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Der amerikanische Physiker und Nobelpreisträger galt und gilt unter seinen Kollegen als einer der größt...
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Zu diesem Buch
Der amerikanische Physiker und Nobelpreisträger galt und gilt unter seinen Kollegen als einer der größten Theoretiker dieses Jahrhunderts und als ein Mann, der für jede Überraschung gut war. Sein Buch wurde in den USA zum Bestseller, es löste Kontroversen aus und wurde manchem zum Ärgernis. »Wer Dick Feynmans Memoiren nicht gelesen hat, weil sie bis her nur in der amerikanischen Originalausgabe verfügbar wa ren, hat seit dem Erscheinen der deutschen Übersetzung keine Ausrede mehr. Das Buch, das in den USA monatelang auf der Bestsellerliste stand und zu einem richtigen Klassiker gewor den ist, braucht auch keine Empfehlung. Es muß nur davor ge warnt werden, es ins Büro mitzunehmen: Sonst braucht man eine Ausrede, warum man an jenem Tag völlig arbeitsunfähig war und hinter geschlossener Türe pausenlos lachte und lachte.« (Neue Zürcher Zeitung) Richard P. Feynman, geboren 1918 in New York, gestorben 1988 in Los Angeles, Studium der Physik am Massachusetts Institute of Technology, ab 1942 Mitarbeiter am »Manhattan Project« in Los Alamos, 1945 bis 1950 Professor für Theoretische Physik an der Cornell University/Ithaca, seit 1950 am California Institute of Technology/Pasadena. 1965 Nobelpreis für Physik (mit S. I. Tomonaga und J. Schwinger).
Richard P. Feynman »Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman !« Abenteuer eines neugierigen Physikers
Gesammelt von Ralph Leighton Herausgegeben von Edward Hutchings
Vorwort zur deutschen Ausgabe von Harald Fritzsch
Aus dem Amerikanischen von Hans-Joachim Metzger
Piper München Zürich
Von Richard P. Feynman liegen in der Serie Piper
außerdem vor
QED - Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (1562)
Vom Wesen physikalischer Gesetze (1748)
»Kümmert Sie, was andere Leute denken?« (2166)
Feynmans verschollene Vorlesung
(David L Goodstein, Judith R Goodstein, 2994)
Ungekürzte Taschenbuchausgabe l. Auflage Mai 1991 10. Auflage September 2000 © 1985 Richard P Feynman und Ralph Leighton Titel der amerikanischen Originalausgabe »Surely You're Joking Mr Feynman!«, W. W. Norton, New York 1985 © der deutschsprachigen Ausgabe 1987 Piper Verlag GmbH, München Umschlag: Büro Hamburg Umschlagvorderseite: Piper Archiv Satz: Carl Ueberreuter Druckerei Ges. m.b.H., Korneuburg Druck und Bindung: Clausen & Bosse, Le ck Printed in Germany ISBN 3-492-21347-2
Inhalt
Vorwort zur deutschen Ausgabe von Harald Fritzsch............. 7
Vorwort von Ralph Leighton ................................................13
Einleitung von Albert R. Hibbs .............................................13
Lebensstationen....................................................................15
1. Teil: Von Far Rockaway zum MIT Er repariert Radios durch Denken! .....................................17
Grüne Bohnen...................................................................32
Wer hat die Tür gestohlen? ................................................39
Lateinisch oder Italienisch? ...............................................54
Ungeschoren davonkommen .............................................57
Der Chef-Chemiker der Metaplast Corporation..................68
2. Teil: Die Jahre in Princeton "Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!"................77
Iiiiiiiiiich! ..........................................................................86
Eine Katzenkarte? .............................................................90
Geistesriesen...................................................................101
Das Mischen von Farben .................................................107
Ein anderer Werkzeugkasten............................................111
Gedankenleser .................................................................116
Der Amateurwissenschaftler ............................................120
3. Teil: Feynman, die Bombe und das Militär Verpuffte Zünder..............................................................129
Tests mit Spürhunden .......................................................137
Los Alamos von unten ......................................................141
Safeknacker trifft Safeknacker .................... .......................181
Dich braucht Uncle Sam nicht! .................... ......................208
4. Teil: Von Cornell ans Caltech, mit einem Abstecher nach Brasilien Der würdevolle Professor ...................................................219
Irgendwelche Fragen? ........................................................233
Ich will meinen Dollar! ......................................................240
Du fragst sie einfach? ............................ ............................244
Glückszahlen .................................... .................................254
O Americano, outra vez!.......................... ...........................263
Der Mann der tausend Zungen .................... .......................290
Selbstverständlich, Mr. Big! ...............................................291
Ein Angebot, das man ablehnen muß .............. ...................306
5. Teil: Die Welt eines Physikers Würden Sie die Diracsche Gleichung lösen? ........ ...........313
Die 7-Prozent-Lösung ............................ ............................326
Dreizehnmal .......................................................................338
Das sind böhmische Dörfer für mich! .................................341
Ist denn das Kunst? .............................. ..............................343
Ist Elektrizität Feuer? ............................. ............................369
Bücher nach ihrem Einband beurteilt ..................................381
Der andere Fehler von Alfred Nobel ...................................401
Den Physikern Kultur nahebringen .....................................414
In Paris entlarvt.................................. .................................421
Andere Bewußtseinszustände..................... .........................437
Cargo-Kult-Wissenschaft.......................... ..........................448
Register..................................................................................461
Vorwort zur deutschen Ausgabe
Im Dezember des Jahres 1984 besuchte ich für ein paar Tage meine frühere Arbeitsstätte, das Lauritsen-Laboratorium für Kern- und Teilchenphysik des California Institute of Techno logy in Pasadena. Wie stets bei solchen kurzen Aufenthalten am Caltech traf ich mich mit Richard Feynman, mit dem ich befreundet bin und der mich immer mit den neuesten Nach richten aus der Gerüchteküche der Physik zu versorgen pflegt. Am letzten Tag meines Aufenhalts war ich mit Dick Feynman zusammen beim Mittagessen im Restaurant des Atheneums, des Gästehauses des Caltech. Diesmal sprachen wir nicht über Physik. Enthusiastisch erzählte Dick von sei nen jüngsten Erlebnissen in einem Nachtklub von San Fran cisco, in dem er in einer Band die Rolle des Schlagzeugers übernommen hatte. Wieder einmal wies ich ihn darauf hin, daß er seine Geschichten, insbesondere die Erlebnisse in Los Alamos zur Zeit des Manhattan Projects, einmal zu Pa pier bringen sollte. Wahrscheinlich seien nicht nur Physiker an den kuriosen Erlebnissen eines Richard Feynman interes siert. Dicks Antwort war ein breites Grinsen. »Bevor du weg fliegst, gehen wir nochmal schnell in mein Büro - ich will dir etwas geben.« So kam es dann auch. Dick drückte mir ein Buch in die Hand: »Surely You're Joking, Mr. Feynman!« Die Überraschung war ihm gelungen. Feynman hatte das Buch, das ich ihm suggerieren wollte, bereits fertig. Am Caltech wußte noch niemand davon. Da ich aber im Begriff war, nach Europa zurückzufliegen, gab mir Dick sein Buch mit den Worten: »Ich habe es gerade heute morgen mit der Post er halten und selbst noch nicht reingeschaut. Nimm es ruhig mit - ich bekomme nächste Woche eine ganze Ladung da von. Es ist nichts Besonderes, aber du kannst es ja im Flug zeug einmal überfliegen. Viel Spaß«. 7
Im Flugzeug von Los Angeles nach Frankfurt las ich Dicks Buch. Meine Nachbarn haben sich sicher über jenen seltsa men Fluggast gewundert, der immerfort in seinem Buch las und offensichtlich Mühe hatte, dabei einigermaßen ernst zu bleiben. Dieses Buch, das nunmehr in der gelungenen Über setzung von Hans-Joachim Metzger vorliegt, sollte vom Le ser nicht mißverstanden werden. Nur wenig erfährt er von Richard Feynman als einem der bedeutendsten Physiker der Gegenwart und dem zur Zeit wohl einflußreichsten akade mischen Lehrer der physikalischen Wissenschaften. Statt dessen lernt der Leser amüsante und teilweise bizarre De tails aus Feynmans Leben kennen. In »Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!« wird keineswegs ein vollständiges Bild von Richard Feynman gezeichnet, sondern eher eine Karikatur, in der einige wenige Seiten aus dem Leben Feyn mans dargestellt werden. Ein Teil der Öffentlichkeit wird si cher enttäuscht sein von dem Buch, in dem man vergeblich nach tiefen philosophischen Gedanken sucht und statt des sen beispielsweise über die Tricks aufgeklärt wird, mit de nen man Frauen an der Bar dazu bringt, am Ende ja zu sagen. Aber der unvoreingenommene Leser wird seine Freude an der unkonventionellen Art der Darstellung haben. Feynman erzählt Geschichten in der Tradition von Mark Twain. Er be weist, daß auch ein sonst ernsthaft seinen Forschungen nachgehender Naturwissenschaftler gleichzeitig lachen und nachdenken kann. Und oft erzielt Feynman den größten Er folg, wenn er unverblümt sagt, was er denkt, etwa indem er den Vortrag seines Philosophieprofessors zusammenfaßt mit den Worten »wugga mugga mugga wugga wugga« (»grummel, brummel, brummel, grummel, grummel«). In meinem Leben habe ich niemanden kennengelernt, der in seiner Meinung unabhängiger von seiner Umwelt und von Autoritäten, gleich welcher Art, gewesen wäre als Richard Feynman. In den USA ist diese persönliche Unabhängigkeit weithin bekannt. Diese, und nicht der Nobelpreis, den Feyn man im Jahre 1965 erhielt, war wohl der Grund dafür, daß 8
Präsident Reagan ihn zum Mitglied der Untersuchungskom mission zur Aufklärung des Challenger-Unglücks im Jahre 1985 ernannte. Feynman war es auch, der seinen Finger so fort auf die wunde Stelle legte, die letztlich die Katastrophe in Florida ausgelöst hatte. Während der Sitzung der NASAKommission, vor den Augen von einigen zehn Millionen Fernsehzuschauern, führte Feynman, der Theoretiker, ein Experiment durch. Er legte einen von der NASA zur Verfü gung gestellten Gummidichtungsring in ein Glas eiskalten Wassers und zeigte anschließend, daß der kalte Dichtungs ring erheblich an Elastizität eingebüßt hatte. Damit wollte Feynman demonstrieren, daß die Explosion der Raumfähre seiner Meinung nach durch die bei kaltem Wetter unzuläng lich funktionierenden Dichtungsringe verursacht wurde ein Sachverhalt, der später durch eingehende Untersuchun gen bestätigt wurde. In seinem Gutachten für den amerikanischen Kongreß zeichnete Feynman kein rosiges Bild der NASA-Organisa tion. Seiner Meinung nach waren es letztlich die nicht mehr überschaubare Bürokratie und die mangelnde Effizienz der Organisation, die zu dem Unglück geführt haben. Feynman schreibt: »Die Challenger-Katastrophe war das letzte Glied einer Kette von Zwischenfällen, bei denen jedesmal Warn zeichen auftraten. Das Problem mit den Dichtungsringen wurde zehn Jahre lang diskutiert. Getan wurde aber nichts, denn niemand hatte detaillierte Informationen. Diese waren nur auf der niedrigsten Ebene vorhanden, bei den Ingenieu ren. Warum die Ingenieure auf der niedrigsten Ebene der Entscheidungsprozesse eingestuft wurden, weiß ich nicht, aber dies scheint ein allgemeines Gesetz zu sein: Jene, die et was über die wirkliche Welt wissen, bilden in diesen großen Organisationen die unterste Stufe, und jene, die nur wissen, wie man andere Leute beeinflussen kann, indem man ihnen sagt, wie schön die Welt im Idealfall sein könnte, sind an der Spitze.« Soweit Feynman zur Organisation der NASA. Mir gegenüber hat er oft ähnliche, manchmal drastischere Worte 9
gebraucht, um vergleichbar große Organisationen, ein schließlich der modernen Staatsgebilde, zu charakterisie ren. Feynman wurde am 11. Mai 1918 geboren. Obwohl er seit mehr als 30 Jahren in Kalifornien lebt, hat er seinen typi schen New Yorker Akzent beibehalten. Nach seinem Stu dium am Massachusetts Institute of Technology und an der Princeton University ging er 1941 als frisch promovierter Physiker nach Los Alamos, um am Manhattan-Projekt mitzu arbeiten. Nach dem Ende des Weltkrieges wurde Feynman Professor für Theoretische Physik an der Cornell University im Staat New York. Im Jahre 1950 wechselte er an die be rühmteste Technische Hochschule des Westens, an das »Ca lifornia Institute of Technology«. Seit 1959 hat er am Caltech den Richard-Chace-Tolman-Lehrstuhl für Theoretische Phy sik inne. Physikern braucht man Feynman nicht vorzustellen. Seine anschaulichen Vorlesungen sind in aller Welt be rühmt. Seine Bücher, die »Feynman Lectures«, sind nahezu in alle bedeutenden Kultursprachen übersetzt und jedem Student der Physik bekannt. Als kleiner Beleg dafür kann der denk würdige Besuch Feynmans 1978 an der neu gegründeten Uni versität Wuppertal dienen, übrigens sein erster Besuch Deutschlands überhaupt. Ich hatte als Mitglied der Physik fakultät die Einladung an Feynman ausgesprochen. Daß der Besuch schließlich zustande kam, ist auch der großzügigen Unterstützung durch den Kanzler der Universität, Dr. Klaus Peters, zu verdanken. Der Vortrag sollte im größten Hörsaal der Universität stattfinden. Wir hatten mit vielen Hörern vor allem auch aus den umliegenden Universitäten Nord rhein-Westfalens - gerechnet. Was wir jedoch nicht wissen konnten, war, daß viele Stunden vor dem Feynman-Vortrag ganze Wagenkolonnen mit Physikstudenten weit entfernt gelegene Universitätsstädte wie München, Heidelberg oder Hamburg verließen, weil die Studenten den legendären 10
Autor der »Feynman Lectures« einmal persönlich erleben wollten. So kam es, daß bereits lange vor Vortragsbeginn der Hörsaal überfüllt war und so viele der Wuppertaler Studen ten das Nachsehen hatten. Zu vielen Forschungsgebieten der modernen Physik, ins besondere zur Kernphysik, Teilchenphysik und Festkör perphysik, hat Feynman wichtige Beiträge geleistet. Den No belpreis erhielt er zusammen mit seinem Landsmann Julian Schwinger und dem Japaner Tomonaga für seine Untersu chungen auf dem Gebiet der fundamentalen Wechselwir kung zwischen elektrisch geladenen Teilchen, der Quanten elektrodynamik. Feynmans Stärke ist seine außergewöhnli che Fähigkeit, sehr komplexe Sachverhalte auf einige we nige fundamentale Einsichten zu reduzieren. Das versetzte ihn in die Lage, die Anfang der fünfziger Jahre herrschende Konfusion über die Rolle der Quantenphänomene bei der elektromagnetischen Wechselwirkung auf eine geniale Art zu klären, insbesondere durch die Einführung anschaulicher Bilder der Wechselwirkungen. Diese nach ihm benannten Feynman-Diagramme sind aus der heutigen Physik nicht mehr wegzudenken. Feynman selbst ist recht stolz auf seine Erfindung, die eine Art symbolische Zeichensprache der Physiker geworden ist. Auf seinem Caravan sind zwei seiner Diagramme groß abgebildet. Er erzählt gern, was sich einmal an einer Tankstelle in Arizona zugetragen hat. Feyn man fuhr an der Tankstelle vor. Der Tankwart begrüßte ihn mit den Worten »Was, zum Teufel, machen Sie denn mit den Feynman-Diagrammen?«, worauf Feynman antwortete: »Nichts, aber ich bin Feynman.« Darauf weigerte sich der Tankwart, ihm das Benzin in Rechnung zu stellen. Feynmans wichtigste Beiträge zur physikalischen For schung in den vergangenen 25 Jahren liegen zweifellos auf dem Gebiet der Elementarteilchenphysik. Insbesondere be treffen sie die Klärung wichtiger Fragen der schwachen Wechselwirkungen zwischen den Elementarteilchen und die Physik der Quarks. Feynman ist ein eindrucksvolles Ge 11
genspiel zu der oft gehörten These, theoretische Physiker seien jenseits der 40 nicht mehr produktiv. Selbst in einem Alter von mehr als 60 Jahren hat Feynman noch wichtige Ar beiten zur Physik der Quarks publiziert. Bei aller Popularität, die Feynman genießt, erwartete nie mand den Erfolg des jetzt vorliegenden Buches von Feyn man und Leighton, am wenigsten Feynman selbst. Binnen kurzer Zeit erschien es auf allen Bestsellerlisten der USA. Zu fällig traf ich Feynman in Pasadena, als das Buch auf Platz sieben der Bestsellerliste der Washington Post erschien. »Rate mal, welches Buch ich geschlagen habe?« fragte er mich. »Den >Arthur Young Tax GuideYour Income TaxEin Mann soll acht Klafter Holz schla gen .. .Oh, tut mir leid. Habe ich vergessen. Wir sind ja alle mal vergeßlich.Diese verdammten Dinger!A te! A te!< - das heißt: »Selber! Selber!«« Ich fand, das war eine prima Idee. Ich brüllte »A te! A te!« zurück - und gestikulierte natürlich. Als ich dann mehr Selbstvertrauen gewann, entwickelte ich meine Fähigkeiten weiter. Wenn ich zum Beispiel auf meinem Fahrrad fuhr, und eine Dame im Auto kam mir in die Quere, sagte ich: »PUzzia a la maLOche!«- und sie schreckte zurück! Irgend so ein fürchterlicher italienischer Junge hatte sie furchtbar beschimpft! 54
Es war nicht so leicht zu erkennen, daß das Italienisch nur vorgetäuscht war. Als ich in Princeton war, fuhr ich einmal mit dem Fahrrad auf den Parkplatz am Palmer La boratory, als mir jemand in den Weg kam. Ich hatte immer noch diese Angewohnheit: Ich gestikuliere zu dem Typ hin, »oREzze caBONca MIche!«, und schlage mit dem Rücken der einen Hand gegen die andere. Und hinten, auf der anderen Seite einer langen Rasen fläche ist ein italienischer Gärtner, der gerade etwas ein pflanzt. Er hält inne, winkt und ruft fröhlich: »REzza ma LIa!« Ich rufe zurück: »RONte BALta!« und erwidere den Gruß. Er wußte nicht, daß ich nicht wußte, und ich wußte nicht, was er sagte, und er wußte nicht, was ich sagte. Aber es war o. k.! Es war toll! Es funktioniert! Denn wenn man den Ton fall hört, erkennt man sofort, daß es Italienisch ist - viel leicht ist es das Italienisch, das in Mailand und nicht das, das in Rom gesprochen wird, aber was macht das schon. Hauptsache, er ist ein ItaliENer! Deshalb ist es einfach toll. Aber man muß absolut sicher sein. Man muß einfach drauf losreden, und nichts kann schiefgehen. Einmal kam ich in den Ferien vom College nach Hause, und meine Schwester war irgendwie unglücklich und weinte fast: ihre Pfadfinderinnen veranstalteten ein Fest essen für Väter und Töchter, aber unser Vater fuhr durch die Gegend und verkaufte Uniformen. Also sagte ich, als ihr Bruder würde ich mit ihr hingehen (ich bin neun Jahre älter, so verrückt war das also nicht). Als wir hinkamen, saß ich eine Zeitlang bei den Vätern, aber bald hatte ich genug von ihnen. Alle diese Väter be gleiten ihre Töchter zu diesem netten kleinen Festessen, und das einzige, worüber sie sprachen, war die Börse - sie wissen nicht, wie sie mit ihren eigenen Kindern sprechen sollen, ganz zu schweigen von den Freundinnen ihrer Kinder. Während des Festessens unterhielten uns die Mädchen, 55
indem sie kleine Sketche aufführten, Gedichte aufsagten und so weiter. Dann holen sie auf einmal dieses komisch aussehende Ding hervor, wie eine Schürze, mit einem Loch obendrin, durch das man den Kopf stecken kann. Die Mäd chen kündigen an, daß jetzt die Väter an der Reihe sind, sie zu unterhalten. Jeder Vater muß aufstehen, seinen Kopf da durchstecken und irgend etwas sagen - einer trägt »Mary Had a Little Lamb« vor -, und sie wissen nicht, was sie machen sollen. Ich wußte auch nicht, was ich tun sollte, aber als ich dran war, erzählte ich ihnen, daß ich ein kleines Gedicht auf sagen würde, und es tue mir leid, daß es nicht in Englisch sei, aber ich sei sicher, es werde ihnen trotzdem gefallen: A TUZZO LANTO - Poici di Pare TANto SAca TULna TI, na PUta TUchi PUti TI la.
RUNto CAta CHANto MANto CHI la TI da.
YALta CAra SULda MI la CHAta PIcha PIno TIto BRALda
pe te CHIna nana CHUnda lala CHINda lala CHUNda!
RONtopiti CA le, a TANto CHINto quinta LALda
O la TINta dalla LALta, YENta PUcha lalla TALta!
Ich mache das drei oder vier Strophen lang und spiele sämtliche Gefühle durch, die ich im italienischen Rundfunk gehört habe, und die Kinder sind aufgedreht, toben in den Gängen herum und lachen vor Begeisterung. Nach dem Festessen kamen die Gruppenführerin und eine Lehrerin zu mir und erzählten, sie hätten über mein Gedicht gesprochen. Die eine meint, es sei Italienisch, und die andere, es sei Latein. Die Lehrerin fragt: »Wer von uns beiden hat recht?« Ich sagte: »Da müssen Sie schon die Mädchen fragen die haben gleich verstanden, was für eine Sprache das war.« 56
Ungeschoren davonkommen
Als ich am MIT studierte, interessierte ich mich nur für Na turwissenschaft; für andere Dinge war ich nicht zu haben. Aber am MIT gab es eine Vorschrift: Man mußte ein paar Kurse in den Geisteswissenschaften belegen, um mehr »Kultur« zu bekommen. Neben den Pflichtveranstaltungen in Englisch konnte man zwei Seminare frei wählen, also sah ich das Vorlesungsverzeichnis durch und fand auf Anhieb Astronomie - als Kurs in den Geisteswissenschaften! In dem Jahr kam ich also mit Astronomie davon. Im nächsten Jahr sah ich dann das Vorlesungsverzeichnis weiter durch, über ging Französische Literatur und ähnliche Kurse und fand Philosophie. Das war im Hinblick auf die Wissenschaft das Nächstliegende, was ich finden konnte. Bevor ich erzähle, was in Philosophie passie rte, möchte ich von dem Englisch-Kurs erzählen. Wir mußten eine Reihe von Aufsätzen schreiben. Zum Beispiel, Mill hatte ir gend etwas über die Freiheit geschrieben, und wir mußten das beurteilen. Aber statt mich, wie Mill, mit politischer Freiheit zu befassen, schrieb ich über Freiheit bei gesell schaftlichen Anlässen - über das Problem, daß man schwin deln und lügen muß, um höflich zu sein, und ob diese dau ernde Schwindelei in gesellschaftlichen Situationen zur »Zerstörung des moralischen Geistes der Gesellschaft« führt. Eine interessante Frage, aber nicht die, mit der wir uns auseinandersetzen sollten. Ein anderer Essay, den wir beurteilen mußten, war »Über ein Stück Kreide« von Huxley, worin er beschreibt, daß ein gewöhnliches Stück Kreide, das er in der Hand hält, das Überbleibsel von Tierknochen ist; und die Kräfte in der Erde haben es an die Oberfläche gehoben, so daß es zu einem Teil der White Cliffs wurde, und dann wurde es her 57
ausgebrochen, und jetzt wird es benutzt, um etwas an die Tafel zu schreiben und so Ideen zu vermitteln. Aber statt den Essay zu beurteilen, den man uns aufgege ben hatte, schrieb ich diesmal eine Parodie mit dem Titel »Über ein Staubkorn«, in der es darum ging, wie der Staub den Sonnenuntergang farbig macht und den Regen fallen läßt und so weiter. Ich habe immer geschwindelt und im mer versucht, ungeschoren davonzukommen. Aber als wir einen Aufsatz über Goethes Faust schreiben mußten, war es hoffnungslos. Das Werk war zu lang, um eine Parodie darauf zu machen oder etwas anderes zu erfin den. Ich lief im Verbindungshaus auf und ab und sagte: »Ich kann es nicht. Ich werde es eben nicht machen. Ich mache es nicht!« Einer meiner Kameraden aus der Verbindung sagte: »O. k., Feynman, du machst es nicht. Aber der Professor wird denken, du hast es nicht gemacht, weil du die Arbeit nicht tun willst. Über irgend etwas solltest du einen Aufsatz schreiben - in gleicher Länge -, und ihn abgeben mit einer Anmerkung, daß du den Faust einfach nicht verstehen konntest, du hättest dafür keinen Sinn, und daß es unmög lich für dich sei, einen Aufsatz darüber zu schreiben.« Das tat ich dann auch. Ich schrieb einen langen Aufsatz »Über die Grenzen der Vernunft«. Ich hatte über wissenschaftliche Techniken zur Lösung von Problemen nachgedacht, und wie es da bestimmte Grenzen gebe: über moralische Werte kann nicht durch wissenschaftliche Methoden entschieden werden, quassel, quassel, quassel und so weiter. Dann gab mir ein anderer Kamerad aus der Verbindung noch einen Rat. »Feynman«, sagte er, »das wird nicht gehen, daß du einen Aufsatz abgibst, der überhaupt nichts mit Faust zu tun hat. Du solltest das, was du geschrieben hast, auf den Faust beziehen.« »Ist ja lachhaft!« sagte ich. Aber die anderen aus der Verbindung fanden, es sei eine gute Idee. 58
»Schon gut, schon gut!« sagte ich protestierend. »Ich werd's versuchen.« So fügte ich noch eine halbe Seite zu dem hinzu, was ich schon geschrieben hatte, und sagte, daß Mephistopheles für die Vernunft stehe und Faust für den Geist und daß Goethe versuche, die Grenzen der Vernunft zu zeigen. Ich rührte es zusammen, quirlte alles durch und gab meinen Aufsatz ab. Der Professor ließ jeden von uns einzeln zu sich kom men, um unsere Aufsätze zu besprechen. Ich ging zu ihm hinein und war auf das Schlimmste gefaßt. Er sagte: »Die Einleitung ist vorzüglich, aber die Interpre tation des Faust ist ein bißchen zu kurz. Ansonsten ist es recht gut: 2 + .« Ich war wieder einmal davongekommen! Nun zu dem Philosophie-Seminar. Der Kurs wurde von einem alten bärtigen Professor namens Robinson abgehal ten, der immer nur murmelte. Ich ging in das Seminar, und er murmelte vor sich hin, und ich konnte nicht das gering ste verstehen. Die anderen Leute im Seminar schienen ihn besser zu verstehen, aber sie schienen überhaupt nicht auf zupassen. Ich besaß zufällig einen kleinen Bohrer, ungefähr ein sechzehntel Inch im Durchmesser, und um mir die Zeit in dem Seminar zu vertreiben, drehte ich ihn zwischen den Fingern und bohrte mir Löcher in die Schuhsohle, Woche für Woche. Eines Tages schließlich, gegen Ende des Seminars, sagte Professor Robinson: »grummel brummel brummel grum mel grummel...«, und alle waren aufgeregt! Sie redeten und diskutierten alle miteinander, so daß ich mir einbil dete, er habe etwas Interessantes gesagt, Gott sei Dank! Ich wollte gern wissen, was? Ich fragte irgendwen, und sie sagten: »Wir müssen einen Aufsatz schreiben und ihn in vier Wochen abgeben.« »Einen Aufsatz über was?« »Über das, worüber er das ganze Jahr geredet hat.« Ich saß in der Klemme. Das einzige, was ich während des 59
ganzen Semesters gehört hatte und an das ich mich erin nern konnte, war ein Moment, in dem dies hervorquoll: »Brummelgrummelbewußtseinsstrombrummelgrummel«, und wumms! - sank es ins Chaos zurück. Dieser »Bewußtseinsstrom« erinnerte mich an eine Frage, die mir mein Vater viele Jahre vorher gestellt hatte. Er sagte: »Stell dir vor, ein paar Marsmenschen würden auf der Erde landen, und die Marsmenschen würden nie schla fen, sondern wären dauernd auf den Beinen. Stell dir vor, sie hätten nicht wie wir dieses verrückte Phänomen, das Schlaf heißt. Nun fragen sie dich: >Was ist das für ein Gefühl, wenn man einschläft? Was geschieht, wenn du einschläfst? Hören deine Gedanken plötzlich auf, oder werden sie im mer immer llaannggsaameer uunnd lllaaannngggsaaaa meeeeeeeeeer? Wie schaltet sich das Bewußtsein eigentlich aus?Hi-hi-hi-hi-hi