Schwach in deinen Armen
1. KAPITEL Als sie das Auto hörte, legte Maggie Bristol die Mappe, die sie durchgesehen hatte, ...
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Schwach in deinen Armen
1. KAPITEL Als sie das Auto hörte, legte Maggie Bristol die Mappe, die sie durchgesehen hatte, schnell in den Aktenordner zurück und eilte nervös an ihren Schreibtisch. Wenn der Sheriff sie beim Studium von Ross Daltons Strafregister erwischte, wäre sie ihren Job wahrscheinlich bald wieder los. Dabei war heute ihr erster Arbeitstag. Das Motorengeräusch des herannahenden Wagens wurde immer lauter, bis der schwarze Lastwagen mit quietschenden Reifen in den Parkplatz auf der Prairie Street von Comfort, Montana, einbog und dort zum Stehen kam. Maggie blickte neugierig durch die Glasscheibe des Bürofensters. In wenigen Minuten würde der stadtbekannte Gesetzesbrecher vor ihr stehen ... Hoffentlich ist er inzwischen alt und hässlich, dachte sie mit klopfendem Herzen. Die Vorstellung, ihn nach so langer Zeit wieder zu sehen, beunruhigte sie. Wo immer Ross auftauchte, gab es Ärger. Vor einer Viertelstunde war Trent Campion, der äußerst attraktive Sohn des reichsten Pferdezüchters der Gegend, im Büro des Sheriffs aufgetaucht und hatte lautstark verkündet, dass er nicht eher gehe, bis man ihm Ross' Kopf auf einem Silbertablett serviere. Und jetzt stieg Ross aus und knallte die Wagentür hinter sich zu. Als sie ihn vor elf Jahren zuletzt gesehen hatte, war sie gerade siebzehn gewesen. Und obwohl sein Gesicht markanter geworden war, hatte er sich ansonsten nicht sehr verändert. Mit einem Blick erfasste Maggie seine enge Jeans, die breiten Schultern und das beige, karierte Hemd, das er trug. Sein athletisches Äußeres verriet, dass er gewohnt war körperlich schwer zu arbeiten. Er war etwa eins-fünfundachtzig groß und hätte tief blaue Augen. Maggie hatte sich in der Nacht vor ihrem fünfzehnten Geburtstag hoffnungslos in ihn verliebt. Kurz danach hatte sie ihn gehasst ... so schnell war ihr Gefühl für ihn umgeschlagen. Und sein ignorantes Verhalten in den darauf folgenden Jahren war nicht gerade dazu angetan gewesen, ihr schlechtes Urteil über ihn zu revidieren. Wenige Minuten später fuhr auch der weiße Jeep des Sheriffs auf den Parkplatz. Mit rotem Gesicht kletterte Cy Farrell aus dem Wagen, und kurz danach betraten beide Männer das Büro. Ross grinste, als könne er keiner Fliege etwas zuleide tun. „Was soll ich denn diesmal wieder verbrochen haben?" erkundigte er sich lässig. In diesem Moment stürmte Trent Campion aus Farrells Büro und schrie: „Ich bestehe darauf, dass dieser Mann eingesperrt wird. Er hat mich bedroht und tätlich angegriffen." Farrell deutete auf seine Bürotür und nickte. „Hinein mit euch. Alle beide!" Dann wandte er sich zu Maggie. Ihr fielen die Schweißtropfen auf, die auf seiner Stirn glänzten. „Falls irgendjemand mich sprechen möchte, sagen Sie mir Bescheid." „Geht klar, Sir." Als er ihre Stimme hörte, wandte Ross sich überrascht um. Sie spürte, wie sie rot wurde, und ärgerte sich darüber. „Oh, hallo", sagte er mit weicher Stimme. Wenigstens erinnerte er sich an sie.
Doch in dieser Hinsicht sah Maggie sich getäuscht. Mit halbem Ohr vernahm sie, wie Ross den Sheriff fragte: „Ihre neue Bürohilfe sieht nicht schlecht aus, Cy. Wer ist sie denn?" Wer sie war? Ross erinnerte sich also doch nicht an sie? Maggie nahm sich ihre Unterlagen vor und versuchte zu lesen, doch vor ihrem geistigen Auge erschien ein anderes Bild - das flackernde Lagerfeuer auf dem Grundstück der Daltons, wo in der Nacht vor ihrem fünfzehnten Geburtstag eine große Party gefeiert wurde. Als wäre es heute, vernahm sie das ausgelassene Lachen und Scherzen der Schüler, die an diesem Tag ihre Abschlussprüfung hinter sich gebracht hatten. An all dies erinnerte sich Maggie, genau wie an das himmlische Gefühl, von dem damals achtzehnjährigen Ross in den Armen gehalten zu werden. Vielleicht hatte sie sich deshalb auch nicht gesträubt, als er sie mit sich hinunter auf eine Decke gezogen und ihr einen langen, aufregenden Zungenkuss gegeben hatte. Maggies Vater war Priester, und sie hatte nie zuvor in ihrem Leben etwas Derartiges erlebt... aber schließlich hatte sie sich seinen Zärtlichkeiten rückhaltlos hingegeben. Erst später, als sie bemerkte, dass ihre Bluse offen stand, war ihr klar geworden, wie sehr sie sich hatte hinreißen lassen. Und als wäre dies noch nicht genug, bemerkte sie, dass einer von Ross' Freunden wie aus dem Nichts aufgetaucht war und ihnen beim Küssen zusah. Erschreckt und gedemütigt hatte sie sich von Ross losgerissen und nach ihrer Freundin Mary Ellen gesucht, mit der sie auf die Party gekommen war. Auf der Fahrt nach Hause hatte Maggie ständig beteuert, dass Ross sie doch ein wenig mögen musste, wenn er sie auf diese Weise anfasste. Aber sie hatte nie wieder etwas von ihm gehört, und seine Missachtung hatte sie zutiefst getroffen. In diesem Moment erklang Farrells ärgerliche Stimme. Maggie kehrte mit einem Ruck wieder in die Gegenwart zurück. „Gut, ich habe Trents Version dieser Geschichte gehört. Und was haben Sie mir zu sagen?" „Was soll ich Ihnen noch sagen?" erwiderte Ross gleichmütig. „Er hat sein Pferd geschlagen, und ich habe ihm die Gerte weggenommen." „Lüge, alles Lüge", meinte Trent aufgebracht. „Das können alle bezeugen. Aber selbst wenn ich es getan hätte, ist das Pferd schließlich mein Eigentum, und ich kann damit tun und lassen, was ich will." „Hier geht es nicht darum, was legal oder illegal ist", erwiderte Ross verächtlich. „Es geht darum, was richtig oder falsch ist." Der Sheriff lachte höhnisch. „Sehr richtig. Aber dies aus dem Mund eines Viehdiebs zu hören ist schon ein ziemlich starkes Stück." Maggie riss die Augen auf. Sie wusste, worauf Farrell anspielte, denn schließlich stand alles in Ross' Akte. Sie wartete, dass er sich verteidigte, aber er verzichtete darauf und ging nur auf Trents Anschuldigungen ein. „Ich habe ihm einen kleinen Stoß versetzt, er ist hingefallen, und ich habe ihm gesagt, dass er es mit mir zu tun kriegt, wenn er es wagen sollte, noch einmal ein Tier zu schlagen. Das ist alles." Trent sprang auf, und der Sheriff hob besänftigend die Hand. „Okay, okay, also warum belassen wir es nicht dabei? Schließlich ist keiner verletzt worden, und ihr solltet es euch eine Warnung sein lassen, um ..." „Das Pferd wurde aber verletzt", unterbrach Ross ihn zornig. „Vergessen Sie nicht, dass Sie dieses Jahr wieder gewählt werden wollen, Cy", meinte Trent hochmütig. „Mein alter Herr sieht es gar nicht gern, wenn jemand seine Pflichten vernachlässigt." „Hören Sie gut zu, Cy", sagte Ross ironisch. „Einen Mann wie Ben Campion darf man schließlich nicht vor den Kopf stoßen. Also, sperren Sie mich ein."
Der Sheriff war rot angelaufen. Er stand auf und holte den Zellenschlüssel von einem Brett an der Wand. „Sie haben es nicht anders gewollt“, entgegnete er dann mit zusammengebissenen Zähnen. Cy machte die Tür auf und bedeutete Ross, das Büro zu verlassen. „Wollen Sie einen Anwalt?" Ross schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich habe Hunger. Könnten Sie mir vielleicht etwas aus Tante Rubys Cafe besorgen?" Cy ignorierte ihn. Er hatte inzwischen eine der Zellen aufgesperrt und stieß Ross unsanft hinein. „Halten Sie die Klappe, Ross." Er schloss die Zellentür ab und erschien wieder vor Maggies Schreibtisch, wischte sich den Schweiß mit einem Taschentuch von der Stirn und wandte sich an Trent. „Also gut, er sitzt jetzt hinter Schloss und Riegel. Aber lange kann ich ihn hier nicht behalten, das sage ich Ihnen gleich. Außerdem brauchen sie ihn auf Brokenstraw für die Brandzeichnung der Kälber." „Daran hätte er vorher denken sollen", erwiderte Trent stirnrunzelnd. „Er muss einfach kapieren, dass es für niemanden gut ist, sich mit einem Campion anzulegen." Er brach ab und wandte sich Maggie zu. „Hättest du vielleicht Lust, mit mir zu Mittag zu essen?" Maggie zwang sich zu einem Lächeln. Ob sie Lust hatte, mit einem verwöhnten, egoistischen jungen Mann essen zu gehen, der seine Pferde schlug? O nein, das hatte sie keineswegs. Nachdem ihre letzte Beziehung in die Brüche gegangen war, überlegte sie es sich inzwischen doppelt, mit wem sie ausging. Außerdem war Trent Campion nicht ihr Typ, obwohl er mit seinem zurückgekämmten schwarzen Haar und den regelmäßigen Zügen äußerst attraktiv war. Aber auf Maggie blieb sein Charme ohne Wirkung, und auch sein Reichtum imponierte ihr nicht besonders. Trotzdem hütete sie sich davor, ihm ihre Abneigung allzu deutlich zu zeigen. Schließlich lebten sie in einer Kleinstadt, und das Wort des alten Campion war hier Gesetz. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, vielen Dank, ich habe mir etwas zum Essen mitgebracht und leider auch zu viel zu tun." „Kein Problem. Dann vielleicht ein anderes Mal." Er schenkte ihr ein breites Lächeln. „Nächstes Wochenende findet ein großes Rodeo statt. Hast du Lust zu kommen? Ich reite auch mit." „Oh, ich bin an diesem Wochenende bei meiner Tante und meinem Onkel." „Sieh einmal zu. Aber wenn du Zeit hast, komm vorbei. Bis dann." „Bis dann", entgegnete Maggie mechanisch; Ohne eine Miene zu verziehen, beobachtete Cy Farrell, wie Trent in seinen Wagen stieg. Aber Maggie kannte ihn inzwischen so gut, dass sie wusste, dass er innerlich kochte. Er wandte sich an Maggie: „Glauben Sie, Sie kommen eine Weile hier allein zurecht?" „Kein Problem", erwiderte sieCy nickte und reichte ihr den schweren Schlüsselbund. „Prima!" Er überlegte kurz und wies dann mit dem Daumen in Richtung Zelle. „Wenn er Schwierigkeiten machen sollte, sehen Sie nach, ob er sich nichts angetan hat, und dann schließen Sie wieder ab." Sobald Cy das Büro verlassen hatte, fing Ross bereits an, sich, in der Zelle lautstark bemerkbar zu machen. Maggie ging zu ihm hinüber. Er lag auf der schmalen Pritsche, hatte den Stetson in den Nacken geschoben und die Füße übereinander geschlagen. „Stimmt irgendetwas nicht, Mr. Dalton?"
Sein Lächeln war ziemlich entwaffnend. „Es gibt tatsächlich ein Problem, ich habe nämlich entsetzlichen Hunger." „Wenn Sie wollen, kann ich im Cafe Ihrer Tante anrufen und Ihnen etwas bestellen." Ross sah sie erstaunt an. „Sie kennen meine Tante? Sind wir uns vielleicht vorher schon einmal begegnet?" Er hatte sie damals fast ausgezogen und konnte sich überhaupt nicht mehr an sie erinnern? Das war wirklich nicht sehr schmeichelhaft. Maggie gab sich Mühe, ihm nicht zu zeigen, wie verletzt sie war. „Ich habe gehört, wie Sie darüber mit dem Sheriff gesprochen haben", entgegnete sie zurückhaltend. „Was hätten Sie also gern?" Ross bat sie, ihm ein paar Cheeseburger, einen Schokoladenmilchshake und ein Stück Apfelkuchen zu bestellen. „Und was möchten Sie?" Maggie war erstaunt über seine gute Laune. Nichts schien ihn erschüttern zu können. Vor nur drei Jahren hatte er wirklich tief in der Tinte gesteckt. Doch jetzt benahm er sich schon wieder, als würde die Welt ihm zu Füßen liegen. An Stelle einer Antwort erwiderte sie: „Stehen Sie auf!" Er sah sie erstaunt an. „Was?" „Stehen Sie auf und legen Sie Ihren Gürtel ab." Amüsiert erhob er sich, nahm den Hut ab und machte einen Schritt auf Maggie zu. „Sie wollen meinen Gürtel haben?" „Es ist den Gefangenen nicht erlaubt, Gürtel zu tragen. Ich nehme an, Sie wissen das." „Ach, das sind also die Regeln?" „Ihren Gürtel, bitte." „Haben Sie etwa Angst, dass ich mir etwas antun könnte?" „Ich maße mir nicht an, über Sie zu spekulieren, Mr. Dalton. Und nun tun Sie, worum ich Sie gebeten habe." Achselzuckend kam Ross ihrer Bitte nach und reichte ihr seinen Gürtel durch die Gitterstäbe der Zelle. „Ich gebe Ihnen Bescheid, sobald das Essen da ist", kündigte sie an und verließ den Raum, ohne ihm noch einen Blick zuzuwerfen. Als Ruby Cayhill mit dem bestellten Essen in Farrells Büro stürmte, war der Sheriff bereits wieder zurückgekehrt. „Wo ist er?" wollte sie aufgebracht wissen. Doch als sie dann Maggie erblickte, wurde ihre Stimme mit einem Mal ein wenig weicher. „Ich hab schon gehört, dass du wieder da bist", meinte sie freundlich. „Wie geht's deinem Onkel Moe? Das war ja ein schlimmer Unfall." „Es geht ihm viel besser, danke. Ich helfe ihm und Tante Lila, so viel ich kann." Maggie machte eine kleine Pause. „Wahrscheinlich wollen Sie Ihren Neffen sehen." „Worauf du dich verlassen kannst", erwiderte Ruby grimmig. „Kommen Sie mit." Ruby nickte und folgte Maggie in den Zellentrakt. Taktvoll ließ Maggie die beiden allein, aber sie freute sich doch über die Standpauke, die Ross von seiner Tante bekam. Schließlich wurde die Tür aufgerissen, und Ruby kam wieder heraus. Nun richtete sich ihre Wut gegen den Sheriff. „Diesmal sind Sie einfach zu weit gegangen. Was fällt Ihnen ein, meinen Neffen hinter Schloss und Riegel zu bringen, nur weil er ein hilfloses Pferd verteidigt hat?" „Ruby, ich ..." „Wenn Sie meinen Jungen nicht auf der Stelle wieder freilassen, sorge ich dafür, dass die Leute Sie nicht wieder wählen."
„Es tut mir wirklich Leid", entgegnete Cy aufrichtig, „aber ich habe hier eine offizielle Beschwerde von ..." „Warten Sie, bis Sie meine Beschwerde erhalten", erwiderte Ruby drohend und verließ hoch erhobenen Hauptes das Büro. Sie nickte Maggie noch einmal kurz zu, dann war sie verschwunden. Erst jetzt hörte Maggie das leise, amüsierte Lachen aus Ross' Zelle. Sie ging noch einmal zu ihm. Er sah sie herausfordernd an. „Mit meiner Tante ist eben nicht zu spaßen. Dürfte ich Sie jetzt um meinen Gürtel bitten? In einer Stunde bin ich hier raus, das schwöre ich Ihnen." Aber er konnte seine Zelle schon viel früher verlassen. Denn kurz nach Rubys eindrucksvollem Auftritt erschien der alte Ben Campion mit seinem Sohn im Schlepptau. Trent machte auf einmal einen wesentlich weniger selbstsicheren Eindruck. „Guten Tag, Miss", sagte Ben und tippte an seinen eleganten weißen Stetson. „Könnte ich wohl kurz mit dem Sheriff sprechen?" Campion war um die. sechzig und mit seinem tief gebräunten Gesicht und dem schlohweißen Haar ein ausgesprochen attraktiver Mann. Cy sprang dienstbeflissen lächelnd hinter seinem Schreibtisch auf. Die beiden Männer gaben sich die Hand. „Anscheinend gab es da ein Missverständnis." Ben warf einen Blick auf seinen Sohn, der schweigend neben ihm stand. „Mein Junge hat eingesehen, dass es doch ein wenig übertrieben war, Ross Dalton wegen dieser lächerlichen Kleinigkeit gleich ins Gefängnis zu werfen. Er zieht seine Klage zurück. Stimmt's, Trent?" hakte er nach. Trent nickte mürrisch, sagte aber noch immer nichts. Farrell stieß einen erleichterten Seufzer aus. „Ich habe ja gleich gesagt, man sollte aus einer Mücke keinen Elefanten machen." „Schade, dass Sie sich nicht durchsetzen konnten, Cy", meinte Campion kühl. „Dann hätte ich mich nicht extra hierher bemühen müssen. Wer kann schon die Ordnung hier in der Stadt aufrechterhalten, wenn nicht der Sheriff?" Er setzte bedeutungsvoll hinzu: „Besonders ein Sheriff, der in diesem Herbst wieder gewählt werden möchte." Farrell steckte den Verweis ein. „Tut mir wirklich Leid. Ich werde dafür sorgen, dass Ross gleich entlassen wird." „Ja, dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar, Cy." Wenige Minuten später erschien Ross im Zimmer. Er grinste von einem Ohr zum anderen. „Guten Tag, Mr. Campiorf Was treibt Sie denn hierher, wenn man fragen darf?" Campion sah ihn stirnrunzelnd an. Er senkte die Stimme. „Mischen Sie sich nie wieder in die Angelegenheiten meiner Familie ein, Ross oder es wird Ihnen Leid tun." Damit drehte er sich um, winkte Trent, ihm zu folgen, und verließ nach einem kurzen Nicken in Maggies Richtung das Büro. Farrell folgte den beiden. Ross sah ihnen kopfschüttelnd nach, dann wandte er sich zu Maggie. „So, und jetzt hätte ich gern meinen Gürtel wieder. Es sei denn ... es sei denn, Sie wollen ihn bis Samstag behalten." Maggie sah ihn erstaunt an. „Was soll das heißen?" Er lächelte. „Wir könnten zu Dustys Roadshow hinausfahren und vielleicht ein wenig tanzen, wenn Sie mögen." Sie hatte sich einmal auf ihn eingelassen, und es war ihr nicht gut bekommen. Kopfschüttelnd reichte sie ihm den Gürtel. „Vielen Dank, aber ich bin nicht interessiert." Ross ließ sich durch ihre kühle Art nicht abschrecken. Sein Blick fiel auf das Namensschild, das sie vorn an der Bluse trug.
„Gut, wie Sie meinen. Dann werd ich mich mal wieder auf den Weg machen." Er nickte ihr zu. „Auf Wiedersehen, Miss Maggie. Ich fand es sehr interessant, Sie kennen zu lernen."
2. KAPITEL
Maggie stellte ihren kleinen blauen Ford auf dem Kiespfad neben dem Haus ab und stieg aus. Sie ging auf die weiße Veranda zu, auf der ihr Onkel Moe in seinem Schaukelstuhl saß. Moe Jackson war ein schwergewichtiger Mann in den frühen Sechzigern mit einem wettergegerbten Gesicht und haselnussbraunen Augen. „Hallo", sagte Maggie fröhlich. „Hallo. Dein Papa hat angerufen." „Prima. Ich ruf ihn gleich zurück. Du siehst gut aus, Onkel Moe. Du hast wieder ein bisschen mehr Farbe." Sie nahm neben ihm im Schaukelstuhl Platz. „Die Sonne und die frische Luft tun dir anscheinend gut." Moe schüttelte den Kopf. Er wies auf seine bandagierten Rippen und den Gipsverband an seinem Bein. „Wenn ich diesen Kram endlich loswerden könnte, würde es mir noch viel besser gehen." „Ja, ich weiß." Maggie nickte verständnisvoll. „Aber du musst mehr Geduld haben." „Geduld, Geduld ... Du weißt doch, wie schwer mir das fällt." Dann wechselte er das Thema. „Und wie war dein Tag?" „Ich glaube, ich habe heute meine Befugnisse ein wenig überschritten." „Inwiefern?" fragte Moe gespannt. „Ich habe mir die Akte von Ross Dalton angesehen." Ross' Name war nicht gerade dazu angetan, ihren Onkel in gute Laune zu versetzen. „Hast du nichts Besseres zu tun? Aus diesem Nichtsnutz wird doch nie etwas werden. Seit seine Eltern gestorben sind, handelt er sich immer nur Ärger ein." Plötzlich fiel Maggie wieder der Flugzeugabsturz ein, bei dem Ross' Eltern ums Leben gekommen waren. „Es war sicher nicht leicht für ihn, sie so früh zu verlieren", meinte sie nachdenklich. „Ja, und? Sein Bruder Jess ist ein prima Kerl, obwohl ihm das Gleiche zugestoßen ist." Moe griff nach seinem Glas Limonade und trank einen Schluck. „Und warum hat dich seine Akte so interessiert?" „Ich weiß auch nicht, ich war einfach nur neugierig. Aber ich habe nichts gefunden ... außer dieser Sache mit dem Viehdiebstahl." „Außer dieser Sache mit dem Viehdiebstahl?" Moe war vor Ärger rot angelaufen. „Das waren meine Mastochsen, Maggie, die diese Burschen klauen wollten, und wenn ich sie nicht vor Gericht gebracht hätte, müsste ich heute noch meine Schulden abbezahlen." Maggie hatte das Gefühl, Ross verteidigen zu müssen. „Aber in der Akte steht, dass er damit gar nichts zu tun hatte. Und vergiss bitte nicht, dass die Diebe allein auf Grund seiner Zeugenaussage schließlich festgenommen werden konnten." „Für mich macht das keinen Unterschied", erwiderte Moe abweisend. „Er hätte sich mit diesem Gesindel gar nicht erst einlassen sollen. Saufen und Glücksspiel, das war alles, was ihn damals interessiert hat! Er hat sogar seine Farm aufs Spiel gesetzt!" „Heute hat er sich mit Trent Campion angelegt, aber schließlich mussten wir ihn entlassen." Bei der Erwähnung von Trents Namen horchte ihr Onkel auf. „Trent Campion ... also, das ist ein wirklich netter Junge. Er würde bestimmt einen guten Ehemann abgeben." Maggie war anderer Meinung, aber sie wollte ihren Onkel nicht noch mehr aufregen. „Sein Vater möchte gern, dass er Abgeordneter wird", fuhr Moe fort. „Wirklich,
Maggie, an deiner Stelle würde ich mir sehr genau überlegen, auf wen ich mich einlasse. Und wenn ich mich nicht irre, hat der junge Campion schon lange ein Auge auf dich geworfen." Bevor Maggie etwas sagen konnte, erschien plötzlich ihre Tante Lila auf der Terrasse. Lächelnd betrachtete sie ihren Mann. „Ich weiß nicht, Moe, bist du nicht ein wenig zu hart? Vergiss bitte nicht, dass Ross dir am Tag nach dem Unfall seine Hilfe angeboten hat." „Das hat er nur getan, weil er ein schlechtes Gewissen hatte." Lila wandte sich an ihre Nichte. „Das Essen ist fast fertig, Schatz." „Fein", erwiderte Maggie erfreut. „Ich habe einen Mordshunger. Bleibt Scott auch zum Essen?" Scott, der gemeinsame Sohn der beiden, lebte mit seiner Frau in der Stadt, half aber seinem Vater auf der Lazy-J-Farm aus. „Nein, er muss zurück in die Stadt, und dann treffen sie sich mit Marlys Verwandten. So, und jetzt kommt, ihr beiden, sonst wird das Essen noch kalt." Am Samstagmorgen sattelte Maggie die hellbraune Stute ihres Onkels und ritt aus. Während sie über das Weideland trabte, dachte sie noch einmal über die vergangene Woche nach. Sie hatte sich voll in die Arbeit gestürzt und an den meisten Abenden noch Arbeiten auf der Ranch verrichtet. Aber wenn sie nicht gleich eingeschlafen war, hatte sie immer wieder an Ross Dalton denken müssen. Fest stand, dass sie ihn weiterhin umwerfend attraktiv fand und dass sie dies mit Sorge erfüllte. Dabei war Maggie wirklich froh, ihre zweijährige Beziehung mit Todd endlich beendet zu haben. Nachdem klar geworden war, dass er keines wegs die Absicht hatte, mit ihr eine Familie zu gründen, war ihr die Trennung leichter gefallen. Die Aussicht, sich stattdessen mit dem stadtbekannten Casanova Ross Dalton einzulassen, war deshalb nicht gerade sehr verlockend für Maggie. Sie wusste, dass er die Macht hatte, ihr Herz zu brechen, und ihr war nicht wohl bei diesem Gedanken. Doch nach einer Weile schüttelte sie ihre Sorgen einfach ab und genoss den Ritt über das freie Feld. Es war ein wundervoller wolkenloser Tag, und die Luft war erfüllt vom Duft des Salbei und der Wildpflanzen. Doch plötzlich wurde Maggie aus ihren Träumen gerissen, denn sie hatte durch das Geäst einen Mann erspäht. Scott konnte es nicht sein, er arbeitete gerade in der Scheune. Ärgerlich gab sie dem Pferd die Sporen und galoppierte los. Als er den donnernden Huf schlag vernahm, drehte Ross sich um. Überrascht betrachtete er Maggie, die ihm mit wehendem schwarzen Haar entgegenritt. Mit ihr hatte er nun wirklich nicht gerechnet. „Was zum Teufel tun Sie da?" rief sie empört und bemühte sich, die Stute, die sich hoch bäumte, zum Stehen zu bringen. Ross entging keine Einzelheit ihrer Erscheinung. Bewundernd registrierte er ihre braunen Augen, die ihn jetzt ärgerlich anblitzten, und das lange Haar, das ihr bis auf die Schultern fiel. „Wow!" sagte er überwältigt. „Lassen Sie sofort unser Vieh in Ruhe, oder ich werde dafür sorgen, dass Sie wieder im Gefängnis landen!" Als er den Hass in ihrer Stimme hörte, verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht. Dann erst wurde ihm klar, was sie mit ihrer Anklage gemeint hatte. Er sah sie stirnrunzelnd an. „Glauben Sie etwa, ich würde diese Mastochsen stehlen?" „Tun Sie das nicht?" „Ich muss schon sagen, Sie haben ja eine schöne Meinung von mir." Er warf ihr einen abschätzigen Blick zu, und Maggie errötete leicht. „Wie wäre es, wenn Sie einmal
einen Blick auf das Brandzeichen werfen würden?" Widerstrebend kam sie seiner Bitte nach. Dann wurde sie blass. „Sie ... es sind Ihre Ochsen. Bitte entschuldigen Sie, Mr. Dalton." „Warum sollte ich? Wenn es jetzt schon so weit kommt, dass man sogar auf seinem eigenen Land belästigt wird ..." „Niemand belästigt Sie, Mr. Dalton", entgegnete Maggie, die sich langsam wieder fasste. Sie stieg vom Pferd und band es am Gatter fest. „Hatten Sie vor, diesen Zaun zu reparieren?" Er sah sie kühl an. „Ja, das hatte ich vor. Ich habe Besseres zu tun, als jeden Tag zwei Meilen in der Gegend herumzureiten um mein Vieh einzutreiben." „Verstehe." Maggie nickte. Sie trat zu ihrem Pferd und holte ein Paar Arbeitshandschuhe aus der Satteltasche. „Was tun Sie da, wenn ich fragen darf?" „Ich möchte Ihnen helfen." Er sah sie erstaunt an. „Und warum?" „Ich möchte Ihr Vieh nicht mehr auf unseren Weiden vorfinden." „Auf Ihren Weiden?" Maggie nickte. „Wussten Sie etwa nicht, dass ich Moe Jacksons Nichte bin?" Ross stieß einen leisen Fluch aus. Damit hatte er nicht gerechnet. Wahrscheinlich hatte Moe Maggie gegen ihn eingenommen. „Ich nehme an, das erklärt, warum Sie etwas gegen mich haben", entgegnete er. „Und warum Sie so gut reiten können." Jetzt reichte es Maggie endgültig. „Ich stamme von hier. Ich bin Maggie Bristol!" „Sie sagen das so, als müsste ich Ihren Namen kennen." Maggie zog sich die Arbeitshandschuhe über. Sie sah ihn nicht an. „Na, was ist, können wir loslegen, oder wollen Sie den ganzen Tag herumstehen und quasseln?" Ross kratzte sich verlegen am Kopf. Bristol ... Bristol ... Irgendetwas sagte ihm der Name. Er reichte Maggie einen Hammer, und sie befestigten eine neue Rolle Stacheldraht am Zaun. „Was machen Sie eigentlich im Büro des Sheriffs?" fragte er nach einer Weile. „Sie sind doch für diese Arbeit hier wie geschaffen." „Ich habe mich um diesen Posten beworben", entgegnete Maggie ruhig. „Wenn alles gut geht und ich mich eingearbeitet habe, bekomme ich den Job als Stellvertreterin des Sheriffs." Ross sah sie ungläubig an. „Rechnen Sie wirklich damit? Ich kann mir kaum vorstellen, dass Farrell damit einverstanden wäre." „Wir werden sehen", erwiderte Maggie schnippisch. „So, das war der letzte Nagel." Abrupt wandte sie sich um, zog die Handschuhe aus und stopfte sie wieder in die Satteltasche. Dann stieg sie aufs Pferd. Ross fragte sich, warum sie ihm gegenüber so feindselig war. Doch noch bevor er etwas sagen konnte, hatte Maggie dem Pferd schon die Sporen gegeben und ritt davon. Verblüfft sah er ihr nach, dann packte er kopfschüttelnd das Werkzeug zusammen. Er war schon fast wieder zu Hause, als bei ihm endlich der Groschen fiel. Maggie war die Tochter von Pfarrer Bristol! Aber das erklärte noch lange nicht ihre ablehnende Haltung ihm gegenüber. Gut, ihr Onkel glaubte, er hätte ihm übel mitgespielt, aber sonst hatte er mit der Familie nicht viel zu tun gehabt. Nach dem Tod seiner Mutter war er auch nicht mehr zur Kirche gegangen. Aber je länger er darüber nachdachte ... irgendetwas kam ihm an Maggie sehr vertraut vor, sie ... Wie ein Blitzschlag traf ihn plötzlich die Erkenntnis. Vor seinem geistigen Auge
entstand das Bild einer ausgelassenen Party mit Musik und Gelächter. Vince Harper meinte amüsiert zu ihm: „Junge, das war die Tochter des Pfarrers, die du da gerade abgeknutscht hast. Mann, dafür kommst du in die Hölle." Ross verzog das Gesicht, während sich die Szene noch einmal vor seinem inneren Auge abspielte. Natürlich konnte er gut verstehen, dass sie verletzt war. Kaum hatten säe und ihre kleine Freundin sich damals aus dem Staub gemacht, hatte er sich schon einem älteren Mädchen zugewandt, das genau wusste, was er wollte. Und Maggie Bristol war zu einer blassen Erinnerung geworden. Die galoppierende Erscheinung auf dem Pferd hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem verklemmten Mauerblümchen von damals. Sie war eine richtige Herausforderung, und Ross wurde plötzlich vom Jagdfieber gepackt. An den langen Zungenkuss, den er Maggie damals gegeben hatte, konnte er sich noch gut erinnern. Er musste sie vielleicht wieder so weit bringen. Kein sehr ehrenhaftes Ziel, ermahnte ihn eine leise Stimme in seinem Innern. „Lässt sich nicht ändern", erwiderte er halb laut und spürte dabei, wie die alte Bitterkeit erneut in ihm aufstieg. Nach der Gerichtsverhandlung harten ihn die Einwohner von Comfort nun einmal zum unverantwortlichen Taugenichts abgestempelt, und nichts, was er tat, konnte diese Meinung ändern. Jetzt konnte er ihnen wieder den alten Ross präsentieren. Er wollte diese schlichten Gemüter schließlich nicht noch mehr verwirren. Am Montagnachmittag parkte Ross seinen Pick-up auf dem Parkplatz vor dem Büro des Sheriffs. Wie er gehofft hatte, saß Maggie hinter ihrem Schreibtisch. Sie telefonierte und sah bei seinem Eintreten überrascht auf. Täuschte er sich, oder war sie wirklich zusammengezuckt? Sie beendete das Gespräch und erhob sich. Ihre Miene war verschlossen. „Kann ich irgendetwas für Sie tun, Mr. Dalton?" Er nickte. „Ja, ich bin gekommen, um offiziell Beschwerde einzulegen, weil Sie mich belästigt haben." Maggie sah ihn mit offenem Mund an. „Das soll wohl ein Scherz sein?" Ross schüttelte den Kopf. „O nein, es ist mein vollkommener Ernst. Können Sie mir sagen, wie das geht? Es ist das erste Mal für mich, dass ich auf dieser Seite des Gesetzes stehe." Zufrieden sah er zu, wie Maggie vor Wut rot anlief. Alles verlief genau nach Plan. Wenn sie ihn hasste, würde es ihm noch mehr Spaß machen, sie zu verführen. Maggie hatte sich inzwischen wieder gefangen. Sie warf ihm einen eisigen Blick zu. „Inwiefern glauben Sie, dass ich Sie belästigt habe?" Ross schob seinen Stetson zurück und grinste. „Gut, nennen wir es nicht Belästigung, nennen wir es Ruf Schädigung. Sie haben mich beschuldigt, ihr Vieh zu stehlen." Maggie schüttelte den Kopf. „Damit werden Sie nicht durchkommen, Mr. Dalton. Vergessen Sie bitte nicht, dass keine Zeugen zugegen waren. Ihr Wort steht gegen meins, und außerdem hat sich der Irrtum ja schnell aufgeklärt. Daher würde ich Sie bitten, mich nicht länger aufzuhalten. Ich habe nämlich eine Menge zu tun." Ross machte keinerlei Anstalten zu gehen. „Darf ich fragen, was Sie sonst noch hier wollen?" „Sie stehen auf mich, stimmt's?" Maggie sah ihn entgeistert an. „Wie zum Teufel kommen Sie nur darauf?" „Haben Sie sich schon einmal meine Akte angesehen?" fuhr er ungerührt fort. „Oder mit irgendjemandem über mich gesprochen? Mit einem der Stellvertreter des Sheriffs, zum Beispiel? Ich weiß, dass Mike Halston gern über andere Leute redet." Maggie spürte, wie ihre Wangen brannten. Sie hatte wirklich, mit Mike über Ross gesprochen, aber eigentlich nur, um herauszufinden, warum Cy Farrell einen solchen
Hass auf die Daltons hatte. Von Mike hatte sie erfahren, dass Cy es anscheinend besonders auf Jess, Ross' Bruder, abgesehen hatte. Aber natürlich dachte sie „nicht daran, dies zuzugeben. „Verraten Sie mir doch bitte einfach, warum Sie hier sind, Mr. Dalton." Ross schenkte ihr sein charmantestes Lächeln. „Warum reiten wir beide nicht ein bisschen aus, und ich erzähle es Ihnen?" „Hören Sie", erwiderte Maggie gefährlich ruhig, „ich bin nicht so dumm, mich vor allen Leuten mit einem stadtbekannten Weiberhelden zu zeigen." Maggie sah, wie er zusammenzuckte, und sofort taten ihr ihre harten Worte Leid. „Entschuldigen Sie", meinte sie zerknirscht. Aber Ross hatte den Vorwurf anscheinend schon verwunden. „Ach, kommen Sie, Maggie", sagte er wegwerfend, „Tragen Sie mir vielleicht immer noch nach, dass ich Sie damals auf der Party habe ziehen lassen? Wäre es Ihnen vielleicht lieber gewesen, wenn ich mehr am Ball geblieben wäre?" Maggie verschlug es die Sprache, sie rang nach Luft. Wie vom Donner gerührt sah sie zu, wie Ross sich umdrehte, ohne ein weiteres Wort das Büro verließ, auf seinen Wagen zuging und wegfuhr. Er erinnerte sich also doch noch an sie! Inzwischen war ihr das gar nicht mehr Recht. Nachdem sie sich wieder ein wenig gefangen hatte, ging sie hinüber zum Aktenschrank und holte Ross' Akte hervor. Wegen seiner hohen Verluste beim Spielen hatte er damals fast die Ranch abgeben müssen. Er war in schlechte Gesellschaft geraten, und als es dann zu dem Viehdiebstahl kam, war es zu einer Schießerei gekommen, in deren Verlauf er verwundet worden war. Er hatte versucht, die Frau, die später seine Schwägerin werden sollte, vor den Gangstern zu retten, die sie als Geisel nehmen wollten. Das Gericht hatte ihn zu einer Therapie gegen Spielsucht und zwei Jahren gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Ross war kein Engel, so viel stand fest. Warum fand sie ihn nur so verdammt attraktiv? Seine scharf gemeißelten Züge, der athletische Körper und die tiefe, männliche Stimme ließen ihren Puls schneller schlagen. Aber der nächste Mann, auf den sie sich einließ, musste stabil und verlässlich sein. Das Letzte, was sie brauchte, war ein großes Kind mit einem entwaffnenden Lächeln. Als es vier Uhr war, konnte Maggie endlich Feierabend machen und Joe Talbot das Büro überlassen. Erleichtert stieg sie in ihr Auto und fuhr los. Nachdem sie die Stadtgrenzen hinter sich gelassen hatte, bog Maggie in den Schotterweg ein, der sie zur Lazy-J-Farm führte. Auf ihrer Fahrt durch grünes Weideland musste sie erneut an die Begegnung mit Ross denken. Inzwischen bedauerte sie es, ihn an seinen schlechten Ruf erinnert zu haben. Aber schließlich hatte sie ihm klarmachen müssen, dass sie nicht gewillt war, sich auf ihn einzulassen. Zumal klar war, dass sie für Ross nicht mehr als ein flüchtiges Abenteuer war - genau wie vor dreizehn Jahren. Nichts als eine neue Eroberung. Sie holte eine CD aus dem Handschuhfach hervor, und wenige Minuten später erklang Celine Dions kraftvolle Stimme. Doch plötzlich flammte die Warnlampe auf dem Armaturenbrett auf. Maggie reagierte sofort. Sie drosselte das Tempo und fuhr mit quietschenden Bremsen an den Straßenrand. Hoch wirbelte der Staub auf, doch sie sprang entschlossen heraus und klappte schnell die Kühlerhaube auf. Der Rauch quoll ihr in dichten Wolken entgegen.
3. KAPITEL
„Das ist ja wundervoll", sagte sie verbittert, „einfach wundervoll." Bis zum Haus ihres Onkels waren es mindestens noch sieben Kilometer, und die Straße war praktisch unbefahren. Warum passierten solche Zwischenfälle immer, wenn man über zwanzig Meilen von der nächsten Werkstatt entfernt war? Seufzend schlug sie die Haube wieder zu. Dann holte sie ihre Tasche vom Beifahrersitz und marschierte los. Dreißig Minuten später kletterte sie völlig verschwitzt über den letzten Zaun und stapfte über eine Weide. Sie hatte gehofft, eine Abkürzung nehmen zu können, aber inzwischen war sie sich nicht mehr sicher, ob sie auch den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Plötzlich hörte sie das Klappern von Pferdehufen hinter sich. Der Reiter brachte das Tier mit einem scharfen Kommando zum Steifen. Maggie musste sich nicht einmal umdrehen, sie wusste sofort, wer es war. „Machen Sie einen Spaziergang?" Maggie marschierte unverdrossen weiter. Ross ließ sich nicht so leicht abschütteln. Er trabte einfach neben ihr her. „Ist ihr Wagen zusammengebrochen?" Sie nickte kurz. „Ja. Wahrscheinlich hat der Kühlschlauch ein Loch." „Oh, das tut mir aber Leid." Ross fuhr fort: „Übrigens habe ich heute alle Zäune repariert. Es wird nicht mehr vorkommen, dass sich unsere Tiere auf Ihren Weiden tummeln." „Schön", erwiderte Maggie mit zusammengebissenen Zähnen. Sie hatte das Gefühl, als käme sie direkt aus einer indianischen Schwitzhütte. „Gut, dann bis zum nächsten Mal", meinte Ross und tippte an seine Hutkrempe. „Bestimmt ist das Abendessen schon ..." „Muss ich etwa darum betteln, dass Sie mich nach Hause bringen?" fuhr Maggie ihn wütend an. Mit einem lauten „BIT" brachte Ross sein Pferd zum Stehen. „Nein", erwiderte er dann höflich, und Maggie erkannte, dass er es ihr heimzahlen wollte. „Sie müssen mich nur darum bitten." Maggie sah ihn hasserfüllt an. Aber sie hatte keine andere Wahl. „Also gut", sagte sie widerstrebend. „Ich bitte Sie darum." Ohne ein weiteres Wort stieg Ross vom Pferd und reichte ihr seine Wasserflasche. Maggie ergriff sie und trank in durstigen Zügen. „Köstlich", meinte sie, als sie sie ihm zurückgab. „Können wir?" fragte Ross, und sie nickte. Er half ihr beim Aufsteigen und zog sie hinter sich aufs Pferd. „In spätestens zehn Minuten sind wir da", sagte er und galoppierte los. Maggie erschien es wie die längsten zehn Minuten ihres ganzen Lebens. Sie hatte plötzlich das Gefühl, wieder fünfzehn Jahre alt zu sein. In ihrem Magen tummelten sich Schmetterlinge, und das kam nur daher, weil Ross ihr so nahe war und sie seinen herben, männlichen Duft einatmen konnte. Sie saß stocksteif aufgerichtet, hatte die Arme um seine Hüfte geschlungen und versuchte dennoch Abstand zu halten. Als sie endlich das Haus ihres Onkels erreicht hatten, taten ihr alle Knochen weh. Tante Lila öffnete die Tür und eilte heraus, während Ross sein Pferd anband. „Maggie! Gott sei dank! Wir haben uns schon Sorgen um dich gemacht. Ich habe im Büro angerufen, und Mike hat mir gesagt, dass du vor einer ganzen Weile losgefahren bist." Lila lächelte Ross an. „Hallo, Nachbar! Wo haben Sie denn meine Nichte aufgetrieben?" „Nicht sehr weit von hier. Sie hatte Probleme mit ihrem Wagen."
Maggie sah ihn stirnrunzelnd an. „Vielen Dank, aber ich kann schon selbst antworten." Sie wandte sich wieder Lila zu: „Ich musste ein ganzes Stück zu Fuß gehen." Lila betrachtete die beiden nachdenklich. „Was ist denn los mit dem Wagen?" fragte sie Ross. „Angeblich ist ein Loch im Kühlschlauch. Wenn Sie wollen, kann ich später einmal nachsehen", erbot er sich. In diesem Moment erschien Moe Jackson an der Tür. Er war auf einen Stock gestützt. „Nein, vielen Dank", meinte er ablehnend. „Wir brauchen keine Hufe." „Schön, dass es Ihnen wieder besser geht, Moe", entgegnete Ross ungerührt. „Was macht das Bein?" Maggie trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. „Geht schon, geht schon", brummte Moe. „Alles in Ordnung, Maggie?" Sie nickte. „Mir geht es gut. Ich brauche nur eine Dusche." „Alles klar. Deine Tante hat sich schon Sorgen um dich gemacht." Er drehte sich um und ging ins Haus zurück. Maggie beobachtete Ross, der sich achselzuckend abwandte und sein Pferd wieder losband. Der Tonfall' ihres Onkels hätte nicht deutlicher sein können. „Dann wünsche ich Ihnen noch einen guten Appetit." Maggie nickte beklommen. Normalerweise hätten Lila und Moe ihren Retter auf jeden Fall zum Abendessen eingeladen, das verlangte schon die Gastfreundschaft. Aber bei Ross lag der Fall natürlich anders. Lila schien das Verhalten ihres Mannes zu bedauern, sie lächelte Ross entschuldigend an. „Vielen Dank noch einmal, Ross. Bitte grüßen Sie Jess und Casey von uns." „Mach ich gern." Damit verschwand auch Lila ins Haus. Zögernd sah Maggie zu Ross hoch. „Bitte entschuldigen Sie das Verhalten meines Onkels", bat sie ihn. „Er trägt Ihnen immer noch ... Sie wissen schon, diese alte Geschichte nach." „Er ist nicht der Einzige." Verbittert setzte Ross hinzu: „Moe hat schon Recht, ich bin wahrscheinlich nicht sehr vertrauenswürdig." Damit gab er seinem Pferd die Sporen und ritt davon. Zwanzig Minuten später fuhren Maggie und ihre Tante in Lilas altem Chevy die Straße hinunter, bis sie zu der Stelle kamen, wo ihr Auto stand. Zu Maggies Überraschend stießen sie dort erneut auf Ross. Er klappte gerade die Kühlerhaube zu und steckte sein Messer zurück in die Hosentasche. Beklommen stieg sie aus. „Hallo!" Ross tippte an seinen Stetson. „Bevor Sie mir unterstellen, dass ich Ihren Wagen stehlen will, sage ich Ihnen gleich, dass ich daran nicht interessiert bin." Er sah sie aufmerksam an. „Was ist mit dem Abendessen?" „Später. Duschen war mir wichtiger. Also, wie sieht's aus?" „Nun ja, ich habe ihr Auto notdürftig reparieren können. Der Schlauch müsste eigentlich bis zur Werkstatt halten." „Ich muss mich noch mal bei Ihnen bedanken", sagte Maggie widerstrebend zu Ross, nachdem Lila sich verabschiedet hatte und schon zur Ranch zurückgefahren war. „Wenn Sie am Samstag nichts Besseres zu tun haben, könnten wir ins Big Timber fahren, und ich lade Sie zum Mittagessen ein. Das Essen dort ist köstlich und ..." Ross vervollständigte den Satz für sie: „Und Sie können sicher sein, dass Sie dort niemand Bekanntes treffen." Maggie wurde rot. „Ross, das stimmt nicht, ich ..."
„Ach, kommen Sie, machen Sie mir doch nichts vor. Sie haben eine Riesenangst davor, mit mir in der Öffentlichkeit gesehen zu werden. Zum Glück habe ich am Samstag schon etwas vor." Mutwillig setzte er hinzu: „Trotzdem schulden Sie mir etwas, weil ich Ihnen einen Gefallen getan habe. Ich wünsche mir einen Kuss von Ihnen." Maggie war schockiert, doch noch bevor sie nein sagen konnte, hatte er sie bereits an sich gezogen und senkte seinen Mund auf ihren. Wie von selbst öffneten sich ihre Lippen. Ross nahm sich Zeit für seine Belohnung. Ohne nachzudenken gab sie sich dieser aufregenden Empfindung hin. Doch nach ein paar Minuten kam sie wieder zur Besinnung und machte sich schwer atmend von ihm los. Einen kurzen Moment lang wusste sie nicht, wo sie war, und auch Ross war anscheinend überrascht von der Heftigkeit ihres Kusses. Doch er fing sich als Erster wieder und grinste, als wäre nichts geschehen. „Wie hat's dir gefallen?" fragte er augenzwinkernd. „Kein Zungenkuss diesmal und keine fremden Leute, die zusehen!" Maggies Gesicht brannte wie Feuer. Sie hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige gegeben. Wie schaffte er es immer nur, sie so in Verlegenheit zu bringen? Hoch erhobenen Hauptes wandte sie sich ab und stieg ins Auto. „Wie wär's mit einer Zugabe, Maggie?" rief er ihr hinterher. „Vergiss es", erwiderte sie knapp und gab Gas. Aber noch lange, nachdem sie ihn hinter sich zurückgelassen hatte, klang ihr sein vergnügtes Lachen in den Ohren. Als Maggie am Samstag den Festplatz erreichte, auf dem das Rodeo stattfinden sollte, herrschte bereits großes Gedränge. Es wimmelte nur so von Menschen, die Cowboykleidurig trugen und offensichtlich bester Laune waren. Nachdem sie sich eine Cola geholt hatte, ließ Maggie sich auf der Tribüne nieder. Eine Band spielte, und die Luft war erfüllt vom Geruch der Pferde, dem Heu und den Hamburgern, die überall angeboten wurden. Sie war noch nie zuvor auf einem Rodeo gewesen und spürte jetzt, wie sie sich von der allgemeinen Aufregung anstecken ließ. Plötzlich erklang die Stimme des Ansagers durch den Lautsprecher? „Wir haben heute schon ein paar Cowboys gesehen, die gut mit dem Lasso umgehen können. Jetzt wollen wir mal sehen, wie gut sie sich auf den Stieren halten können. Der erste Reiter ist Trent Campion auf Rampage." Die Musik klang auf, und die Zuschauer ließen sich auf der Tribüne nieder. „Na, du hast ja einen guten Platz gefunden", erklang plötzlich eine Stimme, und Tante Ruby kämpfte sich durch die Menge. Maggie rückte ein wenig zur Seite und machte Platz für sie. „Ich kann es kaum erwarten, wenn's endlich losgeht. Dafür mache ich sogar meinen Laden dicht", sagte sie und kniff die Augen zusammen. „Sieh mal, da drüben steht dieser aufgeputzte Gockel Trent Campion. Ich bezweifle, dass er sich lange halten wird." „Sind Sie sauer auf ihn wegen Ross?" erkundigte Maggie sich gespannt. Ruby schüttelte den Kopf. „Nein, mir geht es mehr ums Prinzip." Sie lachte belustigt. „Du glaubst nicht, wie sich der alte Campion aufgeführt hat, als ich ihn wegen der Sache mit Ross angerufen habe. Er hat sich erst in Bewegung gesetzt, als ich ihm gedroht habe, die Geschichte in die Zeitung zu bringen." „Das wäre wahrscheinlich kafastrophal für Trents politische Ambitionen", erwiderte Maggie lächelnd. In diesem Moment brach die Musik ab, und der Ansager ejgriff wieder das Mikrofon. „Alles herhören, Leute! Wir haben eine kleine Programmänderung. Wie man mir gesagt hat, ist Trent noch nicht bereit, deshalb machen wir mit der Nummer
zwei weiter: Ross Dalton auf Diablo!" Maggie stockte der Atem. Ein riesiger schwarzer Stier stürmte in die Arena. Auf seinem Rücken sass Ross und versuchte mit aller Kraft, sich auf dem tobenden Tier festzuhalten. Staub wirbelte auf, und der Stier versuchte mit allen Tricks, seinen Reiter abzuwerfen. Aber Ross, der einen Arm in die Luft gestreckt hielt und sich mit dem anderen am Nacken des Tiers festhielt, gelang es, oben zu bleiben. In diesem Moment ertönte die Sirene, und Ross sprang ab. Das Publikum applaudierte frenetisch, und er verbeugte sich lächelnd nach allen Seiten. Dann wurde die Arena für den nächsten Kandidaten vorbereitet. Maggie trank nervös ihre Cola. Jetzt wusste sie, warum Ross Samstagmittag nicht frei gewesen war. Du lieber Himmel, was für ein verrückter Sport! Was konnte einen intelligenten Mann dazu veranlassen, sein Leben beim Rodeo zu riskieren? „Dafür kriegt er mindestens neunzig Punkte", meinte Ruby, die dem Spektakel begeistert gefolgt war. „Wirklich eine tolle Leistung!" Sie wartete, bis die Punktrichter das Ergebnis verkündet hatten, und klopfte Maggie dann auf die Schulter. „Neunundachtzig. Nicht schlecht!" Sie erhob sich und machte Anstalten zu gehen. „Wollen Sie schon wieder los?" fragte Maggie erstaunt. „Sind Sie nur gekommen, um Ross reiten zu sehen?" Die alte Dame nickte, und ihre Augen hatten plötzlich einen warmen Glanz. „Er gehört schließlich zur Familie, Schätzchen. Außerdem braucht er die Anerkennung." „Verstehe", entgegnete Maggie und erhob sich ebenfalls. „Ich bringe Sie noch zu Ihrem Wagen, wenn ich darf." Ruby war schließlich schon fast achtzig. Maggie hatte das Gefühl, ein bisschen auf sie aufpassen zu müssen. Sie hatten fast den Parkplatz erreicht, als Ruby lautstark von einem jungen Mann begrüßt wurde, der mit einer Frau und einem kleinen Mädchen auf sie zukam und Maggie ein wenig an Ross erinnerte. Schließlich wurde ihr klar, wer er sein musste: Ross' Bruder Jess. Plötzlich vernahm sie gedämpfte Stimmen und drehte sich neugierig um. Trent Campion und sein Vater standen zwischen zwei Pick-ups. Ben redete auf seinen Sohn ein. „Du bist zweimal so gut wie er, also hör auf, dich ständig zu beklagen und mir die Ohren voll zu heulen." „Ich heule dir nichts vor, Dad", erwiderte Trent ärgerlich. „Ich habe nur gesagt, dass es schwer sein dürfte Daltons Ergebnis zu übertreffen." „Wenn du mit einer solchen Haltung an die Sache rangehst, hast du schon verloren", entgegnete Ben verächtlich. „Es wird endlich Zeit, dass du erkennst, dass die Wähler einen Sieger wollen. Oder willst du dir etwa wieder so eine Blamage einhandeln wie vor kurzem beim Sheriff? Vergiss nicht, du bist ein Campion! Also geh raus und gewinne!" „Das ist alles, was für dich zählt, stimmt's?" entgegnete Trent bitter. „Zu gewinnen und ein Campion zu sein." „Hör auf, in diesem Ton mit mir zu sprechen! Muss ich dich wirklich noch einmal daran erinnern, was vor fünf Jahren passiert ist?" Er machte eine kleine Pause, seine Stimme wurde noch eine Spur härter. „Ross Dalton hat dir deine Männlichkeit geraubt. Jetzt musst du sie dir zurückholen." Als Maggie den verächtlichen Ton vernahm, in dem Ben Campion mit seinem Sohn sprach, tat ihr Trent Leid. Kein Wunder, dass er sich immer so aufplusterte! Sie wandte sich ab und sah etwas, was ihr Herz höher schlagen ließ. Ross war plötzlich erschienen, er begrüßte gerade Jess und seine Familie. Von dem heftigen Ritt war er noch immer über und über mit Staub bedeckt. Wieder
musste Maggie sich eingestehen, dass er der attraktivste Mann war, den sie in ihrem ganzen Leben gesehen hatte. Gerührt sah sie zu, wie das kleine Mädchen die Arme nach ihrem Onkel ausstreckte. Ross nahm die Kleine und warf sie lachend hoch in die Luft. In diesem Moment trat Ruby auf ihn zu und deutete auf Maggie. Ross setzte die Kleine ab und schüttelte ihr die Hand. „Hallo." „Hallo." Maggie lächelte schüchtern, doch plötzlich hatte sie ein merkwürdiges Gefühl. Vorsichtig sah sie sich um und sah ihre Befürchtungen bestätigt. Cy Farrell .stand vor einer Bude und beobachtete die Szene mit zusammengekniffenen Augen, Sie konnte sich schon vorstellen, was er dachte ... dass sie zur anderen Seite übergelaufen war. „Ich muss los", meinte Ruby in diesem Moment und nickte Maggie zu. „Danke, dass du mich zum Wagen gebracht hast." „Gern geschehen." „Willst du auch schon nach Hause?" fragte Ross Maggie. Sie zögerte kurz, doch dann nickte sie. „Dann möchte ich mich vorher noch schnell entschuldigen. Ich hätte dich beim letzten Mal nicht so anmachen sollen. Tut mir wirklich Leid, manchmal kann ich es einfach nicht lassen." Maggie ging auf die Bemerkung nicht ein, sondern fragte stattdessen: „Was machst du hier auf dem Platz?" „Eigentlich wollte ich mich nur von Casey und Jess verabschieden. Aber das Schicksal hatte anscheinend etwas Besseres mit mir vor." Er warf Maggie einen beredten Blick zu. „Davon abgesehen würde ich schon gern sehen, ob jemand besser reitet als ich. Campion ist einer der nächsten." Er zögerte, dann sagte er spontan: „Willst du nicht mitkommen? Ich würde dir auch einen Hot Dog spendieren." Maggie musste an Farrell denken und an den Job, den er ihr versprochen hatte. Ross spürte ihre Unschlüssigkeit, ein Schatten fiel auf sein Gesicht. „Es muss nicht sein. Ich habe auch gesehen, wie Cy hier herumspioniert." Er wandte sich ab. „Wünsch mir Glück!" „Ross, warte!" Plötzlich hatte Maggie es leid, von Farrell gegängelt zu werden. Schließlich war sie nicht im Dienst. Was sie in ihrer Freizeit tat, war einzig und allein ihre Sache. Sie gab sich einen Ruck und sagte entschlossen zu Ross: „Ich hätte gern Chili auf meinem Hot Dog!" Gemeinsam sahen sie sich das Rodeo bis zum Ende an. Trent ritt wirklich vorzüglich, er hatte am Ende einen Punkt Vorsprung vor seinem Gegner und war damit der Sieger. Danach fragte Ross Maggie, ob sie noch mit ihm ins Cafe seiner Tante kommen würde. Diesen Wunsch wollte sie ihm nicht abschlagen. Während der Fahrt in die Stadt dachte sie noch einmal über die letzten Stunden nach. „Ist es dir eigentlich egal, dass Trent dich geschlagen hat?" erkundigte sie sich schließlich. „Ja, ziemlich, denn hier geht es erst mal nur um die Qualifikation. Wir sind beide in die nächste Runde gekommen. Alles, was ich gebraucht habe, war ein gutes Ergebnis." Maggie nickte. Im nächsten Moment kam schon Tante Rubys Cafe in Sicht. Plötzlich wurde ihr wieder klar, worauf sie sich eingelassen hatte. In Farrells Augen hatte sie sich schon einen Fehler geleistet, und wenn er sie zusammen im Cafe sehen würde, musste sie mit Sicherheit mit einem Tadel rechnen. Andererseits... es war schließlich ihr Leben, oder etwa nicht? „Na, los", meinte Ross aufmunternd. „Dein guter Ruf ist sowieso schon
angeknackst." Bei diesen Worten schlug Maggies Stimmung um. „Ich ... ich muss jetzt unbedingt nach Hause", brachte sie mühsam hervor. Ross sah sie bestürzt an. „Bitte, entschuldige, Maggie. Es sollte nur ein Scherz sein. Ich habe mir nichts dabei gedacht." „Ja, das ... das weiß ich. Ich muss nur nach Hause, das ist alles." Ross' Bemerkung hatte sie wieder daran erinnert, dass er ein unverbesserlicher Schürzenjäger war. Es hieß von ihm, dass er mit jedem Mädchen ins Bett ging, das nur willig genug war. Was sie dagegen brauchte, war ein Mann, auf den sie sich verlassen konnte und von dem sie nicht befürchten musste, dass er sie bei der nächstbesten Gelegenheit wieder betrog. „Es tut mir wirklich Leid", beteuerte Ross, aber er sah, dass er sie nicht mehr umstimmen würde. Maggie lächelte ihm noch einmal kurz zu und ging entschlossen davon. Aber als sie abends im Bett lag, musste sie erneut an ihn denken und hätte sich dafür verfluchen können. Warum fand sie einen Mann, der ihr Leben zerstören konnte, nur so attraktiv? Und dass der Sheriff sie in Ross' Gesellschaft gesehen hatte, war wahrscheinlich auch nicht besonders gut für ihre Karriere. Sie durfte einfach nicht zulassen, dass eine pubertäre Sehnsucht ihre Chancen auf ein geregeltes Leben zunichte machte. In Zukunft musste sie sich von Ross Dalton fern halten, auch wenn es ihr schwer fiel.
4. KAPITEL
Ross betrat das Cafe seiner Tante, das heute außerordentlich gut besucht war. Es gehörte zu den Gewohnheiten der Einwohner von Comfort, mindestens einmal im Monat sonntags das Mittagessen bei Tante Ruby einzunehmen. Der Raum war erfüllt von aufgeregtem Stimmengewirr. Als seine Tante ihn sah, kam sie erfreut auf ihn zu. Sie hielt zwei Kaffeekannen in der Hand und trug wie immer ihre rote Schürze. Die Farbe Rot war ihr Markenzeichen. „Hallo, Tante Ruby. Jess hat mir gesagt, du wolltest mich wegen irgendetwas sprechen." Ruby wartete, bis er ihr einen Kuss auf die Wange gegeben hatte, dann nickte sie. „Ich hab dich heute Morgen nicht in der Kirche gesehen, mein Lieber." Er folgte ihr durch den Raum und verdrehte die Augen. „Du hast mich seit Jahren nicht mehr in der Kirche gesehen. Außerdem muss irgendjemand die Pferde füttern." „Das hättest du ja auch später machen können." Ross gab es auf, sich zu verteidigen. Er winkte ein paar Freunden zu und ließ sich dann vor der Theke nieder. Seinen Stetson legte er neben sich auf den Barhocker. Ruby stand bereits wieder hinter dem Tresen und stellte die Kaffeemaschine an. „Möchtest du den Platz etwa für ein nettes Mädchen reservieren, das gern in die Kirche geht?" fragte sie spöttisch. Daher wehte also der Wind! „Ich habe mir schon ein Mädchen ausgesucht", erwiderte er abweisend. „Wenn ihr Name zufällig Maggie Bristol sein sollte, hättest du sie heute Morgen beim Gottesdienst treffen können." Ross sah sie erstaunt an. „Maggie war in der Kirche?" „Hast du etwa schon wieder vergessen, dass sie eine Pfarrerstochter ist?" erwiderte sie schnippisch. „Hast du mit ihr gesprochen?" erkundigte er sich beiläufig und spielte mit der Zuckerdose. Seine Tante sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. „Warum interessiert dich das? Glaubst du etwa, wir hätten über dich gesprochen?" Ross schüttelte den Kopf. „Nein, ich ..." „Haben wir auch nicht", sagte Tante Ruby auftrumpfend. „Trotzdem hast du etwas Wichtiges verpasst." „Und was soll das gewesen sein?" „Es findet demnächst eine Versteigerung für die unverheirateten Mitglieder der Gemeinde statt. Der Erlös ist für den Dachausbau der Kirche bestimmt. Die Damen sollen etwas fürs Picknick zubereiten, was die Herren dann ersteigern sollen. Trent Campion hat sich sofort dafür gemeldet." „Wieso glaubst du, dass mich das interessieren könnte?" fragte Ross mit hoch gezogenen Augenbrauen. „ Nun ja, zur Belohnung darf dann der Herr, der den Korb der jungen Dame ersteigert hat, mit ihr picknicken." Ruby warf ihm einen bedeutsamen Blick zu. „Verstehst du, sie darf nicht nein sagen." Ross sah seine Tante mit großen Augen an. Maggie nahm also teil, und Trent beabsichtigte, ihren Korb zu ersteigern. Aber er würde ihm einen Strich durch die Rechnung machen! „Weiß man denn, welcher Korb zu wem gehört?" „Nein, das ist reine Glückssache." „Ich will wissen, welcher Korb Maggie gehört", meinte Ross eindringlich. „Kannst du das für mich herausfinden?"
Ruby nickte, ihre Augen funkelten vergnügt. „Ja, das kann ich schon. Aber es wird dich etwas kosten." „Wie viel?" entgegnete Ross stirnrunzelnd und griff in seine Jeanstasche. Seine Tante sah ihn vorwurfsvoll an. „Oh, nein! Ich möchte, dass du zur Kirche kommst. Außerdem würde ich an deiner Stelle vor der Versteigerung noch zum Friseur gehen." Ross gab ihr einen Kuss auf die Wange, bevor er sie fragte: „Wie willst du eigentlich herausfinden, welcher Korb Maggies ist?" „Das lass mal meine Sorgen sein", gab seine Tante gleichmütig zurück. „Geh du nur in die Kirche, und ich kümmere mich um den Rest." Ross freute er sich auf den Sonntag. Er machte sich sogar die Mühe, seine ,'' Tante vor dem Gottesdienst abzuholen, und nahm dann, neben ihr auf der Bank Platz. Sein Erscheinen erregte zwar einiges Aufsehen, aber nachdem er sich hingesetzt hatte, wurde es schnell wieder ruhig. Neugierig sah Ross sich um und entdeckte Maggie. Sie saß nur wenige Bänke vor ihm und hielt ein Gebetbuch in der Hand. Sie trug ein knöchellanges weißes Kleid und sah aus wie eine perfekte Südstaatenschönheit. Ross betrachtete sie noch immer bewundernd, als der Pfarrer die Kanzel betrat und die Gemeinde begrüßte. Heute war der Tag der Versteigerung. Ross konnte es kaum noch erwarten. Er beugte sich zu seiner Tante und fragte flüsternd: „Weißt du jetzt, welcher ihr Korb ist?" Ruby nickte verschwörerisch. „Ich habe ihn mit meinen eigenen Augen gesehen." Der erste Picknickkorb, der zur Versteigerung angeboten wurde, war eine wahre Augenweide. Man konnte zwar den Inhalt nicht erkennen, dafür lugten aber zwei langstielige Gläser daraus hervor. Der Korb war mit einer großen rosa Schleife verziert. Ross machte sein erstes Angebot, er begann mit zwanzig Dollar. Trent überbot ihn jedes Mal. Bald waren nur noch die beiden übrig. Doch schließlich musste Ross sich geschlagen geben und Trent erhielt den Zuschlag. Zufrieden sah Ross zu, wie der Korb von Bessie Holsopple für hundert Dollar an seinen Widersacher ging. Die Wut in Trents Augen verriet ihm, dass er sich einen Feind fürs Leben geschaffen hatte. Maggies Korb war viel kleiner als Bessies und auch nicht so reich verziert. Ein blauweißes Tuch lag über den Speisen. „Wir beginnen mit achtundzwanzig Dollar", erklärte Pfarrer Fremont mit seiner vollen Bassstimme. Ross hob die Hand, und der Pfarrer nickte. „Wer bietet mehr?" „Fünfzig", rief Ross. Alle sahen ihn erstaunt an. „Haben Sie nicht gerade achtundzwanzig Dollar geboten?" fragte der Pfarrer verwirrt. „Ja, habe ich", erwiderte er. „Aber der Korb ist mindestens fünfzig Dollar wert. Außerdem ist es für einen guten Zweck." Er vermied es, Maggie direkt anzusehen. „Bietet jemand mehr?" Als sich niemand meldete, fuhr der Pfarrer fort: „Gut... fünfzig Dollar ... zum Ersten ... zum Zweiten ... Für fünfzig Dollar gehört der Korb Ihnen!" Zehn Minuten später folgte Ross Maggie zu einer schattigen Stelle unter den Bäumen. Seitdem der Pfarrer sie losgeschickt hatte, hatte sie noch kein einziges Wort mit ihm gesprochen. Ross breitete seine Decke aus, und Maggie stellte den Korb ab, ohne ihn anzusehen. „Was gibt es denn Schöneres, als ein Picknick im Freien?" fragte er harmlos.
Wortlos lüftete sie das Tuch und breitete Teller und Geschirr auf der Decke aus. „Lass uns die ganze Sache schnell hinter uns bringen", meinte sie scharf. Dann setzte sie ohne Vorwarnung hinzu: „Und ich habe nicht die Absicht, mit dir ins Bett zu gehen." Ross starrte sie entgeistert an, dann lachte er laut. Er nahm den Teller entgegen, den sie ihm reichte, und erwiderte amüsiert: „Du könntest wenigstens mit der Absage warten, bis ich dich frage. Wie kommst du darauf, dass ich daran interessiert sein könnte?" „Beleidige bitte nicht meine Intelligenz." Ross nahm sich Zeit, ihr zu antworten. Nachdem er genüsslich einen Hühnerflügel verspeist hatte, sagte er augenzwinkernd: „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das keine gute Idee wäre. Aber ich hatte keine Ahnung, dass du von dem Gedanken genauso besessen bist wie ich." „Unsinn", erwiderte Maggie empört. „Ich habe nie ..." „Entspann dich doch ein wenig. Was ist nur mit dir los?" fragte Ross mit einem tiefen Seufzer. „Ich werde dir sagen, was los ist", meinte sie wütend. „Dein plötzliches Interesse an der Kirche ist geradezu lächerlich. Du machst dich zum Narren, und wenn du dann auch noch behauptest, das wäre für einen guten Zweck, kann ich nur sagen ..." „Aber es ist doch für einen guten Zweck!" unterbrach Ross sie. „Ich weiß wirklich nicht, warum du dich so aufregst!" „Nein? Deine Tante hat dir bestimmt verraten, welcher Korb mir gehört. Und du hast den armen Trent hereingelegt!" „Warum sollte ich so etwas tun?" „Um bei mir freie Bahn zu haben, natürlich." „Ich muss sagen, du bist ganz schön eingebildet", entgegnete Ross kopfschüttelnd. Danach herrschte eine Weile Schweigen. Ross streckte sich am Boden aus und sprach dem Essen mit gutem Appetit zu. Maggie hingegen hatte keinen Hunger mehr. Sie hatte schon geglaubt, die ganze Geschichte hinter sich gebracht zu haben. Und jetzt saß sie in aller Öffentlichkeit hier mit Ross bei diesem Picknick! Plötzlich fiel ein Schatten auf sie. Als Maggie hochsah, erblickte sie Pfarrer Fremont, der lächelnd auf sie hinabschaute. Keiner von beiden hatte ihn kommen hören. „Na, wie geht's euch?" erkundigte er sich freundlich. Er hatte sein Gewand inzwischen mit einem weißen Hemd und einer schwarzen Hose vertauscht. Respektvoll erhob sich Ross. „Ausgezeichnet, Herr Pfarrer. Das mit der Versteigerung war wirklich eine gute Idee von Ihnen." Pfarrer Fremont nickte. „Ja, wir haben eine Menge Geld eingenommen. Aber das allein wird nicht reichen. Wir brauchen noch ein paar Männer für den Dachausbau. Können wir mit Ihnen rechnen?" Ross verschlug es die Sprache. Jetzt war es Maggie, die lächelte. „Ich dachte nur, ich frage Sie mal, wenn Sie sich schon einmal bei uns in der Kirche blicken lassen. Ich hatte den Eindruck, Sie wären irgendwie böse auf uns." „Böse?" Eine unmerkliche Röte überzog Ross' Gesicht. „Nein, natürlich nicht. Wie kommen Sie denn darauf?" „Prima, dann ist ja alles in Ordnung. Und wegen des Daches rufe ich Sie an, sobald es so weit ist." Ross schluckte, dann nickte er. „Geht klar." „Wunderbar! Je mehr freiwillige Helfer wir haben, desto schneller wird es gehen." Freundlich sah er auf Maggie hinab. „Maggie hat sich bereits erboten, beim Essen zu helfen. Also werden Sie schon mindestens eine Bekannte treffen. Wie ist es, Maggie, haben Sie schon etwas von Ihrem Vater gehört?"
„Ja, wir haben gestern miteinander telefoniert. Er ist ziemlich beschäftigt." „Ja, ich weiß. Bitte, grüßen Sie ihn von mir." „Das mache ich gern." Der Pfarrer ließ sie allein, und Maggie merkte plötzlich, dass ihre gute Laune zurückgekehrt war. Sie lachte leise. „Was ist denn so komisch?" „Du bist so komisch! Wenn du dein Gesicht gesehen hättest, als er dir diesen Vorschlag machte. Aber das bedeutet etwas." „Was denn?" „Es gibt immer noch Hoffnung für dich." Vierzig Minuten später waren sie fertig, packten die Sachen zusammen und schlugen den Weg zum Parkplatz ein. „Das war doch gar nicht so schlimm, oder?" fragte Ross. Maggie verstaute den Korb im Kofferraum. „Nein, es ging", gab sie zu. Sie hatten sich angeregt über ganz normale Themen wie Viehpreise und Wasserrechte unterhalten. „Das würdest du aber nie zugeben, stimmt's?" „Stimmt." „Das Essen war großartig, Maggie. Vielen Dank." „War es fünfzig Dollar wert?" „Der Schokoladenkuchen allein war fünfzig Dollar wert", gab Ross mit breitem Lächeln zurück. Er zögerte kurz, und sie hatte das Gefühl, als würde er sie im nächsten Moment küssen. Aber er tippte nur an seinen Stetson, wandte sich um, stieg in sein Auto und fuhr davon. Auf der Heimfahrt dachte sie noch einmal über den Nachmittag nach. Es war alles glimpflich verlaufen, und sie war froh, dass die Sache nun vorüber war. Aber in dieser Hinsicht sah sie sich getäuscht. Als sie zu Hause den Korb aus dem Wagen holte, erblickte sie als Erstes Ross' Decke, die sorgfältig gefaltet daneben im Kofferraum lag. Am Montag ritten Jess und Ross zu Ross' Haus im Wald, das nun fast fertig gestellt war. Es lag mitten in einer Lichtung und besaß einen großen Kamin, an dem die beiden lange gearbeitet hatten. „Bald kannst du einziehen", meinte Jess zu seinem Bruder. Ross nickte. „Ja, als Nächstes kommen die Fenster dran, und dann muss eigentlich nur noch gestrichen werden." Jess lachte. „Dann fehlt dir nur noch eins." „Was denn?" „Eine Frau natürlich." „Kommt das von Casey?" „Du hast es erraten." „Ich habe nicht vor, mich an jemanden zu binden." „Ist das der Grund, warum dein Schlafzimmer so groß ist?" fragte sein Bruder grinsend. „Wenn du wüsstest, was sich die Leute alles über dich erzählen!" „Die Leute reden über mich? Das ist ja wirklich nichts Neues!" „Tante Ruby hat mir erzählt, dass du ihnen gestern bei der Auktion auch allen Grund dazu gegeben hast. Wer hat je gesehen, dass jemand fünfzig Dollar für einen Picknickkorb zahlt?" „Der Korb von Bessie Holsopple ging immerhin für hundert Dollar weg. Außerdem war das Essen es wert." Jess lenkte sein Pferd zur Tränke und strich ihm über den Nacken, während es trank. „Und jetzt? Hast du vor, sie wieder zu sehen?"
„Das hängt ganz von ihr ab", erwiderte Ross leichthin. Inzwischen hatte Maggie bestimmt seine Decke gefunden und würde sich verpflichtet fühlen, sie ihm zurückzugeben. Es war unwahrscheinlich, dass sie es ihm abnehmen würde, aber entschuldigen würde er sich trotzdem. Ross wusste, dass auch Maggie ihn wieder sehen wollte. Er spürte, dass sie sich gegen ihn wehrte ... und das war völlig neu für ihn. Die meisten Frauen waren ausgesprochen wild darauf, sich mit ihm zu verabreden. „Hey, wach auf!" Er kam mit einem Ruck wieder zu sich. Jess betrachtete ihn amüsiert. „Was ist?" „Ich habe dich gefragt, ob du nach dem Abendessen noch Hilfe brauchst?" „Wobei?" „Um die Fenster einzusetzen." Ross lachte. „Du willst mich wohl aus dem Haus haben, damit ihr beide ungestört sein könnt, was?" „Nein, ich fände es nur toll, wenn Lexi möglichst bald einen Spielkameraden bekommt... vielleicht ein Kind von dir und Maggie?" Ross schüttelte den Kopf. „Lass sie das nur nicht hören! Ich muss schon sagen, ich habe noch nie eine Frau kennen gelernt, die es so darauf anlegt, sich mit mir zu streiten." „Das klingt so, als wäre sie genau die Richtige für dich." Casey Dalton spielte gerade mit ihrer kleinen Tochter im Gras, als Maggie am Dienstagabend auf der Ranch vorfuhr. Nachdem sie den Wagen geparkt hatte und ausgestiegen war, ging sie auf Casey zu und streckte ihr die Hand entgegen. „Hallo, Maggie." „Hallo, Casey. Nett, Sie kennen zu lernen/' „Ganz meinerseits." „Das muss Lexi sein", meinte Maggie und betrachtete lächelnd das kleine Mädchen in ihrem Mickymaus-Spielanzug. Nach einer kleinen Pause fragte sie verlegen: „Ist Ross zufällig zu Hause?" „Nun ... ja und nein. Er ... er ist in seinem eigenen Haus." Maggie sah die andere Frau überrascht an, „Es ist erst in ein paar Wochen fertig", erklärte Casey, „deshalb wohnt er auch offiziell noch hier. Jess hilft ihm dabei, das Haus fertig zu stellen. Eigentlich wollten Lexi und ich die beiden gerade abholen, nicht wahr, Liebling?" Das kleine Mädchen nickte, dann drehte es sich um und verbarg den Kopf im Schoß seiner Mutter. „Sie ist ein bisschen schüchtern, und es dauert ein wenig, bis sie sich an Fremde gewöhnt hat", sagte Casey. „Warum reiten Sie nicht mit uns rüber? Es ist nicht weit, ganz in der Nähe der heißen Quellen, und Ross hätte die Gelegenheit, es endlich einmal jemand anderem als nur der Familie zu zeigen." „Hat er es ganz allein gebaut?" Casey nickte. „Ja, vom Keller bis zum Dach. Jess und ein Elektriker haben ihm geholfen, aber sonst hat er alles selbst gemacht, sogar die Leitungen gelegt. Ist das nicht toll?" Plötzlich wurde sie wieder ernst. „Viele Leute haben keine sehr hohe Meinung von ihm, aber in Wirklichkeit ist er ein feiner Kerl. Warum kommen Sie nicht einfach mit uns?" Obwohl es ein ausgesprochen heißer Tag war, fror Maggie plötzlich. Es reizte sie tatsächlich sehr, das Haus zu sehen, das Ross gebaut hatte. Eigentlich wollte sie sich nicht noch mehr auf ihn einlassen, und dennoch konnte sie Caseys verlockendem Angebot nicht widerstehen. „Also gut", willigte sie schließlich ein. „Ich hole nur schnell die Decke aus dem Wagen und dann ..."
„Am besten, Sie lassen sie hier", schlug Casey vor und schob ihre kichernde kleine Tochter von sich. „Sie können sie ihm später zurückgeben." Maggie nickte ergeben und folgte der Hausherrin in die Küche. Warum hatte sie nur das verdammte Gefühl, keine Kontrolle mehr über ihr Leben zu haben?
5. KAPITEL
Das Haus war ein zweistöckiger architektonischer Traum mit einer großen Veranda, mehreren hohen Giebeln und einer Fassade aus weißen Holzbalken. Es lag geschützt inmitten einer kleinen Lichtung aus Pinien und Espen. Casey führte Maggie durch die halb fertige Holztür in das geräumige Wohnzimmer. Maggie folgte ihr mit einem Krug Limonade und mehreren Pappbechern. Man hatte von hier aus einen herrlichen Ausblick auf den Sonnenuntergang. Aus einem Zimmer am Ende des Flurs drangen gedämpfte Männerstimmen zu ihnen herüber. Ein massiver Kamin ragte aus einer Wand hervor, und eine elegante Wendeltreppe führte in das obere Stockwerk. Dann erschienen die beiden Brüder. Maggie spürte, wie sie bei Ross' Anblick bis auf die Haarwurzeln errötete. Seine blauen Augen leuchteten auf, als er sie sah. „Hallo! Das ist aber eine Überraschung!" „Hallo", entgegnete Maggie verlegen. „Eigentlich wollte ich dir nur kurz deine Decke wiedergeben. Aber deine Schwägerin hat mich überredet mitzukommen, damit ich mir dein neues Haus ansehen kann." „Ja, und das war gar nicht so leicht", meinte Casey lachend. „Hallo, Maggie", sagte Jess und schüttelte ihr freundlich die Hand. „Freut mich, Sie kennen zu lernen." „Ja, mich auch." „Wir sind gleich wieder zurück", lachte Casey. Nachdem sie sich leidenschaftlich geküsst hatten, verschwanden die beiden nach draußen. Maggie sah ihnen sehnsüchtig nach. „Darf ich dich ein wenig herumführen?" fragte Ross lächelnd. „Ja, gern. Leider kann ich nicht sehr lange bleiben. Mein Auto ist noch auf "eurer Ranch." „Ich könnte dich später zurückbringen", schlug er vor. „Dann sind wir nicht von Jess und Casey abhängig." Maggie nickte. „Also gut", meinte sie. „Wenn ich schon einmal hier bin, kannst du mir gern alles zeigen." Ein paar Minuten später hatten Casey und Jess sich mit Lexie auf den Weg gemacht, und Maggie war klar, dass sie gerade im Begriff war, in ihr eigenes Unglück zu rennen. Aber es war so schön, mit Ross allein zu sein. Sie konnte die starken Gefühle, die er in ihr auslöste, einfach nicht länger ignorieren. Bisher hatte sie erst eine feste Beziehung gehabt, und das emotionale Chaos, das Ross' Gegenwart in ihr bewirkte, war ihr vollkommen neu. Plötzlich fiel ihr wieder ein, was ihr Vater immer zu ihr gesagt hatte: dass das Leben ein Geschenk sei und dass man es daher feiern müsse. Genau das wollte sie heute tun ... sie wollte das Leben feiern! Sie gingen von Zimmer zu Zimmer, und Maggie spürte, wie stolz Ross war, als er ihr zeigte, was er mit seinen eigenen Händen geschaffen hatte. „Vor zweieinhalb Jahren habe ich damit angefangen", erklärte er Maggie, „und meine gesamte Freizeit ist fast dabei drauf gegangen. Aber dafür werde ich in wenigen Wochen ein Dach über dem Kopf haben. Mein eigenes Dach!" Als sie hoch in den zweiten Stock gingen, war sie entzückt über die herrliche Aussicht. Vom Fenster aus konnte man in der Ferne die schneebedeckten Bergspitzen sehen und die dunkle Linie der Pinien, die die Baumgrenze bildeten. Maggie meinte sogar das silbrige Wasser eines kleinen Flusses aufblitzen zu sehen. Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. „Das ist wirklich atemberaubend, Ross! Atemberaubend!" „Danke", erwiderte er lächelnd. Offensichtlich freute es ihn, dass ihr sein Haus so
gut gefiel. Sie spürte erneut, wie gefährlich seine Nähe für sie war, und sagte hastig: „Ich fürchte, wir müssen bald gehen." Er sah sie aufmerksam an, und es schien ihr, als wolle er darauf etwas erwidern. Doch dann nickte er nur, ergriff ihre Hand und führte sie wieder nach unten. „Ich will nur noch schnell den Schmutz von der Arbeit abwaschen", erklärte er ihr, „dann können wir los." Er führte sie schweigend aus dem Haus und bog in einen schmalen Waldweg ein. Jetzt wusste sie auch, dass das Wasser, das sie gesehen hatte, kein Fluss, sondern die heißen Quellen ganz in der Nähe war. Schnell löste sie sich von ihm. Sie hatte sich zwar vorgenommen, das Leben zu feiern, aber das ging nun doch ein wenig zu weit. Ross schien von ihrem Unbehagen nichts zu bemerken. Die Luft war erfüllt vom Duft der Pinien und wurde jetzt immer frischer, je näher sie den Quellen kamen. Schließlich hatten sie das kleine Wäldchen hinter sich gelassen und kamen zu einem freien Platz, auf dem mehrere gefällte Baumstämme lagen. Maggie ließ sich zögernd darauf nieder. Wieder musste sie daran denken, was hier vor dreizehn Jahren passiert war. „Dreh dich bitte um", sägte Ross augenzwinkernd. „Dann bringe ich dich wenigstens nicht in Verlegenheit." Was hatte er vor? Er wollte sich doch wohl nicht ganz ausziehen? Nervös sprang Maggie auf. Er lachte amüsiert. „Was ist los? Hast du etwa noch nie einen nackten Mann gesehen?" „Darum geht es doch gar nicht", entgegnete sie entrüstet. „Ich wollte nur deine Gefühle nicht verletzen, ich ..." „Mach dir deswegen keine Sorgen!" Ross hatte sich neben ihr niedergelassen und war gerade im Begriff, seine Cowboystiefel auszuziehen. „Wärest du so nett sie im Auge zu behalten?" Maggie nickte widerstrebend. Stocksteif saß sie da und wandte ihm den Rücken zu, während er sich seiner Kleider entledigte. Obwohl die Grillen wirklich laut zirpten und das Rauschen des Wassers nicht zu überhören war, vernahm sie ganz deutlich, wie er den Reißverschluss herunterzog und aus seiner Jeans stieg. „Bist du sicher, dass du nicht mitkommen willst?" fragte er. „Ich versichere dir, es gibt nichts Erfrischenderes." „Nein, danke." Maggie rührte sich nicht vom Fleck. Sie hörte, wie seine Schritte sich entfernten, dann vernahm sie ein lautes Platschen. Vorsichtig wandte sie sich um und sah, wie Ross mit beiden Beinen im Wasser stand und seinen Oberkörper einseifte. „Casey hat mir auf dem Weg hierher die Geschichte von den Viehdieben erzählt", sagte sie laut. „Ach, ja? Dahättest du auch mich fragen können. Außerdem kannst du alles in den, Akten nachlesen." „Habe ich ja", erwiderte Maggie wahrheitsgemäß. „Am meisten hat mich erstaunt, dass Belle Crawford in die Sache verwickelt war. Ich fand sie immer sehr nett. Sie hat mir einmal sogar ein kleines goldenes Kreuz aus ihrem Juweliergeschäft geschenkt." Ross schüttelte den Kopf. „Ich kann dir versichern, sie ist alles andere als nett. Eine Frau mit zwei Gesichtern. Am Tag hat sie die ehrbare Geschäftsfrau gespielt, aber nachts umgab sie sich mit Viehdieben und leitete nebenbei noch das Bordell unten in Babylon." Casey hatte Maggie von Babylon erzählt. Es war ein Privatclub mitten im Wald gewesen, ein Ort für Glücksspieler und Huren. Das Haus war bereits seit einiger Zeit geschlossen. Aber vor etwa drei Jahren hatten Belles Verbündete, die Viehdiebe, Casey in einer der Hütten gefangen gehalten, um zu verhindern, dass Jess sie beim Sheriff anzeigte. Glücklicherweise war es Casey gelungen zu entkommen, bevor sie
ihr auch nur ein Haar krümmen konnten. „Deine Schwägerin hat mir erzählt, dass du verletzt wurdest, als du versucht hast, ihre Entführung zu verhindern." „Ja, ich habe jämmerlich versagt." „Unsinn", protestierte Maggie energisch. „Du hast dein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt, um sie zu retten." Er nickte spöttisch. „Als Nächstes wirst du noch behaupten, ich wäre ein richtiger Heiliger." Dann grinste er plötzlich und wechselte das Thema. „Würde es dir etwas ausmachen, mir den Rücken einzuseifen?" Maggie erwiderte sein Lächeln. Sie stellte plötzlich fest, dass sie ihn nicht nur attraktiv fand ... sie mochte Ross Dalton. Amüsiert schüttelte sie den Kopf. „Nein." „Oder die Brust?" Ihr Lächeln vertiefte sich, sie schüttelte erneut den Kopf. Ross war unverschämt direkt, er versuchte immer, sie zu provozieren. Aber je länger sie ihn kannte, desto öfter erhaschte sie einen Blick auf den Mann hinter der Maske. Dieser andere Ross war äußerst verwundbar und sensibel. Plötzlich war Maggie froh, dass sie Caseys Rat gefolgt war. „Achtung, dann ich komme jetzt raus", rief Ross ihr zu, und gehorsam drehte sie sich wieder um. Als er dann schließlich wieder angezogen war, ging die Sonne gerade unter. Er ließ sich neben Maggie auf dem Baumstamm nieder. Sie sog seinen frischen, männlichen Duft begierig ein. Plötzlich wandte er den Kopf und sah sie an. Maggie erwiderte seinen Blick. Dann rückte er langsam näher ... äußerst vorsichtig, so dass sie die Möglichkeit hatte, sich noch zurückzuziehen. Aber sie dachte gar nicht daran. Und dann küsste er sie. Erst sanft und behutsam, dann immer fordernder, bis auch ihre Lippen sich bereitwillig für ihn öffneten. Sie sehnte sich nach ... o ja, sie sehnte sich ... In diesem Moment löste er sich von ihr, blieb ihr aber beängstigend nahe. Er sah sie fragend an. Wie von selbst schoben sich ihre Hände unter sein Hemd, und als seine weiche, noch feuchte Haut spürte, durchfuhr sie ein Schauer. Ross schien dies zu ermutigen, er küsste sie erneut. „Los, riskier's, Maggie", stieß er dann hervor. Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. All ihre Bedenken waren mit einem Mal verschwunden. Sie gab sich wieder seinem Kuss hin, so wie! es an der gleichen Stelle vor dreizehn Jahren gemacht hatte. Ross umfasste mit einer Hand ihren Nacken und zog sie noch enger an sich. Wie im Traum merkte sie, dass er über ihre Hüfte streichelte und die Hand immer höher schob, bis er eine ihrer Brüste umspannte. Es durchfuhr Maggie wie ein Blitz. Schwer atmend machte sie sich von ihm los und schüttelte den Kopf. „Nein, nein, das ... das geht nicht", stieß sie hervor. „Warum nicht?" entgegnete er mit rauer Stimme. „Es ... es wird bald völlig dunkel sein. Wenn wir nicht bald aufbrechen, werden wir nichts mehr sehen können." Entschlossen erhob sie sich, dabei spürte sie, wie wacklig ihre Knie waren. Sie versuchte sich zu sammeln, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Aber Ross gab sich noch nicht so schnell geschlagen, er ergriff ihre Hand und zog sie auf seinen Schoß. „Nur noch einen Kuss", bat er. „Dann bringe ich dich zurück zur Ranch." Maggie sah ihn unschlüssig an. Er streckte die Hand aus und strich ihr zärtlich über
die bebenden Lippen. „Nur noch einmal", bat er, „dann fahren wir. Ich verspreche es dir." Wie hätte sie ihm widerstehen können? Sie sehnte sich nach ihm, jede Faser ihres Körpers verlangte nach ihm. Sie schloss die Augen und küsste ihn mit leidenschaftlicher Hingabe. Und natürlich blieb es nicht dabei. Fieberhaft streichelten sie einander. Mit jeder Minute steigerte sich die Hitze zwischen ihnen, wurden ihre Bewegungen drängender, das gegenseitige Verlangen immer stärker. Doch schließlich war es Ross, der dem Ganzen Einhalt gebot. Schwer atmend riss er sich von Maggie los. „Lass ... lass uns ins Haus gehen. Ich habe dort noch einen Schlafsack. Es wäre bestimmt bequemer als hier." „Ich kann nicht." „Maggie, ich möchte mit dir schlafen." „Nein." „Warum nicht?" Sie hätte selbst nicht zu sagen vermocht, woher sie die Kraft nahm, ihm zu widerstehen. „Weil... weil es dir anscheinend egal ist, mit wem du schläfst", stieß sie hervor. „Mit wie vielen Frauen hast du deinen Schlafsack denn schon geteilt?" Es war, als hätte sie ihn geschlagen. Er zuckte zurück und senkte den Kopf. Schließlich nickte er. Ohne auf ihre Anschuldigung einzugehen, sagte er tonlos: „Wir sollten besser aufbrechen. Jess und Casey machen sich wahrscheinlich schon Sorgen." Das bezweifle ich, dachte Maggie auf dem Rückweg trocken. Wahrscheinlich lagen sie längst miteinander im Bett und liebten sich leidenschaftlich. Eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages hoffte Maggie, dieselbe Intimität auch mit ihrem eigenen Mann teilen zu können. Verstohlen sah sie zu Ross hinüber. Er hatte den Stetson tief in die Stirn gezogen und sah starr geradeaus auf die Straße. Maggie musste noch einmal an das denken, was sich zwischen ihnen abgespielt hatte, und ein weiterer Schauer des Begehrens durchfuhr sie. Bitte, lieber Gott, betete sie im Stillen, bitte, lass mich den Mann treffen, den ich heiraten möchte, bevor ich den größten Fehler meines Lebens mache. Endlich brach Ross das Schweigen. „Mit sonst niemandem", sagte er trotzig. „Wie bitte?" „Den Schlafsack. Ich habe ihn mit keiner andern Frau geteilt."
6. KAPITEL
Auf der Heimfahrt musste Maggie gegen den starken Wunsch ankämpfen, einfach umzudrehen und wieder nach Brokenstraw zurückzufahren. Ihre Nerven lagen blank, noch immer spürte sie den Druck von Ross' Lippen auf den ihren. Was würde ihr Vater zu all dem wohl sagen? In Gedanken meinte sie fast, seine liebevolle, besorgte Stimme zu hören: „Liebling, du lässt dich auf einen Mann ein, dessen Leben beweist, dass er nicht an Regeln glaubt, geschweige denn an Gott. Du bist meine einzige Tochter, Maggie. Außerdem arbeitest du für den Staat und vertrittst seine Gesetze. Was für einen Sinn hat es, dich auf jemanden wie Ross Dalton einzulassen? Wenn du nicht wirklich vorsichtig bist, könnte dich das sehr verletzen ... auf spiritueller, emotionaler und beruflicher Ebene." „Ja, ich weiß es doch", seufzte Maggie, als sie ihren Wagen neben dem alten Lieferwagen ihrer Tante geparkt hatte und ausstieg. „Ich weiß es wirklich, Dad." Als sie um die Ecke bog, erblickte sie zu ihrer Überraschung ein teures Auto, das direkt vor dem Haus stand. Trent Campions volle, dröhnende Bassstimme begrüßte sie von der Veranda. „Hallo, Maggie." Maggie riss sich so gut es ging zusammen und schenkte ihm ein dünnes Lächeln. Dann schritt sie die Stufen hoch und war dankbar, dass es inzwischen schon ziemlich dunkel war. „Hallo, Trent. Das ist aber eine Überraschung!" „Eine schöne, hoffe ich doch." Er lächelte sie breit an und führte ihre Hand zu den Lippen. Moe, der mit Lila auf der Bank saß, schmunzelte. Er machte kein Hehl daraus, dass ihm Trents Werben um seine Enkelin ausnehmend gut gefiel. „Endlich bist du da, Maggie. Jetzt können deine Tante und ich damit aufhören, diesen jungen Mann mit unseren Geschichten zu langweilen, und ins Haus gehen." Mit Lilas Hilfe erhob sich Moe ächzend und griff nach seinem Stock. Trent beeilte sich, ihm die Haustür aufzumachen. „Danke, Trent, das ist nett", sagte Lila zu ihm. Während die beiden Männer hineingingen, sah sie ihre Nichte prüfend an. „Ich habe euch Limonade herausgebracht. Liebling, was hast du?" Als Maggie sich immer noch nicht rührte, griff Lila nach der Lampe und hob sie hoch. „Oh, Mann", sagte sie schließlich betroffen. Maggie errötete noch tiefer. „Es ... es ist nicht so, wie du denkst." In diesem Moment kehrte Trent zurück, und sie konnten nicht mehr weiter miteinander sprechen. „Ja, dann werde ich euch beide noch eine Weile allein lassen", sagte Lila mit gespielter Fröhlichkeit. „Bis bald, Trent." “Bis bald, Mrs. Jackson. Und vielen Dank für die Limonade." „Gern geschehen. Gute Nacht, Maggie." „Gute Nacht, Tante Lila." Als die Tür hinter ihrer Tante ins Schloss gefallen war, legte Maggie ihre Tasche ab und ließ sich in einem der Schaukelstühle nieder. Trent setzte sich neben sie. „Maggie, ich war mir nicht sicher, ob ich deine Reaktion im Büro vor ein paar Tagen richtig interpretiert habe. Aber du magst mich doch ein ganz klein bisschen, oder?" Maggie starrte ihn verblüfft an. Wie zum Teufel kam er nur auf diesen Gedanken? Um die Antwort zu umgehen, erhob sie sich schnell und wollte sich ein Glas Limonade einschenken. Aber Trent kam ihr zuvor. Plötzlich stieg Maggie sein aufdringliches Eau de Toilette in die Nase. Sie nahm das Glas, das er ihr reichte, dankend an und trank es in durstigen Zügen aus.
„Seit wann bist du schon hier?" „Ach, seit etwa einer Viertelstunde. Deine Tante und dein Onkel haben sich redlich Mühe gegeben, mich zu unterhalten." Klang das nicht ein wenig arrogant? Maggie warf ihm einen scharfen Blick zu. Doch dann ermahnte sie sich, nicht allzu hart zu ihm zu sein. Nachdem sie das Gespräch zwischen Trent und seinem Vater beim Rodeo mitbekommen hatte, hatte Trent ihr richtig Leid getan. Sie hatte Ben Campion nie getraut, aber sie hätte nie gedacht, dass er so grausam sein konnte ... besonders zu seinem einzigen Sohn. „Hattest du einen 'besonderen Grund für diesen überraschenden Besuch?" „Ja, in der Tat. Ich wollte mich bei dir entschuldigen." „Bei mir entschuldigen? Aber wofür denn?" „Nun wegen meines Fehlers bei der Versteigerung. Ich dachte wirklich, Bettys Korb würde dir gehören." Er zog ein Gesicht. „Nie im Leben hätte ich sonst hundert Dollar dafür ausgegeben. Stell dir vor, auf dem Tuch waren überall Katzenhaare verstreut. Ich konnte kaum etwas essen, so sehr hat es mich geekelt." Maggie unterdrückte nur mit Mühe ein Lächeln. „Wie dem auch sei, es tat mir wirklich Leid, dass du dich mit einem Typen wie Ross Dalton abgeben musstest. Immer, wenn ich zu euch hinübergeschaut habe, habe ich gesehen, dass du dich bemüht hast, nett zu ihm zu sein. Und ich konnte nichts tun, denn ich hatte nun einmal meine Wahl getroffen und wollte Bessie nicht verletzen." Er lächelte breit. „Anscheinend fühlte sie sich sehr geehrt, weil ein Campion ihren Korb ersteigert hatte ..." Maggie wusste schon, was er damit sagen wollte. Bessie war eine kleine, magere Frau mit einem Haus voller Katzen, die sich tagsüber um die Stadtbibliothek kümmerte, sonst aber nicht viel zu tun hatte. Bestimmt hatte sie sich wirklich sehr geschmeichelt gefühlt, als Trent ihren Korb ersteigert hatte. Trotzdem missfiel Maggie seine gönnerhafte Art. „Kein Problem, Trent, mach dir bitte meinetwegen keine Sorgen. Also, wenn du nichts dagegen hast ... ich bin ziemlich müde und muss bald zu Bett. Ich hatte einen sehr langen, anstrengenden Tag." „Natürlich", er nickte, obwohl er seine Enttäuschung nicht verbergen konnte." Zögernd erhob er sich. „Hättest du vielleicht Lust, morgen mit mir zu frühstücken? Das Cafe macht um sechs Uhr auf. Dann könntest du immer noch um sieben im Büro sein." „Trent ..." Kopfschüttelnd sah Maggie ihn an. „Bitte versteh, dass ich im Moment keine neue Beziehung anfangen möchte. Bevor ich hierher gekommen bin, habe ich mich von einem Mann getrennt, mit dem ich zwei Jahre zusammen war. Ich brauche einfach noch ein bisschen mehr Zeit." Er wirkte noch enttäuschter, gab sich aber den Anschein, als würden ihm ihre Worte nichts ausmachen. „Also gut, das kann ich akzeptieren. Aber deswegen können wir doch miteinander befreundet sein, oder etwa nicht? Es sei denn, du bist schon mit jemand anderem liiert." „Nein, natürlich nicht, ich ..." Maggie wusste nicht recht, was sie darauf sagen sollte. Trent hatte bestimmt nicht viele Freunde, und sie brachte es nicht übers Herz, ihn einfach abzuweisen. Aber innerlich wusste sie genau, dass es nicht Trent Campion sein würde, falls sie sich jemals wieder für einen Mann entscheiden sollte. „Das freut mich, Maggie. Wenn du nichts dagegen hast, werde ich von nun an öfter bei euch vorbeikommen." Maggie war froh, als er sich endlich verabschiedete und in seinem großen Auto davonfuhr. Sie war auch sehr erleichtert, als sie feststellte, dass ihre Tante nicht auf sie gewartet hatte. So gelangte sie ganz unbehelligt in ihr Zimmer, duschte noch schnell und ging dann zu Bett.
„Bist du sicher, dass du keine Hilfe mehr brauchst?" fragte Jess seinen Bruder am Mittwochnachmittag. Ross schüttelte den Kopf. „Vielen Dank, aber es reicht für heute." „Und was steht für morgen auf dem Plan?" „Die Elektroarbeiten", erwiderte Ross. „Ich will das Ganze jetzt ein bisschen beschleunigen, damit ich möglichst bald hier einziehen kann." Jess sah seinen Bruder prüfend an. „Warum auf einmal die Eile? Du erzählst mir schließlich seit zweieinhalb Jahren, dass du alle Zeit der Welt hast." „Ja, aber das hat sich geändert." „Gibt es dafür irgendeinen besonderen Grund? Einen privaten, vielleicht?" Er zwinkerte seinem Bruder zu. Ross wurde plötzlich verlegen. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst", erwiderte er kopfschüttelnd. „Nein?" „Nein. Außerdem geht es dich nichts an." Jess betrachtete seinen jüngeren Bruder einen Moment lang, dann nickte er. „Du hast Recht, so ist es. Ich kann dich nur bitten, vorsichtig zu sein, was Maggie angeht. Sie ist schließlich nicht wie Brenda." In dieser Beziehung hat er wirklich Recht, dachte Ross. Maggie hatte Stil, sie war eine Klasse für sich. Brenda hingegen war äußerst sexy. Sie und Ross hatten seit etwa zehn Jahren eine Affäre, die sich allerdings auf das Körperliche beschränkte. Ross machte sich in Bezug auf sie keine Illusionen. Er wusste, dass sie ihn mochte, aber es waren vor allem seine Qualitäten als Liebhaber, die es ihr angetan hatten. Und ihm ging es ganz genau so. „Entschuldige, ich wollte mich wirklich nicht in deine Privatangelegenheiten einmischen", meinte Jess in diesem Moment. Ross schüttelte den Kopf. „Kein Problem. Wie wär's jetzt mit einem schönen, kühlen Bier?" Wenig später standen sie, jeder mit einer Flasche Bier in der Hand, auf Ross' großzügiger Veranda, die von zwei hohen Bäumen flankiert war. Jess sah prüfend zum Himmel. „Wir brauchen unbedingt Regen." Ross nickte. Der Wasserstand in den Flüssen war äußerst niedrig, und es würde schon bald ein Problem sein, die Felder zu bewässern. „So, ich muss jetzt leider gehen", meinte Jess und trank sein Bier in einem Zug aus. „Ich habe Casey versprochen, dass wir heute Abend in Tante Rubys Cafe gehen und Chicken Wings essen." „Braucht ihr einen Babysitter für Lex?" „Nein, danke. Wir haben uns entschlossen, sie einfach mitzunehmen." Er ging auf sein Auto zu und drehte sich noch einmal um. „Wenn du so scharf auf Kinder bist, warum zeugst du dann nicht selbst welche?" „Hast du mir nicht gesagt, ich soll vorsichtig mit Maggie sein?" gab sein Bruder scharf zurück. „Nicht, wenn du es von Anfang an richtig machst“, lachte Jess. Stirnrunzelnd sah Ross ihm zu, wie er davonfuhr. Sein Bruder hatte leicht reden. Er hatte alles, was sich ein Mensch nur wünschen konnte .:. eine wunderbare Familie und ein Leben, von dem andere nur träumten. Er pfefferte die Bierflasche in den Abfalleimer und ging wieder ins Haus zurück. Am Donnerstagnachmittag klingelte das Telefon im Büro des Sheriffs, und Maggie nahm den Hörer ab. „Maggie Jackson. Was kann ich für Sie tun?" „Du meine Güte, du klingst vielleicht offiziell!"
Maggie lächelte erfreut. „Hallo, Dad! Ich hatte ja gar nicht damit gerechnet, heute von dir zu hören." „Es gibt einen Grund für meinen Anruf," Ihr Vater wurde ernst. „Ich weiß, du wirst jetzt enttäuscht sein, aber ich kann am vierten leider nicht kommen. Der Gemeindevorstand hat den Termin für das Sommerfest ausgerechnet auf den Unabhängigkeitstag gelegt, und ich muss einfach anwesend sein." Er seufzte. „Das ist das erste Mal seit deiner Geburt, dass wir diesen Tag nicht miteinander verbringen können." „Ja, ich weiß." Maggie war sehr niedergeschlagen über die Nachricht. „Ich werde dich vermissen", sagte sie traurig. „Ja, ich dich auch, Liebling. Aber zwei Wochen später sehen wir uns, und ich verspreche dir, ich bringe extra ein paar Raketen mit." „Wirklich?" „Ehrenwort." ' In diesem Moment klingelte der zweite Apparat, und Maggie musste sich schnell von ihrem Vater verabschieden. Es war die Druckerei von nebenan, die ihr mitteilte, dass die Broschüren für den Wahlkampf des Sheriffs inzwischen fertig waren. Maggie teilte dies Cy mit, der sie bat, ihn für eine Weile zu vertreten, und sich dann auf den Weg machte. „Es dauert bestimmt nicht lange", meinte er und war auch schon verschwunden. Kopfschüttelnd sah sie ihm nach. Cy verbrachte in diesen Tagen mehr Zeit draußen als in seinem Büro. Er kümmerte sich anscheinend sehr um seinen Wahlkampf, der bereits in vollem Gange war. Sie wandte sich wieder ihrem Computer zu. Warum strengte er sich so an? Schließlich hatte Cy keinen ernsthaften Gegenkandidaten zu fürchten. War ihm vielleicht einfachlangweilig? Comfort war schließlich ein ziemliches Provinznest, wo außer ein paar gelegentlichen Verhaftungen nicht viel passierte. Aber das sollte nicht ihre Sorge sein. Als Maggie ein paar Seiten ausdrucken wollte, merkte sie, dass die Tinte bei ihrem Drucker ausgegangen war. Da sie sonst nicht hätte weiterarbeiten können, stand sie auf und machte sich im Büro ihres Vorgesetzten auf die Suche nach Nachschub. Erst im dritten Schubfach von Farrells Schreibtisch hatte sie Erfolg. Als sie die Patrone herausholte, stieß sie zufällig gegen den Boden der Schublade, der sich hohl anfühlte. Neugierig untersuchte Maggie den Schreibtisch von außen und kam zum selben Ergebnis. Das ist zwar äußerst merkwürdig, geht mich aber nun wirklich nichts an, dachte sie. Stirnrunzelnd machte sie die Schublade wieder zu und ging zurück zum Empfang. Ross stand unverschämt lächelnd neben ihrem Schreibtisch. Bei seinem Anblick wurde Maggie sofort knallrot. Vor ihrem geistigen Auge erschienen die Bilder ihres letzten Zusammentreffens. Seine Lippen auf ihrem Mund ... seine Hand unter ihrer Bluse ... Nein, sie musste dem ein für alle Mal ein Ende machen! „Hallo", sagte sie gepresst. „Was kann ich für dich tun?" Ross grinste. Es müsste ein Gesetz geben, dachte Maggie, das verbietet, dass Männer in einem einfachen Hemd und Stetson so verdammt gut aussehen. „Du könntest einfach ja sagen zu der Frage, die ich dir gleich stellen werde." „Bitte, fang nicht wieder damit an!" „Hier?" Er sah sich amüsiert um. „Ich muss gestehen, selbst mir wäre dieser Ort zu öffentlich." Maggie spürte, dass sie sich zusammenreißen musste. Schließlich hatte sie noch eine Menge zu erledigen. „Ross", sagte sie beschwörend, „wenn du mir wirklich etwas Wichtiges zu sagen hast, sag es jetzt. Ich habe noch zu arbeiten."
Sein Lächeln verschwand sofort, und er sah sie überrascht an. „Entschuldige, ich wollte dich nicht aufhalten. Ich habe nur eben Pater Fremont getroffen, und er hat mir gesagt, dass. sie an diesem Samstag das Dach der Kirche reparieren wollen, wenn sie genügend Leute zusammenkriegen." Maggie hatte diese Angelegenheit vollkommen vergessen. Mit ihrer guten Laune war es schlagartig vorbei. Das würde bedeuten, dass sie und Ross doch wieder zusammentreffen würden, ob sie es nun wollte oder nicht. „Und warum so bald?" erwiderte sie unbehaglich. „Andere Leute haben schließlich auch Pläne, sie ..." Er wirkte plötzlich sehr streng. „Du musst ja nicht kommen, wenn du nicht willst. Bestimmt könnten wir einen Ersatz für dich finden, falls dir der Termin nicht passt." Maggie sah ihn mit großen Augen an. Seine Bemerkung hatte sie verletzt. „Falls du es dir noch anders überlegen solltest ... wir fangen am Samstag um neun Uhr morgens an. „ Ohne ihre Antwort abzuwarten drehte er sich um und ging hoch erhobenen Hauptes hinaus. Maggie sah ihm unglücklich nach. In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen, und Cy Farrell stürmte hinein. Sein Gesicht war rot vor Wut. „Was wollte dieser Typ denn hier?" fragte er Maggie herausfordernd. Das hatte ihr gerade noch gefehlt! „Sie meinen Ross Dalton?" entgegnete sie überflüssigerweise. „Wen sonst?" „Er ... er hat mir nur eine Nachricht von Pater Fremont ausgerichtet. Es geht um unsere Hilfe beim Dachausbau der Kirche." Cy lachte höhnisch. „Den Dachausbau der Kirche? Meinen herzlichen Glückwunsch. Ich wusste ja gar nicht, dass Ross sich mit Tischlerarbeiten auskennt. Wie man so von den anderen Damen hört, liegen seine Fähigkeiten eher auf ganz anderem Gebiet." Maggie hätte ihn am liebsten umgebracht. Das war das Letzte, was sie brauchte ... von ihrem Vorgesetzten vor einem Mann gewarnt zu werden, von dem sie selbst mehr als jeder andere wusste, wie gefährlich er war. „Übrigens, Cy", sagte sie, um das Thema zu wechseln, „ich habe ich mir erlaubt, mir eine Druckerpatrone aus Ihrem Schreibtisch zu holen. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen." Cy verfärbte sich. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand in seinem Büro. Wenige Minuten später kam er wieder heraus und schien sich gefangen zu haben. „Und? Funktioniert es?" erkundigte er sich. „Ja, einwandfrei", entgegnete Maggie. Sie merkte, wie nervös er war. Hatte er vielleicht Angst wegen des Fachs mit dem doppelten Boden? Maggies Herz machte einen großen Satz. Hatte er darin vielleicht irgendetwas versteckt, das ihn belasten konnte? Doch dann verwarf sie diesen Gedanken wieder. Wenn er überhaupt etwas darin versteckt hatte, war es wahrscheinlich nichts Belastenderes als ein Playboyheft. Kurz vor dem Feierabend kam Cy noch einmal aus seinem Büro und fragte angelegentlich: „Maggie ... sind Sie eigentlich noch daran interessiert, meine Stellvertreterin zu werden, wenn Mike im Herbst sein Studium wieder aufnimmt?" Maggie sah ihn entgeistert an. Cy wusste genau, dass sie ausgesprochen scharf auf die Stelle war. Und er hatte ihr den Job versprochen! „Es gibt da nämlich noch einen anderen Interessenten, einen wirklich cleveren Jungen, der gerade sein Jurastudium abgeschlossen hat." Maggie starrte ihren Vorgesetzten wütend an. „Ja, ich bin immer noch daran interessiert, Mikes Posten zu übernehmen. Um genau zu sein, rechne ich fest damit."
„Gut, gut." Cy nickte. „Sie haben schließlich auch die meiste Erfahrung, und ich werde Sie natürlich für den Job vorschlagen. Es sei denn ..." „Es sei denn was?" „Es sei denn, Sie machen einen Rückzieher. Die Arbeit kann ja manchmal ganz schön langweilig sein, und vielleicht gehören Sie ja zu den Frauen, die sich eine Familie wünschen." Er sah sie durchdringend an. „Ich will die Stelle auf jeden Fall." Cy nickte und verabschiedete sich von Maggie. Was hatte er nur vor... wollte er sie vor Ross warnen oder aus dem Job herausekeln? Sie hätte es nicht zu sagen vermocht.
7. KAPITEL
Maggie fand in der kommenden Nacht kaum Schlaf, und nachdem sie sich stundenlang im Bett hin und hergewälzt hatte, gab sie es schließlich auf. Sie duschte und frühstückte und erschien fast eine Stunde zu früh im Büro. Doch als sie die Tür öffnete, drang gleich eine erregte Männerstimme, an ihr Ohr. Sie gehörte Ben Campion, und er schien seine Wut gerade an Cy Farrell auszulassen. „Wenn du glaubst, ich verpulvere Tausende von Dollars für deinen blöden Wahlkampf, hast du dich geschnitten! Es ist schließlich erst Juli, und du hast keinen einzigen ernsthaften Gegner. Kannst du mir sagen, warum du so viele Plakate drucken lässt, oder, noch genauer, warum ich diesen Mist bezahlen soll?" „Du weißt, warum", entgegnete Farrell aufgebracht. „Vergiss bitte nicht, dass wir einen Deal haben, Ben. Du unterstützt mich bei meiner Wahlkampagne, und ich helfe deinem Sohn, ins Abgeordnetenhaus zu kommen." Betont taut schlug Maggie die Tür hinter sich zu. Im nächsten Moment erschien Cy in der Tür. Sein Gesicht war gerötet. „Maggie", sagte er überrascht, „Sie sind aber früh!" Lächelnd ging Maggie zu ihrem Schreibtisch und legte ihre Tasche darauf ab. „Ja, ich weiß. Ich dachte, ich nehme mir mal die ganzen Berichte vor." Cy nickte zögernd. „Klar, tun Sie das. Ich bin gerade mitten in einer Besprechung, also sorgen Sie bitte dafür, dass ich in der nächsten Viertelstunde nicht gestört werde." Durch die offene Tür nickte Ben Campion ihr zu. Maggie zwang sich, ihm zuzulächeln. „Kein Problem", entgegnete sie betont fröhlich. „Ich werde einfach Kaffeewasser aufsetzen und mich dann hinter meinen Computer klemmen." Cy nickte, wandte sich um und schloss die Tür hinter sich. Maggie atmete erleichtert aus. Das Gespräch der beiden Männer setzte sich noch eine Weile fort, aber Maggie bekam nicht mehr viel davon mit. Doch schließlich wurde die Tür aufgerissen, und Campion trat heraus. Er hielt einen Stoß Papiere in der Hand und sein Gesicht sah zum Fürchten aus. „Also gut, schick mir die Rechnungen", fuhr er Farell an. „Ich sehe sie mir dann noch einmal durch." Offensichtlich hatte er ganz vergessen, dass Maggie da war. Er zwang sich zu einem Lächeln. „Sie sehen heute wieder umwerfend hübsch aus, Maggie." „Vielen Dank", erwiderte sie reserviert und sah ihm nach, als er hinausging. Ihre Gedanken überschlugen sich, nachdem Campion endlich weg und Cy wieder zurück in sein Büro gegangen war. Vielleicht hatte sie das Ganze ja auch falsch verstanden. Schließlich hatte sie nur Bruchstücke des Gesprächs mitbekommen ... Aber sie musste immer wieder an die Schublade mit dem doppelten Boden denken. Sie sah Cy erst gegen Mittag wieder. Als er aus dem Büro kam, pfiff er fröhlich vor sich hin. „Ich werde eine Weile weg sein, Maggie. Aber vorher will ich Ihnen noch etwas zeigen." Er bedeutete ihr, ihm in sein Büro zu folgen, und ging zu seinem Schreibtisch. „Schließlich werden Sie ja höchstwahrscheinlich im Herbst meine Stellvertreterin sein. Wir beide sollten also keine Geheimnisse voreinander haben." Er winkte sie zu sich. Die Schublade, aus der sie die Druckerpatrone genommen hatte, war herausgezogen, und der gesamte Inhalt lag auf dem Schreibtisch verstreut. Maggie konnte jetzt sehen, dass sie tatsächlich einen doppelten Boden besaß. Die obere Platte ließ sich mit Hilfe eines kleinen Schlüssels aufschließen und entfernen.
Cy führte Maggie dies vor und zeigte ihr ein Münzalbum voller Silberdollars, das darin versteckt gewesen war. „Falls Sie irgendwann einmal irgendwelche Wertsachen haben sollten, können Sie sie hier drin aufbewahren, ohne Angst haben zu müssen, dass sie gestohlen werden." Misstrauisch blickte Maggie auf das Album. War es gestern auch schon da gewesen, oder wollte er ihr nur Sand in die Augen streuen? Ihr fiel wieder ein, wie verstört Farrell gestern gewesen war, als er erkannt hatte, dass sie sein Versteck entdeckt hatte. Cy legte die Platte wieder hinein und schloss sie ab. „So, wie ich Ihnen schon sagte, wenn Sie mal etwas Wertvolles wegschließen möchten ... dies hier ist der richtige Platz dafür." „Vielen Dank. Ich werde daran denken." Cy nickte zufrieden. Dann gingen die beiden gemeinsam nach vorn. Sie war froh, dass heute Freitag war. Vor ihr lag ein geruhsames Wochenende. Aber dann fiel ihr wieder der Dachausbau der Kirche ein. Verdammt, das hatte sie ja ganz vergessen! Natürlich bedeutete dies, dass sie Ross wieder sehen würde. „Brauchst du noch mehr Dachziegel, Ross?" rief Scott Jackson laut. „Ja, noch etwa ein Dutzend." „Gut, ich hole sie." „Danke. Ich frage mich wirklich, warum sie ausgerechnet schwarz sein müssen. War wahrscheinlich billiger", lachte Ross. Unten am Boden bahnte sich Maggie mit ihrem Tablett einen Weg durch die schwatzenden Frauen und sah sich verstohlen nach Ross um. Er kletterte gerade die Leiter hinab. Sie spürte, wie sie errötete, doch sie konnte nicht anders. Ross trug nur Jeans, seine Muskeln glänzten im Sonnenlicht. Plötzlich fiel ihr wieder die Szene bei der Quelle ein. Ein Schauer der Erregung durchfuhr sie, und sie zwang sich, schnell wieder in die Gegenwart zurückzukehren. Sie musste mit diesen Tagträumen aufhören, oder sie würde sich noch lächerlich machen. „Wohin soll ich das Tablett mit den Sandwiches stellen, mein Engel?" Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. Dies war nun schon das fünfte Mal innerhalb einer halben Stunde, dass Trent sich ihr unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand näherte. Maggie wischte sich die nassen Hände ab und zeigte auf einen der Tapetentische. „Stell es dort drüben ab", wies sie Trent an. Auf den anderen Tischen standen bereits viele Schüsseln mit Salaten und Nachspeisen, daneben befanden sich Körbe mit Brot und Platten mit Aufschnitt. Es sah sehr einladend aus. Maggie und Bessie Holsopple hatten die Tische mit einer Lage weißen Papiers bespannt und es an den Ecken zusammengetackert. So konnte der Wind die Speisen nicht umwehen. Aber sie hätten sich die Mühe sparen können, denn es war vollkommen windstill. Die Männer auf dem Dach schwitzten bei einer Temperatur von über fünfunddreißig Grad im Schatten. Wo blieb nur der versprochene Regen? „Bitte einmal herhören, Gentlemen", ließ der Pfarrer mit seiner volltönenden Stimme verlauten. „Es ist Zeit zum Essen und Trinken. Wir wollen uns bei den anwesenden Damen für dieses Festmahl bedanken." Ross wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und kletterte langsam das Gerüst herunter. Als der Pianer das Dankgebet gesprochen hatte, nahmen alle an den Tischen Platz. Alle außer Ross. Er schnappte sich nur ein Schinkensandwich und ging damit hinüber zu dem kleinen Stand, an dem Maggie mit dem Eistee stand. „Kann ich etwas Eistee haben?" fragte er.
„Ja." Sein Ton war genauso kühl wie der ihre. Maggie vermied es, ihn anzusehen, und gab sich Mühe, ihm nicht zu zeigen, wie aufgeregt sie war. Warum war Ross nur so verdammt attraktiv? Bevor sie sein Glas gefüllt hatte, war Trent bereits wieder zur Stelle. Seine Kleidung war für die Gelegenheit ausgesprochen unpassend. Er trug einen eleganten beigen Anzug. Auch seine blank polierten Stiefel waren hell und wiesen nicht einen einzigen Schmutzfleck auf. Ross und er hätten nicht unterschiedlicher sein können: der eine in seinem verschwitzten Arbeiterlook und der andere als feiner Südstaatengentleman. „Warten Sie etwa noch auf die Presse, Trent?" Mit einem überlegenen Lächeln ging Ross weiter und holte sich ein zweites Sandwich. Trent nützte die Gelegenheit, um sich Maggie erneut anzunähern. „Ich fand es wirklich sehr schön mit uns Dienstagabend, Maggie. Wie taktvoll von deiner Tante und deinem Onkel, uns auf der Veranda allein zulassen." Sie zuckte zusammen, aber die Worte schienen Ross gar nicht zu berühren. In Hörweite stehend, kaute er an seinem Sandwich und blickte versonnen zum Kirchendach hinüber, als würde er es studieren. „Weißt du was", fuhr Trent im gleichen vertraulichen Ton fort, „ich hatte wirklich den Eindruck, dass ich bei deinen Verwandten einen Stein im Brett habe." In diesem Moment näherte Ross sich wieder dem Stand. Sein Gesichtsausdruck war undurchdringlich. „Ich hatte auch einen sehr netten Dienstag", sagte er nachdrücklich. Dienstag war der Tag gewesen, an dem sie gemeinsam zur Quelle gegangen waren. „Das interessiert aber niemanden", erwiderte Trent hochmütig. „Ach, da bin ich mir nicht so sicher. Ich glaube, Maggie interessiert es schon..." Trent unterbrach ihn rüde. „Wie ich schon sagte, uns interessiert es nicht, wo Sie am Dienstag waren. Bewahren Sie sich Ihre Geschichten für Brenda auf. Aber die war wahrscheinlich sowieso dabei", setzte er verächtlich hinzu. Maggie sah ihn entgeistert an. Brenda? Wer war Brenda? Ross ließ sich durch Trents ungehobelten Ton nicht aus der Fassung bringen. Er nickte nur. „Sie haben Recht, es war tatsächlich jemand bei mir. Eine sehr schöne, intelligente Frau, die ..." Jetzt reichte es Trent endgültig. „Entschuldigen Sie", sagte er beißend, „aber Maggie und ich haben uns gerade unterhalten." „Oh, dann lasst euch bitte nicht stören." Achselzuckend wandte Ross sich ab und ließ die beiden stehen. Nachdem er seinen Tee ausgetrunken hatte, warf er den Becher in den Abfalleimer und machte sich dann erneut an die Arbeit. Andere Männer taten es ihm nach, und bald war die Luft wieder erfüllt vom Hämmern und den lauten Rufen der Arbeiter. Das Dach war fertig, bevor Maggie noch einmal die Gelegenheit hatte, mit Ross zu sprechen. Sie sah ihn auf seinen Pick-up zugehen, er zog sich gerade das Hemd über. Maggie eilte hinter ihm her. „Es ... es war nicht so, wie du dachtest", meinte sie stockend. Er blieb stehen und sah sie fragend an. „Was?" „Trent und ich. Er kam zu Besuch und hat sich mit mir und meinen Verwandten unterhalten. Aber das war's auch schon." Ross erwiderte darauf nichts. Seine Augen blickten distanziert. „Ich weiß, dass zwischen euch nichts gelaufen ist", sagte er. „Wenn überhaupt, wäre es zwischen uns geschehen."
Maggie wusste nicht, ob sie ihm eine Ohrfeige geben sollte. Noch nie war ihr ein so arroganter, von sich selbst überzeugter Mann begegnet. Hilflos schüttelte sie den Kopf, drehte sich um und ging zu ihrem Wagen zurück. Ohne sich noch einmal nach Ross umzudrehen, stieg sie ein und fuhr los. Der Rauch, die Musik und der Lärm in Dustys Roadhouse übertrafen an diesem Abend das gewohnte Maß, selbst für einen Samstag. Ross saß an der Bar und trank sein zweites Bier. Auf der Tanzfläche herrschte enges Treiben, laute Country-andWestern-Musik erfüllte den Raum. Obwohl es ihn ärgerte, musste er immer an Maggie denken. Er hatte das frustrierende Gefühl, einfach nicht weiterzukommen. Stirnrunzelnd sah Ross, sich um. Er war seit einem halben Jahr nicht mehr hier gewesen, aber der Raum hatte sich in keiner Weise verändert. Er sah aus wie ein typischer Western Saloon und schien noch immer sehr beliebt zu sein. Nichts hatte sich verändert... außer ihm selbst. In diesem Moment drang eine vertraute Frauenstimme an sein Ohr. „Rück ein bisschen rüber, Cowboy." Überrascht drehte Ross sich um. Es war niemand anders als Brenda Larson. Sie trug ein Satinhemd, das Einblick in ihr großzügiges Dekolletee gewährte, und dazu eine enge Jeans, die ihre Kurven zur Geltung brachte. Die rote Lockenpracht umrahmte ein attraktives Gesicht mit großen grünen Augen und einem verführerischen Mund. „Ist ja schon 'ne ganze Weile her", meinte Brenda und schmiegte sich an ihn. „Hast du mich denn überhaupt nicht vermisst?" „Und wie!" entgegnete Ross mit gespielter Begeisterung. Er versuchte mit aller Macht, an sein altes Ich, den stets zu allen Schandtaten bereiten Liebhaber zurückzufinden. Er hatte es langsam satt, darauf zu warten, dass Maggie endlich aus ihrem Schneckenhaus kam. Er streichelte Brendas Brüste und erwiderte ihre leidenschaftlichen Küsse. Doch irgendetwas störte ihn. Hatte sie sich früher auch so übertrieben stark geschminkt? „Brenda?" „Ja?" Er löste sich langsam von ihr. „Ich muss los." Sie sah ihn entgeistert an. „Wie bitte?" „Ich muss gehen." Kopfschüttelnd sah sie ihn an, dann lächelte sie spöttisch. „Was ist nur mit dir passiert, Cowboy? Früher hättest du dir eine solche Gelegenheit nie durch die Lappen gehen lassen." „Früher war vieles anders", entgegnete Ross seufzend. Er stellte sein Bier zurück auf den Tresen und nickte ihr zu. „Bis dann, Brenda. Mach's gut." Draußen war keine einzige Wolke zu sehen, als er langsam auf den Parkplatz zuging. Die kühle Nachtluft tat ihm gut. Als Maggie zwei Tage später am dritten Juli nach Hause zurückkehrte, fand sie zu Hause ein Päckchen von ihrem Vater vor. Daneben lag die Tageszeitung, die ein Foto von Trent und einen Bericht über den Dachausbau der Kirche enthielt. Sie suchte fieberhaft nach Ross im Hintergrund, konnte ihn jedoch nirgends entdecken. Dann legte sie die Zeitung verärgert zur Seite und konzentrierte sich auf das Päckchen von ihrem Vater. „Hast du schön die Zeitung gesehen?" fragte ihre Tante, die in diesem Moment hereinkam. Maggie nickte.
Lila kicherte. „Der arme Trent ist sauer, weil er es nur auf Seite zwei geschafft hat." „Ich dachte, du magst ihn", entgegnete Maggie überrascht. „Er ist schon in Ordnung. Übrigens hat er angerufen und wollte wissen, ob du morgen mit ihm tanzen gehst." „Ich habe ihm doch schon gesagt, dass ich nicht kann", erwiderte Maggie verärgert. Aber als sie den Inhalt des Päckchens sah, vergaß sie Trent, und ihre Augen leuchteten auf. Fünf bunte Feuerwerksraketen! „Dein Vater ist sonst so ernst in allem, aber in dieser Hinsicht wird er wohl nie erwachsen werden", meinte Lila kopfschüttelnd. Maggie lachte und stimmte ihr zu. Sie bot ihrer Tante an, ihr mit dem Abendessen zu helfen, und Lila bat sie, den Grill vorzubereiten. Heute gab es eine klassische Farmersmahlzeit: Steak mit Folienkartoffeln und Salat. Während der Arbeit musste Maggie an die vielen Male denken, wo sie ihren Vater auch als zu streng und ernsthaft empfunden hatte. Was hatte er für einen Aufstand gemacht, als sie zum ersten Mal gewagt hatte, Lippenstift zu tragen! Und dann, die Partynacht, in der sie Ross kennen gelernt hatte ... Ihr Vater hatte gemerkt, dass sie etwas getrunken hatte. „Rieche ich etwa Alkohol?" fragte er entsetzt. „Nur ein paar Schluck Bier", entgegnete Maggie verlegen und flüchtete sich nach oben. Ihre Mutter hatte sehr verständnisvoll reagiert, aber ihr Vater war später noch an ihr Bett gekommen und hatte sie einer eingehenden Befragung unterzogen. „Was war denn das für eine Party, Liebling?" hatte er misstrauisch gefragt. „Hast du wirklich nur Bier getrunken? Vergiss nicht, du bist erst fünfzehn, Maggie." Maggie hatte vor lauter Schuldbewusstsein nichts entgegnen können. Dicke Tränen kullerten ihre Wangen hinab, und ihr Vater hatte sie in seine Arme geschlossen. „Es ist ja nicht so schlimm, Liebling", meinte er begütigend. „Aber je älter du wirst, desto mehr Verlockungen werden deinen Weg kreuzen, und das Einzige, was dir dabei helfen kann, nicht im Sündenpfuhl dieser Welt unterzugehen, ist der Respekt für dich selbst. Frag dich immer, ob deine Taten irgendjemand anderem Schaden zufügen. Wenn du diese Frage ehrlich mit Nein beantworten kannst, wirst du unbeschadet durchs Leben gehen. So, und jetzt gib deinem alten Vater noch einen Kuss und versuch zu schlafen." Aber noch lange, nachdem ihr Vater sie längst verlassen hatte, lag Maggie wach und dachte an das berauschende Gefühl, in Ross' Armen zu liegen. Der beißende Fettgeruch der Steaks stieg Maggie in die Nase und riss sie aus ihren Tagträumen. Schnell griff sie nach der Gabel und wendete sie. Doch durch die Erinnerung an jenen Abend war auch ihre Sehnsucht wieder erweckt worden. Warum hatte sie nur das bedrückende Gefühl, als wäre sie untrennbar an Ross gebunden?
8. KAPITEL
Lila Jackson stieß einen tiefen Seufzer aus und holte zwei Jeansjacken aus der Garderobe. „Moe, ich finde immer noch, dass wir einen Rollstuhl kaufen sollten. Du wärest damit viel beweglicher.". „Also bitte, Lila, ich denke gar nicht daran, als Krüppel durch die Welt zu laufen", entgegnete ihr Mann aufgebracht. Dann rief er laut: „Maggie! Bist du nun endlich fertig?" Maggie kam bereits die Treppe herunter. Sie trug einen sehr schönen hellbeigen Kaschmirpullover mit passender Weste zu ihren Jeans. Außerdem hatte sie die Goldkette umgelegt, die ihr ihr Vater letztes Jahr geschenkt hatte. „Du siehst wirklich sehr hübsch aus", meinte Lila beifällig. „Danke. Ihr beide auch." Maggie half Moe, in den Wagen zu steigen, was wegen seines Verbands gar nicht so einfach war. Doch schließlich konnten sie losfahren und kamen um halb acht auf dem überfüllten Parkplatz hinter der Frontier Street an. Nachdem sie ausgestiegen waren, schritten die drei die neu restaurierte Frontier Street hinunter, wo keine Autos fahren durften und in vielen Häusern Flaggen aus dem Jahr 1890 hingen. Es dauerte nicht lange, und Maggie, Lila und Moe waren in angeregte Gespräche mit Bekannten verwickelt. Sie sahen sich die Stände an und genossen das fröhliche Treiben. Doch dann wurde es langsam dunkel. Sie fanden ein schönes Plätzchen, wo sie der Musik lauschen und in Ruhe auf das Feuerwerk warten konnten. Plötzlich klang eine vertraute Stimme an Maggies Ohr. „Wie wäre es mit einem kleinen Tänzchen? Du hast es mir versprochen." Maggie sah auf und blickte in Trent Campions erwartungsvolle Miene. Er war wie immer wie aus dem Ei gepellt und sah ausgesprochen gut aus. Es sprach einiges dafür, dass Ben Campion versuchte, den Bewohnern von Montana seinen Sohn als zukünftigen Abgeordneten zu verkaufen. Trent war im richtigen Alter, er war ein Rodeostar, ging regelmäßig zur Kirche und hatte das Geld und die guten Beziehungen seines Vaters im Rücken. Maggie zögerte. „Äh... wir haben uns gerade erst hingesetzt, Trent. Vielleicht ein bisschen später?" Trent schien nicht besonders enttäuscht zu sein. „Ja, kein Problem. Ich komme später einfach noch einmal vorbei, okay?" Maggie nickte. Sie verspürte eine gewisse Sympathie für ihn. Er tat ihr Leid, denn sein Vater wollte aus ihm unbedingt eine öffentliche Person machen, und es war mehr als wahrscheinlich, dass der wahre Trent dabei zu kurz kommen würde. Kaum war er verschwunden, wandte sich ihr Onkel Moe vorwurfsvoll an seine Nichte. „Also, hör mal, Maggie", begann er, doch sie unterbrach ihn gleich. „Ich weiß", seufzte sie, „er wäre eine gute Partie." Sie stand auf und sah den Tänzern zu, die in der Mitte des Platzes im Kreis herumwirbelten. Als das Stück zu Ende war, schnappte sich der Sänger das Mikrofon. „Einmal hergehört, meine Damen", rief er laut. „Hier ist Ihre einmalige Chance! Bei unserem nächsten Stück ist Damenwahl! Sie haben genau vier Minuten Zeit, um den Cowboy Ihrer Wahl zu erobern. Überzeugen Sie ihn davon, dass Sie das Mädchen sind, mit dem er sich das Feuerwerk ansehen sollte, denn es beginnt direkt nach unserem nächsten Lied." Es schien, als hätten die anwesenden Frauen keine große Mühe, ihre auserwählten Männer zu einem Tanz zu überreden. Nur Maggie fühlte sich mit einem Mal sehr
einsam. Plötzlich musste sie an Ross denken, und sie wusste instinktiv, dass er ein guter Tänzer war. Dann erstarrte sie. Ross war da. Der Mann, an den sie die ganze Zeit so intensiv gedacht hatte, tanzte leibhaftig an ihr vorbei. Die Frau, mit der er tanzte, war hoch gewachsen und besaß eine wilde Mähne roten Haars und eine enorme Oberweite. Sie erinnerte Maggie an eine Barbiepuppe. Ross hielt sie fest im Arm, ihre Hüften waren aneinander gepresst. Ein nie gekanntes Gefühl der Wut, der Enttäuschung und Verletzung durchfuhr Maggie. Sie wandte den Kopf ab, und im gleichen Moment tauchte Trent in ihrem Blickfeld auf. Entschlossen ging sie auf ihn zu. „Wenn du möchtest, können wir jetzt gern tanzen", sagte sie betont munter. Er sah sie erfreut an, denn damit hatte er anscheinend nicht gerechnet. „Seit Wochen freue ich mich darauf", erwiderte er und zog Maggie mit sich. Wenige Minuten später drehten sie sich mit den anderen im Kreis. Maggie versuchte, nicht allzu deutlich nach Ross Ausschau zu halten. „Woher kommt denn dieser plötzliche Sinneswandel?" fragte Trent neugierig. Sie zögerte, denn ihr war gerade zu Bewusstsein gekommen, dass sie ihn benutzte. Das war nicht fair. „Ich ... weißt du, ich hätte schon vorher ja sagen sollen, Trent. Wir werden wahrscheinlich gleich nach dem Feuerwerk nach Hause fahren. Und dann hätte ich keine Gelegenheit mehr gehabt, mein Versprechen einzulösen." Maggie schämte sich über ihr Verhalten. Sie hoffte, dass das Stück bald vorüber war, damit sie endlich aufbrechen konnten. Und Ross... Ross konnte tanzen, mit wem er wollte. Sie hatte ihm schließlich klar gemacht, dass sie nichts von ihm wissen wollte ... auch wenn sie sich rettungslos in ihn verliebt hatte. Deswegen war sie auch so eifersüchtig gewesen, als sie ihn mit einer anderen Frau tanzen sah. Irgendwann war der Tanz zu Ende, und Trent begleitete sie zurück an ihren Platz. Maggie war froh, dass er nicht darauf bestand, sich mit ihr das Feuerwerk anzuschauen. Dreißig Minuten später war es vorbei. Maggie hätte nicht zu sagen vermocht, ob es beeindruckend gewesen war oder nicht. Sie hatte die ganze Zeit über wie erstarrt dagesessen und immer wieder verstohlen nach Ross Ausschau gehalten, ihn aber nirgendwo gesehen. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, was er jetzt gerade vielleicht mit seiner Partnerin trieb. Es war die Hölle für sie, und sie wünschte sich nur noch, endlich nach Hause fahren zu können. Sie begleitete ihren Onkel und ihre Tante zu ihrem Pick-up und half Moe, es sich auf dem Vordersitz gemütlich zu machen. „Fahrt schon vor", sagte sie zu den beiden. „Ich komme gleich nach." Doch als sie vor ihrem Auto stand und gerade einsteigen wollte, löste sich plötzlich eine Gestalt aus dem schattigen Gebüsch, und ein Mann kam geradewegs auf sie zu. Maggie hielt den Atem an. „Sag nichts", meinte Ross mit rauer Stimme und zog sie an sich. „Ich wollte nichts von ihr. Ich wollte immer nur dich." Dann zog er Maggie ohne ein weiteres Wort an sich und küsste sie. Maggie erwiderte seinen Kuss mit einem Hunger, der dem seinen in nichts nachstand. Ihre Körper schmiegten sich aneinander, bis Maggie das Gefühl hatte, in seinen Armen dahinzuschmelzen. Es war, als löste sie sich langsam auf, bis nichts mehr von ihr übrig blieb als die Sehnsucht, die nur Ross allein stillen konnte. Lautes Lachen drang vom Festplatz zu ihnen herüber, und Maggie wurde wie aus einem Traum gerissen. Sie hob den Kopf und sah sich verwirrt um. „Ross, was ... wie ... was tun wir hier?" stammelte sie.
„Keine Ahnung", entgegnete er mit rauer Stimme. Seine Augen funkelten. Doch auch er schien ernüchtert und ließ sie widerstrebend los. „Fahr jetzt lieber nach Hause. Sonst machen sich deine Verwandten noch Sorgen, wenn sie deinen Wagen nicht sehen. Aber fahr vorsichtig." Ohne ein weiteres Wort strich er ihr noch einmal übers Haar, dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging davon. Zwei Tage verfluchte Ross sich für das, was er getan hatte. Was mochte Maggie nur von ihm denken ... er hatte ihr ja regelrecht im Dunkeln aufgelauert. Was war nur mit ihm los? Sie war schließlich nur eine Frau, aber bei ihr war alles ganz anders. So sehr er sich auch bemühte, er konnte sie einfach nicht mehr vergessen. Prüfend sah Ross zum Himmel und nickte dann zufrieden. Bestimmt würde es bald Regen geben. Sie hatten lange genug darauf gewartet. Er führte sein Pferd vor der Scheune zur Tränke. Wenige Minuten später erschien sein Bruder Jess, er war ebenfalls zu Pferd. „Ich glaube, wir werden einen Sturm bekommen", sagte er zu Ross. „Der Wetterbericht hat einen Hurrikan angekündigt." In diesem Moment traf auch sein Vorarbeiter Ray Pruitt mit einem anderen Cowboy, Hank Lewis, ein, der öfters auf Brokenstraw aushalf. Sie stiegen von ihren Pferden ab, die nervös auf- und abtänzelten, den Kopf in den Nacken warfen und laut wieherten. Offensichtlich spürten sie auch, dass sich etwas zusammenbraute. Der Himmel war noch nicht ganz dunkel, aber in der Ferne hörte man Donnergrollen. Innerhalb von zehn Minuten hatte sich das Wetter vollkommen verändert. Nachdem sie die Pferde versorgt und im Stall angebunden hatten, fiel Ross etwas ein. Er entschuldigte sich bei Jess und ging ins Wohnzimmer, um zu telefonieren. Moe und Lila Jackson waren auf der Ranch ganz auf sich gestellt. Maggie arbeitete in der Stadt, und Moe war noch immer nicht einsatzfähig. Ungeduldig wählte Ross die Nummer, aber es war stets besetzt. „Wen willst du denn anrufen?" fragte Jess, der in diesem Moment ins Zimmer trat. „Moe und Lila. Vielleicht brauchen sie Hilfe. Scott ist in dieser Woche in New Mexico." Er sah sich suchend um. „Wo sind denn Casey und die Kleine?" „In der Küche. Sie bereiten das Mittagessen zu." Ross versuchte es noch einmal, und diesmal hatte er Glück. „Maggie?" klang Lilas besorgte Stimme an sein Ohr, noch bevor er etwas sagen konnte. „Nein, Lila, hier ist Ross. Ich wollte nur fragen, ob ihr vielleicht Hilfe braucht, bevor der Sturm kommt." „Danke, Ross, das ist sehr nett von dir, aber wir brauchen keine Hilfe. Ich mache mir nur Sorgen um Maggie. Ich habe im Büro angerufen, und Farrell meinte, sie wäre noch nicht wieder aus Clearcut zurück. Er hat sie dorthin geschickt um bei den Addams etwas für ihn zu erledigen. Leider haben sie kein Telefon." Ross konnte Lilas Sorge gut verstehen. Clearcut lag genau in der Richtung, aus der der Sturm zu kommen schien. „Mach dir keine Sorgen, Lila, ich werde Maggie schon finden.'' Ross hängte schnell auf. Er holte seinen Regenmantel vom Haken und packte gleich noch einen zweiten ein. „Wo willst du denn hin in diesem Wetter?" fragte Jess entgeistert. „Maggie ist irgendwo zwischen hier und Clearcut stecken geblieben, ich muss unbedingt nach ihr suchen." Jess erwiderte darauf nichts, er sah, dass Ross sich bereits entschieden hatte. „Sei vorsichtig", riet er seinem Bruder.
Ross nickte und verließ das Haus. Bestimmt wäre es klüger, das Auto zu nehmen, dachte er, als er sein Pferd sattelte. Im Wagen würde er auf jeden Fall trocken bleiben. Andererseits war die Gefahr im Schlamm stecken zu bleiben mit dem Auto wesentlich größer als mit einem Pferd. Seiner Schätzung nach blieben ihm nur noch etwa fünfzehn Minuten, bevor es richtig zu regnen begann. Clearcut lag etwa fünfzehn Kilometer von Brokenstraw entfernt. Er würde durch den Wald reiten, bis er die Straße erreichte, und Maggie dann entgegenkommen. Ross gab seinem Pferd die Sporen. Fünfundzwanzig Minuten später war er bis auf die Knochen durchnässt, aber er erspähte in der Ferne schon Maggies blauen Ford. Ross galoppierte auf sie zu und war erleichtert, sie hinterm Steuer sitzen zu sehen. Vorsichtig kurbelte sie das Fenster herunter. „Maggie!" rief er über das Donnergrollen hinweg. „Komm schon, wir müssen fort von hier, bevor es noch schlimmer wird." Sie schüttelte den Köpf. „Nein", rief sie ebenso laut zurück, „hier drinnen sind wir sicherer. Sieh dir doch nur die Blitze an!" „Ja, aber bald wird hier alles überflutet sein", rief er zurück. Er warf ihr den anderen Regenmantel zu und riss die Vordertür auf. „Was ist mit deinem Auto los?" „Es ist wieder stehen geblieben", gab Maggie zurück, während sie mit klammen Fingern versuchte, den Mantel überzuziehen. „Ich hatte bisher noch keine Zeit, den Wagen reparieren zu lassen." Trotzig setzte sie hinzu: „Ich weiß, das war dumm von mir. Du brauchst es mir nicht zu sagen." „Wir reden später darüber. Nun komm schon, steig auf!" Maggie kletterte aufs Pferd, dann galoppierte Ross ohne ein weiteres Wort los. Aber er schlug die Richtung ein, aus der sie gerade gekommen war. „Hey, das ist doch falsch!" rief sie. Ross schüttelte den Kopf. „Ich kenne einen Platz, an dem wir sicher sind", rief er ihr über das Tosen des Sturms hinweg zu und ritt auf die grauen Berge in der Ferne zu.
9. KAPITEL
Der Regen prasselte in Strömen auf sie herab, so dass alles um sie herum in einer Dunstglocke versank. Schon hatten sich Bäche auf den Straßen gebildet, die alles mit sich zu reißen drohten. Das Pferd hatte Mühe, im Tritt zu bleiben. Ross hielt geradewegs auf die Berge zu, die allerdings kaum noch zu sehen waren. Er fluchte laut, während es um sie herum donnerte und blitzte. Er hielt Maggie mit eisernem Griff umfangen und versuchte sie so gut es ging vor dem Regen zu schützen. Er spürte, wie sie trotz des Mantels am ganzen Leib zitterte, und beeilte sich vorwärts zu kommen. Durch den Regen war die Luft inzwischen ziemlich abgekühlt. Der Sturm schien immer heftiger zu werden. Ein großer Blitz erhellte grell den Himmel, und der darauf folgende Donner war ohrenbetäubend. Ross wies auf die Bergkette und rief Maggie durch das Tosen zu: „Dort drüben gibt es eine Höhle. Da werden wir sicher sein." Maggie nickte, aber er merkte, wie sehr sie sich fürchtete. „Wir müssen absteigen", rief er ihr zu. „Der Boden ist zu aufgeweicht für das Pferd." Sie stiegen ab. Es war schwer, im Schlamm vorwärts zu kommen, aber schließlich stieß Maggie einen Freudenschrei aus. „Da, jetzt sehe ich die Öffnung!" rief sie und zeigte auf die Höhle, die zwischen den Bäumen sichtbar wurde. „Prima!" erwiderte Ross erleichtert. Nach ein paar Metern standen sie vor dem Eingang und flüchteten sich hinein. Maggie ging zuerst, dann kam Ross mit seinem Pferd am Zügel. Schlagartig änderte sich alles. Nach dem Chaos der entfesselten Elemente und dem Tosen des Donners war es urplötzlich still... still und mindestens zehn Grad kälter. Ross atmete tief durch, und auch Maggie schien langsam wieder zu sich zu kommen. Er war erleichtert, dass es ihnen gelungen war, in letzter Sekunde Zuflucht zu finden. Von außen hatte die Höhle nicht besonders groß ausgesehen, aber im Innern erwies sie sich als recht geräumig. Ross sah sich prüfend um. Ja, es schien alles unverändert zu sein ... von der steinernen Bank, die sie vor vielen Jahren als Jungen gebaut hatten, bis hin zu den Resten eines Feuers. Anscheinend wurde die Höhle immer noch benutzt. „Wo...woher kennst du diesen Platz?" fragte Maggie Zähne klappernd. Ross holte eine Decke aus seiner Satteltasche und breitete sie am Boden aus. Dann bedeutete er Maggie, sich darauf niederzulassen. „Ich habe sie vor vielen Jahren mit ein paar anderen Jungen gefunden. Wir haben hier Partys gefeiert." „Mir ... entschuldige, aber mir ist ziemlich kalt", sagte Maggie kläglich. „Warum ziehst du deine nassen Sachen nicht aus?" schlug Ross vor. „Du kannst dich so lange in die Decke hüllen." Er lachte, als er ihren Gesichtsausdruck sah. „Ich verspreche dir, ich werde auch nicht hinschauen." Maggie sah ihn zögernd an, aber schließlich musste sie ihm Recht geben. Sie legte den klammen Regenmantel ab und zog ein Kleidungsstück nach dem anderen aus. Tatsächlich war sie bis auf die Haut durchnässt. Sie wickelte sich schnell in die trockene Decke und ließ sich auf der Bank nieder. Ross hatte sein Versprechen gehalten und war in der Zwischenzeit damit beschäftigt gewesen, dem Pferd den Sattel abzunehmen und es trocken zu reiben. Dann holte er eine Taschenlampe aus der Satteltasche und führte das Tier ein paar Meter weiter in die Höhle hinein. Zum ersten Mal vernahm Maggie das Sprudeln einer Quelle, dann hörte sie das Pferd trinken. „Es gibt hier einen kleinen unterirdischen Teich", erklärte Ross ihr, als er wieder
zurückkam. „Ich werde versuchen, ein Feuer zu machen. Da vorn habe ich trockenes Holz gesehen." Maggie sah ihm dabei zu, wie er wenig später mit Armen voller Holz zurückkehrte. Schon bald flackerte ein lustiges Feuer, und die Höhle erwärmte sich langsam. Draußen tobte noch immer der Sturm, aber im Innern der Höhle wurde es langsam recht gemütlich. Auch Ross war ziemlich durchnässt, aber jetzt stand er neben dem Feuer und trocknete seine Sachen. „Wenn es sich etwas beruhigt, werde ich noch mehr Holz holen", sagte er zu Maggie. „Wärm genug ist es ja inzwischen, aber wir werden das Licht brauchen, wenn es Nacht wird." Maggie sah ihn entgeistert an. „Willst du etwa die ganze Nacht hier in der Höhle verbringen?" „Es geht nicht darum, was ich will", entgegnete er mild. „Selbst wenn der Regen aufhören sollte, wäre es draußen viel zu dunkel, um den Heimweg anzutreten." Obwohl es ihr nicht gefiel, musste Maggie ihm Recht geben. Aber die Aussicht, mit ihm ganz allein die Nacht in der Höhle zu verbringen, war alles andere als beruhigend. Inzwischen war es recht warm, und mit der Wärme war auch die Spannung zwischen ihnen zurückgekehrt. Nur zu sehr war sie sich bewusst, dass sie unter der Decke nackt war. Sie stand auf und untersuchte ihre Unterwäsche, die sie neben das Feuer zum Trocknen aufgehängt hatte. Alles war inzwischen trocken. Ross hatte sie beobachtet. Er stand auf und ging zum Höhleneingang. „Vielleicht möchtest du dich wieder anziehen", schlug er vor. „Sag mir Bescheid, wenn du fertig bist." Während er mit dem Rücken zu ihr stand, kleidete sie sich schnell an und wickelte sich dann wieder in die Decke. „Ich werde mal sehen, ob ich noch mehr Holz finden kann", sagte Ross dann zu ihr. „Das Unwetter kann noch Stunden dauern." Er schien es plötzlich sehr eilig zu haben, aus der Höhle herauszukommen. Maggie merkte, dass auch ihm die Atmosphäre langsam ein wenig zu heiß wurde. Sie nickte und war froh, als sie allein war. Aber die Pause dauerte nicht lange. Nur fünfzehn Minuten später kehrte Ross zurück. Ohne ein Wort trat er zum Feuer und legte die Zweige, die er gesammelt hatte, auf den Boden. Er hatte es vermieden Maggie anzusehen, aber als er jetzt aufschaute, spürte er das Verlangen nach ihr mit aller Macht zurückkehren. Was sollte er in dieser Situation nur tun? Bei Maggie fühlte er sich manchmal so hilflos wie ein kleiner Junge. Maggie löste ihr Haar und kämmte es mit den Fingern durch. Noch immer war sie in Ross' Decke gehüllt, und ihre nackten Schultern glänzten im flackernden Schein des Feuers. Sie räusperte sich. „Was ... was hattest du dir gedacht ... wegen der Schlafgelegenheiten, meine ich." „Wenn du magst, kannst du den Sattel als Kopfkissen benutzen", sagte Ross gedehnt. „Eine Decke hast du ja." „Und was ist mit dir?" „Was ist mit mir?" „Wo schläfst du?" „Ach, ich lege mich einfach neben das Feuer." Maggie sah ihn entgeistert an. „Auf den Boden? Ohne Unterlage?" „Das wäre nicht das erste Mal. Obwohl ich mich, ehrlich gestanden, an die anderen Male nicht mehr erinnern kann." „Warst du betrunken?"
„Ich fürchte, ja." Maggie stand auf und ging um das Feuer herum. Sie hielt die Decke an ihre Brust gedrückt. Das lange Haar fiel ihr offen auf die Schultern, und ihre Wangen waren leicht gerötet. Ross konnte sich an ihrem Anblick kaum satt sehen. Wortlos folgte sie seinem Rat und holte sich den Sattel. Dann griff sie nach ihren Kleidern, die inzwischen trocken waren, und zog sich vollständig an. Obwohl sie Ross nicht gebeten hatte wegzuschauen, schloss er gehorsam die Augen. Aber nachdem er einen Blick auf ihre entzückende Wäsche hatte werfen können, war seine Fantasie sehr angeregt worden. Andererseits war er froh darüber, dass Maggie ihn auf Abstand hielt. So konnten sie die Nacht miteinander verbringen, ohne dass er Schuldgefühle haben musste. Maggie war inzwischen angezogen. Sie faltete die Decke auseinander und sagte ruhig: „Das mit dem Sattel war eine gute Idee. Und die Decke hier ist groß genug für uns beide." Ross starrte sie an. „Ich glaube, das ist nicht sehr vernünftig", meinte er vorsichtig. „Immer noch besser als deine Idee. Du bist schließlich ein Gentleman. Ich brauche nicht zu befürchten, dass du ..." Ross konnte nicht anders, er musste plötzlich lachen. Wenn Maggie auch nur ahnen würde, was alles in seinem Kopf vorging! „Du hältst mich also für einen Gentleman? Damit stehst du allerdings ziemlich allein da." „Mir ist es vollkommen egal, was die anderen sagen." „Auch, was Farrell oder deine Familie über mich sagt?" „Meine Tante mag dich, Ross, und mein Onkel würde dich sicherlich auch mögen, wenn er über das hinwegkommen könnte, was vor drei Jahren passiert ist. Was Farrell angeht", sie machte eine kleine Pause, „nun, ich fürchte, er wird nach einem Vorwand suchen, um mich nicht zu seiner Stellvertreterin zu machen. Ich traue ihm nicht, weißt du." Ross erhob sich langsam und ging auf sie zu. Maggie hielt den Atem an, als er nach einer Locke ihres Haars griff, sie langsam um den Finger zwirbelte und dabei eindringlich sagte: „Trau mir bitte nicht so leicht, Maggie. Ich ... ich möchte dich nicht enttäuschen." Wortlos blickte sie in seine dunkelblauen Augen, und ein Schauer durchfuhr sie. Im flackernden Feuerschein sah Ross noch attraktiver aus. Vielleicht war die eigentliche Frage, ob sie sich selbst vertrauen konnte. Er schien etwas von ihrem inneren Zwiespalt zu ahnen, denn er ließ ihr Haar los und trat einen Schritt zurück. „Ich denke, wir sollten versuchen, ein wenig zu schlafen", schlug er vor. „Dann können wir morgen bei Tagesanbruch gleich aufbrechen. Ich hoffe, dass der Sturm sich bis dahin gelegt hat." Sie einigten sich darauf, dass sie beide den Sattel als Kopfkissen, Maggie jedoch die Decke benutzen sollte. Anscheinend hatten sie nicht genug Feuerholz für die ganze Nacht, aber Ross hatte glücklicherweise seine Taschenlampe dabei. Maggie bezweifelte zwar, dass sie bei dem Sturm, der in ihrem Innern tobte, einschlafen konnte, aber schon bald verrieten Ross ihre regelmäßige Atemzüge, dass sie tief und fest schlief. Stunden später erwachte Maggie. Das Feuer war inzwischen vollkommen heruntergebrannt, und ihr war ziemlich kalt. Vorsichtig hob sie den Kopf und sah, dass auch Ross wach war. „Frierst du nicht?" fragte sie erstaunt. Er nickte. „Doch, ein bisschen."
Ohne ein weiteres Wort hob Maggie die Decke. Er rückte heran, und sie schmiegten sich aneinander. „Besser?" fragte sie mit weicher Stimme. Ross atmete schwer. „Ja", erwiderte er zögernd. „Was ist los?" „Es regnet nicht mehr. Der Himmel ist jetzt vollkommen klar." „Ach ja?" meinte Maggie schwach. Sie wagte kaum zu atmen. So nahe waren sie sich noch nie gewesen. „Ross?" flüsterte sie. „Ja?" Sie konnte sich nicht daran erinnern, was sie ihn hatte fragen wollen. Aber als sie ihm den Kopf zuwandte, berührten sich wie zufällig ihre Lippen. Und dann wurde aus dem Zufall Absicht. Als hätten sie seit einer Ewigkeit darauf gewartet, brannten ihre Lippen aufeinander und vereinten sich in einem leidenschaftlichen Kuss, der beiden den Atem nahm. Es war, als würden zwei Feuerströme ungehindert fließen. Maggie wurde mit einem Schlag hellwach. Ihr klopfte das Herz bis zum Halse. Dennoch zweifelte sie nicht mehr an ihren Gefühlen. Genau das war es, wonach sie sich verzehrt, wovon sie seit Tagen geträumt hatte. In Ross' Armen zu liegen, seinen warmen Atem zu spüren und ihm so nahe zu sein erschien ihr wie die Erfüllung all ihrer Träume. Der Kuss dauerte ewig, doch plötzlich löste Maggie sich vorsichtig. „Ross", flüsterte sie, „zieh deine Jeans aus. Sie ist ja immer noch nicht trocken." Er stieß einen tiefen Seufzer aus und barg den Kopf in ihrem Haar. „Das kann ich nicht, Maggie. Versteh doch, ich bin wirklich kein Heiliger." „Meinetwegen brauchst du auch kein Heiliger zu sein." Ross verstummte und hielt den Atem an. „Bist... bist du sicher?" fragte er schließlich mit heiserer Stimme. „Bitte, vergiss nicht, ich möchte dir nichts vormachen. Ich kann dir nichts versprechen." „Du musst mir auch gar nichts versprechen." Wenige Sekunden später küssten sie sich erneut mit der gleichen Heftigkeit. Mit zitternden Fingern rissen sie sich die Kleider vom Leibe. Bevor es zur Vereinigung kam, holte Ross ein Kondom aus seiner Jeanstasche. Dann gab es kein Halten mehr. Sie lagen im Dunkeln eng aneinander geschmiegt und gaben sich ganz ihren gegenseitigen Zärtlichkeiten hin, genossen das Gefühl, sich so nahe zu sein wie nie zuvor. Immer wieder streichelte Ross Maggie bewundernd. Sie war vollkommen weich und hingebungsvoll. Sie erschauerte, als sie seine rauen Hände auf ihrer Brust spürte, und es war ein exquisites Gefühl, als er sie schließlich küsste. Bewundernd fuhr sie über seine Muskeln. Sie hatte so lange auf ihn gewartet! Ross spürte ihre Sehnsucht, die der seinen in nichts nachstand. Das Feuer in ihm wurde zu einem reißenden Strom, und er hatte nicht mehr die Kraft, sich ihm zu widersetzen. Gemeinsam erreichten beide nach kurzer Zeit den Gipfel der Ekstase, danach gab es nur Vergessen. Viel später lag Maggie eng an Ross geschmiegt und stieß einen wohligen Seufzer aus. Sie hatte das Gefühl, als hätten ihre Knochen sich verflüssigt, als hätte sie gar keine Muskeln mehr. Alles schien zu fließen, aus einem übervollen Herzen heraus. „Jetzt ist mir wenigstens richtig warm", lachte sie. Ross' Kopf lag neben ihr auf dem Sattel. Er lächelte und meinte: „Gut, denn sonst müsste ich die Decke noch enger um uns wickeln." Sie küssten sich erneut, doch dann kam Maggie plötzlich ein Gedanke. „Du ... du hattest Kondome dabei. War das eigentlich ein Hintergedanke von dir, als du vorgeschlagen hast, dass wir hier Zuflucht suchen sollten?"
Ross schüttelte den Kopf. „Maggie, ich schwöre dir, ich habe das alles nicht geplant. Im Gegenteil, ich habe mich wirklich bemüht, dir gegenüber auf Distanz zu bleiben. Der Grund, warum ich die Kondome dabei hatte, war ..." Er zögerte. „Ist ja auch egal", meinte Maggie, als er weiterhin stumm blieb. „Ich war einfach nur neugierig, das ist alles." Ross stützte sich auf den Ellenbogen auf und sah sie durchdringend an. „Es ist durchaus wichtig, Maggie." Er holte tief Luft und begann: „Kannst du dich noch an den Samstag erinnern, als wir das Dach für die Kirche gebaut haben? An diesem Abend war ich so aufgedreht, dass ich ... dass ich ... Ich ging also zu Dusty's und ..." Maggie legte ihm schnell die Hand auf den Mund. „Bitte, Ross, du bist mir wirklich keine Rechenschaft schuldig." „Oh, doch", erwiderte er fest. „Schließlich habe ich auch eine Frau gefunden. Sie war mehr als willig, mit mir ins Bett zu gehen, aber ich konnte es einfach nicht tun. Denn in Wirklichkeit wollte ich immer nur dich." Er verstummte und strich ihr übers Haar. Dann fügte er mit leiser Stimme hinzu: „Maggie, ich wollte immer nur dich."
10. KAPITEL
Als sie später eng aneinander geschmiegt auf der Bank saßen, hüpfte Maggies Herz noch immer vor Freude. Ross hatte die Möglichkeit gehabt, mit einer Frau zu schlafen, und er hatte es ihretwegen nicht getan! Sie lehnten beide mit dem Rücken zur Wand und waren fest in die Decke eingewickelt. Durch den Höhleneingang konnte man den nächtlichen Himmel sehen, an dem eine Million Sterne zu glänzen schienen, und der Halbmond verlieh allem einen silbrigen Glanz. Sie sog die frische Luft, die nach dem Regen besonders würzig war, in tiefen Zügen ein. „Weißt du eigentlich, wie spät es ist?" Ross griff nach der Taschenlampe, knipste sie an und warf einen Blick auf seine Uhr. Dann machte er die Lampe wieder aus. „Fast drei Uhr." Irgendwann würde diese zauberhafte Nacht zu Ende sein, und sie würden wieder nach Hause zurückkehren müssen. Daran wollte Maggie im Moment noch gar nicht denken. Sie kuschelte sich noch enger an Ross. Er hatte zwar nicht gesagt, dass er sie liebte, aber sie selbst fühlte sich so voll von ihm, dass ihr klar war, dass sie diese Nacht niemals vergessen würde. „Maggie, es gibt einiges, was du von mir wissen musst", begann Ross plötzlich gepresst. „Was meinst du?" hakte sie vorsichtig nach. Ross zögerte. „Die Zeit, in der ich mir meinen Ruf als Spieler und Verschwender eingehandelt habe. Ich war damals in keiner guten Verfassung. Ich war mit Ray Pruitt, unserem Vorarbeiter, in Las Vegas. Schon als wir dort eintrafen, waren wir beide nicht besonders nüchtern." Ja, das kann ich mir gut vorstellen, dachte Maggie bei sich. Aber das alles war schließlich Vergangenheit. Inzwischen war Ross ein anderer Mensch geworden. „Nun mach dir doch deswegen keine Vorwürfe", meinte sie begütigend. „Jeder von uns hat doch bestimmt schon einmal etwas getan, was er später bereut hat." Ross lachte bitter auf. „Ja, gewiss. Aber ich kenne nur wenige, die so weit gegangen sind wie ich." Er machte eine kleine Pause und holte dann tief Luft. „Ich habe damals meine Hälfte der Ranch verspielt." Er wartete anscheinend auf einen Kommentar von Maggie, doch als sie stumm blieb, fuhr er fort: „Ich war mir ganz sicher, dass ich meine Verluste wettmachen konnte. In Erwartung meines großen Gewinns habe ich dann Schuldscheine ausgeschrieben ... Schuldscheine im Wert von insgesamt siebenundvierzigtausend Dollar." Maggie war über die Summe nicht besonders schockiert, denn sie hatte ja schon in den Akten davon gelesen. Dennoch meinte sie vorsichtig: „Bestimmt war das für dich keine leichte Zeit." „Das kann man wohl sagen. Ich fühlte mich schrecklich und hatte große Angst, alles zu verlieren. Aber dann schien sich mein Schicksal zu wenden. Ich lernte in einer Bar einen Herzspezialisten kennen und erzählte ihm meine ganze Geschichte. Ich hatte das Gefühl, ihm vertrauen zu können, und er bot mir schließlich an, mir das Geld zu leihen, damit ich meine Schulden zurückzahlen konnte. Alles, was ich tun musste, war, meine Hälfte der Ranch als Sicherheit dagegenzusetzen. Natürlich war ich sofort Feuer und Flamme. Bevor ich mich versah, saß ich mit dem Mann schon bei einem Anwalt, und wir legten alles schriftlich fest." Er machte eine kleine Pause und schüttelte den Kopf. „Dann ... ach, ich war ja so dumm, Maggie ... dann fragte ich ihn, ob er mir statt siebenundvierzig auch sechzigtausend Dollar leihen würde. Ich hatte die wahnsinnige Idee, dass ich mit diesen dreizehntausend Dollar alles
zurückgewinnen und den Doktor auszahlen konnte." „Aber so war es nicht, stimmt's?" „Nein. Ich habe die dreizehntausend auch noch verloren. Und dann wurde es noch schlimmer. Der Arzt, Caseys erster Mann, starb auf dem Heimweg von Las Vegas. Anscheinend war er nicht der Ehrenmann, für den er sich ausgab. Nach seinem Tod erfuhr Casey, dass er ihr außer Rechnungen und einem Haufen Schulden nichts hinterlassen hatte." „Das heißt, sie kam damals her, um deine Schulden einzufordern." Ross nickte. „Genau! Und so hat sie Jess kennen gelernt." „Wirklich verrückt", staunte Maggie. „Gibt es bei dieser Geschichte denn auch ein Happy End?" „In gewisser Weise schon. In den darauf folgenden Jahren habe ich nur noch rund um die Uhr gearbeitet. Es war vorbei mit meinem ausschweifenden Leben. Ich habe jeden Job angenommen, nur um Casey ausbezahlen zu können. Im August wird es endlich so weit sein. Natürlich habe ich von dem Moment an auch nicht mehr gespielt." „Überhaupt nicht mehr?" „Nein, nicht ein einziges Mal mehr. Sobald ich damit anfange, kann ich nicht mehr aufhören und das ist mir einfach zu gefährlich. Ich kaufe mir nicht mal mehr ein Los für die Lotterie, denn dann nehme ich beim nächsten Mal vielleicht gleich fünfzig. Ich spiele nicht mehr und damit basta!" „Das klingt gut", entgegnete Maggie erleichtert. Sie wünschte sich so sehr für ihn, dass er sein Selbstbewusstsein wiedergewann. Niemand konnte ohne den Respekt anderer Menschen leben, und sie vermutete, dass Ross unter der Oberfläche ein sehr empfindsamer Mensch war. „Anstatt zu spielen hast du dir also ein wunderschönes Haus gebaut." Sie lachte. „Pass lieber auf, demnächst wählen sie dich noch zum Bürgermeister." Ross lachte ebenfalls und schüttelte den Kopf. „Das halte ich für äußerst unwahrscheinlich. Die Menschen hier vergessen nicht so leicht. Für sie bin ich immer noch der Mann, der das Undenkbare getan hat... ein Farmer, der sich mit Viehdieben eingelassen hat." „Aber inzwischen weiß doch jeder, dass du diesen Zwischenfall bedauerst." „Das Einzige, woran sie glauben, ist, dass ein Leopard niemals seine Flecken verliert." „Nicht jeder glaubt an solche Klischees." „Genug Leute tun es." Maggie sah ihn fest an. „Ich nicht." Ross sah sie zweifelnd an. Was würde sie sagen, wenn er ihr gestand, dass es für ihn nach drei Jahren immer noch schwer war, sich von Casinos fern zu halten? Im Grunde war es genau wie bei einem Alkoholiker: Der einzige Weg, mit dieser Sucht fertig zu werden, bestand darin, komplett damit aufzuhören. Ross betrachtete Maggie versunken. Ihre regelmäßigen Züge wurden vom Mond beleuchtet, und ihre Augen waren ihm noch nie so groß und schön erschienen. Ihre Lippen waren leicht geöffnet... sie sah aus wie die Fleisch gewordene Verführung. Er spürte genau, dass sie ihn wieder wollte ... und ihm ging es genauso. Aber gleichzeitig wusste er, dass es ein Fehler sein würde. Schließlich war Maggie eine Frau, die Respekt verdiente. Sie war die Tochter des Pfarrers, und er? Den größten Teil seines bisherigen Lebens über war er mit dem Gesetz in Konflikt gewesen. Es war ein Fehler gewesen, sie überhaupt anzurühren!. Ross seufzte tief. „Oh, Maggie. Ich habe dich ja gewarnt. Du hättest dich nicht auf mich einlassen sollen." „Ja, aber du hast mir auch gesagt, du würdest mich enttäuschen. Und das ist bisher
nicht passiert." Warte nur ab, hätte Ross am liebsten erwidert. Es war bestimmt nur eine Frage der Zeit. Aber jetzt gab es andere Dinge zu bedenken. „In wenigen Stunden wird es hell werden. Bis dahin sollten wir uns noch etwas ausruhen und versuchen zu schlafen." „Nein, noch nicht", erwiderte Maggie flüsternd. Sie küsste ihn sanft hinters Ohr, und all seine negativen Gedanken verflogen im Nu. Seine Finger durchwühlten ihr Haar, und er zog sie sehnsüchtig an sich. Das Mondlicht und ihre eigenen erhitzten Gefühle trugen sie an den Ort, nach dem ihre Herzen sich sehnten. Auf dem Rückweg ritten sie über Land und vermieden die noch immer überflutete Straße. Der Sturm hatte überall großen Schaden angerichtet, und die meisten Flüsse waren über die Ufer getreten. Beim Anblick ihres kleinen Ford war Maggie ziemlich schockiert. Er war von den Fluten mitgerissen worden und nun zwischen zwei Bäumen eingeklemmt. Gleichzeitig war sie auch erleichtert, denn wenn Ross ihr nicht zu Hilfe gekommen wäre, wäre die letzte Nacht für sie wahrscheinlich ganz anders verlaufen. Außerdem würde die Versicherung für den Schaden aufkommen. Gegen sieben Uhr morgens trafen sie auf der Ranch von Maggies Onkel ein. Brokenstraw und die Lazy-J-Ranch lagen etwas höher als Clearcut und .waren daher auch vom Regen nicht so betroffen. Ross half Maggie vom Pferd. In diesem Moment stürmte Lila aus der Hintertür. Sie war überaus erleichtert, dass ihre Nichte wohlauf war. „Maggie! Ross! Ach, was bin ich froh, dass euch nichts passiert ist! Im Radio hieß es, Clearcut wäre völlig überschwemmt worden und die Straßen wären nicht mehr befahrbar. Kommt rein, ihr müsst doch furchtbar hungrig sein." Dann tauchte Moe in der Tür auf, er war auf seinen Stock gestützt und machte einen ziemlich grimmigen Eindruck. Maggie wusste nicht, was sie tun sollte. Offensichtlich hielt ihr Onkel immer noch nichts von Ross. „Geh nur rein", meinte dieser, dem die Stimmung nicht verborgen geblieben war. „Ich muss sowieso nach Hause. Jess und Casey werden sich schon Sorgen um mich machen." „Warum rufen Sie sie nicht von hier aus an?" fragte Moe in diesem Moment. „Wir haben schließlich Telefon." Maggie sah ihren Onkel überrascht an. Tatsächlich schien sie ihn falsch eingeschätzt zu haben, denn er öffnete gerade bereitwillig die Tür. Auch Ross hatte damit anscheinend nicht gerechnet. Maggie merkte, wie er schluckte. „Beeilen Sie sich, mein Junge, sonst kommen noch die ganzen Fliegen ins Haus", sagte Moe ungeduldig, und Ross band hastig sein Pferd an. Dann gingen sie alle zusammen ins Haus. Moe streckte Ross seine Hand entgegen. „Danke, dass Sie unsere Nichte wohlbehalten nach Hause gebracht haben. Es war eine schlimme Nacht für mich und meine Frau. Wir haben kein Auge zugetan." „Ich hab's wirklich gern getan", versicherte Ross mit leuchtenden Augen. Maggie spürte plötzlich einen Kloß im Hals. Sie wusste, was es für einen Mann aus dieser Gegend bedeutete, in das Haus eines anderen eingeladen zu werden. Es bedeutete Respekt und Akzeptanz ... etwas, wonach Ross sich wohl am allermeisten sehnte. „Danke, Onkel Moe", sagte sie und umarmte ihn ganz spontan. „Du bist wirklich ein guter Mann." „Genau wie er", erwiderte Moe und nickte Ross zu. „Also los, lasst ihn telefonieren, und dann wollen wir frühstücken."
Das Frühstück in der blauweißen Küche der Jacksons wurde ein richtiges Festmahl. Ross war es gewohnt, morgens kräftig zuzugreifen, aber was Lila auf den Tisch stellte, übertraf alles, was er bisher gesehen hatte. Es gab Pfannkuchen mit Sirup und Würstchen, selbst gebackene Kekse und Rühreier sowie Toast mit selbst gemachter Marmelade. Ross war der Ehrengast, und die beiden Frauen bemühten sich nach Kräften um ihn. Kaffee und Orangensaft flössen in Strömen. Aber noch mehr freute ihn der warme Empfang, der Balsam für seine verwundete Seele war. „Möchtest du noch etwas?" fragte Maggie, nachdem sie ihm schon zum dritten Mal nachgefüllt hatte. Sie lächelte ihn an. und er lächelte zurück. „Tut mir Leid, aber ich kann einfach nicht mehr", entgegnete Ross wahrheitsgemäß. „Und ihr wart also die ganze Nacht in dieser Höhle?" fragte Lila beeindruckt. „Was hättet ihr denn gemacht, wenn sie schon besetzt gewesen wäre?" „Glücklicherweise waren wir ganz allein", erwiderte Ross. „Wir hatten auch genug Holz um das Feuer fast die ganze Nacht über brennen zu las sen." In diesem Moment klopfte jemand an der Vordertür, und wenige Minuten später stand Tom Bristol, Maggies Vater, im Zimmer. Er hatte seinen Auftritt offensichtlich als Überraschung geplant, war aber nun seinerseits nicht auf die Szene vorbereitet. Verwundert blickte er auf den voll beladenen Küchentisch. „Was ist denn hier los?" Freudestrahlend sprang Maggie auf. „Dad! Was machst du denn hier? Wir hatten doch erst nächste Woche mit dir gerechnet!" „Ja, ich konnte mich schon früher freimachen", erwiderte ihr Vater. „Ich bleibe voraussichtlich bis Dienstag. Aber jetzt würde ich doch gern wissen, was der Grund für diese Party ist." Jetzt trat auch Lila hervor und umarmte ihn herzlich. „Wie schön, dich zu sehen! Du hast Recht, wir feiern wirklich etwas ganz Besonderes. Hast du Hunger?" „Und wie!" Maggie räusperte sich. „Du erinnerst dich doch sicher noch an Ross Dalton, nicht wahr, Dad?" Ohne zu zögern streckte der Pfarrer die Hand aus und begrüßte Ross. „Freut mich Sie zu sehen! Wie geht's?" „Sehr gut. Und Ihnen?" „Könnte nicht besser sein. Bitte setzen Sie sich doch wieder. So, Maggie, jetzt möchte ich endlich wissen, was hier los ist." In den nächsten Minuten lieferte Maggie ihm eine anschauliche Schilderung der Ereignisse der letzten Nacht. Natürlich erwähnte sie nicht, was sich wirklich in der Höhle zugetragen hatte. Aber Ross hatte dennoch das unangenehme Gefühl, dass ihr Vater die Wahrheit vermutete. Ihm war ziemlich ungemütlich zu Mute, und als Lila sich erhob, um das Geschirr wegzuräumen, bot er ihr seine Hilfe an. „O nein, das kommt überhaupt nicht in Frage", entgegnete sie fest. „Wir sind dir schließlich zu Dank verpflichtet, weil du Maggie gerettet hast. Außerdem willst du doch bestimmt bald nach Hause, nicht wahr? Schließlich musst du dich um deine Ranch kümmern." „Stimmt." Ross nickte und stand erleichtert auf. „Vielen Dank für das wunderbare Frühstück." „Gern geschehen", lachte Lila. Ross verabschiedete sich noch von den beiden Männern, dann erbot sich Maggie, ihn hinauszubegleiten. Doch kaum waren sie außer Sichtweite des Hauses, fielen sie sich erneut in die Arme und küssten sich. Es fiel beiden schwer, sich voneinander zu trennen, aber schließlich meinte Ross bedauernd; „Du wirst wahrscheinlich wenig Zeit haben, solange dein Dad hier ist, stimmt's?"
Maggie nickte. „Ja, wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Es gibt sicher einiges zu besprechen." Ross wusste, dass er eigentlich hätte gehen müssen, aber Maggies Anblick hielt ihn zurück. „Seit Mum gestorben ist, ist er alles, was ich habe", sagte sie leise. „Ja, die Familie ist sehr wichtig", erwiderte Ross, „Ich würde auch alles dafür tun, wenn ich noch einmal mit meinen Eltern sprechen könnte. Als ich siebzehn war und die Chance dazu hatte, habe ich sie nicht wahrgenommen." Zögernd sah er hinüber zum Haus. „Dein Dad fragt sich wahrscheinlich schon, wo du bleibst." „Ja, wahrscheinlich." Maggie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss. Sie umarmten sich schweigend. In dieser Geste lag eine Vertrautheit, die Ross überraschte. „Bis dann", flüsterte Maggie und löste sich widerstrebend von ihm. „Bis ganz bald! Hab eine gute Zeit mit deinem Vater!" Sie nickte und wartete, bis Ross auf sein Pferd gestiegen und davongeritten war. Dann seufzte sie tief. Kein Zweifel, sie hatte sich bis über beide Ohren in ihn verliebt. Sie vermisste ihn schon jetzt. Aber ob es ihm genau so ging? Bitte, lieber Gott, betete sie im Stillen, lass mich nicht die Einzige sein, die es erwischt hat. In diesem Moment vernahm sie ein Geräusch aus dem Haus und drehte sich rasch um. Ihr Vater stand in der Hintertür. Sein sorgenvoller Gesichtsausdruck verriet, dass er schon eine ganze Weile dort gestanden haben müsste. Ohne ein weiteres Wort drehte Maggie sich um und ging auf ihn zu. „Ich verstehe einfach nicht, warum du dich so aufregst." Maggie warf ihr Handtuch über einen der Schaukelstühle auf der Veranda, dann fuhr sie sich nervös durchs Haar. Wenigstens hatte sie kurz duschen und sich umziehen können, bevor ihr Vater darauf bestanden hatte, mit ihr zu sprechen. Sie ließ sich neben ihm nieder und sagte mit weicher Stimme: „Ich bin immerhin achtundzwanzig Jahre alt, Dad. In ein paar Monaten werde ich neunundzwanzig. Glaub mir, ich weiß, was ich tue." „Du schläfst mit einem Mann in einer Höhle und sagst mir, du wüsstest, was du tust?" „Ja, genau!" „Maggie, du weißt, was ich von vorehelichem Geschlechtsverkehr halte. Meiner Meinung nach ist es eine Sünde, und ich verstehe beim besten Willen nicht, warum du das anders siehst. Habe ich dich denn wirklich so schlecht erzogen?" Maggie sah ihn traurig an. Sie wusste, dass ihr Vater enttäuscht von ihr war. Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. „Dad, ich liebe ihn. Was kann daran falsch sein?" „Gar nichts. Aber meiner Meinung nach gehört ein Ehering dazu, bevor man mit jemandem intim wird. Deine Mutter war die schönste und begehrenswerteste Frau, die ich je gesehen habe. Aber natürlich haben wir erst miteinander geschlafen, als wir schon verheiratet waren. Ich ... es tut mir Leid, ich kann das einfach nicht unterstützen, Maggie." „Darum bitte ich dich auch gar nicht. Ich möchte nur, dass du mich verstehst." Dabei verstand Maggie selbst nicht recht, was mit ihr geschehen war. Sie wusste nur, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben richtig verliebt war. Die Liebe war ohne Vorankündigung gekommen, sozusagen durch die Hintertür. Aber deswegen war sie trotzdem real. „Und liebt er dich auch?" Maggie errötete. „Das ... das weiß ich nicht." Ihr Vater blieb eine Weile stumm, dann nickte er. „Ich verstehe." „Aber ich bedeute ihm viel", setzte sie nachdrücklich hinzu. „Sonst hätte er mich
nicht mitten im Sturm gesucht. Und ... was auch immer passiert, ich werde ihn auf jeden Fall wieder sehen." Ihr Vater schüttelte resigniert den Kopf. „Wenn das so ist, kann ich leider nicht bleiben, Maggie." Sie sah ihn mit großen Augen an. „Aber das ist Erpressung! Willst du mich zwingen, mich zwischen ihm und dir zu entscheiden?" „Nein, natürlich nicht. Ich habe dir schon vor langer Zeit gesagt, wie man Verlockungen widersteht. Anscheinend willst du das aber gar nicht, und das ist dein gutes Recht. Doch du bist mein einziges Kind, Maggie, und ich kann einfach nicht so tun, als ob deine Handlungsweise mich nicht enttäuschen und verletzen würde." „Aber ... wir wollten doch die Raketen anzünden", protestierte sie, „und Tante Lila und ich haben ein Picknick geplant." Sie schluckte. „Wenn ... wenn ich dir verspreche, Ross erst einmal nicht zu sehen, bleibst du dann?" Ihr Vater dachte über ihren Vorschlag nach. „Du wirst keinen Kontakt mit ihm haben?" Maggie schüttelte den Kopf. „Nein, das verspreche ich dir." „Gut, dann bleibe ich", entschied er. „Vielleicht siehst du in ein paar Tagen ja ein, dass ich Recht gehabt habe." Als Maggie an diesem Abend im Bett lag und über das Gespräch mit ihrem Vater nachdachte, wurde ihr vieles klar. Sie fühlte sich von ihm manipuliert, und obwohl er abgestritten hatte, sie zu erpressen, hatte sie kein anderes Wort dafür. Plötzlich verstand sie auch, warum sie sich entschlossen hatte, wieder zurück nach Comfort zu gehen. Ohne dass sie sich dessen bewusst gewesen war, hatte sie Abstand zwischen sich und ihm schaffen wollen. Er konnte nun einmal nicht anders, er musste sie unbedingt kontrollieren. Und sie musste lernen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Maggie starrte an die Decke und sehnte sich nach Ross. Sie wollte wieder in seinen Armen liegen, wollte ihm nahe sein. Ross hatte sich in den letzten Wochen sehr verändert, und selbst ihr Onkel hatte gesagt, dass er ein guter Kerl war. Aus Respekt für ihren Vater würde sie ihn erst dann wieder anrufen, wenn ihr Vater abgefahren war. Das würde voraussichtlich am Dienstag sein. Danach hatte sie vor, mit Ross ein langes Gespräch zu führen. Sie wollte ihm beweisen, dass auch er sie in seinem Leben brauchte.
11. KAPITEL
Ross stand im Stall und legte seinem Pferd das Zaumzeug an. Es war schon spät am Abend, fast elf, und die meisten Einwohner von Comfort hatten sich bereits zu Bett begeben. Wahrscheinlich waren sie froh, dass sich der Sturm gelegt hatte, ohne allzu viel Schaden angerichtet zu haben. Aber obwohl Ross den ganzen Tag über schwer gearbeitet hatte, war er noch längst nicht müde. „Vielleicht habe ich zu viel Kaffee getrunken", sagte er gedankenverloren zu sich selbst. Entweder war es das, oder seine innere Aufgewühltheit hing mit dem herzlichen Willkommen zusammen, das ihm die Jacksons heute Morgen bereitet hatten. Nachdem Moe ihn drei Jahre lang geschnitten hatte, hatten sie jetzt endlich Frieden geschlossen. Maggie hatte ihn durch ihr freizügiges Verhalten sehr überrascht. Es war wunderbar gewesen, mit ihr zu schlafen, völlig anders als mit den anderen Frauen. Sex mit Brenda war eine Angelegenheit, die man zwar genoss, aber auch bald wieder vergaß. Doch bei Maggie ... wie konnte er dieses Gefühl tiefer Zufriedenheit beschreiben, das ihr Zusammensein bei ihm ausgelöst hatte? Plötzlich tat es ihm Leid, dass er nichts davon erwähnt hatte. Er hätte ihr sagen sollen, wie schön die Stunden mit ihr für ihn gewesen waren. Andererseits ... würde sie dann nicht anfangen, Erwartungen an ihn zu stellen? Ross griff nach einer Bürste und begann sein Pferd zu striegeln. Das war eine schwierige Frage. Er hatte ihr zwar gesagt, dass er ihr nichts versprechen konnte, und sie hatte ihm versichert, dass es ihr darum auch gar nicht ging. Aber wünschte sie sich insgeheim nicht doch einen Mann, mit dem sie ein Heim und Kinder haben konnte? Wahrscheinlich würde sie den morgigen Tag mit ihrem Vater verbringen, aber Montag würde er im Büro vorbeigehen und sie zum Mittagessen ins Cafe einladen. Diese Aussicht hob seine Laune. Eifrig striegelte er die Mähne des Pferdes, dann verließ er den Stall und begab sich endlich zu Bett. Maggie saß gerade am Funkgerät, als Ross am Montag um viertel vor zwölf im Büro erschien. Sie hatte nicht mit ihm gerechnet und lächelte erfreut. Doch ihr Lächeln verschwand sofort, als die Tür erneut geöffnet wurde und ihr Vater in Begleitung von Trent Campion erschien. „Hallo, Ross", sagte Pfarrer Bristol leutselig. „Wunderschöner Tag heute, finden Sie nicht auch?" „O ja." Ross nickte. „Ich hoffe, Sie haben eine gute Zeit in Comfort." „Die habe ich, danke der Nachfrage. Ich habe gerade einige meiner alten Gemeindemitglieder besucht. Und bei dieser Gelegenheit habe ich euren zukünftigen Abgeordneten getroffen." Er schlug Trent, der sich offensichtlich sehr geschmeichelt fühlte, lachend auf die Schulter. „Ich war bei Pfarrer Fremont, um ihm eine Spende für die Kirche zu übergeben. Nachdem das neue Dach steht, kommen als Nächstes die anderen Reparaturen an die Reihe. Der Pfarrer hat gestern nach dem Gottesdienst darüber gesprochen. Erinnerst du dich, Ross?" Ross sah Trent angewidert an. Trent wusste ganz genau, dass er gestern nicht zur Messe gegangen war. Und wahrscheinlich wusste Pfarrer Bristol es auch. So war es nun einmal in einer Kleinstadt wie Comfort ... alle waren über alles informiert. Maggie erhob sich und betrachtete die drei Männer mit sehr gemischten Gefühlen. „Hallo Dad ... hallo Ross ... hallo Trent." Ihr Vater sah sie liebevoll an. „Hallo, Schatz, wie läuft's bei dir?" „Prima. Und bei dir?"
„Alles in Ordnung. Bitte, lass dich nicht aufhalten und kümmere dich um Ross. Trent und ich haben es nicht eilig. Ich nehme an, ihr beide habt etwas Geschäftliches miteinander zu besprechen." Etwas Geschäftliches? Ross sah Maggie verwirrt an. Sie schien sehr verlegen zu sein. „Nein", erwiderte er, „ich bin nur einmal kurz vorbeigekommen, um Maggie zu fragen, ob sie vielleicht Lust hätte, mit mir zu Mittag zu essen." „Und? Hast du Lust?" fragte Pfarrer Bristol und sah seine Tochter durchdringend an. Maggie errötete noch tiefer. „Lust schon, aber ich kann leider nicht", sagte sie entschuldigend zu Ross. „Ich habe es nämlich schon Dad versprochen." Ross war zwar enttäuscht, aber er verstand sie natürlich. Schließlich hatten sie und ihr Vater nicht mehr viel Zeit miteinander, denn übermorgen würde er zurück nach Colorado fahren. Er zögerte kurz und hoffte insgeheim, dass die beiden ihn einladen würden, aber sie taten es nicht. Und wenn er darüber nachdachte, war dies vielleicht gar nicht so schlecht. Pfarrer Bristol war ihm gegenüber zwar ausgesprochen freundlich, aber natürlich war Ross die stumme Zwiesprache zwischen ihm und seiner Tochter nicht entgangen. Irgendetwas schien ihm Busch zu sein. „Gut, dann vielleicht ein anderes ..." „Einen Moment noch", stammelte Maggie. „Ich muss Cy Bescheid sagen, dass ich eine Weile weg bin, damit er ans Telefon gehen kann." Ross sah sie verwirrt an. Was war nur mit ihr los, warum war sie so durcheinander? Dann fing er einen selbstzufriedenen Blick von Trent auf, der neben dem Pfarrer stand, und plötzlich wusste er, was los war. Bei Maggie schien endlich der Groschen gefallen zu sein. Wenn sie allein waren, stand sie zu ihm. Aber sobald ihr Vater zugegen war, wurde er sozusagen zu einer unerwünschten Person. Pfarrer Bristol schien keine besonders hohe Meinung von ihm zu haben, dafür schätzte er anschei nend Ben Campions verwöhnten Sohn. Und wie es aussah, würden sie alle zusammen Mittag essen gehen. „Gut", sagte Ross knapp und setzte seinen Stetson wieder auf. „Dann weiß ich ja Bescheid. Tut mir Leid, wenn ich dich bei der Arbeit gestört habe," Verletzt und verärgert machte Ross sich auf den Weg zum Cafe seiner Tante, das wie immer um diese Zeit bis auf den letzten Platz besetzt war. Er ließ sich an der Theke nieder. „Ich hätte gern paniertes Hühnchen, Sharon", sagte er zu der hübschen blonden Kellnerin, die ihm gleich ein Glas Eiswasser hingestellt hatte. „Sonst noch was zu trinken?" „Nein, danke, das Wasser reicht mir." Im nächsten Moment tauchte seine Tante auf, die ihren Neffen kritisch betrachtete. „Ich habe dich gestern nicht in der Kirche gesehen." „Ich war ja auch nicht da", erwiderte Ross mürrisch. „Ich musste ein paar Bäume fällen, die der Sturm geknickt hat. Wie war es bei dir? Hattest du irgendwelche Probleme?" „Nein, eigentlich nicht. Der Strom ist für ein paar Stunden ausgefallen, und der Keller steht unter Wasser, aber das ist alles." „Gut. Brauchst du noch Hilfe, wenn ich schon einmal da bin?" Perlendes Lachen ertönte auf einmal hinter ihnen. Brenda Larson erhob sich von einem nahe gelegenen Tisch und stellte ihr Glas auf der Theke ab. Sie lächelte Ross verführerisch an. „Vielleicht könntest du etwas für mich tun", sagte sie augenzwinkernd. Ruby schüttelte missbilligend den Kopf. „Vergiss es, Brenda."
In diesem Moment erklang die Türglocke, und Maggie erschien mit den beiden Männern. Ross war einen Moment lang abgelenkt, dann wandte er sich wieder Brenda und seiner Tante zu. „Was soll das, Ruby, warum bist du so gemein zu mir?" fragte Brenda empört. „Weil du es nicht anders verdient hast", lachte die ältere Frau. „Ich mag dich, Brenda, aber du hast nichts außer Männern in deinem hübschen Köpfchen." „Tante Ruby?" mischte Ross sich in diesem Moment ein. „Ja?" „Brenda ist eine alte Freundin von mir, und ich fände es gut, wenn du netter zu ihr wärest." „Aber ich bin doch nett zu ihr, mein Lieber. Sie sollte nur wissen, dass du inzwischen eine Freundin hast und deshalb nicht mehr zu haben bist." Hatte er eine Freundin? Wohl kaum, wenn er an den frostigen Empfang von vorhin dachte. „Hoffentlich täuschst du dich nicht", gab er zurück. „Alle wissen doch, dass ich für einen Spaß immer zu haben bin." „Ach, ja?" fragte Ruby und sah ihren Neffen misstrauisch an. „Seit wann denn das?" „Seit eben", erwiderte Ross und wies mit dem Daumen auf das Trio, das sich gerade an einem frei gewordenen Tisch niederließ. Die beiden Frauen sahen sich neugierig um, dann lachte Ruby verächtlich. „Deswegen? Nun mach dir nicht gleich in die Hosen, mein Junge. Schließlich ist noch nicht aller Tage Abend." Ermahnend setzte sie hinzu: „Kümmer dich lieber um dein Essen und benimm dich anständig." Damit war sie verschwunden. „Wie läuft's so im Büro, Brenda?" fragte Ross die hübsche Rothaarige. „Ganz gut. Im Moment haben wir 'ne Menge zu tun." Aber so leicht ließ sich Brenda nicht ablenken. „Deshalb hast du also so miese Laune", sagte sie mit wissendem Lächeln. „Hast du was mit der Tochter des Pfarrers?" „Quatsch, wie kommst du denn darauf?" entgegnete Ross und fragte sich im Stillen, wo wohl sein Essen blieb. „Wirklich nicht?" „Nein, wirklich nicht." Brenda lachte und wandte sich ab! „Ich glaube, du hast ein Problem, Cowboy." Als Maggie am frühen Abend auf Lilas kastanienbrauner Stute ausritt und schon ganz in der Nähe von Ross' Haus war, vernahm sie das Kreischen einer Motorsäge. Die Sonne stand noch hoch am wolkenlosen Himmel. Sie schien durch das dichte. Gebüsch und fiel direkt auf den sonnengebräunten Rücken eines Mannes. Maggies Herz machte einen kleinen Satz. Ross stand etwa hundert Meter vom Haus entfernt im hohen Gras. Er hatte eine Motorsäge in der Hand, die sich gerade mit ohrenbetäubendem Lärm durch einen gefällten Baumstamm fraß. Nicht weit entfernt davon war sein Wagen geparkt, er schien ganz allein zu sein. Das hoffte Maggie jedenfalls, denn sie mussten unbedingt miteinander sprechen. Sie sprang vom Pferd und band es an einem Baum fest. Dann ging sie auf Ross zu. Aufgrund des Lärms bemerkte er sie zunächst noch nicht, doch dann spürte er ihre Anwesenheit und drehte sich auf dem Absatz um. Aber kein Lächeln begrüßte sie, kein Muskel zuckte in seinem reglosen Gesicht. Man hätte meinen können, seine Züge wären aus Stein. „Hallo", sagte Maggie unsicher. „Hallo", entgegnete Ross knapp und machte Anstalten, sich wieder seiner Arbeit zu widmen. Er ist bestimmt sauer wegen Montag, dachte Maggie unglücklich, und das konnte sie gut verstehen. Sie hatte einfach nicht gewusst, wie sie mit der Situation im Büro
umgehen sollte. Für ihn war es bestimmt auch nicht angenehm gewesen. „Ich habe dich vermisst", begann sie und ließ sich auf dem Baumstamm nieder. „Mich? Oder nur bestimmte Teile von mir?" Sie sprang empört auf. „Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen?" „Wie kannst du es wagen überhaupt noch mit mir zu sprechen? Ich habe die ganze Zeit nichts mehr von dir gehört. Ist dein Vater noch da?" Maggie merkte, dass er es ihr nicht leicht machen würde. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe ihn gerade zum Flughafen gebracht. Und wie ... wie geht es dir?" Noch immer sah er sie unverwandt an. Dann strich er sich das Haar aus dem Gesicht. „Prima. Könnte nicht besser sein." „Ross, bitte, nun sei doch nicht so gemein! Wenn du sauer bist, weil ich am Montag nicht mit dir zum Essen gegangen bin ... „ „Ich bin überhaupt nicht sauer." Er griff erneut nach der Säge und packte sie ins Auto. Dann schnappte er sich ein Handtuch und Seife und schlug den Weg zu den heißen Quellen ein. „Das wäre totale Energieverschwendung." „Verdammt noch mal, warum bist du dann so kalt zu mir?" beschwerte sich Maggie, die sich bemühte, mit ihm Schritt zu halten. Er sah sie nicht an. „Wie kannst du mich nur so anlügen?" „Ich habe dich nicht angelogen!" „Nein? Hast du mir nicht selbst gesagt, dir wäre es egal, was andere Leute von mir denken? Aber kaum taucht dein Vater auf, vergisst du alles wieder." „Ross, das siehst du ganz falsch, ich ..." Er lachte bitter. „Ich kann mir schon vorstellen, dass er nicht besonders erfreut über die Aussicht ist, einen ehemaligen Knastbruder zum Schwiegersohn zu bekommen. Ich hoffe, du hast ihn in dieser Hinsicht beruhigt." Maggie blieb stehen und stampfte wütend mit dem Fuß auf. „Jetzt bleib doch endlich mal stehen und hör mir zu, du Starrkopf! Mein Vater hat deine Vergangenheit überhaupt nicht erwähnt. Er war nur nicht damit einverstanden, dass wir miteinander geschlafen haben." Ross drehte sich langsam um. Sie waren jetzt an der Lichtung angekommen. Er hängte das Handtuch über einen Baum und begann sich die Stiefel auszuziehen. „Hast du denn gar nichts dazu zu sagen?" fragte Maggie, der sein Verhalten völlig unverständlich war. „Was sollte ich dazu sagen?" erwiderte er schulterzuckend und fuhr ungerührt fort, sich weiter auszuziehen. Maggie starrte ihn frustriert an. Er benahm sich ausgesprochen kindisch. Und dabei war es so wichtig, dass sie sich vernünftig miteinander unterhielten, um die Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. „Versteh doch", sagte sie beschwörend, „er kann so etwas nicht gutheißen. Er ist schließlich Priester." „Ja, und er liebt es, Leute zu manipulieren", entgegnete Ross finster. Er wandte sich um, stieg ins Wasser und begann sich von Kopf bis Fuß einzuseifen. Maggie schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass er mich manipulieren wollte", entgegnete sie laut. Ross lachte nur. „Ach, komm, der Fall ist doch klar. Du bist sein süßes kleines Mädchen, und ich verspeise Jungfrauen zum Frühstück, da kannst du jeden fragen." „Ich versichere dir, es geht nicht um deinen Ruf, sondern um meinen, Ross." „Den du gerade dabei bist zu ruinieren, wenn du dich noch weiter mit mir triffst." „Ich bin hier, reicht das nicht?" „Hier?" Er lachte erneut. „Klar, und wir befinden uns in der illustren Gesellschaft von Vögeln und Eichhörnchen. Alle wissen schließlich, wie gern sie klatschen. Ich muss sagen, du gehst wirklich ein großes Risiko ein, Maggie."
Tränen schössen ihr in die Augen, plötzlich reichte es ihr. „Danke, das brauche ich nicht", stieß sie hervor. „Ich gehe." Sie wandte sich um, doch noch bevor sie ihre Drohung in die Tat umsetzen konnte, hatte Ross sie schon am Handgelenk gepackt. Offensichtlich bereute er seine Worte. „Entschuldige, Maggie, das ... das habe ich nicht gewollt. Bitte, verzeih. Es ist nur ... also, wenn du's genau wissen willst: Ich hab dich auch vermisst. Sehr sogar." Maggie rührte sich nicht vom Fleck, und er fügte hinzu: „du warst in einem Zwiespalt, das hätte ich sehen müssen. Also noch mal, bitte entschuldige. Was mich allerdings sehr interessieren würde: Was hast du ihm denn eigentlich erzählt?" Langsam ließ sie sich auf dem feuchten Gras nieder. „Ich ... ich habe ihm gesagt, dass wir beide uns respektieren und dass ich mich nicht schuldig fühle, weil ich mit dir geschlafen habe. Es tut mir wirklich Leid, dass ich dich verletzt habe, Ross. Aber mein Vater hat damit gedroht, dass er auf der Stelle abreisen würde, wenn ich mich während seiner Anwesenheit mit dir treffe. Und noch einmal, es geht nicht um dich, sondern um seinen Moralbegriff. Ich hatte gehofft, du würdest mich verstehen, sobald ich eine Gelegenheit bekommen würde, dir alles zu erklären." Ross kämpfte offensichtlich mit sich, dann nickte er. „Du hast richtig gehandelt, Maggie. Ich finde auch, dass die Familie wichtig ist. Es wäre nicht gut gewesen einen Keil zwischen euch beide zu treiben." Er streckte die Hand aus. Maggie ergriff und drückte sie. Beide schwiegen eine Weile, dann fragte er: „Wie geht es jetzt weiter?" Sie lächelte. „Ich könnte dir den Rücken waschen." Er sah sie überrascht an. „Darum habe ich dich das letzte Mal schon gebeten und du hast abgelehnt." Aber beim letzten Mal hatte sie auch noch nicht gewusst, dass sie sich in Ross verliebt hatte. Entschlossen zog Maggie ihre Stiefel und die Socken aus, dann stieg sie ins warme Wasser.. Ohne ein weiteres Wort zog Ross sie an sich, und ihre Lippen brannten aufeinander, während das Wasser ihre Füße umspülte. Beide waren froh, dass der Streit beigelegt war. Der Kuss dauerte endlos, doch schließlich mussten sie Luft holen. „Möchtest du nicht...", begann Maggie hoffnungsvoll. Ross, der genau wusste, was sie ihn hatte fragen wollen, schüttelte den Kopf. „Nicht hier", sagte er fest. „Ich weiß, es ist sehr romantisch, aber ich habe keine Kondome dabei. Also los, lass uns zurückgehen!" Sie spielten noch ein wenig im Wasser herum, dann zog er sich wieder an. Arm in Arm machten sie sich auf den Rückweg zum Haus. Die Sonne war gerade im Begriff unterzugehen, sie tauchte das Haus in tiefe, warme Farben. Das Schlafzimmer war zwar noch nicht fertig, aber dafür lag Ross' großer Schlafsack auf dem Boden. Nachdem sie rasch die Kleider abgelegt hatten, schlüpften sie hinein. Maggie gab sich seinen Zärtlichkeiten rückhaltlos hin, mit einer Leidenschaft, die der seinen in nichts nachstand. Es dauerte nicht lange, und sie waren wieder vereint. Ihre Körper bewegten sich im gleichen, zunächst noch langsamen Tempo, doch dann steigerte sich ihr Verlangen plötzlich. Ihr Atem wurde schneller, die Küsse fieberhafter, und gemeinsam erreichten sie schon nach kurzer Zeit den Gipfel der Ekstase. Danach lagen sie sich lange still in den Armen und lauschten, bis sich die Atemzüge des anderen wieder beruhigt hatten und der Puls langsamer ging. Maggie liebte diese Minuten besonders, sie spürte das Nachglühen am ganzen Körper. Ross äußerte sich als erster. „Ich kann mich nicht mehr bewegen." Maggie nickte und strich ihm zärtlich durchs Haar. „Gut", flüsterte sie, „das sollst
du auch gar nicht. Am liebsten würde ich hier bleiben, bis morgen oder sogar bis übermorgen." „Ja, das wäre toll", erwiderte. Ross, „aber ..." „Aber was?" Er löste sich vorsichtig von ihr und stützte sich auf den Ellenbogen. „Aber irgendwann würde Lila dich sicher Vermissen und sich Sorgen um dich machen. Außerdem wird es langsam dunkel, und ich möchte nicht, dass du im Dunkeln noch unterwegs bist." Maggie sah ihn spitzbübisch an. „Du machst dir zu viele Gedanken. Ich reite doch gar nicht über die Felder, ich nehme natürlich die Straße." „Trotzdem!" „Na gut", entgegnete sie seufzend und begann sich aus dem Schlafsack zu schälen. „Dann mache ich mich langsam auf den Weg. Übrigens sieht es so aus, als würde ich mir ein neues Auto kaufen müssen. Der Mechaniker hat mir geraten, den alten Wagen möglichst bald zu verschrotten. Wenn mir Tante Lila nicht ihr Pferd geliehen hätte, hätte ich hierher laufen müssen." Sie wollte aufstehen, aber Ross zog sie wieder an sich. Maggie sah ihn überrascht an. „Was ist los? Du wolltest doch, dass ich gehe!" „Ich habe eine Idee", meinte er und begann, ihren Hals mit kleinen, brennenden Küssen zu bedecken. „Ich könnte ja im Auto hinterherfahren, damit du etwas sehen kannst." Nur zu gern ließ Maggie sich auf diesen verlockenden Vorschlag ein. Lächelnd beugte sie sich zu ihm herab und erwiderte seine stürmischen Zärtlichkeiten. „Eine geniale Idee", meinte sie mit funkelnden Augen.
12. KAPITEL
Auf dem Rückweg zur Ranch überfiel Maggie plötzlich ein Gefühl der Einsamkeit. Ross hatte zwar Wort gehalten, er fuhr direkt hinter ihr und half ihr so, den Weg im Dunkeln zu finden. Aber nachdem sie sich vorhin so nahe gewesen waren, fröstelte sie auf dem Rücken des Pferdes. Schließlich kamen sie auf der Ranch an. Maggie führte die Stute in den Stall, während Ross aus dem Auto stieg. Sterne funkelten am Himmel, und der Mond wurde zusehends voller. Grillen zirpten, es herrschte eine erwartungsvolle Stimmung. „Ich weiß nicht, wie viel Zeit wir diese Woche haben werden", sagte Ross leise. „Wir fahren jetzt die Heuernte ein, das wird bestimmt einige Tage dauern. Und danach habe ich Roy Lang versprochen, bei ihm vorbeizuschauen." „Roy Lang?" Ross nickte. „Roy züchtet Stiere fürs Rodeo. Er hat mir angeboten, dass ich bei ihm üben darf." „Ach, richtig", sagte Maggie, „ihr steht ja kurz vor dem großen Finale, nicht wahr? Am Montag im Cafe hat Trent erwähnt..." Sie brach mitten im Satz ab und wurde rot. Ross sah sie stirnrunzelnd an. „Was hat er erwähnt?" „Egal, es ist wohl nicht so wichtig." „Also los, was hat er gesagt?" „Er hat mich eingeladen zu kommen. Doch dann hat er gemerkt, dass mein Dad nichts vom Rodeo hält, und er hat über etwas anderes gesprochen." „Typisch Politiker", sagte Ross verächtlich. „Nein, das finde ich nicht. Er hat nur Rücksicht auf meinen Vater genommen. Wenn du dort gewesen wärst, hättest du das Gleiche getan." „Kann schon sein. Aber ich war nicht da, nicht wahr?" „Nein", erwiderte Maggie, und sie verspürte wieder die gleiche Eifersucht, „du hast mit der Rothaarigen aus dem Versicherungsbüro geflirtet." „Ich habe nicht mit ihr geflirtet", erwiderte Ross scharf. „Brenda ist eine alte Freundin von mir, das ist alles." Maggie hätte gern nachgefragt, aber sie war klug genug, einen Streit zu vermeiden. Sie waren jetzt am Haus angekommen. Ross griff nach ihrer Hand und führte sie zur Veranda. „Darf ich dich etwas anderes fragen?" „Natürlich." „Warum machst du das eigentlich, das mit dem Rodeo, meine ich. Es ist so gefährlich, du könntest dich schwer verletzen." Ross schüttelte den Kopf. „Nein, es ist sicherer, als du denkst. Die Reiter tragen extra Schutzkleidung, und dann gibt es ja auch noch die Clowns, die die Stiere ablenken, sobald ein Cowboy in Schwierigkeiten gerät." „Danach habe ich nicht gefragt." „Ach so, du willst wissen, warum ich es mache?" Er blieb einen Moment lang stumm und meinte dann: „Als ich mit dem Spielen aufhörte, brauchte ich einen anderen Nervenkitzel ... etwas, das mir das Gefühl gab, am Leben zu sein. Eine Weile habe ich sogar daran gedacht, es professionell zu machen und mich für die großen Rodeoveranstaltungen in Kansas City, Albuquerque und Las Vegas einzuschreiben, wo man wirklich viel Geld verdienen kann." Maggie sah ihn erschrocken an. Waren das seine Pläne? Wollte er von hier fort? „Willst du das immer noch?" Ross schüttelte den Kopf.
„Nein, jetzt nicht mehr. Ich möchte mit meinem Leben etwas anderes anfangen." Er lächelte sie an. „Außerdem habe ich jetzt ja einen neuen Kick gefunden." Maggie ließ es zu, dass er sie an sich zog. Sein letzter Satz war zwar ein zweifelhaftes Kompliment gewesen, aber was hatte sie denn erwartet? Es war höchst unwahrscheinlich, dass Ross ihr jemals sagen würde, dass er sie liebte. Doch immerhin schien sie ihm nicht gleichgültig zu sein. „Bist du am Sonntag auch dabei?" fragte sie neugierig. „Na klar. Trent erwartet mich schließlich. So, und jetzt solltest du reingehen, sonst bekommst du noch Ärger mit deinem Onkel." „Ach, Moe hat sich schon an dich gewöhnt", lachte Maggie. „Gut. Ich wünsche mir sehr, dass unser gutes Verhältnis so bleibt. Schließlich habe ich schon genug Fehler gemacht." Maggie wurde klar, dass ihn seine Vergangenheit noch immer sehr belastete. „Wolltest du deshalb auch nicht mit mir schlafen? Weil du keine Kondome dabei hattest?" Ross nickte. „Wir brauchen diesen Stress nicht. Das Kinderkriegen überlasse ich lieber meinem Bruder." „Heißt das, du willst selbst keine Kinder haben?" fragte Maggie, und sie verspürte plötzlich einen Stich in der Brust. „Nein. Keine Kinder und keine Familie. Ich gehöre nun einmal nicht zu dieser Sorte Männern, Maggie. Wenn du dir einen Ehemann wünschst, müssen wir uns auf der Stelle trennen." Er irrte sich, er musste sich einfach irren. Sie hatte schließlich mit eigenen Augen gesehen, wie gut er mit seiner Nichte umgehen konnte. „Wovor hast du eigentlich solche Angst?" fragte sie herausfordernd. Ross grinste sie an. „Ich? Angst? Ein Cowboy hat niemals Angst." Doch dann wurde er wieder ernst. „Also gut, ich werde es dir sagen. Ich habe Angst vor dir, Maggie, höllische Angst sogar." „Das ist absolut überflüssig", erwiderte sie und gab ihm einen langen, liebevollen Kuss. Doch innerlich spürte sie, dass er bereits dabei war, sich von ihr zurückzuziehen. Und tatsächlich löste er sich bald von ihr. „Ich muss gehen", sagte Ross mit weicher Stimme. „Werde ... werde ich dich morgen sehen?" fragte sie stockend. Er wusste nicht, was er ihr darauf antworten sollte. „Mal sehen", erwiderte er unbehaglich. „Wie ich dir schon sagte, wir müssen das Heu einfahren. Aber vielleicht melde ich mich später." Maggie nickte und wandte sich zum Haus. Doch vor der Tür drehte sie sich noch einmal um. „Ich fand es wunderschön heute Abend", sagte sie. „Ja, ich auch." Genau das war ja das Problem. Ross wartete, bis sie ins Haus gegangen war. Dann ging er zu seinem Wagen. Innerlich verfluchte er sich, weil er es so weit hatte kommen lassen. Er hätte sie gar nicht erst so nahe an sich heranlassen sollen, denn jetzt erwartete sie natürlich mehr von ihm. Mehr, als er ihr geben konnte oder wollte. Nein, es gab gar keinen anderen Weg, er musste diese Geschichte beenden, und zwar so schnell wie möglich. Aber trotz seiner guten Vorsätze griff Ross am Ende des nächsten Arbeitstags doch zum Telefonhörer. Maggie nahm sofort ab. „Hallo, ich bin's", sagte er. „Hallo!" Maggie klang sehr erfreut. „Wie geht's dir?" „Ich bin hundemüde."
Sie lachte. „Ja, das kann ich mir vorstellen." „Und dir?" „Mein Tag war ein bisschen merkwürdig. Aber wir können gern ein anderes Mal darüber sprechen." „Wie wär's mit Freitag?" fragte Ross und hätte sich dann am liebsten auf die Zunge gebissen. Warum konnte er die Geschichte mit Maggie nicht beenden, wie er es sich vorgenommen hatte? Es war doch klar, dass sie ganz verschiedene Vorstellungen vom Leben hatten. „Morgen kommt ein Teil der Möbel, die ich bestellt habe, außerdem wird die Wasserleitung installiert. Wenn du magst, kannst du dir am Freitag alles ansehen." „Prima! Um wie viel Uhr wäre es dir recht?" Ross überlegte. In diesem Moment betrat sein Bruder das Zimmer, der ihn wissend anlächelte. Stirnrunzelnd ging er mit dem Telefon ins nächste Zimmer. „Ich wollte nach der Arbeit noch zum Üben zu Roy fahren. Aber danach wäre gut. Sagen wir um acht?" „Acht Uhr passt mir sehr gut." „Wunderbar! Bis dann!" Ross hängte auf. Er war wütend auf sich selbst, andererseits aber auch sehr aufgeregt bei dem Gedanken, dass er Maggie in nur zwei Tagen wieder sehen würde. Am Freitagabend stand Ross gerade unter der Dusche, als er Maggie kommen hörte. Sie war eine gute Viertelstunde zu früh. Er drehte die Dusche ab und schnappte sich seine Jeans. Auf dem Weg nach draußen knöpfte er sich noch rasch das Hemd zu, dann riss er die Tür auf. Draußen ging gerade die Sonne unter und hüllte alles in einen warmen, purpurnen Glanz. Und diese wunderschöne junge Frau kam auf ihn zu. „Hallo", sagte er mit weicher Stimme. „Hallo." Maggie strahlte ihn an. Sie war nicht anders gekleidet als tausende anderer junger Frauen auch ... sie trug Jeans und ein helles Baumwollhemd. Aber sie hatte etwas Besonderes an sich, das Ross' Herz schneller schlagen ließ. Beide sahen sich an und hatten den gleichen Impuls. Er zeigte ihr noch schnell die Möbel, die gestern angekommen waren, doch es dauerte nicht lange, da lagen sie auch schon wieder miteinander im Bett und teilten die Wonnen der Liebe miteinander. Als sie sich danach in den Armen lagen, fragte Ross Maggie: „Erzähl doch mal, was war denn am Mittwoch so komisch?" „Ben Campion kam zu uns ins Büro. Er und Cy haben sich wieder über die Wahl gestritten. Aber das Komische war, dass Ben schließlich eingelenkt hat." „Das ist wirklich merkwürdig. Schließlich ist Cy nur deshalb Sheriff geworden, weil der alte Campion ihn im Wahlkampf unterstützt hat." Maggie nickte. „Stimmt, aber er scheint irgendeinen Trumpf in der Hand zu haben. Sie haben sich vorher schon einmal gestritten, es ging um das Geld für Cys Wahlkampf. Ich habe genau gehört, wie er Ben gesagt hat, er müsse für die Unkosten aufkommen, sonst würde Trent nicht Abgeordneter werden." „Und wie erklärst du dir das Ganze?" „Ich halte es für Erpressung. Als Ben Campion das Büro verließ, hatte er einen Stoß Papiere in der Hand. Sobald er mich sah, steckte er sie schnell weg. Das war schon fast ein bisschen paranoid. Ich hätte zu gern gewusst, was das für Papiere waren." Ross hatte ihr aufmerksam zugehört, doch bei ihren letzten Worten hatte er erneut begonnen, ihre Brust zu streicheln. Maggie ging bereitwillig auf seine Zärtlichkeiten ein, und schon bald hatten die beiden die Szene im Büro vergessen.
Als Maggie auf dem Rodeo erschien, waren die Festivitäten bereits in vollem Gange. Flaggen wehten im Wind, aus den Lautsprechern ertönte Country and Western Music, und der Geruch von Hamburgern, Pommes frites und frisch gebrannter Zuckerwatte erfüllte die Luft. In wenigen Minuten würde der Wettkampf stattfinden. Auf den Sieger wartete ein Preisgeld von tausend Dollar. Maggie suchte sich einen Platz auf der Tribüne. Kaum hatte sie sich niedergelassen, hörte sie auch schon, wie jemand ihren Namen rief. Sie sah sich suchend um und sah Trent Campion auf sich zukommen. „Hallo", sagte sie freundlich. „Wie geht's?" „Blendend", erwiderte Trent mit strahlendem Lächeln. Er war wie immer tadellos gekleidet und musste auf. dem Weg zu ihr viele Hände schütteln. Doch schließlich hatte er sie erreicht und ließ sich neben ihr nieder. „Du bist viel zu früh", sagte er dann zu Maggie. „Ich bin erst in einer Stunde dran." Sie sah ihn ungläubig an. Trent war wirklich unglaublich eingebildet. „Ich wollte ein wenig von der Atmosphäre mitbekommen, bevor es richtig losgeht", erwiderte sie. „Hast du eine gute Wahl erwischt?" „Ja, ich glaube schon. Aber alle Stiere sind ziemliche Kaliber. Weißt du eigentlich, nach welchen Kriterien die Preisrichter entscheiden?" „Nein, keine Ahnung." „Dann sollte es dir jemand mal erklären." „Das hat jemand auch vor", erklang plötzlich hinter ihnen eine tiefe, männliche Stimme. Maggie, die sich die ganze Zeit schon vergeblich nach Ross umgesehen hatte, strahlte ihn an, und er lächelte zurück. Seine schwarze Weste stand offen, darunter trug er ein dunkelgrünes Hemd. Da er in den letzten zwei Tagen ununterbrochen auf den Feldern gearbeitet hatte, war er jetzt noch viel brauner als vorher, und seine Augen erschienen ihr noch blauer. In diesem Moment erklang die Stimme des Ansagers durch den Lautsprecher, und Maggie fiel gerade noch rechtzeitig ein, dass sie nicht allein waren. Sie wandte sich wieder an Trent: „Es geht gleich los. Du musst wahrscheinlich in die Boxen. Aber du kannst auch gern noch hier bleiben, wenn du magst." „Hier?" Trent warf Ross einen abschätzigen Blick zu und schüttelte den Kopf. „Nein, vielen Dank, ich verzichte auf diese zweifelhafte Ehre. Sie haben also ‚Cowboys Plage' gezogen, Ross." „Ja und Sie ,Wirbelsturm'. Das ist ein ausgezeichneter Stier." „Nicht nur das", entgegnete Trent kühl. „Er ist der Beste." „Wir werden sehen!" Ross wies auf den Platz neben Maggie, und Trent stand widerwillig auf. Mit einem knappen Nicken verabschiedete er sich von ihr. Sie sah ihm nach und bedauerte, dass es zu dieser unschönen Szene gekommen war. Andererseits musste Trent erkennen, dass sie ihm bestenfalls eine Freundschaft anbieten konnte. Sie gehörte zu Ross, mit ihrem ganzem Körper und ihrer ganzen Seele. Kurz danach wurden die Teilnehmer des Wettreitens aufgefordert, sich auf ihre Plätze zu begeben, und Ross verabschiedete sich von Maggie. Jeder Cowboy hatte zwei Versuche. Die fünf Besten würden dann um die vordersten Plätze kämpfen. Aber schon der erste Reiter konnte sich nicht die verlangten acht Sekunden auf dem Rücken des wütenden Stiers halten. Dem zweiten hingegen gelang es, und er erzielte auch ein beachtliches Ergebnis. Das meinten jedenfalls Jess, Casey und Ruby, die in letzter Sekunde erschienen waren und noch einen Platz neben Maggie ergattert hatten. Dann wurde Ross aufgerufen. Maggies Herz machte einen großen Satz, und sie atmete erst wieder aus, als nach acht Sekunden die Sirene erklang und er vom Rücken des Tiers direkt in die staubige Arena sprang. Die Clowns gaben sich alle Mühe, um
den Stier von ihm abzulenken. Nach der ersten Runde lagen Ross und Trent klar vorn, Ross führte mit zwei Punkten vor seinem schärfsten Konkurrenten. Nichts veränderte sich in der zweiten Runde, außer dass die Stiere noch größer und gefährlicher wurden. Ross lieferte erneut eine meisterhafte Leistung und führte damit weiterhin vor Trent. Als dann endlich das Finale begann, hatte Maggie bereits einen Muskelkater vom vielen Daumendrücken. Sie war ziemlich nervös, und als sie den riesigen Stier sah, auf dem Ross als Nächstes reiten sollte, wurde sie bleich. „Du liebe Güte", stieß sie entsetzt hervor. „Entspann dich", riet Jess ihr. „Vergiss nicht, er hat diesen Burschen schon einmal geritten. Mach dir keine Sorgen, er wird es schon schaffen." „Wirklich?" gab sie ängstlich zurück, und dann passierte etwas Unvorhersehbares. Ohne dass Ross zum Start bereit war, wurde plötzlich das Tor geöffnet, und der Stier stürmte heraus. Es war viel zu früh, denn Ross hatte nicht die Gelegenheit gehabt, sich richtig im Sattel zu platzieren. Ein Schrei ging durch die Menge, und mit schreckgeweiteten Augen sah Maggie zu, wie ersieh mit aller Macht auf dem Rücken des rasenden Tiers zu halten versuchte. „Welch ein Ritt, meine Damen und Herren, welch ein Ritt", rief der Ansager begeistert. „Pack ihn dir, Ross, zeig ihm, was 'ne Harke ist!" Doch im nächsten Moment drehte sich der Stier blitzschnell nach rechts. Damit hatte Ross nicht gerechnet, und er reagierte nicht schnell genug. Er flog in hohem Bogen durch die Luft und wurde mit lautem Krach gegen das metallene Tor geschleudert.
13. KAPITEL
„Ross? Ross!" Maggie kämpfte sich durch den Pulk von Männern, die sich vor der Umkleidegarderobe drängten, in die sie Ross nach dem Unfall getragen hatten. Hinter Maggie kam Jess, der ihr immer wieder versicherte, dass sie sich keine Sorgen machen sollte. Aber sie hörte gar nicht auf ihn. Endlich hatte sie die Tür erreicht und erblickte Ross, der angeschlagen auf dem Sofa in der Garderobe saß und sich von George Hellstrom, dem schon etwas älteren praktischen Arzt der Stadt, untersuchen ließ. Doch plötzlich trat Trent ihr in den Weg. „Maggie, du kannst jetzt nicht zu Ross", sagte er drohend. „Lass Doc Hellstrom ihn doch erst einmal untersuchen." „Trent, wenn du nicht sofort verschwindest..." „Lass sie lieber durch, Trent", sagte der Arzt, der Maggie schon zur Welt gebracht hatte. „Ich habe den Eindruck, sie meint es ernst." Im nächsten Moment kniete sie vor dem Sofa und ergriff Ross' Hand. „Bist du okay?" fragte sie ängstlich. Er stöhnte nur leicht, und sie wandte sich sorgenvoll an den Arzt. „Doc?" „Keine Angst, Maggie, es ist ihm anscheinend nicht viel passiert. Seine Rippen sind in Ordnung, ich habe ihm nur vorgeschlagen, kurz ins Krankenhaus zu fahren um sich röntgen zu lassen. Es könnte durchaus sein, dass er sich eine leichte Gehirnerschütterung zugezogen hat." Er wandte sich an seinen Patienten. „Na, wie sieht's aus? Es würde bestimmt nicht lange dauern." Ross schüttelte den Kopf. „Nein, Doc, nicht nötig, mir geht's gut." „Ross, wenn der Doc meint, du solltest..." „Ich habe gesagt, mir geht's gut", wiederholte Ross, ohne Maggie anzusehen. „Wahrscheinlich wird er mit Kopfschmerzen davonkommen", bemerkte der Arzt achselzuckend. Er griff in seine Tasche und holte mehrere Packungen Schmerztabletten daraus hervor, die er Ross reichte. „Hier, falls die Schmerzen schlimmer werden sollten." Ein erleichtertes Raunen ging durch die Menge, als die Diagnose des Arztes bekannt wurde. Einige seiner Mitstreiter traten auf Ross zu und klopften ihm aufmunternd auf die Schulter. Maggie hatte den Eindruck, dass sich die öffentliche Meinung zu seinen Gunsten gewendet hatte, was sie sehr freute. Plötzlich trat ein kleiner, dünner Mann hervor. Er machte einen sehr nervösen Eindruck. „Gut, dass dir nichts passiert ist, Ross", sagte er aufatmend. Ross sah ihn an, seine Züge wurden hart. Maggie, die sich auf das Ganze keinen Reim machen konnte, wandte sich fragend an Jess, der den Neuankömmling ebenfalls stirnrunzelnd betrachtete. Er hatte blondes Haar, war etwa Ende dreißig, und sein Atem roch nach Whisky. Außerdem hatte er sich offensichtlich seit Tagen nicht mehr rasiert. „Bist du der Typ, der das Tor geöffnet hat, Dooley?" Der Mann nickte unbehaglich. „Der Herr ist mein Zeuge, Jess. Ich habe gehört, wie er gesagt hat, ich soll das Tor öffnen, genau wie immer." Ross erhob sich und sank dann sofort wieder stöhnend zurück. „Du bist ein verdammter Lügner, Dooley. Ich habe überhaupt nichts gesagt. Ich saß ja noch nicht mal richtig auf dem verdammten Stier." „Aber ich habe doch ganz genau gehört, wie du ..." Jess trat nach vorn und packte ihn beim Kragen. „Ich weiß genau, was du gehört
hast... das hübsche Rascheln von ein paar blauen Scheinen." „Nein, nein, das stimmt nicht. Es war ein Unfall, ich schwöre es!" Doc Hellstrom mischte sich ins Gespräch ein. „Dies ist nicht der richtige Ort, Jess. Ross braucht jetzt vor allem Ruhe. Ich muss dich bitten, Rücksicht auf meinen Patienten zu nehmen." Jess erstarrte, doch dann nickte er und ließ den völlig verängstigten Cowboy los. „Verschwinde", sagte er drohend. „Ich möchte dich nie wieder in den Boxen sehen, wenn du etwas getrunken hast." Dooley ließ sich das nicht zweimal sagen und trollte sich davon. Doc Hellstrom seufzte und packte seine Instrumente wieder in seine Tasche. Dann sagte er ruhig zu Ross: „Du solltest besser noch eine Weile liegen bleiben, bis du wieder einen klaren Kopf hast. Und wenn dir irgendwie schlecht werden sollte, lässt du dich sofort ins Krankenhaus bringen, verstanden?" Als Ross darauf nicht antwortete, ergriff Maggie für ihn das Wort. „Ich verspreche es Ihnen, Doc", sagte sie fest. „Gut. Es liegt jetzt in deiner Verantwortung, Maggie. Achte darauf, dass er ruhig bleibt." Nachdem der Arzt verschwunden war, meinte Jess mit ironischem Lächeln zu seinem Bruder: „Ich muss sagen, das war wirklich ein Teufelsritt." „Ja, aber verloren habe ich trotzdem", erwiderte Ross verbittert. „Tut mir Leid. Du hast ja gehört, Dooley behauptet, es wäre ein Unfall gewesen." Ross nickte. „Klar, und der Papst spielt Karten. Wir wissen schließlich beide, dass Dooley ein Feigling und ein Säufer ist, der schon immer gern die Hand ausgestreckt hat. Ich hab ihm nicht befohlen, das Tor zu öffnen, und ich würde meine rechte Hand geben, um herauszufinden, wer hinter dieser Schweinerei steckt." Jess nickte. „Gut, ich werd mich mal umhören. Vielleicht hat ja irgendjemand etwas beobachtet. Und jetzt werd ich erst mal Casey und Tante Ruby Bescheid sagen, dass dir nichts passiert ist." „Danke, Jess." Nachdem er gegangen war, ließ Maggie sich auf dem Sofa nieder und strich Ross sanft übers Haar. „Bist du Wirklich okay?" fragte sie besorgt. „Klar, alles in Ordnung. Ich habe zwar gerade tausend Dollar verloren, die ich gut hätte brauchen können, aber ansonsten ist alles prima." Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. „Kann ich irgendetwas für dich tun? Möchtest du etwas zu trinken?" „Nein, lass mich bitte nur ein bisschen allein." „Ich halte das für keine gute Idee." „Ich schon. Sieh dir das Rodeo bis zum Schluss an, dann kannst du dabei sein, wenn Trent seinen Sieg feiert." Das klang wirklich sehr bitter. Maggie sah ihn prüfend an. „Du glaubst doch wohl nicht, dass Trent etwas damit zu tun haben könnte, oder?" „Wer sonst? Gibt es sonst noch jemand, der davon profitiert hätte?" „Ach, komm, das ist doch absurd! Warum hätte er Dooley bestechen sollen, um dich aus dem Rennen zu werfen? Die Campions sind Millionäre. Er ist auf das Preisgeld überhaupt nicht angewiesen." „Es geht doch gar nicht ums Geld", erwiderte Ross ärgerlich. „Es geht um die Publicity. Verstehst du denn nicht, dass Trents Vater schon seit Jahren versucht, ihn politisch aufzubauen, und ihm dieses Image des ,All-American Boy' verpasst, damit er endlich in den Senat kommt? Was könnte ihm da gelegener kommen als ein Sieg im Rodeo?" „Aber ... aber das wäre doch kriminell und ..." Ross erhob sich abrupt und machte Anstalten, das Zimmer zu verlassen. Maggie
eilte ihm nach und versperrte ihm den Weg. „Hey, was hast du vor? Du sollst dich doch ausruhen!" „Maggie, ich muss auf die Toilette", erwiderte er aufgebracht. „Lass mich vorbei, du bist schließlich nicht mein Kindermädchen." „Aber ich habe doch Doc Hellstrom versprochen, auf dich aufzupassen!" Ohne ein weiteres Wort schob er sie einfach zur Seite und stürmte aus dem Zimmer. Maggie wusste, sie konnte ihn nicht aufhalten. Mit schlechtem Gewissen verließ sie das Gebäude und ging zurück auf ihren Platz auf der Tribüne Das Rodeo näherte sich langsam dem Ende. Als Ross nach weiteren zehn Minuten endlich erschien, wurde bereits die Preisverleihung angekündigt. Unter dem frenetischen Applaus der Menge überreichte Ben Campion seinem einzigen Sohn und Erben den ersten Preis in Form eines Schecks über tausend Dollar. Der Applaus steigerte sich noch, als Trent verkündete, das Geld für gemeinnützige Zwecke zu stiften. Ross erhob sich. „Tut mir Leid, das kann ich nicht mit ansehen", sagte er angewidert zu Maggie. „Ich muss hier raus." „Darf ich mitkommen?" fragte sie. Er sah sie erstaunt an. „Möchtest du das denn? Tut mir Leid, dass ich vorhin so unhöflich zu dir war." „Kein Problem", entgegnete Maggie und erhob sich. Sie hatte seinen Ärger und seine Enttäuschung gut nachvollziehen können und nicht eine Minute lang geglaubt, dass sie gegen sie gerichtet waren. Gemeinsam verließen sie die Tribüne und schlugen den Weg zum Parkplatz ein. Aber leider war der Fall damit noch nicht abgeschlossen, denn als sie näher kamen, sah Maggie bedrückt, dass der Sheriff und Mike Halston neben Ross' Wagen standen. Offensichtlich hatten sie auf ihn gewartet. „Stimmt etwas nicht, Cy?" fragte Maggie ihren Vorgesetzten betont munter. „Das wird sich noch herausstellen", entgegnete der Sheriff grimmig. „Könnten Sie bitte mal den Kofferraum aufmachen, Ross?" „Darf ich fragen, warum?" „Ja, irgendjemand ist mit den Eintrittsgeldern durchgebrannt." Ross- lief dunkelrot an. „Und ihr untersucht jetzt alle Autos? Oder nur meins?" Maggie sah Mike besorgt an, der sofort zur Seite schaute. Offensichtlich war ihm das Ganze peinlich. „Tun Sie mir den Gefallen, und zeigen Sie uns einfach Ihren Kofferraum. Sonst sind wir nämlich gezwungen, es selbst zu tun." „Ohne einen Durchsuchungsbefehl?" „Den würden wir schon bekommen", erwiderte Cy ruhig. „Laut Aussage von Doc Hellstrom wart ihr beiden die letzten im Büro. Ich vertraue Maggie, und ich vertraue Ihnen. Nun machen Sie keine Umstände, und tun Sie, worum wir Sie gebeten haben." „Das ist ja lächerlich", schnaubte Ross aufgebracht. „Nachdem Maggie und ich gegangen sind, habe ich das Büro nicht mehr betreten." Dennoch folgte er der Aufforderung des Sheriffs und riss den Kofferraum auf. Maggies Herz machte einen großen Satz, und Ross erbleichte. Wie erstarrt sahen sie auf die graue Metallkassette. Auch Farrell schien überrascht zu sein. Doch dann fing er sich wieder und bat seinen Stellvertreter, die Kassette herauszunehmen. Halston holte ein Taschentuch hervor und untersuchte sie. „Sie ist verschlossen." „Verstehe." Farrell schien sich auf das Ganze keinen Reim machen zu können. Aber wie es seine Pflicht war, wandte er sich zu Ross und klärte ihn über seine Rechte auf. Dennoch hatte Maggie den Eindruck, als würde der Sheriff zögern, ihn zu verhaften. „... haben Sie das Recht auf einen Anwalt. Wenn Sie keinen Anwalt hinzuziehen wollen, wird der Staat..."
Maggie hörte gar nicht mehr zu. Was war geschehen, nachdem Ross aus dem Büro gestürmt war? Hatte ihn irgendjemand gesehen? War dies etwa eine Verschwörung? Ihr Verstand sagte ihr, dass es höchst unwahrscheinlich war, dass man seine Fingerabdrücke auf der Schatulle finden würde. Doch dann fiel ihr wieder ein, dass er für seinen Auftritt Handschuhe getragen hatte. So ließen sich die fehlenden Fingerabdrücke leicht erklären. Erste Zweifel befielen sie, und sie sah ihn vorwurfsvoll an. „Ich habe gedacht, ich würde dich kennen", sagte sie kühl. „Wie konntest du nur so etwas tun?" Der Schmerz und die Enttäuschung in Ross' Augen brachten sie fast um. Drei Stunden später verabschiedete sich Maggie von Mike und Cy, der sie jetzt offiziell zu seiner Stellvertreterin ernannt hatte. Dann suchte sie Ross in der Zelle auf, in die man ihn gesperrt hatte. Als sie ihn erblickte, hatte sie ein merkwürdiges Deja-vu-Gefühl. Wie bei ihrer ersten Begegnung lag er wieder ausgestreckt auf einer Pritsche. Er war von oben bis unten mit Staub bedeckt und hatte seinen Stetson neben sich liegen. Er reagierte nicht auf ihren Eintritt. „Ross?" fragte sie nach einer Weile vorsichtig. „Verschwinde!" Maggie schüttelte den Kopf. „Ich gehe erst, nachdem ich dir erklärt habe, warum ich so und nicht anders gehandelt habe. Glaub mir, ich hatte meine Gründe!" „Ja, das glaube ich. Ich hab das schon mal von dir gehört, und es hat mir auch beim ersten Mal nicht besonders gefallen." „Ross, bitte, lass mich dir doch erklären ..." „Erklär es jemand anderem! Ich bin mit dir fertig!" Maggie spürte, wie ihr die Tränen kamen, aber sie unterdrückte sie tapfer. „Nun sei doch nicht so stur! Versteh doch, ich will dir helfen und ... das kann ich nur in meiner neuen Position." Ross hörte ihr mit versteinerter Miene zu. „Ich werde versuchen, noch einmal Zugang zu dem Büro zu bekommen. Wenn du mit deiner Vermutung Recht hast und Trent hinter dem Ganzen steht, müssen wir das natürlich beweisen." Sie verstummte und wartete auf eine Reaktion von ihm, die aber nicht kam. „Hast du mir überhaupt zugehört?" „Ja." „Und was sagst du?" Er sah sie mit kalten blauen Augen an. „Tschüß!" Maggie spürte, dass im Moment nicht mit ihm zu reden war. Mit dem letzten Rest von Würde drehte sie sich um und verließ den Raum. Als sie ins Büro kam, war Mike noch immer da. Ohne ein weiteres Wort reichte er ihr ein paar Taschentücher. „Danke", erwiderte sie mit schiefem Lächeln, nachdem sie die Tränen abgewischt hatte. „Entschuldige." „Bist du okay?" „Nein, aber das ist jetzt auch nicht wichtig. Wann ist die Anhörung?" „Am Montag um drei." „Wer wird Ross vertreten?" ,;Mark Walker. Nachdem Ross mit seinem Bruder gesprochen hat, war er zehn Minuten später hier." Ross würde also bis Montag im Gefängnis bleiben müssen. Wahrscheinlich würde er dann gegen Kaution freigelassen werden, aber das ganze Wochenende in diesem Gefängnis hier eingesperrt zu sein war natürlich ziemlich frustrierend.
„Gut, ich verschwinde dann jetzt", sagte sie zu Mike. „Ja, mach's gut. Und wenn du jemanden brauchst..." Maggie sah ihn überrascht an, und er errötete. „Ich meinte nicht mich, obwohl... wenn ich ehrlich bin, hab ich schon mal darüber nachgedacht. Aber eigentlich meinte ich Trent. Er war vorher mit seinem Vater hier und hat sich erkundigt, wie es dir geht." Die Aussicht, sich bei Trent ausweinen zu können, lockte Maggie nicht im Geringsten. Inzwischen war sie davon überzeugt, dass die mysteriösen Vorgänge der letzten Wochen bis hin zu Ross' Verhaftung alle zusammenhingen. Wenn sie das Rätsel lösen konnte, was Ben und Cy miteinander verband, würde es ihr auch gelingen zu beweisen, dass Ross unschuldig war. Die ganze Sache war vollkommen lächerlich! Welcher Dieb würde schon eine Geldkassette stehlen, sie im Kofferraum seines Wagens verstecken und sich dann seelenruhig das Ende des Rodeos anschauen? Warum suchte Cy nicht nach anderen Verdächtigen? „Maggie? Ist noch irgendetwas?" Sie zwang sich zu einem Lächeln und schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin nur müde. Es war ein anstrengender Tag. Bis übermorgen." Die Sorge um Ross, ihr schlechtes Gewissen und die Angst vor dem, was kommen mochte, verhinderten, dass Maggie in dieser Nacht gut schlafen konnte. Außerdem fühlte sie sich schuldig, weil sie ihn den ganzen Sonntag nicht in der Zelle aufsuchte. Aber sie hatte erst am Montag wieder Dienst. Sie wollte unbedingt verhindern, dass Cy und Mike herausfanden, wie sehr ihr Ross am Herzen lag. Mike schien allerdings einen Verdacht zu haben, das hatte ihr sein misstrauischer Blick gezeigt. Dafür zerbrach sie sich das ganze Wochenende den Kopf, was es mit dieser Verschwörung auf sich haben konnte. Als Cy und sein Stellvertreter Montagmittag das Büro verließen, ging sie schnell in Ross' Zelle und steckte ihm ihre Fragen zu. Er sah sie nicht an, aber das hatte sie auch gar nicht erwartet. Warum wollte Trent Ross vernichten? Das war die erste Frage, die ihr in den Sinn gekommen war und die sie Ross auch stellen wollte. Die einzig plausible Antwort, die ihr selbst eingefallen war, war Eifersucht. Trent hatte es anscheinend auf sie abgesehen. Vielleicht spielte dabei ja auch der Umstand, dass sie .die Tochter eines Priesters war, eine Rolle bei seinen ehrgeizigen Plänen. Was hatte Ben Campion mit dem Ganzen zu tun? Versuchte er etwas zu vertuschen? Vielleicht gab es dunkle Punkte in Trents Leben, die unbedingt geheim bleiben sollten. Und was war mit Cy? Konnte es sein, dass dieser etwas unterschlagen und dafür im Gegenzug Bens Unterstützung für seinen Wahlkampf verlangt hatte? Und wo war Trent während des Rodeos gewesen? Maggie war so mit Ross beschäftigt gewesen, dass sie ihn völlig aus den Augen verloren hatte. Hatte er für die fragliche Zeit, in der die Kassette verschwunden war, überhaupt ein Alibi? Maggie ließ Ross mit diesen Fragen zunächst allein. Doch als sie nach fünf Minuten zurückkehrte, stellte sie erleichtert fest, dass er am Lesen war. Sie wartete, bis er fertig war, betrat erst dann seine Zelle und ließ die Tür offen für den Fall, dass Cy und Mike vorzeitig zurückkommen würden. „Also, fällt dir dazu irgendetwas ein?" fragte sie ruhig. Ross sah auf, seine Miene war undurchdringlich. Maggie konnte ihn gut verstehen, schließlich hatte sie ihn zweimal verletzt. „Du glaubst also, Trent hat sich ins Büro geschlichen und die Kassette gestohlen, als alle abgelenkt waren?" Maggie nickte. „Mir ist aufgefallen, dass es keine Spuren eines Einbruchs gibt. Wer auch immer
die Kassette entwendet hat, hatte wahrscheinlich einen Schlüssel." Ross dachte nach und sagte dann nachdenklich: „Irgendwann gab es mal ein Gerücht über Trent, das sich aber nicht lange gehalten hat. Ich kann mir schon vorstellen, dass Ben ein paar Scheine locker gemacht hat, um die Sache zu vertuschen." Maggies Herz schlug schneller. „Was für ein Gerücht?" Ross erhob sich und begann in der Zelle auf und ab zu marschieren. Er hatte geduscht und sich frisch rasiert, um für die bevorstehende Anhörung einen guten Eindruck zu machen. „Als Trent noch auf dem College war, war er ein leidenschaftlicher Partygänger. Er war fast jedes Wochenende betrunken. Niemand hat behauptet, dass es einen richtigen Unfall gegeben hat, aber er war oft mit seinem roten Sportwagen unterwegs. Und eines Tages ... ich erinnere mich noch, er tauchte auf und sah ziemlich ramponiert aus. Er behauptete, er hätte sich mit einem Kommilitonen geprügelt, aber Gerüchte besagten, er wäre mit einem anderen Auto zusammengestoßen und bei dem Unfall wäre jemand ernsthaft verletzt worden." „Weißt du noch, wann das war?" fragte Maggie begierig. Ross dachte angestrengt nach. „Ich glaube, es war auf jeden Fall im Frühling, aber das Jahr ..." „Könnte es vor fünf Jahren passiert sein? Ich habe zufällig mit angehört, wie Ben Trent während des Rodeos heruntergeputzt hat. Er hat erwähnt, dass er vor fünf Jahren für ihn die Kartoffeln aus dem Feuer holen musste." „Vor fünf Jahren? Ja, das kann gut sein. Wahrscheinlich brauchten wir nur Tante Ruby zu fragen, sie erinnert sich immer an solche Sachen. Aber ich glaube kaum, dass du darüber etwas in den Akten findest." „Wer weiß", entgegnete Maggie mit leuchtenden Augen. „Vielleicht hat Cy ja wirklich versucht Fakten zu unterschlagen. Und wenn wir das beweisen könnten, wärest du sofort frei." Ross lachte höhnisch und schüttelte den Kopf. „Willst du etwa die Erpresser erpressen, Maggie?" Sie sah ihn irritiert an. „Hast du eine bessere Idee?" „Ja, ich ... ich will den Bastard, der mir das hier eingebrockt hat, auf der Stelle in die nächste Hölle schicken!" Plötzlich merkte Maggie, dass sie nicht allein waren. Sie drehte sich um und erblickte Mike Halston. „Mike, ich, ich ... „, stammelte sie, „ich wollte nur nach dem Gefangenen sehen und ..." „Nein, das wolltest du nicht", entgegnete Mike ruhig und streckte die Hand aus. „Gib mir die Papiere, Maggie."
14. KAPITEL Maggie sah ihn entgeistert an. „Die Papiere?" „Ja, die Papiere. Wir wollen doch schließlich die Wahrheit herausfinden, nicht wahr?" „Was ... was meinst du damit?" „Nun komm schon, Maggie. Ich weiß, dass du die Kassette nicht gestohlen hast. Und Ross hat es auch nicht getan." Sie sah ihn erleichtert an. „Wir vermuten, dass Trent dahinter steckt", gestand sie. Jetzt war es an Mike, überrascht zu sein. „Trent?" Er überlegte kurz, dann bat er sie, mit ihm ins Büro zu gehen. „Halt dich da raus", sagte Ross beschwörend. „Lass Farrell in Frieden. Irgendjemand muss mich doch gesehen haben, bevor ich zurück auf die Tribüne gekommen bin. Es wird sich schon ein Zeuge finden, der meine Unschuld beweisen kann. Wenn du dich jetzt mit dem Sheriff anlegst, bist du deinen neuen Job schnell wieder los." Aber Maggie hatte sich entschieden. „Das ist mir egal", erwiderte sie fest. „Maggie, ich weiß doch, wie viel dir die Arbeit bedeutet." „Würdest du an meiner Stelle anders handeln?" „Auf jeden Fall." „Das glaubst du doch selbst nicht." Sie warf ihm einen raschen Kuss zu und folgte Mike dann ins Büro. Als der Sheriff und sein Stellvertreter später von Ross' Anhörung zurückkamen, hielt es Maggie vor Spannung kaum noch aus. Cy ignorierte sie vollkommen. Er stürmte an ihr vorbei in sein Büro und Schlug die Tür mit lautem Krach zu. Offensichtlich war nicht alles nach Wunsch gegangen. „Wie geht's Ross?" fragte sie Mike dann. „Er wurde auf Kaution freigelassen", beschied er ihr. „So viel ich weiß, ist er danach sofort ins Cafe gegangen." Wahrscheinlich wollte er seine Tante noch einmal nach Trents Unfall befragen, dachte Maggie. „Hat Cy deshalb so schlechte Laune?" fragte sie Mike gespannt. „Ja, auch, aber ich habe den Eindruck, dass sich hier etwas zuspitzt." Die beiden nutzten die Abwesenheit des Sheriffs, um noch einmal die Akten durchzusehen. Sie fanden zwar nichts, was Trent belastet hätte, aber das hatte Maggie auch nicht erwartet. Wahrscheinlich war die ganze Sache kodiert, und nur Cy kannte den Schlüssel. Doch am Nachmittag hatte ihre Suche endlich Erfolg. Mit klopfendem Herzen überflog Maggie das Dokument, merkte sich die Telefonnummer und stellte die Akte schnell wieder zurück in den Schrank. Es hatte tatsächlich einen schweren Autounfall gegeben. Das Opfer hieß Mildred Tenney, und sie wohnte nur drei Kilometer entfernt in der Clearcut Road. Maggie hatte den Telefonhörer bereits in der Hand, als Cy die Tür aufriss, sich seinen Stetson schnappte und Anstalten machte, das Büro zu verlassen. „Ich muss 'ne Weile weg", sagte er mürrisch. „Benachrichtigt mich, wenn irgendetwas Wichtiges passiert. Kannst du den Laden solange übernehmen, Mike?" „Klar, Cy, kein Problem." „Gut. Ich bin um sieben, spätestens halb acht wieder zurück." Damit war er verschwunden. Maggie wartete, bis Cy um die Ecke gebogen war. Dann verließ sie das Büro, stieg in seinen Jeep und fuhr los. Sie teilte Mike per Autotelefon mit, was sie über den Unfall herausgefunden hatte, und wählte dann die Nummer. Es dauerte eine ganze
Weile, aber schließlich nahm jemand den Hörer ab. „Mrs. Tenney?" fragte Maggie atemlos, als sie die ältere Stimme vernahm. „Ja?" „Mein Name ist Maggie Bristol, ich arbeite im Büro des Sheriffs in Comfort. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich am Nachmittag kurz bei Ihnen vorbeikomme, um mit Ihnen zu reden?" „Das Büro des Sheriffs?" wiederholte Mrs. Tenney ängstlich. „Habe ... habe ich irgendetwas verbrochen?" „Nein, es ist alles in Ordnung. Ich habe nur ein paar Fragen bezüglich des Unfalls, den Sie vor ein paar Jahren hatten. Aber am liebsten würde ich Ihnen alles erklären, wenn wir uns persönlich treffen." Als die Frau schließlich zögernd einwilligte, verabschiedete Maggie sich von ihr und rief noch einmal das Büro an. „Mike?" Er wusste sofort, worum sie ihn bitten wollte. „Nur zu, Maggie. Finde heraus, was du herausfinden kannst. Aber bitte vergiss nicht, dass es sich laut Aktennotiz nur um einen kleinen, harmlosen Zwischenfall gehandelt hat. Offensichtlich wurde niemand verletzt, und Alkohol war auch nicht im Spiel. Falls Mrs. Tenney das bestätigen sollte, müssen wir die Sache wieder fallen lassen." „Ich sag dir Bescheid, sobald ich etwas weiß", versprach Maggie. Mildred Tenney wohnte in einem alten Holzhaus, das ein wenig von der Straße zurückgesetzt war. Auf der ziemlich heruntergekommen, brüchigen Terrasse spielten mehrere Katzen miteinander. Aber es waren nicht die Katzen, deren Anblick Maggie aus dem Konzept brachte, als sie in der Einfahrt parkte. Ein roter Pick-up kam geradewegs auf sie zugefahren. Hinter dem Steuer saß ein grimmig dreinblickender Cowboy. Ross hielt mit quietschenden Bremsen an und kurbelte das Fenster herunter. „Wir hatten anscheinend beide die gleiche Idee", sagte er. Maggie nickte. „Wie hast du denn diese Adresse herausgefunden?" „Durch Tante Ruby. Sie konnte sich schließlich an Mrs. Tenneys Namen erinnern und auch daran, dass sie kurz nach dem Unfall zu einer hübschen Summe Geld gekommen ist." Maggie betrachtete skeptisch das Haus. „Eine hübsche Summe Geld?" Ross nickte. „Ja, ich weiß, von außen kann man nicht viel erkennen, aber innen ist alles neu und teuer eingerichtet. Offensichtlich wollte Mrs. Tenney ihren plötzlichen Reichtum geheim halten, um kein Aufsehen zu erregen. Aber du weißt ja, wie gern die Laute klatschen." „Ich muss unbedingt mit ihr sprechen." „Ja, natürlich, dem steht nichts im Wege. Aber sie hat mir schon alles erzählt. Es ist genau, wie wir vermutet haben, Maggie. Trent, Ben und auch Farrell sind darin verwickelt." „Oh, Ross, das ist ja toll! Aber sie müsste dies natürlich öffentlich bezeugen." Ross holte ein Papier aus dem Handschuhfach hervor und reichte es Maggie. „Reicht dir das? Vergiss nicht, sie ist schon ziemlich alt und möchte nicht gestört werden." „Geht es um den Unfall?" „Natürlich, worum sonst?" Maggie überflog das Dokument schnell. Es las sich wie ein Tagebuch. Die alte Dame mochte vielleicht nervös sein, aber ihre Handschrift verriet nichts davon. „Ich möchte mich in keiner Weise beschweren", begann der Bericht. „Man hat mich außerordentlich fair behandelt." Mit klopfendem Herzen las Maggie den Bericht, der mit einer regennassen Nacht
begann und dann den Unfall beschrieb, der zur Folge hatte, dass Mildred Tenney den Rest ihres Lebens im Rollstuhl verbringen musste. Mehrmals erwähnte die Zeugin, wie großzügig sich die Campions ihr gegenüber verhalten harten. Aber vor allem gab sie an einer Stelle zu, dass Trent Campion betrunken gewesen war. Maggie sah auf. „Und was ist mit Farrell?" „Es steht alles da drin, lies nur weiter. Nach dem Unfall hat Trent sofort seinen Vater angerufen. Dieser hat dann Cy eingeschaltet, und unser sauberer Sheriff ist auf der Stelle zu Mrs. Tenney gefahren. Er hat sie anscheinend davon überzeugt, dass sie in der Stadt eine bessere Behandlung bekommt. Bevor sie es sich versah, landete sie in einer teuren Privatklinik." „Ich bin sicher, Cy war ihre Gesundheit völlig egal", erwiderte Maggie empört. „Sie hätte Trent bei seinen politischen Ambitionen nur behindert, daher arrangierte sein Vater einen bequemen Ausweg." „Darauf kannst du wetten", meinte Ross und machte Anstalten, das Fenster wieder hoch zu kurbeln. „Und jetzt werden dein Vorgesetzter und ich uns einmal ausführlich miteinander unterhalten." Maggie warf einen zweifelnden Blick auf das Haus. Am liebsten hätte sie Mrs. Tenney noch einmal selbst befragt. Andererseits hatte sie das Gefühl, Ross besser nicht aus den Augen zu lassen. Mit ihm war offensichtlich nicht zu spaßen. Kurz entschlossen nickte sie. „Gut, ich komme mit." Mildred Tenneys Zeugnis war nur ein Indiz in einer Beweiskette, die sie erst noch schließen mussten. Aber Maggie hoffte sehr, dass es ihnen gelingen würde, Cy zu überführen. Und dann konnten sie auch endlich beweisen, dass Ross unschuldig war. Als Cy um halb zehn Uhr abends ins Büro kam, warf Maggie Ross einen besorgten Blick zu. Sie spürte, dass er seine Wut nur schwer bezähmen konnte. Überrascht sah Cy sich in seinem Büro um. Neben Ross und Maggie waren auch noch Mike Halston und der Anwalt Mark Walker zugegen. „Ist das hier etwa eine Party?" fragte er stirnrunzelnd. Ross reichte ihm die Akte, in der der Unfall vermerkt war, und nickte. „Ja, und Sie sind der Ehrengast, Farrell." Als der Sheriff die Akte erblickte, erbleichte er, doch dann fing er sich schnell wieder. „Ein harmloser, kleiner Zwischenfall, der sich vor fünf Jahren ereignet hat? Was wollt ihr damit beweisen?" „Es geht um etwas anderes", bemerkte der Anwalt kühl. „Offensichtlich wurde ein offizielles Dokument gefälscht, und auf Urkundenfälschung steht nun einmal eine hohe Strafe. Außerdem haben wir den begründeten Verdacht, dass das Ganze mit dem angeblichen Diebstahl beim Rodeo zusammenhängen könnte." Cy wollte schon lospoltern, aber Walker schnitt ihm das Wort ab. „Wir haben noch mehr Beweise, Cy. Hier ist ein Geständnis von Mildred Tenney, mit der Ross lange gesprochen hat. Sie hat bestätigt, dass Trent in der besagten Nacht mit einem hohen Promillegehalt gefahren ist. Außerdem war ihre Behandlung ziemlich teuer, aber obwohl sie nur eine kleine Rente hat, konnte sie sich in einer Privatklinik behandeln lassen. Von all dem steht nichts in deinem Bericht. Warum eigentlich nicht?" Die Luft im Zimmer war zum Zerreißen gespannt. Unschlüssig sah Cy von einem zum anderen, er wog offensichtlich seine Chancen ab. Doch schließlich erkannte er, dass Leugnen zwecklos war. Er ließ sich müde auf seinen Stuhl fallen und sagte tonlos: „Die Anklage gegen Sie wird fallen gelassen, Ross. Ich habe es Jess vorhin mitgeteilt." „Das ist ja hochinteressant", entgegnete Ross ungerührt. „Und darf ich fragen, warum?"
„Weil Sie das Geld nicht gestohlen haben." „Warum haben Sie mich dann verhaftet?" „Aber ich musste Sie doch verhaften", begehrte Farrell auf. „Schließlich befand sich das Beweisstück in Ihrem Wagen. Wenn Sie Ihren verdammten Kofferraum abgeschlossen hätten, wäre es gar nicht erst so weit..." Erneut unterbrach ihn der Anwalt. „Jetzt hör mal gut zu, Cy. Ich will mich hier nicht länger mit der Vorrede aufhalten. Also los: Warum wurde die Anklage fallen gelassen?" Farrell blieb eine Weile stumm, dann sagte er widerstrebend: „Heute Morgen rief mich Ben Campion an. Er bat mich, zu ihm zu kommen ... zwecks Schadensbegrenzung, so nannte er es. Dooley hat den Stein ins Rollen gebracht. Er war zwar betrunken, hat aber trotzdem beobachtet, wie Trent die Kassette in deinem Wagen versteckt hat. Als er wieder nüchtern war, hat er alles gestanden." Empört fragte Ross, der Cys Worten mit versteinerter Miene gefolgt war: „Darf ich fragen, warum Trent nicht verhaftet wurde?" Verlegen erwiderte Cy: „Er ... äh, er ist leider verschwunden, und ich habe keine Ahnung, wo er sich jetzt aufhält. Wahrscheinlich weiß es sein Vater, aber der sagt auch nichts." Stimmte das auch? War Trent tatsächlich geflohen, um seiner Strafe zu entgehen? Oder schützte ihn der Sheriff nur? „Ich weiß, die ganze Geschichte ist ziemlich verfahren", gab Cy seufzend zu. „Aber ich bin mir sicher, wir können Licht in die Angelegenheit bringen, wenn wir uns an die Tatsachen halten." „Und wie sehen die Tatsachen aus?", fragte der Anwalt spöttisch. Cy räusperte sich. „Wie es aussieht, haben die Veranstalter kein Geld verloren. Zum anderen hat Trent sein Preisgeld schließlich für wohltätige Zwecke gestiftet. Daher dachten Ben und ich ..." „Ihr dachtet, ihr könntet auch das vertuschen?" Ross schlug mit der Faust auf den Tisch. „Aber da habt ihr euch gewaltig getäuscht! Ich bestehe auf Ihrem Rücktritt, und Trents Fall wird ein gefundenes Fressen für die Presse sein. Die Geschichte kommt auf die erste Seite der Tageszeitung, und wenn ich sie auf eigene Kosten drucken lassen muss. Ich gebe ja zu, ich habe in meinem Leben schon einige Dummheiten gemacht, aber gestohlen habe ich nie. Und ich möchte nicht, dass die Leute denken, die Anklage gegen mich würde nur wegen Mangel an Beweisen fallen gelassen! Diesmal werdet ihr nicht so leicht davonkommen, Farrell, dafür werde ich sorgen!" „Nicht nur Sie", fügte Mike Halston fest hinzu und erhob sich. „Entschuldige, Cy, aber du lässt mir keine andere Wahl. Ich muss dich bitten, mir deinen Stern auszuhändigen. Und die Waffe." Farrell war total schockiert. Dann sprang auch er auf und brüllte Mike an: „Was zum Teufel fällt dir ein, mich ..." „Du hast dir die Sache selbst eingebrockt, Cy. Urkundenfälschung, Unterschlagung von wichtigem Beweismaterial, Zeugenbestechung ... das dürfte doch fürs Erste reichen, meinst du nicht auch?" Der Sheriff verstummte. Nachdem Mike ihm seine Rechte vorgelesen hatte, führte er ihn in die Zelle ab. Der Anwalt schüttelte Maggie und Ross die Hand. „Gut gemacht, ihr beiden", sagte er warm. „Es tut mir wirklich Leid, dass Sie in die Sache hineingezogen wurden, Ross. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich bin sicher, wir werden Trent finden." „Wir werden Trent finden, wir werden Trent finden", wiederholte Ross und schüttelte unzufrieden den Kopf. „Das reicht mir einfach nicht." „Was hast du vor?" fragte Maggie ihn gespannt. „Ich will zu Campions Ranch fahren und mich mit eigenen Augen davon überzeugen,
dass Trent sich nicht dort versteckt hält. Ich habe das Gefühl, dass Cy gelogen hat." „Ja, aber vergiss nicht, wir haben handfeste Beweise", erinnerte Maggie ihn. „Es gibt einen Zeugen, der genau gesehen hat, wie Trent versucht hat, dir den Diebstahl anzuhängen." „Dooley Spence?" Ross lachte verächtlich. „Glaubst du, die Zeugenaussage eines Trunkenbolds hat vor Gericht viel Gewicht? Es dürfte nicht schwer sein, ihn mit Geld zum Schweigen zu bringen. Und dann würde Trent wieder ungestraft davonkommen. Aber ich werde dafür sorgen, dass das nicht passiert." „In der Nähe der Ranch gibt es eine kleine Landebahn für Privatflugzeuge", sagte Maggie nachdenklich. „Trent besitzt einen Flugschein. Wenn er und Ben nichts von Cy hören, schöpfen sie vielleicht Verdacht, und er wird sich absetzen." „Es ist müßig, jetzt darüber zu spekulieren", meinte Ross bestimmt. „Wir haben keine Zeit zu verlieren." Nachdem sie schon eine Weile über Ben Campions imposante Ländereien gefahren waren, tauchte endlich die große Hazienda im spanischen Kolonialstil vor ihnen auf. Ross parkte den Wagen in einiger Entfernung vom Haus und knipste die Scheinwerfer aus. „Wir müssen uns anschleichen", erklärte er Maggie knapp. „Es hat keinen Zweck, mit der Tür ins Haus zu fallen. Unsere einzige Chance besteht darin, sie zu überraschen." Ihr war nicht besonders wohl zu Mute, denn ihr wurde plötzlich klar, dass sie im Begriff waren, etwas Illegales zu tun. „Ross, wir haben keinen Durchsuchungsbefehl. Und wenn hier Flugzeuge landen können, gibt es mit Sicherheit Überwachungskameras." „Wenn sie uns erwischen, erwischen sie uns eben", erwiderte Ross gleichmütig. „Vergiss nicht, du bist die offizielle Vertreterin des Sheriffs, und du suchst einen Tatverdächtigen. Also los, wir müssen uns beeilen." Mit gemischten Gefühlen folgte Maggie Ross durch das dichte Gebüsch bis kurz vors Haus. Es war hell erleuchtet. Als sie sich vorsichtig an den hinteren Teil heranschlichen, sahen sie Ben Campion in seinem Arbeitszimmer sitzen. Klassische Musik drang gedämpft zu ihnen herüber, und der alte Mann saß zusammengesunken hinter seinem Schreibtisch. Er sah ziemlich unglücklich aus. Trent hingegen war nirgendwo zu erblicken. Maggies Herz begann laut zu schlagen, als plötzlich ein Hund zu bellen begann. Nachdem sie vergeblich die Garage durchsucht hatten, fragte Maggie Ross ängstlich: „Und was sollen wir jetzt unternehmen?" „Keine Ahnung", erwiderte er niedergeschlagen. „Vielleicht hat Cy ja doch die Wahrheit gesagt, und Trent ist tatsächlich abgehauen. Sein Wägen scheint jedenfalls nicht hier zu sein." „Tut mir Leid für dich", sagte Maggie mitfühlend. „Ich weiß, wie gern du ihn überführt hättest." „Schon gut", erwiderte Ross und griff nach ihrer Hand. „Komm, lass uns von hier verschwinden!" Doch als sie auf ihren Wagen zugingen, passierte etwas Unvorhersehbares. Plötzlich wurde ein Motor angelassen, und die beiden wurden von gleißendem Scheinwerferlicht geblendet. Im nächsten Moment raste ein Auto auf sie zu. Ross konnte Maggie nur noch in letzter Sekunde zur Seite zerren. Hustend und spuckend landeten sie im Staub, während das Auto an ihnen vorbeischoss und dann die Einfahrt hinunterjagte. „Was ... was zum Teufel..." „Das war Trent!" Ross war schon wieder auf den Beinen und riss die Wagentür auf. „Aber diesmal erwische ich ihn!"
„Ross! Warte auf mich, ich komme mit!" Aber Ross hatte bereits den Motor angelassen und fuhr mit quietschenden Bremsen davon. „Besser nicht", rief er Maggie durch das geöffnete Fenster noch zu: „Ich hole dich später wieder ab." Obwohl Ross in dem alten Pick-up gegen Trents schnellen Sportwagen kaum Chancen hatte, kam ihm die gewundene Landstraße zu Hilfe, auf der man sowieso nicht besonders schnell fahren konnte. Während er die Rückscheinwerfer in der Entfernung verfolgte, betete Ross die ganze Zeit, dass es ihm vergönnt sein würde, seinen Widersacher zu stellen. Ihm hatte er es schließlich zu verdanken, dass er um ein Haar wieder seinen guten Ruf eingebüßt hätte. Er holte alles heraus, was aus dem Wagen herauszuholen war, und nahm die nächste Kurve auf zwei Rädern. Auf diese Weise gelang es ihm, immer näher an den Sportwagen heranzukommen. Trent war ein guter Reiter, aber mit seinen Fahrkünsten schien es nicht besonders weit her zu sein. Ross fuhr die ganze Zeit über mit dem Fuß auf dem Gaspedal, und nach und nach verringerte sich die Distanz zwischen ihnen. Plötzlich bog Ross um eine Kurve, und er sah, dass Trent nur noch wenige Meter vor ihm lag. Jetzt war ihm alles egal. Er fuhr frontal auf den Wagen zu und erwischte ihn voll von. hinten. Trent bremste abrupt, der Wagen drehte sich mehrmals um die eigene Achse und schlingerte dann in einen Graben, wo er endlich zum Stehen kam. Ross bremste ebenfalls und sprang bei noch laufendem Motor aus dem Auto. Trent hatte sich inzwischen befreit und wollte flüchten. Aber er hatte gegen den wütenden Ross keine Chance. Die darauf folgende Schlägerei klärte ein für allemal, wer von beiden der Stärkere war. Nachdem Ross seinen Gegner besiegt hatte, holte er einen Strick aus dem Auto und fesselte Trent damit. Dann stieß er ihn auf den Rücksitz und fuhr los. „Endlich", sagte er triumphierend, und seine Augen glänzten. Endlich hatte die Gerechtigkeit gesiegt! Doch dann dachte er an Maggie, und sein Magen krampfte sich zusammen. Bestimmt war sie sauer auf ihn, weil er sie einfach stehen gelassen hatte. Aber er hätte es sich nie verziehen, wenn sie bei der Verfolgungsjagd zu Schaden gekommen wäre. Maggie ... sie bedeutete ihm alles. Und gleichzeitig wusste er, dass er sie nicht haben konnte. Als Ross und Maggie das Büro des Sheriffs an diesem Abend zum zweiten Mal verließen, war Ross ziemlich ernüchtert. Natürlich bereitete es ihm Genugtuung, seinen alten Widersacher endlich hinter Gittern zu sehen. Aber er hatte an diesem Abend noch etwas anderes zu klären, und diese Sache lag ihm schwer im Magen. Nachdem er mit Trent zurückgekehrt war, hatte Maggie natürlich getobt, weil er sie allein gelassen hatte. Doch schließlich hatte ihre Erleichterung, ihn unversehrt zu sehen, überwogen, und sie hatte sich ihm in die Arme geworfen.. Jetzt befanden sie sich auf dem Rückweg zu seinem Haus, und je näher sie kamen, desto stiller wurde Ross. Natürlich fiel Maggie dies nach einer Weile auf, und ihre gute Stimmung verflog rasch. „Was ist eigentlich los?" fragte sie, als sie am Ziel ankamen. Ross sah sie unbehaglich an. Er wusste einfach nicht, wie er es ihr beibringen sollte. „Ich ...", meinte er stockend, „ich halte es für besser, wenn wir uns eine Weile nicht mehr sehen, Maggie." Sie sah ihn entgeistert an. „Nicht mehr sehen? Was soll das heißen? Was meinst du damit? Bist du sauer auf mich?"
Ross schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Ich ... ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll. Aber ich hatte viel Zeit zum Nachdenken, und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass du ... dass ich ... also, ich finde, du verdienst einen besseren Mann als mich." „Wie bitte?" Es schien ihr, als könne sie ihren Ohren nicht trauen. „Das ist doch kompletter Unsinn!" Sie sah ihn herausfordernd an, doch er spürte, dass sie den Tränen nahe war. „Wenn du mich nicht mehr in deinem Leben haben willst, sag es mir ruhig. Sag mir einfach die Wahrheit!" „Aber das ist die Wahrheit", erwiderte er unglücklich. „Glaub mir, es ist zu deinem eigenen Besten." „Ach, wirklich? Es ist erstaunlich, dass sowohl du wie auch mein Vater genau zu wissen scheint, was das Beste für mich ist. Aber ich treffe meine Entscheidungen selbst, und ich habe mich nun einmal für dich entschieden." Frustriert packte er sie bei den Schultern und schüttelte sie. „Kapier doch endlich, Maggie, ich bin nicht der Mann deiner Träume. Ich bin weder am Heiraten noch an Kindern interessiert. Ist das denn so schwer zu verstehen?" Tief verletzt sah sie ihn an. „Warum ... warum gibst du uns keine Chance?" flüsterte sie. In diesem Moment klingelte das Telefon. Es klingelte erneut. Ohne ein weiteres Wort drehte Ross sich um und ging ins Haus, um abzunehmen. Maggie sah ihm sprachlos nach, die Tränen liefen ihr über die Wangen. Nie hätte sie gedacht, dass der Abend so enden würde. Schließlich kam er zurück. „Das war deine Tante", teilte er ihr mit. „Aufgrund der aktuellen Lage hat die Stadtverwaltung entschieden/für die Zeit bis zur nächsten Wahl einen neuen Sheriff zu bestellen, und du bist seine offizielle Stellvertreterin. Meinen herzlichen Glückwunsch! Mike möchte, dass du ihn anrufst." Obwohl Maggie sich normalerweise sehr über die Nachricht gefreut hätte, ließ sie sie jetzt völlig kalt. „Wo ist Mike jetzt?", erkundigte sie sich. „Noch im Büro. Du kannst gern von hier anrufen." Wie gütig von ihm, ihr zu erlauben, sein Telefon zu benutzen! Am liebsten hätte Maggie ihn umgebracht. Wenn sie nur daran dachte, was sich vor ein paar Tagen zwischen ihnen ereignet hatte ... „Nein, danke", erwiderte sie kühl. „Ich fahre jetzt besser ins Büro. Mike und ich haben bestimmt eine Menge zu besprechen." Mit dem letzten Rest an Selbstbeherrschung wandte sie sich um und stieg ins Auto. Ross folgte ihr. Sie kurbelte das Fenster herunter. „Hast ... hast du das vorhin ernst gemeint?" fragte sie schluckend. Sie merkte, dass Ross die Antwort nicht leicht fiel. Widerstreitende Gefühle spiegelten sich auf seinem Gesicht, doch schließlich nickte er. „Aber Ross, das ... das kann doch nicht dein Ernst sein! Willst du mir wirklich sagen, es ist vorbei?" Ross seufzte tief. „Ja, genau das, Maggie. Es tut mir sehr Leid, aber es ist vorbei." Maggie hoffte so sehr, dass Ross am nächsten Tag auftauchen und ihr mitteilen würde, dass er seine Meinung geändert hatte. Aber er kam nicht, weder am nächsten Tag noch am übernächsten. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich in die Arbeit zu stürzen. Sonst hätte sie diese Zeit wahrscheinlich nicht überlebt. Zuerst nahmen sie und Mike Halston sich Ben Campion vor. Als dieser erfuhr, dass Cy seinen Sohn nicht mehr schützen konnte, erwies er sich als erstaunlich kooperativ. Durch ihn erfuhr Maggie auch endlich, was es mit der falschen Schublade im Büro auf sich hatte. An dem Tag, als Cy Ben an dessen Unterstützung für seinen Wahlkampf erinnert hatte, hatte er Ben eine Kopie des
Unfallberichts gegeben ... eine Kopie des ungefälschten Unfallberichts. Mit Hilfe dieses Dokuments hatte er Ben erpresst. Endlich der Wahrheit auf die Spur gekommen zu sein war natürlich sehr befriedigend für Maggie. Aber die Arbeit konnte nicht die Leere füllen, die durch Ross' Verschwinden entstanden war. Am Freitagnachmittag war Maggie so unglücklich und frustriert, dass sie schließlich zum Hörer griff und auf Brokenstraw anrief. „Casey, wie kann ich Ross erreichen?" fragte sie verzweifelt. „Bitte entschuldige, wenn ich dich belästige, aber ich muss einfach mit ihm sprechen." „Ich wünschte, ich könnte dir helfen", erwiderte Casey bekümmert. „Vielleicht bist du einfach zu gut für ihn, Maggie. Aber eins kann ich dir verraten ... Jess war am Anfang genau so störrisch, als es darum ging, dass er zu unserer Verbindung stehen sollte. Wenn ich nicht schon gleich in der ersten Nacht den Kopf verloren hätte, wären wir wahrscheinlich nie zusammengekommen." Sie lächelte, als sie sich wieder den Verlauf ihrer Liebesgeschichte ins Gedächtnis rief, und dachte angestrengt nach. Schließlich meinte sie: „Vielleicht gibt es doch etwas, was du tun könntest." „Was denn?" „Ist dir die Sache wirklich ernst?" „Todernst! Ich halte diese Warterei einfach nicht mehr aus." Casey erläuterte Maggie ihren Plan, und als sie fertig war, lachten die beiden Frauen herzlich. Aber in Wirklichkeit war Maggie alles andere als wohl zu Mute. Was würde geschehen, wenn Caseys Plan fehlschlug und Ross sich als noch viel widerspenstiger als sein Bruder erwies? Was dann? „Maggie", fragte Casey noch, „weißt du überhaupt, warum Ross so allergisch dagegen ist, sich an jemanden zu binden?" „Ich habe eine Vermutung. Es hat mit dem Glücksspiel zu tun, nicht wahr? Er hat Angst, dass er einen Rückfall erleiden könnte und dass dann seine Frau oder seine Kinder davon betroffen wären. Er traut sich selbst nicht, stimmt's?" Casey nickte zustimmend. „Ja, das denken Jess und ich auch. Er hat eine Menge schrecklicher Geschichten über Leute gehört, die wieder rückfällig wurden, und er will dieses Risiko einfach nicht eingehen." „Aber es gibt doch auch andere, die mit ihrer Sucht fertig werden", beharrte Maggie. „Ross ist nicht mehr der Gleiche wie früher, Casey, er hat sich verändert. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Und ich weiß noch etwas: Ich liebe ihn mehr als mein Leben!" „Gut. Dann musst du ihn nur noch davon überzeugen." Völlig erschöpft kehrte Ross von der Arbeit auf den Feldern zurück und führte sein Pferd in den Stall. Er hatte drei Tage lang ohne Pause gearbeitet, aber so sehr er auch gehofft hatte, dass ihn dies ablenken würde, so wenig war es ihm gelungen, die Gedanken an Maggie zu verdrängen. Warum war er nur so besessen von ihr? Er war davon überzeugt, dass seine Entscheidung, sie aufzugeben, richtig gewesen war. Er konnte sie nicht so glücklich machen, wie sie es verdiente. Sie brauchte einen Mann mit einem tadellosen Ruf. Einen Mann, der keine Angst davor hatte, dass er wieder einmal alles vermasseln würde. Nachdem er das Pferd festgebunden hatte, verließ er den Stall und überlegte, was er als Nächstes tun sollte. Vielleicht hatte Casey ja noch etwas vom Mittagessen für ihn übrig gelassen. Oder er könnte seinem Bruder beim Streichen der Terrasse helfen. Doch plötzlich fiel sein Blick auf den Zaun, über den er achtlos seine Satteldecke geworfen hatte. Der Anblick ließ ihn plötzlich an eine andere Decke denken, die er damals in Maggies Wägen ,vergessen' hatte. Mit aller Macht stieg die Erinnerung an das Picknick erneut in ihm hoch, und er spürte plötzlich, wie die Sehnsucht nach ihr
ihn zu überwältigen drohte. Ross schloss die Augen und rief sich die Szene noch einmal vor Augen. Eine Sekunde verstrich ... dann eine zweite ... Schließlich öffnete er die Augen, und ein breites Lächeln erhellte sein Gesicht. Wem wollte er eigentlich etwas vormachen? Es war vollkommen vergeblich, er würde es nie schaffen, sich von Maggie zu trennen. Weder heute noch morgen. Er spürte, dass er es schaffen könnte, sie glücklich zu machen. Dazu musste er nur seine Haltung ändern. Er musste die Energie, die er dazu benutzt hatte, sie zu vergessen, transformieren ... indem er zu seinen wahren Gefühlen stand und ihr endlich gestand, dass er sie liebte. Wie dumm war es von ihm gewesen, sie fortzuschicken! Sein Herz kannte die Wahrheit, und er war froh, sie endlich zulassen zu können. Plötzlich wusste Ross, was zu tun war. Er stieg in seinen Wagen und fuhr nach Hause, um zu duschen und sich umzuziehen. Innerlich betete er, dass es noch nicht zu spät war, um sie zurückzugewinnen. Sie musste ihm noch eine Chance geben! Es gab nur eine Kur für seine Krankheit, und die hieß Maggie. Der Mond begann gerade seinen Aufstieg am Himmel, als Maggie vor Ross' Haus erschien. Von ihm war weit und breit nichts zu sehen, worüber sie sehr froh war. So konnte er sie wenigstens nicht daran hindern, ihren Koffer ins Haus zu tragen. Sie stieg geradewegs die Treppen hoch und deponierte den Koffer auf dem breiten Bett im Schlafzimmer. Aus dem Badezimmer drangen Geräusche zu ihr, Ross war anscheinend unter der Dusche. Soweit war alles nach Plan gegangen ... nach dem Plan, den Casey ihr vorgeschlagen hatte. Doch jetzt wich Maggie von ihrem Vorbild ab. Ohne Umstände zog sie sich aus Und betrat, nackt wie sie war, das dampfende Badezimmer. Ross stand unter der Dusche. Sein Körper glänzte unter dem Wasserstrahl, er war gerade dabei sich einzuseifen. Als er Maggie erblickte, starrte er sie mit offenem Mund an. „Was ..." „Ich habe meine Sachen mitgebracht", erklärte sie ihm fest. „Ich ziehe ein, Ross. Versuch ja nicht, mich daran zu hindern." Doch dann verließ sie plötzlich ihr Mut. Sie wandte den Kopf und wartete mit angehaltenem Atem auf seine Reaktion. Zu ihrer unendlichen Erleichterung lächelte Ross. „Warum sollte ich dich daran hindern wollen, Liebling?" fragte er, streckte die Arme nach ihr aus und zog sie an sich. „Ich war gerade auf dem Weg zu dir." Im nächsten Moment fiel die Seife zu Boden, und die beiden umarmten sich leidenschaftlich. Danach war nichts mehr zu hören, sie küssten sich hungrig und vergaßen alles um sich herum. Es gibt einfach keinen besseren Mann für mich, dachte Maggie glücklich, während sie Ross' Zärtlichkeiten stürmisch erwiderte. Es war nicht nur seine Erscheinung, die sie so sehr liebte, nein, sie wusste inzwischen auch um seine Integrität und sein großes Herz. Ja, das musste Liebe sein. Und er spürte es auch, das merkte sie ganz genau. Auch wenn er ihr nicht die Worte sagen konnte, die sie so gern von ihm gehört hätte. Aber in diesem Moment war es ihr egal. Maggie genoss es, in seinen Armen zu sein. Mit einer Hand stellte Ross die Dusche ab, dann hob er sie hoch und trug sie hinüber ins Schlafzimmer, wo er sie behutsam auf dem großen Bett herunterließ. „Wir machen hier noch alles hass", flüsterte sie. „Das wird schon wieder trocknen." Im nächsten Moment küssten sie sich erneut. Es war ihnen, als wären sie eine Ewigkeit voneinander getrennt gewesen und hatten sich nacheinander verzehrt. Endlich konnten sie ihren Durst löschen, endlich konnten sie wieder vereint sein.
Das Fenster stand weit offen, eine sanfte Brise erfüllte den Raum, und trotz der Dunkelheit konnte Maggie erkennen, dass Ross lächelte. „Du machst mich so glücklich", flüsterte er und küsste sie sanft hinters Ohr. „Wie schaffst du das nur?" „Ganz einfach", erwiderte sie strahlend. „Ich werde dich immer lieben, das ist das ganze Geheimnis." „Aber ich bin ein Spieler, Maggie." „Nein, du warst ein Spieler", korrigierte sie ihn und zog ihn wieder zu sich heran. „Aber jetzt gehörst du mir." Ross seufzte tief, doch es war ein glücklicher Seufzer. Er hatte das Gefühl, nach jahrelanger Irrfahrt endlich nach Hause gekommen zu sein. Und plötzlich fiel es ihm ganz leicht, Maggie die Worte zu sagen, nach denen sie sich so gesehnt hatte. Sie konnte es nicht fassen. Er liebte sie! Noch mehr als die Lust erfüllte dieses große Glück ihr Herz. Auch nachdem sie erneut miteinander den Gipfel der Ekstase erklommen hatten, war es immer noch da. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte Maggie sich ganz. Später, als sie sich in den Armen lagen, wiederholte sie es noch einmal staunend: „Du liebst mich!" „Natürlich liebe ich dich! Hast du daran je gezweifelt? Du hast meinetwegen deinen Job aufs Spiel gesetzt. Du hast mich sogar gegenüber deinem Vater verteidigt." Ross machte eine kleine Pause und setzte dann überraschend hinzu: „Ich möchte dich heiraten, Maggie." Maggie sah ihn entgeistert an. „Ich möchte dich auch heiraten", erwiderte sie. „Aber du klingst nicht so, als wärest du glücklich darüber." „Doch, ich bin sehr glücklich. Aber es könnte noch eine ganze Weile dauern, bis wir zusammen sein können. Ich werde dich nämlich nur dann heiraten, wenn dein Vater seine Zustimmung dazu gibt." Eine neue Form von Liebe erfüllte ihr Herz, und sie lächelte. „Oh, Ross, in Wirklichkeit hat er doch nie etwas gegen dich gehabt. Er fand es nur nicht gut, dass du mit so vielen Frauen geschlafen hast. Wenn ich ihm sage, dass wir zusammen leben, wird er Himmel und Erde in Bewegung setzen, um aus mir eine ehrbare Frau zu machen." Ross schüttelte den Kopf. „Nein, das wird er nicht. Denn du wirst hier nicht einziehen." Maggie richtete sich auf und sah ihn stirnrunzelnd an. Hatte er nicht gerade behauptet, er wolle sie heiraten? „Was willst du damit sagen?" Ross ergriff ihre Hand und hielt sie fest. „Ich werde deinen Vater nicht auf diese Weise vor den Kopf stoßen. Ich werde es nicht zulassen, dass du hier einziehst, Maggie. Erst wenn er deine Hand vor dem Traualtar in die meine legt und unsere Verbindung offiziell absegnet." Das war alles? Maggie stieß einen erleichterten Seufzer aus und lehnte den Kopf an seine Schulter. „Er wird dich sehr gern haben", meinte sie überzeugt. „Wenn er sieht, wie glücklich du mich machst, wird er gar nicht anders können, als dich zu lieben." Dann setzte sie spitzbübisch hinzu: „Was hältst du von einer Heirat im August?"
EPILOG
Ross stand im Schatten der großen Buche und betrachtete die. vielen Leute, die sich ein paar Meter entfernt versammelt hatten. Die meisten von ihnen lachten und schwatzten vergnügt miteinander. Frauen trugen Tabletts mit Speisen zum Buffett. Direkt daneben waren lange Tische mit weißen Tischdecken aufgestellt, auf denen Blumenbouquets standen. Plötzlich kam Jess auf ihn zu. Ross lachte leise. „Du meine Güte, du hast dich ja vielleicht herausgeputzt!" „Genau wie du!" Sie betrachteten sich beifällig in ihren maßgeschneiderten Smokings. Casey und Tante Ruby waren noch mit Dekorieren beschäftigt, und immer mehr Autos trafen ein. Langsam begannen die Gruppen sich aufzulösen, und die Gäste nahmen an den Tischen Platz. „Hast du Angst?" fragte Jess seinen Bruder. Ross schüttelte den Kopf. „Nein, überhaupt nicht. Ich bin bereit." Um ehrlich zu sein, war er noch nie zuvor in seinem Leben so bereit für den nächsten Schritt gewesen. Vielleicht waren die Blumen und der ganze hübsche Pomp nicht seine Sache. Aber er war so besessen von Maggie, dass er ihretwegen noch viel mehr ertragen hätte als all diesen hübschen Zierrat, den Frauen nun einmal zu brauchen schienen. Kurz durchzuckte ihn der Gedanke, wie es ihrem Vater heute wohl zu Mute sein mochte - an dem Tag, an dem er seine Tochter einem anderen Mann anvertraute. Aber dann verdrängte er diesen Gedanken wieder. Er hatte alles getan, was in seiner Macht stand, um Tom davon zu überzeugen, dass er seine Tochter liebte und keinen anderen Wunsch hatte, als sie glücklich zu machen. Wenn Tom seine Bedenken hatte, musste er damit leben, bis die Zeit ihn eines Besseren belehrte. Jess runzelte die Stirn. „Wer ist denn der Typ dort drüben mit Mike Halston und seiner Freundin?" „Wer?" „Er sitzt ganz hinten und zieht sich gerade sein weißes Jackett aus." Ross warf dem hoch gewachsenen Cowboy mit dem dunkelbraunen Haar einen scharfen Blick zu. „Das ist unser neuer Sheriff", sagte er grimmig. „Maggie hat ihn eingeladen." „Hast du etwas gegen ihn?" fragte sein Bruder. Ross schüttelte den Kopf. „Nein, nicht direkt. Ich mag ihn nur nicht, das ist alles." „Wäre es dir lieber, wenn Farrell zurückkommen würde?" „Auf gar keinen Fall", entgegnete Ross empört, dann grinste er. „Na gut, vielleicht ist der Bursche ja gar nicht so schlecht." Bessie Holsopple verabschiedete sich gerade von einer Gruppe Frauen am Buffett und ging auf die Orgel zu. Jess schlug seinem Bruder auf die Schulter. „Okay, kleiner Bruder, Jetzt geht's los. Hat der Bräutigam vielleicht noch einen Wunsch, bevor er seine Freiheit aufgibt?" „Ja." Ross nickte und warf seinem Bruder einen verschwörerischen Blick zu. „Bleib heute Abend von den heißen Quellen weg!" Bessie spielte ein aufmunterndes, fröhliches Lied, während Ross und Jess auf den blumengeschmückten Bogen zugingen, der auf der kleinen Bühne errichtet worden war. Dann kam Pfarrer Fremont in seinem Sonntagsstaat auf die beiden zu und schüttelte Ross' Hand. „Sind Sie so weit, mein Junge?" „Ja, Sir." „Gut." Fremont nahm seinen Platz ein, gab Bessie das Zeichen, und im nächsten Moment erklang der Hochzeitsmarsch.
Freunde und Nachbarn erhoben sich, als das kleine dunkelhaarige Mädchen über den roten Teppich schritt und Blumen ausstreute. Es war Lexi, Jess' und Caseys Tochter. Sie machte ihre Sache sehr gut und lächelte den Gästen unter gesenkten Lidern schüchtern zu. Und dann begann Ross' Herz schneller zu schlagen ... die Musik wurde lauter ... aufgeregtes Geflüster erhob sich in der Menge ... und Maggie schritt am Arm ihres Vaters auf ihn zu. Sie hatte das dunkle Haar hoch gesteckt, ein paar Locken umrahmten ihr Gesicht. Sie trug ein weißes Haarband aus Satin, das in der Farbe genau zu ihrem Hochzeitskleid passte. Mit jedem ihrer Schritte wuchs Ross' Stolz. Sie sah so wunderschön aus ... der Traum einer Braut. Und sie gehörte zu ihm. „Hallo", sagte Maggie mit weicher Stimme, als sie endlich vor ihm stand. „Hallo", erwiderte er und schluckte leicht. Er verspürte einen Kloß im Hals, als Pfarrer Bristol seine Tochter an sich zog und sie auf die Wange küsste. Ross fiel auf, dass er nur mit Mühe die Tränen zurückhalten konnte. Doch er lächelte tapfer, schüttelte seinem Schwiegersohn die Hand und führte dann Maggies und Ross' Hand zusammen. „Seid gut zueinander", sagte er leise. „Wir versprechen es", erwiderten die beiden feierlich. Dann passierte etwas Unvorhergesehenes: Tom Bristol bestieg die kleine Bühne, und auf ein verabredetes Zeichen tauschten er und Pfarrer Fremont die Roben. Es war Maggies Vater, der sie schließlich vor den Augen der ganzen Gemeinde vermählen sollte. Maggie war noch nie zuvor im Leben so glücklich gewesen, und Ross spürte, wie der Kloß in seinem Hals immer größer wurde. „Liebe Freunde und Nachbarn", begann Pfarrer Bristol, und seine Augen glänzten verräterisch, als er dem jungen Paar vor ihm zulächelte. „Es ist mir eine Herzensfreude, an diesem schönen Tag meine Tochter Maggie und Ross Dalton zu trauen - einen Mann, den zu schätzen und zu respektieren ich inzwischen gelernt habe." Ross bekam nichts mehr mit vom weiteren Verlauf der Zeremonie. Er konnte sich hinterher nicht einmal mehr daran erinnern, dass er gelobt hatte, Maggie auf ewig zu lieben und wertzuschätzen. Die ganze Zeit über dankte er nur seinem Schöpfer für die zweite Chance, die er bekommen hatte, und er hielt Maggies Hand fest umklammert. Außerdem wusste er, dass es nicht die Worte waren, die zwei Menschen aneinander banden -es war das Gefühl, das sie füreinander hatten. Mit feuchten Augen lächelte Ross Maggie die ganze Zeit über an. Und Maggie lächelte zurück.
- ENDE