Osses Tränen Eine Schattenherz-Kurzgeschichte Von La Maga
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Osses Tränen Eine Schattenherz-Kurzgeschichte Von La Maga
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Osses Tränen Eine Schattenherz-Kurzgeschichte
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Osses Tränen Eine Schattenherz-Kurzgeschichte Von La Maga
Vorbemerkung "Spendier Osse doch eine Sympathieszene," riet mir unlängst ein Leser, als ich am Schattenherz-Roman "Bilderflut" schrieb. "Es kann sein, dass man ihm sehr voreilig das Prädikat "Memme" verleiht." Eine Sympathieszene? Ich liebe Osse! Ich will nicht, dass ihn jemand grundlos für eine Memme hält, das ist er nicht. Und um alle Missverständnisse zu klären, spendiere ich Osse hiermit eine ganze Sympathiegeschichte, die jedem Leser die psychologische Tragik des ehrenwerten Premierministers am Hof von Manjev der Ersten aufzeigt. "Osses Tränen" ist keine Schattenherzstory im herkömmlichen Sinne, denn es fehlt jegliches phantastische Element. In der Geschichte kommt keiner der Magier vor, und auch das Widerwesen wirkt nur sehr indirekt durch die Taten eines Unkundigen, ohne als magisches Prinzip in Erscheinung zu treten. "Osses Tränen" ist eine Geschichte aus der Welt der ujoray, eine Ergänzung zu den Andeutungen, die vor allem in "Bilderflut" über Osses Vergangenheit gemacht werden. Graf Osse Emberbey von der Bernsteinbucht (hat jemand das Wortspiel mit Amber Bay bemerkt?), geplagter Lehrer und Lieblingsopfer für Prinzessin Kajidas Eskapaden. Unschätzbarer Ratgeber und Vertrauter von Königin Manjev. Ungleicher Kollege und Freund von Merrit vom Hochland. Respektierter Politiker und Gönner der Strand-Leute. Ein verklemmter, vornehmer und pedantischer Bursche, der heimlich Merrits Rüstung anprobiert, mit Leib und Leben seiner Königin ergeben ist und mit seiner gelehrten Langatmigkeit sogar kurzzeitig eine ganze Schlacht zum Erliegen bringen kann. Osse ist keine lächerliche Figur, obwohl ihn bei seinem Auftreten stets die Situationskomik zu überwältigen droht. In "Bilderflut" zeigt er seine ernsten Seiten und lässt sogar einige Einblicke in seine seltsame Seelenwelt zu. Welche Umstände haben aus Osse Emberbey, der so gern ein Ritter geworden wäre, den verschrobenen, schüchternen und doch stets liebenswerten Kauz gemacht, der auf der Strand-Burg für Ordnung und Stil sorgt? Was für ein dunkles Geheimnis belastet ihn, und worin begründet sich seine Feindschaft mit seinem Cousin Venger? "Osses Tränen" soll hier einiges klären. Die Geschichte spielt ein paar Tage vor den Ereignissen im vierten Roman "Scherbenlied". Und sie ist ziemlich traurig. La Maga
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isziplin,“ verkündete der Magister mit erhobener Stimme, „Loyalität und Gehorsam. Das sind die Tugenden, die euch abverlangt werden, und sie sind das Einzige, nach dem es zu streben gilt.“
Osse Emberbey blickte knapp von seinem Schreibpapier auf. Er war sich keiner Missetat bewusst, die die strengen Worte seines Lehrers rechtfertigen würde. Der Magister warf dem Jungen einen kühlen Blick zu und konzentrierte sich dann wieder auf den anderen Schüler, der am Pult neben Osse stand und trotzig auf die Tischplatte hinabsah. „Venger Emberbey,“ sagte der Lehrmeister, „ich bin nicht zufrieden mit Eurer Hausarbeit. Sie ist sichtlich in sehr großer Hast und mit wenig Gedanken verfasst worden.“ „Ich hatte keine Zeit, mich sorgfältig darum zu kümmern,“ sagte Venger patzig. „Mein Schwertmeister...“ „Euer Schwertmeister tangiert die Verpflichtungen, die Ihr mir gegenüber habt, nicht im Geringsten,“ fiel der Magister ihm ins Wort. „Ihr müsst Euch über Eure Prioritäten im Klaren sein. Und die, Herr Venger, sind ganz eindeutig hier, in diesem Raum, in diesen Büchern zu suchen.“ Venger Emberbey biss sich auf die Lippen. „Nehmt Euch nur ein Beispiel an Eurem Cousin,“ fuhr der Lehrer verärgert fort. „Seine Aufgaben sind stets tadellos und sorgfältig erledigt worden.“ Osse zuckte zusammen, als habe man ihn geschlagen. Er hasste es, wenn der Magister ihn vor den Ohren von Venger lobte. Er hasste es, als Vorbild für jemanden hingestellt zu werden, der andere Ideale verehrte als die, die der Lehrmeister ihnen mit Unerbittlichkeit zu vermitteln suchte. Mit roten Ohren neigte er sich tugendsam über sein Papier und füllte Zeile um Zeile mit Zahlen, in seiner wie gezirkelten, sauberen Handschrift. Zahlen, die er ganz ohne Abakus zu komplizierten Gleichungen verband und damit den Unwillen seines Lehrers von sich fernhielt. Dem Lehrer musste man etwas zeigen, das ihm gefiel, das ihn ablenkte. Osse hatte schnell begriffen, dass er sich hinter tadellosen mathematischen Konstrukten und fehlerfreien Übersetzungen aus der alten Sprache verbergen konnte. Ein sicheres Versteck für seine Seele aufbauen konnte. Venger hatte das nicht verstanden, und Venger brauchte es auch nicht zu verstehen. Venger war der, der fechten und reiten lernte und die Farben des Hochlandhauses stolz in die Welt hinaus tragen würde. „Euer Entzücken über Osse tangiert nicht meine Verpflichtungen gegenüber des Hauses,“ äffte Venger den Lehrer nach, so beiläufig, dass dieser es überhaupt nicht zu bemerken schien. „In wenigen Stunden werde ich ein Ritter des Hauses sein, und dann rufen mich andere Pflichten.“ „Solange, bis Ihr ein Ritter des Hauses seid,“ gab der Magister scharf zurück, „untersteht Ihr meinem Unterricht und meiner Weisung. Also nehmt nun die Feder http://home1.tiscalinet.de/lamaga
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anstelle des Schwertes und versucht, Eurem Cousin wenigstens ein wenig nachzueifern in Fleiß und Klugheit.“ Osse spürte, dass Venger ihn am liebsten geohrfeigt hätte, allein für den Umstand, dass er neben ihm stand und einen jämmerlichen Vergleichsmaßstab bot. „Im Übrigen,“ fuhr der Schulmeister fort, „hatte ich eine sehr aufschlussreiche Unterhaltung mit Eurem Schwertmeister, Herr Venger. Es scheint, dass Euer Talent an der Waffe sich nicht im Wesentlichen von dem an den Büchern unterscheidet. Ihr rühmt Euch Leistungen, die jeder Qualifikation spotten. Also entschuldigt Euch nicht ständig mit Euren Ritterpflichten. Und nun will ich nichts mehr davon hören.“ Der Lehrer klappte sein Buch auf und begann, Venger Emberbey, der, der am nächsten Tag seine Schwertleite erhalten sollte, ein schwieriges Diktat einzusagen. Venger gab ein hasserfülltes Knurren von sich und griff zur Feder, nicht ohne Osse einen bitterbösen Blick zuzuwerfen. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf das Papier vor sich und begann, zu kritzeln. Osses Aufmerksamkeit teilte sich. Während er weiter rechnete und schrieb, lauschte er dem, was Venger am Pult nebenan zu Papier bringen sollte. Seine Hand flog über das Papier, und seine Füße schmerzten. Es war den beiden jungen Adligen nicht erlaubt, in Gegenwart des Lehrmeisters zu sitzen. Stundenlang waren sie Tag für Tag an das Stehpult gebunden, und Osse hatte längst gelernt, die Erschöpfung zu ignorieren und den Schmerz durch vielfach verstärkte Konzentration zu übertönen. Osse war geduldig und duldsam, der perfekte Schüler, eine kleine scheue Seele, die das tat, was man von ihr verlangte und doch von ganz anderen Dingen träumte, manchmal, wenn niemand ihn dabei beobachtete. Der Magister hatte niemals Grund, über Osse Emberbey, den Sohn des Grafen von der Bernsteinbucht, zu klagen. Doch ein Lob aus seinem Mund war selten, und es diente stets nur dazu, Venger zu beschämen, den Cousin und Sohn der Schwester des Grafen. Den, der nun eine hübsche Rüstung trug, ein Schwert sein eigen nannte und bald ein Ritter sein würde. Osse seufzte im Stillen und schaute dann hinüber zum Erker, wo die Mädchen beieinander saßen und sich mit Stickereien die zeit vertrieben, während er und Venger die alltägliche Pein der Schulstunden über sich ergehen ließen. Der Vater sah keine Notwendigkeit, den beiden Mädchen Bildung zu gönnen, und manchmal beneidete Osse die Schwestern darum. Truda, das ältere Mädchen, stichelte fleißig an einem hübschen Gobelin voller bunter Blumen und Vögel, mit etwas unsicheren, aber hartnäckigen Stichen. Rayneta, die jüngere, hatte die Nadel im Stoff festgesteckt und spielte mit dem Ring, den sie am Finger trug. Der Ring trug einen klaren, geschliffenen Edelstein, mit dem das Mädchen Sonnenstrahlen einfing und blitzend buntes Licht auf Osses Nasenspitze zu lenken versuchte. Osse hob mahnend die Brauen, und seine kleine Schwester unterbrach errötend ihr Spiel und stickte eifrig weiter. Was aus ihrem Tuch werden sollte, ließ sich nicht sagen, aber es war schön bunt. http://home1.tiscalinet.de/lamaga
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Der Magister hatte nichts davon bemerkt. Aber Osse war einen Moment lang abgelenkt und dachte über optische Probleme bei der Brechung des Lichtes nach. Schon lange war er darüber hinweg, sich an dem lustigen Funkeln des Brillantenlichtes zu erfreuen. *
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päter am Tag schaute Osse Venger zu, wie er sich von eifrigen Bediensteten seine Rüstung anlegen ließ und dabei darauf wartete, dass die Stallburschen ihm sein Pferd bringen mochten.
Graf Alsgör kam heran und trat neben seinen Sohn. Osse zuckte zusammen, als der gestrenge Herr ihm die Hand auf die Schulter legte. „Ich bin stolz auf Venger,“ sagte der Graf nachdenklich und verschränkte abwartend die Arme. „Endlich wird wieder ein Ritter unser Haus vertreten, würdig auf dem Fest der Könige.“ Osse schluckte und schaute beschämt zu Boden. "Wie gern hätte ich deinem Wunsch entsprochen und unser Haus würdig repräsentiert," antwortete er leise. Graf Alsgör zuckte die Achseln und schaute an Osse vorbei auf Venger, der dort prangte, stolz in seiner noch schmiedeneuen Panzerung. "Niemand macht dir einen Vorwurf, Osse,“ sagte er, und seine Stimme war pure, anklagende Ironie. „Es ist nicht deine Schuld, dass die Mächte dich mit diesem Makel geschlagen haben." Vengers Pferd wurde gebracht, ein sandfarbener, recht hübscher Hengst. Osse wusste, dass der Vorbesitzer das Tier verkauft hatte, weil es als Streitross nicht taugte, denn er hatte gehört, wie sich die Stallburschen im Stillen darüber unterhielten. Doch er hatte diskret dazu geschwiegen. Sollte Venger sich an dem Pferd erfreuen. Ein Turnier würde er auf seinem Rücken nie bestehen. Der angehende Ritter lächelte zufrieden und stakste mit klappernden Beinschienen zu seinem Ross hinüber. Graf Alsgör ließ Osse stehen und folgte ihm. Der Altgraf war bemüht darum, Venger, dem Sohn seiner Schwester, praktische Ratschläge zu erteilen. Er selbst hatte seit einer Verletzung, die er sich aus Ungeschicklichkeit bei einem seiner ersten Turniere zugezogen hatte, schon lange kein Pferd mehr bestiegen, und ein Kettenhemd war für ihn bereits eine untragbare Last. Um so beharrlicher drang der Altgraf darauf, wieder einen echten Ritter als Repräsentanten des Hauses in seinen Mauern zu wissen. Osse ließ die schmalen Schultern hängen und schlug entsetzt das nagende Gefühl von Wut und Enttäuschung zurück, das sich durch seinen eigenen Panzer zu kämpfen versuchte, einen starren, unbequemen Kokon aus Ergebenheit und http://home1.tiscalinet.de/lamaga
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Gehorsam. Das hier ging ihn nichts an. Das war Venger, Vengers Tag, Vengers Triumph. Der Altgraf würde stolz auf seinen Neffen sein. Der Makel, der Makel, der Osse die schöne Rüstung, die bernsteinfarbenen Gewänder und die Anerkennung seines Vaters weggenommen hatte – der Makel saß auf seiner Nase und war aus kaltem Glas. Osse hasste sie, er hasste die Augengläser, die er seit Kindertagen tragen musste. Spott und Hänseleien hatten sie ihm eingebracht, ihn zu etwas Lächerlichem, Bemitleidenswertem gemacht und ihn für alle Zeiten vom Turnierplatz disqualifiziert. Nein, ein kurzsichtiger Ritter taugte nichts im Kampfspiel, taugte nichts zur Verteidigung des Lehens und der Krone. Osse Emberbey, Erbe des Hauses von der Bernsteinbucht, hatte warme, graue Augen, aber diese Augen waren zu schwach, um einem Ritter dienlich zu sein. Ohne die Brille, hinter der Osse seine Blicke versteckte, war der Junge hilflos. Dem Jammer über die eigene vermeintliche Unzulänglichkeit gesellte sich Neid hinzu, der auf Osses Resignation eindrang. Ja, da saß er, Venger von der Bernsteinbucht, in prächtigem Harnisch auf einem schönen Pferd, und die so leidenschaftslosen Augen des Vaters musterten den jungen Mann mit einem Stolz, wie Osse ihn seit Jahren misste. Was nützte ihm das, was er an Leistungen erbrachte, was nützte ihm sein Fleiß und seine Intelligenz, die der Lehrer als selbstverständlich hinnahm und die dem Vater kein freundliches Wort entlockte? Osse wandte sich von der Szene ab, wollte ihn nicht sehen, seinen Cousin auf dem Pferd, das ihm hätte gehören sollen, in den Gewändern, die er hätte tragen sollen, mit dem Auftrag, den er als der erbe zu erfüllen hatte. Traurig kehrte er dem Stallvorplatz den Rücken zu und schritt hinüber zum Haupthaus, auf dessen Rückseite sich ein ganz kleiner Blumengarten befand, den damals noch die Mutter angelegt und um den sie sich gesorgt hatte. Damals, vor langer Zeit, bevor all das kam, der Lehrer, die Brille und die Demütigung. *
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ie Rosen verwilderten, seit sich niemand mehr um die Pflege der Blumenbeete kümmerte. Seit die Mutter fort war, verkam der Garten, verkam alles, was das Bernsteinbuchthaus sich an nutzloser Schönheit
geleistet hatte. Osse ließ sich auf einer verwitterten Bank nieder und schaute hinab auf das Meer in der Bucht zu Füßen der Burg. Die Burg war eine klobige Zitadelle, erbaut irgendwann vor vielen hundert Jahren von ruhmreichen Vorfahren, die ein Bollwerk gegen die Piraten hatten errichten wollen, die einst hier das Meer des Chaos unsicher gemacht hatten. Trutzig und hässlich erhob sich das Gebäude auf einer niedrigen Klippe und ruinierte das Landschaftsbild. Wenn die Sonne unterging, färbte ihr Lichterspiel das http://home1.tiscalinet.de/lamaga
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Wasser der Bucht honigfarben, ein ungewöhnliches Naturschauspiel, dem das Haus seinen Namen verdankte. Osse hatte als kleiner Junge großen Gefallen daran gefunden, auf dem Schoß der Mutter sitzend und ihren Liedern zuhörend. Den Wechsel der Farben und das warme Licht hatte er erkennen können, so verschwommen und neblig auch die Welt ringsum damals gewesen war. Und die Mutter war bei ihm gewesen und hätte niemals zugelassen, dass jemand ihren kleinen Sohn demütigte oder verspottete. Die Mutter war fort. Osse hatte Rayneta niemals die Schuld dafür gegeben. Die Mächte hatten es so gewollt, sie hatten Rayneta das Leben gegeben und es der Mutter genommen. Das war das Weltenspiel, und es war richtig. Mit Rayneta war etwas von der Mutter in Osses Welt geblieben, etwas, das er nicht recht verstand, zu dem er sich jedoch hingezogen fühlte. Truda war anders, glich eher dem Vater, dem Gestrengen, Beherrschten, dem, der nicht lachen konnte, es nicht einmal gekonnt hatte, als die Mutter noch da war. Rayneta war anders. Truda, die ältere Schwester, sie war mit ihren zwölf Jahren ein feines Fräulein, sittsam, züchtig und angepasst, eine, die in nicht allzu langer Zeit an der Seite eines Edelmannes bleiben würde und dort in aller Stille ein unauffälliges, ereignisloses Leben zu Ende leben würde. Ein Leben, ähnlich dem, das ihn selbst, Osse Emberbey erwartete. Ihnen mangelte es an nichts, sie alle verfügten über Wohlstand und alle Bequemlichkeiten, die ein Edler in dieser Welt erwarten und behalten konnte. Rayneta trug einen Fingerring, ein Erbstück der Mutter, der soviel wert war wie drei Kühe es sein mochten. Und sie benutzte ihn, um mit dem Licht zu spielen. Er hörte sie kommen, hörte ihre Schritte, denn sie gab sich keine Mühe, sich an ihn anzuschleichen. Mit fliegenden Röcken rannte sie in den verwilderten Garten und ließ sich wenig sittsam und ohne zu fragen neben Osse auf die Bank fallen. Sie war ganz außer Atem, und ihr Gesicht strahlte. Sieben Jahre war sie alt. "Du benimmst dich bäurisch," tadelte Osse ruhig. "Du bist ein Edelfräulein." Rayneta richtete sich auf und nahm eine damenhaftere Haltung ein. "Osse," sagte sie gedehnt, "wir sind doch nicht beim Lehrer." "Nein," gab er zurück. "Trotzdem solltest du dich benehmen wie ein Edelfräulein." "Du bist langweilig," versetzte die kleine Schwester gnadenlos. "Das mag ich gar nicht leiden." Osses Gesicht überflog ein unwilliger Schatten. Aber Rayneta plapperte schon weiter. "Ein schönes Pferd hat Venger bekommen. Morgen ist er ein Ritter, und dann ziehen sie alle in die Ebene zum Fest. Ob sie uns mitnehmen werden?" "Wenn Venger mit ihnen geht," antwortete Osse steif, "werden wir hier bleiben. Was soll er mit kleinen Mädchen unter all den Edlen?"
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"Schade," meinte Rayneta leichthin. "Ich hätte so gern die schöne Prinzessin gesehen. " Sie legte das Köpfchen schräg und blinzelte ihn fragend an. "Und warum bleibst du hier?" Er sah sie an, ihr hübsches Kindergesicht mit der sommersprossigen Nase und den streng geflochtenen Zöpfen. Und den Augen, die waren wie die der Mutter. "Was soll Venger mit einem kurzsichtigen Schwächling an seiner Seite?" Rayneta blickte zu Boden. Osse starrte aufs Meer, die Hände auf die knochigen Knie gestützt. Nicht weinen, nicht weinen... Ihre kleine Hand legte sich scheu auf seine Finger, die schon so mager waren wie die eines alten Schreibers. Sie schmiegte die Wange an den Ärmel seines Gewandes aus dunkelbraunem Samt. Er zögerte. Dann legte auch er seine Hand auf die der Schwester, so klein und weiß und zart. *
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enger klopfte niemals an, wenn er Osses Gemach betrat. Und Osse schloss niemals seine Tür ab. Er brauchte keinen Riegel, um sich vor den anderen auszusperren. Dazu genügte ihm allein seine Distanz, die alle befremdete,
die mit dem jungen zu tun bekamen. Osse galt schon jetzt, mit fünfzehn Jahren, als verschrobener Pedant. Und das Gesinde spottete über ihn, wenn er nicht in der Nähe war, während es seine Anwesenheit mit Unbehagen ertrug. Denn Osses unbestechlichem Blick entging nichts. In Gegenwart des jungen Herren durfte niemand sich eine Nachlässigkeit leisten, ohne von ihm ermahnt und zur Besserung aufgefordert zu werden. Osse arbeitete hart an seiner Perfektion, dem Bestreben, es allen recht zu machen und vollkommen zu sein. Und er erwartete, dass alle es ihm nachtaten. Als der junge Mann die karge Stube seines Cousins betrat, klappte Osse das Buch zu, in dem er soeben gelesen hatte. Er besaß eine erkleckliche Anzahl von Büchern, und die meisten davon behandelten gelehrte Dinge und Chroniken. Romane gab es in Osses Welt nicht. Venger Emberbey schaute sich um, aber es gab nichts Neues zu entdecken seit seinem letzten Besuch in Osses Kemenate. Der Junge fragte sich, was sein älterer Cousin wohl hier verloren hatte. "Morgen ist es soweit," sagte Venger schließlich und lächelte boshaft. "Dann gehört mir das Schwert. Dein Schwert." "Ich wünsche dir viel Spaß damit," entgegnete Osse kühl. "Ich habe besseres zu tun, als mich mit Raufbolden zu umgeben." Venger kam näher an den Tisch heran. Mit nachlässiger Geste setzte er sich auf die Tischkante und musterte den mageren, bebrillten Cousin. Der zukünftige Ritter http://home1.tiscalinet.de/lamaga
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wusste, dass Osse es nicht mochte, wenn jemand sich auf einen Tisch setzte, wenn es Stühle im Raum gab. Das widersprach der Ordnung, der pedantischen, fest geregelten Welt, in der der Cousin sich geborgen fühlte. Auch jetzt erntete er einen strafenden Blick für sein Verhalten. Aber er nahm sich das nicht zu Herzen. "Der Tross des Hochlandhauses wird am Abend zu uns stoßen," fuhr Venger fort. „Ich reise gemeinsam mit den Edlen in die Ebene." "Meinetwegen. Und nun steh bitte auf und benutze einen Stuhl oder geh raus. Ich habe zu lernen." "Mein Schwertmeister," plauderte Venger ungerührt weiter, "war sehr zufrieden mit mir. Er sagte, ich hätte in all den Jahren beachtliches Talent gezeigt Der Lehrer hat keine Ahnung." "Der Magister war weniger erbaut über deine Leistungen in der Geometrie," konterte Osse. „Und davon versteht er etwas.“ "Na und? Wozu brauche ich den Magister noch? Ich werde ab morgen ein Ritter im Dienste der Könige sein. Man wird mich auf der Burg vereidigen, noch bevor das Fest anfängt." "Formalitäten," sagte Osse ungerührt. "Dann bin ich der Herr im Haus," setzte Venger hinzu. Osse schwieg einen Augenblick lang. "Nein, das bist du nicht," sagte er dann ruhig. "Du bist dann der Repräsentant. Aber ich bin immer noch der Erbe. Dass kannst du nicht ändern." "Sei nicht albern, Osse. Du bist ein gelehrter Büchernarr und hast keine Ahnung, was außerhalb der Burgmauern geschieht. Bleib in der Bibliothek, wo du hingehörst." Osse lehnte sich zurück. Er biss sich auf die Lippen und räusperte sich dann. "Ich weiß, was du denkst, Venger," sagte er ruhig. "Aber die Zeiten, in denen mit dem Schwert regiert wurde, sind endgültig vorbei. Die Zukunft liegt in den Händen von Männern des Geistes. Geh du nur hinaus in die Welt und spiel dich dort ein wenig vor den Edlen auf. Doch die Geschicke der Welt, die beeinflusst du damit nicht." "Du bist ein Schwächling, Osse," sagte Venger bissig. "Und ein Angsthase." "Ich," sagte Osse gewichtig, "bin der Sohn des Altgrafen. Und all das hier wird
einmal mir gehören, Ritter Venger, und dann wirst du in meinen Diensten stehen, und wenn du meiner noch so sehr spottest." Venger lachte leise. "Das du dich da mal nicht täuscht," sagte er sarkastisch, stand auf, verneigte sich spöttisch und ging hinaus. Die Tür ließ er weit offen stehen. Osse mochte auch keine offenen Türen. Nicht, wenn jemand wie Venger sich in der Nähe herumtrieb. Er wartete ungerührt ein paar Minuten. Dann erhob er selbst sich, ging zur Tür hinüber und spähte auf dem Gang nach links und rechts. Dann zog er sie zu. http://home1.tiscalinet.de/lamaga
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Hinter den wertvollen Geschichtsbüchern im Regal hatte Osse ein hölzernes Kinderschwert verborgen. Es war das einzige Spielzeug, das er aufbewahrt hatte, nachdem die Mutter hinter die Träume gegangen war. Das einzige Spielzeug, das sie ihm zu benutzen verboten hatte, aus Angst, er könne sich im Spiel damit verletzen. Osse betrachtete das Schwert nachdenklich. Und weinte nicht. *
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ls Osse gerade begonnen hatte, die Welt außerhalb seiner Wiege zu erkunden, hatte die Mutter rasch bemerkt, dass etwas mit dem Sohn nicht in Ordnung war. Oft krabbelte das Kleinkind orientierungslos auf dem
Teppich in der Halle umher und verfehlte die Bälle und Bauklötze, nach denen es griff. Sie sagte es dem Vater, aber der wollte davon nichts hören. Seine junge Frau, ein Edelfräulein von den östlichen Ufern, anmutig, gebildet und sanft, sie war die vollkommene Frau an seiner Seite, eine, die er sich erwählt und deren Hand er von ihren Eltern genommen hatte, noch bevor er sie zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht gesehen hatte. Die junge Ehe war perfekt, eine gute Herrin hatte das Bernsteinbuchthaus erlangt, eine geschickte politische Entscheidung getroffen. Und dann hatte sie ihm einen Sohn geboren, einen erstgeborenen Sohn. Zart und schmächtig war das Baby gewesen, aber gesund. Und er war stolz darauf gewesen. Als Osse endlich gelernt hatte, aufrecht zu stehen und seine ersten Schritte zu tun, war er eines Tages eine Treppe hinabgefallen, ein schlimmer Sturz war es gewesen, doch die Mächte hatten das kleine Kind beschützt. Heimlich hatte die Mutter den Arzt befragt, als der Vater sich, zufrieden mit der glücklichen Fügung, abgewandt hatte, und der gelehrte Mann hatte ihr bestätigt, was sie befürchtet hatte. Der kleine Osse war mit einem Sehfehler geschlagen und benötigte Augengläser, um scharf blicken zu können. Der Graf hatte nicht sofort erfasst, was das bedeutete. Amüsiert hatte er auf seinen Sohn herabgeblickt, der zu närrisch aussah mit den gläsernen Fenstern, die er fortan im Gesicht tragen musste. Derweil war ihm Truda geboren worden, die erste Tochter, und das Leben schien sich in den besten Bahnen weiter zu bewegen. Eine Tochter, die sich trefflich verheiraten ließ, zum politischen Wohle des Hauses. Das Weltenspiel meinte es gut mit ihm. Osse hingegen war seit seinem Treppensturz besonders vorsichtig und ängstlich geworden. Obgleich er mit der Brille viel besser sehen konnte, erwies der Knabe sich als zaghaft und scheu im Spiel und ließ alle Verwegenheit vermissen, die der Graf bei einem Sohn, der einmal die Ritterschaft erlangen sollte, erwartete. Als Osse zudem begann, sich von Pferden zu fürchten, konnte der Graf seine Enttäuschung nicht verbergen. Und als sich herausstellte, dass Osse Emberbey
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aufgrund seines Augenleidens niemals der neue Ritter des Hauses werden würde, fand der Graf sich erbittert mit dem Gedanken ab, keinen Sohn mehr zu haben. Die Mutter liebte ihren kleinen Jungen mit all seinen Mängeln, mehr noch, sie nahm diese gar nicht wahr. Denn der kleine Osse bezauberte sie durch Tugenden, die sie mehr wert schätzte, denn er war sanft und sensibel und bewies schon als Knabe eine Intelligenz und Scharfsinnigkeit, die die Herrin und ihr Gesinde verblüffte und entzückte. Sie begann, Osse zu behandeln wie einen kleinen Prinzen, sie hielt alles Ungeschlachte, Primitive von ihm fern und überschüttete ihn mit Liebe und Zärtlichkeit. Osse betete in seiner kindlichen Unschuld die gute Mutter an und war bestrebt, perfekt zu sein und alles zu tun, was sie von ihm erwartete. Seinen Vater bekam er kaum zu Gesicht. Denn der Altgraf hatte seinen Neffen, Venger, der einige Jahre älter war als der missratene Sohn, als Statthalter der Waffenkunst erkoren. Dann war die Mutter gegangen. Rayneta war gekommen. Und alles war anders geworden. Ein strenger, humorloser und unerbittlicher Lehrer hatte sich des Knaben angenommen, weil Alsgör sich nicht um ihn kümmern mochte. Der Vater hatte ihm den bevorzugten Cousin zum Gefährten gegeben. Die Gespielinnen der Mutter waren gegangen, als die Herzen der Herrschaft zu erkalten begannen und hatten den Knaben Osse allein gelassen, einsam und verständnislos. Der Lehrer, der Vater und der Nebenbuhler um dessen Gunst hatten aus Osse das gemacht, was er nun war und was ihn selbst anödete, je länger er darüber nachdachte. Sie hatten ihm geholfen, die Schale aufzubauen, in der er sich verkroch. Einzig Rayneta gelang es gelegentlich mit ihrer unbekümmerten, sorglosen Art, an Osses Kokon zu kratzen, ihn für Minuten aus seiner freudlosen Ergebung zu locken. Aber sie hatte es nie geschafft, ihren großen Bruder zum Lachen zu bringen. Andererseits hatte sie ihn auch noch nie weinen gesehen. *
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er Tross des Hochlandhauses kehrte am späten Abend in der Burg ein, und mit den Fürsten und ihrem Gefolge kam ein Grüppchen von ausgelassenen jungen Rittern, die, kaum dass ihre Väter und Mütter ihnen den Rücken
kehrten, die Burg in Beschlag zu nehmen schienen und sich offenbar wie daheim fühlten. Venger in seiner neuen Rüstung stand und staunte mit offenem Mund. Diese jungen Männer hatten etwas an sich, das ihm fremd war und fehlte. Es war eine unbekümmerte Wildheit an ihnen, ein jugendlicher Übermut und Tatendrang, der mitreißend und erregend war und auch ein wenig beängstigend. Ihre Rüstungen waren durch wilde Gefechte gegangen, und ihr Gehabe glich nicht im Geringsten dem förmlichen, etikettierten Protokoll, das Venger von seinem Lehrmeister angeraten bekommen hatte. http://home1.tiscalinet.de/lamaga
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Truda war von jungen Männern fasziniert, obwohl sie es sich kaum anmerken ließ. Osse entging es nicht. Schweigend und züchtig saß sie bei den Damen in einer Ecke des Saales und blickte doch immer wieder zu den Rittern und Edlen hinüber, die gemeinsam an einem separaten Tisch speisten. Eine zaghafte Verwirrung lag in ihrem scheuen Gesicht. Rayneta hockte an der Seite der älteren Schwester und starrte so demonstrativ zu den lauten Gästen hinüber, dass Osse es als aufdringlich empfand. Aber er sagte nichts dazu. Der Anführer der jungen Ritter war der Sohn des Hochlandfürsten, ein charismatischer junger Bursche namens Merrit. Osse konnte den Blick kaum von ihm abwenden. Merrit vom Hochland war groß, athletisch gebaut und auf eine schwer zu bestimmende Weise von einer raubeinigen Attraktivität. Sein braunes Haar war ordentlich gestutzt, und seine leichte Rüstung mit Leder und Nieten verziert, die deutliche Spuren vergangener Kämpfe aufwies. Neben ihm und seinen ähnlich gewandeten, beim Mahl laut schwadronierenden Gefährten wirkte Venger mit seinem Hochglanzharnisch wie jemand in einem schlechten Theaterkostüm. Osse freute sich einerseits im Stillen, wie kleinlaut und verlegen sich Venger im Angesicht der jungen fremden Männer ausnahm, andererseits fühlte er selbst sich nicht besonders wohl zwischen den lauten und seiner Meinung nach recht rüpelhaften Burschen, die sich mit sehr großzügig ausgelegten Tischmanieren über den Braten hermachten, der zur Feier des Tages bereitet worden war. Fleisch gab es nur selten zu essen in der Burg, denn der Vater war sparsam und hortete sein Vermögen. Osse trank Wasser und aß trockenes Brot. Er war Enthaltsamkeit gewöhnt und sah keinen Grund, von seinen Bräuchen abzusehen. Der Junge schielte unauffällig hinüber zum Altgrafen. Der unterhielt sich angeregt mit dem Grafen Wayreth vom Hochland, und seine Augen strahlten glücklich. Selten kam eine solche hochgestellte Gesellschaft im Bernsteinhaus zusammen. Osse wandte sich nachdenklich wieder seinem Teller zu und zerbrach ein Stück Brot darüber. "Wie vornehm du isst," sprach ihn jemand über den Tisch hinweg an. "Wie ein Spatz." Der Junge blickte auf. Merrit vom Hochland schaute zu ihm hinüber. Auf seinem Teller lag ein Stück gebratenes Fleisch. "Ich verstehe nicht," entgegnete Osse zaghaft, "Herr..." Merrit lächelte spöttisch. "Ein magerer Hering bist du, Bursche. Sie sollten dich mit besserem füttern als mit trockenem Mehl." Osse errötete. "Ich bin nicht hungrig," behauptete er. "Ich esse nur zur Gesellschaft mit Euch." Er neigte sich über den Teller und brach sein Brot in kleine Happen. Als er damit fertig war, stellte er fest, dass der junge Hochlandfürst ihn nicht aus den Augen gelassen hatte. http://home1.tiscalinet.de/lamaga
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Der Ritter, der neben ihm saß, knuffte den Freund vertraulich in die Seite. "Vielleicht weiß er nicht, wie man vom Fleisch ist, ohne sich die feinen Gewänder zu beschmutzen." Osse versuchte, das Gerede zu ignorieren. "Halt den Mund," sagte Merrit knapp zu seinem Kumpan. Osse blickte verdutzt auf. Merrit wandte sich seinem Fleisch zu, setzte sein Essmesser an und trennte einige mundgerechte Stücke ab. Die Ritter in Merrits unmittelbarer Umgebung betrachteten die Szene befremdet. Vengers Kinnlade sank hinunter, als Merrit den Teller zu Osse hinüber reichte. Verdutzt griff der Junge danach. Er fühlte sich im Mittelpunkt des Interesses, angestarrt von vielen erwartungsvollen Augen und zog beschämt den Kopf ein. "Danke," sagte er leise und hielt es für höflich, einen Bissen zu nehmen. Merrit lächelte, es war ein gutmütiger Spott in seiner Miene, eine machtvolle Überlegenheit, die Venger niemals ausstrahlen würde, auch nicht in einer Rüstung aus Gold. "Du nimmst meine Speise an," sagte Merrit leichthin. Osse zögerte, weiterzukauen. Die Ritter ringsum fingen an, unterdrückt zu grinsen. Osse begann zu ahnen, dass man ihn soeben mit einem eleganten höfischen Scherz auf den Arm genommen hatte. "Du wirst dich einmal daran erinnern," versetzte Merrit rätselhaft, und nun prusteten die ersten jungen Ritter verstohlen los. "Schweigt!," gebot Merrit, und seine Freunde verstummten augenblicklich. Osse staunte über die Selbstverständlichkeit, mit der der Sohn des Hochlandfürsten über seine wilden Genossen gebot, und wie gehorsam sie sich gaben, ihm gegenüber, dem Gleichgestellten, der sie in der Hand zu haben schien. Venger rutschte unbehaglich auf seinem Platz hin und her. "Du bist Osse Emberbey, der Erbe des Hauses?", erkundigte Merrit sich. "Er ist mein Cousin," antwortete Venger rasch, hatte wohl das Bedürfnis, sich ins Gespräch zu bringen. "Ich bin der Ritter des Hauses." "Danach," antwortete Merrit kühl, "habe ich nicht gefragt, Herr Venger. " Venger errötete zornig. Der Tadel durch den jungen Ritter demütigte ihn. Merrit betrachtete Osse nachdenklich eine Weile mit seinen hellen blauen Augen. Osse war fasziniert von diesem Blick und wusste nicht, was er tun sollte, um das zu erfüllen, was der junge Ritter zu sehen hoffte. Merrit lächelte überlegen. "Osse Emberbey, eines Tages wirst du mich deinen Herrn nennen. Und ich werde dir dein Brot geben." Osse starrte ihn perplex an. Was Merrit da sagte, war eine ungeheuerliche Anmaßung. http://home1.tiscalinet.de/lamaga
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Merrit wandte sich Venger zu. "Ich, Herr Venger, werde mich wohl auf dem Fest mit der Prinzessin verloben. Dieses Haus wird mir unterstehen oder mir in der Niederlage begegnen." "Das werde ich zu verhindern wissen," zischte Venger empört, und seine Hand zuckte zu seinem neuen Schwert. Er versuchte, die Waffe zu ziehen, aber sie klemmte in der Scheide fest. Venger warf nervöses Blicke um sich. Merrit lächelte mitleidig. Ringsum klirrte Metall, als seine Ritter in Bereitschaft gingen. Eine Schlägerei mit dem herausgeputzten jungen Mann wäre wohl nach ihrem Geschmack gewesen, vielleicht sogar eine Art Aufnahmeritual in ihren Kreis. Zumindest erhob keiner der älteren Ritter Einspruch. Osse wusste nicht, wieso er es tat. Aber er erhob sich rasch und hob die Hand. Alle Blicke wandte sich dem mageren Jungen in den dunklen Gewändern zu. "Herr Merrit," sagte Osse gedämpft, "ich nenne Euch meinen Herrn. Glücklich wäre ich, dürfte ich mich auch Eurer Gunst erfreuen." Merrit hob die Brauen. "Und ohne meine Gunst, mein Lehnsmann?," fragte er amüsiert. Osse blickte zu Boden. "Einen Herrn ohne Gunst heißt man einen Diktator." Einen Moment waren die jungen Männer still. Dann erhob sich beifälliges Gemurmel. Venger schaute sich verdutzt um und ließ sein Schwert wieder los. Merrit lachte leise. "Iß, Osse Emberbey. Ein geschickter Diplomat verbirgt sich in deinem mageren Leib. Sieh zu, dass du etwas auf die Rippen bekommst, dass du mir nicht verhungerst, bis ich einen klugen Mann an meiner Seite brauche. " Osse ließ sich errötend nieder, denn ringsum waren auch einige ältere Ritter auf die Szene aufmerksam geworden, hatten jedoch glücklicherweise wohl nicht mitverfolgt, was dem vorausgegangen war. Venger runzelte die Stirn und aß schweigend. Und Merrit ignorierte Osse für den Rest des Abends und schwärmte seinen Freunden in flammenden Worten von der schönen Prinzessin vor. Venger blieb wortkarg und entfernte sich früh von der Tafel. *
R
ayneta hopste an Osses Seite die Treppe zu ihrem Gemach empor. Osse, der die eine Hand, wie es seine Gewohnheit war, in der Nähe des Geländers hielt, um rasch zupacken zu können, hatte Mühe, das Mädchen an der
anderen zu führen. Rayneta sollte lernen, an der Seite eines galanten Herrn zu gehen. Ihm zuliebe tat sie es, aber er wusste, dass es sie langweilte, wo es doch so viel aufregendere Dinge zu berichten gab. „Truda hat den ganzen Abend zu dem einen jungen Ritter hingeschaut,“ plapperte das Kind. „Ich glaube, sie findet ihn richtig nett. Vielleicht sollte sie ihn heiraten.“ http://home1.tiscalinet.de/lamaga
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„Ich glaube nicht, dass der junge Herr dem zustimmen wird,“ antwortete Osse ernsthaft. „Mir scheint, er hat höhere Ziele als die Ehe mit einer kleinen Provinzgräfin.“ „Truda,“ sagte Rayneta. „Sie heißt Truda, Osse.“ Das Kind überlegte einen Augenblick lang und lächelte dann verschmitzt. „Vielleicht sage ich es ihm.“ „Was?“ „Das Truda ihn heiraten will,“ versetzte sie. „Gleich morgen früh, bevor Venger seinen Ritterschlag bekommt. Dann nimmt er sie mit auf seine Burg, weg von...“ „Das wirst du besser bleiben lassen,“ entfuhr es Osse entsetzt. „Rayneta, du weißt nicht, wovon du redest.“ Sie blieb auf der Treppe stehen und blinzelte ernsthaft zu ihm hinauf. „Aber Truda würde sich nie trauen, ihn zu fragen.“ „Truda ist nicht für ihn,“ sagte Osse sanft. „Das musst du verstehen.“ Rayneta ging weiter und schwieg eine Weile. Osse überlegte, was für abstruse Gedanken nun in ihrem Kinderköpfchen ablaufen mochten. „Osse,“ sagte sie nach einer Weile, „du magst Venger doch nicht, oder?“ Osse blieb stehen. Sie hatten den oberen Absatz der Treppe erreicht. Hier lagen die Gemächer der Damen und ihrer Zofen. „Wieso fragst du das, Rayneta?“ „Weil du doch all die schönen Sachen haben solltest,“ sagt sie ernsthaft. „Das Pferd und die Rüstung und all das. Also, ich würde es nicht mögen, wenn Truda mir mein Spielzeug wegnehmen würde.“ Osses Mundwinkel zuckten, aber es wurde kein Lächeln daraus. „Spielzeug,“ sagte er nachdenklich, „vielleicht ist es wirklich nur Spielzeug...“ „Und...“ Rayneta zögerte. Er wartete. „Und ich mag Venger auch nicht,“ gestand sie dann leise. „Warum magst du ihn nicht? Venger wird dir kein Spielzeug wegnehmen.“ Rayneta spielte mit einem ihrer Zöpfe und wich seinem Blick aus. „Gute Nacht, Osse,“ sagte sie dann und knickste artig vor ihm. Dann wandte sie sich ab und verschwand im nur sparsam beleuchteten Flur. Osse seufzte lautlos und schüttelte den Kopf. Sie hatte ihm etwas anvertrauen wollen, es aber nicht über sich gebracht. Und er blieb einsam zurück. Irgendwann hatte er es nicht mehr gekonnt. Irgendwann war er nicht mehr in der Lage gewesen, sie zu umarmen und ihr ein Gute-Nacht-Küsschen zu geben. Der Panzer war zu hart und kalt geworden. Und er spiegelte sich in ihren großen Augen wie in denen der Mutter. Er bemerkte nicht den Schatten, der sich in einer dunklen Ecke verborgen hatte und hervorkam, als der traurige und tränelose Junge sich entfernte.
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*
E
r konnte nicht schlafen, nicht in dieser Nacht, in der so viele fremde Gäste in der Burg waren, Fremde, die den Verlauf seiner immer gleichen Tage in Unordnung brachten. Osse schlich über die Gänge und zählte die Kerzen
und Lichter auf seinem ziellosen Weg durch die Burg. Zahlen, sichere Dinge zu erfassen, Zahlen, Wörter, Barrikaden, Seelenverstecke... sonderbare Dinge gingen ihm durch den Verstand. Schließlich verfiel der Junge in einen traumwandlerischen Gemütszustand, seine Gedanken begannen, zu fließen, und Erinnerungen stürzten auf ihn los. Angenehme Erinnerungen, die die Mutter betrafen. Die Mutter war gut gewesen, so weich und warm und freundlich, sie hatte ihn lieb gehabt und gekost und es war ihr egal gewesen, dass seine Welt nur ein Gemisch aus verschwommenen Farben und Nebel gewesen war. Er hatte nur ihre Stimme gebraucht, ihre Wärme und ihre Zärtlichkeit. Glückliche Tage, oh so glücklich... Dann war die Brille gekommen und hatte ihm die Welt klar vor Augen geführt und ihm den Stolz des Vaters und seine Würde gekostet. Ungezogene Bauernkinder hatten ihn gehänselt, und dann war Venger da gewesen, und die bernsteinfarbenen Gewänder hatte man ihm angelegt. Und die Mutter hatte zu ihm gehalten, und nichts hatte ihn bedrohen können, solange sie in seiner Nähe gewesen war. Selbst die Geburt von Truda hatte die innige Liebe nicht beeinträchtigen können, denn Osse hatte zu teilen gewusst und war glücklich gewesen mit dem, was ihm gegeben wurde. Und dann war Rayneta gekommen, und die Mutter war fort... und er allein, so allein... nicht weinen, nicht weinen... Osse hatte, ohne es so recht zu bemerken, die Burg verlassen und fand sich nun im Blumengarten nahe der Bank wieder. Über dem Meer stand ein erstaunlich heller Mond und machte die Luft blau und klar. Als er zurück blickte und die steilen Mauern der Burg und des Turmes empor blickte, sah er, dass hinter einigen Fenstern noch Licht war. Auch Venger schien noch wach zu sein. Natürlich, er mochte sich für die Zeremonie des nächsten Tages vorbereiten. Osse ließ die Schultern hängen und seufzte abgrundtief. Und erschrak fast zu Tode, als sich im Dunkeln jemand auf der Bank regte, seinen Blicken zunächst durch das Laub der Rosenstöcke verborgen. „Vater?,“ fragte Osse verblüfft, als er die Gestalt erkannte. „Du hast den jungen Herrn Merrit gesehen,“ sagte Graf Alsgör, und seine Zunge schien schwer zu sein. Osse nahm den Geruch von Wein wahr. Der Vater trank sonst niemals etwas anderes als leichtes Bier. „Vater?“ „Ist auch ein Halbwaise, wie du,“ brachte der Graf hervor. „Hat seine Mutter verloren. Ein Unfall. Ist trotzdem ein wackerer Ritter geworden. Auch ohne Frauenzimmer.“ http://home1.tiscalinet.de/lamaga
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„Vater,“ wagte Osse taktvoll, die Stimme zu erheben, „was sagst du denn da?“ Doch Graf Alsgör schnaubte nur und brummte unartikuliert vor sich hin. Osse seufzte auf. „Ich bin kein Ritter,“ sagte er dann tapfer. „Aber ich werde unserem Haus auf anderem Wege Ruhm bringen.“ Alsgör blinzelte auf das Wasser hinaus. „Vater,“ bat Osse, „lass mich die Burg verlassen. Ich muss mein Leben finden, dort, wo man mich braucht.“ Alsgör lachte. „Wer könnte dich brauchen, Osse? Ein Schwächling bist du, feige und langweilig. Wie nur, frage ich, wie nur kann einer wie du mein Sohn sein?“ Der Junge zuckte zusammen bei diesen Worten. Er hatte gewusst, dass sein Vater vor lauter Enttäuschung nicht mehr in der Lage war, ihm Liebe entgegen zu bringen. Doch das... dieser ungeheuerliche Gedanke.... „Ich will fort,“ beharrte er, und er war überrascht, wie viel Kälte er in seine eigene, sonst so demütige Stimme legen konnte. „Ich kann hier nicht länger bleiben, nicht neben Venger. Wenn meine Anwesenheit dir solche Schmach bereitet, dann lass mich gehen.“ Alsgör starrte in die Dunkelheit, in der sein Sohn stand und forderte. Niemals zuvor hatte Osse um etwas gebeten. Immer war er brav und fügsam geblieben und hatte alles, alles getan, was man von ihm verlangt hatte. Vor allen Dingen hatte er sich weitgehend unsichtbar gemacht, so wie es dem Grafen recht gewesen war. „Wohin soll ich dich schicken, Osse Emberbey?,“ fragte der Altgraf. Er schien schlagartig ernüchtert. „Was willst du von deinem Leben? Was kann dein Leben schon wert sein? Du bist ein blinder Maulwurf, der in die Dunkelheit der Erde gehört, wo ihn niemand sieht.“ Osse ließ sich neben seinem Vater auf der Bank nieder. Der Altgraf rückte nicht von ihm ab, und der Junge überlegte, wann er ihm das letzte mal so nahe gewesen war. „Du willst Ansehen und Ruhm für das Haus?,“ fragte er sachlich. „Gut, den sollst du haben. Ich will dir beweisen, dass es Stolz und Ehre gibt, ohne schimmernde Rüstung und prunkvolle Turniere. Ich will fort von hier, wo Venger meine Aufgaben besser erledigt und mir neue Pflichten suchen. Ich will an den Königshof.“ Alsgör lachte laut schallend los, aber das Lachen erstickte dem Grafen in der Kehle, als Osse hinzufügte: „Ein Beamter will ich werden, Vater, ein Politiker im Dienste der Könige. Ein kluger Mann. Ein Mann mit mehr Macht als Venger sie jemals mit seinem Schwert erlangen wird.“ Alsgör schaute eine Weile zu ihm hinüber. Osse schauderte vor diesem stillen, forschenden Blick und schloss die Augen. Er hörte, wie der Graf sich erhob und wie seine Schritte sich auf dem gepflasterten Weg entfernten. Ohne ein weiteres Wort.
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Osse setzte seine Brille ab und strich sich müde über die Augen, die juckten und zu tränen drohten, es aber nicht taten. *
M
errit vom Hochland und seine Freunde verschwendeten keinen Gedanken mehr an Venger Emberbey, den zukünftigen Ritter des Hochlandhauses, der sich auf seine Schwertleite vorbereitete, indem er
in seiner Kemenate saß und das ohnehin schon spiegelblanke Metall seiner Rüstung polierte. Das war in ihren Augen ein eitler Snob, dessen hohe Geburt der einzige Grund dafür sein mochte, dass man ihn als Repräsentanten seines Hauses auserkoren hatte. Vielleicht würden sie sich einen Spaß daraus machen, den jungen Ritter ordentlich niederzumachen, sobald er ihnen auf dem Turnierplatz begegnete, aber die wilden Jünglinge sahen ihn keinesfalls als Ihresgleichen an. Ihre Vorbilder waren strahlende Helden, die geflügelte Einhörner ritten, goldene Rüstungen trugen und unbesiegbar waren. Ihnen wollten sie auf dem Fest begegnen. Merrits Sinne waren weder bei den Regenbogenrittern noch dem affigen Neffen des Gastherrn, den er bereits gänzlich aus seinem Gedächtnis getilgt hatte. Der junge Mann erging sich in waghalsigen Träumen und der unbeirrbaren Überzeugung, ihre Liebe gewinnen zu können und ihre Hand zu erkämpfen, die Hand von Manjev vom Meer und der Ebene, der liebreizenden Prinzessin, Tochter der großen Monarchen. In wenigen Tagen würde er Manjev sehen, und diesmal würde es ihm gelingen, an ihrer Seite zu bleiben. So oft hatte sie ihn hochmütig ins Leere laufen lassen und damit nur noch mehr angestachelt und in seinem Streben bestärkt. Es war für Merrit eine Frage seines ritterlichen Stolzes, sich hervorzutun und anzupreisen, bis sie gar nicht mehr anders konnte als ihn wahrzunehmen. Doch es war auch mehr als das reine Prestige, das ihn antrieb. Merrit vom Hochland war verliebt, in flammender Leidenschaft entbrannt für das schöne blonde Mädchen, das ihm so gelangweilte Blicke schenkte. Er wollte ihr erster Ritter sein und der Mann, den sie sich erwählte. So stand Merrit vom Hochland in der Nacht allein am Fenster auf dem Ganz der Bernsteinbuchtburg und starrte verträumt auf das Meer. Das Fenster im Gastgemach der Ritter war nun eine schmale Scharte, und das Schnarchen seiner noch vom Wein angesäuselten Zimmergenossen passte nicht zu der leidenschaftlichen Hochstimmung, in der er sich befand. Er schreckte hoch, als Osse Emberbey den Gang betrat, sich bei seinem Anblick schüchtern verneigte und wortlos an ihm vorbei laufen wollte. „He,“ rief der Ritter dem Jungen hinterher, als der schon fast am Ende des Korridors angekommen war. Osse verharrte und drehte sich um. „Herr?“ http://home1.tiscalinet.de/lamaga
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Merrit winkte ihn heran, und Osse kam eilig näher. „Wie alt bist du?“, fragte Merrit sachlich. Osse senkte untertänig den Blick, er konnte einfach nicht anders. Dieser Ritter war ein Herr, er strahlte eine so große und selbstverständliche Autorität aus, dass er, Osse, der Sicherheit nur in der Unterordnung fand, nicht widerstehen konnte. „Fünfzehn Jahre, Herr.“ Merrit nickte. Osse wartete darauf, dass er etwas sagen mochte, aber es kam keine Reaktion. „Ein langweiliges Nest, diese Burg,“ sagte Merrit und musterte den Jungen lauernd. „Dem stimme ich zu, Herr,“ schloss Osse sich an. Merrit lachte leise. „Und du bist eine Memme, mein Freund. Lässt dir dein eigenes Haus beleidigen.“ Osse seufzte. „Ja, Herr.“ Merrit schüttelte mitleidig den Kopf. „Hast du denn gar keinen Stolz? Du bist der Erbe dieses Kaffs. Du könntest großartige Dinge daraus entstehen lassen.“ „Nein,“ sagte Osse leise. „Ich habe keinen Stolz auf dieses Kaff. Und ich weiß, dass ich ein langweiliger Feigling bin. Ihr seid nicht der erste, der mir das sagt.“ Der Ritter lächelte fassungslos. Es gelang ihm nicht, den Jungen aus seiner vornehmen Ruhe zu bringen und ihn zu provozieren. Gegen seinen Willen war er beeindruckt. Schweigend wandte er sich wieder dem Fenster zu. Osse wartete noch einen Moment. Dann verneigte er sich noch einmal und ging wieder seines Weges. *
U
nter dem Dach, hoch oben in der Burg, hatte Osse seine kleine Stube. Und vor deren Tür hockte Rayneta und hatte ihr Schmusetier an sich gedrückt. Sie trug nur ihr Hemdchen und war, die Wange an seine Tür gelehnt,
eingeschlafen. Sie fror, hatte eine Gänsehaut. Osse hockte sich überrascht vor ihr hin. Was nur konnte sie so spät in der Nacht von ihm wollen? Sie hatte geweint, die Tränen hatten deutliche Spuren auf ihren Wangen hinterlassen. Wer wusste schon, wie lange sie hier hockte. Er hob das kleine Schwesterchen vorsichtig auf, ohne sie zu wecken, und trug sie zurück in ihr Zimmer. Dessen Tür stand weit auf, und der Durchzug spielte mit den dunklen Vorhängen. Truda, die im selben Zimmer schlief, schien tief zu schlafen, zusammengerollt unter dicken Decken, war ein unförmiges Bündel, dessen Atem kaum zu hören war..
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Osse legte Rayneta sorgfältig auf ihrem Lager ab. Als er sie zudecken wollte, schlug sie im Halbschlaf die Augen auf und zuckte zusammen, streckte abwehrend die Hand nach oben weg. "Nicht," stieß sie erstickt hervor. Osse trat zurück. Rayneta wimmerte rollte sich auf die Seite, verbarg das Gesicht unter den Armen und rührte sich nicht mehr. Ihr leiser Ruf hatte Truda geweckt. Das ältere Mädchen schoss im Bett in die Höhe und erkannte die Gestalt des Bruders. "Was hast du hier zu suchen, Osse?," fragte sie kühl und zog sich die Bettdecke bis an den Hals hoch. Er blickte taktvoll beiseite. "Sie saß vor meiner Tür," erklärte er. "Geh weg," gebot Truda ihm. "Du hast hier nichts zu suchen. Dies ist ein Damenzimmer." Osse verneigte sich und beeilte sich, wieder hinaus auf den Korridor zu kommen. Die Tür des schwesterlichen Gemaches zog er hinter sich zu. In der Tat – ein Damengemach. Bei den Damen hatte er nichts verloren. *
A
m nächsten Morgen sah Osse Rayneta nur flüchtig in der Küche, als er sich ein wenig Brot zum Frühstück holen wollte. Das Kind blickte verstohlen zu ihm hinüber, gab aber mit nichts zu erkennen, ob es sich an die
Geschehnisse der Nacht erinnerte. Osse ging dem nicht weiter nach. Venger beanspruchte seine Aufmerksamkeit, denn der Neffe des Grafen schien ausgesprochen schlechter Laune zu sein, als er die Küche betrat und barsch nach einem Morgenimbiss rief. Rayneta zupfte an Trudas Rock und schaute bittend zu ihr auf. Doch Truda hatte nur Augen für Venger, unbehaglich schien sie ihn zu mustern, kritisch und kühl. Wie prächtig er aussah in seiner Rüstung. Doch aus seinem Blick sprühte purer Unwillen. Osse wunderte sich, hütete sich aber, seinem Vetter zu nahe zu kommen. Er nahm ein Stück trockenes Brot an sich und verschwand diskret aus der Küche, nur um draußen auf dem Hof seinem Vater in die Arme zu laufen, der im Gespräch mit Graf Wayreth dort entlang ging. Osse verneigte sich tief, als der Hochlandgraf ihn prüfend musterte. Wayreth Althopian war ein eindrucksvoller, breitschultriger Mann mit forschenden Augen und buschigen Augenbrauen. "Osse Emberbey," erklärte Alsgör, etwas so, als mache er seinen Gast auf ein Möbelstück aufmerksam. "Mein Erstling."
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"Oh," sagte Wayreth und bemühte sich, höflich zu klingen. "Ihr hättet Eure Erben gelegentlich mit zu den Feiern bringen sollen. Es ist schade, dass man sie nicht kennt." "Osse hält nicht viel von Turnieren und Tänzen," behauptete Alsgör. "Und die Mädchen sind unübertroffen in Zucht und Sittsamkeit." Damit war alles zusammengefasst, was Alsgör von höfischen Festivitäten hielt. Er sah sie als Nährboden für Laster und Unzucht, und so etwas duldete er nicht in seinem Haus. Wayreth lachte volltönend und amüsiert. "Ist das wahr, mein Junge? Du findest keinen Gefallen an Lustbarkeiten und schönen Damen? Wie ungewöhnlich." Osse errötete und wusste nicht, wie er aus der Situation herauskommen sollte. "Ich bin kein guter Tänzer," behauptete er und versuchte verzweifelt, sich in Erinnerung zu rufen, wann in den Mauern der Bernsteinbuchtburg letztmals Musik ertönt war, einmal abgesehen von dem mehr schlechten als rechten Lautenspiel von Truda und ihren Zofen. "Gute Manieren hat er," sagte Wayreth. "Daran mangelt es meinem Merrit gelegentlich. Er ist ein wilder Jüngling, aber ein großer und ehrenhafter Kämpfer." "Das steht außer Zweifel," lieferte Alsgör dem Hochlandgrafen das erwartete Kompliment, ohne das Lob an Osses Adresse zu begreifen. "Aber entschuldigt mich – ich muss nach Venger sehen. Es ist ein großer Tag für ihn." "Venger ist in der Küche," informierte Osse unaufgefordert und konnte den Blick nicht von Graf Wayreth abwenden. Einem Vater, der stolz auf seinen Sohn war. Graf Alsgör verneigte sich vor Wayreth und verschwand in der Küche. Osse zögerte. Es mochte sein, dass sich ihm eine solche Chance nie wieder bieten würde. "Herr," sagte er demütig, "ich habe ein Anliegen." Wayreth wartete auffordernd, und Osse nahm all seinen Mut zusammen. "Wisst Ihr nicht eine Stelle für einen Beamtenlehrling? Ich bin fügsam, fleißig, kann lesen, schreiben und rechnen und spreche recht gut die Alte Sprache des Nordens. Ich..." Wayreth hob abwehrend die Hände. Osse biss sich auf die Lippen. Wahrscheinlich hatte er mit seiner vorlauten Zunge alles verdorben. "König Asgay, der ein enger Freund von mir ist," prahlte der Graf elegant, "gebietet über einen schon greisen, nicht standesgemäßen Berater. Eine Lösung, die aus Sentimentalität und Gewohnheit geboren wurde, wie ich mutmaße. Der gute Mann ist alt und wird nicht mehr lange den Ansprüchen des Hofes gerecht werden können. Ich kann mir gut vorstellen, dass seine königliche Hoheit einen Assistenten für den ehrwürdigen Großvater gebrauchen könnte." Osse glaubte, sein Glück nicht fassen zu können.
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"Herr," wisperte er, "wenn ihr Eurem Freund dem König meine Dienstwilligkeit antragen würdet..." "Ich spreche ihn darauf an," sagte Wayreth gönnerhaft und klopfte Osse jovial auf die Schulter. "Und nun entschuldige mich. Ich muss meinen Sohn suchen. Bestimmt steckt er im Stall bei seinem Pferd. Hat nur Pferde und sein Rüstzeug im Kopf." Damit stiefelte der ältere Ritter zielstrebig und so souverän, als wäre die Bernsteinbuchtburg sein eigenes Haus, hinüber zu den Stallungen. Osse stand noch einen Augenblick, in einer halben Verbeugung erstarrt, da und der ewige Zweifel rang mit seinem Glücksgefühl. Bestimmt würde der vielbeschäftigte Graf sein Anliegen vergessen. Und der König würde nie von ihm erfahren, ihm, dem jungen Mann, der mit glühendem Eifer geboren und geformt war, um zu dienen. *
I
m Schulzimmer fehlte Venger heute. Die Schwertleite stand an, und die älteren Ritter würden dem jungen Mann in einer geschlossenen Versammlung sein Gelübde abnehmen.
In jeder anderen Familie wäre dieser Akt von einer aufwendigen Feier begleitet worden, aber das hielt Alsgör, der immer sparsam und praktisch gewirtschaftet hatte, für Verschwendung. Es war genug, die Gäste zu beköstigen, es musste nicht noch für unnütze Vergnügung gesorgt werden. Das Gelübde selbst war eine Formalität, die lediglich die Anwesenheit einiger königstreuer Kämpfer erforderte. Und mit dem durchreisenden Tross, der ohnehin auf dem Weg in die Ebene war, um an dem Fest teilzunehmen, konnten die Zeugen des Aktes auf praktische Weise bestellt werden. Osse empfand eine verbotene, leise Schadenfreude darüber, dass Venger sein Amt nicht in Pomp und Prunk antreten würde, spürte jedoch wieder das nagende Gefühl der Enttäuschung darüber, dass auch er sein Schwert niemals würde tragen können. Der Junge musste sich eingestehen, dass er auch die karge, nüchterne Zeremonie mit Freuden absolviert hätte, wenn er sein Erbe auf diese Weise hätte erhalten können. Osses Gedanken wichen von den geometrischen Zeichnungen ab, die er mit Lineal und Zirkel auf das Papier warf. Er begann, sich zu fragen, wieso er Venger seinen Erfolg neidete. War es das Schwert, das man ihm aus der Hand genommen hatte, weil man ihn für nicht in der Lage hielt, es würdig und gerecht zu tragen? War es die gestohlene Anerkennung durch den Vater, der Umstand, dass des Altgraf sich kurzerhand einen Ersatzsohn gesucht hatte? Oder war es das Unbehagen, das ihn überkam, wenn er an Vengers Worte über das Erbe hörte und zugleich eine Waffe in seiner Hand sah?
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Osse starrte auf das Gebilde herab, das er gezeichnet hatte, einen Kreis, der durch Linien und Winkel in kleine Stücke zerteilt war. Er war sich darüber im Klaren, dass er nie ein Krieger sein konnte, und er hatte akzeptiert, an welcher Stelle im Weltenspiel die Mächte ihn sehen wollten, nämlich irgendwo ganz abseits und allein. Das Schwert konnte ihm nicht gehören, er würde es nicht würdig führen können. Aber etwas in ihm wusste, dass Venger noch unfähiger dazu sein würde als er. Wenn er tatsächlich das Bernsteinbuchthaus verließ, dann würde er das Feld endgültig für Venger räumen, einen inkompetenten und unqualifizierten jungen Mann, der vielleicht wusste, wie man eine Klinge handhabte, weil die zugehörigen Lektionen einen geduldigen Schwertmeister an den Rand der Verzweiflung getrieben hatten. Venger würde sein Ansinnen wahr machen und das Regiment über die Burg übernehmen. Den Schwestern würde es wohl egal sein, denn für sie würde sich nichts ändern. Der Vater wäre wohl stolz. Aber alles weitere... Rayneta war unkonzentriert, starrte auf ihre Stickerei und zerrte ungeduldig an dem verknoteten Garn. Osse bemerkte verwundert, dass sie stille Tränchen vergoss. "Rayneta," hauchte er, so laut er es in Anwesenheit des Magisters wagte, der am Pult stand und las. Das Schwesterchen blinzelte und rieb sich die Nase. Osse legte das Reißzeug beiseite und schickte sich an, heimlich seinen Platz zu verlassen. "Osse Emberbey," mahnte der Lehrer, ohne aufzublicken. "Habe ich Euch erlaubt, eure Arbeit niederzulegen?" "Maid Rayneta weint," antwortete Osse leise. "Ich habe auch Maid Rayneta nicht erlaubt, zu weinen," versetzte der Magister und blickte auf. "Wenn Ihr Euch abgelenkt fühlt, dann mag Eure Schwester den Raum verlassen." Truda stickte weiter und tat, als ob sie die Szene nichts anging. Osse trat zaghaft wieder hinter sein Pult, scharf beobachtet vom Magister und unter dem großäugigen, feuchten Blick der Schwester. Dann nahm er seinen Zirkel wieder zur Hand. "Brav, " sagte der Lehrer und blätterte seine Seite um. "Und im Anschluss an die Geometrie bringt ihr mir Euer Lineal ans Pult." *
R
ayneta fand Osse am Nachmittag auf der Bank zwischen den verwilderten Rosen. Sie kam leise heran und setzte sich an die Seite ihres großen Bruders.
"Es tut mir leid," sagte sie. Osse antwortete nicht. http://home1.tiscalinet.de/lamaga
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"Es hat weh getan, nicht wahr?", erkundigte sie sich und warf einen verstohlenen Blick auf seine dünnen Finger. "Warum weinst du, Rayneta?," fragte er leise. "Was ist heute nacht passiert?" Sie berührte ihn mit ihrer kleinen Hand, die sich so sehr mit der Sticknadel abquälte, an der Schulter, aber er blieb steif und unbeweglich sitzen. Sie nahm die Hand wieder fort und schaute auf das Meer. "Warum hast du mich nicht reingelassen?," fragte sie. "Ich habe so laut geklopft..." "Ich war nicht da," versetzte er. "Ich konnte dich nicht hören." "Du hast mich zu Truda zurück gebracht," klagte sie ihn an. "Und dann bist du einfach wieder gegangen." "Es war mitten in der Nacht, und du gehörtest in dein Bett." "Aber ich wollte zu dir!," rief sie heftig aus. "Ich wollte, dass du uns beschützt! Das du..." Osse wandte sich ihr erstaunt zu, und Rayneta zögerte. "... ihn wegschickst," vollendete sie ihren Satz. "Wen wegschickst?," fragte er. Rayneta schaute zu Boden. "Den bösen Schatten," gestand sie dann. Osse hob erstaunt die Brauen. "Was für ein böser Schatten?" Das Mädchen schlang die Arme um sich und starrte auf das Wasser unter der Burg. "Frag nicht so dumm," wies sie ihn mit erstaunlich erwachsener Stimme zurecht. "Ich weiß aber nicht, wovon du sprichst," verteidigte er sich. "Wie soll ich dich vor etwas beschützen, das ich nicht kenne?" Rayneta lehnte sich zurück und schüttelte traurig den Kopf. "Truda ist unglücklich," erzählte sie dann. "Ich glaube, die jungen Ritter haben ihr gefallen, aber keiner hat sie angeguckt. Deshalb ist sie traurig. Sie hätte sich so gerne mit den jungen Männern unterhalten." Osse konnte das nachvollziehen. Truda war so sittsam und züchtig, dass die jungen Männer vermutlich gar nicht auf die Idee gekommen waren, dass sie ein Mädchen sein könnte, um das es sich zu werben lohnte. "Und du bist auch unglücklich," fuhr Rayneta fort. "Das ist wahr," gab Osse zu. "Aber mein Glück ist ohne Belang." "Venger freut sich, dass du unglücklich bist. Und es ist ihm egal, was aus Truda wird. Und aus mir auch." "Nun, so hat zumindest einer an diesem Ort seine Freude," gab Osse bitter zurück und gestattete sich eine Spur von Sarkasmus. "Nimm mich mit," forderte Rayneta. "Wohin?," entfuhr es Osse verblüfft. "Weg," sagte sie unbestimmt. "Weg von dem schwarzen Schatten."
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"Das kann ich nicht," antwortete er sanft. "Was sollte ich denn mit einem kleinen Mädchen, in der Fremde?" "Dann gehst du also wirklich weg und lässt uns allein mit dem schwarzen Schatten," sagte Rayneta leise. "Wer ist der schwarze Schatten?," fragte Osse behutsam. "Ist es ein Name, den du nicht aussprechen magst?" "Der Schatten liegt über dem Haus," sagte das Kind. "Der Schatten macht, dass Truda traurig ist, und dass du niemals lachst und dass ich nicht schlafen kann, weil ich Angst habe, dass er auch mich holen kommt." Osse hob die immer noch schmerzende Hand und tastete nach Raynetas Wange, fing eine Träne ab, die darüber rann. Wie er das Kind um diese Tränen beneidete. Seine Augen waren ausgetrocknet seit dem Tag, an dem die Mutter gegangen war. "Niemand kommt dich holen," tröstete er. "Du hast einen schlimmen Traum gehabt. Wahrscheinlich hat deine Zofe dich mit dummen Ammenmärchen geängstigt." "Das ist nicht wahr," krächzte Rayneta. "Willst du es nicht sehen oder kannst du es nicht?" Osse schwieg. "Ich kann es nicht," sagte er dann. "Ich kann es nicht mehr. Ich kann nicht sehen, was du träumst." "Ich träume nicht!," rief sie aufgebracht. "Es ist da, und es berührt mich!" Sie sprang erregt auf und rannte davon. Osse folgte ihr, so schnell seine dünnen Beine ihn trugen. "Rayneta!," rief er sie streng, "komm sofort zurück!" Aber das Mädchen hörte nicht, bis er sie einholte und zu fassen bekam. "Rayneta!," fuhr er sie an und packte sie am Arm, "komm zu dir!" Mit einem wütenden Laut versuchte sie, sich loszureißen. Und stieß ihn zurück, erwischte seine Brille und riss sie ihm von der Nase. "Schau!," fuhr sie ihn an, "bei den Mächten, Osse, mach deine Augen auf! Sieht dein Herz denn auch so schlecht?" Er tastete nach ihr und bekam sie zu fassen. "Rayneta," flüsterte er und drückte sie so fest an sich, dass sie ihm nicht entweichen konnte. Das kleine Mädchen hielt ganz still. Und schmiegte sich schließlich an ihn. "Osse," wisperte sie, "ich habe dich so lieb... ich will nicht, dass der Schatten dich erwischt." Sein Herz zog sich zusammen, denn er hörte in ihrer Stimme Worte, die zuletzt erklungen waren, als die Mutter ihn im Arm gehalten hatte. Bevor sie für Rayneta hinter die Träume ging. "Nein," sagte er heiser. "Das bin ich nicht wert. "
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"Doch," versicherte sie und kuschelte sich an seinen Seelenpanzer, brachte ihn für einen Moment zum Schmelzen und machte ihn verwundbar. Osse bebte, aber die Tränen, sie blieben aus. Er streichelte ihr blondes Haar, das die Zofen in diese grässlichen steifen Zöpfe unter das Käppchen zwangen, diesen kleinen Körper, den sie kleideten wie ein Püppchen, und ihre Finger mit dem blitzenden Ring, ihrem liebsten Spielzeug, sie krallten sich in seinen Kragen. "Osse," wisperte sie, und es war nicht ihre Stimme, die aus ihrem Mund erklang sondern die Erinnerung an die Tage aus Wärme und verschwommenen Farben, "geh weg von dem Schatten. Hier kannst du nicht stark werden." "Rayneta?," fragte er ängstlich, aber sie hielt ihn so fest, dass es ihn beinahe schmerzte. "Geh," hauchte sie. "Geh. Wenn du nicht gehst, macht der Schatten einen Stein aus dir. Du bist jetzt schon so hart..." "Rayneta," flüsterte er und berührte mit den Lippen ihre Stirn, "Schwester..." "Ich habe dich lieb," wiederholte Rayneta sanft und gab ihm ein Küsschen auf die Wange. "Das darfst du nie vergessen, wo immer du bist." Damit löste sie sich aus seinem Griff und rannte davon. Osse blieb noch eine ganze Weile zwischen den Rosen knien, atmete den Duft und betrachtete die schönen Farben, so verschwommen und beruhigend. Dann tastete er nach seiner Brille, erhob sich, klopfte den Staub von seiner Hose, zupfte sein Gewand zurecht und schritt würdevoll aus dem Garten. *
V
enger Emberbey schaute finster zu, wie der Tross sich zum Aufbruch rüstete. Sie hatten schöne Pferde und waren in Rüstungen, die ihnen am Leib saßen wie eine zweite Haut. Der, der Merrit hieß und die Prinzessin
erobern wollte, wie er mehrfach laut prahlerisch und zum beifälligen Jubel seiner Freunde anstimmte, ließ sein Ross tänzeln, einen wuchtigen braunen Hengst und
errang bewundernde Blicke vom weiblichen Gesinde, das sich im Hof aufhielt. Venger blickte an sich hinab. Seine Rüstung war blank und schwer und sah aus wie Blech. Und das Schwert an seinem Gürtel wog schwer und schien am Boden zu schleifen. "Willst du nicht mitkommen?," fragte Graf Wayreth zu ihm aus dem Sattel seines Pferdes hinab. Es klang eher höflich als herzlich. Graf Alsgör wechselte einen Blick mit seinem Neffen und nickte. Es ging um Lustbarkeiten, um ein ausgelassenes Fest, bei dem die Monarchen und ihre Getreuen sich ihres Lebens freuten und alle Welt an ihrem Glück teilhaben lassen wollten.
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Das war nichts für die Nachkommen des Bernsteinbuchthauses. Aber es ging um mehr als ein pures Vergnügen. Es ging um die Pflicht zur Repräsentation. Und außerdem musste Venger den Treueeid leisten, um als königlicher Ritter zu gelten. "Selbstverständlich, Herr," sagte Venger höflich. "Ich warte lediglich auf mein Ross und mein Gepäck. Das Gesinde ist langsam und faul." "Hast du dich von deinen Cousinen verabschiedet?," fragte sein Onkel zu ihm hinüber. Venger wechselte einen fragenden Blick mit dem wartenden Grafen und dem bereits im Sattel sitzenden Grafen, dem Vater des Ritters, der die Prinzessin heiraten würde. „Ja,“ sagte Venger nachdenklich. „Ich denke, das sollte ich tun. Wer weiß, wann ich dazu wieder Gelegenheit finde. Entschuldigt mich bitte einen Augenblick, Herr.“ Graf Wayreth lachte gutmütig. „Die jungen Leute... immer haben sie ihren Kopf voller anderer Dinge und vergessen ihre Familie darüber.“ "Ich beeile mich," kündigte der frischgebackene Ritter an und eilte errötend in die Burg zurück, während die Adligen sich daran machten, ihren Zug zu formieren. Osse beobachtete ihn aus dem Hintergrund. Da zog er also aus, der Vetter, um den Monarchen seine Treue zu schenken. Um ihnen zu dienen, mit dem Schwert in der Hand und bereit, für sie einzustehen, wenn es zum Äußersten kam. Irgendwie fiel es Osse schwer, an eine solche Selbstaufopferung seitens des gehässigen Venger zu glauben. Einem rüpelhaften Burschen wie Merrit hingegen nahm er den Eid ohne zu zögern ab. Merrit mochte ein ungehobeltes Benehmen an den Tag legen, aber an seine Treue glaubte Osse, ohne zu zögern. Seufzend zog der Jüngling sich in die Burg zurück. Wenn es etwas gab, das er einem Dienstherren anzubieten hatte, so war es die Treue und die Aufrichtigkeit seines bescheidenen, verbitterten Herzens. Raynetas Umarmung hatte ihm gnadenlos vor Augen geführt, dass er nach Herzenswärme gierte, die ihm hier niemand geben konnte. Doch vielleicht würde es eine Möglichkeit geben, seinen Liebeshunger zu kompensieren, indem er sich anderswo Anerkennung verschaffte und sich unentbehrlich machte. Osse flehte im Stillen die Mächte darum an, dass Graf Wayreth und sein Sohn sich seiner erinnerten und bei Hofe für ihn, den Jungen mit der Brille, der kein Ritter sein durfte, bat. Rayneta... sie und die Schwester Truda, die Osse so sehr entfremdet war... für diese beiden wollte er sich anstrengen und Würde und Amt gewinnen. Als Erbe des Hochlandhauses wollte er in die Welt gehen, um eines Tages als geachteter Herr zurück zu kehren. Das Blut, das in seinen Adern floss und ihn zum rechtmäßigen Nachfolger seines so fernen Vaters machte, das konnte Venger ihm nicht fortnehmen. Osse ging zaghaft durch die Burghalle, blickte die Wände hinauf und betrachtete die verwitterten Wandgemälde, die Motive maritimer Szenen zeigten, vornehmlich Seeschlachten und Flotten. Die Bernsteinbuchtgrafen waren wohlhabend und große http://home1.tiscalinet.de/lamaga
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Kriegsherren gewesen, Generationen, bevor Alsgör Herr des Hauses geworden war. Die Pracht der Hallen war verblichen, und niemand mühte sich mehr darum, Wärme und Freundlichkeit zu verbreiten. Das alles war ein abgeschlossenes Kapitel. Alsgör herrschte über große Ländereien, aber die Bauern kamen nicht in die Burg, wenn sie es eben verhindern konnten, so als würden sie sich vor den kargen Herzen ihrer Bewohner entsetzen. Wie lange war es her, dass hier in der Halle gefeiert und gelacht wurde, wie in der Königsburg, wohin die übermütigen Ritter und ihre Eltern unterwegs waren... Osse schaute empor zur Galerie, die sich im oberen Stockwerk um die Halle wand. Eines Tages würde er hier herrschen, und er würde es freudlos und mit Gleichgültigkeit tun, wenn er weiter im Schatten blieb und sich hinter dem Wissen versteckte, das der Lehrer in ihn hineinprügelte. Er konnte aber auch zurückkehren, wenn es so weit war, mit offenem, stolzen Geist und klarem Blick. Wenn er sich nur schnell genug fortmachte. Es war still im Saal. Das Gesinde ließ sich das Spektakel des aufbrechenden Trosses nicht entgehen. Osse war allein in der Halle im Herzen der Burg, so verwitternd und trostlos wie das Herz in seiner Brust, das sich nur noch zögernd an die vergangenen tage erinnerte. Venger ließ sich Zeit, war nirgends zu sehen oder zu hören. Und auch die Schwestern waren weder in der Halle noch auf dem Hof zu sehen gewesen. Unbehagen überkam Osse, ein ungutes Gefühl, das ihn bedrückte und nervös machte. Langsam, mit beiden Händen am Geländer, stieg der Junge die Treppe zur Galerie hinauf. „Venger?“, rief Osse, „Venger? Wo bist du hingegangen? Der Tross wartet auf dich!“ Doch der Ritter antwortete ihm nicht. Osse trat auf den Korridor mit den Frauengemächern und schaute sich nachdenklich um. Ob die Schwestern allen Ernstes in ihrer Kemenate waren, wo doch im Hof die Ritter waren, jene, von denen Truda in ihren verbotenen Träumen phantasieren mochte? „Venger?“ Die Türen auf dem Flur waren alle geschlossen. Hier konnte der Ritter nicht sein. Obwohl... Osse hörte den erstickten Laut und verharrte. Nein, das ging ihn nichts an. Es hatte ihn nichts anzugehen. Er hatte davon nichts zu wissen. Er hatte die Brille abzunehmen und sich der gnädigen Blindheit hinzugeben, die ihn unfähig machte, zu sehen und zu verstehen. Ein unscheinbarer Maulwurf in der schützenden, alles verbergenden Erde zu sein. Doch vielleicht war es besser, dem Schwarzen Schatten zu begegnen.
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Osse zögerte. Dann tappte er, wie benommen und unter Zwang, auf die Kemenate seiner Schwestern zu. Der Schatten war da drin. Es gab keinen Zweifel. Osses Hand zitterte, als er nach der Klinke griff. Und leise einen Spalt weit aufzog. Truda wimmerte und wand sich, aber Vengers Griff war zu fest, als dass das Mädchen sich hätte wehren können. Sie schrie nicht laut bei dem, was er ihr antat, wohl aus Angst, jemand könne auf ihre Schmach aufmerksam werden. Aber Osse sah ihre Demütigung und spürte ihren Jammer. Venger war stark und erwachsen, und sie, sie war das keuscheste und sittsamste Mädchen, das es auf der Welt nur gegeben hatte. Und sie war erst zwölf Jahre alt. Osse starrte schockiert und war zu keiner Bewegung fähig, so bestürzt war er von dem, was er da mit ansah, so entsetzt über die Wut, mit der Venger seine Cousine traktierte. Er wusste, er hätte hinspringen und Venger zurückreißen, ihn von der stöhnenden und weinenden Truda entfernen müssen. Er war ein schwächlicher, magerer Junge, und Venger trug ein durchaus scharfes Schwert bei sich. Osse starrte und war so gefangen und angewidert von dem Schauspiel, dessen zufälliger Zeuge er wurde, dass Übelkeit in ihm aufstieg. Abgesehen davon, das Venger Emberbey, den er zwar für einen gemeinen Kerl, aber nicht für einen Schurken gehalten hatte, sich an seiner noch kaum erblühten Blutsverwandten vergriff... ... war es das, wonach das Streben der jungen Männer ging? War das etwa die vielbesungene Wonne der fleischlichen Liebe? Ein weinendes, stöhnendes Mädchen, abscheulich und entwürdigend gequält von einem keuchenden und sich irre gebärdenden Kerl? Venger schnaufte unverständliches, heiser und wild. Eine Erinnerung an sich wolle er hinterlassen, nicht vergessen sollte man auf der Burg, wer der Herr war, zu wem man aufzuschauen hatte. Rayneta hockte versteckt in der Zimmerecke, völlig paralysiert und verängstigt, hatte ihr Schmusetier fest an sich gedrückt und schaute an Venger vorbei direkt in sein Gesicht. Ihre Augen hatte sie aufgerissen, beschwörend schüttelte sie den Kopf. Osse trat von der Tür zurück, wandte sich ab und rannte fort, hetzte über den Gang und auf die Treppe zu, kam ins Stolpern und konnte sich gerade noch am Geländer festhalten, um einen Sturz zu verhindern. Er rannte, rannte und erreichte gerade noch die Hintertür in den Kehrichthof, bevor das Verständnis ihn übermannte, er realisierte, was er da gerade beobachtet hatte. Worin Trudas Geheimnis bestanden hatte. Warum sie ihn verabscheute. Osse Emberbey stürzte ins Freie und übergab sich, gewürgt von Ekel, Entsetzen und der Erkenntnis seiner eigenen Feigheit und Angst. http://home1.tiscalinet.de/lamaga
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*
D
as Hufgetrappel des Trosses verklang, nachdem er das Burgtor durchquert hatte, das muntere Stimmengewirr der jungen Ritter wurde leiser und entfernte sich. Osse hockte im Schmutz und starrte ins Leere. Bitterer
Geschmack von Galle haftete an seiner Zunge. Rayneta trat leise zu ihm. Der Junge blickte langsam zu ihr hinauf und fragte sich, wie sie ihn so schnell gefunden hatte. Hatte sie ihn willentlich im Dreck gesucht? „Er ist weg,“ sagte Rayneta und zauste ihr Stofftier, verlegen zu Boden blickend. „Ist er... oft bei Truda gewesen?“ Osse blickte Rayneta flehend in die Augen und wusste, sie würde ihn nicht belügen. Das kleine Mädchen nickte stumm. „Mächte,“ sagte Osse heiser, „sie ist doch noch ein Kind. Sie ist seine Cousine...“ Rayneta hockte sich neben ihn in den Kehricht. „Warum habt ihr mir nie etwas gesagt?,“ fragte er heiser. „Warum habt ihr nicht Vater...“ Sie streichelte seine Wange. „Osse,“ sagte sie traurig. „Ich war doch bei dir. Aber du hast mich nicht verstanden.“ Der Junge umarmte sie und schluchzte trocken. „Ich bin ein feiger Versager,“ stieß er hervor. „Ich hätte ihn umbringen sollen!“ Rayneta lächelte müde. „Er hat ein Schwert. Er ist stärker als du. Du hättest keine Chance gehabt. Es hätte Truda und mir nichts genützt. Und du wärest ihm erlegen.“ „Was kann ich tun?,“ jammerte er. „Mächte, was kann ich nur tun? Wie kann ich weiterleben mit der Schuld meiner Blindheit?“ „Vater wird es nicht glauben,“ sagte Rayneta ernst. „Und Truda wird es ihm nicht sagen. Er wird nicht glauben, dass Venger böse ist.“ „Ihr dürft nicht hier bleiben,“ sagte Osse heftig. „Nicht, solange er unter diesem Dach wohnt.“ „Nein,“ widersprach Rayneta. „Du musst gehen. Du bist in Gefahr, wenn du hier bleibst. Du musst fort von hier.“ Der Junge schmiegte sich an den zarten kleinen Körper das Mädchens. „Für uns, Osse,“ sagte Rayneta sanft. „Du musst in die Welt hinaus und stärker werden als er es ist. Damit du eines Tages der Herr über diese Burg bist. Und Venger das Schwert wegnimmst.“ Osse bebte. Und endlich benetzten seine Tränen Raynetas Kleidchen. Sie streichelte sein Haar und lächelte müde. „Tu es für uns, Osse. Tu es, um unsere Ehre zu retten. Und für die Würde unseres Hauses.“ Osse weinte, weinte still all die Tränen, die er sich jahrelang verboten hatte. http://home1.tiscalinet.de/lamaga
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„Tu es für Mama,“ flüsterte Rayneta. „Werde ein guter Herr, auf den sie stolz sein kann.“ Er blickte auf. „Aber Truda...“ Sie schüttelte den Kopf. „Lass uns darüber schweigen. Uns alle. Lass es unser Geheimnis bleiben. Um Vaters Willen. Und um unseres Glückes Willen.“ "Aber Vater," wisperte Osse, "wenn Venger.." Rayneta schüttelte den Kopf. "Ich werde auf Vater acht geben," sagte sie. "Ich verspreche es dir." Osse weinte, weinte bittere Tränen. Und Rayneta stand still und hatte ihn lieb. *
V
enger Emberbey kehrte erst einige Wochen später sehr nachdenklich zur Bernsteinbuchtburg zurück. Seltsame Dinge hatten sich ereignet auf dem Fest der Könige, Dinge, deren Zeuge er von Ferne geworden war. Gekämpft
hatte er an der Seite des Schwarzen Kaisers, der besiegt wurde, und vergangen war seine Gefolgschaft und sein Triumph wie ein Spuk. Aber Venger Emberbey hatte die Macht gekostet, und sie hatte ihm geschmeckt. Merrit vom Hochland verschwand spurlos nach der Schlacht mit dem Schwarzen Kaiser, und bis er wieder auftauchte im Weltenspiel, sollten Jahre ins Land gehen. Osse Emberbey verbrachte ein ganzes Jahr mit Venger unter einem Dach, bevor der König sich entsann, dass jemand auf dem Fest ihm von diesem engagierten jungen Mann erzählt hatte. Der alte Egnar brauchte einen Gehilfen, klagte über seine Gebrechen. Und ein wohlerzogener Edeljunker kam da gerade recht. Osse wartete, bis Maid Truda sich dem Gefolge einer Fürstin aus dem Hinterland als Gesellschafterin anschloss, sehr zum Missfallen des Altgrafen. Es war Osse gewesen, der der freundlichen alten Dame die Dienste der älteren Schwester anempfohlen hatte. Truda bedankte sich niemals bei Osse für diesen Einsatz, denn sie erfuhr nie, was Osse am Tag von Vengers Schwertleite beobachtet hatte. Osse schwieg. Und die kleine Maid Rayneta blieb an der Seite von Graf Alsgör. Manchmal gelang es ihr, den gestrengen alten Mann zum Lächeln zu bringen, denn sie glich ihrer Mutter in ihrer Art und ihrer freundlichen Seele. Ihr kam Venger niemals zu nahe, denn er fürchtete die Vertrautheit des Kindes und seine Kraft. Osse Emberbey jedoch sollte niemals vergessen, wie seiner Schwester Truda geschehen war, als Venger über sie gekommen war. Dieses Erlebnis schockierte den Jungen für den Rest seines Lebens, und er schwor sich, solches niemals einer Frau anzutun.
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Osse Emberbey verließ die Bernsteinburg in Schande, denn als er älter wurde hieß es, dass selbst seine Männlichkeit der Natur abwich, wie seine Augen es taten. Für dieses Getuschel hatte Venger gesorgt. Denn Venger hatte das Schwert. Und Venger wollte das Erbe.
Z
wanzig Jahre später war Graf Osse Emberbey der Minister und zweite Mann an der Seite von Königin Manjev der Ersten von der Ebene und dem Chaos, Lehnsmann von Merrit Althopian vom Weltengipfel und persönlicher Günstling der jungen Prinzessin Kajida, die ihm dem Tod wegküsste. Zwanzig Jahre später kehrte Osse Emberbey zurück zur Bernsteinbucht. Und Ritter Venger erwartete ihn zum Kampf.
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