Stephan Grundy
Rheingold
Roman
KRÜGER
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Stephan Grundy
Rheingold
Roman
KRÜGER
Dieses E-Book ist die elektronische Sicherungskopie eines Printmediums. Es ist nicht verkäuflich.
Originaltitel: THE RHINEGOLD Copyright © 1992 Stephan Grundy Deutsche Ausgabe: © 1992 S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main Umschlaggestaltung: Buchholz/Hinsch/Hensinger Umschlagillustration: Angus Gray-Durbridge Satz: Fotosatz Otto Gutfreund GmbH, Darmstadt Druck und Einband: Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany 1992 ISBN 3-8105-0851-9 obx
Das Buch: RHEINGOLD erzählt den SigfridMythos für unsere Zeit neu, erzählt von einer Welt, in der das Schicksal von Göttern und Menschen noch eng miteinander verknüpft ist - ein Kosmos voller Zauber, Fabelwesen und Geheimnisse. Sigfrid, der Held, verfügt zwar wie im Mythos über Stärke und scheinbare Unverwundbarkeit, zeigt sich hier aber in seiner ganzen problematischen Menschlichkeit: in seiner Naivität, seiner Unfähigkeit, Menschen und Machtstrukturen zu durchschauen, und damit seiner Unterlegenheit gegenüber Gunter, Hagen und Krimhild, in seinem unschuldigen Wunsch nach Freundschaft und Zuverlässigkeit und seiner heimlichen Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit. Ein furchtloser Held, ein unbesiegbarer Drachentöter nach außen, innen ein unreifer, leicht zu beeinflussender, unsicherer Mensch. RHEINGOLD, wie es Stephan Grundy erzählt, ist die Geschichte von den Wälsungen, von Sigmund, Siglind und Sigfrid, dem Drachentöter, eine Geschichte über die Gier nach Macht, die Hoffnung auf Liebe und die Sehnsucht, mit den göttlichen Gesetzen in Einklang zu leben.
Der Author: Stephan Grundy ist 25 Jahre alt und studiert nordische Literatur an der Universität Cambridge in England. Er spricht deutsch, schreibt Gedichte, spielt die keltische Harfe und singt Schubert- und Wagner-Lieder. Er arbeitete als Goldschmied und ging beim bayerischen Holzschnitzer Ludwig Kienig in eine fünfjährige Lehre. Seine Hobbys sind: Fechten, Karate, Met- und Bierbrauen.
INHALT
Erstes Buch DIE WÄLSUNGEN 1. Das Geschenk 2. Der Otter 3. Das Gold 4. Das Wergeld 5. Der Zwerg 6. Die Liebesnacht 7. Das Schwert 8. Die Hochzeit 9. Die Frowe 10. Der Sieg 11. Die Wölfin 12. Die Strafe 13. Die List 14. Der Sohn 15. Das Urteil 16. Die Werbung 17. Die Wut Zweites Buch SIGFRID 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Der Lehrling Die Königskinder Das Pferd Das Erbe Die Weissagung Der Auftrag
7. Die Sachsen 8. Der Drache 9. Das Erwachen Drittes Buch GUDRUN 1. Die Intrige 2. Die Flammen 3. Die Doppelhochzeit 4. Die Königinnen 5. Der Mord 6. Die Versöhnung 7. Die Hexe 8. Die Falle 9. Die Opfer 10. Die Vison
Ich singe von dem Gold / das in der
Dunkelheit funkelt
ein lang gehüteter Schatz liegt / unter dem
Berg weißer Knochen
dort flüstern Runen Schweigen / dort sind
Ringe tief verborgen
dort wiegen Jahre wie Steine / und der Weg
ans Licht ist längst vergessen...
Du stehst jetzt auf grüner Erde / und siehst in
der aufgehenden Sonne
das Netz, das weiter gesponnen wird / mit
Zaubersprüchen.
Der Drachen erscheint / das Feuer auf dem
blutigen Weg
funkelt auf dem Runen-Schatz / in
goldglühenden Flammen...
Aus unseren dunklen Schatten / die
Geheimnisse der Ahnen,
kostbarer Schmuck und glänzende Schwerter
/ werden für die Sippe gewonnen.
Heil denen, die graben / nach dem
verborgenen Schatz ihrer Väter,
die Dunkelheit der Totenschädel bringt /
Weisheit an den Tag!
aus: »Der Schatz« von Kveldulf Gundarsson
Erstes Buch
DIE WÄLSUNGEN
»Gold führt in der Sippe zu Zwietracht und Hader...« Altes norwegisches Runen-Gedicht
l
DAS GESCHENK
Sigfrid lag keuchend auf der Holzbank vor Regins kleiner Schmiede. Der frische Wind der ersten Sommertage kühlte sein glühendes Gesicht. Die langen Beine hingen über den Rand der Bank, die schwieligen Füße reichten bis zur Erde. Die Enden seiner langen Zöpfe streiften den Boden, und wo die Sonnenstrahlen die braunen Haare trafen, schimmerten sie rotblond. »Für einen Jungen ist das keine schlechte Tagesarbeit«, sagte Regin, der mit kohlschwarzen Fingern bedächtig aus der Schmiede kam. Sigfrid setzte sich schnell auf, und seine leuchtenden Augen richteten sich flink wie eine Natter auf den alten Mann. »Ich kann noch weitermachen!« rief Sigfrid, »ich bin überhaupt nicht müde - oder nur ein bißchen«, räumte er ein, als die dunklen, scharfen Augen des alten Schmieds betont lange auf Sigfrids zitternden Armen ruhten. »Ganz bestimmt, ich könnte den Hammer bis zum Sonnenuntergang schwingen.« Der kleine alte Mann schüttelte den großen grauen Kopf. Obwohl der zwergenhafte Schmied stand und der dreizehnjährige Sigfrid saß, trafen sich ihre Blicke auf gleicher Höhe. »Du bist noch zu jung, Sigfrid. Wenn ich dir deinen Willen lasse, dann zerrst du dir die
Muskeln oder es reißt eine Sehne in deinen Armen. Und wie willst du dann ein Schwert halten?« »Ach, ich paß schon auf«, versicherte Sigfrid eifrig und wollte aufspringen, aber Regin legte ihm die schwere Hand auf die Schulter. »Alles zu seiner Zeit, Sigfrid. Siehst du die Sonne am Himmel?« Sigfrid blickte zur Sonne, die sich über dem dunklen Tannenwald rotglühend den felsigen Berggipfeln näherte. »Was würde wohl geschehen, wenn die Hengste Arvakr und Alsvidr zu schnell mit dem Sonnenwagen über den Himmel galoppieren würden, und wenn sie so unbändig wie du wären?« Der Junge sah in Gedanken die beiden Rösser mit den goldenen Mähnen so schnell über den Himmel jagen, wie er den Berghang von Regins Schmiede hinunter zum Rhein stürmte, dabei auf Blättern und Schlamm ausrutschte und manchmal über eine Baumwurzel oder einen ausgebleichten Knochen stolperte. Er stellte sich vor, wie die Sonne pfeilschnell mit feurigen Haaren und wild flatterndem Mantel von Ost nach West jagte und ihre Pferde anspornte, während der Mond seine eisfahlen Hengste peitschte, um mit ihr Schritt zu halten. Tag und Nacht würden wie funkelnde Blitze hell und dunkel über den Himmel zucken. »Oh, das wäre schön!« rief er begeistert, »stell dir nur vor...«
Der Schmied gab ihm eine schallende Ohrfeige - so fest, daß Sigfrid die Tränen in die Augen stiegen, aber nicht fest genug, um ihn zu verletzen. »Dummkopf«, sagte er, aber es klang nicht böse, »deshalb verläßt dich beim Schmieden die Kraft, verstehst du? Wenn du dich wie das Gespann dort oben zügeln würdest«, er deutete zur Sonne hinauf, »dann könntest du jetzt noch arbeiten und hättest bei Einbruch der Dunkelheit deinen Dolch vielleicht fertig gehabt.« »Aber ich kann doch weitermachen, und es trotzdem versuchen...«, entgegnete Sigfrid. Er sprang auf und reckte den großen, schlanken Körper, so daß die Muskeln an Armen und Beinen deutlich unter der rußverschmierten Haut hervortraten. »Je schneller ich mit diesen Kleinigkeiten fertig bin, desto schneller kann ich mein Schwert schmieden.« »Schneller?« brummte Regin, »komm, wir gehen hinunter zum Fluß, bevor es zu dunkel wird. König Alpercht würde mich umbringen, wenn ich dich so lange arbeiten ließe, bis du ein Krüppel bist. Außerdem müssen wir uns beide waschen.« Er schüttelte mißbilligend den Kopf und sagte: »Ha, schneller...! Ich warte auf mein Gold beinahe zehnmal so lange wie du alt bist, und es wird noch Jahre dauern, bis ich es bekomme. Und hast du von mir schon einmal das Wort >schneller< gehört? Bestimmt nicht! Also los, gehn wir hinunter zum Fluß.«
Sigfrid nickte, drehte sich um, rannte über die kleine Lichtung und lief ausgelassen den ausgetretenen Pfad entlang. Er sprang wie ein junger Hirsch über die dürren Äste, die auf dem Weg lagen. Die Stürme, mit denen der Winter beim letzten Vollmond, dem Mond der Göttin Ostara, endgültig gewichen war, hatten sie von den Bäumen gerissen. Regin folgte seinem Schützling langsam. Er blieb hin und wieder stehen und zog für das Abendessen ein paar braune Pilze mit dicken weißen Stielen aus dem modrigen Waldboden, wo sich Jahr für Jahr neue Schichten ablagerten, auf denen dann grünes, weiches Moos wuchs. Aber plötzlich eilte er zur Schmiede zurück, als habe er etwas vergessen. Er holte aus der Hütte eine schwere Axt und machte sich wieder auf den Weg hinunter zum Fluß. Goldene Sonnenstrahlen tanzten auf den tiefen Fluten des Rheins wie ein schimmerndes Feuer. Sie ließen das dunkle Wasser erstrahlen wie prächtiger Fackelschein die Halle eines Flußkönigs. Bei diesem Anblick riß sich Sigfrid ungeduldig das schmutzige Gewand vom Leib, lief mit einem jubelnden Schrei zum Rand eines Felsvorsprungs und sprang lachend ins Wasser. »Juhu!« rief er, als Kopf und Schultern wieder auftauchten. Er streckte übermütig die Arme in die Luft, und ein Schauer eisiger Tropfen fiel um ihn herum ins Wasser. Der Riemen um einen seiner langen Zöpfe hatte sich gelöst, und das vom Wasser dunkle Haar schwamm
wie ein Fächer über der rechten Schulter, während es über der linken wie ein nasses Tau gegen die Wellen klatschte. Als er Regin schließlich aus dem Wald kommen sah, rief er: »He, alter Zwerg, wo bleibst du denn so lange? Willst du mit der Axt die Fische erschlagen?« »Wenn ich ein Wolf wäre«, antwortete Regin verdrießlich, »würde ich mich hinter einem Baum verstecken, bis mein Abendessen aus dem Wasser steigt - naß - wehrlos! - und eine saftige Beute.« »Wenn du ein Wolf wärst«, erwiderte Sigfrid unbekümmert, »würde ich dir so fest ins Maul treten, daß alle deine Zähne im Wald verstreut würden, und du für den Rest deines Lebens von Suppe und Gras leben müßtest, falls ich dir nicht auf der Stelle das Fell über die Ohren ziehen würde, um mir einen Umhang daraus zu machen.« »Du bist zu leichtsinnig, Sigfrid«, Regin schüttelte den dicken Kopf, »eines Tages wird dich dein Leichtsinn das Leben kosten.« »Ach ja? Aber jeder muß sterben, das singen die Scops am Hof meines Vaters immer wieder. Weshalb sollte ich mir das Leben schwer machen, nur weil ich Angst vor dem Sterben habe?« Er verzog das Gesicht zu einer übertriebenen Grimasse der Trauer und ließ Wasser wie eine Tränenflut über das Gesicht laufen. »O weeeeh, o weeeeh, o weeeeh, Sigfrid ist tot«, jammerte er mit Fistelstimme, »der Held ist gestorben...«
Der verdrießliche alte Zwerg mußte gegen seinen Willen lachen. »Schon gut, Sigfrid. Aber König Alpercht hat dich nicht zu mir geschickt, damit du Tapferkeit lernst. Du sollst bei mir klug werden - wenn du das kannst.« Regin stapfte an den Rand des Felsvorsprungs und legte die Axt bedächtig auf einen trockenen Stein. »So, hier kann sie niemand holen, ohne daß wir es sehen. Es sei denn, er würde eine weite Strecke unter Wasser schwimmen. Vergiß nie: >Sei immer auf der Hut, denn niemand weiß genau, wo und wann dein Blut den Feind lockt aus dem Bau.Ich, Loki.. .Ich, Loki.. .SiegSiegHei! Wir sind Wälsungen, Wotans Sproß... Wie grausam das Schicksal auch sei...