KLEINE B I B L I T H E K D E S W I S S E N S
LUX-LESEBOGEN N A T U R - U ND K U LT U R K U N D L IC H E H E F T E
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KLEINE B I B L I T H E K D E S W I S S E N S
LUX-LESEBOGEN N A T U R - U ND K U LT U R K U N D L IC H E H E F T E
ALBERT H O C H HEIM ER
THRONE AUF GOLDENEN FÜSSEN Grosskönige im Alten Orient
VERLAG SEBASTIAN LUX MURNAI
M ÜN C H E N - I N N S B R U C K B A S E L
Altägyptische Goldschmiede Eine altägyptische Sage berichtet: „Aus den Gebeinen des ster- • benden Sonnengottes ist das Silber, aus seinem Fleisch ist das Gold geworden." Dieser göttlich gedeutete Ursprung des Goldes gab nicht nur bei den Ägyptern dem Gold in den frühesten Zeiten eine religiöse Weihe. Gold wurde bei vielen alten Kulturvölkern zunächst zu kultischen Opfergaben bestimmt, da sein Glanz und Adel unter allen irdischen Werten allein geeignet erschienen, den Göttern wohlgefällig zu sein. Die Menschennatur ließ erst im Laufe der Zeit auch den „Dämon" Gold mehr und mehr hervortreten. Das Göttergeschenk und das Geschenk an die Götter wurde ein Machtmittel, das die Mächtigen der Erde noch mächtiger und die Beherrschten und Entmachteten noch ohnmächtiger werden ließ. Der „Thron auf goldenen Füßen" ist Symbol für die Gewalt des Goldes, das schon im Altertum zur Geißel der Völker wurde.
Sie brachten Gold, Silber, Elfenbein . . . Die Macht der Pharaonen beruhte auf dem Golde, das aus Oberägypten, aus der Gegend von Theben' und Ombos, aus Nubien, Asien and dem Weihrauch- und Goldland Punt kam. Das Goldland Punt der ägyptischen Hieroglyphen-Inschriften und das sagenhafte Ophir der Heiligen Schrift scheinen eins zu sein: Es ist walmcheinlich das Gebiet zwischen Sambesi und Sabi in Südostafrika, die reichste Goldquelle des Altertums bis zum Aufkommen des römischen Goldbergbaus in Spanien.
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Punt-Ophir barg reiche und ausgedehnte Goldlagerstätten, davon zeugen unzählige, noch heute erhaltene, alte Minen, die über 1000 Meter tief hinabreichen. Zwischen der Kette dieser alten Minen liegen über ein riesiges Gebiet verstreut die Ruinen großer Städte, Festungen und Tempel mit den Bildern des alten Baal-Dienstes. Erwiesen ist auch, daß sich südlich des Sambesi noch Spuren von altägyptischen Kultureinflüssen erhalten haben und in diesen Ländern außer Gold alle jene Produkte vorhanden waren, von denen bei den Ophirfahrten des Königs Salomo und den Puntreisen der Ägypter gesprochen wird: Elfenbein, Ebenholz, Weihrauch und Gummi, Pfauen und Affen. Kein Gestade des Roten Meeres und des Indischen Ozeans konnte sich mit diesem Reichtum messen. Die ersten Nachrichten über Punt-Ophir sind unsicher. Was aus zeitgenössischen Berichten hervorgeht — die Expedition eines ägyptischen Kapitäns Henu um 2700 v. Chr. — gibt noch keinen genauen geographischen Hinweis auf das Ziel der Reise und sagt auch nichts über die heimgebrachte Fracht aus. Bestimmteres enthält erst die Darstellung der Puntexpedition zur Zeit der Königin Hatschepsut um 1490 v. Chr., die sich auf den Wänden des berühmten Stufentempels von Der-el-Bahri, unweit der alten Residenz Theben, vorfand, und auch aus späterer Zeit das Buch der Könige: ;,Und Salomo machte auch Schiffe zu Ezeon-Geber, das bei Eloth liegt, am Ufer des Schilfmeeres im Lande der Edomiter. Und König Hiram (von Phönikien) sandte seine Knechte im Schiff, die gute Schiffsleute und auf dem Meer erfahren waren, mit den Knechten Salomos. Und sie kamen gen Ophir und holten daselbst vierhundert und zwanzig Zentner Gold und brachten es dem König Salomo." . Um diese Zeit stand Ophir im vollen Licht der Geschichte. Es lieferte goldene Berge im wahrsten Sinne, denn unerschöpflich waren seine Schätze und leicht war ihre Ausbeute. Dieses Land erwies sich als Gebiet eines bis dahin unbekannten Reichtums an Gold, und obschon die Reise beschwerlich war, kann man sich vorstellen, welche Anziehungskraft es besaß. Ophir war für Salomo und Israel das Goldland schlechthin. „Gold von Ophir" wurde ein geläufiger Ausdruck und wird von den Dichtern der Psalmen und im Buch Hiob gewissermaßen sprichwörtlich
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gebraucht: „ . . . D i e Braut steht zu deiner Rechten am Gold von Ophir," Oder im Buch Hiob: „ . . . E s gibt nichts, was dem Ophirschen Golde oder dem köstlichen Onyx und Saphir gleichkäme." Nirgend wird es für nötig befunden, eine Erklärung für seine geographische Lage zu geben; es wird im Alten Testament so selbstverständlich von ihm gesprochen, wie wir von Amerika sprechen. Ophir war dem Gesichtskreis der biblischen Welt sehr nahe gerückt; aber es war durchaus nicht das Land der Königin von Saba, das man im Jemen vermutet; denn „sie kam gen Jerusalem mit sehr vielem Volk, mit Kamelen.. ." also zu Land, während Salomos und König Hirams Expeditionen zu Schiff nach Süden fuhren, arh der ostafrikanischen Küste entlang, bis zu einem der Häfen, von wo aus sie zu den Goldminen zwischen Sambesi und Limpopo gelangen konnten. Sicher haben die Juden unter Salomo an der Gewinnung des Goldes selbst mitgewirkt, wie dies aus der Zeit Davids überliefert ist.' Sie hatten in Ophir ihre eigenen Minen, deren Ertrag alle drei Jahre nach Jerusalem geschafft wurde, denn mit den spärlichen landwirtschaftlichen und Gewerbeerzeugnissen ihrer Heimat konnten sie weder Handel noch Tauschgeschäfte treiben. Ungemein fesselnd ist es, von der weiten Entfernung aus, die der historisch abgeschlossene Verlauf erzeugt, festzustellen, wel-' chen Einfluß das Gold von Ophir auf die Entwicklung des jüdischen Reiches nahm. Die Bibel sagt darüber: „ . . . d a s Silber achtete man zu den Zeiten Salomos für nichts. Denn die Meerschiffe des Königs, die auf dem Meer mit den Schiffen Hirams fuhren, kamen in drei Jahren einmal und brachten Gold, Silber, Elfenbein, Affen und Pfauen. — Also ward der König Salomo größer, an Reichtum und Weisheit denn alle Könige auf Erden." Aber diese gewaltige Anhäufung von Gold und seine für die Herbeischaffung der Schätze notwendige Beziehung zu den Phönikern verführten den König in der zweiten Hälfte seiner Regierung zu einer Großmachtpolitik, der die Kräfte des kleinen Landes nicht gewachsen waren. Das Reich fiel schon unter seinem Nachfolger auseinander. Als Josaphat, König von Juda, ein Urgroßsohn Salomos, die 4
Ägyptisches Segelschiff auf der Fahrt zu den Goldländern Ophirreisen wieder aufnehmen wollte: „. .. da weissagte der prophetische Gottesmann Elieser warnend: ,Weil Du Dich mit jenen verbündet hast, reißt der Ewige Deine Werke nieder!' — Und wirklich wurden die Schiffe zertrümmert zu Ezeon-Geber." Die Ureinwohner Ophirs, des ungeheuer freigebigen Goldlandes, schildert die Inschrift der Pharaonin Hatschepsut als freundliche Menschen, die auf Pfahlbauten in kleinen kuppeiförmigen Hütten wohnten. Ihre Siedlungen lagen im Schatten fruchtbarer Kokospalmen und herrlicher Weihrauchbäume, in deren Ästen sich seltsame Vögel wiegten. Stattliche Rinderherden weideten ringsum. — Doch kann man sich das Land nicht als geschlossenen, machtvoll geleiteten Staat vorstellen, sonst hätte wohl nicht jeder Fremde, dem es beliebte, Gold schürfen können, wie es Hatschepsut und ihre Nachfolger taten und später Salomo und der ihm befreundete König Hiram. Vermutlich hatten die Eingeborenen eine ganz andere, Vorstellung von dem Wert des gelben Metalls als die Ägypter und Isrealiten. Gold war auch in so reichen Mengen vorhanden, daß sie, ohne sich einzuschränken, noch an die Fremden abgeben konnten. Es ist nicht abwegig, zwischen der Eroberung und Ausbeutung des Landes Punt-Ophir durch die Ägypter und Isrealiten und der Besitzergreifung Südamerikas durch die spanischen und portugiesischen Seefahrer Vergleiche anzustellen. Hier wie dort werden die Ureinwohner um das Gold ihres Landes betrogen, zu Sklavenarbeit 5
gezwungen, ausgebeutet und durch eine fremde Kultur vergewaltigt. Selbst die Szene der ersten Begegnung in Punt hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der von Columbus geschilderten Landung auf der westindischen Insel Guanahani. Er schreibt: „ . . . Sie kamen an unsere Schiffe geschwommen, brachten Papageien, Garnknäuel, hölzerne Lanzen und vieles andere, was sie gegen die Dinge eintauschten, die wir ihnen boten: Spielzeuge und kleine Schellen." Und der ägyptische Kommandant berichtet: „Angekommen ist der königliche Sendbote mit seinen. Kriegern. Ein jeder von den Leuten des Landes Punt nahte sich mit reichen und köstlichen Gaben, als Huldigung der Heiligkeit der Göttin Hathor, deren lebendes Bild die ägyptische Königin ist." Darauf werden von den Ägyptern goldene Ketten, Ringe und Beile in Empfang genommen, dazu Elfenbein, kostbarer Balsam und 31 Weihrauchbäume — der erste Transport lebender Bäume —, im ganzen zahlreiche Schiffsladungen. Dagegen geben sie das Geklingel schöner Worte: Friede und Freundschaft, die sich bald — wie bei den Spaniern — als leere Versprechungen erweisen sollten; denn der größte Teil von Punt wurde von nun an als tributpflichtiger Vasallenstaat behandelt, dessen Einwohner vogelfrei waren.
Fronarbeit in afrikanischen Bergwerken Die ägyptischen Herrscher besaßen für ihr Reich das alleinige Anrecht auf die Gewinnung des Goldes und seine Einfuhr, und gelegentlich hört rhan durch einen königlichen Erlaß vom Verlust einer ganzen Expedition, von räuberischen Überfällen und Wassermangel. Manches in solchen Erlassen ist dem Ruhm des Königs zuliebe Erfunden, manches beschönigt, anderes wird totgeschwiegen. Es läßt sich denken, daß es besonders beim Bergbau grausam und-rücksichtslos zuging, und daß auf Gesundheit und Leistungs^ fähigkeit der Arbeiter nicht die geringste Rücksicht genommen wurde. Darüber gibt der sizilianische Geograph und Historiker Diodor später einen Bericht, der Zustände aufdeckt, über die man bei der Verachtung der Pharaonen für das Leben ihrer Untertanen nicht erstaunen wird.
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Das Gold wurde aus Adern gewonnen, die in weißem Marmor eingesprengt waren. In die Bergwerke schickte man Sträflinge, Kriegsgefangene, aber audi völlig Unschuldige, die der Gerichtswillkür oder der Laune des Königs zum Opfer gefallen waren — zuweilen allein, meist aber mit allen ihren Angehörigen, um die Förderung auf billige Weise zu steigern. Die Gefangenen, deren Zahl sehr groß war, arbeiteten in langen Tag- und Nachtschichten, ständig gefesselt, mit kurzen Pausen; Fluchtmöglichkeiten gab es nicht, da die Bewachung von verständnislosen, fremdsprachigen Soldaten gestellt wurde und äußerst streng war. Das härteste goldhaltige Gestein mußte mit Feuer ausgebrannt werden. Den auf diese Weise mürbe gemachten Stein „bearbeiteten viele tausend dieser elenden Menschen" mit spitzen Hämmern. Diodor läßt sich nun — wörtlich — folgendermaßen vernehmen: „Diese Arbeiter tragen Lichter, die ihnen an der Stirn befestigt sind, da sie sich wegen der Krümmung der Stollen im Finstern befinden. Sie müssen auch häufig die Stellung des Körpers wechseln, um sich den Verhältnissen ihres Arbeitsplatzes anzupassen. Die ausgehauenen Bruchstücke werfen sie auf den Boden. Und solche Fron verrichten sie unablässig, angefeuert von den Flüchen und Schlägen rücksichtsloser Aufseher, für die nur die Förderung zählt. Den Transport des goldhaltigen Gesteins besorgen die Knaben unter siebzehn Jahren. Sie kriechen mühsam durch den ausgehöhlten Fels, um die losgeschlagenen großen und kleinen Steinbrocken einzusammeln und vor den Schachteingang zu tragen. Junge Männer, bis zu dreißig Jahren, zerstoßen diese Bruchstücke in steinernen Mörsern mit eisernen Stempeln zu Erbsengröße; darauf wird das zerstoßene Gestein von den Frauen und Greisen in Mühlen, deren viele in einer Reihe stehen, zu Mehl zermahlen. Diese Mühlen werden von je zwei oder drei Frauen durch Kurbeln gedreht . . . Da aber keiner dieser Ärmsten seinem Körper einige Pflege angedeihen lassen kann, und niemand Kleider hat, um seine Blöße zu bedecken, ist ihr Anblick schrecklich und ihr jammervoller Zustand aufs tiefste zu bedauern. Weder der Kranke noch der Gebrechliche, noch das schwache Weib kann mit Nachsicht und Milde
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Karte einer ägyptischen Goldgrube (um 1300 v. Chr.) rechnen, alle tragen das gleiche Los: unter Schlägen unablässig zu arbeiten, bis sie zusammenbrechen und ihr Leben aushauchen. Welchen anderen Wunsch können diese Unseligen haben, als rasdr zu sterben, damit ihre Qual ein Ende nimmt! Diese Bergwerke sind uralt. Man schreibt ihre Einrichtung den Königen der ältesten ägyptischen Dynastie zu .. ." • Es dürfte schwerhalten, in den Chroniken der alten Geschichte eine Schilderung aufzutreiben, die solche Ungeheuerlichkeiten aufdeckt, denn hier handelt es sich um ein Geschehen von jahrtausendelanger Dauer. Aber unmenschliche Grausamkeit, durch Insdirif8
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ten und Abbildungen auf den Wänden der Gräber überliefert, ist eine Eigenschaft aller Pharaonen — einen einzigen ausgenommen: Echnaton.
Königliche Bettelbriefe j '
Die Pharaonen spielten sich, dank ihrer unermeßlichen Goldschätze, als Bankherren der damaligen Welt auf, wie der Inhalt der Tel-el-Amarna-Briefe, der interessantesten Dokumente aus dem i alten Orient, erkennen läßt. ' Diese Briefe, etwa dreihundert an der Zahl, stammen aus der Re, gierungszeit der Könige Amenhotep III. und seines Sohnes Amenhotep IV., der seinen Namen später in „Echnaton" umwandelte. Sie enthalten den amtlichen Briefwechsel zwischen dem Pharao und | den Königen von Babylon, Ninive, Persien und Zypern sowie den j - ägyptischen Vasallenfürsten in Syrien und Palästina. I Da schreibt der babylonische König Kadaschman-Bel, der in be' ständiger Geldverlegenheit ist, sein „Bruder" von Ägypten möge ihm doch große Mengen Gold schicken, das nach Berichten der babylonischen Gesandten in Ägypten so gewöhnlich sei wie Erde, und der König Tuschratta läßt sich folgendermaßen.vernehmen: „An den großen König von Ägypten, meinen Bruder, meinen ' Schwager, der mich liebt und den ich liebe. So spricht Tuschratta, der große König: Mir geht es wohl. Möge es auch Dir Wohlergehen. Deinem Haus, meiner Schwester und Deinen übrigen Frauen, Deinen Kindern, Deinen Wagen, Deinen Bferden, Deinem Heere, Deinem Lande und allem, was Dir gehört, möge es sehr, sehr wohl ergehen. — Als ich Boten an Dich schickte, da sagte ich also: ,Gute Freundschaft wollen wir miteinander halten und gute Freunde einander sein.' Und ich sagte weiter. ,Mein Bruder möge mir zehnmal soviel Gold zuteil werden lassen wie meinem Vater. Mehr als meinen Vater möge mein Bruder mich bereichern und mir zusenden. Und meinem Vater hast Du doch viel Gold zugeschickt: große goldene Opferschalen und große goldene Krüge hast Du ihm geschickt, dazu goldene Tafeln, so reichlich wie Bronze. — So '• mögest Du, mein Bruder, mir sehr viel Gold senden, unzählbar J viel möge mein Bruder mir senden, mehr als meinem Vater. Gibt ' es doch, wie ich höre, in Deinem Land soviel Gold wie Sand . . . " 9
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Ägyptischer König in vollem Herrscherschmucfc
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Mit solchen, für unsere Begriffe erstaunlich ungeschminkten Wendungen appellierten die kleinen und großen Herrscher Vorderasiens an die Freigebigkeit des Pharao. Als Antwort auf eine ähnliche Zuschrift sandte Amenhotep III. an den König von Assyrien ein Geschenk von zwanzig Talenten Gold — über zehn Zentner — und sicherte sich auf diese Weise seine Freundschaft.
Schatzmeister des Gottes In jener Zeit stand Ägypten auf der Höhe seiner Entwicklung — auf dem Gipfel einer durch Reichtum, Kriege, durch Geschicklichkeit und politische Klugheit erworbenen Macht. Gold und Soldaten verliehen den Worten des Pharao über die Grenzen seines Landes hinaus Gewicht; Geschenke und Abgaben unterworfener Völker mehrten seine Schätze. Es waren tributpflichtig: die Könige von Palästina und Syrien, die Städte der Mittelmeerküste, Zypern und Kreta, die Bevölkerung des Sinai, der Gestade des Roten Meeres bis hinauf zum Somaliland und die Negerstämme des Sudan; selbst die griechischen Inseln unterstanden ägyptischem Einfluß. Mächtig wie nie zuvor, war das Pharaonenland zum Beherrscher, der Welt geworden, der Thron der Pharaonen stand tatsächlich auf goldenen Füßen. Von überallher eilten Gesandte, Kaufleute und Künstler herbei, um die Schönheit der Hauptstadt Theben, deren Ausmaße selbst die Babylonier überraschte, zu bewundern. Ein Glanz, ähnlich der Daseinsfülle, die in den Märchen aus 1001 Nacht lebt, strahlte von dem thebanischen Hof aus. Man gedachte freigebig der Götter mit kostbaren Gaben; goldene Gefäße, Becher, Schalen, prunkvolle Geräte schmückten die Tafel des Herrschers und seiner Hofbeamten im Oberfluß. Solche Prachtentfaltung war den früheren Pharaonen fremd gewesen. Erst unter Amenhotep III. lernten die Könige der Ägypter aus dem vollen zu genießen, spürten zutiefst die Sicherheit, die der Reichtum verleiht. Ein ausgebildeter Beamtenapparat diente dem König. Seine Hauptaufgabe war es, die Abgaben einzutreiben, die von jeder gütererzeugenden Tätigkeit erhoben wurden. Unter der tatkräftigen .Aufsicht des Oberschatzmeisters und - des „Schatzmeisters des Gottes" arbeitete in den Amtsstuben ein Stab von Unterbeamten, 11
Verwaltern, Aufsehern und Schreibern. Eine lange Reihe von Rangstufen mit vielen Titeln hatte sich ausgebildet. Besonderes Ansehen genossen die Ingenieure des Goldbergbaus und die geschickten Handwerker, die in den Bergwerken tätig waren. Im Laufe der Zeit entstand aus dieser weitschichtigen Verwaltung des königlichen Schatzes eine allmächtige Beamtenclique, ein Staat im Staate. Die Schatzverwaltung besaß das Vorrecht, die gehorteten Edelmetalle in abgewogenen Ringen an die Tempelwerkstätten und an die freien Goldschmiede weiterzugeben. Diese Ringe, meist aus Gold, aber auch aus Kupfer, zählt man zum frühesten Metallgeld, doch wurden sie nur bei besonderen Gelegenheiten verwendet, vor allem, wenn es sich um größere Werte handelte. Als Gewichte dienten Steine mit dem entsprechenden Ringwert. Vorläufer jener Metallwährung, wenn man diesen Tauschhandel schon als Währung bezeichnen kann, waren die schwach gekrümmten Goldbarren von 14 g mit dem königlichen Stempel, die der Pharao Menes — etwa 3400 v. Chr. — eingeführt hatte. In der IV. Dynastie, zur Zeit des Pyramidenbaus, wurden die Barren dann durch Goldringe aus natürlichem Material, später aus Feingold zu je 14 g ersetzt. Man führte über den Goldvorrat Rechnungsbücher, gab Aufträge an die Bergwerksverwaltungen, fertigte Quittungen und Vollmachten aus. Jeder höhere Schatzbeamte hatte sein Personal von Schreibern und Sekretären und stand in ständigem schriftlichem Verkehr mit seinen Kollegen. Dieses wohlorganisierte Reich, dessen Grenzen für ewig fest begründet schienen, wird von der Gestalt des Pharao Echnaton überstrahlt, einer der bemerkenswertesten Gestalten der älteren Geschichte des Orients.
Der „Herr des süßen Hauches" Es ist anzunehmen, daß sich unter der Herrschaft dieses Königs ein so bedeutender Goldhort in den Schatzkammern von Theben und Amanta befand, wie das Pharaonenreich bisher nicht besessen hatte und auch nicht wieder besitzen sollte. Doch Echnaton ließ sich durch diese Schätze nicht beherrschen. In einer Welt von Warfen predigte er die erste bekannte Lehre des Friedens, in einer Zeit, 12
da der Ruhm militärischer Taten seine Untertanen begeisterte, wandte er sich von allem Heldischen ab. In ihm erstand der Welt der erste Herrscher, von dem Ehrenhaftigkeit, Aufrichtigkeit und Milde glaubwürdig überliefert ist; in seinem Herzen war kein Platz für die kriegerische Barbarei seiner Ahnen und Vorgänger. Echnaton erblickte das Licht der Welt im königlichen Palast zu Theben, der am Wüstenanfang zu Füßen der westlichen Hügel liegt — ein geräumiger, luftiger Bau und heiter bebildert. Decken und Fußböden waren mit phantasievollen Darstellungen aus dem Tierreich bemalt: Wildkatzen schlichen durch verwachsene Sümpfe, buntfarbige Fische tummelten sich im Wasser; zu Häupten des KÖT nigs zogen Scharen weißer Tauben über einen blauen Himmel, und durch die Torwege schweifte der Blick über den Garten mit fremdländischen Blumen und einen großen, künstlichen See, dessen Ufer Bäume aus Asien säumten. Anmut und Heiterkeit waren hier zu Hause. Kein geeigneterer Ort hätte sich finden lassen für die Geburt dieses Königs, der dereinst seinem Volke zum Verkünder des Edlen in der menschlichen Seele und der Schönheit in der Schöpfung werden sollte. . Echnaton war ein blasser, kränklicher Knabe und wurde ein Mann mit magerem Fellachenleib und den Gesichtszügen des träumenden und leidenden Ideenträgers. Er scheint ein ruhiger, fleißiger Knabe gewesen zu sein, dessen Gedanken in die Ferne schweiften auf der Suche nach einem Glück, das ihm sein zartes Wesen versagte — eine liebenswürdige, nach Zärtlichkeit verlangende Natur. Man nannte ihn schon in früher Jugend „Herr des süßen Hauches", und vermutlich erfreute er sich bei seinen Untertanen damals schon jener tiefwürzelnden Beliebtheit und Anhänglichkeit, die ihn auch in den unglücklichen Zeiten seines späteren Lebens nicht verließen. In den ersten Jahren seiner Regierung stand er unter der Regentschaft seiner Mutter Teje, einer ungewöhnlichen Frau und weitblickenden Herrscherin, die wohl den großartigen Reformbewegungen ihres Sohnes großes Verständnis entgegenbrachte. Echnaton unternahm den denkwürdigen Versuch, aus der lärmenden Vielgötterei und der Priesterherrschsucht herauszukommen. Er bekannte sich zu dem alten Sonnengott Aton, erhob seine Verehrung zur Staatsreligion und vertauschte seinen Königsnamen 13
Amenhotep, der ja den des gestürzten Gottes Amun enthält, mit dem neuen, Namen „Echnaton", „dem Aton wohlgefällig", der seine religiösen Ziele andeutete. Mehr noch: Der neue Ein-GottGlaube verwarf jede bildliche Darstellung des Gottes, nur die Sonnenscheibe selbst sollte verehrt werden. Die alte Amun-Stadt Theben wurde verlassen und eine neue Residenz im heutigen Tel-el-Amarna am mittleren Nil gegründet. Von allen Umwälzungen aber ist diese am bemerkenswertesten: Ein König entzog sich dem Zwang und der Last göttlich-priesterlicher Überlieferung, er sprengte die Fesseln eines vereinsamten Herrscherdaseins, um sich zu vermenschlichen, und führte auch Kunst und Kultur zur Freiheit des persönlich Lebendigen. Man sollte denken, die lange Kette widriger Ereignise, die gegen das Ende seiner Regierungszeit den Thron erschütterten, müßte ihn an sich irregemacht oder doch das Gefühl der Ohnmacht in ihm geweckt haben. Er zeigte solche Schwäche nicht und rettete sich auch nicht in feige Entsagung, sondern blieb sich selbst und seinen Grundsätzen bis zum letzten Atemzug treu. Eine Grabinschrift mit Figurenwerk aus dem 12. Regierungsjahr, die die Tributzahlung der Vasallenstaaten schildert, bezeugt in eindrucksvoller Weise Echnatons ungezwungene Menschlichkeit, die von der starren Unnahbarkeit seiner Vorgänger und Nachfolger sympathisch absticht. Der König und die Königin Nofretete sind in der mit Blattgold verkleideten Staatssänfte dargestellt. Obwohl Echnaton die Zeichen der königlichen Würde trägt und augenscheinlich darauf bedacht ist, königliche Würde zu zeigen, läßt er es geschehen, daß die Königin vor aller Welt liebevoll ihren Arm um ihn legt. Die Inschrift lautet: „Jahr 12, zweiter Monat des Winters, achter Tag. — Der König und die Königin — sie mögen immer und ewiglich leben — erschienen in der großen goldenen Staatssänfte, um den Tribut von Syrien und Äthiopien und von West und Ost in Empfang zu nehmen. Die Abgesandten aller Länder versank melten sich, ebenso die Boten der Inseln inmitten des Meeres. Sie brachten ihre Opfergaben dem König dar, als er auf dem großen Thron in der Stadt des Aton saß, und sie empfingen dafür für ihr Land Lossprechung und F r e i h e i t . . . " 14
Man sieht Asiaten in langen Gewändern den Tribut von Syrien vorübertragen: herrliche Gefäße von edlem Metall oder edlem Gestein, Elfenbeinzähne und kunstvolle Waffen. Wilde Tiere und feurige Pferde folgen. Dann wiederum Schalen und Trinkbecher aus Gold mit getriebenen Figuren, von den „Inseln inmitten des Meeres". Die Abgaben von Nubien und dem Sudan werden von federgeschmückten Sklaven herangeschleppt, hauptsächlich Barren und Ringe aus massivem Gold und Beutel mit Goldstaub aus den Bergwerken der östlichen Wüste. Sodann Waffen, Elefanterizähne, Felle, Rinder, Antilopen, Löwen und Panther. Und ganz zum Schluß tritt die Schar der Sklaven auf. Doch es ist bemerkenswert, daß sie nicht wie auf den Darstellungen anderer Zeiten gefesselt oder im Todeskampf sich windend, mit abgeschnittenen Gliedmaßen oder unter dem Joch gebeugt abgebildet sind, sondern in freier ungezwungener Haltung vorüberziehen. Die sonst übliche Quälerei der Gefangenen war dem jungen Pharao ein Greuel. Erschütternd ist das Ende dieser edelsten Erscheinung auf dem Thron der Pharaonen. Unfähig, seinen eigenen Lehren und seiner Überzeugung zuwiderzuhandeln, den Krieg hassend, voll Vertrauen auf die edlen Regungen und die Standhaftigkeit seiner Gesinnungsfreunde, überzeugt von der Anhänglichkeit seiner Vasallen, verwendete er seinen kolossalen Goldschatz zu Ehren Atons, statt Waffen zu schmieden und die Grenzen seines Landes zu befestigen. Was sich in seinen Schatzkammern häufte, die goldenen Barren, der Goldstaub, die Schmuckstücke und Gefäße, alles weihte er Aton, dem Beschützer und Förderer der Menschlichkeit, dem Sinnbild der Nächstenliebe und des ewigen Völkerfriedens. Aber Aton blieb stumm — nicht einen einzigen Boten entsandte er zur Hilfe, als die Hethiter in dem von Ägypten beanspruchten Syrien einbrachen, die Charibi von Süden her das Land überfluteten, als die Tribute aufhörten, die Goldminen versiegten und die Schatzhäuser sich leerten. So sank Ägypten in wenigen Jahren von seiner Weltmachtstellung herab in den demütigenden Zustand eines bankrotten Staatswesens. Echnatons Ende fiel mit dem Zusammenbruch seiner Lehren und seines-Reiches zusammen. 15
Ägypten blieb dem Andenken Echnatos nur kurze Zeit treu. Die Nachfolger auf dem Thron, Smenchkara und vor allem Tut-enchAmun, beides Schwiegersöhne des Echnaton, schworen dem Gotte Aton ab und wandten sich wieder dem alten Glauben zu. — Zwei eifervolle Abtrünnige, die jede Erinnerung an den großen Pharao glaubten ausrotten zu müssen. Unter der Regierung Tut-ench-Amuns gewann die Tempelpriesterschaft des Amun ihr altes Ansehen rasch zurück. Die Stadt Atons, Amarna, wurde verlassen und verfiel; der Hof siedelte nach der alten Residenzstadt Theben über. Aber erst Horemheb, der nach Tut-ench-Amuns Tod die Regierungsgeschäfte an sich riß, gelang es, das Land mit starker Hand aus dem Chaos zur Ordnung zurückzuführen, aus den Ideen der Menschenfreundlichkeit zu den harten Lebensanschauungen des Ägyptens von früher. Er war ein praktischer und nüchterner Politiker, der den Wünschen der mächtigen Priester-Kaste Amuns und der Großen des Reiches geschickt Rechnung trug.
Diebe in des Königs Schatzkammer Zur Belebung der Wirtschaft, zum Nutzen der Bevölkerung hatte das Gold im Reich der Pharaonen nicht gedient. Nach Horemheb wurde es erst recht Symbol des Glanzes und der Macht der Könige, bestenfalls eine Weihegabe für die Götter; nur in sehr geringem Maße war es Zahlungsmittel. Den gewöhnlichen Sterblichen wurde Gold nur in kleinen Mengen erlaubt, eben so viel, um sich der Treue der Großen des Reiches zu versichern und der Putzsucht oder dem Schmuckbedürfnis der Frauen Genüge zu tun. — „Das Gold, der Leib der Götter", bestimmt der Erlaß eines Pharao, „das ist nichts für euch (die Untertanen), nichts, was euch gehört." Und der Erlaß schließt mit der Drohung: „Jeder, der taub sein wird gegen meinen Befehl, den wird der Totengott Osiris verfolgen, Isis wird seiner Frau nachstellen und der Horusfalke seinen Kindern., Das oberste Gericht der \ Stadt aber wird sein Urteil über ihn fällen." In Tat und Wahrheit lebte der überwiegende Teil der Bevölkerung, in Dürftigkeit und Entbehrung und nicht allein das: Auch die allgemeinen sozialen Bedingungen waren eng und bedrückend. 16
Lockerheit und Behagen kannten nur jene, auf die der Glanz des göttlichen Königs oder die Pracht der Tempel fiel: Vasallen und Tempelpriester. Das Dasein des kleinen Mannes war von Kargheit und Strenge bedrückt. Für den Fellachen — den kleinen Bauern —, den Steinmetz aus den Steinbrüchen von Assuan, für den Fischer, den Kameltreiber aus dem Jemen blieb die Lebenshaltung der reichen und mächtigen Klasse immer ein Traum. — Gold war ihre Qual, ihr Stadiel, ihre Sehnsucht, ihre Hoffnung . . . Hcrodot erzählt eine Diebesgeschichte, um einen kleinen Begriff von der Lebenswelt jener Zeit zu geben: Der König Ramses von Ägypten besaß solchen. Reichtum an Gold wie kein anderer Herrscher. Um seine Schätze in Sicherheit zu hüten, ließ er ein großes Gewölbe errichten, das nur mit einer Wand an die Außenmauer des Palastes stieß und gegen jeden Einbruch gefeit war. Der Baumeister aber fügte den letzten Stein nur lose in die Wand ein, so daß man ihn mit Leichtigkeit herausnehmen konnte, und als er zum Sterben kam, teilte er seinen Söhnen das Geheimnis mit, beschrieb ihnen, wie der Stein unauffällig zu entfernen sei, und setzte hinzu, sie würden, wenn sie es geschickt anstellten, auf bequeme Weise zu Verwaltern des königlichen Schatzes werden. Nach seinem Tode machten sich die Söhne ungesäumt ans Werk, nahmen nachts den Stein heraus und trugen an Gold davon, soviel sie zu tragen vermochten. Diese Raubzüge wiederholten sie von nun an täglich, bis der König Verdadit schöpfte. Er ließ, um die Diebe zu fangen, an den Schatztruhen unzerreißbare Schlingen anbringen und in diesen Schlingen blieb in der nächsten Nacht einer der Brüder hängen. Als der Gefangene seine üble Lage durchschaute, rief er seinen Bruder herbei und befahl ihm: „Schneid mir den Kopf ab, damit er nicht, wenn man mich findet und erkennt, auch dich verrät." Dem anderen leuchtete der Vorschlag ein, und er tat wie ihm geheißen. Darauf fügte er den Stein wieder in die Mauer und entwich mit dem Kopf seines Bruders. Anderntags fand der König mit Verwunderung den kopflosen Leichnam und befahl, da der Diebstahl bei verschlossener Tür und unversehrtem Siegel noch rätselhafter geworden war, den Rumpf 17
an der Stadtmauer öffentlich auszustellen und zu bewachen, damit jeder, der weinend und jammernd stehen bliebe, als verdächtig ergriffen und vor ihn geführt werde. Diese Schaustellung aber ging der Mutter des Diebes so zu Herzen, daß sie dem Überlebenden drohte, den Goldraub aufzudecken, wenn er den Leichnam nicht heimschaffe, und der Sohn, in die Enge getrieben, belud einen Esel mit Weinschläuchen, zog an den Wächtern vorüber und verführte sie zum Trinken. Nachdem sie bezecht in Schlaf gefallen waren, schor er ihnen in der Dunkelheit den rechten Backenbart ab und nahm den Leichnam mit sich. „Als dem König gemeldet wurde", fährt Herodot fort, „der Leichnam des Diebes sei gestohlen worden, wurde er zornig, und weil er um jeden Preis herausfinden wollte, wer hinter all diesen Listen steckte, tat er folgendes, was ich freilich nicht glauben kann: Er befahl seiner Tochter, sich in Verkleidung auf dem Markt niederzulassen, und gab ihr auf, zu jedermann ohne Unterschied willfährig zu sein, doch müsse ihr ein jeder den klügsten und den ruchlosesten Streich seines Lebens erzählen. Wenn aber einer die Geschichte mit dem Dieb vortrage, den solle sie festhalten und nicht fortlassen. Doch der Dieb hörte davon, und entschlossen, den König an Verschlagenheit noch zu übertreffen, schnitt er einer frischen Leiche den Arm an der Schulter ab und' nahm ihn unter seinem Mantel mit. Als ihm dann die Königstochter die beiden Fragen stellte, schilderte er ihr als seine ruchloseste Tat, wie er dem Bruder in des Königs Schatzkammer den Kopf abgeschlagen habe und als seine schlaueste die Überlistung der Wächter. Da griff sie nach ihm. Der Dieb aber ließ ihr den mitgebrachten Arm und entschlüpfte. Wie nun vollends dieser Streich dem König zu Ohren kam, ließ er, entsetzt von soviel Verschlagenheit und Kühnheit, dem Übeltäter öffentlich Straflosigkeit und große Belohnung anbieten, wenn er sich nur vor seinem Angesicht zeige. Und der Dieb stellte sich wirklich. Ramses aber bewunderte ihn aufs höchste, schenkte ihm ein Drittel seines Goldes und gab ihm — als dem gescheitesten aller Menschen — seine Toch »r zur Frau. — Denn die Ägypter, meinte er, gingen über -die anderen Menschen, jener aber noch über die Ägypter."
Goldgeschmückt in den Tod Die Goldschmiedekunst genoß hohes Ansehen. Neben dem königlichen Hof und der Priesterschaft waren es vor allem die Frauen des Hofes, die den Goldschmieden zu Arbeit und Verdienst verhalfen. Kostbarkeiten waren ihnen ebenso wichtig wie die Kleider, und es entsprach auch weiblichem Schönheitssinn und fraulicher Eitelkeit, daß Schmuck zum wichtigen Bestandteil des Brautgutes wurde. Man hebt in Eheversprechen dieser Zeit ausdrücklich hervor, daß das Gold vollwertig oder gestempelt sei; wo es ungestempelt genannt wird, handelt es sich offensichtlich um minderwertiges Material. Hübsche, geschmackvolle Ohrringe, Kettchen, Halsketten, Armbänder und Spangen, darunter Stücke von erheblichem Wert, sind gang und gäbe, dienen auch als Grabbeigabe, manchmal werden sie ausdrücklich für diesen Zweck gearbeitet. — Da aber die Kunst als ausschließlich ideales Streben und Schaffen, wie sie von den Griechen ausgeübt wurde, den Ägyptern unbekannt war und ihr Schönheitssinn sich mehr auf das Praktische ausrichtetete, fehlte es dem Schmuck oft an jenem „Geist", der die Form über das Stoffliche erhebt. Das Goldschmiedegewerbe wurde neben vereinzelten Großbetrieben in zahlreichen kleinen Werkstätten ausgeübt. Wohlhabende Tempel hatten für Statuen der Pharaonen, für die heiligen Geräte des Tempelschatzes, für Götterbilder und Altäre immer zu tun. Sie hielten sich auch eigene Goldarbeiter und waren in der Lage, beträchtliche Aufträge an selbständige Kunsthandwerker zu vergeben, wie aus ihren Schatzverzeichnissen ersichtlich wird. — Wenn beispielsweise für die Vergoldung eines Königsbildes neun Tagewerke zu je vier „Artaben" Weizen als Arbeitslohn berechnet werden, so ist daraus ersichtlich, daß es sich um einen bedeutenden Auftrag handelte, denn vier Artaben entsprechen dem Lebensunterhalt von zwanzig Arbeitern. Natürlich fehlte es auch von Seiten der königlichen Hofbeamten nicht an Bestellungen. Eine Urkunde aus Arsinoe, einer ansehnlichen Provinzstadt, bestätigt den Auftrag eines höheren Beamten an den Goldschmied Mystarion. Es handelt sich um die Anfertigung von zwei goldenen Armbändern im Gewicht von acht Minen Gold, die 19
der Auftraggeber vermutlich verschenken wollte, da er sich vorbehält, sie entweder umändern zu lassen oder die Annahme zu verweigern, falls die Arbeit nicht nach seinem Wunsch ausfallen sollte. Die Bedingungen waren also für den Handwerker recht ungünstig, wohl deshalb, weil der Kunde die Summe für den Ankauf des Goldes vorgestreckt hatte. Das Auftragen von Gold auf Königs- und Götterstatuen ähnelt dem Verfahren, wie es heute noch angewandt wird. Heute streicht man eine Mischung von Gold und Quecksilber auf den vorbereiteten Untergrund, wobei das Quecksilber verdampft, während das Gold haften bleibt. Die Ägypter verwandten bei dieser „Feuervergoldung" statt des Quecksilbers Blei. Bei Vergoldung durch Auftragen von feinstem Goldblech mußte zuerst eine dünne Stuckschicht aufgebracht werden, da nur Holzarten zur Verfügung standen, die, außer dem Ebenholz, kaum polierbar waren. Bei größeren Flächen wurde das Modell mit Leinen umkleidet, welches das Abblättern der Stuckschicht verhütete. Diese Art der Vergoldung fand besonders im Bestattungswesen reichlich Verwendung; der Brauch, das Gesicht des Toten zu vergolden, hat sich bis in die späteste Zeit erhalten. Die besten Zeugen altägyptischer Goldschmiedekunst fanden sich in der Grabkammer des Tut-ench-Amun, jenes Pharao, der während seiner neunjährigen Regierung den Sonnenkult seines Schwiegervaters Echnaton abschaffte und sich wieder zu Amun bekehrte. Er starb sehr jung, und die Priesterschaft bereitete ihm ein Leichenbegängnis von unerhörtem Glanz. Statuen, Lampen und Fächer, Bahren, Wagen und vergoldete Stäbe und noch vieles andere, kostbar an Material und köstlich an Form, wurde ihm beigegeben. Die Totenbedeckung bestand aus massivem Gold, dreieinhalb- Millimeter stark. In hundert verschiedenen Gruppen fanden sich Schmuckstücke unter den verhüllenden Leinwandbinden, Finger und Zehen steckten in goldenen Hülsen. Die Leiche war buchstäblich in mehrere Lagen von Gold und Edelsteinen verpackt. Das goldene Abbild des Königs befindet sich im Museum in Kairo; es strahlt noch heute, als sei es eben aus der Werkstatt gekommen. Kopf und Hals sind plastisch ausgeformt, der Körper in flachem 20
Relief gearbeitet, und in den Händen liegen Krummstab und Wedel, die königlichen Würdezeichen, mit blauer Fayence geschmückt. Das Gesicht besteht aus purem Gold mit den bunten Einlagen der Augen, Brauen und Lider; es wirkt starr und maskenhaft und doch lebendig zugleich. Als man den Sarg öffnete, lag auf der Mumie ein kleiner Blumenkranz, der noch einen matten Schimmer seiner natürlichen Farbe erhalten hatte — ein Abschiedsgruß der jugendlichen Witwe an ihren geliebten Gatten . . . Diese rührende Geste einer liebenden Frau grüßt uns menschlicher über die Jahrtausende hinweg als all der Pomp überheblichen Reichtums und ungeheurer Machtentfaltung.
Auf Macht und Goldschätze aufgebaut Auch Vorderasien war im Altertum der Schauplatz glänzender Staatengründungen, deren schneller Wechsel durch Unruhe, Härte und besondere Grausamkeit gekennzeichnet ist; auch sie waren auf Macht und Goldschätze aufgebaut und verfielen bald rücksichtslosem Vernichtungswillen. Die ältesten Bewohner des Zweistromlandes, von denen wir genauere Kunde haben, sind die Sumerer, die in Ackerbau und Handel, in der Goldschmiedekunst sowie in den verschiedensten Wissenschaften Hervorragendes leisteten. Ihnen ist die Erfindung der Keilschrift zuzuschreiben. Aus der aufgefundenen Königsliste läßt sich die Geschichte des sumerischen Ur bis über 3000 v. Chr. zurück erkennen, und der Königspalast in Kisch, die Grabstätten von Ur beweisen durch die zahlreichen zutage geförderten Gegenstände aus Gold und Silber — meist Gefäße, Waffen und Werkzeuge — den hohen Stand des Lebens. Es ist anzunehmen, daß die Sumerer ihr Gold aus Baktrien bezogen, an der Dreiländerecke Afghanistan, Indien und Buchara, denn über Goldvorkommen im Euphrat- und Tigrisgebiet selbst ist nichts bekannt. Das Gold war in Vorderasien kein Wertmesser wie in Ägypten; es bestand ausschließlich Silberund Kupferwährung. Die sumerische Kunstfertigkeit war sehr bedeutend, und ihre Schöpfungen sind von außerordentlicher Schönheit. In den Königs21
gräbern fand man neben reichen Schmuckbeigaben und Goldgefäßen einen herrlichen Kopfschmuck, der einer Königin durchaus würdig ist und dessen handwerklicher Geschicklichkeit sich kein moderner Goldschmied zu schämen brauchte. Auf einer dick gepolsterten Perücke reihen sich drei Schnüre aus Lapislazuli und rotem Karneol. An der untersten Schnur hängen goldene Ringe, an der zweiten und dritten goldene Blumen und verschiedenartig geformte Blätter. Darüber steckt ein fünfspitziger Kamm, ebenfalls mit goldenen Blumen geschmückt und mit einer Auflage von Lapislazuli. Die Schläfen zieren goldene Spiraldrähte und die Ohren schwere, halbmondförmige Ringe. Zu den schönsten und wertvollsten Fundstücken, deren Eleganz von den ägyptischen Arbeiten nie erreicht wurde, zählen auch der Goldhelm des Königs Meskalamshar und sein mit Lapislazuli und Goldfiguren besetztes Diadem. Als der Eroberer König Sargon, abgelenkt durch Kriegszüge, Handwerk und Handel vernachlässigte, verfiel in dem goldarmen Zweistromland die Hochblüte des sumerischen Reiches. Schatz- und Schmuckgold verschwanden. Die Sumerer wurden ein Opfer der Übermacht und politischen Organisationsgabe ihrer Nachbarvölker.
» Die Phöniker haben zuerst durch den Bau großer und schneller Schiffe das ganze Mittelmeer und ein Stück der Küste von Westafrika erschlossen. Sie waren praktisch, nüchtern, mit der besonderen Veranlagung begabt, sich die Erfindungen anderer zunutze zu machen, wie die Sternenkunde und die Buchstabenschrift. Die steinige Küste bot nicht viel Entwicklungsmöglichkeit, das trieb sie aufs Meer hinaus; durch Handel, Fischfang und Seefahrt gelangten sie zu Reichtum und Einfluß. Ihre Städte"wuchsen an: Baukunst, Goldschmiedekunst, Kunstgewerbe verschönten das üppige Dasein dieser erfolgreichen Kaufmannsgeschlechter, deren Geschmack mit dem Luxus wuchs. Ihre Handelsfaktoreien: Gades (Cadiz), Zypern, Marseille, Karthago unterstützten die Unternehmungen der Mutterstädte, die ihre Kunden und Nachbarn mit Sklaven, Gewürzen, Metallen und Edelsteinen, Geweben und Schnitzereien versorgten. 22
Phönikische Seeleute waren es auch, die den Frachtverkehr der Ophir-Puntfahrten für die Israeliten und zeitweise auch für die Ägypter besorgten. In den Jahren 613—610 v. Chr. wagten sie im Auftrag des Pharao Necho die erste Umschiffung Afrikas, indem sie, „wenn es Herbst war, anhielten und das Land bestellten, wo sie gerade waren, die Ernte abwarteten und dann weiterfuhren" —, um den Ballast großer Getreidevorräte zu vermeiden. Die Pyrenäenhalbinsel „Hispania", d. i. Kaninchenland, Stollenland, lieferte vermutlich den größten Teil der phönikischen Goldschätze. Die Phöniker gründeten hier die Handelsstadt Gades, das heutige Cadiz, eine der ältesten Städte Europas, und errichteten in der Meerenge von Gibraltar „die Säulen des Herkules", die dem Ortsgott von Tyrus, der phönikischen Mutterstadt an der Libanonküste, geweiht waren In Makedonien und auf der Insel Thasos hatten sie sich schon um das Jahr 1100 vor unserer Zeitrechnung festgesetzt. Herodot schreibt darüber: „Ich sah selbst die Goldbergwerke, von welchen bei weitem die bewunderungswürdigsten diejenigen waren, welche die Phöniker entdeckt hatten, als sie unter Führung des Thasos sich auf der Insel niederließen. Nach eben diesem Thasos erhielt die Insel ihren Namen. Diese phönikischen Bergwerke liegen zwischen den Ortschaften Änyra und Cönyra, gegenüber von Somothrake, an großen Bergen, die bei der Nachforschung nach Gold ganz durchwühlt worden sind." Heute sind diese Berge, die fast zu einer Höhe von 1000 Meter ansteigen, mit dichten Waldungen bedeckt. Phönikien wurde 845 v. Chr. von dem raffgierigen assyrischen König Salmanassar III. und ein zweites Mal von Tiglatpileser III. um 727 v. Chr. gründlich ausgeplündert, so daß alle Handelsverbindungen abrissen und Tyrus, die Hauptstadt des Landes, ihre Bedeutung völlig verlor.
Träge und unproduktiv war, wie wir gesehen haben, der Umlauf des Goldes. Aus den Bergwerken Nubiens, Äthiopiens und PuntOphirs wanderte es nach dem ägyptischen Theben und von- dort anfangs tropfenweise, dann in breitem Strom in die Residenzen 23
der assyrischen und babylonischen Soldatenkönige. Es sammelte sich in Jerusalem, in Sardes, Tyrus und Phrygien; es wurde aus dem Sand des Paktolos-, des Hermos- und Pangaios-Berges gewaschen und von den dunkelhäutigen, kraushaarigen Kolchern, die in Pfahlbauten lebten, an den Gestaden des Schwarzen Meeres gewonnen. Phönikische Schiffe brachten es aus Spanien, aus Thasos und Makedonien, Kamelkarawanen aus den Goldbezirken Asiens, Asir und Jemen, wo einst die sagenhafte Königin von Saba regierte. Aber dieses Gold, von Generationen gehütet und gemehrt, wurde vom Sog der großen Sammelbecken Ninive und Babylon angezogen. Der Reichtum Syriens, Phönikiens und Israels schwand zuerst dahin. Von allen Schätzen Davids und Salomos, von denen die Bibel spricht — „des Goldes aber, das Salomo in einem Jahr bekam, war an Gewicht 666 Zentner" —, waren schließlich nur noch kümmerliche Reste vorhanden, so daß die Assyrer nicht mehr als dreißig Talente aus dem König Hiskia von Juda herauspressen konnten. König Hosea von Israel vermochte gar nur zehn Talente aufzubringen. Nach den Assyrern waren die Perserkönige Kyrus, sein unbedeutender Sohn Kambyses und dessen Nachfolger Darius Herrscher, deren Thron auf goldenen Fundamenten ruhten, und das Gold machte sich aus dem Zweistromland wieder auf die Wanderschaft in die neuen Hauptstädte Persepolis, Ekbatana und Susa . .. und hier, förmlich zu einem einzigen ungeheueren Klumpen zusammengeschmolzen, fiel es im vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung dem großen Alexander in die Hände. In jenen Jahren war des Goldes so viel, daß es jeden Anspruch auf Kostbarkeit und Seltenheit verlor. Sein Gewicht wird zu einem Zahlenbegriff, vor dem die Vorstellungskraft versagt. Diodor zählt auf, daß Alexander in den Schatzkammern von Persepolis 120 000, in Susa 40 000, in Ekbatana 180 000 Talente Gold und Silber vorfand, zusammen also 340 000 Talente, die einem Wen von etwa 1,6 Milliarden heutiger Goldwährung entsprechen. Niemals wieder bis in unsere Tage hat ein einziger Mensch einen solchen Schatz an Edelmetallen besessen. 24
Darstellung der Schlacht bei Gaugamela, in der Alexander der Große den Perserkönig Darius besiegte
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Alexander gewinnt den Schatz des Großkönigs Alexander der Große von Makedonien war, wie alle Tatmenschen, geboren mit dem untrüglichen Instinkt für den wirtschaftlichen wie den politischen Wert des Goldes. Er verstand es, das Gold seinen Zwecken dienstbar zu machen. Es fehlte ihm auch nicht an Folgerichtigkeit und Verstandeskälte, vor allem aber verfügte er über jene Hemmungslosigkeit, die Widerstände beiseiteräumt. — Während dem genialen Makedonier das Prägen von Goldmünzen, das Anwerben von Söldnern und die Ausrüstung seines Heeres von dringlicher Wirklichkeit war, schwelgte sein Gegner, König Darius von Persien, in seiner Residenz unter goldenen Dächern und dachte nicht daran, seine unermeßlichen Schätze, mit denen er die ganze Welt gegen Alexander hätte mobilisieren können, in militärischen Rüstungen anzulegen. Diese Unterlassung ist der Auftakt eines bedeutsamen geschichtlichen Prozesses, der mh der blutigen Vernichtung des gewaltigen Perserreiches endete. Obwohl die Kriegstaten des Makedonierkönigs Alexander häufig beschrieben und erforscht sind, ist unser Wissen um sein Leben doch nur unvollkommen. Die zeitgenössischen Schriftsteller gaben der Nachwelt weder Aufschluß darüber, wie Alexanders Unternehmen und Erfolge ermöglicht und verwirklicht worden sind, noch durch welches Ziel sie bestimmt, nach welchen praktischen Gesichtspunkten ihr Ablauf gelenkt wurde. Kaum die Namen der militärischen Berater sind überliefert, von der Verwaltung, den Finanzen, den politischen Organisationen, von der Kanzlei, dem Regierungskabinett, von den Männern, die in diesen Ämtern des Königs Werkzeuge waren, ist so gut wie nichts auf uns gekommen. Darum bleibt das historische Bild Alexanders des Großen Stückwerk: der Staatsmann, der Volkswirt, das innerste Leben dieses einmaligen Herrschers sind im Dunkel der Vergangenheit nur in Umrissen erkennbar. Darüber schreibt der Geschichtsforscher Droysen: „Ist Alexander wie ein Abenteurer, wie ein Träumer hinausgezogen mit dem summarischen Gedanken, Asien bis zu den unbekannten Meeren, die es umgrenzen, zu erobern? Oder hat er gewußt, was er wollte und was er wollen konnte? 26
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Es handelt sich nicht darum, aus der Reihenfolge seiner Erfolge rückwärts schließend deren planmäßigen Zusammenhang aufzuweisen; es fragt sich, ob es Beweise gibt, daß vor dem begonnenen Werk schon vor seinem Geiste stand, wie es werden sollte. Vielleicht daß eine Tatsache dafür anzuführen ist, von der freilich unsere Quellen nicht sprechen . . . " Droysen meint die Neuordnung der makedonischen Währung, die er bis in alle Einzelheiten beschreibt. „ . .. Mit dieser neuen Münzordnung, die Alexander einführte, war dem persischen Gold sozusagen der Krieg erklärt. Das Gold war zur bloßen Ware gemacht, zu einer Ware, die — wenn die Schätze des Perserkönigs erobert und das dort in Massen tot liegende Gold dem Verkehr zurückgegeben wurde — sich immerhin weiter entwerten konnte, ohne daß die auf Silber gestellten Preise in der griechischen Welt in gleichem Maße erschüttert wurden . . . " Alexander war also — wie diese Neuordnung der Währungsverhältnisse in Griechenland als Vorbereitung zum Krieg beweist — kein Phantast oder bloßer Draufgänger. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, erscheint sein Leben weit weniger kompliziert, als es meist dargestellt wird. Einige seiner Bewunderer versichern, er habe den persischen Feldzug begonnen, um hellenische Bildung und Kultur nach Asien zu tragen. Dafür gibt es keinen Beweis. Ebenso unerwiesen ist die Behauptung, daß die Befreiung der griechischen Städte Kleinasiens von der Herrschaft des persischen Großkönigs Darius sein vornehmstes Ziel gewesen sei. Viel eher läßt sich denken, daß der Sinn des ehrgeizigen, ungestümen, von unheimlicher Energie besessenen Jünglings von Anfang an auf noch nicht klar umrissene, weltumspannende Ideen gerichtet war. Da aber sein kleines, verschuldetes Reich weder Mittel noch Raum bot für ihre Verwirklichung, mag es den im Gefühl seiner Sendung verbrennenden jungen König mit aller Macht nach den sagenhaften Goldschätzen des Darius gei lüstet haben. Mit ihnen ließ sich die Welt erobern und neu organisieren. — Das Gold in den Gewölben der Großstädte Ekbatana und Persepolis ist sicher eine der stärksten Triebfedern des Heerzuges gewesen. Der Krieg wurde im Frühjahr 334 v. Chr. mit einer Armee von 37 000 Mann kriegserfahrener Truppen begonnen. 27
Alexander zog von Sieg zu Sieg: von Lydien nach Karten, von Karien nach Lykien, von Lykien nach Kylikien und weiter nach Phönikien bis Ägypten; von dort zurück ins Zweistromland nach Assyrien, Babylon und dann ins eigentliche Persien und Medien. Dieser Feldzug war wie ein Rausch, etwas Ungeheueres, eine Häufung von Triumphen, welche die orientalische Welt aufs tiefste erschütterten. Getragen von der Bewunderung seiner rühm- und beuteberauschten Armee wurde der junge König zürn Helden ohne Beispiel, zum ersten einer Reihe von Weltbeherrschern. lssus, Granikos, Gaugamela — das sind die Namen der Schlachten, die ihm den Weg ebneten nach Persepolis und Ekbatana, vor die Tore der größten Schatzkammern der antiken Welt. Nachdem Alexander in beschwerlichem Kampf die letzten persischen Pässe, die von dem Gouverneur Ariobarzanes mit vierzigtausend Mann verteidigt wurden, bezwungen hatte, brach er nach kurzer Rast nach Persepolis auf. Unterwegs wurde ihm ein Schreiben des Verwalters der königlichen Schätze, Tiridates, ausgehändigt, das ihn zu höchster Eile aufforderte. Wenn er nicht bald Ordnung schaffe, ließ ihn der Perser wissen, würden sich Herumtreiber die allgemeine Panik zunutzemachen und die Schatzgewölbe plündern. Auf diesen Alarmruf hin ließ Alexander das Fußvolk zurück und jagte mit den Reitern voraus. Bei Tagesanbruch war er an der Brücke, die von der Vorhut bereits geschlagen war. Sein plötzliches, unvermutetes Erscheinen — er traf früher ein als die Nachricht von dem letzten Gefecht mit Ariobarzanes — wirkte derartig lähmend auf Truppen und Bevölkerung, daß ihm der Palast, die Stadt und der Goldhort kampflos zufielen. Die Mengen an Gold, Silber und anderen Kostbarkeiten waren unübersehbar. Nach glaubwürdigen Aussagen waren zehntausend Paar Maultiere und dreitausend Kamele nötig, um den Schatz wegzuschaffen. Mit diesem letzten Handstreich entriß Alexander seinem Feind das bedeutsamste Machtmittel — schreibt Droysen —, das nun aus den riesigen Kellern, wo es bisher unfruchtbar gelegen hatte, allmählich wieder in den Besitz der Völker gelangte, denen es solange entzogen gewesen war. Als Alexander Herr des größten Teiles aller Goldvorräte der Welt geworden war, streifte er, befreit von der Notwendigkeit 28
kleinstaatlicher Haushaltung, das makedonische Volks- und Heerkönigtum von sich ab. Von jetzt an waren alle vor ihm gleich: Makedonier, Hellenen, Perser, und als Symbol des Verschmelzungsprozesses fand in Susa die Hochzeit des Königs mit der persischen Prinzessin Roxane und gleichzeitig die Vermählung zahlreicher Offiziere mit Perserinnen statt. Auch der Gedanke des Weltreiches war nun durchführbar, der verwegene indische Feldzug sollte der Vollendung dieser Idee dienen. Aber der Widerstand des Heeres durchkreuzte die weitgespannten Pläne und schloß die Eroberungszüge ab. Von dieser Zeit an war Alexanders ungestüm drängende Kraft dahin, das Sonnenhafte seiner Persönlichkeit verdunkelte, die überschäumende Jugendkraft verebbte. Aber es blieb der eherne Geist, der jeden Widerstand zerknickte. Der Feldherr wurde zum Organisator, und auch hier bewies er seine überlegene Begabung. Seine Probleme waren von bedeutungsvoller Größe, würdig seiner rastlosen Energie: Handelsverträge, Münzprägung, Friedenswirtschaft, Völkerverpflanzung großen Stils, Hafen- und Flottenbau — Weltkulturpolitik, aus der ihn ein jäher Tod mit 32 Jahren herausriß. Eine unscheinbare Erhebung inmitten von Alexandria, der „Kom el Dik", ,Hügel des Hahns', soll nach der Überlieferung die Gebeine Alexanders bergen. Um die sterblichen Überreste -des großen Makedonen ist es nie ruhig geworden. Als Alexander, zweiunddreißigjährig, auf der Höhe seines Ruhmes zu Babylon starb, entbrannte ein leidenschaftlicher Streit um seine Mumie, der göttliche Kräfte zugeschrieben wurden. Der feierliche Trauerzug mit dem von dreiundsechzig Maultieren gezogenen Leichenwagen, der sich durch die Wüsten gegen Makedonien bewegte, wurde von seinem früheren General Ptolemäus gewaltsam nach Memphis am Nil umgeleitet. Später setzte man den Sieger am Issus in Alexandrien bei. Ein geldarmer Vorfahre der Kleopatra soll den schweren Goldsarg mit einem gläsernen Schrein vertauscht haben. Mit dem letzten Atemzug Alexanders begann der Hader seiner Generale, die Meuterei seines Heeres, der Zusammenbruch seines Hauses, der Untergang seines Reiches. 29
Gold und Silber aber flössen wieder zurück in ihre Ursprungsländer, in' die Städte der Mittelmeerküste, nach Ägypten und Griechenland — aber gemünzt, nach einheitlichem Münzfuß. Die Alexander-Drachme blieb ein halbes Menschenalter die W e l t m ü n z e . . . Erinnerung an einen Tatmenschen, an eine nie ganz zu enthüllende Königsgestalt. Noch von einem letzten Herrscher des Altertums soll in diesem Lesebogen berichtet werden. Es ist König Krösus von Lydien in Kleinasien, dessen Goldreichtum sprichwörtlich wurde und dessen Lebensgeschichte vielen als Legende gilt. Aber Krösus hat wirklich gelebt und um 545 v. Chr. in Sardes in Kleinasien residiert. Seine Schätze aber waren von Sagen umgeben. Die Kunde von ihrer Unermeßlichkeit drang in die untersten Schichten des Volkes, wandernde Erzähler verbteiteten sie, und Jahrtausende hindurch hat sie in allen Sehnsüchtigen wirklichkeitsfremde, verlockende Bilder von Wohlstand und einem sorgenfreien Leben erzeugt. Die Residenz des Krösus lag am Paktolus, einem Fluß, der damals viel Gold mit sich führte. Wie das Volk sich erzählt, verdankte der Strom diesen Reichtum der Unersättlichkeit des Königs Midas aus dem benachbarten Ehrygien. Midas fand einst in seinen Rebgärten den Freund und Gefährten des Gottes Dionysos, Silen, und führte den Verirrten nach reichlicher Bewirtung dem Gott wieder zu, der ihm dafür einen Wunsch freigab. Und Midas sprach: „Mache, Du mächtiger Vater, daß alles, was mein Leib berührt, sich in funkelndes Gold verwandelt." Diesem Wunsch willfährt der Gott mit Bedauern, und Midas, froh des bösen Geschenkes, versucht nun sogleich die Wunderkraft seiner zauberischen Gabe. Er bricht einen belaubten Zweig ab, und siehe — kaum kann er es fassen — in seiner Hand verwandeln sich Blätter und Holz in Gold. Oberwältigt von seinem Glück, pflückt er Ähren und erntet Gold; der Pfosten, von seinen Fingern berührt, strahlt wie Feuer; das Wasser verwandelt sich unter seinen Händen zu goldener Flut. Da wird ihm das Herz weit vor Freude, und ein fürstliches Mahl soll den glückhaften Tag krönen. Doch als er nach dem Brot greift, erstarrt es zu Gold, das Fleisch verwandelt sich zwischen seinen Zähnen knirschend zu gelbem Blech, und der Wein rinnt ihm als flüssiges Metall die Kehle hinab. Er30
\ schreckt durch das Unverhoffte, so reich und doch zum Darben verurteilt, denn nichts vermag ihm Hunger und Durst zu stillen, fleht er reumütig zu dem Gott: „Verzeih mir, Vater Dionysos, ich habe gefehlt. Aber erbarme dich meiner und nimm das glänzende Elend von mir!" Und der Gott hat Mitleid. Er befiehlt: „Damit das Gold und seine Macht von dir weiche, wandere zur Quelle des Paktolus, und dort, wo das Wasser am stärksten hervorsprudelt, tauche dein Haupt ein, so wird dir Leib und Seele von aller Schuld frei gespült." — Midas tat, wie ihm befohlen. Die goldschaffende Kraft wich von ihm, um sich dem Fluß mitzuteilen, der von nun an die Schatzkammern des Krösus füllte. Herodot spricht von den erstaunlichen Geschenken des Krösus an das Heiligtum in Delphi, und was er aufzählt, ist keine Übertreibung; andere haben die Weihgaben mit verzückten Augen gesehen und beschrieben.' „ . . . als die Opfer gebracht waren, ließ der König eine ungeheure Menge Gold einschmelzen und daraus Halbziegel gießen, die längeren sechs, die kürzeren drei Spannen lang, alle eine Spanne hoch, im ganzen hundertsiebzehn, darunter vier aus lauterem Gold und je dreieinhalb Talente schwer, die übrigen aus weißem Gold und zwei Talente schwer. Auch einen Löwen aus lauterem Gold ließ er anfertigen, der zehn Talente wog . . . " Aber diese Fülle von Gold ist nur unbedeutend, gemessen an dem Inhalt der weitläufigen Schatzkammern. Als ihn eines Tages Alkmeon aus Athen besuchte, dem er zu Dank verpflichtet war, bewilligte er ihm soviel Gold zum Geschenk, als er mit seinem eigenen Körper auf einmal heraustragen könne. Alkmeon aber, so berichtet Herodot, staffierte sich zu diesem Zweck folgendermaßen aus: Er zog ein großes, weites Gewand an, machte sich daran noch einen tiefen Bausch zurecht und steckte die Füße in hohe Jagdstiefel, die weitesten, die er finden konnte. So angetan, betrat er die Schatzkammer und fiel über einen Haufen Goldkörner her. — Aus Angst; daß alles nur ein Traum sei, stopfte er sich soviel davon um die Waden, als die Stiefel fassen konnten, füllte den ganzen Bausch des Gewandes und bestreute das Haupthaar ringsum mit Goldstaub, selbst den Mund stopfte er voll. Als er dann das Schatzhaus verließ, vermochte er seine Stiefel kaum zu schleppen 31
und war mit seiner geschwollenen und bauchigen Leiblichkeit allem ähnlicher als einem Menschen. Beim Anblick dieser wandelnden Tonne hielt sich Krösus die Seiten vor Lachen; doch weit entfernt, über solche Raffgier verletzt zu sein, schenkte er dem Alkmeon noch einmal soviel, wie er davongetragen hatte. —• Von diesem auf solche Weise reich gewordenen Athener stammt Perikles ab, der große Staatsmann des griechischen Altertums. Krösus war es auch — so wird erzählt —, der die ersten Goldmünzen prägen ließ. Nach Aussagen anderer soll es Pheidon, ein König im Peloponnes, gewesen sein. Aber wie dem auch sei, mit Krösus nahm es kein gutes Ende. Er unterlag dem Perserkönig Kyrus, und auf dem Scheiterhaufen, den Tod vor Augen, erinnerte er sich schmerzlich der Worte seines Gastfreundes Solon: „Bei jeglichem Ding gilt es, auf das Ende zu schauen, wie es ablaufen wird: vielen hat der Gott das Glück nur gezeigt, um sie dann um so tiefer zu stürzen."
Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky Bilder: Ullstein, Archiv (2. Umschlagseite: Prunkrelief am Thronsessel des Pharao Tut-ench-Amun) L u x - L e s e b o g e n 3 8 2 (Geschichte) H e f t p r e i s 3 0 P f g . Natur- und kulturkundliche Hefte — Bestellungen (vierteljährl. 6 Hefte DM 1,80) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt — Alle früher erschienenen Lux-Lesebogen sind in jeder guten Buchhandlung vorrätig — Druck: Hieronymus Mühlberger. Augsburg — Verlag: Sebastian Lux. Murnau vor München — Herausgeber: Antonius Lux;