Western-Bestseller Neuauflage der großen Romane des berühmten Autors
G. F. UNGER � Sergeant Yates Obwohl Clay Donovan ...
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Western-Bestseller Neuauflage der großen Romane des berühmten Autors
G. F. UNGER � Sergeant Yates Obwohl Clay Donovan bis ins Mark erschöpft schläft, erwacht er sofort beim ersten � Geräusch. � Er befindet sich mitten im Apachenland an einem kleinen Creek. Es muss etwa drei � Stunden nach Mitternacht sein, wie der klare Arizonahimmel einem Kundigen zeigt. � Clay Donovan hatte auch im Schlaf den Revolver in der Hand. Jetzt zieht er unter � der Pferdedecke, mit der er sich zudeckte, den Hahn der Waffe zurück. Es knackt � nur leise. � Sein zähes Pferd steht nicht weit entfernt zwischen den Büschen und schnaubt leise. � Clay schnalzt kaum vernehmbar, doch er weiß, dass der narbige Wallach dieses � Schnalzen gehört hat und sich nun vollkommen still verhalten wird. � Gutes Pferd, denkt Clay Donovan, gutes altes Kriegspferd. Doch zum Teufel mit � dem Krieg! � Und nun kann er sich diese seltsamen Geräusche erklären. � Da kommt ein Mensch angestolpert, ein Mann, der sich mit letzter Kraft vorwärts � schleppt, der laut keucht und manchmal schmerzvoll hustet. Es muss ein kranker � Mann sein – vielleicht ein verwundeter Mann. � Ein Weißer? � Clay Donovan rollt sich mit dem Colt in der Hand aus der Pferdedecke in den � Busch hinein und kommt dort drinnen auf die Knie. Indes stolpert keine zehn � Schritte entfernt zu seiner Rechten ein stöhnender Mann vorbei und das Ufer zum � Creek hinunter. Man hört ihn fallen, noch ein Stück kriechen und gierig trinken. � Dann wird es still… � Clay Donovan bewegt sich nicht. Er wartet, lauscht und atmet ganz leise und flach. Ein weniger erfahrener Mann wäre jetzt schon bei dem Unglücklichen dort unten am Wasser des Creeks. Doch Clay Donovans Instinkt lässt dies nicht zu. Er ist ein Mann mit einem feinen Gefühl für vorhandene Gefahr. Es dauert nur wenige Minuten. Dann erblickt Clay Donovan einen der Verfolger – eigentlich nur einen gleitenden Schatten, der genau der Fährte folgt. Er hört ihn nun auch den Schrei des Nachtfalken ausstoßen, doch sehr gedämpft und in einer Art, die entfernter klingt. Nun ist es völlig klar: Apachen sind hinter dem unglücklichen Flüchtling her, den Clay Donovan nur hörte und noch nicht sah. Er wartet immer noch. Denn er kann sich ausrechnen, dass außer dem Verfolger auf
der Fährte noch einige andere etwas zurück zu beiden Seiten folgen. Das ist Apachenart. Einer dieser Burschen könnte schon bald über Clay Donovans Camp stolpern, über die Pferdedecke und den Sattel zum Beispiel. Oder er könnte das Pferd wittern oder gar zwischen den Büschen erkennen. Diese Arizonanacht ist hell wie alle diese Nächte, obwohl die Sterne fast schon verblassen und der Mond irgendwo verborgen ist hinter den Mesas. Dann sieht Clay einen zweiten Apachen. Doch der Bursche entdeckt Donovans Lager nicht im Schatten des Busches. Er bemerkt auch nichts von dem Pferd. Clay Donovan wagt es. Er macht sich auf den Weg, und er weiß, dass es jetzt schon fast zu spät sein könnte. Als er die letzten Büsche über dem Uferrand erreicht und hinunter zum Wasser späht, da sieht er sie. Es sind drei Apachen, und jener, den er an sich vorbeiließ, ist noch nicht bei den zwei anderen angelangt. Doch jetzt vereinen sie sich zu einer Dreiergruppe. Sie blicken auf den Mann nieder, der auf dem Bauch liegt, dort, wo er sich am Ufer hinlegte, um zu trinken. Reglos liegt er dort. Sollte er tot sein – oder nur bewusstlos? Oder hat ihm der erste Apache gleich den Todesstoß versetzt? Clay Donovan schätzt die Entfernung. Es sind weniger als dreißig Schritte. Die drei Apachen haben bei dem von ihnen gehetzten Unglücklichen keine Deckung. Und selbst der Bach dort ist nur knietief. Man könnte nicht untertauchen in ihm. Clay Donovan wartet, bis einer der Apachen das lange, blanke Messer im Sternenlicht blitzen lässt und sich niederbeugt, um dem Unglücklichen die Klinge zu geben. Dann schießt Clay Donovan. Es bleibt ihm keine andere Wahl. Er will den Weißen retten und selbst am Leben bleiben. Er schießt auf eine Art, wie es nur ein erfahrener Revolverkämpfer vermag. Seine Kugel trifft den Apachen, der das Messer niederstoßen will, und tötet ihn auf der Stelle. Er schießt sofort weiter, doch jetzt ist es unwahrscheinlich schwer, einen Treffer anzubringen. Die beiden anderen Apachen befinden sich vom Krachen des ersten Schusses an in rasender Bewegung und greifen an. Mit seinem dritten Schuss verwundet Clay Donovan einen der beiden Angreifer. Er verwundet ihn sogar ziemlich schlimm, dennoch stoppt der Apache nur unmerklich ab. Dieses unmerkliche Abstoppen genügt dem Revolvermann Clay Donovan, um ihn mit dem vierten Schuss, den er abgibt, endgültig zu erwischen. Der stürzende Apache schleudert jedoch noch mit letzter Kraft sein schweres Messer. Es saust haarscharf an Clay Donovans Kopf vorbei. Er hat jetzt nur noch zwei Kugeln. Und der dritte Apache ist schon fast den Uferhang heraufgekommen, hat ihn gleich erreicht. Auch er hat das Messer in der Hand, schleudert jedoch die Keule, den so genannten »Schädelbrecher«. Dieses Wurfgeschoss trifft leicht Donovans Schulterspitze, stößt ihn etwas herum. Doch er tötet auch diesen Apachen mit seinem fünften Schuss. Der Krieger schwingt sich noch auf den Uferrand und will ihn anspringen, aber die Kräfte versagen ihm. Einen Schritt vor Donovan fällt er zu Boden. Und dann ist es still. Clay Donovan verharrt und lauscht. Er wittert nach allen Seiten.
Die fünf Schüsse waren viele Meilen in der Runde zu hören. Es lauschen nun viele Lebewesen so wie Donovan. Und vielleicht sind noch weitere Apachen in der Nähe. Doch darauf kann Clay Donovan seine Aufmerksamkeit für eine Weile nicht so sehr richten. Er muss sich endlich um den Mann dort unten kümmern. Dieser muss noch am Leben sein, denn sonst hätte ihn der erste Apache nicht töten wollen. Der Mann ist ein Soldat, ein Master Sergeant, wie die gelben Ärmelstreifen zeigen. Als Clay Donovan ihn auf den Rücken dreht und untersucht, da entdeckt er auch schon die Wunde. Es ist ein abgebrochener Pfeil über der Gürtelschnalle. Die Spitze sitzt tief im Körper. Nur ein Chirurg könnte helfen. Er hört den Sergeant stöhnen, und plötzlich öffnet der Mann die Augen und starrt ihn an. Donovan fragt drängend: »Waren es drei Apachen, Sergeant? Waren es drei oder noch mehr? Sag mir, Drei-Winkel-Soldat, wie viele auf deiner Fährte waren! Sag es mir, schnell!« »Drei«, stöhnt der Sergeant und bringt es fertig, seine Hände über die Wunde und den Pfeilstumpf zu legen. »Drei sind es. Sie verfolgen mich schon zwei Tage. Vor einer Stunde stellte ich mich zum Kampf, verlor mein Pferd und bekam diesen Pfeil. Ich…« »Schon gut, Soldat, schon gut! Langsam erzählen! Ich werde dir eine Zigarette drehen. Du kannst dich ausruhen. Und keine Sorge mehr wegen der drei Roten. Die habe ich ausschalten können. Die machen nicht mehr mit.« Der sterbende Sergeant schnauft erleichtert. Doch dann murmelt er: »Was nützt es mir, Kamerad? Die haben mich richtig erwischt. Bis nach Fort Final halte ich nicht mehr durch. Und selbst dort haben sie keinen Arzt. Das weiß ich genau, denn ich gehörte zu der Abteilung, die als Verstärkung und mit einem Arzt nach Fort Final unterwegs war. Sie sind alle tot – alle. Ich bin der letzte Mann des Kommandos. Sie haben uns alle erwischt. Kamerad, es wäre gut, wenn du nach Fort Final Nachricht geben könntest, dass wir nicht kommen. Ich habe in meiner Meldetasche unser Patrouillenbuch. Darin ist alles eingetragen bis zur letzten Minute – ja, die Armee ist immer genau. Die letzten Eintragungen wurden von mir vorgenommen. Mein Name ist Yates, Clay Yates. Und du brauchst außer der Armee niemanden von meinem Tod Nachricht zu geben. Ich habe keine Angehörigen. Alles, was ich hatte, war die Armee. Zum Teufel, warum hat man mich in dieses Land kommandiert? Ich…« Weiter kommt er nicht. Er kann nur noch einen schwachen Zug aus der Zigarette machen, die Clay Donovan ihm zwischen die Lippen schiebt. Dann ist er tot. Clay Donovan drückt ihm die Augen zu. Dann blickt er gen Himmel und verharrt eine Weile so. Als er wieder auf den Toten blickt, denkt er: Nach Fort Final will ich auch. Denn dort gibt es einen Schuft, mit dem ich abzurechnen habe. Dieser Sergeant hier, der tot ist, hat den gleichen Vornamen wie ich. Clay Yates, Master Sergeant Clay Yates war das. Und ich bin Clay Donovan, der einen Lieutenant der Unionsarmee stellen will. Vielleicht kann ich das besser, wenn ich mich als Sergeant nach Fort Final begebe. Denn dieser Sergeant Yates und ich, wir sind von gleicher Statur. Auch ist er wie ich etwa einsachtzig groß und hundertsechzig Pfund schwer. Auch er ist dunkelhaarig und hat eine Narbe an der linken
Wange. Soll ich es auf diese Art machen? Soll ich…? *** Fort Final ist eines der kleinen Forts, die weit verstreut im Land liegen, viele endlose Tagesritte vom nächsten Fort entfernt. Die Stützpunkte sollten die Transporte der Gold-, Silber- und Kupferminen beschützen. Jetzt ist alles anders geworden, jetzt, im Jahre 1863, da die Unionstruppen fast völlig abgezogen sind, um auf den Kriegsschauplätzen des Bürgerkrieges gegen die Rebellenarmee der Südstaaten zu kämpfen. Auch in Fort Final ist alles anders, besser gesagt: trostlos. Über einem Quadrat von Adobemauern und schiefen Dächern hängt die Flagge schlaff in der Mittagshitze. An den vier Ecken und über dem Haupttor stehen Posten, spähen schwitzend und durstig aus zusammengekniffenen Augen in die Runde. Es gibt nichts zu sehen – gar nichts. Aber die Apachen sind da. Sie sind immer da, irgendwo. Sie lauern dort wie die Katzen vor dem Mauseloch. Und eines Tages werden sie gewiss auch über die Mauern kommen. In Fort Final leben zurzeit noch einhundertachtundzwanzig Menschen: siebenundvierzig Soldaten, neunundzwanzig männliche Zivilisten, fünfunddreißig Frauen oder größere Mädchen und siebzehn Kinder beiderlei Geschlechts. Das jüngste Kind wurde heute geboren. Das älteste ist ein Junge von dreizehn Jahren. Sein fünfzehnjähriger Bruder gilt schon als Mann und steht Posten wie die anderen Männer, mögen es Soldaten oder Zivilisten sein. Es ist um die Mittagszeit, als First Lieutenant Arch Rannahan die Runde macht. Sein Gang ist leicht schwankend, und er selbst wirkt sehr ungepflegt, stoppelbärtig und verkatert. Doch ist er sehr groß, wunderbar proportioniert und galt vor dem Kriege daheim als einer der bestaussehenden jungen Lieutenants der Armee. Doch das ist schon einige Jahre her. Nun befindet er sich in diesem kleinen Fort inmitten des Apachenlandes. Während sich seine Jahrgangskameraden auf den Kriegsschauplätzen Ruhm und Beförderungen erwerben, ist er hier noch Oberleutnant und hat die besten Aussichten, bald ein toter Oberleutnant zu sein. Denn dort draußen irgendwo lauert San Carlos mit seinen Chiricahuas. Schon seit Wochen lauert er dort draußen und vernichtete zwei Patrouillen und eine stärkere Abteilung, die hinausgeritten war, um ihn zu stellen und zu vernichten. Dies alles sind schon erbärmliche Aussichten für einen First Lieutenant, der wegen ständiger Frauengeschichten in Ungnade gefallen war und deshalb in die Apachenwüste verbannt wurde – genauso wie sein Vorgesetzter und fast alle Soldaten, von denen fast jeder irgendwelche Dinge auf dem Kerbholz hat. Die Disziplin im Fort ist offenbar sehr schlecht, denn keiner der Posten macht dem Lieutenant eine vernünftige Meldung. Sie nehmen nicht einmal Haltung an, sondern murmeln mehr oder weniger missmutig, dass draußen nichts zu sehen wäre. Und sie alle schnüffeln mehr oder weniger anzüglich und deutlich hörbar den Whiskyduft, der von Lieutenant Arch Rannahan ausgeht. Einer der Männer fragt sogar: »Sir, rieche ich
richtigen Whisky? Wenn das so ist, dann gibt es wohl heute eine Schnapszuteilung, ja? Das ist ein vernünftiger Gedanke vom Kommandanten, wo doch ohnehin bald alles zum Teufel…« Lieutenant Rannahan unterbricht ihn mit den harten Worten: »Halten Sie Ihren Mund, Soldat! Hier geht nichts zum Teufel! Wir erwarten Verstärkung, das weiß jedes Kind im Fort. Und was mein Whiskyduft bedeutet, so geht Sie dies nichts an!« Er schwankt weiter und den Niedergang zum Hof hinunter. Unten verhält er einen Moment, zieht eine flache Flasche aus der Tasche und trinkt einen langen Schluck. Dann schwankt er über den Exerzierplatz zur Kommandantur. Captain Britt Jennison, der Kommandant des Forts, blickt ihm bitter und grimmig entgegen. Der Captain sitzt auf der Veranda in einem Holzsessel und hat sein zerschossenes Bein auf einem Feldstuhl liegen. Das Hosenbein ist aufgeschlitzt. Darunter leuchtet der Verband. Die Augen des kleinen und untersetzten Captains leuchten fiebrig. Seine Wangen sind eingefallen. Jene Pfeilwunde macht ihm schwer zu schaffen, denn es wurde eine Blutvergiftung daraus. Ein Wunder, dass er nun langsam wieder gesundet und das Bein wahrscheinlich behalten wird. Doch er ist saft- und kraftlos geworden. Seine sonst so starke Energie hat er offenbar verbraucht. Als der Lieutenant auf die Veranda tritt und sich schnaufend in einen Sessel fallen lässt, sagt der Captain bitter: »Ach, Sie sind schon wieder betrunken. Kein Wunder, dass die Disziplin immer mehr nachlässt und auch die Soldaten sich gehen lassen. Lieutenant, ich werde Sie einsperren lassen, sobald ich wieder fähig bin, meinen Dienst zu versehen. Sie sind der schlechteste und unzuverlässigste Offizier, der mir während meiner Laufbahn begegnet ist. Arch, warum reißen Sie sich nicht zusammen und erweisen sich als ganzer Kerl, auf den ich mich verlassen kann und zu dem die Soldaten mit Achtung und Vertrauen aufblicken? Reißen Sie sich doch zusammen, Arch!« Seine letzten Worte wurden warm und kameradschaftlich. Doch Arch Rannahan grinst nur schief unter seinem gelben Schnurrbart und holt wieder seine flache Flasche aus der Tasche. Er trinkt jetzt vor seinem Vorgesetzten, und es gibt nicht wenige Augen in der Runde, die das genau sehen können. »Sie sind ja selbst ein Versager, Britt Jennison«, sagt Rannahan dann zum Captain. »Wir alle hier sind mehr oder weniger Versager. Sie aber haben eine ganze Kompanie in eine Falle geführt und konnten als einziger Mann lebend entkommen. Und vorher haben Sie zwei Patrouillen in den Tod geschickt. Von Ihnen lasse ich mir nicht sagen, dass ich ein unzuverlässiger Offizier bin. Sie sind eine traurige Niete, Captain, und wenn Sie wollen, dann versuchen Sie mal, mich einzusperren. Zu was wäre das auch gut? Wir sind alle ziemlich am Ende, nicht wahr? Die Verstärkungen sind längst überfällig. Ich gehe jede Wette ein, dass auch sie unterwegs vernichtet wurden. Unsere Vorräte sind fast alle. Es fehlt uns auch an Munition. Die Apachen wissen das genau. Bald werden sie über die Mauern kommen und uns alle auslöschen. Warum soll ich mich da nicht vorher noch etwas betrinken? Was ist falsch daran? Dieser San Carlos hat es nicht zuletzt auf mich abgesehen. Ich weiß das! Ich weiß das genau! Vorgestern ritt er draußen rings um das Fort, und er hatte seine Frau bei sich, die eine Weiße ist und die ich kenne oder vielmehr einmal gekannt habe. Die Frau eines roten Menschenschlächters, eines Wilden, wurde sie. Oh, ich versuchte mehrmals, ihn mit einem weit schießenden Gewehr zu treffen. Doch er wagte sich nicht nahe genug heran. Aber ich weiß, dass er kommen wird, um mir
das Herz aus der Brust zu reißen. Wir alle müssen sterben. Ich…« Seine Worte wurden immer heiserer und trunkener. Der Captain achtet jedoch nicht sehr auf dieses Geschwätz. Er wischt sich mit zitternden Händen über das Gesicht, und er denkt einmal mehr daran, wie er sechzig Soldaten in eine Falle führte, wie sie alle starben und er allein – wenn auch verwundet – entkommen konnte. Ja, er hält sich wahrhaftig für einen Versager. Wir alle sind hier mehr oder weniger Versager, so denkt auch er. Und wir sind wahrscheinlich wirklich dazu bestimmt, von den Apachen getötet zu werden. Warum sollte es uns anders ergehen als all den Siedlungen und kleineren Städten und den anderen Forts weiter im Süden? Er kommt mit seinen bitteren und sich selbst anklagenden Gedanken nicht weiter. Auch der stark angetrunkene Lieutenant Rannahan wird aus seinen konfusen Selbstgesprächen gerissen. Denn der Posten über dem Haupttor brüllt plötzlich los: »Hoiii! Ein Reiter! Da kommt ein Reiter! Ein Soldat ist das! Und die Apachen jagen ihn! Sie sind hinter ihm her! Er muss ungesehen durch den Ring gekommen sein. Doch nun verfolgen sie ihn. Das gibt ein Rennen, ein scharfes Rennen! Da kommt ein Soldat!« Die Rufe des Postens alarmieren das ganze Fort. Sogar der angetrunkene Lieutenant begreift, dass jemand von der Außenwelt zu ihnen durchgebrochen ist. Er springt auf und rennt zum Tor hinüber. Seine Trunkenheit wird wohl nun von der starken Erregung niedergekämpft, doch als er den Aufgang hinter der Mauer erklommen hat, schwitzt er stark und strömt einen noch stärkeren Schnapsgeruch aus. Aber dann vergisst er alles. Er späht nach Nordwesten. Dort kommt ein Soldat geritten. Er ist schon nahe genug, dass man in der klaren Arizonaluft die drei Winkel und Bögen eines Master Sergeant erkennen kann. Dieser Sergeant reitet kein Kavalleriepferd, sondern einen grauen Mustang, der jedoch am Ende seiner Kräfte ist. Dies erkennt man daran, dass ihn die geringste Unebenheit des Bodens zur Seite schwanken lässt. Etwa ein Dutzend Apachen sind ihm dicht auf den Fersen und holen immer noch auf ihren frischeren Pferden auf. Es sieht so aus, als würden sie ihn einholen können, bevor er in die Schussweite des Forts gelangt und ihm die Gewehre von dort die Apachen vom Halse halten werden. Doch da sehen die Leute auf der Mauer plötzlich eine erstaunliche Sache. Dieser Master Sergeant, der wie ein Cowboy reitet, gar nicht wie ein Kavallerist, wendet sich im Sattel um, lässt sein Pferd einfach laufen und beginnt mit dem Revolver zu schießen. Die Zuschauer auf der Mauer sind fast alle sachverständig. Doch sie sehen nun, dass der Flüchtling wahrhaftig trifft. Zwei, drei, vier Verfolger stürzen mit ihren Pferden. Die anderen schießen ihre Waffen ab. Doch auf wunderbare Weise bleiben Flüchtling und Pferd unverletzt. Sie kommen nun in Reichweite der Fort-Gewehre. Einige Zivilisten, die weit reichende Büffelgewehre besitzen, beginnen zu schießen. Die Apachen drehen ab. Sie reiten zu ihren Gefallenen zurück. Der Sergeant aber lässt seinen grauen Mustang nun langsamer laufen, immer langsamer, bis er das Tier im Schritt reitet. Und langsam reitet er durch das sich vor ihm
öffnende Tor. Er sieht den Lieutenant, der den Niedergang heruntergekommen war, und hält sein Pferd an. Er starrt den Lieutenant mit flintsteinharten rauchgrauen Augen an, die sonst gewiss im Weißen nicht so gerötet sind wie jetzt. Und er fragt heiser, doch unverkennbar barsch: »Sind Sie Lieutenant Archibald Rannahan, Sir?« »Der bin ich, und ich warte auf Ihre Meldung, Sergeant!« Lieutenant Rannahan schnarrt es arrogant und steht aufgerichtet und herausfordernd da. Es ging eine seltsame Veränderung in ihm vor – eine Veränderung, die man zum Beispiel bei einem Kater erkennen kann, wenn er einen Hund wittert, von dem er weiß, dass er ihm an die Kehle fahren will. Ja, Lieutenant Rannahan wirkt wachsam, angespannt, lauernd. Von seiner Trunkenheit ist nichts mehr zu erkennen. Der Sergeant aber legt langsam die Hand an den Feldhut, dessen Krempe sehr verbogen ist. »Sergeant Yates meldet sich zur Stelle, Sir! Ich habe das Patrouillenbuch der Abteilung mitgebracht, zu der ich gehörte. Ich bin der einzige Überlebende, denn ich machte auf Befehl einen Durchbruch, um Fort Final zu melden, dass mit Verstärkungen und Proviant sowie auch Munition nicht gerechnet werden kann. Geronimo selbst hatte uns zweieinhalb Tagesritte von hier in der Falle. Es steht alles im Patrouillenbuch des Captains. Sind Sie der Fortkommandant, Lieutenant?« »Nein, Sergeant!« »Warum lassen Sie mich dann hier am Palisadentor eine Meldung machen, die allein dem Kommandanten zusteht?« Als der fremde Sergeant dies schroff sagt, beachtet er den Lieutenant nicht länger, sondern reitet weiter über den Hof vor die Kommandantur, wo er inzwischen den Captain sitzen sah. Er wiederholt dort seine Meldung, nachdem er abgesessen ist, und überreicht dem Captain die Meldetasche, in der sich das Patrouillenbuch befindet. Der Captain sagt nicht viel. Er betrachtet den Sergeant nur aufmerksam von oben bis unten. Dann winkt er einen riesigen Corporal herbei und sagt trocken: »Sergeant Yates tritt an Sergeant Lanes Stelle. Führen Sie ihn in sein Quartier, Windmaker. Sergeant, Sie haben vierundzwanzig Stunden dienstfrei. Sie können abtreten. Corporal Windmaker wird sich auch um Ihr Pferd kümmern. Das ist kein Kavalleriepferd, Sergeant.« »Nein, Sir! Aber als ich den Befehl erhielt, nach Fort Final durchzubrechen, da musste ich das beste Tier nehmen. Es gehörte einem Scout, und der brauchte es nicht mehr. Ihn haben die Roten zuerst erwischt. Es ist ein gutes Pferd, Sir! Ich werde es auch lieber selbst versorgen. Das bin ich ihm schuldig.« Er grüßt und geht zu seinem Pferd, nimmt es bei den Zügeln und sieht den bulligen Corporal an. »Na los!«, sagt er ungeduldig. »Schon gut, Sergeant«, brummt der Corporal und geht vor ihm her zu den Ställen. Er geht wie ein Mann, der riesige Kräfte besitzt. Jemand hat mal gesagt, dass Corporal Windmaker vor lauter Kraft kaum gehen könne – und wahrhaftig, so sieht es aus. Als sie dann im Stall sind, deutet der Corporal auf eine gesonderte Box.
»Hier stand immer Sergeant Lanes Pferd. Es war ein gutes Pferd. Jetzt reitet es San Carlos manchmal. Sergeant Lane war auch ein harter Mann. Als er noch am Leben war, sorgte er für Disziplin. Das war ein ganz hübscher Ritt, Sergeant. Und wie soll es nun weitergehen?« Er hat eine lächerlich kleine Korkennase, einen breiten Mund, und sein Kinn ist breiter als seine Stirn. Seine Haare sind aschblond und so dicht gekräuselt wie die eines Mohren. Einen Hals hat er überhaupt nicht. In seinen etwas vorstehenden Augen glitzert Galgenhumor. In ihm ist eine unerschütterliche Wurstigkeit. »Habt ihr genug Wasser im Fort?«, fragt Sergeant Yates. »Daran mangelt es nicht, aber das ist auch der einzige Stoff, an dem wir keinen Mangel haben«, grinst Dick Windmaker breit. »Dann schaff welches herbei, Dicker«, sagt der Sergeant und betrachtet ihn fest. »Ich will mein Pferd abwaschen und dann auch noch mich selber baden. Schaff nur immer Wasser herbei, bis ich dir sage, dass es genug ist. Verstanden, Dicker?« »Man nennt mich Dick, weil das die Abkürzung von Richard ist«, sagt Corporal Windmaker langsam. »Und niemand sollte mich Dicker nennen, auch nicht ein Sergeant, der wie ein Cowboy reiten und schießen kann. Hier in diesem Fort ist alles etwas anders geworden. Hier betrinken sich die Offiziere oder haben sich als Nieten erwiesen. Hier hat sich jeder auf das Sterben vorbereitet und nimmt die Armee nicht mehr so ernst. Deshalb wäre es auch möglich, dass ich einem Sergeant, der mich Dicker nennt, ungestraft etwas aufs Maul schlagen kann. Verstanden?« Er steht grimmig und angriffslustig da. Auch Sergeant Yates steht einige Sekunden lang nachdenklich da und betrachtet diesen menschlichen Bullen auf eine seltsame Art. »Das können wir sofort klären, Dicker«, sagt er dann ruhig. Dann aber muss er blitzschnell reagieren und mit ganzer Härte zuschlagen. Denn Dick Windmaker stürmt gegen ihn an wie ein angreifender Büffelbulle. Doch dieser merkwürdige Sergeant Yates ist unheimlich schnell auf den Beinen. Er weicht im letzten Moment aus wie ein Stierkämpfer einem Kampfstier. Dabei schlägt er noch mit der Linken einen unheimlich präzisen Leberhaken und tritt dem stolpernden Corporal die Füße zur Seite. Corporal Windmaker fällt mit dem Oberkörper über den Rand der offenen Futterkiste. Er will sich wieder aufrichten, doch da werden ihm die Beine hochgerissen. Er stößt einen kehligen Schrei aus, doch er kann es nicht verhindern, dass er in die Kiste fliegt und der Deckel zugeworfen wird, bevor er sich in der Kiste auf den Rücken wälzen und mit den Stiefeln zutreten kann, um das Schließen des Deckels zu verhindern. Dann ist er eingesperrt. Denn der Deckel – er ist groß und schwer wie eine Tischplatte – lässt sich draußen mit einem Holzpflock verriegeln. Sergeant Yates steht einige Sekunden lang grinsend da. Oh, er hat ein verwegen wirkendes Gesicht, scharf und kühn, dunkel und mit einer Narbe. Er ist ein harter Mann, doch man erkennt, dass es keine böse Härte ist. Er sieht wie ein Mann aus, der sich überall behaupten kann. Sein blitzendes Lächeln verjüngt ihn, macht ihn fast hübsch. Drinnen in der Kiste tobt der bullige Corporal. Und es tönen dumpfe und schaurige Laute heraus. Die mageren Pferde werden unruhig, denn solche Laute hörten sie noch nie. Vielleicht glauben diese armen Tiere, dass ein schreckliches Ungeheuer im Stall
wäre, irgendein Raubtier. Sergeant Yates wartet, bis es in der Kiste still wird. Dann klopft er auf den Deckel wie gegen eine Tür. »Hallo, Dicker«, sagt er freundlich, »möchtest du wieder heraus?« »Daaas iiiist hiiinterliiistige Freiiheitsberauubuuung!« So klingt es dumpf und lang gezogen aus der großen Futterkiste, in der zwei Männer sitzen und Karten spielen könnten. »Richtig, das ist es!« So pflichtet Sergeant Yates freundlich bei. »Willst du heraus, Dicker?« »Wenn ich rauskomme, dann schlage ich dich ungespitzt in die Erde, sodass du in China wieder rauskommst!« Diese Drohung heult Corporal Windmaker schaurig dumpf. Und dann beginnt er in der Kiste zu wüten, versucht sie von innen in Stücke zu treten, aufzusprengen wie ein Küken die Eierschale. Sergeant Yates greift sich indes zwei Eimer, holt Wasser aus dem nahen Brunnen und wäscht sein Pferd, welches mit einer dicken Schicht von Staub und Schweiß bedeckt ist. Er braucht viele Eimer. Als er mit dem Pferd fertig ist, tritt er wieder zur Kiste und klopft nochmals. »Möchtest du heraus, Dicker?« »Yeah«, tönt es schwach und erschöpft. Sergeant Yates nimmt den Holzpflock heraus und will den Deckel lüften. Doch da springt drinnen Corporal Richard Windmaker hoch wie der berühmte »Mann aus dem Kasten«, nur sehr viel größer und gewaltiger als solch ein Kinderspielzeug. Doch so schnell er auch ist und so entschlossen er auch sein mag, mit ganzer Kraft zu kämpfen – Sergeant Yates ist schneller. Er trifft ihn mit einem unheimlich schnell und präzise herumgezogenen Haken auf Ohr und Kinnwinkel und mit einer kurzen Geraden unter das Kinn. Dann ist der Muskelprotz wieder in der Kiste und auch der schwere Deckel wieder zu. Es dauert eine Weile, bis der so gewaltig starke Corporal diese beiden präzisen und schrecklich harten Treffer verdaut hat und sich wieder zu rühren beginnt. Nun klopft er von innen. »Yeah?« Dies fragt Sergeant Yates von draußen. »Ich gebe auf, Sergeant! Jetzt gebe ich wirklich auf!« So tönt es fast kläglich aus der Kiste. Der Sergeant öffnet sie wieder. Dick Windmaker erhebt sich nur langsam und hält sich Ohr und Kinn. Er setzt sich schnaufend auf den Kistenrand und ächzt mühsam: »Heiliger Rauch – wie hast du das gemacht, Sergeant? Ich bin doch ein recht stämmiger Bursche. Hast du eine Eisenkugel in der Faust?« Er stellt die letzte Frage richtig hoffnungsvoll. »Hol Wasser, Dicker«, sagt Yates. »Ich will mich duschen und abseifen. Du stellst dich dort auf den Schemel und gießt das Wasser über meinem Kopf aus. Los, Dicker! Wasser holen!« Dick Windmaker holt schon Luft, um zu schimpfen oder aufzubegehren, doch Sergeant Yates hält ihm die Faust unter die Nase. »Riech mal«, sagt er. »Damit gebe ich es dir noch mal auf die gute alte Weise. Und dann lasse ich dich zehn Stunden in der Kiste.« »Schon gut, Sergeant, ich weiß immer, wann ich geschlagen bin und einen besseren Mann anerkennen muss«, brummt der Corporal und macht sich mit zwei Eimern auf den Weg. Als er zurückkommt, steht Sergeant Yates nackt im Vorraum des Stalles. Und nun
wundert sich der Corporal nicht mehr, dass dieser Sergeant so schnell und unheimlich hart schlagen kann. Denn er sah noch niemals einen besser proportionierten Mann. An diesem Sergeant sind zwar keine Muskelpakete, doch aber starke Knochen und sehnige Muskelstränge. Sergeant Yates ist von einer Hagerkeit, wie man sie an einem Wüstenwolf beobachten kann. Und solch ein Wolf kann es mit einem Puma aufnehmen. Corporal Windmaker gießt ihm den ersten Eimer über den Kopf und sieht dann zu, wie sich der Sergeant einseift. »Du wirst schon noch deinen Kummer bekommen«, sagt er plötzlich. »Mich konntest du ja glatt und schnell zurechtstutzen, und ich bin auch nicht nachtragend. Aber mit den anderen Jungs wirst du es schwer haben. Da sind ‘ne Menge Schufte dabei, die dir nachts ein Messer zwischen die Rippen geben. Dies ist die undisziplinierteste Abteilung in der ganzen Armee, und wenn draußen nicht die Apachen lauerten, wären die meisten längst desertiert. Da du hier Sergeant sein wirst, bekommst du den Kummer eines Dompteurs, der Ratten, Schlangen, Füchse, Wölfe, Tiger, Affen, Kamele und Büffel in einem Käfig hat und mit ihnen eine erstklassige Nummer darbieten soll.« Sergeant Yates lässt sich wieder etwas Wasser über den Kopf gießen, damit er mehr Schaum erzeugen kann. Doch dann fragt er so nebenbei: »Wie kommt es, dass die Besatzung so undiszipliniert ist? Die Armee ist doch sonst nicht so unvorsichtig, unzuverlässige und aufsässige Soldaten ohne das entsprechende Gegengewicht in einem Kommando zu belassen.« »Das Gegengewicht war da«, grinst Windmaker grimmig und betastet vorsichtig die angeschwollenen Stellen, wo die harte Faust ihn traf. »Als der Captain sechzig Freiwillige brauchte, weil er glaubte, mit ihnen San Carlos und dessen Bande stellen und schlagen zu können, da meldeten sich alle tüchtigen Burschen, auf die sich der Captain verlassen konnte. Alle anderen hätten sich lieber einen Arm abgehackt, als sich freiwillig zu melden. Und deshalb blieben sie im Fort und leben auch noch. Die braven Jungs aber sind tot. Und deshalb gibt es in diesem Kommando hier kein Gegengewicht mehr. Dies hier sind nur noch Burschen von jener Sorte, die immer wieder Strafdienst machen muss und den größten Teil ihrer Dienstzeit im Arresthaus verbringt. Das sind Burschen, die irgendwo was auf dem Kerbholz hatten und zur Armee gingen, um den Gesetzesleuten entkommen zu können. Und jetzt gefällt es ihnen nicht, unter Befehl zu stehen und in der Mausefalle zu sitzen. Vielleicht hat unser Lieutenant Angst vor ihnen – und vor San Carlos, der draußen lauert. Denn warum betrinkt sich ein First Lieutenant, der den Kommandanten vertreten muss, sonst jeden Tag, wenn nicht aus Angst? Ah, ich bin nur Corporal und für den kranken Captain das Mädchen für alles. Die meisten dieser Burschen haben auch Angst davor, was von mir aufs Maul zu bekommen. Doch ich möchte nicht für den Sold eines Generals hier in diesem Fort Master Sergeant sein.« Er gießt den Rest des Wassers über Sergeant Yates aus. Dann holt er zwei weitere Eimer voll vom Brunnen herüber. *** Obwohl der neue Sergeant vierundzwanzig Stunden dienstfrei bekommen hat, ist er schon gegen Mitternacht wieder wach. Er geht zur Küche hinüber.
Es gibt hier drei Kochstellen. Es sind fest eingebaute Kessel. An einer dieser Kochstellen kauert eine junge Frau. Vielleicht ist sie jedoch noch unverheiratet. Sie legt gerade Holz nach. Als Sergeant Yates eintritt, blickt sie kurz über die Schulter. »Der Mitternachtskaffee ist gleich fertig«, sagt sie. »Sind Sie der Soldat, der ihn zu den Wachtposten bringen soll?« »Nein«, erwidert Yates, »das bin ich nicht. Ich wollte nur einen Schluck für mich.« Er tritt näher, kommt in den Bereich der Lampe. Sie erkennt ihn nun als den neuen Sergeant. »Oh, Sie sind schon wieder auf den Beinen«, sagt sie. »Natürlich können Sie Kaffee haben. Außer Wasser ist dies das einzige Nahrungsmittel im Fort, mit dem wir nicht zu sehr sparen müssen. Warten Sie einen Moment, Sergeant.« »Yates, Clay Yates«, sagt er ruhig und setzt sich nicht weit von ihr entfernt auf einen Schemel. »Ich bin Janett Allison«, sagt sie schlicht und erhebt sich aus ihrer hockenden Stellung. Er sieht nun, dass sie etwas mehr als mittelgroß und prächtig gewachsen ist. Sie wiegt etwa hundertzwanzig Pfund, schätzt er und blickt einen Moment in ihre grünen Augen. Das gelbe Lampenlicht lässt ihr Haar wie poliertes Kupfer leuchten. »Sie sind ein sehr erfreulicher Anblick, Janett Allison«, murmelt er. »Warum kochen Sie hier um Mitternacht Kaffee?« »Ich bin heute an der Reihe«, erwidert sie auf die gleiche schlichte Art wie zuvor. Diese natürliche Schlichtheit gehört offenbar zu ihr wie all das andere Erfreuliche. Sie hat volle Lippen, einen etwas breiten Mund und ein energisches Kinn mit einem Grübchen darin. Sie hebt dieses Kinn auf eine stolze und mutige Art und blickt ihn offen an. Ihre Nase ist etwas zu klein und hat einen leichten Schwung nach oben. Oh, sie bietet einen wirklich erfreulichen Anblick für einen Mann. »Die Köche sind längst zum Dienst auf die Mauer eingeteilt worden«, erklärt sie. »Auch alle anderen Funktionäre wurden wieder in die Abteilung eingereiht. Es gibt nur siebenundvierzig Soldaten hier. Dazu kommen neunundzwanzig Männer zwischen fünfzehn und siebzig Jahre. Wir Frauen helfen, so gut wir können.« »Ich verstehe«, murmelt er. »Sind Kinder im Fort?« »Siebzehn.« Sie richtet sich plötzlich auf, steht noch gerader und gestraffter da. »Gibt es eine Chance, Sergeant? Ich frage besonders wegen der Kinder. Können wir hoffen, dass…« Sie wendet sich ab, denn das Wasser kocht nun. Sie hat den gemahlenen Kaffee schon in einige Kannen getan. Nun gießt sie das kochende Wasser hinein. Köstlicher Kaffeeduft breitet sich aus. Sergeant Yates beobachtet dieses Mädchen. Er wird sich bewusst, wie harmonisch und geschickt all ihre Bewegungen sind. »Sind Sie verheiratet?« Dies fragt er plötzlich. Sie schüttelt den Kopf, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. »Mein Bruder ging bei Ausbruch des Krieges zur Armee«, sagt sie dann. »Ich leitete mit Hilfe eines guten Vorarbeiters unsere Silbermine. Als die Apachen kamen, wurden wir rechtzeitig gewarnt. So konnten wir fast alle ins Fort entkommen. Fast jeder Mann, der mich nicht kennt und mit mir ins Gespräch kommt, fragt mich, ob ich verheiratet sei. Ich halte die Frage für albern.« »Vielleicht ist sie es«, pflichtet er bei, denn er möchte sich nicht mit ihr streiten. Sie
gefällt ihm, sehr sogar. »Alle Männer, die auf ein Mädel wie Sie stoßen, bekommen es mit der Angst zu tun, dass Sie schon vergeben sind«, sagt er. Sie wendet sich um und reicht ihm eine Blechtasse mit heißem Kaffee. »Machen Sie mir nur nicht den Hof«, warnt sie. »Seit ich im Fort bin, habe ich mehr als genug davon und mag die Männer immer weniger. Ich glaube bald nicht mehr, dass es Ausnahmen geben könnte, obwohl mein Bruder und mein Vater welche waren. Lassen Sie mich nur in Frieden, Sergeant! Dies musste ich bis jetzt noch jedem Burschen hier sagen.« »In Ordnung, Schwester«, sagt er etwas rau. »Mir ist ohnehin nicht danach zu Mute, mir die Gunst eines Mädels zu erwerben, mag es noch so prächtig sein. In Ordnung, Schwester!« Er beginnt vorsichtig den brühheißen Kaffee zu schlürfen. »Der ist richtig«, murmelt er. »Dieser Kaffee hebt einen toten Mann in den Sattel. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann stellen die Burschen hier im Fort Ihnen auf jede üble Art nach.« »Mir und jeder anderen Frau zwischen vierzehn und sechzig Jahren. Sie glauben, dass sie alle bald tot sind – und es wird noch schlimmer werden. Ich hätte nie geglaubt, dass es so viele Schufte und Banditen in der Armee gibt, Halsabschneider, Betrüger und überhaupt den ganzen Abschaum der Menschheit. Dieses Fort hier ist eine Hölle für sich, Mister.« Ihre Stimme bekam einen immer bitteren und verächtlicher klingenden Unterton. Er aber nickt und murmelt: »Ja, es gibt einige besondere Schufte in der Armee. Ich weiß das, Janett. Und wenn Sie mich einfach nur Clay nennen würden, wäre ich froh.« Er schlürft wieder den heißen Kaffee. Als die Tür auffliegt, hebt er nur seinen Blick. First Lieutenant Archibald Rannahan kommt herein. Er hat seinen Rausch offenbar ausgeschlafen, denn er bewegt sich sicherer auf den Beinen, aber er ist offenbar recht verkatert und schlechter Laune. »Raus hier, Sergeant!« Dies sind seine ersten Worte, und er lässt die Tür gleich offen. »Geben Sie mir Kaffee, viel Kaffee, Janett! Haben Sie mich nicht verstanden, Sergeant? Sie sollen abhauen!« Seine Stimme nahm immer mehr einen schnarrenden, schneidenden und arroganten Tonfall an. Sergeant Yates aber bleibt ruhig sitzen. Er hat sich vorgebeugt, seine Ellbogen auf die Knie gestützt und schlürft den Kaffee hörbar, denn der ist heiß, und die Blechtasse ist heiß. Selbst ein Lord würde nur schlürfend trinken können. Nun aber unterbricht er das Schlürfen und sagt ruhig: »Halten Sie Ihren Mund, Mister! Oder ich prügele Sie quer über den Exerzierplatz und werfe Sie dann über die Mauer zu den Apachen. Und sagen Sie mir jetzt nur nicht, dass Sie Offizier wären, ich aber nur Sergeant, und Sie mich wegen Meuterei einsperren lassen werden. Ich glaube nicht, dass hier noch jemand auf Sie hört, Mister. Als ich vor elf Stunden durch das Tor in dieses Fort ritt, waren Sie betrunken. Der einzige dienstfähige Offizier in diesem Fort ist am Tage während seines Dienstes vor dem Feind betrunken! Mann, die Militärgesetze geben mir das Recht, Sie festnehmen und einsperren zu lassen, weil Sie nicht nur das Leben der Truppe gefährden, sondern auch noch die Sicherheit des ganzen Forts. Ich fände leicht ein Dutzend Zeugen unter der Mannschaft und den Zivilisten. Machen Sie, dass Sie
rauskommen, Mister! Oder ich sorge dafür, dass Sie hier nicht länger als betrunkener Offizier herumlaufen.« »Sind – sind – sind Sie verrückt, Sie dreckiger Höllensohn von einem Drei-WinkelSoldaten!« Dies kreischt Lieutenant Arch Rannahan los. Dabei stürmt er vorwärts und öffnet die Revolvertasche. Doch bis er den langläufigen Kavalleriecolt heraus hat, ist Sergeant Yates schon bei ihm. Er trifft ihn hart gegen Kinn und Magen, und als Arch Rannahan vorwärts stolpert, schlägt er ihm die Handkante ins Genick. Er starrt dann einige Sekunden lang auf den bewusstlosen Offizier nieder. Janett Allison, die ihn mit angehaltenem Atem beobachtet, sagt mit scharfer Stimme: »Clay, was ist mit Ihnen? Wachen Sie auf, Clay! Er liegt am Boden. Sie dürfen ihm nichts mehr…« Da erwacht er, und er begreift im selben Moment, dass sich viele wilde Wünsche von seinem Gesicht ablesen ließen. Er begreift, dass dieses Mädchen befürchtete, er würde den bewusstlosen Offizier noch weiter traktieren. Er atmet heftig und wischt sich übers Gesicht. Dann sieht er in die erschrockenen Augen des Mädchens und murmelt: »Schon gut, Janett. Sie können ja nicht wissen, was dies für ein Kerl ist. Sie sagten vorhin, dass so viele Schufte in der Armee wären. Nun, dies ist ein ganz besonderer Schuft. Das können Sie mir glauben. Darauf kann ich Ihnen mein Wort geben. Und ich hätte nicht gedacht, dass ich ihn so schnell erledigen könnte – oh, dass er es mir so leicht machen würde.« Plötzlich bückt er sich, holt die flache Schnapsflasche aus der Innentasche von des Lieutenants Rock, öffnet diese und hält dem bewusstlosen Mann die Nase zu. Und als der Lieutenant nach Luft zu schnappen beginnt und den Mund öffnet, da setzt er ihm die Flasche an und lässt ihn schlucken und schlucken. Dabei rinnt auch Whisky über Kinn und Hals des Lieutenants. Doch das meiste von dem Zeug muss er schlucken. Er wird wach dabei, doch er beginnt sich erst zu wehren, als die Flasche fast völlig leer ist. Dann kämpft er sich auf die Füße hoch und stürmt aufbrüllend gegen den Sergeant an. Dieser erwartet ihn mit einem kalten Lächeln auf den Lippen und eisenharten Fäusten in Bereitschaft. In der immer noch offenen Tür erscheint nun ein Soldat. Er ist gewiss der Kaffeeholer. Und dieser Soldat sieht nun zu, wie ein brüllender Lieutenant gegen den Sergeant anstürmt, um ihn zu verprügeln. Doch er schafft es nicht. Der Sergeant schlägt ihn nieder. Dann blickt der Sergeant auf den Soldaten und winkt ihn herbei. »Der Lieutenant ist betrunken und griff mich tätlich an. Sie haben das gesehen, Soldat.« »Ganz genau, Sergeant«, sagt der Soldat. »Und dies kann ich mit gutem Gewissen vor dem Präsidenten der Vereinigten Staaten auf meinen Eid nehmen, Sergeant. Oha, was werden sich all die Jungs im Fort freuen – und nicht nur die Jungs! –, dass dieser arrogante Trunkenbold mal an den Falschen geriet. Der war doch ständig…« »Fassen Sie an! Wir bringen ihn ins Arresthaus. Und dann muss ich dem Kommandanten Meldung machen!« Mit diesen Worten unterbricht der Sergeant den Soldaten. Dieser gehorcht willig, ja sogar fast freudig, denn der Lieutenant ist ganz offensichtlich höchst unbeliebt und wird verachtet. Das Mädchen Janett Allison steht noch eine Weile starr und voll ungläubigem Staunen da, nachdem die Männer hinaus sind. Janett Allison hebt dann die Hand und wischt sich
über Augen und Stirn. Vielleicht kommt ihr die hässliche Szene wie ein böser Traum vor. Du lieber Gott, was ist dieser Sergeant für ein Mann?, fragt sie sich erregt. Als sie noch einmal alles überdenkt, wird ihr klar, dass der Sergeant und der Lieutenant Feinde sein müssen. Und der Sergeant hat den Offizier dann ohne jede Hemmung erledigt, ja, richtig fertig gemacht. Warum tat er das? Aus Gemeinheit? Aus Rache? Oder aus anderen Motiven? Das Gerechtigkeitsgefühl des Mädchens beginnt stärker zu werden. Sie spürt nun den Impuls, zum Fortkommandanten zu gehen und diesen aufzuklären. Doch im nächsten Moment zögert sie schon wieder. Irgendwie ahnt sie mit dem feinen Gefühl einer Frau, dass sich hier irgendwelche Dinge abspielen, die sie nicht überblicken kann. Es ist selbst für einen Master Sergeant geradezu lebensgefährlich, einen Offizier so zu behandeln, wie es soeben geschah. Denn die Armee steht bis in die Hölle und zurück hinter ihren Offizieren und betrachtet jeden Angriff auf sie als Insubordination, doch dieses Wort, was so viel wie Unbotmäßigkeit bedeutet, ist sehr milde ausgedrückt. Die Armee versteht darunter sehr viel mehr. Und bis jetzt wurden alle Fälle von Insubordination vor dem Kriegsgericht verhandelt und fast immer Todesurteile gesprochen. Plötzlich entschließt sich das Mädchen, doch erst noch einmal abzuwarten. Was wird dieser Sergeant Yates als Nächstes tun? *** Es dauert lange, bis Corporal Dick Windmaker seinen Captain aus dem Schlafzustand zum Wachsein bringt. Denn das Blut des Captains ist immer noch sehr vergiftet. Er kann nichts dafür, dass er nur schwer und langsam erwacht und seine Hirntätigkeit schwer in Gang kommt. Aber nach einer Weile kann er dann doch begreifen, dass Sergeant Yates ihn jetzt auf der Stelle in einer dringenden Angelegenheit sprechen möchte. »Sir, er hat Lieutenant Rannahan eingesperrt«, meldet der Corporal. »Der Lieutenant ist betrunken wie zehn wilde Rothäute von einem Fass Mescal, und er tobt im Arresthaus wie ein Irrer. Er hat vollkommen den Verstand verloren. Gewiss würde er Amok laufen, befände er sich noch in Freiheit.« Als der kranke Captain alles verstanden und begriffen hat, jagt ihn der Schrecken richtig hoch, und so kommt es, dass der Sergeant im Vorraum der Kommandantur nicht mehr länger warten muss, bis der Captain ihn empfängt. Sergeant Yates macht eine völlig korrekt klingende Meldung. »Ich bin von dem völlig betrunkenen Lieutenant Rannahan in der Küche tätlich angegriffen worden, Sir. Ich versuchte zuerst, ihn mehr oder weniger sanft abzuwehren. Doch der Lieutenant bekam einen Tobsuchtsanfall und zog gegen mich den Revolver. Er wollte mich erschießen. Da erkannte ich, dass er sinnlos betrunken war. Ich musste ihm zuvorkommen, ihn niederschlagen. Es war nicht möglich, ihn in seinem Quartier festzusetzen, da dies kein sicherer Aufbewahrungsort ist und er auch alles zerschlagen hätte. Ich ließ den Tobenden in eine Zelle sperren. Das ist alles, Sir! Ich möchte jedoch noch hinzufügen, dass dieser Offizier schon um die Mittagszeit, als ich ins Fort kam, betrunken Dienst machte. Inzwischen habe ich gehört, dass dieser Offizier, obwohl
stellvertretender Fortkommandant und einziger Dienst tuender Offizier, niemals seit einigen Wochen nüchtern war. Dies alles, obwohl das Fort von Apachen eingeschlossen ist und sich in einer verzweifelten Lage befindet. Sir, ich verweise auf die Kriegsrechtsartikel, nach denen ein kranker Offizier unverzüglich abzulösen ist. Lieutenant Rannahan muss krank sein, anders ist das nicht zu erklären.« Als er endet, bewegt sich der Captain lange Zeit nicht. Doch sein gesenktes Gesicht glänzt vor Schweiß. Er atmet mühsam. »Haben Sie Zeugen, Sergeant?« »Soldat Brown, der den Mitternachtskaffee aus der Küche holen wollte, war Augenzeuge, wie der Lieutenant mich tätlich angriff, Sir.« Der Captain hebt mit einer müden Bewegung die Hand. Das Nachdenken fällt ihm schwer, und er zittert plötzlich am ganzen Körper unter Fieberschauern. Vielleicht hätte ein anderer Mann an seiner Stelle nun geklagt und mit dem Schicksal gehadert, welches ihm so böse mitspielte. Doch er beißt plötzlich knirschend die Zähne zusammen und sagt dann gepresst, doch mit unerwarteter Energie: »Ja, es ist mir bekannt, dass der Lieutenant ständig betrunken ist, Sergeant. Ich habe ihn sogar mehrmals verwarnt. Deshalb kann ich als Fortkommandant Ihre Meldung über den Vorfall unterstützen. Lieutenant Rannahan bleibt bis auf Widerruf im Arresthaus. Er ist jeder Befehlsgewalt enthoben. Geben Sie dies bekannt, Sergeant. Und noch etwas!« Er macht eine kleine Pause und starrt den dunklen Sergeant an, als wollte er tief in dessen Kern sehen. Dann sagt er – und nun schon mit erkennbarer Erschöpfung: »In dem Patrouillenbuch, welches Sie ins Fort brachten, wurde erwähnt, dass Sie der beste Mann jener Abteilung waren und zum Offizier vorgeschlagen worden wären. Dies gibt mir die Möglichkeit, Sie zum stellvertretenden Fortkommandanten zu ernennen. Sie sind zum Dienst tuenden Offizier ernannt und treten an Lieutenant Rannahans Stelle. Vielleicht bin ich in einigen Tagen so weit, dass ich…« Er kann nicht weiter. Die Schwäche übermannt ihn nun. Und das Fieber lässt ihn mit den Zähnen klappern. Er bietet einen erbärmlichen Anblick, dieser kranke Captain. Corporal Dick Windmaker nimmt ihn wie ein Kind auf die Arme. Sergeant Yates aber steht noch eine Weile starr da und blickt ins Leere. Dann aber flüstert er heiser: »Oh, ich bin Fortkommandant? Mir hat er jetzt die ganze Verantwortung aufgehalst? Heiliger Rauch, das ist ein Witz – ein Witz, wie man ihn nur in der Armee erleben kann.« Und dann geht er hinaus. *** Eine halbe Stunde später befindet sich dieser merkwürdige Sergeant Yates genau dort, wo die Apachen über die Mauer kommen. Es ist dies wieder einmal einer jener typischen Angriffe. Obwohl hier auf der Schattenseite des Forts die Posten besonders aufmerksam und wachsam beobachten, gelang es einem guten halben Dutzend Apachen, sich unbemerkt bis an die Adobemauer zu schleichen. Hier im tiefen Schatten und im Schutze kniehohen Gestrüpps und von Kakteenpflanzen, von denen man bei Tage glaubt, dass sich nicht einmal ein Coyote dort
verbergen könnte, warteten sie auf jene Stunde der Nacht, da die ganze Welt mit all ihren Lebewesen den Atem anzuhalten scheint – auf jene stillste und lebloseste Stunde kurz vor der Morgendämmerung. Und nun ist es so weit. Nun kommen sie über die Mauer. Sie finden genügend Halt und Möglichkeiten. Denn diese Mauer ist verwittert und abgebröckelt. Man kann fast überall die Fingerspitzen einhängen oder die Fußspitzen aufstellen. Apachen sind ohnehin wie Katzen. Die ersten zwei dieser gefährlichen Kämpfer kommen völlig überraschend über die Mauer und landen weich wie Katzen auf dem Rundgang dahinter. Der Abstand zwischen den Posten beträgt mehr als zehn Schritte. Doch zwischen diesen Posten liegen stets einige Schläfer, denn die Besatzung ist zu schwach, um sich ablösen zu können. Man kann es längst nicht mehr wagen, in die Quartiere zu gehen. Man lebt Tag und Nacht hinter der Mauer, um bei jedem schnellen Angriff sofort zur Stelle zu sein. Die beiden ersten Apachen wenden sich auf dem Rundgang nach rechts und links. Ihre langen Messer blinken matt im blasser gewordenen Licht der Gestirne. Dies alles geht lautlos und gespenstisch schnell vonstatten. Und nun erst stößt einer der Posten den ersten Warnruf aus, indes er herumwirbelt und das Gewehr anlegt. Doch er hätte einen der Schläfer gewiss nicht retten können, da sich der Apache schon niederbeugte und die Klinge niederstoßen wollte. Aber da ist plötzlich die hagere Gestalt des fremden Sergeant neben dem brüllenden Posten. Und dieser Sergeant schießt mit dem Revolver wieder auf die höllisch schnelle und sichere Art eines Revolvermannes. Er erwischt den Apachen, der zustechen wollte, und dann den nächsten, der zehn Schritte entfernter den anderen Posten angreift, welcher wohl, stehend an der Mauer lehnend, eingeschlafen ist. Es kommen noch mehr Apachen herüber, die schrill und gellend brüllen wie die wilden Teufel. Dieses markerschütternde und höllische Gebrüll soll die Soldaten für jene winzigen Sekundenbruchteile lähmen, auf die es hier so sehr ankommt. Doch der Sergeant steht breitbeinig da und schießt immer noch. Es ist unheimlich, dieses Schießen, aber es rettet nun einigen Soldaten das Leben. Und als der Revolver des Sergeants leer geschossen ist, sind die beiden nächsten Posten schussfertig und haben sich einige Schläfer aufgesetzt und die Sache begriffen. Ein einziger Apache kann sich zurück über die Mauer schwingen. Doch er bleibt draußen am Fuße der Mauer im Gestrüpp liegen und schlägt noch im Todeskampf um sich. Dann ist es vorbei. Rings um das Fort ist es still. Es ist, als hätte es allein diese sieben Apachen gegeben, die überraschend über die Mauer kamen und die gewiss ein Blutbad angerichtet hätten, wäre nicht dieser fremde Sergeant mit seinem Revolver zur Stelle gewesen. Die sechs Apachen, die nicht mehr über die Mauer zurückspringen konnten, wirft man hinüber. Oh, man weiß genau, dass sie dort nicht lange liegen werden. Wenn die Morgennebel steigen, wird man sie fortholen. Der Sergeant macht seine Runde. Er spricht fast mit jedem Soldaten und Zivilisten. Und es ist plötzlich die alte Disziplin wieder da. Dabei spricht der neue Sergeant mit ruhiger, kühler und fast leise klingender Stimme, gar nicht barsch oder befehlend, wie es zumeist üblich ist in der Armee, wenn
Vorgesetzte zu Soldaten sprechen. Und dennoch hat jedes Wort von ihm irgendwie besondere Bedeutung. Es geht etwas von diesem dunklen Sergeant, der Clay Yates heißt, auf geheimnisvolle Art auf die Männer über, zu denen er spricht. Sie können es sich nicht erklären, doch sie spüren genau, dass jetzt ein Mann im Fort ist, der zum Salz der Erde gehört, ein Mann, von dem man sich gerne führen lässt und der vielleicht noch einen Ausweg weiß und einen Trumpf im Ärmel hat, wenn andere Männer längst aufgegeben haben und keinen Rat mehr wissen. Man spürt das irgendwie, und all die verzweifelten Burschen hier, die so aufsässig und undiszipliniert geworden waren, verhalten sich zumindest erst einmal vorsichtig, neutral und abwartend. Drei besondere Dinge tat Sergeant Yates bis jetzt: Er kam mitten durch den Ring der Apachen ins Fort, mitten in die Mausefalle also! Er hatte den Mut, einen unfähigen Offizier auszuschalten. Und er verhinderte mit sechs Kugeln einen Apachenüberfall. Das zählt für diese Burschen. Und so begegnet man ihm mit Respekt. Es ist sicher, dass er einen Befehl nicht zweimal wird geben müssen. Langsam beendet er seine Runde, gibt Anweisungen, stellt Fragen und strömt jene zwingende Kraft aus, die nur ein wirklicher Mann auszuströmen vermag, um den sich andere Männer in Not und Gefahr scharen, weil sie instinktiv spüren, dass er allein der beste Führer sein wird. Es ist immer noch nicht richtig Tag, als er abermals das Küchenhaus betritt. Janett Allison ist noch da. Ihr Nacht-Küchendienst geht bis Sonnenaufgang, und sie hat eine Menge Maisfladen gemacht, die fast das einzige Nahrungsmittel außer Pferdefleisch sind. Kaffee und solche Fladen sind das Frühstück für alle Menschen im Fort. Als Sergeant Yates eintritt und sich aus einer Kaffeekanne eine Blechtasse voll einschenkt, hält sie inne in ihrer Arbeit und betrachtet ihn aufmerksam. Er erwidert ihren Blick ruhig und sagt dann langsam: »Ich kann mir vorstellen, dass Sie einige Fragen an mich richten möchten, Janett. Nun, ich werde antworten.« Dann wartet er, und sie betrachtet ihn immer noch prüfend. Ihre erste Frage kommt ruhig und beherrscht. »Warum hassen Sie Lieutenant Arch Rannahan, Sergeant?« Nun zögert er doch. In Janett Allisons Augen tritt der Ausdruck von Verachtung. Sie will sich wortlos wieder ihrer Arbeit zuwenden und auf jede weitere Frage verzichten. »Ja, ich hasse ihn«, sagt der Sergeant plötzlich ernst und seltsam ruhig. Da blickt sie ihn überrascht wieder an. Sein dunkles, indianerhaftes Gesicht ist starr und hart. In seinen rauchgrauen Augen funkelt es kalt und gnadenlos. »Was hat er Ihnen getan, Sergeant?« Er zögert abermals. Nun kann sie erkennen, dass er mit sich kämpft. Er setzt die Tasse auf den Tisch, dann blickt er sie an. »Lieutenant Arch Rannahan hatte stets Glück bei den Frauen«, murmelt er langsam. »Das war auch in Kansas City so. Er versprach einem Mädchen die Ehe und verlobte sich mit ihr. Es gab eine große Feier. Das Mädchen war glücklich und stolz. Sie vertraute Arch Rannahan, wie nur ein Mädchen einem Mann, den es liebt, vertrauen kann. Sie
hatten zusammen eine schöne Zeit, die jedoch nicht ohne Folgen blieb. Eines Tages sagte das Mädchen ihm, dass sie ihm ein Kind schenken würde, und bat ihn, sie endlich zu heiraten. Er war einverstanden. Sie setzten den Hochzeitstag fest. Doch der Lieutenant hatte bereits seinen Versetzungsbefehl nach Fort Final in der Tasche. Er war plötzlich fort. Er hatte sie sitzen lassen.« Der Sergeant macht eine Pause, und sein Blick ist nun stumpf und wie nach innen gerichtet. »Hat sie sich etwas angetan?« Dies fragt Janett Allison ernst. Er schüttelt langsam den Kopf, hebt die Hand und wischt sich über das Gesicht. »Angetan?« So fragt er, zuckt leicht zusammen und kehrt aus seinen Gedanken in die Wirklichkeit zurück. Sein Blick funkelt wieder. »Nina tat sich nichts an«, murmelt er. »Sie brauchte eine Weile, bis sie herausbekam, wohin er kommandiert worden war. Und dann brauchte sie noch länger, um das Reisegeld zusammenzubekommen, denn ich, ich war weit fort. Ich wusste von nichts damals. Ich bin ihr Bruder, und in ihrer größten Not konnte ich ihr nicht helfen. Doch als ich ihren Brief erhielt, da machte ich mich auf den Weg. Ich konnte nur noch ihrer Spur folgen. Da sie schön war, konnte man sich überall, wo sie gewesen war, an sie erinnern. Sie reiste von Kansas City bis Santa Fe. Doch dort konnte sie vorerst nicht weiter. Sie bekam das Kind. In einem erbärmlichen Zimmer bekam sie Arch Rannahans Sohn, und mitleidige Menschen, die selbst Not litten, hatten ihr Hilfe gegeben, so gut sie konnten. Sobald sie in der Lage war, machte sie sich wieder auf den Weg. Ein kleiner Wagenzug nahm sie und den Säugling mit. Dieser Wagenzug hat Fort Final nie erreicht. Jetzt ist sie bei den Apachen. Ich hörte, dass San Carlos sie bei sich hat, sie und das Kind. Haben Sie verstanden, Janett? Nina, meine Schwester, wollte zu Lieutenant Rannahan, um ihn zu zwingen, seinem Sohn den ihm zustehenden Namen zu geben. Aber sie wurde nicht Arch Rannahans Frau, sondern die des Apachenhäuptlings Carlos. Und nun wissen Sie, warum ich Rannahan hasse. Ich bin in dieses Fort gekommen, um ihn zu erledigen! Haben Sie noch Fragen, Miss Janett?« Sie starrt ihn eine Weile an. »Du lieber Gott«, murmelt sie dann. »Du lieber Gott im Himmel, das ist doch nicht wahr? O Clay…« Und nun erst, nach diesen impulsiven Worten, tritt ihr Verstand wieder in Tätigkeit. Sie macht einen Schritt zu ihm, ergreift seinen Arm und schüttelt ihn. »Clay, so können Sie es nicht machen! Hass führt in die Hölle! Oh, ich kann Sie ja so gut verstehen! Rannahan ist ganz gewiss ein Schuft. Doch wenn Sie hergekommen sind, um an ihm Rache zu nehmen, so hätten Sie sich diese Mühe sparen können, denn San Carlos, der dort draußen mit seinen Chiricahuas lauert, wird uns gewiss alle töten – alle, Sergeant! Was macht es da schon aus, dass Sie vorher an Lieutenant Rannahan Rache nehmen konnten? Und vielleicht hat Ihre Schwester sogar noch das bessere Los gezogen. Sie wird leben. Ihr Kind wird leben. Doch wir hier im Fort, wir werden sterben. Manchmal verkehren sich alle Dinge im Leben auf eine seltsame Art.« Er bekommt für einen Moment weit aufgerissene Augen. »Was sagen Sie da, Janett? Meine Schwester könnte vielleicht das bessere Los gezogen haben? Als die Gefangene des Apachenhäuptlings? Oh, ich weiß, San Carlos soll für einen Apachen ziemlich gebildet sein, soll sogar das Lesen und Schreiben gelernt haben. Auch ist der große Häuptling Cochise sein Onkel. Aber er ist ein Apache, und meine Schwester wurde geraubt und ist eine Weiße.«
Janett erwidert: »Ich habe Ihre Schwester schon einige Male gesehen, Clay. Sie reitet manchmal an San Carlos’ Seite rings um das Fort. Und sie reitet nicht neben ihm wie eine Gefangene, eher wie eine Gefährtin. Und man könnte denken, dass sie nur darauf wartet, dieses Fort brennen zu sehen. Clay, könnte es sein, dass Ihre Schwester die Armee und überhaupt die ganze Welt der Weißen so sehr hasst, dass es ihr ganzer Wunsch ist, zuzusehen, wie San Carlos dieses Fort vernichtet?« Nun erschrickt er. »Sie reitet an der Seite von San Carlos manchmal da draußen um das Fort herum? Er hat sie bei sich?« Dies fragt er heiser. Janett Allison nickt. »Lieutenant Rannahan ist gewiss ein Frauenheld und ein Schuft«, sagt sie ruhig. »Und Ihre Schwester, Clay, hat eine Menge Unglück und verdient Mitleid und Hilfe. Doch es gibt auf dieser Welt eine ganze Anzahl von Mädchen, die grausam enttäuscht und wie sie sitzen gelassen werden. Und es gibt auch einige, die darauf verzichten, einen Mann zu heiraten, der nichts taugt, und die lieber ihre Kinder allein großziehen. Vielleicht hätte Ihre Schwester Nina dies versuchen sollen. Sie und ihr Kind wären bei Rannahan unglücklich geworden. Es hat sich nicht gelohnt, ihm nachzulaufen, nur um seinen Namen zu bekommen – einen Namen, dessen Besitzer nicht viel taugt. Es lohnt sich auch nicht, ihn zu hassen. Clay Yates, Sie tun mir Leid, wenn Sie hergekommen sind, um sich zu rächen. Es wäre besser, Sie würden sich anstrengen, uns alle zu retten und auch Ihrer armen Schwester zu helfen. Sie haben jetzt hier das Kommando und die Verantwortung.« Nach diesen abschließenden Worten wendet sie sich wieder ihrer Beschäftigung zu. Es kommen nun auch zwei weitere Frauen in die Küche, um ihr bei der Verteilung der Portionen zu helfen. Der Sergeant geht langsam hinaus. Er hat eine Menge nachzudenken. *** Es ist gegen zehn am Vormittag, als der Sergeant seinen Rundgang durch das Fort beendet und endlich einen vollkommenen Überblick über die Lage hat. Diese Lage könnte nicht schlechter sein. Auf jeden kampffähigen Mann, der im Stande ist, hinter der Mauer zu stehen und sein Gewehr abzufeuern, kommen nur noch elf bis zwölf Patronen. Und für das einzige Geschütz im Fort hat man nur noch zwei Pulverladungen aufheben können. Dafür ist dieses Geschütz jedoch mit Eisenstücken, krummen Nägeln, harten Kieseln und anderem Zeug voll gestopft, sodass es die Wirkung von zehn oder zwanzig Schrotflinten haben wird. Es steht mitten im Hof, denn man kann ja vorher nicht sagen, wo die Apachen über die Mauer kommen und die Verteidiger niedermachen werden. Und genau dorthin soll dieses Geschütz blitzschnell gerichtet und abgefeuert werden. Es ist erstaunlich, dass San Carlos mit seinen Apachen noch nicht den großen und letzten Angriff wagte. Wahrscheinlich weiß er zu genau, dass er dieses Fort eines Tages fast ohne Verluste wird nehmen können, wenn er noch etwas wartet. Und so lässt er sich Zeit und wartet geduldig wie eine Katze vor dem Mauseloch. Es kann für ihn gar nichts schief gehen.
Der Sergeant macht seine Runde. Er denkt an Nina, seine Schwester. Irgendwo hinter einem Hügel, da muss sich das Camp und Kriegslager befinden. Dort irgendwo ist San Carlos. Und dort ist auch Nina, Clays Schwester. Plötzlich sieht der Sergeant zwei Reiter auftauchen. Sie kommen über eine lange Bodenwelle und wenden die Pferde nach links, ganz offensichtlich deshalb, um in einem großen Kreis um das Fort zu reiten. Nina! Der Sergeant denkt es so scharf, dass er einen Moment glaubt, es gerufen zu haben. Er hat die Schwester sofort erkannt, obwohl diese nun wie eine Apachensquaw gekleidet ist, mit einer bunten Bluse und einem knöchellangen bunten Rock. Sie trägt einen breiten Gürtel um die Taille, der mit Silbermünzen verziert ist. Armbänder und Ketten schmücken sie, und ihr rabenschwarzes Haar ist unter einem roten Tuch verborgen. Ja, sie ist wie eine Apachin gekleidet, bunt, doch auf eine wilde Art reizvoll. Ihre nackten Füße stecken in Sandalen. Und stolz sitzt sie in einem Armeesattel auf einer herrlichen Stute von rabenschwarzer Farbe mit nur wenigen weißen Flecken darin. Der Sergeant öffnet den Mund, holt tief Atem. Ja, er möchte laut Ninas Namen rufen. Doch so geht es nicht. Nein, damit wäre nichts gewonnen. Er reißt seinen Blick von der geschmeidigen Gestalt der Schwester los und betrachtet San Carlos. Die Entfernung beträgt nur wenig mehr als einen Gewehrschuss, doch in der klaren und trockenen Arizonaluft ist jede Einzelheit auch auf diese Entfernung genau zu erkennen – so genau wie sonst auf fünfzig Yards. San Carlos ist einer von den wenigen hoch gewachsenen, schlanken und hellhäutigen Apachen, die es zwar selten gibt, doch in jedem der Stämme zu finden sind. Denn es geschah in den Jahrhunderten immer wieder, dass sich die Apachen weiße Frauen und Kinder raubten, die dann mit ihnen lebten und früher oder später zu Apachen wurden. Er ist in blaues Leinen gekleidet und trägt Mokassins, die wie Stiefel bis zu den Waden reichen. Um den Kopf hat er ein rotes, zu einem breiten Band zusammengerolltes Tuch geschlungen, welches sein dichtes Haar bändigt. Er trägt einen Revolvergurt mit einem Revolver und in der Rechten ein modernes Gewehr. Für einen Apachen wirkt er recht zivilisiert. Der Sergeant kann erkennen, wie San Carlos scharfäugig das Fort betrachtet und abschätzt. Und in diesem Moment entschließt sich der Sergeant. Er ruft von der Mauer zum Hof des Forts nieder: »Corporal Windmaker! Ich will mein Pferd! Los, Windmaker! Mein Pferd! Und dann will ich ein weißes Tuch! Holt ein Kopfkissen aus dem Krankenbau! Vorwärts! Mein Pferd und ein weißes Tuch!« Seine harte und drängende Stimme duldet keinen Widerspruch und Zögern. Seine Autorität ist absolut. Und so läuft Corporal Windmaker, der vor der Kommandantur stand, in höchster Eile zu den Ställen. Aber alle Augen sind auf den Sergeant gerichtet. Ein Pferd und ein weißes Tuch will er. Das kann doch nur bedeuten, dass er mit San Carlos verhandeln möchte.
Sie sehen ihn von der Mauer in den Hof kommen und zum Haupttor gehen, dort mit der Torwache sprechen. Der Corporal der Wache gibt ihm einen Kavalleriesäbel. Einer der jungen Burschen kommt vom Krankenbau mit einem weißen Kopfkissenbezug gelaufen. Der Sergeant befestigt es an der Säbelspitze und lässt das Tor öffnen. Noch bevor es völlig offen ist, bringt Corporal Windmaker im Laufschritt das gesattelte Pferd aus dem Stall und über den Exerzierplatz. Der Sergeant sieht aus wie ein Cowboy, nicht wie ein Kavallerist. Und dann reitet er hinaus, als hätte er mit San Carlos einen Treffpunkt ausgemacht und eine feste Verabredung getroffen. Doch das ist nicht so. Was der Sergeant tut, ist ein großes Wagnis. Alle Menschen im Fort wissen das. Zwischen dem Fort und San Carlos sind gewiss einige Apachen irgendwo im Gebüsch oder in den Kakteengruppen verborgen. Wenn sie das weiße Tuch an der Säbelspitze missachten und ihn angreifen…? Aber er reitet unbeirrt weiter, wird bald von San Carlos und dessen Begleiterin entdeckt und hat es nun etwas leichter, weil der Indianer und die Schwester ihre Pferde verhalten und ihm dann sogar entgegengeritten kommen. San Carlos macht zweimal unmissverständliche Armbewegungen, die gewiss irgendwelchen verborgen lauernden Kriegern gelten und diesen befehlen, sich abwartend zu verhalten. Zweimal sieht der Sergeant auf seinem Weg zu San Carlos und Nina solche Krieger hinter den Deckungen kauern. Sie betrachten ihn mit kalter und mitleidloser Feindschaft. Und gewiss würden sie ihn gerne anspringen und ihn auf der Stelle töten. Doch das Armzeichen ihres Häuptlings zwingt sie zum Abwarten. Der Sergeant kann dann erkennen, wie seine Schwester zusammenzuckt. Nun hat Nina den Bruder erkannt, und sie wundert sich gewiss sehr, ihn in der Uniform der Unionskavallerie zu erblicken. Einen Moment sieht es so aus, als wollte sie ihrem Pferd die Fersen in die Weichen stoßen. Auch hebt sie schon die Zügel an. Doch sie lässt es dann. Wollte sie fortreiten, um dem Bruder nicht zu begegnen? Oder wollte sie ihm entgegenreiten? Man kann es nicht sagen. Der Sergeant legt indes das letzte Stück zurück und hält dann vor der Schwester und dem Apachenhäuptling an. Und er ist klug genug, die Regeln zu beachten, so sehr in ihm auch die Ungeduld brennt und er seine Schwester mit tausend Fragen überschütten möchte. Er senkt grüßend den Säbel mit dem weißen Tuch und zeigt die Handfläche der anderen Hand. Und dann sagt er kehlig in der Sprache der Pima-Indianer zu ihm: »Nina ist meine Schwester. Erlaube, dass ich mit ihr rede.« San Carlos betrachtet ihn fest. Er ist ein sehr stattlicher Mann, noch jung zwar, doch sehr gereift und intelligent. Ganz gewiss wird er, wenn er lange genug leben kann in dieser wilden Zeit, einer der ganz großen Apachenführer werden. »Ich spreche Spanisch und Englisch«, sagt er in englischer Sprache. »Sie sagte mir schon, dass du ihr Bruder seist«, spricht San Carlos weiter. »Doch sie ist nicht mehr meine Gefangene, wenn du das glaubst, Sergeant. Sie ist freiwillig bei mir.
Sie wurde meine Frau, meine einzige Frau. Auch ihrem Kind geht es gut. Doch sie wird dir das gewiss selber sagen.« Er verstummt selbstsicher, und es wirkt gar nicht mehr so unnatürlich, dass er eine Weiße zur Frau hat. Clay sieht seine Schwester an. Er möchte so sehr viel sagen und fragen, doch er sagt nur: »Nina!« Sie ist dunkel wie eine Indianerin, doch sie hat blaue Augen. In diesen dunkelblauen Augen leuchtet und glitzert es seltsam. Sie wirkt ganz und gar wild, voller Feuer. »Es tut mir Leid, Bruder«, spricht sie, und ihre Stimme klingt auf eine seltsam kehlige Art melodisch. »Es tut mir Leid, Bruder, dass ich dir damals jenen verzweifelten Brief schrieb. Ich hätte wissen müssen, dass du Mittel und Wege finden würdest, mich zu finden und…« »Ja«, sagt er herb. »An dem Tag, da ich deinen Brief erhielt, war ich Captain in der Armee der Südstaaten. Zwei Tage später wurde ich von den Unionstruppen gefangen. Doch ich konnte nach Wochen aus dem Gefangenenlager flüchten. Und als ich endlich nach Kansas City kam, warst du schon nicht mehr dort. Ich folgte Wochen und Monate deiner Fährte. Eines Tages erfuhr ich, dass du mit deinem Kind bei den Apachen wärst. Ich wusste auch, dass Lieutenant Rannahan in Fort Final war. Und so machte ich mich auf den Weg, um ihn zu strafen und dich zu befreien. Der Zufall kam mir dabei zu Hilfe. Ich habe Lieutenant Rannahan schon in meiner Hand. Er befindet sich in einer Arrestzelle. Und ich bin stellvertretender und Dienst tuender Kommandant des Forts, obwohl ich kein Sergeant der Unionsarmee bin, sondern ein geflüchteter Captain der Südstaatenarmee. Nina, bist du wirklich freiwillig bei den Apachen?« Er stellt die Frage staunend und ungläubig, denn indes er zu seiner Schwester sprach, spürte er ständig die starke Veränderung in ihr. Sie ist so völlig anders geworden. Er erinnert sich plötzlich wieder daran, dass Nina und er in der Familie eine indianische Urgroßmutter hatten, eine Comanchen-Häuptlingstochter. Sollte das indianische Blut in Nina so stark zum Durchbruch gekommen sein? Er ist etwas verwirrt. Ninas Blick aber ist in die Ferne gerichtet, ganz so, als könnte sie dort irgendwelche Bilder sehen. Sie lächelt auch dabei auf eine verklärte Art. Doch dann kommt sie wieder in die Wirklichkeit zurück. Ihr Lächeln schwindet. In ihren schönen Augen leuchtet es wieder voll wildem Feuer. Sie sagt herb: »Ich habe die Armee hassen gelernt. Als ich in Kansas City wissen wollte, wohin der Vater meines Kindes kommandiert worden wäre, da wurde ich schlimm beleidigt. Damit fing es an. Ich musste erst einen Schreibstuben-Corporal bestechen, bis ich erfuhr, wohin Rannahan versetzt worden war. Und dann begann mein langer Weg von Kansas City bis Santa Fe. Ich brauchte fünf Monate für diesen Weg, und ich hasste dann nicht nur die Armee, sondern alle Menschen meiner Hautfarbe. Ich werde meinen Weg von Kansas City nach Santa Fe nie vergessen, niemals, und ich begreife heute nicht mehr, dass ich mir nicht das Leben nahm. Bruder, ich war eine mittellose, erbärmlich gekleidete Landstreicherin, der man ansah, dass sie ein Kind bekommen würde. Ich war hübsch und hatte keinen Mann. Man hielt mich überall für ein Flittchen. Und man ließ es mich überall spüren. Da waren Frauen, die mich wie den letzten Dreck behandelten – und da waren Männer, die – oh, was waren diese Schufte gemein! Und mit jenem kleinen Wagenzug, der von Santa Fe nach Fort Final aufbrach, kam ich nur
deshalb mit, weil der Wagenboss sich etwas davon versprach, von meiner Dankbarkeit nämlich. Und wieder einmal mehr begriff ich, dass man für alles auf dieser Erde bezahlen muss – immer nur bezahlen und bezahlen. Und als dann später die Apachen über uns herfielen, da lachte ich nur, hielt mein Baby im Arm und wartete darauf, dass sie es mir fortnehmen und töten und dann auch über mich herfallen würden. Ja, ich lachte sie an und wartete auf all die scheußlichen Dinge. Mich konnte nichts mehr erschüttern. Aber da kam San Carlos. Er war von Anfang an gut zu mir. Er sah mich an und wusste, was in mir war. Er spürte all meine Bitterkeit, meine Verachtung – und meine Gelassenheit. Er war gut zu mir von Anfang an. Auch zu meinem Kind ist er gut. Außer dir, Bruder, ist er der beste Mann auf dieser Welt für mich. Ich bin jetzt seine Gefährtin. Ja, ich kann zusehen, wie er dieses Fort vernichtet. Ich hasse die Armee. Und mich kümmert auch nicht die Not der Zivilisten dort im Fort. Um meine Not hat sich auch nie jemand gekümmert. Im Gegenteil, sie wurde nur ausgenutzt, und ich musste Dinge tun oder erdulden, die ich bis zu meinem Tod nicht vergessen werde. San Carlos ist gut. Ich will bei ihm bleiben. Später werde ich mein Kind auf eine Missionsschule geben. Bruder, du brauchst nicht ins Fort zurück. Du bist kein Soldat der Unionsarmee. Im Gegenteil, als Soldat der Konföderation ist es sogar deine Pflicht, die Unionstruppen zu bekämpfen. Du bist ein aus der Gefangenschaft der Union entwichener Soldat der Konföderiertenarmee der Südstaaten. Du kannst hier für den Süden einen Sieg erringen, indem du dich mit San Carlos verbündest. Und dann kannst du zurückreiten zur Südarmee und dich wieder zur Verfügung stellen. Denn ich brauche deine Hilfe nicht mehr, Bruder. Ich bleibe bei San Carlos. Ich bin dabei, eine Apachin zu werden. Man ist gut zu mir. Ich bin unter guten Gefährten. Ich gelte hier nicht als herumstreunendes Flittchen, welches sich ein Kind andrehen ließ. Ich werde hier nicht auf Schritt und Tritt beleidigt. Ich bin San Carlos und den Apachen dankbar. Ich liebe San Carlos so, wie eine Frau einen Mann lieben soll. Und glaub nur nicht, dass er ein Heide ist. Oh, er glaubt an den Herrn des Lebens und dieser Welt genau so wie wir. Das ist alles, Bruder.« Sie endet schlicht, und dies ist schon etwas von der Art der Apachen. Clay wird sich darüber klar. Dieses schlichte und endgültige Hinnehmen der Gegebenheiten, es ist nichts anderes als indianischer Fatalismus. »Du hattest doch einige Ersparnisse, Nina. Dein Gehalt als Lehrerin war nicht groß, doch…« »Arch Rannahan hatte Spielschulden, und er sagte, dass er mich mit Schulden nicht heiraten könne. Da gab ich ihm mein Geld.« Clay nickt langsam. Nun weiß er endlich richtig, was für ein erbärmlicher Schuft Arch Rannahan ist. Doch nun meldet sich San Carlos zu Wort. Er sagt in vorzüglichem Englisch: »Wir könnten wirklich Verbündete sein, Schwager. Ja, wir sind Schwäger, damit musst du dich vertraut machen. Wir könnten also Verbündete sein. Ich gewähre den Frauen, Kindern und allen alten Männern freien Abzug. Es wird ihnen kein Haar gekrümmt. Auf dieser Basis könnten wir zusammenarbeiten. Ich will nur das Fort zerstören und die kampffähigen Männer töten. Das genügt! Wir Apachen müssen den Krieg, den die Weißen unter sich führen, zu unseren Gunsten ausnutzen. Nur so können wir unser Land wieder freibekommen. Du bist Offizier der Südstaaten. Du tust nur deine Pflicht, wenn du ein Fort der Nordstaaten vernichtest. Also?« Clay wischt sich über das Gesicht.
Du lieber Vater im Himmel, denkt er, es ist alles verrückt. Die können doch nicht von mir verlangen, dass ich ihnen Fort Final in die Hände spiele. Selbst wenn San Carlos den Frauen, Kindern und alten Männern freien Abzug gewähren sollte, so kann ich doch nicht die kampffähigen Männer an die Apachen verraten – selbst nicht als Südstaatensoldat, für den die Unionsarmee der Feind ist. Er sieht San Carlos an und schüttelt den Kopf. »Die Leute im Fort vertrauen mir«, sagt er. »Dieses Fort ist der erste Vorposten der Zivilisation. Sie wird kommen. Auch für die Apachen wird sie gut sein. Ich glaube daran. Ich kann nicht zulassen, dass ihr das Fort zerstört und die Soldaten darin tötet. Du bist gut zu meiner Schwester. Dafür danke ich dir. Sie hat ihren Weg und ihre Seite gewählt. Ich wünsche euch Glück. Doch ich werde gegen dich kämpfen, San Carlos. Wenn du mir keine Wahl lässt, werde ich dich töten.« Der Apache nickt. »Du bist genau so, wie Nina es sagte – groß, stolz und furchtlos, ganz und gar ein Mann, auf den auch die Apachen stolz sein würden. Du hast dich entschieden, Schwager. Du hast freies Geleit zurück zum Fort. Was wirst du mit diesem Lieutenant Rannahan tun?« Die letzte Frage kommt wie nebenbei. Aber in des Apachen Augen glitzert es. Clay sieht die Schwester an. Und auch in ihren Augen erkennt er dieses Funkeln. »Ich weiß es noch nicht«, gibt er zur Antwort. Und er deutet hinter sich zurück auf das Fort. »Dort im Fort sind viele Sündige und nur wenige Reine. Vielleicht sind es nur die Kinder, die noch rein sind. Gewiss ist dieser Lieutenant Rannahan ein großer Schuft, ein Lump. Doch er wird jetzt gebraucht, um der kommenden Zivilisation den Vorposten zu halten. Ich glaube, ich werde ihn gegen euch kämpfen lassen. So kann er wenigstens einen Zweck erfüllen.« Er betrachtet die Schwester nochmals mit einem traurigen und mitleidigen Blick. »Oh, Nina«, murmelt er. Dann macht er eine grüßende Handbewegung und reitet langsam zurück. Hinter ihm blickt San Carlos auf seine Frau. Er erkennt Tränen in ihren Augen und er sagt: »Du kannst mit deinem Bruder reiten, Nina – du und dein Kind, ihr könnt ins Fort. Du weißt, dass ich dich nicht als Gefangene bei mir haben möchte. Du kannst zurück zu den Weißen, zu denen dein Bruder gehört, der ein Mann ist, wie ich noch keinem begegnete. Nina, ich würde traurig sein, gingest du fort. Doch dein Glück ist mir wichtiger.« »Ich bin deine Frau« , sagt sie. »Ich wurde eine Apachin. Eines wurde mir soeben klar, San Carlos: Ich hasse und verachte sie immer noch – alle – alle Weißen. Sie sind kalt, gemein und grausam. Die Apachen sind gut zu mir. Ich will eine Apachin sein.« *** Als der Sergeant vor das Tor geritten kommt, öffnet es sich, und als es sich hinter ihm geschlossen hat, hält er an und blickt auf die Ansammlung nieder. »Die Frauen, Kinder und Alten würden von den Apachen freien Abzug bekommen«, sagt er zu ihnen. »Ihr solltet euch überlegen, ob ihr das Angebot annehmen wollt.« Nach diesen Worten reitet er zur Kommandantur hinüber, um dem kranken Kommandanten Meldung zu machen, dass nur die Frauen, Kinder und Alten Abzug
bekommen würden. Corporal Windmaker nimmt ihm das Pferd ab und sagt dabei heiser: »Keine Chance für uns, nicht wahr? Und was ist das für eine Frau, die immer mit San Carlos reitet? Eine Weiße? Eine Halbindianerin? Manchmal glauben wir alle hier im Fort, dass sie San Carlos drängt, dieses Fort zu zerstören. Gibt es eine Chance?« »Noch leben und halten wir das Fort«, murmelt der Sergeant und geht hinein. Lange bleibt der Sergeant nicht in der Kommandantur, wie die schweigsamen Beobachter feststellen können. Sie sehen ihn dann zum Arresthaus hinübergehen. Der Sergeant schiebt den Riegel zurück, tritt ein und zieht die Tür hinter sich zu. Drinnen ist es heiß wie in einem Brutofen. Der Lieutenant hockt mit entblößtem Oberkörper auf der Schlafpritsche. Er hebt nur den Kopf, als der Sergeant eintritt. Sonst bewegt er sich nicht. Doch er sagt: »Eines Tages komme ich hier heraus. Dann bringe ich dich um. Und wenn ich selbst dabei zum Teufel gehe, ich bringe dich um!« Er wartet offenbar auf eine Antwort des Sergeants. Als er keine erhält, bewegt er sich. Er springt auf und tritt an die Gitterstäbe. Sein nackter Oberkörper glänzt vor Schweiß. Er starrt zwischen zwei Stäben hindurch auf den Sergeant und presst heiser hervor: »Ich hatte von Anfang an, als du durch das Tor geritten kamst, gespürt, dass du mein Feind bist. Sag mir, wer bist du? Warum bist du mein Feind? Ich habe dich nie in meinem Leben gesehen. Ich habe auch nie von dir gehört, Sergeant Yates.« Der Sergeant tritt dicht vor die Gitter. »Ich kam her«, sagt er, »um dich zu erledigen, Rannahan. Ich wusste nicht genau, wie ich es tun würde. Doch ich dachte mir, dass ich als Sergeant näher an dich herankommen würde – näher als ein Zivilist. Ich hätte jedoch nicht gedacht, dass es mir so leicht werden würde, dich auszuschalten. Dass du ein Saufbold wurdest, machte mir die Sache leicht. Und warum wurdest du ein Trinker? Ich weiß es, Freund Rannahan. Die Frau dort draußen bei San Carlos, du kennst sie, sogar gut, nicht wahr? Es ist Nina Donovan. Einmal glaubte sie daran, dass du es ehrlich mit ihr meinst. Und jetzt ist sie mit ihrem Kind, welches auch dein Kind ist, bei den Apachen. Ihr Weg war so bitter und erbärmlich, dass sie erst bei den Apachen Freundlichkeit und Wärme fand. Sie hasst dich. Sie möchte nicht zuletzt deshalb das Fort vernichten helfen, um dich tot zu sehen. Rannahan, du bist ein Schuft! Du hast dir sogar von ihrem wenigen Ersparten deine Spielschulden bezahlen lassen, bevor du sie sitzen ließest, als wäre sie ein Flittchen. Aber sie war kein Flittchen. Sie ist meine Schwester. Ich bin nicht Sergeant Yates. Ich bin Clay Donovan, ein aus der Gefangenschaft entflohener Captain der Konföderiertenarmee. Und ich kam her, um meine Schwester zu rächen und wenn möglich zu retten. Jetzt weißt du es, Rannahan.« Dieser steht lange da und denkt nach. Dann beginnt er böse zu lachen. »Oho, ein Rebellen-Captain als Sergeant der Union, als Dienst tuender Offizier und stellvertretender Fortkommandant. Das ist ein Witz! Das ist lustig! Oho, ich werde es durch das Fenster brüllen, bis jeder Mensch im Fort es weiß.« »Versuche es!« Der Sergeant lächelte schief. »Versuch es nur mal! Es ist viel zu verrückt, als dass man es dir glaubt. Ich würde dich dann holen und aus dem Fort jagen. Hast du verstanden? Ich würde dich hinaus zu den Apachen jagen. Und niemand würde mich daran hindern! Wollen wir es ausprobieren?«
Rannahan weicht unwillkürlich zurück. Er weiß zu gut, dass er nicht einen Mann im Fort auf seiner Seite hätte. »Ich lasse dich jetzt heraus, Rannahan«, spricht der Sergeant. »Du wirst auf der Mauer als Soldat Dienst tun wie wir alle, denn es dauert nicht mehr lange, dann kommen die Apachen über die Mauer. Wir alle müssen um unser Leben kämpfen, und auch du sollst Gelegenheit dazu bekommen. Und nimm dich in Acht, dass sie dich nicht lebend erwischen. Nina ist freiwillig bei San Carlos. Wenn sie nur mit dem Finger schnippt, bringt San Carlos ihr dein schwarzes Schurkenherz auf der Messerspitze als Geschenk. Geh hinaus an die Mauer! Was zwischen uns war, ist gar nicht mehr wichtig. Wir alle – mögen wir rein oder sündig sein – müssen um unser Leben kämpfen. Nur darauf kommt es noch an. Ist dir das klar?« Rannahan schließt die Augen. Er schluckt mühsam. Dann nickt er krampfhaft. »Ja, es ist mir klar! Du hast mich am Boden – und ich will überleben. Ich muss sogar tun, was du verlangst. Ja, die Reinen und die Sündigen sitzen hier ohne Unterschied in der Falle, und alles, was zwischen ihnen so unterschiedlich ist, muss vergessen werden.« Er macht eine Pause und atmet gepresst. Erst nach einer Weile keucht er heiser: »Nina ist dort draußen vor dem Fort und wartet nur darauf, dass ihr Apache für sie Rache übt. Ich wusste es von Anfang an, da ich sie sah und erkannte. Von diesem Tage an musste ich mich immer wieder betrinken. Kannst du das nicht verstehen, Sergeant?« Der nickt unmerklich. Dann öffnet er die Gittertür und lässt ihn hinaus. Und Rannahan wirft sich nicht gegen ihn. Es gibt keinen Kampf. Und so sehen bald darauf die Menschen im Fort den Lieutenant und den Sergeant aus dem Arresthaus treten. Langsam begibt sich der Lieutenant mit einem Gewehr auf den Rundgang hinter der Mauer und bezieht dort Posten wie jeder andere Mann auch. Von den Apachen ist nichts mehr zu sehen. Auch der Häuptling San Carlos und jene Frau, die immer bei ihm ist und von der man annimmt, dass sie wahrscheinlich eine Weiße ist, sind verschwunden. Nur drei Menschen im Fort wissen, was es für eine Bewandtnis mit dieser merkwürdigen Apachin hat. Das Mädchen Janett Allison weiß es. Und Lieutenant Rannahan, der zerbrochen wurde und nun nur noch überleben möchte, dieser Lieutenant wusste es von Anfang an und wurde ein Trinker. *** Die drei Kanoniere, die bei der Kanone hocken, wirken wie drei Piraten aus der Karibischen See. Sie sind stoppelbärtig, kauen Tabak und tragen die Uniform wie Zivilisten. Aber als der Sergeant vor ihnen verhält, wollen sie sich erheben und Haltung einnehmen. »Lasst es nur sein, Jungs«, sagt er zu ihnen. »Überanstrengt euch nicht. Sagt mir lieber, was ihr mit diesem Ding treffen könnt.« Der Geschützführer, der die Streifen eines Corporals trägt, grinst breit von einem Ohr zum anderen.
»Wir sind echte Künstler, Sergeant«, sagt er. »Wir machen Maßarbeit. Es wird darauf ankommen, dass die Apachen möglichst dicht und zahlreich an einer verhältnismäßig schmalen Stelle über die Mauer kommen. Die Streubreite ist von hier aus etwa dreißig Grad. Das können Sie da an der Mauer fast auf den Yard genau abmessen. Was in diesem Sektor über die Mauer kommt, wird weggeputzt – natürlich auch in jedem anderen Sektor, wenn wir Zeit genug bekommen, die Haubitze herumschwenken und neu einrichten zu können. Wir haben das Rohr mit tausend kleinen Freunden gefüllt, die alle auf unserer Seite sind. Das einzige Risiko ist, dass uns das Rohr platzt, da wir die Pulverladung stark machten. Aber zwei oder drei Schüsse wird das Ding aushalten, bevor es uns um die Ohren fliegt.« Er verstummt gleichmütig, und er hat einen recht genauen und präzisen Bericht gegeben. Dass er sich dabei auch noch etwas dachte, zeigt sein erwartungsvoller Blick. Und er hat sich nicht getäuscht in dem Sergeant. Dieser ist genau von der Art, wie er vermutet hat. Denn sie hören nun alle drei den Sergeant sagen: »Das könnt ihr haben, Jungs! Wenn sie angreifen, wird dieser Sektor nicht verteidigt. Die Mauer bleibt dort frei. Sie können also mühelos herüber und werden dicht gedrängt kommen. Ihr könnt es ihnen also geben. Doch wenn ihr Versager seid, dann ist es vorbei mit uns.« Sie nicken, und ein Grinsen geht über ihre bärtigen Piratengesichter. »Das wissen wir«, sagt der Corporal. »Doch ich kenne mich mit Tante Mary aus wie ein Kartenhai mit seinen gezinkten Karten. Auf Tante Mary können wir uns verlassen.« Es ist offensichtlich, dass er mit »Tante Mary« das Feldgeschütz meint. »Dann ist ja alles gut«, brummt der Sergeant und geht davon. Die drei Kanoniere blicken ihm nach. Als er außer Hörweite ist, sagt der Corporal: »Seht ihr, das ist ein Mann, der auch mal einen Einsatz wagt, um einen dicken Pott gewinnen zu können. Der spielt nun mit den roten Jungs dort draußen richtigen Apachenpoker. Und wir sind seine besten Trümpfe. Weder der Lieutenant noch der Captain hätten solch ein scharfes Spiel gewagt und allein auf uns und unsere Tante Mary vertraut. Hört, ihr zwei Schlurche, wir bleiben ganz ruhig und achten nur darauf, dass wir den richtigen Moment erwischen. Es ist ganz einfach, sage ich euch.« Seine beiden Kameraden nicken. Sie sind überhaupt sehr schweigsam und kauen lieber Tabak. In ihren Augen ist eine unerschütterliche Gelassenheit. Diese drei Kanoniere werden ihre beiden Ladungen gewiss nicht verschwenden. *** Die Nacht ist hell und klar, voller Sterne und einem blanken Mond. Im Fort und auch draußen sind viele tiefe Schatten. Der Sergeant kommt von der Mauer herunter und zu den drei Kanonieren. Zwei schlafen, doch sie werden sofort wach, als ihr wachender Kamerad sagt: »Da kommt der Sergeant. Der will etwas von uns.« Der Sergeant hält vor ihnen an, wippt leicht auf den Stiefelsohlen und sagt dann trocken: »Ihr werdet zeigen können, was ihr könnt. Ich denke, dass sie heute im Morgengrauen angreifen. Ich habe den Männern dort auf der Mauer Bescheid gesagt. Sie werden die Mauer zäh verteidigen bis auf den Sektor, den ihr mit der Haubitze beherrscht. Die Apachen werden kaum auf Widerstand stoßen und genau vor euch über
die Mauer kommen. Wartet ab, bis es genug sind – doch wartet nicht zu lange.« »Wir machen es richtig«, sagt der Corporal ganz ruhig. »Wir sind aus Massachusetts. Dort lernt man schon als kleiner Junge, dass man die besten Trümpfe im richtigen Moment einsetzen muss – immer dann, wenn der Pott fett ist. Jawohl, Sir!« Der Sergeant sagt nichts, geht langsam davon. »Seht ihr«, brummt der Corporal, »der lässt sich nicht dadurch täuschen, dass wir nun schon zwei Tage nicht einmal den Schatten eines Apachen sehen konnten. Der weiß genau Bescheid im Apachenpoker. Na gut, wir werden es ihnen schon versalzen.« Seine beiden Kameraden sind einverstanden, was sie mit gleichmäßigem Nicken ausdrücken. Indes trifft der Sergeant am Brunnen auf Janett Allison. Sie sitzt dort auf einer Bank unter den Bäumen, die den Brunnen umgeben. Diese Walnussbäume sind das einzige Grün im Fort. Der Sergeant sagt vorerst nichts. Er schöpft mit der hölzernen Kelle etwas Wasser aus dem Eimer und trinkt. Dann sagt er ruhig: »Janett, die Frauen und Kinder müssen noch vor Morgengrauen in ihrer Unterkunft sein. Alle Türen und Fenster werden verschlossen, die Läden fest verriegelt. Sorgen Sie dafür, Janett, ja?« Sie nickt und murmelt dann: »Wenn es Ihre Zeit erlaubt, Clay, dann setzen Sie sich doch einen Moment zu mir.« Er zögert. Dann gehorcht er ihrem Wunsch. »Clay, ich will Sie nicht behelligen«, murmelt sie leise. »Bitte verzeihen Sie mir, dass ich starken Anteil an den Dingen nehme. Doch ich wurde nun einmal zur Mitwisserin einiger Dinge. Und…« »Ich will Ihnen alles berichten«, murmelt er. Dies tut er nun mit knappen Worten. Als er verstummt, legt sie ihm leicht ihre Hand auf die Schulter. »Ich kann Ihre Schwester verstehen«, sagt sie langsam. »Ein anderes Mädchen hätte sich an ihrer Stelle vielleicht das Leben genommen. Sie aber reagierte mit Hass. Dieser Hass war die starke Kraft, die ihr half, durchzuhalten. Vielleicht fühlt sie sich wirklich wohl unter den Apachen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Apachenwelt sauber und gut ist, ohne Vorurteile und sehr menschlich. Aber ich glaube nicht, dass Nina eine Apachin werden kann. Irgendwann wird die Zeit ihre Wunden heilen, Sie wird…« »Das weiß auch ich alles«, unterbricht er sie. »Doch um Nina wieder in ihre Welt zurückholen zu können, muss ich erst San Carlos schlagen. Und wie ich das anstellen kann, ist mir noch ein Rätsel.« Sie schweigen eine Weile. Dann sagt Janett noch sanfter: »Sie wollen Lieutenant Rannahan gar nicht mehr vernichten, nicht wahr? Er ist unwichtig geworden. Selbst Ihre Schwester ist nicht mehr so wichtig wie Ihre Aufgabe, dieses Fort und alle die Menschen darin zu retten. So ist es doch, nicht wahr?« Er lauscht offenbar tief in sich hinein, versucht gewiss, seine Wünsche und Absichten zu ergründen. »Ich weiß es nicht«, murmelt er. »Es geht wohl vorerst allein darum, dass wir alle überleben – oder zumindest so viele von uns wie nur möglich. Ich bin hier unter falscher Flagge eingedrungen und trage die Verantwortung. Glauben Sie, dass ich mein Bestes für diese Menschen hier tun werde?« »Das glaube ich, Clay. Und alle glauben es! Keine von den Frauen möchte mit den
Kindern das Angebot der Apachen annehmen, jenen freien Abzug. Selbst sie vertrauen mehr auf Sie, Clay, als auf das Apachenwort. Clay, Sie sind ein Mann, dem man vertrauen muss. Und ich bin froh, dass ich zu Ihrer Vertrauten wurde und nicht verriet, wie und warum Sie Lieutenant Rannahan ausschalteten. Ihr Hass ist gestorben, Clay, weil Sie die Aufgabe erkannt haben, die über allen anderen Dingen steht.« »Oh, vielleicht wird man mich noch verfluchen«, murmelt er bitter, »denn wir werden das Fort verlassen müssen, bevor uns Proviant und Munition ausgehen und solange die wenigen Pferde noch kräftig sind. Wir werden das Fort aufgeben müssen, um unser Leben zu retten. Doch zuvor müssen wir die Apachen schwächen. Ich weiß keinen anderen Weg für uns.« Er erhebt sich nun, und seine letzten Worte klangen bitter und fast verzweifelt. Nun will er fort. Doch da springt Janett auf, tritt zu ihm und zieht ihn am Arm herum. »Clay«, sagt sie, »du machst bestimmt alles richtig. Der Himmel hat dich in unser Fort geschickt. Clay, ich glaube an dich wie noch nie an einen Menschen. Hilft dir das?« Er nickt langsam und blickt auf sie nieder. Sie hat ihre Hände gegen seine Arme gelegt, hält sich so fest und stellt sich auf die Zehenspitzen. Er spürt ihren Körper, begreift, wie lebendig sie ist und dass sie ihm etwas geben will, was mehr ist als nur ein Kuss – nämlich Zuneigung und Vertrauen. Sie will ihm helfen, sich den starken Glauben an sich selbst zu erhalten. Er küsst sie lange. Er spürt ihren Herzschlag, und als sie sich voneinander lösen, atmen sie beide heftig. »Danke, Janett«, murmelt er dann. »Du kannst einem Mann einige Dinge leichter machen.« Damit geht er davon. *** Die ersten Nebel steigen. Einer der Männer spricht flüsternd ein Gebet: »… und beschütze meine Frau und meine Kinder. Lass sie nicht in die Hände…« Dies ist deutlich zu hören. Dann wird das Gebet wieder leiser. Drüben in der Unterkunft der Frauen und Kinder tönt plötzlich das helle Schreien eines Babys. Dann verstummt es wieder. Wahrscheinlich liegt es nun zufrieden an der Mutterbrust und stillt den Hunger. Was wird aus ihm werden? Die Frage stellen sich in diesem Moment wohl alle Männer hinter der Mauer. Und dann kommt der Angriff. San Carlos will das Fort erobern. Der Moment ist gekommen, da er genug hat von dem Geplänkel und alles auf eine Karte setzt. Die Apachen versuchen es an drei Stellen. Es ist geradezu unheimlich, wie sie plötzlich am Fuß der Mauer aus dem Boden zu wachsen scheinen. Niemand hat ihre Annäherung bemerkt, so sehr die Posten auch in die helle Nacht starrten und die Schatten der Kakteen und Büsche auch zu durchdringen versuchten. Die Apachen sind an drei Stellen an der Mauer, als wären sie dort aus der Erde gekommen. Und wie die Pumakatzen erklimmen sie die Mauer. Die kleinsten Vorsprünge und
Unebenheiten oder Beschädigungen genügen ihnen, um Halt zu finden. Obwohl die Männer hinter der Mauer doch vorbereitet sind und angespannt auf den Angriff warten, sind sie von dieser wilden Plötzlichkeit überrascht. Draußen in der Nacht setzen auch plötzlich ein halbes Dutzend Trommeln ein, von denen man sagt, dass sie mit Menschenhaut bespannt wären. Sie hämmern und hacken einen wilden Wirbel, anfeuernd und schrecklich drohend. Es wird ein grimmiger Kampf. Die Gewehre und Revolver krachen durch das wilde Gebrüll. Messer blitzen. Schädelbrecher werden geworfen. Und überall stürzen sich die untersetzten, unheimlich schnellen und völlig furchtlosen Apachen auf die Verteidiger. Sie wollen sich längs der Mauer ausbreiten, wollen dort, wo sie herüberkamen und Fuß fassen konnten, die Breschen nach beiden Seiten verbreitern. Es sieht einen Moment so aus, als könnten sie dies vollbringen. Doch dann schaffen sie es an zwei der Stellen nicht. Das liegt auf der Südseite an dem Sergeant, der mit seinen Revolvern so unheimlich präzise und sicher schießt und den Angriff aufhält, bis seine Männer die Überraschung überwunden haben und ruhiger zielen, sodass sie endlich auch zu treffen beginnen. Auf der Nordseite ist es Corporal Dick Windmaker, der sie aufhält. Der Rundgang hinter der Mauer ist nur wenig mehr als einen Yard breit. Und da steht Windmaker, benutzt das Gewehr als Keule oder Stoßwaffe und erwischt alle angreifenden Gegner, mögen sie ihn unterlaufen wollen oder anspringen. Er schlägt sie über die Mauer zurück oder in den Hof hinunter. Als ihn dann eine geworfene Keule am Kopf streift, sodass er auf die Knie muss, da schießen die Soldaten über ihn hinweg auf die restlichen Apachen und treffen fast zur gleichen Zeit. Auch hier auf der Nordseite misslingt der Versuch der Apachen, Fuß zu fassen. Doch im Westen klappt es. Es ist wieder für die Weißen unverständlich, wie schnell sich die Apachen verständigen oder wie sie die Möglichkeit wittern. Denn sie tauchen dort an der Westwand zahlreicher auf, kommen dichter herüber und springen herunter in den Hof, um sich nach links zu wenden. Sie wollen zum großen Haupttor und quer über den Hof zwischen der Kommandantur und den Verwaltungsgebäuden hindurch zum Osttor, um die Tore zu öffnen. Für einige Sekunden sind sie sehr konzentriert beisammen, ein dichter Haufen, der sich im nächsten Moment schon in verschiedene Gruppen auflösen wird, von denen jede eine bestimmte Aufgabe erfüllen will. In dieser Sekunde donnert die Haubitze los. Es gibt einen gewaltigen Krach, denn die Haubitze wurde zu einer Riesenschrotflinte. Die starke Pulverladung schleudert eine furchtbare Todessaat in die Apachen. Die Streubreite ist so groß, dass sie alle getroffen werden. Zwei Dutzend gehen sofort zu Boden. Weitere zwei Dutzend werden mehr oder weniger schlimm verwundet. Sie wissen, dass sie nicht mehr über die Mauer zurück können. Und so greifen sie an. Verzweifelt und wild, ein verlorener Haufen. Sie wenden sich nach links und rechts, laufen über den Exerzierplatz, greifen die Geschützbedienung an und versuchen in die Kommandantur und das Küchenhaus einzudringen.
Aber sie sind nicht mehr schnell genug. Sie sind ja verwundet. Und sie bilden auch keine geschlossene Stoßtruppe mehr. Was sie unternehmen, ist ein verzweifelter Versuch, vor dem Sterben dem Gegner noch Verluste zuzufügen. Einige von ihnen schaffen das auch. Doch sterben müssen sie alle. Es entkommt keiner. »Es ist vorbei!« Dies ruft eine schrille Stimme von irgendwoher, und es ist die ganze Dankbarkeit eines Menschen in dieser Stimme, der noch einmal davonkommen und am Leben bleiben durfte. Verwundete beginnen zu klagen. Es wird nun laut im Fort. Denn viele der Verteidiger beginnen nun vor wilder Freude und Triumph zu brüllen. Sie können sich nicht anders helfen. Sie haben nicht nur einen gefährlichen Angriff abgeschlagen, sondern den Apachen zum ersten Mal eine wirklich empfindliche Niederlage zufügen können. Die Stimme des Sergeants ruft nun knappe und präzise Befehle. Die beiden anderen Sergeants und die drei Corporals sorgen dafür, dass die Befehle ausgeführt werden. Man muss sich um die Verwundeten kümmern, muss die Toten fortschaffen. Frauen eilen aus dem Quartier, um bei der Versorgung der Verwundeten alles zu tun, was nur möglich ist. Der Sergeant begibt sich zu den drei Kanonieren, die dabei sind, ihr Feldgeschütz zu säubern. »Das war ganz so, wie ich es mir gedacht habe, Jungs«, sagt er pulvertrocken und lässig, wie es nur ein Texaner kann. Dann aber stellt er auch schon die Frage: »Wie viele solcher Donnerschläge könnt ihr denn noch abfeuern?« Der piratenhafte Corporal spuckt seinen Priem aus und kratzt sich im filzigen Haar. »Einen«, sagt er, »oder zwei halb so starke. Dann ist das Pulver alle. Wie wollen Sie es denn haben, Sir?« »Einen starken Knall wie den soeben gehabten, Gentlemen«, erwidert der Sergeant. »Sucht euch den besten Wagen aus, packt eure Kanone hinein und sorgt dafür, dass man sie nicht sehen kann. Die Apachen sollen die Kanone erst zu sehen bekommen, wenn ihr ihnen noch einmal eine Ladung gebt. Habt ihr verstanden?« Sie blicken ihn stumm an. Und sie begreifen genau, was er will. Dann fragt der Geschützführer sanft: »Verlassen wir das Fort?« »Was sonst?« Dies fragt der Sergeant zurück. »Bei Sonnenaufgang fahren wir los. Ihr bekommt Corporal Dick Windmaker als Fahrer. Oder passt der euch nicht?« »Der Bulle ist schon richtig. Wenn die Apachen uns die Pferde abschießen, wird er den Wagen ziehen können wie ein Büffel.« Der Sergeant grinst. Er macht sich auf den Weg. Wenig später hat er ein Dutzend Zivilisten zusammengerufen. Diesen Männern sagt er: »Ihr bekommt zwei Wagen und acht Pferde dafür. Und ihr habt eine Stunde Zeit, alle Frauen, Kinder und Verwundeten einzuladen, dazu Wasser und Proviant. Vergesst das Wasser nicht! Vielleicht werden wir zwei Wochen ohne Wasser sein.« Sie starren ihn an. Was er ihnen sagt, erscheint ihnen unmöglich und verrückt. »Wir – wir sollen das Fort verlassen, Sergeant?« Ein alter Mann fragt es heiser. »Wir sollen den Schutz dieser Mauern verlassen und hinaus in das Apachenland? Ja, die fallen
doch sofort über uns her und machen uns nieder!« Alle nicken zu diesen Worten. Er betrachtet sie im ersten grauen Morgenlicht ruhig und fest. »Das Fort ist nicht mehr zu halten«, sagt er dann hart. »Es fehlt an Munition, Proviant und Männern. Wir müssen uns den Weg zu anderen Menschen freikämpfen. Es gibt nur eine einzige Chance. Im Westen – etwa zweihundert Meilen entfernt, liegt die Stadt Globe. Wenn wir diesen Ort erreichen, sind wir gerettet.« »Warum versuchen wir dann nicht, nach Fort Apache durchzubrechen? Dieser Weg wäre nicht weiter.« Dies fragt einer der Zivilisten, ein junger Mann noch, der wie ein Cowboy gekleidet ist. »Nach Fort Apache müssen wir über drei Pässe – nach Globe nur über einen einzigen gefährlichen Pass. Um Fort Apache sind auch eine sehr viel größere Menge Apachenbanden versammelt, die San Carlos’ Bande schnell verstärken würden. Männer, wir müssen es wagen, jetzt sofort! Denn wir fügten ihnen soeben eine schlimme Niederlage zu. Wir müssen das ausnutzen. Jetzt oder nie!« Es geht wieder eine zwingende Kraft von ihm aus. Sie strömt auf die Männer über. Doch er gibt es ihnen noch härter. Er sagt trocken: »Viele von uns werden unterwegs sterben. Doch wenn wir bleiben, wird das Fort unser Grab.« Nun wartet er nicht mehr auf weitere Entgegnungen. Er lässt sie stehen und geht weiter. Überall gibt er Befehle. Zuletzt betritt er die Kommandantur. Dort sitzt der Captain hinter dem Schreibtisch. Er sagt: »Sie haben schon wieder eine schwerwiegende Entscheidung getroffen, Sergeant. Mit der Kanone hatten Sie Glück. Doch werden Sie jetzt auch noch Glück haben, wenn Sie uns mit Frauen und Kindern in dieses gnadenlose Land hinausführen, dorthin, wo wir den Apachen deckungslos ausgeliefert sind?« Er verstummt bitter, hat brennende Augen und ein Zucken um die Mundwinkel. Der Sergeant hebt die hageren Schultern. »Ich spiele Apachenpoker, Sir«, sagt er. »Für unsere Pferde ist kein Futter mehr vorhanden. Schon in wenigen Tagen wären die Tiere nicht mehr in der Lage, geritten zu werden oder Wagen zu ziehen. Von unseren Männern besitzt keiner auch nur mehr als sechs Gewehrpatronen. Nur mit der Revolvermunition sieht es etwas besser aus. Und der Proviant ist ebenfalls alle. Wir müssen es versuchen, Captain. Überdies können wir noch einmal unsere Kanone abschießen. Es wird wieder darauf ankommen, dass die Ladung ein Volltreffer ist. Deshalb möchte ich Sie bitten, im Geschützwagen zu fahren. Der Wagen hat eine Plane. Das Geschütz ist nicht zu sehen. Wir lassen hier im Fort ein altes Kanonenrohr zurück. Es wird darauf ankommen, das Geschütz im richtigen Moment…« »Ich verstehe«, unterbricht ihn der Captain. »Sie wollen den Trick noch einmal versuchen. Und Sie wollen mir zugleich Gelegenheit geben, mich als Offizier trotz meiner Schwäche zu bewähren. Was bekommt Lieutenant Rannahan für eine Aufgabe?« »Wir haben siebenunddreißig Pferde zur Verfügung, Sir«, erwidert der Sergeant. »Sechzehn Tiere brauchen wir für die vier Wagen. Eines für mich. Die zwanzig restlichen bekommen die besten Reiter und Revolverschützen, mögen es Soldaten oder Zivilisten sein. Und der Lieutenant wird diese ›Kavallerie‹ kommandieren.« »He, kann er das? Trauen Sie ihm das zu?« »Er muss«, erwidert der Sergeant. »Wir alle müssen – oder wir gehen zum Teufel.
Auch Sie müssen jetzt, Captain! Der Geschützführer ist ein tüchtiger Bursche. Sie brauchen nur auf ihn zu hören. Da Sie mit Ihrem Bein nicht reiten können, kommt Ihnen der Platz im wichtigen Geschützwagen zu. Oder?« »So ist es«, murmelt der Captain, und er schwitzt im Gesicht, obwohl es jetzt am Morgen sehr kühl ist. Als der Sergeant zur Tür geht, fragt der Captain hinter ihm her: »Woher nehmen Sie nur den Mut und das Selbstvertrauen, um solche Entscheidungen treffen zu können, Sergeant?« »Auch Sie haben damals eine Entscheidung getroffen und sind mit sechzig Mann hinausgeritten, um San Carlos zu schlagen, Captain Britt Jennison«, murmelt er. »Jetzt treffe ich eine ähnliche Entscheidung. Es gibt kaum einen Unterschied. Und alles, was ich mir wünsche, ist, eine Niederlage nicht zu überleben wie Sie, Captain. Es gibt für uns keine andere Wahl. Bleiben wir, sind wir bald tot. Wagen wir es, so lohnt es sich, wenn nur ein einziges Leben gerettet wird. Verstehen Sie? Für ein einziges Leben würde sich alles lohnen!« »Ja, wenn man genau wüsste, dass wir wirklich hier alle drauf gehen würden«, keucht der Captain. »Daran glaube ich mit völliger Sicherheit, denn es ist feige und dumm, sich etwas vorzumachen.« Nach diesen Worten geht er. *** Das Unglaubliche geschieht. All die Menschen hier im Fort – die Mutigen und die Zaghaften, die Guten und auch die Schlechten, denn auch von dieser Sorte gibt es nicht wenige im Fort –, sie alle begreifen die Notwendigkeit eines Ausbruchs. Soeben haben sie einen großen Sieg errungen, der die Apachen fast vier Dutzend Tote kostete. Nun gibt es vielleicht doch eine Chance zum Durchbruch, bevor die Roten Verstärkungen bekommen. Der Sergeant will es wagen, und bisher hat dieser Sergeant, den wohl der Himmel schickte, stets alles richtig gemacht. Und so beeilen sie sich. Es gibt nicht viel zu tun. Man muss nur die Wasserfässer und Ziegensäcke füllen, denn Wasser, viel Wasser, wird man nötig haben für diesen schrecklichen Marsch, der vor ihnen liegt. Der Angriff hat auch die Menschen des Forts drei Tote und fünf Verwundete gekostet. Die beiden Wagen, auf denen die Frauen, Kinder und Verwundeten fahren, sind deshalb dicht gefüllt. Der dritte Wagen ist mit dem notwendigen Gerät, Wasser und Proviant beladen. In ihm wird Platz sein für weitere Verwundete, die es gewiss noch geben wird. Der vierte Wagen beherbergt die Haubitze, deren Räder man abmontierte und im Fort mit einem alten Kanonenrohr, welches nichts mehr taugte, zurückließ. Die Apachen sollen getäuscht werden. Das Haubitzenrohr ist gut auf dem Wagen montiert. Es spielen sich einige bittere und traurige Szenen ab, denn einige der Männer nehmen vorerst Abschied von Frauen und Kindern. Es herrscht manchmal ein heilloses
Durcheinander, in das der Sergeant immer wieder mit ruhigen Befehlen fährt. Lieutenant Rannahan ist einer der Männer, die noch oben auf der Mauer auf Posten sind. Der Sergeant ruft ihn herunter. Im grauen Morgenlicht betrachten sie sich. Dann fragt der Sergeant plötzlich: »Brauchen Sie immer noch Schnaps zum Aufpulvern, Lieutenant? Oder kann ich Ihnen mit einer anderen Sache dienen?« Rannahan betrachtet ihn misstrauisch. »Was wollen Sie?« Er fragt es grob. Denn er hat zwei Apachen mit dem Gewehr getötet und einen im Nahkampf über die Mauer nach draußen geworfen. Er fühlt sich jetzt etwas besser. »Es bleiben zwanzig Pferde übrig«, sagt der Sergeant. »Sie werden sich die neunzehn Männer selber aussuchen, mit denen Sie unsere Kavallerieabteilung bilden. Und dann können Sie mal zeigen, dass Sie mehr können als Schnaps trinken, Mädchen verführen und sie bestehlen und betrügen. Jetzt können Sie sich mit Hilfe von neunzehn Männern davor schützen, dass San Carlos Sie erwischt und Ihnen das schwarze Herz herausreißt. Haben Sie mich verstanden? Worauf warten Sie noch? In einer halben Stunde will ich Sie mit Ihrer Abteilung in den Sätteln sehen!« Er lässt ihn stehen, gibt ihm keine Gelegenheit zu einer Erwiderung. Und er weiß auch, dass er ihm einige Minuten Zeit lassen muss. *** Bei Sonnenaufgang öffnet sich das Westtor des Forts. Der Sergeant reitet hinaus. Ihm folgen der Lieutenant und neunzehn Reiter, von denen nur die knappe Hälfte Soldaten sind. Dafür sind die anderen Reiter von der Sorte, die reiten konnte, bevor sie richtig zu laufen vermochte, und die einen Revolver abfeuern konnte, bevor sie ihren Namen schreiben lernte. Das da sind außer acht Soldaten einstige Langreiter, Excowboys und Revolverschwinger, Viehdiebe und gewesene Straßenräuber. Es sind keine guten Burschen. Doch die Not hat sie zu einer Mannschaft vereint. Und auch die acht Soldaten gehörten einmal zu dieser Sorte, bevor sie bei der Armee unterkrochen, damit die Sheriffs nicht mehr nach ihnen suchen. Der Lieutenant hockt verdrossen und grimmig im Sattel und blickt sich nicht um, so als wollte er vorerst weder seine Männer noch das Fort sehen. Er starrt auf eine seltsame Art vor sich hin. Doch er ist nicht betrunken. Hinter den Reitern kommen die vier Wagen, flankiert von den Männern, die zu Fuß gehen müssen. So ziehen sie hinaus aus dem Schutz des Forts, um sich den Weg nach Globe freizukämpfen. *** Als der letzte Wagen das Fort hundert Yards hinter sich hat, da sehen sie die Apachen überall auftauchen, besonders auf dem Hügel, hinter dessen Rücken sich das Camp befinden muss. Die meisten Apachen sind beritten. Wahrscheinlich sprangen sie auf ihre Pferde, als
sie die Nachricht erhielten, dass sich die Weißen auf den Weg nach Westen begeben haben. Vielleicht wollten all diese wilden Krieger sofort angreifen, um die Niederlage zu revidieren. Und dort, wo ihre Späher rings um das Fort in den Büschen und Kakteenwäldchen lagen, dort tauchen sie zu Fuß auf. Man kann nun, da sie sich zum ersten Mal bei Tageslicht fast vollzählig zeigen, ihre Gesamtzahl einigermaßen sicher abschätzen. Es sind immer noch mehr als hundert, vielleicht hundertzwanzig. Wann werden sie angreifen? Vom Fort steigt nun eine Rauchsäule gen Himmel, eine dicke, schwarze und mächtig aufsteigende Säule, die in der klaren Arizonaluft von den fernen Bergen gesichtet werden wird bis auf hundert Meilen in der Runde. Und jeder Mensch, der die mächtige Rauchsäule erblickt und die Lage von Fort Final kennt, der weiß nun, dass Fort Final brennt, dass es vernichtet wurde. Vielleicht wird San Carlos deshalb nicht so schnell Verstärkungen erhalten, selbst dann nicht, wenn er selbst von den Bergen Rauchzeichen geben lässt. Die schwarze Rauchsäule des Forts bedeutet erst einmal Zeitgewinn, vielleicht nur für Stunden – oder aber auch für Tage. Der Sergeant lässt wahrhaftig keine Möglichkeit aus. Er hat dafür gesorgt, dass die Feuer im Fort tüchtig qualmen. Er reitet immer noch an der Spitze des Zuges, mehr als zwanzig Yards voraus sogar. Und als er auf dem Hügelkamm San Carlos und die Schwester erkennt, da hebt er ruhig die Hand und winkt ihnen wie zum Abschied zu. Es ist eine Geste, deren Bedeutung unverkennbar ist. »Wir verschwinden! Wir geben auf und ziehen ab! Wir haben das Fort selbst angezündet! Lasst uns ziehen! Begnügt euch damit, dieses Fort vernichtet zu sehen! Lasst uns ziehen, damit es auf beiden Seiten keine weiteren Toten mehr gibt!« Ja, dies ungefähr drückt das Winken des Sergeants aus. Aber San Carlos winkt nicht zurück. Auch Nina Donovan, die Schwester des Sergeants, hebt keine Hand zu einem Abschiedswinken. Nur die zwei oder drei Dutzend Apachensquaws, die nun auf dem Hügelkamm erscheinen und deutlich in ihren bunten Blusen und farbigen weiten Röcken zu erkennen sind, stimmen plötzlich ein gellendes Geschrei an. Es ist unverkennbar ein hassvolles und anfeuerndes Schreien. Sie fordern die Krieger auf, sich auf den Zug zu stürzen und zu töten. Diese Frauen gebärden sich wie Furien. Sie wollen ihre Männer, Söhne oder Brüder gerächt haben. Doch San Carlos bewegt sich nicht. Er gibt keinen Befehl zum Angriff. Er lässt sich nicht so schnell verleiten. Und dies beweist nur seine Klugheit, denn er kennt sicherlich genügend Plätze, wo solch ein Angriff aus dem Hinterhalt erfolgen kann. Apachen sind im Krieg wie Schlangen und Wölfe. Sie lauern, warten, schleichen und kommen dann überraschend und mitleidlos. Sie kennen es nicht anders. Es ist ein mitleidloses Land für Tiere und Menschen. Sie lassen den Zug ziehen. ***
Auch Lieutenant Rannahan, der an der Spitze der neunzehn Reiter reitet, erblickt San Carlos und Nina, die er so grausam enttäuschte und die seinetwegen auf einen so unbeschreiblich harten und bitteren Weg geriet, dass sie sogar die menschliche Gemeinschaft ihrer eigenen Rasse zu hassen und zu verachten begann. Er spürt deutlich, dass ihr Blick auf ihn gerichtet ist. Sie will meinen Tod, denkt er. Sie hat sich einem Apachen geschenkt, ist dessen Frau geworden, damit er ihr mein Herz auf einer Messer- oder Lanzenspitze darbietet. Sie ist es, die San Carlos dazu bringen wird, es immer wieder zu versuchen. Wie kann ich ihrer Rache nur entkommen? Oha, ich habe schon viele Mädchen sitzen lassen! Warum musste mir diese Katze eine solche Menge Schwierigkeiten machen? Gewiss, Nina war prächtig! Manchmal hatte ich tatsächlich geglaubt, sie wäre das Mädel meines Lebens. Doch was konnte ein armer Lieutenant schon mit einem armen Schulfräulein anfangen? Nein, sie war doch nicht das Mädchen, mit dem ich mich für ein Leben festsetzen konnte. Nein, ich… Er unterbricht diese Gedankengänge fast erschrocken. Denn nun ist ihm klar, dass Geld und Luxus gar nicht mehr wichtig sind. Er wollte immer ein reiches Mädchen heiraten, aber er konnte auch an keinem armen hübschen Mädel vorbeigehen. Nun aber steckt er in der Klemme und wäre froh, die nackte Haut retten und sein ganzes Leben lang ein armer Bursche bleiben zu können. Er wird sich plötzlich auch bewusst, dass er an der Spitze einer harten Mannschaft reitet. Es sind die besten Reiter und Revolverschützen. Er ist ihr Anführer. Oh, als Reiter und Revolverschütze kann er es mit jedem von ihnen aufnehmen! Er blickt wieder auf Nina – und dann auf San Carlos. »Dem werde ich es höllisch schwer machen«, murmelt er vor sich hin. »Der soll mich so leicht nicht bekommen, um mich ihr wie einen erschossenen Wolf vor die Füße zu legen. Ich will leben. Ich habe neunzehn harte Jungs hinter mir. Und ich werde es den Roten besorgen.« Als er dies leise zu sich sagt, klingt es wie ein Schwur. »Das hat er gewusst«, murmelt er. »Er hat mich richtig eingeschätzt, als er mich zum Anführer der Reiter machte. Er hat kommen sehen, dass ich mich fange und kämpfen werde. Konnte er in mein Herz sehen? Was ist dieser Sergeant, der in Wirklichkeit ein entflohener Offizier der Südstaatenarmee ist, doch für ein Mann! Ich traf noch keinen wie ihn!« *** Sie legen an diesem heißen Tag mehr als zwanzig Meilen zurück. Doch was sind schon jämmerliche zwanzig Meilen? Und was bedeutet es schon, dass sie den ganzen Tag nicht einen Apachen zu sehen bekamen? Als die Sonne sinkt, finden sie einen günstigen Platz, jedoch ohne Wasser in der Nähe. Der Sergeant stellt reichlich Wachtposten auf und lässt vor allen Dingen die an langen, ausgespannten Seilen festgebundenen Pferde gut bewachen. Jeder Reiter muss bewaffnet neben seinem Pferd schlafen.
Der Sergeant schläft bis eine Stunde nach Mitternacht. Dann aber ist er hellwach und wandert wie ein Schatten umher, lauscht in die Nacht, wittert wie ein Wolf, prüft, kontrolliert. Unter einem der Wagen schlief Janett Allison. Gegen Morgengrauen kommt sie hervorgekrochen und richtet sich auf. Als sie sich umwendet, steht der Sergeant vor ihr, betrachtet sie ernst. Sie erwidert wortlos seinen Blick, stellt sich dann auf die Zehenspitzen und küsst ihn. Er hebt die Hand, streicht über ihr wirres Haar und geht weiter. Aber sie gab ihm soeben mehr als nur einen Kuss. Irgendwie gab sie ihm auf diese schlichte, gute und einfache Art Kraft und Selbstvertrauen. Und dann beginnen die Morgennebel zu steigen. Der Sergeant lässt alle kampffähigen Männer wecken. Doch es erfolgt kein Angriff im Morgengrauen. Nein, an diesem Morgen nicht. Noch vor Sonnenaufgang ziehen sie weiter, immer nach Westen. Dort sind Berge. Dort müssen sie über den Pass. *** Am dritten Tag kommen die Apachen jäh und überraschend von der Flanke über eine Bodenwelle. Sie sind beritten, und ihre kleinen, zähen und hageren Wüstenmustangs haben einen schnellen Start, erreichen schon nach drei Sprüngen ihre volle Geschwindigkeit, da es leicht abwärts geht. Die Entfernung beträgt etwa hundert Yards, vom Kamm der Bodenwelle aus gerechnet bis zu den Wagen, die ganz offensichtlich das Ziel des Angriffes sind. Die Vorhut – zwanzig Reiter und der Sergeant – reißt die Pferde herum, um die angreifenden Apachen von der Flanke her anzugreifen, bevor diese auf die dünne Reihe der Fußkämpfer stoßen. Es sind etwa hundertzwanzig Apachen, und so handelt es sich offensichtlich um San Carlos’ ganze Streitmacht. Er wirft somit alle Chips ins Spiel und spielt seinen Apachenpoker mit rücksichtslosem Einsatz. Wird er es schaffen? Nun handelt der Captain. Jetzt, in höchster Not, da findet er doch die Kraft zu einem schnellen Entschluss und zum Wagnis. Denn er riskiert nun die letzte Ladung des Geschützes. In der dritten Sekunde zischt er Corporal Windmaker an: »Links herum mit dem Gespann, damit wir ihnen unseren Hintern zeigen!« Der Corporal begreift es, bevor der Befehl auch nur halb ausgesprochen wird. Er reißt das Gespann nach links, sodass der Wagen herumschwenkt und den Apachen das hintere Ende zeigt. Indes begriffen auch die drei Kanoniere. Sie lassen die hintere Klappe fallen, und dann erblicken die angreifenden Apachen, die dicht gedrängt herangejagt kommen, das Geschützrohr. Es ist zu spät für sie. Es gibt einen gewaltigen Krach. Der Wagen macht einen Sprung nach vorn, stößt gegen das Gespann, und dieses jagt in wilder Panik davon, als wäre hinter ihm der Blitz
in den Wagen eingeschlagen. Die angreifenden Apachen aber bekommen die ganze tödliche Saat in ihre dicht gedrängte Traube. Pferde und Krieger stürzen, überschlagen sich, und in dieses Durcheinander reiten die nachdrängenden Apachen hinein. Alles bildet ein schlimmes Durcheinander. Und in dieses höllische Durcheinander hinein beginnen nun die Weißen zu schießen. Die Entfernung ist nicht weit, kaum dreißig Schritte sind es. Von der Flanke her aber fegen die Reiter heran, schießen mit den Revolvern und finden vorerst kaum Widerstand, da die meisten Apachen damit beschäftigt sind, sich aus dem wilden Durcheinander zu lösen, welches sie und ihre Pferde bilden. Denn mindestens drei Dutzend Tiere sind gestürzt, und alle befinden sich in Panik, können kaum unter Kontrolle gebracht werden. Noch nie bekamen die Pferde aus nächster Nähe einen Kanonenschuss und ritten in einen Hagel von Blei- und Eisenstücken. Zuletzt ergreifen die Apachen die Flucht. Sie sind immer noch in der Überzahl. Doch sie bringen es nicht fertig, sich zu formieren und geschlossen anzugreifen. Die tödliche Kanone nahm ihnen vorerst jeden Angriffswillen. Der Sergeant ruft dem Lieutenant zu: »Los! Verfolgt sie noch ein Stück weiter! Jagt sie ein Stück weit!« Er hätte es gar nicht zu rufen brauchen, denn der Lieutenant und die neunzehn Reiter sind ohnehin nicht aufzuhalten. Sie bilden eine geschlossene Front, während die Apachen in losem Durcheinander die Flucht ergreifen. Es ist leicht für die langbeinigen Pferde der Weißen, die kleinen Apachenmustangs einzuholen. Zuerst schießen sie Nachzüglergruppen aus den Sätteln. Der Sergeant blickt ihnen nach, sieht sie alle über den Rücken der Bodenwelle verschwinden. Er fragt sich einen Moment besorgt, ob Lieutenant Rannahan und dessen Männer im richtigen Moment anhalten und umkehren werden, denn sehr weit werden die Apachen nicht in heilloser Unordnung die Flucht fortsetzen. Sie werden bald begreifen, dass sie sich formieren und zum Kampf stellen müssen. Der Sergeant muss darauf vertrauen, dass der Lieutenant es richtig machen wird. Er kann ihn nicht begleiten, sondern muss hier beim Wagenzug für Ordnung sorgen. Etwas später, als die Frauen und Kinder beruhigt wurden und man schon dabei ist, eine Verwundete zu versorgen, kehrt der Wagen mit dem Geschütz zurück. Das Vierergespann ist immer noch angstvoll und zittert. Doch alle fünf Männer – ja, sogar der Captain – grinsen zufrieden. Es herrscht immer noch ein Durcheinander. Um Munition zu sparen, muss man verwundete Pferde mit dem Messer töten. Und auch Apachen, die verwundet sind oder sich tot stellten, springen plötzlich auf und versuchen ein Opfer zu finden. Dies ist überhaupt eine der bösen Überraschungen, die man bei Apachen erleben kann. Zwei Männer werden dabei verwundet. Der Sergeant blickt immer unruhiger und besorgter zum Kamm der Bodenwelle hinauf, über den die zwanzig Reiter verschwanden. Und nun hält er es nicht mehr länger aus. Er reitet hinauf. Als er oben ist, sieht er sie kommen, verfolgt von den Apachen, die sich gesammelt haben und den Spieß umdrehten. Es sind noch dreizehn Reiter, und sie haben mehr als
fünfzehn Apachen hinter sich, die auf ihren kleinen Mustangs jedoch nicht so schnell reiten können. Die Verfolgung ist mehr symbolisch. Doch der Lieutenant ist nicht unter den dreizehn Reitern. Er und sechs weitere Reiter fehlen. Die Apachen verfolgen sie bis zum Fuß des Hanges, auf dessen Kamm der Sergeant wartet. Dann kehren die Apachen um. Die dreizehn Männer kommen langsam heraufgeritten und halten bei dem Sergeant an. Sie sind verschwitzt, und fast alle bluten sie aus leichten Wunden. Einer von ihnen – ein Excowboy und Revolvermann – sieht den Sergeant an und sagt bitter: »Der Lieutenant war einfach nicht mehr zu bremsen. Vielleicht hat er geglaubt, wir wären nicht sechzehn, sondern hundert Mann. Er war wie verrückt. Selbst als sich die Apachen sammelten und ihre Pferde herumrissen, um sich uns zum Kampf zu stellen, hielt der Lieutenant nicht an. Eine Keule traf ihn am Kopf und warf ihn vom Pferd mitten unter die Roten. Wir hatten unsere Revolver leer geschossen und ergriffen die Flucht. Ein Wunder, dass nicht mehr von uns dabei erwischt wurden.« Der Sergeant nickt. »Ja, das ist wirklich ein Wunder«, murmelt er. Mehr spricht er nicht zu ihnen. Er führt sie zurück zum Wagenzug, wo sich inzwischen alles formierte. »Weiter!« So ruft er der Spitze zu. »Vorwärts! Jooohooo!« Und sie ziehen weiter. Der Sergeant und dreizehn Reiter. Dann die vier Wagen mit Verwundeten, Frauen und Kindern. Da das Geschütz nun wegen Pulvermangels nicht mehr benutzt werden kann, wurde in diesem vierten Wagen noch Platz frei. Und dennoch gehen nun einige Frauen zu Fuß, haben sich bewaffnet. Sie haben es wie selbstverständlich getan, sind an die Stelle der ausgefallenen Männer getreten. Auch Janett Allison trägt ein Gewehr. Der Sergeant an der Spitze wirkt irgendwie einsam. Der Weg nach Globe ist noch weit. Keiner der Gewehrschützen hat noch mehr als vier Patronen. Und auch die Revolvermunition ist knapp geworden. Einen nächsten großen Angriff könnten sie kaum noch abschlagen. Es muss dann zu einem Kampf Mann gegen Mann kommen. Und da werden die Apachen im Vorteil sein. Das weiß der Sergeant. Der Captain hockt müde und erschöpft neben Corporal Windmaker auf dem Fahrersitz. Aber in seinen Augen ist ein neuer Ausdruck zu erkennen. Er konnte wieder blitzschnell eine Entscheidung treffen, und diese Entscheidung war richtig. Der Captain fühlt sich nun besser. Diesmal hat er nicht versagt. *** Als Lieutenant Rannahan den Schädelbrecher gegen den Kopf bekommt und vom Pferd fällt, da glaubt er mit seinem letzten Gedanken, dass nun alles aus ist und vorbei. Doch es ist nicht vorbei – noch nicht.
Irgendwann erwacht er, und er glaubt zuerst, dass das dumpfe Dröhnen und Trommeln allein in seinem schmerzenden Kopfe ist. Er fällt noch mehrmals in Bewusstlosigkeit zurück, erwacht immer wieder und glaubt, ein Schwimmer zu sein, der sich aus dunkler Tiefe zur Oberfläche und damit zu Luft und Licht kämpfen müsste. Endlich begreift er, dass nicht nur sein Kopf so schmerzt und dröhnt, sondern tatsächlich Trommeln zu vernehmen sind. Sie klingen in einem langsamen, traurigen und geradezu sanften Rhythmus. Dazu hört man die Totenklagen der Frauen. Was er hört, sind die Totentrommeln und ist die Totenklage für die gefallenen Apachen. Nun erst wird er sich auch bewusst, dass er gefesselt in einer Gras- und Zweighütte liegt, wie sie die Apachen zauberhaft schnell errichten. Du lieber Gott im Himmel, denkt Lieutenant Rannahan, jetzt ist es doch eingetroffen! San Carlos wird mich als Beute vor Ninas Füße legen. Was für ein Triumph für sie! Man muss wohl eines Tages für alles bezahlen, denkt er weiter. Ich habe immer den Frauen nachgestellt und war stolz, wenn ich ein Mädel nach dem anderen verführte. Ich spielte auch für mein Leben gerne. Und so wurde ich mehr und mehr ein Schuft. Früher oder später musste mir das passieren. Der Eingang der Zweighütte verdunkelt sich. Ein Apache kommt herein. Es ist San Carlos selbst. Er wirkt hagerer als sonst, irgendwie müde und bitter. Seine dunklen Augen haben einen brennenden Glanz. Rannahan grinst mühsam und sagt mit der bösen Freude eines Mannes, der seine Lage nicht mehr verschlechtern kann: »Ich sehe einen Häuptling, der geschlagen wurde. Dieser Sergeant hat dich zweimal mit der Kanone reinlegen können. Und wenn ich nur zwei Dutzend Reiter mehr gehabt hätte, dann hätte ich euch in alle Winde getrieben.« San Carlos nickt. »So ist es«, murmelt er. »Zuerst hatte ich Glück. Ich vernichtete die sechzig Mann, mit denen euer Captain mich besiegen wollte. Und fast hätte ich das Fort einnehmen und euch alle töten können. Doch da kam dieser Sergeant. Du bist schuld daran, dass er kam. Wir wissen, wer dieser Sergeant ist, nicht wahr? Ja, ich wurde zweimal geschlagen. Meine Krieger glauben nicht mehr an mein Glück. Auch die Frauen sind gegen mich – all jene Frauen, die ihre Männer oder Brüder verloren. Bei uns Apachen haben die Frauen Stimmrecht. Und die Häuptlinge werden gewählt. Auch kommt es immer wieder vor, dass sich die Frauen bewaffnen und in den Kampf ziehen wie Krieger. Mein Nebenbuhler um die Häuptlingswürde ist Kayitha. Er wird in Zukunft die meisten Stimmen erhalten. Ich habe mein Gesicht verloren, wenn ich nur noch einmal einen Fehler mache. Ich muss den Wagenzug und alle Weißen, die bei ihm sind, vernichten. Ich muss! Oder ich werde nie zu den großen Häuptlingen gehören, nie!« Er verstummt mit einem metallischen Klang in der Stimme. Wie sich doch manchmal die Dinge gleichen, denkt Lieutenant Rannahan. Auch ein roter Anführer kann die gleichen Probleme haben wie ein Offizier der Kavallerie, wie Captain Britt Jennison zum Beispiel. Als er dies gedacht hat, spürt er wieder den bösen und wilden Wunsch in sich, diesen Häuptling zu treffen. Und so sagt er höhnend: »Häuptling, wenn du glücklos bist, weil jener Sergeant der bessere Mann von euch beiden ist, so wirst du gewiss auch Nina verlieren. Was bist du Nina schon wert, wenn du keine Häuptlingswürde mehr besitzt? Nichts bist du ihr wert!« San Carlos betrachtet ihn mit funkelnden Augen.
»Du Narr! Nina liebte dich und schenkte dir einen Sohn. Sie ist gut! Und sie musste einen so bitteren Weg gehen. Sie hasst die Menschen ihrer Hautfarbe. Sie verachtet euch alle. Daran bist du schuld. Keine bessere Frau konntest du finden. Und ich kenne mich etwas aus. Ich war fünfzehn Jahre meines Lebens bei weißen Menschen.« Er erhebt sich und geht wieder hinaus. Der Lieutenant aber schließt die Augen, erträgt die Schmerzen im Kopf und versucht nachzudenken. Plötzlich ist ein tiefes Bedauern in ihm, ja, ein ehrliches und tiefes Bereuen. Gewiss, er wäre einer jener Offiziere geworden, die stets sparen müssen. Er hätte nicht mehr spielen können, keine Bälle besuchen und – oh, es wäre ein anderes Leben geworden. Doch er würde leben – mit Nina und einem Sohn. Plötzlich erscheint ihm dies alles als das höchste Glück. Doch das bittere Bedauern nützt ihm nichts. Es ist alles vorbei, und Ninas harter Weg endete bei einem Apachenhäuptling. Mit einem Mal spürt er, dass sie zu ihm in die Zweighütte gekommen ist. Er öffnet die Augen – und da sieht er sie. Sie kauert neben dem Eingang wie eine Apachin am Boden, kaum einen Schritt von ihm entfernt, und betrachtet ihn. Auch er betrachtet sie. Lange sehen sie sich so an. »Welch ein Wiedersehen«, murmelt er. »Gib es mir nur richtig, Nina! Ich weiß jetzt, dass ich es nicht besser verdiene.« Sie erwidert nichts, betrachtet ihn immer noch. Plötzlich greift sie neben sich, hebt ein Bündel auf und zeigt es ihm richtig. Es ist sein Sohn. Er erkennt es sofort. Der Säugling ist sehr hellhäutig und bekommt den ersten hellen Haarflaum. Er schläft, gewiss gesättigt und zufrieden. »Es ist dein Sohn«, sagt sie schlicht. »Und er wird ein Apache – ein blonder Apache. Doch er ist nicht der erste blonde Apache. Wie gefällt es dir, Arch, dass ein Apache wie San Carlos für deinen Sohn sorgen wird wie ein Vater – wie ein Apachenvater?« Er weiß keine Antwort. Mein Sohn ist das, so denkt er. Oh, er ist so winzig, so klein und hilflos. Und ein Apache wird ihn aufziehen und zu einem Apachen machen. Du lieber Gott, was war ich doch für ein Narr! Was könnte es doch schön und gut sein für uns alle auf dieser Welt. Aber jetzt… Er wird sich nun endgültig bewusst, dass er nicht nur ein Schuft, sondern ein Narr war. Er sagt aus tiefstem Herzen: »Nina, verzeih mir, wenn du kannst. Ich weiß jetzt endlich, was für ein Narr ich war. Glaub mir, ich weiß es jetzt.« »Sag mir genau, was du warst«, murmelt sie und wiegt das schlafende Baby leicht in ihren Armen. »Ein eitler und selbstsüchtiger Pfau«, erwidert er. »Das war ich. Immer musste ich Erfolge haben. Das Leben erschien mir als ein herrliches, buntes und berauschendes Abenteuer, ein Spiel, für das man nichts einzusetzen und zu bezahlen braucht. Nun, ich habe gewiss keine Gelegenheit mehr, noch einmal von vorn anzufangen. Es ist gewiss auch nicht schade um mich. Doch trotz all meiner Fehler werde ich zuletzt kein Feigling sein. San Carlos mag mich töten – ich werde nicht winseln. Ich möchte nur, dass du mir verzeihst, Nina. Ich war gemein und schuftig zu dir. Wenn ich könnte, würde ich es
gutzumachen versuchen. Das schwöre ich dir. Doch…« »Ich glaube dir kein Wort«, unterbricht sie ihn. »Du bist einer von den Burschen, die immerzu lügen und vielleicht im Augenblick sogar selbst an die eigenen Lügen glauben. Doch sie sind zu schwach und zu selbstsüchtig, um zu halten, was sie versprochen haben. Arch, um dich ist es wirklich nicht schade. Wenn du tot bist, wird vielleicht noch vielen anderen Mädchen und Frauen bittere Enttäuschung erspart. Und zu wirklicher Liebe, die treu sein und auch opfern kann, bist du gar nicht fähig. Du liebst nur dich selbst und das leichte Tändeln und Spielen. Du heuchelst jetzt Reue und bittest mich um Verzeihung. Aber vielleicht bemitleidest du dich schon wieder selbst und kommst dir sogar wie eine Art Held vor. Ich werde meinen harten Weg von Kansas City bis nach Santa Fe nie vergessen. Nun gut!« Sie erhebt sich und verlässt mit dem Baby wortlos das Zelt. Jetzt wird sie San Carlos sagen, dass sie mit mir endgültig fertig ist und er mich töten kann, denkt Arch Rannahan bitter. Zugleich wird er sich bewusst, dass er keinerlei Furcht verspürt, obwohl er doch sicher ist, bald sterben zu müssen. Er wird in seinen Gedanken unterbrochen, denn nun kommt San Carlos wieder in die Gras- und Zweighütte. Er hält sein großes Apachenmesser schon in der Hand. Sein gut geschnittenes und fast edel wirkendes Gesicht ist hart und ausdruckslos. Sogar seine halb geschlossenen Augen verraten nichts. »Stoß nur zu, Apache«, sagt Arch Rannahan heftig. San Carlos kauert sich bei ihm nieder. Nun kann Rannahan erkennen, wie sehr es in den halb geschlossenen Augen des Apachen funkelt. »Sie will deinen Tod nicht«, murmelt er. »Sie verachtet dich so sehr, dass eine Rache sie nur beschmutzen würde. Sie hat mich gebeten, dich laufen zu lassen. Und ich will es tun, denn ich liebe sie sehr. Ich ging viele Jahre in eine Missionsschule. Ich liebe sie nicht auf Apachenart, eher wie ein Weißer. Ich muss ihr den Gefallen tun, denn sie soll sich nicht unrein fühlen.« Als er dies gesprochen hat, zerschneidet er Rannahans Fesseln. Er verharrt noch einen Moment in der Hockstellung und hält das Messer stoßbereit in der Hand. »Das Camp wurde abgebrochen«, sagt er dann. »Wenn deine Glieder wieder so sind, dass du sie bewegen kannst, wirst du hier allein sein. Hüte dich davor, ab morgen einem Apachen zu begegnen. Er wird dich töten.« Nach diesen Worten verlässt er die Zweighütte. Später kriecht Rannahan aus der Zweighütte und blickt sich um. Das Camp der Apachen ist verlassen. Er ist allein. Er besitzt kein Pferd und keine Waffen. Was soll er tun? Er blickt hinüber zu den sanften Hügeln. Dort hinter den Hügeln im Süden – vielleicht nur eine halbe Meile entfernt –, da würde er auf die Fährte des Wagenzuges der Soldaten und Zivilisten stoßen. Er bräuchte dieser Fährte nur zu folgen und würde irgendwann in der Nacht auf das Camp stoßen. Doch er wendet sich nicht in diese Richtung. Er folgt vielmehr der Fährte der Apachen. Denn zwischen ihm und San Carlos ist noch etwas auszutragen – und dieses Mal nach Apachenart. San Carlos hat ihm die Frau und das Kind fortgenommen, ohne ihn zu töten.
San Carlos wird mit ihm kämpfen müssen. Nach Apachenart hat Arch Rannahan ein Recht darauf. Aber werden ihm die Apachen dieses Recht zubilligen? Er ist entschlossen, es zu versuchen. Denn er will Nina zurückhaben. Er will auch seinen Sohn haben. Er würde für dieses Ziel durch die Hölle und zurück gehen. Denn er wurde in jener Minute ein anderer Mann, als er das Leben geschenkt bekam, weil Nina ihn so sehr verachtet, dass sie nicht Rache an ihm nehmen will. Er ist ein anderer Archibald Rannahan geworden. Und so macht er sich auf den Weg. Seine Chancen sind geringer als eins zu hundert. Doch danach fragt er nicht. *** Arch Rannahan hat großes Glück in dieser Nacht. Vielleicht hat ein Mächtiger ihn in seinen Schutz genommen. Er stößt auf seinem einsamen Weg auf keine Apachenkrieger, und er hört dann rechtzeitig den Klang der Trommeln, sodass er sich ausrechnen kann, wo sich das Camp der Apachen befindet. Es sind die Trommeln des Teufelstanzes. Und dies kann nur bedeuten, dass sie den Wagenzug nochmals angreifen werden. Lieutenant Rannahan biegt nun weit nach Norden aus und marschiert von dort nach Süden auf das Apachencamp zu. Er arbeitet sich leise wie eine Schlange einen langen Hang empor, rutscht auf dem Bauch über die Wasserscheide und bekommt Sicht auf das große Feuer unten in der Senke. Ja, es handelt sich um den Teufelstanz. Denn dort beim großen Feuer bewegen sich die Teufelstänzer, ausgesucht junge und prächtige Krieger. Ihre Bewegungen sind dem Auf- und Abschwellen des Trommelklanges angepasst. Ein schwarz angemalter Krieger springt in den Kreis, mitten zwischen die anderen. Er ist behangen mit allerlei merkwürdigem Zeug, mit Tierschwänzen, Knochen und leeren Kürbissen, in denen kleine Steine bei jeder Bewegung klappern. Lieutenant Rannahan versteht sofort die Bedeutung dieser Gestalt. Es handelt sich um die Verkörperung der Furcht und zugleich auch der Niederlage. Was werden die jungen Krieger tun? Der Schwarze bedrängt sie immer wieder, macht wilde Bewegungen, lässt die Kürbisse rasseln, windet sich und macht beschwörende Bewegungen. Auf seinen schwarz angemalten Körper ist das Gerippe des Todes in leuchtend weißer Farbe gemalt. Und die Zuschauer stöhnen nun hörbar durch das Trommeln und Rasseln, als einige Krieger feige die Flucht ergreifen, sich zu Boden werfen und davonkriechen. Doch als der Schwarze, der die Furcht und die Niederlage verkörpert, einen der kriechenden Krieger packt, um ihm das Messer in den Leib zu stoßen, da erheben sich die anderen und werfen sich gegen das Ungeheuer, zwingen es nieder und vernichten es. Indes sie dann den Siegestanz tanzen und die Trommeln wild und triumphierend lärmen, kriecht die Furcht und die Niederlage sich mühsam windend davon und in die Nacht hinaus. Die Krieger haben also die Furcht und damit auch die Niederlage bezwungen. Dies
wird gewiss auch morgen so sein, wenn sie die Weißen angreifen, um sie restlos zu vernichten Plötzlich ist es still – schlagartig. Lieutenant Rannahan erblickt San Carlos, der zum Feuer tritt und in die Stille zu sprechen beginnt. Rannahan kann nicht verstehen, was San Carlos sagt. Doch er kann die Handbewegungen und Gesten mühelos deuten. San Carlos verspricht seinen Apachen am nächsten Tag einen Sieg. Er verlangt, dass sie ihm noch einmal folgen und an sein Kriegsglück glauben. Plötzlich erklingen die Trommeln wieder. Nun tanzen alle Apachen um das große Feuer, stampfen mit den Füßen, klatschen mit den Händen, und immer wieder rufen sie ein einziges Wort. Der Lieutenant weiß nicht, dass dieses Apachenwort »Sieg« heißt. San Carlos’ Stimme erteilt nun Befehle. Dann verlassen die Apachen das Camp. Sie alle gehen zu Fuß. Es sind etwa achtzig. Zurück am Feuer bleiben drei Frauen und eine Anzahl schwer verwundeter Krieger, die man mitgeschleppt hatte bis zu diesem Camp. Zum Camp der Weißen wird es gewiss nicht weit sein, denn die Apachen verschwanden zu Fuß. Sie ließen die Pferde zurück. Und noch etwas blieb in dem fast völlig leeren Camp zurück: Nina! Arch Rannahan erkennt sie und das Baby vor einer Gras- und Zweighütte im Feuerschein. Und dann macht er sich auf den Weg. *** Die beiden Camps sind nur drei Meilen voneinander entfernt, und in der stillen Nacht hört der Sergeant die Trommeln klingen. Als Texaner, der schon viel mit Apachen in Berührung kam, versteht er die Bedeutung dieses Trommelns genau. Er sucht den Captain auf und weckt ihn. »Es tut mir Leid, Captain«, sagt der Sergeant. »Doch wir müssen weiter. Wir müssen sofort aufbrechen. Ich möchte Ihr Einverständnis hierzu.« Er macht eine kleine Pause und erklärt dann: »Sie tanzen den Teufelstanz. Hören Sie das Trommeln? Sie machen sich Mut. Also werden sie bald unser Camp umstellen und bei Anbruch des Tages von allen Seiten angreifen. Wir müssen weiter, immer weiter, über den Pass nach Globe. Sorgen Sie dafür, dass die Wagen immerzu weiterfahren, auch wenn wir Reiter und Fußkämpfer in Einzelkämpfe verwickelt werden. Ich brauche nun Ihre Hilfe, Captain.« »Ich will tun, was ich kann«, sagt dieser. »Und es wird Zeit, dass man mich auf ein Pferd setzt.« Es dauert keine halbe Stunde, da fahren die vier Wagen los. Am Himmel sind Mond und Sterne. Es ist eine ziemlich helle Nacht. Die Reiter und Marschierer bilden um die vier Wagen, die zu zweien nebeneinander fahren und ein sich bewegendes Viereck bilden, eine dichte Kette. Der Sergeant reitet hinter dem sich bewegenden Viereck. Und manchmal hält er an, bleibt ein weites Stück zurück und lauscht. Solange er die Trommeln hören kann, ist er beruhigt.
Aber irgendwann verstummen die Trommeln. Und nun weiß er, dass die Apachen unterwegs sind. Der Sergeant reitet schnell nach vorn. Seine Stimme treibt die Männer und Frauen scharf und hart an. »Vorwärts! Schneller! Lasst die Gespanne traben! Lauft, Leute! Lauft, ihr Männer und Frauen! Je näher wir dem Pass kommen, umso näher sind wir der einzigen Chance! Wir müssen den Pass erreichen! Nur dort oben im Pass können wir sie aufhalten!« Die Pferde beginnen zu traben. Wer einigermaßen laufen kann, läuft – und die, die es nicht können, werden gefahren oder dürfen reiten. Noch ist es kühl, doch das Land ist staubig. Der Wagenweg zum Pass ist noch staubiger. Und die Kräfte und der Atem erlahmen schon bald. Doch da ist das Wissen, dass die Apachen schnell aufholen können. Drei Meilen waren die beiden Camps auseinander. Eine Meile legten die Flüchtlinge zurück, bevor die Trommeln verstummten oder die Apachen von ihren Spähern Nachricht davon erhielten, dass die Weißen aufgebrochen waren. Das sind vier Meilen. Nur vier Meilen Vorsprung. Bis zum Pass aber sind es gewiss noch zwanzig Meilen. Dies ist immer wieder die Rechnung des Sergeants, und sie geht nicht auf. Selbst wenn die Apachen eine volle Stunde Zeit verschwenden, um zu beraten, um einen neuen Plan zu machen – der Weg bis zum Pass ist nicht zu schaffen. Er reitet schneller, hat den Zug bald eingeholt. Und seine Stimme tönt scharf und unduldsam: »Lauft, Leute! Lauft! Oder die Apachen erwischen euch! Wollt ihr getötet werden? Lauft, sage ich euch! Lauft dicht beisammen, lauft! Teilt eure Kräfte ein! Ihr zwei dort! Hoi, ihr Opas! Kommt her, ihr könnt einige Meilen auf meinem Pferd reiten! Ich will euch anderen zeigen, wie man läuft!« *** Lieutenant Arch Rannahan schafft es wahrhaftig. Er springt den Pferdewächter von hinten an, legt ihm den Arm um den Hals und drückt so lange, bis sich der Apache nicht mehr bewegt. Er findet bei dem erdrosselten Apachen ein gutes Messer und einen soliden Armeerevolver, der vollzählig geladen ist, also sechs Kugeln in der Trommel hat. Er schiebt den Revolver in den Hosenbund und macht sich daran, zwei gute Pferde auszusuchen. Rannahan findet zwei Kavalleriepferde, die noch Armeesättel tragen. Er kennt die Tiere, gehörten sie doch gestern noch seinen Leuten, mit denen er die Apachen verfolgte. Er schwingt sich in den Sattel eines der Tiere und reitet zum Camp hinüber. Die drei älteren Frauen, die beim Feuer und den Schwerverwundeten kauern, erkennen ihn sofort an seiner blauen Uniform. Sie springen auf und beginnen zu schimpfen, machen sogar Anstalten, sich gegen ihn zu wenden. Doch er zeigt ihnen wortlos vom Sattel aus den Revolver und winkt damit unmissverständlich. Sie ziehen sich zurück. Arch Rannahan wendet sich Nina zu, die mit dem Kind vor der Gras- und Zweighütte steht und ihn stumm und starr betrachtet.
»Nina«, sagt er heiser, »ich will mein Leben ohne dich gar nicht haben. Ich bin gekommen, um dich mitzunehmen. Wenn ich auch nur eine winzige Chance bekomme, dann will ich gutmachen, was ich…« Seine Stimme versagt ihm nun. Doch Nina schüttelt den Kopf. »Die Apachen waren besser zu mir als die Weißen«, spricht sie. »Für die Weißen war ich ein mittelloses, herumstreunendes Flittchen. Ein bettelarmes Mädchen mit einem Kind ist für die menschliche Gemeinschaft schlimmer als eine Aussätzige. Ich habe genug von dir und…« Nun versagt ihr die Stimme. Sie muss mühsam schlucken, als wenn sie einen Stein herunterwürgen müsste. Arch Rannahan gibt ihr auch keine Zeit mehr. Er hebt leicht die Rechte und sagt seltsam sanft und ruhig: »Ich schwöre, dass ich mein ganzes Leben lang für dich und dieses Kind ein treusorgender Gatte sein werde. Mein Sohn soll kein Apache werden. Nina, deinem Sohn zuliebe komm mit mir! Gib mir eine letzte Chance, deinen Hass zu lindern. Und wenn du nicht freiwillig kommst, werde ich dich mit Gewalt auf diesem Pferd festbinden!« Er spricht die letzten Worte nicht drohend, sondern bitter und ganz wie ein Mann, der bereit ist, auch die bittersten Dinge zu tun. Zweifelnd starrt sie zu ihm empor. Er schwingt sich plötzlich aus dem Sattel und tritt dicht vor sie hin. »Warum sollte sich ein Bursche wie ich nicht ändern können?«, fragt er ernst. Im Feuerschein blickt sie ihm fest in die Augen, und sie kann darin erkennen, durch welche Hölle er ging und wie verwandelt er ist. Plötzlich zerbricht in ihr die Schranke, die sie aufgerichtet hat aus Hass, Enttäuschung und Not, jene Schranke der Verratenen und Enttäuschten, Betrogenen und Verstoßenen, die an nichts mehr glauben wollen. Sie senkt den Kopf und blickt auf das kleine Wesen in ihren Armen. Nur das Gesichtchen lugt aus dem Bündel hervor. Nun zittert sie plötzlich. Da streckt er die Hände aus und sagt ruhig: »Gib mir unseren Sohn! Und dann sitz auf, Nina! Schnell!« Sie gehorcht. Dabei weint sie lautlos. Aber sie gehorcht. Rannahan greift sich aus all den Dingen, die als Gepäck und Ausrüstung der Apachen beim Feuer liegen, zwei gefüllte Wasserflaschen, hängt sie an das Sattelhorn seines Pferdes. Sein Blick späht scharf über all die anderen Dinge, die zum Teil schon auf Packsätteln festgeschnallt sind, sodass sie mit den Packsätteln nur auf die Pferde gehoben werden müssen. Plötzlich sieht er etwas. Es ist ein Fässchen, wenig größer nur als ein normaler Wassereimer. Doch dieses Fässchen hat es in sich. Darin ist kein Bier oder Whisky enthalten. Nein, in diesem Fässchen sind schärfere Sachen – Schießpulver! In solchen Fässchen transportiert die Armee ihr Schießpulver. Der Lieutenant denkt an das Geschütz, für welches keine Pulverladung mehr zu Verfügung steht. Die Squaws stoßen drohende Worte aus, doch sie bewegen sich nicht. Gewiss sind sie
sehr sicher, dass San Carlos und dessen Krieger diesen Narren von einem Soldatenhäuptling bald erwischt haben werden. Denn schnell wird er mit der Weißen, die ein Baby bei sich hat, nicht flüchten können. Arch Rannahan und Nina reiten wortlos davon. Irgendwann halten sie an, damit Arch Rannahan Nina das Kind abnehmen kann. Bei diesem Wechsel erwacht es und beginnt zu schreien. Doch als sie wieder anreiten und Arch Rannahan den Kleinen im Rhythmus des Reitens wiegt, wird er bald still. Es ist ein gutes, stolzes und warmes Gefühl in ihm. Er hat seinen Sohn im Arm. Er reitet mit ihm durch die Nacht. Oha, er wird kein Apache, denkt er. Wir werden es schon schaffen, und er wird eines Tages ein Mann sein, auf den seine Mutter stolz sein kann. Ich habe in meinem Leben tausend kleine und einen großen Fehler gemacht. Vielleicht ist es mir möglich, viel davon meinem Sohn zu ersparen, wenn ich ihm die Augen für die wahren Werte des Lebens und der Dinge öffnen kann. Er blickt zur Seite auf Nina. Sie reitet mit gesenktem Kopf. Sie weint. Dies kann er im ersten grauen Morgenlicht erkennen. Sie weint lautlos vor sich hin. »Nina«, sagt er, »stell mich lange genug auf die Probe, aber gib mir eine Chance.« »Ja, Arch«, sagt sie schlicht. »Ich will wieder an dich glauben, so wie ich früher an dich glaubte. Ich will sogar noch stärker an dich glauben, denn ich war verwirrt und hielt mich für verloren. Ich war so verzweifelt und…« Sie wird von einem scharfen Schrei unterbrochen, der hinter ihnen ertönt. Sie halten an, wenden ihre Pferde. Denn der Reiter, der herangejagt kommt, ist San Carlos selbst. Als San Carlos erkennt, dass sie nicht die Flucht ergreifen, sondern anhalten, reitet auch er langsamer und hält dann drei Schritte vor ihnen an. *** Groß, geschmeidig und dunkel drohend, so sitzt San Carlos einige Sekunden lang schweigend im Sattel. Dann sagt er ganz leise, doch metallisch und präzise: »Heute ist eine schlechte Nacht für mich.« Er deutet die Wagenfährte entlang nach Westen. »Ihr wolltet zu euren weißen Rassegenossen. Deren Camp schien euch nahe, so wie mir, denn auch ich täuschte mich. Dieser Sergeant, der dein Bruder ist, Nina, hat mich wieder einmal schlagen können. Er schuf eine völlig neue Situation für meine Krieger. Sie glaubten plötzlich nicht mehr an das, was der Teufelstanz sie erleben und glauben ließ – an jenen Sieg. Und mein großer Rivale Kayitha ergriff die Gelegenheit. Er erinnerte die Krieger daran, dass sie unter meiner Führung schon zweimal eine Niederlage erlitten hätten, und sagte ihnen, dass mein Plan für diesen dritten Angriff nichts mehr tauge. Er forderte sie auf, mir nicht länger zu folgen, sondern ihn, Kayitha, zum Häuptling zu wählen. Denn er wäre glückhafter. Unter seiner Führung würde es keine neue Niederlage geben. Und wenn er einen Plan mache, dann könne dieser auch ausgeführt werden, weil er es verstünde, vorauszudenken und zu ahnen, was der Gegner
tun wird.« San Carlos verstummt nach diesen Worten für einige tiefe Atemzüge. Dann aber spricht er mit unnatürlicher Ruhe weiter. »Vielleicht hätte ich sie alle wieder unter meine Kontrolle bekommen, denn ich habe sie immer beherrschen können. Ich war auf der Missionsschule der Weißen. Ich bin gebildet. Und ich könnte ein großer Häuptling der Apachen werden – der ganzen Apachennation, nicht nur von einem der Stämme. Oh, ich hätte sie wirklich wieder unter Kontrolle bringen können, wenn nicht die Nachricht gekommen wäre, dass der Lieutenant mir die Frau weggenommen hat. Dies setzte mich in den Augen der Krieger herab. Ein Häuptling, der sich die Frau wegnehmen lässt, taugt nichts. Und so bin ich gekommen, um Nina zurückzuholen und dich zu töten, Lieutenant. Komm vom Pferd herunter, denn wir werden kämpfen.« Er spricht die letzten Worte mit ruhiger Gelassenheit, hinter der jedoch die ganze Härte steht, die ein Apache aufbringen kann. Und dann gleitet er vom Pferd und zieht sein Messer. Arch Rannahan zögert. Er könnte den Revolver ziehen und San Carlos erschießen. Das wäre leicht und einfach. Doch er bringt es nicht fertig. Es erscheint ihm nicht ehrenwert, nicht fair. Und er spürt den Wunsch in sich, mit diesem Apachen fair zu kämpfen. Der graue Morgen ist nun richtig da. Es ist jene Stunde, in der es noch keine Farben gibt und alle Dinge grau sind, keine Schatten werfen und die ganze Welt sterbend erscheint. Auch Rannahan blickt Nina an. »Er war gut zu dir«, murmelt er. »Ich würde ihm lieber bis an mein Lebensende dankbar sein. Ein guter Freund würde ich ihm viel lieber sein, Nina. Kannst du mir das glauben?« Sie nickt und blickt auf San Carlos, der schweigend wartet. Oh, sie möchte dem Apachen so viele Worte sagen, doch als sie ihn nun ansieht, da begreift sie, dass sich San Carlos verändert hat. Er ist nun voll und ganz ein Apache mit den Ansichten und Auffassungen eines Apachen. Es ist völlig aussichtslos, jetzt bei ihm Verständnis finden zu wollen, denn um Verständnis zu haben, müsste er mehr wie ein Weißer denken können. Doch das kann er jetzt nicht. Er ist ein Mann, der bei seinem Stamm »das Gesicht verlor« und der diesen Makel allein nach Apachenart beseitigen kann. Deshalb schweigt Nina. Arch Rannahan reicht ihr das Kind und dann den Revolver. Er behält nur das Messer und schwingt sich vom Pferd. Er tritt San Carlos ruhig entgegen. Und dann umkreisen sie sich im Morgengrauen, gleiten geschmeidig wie Berglöwen umeinander und lauern auf den Moment, da sich der Gegner eine Blöße geben wird, die sie blitzschnell ausnutzen können. San Carlos findet zuerst diese Chance. Als er fintiert, reagiert Arch Rannahan falsch, und so springt er ihn an und stößt nach Rannahans Herz. Doch Rannahan kann abdrehen, und so fetzt das Messer nur seine Feldbluse auf, schneidet durch das Fleisch auf den Rippen. Er ist nun verwundet, spürt die Schmerzen und das rinnende Blut. Und er spürt auch
die heiße Angst, dass San Carlos ihn töten wird. Denn dann müsste Nina wieder zurück zu den Apachen. Auch sein Sohn würde ein Apache werden. Und niemand könnte dem Wagenzug und den bedauernswerten Flüchtlingen das Fässchen Pulver bringen. Eine wilde Verzweiflung überfällt ihn. Er springt auf San Carlos los, versucht wild und unter Einsatz all seiner Fähigkeiten einen tödlichen Stich anzubringen. Doch der Apache weicht geschmeidig aus und trifft ihn von unten herauf nochmals, diesmal in den Oberschenkel, weil sich Arch Rannahan im letzten Moment abdreht, um das Messer nicht in den Leib zu bekommen. Sein Bein knickt unter ihm ein. Er sinkt auf ein Knie. Und San Carlos springt ihn nun noch einmal an, um ihn endgültig zu treffen. Doch der Lieutenant wirft sich zurück, sodass San Carlos über ihn hinwegfällt. Sie rollen auseinander. Aber San Carlos springt federnd und leichtfüßig auf. Arch Rannahan jedoch kann sich nicht erheben. Sein Bein knickt unter ihm wieder ein. Es ist völlig klar, dass er verloren hat. San Carlos duckt sich zum Sprung, will sich abstoßen – doch da kracht der Revolver. Nina hat geschossen. Ihre Kugel stößt San Carlos zur Seite, und er ist tot, bevor er über den Boden rollt. Lange bleibt es still. Nur Arch Rannahans Keuchen und Ninas Weinen sind zu hören. Doch dann beginnt der Kleine zu weinen, kreischend und wütend. Der Schuss hat ihn aufgeweckt. Und er erinnert damit seine Eltern an sein Vorhandensein. Sie begreifen wieder, dass die Dinge weiter und immer weiter gehen. »Er war gut zu mir, und nun habe ich ihn getötet.« Nina sagt es mit zitternder Stimme. »Zuletzt war er nicht mehr gut«, widerspricht Arch Rannahan. »Zuletzt war er wieder jener Apache, der er schon einmal war, als er den Wagenzug überfiel und dich raubte. Nina, du hast nicht nur mein Leben gerettet. Du hast vielleicht den ganzen Wagenzug mit all den Frauen, Kindern und Männern gerettet. Denn nun können wir das Pulverfässchen zu ihnen bringen. Verstehst du das, Nina? Ist das nicht besser, als Rache zu nehmen? Komm, hilf mir aufs Pferd. Wir müssen reiten.« Aus Arch Rannahans Wunden tropft das Blut, doch sie halten nicht an, reiten schnell. Die Sonne kommt bald darauf über die Hügel im Osten. Und da erblicken Nina und Arch den Wagenzug und die Menschen, zu denen sie wollen. Auch sie werden bald darauf von dem Sergeant gesichtet. Er kommt ihnen sogar zu Fuß ein Stück entgegen. »Nina! Oh, Nina!«, ruft er fast wild. Die vier Wagen kamen zum Stillstand. Und auch die keuchenden Menschen hielten an. Sie blicken auf den Sergeant, der mit den beiden Reitern zu ihnen kommt. San Carlos’ Pferd ist mitgelaufen. Der edle Hengst wollte wohl nicht allein sein. Einige Reiter werden ihn bald einfangen. Doch vorerst blicken sie alle auf Nina und den Lieutenant. »Es ist meine Frau, und ihr Kind ist mein Sohn!«, sagt der Lieutenant heiser, und er fügt hinzu: »Ja, ich habe die ganze Zeit gewusst, dass sie draußen vor dem Fort bei den Apachen war. Sie gehörte zu einem Wagenzug, der nie bei Fort Final ankam, weil San Carlos ihn überfiel. Sie hat San Carlos getötet, um mein Leben zu retten. Und wenn sie es
nicht getan hätte, würde euch niemand dieses Fässchen Pulver geben können, so wie ich das jetzt kann. Hier! Schießpulver von den Apachen! Ich hoffe, dass uns das Geschütz nun die Rettung bringen kann.« Der Corporal des Geschützes stürzt plötzlich vor. »Dem Himmel sei es gedankt! Das reicht für etwa drei kräftige Ladungen! Aber ich brauche mehr als Pulver! Ich brauche gehacktes Blei, Eisenstücke, all das Zeug, welches den Apachen wie hundert Schrotladungen um die Ohren fliegt. Ich muss alles haben, was klein und hart genug ist! Gebt die Uniformknöpfe her! Eure Gürtelschnallen, die man zerbrechen kann! Sporenrädchen, Riemenschnallen, Gebissketten! Den gusseisernen Kochkessel müssen wir zerschlagen! Und alle leeren Patronenhülsen, für die ihr keine Kugeln mehr gießen könnt – das alles müsst ihr mir geben, indes wir unseren Weg fortsetzen. Dann kann ich unsere liebe, gute, alte Tante Mary wieder aufladen!« Der Sergeant nickt und erteilt dann Befehle. Der Lieutenant wird in einen der Wagen gesetzt, wo man ihn verbinden wird. Nina gibt ihr Kind zu einigen älteren Frauen in den Wagen und schwingt sich auf San Carlos’ Hengst, den man inzwischen eingefangen und herbeigeführt hat. Der Hengst wirft sie nicht ab. Alle sehen, dass sie eine vortreffliche Reiterin ist. Janett Allison bekommt eines der beiden anderen Pferde, während der Sergeant das dritte Pferd mit den Männern tauscht, die er auf seinem Pferd hatte reiten lassen. »Los! Johooo! Weiter!« Er ruft es scharf. »Weiter, Leute, denn die Apachen kommen bald! Ich bleibe etwas zurück und passe auf! Wenn ihr mich kommen seht, dann sind die Apachen hinter mir!« Er schaut ihnen nach, und es tut ihm gut zu sehen, wie Janett Allison bei Nina reitet. Ohne viele Worte gehören die beiden Frauen zusammen wie Schwestern. Das sieht man jetzt schon. Sie werden einander beistehen. Der Sergeant reitet auf einen der Hügelkämme und verhält unter einer Zederngruppe, um nicht sofort entdeckt zu werden. Die Sonne beginnt schon kräftiger zu werden. Der Sergeant beobachtet mit scharfen Augen den Wagenweg. Plötzlich sieht er die Apachen kommen. Jener Kayitha, der an San Carlos’ Stelle trat, muss sehr energisch und einflussreich sein. Denn sonst hätte die Häuptlingswahl länger gedauert. Der Sergeant reitet vom Hügel zum Wagenweg hinunter und treibt sein Pferd scharf an, um vor den Apachen noch einen guten Vorsprung herauszuholen. Ein prüfender Blick zum Pass im Westen sagt ihm, dass es unmöglich ist, diesen Pass noch vor den Apachen zu erreichen. Es ist nicht zu schaffen. Nur die Reiter könnten es schaffen, die Wagen und die Menschen zu Fuß ganz bestimmt nicht. In Clay Donovan, den man für Sergeant Clay Yates hält, ist eine tiefe Depression. Es ist also falsch gewesen, mit all den Menschen Fort Final zu verlassen. Nun wird man sich auf freiem Feld und nur geschützt durch die vier Wagen zum letzten Kampf stellen müssen. Dabei haben die Gewehrschützen nur noch etwa vier Schuss pro Gewehr. Das kann nicht gut gehen – nie! Die einzige schwache Hoffnung ist das Geschütz. Doch werden sich die Apachen noch einmal reinlegen lassen? Wird man sie noch ein drittes Mal als dichte Traube vor die Mündung bekommen?
Der Sergeant muss sich die beiden Fragen mit einem klaren Nein beantworten. Denn so dumm wird der neue Häuptling nicht sein. Er kennt die verheerende Wirkung der Haubitze zu gut. Es ist alles verloren, dessen ist der Sergeant sicher. Als er etwa zwei Meilen geritten ist, kommt er über eine breite Bodenwelle und sieht die vier Wagen, die Reiter und die keuchenden Menschen, die zu Fuß laufen müssen. Er hat schnell den letzten Wagen eingeholt. Die drei Kanoniere grinsen ihn trotzig an. »Gebt es ihnen noch einmal – wenn ihr könnt!«, ruft er ihnen zu. Corporal Dick Windmaker nimmt seinen Blick einen Moment von dem Gespann und grinst ebenso trotzig und wild wie die drei Kanoniere. Neben ihm sitzt ein Beinverwundeter. Der Sergeant winkt ihnen zu, ist vorbei, überholt nacheinander die drei anderen Wagen, die voller Frauen, Kinder und Verwundeter sind, und erreicht die Spitze. Hier reitet Captain Britt Jennison. Er gibt sich alle Mühe, wie ein energischer Offizier zu wirken, der das Vertrauen der Soldaten und der ihm anvertrauten Menschen verdient. Doch er ist schon wieder am Ende seiner Kraft. Er wendet sich mit verzerrtem Gesicht an den Sergeant. »Schaffen wir es bis zum Pass?« »Nein, Sir! Wir müssen uns einen günstigen Platz für unsere letzte Verteidigungsstellung suchen, Sir. Es war falsch, das Fort zu verlassen! Es tut mir mächtig Leid, Sir – genau so Leid, wie Ihnen die Männer tun, die damals mit Ihnen ritten. Sie sehen, dass auch ich fast den gleichen Fehler machte. Man glaubt, dass man es schaffen kann. Doch dann erweist es sich als Irrtum. Und dann muss man bezahlen.« Der Sergeant grüßt den Captain und will sein Pferd zur Seite lenken, um zurückbleiben zu können. Doch der Captain wirkt plötzlich noch einmal sehr lebendig und energisch. Er ruft: »Auf meiner Armeekarte ist hier eine alte Bastion der Mexikaner eingezeichnet, die später eine Poststation wurde. Für den Passanstieg wurden die Pferde auf dieser Station gewechselt. Sie wird natürlich längst aufgegeben sein. Oder die Leute dieser Station wurden getötet. Doch vielleicht kann sie uns einen besseren Schutz bieten als eine Wagenburg von vier Wagen. Wir sollten die Leute noch einmal antreiben und durchhalten, Sergeant. Schon hinter der nächsten Bodenwelle könnte die alte Bastion der Mexikaner liegen.« »Hoii, warum haben Sie das nicht gleich gesagt, Captain!« Der Sergeant ruft es hell, und dann bleibt er zurück und ruft allen Leuten zu, dass sie bald einen Schutz fänden. Er sitzt dann ab und gibt sein Pferd an zwei keuchende Männer ab, die einfach nicht mehr laufen können. Nina überlässt ihm San Carlos’ Hengst und sitzt bei Janett auf. Sie sind wahrhaftig schon jetzt zueinander wie zwei gute Schwestern. Ganz am Schluss und neben dem Geschützwagen reitet der Sergeant. Es ist völlig klar, dass er dort sein will, wo die Gefahr am größten und der Angriff am heftigsten sein wird. * * * � Als die Apachen auftauchen, springt der Sergeant auf den Geschützwagen, denn nun ist �
es sicher, dass die keuchenden Pferde nicht mehr weit ziehen müssen. Man braucht ihre Kräfte nicht länger zu schonen. Die Apachen kommen in breiter Front auf dem Wagenweg heran. Sie reiten schnell, doch nicht wild und wie eine Horde. Sie wirken sehr diszipliniert und beherrscht, ganz wie Soldaten. Sie kommen unter ihrem neuen Häuptling und Anführer, der geschworen hat, sie besser als San Carlos zu führen. Stetig holen sie auf. Ihre kleinen, zähen Wüstenmustangs sind unermüdlich. Immer näher kommen die Roten, und man kann bald schon ihre harten und grausam entschlossenen Gesichter erkennen. Doch in diesem Moment erreicht der erste Wagen hinter dem Captain den Rand einer Senke. Und unmittelbar danach rufen viele Stimmen freudig und erleichtert, unverkennbar hoffnungsvoll. Denn in der Senke vor ihnen liegt die alte Mexikaner-Bastion und spätere Postkutschenstation, bei der nicht nur die Postkutschen, sondern auch Frachtwagen ihre Gespanne wechseln konnten und zu der auch offenbar ein Handelsstore gehörte. Da die Gebäude und vor allen Dingen die alte Mauer aus Steinen errichtet wurden, konnten die Indianer nicht alles zerstören. Nur die Dächer und das Innere der Häuser sind abgebrannt, dazu einige Hütten und Schuppen. Die vier Wagen mit den Flüchtlingen jagen nun auf die Ruine zu, flankiert von den wenigen Reitern, die zu zweit oder gar zu dritt auf den stolpernden Tieren hocken. Es ist eine erbärmliche Flucht, gnadenlos und voller Panik. Aber sie dürfen auch nicht eine Sekunde anhalten. Sie dürfen sich hier auf freiem Feld nicht zum Kampf stellen. Die Apachen reiten nun so schnell sie können, kommen auf dem Wagenweg immer näher. Der Geschützführer aber brüllt heiser: »Ich hab sie fertig! Ich hab Tante Mary fertig! Und wenn sie nicht in Stücke springt, wird sie den roten Piraten noch einmal zehn Pfund Eisenzeug um die Ohren pfeffern. Ah, all das gute Zeug! Die schönen Knöpfe der Armee! Und die silbernen Sporen von Kit Lonestar! Alles bekommen die roten Hundesöhne!« Auch die anderen Männer im Wagen brüllen irgendwelches Zeug. Sie alle vertrauen noch einmal darauf, dass sie den Apachen eine volle Ladung geben können. Und dafür sieht vorerst alles gut aus. Jener neue Häuptling, der ein rotes Kopftuch trägt wie ein Pirat, führt seine Krieger dicht geschlossen heran. Doch dann passiert etwas Schreckliches. Um nämlich zu der Stationsruine zu gelangen, müssen die Wagen den Wagenweg verlassen. Die vorderen Wagen tun dies ohne Schwierigkeiten, obwohl es nicht so einfach ist, die Vorderräder aus den Radfurchen zu bringen und schräg über all die anderen Radfurchen zu lenken. Auch Corporal Windmaker reißt das galoppierende Vierergespann nach rechts hinüber. Und da passiert es! Der eiserne Reifen springt, und das Rad bricht sofort auseinander. Der Wagen kippt um, das Gespann reißt die Vorderachse vom Wagen los und rast damit davon. Corporal Windmaker, die drei Kanoniere und der Sergeant rollen über den Boden,
denn als der Wagen zu kippen begann, sprangen sie natürlich sofort. Der Sergeant kommt zuerst auf die Beine und hält auch schon den Revolver in der Faust. Er beginnt auf seine unheimlich präzise Art zu schießen, und er hat es leicht, die anstürmenden Gegner zu treffen. Denn sie sind nahe und kommen dicht gedrängt. Dabei stoßen sie gellend das fürchterlichste Geheul aus, welches der Sergeant jemals hörte. Denn nun glauben sie wahrhaftig an einen kleinen Sieg. Die Kanone der Weißen ist ausgeschaltet, jene Kanone, die ihnen schon zweimal solch schlimme Verluste zufügte und vor der sie die meiste Furcht hatten. Doch nun kann sie nicht mehr schießen. Wie die Teufel aus der Hölle, so kommen sie heran. Der Sergeant kann noch vier Schuss abgeben, dann wird er niedergeritten und bekommt einen Schlag mit einem Gewehrkolben. Sie fallen auch über Corporal Windmaker und die drei Kanoniere her, die sich verzweifelt wehren, aber keine Chance haben. Und dennoch ist dieses Unglück vorerst die Rettung für die drei anderen Wagen und all die Flüchtlinge. Die Apachen werden mit ihrer Masse doch einen kurzen Moment aufgehalten. So gelingt es den Flüchtlingen mit knapper Not. durch die Einfahrt in den Hof zu gelangen. Ein Tor, welches man schließen könnte, gibt es nicht. Doch sie lassen den letzten Wagen mitten in der Einfahrt stehen. Alle Gewehrschützen beginnen über die Mauer hinweg oder zwischen Wagen und Eckpfosten der Einfahrt hindurch auf die anstürmenden Apachen zu feuern. Die Apachen fluten zurück, wenden sich nach rechts und links, jagen um das Geviert herum, um an anderen Stellen über die halb verfallene Mauer gelangen zu können. Doch das ist nicht leicht. Das Mauergeviert ist sehr viel kleiner als das Fort. Die Verteidiger können fast Schulter an Schulter stehen, denn auch die Frauen kämpfen. Das Fort war zu groß für die kleine Zahl der Verteidiger. Die alte Mexikaner-Bastion ist so klein, dass man sich wirklich verteidigen kann und dies noch sehr lange könnte, hätte man nur genügend Munition. Einige der Gewehrschützen verfeuern ihre letzten Patronen. Ihre Gewehre sind von nun an nichts mehr wert und nur als Prügel zu verwenden. Die Apachen ziehen sich jedoch zurück, denn sie wissen zum Glück nicht, dass schon in der nächsten Minute kein Schuss mehr auf sie abgegeben werden könnte. Die Flüchtlinge bekommen noch einmal eine allerletzte Gnadenfrist. Und als sich die Apachen zurückziehen, beginnt der Captain mit energischer und ruhiger Stimme seine Befehle zu rufen. Jetzt, wo es bald zu Ende sein wird, holt dieser Offizier aus seinem Inneren noch einmal jene Kraft und Stärke, die ein Anführer besitzen muss, will er Ruhe und Besonnenheit ausströmen und seinen ganzen Einfluss geltend machen auf Menschen, die sonst in Panik geraten würden. Die wenigen Soldaten, die noch kampffähig sind, horchen zuerst auf die Befehle. Dann tun es auch die Zivilisten und die Frauen, die nun an die Stelle der verwundeten Männer treten. Aber ihnen allen sitzt die heiße Furcht in den Knochen. Denn die Apachen haben nicht nur das Geschütz bekommen. Auch der Sergeant fiel in ihre Hände. Wahrscheinlich wird er tot sein. Dies glauben sie alle.
Und auch Janett und Nina denken es. Sie stehen dicht nebeneinander mit ihren Gewehren hinter der Mauer und starren dorthin, wo der gestürzte Geschützwagen liegt und die Apachen immer noch mit ihren Pferden ein wildes Durcheinander bilden. Sie können keine Worte finden. Doch als sie einander anblicken, da wissen sie, dass sie gewiss für lange Zeit beisammen bleiben werden wie Schwestern. »Ich liebe ihn, Nina«, sagt Janett. »Ich habe ihn vom ersten Moment an geliebt. Und er hat dies wohl spüren können, denn er vertraute mir von Anfang an. Nina, er war so großartig und dennoch so einsam und bescheiden, so selbstgenügsam und gut. Nina, ob er noch leben könnte?« Nina schüttelt den Kopf. »Er war mein großer Bruder«, murmelt sie. »Er war mir gefolgt, um Rannahan zu töten und mich zu retten. Und dann wollte er Fort Final retten. Ja, er war ziemlich groß, das kann man wohl sagen. Doch sie werden ihn gewiss getötet haben.« Sie sagt es spröde und klirrend, ganz wie eine Frau, die nicht mehr weinen kann und deshalb Ihren Schmerz umso schlimmer spürt. »Wir müssen uns damit abfinden, dass er tot ist«, murmelt sie nochmals. »Denn wenn er noch leben sollte, würde dies schlimmer für ihn sein als der Tod. Dieser Kayitha ist ein Teufel. Dieser Kayitha würde…« Nun versagt ihr die Stimme. Doch die beiden Frauen und auch viele andere können nun beobachten, wie die Apachen den Wagen, in dem sich das Geschütz befindet, zur Seite bringen, bis sich alles hinter einem der verfallenen Gebäude, die außerhalb der alten Bastionsmauer rings um die Station stehen und zum größten Teil erst sehr viel später errichtet wurden, außer Sicht befindet. Einer der Männer ruft: »Zum Teufel, die werden doch das Geschütz nicht gegen uns einsetzen?« *** Als der Sergeant die Schmerzen spürt und sich darüber klar wird, dass Schmerzen nur von einem lebendigen Körper gespürt werden können, wundert er sich dumpf darüber, dass er offenbar noch lebt. Wenig später öffnet er die Augen. Er sieht zuerst nur dunkle und undurchdringliche Schatten. Doch dann lichten sich die Schatten vor den Augen. Er sieht – Apachen! Sie umgeben ihn kauernd und stehend, betrachten ihn hart und mitleidlos. Sie wissen genau, dass er der Mann ist, der ihnen all die Niederlagen bereitete und bis jetzt verhindert hat, dass sie das Spiel gewinnen konnten. Sie wissen genau, dass er der Mann ist, der mit ihnen Apachenpoker spielte. Doch nun haben sie ihn. Er sagt deshalb in spanischer Sprache zu ihnen: »Nun, Freunde, da habt ihr mich also. Aber wenn ihr mich wie Teufel zu Tode quälen solltet, dann gebe ich euch schon jetzt mein Wort darauf, dass ich aus dem Jenseits auf euch nieder pissen werde.« Er grinst schief bei seinen Worten, und er unterdrückt nur mühsam ein Stöhnen. Denn mit jedem Pulsschlag hämmert der Schmerz in seinem Kopf, dass ihm der Atem wegbleibt und er glaubt, sein Kopf würde zerspringen.
In seiner Schulter – in der linken Schulter – muss sich eine Kugel befinden. Sie sitzt nicht tief, doch es schmerzt sehr. Als sie begriffen haben, was er ihnen sagte, und jene Apachen, die ihn nicht verstanden, seine Worte übersetzt bekamen, grinsen sie ihn alle an und nicken ihm zu. Denn sie haben es gern, wenn ein Gefangener sein Schicksal mit Galgenhumor erträgt, und es macht ihnen Spaß, sich mit ihm zu unterhalten. »Wenn du im Jenseits bist, Sergeant«, sagt einer von ihnen nicht ohne jene Freundlichkeit der Vorfreude, »wirst du nicht mehr pissen können. Und wenn wir ganz sicher gehen möchten, könnten wir dir das Ding abschneiden, nicht wahr?« Sie alle beobachten den Sergeant scharf, möchten erkennen, ob sich in seinem Gesicht oder in seinen Augen der heftige Schrecken und die heiße Angst zeigen. Aber er zeigt es ihnen nicht. Er sucht mit den Augen ihren neuen Häuptling. Dieser ist nicht schwer herauszufinden, denn er steht wohlgefällig in ihrer Mitte und genau vor des Sergeants Füßen. »Bist du Kayitha?«, fragt der Sergeant nun. »Ich bin Kayitha. Und du kannst zwischen einem schnellen Tod und einem langsamen und qualvollen Sterben wählen. Es wird auf dich ankommen, Sergeant.« Er macht zwei Armbewegungen, die den anderen Apachen befehlen, zur Seite zu weichen. »Ich habe eine Überraschung für dich, Sergeant«, sagt er kehlig. »Wir haben nicht nur dich, wir haben auch noch dieses da.« Der Sergeant kann es sehen. Es ist das Geschütz. Es war fest auf den Wagenboden montiert worden. Doch der Wagen hat die Vorderachse und beide Vorderräder verloren. Die Apachen haben nun die Seitenteile und auch die Vorderwand mitsamt dem Fahrersitz entfernt. Der Wagenboden und die beiden Hinterräder, über denen sich die Mündung des Geschützes befindet, wurden zur Lafette. Und dann ist da noch etwas. Der Sergeant wird sich jetzt erst darüber klar, dass sie sich in einem ziemlich großen Raum befinden. Und das Geschütz zeigt mit der Mündung durch ein altes Fensterviereck hinaus. Drüben aber befindet sich die Mauer der alten Mexikaner-Bastion. Dort drüben, kaum dreißig Schritte entfernt, ist die Einfahrt, die man mit einem der Wagen und allerlei anderen Dingen zustellte und zu einer Barrikade werden ließ. »Oh, ihr lustigen Amigos«, sagt Clay heiser, »ihr wollt mich doch wohl nicht dazu bringen, die Kanone auf meine eigenen Leute abzufeuern? Das könnt ihr doch wohl nicht glauben? Da lasse ich mich doch lieber von euch in Stücke schneiden oder über dem Feuer rösten, ihr haarigen Affen.« Sie grinsen wieder scheinbar freundlich. Doch in ihren dunklen Augen glitzert es. Kayitha scheucht mit einer Armbewegung einige der Krieger zur Seite, damit der Sergeant noch etwas sehen kann. Gleich hinter dem rechten Rad der Kanone ist eine Falltür im Boden. Sie war unter Staub und Schutt und unter der Asche des verbrannten Daches verborgen. Er sieht mit einem einzigen Blick, dass man diese Falltür eben erst freigelegt hat. Der Kellerraum in diesem Haus war für die Apachen eine Art Depot. Dies wird dem Sergeant sehr schnell klar.
Denn man hat einige Dinge aus diesem Depot geholt und sorgfältig am Boden aufgestapelt. Da sind Kanonenkugeln aus dem mexikanischen Krieg, Pulverfässchen und andere wichtige Sachen. »Du bist ein Sergeant der Soldados«, sagt Kayitha nun grausam ruhig und hart. »Du musst mit dieser Kanone besonders gut umgehen können. Und von hier aus kannst du uns den Eingang zu diesem kleinen Fort freischießen. Wir bekamen schon zweimal dieses Donnerrohr zu schmecken, und es kostete uns viele Krieger. Jetzt finden wir es schön, dass der Sergeant selbst für uns auf seine Leute schießt. Wir lieben einen guten Spaß. Ist das nicht ein guter Spaß?« Bei seiner Frage funkelt es in seinen Augen. Und der Sergeant muss zugeben, dass dieser Rote und seine Brüder und Vettern tatsächlich mit einem besonderen Humor gesegnet sind. Nur er selbst findet das gar nicht spaßig. »Warum tut ihr es nicht selbst?«, fragt er. »Seid ihr zu dumm? Ihr könnt doch auch Vorderladegewehre laden. Also müsstet ihr auch die alte Kanone laden können, nicht wahr? Ich glaube nicht, dass ich für euch auf meine Leute schieße.« Er erwartet nun eigentlich, dass sie ihn ergreifen und ihm erst einmal einen kleinen Vorgeschmack dessen geben, was sie für ihn bereit haben, wenn er nicht gehorcht. Doch da hat er sich in Kayitha, dem Häuptling, sehr getäuscht. Denn nun hält Kayitha den Moment für gekommen, sich seinen Kriegern als der wirklich große Bursche zu zeigen, den sie nur die ganze Zeit verkannten und der in Wirklichkeit sehr viel besser und glückhafter ist, als San Carlos es jemals war. Er hebt beide Hände und hat funkelnde Augen wie ein Schauspieler, der kurz vor dem großen Auftritt in der Rolle seines Lebens steht. Er spricht zu seinen Kriegern. Der Sergeant kann nur wenig davon verstehen, denn der Rote spricht zu schnell. Doch der Sinn ist völlig klar. Kayitha erklärt der andächtig lauschenden Versammlung stolz und siegesgewiss, dass er, Kayitha, das Ding eigenhändig laden, abschießen und das Bollwerk der Weißen damit zerstören wird. Und als er es gesagt hat, macht er sich auch schon an die Arbeit. Er macht es sehr geschickt. Gewiss konnte er einmal aus nächster Nähe zusehen, wie Kanoniere solch ein Ding luden und abfeuerten. Vielleicht aber auch hat er es sogar schon einmal selbst getan oder zumindest dabei geholfen. Oh, er macht alles richtig – bis auf einen kleinen Fehler. Er bemisst die Pulvermenge zu klein. Mit dieser Menge wird er die Eisenkugel nicht viel weiter schleudern können, als ein Pferd sie treten könnte. Der Sergeant schiebt sich noch etwas weiter fort, bis er an der Wand dicht neben der Falltür steht. Er lehnt sich schwer gegen die Wand und schließt einen Moment die Augen. Denn nun ist etwas Hoffnung in ihm. Wenn Kayitha sich mit diesem schwachen Schuss erst einmal blamiert hat, wird er die nächste Ladung gewiss viel stärker machen – vielleicht zu stark. Denn jener gute und prächtige Corporal, der das Geschütz so gut bedient hat, fürchtete sich immer davor, dass das alte Rohr schon beim nächsten Schuss bersten würde. Vielleicht geschieht dies nun! Der Sergeant richtet den Blick einen kurzen Moment auf die Luke zum Keller. Ja, er muss rechtzeitig hinunter. Dort unten ist er vorerst in Sicherheit.
Und so weiß er Bescheid, wartet und passt auf. Die Apachen beachten ihn kaum. Sie sind zu sehr von der »heiligen Handlung« ihres Häuptlings abgelenkt. Denn Kayitha macht sich sehr wichtig und zelebriert ihnen ein Laden vor, als betreute er einen Götzen. Dann endlich kommt der große Augenblick. Die Apachen stecken sich die Finger in die Ohren und machen die Münder auf. Sie wissen also ungefähr, was man tun muss, wenn es einen gewaltigen Krach geben wird. Kayitha macht es noch sehr viel feierlicher und treibt die Spannung auf den Höhepunkt, bis er endlich die Lunte an das Zündloch hält. Es macht »Wumm!«, doch nicht besonders laut. Und die Kugel fliegt tatsächlich heraus. Sie fliegt nicht gegen die Barrikade, sondern prallt einen Yard daneben gegen die Mauer, stößt einfach dagegen wie ein schwerer geworfener Stein und fliegt zu Boden. Im Raum niesen einige der Krieger, denn der Pulverrauch ist sehr stark und beißt in Augen und Nasen. Dann aber lachen einige Krieger im Hintergrund, und einer ruft mit drastischen Worten, dass ein Pferd hinten stärker die Luft ablassen würde, als diese Kanone schießen könnte. Kayitha wird jedoch wieder Herr der Situation. Er grollt erst einmal böse, bis sich das Gelächter und die Witze, die jetzt gerissen werden, wieder legen. Dann sagt er mit gekränkter Würde: »Selbst ein Gewehr muss man erst ausprobieren. Doch jetzt weiß ich genau, wie stark ich die Ladung machen muss. Habt nur etwas Geduld, meine Brüder.« Und er macht sich noch einmal an die Arbeit. Der Sergeant beobachtet ihn genau, und er achtet auch auf die Pulvermenge. Sie ist zehnfach. Und es kommen drei der Kugeln in das Rohr. Der Apache will es nun mit einem Schlag machen und setzt alles auf eine Karte. »Jetzt werdet ihr es erleben, Apachenkrieger«, sagt Kayitha, und er verspricht wahrhaftig nicht zu viel. Als sich seine Lunte dem Zündloch nähert, springt der Sergeant in das Loch nieder, landet im Keller und rollt sich zur Seite. Und noch indes er es tut und den schmerzenden Kopf in seine Arme nimmt, kracht es oben, als wenn die Erde bersten würde. Es ist ein Doppelkrachen, denn mit dem berstenden Rohr gehen auch die Pulverfässchen als Feuerball auseinander. Der Sergeant weiß nicht mehr, was oben geschieht. Denn der Luftdruck kommt auch durch die Luke nach unten und wirft ihn krachend in eine Ecke. Er hört, sieht und spürt nichts mehr. *** In der kleinen und notdürftigen Mexikanerfestung ist unverkennbar Panikstimmung. Denn man weiß nun, dass man keine Munition mehr hat und den Apachenteufeln bald im Handgemenge gegenüberstehen wird. Es wird schlimm, je mehr Zeit vergeht. Einige Frauen wollen sich und ihre Kinder umbringen, und man kann sie nur mit Gewalt daran hindern. Es spielen sich schlimme Szenen ab. Doch plötzlich kracht das Geschütz drüben in dem Gebäude. Es ist kein sehr lauter Knall. Nicht wenige der Verteidiger sehen die Kugel dicht neben der Barrikade in die
Mauer schlagen. Und als man erkannt hat, dass dies ein lächerlicher Schuss war, glaubt man, dass die Apachen mit dem Geschütz nicht umgehen können. Man bricht hinter der Mauer in ein Hohngelächter aus, aber es ist ein verzweifeltes Gelächter. So heulen Männer, denen nichts anderes mehr bleibt als solch ein rebellischer Spott. Wenige Minuten später gibt es einen mächtigen Krach. Es ist ein Knall, wie sie noch nie einen hörten, und er kommt ihnen wie ein Doppelknall vor. Sie alle ziehen oder zogen schon die Köpfe ein. Nur wenige der Verteidiger spähen noch hinüber. Doch diese Beobachter können es dann sehen. Das ganze Haus stürzt ein. Doch zuvor bricht innerhalb der vier Wände eine Feuersäule gen Himmel mit Staub, Erde, Steinbrocken, all dem Schutt und – ja, auch Menschen. Dort fliegen Menschen wie Stoffpuppen heraus wie aus einem Kasten, und dann fällt dieser Kasten, der zuvor die dachlose Ruine eines Hauses war, mit all dem emporgeschleuderten Zeug auseinander und zusammen, wird zu einem Trümmerhaufen, in dem sich dann viele verwundete Apachen bewegen. Manche kommen hervorgekrochen. Und viele sind gewiss tot. Andere bewegen sich nur. Die Belagerten begreifen schnell, was geschah. Das Geschütz ist nicht nur durch eine Überladung explodiert, nein, es muss auch noch zu gleicher Zeit eine Pulverexplosion stattgefunden haben. Und da sich fast vier Dutzend Apachen in dem Haus bei der Kanone befanden, um das große Schießen ihres Häuptlings zu bewundern, hatte diese Explosion eine verheerende Wirkung. Die anderen Apachen, die um das kleine Fort der Not und Verzweiflung verteilt sind, laufen zur Unglücksstelle und helfen dann ihren verwundeten Stammesgenossen. Sie zerren noch eine Menge lebloser Körper aus den Trümmern. Und von den Weißen schießt niemand auf sie, obwohl jetzt eine gute Gelegenheit wäre, mit den wenigen noch vorhandenen Patronen gute Erfolge zu erzielen und den Feind noch mehr zu schwächen. Doch auch die Weißen staunen noch zu sehr. Sie begreifen auch, dass die Apachen nun endgültig genug haben und auch zahlenmäßig nicht mehr in der Lage sind, einen erfolgreichen Angriff zu wagen. Das alte Geschütz aus dem mexikanischen Krieg hat die einst so starke Kriegshorde nun endgültig geschlagen, und die dritte Schlappe war besonders schlimm. Plötzlich beginnt ein junger Bursche zu jubeln und zu lachen. Es ist nicht so sehr der Ausbruch von Freude, viel mehr befreit er sich damit von der furchtbaren Angst und Spannung. Plötzlich brüllen und lachen sie alle, umarmen sich, tanzen miteinander und erlösen sich von jenem furchtbaren Druck, der wie ein Ungeheuer auf ihnen lastete. Sie alle vergessen für einen Moment, dass auch sie Verluste hatten und fast jeder von ihnen einen Mann, Bruder, Freund oder sogar die Frau, Schwester oder Kind zu beklagen hat. Allmählich wird es still. Sie kommen wieder zu sich. Und dann beobachten sie, wie die Apachen mit ihren Verwundeten und Toten abziehen.
Keiner von ihnen sieht sich noch einmal um. Sie sind geschlagen und schämen sich ihrer Niederlage. Sie haben genug. Bald darauf verlassen die Verteidiger das Mauergeviert der alten Bastion, eilen hinüber und schwärmen dann aus, um ihre eigenen Gefallenen zu suchen, die auf der Flucht zurückblieben. Sie finden dort, wo der Geschützwagen umkippte, Corporal Windmaker, die drei Kanoniere und jenen verwundeten Soldaten, der vorn bei Windmaker gesessen hatte. Doch auch dieser Verwundete ist nun nicht mehr verwundet, sondern tot wie alle anderen Soldaten. Sie alle wurden schlimm zugerichtet. Die Männer beeilen sich, die Unglücklichen zu bestatten und den Frauen und Kindern auch nicht einen einzigen Blick aus der Ferne zu erlauben. Nur zwei Frauen können sie nicht halten. Es sind Nina Donovan, die man jedoch als Mrs. Rannahan anredet, da der Lieutenant sie als seine Frau vorgestellt hatte, und Janett Allison. Die beiden Frauen sind einfach nicht zu halten. Sie suchen selbst nach dem Sergeant und bedrängen fortwährend die Männer, die Suche nach ihm noch intensiver zu betreiben. Wo ist der Sergeant? Unter den toten Soldaten, die die Apachen zurückließen, befindet er sich nicht. Mitgenommen haben ihn die Apachen aber auch nicht. Dies hätte man gewiss sehen können. »Dann muss er doch unter den Trümmern liegen! Räumt alles fort! Helft uns doch, Männer! Räumt all den Schutt und die Trümmer des zusammengefallenen Gebäudes fort!« Janett Allison ruft es mit aller Energie. Sie und Nina beginnen zuerst zu arbeiten, nur mit den bloßen Händen. Die Männer betrachten sie einige Atemzüge lang staunend. Einer murmelt bitter: »Oh, dieser prächtige Sergeant Yates wird tot sein wie alle Apachen, wenn er mit ihnen hier bei der Kanone war. Er wird tot sein wie Windmaker und die anderen Jungs. Doch wir helfen euch, Schwestern, wir helfen euch! Wartet nur, bis wir von den Wagen die Schaufeln und Hacken geholt haben.« Dies geschieht nun schnell. Und dann machen sich mehr als ein Dutzend Männer an die Arbeit. Sie finden Apachen, aber nicht den Sergeant. Sie finden auch nicht die Falltür zum Keller. Nina und Janett können es kaum glauben. Ein großer Körper wie der des Sergeants müsste in den Trümmern zu finden sein. Sie wenden sich mit gesenkten Köpfen ab und gehen stolpernd davon. Sie sind wie blind und taub. Doch für Nina gibt es bald eine Ablenkung. Die alte Frau, der sie ihr Kind gegeben hat, bringt es ihr nun und sagt: »Der Kleine hat Hunger! Er muss die Mutterbrust bekommen. Lassen Sie den Kleinen nicht hungern, Mrs. Rannahan.« Sie nimmt ihn und setzt sich damit in eine stille Ecke. Die Nacht kommt. Diesmal werden nur wenige Posten aufgestellt, denn es ist keine Apachengefahr mehr vorhanden. Die Menschen fallen schon bald in einen tiefen Schlaf der Erschöpfung, und diesmal schlafen sie ohne Furcht.
Nur Janett und Nina können nicht schlafen. »Ich kann einfach nicht glauben, dass Clay nicht zu finden ist. Nein, ich kann es einfach nicht glauben. Nina, du warst bei den Apachen. Du kennst dich besser aus als ich. Ist es möglich, dass sie Clay als Verwundeten mit sich schleppten? Könnte es sein, dass sie ihn, dem sie die Hauptschuld an ihrer großen Niederlage geben müssen, mit sich nehmen, um daheim in ihrem Dorf an ihm Rache nehmen zu können?« Janett fragt es zitternd. Und sie stehen beide am Brunnen, zu dem sie schlenderten. Nun lassen sie sich nebeneinander auf der niedrigen Steinumfassung nieder. »Was könnten wir tun, wenn er wirklich noch leben und Gefangener der Apachen sein sollte?«, fragt Nina traurig und voll Mitleid. »Niemand könnte die Apachen verfolgen, nicht einmal Arch Rannahan könnte das, obwohl er es vielleicht versuchen würde. Die Männer hier haben keine Munition. Sie wollen nichts anderes mehr als die Sicherheit in Globe. Wir können Clay nicht helfen. Damit musst du dich abfinden, Janett.« »Wie kannst du nur so nüchtern über diese Dinge sprechen«, spricht Janett stockend. »Ich muss immerzu daran denken, dass er vielleicht lebend in den Händen dieser Teufel ist und dass es keine Hilfe gibt für ihn und er…« »Nur ruhig, Mädels, nur ruhig, und regt euch nur nicht länger auf über mich. Erschreckt auch nicht, mich aus dem Brunnen sprechen zu hören. Denn es findet alles eine vernünftige Erklärung.« Ja, plötzlich tönt die Stimme dicht bei ihnen aus dem Brunnen. Und ein Männerkopf taucht aus dem Brunnenschacht auf. »Nur ruhig«, sagt er nochmals, und es ist wahrhaftig der Sergeant. »Setzt euch wieder, sodass man meinen Kopf zwischen euch nicht so schnell entdecken kann.« Sie gehorchen sofort, sitzen eng beisammen auf der niedrigen Brunneneinfassung und decken ihn mit ihren Körpern gegen Sicht. Er braucht nun auch nicht mehr lauter zu sprechen, als es gut wäre. Janett streckt plötzlich die Hand aus, fasst ihm ins Haar und fühlt nun, dass er wirklich aus Fleisch und Blut ist und sie nicht träumt. Er sagt nun leise und eindringlich: »Dieser Sergeant Yates, den ich eine Weile vertrat, ist schon lange tot. Ihr wisst es. Ich erzählte euch, wie er damals sterbend den kleinen Creek erreichte, der zum Gila River floss. Ich will nicht ewig als Sergeant Yates in der Unionsarmee dienen. Deshalb halte ich es für besser, wenn ich von dem Captain als vermisst oder gefallen gemeldet werde. Ich will wieder als Clay Donovan weiterleben. Und so bin ich nicht aus dem Keller gekommen, in den ich durch eine Falltür gelangte. Der Luftdruck hat nicht nur die Falltür zugeworfen und mit Schutt bedeckt, er hatte auch unten im Keller eine Geheimtür aufgedrückt, durch die ein Gang bis in diesen Brunnenschacht führt. Man muss nur das letzte Stück im Wasser kriechen. Ein Glück für euch alle, dass selbst die Apachen nichts von diesem Gang wussten. Nun, Mädels, ich bin sehr froh, dass euch der Zufall oder die Vorsehung an diesen Brunnen kommen ließ. So brauchte ich euch nicht zu suchen. Nina, ich wünsche dir Glück mit Rannahan. Glaubst du, dass er nun gut zu dir sein wird, sodass du ihm eines Tages verzeihen kannst und es dir und dem Kind erträglich gehen wird?« »Ja, das glaube ich, Bruder«, erwidert Nina. Sie sagt es nicht hastig und impulsiv, aber völlig überzeugt. »Arch hat sich vollkommen geändert«, erklärt sie. »Ich habe das deutlich spüren können, als er zurückgekommen ist in das Apachencamp, um mich zu holen, mich und seinen Sohn.«
»Das ist gut«, murmelt Clay Donovan und wendet den Kopf zu Janett, die ihre Finger immer noch in seinen Haaren hält. »Und du, Janett, was wirst du tun?« Er fragt es sanft. »Wie kannst du fragen, was ich tun werde, wenn ich nur darauf warte, dass du mir endlich sagst, was ich tun soll?« Dies fragt sie vorwurfsvoll zurück, und man hört ihrer Stimme an, wie glücklich sie ist und wie sehr auf dieser Welt all die Dinge wieder schön sind. »Geh mit den anderen Leuten hier nach Globe«, sagt er. »Und von Globe aus wirst du gewiss eine Möglichkeit finden, einigermaßen sicher nach Westen zu kommen. Janett, ich warte in der ersten Stadt westlich von Globe auf dich, und ich werde dort sogar Monate warten. Wirst du kommen? Ich kann nicht mehr für den Süden kämpfen. Denn ich halte die Sache des Südens nicht für gut. Ich möchte jedoch auch nicht auf der Seite des Nordens kämpfen. Also höre ich auf, wozu ich als entlaufener Kriegsgefangener das Recht habe. Wir werden nach Kalifornien gehen, Janett. Ist dir das recht?« »Ich gehe überallhin mit dir, Clay«, erwidert sie. Er verschwindet wieder im Brunnen. Die Mädchen sitzen noch lange da, warten, denken tausend Gedanken und lauschen. Doch es ist eine Stunde vor Anbruch des neuen Tages, als man einen der Posten gebunden und geknebelt vorfindet. Es handelt sich um einen Zivilisten, einen einstigen Cowboy und Revolvermann. Er flucht besonders darüber, dass man ihm den Revolver nahm. Und alle anderen Männer wundern sich dann darüber, dass auch noch eines der Pferde fehlt – das Pferd des Sergeants. Ob es die Apachen geholt haben, um ihm das Pferd mit in jenes Jenseits zu geben, in das sie ihn befördert haben? Die Frage stellen sich nicht wenige Männer, denn es ist ihnen bekannt, dass die Indianer einem großen Krieger das Lieblingspferd mit in den Tod geben. Nun, niemand konnte eine andere Erklärung finden. Nur Nina und Janett wussten Bescheid. Wohl gäbe es viel über Clay Donovan und dessen junge Frau Janett zu erzählen. Es dauerte Jahre, bis sie ihre schöne Farm aufgebaut hatten. Arch Rannahan und Nina bauten nach dem Krieg eine Frachtlinie auf. Später wurde Rannahan sogar Direktor einer Eisenbahngesellschaft. Nina hat ihn eines Tages wieder lieben können. Aber das alles hat nichts mehr mit Sergeant Yates zu tun. Dieser war tot. ENDE