große Anzahl von Eltern und Patienten, die bereitwillig ihre Daten zur Verfügung gestellt haben, wäre dieses Werk nicht entstanden. Unser Dank gilt den Kollegen, die durch Diskussionen und Zusendung von Fällen dieses Buch bereichert haben. Besonderer Dank gebührt den Mitarbeitern der kinderchirurgischen Universitätsklinik Graz unter Leitung von Prof. M. Höllwarth. Weiterhin möchten wir allen Autoren und Koautoren für ihre bereitwillige Mitarbeit danken. Die Zusammenarbeit mit dem Zeichner Herrn R. Henkel war zu jeder Zeit produktiv, kreativ und sehr angenehm. Ohne seine zahlreichen instruktiven Farb- und Schemazeichnungen
wäre dieses Buch nicht denkbar. Auch ihm möchten wir aufrichtig danken. Darüber hinaus danken wir dem Fotografen Herrn J. Fechter, der einige Abbildungen zu diesem Band beigesteuert hat. Zum Schluss möchten wir den Mitarbeitern des Springer-Verlages für ihre Kooperation danken, allen voran Frau G. Schröder, die mit großer Flexibilität die Ausstattung des Buches in dieser Form ermöglicht hat. Außerdem danken wir der Lektorin Frau Dr. R. Körkel für das Copy-Editing und Frau M. Litterer für die Herstellung und ganz besonders Frau C. Hocke von der Redaktion. Und zu guter Letzt – aber nicht zuletzt – danke ich meiner Familie, die viele Stunden in ihrer Freizeit auf mich verzichtet hat.
Herausgeber- und Autorenverzeichnis
Reihenherausgeber
Autoren
Prof. Dr. Harald Tscherne em. Direktor der Unfallchirurgischen Klinik Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Deutschland
Dr. S. Altermatt Universitätskinderspital Steinwiesstraße 75 8032 Zürich Schweiz
Bandherausgeber PD Dr. Annelie-Martina Weinberg Leiterin der Abteilung für Unfallforschung und Prophylaxe Universitätsklinik für Kinderchirurgie Landeskrankenhaus Auenbruggerplatz 34 8036 Graz Österreich
[email protected] [email protected] Prof. Dr. Harald Tscherne em. Direktor der Unfallchirurgischen Klinik Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Deutschland
[email protected] PD Dr. S. Arens BG-Kliniken Bergmannsheil Chirurgische Universitäts- und Poliklinik Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 44789 Bochum Deutschland Dr. Ch. Bassir Charité Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1 13353 Berlin Deutschland PD Dr. S. Berger Chirurgische Universitätskinderklinik Inselspital 3010 Bern Schweiz Prof. Dr. M. Blauth Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie Universität Innsbruck Anichstraße 35 6020 Innsbruck Österreich Prof. A. Bremerich Klinikum Bremen-Mitte gGmbH Klinik für MKG-Chirurgie Sankt-Jürgen-Straße 1 28177 Bremen Deutschland
X
Herausgeber- und Autorenverzeichnis
Prim. Univ. Doz. Dr. med. H. Breitfuß Leiter der Abteilung Unfallchirurgie Am Bezirkskrankenhaus Kufstein Endach 27 6330 Kufstein Österreich
Dr. J. Eichhorn-Sens Park-Klinik Weißensee Lehrkrankenhaus der Charité Schönstraße 61 13086 Berlin Deutschland
Dr. C. Castellani Universitätsklinik für Kinderchirurgie Landeskrankenhaus Auenbruggerplatz 34 8036 Graz Österreich
Prof. Dr. H. Engert Kinderchirurgische Klinik Marienhospital Wildumer Straße 8 44627 Herne Deutschland
Dr. M. Clarius Orthopädische Klinik der Universität Heidelberg Schlierbacher Landstraße 200 a 69118 Heidelberg Deutschland
Dr. W. Flocken Klinikum Bremen-Mitte gGmbH Sankt-Jürgen-Straße 1 28177 Bremen Deutschland
PD Dr. med P. Claus Neuroanatomie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Deutschland Dr. G. Dick Salzburger Landeskliniken St. Johanns-Spital Müllner Hauptstraße 48 5020 Salzburg Österreich Prof. Dr. H.-G. Dietz Kinderchirurgische Klinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Lindwurmstraße 4 80337 München Deutschland Dr. D. Drücke BG-Kliniken Bergmannsheil Universitätsklinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 44789 Bochum Deutschland PD Dr. Th. Ebinger Chefarzt der Klinik für Hand- und Plastische Chirurgie Karl-Olga-Krankenhaus GmbH Hackstraße 61 70190 Stuttgart Deutschland
Dr. H. Friedrich Universitätsklinik für Kinderchirurgie Landeskrankenhaus Auenbruggerplatz 34 8036 Graz Österreich Prof. Dr. J. Freyschmidt Klinikum Bremen-Mitte gGmbH Sankt-Jürgen-Straße 1 28177 Bremen Deutschland PD Dr. A Gänsslen Unfallchirurgische Klinik Medizinische Hochschule Hannover Carl- Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Deutschland Dr. E Haxhija Brockmanngasse 18 8010 Graz Österreich PD Dr. A.K. Hell Georg-August-Universität Abteilung Orthopädie Robert-Koch-Straße 40 37099 Göttingen Deutschland Dr. A. Hofmann Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Langenbeckstraße 1 55131 Mainz Deutschland
Herausgeber- und Autorenverzeichnis
Dr. C. Justin Universitätsklinik für Kinderchirurgie Landeskrankenhaus Auenbruggerplatz 34 8036 Graz Österreich
PD Dr. E. Kollig Unfallchirurgische Abteilung Bundeswehrkrankenhaus Rübenacher Straße 170 56072 Koblenz Deutschland
PD Dr. T. Kälicke BG-Kliniken Bergmannsheil Chirurgische Universitäts- und Poliklinik Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 44789 Bochum Deutschland
Dr. R. Kraus Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie Universität Giessen Rudolf-Buchheim Straße 7 35392 Giessen Deutschland
Dr. E. Kahl Georg-August-Universität Abteilung Orthopädie Robert-Koch-Straße 40 37099 Göttingen Deutschland
Prof. Dr. Dr. H. R. Krause Klinikum Bremen-Mitte gGmbH Klinik für MKG-Chirurgie Plastische Operationen Sankt-Jürgen-Straße 1 28177 Bremen Deutschland
Dr.cand med P. Kalmar Universitätsklinik für Kinderchirurgie Landeskrankenhaus Auenbruggerplatz 34 8036 Graz Österreich Dr. P. Kasten Orthopädische Klinik der Universität Heidelberg Schlierbacher Landstraße 200 a 69118 Heidelberg Deutschland Dr. A. Kathrein Klinik für Unfallchirurgie Universität Innsbruck Anichstraße 35 6020 Innsbruck Österreich Dr. D. Klitscher Orthopädische Klinik Johannes-Gutenberg Universität Mainz Langenbeckstraße 1 55131 Mainz Deutschland Dr. P. Knorr Kinderchirurgische Klinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Lindwurmstraße 4 80337 München Deutschland
Prof. Dr. Ch. Krettek Chefarzt der Unfallchirurgischen Klinik Medizinische Hochschule Hannover Carl- Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Deutschland Dr. F. Kutscha-Lisberg BG-Kliniken Bergmannsheil Chirurgische Universitäts- und Poliklinik Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 44789 Bochum Deutschland Dr.cand med Ch. Kutschera Universitätsklinik für Kinderchirurgie Landeskrankenhaus Auenbruggerplatz 34 8036 Graz Österreich Prof. Dr. W. Linhart Universitätsklinik für Kinderchirurgie Landeskrankenhaus Auenbruggerplatz 34 8036 Graz Österreich Prof. Dr. J. Mayr Universitäts-Kinderspital Beider Basel (UKBB) Postfach 4005 Basel Schweiz
XI
XII
Herausgeber- und Autorenverzeichnis
Dr. M. Mentzel Hand- und Plastische Chirurgie Universitätsklinikum Ulm Steinhövelstraße 9 89075 Ulm Deutschland
Dr. K. Purtscher Universitätsklinik für Medizinische Psychologie und Psychotherapie Auenbruggerplatz 39 8036 Graz Österreich
Dr. B. Messerer Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin Graz Auenbruggerplatz 29 8036 Graz Österreich
Dr. E. Pusch Anatomisches Institut der Medizinischen Universität Graz Harrachgasse 21 8010 Graz Österreich
Prof. Dr. G. Muhr Chefarzt der Chirurgischen Universitäts- und Poliklinik BG-Kliniken Bergmannsheil Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 44789 Bochum Deutschland
Dr. J. Raith Universitätsklinik für Radiologie Auenbruggerplatz 9 8036 Graz Österreich
Dr. M. Seif El Nasr Chefarzt der Abteilung für Unfallchirurgie St. Nikolaus-Stiftshospital Andernach Hindenburgwall 1 56626 Andernach Deutschland PD Dr. U. Neubauer Klinikum Bremen-Mitte gGmbH Sankt-Jürgen-Straße 1 28177 Bremen Deutschland Dr. Partenheimer Klinik für Unfall-, Handund Wiederherstellungschirurgie Zentrum Chirurgie Universitätsklinikum des Saarlandes Kirrberger Straße 1 66421 Homburg/Saar Deutschland Dr. W. Pieringer Universitätsklinik für Medizinische Psychologie und Psychotherapie Auenbruggerplatz 39 8036 Graz Österreich Prof. Dr. T. Pohlemann Klinik für Unfall-, Handund Wiederherstellungschirurgie Zentrum Chirurgie Universitätsklinikum des Saarlandes Kirrberger Straße 1 66421 Homburg/Saar Deutschland
Dr. S. Rammelt Klinik und Poliklinik für Unfallu. Wiederherstellungschirurgie Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Fetscherstraße 74 01307 Dresden Deutschland Univ.-Prof. Dr. G. Schimpl Universitätsklinik für Kinderchirurgie Landeskrankenhaus Auenbruggerplatz 34 8036 Graz Österreich Prof. Dr. W. Schlickewei Abteilung für Unfallchirurgie, St. Josefs-Krankenhaus und Bruder-Klaus-Krankenhaus Waldkirch Hermann-Herder-Straße 1 79104 Freiburg Deutschland Dr. H.Schmitt Orthopädische Klinik der Universität Heidelberg Schlierbacher Landstraße 200 a 69118 Heidelberg Deutschland PD Dr. P. Schmittenbecher Kinderchirurgische Klinik Klinik St. Hedwig, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Steinmetzstraße 1–3 93049 Regensburg Deutschland
Herausgeber- und Autorenverzeichnis
Dr. F. Schneider Universitätsklinik für Kinderchirurgie Landeskrankenhaus Auenbruggerplatz 34 8036 Graz Österreich
Dr. M. Vittinghoff Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin Graz Auenbruggerplatz 29 8036 Graz Österreich
Dr. D. Schneidmüller Klinik für Unfall-, Handund Wiederherstellungschirurgie Klinikum der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt am Main Deutschland
Prof. Dr. P. M. Vogt Klinik für Plastische, Handund Wiederherstellungschirurgie Hochschule Hannover im Klinikum Osttstadt Podbielskistraße 380 30659 Hannover Deutschland
PD Dr. M. Skutek Unfallchirurgische Klinik Medizinische Hochschule Hannvoer Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Deutschland
Prof. Dr. M. Walz Kliniken Uelzen und Bad Beversen GmbH Abt. für Unfall und Wiederherstellungschirurgie Hagenskamp 34 29525 Uelzen Deutschland
Prof. Dr. H. Steinau Klinik für Plastische Chirurgie BG-Kliniken Bermannsheil Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 44789 Bochum Deutschland
PD Dr. Annelie-Martina Weinberg Leiterin der Abteilung für Unfallforschung und Prophylaxe Universitätsklinik für Kinderchirurgie Landeskrankenhaus Auenbruggerplatz 34 8036 Graz Österreich
Dr. L. Stroedter Universitätsklinik für Kinderchirurgie Landeskrankenhaus Auenbruggerplatz 34 8036 Graz Österreich Prof. Dr. H. Thermann ATOS Klinik Bismarckstraße 9–15 69115 Heidelberg Deutschland Dr. M. Thomson Orthopädische Klinik der Universität Heidelberg Schlierbacher Landstraße 200 a 69118 Heidelberg Deutschland
Prof. Dr. H. Zwipp Klinik und Poliklinik für Unfallu. Wiederherstellungschirurgie Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Fetscherstraße 74 01307 Dresden Deutschland
XIII
Inhaltsverzeichnis Band 2
Teil V Becken und Acetabulum Kapitel 18 Becken und Acetabulumverletzungen im Kindesalter T. Pohlemann, A. Gänsslen, A. Partenheimer . . . . . . . . . . . . . . . . 577 18.1
Kindliche Beckenringverletzungen . . . .
18.2
Acetabulumfrakturen bei Kindern . . . . 596 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . .
581
601
Teil VI Untere Extremität Kapitel 19 Hüfte S. Arens, A.-M. Weinberg, T. Kälicke, F. Schneider, W. Linhart . . . . . . . . . . . 605 19.1
Hüftgelenkluxation . . . . . . . . . . . . 607
19.2
Frakturen des koxalen Femurs . . . . . .
19.3
Epiphysiolysis capitis femoris . . . . . . 626 F. Schneider, W. Linhart Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . .
611
632
Kapitel 20 Diaphysärer Oberschenkel W. Schlickewei, M. Seif el Nasr, A.-M. Weinberg . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kapitel 21 Kniegelenk A.-M. Weinberg, C. Castellani, M. Clarius, P. Kasten, E. Pusch, P. Kalmar, E. Kahl, T. Kälicke, S. Arens, M. Thomsen, F. Schneider
671
673
21.1
Femoraler Anteil des Kniegelenks . . . . 673 A.-M. Weinberg, C. Castellani 21.1.1 Frakturen der distalen Femurepiphysäre . 673 21.1.2 Femorale ossäre Seitenbandausrisse . . . 680 21.2
Knieband- und Kniebinnenverletzungen M. Clarius, P. Kasten, A.-M. Weinberg
683
21.2.1 21.2.2 21.2.3 21.2.4 21.2.5 21.2.6
Meniskusläsion . . . . . . . . . . . Scheibenmeniskus . . . . . . . . . Seitenbandläsion . . . . . . . . . . Läsionen des vorderen Kreuzbandes Läsionen des hinteren Kreuzbandes Ausblick . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
685 688 690 690 693 694
21.3
Der tibiale Anteil des Kniegelenks (proximale Tibiaepiphyse) . . . . . . . . 694 A.-M. Weinberg, E. Pusch, P. Kalmar, E. Kahl 21.3.1 Nichtfugenkreuzende Epiphysenfrakturen 694 Ausrissfrakturen der Eminentia intercondylaris . . . . . . 694 21.3.2 Fugenkreuzende Epiphysenfrakturen . . 703 21.3.3 Ausrisse der Apophyse der Tuberositas tibiae . . . . . . . . . . 710 21.4
Patella . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714 A.-M. Weinberg, T. Kälicke, S. Arens, M. Thomsen, P. Kasten, F. Schneider 21.4.1 Patellafrakturen . . . . . . . . . . . . . 716 21.4.2 Patellaluxation . . . . . . . . . . . . . . 721 P. Kasten, M. Thomsen, A.-M. Weinberg 21.4.3 Osteochondrale Frakturen bei Patellaluxation . . . . . . . . . . . . 731 A.-M. Weinberg, F. Schneider Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
736
Kapitel 22 Unterschenkel A.-M. Weinberg, C. Kutschera, F. Kutscha-Lissberg, J. Mayr, E. Kal . . . . .
741
22.1
Proximaler metaphysärer Unterschenkel . A.-M. Weinberg, C. Kutschera, F. Kutscha-Lissberg, J. Mayr
743
22.2
Diaphyse . . . . . . . . . . . . . . . . . J. Mayr, A.-M. Weinberg
750
22.3
Distaler Unterschenkel . . . . . . . . . . 775 A.-M. Weinberg, C. Kutschera, F. Kutscha-Lissberg, J. Mayr, E. Kahl 22.3.1 Frakturen der Metaphyse des distalen Unterschenkels . . . . . . . 778
XVI
Inhaltsverzeichnis
22.3.2 Frakturen der Epiphyse des distalen Unterschenkels . . . . . . . Fraktur des Malleolus medialis . . . . . . Übergangsfrakturen . . . . . . . . . . . 22.3.3 Distorsionen, knöcherne und ligamentäre fibulare Bandläsionen . Rezidivtrauma, chronische Insuffizienz .
24.3 786 787 792
863
Verletzungen des Zwerchfells . . . . . . . 864
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 866 799 802
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 803
Kapitel 23 Fuß H. Thermann, H. Zwipp, S. Rammelt
24.4
Verletzungen des Herzens und der großen Blutgefäße . . . . . . . .
Kapitel 25 Bauchtrauma G. Schimpl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 867 25.1
Praktisches Vorgehen beim Bauchtrauma
25.2
Organverletzungen beim stumpfen Bauchtrauma . . . . . . 873 Bauchwandhernie . . . . . . . . . . . . 873 Zwerchfellruptur . . . . . . . . . . . . . 873 Ruptur des Magens . . . . . . . . . . . . 874 Ruptur des Duodenums . . . . . . . . . 874 Ruptur des Dünndarms . . . . . . . . . 876 Ruptur des Kolons . . . . . . . . . . . . 877 Mesenterialhämatome . . . . . . . . . . 877 Isolierte Pankreasverletzungen . . . . . . 877
. . . . . 807
869
23.2
Mittelfuß . . . . . . . . . . . . . . . . .
816
23.3
Vorfuß . . . . . . . . . . . . . . . . . .
817
25.2.1 25.2.2 25.2.3 25.2.4 25.2.5 25.2.6 25.2.7 25.2.8
23.4
Komplexes Fußtrauma . . . . . . . . . .
819
25.3
Verletzungen der Milz . . . . . . . . . . 878
Korrektureingriffe nach Verletzungen des kindlichen Fußes . . . . . . . . . . . 822 H. Zwipp, S. Rammelt 23.5.1 Korrektur extrinsischer Fußfehlstellungen 823 23.5.2 Korrektur intrinsischer Fußfehlstellungen 837 23.5.3 Rekonstruktion nach kombinierten Knochen- und Weichteildefekten . . . . . 846
25.4
Verletzungen der Leber . . . . . . . . . . 880
25.5
Verletzungen der intraabdominellen Gefäße . . . . . .
881
Organverletzungen durch Bauchdeckenperforation . . . . .
881
23.1
Rückfuß . . . . . . . . . . . . . . . . . 809 H. Thermann 23.1.1 Talus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 809 23.1.2 Kalkaneus . . . . . . . . . . . . . . . . 813
23.5
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 850
Teil VII Körperhöhlen Kapitel 24 Thoraxtrauma S. Berger . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25.7 Besonderheiten im Kindesalter . . . . . 25.7.1 Verschluckte Fremdkörper . . . . . . . . 25.7.2 Verätzungen der Speiseröhre und des Magen-Darm-Trakts . . . . . . .
882 882 882
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
883
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
883
Kapitel 26 Traumatische Verletzungen des Urogenitalsystems beim Kind L. Stroedter . . . . . . . . . . . . . . . . .
885
855
24.1 24.1.1 24.1.2 24.1.3 24.1.4 24.1.5
Verletzungen der Thoraxwand . . . . . . 856 Weichteilmantel . . . . . . . . . . . . . 856 Rippen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 857 Instabiler Thorax . . . . . . . . . . . . . 857 Sternum . . . . . . . . . . . . . . . . . 857 Klavikula . . . . . . . . . . . . . . . . . 857
24.2
Verletzungen der Lunge und des Tracheobronchialsystems . . . . Lungenparenchymverletzungen . . . . . Pneumothorax . . . . . . . . . . . . . . Hämatothorax . . . . . . . . . . . . . . Lungenkontusion . . . . . . . . . . . . . Bronchialruptur . . . . . . . . . . . . . Traumatische Asphyxie . . . . . . . . . .
24.2.1 24.2.2 24.2.3 24.2.4 24.2.5 24.2.6
25.6
858 858 859 860 862 862 862
26.1 Nierenverletzungen . . . . . . . . . . . . 26.1.1 Nierenprellung (Nierentrauma Grad I) . . 26.1.2 Nierenkapselruptur (Nierentrauma Grad II, III und IVa) . . . 26.1.3 Nierengefäßverletzungen (Nierentrauma Grad IV b und V) . . . . Gefäßabriss . . . . . . . . . . . . . . . . Gefäßthrombose . . . . . . . . . . . . . 26.1.4 Nierenbeckenruptur (Nierentrauma Grad IV und V) . . . . . 26.2
886 886 888 889 889 891 892
Verletzungen der Harnleiter . . . . . . . 894
Inhaltsverzeichnis
26.2.1 Harnleiterkompression . . . . . . . . . . 894 26.2.2 Harnleiterruptur . . . . . . . . . . . . . 894 26.2.3 Harnleiterabriss . . . . . . . . . . . . . 896 26.3 26.3.1 26.3.2 26.3.3
Harnblasenverletzungen . . . . . . . . . Harnblasenkontusion . . . . . . . . . . Harnblasenruptur . . . . . . . . . . . . Harnblasentamponade . . . . . . . . . .
26.4 26.4.1 26.4.2 26.4.3
Verletzungen der Harnröhre Harnröhrenprellung . . . . Harnröhrenruptur . . . . . Harnröhrenabriss . . . . .
26.5
Verletzungen der äußeren Geschlechtsorgane . . . . . Penisprellung, Penisquetschung und Lazerationen . . . . . . . . . . . . . Penisfraktur und penetrierendes Penistrauma . . . . . Traumatische Penisamputation . . . . . Hodenquetschung, Hodenprellung und Hodenkapselruptur . . . . . . . . . Straddle-Verletzungen beim Mädchen . . Pfählungsverletzungen und Verletzungen durch Stich- und Schusswaffen . . . . . .
26.5.1 26.5.2 26.5.3 26.5.4 26.5.5 26.5.6 26.6
. . . .
. . . .
897 897 898 899
. . . . . 900 . . . . . 900 . . . . . 901 . . . . . 902 903 903 904 905 906 907
Kapitel 28 Weichteilschäden und Frakturen mit Weichteilschäden M. Skutek, Ch. Krettek . . . . . . . . . . . . 935 28.1
Allgemeine Behandlungsprinzipien . . . 939
28.2 Spezielle Behandlungsprinzipien . . . . . 941 28.2.1 Wundbehandlung/Wundausschneidung . 941 28.2.2 Frakturstabilisierung . . . . . . . . . . . 942 28.3 Wundverschluss . . . . . . . . . . . . . 943 28.3.1 Primärer Wundverschluss . . . . . . . . 943 28.3.2 Sekundärer Wundverschluss . . . . . . . 945 28.4 28.4.1 28.4.2 28.4.3 28.4.4 28.4.5 28.4.6 28.4.7 28.4.8
Spezielle Verletzungsformen . . . . . . . Morel-Lavalée-Syndrom . . . . . . . . . Verletzungen durch Autoreifen . . . . . . Radspeichenverletzungen . . . . . . . . Rasenmäherverletzungen . . . . . . . . Tier-/Hundebissverletzungen . . . . . . Schussverletzungen . . . . . . . . . . . . Amputation/Replantation . . . . . . . . Kindesmisshandlung . . . . . . . . . . .
947 947 947 947 948 948 950 950 951
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
952
Kapitel 29 Verbrennungen D. Drücke, H.U. Steinau, P.M. Vogt . . . . .
955
909
Operative Zugangswege und Methoden .
910
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
915
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 966 Teil VIII Therapie komplexer Verletzungen Kapitel 27 Das polytraumatisierte Kind M. Walz, T. Kälicke, G. Muhr . . . . . . . . .
Kapitel 30 Amputationen J. Eichhorn-Sens, P.M. Vogt . . . . . . . . . 969 919 30.1
27.1
Verletzungsmuster . . . . . . . . . . . . 920
27.2
Pathophysiologische Besonderheiten des Kindesalters . . . . . . . . . . . . .
921
27.3
Präklinische Versorgung . . . . . . . . .
921
27.4
Schockraummanagement . . . . . . . .
923
27.5 27.5.1 27.5.2 27.5.3 27.5.4 27.5.5 27.5.6
Notfalldiagnostik und Primärmaßnahmen Schädel-Hirn-Trauma . . . . . . . . . . Thoraxtrauma . . . . . . . . . . . . . . Abdominaltrauma . . . . . . . . . . . . Wirbelsäulenverletzungen . . . . . . . . Beckenfrakturen . . . . . . . . . . . . . Extremitätenverletzungen . . . . . . . .
924 924 925 926 927 929 930
27.6
Intensivtherapeutische Aspekte . . . . .
931
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
933
30.2
Indikation zur Amputation und Wahl der Amputationshöhe . . . . .
974
Amputationschirurgie . . . . . . . . . .
975
30.3
Standardisierte Amputationstechnik/ spezieller Teil . . . . . . . . . . . . . . . 980 30.3.1 Obere Extremität . . . . . . . . . . . . . 980 30.3.2 Untere Extremität . . . . . . . . . . . . 981 30.4
Prothetische Versorgung . . . . . . . . . 987
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 990
XVII
XVIII
Inhaltsverzeichnis
Teil IX Besondere Situationen am kindlichen Skelett Kapitel 31 Osteochondrosen im Kindes- und Jugendalter F. Schneider, J. Raith . . . . . . . . . . . . . 993 31.1 31.1.1 31.1.2 31.1.3 31.1.4
Avaskuläre Knochennekrosen . . . . . . Morbus Perthes . . . . . . . . . . . . . . Morbus Blount . . . . . . . . . . . . . . Morbus Köhler I . . . . . . . . . . . . . Morbus Freiberg (Köhler II) . . . . . . .
994 995 1000 1002 1003
31.2 31.2.1 31.2.2 31.2.3
Osteochondrosis dissecans . . . . . . . . Osteochondrosis dissecans am Kniegelenk Osteochondrosis dissecans am Talus . . . Osteochondrosis dissecans am Ellbogen .
1003 1004 1012 1016
31.3 Traktionsapophysitiden . . . . . . . . . 1018 31.3.1 Morbus Iselin . . . . . . . . . . . . . . . 1018
31.3.2 Morbus Osgood-Schlatter, Morbus Sinding-Larsen . . . . . . . . . 1018 31.3.3 Morbus Sever . . . . . . . . . . . . . . . 1019 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1020 Kapitel 32 Stressfrakturen P. Kasten, H. Schmitt, A.-M. Weinberg . . . 1023 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1029 Kapitel 33 Posttraumatische Osteitis E. Kollig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1031 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1044 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . i–viii
Inhaltsverzeichnis Band 1
2.3
Teil I Allgemeines
2.3.1 2.3.2
Kapitel 1 Molekulare, physiologische und anatomische Grundlagen der Knochenentwicklung A.-M. Weinberg, A. Hofmann, P. Claus . . .
3
2.3.3
1.1
Der makroskopische Aspekt . . . . . . .
3
2.3.4
1.2
Der mikroskopische Aspekt . . . . . . .
4
1.3
Knochenentwicklung . . . . . . . . . . .
5
1.4
Molekulare Grundlagen der Knochenentwicklung . . . . . . . . . Entwicklung der Chondrozyten . . . . . Entwicklung der Osteoblasten . . . . . . Entwicklung der Osteoklasten . . . . . . Wachstumsfaktoren . . . . . . . . . . . Endokrine Regulation . . . . . . . . . .
8 9 10 11 11 13
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5
Kapitel 2 Epiphysen- und Apophysenverletzungen J. Mayr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
2.1
Übergangsfrakturen . . . . . . . . . . .
20
2.2
Spezielle Epiphysenverletzungen an der oberen Extremität . . . . . . . Epiphysenlösung des medialen Klavikulaendes . . . . Epiphysenlösungen des lateralen Klavikulaendes . . . . . Epiphysenlösung der basisnahen Processus-coracoideus-Epiphysenfuge Epiphysenlösungen und Frakturen des proximalen Humerusendes . . . Frakturen des Condylus radialis . . . Capitulum-humeri-Frakturen . . . . Epiphysenlösungen des proximalen Radius . . . . . . . . Epiphysenlösungen und Frakturen des distalen Unterarmbereichs . . . .
2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6 2.2.7 2.2.8
2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 2.4.7 2.4.8
Spezielle Epiphysenverletzungen an der unteren Extremität . . . . . . . . Proximale Femurepiphysenlösungen . . . Distale Femurepiphysenlösungenund -epiphysenfrakturen . . . . . . . . . Frakturen und Epiphysenlösungen des proximalen Tibiaendes . . . . . . . . Epiphysenlösungen und Frakturen der distalen Tibiaepiphyse . . . . . . . .
29 29 29 31 31
Apophysenverletzungen . . . . . . . . . Abrissverletzung des Epicondylus ulnaris Olekranonapophysenabriss . . . . . . . Abriss der Crista iliaca . . . . . . . . . . Abriss der Spina iliaca anterior inferior . Abriss der Tuber-ossis-ischii-Apophyse . Ausriss der Symphyse . . . . . . . . . . Hüftpfannenrandabriss . . . . . . . . . Abrisse von Trochanter major und Trochanter minor . . . . . . . . . .
33 33 33 33 33 35 35 35
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
Kapitel 3 Wachstumsphänomene bei Frakturen im Kindesalter: Spontankorrekturen und Wachstumsstörungen H. Breitfuß, A.-M. Weinberg, G. Muhr . . .
39
3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3
35
Spontankorrekturen . . . . . . . . . . . Spontankorrekturmechanismen . . . . . Korrekturpotenz . . . . . . . . . . . . . Regionale spontane Korrektur von posttraumatischen Deformitäten . .
39 39 41
Wachstumsstörungen . . . . . . . . . . Stimulative Wachstumsstörungen . . . . Hemmende Wachstumsstörungen . . . .
44 45 46
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
51 55
. .
23
. .
23
. .
24
. .
25
. . . . . .
26 26 28
. .
28
Kapitel 4 Klassifikation von Frakturen im Kindesalter D. Schneidmüller, A.-M. Weinberg . . . .
. .
29
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 3.2.1 3.2.2
41
XX
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 5 Diagnostische Besonderheiten W. Flocken, C. Bassir, J. Freyschmidt . . . . 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4
Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . Projektionsradiographie (konventionelles Röntgen) . . . . . . . . Computertomographie . . . . . . . . . . Ultraschall . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetresonanztomographie . . . . . .
57 58 58 59 59 59
Hirnschädel . . . . . . . . . . . . . . . Computertomographie . . . . . . . . . . Ultraschall . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetresonanztomographie . . . . . . Projektionsradiographie (konventionelles Röntgen) . . . . . . . .
62
5.3
Gesichtsschädel . . . . . . . . . . . . . .
62
5.4 5.4.1
62
5.4.2 5.4.3
Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . Projektionsradiographie (konventionelles Röntgen) . . . . . . . . Computertomographie . . . . . . . . . . Magnetresonanztomographie . . . . . .
62 63 63
5.5
Hals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
5.6
Thorax . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
5.7
Abdomen . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
5.8 5.8.1 5.8.2
Gliedmaßenskelett . . . . . . . . . . . . Frakturtypen . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungstechniken . . . . . . . . .
65 66 71
5.9
Geburtsverletzungen . . . . . . . . . . .
76
5.10
Verletzungen bei Kindesmisshandlung .
77
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
Kapitel 6 Anästhesie im Kindesalter B. Messerer, M. Vittinghoff, C. Justin 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.3 6.3.1
61 61 61 62
Schmerztherapieprinzipien . . . . . . . Medikamente . . . . . . . . . . . . . . .
101 102
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108
Kapitel 7 Traumabewältigung im Kindesalter Psychologische Aspekte des verletzten Kindes K. Purtscher, G. Dick, W. Pieringer . . . . . 109 7.1 7.1.1 7.1.2 7.2 7.2.1 7.2.2 7.3
. . .
81
Kinderanästhesie . . . . . . . . . . . . . B. Messerer Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbereitung des Narkosearbeitsplatzes . Praxis der Kinderanästhesie . . . . . . . Sedierung und Analgesie . . . . . . . . .
81
Regionalanästhesie . . . . . . . . . . . . M. Vittinghoff, C. Justin Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . M. Vittinghoff Rückenmarknahe Regionalanästhesie . . M. Vittinghoff Periphere Regionalanästhesie . . . . . . C. Justin
6.3.2 6.3.3
81 88 91 94
Stress und Psychotraumatologie – Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . Stressreaktionen . . . . . . . . . . . . . Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . Traumafolgen . . . . . . . . . . . . . . . Akute Belastungsreaktion (ICD 10: F43.0) Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS; ICD 10: F43.1) . . . . . . . . . . .
109 109 110 110 110 111
Spezielle Unfallarten und psychopathologische Folgen . . . . .
111
Emotionale Unterstützung für das Kind bei der Akutbehandlung . . . . . . . . .
112
Psychische Bewältigung – Unterstützung und Betreuung durch ein multiprofessionelles Team . . .
112
7.6
Unterstützung und Betreuung der Familie
112
7.7
Reaktionen auf Notwendigkeiten und Gegebenheiten im Krankenhaus . .
113
7.8
Weitere Bewältigungsphasen . . . . . . .
113
7.9 7.9.1 7.9.2
Risiko- und Schutzfaktoren . . . . . . . Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . Schutzfaktoren . . . . . . . . . . . . . .
114 114 114
7.10
Das verletzte Kind im Krankenhaus . . .
114
7.11
Wann ist psychologische/ psychotherapeutische Hilfe notwendig? .
115
Fallbeschreibung: Leo, 8 Jahre, Zustand nach Oberschenkelfraktur und Subarachnoidalblutung . . . . . . .
115
Aspekte der Prävention . . . . . . . . . .
117
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118
7.4 7.5
7.12
7.13
95 95 96 98
Akute systemische Schmerztherapie . . . 100 B. Messerer Schmerzmessung mit Schmerzscores . . 101
Kapitel 8 Kindesmisshandlung Gewalt gegen Kinder J. Engert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 8.1
Kindesmisshandlung – Krisen- und Konfliktsituationen . . . . .
120
8.2
Diagnostik körperlicher Gewalt . . . . .
121
8.3
Typische Verletzungen . . . . . . . . . .
121
Inhaltsverzeichnis
8.4 8.4.1 8.4.2
Spezielle Verletzungsmuster . . . . . . . Skelettfrakturen . . . . . . . . . . . . . Thorakoabdominelles Trauma . . . . . .
123 123 127
8.5
Schutz des Kindes . . . . . . . . . . . .
128
8.6
Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . .
129
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
130
Kapitel 12 Klavikula D. Klitscher, A.-M. Weinberg . . . . . . . . . 175 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
187
Kapitel 13 Oberarm P. Knorr, P.P. Schmittenbecher, H.-G. Dietz, A.-M. Weinberg, C. Castellani
189
13.1
Teil II Kopf Kapitel 9 Kraniozerebrale Traumen U. Neubauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 . . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
13.1.1
Proximaler Oberarm . . . . . . . . . . . 191 P. Knorr, P.P. Schmittenbecher, H.-G. Dietz Tuberculum-minus- und -majus-Ausrisse (Apophysenverletzung) . . . . . . . . . . 206
9.1 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.1.4
Schädelfrakturen . . . Kalottenfrakturen . . Wachsende Frakturen Schädelbasisfrakturen Impressionsfrakturen
. . . . . . . . . . . . . . .
135 135 135 136 136
9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4
Intrakranielle Hämatome . . . . . . . . Epiduralhämatome . . . . . . . . . . . . Akute Subduralhämatome . . . . . . . . Traumatische Intrazerebralhämatome . . Chronische Subduralhämatome . . . . .
136 136 138 138 138
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
9.3 9.3.1 9.3.2
Offene Schädel-Hirn-Traumen . . . . . . Liquorfisteln . . . . . . . . . . . . . . . Schussverletzungen . . . . . . . . . . . .
139 139 139
A. Hell, A.-M. Weinberg, R. Kraus, E. Haxhija
253
9.4
Schädel-Hirn-Traumen bei mehrfachverletzten Kindern . . . . .
14.1
253
139
9.5 9.5.1 9.5.2
Gefäßverletzungen . . . . . . . . . . . . Sinusverletzungen . . . . . . . . . . . . Karotis-Sinus-cavernosus-Fistel . . . . .
140 140 140
9.6
Hirnnervenschäden . . . . . . . . . . .
141
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
141
13.2
Diaphysärer Oberarm . . . . . . . . . . 208 P. Knorr, H.-G. Dietz, P.P. Schmittenbecher
13.3
Distaler Oberarm – suprakondyläre Oberarmfraktur . . . . . A.-M. Weinberg, C. Castellani
Kapitel 14 Ellbogen
Kondyläre Frakturen . . . . . . . . . . . A. Hell, A.-M. Weinberg 14.1.1 Condylus-ulnaris-Frakturen . . . . . . . 14.1.2 Condylus-radialis-Frakturen . . . . . . .
152
253 253
14.2
Transkondyläre Humerusfrakturen . . . 270 R. Kraus
14.3
Ellbogenluxationen, Frakturen der Epikkondylen und ossäre Seitenbandausrisse am Ellbogen . . . . . . . . . . . . . . . A.-M. Weinberg, E. Haxhija
Kapitel 10 Gesichtsschädelverletzungen H.-R. Krause, A. Bremerich . . . . . . . . . . 143 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
217
14.3.1 Traumatische Radiusköpfchensubluxation (Pronatio dolorosa) . . . . . . . . . . . . E. Haxhija, A.-M. Weinberg
275
295
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
Teil III Obere Extremität Kapitel 11 Schulter R. Kraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 11.1
Schulterblattfrakturen . . . . . . . . . .
159
11.2
Rotatorenmanschettenrupturen . . . . .
162
11.3
Traumatische Schulterluxation . . . . . .
163
11.4
Schulterinstabilität . . . . . . . . . . . .
166
11.5
Geburtstraumatischer Armplexusschaden
170
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
172
Kapitel 15 Unterarm A.-M. Weinberg, S. Altermatt, A. Hell, H. Reilmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 15.1 15.1.1
Proximaler Unterarm . . . . . . . . . . . Radiusköpfchen- und Radiushalsfrakturen A. Hell, A.-M. Weinberg 15.1.2 Olekranonfrakturen . . . . . . . . . . . 15.1.3 Processus-coronoideus-ulnae-Frakturen .
332 342
15.2
345
Diaphysärer Unterarm . . . . . . . . . . A.-M. Weinberg, H. Reilmann
314 314
XXI
XXII
Inhaltsverzeichnis
15.3 Distaler Unterarm . . . . . . . . . . . . 15.3.1 Epiphysäre Frakturen des distalen Radius 15.3.2 Physäre Verletzungen der distalen Ulna .
362 384 387
15.4
Monteggia-Läsionen . . . . . . . . . . . 387 S. Altermatt 15.4.1 Die chronische Monteggia-Läsion . . . . 396 15.5
Galeazzi-Läsionen . . . . . . . . . . . .
398
16.2.3 Haut- und Weichteilverletzungen . . . . 484 H. Friedrich Wunden ohne Substanzdefekt . . . . . . 485 Wunden mit Substanzdefekt . . . . . . . 485 Hautdefekte . . . . . . . . . . . . . . . . 486 Amputationsverletzungen am Finger . . 496 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
507
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Teil IV Wirbelsäule Kapitel 16 Hand A.-M. Weinberg, T. Ebinger, M. Mentzel, H. Friedrich, B. Schmidt . . . . . . . . . . . . 405 16.1
Handfrakturen . . . . . . . . . . . . . . 405 A.-M. Weinberg, T. Ebinger, M. Mentzel 16.1.1 Handwurzelfrakturen . . . . . . . . . . 406 A.-M. Weinberg, T. Ebinger, M. Mentzel Skaphoidfrakturen . . . . . . . . . . . . 406 Capitatumfrakturen . . . . . . . . . . . 414 Triquetrumfrakturen . . . . . . . . . . . 414 Hamatumfrakturen . . . . . . . . . . . . 414 Pisiformefrakturen . . . . . . . . . . . . 414 Trapeziumfrakturen . . . . . . . . . . . 414 16.1.2 Frakturen der Metakarpalia . . . . . . . 415 T. Ebinger, M. Mentzel, A.-M. Weinberg Metakarpale II bis V . . . . . . . . . . . 419 Metakarpale I . . . . . . . . . . . . . . . 425 16.1.3 Phalangen . . . . . . . . . . . . . . . . 427 A.-M. Weinberg, M. Mentzel, T. Ebinger, B. Schmid Frakturen der Endphalanx . . . . . . . . 430 Frakturen der Mittel- und Grundphalanx 431 16.2 Weichteilverletzungen . . . . . . . . . . 16.2.1 Strecksehnenverletzungen beim Kind . . H. Friedrich Verletzungen in Zone 1 (über dem Endgelenk) . . . . . . . . . . Verletzungen in Zone 2 (über dem Mittelglied) . . . . . . . . . . Verletzungen in Zone 3 (über dem Mittelgelenk) . . . . . . . . . Verletzungen in Zone 4 (über dem Grundglied) . . . . . . . . . . Verletzungen in Zone 5 (über dem Grundgelenk) . . . . . . . . . Verletzungen in Zone 6 (über dem Handrücken) . . . . . . . . . Verletzungen in Zone 7 (über dem Handgelenk) . . . . . . . . . Verletzungen in Zone 8 (am distalen Unterarm) . . . . . . . . . Tenolyse der Strecksehnen . . . . . . . . 16.2.2 Beugesehnenverletzungen beim Kind . . H. Friedrich Naht beider Beugesehnen . . . . . . . .
444 444
452 454 456
Kapitel 17 Wirbelsäulenverletzungen im Kindesalter A. Kathrein, M. Blauth . . . . . . . . . . .
513
17.1
Spezielle Verletzungsformen im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . 519 17.1.1 Komplette Lösung der Epiphysenplatte in der Wachstumszone . . . . . . . . . . 519 17.1.2 Abbruch der vorderen unteren Wirbelkörperkante . . . . . . . 519 17.1.3 Frakturen der knöchernen Wirbelkörperrandleiste . . . . . . . . . 520 17.1.4 Frakturen und Lösungen knorpeliger Zwischenzonen . . . . . . . 520 17.1.5 SCIWORA . . . . . . . . . . . . . . . . 520 17.1.6 Pathologische Frakturen . . . . . . . . . 522 17.2 Verletzungen der Halswirbelsäule (HWS) 522 17.2.1 C0-Verletzungen . . . . . . . . . . . . . 523 17.2.2 C0/C1-Verletzungen – alantookzipitale Dislokation (AOD) . . . 526 17.2.3 Atlasfrakturen (C1) . . . . . . . . . . . . 530 17.2.4 C1/C2-Verletzungen – atlantoaxiale Dislokation (AAD) . . . . . 531 17.2.5 Densfrakturen (C2) . . . . . . . . . . . . 535 17.2.6 C2/C3-Verletzungen – traumatische Spondylolyse/Spondylolisthese . . . . . . 538 17.2.7 C2- bis C7-Verletzungen – Verletzungen der unteren Halswirbelsäule 539 17.2.8 Konservative Therapiemöglichkeiten der Halswirbelsäule . . . . . . . . . . . 543 17.2.9 Operative Therapiemöglichkeiten der Halswirbelsäule . . . . . . . . . . . 546 17.3
458 459 461 463 463 463 464 476
Verletzungen der Brustund Lendenwirbelsäule (BLWS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 17.3.1 Kompressionsverletzungen (Typ A) . . . 560 17.3.2 Distraktions- und Rotationsverletzungen (Typ B und C) . . . . . . . . . . . . . . 562 17.3.3 Therapie der Brustund Lendenwirbelsäulenverletzungen . . 568 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
571
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . i–vii
Kapitel 18
Becken und Acetabulumverletzungen im Kindesalter
18
T. Pohlemann, A. Gänsslen, A. Partenheimer
18.1 18.2
Kindliche Beckenringverletzungen
. . . . . . . . . . 581
Acetabulumfrakturen bei Kindern . . . . . . . . . . . 596 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601
Beckenfrakturen bei Kindern sind seltene Verletzungen. Im eigenen Krankengut der letzten 25 Jahre fanden sich bei mehr als 2000 Patienten mit Beckenfrakturen nur in 5,8% kindliche Verletzungen im Alter bis zu 14 Jahren, eine Häufigkeit, die im Wesentlichen auch von anderen Autoren bestätigt wird (Ehalt 1961; Heiss et al. 1974; Watts 1976). Die Besonderheiten der kindlichen Anatomie – und hier insbesondere die hohe Elastizität des kindlichen Beckenrings – führen zu teilweise anderen Verletzungsmustern als sie vom Erwachsenen bekannt sind. Die früher weit verbreitete Ansicht, dass alle Beckenverletzungen im Kindesalter aufgrund der wachstumsbedingten Kompensationsmechanismen folgenlos ausheilen, wurde zwischenzeitlich in mehreren Untersuchungen widerlegt (Grisoni et al. 2002). Insbesondere nach den – zwar glücklicherweise seltenen – instabilen kindlichen Beckenringverletzungen muss mit teilweise erheblichen Langzeitfolgen gerechnet werden. Die Osteosynthesetechnik, besonders für die Kleinkinder, befindet sich noch in der Entwicklung und kann noch nicht abschließend bewertet werden. Im Folgenden werden daher nur diejenigen Operationstechniken angeführt, die sich im eigenen Vorgehen bewährt haben. Acetabulumverletzungen im Kindesalter nehmen nochmals eine Sonderstellung ein. In der Literatur werden Häufigkeiten zwischen 5 und 20% im Rahmen von Beckenringverletzungen angegeben (Alpar u Owen 1988; Blatter 1979; Bryan u. Tullos 1979; Bucholz et al. 1982; Ehalt 1961; Feil u. Wörsdörfer 1991; v. Laer 1986; Reed 1976; Reichard et al. 1980). Im eigenen Krankengut von 124 Kindern unter Einschluss des 14. Lebensjahres mit Beckenfrakturen fanden sich in insgesamt 12% Beteiligungen des Acetabulums, wobei 7% der Kinder zusätzliche Beckenringverletzungen aufwiesen und bei 5% die Acetabulumfraktur die einzige Beckenverletzung
war. Die Problematik dieser Verletzung liegt darin, dass insbesondere bei noch geöffneten Wachstumsfugen die Diagnosestellung zunächst erheblich erschwert sein kann und häufig vom klinischen Bild her Begleitverletzungen im Vordergrund stehen (Silber u. Flynn 2002). Der folgende Abschnitt stellt daher zunächst die anatomischen und pathobiomechanischen Besonderheiten dar, die helfen, eine Verletzung eher »vermuten« zu lassen und damit eine zielgerichtete Diagnostik einleiten zu können. Die Abschnitte Therapie und Langzeitprognose geben einen Überblick über die im eigenen Vorgehen bevorzugte Behandlung und die weltweit nur in wenigen Fällen dokumentierten Langzeitfolgen. Das folgende Kapitel rekapituliert zunächst die anatomischen Besonderheiten des kindlichen Beckenrings und Acetabulums. In eigenen Abschnitten folgen die geschlossenen Darstellungen der Beckenringverletzungen und der Acetabulumverletzungen. Anatomische Grundlagen Es soll an dieser Stelle nur auf zum Verständnis notwendige Besonderheiten des kindlichen Beckenrings und Acetabulums eingegangen werden.Allgemeine und weitergehende Ausführungen finden sich in dem Band Becken und Acetabulum aus der Reihe Tscherne Unfallchirurgie (Tscherne u. Pohlemann 1998). Entwicklung der Hüftbeine Os ilium, Os ischii und Os pubis sind in der Kindheit und Jugend als einzelne knöcherne Strukturen nachzuweisen. Diese stehen im Bereich des Acetabulums über die so genannte Y-Fuge, einer Epiphysenfuge, in Verbindung. Der Zeitpunkt des synostotischen Fugenschlusses ist großen Schwankungen unterworfen. Normalerweise ist aber im 14. bis 16. Lebensjahr die Umbildung zu einer gemeinsamen knöchernen Struktur, dem Hüftbein (Os coxae) weitestgehend abgeschlossen (Abb. 18.1 a,b). Innerhalb dieser Y-Fuge treten zwischen dem 9. und 12. Lebensjahr zusätzliche eigenständige Knochenbildungszentren als so genannte »Schaltknochen« auf. Anatomisch bezeichnet sind ein Os acetabuli posterius und ein Os acetabuli anterius. Am Ende des 2. Dezenniums sind alle Anteile sicher zum Os coxae vereinigt.
578
Kapitel 18 Becken und Acetabulumverletzungen im Kindesalter
Klinischer Hinweis Die großen interindividuellen Schwankungen erschweren die radiologische Diagnostik kindlicher und jugendlicher Acetabulumverletzungen erheblich. Verletzungen lassen sich vielfach erst durch den radiologischen Nachweis von Heilungsreaktionen (»Periostzeichen«) zwischen 2 und 4 Wochen nach der Verletzung sichern.
Das weitere Wachstum des Beckens wird durch Epiphysen und Apophysen realisiert. Die Crista iliaca ist in der Jugend eine Epiphyse; das Erscheinen von Knochenkernen ist zwischen dem 13. und 15. Lebensjahr zu beobachten. Die Spina iliaca anterior inferior und das Tuber ischiadicum sind Apophysen; entsprechende Knochenkerne erscheinen Anfang bis Mitte des 2. Lebensjahrzehnts und schließen sich in der Regel zwischen dem 16. und 20. Lebensjahr (Lanz u. Wachsmuth 1984). Klinischer Hinweis Die Epiphysenfuge und die Apophysen stellen auch am Becken anatomische Schwachpunkte dar. Sie erklären, warum Abrissfrakturen bevorzugt in der Altersgruppe der Jugendlichen zu beobachten sind: Bei Maximalanspannung der – besonders bei sportlichen Individuen – schon sehr kräftig ausgebildeten Muskulatur kann es zum Überschreiten des Haltepotenzials der Wachstumsfuge kommen. Mit knöchernem Schluss der Apophysen, d. h. etwa ab dem 20. Lebensjahr, tritt dieser Mechanismus nicht mehr auf.
Abb. 18.1 a,b. Kindliches Becken. a Ansicht des Os coxae von lateral im Alter von etwa 12 Jahren. Deutlich erkennbar sind die Wachstumsfugen, die sich im Bereich des Acetabulums als so genannte YFuge darstellen. Das unregelmäßig auftretende Os centrale acetabuli kann in dieser Altergruppe Verletzungen vortäuschen. Die schematische Darstellung der Apophysen (nach Lanz u. Wachsmuth 1984) zeigt die nach Schluss der Y-Fuge noch bestehenden Wachstumsregionen am Becken an. Durch plötzlichen Muskelzug kann es zu Abrissverletzungen kommen, eine Verletzungsbild, das typischerweise mit Schluss der Apophysen zwischen dem 20. und 22. Lebensjahr nicht mehr beobachtet wird. b Die Röngtenübersicht eines kindlichen Beckens im Alter von etwa 5 Jahren lässt auch die Y-Fuge erkennen. Zu beachten ist ebenfalls die im Vergleich zum Erwachsenen relativ verbreiterte Weite der SI-Gelenke und des Symphsenspaltes
Betrachtet man das ausgereifte Os coxae morphologisch, so entspricht es nach Mollier (1938, 21967) der Form einer in sich um etwa 90° gewundenen Ziffer 8 (Abb. 18.2 a–c). Innerhalb und unterhalb des Kreuzungspunktes der »Ziffer 8« ist das »hufeisenförmige« Acetabulum eingesetzt. Wesentliche, stabilitätsgebende knöcherne Strukturen finden sich jeweils am Rand der »Kreise«, im Zentrum fehlt der Knochen im Bereich des Foramen obturatum vollständig oder ist im Bereich der Fossa iliaca nur millimeterdünn bzw. kann bei muskelschwachen Individuen auch vollkommen fehlen. Die Kenntnis dieser dreidimensionalen Ausrichtung und knöchernen Strukturverteilung ist wesentlich für die »traumatologische Anatomie«. Diese Vorstellungsweise erleichtert die Orientierung und lässt die zur Implantatverankerung nötigen »sicheren« Schraubenrichtungen besser bestimmen. Beckengelenke. Insbesondere für die Stabilitätsbeurteilung des kindlichen Beckenrings spielen die gelenkigen Verbindungen der Articulatio sacroiliaca sowie der
!
Becken und Acetabulumverletzungen im Kindesalter
Abb. 18.2 a–c. Morphologie der räumlichen Ausrichtung des Os coxae. a Mollier gab 1924 an, dass die abstrahierte Form des Os coxae der Form der Ziffer 8 entspricht, die im Kreuzungspunkt um etwa 90° verdreht ist. Etwas distal des Kreuzungspunktes ist die Hüftpfanne eingebettet, innerhalb der randständigen festen Knochenstruktur findet sich entweder kein Knochen (Foramen obturatum) oder eine nur sehr dünne Knochenlamelle (Darmbeinschaufel). b Die Dichteverteilung im Os ilium lässt sich am Knochen-
präparat in der Durchleuchtung von hinten verdeutlichen. c Die Ansicht eines Os coxae von oben verdeutlicht, dass die Ebene des Os ilium und die Ebene des Foramen obturatum 90° zueinander stehen. Diese Besonderheit ist für die Interpretation der verschiedenen Röntgenprojektionen bedeutsam (Ala- und Obturatoraufnahmen). Weiterhin erleichtert die Kenntnis dieser Orientierung die teilweise schwierige intraoperative Orientierung bei der Implantatpositionierung
Symphysis pubica eine wesentliche Rolle. Aufgrund der hohen Elastizität des kindlichen Knochens und der damit verbundenen Fähigkeit, auch große Kräfte ohne Fraktur zu kompensieren, sind die ligamentären Beckenringunterbrechungen im Kindesalter relativ gesehen häufiger (Stuhler et al. 1977). Insbesondere die radiologische Beurteilung des kindlichen Beckenrings wird noch dadurch erschwert, dass neben der zwangsläufig immer zu beurteilenden schrägen Projektion des Beckens die Weite der Beckengelenke im Verlauf des Alters variiert. Es ist daher günstig, sich die für die verschiedenen Funktionszustände, wie Laufen, Stehen und Sitzen, variablen Beckenringpo-
sitionen zu vergegenwärtigen (Abb. 18.3 a,b). Diese Betrachtungsweise erleichtert nicht nur die radiologische Beurteilung der Bilder, sondern erlaubt auch eine zuverlässigere Orientierung bei der Planung und Durchführung von operativen Stabilisierungsmaßnahmen. Auf die detaillierte morphologische Betrachtung der Beckengelenke soll an dieser Stelle verzichtet werden, sie ist an anderer Stelle ausführlich dargestellt (Tscherne u. Pohlmann 1998, Kap. 2.2, S. 15–18).
Abb. 18.3 a,b. Stellung des Beckens im Raum bei Einnahme von verschiedenen Positionen. a Aufrechter Stand von der Seite gesehen. b Situation beim Sitzen. Die Lagevariationen des Beckens werden hier in verschiedenen Funktionsstellungen verdeutlicht. Dies erleichtert die Auswahl und das Verständnis der spezifischen Implantatpositionen zur Stabilisierung von Becken- und Acetabulumfrakturen
Articulatio sacroiliaca. Für die Betrachtung kindlicher Beckenfrakturen von besonderer Bedeutung ist vor allem die variable Gelenkbeweglichkeit, die im We-
579
580
Kapitel 18 Becken und Acetabulumverletzungen im Kindesalter
sentlichen durch Alter und Geschlecht determiniert wird. Sie nimmt bei beiden Geschlechtern bis zum 14. Lebensjahr kontinuierlich ab, um danach beim weiblichen Geschlecht bis zu einem Maximum im 3. Lebensjahrzehnt wieder stark anzusteigen, während beim männlichen Geschlecht eine weitergehende kontinuierliche Abnahme des Bewegungsumfanges gemessen wurde (Brooke 1924). Eine radiologisch vermutete traumatische Erweiterung des Sakroiliakal- (SI-) Gelenks kann daher immer nur im Vergleich zum gegenseitigen Gelenk beurteilt werden. Zu beachten sind dabei allerdings Projektionsverzerrungen bei »schrägen« Aufnahmen. Symphysis pubica. Auch die Weite der Symphysis pubica unterliegt erheblichen altersabhängigen Schwankungen. Nach Kraus nimmt die Symphysenweite vom Kleinkindesalter (etwa 10 mm) bis in das höhere Alter von 50 Jahren (etwa 2 mm) kontinuierlich ab (Kraus 1930). 1993 legten Patel u. Chapmann neue Messungen anhand einer großen Untersuchungsreihe vor und fanden mit einer relativ hohen Schwankungsbreite eine durchschnittliche Weite von 7,4 mm in den ersten Lebensmonaten, die bis zum 16. Lebensjahr auf 5,4 mm abnahm. Die Ergebnisse beider Untersuchungen sind in Abb. 18.4 a,b zusammengestellt. Kindliches Acetabulum Scham-, Sitz und Darmbein stoßen im Acetabulum mit Knorpelapophysen als so genannte Y-Fuge zusammen. Schon zwischen dem 4. und 6. Lebensjahr beginnt der knöcherne Schluss der Synostosis ischiopubica und ist in der Regel im 10. bis 12. Lebensjahr abgeschlossen. Im Acetabulum selbst sind die knöchernen Elemente bei Mädchen im 13. bis 14. Lebensjahr knöchern geschlossen, bei Jungen im 14. bis 15. Lebensjahr, wobei größere individuelle Schwankungen auftreten können und der Fugenschluss sich bis zum 20. Lebensjahr verzögern kann. Bei der Beurteilung von kindlichen Acetabulumverletzungen ist insbesondere die Einschätzung von isoliert liegenden und sehr variablen Knochenkernen schwierig. Die Wachstumsfuge des kindlichen Acetabulums setzt sich aus einem lateralen, hüftkopfnahen hufeisenförmigen Anteil mit Öffnung nach anterokaudal und einem medialen, intrapelvinem, dreiarmigen Anteil (»triradiate cartilage«) zusammen (Abb. 18.5 a–d). Während Ilium und Ischium direkt miteinander in Verbindung stehen, ist das Schambein durch eine dicke Knorpelschicht von beiden Knochen getrennt. In dieser Knorpelschicht entwickelt sich im 8. bis 12. Lebensjahr als sekundäres Ossifikationszentrum das Os centrale acetabuli als Anteil der vorderen Wand und verknöchert um das 18. Lebensjahr herum mit dem Schambein (Ponseti 1978; Scuderi u. Bronson 1987). Proximal und dorsal steht somit der »triradiate cartilage« mit dem Pfannenknorpel in Verbindung.
Abb. 18.4. a Detail der Symphyse (Schnittbild). Die Darstellung der Bandverbindung am kompletten Beckenring verdeutlicht, dass die wesentlichen ligamentären Strukturen dorsal und im Bereich des Beckenbodens liegen. Der vordere Beckenring ist insgesamt wesentlich schwächer ausgebildet. Im Bereich der Symphyse hat der Discus interpubicus die wesentliche stabilisierende Funktion, die vorhandenen Bandverbindungen sind sehr schwach ausgebildet. b Altersabhängige Weite der Symphyse. Die klassischen Untersuchungen von Kraus (1930) wurden durch umfangreiche Studien von Patel u. Chapman (1993) ergänzt. Es zeigt sich, dass die Symphysenweite im Lauf des Lebens langsam abnimmt, wobei im Kindesalter durchschnittlich mit Weiten zwischen 7,5 und 5,5 mm zu rechnen ist
Histologisch zeigt sich, dass der ilioischiale Wachstumsfugenanteil eine höhere Wachstumsrate aufweist als der iliopubische und der ischiopubische Anteil (Ponseti 1978). Interstitielle Knorpel-/Knochenneubildung, apositionelles Wachstum am lateralen Epiphysenanteil und periostale Knochenneubildung sorgen für das Höhen- und Breitenwachstum der Hüftpfanne (ebd.). Das tiefen- und sphärische Wachstum ist an die anatomisch exakte Position des Hüftkopfes gebunden (Ponseti 1978; Watts 1976).
18.1 Beckenringverletzungen im Kindesalter
581
Abb. 18.5 a–d. Azetabuläre Morphologie in der Kindheit. d frontale Rekonstruktion
Abb. 18.5 a–d. Azetabuläre Morphologie in der Kindheit. a Schematische Übersicht nach Lanz u. Wachsmuth (1984). b–d Radiologisches Beispiel eines 10-jährigen Jungen ohne nachgewiesene Verletzung: b Beckenübersicht, c 3D-Ansicht
Besonderheiten Der kindliche Beckenring ist durch eine sehr hohe Elastizität charakterisiert, eine Eigenschaft, die sich aus dem hohen Knorpelanteil der Ringstruktur und der noch »weichen« Knochenmatrix erklärt (Canale u. King 1991). Dadurch kann der kindliche Beckenring im Vergleich zum Erwachsenen eine wesentlich höhere Energie aufnehmen, bevor er bricht. Bei kleinen Kindern kann eine Fraktur gelegentlich trotz massivster Gewalteinwirkung ganz ausbleiben (Stuhler et al. 1977). Selbst nach eingetretener Fraktur wird durch die elastische Gesamtstruktur noch weiter Energie aufgenommen (Currey u. Butler 1975; Ogden 1982). Im Gegensatz zur Situation beim Erwachsenen resultiert daraus eine wesentlich geringere Schutzwirkung für die inneren Organe. Die klinisch-radiologische Einschätzung ist erschwert, da schwere Organläsionen auch ohne klinisch offensichtliche Instabilität und ohne radiologisch erkennbare Frakturen auftreten können (Ogden 1982). Umgekehrt bedeuten klinische oder radiologische Verletzungszeichen immer, dass hohe Kräfte eingewirkt haben müssen. Eine isolierte Schambeinastfraktur, die beim Erwachsenen als »einfache« Verletzung gilt, kann besonders beim Kleinkind schon zu erheblichen inneren Verletzungen geführt haben (Junkins u. Bolte 2001). Legt man die Definition des komplexen Beckentraumas zugrunde, lag im eigenen Krankengut dessen Inzidenz bei Kindern bis zu 14 Jahren bei 18,3%, verglichen mit nur 10,7% in der Gruppe der Patienten >14 Jahre (Meyer-Junghänel et al. 1997). Beim Auftreten mehrerer Frakturen im kindlichen Beckenring muss deswegen nahezu immer mit intraabdominellen und pelvinen Begleitverletzungen gerechnet werden (Bond et al. 1991).
CAVE
18.1 Kindliche Beckenringverletzungen
582
Kapitel 18 Becken und Acetabulumverletzungen im Kindesalter
!
Die kindlichen Beckenfrakturen sind somit – zumindest in der Primärphase – als lebensbedrohliche Verletzung einzustufen, die die Anwendung eines primären Managementprotokolls erfordert. Erst der sichere Ausschluss von Begleitverletzungen bekräftigt die »Harmlosigkeit« der kindlichen Beckenverletzung! Notfallbehandlung Die Notfallbehandlung auch der kindlichen Beckenverletzung entspricht generell der des Erwachsenen (Tscherne u. Pohlemann 1998). Im Vergleich zum Erwachsenen ist insbesondere die Befunderhebung erschwert. Es ist deswegen darauf zu achten, dass die Untersuchungen immer komplett und sorgfältig durchgeführt werden:
CAVE
쐌 klinische Stabilitätsprüfung (sehr wichtig, da die Interpretation radiologischer Befunde erschwert ist), 쐌 Prüfung der Körperöffnungen und der lokalen Weichteilsituation, 쐌 Sonographie Abdomen und Becken (retroperitoneales Hämatom, Blase), 쐌 suffiziente Röntgendiagnostik (Becken a.-p., im Verdachtsfall immer Inlet- und Outlet-Aufnahmen, sekundär CT). Die Entscheidungsfindung orientiert sich, wie auch beim Erwachsenen, im Wesentlichen an der Kreislaufsituation und dem Grad des Stabilitätsverlustes des Beckenrings. Dabei ist zu beachten, dass besonders beim Kind die hämodynamische Instabilität nicht immer mit der mechanischen Instabilität des Beckenrings korreliert, d. h. es können operative Blutstillungsmaßnahmen erforderlich werden, obwohl der Beckenring selbst als »federnd stabil« befundet wird! Aufgrund der guten Kompensationsmechanismen des kindlichen Organismus wird der schlechte Allgemeinzustand häufig erst spät offensichtlich (leider häufig zu spät erkannt)! Notfallbehandlung: praktisches Vorgehen Die Notfallbehandlung lebensbedrohlicher Beckenverletzungen stellt eine besondere Herausforderung dar. Sie ist als »klassische zeitsensitive Situation« in der Unfallchirurgie anzusehen. In der Primärbehandlung sind unmittelbare Entscheidungen und Maßnahmen erforderlich, um einen häufig letalen Ausgang abzuwenden. Auf eine detaillierte Betrachtung der Vor- und Nachteile einzelner Maßnahmen und Zeitabläufe wurde schon an anderer Stelle eingegangen (Tscherne u. Pohlmann 1998, Kap. 7). Das derzeitige Therapiekonzept gründet sich zunächst auf das unmittelbare Erkennen der lebensbedrohlichen Situation. Als Alarmzeichen gelten die bei einer manuell in der klinischen Untersuchung erkennbare Instabilität des Beckenrings in Kombination mit einer beckenbedingten lebensbedrohlichen Blutung. Als Richtwert ist ein Eingangs-Hämoglobinwert von 12 Jahren, einem Schaft-Hals-Winkel 20° als definitive Rotationsfehler. Nur diese scheinen erhebliche Beschwerden zu verursachen und zu Spätfolgen zu führen und sind primär unbedingt in jedem Alter zu vermeiden (Weber 1961).
Dementsprechend findet sich in der Literatur keine Arbeit, die über einen hohen Prozentsatz an Korrekturoperationen bei zuvor konservativ behandelten Oberschenkelfrakturen – der Therapie der Wahl bis weit in die 1980er Jahre hinein – berichtet (v. Laer 2001).
Keine spontane Korrektur
Langsame Korrektur
10 Jahre
10 Jahre
X, RK, AK X, AK>20°, IRF dist. FX IRF distales Fx
O, X, RK, AK X, AK5 Jahre) RK?
Keine RK?, RF
O, X
O,
Fx = Fraktur, O = varus, X = valgus, RF = Rotationsfehler, IRF = Innenrotationsfehlstellung, dist = distal, AK = Antekurvation, RK = Rekurvation.
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Kapitel 20 Diaphysärer Oberschenkel
>30°
bei Geburt
T 15°–30°
5.–7. Lebensjahr
10°–15° AT Wachstumsabschluss
c
d
Abb. 20.4 a–d. Bei der klinischen Messung des Rotationsfehlers ist darauf zu achten, dass der Trochanter major parallel zur Untersuchungsliege steht. Der Winkel senkrecht zum Unterschenkel gibt
den Torsionswinkel des Schenkelhalses wieder. Verminderte Antetorsion gegenüber der unverletzten Seite bedeutet einen Außenrotationsfehler, und damit klinisch einen Innenrotationsfehler
Diaphysärer Oberschenkel
!
Wachstumsstörungen Stimulative Wachstumsstörung. Beinlängendifferenzen sind als stimulativer Wachstumsreiz nach jeder Fraktur zu erwarten. Sollte jedoch die Differenz >2 cm betragen, so muss nicht das absolute Ausmaß der Längendifferenz bestimmt werden, sondern das Ausmaß unter der individuellen Wirbelsäulenstatik. Daher sind Beinlängendifferenzen mit der Brettchenmethode zu messen (Abb. 20.5 a–c). Grundsätzlich können 2 cm durch Sohlenausgleich korrigiert werden. Beinlängendifferenzen >2 cm können entweder durch eine intertrochantäre Verkürzungsosteotomie oder durch eine rechtzeitig durchgeführte Epiphysiodese auf der längeren Seite diminuiert werden. Heute wird auch die Kallusdistraktion auf der kürzeren Seite als Methode angewandt. Eine physiologische Beinlängendifferenz bis maximal 1,5 cm weisen etwa 25% der Bevölkerung auf (v. Laer 2001). Hemmende Wachstumsstörung. Eine der am meisten gefürchteten Komplikationen im Bereich des proximalen Femurs ist die Kopf- oder Halsnekrose. Sie ist Folge der iatrogenen Verletzung der Gefäße des koxalen Femurendes. Daher wurden die Nagelungen des Femurs, wie sie früher vorgenommen wurden, wieder verlassen. Diese Wachstumsstörung kann häufig nicht beeinflusst werden. Eine eventuelle Therapie richtet sich nach dem Ausmaß, der Lokalisation und Richtung der Deformität (ggf. ist eine subkapitale intratrochantäre oder Beckenosteotomie zur besseren Einstellung der Hüfte in die Pfanne zu planen).
Abb. 20.5 a–c. Beinlängendifferenzen werden funktionell mit der Brettchenmethode gemessen, wobei Taillendreiecke, die Richtung der Rima ani, die Stellung der Gesäßhälften und die Lendenwirbelsäule selbst vor und nach einem Längenausgleich beurteilt werden müssen
Die Folge von Wachstumsbeschwerden kann die Coxa valga sein, wie sie früher nach Marknagelung kindlicher Femurschaftfrakturen bei noch weit offenen Fugen beobachtet werden konnte (Ansorg u. Graner 1976). Die Coxa vara hingegen ist eher eine iatrogene Deformität – weniger die Folge einer Wachstumsstörung. Diese tritt auf bei primärer oder sekundärer Achsabweichung im Rahmen instabiler Osteosynthesen oder als Folge partieller oder totaler Pseudarthrosen. Die Schenkelhalsverkürzung ist eine seltene Wachstumsstörung, die den vorzeitigen Verschluss der proximalen Fuge nach sich zieht. Klinisch kann die Schenkelhalsverkürzung in einem positiven TrendelenburgGangbild imponieren, dann ist ggf. die Indikation zur Verlängerungsosteotomie zu stellen. Partielle oder totale Pseudarthrosen sind Folgen instabiler Osteosynthesen oder konservativer Behandlung dislozierter Frakturen. Sie sollten umgehend angefrischt und die Fragmentstellung sollte korrigiert und mit einer Plattenosteosynthese oder Marknagel ggf. mit Spongiosaanlagerung stabilisiert werden, sodass eine funktionelle Nachbehandlung möglich wird. Pseudarthrosen treten unterhalb des 6. Lebensjahres so gut wie nie auf. Der Knochen scheint in diesem Alter noch problemlos Komplikationen wie Frakturdiastase oder -instabilität kompensieren zu können (Arslan et al. 2002). Besonders nach distalen Femurfrakturen kommt es häufig zu Wachstumsstörungen, bedingt durch den hohen Wachstumsanteil der Fuge und der Nähe der Läsion zur Fuge. In der Literatur schwanken die Angaben erheblich – nicht zuletzt, weil diese Frakturen selten sind und daher nicht differenziert genug beurteilt werden
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Kapitel 20 Diaphysärer Oberschenkel
können. Im Allgemeinen wird eine Rate zwischen 30–50% angenommen; dies sollte beim Aufklärungsgespräch gegenüber den betroffenen Eltern entsprechend geäußert werden (v. Laer 2001; v. Laer et al. 1989; Weinberg et al. 2002). Therapeutisch lässt sich eine Wachstumsstörung bisher nicht beeinflussen. Jede Manipulation, jede unnötige Nachreposition und jede iatrogene Läsion (Operation) erhöhen das Risiko einer solchen. Eine MRT sollte
Abb. 20.6 a–d. Posttraumatische hemmende Wachstumsstörung nach Salter-Harris-II-Verletzung des distalen Femurs. 8-jährige Junge, der am Unfalltag (a) primär operativ stabilisiert (b) wurde und im Verlauf nach Konsolidation (c,d) konsekutiv eine posttraumatische partielle Wachstumsstörung entwickelte
nicht routinemäßig erfolgen, da sie keinen Einfluss auf die Therapie hat. Die Korrekturen richten sich nach den funktionellen Beschwerden, der Zunahme der Deformität und der Langzeitprognose. Beeinflusst wird die Indikation von kosmetischen Aspekten und auch der Zumutbarkeit für den Patienten. Insgesamt muss bei früher Korrektur mit mehreren Folgeeingriffen gerechnet werden (Abb. 20.6 a–d).
Diaphysärer Oberschenkel
Spezielle funktionelle Anatomie Der Oberschenkel ist ein muskelstarker Skelettabschnitt. Wegen der damit verbundenen guten Durchblutungssituation verläuft die Frakturheilung am Femur unproblematisch. Die Anatomie dieses Muskelmantels ist jedoch für die operativen Zugangswege von Bedeutung (Abb. 20.7). Ein langstreckiger Zugang zum Femur ist mit schwindender Bedeutung der Plattenosteosynthese am Femur nur noch selten erforderlich. Ein kurzstreckiger Zugang für eine offene Reposition sollte im Septum intermusculare laterale erfolgen, unter Darstellung und Ligatur bzw. Durchstechung der Perforansgefäße. Ein Zurückrutschen derselben unter das Septum beinhaltet das Risiko einer Nachblutung oder eines postoperativen Kompartmentsyndroms. Die Platzierung von Schanz-Schrauben erfolgt am günstigsten von lateral, nahe dem Septum intermusculare. Ziel ist ein möglichst kurzstreckiger intramuskulärer Verlauf (geringe Wundsekretion) und die Vermeidung von Verklebungen zwischen dem M. vastus intermedius und dem Femur mit der sich daraus ergebenden Flexionseinschränkung. Kniegelenknah ist der subfasziale Raum relativ eng. Zu lang überstehende ESIN-Schienen (intramedulläre Drähte) können hier bei Mobilisierung zu Gewebeirritationen führen. Weiterhin ist die Enge kniegelenknah dafür verantwortlich, dass es bei Fixateur-externe-Anlagen zu Einschränkungen der Kniebeweglichkeit kom-
men kann, die aber bei Abnahme innerhalb von 6 Wochen von den Kindern problemlos wiederhergestellt wird (Weinberg et al. 1994, 2000). Die Höhe der Fraktur führt am Femur zur charakteristischen Dislokation der Fragmente in Abhängigkeit vom Zug der ansetzenden Muskeln. Diese Gegebenheiten sind vor allem bei konservativer Behandlung zu berücksichtigen: 쐌 Bei subtrochantären Frakturen wird das proximale Fragment in Abduktion, Flexion und Außenrotation gezogen. 쐌 Bei suprakondylären Frakturen führt der Zug der Gastrocnemiusmuskulatur am distalen Fragment zu einer Hyperextensionsstellung (Abb. 20.8 a–f). Aus diesen regelhaft auftretenden Stellungen leitet sich die Repositionsrichtung ab. Klassifikation Von therapeutischer Relevanz ist die Unterscheidung zwischen stabilen und instabilen Frakturen. Als stabil gelten Frakturen, deren Enden aufeinander stehen und die allenfalls einen Achsknick aufweisen und weiterhin alle Frakturen bei denen noch eine Kortikalis intakt bzw. die betreffende Kortikalis nur gestaucht wurde.
M. rectus femoris M. vastus intermedius
M. vastus medialis
M. vastus lateralis A., V. femoralis M. sartorius
M. gracilis M. adductor longus M. biceps, caput breve M. adductor magnus M. biceps, caput longum M. semimembranosus M. semitendinosus
Bursa suprapatellaris M. vastus lateralis
M. biceps femoris
M. vastus medialis
M. sartori M. gracilis M. semimembranosus A., V. poplitea
Abb. 20.7. Querschnitt durch die Mitte des Oberschenkels von distal rechts, durch das distale Drittel des Oberschenkels von distal rechts
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Kapitel 20 Diaphysärer Oberschenkel
a a
b
cc
Abb. 20.8 a–f. Fragmentdislokation bei Oberschenkelschaftfrakturen in Abhängigkeit von der Frakturhöhe. a,b Der unfrakturierte Femur steht in Neutralstellung. Die Muskelkräfte halten sich die Waage. c Bei proximalen Frakturen wird das proximale Fragment in Abduktion (Abduktorengruppe), Flexion (M. iliopsoas) und Außenrotation (kurze Außenrotatoren) gezogen. c,d Bei Frakturen in Schaftmitte ist dieser Effekt geringer ausgeprägt, da er von
Instabil sind alle komplett dislozierten Frakturen, insbesondere Schrägfrakturen mit deutlicher Verkürzungstendenz. Für die Behandlung und Dokumentation der Femurschaftfrakturen hat sich die Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) bewährt. Derzeit ist eine spezielle AO-Klassifikation der Frakturen im Kindesalter in Evaluation und wird in Kürze vorgestellt werden können.Von Laer hat bereits die typisch kindlichen Unterschiede gegenüber den Frakturformen des Erwachsenen bereits in einer Klassifikation (LiLa 1.1) umgesetzt. Allen Klassifikationen gemeinsam ist, dass die vollständigen Frakturen in eine einfache Frakturform, die mit einem zusätzlichen Biegungskeil versehen sein kann (Instabilität nimmt zu), sowie eine komplexe Fraktur eingeteilt wird. Typische kindliche Läsionen sind 쐌 die Stauchungsfraktur des distalen Femur, 쐌 die Grünholzfraktur und 쐌 die Epiphysíolysen mit oder ohne metaphysären Anteil. Wegen der unterschiedlichen Stabilisierungsmöglichkeiten erfordern metaphysäre Frakturtypen sowohl subtrochantär als auch suprakondylär eine eigene Betrachtung. Die häufigste Femurfraktur im Kindesalter (in >50%) ist die einfache geschlossene Querfraktur. In letzter Zeit ist jedoch eine Verschiebung der Häufigkeit zu
d
e
ff
den am proximalen Fragment ansetzenden Adduktoren und Extensoren kompensiert wird. e Distale Schaftfrakturen zeigen meist nur geringe Dislokationen, da alle Muskeln am gleichen Fragment ansetzen. f Bei suprakondylären Frakturen führt der Zug der Gastrocnemiusmuskulatur am distalen Fragment zu einer Hyperextensionsfehlstellung
komplexen Frakturformen, bedingt durch Hochrasanzsportarten, zu verzeichnen (Snowbordunfälle und Funsportarten; Abb. 20.9 a–c). Die Klassifikationen für offene Frakturen sowie geschlossene Weichteilschäden kommen in bekannter Weise zur Anwendung (Gustillo 1976; Oestern u. Tscherne 1983). Die AO klassifiziert möglichst differenziert den vorhandenen Weichteilschaden. Therapeutische Richtlinien für die Behandlung von Kindern, die aus dieser Klassifikation abgeleitet werden könnten, wurden bisher nicht publiziert (s. Nerlich u. Berger, 2003, Weichteilverletzungen und Infektionen, aus der Reihe Tscherne Unfallchirurgie S. 206). Diagnostik Ziel der Anamnese ist zunächst festzustellen, ob ein adäquates Trauma vorliegt, und die Verletzungslokalisation einzugrenzen. Bei der klinischen Untersuchung sollten schmerzhafte Untersuchungsschritte unterlassen werden. Die Dokumentation der peripheren Durchblutung, Motorik und Sensibilität ist auch ohne schmerzhafte Tests möglich. Eine Überprüfung der klinischen Frakturzeichen ist nicht sinnvoll. Die meisten Kinder mit Oberschenkelfrakturen sind gehunfähig und schmerzgeplagt, häufig ist die Fraktur schon klinisch zu vermuten. Schwieriger ist die Diagnostik bei Mehrfachverletzungen, bei Kindern mit Schädel-Hirn-Trauma und schwerbehinderten Kindern. Die Standarddiagnostik umfasst eine Röntgenuntersuchung in 2 Ebenen mit Abbildung der beiden benachbarten Gelenke. Aufgrund des Strahlenschutzes ist es
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Diaphysärer Oberschenkel
a
Diaphyse proximal
Mitte
distal
b
Metaphyse
c Abb. 20.9 a–c. Klassifikation der Oberschenkelfrakturen. a,b Diaphyse: AO 3.1 subtrochantäre Fraktur (a), AO 3.2 (von links nach rechts) Querfraktur, Schrägfraktur, Biegungskeil, Grünholzfrak-
tur, Mehrfragment-Trümmerfraktur. c Metaphyse: AO 3.3 (von links nach rechts) Salter I, Salter II, Stauchungsfraktur, Grünholzfraktur, vollständige metaphysäre Fraktur
angebracht, im a.-p.-Strahlengang den Oberschenkel mit Hüfte und im seitlichen Strahlengang den Oberschenkel mit Knie abzubilden. Eine zusätzliche Darstellung eines der Gelenke in der zweiten Ebene ist nur in Ausnahmefällen erforderlich. Die Einstellung der zweiten Ebene am Oberschenkel ist bei vorliegender Fraktur schmerzhaft. Die Kenntnis des Frakturverlaufs hat allerdings Konsequenzen für die Verfahrenswahl. Nach Diagnosestellung anhand der ersten Aufnahme ergibt sich die Indikation zur Versorgung, die Aufnahme in der zweiten Ebene kann ggf. unter entsprechender Analgesie oder im Rahmen der therapeutischen Maßnahme (Reposition, Operation) erfolgen.
Der radiologische Nachweis einer nicht oder nur minimal verschobenen Fraktur kann schwierig sein. In diesen Fällen kann die primäre Sonographie den Nachweis anstelle der sekundären radiologische Diagnostik (Periostreaktion) nach 8–10 Tagen erbringen. Zeigt die Röntgendiagnostik trotz entsprechender Klinik keine Fraktur, ist die Indikation zur Sonographie gegeben. Im Ultraschall lassen sich Grünholzfrakturen und metaphysäre Stauchungsfrakturen häufig früher diagnostizieren als durch sekundäre Röntgendiagnostik 8–10 Tage nach Trauma. Die Sonographie kann diese radiologische Sekundärdiagnostik überflüssig machen.
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Kapitel 20 Diaphysärer Oberschenkel
Differenzialdiagnostischer Hinweis Kinder zeigen häufig eine unsichere Traumaanamnese. Daher muss bei Kinder, die Schmerzen im Oberschenkel, Knie oder Hüfte angeben, bei denen keine Fraktur nachweisbar ist (Differenzialdiagnose: Epiphysiolysis capitis femoris, Morbus Perthes) und die die Extremität nicht belasten die Coxitis fugans gegenüber der Osteomyelitis ausgeschlossen werden. Bewährt haben sich eine Ultraschalluntersuchung zum Ausschluss eines Hüftgelenkergusses und eine Laboruntersuchung im Hinblick auf Entzündungsparameter. Bei anhaltenden Beschwerden ist auch bei negativem Labor eine weiterführende Diagnostik anzustreben. Sekundäre Diagnostik Bei Beschwerden, die nach 10 Tagen persistieren und zu keinem Ergebnis geführt haben, ist dies MRT indiziert (Bone bruise, Stressfrakturen, Ausschluss von Tumoren, Infekt – auch bei blandem Labor). Bei fraglichen Rotationsfehlern, die bei der Initialbehandlung aufgetreten sind,ist die Sonographie der CT-Untersuchung vorzuziehen (Keppler et al. 1999 a). CT-Untersuchungen sollten nur bei definitiver Indikation zur Korrektur oder bei vorhandenem Gips in die Überlegungen einbezogen werden (Bulut et al. 2003; Keppler et al. 1999 b).
oder Kissen erfolgen (Abb. 20.10 a). Bei Änderungen der Lage (Wechsel der Tragen) wird das Bein unter Zug gehalten, falls keine aufblasbare Schiene angelegt wurde. Man sollte keine Repositionsversuche durchführen. Falls es erforderlich ist, sollte mit der Thromboseprophylaxe begonnen werden. Den Kindern sind zur Vermeidung unnötiger Stressreaktionen jedes Manöver und jede Maßnahme mitzuteilen. Es sollte möglichst nur ein Ansprechpartner fungieren. Bei jeder fraglichen Monoverletzung des Oberschenkels (Traumaanamnese unsicher!) ist initial immer auch eine Sonographie im Schockraum und nach durchgeführter Therapie/Operation durchzuführen. Femurschaftfrakturen gehen in einem hohen Prozentsatz mit intraabdominellen Verletzungen einher, die im Kindesalter lange kompensiert werden können und nicht selten übersehen werden. Typische Verletzungsursachen sind Fahrradsturz bzw. Fußgängerunfälle (Holmes et al. 2002 a,b; Kluger et al. 1994; Kong et al. 1996; Poole et al. 1992; Abb. 20.10 b). Klinischer Hinweis Bei vorhandener Oberschenkelfraktur und entsprechender Traumanamnese muss im Kindesalter aktiv (Sonographie) eine intraabdominelle Verletzung ausgeschlossen werden.
Therapie Klinische Erstversorgung Neben der Kreislaufsstabilisierung und den allgemeinen Grundsätzen der Notfalltherapie sollte grundsätzlich auf eine ausreichende Analgesie geachtet werden. Eine schmerzarme Lagerung kann auf einer Vakuummatratze, aufblasbaren Schienen, Schaumstoffschienen
Wie bei allen Frakturen im Kindesalter gilt es, eine primär definitive Versorgung zu erreichen, die eine bald mögliche Mobilisation und Belastung gestattet. Ein Therapiewechsel – auch Nachrepositionen – sind zu vermeiden, da da-
Abb. 20.10. Im Schockraum erfolgt neben der adäquaten Lagerung der Extremität (a) z. B. in einer Luftkammerschiene und den nativen radiologischen Bildern die primäre Abdomensonographie (b)
zum Ausschluss einer intraabdominellen Verletzungen. Letztere wird gerade im Kindesalter bei vermeintlichem Monotrauma des Oberschenkels am häufigsten übersehen
Diaphysärer Oberschenkel Tabelle 20.2. Akzeptable Dislokationen bei Oberschenkelschaftfrakturen im Kindesalter
Akzeptable Dislokationen
Säugling bis –6 Monate
Kleinkind bis 3 Jahre
Schulkind bis 14 Jahre
Adoleszent >14 Jahre
Varus/valgus Ante-/Rekurvation Rotation Verkürzung
30° verkippt werden, muss von einer Luxatio pedis supinatoria ausgegangen werden. Findet sich zusätzlich ein anteromediales Schubladensymptom, besteht der unmittelbare Übergang zur Luxatio pedis cum talo, die eine vollständige Verrenkung des Fußes mit dem Sprungbein aus der Gabel heraus bedeutet. Es handelt sich hier um ein extrem seltenes Unfallgeschehen, bei dem sämtliche lateralen Bandstrukturen rupturieren und bei weiterer Gewalteinwirkung durch Schub von vorne oder hinten auch der mediale Bandapparat zerreißt (Zwipp 1994). Diagnostik Klinisch Meist zeigt sich bei frischem Trauma eine eiförmige Schwellung im Bereich des Sprunggelenks unter und/ oder vor dem Knöchel. Bei einem länger zurückliegenden Trauma kann das mitunter ausgeprägte diffuse Hämatom bis an den Fußrand abgesackt sein. Druckschmerzhaftigkeit im Verlauf des Außenbandes und im Bereich des Innenbandes sollte geprüft werden. Insgesamt ist die Beweglichkeit eingeschränkt. Bei der akuten Verletzung lassen sich die Stabilitätstests nur bei Jugendlichen durchführen. Bei Kindern sind die Distorsion sowie die knöcherne Läsion weitaus häufiger. Wir verzichten zunächst bei Kindern unter dem 12. Lebensjahr auch bei erheblichen Schmerzen und Schwellung auf eine klinische Stabilitätsuntersuchung. Nach Durchführung der radiologischen Untersuchung und ausgeschlossenem knöchernen Bandausriss wird dann die Stabilität untersucht. Im Zweifelsfall wird eine Bandruptur angenommen und der Patient bei Schmerzen nicht untersucht. Nach der ersten Woche lässt sich auch bei Kindern nach Abschwellung die Stabilität sehr gut prüfen, ohne Schmerzen zu provozieren. Bei Jugendlichen lassen sich die Stabilitätstests, wie Talusvorschub und Kippung, sowie die gehaltenen Aufnahmen des oberen Sprunggelenks in 2 Ebenen (unter Leitungsanästhesie) durchführen. Diese erlauben meist eine eindeutige Differenzierung zwischen stabiler und instabiler Verletzung. Auch bei Jugendlichen führen wir grundsätzlich für eine Woche eine Ruhigstellung durch und wiederholen ggf. anschließend die standartisierte Stabilitätsprüfung, falls primär keine eindeutige Diagnose gestellt werden konnte. Radiologisch Zum Ausschluss knöcherner Läsionen (Epiphysenlösungen, Syndesmosenausrisse, Malleolarfrakturen) führen wir grundsätzlich eine Sprunggelenkaufnahme in 2 Ebenen durch. Hier zeigt sich im Kindesalter unter dem 12. Lebensjahr meist bereits der knöcherne Abriss. Dieser befindet sich häufiger an der Fibulaspitze als am Talus (Schneider u. v. Laer 1981). Die Diagnose des knöchernen Bandausrisses kann dennoch schwierig sein, da im Bereich des Außen-
knöchels so genannte sekundäre Ossikel zu finden sind, wie das Os subfibulare (vgl. Abb. 22.32). Reine Epiphysiolysen sind ebenfalls primär radiologisch nicht sicher erkennbar. Im Zweifelsfall kann der Befund nur zusammen mit der klinischen Untersuchung gesichert werden. Im Jugendlichenalter muss differenzialdiagnostisch immer an eine Übergangsverletzung, insbesondere an eine Twoplane-Fraktur gedacht werden. In diesem Fall kann zum Ausschluss derselben eine 45°-Schrägaufnahme durchgeführt werden. Eine gehaltene Aufnahme des Sprunggelenks führen wir nicht durch, da sich die therapeutische Konsequenz aus der klinischen Untersuchung ergibt. Auch führt die schmerz- und/oder angstbedingte Gegenspannung der Patienten zu falsch-negativen Ergebnissen, vor allem wenn die Aufnahme mit Unterstützung von Haltegeräten ohne (Regional-) Anästhesie durchgeführt wird (Wülker 2000). Ist eine Fraktur radiologisch ausgeschlossen und der Knöchel wegen einer beträchtlichen Schwellung schwer zu untersuchen, ist es wichtig, nach Ruhigstellung – unterstützt durch Kryotherapie und Hochlagerung – eine erneute Untersuchung durchzuführen. Eine präzise durchgeführte rein klinische Diagnostik, innerhalb von 48 Stunden nach erfolgter Verletzung, hat eine Sensivität von 71% und eine Spezifität von 33%. 5 Tage nach Verletzung findet sich eine Sensivität von 96% und eine Spezifität von 84%. (VanDijk et al. 1996). Bei entsprechendem klinischen Verdacht und der Notwendigkeit einer weiteren Abklärung halten wir die MRT im Vergleich zur gehaltenen Aufnahme für die geeignetere Methode. Zusätzlich gibt die MRT Aufschluss über eventuelle Zusatzverletzungen. Es muss aber bedacht werden, dass eine MRT keine Aussage über den funktionellen Zustand des Sprunggelenks liefert. Zusätzlich ist zu bedenken, dass akute ligamentäre Verletzung am oberen Sprunggelenk konservativ mit gutem Erfolg behandelt werden können und daher eine aufwendige Primärdiagnostik fragwürdig erscheint. Die Sonographie besitzt in der Basisabklärung einen hohen Stellenwert, da sie kostengünstig ist und Aufschluss über Verletzungsmuster, Außenbandkontinuität und Kapseldeformierungszeichen bietet (Abb. 22.59 a,b). Therapie Knöcherne Läsionen Die knöchernen Verletzungen sind bei Kindern bis zum 10. Lebensjahr wesentlich häufiger als ligamentäre Rupturen. Grundsätzlich werden diese für eine Woche in einer Unterschenkelliegeschale ruhig gestellt. Anschließend wird auf einen Unterschenkelgehgips gewechselt, der altersabhängig 3–4 Wochen verbleibt. Alternativ kann nach 2 Wochen auch auf ein Brace umgestellt werden. Da dies aber eine kostenaufwendigere Behandlung ist und altersabhängig Kinder bereits nach 3 Wochen knöchern eine Konsolidation aufweisen, verzichten wir meist auf einen Umstieg der Behandlungsweise (Abb. 22.60 a,b).
22.3 Distaler Unterschenkel Abb. 22.59a,b. Typisches Bild eines akzessorischen Knochenkerns (Os trigonum)
Abb. 22.60 a,b. Unfallbilder eines knöchernen Bandausrisses
Ligamentäre Verletzungen Unabhängig von der Primärversorgung (operativ, konservativ mit Gipsruhigstellung oder funktionell) wird die Zahl der Patienten mit dekompensierten Instabilitäten mit 10% bei Jugendlichen angegeben (Zwipp et al. 1989). Das Therapieziel ist die Schmerzbehandlung und der Schutz vor einem neuerlichen Trauma. Bei Grad-I- und Grad-II-Verletzungen erfolgt die Therapie konservativ: mit Kühlung, bei Bedarf unterstützt durch Schmerztherapie mittels topisch, oral oder parenteral verabreichten nichtsteroidalen Antiphlogistika und der Ruhigstellung des verletzten Gelenks über
eine Woche durch eine Unterschenkelliegeschale. Diese kann bei Grad-I- und Grad-II-Verletzungen nach Abschwellung durch einen elastischen Salbenschlauchverband bzw. durch eine funktionelle Brace-Behandlung zur Ausheilung gebracht werden. Bei entsprechendem Ausmaß an Schwellung, Schmerz und/oder Alter des Patienten kann auch die Gipsruhigstellung im Unterschenkelgehgips für weitere 10–14 Tage notwendig werden. Die Behandlungsdauer richtet sich nach dem klinischen Bild bei zunehmender Belastung und dem Schmerzempfinden des Patienten.
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Kapitel 22 Unterschenkel
Auch bei Grad-III-Verletzungen hat sich das Therapiekonzept vom operativen Vorgehen hin zur primär konservativen Therapie mit intensiver Physiotherapie entwickelt, da beide Behandlungsformen zu vergleichbar guten Langzeitergebnissen führen (Kannus u. Renstrom 1991).
Nachbehandlung Kontrollen sollten nach einem halben und einem Jahr erfolgen. Stellt sich der Patient subjektiv beschwerdefrei vor, so kann die Behandlung abgeschlossen werden.
Rezidivtrauma, chronische Insuffizienz Empfohlene Therapie Bei Ersttrauma kann eine Therapie wie folgt aussehen: Ruhigstellung mittels Unterschenkelspaltgips über 5 Tage (bei Jugendlichen Thromboseprophylaxe mit niedermolekularen Heparinen), Kryotherapie, Hochlagerung und Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika. Ist der Patient schmerzfrei, kann nun eine Orthese, die das Gelenk in Neutralstellung hält, angepasst werden. Die verletzten Bandstrukturen können unter Vollbelastung bei axialer Stabilität und erlaubter Extension und Flexion heilen. Die Orthese soll kontinuierlich über 6–8 Wochen getragen werden, anschließend konsequent beim Sport mindestens bis zur 12. Woche, bei Risikosportarten auch länger. Eine begleitende Physiotherapie mit propiorezeptivem und peronealem Training ist nachweislich von entscheidendem Vorteil (Freeman 1965; Sommer 1996; Abb. 22.61 a–d).
Abb. 22.61. a Ausgeprägte Schwellung bei ligamentärem Bandausriss. b Schienenlagerung für eine Woche zum Abschwellen. Dies hat sich bei Kindern bewährt, da diese manchmal keine Teilbelastung durchführen können und dann die sofortige Bracebehandlung zu große Schmerzen verursacht. Bei geringer Schwellung und Jugendlichen kann das Brace sofort angelegt werden. c,d Anlage eines funktionellen Braces. Zunächst Mobilisation an Unterarmgehstützen, die zunehmend weggelassen werden können. (Die Braceversorgung kann in jedem Konfektionsschuh, ggf. eine Nummer größer, getragen werden)
Hat der Patient subjektiv Beschwerden (Schwellung, Schmerzen) oder eine Dekompensationsanamnese (z. B. Rezidivtrauma) und ein frisches Trauma so kann die Indikation zur Operation gestellt werden. Die günstigste operative Therapie ist die Rekonstruktion des Bandapparates durch die primäre Bandnaht in Abhängigkeit vom intraoperativen Befund der dargestellten Bandreste (Rabl u. Nyga 1994). Ist dies nicht möglich muss eine Periostlappenplastik (Kuner 1978; Stöhr u. Huberty 1980), eine Rekonstruktion mit einer Plastik aus der Sehne des M. plantaris (Weber 1972) oder eine Bandplastik aus der Sehne des M. peronaeus brevis nach Watson-Jones bzw. deren Modifikationen vorgenommen werden (Watson-Jones 1965). Um die Wundheilung zu sichern, erfolgt eine fünftägige Gipsruhigstellung, und anschließend erfolgt die Behandlung wie bei der konservativen funktionellen Behandlung.
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Literatur zu Abschn. 22.2
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805
Kapitel 23
Fuß
23
H. Thermann, H. Zwipp, S. Rammelt
23.1 23.1.1 23.1.2
H. Thermann Rückfuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 809 Talus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 809 Kalkaneus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 813
23.2
Mittelfuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 816
23.3
Vorfuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 817
23.4
Komplexes Fußtrauma
23.5
Korrektureingriffe nach Verletzungen des kindlichen Fußes . . . . . . . . . . . . . . H. Zwipp, S. Rammelt Korrektur extrinsischer Fußfehlstellungen . . Korrektur intrinsischer Fußfehlstellungen . . Rekonstruktion nach kombinierten Knochenund Weichteildefekten . . . . . . . . . . . . .
23.5.1 23.5.2 23.5.3
. . . . . . . . . . . . . . . . 819 . . . 822 . . . 823 . . . 837 . . . 846
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 850
H. Thermann Frakturen des kindlichen Fußes weisen im Gegensatz zum Erwachsenen einige Besonderheiten auf. Daraus resultieren spezifische therapeutische Probleme. Abgesehen von den Vorfußfrakturen ist die Inzidenz sehr gering, sodass der behandelnde Chirurg in der Regel nur eine geringe Expertise in der Behandlung dieser Verletzungen besitzt. Die Durchsicht der deutschsprachigen und auch internationalen Literatur ermöglicht dem behandelnden Arzt jedoch nur eine geringe Hilfestellung bei der Erstellung eines stringenten Therapiekonzeptes. Die Anatomie des Fußes mit entsprechenden Wachstumspotenzialen zu verschieden Altersstufen ist bei weitem nicht so detailliert analysiert wie z. B. bei den langen Röhrenknochen, sodass eine Einschätzung der Kompensationsmechanismen bei Fehlstellungen (z. B. Talus- und Kalkaneusfrakturen) im Folgenden nur partiell gegeben werden kann. Die wissenschaftliche Überprüfung der Langzeitergebnisse zeigt besonders bei Problemfrakturen (Talus-, Kalkaneus-, Navicularefrakturen) geringes Datenmaterial, wobei vornehmlich konservative Behandlungen untersucht wurden. Die Fortschritte in der Behandlung des traumatisierten Fußes beim Erwachsenen sind nicht ohne Auswirkungen auf die Verletzungen des kindlichen Fußes geblieben, sodass eine Bestandsaufnahme und kritische
Würdigung bisheriger Behandlungserfahrungen und neuer Therapiekonzepte notwendig erscheint. Spezifische Anatomie des kindlichen Fußes Der kindliche Fuß weist, verglichen mit dem des Erwachsenen, abweichende Strukturen auf. Als Beispiele seien hier nur Rückfußachse, talokalkanearer Winkel, unterschiedliches Auftreten von Ossifikationszentren und vermehrte Dehnbarkeit von Bändern und Sehnen aufgeführt. Diesen Spezifika muss jedoch bei der Behandlung kindlicher Frakturen unbedingt Rechnung getragen werden, um schwerwiegende Komplikationen zu vermeiden. Entwicklung und Wachstum Beim Wachstumsverhaltens des kindlichen Knochens muss prinzipiell zwischen 2 Arten des »Wachstums« unterschieden werden. Während bei der direkten (desmalen) Ossifikation durch Zellvermehrung und Vaskularisation im Mesenchym Ossifikationsinseln entstehen, von denen im weiteren Verlauf die Knochenbildung ausgeht, wird bei der indirekten (chondralen) Ossifikation zunächst der im Bereich der Epiphysenfuge gebildete Knorpel abgebaut und anschließend durch Knochen ersetzt. Letztere Art der Knochenneubildung findet sich vor allem an den Röhrenknochen des Fußes. Zur Erhaltung der Proportionen eines Knochens während des Wachstums ist neben den oben beschriebenen Wachstumsmechanismen auch ein ständiges »remodeling« erforderlich, bei dem entsprechend den veränderten Dimensionen an allen Teilen des Knochens Knochengewebe an- und abgebaut wird. Ein solches Remodeling findet beschleunigt während des 1. Lebensjahres statt. So beträgt die jährliche Erneuerungsleistung des Knochens während der ersten beiden Lebensjahre 50% verglichen mit 5% beim Erwachsenen. Die oben beschriebenen Ossifikationszentren sind teilweise bereits bei der Geburt vorhanden oder bilden sich meist innerhalb des 1. Lebensjahres (Abb. 23.1), wobei der radiologische Nachweis häufig verzögert auftritt (Bliss et al. 1956). Bei Geburt sind lediglich das Sprung- und Fersenbein radiologisch nachweisbar, das Os cuboideum einige Wochen später. Die Ossa cuneiformia sind radio-
808
Kapitel 23 Fuß 9.–12. Woche 6. Jahr 15. Monat 3.–6. Jahr
18. Jahr
11.–15. Jahr
ren zunächst dehnbarer, sodass es unter Belastung anfangs noch zu scheinbaren Fehlstellungen kommt. Entscheidend für die Diagnostik ist hier der unbelastete Fuß, der ein normales Aussehen aufweisen muss (De Valentine 1987).
2.–8. Jahr 3.–4. Jahr 17.–20.. Jahr
3.–4. Jahr 9. Woche 10. Woche 3. Jahr 17.–20. Jahr 2. Jahr
3. Jahr 1. Jahr
3. Jahr
9. Fetal-Monat
6. Fetal-Monat
5. Fetal-Monat Verschmelzung
6.–8. Jahr/ 14.–16. Jahr
Abb. 23.1. Ossifkationzentren des Fußes
logisch meist am Ende des 1. Lebensjahres sichtbar. Das Ossifikationszentrum des Os naviculare als letztem Knochen der Fußwurzel ist dagegen erst zwischen dem 3. und 5. Lebensjahr röntgenologisch nachzuweisen. Die sekundären Ossifikationszentren der Ossa metatarsalia und Phalangen erscheinen mit 5 Jahren, die Kalkaneusapophyse zwischen dem 6. und 10. Lebensjahr. Das Wachstum ist mit dem Schluss der Wachstumsfuge, d. h. mit dem knöchernen Verbund zwischen Epiund Diaphyse beendet, wobei das Fußskelett diesbezüglich eine große interindividuelle Varianz zeigt. Das Längenwachstum des Fußes findet, verglichen zum übrigen Skelett, wesentlich schneller statt. So ist nach Untersuchungen von Bliss et al. (1956) ein wesentlicher Anteil des Längenwachstums bereits bis zum 5. Lebensjahr abgeschlossen. Bei einjährigen Mädchen bzw. 1 1/2-jährigen Jungen hat der Fuß bereits 50% seiner Gesamtlänge erreicht, wohingegen dies beim Femur erst nach 3 Jahren der Fall ist. Bei 12-Jährigen weist der Fuß schließlich bereits 96% (Mädchen) bzw. 88% (Jungen) seiner Gesamtlänge auf. Diesem initial beschleunigten Längenwachstum muss bei der Behandlung kindlicher Fußfrakturen im Hinblick auf anatomische Reposition unbedingt Rechnung getragen werden (De Valentine 1987; Silas et al. 1995). Die Fußwölbung ist bei kleinen Kindern aufgrund eines meist gut ausgebildeten subkutanen Fettpolsters an den Fußsohlen häufig noch nicht zu erkennen. Erst im Schulalter werden die Fußgewölbe denen der Erwachsenen ähnlicher. Die Gelenke und ligamentären Struktu-
Ursache und Häufigkeit Kindliche Fußverletzungen sind relativ selten und prozentual deutlich geringer als bei Erwachsenen. Die klinischen Berichte umfassen meist nur kleine Fallzahlen. So fanden Buckley et al. (1994) in einer konsekutiven Verlaufsbeobachtung bei insgesamt 805 verletzten Kindern eine Beteiligung des Fußes bzw. Sprunggelenks nur bei 13%. Unfallursache bei schwereren Fußverletzungen ist fast immer das direkte Trauma. Führende Unfallmechanismen sind hierbei Quetschverletzungen durch herabfallende Objekte, das Überrolltrauma oder der Sprung aus der Höhe. Bei einem Sprung aus der Höhe wird aufgrund der großen Flexibilität und Elastizität des Fußes die Gewalteinwirkung nach oben weitergeleitet, sodass es meist zu Verletzungen im Sprunggelenk- oder Unterschenkelbereich kommt. Wird ein Sturz als Unfallursache angegeben, so ist zusätzlich bedenken, dass bei Stürzen aus großer Höhe meist Kopf- bzw.Verletzungen der oberen Extremität führend sind. Bei Stürzen aus niedriger Höhe (z. B. aus Hochbett) wird als typisches, jedoch seltenes Verletzungsmuster, die so genannte »bunk bed fracture« beschrieben, eine Basisfraktur des 1. Metatarsale (Johnson 1981). Insgesamt kommt es bei Stürzen aus niedriger Höhe jedoch sehr selten zu Fußverletzungen, sodass hier ein »battered child syndrom« unbedingt ausgeschlossen werden muss. Schwere Weichteilschädigungen treten vor allem als Folge von »Rasenmäherverletzungen«, Überrolltraumen oder als Radspeichenverletzungen auf. Zu sportbedingten Verletzungen kommt es meist erst bei Jugendlichen. Die meisten Fußverletzungen betreffen die Zehen und Mittelfußknochen. Rückfuß- bzw. Fußwurzelfrakturen treten nur sehr selten auf. In unserem eigenen Patientengut betrug der Anteil von Metatarsalia- und Zehenfrakturen 70%, in einer Untersuchung von Crawford (1993) sogar 87%. Frakturen der Ossa metatarsalia treten meist am distalen Ende auf und werden durch ein direktes Trauma verursacht. Bei Frakturen der Zehen ist vornehmlich die Grundphalanx betroffen. Bei direktem Trauma kommt es meist zu unkomplizierten Schaftbrüchen, bei indirekten Traumen treten jedoch häufig Epiphysenverletzungen auf. Verletzungen des Kalkaneus oder Talus sind relativ selten. In unserem eigenen Patientengut der stationär behandelten Kinder betrug die Rate jedoch >4%, bedingt durch einen überproportional hohen Anteil zugewiesener oder polytraumatisierter Kinder (20%; Buckley et al. 1994; Hawkins 1970; Letts u. Gibeault 1980; Marti 1981; Morgan u. Crawford 1986; Musemeche et al. 1991; Tachadjian 1990; Trott 1976; Vosburgh et al. 1995).
!
23.1 Rückfuß
23.1 Rückfuß 23.1.1 Talus Die kindlichen Talusfrakturen sind aufgrund der höheren elastischen Widerstandsfähigkeit des kindlichen Knochens sehr selten. Höllwarth beziffert sie mit 0,008% aller kindlichen Frakturen. Wie bei Erwachsenen wird zwischen Talushals- und Korpusfrakturen sowie osteochondralen Frakturen unterschieden. Periphere Talusfrakturen (Processus lateralis und posterius) sind extrem selten und meist nicht disloziert. Am häufigsten treten Halsfrakturen auf, welche entsprechend denen der Erwachsenen nach Hawkins (1970) klassifiziert werden (Draijer et al. 1995). Ursache für eine Talusfraktur ist meist eine forcierte Hyperdorsalflexion mit zusätzlicher Rotationskomponente bei höhergradigen Verletzungen. Korpusfrakturen dagegen resultieren aus massiver Gewalt, welche auf den neutralgestellten oder leicht in Plantarflexion stehenden Fuß wirkt. Osteochondrale Frakturen sind Folge von Pro- oder Supinationsverletzungen (Crawford 1993; De Valentine et al. 1995; Laliotis et al. 1993; Linhard u. Höllwarth 1985 a,b).
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Talushals Typ Hawkins I Diese nicht oder gering dislozierten Frakturen sollten nur bei Veränderung der sagittalen und koronaren Achse anatomisch geschlossen eingerichtet werden (Plantarflexion über Hypomochlion, evtl. Reposition mit kleinen Löffel über Stichinzision). Eine Gelenkstufe im Subtalargelenk ist besonders bei Kindern >12 Jahren zu vermeiden, da aufgrund des weitgehend abgeschlossenen Wachstums eine Korrektur nicht mehr zu erwarten ist. Avaskuläre Nekrosen treten bei dieser Frakturform fast nicht auf. Die Ausbehandlung erfolgt in einem Unterschenkelgips, wobei eine Teilbelastung für 3–4 Wochen von etwa 15 kg durchgeführt werden sollte. Typ Hawkins II Unter einer Hawkins-II-Fraktur versteht man die eine Dissolution des Corpus nach posterior ohne Luxation aus der Malleolengabel. Diese Frakturen sind häufig mit einer Trümmerzone medialseitig vergesellschaftet, sodass bei einer offenen oder geschlossenen Reposition eine Verkürzung der medialen Fußsäule sowie eine Varusfehlstellung der Talusachse mit Inkongruenz im Subtalargelenk entstehen
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kann. Nach offener oder geschlossener Reposition sollte eine »Canale-Aufnahme« zur Kontrolle der Talusachse durchgeführt werden (Abb. 23.2 a–e; Hahn u. Stock 1984). Zu exakten offenen Reposition ist ein bilateraler Zugang sinnvoll, da dieser die korrekte anatomische Wiederherstellung des unteren Sprunggelenks ermöglicht. Leitstruktur ist der Sinus tarsi. An dieser Stelle lässt sich immer das Korpus- mit dem anatomisch korrespondierenden Halsfragment finden, während medialseitig häufiger Trümmerbereiche oder Impaktionen die anatomische Reposition erschweren. Ferner können Zugschrauben von medial und anterolateral eingebracht werden, um damit eine optimale Kompression der gesamten Frakturfläche zu erreichen. Die biomechanisch günstige posteriore-anteriore Verschraubung sollte über eine posterolaterale Stichinzision erfolgen. Ein weiterer Vorteil ist eine hohe Primärstabilität mit der Option der temporären frühfunktionellen Nachbehandlung. Das Kind sollte für 7–10 Tage sagittale Bewegungsübungen des oberen Sprunggelenks durchführen. Danach wird der Fuß für 3–6 Wochen (je nach Alter) in einem Unterschenkelgehgips immobilisiert, wobei bei stabiler Osteosynthese eine Vollbelastung erlaubt ist (Abb. 23.3 a–e). Typ Hawkins III Diese Frakturen führen zur Dislokation des Korpus aus der Malleolengabel, häufig verbunden mit einer 90°-Innenrotation und einem Entrapment hinter der M.-tibialis-posterior-Sehne. Ein geschlossener Repositionsversuch sollte aufgrund der geringen Erfolgschancen und der erheblichen Traumatisierung unterbleiben. Diese Verletzung erfordert eine sofortige operative Therapie. Die Präparation beim anteromedialen Zugang muss sehr behutsam vorgenommen werden, um eine weitere Kompromittierung der medial einstrahlenden Gefäße (Lig. deltoideum!) zu vermeiden. Des Weiteren sollte zu Reposition und Osteosynthese der Weichteilverbund zwischen Os naviculare und Talushals vollständig geschont werden, da bei fraglicher Zerstörung der A. canalis tarsi die Vaskularisation über laterale und vor allem distale Gefäßanastomosen erfolgen muss. Eine stabile Osteosynthese ist die Voraussetzung für eine Revaskularisation des Corpus tali. Im Einzelfall sollte die biomechanisch bessere Verschraubung von posterolateral über eine Stichinzision mit kanüliertem 3,5-Schraubensystem erwogen werden (Hansen 1991). Aufgrund der fortgeschrittenen Ossifikation besteht beim Kind >12 Jahren hier eine größere Gefahr einer avaskulären Talusnekrose als beim mehr kartilaginären Talus des Kleinkindes.
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Abb. 23.2. a Hawkins-II-Fraktur. b Offene Reposition und Schraubenosteosynthese. c Ausheilungsergebnis. d Dreidimensionale CT-Rekonstruktion einer Hawkins-II-Fraktur. e Verschraubung über posterolaterale Stichinzision
Obwohl wissenschaftlich noch nicht bewiesen, erscheint aus unseren Erfahrungen in der Behandlung von Kindern (ab 5–6 Jahren) mit drittgradigen Unterschenkel- und Fußweichteilschäden der Einsatz eines Periduralkatheters zur Schmerzbehandlung und Sympathikolyse mit Verbesserung der peripheren Durchblutung sinnvoll. Die Nachbehandlung besteht in der Anlage eines immobilisierenden Unterschenkelgipses für 4–6 Wochen (je nach Alter). Bei der Röntgenkontrolle nach Gipsabnahme sollte auf das prognostisch günstige »Hawkins-
Zeichen« (Hypodensität im subchondralen Talusdom) geachtet werden, eine MRT-Verlaufskontrolle erscheint heute obligat. Die weitere Behandlung besteht in einem Unterschenkelgips mit Vollbelastung bis zur 12. Woche (Abb. 23.3 a–c). Typ Hawkins IV Bei diesem Frakturtyp tritt als zusätzliche Pathologie die Luxation des Talushalses aus dem Talonavikulargelenk auf. Die avaskuläre Nekrose scheint schicksalhaft (Laliotis et al. 1993), jedoch sind Einzelfälle mit Revas-
23.1 Rückfuß
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Taluskörper Dieser Frakturtyp ist meistens Folge einer Einwirkung großer axialer Kräfte (Autounfall usw.) und kommt häufig im Zusammenhang mit einem komplexen Fußtrauma vor. Die Frakturen unterliegen den Kriterien der Versorgung von intraartikulären Frakturen. Da sie fast immer mit einer deutlichen Inkongruenz einhergehen, ist die offene Reposition mit interner Schraubenosteosynthese (3,5 mm) die Methode der Wahl. Osteochondrale Fragmente werden mit Fibrinkleber und resorbierbaren Stiften fixiert. Die Anwendung von Schrauben (z. B. HerbertSchraube) im Knorpelbereich – auch bei entsprechender Fragmentgröße – ist kritisch zu bewerten, da bei einer Degeneration des Knorpels die Schraubenköpfe im Gelenk frei liegen und somit innerhalb kürzester Zeit zur Zerstörung des Gelenks führen können. Falls keine tibiotarsale Transfixation vorgenommen wurde, sollten postoperativ sofort Bewegungsübungen (Dorsal- und Plantarflexion) durchgeführt werden. Eine Teilbelastung mit Unterschenkelgips entsprechend dem Verletzungsmuster erfolgt für 4–6 Wochen. Entsprechend der Röntgenkontrolle kann danach auf eine Vollbelastung übergegangen werden.
Abb. 23.3 a–c. Talusteilnekrose und arthrotische Veränderungen im oberen und unteren Sprunggelenk nach Hawkins-III-Verletzung
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kularisation des Talus beschrieben (De Valentine et al. 1995). Das operative Vorgehen entspricht dem der Hawkins-III-Verletzungen. Zusätzlich sollten das Talonavikular- und das Subtalargelenk mit Kirschner-Drähten für 3–4 Wochen transfixiert werden. Da die Hawkins-III- und -IV-Fraktur auch am kindlichen Skelett das Risiko einer aseptischen Knochennekrose birgt, sollte wegen der großen Bedeutung der Früherkennung regelmäßig eine MRT durchgeführt werden (zunächst im Abstand von einem halben Jahr).
Taluskopf Dieser Frakturtyp ist meistens Folge medial einwirkender Kräfte (im Sinne einer koronaren Stauchung; Autounfall usw.) und kommt häufig im Zusammenhang mit einem komplexen Fußtrauma vor. Neben der schweren Verletzung des Knorpels entsteht durch die Stauchung der Spongiosa immer ein Substanzdefekt. Die Aufrichtung des Kopfes mit Spongiosa ist eine Conditio sine qua non, um die Gelenkkongruenz und damit auch die Länge der medialen Fußsäule, wiederherzustellen. Gelingt dies nicht, kommt es nicht nur zu einer symptomatischen Arthrose im Talonavikulargelenk, sondern aufgrund der Störung der biomechanischen Kette zur Destruktion des Subtalargelenks (Abb. 23.4 a–g). Ergebnisse/Schlussfolgerungen Die Spätergebnisse konservativ behandelter, nicht exakt reponierter Talusfrakturen ergaben Belastungs- und Bewegungsschmerzen sowie radiologische Arthrosezeichen im oberen und unteren Sprunggelenk (Dimentberg u. Rosman 1993; Höllwarth u. Hausbrand 1984; Linhard u. Höllwarth 1985 a,b; Silas et al. 1995). Das Problem ist nicht nur die Inkongruenz im Subtalargelenk, sondern vor allem die Verkürzung der medialen Fußsäule mit konsekutivem Rückfußvarus, Vorfußadduktion und Supinations-
CAVE
Zeigt sich eine beginnende Nekrose, sollte bei noch erhaltenem Knorpel (Arthroskopie!) eine retrograde Revaskularisationsbohrung durchgeführt werden. Ist der Knorpel schon von seiner subchondralen Fixierung gelöst, sehen wir eine Indikation für eine autologe Chondrozytentransplantation.
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Abb. 23.4. a Schwerste Taluskopftrümmerfraktur mit Verdacht auf »Chopart-Luxation«. b K-Draht-Osteosynthese, »suboptimale« Rekonstruktion des Talushalses und Taluskopfes sowie verbliebene Subluxation im Calcaneo-Cuboid-Gelenk. c Schwerste Talus-
Navikulare-Arthrose nach 3 Jahren mit Fußfehlstellung (verkürzte mediale Säule). d Triplearthrodese zur Korrektur der Fußdeformität. e Ausheilungsbild nach 10 Jahren. f,g Funktionelles Ergebnis nach 10 Jahren
23.1 Rückfuß
fehlstellung, bedingt durch die muskuläre Imbalanz zwischen Flexoren, Extensoren und Pronatoren (vgl. Abb. 23.4 a–g). Um das Fortschreiten der Arthrose durch die Fehlbelastung zu vermeiden, sollte im ersten Schritt eine »reorientierende« Kalkaneusosteotomie durchgeführt werden. Die Versetzung erfolgt nach lateral. Gravierender als die statischen Probleme ist vor allem die Zerstörung des Knorpels mit Ausbildung einer posttraumatischen Arthrose. Obwohl aufgrund der geringen Inzidenz noch keine Ergebnisse vorliegen, sollten heute neben einer kontrollierten Überprüfung der sich abzeichnenden Schäden (MRT!) alle neueren Techniken der Knorpelstimulation (Mikrofrakturierung) oder des Knorpelersatzes (Chondrozytentransplantation oder osteochondrale Transplantation) angewendet werden, um langfristig das Gelenk zu erhalten.
23.1.2 Kalkaneus Kalkaneusfrakturen machen nur 0,005–0,15% aller kindlichen Frakturen aus (Linhard u. Höllwarth 1985 a). Im selektionierten Krankengut eines Traumazentrums (Medizinische Hochschule Hannover) betrafen seit 1980 etwa 3–4,5% (20/436) aller Kalkaneusfrakturen Kinder. Unfallursache waren in der Mehrzahl Stürze aus mittlerer Höhe (bis 2 m) oder Verkehrsunfälle. In der Mehrzahl sind Kinder im Alter zwischen 8 und 12 Jahren betroffen (Rasmussen u. Schantz 1986; Schantz u. Rasmussen 1988; Tachadjian 1990; Vosburgh et al. 1995), jedoch sind auch Fälle bei Kleinkindern beschrieben worden (12/42). Extraartikuläre Frakturen betreffen in der Regel das Tuber calcanei und zeigen manchmal eine Fissur oder unverschobene Fraktur, welche in die posteriore Facette hineinläuft (Cole et al. 1995). Die Diagnose kann manchmal schwierig sein, da die Kinder die Schmerzen im Bereich des Tubers nicht genau spezifizieren können. Wiley u. Profitt (1984) fanden bei 43% der extraartikulären Kalkaneusfrakturen eine verzögerte Diagnosestellung. Wesentliche Information ergeben sich aus den zusätzlichen Broden-Aufnahmen, welche die Integrität der posterioren Facette dokumentieren. Bei sicher klassifizierbarer extraartikulärer Verletzungen kann auf eine CT verzichtet werden. Die Vorsorgung besteht in einer Unterschenkelgipsbehandlung für 3–4 Wochen; wenn es die Beschwerden zulassen, kann dabei eine Vollbelastung durchgeführt werden. Diese Verletzung heilen immer folgenlos aus. Intraartikuläre Frakturen können aus therapeutischen Aspekten in 2 Gruppen eingeteilt werden: Typ 1 Frakturen mit plantarer Dislokationen der posterioren Facette als »Block« oder mit einem sagittalen Split der posterioren Facette (entsprechend Sanders Typ 2; Sanders et al. 1993).
Diese Frakturform lässt sich mit einer »halb offenen« Technik anatomisch reponieren. Hierzu wird unter Bildverstärkerkontrolle eine 4,0-Schanz-Schraube unter Schonung der Apophyse in den Tuber sagittal oder lateral (Benirschke-Technik, Benirschke et al. 1993) in der Koronarebene zur Varus-/Valgusreposition eingebracht. Über einen 1 cm langen Stichkanal plantar des dislozierten posterioren Facettenanteils wird mit einem Raspatorium die Facette anatomisch angehoben und mit einem Kirschner-Draht (1,4 mm) zum Sustentaculum fixiert. Die Reposition wird untere Bildverstärker in Broden-20°-Stellung kontrolliert. Gleichzeitig wird mit der Schanz-Schraube (Joystick) die meist vorhandene Varusfehlstellung korrigiert. Zwei sagittale KirschnerDrähte – vom plantaren Tuber durch die posteriore Facette in den Talus – fixieren die Reposition. Die Rückfußkorrektur wird mit 2 longitudinalen KirschnerDrähten horizontal vom Tuber in den Processus anterius retiniert. Hierbei sollten die Spickdrähte plantarseitig die posteriore Facette abstützen. Mit einem schmalen Stößel wird dann der laterale »bulge« zurückgedrückt (Abb. 23.5 a–e). Die Fraktur wird in einem Unterschenkelgips für 4–6 Wochen bei Teilbelastung (ein Viertel des Körpergewichts) ausbehandelt. Danach erfolgt die Implantatentfernung. Bei bislang 3 eigenen Fällen zeigte sich im weiteren Verlauf (1–3 Jahre) keine Arthrose im Subtalargelenk bei normalem Wachstum des Fußes (vgl. Abb. 23.5 a–e). Typ 2 In diesem Fall liegt eine Mehrfragmentfraktur der posterioren Facette vor. Es kommen die Prinzipien der aktuellen Kalkaneuschirurgie mit offener Reposition und interner Fixation zur Anwendung. Beim kindlichen Kalkaneus sollte eine kleine 4-Loch H-Platte angewendet werden. In unserem Klientel von 6 Kindern wurde in allen Fällen der erweiterte laterale Zugang angewendet. Bei allen heilte die Fraktur nach anatomischer Reposition ohne Arthrosezeichen aus. Lediglich in 2 Fällen zeigte sich bei der Zweijahreskontrolle eine geringe Verkürzung des Tuber calcanei als Zeichen einer geringen apophysären Wachstumsstörung (Abb. 23.6 a–d). Langzeitergebnisse aus der Literatur (Matteri u. Frymoyer 1973; Paley et al. 1994; Rasmussen u. Schantz 1986; Salter 1974; Sanders et al. 1993; Tanke 1982; Trott 1976; Walling et al. 1990) und unseren eigenen Erfahrungen (Medizinische Hochschule Hannover; mittlerer Nachuntersuchungszeitraum 3,8 Jahre) ergaben bei nicht primär anatomischen Repositionen eine Abflachungen des Böhler-Winkels sowie schmerzhafte Einschränkungen der subtalaren Beweglichkeit (Abb. 23.7 a–c). Jedoch konnten zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung (2–10 Jahre) in der Regel nur geringe radiologische Anzeichen für den Beginn einer Arthrose festgestellt werden.
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c Abb. 23.5. a Intraartikuläre Kalkaneusfraktur mit Depression der posterioren Facette als »Block«. b »Semioffene« Reposition mit Raspartorium sowie Schanz-Schraube (schematische Darstellung). c Fixation der anatomischen Reposition mit KirschnerDrähten, longitudinale Kirschner-Drähten kaudal der frakturier-
ten posterioren Facette, somit subtalare Transfixation( schematische Darstellung). d,e Röntgen Fuß seitlich, Broden 20°, Kalkaneus axial: Fixation der anatomischen Reposition mit longitudinalen Kirschner-Drähten kaudal der frakturierten posterioren Facette, somit subtalare Transfixation
23.1 Rückfuß
Abb. 23.5. d, e.
Abb. 23.6 a–d. Intraartikuläre Kalkaneusfraktur »Typ II«. a Sagittale Rekonstruktion der CT. b Intraoperativer Situs nach anatomischer Reposition und Anlage der H-Platte. c Postoperative axiale und Rückfußröntgenaufnahme. d Kontrolle nach 2,5 Jahren mit minimaler Verkürzung des Tuber calcanei bei Wiederherstellung der Höhe und Breite des Kalkaneus
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Os naviculare Bei Navikularefrakturen ist besonders auf die Rekonstruktion des plantaren Frakturbereichs zu achten. Teilweise ist die dislozierte Navikularefraktur mit einer Chopart-Luxation mit zusätzlicher Kompression des Os cuboideum vergesellschaftet, sodass bei der Reposition unbedingt auf die Wiederherstellung der Länge der medialen und lateralen Fußsäule zu achten ist. Da die Durchblutung beim Kahnbein radiär vom Talus und Os cuneiforme mediale einstrahlt, sollten die Weichteilstrukturen der dorsalen Fragmente entweder proximal oder distal erhalten bleiben. Zur Stabilisierung werden 3,5 mm (kanülierte) Schrauben und Kirschner-Drähte verwendet. Zur Stabilisierung der periartikulären Weichteilverletzungen sollte eine temporäre talonavikulare Transfixation mit einem 1,8 mm Kirschner-Draht für 2–3 Wochen erfolgen. Die Nachbehandlung erfolgt für 4–6 Wochen entsprechend dem Alter mit Teilbelastung im Unterschenkelgips.
Abb. 23.7 a–c. Konservativ behandelte Kalkaneusfraktur (Kontrolle nach 3 Jahren). a Röntgen Fuß seitlich: sichtbare Inkongruenz des Subtalargelenks mit Depression der posterioren Facette. b Röntgen Broden 20°: sichtbare Verplumpung des Rückfußes mit »lateralem Bulge«. c Röntgen Kalkaneus axial: sichtbare Seitverschiebung des Tuber calcanei
Bedenkt man jedoch, dass diese Problem schon im Adoleszentenalter aufgetreten sind, so erscheint eine Zunahme der Beschwerden vorgegeben. Aus diesem Grund muss die anatomische Rekonstruktion entsprechend den Prinzipien der aktuellen Kalkaneuschirurgie gefordert werden.
23.2 Mittelfuß Frakturen der Fußwurzel sind bei Kindern extrem selten. Verletzungsursache ist eine große direkte Krafteinwirkung im Rahmen eines Verkehrsunfalls oder durch ein entsprechendes Gewicht, welches auf den Mittelfuß fällt (Linhard u. Höllwarth 1985 a). Da das Os naviculare und cuboideum sowie die Ossa cuneiformia auch beim Kind nur mäßig durchblutet sind und nur ein geringes Wachstumspotenzial besitzen, kann nur die anatomische Rekonstruktion ein erfolgversprechendes Ergebnis erbringen.
Luxationsfrakturen der Chopart-Reihe Diese Frakturen führen ohne anatomische Reposition zu schweren Fehlstellungen und Arthrosen mit erheblichen Beschwerden, welche im weiteren Verlauf nur mit einer Arthrodese behoben werden können (Tomaschewski 1975; Wiley 1981; Zwipp u. Ranf 1991). Die Auswirkung von Mittelfußarthrodesen auf die Biomechanik des Fußes mit Anschlussarthrosen der peritalaren Gelenke im weiteren Verlauf sind hinreichend bekannt (vgl. Abb. 23.7 a–c). Die Vorgehensweise entspricht der oben beschriebenen Technik (Fixation des Os naviculare), jedoch sollte bei Chopart-Luxationen das Kalkaneokuboidgelenk mit einem Kirschner-Draht ebenfalls für 2–3 Wochen transfixiert werden (Abb. 23.8). Kuboid Kuboidfrakturen sind meist Kompressionsfrakturen mit Impaktion und Verkürzung der lateralen Fußsäule im Kalkaneokuboidgelenk (»Nussknackerfraktur«). Die Impaktion muss mit einem kleinen Meißel angehoben und evtl. mit einer Spongiosaplastik (Tibiaplafond oder Beckenkamm) unterfüttert werden. Eine direkte Stabilisierung ist in der Regel nicht möglich. Daher sollte eine Transfixation des Kalkaneokuboidgelenks mit 2 Kirschner-Drähten vorgenommen werden. Relevante unbehobene Verkürzungen der lateralen Fußsäule führen mittelfristig zur Ausbildung eines Pes plano valgus, welcher durch eine Verlängerung (EvansOperation/Arthrodese?) des Kalkaneus bzw. Kalkaneokuboidgelenks behoben werden kann. Ossa cuneiformia Diese Frakturen treten in der Regel im Zusammenhang mit schweren Weichteilverletzung (s. unten, Abschn. 23.4) auf und sind im Hinblick auf Dislokationen in der Sagittalebene zu kontrollieren und zu reponieren.
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23.3 Vorfuß
Abb. 23.8. Transnavikulare Chopart-Luxation. Offene Reposition und Verschraubung des Os naviculare sowie Transfixation nach Reposition des Kalkaneokuboidgelenks mit Kirschner-Draht
23.3 Vorfuß Lisfranc-Luxation Die Ursache für eine Lisfranc-Luxation stellt ein Sturz auf den plantarflektierten Fuß oder das Überrollen des Mittelfußes beim knienden Kind dar. Zur genauen Diagnostik ist eine technisch einwandfreie dorsoplantare Aufnahme beider Füße unerlässlich. Bei Unsicherheit sollte eine CT (3D-Rekonstruktion) durchgeführt werden. Lisfranc-Luxationen müssen anatomisch reponiert werden. Ausgangspunkt ist der 2. Strahl mit der Basis des Metatarsale II und dem Os cuneiforme II. Bei Weichteilinterposition gelingt die geschlossen Reposition nicht, sodass über 2 kleine longitudinale Inzisionen (MT 1/MT 2 und MT 4) offen reponiert werden muss. Bei eine Kompartmentsydrom wird über einen medianen Zugang das Kompartment entlastet und anschließend die Reposition durchgeführt. Die Retention erfolgt über Kirschner-Drähte mit Transfixation des Lisfranc-Gelenks für 3–4 Wochen (Abb. 23.9). Nicht erkannte Lisfranc-Luxationen führen zu einer schweren Störung der Vorfußmechanik mit erheblichen Beschwerden. Auch hier kann nur mit der technisch sehr
Abb. 23.9. Lisfranc-Luxation. Offene Reposition und KirschnerDraht Osteosynthese
anspruchsvollen Lisfranc-Arthrodese eine Beschwerdeverbesserung erzielt werden (Wiley 1981; Zwipp u. Ranf 1991). Metatarsalia Singuläre Frakturen der Metatarsalia entstehen durch eine direkt einwirkende Kraft, während Serienverletzungen z. B. Folge einer Radspeichenverletzung oder eines Überrolltraumas sind (Vosburgh et al. 1995). Ihre Häufigkeit beträgt nach Höllwarth u. Hausbrand (1984) etwa 4% unter allen Fußfrakturen. Einzelne Frakturen der Metatarsalia sind in der Regel durch den Zug der Ligg. transversa sowie der Mm. interossei gering verschoben, sodass sie bei konservativer Behandlung folgenlos ausheilen. Serienfrakturen zeigen teilweise eine »Ad-latus-Verschiebung« sowie eine Verkürzung und Verschiebung in der Sagittalebene. Ein Versatz mit Kortikaliskontakt ist prinzipell tolerabel. Es empfiehlt sich jedoch aufgrund der Instabilität eine Verspickung mit Kirschner-Drähten, besonders bei Kinder >12 Jahren. Diese weisen nur noch ein geringes Wachstumpotenzials auf, und somit können bei einer Verschiebung in der Sagittalebene Vorfußfehlbelastungen auftreten. Epiphysiolysen und Aitken-Frakturen der distalen Metatarsalia sollten geschlossenen reponiert und bei verbleibender Instabilität perkutan verspickt werden. Postoperativ werden diese Frakturen mit einem Gipsschuh bei Vollbelastung ausbehandelt (Owen et al. 1995; Abb. 23.10a–c).
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Kapitel 23 Fuß Abb. 23.10. a Geschlossene Reposition und Fixierung der instabilen MT 1- bis MT 4Frakturen mit KirschnerDrähten. b,c Gipsschuh zur (Nach-)Behandlung von Fußwurzel- und Metatarsalefrakturen
Phalangen Zehenfrakturen stellen mit >50% den Hauptanteil der Frakturen des kindlichen Fußes. Hiervon betreffen etwa ein Viertel die Großzehe (Hansen 1991; Linhard u. Höllwarth 1985 a). Indirekte Traumen können Luxationen oder knöcherne Bandausrisse verursachen. Bedeutungsvoll bei den Frakturen der Phalangen sind intraartikuläre oder Epiphysenfrakturen. Ursache für die Verletzung sind indirekt einwirkende Kräfte (das
klassische Beispiel ist die »Bettpfostenfraktur« der 5. Zehe). Eine anatomische (teilweise offen) Reposition ist notwendig, um Komplikationen wie Wachstumsstörungen oder frühzeitige metatarsophalangeale Arthrosen, besonders im 1. und 5. Strahl, zu vermeiden. Bei unkomplizierten Frakturen der kleinen Zehen wird der betroffene Zeh mit der anliegenden Zehe zusammen getaped. Das Kind sollte zur weiteren Behandlung Schuhe mit fester Sohle oder einen Gipsschuh tragen.
23.4 Komplexes Fußtrauma
23.4 Komplexes Fußtrauma
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Das komplexe Fußtrauma wurde von Zwipp (1994) als Kombinationverletzung in mehreren anatomischen Etagen unter Berücksichtigung des Weichteilschaden und Zusatzverletzungen definiert. Auch beim Kind stellt es eine große Herausforderung für den Traumatologen da. Verletzungsursache sind Rasanz- und Überrolltraumen sowie Rasenmäherverletzungen (Johnstone u. Bennett 1989; Vosburgh et al. 1995; Abb. 23.11 a–d). Unabdingbare Voraussetzung für eine optimale Therapie ist die Möglichkeit einer gleichzeitigen interdisziplinären gefäßchirurgischen und plastisch-chirurgischen Versorgung des Kindes. Aufwendige Rekonstruktionsversuche beim schwerstoder mehrfachverletzten Kind stellen eine vitale Gefährdung dar, sodass eine Amputation erfolgen sollte. Falls der Fußerhalt möglich ist, sollten schon bei der
Abb. 23.11. a Schwerstes »Rasenmäherverletzung mit Vorfußamputation. b,c Weichteildistraktion über Fixateur externe und Vollhauttransplantation nach Nekroseabtragung im Fersenbereich. d Funktionelles Ergebnis und Schuhorthetische Versorgung nach einem Jahr
Erstversorgung die Weichen für eine plantigrade achsengerechte Stellung des Fußes gestellt werden, da der weitere Verlauf teilweise keine Möglichkeiten (Verschlechterung der Weichteilsituation usw.) für korrigierende Eingriffe bietet. Zwar weist jeder Fall eines komplexen Fußtraumas spezifische Besonderheiten auf, jedoch konnten aufgrund der häufigeren Erfahrungen beim Erwachsenen Standardprinzipien zur Versorgung erarbeitet werden.
Standardprinzipien zur Versorgung komplexer Fußtraumen 1. Die Reinigung von teilweise stark verschmutzten Wunden mittels einer Jet-Lavage stellt nach unserer Erfahrung eine enorme Verbesserung dar und sollte immer angewendet werden. Eine systemische Antibiotikagabe (z. B. Cephazolin) sollte schon in der Notaufnahme erfolgen.
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2. Das ausgiebige Débridement ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Behandlung der Verletzung. Alle nichtdurchbluteten Strukturen müssen ohne Rücksicht auf Funktion und Knochendeckung radikal reseziert werden. Amputate von großen Hautlappen oder spongiösen Knochen sollten bei vernachlässigbarer Keimbesiedlung als potenzielle Autotransplantation asserviert werden. Die Gewebevitalität ist am Unfalltag nicht einschätzbar, sodass täglich Revisionseingriffe und ein erneutes Débridement durchgeführt werden müssen. Temporär sollten Weichteildefekte mit Kunsthaut gedeckt werden.
3. Ein Kompartmentsyndrom muss nicht mit einer geschlossenen Verletzung vergesellschaftet sein. Auch offene Brüche können sehr wohl ein Kompartmentsyndrom aufweisen. Nach unserer Erfahrung reicht eine mediane Spaltung mit Einbeziehung des superioren Sprunggelenkretinaculums wie von Zwipp (1994) beschrieben. Nichtgespaltene Kompartmentsyndrome führen zu Muskelnekrosen, besonders der kurzen Fußbeuger und zu Sensibilitätsstörungen im Bereich der Fußsohle (Abb. 23.12 a–c). 4. Osteosynthesen sollten einfach sein und die anatomischen Achsen (Rückfuß, Mittelfuß, mediale
Abb. 23.12. a Schweres Fußtrauma mit offener plantarer Vorfußverletzung und Kompartmentsyndrom. b Kirschner-Draht-Osteosynthese. c Tibiotalare Transfixation und Kunsthautdeckung nach Kompartmentspaltung
23.4 Komplexes Fußtrauma
und laterale Fußsäule) wiederherstellen. Zur Anwendung kommen 1,4–1,6 mm Kirschner-Drähte sowie kanülierte 3,5 mm-Schrauben. Perkutane Repositions- und Fixationstechniken sollte bevorzugt werden, um weitere Weichteilschäden zu vermeiden. Kleine Stichinzisionen zum Einbringen von Repositionshilfen (z. B. Raspatorium) führen nur zu geringen Weichteiltraumen. Metatarsaliaund Phalangenfrakturen sollten zur Stabilisierung und anatomischen Ausrichtung aufgefädelt werden. Eine tibiometatarsale Transfixation (wenn möglich 1. und 4. Strahl; 3,0–4,0 SchanzSchraube, 2 Schanz-Schrauben tibial) in Neutralstellung des oberen Sprunggelenks und Fußes ist bei schweren Verletzung zur besseren Weichteilheilung und zur Vermeidung einer konsekutiven Equinusfehlstellung obligat. 5. Bei schwersten Begleitverletzungen mit vitaler Gefährdung (Lunge, Leber, Niere) oder beim aufsteigenden Infekt ist eine adäquate Amputation unverzüglich durchzuführen (»life before limb«!). 6. Entscheidungen zum freien Gewebetransfer werden nach dem primären oder sekundären Débridement gemeinsam mit dem plastischen Chirurgen getroffen und sollten innerhalb von 2–4 Tagen erfolgen. 7. Im Gegensatz zum Erwachsenen sollte auf frühzeitige Arthrodesen zur Stabilisierung von Fehlstellungen bzw. bei Gelenkzerstörung verzichtet
werden. Zum einen sind das Regenerationspotenzial, aber auch das klinische Beschwerdebild im weiteren Wachstum ist nicht einschätzbar, sodass gravierende Gelenkveränderungen über einen langen Zeitraum nur zu geringen »klinischen« Beschwerden führen können. Zum andern sollte, wenn möglich, durch einen Muskeltransfer (M. tibialis anterior oder posterior) Muskelimbalancen (Peroneusläsion usw.) mit konsekutiven Planovalgus- oder Equino-varus-Fehlstellungen frühzeitig entgegengewirkt werden. Es kann sonst durch Kapsel- und Bänderschrumpfung zur Fixierung der Fehlstellung kommen, was Korrekturen zu einem späteren Zeitpunkt erheblich erschwert (Abb. 23.13 a–d). 8. Nach Erfahrungen ist in der Behandlung von Kindern (ab 5–6 Jahren) mit drittgradigen Unterschenkel- und Fußweichteilschäden der Einsatz eines Periduralkatheters zur Schmerzbehandlung und Sympathikolyse mit Verbesserung der peripheren Durchblutung sinnvoll. Die exakte Aufarbeitung der Frakturen des kindlichen Fußes steht vor dem Problem, dass bislang zu geringe Fallzahlen evaluiert wurden. Um detaillierte Therapiekonzepte einzelner seltener Problemfrakturen wissenschaftlich fundiert überprüfen zu können, bedarf es in der Zukunft multizentrischer Studien mit einen standardisierten Behandlungsprotokoll.
Abb. 23.13. a Schwerstes Fußtrauma mit Degloving-Verletzung des Vor- und Mittelfußes. b,c Kirschner-Draht-Osteosynthese und Kunsthautdeckung, Débridement und »Jet-Lavage«. d Kontrakte Spitzfußstellung aufgrund der Peroneusläsion
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23.5 Korrektureingriffe nach Verletzungen des kindlichen Fußes H. Zwipp, S. Rammelt Während die Ätiologie und Therapie fehlverheilter Epiphysenfrakturen am oberen Sprunggelenk systematisch untersucht und Behandlungsalgorithmen für die Korrektur dieser nicht seltenen Fehlstellungen erarbeitet wurden, finden sich nur spärlich systematische Analysen posttraumatischer Fußdeformitäten beim Kind (Zwipp u. Ranft 1991). Dies erklärt sich durch die hohe Elastizität der knorpelig angelegten kindlichen Fußknochen, aus welcher sich einerseits die geringe Inzidenz relevanter Fußverletzungen und andererseits ein erhebliches spontanes Remodellierungspotenzial ergeben. Es wäre jedoch ein schwerer Irrtum zu glauben, dass dislozierte Frakturen am kindlichen Fußskelett prinzipiell eine Spontankorrektur erfahren, weswegen im Folgenden typische Fallbeispiele nach Fehlheilungen besprochen werden sollen. Bei den noch selteneren direkten Sehnenverletzungen ist naturgemäß von keinem spontanen Regenerationspotenzial auszugehen. Eine Vielzahl von posttraumatischen Fußfehlstellungen sind Folge eines unerkannten oder unzureichend behandelten Kompartmentsyndroms, postischämischer oder neurologischer Genese, was eine detaillierte Analyse der Funktion der unteren Extremität als Ganzes erfordert, um eine kausale Therapieplanung zu ermöglichen (Lusskin et al. 1986; Zwipp et al. 1989). Pathogenese Korrekturbedürftige posttraumatische Fußdeformitäten entstehen am wachsenden Skelett ähnlich wie beim Erwachsenen (Zwipp et al. 1989) prinzipiell durch 3 verschiedene Läsionstypen: A. Indirekte Fußfehlstellung (extrinsisch). Die primäre Schädigung liegt nicht am Fuß selbst, sondern wirkt als indirektes pathogenes Agens über eine neuromuskuläre oder mechanische Imbalance. Dies betrifft Nervenläsionen (entweder zentral oder peripher, vor allem N. ischiadicus und Endäste), Gefäßverletzungen oder Kompartmentsyndrom mit postischämischen Kontrakturen, den traumatischen Verlust an Ober- und Unterschenkelmuskulatur, Hautkontrakturen und Narbenzug (z. B. nach Verbrennungen) sowie knöchern bedingte posttraumatische Fehlstellungen der unteren Extremität. B. Direkte Schädigung des Fußes (intrinsisch). Die Primärläsion betrifft den Fuß direkt. Sie wird initial nicht erkannt oder unzureichend therapiert, sodass unter zunehmender Belastung bzw. infolge des biologischen Wachstums Fehlstellungen entstehen oder symptomatisch werden.
C. Kombinierte Knochen- und Weichteilläsionen. Die schwerste Form der Primärläsion entsteht im Rahmen von Komplextraumen des Fußes (Zwipp et al. 1997) bzw. Kettenverletzungen der unteren Extremität mit einem erheblichen lokalen Trauma. Oft finden sich diese Verletzungen als Pars pro Toto beim Polytrauma, bei dem aufgrund vordringlicher lebenserhaltender Operationen die Versorgung der Fußverletzungen hinten ansteht. Gerade diese Verletzungen führen jedoch nach überstandenem Polytrauma zu den höchsten bleibenden Funktionseinbußen (Turchin et al. 1999). Diagnostik Klinisch Die Analyse der Fehlstellung beinhaltet eine subtile Beschwerdeanamnese unter Mitwirkung der Eltern, die klinische Untersuchung und Beobachtung des Kindes sowie eine gezielte radiologische Diagnostik. Zur klinischen Diagnostik gehören 쐌 die dezidierte Schmerzlokalisation, 쐌 die Dokumentation neurologischer und zirkulatorischer Defizite einschließlich bestehender Engpasssyndrome, 쐌 die Beurteilung von Hauttrophik, Schwellungszustand, Narbengewebe, Fußsohlenbeschwielung und Kallositäten sowie 쐌 die Feststellung des aktuellen Bewegungsausmaßes. Neben dem betroffenen Fuß selbst, an dem bestehende Achsabweichungen oder Verkürzungen im Vergleich zur Gegenseite erfasst werden, gibt das von den Kindern regelmäßig getragene – oder abgelehnte – Schuhwerk Auskunft über Fehlstellungen und funktionelle Defizite. Zur Diagnostik extrinsischer Fußfehlstellungen müssen Beinlängendifferenzen, Achsabweichungen, trophische und muskuläre Defizite an der unteren Extremität im Seitenvergleich erfasst werden. Muskel- und Sehnenkontrakturen auf Höhe des Unterschenkels und Fußes werden dokumentiert. Besonderes Augenmerk gilt Verkürzungen des funktionell wichtigen Gastrocnemius-Soleus-Komplexes (Hansen 2003). Das Gangbild der Kinder wird im Barfußgang beobachtet. Zehengang, Fersengang, Fußinnen- und Außenkantengang werden dokumentiert, ebenso die Fähigkeit zum einbeinigen Stehen und Hüpfen. Radiologisch Mit konventionellen Röntgenaufnahmen werden im Seitenvergleich fixierte Fehlstellungen, der Arthrosegrad angrenzender Gelenke, extraartikuläre Verkalkungen und die stattgehabte bzw. ausgebliebene knöcherne Konsolidierung abgelaufener Frakturen dargestellt. Für rekonstruktive Fragestellungen sind prinzipiell Belastungsaufnahmen beider Füße zu empfehlen, da diese dynamische Instabilitäten aufdecken und die Unterscheidung zwischen flexiblen und fixierten Achsabweichungen erlauben (Zwipp u. Rammelt 2002).
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23.5 Korrektureingriffe nach Verletzungen des kindlichen Fußes
Die Standardprojektionen beider Füße im Stehen beinhalten die dorsoplantare und seitliche Ansicht, Aufnahmen beider oberer Sprunggelenke im a.-p. Strahlengang sowie axiale Aufnahmen beider Rückfüße in Relation zur Unterschenkeltragachse (Projektion nach Saltzman u. el-Khoury 1995). Mehrdimensionale Fehlstellungen werden in der CT erfasst, der Datensatz kann ggf. mit spezieller Software zur virtuellen Planung der Korrektur verwendet werden (Dahlen u. Zwipp 2001). Insbesondere am Talus ist die Beurteilung der Durchblutung mit der MRT sinnvoll. Eine Szintigraphie ist beim Verdacht auf aktive entzündliche oder arthrotische Prozesse indiziert. Zusätzliche Untersuchungen Muskuläre und tendinöse Imbalancen können elektrophysiologisch (EMG, ENG) bzw. durch gezielte Kraftmessung (Biodex) quantifiziert werden, insbesondere um die Eignung spezieller Muskelgruppen zum Sehnentransfer zu überprüfen. Chronisch-entzündliche oder degenerative Prozesse an Muskeln, Sehnen und Faszien werden ebenfalls durch die MRT, besser jedoch mit einer dynamischen sonographischen Untersuchung abgeklärt. Dynamische Fehlfunktionen beim Aufsetzen, Abrollen und Abstoßen des Fußes können mit der mittlerweile weit verbreiteten dynamischen Pedographie quantifiziert werden und dienen zudem der Erfolgskontrolle im Verlauf (Rammelt et al. 2004; Zwipp et al. 1999). Zeitpunkt der Korrektur Definitive rekonstruktive Maßnahmen wie Arthrodesen sollten prinzipiell nach Abschluss des Längenwachstums erfolgen, da weder das Ausmaß des spontanen Korrekturpotenzials noch dasjenige der dauerhaften Beschwerden und Funktionseinbußen anhand der vorliegenden Literatur ausreichend gesichert ist. Nach Bliss et al. (1956) ist das Längenwachstum des Fußskelettes in wesentlichen Teilen zum 5. Lebensjahr und zu etwa 90% um das 12. Lebensjahr vollendet. Bei erheblichen Fußfehlstellungen, welche Dysbalancen an der unteren Extremität mit schwer korrigierbaren Haltungsschäden nach sich ziehen, und bei progredientem asymmetrischen Knochenwachstum muss eine Korrektur der führenden Fehlstellung jedoch eher erfolgen, um ein weiteres Fehlwachstum und die Entstehung von Anschlussarthrosen zu vermeiden. In diesen Fällen ist ein mehrzeitiges Vorgehen angezeigt. Hierbei wird die relevante Fehlstellung zunächst durch Korrekturosteotomie korrigiert, ggf. mit begleitenden Weichteileingriffen (Release, Sehnentransfer). Die definitive Rekonstruktion (Arthrodese) wird zum Abschluss des Wachstums durchgeführt (Zwipp u. Ranft 1991).
23.5.1 Korrektur extrinsischer Fußfehlstellungen Zehenkorrekturen Flexible oder fixierte Kontrakturen der kleinen Zehen können entzündlicher, neuropathischer oder traumatischer Genese sein. Es sind jedoch auch kongenitale oder idiopathische Deformitäten beschrieben (Coughlin 2000, 2002). Posttraumatische Kleinzehendeformitäten sind in den meisten Fällen auf eine Muskelischämie im Rahmen eines Kompartmentsyndroms des Unterschenkels oder Fußes zurückzuführen, seltener auf ein direktes isoliertes oder repetitives Trauma (Zwipp 1994). In der Literatur finden sich zuweilen abweichende Definitionen, sodass die genaue Charakterisierung der jeweiligen Gelenkfehlstellungen sinnvoll erscheint. Die Krallenzehe bezeichnet eine Beugekontraktur im proximalen Interphalangealgelenk bei gleichzeitiger Hyperextension im Metatarsophalangealgelenk (Abb. 23.14 a). Krallenzehen treten insbesondere nach Kompartmentsyndrom des Unterschenkels, aber auch nach direkter traumatischer Schädigung der empfindlichen Fußbinnenmuskulatur (kurze Beuger, Mm. lumbricales, Mm. interossei) auf. Diese Fehlstellung wird durch eine Kontraktur vor allem des langen Zehenbeugers sowie dem Ausfall der intrinsischen Fußbinnenmuskulatur verursacht. Die Hammerzehe ist charakterisiert durch eine Beugekontraktur im proximalen Interphalangealgelenk bei überwiegender Kontraktur der kurzen Zehenbeuger (Abb. 23.14 b). Sie ist demnach typisch für eine isolierte Ischämie der Fußbinnenmuskulatur, so z. B. nach Kalkaneusfrakturen oder Lisfranc-Luxationsfrakturen mit begleitendem Fußkompartmentsyndrom (Manoli 1990; Manoli u. Weber 1990). Die wesentlich seltenere Mallet-Zehe ist gekennzeichnet durch eine isolierte Kontraktur der langen Zehenbeuger (z. B. nach Unterschenkelkompartmentsyndrom speziell der tiefen Flexoren) mit einer charakteristischen Beugekontraktur im distalen Interphalangealgelenk, welche der Zehe das Aussehen eines Krocket- bzw. Poloschlägers (»mallet«) verleiht (Abb. 23.14 c). Diese Deformitäten sind zunächst flexibel und redressierbar. Im weiteren Verlauf werden sie jedoch durch
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c Abb. 23.14. Anatomische Charakteristika der Krallenzehe (a), Hammerzehe (b) und Mallet-Zehe (c)
Kapsel- und Bandschrumpfung fixiert und sind von schmerzhaften Kallositäten auf der jeweiligen Konvexität des kontrakten Gelenks begleitet. Zur Therapieplanung ist die Unterscheidung in manuell redressierbare und fixierte Zehenfehlstellungen wichtig. Röntgenaufnahmen sind nur bei vermuteter knöcherner Deformität, also nach direktem Trauma mit komplexen Fehlstellungen des Vorfußes oder bei rheumatischer Genese von Interesse. Therapie Im frühen Krankheitsstadium sind geräumiges Schuhwerk, direkte Polsterung der Zehen und Abtragung prominenter Kallositäten effektiv. Milde Formen der Subluxation im Metatarsophalangealgelenk können mit einem ausgedehnten Kapsel-Release sowie einer Extensorentenotomie beherrscht werden (Coughlin 2000). Formen der Mallet- und Krallenzehe nach Kompartmentsyndrom können mittels perkutaner Tenotomie der
langen Beugesehnen auf Höhe der Endgliedbasis korrigiert werden, bei Hammerzehen mittels Tenotomie von langer und kurzer Beugesehne auf Höhe der Mittelgliedbasis (Zwipp 1994). Weiterhin können alle passiv noch redressierbaren Krallen- und Hammerzehen mittels Beugesehnentransfer effektiv behandelt werden (Coughlin 2002; Hansen 2000). Die Inzision liegt quer verlaufend in der plantaren Beugefalte des proximalen Interphalangealgelenks. Die Beugesehnenscheide wird in Längsrichtung eröffnet und die lange Beugesehne an der Endgliedbasis abgelöst, geteilt und direkt neben dem Knochen auf den dorsalen Aspekt der Mesophalanx transferiert, wo die beiden Beugesehnenschenkel über eine dorsale Zusatzinzision miteinander vereinigt werden (Abb. 23.15 a,b). Dadurch übernimmt der extrinsische Flexor digitorum longus die Funktion der intrinsischen Muskulatur und ermöglicht eine aktive Streckung im proximalen Interphalangealgelenk sowie Beugung im Metatarsophalangealgelenk, während die deformierende Kraft auf das distale Interphalangealgelenk entfällt (Hansen 2000). Die Resektionsarthroplastik kommt als Mittel der letzten Wahl für fixierte Fehlstellungen, insbesondere im Erwachsenenalter, in Betracht (Coughlin 2002). Hierzu werden im Einzelnen bei der Hammerzehe die Kondylen der Grundphalanx und die Gelenkfläche der Mesophalanx, bei der Mallet-Zehe die Kondylen der Mesophalanx und die Gelenkfläche der Endphalanx reseziert. Zusätzlich erfolgt eine Flexortenotomie und Verkürzung der Extensoren. Die Zehe wird für 3 Wochen mit einem Kirschner-Draht in Neutralstellung gehalten und verbleibt für 3 weitere Wochen im Tapeverband. Sehnenverlängerung Sehnenverlängerungen, in der Regel als Z-Plastiken ausgeführt, kommen bei manifesten Kontrakturen der Unterschenkelmuskulatur nach direkter traumatischer oder ischämischer Schädigung meist als ergänzende therapeutische Option in Frage. Funktionell bedeutsam sind Kontrakturen des Gastrocnemius-Soleus-Komplexes. Durch das Übergewicht der Sprunggelenkbeuger entstehen progrediente Spitzfußfehlstellungen auch bei längerer Immobilisation nach Komplextrauma der unteren Extremität, weswegen der Lagerung bzw. Fixation des Fußes in Neutralstellung des oberen Sprunggelenks eine wichtige Funktion zukommt. Nach fehlverheilten Kalkaneusfrakturen mit erheblich nach kranial disloziertem Tuberfragment resultiert ebenfalls eine Verkürzung der Achillessehne. In diesen Fällen ist zur Korrektur der knöchernen Fehlstellung eine Sehnenverlängerung notwendig. Die Verlängerung der Achillessehne erfolgt vorzugsweise als nahtlose ZPlastik, um das bradytrophe Sehnengewebe – insbesondere nach vorangegangenem Komplextrauma – durch die Einbringung von Nahtmaterial nicht zusätzlich zu schädigen (Zwipp 1994). Hierzu wird die Achillessehne
23.5 Korrektureingriffe nach Verletzungen des kindlichen Fußes Abb. 23.15 a,b. Transfer der langen Zehenbeuger nach dorsal bei kontrakten Zehenfehlstellungen. (Nach Hansen 2000)
a
FDL FDB
b
CAVE
etwa zur Hälfte von medial etwa 2 cm distal des muskulären Ursprungs und lateral etwa 2 cm proximal des knöchernen Ansatzes über eine perkutane Inzision eingekerbt (Abb. 23.16 a,b). Unter maximaler Dorsalextension des Fußes erfolgt die Verlängerung der Sehne, wobei die längs verlaufenden Sehnenfasern sich zentral gegeneinander verschieben. Je nach Ausmaß der Spitzfußfehlstellung sollte die Distanz zwischen den Inzisionen mindestens 4–5 cm betragen. Sehnentransfers Tibialis-posterior-Transfer Eine dauerhafte Fußheberlähmung mit resultierenden Fallfuß und pathognomonischem »Steppergang« führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Funktion der unteren Extremität. Der Fuß wird flächig und außenrotiert aufgesetzt, was zu Imbalancen auf Höhe der Knieund Hüftgelenke führt. Die posttraumatische Fußheberlähmung ist meist auf eine direkte Schädigung des N. ischiadicus bzw. peroneus oder ein Kompartmentsyndrom des Unterschenkels mit überwiegender Affektion der Tibialis-anterior-Gruppe zurückzuführen. Bei intaktem N. tibialis und funktionierendem M. tibialis posterior kann ein Transfer der Tibialis-posterior-Sehne auf das Os cuneiforme intermedius eine aktive Fußhebung wiederherstellen (Abb. 23.17 a–h; Abb. 23.18 a–g). Die mit einem Knochenblock von ihrem Ansatz am Os naviculare entnommene Sehne wird mit einer kleinen Spongiosaschraube im Os cuneiforme intermedius fixiert (Zwipp 1994). Von einem Sehnensplitting auf 2 getrennte Ansätze am 1. und 5. Strahl sollte abgesehen werden, da hiermit die Pro- und Supination praktisch aufgehoben wird,
was ein unnötiges iatrogenes Funktionsdefizit nach sich zieht (Klaue 2003). Zur Vermeidung von Dysbalancen in der Frontalebene oder eines späteren Kollapses des Fußlängsgewölbes durch den Transfer des M. tibialis posterior kann zusätzlich die Sehne des M. flexor digitorum longus auf das Os cuneiforme mediale, alternativ auf das Os naviculare oder den Stumpf der Tibialis-posteriorSehne erfolgen (Hansen 2003). Je nach Ausmaß der motorischen Ausfälle können zusätzlich die Sehnen des M. peroneus brevis und der langen Zehenstrecker in den Transfer einbezogen und ebenfalls auf das Os cuneiforme intermedius bzw. laterale transponiert werden (Klaue 2003). Peroneus-brevis-Transfer Dieser Transfer dient ebenfalls der Wiederherstellung der Streckfähigkeit im oberen Sprunggelenk und kommt insbesondere bei einem zusätzlichen Defizit des M. tibialis posterior in Frage. Der M. peroneus brevis (ausnahmsweise M. peroneus longus, Abb. 23.19 a–d) wird über einen kleinen, direkten Zugang über der Tuberositas des Os metatarsale V an seinem Ansatz abgelöst und über einen posterolateralen Zugang geborgen. Der entnommene Sehnenspan wird nun in einem Bohrloch im Os cuneiforme laterale unter einem Knochendeckel versenkt (Zwipp 1994). Alternativ wird eine Lengemann-Ausziehnaht nach plantar durchgezogen. Tibialis-anterior-Transfer Durch eine traumatische oder ischämische Schädigung der Peronealmuskulatur kommt es zu einem Überwiegen der ohnehin kräftigeren Supinatoren mit entspre-
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b
Abb. 23.16 a,b. Perkutane Z-Plastik der Achillessehne. (Nach Dockery, s. Zwipp 1994; Einzelheiten s. Text)
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Abb. 23.17 a–h. Tibialis-posterior-Transfer zur aktiven Fußhebung (mod. nach Zwipp 1994). a Der Sehnenansatz wird über einen geschwungenen medialen Zugang mit einem Knochenblock entnommen und b über einen retrotibialen Schnitt nach proximal geborgen. c,d Mittels anteromedianem Zugang wird die Membrana interossea etwa 6 cm oberhalb des Syndesmosenkomplexes gespalten und der Sehnenspan von dorsal her unter Schonung des Gefäß-Nerven-Bündels nach ventral durchgezogen. e Über einen kleinen medianen Zugang direkt über dem Os cuneiforme laterale wird f der Knochen mit dem Meißel eröffnet und eine Mulde für die Aufnahme des Sehnenspans vorbereitet. g,h Die Fixation erfolgt mit einer KFI-Spongiosaschraube
b
23.5 Korrektureingriffe nach Verletzungen des kindlichen Fußes M. tibialis posterior Fibula
Tibia
e
c
f
Abb. 23.17 c–h.
Neurovaskuläres Bündel
d
g
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Abb. 23.18 a–g. Ein 7-jähriges Mädchen hatte ein Überrolltrauma mit ausgedehntem Hautdefekt und mutmaßlich abgelaufener, knöchern ausgeheilter Lisfranc-Luxationsfraktur erlitten. a,b Die Vorstellung erfolgt im Alter von 8 Jahren mit einer ausgeprägten Fußheberschwäche aufgrund einer Insuffizienz der Tibialis-anterior- und Extensor-hallucis-longus-Sehne sowie einer Hohlfußdeformität mit talometatarsalen Achsenknick. Krallenzehendeformitäten waren bereits auswärtig angegangen worden, die Großzehe zeigt jedoch eine Hyperextension im Metatarsophalangealgelenk. Bei instabilen Narbenverhältnissen nach Spalthauttransplantation im Bereich des Dorsum pedis wurde zunächst eine Achillessehnenverlängerung durchgeführt. c Ein halbes Jahr später erfolgte der Transfer der Tibialis-posterior-Sehne auf das Os cuneiforme mediale, wo es mit einer Kleinfragmentschraube verankert wurde. Im weiteren Verlauf kam es aufgrund des Längenwachstums zu einer funktionellen »Cock-up-Deformität« der
Großzehe mit einer maximalen Extension im Metatarsophalangealgelenk beim Auftreten, was in den Belastungsaufnahmen deutlich sichtbar wird. Intraoperativ imponierte ein kontrakter Rest der Extensor-hallucis-longus-Sehne, welcher mit der Faszie und der Gelenkkapsel derb verbacken war. Nach Resektion des Extensor-hallucis-longus-Restes und Arthrolyse wurde die Großzehe für 6 Wochen transfixiert. d Bei der inzwischen 14-jährigen Patientin zeigt sich eine korrekte Stellung der Großzehe unter Belastung. Die talometatarsale Achse hat sich nach Sehnenverlängerung und Sehnentransfer etwas aufgerichtet, es verbleibt jedoch eine Dorsalabkippung des Talus infolge einer Steilstellung des Kalkaneus im Vergleich zur Gegenseite (e). Die deflektierende Kalkaneusosteotomie ist nach Wachstumsabschluss geplant. f,g Die Achsenausrichtung des Rück- und Vorfußes unter Belastung sowie das annähernd seitengleiche Druckprofil beider Füße ist in den Spiegeltischaufnahmen dokumentiert
23.5 Korrektureingriffe nach Verletzungen des kindlichen Fußes
M. peroneus longus
a
b
Os cuneiforme III
c
Abb. 23.19. a–c Peroneus-longus/brevisTransfer (Zwipp 1994). Die Peronealsehne wird unterhalb des Tuberculum peroneale über einen kurzen, horizontalen Zugang zum Kalkaneus durchtrennt und mittels retrofibularem Zugang nach proximal geborgen. Anschließend Durchzug nach distal über einen kurzen, medianen Zugang über dem Os cuneiforme laterale, wo die Sehne mit einem Knochenblock eingebolzt wird
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d Abb. 23.19. d Tibialis-anterior-Transfer (Klaue 2003). Ablösen der Sehne über einen dorsomedialen Zugang von ihrem Ansatz am Os metatarsale I und Os cuneiforme mediale. Die komplette Sehne wird verlagert
chender Sichelfußstellung (Pes varus adductus). Diese führt über eine Fehlbelastung der Sprunggelenke relativ rasch zu arthrotischen Veränderungen. Zur Wiederherstellung der Pronation stehen Transfers der Tibialisanterior-, der Flexor-hallucis-longus- und der Peroneus-longus-Sehne zur Verfügung (Klaue 2003). Die Tibialis-anterior-Sehne wird von ihrem Ansatz an der Basis des Os metatarsale I abgelöst, zum Os cuneiforme laterale hin subkutan getunnelt und hier transossär fixiert (Abb. 23.19 d). Liegt eine strukturelle knöcherne Deformität zugrunde, so kann eine Lateralisationsosteotomie des Kalkaneus oder eine Verlängerung des Os metatarsale I die Fehlstellung beheben (ebd.). Bei komplexen oder verschleppten, kontrakten Fehlstellungen und Endzuständen nach langwierigen Infektverläufen ist gelegentlich eine Kombination von Sehnenverlängerungen, Tenotomien und ausgedehntem Weichteilrelease erforderlich (Zwipp 1994). Folgen direkter Sehnenverletzungen Eine direkte Verletzung der Sehnen bzw. Sehnenlager ist beim Kind die extreme Ausnahme und bereitet daher in den seltenen Fällen des Auftretens regelhaft diagnostische Probleme. Auf Höhe der Malleolen liegen die Sehnen knapp unter der Haut und wölben sich bei Anspannung hervor. Schnittverletzungen im Kindesalter entstehen häufig durch Glasscherben (Thompson u. Henderson 1997). Werden die Wunden – insbesondere hinter den Malleolen – nicht gründlich inspiziert, können Sehnenverletzungen unerkannt bleiben und zu erheblichen Deformitäten führen. Thompson u. Henderson (1997) berichteten über 4 Patienten mit schweren Fußdeformitäten im Mittel
23 Jahre nach direkter Sehnendurchtrennung im Kindesalter. In 2 Fällen war die Tibialis-posterior-Sehne nach Schnittverletzung hinter dem Innenknöchel, einmal die Peroneus-longus- und in einem Fall die Peroneus-brevis-Sehne nach Schnittverletzungen hinter dem Außenknöchel betroffen. Chronische Verletzungen der Tibialis-posterior-Sehne im Kindesalter führen zur progressiven Entwicklung eines Pes planovalgus (Masterson et al. 1994; Zwipp et al. 2000). Masterson et al. (1994) führten bei 3 Kindern mit gutem Erfolg einen Transfer der Flexor-hallucis-longusSehne auf den distalen Stumpf der Tibialis-posteriorSehne durch. Im eigenen Krankengut sahen wir die Entwicklung eines schweren Pes planovalgus 2 Jahre nach interstitieller Ruptur der Tibialis-posterior-Sehne im Rahmen einer Pronations-Abduktions-Fraktur am oberen Sprunggelenk bei einem zum Unfallzeitpunkt 13-jährigen Jungen (Abb. 23.20 a–l). Die Therapie bestand in einer varisierenden Kalkaneusosteotomie nach Dwyer, einer modifizierten Evans-Osteotomie mit Spaninterposition zur Verlängerung der lateralen Fußsäule und zusätzlicher transossärer Refixation der Tibialis-posterior-Sehne im Os naviculare nach Osteotomie (Zwipp et al. 2000). Die Durchtrennung oder Lazeration einer Peronealsehne resultiert in den wenigen beschriebenen Fällen in einem posttraumatischen Pes cavovarus mit erheblicher Einschränkung der Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk (Carroll et al. 1999; Thompson u. Henderson 1997). Versuche einer direkten sekundären Sehnenrekonstruktion schlagen fast regelhaft fehl, so dass Sehnentransfers zur weitgehenden Wiederherstellung der verlorenen Funktion erforderlich sind. Bei symptomatischen, lang dauernden Fehlstellungen mit fixierter De-
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Abb. 23.20. a,b Schwerer posttraumatischer Pes plano valgus 2 Jahre nach einer lege artis versorgten Übergangsfraktur der distalen Tibia bei einem damals 14-jährigen Jungen. c Erhebliche Inklination der talometatarsalen Achse im Seitenvergleich mit Medialshift des Talus. Erkennbare Abstützreaktion an Taluskopf und Os naviculare. d–e Der laterale Versatz und die Valgusfehlstellung des Kal-
kaneus werden in der Brodén-Aufnahme und der Spiegeltisch-Dokumentation deutlich. f Operative Exploration über einen anteromedialen Zugang bei sonographisch gesicherter Läsion der Tibialis-posterior-Sehne. g Diese ist offenbar als Folge der Sprunggelenkfraktur deutlich elongiert, jedoch nicht durchtrennt
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Abb. 23.20. h–l. h Sie wird mit einem knöchernen Span an ihrem Ansatz entnommen (Pfeil) und i am Ende der Korrekturoperation unter Vorspannung knöchern im Os naviculare mit einer KFISchraube refixiert (*). Die Korrektur der Plattfußstellung erfolgt durch eine Tripleosteotomie unter Verzicht auf jegliche Arthrodese: 1. varisierende Kalkaneusosteotomie nach Dwyer, 2. Verlängerung der lateralen Fußsäule im Sinne einer modifizierten Evans-
Osteotomie unter Verwendung des entnommenen Kalkaneusspans und 3. Zweidrittel-Varisierungs-Osteotomie des Talushalses und Spaneinbolzung zur Wiederherstellung der Kongruenz im Chopart-Gelenk (Pfeil). j Ein Jahr postoperativ stabiles Fußgewölbe unter Belastung. k,l In den Belastungsaufnahmen sichere knöcherne Konsolidierung und korrekte Ausrichtung der talometatarsalen Achse in beiden Ebenen
23.5 Korrektureingriffe nach Verletzungen des kindlichen Fußes
formität und Arthroseentwicklung im Rückfuß ist die Durchführung einer Triplearthrodese zu erwägen. Forman et al. (2000) beschrieben einen Fall von chronischer traumatischer Peronealsehnenluxation bei einem 10-jährigen Mädchen. Ein Jahr nach dem Unfall fanden sich bewegungsabhängige Schmerzen unter dem Außenknöchel, eine eingeschränkte Eversion sowie globale Kraftminderung. Die Autoren führten eine modifizierte Chrisman-Snook-Tenodese mit einem halben Peroneus-brevis-Span unterhalb der Epiphysenfuge durch (ebd.). Ebenfalls nur in Einzelfällen berichtet werden chronische Verkalkungen nach kindlichen Sehnenverletzungen (Kuritz et al. 1977). Arthrodesen nach Lähmungsdeformitäten Triplearthrodese
CAVE
Der Begriff der Triplearthrodese umfasst eine Versteifung der Subtalar-, Talonavikular- und Kalkaneokuboidgelenke (Abb. 23.21 a–o). Sie wurde für ausgeprägte Lähmungsdeformitäten des Fußes – insbesondere nach Poliomyelitis – entwickelt mit dem Ziel, bei einem gut in der Knöchelgabel geführten Talus eine rigide, aber plantigrade Stellung des Rückfußes zu erreichen (Ryerson 1923). Die Indikationen zur Durchführung einer Triplearthrodese bei Kindern umfassen sowohl angeborene als auch erworbene Lähmungsbilder, Klump- und Plattfußfehlstellungen, Kontrakturen nach Kompartmentsyndrom und posttraumatische Deformitäten mit Subluxation im Chopart-Gelenk (Seitz u. Carpenter 1974). Sie wird zudem als Reserveverfahren beim Scheitern von reinen Weichteileingriffen eingesetzt (Galindo et al. 1987). Im Vordergrund stehen kombinierte Fehlstellungen in 2 oder 3 Ebenen wie der Pes equinovarus, Pes planovalgus sowie Fehlstellungen des Kalkaneus (Pes calcaneocavus, -varus/valgus). Die Triplearthrodese korrigiert hierbei die knöcherne Komponente der Fehlstellung. Die häufig erheblichen muskulären Dysbalancen müssen durch begleitende Sehnentransfers, wie oben beschrieben, ausgeglichen werden, um ein funktionell günstiges Ergebnis zu erreichen und den Durchbau der Arthrodese nicht zu gefährden (Seitz u. Carpenter 1974). Ziel der Triplearthrodese ist die Stabilisation des paralytischen Fußes, die Korrektur kontrakter und symptomatischer Rückfußfehlstellungen sowie die Schmerzelimination bei posttraumatischer Arthrose der betreffenden Gelenke. Die Triplearthrodese wurde von einigen Autoren bereits bei Kindern im Vorschulalter durchgeführt; es besteht aber aufgrund der mangelnden Ausreifung des Ossifikationskernes und der dicken Knorpelschicht des Talus von Kindern 40% (Peclet et al. 1990). Diagnostik Röntgen Beim schwerverletzten Kind ist die Anfertigung einer a.-p.-Thoraxübersichtsaufnahme zusammen mit der Ultraschalluntersuchung des Abdomens, Röntgenaufnahmen von Wirbelsäule und Becken Teil der apparativen Standarddiagnostik. Beim weniger schwer verletzten, ansprechbaren Kind sollte beim Vorliegen von äußerlichen Verletzungszeichen am Thorax, Thoraxschmerzen oder einer abnormalen Atemfrequenz zunächst nur eine Thoraxaufnahme erfolgen (Gittelman et al. 2003). Diese kann Frakturen am knöchernen Thorax, Belüftungsstörungen der Lunge, Pneumo- oder Hämatothorax und Konturveränderungen von Herz und großen Blutgefäßen nachweisen. Beim klinischen Verdacht auf Rippenfrakturen liefert eine Aufnahme des jeweiligen knöchernen Hemithorax belichtungs- und projektionsbedingt Bilder, die eine Beurteilung der knöchernen Strukturen eher erlauben als eine Standardthoraxaufnahme, bei der die Belichtung auf die Beurteilung der Lunge abgestimmt ist. Computertomographie Liegt eine auffällige konventionelle Röntgenaufnahme des Thorax vor, so wird zur weiteren diagnostischen Abklärung häufig eine CT-Untersuchung notwendig (Renton et al. 2003). Bei schweren Mehrfachverletzungen kann auch eine primär durchgeführte Ganzkörper-Spiral-CT sinnvoll sein. Bei Kindern sind Lungenkontusionen der häufigste Befund in der Thorax-CT; diese sind oft posterior oder posteromedial lokalisiert, wahrscheinlich aufgrund der höheren Elastizität der anterioren Brustwand (Manson et al. 1993). Auch bei der Durchführung einer Abdomen-CT wird nicht selten (etwa 4%) ein begleitender Pneumothorax mitdiagnostiziert, selbst wenn die vorherige Röntgenaufnahme des Thorax keinen Pneumothorax gezeigt hat. Diese »Zufallsbefunde« bedürfen nur selten einer Behandlung mit Pleuradrainage (Holmes et al. 2001).
24.1 Verletzungen der Thoraxwand 24.1.1 Weichteilmantel Bei offenen Wunden des Weichteilmantels am Thorax ist stets eine penetrierende Thoraxverletzung durch genaue Exploration der Wunde auszuschließen. Beim
24.1 Verletzungen der Toraxwand
Kind ist der Weichteilmantel des Thorax im Vergleich zum Erwachsenen dünn, da Muskulatur und subkutanes Fettgewebe noch deutlich geringer ausgebildet sind.
24.1.2 Rippen Das Vorliegen von Rippenfrakturen ist beim Kind Ausdruck einer schweren Gewalteinwirkung und deshalb mit einer hohen Letalität (42%; Garcia et al. 1990) verknüpft, wobei eine Korrelation zwischen der Anzahl der frakturierten Rippen und der Letalitätsrate besteht. Rippenfrakturen können durch direkte oder indirekte Gewalt hervorgerufen werden. Direkte Gewalteinwirkung führt zu einer Dislokation der Rippe in Richtung auf die Körpermitte hin, sodass die Fraktur an der Innenseite der Rippe entsteht und das Risiko von Sekundärverletzungen (z. B. Lungeneinriss) durch die scharfen Frakturenden mit sich bringt. Indirekte Gewalteinwirkung besteht bei Einwirken einer Kraft auf einer größeren Fläche, die zur einer Kompression des gesamtem Thorax und lateralen Berstungsfrakturen der Rippen führt (Abb. 24.1 a,b). Hier liegt die Fraktur an der Außenseite der Rippen und ein sekundäres Verletzungsrisiko ist deutlich geringer.
wegung am stärksten beeinträchtigt wird. Die erste Notfallmaßnahme ist die Stabilisierung des betroffenen Thoraxsegments durch Auflage der flachen Hand oder eines Sandsackes. Ein instabiler Thorax wird bei kleineren Kindern fast nie angetroffen. Eine Beatmung mit PEEP bewirkt eine innere Schienung und verhindert den Kollaps der benachbarten Lunge während der Inspiration. Eine operative Fixierung der frakturierten Rippen ist nur ausnahmsweise erforderlich.
24.1.4 Sternum Sternumfrakturen sind Raritäten im Kindesalter. Sie treten meist isoliert auf und werden nicht selten durch ein indirektes Trauma (extreme Flektion der BWS) verursacht. Neben Frakturen, die meist im Corpus sterni auftreten (Abb. 24.2), sind Synchondrolysen zwischen Manubrium und Corpus sterni möglich (v. Tiling u. Berger 2000). Eine chirurgische Therapie ist fast nie indiziert, da stärkere Dislokationen ungewöhnlich sind. Die Diagnose kann in einer seitlichen Zielaufnahme nachgewiesen werden.
24.1.5 Klavikula 24.1.3 Instabiler Thorax Paradoxe Atembewegungen und der Nachweis von Rippenserienfrakturen sind die wichtigsten Zeichen eines instabilen Thorax. Dieser beeinflusst die Atmung insbesondere bei dorsolateraler Lokalisation des ausgesprengten Brustwandanteils, da hier die Zwerchfellbe-
Klavikulafrakturen zählen zu den häufigsten Frakturen im Kindesalter und stellen sicher die häufigste knöcherne Verletzung an der Thoraxwand dar. Sie können bereits unter der Geburt auftreten, werden dann nicht immer bemerkt und kommen nicht selten aufgrund überschießender Kallusbildung als Tumor zur Abklärung (Abb. 24.3). Meist sind sie Folge einer Gewalteinwirkung
a
b
Abb. 24.1. a Verformung des Thorax bei punktförmiger Gewalteinwirkung. Die Frakturenden der Rippen werden in den Thorax hineingedrückt, das Risiko für eine Lungenverletzung ist hoch. b Ver-
formung des Thorax bei flächiger Gewalteinwirkung. Die Frakturenden der Rippen werden aus dem Thorax herausgedrückt, das Risiko für eine Lungenverletzung ist niedriger
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Kapitel 24 Thoraxtrauma
an der Schulter und nicht am Thorax. Sie sind beim Kind eine Domäne der konservativen Therapie. Eine operative Frakturversorgung kommt nur bei älteren Kindern, Frakturen mit Durchspießung oder extremer Fehlstellung (>90° Achsknick) sowie bei Mitverletzungen der darunter liegenden großen Gefäße in Frage. Alle anderen Frakturen der Klavikula können konservativ im Rucksackverband behandelt werden. Etwa ab dem 6. Lebensjahr können hierzu vorgefertigte Verbände benutzt werden, bei kleineren Kindern hat sich eine Achtertour mit individuell angepasstem »Cuffn’collar-Material« bewährt.
24.2 Verletzungen der Lunge und des Tracheobronchialsystems 24.2.1 Lungenparenchymverletzungen
Abb. 24.2. Sternumfraktur in mittleren Anteil des Corpus sterni bei einem 8-jährigen Jungen nach Flektionstrauma des Rumpfes
Hinweisend auf eine Lungenparenchymverletzung sind ein subkutanes Emphysem am Hals, eine Hämoptysis oder ein nach Drainage fortbestehendes Luftleck. Da diese Verletzungen nur wenig bluten, steht die Pneumothoraxentwicklung oft im Vordergrund. Die Behandlung mit einer (oder mehreren) Pleuradrainage ist ausreichend. Operationen wegen anhaltendem Luftleck oder stärkerer Blutung müssen nur gelegentlich erfolgen und bestehen dann in einem resezierenden Eingriff (Lobektomie, atypische Lungenresektion). Bei offenen Thoraxtraumen wird eine operative Revision durchgeführt, insbesondere bei Schussverletzungen und intrathorakal befindlichen Fremdkörpern ist dies obligat (Abb. 24.4 a–d).
Abb. 24.3. »Tumorartige« Schwellung am Hals bei 4 Wochen altem Kind nach geburtstraumatischer Klavikulafraktur
24.2 Verletzungen der Lunge und des Tracheobronchialsystems
859
24.2.2 Pneumothorax Klinisch besteht eine Abschwächung der Atemgeräusche und eine Hyperresonanz bei der Perkussion, bei stärkerer Ausdehnung oder Entwicklung eines Spannungspneumothorax eine Dyspnoe und später eine Hypoxie. Der Thorax zeigt auf der betroffenen Seite eine geringere Atemexkursion. Die Entstehung eines Pneumothorax beruht beim Kind häufiger auf einer Lungenparenchymruptur nach starker Druckerhöhung im Thorax, z. B. bei einem Aufprall (Abb. 24.5 a), als auf einer direkten Lungenverletzung (Abb. 24.5 b) oder Ruptur des Bronchialbaumes. Diese Form des Pneumothorax wird in aller Regel mit einer entsprechenden Drainage ausreichend behandelt. Aufgrund der leichten Verschieblichkeit des Mediastinums entsteht beim Kind leichter ein Spannungspneumothorax mit beträchtlicher Mediastinalverschiebung (Abb. 24.5 c–d). Notfallmäßig kann die Dekompression eines Spannungspneumothorax mit einer im 2. Interkostalraum in der mittleren Klavikularlinie eingebrachten Kanüle erfolgen (Abb. 24.6 a). Eine definitive Thoraxdrainage wird im 4. bis 6. Interkostalraum in der vorderen Axillarlinie eingebracht.
Sie darf beim liegenden Patienten nicht tiefer erfolgen, da sonst Zwerchfelle und Leber getroffen werden können (Abb. 24.6 b). Bei der Anlage einer Drainage sollte versucht werden, einen treppenförmigen Kanal anzulegen, indem die Hautinzision distal der geplanten Eintrittstelle zwischen den Rippen gelegt wird. Dies bewirkt, dass bei Entfernung der Drainage die Gewebeschichten sich kulissenartig über die Eintrittstelle schieben und ein luftdichter Verschluss entsteht (Abb. 24.6 c). Der Verschluss kann durch das Anziehen einer um die Hauteintrittstelle angelegten Tabakbeutelnaht unterstützt werden. Bei der Punktion oder Anlage einer Drainage im interkostalen Raum ist zu beachten, dass die Interkostalgefäße unter der Rippe verlaufen, die Punktionsnadel sollte daher unmittelbar über den Oberrand der Rippe eingeführt werden, um iatrogene Verletzungen der Gefäße zu vermeiden (Abb. 24.6 d).
CAVE
Abb. 24.4 a–d. Schussverletzung des Thorax bei 2 1/2-jährigem Kind mit Lage des Projektils in der linken Lunge
!
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Kapitel 24 Thoraxtrauma
a
b
c
d
bb. 24.5. a Pneumothorax durch Lungenruptur. b Pneumothorax durch Verletzung der Thoraxwand. c,d Spannungspneumothorax bei Ventilmechanismus an der Rupturstelle, Luftaustritt während der Inspiration durch Unterdruck im Thorax. Die ausgetretene
Luft kann nicht mehr entweichen und führt zu einer Verschiebung der Thoraxorgane (»mediastinal shift«) auf die gesunde Seite. (Aus Schumpelick et al. 1989)
24.2.3 Hämatothorax
beim Hämatothorax dagegen eher nach kaudal-dorsal zielen sollte. Eine initiale Blutmenge von >15 ml/kg Kg, ein Ablauf von >2–3 ml/kg KG/h in 3 aufeinanderfolgenden Stunden oder ein Fortbestehen einer intrathorakalen Blutansammlung trotz adäquater Drainage spricht für eine operationsbedürftige intrathorakale Blutung. Blutungsquelle sind häufiger verletzte Interkostalarterien (Hochdruckkreislauf) als die Hilusgefäße, da in diesen ein so niedriger Blutdruck herrscht (Niederdruckkreislauf), dass Lungenparenchymblutungen nur selten kreislaufwirksam und operationsbedürftig werden (Scherer 1997).
Beim Hämatothorax liegt ähnlich wie beim Pneumothorax ein abgeschwächtes Atemgeräusch, aber ein dumpfer Klopfschall vor. Neben der Thoraxröntgenaufnahme, die dorsobasal eine Verschattung zeigt, kann ein Hämatothorax auch sonographisch, z. B. im Rahmen der Notfallabdomensonographie gesichert und quantitativ beurteilt werden. Die Thoraxdrainage wird in gleicher Weise wie beim Pneumothorax eingebracht, wobei die Spitze der Drainage beim Pneumothorax eher nach kranial-ventral,
!
24.2 Verletzungen der Lunge und des Tracheobronchialsystems
a b
c
d
Abb. 24.6. a Punktionsstellen zur Entlastung eines Pneumothorax (Spritze a) bzw. eines Hämatothorax (Spritze b; aus Schumpelick et al. 1989). b,d Einlage einer Pleuradrainage mit Eintritt der Drainage durch den 5. ICR in der mittleren Axillarlinie unter Beachtung eines subkutanen Tunnels (d). Hierdurch schieben sich bei einer Entfernung der Drainage die Wandschichten kulissenartig übe-
reinander und verhindern das Eintreten von Luft (aus Schumpelick et al. 1989). c Interkostalgefäße und -nerven verlaufen am Unterrand der Rippen. Die Punktion durch den Interkostalraum sollte daher am Oberrand der Rippe entlang geführt werden, um Blutungen zu vermeiden
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Kapitel 24 Thoraxtrauma
CAVE
24.2.4 Lungenkontusion Als häufigste intrathorakale Verletzung beim Kind fällt die Lungenkontusion im Röntgenbild durch eine infiltratähnliche Verschattung auf; diese wird in der CT genauer sichtbar. Kleinere Kontusionen bedürfen keiner spezifischen Therapie außer einer (physiotherapeutischen) Pneumonieprophylaxe. Ausgedehntere Kontusionen müssen dagegen mit maschineller Beatmung und einem PEEP behandelt werden. Das Vorliegen von intraparenchymatösen Hämatomen und Ödemen hat intrapulmonale Shunts und eine herabgesetzte Lungencompliance zur Folge (Scherer 1997). Die Aufrechterhaltung einer Normovolämie ist obligatorisch, um die Entstehung eines Multiorganversagens mit Ausgangspunkt in der Lunge zu verhindern. Es besteht ein signifikantes Risiko für die Entwicklung einer postkontusionalen Pneumonie, diese sollte frühzeitig erkannt und gezielt antibiotisch behandelt werden.
24.2.5 Bronchialruptur
Klinischer Hinweis Dem Verdacht auf das Vorliegen einer Bronchusverletzung sollte besonders dann nachgegangen werden, wenn ein Pneumomediastinum oder Pneumothorax mit einer Pleuradrainage nicht ausreichend therapierbar ist, also nach adäquater Drainage keine adäquate Rückbildung zeigt (Grant et al. 1998).
24.2.6 Traumatische Asphyxie Meist im Rahmen von Überrollverletzungen kann es bei verschlossenen Stimmritzen oder Glottis durch den raschen intrathorakalen Druckanstieg zu einer akuten massiven zentralvenösen Hypertension kommen. Da hierdurch aus dem rechten Vorhof Blut über die klappenlosen Gefäße in Kopf und Hals zurückfließt, kommt es in diesen Körperregionen zu Petechien und Einblutungen. Abbildung 24.7 a,b zeigt das typische Erscheinungsbild mit Hyposphagma beidseits, Petechien und Ödembildung im Gesicht. Die meisten Kinder, die das Krankenhaus erreichen, überstehen ein solches Trauma (wenn es isoliert auftritt) folgenlos, die Prognose ist allerdings abhängig von der Schwere und Dauer der Hypoxie.
Verletzungen von Trachea und Bronchien können stumpf oder penetrierend sein. Bei den penetrierenden Verletzungen sind Begleitverletzungen von Ösophagus, Karotiden und Jugularvenen nicht selten. Stumpfe Traumen betreffen meist den karinanahen Trachealabschnitt (Haller 1990). Hinweise auf eine tracheobronchiale Verletzung sind 쐌 Blut im Trachealsekret, 쐌 ein trotz Drainage anhaltender Spannungpneumothorax und 쐌 ein massives Luftleck, das die Ventilation beeinträchtigt. Ein Pneumomediastinum oder ein subkutanes Emphysem am Hals sollten ebenfalls den Verdacht auf eine Tracheal- oder Bronchialverletzung richten. Besteht der klinische und radiologische Verdacht auf das Vorliegen einer solchen Verletzung, so kann die Bronchoskopie die diagnostische Klärung herbeiführen und eine zielgerichtete chirurgische Versorgung ermöglichen (Sawin 1998). Gerade im Kindesalter können leichtere Verletzungen des Bronchialbaumes anfänglich übersehen werden und kommen dann erst verspätet zur Versorgung (Hancock u. Wiseman 1991; Ozdulger et al. 2003). Die Seltenheit der Verletzungen im Kindesalter ist ein wichtiger Grund für die oft verzögerte Stellung der Diagnose. In der Literatur wird durchweg nur über kleine Fallgruppen berichtet (Becmeur et al. 2000; Hancock u. Wiseman 1991; Mordehai et al. 1997; Slimane et al. 1999).
Abb. 24.7 a,b. Petechiale Blutungen und Hautödeme am Kopf sowie Hyposphagma beidseits nach Thoraxkompression im Rahmen eines Überrolltraumas
24.3 Verletzungen des Herzens und der großen Blutgefäße
24.3 Verletzungen des Herzens und der großen Blutgefäße Verletzungen des Herzens sind beim Kind insgesamt sehr selten. Wenn sie auftreten, beschränkt sich die Verletzung meist auf eine Kontusion mit geringen klinischen Auswirkungen. Alle anderen Verletzungen des Herzens und der herznahem großen Gefäße sind Raritäten (Abb. 24.8). Für die Entstehung solcher Verletzungen sind in der Regel Rasanztraumen verantwortlich, wie etwa beim Verkehrsunfall mit starker Dezeleration oder Akzeleration oder bei Stürzen aus größerer Höhe. Beim Erwachsenen entsteht ein Großteil der kardialen Verletzungen durch den Aufprall des Thorax auf das Lenkrad, ein bei Kindern nicht zu erwartender Un-
1
2
fallmechanismus (Tiao et al. 2000). Zervikothorakale Sitzgurtmarken können auf eine intrathorakale Gefäßverletzung hindeuten (Rozycki et al. 2002). Die sehr seltene traumatische Ruptur der thorakalen Aorta mit einer ähnlich hohen Letalität wie beim Erwachsenen verbunden. Meist liegt sie nicht isoliert, sondern im Rahmen schwerer Mehrfachverletzungen vor. Beschränkt sich die Rupturausdehnung auf das hintere Mediastinum, wird ein Überleben möglich. Selbst eine rasche Behandlung ist jedoch auch hier nur in einem Teil der Fälle erfolgreich (Eddy et al. 1990). Hinweise auf eine Perikardtamponade sind die obere Einflussstauung, verminderte Herztöne und ein paradoxer Puls. Diagnostik Bei stumpfem Thoraxtrauma mit Verdacht auf eine Beteiligung des Herzmuskels ist neben EKG und der Echokardiographie die Bestimmung der hirn- und myokardspezfischen Kreatinkinase (CK-MB) wegweisend (Ildstadt et al. 1990; Tellez et al. 1987). Verletzungen der großen Blutgefäße können sich im Thoraxröntgenbild andeuten, die genauere Diagnostik erfolgt im Verdachtsfall durch CT, Farbdoppleruntersuchung oder auch transösophageale Echokardiographie (Trachiotis et al. 1996). Eine Perikardtamponade ist sonographisch rasch und sicher nachweisbar. Konservative Therapie Die konservative Therapie einer Herzkontusion besteht in einer engmaschigen Überwachung mit Kontrolle von EKG, CK-MB und dopplersonographischen Funktionsparametern (Myokardmotilität, Auswurffraktion usw.). Treten Rhythmusstörungen auf, ist eine antiarrhythmische Therapie z. B. mit Lidocain einzuleiten (Tellez et al. 1987).
4 5 3
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1 8
Abb. 24.8. Mögliche kardiovaskuläre Verletzungen im Rahmen eines Thoraxtraumas: 1 Ruptur der V. cava superior, 2 Aortenruptur, 3 Perikardruptur, 4 Koronarläsion (Thrombus), 5 Klappenverletzung, 6 penetrierende Verletzung des Myokards, 7 Herzkontusion, 8 Verletzung des Ductus thoracicus mit Ausbildung eines Chylothorax oder Chylaskos
Operative Therapie Im Rahmen der Wiederbelebung (bei einer offenen Thoraxverletzung) kann selten eine notfallmäßige Thorakotomie erforderlich werden. Diese erfolgt immer linksseitig anterolateral (5. bis 6. Interkostalraum), weil dieser Zugang die offene Herzmassage ermöglicht und ein Abklemmen (»cross-clamping«) der Aorta descendens erlaubt. Ein Spannungpneumothorax und eine Perikardtamponade können so ebenfalls behoben werden. Verletzungen des linken Hilus und linksseitige Lungenparenchymblutungen können durch Abklemmen des Hilus beherrscht werden. Zur Kontrolle rechtsseitiger Verletzungen kann die Inzision über das Sternum hinweg nach rechts verlängert werden. Nach Kontrolle der Blutung und Sicherung der Ventilation kann die definitive Versorgung im Operationssaal erfolgen (Scherer 1997). Nicht indiziert sind solche massiven Eingriffe bei Kindern, die nach stumpfem Thoraxtrauma ohne Lebenszeichen in den Schockraum gelangen, da hier dem Herzversagen meist ein respiratorisches Versagen mit Anoxie
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vorausgegangen ist und eine Überlebenschance auch mit Notfallthorakotomie nicht besteht (Rielly et al. 1992). Eine primäre chirurgische Versorgung der Verletzungen großer Gefäße ist meist nur unter Einsatz der HerzLungen-Maschine möglich (Ali et al. 1992); sie ist dem erfahrenen kardiovaskulären Chirurgen vorbehalten. Verletzungen der deszendierenden Aorta werden durch eine posterolaterale Thorakotomie angegangen. Je nach Höhe der Läsion besteht ein Risiko für die Entwicklung einer Paraplegie durch Rückenmarkischämie. Kleinere Defekte können übernäht werden, größere und die gesamte Zirkumferenz betreffende Läsionen können durch Verwendung von synthetischen Interponaten (Gore-tex) versorgt werden. Neben der direkten Übernähung oder Deckung des Defekts kommen neuerdings endovaskuläre Stents zur Abwendung, die über eine arterielle Schleuse interventionell eingebracht werden (Karmy-Jones et al. 2003). Bei einer Perikardtamponade kann die Abpunktion des Blutes aus dem Perikardbeutel eine rasche Besserung der Kreislaufsituation bringen. Die Punktion erfolgt meist im linksseitigen xyphokostalen Winkel, mit Zielrichtung der Kanüle auf die ipsilaterale Skapulaspitze (Abb. 24.9). Alternativ ist eine Punktion im 4. oder 5. Interkostalraum parasternal möglich.
24.4 Verletzungen des Zwerchfells Bis zu 90% der Zwerchfellverletzungen bei Kindern und Erwachsenen sind auf Verkehrsunfälle zurückzuführen (Johnson 1998). Stumpfe Traumen verursachen hierbei eher radiäre Einrisse des Zwerchfells, die eine sofortige Herniation zur Folge haben, während penetrierende Traumen oft nur kleine Defekte erzeugen, die sich erst nach längerer Zeit zu fassbaren Hernien entwickeln (Haller 1990). Meist sind Zwerchfellrupturen bei schweren Traumen mit Begleitverletzungen anzutreffen, aber auch isolierte Zwerchfellrupturen kommen vor (Sharma et al. 2002). Traumatische Läsionen des Zwerchfells sind häufiger linksseitig, da das rechtsseitige Zwerchfell durch die Leber geschützt und abgedämpft wird. Die Diagnose einer rechtsseitigen Zwerchfellruptur kann durch die verminderte klinische Symptomatik gegenüber einer linksseitigen Ruptur schwerer sein und erfolgt daher oft erst verzögert (Karnak et al. 2001; Sharma et al. 2002). Die häufigsten, wenn auch unspezifischen Symptome für eine Zwerchfellruptur sind Dyspnoe, Bauchschmerzen und Erbrechen (Karnak et al. 2001). Erfolgt aus anderen Gründen (z. B. intraabdominelle Blutung) eine Laparatomie, so sollten auch die Zwerchfelle inspiziert werden, da nicht wenige Patienten, die verzögert an Zwerchfelldefekten operiert werden, bereits eine vorausgehende Notfalllaparatomie hatten, bei der eindrucksvollere intraabdominelle Verletzungen den Blick vom Zwerchfell ablenkten. Das gleich gilt für intrathorakale Eingriffe, auch hier kann eine Zwerchfellverletzung wegen anderer Verletzungen leicht übersehen werden (Haller 1990). Abbildung 24.10 a–c zeigt ein Beispiel für eine linksseitige Zwerchfellruptur bei einem 10-jährigen Jungen nach schwerem Verkehrsunfall, bei dem die Zwerchfellverletzung im Rahmen einer Laparotomie aufgrund einer Duodenalruptur und Pankreasruptur nicht gesehen wurde. Die Versorgung des Zwerchfelles erfolgte 3 Wochen nach dem Unfall. Diagnostik Die Verdachtsdiagnose auf das Vorliegen einer Zwerchfellruptur kann anhand einer Standard-Thoraxröntgenaufnahme gestellt werden, ggf. auch durch die Beurteilung des Verlaufs in seriellen Aufnahmen. Hilfreich zur Bestimmung der Lokalisation des Defekts ist eine seitliche Thoraxaufnahme. Die wichtigsten radiologischen Zeichen sind:
Abb. 24.9. Punktionsstellen eines Perikardergusses (von links nach rechts): xyphokostal, parasternal im 5./6. ICR, an der Herzspitze im 5. ICR
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
untypische Gasansammlungen im Thorax, eine kraniale Verlagerung des Leberoberrandes, eine mediastinale Verschiebung, ein auffälliger Verlauf einer Magensonde, ein atypischer Pneumothorax und Frakturen der unteren 6 Rippen (Brandt et al. 1992).
24.4 Verletzungen des Zwerchfells
Die Zwerchfellbeweglichkeit wird anhand von Inspirations- und Exspirationsaufnahmen, einer Durchleuchtung oder Ultraschalluntersuchung beurteilt. Mehr Sicherheit ergibt eine CT-Untersuchung, bei der Darm, Leber oder andere Organe im Thorax nachgewiesen werden. Auch eine Kontrastmittelgabe (Magen-DarmPassage oder Kontrasteinlauf) kann die intrathorakale Lage von Magen oder Darm nachweisen. Operative Therapie Zwerchfellrupturen werden in aller Regel vom Abdomen aus angegangen. Eine Ausnahme besteht beim Vorliegen intrathorakaler Begleitverletzungen oder bei rechtsseitiger Lokalisation im dorsalen Bereich des Zwerchfells und damit schlechter Erreichbarkeit von abdominell. Der Verschluss des Defekts erfolgt durch direkte Naht; es kommen – wie bei der Versorgung angeborener Zwerchfelldefekte – U-Nähte mit kräftigem, nichtresorbierbarem Nahtmaterial zum Einsatz. Bei verzögerten Versorgungen und großen Defekten kann auch die Anwendung prosthetischer Materialen (Kollagenvlies, Gore-tex-patch o. Ä.) erforderlich werden.
Abb. 24.10 a–c. Traumatische Zwerchfellruptur rechts bei 10 Jahre altem Jungen mit deutlicher Verlagerung der Leber nach kranial in der CT und Ausbildung einer Pseudo-Zwerchfellkuppel rechts im Röntgenbild. Intraoperativ bereits Verwachsungen zwischen rechtem Lungenunterlappen (unter dem Sperrer) und der hochgetretenen Leber (unter dem Tupfer) bei ausgedehnter Zwerchfellruptur rechts
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Kapitel 24 Thoraxtrauma
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Kapitel 25
Bauchtrauma
25
G. Schimpl
25.1
Praktisches Vorgehen beim Bauchtrauma . . . . . . 869
25.2 25.2.1 25.2.2 25.2.3 25.2.4 25.2.5 25.2.6 25.2.7 25.2.8
Organverletzungen beim stumpfen Bauchtrauma Bauchwandhernie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwerchfellruptur . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ruptur des Magens . . . . . . . . . . . . . . . . . Ruptur des Duodenums . . . . . . . . . . . . . . . Ruptur des Dünndarms . . . . . . . . . . . . . . . Ruptur des Kolons . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mesenterialhämatome . . . . . . . . . . . . . . . Isolierte Pankreasverletzungen . . . . . . . . . . .
25.3
Verletzungen der Milz . . . . . . . . . . . . . . . . . 878
25.4
Verletzungen der Leber . . . . . . . . . . . . . . . . 880
25.5
Verletzungen der intraabdominellen Gefäße . . . . 881
. . . . . . . . .
873 873 873 874 874 876 877 877 877
25.6
Organverletzungen durch Bauchdeckenperforation
25.7 25.7.1 25.7.2
Besonderheiten im Kindesalter . . . . . . . . . . . 882 Verschluckte Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . 882 Verätzungen der Speiseröhre und des Magen-Darm-Trakts . . . . . . . . . . . . . 882
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Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 883 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 883
Bauchtraumen sind häufige Verletzungen im Kindesalter und treten in 2–5% bei verunfallten Kindern auf. Meist kommt es durch die Gewalteinwirkung ohne Eröffnung der Bauchhöhle zum so genannten stumpfen oder geschlossenen Bauchtrauma: Dabei treten mehr oder weniger schwere Verletzungen der Bauchwand oder der Baucheingeweide inklusive des Retroperitoneums auf. Perforierende Bauchverletzungen entstehen durch Stich-, Schuss- und Pfählungsverletzungen und führen zur Eröffnung der Bauchhöhle. Sie sind im Kindesalter relativ selten und machen etwa 10% der Bauchverletzungen aus. Die stationäre Behandlungsrate beim stumpfen Bauchtrauma ist hoch. Zum einen stellt die exakte Diagnose der Verletzungen auch heute noch eine Herausforderung dar, und zum anderen ist das Bauchtrauma für 10–15% aller traumatischen Todesfälle verantwortlich. Während die Mehrzahl der Kinder nach einem stumpfen Bauchtrauma nur kurze Zeit zur Überwachung im Krankenhaus bleibt, weist ein kleiner Prozentsatz schwere lebensbedrohliche Verletzungen auf. Diese können durch Blutungen aus parenchymatösen Organen oder Rupturen der intraabdominalen Hohlorgane bedingt sein.
Unfallursachen Typische Unfallmechanismen für das stumpfe Bauchtrauma sind Flachstürze und Stürze aus der Höhe oder beim Laufen und Sport sowie Kollisionen mit Gegenständen. Stürzen Kinder mit Rollern, Scootern oder Fahrrädern, können Bauchverletzungen durch den Sturz auf den Lenker auftreten; meist sind in diesen Fällen typische Prellmarken an der Bauchdecke sichtbar (Abb. 25.1 a). Weiterhin führen Überrollungen und Unfälle mit Beteiligung von Autos oft zu schwerere Bauchtraumen. Eine große Rolle spielt bei Autounfällen die Verwendung geeigneter Rückhaltesysteme, da bei ungeeigneten Gurtsystemen Verletzungen der Bauchorgane durch den Gurt selbst verursacht werden können. Aber auch bei geeigneten Gurtsystemen kann eine massive Gewalteinwirkung (Frontalzusammenstoß) Schäden im Bereich des Bauchgurtes hervorrufen (Velanovic u. Tapper 1993; Abb. 25.1 b). Perforierende Bauchtraumen werden hauptsächlich durch das Hantieren mit Schusswaffen und Messern, Stürze durch Glasscheiben und durch Pfählungen mit Stöcken (Skistock) verursacht (Abb. 25.2 a,b). Diese Verletzungen spielen aber mit nur etwa 10% eine untergeordnete Rolle. Verletzungsmechanismus Die Besonderheit des Bauchtraumas im Kindesalter ist die sehr geringe Distanz der Baucheingeweide zur Körperoberfläche, sodass einwirkende Kräfte ungebremst die Baucheingeweide erreichen. Die Lendenwirbelsäule stellt ein Widerlager dar, welches gemeinsam mit der einwirkenden Kraft die Verletzung dazwischen liegender Organe begünstigt. Die parenchymatösen Bauchorgane des Kindes sind in Relation zur Körpergröße deutlich größer als beim Erwachsenen. Daher kann bereits ein geringfügiges Trauma eine erhebliche Organverletzung verursachen. Entscheidend für die Art der Verletzung ist die Richtung und Schwere der einwirkenden Kraft. Verletzungen der lateralen Oberbauchorgane, wie Leber und Milz, sind bei Kindern häufiger anzutreffen, weil der untere Thorax, der diese Organe schützend umgibt, beim Kind noch wesentlich elastischer ist und dadurch ein Großteil der Kraft auf die tiefergelegenen Organe ungebremst weiterleitet. Die soliden Organe wer-
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Kapitel 25 Bauchtrauma
Abb. 25.2. a Pfählungsverletzung durch ungeschützte Lenkerstange. b Pfählungsverletzung mit Bauchdeckenperforation durch Lenkerstange. Stoffreste der Kleidung in der Wunde aus a
Die Altersverteilung zeigt einen Gipfel um das 6. Lebensjahr und einen zweiten Häufigkeitsgipfel um das 14. Lebensjahr. Das Verhältnis Jungen zu Mädchen beträgt annähernd 3:1. Abb. 25.1. a Prellmarke durch Fahrradlenker. b Typische Beckengurtverletzung bei Frontalzusammenstoß
den eher durch direkte Krafteinwirkung verletzt; sie werden dabei zwischen von außen wirkender Kraft und der Wirbelsäule gequetscht. Die Hohlorgane rupturieren dagegen eher durch indirekte Krafteinwirkung, wie abrupte Beschleunigungs- oder Bremsvorgänge (Dezelerationskräfte) und Kompressionskräfte. Dabei spielt der Füllungszustand (Flüssigkeitsgehalt) der Hohlorgane eine wesentliche Rolle. Häufigkeit und Altersverteilung der Organverletzungen Am häufigsten wird im Rahmen eines stumpfen Bauchtraumas die Bauchdecke verletzt, wobei es vom Hämatom bis hin zur traumatischen Bauchwandhernie kommen kann. An der Spitze der verletzten Organe liegt die Milz, gefolgt von Leber, Pankreas, Duodenum und Dünndarm, Mesenterium, Zwerchfell, Magen und Kolon.
Vorkommen im Rahmen von Mehrfachverletzungen Begleitverletzungen bei einem stumpfen Bauchtrauma sind in 30–45% vorhanden (Bockholdt u. Schneider 2003). Am häufigsten finden sich Verletzungen des Schädels, der Extremitäten und des Thorax. Es ist immer an die Verletzungen intraabdominaler Organe zu denken, wenn gleichzeitig Verletzungen des Thorax, des Beckens und der unteren Extremität vorliegen (Mehretagenverletzungen). Schwere Verletzungen der parenchymatösen Oberbauchorgane sind die führende Ursache für die Entstehung eines hypovolämischen Schocks. Verletzungen von Hohlorganen werden häufig primär nicht erkannt, da mitunter Begleitverletzungen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Prinzipiell ist jedoch beim Polytrauma das schwere Schädel-Hirn-Trauma (SHT) die häufigste Todesursache (Sarihan u. Abes 1998; Schwarz et al. 2000). Bei Vorliegen eines hypovolämischen Schocks – sei es durch eine intraabdominale Verletzung oder durch Extremitätenfrakturen – verdoppelt sich die Letalität eines SHT (Partrick et al. 2002). Weiterhin hat die im hypovolämischen Schock herabgesetzte Durchblutung des
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25.1 Praktisches Vorgehen beim Bauchtrauma
vorgeschädigten Gehirns die Entstehung irreversibler sekundärer Hirnschäden zur Folge.
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Prognose Die Prognose aller leichten stumpfen Bauchtraumen ohne Organruptur, der so genannten Bauchdeckenprellung, ist gut. Nach einer kurzen Phase mit Schmerz und Übelkeit kommt es rasch zur Beschwerdefreiheit. In etwa 5% der Patienten kann als Spätkomplikation eine Bauchwandhernie auftreten, die meist operativ verschlossen werden muss. Bei den Verletzungen mit Organruptur ist hinsichtlich der Prognose zwischen den soliden und den Hohlorganen zu differenzieren. Während die Verletzungen der soliden Organe meist konservativ behandelt werden können und nur etwa in 15% der Fälle operiert werden müssen, bedürfen Verletzungen der intraabdominellen Hohlorgane in nahezu allen Fällen einer chirurgischen Versorgung. Erfolgt diese zeitgemäß, so ist auch hier eine gute Prognose zu verzeichnen. Die Rate an Komplikationen und Spätfolgen ist bei den operativ zu versorgenden Verletzungen höher, jedoch können auch nach konservativer Versorgung von Verletzungen solider Organe Komplikationen wie Milz- oder Leberzysten, Pankreaspseudozysten und Darmstenosen auftreten. Die Mortalität nach operierten Bauchtraumen beträgt zwischen 6% und 14% und jene nach konservativer Therapie rund 3%, wobei die Begleitverletzungen die Mortalitätsrate beeinflussen können (Lucas u. Ledgerwood 1975; Mayr 2002; Partrick et al. 1999; Sauer 1984). Altersabhängige Besonderheiten Geburtstraumatische Verletzungen Verletzungen der Oberbauchorgane Leber und (seltener) Milz können bei Komplikationen unter der Geburt vorkommen (instrumentelle Geburt, Lagevarianten, Missverhältnis). Die Leber hat beim Frühgeborenen und Neugeborenen eine wesentlich weichere Konsistenz als beim älteren Kind und ist entsprechend mechanisch leicht verletzlich, und es kann zu subkapsulären Hämatomen kommen. Klinisch können sich diese Blutungen neben Zeichen eines kreislaufwirksamen Blutverlustes auch als Blauverfärbung des Skrotums manifestieren, da es durch den offenen Processus vaginalis zum Absinken der intraabdominellen Blutung kommt. Die Behandlung sollte, wenn immer möglich, konservativ erfolgen. Andere intraabdominelle Verletzungen mit geburtstraumatischer Ursache sind selten. Perforierende Bauchverletzungen durch Schnittverletzungen im Rahmen einer Sectio können vorkommen. Verletzungen im Kleinkindesalter Das Abdomen ist in der Relation zum übrigen Körper beim Kleinkind größer als beim älteren Kind, Leber und Milz reichen bis weiter unterhalb des Rippenbogens,
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und die Blase wird noch nicht von den Beckenknochen schützend eingeschlossen. Die Bauchwandmuskulatur ist noch wesentlich schwächer ausgeprägt und die Distanz Bauchdecke-Wirbelsäule ist geringer. Alle diese Eigenschaften machen das Kleinkind bei Einwirkung einer äußeren Gewalt vulnerabler für eine intraabdominale Verletzung. Hauptursachen intraabdominaler Verletzungen sind Stürze aus großer Höhe (Fenster-, Balkonsturz) und das Überrolltrauma. Häufig werden Kleinkinder beim Rangieren eines PKW von diesem überrollt. Verletzungen im Schulalter Der ausgeprägte Bewegungsdrang und Entdeckungstrieb führen dazu, dass Schulkinder eine häufig von Bauchtraumen betroffene Altersgruppe darstellen. Unfallursachen sind Fahrradstürze, Verkehrsunfälle – sowohl als Fußgänger als auch als PKW-Insassen –, Stürze bei Bewegungssportarten, aber auch Verletzungen bei Sportarten wie Fußball, Judo oder Geräteturnen sowie Hochstürze von Bäumen, Mauern und Bauten sind häufig. Kindesmisshandlung Typisch bei Verletzungen durch Kindesmisshandlung ist, dass die anamnestischen Angaben über den Unfallhergang häufig nicht mit den erlittenen Verletzungen korrelieren und auch bei wiederholter Befragung unterschiedlich angegeben werden. Die Beteiligung intraabdomineller Organe spricht immer für eine sehr schwere Kindesmisshandlung mit großer Gewalteinwirkung. Deshalb ist die Mitbeurteilung des Abdomens durch eine klinische Untersuchung, Ultraschall und evtl. CT bei jedem unklaren Unfallmechanismus notwendig, auch wenn andere Verletzungen, wie Hautlazerationen, Frakturen und SHT vordergründiger sind. Bauchverletzungen durch Misshandlung betreffen häufiger median und paramedian gelegene Organe, wie Pankreas, Duodenum, Mesenterium und Jejunum, wodurch auch initiale hypovolämische Schocksymptome fehlen können.
25.1 Praktisches Vorgehen beim Bauchtrauma Um eine optimale Behandlung eines traumatisierten Kindes zu gewährleisten, bedarf es einer entsprechenden personellen und fachlichen Kompetenz sowie der räumlichen, diagnostischen und therapeutischen Voraussetzungen. Dies ist in der Regel nur in einem Kindertraumazentrum gegeben, das 24 Stunden täglich über ein entsprechen geschultes Team von Kinderchirurgen, Unfallchirurgen bzw. Chirurgen, die kindertraumatologisch versiert sind, Kinderanästhesisten, pädiatrischen Intensivmedizinern und Kinderradiologen verfügt, so-
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Kapitel 25 Bauchtrauma
dass jederzeit sämtliche diagnostischen Maßnahmen wie Röntgen, Ultraschall, CT oder MRT sowie die notwendigen intensivmedizinischen und operativen Maßnahmen durchgeführt werden können (Grasso u. Keller 1998). Postoperativ muss für diese Patienten eine optimale Betreuung in einer den Kindern angepasster Intensivstation garantiert sein (Abb. 25.3). Anamnese Der anamnestische Hinweis auf eine intraabdominelle Verletzung ergibt sich meist aus der Schilderung des Unfallmechanismus, sei es durch den Patienten selbst oder durch dritte Personen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass bei typischen anamnestischen Angaben wie Sturz auf den Bauch, Sturz aus großer Höhe, Fahrradsturz, Verkehrsunfall (Fußgänger, PKW-Insasse) oder Überrollung immer an Verletzungen intraabdominaler Organe gedacht wird, auch wenn andere Verletzungen wie Extremitätenfrakturen, Thorax- und Beckenverletzungen oder ein SHT vordergründiger erscheinen. Erstversorgung des Patienten Die Erstversorgung sollte in einem entsprechend ausgerüsteten und temperierten Schockraum am völlig entkleideten Patienten durchgeführt werden. Dies ermöglicht einerseits den raschen Einsatz von Geräten für den
Abb. 25.3. Diagnostischer Algorithmus bei Verdacht auf Bauchtrauma
»life support« (Narkosemaschine, Pulsoxymetrie usw.), von diagnostischen Geräten (Ultraschall, Röntgen, CT, MRT) und akut interventionellen Maßnahmen (z. B. zentraler Venenkatheter). Das vorrangigste Ziel ist die Sicherung und Aufrechterhaltung eines optimalen kardiopulmonalen Zustandes des Patienten. Hierfür notwendig ist eine entsprechende Flüssigkeitszufuhr, eine Sedierung und Analgesierung über geeignete großlumige venöse Zugänge. Im Zweifelsfall sollte die Indikation zur Intubation großzügig gestellt werden. 쐌 Flüssigkeitszufuhr: isotone Elektrolytlösungen (halbisotone Lösungen), Hydroxyethylstärke, 쐌 Sedierung: Midazolam (0,1–0,2 mg/kg, maximal 5 mg), 쐌 Analgesie: Piritramid (0,1–0,2 mg/kg, maximal 15 mg), 쐌 Intubation: Propofol 1% (2–3 mg/kg). Anschließend ist das transnasale (bei Mittelgesichtsverletzungen ggf. transorale) Legen einer großkalibrigen Magensonde eine der ersten Maßnahmen bei jedem Kind mit aufgrund der Untersuchung wahrscheinlicher intraabdomineller Verletzung. Das Aspirationsrisiko kann hierdurch bei nichtintubierten Patienten deutlich gesenkt werden. Notfallmäßig intubierte Patienten sollten in jedem Fall eine Magensonde erhalten.
25.1 Praktisches Vorgehen beim Bauchtrauma
Die Anlage eines Blasenkatheters liefert Information über die Urinausscheidung und eine evtl. vorhandene Hämaturie. Bei transurethralem Blutabgang und Verdacht auf eine Beckenfraktur muss an eine eventuelle Urethraverletzung gedacht werden, die das Legen eines transurethralen Blasenkatheters unmöglich und gefährlich machen kann. Hier kann nach sonographischem Nachweis einer gefüllten Blase eine suprapubische Harnableitung und radiologische Abklärung der Urethra eingeleitet werden. Erstuntersuchung Ziel der Erstuntersuchung ist, herauszufinden, ob eine intraabdominelle Verletzung vorliegt und ob diese interventionsbedürftig ist. Einer dringlichen Operation bedürfen vor allem unkontrollierte Blutungen und rupturierte Hohlorgane. Befindet sich der Patient im Schock und ist eine periphere Blutungsquelle durch Inspektion ausgeschlossen bzw. findet sich keine Erklärung für den Schockzustand des Patienten, so ist eine abdominelle Verletzung die wahrscheinlichste Ursache (Foglia u. Winthrop 1997). Die klinische Untersuchung sollte nach der Stabilisierung der Vitalfunktionen und Erhebung des neurologischen Status (Glasgow Coma Scale) bei einem kardiorespiratorisch und neurologisch stabilen Patienten folgende Untersuchungsschritte beinhalten: Klinische Untersuchung 쐌 Untersuchung des Thorax: – Inspektion: Verletzungszeichen: penetrierende Verletzungen, Prellmarken, Blutung, – Vergleich der Atembeweglichkeit: seitengleichasymmetrisch, fehlend, – Palpation: Crepitatio der Rippen, Hautemphysem, – Auskultation: seitengleiche Ventilation, fehlend. 쐌 Untersuchung des Abdomens: – Inspektion: Prellmarken, Penetrationen, Vorfall von intraabdominalen Organen (Netz). – Palpation: Resistenz, Druckschmerz, Schwellung, thympanitischer Klopfschall, – Auskultation: Peristaltik, fortgeleitete Geräusche. 쐌 Untersuchung des Beckens: – Inspektion: Asymmetrie, offene Verletzung, Lage der Beine, »open book lesion«, – Palpation: Stabilität, Hämatome. 쐌 Rektale Untersuchung: – Inspektion: Beurteilung des Anus (klaffend, blutend), Beurteilung des Perineums, – Palpation: Tonus, Douglas-Raum. 쐌 Untersuchung der Extremitäten: – Inspektion: Lage, sichtbare Verletzungen, Fehlstellung, Pulse, – aktive Beweglichkeit: spontan, seitengleich, – passive Beweglichkeit: Seitendifferenz, Reflexe, abnorme Beweglichkeit.
Röntgenuntersuchungen 쐌 Standardröntgen: je nach Verletzungen (Schädel, Thorax, Wirbelsäule, Becken, Extremitäten), 쐌 Abdomenröntgen: – in Rückenlage: Gasverteilung, Verschattungen, »football sign« bei freier Perforation, Ileus bei Darmobstruktion, – im Stehen: subphrenische Luftsicheln = Perforation; stehende Darmschlingen mit Spiegelbildung = Ileus, – in linker Seitenlage mit horizontalem Strahlengang: freie Luft im Abdomen; zwischen Leber und Zwerchfell = Perforation; Luftperlen entlang des M. psoas rechts = retroperitoneale Perforation (z. B. Duodenalruptur). Ultraschalluntersuchung Zur Notfallsonographie des Abdomens im Kindesalter genügt in der Regel ein normaler 5 MHz-Schallkopf. Die initiale Übersichtsuntersuchung dient der raschen Darstellung von freier intraperitonealer Flüssigkeit. Freie intraabdominale Flüssigkeit sammelt sich vorwiegend im Douglas-Raum (Abb. 25.4) und im Morrison-Pouch rechts (zwischen rechter Niere und Leber) und im linken Morrison-Pouch (zwischen linker Niere und Milz). Die sekundäre, sorgfältige und organbezogene Untersuchung umfasst die schrittweise Untersuchung der intraabdominalen Organe und des Retroperitoneums. Die Untersuchung beginnt mit der exakten Untersuchung der Leber, der Milz (Abb. 25.5, Abb. 25.6) und des Pankreas inklusive der Perfusionsverhältnisse mittels Dopplersonographie. Weiterhin werden die intraabdominalen Gefäße (Aorta,V. cava, Pfortader, Mesenterialgefäße) und die Motilität und Perfusion am Darm untersucht. Wichtig ist auch die Untersuchung des Zwerchfells und dessen Beweglichkeit; hierbei können auch Flüssigkeitsansammlungen im Pleuraraum und im Perikard (Pleuraerguss, Perikarderguss) gesehen werden. Bei Mädchen ist die Beurteilung des inneren Genitales angezeigt (Partrick et al. 1998).
Abb. 25.4. Sonographie: freie intraperitoneale Flüssigkeit im Douglas-Raum
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Kapitel 25 Bauchtrauma
sätzliche regelmäßige klinische Untersuchungen des Abdomens durchzuführen (Soudack et al. 2004). Insbesondere bei Verletzungen von Hohlorganen ist die wiederholte klinische Untersuchung der Sonographie überlegen und vorzuziehen (Buzzas et al. 1998; Jerby et al. 1997). Jedoch ist bei jedem unklaren sonographischen Befund und entsprechendem klinischen Verdacht unverzüglich eine CT durchzuführen (Emery et al. 2001). Laborchemische Untersuchungen Die laborchemische Untersuchung sollte bei der ersten Blutabnahme im Schockraum neben der Blutabnahme zur Blutgruppenbestimmung und Bereitstellung von Blutkonserven folgende Parameter umfassen:
Abb. 25.5. Sonographie: Leberruptur im rechten Leberlappen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
rotes Blutbild, weißes Blutbild, inklusive Differenzialblutbild, Elektrolyte, Blutgasanalyse, Leberenzyme, Pankreasenzyme, Harnstoff, Kreatinin, Gerinnung.
Zusätzlich sollte eine initiale Blutprobe für forensische Untersuchungen (Alkohol, Drogen, Medikamente) aufgehoben werden.
Abb. 25.6. Sonographie: ausgedehnte Milzruptur
Die sonographische Untersuchung des Retroperitoneums umfasst eine exakte Darstellung der Nieren inklusive der Nierengefäße und deren Perfusion. Zusätzlich sollte die Nebennierenregion zum Ausschluss von Hämatomen untersucht werden. Bei der Untersuchung der ableitenden Harnwege und der Blase muss auf das Vorhandensein von Extravasaten und retro- sowie subperitonealen Hämatomen geachtet werden (Ceylan et al. 2002; Farthmann et al. 1989; Russel et al. 2001). Die initiale Sonographie mit negativem Befund stellt dabei keinen sicheren Ausschluss einer intraabdominellen Verletzung dar (Boulanger et al. 1998; Desai et al. 2003; Holmes et al. 2001). Parenchymrupturen der Leber und der Milz ohne Kapselverletzung sowie Verletzungen des Darms und anderer Hohlorgane können initial selten dargestellt werden.Aus diesem Grund ist es wichtig, sonographische Kontrolluntersuchungen und zu-
Computertomographie Bei Nachweis einer größeren oder zunehmenden Menge freier Flüssigkeit im Ultraschall ohne eindeutigen Nachweis der Blutungsquelle sollte eine CT-Untersuchung mit Kontrastmittel erfolgen (Taylor et al. 1989). Hierfür ist besonders die Spiral-CT wegen der kurzen Untersuchungsdauer für Kinder von großem Vorteil. Durch eine Kontrastmittelgabe lassen sich perfundierte von nichtperfundierten Arealen in Leber, Milz, Pankreas und Niere abgrenzen, was für eine Parenchymverletzung beweisend ist. Die Gabe eines oralen Kontrastmittels, ggf. über eine Magensonde, ist bei Verdacht auf eine Duodenal- oder Dünndarmverletzung angezeigt. Generell ist die CT-Untersuchung hinsichtlich der Beurteilung des Pankreas, des Mesenteriums und des Darms dem Ultraschall überlegen, insbesondere wenn aufgrund von Darmgasüberlagerung diese Strukturen nicht ausreichend einsehbar sind. Bei polytraumatisierten instabilen Patienten ist eine initiale GanzkörperSpiral-CT-Untersuchung zu erwägen, da hiermit eine zeitaufwendigere Einzeldiagnostik von Schädel, Thorax, Wirbelsäule, Abdomen und Becken vermieden werden kann. Magnetresonanztomographie MRT-Untersuchungen werden in der Akutdiagnostik nur selten eingesetzt. Meist stehen die Geräte nicht zur Verfügung, und die langen Untersuchungszeiten machen den Einsatz bei Kindern oft nur in Narkose möglich.
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25.2 Organverletzungen beim stumpfen Bauchtrauma
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Absolute Indikationen für eine sofortige MRT sind Verletzungen der Wirbelsäule mit Verdacht auf Mitbeteiligung des Rückenmarks. Laparoskopie In den letzten Jahren hat die rein diagnostische Laparoskopie nach Einführung des Ultraschalls an Bedeutung verloren. In ausgewählten speziellen Fällen, wie beim Verdacht auf eine intestinale Verletzung, kann die Laparoskopie als weiterführende Diagnostik beim klinisch stabilen Patienten eingesetzt werden (Hasegawa et al. 1997). Verletzungen der Leber und Milz stellen primär in keinem Fall eine Indikation für die Laparoskopie dar, zumal die meisten Verletzungen konservativ behandelt werden können und eine Verlaufkontrolle mittels Ultraschall ausreichend ist. Wird ein Patient aufgrund einer intraabdominellen Blutung kardiopulmonal instabil, so ist eine offene chirurgische Intervention notwendig. Peritoneallavage Beim kindlichen Bauchtrauma ist die Einlage eines Lavagekatheters gegenüber früheren Berichten (Rückert v. Kap-Herr 1980) obsolet und bietet gegenüber der Sonographie keine diagnostischen Vorteile. Diese invasive Methode ist bei Kindern mit einer hohen methodisch bedingten Komplikationsrate und mit einer hohen Rate falsch-positiver Ergebnisse behaftet.
25.2 Organverletzungen beim stumpfen Bauchtrauma
25.2.2 Zwerchfellruptur Die traumatische Zwerchfellruptur kommt in 4,5% der Bauchtraumen mit Mehrfachverletzungen und in 3% der Thoraxtraumen vor. Dabei kommt es zu einer kompletten Durchtrennung des Diaphragmas einschließlich Peritoneum und Pleura parietalis. Über den Entstehungsmechanismus gibt es mehrere Theorien, jedoch scheint es wahrscheinlich, dass es durch Scherkräfte am Thorax zusammen mit einer intraabdominalen Druckerhöhung zum Anspannen und nachfolgender Zerreißung des Diaphragmas kommt (Höllwarth 1984; Sharma et al. 2002). Häufig treten diese Kräfte bei Überrollungen und bei Dezelerationen auf. Durch das abdominothorakale Druckgefälle führt die Saugwirkung auf die Bauchorgane zu einem Eingeweideprolaps in den Thorax. Da das rechte Diaphragma durch die Leber geschützt ist, treten Rupturen am Diaphragma in 70–90% auf der linken Seite auf (Friedlaender u. Tsarouhas 2003). In 80% verläuft der Riss im Diaphragma radial im Bereich des Centrum tendineum (Kurz 1984; Abb. 25.7). Das klinische Bild der Zwerchfellruptur ist vielfältig und unspezifisch, da meist Begleitverletzungen bei den polytraumatisierten Patienten im Vordergrund stehen. Häufig werden von den Patienten Schulterschmerzen der betroffenen Seite angegeben (Phrenikusschmerz). Deshalb wird die Zwerchfellruptur in der Regel erst im Rahmen der erweiterten Klinikdiagnostik offenkundig. In etwa 60% der Patienten werden Zwerchfellrupturen erst intraoperativ bei Laparotomien aus anderer Indikation oder verspätet diagnostiziert.
25.2.1 Bauchwandhernie Das klinische Bild einer traumatischen Bauchwandhernie ist typisch, und sie wird meist durch eine kleinflächige stumpfe Gewalteinwirkung, wie bei einem Sturz auf das Ende einer Fahrradlenkstange, verursacht. An der Haut findet sich die typische kreisförmige Kontusionsmarke (vgl. Abb. 25.1 a), und darunter findet sich die tastbare Lücke in der Bauchmuskulatur. Die häufigste Lokalisation ist im Unterbauch am Übergang der schrägen Bauchmuskulatur in die Rektusscheide. Therapie Als Therapie genügt es, die Lücke nach einigen Tagen operativ zu verschließen, wobei jedoch vorher intraabdominale Mitverletzungen, wie z. B. des Darms, ausgeschlossen werden müssen.
Abb. 25.7. Häufigste Lokalisationen bei der Zwerchfellruptur
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Kapitel 25 Bauchtrauma
Im Thoraxröntgen können prolapierte Darmschlingen oder eine Verschattung im Lungenunterfeld sichtbar sein. Ein typischer Befund kann auch ein »Spannungspneumothorax« auf der linken Seite sein, wobei es sich aber tatsächlich um den prolabierten und torquierten Magen handelt. Weiterhin kann die Sonographie eine eingeschränkte oder paradoxe Zwerchfellbeweglichkeit auf der rupturierten Seite zeigen. Therapie Jede Ruptur des Zwerchfells erfordert die Operation. Bei der frischen linksseitigen Ruptur erfolgt der Zugang in der Regel von abdominal. Nur bei Vorliegen schwerer intrathorakaler Verletzungen sollte ein thorakaler Zugangsweg gewählt werden. Auch bei der rechtsseitigen Ruptur – in diesem Fall liegen häufig auch Parenchymverletzungen der Leber vor – ist der Zugangsweg von abdominal zu bevorzugen. Über eine horizontale linksoder rechtsseitige Laparotomie wird das Zwerchfell mit nichtresorbierbaren Einzelknopfnähten (U-Nähten) verschlossen, wobei die Äste des N. phrenicus zu schonen sind.
25.2.3 Ruptur des Magens Magenverletzungen werden selten beim stumpfen und fast ausschließlich beim perforierenden Bauchtrauma beobachtet. Bei einer stumpfen Gewalteinwirkung rupturiert der Magen, vor allem bei guter Füllung, entlang der großen Kurvatur. Häufig sind auch Verletzungen der Milz, des Zwerchfells und des Pankreas vorhanden. Bei perforierenden Verletzungen ist unbedingt auch an die Verletzung der Magenhinterwand zu denken. Diagnostisch findet sich freie intraperitoneale Luft im Abdomenröntgen oder in der CT (Kimmins et al. 1996). Therapie Eine Magenruptur muss grundsätzlich operativ versorgt werden. Es sollte dafür immer die Bursa omentalis zur Exploration der Magenhinterwand eröffnet werden. Es genügt, die Ränder der Rupturstellen zu exzidieren und die Öffnung in der Magenwand zweischichtig zu vernähen.
25.2.4 Ruptur des Duodenums Bei Duodenalverletzungen, die vorwiegend beim stumpfen Bauchtrauma durch Lenkerverletzungen (Fahrrad), Sturz aus großer Höhe, Überrollungen und Kindesmisshandlung auftreten, unterscheidet man folgende Formen:
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intramurales Hämatom (Darmwandhämatom), freie Perforation, retroperitoneales Hämatom, Duodenalperforation kombiniert mit Pankreasverletzungen, 5. Duodenalperforation kombiniert mit Pankreas- und Gallenwegverletzungen. Klinisch besteht meist eine Abwehrspannung im rechten Oberbauch, verbunden mit Erbrechen und Zeichen einer umschriebenen Peritonitis (Moss u. Musecheme 1996; Öztürk et al. 2003). Oft findet sich auch ein schmerzfreies Intervall. Häufig sind Prellmarken an der Bauchdecke sichtbar. Laborchemisch findet sich initial meist nur eine Leukozytose und Erhöhung der Pankreasamylase, Pankreaslipase und der Leberenzyme. Im Ultraschall sind Duodenalhämatome und Begleitverletzungen von Pankreas und Gallenwegen gut darstellbar, während Rupturen leicht übersehen werden können. Bei Verdacht auf eine Duodenalruptur ist die CT mit oraler Kontrastmittelgabe die Untersuchungsmethode der Wahl. Nur selten ist im Abdomenröntgen freie intraperitoneale Luft sichtbar. Gelegentlich sieht man in der linksseitigen Abdomenröntgenaufnahme im horizontalem Strahlengang freie Luft entlang des rechten M. psoas (bei retroperitonealer Duodenalruptur). Intramurales Duodenalhämatom Beim intramuralem Duodenalhämatom liegt meist subseröse oder submuköse Blutung vor, die zu einer partiellen oder totale Duodenalobstruktion führt. Neben einer traumatischen Genese sieht man diese Hämatome auch bei der Hämophilie und der Purpura-SchönleinHenoch. Klinisch weisen die Patienten die Zeichen einer hohen Darmobstruktion mit galligem Reflux auf. Therapeutisch ist eine vorübergehende Magensonde, Nahrungskarenz, die Gabe von Protonenpumpenhemmern und evtl. eines Antibiotikums ausreichend. Freie Perforation Die freie Duodenalperforation oder Duodenalruptur (Abb. 25.8 a–c) kommt kranial der Anlagerung des Mesokolons und der rechten Flexur oder an der Flexura duodenojejunalis vor. Klinisch präsentieren sich die Patienten mit den Symptomen eines akuten Abdomens mit Oberbauchperitonitis. Im Ultraschall findet man freie Flüssigkeit um das Duodenum und freie Luft unter der Leber oder dem Zwerchfell. Auch im Röntgen sind die Zeichen einer freien intraperitonealen Perforation zu sehen. Die CT-Untersuchung ermöglicht den Ausschluss von Begleitverletzungen des Pankreas oder der Gallenwege. Die Diagnose stellt eine absolute Operationsindikation dar. Durch eine quere Oberbauchlaparotomie wird das Duodenum dargestellt und nach Kocher mobilisiert (Ladd et al. 2002). Je nach Art der Ruptur kann diese direkt übernäht werden, oder es sind resezierende Verfah-
25.2 Organverletzungen beim stumpfen Bauchtrauma
ren oder auch die Anlage eines Bypasses notwendig. Wichtig ist der Ausschluss von Begleitverletzungen vor allem des Pankreas und der Gallenwege.
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c Abb. 25.8 a–c. Duodenalruptur: einfache End-zu-End-Anastomose bei der proximalen Duodenalruptur und Y-Roux-Rekonstruktion bei distalen Duodenalrupturen
Retroperitoneale Duodenalruptur Die retroperitoneale Duodenalruptur wird häufig primär nicht erkannt und kann initial asymptomatisch sein. Verzögerungen in der Diagnose sind häufig, und die Ruptur präsentiert sich klinisch oft erst nach einem symptomfreien Intervall. Bei Auftreten einer lokaler Entzündung mit Durchwanderungsperitonitis zeigen sich typische klinische Symptome, wie umschriebene Oberbauchschmerzen mit lokaler Muskelanspannung. Ultraschall und Röntgen können anfänglich unauffällig sein. Gelegentlich ist im Röntgen eine Spiegelbildung im Duodenum sichtbar. Das CT ist in der Diagnose unerlässlich und zeigt die retroperitoneale Flüssigkeits- und Luftansammlung. Die Versorgung hat immer operativ zu erfolgen, wobei das Duodenum vollkommen nach Kocher mobilisiert werden muss. Nach Übernähung der Ruptur muss das Retroperitoneum drainiert werden. Begleitverletzungen des Pankreas und der Gallenwege sind auszuschließen. Morbidität und Mortalität dieser Verletzung sind abhängig von dem frühzeitigen Erkennen dieser Verletzung. Verletzungen des Duodenums kombiniert mit Pankreasverletzungen Diese Verletzungen (Abb. 25.9 a,b) sind sehr häufig bei umschriebenen groben Gewalteinwirkungen auf den Oberbauch, wie z. B. Überrollungen oder bei Frontalkollisionen durch den Gurt. Es kommt hierbei meist zu einer Duodenalruptur und einer Kontusion mit partiellen Einrissen im Bereich des Pankreaskopfes. Die Komplikationsrate dieser komplexen Verletzungen ist sehr hoch, und die Mortalität wird mit 15–40% angegeben (Galifer et al. 2001; Sauer 1984). Durch das traumatisierte Duodenum und durch den austretenden Pankreassaft kommt es rasch zu fortschreitenden Nekrosen. Diagnostisch finden sich vor allem in der Sonographie, dem Röntgen und auch in der CT die Zeichen einer freien intestinalen Perforation und die Zeichen einer Pankreaskontusion mit hypound hypertensen Arealen im Bereich des Pankreaskopfes. Die Behandlung ist immer eine chirurgische. Das Prinzip der Operation besteht in einer Ausschaltung und Drainage des Duodenums unter Sicherung des Abflusses von Galle und Pankreassaft. Methoden wie der temporäre Pylorusverschluss unter Anlegen einer Gastrostomie sollten nicht mehr durchgeführt werden
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Kapitel 25 Bauchtrauma
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b Abb. 25.9 a,b. Kombinierte Duodenal- und Pankreasruptur: Endzu-End-Anastomose des Duodenums und Y-Roux-Anastomose des distalen Pankreasanteils und Verschluss des proximalen Pankreas. b. Kombinierte Duodenal- und Pankreasruptur: End-zu-EndAnastomose des Duodenums und Y-Roux-Anastomose des distalen Pankreasanteils und Verschluss des proximalen Pankreas
Duodenal- und Pankreasverletzungen kombiniert mit Verletzungen der ableitenden extrahepatischen Gallenwege Bei dieser Verletzungskombination (Abb. 25.10 a,b) erweitert sich das operative Vorgehen bis hin zu Y-Rouxund Whipple-Rekonstruktionen. Intraoperativ sollte bei unklarem Befund eine Kontrastdarstellung des Ductus choledochus und falls erforderlich auch des Ductus pancreaticus durchgeführt werden (Schimpl et al. 1992 a).
b Abb. 25.10 a,b. Komplexe Duodenum-, Pankreas- und Ductus-choledochus-Ruptur. Rekonstruktion durch proximale Duodenopankreatektomie und Rekonstruktion mit Jejunalschlinge (Whipple-Verfahren)
25.2.5 Ruptur des Dünndarms Isolierte Dünndarmverletzungen sind selten und werden am häufigsten durch Stürze auf Fahrradoder Tretrollerlenker verursacht. Weitere Ursachen sind die Kindesmisshandlung, Sicherheitsgurtverletzungen, Überrollungen und perforierende Bauchverletzungen.
25.2 Organverletzungen beim stumpfen Bauchtrauma
Die Füllung des Darmes etwa 2 Stunden nach einer Mahlzeit begünstigt die Darmruptur, da die meist kleinflächig auftretende Kraft durch die fehlende Komprimierbarkeit von Flüssigkeiten zur Überdehnungsruptur am Darm führt. Scherkräfte, wie z. B. durch den Sicherheitsgurt oder bei Überrollungen, führen neben Darmrupturen auch zu Abrissen des Darms vom Mesenterium (Bensard et al. 1996; Canty et al. 1999; Schimpl et al. 1992 a). Dabei kann es neben der Durchblutungsstörung am Darm auch zu massiven intraabdominellen Blutungen kommen. Klinische Symptome können akut durch die intraabdominelle Blutung oder verzögert durch eine Perforationsperitonitis auftreten (Jerby et al. 1997). Meist liegt nur eine kleine Perforationsöffnung antimesenteriell am Darm vor. Sonographisch kann freie intraperitoneale Flüssigkeit sichtbar sein, und im Abdomenröntgen ist gelegentlich ein Pneumoperitoneum vorhanden. Die AbdomenCT ist die hilfsreichste Untersuchungsmethode, da sowohl direkte Zeichen einer Darmverletzung als auch indirekte Zeichen sichtbar sind (Hagiwara et al. 1995). Therapie Kleine Rupturen werden durch Einzelknopfnähte zweischichtig quer verschlossen. Bei Durchtrennung des Darms ist die End-zu-End Anastomose nach Débridement beider Darmenden die operative Technik der Wahl. Alle durchblutungsgestörten Darmanteile, z. B. beim Mesenterialabriss, müssen reserziert werden.
25.2.6 Ruptur des Kolons Kolonverletzungen sind häufiger bei penetrierenden Bauchverletzungen als beim stumpfen Bauchtrauma. Die Verletzung ist sehr selten und weist auf eine sehr große Gewalteinwirkung hin, und meist sind intraabdominelle Begleitverletzungen wie Milz-, Duodenal- und Leberrupturen vorhanden. Im Rahmen von schweren Beckenverletzungen und Überrolltraumen kann es im Sigma-Rektum-Bereich zu so genannten »Blow-outVerletzungen« kommen, bei denen Längsrisse im Darm auftreten können. Klinisch kommt es wegen des Stuhlaustrittes rasch zu einer Peritonitis mit bretthartem Abdomen und Schockzustand. Diagnostisch können Ultraschall, Röntgen und CT oft nur indirekte Hinweise auf eine Kolonverletzung geben. Therapie Operativ können Kolonrupturen übernäht und reanastomosiert werden. Gelegentlich kann auch die Anlage einer temporären Kolostomie notwendig sein. Die Auswahl des Operationsverfahrens hängt von der anatomischen Lokalisation, vom Grad der Peritonitis und von den Begleitverletzungen ab.
25.2.7 Mesenterialhämatome Gelegentlich kann es zu Einblutungen zwischen die peritonealen Blätter des Mesenteriums kommen. Hierfür sind häufig Scherkräfte, wie sie bei Gurtverletzungen oder bei Einquetschungen am Bauch oder bei Kindesmisshandlung auftreten, verantwortlich. Sie präsentieren sich klinisch als akutes Abdomen, und die Hämatome sind meist sonographisch darstellbar. Therapie Therapeutisch genügt meist ein konservatives Vorgehen, denn selten verursachen sie Durchblutungsstörungen am Darm oder eine Darmobstruktion.
25.2.8 Isolierte Pankreasverletzungen Durch eine stumpfe Gewalteinwirkung im Oberbauch (Sturz aus Höhe, Schlag, Kollision) kann es zu einer isolierten Pankreasverletzung kommen. Dabei wird das quer liegende Pankreas gegen das harte Widerlage der Wirbelsäule gedrückt und gequetscht. Die dabei entstehenden Pankreasverletzungen sind Kontusionen des Organs. Selten kommt es zu Einrissen des Pankreas oder zu kompletten Durchtrennungen des Pankreas (Arkovitz et al. 1997; Jobst et al. 1999; Smith et al. 1988). Häufig jedoch liegen Verletzungen der benachbarten Organe wie Duodenum, Gallenwege, Milz und Leber vor. Einteilung der Pankreaverletzungen: 쐌 Grad I: Kontusion ohne Kapselverletzung, 쐌 Grad II: Kapsel- und Parenchymverletzung im Korpus und Schwanz des Pankreas, 쐌 Grad III: partielle oder komplette Durchtrennung des Pankreas, 쐌 Grad IV: Trauma des Pankreaskopfes, 쐌 Grad V: Kombination von Pankreas-, Duodenal- und Gallenwegsverletzungen. Klinisches Leitsymptom sind der quere Oberbauchschmerz, der Oberbauchdruckschmerz und ein ausstrahlender Schmerz zwischen die Schulterblätter. In der Sonographie findet sich ein Ödem des Pankreas bis hin zu einem Flüssigkeitssaum um das Organ, mit oder ohne minderperfundierte Pankreasanteile, oder eine komplette Organdissektion. Laborchemisch kommt es sowohl im Serum als auch im Harn zu einer signifikanten Erhöhung der Pankreasamylase und Lipase. Ist sonographisch das Ausmaß der Pankreasverletzung nicht eindeutig feststellbar, muss eine CT angeschlossen werden. Bei der Pankreaskontusion und Pankreasruptur mit intaktem Gangsystem (Grad I bis II) ist ein streng konservatives Vorgehen indiziert.
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Kapitel 25 Bauchtrauma
Therapie Therapeutisch haben sich eine parenterale Flüssigkeitszufuhr, ein Protonenpumpenhemmer und ein Antibiotikum (Cefalosporin) bewährt. Bei Normalisierung der Pankreasfermente kann ein rascher oraler Nahrungsaufbau durchgeführt werden. Als Spätkomplikationen können nach Parenchymrupturen Pankreaspseudozysten entstehen, die je nach Größe und Klinik operativ saniert werden müssen (Burnweit et al. 1990; Ohno et al. 1996). Ist der Pankreashauptgang (Abb. 25.11 a,b) verletzt (Grad III bis V), ist dies fast immer eine Indikation zur Operation. Bei Rupturen im Pankreasschwanzbereich wird der abgetrennte Teil reseziert und das proximale
Pankreas mit Nähten verschlossen (Velanovic u. Tapper 1993). Bei Rupturen im Korpus- und Kopfbereich wird der distale Pankreasanteil mit einer Y-Roux-Schlinge anastomosiert und der proximale Teil vernäht. Selten sind komplette Duodenopankreatektomien indiziert (Canty u. Weinmann 2001). Im Kindesalter können bis zu 90% des Pankreas reseziert werden, ohne dass es zu einer endokrinen oder exokrinen Pankreasinsuffizienz kommt (Wales et al. 2001). Da stumpfe Bauchtraumen häufig im Rahmen von Polytraumen vorkommen, muss bedacht werden, dass ein schweres SHT allein zu einer signifikanten Erhöhung der Pankreasamylase ohne Verletzung des Pankreas führen kann.
25.3 Verletzungen der Milz
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Die Milz ist beim Kind weniger durch den linken Rippenbogen geschützt, zum einen, da dieser weit elastischer als beim Erwachsenen ist, und die Milz zum anderen weiter nach kaudal in den ungeschützten linken Oberbauch reicht. Deshalb genügen auch Minimaltraumen, um eine Ruptur zu verursachen. Das die Milz treffende direkte Trauma kann zu Rupturen der Milzaußenfläche oder der Milzinnenfläche führen, wobei Querrupturen der Außenfläche am häufigsten sind. Unfallursachen sind Stürze auf den Bauch, Kollisionen beim Sport, Autounfälle, Radstürze und Überrollungen. In 20% liegen Begleitverletzungen wie Zwerchfellrupturen, Darmverletzungen (Kolonrupturen, Mesenterialhämatome), Pankreaskontusionen und Nierenverletzungen vor. Die Milzverletzungen werden in 5 Grade eingeteilt (Schimpl et al. 1991): 쐌 Grad I: subkapsuläres Hämatom 50%, intraparenchymatöses Hämatom >5 cm, tiefer Einriss >3 cm, 쐌 Grad IV: Lazeration mit Abriss von segmentalen Gefäßen mit teilweiser Devaskularisation, 쐌 Grad V: Milzzertrümmerung, Milzhilusabriss.
b Abb. 25.11 a,b. Typische Pankreasruptur. Verschluss des proximalen Pankreas mit Nähten und Einnähen des distalen Pankreas in eine Y-Roux-Schlinge. Bei weiter linksseitigen Pankreasrupturen kann der distale Pankreasanteil auch entfernt werden
Klinisch präsentieren sich die Patienten mit Schmerzen im linken Oberbauch, häufig ausstrahlend in die linke Schulter, lokaler Abwehrspannung und, je nach Ausdehnung der Milzverletzung, im Blutungsschock. Laborchemisch finden sich ein Hämatokritabfall und eine Leukozytose. Im Röntgenbild kann ein basaler Pleuraerguss links, eine Medialverlagerung der Magenblase und ein Tiefertreten der linken Kolonflexur gefunden werden.
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25.3 Verletzungen der Milz
Im Regelfall ist jede Milzverletzung im Ultraschall sichtbar. Neben der genauen Beurteilung der Milz, inklusive der Durchblutung des Organs, ermöglicht der Ultraschall auch eine Quantifizierung der freien intraperitonealen Flüssigkeit und Darstellung benachbarter Organe. Eine CT-Untersuchung ist bei jedem zweifelhaften Befund an der Milz und bei Verdacht auf intraabdominale Begleitverletzungen indiziert. Therapie Konservativ Milzverletzungen im Kindesalter sind mit Ausnahme des kompletten Milzhilusabrisses (Grad-V-Ruptur) konservativ zu behandeln (Ein et al. 1978; Frumiento et al. 2000). Voraussetzung für eine konservative Therapie ist
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쐌 ein kreislaufstabiler Patient, 쐌 eine kinderadäquate Intensivstation und 쐌 der uneingeschränkte und rasche Zugang zu diagnostischen Einrichtungen (Ultraschall, CT) und Blutderivaten. Kreislaufstabil ist auch ein Patient, der Blutkonserven benötigt und hiermit stabil bleibt (stabil unter Transfusion). Bei einem Hämoglobinwert 25 ml/kg KG in den ersten 2 Stunden, Gross et al. 1999; oder >30–40 ml/kg KG in 24 h nach Aufnahme, Galat et al. 1990) einer operativen Therapie bedürfen, sollte diese möglichst rasch erfolgen (Moss u. Musecheme 1996). Durch eine quere Oberbauchlaparotomie, die eine mediane kraniale Schnitterweiterung ermöglicht, kann unter Verwendung eines Rochard-Hakens der gesamte Oberbauch eingestellt werden. Werden Grad-I/II-Verletzungen bei einer Laparotomie aufgefunden, können sie entweder durch Naht oder, einfacher, durch eine Kollagenvlies-gebundene Fibrinklebung versorgt werden. Bei tieferreichenden Verletzungen des rechten Leberlappens (Grad III) ist eine Kompressionsverpackung oft ausreichend. Verletzte größere Gefäße und Gallengänge bei Parenchymrupturen müssen durch Einzelligatur versorgt werden. Hierzu wird bei stärkerer Blutung die Anwendung des Pringle-Manövers notwendig. Dazu wird das Lig. hepatoduodenale stumpf umfahren und alle Strukturen im Ligament, die V. porta, die A. hepatica commu-
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25.6 Organverletzungen durch Bauchdeckenperforation
nis und der Ductus choledochus, mittels eines Tourniquets verschlossen. Falls notwendig, kann auch die V. cava unterhalb des Zwerchfells angeschlungen werden, wodurch eine totale vaskulare Exklusion der Leber möglich ist. Mit diesen relativ einfachen Maßnahmen lässt sich der Blutverlust stark verringern (Greco et al. 2003). Eine unkritische Anwendung des Pringle-Manövers ist aufgrund der damit verbundenen Leberischämie und des folgenden Reperfusionsschadens jedoch zu vermeiden. Die unbedenkliche warme Ischämiezeit der Leber beträgt etwa eine Stunde. Prinzipiell ist die chirurgische Versorgung der schwereren Leberverletzungen ein komplexes Verfahren und sollte nur dem in der Leberchirurgie Erfahrenen vorbehalten sein (Moulton et al. 1992). Liegen mehrere tiefe oder zentrale Leberverletzungen bis hin zur Leberzerreißung vor, sind primäre Leberresektionen oft sehr schwierig, die Resektionsgrenze oft nicht klar erkennbar und das Ausmaß der erhaltbaren Leberanteile nicht beurteilbar. Bei diesen seltenen Verletzungen hat sich ein Packing der Leber mit Bauchtüchern bewährt. Dabei wird die Leber rundum mit Bauchtüchern eingehüllt bis sämtliche Blutungen tamponiert sind (Stylianos 1998). Die Bauchdecke wird anschließend temporär verschlossen. Im Intervall, etwa nach 12, 24 bis 48 Stunden, erfolgt dann unter gesetzten und optimalen Bedingungen die definitive Versorgung. Hierbei können operative Techniken, wie ein portojugulärer Shunt, ein temporärer kavokavaler Shunt bis hin zur Ex-vivo-Rekonstruktion der Leber angewandt werden. Eine totale Resektion der Leber mit dem Ziel der kurzfristigen Implantation einer Spenderleber ist eine Verzweiflungstat und selten mit Aussicht auf Erfolg. Komplikationen Komplikationen der konservativen und auch der operativen Therapie können traumatische Verbindungen zwischen Blutgefäßen und intrahepatischen Gallenwegen sein. Man unterscheidet die Bilhämie und die Hämatobilie (Haberlik et al. 1992). Bei der Bilhämie kommt es zu einem Galleabfluss über Lebervenen in die systemische Zirkulation, der sich als persistierender posttraumatischer Ikterus klinisch präsentiert. Bei der Hämatobilie kommt es zu rezidivierenden Einblutungen in das intrahepatische Gallenwegsystem, welche sich klinisch als chronische intestinale Blutungen, chronische Anämie und leichten Ikterus manifestieren, Diagnostisch können die Szintigraphie (99mTechnetium) und die MR-Angiographie genauen Aufschluss auf Art und Ausdehnung dieser Komplikationen geben. Meist kommt es zum spontanen Verschluss dieser Fisteln, und selten ist eine Embolisation oder chirurgische Revision notwendig. Ein streng konservatives Vorgehen
ist auch bei posttraumatischen Biliomen und bei intrahepatischen Leberzysten indiziert. In Ausnahmefällen müssen diese CT-gezielt drainiert werden, sofern sie zu Galleabflussstörungen führen.
25.5 Verletzungen der intraabdominellen Gefäße Trotz ihrer Seltenheit habe die Verletzungen der intraabdominellen großen Blutgefäße einen Stellenwert aufgrund ihrer hohen Letalität, die in der Literatur mit 35–55% angegeben wird (Cox et al. 1998; DeCou et al. 1999). Gefäßverletzungen können gemeinsam mit Mesenterialrissen auftreten. Als Unfallmechanismus werden Überrollungen und Quetsch- bzw. Scherverletzungen am Bauch angegeben. Therapie Die Diagnose wird im CT oder intraoperativ bei einer explorativen Laparotomie gestellt, die bei diesen Patienten meist auf Grund des sofortigen massiven Blutverlustes erforderlich ist (DeCou et al. 1999). Die Versorgung der Gefäßverletzungen erfolgt durch direktes Übernähen des Gefäßes, durch Anastomosierungen unter Resektion des zerstörten Gefäßanteiles oder durch Einsetzen von Interponaten oder Gefäßprothesen.
25.6 Organverletzungen durch Bauchdeckenperforation Perforierende Stich-, Pfählungs- und Schussverletzungen im Bauchraum betragen im deutschsprachigen Raum etwa 10% aller Bauchverletzungen. Dabei verursachen Holzstöcke, Skistöcke und Stürze durch Glasscheiben am häufigsten perforierende Verletzungen am Bauch. Schussverletzungen oder Messerstiche sind seltene Ursachen und führen meist unbeabsichtigt zu Verletzungen. Klinisch findet sich neben den unterschiedlichen Perforationswunden an der Bauchdecke gelegentlich auch ein Prolaps des großen Netzes oder bei großen Wunden von Darmschlingen. Diagnostisch ist der Ultraschall hilfreich, wenn es um Verletzungen parenchymatöser Organe geht. Im Abdomenröntgen kann bei Darmverletzungen freie Luft sichtbar sein, oder es zeigt auch die Lage von Geschossprojektilen. Therapie Grundsätzlich muss jede perforierende Bauchdeckenverletzung nach Stabilisierung des Patienten operativ exploriert werden. Etwaige steckende Gegenstände dürfen präoperativ nicht entfernt werden. Die Laparotomie muss abseits der Perforationsöffnung durchgeführt werden und kann entweder median längs oder quer er-
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Kapitel 25 Bauchtrauma
folgen. Die intraabdominale Exploration muss neben einer exakten Durchsuchung des Darms und des Mesenteriums bis in das Retroperitoneum erfolgen. Bei Darmverletzungen genügt es meist, diese zu übernähen, und bei den parenchymatösen Organen gelten dieselben operativen Richtlinien wie beim stumpfen Bauchtrauma. Eine perioperative Antibiotikagabe hat sich als vorteilhaft erwiesen.
25.7 Besonderheiten im Kindesalter 25.7.1 Verschluckte Fremdkörper Klein- und Vorschulkinder in der »explorativen Phase« ihres Lebens entdecken die Welt auch, indem sie Teile davon in den Mund nehmen und dann nicht selten verschlucken (Graumann et al. 2003). Die am häufigsten verschluckten Fremdkörper sind Münzen, gefolgt von kleinen Spielzeugteilen, wobei aber das Spektrum der verschluckbaren Gegenstände riesig ist. Beim Verschlucken gibt es 3 Gefahrenstellen, an denen die Gegenstände stecken bleiben können: die beiden Ösopphagusengen und der Pylorus. Als Faustregel gilt, dass die meisten Fremdkörper, die die beiden Ösophagusengen passieren, also den Magen erreichen, auch die Passage durch den Pylorus und den weiteren Magen-Darm-Trakt antreten. Auch spitze und kantige Fremdkörper befolgen diese Regel, sodass allein wegen der Kontur eines Fremdkörpers nicht unbedingt eine Extraktion angezeigt ist, ja diese sogar risikoreicher als die spontane Passage sein kann. Vor allem spitze metallische Gegenstände, wie z. B. Nadeln, passieren aufgrund ihrer eigenen elektrostatischen Ladung problemlos den Gastrointestinaltrakt. Runde Gegenstände wie Münzen oder Ringe bleiben häufig im Ösophagus stecken oder verweilen manchmal länger im Magen. Wichtig ist, ob der Fremdkörper in den Mund genommen und verschluckt oder ob er aspiriert wurde. Eine Röntgenaufnahme, auf der Hals, Thorax und Abdomen sichtbar sind, ist in jedem Fall angezeigt. Neben der etwaigen genauen Lokalisation eines röntgenologisch sichtbaren Fremdkörpers kann die Überblähung einer Lunge ein eindeutiger Hinweis auf eine Fremdkörperaspiration sein (Schimpl et al. 1991). Therapie Alle Fremdkörper, die im Trachealsystem liegen, müssen dringlich tracheoskopisch entfernt werden; dies erfolgt in Allgemeinnarkose mit einem starren Beatmungsbronchoskop in entsprechender Größe. Denn nur zu starren Tracheoskopen gehört ein entsprechendes Sortiment von optischen Fremdkörperzangen. Fremdkörper, die im Ösophagus stecken bleiben, müssen frühzeitig und notfallmäßig mit flexibler oder
starrer Ösophagoskopie entfernt werden. Besonders gefährdet für eine unvollständige Ösophaguspassage von Fremdkörpern und Nahrungsteilen sind Kinder mit vorbestehender Ösophagusenge und Peristaltikstörung, wie z. B. nach Operation einer Ösophagusatresie, neurologisch gestörte Kinder, nach Fundoplikatio. Eine hohe Gefährdung geht von im Ösophagus liegenden Knopfzellenbatterien aus, da die an der Batterie fließenden Ströme in relativ kurzer Zeit zu einer Wandläsion des Ösophagus führen können; dies gilt auch für im Magen liegend Batterien. Übrige Fremdkörper (z. B. Münzen, Schmuckgegenstände, Spielzeugteile), die im Magen liegen, können vorerst konservativ behandelt werden, und erst wenn sie nach etwa einer Woche noch im Magen liegen, endoskopisch entfernt werden. Im Zweifelsfall muss jede Fremdkörperingestion und Fremdkörperaspiration in Allgemeinnarkose mit kindergerechtem Instrumentarium endoskopiert werden. 25.7.2 Verätzungen der Speiseröhre und des Magen-Darm-Trakts Genauso wie Kleinkinder alle Gegenstände in den Mund nehmen, versuchen sie auch, alle erreichbaren Flüssigkeiten zu trinken. Häufigste Ursache der Ingestion einer ätzenden oder giftigen Substanz ist die nachlässige Aufbewahrung der entsprechenden Flüssigkeit. Einerseits werden gefährliche Flüssigkeiten zweckentfremdet in Limonadeflaschen aufbewahrt, andererseits sind die Aufbewahrungsorte für Kleinkinder leicht zugänglich (z. B. unter der Abwaschstelle). Die am häufigsten getrunkenen Flüssigkeiten sind Haushaltsreiniger, chemische Zusatzstoffe und Konzentrate. Menge, Art und Konzentration der ätzenden Substanz sowie die Dauer ihrer Einwirkung bestimmen das Ausmaß der Verätzung. Nach Ingestion einer Säure entsteht eine trockene Koagulationsnekrose und endet mit der Bindung der Substanz an das Gewebe. Nach einer Laugeningestion ist eine meist tiefer reichende Kolliquationsnekrose zu erwarten, die durch die Verflüssigung des Gewebes bis zur Ösophagusperforation führen kann. Um welche Substanz es sich im Speziellen handelt, und wie hoch das Risiko einer Verätzung ist, kann jederzeit über die Vergiftungszentralen ermittelt werden. Endoskopisch wird die Ösophagusverätzung in 3 Grade eingeteilt: 쐌 Grad I: Hyperämie und Ödem der Schleimhaut, 쐌 Grad II: fleckförmige Ulzerationen und Schleimhautnekrosen, 쐌 Grad III: zirkuläre Ulzerationen und Schleimhautnekrosen.
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Literatur
Die klinische Symptomatik hängt vom Grad der Verätzung ab. Jedoch schließt prinzipiell ein unauffälliger Mund und Rachenraum eine schwere Ösophagusverätzung nicht aus. Im Akutstadium schwerer Verätzungen steht das Schockgeschehen im Vordergrund. Die Patienten haben einen starken Speichelfluss und klagen über Schmerzen mit Verweigerung etwas zu trinken. Ein begleitendes Glottisödem kann zu respiratorischen Komplikationen führen. Therapie Die Erstmaßnahme besteht im Ausspülen des Mundes und, falls möglich, im Trinkenlassen von Wasser. Bei schweren Fällen ist eine sofortige Intubation als Aspirationsprophylaxe wichtig. In der Klinik sollte in Narkose eine Ösophagogastroskopie erfolgen, um den Grad und die Ausdehnung der Verätzung zu beurteilen. Liegt eine Verätzung Grad I vor, genügt es, das Kind bis zur klinischen Beschwerdefreiheit stationär aufzunehmen. Bei Grad-II-Verätzungen ist sofort eine Therapie mit Kortison (anfänglich 5 mg/kg, danach 2 mg/kg) und einem Protonenpumpenhemmer und einem Antibiotikum (Cephalosporin) einzuleiten. Diese Behandlung muss zur Strikturprophylaxe über 4 Wochen fortgesetzt werden. Liegt eine Grad-III-Verätzung vor, muss in derselben Narkose eine Gastrostomie mit Einführen eines Endlosfadens angelegt werden. Um die Bildung einer narbigen Stenose zu verhindern, muss mit einer Frühbougierung innerhalb der ersten Woche begonnen werden, wobei diese 2-mal wöchentlich zu erfolgen hat. Diese Therapie muss über 4–8 Wochen fortgesetzt werden, da es in diesen Zeitraum zur Ausbildung definitiver Narbenfelder im Ösophagus kommt (Höllwarth 1984; Sauer 1984). Die Langzeitprognose einer auch schweren Ösophagusverätzung ist unter einer adäquaten Therapie für die Mehrzahl der Patienten gut. Nur ein geringer Anteil der Patienten muss über den Zeitraum von 1–2 Jahren bougiert werden. Im Rahmen der Bougierungen haben sich die Instillation von Kortison in die Stenose wie auch die endoskopische Laserschlitzung bewährt. Zeigt jedoch die Langzeitbougierung keinen Effekt, ist bei Patienten mit kurzstreckigen Stenosen eine Stenosenresektion mit Ösophagusanastomese indiziert. Liegen langstreckige Ösophagusstenosen vor, führt nur eine Ösophagusersatzplastik mit Kolon, Dünndarm oder Magenhochzug zum Erfolg.
Danksagung Herrn Priv.-Doz. Dr. S. Berger von der chirurgischen Universitätskinderklinik des Inselspitals Bern für die Mitarbeit am Manuskript und Herrn Univ. Prof. Dr. Johannes Mayr von der Universitätsklinik für Kinderchirurgie Graz für die Überlassung der Ultraschallbilder.
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Kapitel 26
Traumatische Verletzungen des Urogenitalsystems beim Kind
26
L. Stroedter
26.1 26.1.1 26.1.2
Nierenverletzungen . . . . . . . . . . . Nierenprellung (Nierentrauma Grad I) Nierenkapselruptur (Nierentrauma Grad II, III und IVa) . . Nierengefäßverletzungen (Nierentrauma Grad IV b und V) . . . Gefäßabriss . . . . . . . . . . . . . . . Gefäßthrombose . . . . . . . . . . . . . Nierenbeckenruptur (Nierentrauma Grad IV und V) . . . .
. . . . . . . 886 . . . . . . . 886
26.2 26.2.1 26.2.2 26.2.3
Verletzungen der Harnleiter Harnleiterkompression . . . Harnleiterruptur . . . . . . Harnleiterabriss . . . . . . .
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894 894 894 896
26.3 26.3.1 26.3.2 26.3.3
Harnblasenverletzungen Harnblasenkontusion . . Harnblasenruptur . . . . Harnblasentamponade .
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897 897 898 899
26.4 26.4.1 26.4.2 26.4.3
Verletzungen der Harnröhre Harnröhrenprellung . . . . . Harnröhrenruptur . . . . . . Harnröhrenabriss . . . . . .
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900 900 901 902
26.5 26.5.1 26.5.2 26.5.3 26.5.4
Verletzungen der äußeren Geschlechtsorgane . . Penisprellung, Penisquetschung und Lazerationen Penisfraktur und penetrierendes Penistrauma . . Traumatische Penisamputation . . . . . . . . . . Hodenquetschung, Hodenprellung und Hodenkapselruptur . . . . . . . . . . . . . . Straddle-Verletzungen beim Mädchen . . . . . . Pfählungsverletzungen und Verletzungen durch Stich- und Schusswaffen . . . . . . . . . . .
. . . .
903 903 904 905
26.1.3
26.1.4
26.5.5 26.5.6 26.6
. . . .
. . . . . . . 888 . . . . . . . 889 . . . . . . . 889 . . . . . . . 891 . . . . . . . 892
. 906 . 907 . 909
Operative Zugangswege und Methoden . . . . . . . 910 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 915
Ursache und Häufigkeit Verletzungen des Urogenitalsystems werden in 10–15% der Fälle bei abdominellen Traumen diagnostiziert (Levy et al. 1993). Die Ursachen sind bei Jugendlichen in erster Linie Hochgeschwindigkeitstraumen bei Verkehrsunfällen (Motorradfahrer). Dagegen finden sich Überrolltraumen oder Stürze aus größerer Höhe in allen Altersklassen. Bei Spielunfällen (Skateboardfahren, Inlineskaten, Fahrradfahren) werden Verletzungen der Nieren durch Stürze mit der Flanke auf einen harten Gegenstand (Baumstumpf, Bordsteinkante) verursacht.
Die Elastizität des kindlichen Thorax lässt Nierenverletzungen auch ohne Rippenfrakturen zu. (Topographische Übersicht Niere, Ureter und Harnblase: Abb. 26.1). In Ländern außerhalb Europas spielen auch bei Kindern Schuss- und Stichverletzungen eine überdurchschnittliche Rolle. Pfählungsverletzungen des Anogenitalbereiches (z. B. infolge einer Durchspießung des Perineums mit einem Zaunpfahl) können zu Verletzungen des äußeren und inneren Genitale, der Urethra sowie des Darms und anderer intraabdomineller Organe führen. Diagnostik Entscheidend für das Therapiemanagement ist es, frühzeitig an eine mögliche Organbeteiligung zu denken und entsprechende Verletzungen nachzuweisen oder definitiv auszuschließen (McAleer u. Kaplan 1995). Bei der Primäruntersuchung des verunfallten Kindes ist auf Prellmarken am Körperstamm oder im Perinealund Genitalbereich zu achten, sowie nach Zeichen für eine Becken- oder Rippenfraktur zu suchen. Ausladende Flankenschwellungen oder durch die Bauchdecken hindurch tastbare Resistenzen können auf retroperitoneale Hämatome oder Extravasate hinweisen. Blutiger Harn oder auch eine Harnsperre zeigen eine Beteiligung des Harntrakts an (Perez-Brayfield et al. 2002; Patel u. Bissler 2001). Selbst größere Blutungen in das Retroperitoneum des kleineren Kindes können zunächst unbemerkt bleiben, da die klinischen Zeichen für einen drohenden hämorrhagischen Schock oft erst spät erkennbar sind. Da auch der Grad der Hämaturie nicht mit dem Verletzungsgrad der Nieren korrelieren muss, ist bei entsprechendem Unfallhergang oder Verdacht eine diagnostische Abklärung unumgänglich (Stein et al. 1994). Aufgrund der engen Lagebeziehungen der Urogenitalorgane zum Intestinaltrakt ist eine Mitbeteiligung des Darms möglich. Ein häufiges Begleitsymptom ist die Ausbildung eines Subileus aufgrund der sich entwickelnden Darmmotorikstörung. Bei stumpfen und penetrierenden Verletzungen des unteren Thorax, des Abdomens oder im Gluteal- und Perinealbereich ist an die mögliche Beteiligung der Urogenitalorgane zu denken.
!
Kapitel 26 Traumatische Verletzungen des Urogenitalsystems beim Kind A. renalis A. suprarenalis V. cava inf.
Niere
Aorta A. gonadalis
letzung) unterteilt. Bei den schweren Formen sind meist auch andere Organe mitbetroffen (Lunge, Zwerchfell, Leber, Milz, Magen, Darm oder große Gefäße). Wegen der im Vergleich zum Erwachsenen relativ großen Nieren beim Kind und deren schlechteren Einbettung in das retroperitoneale Fett- und Bindegewebe, sind diese bei plötzlicher Kompression von außen oder bei axialen Traumen besonders verletzungsgefährdet. Die Entscheidung über den Grad der vorliegenden Nierenverletzungen lässt sich nicht allein am Vorhandensein oder Fehlen einer Hämaturie festlegen und basiert immer auf einer umfassenden bildgebenden Diagnostik zusammen mit dem klinischen Status, der Anamnese und dem Verletzungsmechanismus (Nguyen u. Das 2002).
26.1.1 Nierenprellung (Nierentrauma Grad I) Ursache Im Kindesalter sind Prellungen der Nieren am häufigsten die Folge von Verkehrsunfällen, Stürzen auf die Flanken oder bei Spiel-, Sport- und Freizeitunfällen auf die untere Thoraxapertur (Gerstenbluth et al. 2002; Radmayr et al. 2002). Außerdem kommen Verletzungen durch Raufereien oder Misshandlungen vor. Nierentraumen Grad I machen etwa 50% aller Nierenverletzungen aus.
M. psoas A. iliaca communis
A. vaginalis A. uterina A. vesicalis sup.
Harnblase
A. hemorrhoidalis
Abb. 26.1. Topographische Anatomie von Niere, Ureter und Harnblase
26.1 Nierenverletzungen Klassifikation Nierenverletzungen werden nach Beteiligung des Nierenparenchyms, der Nierenkapsel, des Nierenbeckens und/oder der Nierengefäße von der American Association for the Surgery of Trauma in 5 Schweregrade eingeteilt (Moore et al. 1989; Santucci et al. 2001; Abb. 26.2 a–e; Tabelle 26.1). Zur besseren Übersicht haben wir die Grade IV und V in A und B (ohne und mit Nierengefäßver-
Klinik Diagnostisches Zeichen ist neben dem Flankendruckschmerz (Nierenkapselspannung durch Ödem oder Hämatom) eine Mikrohämaturie. Diagnostik Im Harnschnelltest lässt sich die Hämaturie nachweisen. Sonographisch findet sich perirenal keine oder nur eine geringe Flüssigkeitsansammlung. Die Nierenkapsel ist intakt. Ergänzend wird die Dopplersonographie der Nierengefäße und des Nierenparenchyms zum Nachweis einer Minderperfusion oder einer Gefäßschädigung eingesetzt. Bei unklaren Befunden im Sonogramm ist die Durchführung einer MR-Urographie oder einer CT mit Kontrastmittel indiziert (Goffette u. Laterre 2002). Nach Abklingen der Akutphase wird eine Nierenszintigraphie für die Erfassung der erhaltenen Nierenfunktion benötigt. Der fehlende Nachweis eines Nierenkontusionsherdes in der initialen Sonographie schließt diese nicht vollständig aus! (Blankenship et al. 2001; Morey et al. 1996). Deshalb ist die Sonographie nach 12–24 Stunden zu wiederholen. Therapie Die Therapie einer leicht- bis mittelgradigen Nierenkontusion erfolgt rein symptomatisch mit Analgesie und Bettruhe. Die Harnausscheidung ist zu überwa-
CAVE
886
26.1 Nierenverletzungen
b
a
Grad II
Grad I
d
c Grad III
e
Grad IV – A und B
Grad V
Abb. 26.2 a–e. Klassifikation des Nierentraumas (Organ Injury Scale). Grad IV A: ohne Gefäßverletzung, Grad IV B: mit Gefäßverletzung
Tabelle 26.1. Organ Injury Scale Kidney (OISK) der American Association for the Surgery of Trauma 1987 Schweregrad
Verletzungsform
Beschreibung
I
Kontusion Hämatom Hämatom Lazeration Lazeration A: Lazeration
Mikroskopische oder makroskopische Hämaturie mit ansonsten normalen urologischen Befunden Rein subkapsuläres Hämatom ohne Parenchymeinriss Perirenales, auf den Retroperitonealraum begrenztes Hämatom 1 cm in die Nierenrinde hineinreichend, ohne Harnextravasat Parenchymverletzung durch das gesamte Nierenparenchym und das Nierenbeckenkelchsystem hindurchziehend Verletzung der A. oder V. renalis mit Blutung Komplett zerborstene Niere mit mehreren Fragmenten Devaskularisierte Niere durch Abriss am Gefäßhilus
II III IV
V
B: Vaskulär A: Lazeration B: Vaskulär
chen. Eine chirurgische Behandlung ist nicht erforderlich (Levy et al. 1993). Komplikationen Unmittelbar nach einer Nierenkontusion kann es zu Einschränkungen der Darmperistaltik mit dem Zustandsbild eines Subileus kommen. Weitere mögliche Komplikationen ergeben sich aus späteren Parenchymnarben oder nicht bemerkten Begleitverletzungen der Nierengefäße (z. B. Intimaeinriss der Gefäße) mit verletzungsbedingtem Bluthochdruck (Goff u. Collin 1998).
Nachkontrollen Klinische und sonographische Nachkontrollen nach 2–3 Wochen zum Ausschluss einer Harnabflussbehinderung werden empfohlen. Bei schweren Nierenkontusionen sollte die Nierenfunktion ggf. durch eine Szintigraphie nach 6–12 Monaten überprüft werden. Eine Mikrohämaturie kann noch über Monate nachweisbar sein.
887
888
Kapitel 26 Traumatische Verletzungen des Urogenitalsystems beim Kind
26.1.2 Nierenkapselruptur (Nierentrauma Grad II, III und IV a) Ursache Alle in Abschn. 26.1.1 genannten Ursachen können auch zu einer Nierenkapselruptur mit Parenchymeinriss und zu einer Verletzung des Nierenhohlsystems führen. Die Läsion des Nierenparenchyms verläuft meist in der Horizontalebene von der lateralen Nierenkapsel in Richtung Nierenbecken (vgl. Abb. 26.2 a–e, Tabelle 26.1). Bei Rippenbogenfrakturen können Anteile der Brüche auf die Kapsel drücken oder diese durchstoßen (Gerstenbluth et al. 2002). Nierenkapselrupturen und Verletzungen des Nierenhohlsystems kommen in jeweils 15% aller Nierenverletzungen vor. Klinik Der Patient hat starke Schmerzen in der Flanke und eine Hämaturie. Meist finden sich typische Prellmarken im Flanken-, Thorax und Abdominalbereich. Eine Schonatmung und leicht erhöhte Körpertemperatur sind möglich und besonders oft bei kleinen Kindern und Säuglingen zu finden. In ausgeprägten Fällen bildet sich eine Flankenschwellung (derber, druckdolenter Tumor) durch das perirenale Hämatom aus (Abb. 26.3 a,b). Subileus, Ileus und ein Schockzustand des Patienten sind möglich. Diagnostik Zur Diagnostik werden die gleichen Untersuchungsverfahren wie unter Abschn. 26.1.1 geschildert angewendet. Zusätzlich ist eine Röntgenaufnahme des Abdomens ohne Kontrastmittel durchzuführen. In dieser kann bereits die fehlende Abgrenzbarkeit des Psoasschattens ein Hinweis für die Nierenkapselruptur sein. Indirekte Zeichen für eine mögliche Nierenverletzung (Meteoris-
Abb. 26.3. a Nierenkapselruptur mit perirenalem Hämatom rechts (Pfeile), Mikrohämaturie. 8-jähriger Junge, Verletzung durch Gokartlenker. Konservative Therapie. Sonographie Nierenlängs-
mus, Subileus, Begleitverletzungen der Rippen und Wirbelkörper) sind zu beachten. Die intravenöse Pyelographie (IVP) oder Tomographien werden heute durch die MR-Urographie und die Kontrastmittel-CT ersetzt. Kontrastmittelaustritt in den perirenalen Raum hinein ist beweisend für die Lazeration des Nierenbeckens. Partielle oder fehlende Ausscheidung der Nieren lässt zwar eine Verletzungsfolge vermuten, beweist diese aber nicht und bedarf daher dringend weiterer Abklärung. Therapie Bei Kindern werden auch mittelgradige Nierenkapselrupturen zunächst konservativ unter Antibiotikaschutz behandelt (Hammer u. Santucci 2003; Levy et al. 1993). Kommt es zu einer zunehmenden Hydronephrose bei unauffälligem Nierengefäßstatus ist die Einlage eines Double-J-Katheters zur Harnableitung empfehlenswert. Eine Ureterverletzung ist zuvor auszuschließen. Bei einer Makrohämaturie sollte die Entlastung des Pyelons mit einem transkutan gelegten großlumigen Pyelostomiekatheter erfolgen. Der Katheter wird für die Dauer der Harntransportstörung belassen. Die Indikation zur operativen Intervention ist gegeben: 쐌 bei zunehmendem perirenalem Hämatom oder Urinom, 쐌 bei Hydronephrose mit versiegender Nierenperfusion, 쐌 bei Verdacht auf Nierengefäßverletzungen oder Thrombose (s. Abschn. 26.1.3; Matthews et al. 1997). Operationstechnik Der Patient wird in halbschräger Rückenlage unter Anhebung der betroffenen Seite mit Tüchern oder einer Rolle gelagert, sodass die Flanke vollständig frei liegt (Abb. 26.4 a). Der operative Zugang erfolgt bevorzugt
schnitt. b Nierenruptur mit perirenalem Hämatom (Pfeil). 16-jähriges Mädchen, Sturz auf die Flanke. Sonographie Nierenquerschnitt
26.1 Nierenverletzungen
a
b
Abb. 26.4. a Lagerung des Patienten zur Operation bei anterolateralem Zugang zur Niere. b Parenchymnaht bei Nierenlazeration unter Verwendung von Kollagenflies, Tabotamp oder Tacho Comp zur Blutstillung
über einen anterioren Flankenschnitt in Höhe der 12. Rippe (s. auch Abschn. 26.6). Nach Ausräumung des Hämatoms wird die Nierenlazeration durch Parenchymnaht geschlossen (Abb. 26.4 b). Bei Verletzung des Nierenbeckens oder der Kelche sind diese chirurgisch ebenfalls durch Naht zu versorgen. Nierengefäßverletzungen erfordern gefäßchirurgische Techniken. Komplikationen Durch hämatogene, aszendierende oder translokationsbedingte bakterielle Entzündungen kann es zum Nierenabszess kommen. Urinfisteln sind möglich. Hydronephrosen entstehen durch Narbenbildung entlang des harnableitenden Systems. Sie können bei Kindern auch erst nach Jahren manifest werden. Die Narbenbildung am Nierenparenchym kann zum renalen Hypertonus, die der Nierengefäße zum prärenalen Hypertonus führen. Posttraumatische Nierensteinleiden sind bekannt. Nachkontrollen Die Rückbildung des Hämatoms und des Urinoms ist mit Ultraschalluntersuchungen zu überwachen. Untersuchungen im Abstand von zunächst 3–6 Wochen und später vierteljährlich können auf einmal jährlich erweitert werden. Die Nierenfunktion wird 6–12 Monate nach dem Trauma mit der Bestimmung der Serumnierenparameter und einer Szintigraphie kontrolliert. Jährliche Blutdruckkontrollen sind essenziell.
26.1.3 Nierengefäßverletzungen (Nierentrauma Grad IV b und V)
Gefäßabriss Ursache Der Grad V der Nierentraumaskala bezeichnet die multifragmentierte Niere mit oder ohne kompletten Nierengefäßabriss. Die Nieren der Kinder sind schlecht in das noch mäßig ausgebildete retroperitoneale Fettgewebe eingebettet und dadurch weniger in ihrer Position fixiert. Bei Stürzen aus größerer Höhe oder bei Hochgeschwindigkeitstraumen mit dem PKW oder Motorrad kommt es beim Aufprall (oder durch den Sicherheitsgurt) zum plötzlichen Abstoppen der Körpergeschwindigkeit. Die noch vorhandene Bewegungsenergie der Organe führt zu Abscherverletzungen an den Nierengefäßen (Brown et al. 1998). Dieser Unfallmechanismus ist bei kleineren Kindern und den relativ zur Körpermasse großen Nieren häufiger und reicht vom Einriss der Intima, über Gefäßeinrisse, bis zum kompletten Abriss der Gefäße und Nierengefäßthrombose (Abb. 26.5). Die Wucht des Aufpralls korreliert dabei nicht unmittelbar mit dem Grad der Verletzung (Brandes u. McAninch 1999). Berstungsverletzungen durch direkte Traumen im Mittelbauch oder Verletzungen durch Stich- und Schusswaffen kommen ebenfalls vor. Klinik Die älteren Patienten geraten durch den schnellen Blutverlust in das Retroperitoneum rasch in einen Schock-
889
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Kapitel 26 Traumatische Verletzungen des Urogenitalsystems beim Kind
Abb. 26.5. Intimaläsionen der Nierenarterie bei Akzelerationstrauma der Niere
zustand mit Tachykardie, Tachypnoe und starken Schmerzen in der Flanke. Bei kleineren Kindern können diese Symptome aber auch initial fehlen (Quinlan u. Gearhart 1990). Es finden sich: 쐌 ein niedriger Hämatokrit und 쐌 eine Makrohämaturie, 쐌 die Urinausscheidung ist insgesamt gering. An zusätzliche Verletzungen der inneren Baucheingeweide, der Lunge und der Knochen in den RippenBecken-Wirbelsäulen-Regionen muss gedacht werden. Diagnostik Für die Primärdiagnostik eignet sich die Sonographie in Verbindung mit der Dopplersonographie als schnell durchzuführendes Verfahren (Wessel et al. 2000). Die Diagnose kann bereits durch den Nachweis von freier, extrarenaler Flüssigkeit im Retroperitoneum zusammen mit Parenchym- und Kapselunterbrechungen, fehlenden Dopplersignalen der Gefäße und im Gewebe gestellt werden. Beweisend für die Gefäßläsion ist die Nierengefäßangiographie oder MR-Angiographie, sowie die Kontrastmittel-CT. Die IVP zeigt lediglich die stumme Niere bei Gefäßabrissen an oder ein perirenales Kontrastmittelextravasat bei Schädigung des Nierenbeckenhohlsystems. Eine szintigraphische Untersuchung der Nieren zur Erfassung von Funktion, Durchblutung und Abflussverhältnissen ist in der Akutphase durch die lange Untersuchungsdauer nicht geeignet. Therapie Die Behandlung von Nierengefäßverletzungen und/ oder Nierenmehrfragmentverletzungen kann bei etwa einem Drittel der Patienten konservativ erfolgen. Vor-
aussetzung hierfür ist die Kreislaufstabilität des Patienten und das Fehlen anderer operationspflichtiger Verletzungen (Altman et al. 2000; Margenthaler et al. 2002). Die operative Therapie ist bei fortbestehenden Blutungen oder drohender Kreislaufinstabilität unumgänglich. Die Nephrektomierate korreliert mit dem Verletzungsgrad (Wessels et al. 2003). Die Niere wird je nach Ausmaß und Lage der Verletzung über einen Flankenschnitt oder durch Laparotomie von ventral freigelegt (s. auch Abschn. 26.6). Ist die Niere sowohl im oberen, mittleren und unteren Abschnitt multifragmentiert, so ist eine Rekonstruktion meist nicht mehr möglich, und es erfolgt die Nephrektomie. Die Nierengefäße müssen hierbei zur Vermeidung von arteriovenösen Fisteln einzeln ligiert und in unterschiedlicher Höhe abgetragen werden. Der zugehörige Harnleiter wird durch eine möglichst tief vor der Einmündung in die Harnblase angelegte Durchstichligatur mit z. B. 3/0-Vicryl/Dexon verschlossen und abgesetzt. Kleinere hilusnahe Gefäßverletzungen können über den anterolateralen Flankenschnitt ebenfalls versorgt werden. Bei kompletten Gefäßabrissen oder zentralen Gefäßläsionen empfiehlt sich die Mittellinienlaparotomie, da hier ein besserer Überblick über die Gefäßsituation möglich wird und die großen Gefäße für die Rekonstruktion erreichbar sind. Der Replantationsversuch kann sowohl an den ehemaligen Hilusgefäßen, als auch, wie z. B. bei Nierentransplantationen üblich, an den Beckengefäßen erfolgen. Bei letzterem ist dann allerdings auch eine Kürzung und Neueinpflanzung des Ureters in die Harnblase erforderlich (s. Abschn. 26.6, Ureterozystoneostomie nach Cohen und Politano-Leadbetter). Die Einlage einer Jackson-Wunddrainage in die Nierenloge ist bei erfolgter Nephroureterektomie für 1–2 Tage empfehlenswert. Bei Replantationen oder Rekonstruktionen ist darüber hinaus die Ureterschienung mit Ableitung des Urins in die Harnblase oder die transkutane Pyelostomie notwendig. Komplikationen Direkte Operationsrisiken sind die chirurgischen Verletzungen an Darm, Leber, Milz und den dorthin ziehenden Blutgefäßen und Nerven sowie der Nierengefäße. Im Bereich des prävesikalen Ureters können der Ductus deferens und die Hodengefäße verletzt werden. Bei organerhaltendem operativem Vorgehen kommen sekundäre Thrombosen und Organverluste und Pseudoaneurysmen vor (Delarue et al. 2002; Halachmi et al. 2003). Bei entsprechender Operationstechnik sind Komplikationen nach einer Nephroureterektomie selten. Sie beziehen sich fast ausschließlich auf Stumpfinsuffizienzen an den abgesetzten Blutgefäßen (AV-Fistel) oder am abgesetzten Ureter (Urinom). Bei einem vesikoureteralen Reflux auf der betroffenen Seite kann ein divertikelartiger Ureterstumpf verbleiben, falls dieser nicht ausrei-
26.1 Nierenverletzungen
chend tief an der Blaseneinmündung abgesetzt wurde. Rezidivierende Harnwegsinfekte können die Folge sein.
zystitis oder Pankreatitis sowie Ulzera des Magens oder Duodenums ausgeschlossen werden.
Nachkontrollen Beschwerdefreie, nephrektomierte Patienten bedürfen lediglich einer klinischen, laborchemischen und ggf. sonographischen Kontrolle bezüglich ihrer auf der Gegenseite verbliebenen Einzelniere. Insbesondere an einen entstehenden Bluthochdruck durch initial nicht erkannte und traumabedingte Gefäßveränderungen der kontralateralen Seite ist zu denken. Bei rezidivierenden Harnwegsinfekten nach Nephroureterektomie ist ein refluxiver Ureterstumpf durch eine MCU auszuschließen. Chirurgisch versorgte Nierengefäßverletzungen werden mit Hilfe der Dopplersonographie in jährlichen Abständen überprüft.
Therapie Die Behandlung orientiert sich zunächst an der Akutsymptomatik mit
Ursache Durch traumatische Nierengefäßüberdehnung mit Intimaeinrissen, aber auch durch chirurgische Eingriffe, Verbrauchskoagulopathien im Rahmen eines Polytraumas oder durch Streuung eines Gefäßthrombus vom Herz oder der Aorta kann es zu einer Nierengefäßthrombose kommen. Der Verschluss des Nierenarterienhauptstamms führt zu einem totalen Niereninfarkt. Sind nur einzelne Äste der Nierenarterien betroffen, kann daraus lediglich ein Teilinfarkt des Organs resultieren. Klinik Während kleinere Infarkte der Seitenäste unbemerkt ablaufen können, ist der Verschluss der A. renalis durch heftige Mittelbauchschmerzen mit Flankenklopfschmerz gekennzeichnet. Das Abdomen kann druckdolent sein, der Harn ist oftmals blutig. Es entwickelt sich eine Oligurie und im Verlauf eine Anurie der betroffenen Seite. Außerdem findet sich ein Hypertonus. Diagnostik Die Nierendurchblutung kann durch die Dopplersonographie ohne Strahlenbelastung sicher bestimmt werden. Auch die Lage eines Gefäßthrombus kann oftmals mit der Sonographie genau lokalisiert werden. Trotzdem sind für die Therapieplanung zusätzliche, untersucherunabhängige bildgebende Verfahren, wie die Kontrastmittel-CT oder die Angiographie, durchzuführen. In der heutigen Zeit hat die IVP wegen der fehlenden Kontrastmitteldarstellung der betroffenen Niere seine Indikation verloren, da keine weiteren Aussagen bezüglich der Ursachen abgeleitet werden können. Differenzialdiagnostisch müssen akute abdominelle Erkrankungen wie Nierenkoliken, Appendizitis, Chole-
쐌 Analgesie, 쐌 Volumensubstitution zur Schockbekämpfung (cave bei Anurie oder Oligurie), 쐌 Gabe von Diuretika, 쐌 Infektionsprophylaxe mit Antibiotika und 쐌 die Behandlung mit Antikoagulantien (cave: zunächst Ausschluss akuter Blutungen!). Eine therapeutische Konfliktsituation kann sich aus den teilweise gegensätzlichen Erfordernissen bei der Behandlung des verunfallten Kindes und den notwendigen Maßnahmen bei einer Nierengefäßthrombose ergeben. Die Kleinheit der Verhältnisse im kindlichen Organismus schränkt die möglichen therapeutischen Maßnahmen weiter ein. Bei persistierendem Gefäßverschluss kann ggf. im Intervall eine Thrombektomie oder Lysetherapie durch einen konservativen, interventionsradiologischen Gefäßeingriff versucht werden. Bei persistierendem Hypertonus ist die operative Entfernung des betroffenen Nierenabschnitts (partielle Nephrektomie, ggf. Nephroureterektomie) angezeigt. Komplikationen Reflektorische Anurie, persistierender Hypertonus und septische Niereninfarkte sind beschrieben. Die Therapie mit Antikoagulanzien in der Akutphase eines Traumas ist problematisch und erfordert viel Erfahrung und Monitoring der Gerinnungsparameter, um diffuse Blutungen aus den vorhandenen Begleitverletzungen zu vermeiden. Thrombosen anderer Organe sind möglich. Bei Kindern bergen interventionsradiologische Gefäßeingriffe die Gefahr der Gefäßverletzung und Ruptur. Rezidive oder Gefäßteilverschlüsse sind häufig. Gefäßrekanalisierungen mit Gefäßstents sind nur bei älteren Patienten anwendbar. Nachkontrollen Verlaufkontrollen erfolgen durch Sonographie, Dopplersonographie, Blutdruckmessungen und Nierenfunktionsprüfung sowie ggf. Überprüfung der Gerinnungswerte. Das Ausmaß einer thrombosebedingten Niereninsuffizienz lässt sich am besten mit der seitengetrennten Nierenszintigraphie erfassen (Moog et al. 2003). Die postthrombotische Nierenschrumpfung stellt sich sonographisch dar.
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Gefäßthrombose
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Kapitel 26 Traumatische Verletzungen des Urogenitalsystems beim Kind
26.1.4 Nierenbeckenruptur (Nierentrauma Grad IV und V) Ursache Man unterscheidet traumatische Nierenbeckenrupturen von pathologischen Nierenbeckenrupturen. Alle bereits genannten traumatischen Ursachen können zu einer isolierten Nierenbeckenruptur führen. Pathologische Nierenrupturen bezeichnen Rupturen ohne ein adäquates Trauma bei vorher bereits bestandenen Hydronephrosen infolge von Nierenfehlbildungen, Tumoren oder Steinleiden.
Klinik Isolierte Nierenbeckenrupturen können längere Zeit unentdeckt bleiben, da zunächst nur geringe Beschwerden möglich sind. Die klassische Symptomatik mit dumpfem Flankenklopfschmerz, Lumbalgien und einer außerhalb des Nierenhohlsystems nachweisbaren Ansammlung von Urin (Urinom) mit umgebender bindegewebiger Membran (Pseudohydronephrose), entwickelt sich erst nach Tagen bzw. Wochen. Eine Mikrooder Makrohämaturie kann fehlen (Santucci u. McAninch 2001). Durch die zunehmende Raumforderung des Urinoms im Retroperitoneum wird die Symptomatik nur langsam verstärkt. Die peritoneale Reizung kann zu einem Subileus führen. Die Steigerung der Entzündungswerte im Blut und ein Fieberanstieg sind ebenfalls Spätsymptome und sollten an eine Superinfektion mit zumeist gramnegativen Keimen denken lassen. Diagnostik Traumaanamnese und Symptomatik können irreführend sein. Urinuntersuchungen und Blutlabortests sind obligat, aber wenig spezifisch. Im Verdachtsfall führt eine Ultraschalluntersuchung zum Nachweis des gut abgegrenzten, perirenalen Urinoms. Die Abflussverhältnisse aus dem pyeloureteralen Übergang lassen sich mit einer IVP oder mit einer Nierenszintigraphie ausreichend dokumentieren. Mit einer MR-Urographie gelingt sowohl die Klärung der Abflussverhältnisse als auch die genaue Lokalisation und Beurteilung der Rupturstelle. Die Diagnostik der Nierenbeckenruptur durch eine CT mit Kontrastmittel ermöglicht zeitgleich die Diagnostik anderer Verletzungen im Thorax oder Abdominalbereich. Therapie Isolierte Nierenbeckenrupturen, insbesondere in den kranialen Anteilen des Organs, können sich innerhalb von Stunden spontan wieder schließen (Matthews et al. 1997). Bei zunehmendem Urinom ist eine ultraschall-
kontrollierte, transkutane Drainage für die initiale Entlastung ausreichend. Eine antibiotische Prophylaxe gegen gramnegative Keime, die aus dem Darmtrakt stammen, ist durchzuführen. Zeigt sich keine Abnahme in der täglich bilanzierten Flüssigkeitsmenge aus der Drainage, ist der transureterale Harnabfluss mit einer IVP oder antegraden Pyelographie über den Nephrostomiekatheter zu überprüfen. Ein operativer Verschluss der Rupturstelle ist bei größerem Defekt im Nierenbecken meist unumgänglich (Abb. 26.6 a–e). Bei Harntransportstörungen im ureteralen Abschnitt kann eine retrograd endoskopisch eingebrachte Schienung des Ureters mit einem Double-Pigtail-Katheter versucht werden (innere Drainage). Zusätzliche Verletzungen des Harnleiters stellen eine Kontraindikation für dieses Vorgehen dar. Die Innere Drainage des Systems hat zusätzlich zur perirenalen Drainage zu erfolgen. Operativ Die operative Therapie der isolierten Nierenbeckenruptur mit zunehmendem Urinom besteht in der Freilegung der betroffenen Niere, dem Verschluss der Ruptur im Nierenbecken mit resorbierbarem Nahtmaterial (z. B. Vicryl 5/0) und der temporären Drainage des Nierenbeckens durch Einlage eines Nephrostomiekatheters und ggf. Schienung des pyeloureteralen Übergangs (Nephrostomiekatheter mit filiformem Ansatz). Die intraoperative Einlage einer perirenalen Drainage (z. B. Jackson-Drainage) ist empfehlenswert. Komplikationen Die Gefahr einer Urosepsis muss bedacht werden. Bei nicht rechtzeitig oder unzureichend behandelten Nierenbeckenrupturen kann es durch die entstehenden Urinome und Entzündungen zur Atrophie und dem kompletten Funktionsverlust der betroffenen Seite kommen. Die Ausbildung eines renalen Hypertonus ist möglich. Dagegen liegt die Mortalität stumpfer Nierenverletzungen im Kindesalter 50% der Zirkumferenz ist eine Reanastomosierung durch schräge Nahtreihentechnik empfehlenswert. (Abb. 26.7 a–d).
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d Abb. 26.7 a–d. Ureteranastomose in End-zu-End-Technik. a Resektion des traumatisierten Gewebes und Anfrischen der Rupturstellen. b Einkerben der Ureterwand an beiden Enden in Längsrichtung um etwa 2–3 mm. c,d Anastomosierung der Ureteranteile mit 5/0- oder 6/0-Vicryl-Einzelknopfnähten
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Kapitel 26 Traumatische Verletzungen des Urogenitalsystems beim Kind
Komplikationen Siehe Abschn. 26.2.1. Nachkontrollen Die in Abschn. 26.2.1 angeführten Kontrolluntersuchungen gelten auch für Patienten mit Harnleiterrupturen. Eine Ureterstenose im Anastomosenbereich muss im Verlauf ausgeschlossen werden.
26.2.3 Harnleiterabriss Ursache Harnleiterdurchtrennungen kommen ausschließlich bei schweren Verkehrsunfällen oder Stürzen aus großen Höhen vor; Stich- oder Schussverletzungen sind möglich. In einem Drittel der Fälle wird die Diagnose erst verspätet gestellt (Howerton u. Norwood 1991). Sie können iatrogen bei größeren abdominellen, urologischen oder gynäkologischen Operationen entstehen. Als Traumafolge sind sie in den meisten Fällen am pyeloureteralen Segment oder am Übergang zum Beckeneingang gelegen; in diesem Fall handelt es sich oft um schwere Beckenfrakturen. Verletzungen durch Schuss- und Stichwaffen können naturgemäß im gesamten Verlauf angetroffen werden (Beamud-Gomez et al. 1986). Klinik Die Klinik entspricht der unter Abschn. 26.2.2 beschriebenen Symptomatik. Die klinischen Symptome der Begleitverletzungen können die sich eher langsam entwickelnde Symptomatik der Ureterruptur bzw. des Ureterabrisses stark überlagern. Iatrogene Durchtrennungen der Ureter bei anderweitigen Operationen führen zum Harnaustritt aus der tubulären Struktur und sollten dadurch bereits intraoperativ auffällig werden. Intraoperativ nicht erkannte Ureterdurchtrennungen bleiben dagegen meist lange unentdeckt, da die wenigen klinischen Zeichen als postoperative Beschwerden im Rahmen des ursprünglichen Eingriffs verkannt werden. Verminderte Harnausscheidung und Makrohämaturie sind nicht obligat vorhanden.Harnstauung oder Urinombildung mit ureterokutaner Fistelung oder ein septischer Krankheitsverlauf zwingen zu weiterführenden Diagnostik und Abklärung. Diagnostik Die diagnostischen Schritte entsprechen denen der Ureterrupturen (s. oben). Für die Diagnose beweisend ist beim Ureterabriss außer dem Kontrastmittelextravasat die fehlende Kontrastmitteldarstellung des distalen Uretersegments und ggf. auch ein atypischer Verlauf des Harnleiters. Therapie Bei einem Ureterabriss ist eine schnellst mögliche operative Korrektur unumgänglich (s. auch Abschn. 26.6).
Der durchtrennte Ureter wird an seinen Enden jeweils schräg angeschnitten und mit Vicryl-6/0-Einzelknopfnähten End-zu-End-anastomosiert. Zur Vergrößerung der Ureterquerschnitte im späteren Anastomosenbereich kann noch vor der Naht der Uretersegmente an beiden Enden eine etwa 3 mm lange Längskerbung des Ureterrandes erfolgen (vgl. Abb. 26.7 a–d). Das Stenoserisiko kann auf diese Weise deutlich gesenkt werden. Der Ureter erhält eine transanastomotische Schienung mit einem Double-J-Katheter oder einen Nephrostomiekatheter zur Harnableitung. Je kleiner die Kinder, desto eher empfiehlt sich die transanastomotische Schienung, um gleichzeitig eine ausreichend weite Anastomose zu gewährleisten. Befindet sich der Ureterabriss unmittelbar am pyeloureteralen Übergang, so anastomosiert man den Ureter und das Nierenbecken nach der Technik von Anderson-Hynes. Harnblasennahe Durchtrennungen des Ureters können gelegentlich ein differenzierteres Vorgehen erforderlich machen. Hier ist zu prüfen, ob eine End-zu-End-Anastomose möglich ist, oder ob ggf. eine Neueinpflanzung des Harnleiters in die Harnblase durchgeführt werden muss. Bei Verletzungen im distalen Uretersegment kann es bei der operativen Korrektur zur Minderperfusion des distalen Ureterstumpfes kommen und dadurch eine Stenose begünstigt werden. In diesen Fällen wird eine Ureterozystoneostomie nach Cohen oder Politano-Leadbetter durchgeführt (s. Abschn. 26.6). Musste der Ureter im distalen Bereich aufgrund der Verletzung gekürzt werden, so ist die Ureterozystoneostomie ggf. mit einem so genannten PsoasHitch bzw. mit dem Verfahren nach Boari zu kombinieren, bei dem die Harnblase nach kranial hinauf gezogen und am M. psoas mit mehreren Nähten fixiert wird. Der Harnleiter derselben Seite wird anschließend in die Harnblasenwand entsprechend den genannten Techniken implantiert (s. auch Abschn. 26.6). Komplikationen Neben den genannten Risiken der Stenosierung, Motilitätsstörung und Anastomoseninsuffizienz können blasennahe Ureterverletzungen zu einem vesikoureteralen Reflux (VUR) führen. Auch die Neoimplantation der Ureter in die Harnblase birgt die Gefahr eines VUR oder einer Harnleitermündungsstenose. Die mangelhafte Verankerung des Psoas-Hitch am M. psoas kann zur Retraktion des Harnleiters aus der Harnblasenwand und zu einem VUR führen. Nachkontrollen Als Kontrolluntersuchungen werden Ultraschalluntersuchungen durchgeführt. In der postoperativen Phase ist auf Harnstauungszeichen und Extravasate zu achten. Nach 6 Monaten werden im Nierenszintigramm die Nierenfunktion und die Harnableitung in die Blase untersucht. Auf die Funktion und Motilität des Harnleiters
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26.3 Harnblasenverletzungen
kann durch die Ureterkinetik im Szintigramm rückgeschlossen werden. 6 Monate nach der operativen Korrektur mittels Psoas-Hitch oder Boari-Flap und/oder Ureterozystoneostomie empfiehlt sich die Durchführung einer MCU zum Ausschluss eines VUR. Die Durchführung einer IVP bleibt besonderen Fragestellungen vorbehalten und wird heute nicht mehr routinemäßig für die postoperative Kontrolle bei Kindern verwendet.
26.3 Harnblasenverletzungen 26.3.1 Harnblasenkontusion Ursache Stumpfe Verletzungen durch Sturz oder Schlag auf den Unterbauch, Überrolltraumen sowie die Kompression der Beckenorgane durch Autosicherheitsgurte bei Verkehrsunfällen können eine Kontusion der Harnblase verursachen (Abb. 26.8 a,b). Klinik Blasenkontusionen können zu ausgeprägten Hämatomen in der Blasenwand und im Retroperitonealraum führen. Die Ausdehnung des Hämatoms bereitet Schmerzen bei gleichzeitig vorliegender Abwehrspannung. Eine Makrohämaturie ist häufig. Aufgrund der starken peri- und intravesikalen Schwellung kann es zur reflektorischen Blasenlähmung mit akutem Harnverhalt kommen. Eine Harnblasentamponade durch Schleimhautblutungen ist möglich. Bei der Inspektion finden sich meist charakteristische Prellmarken und
Abb. 26.8 a,b. Stumpfes Überrolltrauma des Beckens mit großflächiger Lazeration des äußeren Genitale und Harnblasenkontusion. a Präopertiver äußerer Situs (* Sonde im Meatus urethrae, 쐌 Sonde im Vaginaleingang, ♦ Sonde im Rektum). b Postoperativer äußerer Situs
gelegentlich eine Vorwölbung am Unterbauch oder im Douglas-Raum (rektale Untersuchung!). Diagnostik Die Sonographie ist die erste Wahl für die Diagnostik. Die perivesikal, intramural oder auch intravesikal gelegenen Hämatome lassen sich gegenüber den umliegenden Gewebestrukturen gut abgrenzen, die Harnblasenwand ist verdickt und zeigt eine aufgelockerte Echostruktur. Bei einer Harnblasentamponade durch koaguliertes Blut zeigt sich dieses intravesikal mit einer inhomogenen Echogenität. Die Ureter sind häufig durch die Harnabflussbehinderung erweitert. Es kann zu einer Harnstauung der Nieren kommen. Bei einer Blasenkontusion muss sowohl eine Beckenfraktur als auch eine Harnblasenruptur ausgeschlossen werden. Zum Ausschluss von Begleitverletzungen ist eine KontrastmittelCT-Untersuchung des Beckens sinnvoll (Abb. 26.9). Therapie Analgesie und eine temporäre Urinableitung mit einem großlumigen, suprapubischen Harnblasenkatheter unter antibiotischer Abschirmung sind erforderlich. Bei stark blutigem Harn ist zum Vermeiden einer Harnblasentamponade eine Blasenspülung über den suprapubischen Katheter möglich. Nach Rückgang der Hämatome stellt sich die normale transurethrale Miktion wieder ein, und der suprapubische Katheter kann entfernt werden. Komplikationen Wichtigste Komplikation einer Harnblasenkontusion ist die Harnblasentamponade (s. oben). Eine persistierende Harnblasenentleerungsstörung ist selten, aber bei
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Abb. 26.9. Harnblasenkontusion mit retroperitonealer Blutung. CT des Beckens mit Kontrastmittel
zusätzlicher Schädigung der Nervenversorgung im kleinen Becken oder der unteren Wirbelsäule möglich. Hierfür eignet sich die CT-Untersuchung des Beckens oder die kombinierte Beckenübersichtsröntgenaufnahme mit einer MCU über den suprapubischen Katheter. Eine transurethrale Harnableitung ist aufgrund der länger erforderlichen Verweildauer des Katheters nicht sinnvoll. Nachkontrollen Neben Ultraschalluntersuchungen mit Restharnmessung zur Kontrolle der Hämatomresorption und Normalisierung der Harnblasenentleerung sind bei leichten Blasenkontusionen keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Bei Zeichen einer Harnblasenentleerungsstörung kann die Durchführung einer Harnblasenmanometrie oder auch eine urodynamische Untersuchung erforderlich sein. Eine MCU ist bei sonographisch unklaren Befunden im Harnblasen- und Harnleiterbereich durchzuführen oder wenn eine normale Miktion über die Harnröhre nicht möglich ist.
26.3.2 Harnblasenruptur Ursache Man unterscheidet zwischen offenen und geschlossenen Verletzungen. Die offenen Blasenrupturen entstehen durch äußere Durchspießungen des Hohlorgans oder Berstungen infolge Schuss-, Stich- oder Pfählungsverletzungen. Beckenfrakturen mit Durchspießungen der Blasenwand durch Knochenteile gehören dagegen meist in die Gruppe der geschlossenen Verletzungen (Abb. 26.10). Bei ihnen unterscheidet man weiter zwischen intraperitonealen und extraperitonealen Rupturen (Brandes u. Borrelli 2001). Erheblicher Druck von Außen, wie er bei einem gezielten Schlag in den Unterleib oder infolge von Explosionen möglich ist, kann zu einer Berstung der Harnblasenwand führen.
Abb. 26.10. Beckenfraktur und Durchspießung der Harnblase durch Knochensplitter. Überrolltrauma durch Linienbus, 15-jähriges Mädchen. MCU mit Kontrastmittelaustritt aus der Blasenwandruptur in das Retroperitoneum
Klinik Intraperitoneale Rupturen zeigen eine vordringlich abdominelle Symptomatik mit Peritonitiszeichen und Ileusbild. Bei den extraperitonealen Blasenrupturen können sich die klinischen Zeichen deutlich abgeschwächt und nach längerer Latenz, z. T. schleichend, entwickeln. Palpable Unterbauchresistenzen infolge des Extravasates, dysurische Beschwerden mit Makrohämaturie und häufigem Harndrang bis hin zur Anurie stehen im Vordergrund. Schocksymptomatik mit zunehmender Urämie infolge der Ausscheidungsstörungen und Elektrolytentgleisungen stellen sich ein. Diagnostik Die Verdachtsdiagnose ergibt sich aus der Anamnese und den klinischen Erstsymptomen. Neben der Urinuntersuchung und Labortests (Kreatinin, Harnstoff, Elektrolyte und Blutbild) ist die Ultraschalluntersuchung essenziell für die Erstdiagnostik. Mit ihr lassen sich der Harnblasenfüllungszustand, intravesikale Konglomerate und Fremdkörper sowie extravesikale Flüssigkeitsansammlungen bzw. Raumforderungen beurteilen und gleichzeitig eine vorhandene Harntransportstörung des oberen Harntrakts erkennen. Eine konventionelle Röntgenaufnahme des Abdomens ohne Kontrastmittel im Stehen oder in Linksseitenlage als Notfalldiagnostik lässt 쐌 eine Spiegelbildung des Darms bei Ileus, 쐌 freie Luft unter dem Zwerchfell bzw. über der Leber bei perforierenden Abdominalverletzungen erkennen sowie 쐌 die Diagnose einer Beckenfraktur zu.
26.3 Harnblasenverletzungen
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Eine Kontrastmittel-CT des Beckens ergibt die genauere Lokalisation der Blasenverletzung und lässt sich mit der diagnostischen Beurteilung einer Beckenfraktur verbinden. Der obere Harntrakt mit dem Verlauf der Ureter kann ebenfalls beurteilt werden. Eine MCU-Untersuchung hat für die Diagnostik einen hohen Stellenwert. Das Legen eines transurethralen Katheters für die Untersuchung ist bei blasenhalsnahen Rupturen oder bei gleichzeitigen Urethraverletzungen kontraindiziert. Die suprapubische Blasenpunktion mit Kathetereinlage bietet neben der diagnostischen Nutzung in diesen Fällen auch den Vorteil der langfristigen Ableitung des Urins. Die MCU gibt neben dem Aufzeigen der Leckage wichtige Hinweise über die Beteiligung des Blasenhalses und der Harnröhre (Iverson u. Morey 2001). Therapie Kleinere Blasenlazerationen ohne sichtbare Fremdkörperdurchspießungen können bei Kindern häufig durch Legen einer suprapubischen Harnblasenableitung und eine unter Ultraschallkontrolle in das Extravasat eingebrachten Drainage konservativ beherrscht werden. Bei Blasendurchspießungen oder größeren Rupturen mit Ileuszeichen, Blutungen und drohendem Schock ist eine umgehende operative Versorgung notwendig. Neben der Hämatomausräumung und der Versorgung der Harnblasenwandverletzung durch zweireihige Nahttechnik, ist auf Zeichen etwaiger Begleitverletzungen im Retroperitoneum und intraabdominell zu achten. Eine vorhandene Beckenfraktur sollte in gleicher Sitzung stabilisiert werden. Der Retroperitonealraum muss anschließend mit Hilfe von großlumigen Drainagen (z. B. »Jackson drain«, »easyflow« usw.) versorgt werden. Die intravesikale Drainage erfolgt durch Einlage eines großlumigen suprapubischen Blasenkatheters. Komplikationen Wichtigste Komplikationen bei der Versorgung einer Blasenruptur sind intraoperative Verletzungen des Darms, der Harnleiter, der Samenleiter, der Blutgefäße und Nerven; außerdem Fistelbildungen von der Blase in das Retroperitoneum, nach intraabdominell oder zur äußeren Haut, und septische Komplikationen mit Urämie. Als Spätfolge einer Blasenverletzung wird die Entwicklung einer neurogenen Harnblasenentleerungsstörung angesehen. Nachkontrollen 3 Monate nach der operativen Versorgung und nach einem Jahr ist die Durchführung eines Ultraschalls der Harnblase und des oberen Harntrakts sinnvoll. Eine MCU-Kontrolle nach 6 Monaten ist nur bei unklaren Befunden in der Sonographie, nach Operationen an den Ureteren, nach Verletzungen des Blasenhalses oder der Urethra indiziert. Nach einem Jahr sollte eine videourodynamische Untersuchung durchgeführt werden,
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um allfällige Harnblasenentleerungsstörungen nachzuweisen.
26.3.3 Harnblasentamponade Eine Harnblasentamponade bezeichnet ein Ausfüllen des Harnblasenlumens mit Blut, Schleim oder Eiter mit daraus resultierender Harnentleerungsstörung. Ursache Bei Verletzungen und hämorrhagischen Entzündungen der Harnblasenwand oder Blutungen bei Nieren- und Harnleiterverletzungen können sich große intravesikale Koagel ausbilden, die den Blasenhals blockieren. Klinik Kurzfristig besteht eine Makrohämaturie, die von einem Harnverhalt gefolgt wird. Durch die starke Blasenfüllung mit dem intravesikalen Konglomerat und Urin kommt es zu extremen Schmerzen und Blasenspasmen. Die Blasenfüllung ist durch die Bauchdecke hindurch palpabel und bei den meisten Kindern sichtbar. Sie kann bis zur sekundären Ruptur des Organs führen. Diagnostik Die klinische Untersuchung und die Anamnese ergeben in den meisten Fällen die Verdachtsdiagnose. Im Ultraschall des Unterbauches findet sich die stark gefüllte Harnblase mit der intravesikalen Raumforderung und inhomogener Echogenität. Gelegentlich finden sich auch Sedimentationsphänomene bei abgekapselten, meist entzündlichen Prozessen. Die Ureter und die Nierenbecken können durch die Harnabflussstörung erweitert sein. Therapie Initial erfolgt bei einer Harnblasentamponade die Schmerzbehandlung, die bereits bei der Verdachtsdiagnose mit Spasmolytika und analgetischer Therapie begonnen werden sollte. Bei einem größeren intravesikalen Hämatom gelingt die Ausräumung des Konglomerats nur mit einer Vesikotomie (Sectio alta), da die Koagel die Schlauchdrainagen stets verstopfen. Bei kleineren Blutkoageln, eiweißreichem Wundsekret oder bei Schleim kann die Drainage durch großlumige suprapubische Katheter und gleichzeitige transurethrale Katheterisierung erfolgen. Die Blase kann durch die beiden Katheter zusätzlich mit physiologischer Kochsalzlösung gespült werden. Ist zur Hämatomausräumung eine Vesikotomie erforderlich, so können die beiden Ureter zusätzlich mit einem Ureterkatheter geschient und abgeleitet werden, um einer Harnstauung zu begegnen.
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Kapitel 26 Traumatische Verletzungen des Urogenitalsystems beim Kind
Komplikationen Die möglichen Komplikationen sind bestimmt durch die Ursachen der Tamponade. Risiken bestehen bei der Therapie durch mögliche Verletzungen der Blase, der Urethra, des Darms und von Blutgefäßen mit den Kathetern. Sekundäre Harnstauungen durch entzündliche Schleimhautschwellungen sind möglich, daher sollten die Katheter nie gleichzeitig entfernt werden. Aufsteigende Infektionen und Urosepsis sind beschrieben. Nachkontrollen Nachkontrollen mittels Ultraschall sind zur Verlaufsbeurteilung bei isolierter Blasentamponade bis zur völligen Ausheilung sinnvoll. Weitere Maßnahmen sind nur bei klinischer Symptomatik indiziert.
26.4 Verletzungen der Harnröhre 26.4.1 Harnröhrenprellung Ursache Harnröhrenprellungen sind vom Verletzungsmuster her häufig. In der Praxis sind ernsthafte Verletzungen aber selten (Abb. 26.11). Die Harnröhre in ihrem anterioren Anteil, also dem Bereich distal des Diaphragma urogenitale, verläuft dorsal der Symphyse nach distal. Durch Sturz auf einen harten Gegenstand (z. B. eine Fahrradstange oder Sattel), kann die Harnröhre gegen die Symphyse gedrückt und verletzt werden. Die beim Jungen die Harnröhre begleitenden Schwellkörper sind ebenfalls verletzungsgefährdet. Es kann zu einer so genannten Penisfraktur kommen (s. dort). Klinik Die meisten Harnröhrenprellungen sind leichter Natur und verursachen kaum Beschwerden. Brennen beim Wasserlassen und Mikrohämaturie sind die häufigsten Symptome. Der Druck auf den Dammbereich ist schmerzhaft. Es finden sich dort Prellmarken oder Hämatome. Bei mittelschweren bis schweren Prellungen kann das Hämatom sehr ausgeprägt sein und die Symptomatik entsprechend verstärken. Eine Makrohämaturie ist möglich; teilweise läuft das Blut als Sickerblutung aus der Urethra. Durch die Schwellung des Gewebes und die Schmerzen kommt es zum Harnverhalt und sekundärem Blasenhochstand. Skrotum, Penis oder Vulvabereich sind in die Schwellung mit einbezogen. Diagnostik In den meisten Fällen genügen die klinische Beurteilung des Genitale und die Prüfung der Miktionsfähigkeit. Eine Hodenverletzung muss immer ausgeschlossen werden. Bei stärkerer Schwellung des Genitale oder klinischer Symptomatik ermöglicht die Ultraschallunter-
Abb. 26.11. Prellung des äußeren Genitale mit oberflächlichen RissQuetsch-Wunden am Penis und Harnröhrenprellung bei einem 11jährigen Jungen. Hämatom am Skrotaleingang
suchung des Perineums, das Ausmaß des Hämatoms, Lufteinschlüsse in den Weichteilen als Hinweis einer möglichen Perforation der Vagina oder des Darms und das äußere Genitale (Hodenverletzung) zu beurteilen. Dies ist aber bei Kindern wegen der erheblichen Schmerzen nicht durchführbar. Eine retrograde Urethrographie weist eine evtl. vorhandene Harnröhrenlazeration nach. Bei Unsicherheiten bezüglich der Befunde muss eine MRT-Untersuchung oder eine Endoskopie von Harnröhre, Vagina und Darm erfolgen. Therapie Wichtigste Maßnahme bei einer Harnröhrenprellung ist die Analgesie. Ist eine Miktion nicht mehr möglich, so muss eine suprapubische Harnableitung erfolgen. Eine transurethrale Katheterisierung birgt die Gefahr einer Perforation. Intraurethral verabreichtes analgesierendes Kathetergel lindert die lokalen Beschwerden (Maßnahmen bei einer Harnröhrenruptur s. unten). Je nach Grad der Verletzung können die Schwellungen des periurethralen Gewebes mehrere Tage anhalten und eine normale Miktion verhindern. Die suprapubische Harnableitung verbleibt bis zur vollständig beschwerdefreien Miktion. Die Antibiotika werden nach der Katheterentfernung noch für weitere 2 Tage gegeben. Komplikationen Die wichtigste Komplikation einer Harnröhrenprellung ist die Ruptur. Andere Komplikationen betreffen das Auftreten von Harnröhrenstenosen und Entzündungen. Rupturen der Vagina und des Darms sind bei einfachen Prellungsverletzungen selten. Auf Zeichen der lokalen Infektion mit Ausbildung einer Phlegmone oder eines Abszesses ist zu achten. Nachkontrollen Bei mittelschweren und schweren Prellungsverletzungen sollte eine Uroflowmetrie und ggf. eine Zystoskopie
26.4 Verletzungen der Harnröhre
nach etwa 3–6 Monaten zum Ausschluss einer Urethrastenose oder Striktur erfolgen.
26.4.2 Harnröhrenruptur Ursache Harnröhrenrupturen treten in 10% der Fälle bei Beckenringfrakturen auf (Moore et al. 1992). Häufigste Ursachen sind Hochgeschwindigkeitstraumen oder Stürze aus größerer Höhe (Al Rifaei et al. 2001; Holland et al. 2001; Koraitim 1999). Bei Frakturen des Ramus pubis oder der Symphyse erfolgt die Ruptur beim Jungen meist in der Pars membranacea urethrae am Übergang zur Prostata (Abb. 26.12, A). Bei Beckenfrakturen haben Mädchen ein geringeres Risiko für eine Urethraruptur (Tarman et al. 2002). Eine Ruptur ist bei starken Prellungen der Dammregion oder des Penis möglich [Venn et al. 1999; Abb. 26.12 (B), Abb. 26.13] Iatrogene Ursachen wie unsachgemäßer Katheterismus stellen ebenfalls ein Risiko dar. Klinik Die Leitsymptome einer Beckenringfraktur wie Kompressionsschmerz des Beckens oder Instabilitäten zusammen mit Dysurie und/oder Hämaturie müssen zur weiteren Diagnostik einer eventuellen Harnröhrenbeteiligung führen. In den meisten Fällen findet man entsprechende Prellmarken am Körperstamm, die auf das mögliche Trauma hindeuten. Bei Urethraverletzungen durch Katheterismus stehen der Harnverhalt und die Dysurie mit einer unterschiedlich stark ausgeprägten Hämaturie im Vordergrund.
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Abb. 26.12. Traumatische Harnröhrenverletzungen. A Urethraabriss Pars membranaceae. B Urethraruptur in Höhe der Pars pendulans urethrae
Diagnostik Der Nachweis einer Urethraruptur gelingt radiologisch am sichersten durch retrograde Kontrastdarstellung des Urethraverlaufs. Man findet ein Extravasat des Kontrastmittels am Ort der Leckage. Liegt die Ruptur unmittelbar unterhalb des Blasenhalses, so ist der sonographische Nachweis von subvesikaler, freier Flüssigkeit im Cavum Retzii (Spatium retropubicum) wegweisend. Letztere kann auch in der MRT nachgewiesen werden. Wurde beim primären Management ein suprapubischer Katheter in die Harnblase gelegt, so ist die Möglichkeit der Durchführung einer MCU gegeben. Therapie Eine Urethraruptur sollte rasch chirurgisch versorgt werden. Die temporäre Schienung der Urethra mit einem transurethralen Katheter ist möglich, birgt aber die Gefahr einer verbleibenden Urethrastenose oder Urethrastriktur. Antibiotische Behandlung und Analgesie sind obligat. Die Harnableitung erfolgt vorzugsweise über einen suprapubischen Blasenkatheter oder über die intraoperativ eingeführte Urethraschiene.
Abb. 26.13. Urethraruptur nach Sturz mit dem Skateboard auf die Regio perinealis. Retrograde Urethrographie. 15-jähriger Junge
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Kapitel 26 Traumatische Verletzungen des Urogenitalsystems beim Kind
Die Operationsmethode zur Versorgung einer Urethraruptur ist abhängig von deren Lokalisation und Ausmaß. Prinzipiell sind sowohl die primäre Urethranahttechnik als auch die Rekonstruktion mittels eines Urethra-Patches möglich (s. Abschn. 26.6). Komplikationen Rupturen der Urethra führen in einem hohen Prozentsatz zu einer Urethrastenose oder Striktur und damit zur subvesikalen Harnabflussstörung. Verletzungen der paraurethralen Gewebe und Nerven können zusätzliche Langzeitfolgen bezüglich der Funktion und Kontinenz haben. Nachkontrollen Nach erfolgter operativer Therapie und besonders nach konservativem Management muss eine Langzeitbetreuung mit regelmäßigen jährlichen Uroflow-Untersuchungen erfolgen. Bei reduziertem Harnfluss, postmiktionellem Harnträufeln, vermehrtem Pressen bei der Miktion, Restharnbildung, rezidivierenden Harnwegsinfekten oder dysurischen Beschwerden sollte eine Abklärung mittels Ultraschall, MCU, Videourodynamik und ggf. Zystoskopie erfolgen.
26.4.3 Harnröhrenabriss Ursache Unter einem Harnröhrenabriss versteht man die vollständige Kontinuitätsunterbrechung der Harnröhre. Man unterscheidet den supradiaphragmalen Urethraabriss (meist nach Überrolltraumen mit Beckenfraktur) vom infradiaphragmalen Abriss der Harnröhre (Hemal et al. 2000). Letzteren findet man nach Straddle-Traumen mit klassischem Schmetterlingshämatom im Gesäß- und Schambereich (Podesta u. Jordan 2001). Der Harnröhrenabriss erfolgt bei Beckenfrakturen durch eine Scherbewegung der frakturierten Beckenknochen mit der durch die Ligg. puboprostatica fixierten Prostata gegen die im Diaphragma urogenitale gelegene Pars membranacea der Urethra (Koraitim et al. 1996; Abb. 26.14 a,b). Die Ligg. puboprostatica können vollständig abreißen. Beim Jungen stellt die Pars membranacea die häufigste Stelle für einen Harnröhrenabriss dar. Weitere Ursachen können direkte Durchspießungen der Harnröhre durch die frakturierten Knochen sein. Iatrogene Urethraabrisse durch unsachgemäße Instrumentierung oder Untersuchungstechniken sind möglich, aber sehr selten.
Abb. 26.14. a Beckenringfraktur (Pfeile) mit Harnblasenverletzung bei einem etwa 10-jährigen Jungen. Röntgen-Beckenübersichtsaufnahme im Liegen. b Urethraabriss bei einem 10-jährigen Jungen. Verkehrsunfall. Antegrade und retrograde Kontrastmitteldarstellung der Blase und der Urethra. Beachte den nach ventral versetzten Blasenhals mit proximalem Urethraanteil (dicke Pfeile) und den nach dorsal versetzten distalen Urethraanteil mit Austritt von Kontrastmittel in das Gewebe (dünne Pfeile)
Klinik Es besteht nahezu immer eine Anurie und Extravasation von Urin und Blut ins Retroperitoneum (Urinom). Der Austritt von Blut aus dem Meatus urethrae ist möglich, kann aber auch fehlen. Bei der rektalen Untersuchung kann eine durch das Urinom oder Hämatom gebildete Vorwölbung retrovesikal tastbar sein. Die Prostata lässt sich evtl. nicht mehr an typischer Stelle palpieren, da sie zusammen mit der Harnblase aufgrund der Kontinuitätsunterbrechung und fehlenden Fixation nach kranioventral luxiert ist.
26.5 Verletzungen der äußeren Geschlechtsorgane
Diagnostik Beweisend für die Kontinuitätsunterbrechung der Harnröhre ist die retrograde und gleichzeitige antegrade Urethrographie über einen liegenden suprapubischen Harnblasenkatheter mit Nachweis eines Kontrastmittelabbruchs und Austritts von Kontrastmittel in das umliegende Gewebe (Baskin u. McAninch 1993; Brandes u. Borrelli 2001; Demetriades et al. 2003). Bei nach ventral ausgewandertem Blasenhals und fehlender Darstellung der Harnröhre ist von einer Ruptur unmittelbar distal der Prostata auszugehen. Im Ultraschall und in der MRT können die Beckenbodenmuskulatur und der Sphinkterapparat auf weitere Schädigung durch das Trauma untersucht werden. Gleichzeitige Verletzungen der Harnblase sind zu beachten. Therapie Bei polytraumatisierten Patienten erfolgt zunächst die adäquate Schockbehandlung. Ein suprapubischer Katheter in der Harnblase ermöglicht die Urinableitung und weitere Diagnostik. Die primäre Rekonstruktion der Urethra ist schließlich die Therapie der Wahl. Diese kann bei der Repositions- und Frakturbehandlung des Beckens durchgeführt werden und ermöglicht die Nutzung der erforderlichen Zugangswege, insbesondere zu den vorderen Schambeinästen. Nach suprapubischer Freilegung der Harnblase wird das Hämatom entleert und die Urethrastümpfe mit Einzelknopfnähten (z. B. Vicryl 5/0 oder 4/0) reanastomosiert. Eine transanastomotische Urethraschienung ist erforderlich. Kann der Patient nicht primär operativ versorgt werden, wird ein Ballonkatheter transurethral über die Diskontinuität hinweg in die Harnblase eingeführt und der im Blasenhals entfaltete Ballon unter kontinuierlichem Zug nach außen für 3 Wochen zur Adaptierung der Urethrastümpfe beibehalten. Gelegentlich ist zur Durchführung dieses Manövers die antegrade Zystoskopie durch die Zystostomie erforderlich, um den Blasenhals und die Pars prostatica der Harnröhre mit dem Zystoskop oder einem Bougie in die gewünschte Position zu bringen und die Urethraschienung zu ermöglichen (Podesta et al. 1997). Komplikationen Die häufigste Komplikation der kompletten Urethraruptur ist die Harnröhrenstriktur (Levine u. Wessells 2001; Upadhyaya u. Freeman 2002). Beim Misslingen der ordnungsgemäßen Adaptation und Reanastomosierung der Urethra können sich langstreckige Narben und Urethraatresien ausbilden, die wiederholte chirurgische Korrekturen erfordern. Wird die Anastomosierung der Urethra nicht zeitnah durchgeführt, bildet sich zwischen der Pars membranacea urethrae und der Pars prostatica eine dicke Narbenplatte aus. Die Prostata wird in der dislozierten Position narbig fixiert. Dies erschwert die späteren korrigierenden Eingriffe für die Reanastomosierung erheblich.
Nachkontrollen Nach Rekonstruktion der Urethra verbleibt die transanastomotische Schienung für 2–3 Wochen. Die in das Retroperitoneum eingelegte Wunddrainage wird entfernt, wenn nur noch wenig oder gar kein Sekret gefördert wird. Ein Antibiotikum wird für 3–4 Wochen verabreicht, bzw. bis 2 Tage nach Entfernung der Katheter. Uroflow-Untersuchungen und Ultraschalluntersuchungen der Harnblase mit Bestimmung des Restharns sind nach der operativen Korrektur halbjährlich zu empfehlen. Nach einem Jahr ist eine MCU-Untersuchung und ggf. eine Endoskopie der Urethra zum Ausschluss einer Narbenstriktur durchzuführen. Jährliche Langzeitkontrollen bis zum Erwachsenenalter oder bis zum 10. Jahr post Trauma sind zu empfehlen.
26.5 Verletzungen der äußeren Geschlechtsorgane Man unterscheidet 쐌 die Straddle-Verletzungen beim Mädchen und 쐌 die stumpfen Verletzungen des äußeren Genitale beim Jungen (Skrotum, Hoden und Penis). Immer muss bei diesen Verletzungen auch an eine Beteiligung der Harnröhre und beim Mädchen an eine Verletzung der Vagina gedacht werden (Eke 2001).
26.5.1 Penisprellung, Penisquetschung und Lazerationen Ursache Aufgrund der hohen Mobilität des Organs und der geschützten Lage zwischen den Oberschenkeln ist eine Verletzung in diesem Bereich bei Kindern eher selten. Eine Gefährdung des Penis ist jedoch bei einem direkten Aufprall auf das Genitale gegeben (Fahrradstange, Tritt in das Genitale). Der Penis wird zwischen dem Schambein und dem Prellungsgegenstand eingequetscht (vgl. Abb. 26.11). Verletzungsgefährdet sind die Harnröhre und die Schwellkörper (s. Abschn. 26.4). Die sehr elastische Penisschafthaut reißt dagegen nur bei Scherungsverletzungen ein. Verletzungen durch Sportunfälle kommen ebenfalls vor. Auch Überrolltraumen im Beckenbereich können erhebliche Quetschungen des Penis verursachen. Klinik Im Vordergrund steht bei der Symptomatik der Schmerz. Weitere Symptome sind lokale Hämatome oder bei den Lazerationen die offenen Hautwunden mit oder ohne Gewebedefekt. Bei massiven Quetschungen können große Anteile der beteiligten Gewebe nekrotisieren. Es besteht ein hohes Infektionsrisiko. Blutungen aus den Schwellkörpern führen zu rasch zunehmenden
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Kapitel 26 Traumatische Verletzungen des Urogenitalsystems beim Kind
z. T. monströsen Hämatomen. Fast immer besteht bei den stärkeren Verletzungen initial ein reflektorischer Harnverhalt. Er wird durch die unterschiedlich starke Schwellung der Weichteile noch verstärkt und kann dann mehrere Tage bestehen bleiben (Symptome bei Mitverletzung der Harnröhre s. Abschn. 26.4.2). Diagnostik Immer ist eine Harnröhrenverletzung auszuschließen (s. oben). Eine Ultraschalluntersuchung des Unterbauchs ist zum Nachweis von inneren Verletzungen durchzuführen. Bei Verdacht auf knöcherne Verletzungen des Beckengürtels ist eine Beckenübersichtsröntgenaufnahme erforderlich. Der weitere Ausschluss oder Nachweis von Begleitverletzungen des Beckenraums ist je nach klinischem Befund mittels CT oder MRT möglich. Besteht noch eine spontane Miktion, so ist der Urin auf das Vorhandensein von Blut zu untersuchen. Therapie Die Behandlung von Prellungen, Quetschungen und Lazerationen im Rahmen größerer Unfälle und Verletzungen im Beckenbereich ist oft erst nach der klinischen Stabilisierung des Patienten und der Versorgung lebensbedrohlicher Verletzungen möglich. Leichte Prellungen oder Quetschungen bedürfen in der Regel keiner therapeutischen Maßnahmen. Immer ist auf evtl. vorhandene Miktionsstörungen zu achten. Ausreichende Analgesie und bei Harnverhalt die Entlastung der Harnblase mit einem suprapubischen Blasenkatheter sind initiale Maßnahmen. Eine Katheterisierung der Harnröhre ist nur zulässig, wenn zuvor eine Harnröhrenverletzung sicher ausgeschlossen worden ist (Gefahr der Via falsa!). Bei Verletzungen der Schwellkörper ist eine sofortige chirurgische Intervention unumgänglich. Der Einriss in der Tunica albuginea wird hierbei chirurgisch verschlossen (Operationsbeschreibung s. Abschn. 26.5.2). Blutungen aus der Penisschafthaut oder der Subkutis werden mit einem leichten Kompressionsverband zunächst gestillt und können später chirurgisch durch Naht versorgt werden. Bei Ablederungen der Haut werden die offenen Stellen mechanisch gereinigt, desinfiziert und avitales Gewebe abgetragen. Die Hautdeckung kann entweder primär mit der umgebenen Haut des Pensischaftes und des Präputiums oder sekundär mit Hilfe von Spalthauttransplantaten erfolgen. Hautlappenplastiken aus dem Gebiet des Mons pubis sind aufgrund der Behaarung nicht günstig und nur im Ausnahmefall zu verwenden. Ist eine initiale Wunddeckung nicht möglich, so werden die offenen Stellen vorübergehend bis zur späteren plastisch chirurgischen Rekonstruktion mit sterilen Verbänden abgedeckt. Komplikationen Hauptgefährdungen gehen von den Begleitverletzungen im Unterbauch oder von Weichteilinfektionen aus. In
zweiter Linie sind bereits die Komplikationen bei Mitbeteiligung der Urethra zu nennen, wie z. B. Strikturen und Stenosen. Größere Gewebedefekte oder Weichteiltraumen können durch Narbenbildung zu Deformitäten des Penis führen. Bei Verletzungen der Nervenversorgung des Genitale ist spätere Impotenz möglich. Nachkontrollen Die klinischen Kontrollen nach erheblichen Prellungen oder Verletzungen im Genitalbereich sind abhängig von den primären Traumafolgen. Narbenbildung und mögliche Komplikationen der Urethra lassen sich frühestens nach 3–6 Monaten beurteilen. Gelegentlich ist die Durchführung einer Uroflowmetrie hilfreich.
26.5.2 Penisfraktur und penetrierendes Penistrauma Ursache Bei einer Penisfraktur handelt es sich um eine Ruptur der Tunica albuginea und des Corpus spongiosum des Penis. Die Ursachen sind in den meisten Fällen plötzliche, brüske Biegungen des erigierten Penis im Rahmen des Geschlechtsverkehrs oder sonstiger sexueller Handlungen. Sie sind daher hauptsächlich Verletzungen des sexuell aktiven Jugendlichen oder Erwachsenen. Verletzungen der Tunica albuginea bei Überrolltraumen, landwirtschaftlichen Unfällen, Tier- und Menschenbissen, Einklemmungen und durch Waffen kommen vor. Klinik Verletzungen der Schwellkörper führen zu erheblichen Blutungen in die Weichteile mit birnenförmiger Schwellung und Hämatomverfärbung. Die Harnröhre wird komprimiert, und es kann zum Harnverhalt kommen. Bei offenen Verletzungen können erhebliche Blutverluste eintreten. Klinisch im Vordergrund stehen Schmerzen. Blutiger Ausfluss aus der Harnröhre oder Hämaturie lassen eine gleichzeitige Verletzung der Urethra vermuten. Diagnostik Anamnese und Befund ermöglichen bereits die Diagnose. Nur selten lassen sich die Gewebedefekte in der Tunica albuginea von außen tasten, können dann allerdings auch im Ultraschall verifiziert werden. Cavernosogramme sind entbehrlich und haben bis zu 27% falsch-negative Ergebnisse (Mydlo et al. 2002). Die intraoperative Auffüllung der Schwellkörper mit Kochsalzlösung ist dagegen ungleich sensitiver. Hiermit sind auch kleinere Defekte sicher nachzuweisen. Eine Harnröhrenverletzung muss mittels retrograder Urethrogra-
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26.5 Verletzungen der äußeren Geschlechtsorgane
phie, antegrader MCU über einen suprapubischen Katheter oder durch eine Urethrozystoskopie ausgeschlossen werden. Therapie Liegt keine Harnröhrenverletzung vor, wird die Urethra mit einem altersgemäßen Harnröhrenkatheter geschient und gleichzeitig die Harnableitung gewährleistet. Kompressionsverbände und Kühlung des Bereichs mit Eispacks unter Antibiotikaschutz und Antiphlogistika ermöglichen eine konservative Therapie. Die Behandlungsdauer liegt aufgrund der nur langsam erfolgenden Resorption des Hämatoms bei mehr als 2 Wochen. Mit der operativen Therapie lässt sich der Klinikaufenthalt auf etwa eine Woche deutlich verkürzen. Das Behandlungsprinzip besteht in der Ausräumung des Hämatoms und dem Nahtverschluss des Defektes in der Tunica albuginea. Operationsverfahren Nach dem Legen eines transurethralen Katheters wird an der Penisbasis ein Tourniquet zur Blutstillung angelegt. Die Penisschafthaut wird etwa 0,5–1 cm proximal des Sulcus coronarius inzidiert (Bei nicht zirkumzidierten Patienten erfolgt die Inzision im Bereich des inneren Präputialblattes!). Das Präputium und die Penisschafthaut werden zirkulär vom Penisschaft nach proximal abgeschoben und das Hämatom entfernt. Durch Auffüllen der Corpora cavernosa mit physiologischer Kochsalzlösung bei angelegtem Tourniquet lässt sich die genaue Lage des Gewebedefekts in der Faszie des Schwellkörpers ausmachen. Nach Darstellung des Einrisses in der Tunica albuginea wird dieser mit 2/0 oder 3/0 resorbierbarem Nahtmaterial und introvertierenden Einzelknopfnähten verschlossen. Es ist unbedingt auf das jeweilige Gefäß-Nerven-Bündel am Dorsum penis zu achten! Die Subkutis wird über den Defekt ausgespannt und mit 6/0 resorbierbarem Nahtmaterial verschlossen. Die Nahtreihe der Subkutis sollte nicht auf der Nahtreihe der Tunica albuginea zu liegen kommen. Die Penisschafthaut wird mit 5/0 Vicryl rapid am subkoronaren Hautrand adaptiert. Der Harnröhrenkatheter verbleibt für 7 Tage. Ein lockerer Verband mit Salbengaze ist ausreichend. Komplikationen Penisdeformitäten durch Hernierung des Gewebes oder durch schlecht resorbierte Hämatome, Schmerzen bei der Erektion, Impotenz und arteriovenöse Fisteln kommen überwiegend als Folge der konservativen Therapie vor. Wundinfektionen sind selten. Verletzungen der Gefäß-Nerven-Bündel des Dorsum penis sind bei der operativen Therapie möglich. Prognose Die Verletzung hat insgesamt eine sehr gute Prognose. Langzeitfolgen sind bei Wundinfektionen oder bei Ver-
letzungen des Gefäß-Nerven-Bündels möglich. Eine klinische Kontrolle ist diesbezüglich nach 6 Monaten sinnvoll.
26.5.3 Traumatische Penisamputation Ursache Traumatische Penisamputationen im Kindesalter sind selten. Als Ursache kommen in erster Linie Unfälle und Explosionstraumen insbesondere in Kriegsgebieten in Betracht. Daneben können Amputationen auch bei rituellen Beschneidungen oder medizinischen Zirkumzisionen vorkommen. Klinik Durch die Penisamputation kommt es zu Blutungen aus den durchtrennten Corpora cavernosa und Gefäßen. Aufgrund der Schmerzen und der Begleitumstände im Rahmen von Unfällen oder Explosionen sind die Kinder im Schockzustand. Weitere Verletzungen wie z. B. Beckenfrakturen, innere Verletzungen oder Verbrennungen sowie Muskel-Weichteil-Schäden sind häufig. Der Penisschaft und das Genitale können ganz oder nur teilweise einbezogen sein. Bei den Amputationen im Rahmen von Zirkumzisionen sind in erster Linie die Glans und der distale Penisschaft betroffen. Diagnostik Die Diagnostik erfolgt durch eine subtile Inspektion des verletzten Areals. Die Amputationsebene, die Art der Amputation (Schnitt-, Riss- Berstungsverletzung) und die Gewebebeschaffenheit sowie der Verschmutzungsgrad werden bestimmt. In jedem Fall sollte nach dem Amputat gesucht werden. Bei Unfall- oder Explosionsopfern müssen Verletzungen anderer Organe oder der Weichteile ausgeschlossen werden. Therapie Die primäre Therapie ist die Behandlung des Schockzustandes und der Schmerzen. Gegebenenfalls müssen die erheblichen Blut- und Flüssigkeitsverluste ausgeglichen werden. Die Blutung wird zunächst durch einen Druckverband kontrolliert und behandelt. Die definitive Therapie erfolgt als Notfalleingriff durch Replantation des Organs mit mikrochirurgischen Techniken sobald der Zustand des Patienten es zulässt. Operationsverfahren Die Gefäße werden unter dem Operationsmikroskop mit 10/0-Nähten anastomosiert und die Schwellkörper mit 4/0 resorbierbaren Nähten adaptiert. Die Anastomosierung der Urethra erfolgt mit 6/0 resorbierbaren Nahtmaterialien, und eine transanastomotische Urethraschienung und Harnableitung werden eingelegt.
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Kapitel 26 Traumatische Verletzungen des Urogenitalsystems beim Kind
Für die Replantation ist die Beschaffenheit und die Vorbereitung des Amputats von entscheidender Bedeutung. Das Amputat und evtl. vorhandene Hautreste sind daher vom Unfallzeitpunkt bis zur Replantation in 4°C kaltem Eiswasser einzulegen und zu transportieren. Es darf zu keinem direkten Kontakt des Amputats mit dem Eis kommen wegen der Gefahr von Erfrierungsschäden am Gewebe. Replantationen des Penis mit mikrochirurgischen Techniken haben bezüglich der Funktion und Kosmetik eine gute Prognose und sollten unbedingt angestrebt werden. Bei nichtreplantierbaren Organen werden die Blutungen aus den Corpora durch Setzen von Ligaturen gestillt und Teile der verbliebenen Penisschafthaut zur Deckung der Amputationsfläche verwendet. Die Urethra wird dabei ringförmig mit dem neuen Meatus in die Penisschafthaut eingenäht. Komplikationen Hauptkomplikationen bei der Penisamputation sind Infektionen durch verschmutzte Wunden, die Striktur der Urethra im Bereich der Anastomose und Impotenz durch die begleitenden Nervenverletzungen.Abstoßung und Ischämie des Replantats kommen vor. Nachkontrollen Langzeitkontrollen und die Betreuung der betroffenen Patienten sind aufgrund der psychischen und organischen Schäden angezeigt. Bei nichtreplantierten Organen sind nach der Abheilung der Primärverletzungen und nach psychischer Stabilisierungsphase rekonstruktive Eingriffe mit dem Patienten zu erörtern.
a
b Grad I Kontusion
Grad II Ruptur mit Parenchymprolaps undHämatozele
26.5.4 Hodenquetschung, Hodenprellung und Hodenkapselruptur Ursache Bei den Hodenverletzungen unterscheidet man in den Schweregraden 쐌 쐌 쐌 쐌
Kontusion (Grad I), Ruptur der Hodenhüllen (Grad II), Fraktur des Parenchyms (Grad III) und Hodenfragmentation (Grad IV)
(Sauvage et al. 1988; Abb. 26.15 a–d). Die Verletzungen entstehen durch ein Anpralltrauma beim Spiel und Sport (Fahrradstange, Stoßverletzung) oder infolge von Raufhandlungen (Fußtritte, Schläge; Wan et al. 2003). Unfälle im Straßenverkehr mit Überrolltraumen sind ebenfalls von Bedeutung. Penetrierende Verletzungen kommen als Pfählungsverletzungen, Stich- oder Schusswunden vor. Abscherverletzungen der Skrotalhaut können in Ausnahmefällen auch die Hoden betreffen (über begleitende Verletzungen der Urethra und des Penis s. Abschn. 26.4 und 26.5.1). Klinik Die Hodenquetschungen oder -prellungen sind stark schmerzhaft. Die Schmerzen strahlen oft in den Unterbauch aus. In der Akutphase können Übelkeit und Erbrechen auftreten. Es kommt zu einer Schwellung der Hoden unterschiedlicher Ausprägung mit Skrotalhämatom. Durch die Schwellung des Skrotums sind die Hoden palpatorisch gelegentlich nur schwer abgrenzbar.
c
d Grad III Fraktur des Hodens Hämatozele
Grad IV Fragmentation mit Hämatozele
Abb. 26.15 a–d. Klassifikation des Hodentraumas. a Grad I: Kontusion. b Grad II: Ruptur mit Parenchymprolaps und Hämatozele. c Grad III: Fraktur des Hodens, Hämatozele. d Grad IV: Fragmentation mit Hämatozele
26.5 Verletzungen der äußeren Geschlechtsorgane
Diagnostik Neben der klinischen Untersuchung ist die Sonographie das entscheidende Untersuchungsverfahren. Mit ihr lässt sich eine Hodenverletzung mit oder ohne Kapselverletzung am schnellsten beurteilen (Lewis u. Mitchell 1991; Micallef et al. 2001). Mit Hilfe der Farbdoppleruntersuchung kann über die Parenchymdurchblutung (ggf. im Seitenvergleich) Aussagen gemacht werden (Abb. 26.16). Bei Kleinkindern ist dies gelegentlich schwierig und bedarf entsprechender Erfahrung. Die Dopplersonographie sollte anfänglich mehrfach wiederholt werden, da die Schwellung des Parenchyms in den ersten Stunden zunimmt und die Hodendurchblutung dadurch abnimmt (Gefahr des Hodenkompartmentsyndroms). Die MRT-Untersuchung ist besonderen Fragestellungen vorbehalten. Therapie Die einfache Hodenquetschung oder -prellung wird konservativ symptomatisch behandelt. Ruhigstellung und ggf. ein Suspensorium für etwa 2 Wochen sowie eine ausreichende Analgesie und lokale Kühlung sind erforderlich. Präparate wie Ibuprofen, die gleichzeitig eine entzündungshemmende Wirkung aufweisen, werden unterstützend verordnet. Bei einer Hodenkapselruptur oder fehlender Hodendurchblutung ist die Hodenfreilegung obligat (Haas et al. 1999). Nach Ausräumung des Hämatoms erfolgt die lockere Kapseladaptation mit resorbierbarem Nahtmaterial, wenn dies ohne Spannung der Naht möglich ist. Eine Drainage in das Skrotum wird für 2–3 Tage eingelegt. Bei mittelgradigen und schweren Genitalverletzungen oder bei offenen Wunden ist eine antibiotische Prophylaxe notwendig.
Bei unklarem Befund der Hodendurchblutung muss das Skrotum operativ exploriert werden. Ist der Hoden nicht mehr durchblutet, oder muss er aus anderen Gründen entfernt werden, so wird der verbleibende Testikel prophylaktisch mit 2 versetzten, resorbierbaren Nähten (z. B. Vicryl 4/0) im Skrotum an der Tunica Dartos fixiert, um einer Hodentorsion vorzubeugen. Die Orchiektomie erfolgt durch separate Ligatur der Hodengefäße und des Ductus deferens im Inguinalkanal. Komplikationen Als Komplikationen eines Hodentraumas findet man Hämatome des Hodenparenchyms, Hämatozelen, Hodeninfarkte, Hodenwachstumsstörungen (Hypoplasie), Hodenatrophie, Orchitis, Epidymitis, Skrotalphlegmone und Infertilität (Cross et al. 1999). Nachkontrollen Ultraschalluntersuchungen nach 6–12 Monaten geben Hinweise über Vernarbungen und dauerhafte Parenchymschädigungen nach einem Trauma. Nach Abheilen der Wunde und frühestens nach 6–12 Monaten kann bei orchiektomierten Patienten eine Hodenprothese in das Skrotum eingesetzt werden, um den normalen äußeren Aspekt wieder herzustellen. Dies ist insbesondere für Kinder wichtig, da sie sonst häufig Hänseleien oder Ausgrenzungen und psychischen Belastungen ausgesetzt sind. Über diese Möglichkeiten sollten mit den Eltern und möglichst auch mit den betroffenen Kindern frühzeitig Gespräche geführt werden.
26.5.5 Straddle-Verletzungen beim Mädchen Ursache Die Straddle-Verletzung ist die häufigste Verletzung des äußeren Genitale beim Mädchen. Sie entspricht einer starken Prellung durch einen Sturz mit dem Genitalbereich auf einen stumpfen Gegenstand (Klettergerüststange, Fahrradlenker, Spielzeug, Baumäste, Badewannenrand usw.; Scheidler et al. 2000). Klinik Der Grad der Straddle-Verletzungen reicht 쐌 von kleineren Rötungen der Haut und Schleimhaut mit und ohne Abschürfungen, 쐌 über starke Schwellungen der Weichteile mit erheblichen Hämatomen bis hin zu 쐌 Weichteilverletzungen mit tiefen Riss-Quetsch-Wunden und Verletzungen der Vulva, des Scheideneingangs, der distalen Harnröhre und des Perineums Abb. 26.16. Hodenhämatom nach Trauma. 12-jähriger Junge. Sonographiebefund
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(Abb. 26.17 a,b; vgl.Abb. 26.8 a,b).Auch der Dammbereich mit dem Sphincter ani externus kann betroffen sein. Bei tieferen Verletzungen kommt es meistens zu stärkeren Blutungen aus den in der Subkutis verlaufenden Ästen der A. und V. pudendi externa und interna. Die Region um die Klitoris ist fast immer mit betroffen und führt zu erheblichen Schmerzen beim Gehen und Brennen beim Wasserlassen. Die Kinder neigen daher zum reflektorischen Harnverhalt. Platzwunden der Labien sind häufig. Anfänglich imponieren die Verletzungen durch stärkere Blutungen aus dem Subkutangewebe, die aber meistens rasch durch Verklebung von selbst sistieren. Bei geringem Trauma ist eine subtile Inspektion der Anogenitalregion für die Diagnostik meist ausreichend. Da insbesondere kleinere Kinder diese Inspektion aber aus Angst oder wegen der Schmerzen nicht zulassen, die Anamnese nicht immer zweifelsfrei erhoben werden kann und immer auch eine Harnröhrenbeteiligung ausgeschlossen werden muss, führen wir diese Untersuchung immer in Narkose und Steinschnittlage durch. Beim geringsten Verdacht auf eine Harnröhrenbeteiligung oder Verletzung der Scheide sollte die Untersuchung durch eine Urethroskopie bzw. Vaginoskopie ergänzt werden (Merrit 1999). Bei unklarem Unfallhergang muss ein sexueller Missbrauch ausgeschlossen werden (Greaney u. Ryan 1998). In diesen Fällen werden Abstriche auf Clamydien und Spermien entnommen.Wenn möglich ist eine medizinische Fotodokumentation auffälliger Befunde durchzuführen. Therapie Oberflächliche Riss-Quetsch-Wunden werden lokal mit entzündungshemmenden Salben oder Cremes (z. B. Be-
Abb. 26.17. a Typische Prellungsverletzung des weiblichen Genitale (5 Jahre) durch Sturz auf eine Klettergerüststange. Schwellung und Hämatom der Labia minora und von Anteilen der Labia majora, geringes Ödem des Meatus urethrae. Konservative Therapie. b Riss-Quetsch-Wunden der großen Labien beidseits nach Sturz mit dem Genitale auf den Badewannenrand. Operative Versorgung durch Naht
panthen, Baneocin) mehrmals täglich behandelt. Die Salben vermindern zusätzlich die Beschwerden bei der Miktion, da sie den Kontakt von Urin zur verletzten Haut- und Schleimhaut reduzieren. Bei größeren Verletzungen der Schleimhaut oder Beteiligung der Region des Meatus urethrae oder der Harnröhre selbst ist die Einlage eines transurethralen Harnblasenkatheters für einige Tage sinnvoll, um die Harnentleerung und die Pflege zu erleichtern. Tiefere Schleimhautverletzungen der Vulva werden durch adaptierende Einzelknopfnähte mit resorbierbarem Nahtmaterial (z. B. 6/0 Vicryl rapid) versorgt. Vorhandene Blutungsquellen werden ligiert oder umstochen. Die Verwendung des Elektrokauters im Bereich der Harnröhrenmündung sollte unterbleiben. Für die diagnostische Urethrozystoskopie verwendet man bei Kindern 30°-Winkel-Zystoskope der Größen 6–14 Charr mit Spül- und Arbeitskanal. Große Hämatome sind bei Kindern selten. Wenn sie inzidiert werden müssen, sollte eine Drainage für 24–48 Stunden eingelegt werden. Nachkontrollen Ein Harnkatheter wird nach Abklingen der Akutschwellung wieder entfernt. Die Salbenbehandlung erfolgt bis zum vollständigen Wundschluss. Kamillesitzbäder, 1–2 pro Tag, zur Entfernung der alten Salben- und Sekretreste unterstützen die Heilungsphase. Mechanische Irritationen, Druck auf das Verletzungsgebiet und insbesondere Fahrradfahren sind für 1–2 Wochen zu meiden. Kurzfristige Wundkontrollen zum Ausschluss von Sekundärinfektionen sind zu empfehlen. Der prophylaktische Einsatz von Antibiotika ist meist entbehrlich (zum Vorgehen bei Harnröhrenverletzungen s. Abschn. 26.4).
26.5 Verletzungen der äußeren Geschlechtsorgane
26.5.6 Pfählungsverletzungen und Verletzungen durch Stich- und Schusswaffen Ursache Im Kindesalter treten Pfählungsverletzungen am häufigsten bei Spielunfällen auf. Das Überklettern spitzer Zäune oder Stürze von Bäumen sind die häufigsten Ursachen. Verletzungen durch sexuellen Missbrauch müssen immer ausgeschlossen werden (Kadish et al. 1998). Messerstichverletzungen oder Schusswunden sind in Europa glücklicherweise selten (Armenakas et al. 1999; Ersay u.Akgün 1999; Velmahos et al. 1998).Verletzungen durch instrumentelle Manipulationen oder durch sexuelle Handlungen im Anogenitalbereich sind im Kindesalter selten (Öztürk et al. 2002). Klinik Die Klinik richtet sich nach den betroffenen Organ- und Körperregionen. Bei äußeren Schuss- oder Stichverletzungen ab etwa Höhe Xiphoid des Sternums bzw. Brustwirbelkörper 11/12 muss auch an eine Verletzung der Nieren und der ableitenden Harnwege gedacht werden (Wessels et al. 1997). Bei schrägem Stich- oder Schusskanal oder durch Ablenkung des jeweiligen Projektils im Körper selbst können die äußeren Wundflächen noch weiter von dem verletzten Organ entfernt gelegen sein. Pfählungsverletzungen betreffen in erster Linie den Abdominalbereich und das Anogenitale. Die in der jeweiligen Umgebung gelegenen Organe und Strukturen können einzeln oder kombiniert betroffen sein. Entsprechend sind bei der Diagnostik alle diese Strukturen im Einzelnen auf ihre Integrität hin zu überprüfen. Die klinischen Symptome können sich erst im Verlauf von Stunden entwickeln oder, wie z. B. bei Gefäßverletzungen, durch die Blutungen zum raschen Kreislaufschock führen. Urinextravasate aus Niere, Ureter oder Harnblase zeigen meist eine schleichende Befundverschlechterung mit zunehmenden Schmerzen und steigenden Entzündungszeichen (Fieber, Labor). Eine Hämaturie kann initial fehlen. Verletzungen des Dünndarms, Kolons oder des Rektums führen zur Peritonitis bei intraabdomineller Ausbreitung oder zu pararektalen und retroperitonealen Entzündungen, wenn die Bauchhöhle selbst nicht betroffen ist. Darmmotilitätsstörungen mit Ileuszeichen sind als Folge der Entzündung nicht selten. Bei Verletzungen der Vagina können sich Entzündungen entlang der Organstruktur im Beckenbodenbereich und retroperitoneal ausbreiten. Diagnostik Neben den üblichen Serum- und Blutparametern zur Erfassung von Entzündungszeichen, Hb-Abfall und Elektrolytverschiebungen ist die Harnanalyse für den Nachweis einer Hämaturie erforderlich. Letztere sollte entweder als Mittelstrahlharn spontan gewonnen wer-
den oder nach sonographischer Kontrolle durch suprapubische Punktion. Ist eine Urethraverletzung auszuschließen, kann ein transurethraler Katheterharn gewonnen werden. Nach der klinischen Untersuchung erfolgt die bildgebende Diagnostik mit Sonographie des Abdomens und Retroperitoneums, Abdomenübersichtsröntgenaufnahme im Stehen oder in Patientenseitenlage links und eine Kontrastmittel-CT des Abdomens und des Beckens. Zum Ausschluss einer Urethraverletzung ist ggf. eine retrograde oder antegrade Urethrographie anzuschließen. Verletzungen der Vagina und des Rektums bedürfen der direkten klinischen Inspektion. Falls nicht bereits in der CT sicher nachzuweisen oder auszuschließen, muss bei Verdacht auf Ureterverletzung eine IVP durchgeführt werden. Vaginaler und rektaler Ultraschall bleiben speziellen Fragestellungen vorbehalten. Therapie Das Vorgehen bei Verletzungen durch Pfählung oder Waffenkontakt erfolgt sehr individuell. Grundsätzlich ist bei allen inneren Verletzungen dieser Art eine operative Exploration des Stich-, Schuss- oder Pfählungskanals angezeigt. Bei Verletzungen des Peritonealraums sollte eine Laparotomie erfolgen. Bei der Beteiligung des Darms oder der Vagina ist zur Infektionsprophylaxe frühzeitig eine breite antibiotische Therapie gegen aerobe und anaerobe Keime zu beginnen. Dies gilt auch bei Verletzungen anderer Organe wie Niere, Ureter oder Harnblase. Eine suffiziente Harnableitung durch einen suprapubischen Katheter ist notwendig. Das chirurgische Management folgt den Standardprinzipien in der Chirurgie: Ausdehnung der Verletzungen festlegen, Entfernen von Nekrosen oder Fremdkörpermaterialien, Blutstillung; anatomiegerechte Rekonstruktion der Organe, ggf. Anlage eines Anus praeter, Spülung und Drainage der Wundhöhlen, Antibiotikaschutz und Gewährleistung des Tetanusschutzes. Komplikationen Die häufigsten Komplikationen sind Nachblutungen und Infektionen des Abdomens und des Retroperitoneums. Insbesondere der Keimeintrag durch die Stichwaffe oder den Pfählungsgegenstand selbst bedeutet eine große Infektionsgefahr. Bei gleichzeitiger Verletzung des Darms steigt die Infektionsrate deutlich an. Durch Verletzungen der harnableitenden Organe oder deren operative Rekonstruktionen kommen Stenosen, Anastomoseninsuffizienzen oder Harnfisteln vor. Nach Verletzungen von Gefäßen sind Durchblutungsstörungen mit Funktionsverlust des betroffenen Organs möglich. Nachkontrollen Nachkontrollen betreffen die Funktionsüberprüfung der verletzten Organe und müssen individuell dem Verletzungsgrad angepasst werden. Grundsätzlich bietet die Sonographie eine gute Möglichkeit der raschen
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Kapitel 26 Traumatische Verletzungen des Urogenitalsystems beim Kind
Überprüfung von Harnabflussstörungen im oberen Harntrakt und zum Ausschluss von Extravasaten. Funktionsüberprüfungen der Nieren selbst sind mit der Szintigraphie durchzuführen.
rückseite werden 2 Haltenähte an der vermutlichen Basis des Flaps im Abstand von etwa 3–4 cm gesetzt und die Harnblase nach ventral U-Haken-förmig eröffnet. Die Länge der Seitenlinien des Flaps entspricht dabei der benötigten Distanz zum Ureter plus der erforderlichen Tunnellänge für den Harnleiter von etwa 3–4 cm.
26.6 Operative Zugangswege und Methoden Psoas-Hitch und Boari-Flap Indikation. Der Boari-Flap dient der Neuimplantation eines verkürzten Harnleiters (z. B. bedingt durch traumatische Ruptur oder langstreckige Stenose) in die Harnblase. Zugang. Der Zugang erfolgt in Rückenlage des Patienten. Die Harnblase wird mit einem transurethralen oder suprapubischen Blasenkatheter mit physiologischer Kochsalzlösung aufgefüllt und operativ freigelegt (s. unten, »Zugangswege zur Harnblase«). Die Harnleiter werden angeschlungen und der Ureterdefekt exzidiert. Das Volumen in der Harnblase wird nun auf etwa die Hälfte reduziert und die Harnblasenwand nach kranial hinüber zur betroffenen Seite auf den M. psoas gezogen. Erreicht die Blasenumschlagfalte das distale Uretersegment ohne große Spannung, so reicht im Allgemeinen die Fixierung der Harnblase auf dem Muskel und die Neuimplantation des Ureters in der Blasenhinterwand zur Rekonstruktion aus (Psoas-Hitch). In diesem Fall wird die Harnblasenhinterwand entlang des M. psoas mit mehreren kräftigen Nähten am sehnigen Muskelansatz nach kranial fixiert. Zwischen 2 Haltefäden wird die Blasenvorderwand gehalten und quer eröffnet. Die Inzision wird in Längsrichtung gedehnt und so eine Blasenwandausziehung entlang des Psoas gebildet. An der ausgewählten Stelle für das Neoostium wird die Blasenschleimhaut inzidiert und die Schleimhaut nach kranial untertunnelt. Die Länge des Tunnels sollte je nach Alter des Kindes etwa 3–4 cm betragen (etwa 5bis 7-mal der Ureterdurchmesser). Am kranialen Tunnelende wird die Blasenwand schräg durchstoßen und der Ureter mit Hilfe von Haltefäden in diesen hineingezogen. Das Ende des Ureters wird in die Blasenschleimhaut zirkulär mit Einzelnähten fixiert.An der Uretereintrittsstelle in die Blasenwand werden ebenfalls 3–4 Nähte am Ureter gesetzt, um ein Zurückziehen des Ureters aus dem Schleimhauttunnel zu verhindern. Auf einen geraden Verlauf des Ureters auf dem Weg in die Blase ist unbedingt zu achten. Die Ureterostien beider Seiten werden mit je einem Ureterkatheter geschient und nach außen durch die Bauchdecke abgeleitet. Die Blase wird anschließend mit zweireihiger Naht in Längsrichtung verschlossen. Reicht der Psoas-Hitch für eine Neuimplantation nicht aus, verwendet man den Boari-Flap (Abb. 26.18 a–c). Die Harnblase wird wie beim Psoas-Hitch am M. psoas mit mehreren Nähten fixiert. An der Blasen-
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b Abb. 26.18 a–c. Ureterozystoneostomie mit Boari-Flap. a Blasennahe Ureterruptur und markierte Schnittführung an der Harnblase für den Boari-Flap. b Präparierter Blasenlappen mit Basis an der dorsalen Blasenwand und antirefluxive Implantation des Ureters an der Spitze des Boari-Flaps in einem submukösen Tunnel. c Tubularisierung des Blasenlappens und Fixierung am M. psoas
26.6 Operative Zugangswege und Methoden
Hierbei sollte von kaudal nach kranial vorgegangen werden, um das Peritoneum nicht zu eröffnen. Ein Bauchdeckensperrer wird eingesetzt. Das Bauchfell kann nun von der Harnblase und von der seitlichen Bauchwand abgeschoben werden, und der Ureter wird in Höhe des Kreuzungspunktes über den Iliakalgefäßen bzw. vor dem M. psoas aufgesucht und angeschlungen. Er kann nun in seinem Verlauf bis zum Übergang zum nierennahen Drittel dargestellt werden. Muss auch dieser Anteil des Harnleiters exploriert werden kann die Inzision beliebig erweitert werden. Beim transabdominellen Zugang wird der Bauchraum eröffnet und das Peritoneum entlang des lateralen Kolonrandes durchtrennt. Das Kolon wird nun nach medial abgeschoben und die Ureter aufgesucht und angeschlungen. Bei der blasennahen Präparation der Ureter ist beim Jungen auf die Samenleiter zu achten. Die Blutgefäße zu den Gonaden sind zu schonen.
c Abb. 26.18 c.
Das freie Ende des Flaps hat dabei eine Breite von etwa 3 cm (etwa 4-fache Breite des Ureters) für die erforderliche Implantation und Tubularisierung. Die Mukosa des Flaps wird etwa 4 cm zentral des Blasenlappens inzidiert und in die Richtung des freien Endes untertunnelt. Der Ureter kann nun entsprechend dem o. g. Verfahren für den Psoas-Hitch neoimplantiert werden. Der Flap wird anschließend tubularisiert und zweischichtig zu einer kegelförmigen Ausziehung der Blase genäht und nochmals am M. psoas angeheftet. Der Blasenverschluss erfolgt entsprechend dem Verfahren beim Psoas-Hitch. In die Harnblase wird ein großlumiger suprapubischer Katheter (Pezzer-Katheter) zur Urinableitung eingelegt und fixiert. Die Ureterkatheter werden ebenfalls durch die Bauchwand ausgeleitet und fixiert. Zugangswege zum Ureter Der distale Ureter kann durch die Zugangswege zur Harnblase gut dargestellt werden (Inzision nach Pfannenstiel s. dort). Bei unklarer Ausdehnung der Ureterverletzung (evtl. auch beidseits) empfiehlt sich der Zugang über eine mediale Unterbauchinzision, die sowohl transabdominal als auch extraperitoneal weitergeführt werden kann. Eine pararektal nach kranial verlängerte, Hockeyschläger-förmige Hautinzision im Unterbauch ist ebenfalls möglich und bietet eine gute Darstellbarkeit und Übersicht über den Harnleiter der betroffenen Seite bei eingeschränkter Beurteilbarkeit der Gegenseite. Beim medialen Unterbauchzugang wird die Haut vom Nabel bis zur Symphyse in der Mittellinie inzidiert und die Subkutis durchtrennt. Die Bauchdeckenfaszie wird dargestellt und in der Linea alba längs eröffnet.
Zugangswege zur Harnblase Standardzugang zur Harnblase ist die Inzision nach Pfannenstiel. Die quere Inzision der Haut erfolgt oberhalb der Symphyse in einer Hautfalte über etwa 2 Drittel der dort vorliegenden Breite des Beckens. Die Harnblase wird zuvor über einen Harnkatheter mit physiologischer Kochsalzlösung gut aufgefüllt und ist durch die Bauchdecke palpabel. Das Becken wird mit einer Schaumstoffrolle unterstützt, sodass der Unterbauch leicht überstreckt wird und den höchsten Punkt des Körpers bildet. Nach der Haut wird das Subkutanfett mit der Diathermie durchtrennt und die Rektusfaszie dargestellt. Nach Pfannenstiel wird die Faszie quer eröffnet, die Muskeln in der Linea alba auseinandergedrängt und die Harnblase durch stumpfes Abschieben des Peritoneums dargestellt. Die Harnblasenwand kann nun mit Haltefäden markiert und in der Mittellinie eröffnet werden. Bei Bedarf können die M. recti auch quer durchtrennt werden, um den Zugang zu erweitern. Zugangswege zur männlichen Urethra Siehe dazu Abb. 26.19 a–c. Indikation. Die Freilegung der Urethra ist erforderlich bei traumatischer Verletzung, Abriss oder Striktur. Nur selten ist dieser Eingriff unmittelbar nach einem Trauma im Rahmen der Komplettversorgung des Patienten sinnvoll. Er wird meist als Sekundäreingriff planbar. Die Urethra kann im Bereich des Perineums oder unmittelbar an der Ventralseite des Penis freigelegt werden und richtet sich nach dem Ort der Schädigung. Operative Freilegung der infraprostatischen (bulbospongiösen) Urethra. Der Patient wird in Steinschnittlage gelagert und das Skrotum mit einem Klebestreifen nach ventral fixiert. Ein halbovaler Hautschnitt, mit seiner Basis zum Analring und der Kuppe am Skrotalansatz, wird angelegt (vgl. Abb. 26.19 a). Die Haut
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Kapitel 26 Traumatische Verletzungen des Urogenitalsystems beim Kind Corpora cavernosa Urethra
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durchtrennte Urethra
Abb. 26.19. a Medialer Sagittalschnitt der männlichen distalen Harnorgane (Übersicht). b Hautinzision am Perineum zur Darstellung der infraprostatischen Urethra bei Ruptur- oder Abrissverletzung des Jungen. c Präparation der Urethra im Perinealbereich
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26.6 Operative Zugangswege und Methoden
wird in der Subkutanschicht von der Skrotalseite aus abpräpariert und der M. bulbocavernosus in der Mittellinie längs gespalten.. Darunter befindet sich die Urethra mit den Corpora cavernosa zu beiden Seiten. Das Operationsgebiet wird mit einem Selbsthaltespreizer offen gehalten. Ein Katheter oder eine Sonde mit altersentsprechender Größe wird vom Meatus aus in die Urethra bis zum Ort der Schädigung vorgeschoben. Die Urethra wird nun zu beiden Seiten freipräpariert und von den Corpora cavernosa gelöst. Ein unter der Harnröhre hindurch geführtes Gummibändchen erleichtert die weitere Präparation. Es ist wichtig, eine gute Mobilisation der Urethra nach proximal und distal zu erreichen, um die spätere Anastomose spannungsfrei durchführen zu können (vgl. Abb. 26.19 b). Nach proximal ist die Mobilisation aber durch die Prostata sehr limitiert. Es muss darauf geachtet werden, dass die Spongiosa der Urethra bei der Präparation nicht verletzt wird (Fistelbildung!). Die freigelegte Urethra wird distal und proximal der Stenose oder Verletzung reseziert und die End-zu-EndAnastomose entsprechend der Anastomosentechnik des Ureters (vgl. Abb. 26.7 a–d) durchgeführt. Bei längerstreckigen Strikturen sind evtl. andere Operationstechniken unter Verwendung von Haut-Patches oder die Interposition von tubularisierten Hautlappen zur Überbrückung der Distanz oder des Defekts nötig (s. hierzu entsprechende Lehrbücher zu urologischen Operationen). Zur Vermeidung von neuerlichen Strikturen werden die Urethrastümpfe entweder leicht angeschrägt oder am proximalen Stumpf dorsalseitig und am distalen Stumpf ventralseitig über etwa 2 mm in Längsrichtung eingekerbt. Die Anastomosierung erfolgt mit Einzelknopfnähten mit 6/0-Vicryl. Man beginnt die Anastomose an der Hinterwand der Urethra. Die Nähte liegen in der Adventitia und die Knoten an der Außenseite. Die Mukosa sollte möglichst nicht oder nur wenig mit der Naht gefasst werden, um einen wasserdichten Verschluss zu erhalten und eine Fistelbildung zu vermeiden. Die Anastomose wird mit einem transurethralen Ballonkatheter für etwa 10 Tage geschient. Die Urethra wird mit einzelnen Nähten wieder an den Corpora cavernosa fixiert und der M. bulbospongiosus in der Mittellinie vereint. Der Hautverschluss erfolgt vorzugsweise mit resorbierbarer intrakutaner Hautnaht. Eine antibiotische Prophylaxe mit Augmentin bis zum Entfernen des Katheters ist sinnvoll. Zugangswege zur Niere Indikation. Die Nieren können von dorsal, lateral oder ventral operativ erreicht werden. Für die meisten traumatologischen Eingriffe an den Nieren eignen sich die lateralen oder ventralen Zugangswege am besten.
Operationstechnik. Der anterolaterale Flankenschnitt eignet sich insbesondere bei Kindern für alle Nephrektomien, partielle Nephrektomien und Polresektionen, Pyeloureteroplastiken und Operationen am Nierenbecken, Nierenparenchym und proximalen Ureter. Nicht geeignet ist er für Operationen an den großen Nierengefäßen. Für den lateralen oder anterolateralen Flankenschnitt wird der Patient zunächst in halbschräger Position auf dem Rücken gelagert. Die Operationsseite wird mit Tüchern oder Schaumstoffrollen erhöht. Die Flanke muss dabei frei bleiben, falls der Schnitt weiter nach dorsal verlängert werden soll. Entlang des Verlaufes der 12. Rippe wird die Haut von der Mamillarlinie bis zur vorderen Axillarlinie quer durchtrennt (vgl.Abb. 26.4 a). Die Subkutis wird geteilt und die Muskelfaszie dargestellt. Mit der Diathermie werden die 3 seitlichen Bauchdeckenmuskeln schichtweise durchtrennt. Die innere Muskelschicht kann dabei meist stumpf auseinandergedrängt werden: Das Peritoneum wird nach medial abgeschoben und mit Langenbeck-Haken die Sicht auf die Gerota-Faszie retroperitoneal freigegeben. Die Faszie wird inzidiert und das perirenale Fett abgeschoben bis die Niere und das Nierenbecken freiliegen. Besondere Vorsicht ist hierbei an der Medialseite der Nieren geboten, da hier die Gefäße z. T. über das Nierenbecken hinweg verlaufen und in den großen Nierengefäßen münden. Der Ureter wird an seinem Ursprung am Nierenbecken angeschlungen. Beim operativen Zugang über eine mediane Laparotomie erreicht man die linke Niere nach Inzision des parietalen Peritoneums entlang des lateralen Rands vom Colon descendens. Das Kolon wird nach medial geklappt und die Gerota-Faszie eröffnet. Die Niere kann bis zur Einmündung der Gefäße in die Aorta und V. cava dargestellt werden. Die rechte Niere wird entsprechend durch Mobilisation der rechten Kolonflexur dargestellt. Einen direkten Zugang zu den Nierengefäßen erhält man durch Inzision des dorsalen Peritoneums entlang des linken Seitenrands der Aorta in Höhe der V. mesenterica inferior (Abb. 26.20 a–c). Der Dünndarm wird nach kranial gelagert, um den Blick auf die mittleren und kaudalen Abschnitte der Aorta freizugeben. Durch Präparation entlang der Aorta nach kranial erreicht man die kreuzende linke V. renalis. Das Gefäß wird angeschlungen und nach kranial gehalten. Von der Aorta entspringen unterhalb der V. renalis sinistra die linke und die rechte A. renalis. Die Gefäße werden angeschlungen. Schließlich wird die rechte V. renalis dargestellt und angeschlungen. Sie entspringt etwa auf gleicher Höhe oder etwas distal des Abgangs der linken V. renalis.
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Kapitel 26 Traumatische Verletzungen des Urogenitalsystems beim Kind V. renalis sinistra V. renalis dextra
a V. mesenterica inf.
V. testicularis A. renalis dextra
A. renalis sinistra
c
b Abb. 26.20 a–c. Operativer Zugang zu den Nierengefäßen. a Transabdomineller Zugang durch mediane Laparotomie. b Inzision des Retroperitoneums medial der V. mesenterica inferior von der A. mesenterica inferior bis zum Treitz-Band. c Abgänge der Nierengefäße von Aorta und V. cava inferior. Anschlingen der dargestellten Gefäße. Beachte die enge Lagebeziehung der Nierenvene zur Nierenarterie auf beiden Seiten
Pyeloplastik nach Anderson-Hynes Indikation. Die Technik dient der Anastomosierung des proximalen Ureters mit dem Nierenbecken bei Patienten mit Ureterabgangsstenose oder Verletzungen des pyeloureteralen Übergangs.
Operationstechnik. Nach Freilegung der Niere wird der Ureter angeschlungen. Am Nierenbecken werden feine Haltefäden im Abstand von etwa 5 mm entlang der Grenze zum Nierenparenchym angelegt. Der Ureter erhält ebenfalls eine Haltenaht distal der Engstelle oder Verletzung. Der Ureter wird zwischen der Haltenaht und der Stenose/Verletzung durchtrennt und das Nierenbecken, unter Belassen der Haltefäden an der Niere, rautenförmig zusammen mit dem proximalen Uretersegment exzidiert. Der Ureter wird in seinem kranialen Abschnitt unter Schonung der Durchblutung mobilisiert und kontralateral der Haltenaht mit einer geraden Schere über eine Strecke von etwa 1 cm längs inzidiert. Es ist darauf zu achten, dass der Ureter sich hierbei nicht verdreht oder abknickt! Der Scheitelpunkt der V-förmigen Ureterinzision wird nun mit 6/0-Vicryl mit dem tiefsten Punkt des kaudalen Nierenbeckenrands anastomosiert. Die Anastomosennaht beginnt an der Nierenbeckenhinterwand mit außenliegenden Einzelknopfnähten oder als fortlaufende 5/0- oder 6/0-Vicryl-Naht. Die Nierenbeckenränder werden im kranialen Teil mit fortlaufender Naht verschlossen. Vor der Naht der Vorderwandanastomose wird ein Pyelostomiekatheter mit filiformem Schlauchansatz durch das kraniale Nierenbecken oder kraniale Nierengewebe in das Nierenbecken eingelegt und der Ansatz über die Anastomose in den Ureter vorgeschoben. Der dicke Anteil des Katheters mit den Drainageöffnungen verbleibt im Nierenbecken, und die Anastomose kann beendet werden. Über den Pyelostomiekatheter kann mit Kochsalzlösung die Anastomose auf Dichtigkeit überprüft werden. Alternativ zum genannten Pyelostomiekatheter kann auch ein Double-J-Katheter eingelegt werden. Bei traumatischen Läsionen der
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Literatur
Niere empfiehlt sich immer die Einlage eines perirenalen »Jackson-drains«. Die Bauchdecke wird anschließend schichtweise geschlossen und die Drainagen an der Bauchhaut angenäht. Ureterozystoneostomie nach Cohen Indikation. Das Verfahren dient zur antirefluxiven Neuimplantation des Ureters in die Blase. Operationstechnik. Nach Darstellen der Harnblase wird diese zwischen Haltefäden längs eröffnet. Das neu zu implantierende Ureterostium wird mit einer Haltenaht fixiert, zirkulär umschnitten und aus der Blasenwand herauspräpariert bis der Ureter sich spannungsfrei etwa 5 cm in die Blase hineinziehen lässt. Von der Schleimhautöffnung der Blasenwand aus wird nun mit der Schere ein submuköser Tunnel schräg entlang des Trigonums zur Gegenseite gebildet. Der Ureter wird kranial oder kaudal des Ostiums der Gegenseite in die Blasenwand eingenäht (5/0-Vicryl). Es ist darauf zu achten, dass der Ureter sich in dem submukösen Tunnel nicht verdreht, der Ureter sich nicht mit der anderen Seite überkreuzt und die Nähte am Ostium ausreichend Gewebe der Blasenwand mit gefasst haben, damit der Ureter sich nicht aus dem Tunnel retrahieren kann. Eine weitere Fixierungsnaht erfolgt an der primären Durchtrittsstelle des Ureters durch die Blasenwand. Der Schleimhautschlitz wird über dem Ureter verschlossen. Die intramurale und submuköse Ureterlänge muss mindestens 4 cm betragen (etwa das 5- bis 7-Fache des Ureterquerschnitts), um keinen VUR zu erzeugen. Beide Ureterostien und Harnleiter werden mit 4 Charr-Ureterkathetern geschient und durch die Bauchdecke nach außen abgeleitet. Die Harnblase wird zweireihig mit 2/0-Vicryl verschlossen. Ein suprapubischer Harnblasenkatheter (Pezzer-Katheter) wird vorher noch in die Blase eingelegt. Ureterozystoneostomie nach Politano-Leadbetter Indikation. Das Verfahren dient zur antirefluxiven Neuimplantation des Ureters in die Blase. Im Gegensatz zum Verfahren nach Cohen wird der Ureter nicht auf die Gegenseite geführt, sondern erhält in der ipsilateralen Blasenwand einen neuen submukösen Verlauf. Der Ureter wird z. T. extravesikal mobilisiert und präpariert. Operationstechnik. Die Blase wird zwischen 2 Haltenähten längs eröffnet und das Trigonum dargestellt. Das betroffene Ureterostium wird mit einer Haltenaht markiert, zirkulär umschnitten und aus der Blasenwand herausgelöst. Der Ureter wird vor der Blasenwand weiter mobilisiert und mit Hilfe der Haltenaht vor die Blasenwand geführt. Dieser Schritt kann auch direkt von extravesikal erfolgen. Auf den Ductus deferens und die kreuzenden Gefäße ist zu achten. Die ehemalige Ureter-
durchtrittstelle durch die Blasenwand wird mit 3/0Vicryl verschlossen. Kranial der ehemaligen Durchtrittstelle des Ureters durch die Blasenwand wird die Blasenwand mit einem Skalpell oder einer Klemme durchstoßen und die Öffnung gespreizt. Der Ureter wird mit dem Haltefaden durch die neue Inzision wieder in die Blase zurückgeführt. Von dieser Öffnung aus wird nun ein submuköser Tunnel in Richtung Trigonum präpariert, der Ureter dort hindurchgezogen und das Ureterende in die Blasenwand mit Einzelknopfnähten in die Blasenwand eingenäht (5/0-Vicryl). Es ist unbedingt darauf zu achten, dass der Ureter von extravesikal nach intravesikal einen gradlinigen Verlauf nimmt und nicht verdreht ist. Die intramurale und submuköse Ureterlänge muss mindestens 4 cm betragen (etwa das 5- bis 7-Fache des Ureterquerschnitts), um keinen VUR zu erzeugen. Beide Ureter werden mit Ureterkathetern geschient und die Blase mit einem suprapubischen Katheter drainiert. Die Harnblase wird zweireihig verschlossen.
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Kapitel 27
Das polytraumatisierte Kind
27
M. Walz, T. Kälicke, G. Muhr
27.1
Verletzungsmuster
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 920
27.2
Pathophysiologische Besonderheiten des Kindesalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 921
27.3
Präklinische Versorgung
27.4
Schockraummanagement . . . . . . . . . . . . . . . 923
27.5 27.5.1 27.5.2 27.5.3 27.5.4 27.5.5 27.5.6
Notfalldiagnostik und Primärmaßnahmen Schädel-Hirn-Trauma . . . . . . . . . . . . Thoraxtrauma . . . . . . . . . . . . . . . . Abdominaltrauma . . . . . . . . . . . . . . Wirbelsäulenverletzungen . . . . . . . . . Beckenfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . Extremitätenverletzungen . . . . . . . . .
27.6
Intensivtherapeutische Aspekte
. . . . . . . . . . . . . . . 921
. . . . . . .
. . . . . . .
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. . . . . . .
924 924 925 926 927 929 930
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 933
Die Definition des Polytraumas als »gleichzeitig entstandene Verletzung zweier oder mehrerer Körperregionen oder Organsysteme, wobei entweder eine Einzelverletzung oder die Kombination der erlittenen Verletzungen eine Bedrohung des Lebens bedingen«, ist uneingeschränkt auch bei Kindern gültig. In gleichen Maße sind Kinder durch die Auswirkungen von Hypovolämie, Hypotonie, Hypothermie, Ischämie, Gewebeschaden, Reperfusionssyndrom, SIRS (»systemic inflammatory response syndrome«), MODS (»multiple organ dysfunction syndrome«) und Sepsis bedroht. Die Frage, ab wann ein Kind bei unfallchirurgischen Fragestellungen nach den Richtlinien für Erwachsene behandelt werden soll, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Der wachstumsbedingte Übertritt vollzieht sich mit individuellen Schwankungen im Jugendalter, d. h. zwischen dem 14. und 16. Lebensjahr. Allgemein akzeptiert ist die Auffassung, dass Verletzte ab dem 16. Lebensjahr bezüglich Unfallkinematik und therapeutischer Strategien wie Erwachsene betrachtet werden können. Diese Trennung berücksichtigt anatomische und pathophysiologische Besonderheiten im Kindesund Jungendalter, die das diagnostische sowie therapeutische Vorgehen bei mehrfachverletzten Kindern beeinflussen. Die Kenntnis solcher Besonderheiten ist Grundvoraussetzung zur Behandlung unfallverletzter Kinder.
Als Beispiel sei auf die Kreislaufregulation bei Kindern hingewiesen, die bei der Entstehung eines Volumenmangelschocks durch eine gegenüber Erwachsenen längere Phase der Kompensation, jedoch eine umso fulminantere Dekompensation charakterisiert ist. Bezüglich der Volumensubstitution gilt der Satz: »Ein kleiner Topf ist schneller leer und läuft rascher über als ein großer.« In den USA zeugt der Aufbau eigener Pediatric Trauma Center von den Bemühungen einer Versorgungsoptimierung. Auch auf die Bedeutung dauerhaft verbleibender Unfallfolgen für die weitere physische und psychische Entwicklung des Kindes – nicht zuletzt vor dem Hintergrund volkswirtschaftlicher Aspekte – muss hingewiesen werden. Die Tatsache, dass Unfallverletzungen die häufigste Todesursache bei Kindern sind, unterstreicht die Notwendigkeit, sich mit diesem Themenkomplex zu beschäftigen, auch wenn Kinder – glücklicherweise – nur einen sehr geringen Anteil aller Schwerverletzten ausmachen. Häufigkeit Kinder sind von Unfallverletzungen bevorzugt zwischen dem 4. und 8. Lebensjahr betroffen. Die Gesamtverteilung weist 2 Gipfel im 7. und 12. Lebensjahr auf, Jungen sind häufiger als Mädchen betroffen (Breaux et al. 1990; Dallek et al. 1993; Hofmann v. Kap-Herr 1984; Huber et al. 1998; Kaufmann et jal. 1989; Mayr u. Fasching 1993; Reichmann et al. 1998). Es lässt sich eine Kombination der Schulanfangsjahre mit erhöhter Risikobereitschaft bei noch mangelnder Gefahreneinschätzung beobachten. Etwa die Hälfte der verunglückten Kinder befindet sich zum Unfallzeitpunkt in der Begleitung Erwachsener. Bei den Unfallarten steht der Verkehrsunfall mit 80–90% an erster Stelle, wobei Kinder 20 kg Normal Normal >90 mmHg Keine Keine
10–20 kg Beeinträchtigt Eingetrübt 50–90 mmHg Klein Geschlossen
29 6–9 1–5 0
RTS = A × 0,9368 + B × 0,7326 + C × 0,2908.
Dauerhafte, zur Berentung führende Unfallfolgen bei etwa 20% der polytraumatisierten Kinder resultieren zu jeweils etwa 50% aus Frakturen der unteren Extremitäten und höhergradigen Schädel-Hirn-Verletzungen (Mayr u. Fasching 1993; Reichmann et al. 1998; Wesson et al. 1989).
27.2 Pathophysiologische Besonderheiten des Kindesalters Die Aussage »Kinder sind keine kleinen Erwachsenen« besitzt gerade bei der Behandlung schwer verletzter Kinder – insbesondere im intensivmedizinischen Bereich – eminente Bedeutung. Unterschiede zur Reaktionsweise des erwachsenen Organismus müssen bekannt sein und berücksichtigt werden, will man folgenschwere, möglicherweise iatrogene Komplikationen vermeiden. Die wesentlichsten Unterschiede seien deshalb kurz erwähnt. Bezogen auf das Körpergewicht weisen Kinder einen wesentlich größeren Flüssigkeitsumsatz bei kleinerem Blutvolumen auf. Ein Blutverlust von 500 ml bedeutet für den Erwachsenen ein Defizit von etwa 10%, für ein 4-jähriges Kind den Verlust von etwa 40% und ein 10 Jahre altes Kind immerhin noch etwa 20% des zirkulierenden Blutvolumens. Aufgrund der bei Kindern altersabhängig höheren Herzfrequenz bei jedoch niedrigeren Werten für den systolischen wie auch den arteriellen Mitteldruck ist der gebräuchliche Schockindex (systolischer Blutdruck/ Herzfrequenz) nicht vom Erwachsenen auf Kinder übertragbar. Der kindliche Organismus ist anfälliger gegen Flüssigkeits- und Elektrolytverschiebungen (Eble et al. 1998). Die Niere besitzt im Kindesalter eine gegenüber Erwachsenen geringere Konzentrationsfähigkeit. Der Gesamtstoffwechsel bewegt sich wachstumsbedingt auf einem höheren Niveau als der des Erwachsenen. Kinder reagieren aufgrund geringerer Reserven der Puffersysteme bei Störungen der Homöostase mit einer ausgeprägten Neigung zur metabolischen Azidose (ebd.). Die Toleranz des kindlichen Gehirns gegenüber Hypoxie und Hyperkapnie liegt deutlich unterhalb der von Erwachsenen; die Ödemneigung ist wesentlich ausge-
prägter. Der Vermeidung und Behebung von Störungen der Oxygenierung wie auch der zerebralen Perfusion kommt deshalb eine entscheidende Bedeutung zu. Die gegenüber Erwachsenen proportional zum Körpergewicht größere Körperoberfläche macht Kinder anfälliger für eine Hypothermie und ist bei der Einschätzung von Verletzungen der Körperoberfläche entsprechend zu berücksichtigen. Die Behandlung polytraumatisierter Kinder stellt in den meisten Kliniken eher eine Ausnahme darn. Gerade deshalb muss man sich selbstverständliche Unterschiede wie eine deutlich niedrigere Stundenurinmenge im Rahmen des Monitoring immer wieder vergegenwärtigen, um fehlerhafte Konsequenzen eigenen Handelns zu vermeiden.
27.3 Präklinische Versorgung Aufgrund der flächendeckenden Verfügbarkeit der Rettungsdienste ist die notärztliche Versorgung unfallverletzter Kinder wie die von Erwachsenen gesichert. Baby- oder Kinder-Notarzt-Systeme sind die Ausnahme. Sie stehen in Deutschland nur punktuell zur Verfügung und sind nicht speziell auf unfallverletzte Kinder ausgerichtet. Schwerverletzte werden unabhängig vom Alter zu >70% bereits am Unfallort notärztlich behandelt und in die Klinik begleitet. Auch die Rate präklinischer Intubationen unterscheidet sich kaum und liegt für Kinder wie Erwachsene bei >40% (Reichmann et al. 1998). Untersuchungen aus den USA konnten keine relevanten Unterschiede in der präklinischen Versorgung der unter 12-Jährigen im Vergleich zu älteren Verletzten durch »paramedics« feststellen (Paul et al. 1999). Trotzdem stellt die Primärbehandlung schwerverletzter Kinder sehr hohe Anforderungen an Notarzt und Rettungsdienstpersonal. Obgleich sich die Grundprinzipien der notfallmedizinischen Versorgung nicht von denen bei Erwachsenen unterscheiden, müssen bei Kindern nachfolgende Besonderheiten berücksichtigt werden, um Komplikationen in der häufig entscheidenden Erstbehandlung zu vermeiden. Erstdiagnostik am Unfallort, Frakturimmobilisierung, Rettung und Lagerung erfolgen nach den für Erwachsene geltenden Regeln. Geringes Blutvolumen und eine sehr schmale Grenze zwischen kompensierter Hypovolämie und schwer zu behebender Kreislaufdekompensation erfordern erhöhte Aufmerksamkeit und Erfahrung bei der Beurteilung der Kreislaufsituation. Insbesondere äußerlich nicht erkennbare Volumenverluste durch intrathorakale oder intraabdominelle Blutungen können bei nichtaussagekräftigem Schockindex unter Umständen das Einleiten einer adäquaten Schockbehandlung durch Volumensubstitution verzögern.
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Kapitel 27 Das polytraumatisierte Kind
!
Erst Blutverluste von >30% führen aufgrund der spezifischen Reaktion des kindlichen Gefäßsystems zum Blutdruckabfall (Haller 1996). Mehr als der Blutdruck ist die Pulsfrequenz geeignet, einen Volumenmangel anzuzeigen, da die Steigerung der Herzfrequenz im Gegensatz zur Tonuserhöhung des peripheren Gefäßsystems einfacher zu objektivieren ist. Die Volumensubstitution erfolgt in der Regel über peripher-venöse Zugänge; nur bei nicht ausreichender Venenfüllung werden zentralvenöse Katheter eingesetzt. Beide Zugangswege sind technisch anspruchsvoller als bei Erwachsenen und setzen ein ensprechendes Training voraus. Bei Kleinkindern stellt die intraossäre Volumengabe oder Medikamentenapplikation über den Markraum der von medial punktierten proximalen Tibia eine Alternative dar, setzt jedoch die Verfügbarkeit entsprechender Kanülen voraus. Quantitativ orientiert sich die Volumensubstitution am erkennbaren oder vermuteten Blutverlust, den Kreislaufparametern sowie am Alter oder Körpergewicht des Kindes. Eine Infusion von 250 ml entspricht (Tabelle 27.3): 쐌 쐌 쐌 쐌
bei einem einjährigen etwa einem Drittel, bei einem 3-jährigen etwa einem Viertel, bei einem 5-jährigen etwa einem Sechstel und bei einem 10-jährigen Kind rund einem Zehntel des normalen Blutvolumens. Wegen der geringeren Toleranz gegenüber Flüssigkeitsverschiebungen sollten unangemessen große Volumina vermieden werden.
Zur Anwendung kommen meist kristalloide Lösungen (NaCl 0,9%, Ringerlösung, Glukose 5%). Es stehen verschiedene, bezüglich der Elektrolytzusammensetzung auf Kinder abgestimmte Produkte zur Verfügung. Bei höheren Volumenverlusten ist die Gabe von Humanalbumin 5% indiziert; dies bleibt jedoch wie die Glukosegabe meist der klinischen Versorgung vorbehalten. Ziel der Volumensubstitution ist der peripher (A. radialis/femoralis) tastbare Arterienpuls. Im Rahmen des Thoraxtraumas ist die Spontanatmung bei Kindern deutlich stärker eingeschränkt als bei Erwachsenen. Die Hypoxie ist bei Kindern schwerer als
bei Erwachsenen zu erkennen; der Beobachtung von Atemfrequenz und Atemtypus kommt deshalb entsprechende Bedeutung zu (Reeb 1998). Unter dem Aspekt der geringen pulmonalen Reserven und niedrigen Toleranz des kindlichen Gehirns gegenüber Hypoxie und Hyperkapnie ist die Indikation zur frühzeitigen Intubation und Beatmung eher noch großzügiger zu stellen, zumal das manuelle Offenhalten der Atemwege bei Kindern aufgrund der relativ großen Zunge, des kurzen Halses und des weiter kranial liegenden Larynx schwierig ist. Ebenso sollten Kinder mit einem Glasgow Coma Score ≤7 intubiert werden (ebd.). Auch die Intubation von Kindern setzt entsprechende praktische Erfahrung voraus. Vor allem bei kleinen Kindern ist wegen der genannten anatomischen Gegebenheiten ein Laryngoskop mit geradem Spatel (Miller, Foregger) vorteilhaft. Bei Kindern 2 mm wird deshalb empfohlen (Rieger et al. 1998; Swiontkowski 1993).
Abb. 27.4. a 5 Jahre alter Junge mit Acetabulumquerfraktur, vorderer Beckenringfraktur und ipsilateraler subtrochantärer Femurfraktur (Überrolltrauma). b Stabilisierung
929
930
Kapitel 27 Das polytraumatisierte Kind
27.5.6 Extremitätenverletzungen
Abb. 27.4. c Radiologisches und d,e klinisches Ausheilungsergebnis 6 Monate nach Unfall
Liegen Einzelverletzungen vor, sind die Extremitäten am häufigsten betroffen. Frakturen des Ober- und Unterschenkelschafts machen etwa 45%, Frakturen des Ober- und Unterarmschafts rund 30% aller Extremitätenfrakturen aus (Reichmann et al. 1998). Für die Prognose hinsichtlich des Überlebens des mehrfachverletzten Kindes sind die Extremitätenverletzungen von nachgeordneter Bedeutung. Sie haben jedoch deutlichen Einfluss auf Spätmorbidität. Die Diagnostik umfasst die klinische Untersuchung, die dopplersonographische Kontrolle der peripheren Durchblutung verletzter Extremitäten und die Röntgenaufnahme. Blutverluste bei offenen Frakturen sowie Becken- und Femurfrakturen sind im Hinblick auf die Schockgefährdung nicht zu unterschätzen. Obgleich die Versorgung prinzipiell den Regeln der kindlichen Frakturbehandlung entspricht, sind beim polytraumatisierten Kind andere Prioritäten gegeben. In der Versorgungsdringlichkeit stehen Extremitätenverletzungen zunächst hinter vital indizierten oder dringlichen Eingriffen beim Schädel-Hirn-, Abdominal- und Thoraxtrauma zurück. Dringlich zu versorgen sind anschließend Frakturen mit Gefäß- oder Nervenbeteiligung, offene Extremitätenfrakturen, Luxationen großer Gelenke und intraartikuläre Frakturen sowie mediale Schenkelhalsfrakturen. Bei Schaftfrakturen des Ober- und Unterschenkels, die als Monoverletzung konservativ behandelbar wären, empfiehlt sich im Rahmen der Mehrfachverletzung die Stabilisierung mittels Fixateur externe oder intramedullären Federnägeln (Abb. 27.5). Ebenso wie bei Erwachsenen reduziert eine frühzeitige Frakturstabilisierung die Belastung des Organismus beim Polytrauma, reduziert die Wahrscheinlichkeit potenzieller Komplikationen und erleichtert die Intensivpflege (Cramer 1995). Aufgrund des ausgezeichneten Heilungspotenzials des kindlichen Knochens ist hierbei deutlich seltener als bei Erwachsenen ein Wechsel auf ein anderes Osteosyntheseverfahren notwendig. Gerade die rasch durchzuführende Fixateuranlage erlaubt bei Kindern fast immer eine sofortige Vollbelastung der unteren Extremität im Rahmen der Rehabilitation. Auch bei der Immobilisierung osteosynthetisch versorgter Gelenkfrakturen ist die Anwendung des Fixateur externe gegenüber der Gipsruhigstellung nicht nur für die Intensivbehandlungvon Vorteil. Bei der Versorgung offener Frakturen gelten die gleichen Regeln wie bei Erwachsenen. Débridement und Fasziotomie sind ebenso kompromisslos vorzunehmen (vgl. Abb. 27.5). Bezüglich der Versorgung von Femurschaftfrakturen und deren Einfluss auf die Rate pulmonaler Komplikationen bei Kindern gibt es nur wenig Literaturhinweise.
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27.6 Intensivtherapeutische Aspekte
쐌 nosokomiale Infektionen und 쐌 Folgen primär nicht diagnostizierter Verletzungen (z. B. retroperitoneale Duodenalperforation). Die komplette Darstellung der intensivmedizinischen Strategien unter besonderer Berücksichtigung der Behandlung von Kindern würde den Rahmen dieses Kapitel überschreiten. Deshalb soll lediglich auf einige grundsätzliche Aspekte hingewiesen werden.
CAVE
Abb. 27.5. 5-jähriger Junge mit SHT, bilateralen Femurfrakturen und Unterschenkelfraktur mit Kompartmentsyndrom, Versorgung mittels Fixateur externe und Unterschenkelfasziotomie
In einer Untersuchung konnte kein Einfluss einer primären oder verzögerten Versorgung von Femurfrakturen auf die Häufigkeit pulmonaler Komplikationen festgestellt werden (Hedequist et al. 1999). Vorteile einer frühzeitigen Stabilisierung sind jedoch für Kinder mit zusätzlichem SHT nachgewiesen worden (Nutz et al. 1986). Die Verwendung unaufgebohrter Marknägel mit der damit verbundenen Einschwemmung von Blut- und Knochenmarkbestandteilen ist der Versorgung von Femur- und Tibiafrakturen Jungendlicher mit bereits verschlossenen Wachstumsfugen vorbehalten. Impliziert die radiologische Diagnose isolierter Wachstumsfugenverletzungen bereits die eben genannten Probleme, so muss insbesondere bei polytraumatisierten Kindern auch beim Vorliegen wesentlich augenfälligerer und primär bedrohlicherer Schädigungen gezielt nach solchen Verletzungen gesucht werden. Nichterkannte Epiphysenfrakturen manefestieren sich tragischerweise häufig erst spät-sekundär mit der Folge schwer zu beeinflussender Wachstumsstörungen.
Monitoring Die intensivmedizinische Überwachung von Kindern unterscheidet sich nicht wesentlich von der bei Erwachsenen. Sämtliche erforderlichen Katheter stehen in entsprechend kleinen Dimensionen zur Verfügung. Ebenso unterscheiden sich die typischen Katheterlokalisationen nicht. Die kontinuierliche Registrierung von EKG, Sauerstoffsättigung und Körpertemperatur, die nichtinvasive oder invasive Blutdruckmessung, eine regelmäßige Messung des zentralen Venendruckes (ZVD) und Durchführung von Blutgasanalysen, die Erfassung der Urinmenge in 30- bis 60-minütigen Intervallen und bedarfsorientierte Laboruntersuchungen sind Standard. Ein vorliegendes SHT kann eine kontinuierliche Messung des ICP sowie EEG-Kontrollen erforderlich machen. Die Diurese sollte bei Kindern von 2–5 Jahren mindestens 2 ml/kg KG/h, bei älteren Kindern 1 ml/kg KG/h betragen. Beatmung Ein Teil der heute gebräuchlichen Respiratoren bietet in der Software ein so genanntes »Kindermenü«, das den gegenüber Erwachsenen niedrigeren Werten für Atemzug- und Atemminutenvolumen sowie höheren Atemfrequenzen durch feinere Abstimmungsbereiche gerecht wird. Bei der Beatmung von Kindern 10% des geschätzten Gesamtblutvolumens kann eine Volumensubstitution unter Zusatz von Humanalbumin 5% erfolgen. Alternativ können bei Hypovolämie 10–15 ml/kg KG Ringerlaktatlösung oder NaCl/Glukose-Lösungen infundiert werden. Das Blutvolumen eines Neugeborenen beträgt etwa 85 ml/kg KG und sinkt bis zum 6. Lebensjahr auf etwa 65 ml/kg KG ab. Hb-Werte 20 kg KG: 3–5 g/kg KG 1700 kcal/m2 KOF
Literatur
Behandlungen beginnen häufig bereits noch während der intensivmedizinischen Behandlungsphase. Techniken wie der basalen Stimulation kommt besonders bei wahrnehmungsgestörten Patienten große Bedeutung zu. Die Eltern sollten wenn möglich in solche Maßnahmen integriert werden. Eine therapeutische Unterstützung bei der Traumabewältigung unter Berücksichtigung der kindlichen Psyche sollte angeboten werden.
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Kapitel 28
Weichteilschäden und Frakturen mit Weichteilschäden
28
M. Skutek, Ch. Krettek
28.1
Allgemeine Behandlungsprinzipien . . . . . . . . . 939
28.2 28.2.1 28.2.2
Spezielle Behandlungsprinzipien . . . . . . . . . . 941 Wundbehandlung/Wundausschneidung . . . . . . 941 Frakturstabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 942
28.3 28.3.1 28.3.2
Wundverschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 943 Primärer Wundverschluss . . . . . . . . . . . . . . 943 Sekundärer Wundverschluss . . . . . . . . . . . . . 945
28.4 28.4.1 28.4.2 28.4.3 28.4.4 28.4.5 28.4.6 28.4.7 28.4.8
Spezielle Verletzungsformen . Morel-Lavalée-Syndrom . . . Verletzungen durch Autoreifen Radspeichenverletzungen . . . Rasenmäherverletzungen . . . Tier-/Hundebissverletzungen Schussverletzungen . . . . . . Amputation/Replantation . . Kindesmisshandlung . . . . .
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947 947 947 947 948 948 950 950 951
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 952
Ursache und Häufigkeit Verletzungen der Haut, des subkutanen Fettgewebes und der Muskeln nehmen einen hohen Prozentsatz der Verletzungen in der unfallchirurgischen Notaufnahme ein (Thomson 1975). In der Gruppe der 6- bis 13-jährigen Kinder sind alle Altersstufen etwa gleich unfallgefährdet. Jungen sind dabei in einem Verhältnis von 3 : 2 häufiger betroffen als Mädchen. Die Mehrzahl aller Unfälle im Kindesalter passieren in der Freizeit: 22% beim Freizeitsport, 33% bei sonstigen Freizeitaktivitäten. 32% sind Durchgangsarztunfälle. Ursächlich liegt in der Mehrzahl der Fälle ein Sturz oder ein Zusammenstoß zugrunde (Kehr et al. 2000). Bei Verkehrsunfällen kommt bei Kindern erschwerend häufig ein größerer Verletzungsgrad hinzu, da sie vergleichsweise kleine Objekte darstellen, wodurch sich die einwirkende Kraft auf eine kleinere Fläche verteilt und eine größere Verletzungsschwere resultiert. Die Knochen sind beim Kind altersentsprechend unvollständig ossifiziert und noch teilweise elastisch. Verletzungen betreffen daher häufiger die Weichteile. In zunehmendem Maße werden Weichteilverletzungen auch im Freizeitbereich durch Rasenmäher, Skateboards und Inlineskates hervorgerufen. Die Verletzungen müssen genauso sorgfältig und ebenso aggressiv behandelt wer-
den wie beim Erwachsenen, um unnötigen Gewebeverlust, Wachstumsstörungen und akute sowie chronische Infektionen zu vermeiden. Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich beim Kind dadurch, dass die Verletzungen oftmals ungesehen von den Eltern geschehen, sodass eine genaue Anamnese nicht möglich ist. Die klinische Untersuchung nimmt daher einen sehr hohen Stellenwert ein. Hierbei muss besonders auf Lokalisation und Grad eines Weichteilschadens, Deformitäten sowie Integrität der Durchblutung und Innervation geachtet werden (Ogden 2000). Weichteilverletzungen können eigenständig oder in Kombination mit Frakturen, Periost-, Gelenkknorpel-, Gefäß-, Nerven-, Band- und Sehnenverletzungen vorkommen. Der Verlauf schwerer Weichteilverletzungen ist allerdings bei Kindern in der Regel im Vergleich zum Erwachsenen günstiger, weil vorbestehende Herz-Kreislauf-Leiden, arterielle Gefäßverschlüsse oder venöse Durchblutungsstörungen eine Ausnahme darstellen. Verletzungsformen, chirurgische und spezielle Anatomie Die genaue Beurteilung eines Weichteiltraumas bereits anlässlich der Notfalluntersuchung erlaubt es, mögliche Komplikationen abzuschätzen. Es interessieren in erster Linie die Ausdehnung und Lokalisation der Läsion, welche anatomischen Strukturen der Weichteile betroffen sind, ob es sich um eine offene oder geschlossene Weichteilverletzung handelt und ob es sich um spezielle Unfallmechanismen handelt, die besonders komplikationsgefährdet sind.
Einflussfaktoren des Weichteilschadens 쐌 Kontaktfläche des traumatisierenden Objektes (stumpf, spitz, scharf, breitflächig usw.) 쐌 Größe der Krafteinwirkung 쐌 Richtung der Krafteinwirkung (vertikal oder tangential) 쐌 Betroffene Körperregionen 쐌 Reinheitsgrad der Wunde (sterile Operationswunde – Bissverletzung) 쐌 Allgemeinzustand des verletzten Kindes
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Kapitel 28 Weichteilschäden und Frakturen mit Weichteilschäden
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Aus diesen Faktoren ergeben sich unterschiedliche Wundarten, die in Tabelle 28.1 dargestellt sind. Die Wundarten unterscheiden sich nicht nur in ihrer Form, sondern auch in der Art der notwendigen Behandlung und der zu erwartenden Prognose. So haben Wunden mit glatt begrenzten Wundrändern und geringer Kontamination (z. B. Glasscheibenverletzungen) eher eine gute Prognose im Hinblick auf die primäre Wundheilung. Im Gegensatz dazu ist die Prognose bei erheblichen Kontusionen und Kontaminationen (Bisswunde, Abb. 28.1 a) eher ungünstig. Bei Frakturen in Kombination mit Weichteilverletzungen entscheidet letztlich die neurovaskuläre Situation über Erfolg und Misserfolg der Lokalbehandlung. Bei der Beurteilung der Ausdehnung und Lokalisation ist vor allem daran zu denken, dass ausgedehnte Schürfverletzungen ähnliche Flüssigkeitsprobleme verursachen können wie Verbrennungen. Tabelle 28.1. Wundformen und deren kausale Ursache Einwirkende Kraft
Wundart
Scharf, spitz Stumpf Dehnung, Zerrung Scherkraft Mischform
Schnitt-, Stichwunde Quetsch-, Platzwunde Risswunde Schürfung, Décollement, Defektwunde Hieb-, Pfählungs-, Biss-, Schusswunde
Oberflächliche Verletzungen sind häufig Kombinationen aus Kontusionen, Schürfungen, Hämatomen und Riss-Quetsch-Wunden. Ausgedehnte Kontusionen, die durch Abscherungen an der Grenze Subkutis zu Faszie kompliziert werden, sind auch beim Kind häufig schwierig zu beurteilen. Morel-Lavalée-Verletzungen, die durch tangentiale Krafteinwirkung mit resultierender Scherverletzungen und Kontusion entstehen, sind wegen der senkrecht zur Oberfläche führenden Blutversorgung besonders nekrosegefährdet. Offene Frakturen stellen eine sehr schwere Form kindlicher Weichteilverletzungen an den Extremitäten dar ebenso wie auch Amputations- oder Explosionsverletzungen. Offene Frakturen sind meist Folge eines Verkehrsunfalls (Hochrasanztrauma, Überrolltrauma) und nehmen als solche in ihrer Häufigkeit zu (Abb. 28.2 a–f, vgl. Abb. 28.5). Polytraumatisierte Kinder weisen in 10% der Fälle offene Frakturen auf. Etwa 25–50% aller Kinder mit offenen Frakturen haben Begleitverletzungen (Marcus 1986). Pathophysiologie von Weichteilschäden und Frakturen Die körperliche Reaktion auf eine entsprechende Weichteilverletzung bzw. offene Fraktur beginnt zum Zeitpunkt der Verletzung. Zunächst kommt es zu einer Aktivierung von Makrophagen und Produktion von proinflammatorischen Substanzen. Die Mikrozirkulation wird durch Aktivierung von Endothelzellen und Permeabilitätsstörungen negativ beeinflusst. Dieser Prozess wird durch Ischämie, verminderte Oxygenierung und dem Vorhandensein von nekrotischem Gewebe potenziert, d. h. die inflammatorische Antwort wird verstärkt. Diese Reize stimulieren das Zytokinsystem, was zu einer systemischen, inflammatorischen Antwort führen kann (Harris u. Gelfand 1995). Im Hinblick auf die metabolischen Auswirkungen entspricht eine kindliche Femurfraktur (Weichteilschaden, Blut- und interstitieller Flüssigkeitsverlust) einer drittgradigen Verbrennung (Ogden 2000).
Verletzungsbedingte lokale Veränderungen im geschädigten Gewebe 쐌 Hypoxie 쐌 Permeabilitätsschaden 쐌 Azidose 쐌 Ödem
Abb. 28.1. a Schwerste Weichteilverletzung durch Hundebiss (Kampfhund). b Unkomplizierte Wundheilung nach sorgfältigster Säuberung durch Wundspülung, geringem Débridement (Wundrandausschneidung) und primärem Wundverschluss
Durch Zunahme des interstitiellen Druckes auf der Basis des Ödems kann es bei bestehender Einengung des sich ausdehnenden Gewebes durch Faszien oder Haut zu einem Kompartmentsyndrom kommen. Aus der metabolischen Entgleisung des Gewebes resultiert dazu eine vermehrte Infektbereitschaft des geschädigten Gewebes. Zudem besteht beim schwerstverletzten Kind eine
Weichteilschäden und Frakturen mit Weichteilschäden
Abb. 28.2 a–f. 12-jähriger Junge, von Pkw angefahren und am linken Unterschenkel überrollt. a,b Subtotale Amputation distaler Unterschenkel links (III C) mit Durchtrennung der A. tibialis posterior. A. dorsalis pedis langstreckig obliteriert. Durchtrennung des N. fibularis profundus und schwere Schädigung des N. tibialis. Decollement der Haut. c,d Primär Indikationsstellung zur Amputation. e,f Behandlungsergebnis und endgültige prothetische Versorgung
Verstärkung aller Mechanismen bei generalisierter Hypoxie und Azidose. Klassifikation von Weichteilschäden in Verbindung mit Frakturen Zur Klassifikation von Weichteilschäden in Verbindung mit Frakturen existieren mehrere Einteilungen. Im angloamerikanischen Sprachraum ist die Klassifikation von Gustilo u.Anderson verbreitet (Gustilo u.Anderson 1976; Gustilo et al. 1987), die auch von uns verwendet wird. Offene Frakturen werden dabei in 3 Schweregrade eingeteilt, wobei das Ausmaß der Hauptverletzung zugrunde
gelegt wird (Tabelle 28.2). Die primäre Einteilung erfolgte in offene Frakturen Grad I, bei der eine saubere, kleine Wunde (< 1 cm) besteht. Bei der zweitgradig offenen Fraktur ist die Wunde >1 cm, ohne ausgedehnten Weichteilschaden. In die Gruppe der drittgradig offenen Frakturen fielen zunächst alle offenen Frakturen mit ausgedehntem Weichteilschaden und traumatische Amputationen, zusätzlich Schussverletzungen, landwirtschaftliche Verletzungen und Verletzungen mit rekonstruktionspflichtiger Gefäßverletzung (Gustilo u. Anderson 1976). Die drittgradig offenen Frakturen wurden später weiter unterteilt (Gustilo et al. 1987; vgl. Tabelle 28.2).
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Kapitel 28 Weichteilschäden und Frakturen mit Weichteilschäden Tabelle 28.2. Klassifikation der offenen Frakturen nach Gustilo u. Anderson (Gustilo u. Anderson 1976; Gustilo et al. 1987). Äquivalent der Klassifikation nach Tscherne (vgl. Tabelle 28.3) Grad I
II
III
III A
III B III C
Tscherne Offene Fraktur mit Wunde 1 cm, ohne ausgedehnten Weichteilschaden, mittlere Gewalteinwirkung, leichte bis mittlere Kontamination. Einfache Queroder Schrägfraktur mit mehreren Fragmenten Offene Segmentfraktur sowie offene Fraktur mit ausgedehntem Weichteilschaden (Muskel, Haut, neurovaskuläre Strukturen) oder traumatische Amputation Ausgedehnte Weichteilverletzung, ausreichende Weichteildeckung, Mehrfragmentfraktur Deperiostierung, massive Kontamination, Weichteildeckung notwendig Meist massive Kontamination, begleitende Gefäß-Nerven-Verletzung, rekonstruktionspflichtige Gefäßverletzung
OI
O II
O III
O III
OIV
In der Einteilung nach Tscherne werden geschlossene und offene Frakturen in 4 (G I bis G IV) bzw. 5 (O I bis O V) Schweregrade eingeteilt (Oestern u. Tscherne 1983; Tscherne u. Oestern 1982; Tabelle 28.3). Dabei entspricht die offene Fraktur des Grades O V der totalen oder subtotalen Amputation (vgl. Abb. 28.2 a–f), welche nach dem Replantationskomitee der International Society for Reconstructive Microsurgery als Durchtrennung der wichtigsten anatomischen Strukturen, besonders der Hauptgefäßverbindungen mit totaler Ischämie, definiert ist (Biemer u. Duspiva 1980). Vom Weichteilmantel, bestehend aus Haut und Muskeln, darf dabei nicht
mehr als ein Viertel der Zirkumferenz erhalten sein. Bei Bestehen von noch wesentlichen anatomischen Verbindungen und deutlichen Zeichen einer Restdurchblutung – so genannte Revaskularisation – kann lediglich von einer offenen Fraktur des Grades O IV gesprochen werden. Die Klassifikationen von Gustilo und Tscherne weisen eine hohe Übereinstimmung auf (vgl. Tabelle 28.2). Diagnostik Anamnese Die Erhebung einer genauen Anamnese ist obligat. Beim Säugling/Kleinkind oder beim bewusstlosen Kind können Angehörige, Freunde oder auch Babysitter helfen, das Unfallgeschehen zu rekonstruieren. Alle gewonnenen Informationen können dabei für die Diagnose, die Einschätzung des Gewebeschadens und für die Behandlung von großer Wichtigkeit sein. Zum Beispiel können bei Quetschungen die Art und Dauer der Krafteinwirkung sowie die, Oberflächenbeschaffenheit des Gegenstandes usw. zur Einschätzung des Gewebeschadens beitragen und somit Einfluss auf die Therapie nehmen. Mögliche Begleiterkrankungen sowie der Impfstatus (Tetanus) müssen ebenfalls erhoben werden. Gegebenenfalls ist eine Impfung vorzunehmen. Untersuchung Generell besteht beim Kind im Vergleich zum Erwachsenen ein größeres Verhältnis von Körperoberfläche zu Körpervolumen. Das Risiko einer Hypothermie ist daher größer. Eine Hypothermie entwickelt sich schneller, weshalb auf eine ausreichende Wärmezufuhr bei der Untersuchung und bei den anschließenden Maßnahmen zu achten ist. Bei der Untersuchung ist unbedingt eine weitere Kontamination der Wunde zu vermeiden. Wurde bereits an der Unfallstelle ein steriler Verband angelegt, so bleibt dieser bis zur endgültigen Versor-
Tabelle 28.3. Klassifikation der offenen Frakturen nach Tscherne (persönliche Mitteilung; Ostern u. Tscherne 1983) Grad
Haut (offen +)
Frakturtyp
Kontamination
OI O II O III
Haut offen, geringer Weichteilschaden, Durchspießung Haut offen, umschriebene Weichteilkontusion Haut offen, ausgedehnte Weichteilzerreißung oder -quetschung, Deperiostierung, Knochendefekte Haut offen, ausgedehnte Weichteilzerreißung oder -quetschung, Gefäßverletzung (Rekonstruktion erforderlich) Totale oder subtotale Amputation Keine oder unbedeutende Weichteilverletzung Oberflächliche Schürfung oder Kontusion, Fragmentstück von innen Tiefe Schürfung, umschriebene Haut- oder Muskelkontusion Ausgedehnte Weichteilkontusion, Décollement, drohendes Kompartmentsyndrom Gefäßverletzung, Rekonstruktion erforderlich Kompartmentsyndrom, Fasziotomie erforderlich
+ + bis +++ + bis +++
0 + + bis +++
+ bis +++
+ bis +++
+ + bis ++ + bis +++ + bis +++ + bis +++
– – – (+) (+)
O IV OV G0 GI G II G III G IV
Leicht +, mittel ++, schwer +++.
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28.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien
Empfohlene Diagnostik 쐌 Erhebung von Begleitverletzungen 쐌 Erhebung des genauen Neurostatus (Aufforderung, Sensibilität, verminderte aktive Bewegung vs. normale passive Bewegung, Beurteilung post operationem und im Verlauf) 쐌 Genaue Abklärung der arteriellen Durchblutungsverhältnisse im Schockraum mittels klini-
scher Erhebung des Pulsstatus. Im Zweifel ist eine Doppleruntersuchung bzw. eine Angiographie notwendig. Nachbeurteilung post operationem 쐌 Unterscheidung offene/geschlossene Verletzung. Auch die kleinste offene Verletzung macht aus einem geschlossenen Bruch eine offene Fraktur mit entsprechendem hohen Komplikationsrisiko. Entsprechend ist bei der Behandlung zu verfahren
28.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien Die wichtigsten Ziele bei der Behandlung von Weichteilverletzungen sind die Infektionsbekämpfung und das Erreichen sauberer Wundverhältnisse, um letztlich einen Wundverschluss (primär oder sekundär) durchzuführen. Ohne intaktes oberflächliches Gewebe hat die Behandlung der darunter liegenden Strukturen wie Sehnen und Knochen wenig Aussicht auf Erfolg. Alle primär geschlossenen Verletzungen sollten im Interesse der Infektverhütung geschlossen bleiben, d. h. die konservative Behandlung muss dafür sorgen, dass durch Lagerung in Schaumgummiblöcken, Antidekubitusmatratzen oder Luftkissenbett kein zusätzlicher Druckschaden die Durchblutung stört. Extremitäten sollten hochgelagert werden, und häufiges Umlagern ist notwendig. Bei gefährdeter Durchblutung bzw. drohendem Kompartmentsyndrom ist eine Hochlagerung kontraindiziert. Frische subkutane Hämatome dürfen nicht zur Punktion verleiten. Diese ist gefährlich, weil damit aus einer geschlossenen Verletzung eine infektgefährdete offene Verletzung entsteht.
Therapieziele 쐌 Wiederherstellung der Oberflächenkontinuität/ Abheilung des Weichteilschadens 쐌 Knochenbruchheilung 쐌 Wiederherstellung der Funktion 쐌 Vermeidung einer Wundsepsis 쐌 Vermeidung weiterer Komplikationen (z. B. Kompartmentsyndrom)
Die Vermeidung einer Wundsepsis ist ein wesentliches Ziel, insbesondere die Ausbreitung einer Infektion auf tiefergelegene Strukturen wie z. B. Knochen, Gelenke oder Sehnen. Vorbemerkung allgemeine Behandlungsprinzipien Bereits am Unfallort muss durch entsprechende Behandlung eine weitere Schädigung der bestehenden
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gung der Verletzung, also bis zur Operationsvorbereitung, angelegt. Bei Kindern ist häufig eine Allgemeinnarkose notwendig, um eine vollständige Untersuchung der Wunde zu ermöglichen. Dies ist z. B. bei verschmutzten oder tiefen Wunden der Fall. Bei der Untersuchung von Wunden sollten eine Operationshaube, Mundschutz sowie sterile Handschuhe getragen werden. Ein geeigneter Ort ist daher der Operationsvorbereitungsraum, da sich unmittelbar an die Untersuchung die operative Versorgung anschließen kann. Ist aus bestimmten Ursachen keine sofortige Versorgung möglich (z. B. CT notwendig), so ist bei Extremitätenverletzungen mit Frakturen eine Ruhigstellung als Schutz vor weiterer Gewebetraumatisierung selbstverständlich, soweit noch nicht erfolgt. Bei der Untersuchung wird die Blutung (Menge und Typ des Blutflusses, Farbe des Blutes) beurteilt. Weiterhin ist auf Schwellung (Ausdehnung eines Hämatoms), Farbe (Rötung, Zyanose, Fremdkörpereinsprengung) und Gewebespannung (Kompartmentsyndrom) zu achten. Die Lokalisation der Wunde sowie Ausdehnung und Tiefe werden festgehalten. Eine Fotodokumentation ist auf jeden Fall notwendig. Sie ermöglicht nicht nur eine sehr gute Verlaufskontrolle, sondern erleichtert auch die Festlegung einer Behandlungsstrategie, ohne jedes Mal die Wunde erneut zu inspizieren. Anatomische Strukturen in der Nähe der Verletzung müssen besonders sorgfältig auf Begleitverletzungen inspiziert werden. Nerven und Gefäße verlaufen häufig in enger anatomischer Beziehung zueinander. Bei stark blutenden Wunden mit Verdacht auf Verletzung eines großen Gefäßes ist dabei auch an begleitende Nervenverletzungen zu denken. Eine genaue Dokumentation des Neurostatus, nicht zuletzt aus versicherungstechnischen Gründen (z. B. Peroneusparesen bei Weichteilverletzungen der Unterschenkel, N.- medianus-Paresen bei suprakondylären Oberarmfrakturen usw.), ist obligatorisch. Die Größe einer Wunde kann irreführend sein. Eine kleine Wunde beim Kind kann eine signifikante Verletzung (z. B. Sehnenverletzung an der Hand) maskieren. Unberücksichtigt der führenden Verletzung ist es erforderlich, eine ganzkörperliche Untersuchung vorzunehmen, insbesondere, wenn eine große Krafteinwirkung wie beim Hochrasanztrauma vorlag.
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Kapitel 28 Weichteilschäden und Frakturen mit Weichteilschäden
Weichteilverletzung vermieden werden. Wichtigstes Prinzip ist zunächst die Dekompression der ischämischen und gequetschten Weichteile durch Frakturreposition. Offene Frakturen mit entsprechender Fehlstellung bzw. freiliegendem Knochen sollten zur Verbesserung der Durchblutungssituation reponiert werden. Durch Anlegen eines sterilen Verbandes und Ruhigstellung der Extremität in einer pneumatischen Schiene wird die Ausbreitung des Frakturhämatoms und des posttraumatischen Ödems vermindert (Tscherne 1983). Ein zu starker Druck in der pneumatischen Schiene ist sorgfältig zu vermeiden, da hierdurch die Ausbildung eines Kompartmentsyndroms gefördert werden kann. Bei wenig dislozierten Frakturen mit kleiner Wunde kann in der Regel eine Ruhigstellung nach steriler Wundabdeckung ohne Repositionsmanöver erfolgen. Wesentlich ist bei allen Manipulationen eine ausreichende Analgesie durch den Notarzt. Gespräch mit den Eltern/Aufklärung. Unabhängig von der Schwere des Traumas besteht bei den Eltern große Sorge und ein entsprechendes Informationsbedürfnis. Im Gespräch mit den Eltern sollten daher ausführlich der Behandlungsplan, das zu erwartende Behandlungsergebnis und mögliche Komplikationen, einschließlich unschöner Narbenbildung usw., aufgezählt werden. Auf eine realistische, umfassende, aber gleichzeitig schonende Darstellung, um Schuldgefühle nicht noch zu verstärken, sollte geachtet werden. Aufklärung erleichtert das Verständnis der Eltern und vermeidet Enttäuschung bei eintretenden Komplikationen. Antiseptika/Antibiotika. Für die Behandlung von offenen Wunden eignen sich Alkohole, Biguanide (Lavasept) und kationenaktive Substanzen wie Octenisept. Iod bzw. der Polyvinyl-Pyrrolidon-Iod-Komplex (PVP-Iod) zeichnet sich durch seine universelle Anwendbarkeit aus, ist jedoch bei Kleinkindern kontraindiziert. Präoperativ sollten daher nach ausführlicher Seifenreinigung alkoholische Lösungen verwendet werden. Intraoperativ eignen sich sowohl alkoholische Lösungen als auch Octenisept und Lavasept (Bischoff u. Beck 2000), welche auch bei Infektionen zu wiederholten Spülungen eingesetzt werden können. Stark traumatisiertes Gewebe, Verbrennungen und devitalisiertes Gewebe distal von Ligaturen verstärken das Infektionsrisiko. Ob es zu einer postoperativen Wundinfektion kommt, hängt neben patientenbezogenen Faktoren (Immun- und Ernährungsstatus, Diabetes) und mikrobiologischen Faktoren insbesondere auch von wundbezogenen Faktoren (Ausmaß des Weichteilgewebeschadens, Devitalisation und Hämatom) ab. Die Indikation zur Antibiotikatherapie besteht im Allgemeinen dann, wenn eine Gefährdung des Patienten durch Infektionserreger vorliegt, die nicht oder
nicht zuverlässig durch operative Maßnahmen beseitigt werden können. Es konnte gezeigt werden, dass die antibiotische Therapie das Risiko einer Infektion bei offenen Frakturen signifikant vermindern kann (Patzakis u. Wilkins 1989). In der Traumatologie ist die Antibiotikatherapie ferner bei ausgedehnter Weichteilzertrümmerung und bei Schuss- und Bisswunden indiziert. Weitgehende Übereinstimmung besteht darüber, dass die Narkoseeinleitung ein guter Zeitpunkt für die Erstgabe des Antibiotikums ist. Bei offenen Frakturen erfolgt die Erstgabe bereits in der Notaufnahme.Vor der Antibiotikagabe sollte aus offenen Wunden ein Abstrich genommen werden. Aufgrund des antibakteriellen Spektrums, geringem Allergierisiko und wenig Nebenwirkungen stellen die Cephalosporine die erste Wahl bei chirurgischen Interventionen dar. Gustillo zeigte, dass Cephalosporine (z. B. Cefazolin 25–50 mg/kg KG; Haessner 2003) bei offenen Frakturen eine gute Wirksambarkeit besitzen (Gustilo 1985). Die örtliche Applikation antibiotikahaltiger Medikamente, wie Puder, Salben und Lösungen, ist eher schädlich als nützlich. In der Lokalbehandlung von Weichteilverletzungen haben Maßnahmen wie das chirurgische Débridement, Abtragung von Nekrosen und eine ausreichende Sekretdrainage stets Vorrang. In stark kontaminierten Wunden mit ossärer Beteiligung können nach sorgfältigstem Débridement antibiotikahaltiger Zement, z. B. Ketten (PMMA) zur Erhöhung der lokalen Antibiotikakonzentration eingelegt werden (Ogden 2000). Aminoglykoside, angemischt mit PMMA, haben in Studien eine gute Wirksamkeit gezeigt (Henry et al. 1990). Blutstillung als Notfallmaßnahme. In der Regel reicht eine direkte Kompression der Wunde. Arterielle Blutungen erfordern unter Umständen eine direkte digitale Blutstillung. Vermieden werden sollte eine »blinde« Blutstillung durch Klemmen o. Ä. Bei starken Blutungen kann eine Blutsperre angelegt werden. Die Dauer muss dokumentiert werden. Nach einer Stunde angelegter Blutsperre sollte eine erneute Evaluation der Blutungsneigung stattfinden. Anmerkungen zur Behandlung von Weichteilschäden. Das für die operative Therapie von Weichteilverletzungen notwendige Débridement sollte sehr sorgfältig erfolgen und kann häufig in Kombination mit notwendigen Versorgungen der Begleitverletzungen im Rahmen einer Allgemeinnarkose durchgeführt werden. Die gleichzeitige Versorgung von kontaminierten Wunden und geschlossenen Verletzungen, die mittels Osteosynthese versorgt werden, erhöht das potenzielle Infektionsrisiko. Nach dem Wunddébridement und der Spülung kontaminierter Wunden müssen daher durch Handschuhwechsel, neue Desinfektion und Abdeckung zunächst wieder aseptische Verhältnisse hergestellt werden.
28.2 Spezielle Behandlungsprinzipien
28.2 Spezielle Behandlungsprinzipien Obwohl Weichteilverletzungen im Kindesalter eine vergleichsweise gute Heilungsprognose haben, erfordert die Behandlung dieser Verletzungen ein genaues Behandlungsprotokoll (Novkov u. Kaneva 1996). Generell folgt auf das Débridement die definitive Klassifikation des Weichteilschadens, auf der die weitere Therapie aufbaut (Mentzel et al. 2000). Indikationen/Kontraindikationen. Prinzipiell stellen offene Weichteilverletzungen eine Indikation zur chirurgischen Versorgung dar. Bei oberflächlichen Schürfwunden ohne Kontamination reicht in der Regel eine Wundreinigung. Kleinere, saubere Wunden können zumeist in Lokalanästhesie versorgt werden. Größere, verschmutzte Wunden müssen meistens in Allgemeinnarkose behandelt werden. Eine Kontraindikation für eine operative Versorgung sind dagegen primär geschlossene Weichteilverletzungen. Ausnahmen stellen massive Hämatome, superinfizierte Hämatome und geschlossene Frakturen dar, die operativ versorgt werden müssen. Operationsvorbereitung. Im Operationsvorbereitungsraum wird der am Unfallort angelegte Notverband entfernt und die Wunde unter aseptischen Bedingungen inspiziert. Zur Operationsvorbereitung wird die Wunde, falls erforderlich, mit einem sterilen Einmalrasierer enthaart und mit einer Bürste und Seifenlösung gereinigt. Anschließend erfolgt die Desinfektion mit einer alkoholischen Lösung. Die Wunde wird mit reichlich Polyvidon-Iod gespült. Bei schwerem Weichteilschaden sollte von der Möglichkeit der Blutsperre nicht Gebrauch gemacht werden, da diese die periphere Hypoxie fördert. Manchmal allerdings ist es besser sie anzulegen, um bei schwer stillbaren Blutungen den Blutverlust gering zu halten. Die Extremität wird nochmals desinfiziert und in ein steriles Tuch eingedreht. Erst dann wird das verletzte Kind in den Operationssaal gebracht. Auf jeden Fall sollte die Abdeckung so erfolgen, dass bei Bedarf intraoperativ eine Blutsperre angelegt werden kann.
28.2.1 Wundbehandlung/Wundausschneidung Instrumentarium 쐌 Skalpell 쐌 Pinzette chirurgisch/anatomisch 쐌 Schere, Lüer, Meißel 쐌 Nierenschale 쐌 50 ml Spritze mit Jet-Düse, gepulstes Spülsystem 쐌 Spüllösung/Desinfektionslösung (Ringer-Lactat, Octenisept, Lavasept, PVP-Iod)
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쐌 Gefäßklemme 쐌 Ligaturen (z. B. Dexon)
Anforderungen an das primäre Wunddébridements 쐌 Vollständige Entfernung des nekrotischen und grenzwertig vitalen Gewebes einschließlich tiefer Gewebeschichten 쐌 Entfernung sämtlicher Fremdkörper, insbesondere organischer Fremdkörper. Bei stark verteilten Fremdkörpern wie z. B. Schrot kann unter Umständen auf eine vollständige Entfernung verzichtet werden (s. unten, Abschn. 28.4.6) 쐌 Steriles Vorgehen, danach Wechsel der Instrumente, neues Abwaschen und Abdecken 쐌 Herstellung einer Wunde, deren natürliche Abwehrorganismen mit einer eventuellen Restkontamination fertig werden
Die Schwere des Weichteilschadens bestimmt die Operationstechnik. Die Wundausschneidung hat in sorgfältigster Weise zu erfolgen. Lebendes Gewebe ist der beste Infektionsschutz. Avaskuläres, totes Subkutan- und Muskelgewebe wird konsequent radikal exzidiert. Dazu ist es häufig notwendig, die Wunde entsprechend zu erweitern. Alle Wundhöhlen müssen sichtbar gemacht und von Fremdkörpern gereinigt werden. Das Débridement hat schichtweise von außen nach innen zu erfolgen. Eine sorgfältige Blutstillung ist notwendig. Die Lebensfähigkeit aller Gewebe muss geprüft werden. Die 4 »K«: Konsistenz, Kolorit, Kontraktilität und Kapillardurchblutung sind die wichtigsten Kriterien für die Lebensfähigkeit eines Muskels. Wenn ein Muskel blutet und sich auf Druck kontrahiert, ist er in der Regel vital. Im Zweifelsfall ist es besser, minderdurchbluteten Muskel zu resezieren. Die Alternative besteht darin, den in seiner Vitalität fraglichen Muskel zu belassen und den Patienten für eine geplante »Second-look-Operation« 2 oder 3 Tage später wiederum in den Operationssaal zu bringen. Auch der Knochen wird in gleicher radikaler Weise behandelt. Verschmutzter Knochen wird angefrischt, Fremdkörpereinsprengungen in den Knochen werden ausgemeißelt oder mit dem Lüer entfernt. Freie Kortikalisfragmente sind potenzielle Sequester und sollten immer entfernt werden. Intraoperativ wird die Wunde mehrfach gespült (gepulstes Spülsystem/Lavasept/Octenisept). Nach der Wundausschneidung werden alle Instrumente und die gesamte Operationskleidung gewechselt. Die Wunde wird für eine neue Operation (Frakturstabilisierung/Weichteildeckung) mit Iodlösung abgewaschen und steril abgedeckt.
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Kapitel 28 Weichteilschäden und Frakturen mit Weichteilschäden
28.2.2 Frakturstabilisierung
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Die stabile Fixation der Frakturhauptfragmente reduziert Schmerzen, vermeidet eine zusätzliche Schädigung des umgebenden Weichteilgewebes, reduziert die weitere Streuung von Mikroorganismen und erlaubt die frühzeitige Rekonstruktion von Weichteilen und Knochen. Somit besteht kein Zweifel am günstigen Einfluss der Immobilisation. Da die Frakturen meistens instabil sind, führt auch nach einer guten Reposition ein sekundäres Abgleiten der Fragmente zum Druck auf die oft schwer geschädigten Weichteile und in weiterer Folge zu Weichteilnekrosen und Sekundärinfektionen. Vaskularität ist die biologische und Stabilität die biomechanische Grundlage für eine ungestörte Frakturheilung. Je stärker die Knochenvaskularisation beeinträchtigt ist, desto größere Bedeutung kommt der Stabilität zu. Es sollten daher alle Anstrengungen unternommen werden, um durch die stabile Fixation des Knochens optimale Heilungsbedingungen für die Weichteile zu schaffen. Durch die Osteosynthese soll die Durchblutung des Knochens nicht noch weiter verschlechtert, sondern die Revaskularisation gefördert werden. Der biologischen Situation am Ort der Knochenläsion kommt daher für die Wahl der Fixationsmethode übergeordnete Bedeutung zu. Es soll zwar das für eine bestimmte Frakturform biomechanisch am besten geeignete Verfahren angewendet werden, aber nur, wenn dies von biologischer Seite vertretbar ist. Die mechanischen Belange sind den biologischen Erfordernissen unterzuordnen. Bei der Verfahrenswahl sind folgende Faktoren zu berücksichtigen: 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Lokalisation und Art der Weichteilschädigung, Frakturlokalisation und Frakturform, Zustand der Wachstumsfugen, Alter des Kindes, Fragmentvitalität, Knochenqualität, biomechanische Leistungsfähigkeit und biologische Störungsmöglichkeit des Osteosyntheseverfahrens.
Grundsätzlich gilt, im Fall einer notwendigen Anästhesie, Frakturen definitiv zu versorgen, sodass Nachrepositionen und Therapiewechsel unnötig werden. Zugleich sollte mit der Therapie eine möglichst hohe Stabilität – im Idealfall Belastungsstabilität – erzielt werden. Im diaphysären Bereich kommen zur Anwendung: 쐌 die intramedulläre Stabilisierung, 쐌 der Fixateur externe und 쐌 die Plattenosteosynthese. Alle geschlossenen/offenen Frakturen mit Weichteilschaden und begleitende oder drohende Gefäß-Nerven-
Verletzungen stellen dabei eine absolute Indikation zur sofortigen operativen Versorgung dar. Bei der distalen Radiusfraktur und konsekutiver Kompression des N. medianus zusammen mit leichter Weichteilverletzung (Grad I) kann ggf. die alleinige Reposition zur Dekompression und zum Verschwinden der Symptome führen. Genaue Neurologische Untersuchungen vor und nach einer Reposition sind obligat (Ogden 2000). Intramedulläre Stabilisierung. Bei den meisten geschlossenen Frakturen mit schwerem Weichteilschaden, aber auch den meisten offenen Frakturen im Schaftbereich, gilt primär die Forderung zur intramedullären Stabilisierung. Dies ermöglicht eine rasche Mobilisierung sowie einfache Weichteilpflege. Bei allen Patienten mit offenen Epiphysenfugen sollte eine intramedulläre Markraumschienung (Titan, Stahl) erfolgen. Bei geschlossenen Epiphysenfugen ist am Femur bzw. an der Tibia auch ein unaufgebohrter/ aufgebohrter Marknagel möglich. Intramedulläre Osteosynthese 쐌 Indikationen: – geschlossene Querfrakturen mit Weichteilschaden – offene Querfrakturen mit Weichteilschaden – einfache Schrägfrakturen mit Weichteilschaden 쐌 Kontraindikationen: – stark kontaminierte Wunden – schwerer, rekonstruktionspflichtiger Weichteilschaden (Décollement, notwendiges mehrfaches Nachdébridement) Fixateur externe. Die Anlage eines Fixateur externe bei der Versorgung offener kindlicher Frakturen stellt eher eine Ausnahme dar. Indikationen sind in der Regel instabile Torsions-, Schräg- und Trümmerfrakturen sowie Mehretagenbrüche und Frakturen im Rahmen eines Polytraumas. Die Technik und Art der Standardmontage folgt den AO-Richtlinien. Soweit möglich sollten die Schanz-Schrauben nicht unmittelbar im Frakturbereich angebracht werden. Gleichzeitig gilt für die Gesamtstabilität der Montage, dass der Abstand zwischen den Pins möglichst groß sein sollte (Mechanik vs. Biologie). Die Schrauben sollten durch den Markraum und beide Kortikales führen, um möglichst große Stabilität zu gewährleisten. Dies ist ohne Bildverstärker möglich, weshalb auf häufige Röntgenkontrollen bei der Anbringung der Pins aus Zeitgründen verzichtet werden kann. Nerv- und Gefäßverletzungen lassen sich durch profunde anatomische Kenntnisse minimieren. Falls möglich sollte vermieden werden, die Schrauben durch Muskeln/Sehnen einzubringen. In der Regel sollten zunächst je 2 Schanz-Schrauben im proximalen und distalen Fragment verankert und mit je einem Karbonstab verbunden werden. Nach erfolgter Frakturreposition
28.3 Wundverschluss
werden die beiden Stäbe mit einer kurzen Karbonstange in »Tube-to-tube-Technik« verbunden. Für die optimale Schraubenplatzierung wird auf die entsprechenden Kapitel verwiesen. Die Fixateur-externe-Osteosynthese ist indiziert bei schweren Weichteil- und Knochenläsionen, vor allem an der Tibia, Schussbrüchen, ausgeprägter primärer Kontamination und wenn durch intramedulläre Stabilisierungsverfahren keine auseichende Stabilisierung gewährleistet werden kann. Fixateur externe 쐌 Indikationen: – geschlossene/offene, instabile Torsions-, Schräg- und Trümmerfrakturen – geschlossene/offene Mehretagenbrüche und Frakturen im Rahmen eines Polytraumas – ausgeprägte primäre Kontamination – Schussbrüche 쐌 Kontraindikation: – Querfrakturen
Ursachen für die Komplikationen bei der Plattenosteosynthese sind häufig falsche Indikationsstellungen, intraoperative Gewebeschädigung, insuffiziente Weichteilbehandlung und fehlerhafte Osteosynthesetechnik.
28.3 Wundverschluss 28.3.1 Primärer Wundverschluss Der Wundverschluss kann prinzipiell primär oder sekundär erfolgen. Ein primärer Wundverschluss ist zulässig, wenn vitale Weichteilverhältnisse gegeben sind und die Wunde spannungsfrei mit Berücksichtigung der postoperativen Schwellung verschlossen werden kann. In diesen Fällen kann die Wunde unter Einlage einer Redon-Drainage mit atraumatischem Nahtmaterial verschlossen werden. Offene Gelenkverletzungen sollten möglichst immer primär verschlossen werden.
Für die meisten offenen Frakturen hat sich eine Frakturstabilisierung durch Gips als nicht vorteilhaft erwiesen (Green u. Swiontkowski 1994). Die schwereren Frakturformen mit entsprechendem Weichteilschaden (Grad III offene Frakturen) machen häufig ein wiederholtes Débridement mit leichter Zugänglichkeit der Weichteile erforderlich. Für diese Situationen eignet sich ein Fixateur externe (= Teil des »orthopaedic damage control«). Mit angebrachtem Fixateur sollte daher eine leichte Zugänglichkeit der Wunde für Revisionen und spätere Weichteildeckung möglich sein. Gleichzeitig sollte der Fixateur ausreichend Stabilität als Schutz vor weiterem Weichteilschaden bieten, die regelrechte Länge bewahren und eine Mobilisation unter Teilbelastung ermöglichen. Die knöcherne Konsolidierung ist allerdings in der Regel erst mit sekundären Folgeeingriffen zu erzielen.
Primärer Verschluss 쐌 Indikationen/Bedingungen: – die Durchblutung der betroffenen Extremität muss normal sein (tastbarer bzw. dopplerbarer peripherer Puls, normale kapilläre Füllung) – jedes tote Gewebe muss entfernt sein – die primäre Kontamination muss gering sein – der Wundverschluss muss ohne Spannung und ohne einen Totraum zu hinterlassen möglich sein – offene Gelenkverletzungen 쐌 Kontraindikationen: – erhöhter Kompartmentdruck – Polytrauma – jede Wunde, die nicht absolut spannungsfrei verschlossen werden kann
Plattenosteosynthese. Der Einsatz von Platten zur Osteosynthese stellt bei Weichteilverletzungen in Verbindung mit Frakturen eher eine Ausnahme dar und beschränkt sich auf Gelenk- und gelenknahe Frakturen (Abb. 28.3 a–i). Insbesondere winkelstabile Implantate (z. B. LCP) bieten sich an.
Die Gewebespannung steigt unmittelbar nach der Operation durch das posttraumtische/postoperative Ödem an. Bei Hinweis für erhöhten Gewebedruck sollte eine intraoperative Messung des Kompartmentdruckes erfolgen. Bei entsprechender Indikation (s. unten, »Kompartmentsyndrom«) ist eine Kompartmentspaltung durchzuführen. Beim polytraumatisierten Kind mit entsprechender Störung der vitalen Systeme (Schock, Hypothermie usw.) sollte nach dem Wunddébridement eine temporäre Weichteildeckung (z. B. Polyurethanschaum mit Teflonfilm, Vakuumversiegelung) erfolgen. Die verminderte Sauerstoffzufuhr zur Wunde führt zu einer Verzögerung der Wundheilung und zu einer erhöhten Infektanfälligkeit unter den Bedingungen der relativen Hypoxie. Beim Second look kann dann über ein notwendiges Nachdébridement bzw. einen sekundären Wundverschluss entschieden werden.
Plattenosteosynthese 쐌 Indikationen: – Gelenk- und gelenknahe Frakturen – Platzierung der Platte unter vitalem Weichteilgewebe möglich – Keine gravierende Weichteilablösung notwendig – Stabile Osteosynthese mit Plattenosteosynthese biomechanisch möglich – Wachstumsfuge darf nicht geschädigt werden
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Kapitel 28 Weichteilschäden und Frakturen mit Weichteilschäden
Abb. 28.3 a–i. 6-jähriger Junge, in einer Sandgrube von einer Baggerschaufel an Becken und beiden Oberschenkeln getroffen. a Offene Grad-III B-Verletzung, stark verschmutzte subtrochantäre Oberschenkelfrakturen beiderseits mit schwerstem Weichteil- und Hautdefekt. Distale Frakturenden ragen aus den Weichteilen heraus, Muskulatur und Knochen von Schmutzschicht überzogen, z. T. deperiostiert. b Radiologisch sieht man massive Fremdkörpereinsprengungen in die Weichteile des Beckens und beider Oberschenkel. Die erhebliche Frakturdislokation weist auf eine schwerste Weichteilzerreißung hin. c,d Vorgehen mittels Wundausschneidung, stabiler Osteosynthese der gelenknahen Frakturen mit einem Minimum an Implantaten, Offenlassen der Wunde und sekundärer Wunddeckung durch Spalthaut. e Nach 4 Monaten sind die Frakturen radiologisch ausgeheilt. f,g Uneingeschränkte Beweglichkeit. Zu dieser Zeit freie Funktion aller Beingelenke. h,i Radiologischer und klinischer Verlauf nach 22 Jahren. Regelrechte knöcherne Durchbauung, ausgeglichene Beinlänge, freie Hüftgelenkfunktion beidseits. Zufriedenstellendes kosmetisches Ergebnis
28.3 Wundverschluss
Spontan verschließende Restdefekte weisen kosmetisch häufig kein schlechteres Ergebnis auf als unter Spannung geheilte Narben. Treten in den ersten 24–48 Stunden Durchblutungsstörungen am Hautrand auf, hilft nur eine sofortige Nahtentfernung, um diese Areale noch zu retten. Ein Wundverschluss unter Spannung führt häufig zur Hautnekrose, bedingt durch das posttraumatische Ödem und die ungenügende Hautdurchblutung.
28.3.2 Sekundärer Wundverschluss Der verzögerte oder aufgeschobene Wundverschluss ist die häufigste Art der Wundbehandlung bei schweren Weichteilschäden und bei offenen Frakturen. Hauttransplantationen werden primär nicht ausgeführt. Es ist besser, das Abklingen des posttraumatischen Ödems und die Formation eines Granulationsrasens abzuwarten. 4–10 Tage später hat sich der Defekt in der Regel erheblich verkleinert und kann zu dieser Zeit entweder sekundär vernäht oder mit einfachen Spalthauttransplantaten oder Meshgrafts gedeckt werden (vgl. Abb. 28.3 d). In der Zwischenzeit kann die Wunde vakuumversiegelt oder mit Hautersatz temporär verschlossen werden. Empfohlene Therapie Für den temporären Wundverschluss tiefer Wunden eignet sich insbesondere eine Vakuumversiegelung. Hierdurch wird das Eindringen von Bakterien verhindert und die Granulation angeregt. Die saubere, granulierende Wunde kann dann mittels Sekundärnaht verschlossen oder mittels Spalthaut gedeckt werden (vgl. Abb. 28.3 d). Der luftdichte Verband kann bis zu 2 Wochen belassen werden (Fleischmann et al. 1997). Bei oberflächlichen, mit Kunsthaut gedeckten Wunden, kann das Wechselintervall bis zu einer Woche gedehnt werden.
Abb. 28.3 g–i.
Kleine Hautdefekte. Bei fehlendem oder nur geringem Weichteildefekt kommt als einfache plastische Maßnahme die Sekundärnaht einer primär durch synthetische Haut temporär gedeckten Wunde in Frage. Verbliebene Hautdefekte können plastisch mit Spalthaut gedeckt werden. Dabei sind die Möglichkeiten der Sekundärnaht nicht zu unterschätzen, denn durch konsequentes Einengen gelingt es oft, größere Wunden ohne verbleibenden Defekt zu verschließen. Hierbei werden die Wundränder, soweit möglich, spannungsfrei mittels Donati-Rückstichnaht verschlossen. Der verbliebene Defekt wird dann mit kräftigem monofilen Kunststofffaden (z. B. 2/0) durchflochten und wenn möglich die Wundränder angenähert. In den Folgetagen
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Kapitel 28 Weichteilschäden und Frakturen mit Weichteilschäden
kann dann durch einfaches Nachziehen des Fadens eine weitere Annäherung der Wundränder erreicht werden. Die temporäre Deckung der Wunde erfolgt mit künstlichem Hautersatz (Abb. 28.4). Große Hautdefekte und Gewebedefekte/plastische Deckung. In seltenen Fällen ist eine primär plastische Maßnahme vertretbar, da eine unklare Durchblutungssituation im geschädigten und unmittelbar angrenzenden Gewebe besteht und das vollständige Ausmaß des Weichteilschadens zum Zeitpunkt der Erstversorgung oft nicht definitiv beurteilbar ist (Raffensperger 1980). Darüber hinaus ist der Allgemeinzustand aufgrund von Begleitverletzungen oft sehr kritisch. Ein weiterer Gesichtspunkt, der die Zeitplanung beeinflussen kann, sind organisatorische Probleme, z. B. wenn es keine Klinik für plastische Chirurgie gibt. Durch geplante wiederholte Revisionsoperationen (Second-look-Operationen) wird die Konditionierung der Wunde bis zum Erreichen vitaler Verhältnisse mit abgegrenztem Defekt erwirkt. Danach erfolgt die plastische Deckung mittels Spalthaut, als lokaler Lappen oder durch freien Gewebetransfer (Raffensperger 1980). Größere Hautdefekte, die sich nicht durch Sekundärnaht verschließen lassen, werden mittels Spalthaut gedeckt (vgl. Abb. 28.3 d). Für die Deckung großer Hautund Gewebedefekte eignen sich myokutane Lappenplastiken. Zur Anwendung kommen gestielte Lappen wie Rotationslappen, die sich gut zur Deckung kompletter Weichteildefekte eignen. Gestielte Muskel- oder myokutane Lappen haben sich besonders für die Weichteildefekte im Bereich des Unterschenkels bewährt (Mühlbauer u. Olbrisch 1983). Falls eine plastische Deckung durch lokale Lappendeckung nicht möglich ist, kann eine Deckung durch freien Gewebetransfer mit mikrovaskulärer Anastomose erfolgen. Diese Maßnahmen sind Sekundärmaßnahmen und sollten nicht primär erfolgen. In der Regel sind gute Ergebnisse zu erwarten (Mast u. Newton 1996).
Abb. 28.4. Dynamischer Wundverschluss durch Einengung der Wundränder. Mäanderförmige Durchflechtungsnaht zur konsekutiven Annäherung der Wundränder. Die Nähte werden zunächst nur etwas angezogen und die Wunde zwischenzeitlich mit Kunsthaut gedeckt. Bei der Wundrevision können die Wundränder durch »Nachziehen« der Naht einander genähert und ggf. vollständig verschlossen werden
Bei Kindern im Alter bis zu 2 Jahren ist der mikrovaskuläre Gefäßanschluss aufgrund des kleinen Kalibers schwierig bis unmöglich, was bei der Planung solcher Maßnahmen berücksichtigt werden muss (Ogden 2000). Weichteilrekonstruktionen als Folge eines verletzungsbedingten Weichteilschadens oder Defektes sind sehr häufig bei drittgradig offenen Verletzungen (III B, III C), Bestandteil der erforderlichen Behandlung.
Indikationen 쐌 Große Defektausdehnung und Defekttiefe/freiliegende Gewebestrukturen 쐌 Lokalisation des Gewebedefektes Beide Größen – Lokalisation und Ausdehnung des Weichteildefektes – beeinflussen die Verfahrenswahl. Hinsichtlich der Lokalisation der Verletzung ist bei der oberen und unteren Extremität die unterschiedliche Funktionalität der Extremitäten zu beachten. An der oberen Extremität werden überwiegend Fernlappen und freie, mikrovaskulär gestielte Lappen zur plastischen Deckung genutzt, da Nahlappen die wesentlich differenzierte Funktionalität des Armes erheblich beeinträchtigen bzw. nicht genug Material zur Defektdeckung liefern. Diese Gesichtspunkte sind an der unteren Extremität von untergeordneter Bedeutung (Anderl et al. 1982; Kinzl et al. 1996).
Kontraindikation 쐌 Gestörte Durchblutungsverhältnisse (vorher angiographischer Gefäßstatus mittels DSA)
Bei ausgedehnten Weichteildefekten werden in Abhängigkeit von der Defektgröße unterschiedliche Verfahren eingesetzt (Kinzl et al. 1996). Bei begrenzter Defektausdehnung an der unteren Extremität kommen Nahlappen in Form von regionalen fasziokutanen-, myokutanen- und Muskellappenplastiken in Frage. Die fasziokutane Lappenplastik wird bei oberflächlichen Defekten angewendet. Sie ist, wenn möglich, anderen Techniken vorzuziehen, da die chirurgische Technik einfach ist und durch diese Form der Defektdeckung die Funktionalität der Extremität nicht beeinflusst wird. Lediglich das Längen- und Breitenverhältnis ist in der Anwendung dieser Lappenplastiken zu beachten und sollte das Verhältnis 1 : 3 nicht unterschreiten, um keine Kompromittierung der Durchblutungssituation zu provozieren. Für proximale oberflächliche Defekte kann diese Lappenplastik auch mit einem distalen Stiel verwendet werden. Die Muskel- oder myokutanen Lappenplastiken an der unteren Extremität eignen sich für tiefere, aber in
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28.4 Spezielle Verletzungsformen
ihrer Ausdehnung begrenzte Defekte im proximalen und mittleren Unterschenkelbereich und werden z. B. in Form eines medialen oder lateralen Gastrocnemiuslappens bzw. als Soleuslappen ausgeführt (Kinzl et al. 1996). Bei distaler Lokalisation des Defektes an der unteren Extremität werden heute überwiegend freie Gewebetransfers durchgeführt. Die »Cross-leg-Plastik« als Fernlappen hat aufgrund der erheblichen Einschränkung des Patienten durch die temporäre Fixierung beider Extremitäten zugunsten des freien Gewebetransfers deutlich an Bedeutung verloren. Sind die distalen Defekte größer oder besteht unabhängig von der Lokalisation eine schlechte Qualität des Empfängerbettes, kommen mikrovaskulär anastomosierte, freie Gewebetransfers zu Anwendung, die überwiegend in Form eines Latissimus-dorsi-Lappens durchgeführt werden. Bei bestehenden Knochendefekten kann eine primäre Spongiosaplastik nur bei kleinen Defekten und initial minimaler Kontamination befürwortet werden. In den Fällen, in denen die Wunde offen belassen und mit Kunsthaut bedeckt wurde, ist eine frühsekundäre autogene Spongiosatransplantation zum Zeitpunkt des definitiven Wundverschlusses vorzunehmen. Die temporäre Einlage antibiotikahaltiger Ketten (PMMA), die therapeutisch effektive Dosierungen erreichen, haben sich als effektiv erwiesen (Henry et al. 1990).
28.4 Spezielle Verletzungsformen Durch den besonderen Aktionsbereich von Kindern treten einige Verletzungsformen vermehrt auf. Zu denken ist dabei zum einen an Unfälle auf Kinderspielplätzen, Kratz- und Bissverletzungen durch Katzen und Hunde (insbesondere Kampfhunde), Rasenmäherverletzungen, Radspeichenverletzungen usw., zum anderen liegen auch Verletzungen vor, die vom Muster dem Erwachsenenbereich zuzuordnen sind: z. B. Verkehrsunfälle mit Fahrrad oder Pkw sowie Unfälle aus dem Freizeitbereich, z. B. Reiten, Inlineskaten usw.
28.4.1 Morel-Lavalée-Syndrom
Die Morel-Lavalée-Läsion ist eine traumatische Ablösung (Décollement) von Haut und Subkutis von der Faszie mit Zerreißung der segmentalen perforierenden Blut- und Lymphgefäße, wodurch sich eine mit Blut und seröser Flüssigkeit gefüllte Wundhöhle bildet (Vico 2000).
Der Verletzungsmechanismus besteht in einer erheblichen direkten tangentialen Krafteinwirkung auf die Haut über einer unnachgiebigen Faszie. Die prädisponierten Regionen liegen lumbodorsal, gluteal, trochantär, iliofemoral und selten ilioinguinal. Hervorgerufen wird diese Verletzung häufig bei Überrolltraumen, z. B. bei Verletzungen durch Reifen (Pkw/Lkw/ landwirtschaftliche Fahrzeuge). Die Folgen dieses Hautdécollements sind Hämatombildung, Lymphozele, Nekrose der Subkutis, zentrale Hautnekrose bis hin zur völligen Weichteilgangrän (»crushing«) und schließlich Sepsis. Die Diagnostik ergibt sich aus den fluktuierenden Hautverletzungen an den prädisponierten Stellen mit Sensibilitätsverlust. Die Sonographie kann die Ausdehnung der Läsion sehr gut erfassen. Die Therapie dieser Verletzung besteht aus einem ausführlichen Débridement und einer Lavage (Tscherne et al. 1996). Beim Débridement werden Blut, Hämatom, Lymphe und nekrotisches Fett entfernt. Bei totalen Hautnekrosen kann eine Hautexzision notwendig werden. Die am meisten gefürchtete Komplikation dieser Verletzung ist die Infektion mit nachfolgender Sepsis. In der Literatur wird beschrieben, dass beim Débridement bereits 20–43% dieser Läsionen infiziert sind (ebd.). Empfohlene Therapie Die Inzision sollte im Zentrum der Hautläsion und nicht peripher erfolgen. Bei ausgedehnten Hautnekrosen ist ein Débridement durchzuführen. Im Anschluss sollte eine offene Wundbehandlung, ggf. unter Einlage einer Drainage, erfolgen. Nach Konditionierung des Wundgrundes (Vakuumversiegelung) ist nach ausgedehnten Nekrosen ggf. eine Spalthauttransplantation notwendig.
28.4.2 Verletzungen durch Autoreifen An den Extremitäten liegt oftmals ein Kombinationsschaden aus einer Kontusion, Abscherung und Verbrennung vor (Abb. 28.5). Das Décollement kann partiell oder vollständig sein. In partiellen Läsionen kann unter Umständen ein Teil des Gewebes gerettet werden, indem es ausgeschnitten und in einen Vollschichthautlappen überführt wird. Die betroffenen Hautpartien können sekundär wegen der fehlenden Blutversorgung aus tieferen Gewebeschichten nekrotisch werden s. oben.
28.4.3 Radspeichenverletzungen Diese Verletzung tritt bei Kleinkindern auf, deren Fuß zwischen Rahmen und Fahrradspeichen gerät. Ausge-
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Kapitel 28 Weichteilschäden und Frakturen mit Weichteilschäden
belastet. Zudem erlaubt die Szintigraphie nicht, das Ausmaß der Epiphysenverletzung festzustellen, womit ihr prognostischer Wert fraglich ist. Allein der radiologische Langzeitverlauf kann über das Ausmaß einer Epiphysenschädigung Auskunft geben (Pochon 1991). Radspeichenverletzungen sollten als offene Verletzungen behandelt werden, da Subkutangewebe, Periost und Perichondrium verletzt sein können, ohne dass eine Fraktur nachgewiesen werden kann. Als weitere Verletzungen können in diesem Zusammenhang auch Fußwurzelfrakturen und Zehenfrakturen, insbesondere der Großzehe, auftreten (Sankhala u. Gupta 1987; Subrahmanyam et al. 1980).
28.4.4 Rasenmäherverletzungen
Abb. 28.5. Kombination von Kontusion und Abscherung bei einem Überrolltrauma durch KFZ-Reifen. Beim Décollement können die abgescherten Hautanteile durch fehlende Blutversorgung sekundär nekrotisch werden
dehnte Schürfungen, Kontusionen und z. T. Ablederungen resultieren daraus. Nach Ausschluss von Begleitverletzungen besteht die Behandlung in der Wundreinigung, Auflage eines sterilen Verbandes und Schienenlagerung zur Ruhigstellung und Schmerztherapie der betroffenen Extremität. Die Heilung verläuft häufig langsam, aber zufriedenstellend. Die Komplikationsmöglichkeiten liegen in der Natur der Verletzung, da es sich häufig um eine Kombination von Scherkräften und Hitzeentwicklung handelt. Der primäre Befund mit einigen kleinen Kontusionsmarken und Hauterosionen verleitet zur Sorglosigkeit. Mittelfristig kann es zu kutanen und subkutanen Nekrosen kommen, die nicht immer spontan heilen und meist nur durch Débridement und Hauttransplantationen behandelt werden können. Durch diesen Unfallmechanismus kann auch eine distale Tibiafraktur ohne Fibulafraktur hervorgerufen werden. Hierbei handelt es sich bei kleinen Kindern um eine Grünholzfraktur, die als supramalleolarer Querbruch imponiert. Die Behandlung dieser Frakturen erfolgt grundsätzlich konservativ (Rüter et al. 1995). Es treten aber auch kombinierte Tibia- und Fibulafrakturen auf. Einige Autoren empfehlen im Zweifelsfall eine Knochenszintigraphie (Jehle et al. 1986), da an Wachstumsstörungen durch Crush-Verletzungen (Salter-Harris V) der distalen Epiphyse gedacht werden muss. Therapeutisch nichtverschobene Epiphysenverletzungen von geringer Konsequenz. Radspeichenverletzungen müssen ohnehin entlastet und ruhig gestellt werden, um die Weichteilheilung zu optimieren. Daher wird die Extremität erst 3–4 Wochen nach dem Unfall
Häufige und sehr schwere Verletzung bei Kindern werden durch Rasenmäher hervorgerufen (Loder et al. 1997). In einer Multizenterstudie wurde gezeigt, dass mit einer Häufigkeit von 77% überwiegend Jungen (23% Mädchen) betroffen sind. Das Durchschnittsalter liegt bei 7,0 Jahren. In 67% der Fälle kam es dabei zu Amputationen, 63% einseitig und 4% beidseits. Am häufigsten waren die unteren Extremitäten betroffen (Lode et al. 1997; Ogden 2000). Die Verletzungshäufigkeit in den Vereinigten Staaten beträgt 100.000/Jahr (Ogden 2000). Bei der Primärbehandlung erfolgt ein radikales Débridement, Einschätzung begleitender Gefäß-NervenVerletzungen, Gewinnung mikrobiologischer Abstriche sowie Beginn einer prophylaktischen Antibiose. Nach 24–72 Stunden schließt sich ein Nachdébridement an. Ist alles nekrotisches Gewebe entfernt, erfolgt die Konditionierung des Wundgrundes für eine spätere Defektdeckung mit Spalthaut. Bei freiliegendem Knochen, Sehnen, Nerven und Gefäßen erfolgt eine Deckung durch Rotationslappen oder freie Lappen. Die Stabilisierung begleitender Frakturen erfolgt mittels Kirschner-Drähten und/oder Fixateur externe, insbesondere bei Tibiafrakturen. Bei allen Amputationsverletzungen gelten die Regeln der sterilen Sicherung und Kühlung des Amputats sowie des schnellen und direkten Transports in eine entsprechende Schwerpunktklinik (Abb. 28.6 a–c).
28.4.5 Tier-/Hundebissverletzungen Der Großteil der Tierbisse wird durch Hunde verursacht (etwa 80%). Katzen sind nur zu 8% an den Bissverletzungen beteiligt (Pochon 1991). Beide Tierarten sind typische Überträger von Pasteurella multocida. Dieser Erreger wird neben Staphylococcus aureus am häufigsten aus Bisswunden kultiviert. Die Therapie der Pasteurella-multocida-Infekte geschieht am besten
28.4 Spezielle Verletzungsformen
Abb. 28.6 a–c. 3 Jahre altes Mädchen. Initial totale Amputation des linken Oberarms, als das Kind unter einen Miststreuer geraten ist. Da kurze Transportzeit und fachgerechte Versorgung des Amputats vorlagen, wurde primär ein Replantationsversuch mit Anastomosierung der A. und V. brachialis und Anastomosierung des N. ulnaris und N. medianus durchgeführt. Im Verlauf Blutung aus dem arteriellen Anastomosenbereich und Reoperation mit Veneninterponat. Durch wiederholte Thrombosierungen letztlich Amputation. Gute Heilung des Amputationsstumpfes
durch die parenterale Verabreichung hochdosierter Penicilline oder Cephalosporine. Wirksam sind u. a. Unacid oder Augmentan (Ogden 2000). Ein primärer Wundverschluss begünstigt die Infektion. Bei Verletzungen im Handbereich besteht ein höheres Infektionsrisiko (25%) als am übrigen Arm, Bein oder im Gesicht (Aigner et al. 1996; Wiggins et al. 1994), da hier Knochen und Gelenke unmittelbar unter der Haut liegen und somit leicht mitverletzt und damit kontaminiert werden können. Trotz Antibiotikagabe stellt die chirurgische Therapie das wichtigste und effektivste Verfahren dar. Bissverletzungen im Gesichtschädelbereich sollten aus kosmetischen Gründen möglichst primär verschlossen werden. Zuvor müssen die Wunden ausgiebig mit Seife und alkoholischer Lösung gereinigt werden. Eine sparsame Wundrandausschneidung von 1–2 mm
ist ebenso notwendig wie das sorgfältige Débridement tieferer Wundschichten und die anschließende ausgiebige Spülung (vgl. Abb. 28.1 a,b). Die Eltern sollten darauf hingewiesen werden, dass ggf. eine Narbenkorrektur notwendig ist (in etwa 30% der Fälle; Raffensperger 1980). Empfohlene Therapie Alle Wunden, die ein ausgiebiges Débridement erfordern, sollten in Allgemeinanästhesie versorgt werden. Punktförmige Wunden sollten gereinigt und offen gelassen werden, da eine effektive, vollständige Reinigung oft nicht möglich ist und bei primärem Wundversschluss ein hohes Infektionsrisiko besteht. Gegebenenfalls kann eine lockere
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Kapitel 28 Weichteilschäden und Frakturen mit Weichteilschäden
Adaptation unter Drainage durchgeführt werden. Bei größeren Verletzungen sollte eine stationäre Aufnahme unter weitestgehender Ruhigstellung und Antibiotikagabe für eine Woche erfolgen. Als Komplikationen von Pasteurella-multocida-Infekten können tiefe Abszesse, Tendosynovitiden, septische Arthritiden und Osteomyelitis auftreten. Eine sorgfältige tägliche Wundinspektion ist unbedingt notwendig.
28.4.6 Schussverletzungen In einer retrospektiven Studie konnte gezeigt werden, dass lediglich 30% der Schussverletzungen auch Frakturen verursachen. Die Infektionsgefahr ist dabei insgesamt sehr gering. Kleine Wunden wurden durch Spülung und minimales Débridement behandelt, dabei traten keine Infektionen auf (Victoroff et al. 1994). Eine prophylaktische Antibiose wird in der Regel empfohlen. Die Erhebung des genauen Gefäßstatus bei Schussverletzungen ist essenziell (Ogden 2000). Die Behandlung des ausgedehnten Weichteiltraumas erfolgt durch Débridement, Spülung und Verschluss bzw. plastische Deckung nach den allgemeinen Prinzipien. Die Entfernung der Kugel wird dabei kontrovers diskutiert. Intraartikuläre Geschosse sollten wegen einer möglichen Blei- bzw./Schwermetallvergiftung entfernt werden (ebd.).
28.4.7 Amputation/Replantation Traumatische Amputationsverletzungen gehen häufig mit schweren Weichteil- und Gefäßverletzungen einher (vgl. Abb. 28.2 a–f). Ursachen von Amputationsverletzungen sind außer dem direkten Trauma auch Verbrennungen, Meningokokkensepsis und Stromverletzungen. Bei Amputationsverletzungen entscheidet das initiale Management häufig über das frühfunktionelle Behandlungsergebnis sowie über den Langzeitverlauf. Die wichtigsten Faktoren stellen dabei Infektionen, Gefäßstatus und der Einfluss der Amputationsverletzung auf Skelettwachstum und -entwicklung dar (Ogden 2000). Bei der Primärversorgung sind daher besonders der Gefäßstatus, die Vermeidung von Infektionen und die Auswirkung der Amputation auf das weitere Wachstum- und Entwicklung zu beachten. Bei klarer Amputationsindikation sollte die Amputation zur Vermeidung zusätzlicher psychosozialer Folgen primär erfolgen (vgl. Abb. 28.2 c,d). Die Akzeptanz liegt in der Regel höher, wenn bereits frühzeitig eine Prothesenversorgung erfolgt und es zu keiner sekundären Am-
putation infolge eingetretener Komplikationen kommt (vgl. Abb. 28.2 e,f). Generell kann bei Kindern die Indikation zum Extremitätenerhalt großzügiger als beim Erwachsenen gesehen werden, auch wenn in einigen Fällen dadurch eine Amputation nur hinausgezögert wird (Hansen 1989; Hertel et al. 1996). Die Gründe liegen in der allgemein günstigeren Heilungstendenz. Als Entscheidungskriterien müssen neben Begleitverletzungen auch die Zeit bis zur Weichteildeckung, die Erzielung der Knochenbruchheilung sowie die ggf. längere Rehabilitationsbehandlung herangezogen werden (Ogden 2000). Folgende Grundprinzipien bei kindlichen Amputationsverletzungen sollten berücksichtigt werden: 1. Der Erhalt von Epiphysen bzw. Wachstumszonen hat hohe Priorität, insbesondere der Erhalt der distalen Femurepiphyse. So kann eine Amputation oberhalb des Knies beim Baby einer proximalen Femuramputation beim Erwachsenen entsprechen (Ogden 2000). 2. Das gute Wundheilungspotenzial ermöglicht eine Lappendeckung auch bei kritischen Weichteilverhältnissen im Gegensatz zum Erwachsenen (Dederich 1963). 3. Übermäßiges Wachstum im Stumpfbereich stellt bei Kindern ein Problem dar. Eine Disartikulation ist daher einer metaphysären bzw. diaphysären Amputation vorzuziehen (Ogden 2000). Empfohlene Therapie 쐌 Die Amputation sollte am distalsten Punkt/ Gelenk durchgeführt werden. 쐌 Intakte Haut sollte möglichst geschont werden, Hauttransplantation vom Amputat ist möglich. 쐌 Keinen primären Wundverschluss durchführen, »Staging-Vorgehen« mit intermittierendem Vakuumverband. 쐌 Gegebenenfalls ist eine Hautextension anlegen. 쐌 Wachstumsfugen sollten möglichst erhalten bleiben.
Bei der Replantation von Extremtäten spielt neben der Ischämiezeit und dem begleitenden Weichteilschaden die Durchblutung eine wesentliche Rolle. Diese ist wiederum vom Patientenalter und von Begleiterkrankungen bzw. vom Ausmaß des Gewebeschadens abhängig. Notwendig ist die rasche Verfügbarkeit von plastischer Chirurgie und Neurochirurgie (s. Kap. 30). Folgende Voraussetzungen sollten erfüllt sein: 쐌 Eine warme Ischämiezeit von 8 Stunden bzw. kalte Ischämiezeit von 18 Stunden sollte nicht überschritten werden. 쐌 Eltern müssen über Ziele und ggf. notwendige sekundäre Amputation aufgeklärt werden.
28.4 Spezielle Verletzungsformen
쐌 Geeignet sind in der Regel glatte Guillotine-Amputationen. 쐌 Ein möglicher Links-rechts-Transfer ist zu bedenken.
28.4.8 Kindesmisshandlung
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In jedem Fall ist bei Weichteilverletzungen im Kindesalter aus unklarer Genese auch an Kindesmisshandlung zu denken. Hinweise ergeben sich durch das spezifische Verteilungsmuster (Wangen, Körperstamm, Genitalien, Oberschenkel usw.; Pascoe et al. 1979). Liegt ein solches Verteilungsmuster vor, besteht bei Kindern 12 Jahren und jungen Erwachsenen auf. Sie betrifft das Capitulum humeri, sehr selten den Radiuskopf oder die Trochlea humeri. Die Inzidenz unterliegt starken regionalen Schwankungen, was unmittelbar mit den ursächlichen Faktoren der Erkrankung zusammenhängt. Trauma oder repetitive Mikrotraumen wurden in vielen Untersuchungen als ätiologischer Hauptfaktor identifiziert. Im amerikanischen Sprachraum ist die Erkrankung unter dem Namen »little leaque ellbow« bekannt, da sie unter jugendlichen Baseballspielern außerordentlich häufig auftritt (Andrews 1985; Barnes u. Tullos 1978). Biomechanische Untersuchungen beschreiben eine valgisierende Krafteinwirkung im Ellbogengelenk während des Wurfs, die zu einer erhöhten Kompression im humeroradialen Gelenkraum führen soll. Der repetitive Anprall des Radiuskopfes am Capitulum humeri soll zur subchondralen Läsion im Sinne einer Stressfraktur führen. Andauernde Scherbelastungen haben dann die Ablösung eines osteochondralen Fragments zur Folge (Fleisig u. Andrews 1995). Entwicklung und Wachstum Die Erkrankung beginnt mit einer Abflachung des subchondralen Knochens am Capitulum humeri. Der Knorpel darüber ist verbreitert. Über dem abgeflachten Knochen entsteht anschließend eine Zone der Verknöcherung, die entweder am subchondralen Knochen Anschluss findet und zur Heilung führt, oder sich demarkiert und ein Dissekat bildet. Das Capitulum humeri ist bevorzugt in dem Gelenkanteil betroffen, der zwischen 30°- und 90°-Beugung mit dem Radiuskopf artikuliert (Takahara et al. 1999). Die Vorgänge, die zur Dissekation führen, sind noch nicht geklärt. Entscheidend für die Prognose erscheint die frühe Diagnose und das Meiden der schädigenden Belastung. Die Chance auf Ausheilung ist bei Fortführen der sportlichen Aktivität deutlich geringer (Schenck u. Goodnight 1996). Die Blutzufuhr zum Capitulum humeri wird vorwiegend durch eine von dorsal gespeiste Arterie gewährleistet. Im Kindesalter ist sie funktionell eine Endarterie, da bei offenen Epiphysenfugen keine ausreichenden Kollateralen zur Verfügung stehen. Ist eine Dissekation eingetreten, ist in der Hälfte der Fälle mit einer bleibenden Beeinträchtigung zu rechnen (Takahara et al. 1999). Arthrotische Veränderungen sind häufig. Funktionelle Einschränkungen betreffen vor allem die Extension, die in vielen Fällen eingeschränkt bleibt. Rezidivierende Bewegungsblockierungen sind bei freien Gelenkkörpern häufig (Bauer et al. 1992;
McManama et al. 1985). Bei großen Defekten oder Wachstumsstörungen des Capitulums kann die Stabilität im Humeroradialgelenk verloren gehen, bei 2 Dritteln der Patienten kommt es zu einer Vergrößerung des Radiusköpfchens. In einigen Fällen ist eine Subluxation, selten eine Luxation des Radiusköpfchens zu beobachten (Bauer et al. 1992; Klekamp et al. 1997; Ruch et al. 1998). Zu unterscheiden ist die avaskuläre Osteonekrose des Capitulum humeri (Morbus Panner), die dem Morbus Perthes am Hüftgelenk entspricht. Haupterkrankungsalter ist das Kindesalter zwischen 4 und 8 Jahren. Die Osteonekrose betrifft das gesamte Capitulum humeri, ist selbstlimitierend und heilt bei rechtzeitiger Sportkarenz meist ohne Folgen aus (Schenck u. Goodnight 1996). Diagnostik Der Jugendliche mit einer Osteochondritis dissecans am Ellbogen klagt über Schwellneigung, Bewegungsschmerzen und eingeschränkte Beweglichkeit. Die Beschwerden können langsam als stumpfer diffuser Schmerz im Ellbogen beginnen. Etwa 20% haben anamnestisch ein Trauma erlitten (McManama 1985). Nicht selten wird die schon fortgeschrittene Erkrankung erst durch das Loslösen eines Dissekats diagnostiziert. Radiologisch Röntgen. Die Standardaufnahmen a.-p. und seitlich reichen zur Diagnose einer fortgeschrittenen Osteochondrosis dissecans aus. Im Anfangsstadium ist die nur leichte Abflachung des subchondralen Knochens jedoch schwieriger zu erkennen. Bei entsprechender klinischer Symptomatik empfiehlt sich eine Aufnahme in 45° Flexion im Ellbogen. Freie Gelenkkörper werden röntgenologisch nicht immer erkannt. Häufig findet sich eine Gelenkspaltverschmälerung, Abflachung des Capitulums und eine Vergrößerung des Radiuskopfes. Magnetresonanztomographie. Die Standardsequenzen entsprechen denjenigen beim Kniegelenk. Bei unklaren radiologischen Befunden ist die MRT das Mittel der Wahl. Kleine freie Gelenkkörper können auch in der MRT nur schwer identifiziert werden, insbesondere wenn es sich um vorwiegend chondrale Fragmente handelt (Abb. 31.14 a–d). Klassifikation Eine allgemein gebräuchliche Klassifikation ist nicht veröffentlicht. Aus therapeutischer Sicht erscheint eine Einteilung in frühe und fortgeschrittene Veränderungen sinnvoll, da sich die Prognose deutlich unterscheidet. Frühe radiologische Veränderungen sind die Abflachung des Capitulums ohne Fragmentierung. Fortge-
31.2 Osteochondrosis dissecans
Abb. 31.14 a–d. OCD am Ellbogen. a Röntgenbild einer OCD am Capitulum humeri rechts bei einem 16-jährigen Jungen. b Im MRTStadium IV nach Kramer; die Knorpelschicht ist unterbrochen, das vorwiegend chondrale Fragment komplett gelöst. c Der freie Gelenkkörper wurde arthroskopisch entfernt. d Ausheilung der OCD 18 Monate später mit Verkleinerung und Abflachung des Capitulums. Der Radiuskopf ragt nach radial über
schrittene Veränderungen zeigen sich in Demarkation und Fragmentierung des Dissekats (Takahara et al. 1999). Therapie Prospektive kontrollierte Studien zur Therapie sind nicht veröffentlicht. Der Schlüssel zum guten Behandlungsergebnis liegt in der Früherkennung. Frühe Veränderungen werden konservativ behandelt. Dies bedeutet in erster Linie Sportkarenz und keine belastenden Tätigkeiten bis zur Ausheilung. Ob fortgeschrittene Veränderungen ohne Loslösung des Dissekats durch einen operativen Eingriff profitieren, wird kontrovers diskutiert. Die meisten Autoren befürworten ein konservatives Vorgehen.
Liegen abgerundete freie Gelenkkörper vor, sollten diese entfernt werden (Bardley u. Petrie 2001; McManama et al. 1985; Ruch et al. 1998; Stubbs et al. 2001). Der Vorteil einer Arthroskopie liegt in der Möglichkeit der genauen Inspektion des Gelenkraums. Kleine freie Gelenkskörper können arthroskopisch entfernt werden. Für größere oder dorsal gelegene Fragmente genügt meist eine lokale Arthrotomie lateral oder dorsolateral. Im Einzelfall kann eine Refixation von losgelösten Dissekaten sinnvoll sein. Die Berichte darüber betreffen jeweils kleine Patientenzahlen (Kuwahata u. Inoue 1998). Da sich in Langzeitnachuntersuchungen in der Hälfte der Fälle sekundär arthrotische Zeichen nachweisen ließen, empfehlen einige Autoren, den Defekt anzubohren (McManama et al. 1985). Dies erscheint durch die
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Kapitel 31 Osteochondrosen im Kindes- und Jugendalter
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positiven Erfahrungen beim Knie- und Sprunggelenk sinnvoll, Studien über positive Auswirkungen des Anbohrens auf den Heilverlauf am Ellbogen wurden bisher jedoch nicht veröffentlicht. Über osteochondrale Transplantationen am Ellbogen gibt es keine Studien. Nachbehandlung, Follow-up, Spätkomplikationen Eine Ruhigstellung des Ellbogens sollte unterbleiben, da hierdurch Kontrakturen provoziert werden. Intensive Physiotherapie ist bei jeder verbliebenen Bewegungsbeeinträchtigung indiziert. Da sich sekundäre Fehlstellungen ergeben können, empfiehlt sich eine Nachbetreuung bis zum Wachstumsabschluss.
31.3 Traktionsapophysitiden
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Synonym: »traction epiphysitis«. Der englische Terminus »traction epiphysitis« ist irreführend, da es sich bei den unter diesem Begriff subsummierten Erkrankungen um Störungen der Apophysen handelt. Die Apophyse unterscheidet sich von der Epiphyse durch die in diesem Bereich einstrahlende Sehne. Daher unterliegt diese Wachstumszone einer permanenten Beanspruchung auf Zug. Bei der Apophyse wird der hyaline Knorpel im Verlaufe des Wachstums durch Faserknorpel ersetzt, der über membranöse Ossifikation zu Knochen umgebaut wird. Bei den so genannten Traktionsapophysitiden kommt es zu einer Veränderung der Apophysen durch Überbeanspruchung. Die vermehrte Zugbelastung soll zu einem pseudarthroseähnlichen Umbau führen. Es kommt zur Fragmentierung und nekroseähnlichen Veränderungen. Eine Störung der Vaskularisation wurde histologisch nicht nachgewiesen (Cohen u. Wilkinson 1958). Die Erkrankung ist selbstlimitierend, die Prognose gut. Die Behandlung besteht in Reduktion der Belastung, Sportkarenz oder Ruhigstellung und begleitende Physiotherapie. Operative Maßnahmen sind selten notwendig.
31.3.1 Morbus Iselin An der Basis des 5. Metatarsale inseriert der M. peroneus brevis. Der Knochenkern dieser Apophyse entsteht bei Mädchen im Alter von 10 Jahren, bei Jungen im Alter von 12 Jahren. Die Fuge schließt sich 2 Jahre später. Beim Morbus Iselin besteht eine Druckschmerzhaftigkeit der prominenten Basis des Metatarsale V. Beim
Gehen und bei Eversion und Dorsalflektion gegen Widerstand treten Schmerzen am lateralen Fußrand auf. Die Abgrenzung zu Avulsionsfrakturen des 5. Metatarsale ist manchmal schwierig. Bei akuten starken Schmerzen ist eine Ruhigstellung im Gips für 3–4 Wochen indiziert. Bei milden Symptomen helfen Sportkarenz, antiphlogistische Behandlung und vorsichtiges Dehnen. Eine operative Stabilisierung ist nicht notwendig (Lehman et al. 1986).
31.3.2 Morbus Osgood-Schlatter, Morbus Sinding-Larsen Typisch für den Morbus Schlatter ist die prominente druckempfindliche Tuberositas tibiae. Oft findet sich eine teigige Schwellung und Rötung der Weichteile darüber. Die akute Dehnung des meist verkürzten M. quadriceps führt zu Schmerzen. Bei milder Ausprägung treten die Schmerzen nur bei Belastung auf. In ausgeprägten Fällen imponieren starke Schmerzen bei aktiver und passiver Bewegung im Knie. In der Röntgenaufnahme des Knies seitlich zeigt sich bei fortgeschrittener Erkrankung eine Fragmentierung des Apophysenkerns (Cohen u. Wilkinson 1958; Krause et al. 1990). Die Erkrankungsdauer ist durch den Schluss der apophysären Wachstumsfuge limitiert. In der Regel genügen Sportkarenz, Reduktion der Belastung und vorsichtige Dehngymnastik, um eine volle Schmerzfreiheit zu erreichen. Zur Verhinderung eines Rezidivs sollte die Sportkarenz mindestens 3 Monate betragen. Bei starken Schmerzen wird eine Gipsruhigstellung für 3–6 Wochen empfohlen. Operative Eingriffe sind selten indiziert. Oft bleibt aber eine Vorwölbung der Tuberositas tibiae zurück, die beim Knien behindern kann. Als seltene Komplikation ist ein vorzeitiger Fugenschluss mit Entwicklung eines Genu recurvatum beschrieben. Residuelle Veränderungen im Sinne separierter Ossikel können manchmal über das Wachstumsende hinaus Probleme bereiten. Bei persistierenden Schmerzen kann durch Entfernung des Ossikels die Symptomatik gelindert werden (Krause et al. 1990). Am proximalen Patellarsehnenansatz kann ebenfalls ein Überlastungsschaden entstehen. Dieser wird als Morbus Sinding-Larsen bezeichnet. Es findet sich ein lokaler Druckschmerz an der Patellaspitze und röntgenologisch eine schalenförmige Verkalkung am Sehnenansatz. Die Behandlung ist dieselbe wie beim Morbus Osgood-Schlatter. Nach Reduktion der sportlichen Aktivität und Dehngymnastik bessern sich die Beschwerden rasch (Abb. 31.15 a–c).
31.3 Traktionsapophysitiden
31.3.3 Morbus Sever Entsprechend dem Morbus Osgood-Schlatter am Knie wird die schmerzhafte druckempfindliche Apophyse am Kalkaneus als Morbus Sever bezeichnet. Die Patienten klagen über belastungsabhängige Schmerzen an der Ferse. Die Apophyse ist druckempfindlich, bei Dorsalextension im oberen Sprunggelenk treten Schmerzen an der Ferse auf. Bei längere Schonhaltung kann die Achillessehne verkürzt sein. Das schalenförmige sekundäre Ossifikationszentrum der Kalkaneusapophyse entsteht im 10. Lebensjahr und verschmilzt mit der Tibia mit Abschluss des 16. Lebensjahrs. Häufig sind 2 oder mehr Zentren erkennbar. Eine vermehrte radiologische Dichte im Vergleich zum Kalkaneus findet sich regelmäßig. Da die zahlreichen Normvarianten der Apophyse eine alleinige radiologische Zuordnung unmöglich machen, ist die klinische Symptomatik zur Diagnosefindung entscheidend. Die Erkrankung ist selbstlimitierend und heilt nach Belastungsreduktion und vorsichtiges Dehnen folgenlos aus. Stoßdämpfende Fersenkissen erleichtern das normale Gehen bis zum Abklingen der Symptomatik.
Abb. 31.15 a–c. Klinisches und radiologisches Erscheinungsbild eines Morbus Schlatter. a,b Druckdolente derbe Vorwölbung der Tuberositas tibiae. Typische klinische Präsentation eines Morbus Schlatter. c Radiologische Veränderungen an der Tuberositas tibiae bei Morbus Schlatter: Aufgelockerte fragmentierte Apophyse; kleines Ossikel im Sehnenansatz
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Kapitel 31 Osteochondrosen im Kindes- und Jugendalter
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Kapitel 32
Stressfrakturen
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P. Kasten, H. Schmitt, A.-M. Weinberg
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1029
Definitionen 쐌 Stressfraktur: Ermüdungsbruch eines gesunden Knochens infolge einer inadäquaten, submaximalen und wiederholten Belastung. 쐌 Insuffizienzfraktur: Ermüdungsbruch eines Knochens mit diffus abnormaler Dichte und Struktur (sowohl in der Kortikalis als auch in der Spongiosa). 쐌 Pathologische Fraktur: Sonderform einer Insuffizienzfraktur mit Knochenveränderungen aufgrund von primärem und sekundärem Tumorwachstum. Ursache und Häufigkeit Stressfrakturen an den Extremitäten machen 1,5–3,9% aller Überlastungsschäden bei jungen Athleten aus (Dalton 1992; Engber 1977; Orava u. Puranen 1978; Watkins u. Peabody 1996). Sie sind somit seltener als bei sportlich bedingten Verletzungen Erwachsener mit 0,7–20% (Clement et al. 1981; James et al. 1978; Orava 1980). In einer Analyse von 368 Stressfrakturen der Extremitäten waren 9% der Patienten 5 kg und 쐌 die infantile Zerebralparese (ICP). 34 von 40 Stressfrakturen (85%) waren wenigstens mit einem der oben beschriebenen Risikofaktoren vergesellschaftet. Bei der Bewertung dieser Ergebnisse muss einschränkend die geringe Fallzahl und eine Selektion der abgefragten möglichen Risikofaktoren beachtet werden. Bei Kindern mit ICP, einem Kauergang und einer Kniegelenkbeugekontraktur (Abb. 32.1 a,b) traten Stressfrakturen am distalen Pol der Patella auf. Diese werden vermutlich durch einen vermehrten Zug des Lig. patellae bei fehlender Streckbarkeit des Kniegelenks verursacht (Mann 1984; Rosentahl u. Levine 1977). Für die adulte Population sind Risikofaktoren für Stressfrakturen an den Extremitäten beschrieben worden (Tabelle 32.2): Eine plötzliche Änderung des Trainingprogramms hinsichtlich Strecke, Intensität und Tempo stellt den am häufigsten genannten Risikofaktor dar (Fredericson et al. 1997). Ferner erhöht eine Laufstrecke von mehr als 32 km pro Woche und eine harte
Abb. 32.1 a,b. Kinder mit infantiler Cerebralparese gehen teilweise im Kauergang, d. h. das Knie wird aufgrund mangelnder Streckfähigkeit und ggf. einer Beugekontraktur im Gangzyklus nicht durchgestreckt. Diese Patienten können eine z. T. schmerzhafte Stressfraktur im Bereich der distalen Patella bekommen (Mann 1984; Rosentahl u. Levine 1977). Das a.-p. und laterale Röntgen zeigt bei einem 13-jährigen Jungen einen solchen Befund. Es wurde mit einer komplexen Korrekturoperation, mit u. a. einer Sehnenverlängerung der ischiokruralen Muskulatur, die zugrunde liegende Pathologie, nämlich der Kauergang behandelt. Damit reduzierte sich die Belastung der Patellarsehne, und die Patellastressfraktur heilte aus Tabelle 32.2. Risikofaktoren für Stressfrakturen der Extremitäten bei Adulten 쐌 Plötzliche Belastungsänderung (Tempo, Laufstrecke, Körpergewicht, harter Boden) 쐌 Laufstrecke >32 km 쐌 Geringer Wadenumfang bei Frauen 쐌 Geringe Breite der Tibia und vermehrte Außenrotation der Hüfte 쐌 Weibliches Geschlecht?
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Stressfrakturen
oder gewölbte Trainingsoberfläche das Risiko für einen Ermüdungsbruch (Dalton 1992). Bei 300 untersuchten Militärrekruten fanden sich 2 voneinander unabhängige Variablen für ein erhöhtes Stressfrakturrisiko: eine geringe Breite der Tibia und eine vermehrte Außenrotation der Hüfte (Giladi et al. 1987). Bei Frauen mit Stressfrakturen fand sich in einer prospektiven Studie ein geringer Wadenumfang und weniger Muskelmasse (Bennell et al. 1996). Es wird postuliert, dass die geringere Muskelmasse weniger Energie absorbieren kann und somit mehr Energie auf den Knochen abgegeben wird. In der Folge könnten vermehrt Tibiaermüdungsbrüche auftreten. Als Risikofaktoren bei jungen Athletinnen gelten eine reduzierte Knochendichte, Menstruationsstörungen, Essstörungen und Muskelschwäche (Bennell et al. 1996). Weibliche Militärrekruten hatten bei gleichem Trainingsprogramm ein 1,2- bis 10-mal höheres Risiko als ihre männlichen Kollegen, eine Ermüdungsfraktur zu erleiden (Brudvig et al. 1983; Protzman u. Griffis 1977). Bei Untersuchungen an Athleten sind diese Faktoren weniger eindeutig. Einige Studien konnten ein 1,5- bis 3,5-mal höheres Risiko bei Frauen nachweisen (Brunet et al. 1990), andere fanden keine Geschlechtsprävalenz (Brukner et al. 1996).
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Diagnostik Die Schwierigkeit bei der Diagnose von kindlichen Stressfrakturen liegt darin, dass diese relativ selten sind, als Bagatellen eingestuft werden und dass das Nichterkennen möglicher Differenzialdiagnosen, wie z. B. ein Tumorleiden oder eine Infektion, fatale Folgen haben kann (Tabelle 32.3). Der erste Schritt zur Diagnose einer Stressfraktur: daran denken! Neben einer genauen Anamneseerhebung, gefolgt von der klinischen Untersuchung, ist eine adäquate Bildgebung notwendig. Engmaschige Kontrollen können unter Umständen eine Knochenreaktion und eine relativ schnelle Heilung aufzeigen. Mit diesem Vorgehen kann meistens eine invasive Biopsie zum Ausschluss anderer Erkrankungen vermieden werden (Kasten et al. 2005). Falls jedoch nach wiederholter bildgebender Diagnostik noch Zweifel bestehen, muss die Diagnose mit einer Biopsie erzwungen werden. Anamnese In einer retrospektiven Studie waren Schmerzen bei Belastung das häufigste Symptom, gefolgt von Schmerzen Tabelle 32.3. Wichtigste Differenzialdiagnosen 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Tumor (Ewing-Sarkom, Osteosarkom) Osteitis/Osteomyelitis Trauma Ansatztendinitiden (z. B. Pes anserinus) Knochenhautreizung, z. B. das Schienenbeinkantensyndrom (»shin splint syndrome«)
unabhängig von Belastung oder ein Hinken bei sehr jungen Patienten (Walker et al. 1996). Anders als bei Erwachsenen traten Stressfrakturen bei Kindern nur bei 50% in Zusammenhang mit sportlicher Aktivität auf (ebd.). Dennoch können die sportlichen Aktivitäten wertvolle Hinweise auf die Ätiologie geben, z. B. distale Radiusfrakturen bei Gewichthebern. Typische Lokalisationen wie die proximale Tibia sollten den untersuchenden Arzt aufmerksam machen. Ferner sollte analog zu den Stressfrakturen bei Adulten nach plötzlichen Belastungsänderungen gefragt werden. Eine Gewichtszunahme >5 kg scheint eine Rolle zu spielen. Bei Rückenschmerzen von jungen Sportlern, die repetitive Reklinationsbewegungen der Wirbelsäule ausführen, sollte an eine Spondylolyse mit ggf. Spondylolisthesis gedacht werden. Klinisch Typisch sind belastungsabhängige Schmerzen unterschiedlicher Intensität. Ferner kann eine lokale Druckschmerzhaftigkeiten des Knochens, fortgeleitete Klopfschmerzen, eine Weichteilschwellung oder eine palpable Verdickung des Periosts/Knochens vorliegen. Es ist sinnvoll, nach Fehlstellungen zu suchen, die eine vermehrte einseitige Belastung hervorrufen können, wie z. B. eine Beinlängendifferenz, eine Asymmetrie der Hüftbeweglichkeit, Kniefehlstellungen (X- oder O-Beine), eine Tibia vara, ein vermehrte subtalare Pronation, Klump-/Hohlfüße oder ein Kauergang (James et al. 1978). Es konnte gezeigt werden, dass eine vermehrte subtalare Pronation einen Ermüdungsbruch der Tibia und der Tarsalia und ein Hohlfuß eine Stressfraktur der Metatarsalia begünstigt (Matheson et al. 1987). Radiologisch Bei Verdacht auf Stressfrakturen werden primär konventionelle Röntgenbilder angefertigt. Im Frühstadium haben jedoch 2/3 einen negativen Befund, und auch nur die Hälfte entwickelt im Verlauf die typischen nativradiologischen Zeichen einer Stressfraktur (Savoca 1971). Die lamelläre Periostreaktion ist ein radiologisch früh sichtbares Zeichen (Abb. 32.2 a–c). Eine umschriebene Knochendichteminderung, das so genannte »gray cortex sign«, und eine Unschärfe der Kortikalis infolge einer Hyperämie und eines Ödems wurden ebenfalls als Frühzeichen beschrieben (Mulligan 1995). Im Verlauf kommt es zu einer enostalen Kortikalisverdickung oder einer unscharf begrenzten Verdichtungslinie. Falls sich im Nativröntgen ein bezüglich einer Stressfraktur suspekter Befund zeigt, aber ein Malignom oder ein Infekt nicht auszuschließen sind, empfiehlt sich die Anfertigung einer MRT. Eine MRT hat den Vorteil, bereits Frühzeichen einer Stressfraktur zur Darstellung zu bringen. Sie kann als mehrschichtiges Verfahren mit einer hohen Sensitivität exakt die Ausdehnung und Lokalisation angeben. Die
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Kapitel 32 Stressfrakturen
Abb. 32.2. a Im a.-p.-Röntgen eines 8 Jahre alten Jungen zeigt sich eine Verdichtungslinie im Bereich der distalen Metaphyse des Femurs mit Periostreaktion. b In der koronaren Schnittführung der MRT in der T2-Wichtung zeigt sich ein vermehrtes Signal im Knochen und dem umliegenden Weichteil bei transkortikaler Frakturlinie. c Auch in der T1-Wichtung (koronarer Schnitt) ist die Frak-
turlinie sichtbar, d. h. es handelt sich um ein Grad IV der Stressfrakturen nach Arendt. Eine Dislokationsgefahr bestand nicht. Der Patient wurde konservativ mit vorübergehender Ruhigstellung und gradueller Belastungssteigerung nach Schmerzfreiheit behandelt
Applikation von Kontrastmittel kann zum Ausschluss eines Tumors oder einer Infektion hilfreich sein. In der Frühphase ist ein Knochenmarködem vorhanden, das in den T1-gewichteten Bildern hypointens, in den T2gewichteten Bildern hyperintens zur Darstellung kommt. Eine Periostreaktion ist in den T2-gewichteten Bildern ebenfalls hyperintens zu sehen. Eine Frakturlinie ist in allen Gewichtungen als hypointense Linie zu sehen. Arendt u. Griffith (1997) haben eine Klassifikation für Stressfrakturen unter Einbeziehung der MRT erarbeitet (Tabelle 32.4). Bei klinischem Verdacht auf eine Stressreaktion oder Fraktur bei blanden nativen Röntgenbildern kann die sehr sensitive Dreiphasenskelettszintigraphie bei der Diagnosestellung weiter helfen. Nach 5–10 min kommt
es in der Weichteilphase/Extravasalphase zu einer Speicherung in das umliegende Weichteil. In der Spätphase – frühestens 2 Stunden nach Tracer-Applikation – kann eine Anreicherung im Knochen bei vermehrten Umbauvorgängen festgestellt werden. Innerhalb von 2–10 Tagen nach Fraktur oder Knochenverletzung kommt es zu einer Aktivitätsanreicherung, die erst nach 3–18 Monaten wieder verschwindet. Dies bedeutet, dass diese Methode nicht für eine Verlaufskontrolle geeignet ist (Steingruber et al. 2002). Der SPECT- (»single-photonemission-computed tomography«-) Modus ermöglicht als Schnittbildverfahren eine verbesserte Ortsauflösung und Diagnosefindung. Die SPECT ist auch eine Szintigraphie, die aber wie die CT in Schnittbildern aufgezeichnet wird.
Tabelle 32.4. Klassifizierung entsprechend der Bildgebung. (Nach Arendt u. Griffith 1997)
Grad
Röntgen
Szintigraphie
MRT
1
Normal
Signal in der STIR-Sequenz
2
Normal
3
Diskrete Linie und ggf. Periostreaktion
4
Frakturlinie oder Periostreaktion
Geringe, unscharf begrenzte Mehranreicherung Stärkere unscharf begrenzte Mehranreicherung Scharf begrenzte Mehranreicherung (diffus oder fokal) Intensive transkortikale Mehranreicherung
Signal in der STIR- und T2-gewichteten Sequenz Signal in der T2- und T1-gewichteten Sequenz, keine kortikale Frakturlinie Frakturlinie in T2und T1-Wichtung
Stressfrakturen
Nachteilig bei der Skelettszintigraphie sind insbesondere bei Kindern die Strahlenbelastung für die Wachstumsfugen (dort wird am meisten Tracer aufgenommen, da dort immer eine hohe Aktivität vorhanden ist) und die nur niedrige Spezifität. Die CT kann mit einer hohen Sensitivität Frakturlinien und/oder Periostreaktionen nachweisen. Zu beachten bei Kindern ist auch hier die Strahlenexposition. Bei Patientinnen mit wiederholten Stressfrakturen, Amenorrhö und/oder Anorexie, verzögerter Pubertät und familiärer Osteoporose sind eine Knochendichtemessung (»dual x-ray absorptiometry«/DXA) und Laboruntersuchungen des Hormonstatus zu erheben (Matter et al. 2002; Tabelle 32.5).
Tabelle 32.5. Diagnostischer Algorithmus bei kindlichen Stressfrakturen (Kasten et al. 2005) 1. Anamnese (Belastungsschmerzen, plötzliche Belastungsänderung, Sportart, Essstörungen, Amenorrhö) 2. Klinische Untersuchung [Druckschmerz, Knochenverdickung palpabel, anatomische Auffälligkeiten (z. B. Achsfehlstellungen, Hohlfüße, vermehrte subtalare Pronation)] 3. Nativröntgen (in Frühphase unauffällig, im Verlauf ggf. Knochendichteminderung oder Periostreaktion) 4. Bei unauffälligem Nativröntgen: MRT, ggf. Szintigraphie Bei Differenzialdiagnose Neoplasma/Osteoidosteom/ Infekt: MRT (CT) 5. Wiederholte, engmaschige Röntgen- oder MRT-Verlaufskontrollen 6. Gegebenenfalls Biopsie
Abb. 32.3. a Im a.-p. und vor allem im lateralen Röntgenbild zeigt sich eine Verdichtungslinie im proximalen Schaftbereich der Tibia mit Kallusbildung bei einem 6-jährigen Jungen. b Eine Röntgento-
Prophylaxe Eine Cochrane-Metaanalyse aus dem Jahre 2000 zeigte eine signifikante Reduktion von Stressreaktionen und -frakturen bei der Anwendung von stoßdämpfenden Einlagen bei adulten Athleten und Rekruten. Daten zu Patienten mit offenen Wachstumsfugen fehlen diesbezüglich (Gillespie u. Grant 2000). Therapie Die Therapie richtet sich nach 쐌 der Stabilität der Stressfraktur, 쐌 einer möglichen Dislokation im Sinne einer Achsabweichung, 쐌 der Lokalisation und 쐌 dem Risiko hinsichtlich einer Pseudarthrose. In aller Regel erfolgt die Therapie bei Kindern nichtoperativ (Abb. 32.3 a–c). Liegt jedoch eine Gelenkbeteiligung oder eine nicht tolerierbare Fehlstellung vor, dann kann neben der Reposition eine Osteosynthese indiziert sein (Tabelle 32.6). Bei Belastungsschmerzen ist eine temporäre Ruhigstellung z. B. im Gips oder eine Entlastung an Unterarmgehstützen nötig. Neuere eigene Untersuchungen ergaben, dass eine Ruhigstellung von 4–6 Wochen, die sonst bei kindlichen Frakturen ausreichend ist, in bis zu einem Drittel der Fälle nicht zur Beschwerdefreiheit führte. 14 von 40 Stressfrakturen (35%) wurden 8 Wochen und mehr entlastet (Mittelwert: 7,9 Wochen, Standardabweichung 7,1, minimal 4, maximal 40) (Niemeyer et al. 2005). Es empfiehlt sich daher – je nach Beschwerden des Kindes –, eine adaptierte Ruhigstellung oder Entlastung
mographie brachte den Frakturspalt zusätzlich zur Darstellung ohne Nachweis einer weiteren Pathologie. c Einen Monat später zeigt sich eine zunehmende Strukturierung des Kallus
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Kapitel 32 Stressfrakturen Tabelle 32.6. Therapeutischer Algorithmus Fraktur instabil, ins Gelenk reichend oder stark Pseudarthrose gefährdet 쐌 OP oder Ruhigstellung (z. B. Gips) mit temporärer Entlastung/Sohlenkontakt bis zur Schmerzfreiheit, dann Zweistufenschema Fraktur stabil und mit mittlerem Risiko für eine Pseudarthrose 쐌 Konservativ, Zweistufenschema Stufe 1: Nur Alltagsbelastung, Schmerzreduktion mit nichtsteroidalen Antiphlogistika, Eis, Physiotherapie, bei starken Schmerzen vorübergehende Immobilisation (6–12 Wochen), dann leichtes Trainingsprogramm z. B. im Wasser, mit dem Rad oder Stepper Stufe 2: Nach 14 Tagen Schmerzfreiheit: stufenweise Wiederaufnahme der sportlichen Aktivität (z. B. in den ersten 2 Wochen nur jeden 2. Tag laufen, in der 3. bis 6. Woche langsame Steigerung der Distanz, Frequenz und Tempo)
bzw. Teilbelastung von 6–12 Wochen durchzuführen. Solange ein Kind hinkt oder Beschwerden angibt, ist dies ein Indiz für eine weiterhin notwendige, konsequentere Ruhigstellung bis zur Beschwerdefreiheit. Wenn die Belastungsschmerzen nachlassen, kann eine funktionelle Behandlung unter antiphlogistischer Medikation, physikalischen Maßnahmen (z. B. Eis) und/oder Elektro-/Ultraschalltherapie und/oder Krankengymnastik beginnen. In einem schmerzfreien Intervall unter Alltagsbelastungen von 14 Tagen kann – nach erneuter klinischer Kontrolle – eine schrittweise sportliche Belastungssteigerung durchgeführt werden. Zumeist lassen sich Kinder bei Beschwerdefreiheit ihre Sportart auch nicht verbieten. Eine Cochrane-Metaanalyse ergab einen positiven Effekt auf den Rehabilitationsverlauf von tibialen Stressfrakturen durch Luftkammerorthesen bei jungen adulten Athleten (Gillespie u. Grant 2000). Klinische Daten für Kinder existieren nicht, meist muss im Kindesalter konsequent ruhiggestellt oder entlastet werden. Dagegen können bei Patienten, die in der Pubertät sind, solche Schienen eine Alternative darstellen. Grundsätzlich ist es sinnvoll, bei Kindern mit hohem Sportniveau darauf zu achten, dass eine sportspezifische Muskelrehabilitation mit Auftrainieren der allgemeinen Kraft und defizitärer Muskelgruppen durchgeführt wird. Wichtig ist zu betonen, dass dies als Prophylaxe später dauerhaft ins Training integriert werden sollte. Eine medikamentöse Substitution sollte bei nachgewiesenem Kalzium- und/oder Vitamin D-Mangel verordnet werden, wobei ein solcher Mangel eher selten als auslösendes Agens nachgewiesen wird. Bei Zyklusstörungen ist nach Abklärung einer möglichen Grunderkrankung eine leichte Gewichtszunahme oder Trainingsreduktion zu empfehlen. Bei Athletinnen, die das
nicht wollen oder können, ist in enger Zusammenarbeit mit einem pädiatrischen Endokrinologen oder Jugendgynäkologen die Gabe einer differenzierten Hormonersatztherapie möglich. Erfahrungen hinsichtlich einer Biphosphonattherapie bei jungen Athletinnen mit reduzierter Knochendichte liegen bisher nicht ausreichend vor, sodass hier eher Zurückhaltung zu empfehlen ist (Matter et al. 2002). In der Nachuntersuchung am eigenen Patientengut bei 40 Stressfrakturen wurden 27 Fälle (67,5%) uneingeschränkt sportfähig, 11 (27,5%) hatten Einschränkungen bei sportlicher, 2 bei alltäglichen Belastungen. Dementsprechend waren 13 von 40 (32,5%) Patienten mit dem Behandlungsergebnis nicht zufrieden. Dieser hohe Anteil unterstreicht, dass bei diesem Krankheitsbild auf eine ausreichende Ruhigstellung und Ausheilung geachtet werden muss, um einen frustranen zu frühen Trainingsbeginn zu vermeiden (Niemeyer et al. 2005). Therapie von Spondylosen bei Kindern und Jugendlichen Der Zufallsbefund einer Spondylolyse und/oder einer Spondylolisthesis bis Meyerding I (Verschiebung des Wirbelkörpers von