Steff Steffân
Sufi-Praxis
Gerd Gerken sei für die atmosphärische Anregung zu diesem Buch gedankt.
Ein Damm um den Ve...
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Steff Steffân
Sufi-Praxis
Gerd Gerken sei für die atmosphärische Anregung zu diesem Buch gedankt.
Ein Damm um den Verstand verhindert das Verstehen der sufischen Lehre. Doch die Zeit seiner plötzlichen Auflösung ist immer erregend. Neue, unerwartete Fortschritte werden sich ergeben. Doris Lessing
Sufismus ist immer zeitgemäß gewesen. Er steht unserer modernen Kultur näher als alle anderen mystischen Traditionen. Arthur J. Deikmann Therapie und Erleuchtung
ZUM GELEIT
Der Sufismus ist nicht nur eine Lehre, sondern in erster Linie eine Lebensweise, ein geistiger Weg. Eine zugleich meditative und praktische Einführung in diesen Weg hat es bisher in Buchform noch nie gegeben. Die Übungen wurden nämlich bislang in geistigen Kreisen »behütet«. Für den Anfänger war der Zugang zur Sufi-Praxis sehr schwer. Er stieß auf Hindernisse wie Geheimnistuerei und komplizierte Riten. Diese Geheimhaltung funktioniert in der offenen Kommunikationsgesellschaft von heute nicht mehr. Ein jedes »Angebot« wird offen ausgegeben. Die »Zirkelhaftigkeit« hat augenscheinlich ausgedient. Das Geistige wird von einer immer homogeneren Gesellschaft als ganzer deutlich mehr in Anspruch genommen. Die Exklusivität des geistigen Weges ist nicht mehr zeitgemäß. Der geistige Anspruch ist integrativ. Alle wollen daran teilhaben. Beinahe jeder Mensch ist heute bemüht, sein Selbst-Sein durch Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis selbst zu erstreben. Aus diesem Grunde wurde dieses Buch geschrieben. Es führt Sie selbst durch Sie selbst zum geistigen Weg. Sie bleiben selbstbestimmt und autonom und verkaufen sich an keine Institution.
EINFÜHRUNG
Um Weisheit, Gesundheit und Glück erlangen zu können, dürfen wir nicht in die Ferne schweifen, sondern müssen die Suche in uns selbst beginnen. Diese Hinwendung zum eigenen Innern bildet die Grundlage etlicher Philosophien und Heilslehren. Eine perfekte »Selbst-Kultur« sollte sich mit dem Körper, dem Verstand, den Gefühlen, der Seele und den Eigenschaften des Individuums befassen. Im Sufismus wird die Selbst-Kultur auf die Spitze getrieben. Ein Mensch, der den Namen Sufi verdient, ist seelisch makellos, geläutert vom »Ich«. »Sufismus ist die Mystik des Islam«, können wir im Großen Brockhaus nachlesen, »deren Ansätze sich, von endzeitlichen Drohungen des Korans ausgehend, schon um 700 zeigten und im wesentlichen innerislamisch sind. Er ist nach der Verwendung eines Büßerkleides aus Wolle (arabisch Suf) benannt. Die Anhänger dieser Richtung werden als Sufis – mit einem Wollhemd Bekleidete – bezeichnet.« Der Sufismus regelt durch göttliche Empfehlungen das Leben als Ganzes, von der Geburt bis zum Tod. Er ist keine Meditationspraxis, der man täglich nur ein paar Minuten widmet, sondern ein Lebensweg, der in all seinen Aspekten Vollkommenheit anstrebt. Sufismus ist also eine »Therapie« für das Leben selbst - wenn man therapeia im ursprünglichen Sinne als den göttlichen Dienst, die »Pflege der Göttlichkeit« versteht. Der Geduldige – der »Patient« –, in dem die Leidenschaft nach seiner inneren Wirklichkeit brennt, ist eingeladen, diesen Weg zu sich selbst zu beschreiten. Die Sufi-Weisheit besagt, daß nur das Herz für die dauerhafte Gesundheit von Körper und Seele verantwortlich ist:
»Wohlan, da ist ein kleiner Klumpen Fleisch im Körper. Ist dieser gesund, ist der Körper als Ganzes gesund. Wohlan, dieser Klumpen Fleisch ist das Herz.« Die Herzenspflege steht im Mittelpunkt ihrer geistigen Praxis – man nennt die Sufis daher auch »jene, die Herzen haben«. Das Credo der Sufis besagt, daß das Leben aus Göttlichkeiten beziehungsweise aus der Gottesgegenwart besteht. Mit Worten allein läßt sich der allumfassende Gott jedoch nicht begreifen. Verstand, Seele, Körper und Geist sollen gemeinsam den »Gottesdienst« leisten. Daher tanzt ein Sufi-auf-dem-Weg. Niemand hat je einen vollkommeneren, ekstatischeren Tanz erschaut als den der Sufis und Derwische. Ihr Tanz symbolisiert die Drehung des Mondes um die Erde, der Planeten um die Sonne. Der Sufi/Derwisch tanzt auf viele Weisen. Wichtig ist ihm dabei, sich Gottes zu erinnern, während sein Körper sich beugt, wendet und dreht. Zur Reinigung und Läuterung kennt der Sufi-Weg Hunderte von kunstvollen Atemtechniken. Darunter gibt es lautlose und auch solche, bei denen die Stimme eingesetzt, ja sogar gesungen und geseufzt wird. Nur der Atem zählt, der vom Herzen kommt und auf das Herz gerichtet ist. Denn auch jeder einzelne Atemzug soll der Gotteserinnerung und der Erinnerung an die eigene Göttlichkeit dienen. Zu diesem Zweck werden auch die »Schönen Namen Gottes« immer wieder ausgesprochen. Sie sind Ausdruck der vergessenen Göttlichkeit, die im Innersten des Menschen verborgen lebt, doch jederzeit »zum Sprung bereit« ist. »Schönheit«, »Milde«, »Majestät«, »Verzeihung«, »Erhabenheit«, »Stärke«, das »Königliche« und »Weitumfassende«, »Großzügigkeit«, »Liebe« und mehr als neunzig weitere Begriffe werden erinnert und dadurch wieder wachgerufen. Der Anrufende spricht die Namen Gottes aus, um sie in sich selbst zu hören. Die Lebendigkeit dieser Ströme zerbricht alle Schalen und Krusten, sie weicht den »Panzer« um das Bewußtsein auf.
Die erstarrte Persönlichkeit ist dann bald nicht mehr gewillt, weiterhin einengende Grenzen zu errichten. Durch diese Technik erlangt der Praktizierende Zugang zu seinen göttlichen Eigenschaften. Die Namen Gottes werden auch als »Wasser der Quelle des ewigen Lebens« bezeichnet. Der Bewußtseinsforscher Ornstein fand heraus, daß es keine vollkommeneren mantrischen Schwingungs- und Stimmverfahren gibt als die des Sufismus. Das Erreichen der Göttlichkeit und die Heiligung des Alltags sind Teil des sufischen Zieles. Das Leben soll bewußt gemacht werden. Dazu gehört unter anderem eine Reinigungswaschung, die den profanen Alltag vom Ritus des Weges trennt. Reine Kleidung ist ebenfalls ein Teil des Weges, der im Anschluß an die Waschung auch das Einreiben mit Parfüms und duftenden Essenzen vorsieht. Es gibt wohl keinen anderen geistigen Weg, der die physiologische und psychologische Anwendung von Heildüften so sehr einbezieht wie der Sufismus. Selbst Männer werden dabei hochsensibel und geradezu begierig nach Düften. Auch das von den Sufis praktizierte Gebet bezieht den Körper mit ein und wird daher nicht umsonst als »Sport« bezeichnet. Denn während des Gebets steht der Sufi/Derwisch erst aufrecht, beugt sich dann, richtet sich wieder auf, wirft sich zu Boden und setzt sich schließlich wieder hin. Bei den »Schweigenden Derwischen«, einem sufischen Hauptweg, gibt es auch das (Seitwärts-)Liegen während des Gebets. Die dafür erforderliche extreme Rücken-und Beinstellung versetzt den Betenden in eine fast explosive Spannung. Doch nach kurzer Zeit wird – aus Gründen der Barmherzigkeit – das Zeichen zur Entspannung und Veränderung der Körperhaltung gegeben. Mediziner haben herausgefunden, daß ein Sufi, der dieses »sportliche« Gebet regelmäßig praktiziert, praktisch keine Gefahr läuft, Opfer eines Herzinfarktes oder der Verkalkung zu werden.
Wie wir gesehen haben, besteht Heil-Sein für die Sufis aus dem rechten Dienst an Gott. Davon geht auch ihre Heilkunst aus. Die rein geistige Heilung – durch Gebet und Atemübertragung – überwiegt, es gibt jedoch auch physiotherapeutische Behandlungsmethoden. Für den Sufi kommt alle Krankheit, aber auch alle Heilung allein von Gott. Der Kranke ist im allgemeinen Gott näher. Er erinnert sich seiner Göttlichkeit und Vollkommenheit eher, weil die Krankheit ihn aus seiner selbst- und gottvergessenen Lebensroutine gerissen hat. Die wesentliche Zielrichtung der sufischen Heilkunst ist die existentielle Schwingung, auf die der Sufi-Meister einwirkt. Ein sufischer Arzt (Hakim) kann dem Patienten zum Beispiel empfehlen, einen anderen, geeigneten Atemrhythmus zu praktizieren, um wieder gesund zu werden. Ein Sufi ist der, der nur Gutes sieht, nur Gutes hört und nur Gutes denkt. So wird er zum ethischen Vorbild. Im Zusammenleben mit seinen Mitmenschen läßt er sich ausschließlich von Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit leiten. Voraussetzung dafür ist allerdings die Reinigung der Seele. Die Beziehungen zu anderen Menschen werden göttlichen Normen und der »feinen Lebensart« des sufischen Höflichkeitskanons unterstellt. Dadurch empfängt der Sufi-auf-dem-Weg eine besondere »Herzensgesundheit«. Denn auch das Verhalten wirkt heilend – ebenso wie es krank machen kann. Viele von uns wären verwundert, wenn sie wüßten, wie leicht man durch falsches Verhalten (sowohl eigenes als auch das anderer) erkranken kann. Die von den Propheten überlieferten Gesundheitsempfehlungen regeln im Sufismus sowohl das »Was« als auch das »Wie« der Nahrungsaufnahme. Die Gesundheit hängt unter anderem auch davon ab, wie – und mit wem – man ißt. Als Vorbild gilt hier der Prophet Abraham, der beim Essen nie alleine war. Es wird daher empfohlen, jedes Essen mit mindestens zwei anderen Menschen/Gästen einzunehmen. Wenn man
nämlich allein ißt, dann ißt Satan (die Negativität der Gedanken und Gefühle) mit. Auf diese Weise können bis zu sechs Siebentel des Nahrungsgehaltes verlorengehen! –Aus der Sicht Gottes ist die beste Nahrung die, die mit vielen geteilt wird. –Wenn du ißt, dann entkleide dich von deinen Schuhen, denn wahrlich haben deine Füße dann mehr Ruhe. –Der Segen steckt in der Mitte eines Gerichts. Beginne also am Rande, nicht in der Mitte. Das sind nur drei der zahlreichen Empfehlungen die in diesem Fall das Essen betreffen. Auch die Kleidung, Wachen und Schlafen oder das Fasten unterliegen solchen Gesetzen. Es findet also ein Ausgleich zwischen Tun und Nicht-Tun, zwischen Haben und Lassen statt – eine Sichtweise, die der grenzenlosen Gier unserer Zeit deutlich widerspricht. Einst wurde der Derwisch-Heilige Mullah Nasruddin gefragt: »Was hast du für diesen Winter vorbereitet?« Er entgegnete: »Das Frieren!« Derwischgeschichten wie diese sind multilaterale Witze. Sie vermögen den menschlichen Verstand von all seinen Dunkeln zu reinigen. Die Derwische haben sich als göttliche Anarchisten und legendäre Mystiker in der menschlichen Geistesgeschichte einen Namen gemacht. Mullah Nasruddin (wörtlich übersetzt: »Meister Glaubenshilfe«), der oft auch als vollendeter Narr bezeichnet wird, ist der Sufi-Heilige mit dem größten Humor und den verquersten Gedankengängen. Doch er ist nur scheinbar verrückt. In Wirklichkeit hinterlassen seine Anekdoten beim Zuhörer ein Gefühl der Unschuld und Erleuchtung, wie auch die folgende Geschichte beweist: Nasruddin heiratete eine Witwe. Fünf Tage später gebar sie einen Sohn. Der Mullah ging sofort los und besorgte eine Schulausrüstung. Die Leute fragten ihn: »Wozu kaufst du diese Sachen?« Nasruddin erwiderte: »Wenn mein Sohn eine Neunmonatsreise in
fünf Tagen hinter sich gebracht hat, muß man jeden Tag damit rechnen, daß er schulpflichtig wird.« Durch solche Geschichten kann der Sufi-Meister die Negativität seiner Zuhörer »ausradieren« und damit ihren Verstand reinigen. Keine Lehrmethode ist so einfach und zugleich so komplex wie die Derwischgeschichten. Ihr Ziel heißt Selbsterkenntnis und Loslösung von der persönlichen Biographie – bis man über das eigene Leben und die eigenen Verschrobenheiten nur noch lächeln kann. Ein Sufi kann nur der sein, der Zustandssouveränität besitzt. Normalerweise wird der Zustand eines Menschen automatisch, sowohl von außen als auch von innen, bestimmt. Neigungen, Süchte, Stimmungen, Verspannungen und Neurosen dominieren. Fast niemand weiß, wie der eigene Zustand zu regulieren ist – und die meisten Menschen glauben, daß das gar nicht möglich ist. Der Sufismus weist einen Weg aus der Seelenautomatik. Er beginnt mit dem »Anbinden« an das Selbst und führt zu höchster Konzentration auf kleinstem Räume – zum sogenannten »SelbstPunkt«. Bei der Arbeit an sich selbst wird, aus der Sicht des Sufismus, das private geistige Training von der Gemeinschaftserfahrung unterschieden. Bei beiden handelt es sich um »heilige Pflichten«, die jedoch von keiner »höheren Instanz« kontrolliert, werden, denn das Sufitum ist ein Weg, der einzig und allein auf Selbstverantwortung abzielt. Jeder muß selbst wissen, wie er sich geistig engagiert. Der Sufismus ist »mir« die Methode. Es gibt keine übergeordneten Institutionen, sondern nur SufiLehrer/Meister, die Lehre und Methode vermitteln. Ein Großteil der Selbst-Lehre besteht aus mantrischen Litaneien, die täglich aufgesagt werden. Das geschieht im allgemeinen privat und von anderen unbemerkt. Sufigruppen treffen sich im Regelfall einmal pro Woche zum sufischen Reigen. Derzeit gibt es weltweit etwa zwanzig bis vierzig Millionen Menschen,
die sich auf dem Sufi-Weg befinden. Sie erzeugen ein geistiges Kraftfeld, das mit kaum einem anderen zu vergleichen ist. Auf dieser geistig hochdosierten Frequenz kann kaum jemand umhin, seelische Heilung und Stärke und ein hohes Maß an Ethik zu erreichen. Dem Fortgeschrittenen verspricht die sufische Methode zudem die Erlösung von der Last der Materialität, die Befreiung aus der Enge des Daseins. Oder, um es in Sufi-Worten auszudrücken: das Sein im Nicht-Sein.
DER WEG DES HERZENS
Das Sufitum/der Sufismus wird als »Weg zur höchsten Erkenntnis«, »Pfad der Liebe« und »Weg des Herzens« bezeichnet. Sufis heißen die, die »Herzen haben«. Der Sufi-Weg eröffnet dem Menschen die Liebe.
DER WANDERER UND DAS ZIEL DES WEGES
Für jeden, der Autonomie, Unabhängigkeit und Einssein erstrebt, ist der Sufi-Weg der richtige Weg. Denn sein Ziel ist – so sagt uns ein Sufi-Meister: Eine Welt zu schaffen, die man mit niemandem mehr teilt. Voraussetzung dafür ist der Wille, dem Guten zu dienen, der vollkommene Wunsch, frei von sich selbst zu sein. Auch wer begreift, daß, wie ein Sufi-Spruch weiß, die Unfähigkeit wahrzunehmen, die (übliche) Wahrnehmung ist, und doch hoffnungsvoll und stark nach wahrer Wahrnehmung strebt, ist richtig auf dem Weg. Wer erkennt, daß er ist und doch nicht ist, doch zu einem Sein, das wirklich ist, fortschreiten will, der sollte sich auf diesen Weg begeben. Sein Ziel ist perfekte Selbst-Kultur, der Luxus, sich selbst zu werden.
SELBSTERKENNTNIS
Der Sufi widmet sich allein der Selbsterkenntnis. Denn: »Wer sein Selbst erkennt, erkennt seinen Herrn.« Damit ist der Sufi-Weg gleichzeitig als Weg zu Gott und zum Menschen beschrieben. Er bringt die Vergöttlichung des Menschen und befreit von der Not des Menschlichen, von üblen Eigenschaften, Konditionierung, Unruhe, Leid. Zum Ausgleich bringt er die Seligkeit des Sich-selbst-erkennen-Dürfens.
VOM KLEINEN ZUM GROSSEN EGOISMUS
Die Herrschaft des Ich steht dieser Befreiung/Erkenntnis entgegen. Der Egoismus des Menschen ist zu klein, um dieser Bedrängnis, in die das Selbst durch die Störung des Ich geraten ist, entgegenzuwirken. »Ich bin mir selbst im (geistigen) Wege!« Die sufische Methode regt den Willen und die Kraft zum Großen Egoismus an, zur absichtsvollen Vernichtung des gefängnis-schaffenden, bitteren Ich. Sie zeigt den Weg, die Hindernisse zu beseitigen. Nichts bleibt, denn Gott und Göttlichkeit.
ANERKENNTNIS
Voraussetzung für die Willenskraft, für den Großen Egoismus, ist die Anerkenntnis, daß der gewohnte Egoismus – letztendlich und auf Dauer – zu keiner Befriedigung führt. Das Scheitern aller Ich-Konzepte. Zu wissen und zu bekennen: Das war und ist der falsche Weg. Das bedeutet auch: Das Bekennen der eigenen Bedürftigkeit. Das Begehren nach sich selbst. Das unumwundene Bekenntnis zum Drängen und Streben.
INNERE STREBENSKRÄFTE
BÜNDELUNG
Die sufische Methode berücksichtigt die in jedem Menschen wirksamen Liebes- oder Strebenskräfte, die Schöpfungs- und Wahrnehmungsmomente zugleich sind. Der Mensch sucht die Erschöpfung von sich selbst. Er sucht nach dauerhaften Schöpfungswerken – nicht so sehr nach schöpferischer Erregung, die ihn bald wieder verläßt. Das Sufitum weiß solche »Dauerwerke« durch Übungen wie die Magnetisierung des Herzens und die Verdichtung der Seelenkraft zu schaffen.
Die Seele wird in alle Richtungen getrieben. Der Mensch dies und das. Die sufische Methode ist eine Verstrebung, die die umhertreibenden Kräfte systematisch ausrichtet, konzentriert und zügelt – bis in der Bündelung aller Strebenskräfte die verlorene Einheit erscheint.
So entstehen Strebenszentren, in denen diese Liebes- oder Strebenskräfte konzentriert werden und aus denen sie ständig wirken – wie ewige Quellen, die nie versiegen.
ABSICHTEN ZÄHLEN
DER KAMPF MIT DEN WIDERSTREITENDEN KRÄFTEN
Ohne Absicht kann sich keine Bündelung ergeben. Die Absicht ist es, die – in bezug auf Konzentration – zählt. Die Absicht des Sufi zielt auf das Eine/den Einen, der – und das ist überaus wichtig! – die Absicht formuliert.
Der erste »Gegner« taucht auf, nachdem die Absicht formuliert wurde: Die Schwäche! Die Motivation verflüchtigt sich, flieht. Leere entsteht. Ein Schwall von Gedanken wird aufgefächert und führt zu Schwindel im Kopf. Die Sufis nennen das Einflüsterungen.
Anders als in Systemen, in denen man sich beispielsweise auf einen Punkt an der Wand konzentriert, liegt der Konzentrationspunkt des Sufi-Übenden nicht außerhalb. Er selbst ist das Zentrum der Erfahrung, der Absicht, des Willens! Das Selbst des Menschen will nichts anderes – nur sich selbst! In der Praxis wird diese Rückführung auf sich selbst durch Einschränkung der Wahrnehmung, der Vorstellung und der Beziehungen erreicht. Im Moment ist wichtig, daß Ihre Absicht auf das Einssein zielt. Die wirkliche Absicht ist notwendig und zählt.
Bleibt der Aspirant bei seiner Absicht, so bedrängen ihn fortan die »widerstreitenden Kräfte«. Der Wille wird provoziert. Das Ich pocht auf seine Gewohnheitsrechte. Der Vestand sagt: »Das ist unmöglich. Ein Einssein kann es nicht geben!« Trösten Sie sich mit dem sufischen Wort: »Uns interessieren nur >zwei