¨ TOPOLOGIE - AUSGEWAHLTE THEMEN UND ANWENDUNGEN (SS 06) BERNHARD HANKE
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¨ TOPOLOGIE - AUSGEWAHLTE THEMEN UND ANWENDUNGEN (SS 06) BERNHARD HANKE
Diese Vorlesung schließt sich an die Vorlesung Topologie“ von G. ” Ziegler aus dem Wintersemester 2005/2006 an. Das Skript dieser Vorlesung ist im Netz verf¨ ugbar und wird im folgenden mit [Z] zitiert. Der erste Teil der vorliegenden Vorlesung bezieht sich in weiten Teilen auf das Buch J. Matouˇsek, Using the Borsuk-Ulam Theorem, Springer 2003, das wir im folgenden mit [M] zitieren. 1. Borsuk-Ulam-Theorem und Tuckers Lemma Satz 1.1. (Borsuk’scher Antipodensatz)[K. Borsuk, 1933] Es sei f : S n → Rn
eine stetige Abbildung. Dann gibt es einen Punkt x ∈ S n mit f (x) = f (−x) .
Eine direkte Folgerung dieses Satzes ist, dass S n nicht in Rn eingebettet werden kann. Alle bekannten Beweise dieses Satzes beruhen auf nichttrivialen topologischen Methoden: • In [Z] wurde dieser Satz aus der Hopfschen Spurformel abgeleitet (siehe Satz 5.15. in [Z]). • In [Bredon, Topology and Geometry, 1993, S. 362] ist ein Beweis angegeben, der die Kohomologieringstruktur der reellprojektiven R¨aume RP n benutzt. • Eine weiterer Zugang benutzt (rudiment¨are) Transversalit¨atstheorie. Hier verweisen wir auf das sch¨one Buch [V. Guillemin and A. Pollack, Differential topology, Prentice Hall 1974]. Eine simpliziale Version dieses Zugangs ist in [M], S. 31 ff. ausgef¨ uhrt. Wir wollen in dieser Vorlesung den Zusammenhang mit einem Resultat der kombinatorischen Topologie heraustellen, das gewissermaßen einer diskreten Version des Satzen von Borsuk-Ulam entspricht. Im folgenden bezeichnet B n den abgeschlossenen Einheitsball in Rn (bzgl. der euklidischen Norm). 1
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Definition. Wir nennen eine Triangulierung von S n antipodal symmetrisch, falls die Punktspiegelung S n → S n , x 7→ −x
bez¨ uglich dieser Triangulierung simplizial ist. Satz 1.2. (Tuckers Lemma)[A. W. Tucker, 1946] Es sei T eine Triangulierung von B n , so dass die induzierte Triangulierung von ∂B n antipodal symmetrisch ist. Weiterhin sei jede Ecke v von T mit einer Zahl λ(v) ∈ {±1, ±2, . . . , ±n} versehen, so dass die Abbildung λ antipodal ist, also n
λ(−v) = −λ(v)
f¨ ur alle Ecken v ∈ ∂B . Dann existiert eine komplement¨are Kante in T , d.h. f¨ ur die beiden Ecken v, w dieser Kante gilt λ(v) = −λ(w) . Der Satz von Borsuk-Ulam kann daraus wie folgt abgeleitet werden. Angenommen, es sei f : S n → Rn eine Abbildung mit f (x) 6= f (−x) f¨ ur alle x ∈ S n . Dann definiert g : S n → S n−1 , x 7→ eine Abbildung mit
f (x) − f (−x) , kf (x) − f (−x)k
g(−x) = −g(x) f¨ ur alle x ∈ S n . Durch Einschr¨ankung auf die obere Hemisph¨are in S n erhalten wir somit eine stetige Abbildung h : B n → S n−1
deren Einschr¨ankung auf den Rand antipodal ist, also h(−x) = −h(x) f¨ ur alle x ∈ ∂B n . Da h gleichm¨aßig stetig ist, existiert ein δ > 0, so dass die Implikation r 1 ′ ′ kx − x k < δ ⇒ kh(x) − h(x )k < n f¨ ur alle x, x′ ∈ B n richtig ist. Es existiert nun eine Triangulierung T von B n mit den folgenden Eigenschaften: • Der Durchmesser jedes Simplex in T ist kleiner als δ. • Die Einschr¨ankung von T auf ∂B n ist antipodal symmetrisch.
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Ist v = (v1 , . . . , vn ) ∈ B n eine Ecke dieser Triangulierung, so setzen wir nun r 1 i(v) := min{|h(v)i | ≥ } i n (man u ¨berlegt sich leicht, dass i(v) existiert) und dann λ(v) := sgn(vi ) · i(v) .
Nach Wahl von δ gilt dann aber f¨ ur je zwei Ecken v, w, die in einem Simplex von T liegen, dass λ(v) 6= −λ(w) q gilt (sonst w¨are kv − wk ≥ 2 n1 ) und dies widerspricht der Aussage von Tuckers Lemma. Bevor wir Tuckers Lemma beweisen, formulieren wir dessen Aussage etwas um. Es sei K n ⊂ Rn uglich das n-dimensionale Kreuzpolytop, also der Einheitsball in Rn bez¨ der l1 -Norm. Wir versehen K n mit der Standardtriangulierung. Die dadurch induzierte Triangulierung des Randes ∂K n definiert einen Simplizialkomplex mit Eckenmenge V = {±1, ±2, . . . , ±n} .
Eine Teilmenge F ⊂ V bildet ein Simplex genau dann, wenn kein ¨ i ∈ {1, . . . , n} existiert mit i ∈ F und −i ∈ F . Diese Uberlegung zeigt, dass Tuckers Lemma ¨aquivalent zur folgenden Aussage ist. Proposition 1.3. Es sei B n mit einer Triangulierung T versehen, die antipodal auf dem Rand ist. Dann existiert keine simpliziale Abbildung f : B n → ∂K n
ur alle Ecken v in ∂B n gilt. so dass f (−v) = −f (v) f¨ Proof. Wir beweisen diese Aussage mit Hilfe simplizialer Homologie (cf. Kapitel 4 in [Z]). Allerdings benutzen wir diese nur in sehr rudiment¨arer Form: Wir arbeiten durchwegs auf dem Kettenniveau und benutzen keinerlei nichttrivialen Ergebnisse aus der Homologietheorie (wie topologische Invarianz der Homologiegruppen, etc.). Wir beweisen Proposition 1.3 zun¨achst unter der Annahme, dass die gegebene Triangulierung T von B n die folgende zus¨atzliche Eigenschaft hat: Es sei Hk+ := {x ∈ S n−1 | xk+1 ≥ 0, xk+2 = . . . = xn = 0} Hk− := {x ∈ S n−1 | xx+1 ≤ 0, xk+2 = . . . = xn = 0}
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die n¨ordliche, bzw. s¨ udliche Hemisph¨are des Randes des (k + 1)dimensionalen Teilballes von B n . Dann induziert T Triangulierungen von Hk+ und Hk− . Angenommen, es existiere eine simpliziale Abbildung f : B n → ∂K n , die antipodal auf dem Rand ist. Wir betrachten die von f induzierte Abbildung f∗ : C∗ (B n ; Z/2) → C∗ (∂K n ; Z/2) zwischen den simplizialen Kettenkomplexen mit Z/2-Koeffizienten (die wir im folgenden nicht immer anschreiben werden). Es sei X bn = σni ∈ Cn (B n ; Z/2) i
die Kette, die genau aus allen n-Simplizes der Triangulierung von B n besteht. Dann gilt f∗ (∂bn ) = ∂f∗ (bn ) = 0 , da ∂K n gar keine n-Simplizes hat. Die Kette ∂bn k¨onnen wir als Kette in Cn−1 (∂B n ) auffasssen; sie besteht genau aus allen Simplizes der induzierten Triangulierung von ∂B n = S n−1 . Wir folgern nun aus der Antipodalit¨atseigenschaft von f , dass f∗ (∂bn ) 6= 0 ,
im Widerspruch zum eben Gezeigten. Wir bezeichnen dazu mit
n a+ k ∈ Ck (∂B )
die Kette, die aus allen k-Simplizes besteht, die in Hk+ enthalten ist (k = 0, 1, . . . , n − 1). Entsprechend definieren wir a− k . Die Kette − n ak := a+ k + ak ∈ Ck (∂B )
besteht dann aus allen k-Simplizes in ∂B n ∩ Rk+1 . Insbesondere gilt also ∂bn = an−1 . Weiterhin definieren wir die Ketten ± c± k := f∗ (ak ) , ck := f∗ (ak ) .
in Ck (∂K n ). Wir wollen also cn−1 6= 0 zeigen. Angenommen, cn−1 = 0. Dann ist − c+ n−1 = cn−1 (beachte, dass wir immer mit Koeffizienten in Z/2 arbeiten) und damit c+ n−1 eine antipodal symmetrische Kette (denn nach Annahme an f sind + cn−1 und c− n−1 antipodal zueinander). Insbesondere ist also − cn−2 = ∂c+ n−1 (= ∂cn−1 )
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der Rand einer antipodal symmetrischen Kette in Cn−1 (∂K n ). Letztere − (z.B. = c+ onnen wir in der Form d+ n−1 ) k¨ n−1 + dn−1 schreiben, wobei die − (n − 1)-Kette d+ n−1 antipodal zu dn−1 ist (indem wir jedes antipodale + − Paar von Simplizes in c− n−1 auf dn−1 und dn−1 aufteilen). Es gilt also − + − c+ n−2 + cn−2 = ∂dn−1 + ∂dn−1
oder - nach Umordnen + − − c+ n−2 + ∂dn−1 = cn−2 + ∂dn−1 .
Da die linke Seite antipodal zur rechten ist, ist insbesondere die Kette + c+ n−2 + ∂dn−1 antipodal symmetrisch und + + cn−3 = ∂c+ n−2 = ∂(cn−2 + ∂dn−1 )
Rand einer antipodal symmetrischen Kette in Cn−2 (∂K n ). Induktiv k¨onnen wir schließen, dass c0 Rand einer antipodal symmetrischen Kette x ∈ C1 (∂K n ) ist. Insbesondere besteht c0 aus einer geraden Anzahl von Paaren antipodaler 0-Simplizes. Dies kann man z.B. wie folgt zeigen. Die gegebene Triangulierung von ∂K n induziert eine Triangulierung von RP n−1 := ∂K n /(x ∼ −x) . Wir erhalten eine Abbildung von Kettenkomplexen tr : C∗ (RP n−1 ) → C∗ (∂K n )
(immer mit Z/2-Koeffizienten) indem wir jedes k-Simplex σ in RP n−1 auf die Summe der beiden k-Simplizes in ∂K n abbilden, die u ¨ber σ liegen. Es ist leicht zu zeigen, dass die Abbildung tr wirklich mit den Randabbildungen vertr¨aglich. Sie ist ein Beispiel einer Transferabbildung. Da die 1-Kette x ∈ C1 (∂K n ) antipodal symmetrisch ist, existiert nun eine 1-Kette y ∈ C1 (RP n−1 ) mit tr(y) = x .
Die 0-Kette ∂y ∈ C0 (RP n−1 ) ist nun Summe einer geraden Anzahl von 0-Simplizes und daher ist c0 = ∂x = ∂tr(y) = tr(∂y) in der Tat Summe einer geraden Anzahl von Paaren antipodaler 0Simplizes. Die Kette c0 besteht also aus einer durch 4 teilbaren Anzahl von 0-Simplizes. Nach Definition besteht aber c0 = f∗ (a0 ) genau aus 2 antipodischen Punkten. Dies ist ein Widerspruch und damit gilt cn−1 6= 0.
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Wir bemerken nun, dass wir bei der Herleitung des Borsuk-UlamSatzes aus dem Tuckerschen Lemma ohne Probleme annehmen k¨onnen, dass die betrachtete Triangulierung von B n die zus¨atzliche Eigenschaft hat, die wir im vorherigen Beweis formuliert haben. Daher ist Satz 1.1 nun vollst¨andig bewiesen. Dann folgt aber Proposition 1.3 in seiner allgemeinen Form leicht aus dem Satz von Borsuk-Ulam: H¨atten wir eine Abbildung f : B n → ∂K n wie in Proposition 1.3, so betrachten wir B n als n¨ordliche Hemisph¨are von S n und erhalten eine stetige Abbildung S n → S n−1
indem wir x auf −f (−x) abbilden, falls x auf der s¨ udlichen Hemisph¨re liegt. Diese Abbildung ist dann antipodal symmetrisch und es ergibt sich (nach Einbettung von S n−1 in Rn ) ein Widerspruch zum Satz von Borsuk-Ulam. Falls man in Proposition 1.3 annimmt, dass die gegebene Triangulierung von B n die Standardtriangulierung von K n verfeinert (nachdem wir B n mit K n identifiziert haben), so kann man dieses Result rein kombinatorisch zeigen. Wir verweisen dazu auf [M], Abschnitt 2.3. ´sz-Theorem 2. Kneser-Lova Eine sch¨one Anwendung des Satzes von Borsuk-Ulam ist ein Beweis des Kneser-Lov´asz-Theorems, der von J. Greene im Jahre 2002 angegeben wurde und den wir im folgenden vorstellen wollen. Es geht um die chromatische Zahl des sogenannten Kneser-Graphen Kn,k : Definition. Es seien k und n nat¨ urliche Zahlen, wobei k ≤ n. Wir definieren einen Graph Kn,k wie folgt: • Die Ecken von Kn,k sind die k-elementigen Teilmengen von {1, 2, . . . , n}. • Je zwei Ecken sind durch eine Kante verbunden, falls die zugeh¨origen Teilmengen disjunkt sind. Der Graph Kn,1 ist z.B. der vollst¨andige Graph mit n Ecken. Der Kneser-Graph K5,2 kann mit dem Petersen-Graphen identifiziert werden. Definition. Es sei G = (V, E) ein Graph. Die chromatische Zahl χ(G) von G ist die minimale Anzahl von Farben, die man ben¨otigt, um die Ecken von G so zu f¨arben, dass benachbarte Ecken jeweils unterschiedliche Farben haben.
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Das folgende Resultat wurde von M. Kneser im Jahre 1955 vermutet und von L. Lov´asz im Jahre 1978 bewiesen. Satz 2.1. Es sei n ≥ 2k − 1. Dann gilt
χ(Kn,k ) = n − 2k + 2 .
Diese Formel kann nat¨ urlich nicht stimmen, falls 2 ≤ 2k − 2 ist (dann ist χ(Kn,k ) = 1). Der Rest dieses Abschnittes ist dem Beweis von Theorem 2.1 gewidmet. Wir nehmen im folgenden immer an, dass n ≥ 2k − 1 ist. Der Beweis der Ungleichung χ(Kn,k ) ≤ n − 2k + 2
ist einfach und geht wie folgt. Wir ordnen jeder k-elementigen Teilmenge F ⊂ {1, 2, . . . , n} die Zahl min{min(F ), n − 2k + 2}
zu. Dies definiert eine F¨arbung der Ecken mit h¨ochstens n − 2k + 2 Farben“. Falls zwei Teilmengen F, F ′ die gleiche Farbe i haben, ” unterscheiden wir zwei F¨alle: • Wenn i < n − 2k + 2, dann ist i ∈ F ∩ F ′ , also sind F und F ′ nicht disjunkt. • Wenn i ≥ n − 2k + 2, dann sind F und F ′ Teilmengen von {n − 2k + 2, n − 2k + 3, . . . , n}. Da letztere Menge nur 2k − 1 Elemente hat, k¨onnen F und F ′ nicht disjunkt sein. Die obige Ungleichung ist damit gezeigt. Die Ungleichung χ(Kn,k ) ≥ n − 2k + 2
ist viel schwerer zu beweisen. Wir arbeiten mit einer Folgerung aus dem Borsuk-Ulam-Satz, die auch f¨ ur sich genommen interessant ist. Proposition 2.2 (Lusternik-Schnirelman). Es seien A1 , A2 , . . . An+1 Teilmengen der Sph¨are S n mit den folgenden Eigenschaften: S n • n+1 i=1 Ai = S . • F¨ ur alle i ∈ {1, 2, . . . , n + 1} ist Ai entweder offen oder abgeschlossen. Dann enth¨alt mindestens eine der Mengen Ai ein Paar antipodaler Punkte, d.h. es gibt ein x ∈ S n und ein i ∈ {1, . . . , n + 1} mit x ∈ Ai , −x ∈ Ai .
Proof. Wir nehmen zun¨achst an, dass alle Ai abgeschlossen sind. Wir betrachten die stetige Funktion f : S n → Rn , x 7→ (dist(x, A1 ), dist(x, A2 ), . . . , dist(x, An )) .
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Nach dem Satz von Borsuk-Ulam gibt es ein Paar antipodaler Punkte x, −x ∈ S n mit f (x) = f (−x). Falls eine Koordinate von f (x) gleich 0 ist, dann liegen x und −x in einem Ai mit 1 ≤ i ≤ n (alle Ai sind ja abgeschlossen). Falls aber alle Koordinaten von f (x) ungleich 0 sind, dann liegen x und −x in An+1 , da A1 , . . . , An+1 ganz S n u ¨berdecken. Wir nehmen nun an, dass alle Ai offen sind. Wir w¨ahlen f¨ ur jeden n Punkt x ∈ S eine abgeschlossene (Kugel-)Umgebung Xx von x, die ganz in einem Ai enthalten ist. Da S n kompakt ist, gibt es endlich viele Punkte x1 . . . , xl ∈ S n mit S n = ∪li=1 Xxi .
F¨ ur i = 1, . . . , n+1 sei nun Yi ⊂ Ai die Vereinigung derjenigen Xxj , die ganz in Ai enthalten sind. Dann bilden Y1 , . . . , Yn+1 eine abgeschlossene ¨ Uberdeckung von S n . Nach dem bereits Gezeigten enth¨alt also mindestens ein Yi ⊂ Ai ein Paar antipodaler Punkte. Wir nehmen nun an, dass jedes Ai offen oder abgeschlossen ist. F¨ ur ¨ ǫ > 0 bezeichen wir mit (Aǫi ), diejenige offene Uberdeckung von S n , wo wir alle abgeschlossenen Ai durch die offene ǫ-Umgebung in S n ersetzt haben. Nach dem eben Gezeigten gibt es f¨ ur alle ǫ ein Aǫi , das ein Paar antipodaler Punkte enth¨alt. Liegt so ein Paar bereits in einem offenen Ai (d.h. Ai = Aǫi ), so sind wir fertig. Andernfalls existiert ein festes i ∈ {1, . . . , n + 1}, so dass Ai abgeschlossen ist und eine Nullfolge ǫk mit positiven Folgegliedern existiert, so dass Aǫi k , k = 1, 2, . . ., ein Paar antipodaler Punkte xk , −xk enth¨alt. Da S n kompakt ist, enth¨alt (xk ) eine Teilfolge, die gegen einen Punkt x ∈ S n konvergiert. Weil xk ∈ Aǫi k und weil Ai abgeschlossen ist, sind dann x, −x ∈ Ai . Um die verbleibende Absch¨atzung f¨ ur die chromatische Zahl des Knesergraphen zu zeigen, nehmen wir nun an, es g¨abe k, n ∈ N mit n ≥ 2k − 1 und χ(Kn,k ) ≤ n − 2k + 1 .
Es sei eine entsprechende F¨arbung von Kn,k gew¨ahlt. Wir ben¨otigen noch ein Lemma zur Verteilung endlich vieler Punkte in allgemeiner Lage auf der Sph¨are: Lemma 2.3. Es seien l, n ∈ N nat¨ urliche Zahlen. Dann existieren l paarweise verschiedene Punkte auf der Sph¨are S n ⊂ Rn+1 in allgemeiner Lage, das heißt, ist H ⊂ Rn+1 eine Hyperebene (der Kodimension 1) durch 0, so enth¨alt S n ∩ H h¨ochstens n der gew¨ahlten Punkte. Proof. Wir betrachten die Momentenkurve γ : R → Rn+1 , t 7→ (t, t2 , t3 , . . . , tn+1 ) .
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Jede Hyperebene H ⊂ Rn+1 schneidet im γ in h¨ochstens n+1 Punkten, denn die Punkte des Schnittortes sind die Nullstellen eines Polynomes vom Grad h¨chstens n + 1 in t. Wenn wir l paarweise verschiedene Punkte auf im γ w¨ahlen, die verschieden von 0 ∈ Rn+1 sind, dann enth¨alt jede Hyperebene H ⊂ Rn+1 durch 0 h¨ochstens n dieser Punkte, denn 0 ∈ im γ. Wir bringen die so gew¨ahlten Punkte auf Norm 1 und erhalten so die gesuchte Teilmenge von S n . Diese besteht wirklich aus l Punkten, denn auf jedem Strahl durch 0 liegt h¨ochstens einer der l urspr¨ unglich gew¨ahlten Punkte. Wir w¨ahlen nun n Punkte {p1 , . . . , pn } in allgemeiner Lage auf der Sph¨are S n−2k+1 ⊂ Rn−2k+2 . Die zugrundeliegende F¨arbung des Knesergraphen induziert eine F¨arbung der Menge der k-elementigen Teilmengen von {p1 , . . . , pn }. ¨ Wir definieren eine Uberdeckung Ai , i = 1, . . . , n−2k+2 von S n−2k+1 wie folgt. F¨ ur i = 1, . . . , n − 2k + 1 besteht Ai aus den Punkten x ∈ n S , so dass die offene Hemisph¨are von S n mit Mittelpunkt x einen kelementige Teilmenge von {p1 , . . . , pn } enth¨alt, die die Farbe i tr¨agt. Des weiteren setzen wir An−2k+2 := S n \ (
n−2k+1 [ i=1
Ai ) ⊂ S n .
Die Mengen A1 , . . . , An−2k+1 sind offen und die Menge An−2k+2 ist abgeschlossen. Nach Proposition 2.2 enh¨alt mindestens ein Ai ein Paar antipodaler Punkte. Es kann nun aber nicht 1 ≤ i ≤ n − 2k + 1 gelten, denn sonst h¨atten wir zwei k-elementige Teilmengen von {p1 , . . . , pn } die die gleiche Farbe i tragen und außerdem disjunkt sind (da sie in antipodalen Hemisph¨aren liegen). Also enh¨alt An−2k+2 ein Paar antipodaler Punkte x, −x. Die offenen Hemisph¨aren mit Mittelpunkt x und −x enhalten dann jeweils h¨ochstens k − 1 Punkte. Also liegen auf ¨ der Aquatorebene von S n die zu den Polen x, −x geh¨ort, mindestens n − 2k + 2 Punkte. Dies steht im Widerspruch dazu, dass die Punkte {p1 , . . . , pn } in allgemeiner Lage angeordnet waren. Damit ist der Beweis des Kneser-Lov´asz-Satzes abgeschlossen. 3. Z/2-Index und Anwendungen Eine wichtige Einsicht in den Gehalt des Borsuk-Ulam-Satzes ist, dass wir es nicht alleine mit topologischen R¨aumen und stetigen Abbildungen, sondern mit R¨aumen zu tun haben, auf denen zus¨atzlich eine Gruppe operiert und mit Abbildungen, die diese Operationen respektieren.
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Definition. Es sei G eine Gruppe. Ein G-Raum ist ein Paar (X, ν), wobei X ein topologischer Raum und ν eine Operation, bzw. Wirkung von G auf X ist, d.h. ν : G → Homeo(X)
ist ein Gruppenhomomorphismus von G in die Gruppe der Selbsthom¨oomorphismen von X (insbesondere wird das neutrale Element von G auf die Identit¨at von X abgebildet). Es seien nun G-R¨aume (X, ν) und (X ′ , ν ′ ) gegeben. Eine stetige Abbildung f : X → X′
heißt G-¨aquivariant, falls f die gegebenen G-Wirkungen respektiert, d.h. ν ′ (g) ◦ f = f ′ ◦ ν(g) : X → X ′ f¨ ur alle g ∈ G. Tats¨achlich spielen hier die zyklischen Gruppen Z/p, p = {2, 3, 4, . . .}. Falls X mit mehr Struktur ausgestattet ist (z.B. der einer glatte Mannigfaltigkeit, eines Vektorraumes oder eines Simplizialkomplexes), dann kann man fordern, dass das Bild von ν in denjenigen Selbstabbildungen von X liegt, die die jeweilige Struktur respektieren (d.h. aus glatten, linearen oder simplizialen Selbstabbildungen bestehen). Man spricht dann entsprechend von glatten, linearen oder simplizialen G-Operationen. Beispiel. • Es sei X ein topologischer Raum. Jede Involution auf X, d.h. eine stetige Selbstabbildung ν : X → X mit ν 2 = idX , induziert auf X die eine Wirkung der Gruppe Z/2. Umgekehrt enspricht jede Z/2-Wirkung genau einer Involution. • Allgemeiner entsprechen Z/p-Wirkungen auf X denjenigen Selbstabbildungen ν : X → X mit ν p = idX . • Die lineare Gruppe GL(n, R) operiert in offensichtlicher Weise auf dem Vektorraum Rn . Diese Wirkung ist linear. Anschaulich gesprochen formalisiert der Begriff des G-Raumes die Idee der Symmetrie einer (mathematischen) Struktur. Das Konzept der Symmetrie ist fundamental f¨ ur die Mathematik, die moderne Physik und f¨ ur die (Natur-)Wissenschaft u ¨berhaupt. Definition. Ein G-Raum (X, ν) heißt frei, falls f¨ ur alle g ∈ G \ {e} und alle x ∈ X ν(g)(x) 6= x
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gilt. Dabei bezeichnet e ∈ G das neutrale Element. Ein Fixpunkt eines G-Raumes (X, ν) ist ein x ∈ X mit ν(g)(x) = x f¨ ur alle g ∈ G, d.h. x wird von allen Gruppenelementen festgehalten. Wir konzentrieren uns zun¨achst auf Z/2-R¨aume. Definition. Es sei (X, ν) ein Z/2-Raum. Der Z/2-Index von X wird definiert als Z/2
indZ/2 (X) := min{n ∈ {0, 1, 2, 3, . . .} | ∃ X → S n } , falls die Menge auf der rechten Seite nichtleer ist. Hierbei bedeutet die Angabe von Z/2 u ¨ber dem Abbildungspfeil, dass wir nur Z/2-¨aquivariante Abbildungen betrachten, wobei S n die antipodale Z/2-Wirkung tr¨agt. Ist die recht Menge leer, so setzen wir indZ/2 (X) := ∞ .
Es ist leicht zu sehen, dass indZ/2 = ∞, falls X kein freier Z/2-Raum ist. Proposition 3.1. i. Falls indZ/2 (X) > indZ/2 (Y ), dann existiert keine Z/2-Abbildung X → Y . ii. F¨ ur S n versehen mit der Standard-Z/2-Aktion gilt indZ/2 (S n ) = n. Proof. Die erste Aussage ist trivial. Dies gilt auch f¨ ur die Ungleichung indZ/2 (S n ) ≤ n .
H¨atten wir andererseits indZ/2 (S n ) < n, dann existierte eine Z/2-¨aquivariante Abbildung S n → S n−1 und dies f¨ urte nach Komposition mit der Einbettung S n−1 → Rn zu einem Widerspruch zum Satz von Borsuk-Ulam.
Wir wollen das Konzept des Z/2-Index dazu benutzen, gewisse Nichteinbettbarkeitsresultate wie z.B. den folgenden zu zeigen. Satz 3.2 (Van Kampen-Flores). Es sei d ≥ 1 und es sei K := (∆2d+2 )≤d das d-Skelett des Standard-(2d + 2)-Simplexes. Dann gibt es keine Einbettung K ֒→ R2d .
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Wir werden sogar st¨arker zeigen, dass es f¨ ur jede stetige Abbildung f : K → R2d zwei disjunkte Seiten τ1 , τ2 ⊂ K gibt mit f (τ1 ) ∩ f (τ2 ) 6= ∅ . Ein bekanntes Einbettbarkeitsresultat besagt, dass jeder ddimensionale Simplizialkomplex in den R2d+1 eingebettet werden kann. Obiges Theorem zeigt, dass diese Dimensionsschranke im allgemeinen nicht verbessert werden kann. Setzen wir d = 2, so folgt ein wichtiger Satz der Graphentheorie. Korollar 3.3. Der vollst¨andige Graph K5 mit 5 Ecken ist nicht planar. Bevor wir den Beweis des Satzes von Van Kampen-Flores beginnen, erinnern wir an den Begriff des Joins zweier topologischer R¨aume X und Y : X ⋆ Y := (X × Y × [0, 1])/ ∼
wobei (x, y, 0) ∼ (x′ , y, 0) und (x, y, 1) ∼ (x, y ′ , 1) f¨ ur alle x, x′ ∈ X und y, y ′ ∈ Y . Anschaulich gesprochen ist dies der Raum aller Strecken, die einen Punkt in Y mit einem Punkt in X verbinden. Sind X und Y G-R¨aume, so tr¨agt X ⋆ Y eine offensichtliche G-Struktur induziert von der G-Operation auf den Komponenten von X × Y × [0, 1] (wobei die Operation auf [0, 1] trivial ist). Falls X und Y simpliziale Komplexe sind, so tr¨agt X⋆Y eine induzierte simpliziale Struktur: Die Simplizes in X ⋆Y sind genau die Joins von Simplizes in X und Y (wobei eines dieser Simplizes auch leer sein kann). F¨ ur abstrakte simpliziale Komplexe (V1 , K1 ) und (V2 , K2 ) hat man entsprechend: Der Join (V1 ⋆ V2 ) hat als Eckenmenge die disjunkte Vereinigung der Mengen V1 und V2 und die Menge der d-Simplizes besteht aus den disjunkten Vereinigungen ˙ 2 ⊂ V1 ∪V ˙ 2 P1 ∪P wobei P1 ⊂ V1 ein α-Simplex und P2 ⊂ V2 ein β-Simplex ist, mit −1 ≤ α ≤ d und α + β = d − 1. Aus dieser Perspektive sieht man auch leicht ein, dass der Join zweir (abstrakter) Simplizes ∆p und ∆q mit dem Simplex ∆p+q+1 identifiziert werden kann. Wir bemerken Lemma 3.4. Die Abbildung S n ⋆ S m → S n+m+1 , [x, y, t] 7→
(tx, (1 − t)y) k(tx, (1 − t)y)k
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ist ein Hom¨oomorphismus. (Wir fassen dabei S n ⊂ Rn+1 , S m ⊂ Rm+1 auf ). Insbesondere gilt (S 0 )⋆n = S n . Diese Identifikationen sind alle Z/2-¨aquivariant. Dies impliziert f¨ ur zwei Z/2-R¨aume X und Y die Ungleichung indZ/2 (X ⋆ Y ) ≤ indZ/2 (X) + indZ/2 (Y ) + 1 . Im simplizialen Kontext erh¨alt man auf diese Weise genau die u ¨bliche n n+1 Triangulierung von S als Rand von ∆ . Eine Variante der Join-Konstruktion ist die des reduzierten Join: Definition. Es sei K ein simplizialer Komplex. Wir definieren den reduzierten Join ⋆2 K∆ ⊂K ⋆K, als die Vereinigung der Simplizes τ1 ⋆ τ2 , wobei τ1 und τ2 Seiten von K sind mit τ1 ∩ τ2 = ∅. Da wir auf Rn keine simpliziale Struktur vorgeben wollen, definieren wir noch den (topologischen) reduzierten Join 1 n n (Rn )⋆2 ⇒ x 6= y} . ∆ := {(x, y, t) ∈ (R × R × [0, 1])/ ∼ | t = 2 Die Abbildung (x, y, t) 7→ (y, x, 1 − t) ⋆2 induziert Z/2-Aktionen auf K∆ und (Rn )⋆2 uft leicht, dass ¨berpr¨ ∆ . Man u diese Operationen frei sind. Um den Van Kampen-Flores Satz zu zeigen, machen wir folgende ¨ Uberlegung: Es sei K ein simplizialer Komplex und wir nehmen an, es g¨abe eine Abbildung f : K → Rn so dass f¨ ur je zwei disjunkte Seiten τ1 , τ2 von K gilt f (τ1 ) ∩ f (τ2 ) = ∅ .
Wir erhalten daraus eine Abbildung
f ⋆ f : K ⋆ K → R d ⋆ Rd .
Entscheidend sind nun die folgenden zwei Beobachtungen ⋆2 • Diese Abbildung schr¨ankt sich zu einer Abbildung K∆ → n ⋆2 (R )∆ ein. • Die so erhaltene Abbildung ist Z/2-¨aquivariant. Der Satz von Van Kampen-Flores folgt somit zusammen mit Proposition 3.1 aus:
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Proposition 3.5. i. indZ/2 ((R2d )⋆2 ∆ ) ≤ 2d. 2d+2 ≤d ii. F¨ ur K := (∆ ) gilt indZ/2 (K) > 2d. Wir haben also den Satz gezeigt, indem wir einen ¨aquivarianten Konfigurationsraum (= K) konstruiert haben, der die erlaubten geometrischen Konstellationen kodiert, zusammen mit einer Testabbildung auf diesem Konfigurationsraum, die es erlaubt, eine interessante a¨quivariante Invariante dieses Raumes abzusch¨atzen. Den ersten Teil der Proposition zeigen wir durch Konstruktion einer Z/2-¨aquivarianten Abbildung k (Rk )⋆2 ∆ → S
(wobei die Sph¨are nat¨ urlich wieder die antipodale Z/2-Wirkung tr¨agt). Dazu setzen wir zun¨achst f¨ ur [x, y, t] ∈ Rk ⋆ Rk λ1 ([x, y, t]) := (t, tx) ∈ Rk+1 ,
λ2 ([x, y, t]) := (1 − t, (1 − t)y) ∈ Rk+1 .
Man sieht leicht, dass diese Abbildungen wohldefiniert (d.h. mit der ¨ Aquivalenzrelation auf dem Join vertr¨aglich) sind. Gilt nun [x, y, t] ∈ k ⋆2 (R )∆ , so haben wir λ1 ([x, y, t]) − λ2 ([x, y, t]) 6= 0 ∈ Rk+1
und nach Normierung auf Einheitsl¨ange erhalten wir die gew¨ unschte k Abbildung nach S . Diese ist offensichtlich Z/2-¨aquivariant. Um den zweiten Teil der Proposition zu zeigen, m¨ ussen wir eine Methode finden, indZ/2 (K) nach unten abzusch¨atzen. ¨ Wir beginnen mit einer allgemeinen Uberlegung. Es sei P ein Simpli′ zialkomplex und P eine Teilmenge der (abstrakten) Simplizes von P , aber nicht notwendigerweise ein simplizialer Unterkomplex. Die Menge der Simplizes in P ′ ist partiell geordnet. Wir definieren nun ∆(P ′ ) als die geometrische Realisierung des Ordnungskomplexes von P ′ , d.h. die Ecken von ∆(P ′ ) sind die nichtleeren Simplizes in P ′ und {τ0 , . . . , τl } bildet ein l-Simplex in ∆(P ′ ), falls τi , 0 ≤ i ≤ l paarweise verschiedene, nichtleere Simplizes in P ′ sind, die (nach eventueller Umordnung) τ0 ⊂ τ1 ⊂ . . . ⊂ τl
erf¨ ullen. Man beachte, dass ∆(P ) nichts anderes als die baryzentrische Unterteilung von P und allgemeiner ∆(P ′ ) ein Unterkomplex der baryzentrischen Unterteilung von P ist. Es sei nun ˙ 1 P = P0 ∪P
eine Partition der Simplizes von P in zwei disjunkte Teilmengen. Dann erhalten wir (auf dem Niveau der abstrakten Simplizialkomplexe) eine
¨ TOPOLOGIE - AUSGEWAHLTE THEMEN UND ANWENDUNGEN (SS 06) 15
kanonische Abbildung φ : ∆(P ) → ∆(P1 ) ⋆ ∆(P2 )
indem wir jedes Simplex σ = {τ0 , . . . , τl } ∈ ∆(P ) in die Simplizes σ∩P1 und σ ∩ P2 aufteilen. Ist P mit einer simplizialen G-Wirkung versehen, unter der P ′ invariant ist (d.h. die Operation auf P bildet Simplizes in P ′ wieder auf Simplizes in P ′ ab), so tr¨agt ∆(P ′ ) eine induzierte G-Wirkung. Und ist P = P1 ∪ P2 eine Partition wie eben und P1 invariant unter der G-Wirkung, so ist auch P2 G-invariant und φ ist bez¨ uglich der offensichtlichen G-Wirkungen ¨aquivariant. Satz 3.6 (Sarkaria’s Ungleichung). Es sei P ein Simplizialkomplex versehen mit einer simplizialen Z/2-Wirkung und Q ⊂ P ein Z/2invarianter Unterkomplex. Dann gilt indZ/2 (Q) ≥ indZ/2 (P ) − indZ/2 (∆(P \ Q)) − 1 .
Dabei bezeichnet P \ Q die Menge der Simplizes in P , die nicht in Q enthalten sind. Proof. Nach der vorherigen Bemerkung gilt indZ/2 (∆(P )) ≤ indZ/2 (∆(Q) ⋆ ∆(P \ Q)) .
und nach Lemma 3.4 ist
indZ/2 (∆(Q) ⋆ ∆(P \ Q)) ≤ indZ/2 (∆(Q)) + indZ/2 (∆(P \ Q)) + 1 .
Daraus folgt die behauptete Ungleichung.
Wir wenden nun diese Ungleichung auf die Komplexe P := (∆2d+2 )⋆2 ∆ und Q := ((∆2d+1 )≤d )⋆2 ¨blichen Z/2-Wirkung ∆ an, wobei P mit der u auf dem reduzierten Join ausgestattet ist (d.h. die Faktoren werden vertauscht). Die Menge der Simplizes in P \ Q besteht aus Joins τ 1 ⋆ τ2
wobei τ1 , τ2 ⊂ {0, 1, . . . , 2d + 2} abstrakte Simplizes in ∆2d+2 sind mit τ1 ∩ τ2 = ∅ (damit der entsprechende Simplex im reduzierten Join liegt) und |τ1 | > d+1 oder |τ2 | > d+1 (damit der entsprechende Simplex nicht in Q liegt). Da zwei disjunkte Teilmengen von {0, 1, . . . , 2d + 2} nicht beide mehr als d + 1 Elemente haben k¨onnen, zerf¨allt die Menge der Simplizes in P \Q also in die disjunkten Teilmengen T1 := {τ1 ⋆τ2 | |τ1 | > d + 1} und T2 := {τ1 ⋆ τ2 | |τ2 | > d + 1}. Da niemals ein Simplex in T1 in einem Simplex aus T2 enthalten sein kann und umgekehrt, besteht ∆(P \ Q) aus (mindestens) zwei Komponenten, die durch die Z/2Wirkung vertauscht werden. Damit gilt indZ/2 (∆(P \ Q)) = 0
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und mit Sarkaria’s Ungleichung gilt die Absch¨atzung indZ/2 (Q) ≥ indZ/2 (P ) − indZ/2 (Q) − 1 = indZ/2 (P ) − 1 . Der Van Kampen-Flores Satz folgt also aus Lemma 3.7. F¨ ur alle n ≥ 1 ist
indZ/2 ((∆n )⋆2 ∆) = n.
Proof. Es seien zun¨achst K und L beliebige (abstrakte) Simplizialkomplexe. Dann sieht man durch direkten Vergleich der auf beiden Seiten enthaltenen Simplizes (hier zeigt sich die N¨ utzlichkeit des reduzierten Join), dass ⋆2 ⋆2 (K ⋆ L)⋆2 ∆ = K∆ ⋆ L ∆ . Damit erhalten wir ⋆(n+1) 0 ⋆(n+1) ⋆2 = (S 0 )⋆(n+1) = S n . (∆n )⋆2 )∆ = ((∆0 )⋆2 ∆) ∆ = ((∆ )
Man pr¨ uft leicht nach, dass diese Identifikation Z/2-¨aquivariant ist. Damit folgt die Behauptung. Eine weitere sch¨one Anwendung unserer Methoden ist Proposition 3.8. Der vollst¨andige Bipartite Graph K3,3 ist nicht planar. Proof. Wir k¨onnen K := K3,3 als Join D3 ⋆ D3 schreiben, wobei D3 der diskrete Raum mit drei Punkten ist. Nach dem Beweis des vorherigen Lemmas ist also ⋆2 ⋆2 K∆ = ((D3 )⋆2 ∆) . Nun ist aber (D3 )⋆2 oomorph zu S 1 (wie man direkt sieht) und ∆ Z/2-hom¨ ⋆2 ⋆2 damit K∆ Z/2-hom¨oomorph zu S 3 . Insbesondere gilt indZ/2 (K∆ ) = 2 3 > 2 und damit hat jede stetige Abbildung K → R die Eigenschaft, dass sich die Bilder zweier disjunkter Seiten in K schneiden. 4. Tverberg-Partitionen Wir wollen die Methode des ¨aquivarianten Index dazu benutzen, einen anderen Kreis von interessanten Resultaten zu diskutieren. Als Ausgangspunkt w¨ahlen wir folgenden Satz. Satz 4.1 (Radon). Jede Menge von d + 2 Punkten im Rd l¨asst sich so in zwei disjunkte Teilmengen zerlegen, dass sich die konvexen H¨ ullen dieser Mengen schneiden.
¨ TOPOLOGIE - AUSGEWAHLTE THEMEN UND ANWENDUNGEN (SS 06) 17
Proof. Wir bezeichnen die Punkte mir x1 , . . . , xd+2 . Diese sind affin abh¨angig, erf¨ ullen also eine Gleichung αa x1 + . . . + αd+2 xd+2 = 0 , wobei αi reelle Zahlen sind, die nicht alle gleich 0 sind, mit Wir setzen nun
Mit S :=
P
i∈I1
αi =
P
P
αi = 0.
I1 := {i | αi > 0} , I2 := {i | αi < 0} .
−αi ist dann der Punkt 1X 1X (−αi )xi αi xi = S i∈i S i∈I i∈I2
1
2
eine Konvexkombination sowohl der mit i ∈ I1 indizierten als auch der mit i ∈ I2 indizierten Punkte xi . Dieses Resultat l¨asst sich auch anders formulieren: Es sei f : ∆d+1 → Rd
eine affine Abbildung. Dann gibt es zwei disjunkte Seiten von ∆d+1 (diese k¨onnen jeweils h¨ochstens Dimension d haben), deren Bilder sich schneiden. Daher kann das folgende Resultat als eine topologische Version von Radons Satz aufgefasst werden: Satz 4.2. Die eben formulierte Aussage gilt auch dann noch, wenn f lediglich als stetig vorausgesetzt wird. Proof. Wir nehmen an, es gibt ein f , dass der gemachten Aussage widerspricht, setzen K := ∆d+1 und konstruieren aus f eine Z/2-¨aquivariante Testabbildung ⋆2 K∆ → (Rd )⋆2 ∆ wie im voherigen Abschnitt. Nach Lemma 3.7 ist der Z/2-Index des Definitionsbereiches gleich d + 1. Da der Z/2-index des Zieles aber h¨ochstens gleich d ist, wie wir im vorigen Abschnitt gezeigt haben, erh¨alt man einen Widerspruch. Die folgende Verallgemeinerung des Radon-Satzes wurde von H. Tverberg im Jahre 1966 angegeben. Satz 4.3 (Tverberg’s Theorem). Es seien d ≥ 1 und r ≥ 2 nat¨ urliche Zahlen. Dann kann jede Menge von (d + 1)(r − 1) + 1 Punkten im Rd so in r disjunkte Teilmengen aufgeteilt werden, so dass der Schnitt der konvexen H¨ ullen all dieser Teilmengen nichtleer ist.
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Man kann zeigen, dass die Anzahl (d + 1)(r − 1) + 1 (im allgemeinen) nicht (nach unten) verbessert werden kann. Eine Partition, wie sie im letzten Satz beschrieben wurde, nennt man Tverbergpartition. Auch dieser Satz hat eine topologische Entsprechung. Satz 4.4. Es sei d ≥ 1 und es sei p ≥ 2 eine Primzahl. Wir setzen N := (d + 1)(p − 1). Es sei f : ∆ N → Rd
eine stetige Abbildung. Dann gibt es p disjunkte Seiten τ1 , . . . , τp ⊂ ∆N , so dass f (τ1 ) ∩ . . . ∩ f (τp ) 6= ∅ . Es ist leicht zu sehen, dass daraus Tverbergs Theorem (f¨ ur r prim) folgt. Ob die topologische Version f¨ ur beliebige nat¨ urliche Zahlen r ≥ 2 richtig bleibt, ist ein zentrale offene Frage. Wir werden hier nur die topologische Version des Tverberg-Satzes diskutieren. Um das Konzept des Z/2-Index zu verallgemeinern, brauchen wir zun¨achst die passende Entsprechung der Sph¨aren mit der antipodalen Z/2-Wirkung. Lemma 4.5. Es sei G eine endliche Gruppe und X ein Simplizialkomplex zusammen mit einer freien simplizialen G-Wirkung. Ist g ∈ G nicht das neutrale Element und σ ⊂ X ein Simplex, so gilt g(σ) 6= σ. Proof. Angenommen g(σ) = σ. Dann permutiert g die Ecken von σ und ¨ wir k¨onnen (eventuell nach Ubergang zu einer Seite von σ) annehmen, k−1 dass σ = [v, g(v), . . . , g (v)], wobei k ≥ 1 und g k (v) = v. Dann h¨alt aber g den Mittelpunkt von σ fest und es folgt g = e, da die Operation frei ist. Definition. Es sei G eine endliche Gruppe. Ein n-dimensionaler, (n−1) zusammenh¨angender, freier G-Simplizialkomplex X heißt En G-Raum. Man beachte, dass G mit der Linkstranslationswirkung selbst ein freier G-Raum ist. Daher ist auch G⋆(n+1) , der (n + 1)-fache Join der (diskreten) Menge G mit der komponentenweisen G-Wirkung ein freier GRaum. Es ist nicht schwer zu zeigen, dass G⋆(n+1) homotopie¨aquivalent zu einer Einpunktvereinigung von n-Sph¨aren und damit eine (n − 1)zusammenh¨angender, n-dimensionaler freier G-Simplizialkomplex ist. Daher ist G⋆(n+1) ein Beispiel eines En G-Raumes. Diese Konstruktion geht auf J. Milnor zur¨ uck. Wir formulieren eine wichtige Eigenschaft der En G-R¨aume:
¨ TOPOLOGIE - AUSGEWAHLTE THEMEN UND ANWENDUNGEN (SS 06) 19
Lemma 4.6. Es seien X und Y zwei En G-R¨aume. Dann gibt es eine G-¨aquivariante Abbildung X → Y . Proof. Nach Lemma 4.5 induziert G f¨ ur alle k ∈ N eine freie Wirkung auf der Menge der k-Simplizes von X. F¨ ur alle k w¨ahlen wir aus der Menge der G-Orbits dieser Wirkung ein Representantensystem σk,1 , . . . , σk,jk von k-Simplizes (d.h. jeder G-Orbit enth¨alt genau ein σk,i ). Eine G-¨aquivariante Abbildung f : X → Y erh¨alt man nun wie folgt: Wir w¨ahlen f (σ0,1 ), . . . , f (σ0,j0 ) ∈ Y beliebig und setzen diese Abbildung ¨aquivariant auf das 0-Ger¨ ust von X fort (dies ist immer m¨oglich, da G frei auf X wirkt). Falls n ≥ 1, k¨onnen wir diese Abbildung auf σ1,1 , . . . , σ1,j1 fortsetzen, da Y 0-zusammenh¨angend ist. Diese Abbildung setzen wir nun ¨aquivariant auf das 1-Ger¨ ust von X fort (dies benutzt Lemma 4.5). Da X n-dimensional und Y (n − 1)-zusammenh¨angend ist, erh¨alt man auf diese Weise induktiv die gew¨ unschte G-¨aquivariante Abbildung X → Y . Wenn es um die Existenz G-¨aquivarianter Abbildungen in einen En G-Raum X geht, spielt es also keine Rolle, welchen En G-Raum X man genau w¨ahlt. Wir sprechen in diesem Zusammenhang dann einfach von dem“ Raum En G. ” Definition. Es sei G eine endliche Gruppe und X ein G-Raum. Wir setzen G
indG (X) := min{n ∈ {0, 1, 2, 3, . . .} | ∃ X → En G} ,
falls die Menge auf der rechten Seite nichtleer ist (dies impliziert, dass X ein freier G-Raum ist). Ansonsten setzen wir indG (X) := ∞. Der folgende Satz kann als Verallgemeinerung des Satzes von BorsukUlam aufgefasst werden. Proposition 4.7. Es sei n ≥ 2 eine nat¨ urliche Zahl und G eine endliche Gruppe. Dann gibt es keine G-¨aquivariant Abbildung En G → En−1 G. Insbesondere ist indG En G = n . Proof. Man kann den Beweis mittels der Hopfschen Spurformel wie er in [Z], Abschnitt 5.3. angegeben wurde, direkt u ¨bertragen. Mit diesen Werkzeugen kann der topologische Tverbergsatz analog zum topologischen Radon-Satz diskutiert werden. Wir weisen auf die erforderlichen Modifikationen bei der Konstruktion der Konfiguarionsr¨ ume hin.
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Es sei K ein endlicher Simplizialkomplex und k eine nat¨ urliche Zahl. Wir betrachten den 2-fach reduzierten k-fachen Join ⋆k K∆(2) := {τ1 ⋆ τ2 ⋆ . . . ⋆ τn ∈ K ⋆k | ∀i 6= j : τi ∩ τj = ∅} .
Dabei bezeichnet τi eine Seite von K. Weiterhin definieren wir den k-fach reduzierten k-fachen Join von Rn als (Rn )⋆k ∆(k) := {[x1 , t1 , x2 , t2 , . . . , xk , tk ] | t1 = . . . = tk ⇒ ∃i 6= j : xi 6= xj } Dabei beachte man, dass f¨ ur einen beliebigen topologischen Raum X X (X)⋆k = {(x1 , t1 , . . . , xk , tk ) ∈ (X × [0, 1])k | ti ≥ 0, ti = 1}/ ∼ wobei ∼ von den Ralationen
(x1 , t1 , . . . , xi , 0, . . . , xk , tk ) ∼ (x1 , t1 , . . . , x′i , 0, . . . , xk , tk )
erzeugt wird. Die zylische Permutation der Joinkomponenten induziert Z/k⋆k Operationen auf K∆(2) und auf (Rn )⋆k ∆(k) . Die erste Operation ist immer frei, und die zweite Operation ist frei genau dann, falls k eine Primzahl ist. Wir nehmen nun an, der topologische Tverberg-Satz sei falsch. Dann existert eine Primzahl p, eine nat¨ urliche Zahl d ≥ 1 sowie eine Z/p¨aquivariante Abbildung d ⋆p (∆N )⋆p ∆(2) → (R )∆(p) ,
wobei N := (d + 1)(p − 1). Dies widerspricht aber der folgenden Proposition. Proposition 4.8. i. F¨ ur alle nat¨ urlichen Zahlen k ≥ 2 ist indZ/k ((∆n )⋆k ) = n. ∆(2) ii. F¨ ur alle Primzahlen p gilt indZ/p ((Rd )⋆p ∆(p) ) ≤ N − 1. Proof. Die Beweise sind letzlich wieder analog zum Fall k = 2. F¨ ur i. beachte man, dass 0 ⋆(n+1) ⋆k ⋆(n+1) (∆n )⋆k )∆(2) = ((∆0 )⋆k ) = (Z/k)⋆(n+1) = En Z/k . ∆(2) = ((∆ ) ∆(2) )
F¨ ur ii. konstruieren wir eine Z/p-¨aquivariante Abbildung N −1 (Rd )⋆p ∆(p) → S
wobei der rechte Raum mit einer geeigneten freien Z/p-Operation ausgestattet ist (und damit als Modell f¨ ur EN Z/p dient). Wir konstruieren zun¨achst eine Z/p-¨aquivariante Abbildung d+1 p (Rd )⋆p )∆(p) = {(x1 , . . . , xp ) ∈ (Rd+1 )p | ∃i 6= j : xi 6= xj } ∆(p) → (R
¨ TOPOLOGIE - AUSGEWAHLTE THEMEN UND ANWENDUNGEN (SS 06) 21
in das p-fach reduzierte Produkt von Rd+1 (mit der zyklischen Z/pWirkung) durch [x1 , t1 , . . . , xk , tk ] 7→ (t1 , t1 x1 , . . . , tp , tp xp ) .
Wir definieren nun die Abbildung
φ : (Rd+1 )p∆(p) → T := {(y1 , . . . , yp ) ∈ (Rd+1 )p | y1 + . . . + yp = 0} , 1X 1X (x1 , . . . , xp ) 7→ (x1 − xi , . . . , xp − xi ) . p p Der Zielbereich T dieser Abbildung ist ein linearer Z/p-Raum der Dimension (d+1)·p−(d+1) und die Einschr¨ankung der Z/p-Wirkung auf T \ 0 ist frei (dies setzt wieder voraus, dass p prim ist). Da im φ ⊂ T \ 0, erh¨alt man nach Normierung der Bildvektoren die gew¨ unschte Abbildung auf eine freie Z/p-Sph¨are der Dimension (d + 1)(p − 1) − 1. 5. Rationale Kegel und ihre affinen torischen Variet¨ aten In diesem und den folgenden Abschnitten wollen wir Methoden aus der algebraischen Geometrie (und Topologie) anwenden, um Objekte der kombinatorischen Geometrie zu studieren. Wir geben dabei eine elementare Einf¨ uhrung in die Theorie der torischen Variet¨aten. Wir wiederholen zun¨achst einige Grundbegriffe der algebraischen Geometrie. Gute Quellen hierzu sind • D. Cox, J. Little, D. O’Shea, Ideals, Varieties and Algorithms, Springer Undergraduate Texts in Mathematics. • G. Ewald, Combinatorial Convexity and Algebraic Geometry, Springer Graduate Texts in Mathematics. • R. Hartshorne, Algebraic Geometry, Springer Graduate Texts in Mathematics. • D. Mumford, The red book on varieties and schemes, Springer Lecture Notes in Mathematics 1358. F¨ ur den Einstieg empfehle ich insbesondere das erste Buch. Das zweite Buch bietet neben einer elementaren Einf¨ uhrung in die algebraische Geometrie eine gut lesbare Darstellung der Theorie der torischen Variet¨aten und ihres Zusammenhangs zur Polytoptheorie - ich werde es im folgenden mit [E] zitieren. Die letzten beiden B¨ ucher sind Klassiker auf dem Gebiet der algebraischen Geomtrie, betonen aber eher den abstrakten Standpunkt, der in der Sprache der Schemata zum Ausdruck kommt. Eine weitere wichtige Quelle zur Theorie der torischen Variet¨aten ist • W. Fulton, Introduction to toric varieties, Annals of Mathematical Studies, Princeton University Press.
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Hier werden allerdings Vorkenntnisse in der algebraischen Geometrie ben¨otigt. Es sei R := C[z1 , . . . , zn ] der Polynomring u ¨ber C in n Unbestimmten. Definition. Eine algebraische Menge im Cn ist eine Teilmenge der Form V (F ) := {(x1 , . . . , xn ) ∈ Cn | ∀f ∈ F : f (x1 , . . . , xn ) = 0} ,
wobei F ⊂ R, d.h. V (F ) ist die Menge der gemeinsamen Nullstellen aller in F enthaltenen Polynome. Beispielsweise gilt F (∅) = Cn , F (R) = 0 . Es sei F ⊂ R und es sei (F ) ⊂ R das von F erzeugte Ideal. Da R ein noetherscher Ring ist (dies folgt aus dem Hilbertschen Basissatz), ist (F ) endlich erzeugt. Insbesondere k¨onnen wir ohne Beschr¨ankung der Allgmeinheit annehmen, dass F nur aus endlich vielen Polynomen besteht. Offensichtlich gilt V (F ) = V ((F )) . F¨ ur eine algebraische Menge V ⊂ Cn sei
I(V ) := {f ∈ R | ∀(x1 , . . . , xn ) ∈ V : f (x1 , . . . , xn ) = 0}
das Verschwindungsideal von V . Da wir V als algebraisch vorausgesetzt haben, gilt immer V = V (I(V )) . Falls V = V (F ), so ist offensichtlich F ⊂ I(V (F )). Hier muss nicht unbedingt Gleichheit gelten, wie das Beispiel F := {z 2 } ⊂ C[z] zeigt. Eine genauere Antwort gibt das folgende fundamentale Resultat. Satz 5.1 (Hilberts Nullstellensatz). Es ist A ⊂ R ein Ideal. Dann gilt √ I(V (A)) = A = {f ∈ R | ∃r ∈ N \ {0} : f r ∈ A} .
Insbesondere ist I(V (A)) = A, falls A ein Primideal ist.
Diese Theorem impliziert, dass die Zuordnung √ {A ⊂ R | A Ideal und A = A} → {V ⊂ Cn | V algebraisch } A 7→ V (A)
eine Bijektion ist. Bez¨ uglich der Inklusionsordnung auf beiden Seiten ist diese Zuordnung ordnungsumkehrend.
¨ TOPOLOGIE - AUSGEWAHLTE THEMEN UND ANWENDUNGEN (SS 06) 23
Ist V ⊂ Cn eine algebraische Teilmenge, so nennen wir C[V ] := R/I(V )
den Koordinatenring von V . Dieser wird auch mit RV bezeichnet. Wir fassen die Elemente von C[V ] als die polynomialen Funktionen V → C auf (Polynome in I(V ) induzieren dabei offensichtlich die Nullfunktion). Daher nennt man RV auch den Ring der regul¨aren Funktionen auf V. Wir nennen eine algebraische Menge V ⊂ Cn irreduzibel, oder eine affine algebraische Variet¨at, falls V nicht als Vereinigung zweier nichtleerer echter algebraischer Teilmengen geschrieben werden kann. Proposition 5.2. Eine algebraische Teilmenge V ⊂ Cn ist genau dann irreduzibel, wenn das Verschwindungsideal I(V ) ein Primideal ist. Proof. Es sei V irreduzibel und f · g ∈ I(V ). Dann ist V (f g) = V (f ) ∪ V (g) ⊃ V
also ist V Vereinigung der algebraischen Mengen V ∩V (f ) und V ∩V (g). Da V irreduzibel ist, gilt dann V = V ∩ V (f ) oder V = V ∩ V (g), d.h. V ⊂ V (f ) oder V ⊂ V (g). Dies impliziert f ∈ I(V ) oder g ∈ I(V ). Es sei umgekehrt V nicht irreduzibel, das heißt V = V1 ∪ V2
wobei V1 , V2 algebraisch, nichtleer und echte Teilmengen von V sind. Da V, V1 , V2 algebraisch sind, ist I(V1 ) ( I(V ) , I(V2 ) ( I(V ) und wir finden f ∈ I(V ) \ I(V1 ) und g ∈ I(V ) \ I(V2 ). Dann ist aber f g ∈ I(V1 ∪ V2 ) = I(V ) und damit ist I(V ) kein Primideal.
Man kann zeigen, dass jede algebraische Teilmenge V ⊂ Cn Vereinigung endlich vieler irreduzibler algebraischer Teilmengen ist. Diese sind eindeutig bestimmt (siehe [E], VI.1.14.). Ist umgekehrt U eine endlich erzeugte nullteilerfreie C-Algebra, so k¨onnen wir U eine algebraische Variet¨at zuordnen, so dass U genau der Ring der regul¨aren Funktionen auf U ist. Dazu w¨ahlen wir endlich viele Erzeuger ξ1 , . . . , ξk von U und betrachten den induzierten surjektiven Algebrenhomomorphismus C[z1 , . . . , zk ] → U , zi 7→ ξi .
Der Kern I dieses Homomorphismus ist dann ein Primideal in C[z1 , . . . , zk ] (da U nullteilerfrei ist) und V (I) ⊂ Ck
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ist eine affine algebraische Variet¨at mit der gesuchten Eigenschaft (dies benutzt Hilberts Nullstellensatz). Die Konstruktion dieser Variet¨at h¨angt von der Wahl der affinen Koordinaten ξ1 , . . . , ξk ∈ U ab, aber die entstehenden Variet¨aten sind isomorph in folgendem Sinne. Definition. Es seien V ⊂ Cn , W ⊂ Cm
algebraische Variet¨aten. Eine Abbildung f : V → W heißt regul¨ar, falls f = (f1 , . . . , fm ), wobei fm ∈ C[x1 , . . . , xn ], geschrieben werden kann. Wir nennen V und W isomorph, falls regul¨are Abbildungen f : V → W und g : W → V existieren mit g ◦ f = idV und f ◦ g = idW . Es folgt nun: Proposition 5.3. Es sei U eine endlich erzeugte C-Algebra und es seien V ⊂ Ck und W ⊂ Cl algebraische Variet¨aten, die nach Wahl von Erzeugern ξ1 , . . . , ξk und λ1 , . . . , λl von U wie oben entstehen. Dann sind V und W isomorph. Proof. Nach Voraussetzung gibt es Polynome f1 , . . . , fl ∈ C[z1 , . . . , zk ] und Polynome g1 , . . . , gk ∈ C[z1 , . . . , zl ] mit λi = fi (ξ1 , . . . , ξk ) , ξj = gj (λ1 , . . . , λl )
f¨ ur 1 ≤ i ≤ l und 1 ≤ j ≤ k.
Man sagt auch, die Variet¨aten V und W gehen durch eine Koordinatentransformation auseinander hervor. Es sei nun R := C[ξ1 , . . . , ξ2n ] der Polynomring in 2n Unbestimmten. Wir betrachten das Ideal I := (ξ1 ξn+1 − 1) + . . . + (ξn ξ2n − 1) ⊂ R .
Der Quotient R/I kann mit dem Ring der Laurentpolynome C[z, z −1 ] := C[z1 , . . . , zn , z1−1 , . . . , zn−1 ] identifiziert werden (d.h. zi := ξi ∈ R/I, zi−1 := ξn+i ∈ R/I). Nach Definition ist C[z, z −1 ] der Ring der regul¨aren Funktionen auf der duch die Gleichungen zi zn+i = 1 , 1 ≤ i ≤ n
definierten Variet¨at Tn im C2n . Wir nennen sie den algebraischen nTorus. Mit Hilfe der Abbildung Tn → (C∗ )n , (z1 , z2 , . . . , z2n ) 7→ (z1 , . . . , zn )
¨ TOPOLOGIE - AUSGEWAHLTE THEMEN UND ANWENDUNGEN (SS 06) 25
identifizieren wir diesen mit der offenen Teilmenge (C∗ )n ⊂ Cn und fassen C[z, z −1 ] als den Ring der regul¨aren Funktionen auf (C∗ )n auf. Diese Diskussion kann systematischer gef¨ uhrt werden. Dies wollen wir kurz skizzieren. Zun¨achst stellt man fest, dass man mit der Menge der algebraischen Teilmengen von Cn als abgeschlossene Mengen eine Topologie auf Cn definieren kann, die sogenannte Zariski-Topologie. ¨ man eine Zariski-Topologie auf jeder alDurch Einschr¨ankung erhhalt gebraischen Teilmenge von Cn . Eine zariski-offene Teilmenge U ⊂ X einer affinen Variet¨at X ⊂ Cn heißt quasi-affine Variet¨at. Die Variet¨at X ist dabei eindeutig durch U bestimmt (da X irreduzibel ist). Es sei X ⊂ Cn eine affine Variet¨at und U ⊂ X ⊂ Cn eine quasi-affine Variet¨at. Man nennt eine Abbildung φ:U →C regul¨ar, falls jedes x ∈ U eine in X Zariski-offene Umgebung Vx ⊂ U hat mit folgender Eigenschaft: Es gibt regul¨are Funktionen f, g ∈ RX mit (x) f¨ ur alle x ∈ Vx . Falls U = X, g(x) 6= 0 f¨ ur alle x ∈ Vx und φ(x) = fg(x) so kann man zeigen, dass diese Definition mit der urspr¨ unglichen u ¨bereinstimmt (siehe [E], Lemma VI.1.26). In diesem Sinne ist der Ring der Laurent-Polynome C[z, z −1 ] genau der Ring der regul¨aren Funktionen auf der quasi-affinen Variet¨at (C ∗ )n ⊂ Cn . Mit einen geeigneten Isomorphiebegriff (siehe [E], Definition VI.1.31.) ist diese quasi-affine Variet¨at isomorph zur affinen Variet¨at Tn ⊂ C2n . F¨ ur X f= λa z a ∈ C[z, z −1 ] (dies ist eine endliche Summe) nennen wir
supp(f) := {a ∈ Zn | λa 6= 0} ⊂ Zn den Tr¨ager von f . Wir beschreiben nun ein spezielles Verfahren zur Erzeugung affiner algebraischer Variet¨aten. Definition. Ein rationaler Kegel im Rn ist eine Teilmenge der Form σ = R≥0 · xi + . . . + R≥0 · xk ⊂ Rn , wobei x1 , . . . , xk ∈ Zn ⊂ Rn . Der rationale Kegel σ heißt
• streng konvex, falls σ keinen von 0 verschiedenen Untervektorraum des Rn enth¨alt. • simplizial, falls x1 , . . . , xk linear unabh¨angig (in Rn ) sind (bzw. so gew¨ahlt werden k¨onnen).
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• regul¨ar, falls σ simplizial ist und die Menge x1 , . . . , xk (nach geeigneter Wahl) zu einer Z-Basis von Zn ⊂ Rn erg¨anzt werden kann. Diese Bedingung ist ¨aquivalent dazu, dass k ≤ n und dass es Vektoren xk+1 , . . . , xn ∈ Rn mit ganzzahligen Eintr¨agen gibt, so dass die Matrix (x1 , . . . , xn ) Determinante +1 hat. Die Dimension von σ ist die Dimension des von σ ⊂ Rn aufgespannten linearen Unterraumes. Man kann auch allgemeinere polyedrische Kegel betrachten (d.h. wir setzen nicht unbedingt xi ∈ Zn voraus), wollen dies aber in dieser Vorlesung nicht tun. Im folgenden werden alle Kegel als rational vorausgesetzt. Jeder Kegel ist eine konvexe Teilmenge des Rn und enth¨alt 0. Jeder simpliziale Kegel ist stark konvex. Jeder streng konvexe Kegel wird durch seine Kanten erzeugt. Indem wir auf jeder Kante eines streng konvexen Kegels σ einen Vektor mit teilerfremden ganzzahligen Eintr¨agen w¨ahlen, erhalten wir Erzeuger x1 , . . . , xk dieses Kegels, die bis auf die Reihenfolge eindeutig bestimmt sind. Wir nennen dann {x1 , . . . , xk } ein minimales Erzeugendensystem von σ. Ist e1 , . . . , en die Standardbasis von Rn , so sind f¨ ur alle 1 ≤ i1 < . . . < ik ≤ n die Kegel R≥0 ei1 + . . . + R≥0 eik ⊂ Rn
regul¨ar. Mit den Vektoren x1 := (1, 0) und x2 := (1, 2) ist der Kegel σ = R≥0 x1 + R≥0 x2 ⊂ Rn
simplizial, aber nicht regul¨ar: Angenommen, es gibt Erzeuger y1 , y2 von σ, die zu einer Z-Basis von Zn erg¨anzt werden k¨onnen (d.h. selbst eine Basis von Zn bilden). Wir k¨onnen dann y1 = x1 und y2 = x2 annehmen und erhalten einen Widerspruch, da das von y1 und y2 aufgespannte Parallelepiped den Fl¨acheninhalt 2 (und nicht 1) hat. Lemma 5.4 (Gordan’s Lemma). . Es sei σ ⊂ Rn
ein (rationaler) Kegel. Dann ist das Monoid σ ∩ Zn endlich erzeugt, d.h. es gibt Vektoren v1 , . . . , vl ∈ Zn , so dass σ ∩ Zn = Z≥0 v1 + . . . + Z≥0 vl .
Proof. Wir w¨ahlen Erzeuger x1 , . . . , xk ∈ Zn von σ. Das fundamentale Parallelepiped k X { ti xi | 0 ≤ ti ≤ 1} ⊂ Rn i=1
¨ TOPOLOGIE - AUSGEWAHLTE THEMEN UND ANWENDUNGEN (SS 06) 27
ist eine kompakte Teilmenge von Rn und schneidet daher die diskrete Teilmenge Zn ⊂ Rn nur in endlich vielen Punkten p1 , . . . , pf . Diese Punkte bilden ein Erzeugendensystem von σ ∩ Zn . F¨ ur einen rationalen Kegel σ ⊂ Rn definieren wir nun Rσ := {f ∈ C[z, z −1 ] | supp(f) ∈ σ} .
Lemma 5.5. Die Menge Rσ ist eine endlich erzeugte Unteralgebra von C[z, z −1 ]. Proof. F¨ ur Laurentpolynome f, g ∈ C[z, z −1 ] haben wir supp(f ± g) ⊂ supp(f) ∪ supp(g) , supp(fg) ⊂ supp(f) + supp(g)
Die Menge der Teilmengen von σ ∩ Zn ist also abgeschlossen unter Vereinigung und Summenbildung und daher ist Rσ eine Unteralgebra von C[z, z −1 ]. Diese ist wegen Gordans Lemma endlich erzeugt, n¨amlich von den Monomen, die zu endlich vielen Erzeugern von σ ∩ Zn geh¨oren. Als Unteralgebra von C[z, z −1 ] ist Rσ selbst nullteilerfrei. Als nullteilerfreie, endlich erzeugte Algebra ist Rσ der Koordinatenring einer affinen Variet¨at Xσ (siehe oben). Diese ist bis auf Isomorphie von Variet¨aten eindeutig bestimmt. Beispiel. Es seien e1 , e2 ∈ R2 die Standardbasisvektoren. F¨ ur die Kegel σ1 := 0 ⊂ R2 , σ2 := R≥0 · e1 , σ3 := R2 , σ4 := R≥0 · e1 + R≥0 (e1 + 2e2 )
erhalten wir die zugeh¨origen Variet¨aten Xσ 1 = 0 , X σ 2 = C , X σ 3 = C 2 und also
Rσ3 = C[X, XY 2 , XY ] = C[a, b, c]/V (b2 − ac) , Xσ3 = V (b2 − ac) ⊂ C3 .
Allgemeiner gilt: Proposition 5.6. Falls σ ⊂ Rn ein simplizialer Kegel der Dimension k ist, so ist Xσ ∼ = Ck als affine Variet¨aten.
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BERNHARD HANKE
6. F¨ acher und ihre torischen Variet¨ aten Wir f¨ ugen nun rationale Kegel zu F¨achern zusammen. Auf der Seite der affinen Variet¨aten korrespondiert dieser Schritt zur Verklebung der affinen Variet¨aten, die zu den dualen Kegeln des F¨achers geh¨oren. Definition. Ein (rationaler) F¨acher im Rn ist eine Menge Σ von streng konvexen rationalen Kegeln im Rn mit den folgenden Eigenschaften: • Jede Seite eines Kegels in Σ ist ein Element von Σ. • Der Schnitt zweier Kegel in Σ ist ein Element von Σ. Ist ein F¨acher Σ gegeben, so wollen wir die Variet¨aten der enthaltenen Kegel zu einem gr¨oßeren algebraisch-geometrischen Gebilde zusammenf¨ ugen. Dazu brauchen wir aber noch etwas Vorbereitung. Es seien X ⊂ Cn und Y ⊂ Cm affine Variet¨aten mit Koordinatenringen RX und RY und es sei f : X → Y eine regul¨are Abbildung. Wir erhalten dann einen induzierten Algebrenhomomorphismus f ∗ : RY → RX (man beachte die Vertauschung der Reihenfolge) gegeben duch Hintereinanderausf¨ uhrung: F¨ ur φ ∈ RY setzen wir f ∗ (φ) := φ ◦ f . Man sollte sich u ¨berlegen, dass φ ◦ f wirklich in RX liegt und die Ab∗ bildung f vertr¨aglich mit Addition und Multiplikation von Elementen in RY ist. Ist umgekehrt λ : RY → RX ein Algebrenhomomorphismus, so gibt es genau eine regul¨are Abbildung f : X → Y mit f ∗ = φ. Wir schreiben dazu RX = C[x1 , . . . , xn ]/I(X) , RY = C[y1 , . . . , ym ]/I(Y ) und setzen f := (f1 , . . . , fm )|X , wobei fi ein (beliebiger) Repr¨asentant in C[x1 , . . . , xn ] des Elementes λ(yi ) ∈ RX ist. Etwas vornehmer ausgedr¨ uckt haben wir sogar: Proposition 6.1. Die Zuordnung X 7→ RX definiert einen kontravarianten Funktor von der Kategorie der affinen Variet¨aten und regul¨aren Abbildung in die Kategorie der endlich erzeugten, nullteilerfreien Algebren u ¨ber C und der Algebrenhomomor¨ phismen. Dieser Funktor ist eine Aquivalenz von Kategorien.
¨ TOPOLOGIE - AUSGEWAHLTE THEMEN UND ANWENDUNGEN (SS 06) 29
Es tritt nun das folgende Problem auf: Ist Σ ein F¨acher und τ ∈ Σ gemeinsame Seite der Kegel σ, σ ′ ∈ Σ, so erhalten wir offensichtliche Algebrenhomomorphismen Rτ → Rσ , Rτ → Rσ ′ .
In der Tat sind diese Homomorphismen Inklusionen von Algebren, wie man leicht an der Definition von Rτ etc. sieht. Wie erhalten also regul¨are Abbildungen von Variet¨aten Xσ → X τ , X σ ′ → X τ
und es ist nicht klar, wie wir die Variet¨aten Xσ und Xσ′ entlang“ von ”¨ Xτ verkleben k¨onnen. Dieses Problem wird durch den Ubergang zu dualen Kegeln gel¨ost. Definition. Es sei σ ⊂ Rn ein rationaler Kegel. Die Menge σ ˆ := {x ∈ Rn | ∀v ∈ σ : hx, vi ≥ 0} ⊂ Rn
heißt dualer Kegel von σ.
Man sieht schnell, dass σ ˆ wieder ein rationaler Kegel ist. F¨ ur die oben betrachteten Kegel σi , 1 ≤ i ≤ 4 haben wir:
σˆ1 = R2 , σˆ2 = R≥0 ·e1 +R≥0 ·e2 +R≥0 (−e2 ) , σˆ3 = 0 , σˆ4 = R≥0 ·(2e1 −e2 )+R≥0 ·e2 .
Ist σ ⊂ σ ′ eine Inklusion von rationalen Kegeln, so erhalten wir eine umgekehrte Inklusion σˆ′ ⊂ σ ˆ der dualen Kegel. Weiterhin ist f¨ ur jeden ˆ Kegel σ die Gleichheit σ ˆ = σ erf¨ ullt. In der obigen Situation der Kegel σ, σ ′ ∈ Σ mit gemeinsamer Seite τ ∈ Σ erhalten wir also induzierte Inklusionen τˆ ⊃ σ ˆ , τˆ ⊃ σˆ′ ,
somit induzierte Algebrenhomomorphismen
Rσˆ → Rτˆ , Rσˆ′ → Rτˆ
und damit regul¨are Abbildungen
Xτˆ → Xσˆ , Xτˆ → Xσˆ′ .
Diese Abbildungen gehen also in die richtige“ Richtung. Bevor wir die ” torische Variet¨at zu Σ aufbauen, wollen wir die zuletzt betrachteten Abbildungen noch etwas genauer untersuchen. Proposition 6.2. Es sei σ ⊂ Rn ein rationaler Kegel und τ eine Seite von σ. Dann ist die eben definierte Abbildung χτ,σ : Xτˆ → Xσˆ
eine Inklusion auf eine Zariski-offene Teilmenge von Xσˆ .
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Proof. Die Menge {x ∈ σ ˆ | ∀t ∈ τ : hx, ti = 0} ⊂ Rn
definiert einen rationalen Kegel (dies ist eine Seite von σ ˆ ). Es sei m ∈ Rn ein Vektor im (relativen) Inneren dieses Kegels mit ganzzahligen teilerfremden Eintr¨agen. Man kann nun zeigen, dass τˆ = σ ˆ + R≥0 · (−m) .
Es ist klar, dass die rechte Seite in der linken enthalten ist, f¨ ur die umgekehrte Inklusion verweisen wir auf [E], Lemma V.2.3. Somit erhalten wir τˆ ∩ Zn = σ ˆ ∩ Zn + Z≥0 · (−m) . Wir w¨ahlen nun eine Menge von Erzeugern a1 , . . . , ak von σ ˆ ∩ Zn mit ak = m. Die ensprechenden Koordinaten auf Xσˆ ⊂ Ck seien mit x1 , . . . , xk bezeichnet. Die Algebra Rτˆ entsteht dann aus Rσˆ = C[x1 , . . . , xk ]/I(Xσˆ ) durch Einf¨ uhrung der neuen Variablen xk+1 sowie der Relation xk · xk+1 = 1
(dass keine weiteren Relationen auftreten, wird in [E], S. 225 oben gezeigt) und die induzierte Abbildung Rσˆ → Rτˆ ist durch die offensichtliche Inklusion gegegeben. Die Abbildung Xτˆ → Xσˆ
ist in diesen Koordinaten gegeben durch die Projektion (x1 , . . . , xk+1 ) 7→ (x1 , . . . , xk ) .
Diese ist injektiv und hat als Bild die Zariski-offene Teilmenge von Xσˆ .
{(x1 , . . . , xk ) ∈ Xσˆ | xk 6= 0} = Xσˆ \ V ((xk ))
Wir kommen nun zum Begriff einer allgemeinen Variet¨at. Dieser verh¨alt sich zum Begriff der affinen Variet¨at genauso wie der Begriff der differenzierbaren Mannigfaltigkeit zum Begriff der offenen Teilmenge des Rn . Zur Erinnerung wiederholen wir folgende grundlegende Definition aus der Differentialtopologie: Definition. Eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit ist ein parakompakter Hausdorffraum M zusammen mit einem differenzierbaren Atlas, d.h. einer Familie (Ui , φi )i∈I mit den folgenden Eigen¨ schaften: Die Mengen Ui bilden eine offene Uberdeckung von M , f¨ ur
¨ TOPOLOGIE - AUSGEWAHLTE THEMEN UND ANWENDUNGEN (SS 06) 31
alle i ∈ I ist
φi : Ui → φi (Ui ) ⊂ Rn ein Hom¨oomorphismus von Ui auf eine offene Teilmenge des Rn und ¨ f¨ ur alle i, j ∈ I ist die Ubergangsabbildung n n φj ◦ φ−1 i : R ⊃ φi (Ui ∩ Uj ) → φj (Ui ∩ Uj ) ⊂ R
ein Diffeomorphismus.
Wir wollen algebraische Variet¨aten (¨ uber C) ganz analog definieren. ¨ Die Ubergangsabbildungen werden dann zu Isomorphismen von offenen Teilmengen affiner Variet¨aten, d.h. von quasi-affinen Variet¨aten. Definition. Es seien U ⊂ Cn eine quasi-affine Variet¨at und X ⊂ Cn der Zariski-Abschluss von U , d.h. X ist die eindeutig bestimmte affine Variet¨at, so dass U eine Zariski-offene Teilmenge von X ist. Eine Abbildung φ:U →C heißt regul¨ar, falls f¨ ur jedes x ∈ U eine in X Zariski-offene Umgebung Vx von x existiert, die in U enthalten ist und folgende Eigenschaft hat: Es gibt regul¨are Funktionen f, g ∈ RX mit g(x) 6= 0 f¨ ur alle x ∈ Vx f (x) 1 und φ(x) = g(x) f¨ ur alle x ∈ Vx . Es sei nun V ⊂ Cm eine weitere quasi-affine Variet¨at. Eine Abbildung f :U →V
heißt regul¨ar, wenn jeder Komponente fi von f eine regul¨are Funktion U → C ist. Die Abbildung f ist ein Isomorphismus von quasi-affinen Variet¨aten, falls eine regul¨are Umkehrabbildung V → U von f existiert. Wir bemerken, dass es im ersten Teil der Definition durchaus vorkommen kann, dass es keine Funktionen f, g ∈ RX gibt mit g(x) 6= 0 (x) f¨ ur alle x ∈ U (d.h. die Einschr¨ankung f¨ ur alle x ∈ U und φ(x) = fg(x) auf offene Teilmengen Vx wird im allgemeinen wirklich ben¨otigt). Ein Beispiel hierzu ist im Buch von Mumford auf Seite 21, Beispiel I.4.IV, angegeben. Falls U sogar eine affine Variet¨at ist, so stimmt obige Definition einer regul¨aren Abbildung U → C mit der fr¨ uheren u ¨berein, d.h. alle regul¨aren Abbildungen liegen in RU (siehe [E], Lemma 1.26.) 1Wir
k¨ onnen hier auf die Betrachtung des Abschlusses von U verzichten und fordern, dass Vx eine in Cn Zariski-offene Umgebung von x ist und die genannten Eigenschaften f¨ ur alle x ∈ Vx ∩ U gelten. Dies ist eine einfache Folgerung aus der Definition der Spurtopologie auf X = U .
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Wir notieren die folgende Erg¨anzung von Proposition 6.2 Proposition 6.3. Es sei σ ⊂ Rn ein rationaler Kegel und τ eine Seite von σ. Dann ist die eben definierte Abbildung Xτˆ → Xσˆ
ein Isomorphismus auf eine Zariski-offene Teilmenge von Xσˆ . Proof. Die Umkehrabbildung ist durch
Xσˆ \ V ((xk )) → Xτˆ (x1 , . . . , xk ) 7→ (x1 , . . . , xk ,
gegeben.
1 ) xk
Wir kommen nun zur Definition einer allgemeinen (komplexen) algebraischen Variet¨at. Definition. Eine komplexe algebraische Pr¨avariet¨at ist ein topologischer Raum X zusammen mit einer endlichen Familie (Ui , φi )i∈I mit ¨ den folgenden Eigenschaften: Die Mengen Ui bilden eine offene Uberdeckung von X, f¨ ur alle i ∈ I ist φi : Ui → φi (Ui ) ⊂ Cni
ein Hom¨oomorphismus auf eine affine Variet¨at φi (Ui ) ⊂ Cni (versehen ¨ mit der Zariski-Topologie) und f¨ ur alle i, j ∈ I ist die Ubergangsabbildung φj ◦ (φi )−1 : φi (Ui ∩ Uj ) → φj (Ui ∩ Uj ) ein Isomorphismus von quasi-affinen Variet¨aten. Da die Abbildungen φi Hom¨oomorphismen auf ihr Bild sind, sind ¨ u wirk¨brigens Quelle und Ziel der betrachteten Ubergangsabbildungen lich quasi-affine Variet¨aten. Ist X eine algebraische Pr¨avariet¨at, so besitzt X außer der gegeben Topologie noch eine weitere, feinere, die sogenannte analytische Topologie. F¨ ur eine quasi-affine Variet¨at U ⊂ Cn ist diese die Einschr¨ankung der gew¨ohnlichen Topologie auf Cn und f¨ ur eine Pr¨avariet¨at X wie oben ist dies die gr¨obste Topologie auf X, so dass alle Ui offen und alle φi : Ui → φi (Ui ) Hom¨oomorphismen sind, wobei φi (Ui ) ⊂ Cni mit der analytischen (d.h. gew¨ohnlichen) Topologie versehen ist. Definition. Eine Pr¨avariet¨at X heißt eine algebraische Variet¨at, falls die analytische Topologie auf X Hausdorffsch ist.
¨ TOPOLOGIE - AUSGEWAHLTE THEMEN UND ANWENDUNGEN (SS 06) 33
Wir bemerken, dass in der Literatur die Definition einer algebraischen Variet¨at u ¨blicherweise mit Hilfe des Begriffs der Garbe gegeben wird. Obige Definition ist sehr eng an die einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit angelehnt und erscheint mir im Kontext der torischen Variet¨aten angemessen. Offensichtlich sind alle affinen Variet¨aten auch Variet¨aten im eben definierten Sinne. Es gilt aber sogar: Lemma 6.4. Jede quasi-affine Variet¨at ist eine algebraische Variet¨at. Proof. Es sei U ⊂ Cn eine quasi-affine Variet¨at und X ⊂ Cn der Zariski-Abschluss von U (d.h. X ist die eindeutig bestimmte affine Variet¨at, so dass U ⊂ X eine Zariski-offene Teilmenge ist). Es gibt dann Polynome f1 , . . . , fk ∈ C[x1 , . . . , xn ] mit
Wir setzen
U = X \ V (f1 , . . . , fk ) .
Ui := X \ V (fi ) . ¨ Die Mengen U1 , . . . , Uk bilden eine Uberdeckung von X durch Zariskioffene Teilmengen. Wir definieren nun einen Hom¨oomorphismus von Ui auf eine affine Variet¨at in Cn+1 ¨ahnlich wie oben: Es sei A ⊂ C[x1 , . . . , xn+1 ] das von I(X) und von dem Polynom 1 − fi · xn+1 erzeugte Ideal. Dies ist ein Primideal, denn der Ring C[x1 , . . . , xn+1 ]/I kann mit der Lokalisierung von C[x1 , . . . , xn+1 ]/I(X) an fi identifiziert werden und ist damit (ebenso wie C[x1 , . . . , xn+1 ]) nullteilerfrei - vgl. Proposition 4 in Abschnitt I.5. in Mumford. Die affine Variet¨at U˜i := V (A) ⊂ Cn+1
ist dann vermittels der Abbildung
φi : Ui = X \ V (fi ) → U˜i , (x1 , . . . , xn ) 7→ (x1 , . . . , xn ,
1 ) fi (x1 , . . . , xn )
¨ Hom¨oomorph zu Ui . Es ist nicht schwer, nachzupr¨ ufen, dass die Ubergangsabbildungen φi (Ui ∩ Uj ) → φj (Ui ∩ Uj ) Isomorphismen von quasi-affinen Variet¨aten sind. Die analytische Topologie auf U ist von der analytischen Topologie auf X ⊂ Cn induziert und damit Hausdorff.
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BERNHARD HANKE
Ein weiteres wichtige Klasse komplexer algebraischer Variet¨aten besteht aus den sogenannten projektiven Variet¨aten. Wir behandeln zun¨achst den projektiven Raum CP n selbst. Die Karten Ui , i = 0, . . . , n, auf CP n sind definiert durch Ui := {[x0 : . . . : xn ] ∈ CP n | xi 6= 0}
( affine St¨ ucke“) und ” x0 xi−1 xi+1 φi : Ui → Cn , [x0 : . . . : xn ] 7→ ( , . . . , , , . . . , xn ) . xi xi xi Die Topologie auf X ist die gr¨obste Topologie, so dass alle alle Ui offen sind und φi Hom¨oomorphismen auf (die affine Variet¨at) C n . Es ist eine ¨ ¨ gute Ubung, nachzupr¨ ufen, dass die Ubergangsabbildungen tats¨achlich Isomorphismen von quasi-affinen Variet¨aten sind. Der projektive Raum ist Habitat f¨ ur die sogenannten projektiven Variet¨aten, die als Nullstellenmengen homogener Polynome definiert werden. Definition. Wie nennen ein Polynom f ∈ C[x0 , . . . , xn ]
homogen (vom Grad k), falls es eine Summe von Monomen der Form ξ · xα0 0 · . . . · xαnn
mit ξ ∈ C und α0 + . . . + αn = k ist. Diese Bedingung stellt sicher, dass f (λx0 , λx2 , . . . , λxn ) = λk f (x0 , . . . , xk )
f¨ ur alle x0 , . . . , xn ∈ Cn+1 ist. Daher gilt
f (x0 , . . . , xn ) = 0 ⇔ f (x′0 , . . . , x′n ) = 0
falls [x0 : . . . : xn ] = [x′0 : . . . : x′n ] ∈ CP n ist und es ist sinnvoll, von der Nullstellenmenge von f in CP n zu sprechen. Eine projektive algebraische Menge ist eine Menge der Form V (F ) := {[x0 : . . . : xn ] ∈ CP n | ∀f ∈ F : f (x0 , . . . , xn ) = 0} ⊂ CP n ,
wobei F eine Menge von homogenen Polynomen in C[x0 , . . . , xn ] ist.
¨ Ahnlich wie im affinen Fall k¨onnen wir ohne Einschr¨ankung der Allgemeinheit annehmen, dass F eine endliche Menge ist. F¨ ur projektive Variet¨aten gilt ein Analogon zum Hilbertschen Nullstellensatz. Weiterhin nennen wir eine projektive algebraische Menge X ⊂ CP n eine projektive Variet¨at, falls sie nicht Vereinigung zweier algebraischer Mengen ist, die echte Teilmengen von X sind.
¨ TOPOLOGIE - AUSGEWAHLTE THEMEN UND ANWENDUNGEN (SS 06) 35
Proposition 6.5. Jede projektive Variet¨at ist eine algebraische Variet¨at. Proof. (Skizze) Es sei X ⊂ CP n eine projektive Variet¨at. Man u ¨berdeckt nun X mit den offenen Mengen X ∩ Ui
mit den affinen St¨ ucken Ui ⊂ CP n von eben. Diese Schnitte X ∩Ui sind dann affine Variet¨aten im Cn : Die definierenden Gleichungen entstehen aus den Gleichungen von X durch die Setzung xi = 1. Es sei nun Σ ein rationaler F¨acher im Rn . Wir definieren die torische Variet¨at XΣ wie folgt. Als topologischer Raum ist XΣ := ∪σ∈Σ Xσˆ / ∼
¨ wobei wir auf allen Xσˆ die Zariski-Topologie verwenden und die Aquivalenzrelation ∼ von den Identifikationen x ∼ χτ,σ (x)
¨ erzeugt wird (τ, σ ∈ Σ, τ ⊂ σ und x ∈ Xτˆ ). Die offene Uberdeckung (Ui )i∈I ist durch I := Σ und Uσ := Xσˆ ⊂ XΣ gegeben und die Abbildung φσ : Uσ → φσ (Uσ ) = Xσˆ ist genau das Inverse der Inklusion Xσˆ ⊂ XΣ . F¨ ur den Beweis, dass XΣ mit der analytischen Topologie wirklich Hausdorff ist, verweisen wir auf [E], Lemma 3.6. Die in [E], VI.3.3., gegebene Definition einer torischen Variet¨at erscheint insofern problematisch, als die komplex-algebraische Struktur auf XΣ aus der Betrachtung v¨ollig herausf¨allt (diese wird bei uns durch die affinen Karten definiert). Da der Nullpunkt 0 ∈ Rn Seite jedes Kegels in Σ ist, erhalten wir Inklusionen auf Zariski-offene Teilmengen Xˆ0 → Xσˆ f¨ ur alle σ ∈ Σ. Die Variet¨at Xˆ0 = XRn wurde oben berechnet und kann mit dem algebraischen Torus (C∗ )n identifiziert werden. Dies f¨ uhrt zu einer Einbettung (C ∗ )n → XΣ auf eine Zariski-offene Teilmenge von XΣ und erkl¨art die Bezeichnung torische Variet¨at“. ” Es ist klar, dass XΣ bereits von den Xσˆ u ¨berdeckt wird, wenn σ die maximalen Kegel in Σ durchl¨auft. 7. Beispiele, projektive torische Variet¨ aten Wir veranschaulichen die Definition der torischen Variet¨at eines F¨achers anhand einiger Beispiele.
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BERNHARD HANKE
Es sei Σ der F¨acher im R1 bestehend aus den rationalen Kegeln σ1 := R≥0 , σ2 := R≤0 , τ := 0 ⊂ R . Die auftretenden Koordinatenringe sind Rσˆ1 = C[x] , Rσˆ2 = C[y] , Rτˆ = C[x, y]/(xy − 1) = C[x, x−1 ] , Die torische Variet¨at XΣ besteht dann aus den affinen Teilen Xσˆ2 = C (mit Koordinate x), Xσˆ2 = C (mit Koordinate y) und Xτˆ = C∗ (mit Koordinaten x, bzw. y = x−1 ) die entlang der Abbildungen Xτˆ → Xσˆ1 , p 7→ p , 1 Xτˆ → Xσˆ2 , p 7→ p verklebt werden. Dies l¨auft darauf hinaus, dass man zwei Kopien von C enlang der Abbildung C∗ → C∗ , x 7→
1 x
verklebt, d.h. wir k¨onnen XΣ mit dem projektiven Raum CP 1 identifizieren. Wir betrachten nun den F¨acher bestehend aus den rationalen Kegeln σ0 := cone(e1 , e2 ) , σ1 := cone(e2 , −(e1 + e2 )) , σ2 := cone(e1 , −(e1 + e2 )) (und den Seiten dieser Kegel). Die dualen Kegel sind σˆ0 = cone(e1 , e2 ) , σˆ1 = cone(−e1 , e2 − e1 ) , σˆ2 = cone(−e2 , e1 − e2 ) und damit haben wir f¨ ur die Koordinatenringe der zugeh¨origen affinen Variet¨aten Rσˆ0 = C[x, y] , Rσˆ1 = C[x−1 , x−1 y] , Rσˆ2 = C[y −1 , xy −1 ] . Die nach der Verklebung entstehende Variet¨at kann mit CP 2 identifiziert werden: Es seien homogene Koordinaten [T0 : T1 : T2 ] auf CP 2 gew¨ahlt. Dann wird CP 2 von den drei affinen St¨ ucken mit Koordinaten T1 T2 T0 −1 T2 −1 x = T0 , y = T0 , bzw. T1 = x , T1 = yx , bzw. TT20 = y −1 , TT12 = xy −1 u ¨berdeckt. Die gleichen Koordinaten hatten wir vorhin auf den affinen St¨ ucken der torischen Variet¨at XΣ erhalten. Allgemeiner haben wir: Proposition 7.1. Es sei Σ der F¨acher im Rn , der aus allen Kegeln besteht, die von einer (echten) Teilmenge der Vektoren e1 , . . . , en , −(e1 + . . . + en ) erzeugt wird. Dann kann XΣ mit CP n identifiziert werden.
¨ TOPOLOGIE - AUSGEWAHLTE THEMEN UND ANWENDUNGEN (SS 06) 37
Wir betrachten nun den F¨acher bestehend aus den Kegeln σ0 := cone(e2 , e1 + e2 ) , σ1 = cone(e1 , e1 + e2 ) . Die Koordinatenringe zu den dualen Kegeln sind Rσˆ0 = C[x, x−1 y] , Rσˆ1 = C[y, xy −1 ] . Die entstehende torische Variet¨at kann mit der Aufblasung von C2 am Ursprung identifiziert werden. Diese ist definiert als die Untervariet¨at von C2 × CP 1 gegeben durch die Gleichung xt1 = yt0 ,
wobei (x, y) Koordinaten auf C2 und [t0 : t1 ] homogene Koordinaten auf CP 2 sind. Die enstehende Variet¨at wird durch zwei affine Variet¨aten U0 , bzw. U1 u ¨berdeckt, definiert durch die Punkte mit t0 6= 0, bzw. t1 6= 0. Die so entstehenden Koordinaten auf U0 und U1 sind (x, tt01 ) = (x, yx−1 ), bzw. (y, tt10 ) = (y, xy −1 ). Dieses Beispiel zeigt, wie sich bekannte Begriffe aus der algebraischen Geometrie (hier die Aufblasung) und der Polytoptheorie (hier die Unterteilung eines Kegels) entsprechen. Eine weitere Ensprechung dieser Art ist die folgende: Satz 7.2. (vgl. [E], Theorem VI.9.1.) Es sei Σ ein rationaler F¨acher im Rn . Dann sind die folgenden Aussagen ¨aquivalent: • Σ ist vollst¨andig, d.h. seine Kegel ¨uberdecken Rn . • XΣ ist mit der analytischen Topologie kompakt.
Wir haben oben die projektiven R¨aume CP n als torische Variet¨aten erkannt. Allgemeiner kann man zeigen, dass jede torische Varie¨at, die zu einem Polytop geh¨ort, als projektive Variet¨at realisiert werden kann. Diese Tatsache ist fundamental f¨ ur die Diskussion des g-Theorems im n¨achsten Abschnitt. Wir m¨ ussen zun¨achste definieren, wann zwei algebraische Variet¨aten isomorph sind. Bei der Festlegung der erlaubten Abbildungen zwischen algebraischen Variet¨aten lassen wir uns von der entsprechenden Definition im Kontext der differenzierbaren Mannigfaltigkeiten leiten. Definition. Es seien X und Y algebraische Variet¨aten. Eine Abbildung f :X→Y
heißt Morphismus, falls f - mit den Zariski-Topologien auf X und Y ¨ stetig ist und folgendes gilt: Es seien (Ui )i∈I , bzw. (Vj )j∈J Uberdeckungen von X und von Y durch affine Variet¨aten (wie in Definition 6). Dann sind die von f induzierten Abbildungen f −1 (Uj ) ∩ Ui → Uj
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BERNHARD HANKE
regul¨are Abbildungen zwischen quasi-affinen Variet¨aten (nach Zwischenschaltung der Kartenabbildungen φi , bzw. φj ). Die Variet¨aten X und Y heißen isomorph, falls es zueinder inverse Morphismen X → Y und Y → X gibt. Es sei nun P ⊂ Rn ein konvexes Polytop mit 0 ∈ int(O). Wir nehmen außerdem an, dass P rational ist, d.h. die Ecken von P rationale Koordinaten haben. Die Kegel u ¨ber die Seiten von P bilden dann einen vollst¨andigen rationalen F¨acher in Rn . Im allgemeinen nennen wir einen F¨acher Σ poytopal, falls er zu einem Polytop in Rn geh¨ort wie eben beschrieben. Satz 7.3. Es sei Σ ein polytopaler F¨acher mit zugeh¨origem Polytop P ⊂ Rn . Dann ist XΣ isomorph zu einer projektiven Variet¨at. Proof. (Skizze) Wir m¨ ussen eine sogenannte abgeschlossene Einbettung (d.h. einen Isomorphismus auf eine Zariski-abgeschlossene Menge) φ : XΣ → CP N
konstruieren, wobei N ∈ N eine nat¨ urliche Zahl ist (die allerdings beliebig groß gew¨ahlt werden kann). Es sei P ∗ das zu P polare Polyop (d.h. der Schnitt der Halbr¨aume {x ∈ Rn | hx, vi ≤ 1}
wobei v die Ecken von P durchl¨auft). Wir k¨onnen (nach eventuellem ¨ urlichen Zahl K) annehUbergang von P zu K1 P mit einer großen nat¨ men, dass • alle Ecken von P ∗ in Zn liegen (dies ist m¨oglich, da die Ecken des urspr¨ unglichen P ∗ rational sind) und • f¨ ur alle a ∈ P ∗ ∩ Zn die Erzeuger des (nach Gordan’s Lemma endlich erzeugten) Monoids cone(P∗ −a)∩Zn in cone(P∗ −a)∩Zn enthalten sind (siehe [E], Lemma VII.3.8). Die Ecken von P ∗ entsprechen in kanonischer Weise den Facetten von P . Ist weiterhin e ∈ −P ∗ eine Ecke und se ⊂ P die Facette, die −e ∈ P ∗ unter dieser Identifizierung enspricht, dann stimmt der Kegel u ¨ber die Menge −P ∗ − e ⊂ Rn genau mit dem Dual des Kegels u ¨ber se u ¨berein. Wir finden also die Dualen der Kegel in Σ als Kegel u ¨ber Mengen der Form −P ∗ −e wieder, ∗ wobei e ∈ −P eine Ecke ist. Wir bezeichnen nun die Punkte in der (endlichen) Menge −P ∗ ∩ Zn
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mit m0 , m1 , . . . , mN und konstruieren eine Abbildung XΣ → CP N
wie folgt: Es sei i ∈ {0, . . . , N }. Der Kegel u ¨ber −P ∗ − mi ⊂ Rn ist das Duale eines Kegels σi ∈ Σ und alle Kegel σ maximaler Dimension in Σ kommen hier vor (denn diese entsprechen den Ecken von −P ∗ und diese sind nach Annahme ganzzahlig). Wir erhalten damit eine Abbildung φi : Xσˆi ⊃ Xσˆ → Ui ⊂ CP N , z 7→ (z m0 −mi , . . . , z mi−1 −mi , z mi+1 −mi , . . . , z mN −mi ) ,
wobei z = (z0 , . . . , zn ). Man beachte, dass (m0 − mi , . . . , mi−1 − mi , mi+1 − mi , . . . , mN − mi ) das Monoid σ ˆi ∩ Zn erzeugen. Damit ist φi ein Isomorphismus auf eine Zariski-abgeschlossene Teilmenge von Ui ⊂ CP N . Man pr¨ uft nun nach, dass sich die so definierten Abbildungen φi zu einem Morphismus φ : XΣ → CP N
mit den gew¨ unschen Eigenschaften kombinieren. F¨ ur weitere Details siehe [E], Theorem VII.3.11. 8. Homologie torischer Variet¨ aten und das g-Theorem In diesem letzten Abschnitt wollen wir zeigen, wie die Topologie einer torischen Variet¨at R¨ uckschl¨ usse auf die Kombinatorik des zugundeliegenden F¨achers zul¨asst. Dieses Zusammenspiel wird anhand von Stanley’s Beweis (einer Richtung) des g-Theorems erl¨autert. Wir zitieren zun¨achst zwei grundlegende Resultate u ¨ber die Homologie torischer Variet¨aten (immer versehen mit der analytischen Topologie). Satz 8.1. Es sei Σ ein vollst¨andiger simplizialer F¨acher der Dimension n. Dann gilt f¨ ur alle 0 ≤ k ≤ n n X i−k i dim H2k (XΣ , Q) = (−1) dn−i k i=k wobei dp die Anzahl der p-dimensionalen Kegel in Σ bezeichnet. Alle anderen Homologiegruppen mit rationalen Koeffizienten verschwinden. Falls XΣ glatt ist (d.h. jeder Kegel in Σ ist regul¨ar), findet sich ein Beweis in [E], Theorem 2.1. in Abschnitt VIII. Der Fall, dass Σ simplizial und XΣ projektiv ist (dies schließt den Fall ein, dass Σ zu einem simplizialen Polytop geh¨ort), wird in Abschnitt 5.2. im Buch von Fulton behandelt.
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Wir erinnern an einige grundlegenden Begriffe der Polytoptheorie: Es sei P ein n-dimensionales Polytop. Ein wichtiges kombinatorisches Datum ist dann der f -Vektor (f0 , f1 , . . . , fn−1 ), wobei fi die Anzahl der i-dimensionalen Seiten von P ist. Eng verwandt ist der sogenannte h-Vektor (h0 , . . . , hn ) mit k X k−i n − i hk := (−1) fi−1 , n−k i=0 (wobei f−1 := 1). Aus dem h-Vektor l¨asst sich der f -Vektor zur¨ uckgewinnen. Wir haben also: Korollar 8.2. Es sei Σ ein n-dimensionaler polytopaler F¨acher mit zugeh¨origem Polytop P . Es sei (h0 , . . . , hn ) der h-Vektor von P . Dann gilt dim H2k (XΣ ; Q) = hn−k . Da Σ ein simplizialer F¨acher ist, ist XΣ eine sogenannte Orbifold, d.h. dieser Raum sieht lokal so aus wie der Quotient von Cn nach einer linearen Wirkung einer endlichen Gruppe (siehe Abschnitt 2.2. im Buch von Fulton). Also ist XΣ eine orientierbare rationale Homologiemannigfaltigkeit und dies impliziert, dass sich die Homologie- und Kohomologiegruppen von XΣ mit rationalen Koeffizienten so verhalten, als w¨are XΣ eine orientierbare geschlossene glatte Mannigfaltigkeit. Dies impliziert, dass das Cap-Produkt mit einer Fundamentalklasse von XΣ einen Isomorphismus H k (XΣ ; Q) ∼ = H2n−k (XΣ ; Q) induziert (f¨ ur alle 0 ≤ k ≤ 2n) und mit Hilfe des UniverselleKoeffiziententheorems erhalten wir dim2k (XΣ ; Q) = dim2n−2k (XΣ ; Q) . Dies sind die Dehn-Sommerville-Relationen hn−k = hk , wobei 0 ≤ k ≤ n. Wir betonen, dass f¨ ur den Beweis von Theorem 8.1 nur die Konstruktion von XΣ als topologischer Raum ben¨otigt wird und seine Struktur als algebraische Variet¨at keine Rolle spielt. Es ist eine erstaunliche Tatsache, dass man R¨ uckschl¨ usse auf die Kombinatorik eines simplizialen Polytops erh¨alt, die u ¨ber die DehnSommerville-Relationen hinausgehen, wenn man tieferliegende S¨atze u ¨ber die Topologie projektiver Variet¨aten zu Hilfe nimmt.
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Satz 8.3. Es sei Σ ein polytopaler F¨acher zu einem simplizialen Polytop. Dann existiert eine Klasse ω ∈ H 2 (XΣ ; Q), so dass f¨ ur alle i 0 ≤ i ≤ n die Multiplikation mit ω einen Isomorphismus induziert.
H n−i (XΣ ; Q) → H n+i (XΣ ; Q)
Der Beweis dieser Aussage beruht auf zwei Tatsachen. Die erste ist ein tiefes Resultat aus der algebraischen Geometrie: F¨ ur die sogenannte Schnittkohomologie projektiver Variet¨aten gilt eine analoge Aussage wie die eben angegebene ( Harter Lefschetzsatz“). Die zweite Tatsache ” besagt, dass die Schnittkohomologie und die singul¨are Kohomologie kanonisch isomorph sind, falls XΣ eine Orbifold ist. Dies ist bei uns der Fall, da Σ simplizial ist. F¨ ur eine detailliertere Diskussion verweisen wir auf Abschnitt 5.2. im Buch von Fulton. Wir kommen nun zur Diskussion des g-Theorems. Dies gibt eine hinreichende und notwendige Bedingung daf¨ ur an, dass ein n-Tupel nat¨ urlicher Zahlen als f -Vektor eines n-dimensionalen simplizialen Polytops realisiert werden kann. F¨ ur eine Folge (f0 , f1 , . . . , fn−1 ) von ganzen Zahlen setzen wir f−1 := 1 und definieren die Folge (h0 , h1 , . . . , hn ) wie vorhin. Zus¨atzlich setzen wir hni m := 2 und gp := hp − hp−1 f¨ ur alle 1 ≤ p ≤ m. Das g-Theorem lautet nun: Satz 8.4 (Stanley 1980, Billera-Lee 1981). Die Folge (f0 , . . . , fn−1 ) kann als f -Vektor eines simplizialen Polytops genau dann realisiert werden, wenn die folgenden Bedingungen erf¨ ullt sind: • hp = hn−p f¨ ur alle 0 ≤ p ≤ m. • (g1 , . . . , gm ) erf¨ ullt die Macaulay-Bedingung: Es gilt gp ≥ 0 f¨ ur alle 1 ≤ p ≤ m und wenn wir np np−1 nr gp = + + ... + p p−1 r mit np > np−1 > . . . > nr ≥ r ≥ 1 schreiben (dies ist in eindeutiger Weise m¨oglich), dann gilt np + 1 np−1 + 1 nr + 1 gp+1 ≤ + + ... + p+1 p r+1
f¨ ur alle 1 ≤ p ≤ m − 1 (falls gp = 0, so interpretieren wir diese Bedingung als gp+1 = 0).
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Im Falle n = 4 lauten die entsprechenden Bedingungen • f0 − f1 + f2 − f3 = 0 (Euler-Gleichung) , • f2 = 2f3 (jedes 3-Simplex wird von vier 2-Simplizes begrenzt, von denen jedes Rand von genau zwei 3-Simplizes ist) , • f0 ≥ 5 (da dim P = 4) , • f1 ≤ f0 (f20 −1) (zwei Ecken sind durch h¨ochstes eine Kante verbunden) , • f1 ≥ 4f0 − 10. Das g-Theorem geht auf eine Vermutung von McMullen zur¨ uck. Von Billera und Lee wurde mit Hilfe einer expliziten Konstruktion gezeigt, dass die genannten Bedingung hinreichend sind f¨ ur die Existenz eines enstsprechenden Polytops. Der Beweis, dass dieses Bedingungen notwendig sind, wurde von Stanley mit Hilfe der Theorie der torischen Variet¨aten gegeben. Wir wollen die wichtigsten Schritte des Stanley’schen Argumentes kurz andeuten. Es sei also P ein n-dimensionales simpliziales Polytop. Wir k¨onnen ohne Einschr¨ankung der Allgemeinheit annehmen (d.h. ohne die kombinatorischen Daten zu ¨andern), dass P ⊂ Rn mit 0 ∈ int(P ) und so dass alle Ecken von P rationale Koordinaten haben. Es sei Σ der polytopale F¨acher zu P . Die erste Bedingung (Dehn-Sommerville-Relationen) wurde bereits aus der Tatsache abgeleitet, dass XΣ eine rationale Homologiemannigfaltigkeit ist. Die Tatsache, dass gp ≥ 0 f¨ ur alle 1 ≤ p ≤ m ist, folgt aus Theorem 8.3: Dieses impliziert, dass f¨ ur alle 0 ≤ k ≤ m−1 die Multiplikation mit ω eine injektive Abbildung H 2k (XΣ ; Q) → H 2k+2 (XΣ ; Q) induziert. Daher gilt dim H 2k+2 (XΣ ; Q) ≥ dimk (XΣ ; Q) und die Interpretation dieser Dimensionen als Eintr¨age des h-Vektors von P zeigt gp ≥ 0 f¨ ur alle 1 ≤ p ≤ m. F¨ ur die letzte Bedingung an das Tupel (g1 , . . . , gm ) ben¨otigen wir eine weitere Tatsache u ¨ber den rationalen Kohomologiering von XΣ Satz 8.5. Es sei Σ ein simplizialer polytopaler F¨acher. Dann wird der Kohomologiering H ∗ (XΣ ; Q) von H 2 (XΣ ; Q) erzeugt. Setzen wir nun Ri := H 2i (XΣ ; Q)/(ω ∪ H 2i−2 (XΣ ; Q))
f¨ ur 0 ≤ i ≤ m, so ist R∗ eine graduierte Q-Algebra mit R0 = Q, die von R1 erzeugt wird. Es ist ein (rein algebraisches) Resultat von
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Macaulay, dass die Folge (dim R0 , . . . , dim Rm ) die letzte Bedingung aus dem g-Theorem erf¨ ullen muss. Da gp = dim Rp = dim H 2p (XΣ ; Q) − dim H 2p−2 (XΣ ; Q) = hp − hp−1
f¨ ur 1 ≤ p ≤ m (bei der zweiten Gleichung geht wieder Theorem 8.3 ein), ist damit die Notwendigkeit der Bedingungen aus dem g-Theorem vollst¨andig gezeigt.