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Die einzigartige britische Fernsehserie jetzt als Goldmann Taschenbuch! Der phantastische Dr. WHO mit seinem unmöglichen Raumschiff auf Abenteuersuche im Weltall! Die Tardis strandet nach einem mysteriösen Triebwerksausfall auf dem nebelverhangenen Planeten Exxilon. Dort stößt der Doktor auf die Überlebenden einer gescheiterten Expedition von der Erde, die hier nach einem äußerst seltenen Metall suchen wollte, mit dem die Galaxie vor einer schrecklichen Raum-Seuche bewahrt werden könnte. Sarah entdeckt während dessen eine Riesenstadt und wird von den wilden Exxilons gefangengenommen. Aber damit nicht genug der Katastrophen – hinter allem stecken noch dazu die Todfeinde des Doktors: Die Daleks… DEUTSCHE ERSTAUSGABE
Aus der Reihe Dr. WHO sind im Goldmann Verlag erschienen: Dr. WHO und die Invasion der Daleks David Whitaker • 23611 Dr. WHO und das Komplott der Daleks Terrance Dicks • 23612 Dr. WHO und der Planet der Daleks Terrance Dicks • 23622 Dr. WHO – Tod den Daleks! Terrance Dicks • 23623
TERRANCE DICKS
TOD DEN DALEKS!
GOLDMANN VERLAG
Deutsche Erstausgabe Aus dem Englischen übertragen von Peter Tuscher Originaltitel: Dr. Who and the Destiny of the Daleks erschienen bei Target Books, W. H. Allen & Co.
Der Goldmann Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann Made in Germany • 7/90 • 1. Auflage © des Fernsehdrehbuchs 1979 by Lynsted Park Enterprises Ltd., London © des Romans 1979 by Terrance Dicks © der Serie »Dr. Who« 1979 by British Broadcasting Company © der deutschsprachigen Ausgabe 1990 by Wilhelm Goldmann Verlag, München Umschlaggestaltung: Design Team München Umschlagillustration: Target/Schlück, Garbsen Satz: IBV Satz- und Datentechnik GmbH, Berlin Druck: Eisnerdruck, Berlin Verlagsnummer: 23625 Redaktion: Christoph Göhler/SK Herstellung: Peter Papenbrok ISBN 3-442-23625-8
Prolog Er war ein toter Mann auf der Flucht. Blind und verzweifelt rannte er durch den wirbelnden grünen Nebel. In seinen kaputten Lungen kratzte es jedesmal, wenn er atmete. Er wußte, daß es nur wenig Hoffnung gab. Er war in einem Hinterhalt irgendwie von den anderen getrennt worden, und jetzt jagten ihn seine Feinde. Er warf einen Blick über die Schulter. Seinen Weg beachtete er nicht. Schemenhafte Gestalten huschten dicht hinter ihm durch die Dünen. Er rutschte auf einem lockeren Stein aus und fiel auf das Gesicht. Er rollte herum, kam wieder auf die Beine und rannte sofort weiter. Wieder schaute er sich um. Dieses Mal konnte er nichts sehen, aber er wußte, daß sie überall waren und ihn wie ein gehetztes Tier durch die Dünen trieben. Und während er rannte, blitzten Erinnerungsfetzen durch sein Gehirn. Die Auswahl für diese überaus wichtige Mission, der Abschied von Familie und Freunden auf der Erde, die Landung auf diesem isolierten Höllenplaneten. Und dann die Katastrophe. Eine so hervorragend ausgerüstete Expedition einer der am weitesten entwickelten Kulturen in der Galaxie war plötzlich vollkommen hilflos. Er erreichte einen kleinen, abgestandenen Tümpel und blieb stehen, um sich zu orientieren und plötzlich war da eine Gestalt mit schwarzem Umhang und Kapuze, wie ein Geist, direkt vor ihm. Er drehte sich um – da war noch einer, der ihm den Weg versperrte. Er wirbelte herum. Es tauchten noch weitere stumme Gestalten hinter ihm auf. Er griff nach der Sprengstoffwaffe, die an seinem Gürtel hing, und blickte sich herausfordernd um. Auf diesem Planeten
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war die Waffe vollkommen nutzlos, aber falls einer von ihnen nah genug herankam, konnte er sie als Prügel verwenden. Eine der stummen Gestalten bewegte sich ganz plötzlich, und er spürte einen Schlag in seiner Herzgegend. Er war nicht härter als ein schwerer Faustschlag, aber als er nach unten schaute, sah er den Pfeil in seinem Herzen. Weitere Pfeile drangen in seinen Körper, er taumelte nach hinten. Als er in den kleinen Tümpel fiel, platschte es laut. Als das dunkle Wasser ihn verschlang, war sein letzter, bitterer Gedanke, daß er versagt hatte. Seine ganze Mission war fehlgeschlagen, und aufgrund dieses Fehlschlags würden unzählige Millionen einen grauenhaften Tod sterben…
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Das Ende der Tardis Das Telefonhäuschen, das gar kein Telefonhäuschen war, jagte durch jene geheimnisvolle Leere, in der Raum und Zeit eine Einheit bilden. Im Innern des unglaublich großen Kontrollraumes war ein großer, weißhaariger Mann mit tiefgezeichnetem Gesicht, das sowohl jung als auch alt war, gerade dabei, die Instrumente nachzustellen. Im Kontrast zu der ultramodernen Umgebung war er mit altmodischer Eleganz gekleidet. Er trug enge Hosen, eine Jacke aus Samt und ein Rüschenhemd. Eine Tür ging auf, und ein attraktives, dunkelhaariges Mädchen trat ein. Sie trug ein sehr kurzes Strandkleid über einem Badeanzug aus dem zwanzigsten Jahrhundert und hatte eine große, gestreifte Badetasche bei sich. »Es ist alles hier drinnen, Doktor. Sonnenbrille, Sonnencreme, Schwimmflügel…« Der Doktor lächelte. »Sie werden keine Schwimmflügel benötigen, Sarah.« »O doch, das werde ich. Sie sagten, wir würden schwimmen gehen…« »Auf Florana können Sie nicht untergehen.« »Ich kann überall untergehen«, sagte Sarah pessimistisch. »Ich brauche zum Baden eine Schwimmweste.« »Das Wasser auf Florana ist sprudelig. Die Luftblasen werden Sie tragen.« »Klingt so, als ob man in einem Glas mit Badesalz schwimmen würde.« Der Doktor war ausgezeichneter Stimmung. »In Ordnung, Sarah, in Ordnung. Warten Sie nur, bis Sie Florana gesehen haben, den bezauberndsten Ferienplanet im ganzen Universum.« 9
Sarah war zerknirscht. Es war doch unfair, so mißtrauisch zu sein, wenn der Doktor in solcher Ferienlaune war. Sie konnte aber dennoch nichts daran ändern, daß sie sich fragte, ob die überschwenglichen Versprechungen des Doktors in bezug auf ihren Zielort eintreffen würden. Während ihrer relativ kurzen Raumschiffbekanntschaft mit dem Doktor hatte das Raumschiff TARDIS sie in eine besonders gewalttätige Ära des englischen Mittelalters gebracht und in ein London, das mysteriöserweise von Dinosauriern bewohnt war. Der Doktor hatte ihr versprochen, daß dieses Mal alles ganz anders sein würde. Als Entschädigung für diese angstvollen Erlebnisse brachte er sie jetzt auf den schönsten und friedlichsten Planeten der Galaxie. Sie bemerkte, daß auf dem Schaltpult der TARDIS ein rotes Licht flackerte. Weiter Lampen begannen aufzuleuchten, und die Nadeln der Instrumente schlugen heftig aus. Sie schaute den Doktor an, aber der starrte überglücklich in den Weltraum und dachte immer noch an die Schönheiten auf Florana. »Wenn ich diese langen goldenen Strände verlasse, fühle ich mich immer hundert Jahre jünger…« »Doktor…« »Und Florana ist deshalb so schön, weil es nicht wie Ihr eigener kleiner Planet zerstört worden –« »Doktor, soll diese rote Lampe so blinken? Und all die anderen?« Der Doktor drehte sich schnell um und sah, daß alle Alarmsignale auf dem Schaltpult der TARDIS aufleuchteten. Plötzlich hatte er es schrecklich eilig, sauste um das Pult herum und versuchte, alles wieder in Ordnung zu bringen. Eine Sicherung brannte durch. Es regnete Funken, und eine kleine Rauchwolke war zu sehen. Die Lampen in der Kontrollzentrale gingen aus. Sarah war offensichtlich verängstigt. »Was ist denn, Doktor, was geht denn vor?« 10
»Es scheint sich um ein Versagen der Hauptstromanlage zu handeln. Warten Sie, ich werde die Notanlage zuschalten.« Der Doktor schaltete einen Hebel nach unten, und auf einmal war alles wieder normal. Die großen Lampen gingen wieder an, die Warnlampen gingen aus. »Ist das eine Erleichterung«, sagte der Doktor. »Wenn die Notanlagen nicht funktioniert hätten, dann hätten wir richtige Schwierigkeiten gehabt.« Die großen Lampen wurden schwächer, und die Warnlampen auf dem Pult leuchteten wieder auf. »Es geht wieder los«, sagte Sarah. »Tun Sie etwas, Doktor.« Der Doktor beugte sich über das Schaltpult, dachte nach und runzelte die Stirn. Wenn die TARDIS so versagte, hieß das nur eins: Irgendeine Kraft von außen arbeitete gegen sie. Ein plötzlicher, harter Ruck veranlaßte ihn, sich am Pult festzuhalten; Sarah wurde herumgeschleudert. »Was ist geschehen, Doktor?« »Eines kann ich Ihnen sagen, Sarah. Wir sind gelandet.« Er deutete auf die Hauptanzeige, die sich bewegte, solange die TARDIS flog. Jetzt stand sie still. Nacheinander gingen die Warnlampen auf dem Pult der TARDIS aus, und die Zeiger der Instrumente krochen auf Null zurück. Die großen Lampen wurden immer schwächer, und es herrschte eine unheimliche Stille. »Es ist so, als ob die TARDIS stirbt«, sagte Sarah ganz leise. »Ich benutze jetzt lieber den Scanner – solange es noch genug Strom gibt, um ihn in Betrieb zu nehmen«, sagte der Doktor. Er schaltete das Gerät ein, und der Bildschirm des Scanners wurde hell. Das Bild war schwach und verschwommen, und das einzige, das sie sehen konnten, waren Sanddünen und wirbelnder grüner Nebel. Das Bild wurde ganz langsam schwächer, und schließlich war der Bildschirm wieder schwarz. »Faszinierend«, murmelte der Doktor. »Was ist an Nebel so faszinierend?«
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»Vielleicht war es der Nebel, der die TARDIS außer Betrieb gesetzt hat.« Das indirekte Licht an der Decke der TARDIS ging jetzt aus. Stück um Stück wurde die TARDIS von der Dunkelheit verschluckt. Schließlich brannte nur noch ein letztes Licht, das das Pult, den Doktor und Sarah ein klein wenig beleuchtete. Dann wurde auch dieses Licht immer schwächer. »Gibt es nicht noch eine andere Notversorgung?« fragte Sarah. »Doch, natürlich. Ich werde jetzt auf die Notanlage umschalten.« Er betätigte einen Hebel, und die Lampen gingen wieder an. Sarah lächelte erleichtert aber nicht lange. Fast unmerklich wurden die Lampen wieder schwächer. »Leere Batterie?« schlug Sarah nervös vor. »Kaum. Horchen Sie.« »Ich kann nichts hören.« »Genau. Ich auch nicht. Überhaupt nichts. Kein Klicken oder Ticken. Nichts. Die TARDIS ist lebendig, mehrere hundert komplexe Instrumente arbeiten fortwährend. Ihre Energiequellen sind unerschöpflich haben kein Ende.« »Nun, jetzt sind sie am Ende. Alles ist vollkommen tot.« »Es ist genau so, wie Sie sagen. Die TARDIS stirbt.« Der Doktor schaute sich in der Kontrollzentrale um, die jetzt fast ganz dunkel war; nur ein ganz schwacher Schimmer ging von der Lichtquelle in der Mitte aus. »Sarah, werfen Sie einen Blick in den Spind dort drüben. Ganz oben müßte eine Taschenlampe liegen.« Sarah öffnete den Spind und streckte ihre Hand hinein. Sie brachte eine riesige Taschenlampe zum Vorschein. Sie war sehr groß, mit schwarzem Gummi überzogen, so wie man sie in der Industrie verwendete. Sie schaltete sie ein, und ein Lichtstrahl fiel auf das Pult. Sarah fühlte sich umgehend besser – bis der Strahl der Taschenlampe langsam nachließ. Nach
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wenigen Sekunden war sie ganz erloschen, und die Dunkelheit kehrte zurück. Der Doktor durchstöberte einen anderen Spind. Er fand eine große, altmodische Lampe, von der Art, wie Minenarbeiter sie früher einmal benutzt hatten. Sarah gelang es zu lächeln. »Erzählen Sie mir nicht, daß Sie daran reiben werden, bis ein Geist erscheint.« Der Doktor hielt die Lampe an sein Ohr und schüttelte sie. »Im Gegenteil, ich werde etwas Licht auf unsere Lage werfen!« Er nahm eine Schachtel mit alten Schwefelzündhölzern aus dem Spind und zündete die Lampe an. Ein weiches gelbes Licht erhellte die nähere Umgebung. Sarah atmete erleichtert auf. »Puh, ein Hurra auf das gute altmodische Öl!« Der Doktor drehte den Docht hoch, und das Licht wurde heller. »Das ist besser. Aber ich glaube, wir gehen jetzt lieber nach draußen und finden heraus, wo wir sind.« Sarah warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Ich wette, es ist nicht Florana!« Der Doktor reichte ihr die Lampe. »Halten Sie sie einen Augenblick, ja? Die Türkontrollmechanismen werden nicht funktionieren. Ich werde sie manuell öffnen müssen.« Er ging zu einer Schublade mit Werkzeug, die sich unten im Schaltpult befand, und nahm einen Eisenhebel heraus, der der Antriebskurbel eines alten Wagens ähnelte. Dann ging er wieder zu den Türen zurück, steckte die Kurbel in eine Wandöffnung und fing an zu drehen. Langsam öffneten sich die Türen, und grüner Nebel strömte in den Raum. Er schien die Luft zu kühlen. Sarah erschauderte in ihrem Strandkleid. Der Doktor öffnete die Tür noch etwas mehr und trat hinaus. Sarah folgte ihm nervös. Man konnte kaum etwas sehen. Die TARDIS war anscheinend inmitten von Sanddünen gelandet – ihre flachen, rundlichen Formen verschwanden im grünen Nebel. 13
Grobkörniger grauer Sand knirschte unter ihren Füßen, als sie sich vorsichtig von der TARDIS entfernten. Sarah zitterte. »Es ist so kalt…« »Kommen Sie«, sagte der Doktor. »Sehen wir uns ein bißchen um.« Eine Zeitlang wanderten sie durch die Dünen. Plötzlich sprang Sarah erschrocken zurück, denn eine schreckliche schwarze Gestalt zeichnete sich im Nebel ab. Der Doktor packte sie am Arm. »Alles ist in Ordnung, Sarah, das ist nur ein Fels.« Es handelte sich um eine Art Monolith, einen schwarzen Stein, in den eine phantastische Form gemeißelt war. Der Doktor ging los, um ihn genauer zu untersuchen. »Es könnte eine Art Statue sein oder vielleicht sogar irgendein ursprüngliches Lebewesen, das vor langem versteinert wurde.« »Ich war schon kurz davor, selbst zu Stein zu werden.« Der Doktor nahm eine Handvoll von dem schotterartigen Sand und zerrieb ihn langsam mit den Fingern. »Dieser Teil des Planeten scheint ziemlich tot zu sein, ich bezweifle, ob es hier in den letzten Jahrhunderten Leben gab.« »Nun, wenn Sie nicht vorhaben, sich hier niederzulassen und Kopfsalat anzubauen, ist das doch nicht allzu wichtig.« Der Doktor ignorierte sie. »Wenn der Rest des Planeten genauso aussieht, dann dürfte er ohne Leben sein.« »Hören Sie, Doktor, wir sind hier nicht auf irgendeiner Expedition zu wissenschaftlichen Zwecken. Alles, was wir wollen, ist, von hier zu verschwinden.« »Dem stimme ich zu. Aber um diesen Planeten zu verlassen, müssen wir ihn zuallererst verstehen.« »Weshalb?« »Denken Sie nach! Irgendeine gewaltige Kraft, die von diesem Planeten ausgeht, hat die Energievorräte der TARDIS aufgebraucht. Tja, entweder ist das ein natürliches Phänomen oder –« »Jemand oder etwas tut das absichtlich.« 14
Der Doktor nickte wie ein Lehrer, dessen Schüler endlich mit der richtigen Antwort aufgewartet hat. »Ganz genau.« »Tja, jetzt, da wir das geklärt haben, können Sie da nicht einfach die TARDIS reparieren und verschwinden?« »Sie begreifen nicht, Sarah. Das Problem liegt nicht in der TARDIS. Um von hier zu verschwinden, müssen wir das finden, was unsere Energie blockiert, und es dann neutralisieren.« »Und wie tun wir das?« »Im Augenblick habe ich nicht die leiseste Ahnung.« »Und bis wir das tun können, sitzen wir in der Falle? Sitzen für immer hier fest?« »So ist es«, sagte der Doktor fröhlich. »Und deshalb ist es besser, wenn wir bald anfangen.« »Was tun wir zuerst?« »Wir fangen damit an, daß wir die unmittelbare Umgebung untersuchen.« »In Ordnung«, sagte Sarah tapfer. Es fröstelte sie wieder, als sie sich die düsteren Dünen ansah, die in den grünen Nebel eingehüllt waren. Es war bitterkalt. »Obwohl ich für dieses Klima nicht gerade richtig angezogen bin, oder?« »Was?« Der Doktor stellte fest, daß Sarah immer noch ihr Strandkleid und ihren Badeanzug trug, die sie für die versprochenen Strände auf Florana angezogen hatte. »Um Gottes willen, Mädchen, gehen Sie, und ziehen Sie sich etwas Warmes an.« »In Ordnung. Aber Sie bleiben doch hier, Doktor, ja?« Der Doktor war vollkommen in die Untersuchung des schwarzen Monolithen vertieft. Er beleuchtete ihn mit seiner Öllampe. Sarah warf ihm einen verzweifelten Blick zu und eilte in Richtung der TARDIS. Der Doktor fuhr mit seiner Untersuchung fort. Der Monolith konnte einen natürlichen Ursprung haben. Es war ganz und gar 15
möglich, daß die wirbelnden Sandstürme die Steinsäule langsam in ihre jetzige, außergewöhnliche Form geschliffen hatten. Oder irgendeine Statue, die sich im Lauf der Zeit verändert hatte? Dann war da noch jene andere Theorie, die er Sarah gegenüber erwähnt hatte. Vielleicht handelte es sich um irgendeine Kreatur des Planeten, die zu Stein geworden war. Vielleicht war sie früher einmal eine der intelligenten Lebensformen des Planeten gewesen. Der Doktor, der tief in seine Spekulationen versunken war, bemerkte nicht, daß Gestalten in schwarzen Mänteln leise aus dem Nebel herausgetreten waren. Langsam pirschten sie sich an ihn heran…
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Der Hinterhalt Sarah glitt durch die zur Hälfte geöffnete Tür der TARDIS und tastete sich langsam zu dem Spind vor. Sie suchte ein paar Kleidungsstücke aus; dabei verließ sie sich nur auf ihren Tastsinn. Eine Hose, einen dicken Pulli, ein Paar bequeme Wanderschuhe und eine warme Jacke… In aller Eile begann sie sich umzuziehen. Der Doktor untersuchte immer noch den Monolithen, während hinter ihm schwarzgekleidete Gestalten näher kamen… Draußen vor der TARDIS blickte Sarah sich angstvoll um. Die Dünen mit ihren dunklen Nebelschwaden sahen genauso furchterregend aus wie zuvor, aber jetzt hatte sie das Gefühl, daß sie besser ausgerüstet war, um mit den unbekannten Gefahren fertig zu werden. Es konnte wohl kaum jemand von ihr erwarten, daß sie sich im Badeanzug mit einem fremden Ungeheuer auseinandersetzte. Sie schaute sich nach dem Lichtschein der Laterne des Doktors um, aber sah nur schwarze Dunkelheit und treibende Nebelschwaden. »Doktor!« rief sie. Keine Antwort. »Doktor! Sind Sie da?« Wieder Stille. Nervös rannte Sarah in Richtung Steinsäule los. Als sie loseilte, glitt eine schwarzgekleidete Gestalt hinter der TARDIS hervor, stand gelassen da und schaute ihr nach. Einen Augenblick lang sah es so aus, als ob sie einen Angriff plante, doch dann drehte sie sich um und ging leise auf die immer noch geöffnete Tür der TARDIS zu. Langsam befürchtete Sarah, daß sie den falschen Weg eingeschlagen hatte. Vom Doktor gab es keine Spur. Sie 17
konnte nicht einmal den Monolith ausmachen. Sarah, die voller Verzweiflung hoffte, daß der Doktor nicht allzuweit entfernt war, rief: »Doktor? Doktor, ich habe mich verirrt. Wo sind Sie?« Stille. Hinter sich hörte sie ein schwaches Trippeln. Sie drehte sich besorgt um, konnte aber nichts sehen. Da waren nur der Sand, der sich bewegte, und die Nebelschwaden. Sarah, plötzlich voller Panik, rannte los und lief direkt in etwas hinein, das sie festhielt. Sie schrie auf und riß sich los, aber es war nur ein struppiger Dornbusch, der sich in ihrer Jacke verfangen hatte. Sarah befreite sich und warf hektische Blicke um sich und bemerkte plötzlich eine große Gestalt, die eine Öllampe trug. Sie atmete erleichtert auf und rannte auf sie zu – dann blieb sie enttäuscht stehen. Das war ja gar nicht der Doktor. Es war der statuenähnliche Fels, wo sie ihn zuletzt gesehen hatte. Die Öllampe stand auf einem Felsvorsprung, der wie ein Arm ausgestreckt war. »Doktor!« rief sie. »Doktor, wo sind Sie?« Niemand antwortete. Sie trat an den Monolith und nahm die Lampe herunter. Als sie sie in die Hand nahm, bemerkte sie, daß sie klebrig war. Sie betrachtete ihre Finger genauer. Sie waren mit Blut verschmiert. Sarah ließ die Lampe fallen – sie ging aus. Nun stand sie wieder im Dunkeln. Sie stand einen Moment lang da und bekämpfte ihre Panik. Sollte sie losgehen und den Doktor suchen? In dieser nebligen Dunkelheit würde sie jedem Feind, der ihn angegriffen hatte, schutzlos ausgeliefert sein. Sie beschloß, zum Raumschiff zurückzugehen und zu warten. Dort würde sie sicher sein, und es bestand auch die Möglichkeit, daß der Doktor zurückkehrte, um nach ihr zu sehen. Wenn er das nicht tat, würde sie losziehen und ihn suchen, sobald es hell war. Sie blieb einen Augenblick lang stehen, um sich zu sammeln. Dann kehrte sie zur TARDIS zurück.
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Während sie die Strecke zurückeilte, hörte sie aus allen Richtungen seltsame Geräusche. Hin und wieder hatte sie den Eindruck, daß sie schwarze Gestalten sah, die durch die Dunkelheit eilten. Aber sie erreichte die TARDIS dennoch sicher und hielt an, um Luft zu schnappen. Sie nahm sich allen Ernstes vor, die Lage nicht noch zu verschlimmern, indem sie sich Dinge einbildete. Dann trat sie ein. Als sie in der dunklen Kontrollzentrale stand, war Sarah wütend auf sich selbst, weil sie die blutverschmierte Lampe nicht mitgenommen hatte. Nun mußte sie versuchen, eine andere zu finden und auch noch die Zündhölzer. Neben der Tür blieb sie einen Augenblick lang stehen und ließ ihren Blick über die Sanddünen schweifen. Sie hatte immer noch die vage Hoffnung, daß der Doktor zurückkehren würde. Aber er war nirgends zu sehen. Sie hörte Geräusche, die aus dem Nebel zu ihr herüberdrangen, und bemerkte, daß sie die Tür der TARDIS hatte offenstehen lassen. Sie ging zu dem Hebel hinüber, der immer noch in der Wandöffnung steckte, und fing an zu drehen. Sarah mußte ihre ganze Kraft aufbieten, um ihn zu bewegen. Sie war so sehr in ihre Aufgabe vertieft, daß sie die schwarze Gestalt nicht bemerkte, die aus ihrem Versteck hinter dem Schaltpult hervorkam… Plötzlich erhaschte sie das Geräusch einer Bewegung, und als sie sich umdrehte, sah sie eine fledermausähnliche Gestalt, die sich auf sie zu stürzen drohte und deren Augen böse unter einer Mönchshaube hervor funkelten. Ihre Hand lag immer noch auf der Kurbel. Sie riß sie heraus und schwenkte sie erschrocken der sich nähernden Gestalt entgegen. Die eiserne Kurbel fuhr auf die schwarze Haube nieder. Die Kreatur stieß einen schrillen Schmerzensschrei aus und ging zu Boden. Sarah drehte sich um und wollte losrennen, aber dank ihrer Anstrengung war die Tür jetzt wieder geschlossen. Hektisch
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rammte sie die Kurbel wieder in ihre Vorrichtung und drehte sie jetzt in die andere Richtung. Während sie die Kurbel drehte, behielt sie die Kreatur auf dem Boden argwöhnisch im Auge. Entsetzt sah sie, daß sie sich bewegte. Sie drehte die Kurbel immer schneller. Schon bald war die Tür weit genug geöffnet, um hindurchzukommen. Als sie auf die Tür zuging, erwachte die Kreatur plötzlich zum Leben. Sie machte einen Satz auf sie zu und packte ihren Knöchel mit einer dürren Klaue. Sarah zog die Kurbel heraus und hieb damit auf den knochigen Arm ein. Mit einem Schrei ließ sie sie los, und Sarah schlüpfte durch den Spalt und rannte in die Dünen hinaus. Während sie verzweifelt weiterrannte, bemerkte sie, daß es draußen heller geworden war. Der Nebel hob sich, und über ihr am Himmel waren die ersten blassen Anzeichen der Morgendämmerung zu sehen. Der Doktor wurde auf einem Pfad durch die Dünen geführt; zwei schwarzgekleidete Gestalten mit Kapuzen geleiteten ihn. Der, der vor ihm herging, zog ihn an einem Seil hinter sich her, welches als Schlinge um sein Genick gelegt worden war. Der Hintere trug eine Fackel. Der Doktor torkelte weiter. Jedesmal wenn er langsamer wurde, wurde er durch einen Ruck am Seil weitergezerrt. Sein Kopf hing herunter; die Wunde auf seiner Stirn blutete, und er bewegte sich wie ein Mann, der kaum mehr bei Bewußtsein war. Aber in Wirklichkeit ging es dem Doktor nicht annähernd so schlecht, wie er vorgab. Seine Kraft kehrte sehr schnell wieder zurück, und er übertrieb seine Schwäche absichtlich in der Hoffnung, daß seine Wachen nachlässig werden würden. Seine Gedanken kehrten schnell zu seiner Gefangennahme zurück. Er, der die leisesten Geräusche wahrnahm, hatte aufgesehen und der Fremde hatte sofort einen Satz gemacht. Seine klauenartigen Hände hatten sich ihm um den Hals gelegt. 20
Der andere war drahtig und unglaublich stark, aber als der Doktor erst einmal über die Überraschung hinweggekommen war, rechnete er sich aus, daß er in der Lage gewesen wäre, mit ihm fertig zu werden. In der Tat, er hatte sich schon befreit – aber dann hatte eine andere Kreatur die Messinglampe gepackt und ihm einen harten Schlag auf den Kopf verpaßt. Der Doktor hatte einen kurzen Blick erhascht, glühende Augen in einem verzerrten Gesicht gesehen – aber dann war die Lampe auf seiner Stirn gelandet, und er hatte das Bewußtsein verloren. Und jetzt war er hier, ein Gefangener dieser grauenhaften Gestalten. Wahrscheinlich brachten sie ihn zu ihrem Stützpunkt zurück. Der Doktor mußte sich befreien, bevor sie ihr Ziel erreichten. Mit den beiden würde er fertig werden, aber er wollte es nicht mit mehreren aufnehmen. Der Doktor paßte den richtigen Augenblick ab, gab ein mattes Stöhnen von sich, stolperte gekonnt und brach auf dem Weg zusammen. Der außerirdische Anführer riß heftig an der Schlinge, aber der Doktor bewegte sich nicht. Der, der die Fackel trug, kniete neben dem Doktor nieder, um ihn zu untersuchen, und hielt die Fackel an sein Gesicht. Zu seiner Überraschung stellte der Fremde fest, daß die Augen des Doktors weit geöffnet und wachsam waren. Eine knöcherne Faust schoß ihm mit wilder Kraft entgegen und versetzte ihm einen Kinnhaken, der ihn zu Fall brachte. Der Doktor kam sofort auf die Beine. Der zweite Fremde riß an der Schlinge und brachte ihn so zu Fall, aber der Doktor packte das Seil und riß es dem Fremden aus der Hand. Mit einem wilden Schrei ging er zum Angriff über. Der Doktor rollte nach hinten über und warf seine Beine hoch. Der Fremde flog ein gutes Stück durch die Luft und landete ein Stück weiter unten mit solch einem Aufprall auf dem steinigen Pfad, daß er die Besinnung verlor. Der Doktor stand auf und zog die Schlinge vom Hals. Er warf sie zur Seite, schaute seine Gegner zufrieden an und ging dann den Weg zurück, den er gekommen 21
war. Zuallererst mußte er Sarah suchen. Er hoffte nur, daß sie genug Verstand gehabt hatte, im Raumschiff zu warten… Aber Sarah hatte sich mittlerweile ein gutes Stück von der TARDIS entfernt; sie rannte über die Dünen, ohne genau zu wissen, wohin sie ging. Zuerst war es mehr als genug gewesen, dem Grauen im Kontrollraum zu entkommen. Aber jetzt dämmerte es ihr langsam, daß sie nicht einfach ziellos weiterrennen konnte. Sie mußte anhalten und einen Plan schmieden. Die Dünen ragten steil vor ihr auf. Mittlerweile war es hell genug, und sie sah, daß das Dünengebiet eine Art riesiger Mulde bildete – sie näherte sich deren Rand. Sie schleppte sich den Hang hinauf und fragte sich dabei, was auf der anderen Seite des steilen Abhangs lag. Als sie schnelle, schleppende Schritte hinter sich hörte, erstarrte sie. Nicht weit entfernt hatte der Wind eine Mulde in die nächstliegende Düne geblasen. Sarah verließ den Pfad, warf sich auf den Boden, rollte über und kauerte sich unter den Vorsprung, um Deckung zu suchen. Sie lag ganz still da und bemühte sich sehr, sich in den Sand zu buddeln. Von ihrem Versteck aus sah sie zwei schwarzgekleidete Gestalten in Kapuzen, die den Pfad hinauf und auf sie zu kamen. Sie kamen immer näher und hielten an. Dann berieten sie sich kurz und erregt. Einer von ihnen drehte sich um und rannte wieder den Pfad hinunter. Der andere zögerte einen Augenblick und folgte ihm dann. Sie wartete, bis sie außer Sichtweite waren, kroch dann aus ihrem Versteck hervor und versuchte zu verstehen, was geschehen war. Es war ganz offensichtlich, daß die Kreaturen sie verfolgt hatten und es war ebenso klar, daß sie nicht gewillt gewesen waren, den Pfad weiter hinaufzusteigen. Sarah beschloß, daß jeder Ort, von dem sich die Horrorgestalten mit ihren Kapuzen fernhielten, der richtige 22
Platz für sie war. Sie kletterte den steilen Weg so schnell sie konnte hinauf, und schon ein paar Minuten später stand sie auf der Spitze. Sie blieb stehen und riß erstaunt die Augen auf. Vor ihr breitete sich eine riesige Ebene aus glattem, ebenem Fels aus. Es wirkte so, als hätte jemand die Spitze eines Berges mit einem riesigen Hackbeil abgeschlagen. Inmitten des Plateaus lag eine Stadt. Ihre Gebäude waren aus weißem, glänzendem, marmorähnlichem Stein, und ihre Türme reichten bis in die dunklen Wolken hoch, die im grauen Morgenhimmel dahinzogen. Die Bauweise war ultramodern, nur glatte, gerade Oberflächen und in Quadrate eingeteilte, geometrisch regelmäßige Formen, die etwas von der überragenden Würde der Aztekentempel auf der Erde hatten. An die Stadt schloß sich ein riesiger Turm an, und oben, auf dessen Spitze, brannte ein Feuer, das in gleichmäßigem Rhythmus aufleuchtete und an einen überdimensionalen Leuchtturm erinnerte. Sarah stand eine Zeitlang einfach nur da und staunte ehrfurchtsvoll. Es gab auf diesem Planeten also doch eine Zivilisation. Vielleicht waren die Kreaturen, die sie angegriffen hatten, nur die Barbaren dieser Welt, die Wilden, die vor der Stadt herumschlichen und es nicht wagten, sich ihr zu nähern. Nur eine fortschrittliche, hochzivilisierte Rasse konnte einen Ort wie diesen bauen. Sicherlich würden sie ihr helfen, den Doktor zu retten, ihr helfen, die TARDIS zu reparieren, und sie dann auf ihren Weg schicken. Sarah, die erneut voller Hoffnung war, machte sich auf den Weg in die Stadt. Der Doktor versuchte in der Zwischenzeit, wieder zur TARDIS zurückzufinden. Unglücklicherweise glichen sich die Dünen so sehr, daß er nicht die geringste Vorstellung hatte, wie weit oder in welche Richtung seine Häscher ihn geschleppt hatten, während er nur halb bei Bewußtsein gewesen war. Jetzt hatte er den Dünenrand erreicht, ein Gebiet, das wild und zerklüftet und mit riesigen Felsblöcken übersät war; es waren die unteren 23
Abhänge eines Gebirgszuges, der das Gebiet umsäumte. Einen Augenblick erwog der Doktor die Rückkehr – diesen Weg war er zuvor sicherlich nicht gegangen. Aber wenn er das tat, dann ging er das Risiko ein, sich erneut zu verirren. Er beschloß, noch weiter hinaufzuklettern und so einen besseren Blick über die Gegend zu erhaschen. Mit etwas Glück war er dann vielleicht sogar in der Lage, die TARDIS auszumachen. Er begann den steinigen Pfad, der vor ihm lag, hinaufzusteigen. Der Weg stieg steil an und war, als er sich an der Vorderseite des Berges entlangwand, von hohen Steinwänden umgeben. Der Doktor marschierte unbeirrt weiter. Wenn er den direkt vor ihm liegenden Felsvorsprung erklettern und auf den Weg zurückschauen konnte, den er gekommen war… Plötzlich bemerkte er, daß er stehengeblieben war und sich vorsichtig umsah. Es war so, als ob sein Unterbewußtsein irgendeine Gefahr ausgemacht hatte und jetzt versuchte, ihn zu warnen. Er untersuchte den vor ihm liegenden Weg. Es gab weder Geräusche noch Bewegungen. Alles war normal. Er ging vorsichtig ein kleines Stück weiter und hielt wieder an. Da war ein Seil, das quer über den Pfad gelegt war. Ein paar lose Buschzweige verdeckten es. Es war ganz offensichtlich so hergerichtet worden, um jeden, der auf dem Pfad entlangging, zu Fall zu bringen. Er berührte es vorsichtig mit einem Finger. Es war gespannt, so wie die Sehne eines Bogens. Die Enden verschwanden in den Sträuchern auf beiden Seiten des Weges. Nachdenklich betrachtete der Doktor das Seil und trat dann zurück. Er nahm einen Fels von der Größe eines Fußballs auf und warf ihn mit Wucht auf den Pfad. Als der Stein auf das Seil aufschlug, donnerte es oberhalb des Berges, und ein riesiger Felsblock wurde auf den Pfad heruntergeschleudert – genau auf die Stelle, wo ein Fußgänger gestanden hätte, wenn sein Fuß das Seil berührt hätte. Der Felsblock rollte über den Weg und dann den Berg hinunter. 24
Primitiv, aber effektiv, dachte der Doktor, als das Donnern erstarb. Er fragte sich, welcher Art die anderen Fallen waren, die auf ihn warteten und plötzlich sprang ihn jemand von hinten an. Zuerst ging der Doktor davon aus, daß seine schwarzgekleideten Feinde ihn eingeholt hätten. Dann aber sah er, daß der Arm, der über seinem Hals lag, in ein silbergraues, plastikähnliches Material gehüllt war und daß das Messer, das sich seiner Brust näherte, aus einem einzelnen Metallstück gefertigt war – das Messer eines Mannes aus dem Weltraum. So interessant das alles auch war, es gab drängendere Probleme. Der Doktor drückte sein Kinn gegen die Brust, um sich gegen den Würgegriff zu wehren, packte die Hand seines Angreifers, die das Messer hielt, mit beiden Händen am Handgelenk, schlang ein Bein um den Knöchel seines Angreifers und warf sich nach hinten. Er fiel krachend zu Boden, sein Angreifer lag unter ihm. Aber die Wucht des Falls lockerte den Griff des Doktors. Der Angreifer rollte weg, sprang auf die Füße und griff jetzt an. Das Messer hielt er sehr tief. Als das Messer vor seinen Augen funkelte, griff der Doktor verzweifelt nach dem Handgelenk der Hand, in der sich das Messer befand, und erwischte es wieder. Aber der Doktor hatte immer noch eine ungünstige Lage; sein Gegner war gelassen, entschlossen und sehr stark. Er türmte sich über dem Doktor auf und schirmte das Licht ab. Das Messer näherte sich der Kehle des Doktors…
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Expedition von der Erde Plötzlich war da eine Hand, die das Messer auf die Seite drehte. Der Neuankömmling zerrte den Angreifer grob weg. »In Ordnung, Galloway, das reicht jetzt. Du siehst doch, daß er kein Exxilon ist.« Der Mann namens Galloway trat einen Schritt zurück. Die mörderische Wut wich langsam aus seinem Gesicht. »Aye, du hast recht. Aber es ging eben alles so schnell. Er ist in die Falle gelaufen, verstehst du, und dann kämpften wir schon miteinander…« Der Neuankömmling half dem Doktor auf die Beine. »Es tut mir leid«, sagte er barsch. »Wir hatten auf diesem Planeten hier eine ganz schön miese Zeit. Ein paar von uns sind getötet worden. Dan Galloway hier hat die Eigenart, erst anzugreifen und hinterher die Fragen zu stellen. Ach ja, mein Name ist übrigens Railton…« Der Doktor bürstete den Staub ab und schaute sich die beiden Männer genauer an. Galloway – das war der, der ihn angegriffen hatte – war groß und kräftig, mit einem breiten Brustkorb und großflächigen, behaarten Händen. Der zweite Mann war beträchtlich kleiner und einige Jahre älter. Sein Haar war schon etwas schütter, und sein Gesicht war von Sorgen gezeichnet. Beide trugen astronautenähnliche Uniformen mit militärischen Abzeichen, beide hatten Sprengstoffwaffen und Messer an ihren Gürteln. Galloway trug einen selbstgefertigten Bogen, wie der Doktor feststellte, der aus einer flexiblen Plastikstange gefertigt war. Ein Plastikköcher, der mit Pfeilen aus angespitzten Rohrstöcken gefüllt war, hing über seiner Schulter. Der Doktor rieb seine schmerzenden Stellen und sagte reuevoll: »Ich bin der Doktor. Ich kann verstehen, was Sie 26
empfinden, meine Herren. Ich bin selbst angegriffen worden, kaum daß ich angekommen war. Vielleicht können Sie mir sagen –« Galloway schaute den Weg hinunter. »Jemand bewegt sich«, flüsterte er eindringlich. »Kommt näher.« Alles in Railton spannte sich an. Der Doktor horchte. Hinter der Wegbiegung war ein schwaches Rascheln zu vernehmen. Railton bemerkte drängend: »Es ist besser, wenn Sie mit uns zum Stützpunkt kommen. Dort können wir uns in Sicherheit unterhalten.« Schon kraxelte Galloway über die Steine und ließ den Pfad hinter sich zurück. Railton ging ihm nach, und auch der Doktor folgte ihm. Kurz darauf waren die drei zwischen den verstreuten Felsen verschwunden. Minuten später erschien eine Gestalt im schwarzen Umhang. Andere folgten. Sie standen einen Moment lang da, und es schien fast so, als ob sie die Luft beschnupperten. Dann gingen sie los, über die Steine, und verfolgten ihre Opfer. Galloway ging voran. Mit außerordentlichem Tempo marschierte er durch die zerklüftete Landschaft. Er kehrte in einem weiten Bogen um, und schon bald liefen sie über den Rand eines kleinen Felsens, dort, wo die Steine die Dünen begrenzten. Galloway hielt auf eine kleine Nische in der Vorderseite des Felsens zu, und der Doktor bemerkte, daß eine kleine Überlebenskuppel aus Plastik vor dem Felsfuß errichtet worden war. Die Position war gut, denn der überhängende Fels bot Schutz und ebenso die beiden gegenüberliegenden Seitenwände einer V-förmigen Nische. Als sie auf die Kuppel zuliefen, schien ein Mann mit Pfeil und Bogen aus dem Erdboden aufzusteigen. Der Doktor schaute genauer hin und sah, daß genau vor ihnen ein Schutzgraben ausgehoben worden war. 27
Als der Wachtposten die beiden Begleiter des Doktors sah, nahm er Pfeil und Bogen herunter und lächelte sie fröhlich an. Er war bedeutend jünger als die beiden anderen, hatte braunes Haar und ein rundes, freundliches Gesicht. Railton winkte zurück. »In Ordnung, Peter, wir sind es nur. Wir haben einen Besucher dabei, aber er ist ganz nett.« »Hoffen wir!« murmelte Galloway. Er behielt den Doktor immer noch im Auge; seine Hand lag auf dem Messergriff. Railton ging als erster in die Kuppel und klopfte dem Wachtposten auf die Schulter, als er an ihm vorbeiging. »Paß gut auf, Peter. Dan hat dort hinten ein paar Bewegungen registriert.« Peter salutierte kurz. »Aye, Aye, Sir.« Er verschwand wieder in seinem Graben und ließ seinen Blick über das zerklüftete Erdreich, das vor ihm lag, schweifen. Der Doktor schaute sich in der Kuppel um. Er stand in einer großen, rechteckigen Kammer, die in verschiedene Bereiche aufgeteilt war. An den Wänden lagen Schlafsäcke, und in der Mitte war eine ungeordnete Ansammlung von halb geöffneten Kisten, die anscheinend eine Art Bergbauausrüstung enthielten. Neben den Kisten lagen selbstgebaute Waffen – Prügel, Speere, Steinschleudern, Pfeile und Bogen, die teilweise aus Stahl und Plastik, aber auch aus Holz und Stein gefertigt waren. Auf der gegenüberliegenden Seite der Kuppel waren Trennwände aufgestellt worden, die einen kleinen Kubus bildeten. Darunter lag ein schwer bandagierter Mann auf einer Art Bett. Eine junge Frau kniete neben ihm und stopfte eine Weltraumplane, die als Decke diente, fest. Als die anderen in Sichtweite waren, richtete sie sich auf und strich ihr blondes Haar aus der Stirn. »Wer ist das? Habt ihr Jack gefunden?« Railton antwortete nicht. Es war beklemmend ruhig. Dann antwortete Galloway brutal: »Aye, wir haben ihn doch gefunden. Er trieb in einem der Pools, war von Pfeilen 28
durchlöchert wie ein Igel.« Die junge Frau erschrak und atmete tief durch. Railton sagte sanft: »Wir haben ihn dort draußen begraben, Jill. Das schien das sinnvollste zu sein.« Das Mädchen nickte und versuchte den Schock zu verarbeiten. Sie schaute den Doktor an. »Und wer ist dieser Mann?« Galloway sagte: »Er nennt sich ›der Doktor‹. Wir haben ihn dort draußen gefunden.« »Das hier ist Jill Tarrant, Doktor«, sagte Railton. »Sie ist unser Bergbauingenieur. Der Junge, der draußen Wache schiebt, ist Peter Hamilton.« »Dann sind Sie also nur zu fünft?« »Wir waren einmal zehn«, sagte Galloway traurig. »Zwei sind im ersten Kampfgefecht umgekommen. Seitdem sind drei weitere erschossen worden.« Railton schaute den Mann auf dem Bett an. Er döste unruhig. »Das hier ist Commander Stewart, der Leiter unserer Expedition. Er wurde im ersten Kampf verletzt.« »Commander? Dann gehören Sie also zu einem militärischen Expeditionsteam?« »Zum Teil«, sagte Railton. »Miss Tarrant und ich sind Wissenschaftler. Der Rest sind M. W. C.« Der Doktor runzelte die Stirn. »M. W. C?« »Marine Weltraum Corps«, sagte Galloway. »Sie haben viele Fragen, Doktor. Vielleicht erzählen Sie uns jetzt etwas über sich? Woher kommen Sie? Und wohin wollten Sie, als ich auf Sie sprang?« »Zurück zur TARDIS – meinem Raumschiff.« Der Doktor gab eine kurze Zusammenfassung über seine Ankunft auf dem Planeten und den Hinterhalt, der ihn von Sarah getrennt hatte. »Ich hoffe ja nur, daß sie klug genug gewesen und im Schiff geblieben ist«, endete er. »Aber ich fürchte, daß Sarah einen
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Hang zur Eigensinnigkeit hat. Mittlerweile sucht sie mich wahrscheinlich schon.« »Dann ist sie mittlerweile schon tot«, sagte Galloway. Der Doktor sah ihn stirnrunzelnd an, und Railton sagte: »Es ist auch möglich, daß es ihr gutgeht, Doktor, solange sie vorsichtig ist. Die Exxilons sind in erster Linie Nachtmenschen.« »Exxilons? Ich gehe davon aus, daß das die Bewohner des Planeten sind – die unfreundlichen Herren in den Umhängen und Kapuzen?« Railton nickte. »Normalerweise kriegt man sie tagsüber nicht zu Gesicht. Vielleicht werden sie sie nicht finden.« »Solange sie nicht in die Nähe der verbotenen Stadt geht«, fügte Jill hinzu. »Die wird Tag und Nacht bewacht.« Düster meinte Galloway: »Aye, das stimmt. Jeden, den sie in der Nähe aufgabeln – den ereilt dieses Schicksal.« Durch seine Geste deutete er an, daß die Gefangenen ihren Kopf verlieren würden. »Wir haben gesehen, wie die Exxilons in der Nähe der Stadt Gefangene gemacht haben und sie in einen großen Keller gebracht haben, wo die meisten von ihnen leben«, sagte Jill. »Wir sind uns nicht sicher, aber wir glauben, daß sie geopfert werden.« Der Doktor hatte das Gefühl, daß all die Neuigkeiten ihn überwältigten. Aber es war absolut lebensnotwendig, daß er sie so schnell wie möglich verarbeitete. Je mehr er über den Planeten wußte, desto größer war die Chance, daß er Sarah fand und daß sie zusammen fliehen konnten. Er schaute die anderen an. »Ich bin gerade eben erst auf diesem außerordentlich unfreundlichen Planeten angekommen, und Sie sind offensichtlich schon seit einiger Zeit hier. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir alles erzählen würden, was Sie wissen…«
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Sarah marschierte über das Felsplateau. Die Sonne stand jetzt hoch am Himmel. Sie war größer und auch näher als die Sonne auf der Erde. Sie strahlte von einem kupferfarbenen Himmel auf sie herunter. Die glatten Steine reflektierten ihre Strahlen. Sarah konnte deren Hitze durch die Sohlen ihrer Schuhe spüren. Erhitzt, müde und durstig stolperte sie weiter. Vielleicht war die Stadt ja eine Art Palast der arabischen Nächte, dachte sie. Dann würde es kühle Innenhöfe mit plätschernden Fontänen geben und weißbekleidete Aufseher mit kühlen Longdrinks in goldenen Bechern… Die Stadt war jetzt nicht mehr weit weg. Ihre weißen Gebäude waren so hoch, daß sie in den Himmel hochragten. Sarah hielt an und schaute sich wieder um. Trotz all der Schönheit hatte die Stadt etwas Unheimliches an sich. Es schien weder Fenster noch Türen oder Tore zu geben. Es schien so, als ob die Stadt blind wäre. Sarah eilte weiter. Das letzte Stück des kochenden Felsens schien endlos, aber schließlich erreichte sie die Mauern der Stadt. Sie waren weiß, glatt und vollkommen eben. Sie türmten sich über ihr auf und waren so lang, daß sie deren Enden nicht sehen konnte. Sarah ging direkt auf die Mauer zu und untersuchte sie neugierig. Aus dieser Nähe konnte sie erkennen, daß sie aus riesigen Felsblöcken bestand und daß die Nahtstelle, wo ein Block auf den anderen stieß, nur eine feine Linie war. Die Wand war so hell und sauber, daß man den Eindruck haben konnte, sie sei erst vor wenigen Stunden errichtet worden. Da waren weder Dreck noch Staub, keine Anzeichen des Alterns oder des Verfalls. Hier und da waren kunstvolle Muster in die Wand gemeißelt. Sarah streckte eine Hand aus und berührte eines der Muster direkt vor ihr. Der Block, in den es geritzt war, war glatt und warm und er kribbelte. Schnell zog Sarah ihre Hand zurück. Die Mauer war anscheinend mit einer leichten elektrischen 31
Ladung versehen. Vielleicht war das der Grund dafür, daß der Schmutz sich nicht absetzen konnte eine Art selbstreinigende Vorrichtung. Die Menschen, die diese Stadt gebaut hatten, mußten tatsächlich sehr fortschrittlich sein. Sie wünschte, sie wären in bezug auf Tore und Türen etwas großzügiger gewesen. Da war noch etwas anderes, das seltsam an dieser Mauer war – ein Geräusch, ein schwaches elektrisches Surren. Es schien so, als ob die ganze Stadt eine Art Leben hatte. Sie streckte die Hand aus und berührte die Mauer noch mal und hörte ein gutturales, wütendes Knurren. Sarah wirbelte herum. Eine Gruppe Gestalten in schwarzen Umhängen und schwarzen Kapuzen war hinter ihr aufgetaucht. Sie schaute sich nach einer Fluchtmöglichkeit um, aber sie war umzingelt. Erschrocken wich sie zurück, aber hinter ihr war die Mauer der Stadt und schnitt ihr den Fluchtweg ab. Die schrecklichen, alptraumhaften Gestalten näherten sich ihr, die dürren Hände ausgestreckt…
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