Manuel Franzmann · Christel Gärtner · Nicole Köck (Hrsg.) Religiosität in der säkularisierten Welt
Veröffentlichungen der Sektion Religionssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie Band 11 Herausgegeben von Michael N. Ebertz Christel Gärtner Winfried Gebhardt Gert Pickel Levent Tezcan
Manuel Franzmann Christel Gärtner Nicole Köck (Hrsg.)
Religiosität in der säkularisierten Welt Theoretische und empirische Beiträge zur Säkularisierungsdebatte in der Religionssoziologie
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. 1. Auflage April 2006 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Monika Mülhausen / Katrin Schmitt Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8100-4039-8 ISBN-13 978-3-8100-4039-8
Inhalt
Vorwort ............................................................................................................ 9
Manuel Franzmann, Christel Gärtner, Nicole Köck Einleitung....................................................................................................... 11 Säkularisierungstheorie
Steve Bruce What the Secularization Paradigm really says............................................... 39
Ulrich Oevermann, Manuel Franzmann Strukturelle Religiosität auf dem Wege zur religiösen Indifferenz..................................................................................... 49
Detlef Pollack Explaining religious vitality: Theoretical considerations and empirical findings in Western and Eastern Europe ................................ 83
David Martin Comparative Secularisation North and South.............................................. 105
Roberto Cipriani Secularization or “diffused religion”? ......................................................... 123 Historische Entwicklung
Heike Bock Secularization of the modern conduct of life? Reflections on religiousness in early modern Europe..................................................... 143
Todd H. Weir The Secularization of Religious Dissent: Anticlerical Politics and the Freigeistig Movement in Germany 1844-1933.................. 155
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Inhalt
Patrizio Foresta Der „katholische Totalitarismus“. Katholizismus und Moderne im Pontifikat Pius’ XI. .......................................................... 177 Säkularisierung und christliche Religionstradition
Hagen Findeis Säkularisierung der Lebensführung. Die Lebensgeschichte des Evangelischen Bischofs Ingo Braecklein vom Kaiserreich bis ins wiedervereinigte Deutschland .............................. 199
Paul Chambers Secularization and Welsh Religiosity .......................................................... 223
Dan Dungaciu Modernity, Religion and Secularization in the Orthodox Area. The Romanian case ............................................................................ 241
Franz Höllinger Social and cultural determinants of the vitality of religion in Brazil........................................................................................................ 261
Alexander Geschwindner Der Erfolg der evangelikalen Sekten in Lateinamerika: Der Fall des Mexikaners Oscar.................................................................... 281 Säkularisierung und Islam
Frank Peter Islamic sermons, religious authority and the individualization of Islam in France ........................................................................................ 303
Johannes Twardella Der Euro-Islam des islamischen Intellektuellen Tariq Ramadan ................ 321
Talip Kucukcan Symbolic Religiosity among the Turkish Youth in Britain......................... 333
Susanne Schröter Politisierung von Religion und Sakralisierung von Politik. Lokale und nationale Konflikte zwischen Moslems und Christen in Indonesien ................................................................................. 357
Inhalt
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Kayhan Delibas The experience of Secularisation in modern Turkey: Secularisation from above ........................................................................... 375
Ulrich Oevermann Modernisierungspotentiale im Monotheismus und Modernisierungsblockaden im fundamentalistischen Islam........................ 395
Autorinnen und Autoren .............................................................................. 429 Zusammenfassungen.................................................................................... 437
Vorwort Das vorliegende Buch geht auf eine wissenschaftliche Tagung zurück, die von der Arbeitsgemeinschaft Objektive Hermeneutik e.V. unter Leitung der Herausgeber im März 2003 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main veranstaltet wurde. Die durchgängige Interessantheit der Vorträge und Diskussionen hat uns dazu veranlaßt, erstere einer breiteren Fachöffentlichkeit zugänglich zu machen. In diesem Sammelband sind allerdings nicht alle Vorträge abgedruckt, und zwei Autoren haben ihren Beitrag nicht nur überarbeitet, sondern auch inhaltlich stark verändert. Die Diskussionen haben wir, wo es möglich war, im Rahmen der gegenwärtigen Debatte um das Säkularisierungsparadigma in die Einleitung mit aufgenommen. Unter den Autoren finden sich sowohl „gestandene“ Religionssoziologen, die sich bereits viele Jahre mit der Säkularisierungstheorie befassen, als auch junge Soziologen und Historiker, die zu diesem Thema unter variierenden Gesichtspunkten im Rahmen von Habilitations-, Promotions- oder Magisterarbeiten forschen. Auf der Tagung wurden Deutsch und Englisch als Tagungssprachen verwendet, entsprechend sind die Beiträge in der einen oder der anderen Sprache verfaßt; eine Kurzzusammenfassung in der jeweils anderen Sprache befindet sich am Ende des Bandes. Das Zustandekommen dieses Buches verdankt sich aber auch denjenigen, die die ihm zugrundeliegende Tagung finanziell, durch Sachspenden oder durch die Überlassung von Räumlichkeiten unterstützt haben. Neben der Arbeitsgemeinschaft Objektive Hermeneutik e.V., die zudem durch Übernahme des Druckkostenzuschusses die Publikation finanzierte, sind das die Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, die Vereinigung von Freunden und Förderern der Johann Wolfgang GoetheUniversität, das Internationale Promotionsprogramm „Religion im Dialog“ (IPP) an der Goethe-Universität, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie die Hotels Westend und Steigenberger Frankfurter Hof in Frankfurt am Main. Schließlich ist auch Bernadette Boyle zu erwähnen, die uns als Muttersprachlerin beim Korrekturlesen der englischsprachigen Texte beratend zur Seite stand. Ihnen allen möchten wir unseren Dank aussprechen. Die Herausgeber
Manuel Franzmann, Christel Gärtner, Nicole Köck
Einleitung Die soziologische These einer fortschreitenden Säkularisierung der modernen Lebenspraxis – wie sie vor allem von Max Weber geprägt wurde – hat in der Soziologie seit Mitte der 1960er Jahre allmählich an Akzeptanz verloren. So veröffentlichte etwa David Martin im Jahr 1965 einen unter Religionssoziologen vielbeachteten Aufsatz mit dem Titel „Towards eliminating the concept of secularisation“, und Thomas Luckmann erklärte Ende der 1960er Jahre Säkularisierung zu einem „modernen Mythos“ (Luckmann 1980). Solche Abwendungen von der Säkularisierungsthese waren in diesen Jahren in der Soziologie allerdings noch die Ausnahme. Es herrschte statt dessen eher ein nicht zuletzt vom Marxismus inspirierter, ideologische Züge tragender Säkularismus in emanzipativ-aufklärerischer Absicht vor. Wie sehr sich die theoretischen Auffassungen insbesondere von Religionssoziologen in der Zwischenzeit geändert haben, illustriert Peter L. Berger, der sich in den 1960er Jahren als Säkularisierungstheoretiker verstand (siehe etwa Berger 1967) und sich dann in den 1990er Jahren von der Säkularisierungsthese distanzierte.1 Und von den US-amerikanischen Religionssoziologen wird seit den 1980er Jahren an einem „alternativen Paradigma“ zur Säkularisierungstheorie gearbeitet (vgl. etwa Hadden 1987; 1997, Stark/Bainbridge 1985, Warner 1993). Rodney Stark – der international heute wohl meistzitierte „Wortführer“ der US-amerikanischen Kritiker der Säkularisierungsthese – betrachtet die Säkularisierungsthese sogar als empirisch widerlegt (Stark 1999). Die Zunahme der Kritik an der Säkularisierungsthese seit Mitte der 1960er Jahre ist insofern erstaunlich, als sich seit dieser Zeit in den westlichen Industrienationen die Evidenzen für eine fortschreitende Säkularisierung drastisch verstärken und die Säkularisierungsdynamik deutlich an Fahrt zu gewinnen scheint. Es ist in jedem Fall erklärungsbedürftig, wenn ein gestandener und durch viele erhellende Analysen ausgewiesener Religionssoziologe wie Rodney Stark – der freimütig bekennt, vom Geist der Soziologie der 1960er Jahre nicht frei gewesen zu sein2 – zusammen mit Finke den 1
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„I think what I and most other sociologists of religion wrote in the 1960s about secularization was a mistake. Our underlying argument was that secularization and modernity go hand in hand. With more modernization comes more secularization. It wasn’t a crazy theory. There was some evidence for it. But I think it’s basically wrong. Most of the world today is certainly not secular. It’s very religious.” (Berger 1997, 974, zitiert nach Stark 1999, 270) „Then in 1968, in contrast to all of this intellectual pussy-footing, Peter Berger (1968: 3) told the New York Times that the by ‘the 21st century, religious believers are likely to be
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religionssoziologischen bzw. säkularisierungstheoretischen Klassikern Max Weber und Emile Durkheim die Auffassung in den Mund legt: „that religion is false and harmful“ (Stark/ Finke 2000, 28). Offenbart dies doch ein so grundlegendes Mißverstehen dieser Klassiker der Religionssoziologie und Säkularisierungsthese, daß eine vor diesem Hintergrund vorgetragene Fundamentalkritik dieser These – die es insbesondere mit der elaborierten klassischen Version der These, nämlich der Weberschen, aufnehmen können muß – vermessen wirkt. Sie vermittelt den Eindruck, daß ein wichtiger Impuls der Kritik die Ablösung vom säkularistischen, religionsfeindlichen Denken der Soziologie der 1960er Jahre darstellt und daß dieses grundsätzlich ja sehr berechtigte Bestreben vor dem Hintergrund eines mangelhaften Verständnisses der religionssoziologischen Klassiker zu einer pauschalisierenden Kritik gerät, die das Kind mit dem Bade auszuschütten droht. Daß die Zeit aber noch nicht gekommen ist, die Säkularisierungsthese zu Grabe zu tragen, wie Rodney Stark (1999) dies empfiehlt, zeigt schon der Umstand, daß die Debatte über die Säkularisierungsthese in der Religionssoziologie heute wohl kontroverser geführt wird als je zuvor. So hat etwa Steve Bruce auf Rodney Starks „Grabrede“ auf die Säkularisierungstheorie in dessen Aufsatz „Secularization, R.I.P.“ (ebd.)3 mit dem Aufsatz „Christianity in Britain, R.I.P“ (Bruce 2001) und dem Buch „God is dead. Secularization in the West“ (Bruce 2002) geantwortet. In Deutschland veröffentlichte Detlef Pollack jüngst das Buch „Säkularisierung – ein moderner Mythos? Studien zum religiösen Wandel in Deutschland“ (Pollack 2003), in dem er den Kritikern der Säkularisierungsthese Evidenzen für eine fortschreitende Säkularisierung vor allem auf der Ebene von Statistiken und Umfragedaten entgegenhält. Die Beiträge des vorliegenden Buches führen die Kontroverse um die Säkularisierungsthese fort. Sie diskutieren im Hinblick auf die Säkularisierungsthematik unterschiedliche religionssoziologische Paradigmen, einzelne historische Phänomene und Entwicklungen wie auch gegenwärtige Tendenzen, und zwar nicht nur in länderübergreifender Perspektive, sondern auch länderspezifisch und anhand von Einzelbiographien. Dabei beschränkt sich die Diskussion jedoch auf Länder mit christlicher oder islamischer Prägung. Die Säkularisierung in den USA wird in den Beiträgen zu diesem Buch nur am Rande thematisiert, obwohl deren Interessantheit nicht nur angesichts der Zuspitzung der weltweiten politischen Konflikte vor dem Hintergrund der umstrit-
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found only in small sects, huddled together to resist a worldwide secular culture.’ (…) I quote his statements during the 1960s only because they so fully express the mood of the times, a mood that I shared (cf., Stark 1963).” (Stark 1999, 251). Der Titel des im Zitat enthaltenen Verweises auf einen frühen Text von Stark lautet bezeichnenderweise „On the incompatibility of religion and science.“ (Stark 1963). Die Literaturangaben dazu und zum Berger-Zitat finden sich im Literaturverzeichnis. Siehe auch beinahe textidentisch Swatos/Olson 2000, 41-66; Stark/Finke 2000, 57-79.
Einleitung
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tenen Außenpolitik der bibelgläubigen US-amerikanischen Regierung unter George W. Bush, sondern vor allem angesichts der Ausarbeitung eines die „europäische“ Säkularisierungstheorie hinter sich lassenden „amerikanischen“ Paradigmas in der Religionssoziologie (vgl. etwa Greeley 1997, Stark 1999, Warner 1993) auf der Hand liegt. Diese thematische Untergewichtung ist keine absichtliche. Die Herausgeber waren vielmehr bei der Organisation der Tagung, die diesem Buch zugrundeliegt, für entsprechende Vortragsvorschläge offen und haben sich auch darum bemüht, den „Wortführer“ des „amerikanischen Paradigmas“ der Religionssoziologie, Rodney Stark, sowie den US-amerikanischen Historiker James Turner für die Tagung zu gewinnen. Leider konnten beide trotz großen Interesses aus privaten bzw. gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen. Der deutsche Historiker Hartmut Lehmann, der von den Herausgebern nicht zuletzt aufgrund seiner Kenntnis der US-amerikanischen Kultur und Geschichte (z.B. Lehmann 2004a; 2004b) zur Tagung eingeladen wurde, an dieser auch teilgenommen hat und dort eine große Bereicherung war, hat seinen Tagungsvortrag in ein eigenes Buch zur Säkularisierungsthematik einfließen lassen (Lehmann 2004b). Das Thema Säkularisierung im Judentum fehlt in den Beiträgen aufgrund eines Mangels entsprechender Vortragsvorschläge bei der Tagungsorganisation. Der Begriff der Säkularisierung wird im Buchtitel wie in dieser Einleitung, wie schon zu Anfang angedeutet, im Anschluß an Max Webers klassische Prägung dieses Begriffs verstanden: Er bezeichnet als analytisch-wertfreier soziologischer Begriff den umfassenden Vorgang einer „Entzauberung der Welt“, einer Verweltlichung bzw. Verdiesseitigung von Weltbildern und Glaubensinhalten als Teil des universalhistorischen Rationalisierungsprozesses. Säkularisierung wird hier als ein gerichteter Prozeß verstanden, der sämtliche Aggregierungsebenen von Lebenspraxis berührt, von der politischen Herrschaft über Organisationen bis zur Familie und zum Individuum. Seit den 1960er Jahren sind im religionssoziologischen Diskurs zahlreiche „Definitionen“ des Säkularisierungsbegriffs vorgenommen worden, von denen viele von diesem umfassenden klassischen Begriff erheblich abweichen. Dabei wird unter Säkularisierung in der Regel etwas sehr viel eingeschränkteres verstanden als im klassischen Weberschen Begriff. So handelt es sich bei ihr etwa laut Niklas Luhmann lediglich um „eine Beschreibung der anderen Seite der gesellschaftlichen Form der Religion, um die Beschreibung ihrer innergesellschaftlichen Umwelt“ (Luhmann 2000, 282) aus der „Beobachterperspektive“ der Religion. Er betrachtet diese „Beschreibung“ als Resultat der „funktionalen Ausdifferenzierung“ der Religion zu einem „Teilsystem“ des „Gesellschaftssystems“ (Luhmann 1996, 227f.). Ähnlich scheint auch Thomas Luckmanns Verständnis von Säkularisierung zu sein, wenn er sagt: „für die folgenden Überlegungen soll der Terminus ‚Säkularisierung’ nur den Prozeß bezeichnen, der zur zunehmenden Autonomie verschiedener Segmente der sozialen Struk-
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tur geführt hat, zur Autonomie gegenüber Normen, die aus dem religiösen Kosmos hergeleitet worden waren“ (Luckmann 1980, 168).
Eine Verdiesseitigung von Weltbildern und Glaubensinhalten und daher vor allem auch eine Säkularisierung der Lebensführung des modernen Subjekts sind in einer solchen Begriffsdefinition nicht enthalten. So auch bei Mark Chaves, der seinen Säkularisierungsbegriff allein auf den Aspekt einer „Declining Religious Authority“ beschränkt (Chaves 1994). Rodney Stark beklagt sich angesichts der Vielzahl von Begriffsdefinitionen, die häufig nicht nur vom klassischen Säkularisierungsbegriff erheblich abweichen und diesen auf ein Teilmoment reduzieren, sondern sich auch untereinander stark unterscheiden, wohl zu Recht, wenn er sagt: „In recent years, secularization has been defined in several ways (Hanson 1997; Tschannen 1991; Dobbelaere 1987; Shiner 1967), which unfortunately permits proponents of the thesis to shift definitions as needed in order escape [sic!, die Herausgeber] inconvenient facts (see Dobbelaere 1987; 1997; Lechner 1991; 1996; Yamane 1997).“ (Stark/Finke 2000, 59)4
Man muß Starks Motiv-Unterstellung dabei nicht akzeptieren, wenn man ihm in seiner Klage über die Beliebigkeit der Begriffsdefinitionen grundsätzlich recht gibt. Regelrecht absurd wird diese „Begriffsdefiniererei“ wenn David Yamane im Namen der Verteidigung der Säkularisierungstheorie schreibt: „To counter Stark und Iannaccone’s (1994) call to drop the concept ‘secularization’, I am urging all scholars who want to retain ‘secularization’ as a useful and meaningful analytical construct in social scientific studies of religion to stop using the term in any way except as I have suggested here.” (Yamane 1997, 120)
Vorgeschlagen hat Yamane, den Säkularisierungsbegriff im Sinne der Formel „Declining Religious Authority“ im Anschluß an Mark Chaves zu gebrauchen. Abgesehen von der Absurdität, eine Begriffsdefinition mittels Aufruf durchsetzen zu wollen, wird der komplexe Säkularisierungsbegriff der religionssoziologischen Klassiker zur Verteidigung der Säkularisierungstheorie auf einen wenig umstrittenen Teilaspekt reduziert, so daß der so präparierte – man muß fast sagen „kastrierte“ – Säkularisierungsbegriff wenig aussagekräftig ist. So läßt sich Yamanes Säkularisierungsbegriff bezeichnenderweise von Luckmanns These einer Privatisierung der Religion, die sich ganz wesentlich auf die Deinstitutionalisierung und die Abnahme der Autorität religiöser Institutionen bezieht, der Sache nach nicht mehr klar unterscheiden, obwohl sich Luckmann von der Säkularisierungsthese explizit absetzt (siehe etwa Luckmann 1980). Die religionssoziologische Kontroverse um die Säkularisierungsthese, so wie sie von Rodney Stark und Steve Bruce geführt wird, ist vor diesem Hintergrund als Fortschritt anzusehen, weil in dieser Kontroverse wieder der 4
Die Literaturangaben von Stark sind in der Bibliographie im Anhang verzeichnet.
Einleitung
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komplexe Säkularisierungsbegriff zugrundegelegt wird und die klassische Säkularisierungsthese in den Vordergrund rückt, so daß darin der von einer sachlichen Kontroverse zu dieser These nur ablenkende „Begriffsumbau“ überwunden scheint. Auch in Deutschland wird offenbar wieder verstärkt über die klassische Säkularisierungsthese diskutiert.5 Dort wie allgemein in Europa fungiert allerdings weniger die in den USA verbreitete Rational-Choice-Theorie einer „Religious Economy“ als herausforderndes, alternatives „Paradigma“ als die schon vergleichsweise alte Luckmannsche Theorie einer „Privatisierung der Religion“ (Luckmann 1996) bzw. verwandte Ansätze einer „Entkirchlichung“, „Deinstitutionalisierung“, „religiösen Individualisierung“6, „vagabundierenden Religiosität“ (Küenzelen 1987), „diffused religion“ (Cipriani 1989) bzw. eines „believing without belonging“ (Davie 1994). Das erklärt sich sicherlich nicht zuletzt dadurch, daß in Europa der Prozeß der Entkirchlichung sehr viel ausgeprägter ist als in den USA.
Steve Bruce ergreift in dem vorliegenden Band nun die Gelegenheit, sein an die Klassiker anknüpfendes Verständnis von Säkularisierung knapp zusammenzufassen nicht zuletzt, weil er dieses in der vehementen Kritik US-amerikanischer Religionssoziologen nicht wiederzuerkennen glaubt. In der Tat muß man einigen der US-amerikanischen Kritiker der Säkularisierungsthese – insbesondere Rodney Stark, Roger Finke und Jeffrey Hadden – vorhalten, ein Zerrbild existierender Säkularisierungstheorien insofern zu zeichnen, als sie dazu neigen, diese pauschalisierend als Säkularismus bzw. Atheismus zu fassen, als Ideologie, politische Doktrin oder einen Mythos zu diffamieren und ihnen darin tendenziell den wissenschaftlichen Charakter abzusprechen.7 Der Ideologievorwurf mag auf einige Versionen der Säkularisierungstheorie insbesondere der Soziologie der 1960er und 1970er Jahre zutreffen. Im Hinblick auf die religionssoziologischen Klassiker erscheint er geradezu als abwegig. Diese US-amerikanischen Kritiker drohen – ohne sich dessen wohl bewußt zu sein – den atheistischen Eifer gegen Religion, den sie in der Wissenschaft zurecht kritisieren, umzukehren und in einen trotz aller Betonung der Wissenschaftlichkeit religiös anmutenden Eifer gegen die klassische, soziologische Säkularisierungstheorie zu verfallen. 5
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Siehe etwa die Beiträge in: Gabriel 1996, darin insbesondere Pollack 1996, Oevermann 1996, des weiteren Gabriel 2000a; 2000b, Oevermann 2003, Pollack 2003; 2004, Pollack/ Pickel 2000, Wohlrab-Sahr 2002; 2003. Siehe hierzu etwa die Beiträge in: Gabriel 1996. So hat Jeffrey Hadden im Jahr 1987 den wiederholt zustimmend zitierten Vorwurf erhoben: „that secularization theory has not been subjected to systematic scrutiny because it is a doctrine more than it is a theory. Its moorings are located in presuppositions that have gone unexamined because they represent a taken-for-granted ideology rather than a systematic set of interrelated propositions” (Hadden 1987, 588; vgl. auch Stark/Finke 2000, 62, 78f.).
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Bruce thematisiert den Säkularisierungsprozeß in seinem Beitrag als Prozeß der Erosion der gesellschaftlichen Bedeutung von Religion, und er konzentriert sich auf zwei durch die Reformation historisch beförderte gesellschaftliche Bedingungen dieses Erosionsprozesses: einen wachsenden „Pluralismus“ und einen wachsenden „Individualismus/Egalitarismus“, dessen untergrabende Wirkungen auf die gesellschaftliche Verankerung und Verbreitung von Religion er betont. Er kann dabei aus Sicht der Herausgeber überzeugend darlegen, daß die gemeinschaftlich verbürgte Geltung konkreter Religionen unter den genannten Bedingungen brüchig werden muß und wie sich dieser Erosionsprozeß kumulativ fortentwickelt – darin erinnert seine Analyse zum Teil an die Säkularisierungstheorie des frühen Peter Berger. Unbeantwortet bleibt in diesem Aufsatz allerdings die für die Säkularisierungstheorie grundlegende Frage, warum es in der Säkularisierung zu einer Verdiesseitigung der Weltbilder und Glaubensinhalte kommt. Das gleiche gilt für die ebenso zentrale Frage, was im Säkularisierungsprozeß als Neues an die Stelle der erodierenden traditionellen Religiosität tritt bzw. welche Struktur eine säkularisierte Lebensführung hat. Dieser Frage widmen sich Ulrich Oevermann und Manuel Franzmann in ihrem gemeinsamen Aufsatz, in dem sie dieser Struktur anhand von Interviews mit weitgehend säkularisierten Personen nachspüren. Sie unternehmen dies vor dem Hintergrund des von Oevermann 1995 veröffentlichten und in der Zwischenzeit fortentwickelten „Strukturmodells von Religiosität“ (Oevermann 1995; 2001a; 2001b; 2003), das aus unserer Sicht ein zentrales Desiderat nicht zuletzt der Weberschen Säkularisierungstheorie einzulösen verspricht: das Desiderat eines empirisch gesättigten, expliziten theoretischen Modells der Struktur von „Religiosität“ und der Strukturdynamik des Säkularisierungsprozesses. Oevermanns strukturalistisch-pragmatistischer Ansatz könnte darin womöglich auch aus der verfahren scheinenden Säkularisierungsdebatte der gegenwärtigen Religionssoziologie herausführen, dies nicht zuletzt deswegen, weil der Säkularisierungsprozeß in diesem Modell von vornherein als ein dialektischer konzipiert ist: „Die Säkularisierung ist so gesehen nicht ein Prozess, der die Religion gewissermaßen wieder abschafft, und die Praxis der Menschen auf einen vor-religiösen Zustand zurückschraubt, die Menschheit gewissermaßen wieder zu ‚Heiden’ macht, sondern im Gegenteil ein Prozess, der – in sich religiös motiviert und in Gang gesetzt – die Bewältigung der nicht still stellbaren Bewährungsdynamik auf eine neue, ansprüchlichere Stufe hebt – ein Prozess also, der sich nicht nur gegen die Religion richtet, aus der er hervorgegangen ist, sondern der vor allem die in ihren Bewährungsmythen verkörperte und freigesetzte Dynamik folgerichtig fortentwickelt.“ (Oevermann 2003, 380)
Es muß daher als ein Mißverständnis gelten, wenn Detlef Pollack in einem jüngst erschienen Buch (Pollack 2003, 8) und in einem Zeitungsartikel (2004) Oevermanns Strukturmodell der Säkularisierungstheorie entgegen-
Einleitung
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setzt und konstatiert, dieses Strukturmodell gehe von der „Unvermeidbarkeit von Religion“ aus.8 Das obige Zitat belegt das Gegenteil. Oevermanns Strukturmodell stellt eine prononcierte Säkularisierungstheorie dar, die gegenüber vielen anderen Säkularisierungstheorien aus Sicht der Herausgeber den Vorzug hat, die Frage nicht unbeantwortet zu lassen, was entsteht, wenn im Rahmen des Säkularisierungsprozesses Religion vergeht bzw. welche Momente traditioneller Religiosität universell sind und im Säkularisierungsprozeß im Hegelschen Sinne „aufgehoben“ werden. Detlef Pollack widmet sich in seinem Beitrag zu diesem Sammelband der empirischen Überprüfung von Grundannahmen des „amerikanischen Paradigmas“ einer Rational-Choice-Theorie „religiöser Ökonomien“ wie sie von Rodney Stark, Roger Finke, Laurence Iannaccone und anderen vertreten wird. Er führt diese empirische Überprüfung auf der gleichen Ebene durch, auf die sich auch die genannten US-amerikanischen Religionssoziologen in ihrer Theoriebildung vor allem stützen: auf die Ebene statistischer Daten, insbesondere von Umfragedaten. Seine Ergebnisse, die auf einem Vergleich west- und osteuropäischer Länder basieren, wecken deutliche Zweifel an der allgemeinen Gültigkeit der Grundannahmen dieser aus den USA stammenden Theorie. Das von den Vertretern dieser Theorie behauptete Bedingungsverhältnis zwischen der Entstehung eines religiösen Pluralismus bzw. einem „freien religiösen Markt“ einerseits und einer „religiösen Vitalisierung“ andererseits scheint auf der Ebene statistischer Daten in Europa kaum nachzuweisen. Pollacks Analyse lenkt die Aufmerksamkeit auf einen unseres Erachtens interessanten Widerspruch zwischen der Theorie religiöser Ökonomien und der frühen Bergerschen Säkularisierungstheorie. Während erstere behauptet, daß der Pluralismus und der Wettbewerb auf dem Gebiet der Religiosität wie in anderen Bereichen auch zu einer „Vitalisierung“ führten, besagt letztere, daß der für die Moderne kennzeichnende Pluralismus und die Konkurrenz umgekehrt die Plausibilität und Selbstverständlichkeit religiöser Glaubenssysteme untergrabe und den Säkularisierungsprozeß befördere. Dieser Widerspruch scheint auf den ersten Blick ein unversöhnlicher zu sein. Bei genauerer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, daß er sich im Rahmen der dialektisch konzipierten Weberianischen Säkularisierungstheorie auflösen läßt, zumindest sofern die in Rede stehende „Vitalisierung“ nicht von vornherein definitorisch auf eine religiöse Vitalisierung im engeren Sinne beschränkt wird, sondern so begriffen wird, daß sie sich in der Säkularisierung fortsetzt 8
„Zu den bedeutendsten Entwürfen der Religionssoziologie in Deutschland gehören der phänomenologisch inspirierte Ansatz von Thomas Luckmann, die Systemtheorie Niklas Luhmanns sowie die Objektive Hermeneutik Ulrich Oevermanns. Alle drei Konzepte gehen von der sozialen Unvermeidbarkeit von Religion aus und behaupten die Überholtheit säkularisierungstheoretischer Entwürfe“ (Pollack 2004). Verfehlt ist zweifellos auch Pollacks Funktionalismusvorwurf gegenüber Oevermanns „Strukturmodell“.
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und radikalisiert – etwa in einer fortschreitenden „Methodisierung der Lebensführung“ (Weber) oder wie bei Oevermann in einer Verschärfung der „Bewährungsdynamik“. Das Verständnis von „religiöser Vitalisierung“, das Rodney Stark und andere vertreten, erscheint demgegenüber als sehr viel enger und spezifischer: Sie verstehen darunter im wesentlichen nur die Intensität der Teilnahme am religiösen Leben von Religionsgemeinschaften. Diese Intensität ist in den USA, an denen diese Religionssoziologen ihre Theorie vornehmlich gebildet haben, natürlich besonders hoch, weil dort die protestantische „Sektenreligiosität“ (im Weberschen Sinne) traditionell die dominierende Form von Religiosität ist und diese Religiosität dem einzelnen Gläubigen viel mehr abverlangt als etwa die in Europa dominierende katholische und lutherische Religiosität. Das Mitglied einer protestantischen „Sekte“ muß, wie Weber ausgeführt hat, ein „religiös qualifiziertes“ sein (Weber 1906). Daher werden von einer solchen religiösen Gemeinschaft große missionarische Anstrengungen zur religiösen Qualifikation von Nicht-Mitgliedern und zur Überwachung und Kontrolle der religiösen Qualifikation ihrer Mitglieder unternommen. Letzteres geht nicht ohne ein intensives, überschaubares, in kleine Gruppen gegliedertes religiöses Gemeinschaftsleben. Diese Sektenreligiosität ist in den USA historisch nicht nur zur dominanten Religiosität geworden. Sie hat diese Dominanz auch in der Gestalt eines Sektenpluralismus gewonnen, in dessen Rahmen die Sekten in ihrer intensiven Missionstätigkeit automatisch zu Konkurrenten wurden. Wichtig daran ist nun vor allem das folgende: Es war nicht erst die Konkurrenz und der Pluralismus der Sekten, der die intensive Teilnahme am religiösen Leben von Religionsgemeinschaften zur Folge hatte. Die Intensität der Teilnahme am gemeinschaftlichen religiösen Leben war für die Sektenreligiosität vielmehr von Anfang an kennzeichnend! Diesem Umstand tragen Stark et al. nicht genügend Rechnung. Sie stützen sich in ihrer These einer religiösen Vitalisierung infolge eines religiösen Pluralismus insbesondere darauf, daß zum einen die „religious adherence“9 der US-Amerikaner laut ihren Berechnungen im Jahr 1776 bei etwa 17% lag, 1916 mit 51% die Hälfte überschritt und dann bis 1980 auf 62% anstieg (Finke/Stark 1992, 15f.), zum anderen die pluralistische Verfaßtheit der USA in dieser Zeit nachweislich zugenommen hat. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, daß schon die niedrige Kirchenzugehörigkeit der US-Amerikaner in der Anfangszeit der USA ein Sonderfall ist, der sich aus der besonderen Gründungsgeschichte der USA als ehemali9
Zum Ausdruck „religious adherence“ merken Finke und Stark an: „We use the term ‘adherence rate’ rather than the more familiar ‘church membership rate’ in order to alert readers that we have standardized the membership data to eliminate different definitions of membership across religious bodies. Some group count children, others do not. We therefore inflated the membership statistics of groups that do not count children. The inflations were based on the local age profile. Because the results do not really represent ‘members’, we have substituted the word ‘adherents’.” (Finke/Stark 1992, 289)
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ger englischer Kolonie auf einem riesigen unerschlossenen Kontinent erklärt. Die vornehmlich aus Europa stammenden Einwanderer der Frühzeit kamen ja aus Ländern mit einem erschlossenen Territorium und alter Seßhaftigkeit und – trotz religiösem Monopolismus! – flächendeckender Kirchenzugehörigkeit. Die Einwanderer haben also ihre Kirchenzugehörigkeit erst im Rahmen der Migration in die USA als anfänglich kaum in sich integrierten Staatenverbund ohne festes Territorium und gemeinsamen Sittlichkeitsentwurf verloren bzw. aufgegeben. Und das starke Ansteigen der Kirchenzugehörigkeit im 19. Jahrhundert erklärt sich aus dem allmählichen Seßhaftwerden der USA und der fortschreitenden Missionstätigkeit der Sekten, welche durch diese Tätigkeit die Ausbildung und Durchsetzung eines die USA als Gemeinwesen zusammenhaltenden Sittlichkeitsentwurfs beförderten. Auch dies wird von Stark et al. in der Theoriebildung zu wenig beachtet. Der strittige Punkt zwischen der Theorie religiöser Ökonomien und der Säkularisierungstheorie scheint am Ende darin zu liegen, ob die religiöse „Vitalisierung“ in universalhistorischer Perspektive eine genuin religiöse bleibt oder sich in einer säkularisierten fortsetzt, wozu dann auch die Verlagerung der „Vitalität“ aus dem Bereich der intensiven Teilnahme an der Praxis von Religionsgemeinschaften in die autonomisierte und darin ansprüchlicher gewordene Lebensführung gehört. Nun konstatiert die Theorie religiöser Ökonomien von Stark et al. bei einem „freien religiösen Markt“ eine Anpassung des religiösen „Sinnangebots“ an die unterschiedlichen „religiösen Bedürfnisse“ der potentiellen Gläubigen mit der Folge einer Ausdifferenzierung der Sinnangebote, einer besseren Befriedigung der unterschiedlichen religiösen Bedürfnisse und einer vor diesem Hintergrund erfolgenden allgemeinen religiösen Vitalisierung. Aus welchem Grund aber, so muß man fragen, sollte der Prozeß der „Pluralisierung“ und Anpassung der „Sinnressourcen“ bzw. Mythen an die unterschiedlichen religiösen Bedürfnisse der Menschen nicht so weit gehen, daß am Ende jeder seinen individuellen Mythos hat – wie bei dem von Robert Bellah angeführten Fall „Sheila“, die mit Witz sagt, sie glaube an ihren eigenen Glauben: den „Sheilaism“ (Bellah et al. 1996, 221)? Und würde in diesem Fall nicht die Differenzierung zwischen „Sinnanbietern“ einerseits und gläubigen „Sinnabnehmern“ andererseits hinfällig, weil sich jedes Individuum ohnehin wie Sheila seinen eigenen Mythos autonom zu bilden hätte? Sollten Rodney Stark et al. auf diese Fragen – was angesichts ihrer Rede von „religiösen Ökonomien“ naheläge – mit dem Verweis auf das Produktangebot auf Märkten reagieren, für das ja trotz der fortschreitenden Ausdifferenzierung des Warenangebots die Standardisiertheit typisch ist, so müßte man erwidern, daß bei vielen Waren des Warenmarktes die Standardisierung auch einen Sinn ergibt, wohingegen sich die Sinnfragen, die sich jedem Menschen angesichts seiner Besonderheit und der Besonderheit seiner Biographie auf unverwechselbare Weise stellen, standardisiert kaum beantworten lassen. Vor diesem Hintergrund stellt sich doch stark die Frage, ob das ökonomietheoretische Modell den religionssoziologi-
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schen Gegenstand nicht am Ende grundlegend verfehlen muß und ob daher die religionssoziologische Theoriebildung nach dem Vorbild der und in Analogie zur Ökonomietheorie nicht ein Irrweg ist.10 Pollacks Beitrag wirft sicherlich auch methodische Fragen auf: Verführt die Umfrageforschung, soweit sie Glaubensinhalte, Überzeugungen, Weltbilder, Meinungen u.ä. abfragt, nicht tendenziell zu einem reduktionistischen Säkularisierungsbegriff, der sich auf den Aspekt der „Säkularität“ der Glaubensinhalte beschränkt und dabei den „Entzauberungsgrad“ des Glaubens – zu dem nicht nur die entzaubernde Verdiesseitigung von Glaubensinhalten gehört, sondern auch die Entzauberung religiöser Lehrautoritäten und die Ablösung und Emanzipation der Lebensführung von solchen Lehrautoritäten – leicht aus dem Blick verliert? In der Umfrageforschung erscheinen ja einige der vom kommunistischen Atheismus historisch geprägten Länder sehr schnell als „säkularisierter“ etwa als westeuropäische Länder, und auch in Pollacks Beitrag wird diesem Eindruck in einigen Fällen zumindest nicht vorgebaut. Legt man aber Webers Begriff der Säkularisierung als einer Entzauberung von Weltbildern und Glaubensinhalten zugrunde, erscheint ein solches Ergebnis als sehr zweifelhaft, weil der kommunistische Atheismus, wie der Atheismus generell und auch der Säkularismus, Szientismus, Nationalismus, Faschismus und die anderen der im 20. Jahrhundert so einflußreichen „säkularen Religionen“, trotz der Säkularität der Inhalte in ihren illusionären kollektiven Heilsversprechen und ihren autoritativen Geltungsansprüchen noch deutlich religiöse Züge tragen und wohl kaum als entzaubert und nüchtern bezeichnet werden können. Ja die vom Puritanismus geprägte USamerikanische Religiosität ist trotz Religiosität der Glaubensinhalte nüchterner und entzauberter als manches säkulare Weltbild, nüchterner und entzauberter beispielsweise als ein traditionelles kommunistisches Weltbild.11 Dies wirft grundsätzlich die Frage auf, ob man den Säkularisierungsgrad eines Landes – nach Weber gewissermaßen den „Entzauberungsgrad“ der die Kultur des Landes prägenden, legitimationsbedeutsamen Weltbilder und Glaubensformen – mittels vorgegebener (!) und jeweils isoliert abgefragter Glaubensinhalte überhaupt ermitteln kann oder ob dafür nicht vielmehr eine Ana10
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Bei Weber verhielt es sich ja eher umgekehrt. Weber hat bekanntlich genuin religionssoziologisch kulturelle Prämissen einer kapitalistischen Wirtschaft im modernen Sinne erklärt, deren historische Geltung in ökonomietheoretischen Modellen oft stillschweigend vorausgesetzt werden. Schon Weber – und nicht nur Weber – hat ja auf die im Vergleich zu anderen bedeutenden christlichen Religionstraditionen größere Nüchternheit und Magiefeindlichkeit der puritanischen Sektenreligiosität hingewiesen. Die von dieser Sektenreligiosität geprägte amerikanische Kultur hat gegenüber den historisch bestimmenden Religionstraditionen anderer westlicher Industrienationen etwas an Nüchternheit und Entzauberung voraus. Und das deutsche Luthertum war historisch nicht zufällig eng mit den die deutsche Geschichte prägenden politischen Illusionen verbunden, die im Kontext des Syndroms eines deutschen, kulturnationalen Sonderweges stehen (vgl. etwa Plessner 1974).
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lyse der inneren Struktur und Logik dieser Weltbilder und Glaubensformen anhand einer kohärenten, authentischen Ausdrucksgestalt – wie sie in den Ergebnissen von Umfragen ja gerade nicht mehr vorliegt – nötig ist. Auch David Martin widmet sich in seinem Beitrag einem Ländervergleich, mit dem er eine aktualisierte Version seiner 1978 als Buch vorgelegten General Theory of Secularisation entwickelt.12 Mit ihr sucht er Gemeinsamkeit und Differenz der geschichtlichen Säkularisierungsprozesse und der Ausprägung der Säkularisierung in der Gegenwart in kontrastierenden Ländern zu bestimmen. Zweifellos gelingt ihm dabei eine ausgesprochen reichhaltige und von langjähriger Beschäftigung mit dieser anspruchsvollen Aufgabenstellung zeugende Analyse, die geradezu eine Fundgrube landesspezifischer und landesübergreifender analytischer Beobachtungen und darin gewissermaßen zugleich ein überzeugendes Plädoyer für eine länderspezifische, die besondere historische Entwicklung eines Landes einbeziehende Ausdifferenzierung der Säkularisierungstheorie darstellt. Interessant ist dabei auch seine vielleicht zentralste These, daß die „religiöse Morphologie“ eines Landes aufs engste mit seiner „politischen Morphologie“ zusammenhängt (und umgekehrt), man geradezu von „politisch-religiösen Komplexen“ sprechen kann und sich daher eine Verbindung von religionssoziologischer und politisch-soziologischer Forschung aufdrängt. Auch in seiner Analyse spielt die Thematik des religiösen Pluralismus bzw. religiöser „Monopole“ eine große Rolle. Roberto Cipriani diskutiert in seinem Beitrag die in der Religionssoziologie strittigen Deutungskonzepte einer fortschreitenden Säkularisierung einerseits und eines religiösen Revivals andererseits im Hinblick auf die religiöse Entwicklung der italienischen Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten. Er knüpft dabei an das von ihm bereits 1983 entwickelte Konzept einer „diffused religion“ (Cipriani 1984) an, das er in Auseinandersetzung mit Luckmanns Theorie einer „unsichtbaren Religion“ entwickelt hat. Im Unterschied zu Luckmanns Konzept einer „unsichtbaren Religion“, die einen Gegensatz zur kirchlichen Religiosität bilde, stehe die bei der Mehrheit der Italiener heute zu konstatierende „diffused religion“ in verschiedenen Graden der Kontinuität zur offiziellen Religion der katholischen Kirche. Sie sei in thematischer Hinsicht durch und durch von der katholischen Religion geprägt, auch wenn bei vielen die Lehre der katholischen Kirche nicht mehr einschränkungslos übernommen werde, sondern sich gegenüber der kirchlichen Lehrautorität eine kritische Distanz und religiöse Selbständigkeit und in der Folge verschiedene Grade von Abweichungen bemerkbar machten. Diese diffundierte, vom Katholizismus geprägte Religiosität und Wertbindung erscheine zwar als Kontrast zur Säkularisierung, bringe letztere aber zugleich auch zum Ausdruck. Cipriani ist darum bemüht, die Themen der italienischen 12
Siehe auch Martins neues Buch (2005).
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„diffused religion“ zu bestimmen und greift dabei auf eigens durchgeführte Umfragen zurück. Den Religionsbegriff versucht er wesentlich über den Wertebegriff zu fassen, was die Frage aufwirft, ob damit nicht – ähnlich wie bei Luckmann – die Säkularisierungsthese letztlich schon definitorisch erledigt wird. Als problematisch erscheint uns seine eher beiläufige Gleichsetzung von Säkularisierung und Entheiligung, die gegenwärtig recht verbreitet ist. Mit dem klassischen Weberschen Säkularisierungsbegriff ist sie nicht vereinbar. Sie impliziert überdies, daß Säkularisierung ein degenerativer Prozeß ist, der sich gegen die Menschen durchsetzt. Denn ein Prozeß, der dazu führt, daß am Ende „nichts mehr heilig ist“, kann – das liegt auf der Hand – nicht im Sinne aller sein. Ein solcher Säkularisierungsbegriff würde also seinen Gegenstand von vornherein als Degeneration klassifizieren, andererseits würde er die bohrende Frage aufwerfen, wie sich der Säkularisierungsprozeß dann historisch gegen die Vernunft hat entfalten können. Gerade die in diesem Band versammelten länderspezifischen Studien, in denen der Zusammenhang von Religion und gesellschaftlicher Entwicklung deutlich wird, zeigen wie wichtig es wäre, das von David Martin angestoßene Projekt einer historischen Typologie unterschiedlicher Säkularisierungsverläufe weiterzuverfolgen und dabei die Rekonstruktion der Geschichte des jeweiligen Landes zugrundezulegen. Erst auf dieser Basis – darin herrschte Konsens in der Tagungsdiskussion – ließen sich die standardisierten Befragungsinstrumente verfeinern und die aus den historischen Länderstudien gewonnenen Daten hinsichtlich der Säkularisierungsdebatte vergleichend interpretieren. Die Rekonstruktion geschichtlicher Verläufe dient darüber hinaus auch der Identifikation zentraler Entwicklungsstufen und Weichenstellungen in der universalhistorischen Rationalisierungsdynamik. Im zweiten Kapitel dieses Bandes, welches der historischen Entwicklung gewidmet ist, werden zwei historische Zeiträume betrachtet, die für die Entwicklung der Säkularisierung in Europa wichtig waren: die frühe Neuzeit sowie das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert. Heike Bock greift in ihrem Beitrag die Debatte um die Säkularisierungsthese zwischen Steve Bruce, der die europäische Entwicklung als fortschreitende Säkularisierung und Erosion der Religion deutet, und Rodney Stark, der sie als religiösen Wandel interpretiert, auf und prüft deren Thesen an der Epoche der frühen Neuzeit, die eine Schlüsselphase der abendländischen Kulturentwicklung darstellt. Rodney Stark führt in seiner Kritik an der Säkularisierungstheorie an, daß die Annahme einer zunehmenden Säkularisierung einen historischen Zeitraum voraussetze, in dem die Menschen religiöser gewesen seien als heute, und er bestreitet unter Verweis auf die religiöse Lebensführung im Mittelalter, daß es ein solches „Golden Age of Faith“ gegeben habe (Stark 1999). Seine Klassifizierung des vormodernen Menschen als weniger religiös wirft nun allerdings die Frage auf, ob Stark nicht unter der Hand einen normativen Religionsbegriff verwendet, den er am Vorbild der amerikanischen Sektenreligiosität entwickelt. Heike Bock hält
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Stark daher vielleicht zu Recht entgegen, daß ein ganz anderer Begriff erforderlich sei, um die Religiosität der Vormoderne zu verstehen. Am Beispiel der frühneuzeitlichen Religiosität entfaltet sie die These, daß der Prozeß der Konfessionalisierung sowohl zur Vitalisierung der Religion als auch zur Säkularisierung führte. Die Teilung der christlichen Kirchen habe zum einen zur Entwicklung einer differenzierteren und biblisch fundierten Dogmatik gedrängt, die die kirchliche Religiosität stärkte und ein je eigenes konfessionelles Bewußtsein ausbildete; zum anderen habe die dadurch entstandene Pluralisierung von Religion aber auch die Möglichkeit alternativer Weltdeutungen erzeugt. Der rationale Charakter der Kodifizierung der Glaubensgrundlagen, vor allem der protestantischen Konfessionen, gab einer aufgeklärten und „entzauberten“ Religionsausübung den Vorrang, die das individuelle Heil in die Verantwortung des Individuums legte und damit die Säkularisierung aus sich hervortriebt. Mit der These der Gleichursprünglichkeit von religiöser Vitalisierung und Säkularisierung sucht Bock durch ihre historische Untersuchung einen vermittelnden Standpunkt zwischen den sich gegenüberstehenden Positionen von Stark und Bruce. Ob ihr diese Vermittlung am Ende auf befriedigende Weise gelingt, wenn sie Bruce’ Säkularisierungstheorie resümierend als geeignetes „micro model“ und Starks Theorie religiöser Ökonomien als angemessenes „marco model“ bezeichnet, erscheint jedoch als fraglich. Wird nicht der oben skizzierte Vermittlungsansatz im Anschluß an Oevermanns dialektisches „Strukturmodell“ den Theorien von Stark und Bruce material letztlich gerechter, wenn darin die Religiosität als solche – in ihrer universalen Struktur – von ihrer „Vitalisierung“ analytisch strikt unterschieden wird, so daß die Religiosität der frühen Neuzeit strukturell nicht „religiöser“ oder „weniger religiös“ als die Religiosität in der Moderne erscheint, sondern lediglich als weniger anspruchsvoll und elaboriert im Hinblick auf das Bewährungsproblem, das sich im Zuge der Entstehung der Moderne dann immer weiter radikalisiert und schließlich zur Säkularisierung führt, die diese Radikalisierung weiter fortsetzt? Der Zerfall der alten Kirchenordnung und die Konfessionalisierung des Christentums führte zum einen zur Trennung von Religion und Magie, wobei letztere in abgestufter Weise je nach Konfession auch als unchristlich ausgeschlossen und verurteilt wurde; zum anderen zur Trennung von christlichem und weltlichem Handeln (vgl. van Dülmen 1986). Dennoch blieb die institutionelle Verflechtung von weltlicher und geistlicher Macht erhalten. Erst mit der Französischen Revolution konnte die weltliche Macht auf die Legitimation durch die Religion verzichten; kehrseitig verloren die Kirchen durch die Säkularisation im 19. Jahrhundert und die Eingliederung des (katholischen) Kirchenstaates in den italienischen Nationalstaat zunehmend ihre weltliche Macht. Während der Protestantismus sich modernen und liberalen Strömungen öffnete und vor allem in seiner lutherischen Ausprägung eine enge Verbindung von Thron und Altar einging, kämpfte die katholische Kirche im 19. Jahrhundert insgesamt sehr viel stärker gegen Modernisierung und Säkulari-
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sierung und versuchte, die kirchliche Autorität gegen Demokratie und politische Machtansprüche der Regierungen zu befestigen. Gerade in den protestantisch regierten Staaten mit katholischer Minderheit entstand ein Kulturkampf, der zur Ausbildung einer katholischen Subkultur führte, das sogenannte „katholische Milieu“ (vgl. Altermatt 1989, Gabriel 1992, Gärtner 2005a, 307-312). Die damit verbundene Abschottung gegenüber der Welt hat dazu geführt, daß es der katholischen Kirche im Zeitalter der modernen Massen- und Industriegesellschaft einerseits gelang, sich zu behaupten und ihre religiösen Grundlagen sowie ihre Identität zu bewahren, also die Säkularisierung hinauszuzögern. Andererseits hat der dadurch entstandene Vereinskatholizismus das Laientum gestärkt und emanzipatorische Strukturen entwickelt, die ein Modernisierungspotential enthielten, das den Eintritt der katholischen Kirche gegen den Widerstand autoritärer, klerikaler Tendenzen des Ultramontanismus ins 20. Jahrhundert erleichterte. Und obwohl die Päpste versuchten, die Gläubigen zu verpflichten, sich für die Restauration der christlichen Gesellschaft einzusetzen, stieg das Nationalgefühl der Katholiken in den beiden Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg an, so daß auch sie die Kriegshandlungen als Patrioten unterstützten. Gerade die „Katastrophe des Ersten Weltkriegs“, die die katholische Kirche auf den mit der Modernisierung einhergehenden Gottesverlust zurückführte, veranlaßte Pius XI. (1922-1939), die Katholiken erneut zur Christianisierung der Gesellschaft aufzurufen und die Machtansprüche der Kirche gegen weltliche Herrschaftsansprüche zu festigen. Patrizio Foresta, der die Diskussion um den Pius XI. zugeschriebenen „katholischen Totalitarismus“, also die Forderung, daß sich das gesamte Staatswesen den göttlichen Geboten und christlichen Grundsätzen – institutionell vertreten durch die katholische Amtskirche – unterordnen solle, in diesem Band darstellt, argumentiert, daß es nicht nur das Anliegen des Papstes gewesen sei, die mit der Modernisierung verbundene Säkularisierung rückgängig zu machen, sondern auch eine hierokratische Herrschaft nach mittelalterlichem Vorbild einzurichten und ein „Regnum Christi“ durchzusetzen, das sowohl geistlicher als auch politischer Natur sein sollte und den Papst als dessen Stellvertreter legitimieren sollte. Ob Pius XI. tatsächlich glaubte, den Totalitätsanspruch auf Volk und Staat durchsetzen zu können, sei dahingestellt. Zwar wirkte er durch seine zahlreichen Konkordate mit weltlichen Regierungen auf konfessionsgeprägte Staaten hin, die den Papst als geistliches Oberhaupt anerkennen sollten und sicherte – vor allem mit den Lateranverträgen – die Souveränität des Vatikans sowie die Rechte der Gläubigen. Gleichzeitig sind die Verträge Ausdruck der Anerkennung der faschistischen und weltlichen Regierungen. Von daher stellt sich die Frage, ob seine Politik letztlich nicht sogar zur Beschleunigung der Säkularisierung beigetragen hat. Vordergründig hat die Kirche zwar versucht, ihre Einflußmöglichkeiten und Macht zu erhalten, faktisch hat sie mit den Verträgen aber die institutionelle Trennung der Sphären anerkannt. Sie ist in der Folge stärker als zuvor auf den geistlichen Bereich beschränkt, und
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muß auf ihrem genuinen Feld, dem des Geistes, überzeugen. Von einigen Autoren wird dies durchaus als Chance für die Kirche begriffen, weil Religion erst durch diese Entlastung von religionsfremden Rücksichten „zu ihrer eigenen Funktion und Autonomie im Gegenüber zu einer weltlich gewordenen Welt“ (Gabriel 2003, 15) finden könne. Die Auswirkungen der Konfessionalisierung waren im klassischen Land der Reformation, in Deutschland, bis weit ins 20. Jahrhundert hinein stärker und fundamentaler zu spüren als in den meisten anderen europäischen Ländern. Die Konfessionsspaltung prägte nicht nur das gesamte Leben von Individuen, sondern stellte auch ein politisches Grundfaktum dar, das sich unter der Bedingung der Moderne verschärfte und noch lange über die konfessionelle Bindung hinaus anhielt (Nipperdey 1998, 528f.). Neben diesem dominierenden und alles prägenden Gegensatz zwischen den Konfessionen entwickelte sich im 19. Jahrhundert ein weiterer Gegensatz, der zwischen Christen und Nicht-Christen. In dem allmählich einsetzenden Prozeß der Entkirchlichung und Entchristianisierung unterscheidet Thomas Nipperdey drei Ebenen der Entwicklung außerhalb der Kirchen (vgl. ebd., 508-528): (1) Zum einen verweist er auf diejenigen, die schweigend aus den Kirchen auswanderten und ihre Sinnorientierung in säkularen Bereichen fanden – allen voran in den Bereichen Arbeit und Familie, die auf den bürgerlichen Grundwerten fußten, aber auch in der Politik, die teilweise zu einer politischsäkularen „Religion“ überhöht wurde, wobei es auch zur Tendenz der Sakralisierung der Nation kam, sowie den Sphären der Kunst und Ästhetik, wobei gerade das gebildete Bürgertum – die „unpolitischen“ Deutschen (ebd., 518) – Versuche unternahm, die säkulare Welt sakralisieren zu wollen. Diese Bewegung entstand vor allem aus dem Protestantismus heraus, der zwar der Modernität offener gegenüberstand, dafür aber stärker den mit dem Traditionsverlust verbundenen Krisen ausgesetzt war und von daher diese weltlichen Bereiche der Sinnstiftung in eine Art säkularer Ersatzreligion mit innerweltlicher Transzendenz umdeutete. In Deutschland ging die Verzögerung der Säkularisierung der politischen Sphäre, die mit dem deutschen Sonderweg zusammenhängt, mit der Neigung zu politischen Heilslehren oder Ersatztheologien wie Nationalismus und Kommunismus sowie später dem Nationalsozialismus einher, für die gerade die lutherischen Protestanten entflammbar waren (Lehmann 1998, 130-152).13 Ein Fall, bei dem aus unserer Sicht exemplarisch deutlich wird, wie der Nationalsozialismus und das natio13
Hitler rekrutierte zwar Wähler aus allen Schichten, konnte aber nur an die Macht kommen, weil die Mehrheit der evangelischen Deutschen für ihn stimmte. Die einzige wirklich signifikante Korrelation zur Wahl der NSDAP zwischen 1928 und 1933 besteht – unter den gängigen Sozialmerkmalen – bei der Konfessionszugehörigkeit. So hat im Juli 1932 nur jeder siebte katholische Wahlberechtigte die NSDAP gewählt, während 40% der Nichtkatholiken für Hitler gestimmt haben (Falter 1994, 38). Besonders viele Stimmen hat die NSDAP von der protestantischen Landbevölkerung bekommen (Falter 1991, 184f.).
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nal-protestantische Bildungsbürgertum eine Koalition eingehen, wird von
Hagen Findeis in diesem Band anhand der Biographie des Thüringer Bischofs Ingo Braecklein beleuchtet, der wie Werner Best zur Generation der Trägerschicht des Nationalsozialismus gehört (vgl. Herbert 1996). Vom Militär und vom Luthertum gleichermaßen fasziniert, schwankt Braeckleins Biographie zwischen der Hingabe an die Nation und der an die Religion bzw. der wechselseitigen Substituierung von Religion und Politik, und zwar gerade innerhalb der beiden totalitären politischen Systeme in Deutschland. (2) Demgegenüber waren die atheistischen Bewegungen und Organisationen dezidierte Gegner und Kritiker des Christentums. Von der modernen Wissenschaft, die mit naturwissenschaftlichen Welterklärungen als Konkurrenz zur Deutungsmacht der Religion auftrat, ging ein Anstoß der Entchristianisierung aus. Der Zoologe Ernst Haeckel versuchte z.B. mit seiner unter Naturwissenschaftlern durchaus umstrittenen Lehre des „Monismus“, die Schöpfungsgeschichte durch eine naturwissenschaftliche Weltanschauung zu ersetzen, womit er vor allem bei nicht akademisch Gebildeten, Volksschullehrern und Sozialdemokraten Wirkung erzielte. Die atheistischen Bewegungen wie die Freidenkerbewegung sind dabei in Konkurrenz zu den Staatskirchen entstanden, ohne sich vollständig von transzendenten Themen zu lösen. Dies wird von Todd Weir dargelegt, der auch die Abgängigkeit von Freigeistigkeit und Politik nachweist, die die wechselseitige Durchdringung des monarchischen Staates und der Staatskirchen negativ widerspiegle. Gerade weil die politischen und religiösen Systeme nicht getrennt waren, so seine These, konnte sich die Freigeistigkeit nicht entpolitisieren und die Politik nicht vollständig säkularisieren. (3) Schließlich entwickelte sich eine außerkirchliche Form der Religiosität, zu der z.B. die Theosophie oder Anthroposophie gehört und die nicht selten deutsch-völkische Züge annahm. In den 1970er Jahren erfuhren diese religiösen Gruppen im Zusammenhang der Entstehung der sogenannten neuen religiösen Bewegungen (Pollack 2000, Gärtner 2005b) eine Renaissance. In den meisten europäischen Ländern kam es in den 1960er Jahren zu einer „tiefgreifenden, umfassenden und in den Konsequenzen durchaus radikalen Säkularisierung“ (Lehmann 2004b, 23). Als ein Resultat dieser historischen Entwicklung gilt die endgültige Ausdifferenzierung und Autonomisierung von weltlichen und kirchlich-religiösen Institutionen. Dieser Aspekt der Säkularisierung, der mit einem Funktionsverlust der etablierten Kirchen und der Religion verbunden war, ist in der Religionssoziologie unstrittig und führte dazu, daß Westeuropa im Hinblick auf die Säkularisierung lange Zeit als der Regelfall angesehen wurde. Diese Annahme wurde mit der These verbunden, daß Modernisierungsprozesse letztlich auch mit der Erosion religiöser Überzeugungen und Praktiken einhergehen. Paul Chambers bestätigt die historische Entwicklung zwar auch für Wales, hält es aber für zu ungenau, Säkularisierung mit Begriffen wie Modernisierung und Industrialisie-
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rung gleichzusetzen und plädiert dafür, Säkularisierung jeweils als Produkt partikularer historischer Umstände empirisch zu untersuchen. In seiner „national case study“ über Wales zeigt er, wie die Walisische Religiosität vermittelt über die Sprache und in Opposition zur „Church of England“ entstand, aber erst unter Bedingungen der Modernisierung zur wichtigsten sozialen und kulturellen Kraft wurde, die die Walisische Gesellschaft einigte. Die Religion diente sowohl der Verteidigung der kulturellen Eigenart als auch der nationalen Abgrenzung gegen England. Während noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die walisische Identität mit der „Welsh Nonconformity“ gleichgesetzt werden konnte, begann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Säkularisierungsprozeß, der mit der rapiden Erosion dieser Religiosität einherging. Dan Dungaciu stellt den kausalen Zusammenhang von Modernisierung und Säkularisierung am Fall Rumäniens in Frage. In diesem Band präsentiert er Rumänien als einen Sonderfall in Europa und ein Land, das – anders als andere osteuropäische Staaten – nach 50 Jahren Erfahrung mit einem kommunistischen und atheistischen Regime scheinbar bruchlos die orthodoxe Religionstradition wieder aufgegriffen habe. Er kritisiert die bisherigen Deutungsversuche der Umfrageergebnisse als unangemessen, weil sie zum einen auf theoretischen Modellen basieren, die in der Untersuchung westeuropäischer Gesellschaften entwickelt wurden, zum anderen weder die rumänische Situation angemessen berücksichtigten noch die für Osteuropa spezifische Form der Verquickung von Modernisierung und orthodoxem Glauben. Dungaciu vertritt die These, daß sich in Osteuropa eine spezifisch orthodoxe Form von Modernität entwickelt hat, die sich sowohl von derjenigen westlich orthodoxer Länder unterscheidet als auch von derjenigen westlicher Länder, die durch Renaissance, Aufklärung und Industrialisierung hindurchgegangen sind. Um jedoch klären zu können, ob die Wiederaufnahme der rumänisch orthodoxen Religiosität als Ausdruck von Modernität oder als Rückkehr zur Tradition zu interpretieren ist, benötigt man zukünftig sowohl weitere Studien, die Aufschluß über die religionsgeschichtliche Entwicklung in Rumänien geben, als auch historisch vergleichende Forschungen. Auch die gegenwärtige, weltweite Entwicklung religiöser Phänomene wird von einigen Religionssoziologen zum Anlaß genommen, sowohl das Säkularisierungsparadigma als auch die These Luckmanns von der Privatisierung der Religion (1991) als notwendige Konsequenz moderner Gesellschaftsentwicklung neu zu diskutieren (vgl. etwa Casanova 1994, Gabriel 2003). Neben dem Phänomen der neuen religiösen Bewegungen, die sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bildeten, werden vor allem der protestantische und islamische Fundamentalismus sowie die religiösen Bewegungen pfingstlerisch-charismatischen Typs als Beleg gegen das Säkularisierungsparadigma angeführt (Gabriel 2003, 17ff.). Die pfingstlerische Bewegung hat weltweit enormen Zulauf, und selbst in Deutschland sind die Pfingstkirchen laut Hartmut Lehmann die am stärksten wachsenden Reli-
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gionsgemeinschaften. Zwei Beiträge in diesem Band befassen sich mit der Pfingstler-Bewegung in Lateinamerika. Franz Höllinger führt den Erfolg dieser Sekten in Brasilien zum einen darauf zurück, daß sie an traditionale Elemente der brasilianischen Religiosität anschließen: die religiöse Trance, den Verkehr mit Geistern und die spirituelle Heilung auf der einen Seite, die strenge Moral und Disziplin der messianischen Bewegung im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert auf der anderen. Zum anderen stellt er als ein nicht zu unterschätzendes Moment für die religiöse Vitalität bzw. Säkularisierungshemmung in Brasilien die steigende Armut, Unsicherheit und urbane Anomie heraus. Nicht zuletzt scheint der Erfolg der Pfingstler-Bewegung aber auch mit der eher oberflächlichen Evangelisierung Brasiliens zusammenzuhängen, weil die katholische Kirche historisch meist mit den Eliten kooperierte und auch aufgrund des Priestermangels die Masse der Bevölkerung nicht mit ihrer Botschaft geistig-geistlich durchdringen konnte. Letzteres gilt auch für Mexiko, wo bezeichnenderweise eine ausgesprochen magische Form des Katholizismus praktiziert wird, die zudem eng mit der gesellschaftlichen Immobilität verwoben ist. Alexander Geschwindner zeigt am Fall eines jungen, zu einer evangelikalen Sekte konvertierten Mexikaners, daß pfingstlerische Sekten in lateinamerikanischen Ländern deswegen so großen Zulauf haben, weil sie zunächst plausible Lösungen für die Überwindung biographischer Krisen anbieten und die Mitglieder eine lebenspraktische Verbesserung unmittelbar erfahren. Es stellt sich die Frage, ob damit – wie die Vertreter dieser Sekten predigen – eine Rationalisierung der Lebensführung in Gang gesetzt wird, die auch zur Modernisierung der Gesellschaft beitragen kann. Hartmut Lehmann verwies in der Diskussion der Tagung auf wesentliche Differenzen zwischen Westeuropa und den Vereinigten Staaten (vgl. auch Lehmann 2004b), die – im Hinblick auf die Säkularisierung – lange als die große Ausnahme von der europäischen Regel galten, eine These, die in der Religionssoziologie mittlerweile in Frage gestellt wird (vgl. Gabriel 2003). Während die historisch enge Verbindung von Thron und Alter und das damit verbundene Festhalten der Kirchen an der weltlichen Macht als eine Ursache für den „europäischen Sonderweg“ angesehen wird (ebd., 17), hat Amerika die Trennung von Kirche und Staat schon im ersten Teil des „First Amendement“ in der Verfassung verankert. Die Vertreter der Theorie religiöser Ökonomien nehmen diese verfassungsmäßige Institutionalisierung des – in sich eine moderne Erscheinung darstellenden – religiösen Pluralismus in den USA auf der einen Seite und die in Europa in vielen Ländern auch heute noch nicht vollständig beseitigte „monopolistische“ Bevorzugung der traditional christlichen Großkirchen zum Anlaß, Europa mit seiner ausgeprägten Säkularisierung als Sonderfall und die USA mit ihrer demgegenüber vitaler erscheinenden pluralistischen Religiosität als Modernisierungsspitze zu interpretieren. Es ist jedoch äußerst fraglich, die Säkularisierung Europas mit dem Religionsmonopolismus in Verbindung zu bringen. Denn unbestreitbar ist die
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Säkularisierung in Europa mit einer zunehmenden religiösen Pluralisierung Hand in Hand gegangen! Steve Bruce weist zudem zu Recht darauf hin, daß trotz der radikalen, verfassungsmäßigen Trennung von Staat und Kirche in den USA der religiöse Pluralismus anfänglich doch sehr begrenzt gewesen sei, insbesondere auf kommunaler Ebene (Bruce 2002, 204ff.). Tatsächlich geht die Trennung von Staat und Kirche in den USA auf den spezifischen Pluralismus protestantischer Sektenreligiosität zurück, der gegenüber anderen Religionstraditionen, insbesondere gegenüber dem Katholizismus und dem Islam, lange Zeit sehr intolerant geblieben ist. Es wäre daher ein gravierender Fehlschluß, die radikale Trennung von Staat und Kirche im „First Amendement“ mit einem in der amerikanischen Gesellschaft jenseits des neutralen Staates existierenden grenzenlosen religiösen Pluralismus gleichzusetzen. Ein solcher Pluralismus mußte vielmehr auch in den USA erst allmählich ausgebildet und erweitert werden. Lehmann hebt hervor, daß im zweiten Teil des „First Amendement“ auch die Förderung der Religion zum Ausdruck gebracht werde und die Trennung von Staat und Kirche demnach dem Geiste nach gerade nicht – wie dies tendenziell in der laizistischen Tradition Frankreichs der Fall ist – als religionsfeindlich zu verstehen sei. Vielmehr sei es in den USA kein Tabu, religiös zu sein, sondern werde allgemein akzeptiert. Dem entspreche die hohe Wertschätzung der Freiwilligkeit des religiösen Bekenntnisses. Zudem trete man in den USA nicht aus einer Kirche aus, sondern ein. Als weitere Differenz zwischen den USA und Europa führte Lehmann an, daß die USA im Gegensatz zu Europa immer schon ein Einwanderungsland gewesen sei. Es ließe sich nachweisen, daß jede Migrationswelle die Religiosität in den USA gestärkt habe, weil nicht staatliche, sondern meist religiöse Organisationen die erste Anlaufstelle für die teilweise entwurzelten Immigranten waren, die dort Unterstützung und Integrationshilfen fanden. Das Argument, daß Religion ein wesentlicher, die Identität stabilisierender Faktor für Migranten sein kann, vor allem unter schwierigen Bedingungen in der neuen Gesellschaft, und damit zur Aufrechterhaltung und Stärkung von Religion beiträgt, wird von Steve Bruce geteilt. Im Hinblick auf Europa – das ja zunehmend zu einem Einwanderungsland wird – stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, welche religiöse Veränderung aufgrund der verstärkten Zuwanderung in jüngerer Zeit zukünftig zu erwarten ist.14 Diese Frage wird in diesem Buch in einigen Beiträgen aufgeworfen, die sich mit der islamischen Religiosität in Europa befassen. Die Jugendlichen der zweiten oder dritten Generation von islamischen Migranten wachsen, an14
Ursula Boos-Nünning gab auf der Jahrestagung der Sektion Religionssoziologie, die vom 8.-10.7.2005 in Schmerlenbach stattfand, folgenden Hinweis: Ein Drittel der zur Zeit in Deutschland geborenen Kinder hat einen Migrationshintergrund. Insofern kann man durchaus darüber nachdenken, ob dies nicht in Zukunft die Religionslandschaft gravierend verändern wird.
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ders als die meisten Gleichaltrigen, mit bzw. zwischen zwei Kulturen auf: der islamischen Herkunftskultur ihrer Familie und der säkularen Kultur der Mehrheitsgesellschaft, in die sie spätestens mit Schulbeginn eintreten. In der Bearbeitung ihrer Adoleszenzkrise stehen sie vor dem Problem, beide Kulturen in ihre Biographie integrieren zu müssen. Daß dabei der Islam für die Identitätsbildung bedeutsam werden kann, hängt auch mit den veränderten Rahmenbedingungen seit den 1990er Jahren zusammen: Die Multikulturalismusdiskurse, mit denen die Jugendlichen muslimischer Herkunft aufgewachsen sind, haben einen kulturellen Pluralismus ermöglicht und Raum für muslimische Akteure in der Öffentlichkeit geöffnet (Nökel 2003). Sowohl Frank Peter als auch Johannes Twardella gehen auf den sogenannten EuroIslam ein, jeweils am Fall eines islamischen Intellektuellen mit großer Anhängerschaft unter Jugendlichen. Peter untersucht die Predigten des in Frankreich geborenen und aufgewachsenen Hassan Iquioussen. Dieser verkündet einen Islam, der einerseits zur individuellen Lebensführung und Integration in einem westlichen demokratischen Land anleitet, andererseits aber auch die Mehrheitsgesellschaft kritisiert und sich für die Beibehaltung islamischer Werte wie die Geschlechtertrennung einsetzt. Twardella interpretiert und diskutiert die Vorschläge des zur Zeit wohl einflußreichsten, aber auch umstrittenen Intellektuellen Tariq Ramadan, der – zumindest vordergründig – einen modernen Islam vertritt, der die religiösen Grundlagen und die konkreten gesellschaftlichen Verhältnisse in einem dialektischen Prozeß miteinander vermitteln soll. Bei genauerem Hinsehen hält er die islamische Kultur jedoch für weit geeigneter, die von ihm diagnostizierten Krisen der westlichen Gesellschaften zu lösen. Talip Kucukcan untersucht türkische Jugendliche in Großbritannien im Hinblick auf Glauben, Wissen, religiöse Praktiken und Erfahrungen und kommt zu dem Ergebnis, daß die Jugendlichen erstaunlich wenig über den Islam wissen, obwohl sie ihn als einen bedeutenden kulturellen Baustein türkischer Identität erachten. Zwei weitere Beiträge befassen sich mit dem Prozeß der Säkularisierung in islamischen Staaten, in Indonesien und der Türkei. Indonesien gilt zwar als ein vorbildlicher moderner muslimischer Staat, hat aber durchaus – und nicht erst seit dem Anschlag auf Bali – mit religiösen Konflikten zu kämpfen. Susanne Schröter untersucht die gegenseitige Durchdringung und Instrumentalisierung von Religion und Politik am Beispiel der lokalen Konflikte zwischen Muslimen und Christen in Indonesien. Sie zeigt, wie die eigentlichen Ursachen dieser Konflikte, nämlich ökonomische, soziale und politische, mit religiösen Metaphern aufgeladen und überdeckt werden. Kayhan Delibas setzt sich mit der heutigen Türkei auseinander und analysiert die spezifischen Bedingungen der Säkularisierung dort. Er thematisiert das Erstarken des islamischen Fundamentalismus in der Parteienlandschaft der Türkei in den 1990er Jahren und überprüft, inwiefern die verbreiteten Säkularisierungsparadigmen zur Analyse dieser Entwicklung geeignet sind. Er beschäftigt sich insbesondere mit der Eigentümlichkeit, daß die traditionellen
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Vertreter einer säkularistisch-laizistischen Türkei, die mittels der Militärs die türkische Staatsgewalt im Hintergrund noch immer in den Händen halten, heutzutage als autoritäre Modernisierungsblockierer erscheinen, wohingegen die gegen den erbitterten Widerstand der alten Eliten mittlerweile demokratisch an die Regierung gewählten islamistischen Politiker wie Erdogan von der breiten Bevölkerung unterstützt werden, ihren anfänglichen islamistischen Eifer abgelegt haben und relativ pragmatisch gegen den Widerstand der Vertreter der alten, kemalistischen, säkularistischen Tradition die Modernisierung und Demokratisierung der Türkei vorantreiben. Ulrich Oevermann betrachtet abschließend den fundamentalistischen Islam unter dem Gesichtspunkt von Säkularisierung und Modernisierung. Der Fundamentalismus sei eine Erscheinung im Kontext der monotheistischen Religiosität und ihres Absolutheitsanspruchs und stelle eine Gegenbewegung zur Säkularisierung dar. Während der puritanische Fundamentalismus u.a. aufgrund seines Antiautoritarismus auch modernisierungsförderliche oder gar -beschleunigende Wirkungen entfalte, zeige sich der islamische Fundamentalismus dominant als modernisierungshemmend. Oevermann arbeitet detailliert heraus, inwieweit diese Differenz auch in grundlegenden Unterschieden der jeweiligen Glaubenstradition, der jüdisch-christlichen einerseits und der islamischen andererseits, begründet ist. Im Koran, in den bekanntlich auch Inhalte der jüdisch-christlichen Religion Eingang gefunden haben, erfahre das jüdisch-christliche Dogma, so schlußfolgert er, eine Entschärfung der Rationalisierungsdynamik und der Autonomisierungs- und Individuierungsantriebe der jüdisch-christlichen Religion.
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Säkularisierungstheorie
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What the Secularization Paradigm really says 1. Introduction Especially in the United States, the secularization paradigm has acquired in the sociology of religion a status similar to that of functionalism in the 1970s: it is assumed that all right thinking people are against it. Novice scholars begin their apprentice papers with ritual denunciations of it. I must say that, though I am often cited as an exemplar of the manifest errors of the secularization approach, I rarely recognise my views in such summaries. What I want to do in this presentation is explain what I believe the secularization paradigm entails and clarify what it predicts for various forms of religion in the western world. Obviously I will have to pass over much detail but my views are elaborated at length elsewhere (Bruce 1996; 2002).
2. The Secularization Paradigm Figure 1 is an attempt to summarise the major elements of the thesis. Doubtless, in constructing something small enough to fit onto a single page, I have left things out. Some critics accuse the secularization thesis of being too simple; others say of it that it is untestably complicated. The latter is a more reasonable criticism but then complexity is a feature of the reality that it attempts to encompass. Put very briefly I believe that the Reformation introduced and stimulated a number of social and cultural changes that interacted positively with the economic and political elements of modernization to erode the social bases for religion (Gellner 1982, 107). Once established those changes became part of the common currency of democratic politics and were adopted even by countries that did not have large Protestant populations (e.g. France) or considerably diversity (such as those of Scandinavia).
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40 Figure 1 The secularization paradigm1
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This figure has been adopted from Bruce 2002 (page 4), where the elements are explicated.
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I will concentrate on just two elements of the paradigm and their interaction: increasing pluralism and increasing individualism-egalitarianism. The former without the latter may have very different consequences to those of the two combined. Some empires have accepted religious minorities; the Ottomans tolerated Christian and Jewish millets. The British Raj worked with Hindu, Buddhist, Sikhs and Muslims hierarchies in the administration of India. But in smaller political units, especially in the eighteenth and nineteenth century period of nation-state building, the more common response to diversity was to try to eradicate it: to create cultural hegemony by forcibly converting the deviants, killing them, or expelling them from the boundaries of the emerging nationstate. This was tried in some western countries but quickly abandoned because it could not long be reconciled with the increasingly individualistic and egalitarian ethos of our societies. Diversity and egalitarianism together have two sorts of consequences for religion. First, there is the loss of social support. British dissenting sects and denominations were able to use the equity argument to weaken state support for the established Churches of England and Scotland. When the US colonies drafted the constitution for their new country they could not (even if they had wanted to) establish a state church because the colonists represented a variety of competing religions. To the extent that the emerging democracies of the West accepted the egalitarian case, diversity forced a reduction of state support for any one religion and vital social institutions (such as schools) gradually became more secular. As important as the loss of state support (and more easily over-looked) was the loss of constant everyday affirmation that religion gains in culturally homogenous societies by being invoked in every aspect of social life: from the harvest festival to the everyday exchange with neighbours that ends ‘God be with you’. In a diverse society no religion can enjoy the ‘taken-for-granted’ status that faith can have in a monoculture. Second, there is a socio-psychological parallel. With increased diversity and egalitarianism, as the early Peter Berger (1969) argued, most believers changed the way in which they held their beliefs. In the cultural mainstream dogmatic sectarian religion gave way to increasingly liberal, tolerant and ecumenical beliefs. These changes have major consequences. The secularization of the state brings to religion the advantage that it need no longer suffer disapproval that should properly be directed at the state or the ruling class. Isolated from other social institutions, the churches can be judged on their own merits; it is in this sense that Talcott Parsons (1963) spoke of structural differentiation as beneficial to the churches. But it has greater disadvantages in that religious beliefs are no longer constantly reinforced by being embedded in everyday life, in annual community rituals, and in the affairs of state. Religion loses presence. The shift to ever more ecumenical and liberal beliefs creates problems of reproduction. It undermines the impetus to preserve the faith or to convert
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others. We can illustrate this with the attitude of parents to the faith of their children. Sectarians who believe that their children will go to hell if they do not follow in the one true way work extremely hard to socialise their children in the faith. Liberals who believe that there is more than one way to God and that it is important for children to make up their own minds do not work hard to ensure their beliefs are reproduced. The net result is what we see in most European countries through the 20th century. Most of those people with an active faith continue with it till they die but each generation fails to recruit its children at the rate required to remain stable. This is especially the case when adults marry people of a different faith (Voas 2003). Their children are much less likely than the children of single-religion families to inherit the faith. I am suggesting a two-step model of decline. Adults gradually become more liberal. When religion is no longer a cardinal principle for life, they marry out of the faith. The children of mixed marriages generally inherit little or no religion. Hence the churches decline; and in parts of northern and western many have reached a point where it is hard to see how they can recover. I will illustrate the point with the Christian churches in Scotland. In 1851 at least 40 per cent of the population and perhaps as high as 60 per cent attended church on the Sunday used in the Census of Religious Worship; we cannot be more precise because the census counted worshippers at each service and we have to estimate the proportion who attended more than one service. In 1972 church attendance was 24 per cent; Peter Brierley’s 2002 church census showed it to be 11 per cent.
3. The Counter Trends Once we have specified the conditions for secularization we can infer the conditions that retard or prevent it. Wallis and I summarised a wide variety of retarding conditions under the headings of cultural transition and cultural defence. Essentially what we meant was that there are circumstances in which people will forego the benefits of increasing individual liberty and freedom and remain committed to community models of identity in which religion remains central. I will give just two brief examples. Where a country is defined by a common faith and finds itself in conflict with neighbours of a different faith, then the pressures to remain loyal to the traditional religion remain sufficiently powerful to prevent secularization. The role of Catholicism in the identity of Poles would be a good example. So long as the Church was a major bulwark against Lutheran Swedes and Germans or Orthodox Russians (later replaced by the more potent threat of
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communist Russians) there was little pressure to secularize social institutions and good reasons to retain a strong bond between being Polish and being Catholic (Bruce 1999, 89-120). Religion can also remain central to the identity of a people who migrate, especially if the new world in which they find themselves is hostile, as it provides them with a welcoming community and a strong sense of self-worth denied elsewhere. It should be stressed that the observation of counter-trends is not some late thought added to preserve a failing theory from refutation. All of those who have written extensively within the secularization paradigm have also written about examples of religious vitality. My work on cultural defence (see for example Bruce 1986; 1998; 1999; 2003) has been pursued alongside my work on secularization.
4. The Future I will list my expectations for the future under the classic organizational headings derived from Max Weber, Ernst Troeltsch, Roland Robertson, David Martin, Roy Wallis and others.
4.1. The Church Few scholars would dispute that the classic medieval church, a body that encompassed all classes and stations of a society within an authoritative worldview and sought to control their behaviour, is now impossible. Its claims to domination are defeated by the commitment to individual liberty embedded in, and the cultural diversity characteristic of, modern societies. I find it impossible to imagine circumstances in which large numbers of people will forego their liberty. It is worth noting that when conservative politicians argue for a return to value-consensus (the ‘back-to-basics’ programmes of the New Christian right in the USA or the British Conservatives of the 1980s) they always want everyone else to agree with them. People never suggest that social cohesion is so important that they are willing to subordinate themselves to the will of others. I also find it hard to imagine a major reversal of the growing diversity of the last century. Saying this and then adding ‘What about the former Yugoslavia?’ or ‘What about the former Soviet Union?’ reminds me to spell out what should be obvious. I am talking here about peaceful stable and prosperous societies that do not face a major threat to their integrity. In the cases of such threats we must go back a few paragraphs to my remarks on cultural defence.
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4.2. The Sect The sect as a small body of committed believers has the organizational advantage of deep commitment to a narrow set of doctrines. Fervour and dogmatism together provide the psychological drive and the raw material for the indoctrination of the next generation. They also allow the creation of an enclosed ‘sub-society’ in which the shared world-view can retain something like the taken-for-grantedness of the Christian faith in the medieval world. Put like that, the fate of the sect hinges on the penetrative power of mainstream culture or, to put it the other way round, the ability of the sect to repel the outside world. What matters is the ability of the sect to withdraw from the wider society. The United States, where sub-cultures can create their own fundamentalist schools, fundamentalist universities, fundamentalist TV networks and radio stations, offers a better chance for the creation of a viable sub-society than does any European country but unless the sectarians are prepared to retreat as far as the Amish or the Hutterites, then they will face considerable pressures to moderate and liberalize. And to the extent that they do they will be sucked into the whirl of secularization. That is, they will come to share the fate of liberal Protestant denominations described below. We are now seeing the first signs of this with the major changes in what were until the 1960s very conservative US sects. Members are increasingly unwilling to accept authority, are dropping doctrine in favour of an experiential view of religion, and have given up asceticism, and the therapeutic is coming to the fore (Miller 1997, Shibley 1996). In Britain the more sectarian versions of Protestantism were relatively stable for most of the twentieth century but are now declining rapidly. This is partly because the regional peripheries in which they remained relatively isolated from the mainstream are losing population. It is also because elements of the mainstream are more sharply penetrating the peripheries. One example is the displacement of regional media by national and international media: the people of the Scottish Hebrides now share a common culture with the citizens of London. Another is the way in which the growth of high-status professional occupations inadvertently draws people into the cosmopolitan centre by linking rewards to geographical mobility. For example a young evangelical in the Scottish island of Lewis who wishes to become an architect may eventually return to the island to practise but he or she will have to train in a secular university in a mainland city and gain work experience in the major British cities.
4.3. The Denomination It is in considering the future of the denominational type of religion that I have finally been able to clarify why I disagree with the position taken by
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Berger since he recanted of his earlier secularization views2 and expressed by Grace Davie (1994) among others. Berger believes that it is possible for low demand, liberal and tolerant beliefs to be reproduced intact over generations. I doubt it. Diffuse beliefs are difficult to sustain and the statistical record shows what we would expect from logical reasoning: that parents with a liberal or denominational attitude do not successfully transmit their faith to their children. The fragile nature of liberal religion has been masked for a century by denominations being reinforced by defections (either of individuals shifting organization or by whole organizations changing in character) from a more conservative faith and by increasing life-expectancy. What was at first growth and then relative stability rested on the existence of a large pool of sectarian religion against which liberal Christianity could be seen as an attractive alternative. As the sects have shrunk so the pool of potential defectors from a more conservative faith has shrunk. As all the surveys that compare people’s current faiths with what they were raised as show that very very few people who were not raised in a religion subsequently acquire one, denominations must now be self-reproducing if they are to survive and they are not.
4.4. The Cult The cultic form of religion we see in the New Age seems well suited to the modern world. It is individualistic to the point of consumerism and it is relativistic (in the sense that ‘truth’ is ‘what works for you’) and hence can cope with infinite diversity. However, it faces the same problems as the denominational type of religion. Precisely because it is individualistic and posits no authority greater than every individual, it is organizationally precarious. There is nothing to hold people together against their will. For all their talk of community, New Agers are remarkably poor at joint activity. A recent ethnography of New Agers in Glastonbury (Prince/Riches 2001) contains examples of failed attempts to create a New Age school and to hold weekly Sunday meetings similar to a church service. The New Age has failed to create viable collective institutions; and its committed adherents have failed to pass their interest in New Age spirituality on to their children. The New Age is getting old. Recent research in an English town is fascinating for what it tells us about the New Age. Academics at Lancaster University have found that between 1 and 2 per cent of the residents of Kendal are involved in some way in 2
For my detailed critique of Berger’s later position and Berger’s responses, see our essays in Woodhead 2001.
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some sort of New Age activity; despite defining New Age as broadly as possible, this remains a tiny number that comes nowhere close to compensating for the large numbers lost to the Christian churches in recent decades. But what is really fascinating is that while the providers of Reiki healing, Shiatsu massage, Alexander technique, aromatherapy and the like often see what they are doing as spiritual, more than half of their consumers do not. They think they are buying physical and psychological well-being. That is, their interest in the New Age is mundane, this-worldly and therapeutic (for further details see http://www.kendalproject.org.uk).
5. Conclusion It is always possible that the secularization paradigm is understood better by its enemies than by its friends. What I have tried to do is spell out a few of the things that flow from such central features of modernization as individualism, egalitarianism and diversity. Put most simply, I suppose, with Durkheim, that the maintenance of any worldview is easiest when it is fully integrated into the complete life of an organic community and when its taken-forgranted status is reinforced at every turn by major social institutions and by frequent social interaction predicated on that shared worldview. It is important to distinguish between, on the one hand, institutional and public secularization (in these senses of the state becoming increasingly neutral and public affirmations becoming less frequent and pressing) and, on the other, the secularization of consciousness (in the sense of religious beliefs and actions predicated on such beliefs becoming less popular). My understanding of the secularization paradigm does not elide these by definition: it posits a causal connection. The former leads to the latter. That is, the decline in public support for religion reduces reinforcement and hence reduces the plausibility of beliefs. Putting it like that allows me to clarify one part of my explanation of US exceptionalism. The secularization of the state has been less damaging to the social support for religion in the US than in western Europe because the open federal structure of the US and its more diffuse models of social and public administration has allowed Americans to create effective ‘civil society’ alternatives. I might add that the example of Poland given above allows an important clarification: where the agencies driving the secularization of the state are themselves intensely unpopular, the lack of state support for religion may not be deleterious. On the contrary, enforced secularization may well produce a backlash. It will certainly create an underground that works hard to preserve the remnants of a religious tradition. The fact that the various religions of the former communist world have shown a variety of fates since the collapse of
What the Secularization Paradigm really says
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the USSR and of communist hegemony since 1990 tells us what those of us working in the secularization paradigm (but not usually our critics) have always known: secularization is complex and cannot be reduced to a few variables. Even from my brief remarks two things should be obvious: 1. Religion has not declined because people have become more mature or better informed about the world. Comte, Rousseau and Freud were wrong. As everything Weber wrote made clear, secularization is a result of unintended and inadvertent consequences. There may simultaneously have been an Enlightenment project, in which liberal and progressive intellectuals promoted secularization because they thought it virtuous, but the explanation of the decline of religion does not lie there and no modern sociologist of secularization thinks it does. 2. Secularization is not inevitable. Far from seeing the past and present secularization of western Europe as some template from which we can predict the futures of societies in the Third World, I fully agree with Gellner, who argued that the combination of circumstances that allowed the rise of liberty and prosperity in the West was so rare as to be unlikely to be repeated elsewhere in the same shape. However, I do think there is one powerful social force that perpetually threatens conservative religion around the globe and that is difficult to repress indefinitely: demands for greater individual freedom, especially from women. Witness the changes in Iran over the last two decades. But more importantly for western Europe, I do believe that naturally-occurring secularization (as distinct from state repression of religious sentiments and activity) is irreversible. Once the cultural capital or shared stock of knowledge that informs and sustain religious belief has been spent I do not see how a religious revival can occur. Even if it is true that there is something about the human condition that causes us all to wonder about the meaning of life, the origins of evil and our place in the cosmos, without a common stock of religious capital I do not see how people can frame their questions in the same way, let alone give a common answer. An obvious parallel is with minority languages. The decline of Gaelic in the highlands of Scotland or Cornish in the south-west of England parallels in many ways the decline of religion. Unless the language is routinely used both in the home and in the wider society, it will die out. Gaelic has already lost the public sphere (and no amount of requiring government agencies to print documents in English and Gaelic changes the fact that unless a public body consists entirely of Gaelic speakers then public discourse will be in English). When a Gaelic-speaker marries a non-Gaelic speaker the language also loses its grip on the home. Once it has gone, it will not return. Even if there was a widespread yearning for religion (and I see no evidence that there is), so long as individual liberty remains a cardinal operating principle of our societies I see no reason to suppose that we will be able to
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agree on common religious principles that are not so diffuse and lacking in content as to have no common consequences.
6. Bibliography Berger, Peter L. (1969): The Social Reality of Religion. Faber and Faber, London. Brierley, Peter (2001): Religious Trends 2002/3. Christian Research, London. Bruce, Steve (1986): God Save Ulster! The Religion and Politics of Paisleyism. Oxford University Press, Oxford. Bruce, Steve (1996): Religion in the Modern World: From Cathedrals to Cults. Oxford University Press, Oxford. Bruce, Steve (1998): Conservative Protestant Politics. Oxford University Press, Oxford. Bruce, Steve (1999): Choice and Religion: a Critique of Rational Choice Theory. Oxford University Press, Oxford. Bruce, Steve (2002): God is Dead: Secularization in the West. Blackwell, Oxford. Bruce, Steve (2003): Politics and Religion. Polity Press, Cambridge. Davie, Grace (1994): Religion in Britain Since 1945. Blackwell, Oxford. Gellner, Ernest (1982): Plough, Sword and Book: The Structure of Human History. Collins Harvell, London. Kendal Project, see http://www.kendalproject.org.uk/ Miller, Donald P. (1997): Reinventing American Protestantism. University of California Press, Berkely. Parsons, Talcott (1963): “Christianity and Modern Industrial Society.” in: Tiryakin, Edward A. (ed.): Sociological Theory, Values and Sociocultural Change. Collier-Macmillan, London. 33-70. Prince, Ruth / Riches, David (2001): The New Age in Glastonbury. Bergahn, Oxford. Shibley, Mark (1996): Resurgent Evangelicalism in the United State: Mapping Cultural Change since 1970. University of South Carolina Press, Columbia, SC. Voas, David (2003): “Intermarriage and the Demography of Secularization.” British Journal of Sociology, Vol. 54, No. 1. 83-108. Woodhead, Linda (2001): Peter Berger and the Study of Religion. Routledge, London.
Ulrich Oevermann, Manuel Franzmann
Strukturelle Religiosität auf dem Wege zur religiösen Indifferenz 1. Theoretische Vorbemerkungen Der Prozeß der Säkularisierung des religiösen Bewußtseins wird hier als ein unvermeidlicher unterstellt. Wir halten die religionssoziologische Debatte, die darüber vor allem in den USA entbrannt ist (Swatos/Olson 2000), für irreführend. Zumindest trifft sie auf die europäischen Verhältnisse nicht zu. Vor dem Fortschreiten der erfahrungswissenschaftlichen Erkenntnisse und den mit ihm sich befestigenden wissenschaftlichen Rationalitätsstandards verdampfen auch für den außerhalb der Wissenschaften im engeren Sinne tätigen Menschen der Moderne die religiösen Glaubensinhalte. Ein Leben nach dem Tode wird zwar nach wie vor ängstlich von Vielen erwünscht, aber eine religiös befestigte Vorstellung von einem Jenseits verliert zunehmend an innerer Plausibilität; der Ritus und das Sakrament der Eucharistie verlieren an Glaubwürdigkeit und Dringlichkeit und die spezifisch kirchlich geforderten ethischen Regeln der Lebensführung verlieren, soweit sie inhaltlich nicht im weltlichen Recht aufgegangen sind und soweit ihre Verletzung nicht als justiziell verfolgte Gesetzesübertretung oder als menschliche Unanständigkeit gemäß alltagsweltlicher Normen sanktioniert wird, sondern als Sünde gilt, um die Gott um Vergebung zu bitten ist, vor allem auf dem Gebiet der Sexualmoral und der Rationalität der Verfolgung des Eigeninteresses an Bindungskraft. In der Bundesrepublik Deutschland kann das Jahr 1968 vergleichsweise präzise als Umschlagjahr gelten: Vor ihm hatten die öffentlich geäußerten Anschauungen der Kirche zugleich gesamtgesellschaftliche Verbindlichkeit; die Beweislast trug, wer ihnen widersprach. Danach war es umgekehrt: Beweislast trägt nun die kirchliche Anschauung, wenn sie von den öffentlichen Mehrheitsmeinungen oder denen der großen politischen Parteien abweicht. Ein eigenes öffentlichkeitswirksames Gewicht kommt ihr nun nicht mehr zu. Alles spricht dafür, daß der stetige Trend des Gewichtsverlustes der Religionen anhalten wird und nicht mehr umkehrbar ist. Daran ändert auch die Hinwendung zu esoterischen Praktiken und Wissenssystemen in intellektuell anspruchsvolleren Milieus im Prinzip nichts. In ihnen, d.h. in den gewissermaßen für das Wochenende der Lebensführung reservierten, „patchwork“-artigen und häufig eklektischen Assimilationen mit Vorliebe außereuropäischer religiöser oder mythischer Traditionen eine Renaissance der Religionen zu sehen, halten wir für verfehlt. Vielmehr kann man in diesen Er-
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scheinungen eher umgekehrt einen indirekten Indikator für die Säkularisierung erblicken. Es ist die Reaktion vereinzelter, vor den Rationalitätsanforderungen der Gegenwart zurückweichender Individuen darauf, daß das gesellschaftliche Leben aufgrund seiner Säkularisierung religiös unverbindlich geworden ist, und es drückt sich darin immer auch die enttäuschte Abwendung von den eigenen, christlichen Religionen und die Kritik an ihrer Unglaubwürdigkeit aus. Den außereuropäischen Traditionen wird allein deshalb schon ein Bonus eingeräumt, weil sie tendenziell als die Religionen der Opfer des Imperialismus der westlichen Welt geehrt werden sollen. Soziologisch ergibt sich aus der unaufhaltsamen Tendenz zur Säkularisierung als Hauptproblem für das moderne Subjekt das Folgende. Es benötigt nach wie vor zur Beantwortung der Sinnfrage einen Mythos, der die universelle Funktion hat, jeder Lebenspraxis, sei es eine individuell-personale oder eine kollektiv-vergemeinschaftete, die für sie konstitutive dreifache Frage danach, woher wir kommen, wohin wir gehen und wer wir dementsprechend jeweils im Hier und Jetzt sind, beantworten zu müssen. Aber die wissenschaftlichen Theorien der Evolution ebenso wie der Ontogenese zerstören tendenziell die Geltungsbasis solcher Mythen durch Aufklärung. Dennoch können sie die lebenspraktische Funktion der Mythen grundsätzlich nicht erfüllen, denn während letztere für jede Lebenspraxis bezüglich der drei unabweisbaren Grundfragen eine unverwechselbare, die Einzigartigkeit des Fragestellers begründende Antwort liefern müssen, haben wissenschaftliche Theorien dem Anspruch universaler Geltung standzuhalten. Eine Lebenspraxis hat sich aber in ihrem Selbstbewußtsein schon immer aufgelöst, wenn sie ihre Selbstkonstitution glaubt durch Subsumtion unter wissenschaftliche Theorien vollziehen zu können. Dieser Sachverhalt hat für unsere Thematik zwei wichtige verschiedene Seiten: Zum einen besagt er, daß die Konstitution der Lebenspraxis, in altertümlicher Redeweise: ihre Identität, einen Mythos ihrer Entstehung notwendig macht, der durch die wissenschaftliche Rationalisierung des Weltwissens grundsätzlich nicht ersetzt werden kann. Das war letztlich auch die Kernthese in Horkheimers und Adornos „Dialektik der Aufklärung“. Aufklärende Wissenschaft wird genau dann ungewollt zum Mythos, wenn sie, wie es etwa der deutsche Darwinist Haeckel propagierte, den tradierten Mythos durch ihre genetischen Erklärungen zu ersetzen sich anschickt und in dieser Funktion auf die Konstitution der Lebenspraxis übergreifen soll. Zum anderen besagt jener Sachverhalt aber auch, daß die spezifisch religiöse Einkleidung jenes Entstehungs- und Bewährungsmythos mit ihrem Bezug auf außerempirische, außerirdische Mächte brüchig wird und durch eine religiöse Vergemeinschaftung, die in der Loyalität zu diesem Mythos lebt, immer weniger verbürgt wird. Gegen die wissenschaftliche Rationalität verliert er drastisch an Plausibilität. Deshalb stellt sich der Lebenspraxis, solange sie eine Antwort auf jene dreifaltige Frage unabweisbar benötigt, unter den Bedingungen des Vorwaltens der wissenschaftlichen Rationalität die drän-
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gende Folgefrage, welche Entstehungs- und Bewährungsmythen ihr noch als gültige Antwortinstanz zur Verfügung stehen, wenn die religiösen Inhalte im engeren Sinne sich nicht mehr halten lassen. Diese Frage ist bisher unseres Erachtens zu wenig soziologisch gestellt worden, geschweige denn, befriedigend beantwortet worden. Sie wird durch den gegenwärtigen Streit um die Stichhaltigkeit des Säkularisierungstrends nur zugedeckt. Denn wenn die eben behauptete Diagnose richtig ist, dann haben wir es bei der Tendenz der Säkularisierung mit einer doppelten Erscheinung zu tun: Auf der einen Seite verdampfen die spezifisch religiösen Deutungen der elementaren existentiellen Probleme, auf der anderen Seite aber bleiben die strukturellen Bedingungen für die Entstehung der Fragen, die traditionell von den Religionen beantwortet wurden, als universelle unvermindert bestehen. Wir müssen uns nur angewöhnen, konsequent den typischen wissenssoziologischen Kategorienfehler zu vermeiden, in dem die Deutungen und das Deutungswissen, die verbindlich geworden sind und kulturspezifisch stark variieren, von den deutungsbedürftigen strukturellen Problemstellungen und ihren Bedingungen wie im Sozialkonstruktivismus nicht genügend scharf geschieden werden, ja tendenziell diese beiden vollkommen verschiedenen Strukturierungsebenen des menschlichen Lebens unterschiedslos zusammenrutschen und der zu deutenden Realität keine eigenlogische Geltung mehr unabhängig von den sozialen Konstruktionen, die sie erfährt, zukommt. Eine Variante dieses Kategorienfehlers führt dann dazu, das Soziale bzw. das Gesellschaftliche überhaupt in den Realitätsdeutungen aufgehen zu lassen und eine eigene soziale Realität als eine objektive Gegebenheit nicht mehrgelten zu lassen. Die dreifaltige Frage nach dem Woher, Wohin und der Eigenart des Selbst ist aber eine solche objektiv gegebene Strukturproblematik, die ihrerseits nicht erst auf der Ebene des Wissens konstruiert wird. Die Objektivität des Problems läßt sich schärfer bestimmen, wenn man die Entstehung dieser Frage mit den Bedingungen für ein Bewußtsein von der Endlichkeit des Lebens verknüpft. Sobald im Übergang von der Natur zur Kultur mit der Funktion der Sprache und der durch sie konstituierten Bedeutungsfunktion das erkenntnisfähige Bewußtsein die im Hier und Jetzt der unmittelbaren sinnlichen Anschauung ins Aufmerksamkeitsbewußtsein tretenden Dinge prädizieren kann, ist es zwingend möglich, hypothetische Welten zu konstruieren und damit auch die Welt bzw. das Leben vor der Entstehung des eigenen und nach dessen Beendigung durch den Tod. Mit dieser Antezipation des irdischen Todes als zwingender Tatsache1 liegt grundsätzlich die Scheidung zwi1
Es ergibt sich daraus im übrigen die erkenntnistheoretisch interessante Folge, daß, sobald man die Behauptung dieser Tatsache nicht als einen analytischen, sondern einen synthetischen Satz betrachtet, was unserer Ansicht nach unvermeidlich ist, das einzig denkbare Falsifikat davon die metaphysische Behauptung von der Unsterblichkeit des Menschen wäre. Tatsächlich läßt sich in sehr vielen Mythen eine Utopie der ursprünglichen Unsterblichkeit des Menschen nachweisen, die dann durch dessen Fehler verwirkt wurde.
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schen einem Diesseits und einem Jenseits schon vor, wenn auch zunächst nur in der trivialen Form des Jenseits des eigenen Lebens in Gestalt der Welt vor der Geburt bzw. Empfängnis und der Welt nach dem eigenen Tode. Und da in den Eltern schon anschaulich die Existenz eines Lebens der eigenen Form lange vor dem eigenen Leben und in den Kindern ebenso anschaulich die Fortführung dieses Lebens nach dem Ende des eigenen gegeben ist, hat sich die elementare mythische Frage nach dem Woher, Wohin und der Eigenart des Selbst bereits entwickelt. Die mit dieser Anschaulichkeit gegebene einfache Abgrenzung zwischen Diesseits und Jenseits läßt sich nun beliebig amplifizieren bis zu einem absoluten Begriff des Unendlichen bzw. Jenseitigen hin, der nun metaphysisch gefüllt werden kann oder formal bleibt. Entsprechende Fragen lassen sich grundsätzlich nicht still stellen, es sei denn um den Preis einer dogmatischen Begrenzung. Aber jede Antwort, die über die Grenzen der erfahrbaren Welt grundsätzlich hinausgeht, gerät mit der Modernisierung ins Sperrfeuer der methodischen Kritik. Diese Überlegungen geben den folgenden Zusammenhang frei: Je mehr und je stärker das konkrete eigene Leben als das unverwechselbar einzigartige eines individuierten Subjekts sich konstituiert und als solches zu Bewußtsein kommt, desto weniger auch ist dessen Jenseits durch das Fortleben der eigenen Gattung schon erfüllt, desto drängender tut sich die Frage nach einem eigenen Jenseits, präziser: nach der eigenen Existenz in einem für die Menschheit als einem Kollektiv von solchen Subjekten gemeinsamen Jenseits auf. Der Erstautor hat aus dieser Beobachtung ein allgemeines Modell der Struktur von Religiosität abgeleitet (Oevermann 1995; 1996; 2001a; 2001b; 2003). Es besagt, vereinfacht gesprochen, daß sich Religiosität als universale Struktur genau darin konstituiert, daß aufgrund des Bewußtseins von der Endlichkeit des eigenen Lebens eine nicht still stellbare Dynamik der Bewährung entsteht. Denn das Diesseits kann nur die Sphäre des Sich-Bewährens abgeben, aber nur im Jenseits, worin auch immer es bestehen mag, kann das Urteil darüber gesprochen und erfüllt werden, ob und wie sehr das Leben sich bewährt hat. Wer immer schon in seinem Diesseits sich endgültig für bewährt hielte, hätte die Bewährung genau dadurch, d.h. in dieser Überheblichkeit, verspielt und aufgehoben. Außerdem bleibt immer noch als letzte Bewährung im Diesseits die Bewältigung der äußersten Krise des eigenen Todes und Sterbens übrig. Die verschiedenen Mythen und Religionen haben dieses Bewährungsproblem unterschiedlich differenziert und akzentuiert elaboriert. Die jüdisch-christliche Tradition kann als die wohl differenzierteste Ausarbeitung des Bewährungsproblems, vor allem mit der Dialektik des Sündenfalls und ihrer Folge vom Dogma der Erbsünde, gelten. Aber diese kulturelSo erhält man sich die Möglichkeit, dem Skandalon des Todes zu entrinnen. Denn was ursprünglich einmal vorhanden war und fehlerhaft verspielt wurde, kann man vielleicht dereinst zurückgewinnen.
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len Unterschiede zeigen nur, daß auf das universale Problem verschieden reagiert wird, und sie zeigen darüber hinaus, daß je mehr das Bewährungsproblem ausgearbeitet wird, desto drängender seine innere nicht still stellbare Dynamik auch freigesetzt wird. Desto mehr auch ist zu seiner Bewältigung ein Mythos der Bewährung notwendig, der sich dem jeweiligen Mythos der Entstehung des Lebens beigesellt. Beide Mythen bilden einen inneren Zusammenhang. Je mehr im Entstehungs- bzw. Schöpfungsmythos das individuierte Subjekt in seiner Eigenverantwortlichkeit betont wird, wie das im jüdischen Schöpfungsmythos mit dem an die Erkenntnis von Gut und Böse gekoppelten Sündenfall vorliegt, desto gravierender wird das Bewährungsproblem mit der Folge, einen dazu geeigneten Bewährungsmythos zur Verfügung zu stellen. Der Bewährungsmythos aber kann, da das endgültige Urteil über die Bewährtheit immer schon dem Jenseits angehören muß, wie wir gesehen haben, immer nur eine Hoffnung auf eine Bewährtheit, z.B. im Sinne der ewigen Erlösung, nämlich einer Erlösung aus der nicht still stellbaren Bewährungsdynamik, gewähren, aber niemals die Sicherheit der Bewährtheit selbst. Diese Hoffnung ist selbstverständlich gekoppelt an ein inhaltliches Programm der Bewährung, an Maximen, die der Bewährungsprozeß zu befolgen hat. Entsprechend ist natürlich ein Bewährungsmythos immer auch mit einer Ethik der Lebensführung verbunden. Bleibt als dritte und letzte Eigenschaft der Struktur von Religiosität noch, daß dieser Bewährungsmythos seinerseits einer Evidenz bedarf. Sie wird – zumindest, solange der Mythos ein religiöser ist – hergestellt in der Vergemeinschaftung, für die dieser Bewährungsmythos verbindlich ist und die ihm gemäß ihre Praxis lebt. Das Strukturmodell von Religiosität besteht also aus drei Struktureigenschaften, die im Sinne eines Phasenmodells auseinanderfolgen: 1. Das Bewährungsproblem aufgrund des Bewußtseins von der Endlichkeit des Lebens, das eine nicht still stellbare Bewährungsdynamik freisetzt. 2. Der Bewährungsmythos, der eine notwendige Hoffnung auf die Bewährtheit verbürgt und 3. die Evidenz des Mythos aufgrund einer vergemeinschafteten Praxis. Das erste Strukturmoment ist kulturell universell, das zweite je kulturspezifisch und das dritte sowohl universell, was die Vergemeinschaftung als Struktur anbetrifft als auch kulturspezifisch, was ihre von den jeweiligen Inhalten und den daraus folgenden Riten und Kultformen abhängige soziale Ausformung anbetrifft. Die Relevanz dieses Modells für das Thema dieser Buchpublikation besteht nun vor allem darin, daß aus ihm eine analytische und kategoriale Differenz zwischen der Struktur von Religiosität, die als universal gilt, und den jeweiligen Deutungsinhalten von Religion als Glaubens- und Wissenssystem folgt. Entsprechend ist die Struktur von Religiosität auch dann nicht aufgehoben, wenn die religiösen Inhalte verdampft sind bis zur völligen religiösen Indifferenz hin. Und entsprechend löst die radikalste Säkularisierung die
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Struktur von Religiosität nicht auf. Das Modell impliziert des weiteren, daß der Begriff des „Heiden“ selbstverständlich nicht mit dem Kriterium für ein säkularisiertes Bewußtsein identifiziert werden kann. Heide ist immer nur derjenige, der aus der Sicht einer bestimmten dogmatischen Religion ungläubig ist. Säkularisiert dagegen ist der religiös völlig indifferente, gleichgültig im Lichte welcher Religion auch immer. Das Modell impliziert auch, daß diese religiöse Indifferenz ihrerseits aus der Religionsentwicklung selbst immanent hervorgeht und nicht von außen bedingt auf sie eindringt, d.h. das Produkt einer religiös angetriebenen Transformation der Bearbeitung des universellen Bewährungsproblems darstellt. Säkularisierte sind zwar religiös indifferent im Sinne von Glaubensinhalten, aber gesteigert religiös im Sinne der Bearbeitung des Bewährungsproblems, weil die Säkularisierung selbst aus den monotheistisch gesteigerten Religionen dynamisch hervorgegangen ist. Als strenges Kriterium für religiöse Indifferenz dient uns hier, daß nicht mehr an ein Leben nach dem irdischen Tode geglaubt wird. Dieses Kriterium ist streng, weil in der Bundesrepublik von den vielen Menschen, die sich aufgrund ihrer aufgelösten kirchlichen Bindungen für nicht religiös halten, ein großer Anteil dennoch von einem Leben nach dem Tode überzeugt ist, wenn er auch nur vage Vorstellungen damit verbindet. Der religiös Indifferente dagegen, der entsprechend empirisch noch gar nicht so häufig anzutreffen ist, ist für uns derjenige, der vage Hoffnungen auf ein Leben nach dem Tode nicht mehr hat, aber dennoch nicht, wie ein eifernder Atheist, negativ an religiöse Vorstellungen fixiert ist, indem er sie bekämpfen muß in einem Dogma, das gewissermaßen eine Hölle für diejenigen vorsieht, die noch an Gott glauben. Er muß seine eigene Überzeugung nicht als kollektiven Mythos eifernd durchsetzen, beispielsweise auch seine Kinder nicht in diesem Sinne erziehen. Inwiefern kommt für diesen Typ überhaupt noch eine Jenseitsvorstellung strukturell in Frage? Dieser Zweifel liegt nahe und aus der Sicht eines manifest Religiösen ist er zwingend. Aber soziologisch-strukturtheoretisch ist das subjektiv relevante Jenseits des religiös Indifferenten problemlos zu identifizieren: In dessen Nachruf bei seinen Angehörigen und Kindern, darin, daß er dieser ihm im Sinne der Vergemeinschaftung wichtigen Nachwelt etwas hinterläßt, worin seine Bewährung sich verkörpert. Wem dieser Nachlaß vollkommen gleichgültig wäre, der wäre tatsächlich schon zu seinen Lebzeiten gestorben.
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2. Die empirischen Fälle in einer Skala steigender religiöser Indifferenz – Kurzvorstellung Wir beginnen deshalb unsere empirische Fallanalyse mit der Auswahl und Vorstellung von tendenziell Indifferenten gemäß diesem Kriterium. Wir stellen diese Fälle in einer Sequenz zunehmender Indifferenz vor.2
Herr „Erdmann“ (E) (geb. 1965) 3 I1: E:
I2:
2
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was für ne Bedeutung hat der Glauben für Sie (3 Sek.) al ähm da bin ich im Moment selber mit am hadern ich weiß es nicht so genau (...) es is is im Moment schon sch schwierig (...) und bin auch nicht unbedingt n praktizierender Katholik (...) ähm (..) aber trotzdem im großen und ganzen ich würd sagen ich bin g gläub ich weiß es nicht ich kann Ihnen die Bedeutung (..) hm also es hat keine (laut) konkrete Auswirkung auf mein Leben (..) eher nicht (...) (I1: hmhm) ha ham Sie denn die Vorstellung das da (...) äh nach Ihrem Tod eventuell noch was sein könnte?
Die Belegstellen stammen aus Interviews, die bis auf die Fälle „Erdmann“ und „Zimmer“ aus dem Promotionsprojekt des Zweitautors stammen. Die Interviews der Fälle „Erdmann“ und „Zimmer“ stammen aus dem an der Universität Dortmund von 2000 bis 2003 angesiedelten soziologischen Forschungsprojekt „Entsolidarisierung und ihre sozialen und politischen Folgen – Teilprojekt Deutungsmusteranalyse“ unter Leitung von Hartmut Neuendorff, in dem der Zweitautor wissenschaftlicher Mitarbeiter war. Geführt wurden die Interviews zum einen von Christian Pawlytta und dem Zweitautor, zum anderen von Hartmut Neuendorff und Christian Pawlytta. Das Interview des Falles des „Hanauers“ wurde vom Zweitautor als Zweitinterview im Anschluß an ein Interview von Ingo Wienke und Olaf Behrend, die den Interviewkontakt vermittelt haben, geführt. Für die Belegstellen gelten folgende Notationskonventionen: (.) sehr kurze Pause, d.h. merkliche Unterbrechung des Sprechflusses. (..) kurze Pause (...) deutliche Pause (x Sek.) Pause ab 1 Sekunde +...+ gleichzeitig gesprochen (lacht) Kommentar des Verschrifters (unv.) unverständlicher Redeteil (x Silb. unv.) unverständlicher Redeteil mit Angabe der Silbenzahl kursiv (?) fragliche Entzifferung des kursiv gedruckten Redeteils kursiv (lachend) Kommentar zum kursiv gedruckten Redeteil ...# Wortabbruch ? Starke Stimmhebung . Stimmsenkung „Daß“ und „das“ ist in den folgenden Interviewtranskripten einheitlich als „das“ verschriftet, da nicht bei jeder Äußerung klar ist, um welchen der beiden Fälle es sich handelt.
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E:
das will ich schwer hoffen (leiser) (...) ja also fänd ich find ich ziemlich erschreckend die Vorstellung das dann echt alles zu Ende is (...) mit was oder a auf was hoffen Sie da (...) oder +oder mit was rechnen Sie auf Erleuchtung (?)+ auf Erkenntnis (leises Klopfen) (I1: Erkenntnis) (..) ich weiß (2 Silb. unv.) (3 Sek.) glauben Sie an Gott? (...) ja (...) woran kann man denn noch glauben? (..) wenn man sacht man wär religiös (2 Sek.) (Räuspern) (I1: gute Frage (lachend)) also +irgendwie isses (I1: Ja)+ ja immer Gott äh (..) (Knall) kann ja jetzt Shiva heißen oder (I1: hmhm) (..) Allah is ja auch völlig egal (..) von mir aus auch der alte Baum (..) aber an irgend n also wenn man an etwas glaubt is das doch immer (I1: hmhm) (...) oder wenn man religiös an irgendwas glaubt ich kann ja auch an die Ehrlichkeit glauben (..)
I1: E: I1: E:
Herr Erdmann ist so gut wie nicht mehr an eine religiöse Gemeinschaft gebunden. Seine Vorstellungen von einem Gott haben sich schon aufgelöst in einen Platzhalter von transzendenten Mächten irgendwelcher Art, worin im Grunde gemäß dem Universalgebot der Toleranz alle denkbaren konkreten religiösen Anschauungen ihren Platz finden können. Vollständig negieren kann und will er aber das Wirken solcher Mächte nicht. Diese Weigerung scheint vor allem damit zu tun zu haben, daß er vor der Möglichkeit, daß dem irdischen Tode nichts mehr folgen könnte, zutiefst erschrickt. Zwar hat er keine positivierte, verbindliche Glaubensvorstellung von einem Jenseits mehr, aber die Möglichkeit, daß nach dem Tode gar nichts mehr zu erwarten wäre, erschrickt ihn so sehr, daß er vage an einem Glauben festhalten will. Herr Erdmann befindet sich also noch am Rande einer inhaltlich gefüllten Religiosität. Er gehört keinesfalls zu den Indifferenten.
Herr „Zimmer“ (Z) (geb. 1962) I:
Z:
und sooo (..) ä m wie ist die Vorstellung für Sie nach m Tod also ä (..) ist das für Sie also ä spielt (unv.) der Glauben auch für Sie ne Rolle also glauben Sie das noch was kommt oder wie wie sieht das (..) ja (..) glauben oder wünschen (.) ja (I: hmhm) also als mein Vater damals verstorben war war ein (betont) Trost für mich sicherlich das ich mir immer gesagt hab (?) du du triffst n ja wieder in irgend ner Art siehst du n ja wieder (.) ja (leise) (..) und (leise) (Klopfen) (.) also ich wünsch et mir sehr glaube eigentlich eigentlich auch da dran (I: hmhm) ja (5 Sek.)
Herr Zimmer hat schon etwas mehr Zweifel an einem Leben nach dem Tode als Herr Erdmann. Er wünscht es sich mehr, als er daran wirklich glaubt. Es ist schwer zu entscheiden, wer von beiden mehr Angst vor der Leere nach dem Tode hat.
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„Nike-Manager“ (B) (geb. 1971) I:
B:
I: B:
hm ich achte mal drauf (...) äh (..) ja also die die oder ne ne weitere Frage wäre in dem Zusammenhang ob Du an so was wie ein Leben nach dem Tode glaubst (Husten) das ist ja so’n religiöses Grundthema ähm ich vermute mal vielleicht das meine Seele irgend wie mal ähm das die weiterhin bestehen bleibt oder irgendwo das vielleicht ja das meine Seele oder irgendwie zu einem bestimmten Grad das ich vielleicht noch irgendwo weiter existieren werde aber vielleicht so ne Reinkarnation oder so das ich noch mal irgendwie nach nem weiteren Leben zu Fleisch werde das glaube ich nicht (..) Du mußt mir natürlich sagen ob Deine ob meine Antworten Dich befriedigen also he (lachend) hmhm ja was was heißt das also ähm (..) wie stellst Du Dir das vor mit mit äh also ja vielleicht das das das das das meine Seele vielleicht in einem Hund weiterlebt nach nem späterem Mal aber im Prinzip habe ich mir da keine großen Gedanken gemacht ich bin da (..) ich (..) ähm ich ich lebe zu sehr im Jetzt eigentlich das ich mir da über so was Gedanken mache hab ich früher mal gemacht aber (..) ähm (..) des ich bin da glaube ich zu zu pragmatisch des und bin da auch nicht so belesen das ich da ähm wo ich dann irgendwelche Gedanken dadrüber verlieren könnte oder (.) das is eher was für meinen Bruder der auch Philosophie studiert hat (lacht) aber nicht für mich
Für den Nike-Manager, der eher zielorientiert und eigeninteressiert im geschäftigen Diesseits lebt, ist die Frage nach einem möglichen Leben nach dem Tode nicht dringend. Er gibt vor, sich damit nicht zu beschäftigen. Aber Reste einer Unsterblichkeitsvorstellung sind bei ihm noch vorhanden. Irgendwie stellt er sich vor, daß seine Seele nach seinem Tode weiterlebt. Aber einen Glauben daran hat er nicht. Für ihn ist diese Vorstellung mehr der Inhalt einer Vermutung, die er aber von der konkreten Ausmalung einer Wiedergeburts-Lehre klar abgrenzt. Daran glaubt er nicht. Der „NikeManager“ kommt also einer religiösen Indifferenz schon sehr nahe. Aber ganz explizit kann er sich von einer Hoffnung auf das Weiterleben der Seele nach dem Tode nicht lösen. Gleichwohl legt er einen gewissen Wert darauf, von dieser Vorstellung nicht abhängig zu sein, wie es in einem Wünschen noch der Fall wäre. In gewisser Weise wäre für ihn das vollständige Nichts nach seinem Tode eine unerträgliche narzißtische Verletzung. Deshalb hält er verschämt an der Hoffnung fest, seine Seele lebte weiter.
„Hanauer“ (P) (geb. 1956) I: P:
oder ein Leben nach dem Tod Leben nach dem Tod (.) ja klar leb ich weiter ich mein also es gibt ja das Energieerhaltungsgesetz ja also ich geh in (..) ich geh (..) zwar tot halt ja aber (..) das von dem von dem Fleisch halt hier da ernähren sich wieder Würmer oder Mikroben oder so was (I: aber das) und ich dien dann so auf diese Weise einer Ameise oder so was halt ja äh (..) das man das Geist weiterlebt oder so was ja ähm also philosophisch jetzt gesehen also Gott an Gott das Wesen das die Erde erschaffen hat glaub
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I: P: I: P:
Ulrich Oevermann, Manuel Franzmann ich eh nicht halt ja (I: hmhm hmhm) es mag en Mechanismus geben vielleicht ja (I: hmhm) en Mechan# ich mein gut der Mensch was er nicht weiß muß er sich irgendwie erklären (..) ja um’s überhaupt (..) en bißchen darstellen zu können ja (I: hmhm) äh mag mag (..) mag en Mechanismus geben halt ja (..) gut dann laß es Gut und Böse heißen oder so was ja (I: hmhm hmhm) weil es gibt ja en duales System bei uns is ja so aufgebaut Gut und Böse Für und Wider halt ja (I: hmhm) Himmel und Hölle Gott und Teufel halt ja (...) aber also Sie ha Sie (..) Sie stellen wie stellen Sie sich das denn vor also was passiert denn wenn wenn Sie gestorben sind was kommt danach was was bleibt dann übrig keine Ahnung (..) ich weiß (betont) es nicht. oder wovon gehen Sie praktisch aus (..) also wovon ich ausgehe das es dann halt zu Ende ist (I: hmhm) ja (...) mag jetzt mag jetzt sein das das äh (..) diese Bezeichnung Energie oder Gott halt oder das was (..) was äh (..) das is ja gerad das Phänomen bei dem Mensch das er die Möglichkeit hat zu reflektieren halt ja das er also (I: hmhm) das ihn das ja vom Tier unterscheidet weil en Tier äh eigentlich nur (..) nach seinem Nervensystem handelt (..) oder inwieweit Tiere denken oder oder äh (..) ja Gedanken (..) fassen können oder so was ja sind ja (..) mja triebgesteuert halt wobei der Mensch auch noch sehr stark triebgesteuert is (I: hmhm) sonst gäb’s (I: hmhm) (..) gäb’s ja auch kein Zusammenkommen (betont und leicht lachend) halt bei Männlein und Weiblein halt ja das is auch triebgesteuert von der (I: hmhm) von der Natur aber äh mmh Leben nach dem Tod oder das es da was gibt was woran man glauben sollte (3 Sek.) das is dann is fini ja
In diesem Fall liegt zum ersten Mal eine klar ausgesprochene Erwartung vor, daß nach dem irdischen Tode nichts mehr kommt, also eine deutlich ausgesprochene Indifferenz. Die in diesem Zusammenhang geäußerten Vermutungen über einen Gott oder transzendente Mächte überhaupt haben eher den Status einer intellektuell neugierigen Beschäftigung mit Grenzfragen, sprechen aber nicht für eine existentielle Problematik, die gelöst werden müßte. Eher als ironisierend und intellektuelle Souveränität („Coolness“) signalisierend ist die Bemerkung gedacht, das Leben gehe in Gestalt einer Würmernahrung und als Bestandteil des Naturkreislaufes weiter, weil es ja dabei erklärtermaßen nicht mehr um ein Weiterleben des Subjekts als Subjekt sich handelt, sondern bloß trivial um die Fortexistenz der toten organischen Materie im Naturkreislauf.
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„Zinsderivatenhändler“ (H) (geb. 1971) I: H: I: H: I: H: I: H:
I: H:
I: H:
I: H:
aber Sie und wie ist das bei Ihnen (die Rede ist vom „Glauben an Gott“) ich kann das verneinen (I: hmhm) relativ problemlos also so was wie irgend ne jenseitige Instanz an der Sie sich in der in der Lebenspraxis auch orientieren beispielsweise durch Be b mit Beten oder so nee auf keinen Fall (..) hmhm wie denken Sie denn über den Tod ja passiert halt nicht? (leicht lachend) also (..) und dann der Tod und dann? was wie stellen Sie sich das vor? (...) eigentlich stelle ich’s mir überhaupt nicht vor also hm für mich isses tatsächlich was (..) gut in meinem Alter setzt man sich damit zwangsläufig auch nicht so (betont) intensiv auseinander aber (..) gut für mich ist das irgendwo en biologisches Ende also die die Vorstellung das ich danach jetzt irgendwas erlebe oder in irgend en anderen Zustand übergehe (...) nö eigentlich weniger (..) also gehen Sie nicht von aus das da irgend noch was kommt (.) Tod und dann ist Ende ich ähm ich kann’s mir durchaus vorstellen aber ich hab keine konkrete Vorstellung davon und ähm (..) ich würd’s nicht ausschließen das is eigentlich eher so ne neutrale Neugier (lachend) mit der man da hinläuft hmhm hmhm (..) was was wü# was würden Sie da nicht ausschließen einfach nur weil Sie’s nicht wissen oder ja exakt (I: hmhm) nein es is so das ich nicht weiß was danach passiert (I: hmhm) und da ich an keine Religion jetzt glaube und da ich en paar Religionen flüchtig kennengelernt habe in meinem Dasein weiß ich das es ne ganze Reihe von verschiedenen (lachend) Jenseitsvorstellungen gibt da ich keiner von denen jetzt anhänge isses wirklich in der Tat so ne Art neutrale Neugier mit der man dem Tod gegenübersteht also ich kann mir durchaus vorstellen das danach irgendwas passiert aber (..) was keine Ahnung wovon wovon gehen Sie denn praktisch aus also (..) von gar nichts weil ich (unv.) ich seh auch keine Notwendigkeit mir irgend en Bild dabei zurecht zu legen das passiert so oder so ich mein was dann passiert seh ich dann
Dies ist also ein klarer Fall von religiöser Indifferenz, wie wir ihn gesucht haben und für die Überprüfung unseres Strukturmodells benötigen. Zwar wird noch nicht entschieden jegliche Möglichkeit eines Weiterlebens nach dem Tode geleugnet, sondern es wird eine solche Möglichkeit offen gelassen. Aber keine solche Möglichkeit wird mehr als Vorstellung positiv ausgemalt. Die Indifferenz zeigt sich gerade darin, daß nicht versucht wird, sich mit solchen Vorstellungen zu beschäftigen. Daß jene Möglichkeiten überhaupt offen gelassen werden, ist nicht Ausdruck einer Hoffnung oder Suche, sondern einer intellektuell-rationalen Haltung, daß über das Unerfahrbare weder das eine noch das andere behauptet werden kann. Auf diese Erkenntnis reagiert der Befragte nicht mit Beunruhigung, sondern mit interessierter, distanzierter
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Neugierde wie gegenüber einer offenen Forschungsfrage. Genau darin sehen wir seine religiöse Indifferenz. Worin also besteht das Jenseits dieses Menschen, und worin äußert sich bei ihm die nicht still stellbare Bewährungsdynamik? Wenn wir sie bei ihm dennoch finden, dann haben wir eine starke Bewährung unseres Strukturmodells vor uns.
„Frau Gieske“ (G) (geb. 1979) I:
G:
I: G: I: G:
hmhm wie stellen Sie sich das denn vor was kommt äh (..) äh wenn Sie mal gestorben sind nach dem Tod was passiert dann (..) haben Sie da +irgendwelche Vorstellungen dann kommt+ also ich stell’s mir so vor das ich dann einfach tot bin und dann ist nichts mehr da ich glaube nicht an irgendwie ein Leben nach dem Tod oder das die Seele dann weiterlebt (lacht leicht) oder so (lacht) ich weiß nicht dazu denk ich auch irgendwie (..) zu real glaub ich also (...) an so was glaub ich irgendwie nicht für Esoterik oder so was haben Sie auch kein Interesse nee (..) woran glauben Sie dann? (5 Sek.) hm (2 Sek.) an gar nichts richt# also natü# nein (.) so kann ich das ja nicht sagen ich g# also ich glaube (..) an das was was irgendwie zu belegen ist oder (..) zu beweisen oder alles was ich sehe höre an das glaub ich aber (..) ich glaube nicht so was mit (..) ähm Zauberei oder so zu tun hat oder (..) Unerklärbarem
Auch Frau „Gieske“ erfüllt das starke Kriterium religiöser Indifferenz vollkommen. Sie lehnt explizit jeglichen Glauben an und jegliche Überzeugung von irgendwelchen außerempirischen Existenzweisen und Mächten ab und erklärt sich explizit als Anhängerin eines rationalen wissenschaftlichen Weltbildes, für das nur gilt, was methodisch explizit nachweisbar ist. Insofern sie nicht einmal mehr die Möglichkeiten eines Lebens nach dem Tode offen läßt, auf die man in Neugierde gefaßt sein darf, wie es beim vorausgehenden Befragten der Fall war, sondern entschieden davon überzeugt ist, daß nach dem irdischen Tode nichts mehr folgt, erfüllt sie unser Kriterium der Indifferenz von allen bisher vorgestellten Fällen am radikalsten.
„Bergsteiger“ (B) (geb. ca. 1960) Auf die Frage, warum er sich bei seinem Bergsteigen ohne Not Todesgefahr aussetzt, antwortet er unter anderem: B:
[...] ich seh da nie den Tod natürlich weiß ich das es auch gefährlich is aber ich will ich will ich ich klettere um zu leben so wie ich schreibe um zu leben und (..) alle anderen Sachen tue ich so intensiv wie möglich um um um um mein Leben (betont) zu spüren ja um mein Leben zu gewinnen und nicht um’s aufs Spiel zu setzen einsetzen muß ich’s natürlich aber (..) das tut jeder (I: hmhm) das muß jeder weil wir haben ja nur das eine und es ist endlich und das ist auch der der Grund erstens das wir nicht
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wissen wie lang’s dauern wird und zweitens das es eben endlich ist und das uns die Natur früher oder später sowieso das Morgen verweigern wird das wir’s jetzt (schlägt dabei auf den Tisch) machen müssen und nicht morgen oder irgendwann
Auf eine Frage, was langfristig an die Stelle von Religionen treten könnte: B:
[...] und je älter ich werd desto mehr festigt sich das das nämlich (...) Gott und der Teufel so wie ich’s geschrieben hab ja Himmel und die Hölle des is in mir selber ich suche es nicht außen ich brauche es nicht (..) oder des klingt jetzt so als würd ich niemand anderen brauchen und ich brauch schon Dinge und vor allem brauch ich andere Menschen aber ich glaube prinzi# apriori fangt alles im Menschen an und des hört auch in ihm auf und und alles Glück und alles alles Leid und so des is in mir. (..) und und mein Religionsbewußtsein wenn m# obwohl ich’s nie so genannt habe und es wahrscheinlich auch nie tun werde aber wenn es in die Richtung Religiön und äh Religion und göttlich und diese Sachen geht dann glaube ich das das Menschsein davon geprägt ist das wir so wie’s ja bei Kant steht [...]
Diesen letzten Fall fügen wir an, weil wir in ihm nicht nur denselben Grad an religiöser Indifferenz vorfinden, sondern zwei weitere entscheidende Momente hinzukommen. Zum einen verlegt er explizit die Struktur eines religiösen Glaubens bzw. einer religiösen Haltung in die Immanenz des vollständig verdiesseitigten autonomen Menschen; zum anderen führt er ein Leben, das mit den bewußt gesuchten Risiken eines Allein-Extrembergsteigers ohne Sicherungsmöglichkeiten gewissermaßen in Reinkultur dem Bewährungsproblem gewidmet ist, allerdings um den Preis bzw. die Bedingung, daß diese Bewährung sachlich in reiner Symbolik und Demonstration aufgeht und keinen materialen Nutzen zeitigt, insofern also in ihrer Authentizität auf die leere Inszenierung der Bewältigung des Bewährungsproblems beschränkt bleibt. Die geleistete Bewährung wird gewissermaßen narzißtisch konsumiert, weil sie sich mit einem Sachproblem nicht verbindet. Gerade deshalb kann der Fall für unser Problem aufschlußreich sein. Wir können nun dazu übergehen, im Datenmaterial über diese Fälle nach der Evidenz dafür zu suchen, wie im berichteten Leben dieser Interviewees die behauptete universale, nicht still stellbare Bewährungsdynamik faktisch operiert und welche darauf bezogenen Bewährungsmythen ausgebildet worden sind. Der uns zur Verfügung stehende Zeitrahmen erlaubt es nicht, die ausführlichen Sequenzanalysen des Interviewmaterials dafür vorzustellen. Wir können nur die wichtigsten Ergebnisse nennen und kurz belegen. Wir beginnen dabei, gewissermaßen in umgekehrter Reihenfolge der Vorstellung der Fallreihe bezüglich unseres Indifferenz-Kriteriums, mit den klaren Fällen von Indifferenz, weil sie für unsere Überprüfung die stärksten Widerstände versprechen. Wir lassen dabei den Extrembergsteiger zunächst außer acht, weil er uns als Sonderfall gilt.
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3. Die Fallstruktur der Frau „Gieske“ Objektive Daten der sozialen Identität Frau Gieske ist zum Zeitpunkt des Interviews achtzehnjährige Schülerin einer Abitursklasse, ihre ein Jahr ältere Schwester hat auf derselben Schule gerade das Abitur gemacht. Ihr Vater (49 Jahre alt) ist Vermessungsingenieur, ihre Mutter (45 Jahre alt) Grundschullehrerin. Beide Eltern, ursprünglich evangelisch, sind aus der Kirche ausgetreten, beide Töchter nicht getauft worden. Beide Kinder wohnen noch bei ihren Eltern, in einem eigenen Haus der Familie in einer Vorstadtsiedlung eines Ballungsgebietes. Schon der Großvater väterlicherseits ließ kein gutes Haar an der Kirche. Beide Großelternpaare setzen sich männlich aus ortsseßhaften gehobenen Handwerkern der Großstadt des Ballungsgebietes und weiblich aus Ost-Flüchtlingen des Zweiten Weltkrieges zusammen. Die Großeltern väterlicherseits waren beide evangelisch, über die von der mütterlichen Seite ist nichts bekannt. Die Befragte stammt also aus einem ursprünglich protestantischen, inzwischen stark säkularisierten Milieu der neuen aufgestiegenen Intelligenz. Die Herkunftsfamilie ist deutlich intakt und kohäsiv. Die Befragte müßte also eine konfliktfreie, behütete und wenig neurotische, gelungene Kindheit und Sozialisation erfahren haben. Ihre Herkunftsfamilie wird ihr ein ausgeprägtes Leistungsstreben und ein Lebensmodell der Tüchtigkeit und moralischen Anständigkeit erfolgreich vermittelt haben. Alles aus den objektiven Daten deutet auf eine gelungene Individuierung und eine strebsame und zielstrebige Existenz hin. Von daher wird man eine deutliche Orientierung an einem vollständig verdiesseitigten Modell der Lebensbewährung erwarten dürfen.
Die Selbstdarstellung im Interview Im Interview äußert sich die Befragte auffällig knapp und präzise. Nach der Einleitung in die Interviewthematik (was ihr im Leben wichtig ist) wird sie gefragt, ob sie schon wisse, was sie später machen wolle. Sie präsentiert daraufhin für eine 18-Jährige überraschend definierte Pläne: Im Ausland arbeiten, sich für den diplomatischen Dienst bewerben, und, da das sehr schwierig sein wird, im Ersatzfalle internationales Business-Management an einer bestimmten Fachhochschule studieren, die in einer weit entfernten Provinzgegend liegt. Auf jeden Fall will sie im Ausland tätig sein. Sie führt das auf ihre Erfahrungen mit einem einjährigen Schüleraustausch mit Australien zurück. In der Schule kommt sie gut zurecht, sie treibt gern Sport und hat als Leistungskurse Sport und Mathematik gewählt, scheut sich also nicht vor hohen Ansprüchen. Um so auffälliger sind die Wahl der Fachhochschule und der Verzicht auf ein Universitätsstudium. Ganz offensichtlich ist sie an einem
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praktischen, konkreten Beruf orientiert, in dem sie international tätig sein kann und in der Welt herumkommt. Wissenschaft oder Bildung als solche interessiert sie nicht, sie ist an Handfestem und Effizientem orientiert. Auf die Frage, was ihr im Leben wichtig sei, antwortet sie geradezu „altklug“: „wichtig ist mir (...) Ausgeglichenheit (..) ähm (2 Sek.) Zufriedenheit Geld (..) en guter Job Freunde (2 Sek.) mja das man sich halt wohlfühlt mit dem was man tut (..) wo man lebt“
Das klingt erfahren und realistisch, und es verrät eine gesunde Selbstbezogenheit, eine pragmatisch-nüchterne Orientiertheit darauf, daß alles gut funktioniert. Probleme, Krisen oder Ängste und Befürchtungen bleiben auffällig unthematisch. Lediglich mit ihrer Schwester hat sie Probleme, weil die sich in der Familie asozial verhalte, auf nichts und niemanden Rücksicht nehme, sich an keine Regel des Zusammenlebens halte und so ihre Eltern ungebührlich strapaziere und rücksichtslos in ihrer Gutwilligkeit ausnutze. Empört äußerst sie sich über dieses Verhalten und begründet damit, warum sie langfristig nicht vorhabe, eine eigene Familie zu gründen. Die Verantwortung und den Streß der Kindererziehung möchte sie nicht tragen. Das Beispiel ihrer Schwester schreckt sie davon ab. Problemlos identifiziert sie sich darin mit ihren Eltern gegen ihre Schwester. Sie nimmt als jüngstes Familienmitglied die normative Position der Eltern ein und verweigert dabei gleichzeitig, sich der künftigen Bewährung der Elternschaft zu stellen. Sie übernimmt also mit der Position der Eltern gegen ihre Schwester bewußt das Modell des gut funktionierenden, gesellschaftlich angepaßten, leistungsfähigen und nicht auffälligen Individuums, das Wert darauf legt, unabhängig zu sein und anderen nicht auf der Tasche liegen zu müssen. Ihr Leben soll sich in der Leistungsfähigkeit und Unabhängigkeit bewähren. Darin ist sie jetzt schon so konsequent, daß sie trotz der Belastung der Abiturvorbereitung regelmäßig so viel in einer Eisdiele und einem Supermarkt „jobbt“, daß sie durchschnittlich dabei ein Monatseinkommen von ca. 500 € erwirtschaftet, das sie restlos für ihren eigenen „life style“ konsumiert. Pekuniäre Unabhängigkeit für einen vergleichsweise hohen Status ist ihr also sehr wichtig. Zieht man das mit dem Wunsch nach einer internationalen Berufstätigkeit zusammen, dann hat sie, die wahrscheinlich keine schwierige Phase der Adoleszenzkrisenbewältigung hinter sich hat, schon sehr früh in ihrem Leben eine ausgeprägte Orientierung an einem Modell der Bewährung durch gesellschaftlich anerkannten individuellen Erfolg ausgebildet, der sich in einem hohen Lebensstilstandard sichtbar ausweist. Sie schließt ihre Ablehnung einer Familiengründung in einer aufschlußreichen Interviewpassage ab: „also wenn ich+ vv a also wenn ich meine Familie jetzt sehe (.) wenn ich davon ausgehe dann dann sag ich will keine Familie erst mal und also ich weiß das das nicht der Normalfall ist aber (..) irgendwie (..) ich weiß nicht das ist mir doch zuviel ich hab schon mit mir allein genug zu tun (lachend) dann dann (..) wär das irgendwie ne zu große Belastung erstmal (murmelt etwas unv.) erst mal muß man auch irgendwie seinen Weg finden (.) und
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und ähm (...) en Job finden ähm ne Wohnung oder irgendwas und (?) erstmal einen geregelten Lebenslau# weg finden und dann kann man auch noch an Familie und und Kinder denken“
Das klingt erstaunlich logisch und spricht vor allem dafür, wie sehr sich die Befragte schon für ihr eigenes Leben verantwortlich fühlt. Sie will sich auszeichnen durch eine möglichst hohe Normalität und Normerfüllung. Wenn sie betont, daß sie genug mit sich selbst zu tun habe, bevor sie an eine eigene Familie denken könne, dann steht das nicht für ungewöhnliche Schwierigkeiten und Probleme, die sie mit ihrem Erwachsen-Werden hat. Die sind im Gegenteil nirgends zu sehen. Es spricht vielmehr für die Umsicht und Sorgfalt, mit der sie ihr Hineinwachsen in das Erwachsenenleben betreibt, also die Sorgfalt, mit der sie sich auf die Bewährung des eigenen Lebens vorbereitet. Als der Interviewer sie dann danach fragt, was das für sie heiße, den eigenen Weg zu finden, führt sie weiter aus: „ja einfach das alles geregelt ist so (.) im (.) das der Beruf gesichert ist das man das man sich jetzt nicht irgendwie sorgen muß was was is morgen das man (?) weiß man steht auf und man weiß was man zu tun hat (..) das stell ich mir darunter vor (..)“
Obwohl sie das ganze Studium noch vor sich hat und ihr das sicherlich von ihren Eltern finanziert wird, gilt ihre Sorge jetzt schon dem Problem, sich möglichst glatt in das Berufssystem erfolgreich einzufügen. Sie erlaubt nicht den Anflug einer Inanspruchnahme einer jugendlichen Phase des Suchens, des Träumens oder des voraussetzungslosen Erkundens. Dieses unbedingte Normal-Sein-Wollen muß in einem motivationalen Zusammenhang mit dem als chaotisch empfundenen Lebensstil der Schwester stehen und drückt einen unbedingten Willen der Ablösung aus dem Elternhaus aus. I: G:
haben Sie denn da so auch einen gewissen Ehrgeiz was den den Beruf betrifft oder +(G: schon ja) reicht+ ja? ja ich glaub schon (I: was wollen Sie da so erreichen) (...) ähm (stimmhaftes Ausatmen) (...) ja ich weiß nicht äh man muß auch unterscheiden also ob’s nur Wunschträume sind oder wirklich erreichbare Ziele also ich würd schon gerne so (..) also (..) so’n mittler# so mittel# so’n (..) mittleres Leben reicht mir glaub ich nicht also ich würd schon gern ein bißchen höher (..) raus
Ihre starke Ausrichtung auf eine erfolgreiche Einpassung in das berufliche Leistungssystem ist keineswegs Ausdruck antezipatorischer Angst vor einem Mißerfolg im Austesten von Chancen, denn sie ist durchaus ehrgeizig und anspruchsvoll. Nur will sie nicht unrealistischen Wunschträumen nachhängen. Die Ziele müssen realistisch erreichbar sein. Aber sie bestehen klar darin, vom Durchschnitt der Bevölkerung sich abzuheben und einen überdurchschnittlich hohen Status zu erreichen.
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I:
also jetzt in in äh (..) ähm gemessen in (..) ja also einkommens einkommesbezogen oder also ein ge# +ge# Lebensstandard einen höheren Lebensstandard (G: ja und Standard+ und (..) ja) [Kurze Auslassung] I: was ist Ihnen was ist Ihnen konkret äh (..) wichtig was also wofür Sie ein ge gehobenes Einkommen brauchen was für Sachen sind das G: v viel also (..) ähm (..) Kleidung Möbel Reisen (...) ja also an sich alles irgendwie (..) ich weiß nicht ich hab ziemlich hohe Ansprüche (..) I: wie hoch (lacht) was heißt das ziemlich hohe (...) G: ich wei# also zum Beispiel also ein Beispiel ist wenn ich wenn ich jetzt irgendwie vor nem Schaufenster stehe und mir gefällt irgendwas dann und ich guck dann im nachhinein auf die Preise dann isses grundsätzlich das Teuerste von von (..) wenn jetzt da irgendwie (..) zehn Paar Schuhe stehen und und ich find ein Paar schön dann isses meistens das teuerste Paar oder auch Autos hab ich en teueren Geschmack also wenn ich jetzt so sag oah das Auto hätt ich gerne dann is das (lacht) ein Mercedes oder irgendwas Cabrio am besten noch oder (..) oder auch bei den Möbeln und so ich weiß nicht
Passend dazu erhebt sie hohe Ansprüche an ihren zukünftigen Lebensstil, und sie erfährt sich schon jetzt als eine Person, die treff- und geschmackssicher – zumindest vom Preis her – die wert- und qualitätsvollen Dinge begehrt und herausgreift. Mit billigem Kram gibt sie sich nicht ab. Sie antezipiert also für ihr zukünftiges Leben einen herausgehobenen, erlesenen Lebensstil. Daraus spricht nicht, wie man vom Lebensalter her vermuten sollte, die von ihren Eltern verwöhnte Tochter, sondern eine Person, die genau weiß, daß man sich den Lebensstil, den man herausgehoben erstrebt, durch eigene Leistung und durch Erfolg im Beruf erarbeiten muß. Auf die Frage nach möglichen persönlichen Vorbildern führt sie aus: „ja erfolgreiche Leute sind für mich immer Vorbilder (I: zum Beispiel?) (...) also wen ich jetzt bewundere aus meinem engeren Kreis ist zum Beispiel mein Onkel (..) der mittlerweile Professor auch ist (I: hmhm) Medizin und (...) ich weiß nicht das ist mmh also mit mit Leuten mit denen ich gar nichts zu tun (.) da kann ich dann nicht sagen das sind so meine Vorbilder aber die bewunder ich dann wenn einfach wenn se wenn se erfolgreich sind wenn se Geld ham (..) gute Position (..) angesehen sind (...) die bewundert man dann und man möcht dann auch gern so sein aber also direkt so als Vorbild kann man das nicht bezeichnen da sind nur so (..) Träumereien mit verbunden“
Auffällig ist, wie wenig sie sich scheut, als Kriterium für den Erfolg, den sie bewundert, an ganz entscheidender Stelle Einkommen und Vermögen gelten zu lassen, also reich zu sein. Diese für eine Jugendliche erstaunlich unidealistische Einstellung spricht für einen strengen leistungsethischen Bewährungsmaßstab. Gleichzeitig aber muß der Lebensstil, der dadurch erreicht werden soll, stimmig sein, in sich ein symbolisch integriertes Ganzes. Daß sie sich durch Leistung bewähren muß, steht im Zentrum ihres Denkens. Daß diese Leistung ihren sichtbaren Erfolg im Lebensstil haben muß, erwartet sie wie selbstverständlich. Dieser Lebensstil muß den Qualitätsmaßstäben einer internationalen Symbolwelt angepaßt sein. Dazu gehört es vor allem, sich mit
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den anerkannt schönen Dingen einer herausgehobenen Lebensform umgeben zu können. Wiederum gemessen am geringen Alter der Befragten könnte sich der Verdacht ergeben, daß hier die konformistische Übernahme von Klischees der Konsumgesellschaft vorliegt. Dafür gibt es aber in dem gesamten Interview keine Bestätigung. Vielmehr präsentiert sich die Befragte als eine ernsthaft sich in der Bemühung um Authentizität und Glaubwürdigkeit auf ihr autonomes Erwachsen-Sein vorbereitende Jugendliche. Daß sie auch ihre Gemeinwohlverpflichtungen im Auge hat und diese wahrzunehmen weiß, hängt sie nicht an die große Glocke, ist ihr aber eine Selbstverständlichkeit. Als sie das Ende des knappen Interviews mit der Gegenfrage einleitet: „Ich weiß ja nicht welchen Eindruck Sie jetzt so vo von mir bekommen haben? (..) so“
und der Interviewer eine Antwort vermeidet („kann ich jetzt so nicht zusammenfassen. ja“), führt sie weiter aus: G:
I: G:
ja ist wahrscheinlich schwer aber (..) nee ich glaub’s also dazu ist alles gesagt an sich (?) (...) wichtig im Leben (6 Sek.) das war ich weiß nicht das war jetzt alles mehr auch auf mich bezogen was was mir wichtig im Leben es gibt auch andere Sachen die jetzt nicht so viel mit meiner Person zu tun (.) also schon indirekt das was weiß ich Frieden auf Erden und und all so Sachen kann man da ja auch aufzählen (I: hmhm) (..) und (..) ja Umwelt (..) das die geschont wird und und heile bleibt und (...) so Sachen oder das es das die Armut irgendwie bek# mehr stärker bekämpft wird und auch so das das ähm (..) Veränderungen bringt (..) und all so was das ist ja auch wichtig (..) interessieren Sie sich für Politik? (..) ich fange an mich dafür zu interessieren (lacht)
Indem sie hier zu erkennen gibt, daß sie genau weiß, welche ethisch schön klingenden Antworten erwartet werden könnten, die sie aber in der Beantwortung der Frage nach ihrem persönlichen Lebensentwurf nicht von sich aus anbietet, wird die Authentizität der Explikation ihres sehr persönlichen Bewährungsmodells belegt. Gleichzeitig wird deutlich, daß sie ihre Gemeinwohlverpflichtungen durchaus kennt. Aber im Zentrum ihres Bewährungsanspruchs stehen die Selbstverantwortung und der Wille zum Erfolg gepaart mit dem bei aller Nüchternheit und Realitätstüchtigkeit vorgetragenen Wunsch nach einem erlesenen Lebensstil. In der Empörung, mit der sie sich vom Verhalten ihrer Schwester distanziert, bekundet sie indirekt, wie selbstverständlich sie, gewissermaßen in der Logik des sportlichen Fair play und der sportlichen Kompetitivität, die Regeln der Kooperation respektiert und Rücksicht auf die Mitmenschen nimmt. Insofern belegt dieser Fall auch, daß bei einer völligen religiösen Indifferenz die Kraft der Bindung an eine Ethik menschlichen Zusammenlebens keine Einbuße erleidet, sondern stark ausgebildet sein kann. Gleichzeitig könnte aus dieser deutlichen Abgrenzung zur Lebensweise der Schwester auch eine gewisse Angst oder Sorge um ein immer drohendes Chaos in der biographischen Zukunft liegen, vor dem man sich durch Um-
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sicht hüten muß. Darin könnte ein Beleg für die außerordentlich hohen Individuierungsansprüche gesehen werden, denen sich diese Jugendliche bewußt unterwirft. Sie vertraut eben nicht der Sicherheit, die ihr ihre soziale Herkunft bieten kann, auch nicht einer Sicherheit, die sie als Frau durch eine erfolgreiche Heirat erwerben könnte, sondern verläßt sich ausschließlich auf ihre eigene zukünftige Leistung, die sie zum gewünschten Lebenserfolg führen soll.
4. Der „Zinsderivatenhändler“ Die objektiven Daten der sozialen Identität Im Unterschied zum vorausgehenden Fall kommt der Zinsderivatenhänder aus einem zerbrochenen sozialisatorischen Milieu. Er ist das einzige Kind einer gescheiterten Ehe. Die Eltern trennen sich, als er 10 Jahre alt ist, weil seine Mutter fremd geht. Er wächst in einer westdeutschen Großstadt beim Vater auf, der als gelernter Großhandelskaufmann ein wechselvolles Berufsleben hinter sich hat und schließlich bei einer Firma vom Wachmann zum Edelmetallgroßhändler aufgestiegen ist. Seine Frau, ebenfalls gelernte Großhandelskauffrau, hatte er in seinem Beruf kennengelernt. Der Vater ist katholisch, inzwischen aus der Kirche ausgetreten, aber angeblich immer noch gläubig, die Mutter ist „passiv“ evangelisch. Die Großeltern väterlicherseits, aus einer Mittelstadt in die Großstadt von Ego zugezogen, gehören zur Mittelschicht, der Großvater (gestorben 1979) war Sparkassenfilialleiter, die Großmutter (gestorben 1984) Schneiderin. Die Großeltern mütterlicherseits gehörten der Unterschicht an. Der Großvater war Hilfsarbeiter und Alkoholiker mit einer schlimmen Lebensführung, die Großmutter Hausfrau ohne Berufsausbildung. Sie lebt als einziger Großelternteil noch am Wohnort von Ego, er hat aber anscheinend keinen Kontakt zu ihr. Der Befragte hat mit 19 Jahren das Abitur gemacht, darauf Zivildienst geleistet (Betreuung eines behinderten Schülers), dann eine Banklehre bei einer Großbank gemacht und daraufhin bei deren Investmenttochter eine steile Karriere begonnen. Zum Zeitpunkt des Interviews ist er noch mit einem Abendstudium der Bankbetriebslehre beschäftigt. Er ist 26 Jahre alt und hat eine Freundin. Die sozialisatorischen Probleme des Befragten bestehen also vor allem im vergleichsweise frühen Verlust der Mutter, die ihn letztlich verlassen hat und wahrscheinlich selbst aus einem gestörten sozialisatorischen Milieu kam. Diese Probleme hat der Befragte offensichtlich gut gemeistert, zumal er keinen Halt und keine Unterstützung in Geschwistern finden konnte: Er hat aus einem nicht unbedingt bildungsnahen Milieu heraus problemlos das Abitur erreicht und eine sehr erfolgreiche Berufskarriere begonnen. Sein Leben ist
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mit 26 Jahren so gut wie gesichert. Religiös wird er nicht stark beeinflußt worden sein.
Die Selbstdarstellung im Interview Was sind die Gründe dafür, daß der Befragte – gemessen an seinem sozialen Hintergrund – eine so erfolgreiche Bildungs- und Berufskarriere bisher zurückgelegt hat, was ja in sich schon als Ausweis einer vorläufigen Bewährung gelten kann. Er selbst deutet diesen Erfolg mit großem, bewußt gepflegtem, aber nicht kokettierend eingesetztem, sondern aus Vorsicht geborenem „Understatement“ als das Ergebnis unerwarteter „Zufälle“. „und hab dann nach zwei Jahren (..) netterweise diesen Job als Händler eben angeboten bekommen und den mach ich jetzt seit etwa einem Jahr (..) mit ziemlich viel Spaß an der Sache (leicht lachend)“ [...] „die Entwicklung kam eigentlich wie fast alles immer extrem zufällig. ich hab während der Lehre en Rundgang durch n Konzern gemacht. die XX Bank (anonymisiert) ist ja ein relativ großer Konzern mit mit zig Tochterfirmen es fällt halt selbst immer relativ schwer den Überblick zu behalten (..) und netter Weise hat man mir die Möglichkeit geboten mal die Investmenttochter mir anzusehen während der Ausbildung und da hab ich en paar Leute kennengelernt“ [...] „und ich hatte das Glück das eben in dieser Investmenttochter die ein relativ kleines Tochterunternehmen ist ne Stelle frei wurde die auch en paar nette Perspektiven hatte bereits mit dem Schwerpunkt Derivate der dann auch später sich so als roter Faden da durchzieht was das jetzt ist ist völlig unerheblich und (..) ja ich hab dann nach der Ausbildung eben direkt bei der Investmenttochter angefangen und das hat sich eben extrem zufällig (betont) sehr angenehm entwickelt weil mein Vorgesetzter relativ schnell ein Nachfolger brauchte weil er weg wollte und dann halt netter Weise meinte ich könnte das“ [...] „also das war eigentlich (..) zwar das was ich ge# fast genauso in der Reihenfolge vorhatte allerdings übermäßig schnell weil (..) wie’s der Zufall will gehen halt die Leute weg und (..) wenn das halt schneller passiert als man das geplant hat ist das sicherlich nicht von Nachteil aber man kann nicht leugnen das Zufall ein ganz erhebliches Element dabei war“
Auffällig ist an diesen Äußerungen, in denen sich der Befragte zu erklären versucht, wie es zu seiner schnellen Karriere gekommen ist, die Kombination der beiden Prädikate „zufällig“ und „nett“. Beide sollen unter je verschiedenen Aspekten ein „Understatement“ bewirken. Keineswegs will er diese Karriere auf ein zielstrebiges Handeln und gelungene Planung zurückführen. Vielmehr hat sich das alles aus Zufall ergeben, und daß ihm der widerfahren ist, drückt er als eine „Nettigkeit“ des Schicksals aus. Die Verwendung des Adjektivs „nett“ dient hier nämlich nicht der Attribuierung von konkreten Personen oder ihren Handlungen, sondern der Umschreibung allgemeiner Umstände. So als ob der Befragte sagen wollte, wie „nett“ es doch das Schicksal mit ihm gemeint habe. Dahinter könnte eine Lebensphilosophie stecken, die besagt: Versuche nicht, irgend etwas zu erzwingen oder mit
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Nachdruck zu planen. Warte statt dessen gelassen auf deine Chance und ergreife sie. Die dahinter stehende Haltung könnte aus einer Vorsicht resultieren und zur Grundlage haben, daß man nicht zu vermessen sein soll und nicht zu viel erwarten soll, damit man nicht zu sehr enttäuscht ist, also aus einem latenten Pessimismus resultieren. Sie könnte aber auch, damit man ein Maximum an Unabhängigkeit behält, in einer bewußten Distanzierung von Erwartungen bestehen, mit denen man sich konfrontiert sieht. Auf jeden Fall präsentiert sich der Befragte als jemand, der von seinem objektiven Berufserfolg, den er faktisch ja auch, wie sein Zusatzstudium zeigt, durch Eigenleistung herbeigeführt hat und weiter abzusichern versucht, kein großes Aufheben machen möchte und seinen auf Leistung beruhenden Anteil daran hinter der Kategorie des „Zufalls“ kaschieren will, damit ihm nicht der Vorwurf der Prahlerei gemacht werden kann. Das steht in einem unerwarteten Kontrast zu seinem Berufsfeld und seinem damit verbundenen Studium, in denen doch eher umgekehrt die Tendenz vorherrscht, die durchaus auch unkontrollierbaren Kräften des Marktes zuzuschreibenden Erfolge nach Möglichkeit auf eine gelingende rationale Planung zurückzuführen, mit deren Erfolg man Selbstreklame zu betreiben hat. Der Befragte scheint also diesen Beruf eher spielerisch, in einer Haltung zu betreiben, die sich bewußt von den statusorientierten Strategien und Erwartungen distanziert, ohne deshalb die Berufsinhalte abzuwehren. In dieser auffälligen Kombination von überdurchschnittlichem Berufserfolg in einer Branche, in der man damit viel Geld verdienen kann, einerseits und distanziert spielerischer Distanz zur Berufslogik andererseits könnte man schon einen sehr persönlichen Bewährungsmythos vermuten, mit dem sich der Befragte ein Maximum an Selbstbestimmung und an Resistenz gegenüber dem sozialen Erwartungsdruck der Normalität seiner Berufswelt zu bewahren sucht. I:
H:
hmhm na ja vielleicht kann man das ja so ein bißchen eingrenzen also ähm (..) indem man fragt also wie sieht’s beispielsweise beruflich aus was hab Sie da so für Ziele wo wollen Sie da auch hin was wollen Sie da erreichen die Frage wurde mir beim Einstellungsgespräch gestellt und da hab ich auch schon gesagt das ich sie nicht beantworten kann weil ich’s par tout nicht weiß (..) (I: hmhm.) ähm (..) die Antwort die ich vorhin zu der Frage w was ich vom Tod erwarte gegeben hab is eigentlich symptomatisch die Sie werden das Schema an Antwort eigentlich relativ häufig bei mir wiedertreffen das ich’s einfach nicht weiß (..) das ich auch der Meinung bin das Planen im Moment nur bis zu nem gewissen Maß sinnvoll ist also ich glaube das ne sehr langfristige Planung auch nur in sehr grobem Umfeld möglich ist und wenn ich jetzt sage wo will ich beruflich hin dann kann ich das wirklich nur auf ganz grobe Werte runterführen und die lauten und das ist wirklich hoch banal ich muß genug Geld verdienen um damit halbwegs über die Runden zu kommen das muß das is nicht oberstes Ziel ich muß sollte Spaß daran haben (..) damit hat sich’s eigentlich auch schon (..) (I: hmhm) sehr viel mehr erwarte ich eigentlich nicht und das Problem ist es ist nicht so das ich jetzt auf irgendwas speziell hinarbeite natürlich es gibt schon so’n paar Ziele die als nächstes irgendwo anstehen aber die ändern sich ja von von Jahr zu Jahr (I: hmhm hmhm) weil die Umf# das
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I:
H:
Ulrich Oevermann, Manuel Franzmann Umfeld in dem man lebt ja so nem schnellen Wandel unterworfen ist das es sehr schwer fällt langfristig zu planen ich halt das auch für absurd (..) wenn ich sehe ähm ich bin jetzt drei Jahre (..) drei oder vier Jahre? vier Jahre im Berufsleben na ja drei zwei Jahre Ausbildung macht fünf Jahre wenn ich mir ansehe wie viele Zufälle in diesem kurzen Zeitraum stattgefunden haben die meine Laufbahn maßgeblich beeinflußt haben dann verliere ich den Glauben daran das man (lachend) seinen beruflichen Werdegang gut planen kann doch geringfügig. also man kann vielleicht für gute Rahmenbedingungen sorgen und das probier ich auch aber das man jetzt sagt also ich will in fünf Jahren das erreichen in zehn Jahren das und in fünfundzwanzig Jahren möcht ich da sein (I: hmhm) nee (2 Sek.) ähm (..) ja wie is das in anderen Bereichen also in Bereichen wie Freizeit oder auch äh (..) eigene Familie was haben Sie da so für für Ziele oder wenn nicht Ziele vielleicht auch einfach Wünsche (..) also Ziele klingt ja jetzt schon sehr stark nach Planen da muß ich hin und tu aktiv was aber vielleicht haben Sie auch einfach Wünsche und sehen ob sie sich erfüllen oder nicht (..) tja (..) ich bin manchmal auch erschrocken wenn ich sehe mit was für ner Nonchalance ich eigentlich so durchs Leben gehe
In dieser späteren Passage wird unsere Interpretation der neugierigen Distanziertheit explizit bestätigt. Rationale Planung der eigenen Karriere trägt nicht weit, man muß sich statt dessen für die „Zufälle“ des Schicksals offen halten. Vor allem darf man sich nicht dem Druck solcher Planungen und Zukunftserwartungen zu sehr unterwerfen. Gewisse Eckwerte müssen eingehalten werden, vor allem ein genügend hohes Einkommen, so daß man über die Runden kommt. Aber das sei nicht das oberste Ziel, vor allem muß man Spaß an dem haben, was man tut. Das spricht nun keineswegs dafür, daß sich der Befragte hier als Vertreter einer Spaß-Gesellschaft präsentiert, vielmehr ist ihm sehr wichtig, daß die jeweilige Tätigkeit auch seine Neugierde befriedigt. In dieser nur scheinbar sich vom Ernst des Lebens distanzierenden „Nonchalance“, wie er selbst seine Lebensführung charakterisiert, reflektiert er sich bewußt selbst als Mensch voller Neugierde. Das kommt plastisch zum Ausdruck, wenn er abstrahierend diese Grundhaltung als „das Schema an Antwort“ auf existentiell bedeutsame Fragen identifiziert. An einer anderen Stelle legt er seine Neugierhaltung genauer aus: „das is auch so’n Phänomen das es eigentlich sehr viele Sachen gibt die mir Spaß machen (..) will sagen man kann mir eigentlich auch Sachen vor die Nase halten die eher langweilig sind mit der Zeit entwickle ich da irgendwo en Interesse daran. das hat ähm (..) den großen Vorteil das man sich (..) ähm das ist ne Form von Genügsamkeit was ich als positive Eigenart betrachte insofern das es beispielsweise im Beruf mir relativ leicht fällt mich mit irgendwelchen Aufgaben zu identifizieren hab ich immer (?) Spaß dran. mag vielleicht ne blöde Aufgabe sein aber (..) gut (..) irgendwie isses halt ne Aufgabe und als Aufgabe is sie interessant und dann guck mer mal ob wir die bewältigen. (..) der Nachteil bei dem ganzen Spiel ist das es sehr schwer fällt sich auf irgendwas festzulegen (..) weil man eben konstant zwischen verschiedenen (..) ja (..) Ideen hin und hergerissen ist von denen keine zwangsläufig ne riesige Priorität bekommt. (..) Das war ganz klassisch nach dem Abitur (I: hmhm) was was studier ich jetzt ich hätte mindestens fünf (betont) Sachen nennen können die mir alle Spaß gemacht hätten (...) und das führt natürlich zu nem gewissen Entscheidungsproblem“
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Seine Neugierde ist so groß, daß schon geringe Dosen an Interessantheit ausreichen, sie in Gang zu setzen und seinen Tätigkeitsdrang zu binden. Die daraus resultierende Bereitschaft zur Verzettelung bemerkt er zwar als Problem, sich klar entscheiden zu können, aber das stört ihn nicht wirklich. „also (...) ich glaub Freizeit is is sehr wichtig also da man ja arbeitet um zu leben und ich das für mich eigentlich auch so praktiziere is Freizeit ja schon was relativ wichtiges. und (..) Hauptproblem ist sicherlich das man nie genug davon hat es gibt so viele Sachen die ich gerne mache und (holt leise hörbar Luft) (..) jeder von uns hat ja sicherlich das Problem das man definitiv zu vie# zu wenig Zeit dazu hat und es gibt en paar Sachen wo ich wirklich versuche en paar Sachen zu erreichen beispielsweise hab ich grundsätzlich ne Literaturliste die mir einfach zu lang ist also die Bücher die ich lesen will kann ich grundsätzlich alle nicht lesen sondern immer nur ein Teil davon. (..) weil (?) da hat man verschiedene Ziele wie ich möchte mal ich möchte ein Drachenfliegerschein machen oder Tauchen und ich muß noch dieses Land besichtigen (holt hörbar Luft) aber das is eben eher so’n diffuses Universum aus dem man sich dann das Ziel heraus pickt okay ja das paßt jetzt zeitlich rein das könnt ich jetzt machen das machen wir jetzt mal. (..) aber in der Freizeit ansonsten es is nicht so das ich irgendwelche (...) größeren Verpflichtungen eingehe in meiner Freizeit es gibt ja relativ viele Leute die versuchen sich irgendwo zu engagieren sei es jetzt in Vereinen sportlicher karitativer oder was auch immer für ner Natur (..) oder die äh irgendwelchen Hobbys ganz intensiv frönen das sie jetzt (holt tief Luft) malen oder Theater machen oder (..) irgendwas eben schaffen das ist bei mir in der Form nicht so also ganz wichtig ist mir eigentlich ne ne große Unabhängigkeit also die Möglichkeit sehr kurzfristig und had ad hoc danach handeln zu können worauf ich jetzt eben kurzfristig und ad hoc auch Lust habe das is eigentlich eines der größten Ziele diese Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten also eine meiner größten Paniken scheint wohl zu sein mich festzulegen (leise) (..) (I: was?) mich festzulegen“
Die Neugierde paart sich also mit einem ausgeprägten Streben nach Unabhängigkeit. Vielleicht verbirgt sich dahinter die biographische Erfahrung, von der Mutter vernachlässigt und verlassen worden zu sein. Auf diese Traumatisierung hat er, gestützt durch die Verläßlichkeit und strukturierte Erziehung des Vaters, die er nachträglich zu schätzen weiß, zukunftszugewandt mit der Bemühung um maximale Unabhängigkeit und Distanz reagiert. Diese Bemühung hält ihn aber weder davon ab, sich dem Gemeinwohl zu widmen, was vor allem in seinen Gründen dafür zum Ausdruck kommt, sich im Zivildienst um einen behinderten Schüler zu kümmern, noch davon, eine eigene Familie gründen zu wollen: „ich bin mir ziemlich sicher das ich gerne Kinder hätte (..) aber wann hm weiß ich nicht. das ist also normalerweise müßt man sollte (betont) man so was ja auch planen also wann paßt das denn finanziell rein und (..) mit welcher Frau wäre ja auch mal ne Idee da müßte man ja auch gucken was für ne Wohnung hat man dann nö eigen# also obwohl ich eigentlich ziemlich sicher bin das ich mal Kinder haben möchte isses nicht so das ich da jetzt schon konkret planende Schritte (lachend) einlenke“
Seine Vorbilder, wenn er überhaupt welche gelten läßt, bestehen entsprechend nicht, wie beim vorausgehenden Fall, in manifest erfolgreichen, die Normalität der Bewährung durch Leistung und Erfolg idealtypisch repräsen-
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tierenden Menschen, sondern in jenen, die ihrer Neugierde in Unabhängigkeit gefolgt sind: I: H:
haben Sie bestimmte Vorbilder an denen Sie sich orientieren? (2 Sek.) keine keine (..) globalen. es gibt in bestimmten Bereichen immer Leute die ich in bestimmten Dingen unheimlich erstrebenswert finde oder oder bewundernswert aber es gibt niemanden wo ich sagen würde (..) ich möcht so sein wie er (..) oder sie oder es was auch immer (..) es gibt Leute im Beruf wo ich sage der hat ganz grandiose Eigenarten (..) es gibt Leute die die ich immens belesen finde die mich beeindrucken andere die mathematisch hervorragende Fähigkeiten haben gute Sportler (..) hervorragende Geschichtenerzähler also es is eigentlich so das ich mir bei vielen Leuten (3 Silb. unv.) gut herauspicke wo ich sage das finde ich ganz toll das hätt ich gerne und das hätt ich gerne von dem andern und und jenes von dem aber auf keinen Fall würd ich jetzt jemanden kennen von dem ich sagen würde das ist en echtes Vorbild als Gesamtperson. es sind immer einzelne Attribute oder einzelne (..) Verhaltensweisen die ich erstrebenswert finde
Bei aller „Nonchalance“ der Lebensführung, die sich faktisch ja mit einem enormen Berufserfolg paart, für den er sich auch widerstandsüberwindend eingesetzt hat, hat sich der Befragte nicht nur bewährt, sondern er folgt auch, zumindest implizit, einem sehr konturierten Bewährungsmythos. Man muß den „Zufällen“ und den Möglichkeiten des Lebens gegenüber offen sein und seine Unabhängigkeit gegenüber den statusbezogenen Bewährungszwängen bewahren. Der Befragte folgt also nicht mehr, wie der vorausgehende Fall ganz dezidiert, dem säkularisierten Bewährungsmythos der Leistungsethik, sondern einem eher ästhetischen Anspruch der distanzierten, zu starke Identifikationen mit kollektiv verbürgten Positionen oder Modellen vermeidenden neugierigen Offenheit. Das bringt er selbst zum Ausdruck, wenn der Interviewer gegen Ende des Gesprächs noch einmal insistierend auf das zurückkommt, was den Interviewee denn nun im Leben umtreibe. I: H: I: H: I: H:
I: H:
wie würden Sie sich denn bezeichnen fällt Ihnen da ne Bezeichnung ein? (..) pff (..) flexibel (leicht lachend) hmhm (leicht lachend) (...) ähm (...) ja so was wie ein Lebensmotto haben Sie so was? nee (3 Sek.) also so ne f Formel zum (..) +zum zum es gibt vielleicht+ en kleines Wort das grundsätzlich oben drauf stehen könnte das wäre Neugier (..) (I: hmhm) das wär sicherlich was was irgendwo in weiten Teilen als Headline bei mir gilt (..) (I: hmhm) aber (..) ob man das schon als Motto bezeichnen kann weiß ich nicht aber es is sicherlich ne gewisse Maxime (leicht lachend) (..) also das ist ne Sache die (..) Sie nicht nur an sich konstatieren oder feststellen sondern auch en bißchen sozusagen drauf achten +das Sie neugierig sind ja also ich+ kultivier das auf jeden Fall (I: hmhm) also das is auch was wo ich (..) für mich sehr fest dahinterstehe also ich glaube (..) es gibt ne Eigenart die ich sehr stark ablehne und das is das is Eindimensionalität Leute die nicht über ihren Tellerrand hinausschauen (...) und Leute die die viel zu früh bereits aufgehört haben sich umzusehen (..) und das hasse ich also das finde ich ne ganz schreckliche Eigenart Leute
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die mit 25 oder mit 30 bereits ihren Horizont eigentlich abgeschlossen haben und in ihrer kleinen festen Welt bis sie 70 sind leben sind für mich en absoluter Alptraum (..) und ich glaube das das ne ne gewisse Offenheit gegenüber seiner Umwelt und ne solides Maß an Neugier (..) und auch Lernbereitschaft (..) ganz ganz wesentliche Eigenarten sind die en Menschen auszeichnet die auch sehr wichtig sind (..) für für ne Gesellschaft also ich mein Neugier ist eigentlich das was die Menschheit vorantreibt (...)
„Neugierde“, das Grundmotiv der ästhetischen Erfahrung, ist tatsächlich die Quintessenz seines säkularisierten Bewährungsmythos. Dieses „kleine Wort“, also dieses gemessen an historisch vorausgehenden Mythen und Werten unscheinbare, weil inhaltsleere und nicht festgelegte Programm, das zudem eine Rückkehr in den Erfahrungsmodus der unschuldigen Kindheit bedeutet und das man Erwachsenen kaum vorzuzeigen wagt, könnte am Ende „oben drauf stehen“. Diese Formulierung bezeichnet nicht nur die oberste Stelle in einer Begründungs- oder Ableitungskette, sondern impliziert auch ganz konkret, daß es am Ende des Lebens auf dem Grabstein stehen könnte, also dort, wo der Nachruf, jenes am ehesten säkularisierte Jenseits eines jeden Lebens, in seiner kürzesten Form plaziert ist. Aber letztlich bezeichnet für diesen Befragten das „kleine Wort“ doch auch die Triebfeder, welche die Menschheit eigentlich vorantreibt. Mit dieser Formulierung bekundet der Befragte ganz gegen seine Bemühung um „Understatement“, daß er einem Bewährungsmythos folgt, den er universalgeschichtlich für zentral hält. Entsprechend hat er neugierig als Schüler am Religionsunterricht teilgenommen, den er sich als Ungetaufter nach der Konfession aussuchen konnte. Er hat sogar am Leben kirchlicher Jugendgruppen teilgenommen. Aber eine sozialisierende Wirkung hatte das überhaupt nicht. I: H:
als Atheist wü# würden Sie sich als Atheist bezeichnen hmhm (verneinend) (...) nicht unbedingt (I: warum nicht?) Atheist hat immer so’n bißchen aggressiven Klang also wie bewußtes Verneinen von Gott (I: hmhm) das isses bei mir eigentlich nicht (..) also es ist nicht so das ich jetzt Gott verneine weil ich glaube das die Idee äh (..) also die grundsätzliche Idee Gott (betont) irgendwie absurd oder irreführend oder sonst was ist das isses nicht es ist eher so das ich mich damit nie identifiziert hab ich akzeptier jeden der an Gott glaubt macht ja auch Sinn (..) für jeden Einzelnen (..) aber ich akzeptier eben auch wenn einer en en gepflegten Atheismus (..) hat find ich wunderbar ich kenn ich kenn herrliche Atheisten (I: hmhm hm) ich kenn auch wunderbare Pantheisten find ich auch ne ganz tolle Eigenart also (..) in jeder Kleinigkeit irgendwo göttliche Schöpfungskraft zu sehen find ich wirklich ne wunderbare Sache aber (..) also das sind immer eben Leute die in dem was sie an was sie glauben aufgehen in der einen oder in der anderen Form auch in der Ablehnung unter Umständen aufgehen (..) und das kann ich durch die Bank eigentlich akzeptieren (..) aber ich würd mich selbst nicht als Atheist bezeichnen (..) ich hab en ziemliches kritisches Verhältnis zur Kirche als Institution aber (..) das is ja nicht allzu schwer (..)
Mit diesen Ausführungen kommt der Befragte in seinen eigenen Worten dem Strukturmodell von Religiosität und der davon implizierten Deutung der Säkularisierung, vor allem was die Einordnung des noch vor der religiösen In-
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differenz liegenden Atheismus anbetrifft, recht nahe. An der religiösen Indifferenz des Befragten kann kein Zweifel mehr bestehen.
5. Vergleich der beiden vorausgehenden Fälle ausgeprägter religiöser Indifferenz Beide Fälle erfüllen eindeutig das Kriterium der religiösen Indifferenz und damit die Voraussetzung für die Überprüfung der These von der Universalität der Struktur von Religiosität mit den drei Momenten der nicht still stellbaren Bewährungsdynamik, der Notwendigkeit eines Bewährungsmythos und der Evidenzsicherung dieses Mythos durch vergemeinschaftete Praxis, sowie für die Überprüfung der Implikation dieser These, daß jene Struktur sich durchhält gegen jede inhaltliche Säkularisierung, die als solche wir für einen unvermeidlichen stetigen Trend halten. Beide Fälle stehen also geradezu idealtypisch am Ende dieses Säkularisierungsweges. Und beide folgen unserem Modell entsprechend in der Abarbeitung an der nicht still stellbaren Bewährungsdynamik einem säkularisierten Bewährungsmythos. Aber dieser säkularisierte Bewährungsmythos unterscheidet sich zwischen den beiden Fällen sehr deutlich. Während die Jugendliche in ausgesprochen strenger Form dem Bewährungsmythos der Leistungsethik folgt, also jenem, der auf dem historischen Boden der Lutherschen Berufsethik der älteste und prominenteste säkularisierte Bewährungsmythos des Okzidents ist und sich bis heute durchgehalten hat, allerdings durch die Krise der Arbeitsgesellschaft tendenziell seine universale Geltungsbasis zu verlieren droht, hat sich der Zinsderivatenhändler biographisch einen ästhetischen Bewährungsmythos der Lebenserfüllung durch neugierig distanzierte Welterfahrung zu eigen gemacht. Damit kommen wir zu der ausstehenden Frage, welche säkularisierten Bewährungsmythen dem modernen Subjekt angesichts der unaufhaltsamen Verdampfung religiöser Inhalte für die Bewältigung seiner Bewährungsproblematik überhaupt zur Verfügung stehen. Vorab aber muß klargestellt werden, daß es bei diesen säkularisierten Bewährungsmythen sich nicht mehr um explizit dogmatisch festgelegte und schriftlich kodifizierte Lehren handeln kann, wie das im Falle religiöser Bewährungsmythen in der Regel zu erwarten ist. Vielmehr drücken sich die säkularisierten Formen eher in als schweigendes Wissen operierenden Deutungsmustern aus. Entsprechend werden sie von den Befragten ja auch nicht als abfragbare, in fixierter, standardisierter Form schon edierten „Lehren“ oder „Maximen“ oder „Glaubensgrundsätzen und -bekenntnissen“ dargeboten, sondern müssen aus ihrer Selbstdarstellung, in der sie verborgen sind, rekonstruiert und herauspräpariert werden. Dabei ist ein Gefälle zu beachten: Die Leistungsethik entspricht noch eher einem kollektiv typisierten, gewis-
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sermaßen institutionalisierten Deutungsmuster als der ästhetische Bewährungsmythos des zweiten Falles. Damit hängt ein Unterschied zusammen, der sich auf die Evidenzbasis der Mythen in Gestalt einer von ihnen gestifteten vergemeinschafteten Praxis, also dem dritten Moment der Struktur von Religiosität, bezieht. Wir müssen nämlich annehmen, daß mit der Säkularisierung, die gemäß unseres Modells eigentlich eine Säkularisierung der Bewährungsmythen ist, auch die Notwendigkeit einer Evidenzsicherung durch vergemeinschaftete Praxis in Frage gestellt wird bzw. sich dem erfahrungswissenschaftlichen Blick verhüllt. Im Falle manifester Religiosität liegen die Verhältnisse auf der Hand: Für den Glauben an Erlösungslehren mit ihren außer-empirischen Bezügen ist die Evidenzsicherung durch eine verbindliche vergemeinschaftete Praxis in diesem Glauben, bestärkt durch Riten und kultische Kollektivhandlungen und gestützt durch eine kollektiv verbindliche Symbolik, geradezu konstitutiv. In dem Maße aber, in dem die Säkularisierung sowohl durch eine Individuierung der Subjekte und eine Individualisierung ihrer sozialen Identität als auch durch ein Vordringen der rationalen erfahrungswissenschaftlichen Methodik vorangetrieben wird, schwindet zwar nicht die Verbindlichkeit von Normen und ethischen Prinzipien des Zusammenlebens, aber von Weltanschauungen und Weltbildern. Sie privatisieren sich gewissermaßen zunehmend. Schon mit der scharfen Trennung von Staat und Kirche in Europa und mit der verfassungsmäßigen Garantie der Religions- und Gewissensfreiheit setzte diese Privatisierung der Weltanschauungen und Weltbilder ein, und es ging damit zwangsläufig eine Schwächung der sozialen Verankerung ihrer Gültigkeit in einer vergemeinschafteten Praxis einher, die als politische in zunehmendem Maße auf die Loyalität zum Recht gestellt wurde, als dessen Bestandteil die Privatheit der Religiosität ja gerade normiert wurde. Damit scheint auch die Evidenzsicherung durch Vergemeinschaftung zu schwinden, und man muß sich fragen, woher die individuierten, säkularisierten Subjekte der Moderne die Evidenz für ihre impliziten Bewährungsmythen beziehen. Nach wie vor stünden ihnen dafür, wie im Falle der Religionen, die Sozialformen der kleinen Vergemeinschaftungen als Anstaltskirchen, Subkulturen, Milieus oder eben expliziten Sekten innerhalb der jeweiligen politischen Vergemeinschaftungen zur Verfügung. Aber für die säkularisierten Bewährungsmythen sind solche Sozialformen nur bedingt geeignet, denn sie widersprechen strukturell der Individuiertheit der Subjekte. Deshalb sind sie vor allem auf fundamentalistische und gesinnungsethische soziale Bewegungen beschränkt, aus denen die Mitglieder inhaltlich einen Lebenssinn ebenso beziehen wie vor allem strukturell aus der Vergemeinschaftung selbst. Aber diese Sozialformen haben eher den Charakter regressiver Fluchten vor den Ansprüchen eines individuierten Lebens und kommen deshalb für eine Lösung des Bewährungsproblems des modernen Subjekts nur unter dem Gesichtspunkt der Problemvermeidung in Frage. Sie sind nicht diese Lösung für die Zukunft.
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Nun kann man für die Leistungsethik selbstverständlich eine kollektive Verbürgung ihrer Geltung in der Arbeitsgesellschaft, die aus der bürgerlichen Gesellschaft hervorging, in Anspruch nehmen. Denn die Leistungsethik ist gewissermaßen der legitimatorische Kitt der modernen politischen Herrschaftsverbände seit langem. Die Jugendliche in unserem Material lebt vollkommen kongruent mit diesem Bewährungsmythos und hebt ihn auf die Ebene einer universalen, zumindest internationalen Gültigkeit. Wir können daran aber auch ablesen, daß die dahinter stehende Vergemeinschaftungsform in sich eine säkularisierte ist, entsprechend der Logik der Säkularisierung, die sich historisch zuerst flächendeckend in der Konstitution des Nationalstaates der bürgerlichen Gesellschaft, idealtypisch in der Französischen Revolution, vollzogen hat. Der Volkssouverän in seiner historisch konkreten jeweiligen nationalstaatlichen Vergemeinschaftung war zugleich der Träger der Leistungsethik. Verteilungsgerechtigkeit aufgrund von Arbeitsleistung wurde zu einem zentralen Prinzip. Die individuelle säkularisierte Bewährung gemäß dieser Leistungsethik schloß sich im Bewußtsein der Staatsbürger daran an, wie das individuelle Leiden an der Arbeitslosigkeit gegenwärtig zeigt. Insofern zeigt uns der erste Fall idealtypisch die säkularisierte Bewältigung des Bewährungsproblems in Begriffen einer vollständig säkularisierten, am Erfolg ausgerichteten Leistungsethik, wie sie nicht neu, sondern seit den Anfängen der bürgerlichen Gesellschaft als Bewährungsmythos thematisch ist. Neu dagegen ist der ästhetische Modus der Bewährung, wie wir ihm exemplarisch im Falle des Zinsderivatenhändlers begegnen. Sein Bewährungsmythos der Welterfahrung in distanzierter Neugierde entbehrt jeglichen dogmatischen oder normativen Inhalts, jeglicher inhaltlichen Festlegung. Die Offenheit ist zum Prinzip erhoben. Und sie auszuhalten, darin genau besteht die Bewährung. Gemessen daran verliert der faktische Berufserfolg, über den dieser Fall reichlich verfügt, an subjektiver Bedeutung. Aber woraus bezieht der Befragte die Evidenz der Geltung für diesen Bewährungsmythos, wenn für diesen eine kollektive Teilung seiner Inhalte nicht mehr impliziert und vorausgesetzt werden kann? Aus sich heraus kann dieser Mythos der Neugierde als Triebfeder der Menschheit keine Evidenz entwickeln. Diese benötigt irgendeine gemeinschaftliche praktische Basis. Könnte es sein, daß die sich als solche wechselseitig anerkennenden individuierten Subjekte, die diese Bewältigung des Bewährungsproblems in der ästhetisch-basalen Variante der distanzierten Neugierde miteinander teilen und sich darin auch erkennen und suchen, indem sie die Distanziertheit auch gegeneinander üben, in dieser Form der Anerkennung eine hinreichende Evidenzbasis für ihre Bewährungsstrategie finden? Ein kleines Anzeichen immerhin finden wir dafür im Fall des Zinsderivantenhändlers: Er schätzt das Leben in Frankfurt als Basis seiner recht abstrakten Vergemeinschaftung. Im unmittelbaren Anschluß an die zuletzt interpretierte Interviewstelle fährt er fort:
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hmhm (..) wie wü# wie würden Sie das selbst einschätzen? w was hat Sie neugierig gemacht im Leben? das is ne gute Frage (I: wo kommt das her) wo kommt Neugier her (I: hmhm) (..) ich hab nicht die Spur einer Ahnung (I: hmhm ) ich halt so was zum Teil für (..) anerzogen also ich glaube man kann en Teil davon durch Erziehung verstärken indem man eben Neugier irgendwo fördert (..) indem man den Kindern (..) Ideen liefert indem man Kinder sehr früh ernst nimmt mit denen diskutiert mit ihnen (..) ja Ideen Gedankenspiele durchspielt indem man eben kreatives und offenes Denken (..) soweit man das in der Erziehung überhaupt machen kann fördert indem man ähm en interessanten Dialog eben pflegt (..) aber ich glaube man kann so was nur partiell anerziehen ich glaube ohne ne en en Umfeld das so’n Heranwachsen möglich macht isses sehr schwer also ich glaube es is beispielsweise en Vorteil wenn man in der Stadt aufwächst (I: hmhm) wenn man sich so ne Offenheit bewahren will we# gerade Frankfurt ist’n sehr heterogener Koloß (..) Frankfurt is ich weiß nicht ich glaub es war König der mal sagte das in Frankfurt Harmonieverbot herrscht (..) das ist (I: König?) Tom König der Stadtkämmerer (I: ach so hmhm) (...) ähm das trifft sicherlich zu also Frankfurt is ne sehr sehr widersprüchliche Stadt (..) und insofern sicherlich einer der Orte wo man wo es einem leichter fällt (lachend) (..) ne toleranter und und offenen na ja ne sagen wir mal ne offene Haltung zu entwickeln (..) einfach weil es sehr schwer fällt sich hier in Frankfurt irgendwo auf seinen kleinen Kreis zurückzuziehen weil es begegnet einem jeden Tag auf der Straße irgendwas anderes (..) wenn ich irgendwo in ner in ner Kleinstadt in der Pfalz groß werden würde glaub ich isses isses leichter in nem in nem etwas geschlosseneren Kreis aufzuwachsen weil eben die Einflüsse von Draußen reduziert sind (...) das heißt jetzt weiß Gott nicht das alle Leute die in ner kleinen Stadt aufwachsen eindimensionale Wesen wären (lachend) aber ich glaub es is einfach leichter ne ne (..) en offenen Blick für für seine Umwelt zu erhalten wenn man zwangsläufig jeden Tag mit neuen Eindrücken bombardiert wird wie’s in der Großstadt der Fall ist das kann natürlich auch dazu führen das man se ganz fürchterlich findet sich verschließt aber (..) sie sind zumindest erst mal da
Passend zur Neugierde wird hier die Offenheit als Bestimmungsgrund einer Gemeinschaftsform herausgehoben. Darin können wir einen Hinweis erblikken auf eine vergemeinschaftete Praxis, die jenseits aller Bindungen an gemeinsame inhaltliche Maximen, Werte und Weltbilder immer noch übrig bleibt, um die Evidenz eines Bewährungsmythos zu sichern, der für sich selber nicht mehr in Maximen oder Glaubensinhalten mit kollektiver Verbindlichkeit besteht, sondern sich auf die Form der bedingungslosen Offenheit und der Neugierde reduziert bzw. darin abstrahierend verflüchtigt hat. Wir hatten schon betont, daß die Neugierde als das Grundmotiv der ästhetischen Erfahrung anzusehen ist, sofern wir unter ästhetischer Erfahrung ganz einfach die aufmerksame Wahrnehmung und das aufmerksame Studium von Erscheinungen um ihrer selbst willen verstehen, also den Modus der Welterschließung, der für Kinder typisch ist. Dazu gehört komplementär die ästhetische Praxis der zweckfreien Gestaltung und Darstellung des Wahrgenommenen, d.h. der Gestaltung um ihrer selbst willen. Diese folgt nicht mehr der Implementierung vorgefaßter Wertinhalte, sondern selbstgenügsam der Herstellung der stimmigen und passenden Form. In letzter Konsequenz kann, so unsere These, der bis zur völligen religiösen Indifferenz vorgedrungene säkulari-
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sierte moderne Mensch der Gegenwart sein bleibendes, der Endlichkeit seines Lebens sich stellendes Bewährungsproblem nur noch lösen, wenn er sich im Modus der ästhetischen Erfahrung und Praxis bedingungslos der Anforderung der Klarheit und Stimmigkeit in seiner Lebensführung stellt. Dazu gehören wesentlich die Klarheit der Rekonstruktion des bisherigen Lebens, das unerschrockene Eingeständnis von Brüchen und Dissonanzen, die Exposition des eigenen Lebens gegenüber dem Gesetz der Authentizität. Dazu ist die unvoreingenommene, neugierige Aufmerksamkeit gegenüber der Welt der Differenzen die Voraussetzung. Aber diese Neugierde muß sich ebenso auf das eigene Selbst und dessen Geschichte in seinen Irrwegen unvoreingenommen richten und sich in dieser Neugierde immer wieder von neuem in Frage stellen. Für diesen Bewährungsmythos ist die Einhaltung unbedingter Authentizität bis zur letzten Stunde im Sterben die oberste Maxime. Das ist sicherlich nicht ein leichter, sondern ein stark fordernder Bewährungsmythos. Der Einwand liegt nahe, es handele sich hier doch um eine luftige Konstruktion. Es fehle diesem Bewährungsmythos an ethischer Substanz, an Orientierungskraft und an Potential der Sinnerfüllung. Aber dieser Einwand geht zum einen darüber hinweg, daß der universalhistorische Rationalisierungsprozeß mit seinem ungeheuren kritischen Potential der Irrtumsbeseitigung zur Kehrseite eine ungeheure Kraft der Desillusionierung mythischer Konstruktionen entfaltet und von daher das Festklammern an konkreten Dogmen der Hoffnung auf Bewährung durch erlösende Hingabe an übergeordnete Mächte tendenziell immer mehr zu einer Regression verurteilt ist. Zum anderen übersieht er – und dies vor allem – , daß die unbedingte Orientierung an der letztlich ästhetisch zu begründenden Authentizität der Lebensführung ihrerseits ja nicht die Sinnerfüllung des konkreten Lebens durch die Hingabe an eine konkrete Sachaufgabe als Basis des sich bewährenden Lebens aufhebt. Im Gegenteil: Diese unbedingte Hingabe an eine Sache gilt für diesen Bewährungsmythos geradezu gesteigert. Aber um welche Sache es sich je individuell handelt, das kann in diesem Bewährungsmythos nicht mehr als vorgegeben in Anspruch genommen werden, das muß jede Lebenspraxis für sich selbst herausfinden. Der Zinsderivatenhändler gehört zu den wenigen Fällen in unserem bisherigen Forschungsmaterial, die diesem vom Erstautor 1995 zum ersten Mal spekulativ entworfenen Modell der Lösung des Bewährungsproblems des zeitgenössischen Subjekts (Oevermann 1995, 101f.) typologisch sehr nahe kommen. So sehr die Jugendliche der klassischen Leistungsethik als dem seit langem geltenden Typus eines säkularisierten Bewährungsmythos zugehört, der ebenfalls eine Lösung für das moderne Subjekt repräsentiert, so lassen sich doch auch an ihrem Fall schon gewisse Annäherungen an das ästhetische Bewährungsmodell feststellen. So scheint es uns nicht zufällig zu sein, daß sich der von ihr angestrebte Standard eines erlesenen Lebensstils durchaus mit ästhetischen Kriterien von Qualität verbindet. Wichtiger aber ist, daß hier die Leistungsethik in sich schon sehr abstrakt und von konkreten Inhalten ab-
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gelöst erscheint. Sie spitzt sich auf den Erfolg als solchen zu, unabhängig von konkreten Inhalten. Daß ihr das Geld so wichtig ist, entspricht dem, denn Geld ist letztlich das abstrakteste denkbare Kriterium für Erfolg, in dem alle qualitativen, inhaltlichen Differenzen schon eingeschmolzen sind. Insofern ist ihre Version der Leistungsethik eine, die in ihrer Abstraktion von konkreten Inhalten der ästhetischen Version eines Bewährungsmythos schon nahe kommt. Dazu paßt, daß ohnehin, wenn die Krise der Arbeitsgesellschaft im Sinne einer stetigen Abnahme des absoluten gesellschaftlichen Arbeitsvolumens aufgrund einer zunehmenden Wertschöpfung durch in Technologien geronnene, ehemals lebendige Arbeitskraft anhält, die an den Beruf gebundene Leistungsethik als universaler Bewährungsmythos brüchig werden wird und durch eine noch abstraktere Form einer gültigen Selbstverwirklichung für immer größere Anteile der Bevölkerung substituiert werden muß. Dafür könnte die ästhetische Version des Bewährungsmythos durchaus ein Kandidat sein. Abschließend sollte der Hinweis nicht fehlen, daß die ethischen und moralischen Aspekte der Bewährung uns hier deshalb nicht interessiert haben, weil wir der Meinung sind, daß es nicht die primäre Funktion von Religion und Religiosität ist, die Sittlichkeit des gesellschaftlichen Lebens zu sichern. Wenn das früher mit Religion automatisch verknüpft war, dann vor allem deshalb, weil beide, religiöse Praxis und Sittlichkeit des sozialen Lebens, gemeinsam an die Strukturlogik der Vergemeinschaftung geknüpft sind und weil im vormodernen Leben ein Entwurf einer säkularen Konzeption und Begründung von Sittlichkeit außerhalb der Religion schlicht nicht denkbar war. Aber nicht zuletzt unsere konkreten Fälle zeigen, daß eine sittliche Bindung und eine Gemeinwohlverpflichtung auch bei vollständiger Säkularisiertheit des Bewußtseins problemlos gesichert, also auf religiöse Inhalte nicht angewiesen ist. Die eigentliche Funktion der Religionen ist es weder, die Sittlichkeit des gesellschaftlichen Lebens zu sichern, noch, Sinn als solchen zu stiften, sondern – abstrakt gesprochen – für die Bewältigung der grundsätzlich nicht still stellbaren Bewährungsproblematik jeder konkreten Lebenspraxis eine Hoffnung zu eröffnen, konkret ausgedrückt: das Skandalon des Todes zu bewältigen. In diese Funktion der Bewältigung des Bewährungsproblems ist selbstverständlich eine Ethik der Lebensführung entsprechend den sittlichen Geboten eingeschlossen, aber diese Gebote sind gewissermaßen nur die Leitlinien eines würdigen Lebens, nicht die Bewältigung des Bewährungsproblems selbst. Das Bemühen um diese Bewährung, das als solches durchaus einem Eigeninteresse folgt, ohne egoistisch zu sein, bindet im übrigen die widersprüchliche Einheit der Eigeninteresserationalität und der Rationalität der Gemeinwohlbindung zusammen, indem sie dafür sorgt, daß die Bemühung um ein bewährtes Leben sich nur in den Grenzen der ethischen Gemeinwohlbindung vollziehen läßt.
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Wir brechen die Vorstellung der Fälle aus Zeit- und Platzgründen an dieser Stelle ab. Der nächste noch religiös indifferente Fall, der „Hanauer“, repräsentiert wieder eine andere Variante eines Bewährungsmythos, die dem Zinsderivatenhändler nicht unähnlich ist. Seine Grundhaltung zum Bewährungsproblem besteht auch in einer gewissen intellektuellen Neugierde, die sich allerdings von vornherein auf „große Fragen der Wissenschaft“ kapriziert und in dieser Zuspitzung die Selbstthematisierung des Bewährungsproblems eher zudeckt im Sinne einer Krisenverdrängung. Deshalb ist die Neugierde dieses Falles eher durch eine forcierte Grundhaltung der „Coolness“ um jeden Preis geprägt. Entsprechend ging dieser Befragte in seiner Biographie mit den Lebenskrisen der Berufsfindung und der Familiengründung um. Er distanzierte sich von ihrer Konkretion dadurch, daß er sie allgemeinen theoretischen Betrachtungen subsumierte. So ließ er sie gar nicht richtig an sich herankommen. Seine bevorzugte Lebensform war die des erotischen Genusses einerseits und des über Insiderwissen verfügenden Computerspezialisten im Laienstande andererseits.
6. Methodische Schlußbemerkung Lassen Sie uns mit einer methodischen und darstellungsstrategischen Bemerkung schließen. Wir haben hier mit einem theoretischen Strukturmodell von Religiosität eingesetzt, das seinerseits auf empirische Fallrekonstruktionen zurückgeht und als solches hier, außer in den paar skizzierenden Strichen, in denen es hinsichtlich seiner Implikationen für die Säkularisierungsdebatte vorgestellt wurde, vorausgesetzt werden mußte. Wir haben dann bezüglich des Kriteriums religiöser Indifferenz: nämlich der Überzeugung, daß nach dem irdischen Tode kein weiteres Leben, welcher Art auch immer, zu erwarten ist, daß also das Jenseits des konkreten Lebens leer bleibt, außer man denkt an den irdisch weiterwirkenden Nachruf und die irdisch weiterwirkenden Folgen des konkreten Lebens, in einer Skala zunehmender Radikalität Beispiele eines säkularisierten Bewußtseins vorgestellt und dann in umgekehrter Sequenz, ausgehend vom reinsten Fall der Indifferenz, die damit verbundene Biographie, Sozialisation und einbettende Grundhaltung zu den existentiell bedeutsamen Lebensfragen rekonstruiert. Wir haben also diese Fallrekonstruktionen als Feld der Überprüfung des Modells und zugleich der Exploration der Lösung des spezifischen Bewährungsproblems des vollständig säkularisierten Lebens benutzt. In diesem beständigen Hin und Her zwischen theoretischer Konstruktion und empirischer Rekonstruktion, wovon wir hier nur einen Ausschnitt darstellen konnten, haben wir weder bloß theoretische Gedanken ausgelegt, noch grobe Antworten auf standardisierte Fragebatterien verkodet und eingeordnet, sondern konkrete Individuen des gegen-
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wärtigen Alltagslebens ausführlich sprechen lassen und deren spontane Selbstdarstellung, evoziert in einem nicht standardisierten Interview (weder ein biographisches noch ein narratives oder welches methodische Muster auch sonst) ernst und wörtlich genommen als eine konkrete Wirklichkeit, in der sich unser Untersuchungsgegenstand: Religiosität unter den Bedingungen der säkularisierten Welt, wie verschlüsselt und verborgen auch immer, verkörpert und zum Ausdruck bringt. Wir haben also, wenn man so will, die spontanen Aussagen dieser Fälle wie einen theoretischen Text sorgfältig zu lesen versucht und damit angestrebt, soziologische Theorien der Religiosität material zu füllen.
7. Bibliographie Oevermann, U. (1995): „Ein Modell der Struktur von Religiosität. Zugleich ein Strukturmodell von Lebenspraxis und von sozialer Zeit.“ in: Wohlrab-Sahr, M. (Hg.): Biographie und Religion. Zwischen Ritual und Selbstsuche. Campus, Frankfurt am Main. 27-102. Oevermann, U. (1996): „Strukturmodell von Religiosität.“ in: Gabriel, K. (Hg.): Religiöse Individualisierung oder Säkularisierung: Biographie und Gruppe als Bezugspunkte moderner Religiosität. Kaiser, Gütersloh. 29-40. Oevermann, U. (2001a): „Bewährungsdynamik und Jenseitskonzepte – Konstitutionsbedingungen von Lebenspraxis.“ in: Schweidler, W. (Hg.): Wiedergeburt und kulturelles Erbe. Academia, St. Augustin. 289-338. Oevermann, U. (2001b): „Die Krise der Arbeitsgesellschaft und das Bewährungsproblem des modernen Subjekts.“ in: Becker, R. / Franzmann, A. / Jansen, A. / Liebermann, S. (Hg.): Eigeninteresse und Gemeinwohlbindung. Kulturspezifische Ausformungen in den USA und Deutschland. UVK, Konstanz. 19-38. Oevermann, U. (2003): „Strukturelle Religiosität und ihre Ausprägungen unter Bedingungen der vollständigen Säkularisierung des Bewusstseins.“ in: Gärtner, C. / Pollack, D. / Wohlrab-Sahr, M. (Hg.): Atheismus und religiöse Indifferenz. Leske+Budrich, Opladen. 339-387. Swatos, W. H. Jr. / Olson, Daniel V. A. (2000): The secularization debate. Rowman&Littlefield Publishers (Co-published with the Association for the Sociology of Religion), Lanham, MD.
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Explaining religious vitality: Theoretical considerations and empirical findings in Western and Eastern Europe 1. Preliminary theoretical considerations If, thirty or forty years ago, a social scientist had tried to determine the social position and development prospects of religion and the churches in modern societies, he would probably have relied on the secularization theory. This theory assumes that the modern age and religion are in a strained relationship, and that the more modern a society is, the less socially relevant religion and the churches become. Industrialization, tertiarization – the growth of the service industry – urbanization, increasing prosperity, higher education levels, greater mobility, rationalization, cultural pluralism, individualization – all these factors and whatever other processes are normally viewed as being typical of modernity have, so say the secularists, a negative effect on the continued existence of religion. Once part of the classic repertoire of the sociology of religion the secularization theory is now being increasingly criticized by historians, sociologists and political scientists – and most significantly, by sociologists of religion. Their disapproval focuses on the one-track nature of the assumed correlation between modernization and secularization, on the reduction of religiosity to its institutionalized forms and on the inability of the secularization theory to recognize and accurately interpret reverse trends in the religious field, in other words processes where religion is gaining in significance. In the German-speaking world, for instance, sociologists of religion such as Thomas Luckmann (1963; 1991) and Karl Gabriel (1992) claim that what is happening in modern societies is not a loss of significance of religion, but rather a transformation of the form of religion and religiosity. They admit that the social integrative power of the traditional and institutionalized forms of religion, the Christian churches, is declining. But this, they say, is not loss of faith en masse, but rather evidence that the religious field has been expanding, so that nowadays one finds religion where it would not have been expected previously: in the cult of the individual, in sport, in tourism, in the entertainment industry, in psychocults or New Age, esoterism or occultism. For these sociologists, religion today is less institutional and more individual, privatized and largely syncretic in character. The British sociologist of religion Grace Davie (1994) coined the expression “believing without be-
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longing” to describe this new form of non-institutionalized religion – a catchphrase now often used to describe religious orientation in the modern age. Similar arguments have been advanced by other European sociologists of religion – Danièle Hervieu-Léger (1990) in France, Michael Krüggeler (1993, Krüggeler/Voll 1993) in Switzerland or Roberto Cipriani (1989) in Italy, to name a few – who also note a greater diffusion of the religious field and reject the secularization theory. Danièle Hervieu-Léger (1990) feels that the modern age is itself productive for religion. Modern society, she claims, does more than merely give rise to religiously charged political utopias of indefinite progress and individualistic religious forms focusing on modern values such as subjectivity and self-realization: between its utopias of endless progress and the limited character of its political, scientific and technological realizations, it inevitably leaves a gap that, again and again, is filled by religious ideas. Hardly any of the approaches of the sociology of religion currently discussed is still based on the secularization proposition, which used to be part of the classical repertoire of the sociology of religion. The weightiest criticism of the secularization theory, however, comes not from Europe, but from the USA. Sociologists of religion such as Rodney Stark and Roger Finke (1988; 1992), Laurence Iannaccone (1991, Stark/Iannaccone 1994) or Stephen Warner (1993) claim that if the modern age is productive for religion, it is not only because it always falls short of its own projections, but also because its central principles are gaining ground in the religious field. The central principle that stimulates religious productivity, they say, is the economic principle of competition. The more pluralistic the religious field becomes and the more market-oriented its organization, the more religious vitality is fostered: under competitive conditions, the providers of religious services are forced to face the particular challenge of retaining their members and of attracting new members, of responding to the needs of their clientele and offering efficient services. If one particular church holds a religious monopoly, however, its officials become indifferent and lazy and lose their ability to be socially responsive. Much like in business, competition is good in religion, too. Besides, customers who are dissatisfied with a religious product in a pluralistic religious market can look for another religious product to better suit their needs, while their only alternative in a monopolistic religious structure is to turn away from religion altogether. The prerequisite for the creation of a pluralistic religious market – according to the supporters of the economic market model – is the strict separation of church and state. Free and fair religious competition, they claim, can only develop under conditions where the state allows the religious market free rein and refrains from favouring any religious group above the others. Only then can new religious groups have access to the market and compete with more traditional groups without incurring excessive start-up costs. And
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once the religious field has filled with a variety of religious products, the level of religious commitment will rise and religion will develop a vitality that it could not have achieved under monopolistic structures. This contradicts some of the standard assumptions of the secularization theory: rather than losing stability as a result of modernization, religion stands to profit from processes of modernization and pluralization as well as from the individualization accompanying it. It is therefore not a coincidence that supporters of the economic market model claim that cities have more religious vitality than rural areas. They see religion not as an entity safeguarded by tradition, handed down from generation to generation and tied to premodern times, something that processes of rapid social change can only adversely affect – in other words as a dependent variable – but rather as an independent variable capable of organizing itself, with the special resources needed to mobilize its adherents and ultimately not dependent on changing consumer demand. This concept postulates that religion is always in demand; the main point is that this demand must be satisfied, and that this is something competing religious providers are in a better position to achieve than a single, monopolistic religious group. The economic market model is a “supply-side approach” based on resource mobilization; it pays little attention to religious convictions and needs, to preferences – in other words to the demand side – and attaches great importance to incentive and opportunity structures and, quite along the lines of a rational-choice approach, to social restrictions. The decisive difference between this model and the interpretation of religious change according to the secularization theory is that here the focus is not on the difference between modern and pre-modern but rather on the difference between state regulation and deregulation of the religious field. The reactions of Steve Bruce (1992; 1996; 1999), Frank Lechner (1997) and others have shown that this new economic model propounded by American sociologists of religion is being treated as a serious challenge to the secularization theory. Admittedly, a number of critical questions emerge immediately. Is it really true that the clergy of denominations with a religious monopoly is more careless and less committed than the clergy of less established groups? Can it be empirically verified, for instance, that priests in the Catholic or Lutheran churches in Germany, in other words in religions supported by the state, are less committed than preachers and evangelists in smaller sects and religious groups in the United States, where there is a much stricter separation of church and state? Do the representatives of the traditional churches do less to meet the interests and needs of their members? Is state support of religious denominations always a negative factor, or can it also give these communities a quite significant advantage? David Martin (1996) demonstrates that, for religious monopolists, damage often began with the loss of their competitive advantage, and that state
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support until such time had actually been helpful. The question that needs to be asked, therefore, is: How do various degrees of state regulation of the re-
ligious field affect the vitality of religion and church? A second question is linked to the claim that religious pluralism and competition strengthen the religious vitality of a society while an absence of plurality and competition in the religious field has a weakening effect. This claim contradicts the assertion of Peter L. Berger (1973; 1980), who has demonstrated that religious ideas and attitudes are easier to retain when they are socially supported and confirmed by a plausibility structure. According to Berger, people feel strengthened in their faith when they see that other people in their environment – neighbours, friends, family members, people who are important to them – think like them. In contrast, the pluralization of religious ideas and traditions relativizes individual religious convictions and ideologies and makes them lose their unquestioned plausibility, a particularly important factor in view of the non-empirical character of religious ideas. Monopolistic religious conditions are more favourable to the survival of unquestioned plausibility structures than religious pluralism. At the same time, there are several arguments in favour of the rational-choice theory, whose advocates claim that the side-by-side existence of various religions and denominations forces the believers of any one group to be more self-assertive, to develop a more clearly defined profile and to make greater efforts to maintain their identity. Religious commitment is often higher in the minority situation of a diaspora than when the members of a particular denomination constitute a majority. Theoretically, pluralization should be regarded as being able to have either effect: weakening or strengthening religious activity. Here again, empirical work is needed to investigate the real effects of religious pluralization. The third issue needing to be examined is whether the degree of separation of church and state and religious pluralism are the only factors that affect the vitality of the religious field, or whether other factors must be included in the explanatory model we want to build, for instance the proportional number of Catholics in a society, the degree of modernization – measured on the basis of education or prosperity levels, urbanization, tertiarization or technicization, the extent of regional mobility, the extent and intensity of religious education in families, etc. A single-factor model such as the one suggested by Iannaccone (1991) and Chaves/Cann (1992) can surely provide no more than a restricted explanation for the sometimes complex, contradictory and ambiguous transformation processes in the religious field. This paper therefore hopes to provide answers to the following three questions: a)
How does the degree of church-state separation influence the mobilizing force of religion and the churches?
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b) How does the extent of religious pluralization affect the vitality of religion and the churches? c) What other factors affect the degree of secularization of a society? Until now, discussion on the influence of the state/church relation has centred on western industrial societies, particularly the USA. Reducing the great variety of possible patterns to only a few has had a significant effect on the results obtained so far. In order to break this restricted view, we want to include the countries of Eastern Europe in our considerations and draw an innerEuropean comparison. How the three questions are to be answered will be described in the following section.
2. Operationalizing the questions and the problems this entails Let us form the dependent variable of our investigation relatively conventionally. We will measure the vitality of religion by looking first at the frequency of church attendance on Sundays as an indicator of church affiliation, then at trust in the church as an indicator of the acceptance of the church as a social institution, and finally at the dissemination of belief in God as an indicator of Christian religiosity. Variables to measure non-church and nonChristian religiosity could also be constructed, but the limited scope of this paper prevents us from looking into these aspects at this time. As a first independent variable, we must develop a means of measuring the separation of church and state. This index can be based on the model proposed by Chaves and Cann (1992), with the difference that in our case it will not exclude central areas of state regulation of the religious field such as education, academia, the military and the police. These are areas where religious groups often clearly experience unequal treatment, and if it is indeed the privileged status of one or several denominations that prevents competition between them, then it is exactly this institutional preferential treatment that must be methodically examined. The extent of legal separation of church and state will be measured on the basis of the following five criteria, listed here with their respective valencies: a) the existence of a state church (2 points) b) the existence of theological faculties at state colleges or universities (1 point) c) religious education (subsidized by the state) in state schools (2 points) d) the existence of military and/or prison pastoral care (1 point) e) tax preferences for the churches, financial support (2 points)
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Our second independent variable will be a measure of religious concentration. Our decision is to take the percentage of the majority denomination in a country. This indicator reflects the historical grounded dominance of one denomination. One effect of more concentration is more absence of a plural religious culture. This indicator is clearer than the Herfindahl index, whose applicability to measure religious pluralism has been convincingly criticized by Voas, Olson and Crockett (2002). We also assume that the percentage of Catholics in a region will affect the vitality of the religious field, as Catholics traditionally display closer ties to church and faith than Protestants. This indicator represents long-term religious traditions at the macro-level, in other words at the level of cultural circles. Our fourth independent variable will be an index for modernization, as a number of empirical studies have shown that education, urbanization, increased prosperity, etc. have an effect on church attendance and belief in God (Martin 1978, Bruce 1992). Our indicators for economic development will be a country’s gross domestic product per capita as well as the rank of the country in the Human Development Index, which includes not only GDP but also other variables such as life expectancy and degree of adult literacy. Finally, we must also assume that the religious education children receive in their families affects their acceptance of religious ideas and practices in adult life. The answer of respondents to the question of whether they had a religious upbringing serves as the indicator for religious socialization. To interpret the subjective survey data on which some of the indicators are based, we will draw on the results of the 1991 and 1998 International Social Survey Program, 1998 World Value Survey and the year 2000 study on “Political Culture in Central and Eastern Europe” carried out by me and some collaborators of mine.
3. Overview of the distribution of the main variables Before we can analyse the influence of various factors on the differences in degree of religiosity and church affiliation in Eastern and Western Europe, we must look at the distribution of the variables used. First the dependent variables: the distribution of frequency of church attendance, belief in God and trust in the church in Western and Eastern Europe. These data will also provide a brief overview of the situation of religion and the churches in Western and Eastern Europe as a whole.
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Chart 1: Indicators for religiosity and church affiliation – a European comparison Belief in God
Italy Portugal Spain Ireland France Austria Netherlands Switzerland Germany (West) Great Britain Northern Ireland Sweden Denmark Norway Poland Slovakia Slovenia Hungary Germany (East) Czech Republic Latvia Estonia Albania* Romania* Bulgaria Russia
1991 86
95 78 55 67 69 95
60 95 61 64 25
47
1998 88 92 82 94 52 81 59 73 62 68 89 46 57 58 95* 77* 61* 67* 24* 32* 72 47* 86* 98* 66* 63*
Frequency of church attendance 1991 1998 24 21 20 22 18 19 41 38 7 8 18 16 11 10 11 10 13 10 11 10 27 5 5,5 5 5 5 5 37 33* 22 20* 14 11* 8 8* 3 3* 9 5* 6 7 3,5* 8* 17 14* 6 6* 4 4*
Trust in Church 1991 +27
-2 -14 -21 -8 -22 +23
+1 +6 -3 +25 -31
+67
1998 +5 +21 -3 -1 -38 -14 -14 +8 -14 -22 -23 +1 -3 +23 +8 -21 +1 -45 -31 +9
-24 +4
Source: Author’s calculations based on ISSP 1991 and ISSP 1998; World Value Survey 1998; * PCE-Study 2000; Belief in God = Belief in God in percent; Church attendance = number of Church attendances per year based on the population’s average; Trust in Church = ratio of people with trust in the Church minus ratio of people without trust in the Church on a 5-point scale.
The first conspicuous result of a comparison of church affiliation and religiosity data in Western and Eastern Europe is the greater diversity of the religious situation in Eastern Europe as compared to Western Europe. There is no Western European country where church attendance and belief in God are as low as in the eastern part of Germany, in the Czech Republic or, to some extent, Estonia. At the same time, Poland and Romania are among the European countries with the closest ties to church and religion. It is certainly correct to assume that the high degree of disaffection with the church in the eastern part of Germany or in the Czech Republic, for instance, is primarily due to the repressive policies of the Communist regimes towards the church. However, another conspicuous result of our comparison is that some Eastern European countries, in spite of decades of atheist indoctrination, have
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a considerable percentage of believers in God – Albania for instance, whose Communist rulers once claimed it was the world’s first totally atheist country, or Russia, where the percentage of believers surged in the late eighties (not shown here) and rose dramatically once again in the course of the nineties. Finally, we should note that among traditionally Catholic countries in Western Europe, those with the highest degrees of modernization are those where church involvement is lowest. This is shown by a comparison of figures for church attendance and belief in God in Ireland, Italy, Spain and Portugal with the figures for France or Austria. The same pattern can be observed in the Catholic countries of Eastern Europe, with Hungary and Slovenia more secularized than Poland or the Slovak Republic. Differences are even greater in countries that are, or used to be, mostly Protestant – for instance the former East Germany compared to Latvia or Estonia, or the figures for the highly developed Scandinavian countries. If we look at the degree of legal separation of church and state (chart 2) – once again in an east/west comparison – we see at first glance that a high degree of secularization can be combined with either a sharp division of church and state, as in France, or a high level of state regulation, as in Norway. In Eastern Europe, too, low levels of religiosity and church affiliation such as in Russia or the Czech Republic can be found in countries with both high and low degrees of state regulation.
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Chart 2: Criteria for the degree of legal separation of church and state (selected countries) Existence Existence of of a State theological Church (2) faculties at state colleges or universities (1) Italy Portugal Spain Ireland Austria France Great Britain Netherlands Germany Norway Sweden Denmark Poland Hungary Czech Republic Russia
0 0 0 1 1 0 2 0 1 2 2 2 1 0 0 0
1 1 1 0 1 0 1 1 1 1 1 1 0 0 1 0
Religious education (subsidized by the state) in state schools (2)
Existence of military and/or prison pastoral care (1)
2 2 2 2 2 0 2 1 2 2 2 1 2 2 2 1
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0
Tax Total benefits for the churches, financial support (2)
2 1 2 1 0 1 0 1 2 2 2 2 0 2 2 0
6 5 6 5 5 2 6 4 7 8 8 7 4 5 6 1
Source: Author’s composition of several sources.
The following table once again lists the variables already presented but adds modernization and pluralization indicators. There are clear differences in percapita GDP and Human Development Index figures between Eastern and Western Europe. We must take note of these differences when we look at the influence of modernization on religiosity and church affiliation, as there are both highly developed countries like Sweden and Norway and less developed countries like the eastern part of Germany and the Czech Republic among the more highly secularized countries. Nor does the degree of religious concentration have a particularly clear effect: it is high both in Poland and Ireland, where religiosity is high, as well as in Norway, where religiosity is low. These considerations already lead us on to the question that interests us most, the search for an explanation of the differences in religiosity and church affiliation.
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Chart 3: 17 selected countries – descriptions of central control indicators Attend
Trust
21 19 22 38 16 8 11 10 10 5 5 5 3 33 4 8 5
60 48 63 72 50 50 45 39 32 47 48 53 39 84 65 56 43
Italy Spain Portugal Ireland Austria France Great Britain West Germany Netherlands Denmark Sweden Norway East Germany Poland Russia Hungary Czech Republic
Belief GDP p.C. HDI- Conc. rank 48 19363 21 98 60 14324 11 99 46 12326 31 97 50 16061 17 93 32 21322 13 80 20 20510 2 80 22 19302 14 34 23 19675 (4) 43 26 19238 6 34 12 21983 18 86 14 19782 10 65 18 21346 3 88 9 5600 (44) 28 70 5002 58 95 24 4828 67 37 31 6437 48 67 17 9201 39 40
Cath. pop. 98 99 97 93 80 80 9 43 34 0 1 1 5 95 0 67 40
C-S Rel. Rel. Soc. 6 99 6 98 5 98 5 100 5 97 2 84 6 90 7 93 4 76 7 91 8 87 8 95 7 47 4 99 1 15 5 90 6 61
Source: Own composition
Attend Trust Belief GDP p. C. HDI Conc. Cath. pop. Prot. pop. C-S Rel. Rel. Soc.
= General Attendance in Church – Total per person per year = Trust in Church (World Value Survey 1998) = Belief in a Personal God = Gross Domestic Product per Capita = Human Development Index (higher rates represent less prosperity) = Religious Concentration = Percentage of Catholics in the population = Percentage of Protestants in the population = Church-State Relationship (1 no regulation – 8 complete regulation) = Religious Socialization in Percent of the population
4. Attempt at an explanation Looking at the figures for gross domestic product per capita and frequency of church attendance, we note that there is no overall correlation (chart 4, cf. also chart 8). If we examine Eastern and Western Europe separately, however, we see a clear correlation in Western Europe (chart 5), while the situation in Eastern Europe remains unclear (chart 8). At least for Western
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Europe, we can see that as economic prosperity rises, closeness to the church – measured on the basis of frequency of attendance – declines. In Eastern Europe there is a negative correlation between belief in God respectively trust in church and modernization, but no correlation between frequency of church attendance and modernization. With Eastern Europe still in the process of catching up, it could be that modernization trends there have not evolved enough for a clear pattern to emerge. It would seem that, in Eastern Europe, factors other than modernization processes have stronger effects on the religious field.
Chart 4: Church Attendance and GDP per Capita
Source: ISSP 1998
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Chart 5: Church Attendance and GDP per Capita (only Western Europe)
Source: ISSP 1998
One cannot fail to notice the correlation between religious socialization and religiosity and church affiliation (charts 6 and 7, cf. also chart 8). Respondents who had a religious upbringing have, as adults, a stronger tendency towards religiosity than those who did not to retain their connection to their church and to their faith.
Explaining religious vitality Chart 6: Belief in God and Religious Socialization
Chart 7: Church Attendance and Religious Socialization
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But what about the two variables that interest us most: the influence of religious pluralism and of the church/state relationship on the vitality of the religious field? Religious concentration does affect religiosity and church affiliation, but not in the expected direction (charts 8 and 9): higher levels of religious concentration raise the probability of church attendance rather than causing it to decline. This is true of Eastern Europe, at least (chart 8). In other respects the degree of religious pluralization has no significant effect. This may be linked to the ambivalence of the effect of religious pluralization mentioned above: whenever homogenously religious societies open up, competition among the various religious groups grows, and this encourages them to increase their religious activities. However, the pluralization process can also be linked to a tendency to reciprocal relativization among the various denominations and thus to a loss in strength. This effect is not clear. In Europe as a whole, at least, religious denominations seem more likely to suffer from processes of religious pluralization than to profit from them. The formula applying here, more or less, seems to be that religious faith and religious practice, at least as far as the traditional churches are concerned, need social confirmation. Similar results were achieved by Roland Campiche (2002) in his analyses. Like other sociologists (Olson 1999), he found that high levels of religious pluralism could be equated with low church attendance rates. And even as far back as 1992, Chaves and Cann were able to show that religious pluralism had no effect on church attendance if the analysis is controlled for church/state relationship. All of this boils down to the question of the effect of state regulation on church affiliation and religiosity in the operationalization applied here. As charts 8 and 10 show, the correlations are, however, not significant. We see countries such as Russia and France, where there is strict separation of church and state and where the rate of church attendance is low, and other countries where the state does exercise strict regulation of the religious field but the rate of church attendance is nevertheless also low. The most advantageous situation for religiosity and church affiliation seems to be when there is a medium degree of separation between church and state, as evidenced by the roof-shaped distribution of countries in chart 10. But even this correlation is not perfect, as there are also countries with low church attendance rates in the middle range.
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Chart 8: Correlations of Indicators of Religiosity and their Reasons (Aggregate-Level) Europe Church Attendance Trust in Church Belief in God Western Europe Church Attendance Trust in Church Belief in God Eastern Europe Church Attendance Trust in Church Belief in God
GDP p.c.
HDI
Concentr.
n.s. -.51 n.s.
Rel. Soc. .53 n.s. .55
n.s. -.41 n.s.
.50 n.s. .48
Cath. pop. .71 .36 .77
Prot. pop. n.s. n.s. n.s.
C-S Rel. n.s. n.s. n.s.
-.58 -.37 -.50
-.52 -.54 -.63
.64 .75 .70
n.s. n.s. n.s.
.74 .68 .74
-.98 n.s. -.82
n.s. n.s. n.s.
n.s. -.53 -.46
n.s. -.52 -.60
.64 n.s. .51
.56 n.s. n.s.
.70 n.s. .84
n.s n.s n.s
n.s. n.s. n.s.
Source: Own composition; European Religion Aggregate File; coefficient is Pearson’s r, n in general > 17*** cases; n.s. = no significant correlation.
GDP p. C. HDI Rel. Soc. Concentr. Cath. pop. Prot. pop. C-S Rel.
= Gross Domestic Product per capita = Human Development Index = Religious Socialization in Percent of the population = Religious Concentration = Percentage of Catholics in the population = Percentage of Protestants in the population = Church-State Relationship
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Chart 9: Church Attendance and Catholics
Chart 10: Church Attendance and Church-State Relations
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Should we conclude that the relationship between church and state has absolutely no effect on the vitality of the religious field? If we use the Chaves and Cann (1992) classification, we see a slight effect on church attendance (see chart 11), namely that greater state regulation causes a decline in church attendance. More generally, we could also say the closer a church is to the state, the more it can expect its social acceptance and integrative capacity to be diminished.
Chart 11: Church attendance and church-state relations (according Chaves/ Cann) 40 Ir
30 Por
Church Attendance 1998
20
It
E Au Nl
Swz
10
F
GB
WGer S No Dan
0 -1
0
1
2
3
4
5
6 7 Rsq= 0,3660
Church state relations according Chaves/Cann
Source: ISSP 1998
The reason for this, at least in Europe, does not seem to be that greater closeness between church and state leads to diminished competition between the churches and religious groups whose religious vitality rather tends to be weakened by pluralization processes (charts 8 and 9), but that this greater closeness brings the church closer to political power, so that it is then identified with some political interests above others. The relative effect of the degree of separation between church and state does not seem to be explained by the market model, but rather by a political argument. If the church comes too close to the state, it starts to be perceived as an institution of power, so that many, particularly the socially underprivileged, no longer see it as representing their interests: the church then finds itself standing vis-à-vis the “people” as a quasi-state institution, and it can expect to experience the same mistrust as the state – though of course this does not stop people from placing
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great hopes in it, as they do in the state. Interlocking church and state functions need not be damaging to the church, insofar as the church can use such interlocking to further its integration into society and to broaden its contact to society. And there is simply no reason why providing religious education in state schools or pastoral care in the army should have negative effects on church vitality. Such activities enable the church to play a role in society and reach people in places it would normally not have access to. But links with state institutions will damage the church if it attempts to exert political or social power, if it speaks out on political issues and is identified with the state. The autonomy of religious denominations as regards their content and institutional forms and their willingness to respect the functional autonomy of other social areas are therefore an important precondition if they want to play a role in modern society. A glance at the evolution of religion and the churches in many Eastern European societies after 1989 will show the importance of keeping religion and politics separate – but also morality and religion, or law and religion – for the social efficacy of religious denominations. Misreading the new social circumstances after the collapse of Communism, a number of churches believed that the time had come for them to set themselves up as guarantors of social morality, to offer models of world interpretation involving obligations for the whole of society, and to get involved in politics. During the political and social upheavals of 1989/90, many Eastern Europeans expected the churches to fill the social vacuum that had evolved and take on functions of social orientation. People in many countries had very high hopes regarding the social functions of the churches. They wanted the churches to take a stand on unemployment, on pollution, racial discrimination and other social injustices (Zulehner/Denz 1993, 23). Even in countries where religion had been quite irrelevant, such as Russia or East Germany, trust in the church was relatively high at this time (ISSP 1991, Variable 23). By now most people, at least in the central part of Eastern Europe, follow patterns we know from Western Europe and reject any influence of the church on politics, the government or citizens’ behaviour at the polls (chart 12).
Explaining religious vitality
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Chart 12: Indicators for religiosity – a European comparison Frequency of church attendance
Italy Portugal Spain Ireland France Austria Netherlands Switzerland Germany/W. Great Britain N. Ireland Sweden Denmark Norway Poland Slovakia Slovenia Hungary Germany/E.. Czech Republic Latvia Estonia Albania Romania Bulgaria Russia
1991 / 24 20 18 41 7 18 11 11 13 11 5 5 5 37 22 14 8 3 9 6
17 6 4
Trust in Church
98 1991 / 21 +27 22 19 38 -2 8 16 -14 10 -21 10 10 -8 10 -22 27 +23 5,5 5 5 +1 33 +6 20 11 -3 8 +25 3 -31 5 7 3,5 8 14 6 4 +67
Belief in God
98 1991 / +5 86 +21 -3 -1 95 -38 -14 78 -14 55 +8 -14 67 -22 69 95 -23 +1 -3 60 +23 95 +8 -21 61 +1 64 -45 25 -31 +9
-24 +4
47
98 88 92 82 94 52 81 59 73 62 68 89 46 57 58 95 77 61 67 24 32 72 47 86 98 66 63
Religious leaders should not interfere with elections
Churches have too much power
1991 / 98 84 84 81 83 76 82 85 85 87 74 77 77 85 77 74 74 72 76 70 84 68 78 76 78 76 71 80 69 82 80 80 76 80
1991 / 1998 45 (11) 48 (10) 27 (11) 45 (11) 38 (12) 45 (6) 30 (10) 42 (2) 34 (5) 23 (8) 23 (11) 30 (11) 48 (5) 47 (7) 28 (12) 31 (10) 37 (18) 44 (9) 23 (10) 15 (4) 26 (9) 32 (7) 61 (3) 60 (4) 29 (16) 27 (9) 48 (11) 14 (34) 23 (23) 34 (8) 47 (9) 13 (31) 7 (39)
52
87 80
7 (63)
10 (73) 22 (30)
Source: Author’s calculations based on ISSP 1991 and ISSP 1998; agreeing answers; residual answers “disagree” and “neither- nor”; for “Churches have too much power” in parenthesis “too little power”, residual category “quite right”.
Even in a country as highly religious as Poland, it has done the Roman Catholic Church more damage than good to try to influence voters’ decisions at election time or to make moral pronouncements on how people should behave and expect them to be obeyed (Pollack 1998; 2001). Modern society is
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functionally differentiated, and churches, like other social actors, must respect the independence of non-religious areas. Under Communism, churches could still take on functions that were directly political. At the time, every religious act was in fact a political act, as it deviated a priori from the norms and expectations of the repressive political system. Whether we are talking of believers in Poland going on a pilgrimage or peace groups in the GDR standing in front of a church with candles in their hands, even the smallest deviation from what was politically expected could produce enormous political effects. At a time when Communist regimes were arrogating political power the population actively wanted the church to take on political functions. With their public statements and their religious activities, the churches in Poland, Czechoslovakia and the GDR became the advocates of society visà-vis the dictatorial systems of state socialism. Nowadays, whenever churches want to respond to, or even represent, the interests of the population, they must keep a certain distance from politics. There is no need for them to keep out of social, economical or political issues altogether, but they must steer clear of any activity that could give the impression that they had political interests of their own or, even worse, that they were siding with the state. This would make them a political party, and they would lose their attractiveness for many who hold other political views.
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Comparative Secularisation North and South 1. Introduction I have been asked to restate my understanding of secularization based on my enquiries over nearly forty years, since I raised the issue in 1965. Minimally that means I have to provide a brief account of my A General Theory of Secularisation (Martin 1978; 1990; 2002) and its subsequent extension in two books about Latin America, and some marginal extensions into Africa. After that I need to devise a fresh approach. That will be based first of all on a tour through the peripheries of Europe around the compass, northwest, northeast, southwest and southeast. This will illustrate some of the analytic principles I believe important. A linking section on Turkey discusses a semi-westernised Islamic country mainly to raise the question of how far secularization applies outside a Christian context. I come then to the main section of the essay which turns on comparisons between two versions of the Protestant north, North America and northern Europe, and two versions of the Catholic south, Latin America and Latin Europe. From time to time I try to indicate my most recent approach, which is to translate the process of secularization, notably the key component of social differentiation but also centre-periphery dynamics, in three dimensions. This I do by reference to the changing dispositions of sacred and secular space in cities and their architecture, including architectural style.
2. A General Theory in Summary Like most important concepts, such as God and religion, secularization is semantically rich, contradictory and paradoxical, as well as saturated in resonances, many of which have to do with the immanent direction of history. A theory of secularization therefore has to delimit its meaning and reduce the resonances. In my own General Theory I dealt mainly with Christianity as institution, belief and practice, in its positive and negative relationships with modernity. Rather than rely on the broad abstract processes believed to bear on secularization, like rationalization or privatization, I concentrated on the theory of social differentiation in relation to a number of key historical filters. These historical filters were crucial since they served to direct, deflect or in-
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flect secularization in this way and that. The most important and decisive filters were in fact Protestant northern Europe, Protestant North America, Latin Europe and (as later developed) Latin America, and I was especially exercised by the effect of varying degrees of religious monopoly and competitive pluralism. Glossing the argument a little, pluralism was initiated in northwest Europe, in particular in Holland, extended in Britain and realised in North America. So it is possible to have an analytic key based on Anglo-American pluralism which uses Britain as a culturally mid-Atlantic and as an interim experiment half way between full scale entrepreneurial religion and the religious state monopolies or duopolies of the continent, such as the monopolies of Scandinavia and the duopoly of Germany. I also used the concept of Centre and Periphery, both to contrast metropolitan secularity with provincial religiosity (for example the contrast between Paris and Strasbourg or Oslo and Bergen) and to suggest wider relationships such as that between the Roman centre in the northern Mediterranean and peripheries northwest and northeast in Ireland and PolandLithuania. These two examples were the most obvious cases of peripheries where religion doubled for an absent state in nations under alien rule, but there were further cases in Croatia and Slovakia, and related cases in distinctive regions like Catholic southern Germany, southern Holland and the Swiss Catholic cantons, or Protestant Wales and Protestant eastern Hungary. The many empirical generalizations about the relation of religion to class, status, urbanization, changes in local community, and industrialization, had to be run through the historical filters to see in what ways they might be deflected and inflected, given that simple correlations are not enough. For example, two countries may share a common characteristic such as pluralism, but if the postulated consequences of pluralism do not appear in one case that is not quite the end of the matter because specific combinations and ensembles affect all the other elements in the combination.
3. Further Elements The first of these elements can be stated baldly. It is the close relation between religious morphology and political morphology, such as common patterns of centralization and monopoly. Hence the importance of linking the sociology of religion to political sociology, and thinking in terms of religio-political complexes. The second element is the disjunction between the secularization stories arising from intelligentsias and the history of ideas, and the stories derived from studies of popular beliefs and practices. One wants to know whether the notion of the avant-garde is just a conceit, more particu-
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larly a French intellectual conceit, and whether there are key strata promoting secularization, such as teachers or scientists or engineers. The third element has already been mentioned and it involves an attempt to relate the secularization stories told in the arts, initially in music, but then in the architecture of sacred and secular urban space, with more standard secularization stories. The temporal trajectories are conspicuously not unilinear in the arts, but one can contrast the minimal sacred-secular differentiation of the Peter-Paul fortress in St. Petersburg with the clear difference between Signoria and Duomo in Florence and (say) the wide dispersal of the sacred in Boston, a ‘heavenly city’ in both the Christian and Enlightened sense. One can also contrast the different kinds of historical filter by looking at the subordinate role of churches in the classical profile of Schinkel’s Berlin, the embattled rival bastions of Notre Dame and the Sacré-Cœur and the Place de la Bastille and the Panthéon in Paris, and the partial pluralism of the triangular arrangements, Catholic, Anglican and Free Church in Westminster, London. The three dispositions of sacred space all differ from Washington with its two national cathedrals separated from the sacred field of the Capitol, with its Athenian classical temples, and an Egyptian obelisk. In Washington Enlightenment and Christianity are distinct but positively related, as they are in England, Scotland, Holland and Germany. That positive relation is of major importance. Meanings are lodged in iconography or architectural style: the distinctive oriental styles of many synagogues, for example in Budapest, drawing attention to the distinctive character of minority ghettos, the Byzantine character of the Catholic cathedral in Victoria St., Westminster indicating separation and distance, the iconography of the Sagrada Familia in Barcelona coding a ‘fortress Catholicism’, and the geopolitical statements embodied in (say) the German Church erected in Strasburg post-1870 and the Alexander Nevsky Cathedral in Sofia celebrating liberation in 1878. If I have spent disproportionate time on this three dimensional unfolding of sacred-secular dynamics it is to emphasise the major political and geopolitical dimensions, as well as recapitulating some of the historical filters.
4. Peripheries: A grand tour of the compass My chosen peripheries are Ireland in the context of the British Isles, Finland in the context of Scandinavia, Catalonia in the context of Spain, and Greece in the context of the Balkans. Each case illustrates something of the range of analytic principles, without attempting more than a hint of what a full analysis might involve. In the (Catholic) Irish case there is the role of nationalism in relation to alien governance and proximity to a rival Protestant national-
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ism, as well as geopolitical position. The same elements are present in Finland that is a close proximity to a dominating atheist or Orthodox Russian nationalism. Catalonia introduces an ambiguity based on bourgeois links to Paris as the secularist global capital, as well as a regional nationalism based on language and religion. Greece also presents ambiguous elements based on its dual role as heir to Byzantium at a major border with Islam, and as progenitor of western rationality and democracy. Its religious nationalism has been reinforced by the history of Ottoman domination, and by the way in which it has both received a diaspora and created one, especially in the U.S.A. In Ireland, Catalonia, Greece, and even in Finland it is worth commenting on the increasing contemporary role of pilgrimage and communal festival in fostering religious vitality. So, then, in all these instances we observe how religion is reinforced by the heightened self-consciousness of a threatened or dominated nation, and in three of them there is the further reinforcement of proximity to a major religio-political border. That reinforcement in turn relates to geopolitical position, so that historically Ireland has been an embattled periphery of England seeking alliances with Catholic France and Spain (and now pursuing close ties with the E.U.) while Greece retains irredentist ambitions connected with being a broken-off fragment of imperial Byzantium, and allies itself to Orthodox Serbia and Russia, for example in the war over Kosovo. Greece has felt doubly threatened by the historic intrusion of the western powers, like France and Venice, and by Turkey, though in the nineteenth century Greece enjoyed the ‘love affair’ pursued by Britain, France and Germany. Catalonia also has a special view of itself based on an expansive past and the constant threat of assimilation or conquest, as the monuments of Barcelona amply testify, such as the Christopher Columbus statue and the Philip IV arch. Finnish self-consciousness is high not only on account of Russian domination so clearly demonstrated in the Helsinki’s Alexanderplatz, echoing St. Petersburg, but also on account of Swedish domination. Like Greece it has felt endangered from all sides, and so in recent times has sought a mediating role. Finland is of special interest as it belongs to a northern Lutheran periphery of five countries, where Sweden and Denmark as the ex-imperial powers are more secular than Norway, Finland and (maybe) Iceland as the ex-colonies. All the Scandinavian countries illustrate how uniform is the modern mirror-image of an established religious monopoly in the more recent political monopoly of Social Democracy: the city hall in Stockholm poised against the Gamla Strana, or ‘Old Town’. These examples of subordinated peoples at borders raise further questions. One is how far language cooperates with religion or alternatively can take over from it as a carrier of national consciousness. Another is the degree to which the national consciousness of the dominating nations at the apogee of their imperial power is also aligned with religiosity, if in a way different from what one observes in dominated nations. The imperial past of Sweden
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and Denmark is distant, and so perhaps irrelevant, but that aspect is clearly observable in nineteenth century Britain and twentieth century America. Russia is interesting since the collapse of the Soviet Union in 1989-90 saw the re-emergence of the Orthodox Church as a historic symbol, for example the rebuilding of the Christ the Saviour cathedral razed by Stalin, and the recent marked rise in observance of the Lenten fast among young people. That kind of symbolic identification, not necessarily connected with frequent church attendance, is a potent presence in the rise of pilgrimages and festivals connected with sacred sites: in Serbia Kosovo, in Greece Tinos, in Catalonia Montserrat, in Aragon El Pilar, in Galicia Santiago, in Finland the Tempeliaukio Church and the St. Thomas Mass at the City Festival in Helsinki, in Ireland Knock, and also at Medjugorje, Lourdes and Fatima. All these pilgrimage sites stimulated religious identities at the margins and peripheries, and have their political and geopolitical resonances, as Milošević’s use of Kosovo illustrates. The final issue relates to the role of diaspora, especially in relation to Greece, Ireland – and also Turkey. Greece and Turkey have both been engaged in more than a century of exchange of populations and dispersion, and it seems that whereas language may sometimes take over from religion in the home country, in the diaspora religion takes over from language, apart that is from liturgical language. Jews and Armenians are obvious further examples of nations in diaspora. The reinforcement of religion in diaspora is illustrated by the increased religiosity of people forced by ethnic cleansing to ‘return’ to their home country, as for example the Greeks in western Turkey forced after two and half millennia to leave for mainland Greece
5. Turkey: A Hermeneutic Problem The example of Greece at a turbulent border marked by constant ethnic cleansing, especially since nationalism gave deeper meaning to the territorial borders of ethnicity, allows one to move to Turkey. Since 1922 Turkey has progressively become more and more religiously homogeneous, and indeed the whole Middle East follows suit, as secular nationalism and religious nationalism alike expel or pressurise the enclaves of difference. Similar moves are even proposed in India where the religion is supposed to be tolerant and peaceful, and the horrors of partition are merely one example of what the idea of a nation entails. Turkey is also the most westernised of Islamic nations, more so than even Egypt, and aspires to join the European Union. That westernization can itself be read as secularization insofar as it has meant a separation of religious and secular powers and attempts by elites to damp down the fires of religion
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similar to those adopted by secular elites in the Catholic West. Thus far there are important crosscultural similarities, yet when I attempted to include Turkey in my General Theory I gave up in the face of an ensemble or set of relations so different to any of the many variants of sometime Christendom. Turkey was the best case for the application of secularization theory and it proved resistant, and that in turn makes one query the idea that contemporary Islamic revival is just a phase prior to real secularization rather like fortress Catholicism from 1850-1960. Just as the wave of militant religio-nationalism emerging in fifteenth century Spain anticipated today’s wave of militant religious nationalism in Islamia, so the phase of interim resistance to modernity represented by ‘fortress Catholicism’ is being replicated in Islamia, except that in Christendom there was a sequence, whereas in Islamia it is following rather than initiating a path, which means that the two processes are to some extent superimposed. One obvious similarity between Christendom and Islamia is the way in which religion and nationalism become fused, under the pressure of colonial or quasi-colonial status, even when political decolonization has been in principle achieved. The cultural colonization remains, in part because it is fused with modernization and what is still the preponderant influence of the dominant nation. There is also a continuing reflex of humiliation and reassertion which appeals to God or Allah as the great restorer of lost political and cultural fortunes. Those who propose compromises with modernity and with liberalism are no longer able to make their voices heard, and so compromiseing elites have to resort to illiberal force, as in Turkey and Egypt. However, the colonial mentality and the ‘integral’ impulses that accompany it, in Poland and in Ireland (especially after the new republican constitution in 1937), and indeed in parts of south-eastern Europe like Serbia, Romania, Greece and Bulgaria, is a majority phenomenon in Islamia rather than a minority one as in Christendom. Moreover, there are consequences which have few precedents in Christian societies. The kind of ‘integrista’ reaction such as existed in much of Latin America, militantly opposed to Protestant and capitalist modernity, is present in both civilizations. But in Islamia the current of religio-political protest against the compromising and sometimes semi-secular elites can simultaneously combine reformist impulses based on the democratic will with the ‘integrista’ impulse to impose Sharia law on everybody, to reject totally democratic pluralism and extrude non-Islamic groups. Hence the pressure resulting in the prudential migration of Middle Eastern Christians, and the tensions along the sub-Saharan Islamic-Christian borders. At any rate in Turkey we have a secular elite relying intermittently on military force to face down an Islamic revivalism which combines reforming impulses with maybe potential moves in an Islamistic direction. The Turkish example, then, exhibits some similarities with some of the processes undergone in the West, particularly (as will be discussed later) the inability of the radical secular elites to resocialize the masses in their values.
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Here Turkey and much of Latin America (Uruguay conspicuously excepted), as well as parts of Eastern Europe, appear very similar. One also might be able to construct a spectrum of response to modernity rather along the lines explored in Steve Bruce’s Religion and Politics (Bruce 2003) where Protestantism and Judaism are aligned with modernity, Catholicism resistant and Islamia very resistant, and this would correspond to types of social integration and degrees of individualization in the three cases. One might bring to bear hypotheses about the contrast between an externally manifest and ritual religion based on pressures toward public performance and a collective mode of strong integration, and personally appropriated faith which has lost or repudiated the support of external rite and duty. From this perspective Protestantism has become dangerously attenuated and reduced to free-floating cultural motifs on account of its stress on spontaneity and inwardness at the expense of ritual performance and memorization. Catholicism has recently followed the same dangerous path, while retaining communitarian resources. Islam, helped by its location in societies at a developmental level prior to individualization and privatization, as well as by the absence of Reformation and Enlightenment, continues successfully to mobilise resistance through young counter-elites and the ‘peasantry’ en route from country to city. One might rephrase that by suggesting that Islam has always held to a religious programme based on success, particularly in integrating a society around the law, and allowing comparatively little neutral secular space. Of course, insofar as one uses classical secularization theory to characterize Islam as undeveloped with respect to internalization, privatization, pluralism and democracy, one is using precisely the criteria which derive from western developments and the gestalt initiated by the Reformation and the Enlightenment. One is also ignoring the huge variety of possibilities within contemporary Islam.
6. North America: Northern Europe Inevitably one begins this central part of the argument with an extended analysis of the U.S.A., which presents the quintessential combination of semi-partnership between Enlightenment and Reformation, in particular the way enlightened elites have rested on cultural bases in provincial religiosity. It also offers the maximum contrast to Islamia. The U.S.A. is increasingly in conflict with the Islamic world, after having successfully struggled to convert American Catholicism to its own cultural emphases. The first ‘clash of civilizations’ was with Catholicism, and the second is now in progress with Islam. However, the discussion that follows concentrates on the contrast, and maybe the conflict, of the American model with an ‘old’ Europe of declining
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state churches characterized by the regulatory activity of the state in major spheres of social life. Though the focus of the contrast is northern Europe, and indeed on the particular role of Britain and Canada as culturally half way across the Atlantic, some of the contrasts apply to Europe as such. That Britain should have sided with the U.S.A. over the issue of Iraq, and France not, is just one geo-political example of how religio-political complexes and alignments persist. In line with the earlier sections of this essay, I am extending the range of analytic principles and hermeneutic perplexities as I proceed, particularly as they arise in the U.S.A., and then asking how they might be applied in Europe. Unlike the rest of ‘the West’ the U.S.A. is religious and uniquely pluralistic. I am aware that this characterization has been challenged, and the whole issue of pluralism a matter of debate. That Americans exaggerate their church attendance seems highly likely but practice is certainly higher than in Europe and levels of belief (of all kinds one may say) astonishing. Nowhere else does the Devil on his own trump Charles Darwin. American political leaders deploy religious rhetoric in a way unimaginable in Britain or Europe, and they mostly mean it. The U.S.A. has to be the fulcrum of this discussion not only because it is simultaneously at the forefront of ‘development’ and yet religious, but because it disseminates its culture and religion elsewhere. To be a hegemon (or hyperpower in current terminology) involves the exercise of superior power, but where that power is based on ideas and a loosely associated religiosity as it was in nineteenth century Britain and is now in the U.S.A., the consequences greatly exceed those following from the mere exercise of power. The Ottoman Empire has ‘left not a wrack behind’. The consequences of Anglo-American empire include, for example, what has been called ‘the Anglosphere’ and the English language, as a creole of French and German. This is where the comparison between the U.S.A., Britain and Canada (and Australia) becomes useful, particularly if comparison with the five Scandinavian countries is included. Britain incubated American pluralism yet more resembles Scandinavia in its degree of secularization, while Canada has simultaneously moved closer to the U.S.A., economically at least, while in the sphere of religious culture it has begun to follow the British and even the European pattern. When considering the United States the issue of the specific ensemble, even the gestalt, emerges with particular relevance. The combination of elements, fused together, affects the whole tone and direction of the religio-political culture. For example, the postulated trend towards rationalization, which is advanced in the U.S.A. in the highest degree, seems not to have the effects attributed to it in Europe. Perhaps the effects are blunted or even negated by the other elements present, or maybe the effects attributed to it in Europe are imposed on the data rather than derived from it. Alternatively, perhaps American Evangelicalism is a religious mode especially capable of
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combining disenchantment in the public sphere and separation of powers, with private religiosity. The same query arises with respect to the observed tendency towards individualization and subjectivity, which in Europe fragments the local and communal religiosity of ‘established’ churches, while in the U.S.A. it may lead to some fragmentation but also throws up new denominational forms combining services to cater for subjectivity along with community enthusiasm, as in churches of ‘The New Reformation’. The American aspiration to self-fulfilment is somehow harmonized with Christianity, just as it was in the Renaissance, though the same question arises as in the Renaissance: is this real Christianity? Here lies a major hermeneutic question. Is there a Christian core persisting through all mutations, contemporary consumerism, including the idolisation of the American Way of Life? The question of the continuity of the Christian core is perennial (for example, with respect to the changing meaning of baptism) but it enters into discussion of religion in the U.S.A. with special force because the churches there are so aligned with the American ethos. It is what conspicuously distinguished them from British and continental churches, which are not so closely aligned, particularly when it comes to economic culture, and even (since 1945) when it comes to nationalism. Could this be the crucial difference: being transfixed by the past as in Europe and constantly adjusting to the present and the future as in the U.S.A.? The most frequently cited reasons for American religiosity turn on the pluralism of ‘The First New Nation’, the severance of any particular church or religion from the power of the state finalised in the First Amendment, the role of religion in holding migrant communities together, and the federal rather than centralized mode of American governance. After all, the thirteen colonies on the way to becoming the U.S.A. never had to throw off an aristocratic stratum linked to established Church and land, except marginally in its break with Britain, which was as much a civil war within the North Atlantic communities as a revolution. England had developed a commercial bourgeois culture from the early eighteenth century on, indeed back to the times of the first civil war and revolution of 1642-60 and the second revolution of 1688-9 with the arrival of Dutch William. That was shared with the North American colonies; and Amsterdam, London and Boston were way-stations toward a tolerant, lay Protestant enlightened mode of life. It is hardly surprising then that the classicism of St. Martin in the Fields church in London provided the template for the churches of New England, and indeed the U.S.A., even today. Perhaps one might recollect that Amsterdam lost its sacred ecclesiastical centre at the Reformation, and the University now stands on that sacred ground. That expropriation of the sacred at the centre of Amsterdam is paradigmatic. Moreover, the thirteen colonies, already the freest societies in the world, not only drew on the more egalitarian and religiously dissident sectors of
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English society, but more especially on the egalitarian and religiously dissident peripheries of Ulster, Scotland and Wales. Just as Amsterdam, London and Boston are linked culturally, religiously and architecturally, so the peripheries of Britain are linked to massive ‘peripheries’ in the American South and English Canada. The trail of the Scottish Presbyterian diaspora can be followed in Calgary, Alberta, in Ballarat, Australia, in Dunedin (Edinburgh) New Zealand, not to mention the Protestant Baltic. Knox Church dominates Dunedin as St. Giles dominates Edinburgh, and nothing could be more eloquent than the way eighteenth century London, Edinburgh, Dublin, Boston and Philadelphia are culturally and architecturally the same civilization, in the precise sense of that word. The Dutch churches of upstate New York exhibit the same affinity. The key point is that the clash of early modernity with monarchy and established Church had already occurred in England with the Commonwealth of 1649-60, and the revolutionary war of 1776-83 had elements of the same clash, with the ground already conceded in principle in 1649 and in 1689. In this shared development, incubated in a sheltered offshore island and massively realised in a sheltered continent, there emerges the distinctive Anglo-American political style with its further religious roots in Amsterdam, and in German pietism, (and associated Huguenot and Jewish diasporas, such as existed, for example, Francke’s Halle). That is the genealogy of one version of contemporary modernity. Gradually, of course, the key line of that genealogy switched from Britain to the U.S.A., especially after 1914 and 1945. The style of empire also switched from territories held for (initially) commercial reasons with religion an incidental export, to a capitalist economic empire exporting religion as part of its expansion, and linking together faith and democracy, commercial and religious competition. As suggested already the Anglo-American religio-political style is exemplified by the way in which elite or counter-elite strata carry forward a liberal banner not by appeal to ‘the people’ viewed as ‘masses’ but allied to provincial bases informed by provincial religiosity. The leaders of liberal advance in eighteenth century America or nineteenth century Britain might be agnostic, Deist, Masonic, Episcopalian or Unitarian, but they gained support from a denser provincial religiosity with which they shared commercial practicality, empiricism and pragmatism. In such a social context intellectual classes given to radical theory did not appear, and in any case could not have the power and influence they exercised in France and Germany. It is true that intellectuals (or more properly in Anglo-American terms, academics) might be somewhat inclined to the left but religion as such never had to face the kind of concentrated hostility found on the European continent, particularly in France, fount and origin of the war against religion. At most, and especially after the sixties, they gained influence in key sectors of socialization, education and the media, and in welfare services once associated with the churches.
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That influence in such key sectors has been important. It meant that as the state extended its role at the expense of voluntary organizations and churches, demanding secular certificates of competence divorced from any kind of confessional or religious background, the sphere of religion contracted. Even where welfare and educational organizations remained officially under religious aegis their personnel launched pre-emptive strikes in favour of universal secular criteria. Indeed, state-bearing elites and liberalised ecclesiastical elites formed alliances to soften up, undermine, and delegitimate resistance at lower social levels among devout and committed people. The question now is whether these liberal and humanist elites, secular and Christian, will retain their influence or their bases in the universities with the advance of a consumer ethos mainly interested in measurable utility. Are the universities ceasing to be bases for diffuse humanism? In the U.S.A. the diffuse federalism of the polity has always limited ‘intellectual’ influence. But in Britain the secular left now controls centralized institutions like the BBC, shifting them from a diffuse religiosity to a diffuse secularity. In that respect the centralized institutions of Britain resemble those of Scandinavia. Though in most western countries the influence of the secular and humanist intelligentsias is declining, it remains true that in Britain they have presided over a spiral of religious decline not easily reversed. That is another way of saying that the centralization which in England was once associated with the partial retention of an established church and a generalized Protestantism, along with a Protestant national identity, finds an analogous contemporary realization in the way the secular elite is able to exert influence over centralized institutions on the Scandinavian rather than the North American model. This argument can be extended to northern Protestant (and post-Protestant) Europe as a whole. One would enquire, for example, about the degree of centralization available for deployment by the secular elites, let us say in the Third Republic after 1870, and up to the separation of church and state in 1905, compared with the relative decentralization of the Länder in Germany. That might be supplemented by examining the consequences of a monopolar religious system in France with a bipolar religious system in Germany; and by comparison between the weakness of the voluntary religious sector in all of Protestant Northern Europe and its strength in Britain and even greater strength in the U.S.A. The power of establishment on the continent and even to some extent in Britain has meant that a welfare view of religion is pervasive, supplemented by a service station approach to the Church, whereas in the U.S.A. religion remains entrepreneurial and activist. Here we encounter those aspects which link Britain more to the continent than the U.S.A. In Britain and the U.S.A. the voluntary religion of the successive Evangelical revivals accompanied the entry into modernity post-1790, and in northern Europe the analogous strain of German Pietism from which it derived worked mainly within the established churches. But in
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the U.S.A. the revivals continued, even though they experienced a liberalization of the mainstream in the twentieth century, while in Britain and the continent they tended to peter out. Again, in the U.S.A., it was the socialism of the late nineteenth century that petered out, whereas in Britain a democratic socialism emerged infused with and even draining off religious impulses. On the continent socialism was more secular, anti-clerical, intellectual, and left-wing, though the clash was much less great in Protestant countries than in Catholic ones. It is also arguable that the shock of the First World War greatly diminished religious confidence in Britain and Northern Europe, whereas in the U.S.A. after 1918 and after 1945 religious and political confidence and power increased. What then is the significance of Canada as a source of comparison? It is that in the mid-twentieth century Canada seemed to conform to a North American norm of high practice, and yet from the sixties onward, in spite of increased American influence, it has tended to follow British and European trends. One has to enquire what elements distinguish Canada from the U.S.A. and what elements link it to Britain. Clearly Canada is not riding a wave of imperial confidence and lacks a religio-political sense of manifest destiny, preferring mediating roles. The proportion of Evangelicals is lower than in the U.S.A. though higher than the proportion in Britain. It is to some extent a mosaic of peoples, Greek, Ukrainian or whatever, rather than a melting pot; the state is closer to the British model of welfare provision, and the cultural ethos is more law abiding than in the U.S.A. Of these perhaps the welfare state model is the most relevant because it may be linked to a smaller role for the voluntary sector which is in turn linked to the existence of religious quasi-establishments in particular regions rather than full-scale pluralism. These are not novelties dating from the sixties but taken together they suggest a weaker religious dynamic and weaker resistance to the ethos of the sixties. The distinction between centre and periphery in Canada seems on the surface not very helpful, because Québec includes about 40% of the Canadian population, and one is left with the east and west coasts, the former more practising and the latter conforming to the lower practice of the whole western littoral of North America. However, Québec is important because it represents a clear version of Europe in North America as compared with relatively faint European echoes in the ‘peripheries’ of the U.S.A, such as Louisiana and the Hispanic margins in the southwest. If one wants that difference mirrored architecturally one must compare Montréal with the cathedral squares of New Orleans and Santa Fé. Québec is ‘old France’ without the revolution, and a place where territory, religion and language together nourished the sense of identity in the absence of independence. Now, however, Québec has total equality, if not more, and self-government. What emerges quite clearly is the sudden decline of Catholic practice in the sixties as language partly replaced religion at the heart of Québécois self consciousness. This is the reverse of what occurs in diasporas, where religion more of-
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ten displaces language. One also notes the scope this offers for European comparisons, such as Brittany, Bavaria, the Catholic cantons in Switzerland, and southern Catholic Holland, even though language is a relevant factor only in Brittany. The obvious question is why conspicuously practising regions like Brittany, southern Holland, Québec (and Bavaria to some extent), experienced a dramatic change in the sixties. How much was that due to the sixties ethos or to the way the Vatican Council undermined the old basis of the Rock of Peter? Was even the Council itself affected by ‘the sixties’? At any rate, one has to set Québec in an analytic frame which includes peripheries in Europe both large and small.
7. Recapitulation Thus far the range of analytic principles set out and of tentative hypotheses (with their attendant anomalies) has steadily expanded so it may help briefly to recapitulate some of them. I am suggesting there is a complicated symbiosis between religious and political forms, such as one observes with some clarity in the decentralised religio-political voluntary and entrepreneurial culture of the U.S.A., and in the centralised ethos of Scandinavia where a monopoly Church found itself mirrored in a dominant Social Democracy. I have suggested also that one pay special attention to the role of elites and counter-elites in relation to the ‘masses’ they represent and manipulate as, for example, the enlightened elite in the revolutionary early America and the liberal counter-elite in Britain from 1860-1914, both of them relating to bases in provincial piety. The issue is how such critical alliances are articulated elsewhere. This is where the role and status of classic intelligentsias comes into play, especially in Catholic countries where they adopt an enlightened and radical anti-clericalism. Britain and North America historically lack this type of intelligentsia, though where such intellectuals emerge they are often Francophile. In the analysis above I pointed to a succession of enlightened elites from Amsterdam to London (and Edinburgh) and thence to Boston, all of them cities with relatively secular rather than sacred profiles and nourishing a pluralist, commercial, non-ecclesiastical culture. All of these decentred centres are rooted in a liberalised Calvinism or Anglicanism which achieves its apogee in the Anglo-Dutch-German culture of the nascent U.S.A. One fresh point is worth making in passing and it is the way in which the pious lower middle classes of Germany, Scandinavia, Britain and the U.S.A. exported themselves and their faith to the whole globe through the missionary movement.
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8. Latin Europe: Latin America We turn now from the Halle-Amsterdam-London-Boston axis to an axis based on enlightened absolutism (monarchical or Stalinoid) and enlightened liberal imperialism. The key centre is Paris and its satellite or peripheral cities in Brussels, Bucharest, Barcelona, Madrid, Rio de Janeiro, Buenos Aires and Santiago de Chile, as well to some extent Schinkel’s Berlin and St. Petersburg. Recapitulating, Paris embodies a fundamental historical pattern, first by its emulation of imperial Rome on the part of the absolute monarchs, the first Republic and Napoleon, and then by war between religion and secularism, coded by the Panthéon and the Place de la Bastille, Notre Dame and the Sacré-Cœur. France and French warred with England and English, as they still do to some extent, and French became the lingua franca of radical anti-clericalism, laicité and liberal imperialism. There are other important centres like the Vienna of Joseph II and the Lisbon of Pombal. But Paris was the intellectual and artistic lodestone until overtaken by New York after 1940. Guatemala City even has a miniature Eiffel Tower commemorating the anti-clerical revolution of 1870 which in time weakened the Church disastrously, even depriving it of legal personality. One forgets how completely enlightened emperors or radicals all over Latin America, but notably Brazil, subordinated and gutted the Catholic Church, and how that bears on the flourishing of both spiritism and Pentecostalism. One is not presenting a model based on diffusion from Paris, but rather pointing to conditions tuned to the acceptance of such an influence, given that the Church was allied to land in a war with radical liberals. As Rio de Janeiro illustrates through its avenues and their names, Brazil was as hospitable to Comteanism as Turkey was to Durkheim. But in Latin America as in Turkey the secularism of the elites could not be transmitted to the mass of the people. They remained in an enchanted, animated universe made up of a mixture of Catholicism and spiritism, which with the onset of Anglo-American influences could be the seed bed of Pentecostalism and increasing pluralism. There are other factors, of course, such as a different and later phasing of development and one which leapt from the pre-modern to a post-modern service economy. Nevertheless, a major key to what is now a hybrid Latin American pattern and to the quite minor extent of popular secularism lies in the poor communications and disarticulated structures restricting the influence of the radical liberal elites, as it did the influence of Catholic elites at an earlier period. That was not the case in the French Third Republic. In considering just how and why Latin America differs from Latin Europe one has to take into account the British and German influence alongside the French, and the shift from French-speaking among elites to Eng-
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lish-speaking, as the U.S.A. took over from the British Empire. Protestant Britain, Germany and the U.S.A. were models of progress for Latin American radicals, politically, and the Protestant religion was felt to be aligned with progress. From the radical viewpoint, one might not need the specifically Protestant component in Latin America but one could at least encourage migration, particularly from Germany, from the American South after 1865, and from Britain. Just as people from the peripheries of Britain moved disproportionately to North America so, too, in Latin America: Scots in Argentina and Chile, the Welsh in Mexico and Patagonia. So a pattern of pluralism was initiated at the margin, along with minor enclaves of converts to Evangelicalism in various forms, as well as to Adventism and Mormonism, and later to the Witnesses. Here one can only pause to notice the religious implications of the migratory backflow of empire, and of migration around the periphery of empire. In the former case there is the massive migration of Hispanics to the U.S.A., so reinforcing the southern religious peripheries of America from Florida to California, and also easing adjustment to American society by conversion to Pentecostalism either prior to or after arrival. In the latter case one has migration around the British Empire, creating major Indian populations in the Caribbean (Trinidad) and Guiana, on the model of Fiji and Natal. There are, of course, always enclaves of diaspora population in major cities, Latin Americans in Boston or Chicago, or partly Catholicised Japanese or Italians in Latin America, and these are either held together by their natal religion or else convert, as many Italians in Brazil have done, to a version of Pentecostalism. Latin Europe and northern Europe exemplify the same pattern, for example, North African Muslims in France and partly Pentecostalised Caribbeans in Britain. In such secular countries as Britain and France that means that religious practice is quite disproportionately concentrated among migrants. The pattern in the Balkans is rather different: all the enclaves have been pressurised or expelled, from Athens, Belgrade, Sofia – and from Smyrna and Istanbul. Reference had already been made to the way the Catholicism was brought to Latin America from the Iberian Peninsula, which was already syncretistic, negotiated trade-offs with indigenous religions and spiritist cults, such as Umbanda and Voodoo. In recent times that could foster two developments, either the spread of Pentecostalism among the ‘peripheral’ native peoples, such as the Maya, Quechua and Mapuche, or neo-paganism. The intellectual and nationalist strata tend to look kindly on neopaganism, and pre-Christian deities generally, for example in Mexico and Brazil, whereas the people themselves, more interested in modernity than nostalgia and cultural archaeology, tend to prefer Pentecostalism. The same pattern of popular choice is present in those parts of southern Europe resembling South America, such as Portugal, the south of Italy – and the gypsies. Neo-paganism in Europe takes many forms: middle class ‘Druidism’ in Britain (or Celticism,
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Catholic and pagan) or the northern gods revived in Germany, above all in Wagnerian mythology. Perhaps more obvious cases of neo-paganism, or at any rate the political use of pagan myth, lie in the pre-Orthodox cults promoted by the intelligentsia in the Mari Republic in Russia and the appeal to Tamerlane rather than Lenin in some countries of Central Asia. This whole tendency may appear quite minor but it is very much part of the way nationalist intelligentsias legitimate themselves by appealing to some construct of authentic and original religion. In sub-Saharan Africa as well as Latin America there is a major clash between these legitimating nostalgias and the search by mass populations, including native peoples, for entry into the global modern world through Pentecostalism. The principles invoked so far with respect to the difference between a relatively secular Latin Europe and an inspirited Latin America (or sub-Saharan Africa for that matter) have leaned quite heavily on just how much power of resocialization is available to secular anti-clerical elites; though it may be assumed that degree and kind of economic development also play a role. It has been suggested that the appeal of the Parisian model, combining diffusion of ideas with a replication of similar conditions among Catholic cultures, only affected the elites. Contrariwise the American model, which for brevity I identify with the New York of the eastern heartland and the Dallas of the pious evangelical periphery of ‘the South’, works by appeal to the masses anxious to enter the global modernity of which the U.S.A. is a symbol and lodestone. As a result in Latin America there is a shift from a Catholic monopoly generating secular, and maybe Marxist monopoly, in the direction of a pluralistic religio-political hybrid. Some indication of the lowering of the religious-secular tension, especially with the collapse of the Marxist model after 1989, is the fact that the evangelical contender in the Brazilian elections of 2002, the Presbyterian Garotinho, gained 18% of the vote, which then passed to Lula as the candidate for the Workers Party. No French Protestant has ever gained 18% of the vote on a ‘religious’ ticket. And, of course, Guatemala has had two Evangelical Presidents, however dubious their record. The Philippines, which follows the Latin American pattern, has also had a Protestant President, Fidel Ramos. However, the analytic principle of Centre and Periphery has not been applied in Latin America except glancingly, with reference to the differential openness of native peoples to Evangelical/Pentecostal conversion, from the Mapuche in Chile to the Maya in Central America. That is very important since such partly unassimilated cultures do not exist in the same way in Europe: the Maya and the Mapuche resisted their overlords for centuries. However, the situation is even more complex, since there are also strongly Catholic enclaves in north-central Argentina, the specifically Hispanic region of Colombia (Antioquia) and the Indians of south-west Mexico. These in a way would correspond to the European Catholic enclaves in the Massif Cen-
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trale or the rural Veneto and the whole lake and mountain region of the Alps, excluding the secular cities of the plain in Switzerland. Analogous Protestant examples might be found in Friesland, Jutland, Västerbottenland, the Scottish Western Isles and eastern Hungary around the ‘second Geneva’ of Debrecen. The Yucatan in Mexico is an interesting periphery. It is partly Mayan and has links with other Mayan areas over the border in the periphery of Guatemala. Both areas are vulnerable to Evangelical or Pentecostal conversion. Like Wales in England they resisted conquest longest and embraced a dissident faith first. In the Yucatan and Quintana Roo Protestants are about 15%, twice as many as in Mexico overall. When one meets religiously conservative Americans there with Scottish names and small chapels looking as though transplanted from the British peripheries one wonders whether periphery speaks to periphery, beginning in Britain and passing through the American South to Latin America. Peripheries and borderlands apart, Pentecostalism in Latin America as in Africa has tended to spread along the lines of migration and communication from countryside to megacity; whether it be Sâo Paulo or La Paz. That trek to the megacity, with its attendant Pentecostal caravanserai has been accelerated greatly since the mid-twentieth century with globalization, and improved communication and ability to move. Over the past half-century Latin America and Africa alike have opened up very rapidly and the openings have included global, transnational religious movements breaking across traditional cultural frontiers, so that Port-au-Prince in Haiti is now 40% Pentecostal, and Brazzaville also has large Pentecostal communities. For that matter, Liberation Theology considered as a kind of pluralism inside the Catholic Church also illustrates precisely this transnational migration of ideas and personnel, though at a much higher social level than Pentecostalism, with more centralization and support from international intellectual and financial networks. Whereas Pentecostalism works among the aspiring poor, Liberation Theology derives in part from Catholic intellectuals in Latin America, but also from sources in France and Belgium in what looks like a reprise of the classic French influence, as well as from Germany, and also crucially from New York and Princeton, New Jersey. Liberation Theology represents ‘sponsored mobility’, Pentecostalism self-help. Clearly the changes in Latin America, whereby large segments of the population have detached themselves from the linked elites of the Catholic hierarchy and the political class, to run their own religious organizations, is subject to several possible interpretations from the viewpoint of secularization. One is that pluralism itself is a harbinger of secularization by breaking down the sacred canopy, and another is that Pentecostalism in the developing world parallels Methodism in industrialising Britain and will soon enter a downward spiral in the same way. Alternatively, it may follow a North American rather than a European trajectory. One does not know. Whatever
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else is the case it seems that the genealogy following from 1789 has given way to the genealogy of 1649, 1689 and 1776.1
9. Bibliography Bruce, Steve (2003): Religion and Politics. Blackwell, Oxford. Martin, David (1978): A General Theory of Secularisation. Blackwell, Oxford. Martin, David (1990): Tongues of Fire. Blackwell, Oxford. Martin, David (2002): Pentecostalism – The World Their Parish. Blackwell, Oxford. Martin, David (2005): On Secularization. Towards a Revised General Theory. Ashgate, Aldershot.
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David Martin’s latest book is On Secularization: Towards a Revised General Theory (2005).
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Secularization or “diffused religion”? 1. Introduction After the wave of secularization and the more recent development defined as “religious revival”, social scientists studying the religious phenomenon are becoming far more cautious about the use of certain data, which even today give importance to either the secularization or the revival hypothesis (Cipriani 1997; 2000). It has already become apparent that in both cases this process is probably due to a tendency towards the “sociological construction of inconsistency” by means of purely theoretical reasoning, or of a marked use of figures and results which are put together in scientifically unacceptable ways. If we then examine other hypotheses which on the international level, in the field of sociology of religion, are frequently under discussion, we can see that they are not totally applicable in many cases. In fact, any effort to verify these hypotheses has generally failed. Thomas Luckmann's theorization regarding the “invisible religion” (Luckmann 1967) has attracted much attention on the part of sociologists, even though it has not always brought scientific consensus. The idea of a functional substitution of church religion by a series of topics such as “individual autonomy, auto-expression, auto-fulfilment, mobility ethos, sex and familism” has developed parallel to the theory of secularization. The debate was very lively at that period, as has been well demonstrated first by Karel Dobbelaere (1981) and, lastly, Olivier Tschannen (1992), and involved such authors as Sabino Samele Acquaviva (Italian edn. 1961; 1979), Charles Y. Glock and Rodney Stark (1965), Hermann Lübbe (1965), Bryan R. Wilson (1966), Peter L. Berger (1967; 1969), Thomas O’Dea (1966), Richard K. Fenn (1969; 1970; 1978), David Martin (1969, with a later addition 1978a). Today we must ask if we are faced with an absolute novelty or whether, rather, the Luckmann’s “modern religious themes” are nothing more than the sedimentation of pre-existing, more or less subterranean channels, long incorporated in traditional religious modes, and surfacing now not for simply contingent reasons. The lack of research in this regard and the great weight of social control found in some particular historical and geographical contexts may be among these reasons.
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An example is provided by the sociological trajectory of the Polish Solidarnosc movement. Its link to the Polish Catholic church was useful for a while. Then, once liberation from the communist system was attained, its influence began to wane, to the point of reducing to a glimmer. Meanwhile, other individualistic and familistic demands had been able to prevail, damaging the previous solidarity between the politico-trade union movement and religious membership. Today, religious practice, though still high in comparison with other European nations, is marking time, indeed retreating, in the face of the new modern demands of the rising generations unaware of the previous experience and, in addition, not averse to welcoming the westernising (and secularising) breezes of consumerism and the use of free time. But this occurred not only because of the passage from one age cohort to the next but also because of prior sources already functioning within the formal, compact facade of solidarity of the past. Thus even in a Poland sacralised to the utmost there were the forerunners of a future secularization in nuce. In fact, “opinion surveys showed a lessening of confidence in the church from 82% in 1990 to 57% in 1992, and a falling acceptance of its involvement in Polish political life” (Jasinska 1995, 451). To complete the argument one must, however, point out that this has not involved the total supersession of Catholic religious experience, but has rather favoured the regeneration of previously existing impulsions not wholly evident and visible (Erenc/Wszeborowski 1993, Gorlach/Sarega 1993). In short, in the practicing, believing Pole too there was concealed the individualist, familistic subject, wholly inclined towards self-realization and -expression. Again, we see the ambiguous, ambivalent character of secularization. It seems to erode the religious institution, but really only assists the principal factors of a very complex acceptance, made up of consensus on values and dissent in fact, of facile decision and conflicting choices. The new mode of belief supplants the church-religion model but re-adapts it to new behavioural spheres which proclaim individual autonomy and independence. This seems not so much different from the Oevermann’s (1995) “structural model of religiosity”. Luckmann further believes that the modern sacred cosmos has a relative instability depending on the various social strata in which it is active, as proof of its internal incoherence and disarticulation. In fact, Luckmann reminds us, traditional, customary religious themes are re-ordered in the orbit of the secular and the private, especially by the young and urban dwellers. Thus Durkheim’s (1995) prediction of a wholly individual religion would seem to come true. Robert N. Bellah and collaborators (1985; 1996) define the intensification of individualism by the term “Sheilaism”, as a wholly personal religious form which can thus take the name of the person who embodies it (Sheila Larson). “I believe in God. I’m not a religious fanatic. I can’t remember the last time I went to church. My faith has carried me a long way. It’s Sheilaism.
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Just my own little voice” (Bellah 1985, 221). On the other hand, as Bellah makes clear, religious individualism may be present in “church religion” itself, but historic roots go back in time, in the exemplary case of Anne Hutchinson, to the eighteenth century. She “began to draw her own theological conclusions from her religious experiences and teach them to others, conclusions that differed from those of the established ministry” (Bellah 1985, 233). Still more typical is the religious individualism shown by Tim Eichelberger: “I feel religious in a way. I have no denomination or anything like this” (Bellah 1985, 233). For these subjects, as in invisible religion as hypothesized by Luckmann, one of the main objectives is “self–realization” (Bellah 1985, 233), and perhaps in Freud’s terms the Ich-Leistung, the autonomy of the individual. The Berger and Luckmann (1966) lesson remains authoritative: the social construction of reality is the basis from which the value system branches out, a circuitry which directs social action and rests on an objectified and historicized world-view which is thus endowed with a religious character it is hard to lose. The ultimate meaning of life itself is clearly written therein and orientates attitudes and behaviours. However, it may now be more convenient to aim at disarticulating religious phenomenology from within, following a reading with more stratified dynamics and multiple faceting. In practice it is not clear there are only church religion and invisible religion à la Luckmann (1967). Rather, we may propose another hypothetical solution which envisages intermediate categories more or less close to the two extremes defined in terms of visibility and invisibility. An initial post-Luckmann interpretation was articulated in 1983 and applied to the Italian situation during the International Conference of Sociology of Religion (held at Bedford College, London): “beside the interests and pressures coming from ecclesiastical sources, are there any other premises or factors which can explain religious bearing on Italian politics? In particular, it is important to verify first of all how the institution fares under the pressure of an extended ‘religious field’ containing varied and attractive options, including anti-institutional purposes. Secondly, we must ask ourselves whether in practice religious influence in political choices concerns only Catholicism (or Christianity) or any religious expression in general. Thirdly, we must see whether the country’s history or its national culture mark the existence of fixed elements, bearing common values leading (directly or indirectly, in specific or vague ways) to a widespread model of religious socialization (based prevalently on patters of Catholic reference).” (Cipriani 1984, 32)
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2. “Diffused religion” Before going further, however, we should clarify what is “diffused religion” (Cipriani 1988). “The term ‘diffused’ is to be understood in at least a double sense. First of all, it is diffused in that it comprises vast sections of the Italian population and goes beyond the simple limits of church religion; sometimes in fact it is in open contrast with church religion on religious motivation (cf. the internal dissension within Catholicism on occasion of the referendum on divorce and abortion). Besides, it has become widespread, since it has been shown to be a historical and cultural result of the almost bi-millennial presence of the Catholic institution in Italy and of its socializing and legitimizing action. The premises for the present ‘diffused religion’ have been laid down in the course of centuries. In reality, it is both diffused in and diffused by. As a final outcome, it is also diffused for; given that – apart from the intents of so-called church religion – we can remark the spread of other creeds (the easy proselytism of other Christian churches, of the ‘Jehovah’s Witnesses’, of ‘sects’ of oriental origin etc…), as well as the trend towards ethical and/or political choices (an eventual conflict – far form disproving this hypothesis – confirms, from the outset, the existence of a religious basis, be it weak or latent). In brief terms, it is licit to think of religion as being ‘diffused’ through the acceptance of other individual or group religious experience, and also because it represents a parameter which can be referred to with regard to moral and/or political choices.” (Cipriani 1984, 32)
“Diffused religion” concerns broad strata of the Italian population. More than one study has established this conviction over time. However, the most relevant aspect is still the strong historico-geographical – and thus cultural – rootedness of the religion most practiced in Italy. It is precisely the strength of tradition, the practice of habit, the family and community involvement which make membership of the prevalent religion compelling and almost insurmountable. Where socialization does not arrive within the family home, pastoral and evangelizing activity carried out in a capillary way by priests and their lay parish workers moves in. In fact, Catholicism is diffused in every part of the country by means of a church structure well-equipped over time and particularly able to draw on its quite effective know-how. The best proof of this effectiveness is provided by the easy proselytism effected by other religious groups and movements which have disembarked in Italy. “What ‘diffused religion’ consists of can be understood even by means of its peculiarities. In a broad sense, its presence is clearly visible in forms which are not as evident as church religion, but which are not totally invalidated. This visibility may appear somehow intermittent.” (Cipriani 1984, 32) “It is easy to presume that the widespread model of ‘diffused religion’ is different from that of its source of origin, that is, this widespread religious dimension ends up by differing from the system it derives from (the institution). In this way, however, it reaches degrees of freedom which the concentrated and centralized pattern of church religion would not favour.” (Cipriani 1984, 32)
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We might even speak of “diffused religion” as a perverse effect of the dominant religious system which thus generates what is different from itself, even though in continuity with it. “The fragmentation of the areas of diffusion and distribution cannot, however, cover all existing spheres; all aspects are not equally widespread and reach vague, undefined limits which empirically are difficult to define. This diffusiveness broadens foreseeably into complex and multiple options (especially political options: from extreme right to extreme left). Meanwhile, original religious contents diminish and lose their intensity, they disperse, they mingle, they are integrated in new syntheses. Consequently, this expansion also causes a certain lack of positive reactions with respect to the center of propulsion, either because of increased separateness or because of a weakening of the basic ideological nucleus. It is thus a ‘passive’ religion which may become active again in specific circumstances. Rather than the dynamics of accelerated religious transformation, this provokes a certain stagnation. Even within the prevailing passivity, the underlying echo remains persistent and pervasive, it penetrates large groups of persons. At this stage ‘diffused religion’ appears rather under false pretences: as a feeling, a sensation which ‘contaminates’ both the religious and political fields. Thus re-emerges the link with processes of socialization. It remains, however, to be seen if the future generations will maintain such a religious form which becomes more and more socially diluted to the extent of losing all influence on politics.” (Cipriani 1984, 32-3)
Usually, cluster analysis outlines three levels of “diffused religion”: the first seems closest to church religion, the second departs partially from it, and the third is situated on the margins of the continuum between church religion and “diffused religion”. The problem of change within “diffused religion” itself had already been posed some years ago. In fact, in 1989 it was written that “even for someone who has always kept his sociological interest in current events alive, it is not easy to disentangle the guiding threads of the social, political, and religious dynamics which have characterized Italy in the last two decades. The fact is that one finds oneself in the present situation almost naturally, as though it had been expected, without even letting questions, doubts, or scientific curiosity about what has been happening to more than 50 million citizens, from the mid-1960s to the threshold of the 1990s, break the surface.” (Cipriani 1989, 24)
“Diffused religion” also represents a kind of functional substitute for divergence from the ecclesiastical structure. This differentiation appears through other ways of believing and practicing, even though the real base remains Catholic thanks to primary socialization in the initial phases of life. It should thus be stressed that “’diffused religion’ refers to the characteristic conduct of believers who have received at least a Catholic education and who relate to it in a general sense. In fact, it refers to citizens who appear to be less than completely obedient to the directives of the Catholic hierarchy but who, on the other hand, refuse to reject completely certain basic principles which form part of the set of values promoted by Catholicism.” (Cipriani 1989, 28)
As Calvaruso and Abbruzzese (1985, 79) emphasize,
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Roberto Cipriani
“diffused religiosity then becomes the dominant religious dimension for all those who, immersed in the secular reality of contemporary society, though not managing to accept these dimensions of the sacred cosmos which are more remote and provocative compared with the rational vision of the world, do not thereby abandon their need for meaningfulness. In the immanent dimension of individual everyday existence, diffused religiosity, rather than bearing witness to the presence of a process of laicization in a religiously oriented society, seems to enhance the permanence of the sacred in the secularized society”. Thus ‘diffused religion’ appears as an antidote to the process of secularization of which at the same time it is an expression which is meaningful as a taking of distance from church religion. In fact diffused religiosity is located in an intermediate area between a secular society in crisis and a resumption of the ecclesiastical administration of the sacred. It remains too ‘lay’ to accept the more specific elements of church doctrine and too much in need of meaning to survive in an epoch which is ‘without God and without prophets’.” (Calvaruso/Abbruzzese 1985, 80)
“Diffused religion” is thus quite dynamic in itself as regards its development despite the constancy of the chief frame of reference. However, “diffused religion lacks the kind of clear-cut characteristics which would be visible in, for example, church attendance, but it works through long-range conditioning, which is due, above all, to mass religious socialization, and to which there is a corresponding kind of ‘mass loyalty’ of a new type.” (Cipriani 1989, 46)
Rather than seeing a parallelism between church and state, with the development of a politically organized church structure, we can perceive an indirect legitimation, which, instead of having an ecclesiastic institution as its starting point and converging on the state, is based on “diffused religion” with strong principles and widely shared views. These are not the ones identified by Hans Baron – quoted by David Martin (1978b, 5) – in the “Civic Humanism” of Republican Florence. They come in fact with a phenomenon of non participation and non observance which characterizes many sectors of modern society. “Diffused religion” does not only evolve around the nucleus of the church but also that of the family as well as other centres of socialization. There are different levels of stratification of “diffused religion” which reaches out to almost all social categories and classes, with no distinction as to context, and proposes various solutions. It is to be noted that “diffused religion” constitutes one of the most recurring forms of legitimation, inasmuch as it always remains a ready solution, which can resolve various situations, even of political choice. Let us not forget that religious institutions often contain their own means of socialization, they have schools, radio and television programmes in both private and state networks, specialized publishing houses, and so on. In fact religious based socialization-legitimation is obviously prevalent. Even many of those who do not share opinions of such orthodoxy often recur to this element, for reasons of convenience. It is true that the condition of youth comes with profound crisis of reaction against teaching received. However, the dissent is, necessarily, even a complementary form of consensus, because to a certain extent
Secularization or “diffused religion”?
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it uses the same orientative general framework present in the contested religious modality.
3. Italian surveys Essentially we might speak of diffused religion in Italy and at the same time of diffused secularization (Cipriani 2001), but the latter does not have the contents identified by Nicholas J. Demerath III in another context (2001, 225). During the Seventies the search for material welfare remained a prominent item, at all events, as we find in other studies. Consumerism reached rural areas. Saving no longer attracted as it used, and there were few content with their property (Cipriani 1978, 42). The 55% of residents in the provinces ready to have their wives work outside the home probably thought more of the family budget than the need for autonomy and self management of her own life by the woman herself (Cipriani 1978, 45). On the basis of these empirical finding it was not hard to conclude in the terms cited as still penetrating today, a distance of more than twenty years. In fact it seems as if sex and family were really the outstanding themes in the modern sacred cosmos Luckmann speaks of referring to the so-called “invisible religion” in which self-expression and sexuality as well as the family as source of “ultimate” significance for the individual barricaded in the “private sphere” occupy a key position, all the more so if the two elements are closely linked (Cipriani 1978, ibidem). However, these data are not in themselves sufficient to support the hypothesis of invisible religion, as the latter is still well demonstrated and documented by our own and other studies. Luckmann’s hypotheses are not easily verified. At most they seem to have a consistent analytical effectiveness only as general theoretical outlines of so-called “invisible religion”. There is no noteworthy territorial mobility, religion has not lost its “ultimate significance”, and has not been supplanted by other alternative forms of life orientation. I do not thereby wish to deny the privatization of the religious phenomenon, the isolationism, lack of sociality, obvious utilitarianism, consumerism and other characteristics typical of a secularized society. The church’s official models are undergoing an extensive erosion if we note – as in our research – how the hierarchy’s teachings receive minimal credence. It is not for nothing that religion occupies one of the first places in the classification of values set out by the interviewees. Needless to add too that
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Roberto Cipriani
Italian familism (especially in the Southern regions) has historical roots sunk in the past of a centuries-old culture. Individualism phenomenon is an effect typical of ecclesiastical religiosity, though at times its ultimate results involve taking a position regarding the religious institution (Cipriani 1978, 69-70). In this picture largely marked by orthodoxy and orthodox practice, some closure towards the other was not absent, along with a certain territorial resistance: “they prefer to guarantee themselves a rigid set of privileges for the group. Where there is no work, the order of precedence is clear – Italians before foreigners, local people before outsiders, men before women” (Abruzzese 2000, 453). Love for one’s children stands at 32.3% while good use of money arrives at 9.6%, and earning a lot is just 4.5%. Among values received through socialization before 18 years of age, the importance of sexuality is less. In any case, opinions on sexuality have the dimension of affection and conjugality. Until the end of the 1980s, strangely enough there were no scientific results available providing adequate reliability as products of serious, thorough and really representative studies at that statistical level in relation to the whole of Italy. It was thus in the wake of the questions raised by theorizing about “diffused religion” that a fruitful season of field research began – from the Sicilian study on “the religion of values” (Cipriani 1992) to the major national research on “religiosity in Italy” (Cesareo/Cipriani/Garelli/Lanzetti/ Rovati 1995) and the most recent one, on an international level and with a comparison between some European countries on “religious and moral pluralism”. An empirical research has been conducted in Sicily by means of questionnairing a group of people selected by statistical sampling. The results were compiled from the completed questionnaires of 719 subjects, and the objective was to illuminate the concept of “diffused religion” as observed in the presence of common social values which tend to unify behaviour and attitude deriving from both the religious and lay perspectives. Cluster analysis has been used to identify six different groupings: religious (church) acritical; religious (church) critical; religious (diverging from the church) critical; religious (diffused) as a condition; religious (critical and distancing self from the church); and non religious. The starting point for the research is the hypothesis that Catholicism (as the dominant religion) pervades many sectors of social life and maintains its influence over common values, despite the effect of increased distance between people and institutionalized religion. This appears to refute the theory of secularization (Cipriani 1993, 91). Here are the general data from the study (Cipriani 1992):
Secularization or “diffused religion”? Religious (church) acritical Religious (church) critical Religious (diverging from the church) critical Religious (diffused) as a condition Religious (distancing self from church) critical Non religious Total
131 101 261 79 190 47 4 719
14.0% 36.3% 11.0% 26.4% 6.5% 5.8% 100%
On the basis of these results, we have argued that religion of values embraces the central categories of the above table. In particular the area that can be ascribed to the religion of values runs from the category defined as religious (church) critical to that described as religious (distancing self from church) critical, and thus includes both a part of church religion (the less indulgent part) and the whole gamut of “diffused religion”, along with all forms of critical religion. In essence, we have gone from a dominant church religion to a majoritarian “diffused religion”, and then to a religion compounded of values. The conclusion is that religion can be defined as a mode of transmission and diffusion of values; indeed, that it performs especially this functional task and does so efficiently. “In fact, religion, which never really stopped playing its part in society, has reappeared beneath the surface of secularization. Even if we admit that there has been a significant occlusion, this has only involved secondary, external and formal aspects, especially at the level of ritual. The decline in participation at official, preordained services has not thus meant the end of every resort to the sacred. The trajectory of religiosity is not set towards definitive extinction. Simultaneously, secular impulses seem also to have exhausted their impetus. Their efficacy now affects only the less fundamental aspects of belief, which tends to remain in essence more or less stable. Between religiosity and secularization there seems to reign almost a tacit compromise. They are reinforced and weaken virtually in unison. Aspects steeped in religion continue (or return) to manifest themselves in secular reality, whilst in the reality of the church and of religious culture we see a progressive surrender to demands that are less orthodox from the viewpoint of the official model.” (Cipriani 1994, 277)
The case of Rome, described as the Holy City par excellence even though it is heavily secularized, is emblematic. The world capital of Catholicism, the meeting-place of universal import for millions of pilgrims in the jubilee year, 2000 (Cipolla/Cipriani 2002, Cipriani 2003), manifests rather low levels of religious practice. That which is described as regular, once a week, stands at 23.3% (Cipriani 1997), whilst 22.1% never go to mass. Yet the number who pray is significant: 71.5% of those interviewed who turn to prayer maybe only a few times a year (14.9%) or much more often, like the 32% who do so once or more times every day. This means that there is at once slight attachment to practice but equally a broad interest in prayer, and so religion lies not wholly in rituality. Rather, the most frequent link with divinity runs through prayer, a direct conversation, as at the interpersonal level. In this regard we
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might argue that whereas practice of the festal mass is more linked to church religion, that of recourse to prayer maybe has a more spontaneous character, free and removed from social control but nonetheless an index which reveals a belief, a tie, a sensitivity at the religious level. In practice, if Rome is not by any means a city of many practitioners, neither is it one with many atheists, agnostics or religious indifferent people (however, it should be noted that 21.3% of those interviewed – the highest number in the whole of the country – show no sign of religiosity at all). The capital of Italy manifests in a heightened manner some of the characteristics revealed in the 1994-5 study on “religiosity in Italy” through a national sample. For example, in a year a more 7.6% had taken part in pilgrimages and 13.6% had made or satisfied a vow. Essentially, the Romans’ religion is two-sided: on the one hand it appears imbued with a dramatic crisis, on the other it seems quite lively (though at a due distance from the habits of the official church). The religious future of the city seems destined to proceed along these two parts, divergent but tendentially parallel. The same may be said in general for Italy, though with certain essential differences. “A double religion is the result: a majority and a minority religion, explicable also in terms of the historic presence of the Catholic church in Italy in the past century and especially since the Second World War. The Italian minority religion is for those who identify with the church quite closely and also involve themselves significantly in religious practices. The majority religion, on the contrary, lacks these characteristics.” (Cipriani 1994, 281)
This majority religion is rooted in the individual conscience, guided by the law of God, according to 40.4% of those interviewed in a systematic sample of 4500 (Cesareo/Cipriani/Garelli/Lanzetti/Rovati 1995, 180), in individual conscience alone in 36% of those sampled, and exclusively in the law of God for 22.1%. On the level of values lived with satisfaction, we find first the family that can be depended upon (73% of the sample), followed by working honestly and with commitment (68%), having friends (38%). A smaller response was obtained as regards devotion to others (25%) and commitment to changing society (22%). The overall picture is a varied one, but it confirms the image of religiosity diffused but fractal, tattered, with heterogeneous outlines. According to the results of the cluster analysis, 32% of the sample could be classified as belonging to church religion, 59.1% to diffused or modal religion, and 8.9% to non-religion. In detail, the proportions of Italian religiosity demonstrate the following typology:
Secularization or “diffused religion”? 1.) Oriented church religion (hetero-directed) 2.) Reflexive church religion (self-directed)
Church religion total (1+2) 3.) Modal primary (diffused) religion 4.) Modal intermediary (diffused) religion 5.) Modal perimetric (diffused) religion
Diffused or modal religion total (3+4+5) Continuing religion total (1+2+3+4+5) 6.) Non religion
Overall total (1+2+3+4+5+6)
133 9.4% 22.6%
32.0% 16.5% 21.6% 21.0%
59.1% 91.1% 8.9%
100.0%
As can be seen from the percentage of the six attitudinal and behavioural classes, religion in the broad sense (church or diffused/modal) is broadly preponderant and clearly almost all of Catholic imprint. Church religion is in a minority percentage-wise, and “diffused religion” (called modal as statistically it is in practice the mode, the characteristic with the greatest frequency) is the majority. But between minority and majority there is no break and indeed it is often hard to establish the distinction between one and the other, especially between reflexive church religion (more autonomous and individualized, less inclined to accept the directives of official ecclesiastical teaching), and primary diffused or modal religion (more diversified as regards church membership). In fact, church and diffused or modal religion are in a close relation with one another, the second arising from the first, whereby one can speak of a genuine religious continuum which involves 91.1% of those interviewed, without breaks or interruptions in the religious argument and its content, especially in the field of values. Even more convincing, if that is possible, is what emerges from the more recent (March-April 1999) international comparative study on “religious and moral pluralism” in Europe, involving in Italy the universities of Turin, Padua, Trieste, Bologna and Rome. The Italian sampling was carried out by Doxa and involved 2149 interviews (1032 males and 1117 females from 18 and upwards), carried out in 742 cases in provincial capital cities and in 1407 in non-capital centers. 97.5% said they were Catholic; 31.2% said they were very close to the church and 45.5% close to it. 51.1% remembered at 12 years old they went to church at least once a week, but 21.7% spoke of more than once a week, and 6.7% of daily participation in religious functions. Significant confirmation of the satisfaction with religion comes from the judgement of whether it was more or less important, 22.2% a little more, and 12.8% much more. As for the relation between education and religion, a very close link is taken for granted especially if we bear in mind that 35.9% seemed much influenced by the education they received. It should also be noted that 81.2% of those surveyed explicitly owned to belonging to a church, confession, group or religious community.
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Finally, 86.4% said they used prayer, though with differences both quantitative (once or more) and temporal (daily or during the year). The characteristics seem definitely established: d) the essential content of religion is values, much more than rituals and beliefs; e) the function of religion appears to be that of diffusing values (Cipriani 1992; 1993; 2001). To sum up, Italians can be divided into defenders of the Catholic religion (roughly a quarter), a majority of what we might call possibilists (who see elements of truth even in religions other than their own), and a minority of don’t knows and those who reject any religious experience. As regards religious affiliation, the situation in the sample is reported in Table 1. There is a clear preponderance of Roman Catholics (79.3% of the sample) among those claiming affiliation to a Church, whereas those who declare themselves not to be affiliated to any Church, whom we shall henceforth refer to as the non-affiliated, amount to 18.8% of the sample (403 units).
Table 1: Religious Affiliation RELIGION ROMAN CATHOLIC
UNITS
%
1,703
79.3
PROTESTANT
7
0.3
JEWISH
3
0.1
MOSLEM
3
0.1
BUDDHIST
4
0.2
JEHOVAH’S WITNESS
13
0.6
OTHER CHRISTIAN
10
0.5
3
0.1
NONE
OTHER NON-CHRISTIAN
403
18.8
TOTAL
2149
100.0
Given the very small number of non-Catholics in the sample, it was decided to focus on a comparison between the Catholic and non-affiliated sub-samples. It should be pointed out, however, that the 403 non-affiliated are not necessarily non-believers. Let us now take a detailed look at the characteristics of the 6 groups which arose from analysis.
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3.1. Analytical description of the six groups GROUP 1: THE RIGORISTS Size: 362 subjects (21.3% of the Catholic sample) Members of this group are convinced of the positive effects of capital punishment in tackling crime. The level of education is often medium to low. Although they feel that the role of the Catholic Church in society is important, members of this group do not participate much and do not do voluntary work. They show remarkable tolerance towards abortion and think that science has an important role to play. GROUP 2: THE TIMOROUS DON’T KNOWS Size: 215 subjects (12.6% of the Catholic sample) Members of this group have indecisive attitudes to the various moral issues put forward. Their scores vary between 4 and 5 (on a scale of 1 to 7). Here again the educational level is middle to low, probably due to the large proportion of old people. This fact, perhaps, also explains the low incomes and the greater number of jobless. Another feature is religious exclusiveness. GROUP 3: THE TRADITIONAL CELEBRANTS Size: 309 subjects (18.1% of the Catholic sample) Certain background variables are similar to the previous group (a generally low educational level and a certain religious exclusiveness). However, members of this group attach more importance to religious practices, the role of the sacred object and participation. This group is totally against abortion. GROUP 4: THE OPEN-MINDED RADICALS Size: 305 subjects (17.9% of the Catholic sample) The educational level of this group is medium to high and the presence of 3544 year olds and single people is considerable. Members often say they do not feel close to the Church and show tolerance and interest in other religions. Their open-mindedness also extends to attitudes on abortion and they tend to favour a secular state. GROUP 5: THE COMMITTED PRACTICING CATHOLICS Size: 379 subjects (22.3% of the Catholic sample) The distinctive traits of this group would appear to be the powerful influence of religion and social conscience on personal choices and an interest in politics. The educational level of this group is also medium to high, in some cases this is accompanied by a high income. Religious beliefs are firmly held
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and often influence everyday life. Many started taking part in religious activities during adolescence. Church attendance is also important. Moreover, there is a certain tolerance of other religions. Their political commitment can be roughly placed as centre-left, with anti-Northern League tendencies. They show willingness to help the afflicted, whether nearby (the local tramp) or from other countries. In some cases, members engage in voluntary work. GROUP 6: THE NEGATIVISTS Size: 133 subjects (7,8% of the Catholic sample) The religious and social variables of this group fully confirm their moral attitudes. What is striking is this group’s particular concentration in two Italian regions, Lazio and Piemonte, and its almost complete absence from the North East. There is scant tolerance of other religions and little interest in the message science has to offer.
4. Conclusions In general, almost a quarter of those interviewed were somewhat reticent about their religious beliefs. Many more showed a weak sense of belonging to a religion, but not so weak as to be reduced to nothing. There was no lack of don’t knows and those with no religious belonging, but their presence was very limited. There is an almost unbroken continuum which extends from strong identification to total separation. The typology which emerged from our statistical analysis shows religious practice as the major element (22.3%) with just a one per cent advantage over the group marked by their rigour (21.3%). If to these we add the 18.1% of traditional celebrants, this completes the picture for alignment with the main reference contents of religious membership. Nevertheless, the proportion of radicals (17.9%) and don’t knows (12.6%) is by no means negligible. Finally, the proportion of negativists (7.8%) is not so different from that revealed in a previous national study (Cesareo/Cipriani/Garelli/Lanzetti/Rovati 1995), which showed 8.9% in Italy as a whole. If we add together the practicing Catholics, rigorists and traditional celebrants, we obtain an absolute majority of 61.7%, which remains within the overall Catholic framework, albeit with variations. Of particular interest is the category of open-minded radicals, which perhaps represents this work’s major novelty. Their attitudes are pervaded by a marked sense of modernization and secularization. Their commitment to society and in society is particularly clear, as is demonstrated by their opposition to the death penalty. There is evidence of religious conditioning, but it is weaker than that of the rest of the sample. This group has the highest degree of tolerance towards immigrants. There is a definite shift from typically religious values to more
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secular ones. They do not completely abandon the religious fold, but cast aside typically institutional references. This is also due to the higher educational level of the group. They are generally in favour of innovations, such as the introduction of women-priests. But perhaps the most distinctive feature is their open-mindedness towards other religions, a sort of unconditional, unreserved, unhesitating propensity to ecumenism. In the meantime, church attendance is reduced to a personal matter, which ties in with their divergence from the opinions of the Church. The last group we consider is the negativists, who form the significant minority in our sample. They combine non-altruistic tendencies toward immigrants with a refusal to accept fiscal disobedience. RIGORISTS Moral pluralism: absent Yes to capital punishment No to immigrants No to favouritism
Religious pluralism: absent No to religious movements Yes to state support for religious schools Yes to only one true religion
TIMOROUS DON’T KNOWS Moral pluralism: present Yes to favouritism Yes to capital punishment No to immigrants
Religious pluralism: absent Yes to only one true religion Yes to state funding only for Catholicism
TRADITIONAL CELEBRANTS Moral pluralism: present No to immigrants Yes to justified tax evasion No to favouritism No to capital punishment
Religious pluralism: absent Yes to only one true religion No to religious movements Yes to state funding only for Catholicism
OPEN-MINDED RADICALS Moral pluralism: present No to suicide Yes to immigrants No to capital punishment
Religious pluralism: present Yes to Scientology Yes to women-priests Yes to truth in many religions Yes to the freedom to learn from other religions Yes to religious symbols banned in state schools Yes to Jehovah’s Witnesses Yes to state support for religious schools Yes to state funding only for Catholicism.
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138 COMMITTED PRACTICING CATHOLICS Moral pluralism: absent Religious pluralism: present Yes to immigrants Yes to Jehovah’s Witnesses Yes to the influence of religion Yes to the influence of a social conscience No to favouritism No to justified tax evasion No to capital punishment NEGATIVISTS Moral pluralism: present No to justified tax evasion No to immigrants Yes to favouritism
Religious pluralism: absent No to the freedom to learn from other religions No to Jehovah’s Witnesses No to Scientology No to religious movements
In the last analysis, our findings confirm that there is a limited tendency toward religious pluralism, whereas moral themes would appear to be much more fragmentary. Is this the result of Catholic conditioning on Italian culture in general or does it stem from a widespread ethos which also contains variables depending upon Catholicism? The question remains unanswered and points to the need for further study. Meanwhile, reinforcing Pace’s viewpoint, Italo De Sandre (2001, 53) reverses the formula which dates to the thirteenth century, according to which “outside the church there is no salvation” and transforms it into “outside the church there is salvation” (extra ecclesiam, salus). In essence, invisible religion, at least for now, does not seem to have a solid future at the start of the new century. Franco Garelli seems convincing, as is also attested by his many empirical studies in Italy, when he says “contrary to many predictions God is not dead in Europe, nor is the social trajectory of Christianity exhausted. Religion seems still strongly integrated with the culture, even if we witness the disempowering of faith, the melting of beliefs, the discontinuity of practice; even if religious values increasingly slide into the background of existence and are exposed to a distinctly subjective interpretation.” (Garelli 1996, 205)
This does not leave the religious hierarchy tranquil, however. Not by chance, pope Paul VI, as a sharp intellectual, had already grasped what was happening in the post-conciliar phase, as he expressed it to Jean Guitton: “What strikes me when I consider the Catholic world, is that within catholicism at times a non-Catholic thinking seems to prevail, and it may be that this nonCatholic thought within catholicism becomes tomorrow the stronger”. In this way catholicism itself would become invisible. But this would be another story, and maybe the object of study for future sociologists of religion.
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Roberto Cipriani
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Historische Entwicklung
Heike Bock
Secularization of the modern conduct of life? 1 Reflections on religiousness in early modern Europe The classic theory of secularization of the industrialized West refers to two dimensions: First, it means the institutional and juridical separation of state and church, which led to a decline of the impact the institution Church has in modern societies. Second, it means a decrease of religion as a category of orientation for the individual as well as the collective conduct of life. While the first aspect of this thesis is hardly being disputed today, criticism basically focuses on the assertion that the conduct of life of modern people has been secularized. The Anglo-Saxon scene has become the centre of this debate: while the British tradition defends the secularization thesis, the contemporary American Sociology of Religion finds so much empirical evidence against secularization that it wants to abolish the concept altogether. In this article, the current debate on secularization between sociologists of religion will be considered from the early modern historian’s point of view. There are two reasons why a closer look at the nature of early modern religious thinking and practice is vital: (1) Early modern Europe is the period and place where the origins of our modern secularized life are traditionally located, more precisely Western Europe between the Reformation and the French Revolution. In order to assess to what extent the lifestyle of most West Europeans today differs from that of our ancestors it is vital to have an idea of the religiousness in the period directly preceding what we call the modern age. Distinct features and transformations of early modern religiousness are therefore presented in the main part of the essay. (2) Religious life in early modernity is also a test case to demonstrate that the two purportedly contradictory lines of argumentation in the current secularization debate must not necessarily be incompatible.
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I am particularly grateful to Falk Reckling, but also to Thomas Maissen, for valuable discussions and suggestions. Research on this essay was made possible through a project on “Confessional cultures between Baroque and Enlightenment,” financed by the Swiss National Foundation (SNF).
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1. The Bruce-Stark controversy on secularization Let us have a look at the arguments of two leading opponents in the AngloAmerican secularization debate: Steve Bruce in his recent book God is Dead (2002) detects a “long-term decline in the power, popularity and prestige of religious beliefs and rituals” (44), backed by British statistic data from the 19th century until today. Bruce’s basic proposition is that there is a causal connection between modernity and secularization, arguing that factors like the fragmentation of the life world (Lebenswelt), individualism, diversity and egalitarianism undermined the authority of the church, which led to the loss of social significance and consequently to a decline in the plausibility of religious beliefs all together (30). Bruce’s crucial conclusion is thus a correlation between socio-cultural pluralization and the decline of religion. While rather vague about the beginnings and potential end of this development, the important issue for him is that people in pre-modern times were more religious than they are today. Bruce predicts “the proportion of people who are largely indifferent to religious ideas to increase and the seriously religious to become a small minority” (43) in the future. He does not exclude the possibility of new religious ideas emerging in largely secular societies, but thinks it unlikely that they will catch on, thereby denying a universal need for religion. Rodney Stark and other representatives of the rational choice approach, in contrast, build their theory of religion on the assumption that there is a universal and stable human demand for religious transcendence (Stark/Bainbridge 1987). Religion under this supposition will only change in terms of form, but not of dimension. The main determinants of religious vitality lie not in causes of varying demand but in features of the religious ‘market place’ that affect the ‘supply’ side of religious goods. From this point of view, competition animates the forms of religious expressions and institutions, resulting in a vitalization of religion and religiousness. In his essay “Secularization, R. I. P.” (1999), Stark identifies a false correlation between the loss of social power of the churches and the decline of personal piety. He thinks the claims about a major decline in religious participation in Europe are based on exaggerated perceptions of past religiousness; participation may be low today but this is not a result of modernization. Stark therefore denounces the secularization theory as irrelevant (257f.). Stark’s focus is on change, not decline: “Of course, religion changes. Of course, there is more religious participation and even greater belief in the supernatural at some times and places than in others ... Of course, doctrines change ... But change does not equate with decline!” (265). Stark argues that the market theory of religion is compatible with religious variation (e.g. increases/decreases in religiousness), whereas the secularization theory is incompatible with stability/increase; it requires a general, long-term pattern of religious decline.
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Contrasting both positions, one can discern a basic difference in the perception and thought model of both sociologists: Whereas Bruce observes decline in the significance of religion, Stark detects change. My thesis is that the vitalization of religion as well as an emergent secularization were parallel and not mutually exclusive developments in early modern Europe. On the one hand, the pluralization of religion through the Reformation led to a vitalization and consolidation of the role of religion in society (confessionalization). On the other hand, the split of the once single Christian Church undermined the powers of explanation of religion as a whole, giving way to the rise of new, alternative thought modes, which became more plausible and dominant in the 19th century (secularization).
2. Early modern religiousness Early modern religiousness was characterized by some distinct features and transformations which are important to understand in order to grasp the consolidation of religion as well as the roots of secularization in this period. Four crucial aspects are presented in the following, particularly with regard to their potential for vitalization and secularization: Early modern religion fulfilled a wide range of societal needs (2.1.); Christian forms of belief and magic existed next to each other (2.2.); the process of confessionalization led to the emergence and consolidation of four distinguishable Christian confessions (2.3.); elitist and popular religiousness increasingly grew apart at the end of the period (2.4.).
2.1. Societal needs in pre-modern societies Religiousness in pre-modern times was not experienced as a separate reality, dealing only with anxiety about death and afterlife, but pervaded human existence on almost all levels. It was not so much considered an abstract thought mode but was seen as part of the natural world, as an existential frame of orientation and help in everyday life. Based on this observation, Engels and von Thiessen have recently pleaded for a stronger focus on how belief was adapted to fulfil specific functions. They grasp pre-modern belief as a “flexible mode of interpreting the world” that allowed for a certain scope for personal utilization. In this view, creativity, calculus and serviceability are all constituent elements of early modern belief (Engels/von Thiessen 2001, 354f.). One central point is essential for our understanding of the character of religiousness in pre-modern societies: the fundamental dependence of man on
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nature. People’s main concern then was to secure the fragile human existence, which was periodically endangered by crop failures, natural disasters, illnesses, epidemics and wars. Consequently, religion was a means of satisfying people’s needs in coping with the fundamental contingencies of the environment. The rhythms of the agricultural year, for instance, were mirrored in the calendar of holidays, rituals and customs, thus illustrating the close connection between the material conditions of life of the people and their expressions of their social and religious lives. Hartmut Lehmann has convincingly demonstrated the complex interweaving of natural factors like weather and climate and the religious conduct of early modern people using the example of the so-called “little ice age” (“kleine Eiszeit”) around 1600. From the 1570s on, we can verify decreasing average temperatures, extremely wet summers and long cold winters. These severe conditions will surely have put a huge strain on the people in a world where more than 80% of the population lived in the country. At the same time, we witness an unusual popularity and incredible flood of eschatological papers. Bad weather and heavy storms, so the Protestant and Catholic Churches taught alike, were a sign of God’s wrath and an indicator of the impending Last Judgement. People therefore interpreted the inhospitable weather they experienced over a long period of time as a symptom of an aging world that was coming to an end. Also, in the years around 1600, the persecution of witches increased significantly; and the witches were often accused of having caused bad weather and the resulting bad harvests (Lehmann 1986). The increase of apocalyptic thinking, which became acute up with the socalled “crisis of the 17th century,” is another example of the close connection between religion and the urgent questions of plain survival (Koenigsberger 1982, Jakubowski-Tiessen 1999, Lehmann/Trepp 1999). Subsistence crises, epidemics and wars caused negative, frightening experiences. The people had to process those experiences and therefore tried to attribute religious meaning to them. The usefulness of the church in this respect was immediately apparent to every early modern person, as Richard van Dülmen has pointed out. The church was accepted as a matter of course, which explains why there was no rigid hostility towards the church in early modern societies – except at the radical fringes (van Dülmen 1986, 19ff.). That the explanatory offers of the established confessional churches did not seem to suffice under acutely difficult conditions may be interpreted as a general weakness or incompetence of the churches; but the interpretive deficit also ascribes to the existentiality of the many problems. We can conclude that the hopes and expectations early modern Europeans projected onto religion were high and numerous. The range of ‘natural’ desires was much larger than today, where most of them – at least in the Western world – are largely satisfied. It extended from the anxiety about death and eternal salvation, via the interpretation of apparently inexplicable
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phenomena and incidents, to practical help in everyday dealings with nature and agriculture. With the emergence and rise of other means to fulfil many of the above-mentioned societal needs, the functions of religion gradually became reduced. Thus, when certain functional areas of religion cease to apply, this obviously derogates the attraction of religion and consequently the significance of it in the social and individual respect, which is a factor promoting secularizing developments.
2.2. Belief versus superstition The insights of research on magic and superstition have changed the way historians understand early modern forms of belief today. They have led scholars to challenge the conventional notion of belief as something predominantly defined by Christian dogmatic standards. The division of belief into an official ‘true belief’ and ‘superstition’ was initiated with the Reformation and performed at an elitist theological level. Historians commonly agree today that it is very problematic and virtually impossible to separate religion from magic in the period under discussion. It is only when the Enlightenment had gained a substantial influence that we can distinguish between purely Christian and magical elements of belief; even in the 18th century, this is only true in the field of the elitist educational culture. Instead we see a general syncretism in early modern Europe: Confessional Christianity mixed with magic ideas and practices and a belief in the interrelations between the natural and the supernatural world. The belief in witches and ghosts was widespread until the end of the early modern period – and many priests were not free of it themselves. John Wesley, the founder of the Methodist movement and known for his serious and pious outlook, provides us with a vivid example of how hardy belief in witchcraft was. As late as in 1768 he noted in his Journal: “It is true likewise that the English in general, and indeed most of the men learning in Europe, have given up all accounts of witches and apparitions, as mere old wives’ fables. I am sorry for it. … The wisest and best of men in all ages and nations … well know that giving up witchcraft is, in effect, giving up the Bible” (cited in Armstrong 1973, 82). The popularity and longevity of magical thinking and the taken-forgranted use of magic practices demonstrate that magic was often regarded as more attractive and promising than mere clerical solace or the hope of an abstract afterlife. The oft-lamented misuse of the holy sacraments and of Christian rituals by the local clergy has to some extent to be seen as a result of the people demanding that the church help them practically in their lives. Magic customs and the offerings of the church were not perceived as contradictions, but they often fused into functional units.
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The belief in the effectiveness of witches and ghosts, however, was confined to certain areas of life and linked to concrete experiences of life. It did not exclude rational practical planning and action and there was no closed magic system. Eva Labouvie describes the early modern conception of magic as a tried and tested instrument that was indispensable in coping with life and primarily oriented towards action (Labouvie 1994, 306). A specific mentality of the early modern people contributed to the compatibility of dogmatic and magic elements of belief. Bob Scribner has identified the following key features of this mentality: first, an ability “to inhabit multiple mental worlds simultaneously”; second, “an underlying pragmatism or ‘practical rationality’ in most people’s attitudes to life”; third, the “ability of people to live for a long time with contradictions within their world-view, without feeling any necessity to reduce their thought to a logical consistency”; fourth, “a stoic acceptance that what cannot be changed must be endured”; and fifth “an ability to use subjective perspectives” in order “to interpret the world in terms of a personal notion of order” (Scribner 1997, 90). Let us remember that the prime interest of people in early modern Europe was the coping with the exigencies of life in a highly risky world. We can assume that they were inclined to employ whatever method promised and proved to be the most effective in attaining their goal. For the overwhelming majority of the early modern population of Europe religion and magic seemed to be just that most effective method and help in life. And for the longest part of the early modern period, religion and magic were interchangeable thought modes, forming a symbiosis together, which we might call ‘magical religion’ or ‘religious magic’. People would choose to utilize a certain element or special offer of this ‘magical religion’ in a particular situation when they were left at their wits’ end. To sum up, we can say that the differentiation between religion and magic, which seems so natural to us today, was an artificial one in early modernity. Magical thinking, in fact, was supportive of and furthered the overarching importance and popularity of religion. The stigmatization of magic as a constituent feature of religion by the Protestant Churches ironically undermined the significance of religion for a large portion of the population and thus worked for secularization. The decision of the Catholic Church in the Council of Trent (1545-63) to keep essential magical elements within their realm (e.g. cult of the saints, the seven sacraments) and a strong emphasis on sensual experiences during mass proved to be a highly effective means of keeping Catholicism attractive to the masses and of withstanding the challenges of Protestantism in the Baroque period (ca. 1650-1750). Magic in a sense fulfilled a vitalizing and stabilizing – if not life-saving – function for the Catholic religion in early modern Europe. One of the long-term results of this Counter-Reformation decision is that Catholic milieus all across
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Europe today are more stable and less vulnerable to secularizing tendencies than Protestant milieus.
2.3. Confessionalization The so-called process of confessionalization during the second half of the 16th and first half of the 17th century – in the aftermath of the Reformation – was the most important factor in the shaping of a special early modern religiousness. The Reformation as an event did not have as pervasive and as longterm effects on the religious thinking and behaviour of the people as the following period, during which each confession attempted to define itself and consolidate its power. Heinz Schilling, the founder of the confessionalization paradigm alongside Wolfgang Reinhard, describes confessionalization as a process during which the four confessions – the Reformed Church, Lutheranism, Anglicanism and Catholicism – formed four institutionally, personally and ideologically differentiated and mutually exclusive systems of worldviews (Schilling 1999, 13). It should be said, however, that the crucial front line ran between Catholicism and the three Protestant denominations. The efforts of the four confessions to establish a socio-religious conformity of their subjects resembled each other. Being forced to distinguish themselves from their competitors, theologians in all denominations created a differentiated, precise and biblically founded doctrine which clearly stated what it meant to be a correct Lutheran, Calvinist, Zwinglian, Anglican or Catholic. All attitudes, statements and behaviour that did not fit into the rigid body of rules were stigmatized and persecuted – in theory at least. The standardization of Christian life was accompanied by moralizing the customs and manners; moral conduct and virtuous acts became the standard for Christian life. Special institutions were set up in each confession to control the belief, the thinking and the actions of the people. Compared to the late Middle Ages, the church’s hold on the people was greatly intensified and eagerly supported by the worldly authorities. A very close interlocking of church and state is in fact the most important constituent feature of the confessional period. Magic took a central position in the struggle of the confessions to draw a theological line of demarcation between the Protestant and Catholic churches. Most Protestant reformers strictly refused the centuries-old magic traditions as a means of acquiring salvation. While a theologically reasoned belief was defined as the core of religion, magic was denounced as superstitious, worldly and therefore unchristian. The people only partially followed the clerical instructions and usually displayed a considerable intractability. It needed the pressure exerted by a systematic indoctrination through sermon, education and visitation talks to make people gradually absorb the dogmatic knowledge. The specific forms of piety and religiousness that the confessional churches generated during a
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complicated and exhausting process are often misinterpreted as the typical manifestations of popular religiousness at that time. They were, however, of an original nature and often had to be enforced on the people. The constraining character of the attempts at unifying the socio-religious lives of the people notwithstanding, confessionalization generated a pervasive institutional power and led to the development of certain confessional consciousnesses. Confessionalization undoubtedly had less penetrating power in the country than in the small educated urban middle classes. It did, however, change the perceptions of the rural population as compared to medieval peasants in that it heightened a consciousness for ‘right’ and ‘wrong’, for reward and punishment. Although peasants usually adhered to the well-known magical practices, situations accumulated when it proved to be more rewarding to display confessionally approved behaviour in order to avoid conflicts with the authorities or to gain social recognition. Confessionalization – in competition with magical and early scientific explanatory patterns of the world – was successful in teaching principal convictions and in creating a confessional-religious consciousness in terms of the exclusion of other confessions and of unchristian patterns of explanation. We see that the Reformation and the subsequent confessionalization created a partly fierce competition on the European religious “market place” in the early modern period. The pressure on the confessions to profile themselves ultimately strengthened the religious factor in early modern lives, in that ‘confession’ became a central feature of the confrontation, an issue that was endlessly dwelled upon in theological and political disputations and pamphlets. After the initial attraction of Protestantism in the 16th century, Catholicism – in very general terms – turned out to be the more popular confession in the 17th century, which is observable, for instance in a lively conversion movement. Whereas early modern Catholicism drew its attractiveness from the emphasis on tradition, the up-holding of the claim for unity of the Christian Church, a lively cultural involvement and a highly magical piety, the Protestant Churches placed their emphasis on the authority of the Holy Scriptures and individual salvation. The excessive use of the word in the Protestant services and theological argumentations introduced a very rational element to religion, which certainly and unintendedly contributed to secularization.
2.4. Popular versus elitist religiousness The majority of historians today agree that there was neither a socially homogenous culture and religiousness in the early modern period nor were there two monolithic blocs of an elitist versus a popular culture. One can broadly distinguish between two cultural areas, that of the common people and that of
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the elite; these were not, however, closed systems with no contact between them. Popular culture and popular religiousness have been favoured and expansive fields of research for years. It was the anthropologically and culturally inclined historiography as of the 1960s that sharpened the perception of a specific popular religiousness. Although we cannot comprehend early modern popular religiousness via the official belief alone, it was not an autonomous phenomenon but was linked to high religion by many interrelations. A clear line of distinction is thus difficult to draw. Van Dülmen describes popular religiousness as a belief that subsumes the religious customs and rituals of the common, largely illiterate people as expressed within and without the church (van Dülmen 1986, 17). The specific nature of early modern popular religiousness arose from the complex interplay of church belief and a magic worldview orally passed on for centuries. The inclusion of popular religiousness in everyday life constituted an important difference to official religion. Popular religion was neither recorded nor systematically reasoned nor did it correspond to theological concepts of piety. Religious and dogmatic knowledge and even the Holy Scriptures did not play an essential part in the religiousness of the common people; biblical themes were only handed down through sermons and pictures. The many interconnections between popular and elitist religiousness notwithstanding, at the end of the early modern period – when the influences of the Enlightenment gathered momentum – there was a tendency of the upper and middle classes to abandon popular elements of religious practice in order to distinguish themselves from the lower stratum of society. The conscious adoption of the piety and moral behaviour demanded by the confessional churches proved an appropriate and successful means of achieving and consolidating social advancement. Thus, while religion gradually lost some of its former central functions (see 2.1.), the new function of social distinction and advancement became attributed to it (particularly to the Protestant confessions), which again helped religion to remain an important part in the lives of early modern Europeans.
3. Bruce, Stark and the roots of the secularization of modern life Coming back to the arguments pro and contra secularization represented by Steve Bruce and Rodney Stark, my answer is a “yes” and “yes”. Bruce, on the one hand, offers an evidential micro model. He demonstrates that competitors to religion emerged during/at the end of the early modern period (rationality, science, political and economic ideologies),
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which led to a decline in the demand for religion in the long run. Science and ideologies in this context cannot simply be viewed as ‘surrogate religions’ but as fundamentally different interpretations of the world (e.g. abdication of transcendence, reference to worldliness). Although Europe remained deeply rooted in a Christian universe throughout the whole period, there were several unintended factors in the development of early modern religion that contributed to secularizing tendencies: the reduction of functional areas of religion, the stigmatization of magic, the Protestant emphasis on the (rational) word. Stark, on the other hand, offers an appropriate macro model explaining religious variation. Applying his example to the early modern religious ‘market place’, we can observe that the increased supply of religious contents (several confessions and free churches) led to a competing situation, which resulted in a vitalization and stabilization of religion on the whole. My thesis is that Bruce’s and Stark’s models must not necessarily be contradictory, as one line of argumentation works on the micro level, the other on the macro level. If one expands Stark’s model from the supposition of a universal and stable demand for religion to the presumption of a more abstract demand for explanation of the world and interpretation of meaning, it can also be used to explain the temporary process of secularization: Religion loses some of its powers of interpretation, new competitors emerge (science, politics, economics or ideologies), and therefore the market place of explanations becomes vitalized.2 The demands for interpretation thus fragmentize parallel to the fragmentation of the social spheres. This modern development of course does not determine secularization to be an irreversible and linear process – we have faced historically and are facing today religious revivals in different parts of the world – but it seems unlikely that religion will ever regain the absolute power of interpretation it once had. The early modern period can thus be seen as a religious laboratory, in which religion in its Christian form was and remained the overarching frame of orientation for the individual lives of the overwhelming majority of the people. Beneath the surface, however, numerous confessions and smaller religious movements co-existed and often combated each other, thus vitalizing religion and at the same time preparing the ground for alternative models of explanation.
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A classic description of this development is Karl Löwith (1949): Meaning in History. Chicago University Press, Chicago.
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Todd H. Weir
The Secularization of Religious Dissent: Anticlerical Politics and the Freigeistig Movement in Germany 1844-1933 Der Wissenschaft geweihte Fahne Weht drohend über Eurem Haupt. Der Glanz der Kutten und Korane Erlöscht, bevor Ihr’s selber glaubt. Zur Hölle fährt das Reich der Lüge, Des Truges und der Gaukelei. Der Geist entfaltet seine Flüge Und lacht der alten Tyrannei.1
1. Introduction Developments outside of Europe have provided the strongest case against the thesis that modernity or modernization necessarily coincides with a thoroughgoing secularization of society.2 Recent studies have shown that patterns of religious participation in Europe over the past two centuries have been much more dynamic than previously assumed (Lehmann 1997, Blackbourn 1994). Nonetheless, over the longue durée the decline of Christian piety in Europe and particularly in majority Protestant countries such as Germany has not been significantly challenged. Recent surveys in Germany have confirmed an ongoing dwindling of church attendance and growing religious indifference.3 1
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Text from a hymn sung in the Berlin Free Religious Congregation on 2 December 1877. Landesarchiv Berlin (LAB), A Pr. Br. Rep. 30, tit. 95, no. 15052, p. 33. English translation: “The flag pledged to science / Waves threateningly over your head. The shine of priestly robes and Korans / Vanishes before you can believe. To hell descends the empire of lies, / Deception and buffoonery. The Spirit unfolds its flights / And laughs at old tyranny.” The case against secularization has been made most strongly in the United States, among others by the sociologists Rodney Stark and William Bainbridge (1985). For examples in other regions of the world, see the other essays in this volume. The Church historian Kurt Nowak concluded, “in the mid- and long-term perspective, Christianity in Germany will probably move towards a minority status” (Nowak 1995, 325). See also Hölscher (2001).
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One of the fields of inquiry that has implicitly questioned the idea of European secularization as “disenchantment” is that on “civil” or “political” religions, which has highlighted the operation of religious forms, symbols and practices in supposedly secular movements like nationalism, liberalism, communism, socialism and national socialism (Maier/Schäfer 1997, Ley 1997, Hardtwig 2001). The rise of these movements coincided historically both with a latent process of secularization, as a decline in popular piety, and with a manifest process of secularization, which entailed the attempt to drive ecclesiastical institutions from the state, schools and the public sphere.4 In nineteenth-century Germany, the most active agents of manifest secularization were initially the absolutist states. Under modernizing pressure from Napoleonic France, in 1803 they jointly agreed to seize (Catholic) church property and partially integrate the churches into the state bureaucracies (Nowak 1995, 44-48). By the mid-nineteenth century, however, pressure for further secularization had shifted to the public sphere, where it took the form of anticlerical agitation by liberals, radical democrats, and socialists, i.e. adherents of those movements identified with “political religion.” What is the relationship between the anticlericalism and the secular religiosity of modern utopian political and cultural movements? The following essay approaches this question by examining the freigeistig movement in Germany, a network of atheist Freethinkers, religious dissidents and Weltanschauung organizations, whose members represented some of the most vocal anticlerical agitators in Germany between 1844 and 1933. While proclaiming the death of God, the Freigeister (or Free Spirits) self-consciously developed religious structures and imported them into the political and cultural oppositional movements in which they figured prominently. After providing a brief historical overview of what for many readers is probably an unknown movement, this essay examines the question of anticlericalism in light of the literature on secularization and political religion. In contrast to the substitution model of secularization found there, we will advance our own relational model. With it we will try to prove the hypothesis that the anticlericalism and secular religiosity common to Freigeistigkeit and other modern opposition movements expressed a “negative dependence” on the dominant order. The essay then examines how this “negative dependence” operated in different dimensions of Freigeistigkeit. We conclude with a look at the macro-historical structures in which Freigeistigkeit was located and argue that as long as the dominant order linked clerical and state power, neither Freigeistigkeit nor radical politics could secularize.5 4 5
On “manifest” and “latent” secularization see Dobbelare (1981). This paper is based on my dissertation, “The Fourth Confession: Atheism, Monism and Politics in the Freigeistig Movement in Berlin 1859-1933.” Columbia University, 2005.
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2. Freigeistigkeit: an overview The institutional origin of Freigeistigkeit was in the rationalist Christian dissent that erupted in the early and mid-1840s in response to the growing ultramontane and pietist-conservative developments within the Catholic and Protestant Churches. The congregations and support organizations of these Deutschkatholiken (German Catholics) and Lichtfreunde (Friends of Light) became seedbeds for the revolution of 1848 and were subsequently repressed by the monarchic states. When the political thaw of 1859 enabled the dissidents to reorganize, the former Catholics and former Protestants united under the common name “Free Religious Congregations” and abandoned formal ties to Christianity in favor of an increasingly secular humanist religiosity (Rosenberg 1972, Graf 1978, Palatschek 1990, Holzem 1994, Herzog 1996). Following the collapse of liberal hegemony over the Left in 1878-80, a plethora of Weltanschauung organizations emerged that opposed the privileges, power and practice of the state churches. Alongside the Free Religious, the most important groups were the Deutscher Freidenkerbund (German Freethought League, 1881), the Deutsche Gesellschaft für ethische Kultur (German Society for Ethical Culture, 1892), and the Deutscher Monistenbund (German Monist League, 1906) (Groschopp 1997, Simon-Ritz 1997, Kerbs/ Reulecke 1998). After World War One, these “bourgeois” organizations of Freigeistigkeit declined, and “proletarian” Freethought rose to become a mass organization of the socialist parties. As in the two prior phases, the Weimar Republic saw Freigeister combining anticlerical agitation with new forms of religiosity. As part of Stalin’s international offensive of 1928, the German communist “godless” movement launched a series of anticlerical actions that gave concrete expression to church fears of the coming “cultural bolshevism.” At the same time, these Freethinkers promoted secular confirmation ceremonies (Jugendweihe) and gave atheistic graveside speeches. Former monists tried to convince workers that cooperatives, nudism and sexual reform all offered means of experiencing collective union and moral improvement, while their past colleagues in the rightist camp were exploring connections between race and culture. After 1933 most freigeistig organizations were banned, while some cooperated with volkisch associations of Germanic religion tolerated or supported by the National Socialists (Kaiser 1981, Bahn 1991).
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3. Anticlericalism in secularization theory 3.1. The substitution model Given the apparently paradoxical support by Freigeister of both anticlericalism and secular religiosity, it is not surprising that critics likened them to their supposed enemies. When socialist Freethinkers called for an anticlerical campaign at the 1890 Social Democratic Party congress, Wilhelm Liebknecht took the floor to denounce those who “in fighting religion themselves reveal a certain religiosity […] better yet, a residue of papishness [Pfafferei]. I have no love for the papists, and just as little for the anti-papists [Antipfaffen] as for the real ones” (cited in: Prüfer 2002, 339). How is this freigeistig paradox explained in theories of secularization? We might begin with the secularization theory proposed by a leading Freigeist. In 1906 the science popularizer Heinrich Schmidt wrote a brochure entitled “Monism and Christianity” to explain the two aims of the recently formed Monistenbund. Its primary aim was to promote “a unified worldview and lifeview based on the knowledge of nature” (Schmidt 1906, 5). In order for it to fulfill this task, however, the Monist League would have to struggle against what he saw as more primitive dualistic Weltanschauungen, the most important of which was Christianity. Schmidt cited Herbert Spencer to explain this connection: “[t]he place in human thought occupied by a Weltanschauung cannot tolerate a vacuum” (cf., 26). He then added, “The orthodoxy knows this just as well as we, that there is no room for both in the thinking of mankind” (cf., 30). According to Schmidt, then, the secularization of religion entailed not its elimination, but its adaptation to contemporary understandings of truth in the form of scientific Weltanschauung. Christianity had to be battled against because it was an atavism that hindered the development of this modern Weltanschauung. According to the historian of philosophy Hermann Lübbe secularization entered “scientific” discourse via liberals like Ernst Troeltsch and Max Weber. Uncomfortable with the positivist account of secularization given by groups such as the Freethinkers and Monists, they turned the conclusions of the substitution model of secularization around. They accepted Weltanschauung as a functional equivalent of religion, but removed Schmidt’s certainty that the law of evolutionary progress would ensure the greater perfection of Weltanschauung. Weltanschauung became essentially extra-scientific and oriented on values that are subjective and historical. This cast Schmidt’s monist Weltanschauung amongst a multiplicity of competing religious and quasi-religious movements (Lübbe 1975, 57-77). Similarly relativist, Émile Durkheim considered “the concepts of totality, society and deity […] really just different aspects of one and the same no-
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tion” (2001, 337f.), and saw secularization as a shift in the mediated representation of society. Likewise, Elias Canetti (1960) saw the generation of religious representations and practices as an anthropological constant of social life. A less relativist position was promulgated by Eric Voegelin, who interpreted the anticlericalism of National Socialism and Communism as the latest phase of the eternal struggle between (good) transcendent religion and (bad) Gnostic heresies (Kraus 1997).6 Recent work on “political religion” has followed Voegelin’s lead and made much of the supposedly “eschatological core” of Marxist doctrine and National Socialist antisemitism. These studies have posited a genetic link between these political ideologies and Christianity, either via the history of ideas (Luther to Hegel to Marx) or through a world historical dialectic (Malia 1994, Maier/Schäfer 1997). Secularization is often given a mediating role in the substitution process, as in the following quotation from Michael Ley’s recent essay, “Apocalyptic Movements in Modernity”: “The consequence of occidental modernization is the substitution of Christian eschatology by an immanent redemption. Nationalism, liberalism, socialism, positivism and Marxism replace – mutatis mutandis – this religious hope. Modernity can therefore be interpreted as the secularized form [Säkularisat] of the Christian history of salvation” (Ley 1997, 12-13). Common to all advocates of the substitution model from Schmidt to Ley is the assumption that anticlerical violence is essentially a byproduct of the secularization process itself. As transcendental religion is inverted and secular Weltanschauung emerges with an immanent plan of salvation, the latter seeks to destroy the former.7
3.2. “Negative dependence”: a relational model Such metahistorical theories of secularization have been of little use to social historians of oppositional politics, who often begin with relations of opposition and deduce utopian and anticlerical aspects from these. The utopianism of modern German and Russian political movements has been interpreted as a compensatory response to impediments placed on popular political participation by nineteenth-century autocratic states.8 Similarly, Thomas Mann re6
7 8
Voegelin’s solution to totalitarian political religions was less rather than more secularization. In the second edition of his work Die politischen Religionen, Voegelin wrote “that this world finds itself in a severe crisis, […] which has its cause in the secularization of the spirit [Geist] […] and […] which can be healed only though religious renewal.” Cited in: Kraus (1997, 79). An admirable comparative study of the religious and historical consciousness of Protestants and Social Democrats in nineteenth-century Germany can be found in Hölscher (1989). In an influential study, Dieter Groh argued that worker aggression produced by their “negative integration” into the Kaiserreich as second-class political citizens was channeled into
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flected in 1933 that the “unpolitical” moral idealism and disdain for the dirty politics of parliamentary compromise that German liberals cultivated under the monarchy had, in fact, been the expression of a “resigned inwardness shielded by power [machtgeschützte Innerlichkeit]” (Cited in: Winkler 2000, 340). I should also like to place opposition at the center of my analysis of Freigeistigkeit. But rather than asking after the compensatory responses to exclusion from the center of power, I shall ask how the religious qualities of this center of power continued to influence Freigeistigkeit. I will argue that freigeistig organizations, like other oppositional movements of classical modernity, expressed themselves in utopian, quasi-religious forms not only as compensation for lacking power or because these forms served as substitutes for the earlier religious ties of their followers, but also because the dominant order they opposed was itself only semi-secularized. In short, these oppositional movements continued to be constituted, in part, by that which they opposed. Here I want to follow a shift proposed by sociologist Pierre Bourdieu away from an essentialist and towards a relational understanding of the dynamics of religious dissent. In a reinterpretation of Max Weber’s work on Old Testament prophets, Bourdieu argued that the competition between priests, prophets and laity over the monopoly of religious power was the chief structuring element of the “religious field.” Although the prophet claims divine origin for the beliefs, forms and organization with which he gathers a dissenting sect, these features are always co-determined by the place of the prophetic leadership and its followers within the religious field. The recurring demands of dissent, such as “rejection of institutional grace, lay preaching, direct self-administration of sacred operations, […] freedom of conscience, etc.” remain “invariant” because of the hierarchical, institutionalized, bureaucratized characteristics of the dominant religious orders they oppose (Bourdieu 2000, 89). This finding can be productively adopted and modified to arrive at the following hypothesis: Freigeistigkeit continued to be constituted by competition within the religious field even as it attempted to dismantle and secularize this field. In other words, crucial elements of the relations of dissenting sect to the state churches that marked the beginning of Free Religion in the years 1841-45 were re-inscribed in freigeistig organizations until 1933. Even as it became atheistic, Freigeistigkeit remained linked to the dominant order, a link formed precisely through its anticlericalism. As will be shown, the forms of transcendent unity circulated by the Freigeister – Humanity, World, and Nature – were nearly always accompanied by the critical negation of the dominant order. Ostensibly invoked to show the supesupport for Social Democracy and its combination of militant utopian rhetoric and quietest politics characterized as “revolutionary waiting” (Groh 1973, 36-62).
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riority of Freigeistigkeit over Christianity, this criticism was at the same time a form of dependence that I will call “negative dependence.”9 As will be discussed in the subsequent sections of this essay, negative dependence on the dominant clerical-authoritarian order was central to the formation of the discursive, social and political dimensions of Freigeistigkeit.
3.3. Paradox and negative dependence If the freigeistig dissenters had acknowledged their dependent relationship on Christianity, then their own failure to secularize would not have appeared paradoxical to contemporary or latter-day observers. Dissent, however, denies and hides its marginal, dependent position to that which it criticizes. Denial is necessary to maintain the moral purity of its universal claims, a mechanism that can be illustrated with reference to the opening of a sermon given by the Free Religious preacher Eugen Vogtherr in Berlin in 1860. Vogtherr was decrying the very real persecution of the Free Religious at the hands of the Church orthodoxy: “My brothers and sisters! We are taken by a lofty feeling, when we look around us and see the height at which humanity is standing in the realms of industry, art, trade and science. … How different it stands in the realm of religion! She, who was to cultivate and deify [vergöttlichen] people, reconcile them and lead them to unity, is being misused in order to alienate people from one another and call forth intolerance, hatred and persecution.”10
By leveling his charges against the Church from a universal perspective and for the good of the commonweal, Vogtherr elided the marginality and selfinterest of Free Religion. This obfuscation is not specific to religious dissent alone, but, as Reinhart Koselleck has argued, is at the core of modern political criticism. In his study of Enlightenment criticism of the absolutist state, Koselleck (1988) showed that the critical position of the philosophe, a forerunner to the modern intellectual, presupposed a moral purity. In order to avoid the pollution that would have come with an open statement of the critic’s political interests, the critic claimed that a disembodied “law of Progress” would deliver victory. This recourse to historical necessity implied that the violence of the coming revolution could be blamed on the fact that absolutist power had hindered historical development. A similar dynamic can be observed in Freigeistigkeit. Vogtherr argued that religion, too, had a “law of Progress” that was embodied naturally by Free Religion, which orthodoxy suppressed in violation of this law. The violence implicit in anticlericalism was thereby projected onto the outside, onto 9 10
Rainer Wild noted the “negative Bindung” of Freidenker and Freigeister on theology in the eighteenth century (1979, 259). LAB A. Br. Pr. 030, tit. 95, no. 15059, p. 316, 4.3.1860.
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the orthodox churches being attacked. Although the leaders of the Berlin Free Religious Congregation limited themselves to verbal attacks on the churches in 1860, some nine years later the new preacher G.S. Schaefer and congregation chairman Ludwig May were centrally involved in agitation that led to the storming of a recently opened Catholic monastery.11 This incident has been cited as the beginning of the anti-Catholic Kulturkampf, which liberals and some democrats fought in the name of “freedom of conscience” but which robbed German Catholics of some of their most basic civil rights in the 1870s and 1880s. In 1880 the freigeistig journal Menschenthum rebuffed Catholic claims that the Kulturkampf was intolerant: “Intolerance is not a daughter of truth, but a daughter of lies and error. The real truth is – as Feuerbach said – tolerant, because she is certain of herself, because she knows that essentially nothing can be against her, because she recognizes herself in the Other, even in error, because she is convinced that life can only depict the infinite unity of essence as infinite multiplicity and difference.”12
The editors of Menschenthum believed that their moral purity – guaranteed by the authority of scientific truth – precluded them from selfish acts. The result of this operation was that the freigeistig promise of a holistic, harmonious future could be divided from the often-violent anticlerical agitation of its members. In fact, these two poles of anticlericalism and utopian vision, which made up the freigeistig organization and even personality, were mutually constitutive. Similarly, as Max Weber pointed out, the pacifist movement, in which Freigeister were heavily represented, was given to highly confrontational militant action. It is known that a significant portion of the Independent Socialist (USPD) and Communist leaders who supported the German Revolution of 1918-19 had been wartime pacifists, one of whose slogans had been “Krieg dem Kriege” (“make war on war”).13 To return to Vogtherr’s sermon, we can observe a second, rhetorical obfuscation of the relationship of negative dependence. Vogtherr defined religion as that which should “cultivate and deify people, reconcile them and lead them to unity.” To this entirely mundane, humanist, Feuerbachian defi11 12
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Vossische Zeitung, 18.8.1869. On the storming of the monastery, see (Borutta 2002). “Glossen zu einer Kulturkampf-Debatte im preußischen Abgeordnetenhaus,” in: Menschenthum: Sonntagsblatt für Freidenker, vol. 9, no. 27 (4.7.1880) 109-111. This newspaper was owned and edited by the freigeistig publicist August Specht, who cofounded the German Freethought League the following year. In his 1919 speech “Politics as Vocation” Max Weber cited the ability of pacifists to reverse polarity and suddenly become violent as an example of the danger that ethical absolutes posed for politics: “In the world of realities, as a rule, we encounter the ever-renewed experience that the adherent of an ethic of ultimate ends [Gesinnungsethiker, T.W.] suddenly turns into a chiliastic prophet. Those, for example, who have just preached ‘love against violence’ now call for the use of force for the last violent deed, which would then lead to a state of affairs in which all violence is annihilated.” (Weber 1946, 122)
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nition of religion, he added an identification of religion with modern industry and science. What is noticeable, is that Vogtherr refrained from using the language of Christianity. In contrast to other forms of religious dissent, Free Religion is unique in that it quickly left the epistemological system of Christian theology, and by the 1870s many of its members embraced various forms of atheism.14 For the churches this meant that Free Religion was no longer religion and could not make claims to clerical status and privilege. From the point of view of the Free Religious, the churches were not just misguided but premised on an illusion.15 The resultant mutual incomprehensibility was summed up by the Frankfurter Zeitung in the following comparison of the largely freigeistig radical democratic movement and the Catholic Church in 1880: “The total difference of perspective makes a disputation between democracy and ultramontanism all too often resemble a duel between a whale and an elephant. Their weapons are too dissimilar for them to inflict damage on one another.” This statement would lend itself to marking out separate discursive jurisdictions as the basis for a sort of “non-aggression pact” of science and religion, such as characterizes the “secular” landscape of contemporary Western societies. However, the writer for the Frankfurter Zeitung not only went on to compare these two discourses in a manner that was really an attack on religion, he also constructed his democratic position as an inversion of the clerical one: “The Democratic movement [Demokratie] practices an immanent politics, i.e. its principles are based entirely on the laws of nature and of society, and its policies are oriented alone on the results of experience and according to the needs of human cultural progress. In other words, Democratic politics are a real science. Clerical politics by contrast are not a science, because they derive their justification as well as their goals from a region removed from treatment by logic and experience, namely the region of faith. The beginning and end of clerical politics is dogma [...].”16 14
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In the nineteenth century, atheism usually implied the belief in a immanent form of transcendence, such as Humanity, Cosmos or Life. Monism and pantheism were, as the “German Darwin” Ernst Haeckel put it, “polite” forms of atheism. Dissent also secularized institutionally. When the majority of the dissenting churches held their first convent in 1845, they chose to call themselves “Deutschkatholiken” (German Catholics) in order to lay claim to the Catholic Church in the name of the German nation. This claim was abandoned symbolically in 1859 when most adopted the new name of “Free Religious Congregation.” When a new Catholic dissident movement formed following the declaration of Papal infallibility in 1870, they did not join the Free Religious Association. They chose the name Altkatholiken, thus signaling their ongoing adherence to Christianity. In 1921, the national Free Religious Association further secularized, when it merged with the “bourgeois” Freethinkers and changed its name to “Volksbund für Geistesfreiheit” (People’s League for Freedom of Conscience). In 1933, the Free Religionists withdrew from the Volksbund and re-founded the “Free Religious Association,” a move designed to avoid inclusion in the Nazi persecution of the Freethinkers. As quoted in the article “Über die Politik des Ultramontanismus” in: Menschenthum: Sonntagsblatt für Freidenker, vol. 9, no. 43 (28.11.1880), p. 195.
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4. Anticlericalism and the creation of a secular sacred The ongoing negative dependence of Freigeistigkeit on Christianity even after their epistemological separation can be observed most clearly in the rhetorical construction of what may be termed the transcendent categories of the nineteenth-century Left: World, Nature, Humanity and Volk. These terms received their spiritual power through the key theological innovation of Free Religion, the inversion of the sacred and profane. Not man was to worship God, but mankind itself was to be worshipped.17 Like Ludwig Feuerbach, whose “dialectical humanism” (Toews 1980) made him one of the leading philosophical guides to the early religious dissidents, Free Religionists initially understood themselves to be within the system of the Christian tradition and to have arrived at the “essence of Christianity.” Coinciding with the “materialism controversy” of the mid-1850s, scientific empiricism began to supplant Christian rationalism and Feuerbachian philosophy as the chief epistemological framework of dissidence. Rejecting both philosophical and religious idealism, the materialists claimed that it was possible to grasp reality and establish a meaningful relationship to it as a totality through individual observation, experience and a knowledge of science.18 Materialism promised to put sufficient knowledge into the hands of every practically thinking individual. This made it a more powerful ideological tool for the radical social movements of the nineteenth century than Marxist dialectical materialism, which remained a philosophy for the intellectually trained. Socialist workers around 1900 scarcely read Marx and Engels, yet were avid consumers of popular science texts (Steinberg 1976). The secret that materialism revealed to ambitious workers and shop clerks was that there was no secret behind reality. As religion was exposed as a hollow and illusory sham, its power was accrued by the formerly profane. 17
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The worship of self and brotherhood in radical humanism is expressed the following lines of a hymn sung in the Free Religious Congregation Berlin on 7.10.1877 (LAB A Pr. Br. Rep. 30, tit. 95, no. 15052, p. 16): “Heil mir! Wie bin ich frei geworden / Seit ich des Geistes Ruf verstand. […] Wer Hoch im Kreise seiner Brüder, / Der stelle sich zum Niederen gleich; So kommt verlor’nes Heil uns wieder / Die Erde wird ein Himmelreich.” “Hail me! How free I have become / Since I understood the Spirit’s call. […] He, who stands high in the circle of his brothers, / places himself equal to the lowest; And so we will regain lost salvation, / Earth will become a paradise.” In an article on “Die Fortschritte unserer innern Parteientwicklung in den letzten zehn Jahren,” a radical democrat considered materialism the most important development in his movement since the revolution of 1848: “We have progressed from the remains of the religious Weltanschauung through the philosophical to the cosmic (naturalist, materialist) Weltanschauung, that is the main achievement of our last ten years: hopefully we have been thoroughly ‘restored’ through the clear, fresh drink from the springs of nature.” In: Das Jahrhundert, vol. 1858, 595-98, here 598.
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However, this gesture of unmasking – the essence of freigeistig religious criticism – had to be continually repeated in order for materialism to maintain its sacralization of the physical world. Nature and Humanity could only function as transcendent categories by placing the true experience of their effects in the future. This was achieved through anticlericalism and Weltanschauung. According to the Freigeister, the German people would not realize their unity with Nature and one another until anticlerical criticism had cleared away the rubble of dogma, until political reform had secularized education, and until science had established a lasting and total framework of knowledge. Weltanschauung served as the placeholder in the present for the ever-improving systems of the future. Historian Andreas Daum has shown the strong correlation between popular science, left-wing politics and Free Religion in the nineteenth century (Daum 1998). All three circles contributed to the transformation of the term Weltanschauung from a relatively marginal category in philosophy to a central category in the German public sphere. A host of nineteenth-century bestsellers organized around the opposition of “old and new Weltanschauung” indicates the negative dependence of this term on religion. One of the first publications to use this title was a series of sermons given in the 1850s by Free Religious preacher, vegetarian and left liberal, Eduard Baltzer. In 1872 the left-Hegelian theologian D. F. Strauß published Der Alte und Neue Glaube, in which he claimed that scientific Weltanschauung gave his belief a “more solid ground” (Strauß 1873, 10). Also organized on the same Manichean structure were the Welträtsel by the biologist Ernst Haeckel, Kraft und Stoff by the materialist Ludwig Büchner, and Max Nordau’s Die conventionellen Lügen der Kulturmenschheit. Nordau, a Freethinker who later became a leading Zionist ideologue, stated that the purpose of his book was to “elucidate in detail the division between the ruling conventional lies and the natural scientific Weltanschauung rising up against them” (Nordau 1889, 30). Nordau and Büchner were founders of the German Freethought League, while Haeckel founded the Monist League. Characteristic of this second generation of freigeistig organizations was the rejection of overt ties to religion in favor of a scientific Weltanschauung. Nordau ridiculed the Free Religious Congregation in Berlin for continuing to maintain the word “religious” in its name. Yet, in a crucial passage of his book, in which he described monist Weltanschauung, Nordau could only give it meaning through the negative evocation of religion: “We consider the cosmos a mass (Stoffmasse), which has the attribute of movement. Essentially unitary, it reaches our perception in the form of various energies. […] That is our Weltanschauung. […] It penetrates us with the air that we breathe. It has become impossible to close oneself off to it. The Pope, who damned it in the encyclicals, stood under its influence. The Jesuit adept, whom they attempt to shield from it by raising him in an artificial atmosphere of medieval theology and scholasticism, rather like one tries to sustain a
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sea animal in an inland aquarium with seawater brought from far away, even the Jesuit adept is filled by it [the Weltanschauung, T.W.]” (Nordau 1889, 25-27).19
In this passage Nordau conflates the cosmic characteristics of the universe with its representation. Physical substance becomes the same as monist Weltanschauung. This thoroughly unscientific slippage stems from Nordau’s natural theological assumptions. Like the Judeo-Christian theological tradition under attack, in which the word and the power of God are intertwined in logos, Weltanschauung appears in Nordau’s text as Geist that penetrates and renders impotent his clerical enemies. To conclude this theoretical section we can summarize our argument as follows. Freigeistigkeit emerged within the religious field as a heretical sect. At the same time, it attacked this field as a whole, leaving its epistemology and moving into the discourse of science. Both aspects of anticlericalism, the attempt to usurp the monopoly over the “instruments of salvation” (Bourdieu 2000, 88) and the effort to destroy them, were negatively dependent on the ongoing power of Christianity in the dominant order. By tracing the social and political dimensions of this negative dependence, Freigeistigkeit can be linked to other forms of opposition. This is the task of the next section.
5. Negative dependence in the socio-political formation of
Freigeistigkeit 5.1. Sociology of freigeistig dissent The terms “Freigeist” and “Freidenker” had been in circulation in Germany since the 18th century (Wild 1979). What made Freigeistigkeit explosive in the mid-nineteenth century was its ability to organize not just religious opposition but social and political opposition as well. In 1859, the craftsman Friedrich Paulsdorff wrote an article for Der Dissident, in which he took issue with a conservative Regierungsrat (government councilor), who had claimed that Free Religious sermons were suited for “mill owners, shopkeepers, wine sellers, cotton weavers, village chiefs, village schoolmasters and the whole suburban public,” whose “Halbbildung” (semi-education) made them susceptible to religious error. Paulsdorff reversed this charge and claimed that only these classes at the middle of society, who combined manual and mental work, had the healthy, harmonious development necessary to recognize the truth of Free Religion: 19
Like many liberal Freigeister, Nordau later turned to volkisch projects, in which race became charged with spiritual qualities. See Schulte (1997), Stanislawski (2001).
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“We believe: without the clear sight and sure step of such so-called semi-educated people [Halbgebildeten] humanity would certainly be more deeply ensnared in the secrets and arrogance of those who possess one-sided learning [Einseitig-Gelehrten], than is the case. […] That religion, which does no feel bound to one book (as much as it values it), but draws its principles from the entire perceptible world and the history of all times and peoples – that accepts the discovered [erkannte] holy world order and wants to develop itself in accordance with this knowledge [Erkenntnis] – that strives to perfect the whole human spirit, the intellect just as much as feeling – this religion is gladly and openly joined by craftsmen and workers, while a great part of the scholars and the refined do this in quiet, but gaze down fearfully at us […] with age-old mistrust.”20
Paulsdorff’s characterization of the social profile of the dissidents is corroborated by Andreas Holzem’s study (1994) of Southwest German Deutschkatholizismus in the 1840s and 1850s, which showed that 60% of its members were Kleinbürger, i.e. the artisans and traders that made up the pre-industrial Alte Mittelstand. Holzem argued that the failure of Deutschkatholizismus to carry out its promised “Reformation of the nineteenth century” and replace or even seriously challenge Roman Catholicism stemmed from its inability to break out of this milieu and recruit lay and clerical elites and the Catholic peasantry. Yet precisely ghettoization enabled dissent to unroll its social function as a key factor in the formation of modern autonomous urban oppositional milieus. Only members of the Alte Mittelstand had the relative economic and status independence to withstand the negative repercussions of dissent. The state expressly prohibited the participation of higher civil servants and members of the military in dissenting organizations; while economic and intellectual elites faced social exclusion if they joined the dissenters. As Paulsdorff’s response to the Regierungrat shows, dissenters used their marginalization as proof of their moral superiority over the elites, those “learned and refined” who agree with the dissenters “in quiet, but gaze down fearfully at us […] with age-old mistrust.” Beyond religious autonomy from clerical authorities and organizational autonomy at a time when political parties were as yet unknown, Free Religion – in league with popular science – also offered ideological and educational autonomy for the aspiring middle classes. Freigeistig institutions provided a path to educational status outside of schools whose mandate was to teach children to “fear God and honor the King.” This status was based not on religious teaching nor on the “idealist” humanistic education in the Greek and Roman classics unavailable to the lower-middle classes, but rather on empirical and historical knowledge or, as Paulsdorff put it, “from the entire perceptible world and the history of all times and peoples.”
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Fr. Paulsdorff, “Die Freien Gemeinden und die Handwerker (von einem Handwerker),” in: Der Dissident: Organ für Licht und Wahrheit, no. 15, 15.4.1859.
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It is important to emphasize that freigeistig dissent found its greatest support not among the lowest of the low but the highest of the low, i.e. those members of the lower and middle classes that occupied “indeterminate mediating positions” that Bourdieu identified as the structural position of dissenters.21 Within the differentiating social structure of mid-century Germany, these upper reaches of the lower classes were in mediating positions, at the same time inside and outside educational and social status networks. Until the twentieth century it was not the unskilled industrial worker but the trained craftsman and the shop or bank clerk with primary education who formed the backbone of the major oppositional political movements, even in the supposedly “proletarian” Social Democracy.22 The concomitant drive for both autonomy and assimilation expressed in such oppositions reflected the aspirations and frustrations of these social segments in a period of rising class tension, when the traditional urban milieus were under pressure to reorganize. Among the leadership of the freigeistig movement, we find “indeterminate mediating positions” different from those of the congregation members. As Bourdieu pointed out, the leadership and the followers of religious sects need not respond to the same social and religious strains, but can join when analogous crises cross (Bourdieu 2000, 23). Whereas the first generation of Free Religious preachers were mostly members of the lower clergy, the second generation recruited significantly from Gymnasium and primary school teachers, physicians and “writers” (Schriftsteller). These occupations all performed mediating functions within the educational hierarchy. In the verbal attacks made in popular science and Freigeistig organizations on the “dead” sciences of the universities, one can hear the protests of these subaltern intellectuals against the university academics, who were establishing a monopoly on scientific production through the professionalization of science. Freigeistig organizations were able to recruit some leaders from the top of the educational hierarchy, such as university professors Ernst Haeckel and Wilhelm Ostwald, who led the German Monist League. For these natural scientists, such freigeistig organizations served as extra-university means of undermining what they felt to be the unjustified and reactionary dominance of theologians and members of the philosophical faculties over university positions and the right to make cultural judgements (Schnädelbach 1983). In this case we may speak of a negative dependence of the natural scientific opposition on the older established faculties.
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Bourdieu argued that the crucial groups in the movement to dissent were “the structurally ambiguous groups [doppeldeutige Zwittergruppen], found at the sites of great structural tension, at delicate positions and Archimedean points” (Bourdieu 2000, 105). As Thomas Welskopp (2000, 212) has shown, the bulk of the early SPD party activists were not in fact industrial wage earners, but trained craftsmen, among whom were many small-time capitalist producers.
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Freigeistigkeit, atheism and anticlericalism also figured prominently in new forms of opposition in the diversifying field of cultural production. The German literary naturalism of the 1880s was one of the first artistic movements to show the characteristics of a self-conscious avant-garde: the triumphal announcement of a complete break from the past in the manifesto; the aesthetic and ethical radical creed that would replace the old order; and the elitist, anti-bourgeois sect-like organization that identified theoretically with the working classes. Some of the Berlin naturalists lectured in the Free Religious Congregation, taught in workers’ education associations and met in their own club “Durch” (Through). It was here that Wilhelm Boelsche presented his 1887 manifesto The Natural-Scientific Foundations of Poetry: Prolegomena to a Realistic Aesthetics, which linked atheistic Darwinism to radical aesthetics, a new ethics and social reform.
5.2. Politics and the differentiation of Freigeistigkeit The previous section showed how Freigeistigkeit proved able to organize a number of oppositions within the differentiating social order of nineteenthcentury Germany. Of course, another type of movement was also organizing oppositions within these same milieus and sub-milieus: political parties. As Hans Rosenberg (1972), Dagmar Herzog (1996) and other historians have shown, Free Religion and political associations emerged together and remained linked throughout the revolution of 1848. The defense of the rights of dissidents was an important event in the crystallization of a liberal opposition at this time, although most well-situated liberals did not risk joining the dissidents. Radical-democrats were more likely to join the Free Religious Congregation and they shared its calls for self-reliance, anti-authoritarianism, and the worship of Humanity and Nature.23 There was hardly a nineteenth-century Free Religious preacher of note, who was not at some time an elected official of the left-liberal or radical-democratic parties.24 23
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The boundaries between liberal and democratic associations were fluid. One might, however, characterize the difference as follows: liberal associations appealed to those segments of society whose opposition was combined with an openness to the state institutions and social order above and a tendency to close off below. Democratic associations were open below and tended toward an absolute break with the monarchy above. In this regard, the structural position of radical Democracy within the political order was analogous to that of Free Religion in the religious order. The affinity of the Democratic movement with Free Religion was so great that a leading Lichtfreund preacher, Leberecht Uhlich, felt he had to justify his joining the “Left Center” and not the Democratic faction of the Prussian parliament elected during the Revolution of 1848 (Uhlich 1872, 47). Numerous members of the Frankfurt and Berlin Parliaments of 1848 were Free Religious preachers, including Eduard Baltzer, Robert Blum, Leberecht Uhlich and Gustav Struve. Among the Freethinkers, Max Hirsch was a left-liberal parliamentarian, while Ludwig Büchner was a leading Democrat. Numerous Social Democratic elected officials were or-
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The freigeistig organizations, like the worker’s educational associations, became the sites of repeated territorial battles between the liberal, democratic and socialist parties. These became increasingly fierce following the political upheaval of the years 1877 to 1880. After first breaking definitively with Social Democracy through support of the “Socialist Laws” in 1878 and then being dumped the following year by Bismarck, the liberals lost their ability to set the terms of political discourse in Germany. The Prussian democratic movement, which occupied a losing mediating position between liberalism and social democracy, collapsed finally in 1886-87; in the same years Germany’s largest Free Religious Congregation in Berlin was effectively taken over by social democrats. These political conflicts formed the background to the functional differentiation of the freigeistig organizations. Those identified as “bourgeois” were increasingly concerned with ethics, Weltanschauung and “life reform,” while the most radical anticlericalism increasingly fell to the “proletarian” organizations. Liberals found it expedient to distance themselves from the “raw” materialism and aggressive anticlericalism now associated with the socialists. A left-liberal Free Religious newspaper approvingly described the “inaugural speech” of the “bourgeois” Berlin Freethought Association in 1881 as a “polemic of noble and moral inspiration against the […] powers currently dominating spiritual life: materialism, pessimism and a frivolity that flies in the face of all ethical sentiment.”25 After becoming a party plank in the Gotha Congress of 1875, the ambiguously worded declaration of “religion to a private matter,” enabled the Social Democratic leadership around August Bebel and Wilhelm Liebknecht to pursue a dual policy. Members could express their deep anti-clericalism as private persons, while the party distanced itself officially from anticlericalism for tactical reasons. Religious neutrality was not popular with all socialists; particularly the dissidents among them wanted all party members to leave the church. Liebknecht’s statement on the “Antipfaffen” in 1890 was meant to keep such Freigeister in check (Prüfer 2002, 239-252, 336-337). That year had already seen the rebellion of Berlin socialists under freigeistig leadership against the party hierarchy in what has become known as the “revolt of the Jungen” (young ones). The Jungen applied the principles of negative dependence to the socialist party itself, accusing the leadership of moral “corruption” and advocating the rejection of parliamentary democracy as a means of maintaining the moral purity of the movement (Scherer 1974). After key leaders were expelled from the SPD, the Jungen formed the short-lived
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ganized Freigeister, the best known of whom were Friedrich Wilhelm Fritzsche and Julius Vahlteich in the nineteenth century and Paul Löbe, Adolph Hoffmann, Ernst Däumig and Otto Rühle in the twentieth century. From an undated excerpt of the Neues Freireligiöses Sonntagsblatt found in a police report in LAB A Pr. Br. Rep. 30, tit. 95, no. 15130, p. 15.
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“Union of Independent Socialists” in 1891, which in turn collapsed into the anarchist movement in 1894. When the much larger defection of the Independent Socialists (USPD) from the majority party (MSPD) occurred in 1917, there was again a significant participation of Freigeister, most prominently the Berlin Free Religionists Adolph Hoffmann and Ernst Däumig, who assumed key positions in the USPD leadership during the revolutionary period. Such developments show that anticlericalism did not have a single political valence, but was also used to elaborate differences among those parties who had earlier been united in their opposition to church orthodoxy.
5.3. Semi-secularized opposition in a semi-secularized environment The religious historian Ernst Troeltsch wrote just prior to the First World War of the likely demise of Freethought. He claimed that the very science and anti-metaphysical criticism Freethought promoted had turned against it and exposed its belief in a universally valid natural theology to be “a shallow illusion now finally dispelled” (Troeltsch, 1908-1926, 124). Events after 1918 would prove Troeltsch wrong. Since its beginnings, observers of Freigeistigkeit had expected it to succumb to the arguments that it brought against the church, i.e., to selfsecularize and disappear. Historians investigating the role of Freigeistigkeit in the early development of the liberal and socialist political parties have likewise supposed a tendency towards secularization. They have shown that following a period of intense interaction between Freigeistigkeit and the nascent political party, the dissident characteristics were increasingly shorn away in a process of differentiation (Rosenberg 1972, Graf 1978, Prüfer 2002). In the discrete periods that these studies covered, this is indeed a valid interpretation. When one views the political field as a whole and over the long term, however, one finds that periods of intense interaction between politics and Freigeistigkeit continued to erupt at critical junctures between 1844 and 1933. In this final section, I should like to argue that dissent could not depoliticize nor could oppositional politics secularize as long as the churches and the state each opposed remained tightly interconnected. More than most other European states, the German political order was rooted in the alliance of “Throne and Altar,” which found concrete expression in the Protestant union of prince and highest bishop in the office of the summus episcopus. The secularization of 1803 had in fact increased the interpenetration of church and state by making the churches de facto part of the state bureaucracy. Of the major participants of the First World War, Germany and Russia had the least degree of separation between church and state. As an autocratic system, the German monarchy rested on a high degree of “repre-
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sentative power” and was unwilling to abandon the legitimacy that it received through the state churches.26 By comparison, one of the weakest anticlerical movements among the industrial nations was found in the United States, which had the least autocratic political system and the earliest separation of church and state. In 1913, an American Freethinker cited this circumstance in an apology for the slow response of his Freethinking colleagues to the German call for an international Monist League: “Due to the conditions, […] the Freethinkers of America have felt little motivation to join together in organized action, such as their comrades in Europe and other regions, where a sharply defined anticlerical program has provided a clear basis for confederation. […] An unexpectedly large percentage of the convinced and intelligent Freethinkers […] has found it unnecessary to recognize the necessity of confederation with like-minded persons for propaganda efforts. Fooled by pretty words, they do not want to recognize the necessity of struggling against the secret bond of church and state, which has made a mockery of the much celebrated neutrality of the state in religious affairs.” (James Morton, Jr. 1913, 983, italics mine, T.W.)
This American Freethinker seemed to regret the lack of a greater public bond between state and church in the United States without which neither anticlericalism nor the newest form of Freigeistigkeit could flourish. In Germany this bond survived the First World War. In 1919 and 1920 hundreds of thousands of Germans officially left the Catholic and Protestant churches that had mobilized for the war effort. However, the surge in membership in the Proletarian Freethinkers in the 1920s was due less to the lost war than to the failure of the Weimar constitution to secularize German politics. The separation of church and state was officially declared, but mandatory church instruction in the schools, state collection of church taxes and state subsidies of the churches remained (Nowak 1995, 207212). With the Center Party there continued to be a specifically Catholic political party, which was a sought after partner in many post-war coalitions. It parleyed government participation into support for diplomatic treaties or concordats with the Vatican. These structural conditions fostered the continual reemergence of Freigeistigkeit up until 1933. In fact, anticlericalism reached its highpoint in the waning years of the Weimar Republic, when symbolic politics had become increasingly important in an atmosphere of parliamentary stalemate and rising authoritarianism. Anticlericalism, in turn, led to increased clerical opposition to what was seen as a permissive, weak political system that protected the rights of the anticlerical, freigeistig organizations. Many Protestant 26
The Prussian King Friedrich Wilhelm IV understood his opposition to Protestant dissidents of the mid-1840s not only as a defense of his faith, but as a defense of his crown. The dissidents, he said, wanted to “prepare the abandonment [Abfall] of God, in order to soon be able to abandon the King.” Cited in: Fischer (1951, 484).
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pastors joined the National Socialist Party, which promised to rid the country of godlessness. Finally, it must be noted that the state forced Freigeistigkeit into a dependent position. Most nineteenth-century German states had acknowledged freedom of conscience as a Protestant and a bürgerliche right. At the same time, it was against the interest of the state as the protector of the churches to allow Freigeistigkeit to flourish, so it was held in check through bureaucratic repression. This kept Freigeistigkeit close to the state by requiring an ongoing stream of petitions to allow its organizations to carry out their activities and enjoy the same public rights as the state churches. In this semi-liberal, semisecular environment, Freigeistigkeit could not fully secularize nor could it de-politicize.
6. Summary Freigeistig natural religion, pantheism and atheism had all existed prior to the 1840s and formed an important part of the German cultural and intellectual landscape. Yet, they had made their appearance individually and sporadically or in small semi-secret societies such as the free masons. Political radicalism had followed a similar pattern. The new quality of the religious and political oppositions that emerged in Germany between 1844 and 1848 came from their institutional anchoring in associations that allowed the lower and middle classes to make collective claims against the autocratic monarchy, the state churches and traditional patterns of social deference. As Heinrich Heine recalled, he first became suspicious of atheism when he noticed that it had “begun to stink strongly of cheese, schnapps and tobacco” (Heine 1982, 30). Using Bourdieu’s relational model of religious dissent, which attributes the primary features of dissent to its position as usurper within the religious field, we argued that Freigeistigkeit – and by extension radical political parties – were co-constituted by their competition with the autocratic state and the state churches. As long as their maximal aims of system transformation were not met and even their attempts to create autonomy within their milieus were denied, both forms of opposition remained negatively dependent on the act of dissent. This negative dependence explains the simultaneous tendency of freigeistig organizations towards secularization as disenchantment and secularization as substitution. Rhetorically, anticlerical criticism was found whenever secular transcendent categories of Humanity, Cosmos or Nature were invoked. Socially, Freigeistigkeit provided intermediary social groups an epistemological and institutional means to subvert the educational status
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system dominated by ecclesiastical-monarchic schools and the educated elites. Finally, we argued that Freigeister could not de-politicize and politics could not secularize as long as the political and religious orders they opposed were not secularized. This hostile, semi-secularized environment was one of the chief reasons for the paradoxical non-secularization of the anticlerical movements in Germany. The high degree of interpenetration between Freigeistigkeit and other political, social and cultural oppositions was in many ways a negative reflection of the interpenetration of the monarchic state and state churches. Regarding the theory of secularization, our intent in this essay has not been to throw out the substitution model common in much of the current literature on “political religions.” According to this model, latent secularization eroded faith in monotheism and its ecclesiastical institutions, thereby opening the way for quasi-religious alternatives – in the form of radical political and cultural movements – to assume church functions and inner eschatological structures. Instead, we have sought to augment such genealogical explanations of the religious origins of radical political thought. Instead of examining secularization as a sequential process, the proposed model of negative dependence has looked at the effects of the ongoing antagonistic relationship between the semi-secular, authoritarian state and its marginal opposition.
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Patrizio Foresta
Der „katholische Totalitarismus“. Katholizismus und Moderne im Pontifikat Pius’ XI. 1. Die Herrschaft Christi, der „katholische Totalitarismus“ und der Säkularisierungsprozeß: Versuch einer begrifflichen Definition Am 10. Mai 1925 wurde der Jesuit Petrus Canisius durch das Dekretalschreiben Misericordiarum Deus von Papst Pius XI. (1922-1939) heiliggesprochen und den Gläubigen als „secundus Germaniae Apostolus“ nahegebracht. Pius XI. stellte ihn damit in die Nachfolge des Heiligen Bonifatius, der als primus Germaniae Apostolus die Evangelisierung Deutschlands vorangetrieben hatte. Die Vorbildlichkeit des Jesuiten habe darin bestanden, so das Dekretalschreiben, einen Eckpfeiler der katholischen Opposition und ein Bollwerk gegen die Ausbreitung der lutherischen „Häresie“ zu bilden (AAS XVII (1925), 349-365). Das Dekretalschreiben spricht das Hauptthema dieses Beitrags insofern an, als die Entstehung und Entwicklung des Luthertums als Ursprung der „modernen Irrtümer“ (Säkularisierung, Liberalismus, Modernismus, Kommunismus, Aufklärung) angesehen wird. Im apologetischen Aufbau und in der polemischen Argumentation des Dokumentes sind zudem weitere Themen und Andeutungen über die damalige Kirchenpolitik und den Säkularisierungsprozeß enthalten, die über den Rahmen des Kanonisierungsverfahrens, das in verschiedener Hinsicht ein Randereignis der Geschichte des Pontifikats Pius’ XI. war, hinausgehen und die in einen größeren weltgeschichtlichen Zusammenhang gestellt werden müßten (Foresta 2004a). In diesem Aufsatz sollen daher besonders aussagekräftige Stellungnahmen Pius’ XI. zum Verhältnis von Staat und Kirche abgehandelt werden. Den Zeithistorikern ist der Nachfolger Benedikts XV. besonders im Zusammenhang mit den Lateranverträgen bekannt, die er und Benito Mussolini 1929 unterzeichneten und die 1948 in die Verfassung der Italienischen Republik aufgenommen wurden, sowie aufgrund der Konkordate, die während der sogenannten Konkordatsära mit einigen Ländern abgeschlossen wurden. Verständlicherweise erweckten vor allem die Fälle Deutschlands, Spaniens und Italiens sowie das Verhältnis des Papstes zur Sowjetunion das größte Interesse der Totalitarismusforschung. Etwas weniger erforscht ist allerdings die erste Phase seines Pontifikats in den frühen 20er Jahren, als er in manchen offiziellen Zeugnissen wie den Enzykliken Ubi arcano (AAS XIV (1921-22), 673-700) und Quas primas
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(AAS XVII (1925), 593-610) den ekklesiologischen Begriff des „Königtums“ bzw. „der Herrschaft Christi“ zuerst weiterentwickelte und danach im Jahreskreis als Christkönigsfest liturgisch befestigte. Der neue Festtag sollte sich nicht nur auf das innerkirchliche Leben beschränken, sondern auch eine neue Konzeption des Verhältnisses von Kirche und Staat signalisieren. Der Papst verlieh somit der bis dahin inoffiziellen Verehrung des Christkönigs, die eine lange Tradition genoß und deren jüngste Wiederbelebung auf die 1870er Jahre zurückging, eine feierliche Anerkennung, deren Angemessenheit auch unter den damaligen Liturgiewissenschaftler diskutiert wurde. Die Königsherrschaft Christi ist zunächst ein fundamentaler Glaubensgrundsatz des Christentums und die Aussage „Jesus ist der Herr“ gilt bekanntermaßen als das älteste Bekenntnis überhaupt. Eine wichtige Stelle des Römerbriefs bildet den Ursprung der verschiedenen altchristlichen Glaubensbekenntnisse: „Denn wenn du mit deinem Mund Jesus als den Herrn bekennst und in deinem Herzen glaubst, daß Gott ihn von den Toten auferweckt hat, wirst du gerettet werden“ (Röm 10,9). Dem entspricht auch der Hymnus im Zweiten Philipperbrief: „Und jede Zunge zu Ehre Gottes des Vaters bekenne: Jesus Christus ist der Herr“ (Phil 2,11). Der Apostel Paulus bezieht sich bewußt auf die urchristliche Taufliturgie, in der der Täufling den Inhalt seines Glaubens feierlich ausspricht und sich zu Jesus als seinem Herrn bekennt. Laut Christian Walther kommt im Begriff „Königsherrschaft Christi“ der eschatologische Charakter zur Geltung. Es gehe darum, die bereits im Alten Testament verheißene Herrschaft Gottes durchzusetzen, die allerdings in der irdischen Welt, die der „Königsherrschaft Christi“ eher feindlich gegenüberstehe, auf Widerstand stoße und sich letztendlich nicht durchsetzen könne. In diesem Zusammenhang erhalte die Spannung von weltlicher und geistlicher Macht, wie sie für die Moderne kennzeichnend ist, ein besonderes Gewicht, denn mit der Betonung der Christusherrschaft gehe eine prinzipielle Bestreitung der Anschauung einher, die den christlichen Glauben und eine von ihm geprägte Moralität auf den Bereich des Privaten einschränke, wohingegen anerkannt werde, daß die politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Lebensbereiche von den Eigengesetzlichkeiten ihrer jeweiligen Sphäre bestimmt würden. Aus dem eschatologischen Charakter gehe auch die Frage hervor, ob die „Königsherrschaft Christi“ bereits als endgültig etabliert zu betrachten sei oder ob sie im Werden sei und unter der Kategorie der Zukunft begriffen werden müsse. Dazu bemerkt Walther schließlich, daß die Eschatologie zum Bereich des Politischen in einer besonderen Beziehung stehe, denn der Begriff der „Königsherrschaft Christi“ impliziere, daß Christus und sein Wort eine universelle Geltung besitzen würden, die über den privaten Bereich hinausreiche. (Walther 1990, 311-312). Infolgedessen geht die „Königsherrschaft Christi“, welchem in der theologischen Lehre drei Ämter zugeschrieben werden, nämlich Prophet, Herr und Priester, über die Sphäre des Privaten hinaus und umfaßt das Leben des
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Menschen in seiner Ganzheit, insbesondere in der politischen Dimension als Bürger. Im Lichte dieser Königsherrschaft wurden zu der Zeit der Stiftung des Christkönigsfestes auch die politisch-institutionellen Bereiche mit einbezogen, zum einen versuchte die Kirche autonome und unabhängige Eingriffsmöglichkeiten innerhalb der Gesellschaft zu erlangen, zum anderen begünstigte die Einwilligung der weltlichen Einrichtungen diesen Prozeß. Aus Sicht des katholischen Traditionalismus setzte aber die Säkularisierung der abendländischen Gesellschaft, die ihren Anfang im 16. Jahrhundert nahm und in der Französischen Revolution gipfelte, der Durchsetzung der Herrschaft Gottes Widerstand entgegen (Menozzi 1993). Deswegen, so Karl Suso Frank, habe das Christkönigsfest angesichts der progressiven Säkularisierung des öffentlichen Lebens die Anerkennung der Herrschaft Christi in Familie, Gesellschaft und staatlichen Institutionen reklamieren wollen (Frank 1994, 1140). Im Zusammenhang mit dieser langfristigen Entwicklung soll in diesem Beitrag „Säkularisierung“ als theologische „Kategorie der Selbstwahrnehmung der Moderne hinsichtlich ihrer religiösen Herkunftsbedingungen“ (Barth 1998, 603) verstanden und entsprechend den theoretischen Ausführungen der drei klassischen Säkularisierungstheoretiker Wilhelm Dilthey, Ernst Troeltsch und Max Weber als hermeneutische Kategorie benutzt werden, mit deren Hilfe „die Entstehung der modernen Welt und deren spezifische Differenz gegenüber vorneuzeitlichen Bewußtseinskonstellationen“ (ebd., 605) erhellt werden kann. Es handelt es sich hier einerseits um einen geisteswissenschaftlichen Begriff, der „zur Beschreibung genealogischer Zusammenhänge von Phänomenen der europäischen Neuzeit in ihrem Verhältnis zur christlichen Tradition“ dient, ebenso wie im Sinne von Verweltlichung als „ein geistliches Anathema gegenüber dem, was nach dem Mittelalter Geschichte geworden ist“ (Zabel 1984, 789). Im Hinblick auf das „verwickelte Beziehungsgefüge von Christentum und Moderne“ sollte die Säkularisierung andererseits nicht als eine „Teilfrage“ abgehandelt werden, denn mit diesem Stichwort verdeutlichen die einschlägigen Analysen, wie umstritten die Stellung des Christentums und der Kirche in der modernen Gesellschaft ist (Ruh 1980; 1982, 62). Dieses letzte Element soll im Falle des Pontifikats Pius’ XI., aufgrund des jüngst in der Fachliteratur behandelten „Spannungsfeldes zwischen Frömmigkeit und Politik“ (Joosten 2002, Foresta 2004b), in den Vordergrund rücken, denn es verdeutlicht und verortet somit die Komplexität des oben erwähnten „verwickelten Beziehungsgefüges“. Ein Mussolini zugeschriebener Ausdruck hat Francesco Malgieri dazu veranlaßt, in bezug auf die Enzyklika Quas primas von „einer theokratischen Vision“ zu reden, die einen „modernen Temporalismus“ bzw. eine „moderne Theokratie“ darstellen würde und von Pius XI. selbst als „katholischer Totalitarismus“ definiert worden sei (Malgieri 1995, 174). Hierzu ist an allererster Stelle anzumerken, daß einige Schwierigkeiten bestehen, den „katholischen
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Totalitarismus“ als Auslegungskategorie unmittelbar anzuwenden, ohne seine begriffliche Tragfähigkeit vorab erprobt zu haben, denn gemäß der Quellen ist der genannte Begriff weder in der Ubi arcano noch in der Quas primas zu finden. Dennoch wird er in späteren Äußerungen des Papstes mehr oder minder deutlich verwendet. Die diesbezüglichen Worte Pius XI., die lediglich aus zweiter Hand überliefert worden sind, verweisen allerdings nicht wörtlich auf einen seitens der Hierarchie entworfenen „katholischen Totalitarismus“. Laut Bericht von Benito Mussolini, der sich am 3. Februar 1932 zur päpstlichen Audienz begab, habe der Papst mehrfach behauptet, der faschistische Totalitarismus sei im Rahmen des italienischen Staates völlig akzeptabel, nicht aber hinsichtlich des Wohls von unsterblichen Gütern wie der Seelen, hier sei der katholische Totalitarismus zuständig (De Felice 1974, 272f.). Auch wenn man annimmt, daß sich der Papst auf diese Weise geäußert hat und den Bericht Mussolinis nicht als glaubwürdige und sachliche Quelle hinterfragt, sollte man doch noch bedenken, daß dies ideologisch wenig mit dem Rundschreiben Quas primas zu tun hat, sondern vielmehr auf die konkreten Auseinandersetzungen zurückzuführen ist, die 1931 zwischen dem italienischen Regime und dem Papsttum wegen des katholischen Vereinswesens und der Stellung der katholischen Kirche in der Gesellschaft stattfanden. Überprüft man also die einschlägigen Quellen genauer, dann sieht man, daß Pius XI. den Begriff des „katholischen Totalitarismus“ aus einem ganz konkreten Anlaß verwendet hat (Bertetto 1960, Bd. 3, 678ff.). Die Glaubwürdigkeit Mussolinis könnte beispielsweise dadurch erschüttert werden, daß er selbst im für die Geschichte Italiens folgenschweren Jahr 1925 den Begriff des „staatlichen Totalitarismus“ entwarf und ihm eine entscheidende Prägung gab, um das faschistische Regime von den nach dem Risorgimento amtierenden Kabinetten und die neue Staatsform von der vergangenen deutlich abzugrenzen (De Felice 1969, Bracher 1989, 491). Seiner Ansicht nach müsse sich der faschistische Staat von den liberalen Regierungen Italiens auch darin unterscheiden, daß er ein für alle Mal die römische Frage lösen, nämlich die Trennung zwischen Kirche und Staat überwinden und „dem italienischen Staat seinen Charakter eines katholischen Staats und einer katholischen Nation“ zurückgeben sollte (Susmel/Susmel 1951-1980, Bd. 12, 400f.). Anhand der Quellen kann also davon ausgegangen werden, daß aller Wahrscheinlichkeit nach der Papst einen solchen „katholischen Totalitarismus“ nicht entwarf, wenngleich er sich auf diese Weise geäußert haben mag. Vielmehr spiegelt der Ausdruck die „Vision“ Mussolinis vom Verhältnis von Kirche und Staat wider, mit der sich der Papst während der Audienz vom 3. Februar polemisch auseinandersetzte. Malgieri spricht dennoch in bezug auf die Enzyklika Quas primas von einem „katholischen Totalitarismus“, der von Pius XI. selbst angesprochen worden sei. Zweifelsohne gab es eine doktrinäre und ekklesiologische Basis, die das ganze Pontifikat stützte, und auch einen engen, unleugbaren Zusam-
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menhang zwischen dem Rundschreiben Quas primas und den Äußerungen des Papstes in bezug auf das katholische Vereinswesen. Dennoch ist der polemische Ursprung der Äußerungen absolut nicht zu unterschätzen, weil darin zu erkennen ist, daß sich der Papst an erster Stelle auf die Auseinandersetzung zwischen dem Vatikan und dem Faschismus bezog. Auf der anderen Seite, auch wenn die Interpretation Malgieris, derzufolge Pius XI. seine „theokratische Vision“ als „katholischen Totalitarismus“ definiert habe, nicht durch die Quellen exakt zu belegen ist, trägt sie eine gewisse Faszination und Suggestion in sich und stellt ein in einer Vergleichsperspektive scharfes Untersuchungsmittel dar, weil sie die Geschichte des Pontifikats Pius’ XI. in der politischen Geschichte der 1920er und 1930er Jahre effektiv verankert (Menozzi 2004, Moro 2004). Die Vorstellung eines „Königtums Christi“ impliziert, daß die Figur Jesu und sein Wort eine universale Geltung besitzen, die sich über alle Lebensbereiche erstreckt. Unter diesem Aspekt betrachtet, steht die Ideologie des totalitären Staates, die ebenfalls in allen Lebensbereichen Geltung beansprucht, teils in offener Antithese, teils in Einklang mit jener der „Königsherrschaft Christi“. Beide teilen die Struktur eines totalen Anspruchs auf das Individuum im öffentlichen und privaten Bereich, sie unterscheiden sich aber bezüglich der inhaltlichen Ausfüllungen dieser Struktur. In dieser Hinsicht ist es nicht erstaunlich, daß das Christkönigsfest als Absage an den totalen Machtanspruch des Faschismus und des Nationalsozialismus einen hohen Erlebnis- und Zeugniswert einnahm (Frank 1994, 1140). Geht man davon aus, daß der totalitäre Staat „die Merkmale der Diktatur aufweist und der monistischen Herrschaftsstruktur und der monopolistischen Willensbildung aber die totale politische Integration mit der tendenziellen, auf eine Ideologie gestützten Unterwerfung aller Lebenssphären hinzufügt“ (Hättich 2001, 119), bildet das Projekt eines derartigen Staates definitionsgemäß die Negation des „Königtums Christi“. Dennoch konnten sich beide Systeme auf bestimmte Punkte mittelfristig einigen, obgleich es in der Praxis immer wieder zu Reibungspunkten kam (Miccoli 1973a). Nicht zufällig fanden die Streitigkeiten zumeist im Bereich des katholischen Vereinswesens statt, das als eines der schlagkräftigsten Mittel der Wiedereinführung des „sozialen Königtums Christi“ betrachtet wurde (Rogari 1977, 116). Der Begriff „katholischer Totalitarismus“, wie ihn Malgieri versteht, verankert die in der Quas Primas dargelegte Wahrnehmung jedoch zu eng in der Geschichte Italiens in der Ära des Faschismus und berücksichtigt den langfristigen Prozeß nicht, der in manchen Bereichen der katholischen Kirche zum ideologischen Zusammenprall mit dem säkularen Abendland führte. Historiker wie Daniele Menozzi und Giovanni Miccoli haben hingegen viel dazu beigetragen, die Forschung in diese Interpretationsrichtung zu lenken. In der einschlägigen Fachliteratur wird auch von der „Verwirklichung einer effektiv hierokratischen Gesellschaft“ gesprochen (Miccoli 1973b, 1521-1522; Battelli 2002).
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Einerseits hängt dieses Thema mit der Errichtung des Faschismus zusammen, andererseits kam es zur Neuverarbeitung und Wiederaufnahme der Macht- und Gewaltwahrnehmung des mittelalterlichen Papsttums zur Zeit Innozenz III., zumindest wie sie im Rahmen des katholischen Ultramontanismus rezipiert und verstanden wurde (Menozzi 1986, Miccoli 1985, Ferrone 2004, 53-69). Wie Pius XI. und Mussolini angesichts ihrer totalitären Ansprüche einen Kompromiß hätten finden können, erklärte Pietro Scoppola, als er von dem Versuch der Kirche sprach, das faschistische Regime auszunutzen, um den katholischen Staat zu restaurieren, während seinerseits der italienische Faschismus vermittels der katholischen Kirche eine politische und ideologische Legitimation im Inland und im Ausland erwerben wollte (Scoppola 1967, 685).
2. Der „Frieden Christi im Königtum Christi“ Der in der Stadt Desio geborene Achille Damiano Ratti wurde am 6. Februar 1922 zum Papst mit dem Namen Pius XI. gewählt und sechs Tage später, am 12. Februar, in der Basilika von Sankt Peter gekrönt (von Lama 1929, Bierbaum 1937, Margiotta Broglio 2000). Der anschließende apostolische Segen aus der Loggia von Sankt Peter, der seit dem Untergang des Kirchenstaats 1870 nicht mehr gespendet worden war, wurde als Zeichen einer neuen Öffnung gegenüber der Weltlichkeit und einer neuen Bereitschaft zum Dialog seitens des Papsttums bejubelt. Nach der Tragödie des Ersten Weltkriegs und nachdem die gesamte politische Lage Europas durch die Oktoberrevolution und den Zusammenbruch der zentraleuropäischen Reiche vollkommen umgewälzt worden war, schien es möglich und manchen auch wünschenswert zu sein, daß die katholische Kirche eine aktivere und modernere Stellung gegenüber der Weltlichkeit einnehmen könne, wenn der neue Papst die ideologische Absonderung seiner Vorgänger überwinden würde: „In einer Welt“, so Andreas Lindt, „in der sich vieles als brüchig erwiesen hatte, was Generationen als festgefügt und ewiggültig betrachtet hatten, sollte nach dem Willen und Selbstverständnis [Pius’ XI., P.F.] es jetzt erst recht gelten, daß das Papsttum (…) der Fels sei, der in der Brandung des Weltgeschehens unerschütterlich bleibt“ (Lindt 1981, 64). Am 23. Dezember 1922 veröffentlichte Pius XI. die erste feierliche Äußerung nach der Übernahme des Papstamtes, die Enzyklika Ubi arcano (AAS XIV (1921-22), 673-700; kleiner Auszug in: Rohrbasser 1953, 1000-1001), die an die „ehrwürdigen Brüder, Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe und Bischöfe“ gerichtet war. Sie stellt nach der Interpretation Malgieris ein erstes Zeugnis seiner „hierokratischen Vision“ dar, in der der Papst „den Frieden Christi im Königtum Christi“ forderte. Ihr zufolge hätte der Papst die Emp-
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fänger und ihre „geliebten Kinder, um welche sie sich kümmern“, am liebsten sofort nach der Wahl herzlich angeredet, was sich allerdings aufgrund mancher Schwierigkeiten verzögert hätte. Es seien vor allem zwei Geschehnisse gewesen, die ihm größte Sorge bereitet hätten. Zum einen habe er die Entwicklung der Friedensverhandlungen nach dem Ersten Weltkrieg verfolgt, die von November 1922 bis Juli 1923 in Lausanne stattfanden, zum anderen habe er sich darum bemüht, seinen politischen Einfluß einzusetzen, um die durch bürgerkriegsähnliche Kämpfe und soziale Unruhen erschütterte Lage Italiens zu normalisieren (AAS XIV (1921-22), 673f.). Die Dringlichkeit der gravierenden Lage in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bot ihm die Möglichkeit, die Gründe „von derart Bösem“ zu erforschen: Die Versöhnung der Völker sei wegen der Unfähigkeit der Politiker und der Diplomaten gescheitert; der Klassenkampf sei „die verwurzeltste und tödlichste Krankheit der Gesellschaft“ geworden; das Parteiensystem sei „eher zur Befriedigung der Interessen des einzelnen als zur Erlangung des Gemeinwohls bereit“; noch „schmerzhafter“ sei es, bemerken zu müssen, daß auch „das sanfte und friedliche Heiligtum der Familie“ zerstört worden sei. Allerdings seien die Beschädigungen der geistlichen Ordnung am schlimmsten zu beurteilen, denn sie würden das übernatürliche Leben der Seelen betreffen. Dazu rechnet Pius XI. die Besetzung von vielen Kirchen und Seminaren, den Tod zahlreicher Priester sowie die Verfolgung der Kirche in verschiedenen Ländern (ebd., 673ff.). So beschrieb der Papst die Übel, die dafür gesorgt hätten, daß sich Gewalt und niedrigste Instinkte wie Begierde und Hochmut durchsetzen konnten. Die Hauptursache, die die Kontingenz des heutigen Zustands überschreite und bereits vor dem Krieg ihre Spuren hinterlassen habe, sieht er jedoch darin, daß man Gesetze und Regierungen „ohne Gott und Christus“ gewollt habe, indem die Obrigkeit, die Familie, die Schule und die Gesellschaft ihre Rechtfertigung nicht auf Gott, sondern auf den Menschen gegründet habe (ebd., 683). Er beruft sich dabei auf Je 1,28: „Wer den Herrn verläßt, wird vernichtet“. Aus der Sicht des Papstes besteht die tragende Säule der von ihm kritisierten Modernität in der Trennung, wenn nicht in der Kontraposition zwischen Körper und Geist, die die Begierde nach den materiellen und sterblichen statt nach den spirituellen und ewigen Gütern provoziere. In dieser Entwicklung sieht der Papst auch Folgen für die weltliche Herrschaft: Die Autorität des Gesetzes sei deswegen abhanden gekommen, weil sie ohne die Anerkennung der Autorität Gottes geschaffen wurde. Da aber die katholische und unfehlbare Kirche die Bewahrerin der Heilslehre sei, könne nur sie den gegenwärtigen Materialismus und die zunehmende Säkularisierung besiegen und einen sicheren und langfristigen Frieden garantieren. Die „pax Christi“ könne aber nicht zustande kommen, wenn dem Gesetz Christi sowohl im privaten als auch im öffentlichen Leben nicht Folge geleistet werde. In einer dermaßen geordneten Gesellschaft, dem so entstandenen „regnum Christi“, werde dann die Kirche ihr Lehramt ausüben können, und
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zwar im Gewissen des Individuums, in der Familie, im Schulwesen und in der Zivilgesellschaft. Die Etablierung des Friedens könne nur zusammen mit der Restauration des Königtums Christi stattfinden. Die Kirche sei auch die einzige, die sich gegen den Materialismus durchsetzen könne. Sie könne das private und das öffentliche Leben korrigieren, indem sie alle Menschen Gott, seinem Willen, seinen Gesetzen, seinen Sanktionen unterwerfe und indem sie das Gewissen der Bürger wie der Regierenden zu Pflichtbewußtsein und Verantwortlichkeit umgestalte (ebd., 684ff.). Diese Grundsatzlinien, durch die das Pontifikat eröffnet und gleich entscheidend beeinflußt wurden, übten in vielerlei Hinsicht eine starke Wirkung auf das Kirchenleben jener Zeit aus. Als Beispielfall seien in diesem Zusammenhang einige zeitgenössische Zeugnisse des Papstes erwähnt, die die Wahrnehmung der Heiligkeit als Modell der christlichen Vollkommenheit verdeutlichen. Sie sind im Rahmen der vorliegenden Ausführung deswegen von Belang, weil sie aufzeigen, wie diffus und intensiv die Idee der „Königsherrschaft Christi“ die damalige Kirchenlehre prägte. Im Dezember 1922 erschien anläßlich der 300-Jahrfeier der Heiligsprechungen von Ignatius von Loyola und Franz Xaver der an P. Wlodimierz Ledóchowski SJ, den damaligen Generaloberen der Gesellschaft Jesu, adressierte Apostolische Brief Meditantibus Nobis (AAS XIV (1921-22), 627-634). In diesem Brief schrieb der Papst, daß ihm das Wirken von Ignatius die Gelegenheit gegeben habe, sich über folgendes bewußt zu werden: Das heutige Übel sei letztendlich aus dem protestantischen Aufstand gegen die kirchliche Autorität und gegen den ihr zu leistenden Gehorsam entstanden, dessen Unbedingtheit Ignatius von Loyola am besten vertreten habe (ebd., 627). Weil der Gründer des Jesuitenordens erwählt gewesen sei, „die lutherische Häresie anzugreifen“, müsse an seine Heiligsprechung feierlich erinnert werden. Zum anderen wurde zwischen 1923 und 1931 auch Roberto Bellarmino, der unter anderem in seinem Werk „Tractatus de potestate summi pontificis in rebus temporalibus“ (Rom 1610) die Theorie der indirekten Gewalt des Papstes in weltlichen Angelegenheiten aufstellte, zuerst selig-, dann heiliggesprochen und schließlich wurde ihm die Kirchendoktorwürde verliehen. Laut Luisa Mangoni ist dieses kanonische Verfahren der katholischen Kirche so zu verstehen, daß es um die kirchenpolitische Angemessenheit des Vollzugs der bereits mehrfach verzögerten Selig- und Heiligsprechung Bellarminos einige Zeit vor und nach der Unterzeichung der Lateranverträge ging. Diese Gelegenheit sei in der Auffassung des Papstes von der göttlichen Vorsehung bestimmt worden, als Zeichen der ersehnten Versöhnung zwischen Kirche und Staat (Mangoni 2002, 159). Die Gesellschaft Jesu war überdies derjenige Orden innerhalb der katholischen Kirche, der überhaupt am meisten zur Entwicklung der Idee des „Königtums Christi“ beitrug (Martina 2003, 243-255). Thomas von Aquin wurde anläßlich der 600-Jahrfeier seiner Heiligsprechung im Juni 1923 als „Studiorum Dux“, als „Führer der höheren Studien“ zelebriert, insbesondere weil er gegen die Emanzipation, mit der man heut-
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zutage prahle, die Rechte der ersten Wahrheit und die Autorität des höchsten Herren Gottes gegenüber den Menschen vertreten habe (AAS XV (1923), 309-326). Der Heilige Franziskus, dessen 700-Jahrfeier seines Todes in den April 1926 fiel, sei ein zweiter Christus, ein Reformer einer Gesellschaft gewesen, die sich der Kirchengewalt und der kirchentreuen Staatsgewalt habe widersetzen wollen. Diejenigen, die dächten, daß Franziskus ein Wegbereiter und Verkünder der neuen und falschen Freiheit gewesen sei, würden sich irren. Er habe sich im Gegenteil dem Vikar Christi, dem Apostolischen Stuhl und der Hierarchie demütig unterworfen (AAS XVIII (1926), 153-175). Nicht zuletzt hat das anfangs zitierte Dekretalschreiben Misericordiarum Deus von 10. Mai 1925 den Jesuiten Petrus Canisius heiliggesprochen und ihm gleichzeitig die Kirchendoktorwürde verliehen. Während er auch als „zweiter Bonifatius“ und dadurch „zweiter Apostel Deutschlands“ gefeiert wurde, wurde zudem betont, daß er, so wie der Prophet Ezechiel „zu den Abtrünnigen gesandt worden sei“ (Ez 2,3), um sie zum katholischen Glauben zu bekehren (AAS XVII (1925), 349). Hubert Jedin schrieb, es sei völlig berechtigt, Canisius den Titel des zweiten Apostels gegeben zu haben, wenn man auf sein Selbstbewußtsein und auf die Unbedingtheit seiner Hingabe an das große Ziel schaue. Es wäre jedoch eine Übertreibung, so Jedin, wenn man die historische Wirkung, die Canisius ausgeübt habe, mit der des heiligen Bonifatius gleichsetzen wollte (Jedin 1966, 386f., Foresta 2005). Der Ausgangspunkt des Dekretalschreibens war jedenfalls die „kirchliche Integration der westlichen Welt“, die Bonifatius vorangebracht habe (Schieffer 1954, 186). „Ohne diese kirchliche Organisation“, so Joseph Lortz, „[hätte] das christliche Abendland mit seiner Kultur nicht … kommen können“ (Lortz 1954, 68). Mit der Hervorhebung der „zwei Aposteln Deutschlands“, die eine unmittelbare Verbindung zwischen Bonifatius und Canisius herstellte, versuchte man also, die Ereignisse der Reformation, allzu simpel als Aufstand gegen die kirchliche Autorität im Bereich der kirchlichen Disziplin gesehen, zu streichen und eine apologetisch ahistorische Kontinuitätslinie vom Frühmittelalter über die Gegenreformation hin zu den Zeiten Pius. XI. in der Auslegung der Kirchengeschichte zu ziehen. Die Verwendung des Wortes „Apostel“ ist insofern nachvollziehbar, als der Begriff unter Pius XI. eine bedeutsame Erneuerung im Sinne eines „hierarchischen Apostolats“ erlebte (Gadille 1996, 678ff.). Die Heiligsprechung von Canisius, der zugleich als neuer Ezechiel und neuer Bonifatius angesehen wurde, schlug den Gläubigen bewußt eine sehr pointierte Interpretation der damals neu entstandenen Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit der zeitgenössischen Gesellschaft vor. Daß es innerhalb der kirchlichen Politik von Pius XI. einen engen Zusammenhang zwischen den offiziellen Stellungnahmen zu den oben erwähnten Fällen gab, die der Pontifex unter der Erschaffung des erneuten „Königtums Christi“ verstand, scheint sehr wahrscheinlich zu sein. So findet sich beispielsweise im Apostolischen Brief Meditantibus Nobis eine Aussage über den Autori-
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tätsverlust der Kirche in der Moderne und die allgemein daraus folgende Schwächung des Autoritätsbegriffs, der in der späteren Enzyklika Ubi arcano fast wortwörtlich wiedergegeben wurde (AAS XIV (1922), 631).
3. Die Stiftung des Christkönigsfestes Im März 1924 wurde der an den Regelklerus adressierte Apostolische Brief Unigenitus Dei Filius veröffentlicht (AAS XVI (1924), 133-148). Auf die Ordensleute werde die Hoffnung gesetzt, so das Schreiben, daß sie für Abhilfe gegen die Übel sorgten, die bereits in der Enzyklika Ubi arcano beschrieben wurden. Erneut wurde erwähnt, daß sich der „Friede Christi im Königtum Christi“ noch nicht habe durchsetzen können. Darum sollte seitens der Kirche noch gekämpft werden. „Kirche“ heißt hier im Grunde genommen die Hierarchie, an deren Spitze der Papst, das Haupt und der Hirte, der Vikar Christi steht, welchem dann der Klerus und schließlich die Gläubigen unterstehen. Letztere dürften sich nicht vom Übel, das heißt von der Modernität, verführen lassen und sollten sich auf die Leitung der Kirche verlassen. Miccoli zufolge entspricht eine solche Kirche den „sozialen Rechten Christi“ und dem „sozialen Königtum Christi“ und versteht sich im Rahmen der Erschaffung einer autoritären, hierarchischen und von der Papstgewalt beherrschten Gesellschaft. Die Idee einer Wiederherstellung der mittelalterlichen Christianitas habe nicht zufälligerweise ihren entschiedensten Ausdruck im Thema von Christus als König und von der Errichtung der „Königsherrschaft Christi“ genau während des Pontifikats von Pius XI. gefunden (Miccoli 1998, 544). Mit der Apostolischen Konstitution Infinita Dei vom Mai 1924 wurde das Jahr 1925 zum Jubiläumsjahr erklärt (AAS XVI (1924), 209-215). In diesem zentralen Jahr erschienen sowohl das Hauptdokument, die Enzyklika Quas primas, das für die Restauration des „Königtums Christi“ stand, als auch die Ansprache vom Dezember 1925 Iam annus (AAS XVII (1925), 633646), die die Bilanz des Heiligen Jahres zog, und die Apostolische Konstitution Servatoris Jesu Christi (AAS XVII (1925), 611-618), die das Heilige Jahr auf die ganze katholische Welt ausweitete. Die bisher beschriebene Entwicklung fand ihren Höhepunkt in der Enzyklika Quas Primas vom 11. Dezember 1925, die das Christkönigsfest stiftete (AAS XVII (1925), 593-610). Hier wird eindeutiger als in den früheren Dokumenten die Königlichkeit Christi betont und in den Vordergrund gestellt. Es schließt sich begrifflich auch der Kreis, der mit der Enzyklika Ubi arcano eröffnet wurde. Im November 1924 wurde eine Sonderkommission mit der Einführung des Christkönigsfestes beauftragt. Die Enzyklika Quas Primas hatte dann die theologischen und sozialen Aspekte des Königtums Christi
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zum Inhalt: Dem Gottessohn als Menschen müsse der Name und die Gewalt eines Königs zuerkannt werden, denn er habe die Macht, die Ehre und die Gewalt von seinem Vater erhalten (AAS XVII (1925), 596; Rohrbasser 1953, 59). Anschließend gibt die Enzyklika ausführlich biblische Stellen aus dem Alten und Neuen Testament wieder, die das Königtum Christi nachweisen sollen. Letztendlich beruhe die unbedingte Herrschaft Christi, so die Schlußfolgerung der Beweisführung, sowohl auf seinem Wesen, nämlich auf der hypostatischen Union, die im Glaubensbekenntnis von Nicäa bestimmt wurde, als auch auf dem Recht, das er aufgrund seines Erlöserwerkes erworben habe (AAS XVII (1925), 602-608; Rohrbasser 1953, 67-73). Christus sei dann der Erlöser, der Gesetzgeber und der Richter. Aufgrund der Evangeliumsstelle in Joh 18,37, in der Christus während des Verhörs von Pilatus gefragt wurde, ob er der König der Juden sei, und antwortete „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt“, sei seine Herrschaft vornehmlich geistiger Natur. Er habe trotzdem „vom Vater ein so unumschränktes Recht über alle Geschöpfe bekommen, daß seinem Willen alles unterstellt ist“ (AAS XVII (1925), 602). „Über alle Geschöpfe“ heißt hier also nicht nur über die Katholiken bzw. Christen, sondern, wie bereits von Leo XIII. in der Enzyklika Annum Sacrum vom 25. Mai 1899 festgelegt wurde, über die ganze Menschheit, über die Gläubigen und Nichtgläubigen. Christus sei die einzige Quelle des persönlichen und gemeinschaftlichen Heils; seiner „Herrschermacht“ sollten die Regierenden und die Völker „Verehrung und Ergebenheit öffentlich bezeugen“ (ebd., 602; Rohrbasser 1953, 65). Falls sich die legitimen Fürsten und Beamten davon überzeugen ließen, daß sie nicht kraft ihres eigenen Rechts, sondern kraft göttlichen Rechts befehlen, würden sie einsehen, welche heilige und weise Gewalt sie ausüben könnten. Infolgedessen werde ihnen die Bürgerschaft den Gehorsam nicht verweigern, denn in dieser Civitas Dei werde sie in ihnen das Abbild und die Autorität Christi erkennen (AAS XVII (1925), 602; Rohrbasser 1953, 67). „Welchen Glückes könnten wir uns freuen“, so schließt die Beschreibung des Königtums Christi, „wenn Einzelmenschen wie Familien und Staaten sich von Christus leiten ließen! Dann endlich wird man (…) viele Wunden heilen können, dann wird jedes Recht seine ursprüngliche Kraft wieder erlangen, dann endlich werden die kostbaren Güter des Friedens wiederkehren, und es werden die Schwerter und Waffen den Händen entgleiten“ (AAS XVII (1925), 602f.; Rohrbasser 1953, 67f.). Was aber der Anlaß zur Einführung der Feier war, wird später eindeutig ausgedrückt: Der Laizismus, die „Pest unseres Zeitalters“, müsse zusammen mit all seinen Irrtümern und Anstrengungen bekämpft und besiegt werden (AAS XVII (1925), 604; Rohrbasser 1953, 70). Am Anfang sei die Herrschaft Christi über die Völker abgestritten worden, und dann sei der Kirche das Recht abgesprochen worden, die Menschen zu erziehen, Gesetze zu erlassen und die Bevölkerung zu regieren, um sie zum ewigen Glück zu führen. All dies habe das Übel verursacht, das bereits in der Enzyklika Ubi arcano
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öffentlich angeklagt worden sei. Deshalb müsse das Christuskönigsfest die Gesellschaft dazu bringen, zurück zum Erlöser zu kehren. Denn je mehr sein Name in den internationalen Versammlungen und in den Parlamenten verschämt verschwiegen werde, desto mehr müsse er akklamiert werden, so daß die Rechte seiner königlichen Würde und Herrschaft überall verkündigt würden (AAS XVII (1925), 605f.; Rohrbasser 1953, 70ff.). In der öffentlichen Verehrung, die ursprünglich am letzen Oktobersonntag erwiesen werden sollte, sah Pius XI. folgende Vorteile: Die Kirche, die vollkommene Gesellschaft, die von Christus gestiftet worden sei, fordere aus eigenem und unverzichtbarem Recht völlige Freiheit und Unabhängigkeit von der Zivilgewalt. Eine solche Freiheit solle auch den Religiosen beiderlei Geschlechts bewilligt werden. Die jährliche Feier werde eine Mahnung auch für die Staaten und die Regierenden sein, damit sie sich verpflichtet fühlen, Christus öffentlich zu ehren und ihm Gehorsam zu leisten. Er müsse im Verstand, im Willen, im Herzen des Menschen herrschen, denn ihm sei die höchste Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben worden, seine Herrschaft umfasse die ganze Menschheit und die von ihm erlösten Menschen seien seiner Autorität unterworfen (ebd., 608ff.; Rohrbasser 1953, 75f.). Die Folgerungen auf der Ebene der Sozialwahrnehmung Pius’ XI. wiesen darauf hin, so Christoph Joosten in seiner kürzlich erschienenen Dissertation, daß die Quas primas „das Idealbild vom christlichen Staat, das Bild der Civitas Dei entfalte“ (Joosten 2002, 137). Pius XI. habe wie schon Leo XIII. Kirche und Staat von ihrem Wesen her unterschieden. Der Staat solle von daher der Kirche nicht nur die Ausübung ihres Heilsauftrages ermöglichen, sondern auch aktiv an der Ausbreitung des Königsreiches Christi mitwirken. Als Laizismus fasse der Papst die politischen und gesellschaftlichen Bestrebungen zusammen (z.B. Reformation, Säkularisation, Liberalismus, Modernismus, Kommunismus und Aufklärung), welche Gott die Autorität über den Staat, die Familie und den einzelnen absprechen wollten (Joosten 2002, 115ff.). Die nur zwei Wochen später publizierte Enzyklika Servatoris Jesu Christi weitete, wie zuvor angedeutet, das Jubiläum auf die ganze katholische Welt aus, und die Iam annus zog dessen Bilanz: Von besonderer Wichtigkeit seien Ereignisse gewesen, deren Hintergrund das Heilige Jahr bildete, das heißt die zahlreichen Selig- und Heiligsprechungen, die Missionsausstellung und insbesondere die 1600-Jahrfeier des Konzils von Nicäa, vermittels dessen Glaubensbekenntnisses „die Königsherrschaft Christi über alle Völker durch die Wesenseinheit des fleischgewordenen Wortes“ verkündet worden sei (AAS XVII (1925), 611-618).
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4. Der „katholische Totalitarismus“ im Rahmen des „sozialen Königtums Christi“ In dem vorliegenden Beitrag konnte bloß ein kleiner Ausschnitt des Pontifikats Pius’ XI. betrachtet werden. Es läßt sich natürlich nicht nur unter dem dargestellten Paradigma des „katholischen Totalitarismus“ verstehen. Man denke etwa an die gesamte Konkordatspolitik des Papstes während der 1920er und 1930er Jahre (Repgen 1979), an die apostolische und missionarische Tätigkeit, an die Verbesserung der Priesterausbildung, an die zeitgemäßere Soziallehre, an das Interesse an den Beziehungen zu den Ostkirchen. All dies sind Zeichen des Entstehens der „Weltkirche“ im frühen 20. Jahrhundert (Jedin 1999, 30). Der Begriff des „katholischen Totalitarismus“ bietet, wenn auch nicht erschöpfend, für die am Beginn des Pontifikats konzipierte Wahrnehmung einen wirkungsvollen Leseschlüssel, der allerdings mit kritischer Sensibilität angewendet werden sollte. Das neue Verständnis der insbesondere im Papstamt und in der Hierarchie zentralisierten Ekklesiologie und der damit von oben dirigierten Volksfrömmigkeit sowie das Bewußtsein der erneuten apostolischen und missionarischen Aufgaben und der weltweit führenden Rolle der Kirche hingen einerseits mit der Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Kultur zusammen, andererseits mit dem Programm, mittels des „katholischen Totalitarismus“ bzw. der kulturell weitreichenden Offensive und der Konkordatspolitik ein ganzes System von konfessionsgeprägten Staaten in Europa einzurichten, die den Papst als oberste geistliche Obrigkeit anerkennen sollten. Wo die Grenze dieses geistlichen Machtanspruchs lag und inwiefern eine Kirchengewalt überhaupt hätte ausgeübt werden können, läßt sich nur sehr schwer einschätzen. Man denke etwa an die Überlegungen Roberto Bellarminos zur potestas indirecta des Papstes und an ihre Unbestimmtheit bezüglich ihrer praktischen Anwendbarkeit. Anhand dieser gegenreformatorischen Lehre steht die weltliche Gewalt der weltlichen Obrigkeit zu, wobei dem Papst jedoch das Recht vorbehalten sein soll, in Angelegenheiten weltlichen Charakters einzugreifen, falls sie die sittlichen und religiösen Interessen betreffen würden. Die oberste Obrigkeit der katholischen Kirche versuchte, eine vom politischen und ideologischen Gesichtspunkt aus neue Rolle zu spielen, und zwar nicht mehr nur durch die bloße Verdammung der Modernität, sondern auch durch die Aufhebung der Säkularisierung als solcher mittels der Durchsetzung eines „Regnum Christi“ geistlicher und zugleich politischer Natur, das den Papst als dessen Vikar legitimieren sollte. In der Fachliteratur wird von einem modernen katholischen Integralismus bzw. von einer wiedererschienenen theokratischen Wahrnehmung gesprochen, deren Ziel es gewesen sei, den langen Prozeß der Säkularisierung, der mit der Aufklärung und der Französischen Revolution begonnen habe, und seine Wirkung auf die Gesellschaft zu
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unterbrechen und durch eine hierokratische und hierarchische Anschauung zu ersetzen. Von den zahlreichen Deutungen, die diesem Pontifikat in der italienischen Fachliteratur zugeschrieben werden, sind zwei besonders hervorzuheben (Scoppola 1996, 192). Die erste, die vereinfachend die „historisch-politische“ genannt werden könnte, betrifft die jüngste Geschichte Italiens. Während sich einerseits das Papsttum und der Faschismus in der Tat gegenseitig begünstigt haben, blieb andererseits ihr Verhältnis zueinander immer umstritten und problematisch. Dies kann am Beispiel dessen dargestellt werden, was kurz nach der Unterzeichung der Lateranverträge am 11. Februar 1929 geschah. Im Mai des gleichen Jahres kam es nämlich zu einer heftigen Polemik zwischen Mussolini und dem Papst. Der „Duce“ äußerte sich folgendermaßen in der Rede vom 13. Mai im Abgeordnetenhaus: Die Kirche sei im Staat weder frei noch souverän. Der faschistische Staat sei wohl katholisch, aber auch faschistisch, besser noch, er sei vor allem, ausschließlich und wesentlich faschistisch. Die Antwort des Papstes ließ nicht auf sich warten. Am 30. Mai schrieb er an Kardinal Gasparri, es gebe zwei vollkommene Souveränitäten, jede in ihrer eigenen Ordnung, welche durch ihr jeweiliges Ziel bestimmt werde. Die Würde, die dieses Ziel bestimme, bestimme aber auch objektiv und notwendigerweise die unbedingte Superiorität der Kirche. Sie unterwerfe sich dem Staat nicht, sondern ihr Oberhaupt, der Papst, entscheide, was für das Gemeinwohl der Seelen gemacht werden dürfe und müsse (Scoppola 1973, 207ff. u. 217-225). Die zweite Deutungsrichtung, die „theologisch-ideologische“, betrifft hingegen das, geschichtlich betrachtet, sehr facettenreiche Verhältnis zwischen Kirche und postrevolutionärer Modernität. Der italienische Historiker Daniele Menozzi bemerkte vor einigen Jahren sehr zutreffend, daß dieses dialektische Verhältnis gar nicht der Interpretationsrichtung entspreche, welche auf der Basis einer grob antithetischen Auffassung meine, die Menschheit verfalle in die Barbarei, falls das Christentum bzw. die Kirche ihre leitende Rolle in der Gesellschaft nicht mehr spielen sollte. Außerdem solle die Kirche im Ganzen durch eine schematische Ekklesiologie nicht auf die päpstliche Figur reduziert werden (Menozzi 1990, 5-6). Die vom Papst vorgeschlagene Deutung der vergangenen Ereignisse, die bereits von Gregor XVI. mit der Enzyklika Mirari vos zu Beginn der Restaurationszeit entworfen wurde, war in ihrer Linearität einfach und deshalb um so überzeugender: Die Gesellschaft habe dem Gottessohn den Rücken gekehrt, infolgedessen habe man nur Kriege, Aufstände, Revolutionen und einen ununterbrochenen Sittenverfall erlebt (Menozzi, 1995). Im Endeffekt habe dies zum Blutbad des Ersten Weltkrieges geführt, und deshalb brauche man von jetzt an Ordnung und Frieden, eben den in der Enzyklika Ubi arcano geschilderten „Frieden Christi im Königtum Christi“. Die Rückkehr des industrialisierten Abendlandes zu einer hierokratisch und theokratisch erträumten Gesellschaft hätte auf der Basis einer Restaura-
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tion des zu der Zeit von Innozenz III. und von Bonifazius VIII. konzipierten kirchentreuen Idealstaates geschehen sollen. Was blieb, war aber nur ein apologetischer Mythos des „katholischen Traditionalismus“, der allerdings eine überaus starke Vitalität bis über das Zweite Vatikanische Konzil hinaus – manche Historiker würden sogar behaupten wegen des Zweiten Vatikanischen Konzils – in das Pontifikat von Johannes Paul II. hinein gehabt hat (Menozzi 1993). Es ist deshalb nicht verwunderlich, und viele andere historiographische Beispiele hätten hier genannt werden können, daß ein so maßgeblicher und renommierter Kirchenhistoriker wie Joseph Lortz in seiner Geschichte der Kirche in ideengeschichtlicher Betrachtung schlichtweg die zweite Epoche der Neuzeit von der Aufklärung bis zur damaligen Gegenwart (1953) als die „offenbarungsfeindliche Zeit“, die Aufklärung als „antichristliche Weltanschauung“ und die moderne Kultur als „glaubenslos“ bezeichnete. Das Hochmittelalter rage insofern hervor, als es den „siegreichen Aufstieg der Kirche als Beherrscherin des christlich geworden Abendlandes“ und „Papst und Kirche als weltbeherrschende Macht“ erleben durfte (Lortz 1953). Im Zusammenhang mit dieser Wertung der Kirchengeschichte lieferte die Sehnsucht nach der mittelalterlichen Christenheit das Muster einer perfekten Gesellschaft, in der die weltliche und geistliche Autorität der Kirche noch immer uneingeschränkt bestand (Menozzi 1996). Daß eine solche Vorstellung nicht realisierbar war, war wohl auch Pius XI. bewußt. Dafür spricht seine konkrete Absicht, der ideologischen Kompromißlosigkeit die Bereitschaft zu einer beiderseitigen Unterstützung folgen zu lassen, wobei es stets umstritten blieb, um welchen Preis dies hätte geschehen sollen. Die Überlegungen von Ernesto Ragionieri über das seiner Ansicht nach zweideutige Verhältnis der Kirche zu totalitären Systemen können sowohl als Anregung als auch als Provokation verstanden werden. Die Verdammung solcher Staatsformen seitens des Papstes sei seines Erachtens sehr unterschiedlich zu bewerten: Während die Enzyklika Divini Redemptoris vom 19. März 1937 gegen „den atheistischen Kommunismus“ (AAS XXIX (1937), 87-96) eine totale Opposition seitens der Kirche genau mitten im Spanischen Bürgerkrieg dargestellt habe, sei die Enzyklika Mit brennender Sorge vom 14. März 1937 (AAS XIX (1937), 148-167) bloß Ausdruck der Enttäuschung des Heiligen Stuhls gewesen, weil es ihm nicht gelungen war, ein System autoritärer und konfessioneller Staaten zu konsolidieren, in denen die Ausübung der Gewalt zwischen Staat und Kirche geteilt gewesen wäre und die Kirche ihre vorrevolutionären Privilegien zurückgewonnen hätte (Ragionieri 1976, 2175). Die in vielerlei Hinsicht vorausgesetzte Unvereinbarkeit des Christentums mit dem Nationalsozialismus wird heutzutage immer häufiger in Frage gestellt (Steigmann-Gall 2003). Auch wenn sich heutige religionsgeschichtliche Kategorien, die die vielfältigen Phänomene der christlichen Spiritualität zum Gegenstand haben, nicht problemlos auf Forschungsfelder der katholi-
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schen Kirchengeschichte anwenden lassen, bleibt die Tatsache bestehen, daß manche Schichten der katholischen Hierarchie und ebenso der Gläubigen nicht das Bedürfnis spürten, sich von ihrer Vergangenheit zu distanzieren. Unmittelbar nach dem Kriegsende sprach Pius XII., der Nachfolger Pius’ XI., zum Beispiel in seiner Rede im Kardinalskollegium am 2. Juni 1945, ausführlich von der Situation der Kirche während des Zweiten Weltkrieges, hielt es jedoch nicht für nötig, eine Erklärung und Rechtfertigung für die Haltung zu geben, die die Kirche und die Katholiken während der faschistischen Herrschaft einnahmen (Miccoli 1998, 541). Im Übrigen wurde Italiens Regierung trotz der früher erwähnten Konflikte nie öffentlich verdammt, denn von ihrem Wesen her hatte sie sich gegen Demokratie, Liberalismus, Sozialismus engagiert, in einem Wort gegen vieles, was als Resultat des Säkularisierungsprozesses empfunden wurde. Schließlich bleibt die Frage ungelöst, was von dem – wenngleich kritisch eingegrenzt und ausgewertet – „katholischen Totalitarismus“ zur politischen Geschichte des letzten Jahrhunderts und was aus der Perspektive der longue durée zur post-reformatorischen und post-revolutionären Auseinandersetzung zwischen Kirche und Staat zu zählen ist. Ist der Ausdruck „katholischer Totalitarismus“ in seiner Anwendbarkeit an sich problematisch und bezieht sich vorwiegend auf die neueste Geschichte Italiens, bietet er jedoch zugleich eine aufschlußreiche Deutungsmöglichkeit des Verhältnisses Kirche-Gesellschaft. Denn bei Pius XI. handele es sich nicht nur darum, so Andreas Lindt, die seiner Leitung anvertraute Kirche gegenüber dem säkularen Zeitgeist zu bewahren. Er habe vielmehr in die Offensive gehen wollen. Die Prinzipien der katholischen Glaubenswahrheit und Lebensordnung sollten nicht nur im religiösen und innerkirchlichen Bereich gültig sein, sondern sie sollten auch für Gesellschaft und Staat verpflichtend sein. Es gehe also um nichts Geringeres als um die Rechristianisierung der Welt und um die Überwindung des „großen Abfalls“ der Moderne (Lindt 1981, 64).
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Säkularisierung und christliche Religionstradition
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Säkularisierung der Lebensführung. Die Lebensgeschichte des Evangelischen Bischofs Ingo Braecklein vom Kaiserreich bis ins wiedervereinigte Deutschland 1. Einleitung Es ist eine Grunderfahrung der Religionssoziologie, daß deren Gegenstand, Religion, ein besonders weiches und insofern schwer bestimmbares Element menschlicher Kultur darstellt. Nicht zuletzt deshalb ist es auch umstritten, in welchem Maße Religion Einfluß auf härtere Strukturelemente der Gesellschaft, wie z. B. Politik, Wirtschaft oder Militär auszuüben vermag. Der Begriff der Lebensführung (vgl. Weber 1980, 320f.) bildet gewissermaßen ein Bindeglied, über das sich die Prägekraft einer religiösen Überzeugung oder anderen sozialen Konvention im praktischen Verhalten einzelner oder vieler ausdrückt. Für eine adäquate Rekonstruktion der konkreten Umstände, unter denen Religion sozial relevant wird oder an Bedeutung verliert, aber auch, auf welche strukturellen Probleme sie reagiert, bieten biographische Zugangsweisen günstige Voraussetzungen. Eine Biographie ist ja nie nur ein individuelles Ereignis; in ihr spiegeln sich historische Wandlungsprozesse und soziale Verhältnisse, so daß sie immer auch für etwas Allgemeineres steht, an dem sie Anteil hat. Die Betrachtung von Religion in Biographien bietet damit einerseits die Chance, der funktionalen Spezialisierung von Religion nachzugehen. Andererseits steht sie vor dem Problem, daß die institutionellen Strukturen und substantiellen Voraussetzungen von Religion keine gesellschaftlichen Selbstverständlichkeiten mehr sind. Dieser Wandel ist Gegenstand der Säkularisierungsdebatte. Und die Frage nach einer Säkularisierung der Lebensführung zielt auf Orientierungen des Menschen, die einmal religiös verankert waren, also über die unmittelbar erfahrbare Wirklichkeit hinaus ins Transzendente reichten, und die im Zuge der Entstehung der modernen Welt ihren Transzendenzbezug verloren haben und in diesem Sinne säkularisiert worden sind. Von ihrem Ansatz her fokussiert die Annahme von der Säkularisierung der Lebensführung solche Säkularisate, also Substitute des Religiösen. Die Biographie, die im folgenden besonders auf ihre religiöse Orientierung hin untersucht werden soll, eignet sich vor allem aus zwei Gründen für die Analyse des sozialen Wandels von Religion. Erstens handelt es sich um
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eine Biographie mit besonderer Verflechtung in die wechselnden Zeitläufte des 20. Jahrhunderts. Ihre erste religiöse und politische Prägephase fällt in die Zeit des Kaiserreiches, und sie entwickelt sich von da an über die Weimarer Republik, das Dritte Reich und die Zeit der DDR bis hinein ins wiedervereinigte Deutschland. Es ist also damit zu rechnen, daß in dieser Biographie der enorme politische, kulturelle und modernitätsspezifische Wandel der Gesellschaft vom Ende des Kaiserreiches und den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis hinein in die Moderne des beginnenden 21. Jahrhunderts einen entsprechenden Niederschlag gefunden hat. Auch Religion ist von diesen Veränderungen nicht unberührt geblieben. Und einer geläufigen Annahme der Biographieforschung zufolge, nach der es gerade die erzählte Biographie sei, die für den Einzelnen soziale Integrationsleistungen erbringe, dürften diese Veränderungen im biographischen Setting besonders deutlich zutage treten (vgl. Fischer-Rosenthal/Rosenthal 1997, 133f.). Zweitens handelt es sich um die Biographie eines Pfarrers und Bischofs, eines Menschen also, der zu einem professionellen Agenten einer religiösen Überzeugung geworden ist. Dieser Beruf unterscheidet sich von anderen Berufen vor allem durch seinen (zumindest formalen) Bezug auf das Transzendente. Dies gilt auch angesichts der Maßgabe, daß unter dem Signum innerweltlicher Pflichterfüllung und der daraus gefolgerten religiösen Qualifizierung des Berufes zum „Zentraldogma“ des Protestantismus „jeder erlaubte Beruf vor Gott schlechterdings gleich viel gelte.“1 Gleichwohl muß gerade bei einer biographischen Betrachtung vor einer eindimensionalen Verengung der Lebenszusammenhänge gewarnt werden. So reizvoll es auch sein mag, eine Biographie unter einer einzigen Fragestellung auf den Punkt bringen zu wollen, so verhängnisvoll wäre es doch, die Vielzahl von angefangenen Fäden einer Lebensgeschichte, die nicht selten nirgendwo hin führen, auf ein einziges Bezugsproblem, etwa die Frage nach der religiösen Bewährung im beruflichen Handeln, zu interpretieren. Gerade wenn man mit Max Weber Beruf als religiöse Pflicht versteht und von da aus nach Substituten für das, was im Pfarrerberuf eigentlich religiös sein sollte, fragt, übersieht man leicht, daß die interpretierten Phänomene ebenso auf eine unendliche Vielzahl anderer Bezugsprobleme, z. B. Anerkennungsprobleme oder berufliche Aufstiegsinteressen interpretierbar sind. Insofern soll die religiöse Orientierung der nun vorzustellenden Biographie auf den gesellschaftlichen Wandel, an dem sie Anteil hatte, bezogen werden. Inwieweit dabei der Wandel des Sozialen auch einen Wandel des Religiösen oder aber anderer Lebensbereiche zur Folge hatte oder einfach folgenlos blieb, bleibt dabei im Einzelfall immer wieder zu klären.
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Vgl. Webers Auseinandersetzung mit Luthers Berufsbegriff in der Protestantischen Ethik (Weber 1993, 39ff.).
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2. Biographische Daten und situativer Kontext Die Lebensgeschichte, an deren Beispiel ich der Frage nach dem sozialen Wandel von Religion nachgehen will, ist die Geschichte des im Jahre 1906 in Eisenach geborenen Ingo Braecklein. Braecklein ist in großbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen. Seine Familie verkehrte mit dem Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, der ihr gestattet hatte, innerhalb der blauen Linie – das war das Gebiet, innerhalb dessen wegen der Wartburg nicht gebaut werden durfte – ihr Anwesen zu errichten. So kam es, daß Ingo Braecklein im – wie er sagt – „höchsten Haus Eisenachs“(45)2 gewohnt hat. Sein Vater, ein promovierter Jurist, war 2. Bürgermeister der Stadt und sein Großvater, Prof. Joseph Kürschner, der Herausgeber von Kürschners Gelehrten-Kalender. Nach dem Abitur am Eisenacher Karl-Friedrich-Gymnasium studierte Braecklein von 1927 bis 1930 in Jena, Tübingen und Marburg Theologie. Danach wurde er Vikar. 1931 trat er in Esperstedt/Kyffhäuser seine erste Pfarrstelle an. 1933 wurde er Mitglied der NSDAP und der SA.3 Während er der NSDAP bis zum Ende des Krieges angehörte, hat er die SA kurz nach dem Eintritt wieder verlassen (Heymann 1992) und wandte sich statt dessen dem „Wittenberger Bund“4 zu (Berg 1992). Von 1939 bis 1945 nahm Ingo Braecklein als Freiwilliger am 2. Weltkrieg teil, zuletzt im Rang eines Oberleutnants. Nach kurzer englischer Kriegsgefangenschaft kehrte er schon 1945 in sein Dorf zurück. Der örtliche Bürgermeister meldete ihn nicht den sowjetischen Behörden, und die Spruchstelle der Thüringer Landeskirche stufte ihn als „Mitläufer“ ein, so daß er seine Pfarrstelle unmittelbar wieder übernehmen konnte. 1950 wurde Braecklein Superintendent in Weimar, 1959 Oberkirchenrat und 1970 schließlich Bischof der Thüringer Landeskirche. Er übte dieses Amt bis zum Übergang in den Ruhestand 1978 aus. Ingo Braecklein erhielt in der DDR hohe offizielle Auszeichnungen. U. a. empfing er 1971 vom damaligen Vorsitzenden des Staatsrates, Walter Ulbricht, den „Vaterländischen Verdienstorden in Gold“. In den neunziger Jahren wurde gegen Braecklein der Vorwurf informeller Zusammenarbeit mit dem Staatssicher2
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Dieses und die folgenden kursiv gesetzten Zitate sind Auszüge aus einem Interview, das Detlef Pollack und ich 1994 mit Ingo Braecklein geführt haben. Es ist erschienen in einem Sammelband mit lebensgeschichtlichen Interviews mit den Bischöfen und anderen ehemals führenden Repräsentanten der evangelischen Landeskirchen in der DDR aus den neunziger Jahren (Findeis/Pollack 1999, 38-67). Die nicht näher ausgewiesenen Seitenangaben nach den Zitaten und im Text beziehen sich auf diese Dokumentation. Im Bundesarchiv konnten lediglich eine NSDAP-Mitgliederkarteikarte mit der Mitgliedsnummer 3260600 und dem Eintrittsdatum 1. Mai 1933 ermittelt werden sowie ein Lichtbild vom 10. Juli 1935, das Braecklein in SA-Uniform der 96. SA-Standarte zeigt. Der Wittenberger Bund vertrat im Kirchenkampf des Dritten Reiches eine im Vergleich zu den Bekenntnischristen gemäßigte Position gegen die Deutschen Christen. Vgl. Meier 1976.
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heitsdienst der DDR erhoben.5 Ingo Braecklein starb 2001 kurz vor Vollendung seines 95. Lebensjahres in Triptis/Thüringen. Zum situativen Kontext des Interviews sei hier nur angemerkt6, daß Braecklein damals 88 Jahre alt war. Während des dreistündigen Gespräches zeigte er sich in souveräner geistiger und kommunikativer Verfassung. Dies hinderte ihn nicht daran, in Phasen stärkerer emotionaler Beteiligung auch einmal die Contenance zu verlieren. Im folgenden werden nun entlang der Chronologie der Lebensgeschichte Ingo Braeckleins vor allem jene Stationen eine Rolle spielen, in denen er seine persönlichen Sinnerwartungen im Schicksal der Gesellschaft wiederfand. Dabei wird das Hauptinteresse auf Braeckleins mentaler, besonders religiöser Disposition liegen. Zugleich geht es dabei um jene gesellschaftlichen Ereignisse, die, wie der Zweite Weltkrieg oder der Kirchenkampf der fünfziger Jahre in der DDR von außen in Braeckleins Leben eingebrochen sind und insofern Probleme in seiner sozialen und mentalen Selbstverortung erwarten lassen. Am Schluß werde ich die empirischen Befunde zusammenfassen und auf die Fragestellung nach Säkularisaten in Ingo Braeckleins Leben verdichten.
3. Prägende politische Erfahrungen: Ingo Braeckleins nationalprotestantische Identität Auf die Einstiegsfrage, von welchen politischen Ereignissen er sein Leben besonders geprägt sieht, stellt Braecklein zunächst fest, daß „Politik bei mir 5
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Zuerst in Besier/Wolf 1991, 268. Wenige Tage vor Braeckleins 90. Geburtstag, zu dessen Ehre die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Thüringen einen offiziellen Festakt veranstaltete, übergab die Behörde der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) dem Thüringer Landeskirchenamt eine ca. 3000 Seiten umfassende IM-Akte Braeckleins, durch die Ingo Braecklein der Zusammenarbeit mit dem MfS seit 1959 belastet wird (BStU, 24028/91, Reg.Nr. 10679/60). Danach soll er das MfS zum Teil an konspirativen Treffpunkten ausführlich über kirchliche Interna, wie Personalfragen u. a. informiert und dafür hochwertige Geschenke in Empfang genommen haben (z. B. am 17.4.1959 im Wert von 300 DM oder im Oktober 1976 Meißner Porzellan im Wert von 1500 Mark der DDR, vgl. ebd.), was von Braecklein bestätigt worden ist (vgl. DER SPIEGEL 35/1996, 26.8.1996). Zu Reaktionen innerhalb der Thüringer Landeskirche, insbesondere ihrer Leitung, die Braecklein gegen alle Vorwürfe mit Nachdruck verteidigte, vgl. die Thüringer Kirchenzeitung Glaube und Heimat 35, 1.9.1996; 36, 8.9.1996; 44, 3.11.1996; 46, 17.11.1996; vgl. auch Besier 1996; Rheinischer Merkur, 6.9.1996; die Sächsische Kirchenzeitung Der Sonntag, 8.9.1996. Aufschlußreich für die ungebrochene Loyalität der Thüringer Landeskirche zu ihrem Altbischof ist auch der im Auftrag des Landeskirchenrates angefertigte Nachruf von OKR Ludwig Große „Pfarrer ein Leben lang“ in Glaube und Heimat 32, 12.8.2001. Dazu ausführlicher Findeis 2002, 35.
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nie im Vordergrund (stand). Ich habe mich als Pfarrer verstanden, der für seine Gemeinde verantwortlich ist.“ (41) Danach benennt er in der genannten Reihenfolge vier Ereignisse, die ihn geprägt haben: den 9. November 1918, den Beginn des 1. Weltkrieges 1914, den 1. Mai 1933 und den 8. Mai 1945. Hinsichtlich der Ausrufung der Weimarer Republik erinnert er sich, wie er „als Gymnasiast am 9. November 1918 auf dem Markt in Eisenach stand und wie da vom Rathaus die schwarz-weiß-rote Fahne niedergeholt und die rote Fahne gehißt wurde. Ich habe bitter geheult. Sie müssen wissen, daß uns das traditionsreiche Gymnasium, in das ich damals ging, deutsch-national erzogen hat. Deutsch zu denken, das war für uns ganz selbstverständlich. Ich kann mich an keinen Lehrer erinnern, der etwa links gestanden hätte. Schon ein Demokrat hatte es damals schwer. Und dann fiel in unserem Gymnasium die schwarz-weiß-rote Fahne, und die Soldaten hißten die rote. Das war für uns unvorstellbar.“ (ebd.)
Und er fügt hinzu, daß man in seinem Elternhaus „selbstverständlich national eingestellt (war). Für uns Kinder existierten bestimmte Werte, die uns auf unserem Lebensweg mitgegeben wurden und die als unabdingbare Elemente in das Leben mit hinausgehen sollten. Das waren Gott, die Obrigkeit in Gestalt eines Monarchen und das Vaterland – Deutschland.“ (41f.)7
Nach der Niederlage Deutschlands und dem Untergang des Kaiserreiches mißtraut Braecklein der „d i f f u s e n Republik ... der zwanziger Jahre“ (63). Dabei vertritt er eine betont demokratiekritische Sicht der Weimarer Republik (63f.), deren Auseinandersetzungen er „bis aufs Blut ... miterlebt“ hat (42). Demgegenüber wird der 1. Mai 1933 für ihn zu einem einschneidenden Erlebnis sozialer Zugehörigkeit. In dem Rittergutsdorf Esperstedt, in dem er bis dahin „eine große Gegensätzlichkeit zwischen den größeren Bauern, dem Rittergutsbesitzer und den Knechten und Mägden“ vorfand, empfand er, „wie an diesem Tag zum ersten Mal ... ein wirkliches Gemeinschaftsgefühl entstand – vom Rittergutsbesitzer zu denen, mit denen er arbeitete, und umgekehrt aber auch von denen zu ihm und auch von den Bauern untereinander und wiederum mit den anderen, die in meinem Dorf wohnten. Ich gebe zu, daß mich das damals so beeindruckt hat, daß ich am 1. Mai 1933 in die NSDAP eingetreten bin, obwohl ich mich vorher strikt geweigert hatte, in irgendeine Partei einzutreten.“ (ebd.)
In dem „wirklichen Gemeinschaftsgefühl“ findet Braecklein eine weitgehende Erfüllung. Sie besteht offenbar in dem Erlebnis einer den Einzelnen umgreifenden und über sein individuelles Interesse hinausweisenden kollektiven Erfahrung. Es ist eine Erfahrung, in der die Besonderheit des Einzelnen 7
Mit dieser Aussage bündelt Ingo Braecklein die normativen Voraussetzungen des die politische Kultur der Kaiserzeit und der Weimarer Republik in besonderer Weise prägenden Kernmilieus des lutherischen Protestantismus (vgl. Nowak 1988; 1995). Braeckleins Biographie wirft damit auch ein Schlaglicht auf die Geschichte des preußisch-lutherischen Nationalprotestantismus.
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relativiert wird, in der dieser zugleich aber auch über sich hinauswachsen, in etwas Größerem aufgehen und sich als stark begreifen kann. Ingo Braecklein wird hier Teil einer Gemeinschaft, deren Zustandekommen er nicht bewirkt hat, aus der er aber eine tiefgreifende Bestätigung erfährt. Überdies steht Braeckleins Haltung in Affinität zu einer signifikanten sozialen Trägerschicht der NSDAP.8 Andererseits erwähnt er eine Reihe von Vorbehalten gegen den Nationalsozialismus, z. B. „ein abgrundtiefes Mißtrauen gegen den Mann aus Österreich und gegen die M a s s e n aufmärsche, die man damals erlebte und die ja im Grunde nur die Kehrseite von den Aufmärschen der linken Seite waren.“ (42)
Angesichts Braeckleins nationalprotestantischer Orientierung kann sein Mißtrauen gegen Hitler aus dem Umstand resultieren, daß dieser zum einen Österreicher und zum anderen Katholik war. Sein Parteibeitritt aber erscheint vor dem Hintergrund seiner bürgerlichen Distanz gegenüber der nationalsozialistischen Bewegung paradox. Es muß sich daher bei diesem 1. Mai 1933 um ein tiefgreifendes Erlebnis gehandelt haben – ein Gefühl, von dem Braeckleins Abneigung überwältigt worden ist. Dieser Schritt war offenbar viel stärker affektiv bestimmt als politisch reflektiert. Die Ernsthaftigkeit seiner nationalen Gesinnung zeigt sich in Braeckleins Deutung des 8. Mai 1945, „der Katastrophe des Zusammenbruchs der deutschen Armee, der Kapitulation am Ende des Zweiten Weltkrieges. Das habe ich miterlebt in Holland, in einem zerschossenen Haus in Rotterdam. Und ich weiß noch, wie es uns gepackt hat, die wir völlig h o f f n u n g s l o s und auch ohne irgendeine Vorstellung von der Zukunft auf den Stufen dieses Hauses gesessen haben. Und dann ging ein Kamerad von uns hin und spielte auf dem erhaltenen Flügel Beethoven. Dieser Gegensatz zwischen dem Schießen gestern noch, als die Kampfgeschwader über uns wegzogen, und dieser absoluten Ruhe, die auf einmal da war, das war so ungeheuer, daß ich dieses Erlebnis auch nie vergessen kann. Damals ist für uns eine Welt zusammengebrochen.“ (42f.)
Es geht hier nicht nur um die „Katastrophe des Zusammenbruchs der deutschen Armee“, der, zumal für einen Offizier, bereits seit längerem voraussehbar war. Worum es vor allem geht, ist der Zusammenbruch Ingo Braeckleins eigener Welt. Wie stark Braeckleins innere Bindung an „das Vaterland – Deutschland“ bis zuletzt gewesen sein muß, ist aus seiner Schilderung des 8. Mai 1945 nur zu erahnen. Wenn er sich in dieser Situation als „völlig h o f f n u n g s l o s und auch ohne irgendeine Vorstellung von der Zukunft“ beschreibt, dann kann auch dies für sein unbedingtes Festhalten an Deutschland 8
Jürgen Falter hat in seiner Untersuchung „Hitlers Wähler“ (Falter 1991) gezeigt, daß unter allen statistisch erfaßten Merkmalen vor allem die evangelische Konfessionszugehörigkeit (ebd., 285ff.) in agrarischen Gebieten (ebd., 277) eine signifikante Korrelation zur Wahl der Nationalsozialisten bei der ausschlaggebenden Wahl 1932 aufwies.
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sprechen. Daß es sich dabei um einen existentiellen Sinnverlust handelt, erschließt sich in seiner vollen Tragweite erst aus dem, was Braecklein an anderer Stelle über alternative Berufsoptionen sagt. Er wollte Offizier werden. Aufgrund des finanziellen Ruins der Familie im Zuge der Inflation Anfang der zwanziger Jahre aber „ist aus meinen Berufsplänen nichts geworden“ (46). Nicht nur das ehemals beträchtliche Anlagekapital der Familie ging während der Wirtschaftskrise verloren, Braeckleins „sehr distinguierte“ Großmutter mußte auch das gesamte Anwesen auf dem Hainstein verkaufen und lebte schließlich „als Kleinrentnerin von sechzehn Mark im Monat Kleinrentnerunterstützung“ (ebd.). Mindestens ebenso einschneidend wie dieser dramatische Verlust an bürgerlicher Sicherheit dürfte zudem der Umstand gewesen sein, daß Ingo Braeckleins Eltern sich noch vor dem ökonomischen Absturz der Familie getrennt haben. Für diese Annahme spricht der Umstand, daß Braecklein selbst die Trennung der Eltern in dem Interview gar nicht erwähnt.9 Statt dessen sagt er: „Im Hintergrund ist bei mir immer das Gefühl des Soldatseins geblieben.“ (48) Im Gehorsam gegenüber dem soldatischen Ethos der Pflichterfüllung hat Ingo Braecklein in einem womöglich kompensatorischen und zugleich noch höheren, über das bloße Tun der Pflicht hinausweisenden, identitätsstiftenden Sinne Erfüllung gefunden.10 Im Gegensatz zu seiner späteren zweckrationalen Beurteilung sozialer Handlungsmöglichkeiten11 war das Soldatsein für ihn eine praktische Möglichkeit, pflichtbestimmtes, zweckorientiertes Handeln mit wertrationalem, auf Identitätsgewinn ausgerichtetem Handeln zusammenzuführen. Im Soldatsein – dies ist meine These – hat Ingo Braecklein sein Leben integriert. Auch darin zeigt er sich als Repräsentant des deutschen Nationalprotestantismus. Preußischer Gehorsam und lutherische Berufsethik konvergieren im Beruf des Soldaten. Mit der Niederlage Deutschlands zerbricht diese Identifikationsmöglichkeit. Braecklein stellt fest: „Wir wußten nicht, wie es weitergehen sollte, was aus Deutschland werden sollte.“ (43) Hier bricht seine Erzählung ab, und er eröffnet ein neues Thema. „Eins habe ich damals ganz klar gewußt, daß ich, wenn es mir möglich sein würde, jede Gelegenheit ergreifen würde, um wieder in meine Gemeinde zu kommen. Hier hatte ich – das weiß ich heute noch – überhaupt keine Zweifel.“ (ebd.)
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Zu Braeckleins Lebzeiten war davon auch nicht aus anderen Quellen zu erfahren, sondern erst aus dem Nachruf seines Intimus Ludwig Große (vgl. Anm. 5). Kersten Storch schildert einen strukturell ähnlich gelagerten Fall (Storch 2000, 265). Herr Becker (Jahrgang 1940), der ebenfalls aus Thüringen stammt, repräsentiert die unter Protestanten in der DDR seinerzeit populäre Haltung lutherischer Pflichtethik, den Platz, an den Gott einen gestellt habe, also die DDR, gewissenhaft auszufüllen und diesen Platz auch nicht zu verlassen. Vgl. Punkt 6 dieses Aufsatzes – „Braeckleins Pragmatismus in der DDR“.
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Braeckleins Rückbesinnung auf seinen bereits vor dem Krieg ausgeübten Beruf übernimmt eine wichtige biographische Kontinuierungsfunktion.12 Mit dem Wechsel der Erzählebene erzeugt er aber auch eine Spannung zwischen dem eben geschilderten Problem des Identitätsabbruchs und der nun reklamierten Identitätskontinuität hinsichtlich eines zweifelsfreien Wissens darüber, daß er jede Gelegenheit ergreifen würde, wieder in seine Gemeinde zu kommen. Diese Identitätsverlagerung vom Soldaten zum Pfarrer vollzieht sich indes nicht nur, um an die biographische Konstellation vor dem Krieg wieder anzuknüpfen. Braecklein löst damit zwei drängende Probleme: In der Situation des gesellschaftlichen Zusammenbruchs wie auch eines einschneidenden Bruchs in seinem eigenen Leben kann er in der Identität des Pfarrers einen Bezugspunkt finden, der es ihm ermöglicht, sich aus seiner Verstrikkung in das NS-System zu lösen. Allerdings dürfte es sich dabei eher um eine Art Ersatz-Identität gehandelt haben. Für diese Annahme spricht seine Aussage, daß er in seinem Leben „immer das Gefühl des Soldatseins“ hatte. Neben der Anknüpfung an alte biographische Pfade heißt das dann aber auch, daß seine Entscheidung, nach dem Krieg wieder Pfarrer zu werden, in gewissem Grade den Verzicht auf ein erfülltes Leben bedeutet. Andererseits hat Ingo Braecklein im Pfarrerberuf mehr als das bloße Überleben realisiert. Vergleicht man die Berufsbilder von preußischem Offizier und lutherischem Pfarrer miteinander, so kann man für beide signifikante Gemeinsamkeiten finden. Beide haben ein hohes soziales Prestige, das auf ausgeprägten moralischen Orientierungen beruht. Der Weg des preußischen Offiziers war nicht nur ein klassischer Aufstiegsweg, das preußische Verständnis von Gehorsam konvergiert auch mit der Pflichtethik des lutherischen Pfarrers. Beider Ansehen verdankt sich einem ähnlich strukturierten, hierarchischen Organisationstyp der Institutionen Armee und Kirche. Und deutlich ist auch, daß es in beiden Berufen um öffentliche Anerkennung und Einbindung in einen größeren, auch transzendenten Zusammenhang geht.13 Für Braecklein treffen sich beide Berufe vor allem im Ethos der Pflichterfüllung. „Bei allem, was ich im Krieg habe durchmachen müssen, habe ich in diesem Soldatsein eine Erfüllung gefunden wie sonst selten in der Gemeinschaft mit den Menschen, die mir anvertraut waren. Am Ende, im Mai ’45, hat einer von meinen Soldaten gesagt: Bei Ihnen haben wir ja immer gewußt, daß es Ihnen das wichtigste war, uns nach Hause zu bringen. 12
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Nach Rosenthal (1993) hat sich bei der Weimarer Jugendgeneration im Unterschied zur wilhelminischen Jugendgeneration die Auffassung, das Soldatsein als Beruf zu betrachten, weithin durchgesetzt. Während für Vertreter der wilhelminischen Jugendgeneration das Soldatsein eher eine Unterbrechung ihrer Berufslaufbahn war, die sie als vaterländische Pflicht hingenommen haben, um nach dem Krieg wieder in ihre etablierten biographischen Pfade zurückzukehren, ist es für die Weimarer Jugendgeneration um so schwieriger gewesen, nach dem Krieg an die zwar „angelegten, aber lange nicht gelebten biographischen Spuren der Vorkriegszeit“ wieder anzuknüpfen (ebd., 17). Zu den Affinitäten zwischen dem Beruf des Pfarrers und dem des Offiziers vgl. ausführlicher Findeis 2002, 378-383.
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Verstehen Sie? Ich bin in Rußland gewesen, ich bin in Frankreich gewesen, und es war mir immer ein Anliegen, abends, egal wie spät es war, noch einmal eine Runde zu machen und zu sehen, ob jeder seinen Schlafplatz gefunden hatte.“ (48)
In der Strukturanalogie von Offizier und Pfarrer erscheint der Offizier hier als der gute Hirte, der abends noch einmal nach seiner Herde sieht. Und auch als Pfarrer kann Ingo Braecklein wieder eine besondere Verantwortung, nicht mehr für seine Soldaten, aber für seine Gemeinde, übernehmen. Die primäre Funktion seiner neuen Orientierung am Pfarrerberuf scheint freilich in der Kontinuitätskonstruktion über die „Katastrophe des Zusammenbruchs“ hinaus zu liegen. Dahinter konnte das Problem der Verflechtung des Parteimitglieds und Offiziers der Wehrmacht in das untergegangene System verschwinden.14 Braecklein beansprucht denn auch für seine Entscheidung, als Pfarrer nach Thüringen zurückzugehen, das bereits für seine Soldatenlaufbahn reklamierte Pflichtmotiv: „Das ist das, was mir von manchen immer
wieder nachgesagt wird: Ich hätte im Hintergrund eigentlich immer den Gedanken der Pflicht und des Dienstes gehabt.“ (44) Das Pflichtgefühl ist für ihn das innere Bindeglied für den beruflichen Wechsel vom Soldaten zum Pfarrer. Unerwähnt bleibt jedoch der Bezug zu seiner politischen Identifikation mit Deutschland. Diese Orientierung tritt aufgrund der Vorrangigkeit der unmittelbaren Existenzsicherung zurück. Mit der Rückkehr in seine frühere Pfarrstelle hat Ingo Braecklein sein Kontinuitätsproblem gelöst. Wie er indes mit seiner Orientierung an Deutschland unter den neuen gesellschaftlichen Verhältnissen umzugehen vermag, bleibt ein offenes Problem. Wenn Braecklein hinsichtlich seines Soldatseins von „Erfüllung“ spricht, dann verleiht er diesem einen seine gesamte Existenz betreffenden und seine innerweltliche Konflikthaftigkeit auflösenden quasi-religiösen Charakter. Die Unbedingtheit dieser Zuschreibung resultiert vor allem aus der Ausrichtung seiner Pflichtethik auf die Nation. „Soldatsein“ und Nation stellen für Ingo Braecklein nicht hinterfragte Letztgrößen dar, die mehr oder weniger 14
Unter Rückgriff auf Freuds Theorie der Deckerinnerungen (Freud 1991) beschreibt Rosenthal Genese und soziale Funktion von „Deckgeschichten“ im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus (Rosenthal 1993, 9). Deren konstituierendes Merkmal sei die Vermeidung der Erwähnung von NS-Verbrechen. Die Jahre 1933 bis 1939 würden erzählerisch gar nicht erst ausgebaut. Gerade von ehemaligen Mitgliedern in NS-Organisationen würde die Thematisierung solcher Mitgliedschaften auf diese Weise möglichst vermieden. Strukturbestimmend sei es, daß ihre Wehrmachtszeit „mit dem Nationalsozialismus nichts zu tun hatte und mit der – nach ihrer Darstellung ihre Partei- oder SA-Mitgliedschaft quasi automatisch beendet war.“ (ebd. 19) Braeckleins Distanzierung vom Nationalsozialismus, seine Kriegserzählung sowie die von seiner Pfarrer-Identität können auch in diesem Sinne verstanden werden. Besonders in der erzählerischen Aufwertung des Themas „Soldatsein“ kann Ingo Braecklein seine Verstrickung in das NS-System aus ihrem politischen Zusammenhang lösen, das entpolitisierte „Soldatsein“ als „Gemeinschaft mit ... Menschen, die mir anvertraut waren“, moralisch aufwerten und sich in der Redefigur vom „Kopfhinhalten für andere“ (48) selbst als Opfer des Nationalsozialismus begreifen und damit seine Person aus dem Zusammenhang von Ursache und Wirkung isolieren.
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transzendente Qualität erlangen. Sie werden damit zu Säkularisaten seines religiösen Traditionalismus.
4. Prägungen in der Kindheit und Jugend Religiöse Erlebnisse spielen in der Kindheit Ingo Braeckleins so gut wie keine Rolle. Erfahrungen mit Religion und Kirche sind auffallend formaler Art, „meine Eltern und Großeltern waren das, was man normale Christen nannte“ (45). Mit „normalen Christen“ verbindet Braecklein die Selbstverständlichkeiten volkskirchlicher Tradition. Es war klar, was sich gehörte, und es war ebenso klar, daß dies selbstverständlich erledigt wurde. Man genügte den traditionellen Erwartungen. Darüber hinaus gab sich Braeckleins Familie keinen weiteren kirchlichen Bemühungen hin. „M a n ging natürlich zu Weihnachten, zu Ostern, zu Pfingsten und diesen Tagen in die Kirche. Meine Großmutter hatte damals die große Familie zu erhalten. Oben auf dem Hainstein hat sie acht Kinder großgezogen von den Familien, deren Väter im Feld waren. Und Ingo war der Älteste, und der war verantwortlich, daß alle die Schuhe geputzt und daß alle die Nase sauber hatten. Ich mußte also gewissermaßen als der Unteroffizier vom Dienst schon als Junge fungieren“. (45f.)
Hinweise auf eine existentialisierte Hinwendung zu Kirche und Religion finden sich nicht. Die Teilnahme am kirchlichen Leben war mehr darauf orientiert, den tradierten Regeln zu genügen. „Als Konfirmand ... galt (es) in der
Familie als selbstverständlich, daß man am Sonntag in der Kirche saß und seinen Eintrag vom Pfarrer bekam, daß man dagewesen war.“ (46) Braecklein meint, daß man nicht sagen könne, „daß schon im Elternhaus in mir ein lebendiges Christentum erweckt worden wäre. Das hat mir meine Universität mitgegeben.“ (45) Dazu später. Auch den Stellenwert von Politik in seiner Familie setzt Braecklein niedrig an. „M a n war national. Aber die rein politischen Vorgänge, etwa im
Reichstag, sind in der Familie eigentlich nie weiter besprochen worden. Man nahm sie zur Kenntnis.“ (ebd.) Daß Politik nicht mehr allein durch Personen und Überzeugungen dargestellt wird, sondern sich in der Institution des Reichstages ihr wichtigstes Bewährungsfeld geschaffen hat, bleibt bei Ingo Braeckleins Thematisierung des Reichstages unerwähnt. Dabei hätte gerade seine nationale Gesinnung ein Interesse für die im Reichstag verhandelten Belange der Nation erwarten lassen. Braecklein dagegen trennt seine nationale Gesinnung von den „rein politischen Vorgängen ... im Reichstag“, die man lediglich „zur Kenntnis (nahm)“. Diese im Grunde unpolitische Haltung markiert eine bemerkenswerte Differenz zwischen Braeckleins quasi-religiöser Aufwertung der Nation ins Transzendente und der Option auf einen modernen und als solchen sehr weltlichen, weil durch demokratische Verfahren
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legitimierten Nationalstaat. In Braeckleins Perspektive dagegen erhält die Nation einen innerweltlichen Konflikten enthobenen, übergeordneten Stellenwert, der demokratische Verfahren als entbehrlich erscheinen läßt.15 Hinsichtlich geistig-kultureller Prägungen spielte neben dem Einfluß der Schule das familiäre Umfeld Ingo Braeckleins eine besondere Rolle. Das Gemeinsame an der Wirkung beider Einflußbereiche war, daß sie „den Gedanken der Pflicht und des Dienstes“ (44) als moralischen Imperativ in ihm implantierten. Braeckleins Vater: „Du hast im Leben einmal eine Aufgabe zu erfüllen.“ (ebd.) Auf dieses Credo wurde Braecklein eingeschworen. Es bedeutete zugleich eine Art Pflicht zur Identifikation. Er übernahm diese Verpflichtung und verlieh deren Ausübung einen seinem bürgerlich-konservativen Umfeld entsprechenden distinguierten Habitus. Darin zeigt er sich insofern protestantisch, als sein Handeln von einer stark ethischen, auf Selbstkontrolle abhebenden Komponente gezeichnet ist, die keine rituelle Entlastung kennt. Freilich kann man kaum von einer spezifisch religiös determinierten Lebensführung sprechen, wie sie etwa aus einer bestimmten Erlösungssehnsucht oder Gnadengewißheit resultiert (vgl. Weber 1980, 320, 326). Braeckleins Familie unterhielt, wie eingangs erwähnt„ eine gewisse fa-
miliäre Beziehung zum Großherzog ... Also, es gab einige Selbstverständlichkeiten von seiten der Eltern und Großeltern. Diese Dinge waren unverrückbare Mitgaben für das Leben.“ (45) Hier geht es um die Basis einer bürgerlichen Existenz. Seine Familie verkehrte mit dem Großherzog. Ihre herausgehobene gesellschaftliche Stellung verstand sich von selbst, denn ihre Legitimität gründete in der persönlichen Beziehung zur Obrigkeit. Überdies erwähnt Braecklein eine Reihe von Interessen, denen er in seiner Jugend nachgegangen ist. Sein Vater, „ein blendender Pianist“ (ebd.), vermittelte ihm die Liebe zur Musik. Bis in seine Studentenzeit war er Mitglied des Eisenacher Bach-Chores.16 Später wurde er wöchentlicher Besucher der Weimarer Sinfoniekonzerte (50). Auch die Beschäftigung mit Literatur hat für ihn eine wichtige Rolle gespielt. Auf wichtige Leseerfahrungen seiner Jugend angesprochen, erwähnt er deutsche Sagen und Märchen, Hauff, Eichendorff. Auch habe ihn „eine Literatur beeindruckt, die schon ein Stück in das Nationale hineinging. Also Felix Dahn: ‚Der Kampf um Rom‘.“ (46) „Daß Bücher zum Leben gehörten, das war für mich einfach eine Selbstverständlichkeit. Musik, Literatur. Gerne habe ich auch schon frühzeitig Sport getrieben. Ich bin Tennisspieler gewesen.“ (45) Zusammenfassend meint er über seine Kindheit: „Wir lebten ... in einer goldenen Jugend, in sehr gesicherten Verhältnissen auf dem Hainstein.“ (46) 15
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Auf seine Einstellung zur Demokratie angesprochen, wird explizit, daß diese für Braecklein eine Verunsicherung darstellte (in: Findeis/Pollack 1999, 63). Ausführlicher dazu Findeis 2002, 58f. Vgl. Glaube und Heimat, 3.5.1970.
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Auch wenn der Ausdruck „Jugend“ die Adoleszenz, die in Braeckleins Fall besonders krisenhaft verlaufen ist, mit einschließt, und sich insofern die Frage stellt, bis zu welcher Lebensphase die Redefigur von einer „goldenen Jugend“ tatsächlich zutreffend ist, so berührt doch das Gespräch an dieser Stelle einen Bereich in Ingo Braeckleins Leben, den er in höchsten Tönen loben kann. Er spricht hier über etwas für ihn sehr Wichtiges. Seine Jugend bedeutet für ihn Sicherheit, geordnete Verhältnisse, Wohlstand und soziale Anerkennung, kurz: Integration in einen unumstößlichen Wertekosmos, in dem individuelle Verwirklichung und Pflichterfüllung ineinander gingen. Es ist schwer zu entscheiden, ob der Bereich von Literatur und Musik im Laufe seines Lebens, also in dem Maße, wie Selbstverwirklichung und Pflichterfüllung auseinandertraten, sich verselbständigte. Auf jeden Fall zerbricht diese Welt der Sicherheit und inneren Erfüllung. Die Familie bricht auseinander, das einstmals beträchtliche Vermögen schmilzt dahin und sogar das Haus auf dem Hainstein muß verkauft werden – einschneidende Erfahrungen für den jungen Braecklein, auch wenn er sie nur beiläufig erwähnt. Es ist nicht auszuschließen, daß nunmehr seine Beschäftigung mit geistigen Dingen für ihn kompensatorische Bedeutung gewinnt. Dies war eine heile Welt, in die er sich zurückziehen konnte, in der es nicht nur um Pflichten ging und in der er Bestätigung und Erfüllung erfuhr. In der Literatur fand er die durch Elternhaus und Schule vermittelten Werte wieder, und die Erwähnung seiner Weimarer Konzerterlebnisse (50) vermittelt einen Eindruck darüber, von welcher Bedeutung die Musik für Ingo Braeckleins innere Erbauung ist.17 Insgesamt zeigt sich, daß die Säkularisierung seines religiösen Traditionalismus bereits in Ingo Braeckleins Jugend angelegt war. Wie seine Familie, so war auch Braecklein selbst religiös wenig identifiziert, verharrte in einer Haltung unpolitischer Obrigkeitsorientierung, die von den realen Auseinandersetzungen in der Demokratie unerreicht blieb und damit auch der ethischreligiösen Bewährung entzogen war. Allenfalls seine geistig-kulturellen Erfahrungen waren unmittelbar veralltäglicht. Sie konstituierten jedoch einen vorrangig kompensatorisch angelegten und auf Bestätigung ausgerichteten Sonderbereich, der von der Konflikthaftigkeit der Welt verschont blieb.
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Braeckleins geistig-kulturelle Disposition steht in Analogie zu Heinz Budes (1992) Resümee über die „intellektuellen Wortführer“ der Weimarer Republik, für die die Ästhetik viel interessanter als die Politik gewesen sei (ebd., 84). Selbst diejenigen, die kurzzeitig dem nationalsozialistischen Umsturz zugestimmt haben, hätten bald wieder zu ihrer „soldatischen Unberührbarkeit“ gefunden (ebd.). Zur sozialen Distinktionsfunktion der Präsentation geistig-kultureller Prägungen vgl. auch Findeis 2002, 363-370.
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5. Berufswahl und theologische Prägungen Wenn Braecklein die Frage nach religiösen Prägungen in seiner Jugend ausdrücklich verneint, dann ist es um so erstaunlicher, daß er trotzdem den Pfarrerberuf gewählt hat. Auf diese Spannung angesprochen, erzählt er, wie seine Familie während der Inflation ihr Vermögen verliert und sich dadurch seine Pläne, Offizier zu werden, nicht verwirklichen lassen. Im Kontext des gesamten Interviews gerät diese Erzählung zu einer scheinbar peripheren Episode. Tatsächlich aber muß es sich hier um einen einschneidenden Verlust von Existenzsicherheit gehandelt haben. Natürlich gehört in diesen Zusammenhang auch die – von Braecklein dethematisierte – frühe Trennung seiner Eltern. Auch wenn Ingo Braecklein das Scheitern seines Wunsches, Offizier zu werden, allein mit dem Verlust des Familienkapitals erklärt, so stellt sich doch die Frage, welche Bedeutung die Trennung der Eltern für den Heranwachsenden hatte. Fungiert der als solcher zweifellos schon dramatische Vermögensverlust der Familie als objektivierbare Deckerinnerung, hinter der das subjektive Drama des Bürgersohnes verschwindet? Laut Braeckleins Schilderung kamen die Familienmitglieder nach dem Verlust des Vermögens bei verschiedenen Verwandten unter. Nur „Ingo Braecklein saß, ob Sie es glauben oder nicht, mutterseelenallein in Eisenach.“ (47) Diese Aussage macht es wahrscheinlich, daß es vor allem die frühe Trennung der Eltern war, die ihn sehr stark belastet und auf sich selbst zurückgeworfen hat. Auf einmal war der junge Gymnasiast „mutterseelenallein“. Zudem standen nun auch sein Abitur und seine beruflichen Pläne auf dem Spiel. Angesichts dieses Verlustes von Sicherheit ist es vorstellbar, daß Braecklein sein Problem mit der zwar inhaltsarmen, aber immerhin traditionell vorhandenen Gottesvorstellung in Verbindung gebracht und von daher Orientierung empfangen hat. Seine Entscheidung, Pfarrer zu werden, führt er auf dieses Erlebnis zurück. „Dieser Eindruck, dieses schreckliche Verlassensein – denn die Familie hatte keine Möglichkeiten, sich um mich zu kümmern –, dieses schäbige Alleinsein, das hat mich damals auf die Linie gebracht, so daß ich Pfarrer wurde. Allerdings hat vielleicht auch der Einfluß meiner ersten Frau, die ich damals schon gefunden hatte, eine Rolle gespielt.“ (ebd.)
Offensichtlich stellte diese Situation für Braecklein einen erheblichen Verlust an äußerer Orientierung dar. Dafür spricht nicht nur die für den Gesamtkontext des Interviews singuläre Erwähnung seiner ersten Frau, sondern auch der Versuch, seine Familie zu rechtfertigen, die ihn allein in Eisenach zurückgelassen hat. Aber es geht hier nicht nur um äußeren Orientierungsverlust. Braecklein scheint auch die innere Orientierung gefehlt zu haben, denn er sagt nichts über etwaige religiöse Erfahrungen, die seine Berufsentscheidung beeinflußt haben könnten. Davon ist erst für die Zeit des Studiums die Rede. Ursprünglich hatten seine Eltern „gesagt, ich solle Soldat werden. Der
Vater hatte im Schlesischen sogar schon ein Regiment ausgesucht. Und spä-
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ter sagte er, ich könne ja auch Jurist werden.“ (46) Doch beide Optionen erfüllten sich nicht. Sollte der plötzliche finanzielle Ruin der Familie Braeckleins Offiziers- oder Juristenlaufbahn verhindert haben, dann wäre die Entscheidung für den Pfarrerberuf eine Kompromißlösung aus Geldmangel. Dafür, daß es sich bei dem Entschluß, Theologie zu studieren um einen Kompromiß gehandelt hat, spricht neben den vergleichsweise günstigeren Möglichkeiten, das Theologiestudium durch Stipendien zu finanzieren18, auch die fehlende innere Legitimation dieser Entscheidung. Wenn es aber keine religiösen Motive gegeben hat, müssen also noch andere Beweggründe eine Rolle gespielt haben. Vorstellbar wären das dem Offizier ähnliche, hohe Sozialprestige des Pfarrers. Ingo Braecklein gibt allerdings keine derartige, seinem sozialen Habitus entsprechende Begründung, sondern eine existentialisierte Fundierung seines Entschlusses. Er erzählt eine Bekehrungsgeschichte, die möglicherweise gerade durch den ausdrücklichen Hinweis der Interviewer auf die Spannung zwischen nicht vorhandenen religiösen Prägungen und der Wahl des Pfarrerberufes (46) evoziert worden ist. Jedenfalls ist es auffällig, daß sein Berufungserlebnis in die Zeit fällt, als er bereits Theologie studierte. In ihrer dramatischen Schilderung erinnert die Geschichte an Luthers „himmlische Berufung durch den Schrecken“ auf der Straße zwischen Mansfeld und Erfurt (Brecht 1986, 57). Rekurriert Braecklein auf diese renommierte Begebenheit? Zumindest berichtet er von einem Fußmarsch auf einer Landstraße gemeinsam mit einem Kommilitonen und einem Pfarrer. „Wir haben so richtig, wie man es als junger Theologe im ersten Semester tut, drauflos diskutiert: Ach, was wissen wir alles ... Und auf einmal bleibt dieser himmellange, im Krieg schwerverletzte Pfarrer Ziegner stehen, schaut mich an und sagt mit einer ganz ernsten Stimme: Herr Braecklein, von was für einem Gott reden Sie eigentlich? Von was für einem Gott reden Sie eigentlich. – D a s war für mich die Bekehrung. Das hat so in mir gesessen, daß dies immer im Hintergrund eigentlich jeder meiner Predigten stand: Von was für einem Gott reden Sie eigentlich. Das hat mich gelehrt, auf das Wort Gottes zu achten.“ (47f.)
Man könnte meinen, Braecklein wolle hier entgegen seines damaligen selbstgewissen Redens über Gott dessen Unverfügbarkeit ausdrücken. Zumindest behauptet er, daß die geschilderte Begebenheit einen bleibenden Reflex bei ihm ausgelöst hat. Allerdings wird nicht deutlich, worum es sich handelt, auch dann nicht, wenn er seine Erzählung auf die theologische Banalität stützt, „auf das Wort Gottes zu achten“. Womöglich eröffnet Braecklein hier einen Nebenschauplatz, dessen Relevanz für die Beantwortung der Frage nach dem treibenden Motiv seiner Berufswahl anzuzweifeln ist. Als wesentliches Kennzeichen für eine sekundäre Legitimation seiner Entscheidung 18
Vgl. Findeis 2002, 387. Braecklein selbst finanzierte sich bis zum Abitur über Nachhilfestunden (47) und während des Studiums durch ein kirchliches Stipendium (Glaube und Heimat 32, 12.8.2001).
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käme wiederum das Problem in Betracht, daß er sich mit dem Pfarrerberuf nur insoweit identifiziert, als er damit seinem Pflichtethos genügen kann. Auf struktureller Ebene fällt demgegenüber abermals die Analogie des Pfarrers zum Soldatentum ins Auge. Der Pfarrer, den Braecklein als seinen „eigentlichen theologischen Lehrer“ einführt (47), dieser „himmellange, im Krieg schwerverletzte Pfarrer Ziegner“, der rein altersmäßig Braeckleins Vater hätte sein können (vgl. ebd., Anm. 6), konnte schon aufgrund seiner Verletzung aus dem Ersten Weltkrieg als hoch legitimiert gelten, hatte er doch für jenes alte Deutschland gekämpft, das dem jungen Braecklein in der „d i f f u s e n Republik ... der zwanziger Jahre“ um so mehr am Herzen lag. Während auch die Erzählung über seine Studienzeit (48ff.) kaum Hinweise auf persönliche Erfahrungen bringt, so eröffnet seine Antwort auf die Frage nach beruflichen Alternativen abermals einen tiefer greifenden Blick auf Ingo Braeckleins Prägungen. „Ich weiß nicht, ob ich ein guter Jurist geworden wäre. Man sagt mir zwar nach, ich könne logisch denken und gut organisieren. Das hat sich auch bei meinem Soldatsein gezeigt. Aber ob ich als Jurist meine Lebenserfüllung gefunden hätte, weiß ich nicht. Im Hintergrund ist bei mir immer das Gefühl des Soldatseins geblieben. Sie mögen mich heute auslachen, aber bitte nehmen sie mir das ab. Das ist ehrlich. Bei allem, was ich im Krieg habe durchmachen müssen, habe ich in diesem Soldatsein eine Erfüllung gefunden, in der Gemeinschaft mit den Menschen, die mir anvertraut waren, wie sonst selten. ... Heute kann man das nicht mehr verstehen, denn das hat sich ja alles gewandelt. Aber man hat ja doch im Soldatsein nicht ein Kriegspielen gesehen oder ein Erobernwollen, sondern ein Kopfhinhalten für andere. Es wäre uns ’39 unmöglich gewesen zu sagen: Wir gehen nicht mit. Nein. Wenn, dann als einer der ersten.“ (48)
Hinter diesen Worten, die hier noch einmal im Zusammenhang zitiert wurden, stehen sicher Erziehungsmaximen und so etwas wie Zeitgeist. Braeckleins Engagement für eine Haltung, die nach heutigem Geschmack anrüchig ist, wird man sich aber in jedem Fall mit Erfahrungen zu erklären haben, von denen er tief geprägt worden ist. Er wirbt hier um Verständnis für etwas, das ihm außerordentlich wichtig ist: Im Soldatsein konnte er die beiden Spannungsmomente seines Lebens, Pflichterfüllung, Ordnung und Sicherheit und das Bedürfnis nach individueller Sinnstiftung, Identität und innerem Ausgefülltsein, vereinigen. Darin fand er, wenn auch nur für relativ kurze Zeit, seine „Lebenserfüllung“.
6. Braeckleins Pragmatismus in der DDR Nachdem Braecklein mit seinem erneuten Rollenwechsel vom Soldaten zum Pfarrer eine neue Perspektive gewonnen hatte, trat er in den politischen Auseinandersetzungen der fünfziger Jahre in der DDR mit einem besonders pragmatischen Instinkt hervor. Dabei ging es auf dem Gebiet der Religion
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vor allem um den Kampf der Kirche gegen die vom Staat eingeführte atheistische Jugendweihe. Ingo Braecklein bezog in dieser Auseinandersetzung eine weltanschaulich indifferente, aber organisationspolitisch klare Position. Er ging dabei so weit, mit dem Einlenken der Kirche bei der Überführung der Jungen vom „Deutschen Jungvolk“ in die „Hitler-Jugend“ während der NS-Zeit (vgl. Klönne 2003) als „klugem“ Vorbild für seine Position zu werben. „...dann macht es doch so wie in der nationalsozialistischen Zeit. Das habe ich ja auch miterlebt. Da hatten wir die Überführung der Kinder in die Hitlerjugend. Die war genau zu diesem Punkt. Damals sollten die auch zu besonderen Feiern mit Uniform kommen. Da hat die Kirche klugerweise gesagt: Laßt die ruhig ihre Überführung machen, Hauptsache, sie kommen in die Kirche und werden konfirmiert; und damals behielten wir unsere Konfirmation. Durch die Auseinandersetzung Jugendweihe – Konfirmation haben wir dagegen die Konfirmation verloren.“ (59)
Braeckleins Prognose zeigt, wie wenig er von Anbeginn auf die Bekenntniskraft der Gemeinden gezählt hat.19 Sein Interesse galt der institutionellen Stabilität der Volkskirche. Allerdings zeigt die Tatsache, daß er die Frage der Jugendweihe nicht als Bekenntnisfrage begreift, erneut, daß sein Handeln nicht vorrangig religiösen Kriterien folgt. Es gibt in den Äußerungen Braeckleins noch nicht einmal einen Hinweis darauf, daß theologische Überlegungen für ihn überhaupt eine Rolle spielten. Anders als bei seinem Engagement als Soldat ist sein Handeln hier nicht an Werten höherer Ordnung orientiert, die über vordergründige Nützlichkeitserwägungen hinausweisen. Natürlich wird man in Braeckleins Urteil auch einen Ausdruck seines Realismus sehen müssen. Es fragt sich aber, warum er die Macht der Verhältnisse nicht einmal ansatzweise theologisch transzendiert, warum er ihnen so wenig an praktischem Gottvertrauen entgegenzusetzen hat. Man muß sich aber auch vergegenwärtigen, daß Ingo Braecklein in der DDR in eine vollends ambivalente Situation kam. Auf der einen Seite wollte er an seiner obrigkeitsstaatlichen Orientierung festhalten, denn er sah Kirche und Staat in einer gemeinsamen Verantwortung für das Volk. Andererseits war ihm klar, daß er von dieser Obrigkeit nicht viel Gutes zu erwarten hatte. Gerade aufgrund seiner mangelnden Identifikation mit den Werten des Sozialismus (vgl. Findeis 2002, 62ff.) mußte er also einiges dafür tun, wollte er sich auch in der neuen Gesellschaft eine beachtete Stellung verschaffen. Sein beruflicher Aufstieg war insofern eine gewisse Möglichkeit, sein politisches Identitätsproblem zu verarbeiten. In seiner außerordentlich erfolgreichen Karriere in der DDR konnte er eine gewisse bürgerliche Bestätigung finden. Und so hat Braecklein als Pfarrer nicht nur sein Pflicht- und Verantwortungsethos reali19
Damit befand er sich im Gegensatz zur mehrheitlichen Meinung der Pfarrerschaft in der DDR bis Mitte der fünfziger Jahre. Vgl. Pollack 1994, 131f., Krusche 1995, 151 sowie die Interviewaussagen der anderen Gesprächspartner in Findeis/Pollack 1999.
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siert, er hat sich auch eine herausgehobene gesellschaftliche Stellung, öffentliche Anerkennung, ein Leben in „gesicherten Verhältnissen“ erworben – Umstände, mit denen er sich schon von Jugend an identifiziert hatte und die ihm auch späterhin eine gewisse Erfüllung bedeuteten. Damit ist zugleich aber auch gesagt, daß religiöse Überzeugungen ihm kaum Orientierung in seiner Lebensführung vermittelten. Als Orientierung für sein Leben benötigte Ingo Braecklein weltliche Säkularisate von Religion. Er fand sie zunächst in der Vorstellung der Nation und in eher unpolitischen Vergemeinschaftungserlebnissen, wie dem des 1. Mai 1933, später in seiner Erfüllung im Soldatsein und nun, in der DDR, abermals in einer obrigkeitsstaatlichen Orientierung
7. Einstellung zur Veränderbarkeit der Gesellschaft Dafür, daß Braeckleins konservative Wertorientierung gegenüber dem Alltagsmanagement immer wieder zurücktrat und damit eine Lösung seines Identifikationsproblems verhindert wurde, muß es handfeste Gründe gegeben haben. Den Zusammenhang zu den sozialen Gründen stellt er mit seiner Antwort auf die Frage, ob er geglaubt habe, daß sich das Gesellschaftssystem der DDR hätte verbessern können, selbst her. „Je länger es existierte, desto weniger. Ich glaube, daß wir in den ersten Jahren ... den großen Versprechungen und Verheißungen noch ein Stück getraut haben. Aber je mehr Erfahrungen man mit dem System machte, besonders durch die Einschnürung und die Bespitzelung, desto hoffnungsloser war man in dieser Richtung.“ (66)
Braeckleins äußere Anpassung an das System – dies, daß er öffentlich etwas sagt, das er nicht so meint, wie er es sagt – erscheint als logische Folge seines Gefühls der Unmöglichkeit gesellschaftlicher Veränderungen. Hätte er noch mit der Veränderbarkeit der Gesellschaft gerechnet, dann hätte er sein Identitätsproblem sicher auch dem Diskurs in der Gesellschaft geöffnet. Insofern hatte die Abspaltung seiner reservatio mentalis von seinem politischen Handeln ihre Ursache auch in der Konstruktion der Gesellschaft. Daß der Wille zu Veränderungen bei ihm durchaus vorhanden war und der Glaube daran erst im Laufe der Zeit an der Wirklichkeit zerbrochen ist, belegt auch eine Bemerkung in anderem Zusammenhang. „Ich habe die ganze Zeit auch so verstanden, daß es u n s e r e Aufgabe war, das, was an Bürgertum oder an Wertvorstellungen aus der bürgerlichen Zeit noch übrig war, durch unser Hierbleiben festzuhalten und, wenn möglich, unseren Gemeinden einzuimpfen. Daß das immer weniger wurde und daß das Christentum in diesem auf dem Marxismus-Leninismus beruhenden Staatswesen immer mehr an Einfluß verlor, das war uns auch deutlich. Und wie das weitergehen sollte, wußten wir nicht.“ (62)
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Dennoch stellte Braeckleins innerer Wertekodex gerade aufgrund seiner Abspaltung von der gesellschaftlichen Wirklichkeit ein kaum zu überschätzendes, weil unverbrauchtes und unverbrauchbares projektives Potential dar, ein Potential, mit dem er versuchen konnte, seine gesellschaftlichen Entfremdungserfahrungen auszubalancieren. Wie stark dieses Projektionspotential gewesen sein mag, verdeutlicht die folgende Aussage: „Das Schwierige war ja, daß man kein Hoffnungsziel sah, daß man an eine Wiedervereinigung nicht glaubte. Ich meine, es gab nur ganz wenige, die meinten, daß sie das zu ihren Lebzeiten noch erleben dürften. Darauf gehofft habe ich auch, aber nicht geglaubt, daß es möglich wäre. Interviewer: Sie haben die Hoffnung nicht aufgegeben? Braecklein: Die Hoffnung, nie.“ (67)
Nach seinem Gefühl bei der Öffnung der Berliner Mauer befragt, kommt Ingo Braecklein dann noch einmal ins Schwärmen. „Das war für mich ein umwerfendes Erlebnis, eben weil ich von Haus aus konservativ erzogen worden bin und für mich etwa das Brandenburger Tor, auch Potsdam, bestimmte Begriffe darstellten, die mich erinnerten an ein großes einiges Deutschland.“ (ebd.)
Mit der neuen politischen Option der deutschen Einheit gewinnen seine zentralen Identitätskodes – Vaterland, Deutschland, Volk und Nation – plötzlich wieder eine Entsprechung in der Wirklichkeit. Stünde Braecklein noch im Beruf, wäre zu erwarten, daß er nun versucht, sein Pflichtethos mit seiner lange aufgestauten Identitätserwartung zusammenzuführen. Ob ihm dies gelungen wäre, ist zu bezweifeln, orientierte sich seine Erwartung doch immer noch an vormodernen Leitbildern (vgl. Findeis 2002, 62ff.). Wie tief diese in ihm verwurzelt sind, wird in der Nennung dreier symbolisch verdichteter Begriffe in einem Atemzug eindringlich deutlich. Indes stehen hier „Brandenburger Tor“, „Potsdam“, „großes einiges Deutschland“ für eine vergangene Zeit.
8. Zusammenfassung „Als alter Mensch sehe ich meinen Lebensweg wie einen Durchgang durch verschiedene Zimmer. Ich bin Jahrgang 1906. Großgeworden bin ich im Kaiserreich. Dann kam Weimar, dann der Nationalsozialismus. Jedes dieser Zimmer hatte eine andere Tapete, eine andere Atmosphäre. Und mit allen diesen Verhältnissen mußte man versuchen, zurechtzukommen.
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Aber wenn man von einem zum nächsten Zimmer ging, konnte man das, was vorher war, kaum noch verstehen. So unterschiedlich waren die Verhältnisse.“ (41) 20
Das Leben des Thüringer Bischofs Ingo Braecklein ist in der Verflechtung seiner Person in die wechselnden politischen Zeitläufte des 20. Jahrhunderts eine biographische Fokussierung der vielfältigen Probleme des Wandels von der vormodernen zur modernen Gesellschaft. In seiner Person stoßen gewissermaßen zwei Welten aufeinander. Die vormoderne wird durch Begriffe wie Tradition, Ordnung, Pflicht und Disziplin repräsentiert, während die moderne Welt durch Begriffe wie Selbstverwirklichung, Individualität, Freiheit und Suche nach Glück und Erfüllung gekennzeichnet ist. Auch wenn diese Suche nach Selbstverwirklichung in Braeckleins Leben eher selten als subjektives Ziel intentional hervortritt, etwa dann, wenn er sich fragt, ob er als Jurist seine „Lebenserfüllung gefunden hätte“, so gibt es in seiner Lebenspraxis doch Ereignisse, bei denen er so etwas wie Selbstverwirklichung erlebt. Die tieferen Gründe dieser Suche nach Erfüllung haben zu tun mit dem Plausibilitätsverlust seines über sein bürgerlich konservatives Herkunftsmilieu vermittelten und weithin religiös konnotierten Wertesystems und mit einer damit einhergehenden Selbstentfremdung. Diese hat eine wichtige Ursache darin, daß das Religiöse in Braeckleins Leben weithin eine Chiffre für das Nationale darstellt. Subjektiv orientiert er sich vorrangig an Werten der Pflicht und Disziplin. In der Erfüllung dieser Werte erfährt er Sinn und Selbstverwirklichung. Pflicht und Neigung sind für Ingo Braecklein also einerseits die klassischen Spannungspole seines Lebens, andererseits aber ist ihm gerade die Pflichter20
Nach einer Tonbandabschrift des MfS hatte Braecklein bereits in einem Vortrag über Helmuth Johnsen auf der 71. Tagung der Theologischen Arbeitsgemeinschaft Friedrichroda am 2.3.1983 eine ähnliche Sicht auf sein Leben dargeboten (vgl. BStU, 24028/91, Reg.Nr. 10679/60, Information Nr. 128/83). Als Mitarbeiter der „Brigade Ehrhardt“, eines rechtsradikalen Freikorps, das die Räteherrschaft in Braunschweig und München bekämpfte und am Kapp-Putsch teilnahm, „hatte“ Johnsen, obwohl er damals Pfarrer in Gauerstadt bei Coburg war (vgl. Deutsches Kirchliches Adreßbuch, 1. Aufl., Spalte 1185, Berlin-Steglitz 1927), „2000 Soldaten unter seinem Befehl“ (BStU, 24028/91, Reg.Nr. 10679/60, Information Nr. 128/83). An einem von Johnsen 1922/23 in Coburg organisierten Treffen bündischer Jugend habe mit einer kleinen Gruppe von Mitarbeitern auch Adolf Hitler teilgenommen. Braecklein, der ebenfalls zugegen war, „sagt, an diesem Tag bin ich das erste Mal Adolf Hitler begegnet. Von da an hat Braecklein intensiv mit Johnsen zusammengearbeitet. Sie haben sich später aus den Augen verloren, aber sie sind im Prinzip den gleichen Weg gegangen.“ (ebd.) Johnsen, der seit 1934 Bischof in Braunschweig war und ab 1940 als Offizier am Krieg teilnahm, sei 1945 in jugoslawische Gefangenschaft geraten und „von den Jugoslawen als Klerikalfaschist erschlagen worden. An diesem Lebensbild, so Braecklein, bin ich mir im nachhinein vorgekommen wie der ‚Reiter übern Bodensee‘. Wenn ich mein eigenes Leben betrachte, bin ich doch über so viele Untiefen hinweggegangen, daß es erstaunlich ist, wie mir das alles gelungen ist. ... Braecklein sagt, daß er diesen Johnsen voll versteht und daß er sich eigentlich in Johnsen wiederfindet“ (BStU, 24028/91, Reg.Nr. 10679/60, Information Nr. 128/83).
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füllung ein inneres Anliegen, weil er sich mit ihr tatsächlich identifiziert. Verbunden sind Pflicht und Neigung durch eine religiöse Selbstattribuierung, die sich vor allem an Braeckleins Berufsbild als Pfarrer kristallisiert und in der sich vorrangig soziale Statusaspirationen substantiieren. Gab es in der vormodernen Welt seiner „goldenen Jugend“ noch einen stabilen Konsens über die Gültigkeit traditioneller Normen, so erhärtet sich in der modernen Welt Braeckleins späteren Lebens die Erfahrung, daß die Werte Gott, Obrigkeit und Vaterland ihre Tragfähigkeit verloren haben. Für Ingo Braecklein entsteht eine identifikatorische Indifferenz, die er nicht mehr überwinden kann: auf der einen Seite steht das ihm von außen auferlegte Ethos der Pflichterfüllung, das er im Laufe seines Lebens zwar weitgehend verinnerlicht hat und das sich für ihn vor allem in der Ausübung des Berufes Pfarrer und dem damit zusammenhängenden sozialmoralischen Kontext Volkskirche repräsentiert, auf der anderen Seite freilich steht sein Wunsch nach emotionaler Erfüllung, wie er sie vor allem im Soldatentum und in seiner Bindung an Nation und Vaterland erfahren hat. Braecklein hat diesen Konflikt mit einem lebenspraktischen Kompromiß gelöst, der ihm den Erwerb des Lebensunterhalts und soziale Anerkennung ermöglichte. Die beiden kurz währenden Erlebnisse, in denen es ihm gelungen war, Pflicht und Identität miteinander zu verbinden – am Tag seines Beitritts zur NSDAP und in seiner Zeit als Soldat und Offizier im Zweiten Weltkrieg –, ermöglichten es ihm, die Fixsterne seines alten Wertehimmels am Leuchten zu halten. Ansonsten gelang es ihm nicht, Identitätserwartung und Pflichtethos miteinander zu verbinden. Auch nach „der Katastrophe des Zusammenbruchs“ 1945 konnte er seine nationalkonservativen Ideale innerlich zwar konservieren, vermochte sie allerdings nur partiell in sein Alltagsleben zu integrieren. In seinen Haupthandlungsfeldern entschied er sich von nun an für die Pflicht, für seinen Beruf als Pfarrer. In der neuerlichen Verberuflichung der Religion erwarb der innere Soldat Ingo Braecklein eine Art Ersatzidentität, in deren Nischen er sich sogar bis zu einem gewissen Grad verwirklichen konnte. Freilich ist anzunehmen, daß er darin keine „Lebenserfüllung“ fand. Seine Bekehrungsgeschichte vermag darüber ebensowenig hinwegzutäuschen wie seine quasi-religiöse Erzählung über seinen Parteieintritt am 1. Mai 1933, bei dem er seine Identität aus der Zugehörigkeit zu einer patriarchalischen Gemeinschaft und nicht etwa aus religiösen Motiven herleitet. Nachdem Braeckleins Identifikation mit der Monarchie bereits 1918 die institutionelle Basis entzogen worden war, fand nun auch die Identifikation mit Deutschland keine gesellschaftliche Stützung mehr und verlor so ihre Tragfähigkeit. In dieser Situation wäre es für Ingo Braecklein darauf angekommen, die alten Symbole für neue Inhalte zu öffnen, damit sie weiter identitätsstiftend fungieren können oder gänzlich neue Anknüpfungspunkte für eine neu auszubildende Identität zu suchen. Er hätte den Zusammenbruch seiner Wertideale auch religiös transzendieren können. Jedoch hat er es ver-
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mieden, seine Überzeugung einer Konfrontation mit der Wirklichkeit und damit dem Wandel auszusetzen. Weil sie seinem Leben keine klare Richtung mehr zu geben vermochte, trat seine Orientierung an Deutschland in den Hintergrund, blieb dort aber weiterhin wirksam. Es waren nun nicht mehr seine inneren Überzeugungen, sondern die Macht der äußeren Verhältnisse, die Braeckleins Handeln bestimmte. Insofern ließe sich sagen: weil Deutschland zusammenbrach, mußte Ingo Braecklein wieder Pfarrer werden. Damit bedeutet der Berufswechsel vom Soldaten zum Pfarrer auch eine gewisse Selbstentfremdung. Was ihm, zumal als Pfarrer, im Unterschied zu seiner Soldatenlaufbahn fehlte, war die innere Stärke einer Überzeugung, die ihn zum Bekenntnis treibt. Auch wenn er den Beruf des Pfarrers immerhin noch im Modus protestantischer Pflichtethik ausüben konnte, letztlich, unter dem Gesichtspunkt des Transzendenzbezuges, war Braecklein für diesen Beruf bereits zu säkularisiert. Der ihm entsprechende Beruf war der des Offiziers. Vor allem in diesem Beruf entwickelten für ihn die Begriffe Vaterland und Nation als Kontingenzformeln eine weitaus größere Dynamik als sein traditionell zwar vorhandener, sozial aber kaum bewährter Gottesbezug. Daß Braecklein nach dem Abitur dennoch den Pfarrerberuf ergriffen hat, war einerseits eine Verlegenheitslösung angesichts der Unmöglichkeit einer Offizierslaufbahn. Andererseits hat diese Berufswahl womöglich auch damit zu tun, daß er sich zum Zeitpunkt der Studienwahl „mutterseelenallein“ in einer persönlichen Krise befand und das Theologiestudium ihm zunächst eine Möglichkeit zur Selbstvergewisserung bot. Nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich ermöglichte ihm aber gerade die Reaktivierung seiner Rolle als Pfarrer die Kontinuierung seiner Biographie über die „Katastrophe des Zusammenbruchs“ hinaus. Im Pfarrerberuf konnte der ehemalige Wehrmachtsoffizier nicht nur seine unmittelbare Existenz sichern und einer politischen Bestrafung entgehen, er konnte auch wieder einen Beruf mit einem hohen Sozialprestige ergreifen, bei dem es wie beim Beruf des Offiziers in besonderem Maße um öffentliche Anerkennung geht, um Einbindung in einen ideellen Zusammenhang und um Loyalität gegenüber einer Organisation, die darauf abzielt, die individuelle Identität ihrer Mitglieder in einer kollektiven aufzulösen. Als Offizier und als Bischof konnte Braecklein Verantwortung für andere, also Macht, wahrnehmen. Und in der Kirche sah er wie im Militär vor allem einen wichtigen politischen und normativ verpflichtenden Faktor in der gesellschaftlichen Arena. Auch wenn Braecklein Religion in politischem Pragmatismus nicht völlig aufgelöst hat – vor allem deshalb nicht, weil sich Religiöses und Nationales für ihn in hohem Maße wechselseitig durchdringen – so zeigt sich doch im Laufe seines Lebens eine weitgehende Aufweichung des gerade in der gegenseitigen Durchdringung von Religiösem und Nationalem generierten ethischen Verpflichtungsgehalts von Religion. Sichtbares Kennzeichen für die Substituierung des Religiösen durch das Politische sind Braeckleins Arrangements mit den politischen Verhältnissen – und zwar auch dann, wenn diese
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in Widerspruch zu seinen Überzeugungen standen. Dennoch kann die Antwort auf die Frage, von welchen inneren Motiven diese Arrangements bestimmt waren, nicht nur Obrigkeitsfixierung lauten. Es ging ihm auch um die Verteidigung der Kirche als einem kulturellen Kontrapunkt in einer weitgehend säkularisierten Gesellschaft. Gleichwohl vermag das sich wechselseitig stabilisierende Verhältnis von äußerer Partizipation und innerer Resistenz im Leben Ingo Braeckleins die prekäre Verankerung seines Selbst nicht zu verdecken. Eine Ursache dafür könnte sich gerade aus der biographischen Gesamtsicht Braeckleins eröffnen, aus der Tatsache nämlich, daß die Säkularisierung seiner Lebensführung bereits von seiner Kindheit an vorgezeichnet war. In seiner Herkunftsfamilie hatte Religion vor allem die Funktion, Traditionsbewußtsein zu repräsentieren und dadurch soziale Zugehörigkeit zu erzeugen. Zur Kontingenzbewältigung und Wirklichkeitstranszendenz kam Religion bereits in Braeckleins Jugend weniger in Betracht. Von weitaus größerer Wirkung in dieser Hinsicht war seine Identifikation mit der Nation und dem Vaterland, Deutschland, aber auch sein unpolitisches Gemeinschaftspathos, das mit obrigkeitsstaatlichen Präferenzen einherging, und nicht zuletzt seine Vorstellungen vom Soldatentum, in denen er die zuvor genannten Elemente auch lebenspraktisch am besten zu integrieren vermochte. Und auch wenn es ihm in der säkularistischen DDR teilweise noch gelungen war, sein Soldatentum in die Figur des Pfarrers zu transformieren, letztlich waren sowohl seine Identitätserwartung als auch seine Pflichtethik bereits soweit säkularisiert, daß ihr Zielpunkt kein religiöser mehr sein konnte, sondern sich in quasi-religiösen Säkularisaten von Religion erschöpfte. Daß ein so vaterländisch inspirierter Mensch als Religionsfunktionär Karriere machen konnte, verdeutlicht, in welch hohem Maße sich Religion – oder vielleicht auch nur Kirchlichkeit – aus innerweltlichen Motiven speisen kann. Zugleich wird man die Tatsache, daß auch sein antisäkularistischer Habitus sich wiederum auf das Säkulare hin bewegt, mit dem Ausmaß der Säkularisierung der Gesellschaft zu erklären haben.
9. Bibliographie Berg, Stefan (1992): Wege und Umwege führten zum Ziel. Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 5.6.1992. Besier, Gerhard (1996): Die Kirche, gehorsamer Diener des Staates. IM „Ingo“ oder der besonders forsche Weg der Thüringischen Landeskirche in die Arme der Staatssicherheit. Die Welt, 11.9.1996. Besier, Gerhard / Wolf, Stephan (Hg.) (1991): „Pfarrer, Christen und Katholiken“. Das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR und die Kirchen. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn. Brecht, Martin (1986): Martin Luther. Sein Weg zur Reformation 1483-1521. Evangelische Verlagsanstalt, Berlin-Ost (zuerst Stuttgart 1981).
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Secularization and Welsh Religiosity 1. Introduction Secularization and structural differentiation are key concepts in the analysis of religion in contemporary Europe, not least because they constitute both the conditions under which religion increasingly operates and the pervasive backdrop to any contemporary discussion of religion and religious institutions. While some commentators have sought to deny the existence of secularization (Stark 1999) it is clear that modern societies are more secular than they used to be (Bruce 2002, 63-73). Compared to the past religion has measurably lost social significance within the public sphere and has progressively shifted to the margins where it continues to persist, albeit under conditions of structural differentiation. Private religiosity may endure and in certain national contexts religious institutions may continue to exert considerable influence on the public sphere relative to other national contexts. Nevertheless, the underlying patterns are evident in Western societies and this is particularly so in Wales, a country customarily associated with a strong identification with religion but where the influence of religious institutions is diminishing rapidly as they have become progressively disengaged from Welsh society. The past four decades have seen the production of a huge literature devoted to secularization but little consensus about what secularization is and whether it should be described as a process or treated as the product of historically contingent circumstances. Some see the glass as half full, some see it as half empty and while one writer might see changes in the religious sphere as evidence of the decline of religion, another may see the same facts as evidence of the social transformation of religion. In terms of theory, what has been termed the ‘orthodox model’ of secularization (Wallis/Bruce 1992) has had a long track record while at the same time being subjected to sustained criticism. Supporters of this orthodox model argue that ‘secularization’ is an identifiable process that is allied to another process, ‘modernization’ (and its corollary, industrialization) and that taken together, they explain the loss of social salience of religion in European societies (Wilson 1966). The problem with this approach is that it is highly generalised and often struggles to accommodate all the available empirical evidence. Moreover, modern societies are also national societies with distinct social, cultural and political
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characteristics and a ‘one size fits all’ approach to the problem may not be particularly helpful. In contrast, David Martin has almost from the outset sought to understand social and religious change through the comparative use of national case studies and there must be few sociologists of religion who are not familiar with his general theory of secularization (1978) and its subsequent development. More recently, Jose Casanova (1994) has adopted a very similar approach and both writers view secularization, not as an inevitable process but as the product of particular historical circumstances that differ by region and national context. From this standpoint secularization is best approached as an empirical question whose answer lies in the examination of the relationship between religion and nation. This paper seeks to do just that, through an exploration of one national case study Wales where that relationship has historically been highly significant both for the development and subsequent demise of the social salience of religion. Central to this discussion will be the dynamic of centre and periphery and the treatment of religion as both an ‘imagined community’ (Anderson 1991) and as a popular social movement organized for cultural defence (Hall 1985).
2. Religion and ‘national’ identity in Wales Public religion in Wales has historically been associated with Protestant Nonconformity, a form of religious dissent, in opposition to the State Church (the Church of England) and originally predominantly Calvinist in spirit. Nonconformity both shaped the institutions of modern Wales and has been an important carrier of Welsh cultural and social identity (Williams 1985, Davie 1994). One hundred years ago, the self-understanding of the Welsh population was (in contra-distinction to the English) that of a very religious people and religion reached into and shaped the lives of all social classes, including the proletariat. Now, religious practice in Wales is declining at a faster rate than elsewhere in Britain, with the lowest recorded rates of churchgoing (7.4 per cent) of all the Celtic nations and on a par with England (Brierley 2001, 2.23). In contrast, in the 1851 Census of Religion, approximately 54 per cent of the Welsh population were recorded as attending a place of worship and 43 per cent were Nonconformists (Harris 1990, 54). Given that the aggregated figures for England and Wales as a whole were only 21 per cent, the figures generated from the 1850 census are an impressive indicator of Welsh public religiosity at the time. Evidently, in terms of these figures Wales was a country where religion had immense social salience in the past and clearly, this is no longer the case.
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In order to understand the place of religion in contemporary Wales, we must know something of this past and how religion came to be such a significant source of Welsh identity. The following discussion seeks to explain this transformation sociologically through an examination of the historically contingent relationships between religious institutions, society and culture and national identity and the ways in which these shaped the particular ethno-religious landscape of Wales. Identity and a sense of identity, is not an arbitrary phenomenon. It draws its strength from and is characterised by the multiplicity of experiences and the sense of continuity that inform the self-definitions of populations (Williams 1966, Bourdieu 1977). People, places, events, situations, and institutions, filtered through the prism of social interaction, all form the basic building blocks of identities. Identity is also both a species of categorization and the product of meanings applied to categories, whether they be categories of status, class, gender, ethnicity, language, ‘nationality’ or even, religion. These meanings, and their production and reproduction, shift with time and context, and are constantly being reformulated and developed, or even abandoned in the light of new experiences. In the discussion that follows, the question of identity, specifically the story of how the Welsh came to have such a close identification with religion and then came to lose it will be central.
3. Religion and identity in the early modern period Both the Welsh reputation for religiosity and a distinctive national identity are relatively recent phenomena owing much to the series of religious revivals spanning the eighteenth and nineteenth centuries. While it is possible from very early times to identify something approaching a distinctive Welsh culture based on shared language and customary practices, Wales during the medieval period was a shifting patchwork of small principalities and political units. Under these conditions this culture could not yet produce a sense of ‘national’ identity and indeed at this period the Welsh language did not yet have words for ‘nation’ or ‘nationality’ (Smith 1999, 83). In terms of institutional religion the Anglo-Norman conquest saw the imposition of new ecclesiastical structures and the progressive marginalization of vernacular religious practices (so called ‘Celtic Christianity’), but in the absence of much written evidence it is unclear how these changes touched the lives of the majority of people. The Reformation in Wales was merely a continuation of this process in that it was primarily a political settlement and for most of the population it merely marked the replacement of one alien liturgical language, Latin, with another, English (Harris 1990, 50). However, we do know rather
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more about the general religious condition of the common people in this early modern period and despite their later reputation for religiosity, the Welsh were generally seen by their contemporaries as an irreligious people and of questionable moral fibre (Thomas 1971, Jenkins 1978, Williams 1994). Be that as it may, the peasantry remained largely ignorant of the nature of the doctrinal disputes affecting institutionalised religion and the religious reforms stemming from the Tudor Settlement were met with general indifference among the majority of the Welsh population (Jones 1994, 136). This indifference persisted throughout the Tudor and Stuart periods and it was this perceived irreligiosity of the Welsh that provided the impetus for a period of concerted activity by reformers in Wales that laid the foundations for the reemergence of a truly vernacular form of religion that was widely practised. Language and in particular, religious literature in the Welsh language was an essential part of this project and it is to the implications of this that we now turn. Welsh independence ceased in the period 1536-1543 with the political incorporation of Wales into England in a series of measures collectively known as the Act of Union. Moreover, the political developments that were initiated with the establishment of the Tudor dynasty and culminated in the Reformation bracketed a period in which the Welsh gentry had become progressively anglicised and in which elite and folk cultures were becoming distinct from one another. In what has been described by Gwyn Alf Williams as an act of ‘cultural genocide’, indigenous Welsh culture was effectively marginalized into peasant culture as ‘Welsh ceased to be an official language and retreated into the kitchen’ (Williams 1985, 121). Effectively, Welsh ceased to be a literary language and indeed, knowledge and use of Welsh was seen as a bar on holding any official office. Benedict Anderson (1991, 36-46) has emphasized the importance of language, particularly the printed word in forging a sense of national identity. Anderson sees nations as ‘imagined communities’ and suggests that the progressive emergence of an indigenous fixed print language in many European countries allowed their populations to begin imagining themselves as one community united by a common standard literary form. Prior to the emergence of printing, the common language of European elites had been Latin and this had allowed readers to imagine themselves as being located within the community of ‘Christendom’, an abstraction given concrete reality through the medium of language. The move from printing books in Latin to the printing of vernacular texts was a by-product of the search for new markets by the emerging proto-capitalists of the printing trade, but the dissemination of books in vernacular languages created ‘national’ reading publics and eventually, a widespread sense of ‘national’ identity. Anderson’s thesis has interesting implications both for the emergence of a distinct sense of national identity in Wales and a widespread culture of religiosity and it is to these matters that we now turn.
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Both the new nation state and the puritan establishment recognised the importance of co-opting the Welsh into the Protestant community. (After all, in common with much of northern Europe, the Protestant religion and the new realpolitik were one and the same thing.) A major stumbling block to this project was the fact that the overwhelming majority of Welsh people were monoglots while the language of the State church was English. Clearly, this was a major stumbling block in any putative project of evangelization. A pragmatic approach was called for and reforming energies in Wales were initially directed towards creating a vernacular religious literature, culminating in the translation of the Bible into the Welsh language and its publication in 1588. This move effectively halted the progressive marginalization of the Welsh language and ensured its survival as a literary form. While this event had profound implications for the future development of the language, the Protestant reformers nevertheless, found Wales to be stony ground in terms of the propagation of the Christian Gospel. The Propagation Act of 1650 sought to redress this situation by organising evangelism on a national scale, but the effects were muted. Received with indifference by the indigenous population and using as its vehicle, an impoverished and moribund established church that represented little more than the dominance of the land owning gentry, it manifestly did not lead to the type of social and moral revolution that the puritan reformers envisaged. What it did do however, was to establish the impassioned preaching of the gospel in the vernacular language of the people as a crucial medium of salvation (Jenkins 1978, 1f.). Language and in particular the written word was to prove a crucial element in the formulation of what would in time become a distinctive national identification with religion. After 1588, Protestant reformers sponsored a steady stream of printed religious texts in the Welsh language, primarily translations of European works, and 322 of the 545 books printed in Welsh between 1660-1730 were overtly religious in character, the majority of the rest being farmer’s almanacs (Jenkins 1978, 34f.). This publishing activity was primarily a short-term expedient aimed at revitalising religious life and incorporating the Welsh into the Protestant community, although it was also to have some unforeseen consequences for the future. What the Reformers bequeathed to the Welsh people was a body of printed texts in a uniform fixed version of their vernacular language. This paved the way for the emergence of a reading public and a subsequent collective identification in terms of both religion and ‘nation’ and the eventual conflation of the two into a distinctively ‘Welsh’ form of religion. Most of these texts were designed for family devotions but this readership could only have included those sections of the community who could read and afford to buy books, which were still relatively expensive commodities. Initially then, this reading public was largely restricted to that interstitial section of the population, lesser gentry, yeomen, tradesmen and craftsmen and their families, who were later to become the bedrock of reli-
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gious dissent. In later years, the peasantry would be added to this readership, who in Gwyn Alf William’s’ words, ‘learned to read in terms of the Bible and Protestant sectarianism’ (1988, 121). In doing so this readership became a new form of imagined community, where literary consciousness, religious consciousness and ‘national’ consciousness became fused together.
4. The emergence of religious dissent If Puritanism in Wales was at the time a largely failed experiment, its methods, the propagation of the gospel through the written word and preaching, established the template for future religious activity. The period following the Restoration in 1660 saw the gradual establishment of dissenting congregations in parts of Wales. In part this was a reaction to the impoverished and moribund state of the National Church in Wales, its ‘alien’ status as the Church of England, and the general decline in religious vitality throughout England and Wales that followed the demise of the republic. The emergence of religious dissent was to have far reaching ramifications for the future development of a truly indigenous form of religion. As Wales emerged into the eighteenth century a new generation of dissenters built upon these foundations. In geographical terms, the spread of dissent had been patchy. Largely restricted to the rural upland areas, it thrived best in local conditions where the State Church was stretched for resources and weak. Despite the uneven spread of dissenting congregations and their minority status, nevertheless they constituted something new in Welsh religious life, not least the emergence of the principle of independence in religious thought and organization. Moreover, with the Welsh language at its heart, it also represented the first flowering of an emergent social movement that not only refused to conform to the doctrines of the State Church but which also explicitly challenged English cultural hegemony. By 1794 there were 300 religious societies meeting for public worship in private houses and barns but their appeal to the peasantry remained limited and they were viewed with suspicion by the dominant anglicized land-owning class. The continuing minority status of religious dissent was to change with the arrival of Methodism in Wales. What Methodism initially brought was something that had been signally lacking before, mass enthusiasm for religion and upon this foundation, Nonconformist Wales was to emerge (Jenkins 1988, 43). From the lofty vantage point of the late nineteenth century, this period was viewed by contemporary religious commentators as a ‘Great Awakening’, the beginning of the age of revivals and proof positive of Methodism’s impact on the Welsh psyche. In this idealized narrative, charismatic young preachers emerged, passionate in their desire to spread the Gos-
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pel. New congregations were established, dissenting academies created and the Gospel was preached with powerful force to eager hearers. However, in reality the new enthusiasm had not emerged from a vacuum. The rise of Methodism as a social movement also owed much to the former labours of dissenting preachers and writers and able Anglican clerics many of whom were directing their attentions towards the religious education of the peasantry. Immediately prior to the arrival of Methodism, a voluntary network of circulating schools had been established providing both basic literacy and religious instruction for the peasantry and providing fertile ground for the labours of evangelists. These establishments, (known colloquially as ‘Welch schools’ and based in parish churches or farm buildings) differed from previous educational experiments in one crucial point, the medium of instruction was the Welsh language rather than the English language. At the time the English language was understood by few of the peasantry and then very imperfectly. Consequently, all previous attempts to sponsor literacy and engage in religious instruction in Wales through the medium of the English language had been failed experiments. The circulating schools were a great success. By 1761 around a quarter of a million adults and children had learned to read in Welsh. Moreover, as Gwyn Alf Williams has argued, within these schools, the Welsh not only learned to read early and in their own language but also in terms of the Bible and Protestant sectarianism. This was to have significant implications for the emergence of a widespread religious and ‘national’ collective consciousness and Williams writes: “In the world of the popular language, it was in an intensely religious, devotional and, increasingly, a doctrinal and disputative culture, that a sophisticated and high quality Welsh registered. Welsh became peculiarly a sacral language with less and less secular purchase of intellectual substance. In the end, as that people and its religion took over the cultural identity of Wales, they emerged as a People of the Book – and of a Book which was holy. It stamped an identity on this people which proved tenacious.” (Williams 1985, 131)
Clearly, the transformation of status of the spoken Welsh language into a ‘national print language’ and the growth of literacy (Anderson 1991, 46) went hand in hand with a burgeoning religious consciousness and an emerging ‘national’ consciousness that was distinctly Welsh in its provenance. Nonconformist religion and Welsh cultural identity were becoming increasingly inseparable as the growth of literacy fuelled religious piety. Applying Anderson’s ideas to the Welsh case, it can be argued that the increasingly widespread supply of cheap reading matter in the Welsh language was a necessary precursor to the possibility of the emergence of a new form of ‘imagined community’ that set the stage for the modern Welsh nation. There is a certain irony here. The translation of the Bible in 1588 was driven by the desire to incorporate the Welsh people into a dominant English hegemonic structure and was as much the product of political as it was cul-
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tural expediency. In much the same manner, the establishment of the circulating ‘Welch’ schools was driven by the desire to find an effective way in which to promote religious knowledge and revitalize the Welsh churches. In the long term, educational reformers saw Welsh medium literacy as a shortterm solution and merely the precursor of the end goal, which was to be the eventual Anglicization of the Welsh people. Nevertheless, these developments taken together were to provide the basis for the formulation of a distinctive oppositional cultural identity driven forward by periodic religious revivals and grounded in religious dissent.
5. The Twin Revolutions At the height of the Great Awakening, it was still only a minority of Welsh men and women who heeded the siren call of Methodism. Its greatest successes were in South Wales under great leaders such as Howell Harris. In the North, popular allegiance to the State Church, despite its perceived shortcomings, remained strong and the older dissenting traditions, particularly Calvinism, had won a new lease of life. Nevertheless, Methodism laid down a social and moral foundation, that was to bear its fruit in due time. By the nineteenth century, the social and moral revolution that the Puritans had dreamed of and which the new enthusiasts have proclaimed with such passion and power had largely come to pass. The impetus for this revolution came from another revolution, industrial in character and accompanied by the mass movement of people within Wales. In much the same way as contemporary globalisation has facilitated the growth of religion in the late-modern world, this mass movement of people saw the emergence of a genuinely new social movement, working class Nonconformity (Lambert 1988). Dominated by the Presbyterians in the North and Congregationalists and Baptists in the South, the Welsh could now properly be called ‘the people of the Book’ (Williams 1985, 131). The Roman Catholic Church which had been almost extinct prior to industrialisation also benefited from successive waves of immigrants from Catholic Ireland to industrial south Wales. While industrialization was to carry the seeds that would eventually challenge and undermine the position of religion in Welsh life in the short term it did much to promote the cause of religion in Wales (Davies 1996). By the mid-nineteenth century Nonconformity appeared to have swept all before it and was on its way to becoming both ‘the national creed and the national practice’ (Lambert 1988, 97). The 1851 National Religious Census appeared to confirm this picture. On the Sunday that the census took place, over half the population of Wales were recorded as present in the pews, and two out of three were Nonconformists. Even when taking into account the
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possible inflation of figures (Gill 1992, 97) it is evident that a major cultural shift had accompanied equally major social and economic changes. Increasingly, the Welsh language, industrialism and Nonconformity were becoming the triple foundations of a communitarian and working class way of life that was to dominate society, culture and politics well into the twentieth century (Davies 1981, 61). At the heart of this twin revolution was the ubiquitous chapel. More than just a place for worship, it represented the ‘moral property’ of numerous small communities both rural and industrial (Lambert 1988, 103). These worshipping communities when aggregated increasingly constituted a ‘national’ mode of religious expression. The new chapels, organized and controlled by the people and utilizing the language of the people, provided a social focus for communities and constituted sites of resistance to English cultural and religious hegemony. Drawing from the work of Stuart Hall (1976; 1985) the emergent chapels can be seen as providing a competing set of oppositional ideological and cultural meanings to that of the dominant religious system of the State Church. As such they paved the way for a distinctly Welsh religious, cultural and social identity and ultimately to a movement with hegemonic reach into all areas of society. Moreover, this process exemplifies the transition from an imagined community into something more concrete; specific sets of social relations predicated on the organization of social and cultural life. Taken individually, the various religious groups bracketed under the rubric of Nonconformity were diverse in matters of belief but taken together they constituted something more significant, a cultural institution based upon ideas of community, respectability and the defence of Welsh culture. Working class Nonconformity, transplanted to and rooted in the new industrial communities, touched the lives of everyone in those communities, influencing manners, morals and much more. Even those in the community who chose not to attend a place of worship were nonetheless constrained under the heavy hand of Nonconformist values and attitudes (Lambert 1988, Welsby 1995, Davies 1996). From the perspective of the nineteenth century a new self-understanding was proclaimed from the pulpit and in the press and numerous books. This new understanding characterised the Welsh as a fervently religious people and increasingly asserted an unambiguous link between Nonconformity and Welsh identity. This portrait of a people united in their religious faith was true, but only up to a point. Welsh Nonconformity was also characterised by dissension within its ranks, voluntary introversion, schismatic tendencies and organisational problems, not least the inability of national leaderships to impose their will on the largely independent local congregations of the South. Competition between congregations was fierce, although this was less a question of theological distinctions and more a by-product of the massive over provision of places of worship that accompanied the rise of Nonconformity (Gill 1993).
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Building bigger, better, ever grander chapels, with little regard for either local demand or the crippling debts passed on to future generations, was just one symptom of the underlying problems besetting Welsh Nonconformity.
6. ‘Nonconformist Wales’ At the national level, the picture looked somewhat rosier. Nonconformity had replaced the State Church as the main religious, social and cultural force and increasingly, Nonconformity was also becoming a political force. Nonconformity was deeply implicated in rural politics, in the Chartist movement and the struggle for greater suffrage, and in moves towards the disestablishment of the Anglican Church in Wales. After 1867 and the passing of the Second Reform Bill, which extended the vote to working class males, the fortunes of Welsh Nonconformity and the new Liberal Party became increasingly interdependent. The first fruits of this combination of influence became visible with the passing of the first legislative act specific to Wales, the 1891 Sunday Closing Act. Not only was this a triumph for the forces of Temperance, it also announced the arrival of Nonconformity as a political force in Wales (Thompson/Chambers 2002). The 1906 electoral landslide, which returned 377 Liberal members of parliament to Westminster also saw the rise of the leading Welsh Nonconformist politician of his day, David Lloyd George, firstly as President of the Board of Trade, then as Chancellor of the Exchequer and ultimately from 1916-22, as Prime Minister. However, this LiberalNonconformist hegemony was to be short-lived. In 1915 when the journalist and short story writer Caradoc Evans published My People (reprinted 1987), his scathing portrayal of the widespread venality and hypocrisy underpinning the supposed Nonconformist idyll, he was relentlessly attacked by the Liberal-Nonconformist elite in Wales. Branded a traitor to his people (and worse), Evans’ unflattering portrayal merely reflected growing tensions within Welsh society (Davies 1996). The momentum of Nonconformity had only been maintained by periodic religious revivals and by the turn of the century, in the increasingly anglicized industrial areas the competing claims of socialism and secularism were already making themselves heard. The limits of the Liberal-Nonconformist project quickly became apparent. Chapel culture had always publicly prided itself on its ability to transcend matters of class and under the chapel roof, all were notionally equal. This culture was in its essentials, rural in provenance and what mattered in those communities was status, and it was this rather than class that formed the basis for local social differentiation and organization. Local worth and respectability was strictly measured in terms of conformity
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or lack of conformity with the manners and mores of the chapel and in principle, economic factors, worshippers were told, mattered little. In practice, the chapels were largely managing an illusion. Within a religious culture dominated by a Calvinistic theology, economic worth and religiosity were often conflated and the ‘big men’ (deacons) of the chapels were often also the richest men in the locality or their agents. Chapel culture also emphasised the absolute role of individual responsibility, both in terms of religious salvation and economic standing and it is unsurprising that poverty was equated with low religious standing and vice versa. Understandably, Nonconformist leaders were keen to maintain the status quo. Thus, Christmas Evans, a leading Nonconformist could argue that ‘it is not the province of Christians to debate and discuss politics but to behave humbly towards our superiors’ (Pope 1998, 2). How far this stance could be maintained within an industrial environment marked by hardship, danger and grinding poverty was self-evidently open to question. Within industrial communities it was becoming increasingly apparent that economic distinctions mattered outside of the chapels and while individual chapels might seek to deny such distinctions in their religious life, socialism increasingly offered an alternative to this worldview. The spread of socialist ideas and modes of organization was also helped by the growing Anglicization of the industrial areas. With industrialization, the English language became the primary medium for economic activity and commerce and increasingly the English language began to establish itself in the religious sphere. Nonconformist leaders saw this as a threat both to the Welsh language and to the privileged position of Nonconformity as the primary carrier of Welsh national identity (Morgan 1909, 254f.). In 1904 a religious revival broke out in the Welsh county of Cardiganshire spreading quickly to the adjacent industrial areas of the south. The revivalists claimed to have solutions to the deeply felt economic and political tensions that were besetting Welsh society and the 1904-1905 Revival can be seen as a prime example of a social movement acting as a vehicle for cultural resistance. It articulated the concerns of many people about the growing hegemony of English culture in both the religious and secular spheres and the perceived threat of socialism to the Liberal-Nonconformist project. Underpinning the religious rhetoric was the belief that the Welsh ‘nation’ was more religious than surrounding nations and that only a mass return to the principles and practice of Welsh Nonconformity could halt and reverse the tide of Anglicization that threatened this collective self-understanding. Despite its huge reach into Welsh society and massive publicity elsewhere in the world, the revival failed to halt or even slow these processes. Moreover, it marked the end of a hundred year period of intermittent religious revivals and represents a watershed in the secularization of Welsh society.
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7. The secularization of Welsh society This last great Welsh Revival of 1904 merely highlighted the tensions present in society and its eventual failure effectively drew a line under the self-understanding of the Welsh people as fervently religious. What was to follow was a radical shift in the relationship between Nonconformity and the Welsh people and the progressive fragmentation of culture and identity in the face of widespread changes within the social, economic and political spheres. The Disestablishment of the Welsh Church in 1920 proved to be a hollow victory for a Welsh Nonconformity that was becoming increasingly disengaged from the concerns of the people. The Anglicans consolidated their position numerically, as did a Roman Catholic Church that continued to benefit from immigration from Catholic countries. Socialism, trade unionism and the Labour Party effectively replaced the Liberal-Nonconformist axis as the main vehicle for social concerns within the industrial areas. In the rural areas, change was both slower and political concerns centred more around the politics of culture, culminating in 1925 at the Maesgwyn Temperance Hall, Pwllheli with the formation of Plaid Genedlaethol Cymru (The Welsh Nationalist Party) with the Reverend Lewis Valentine as its first President (McAllister 2001, 23). If Nonconformist influence on the national stage was waning, the hegemonic status of religious institutions at the local level was to prove more resilient. The 1904 Revival had not led to the widespread re-evangelisation of the Welsh people and indeed the numerical gains accompanying this movement had largely dissipated by the 1920s. Competing social, and cultural attractions, most notably the cinema, and the rise of socialism and the Labour Party all undermined the position of the chapels but it was not until the Great Depression in the 1930s that fissures really began to be exposed. The widespread over provision of places of worship came home to roost as increasingly impoverished congregations attempted to meet the costs of their mortgaged churches and chapels. For poorer families the financial costs of church and chapel membership became more than they could bear. Numbers began to fall and while numbers rose again during the period of the 1939-45 War, for many younger worshippers called into war work or the armed services, the social and geographical dislocation accompanying this period, loosened their ties with their home chapels. The 1950s constituted something of an Indian summer, with numbers up on the inter-war years and many flourishing and vibrant chapels. Nevertheless, cracks were appearing. Greater social and geographic mobility took many younger members out of the orbit of their home chapels. Congregations were increasingly coming to be numerically dominated by females and there were fewer candidates for the ministry. The progressive erosion of the Welsh language in areas where it had previously been strong
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led to marked decline in that sector of the religious economy and almost everywhere, the local influence of the chapels on morals and manners was declining. As religious institutions became progressively disengaged from the general population and Welsh society and culture became marked by increasing differentiation between the religious and secular spheres, the status of religion reverted back to a private religion of individual salvation rather than a public religion of social control. Out of this vacuum many competing sources of Welsh identity emerged and it is now possible to talk only of multiple Welsh identities (Fevre/Thompson 1999, 4-24). From the 1970s onwards the rate of religious decline in Wales was, and continues to be higher than anywhere else in the United Kingdom (Brierley 2001) and it is evident that we can no longer talk of the Welsh nation as a religious shaped people.
8. Conclusions What is clear from the above narrative is that Wales is a case where religious and national identity were fused together for a short period and that this produced a distinctive national experience derived from the commonality of religion, language, work and a sense of place. In seeking to account for the subsequent secularization of this society those analytic tools such as modernization or rationalization that are associated with the orthodox secularization thesis do not appear particularly helpful. Clearly, the status of Wales as a peripheral region and its relationship with its dominant neighbour England are central elements in understanding the historical parameters of Welsh religiosity, as is the idea of ‘nation’. Prior to the modern period there is no evidence that the Welsh people were particularly religious and it is only after the political incorporation of Wales into the English state and under conditions of modernity that religion emerges as a significant social and cultural force. Adopting elements of Anderson’s thesis, it is clear that one of the unintended consequences of the attempt to incorporate the Welsh into the English State was the emergence of a distinctly Welsh and oppositional religious culture. Religion functioned both as a means to differentiate the Welsh from their political masters and as a locus for the emergence of an ‘imagined community’ that was eventually to express itself in terms of a ‘nation’. ‘Nonconformist Wales’ was always to some extent an illusion, in the sense that there were as many Welsh people whose identities lay elsewhere, but it achieved facticity under conditions of modernity. Industrialization, population movement and the emergence of a mass press and political culture all contributed to the rise of Nonconformity as a socially significant force and to its eventual hegemonic status. However, that hegemony carried the seeds of its own destruction and Nonconformist Wales was to prove short lived.
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Social movements are necessarily fluid and tend to be at their strongest when they are oppositional movements with a clear ideological rationale (Hall 1985). By 1920 Nonconformity appeared to have carried all before it and had to all intents and purposes become the status quo in a society where religious and secular spheres appeared remarkably undifferentiated. Faced by competing ideologies in the political sphere and the emergence of mass cultural forms that were corrosive of the Welsh language and culture, Nonconformity capitulated its place within these spheres with remarkable rapidity. Economic change, particularly the decline of traditional industries and the homogenous working class communities that had grown up under industrialization, followed, and this undercut the customary local underpinnings that had sustained the network of chapels and which shaped local social identities. Whereas Welsh society has been remarkably socially undifferentiated it now became increasingly pluralistic and customary social and cultural identifications suffered accordingly. Moreover, the subjective relationship between centre and periphery that customarily demarcated Wales and England was also becoming more blurred in the face of rise of the electronic media (notably television), the emergence of a globalise consumer culture and new political projects, notably the expansion and consolidation of the European Union. All of these emergent trends allowed individuals and groups to subjectively re-imagine themselves in ways that would not have been possible in the past and which owed little to the idea of ‘nation’. The extent to which this sense of national identity has fragmented and become more diffuse is perhaps best exemplified by the virtual indifference of the Welsh people to the project of political devolution (Jones/Trystan 2001). For religious institutions that were diverse in theology and character but which drew their individual life from the collective identification of the Welsh people with Christianity, the loss of this common worldview has been catastrophic. Clearly, on any measure this is secularization in the sense of the loss of the social significance and salience of religious institutions. However, the secularization of Welsh society and culture can only be understood in terms of the historically contingent forces and events that shaped the distinctive ethno-religious landscape of Wales. While some of these factors are clearly common to all modern societies they were filtered through a distinctive ‘national’ context where religion and language served to unite the disparate elements of Welsh society. Evidently then, the Welsh experience has much in common with other regions subjected to external political, cultural and economic domination and where religion operates as a cultural defence (Martin 1978, 55f.). However, the industrialization of Wales and the emergence of mass culture, far from being corrosive of customary institutions, was the motor that took Nonconformity to national prominence, and it is here that the Welsh experience parts company for a time with the experience of many other socie-
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ties undergoing industrialization. Clearly, the process of industrialization and the emergence of a homogenously proletarian population are no bar to religious vitality under certain conditions. Conversely, the social and geographic mobility and greater social heterogeneity that characterized Welsh society in the late twentieth century was corrosive of religious institutions. This suggests that what we are seeing here is not so much immutable processes at work as changing conditions that predispose public religiosity or not depending on local circumstances and external and internal contingencies. While a superficial analysis might also point to the innate pluralism of the Welsh religious economy in the late nineteenth and early twentieth centuries as the primary reason why religious institutions flourished at that time, this is at its best only a very partial explanation. Welsh society was in general homogenous in composition and despite superficial doctrinal differences so was Nonconformity. Certainly, if pluralism promotes religious vitality as some have argued (Iannaccone 1992, Finke/Stark 1992) then we would not expect to find such a secular society as we do in contemporary Wales. Religion is now more genuinely pluralistic and Welsh society is more heterogeneous and yet institutional religion is declining at an ever more rapid pace. Heterogeneity also threatens collective identities and within the Welsh context, the link between national and religious identity has become problematic as political parties such as Plaid Cymru have emerged to become the prime carriers of nationalistic political aspirations. It is here and to a lesser degree in the world of culture and education that we see the emergence of structural differentiation in the sense of the partial disarticulation of religious institutions from these areas of life. Most tellingly, the disengagement of religious institutions from the Welsh working class and the emergence of new institutions that better articulated their concerns hastened this process. It is this increasing differentiation of religious institutions from the general population that probably best sums up the nature of Welsh secularization. At the same time it also highlights the fact that secularization is best understood, not as a general process or even as a raft of processes but as an empirical question whose answer lies in the detailed examination of historically contingent factors and relationships.
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Dan Dungaciu
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Here are some ”classics”: Berger 1970; 1973; Chadwick 1975; Campbell 1971; Dobbelaere 1981; Wilson 1966; 1982; Luhmann 1984 etc. Among them, David Martin (1978) is an exception. It is worth remembering here a famous episode, which is very relevant for a general attitude and a general frame of mind. An example is offered by Costas Carras, a Greek historian established in Great Britain after World War II. At the beginning of the sixties, he attempted to publish a letter from Russia, describing the sufferings inflicted the Church by the persecutions and the terror unleashed by Khrushchev, the leader of the USSR at that moment – the most terrible from the great Stalin terror of the thierties decade. The British press reacted by constantly refusing to publish the letter, the editors putting forward different reasons for this: the Times had a new correspondent in Moscow, whose position would have been jeopardized, the Daily Telegraph considered its readers not interested in religion, the Guardian had shortly before published an article about the harassment of the Orthodox Church and they did not want to come back to the matter so soon, and, finally, the Encounter, considered an anti-Soviet magazine, offered, through its representative, both the worst and the best explanation for not publishing the letter: “It does the Church good to be persecuted!” In the end, the only publication interested in the letter was the English-language Russian Catholic weekly, the Tablet. But that made the whole thing look as if the critical position of the authors was because they were already on the road to Rome (Carras 1998, 17-20). There is even an association of sociologists of religion from Eastern Europe: International Study of Religion in Eastern and Central Europe Association (ISORECEA), grouping all
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Central and Eastern Europe have become a topic on the agenda of the European sociology of religion, and prove to be a real challenge for the sociology of religion developed in the West. As one Eastern sociologist noted, this region challenges “the basic concepts of social sciences and plausibilities of enlightened Europe“, and more: “the religious revival in Eastern Europe may relativise the de-Christianisation of Western Europe” (Tomka 2001, 11). Because the tendencies of this region do not always follow West-East patterns (Pollack 2003, Mueller 2003), there are still some problems when sociologists from East and West are dealing with this area. Let me point out just two of them. The first one is the use – and abuse – of the so-called ‘secularization thesis’. I am not going to claim here that Southeastern Europe is not secular – in the sense that the social significance of religion has declined4, but this is not the whole story of the complex process which has occurred in this region. The secularization thesis contains a major risk: to be a sort of methodological or theoretical lense through which we observe and consequently depict a reality – the Orthodox area – that, basically, has nothing to do with the construction of the theory as such. In other words, what should be remembered here is that the secularization thesis has been assembled and developed starting from empirical material collected in investigations carried out in Western Europe (Great Britain and, to a lesser extent, the Northern European countries). The religious landscape of Southeastern Europe was omitted from the initial debate. The secularization thesis is used as a methodological framework or as a hypothesis – without previous knowledge of the area –, and sometimes, not always, of course, what the researcher actually does during the investigation is to pick up – explicitly or implicitly – those particular elements which would help him or her to make his or her point. Southeastern Europe is large enough to find examples for almost everything. Needless to
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those interested in the religious situation of formerly communist in Europe. The first conference leading to the birth of ISORECEA took place in 1991 in Krakow, Poland; the last one, in 2003, in Lvov, Ukraine (“Challenges of Religious Plurality for Eastern and Central Europe”). ISORECEA has published many books in English, in fact collections of articles based on the papers presented at the conferences are organised in the cycle “Religion and Churches in Central and Eastern Europe”. ISORECEA has done a lot in order to promote the religious condition of the former communist countries and the sociologists of religion dealing with this particular topic. Nevertheless, religion in Eastern Europe is not always on the agenda of Western sociology. See, for example: Hamilton 1997, Heelas 1998, Woodhead/Heelas 2000, Fenn 2001 etc. See: Wilson 2001, Bruce 2001; 2003, Martin 1978. Apparently, secularization is no longer the dominant paradigm in sociology of religion. In order to describe the current development of religion, terms such as “de-secularization” (Berger), “de-privatization” (Casanova), “re-spiritualization” (Horx), or “resurgence” (Robertson/Chirico) are used.
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say, this strategy is fallacious from an anthropological and sociological point of view. (I shall come to this point later.)5 The second way of ignoring the area is illustrated by the recent debates regarding the secularization of Europe and the place of it in the worldwide religious picture. The so-called “case of Europe” has been recently brought back to the agenda by some authors who were trying to prove a so-called “European exceptionalism” as far as the attitude towards religion and the church is concerned. The most significant attempt belongs, maybe, to Grace Davie, about whom I would like to say a few words.
2. Davie’s “Europe” and the Secularization thesis The secularization thesis was developed within a European framework. For certain stages in Europe’s religious development, there is a convincing fit between the argument and the data. As Europe economically and politically developed, it was evident – at least for many sociologists – that religion diminished in public significance; religious aspirations continued to exist, but were increasingly relegated to the private sphere.6 But this picture has been challenged in the last decade. How is it possible to accommodate the very different situation found, for example, in the United States within the same framework? Some authors talk about “exceptionalism” at this point, although it is not very clear which case is the exceptional one. Some answers lay in trying to understand American exceptionalism, but others, Berger and Martin, for example, have suggested that the argument should be reversed. Exceptionalism undoubtedly exists, but it is Europe, rather than the United States that is exceptional. In two books – Religion in Modern Europe (2000) and Europe. An Exceptional Case (2001) – Grace Davie has made this point more strongly than 5
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Again: I am not claiming here that the secularization thesis is wrong. It works, to some extent, in the West (what Grace Davie calls “Europe”). In its “Western style”, it does not work in the East, although the process of secularization has occurred here (in terms of social decline of religion). I will use the phrase “alternative modernity” in respect to Grace Davie’s work – this is the conceptual framework of this paper and this is the reason I am suggesting an alternative modernity from the point of view of religion. As Grace Davie has put it: “Bit by bit… the thesis rather than the data began to dominate the agenda. The ‘fit’ became axiomatic, theoretically necessary rather than empirically founded – so much that Europe’s religious life was considered a prototype of global religiosity; what Europe did today everyone else would do tomorrow. Secularization was a necessary part of modernization and as the world modernized, it would automatically secularize” (Davie 2000, 26).
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others. Briefly, Davie’s view – following Berger, Martin, and Casanova – concerns the atypical nature of religion in Europe – notably “the relatively low levels of religious activity and institutional commitment” (Davie 2001, 270).7 The distinctiveness of the European case is obvious. This is, at least, Grace Davie’s point.8 And this is important not only for “European patterns of religion”, but for Europe – for European identity – as such: “All-important in the whole analysis is the specificity not only of Europe’s religion, but of culture in which this has been embedded for the best part of a millennium. Europe’s religious memory is part of what it means to be a European” (ibid., 273). Grace Davie uses the word “Europe” a lot. But it is not Europe as such that is at stake in her texts, but Western Europe. The Eastern area – if not ignored – is rarely approached or analyzed. And here lies the main problem of her strategy. One says Europe, but what is meant is in fact Western Europe, an area more or less homogeneous as far as the religious landscape is concerned, a significant part of the continent remains unexplored or ignored. And this part of the continent – Central and Eastern Europe – has its own religious shape, past and maybe present. This part of Europe wishes to join Western Europe and most likely will succeed in the near future. One of the consequences, whereof we are rarely aware, is that these countries will bring to the continent a different religious pattern and sensibility.9
3. What Do the Figures say? Censuses in Romania: 19922002 Let us take, for example, the case of Romania. The 1992 census indicates that Romania is one of the most religious countries in Europe: 99% Christians, 86.67% of the population declared itself Christian Orthodox, 0.04% atheists. The same situation was registered in 2002: 99% Christians, 86.81% Christian
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In her words: “… European patterns of religiousness are indeed unusual in the modern world and should be seen as one strand in what it means to be a European, rather than in terms of any necessary relationship between religion and modernity or religion and process of modernization” (ibid., 271). The same point has been made, for example, by Miklos Tomka (Tomka 2001, 11). The story of encounters between the „East” and the „West” is a long one. There is much to do in order to depict the way in which these encounters feed back to not only the self-description of the Orthodox Church but also of Western Christianity – this topic would go far beyond the purpose of the present paper. On this subject, see: Sherrard 1995; 1998; Lafont 1994; 1999. On the story of the „encounters” between the „East” and the „West” as far as nationalism in this two „areas” is concerned, see Dungaciu 2000.
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Orthodox, 0.05% atheists. Again, the level of confidence in the Orthodox Church has been constantly high – 80-90%, in polls and surveys after 1990. The first remark is obvious: the situation in Romania does not fit Davie’s picture. The formula “believing without belonging” which Davie has explored, firstly, in the British context and later in the European one, cannot be used to describe what is happening in Romania today.10 Nor does the formula “belonging without believing” accurately describe the condition of Romania in this respect.11 As censuses, surveys or available data show, neither “believing without belonging” nor “belonging without believing” – as theoretical frameworks – can be used in order to describe Eastern Europe today. As far as the religious landscape is concerned, Romania is different from Western Europe (Gheorghe 2001, Szilagyi/Flora 2001). A theoretically informed observation of these differences sets a demanding agenda for the Eastern sociology of religion at the turn of the millennium (Tomka 1999; 2001).
4. Researching the Contemporary Orthodox Area. The secularization thesis in a different context How can the Romanian case be explained, after fifty years of an atheistic and dogmatic regime?12 The usual but inadequate “explanation” is that religion has become a “substitute ideology” (an ideological Ersatz) replacing the old communist ideology, which is now “disenchanted” and, therefore, refuted and eliminated. The classical formulation of this view belongs to Adam Michnik and was formulated in 1991: “Communism aspired to the role of a worldview that explained everything. After Communism there remained an ideological vacuum; and the end of Communism meant the opening of a Pandora’s box. Into that vacuum began to creep demons from bygone epochs: ideologies proclaiming chauvinism and xenophobia, populism and intolerance. (…) Nationalism is the last word of Communism” (Michnik 1991,
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“Believing without belonging” means that “statistics relating to ‘soft’ religious variables – general statements of belief, the notion of a religious disposition, and denominational selfascription – remain relatively high, whilst those that pertain to regular religious practice or to the credal statements of Christian doctrine have dropped very markedly indeed”. “Belonging without believing” means that people maintain a nominal rather than active allegiance to their churches and what they represent, but in a way provided for by their particular ecclesiastical history”. Or, as one commentator succinctly put it: “what people believe in is, in fact, belonging”. On the beginnings of the sociology of religions in Romania, see: Gheorghe 1999. Before 1989, sociology – including the sociology of religion – was prohibited by the communist regime.
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759). Some authors use “nationalism” as an ideological Ersatz others, religion. But this so-called explanation remains, at best, naïve. First of all, because the disenchantment with communist ideology occurred, at least in Romania, even before the Soviet occupation of this part of Europe, and the real popular enthusiasm stirred – very rarely! – by the Communist Party (1945: the defeat of fascism in Europe; 1968: the opposition to the invasion of Czechoslovakia etc.) clearly vanished in the eighties. Therefore, to claim that communist ideology had been a sort of Weltanschauung before 1989 is quite absurd. Moreover, as polls and surveys show, the most religious sections of the Romanian population in the early nineties are the young people and the oldest ones, that is those groups are the least affected by communist ideology! (see: Dungaciu 2000). Since 1990 other strategies have been used in order to explain or to describe the religious landscape in Romania (and in Southeastern Europe as a whole). In general, the starting point of these studies and surveys – as I said before – is a theory or a sociological framework produced in Western Europe and now being tested and put to work in the Eastern (or Orthodox) European area. But, again, there is a major risk in carrying out such research. Southeastern Europe is a large region and, if the initial framework is – for example – the secularization thesis or different versions of it, you can use or select whatever you want in order to make your point. What the secularization thesis maintains is, basically – in its strong version, at least – the inevitable and irreversible decline of the religious spirit in society. In spite of some important conflicting evidence to the theory of secularization collected during the last decade, many sociologists and historians concerned with the religious phenomenon went on working in this area, more or less explicitly within that particular framework. Looking at the Orthodox region, one can see again that the theory of secularization is out of its “reference area”, the context (spiritual, political etc.) and the historical pattern being different from those the theory was set up to explain. These differences are important enough – at least starting with the modern era – to be considered as such in an analysis dedicated, after all, to modernity. We have to recall here Steve Bruce’s warning: “… secularization is not inevitable. Of course, the West’s power and prestige give its characteristics a degree of preeminence as a model for others to emulate (or react against) but the changes described here will be repeated elsewhere only if the circumstances match the old” (Bruce 2001, 251). To understand “if the circumstances match the old” means to understand the processes of modernization that characterized the history of Southeastern Europe, in general, and Romania, in particular, from the end of the 19th century until today. Religion and the church have been involved in this process in different and subtle ways.
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5. Modernity and Religion in Romania. Three elements I am not going to offer here a theory of secularization for Eastern Europe. What I am trying to do is to discuss three neglected elements that have to be taken into account when discussing modernity and religion in Romania.13 Again, we must not forget the main question: Why is it that in this region religion (or religious identity) and church are still so important, at least in comparison with other parts of Europe? Or, to put it in Davie’s words: How is it that Eastern Europe is an exceptional case?
5.1. The Specificity of the “Orthodox culture”. The Orthodox Church and Modernity When we talk about “secularization” or “cultural changes” in Eastern Europe, the first element that has to be evaluated is the specificity of the “Orthodox culture” (see: Kokosalakis 1995; 1996). As I said at the beginning of my paper, one of the geographical and cultural areas almost ignored by the disciplinary knowledge of the sociologist of religion today is the Orthodox European area. There are, of course, some comparative analyses at the level of all of Europe, but, unfortunately, what comparison means in many cases is just a translation of Western concepts and/or theories to the East without a preliminary depiction of an area which has its own particularities and specificity at least as far as religion and religious life are concerned. And there are some arguments for this statement.14 First of all, “orthodoxy is a pre-modern culture in the sense that it was not directly disrupted by the major movements which constitute the foundations of modernity, namely the Renaissance, the Reformation, and the Enlightenment” (Kokosalakis 1995, 234). Furthermore, the typically modern phenomena, namely industrial revolution and capitalist accumulation “were born and grew outside countries where Orthodoxy has been the dominant religion” (ibid.). In other words, the continuity of the Orthodox culture, of the “way of life” that is specific to Orthodoxy (using a phrase coined by the Greek philosopher Christos Yannaras) did not suffer “breaches”, or decisive displacements due to endogenous socio-cultural developments like those that 13 14
On religion and political modernization in Central and Eastern Europe see Borownik 1999, 18-20. See also Borowik 2001. I am not going to reify or to essentialize the concept of “Orthodox culture” or to suggest a sort of Spenglerian – civilization versus culture – dichotomy (a more or less essentialist approach). What I am trying to do is to remark that modernity has been different in Eastern Europe in the sense that it has not been something ’organic’. Modernity is a Western invention. This is a truism, but one that we sometimes forget.
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define modernity. In this sense Orthodoxy “can be understood as pre-modern in a modern world“. What are the practical consequences of this peculiar condition? First of all, the position of the Orthodox Church in this process is to be an insider and an outsider, at the same time. The Orthodox Church has not been part of the process of modernization – it has been involved in it, but not part of it. What we call today the “disenchantment of the world” (Entzauberung der Welt) means, basically, disenchantment of the modern world – of modernity as an existential project. In the Orthodox area or in some parts of it the story is different for reasons which I have already suggested. The church and the Orthodox religion have not been part of modernity, but they have always been there, and still are, as an alternative existential project, which remains available and at hand. Today, when we witness the “disenchantment of the modern world” – this is what postmodernity and postmodernism are all about – a resurrection of the traditional religiosity in the Orthodox area is not incomprehensible. And this is one of the reasons for the New Religious Movements as an alternative religiosity in this part of Europe.15 The inner spirituality of the Orthodox peoples can still be expressed in traditional forms, because it is still there, available, not disenchanted. In this respect, the Orthodox religion could be called a post-modern religion. The Orthodox area is not homogeneous, that’s for sure, and different countries should be approached differently. Nevertheless, they are all Orthodox. Let me say a few words about the Romanian case, with which I am most familiar.16 In the 16th century, while Erasmus was talking about “Christ’s philosophy” and Machiavelli was turning religion into a mere princely hypocrisy and a means of dominating and manipulating subjects and all others, thus nullifying both God’s living accomplishment and the moral principle in politics, a Wallachian ruler, Neagoe Basarab, was interested in grounding politics, diplomacy, and military doctrine of his people in the Hesychast-Orthodox belief in an ever living and ever manifest God, accessible to man, if not in His essence, at least in those un-created energies flowing ceaselessly allover living beings. Through them man can establish immediate contact with the un15
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I mean a strong dynamic and credible new religious movement. As national censuses prove, many of these movements are, in many cases, accepted by the populations for political or economical reasons. The temptation to fuse nation and Church has its own historical mythology in Romania. The idea that “the Romanian people was born Christian” has gone on to identify with Orthodox Christianity. The claim that the apostle Andrew preached in Dobrogea (part of Romania) is very strong and popular today and this is why he is now starting to be venerated as patron saint of Romania. Leaving aside the fact that the “birth” of a people is a highly mythological concept, and in the face of the paucity of source material we ought to be more cautious, we have to take into account that this view, as a historical discourse, is much more ambitious and prevalent in its manifestations nowadays.
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seen divine, can request assistance through prayer at every important step, can always feel Him nearby, can drink from Him the power to face dangers seemingly indomitable and to conquer enemies seemingly unyielding. The 18th century – the century of Voltaire – witnessed in Moldavia the most important spiritual resurrection in the Orthodox world. After sixteen years on the Holy Mountain, a remarkable starez, Paisii Velichkovskii (17221794), returned to Moldavia as Abbot of the monastery of Neamtu. He reestablished the monastic rule, organized a printing press and began to translate and publish the works of the Greek Fathers; he also translated a selection of the texts of the Greek Philokalia. The flowering of Hesychast spirituality in this area stimulated both the publication of the Philokalia and the arrival of many of Paisii’s own disciples not only in other Romanian monasteries but also in Russia. The influence of this spiritual resurrection was immense, as the works of Dostoyevsky, to go no further, testify. The relationship between Orthodoxy and modernity is unique in this respect. And it has to be pointed out in order to understand the relation between religion, church and people in this area, and to widen the perspective of any analysis to enable it to contain historical-cultural horizons large enough to host a multidimensional investigation. The immediate benefit coming from this is that a better definition of the object of study – “Orthodox culture” – is proposed. We must deal here – this is the message – with different cultural realities, Western and Eastern, and the concepts and theories of one of them – the modern Western one – cannot be used without caveats from the other. The “modern rationalist categories” describing society, for instance, in terms of a dichotomy such as “church-state” or “religion-politics” are inadequate when we speak about Eastern societies. The main problem is that the sociological concepts as much as they derive from a modern Weltanschauung – because sociology is the science of modernity par excellence – can have but a very limited value when used in explaining a “premodern“, “preindustrial” and – even! – “pre-sociological” Orthodox culture. That value is limited to the social “fields” that either manage to avoid completely the influence of the specifically Orthodox way of life (which should not be mistaken with the influence of the church) or are set up as mimetic copies of some Western developments. But what is fatally omitted is exactly the object of research. Nikos Kokosalakis, a Greek sociologist, has investigated how the sociology of religion, in its classical Western variant, departs from Eastern social reality in different respects: political (relations church-state, constitution of modern national identities, etc.), economical (the theme of relations between Orthodoxy and capitalism has, actually, a rather controversial bibliography), civic (dichotomy public-private sphere, etc.). The analysis is not exhaustive, but it provides us with an important suggestion. If “modernity did not affect the Orthodox religion from inside, as it happened with other Christian traditions” (Kokosalakis 1996, 133), then secularization, as an effect of modernization (and of modernity, in general) will result in different processes in Orthodox
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and non-Orthodox societies respectively. Kokosalakis tries to identify the sense of these differences using again the Greek case and adapting the concept of “private religion” or “privatization of religion“, which becomes “personalization of religion“. The purpose is to give an account of the specific features of the “transformation of religiosity in Greece, within the framework of the Orthodox tradition” (Kokosalakis 1996, 147ff.). In this way we can see a certain secularization of the social structures coexisting with high levels of religiosity at the individual level, and also with religious gestures performed by the state (which are not simply formal).17
5.2. Religion and National identity The second element that has to be evaluated is the relation between religion and national identity in the Orthodox area (Dungaciu 2004, 324ff.; 2005). The classical theories of secularization did not ignore this relation, and the analysis is often concentrated on religion and nationhood “as complementary or antagonistic guardians of overall group identity and of the master symbols of belonging” (Martin 1978, 108). But, again, the Eastern part of the continent has rarely been depicted from this crucial point of view. And this is a serious omission, at least because the institution of autocephaly is quite unique in the religious picture of Europe. The term autocephalous comes from the ancient Greek and means that the body in question has its own head and is therefore independent or self-governing. The institution of autocephaly is not a 19th century invention. From the beginning, Orthodox Christianity proved more inclined to contemplation and preserved more clearly the early Christian tradition of sobornost (conciliatory unity or togetherness). The Orthodox tradition also spoke in this context of the “divinization” of man by God – a concept entirely foreign to Western Christianity. The institution of autocephaly characterized the entire Orthodox area. But as far as the Romanian case is concerned, the relation between church and national identity is far more complicated. It began in the 18th century in Transylvania and involved a different church, namely the Greek Catholic Church (or the so-called Uniate Church, a church derived from the Orthodox Church). This religious policy of the Vatican is crucial in order “to trace the development of national consciousness and explain the nature of early mod17
The analytical „framework” of my paper is a comparative approach suggested by the provocative thesis of Grace Davie. Religious practices in everyday life – how is religious affiliation expressed by believers, how can it be observed in public space and how is religion shaping the field of social interaction – is not the topic of this paper. For such an approach, an attempt to identify the more “anthropological” aspects expressed both on the individual and institutional (Orthodox Church) level, see Yannaras 1996 and Walker/Carras 1996.
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ern nationalism among the Romanians of Transylvania in the eighteenth and the first half of the nineteenth century” (Hitchins 1999, 7). The period 17001848 describes the gradual transformation of an identity that was initially religious and based upon the Romanians’ membership in the international Orthodox community into one that was national and broadly European. National, but never anti-religious, anti-clerical or anti-church. The story is long and complex (see Hitchins 1977; 1999; 1999a). In the final decade of the 17th century two events of crucial importance for the progress of the Romanians of Transylvania occurred: the political incorporation of the principality into the Habsburg Monarchy as a result of a successful war against the Ottoman Empire; and a religious union of a part of the Romanian Orthodox clergy and faithful with the Roman Catholic Church.18 The campaign to convert the Romanian Orthodox was but one aspect of the general Catholic resurgence in the Habsburg Monarchy in the latter half of the 17th century (Hann 2000, 15f.). On September 4, 1700, the Orthodox Metropolitan invoked a general synod, at which the Four Articles of the Council of Florence were solemnly adopted. The Uniate Church in Transylvania was born. On the same year the Emperor consecrated this religious act through the Second Leopoldine Diploma. An assessment of the church union reveals, first of all, that it brought few substantive changes to Romanian religious life. In matters of doctrine and practice, then, the two Romanian churches remained essentially Eastern. The importance of the union for the Romanians lies, therefore, elsewhere. What is important to understand at this point is that the most significant demand made by the Metropolitan Teofil – the leader of the Orthodox at that moment – was not religious at all but political: the new Uniate, or Greek Catholic Church, and its faithful should henceforth enjoy the same rights as the Roman Catholic Church and its members – the point made by Teofil was that the Romanians would no longer accept second-class status, but insisted upon being “received as sons of the fatherland“. The union – although the Uniate Church was never the church of the majority of Romanians in Transylvania – could be considered the first step of Romanian modernity, at least political modernity, and had profound effects on Romanian political development. The imperial diplomas of 1699 and 1701 provided a legal foundation for the later political activity of the Romanians as a separate, distinct entity in a country whose constitution had denied them recognition as a nation. The union also set Romanian intellectual life in a new 18
The Romanians formed a sizable proportion of the population of Transylvania in the 18th century: the conscription of 1721 showed 46,138 Romanian households subject to taxation, which represented almost 49% of the total of such households, and at the end of the century the number of Romanians was something over 50% of the total population. The exclusion of the Romanians from the ranks of the political nations was based in the first instance upon the criterion of social class.
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direction. The Uniate intellectual elite were the authors and the propagators of a new idea of nation. These intellectuals had come to view the connection with Rome from a perspective that transcended religious motives to embrace an entirely new idea of community. Gradually, from a religious and political idea of nation – based primarily upon legal precedents and privileged castes – the Romanian intellectuals developed an organic view of nation that blurred all distinctions between them except the ethnic. By the end of the 18th century, this modern conception of nation was prevalent. In 1790, for the first time, Romanians mounted an organized political campaign, in which Uniate intellectuals were joined by their Orthodox colleagues. They even requested permission to hold a national congress under the chairmanship of the two bishops, to which members of the clergy and nobility would be invited to discuss how best the demands of the Romanian nation might be fulfilled. The Supplex Libellus Valachorum, the most important single political act of the Romanians in the 18th century, claimed rights for all Romanians without regard to religion, and they presented their demands on behalf of the entire Romanian nation, United and Orthodox together. From now on, the distinction between the two religions had no political importance. The generation of Romanian intellectuals in Transylvania who reached maturity between 1830 and 1848 undertook to transform the Romanian cultural community into a full-fledged political nation (Hitchins 1999a). The trend on the other side of the Carpathians – Wallachia and Moldavia – was the same. At the beginning of the 19th century, Orthodox monks and bishops were actively involved in the struggle for national rights and national education against the Fanariot (Orthodox Greek) regime appointed by the Ottoman Empire. The slogan of the national-religious camp was that “no divine or natural law can condemn a nation for demanding its public rights” (see: Georgescu 1971, 145). Both churches – United and Orthodox – played a major role in 1918, when so-called Great Romania has been realized for the first time. In the Constitution which was promulgated after World War I the two churches were called “national churches“.19
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It is clear that in the explanation of contemporary high levels of religiosity in Eastern Europe, the relation between “national identity” and Church does not suffice. The Church could be perceived – and it is in many cases – as part of the “national patrimonium”, not as part of De Civitae Dei. It is difficult to make a clear cut distinction between “nationalism” and “religiosity” at this point. Nevertheless, this is still important in Eastern Europe, because of historical conditions: the Ottoman Empire was perceived as different both religiously – “pagan” – and ethnically – the “Turks”. The relations between ethnicity – later “national identity” – and religion is complex and should be taken into account even at the popular level.
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5.3. State-church Relation in the Orthodox Area The third element which has to be taken into account is the relation between church and state in this area. “External domination” or “power and alternative power” are categories which are included in the general debate concerning secularization (Martin 1978). My aim here is not to offer a theory of religion and political power in Southeastern Europe, but to suggest that a particular view on the church/state relation strongly influences the position of the church in society and, in the end, the process of secularization at the level of the entire community. The level of confidence in the Orthodox Church in polls and surveys has been consistently high in Romania since 1989: somewhere around 80-90%, in spite of its – apparent – “collaboration” with the communist regime. The explanation is not difficult to find, if we understand the perspective and the reaction the East Europeans had to Communism. The communist regime was perceived from the beginning as another “occupant” in a long series of occupants and dominant regimes which have marked the history of this part of Europe. In order to understand the condition of the Christian church, or, more accurately, the perspective of the people on the condition of their church, we must consider the condition of these societies at that moment. The Eastern societies were, at the beginning of the century, traditional, rural societies, with a high degree of religiosity. Religion was one of the major existential landmarks. Thus, the perspective of these societies on the political reality was, in turn, influenced by religion – including here also their perspective on Communism. And here we have a major distinction between our contemporary societies and the East European societies from the beginning of the 20th century. Essentially, the distinction is between the religious perspective and the secular perspective on Communism. The secular perspective on Communism – prevalent today – sees in it a totalitarian system which is inefficient economically, socially, and politically, a regime which trespasses systematically on human rights etc.; sometimes, it also recognizes the trespassing on the religious rights that happened in communist countries. In contrast, a religious perspective radically changes the hierarchies. Communism becomes here a political regime which is trying to turn all values and axiologies upside down, a system which closes or destroys churches, a project that wishes to substitute a worldly leader for God and to impose the reign of Anti-Christ on earth. In Romania, for instance, the latter was extremely powerful. Religious anti-communism was, probably, stronger in Romania than anywhere else. The fascist movement in Romania used religion and religious symbolism to the highest degree, which was very different from similar movements in Germany, Italy or elsewhere (Dungaciu 2000). That is the main reason why anti-Soviet propaganda was very effective and why terms like “anti-Soviet crusade” or the “battle with Anti-Christ” were used during the 1940s. Of
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course, we must add the geopolitical fact that Romania had a common frontier with the USSR and a better chance to be informed about what was happening in the “land of freedom“. Today, the secular perspective is predominant but to look at the communist issue only from this secular standpoint is to simplify it, especially when we are talking about the Christian church after 1944, when it found itself confronted with a regime denying its ontological premises from the very start. This is the framework – the one of an impossible meeting – within which we have to examine the relation between the church and the communist regime after the Soviet occupation. At least as far as the situation of the church is concerned, the saying of a recent commentator is very appropriate: “There is no communist society, but a communist domination of the society, which survives as well as it can” (Volkoff 1991, 54). To speak in this context about “adaptation” or “co-optation” of the church with the communist state, as Sabrina Ramet (Ramet 1988; 1989) does – among others (see also Gillet 1997) –, is therefore a truism and an oversimplification. What else could the church have done, realistically speaking? We must not forget that, for example, out of the 2544 prelates and religious officials imprisoned in Romania, 1888 were Orthodox, 235 were GreekCatholic, 172 Roman-Catholic, 67 Protestant, 25 Neo-Protestant, 23 Muslim, and 13 Jewish (Caravia et al. 1999). The real question is if in a government of terror a church does better or worse if it compromises with the state? To get sacraments to the people it needed a legal status. To have a legal status it had to do what the state wanted and not criticize the policy or the leaders of the state. If this was humiliation, a prelate sometimes had to put up with humiliation or the necessity for flattery of politicians because the higher good was that the people should get the sacraments and the faith which they needed. Patriarch Alexei in Moscow, Patriarch Justinian in Bucharest, Patriarch Kiril in Bulgaria, the Lutheran Bishop Schönherr in East-Berlin and the Lutheran archbishops in Latvia and Estonia all “helped their churches by a certain willingness to play along with the state”; that is, “to make the best of a bad situation, to get such freedom for the church as was still allowed, and in return to lay on courtesy or flattery for the state leaders, so that the state regarded the church, however lamentable and backward, as a help to it in being accepted by some of the people” (Chadwick 1993, 69). The question Owen Chadwick asked still remains: “Is it really the higher good to be silent in the face of injustice?” (ibid.) An open question. It is certain, that all the churches that were majority churches in their countries chose co-operation and not overt opposition.20 20
Only two famous cases here, described by the same author. After more than seventeen years of imprisonment, in 1963 the Uniate metropolitan Slipyj was released on condition that he did not talk. He went into exile in Rome and, in 1971, as Pope Paul VI moved for reconciliation with the East, Slipyj “could hold his peace no longer.” He talked of the “cruel
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This “solution” – compromises for sacraments – was adopted, in fact, everywhere in Eastern Europe: Catholic, Protestant or Orthodox areas. Compromise was and is, in fact, the condition of the church in this area. Or, at least, this is what even today many people still believe. And this interpretation is still prevalent and could be an explanation for the high level of trust accredited to the Orthodox Church after 1990.
6. Conclusion The main purpose of this text was to call attention to a theme that is important for the Eastern sociology of religion at the beginning of the millenium, both from the point of view of its substance and its up-to-dateness (the interest arosed by similar matters elsewhere can be proof). This theme is religiosity and secularization in the contemporary Christian Orthodox world, one of the least analyzed regions, in spite of its closeness to the West and its relatively easy accessibility, given the number of similar elements and common cultural evolution. If modernity has been unique in history in conceiving a secular world, obviously this is not the case with Orthodox societies. The main argument of my paper – and, additionally, I have tried to suggest some possible explanations for it – is that we cannot talk about a European modernity as such, because, from the point of view of religion, there are at least two models of modernization21 – and modernities – in Europe: the first one is typical for Western Europe, the second for Southeastern Europe
21
destruction of his Church.” Speaking in Rome, he “denounced the Vatican for its silence and failure to protest at the persecution of the Uniats by the Russians.” Lately Paul VI sent representatives to the Moscow council to pay respects at the election of the new Patriarch of Moscow, Pimen. There Pimen had declared the old union of the Ukrainians with Rome, the so-called Union of Brest-Litovsk, to be null and void. Yet not a single Roman Catholic present protested at this speech (ibid. 54). In the name of something more important, Slipyj’s voice had to be ignored. More interesting is the case of Jozsef Mindszenty, one of the most extraordinary prelates of the twentieth century. After October 1956 – the Hungarian Revolution – he remained in the American embassy in Budapest for fifteen years. In 1971, his presence hampered friendship between Hungary and the United States. The Pope ordered him to come out. His speeches in the West against communism caused some Hungarian bishops to ask Rome to silence him. The Pope did not allow him to publish his memoir – it could aggravate the predicament of the Hungarian church. However, Mindszenty published his memoirs, the only autobiography of a cardinal to end with a pitiless attack upon his Pope (ibid.). “Modernization” means here the socio-economic process; “modernism” – the discourse about/of modernization.
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(the Orthodox area). The process of modernization in Mitteleuropa could be a third model, although it seems an intermediary model between the two.22 There is a lot of work to do in the future in order to clarify the complex picture of the religious past and present of our continent.
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The main topic of my paper was Europe and European modernity/modernities. Islamic modernity, for example, is a too different subject to be approached here. Although “Eastern” and “Islamic” modernity resembling each other to some extent, the processes are not similar, and a comparative perspective should be very careful pursued. (On this topic, see Asad 2003.)
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Franz Höllinger
Social and cultural determinants of the vitality of 1 religion in Brazil 1. Introduction In contrast to Europe, where religious beliefs and practices have strongly declined in the course of the 20th century, religion continues to play a central role in private and in public life in large parts of the world. This applies both to developing and to advanced industrial societies. We observe the continuity of traditional forms of religion, highly emotional and fervent religious revivals, the emergence of religious fundamentalism, and the expansion of new religious cults and churches (Martin 1990, Marty/Appleby 1992, Beyer 1998, Berger 1999). When examining these developments, sociologists of religion were led to challenge the classical thesis of secularisation. Some have argued that the European way of secularisation might rather be an exception, and not the rule or a model which other societies would follow in the course of their socio-economic development (Martin 1994, Berger 1999). During the last decades new theses were proposed to explain the development of religion in our contemporary world more adequately. One line of argumentation holds that secularisation does not mean the end of religion, but a shift from universal religious institutions to religious pluralism and more individualist, private forms of religion (Parsons 1960, Berger 1967, Luckmann 1967, Inglehart/Baker 2000). Another model for the explanation of religious change in modern societies is based on rational choice theory. Applying market models to the operation of “religious economies”, followers of this approach argue that the level of religious activities will be even higher in modern, pluralist religious societies than in traditional societies with a universal or dominant religion, because consumers in the former can chose among a variety of religious denominations, and competition forces the suppliers of religious goods to make their products more attractive for specific segments of the population (Stark/Iannacone 1994, Finke/Stark 1998). However, the capacity of these two approaches to explain the religious development in different parts of the world is just as limited as 1
Dieser Beitrag wurde im Rahmen des Forschungsprojekts “Soziale und kulturelle Ursachen des religiösen Booms in Brasilien”, das vom österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung gefördert wird, erstellt.
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that of the classical thesis of secularisation. Neither the privatisation thesis of religion nor the market-model of religion is able to explain, why most people maintain traditional forms of religious belief (belief in God and other spiritual entities) and religious practice (such as prayer and participation in religious cults) in certain parts of the contemporary world, whereas traditional religion has strongly declined in other societies. The forms of religious life in specific countries and culture-areas of the modern world cannot be explained by one single thesis or factor. It can be understood only by means of a complex analysis, that takes account of the long-term historical developments of religious culture, the interaction of religious institutions with other spheres of society, and the motives why people turn to religion in a given social and historical context.
In this article, I will analyse the religious culture of Brazil, which, according to cross-national comparative surveys, is one of the most religious societies
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in the contemporary world (see chart 1). The vitality of religion in LatinAmerica in general, and in Brazil in particular, and the unexpected emergence of new forms of religion on this continent have attracted the attention of European and American social scientists for decades. Particular attention has been given to the Theology of Liberation and the Catholic Base Communities which constituted a central factor of religious innovation and political democratisation in the 1970s and 1980s (Goldstein 1989, Mainwaring/Wilde 1989, Imhof 1990, Vásquez 1998), and to the rapid expansion of Pentecostalism all over Latin America (Martin 1990, Burdick 1993, Berryman 1996, Chesnut 1997, Freston 1998, Corten 1999). European social scientists have also investigated the formation of New Afro-Brazilian cults and their diffusion not only among the black, but also among the white population in the metropolitan areas of Brazil and Argentina (Brown 1994, Hofbauer 1995, Voeks 1997, Sjorslev 1999). Almost all studies on religion in Latin America carried out by European and North-American scholars have focussed on a specific religious movement or on selected aspects of religious life. In this article, the religious culture of Brazil is considered in its totality. I briefly describe the principal religious denominations and movements and the main types of religious beliefs and practice in this country. I then offer an explanation why these forms of religiousness are maintained up to present times, and why the vitality of religion is so strong.
2. The principal forms of religion in Brazil From colonial times until the second half of the 19th century, Catholicism held the position of a State Church and was the only officially permitted religion in Brazil. Since the late 19th century new denominations and religious movements entered the religious arena. With the increase of immigration from Central and North-Western Europe, Protestant denominations and Spiritism2, based on the doctrine of the French Spiritist Alan Cardec, gained ground. In the first decades of the 20th century Northern American missionaries started to implant Pentecostalism, a new form of Protestantism characterised by a high level of emotional involvement, in the urban areas of Brazil. At about the same time, Umbanda, a new religion combining elements of 2
In English, both the term Spiritism and the term Spiritualism are used in regard to the doctrine of Allan Kardec. In my opinion, Spiritism is the more exact term, because it refers more clearly to the central element of Kardecs doctrine, the communication with spirits (of ancestors) during Spiritist sessions, while Spiritualism can also mean a philosophical doctrine which posits the superiority of the spiritual over the material world.
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Brazilian indigenous religions, Afro-Brazilian cults, Spiritism and Catholicism, emerged in the metropolitan areas of South Brazil (Brown 1994, Silva 1995). During the last decades, new Pentecostal denominations most of which were not imported from abroad, but founded within Brazil (e.g. Igreja Universal do Reino do Deus – Universal Church of the Kingdom of God), were highly successful all over the country (Burdick 1993, Corten 1999, Mariano 1999). At the same time, parallel to the decline of Catholic Base Communities and as a response to the expansion to Neopentecostalism, the Charismatic Renewal became a powerful movement within the Catholic Church (Prandi 1997, Pierucci/Prandi 2000). In spite of the existence of an open religious market, Catholicism continues to be the strongest religion in Brazil. According to the results of the International Social Survey Programme (ISSP-1998) and to data presented in Pierucci/Prandi 2000, 70% of Brazilians denominate themselves as Catholics. Somewhat less than 5% belong to so-called historical Protestant denominations, such as Baptist, Presbyterian and Lutheran churches. 13% are followers of one of the numerous Pentecostal churches. 2% of Brazilians are Spiritists (Espíritas Kardecistas). Only 1% declares to be members of Afro-Brazilian religions or of Umbanda. This number underestimates the importance of Afro-Brazilian religions within the religious arena of Brazil. Because of their former persecution and stigmatisation, many followers up to present times do not openly admit their participation in such religions. Still, the number of adherents is relatively low. One potential explanation is the form of religiousness they practise: membership is based on a process of initiation, and the ritual exigencies for members are rather high, similar to those of Christian lay orders. However, according to social scientists who have studied this field, millions of Brazilians occasionally participate in religious rituals of these religions, and an even larger number attends their spiritual-healing and counselling services (Silva 1995, Prandi 1997). Thus, the numbers presented give only a limited view of the dynamic and complex situation of religion in Brazil, because they do not take multiple religious identities3 into account: Many Brazilians attend religious services of more than one church. Many move from one denomination to another in the course of their life. Chart 2 illustrates the religious field in contemporary Brazil. Overlaps between circles indicate membership flows, competition, as well as affinities between the respective religious groups in terms of religious doctrine and practice.
3
Multiple religious identities are facilitated by the fact that church membership is much less formal in Brazil than in Europe. If asked for their religion in the questionnaire, most people who attend both Catholic and Spiritist or Afro-Brazilian religious services denominate themselves as Catholics.
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The overwhelming majority of Brazilians, whatever their religious denomination, pray regularly. This common denominator of religiousness is supplemented by a variety of more specific forms of religious practice. Typical religious rituals of popular Catholicism are lighting candles, using religious amulets, and the cult of saints, which has its annual heyday at the festa do santo (Zaluar 1983, Brandão 1986 and 1987, Parker 1996 and 1998). Another important aspect of popular Catholicism is the tradition of pilgrimages to the sanctuary of a saint, typically a place where religious miracles have taken place or where a charismatic religious leader, such as Padre Cicero, has lived (Fernandes 1988, Steil 1996). The sanctuary of Nossa Senhora de Aparecida in the State of São Paulo, for example, attracts more than 100.000 pilgrims on an average Sunday of the year (Fernandes 1988). European visitors, who know the sober and austere atmosphere at Catholic sanctuaries in Europe, are
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impressed by the intensity of religious devotion, but also by the joyful atmosphere exhibited at such places in Brazil. Further important aspects of religious life in Brazil are trance rituals, spirit possession4 and other forms of communication with spiritual entities. This kind of religious practice forms the basis of all Afro-Brazilian and Spiritist cults (Bastide 1978, Silva 1995, Prandi 1996, Sjorslev 1999). Religious rituals provoking trance-like states and the experience of the presence of spiritual forces in ones life play an important role also in Pentecostalism and in the Catholic Charismatic Movement (Fry/Howe 1975, Prandi 1997). In addition, spiritual healing ceremonies are offered in practically all churches and religious denominations where spiritual possession rituals and related phenomena are practiced. The term “spiritual healing” does not refer only to the healing of physical and mental diseases, but also to the treatment of many other kinds of individual problems, such as unemployment, poverty, marital problems, family violence, etc., by means of spiritual treatment and counselling (Dilthey 1993, Voeks 1997, Fry/Howe 1975, Greenfield 1999). The emphasis given to attendance of religious service varies by denomination (see chart 3). It is very high among historical Protestants and Pentecostals. Due to the lack of Catholic clergy during the colonial period, no regular Sunday mass was provided in many villages; thus, in traditional popular Catholicism, dominical church attendance was not considered important. Sunday mass became more important particularly in the larger cities only since the so-called Romanisation of Catholicism in the second half of the 19th century. In the last decades, the Charismatic movement became an important factor for the increase of church attendance among Catholics. Summarizing this short overview of the religious field and of the forms of religiousness in contemporary Brazil we can say that the overwhelming majority of Brazilians is profoundly religious. This does not only apply to adepts of the new religious movements, but also to “ordinary” Catholics, even if they attend mass only occasionally.
4
The anthropological term spirit possession refers to the incorporation of spirits (ancestor spirits, gods or demons) during religious cults; i.e the participant of the cult feels the presence of the spirit within his body. Spirit possession can be induced voluntarily by means of trance rituals, but it can also occur involuntarily. For a detailed discussion see Bastide 1975.
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Chart 3: Religious practice by denomination 74%
Catholic
28% 85%
Hist. Protestant
79% 80%
Pentecostal
73% 75%
Espirita
48% 81%
Afro-Brazilian
38% 70%
Other
65% 51%
None
10%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
pray daily or several times per week attend mass or service weekly Source: ISSP-1998 Brazil, N=2000
3. Social and cultural determinants of the religious culture of Brazil According to the market theory of religion, the success of new churches and new religious movements in Latin America can be explained by the fact that the religious market has been deregulated in the course of democratisation and socio-economic modernisation, and that, under the conditions of a free
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religious market, religious groups are driven to make their products more attractive for specific segments of the population (Finke/Stark 1998). In fact, the use of modern marketing methods and the transformation of religious cults into spectacular “shows” appears to have contributed considerably to the success of the more recently founded Pentecostal churches, and has stimulated other churches to apply similar strategies in order to (re)gain members. However, it is not enough to consider only the “supply-side of religion” (Stark/Iannacone 1994) when we seek to explain the vitality of religion in Latin America. In most European countries freedom of religious choice has been granted since at least one hundred years. Today, a large number of free churches and new religious communities exist in all European cities, yet most of them are not able to attract a larger number of followers. Why are Latin Americans in general, and Brazilians in particular so much more receptive to religion than Europeans? Two factors, I will argue, are most important for explaining this striking difference: the historical formation of the religious culture of Brazil under the conditions of a multi-ethnic colonial society, and the social and material conditions determining the religious needs of the people in contemporary Brazil. The importance of the precarious life-conditions of a large part of the Brazilian population for the emergence and expansion of new religious movements in Brazil has been analysed at length in many sociological studies (Fry/Howe 1975, Martin 1990, Burdick 1993, Corten 1999, Berryman 1996, Mariz 1994, Chesnut 1997). Thus I will examine this factor only very briefly, focusing instead on the analysis of the historical formation of the religious culture of Brazil.
3.1. The social and material conditions determining religious needs The German proverb “Not lehrt beten” (misery teaches people to pray) expresses the commonly known experience that many people turn to religion when they are suffering from diseases, misery and other kinds of existential insecurity. As a consequence of the social structures created during the colonial period, Brazil is one of the most inegalitarian societies in the contemporary world. In addition, during the last decades the country has undergone a rapid process of urbanisation resulting in social anomy both among the dwellers of metropolitan favelas and among the population left behind at the countryside in precarious living conditions. Today, the level of crime and physical violence in Brazil is one of the highest in the world.5 Welfare-state provisions are almost non-existent, and the public health system has many deficits. Under these social conditions, religion remains an important factor 5
According to statistics presented at http://www.guncite.com/gun_control_gcgvinco.html the Brazilian homicide rate in the 1990ies was around four times as high as the respective rate in the USA and 10 to 20 times as high as in European countries.
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for providing emotional, social and material support. Practically all sociological studies of Pentecostalism in Latin America have emphasized that poverty and anomy in urbanized areas drive people to join Pentecostal churches or other cults that offer spiritual healing services (Martin 1990, Burdick 1993, Corten 1999, Mariz 1994, Chesnut 1997). Also the results of ISSP-1998 confirm that Pentecostal churches recruit their members predominantly from the poorer social strata. However, as can be seen in Chart 4, these data also show that the level of religiousness in terms of frequency of prayer and church attendance is almost as high among the higher educated and richer strata as among the poor and less educated (the results refer to the overall sample, including all denominations and respondents without denomination). I suggest the following explanation for this finding: Not only the poor, but also more affluent people are affected by the social conditions ruling in Brazil. They too are threatened by crime and physical violence, afraid to lose their job or their savings due to the unstable economic situation. In addition we have to take into consideration, that due to specific cultural and historical constellations, which will be discussed in the next section, Brazilians in general are more inclined than Europeans to turn to religion when they are in need of help or life-support. The differentiation of the religious field into a variety of religious denominations and groups facilitates that everybody can find adequate answers for his/her religious needs: people from the lower social strata feel more attracted to Popular Catholicism, Afro-Brazilian religions and Pentecostal churches, while members of the middle classes prefer Spiritist communities, (historical) Protestant denominations, the romanized form of Catholicism and also the Charismatic Renewal.
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270
Chart 4: Religious practice by level of education and income a) level of ededucation 76%
Primary
38%
(n=1109)
73%
Secondary
35%
(n= (n = 476)
70%
College/University
35%
(n= 415)
0%
20%
40%
60%
80%
100%
b) family income per capita 74%
less than 100 Reais
35%
(n= 912)
73%
100 to 500 Reais
39%
(n= 893)
69%
more than 500 Reais
34%
(n= 93)
0%
20%
40%
60%
80%
pray daily attend mass or service weekly
Source: ISSPISSP-1998 Brazil, N=2000.
100%
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271
3.2. The historical formation of the religious culture of Brazil The first centuries of a new society are of particular importance for the formation of its religious culture. During this formative period, new patterns of religious attitudes and behaviour are created which tend to persist over long periods of history.6 The following factors are crucial for the formation of the religious culture of Brazil: a) The strong presence of Brazilian indigenous and African elements in popular religion During the colonial period, Brazilian Indians and African slaves contributed strongly to the formation of the new Brazilian society and culture. The number of African slaves who were imported to Brazil from 1550 until the abolition of slavery in the late 19th century amounts to 3,5 to 4 millions. The number of Portuguese who immigrated to Brazil during the colonial period is unknown. According to information provided in historical documents, in the 17th and 18th centuries the black population clearly exceeded the white population (Bastide1978, 52-54). The indigenous population, which, according to the estimates of historians, amounted to 1 to 10 millions before the arrival of the Portuguese, was strongly decimated as a consequence of epidemic plagues imported by the colonists. However, as a consequence of the amalgamation between Whites and Indians, which started immediately after the discovery of Brazil and continued through the entire colonial period, many elements of native Indian culture were incorporated into the newly emerging Brazilian culture. At the same time, a considerable number of mulattos emerged from sexual relationships of white masters and their sons with female African slaves. The ethnic and cultural amalgamation increased successively through marriages and love affairs between mulattos, freed and escaped slaves with lower-class whites and with offspring of the indigenous population (Freyre 1965, Bastide 1978). This development also had a strong impact on the formation of religious culture: Even if all Brazilians were formally Catholic, popular religion was, and continues to be, strongly mixed with elements of Brazilian-indigenous and African elements (Gerbert 1970).
6
A similar argument can be found in David Martins “A General Theory of Secularisation”: “… at certain crucial periods in their history societies acquire a particular frame and … subsequent events persistently move within the limits of that frame” (1978, 15). Martin designates this phenomenon as “beneficient” and “vicious” circles. The existence of a “beneficient circle”, that is of historical conditions that were favourable to a positive role of religion in society, can be observed very clearly in the case of the United States, as well as in Ireland and Poland. Many other European countries, on the other hand, are examples for Martin´s “vicious circle“ (Höllinger 1996).
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Highly important in this regard are beliefs in spirits and the use of collective trance rituals in order to induce spirit possession and other forms of communication with spirits or gods (Métraux 1979, Bastide 1978). In various religions, which are based on communication with spiritual entities, this phenomenon assumes different forms and is explained in different ways. Yet they all have in common that the person in trance is strongly convinced to feel the presence of a spirit or deity within his/her own body or around him/herself: In the cults of Afro-Brazilian religions (Candomblé etc.), the initiated members of the religious community feel possessed by African deities. During the state of trance each person acts in the way which is characteristic for the “personality” of the deity he/she incorporates. In Umbanda, spirits of dead Indian chiefs or of wise African slaves are incorporated. Mediums of Spiritist communities (Espíritas) do not incorporate, but communicate with spirits. They receive important information and support from more “highly developed” (good) spirits (Bastide 1975, Ortiz 1978). In the ecstatic atmosphere of Pentecostal cults and Charismatic prayer groups, a part of believers feels pervaded by God or the Holy Spirit. In addition to consciously invocated and ritually controlled forms of communication with spirits, all these religions also deal with spontaneous and involuntary forms of spiritual possession (e.g. demonic possession). Both in Brazilian indigenous and in Black-African cultures diseases and other kinds of individual or collective misfortune were considered to be caused by the influence of bad spirits. Thus, the domestication or the expulsion of these spirits was a central element of shamanist healing-techniques. With the Christianisation of Brazil, these forms of spiritual curing techniques were partly integrated into popular Catholicism, partly practised outside of it in secret cults, or in the form of faith-healing and witchcraft. All over the country, different categories of persons have been accredited as spiritual healers: “rezadores” (persons whose prayer is considered to have particular effects), “bencedeiros” (persons who consecrate others), “beatos” (living “saints”), priests of Afro-Brazilian religions (“pai de santo” and “mãe de santo”), Spiritist mediums (“mediuns”, “videntes”), faith-healers (“curandeiros”), and sorcerers (“feitiçeiros”). Many Brazilians do not turn only to one, but to different kinds of spiritual and healing experts, when they suffer from diseases or other kinds of personal afflictions. The respective religious background determines whether the work of a particular agent is considered religion or sorcery, white or black magic (Brandão 1987, Maggie 1992, Birman/Novães/Crespo 1997). Thus, in Brazil, differently from Europe, spiritual healing has remained an important aspect of religion up to present times (Fry/Howe 1975, Martin 1990, Voeks 1997, Kriesel 2001).
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273
b) The position of the Catholic Church and clergy in Brazilian society During the entire colonial period, the Catholic clergy was installed, controlled by and tied to the interests of the Portuguese crown and the ruling aristocratic elite of the colony. Consequently, the clergy was expected to legitimate the politics and social institutions which served the interests of the elite. Nevertheless, part of the clergy, in particular Jesuit missionaries and other religious orders, defended the rights and interests of the indigenous population (Hoornaert 1977, Azzi 1969). This pattern, established at the beginning of the colonisation of Brazil, still persists: one part of the clergy supports the ruling political and economic elite, while another part sides with the poor and oppressed masses and fights for their social rights. The relative strength of these two wings of the Catholic Church in Brazil has varied in the course of history. In most periods, the repressive wing of the Church, legitimating the privileges of the rich, has dominated over the egalitarian wing. Another important aspect for understanding the religious culture of Brazil is the fact that during the colonial regime, but also in later times, the number of Catholic priests was very low. According to the first Brazilian census from 1872, the ratio of clergy to population was one member of the clergy (including priests and members of male and female religious orders) per 4000 lay persons. In 1920 this ratio was 1 to 3.600 (Azzi 1969). By comparison, the censuses of the Austro-Hungarian Monarchy from 1890, 1900 and 1910 show a ratio of one member of the clergy to around 500 lay people.7 A plausible explanation for the lack of clergy in Brazil is that working-methods and the way of life of religious leaders in native Indian and African societies were so different from the respective Catholic concepts that neither the descendants of Indians nor the descendants of African slaves had much interest in Catholic clerical professions. In order to improve the supply with clergy, Catholic churches in Europe sent a considerable number of missionaries, priests and members of religious congregations to Brazil and other Latin American countries. Still in 1920 around 50 percent of the male clergy, and one third of the members of female Catholic orders were born outside Brazil (Azzi 1969). The lack of clergy had important consequences for religious life in Colonial Brazil: The Christianization of Indians and African slaves remained at a very superficial level, but also the level of religious supervision of Portuguese immigrants was very low. The religious behaviour of the population was determined much more by non-Christian traditions and medieval lay Catholicism than by the official doctrines of Catholicism. In most cases, a priest had to attend the religious needs of several local communities, which were geographically dispersed over large areas. He was thus able to visit each 7
Source: Tafeln zur Statistik der österreichischen Monarchie, Wien 1900 and 1910.
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community only now and then. Due to this situation, religious self-organisation at the local level remained high. Most rituals and forms of devotion of popular religion were organised and carried out by the local community without the participation and leadership of a priest. The role of the Catholic priest was reduced to the function of administering the sacraments of baptism and marriage, and to celebrate mass on special occasions (Hoornaert 1977, Brandão 1986). People accepted the priest as the official religious authority, but not as a person of confidence. In cases of personal or spiritual problems, they rather turned to a local religious expert or healer than to a Catholic priest. As a consequence of this historical constellation, up to present times the majority of Brazilians attaches much more importance to popular religion and its religious lay agents than to the official Catholic Church and its clergy. c) The tradition of religious utopias and messianic movements Since the times of colonization, Jesuits and other chroniclers had repeatedly observed a social phenomenon among indigenous tribes which modern anthropologists designate as messianic movements. In these movements, a charismatic itinerant shaman preached the existence of a land without evil, and persuaded the members of a tribe to follow him to this promised land. In the second half of the 19th and early 20th centuries, a considerable number of similar movements, now in the form of Christian movements, emerged in rural areas of Brazil. The most famous leaders of such messianic movements in Brazil were Antonio Conselheiro (Antonio the Counsellor) who founded the holy city of Canudos, and Padre Cicero who created the holy city of Juazeiro. While the first movement was destroyed totally through a cruel military intervention, Juazeiro remained one of the most important Brazilian sanctuaries up to present times, attracting millions of pilgrims every year (Della Cava 1976, Monteiro 1985, Cunha 2000). Pereira de Queiroz, author of the most comprehensive analysis of messianic movements in Brazil, has argued that in the case of both indigenous and rural messianism religious myths facilitated the emergence of such movements (Pereira de Queiroz 1965). Yet these movements were at the same time reactions to extreme forms of misery, social tensions and anomy caused by dramatic transformations of society. In most instances, the social order erected by messianic leaders was based on the restoration of solidarity and moral integrity, but also on an ascetic, disciplined way of life as a means of improving ones social and material conditions (Pereira de Queiroz 1965, Gerbert 1970). In the second half of the 20th century, messianic movements have become less frequent and less spectacular, but they still exist: a well known example is the “Vale do Amanhecer” (Valley of Awakening), a syncretistic community founded 1968 by Tia Neiva in the surroundings of Brasilia. In the meantime, this community has reached the size of a town of more than 20.000 inhabitants, and around 300 settlements have been established all over Brazil. To some extent, the Brazilian
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tradition of messianic and utopian religious movements is carried forward also by Pentecostal churches insofar as they promise a radically new and better life to those, who follow their religious and moral doctrine (see Brandão 1987).
4. Conclusion In recent years, sociology of religion was confronted with a surprising phenomenon: Contrary to the expectation and prediction of generations of sociologists that the process of modernization would inevitably lead to a decline of religion, religion continues to be a central dimension of social life in many parts of the world including highly industrialized and urbanized regions. Moreover, the massive emergence of religious fundamentalism and new religious movements has given rise to the speculation that the trend towards secularisation and disenchantment which characterized the earlier stages of modernity, has turned back into a process of de-secularisation and re-enchantment in more recent times. Brazil is one contemporary country where the vitality of traditional forms of religion and the outburst of new religious movements is most striking. Three new types of religion gained ground already in the first half of the 20th century: Spiritism based on the doctrine of the French Spiritist Allan Cardec, Umbanda, a new religion composed of elements of Spiritism, Afro-Brazilian cults and Catholicism, and Pentecostal churches which were implanted by North-American missionaries. In the 1970s and 1980s, the Theology of Liberation and the Catholic Base Communities became an important social factor in the fight for democracy and a more egalitarian society. During the last decades, a new wave of Pentecostalism and the Catholic Charismatic Renewal expanded rapidly throughout the country. Presently, around 13% of the population are fervent members of a Pentecostal churches, and 5% of Brazilians are active participants in the Catholic Charismatic Renewal. In the case of Brazil, the emergence of new religious groups and movements does not indicate a re-enchantment and return to religion – most Brazilians never turned away from religion. Rather, the new religious movements should be seen as a reorganization and adaptation of the religious field in regard to the life conditions of contemporary Brazilian society. Sociological analyses of the rise and the diffusion of these new religious movements in Brazil and in Latin America have focussed on two explanatory factors: a) the new religious movements are efforts of coping with poverty and afflictions caused by extreme forms of social inequality and by the accelerated process of urbanization in Latin America. In fact, the amelioration of life-conditions is a central goal for all these movements. b) Under the condi-
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tion of a free religious market, the mechanism of competition forces the “suppliers of religious goods” to make their products more attractive, and leads to a more innovative and dynamic religious culture. However, the vitality of religion in Brazil cannot be explained by these two factors alone. If poverty would be the principal motive for drawing to religion, we should expect that the level of religiousness is higher among the poor. It is true that some of the new religious movements recruit their followers predominantly from the urban poor; but survey data indicate that the level of religiousness, measured by indicators such as frequency of prayer and church attendance, is very similar in all social strata, with the exception of the class of intellectuals. Also, the existence of an open religious market does not necessarily lead to higher demand for religion, as countries such as Great Britain or the Netherlands illustrate. In these countries, freedom of religion was established much earlier than in the Latin American countries; yet in spite of their pluralist religious system, levels of religious participation are rather low. In this article, I have drawn attention to a third factor, which must supplement the two aforementioned factors for understanding the situation of religion in contemporary Brazil and in other societies: the historical formation of religious culture. My argumentation can be summarised as follows: As a consequence of ethnic amalgamation between Portuguese colonists, native Indians and African slaves, the religious culture emerging during the Colonial period was strongly permeated with elements of magic and spiritist religiousness of native Indian and African tribal cultures. Because of the political and economic power-structure, the entire population was converted to Catholicism. However, due to the lack of clergy, the Catholic Church was not able to exert much pressure on the standards of religious life of the lay population. Therefore, under the surface of the official state religion of Catholicism and at its margins many elements of the archaic tribal religions survived and occupied a large space in the religious life of the majority of the population. Examples are the belief in spirits and the use of trance-rituals as a means of invoking spiritual possession. Also the close connection between religion and spiritual healing remained upright in this socio-cultural environment. Not the catholic clergy, but spiritual agents and healers which continued to work on the basis of shamanistic trance and healing techniques, were the most relevant religious experts for the population. Since the end of the 19th century the process of democratisation, industrialization and urbanization opened the way for freedom of religious choice and religious pluralism. This new social situation permitted the hitherto prohibited and marginalized Afro-Brazilian religions and other forms of popular Spiritism and spiritual healing to come to the fore. The success of most of the new religions emerging in the course of the 20th century, Spiritism, Umbanda, Pentecostalism and the Catholic Charismatic Renewal, can be attributed to a great extent to the fact, that they succeeded to adapt traditional forms of Brazilian popular religion to the life-conditions of modern, urban society.
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I conclude with a few remarks about the similarities and differences of the religious cultures of Brazil, the United States and of Europe. Both in Brazil and in the USA specific social and cultural constellations have allowed religion to remain a strong social power up to present times, while in most European countries a set of historical conditions has intensified the process of secularisation. The religious cultures of the USA and of Brazil are different in many regards, but some common factors exist which explain the vitality of religion in both countries. One such factor is the higher level of social and material insecurity in both American countries compared to the European Welfare States. A second factor is the role of religious organisations in the course of history. In the majority of European states, either the Catholic Church or a Protestant church has been able to establish a religious monopoly by means of a densely knit hierarchical network of religious organisations. Religious leadership was in the hand of a clergy whose authority was based on bureaucratic charisma (Amtscharisma). This type of clergy disseminated the religious orthodoxy of Lutheranism and of Counter-Reformist Catholicism, eradicating the popular beliefs in spirits and in magic, and suffocating religious leadership based on natural charisma. In striking contrast to this situation, a religious monopoly never existed in the USA. In Brazil, although Catholicism occupied the formal position of a State Church during colonial times, it did not have sufficient clerical manpower to effectively supervise and control religious life of the population. Thus, both in the USA and in Brazil, religiousness was based much more on small, independent local communities and lay-organisations, which were able to preserve the vitality of religion much better than the large, bureaucratically organized Churches in Europe.
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Alexander Geschwindner
Der Erfolg der evangelikalen Sekten in Lateinamerika: Der Fall des Mexikaners Oscar 1. Einleitung Dieser Aufsatz befaßt sich mit einem Phänomen, das laut David Martin für den weltweit „größten“ religiösen Wandel seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts verantwortlich ist: dem enormen Erfolg evangelikaler Sekten (Martin 2002, xvii). Vor allem die pfingstlerischen und neu-pfingstlerischen Gemeinschaften1 melden fast jährlich neue Mitgliederrekorde und zwar in weiten Teilen Lateinamerikas, Asiens (insbesondere Südkorea und China) und Afrikas (Martin 1990; 2002). Während es in Südkorea in den 1950er Jahren noch keine Evangelikalen gab, bekennen sich heute 25% der Bevölkerung zu einer evangelikalen Sekte; in Chiapas (Süd-Mexiko) und Guatemala erreicht der Konvertitenanteil ähnliche Ausmaße (vgl. Johnstone 1986, 55 und 62, Kern 2001). Der US-amerikanische Anthropologe David Stoll geht sogar soweit, seiner 1990 erschienen Monographie über evangelikale Sekten in Mittelamerika den Titel „Is Latin America Turning Protestant?“ zu geben. Warum sind die evangelikalen Sekten für Menschen in sogenannten Entwicklungsländern attraktiv?2 In dem vorliegenden Beitrag soll diese Frage exemplarisch anhand einer Fallstudie eines 1981 geborenen mexikanischen Anwärters auf die Mitgliedschaft in einer evangelikalen Sekte untersucht werden, wobei die soziale und historische Entwicklung Mexikos berücksichtigt wird. Als Methode der Fallrekonstruktion wird die Objektive Hermeneutik (vgl. Oevermann et al. 1979 und Oevermann 2000) verwendet. Dabei werden unterschiedliche Ausdrucksmaterialien wie die historische Situation Mexikos, die biographischen Daten des Falles sowie Interviewausschnitte rekonstruiert und zwar mit dem Ziel, die dem Fall zugrundeliegenden Systematik und Regelmäßigkeit, das heißt die Fallstrukturgesetzlichkeit, zu erschließen. Die Fallstrukturgesetzlichkeit ist allerdings kein Gesetz, das die Fallstruktur extern determiniert, sondern ist als „inneres Gesetze der Reproduktion und Transformation eines konkreten Falles“ (Oevermann 2000, 119) zu verste1 2
Mormonen und Zeugen Jehovas fallen nicht unter die Bezeichnung „evangelikale Sekten“, da sie sich neben der Bibel auch auf andere Quellen beziehen. Siehe dazu die umfangreiche Bibliographie des Hollenwegerzentrums in Amsterdam, die im Internet unter casnws.scw.vu.nl/PentecoStudies/biblio/indexbiblio.html abrufbar ist.
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Alexander Geschwindner
hen. Bei einem solchen fallrekonstruktiven Vorgehen gilt der Fall auch als Ausdruck allgemeiner Handlungsprobleme und Strukturen und kann somit als Typus generalisiert werden (ebd.). Der Beantwortung der Forschungsfrage wird sich in mehreren Schritten angenähert: Als Ausgangspunkt (2.) wird die historische Situation Mexikos der 1990er Jahre skizziert und vor diesem Hintergrund die Entwicklungschancen der in dieser Zeit Adoleszenten bestimmt. Anschließend (3.1.) folgt eine Analyse der biographischen Daten Oskars. Danach werden zwei ausgewählte Interviewstellen interpretiert (3.2., 3.3.), in denen es um die Bedeutung der evangelikalen Sekten für den Jugendlichen geht, die Forschungsfrage also unmittelbar thematisch ist.
2. Historische Einbettung: Mexiko in den 1990er Jahren Mexiko befand sich in den Jahren 1995/96, ausgehend von einer starken Devaluierung des Pesos im Dezember 1994, in einer akuten Wirtschaftskrise. Die sogenannte Pesokrise wurde durch den Wirtschaftsboom Anfang der 1990er Jahre ausgelöst. Es lassen sich zwei Gründe ausfindig machen, die zu einer Überbewertung der mexikanischen Wirtschaftskraft führten: Einerseits die verbesserte internationale Kreditsituation nach dem „Washington-Consensus“, der die Schuldenkrise Anfang der 1980er Jahre verdrängte, und andererseits die wirtschaftliche Öffnung durch die Freihandelszone NAFTA (North American Free Trade Agreement), die zu einer starken Wirtschaftsbelebung beitrug. Mexiko sah sich seinem Ziel, eine dynamische Industrienation zu werden, sehr nahe. Mit der Pesokrise endete diese Phase des Aufschwungs abrupt. Erneut war der mexikanische Staat, wie bei der großen Schuldenkrise Anfang der 1980er Jahre, auf internationale Geldgeber (IWF und Weltbank) angewiesen, die harte Forderungen an die Vergabe von Krediten – vor allem im Sozialbereich – knüpften. Auf der individuellen Handlungsebene verstärkte sich ein Trend, der seit Anfang der 1980er Jahre zu beobachten ist und als Ausdruck der latenten Krise Mexikos gedeutet werden kann: Zum einen erhöhte sich der Druck zur Emigration in die USA bzw. an die Grenze der USA, wo Mexikaner in maquiladoras – Unternehmen, die für den Export produzieren – einfache manuelle Tätigkeiten verrichten. Zum anderen versuchten viele Mexikaner durch das Abtauchen in die Kriminalität, worunter strenggenommen auch die Schwarzarbeit im informellen Sektor fällt, ein Einkommen zu erhalten und über diesen Weg einen sozialen Aufstieg zu verwirklichen. Die noch bis Ende der 1970er Jahre bestehende Möglichkeit, im formellen Sektor Arbeit
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zu finden, ist heute ausgehöhlt.3 Als weitere Indikatoren für einen allgemeinen gesellschaftlichen Krisenzustand, der die Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen begrenzt, lassen sich die seit Anfang der 1980er Jahre enorm gestiegene Ungleichheit, die für ganz Lateinamerika charakteristische negative Reallohnentwicklung und der rapide Rückgang der Mindestlöhne anführen (vgl. Lustig 1998, 14-27, Boris 2001, 69-79, BID/CEPAL/PNUD 1995, Corbacho/Schwartz 2002). Der Graben zwischen Armen und Wohlhabenden vergrößerte sich in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts massiv. Abgeschnitten von sozialen Mobilitätschancen, die eine formelle Tätigkeit eröffnen würde, sind die in Armut lebenden Bevölkerungsteile auf ihre primären Vergemeinschaftungen – vor allem Nachbarn und Verwandte – und die dort vorherrschenden partikularistischen Normensysteme verwiesen, die den Individuen eine Stabilität im Rahmen gegenseitiger Fürsorgeverpflichtung gewährleisten. Die damit einhergehende höhere Abhängigkeit der Individuen von ihrem Umfeld bedeutet eine zusätzliche Einschränkung ihrer Handlungsmöglichkeiten. Der Staat, der Aufstiegschancen durch die Einrichtung von Bildungs- und Sozialinstitutionen außerhalb der primären Vergemeinschaftungen schaffen wollte, büßte diese Möglichkeit mit der Schuldenkrise Anfang der 1980er Jahre und den darauf folgenden Sparmaßnahmen im Sozialbereich ein. Diese Tendenz der Aushöhlung formeller Beschäftigungsmöglichkeiten und das Angewiesensein auf partikularistische Normensysteme zeigt die Kontinuität der kolonialen Strukturen, die bis in die heutige Zeit hineinreichen: Der Dualismus zwischen formell gültigem Recht und den in der Realität davon abweichenden informellen Normkomplexen. Der moderne Staat, wie ihn z.B. Weber (1972) beschreibt, der für westliche Industrienationen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts charakteristisch ist, hat sich in den lateinamerikanischen Ländern trotz liberaler Verfassungen nie durchsetzen können. Waldmann (2002, 97) macht dafür die chronische Schwäche des lateinamerikanischen Staates verantwortlich, wofür er drei Gründe anführt: Erstens sei es dem Staat nicht gelungen, seine Kontrolle auf das gesamte Territorium auszudehnen, zweitens habe er es selbst an Orten, wo er unbestrittene Vorherrschaft ausübt, wie etwa in Großstädten, nicht vermocht, das Gewaltmonopol durchzusetzen, und drittens habe er in den Augen seiner Bürger zu keinem Zeitpunkt die Glaubwürdigkeit erlangt, die für die Durchsetzung des Rechts notwendig gewesen wäre. Alle drei Faktoren seien für die Beständigkeit paralleler Normengefüge verantwortlich, die dazu führten, daß in den unteren Schichten ein Interesse besteht, möglichst nichts mit den für ihre Willkür bekannten staatlichen Institutionen zu tun zu haben. Dieses Mißtrauen ist tatsächlich begründet, denn der Staat, wie die koloniale und moderne Ge3
In Mexiko gehen laut mexikanischem Statistikinstitut INEGI (2003) von den 41 Mio. Beschäftigten etwa 10 Mio. einer informellen Tätigkeit nach (vgl. OIT 2001).
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schichte Lateinamerikas lehrt, dient in der überragenden Anzahl der Fälle vor allem den Partikularinteressen einer kleinen überschaubaren Gruppe aus der Mittel- und Oberschicht (vgl. Lomnitz/Gorbach 1998).4 Eingebettet in dieser mehrschichtigen gesellschaftlichen Rahmung wächst Oscar, der 1981 in Mexiko-Stadt geboren wurde, auf. Seine Altersgruppe erlebt die Pesokrise in der Phase der Ablösung von der Herkunftsfamilie mit 14, 15 Jahren. Angesichts dieser besonderen Konstellation, welche die seit Anfang der 1980er Jahre latent vorliegende Krise Mexikos manifest werden ließ, stellt sich die Frage, welche objektiven Möglichkeiten Oscar und seinen Altersgenossen offenstehen. Die ohnehin eingeschränkten Möglichkeiten in eine formelle Anstellung zu gelangen, sind, wenn man nicht aus einem privilegierten Elternhaus stammt, zusätzlich erschwert. Der Staat könnte in dieser Krise Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten schaffen, welche die Chancen der Jugendlichen, eine formelle Tätigkeit zu erlangen, erhöhen würden. Statt dessen schränkte der Staat mit seiner „neoliberalen“ Politik seit Anfang der 1980er Jahre die Sozialausgaben drastisch ein. Er wird von der Bevölkerung für den wirtschaftlichen Zusammenbruch durch die Aufrechterhaltung der Illusion eines Wirtschaftsbooms für die Präsidentschaftswahl Mitte 1994 verantwortlich gemacht.5 Da die staatlichen Institutionen keine Optionen auf formelle Arbeit eröffnen, bleiben die Jugendlichen auf die Unterstützungssysteme aus primären Vergemeinschaftungen mit ihren partikularistischen Normensystemen angewiesen. Ihre Möglichkeiten sind daher beschränkt: Sie müssen sich entweder in den informellen Sektor begeben, der vom Verkauf von Waren auf der Straße bis zu kriminellen Tätigkeiten reicht, oder den Weg in die Emigration wählen.6 Durch diese enge Bindung und das Angewiesensein auf die primäre Vergemeinschaftung entsteht zugleich eine Abhängigkeit, welche die Individuierungsmöglichkeiten der Adoleszenten deutlich einschränkt. Da für die Altersgruppe, der Oscar angehört, einerseits der Konformitätsdruck der Umwelt, zu der sie in einem Abhängigkeitsverhältnis steht, sehr 4 5
6
Die bekanntesten Beispiele neuerer Zeit sind Menem für Argentinien, Fujimori für Peru und Carlos Salinas de Gortari für Mexiko. Die internationalen Organisationen (IWF und Weltbank) werden in dieser Hinsicht mit den staatlichen Institutionen assoziiert, denn schließlich waren es diese, die von den betroffenen Ländern die weitere Einschränkung der Sozialausgaben und die außenwirtschaftliche Öffnung forderten. Eine weitere Handlungsoption, die sich mit der außenwirtschaftlichen Öffnung des Landes ergab, kann noch angeführt werden: Die Beschäftigung in einem Betrieb eines internationalen Konzerns, die sich vor allem als maquiladoras an der Grenze zu den USA niederließen, aber mittlerweile auch im Landesinneren vertreten sind. Ihre gewinnmaximierende Orientierung setzt die Mechanismen des parallelen Normensystems außer Kraft, da für diese Unternehmen nur die erbrachte Leistung des Arbeiters im Vordergrund steht. Persönliche Beziehungen spielen in diesen Konzernen eine untergeordnete Rolle, so daß sie gerade für hochmotivierte Arbeiter, die für ihre Leistung einen gerechten Lohn möchten, attraktiv sind.
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hoch ist, und andererseits die Wirtschaftskrise die Notwendigkeit eines Einkommens zuspitzt, verkürzt sich das adoleszente Moratorium, in dem sich die Jugendlichen zweckfrei erproben können, enorm (vgl. Oevermann 2001, 107ff.). Ähnlich wie in Deutschland zwischen dem Zweiten Weltkrieg und der Währungsreform ist die Beschäftigung mit unpraktischen Dingen in Krisenzeiten kaum denkbar, weil die Einräumung eines Schonraums seitens der Erwachsenen die Abdeckung der Mindestbedürfnisse voraussetzen würde. Die durch die gesellschaftlichen Verhältnisse folgende Einschränkung von Individuierungschancen bedeuten auch ein Hemmnis für die Erprobung von noch unbewährtem Verhalten, was konstitutiv für die Erzeugung von Neuem wäre (vgl. Oevermann 1991). Die Handlungsmöglichkeiten der Jugendlichen beschränken sich vielmehr auf tradierte Lösungsinhalte. Somit sind die Hindernisse, die aus dem Angewiesensein auf die primäre Vergemeinschaftung entstehen, erheblich und die Chancen, die Oscars Altergruppe ergreifen kann, unter dem für das Überleben notwendigen Konformitätsdruck denkbar gering.
3. Fallanalyse 3.1. Biographische Daten Oscar wächst mit vier Geschwistern in Mexiko-Stadt auf, wo der Abstand zwischen unteren und oberen Gesellschaftsschichten besonders ausgeprägt ist. Sein Vater schaffte als Offizier im Militärdienst den Sprung in die Mittelschicht.7 Allgemein kann die Militärzugehörigkeit in Mexiko für die Kinder aus mittellosen Familien als eine der wenigen Aufstiegsmöglichkeiten angesehen werden, da dort persönliche Beziehungen und Schichtzugehörigkeit eine vergleichsweise geringe Rolle spielen. Wie in mexikanischen Familien üblich, nimmt die Mutter die Position der Hausfrau ein, verläßt aber ihren Ehemann als Oscar in die Pubertät kommt. Diese Entscheidung zeigt, daß sie sehr unter ihrem Ehemann gelitten haben muß, denn eine Trennung erfordert außerordentlichen Mut, da die sozialen Folgen im traditionellen, katholischen Milieu sehr hoch sein können: Eine Mutter, die in Mexiko ihre Familie verläßt, auch wenn sie von ihrem Mann mißhandelt wird, wird in der Regel sowohl von ihrer Herkunftsfamilie 7
Der Begriff der Mittelschicht hat in dem hier verwendeten mexikanischen Kontext eine andere Bedeutung als in den USA oder Westeuropa. Er bezieht sich auf eine Arbeit in einem formellen und sicheren Arbeitsverhältnis, dessen Vergütung gering ist. Oscars Vater hat heute einen hohen Posten in einer Militärschule in Mexiko-Stadt mit einem für mexikanischen Verhältnisse hohen Einkommen von etwa 14.000 Pesos (1.100 €).
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als auch von ihren eigenen Kindern sozial geächtet. In ihrem Fall bleiben die Kinder zunächst beim Vater, während sie mit ihrem neuen Ehemann in eine Industriestadt in Nord-Mexiko zieht, also weit weg von ihren bisherigen sozialen Bindungen. Nachdem der Vater sich etwa zwei Jahre nach der Trennung wiederverheiratet hat, folgen die jüngeren Kinder der Mutter nach. Oscars Pubertät wird von zwei Faktoren überschattet: erstens den geringen ökonomischen Möglichkeiten seiner Herkunftsfamilie, die auf die große Zahl der Kinder sowie das geringe Einkommen des Vaters zurückzuführen sind, und zweitens der Trennung der Eltern. Da er mit seinem Vater wegen dessen autoritären Erziehungsstils – Oscar erzählt, daß dieser seine Kinder wie kleine Soldaten drillt – nicht zurechtkommt, wird die Frage nach Beziehungen zu anderen Verwandten virulent. Zu seiner Mutter will er nicht gehen, da sie mit einem neuen Mann zusammenlebt. Alleine in der riesigen Hauptstadt Mexikos ist es schwierig, gerade unter den Bedingungen einer Wirtschaftskrise und fehlender Sozialsysteme, mit legalen Mitteln zu überleben, so daß eigentlich nur die Großeltern oder die Geschwister der Eltern als potentielle Stützen übrigbleiben. Oscar beendet als fünfzehnjähriger seine Schulausbildung mit der „secundaria“ (zehn Jahre Grund- und drei Jahre Mittelschule) und genießt zusammen mit Freunden zunächst einmal seine Freiheit, indem er ein wildes und unreglementiertes Leben in Mexiko-Stadt führt, das er über verschiedene Gelegenheitsarbeiten finanziert. Allerdings scheint er dieses Lebens, das offenbar keine Perspektive eröffnet, überdrüssig zu sein, als er im Jahre 1997 zu seiner Großmutter nach Guanajuato, einer im Verhältnis zu Mexiko-Stadt kleinen und ruhigen Beamten- und Universitätsstadt (70.000 Einwohner) in Nord-Mexiko, zieht. Der Ortswechsel zeigt einen aufschlußreichen Punkt für die Fallanalyse: Nach einem zuviel an Freiheit sucht er nach verwandtschaftlicher Stabilität, da er begreift, daß er auf sich selbst gestellt im Moloch Mexiko-Stadt schnell ins kriminelle Milieu abzurutschen droht. Seine Lösung in dieser Situation besteht in der Rückkehr in das familiale Bindungssystem, das kehrseitig allerdings auch eine individuierungshemmende Abhängigkeit erzeugen kann. In Guanajuato arbeitet er achtzehn Monate als mesebrio, ein von Oscar verwendetes Sprachspiel, das „betrunkener Kellner“ bedeutet. Sein Aufenthalt in Guanajuato wird durch kontinuierlich schlimmer werdende Herzbeschwerden, die ihn dazu zwingen, nach Mexiko-Stadt zur Behandlung in einer Spezialklinik zurückzukehren, unterbrochen. Die Herzbeschwerden können als manifest gewordenes Symptom seiner unterschwelligen Orientierungslosigkeit gedeutet werden und zudem dafür sprechen, daß traditionelle Lebenskonzepte bei ihm nicht mehr greifen. Während Oscar sich in Mexiko-Stadt behandeln läßt, lernt er Veronice kennen, die kurz darauf von ihm schwanger wird. Mit dieser Tatsache konfrontiert, treten die Herzbeschwerden in den Hintergrund. Als 18-jähriger ist er nun vor die Aufgabe gestellt, Verantwortung übernehmen zu müssen: Er
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muß eine gesicherte Einkommensquelle finden, um eine Familie gründen zu können. Auf der Suche nach einer Arbeit ziehen Oscar und Veronice, wie Oscars Geschwister, in die Nähe seiner Mutter in Nord-Mexiko, wo die Möglichkeiten, eine Stelle zu finden, besser sind. Veronice trennt sich jedoch Anfang 2000 von Oscar, da sie sich isoliert und ökonomisch verarmt wiederfindet. Sie zieht zurück zu ihren Geschwistern und Großeltern nach Mexiko-Stadt, noch bevor das Kind geboren wird. Oscar will die Beziehung mit ihr und dem noch ungeborenen Kind allerdings nicht aufgeben und folgt ihr. In Mexiko-Stadt angelangt, wird er von ihren Brüdern vertrieben, da er in ihren Augen keine „gute Partie“ darstellt. Oscar hat in dieser Situation zwei Möglichkeiten: Er kann entweder nach Guanajuato zurückkehren, aber damit würde er die Möglichkeit, Veronice zurückzuerobern oder zumindest Kontakt zu seinem Kind zu haben, verlieren. Oder er bleibt in Mexico-Stadt und muß schnellstmöglich eine den Lebensunterhalt abdeckende Einkommensquelle finden, damit er bei Veronice und ihrer Familie an Ansehen gewinnt. Er entscheidet sich für letzteres, gerät aber in eine Situation, die er bis dahin vermeiden konnte: Er rutscht als Dieb und Drogendealer in das Verbrechermilieu ab. Kriminalität gilt in bestimmten großstädtischen Unterschichten, in denen die nachbarschaftliche Kontrolle gering ist, als „Karrieremöglichkeit“, denn Kriminalität ist neben der Emigration häufig die einzige Möglichkeit, Einkommen zu erzielen. Ein entscheidender Grund für die Billigung einer kriminellen Existenz kann in der großen sozialen Ungleichheit Mexikos gesehen werden. Arme begreifen dies als Chance, sich von den Reichen, welche Politik und Wirtschaft für ihre Partikularinteressen nutzen, etwas zurückzuholen, von dem sie denken, daß es ihnen zustehen würde. Aus Sicht der Armen hat die Mittel- und Oberschicht gezeigt, wie das gültige Recht von parallelen, nur für sie geltenden Normsystemen ausgehebelt werden kann. Ein Grund für die Akzeptanz von kriminellen Praktiken der Unterschichten liegt somit in den Versäumnissen der Politik selbst, die in den wirtschaftlichen Krisen der 1980er und 1990er Jahre die Sozialsysteme zu Lasten der Unterschicht und Teilen der Mittelschicht einschränkte. Die obere Mittel- und die Oberschicht litten demgegenüber nicht gleichermaßen unter der wirtschaftlichen Krisensituation, ganz im Gegenteil: Indem sie den Staat geschickt für sich zu nutzen wußten, konnten sie sogar ihren Reichtum vergrößern, was die unteren sozialen Schichten tagtäglich an der wachsenden Zahl ausländischer Luxusautos beobachten können. Die einseitige Durchsetzung der Partikularinteressen von dominanten gesellschaftlichen Gruppen fällt insofern wieder auf diese zurück, als sie zu einer gesamtgesellschaftlichen Anomie führt, die permanente Züge anzunehmen droht.8 8
Durkheim wendet seinen Anomiebegriff zwar nur auf temporäre Phänomene des sozialen Wandels an (1973, 290ff.) demgegenüber kann man in Lateinamerika, bezogen auf den
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Die Karriere im Verbrechermilieu endet für Oscar ebenso abrupt, wie sie begonnen hat, denn bei einer Schießerei treffen er oder ein „Kollege“, was sich für ihn im nachhinein nicht rekonstruieren läßt, jemanden aus einer verfeindeten Gruppe tödlich. Aus Furcht vor Blutrache flüchtet er zuerst in einen anderen Stadtteil und kurz darauf aus der Stadt, so daß er die Hoffnung auf eine Beziehung mit Veronice vollständig aufgeben muß. Nach diesem Scheitern seiner Bemühungen kehrt er zu seiner Großmutter nach Guanajuato zurück und arbeitet wieder als mesebrio. Somit findet er sich nach einem längeren Intermezzo an derselben Stelle wieder, an der er sich, bevor er nach Mexiko-Stadt ging, schon einmal befunden hatte. In Guanajuato beginnen auch wieder die Herzbeschwerden. Damit sind alle Versuche, aus der Perspektivlosigkeit seiner Position in dieser Gesellschaft auszubrechen, gescheitert: Weder der Ortswechsel zu seiner Großmutter noch der Versuch, eine Familie zu gründen, noch der Ausflug ins Verbrechermilieu waren erfolgreich. So spiegelt sich in Oscars Biographie die gesellschaftliche Krisensituation Mexikos anschaulich wider. Im Dezember 2000 zwingen ihn seine Herzbeschwerden zu einer dreiwöchigen Bettruhe. Auf Wunsch seiner Großmutter besucht ihn ein Pastor und lädt ihn zu seiner evangelikalen Sekte ein, eine Einladung, die Oscar nach einigem Zögern annimmt. Da seine Krankheit offenbar der Anlaß war, die Einladung eines evangelikalen Pastors zu akzeptieren, muß man annehmen, daß dieser ihm seine Ausweglosigkeit vor Augen geführt und die Herzbeschwerden als Manifestation einer latenten Krise interpretiert hat. Dies muß der Auslöser dafür gewesen sein, sich für Lösungen, die außerhalb des gewohnten „mexikanischen“ Spektrums liegen zu öffnen.9 Allerdings betrachtet Oscar die kleine Pfingstgemeinde zunächst sehr skeptisch, was sich jedoch ändert, nachdem er eine Gruppe konvertierter, „trockener“ Drogensüchtiger trifft, denen es offenbar sehr viel schlechter im Leben ergangen war als ihm selbst, und die dennoch ihr Leben radikal in eine neue Richtung lenken konnten. Das Beispiel von Personen, denen es gelungenen war, eine lebensbedrohliche Krise zu überwinden, löst seine Skepsis gegenüber dem vom Pastor angebotenen Weg auf.
9
Rechtsstaat und das Gewaltmonopol des Staates, von einem permanenten Zustand der Anomie sprechen (vgl. Waldmann 2002). Bei lateinamerikanischen Männern ist die Konversion zu einer Sekte häufig auf eine Krankheit zurückzuführen, wohingegen Frauen aus ganz anderen Gründen konvertieren (vgl. Brusco 1995, 114ff.). Frauen begründen ihre Konversion oft mit dem sie unterdrückenden und entwertenden machismo der lateinamerikanischen Gesellschaft. Eine Interviewpartnerin definierte machismo als „wenn der Mann möchte“, was auf eine asymmetrische und gewalttätige Beziehung verweist. Um dieser Fremdbestimmung zu entgehen, wenden sich Frauen evangelikalen Sekten zu, da dort die Männer zu Respekt und Reziprozität in der Gattenbeziehung verpflichtet sind. Vgl. für Kolumbien Brusco (1995) und für Mexiko Geschwindner (2003, 85ff.).
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Als ich Oscar im September 2002 in Guanajuato in einer Bibelgruppe einer evangelikalen Sekte kennenlernte, hatte er sich bereits zu einem religiösen Eiferer10 entwickelt, der permanent am Missionieren war. Sein Leben hatte sich mit der Anwartschaft auf die Mitgliedschaft in einer evangelikalen Sekten radikal verändert: Er hatte aufgehört zu trinken und über seine damalige Freundin eine feste Arbeit als Autoverkäufer gefunden. Der Kreislauf der Perspektivlosigkeit scheint mit dieser Lösung außerhalb verwandtschaftlicher Beziehungsgeflechte durchbrochen zu sein. Von seinen Erzählungen beeindruckt, führte ich ein Interview mit ihm, aus welchem ich im folgenden zwei kurze Abschnitte analysieren werde.
3.2. Der Immobilismus Mexikos als Entwicklungshemmnis Zu Beginn des Interviews stelle ich eine eher allgemeine Frage: Woran liegt es, daß sich Mexiko gesamtwirtschaftlich nicht entwickeln konnte, sondern stagniert? Dabei bezieht sich die Frage weniger auf das Wirtschaftswachstum, als auf die unverändert und in den letzten 20 Jahren sogar noch gestiegene große Armut, die für Mexiko wie auch für andere lateinamerikanische Staaten charakteristisch ist. Ich bette die Frage in eine weitere Beobachtung ein, die ich bei meinen mexikanischen Verwandten und Freunden gemacht habe: Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Vertragspartnern sind über verwandtschaftliche oder freundschaftliche Bindungen vermittelt, welche die Verläßlichkeit der beiden Parteien gewährleisten sollen. Der tiefere Grund für eine solche ökonomisch betrachtet irrationale – da ineffiziente – Handlungsweise besteht in den sehr eingeschränkten rechtlichen Sanktionsmöglichkeiten bei Nichterfüllung eines Vertrages. Auf seine Tätigkeit – den Verkauf von Autos – angesprochen, sagt Oscar:11 O:
Es un poco diferente con los, con los coches.
O:
Es ist ein wenig anders mit den, mit den Autos.
10
11
Als „religiöse Eiferer“ kann Oscar bezeichnet werden, da er in der „dogmatischen Phase“ ist. Er bezieht alles, was ihm in seinem Leben passiert, auf Gott. Mit der Länge der Mitgliedschaft in einer evangelikalen Sekte wird die Dogmatik der Reflexion unterzogen, d.h. die Aufmerksamkeit der Gläubigen wird auf die Lektüre der Bibel gelenkt. In Kooperation mit anderen Gläubigen werden Lesarten gebildet, die durch gute Argumente begründet werden müssen. Je mehr das Primat der Bibellektüre in den Vordergrund rückt, desto gleichrangiger und undogmatischer (liberaler) werden die Mitglieder (vgl. Martin 1990, Kapitel 1). Das Interview wurde auf spanisch geführt und vom Autor übersetzt. Zu Beginn der Redebeiträge steht entweder „O“ für Oscar oder „I“ für Interviewer; wenn nichts angegeben ist, spricht Oscar.
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Er stellt klar, daß die Verträge zwischen Autohändler und Autokäufer nicht über freundschaftliche Beziehungen gestiftet sind.12 Realmente el, el punto que tú tocas de nuestro país # es, es una cadena de eslabones,13
Tatsächlich, die Sache, die du über unser Land sagst [berührst] # ist, ist eine Kette von Gliedern,
Oscar wechselt nun zu dem zuerst angesprochenen allgemeinen Thema: die wirtschaftliche Stagnation in Mexiko. Dazu verwendet er das Bild einer „Kette von Gliedern“. Was bedeutet diese Metapher? Wenn die Glieder A, B, C usw. alle Glieder einer Kette sind, dann hat A mit B etwas zu tun, B mit C usw., aber die Verbindung zwischen A und C ist nur über B möglich. Daraus läßt sich folgendes schließen: Wenn die einzelnen Glieder zusammenhängen und voneinander abhängig sind, dann müssen sie, wenn ein Teil sich bewegt, alle in die gleiche Richtung folgen. Die Möglichkeiten des Abweichens sind in einem solchen Sozialsystem gering, denn das Einzelglied verfügt nicht über die Möglichkeit, sich aus der Verkettung zu lösen. Oscar führt die soziale Stagnation auf ein System starker sozialer Regulierung mit einem sehr beschränkten Freiheitsgrad zurück. Die einzelnen Glieder sind über partikulare Bindungen zwischen ganzen Menschen zueinander bestimmt und können zwar nie ganz verlorengehen, aber sie können sich auch nicht aus den Abhängigkeitsbeziehungen befreien. Sozial abweichendes Handeln, das Träger von Innovation sein könnte, hat im Rahmen einer solchen partikularistischen Sozialordnung keine Möglichkeit zur Entfaltung, außer wenn es gelingen würde, alle anderen Kettenglieder von der Richtigkeit eines solchen Handelns zu überzeugen, was aber unwahrscheinlich ist. Es gilt in einem solchen Sozialsystem: Die Glieder können noch so gut ausgebildet sein, noch so motiviert sein und noch so gute, produktive Ideen haben, sie kommen aus ihrer Verkettung mit ihren Nachbargliedern nicht heraus. Mit der Metapher der „Kette von Gliedern“ beschreibt Oscar treffend den Mexiko lähmenden Immobilismus.14 Bis heute gelten weiterhin die informellen, partikularistischen Normsysteme einzelner Gruppen, die Mexiko auf allen Ebenen bestimmen (Lomnitz-Adler/Perez-Lizaur 1987). Diese informellen Regeln des mexikanischen Sozialsystems, die die Wirklichkeit bestimmen, dominieren die allgemein verbindlichen Normen.
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Das ist insofern nicht verwunderlich, da die meisten Autos bar bezahlt werden. Die Finanzierung über Banken ist in Mexiko schon aufgrund der sehr restriktiven Kreditvergabe an Privatpersonen eher unüblich. Das Zeichen # steht für Abbruch. Zwei Klammern mit einem Punkt (.) ist eine Pause von einer Sekunde. Eckige Klammern [] mit einem „O“ für Oscar oder „I“ für Interviewer enthalten parallel gesprochene Aussagen des Interviewpartners. Außerdem stehen eckige Klammern für alternative Interpretationen aus dem Spanischen bzw. Präzisierungen. Lepsius verwendet den Begriff des Immobilismus in seiner Studie zu Süditalien (1990).
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Diese Interviewstelle ist in ihrer Dichte sehr aufschlußreich: Auf der einen Seite bestimmt Oscar das entscheidende Entwicklungshemmnis der mexikanischen Gesellschaft, das in den unüberwundenen parallelen Normsystemen liegt; auf der anderen Seite gibt er indirekt auch eine Erklärung für seine gescheiterten Versuche, aus seiner biographischen Krise herauszukommen, nämlich, daß er sich aus den ihn umgebenden immobilen Strukturen nicht lösen konnte. Aus dieser Perspektive lassen sich seine oben geschilderten Lösungsversuche als Ausdruck von Orientierungslosigkeit interpretieren. Erst die Herzbeschwerden zwingen ihn, seine Routine zu unterbrechen. Das Einnehmen einer solchen Position spricht dafür, daß er ein Bewußtsein über diese Zusammenhänge erlangt hat, was auf seine Aktivitäten in den evangelikalen Sekten zurückzuführen ist. Daraufhin frage ich ihn, was er mit „Kette von Gliedern“ meint, da diese Umschreibung sich im ersten Augenblick wie eine Tautologie anhört. de eslabones, me refiero como a una cadena, todo va en conjunto,
von Gliedern, ich beziehe mich auf etwas, was so ist wie eine Kette, in der alles zusammenhängt,
Oscar bestätigt die metaphorische Verwendung und spezifiziert die Kette als ein allumfassendes Beziehungsgefüge: Man ist über die Kette mit den anderen verbunden und steht mit ihnen in einem Zusammenhang. aunque desde lo más pequeno y lo más insignificante, como lo puede ser la basura hasta la empresa más alta y con más potencia y con más economía, todo desde ahí hasta allá es una cadena,
auch wenn es sich um kleine und unbedeutende Dinge [handelt], wie es Müll sein kann bis zu den höchsten Unternehmen, mit der größten Macht und wirtschaftlichem Einfluß, alles von hier bis dort ist eine Kette,
Oscar stellt eine Verbindung zwischen den unbedeutendsten und den mächtigsten Elementen der mexikanischen Gesellschaft her, die unterschiedslos in einer Kette aneinandergebunden sind, denn alle sind Teil der Totalität des immobilen gesellschaftlichen Systems. muchos de los países desarrollados, como tu país, como Norteamerica, Australia, Japón han formado de que a base de sus errores han salido adelante, han sobresalido a través de los errores que cometieron como han podido salir adelante,
viele entwickelte Länder, wie dein Land [Deutschland], wie Nordamerika, Australien, Japan bildeten sich, da sie auf der Basis ihrer Fehler verbessert vorwärts gehen konnten, sie überragen im Durchgang durch ihre Fehler, die sie gemacht haben, genauso wie sie diese überwunden haben und vorwärts gehen konnten,
Dem Bild der Kette von Gliedern setzt er eine Eigenschaft, die er für entwikkelte Industrieländer für grundlegend hält, entgegen. Die Haupteigenschaft dieser Länder bestehe darin, daß sie aus ihren Fehler lernen. Nur darüber ergibt sich nach Oscar die Möglichkeit, gesellschaftliche und soziale Verhältnisse zu verbessern, was Mexiko anscheinend fehlt: Zum einen die Fähigkeit, sich die Fehler einzugestehen, zum anderen, aus dieser Erkenntnis heraus etwas verändern und verbessern zu können.
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In einem System des Immobilismus werden Neuerungen systematisch ausgeschlossen, denn sie gefährden den Status quo des Gesamtzusammenhalts. Auf der Ebene von nationalen Entscheidungen des mexikanischen Parlaments bzw. des Präsidenten zeigt sich das „Kettenmodell“ darin, daß Entscheidungen gegen ungeschriebene Gesetze spontane und gewaltsame Massenproteste auslösen können.15 porque se han unido, porque se han apoyado,
weil sich [die Bevölkerung] zusammengeschlossen hat, weil [sie] sich unterstützt haben,16
Oscars Aussage zielt auf eine wichtige Eigenschaft von sogenannten entwikkelten Ländern ab: den Zusammenschluß von Bürgern unter dem Dach einer nationalen Vergemeinschaftung. Eine solche Vereinigung geht einher mit der Anerkennung gemeinsamer Werthaltungen, die innerhalb dieser Gemeinschaft uneingeschränkte Geltung haben. Die Bindung der Mitglieder orientiert sich somit nicht primär an den Partikularinteressen von Gruppe A im Gegensatz zu Gruppe B auf dem gleichen Territorium, sondern am Wohl der gesamten nationalen Vergemeinschaftung. Die Reziprozitätsverpflichtung in Vergemeinschaftungen, in denen jeder noch den anderen kennt, wird in modernen Gesellschaften von einer abstrakten Gemeinwohlbindung abgelöst, die auch unbekannte Mitglieder der gleichen Gemeinschaft einschließt.17 Zusammengefaßt lauten die zwei entscheidenden Thesen dieses Abschnitts folgendermaßen: Einerseits wurde als das prinzipielle Entwicklungshemmnis Mexikos der Immobilismus identifiziert, andererseits werden die Industrienationen von Oscar als Beispiel angeführt, daß es eine Möglichkeit gibt, aus diesem Immobilismus herauszukommen, wenn man die Eigenschaft besitzt, aus den eigenen Fehlern zu lernen. Mit der zweiten These kommen wir zu dem eigentlichen Thema dieses Aufsatzes: Versprechen die evangelikalen Sekten im Gegensatz zu ihrem immobilen Umfeld die Entwicklung zu einer modernen Gesellschaft, die sich aus sich heraus erneuern kann?
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Themen, die in Mexiko seit geraumer Zeit das Potential haben, große Kundgebungen auszulösen, sind die Diskussionen um die Privatisierung der staatlichen Erdölfirma Pemex und des Elektrizitätssektors, die als unveräußerliche nationale Heiligtümer angesehen werden. Dringend notwendige Modernisierungen werden dadurch unmöglich gemacht. Durch die im Spanischen fehlenden Personalpronomen, ist diese Stelle mißverständlich, denn sie legt zwei Lesarten nahe: Einerseits kann Oscar den Zusammenschluß von Ländern meinen, andererseits den Zusammenschluß der Bevölkerung. Aus dem Kontext geht jedoch hervor, daß Oscar sich auf die Bevölkerung der Länder bezieht. Als Beispiel kann das Zahlen von Steuern an den Staat dienen, der das Geld an für den Steuerzahler unbekannte Mitglieder der Gemeinschaft umverteilt. In Lateinamerika zeigt sich gerade in der fehlenden Steuermoral aller gesellschaftlichen Schichten das Fehlen einer solchen Gemeinwohlbindung.
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3.3. Die Attraktivität der evangelikalen Sekten Ich überspringe an dieser Stelle einen Teil des Interviews, in dem Oscar über die besondere Bedeutung der Bibel spricht und spreche ihn im folgenden Abschnitt als „Christ“ an, da sich die Evangelikalen und auch er selbst – in Abgrenzung zu den Katholiken – als Christen bezeichnen. Indem sie sich nicht als Protestanten oder Pfingstler, sondern als Christen begreifen, läßt sich ihre Einschätzung erkennen, daß sie sich gegenüber den Katholiken, die sich von ihrem mexikanischen Umfeld nicht abheben, als die „wahren Christen“ sehen. I:
O: I: O: I:
I:
O: I: O: I:
Sí, tú crees que # como (.) cuando son mucha gente cristianos que el país va a cambiar, como, como, ser mejor que ahorita. ¿Sí me explico? [O: Sí, te explicas.] ¿Sí crees eso? Sí, sí lo creo. Hacerlo diferente, sí. Hayamos. Una pregunta diferente, ¿no?, como, como (.) mejora la vida cuando eres cristano?
Ja, glaubst du, daß # wie (.) wenn sich viele Menschen als Christen bekennen, daß das Land sich verändern wird, wie, wie, daß es besser dastehen wird als heute. Drücke ich mich verständlich aus? [O: Ja, du drückst dich verständlich aus.] Glaubst du dies? Ja, ich glaube es. Es anders machen, ja. Wir machen es. Eine andere Frage, nicht? Wie, wie (.) verbessert sich das Leben, wenn du ein Christ bist?
Oscar bestätigt die Frage: Er glaubt, daß die evangelikalen Sekten die soziale Stagnation des Immobilismus durchbrechen können. Da die Antwort unbefriedigend kurz ist, formuliere ich die Frage um, indem ich ihn konkret danach frage, wie sich das Leben, wenn er Christ ist, verbessert. Darauf antwortet Oscar: Sí, mejora la vida porque mira, a veces, sí,
Ja, das Leben verbessert sich, weil, schau, manchmal, ja,
Die Frage konkret zu beantworten, fällt Oscar spontan nicht leicht. Er muß überlegen. te voy hacer sincero, muchos cristianos no somos muy puntuales, cometemos errores, y tenemos nuestras caídas altas y bajas,
ich werde ehrlich zu dir sein, viele Christen sind nicht pünktlich, begehen Fehler, und wir haben unsere tieferen und nicht so tiefen Abstürze,
Seine Ausführungen beginnen mit einem negativen Zugeständnis, indem er zunächst einmal die Gemeinsamkeiten der „Christen“ mit dem mexikani-
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schen Umfeld betont. Da es im sichtbaren Verhalten keinen Unterschied gibt, muß der Unterschied ein nicht-sichtbarer, d.h. innerlicher, sein. pero la diferencia que tenemos con los demás, te estoy hablando de todos los cristianos, [I: Sí.]
aber der Unterschied zu den anderen besteht darin, ich spreche für alle Christen, [I: Ja.]
Nach den Gemeinsamkeiten kommt er zu dem Unterschied, dem er eine Allgemeingültigkeit zuspricht. Mit „den anderen“ meint er das mexikanische Umfeld, also die Katholiken im Gegensatz zu den Evangelikalen, die er als „Christen“ bezeichnet. es que nos remuerde la consciencia, por decirlo así, haber cometido el error,
daß das Gewissen an uns nagt, um es so zu sagen, einen Fehler begangen zu haben,
Der Unterschied zu „den anderen“, den Nicht-Evangelikalen, besteht aus Oscars Sicht darin, daß die Evangelikalen das schlechte Gewissen quält, wenn sie einen Fehler begangen haben. Diese Differenz kennzeichnet einen Entwicklungsschritt: Ein schlechtes Gewissen ist die Voraussetzung dafür, Einsicht in die Fehlerhaftigkeit des eigenen Handelns gewinnen zu können. Erst durch diesen Prozeß der Reflexion auf das eigene Handeln hin wird ein Fehlverhalten als solches erkennbar und damit in einem nächsten Schritt – wenigstens potentiell – vermeidbar. Damit schließt Oscar an seine Ausführungen über die entwickelten Industrienationen an, die aus ihren Fehlentwicklungen lernen, und bezieht diesen Prozeß der Reflexion auf die Mitglieder evangelikaler Sekten. Zugleich spricht Oscar mexikanischen Katholiken tendenziell die Fähigkeit zu einem schlechten Gewissen als Folge des eigenen Fehlverhaltens ab. Da er und andere evangelikale Mexikaner aber als Katholiken sozialisiert wurden, müssen sie zunächst lernen, auf die verfügbaren Entlastungsquellen zu verzichten. Zum Kontext muß man wissen, daß der mexikanische Katholizismus, der mit dem Alltagshabitus amalgamiert ist, noch sehr viel traditioneller und magischer ist als der europäische.18 Dies zeigt sich in der zentralen Stellung der Jungfrau Maria, die sich in Mexiko zu einer indianischen Jungfrau von Guadelupe transformierte, und der zahlreichen Heiligen, denen eine Wirkungsmächtigkeit im Diesseits als Schutzheilige zugebilligt wird. Der Gläubige kann durch den Vollzug eines Rituals oder durch eine Opfergabe sein aus einem Fehlverhalten entstandenes schlechtes Gewissen beruhigen oder sogar tilgen. Zwar verspricht der Gläubige gegenüber einem Heiligen oder einem Pfarrer, der sein Gewissen durch die erteilte Absolution entlastet, den Fehler nicht wieder zu begehen, aber solange er sich nicht mit seinen eigenen Fehlern auseinandersetzt und sein Handeln in eine andere Richtung 18
Mit der Ausnahme von Südeuropa, z. B. Kalabrien und Sizilien, steht der europäische Katholizismus magischen Ritualen weitgehend kritisch gegenüber.
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lenkt, ändert sich nichts in seinem Leben. Das Verzichten auf die Entlastungsquelle der Beichte – darauf hat schon Weber hingewiesen – ist die Grundbedingung für eine methodische Lebensführung, die zu Veränderungen der Lebenspraxis führen kann. Insofern besteht der Unterschied zwischen mexikanischen Evangelikalen und Katholiken in den praktischen Folgen des schlechten Gewissens. a fin de cuentas vamos a lo mismo, “Dios mío, perdoname”,
schließlich streben wir nach demselben, „mein Gott, verzeihe mir“,
Das Ziel der Evangelikalen deckt sich zwar mit dem der Katholiken: Beide streben die Sündenvergebung19 des gnädigen Gottes an. Die Mittel, die zur Erlangung der göttlichen Vergebung erforderlich sind, unterscheiden sich jedoch grundsätzlich: Der Evangelikale kann nur vermittelt über die Analyse der eigenen Fehler und die praktische Vermeidung der Wiederholung auf die angestrebte Gnade hoffen. Wohingegen der katholische Mexikaner sein erhofftes Ziel über die Verrichtung von Ritualen oder durch die Absolution eines Priesters erreichen kann, was keine oder nur geringe Folgen für die Lebensführung hat. Die Handlungsanforderungen an Evangelikale gehen somit weit über die seiner mexikanischen Umwelt hinaus: Die Reue muß lebenspraktische Veränderungen nach sich ziehen. Indem Oscar aber einen gnädigen Gott unterstellt, der es mit ritueller Buße bewenden läßt, schwächt er die Dringlichkeit der Sündenvermeidung ab. Das spricht dafür, daß Oscar habituell noch der katholischen Vorstellungswelt folgt und daß diese ununterschieden in Oscars neu gewonnenes Deutungsmuster hineinragt. más, sin embargo, las personas de allá afuera no lo hacen,
und trotzdem machen die Leute von dort draußen nichts,
Obwohl die katholischen Mexikaner – „die Leute von dort draußen“ – die gleichen Möglichkeiten der göttlichen Gnade haben, richten sie sich nicht darauf aus, da sie nicht bereit sind, und hier kommt Oscar wieder auf den Unterschied zu sprechen, aus ihren „Fehlern zu lernen“. creen en Dios y hacen sacrificios, y se pegan en el país, se pegan pencas de nopal a la espalda, [I: Sí, sí.] se pegan de latigasos, caminan muchos kilometros, o se dejan crecer el cabello, o dejan de tomar y de fumar por cierto lapso de tiempo, [I: Sí.] pero se acaba ese lapso de tiempo y continuan
sie glauben an Gott und geben Opfer, und sie schlagen sich in diesem Land, sie schlagen sich mit Kaktusblätter auf den Rücken, [I: Ja, ja.] sie schlagen sich mit Peitschenhieben, laufen viele Kilometer, oder lassen sich das Haar wachsen, oder
19
Interessant ist, daß Oscar keine begriffliche Trennung zwischen Fehler und Sünde vornimmt, denn Gott kann, genau genommen, nur Sünden vergeben. Fehler kann man dagegen „verzeihen“. Gleichzeitig könnte es ein Hinweis darauf sein, daß die evangelikalen Prediger die konkrete Lebensführung thematisieren.
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stoppen den Konsum von Alkohol und Tabak für eine bestimmte Periode, [I: Ja.] aber wenn diese Periode endet, machen sie weiter
Die katholischen Rituale entlasten den Gläubigen von seinem schlechten Gewissen, aber zwingen ihn nicht zur Reflexion und der Vermeindung seiner „Fehler“. In den biographischen Daten Oscars hatten wir die von ihm hier angesprochene Struktur der Wiederholung gesehen. Dieser Kreislauf führte letztlich nicht zur Lösung seiner Probleme, sondern verstärkte sie bei jeder neuen Runde – z.B. in der Form seiner Herzbeschwerden –, da ihm keine Mittel zur Verfügung standen, die nach unten weisende Spirale zu durchbrechen. Als „Christ“ lernt er nun, aus seinen „Fehlern zu lernen“, d.h. die Spirale zu durchbrechen, indem er durch die Einsicht in sein eigenes Handeln befähigt wird, dieses zu reflektieren und schließlich sein Handeln zu verändern.
4. Schlußbemerkung Der Ausgangspunkt des Aufsatzes war die Frage, warum so viele Menschen in Entwicklungsländern sich zu evangelikalen Sekten hingezogen fühlen. Unter Berücksichtigung der sozialen und gesellschaftlichen Situation Mexikos wurde der Fall des jungen Mexikaners Oscar rekonstruiert. Die Thesen der Analyse möchte ich noch einmal zusammenfassen. Erstens wird in Mexiko die gesellschaftliche Wirklichkeit der Armut und Ungleichheit als unveränderliche Normalität hingenommen. Benachteiligte Mexikaner weichen den sozialen Problemen durch Kriminalität oder Emigration aus. Bemühungen um eine Überwindung der sozialen Stagnation und Anomie innerhalb der nationalen Vergemeinschaftung scheinen kaum vorhanden zu sein. Zweitens scheint es ein Passungsverhältnis zwischen Immobilismus und Katholizismus zu geben, der in Mexiko keine rationalisierende Kraft entfaltet, die die gesellschaftliche Stagnation durchbrechen könnte, sondern mit seiner magischen Variante eher Veränderungen verhindert. Drittens erlangt Oscar erst über den Kontakt mit den evangelikalen Sekten ein Krisenbewußtsein, das es ihm erlaubt, seine Situation und deren Ursachen zu analysieren. Er gewinnt eine Außenperspektive hinsichtlich seiner Probleme und denen Mexikos. Viertens bieten die evangelikalen Sekten dem Einzelnen eine Möglichkeit zur individuellen Transformation an, die den Kreislauf der sozialen Stagnation in einer Gemeinschaft der Gläubigen durchbrechen soll. Indem sie die Gläubigen auffordern und anleiten, ihr Verhalten praktisch zu ändern, propagieren sie ein im Vergleich zum katholischen Umfeld sehr anspruchsvolles Programm, das die Mitglieder der evangelikalen Sekten quasi zu Revolutio-
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nären macht, die angehalten sind, ihre Lebensführung grundlegend zu verbessern. Darin könnte die Attraktivität der evangelikalen Sekten liegen. Allerdings muß berücksichtigt werden, daß es sich bei den Pfingstgemeinden um kleine überschaubare Vergemeinschaftungen handelt, die eine hohe soziale Kontrolle ausüben können. Der Vergleich mit anderen Fällen unterstreicht dieses Resultat. In meiner Diplomarbeit (Geschwindner 2003) analysiere ich zwei weitere Fälle von weiblichen Evangelikalen, die zwar ihr Problem als Frauen anders bestimmen, jedoch im Kern die hier gewonnenen Resultate bestätigen. Während Oscar versucht, die Immobilität zu durchbrechen, wenden die Frauen sich gegen den machismo, d.h. die patriarchale Verfügungsgewalt des Mannes über die Frau. Dem Ehemann unterworfen und auf die Anerkennung für die Erziehung von Kindern beschränkt, haben mexikanische Frauen einen geringen Handlungsspielraum in der Gesellschaft, obwohl sie durch die Wirtschaftskrisen gezwungen sind, ebenso wie ihre Männer, Geld zu verdienen. Ihr grundlegendes Problem könnte als Fremdbestimmung bzw. Ausgeliefertsein in bezug auf die sie umgebende Gesellschaft definiert werden. Die evangelikalen Sekten bieten Frauen eine Lösung an, als Individuen anerkannt und ernst genommen zu werden, wenn sie sich um Sündenvermeidung bemühen. Dabei können sie den göttlichen Gnadenstand nicht mehr durch passives Hinnehmen erreichen, sondern sie müssen selber aktiv werden und ihr Leben verändern. Auch Frauen wird in den evangelikalen Sekten somit die Möglichkeit der individuellen Transformation und Erneuerung zugebilligt, was in der immobilen und patriarchalen mexikanischen Gesellschaft nicht denkbar wäre (vgl. Brusco 1995), wobei die evangelikalen Sekten die patriarchale Ordnung nicht grundsätzlich hinterfragen und abschaffen wollen. Die Frage nach der Attraktivität der evangelikalen Sekten scheint durch den von Oscar repräsentierten Typus, der die Möglichkeit zur Veränderung der Lebensführung und damit dem Ausstieg aus dem Immobilismus verkörpert, eine Antwort erhalten zu haben. Eine andere Frage, die sich im Anschluß daran stellt, besteht darin, inwiefern die individuelle Transformationsmöglichkeit zu einer gesellschaftlichen werden kann. Können die evangelikalen Sekten mehr als nur individuelle Lösungen bieten? Diese Frage kann im Rahmen einer Fallrekonstruktion nicht beantwortet werden, vielmehr müßte eine Analyse der politischen Machtverhältnisse und der Gesellschaftsstruktur durchgeführt werden, die darüber Aufschluß geben könnte. Wenn eine solche Analyse zu positiven Ergebnissen käme, wofür es Anzeichen gibt, würde von den evangelikalen Sekten neben der „größten“ religiösen Veränderung der letzten Jahrzehnte, wie Martin (2002, xvii) feststellt, auch eine bedeutende soziokulturelle Transformation in den kommenden Jahrzehnten für Lateinamerika ausgehen (vgl. Freston 2001; Burdick 1993).
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Säkularisierung und Islam
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Islamic sermons, religious authority and the individualization of Islam in France 1. Introduction Recent literature has highlighted the important changes in Islamic religiosity in Western Europe, particularly among second-generation Muslims (for example, Roy 1999, Klinkhammer 2000, Tietze 2001). However, this literature has focused mostly on the individual believer (for exceptions see Schiffauer 2000, Jonker 2002) and while the general importance of Islamic associations and religious authorities is sometimes acknowledged (Khosrokhavar 1997, Roy 2000), their precise role and functioning are mostly still unclear. There is indeed a certain tendency to see this role as declining as a result of religious individualization (Tietze 2001, 10). Contrary to this approach, this article starts from the premise that the current transformation of Islam in Western Europe cannot be seen as a simple decline of religious authorities, but as a process which also leads to a pluralization of religious authority structures. In France, we can indeed observe today the emergence of new types of religious authority,1 who have a professional profile which does not conform to that of classical scholars and who target specific groups inside the ‘Muslim community’, in our case notably the French-born second-generation Muslims. This article will examine one such figure, the popular Francophone Islamic preacher Hassan Iquioussen, former president of the youth organisation ‘Jeunes Musulmans de France’ (JMF).2 The analysis aims first to explore the functioning of Iquioussen’s sermons as an authoritative discourse on Islam. Iquioussen’s role as a religious authority will be explained by taking into account both the specific needs of his audience and the increasing importance of role-models in general. Second, following Olivier Roy (2000), I will examine how his sermons re1
2
‘Religious authority’ refers in this article to persons whose public propositions on Islam and whose religious practice, although mostly not binding for any believer, contribute to delimiting the domain of possible (and often mutually competitive) positions a believer can hold in French Islam. It goes without saying that the position of authority depends crucially on the believers recognizing and assenting to the respective authority. This organisation, founded in 1992, is linked to what is arguably France’s most powerful Islamic federation, the ‘Union des organisations islamiques de France’ (UOIF), founded in 1983. On the history of the UOIF and JMF, see Kepel (1991 and 1994) and Marongiu (2002, 82-92, 121-127).
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spond to and interact with the phenomenon of individualization of Islam. While Islamic religion in the sense of its theological propositions barely changes, according to Roy, significant transformations can be perceived in Islamic religiosity, notably the higher valorization of faith, the primordial importance of individual choice and the rationalization of belief. Building on Roy’s argument, this article will advance and examine the hypothesis that sermons constitute one locus of the emergence of an Islamic discourse which is ‘French’ and ‘European’ through its concerns and modes of reasoning without, however, ever dissociating itself explicitly from the tradition of Islamic reformism as it was formulated in the second half of the nineteenth century in the Middle East (Hourani 1983). Finally, on a concluding note, the article will examine briefly the limits of the rational explanation of Islam and its individual appropriation as envisioned by Iquioussen.
2. An Islamic preacher as role model and religious authority By his training and his professional profile, Iquioussen represents a new type of religious actor in Western European Islam who cannot be easily integrated into traditional Islamic institutions. Iquioussen, born in the mid-1960s as the son of a Moroccan immigrant worker in the north of France, did not have a formal Islamic education, but studied history and Arabic in France and worked for a time as a teacher. Today, Iquioussen is employed as a full-time preacher by the UOIF, the federation to which Jeunes Musulmans de France belongs. He addresses Muslim audiences all over France and also in the wider Francophone world;3 several dozens of his talks are currently being sold on the market as audio-cassettes or videotapes.4 Iquioussen’s success is partly a result of the absence of traditionally trained religious authorities who are conversant with French and with life in French society (Césari 1998, 128, Bouzar 2001, 31-34, Ternisien 2002, 224, Mahyaoui 2003, 3, Iquioussen n.d. [HI 2]5). According to the ministry of the interior, only one third of the imams (prayer leaders of a mosque) working in France speak French fluently, 3 4
5
This article will be limited to examining Iquioussen’s sermons in relation to his audience in metropolitan France. The Islamic publisher Tawhid in Lyon offers about 30 video and audio tapes with sermons by Iquioussen, which apparently rank in popularity second only to those of Tariq Ramadan, a Swiss intellectual, and a slightly smaller number of other tapes by him also circulate on the market. Tawhid claims that about 100 000 copies of Ramadan’s and Iquioussen’s tapes are sold each year (Ternisien 2002, 224; Bouzar 2001, 18). I will refer to Iquioussen’s audio-cassettes by using the abbreviation HI in combination with a specific number.
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while the number of imams with French citizenship (most of them naturalized Frenchmen) remains below 20% (Godard 2005). Islamic organisations such as the UOIF are thus often unable to provide sufficient religious service structures, in spite of their attempts to establish training facilities for imams in France.6 However, the fact that the institutionalization of French Islam is still ‘weak’ and that religious authority structures for Francophone Muslims are thus ‘uncomplete’ provides only a partial explanation for the appearance of preachers like Iquioussen. The implicit comparison with a uniform ‘Islamic world’ which supports the claim of weak institutionalization of Islam in western Europe is, in fact, misleading, since it postulates among Muslims a uniformity of demand for religious services which is questionable. For one, it seems that the emergence of preachers like Iquioussen can be seen to be a result of the fragmentation of community life, formerly centered around the mosque, and the subsequent pluralization of religious authorities. Much as in Christian churches (Wuthnow 1993, 6), the focus of community life in many Muslim communities has shifted to a certain degree, away from the mosque to a variety of age- or gender-specific groups, a trend which has been exacerbated in some places by intra-generational tensions and the dominant position of the first generation in most mosques. The success of these groups is due not only to the relatively small size of these groups, which makes for a more intimate environment, but above all, it seems, to the fact that these groups allow their members to discover and explore Islam in a human environment characterized by a relative unity of the members’ biographies. More precisely, these groups develop a discourse which relates the construction of a common biographical trajectory to a specific reading of Islam. This is precisely the role played by JMF, less in its own network of groups, which is not very structured and still rather small (it currently comprises 12 cities7), but above all through the work of its former president Iquioussen. This, it should be added, tends in some respects to put him in open opposition to imams who according to him fail to address central problems, such as conflicts among couples and those concerning the education of the children (HI 13). Iquioussen, whether it be as member of JMF, as a preacher or via his cassette-sermons, participates in this development as someone endowed with a certain authority. This manifests itself clearly in the question-and-answer sessions following some of his sermons, where the audience can ask legal advice on various questions (see, for example, HI 1, HI 7).8 Without any doubt this authority is based in part on his distinctive qualifications in the domain of religious knowledge. Iquioussen sets himself apart from the majority of his au6 7 8
On the training of imams in France see Frégosi (1998). According to the presentation of JMF at the ‘Annual Meeting of French Muslims’ in Le Bourget, April 2003. This is a more general phenomenon; see for example Abdelkrim 2002, 27.
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dience by the fact that he has mastered classical Arabic and thus has direct access to the foundational texts of Islam. He demonstrates this in his sermons by quoting from the Qur’an in Arabic and only then translating it into French, by narrating abundantly from the traditions of the prophet Muhammad or by introducing didactically specific theological terms in Arabic. However, his position as a preacher in France’s Muslim communities ultimately hinges upon the fact that he is a second-generation Muslim himself; that is, Iquioussen represents a type of religious authority based primarily on a specific social competence. Iquioussen’s sermons are, in fact, primarily concerned with making explicit what Islam can and should mean for the individual behaviour of a young Muslim in France. In order for him to speak and be heard, Iquioussen must thus demonstrate his second-generation Muslim identity and at the same time sharpen the outlines of this identity. He does this partly by constructing and sharing with his audience specific biographical experiences as common and typical experiences for young Muslims in France. Relying on a strongly colloquial French, interwoven with some dialectal Arabic expressions, Iquioussen also often uses little stories and anecdotes to illustrate what he presents as typical problems for young Muslims, reinforcing his image as someone deeply familiar with the life of his audience. Furthermore, he makes it a point to voluntarily include himself in the Muslim collective when criticizing it,9 thus affirming the basic commonality between him and his audience, while, at the same time, his critique and his accounts of his work as a social mediator, notably in family conflicts,10 clearly set him apart from his audience. In brief, Iquioussen acts as a religious authority and, at the same time, as a role model for his audience. As a religious authority, Iquioussen is asked to interpret Islam’s foundational text and legal norms not only because he is knowledgeable, but also because he is expected to relate these texts directly to the life of young French Muslims. Furthermore, and maybe even more important in the context of individualized religious practice, Iquioussen is asked these questions because he will not only clarify the obligations, but also respond to the highly important question of how to fulfil these obligations. While this is not in itself new, Iquioussen can satisfy this demand in a specific way, since he can present himself, because of his background, as a possible example which the audience can follow. Put differently, Iquioussen’s role seems to emerge in the course of more general social transformations where the focus and needs of individuals are shifting away from ‘leaders’ who must be obeyed to ‘examples’ and ‘role-models’ which can be emulated (Bauman 2000).
9 10
In these instances, Iquioussen uses the indefinite pronoun on. On this latter question, see Bouzar 2001.
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3. Self-empowerment Iquioussen’s sermons can thus be seen to comprise a double move, both constructing specific problems as typical and constitutive of the second-generation immigrants and addressing them through a religious message of self-empowerment and guidance for the individual. Self-empowerment starts by removing the double stigma associated with the presence of Muslims in France. On the one hand, Muslims in France have to justify themselves to Muslims in the Islamic world for living in a non-Islamic country. On the other hand, they have to deal with the fact that their identity as French Muslims is contested in France by a huge part of the population which sees them as ‘Arab’ or ‘Muslim’. How does Iquioussen deal with this double challenge to French Muslim identity? First of all, it is interesting to note that he completely avoids the ongoing scholarly debates concerning the presence of Muslims in non-Islamic countries and uses instead common-sense arguments to defend the legitimacy of a Muslim presence in France, and ultimately, a French Muslim identity.11 More precisely, one can say that these arguments are elaborated a posteriori. While he thus attempts in some passages to counter exclusionist accusations raised against Islam in France (HI 8), it is important to note that he basically simply assumes the Franco-Muslim identity to be given and to be legitimate and then proceeds to outline – and to challenge (see below IV. and V.) – possible models for the individual life conduct in France. Being a French Muslim, according to Iquioussen, is “a fait accompli and not something to be ashamed of or a disgrace. […] There are people, when you tell them that you are French and Muslim [who will respond by saying]:‘God beware …’ 12 […] As if French equals unbeliever. This is wrong. [Being] French has to do with geography, it is about documents, about mentality and in many respects about affinity and it has nothing to do with faith. Islam is universal, there are no frontiers.” (HI 6)
Very matter-of-factly, he remarks that the discussions about whether one should return (to the Maghreb) or not are entirely irrelevant for him, since he never came to France, but was born there. He then goes on to ridicule those Muslims who argue that it is preferable to stay in an Islamic country and points out the numerous problems which Muslims face in some “so-called 11
12
Starting in the mid-1980s, various Muslim scholars from Europe and the Islamic world, among them several with close links to the UOIF, have attempted to develop new juridic concepts in order to replace the classic distinction between dar al-islam (territory under sovereignty of Islamic governments) and dar al-harb (literally, abode of war), which entail certain restrictions on the presence of Muslims in countries with non-Islamic governments (see Mawlawi 1987, Rohe 2004, Caeiro forthcoming). Words in italics in this article indicate the use of Arabic words and expressions by Iquioussen in the sermons. All translations from French and Arabic, unless otherwise indicated, are mine.
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Islamic countries” such as Tunisia and Turkey (HI 6). Iquioussen acknowledges that Muslims also suffer injustices in France, but emphasizes the legal means open to Muslims to defend themselves “in the name of the French constitution, in the name of Marianne” (HI 6). In the centre of his plea for the mobilization and self-empowerment of Muslims is, however, his critique of what he considers to be the self-persecution of Muslims: “Why do we create ourselves an imaginary world of enemies? A specter, a phantom, which is following us, hunting us and is out to get our skin? […] I don’t know why we have this feeling that … we are victims. Victims of whom? Victims of ourselves, unfortunately.” (HI 1)
Iquioussen sees a central problem in the Muslim’s lack of capacity to persevere in the face of unfavourable circumstances and reversals. In his appeals to young Muslims to persevere, his sermons outline a religiously anchored ethos of duty which integrates and remoulds elements of a secular discourse on life conceived as a constant struggle. Iquioussen thus refers recurrently to the impossibility of perfect happiness in life – “Do not dream: paradise on earth is a utopia” (HI 10) – and insists on the necessary existence of labour and difficulties: “Success demands efforts – nothing is for free” (HI 3). According to Iquioussen, Muslims have to take up this challenge, since it is a religious duty to succeed in life: “God has placed us on earth […] in order that we assume our duties. ‘…indeed, we created man in trouble.’13 Life on earth is not Club Med. There are times, praise be to God, where life is like that, but, even if I would not say most of the time, life consists […] of work, sacrifice, endeavour [effort], hence [it consists of] duties. This is the aim, one of the aims of life: we sow in order to harvest. We harvest some fruits while being on earth, and then, there are the fruits of eternity in paradise.” (HI 6).
While Iquioussen’s argument refers here ultimately to the transcendental dimension of life, presenting the daily life struggle as a constitutive part of God’s creation and as a religious duty, this nevertheless has important positive effects on the life here and now, which he only points at here broadly by mentioning the “harvest” on earth. Fundamentally, Iquioussen’s thinking thus starts with the idea that humans can ensure their own happiness by making an effort and by following the word of God. After evoking the numerous social problems which French Muslims face, Iquioussen attempts to highlight the scope of individual agency in spite of these difficult circumstances: “… as Sheikh Hasan al-Banna14 said: ‘If I am convinced of one thing, it is that everything is contained in the human being. If the human succeeds in perfecting himself, if the human 13 14
Quotation from Qur’an XC:4. Translation according to Arberry (1964, 645). Hasan al-Banna (1906-1949), Muslim writer and activist, was notably the founder of the Muslim Brotherhood in Egypt.
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succeeds in purifying himself, he will be able to radiate and to transform his environment.’15 And he [Banna, F.P.] quoted the verse of the Qur’an which says: ‘Inna Allah la yughayyiru bi-qaumin…’ God does not change the situation of a people unless the individuals, that is unless I have changed my situation.16 Why do I demand of others to behave well, while I am not good?”
4. Coping with the uncertainties of life As indicated above, success in this world should not, by any means, be considered irrelevant or rejected by Muslims, according to Iquioussen, who exhorts his audience to invest and to “harvest in the near future” (HI 3), also pointing out that religiosity should not be equated with suffering or abstention from earthly pleasures (HI 5). Furthermore, during an elaboration on what constitutes “success”, he simply passes over the importance of material fortune and good social standing, assuming that this is a point of consensus, and instead devotes himself to an admonition concerning necessary diligence in studying and success in school, which are supposed to be particularly important in France (HI 3). His overall view of “material success” (HI 3) is, however, far from simply affirmative. On the contrary, the high value placed on success in this life is rather seen as emblematic of the dominant life style in France, which is devoid of any transcendent dimension, and which he rejects. On the one hand, Iquioussen considers the neglect of “spiritual values” to be dangerous, since it leads, in the case of reversals, to a situation of despair: “There is a loss of spiritual values. People believe only in what they see. […] And when there are disappointments in material life,17 life is not worth living anymore” (HI 4). On the other hand, and more importantly, his sermons respond to a profound feeling of inadequacy regarding the challenges and risks inherent in life in a context where life-planning has become and (maybe even more importantly) is perceived to be a highly individual(ized) task. A recurrent topos in Iquioussen’s sermons is thus the “slave” or the “victim”, a (male) person18 unable to manage life in general in a satisfactory way. Through accounts of specific life situations – men’s relationship to women is 15
16 17 18
This paraphrase refers to al-Banna 1992, 116. The argument can be traced back to the reformists Jamal al-Din al-Afghani (1839-1897) and Muhammad ‘Abduh (1849-1905) (Kerr 1962, 130f., Hourani 1983, 128). A paraphrase of the following Qur’anic verse (XIII: 11): “God changes not what is in a people until they change what is in themselves.” (Arberry 1964, 268). In French, “au niveau de la matière”. The gender-specificity of Iquioussen’s sermons, which are addressed to audiences comprising both sexes, is a highly important issue which, however, requires a separate study and cannot be dealt with here adequately. See also note 20.
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in this respect crucial, Iquioussen insists on the general human need for guidance, a need which is explained primarily through their inability to control their desires and through their inability to generate moral values themselves. In a story told as a warning example about the results of being enslaved to one’s own desires, Iquioussen describes how an elegant non-Muslim woman – dressed in “the devil’s fashion” – seduces a drugged Muslim, eventually leading to pregnancy and marriage, after which the woman reveals her true personality and the Muslim realizes that he has fallen “into the trap of desire” by getting married to a “sorceress” (HI 7). Man is seen here as fundamentally weak and unable to control himself and thus needs to be protected from himself: “Because you have been the slave of desire for one minute, you have destroyed your whole life” (HI 7), Iquioussen concludes this account. For Iquioussen, the celebration of individual freedom and choice in France thus only disguises a specific form of modern dependency. The principle of individual autonomy, which he traces back at one point to “Pharaoh, the ancestor of Western civilization” (HI 2), is thus rejected, in a passage in which religious critique is still explicitly linked to personal experiences of lacking motivation: “Listen well to what I have to say: ‘I am not free. I am a servant and I have a master who dictates my conduct and this is fortunate, because if I had to determine my own conduct, I would not get up in the morning and after getting up, I have only one aim and this is to have fun, without making the distinction between right and wrong […]’. You will tell me, ‘You have no morals?’ Of course, I don’t have any morals. My morals, that’s my interest (HI 4).”
The solution to the risks of self-guided life conduct is thus simple, namely adherence to the rules of Islam: “God has spoken, the prophet has spoken, we follow. We think, but we think in the limits traced by God” (HI 7). In this respect one can discern, again, some faint echos of Islamist thinkers in the sermons of Iquioussen. His insistence on the fact that Islam “regulates everything” (HI 4), that there is only One God and that it is prohibited to adore other gods – such as one’s own “desires” –, the strong emphasis on practice, that is, on Islamic conduct outside of the mosques (HI 1; HI 4; HI 5; HI 9) – “a Muslim is necessarily believing and practising” (HI 9) – all this constitutes in a certain sense a remoulding of Islam as an encompassing belief-system from the individual’s point of view. The differences between Iquioussen and Islamist thinkers are considerable, however, and do not lie solely in the fact that the political thinking of Islamists proper is entirely obsolete or in the definitions of Islamic norms (see below V.). What makes Iquioussen’s thinking distinctive is his view of the finality of Islam, as becoming largely a function of individual needs. The aim of Islam, according to Iquioussen, is in fact “to allow man […] to live in harmony with himself and his environment” (HI 4). Islam is an “intelligent faith which allows the individual to develop
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his potentials uninhibitedly,19 to feel good, to be on good terms with his [social] environment, with his family and with the other people” (HI 9). In one sermon, Iquioussen goes as far as to say that the “truth” of religion itself is a function of its capacity to make the individual believer happy here and now: “The religion of truth is that which guarantees happiness to its followers, […] that which allows human beings to appreciate life, to love life” (HI 8). This obviously does not mean that Muslims are immune to problems, but rather that Islam confers on them a certain peace of mind. “Knowing the itinerary, you travel with a serene consciousness” (HI 3). A Muslim knows that problems are a necessary part of life and that they are, indeed, “trials” imposed on him by God, who will reward the believer for his steadfastness: “This is why the believer has a good psychological health. Whatever occurs to him, he knows how to interpret it” (HI 10). This brief analysis of Iquioussen’s sermons thus confirms Olivier Roy’s finding with respect to the changing Islamic discourse in Europe (Roy 2000, 81). Happiness and selfrealization, on the one hand, and proper moral conduct and spiritual salvation on the other, are conceived by Iquioussen to be in harmony. While Islam becomes primarily a tool for mastering life politics, the tricky process of decision-making in which the solitary individual is immersed, submission to Islam also guarantees final salvation.
5. Islamic normativity, ethical discipline and selfadvancement What does the “itinerary” of Islam thus look like and how does the normative dimension of Islam determine it? Iquioussen, in fact, stresses the fact that “Islam is […] a social and socializing religion which asks the individuals to live in society…” (HI 6) and in his sermons he elaborates rules of conduct for four domains of social interaction: namely, family, wedlock, community and society. As other preachers, Iquioussen is deeply concerned with the intergenerational conflict in France’s Muslim communities and he strongly stresses the importance of showing respect for, and being proud of, the parents’ generation, in spite of legitimate disagreement with their superstitious beliefs and their tendency to isolate themselves in French society. The often problematic relationship between brothers and sisters is also dealt with by Iquioussen, who sharply criticizes the seclusion young girls are subjected to by their brothers. The questions of how to find a partner and how to organize life after the wedding are given particular attention in his sermons, 19
In French, “Une croyance intelligente qui permet à l’individu de s’épanouir…”.
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some of which are exclusively dedicated to these questions, whose inherent difficulties are regularly acknowledged by him. Iquioussen presents a number of rather pragmatic guidelines for married life, which he describes as “an extraordinary daily jihad” (HI 12) and shows himself to be strict about maintaining separation of the genders, in spite of the obvious interest of his audience in relaxing these rules. Concerning community life, Iquioussen preaches ceasing futile intra-community hostilities and concentrating on common ground in order to tackle important problems inside the community. Finally, with respect to the relationship with wider society, Iquioussen pleads in very strong terms for active participation in societal life and the integration of Muslims into existing social and political structures. What is striking in Iquioussen’s sermons is the quite circumscribed place accorded to normative Islam as it is embodied in Qur’anic or prophetic prohibitions and orders. Instead, Iquioussen structures his sermons around very general ethical principles. Qur’anic norms appear in his sermons primarily in the context of his critique of Islamophobia. Here, Iquioussen seeks to demonstrate the ‘justice’ of Islamic legal norms in a broader discussion of the Islamic tradition and its caricatured representation in Europe (HI 1; HI 8). Apart from these cases, an important number of references are made to prophetic sayings in the context of gender-related discussions.20 It should be noted, however, that references to these norms are often intricately linked to common-sense reflections on the specific question being discussed, so that both are mutually supporting each other, rather than the prophetic word being the sole foundation of Iquioussen’s discourse (HI 7; HI 13). Far more important, however, are the various ethical principles and directives, all of which are shown to have Qur’anic origins, which appear constantly in his sermons. The duty to succeed and to gain knowledge, compassion and tolerance, the principles of liberty, justice, and fraternity, the slogan of “centrist Islam”,21 and, finally, the Golden Rule (“Do to others as you would have them do to you”) constitute, broadly speaking, the starting point for his thinking on Islamic life conduct. Iquioussen strongly emphasizes the importance of these principles; with respect to the prophetic dictum of the Golden Rule, he remarks for example that it alone suffices to organize harmonious community life (HI 5; HI 9). In other sermons, more restricted principles are introduced, 20
21
The discussion of Iquioussen’s position concerning the role of women in the family and community will not be developed here any further. In general, Iquioussen considers that there are basic, natural differences between men and women, although in some passages he points out the equality of rights and obligations of men and women in marriage. He thus emphasizes the primarily domestic role of women, which should not be sacrificed to work outside the home, and also the necessity of educating women, which is linked to their task of educating the children (HI 6; HI 11). References to supposedly gender-inherent types of conduct, such as the interest of women in clothes and jewellery and the propensity of men to rational planning, are also not absent from his sermons (HI 13). In French, “l’islam du juste milieu”.
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such as the ideas of “recognition” and “valorization”, which are brought up in the context of matrimonial life (HI 12; HI 13). It is obvious that Iquioussen’s reliance upon what he presents as Islamic principles, such as justice, liberty or tolerance, situates itself in the lineage of the 19th century reformist movements in the Middle East. Azmeh attributes to the reformist theologians the use of the principle of “nominal translation” (Azmeh 1996, 114), that is, applying the name of Islam “to that which historically was neither part of it nor its intellectual and cultural authority, and implicating this name with a politically desired and intellectually pre-determined world” (idem, 109f.). As Roy points out with respect to European Islam in general, the stronger emphasis placed on ethical principles rather than on norms defining what is illicit and what is lawful ultimately leads to portraying Islam as an order of values. As he continues, this facilitates in a general sense the communication and intellectual engagement with nonMuslims in European societies (Roy 2000, 80).22 However, the function of these ethical norms and general guidelines for Iquioussen’s sermons is not limited to the challenges emerging in the minority context in which Islam in France functions. Rather, it seems that the central place of these general norms is also part of a specific understanding of religion in which religious practice refers not only, or not so much, to the observance of a definite set of rules but to a lifelong process of ethical remoulding and self-formation; in brief, religion consists not in regulating one’s desires, but in changing them. In fact, although some of the principles referred to by Iquioussen, such as tolerance, moderation or compassion, can be translated into precise legal norms, they can also be understood as principles whose implementation by the believer is considered to be necessarily incomplete – or gradual – and is thus at the heart of a lifelong process of ethical self-formation. Iquioussen strongly insists on the fact that one becomes a Muslim through the development of certain general qualities, such as being tolerant, humble or modest. While these qualities are often illustrated through fictional accounts of daily life, which indicate their more specific relevance (and which outline a sort of new, informal Islamic code of conduct), it is often the general characteristic and not its enactment in specific circumstances which Iquioussen insists on. Furthermore, the development of these traits is thought to be part of a lifelong process, an idea which Iquioussen sometimes expresses by quoting Ibn Hanbal’s23 saying about his daily conversion to Islam (HI 4; HI 9). 22
23
In the case of Iquioussen, this reformist argument is, for example, crucial to his critique of orientalist depictions of Islam, where he attempts to show through a historical review that tolerance is something “inherent” in Islam (HI 1; HI 8). Ahmad ibn Hanbal (d. 241/855), theologian, jurist and traditionist and founder of one of the four Sunni law schools.
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In fact, one could argue that the appeal of this understanding of Islam to young French Muslims resides not least in the fact that Islam is being presented here as a project of self-fashioning and improvement. The idea of remoulding one’s own personality, of acquiring certain mental and emotional qualities – such as self-control, patience or moderation – and, maybe even more important, the idea of acquiring the general capacity to reshape one’s own personality, might well have an intrinsic value for young ‘Muslims’, quite independent of its supposedly subsidiary function inside the religious system. This aspect becomes even more important in the current context, with the increasingly oppressive burden of responsibility being placed on the sole individual (Bauman 2000). While Iquioussen does insist, as shown, on the validity of prophetic and Qur’anic norms–although a very limited number of them are mentioned explicitly, his discourse clearly privileges Islam understood as a broadly defined ethical discipline. This, however, ultimately opens up the possibility of diluting Islamic normativity into being a project of self-advancement in which the religious finality sometimes becomes difficult to discern: “… to be good, nice, tolerant, this can be learned, we are not born like that. You have to teach yourself and teaching yourself means sitting down, reading the Qur’an, it means being part of a group, […] being patient and supporting the others” (HI 1).
6. Improving religious performance: rationalization and second-order choices The above remarks have already touched upon Iquioussen’s concern with religious practice and the various ways for the believer to maintain and intensify it. In fact, Iquioussen devotes considerable attention to this latter question, to which he responds by outlining three different, but interrelated approaches to fortifying religious practice. Among these three, the rationalization of Islam occupies a particularly prominent place. As has been noted by various authors, for young Muslims, who have been socialized in Western Europe, the rational explanation of Islam is a necessary part of their religious life, contrary to the generation of their parents (Roy 2000, 74, Twardella 2002, 66). The task of proving the possible convergence of secular society and normative religion is a daily challenge for Muslims in Western Europe, and Iquioussen responds to it at length in his sermons. Humans, according to Iquioussen, are defined through reason (HI 4) and it is reason which can make them discover and understand Islam properly: “My parents are Muslims, I am Muslim by birth, but primarily, I am Muslim, because I think, I reflect, I ask myself questions…” (HI 5). By reflecting on the inherent logic of Islam, Muslims will become fully convinced of their faith and can thus
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strengthen it and erase any doubts, claims Iquioussen (HI 5; HI 11). Education and the constant search for knowledge are thus, without any doubt, crucial for Iquioussen’s understanding of Islam, which incidentally, he sets clearly apart from the beliefs of his parents’ generation, which according to him are deeply intertwined with local “traditions” (HI 9). The study of the Qur’an and other religious scriptures, whether individually, in small groups or in the mosque (HI 9; HI 11), is thus strongly recommended in order for faith to evolve. The focus on the rationalization of Islamic belief in Europe is, however, only partly satisfactory for analyzing Iquioussen’s vision of how to perfect religious performance. While Iquioussen emphasizes a rational understanding of Islam and the individual choice underlying a Muslim’s belief, he is highly aware that the process following the adoption of Islam partly transcends the sphere of rational discourse. In fact, while the above remarks have shown that in his sermons Iquioussen strongly emphasizes the benefits which the individual believer can derive in this life from being religious, the observation of religious rulings nevertheless remains difficult. However, all religious norms have to be followed, as Iquioussen does not fail to point out: “Islam is a whole; you either take it or leave it” (HI 7). On a purely rational level, Islamic norms concerning gender relations, for example, can be shown to be ultimately beneficial for the believer, as Iquioussen attempts to do (see above IV.), but this does not, of course, entirely do away with the temptation to transgress them.24 Beyond rationalizing their beliefs, according to Iquioussen, Muslims are faced with two weighty tasks. On the one hand, Muslims must strengthen their will in order to overcome any temptations. On the other hand, they must attempt to change the basic mental and emotional disposition in which their specific desires and aims arise (see above V.). Prayer and Ramadan are, of course, central to the strengthening of one’s will. “The aim of Ramadan is to make us remember that we have to educate ourselves through the discipline and control of our body” (HI 4), and thus quit being “slaves” of the material world. On a more general level, Ramadan, according to Iquioussen, teaches humans how to shape their will and not to abandon belief when difficulties occur (HI 4; HI 5). In a similar vein, Iquioussen emphasizes in his elaborations concerning ritual prayer its general structuring effect on the individual life conduct and the possibility for introspection and critique which it offers (HI 4; HI 5; HI 7). The formation of certain affective dispositions25 is also presented as being essential to ensure religious observance:
24 25
The numerous questions asked by the audience about this specific domain attest to the salience of this problem (HI 7; HI 13). On this point see Hirschkind (2001).
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“One might almost say: believing is like maths, 1+1=2. But beyond 1+1=2, I need something else. I need to get goose pimples when I listen to the Qur’an. I need to be immersed in prayer when I do it and not be [mentally] somewhere else. I need to feel excited at the approach of Ramadan …” (HI 6).
In several of his sermons, Iquioussen thus elaborates on specific affective dispositions, principally the “fear of God,”26 and their role in the religious discipline and the reshaping of the individual. While “fear of God” is sometimes taken to mean “spirituality” in general in the sermons and is highly valorized (HI 1), Iquioussen also uses this term to refer to the continuous remembrance of God’s presence in the believer’s life, a remembrance which can be nurtured by the individual through regularly thinking of death, for example (HI 11). Iquioussen’s sermons themselves can also be seen as an attempt to foster this disposition, such as when he goes to lengths to describe the infernal punishment of humans who were oblivious to God (HI 7).
7. Concluding remarks Iquioussen represents a new type of religious authority in French Islam, emerging in the context of a weakly institutionalized Islam, the individualization of religious practices and general socio-political transformations which have led to a higher valorization of role models and examples. If and to what degree the appearance of figures like Iquioussen contributes to the further fragmentation of community structures is a relevant question, but one which could not be examined here. In any case, it is clear that Iquioussen’s sermons develop a quite age-specific reading of Islam which is intelligible and attractive primarily to young French Muslims, a group whose collective identity Iquioussen sets out to circumscribe in the sermons. The doctrinal foundations of Iquioussen’s sermons are, however, not in any way new or specific to Europe. Rather, he articulates his vision of Islam by relying heavily on a reformist discourse on Islam, which is particularly obvious when he deals with questions such as the relationship of reason and religion, material well-being or self-empowerment (Kerr 1962, Hourani 1983). Iquioussen’s sermons respond in different ways to the phenomenon of structural individualization. The self-empowerment of French Muslims in an often hostile society, on the one hand, and guidance and protection against the inherent uncertainties of life on the other are central concerns in Iquioussen’s discourse. This discourse is based on a radical rejection of individual autonomy. Iquioussen strictly confines human rationality and agency 26
In several passages Iquioussen uses here both the French formulation and the Arabic term
taqwa (piety, devotion).
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to the limits set in the divine message. He thus outlines a vision of self-fulfilment which challenges the one which is dominant in French society, a challenge which cannot be separated from his strong pleas for the social and political integration of Muslims into French society. In fact, the full articulation of a French Muslim identity is based here precisely on an attempt to outline the position of a Muslim in France which entails also a critique of the majority society. In other passages, however, the sermons present a strongly future-oriented idea of ethical self-advancement. Islamic normativity, though never explicitly abandoned by Iquioussen, is here at some points diluted into a vision of self-advancement without a specific religious, i. e. tradition-related dimension. This secularizing transformation of religious norms into ethical principles is in latent opposition to the religiously founded critique of the majority society, a tension which is, however, neither made explicit nor resolved. In general, the analysis confirms that the individual appropriation and the rationalization of Islam (though of course not a new phenomenon) play a particularly important role in the articulation of Islam by young French Muslims. However, this statement can be nuanced in at least two respects. On the one hand, Iquioussen claims to submit human rationality to the divine message, on the other hand, his vision of Islam consists not simply in the rationally guided implementation of Islamic teachings by the individual, but more precisely in a project of reshaping the individual, his or her wishes and desires, an aim which is to be attained significantly through bodily practices and the inculcation of specific affective dispositions.
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Johannes Twardella
Der Euro-Islam des islamischen Intellektuellen Tariq 1 Ramadan 1. Einleitung Tariq Ramadan gilt gegenwärtig als einer der einflußreichsten muslimischen Intellektuellen Europas. Er besitzt eine breite Anhängerschaft, wird viel gelesen und ist auch in der Öffentlichkeit – vor allem in den französischen Medien – stark präsent.2 Die Meinungen über ihn gehen stark auseinander: Auf der einen Seite wird er von vielen als der große Vertreter eines europäischen Islam gesehen, dem es gelungen ist, den Islam so zu interpretieren, daß er ohne Probleme in den modernen Gesellschaften Europas praktiziert werden kann – ohne an Vitalität zu verlieren. Auf der anderen Seite wird vor Ramadan gewarnt, wird ihm – nicht zuletzt mit dem Verweis auf seine Verwandtschaft mit dem Gründer der Muslimbruderschaft in Ägypten, mit Hassan alBanna, dessen Enkel er ist – vorgeworfen, letztlich einen fundamentalistischen Islam zu predigen, der sogar antisemitische Züge trage (etwa Binswanger 2004). Wie ist diese schillernde Figur einzuordnen?3 Mit Hilfe eines auf Peter Berger zurückgehenden Entscheidungsmodells (Berger 1992) habe ich vor kurzem eine vorläufige Typologie muslimischer Religiosität entworfen und mit Bezug auf eine Reihe von Interviews mit jungen Muslimen in Deutschland zu konkretisieren versucht (Twardella 2004). Dabei bin ich mit Berger davon ausgegangen, daß ein jedes Individuum heute mit der Moderne konfrontiert ist, das heißt (auch) mit einer pluralistischen Situation sowie mit bestimmten an das Individuum gerichteten Erwartungen, vor allem mit der Erwartung der Individualisierung und der Rationalität. In dieser Situation muß jedes Individuum eine Reihe von Entscheidungen treffen. Im Hinblick auf die Religion steht das Individuum zunächst vor der Frage, ob es überhaupt religiös sein möchte oder nicht. Damit meine ich nicht, daß man vollkommen unreligiös sein könne, vielmehr gehe ich mit Ulrich Oevermann davon aus, daß sich die Frage nach dem Sinn immer stellt 1 2 3
Der folgende Text beruht auf einem Vortrag, den ich auf der Jahrestagung der Sektion Religionssoziologie, die vom 08.-10.07.2005 in Schmerlenbach stattfand, gehalten habe. Im Jahre 2000 zählte das Magazin Time Ramadan zu den bedeutendsten Intellektuellen der Gegenwart. Einige der nun folgenden Überlegungen habe ich bereits an einer anderen Stelle geäußert (2005).
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und auch derjenige, der sie säkularisiert zu beantworten versucht, strukturell religiös bleibt (Oevermann 1995). Doch eine traditionelle Religiosität ist unter den modernen pluralistischen Verhältnissen nicht mehr denkbar. Vielmehr ist davon auszugehen, daß derjenige, der sich für die Religion entscheidet, diese neu konstruieren muß, und dies ist Berger zufolge auf zweierlei Weise möglich: Entweder das Individuum setzt die Religion in einen Gegensatz zur Moderne oder es versucht sie mit der Moderne zu „versöhnen“. Für diese beiden Optionen stehen die Begriffe „Fundamentalismus“ und „Reformismus“. Als exemplarisch für den Fundamentalismus, der die religiöse Tradition so selektiv rezipiert, daß sich ein Gegensatz zur Moderne ergibt, kann etwa der Ägypter Sayyid Qutb, der Vordenker der Muslimbruderschaft bzw. des fundamentalistischen Islam überhaupt, angesehen werden. Ein Beispiel für einen reformerischen Islam sehe ich in Abu Zaid, der eine Neuinterpretation des religiösen Fundaments, des Koran, anstrebt, um den Islam so zu erneuern, daß er mit der Moderne kompatibel ist (vgl. Twardella 2003). Welchem dieser beiden Begriffe ist Ramadan zuzuordnen?4
2. Die Struktur von Ramadans „Rede“ Spätestens seit der Sprechaktanalyse von Searle wissen wir, daß bei jeder sprachlichen Äußerung unterschieden werden kann zwischen der Ebene der Pragmatik und derjenigen der Semantik. Mit jedem Sprechakt wird etwas gesagt, wird ein bestimmter Inhalt bzw. propositionaler Gehalt transportiert, und jeder Sprechakt hat eine bestimmte Form, genauer gesagt, wird mit ihm eine bestimmte Handlung vollzogen. Im Hinblick auf die Äußerungen Ramadans läßt sich also fragen, wie deren Pragmatik beschaffen ist: Von welcher Position aus werden sie getroffen, an wen richten sie sich und welche Handlungen werden mit ihnen vollzogen – bevor in einem zweiten Schritt auf deren Inhalt eingegangen wird. Da ich an anderer Stelle bereits genauer auf die pragmatische Struktur von Ramadans Äußerungen eingegangen bin (Twardella 2005), möchte ich mich hier kurz fassen: Sein Auftreten entspricht weder dem eines traditionellen Geistlichen, dessen Autorität wesentlich darauf beruht, daß er eine klassische Ausbildung genossen hat, und der sich mit einer Predigt oder mit einer rechtlichen Stellungnahme an die Muslime wendet, noch dem eines Wissenschaftlers. Zwar hat er eine Stelle als Lehrbeauftragter an der Universität Fribourg inne, doch arbeitet er nicht mit einer wissenschaftlichen Methode, die darauf zielt, zu Erkenntnissen zu gelangen, die wertfrei und für jedermann nachvollziehbar sowie überprüfbar sind. Er ver4
Ich werde mich im folgenden auf zwei seiner Bücher – diejenigen, die in deutscher Übersetzung vorliegen – beziehen. (Ramadan 2000 und 2001).
Leben im Moratorium. Der Fall Tariq Ramadan
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körpert vielmehr den Typus eines neuen islamischen Intellektuellen,5 der wissenschaftlich ausgebildet und für den insofern klar ist, daß er die Rationalitätsstandards moderner Gesellschaften verinnerlicht hat und sich an diesen orientiert, der sich aber nicht an die scientific community, sondern an eine partikulare Gemeinschaft, an die der Muslime, genauer gesagt, an die zweite und dritte Generation muslimischer Migranten in Europa wendet. Für diese Muslime gilt, daß sie vollständig in modernen Gesellschaften sozialisiert und mit dem Problem konfrontiert sind, daß sie, wenn sie sich nicht einfach an die Mehrheitsgesellschaft assimilieren, sondern eine eigene religiöse Identität besitzen wollen, schwerlich an die Erfahrungen ihrer Eltern anknüpfen können, sondern eigenständig eine solche Identität entwerfen müssen. Dieses Problem ist Ramadan angetreten stellvertretend zu lösen. Im folgenden werde ich genauer auf die inhaltliche Ebene von Ramadans Äußerungen eingehen, d.h. das Deutungsmuster zu rekonstruieren versuchen, das er den Muslimen in Europa anbietet. Es besteht m.E. aus einer Krisendiagnose, einer eigenwilligen und interessanten Kulturtheorie, einem Konzept des Islam als „der Lösung“ aus der gegenwärtigen Krise und schließlich aus einem spezifischen Bewährungsmodell. Ich werde auf diese verschiedenen Aspekte nun nacheinander eingehen.
3. Ramadans Krisendiagnose Auf die gegenwärtige Lage der Welt blickend hebt Ramadan bestimmte Phänomene überdeutlich hervor: die wachsende Kluft zwischen Armen und Reichen, die Zerstörung der Umwelt, also des menschlichen Lebensraumes, Kriege, die atomare Bedrohung etc. Ohne andere Ursachen leugnen zu wollen, fokussiert Ramadan seinen Blick bei der Frage nach den Ursachen auf die westliche Moderne: Der Westen ist es, der von ihm vorrangig für die krisenhafte Situation, in der die Welt sich momentan befindet, verantwortlich gemacht wird. Wichtig ist nun, daß Ramadan mit Hilfe der Differenz zwischen Wesen und Erscheinung bzw. Struktur und Geschichte eine Unterscheidung trifft, und zwar zwischen einem abstrakten Modell von Moderne auf der einen Seite und dessen Ausprägung in der Geschichte der westlichen Gesellschaften auf der anderen Seite. Die Moderne als abstraktes Modell wird damit von der Verantwortung für die gegenwärtige globale Krise entho5
Siehe hierzu auch den Beitrag Frank Peters im vorliegenden Band. Zwischen der Position von Ramadan und derjenigen des französischen Predigers Iquioussen, den Peter in diesem Aufsatz behandelt, gibt es auch inhaltlich viele Berührungspunkte. Offensichtlich scheint jedoch bei letzterem nicht der Anspruch vorhanden zu sein, den Islam systematisch neu zu begründen.
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ben, diese fällt allein der westlichen Variante der Moderne zu, genauer gesagt, der „Ideologie des Modernismus“, die Ramadan zufolge dadurch gekennzeichnet ist, daß die Ideen des Wachstums und des Fortschritts hypostasiert werden. Anders gesprochen – und dies ist ja für Soziologen keine fremde Denkfigur -, die gesellschaftlichen Teilbereiche haben sich Ramadan zufolge in der Moderne verselbständigt und folgen nun ihrer eigenen Logik. Diese Entwicklung wird von ihm auch mit Hilfe der Differenz von Mittel und Zweck beschrieben: Die verschiedenen gesellschaftlichen Sphären – vor allem die Wirtschaft – sind eigentlich Mittel, die auf einen bestimmten Zweck – ein sinnvolles und menschenwürdiges Leben – ausgerichtet sein sollten, doch haben sie sich längst von diesem Zweck gelöst. Angesichts der ihrer Eigenlogik folgenden gesellschaftlichen Teilbereiche fordert Ramadan nun, daß der Mensch wieder zum Subjekt der Geschichte werden soll. Welche Ursachen sind es konkret, die Ramadan zufolge hinter der gegenwärtigen Krise, genauer gesagt, der Krise der westlichen Welt, stehen? Diese Frage beantwortet er mit einer Theorie der Säkularisierung bzw. der Gegenüberstellung der Kultur des Westens und derjenigen des Islam. Die Kultur des Abendlandes ist für Ramadan eine „Kultur der Kritik und des Zweifels“ (Ramadan 2000, 265). Sie ist geprägt durch eine fundamentale Spannung zwischen dem Heiligen und dem Profanen, zwischen dem Göttlichen und den Menschen. Für Ramadan ist sie versinnbildlicht in der Figur des Prometheus, der sich gegen die Götter auflehnt und mit ihnen konkurriert. Die Figur des Prometheus taucht in der Kulturgeschichte des Okzidents immer wieder auf – Ramadan verfolgt sie von ihren Anfängen in der griechischen Mythologie bis hin zur „metaphysischen Revolte“ (ebd., 253) bei Camus. Prometheus ist, so Ramadan, „der vollkommenste Ausdruck des Widerstands gegen die aufgezwungene göttliche Ordnung und der Behauptung der menschlichen Autonomie und Größe“ (ebd., 250). Und er geht noch weiter: Die Spannung zwischen dem Heiligen und dem Profanen sei auch in der Religion des Judentums angelegt und sei in der Folge in das Christentum eingegangen. Diese Spannung treibe zum Zweifel, rufe aus sich die Idee der Sünde und der Schuld hervor, aus der sich wiederum die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen ergebe. Die „tragische Erfahrung“ (ebd., 257), aufgrund der Spannung zwischen dem Heiligen und dem Profanen schuldig zu werden, mache dem Menschen seine Erlösungsbedürftigkeit bewußt und verleihe seinem Glauben Sinn. Ramadan verdeutlicht diese Überlegungen an der Figur von Abraham: Als Isaak ihn fragt, wo denn das Opfer sei, das erbracht werden soll, verschweigt ihm Abraham, daß er den Befehl von Gott erhalten hat, eben ihn, seinen Sohn, zu opfern und daß er willens ist, diesen Befehl auszuführen. Tragisch ist für Ramadan diese „Prüfung“ Abrahams, weil Abraham mit seinem Wissen und seinem Gehorsam allein bleibt, in einer „unendlichen Einsamkeit“ (ebd., 255). Er muß die Frage, ob es richtig oder falsch ist, Gott zu gehorchen, allein beantworten, quält sich in seinem Glauben und muß mit seinen Zweifeln letztlich alleine fertig werden. Diese innere Zerrissenheit sei
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später von Kierkegaard „geadelt“ worden: Der Glaube erhält bei diesem seine Weihe gerade dadurch, daß er nicht bewiesen werden kann und auf dem „Sprung“ des einsamen Subjekts von der Ungewißheit in den Glauben beruht. Sie kann aber auch zur Negation Gottes führen, d.h. sie kann den Säkularisierungsprozeß vorantreiben. Dieser scheint, so sieht es jedenfalls Ramadan, heute an einem gewissen Endpunkt angekommen zu sein. Wir sind, so schreibt er, „am Endpunkt der prometheischen Erfahrung angelangt“ (ebd., 267). Dieser Endpunkt wird von ihm als ein Wendepunkt gedeutet.
4. Der Islam als „die Lösung“ Aus Ramadans Sicht hat also die abendländische „Kultur der Kritik und des Zweifels“ jenen Säkularisierungsprozeß hervorgebracht, der die Moderne in die Krisen der Gegenwart geführt hat. Darin unterscheidet er sich nicht von etlichen anderen Autoren, die dies ähnlich sehen. Besonders ist jedoch die Lösung, die er für diese Krisen vorschlägt. Aus ihnen gebe es nur einen Ausweg: „Der Islam ist die Lösung.“ Diese populäre Formel wird von Ramadan auf interessante Weise gedeutet, indem der Islam mit einer „Kultur der Erinnerung“ identifiziert wird, die der abendländischen Kultur entgegengesetzt wird. Im Islam gebe es nicht – wie in der abendländischen Kultur – eine Spannung zwischen dem Heiligen und dem Profanen, und folglich sei ihm auch die Figur des Prometheus völlig fremd. Die Situation des Gläubigen, die Einsamkeit, in der er zu zweifeln beginnt, in der er sündig wird und folglich der Erlösung bedarf, also das, was Ramadan die „tragische Erfahrung“ nennt, kennt der Islam nicht. Auch dies macht Ramadan an der Figur von Abraham deutlich: Im Koran teilt Abraham Isaak seine Absicht mit. Er sagt zu seinem Sohn: „Mein lieber Sohn, ich habe im Traum gesehen, daß ich dich schlachte. Nun, was meinst du dazu? (Sure 37, Vers 102)“ (ebd., 258)
Schon durch diese Mitteilung und Frage ist die Einsamkeit Abrahams durchbrochen. Doch dabei bleibt es nicht: Abraham wird durch seinen Sohn sodann auch explizit in seinem Glauben gestärkt, denn dieser antwortet: „Mein Vater, tu, wie dir befohlen, du sollst mich, so Gott will, standhaft sehen. (Sure 37, Vers 102 )“ (ebd.)
Aufgrund der gegenseitigen Unterstützung im Glauben können, so Ramadan, Zweifel hier nicht aufkommen. Naheliegend wäre es nun, ausgehend von dieser Fassung der Geschichte von Abraham und Isaak eine Theorie der islamischen Kultur zu entwerfen, die das Moment des Gehorsams in den Mittelpunkt stellt. Denn der Gehorsam ist in der koranischen Variante m.E. das zentrale Motiv. – Er geht so
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weit, daß er die Bereitschaft nicht „nur“ zur Opferung des eigenen Kindes, sondern auch die Selbstaufopferung einschließt. Er ist ein Gehorsam bis in den Tod. – In meiner Arbeit über die Frühzeit des Islam habe ich dieses Motiv, das Motiv des Gehorsams, als das dominante, ja, grundlegende im Koran herausgearbeitet (Twardella 1999). Durch die Überlegungen von Ramadan, der ebenfalls die basale Bedeutung des in der Geschichte von Abraham und Isaak zum Ausdruck kommenden Handlungsmodells betont, sehe ich mich in meiner Analyse bestätigt.6 Interessant ist nun aber, daß Ramadan die Kultur des Islam nicht als eine Kultur des Gehorsams, sondern als eine „Kultur der Erinnerung“ konzipiert. Wie er auf dieses Konzept kommt, bedarf der Erklärung. Rekurrieren muß man dabei auf die koranische Anthropologie bzw. auf das Konzept des Ur-Bundes. Diesem Konzept zufolge gibt es eine „natürliche Veranlagung, mit der Gott die Menschen erschaffen hat (Sure 30, 30)“ (Ramadan 2000, 270), „ein natürliches Streben zu Gott“ (ebd., 271), das mit der Vorstellung eines Ur-Bundes verknüpft wird. Mit jedem Menschen hat Gott, bevor dieser eigenständig zu denken beginnt, einen Bund geschlossen; der Glaube ist von Geburt an in jedem Menschen angelegt. Durch Gottes „Zeichen“ wird der Mensch sodann immer wieder an diesen Bund „erinnert“: durch die Zeichen der Natur und – vor allem – durch die Zeichen der Offenbarung. Die Offenbarungen – und damit ist nicht nur der Koran, sondern sind auch die Thora und die Evangelien gemeint – werden (wie schon im Koran) als Erinnerung begriffen. Und da die Menschen immer wieder Gott vergessen, waren mehrere Offenbarungen notwendig, ist eine auf die andere gefolgt, bis der Offenbarungsprozeß mit Mohammed, dem „Siegel der Propheten“ (Sure 33, Vers 40) abgeschlossen wurde. Unter diesen Prämissen kann es einen totalen Abfall von Gott gar nicht geben – die religiöse Veranlagung bleibt immer bestehen. Säkularisierungsprozesse, die in die völlige Gottlosigkeit führen, können nicht stattfinden – man kann nur Gott „vergessen“. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen deutet Ramadan auch die Verweltlichung vieler Menschen, die einen islamischen Hintergrund haben: Sie haben letztlich ihren Glauben nie verloren,7 und das „islamische Erwachen“ beruht entsprechend darauf, daß die Muslime sich wieder an ihren Glauben, an Gott erinnern.
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Der Unterschied besteht freilich darin, daß Ramadans Verweis auf den Gehorsam letztlich auch den Charakter einer Aufforderung, einer Aufforderung zur Unterwerfung hat, während er bei mir allein das Ergebnis einer wissenschaftlichen Analyse ist. Die Möglichkeit, daß die Religion eventuell bewußt aufgegeben wurde, zieht Ramadan nicht in Erwägung. Denn das würde implizieren, daß eine Entscheidung getroffen wurde, die zu akzeptieren er nicht umhin könnte.
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5. Ramadans Konzept des Islam Welches Konzept vom Islam vertritt Ramadan, wie interpretiert er seine Religion? Grundlegend für alle seine Überlegungen ist freilich der Bezug auf die primären Quellen, auf die wesentlichen Texte, also auf den Koran und die Hadithe. Doch bezieht er sich nicht ausschließlich auf diese, sondern berücksichtigt auch die Tradition der islamischen Wissenschaften und das islamische Recht. Insofern kann er nicht als Fundamentalist bezeichnet werden, ist doch für einen solchen charakteristisch, daß er sich allein auf den Koran und eventuell noch auf die Hadithe bezieht, die islamischen Wissenschaften aber unbeachtet läßt. Hinzu kommt, daß seine Hermeneutik der Quellen keineswegs fundamentalistisch ist: Die fundmentalistische Exegese des Koran kennzeichnet, daß der Text – weil er das Wort Gottes ist – wörtlich genommen wird. Wesentlich für Ramadans Hermeneutik ist jedoch, daß differenziert wird zwischen Textstellen, die eindeutig sind und keiner Interpretation bedürfen – diese sind seiner Meinung nach nur gering an der Zahl – und solchen, die nach einer Interpretation verlangen. Letztere sind „dem Geiste nach“ zu verstehen. Und im Hinblick auf die Scharia unterscheidet er zwischen einem feststehenden Rahmen und einem „dynamischen Rest“, der jeweils auf die aktuellen Verhältnisse bezogen werden müsse. Ja, das ist überhaupt eines seiner zentralen Anliegen: Er will den Islam dynamisieren, und zwar dadurch, daß die konkreten gesellschaftlichen Verhältnisse und die religiösen Grundlagen in einem dialektischen Prozeß miteinander vermittelt werden. Durchführen soll diesen Vermittlungsprozeß die Ulama, die islamischen Geistlichen, und ihr Mittel soll dabei der Idschtihad, die „persönliche Anstrengung“ (Ramadan 2001, 113) der Rechtsgelehrten, sein. Unklar bleibt allerdings weitgehend, welche Inhalte absolut sind und welche interpretiert werden können. Klar ist jedoch, daß Ramadan nicht die Absicht hat, die Fundamente des Glaubens zu relativieren: Während er ansonsten – vor allem in Bezug auf den Westen – einer historisierenden und relativierenden Perspektive aufgeschlossen gegenüber steht und darin sehr modern erscheint, bleiben für ihn der Koran und die Hadithe letztlich unhintergehbar und absolut. Darin unterscheidet er sich von einem wirklichen Reformer wie etwa Abu Zaid, der auch den Koran konsequent zu historisieren bemüht ist (indem er nachzuweisen versucht, daß der Koran zwar auf Gottes Wort zurückgeht, jedoch von einem Menschen, eben von Mohammed, ausgesprochen und dadurch auch bereits interpretiert worden ist.) Man kann sagen, denke ich, daß mit dieser Art der Hermeneutik bei Ramadan zwei Dinge zusammenhängen: Zum einen entspricht ihr eine Verlagerung der Religiosität in die Innerlichkeit. Denn wesentlich für ihn ist nicht die Befolgung konkreter Handlungsanweisungen bzw. religiöser Normen – etwa der vier praktischen Säulen des Islam –, sondern ein im Innern des Subjekts verankerter Glaube, eine neue Spiritualität. Ramadan scheint in diesem Punkt
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eine gewisse Nähe zur Mystik zu besitzen – es ist offensichtlich eine mystische Frömmigkeit, die er propagiert. Diese Spiritualisierung des Islam kann aber auch, wie dies in einem anderen Zusammenhang bei Gellner bereits geschehen ist, als eine „Protestantisierung“ des Islam gedeutet werden: Das Individuum mit seiner innerlichen Glaubensgewißheit gerät ins Zentrum der Religion – die „intermediären Instanzen“, also die Geistlichen, die Ulama, verlieren an Bedeutung.8 Zum anderen resultiert aus dem Postulat der Vermittlung des Islam mit den konkreten gesellschaftlichen Verhältnissen ein gewisser Pragmatismus: Die gegebenen Bedingungen, in denen die Muslime jeweils leben, müssen berücksichtigt und akzeptiert werden, genauer gesagt, sie müssen laut Ramadan zunächst genauestens analysiert werden, um sodann darüber nachzudenken, wie man als Muslim in diesen Verhältnissen dem Islam treu bleiben kann.
6. Ramadans Bewährungskonzept Im Hinblick auf das Bewährungskonzept9, das Ramadan für die Muslime in Europa bzw. letztlich für alle Muslime auf der Welt entwirft und auf das nun abschließend eingegangen werden soll, ist von Voraussetzung, daß Ramadan die traditionelle Gegenüberstellung von dar al-islam („Haus des Islam“) und dar al-harb („Haus des Krieges“) für obsolet erklärt und an ihre Stelle diejenige von Zentrum und Peripherie stellt. Das Zentrum ist für ihn allerdings nicht – wie zu vermuten gewesen wäre – Mekka oder Medina, sondern der Westen bzw. die Metropolen des westlichen „Systems“. Die „restliche“, nicht westliche Welt liegt von dort aus gesehen in der Peripherie. Für die Muslime nun sei es (rechtlich) unproblematisch, wenn sie im Zentrum der Welt, also in den westlichen Ländern leben. Ihre Aufgabe sei es grundsätzlich – jedoch in besonderer Weise „im Zentrum (...) des Systems“ (ebd., 183) – Zeugnis abzulegen, Zeugnis für die Religion des Islam. Daß die Muslime gerade im Westen dazu aufgefordert sind, wird daran auch deutlich, daß Ramadan in Bezug auf den Westen, auf das „westliche Haus“, als von dem „dar aschschahada“ (ebd., 185), dem „Haus des Rufes zu Gott“ (ebd., 177), spricht. Das Zeugnis für den Islam besteht Ramadan zufolge nicht einfach darin, daß ein Muslim sein Bekenntnis öffentlich macht, vielmehr versteht er es als ein praktisches Engagement, das indirekt auf den Glauben zurückverweist. 8 9
Ihr Bedeutungsverlust ist allerdings beschränkt, eine konsequente Unabhängigkeit des Gläubigen von den Rechtsgelehrten wird von Ramadan nicht angestrebt. Den Begriff des Bewährungsmodells entnehme ich dem religionssoziologischen Modell von Ulrich Oevermann. (Siehe Oevermann 1995).
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Und dieses praktische Engagement der Muslime hat im Dienste bestimmter Werte, einer bestimmten Moral zu stehen. Der zentrale Wert ist für Ramadan derjenige der Gerechtigkeit. Für Gerechtigkeit sollen die Muslime sich engagieren, genauer gesagt, für soziale Gerechtigkeit. Sie sollen sich auf die Seite derjenigen stellen, die ungerecht behandelt werden, auf die Seite der Arbeitslosen, der Ausgegrenzten etc., sollen mit diesen solidarisch sein und sich für diese einsetzen. Dieses Bewährungskonzept erklärt, warum Ramadan im Islam „die Lösung“, die Lösung für die krisenhafte globale Situation sieht, denn diese geht, wie oben bereits gesagt wurde, aus Ramadans Sicht auf die Verselbständigung gesellschaftlicher Teilbereiche zurück, die nicht mehr an die Erfüllung bestimmter Zwecke gebunden sind. Durch das Engagement der Muslime aber, das sich aus ihrem Glauben speist, könne, so seine Hoffnung, diese Entwicklung gestoppt, könne die gesellschaftliche Entwicklung wieder auf bestimmte Ziele hin ausgerichtet werden. Dies impliziert freilich, daß die Säkularisierung der Sphäre der Politik, die Autonomie des Politischen, rückgängig gemacht wird. Sie ist, so Ramadan, das Produkt eines Befreiungsprozesses, der in der westlichen Welt wegen der Macht und Autorität der Kirche notwendig war – im Islam gibt es jedoch keine Kirche und deswegen gab bzw. gibt es dort auch keinen Anlaß dafür, die Religion aus der Sphäre der Politik herauszudrängen. Im Zuge des okzidentalen Prozesses der Säkularisierung hingegen ist die Religion zu einer Privatangelegenheit erklärt worden, und in der Folge wurde die „Neutralität des [öffentlichen, J.T.] Raumes“ (ebd., 172) gleichgesetzt entweder mit der Abwesenheit der Religion oder mit der „Vorherrschaft einer atheistischen Ideologie“ (ebd., 172). Der Islam aber läßt sich – so muß man aus Ramadans Äußerungen schließen – nicht auf eine Privatangelegenheit reduzieren. Er verpflichtet zu gesellschaftlichem Engagement: Man kann – so betont Ramadan immer wieder – nicht Muslim sein, ohne sich in die „sozialen Angelegenheiten“ einzumischen.
7. Resümee Fassen wir die Sache noch einmal zusammen: Am Anfang stand Ramadans Behauptung, der Westen befinde sich momentan in einer Krise bzw. habe eine globale Krise verursacht. Angesichts dieser Krise stehe die Welt am Scheideweg: Entweder der Prozeß der Säkularisierung und Verwestlichung wird fortgesetzt, dann werde sich, so Ramadan, die Krise weiter zuspitzen. Oder es wird ein Ausweg aus dieser Krise gesucht. Für Ramadan kann dieser nur der Islam sein, er ist „die Lösung“. Damit zielen seine Überlegungen letztlich auf die Substitution der westlichen Kultur und Lebensweise durch eine islamische. Denn nur der Islam enthält seiner Meinung nach jene Wert-
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bindungen, die zur Überwindung der gegenwärtigen Krise notwendig sind. An der Figur von Abraham wurde m.E. deutlich, daß Ramadan damit letztlich für die Substitution der westlichen Kultur durch eine Kultur des Gehorsams plädiert – eines Gehorsams, der bis in den Tod gehen kann. Es wurde jedoch auch klar, daß Ramadan nicht grundsätzlich die Moderne in Frage stellt, sondern „nur“ deren westliche Ausprägung. Der Westen sei sinnentleert sowie moralisch verkommen, und die Werte, die er „vor sich her trägt“, würden nur dazu benutzt, eine aggressive Politik zu legitimieren. Der Bruch mit dem Westen soll die Muslime aber nicht daran hindern, die Errungenschaften der Moderne – soweit sie nicht im Widerspruch zum Islam stehen – zu übernehmen. Sie seien letztlich Errungenschaften der ganzen Menschheit und könnten deswegen als islamisch angesehen werden.10 Angesichts dieser Überlegungen ist es nicht verwunderlich, daß Ramadan als Fundamentalist betrachtet wird – er positioniert den Islam konsequent in einen Gegensatz zum Westen. Die Radikalität von Ramadans Lösungsvorschlag wird jedoch dadurch in den Hintergrund gedrängt, daß er (für den, wie betont wurde, der Koran und die Hadithe unhintergehbar sind) eine äußerst „liberale“ Hermeneutik vertritt, derzufolge vieles „dem Geiste nach“ interpretiert werden kann, sowie einen Pragmatismus, der ebenfalls sehr liberal wirkt, da er die Anerkennung der gegebenen gesellschaftlichen Verhältnisse zum Prinzip erhebt und eine dialektische Vermittlung zwischen diesen und den Forderungen des Islam verlangt. Dabei darf freilich nicht verkannt werden, daß die Anerkennung der gegebenen Verhältnisse nur die eine Seite der Medaille ist – das Festhalten an dem Ziel der vollständigen Realisierung der Scharia ist die andere. Dies zeigt sich etwa daran, daß Ramadan auf die Frage nach der Steinigung von Ehebrecherinnen dafür plädiert, daß es bis auf weiteres ein „Moratorium“ geben solle (Lau 2004). Verallgemeinernd könnte man sagen, daß wir uns Ramadans Sicht zufolge gegenwärtig grundsätzlich in einem Moratorium befinden – die Erfüllung der Verbindlichkeiten ist aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Worauf beruht Ramadans Attraktivität, warum stößt er bei so vielen jungen Muslimen in Europa auf große Zustimmung? Dazu läßt sich sagen, daß Ramadans Überlegungen in zweifacher Hinsicht den Gläubigen ihre Zweifel nehmen: Auch wenn das Individuum sich zum Islam bekennt, so kann es dennoch immer wieder zu „Anfechtungen“ im Glauben kommen, zu Zweifeln daran, ob der Islam tatsächlich die richtige Religion ist. Dem zweifelnden Gläubigen wird nun von Ramadan entgegen gehalten, daß der Zweifel etwas Westliches ist, daß es Zweifel im Islam nicht gibt. Angesichts der Ungewißheit des Glaubens wird der Gläubige so an seine Gehorsamspflicht er10
Besondern detailliert geht Ramadan auf die westliche Kultur ein: Solange sie nicht die menschliche Würde verletzt, könne sie von Muslimen konsumiert werden. Letztlich sei es jedoch erstrebenswert eine genuin islamische Kultur zu entwickeln bzw. auszubreiten.
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innert, ja, diese wird in absoluter Radikalität herausgestellt.11 Darüber hinaus wird der Gläubige auch vor „Prüfungen“ auf der Ebene der alltäglichen Praxis bewahrt: Zu ernsthaften Konflikten zwischen den Wünschen und Bedürfnissen der Muslime und den Forderungen ihrer Religion kann es nicht kommen, da die Muslime angehalten werden, diese flexibel zu handhaben und stets auf die gegebenen Bedingungen Rücksicht zu nehmen. Ein Widerspruch zwischen dem Glauben und der Realität, ja, ein Scheitern der Religion ist so letztlich unmöglich. Die islamische Identität, die nun kein Stigma mehr ist, sondern selbstbewußt positiv besetzt wird, erlaubt es, sowohl eine innere Distanz zur westlichen Welt zu wahren, als auch sich praktisch am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Hinzu kommt, daß die Verinnerlichung der Religion, die Spiritualisierung des Islam zu einer neuen Glaubensgewißheit führt, also eine charismatisierende Wirkung hat. Diese ermöglicht verschiedene Individualisierungsschritte.12 Zudem werden durch das relativ offene Bewährungskonzept gewisse Handlungs- und Entscheidungsspielräume eröffnet. Sie können genutzt werden im Engagement für Gerechtigkeit, im Kampf für eine gerechte Welt, bei dem die Muslime sich mit anderen Individuen und Gruppen, die ebenfalls für Werte eintreten, zusammenschließen können. Ihnen gegenüber sollen sie tolerant sein – nicht jedoch gegenüber dem „liberalen System“.
8. Bibliographie Berger, Peter (1992): Der Zwang zur Häresie. Religion in der pluralistischen Gesellschaft. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien. Binswanger, Daniel (2004): „Der diskrete Charme der Scharia“ Weltwoche, H. 47. 36ff. Gellner, Ernest (1985): Leben im Islam. Religion als Gesellschaftsordnung. Klett-Cotta, Stuttgart. Lau, Jörg (2004): „Der Doppelagent” Wochenzeitung Die Zeit, H. 37. Oevermann, Ulrich (1995): „Ein Modell der Struktur von Religiosität. Zugleich ein Strukturmodell von Lebenspraxis und von sozialer Zeit.” in: Wohlrab-Sahr, Monika (Hg.): Biographie und Religion. Zwischen Ritual und Selbstsuche. Campus Verlag, Frankfurt/M New York. 27-102. Ramadan, Tariq (2000): Der Islam und der Westen. Von der Konfrontation zum Dialog der Zivilisationen. MSV Verlag, Marburg. Ramadan, Tariq (2001): Muslimsein in Europa. Untersuchung der islamischen Quellen im 11
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Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Islam, daß, je deutlicher der Islam in Frage gestellt wird, je tiefer somit die Zweifel gehen, desto deutlicher wird der Gehorsamsaspekt herausgestellt (z.B. bei Ibn Tamiyya, bei Sayyid Qutb etc.). Dazu können insbesondere die Abgrenzung von der nicht islamischen Mehrheitsgesellschaft, die Loslösung vom Elternhaus und die Infragestellung geistlicher Autoritäten gehören.
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europäischen Kontext. MSV Verlag, Marburg. Twardella, Johannes (1999): Autonomie, Gehorsam und Bewährung im Koran. Ein soziologischer Beitrag zum Religionsvergleich. Olms Verlag, Hildesheim. Twardella, Johannes (2003): „Der Islam in der Moderne – Ausprägungen und Entwicklungstendenzen.“ in: Werkner, Ines-Jacqueline / Leonhard, Nina (Hg.): Aufschwung oder Niedergang? Religion und Glauben in Militär und Gesellschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Peter Lang Verlag, Frankfurt/M. 189-206. Twardella, Johannes (2004): Moderner Islam. Fallstudien zur islamischen Religiosität in Deutschland. Olms Verlag, Hildesheim. Twardella, Johannes (2005): „Tariq Ramadan – liberaler Erneuerer des Islam oder fundamentalistischer Denker?“ in: Augustin, Christian / Wienand, Johannes / Winkler, Christiane (Hg.): Religiöser Pluralismus und Toleranz in Europa. Wiesbaden. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden (im Druck).
Talip Kucukcan
Symbolic Religiosity among the Turkish Youth in Britain 1. Introduction Many Western European countries have a sizeable immigrant population of different ethnic, racial, religious and national origins, including Turkish Muslims, as a result of transnational immigration and settlement. The estimated number of Turkish Muslims in European countries is more than 3 million and younger generations constitute a large portion of the Turkish diaspora. Contrary to the expectations of the policy makers, the overwhelming majority of the Turkish immigrants decided to settle in the host countries rather than returning to Turkey. The host countries became permanent homes for the younger generations.1 The arrival and settlement of foreigners with their own social customs and cultural characteristics such as different languages, religions, food and dress, as well as organizations such as Mosques, Synagogues and Qurdwaras (Sikh Temples), changed the social fabric of European societies and transformed the public domain. Muslims obviously have a significant demographic impact on Europe. Currently there are 23 million Muslims in Europe as a whole, of which more than 7 million live in Western Europe in new communities (Vertovec/Peach 1997, 13). Although the presence of Muslims in Europe is not a new phenomenon, it could be argued that the expression of Islamic identity has become more pronounced and Muslims more visible in recent years. The marginalization of Muslims on local levels and their perceived victimization on international level such as in Bosnia, Kosova, Afghanistan and more recently in Iraq mobilized Muslims in Europe and strengthened their sense of belonging to the Muslim Community. However, despite this universal sense of belonging, Muslims in Europe display a great deal of diversity. Even a cursory look at the Muslim communities such as Pakistanis, Turks, Algerians, Moroccans and Bangladeshis in the West would reveal that all these communities have diverse perceptions and practices of Islam stemming from their ethnic and national characteristics as well as social and political experiences. 1
For Turkish migration to Europe see Abadan-Unat 1976, Beeley 1983, Bhatti 1981, Paine 1974, Martin 1991.
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Islam is one of the identity markers of Turkish migrants in Europe as clearly explained by one of the young informants who sums up a common perception among the Turks that “without being a Muslim, one cannot be a proper Turk.” This straightforward expression shows the extent to which Turkish identity is linked to religion. Eminent researchers also confirm this observation. White (1994, 37), for example, points out that 99 per cent of Turks are Muslims and to varying degrees try to practise the prescribed rituals such as daily prayers and fasting. Lewis (1961, 418) on the other hand notes that Islamic values are deeply rooted in Turkish society. He points out that despite the striking changes Turkish society has faced, the Islamic imprint on the fabric of society still remains alive. Nevertheless, religious affiliation and practices among the ethnic youth are under-researched issues (Phinney 1990, 505). In this article, I will analyse several dimensions of religious commitment among the Turkish young generation living in Britain. Three points need to be made to provide a context for discussion and analysis of the findings presented in this article. The first is the critique of the traditional secularization thesis among sociologists of religion. This critique will allow us to see the survival of religion and its significance for today. The second point relates to the global rise of religion in different forms throughout the world despite the diffusion of modernity and the institutionalization of secularization. The third point draws our attention to the widespread and essentialist misperception among many scholars, politicians and journalists as well as among the public that sees Islam as a monolithic faith with a tendency towards confrontation. Contemporary social and cultural transformations under the forces of globalization indicate that the prophecy of the traditional secularization thesis seems to have failed to capture the ongoing influence of religion. Proponents of secularization theory such as Bryan Wilson, Peter L. Berger, Thomas Luckmann and Karel Dobbelaere established an unavoidable and causal connection between the beginning of modernity and the decline of traditional forms of religious life. Generally speaking, theorists of the secularization process argued that religion would lose its influence on social and political life once the society absorbed the values and institutions of modernization. After observing the global rise of religion, Peter L. Berger (1999, 2), who was once the proponent of secularization theory, admits “that the assumption that we live in a secularized world is false. The world today, with some exceptions.... is as furiously religious as it ever was, and in some places more so than ever.” He argues that the whole body of literature explaining secularization and its repercussions is essentially mistaken. Modernization did not necessarily lead to the decline of religion. Even in highly modernized societies like European countries, religion succeeded in preserving its presence in the individual consciousness if not institutionally. Although institutionalized religion has lost its monopoly on the sacred, as Fenn (2001, 3) points out: “one finds the sacred in a wide range of contexts and practices.” He adds that
Symbolic Religiosity among the Turkish Youth in Britain
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there is an increased spiritual inventiveness today. With reference to Europe, for example, where cultural and political power of the mainline churches have diminished, Hervieu-Léger (2001, 161) observes “that individual interest in the spiritual and the religious has not undergone any decline.” Recent developments and contemporary social, cultural and political transformations clearly show that religion is an important force today. There is an increasing tendency towards religion in the USA, the Middle East, East Asia, South America, Eastern Europe and numerous other places. Transnational religious networks are being formed and the communication revolution has enabled religion to become a global reality in world politics. The Fundamentalism Project, which was published in five volumes under the editorial leadership of Martin E. Marty and R. Scott Appleby, provides ample case studies which show that religion has a substantial impact on society on a global scale. The existence of large migrant populations with different cultures, religious affiliations and languages who are increasingly becoming “naturalized citizens” in European societies raises many questions regarding cultural belonging, political loyalty, allegiance, group identity and the changing meaning of citizenship. The unfortunate attacks on US targets in 2001 and the discussions following 9/11 highlighted the demarcation lines on civilizational levels. Samuel Huntington’s well-read article (1993) and his book (1996) on the clash of civilizations were circulated once more and some important figures in Europe and elsewhere made unexpected comments suggesting that Western civilization is superior and thus its roots should be revived. Speaking at a news conference in Berlin the Italian Prime Minister Silvio Berlusconi is quoted as having said, “We must be aware of the superiority of our civilization, a system that has guaranteed well-being, respect for human rights and – in contrast with Islamic countries – respect for religious and political rights” (The Independent, 22 October 2001). Migrants who belong to other faiths and civilizations are subjected to implicit and explicit condemnation by ill-informed people. Moreover, misperceptions about Islam and Muslims in particular give rise to the essentialist views of this faith and its followers as fundamentalist, pro-violence, uncompromising and antiWestern. However, drawing upon long-term research on Muslims in Europe, I will argue in this article that Turkish Muslims constitute a changing diasporic community defying clichés and common stereotypes about Muslims. The analysis of findings among young generation confirms this observation.
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2. Dimensionality of Religious Commitment As I pointed out earlier, this article examines several dimensions of religious commitment among the Turkish youth. Before analysing the survey findings on religious beliefs, attitudes and practices of the Turkish youth, I would like to point out that there are different theories on the dimensionality of religiosity and measures devised to analyse various dimensions. As shown in Figure 1, different concepts are used to denote such dimensions. This sets an explanatory framework for the analysis of religious commitment. Religions cannot be perceived as monolithic belief systems because monolithic approaches to religion fail to appreciate varieties of religious experience and expressions of religious orientation.2 As displayed throughout human history, religions are not static but dynamic forces. It is this dynamism and fluidity, which enable religions to survive on personal as well as societal levels. Religious commitment entails more than one dimension because there are many facets of religion. One’s acceptance of and position towards a supernatural being, towards an ultimate reality and its manifestations is the result of a multidimensional process and involves attitudes, beliefs, emotions, experiences, rituals and belonging to a community. Hill and Hood (1999, 269) argue that “any construct as complex as religion is likely to be multidimensional in nature” “because religion deals with people’s ultimate concerns and provides both personal and social identity within the cosmic or metaphysical background.” Research on religious commitment supports this observation and indicates that religiosity is not a unidimensional3 experience in individuals’ lives. As Glock (1972, 39) argues, despite the great variety of detail, all world religions share general areas in which religiosity is manifested. These are the core dimensions of religiosity: ‘the experiential’, ‘the
ritualistic’, ‘the ideological’, ‘the intellectual’, and ‘the consequential’.
3. Characteristics of the Sample The following findings are based on a survey, in-depth interviews and participant observation. A survey was carried out at supplementary schools for Turkish students. Some of these students – 21 males, 15 females – were in2
3
There are many studies which support the argument that religious experience has a vast diversity and variety. For this line of argument see James 1895, Argyle 2000. For an attempt to chart Islamic religious experience see Denny 1991. For the most comprehensive coverage providing detailed analysis of numerous scales and measures of various dimensions of religion, see Hill/Hood 1999.
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terviewed at length. In the following analysis, the quantitative and qualitative data will be presented together. The questionnaires were distributed among almost an equal number of both sexes to assess gender differences in relation to several variables. The sample consists of 42 males and 51 females.
Table 1: Age distribution of respondents Age
Male
%
12-15 16-18
24 18
57 43
Female 36 15
71 29
%
Total
42
100
51
100
Since most of the earlier studies of identity formation focused on an age group of young people aged between 13 and 18 years (Patterson et al. 1992, 15), I also tried to achieve a similar sample. However, in-depth-interviews included young people outside the school. As Table 1 shows, a targeted sample of young Turks was achieved. Of the male respondents, 57 per cent come from the 12 to 15 age cohort whereas 43 per cent come from the 16 to 18 age cohort. As for females, the 12 to 15 age cohort includes 71 per cent and the 16 to 18 age cohort includes 29 per cent of the female sample. The reason for choosing such an age cohort is the contention that adolescence and the following years are the formative period of identity acquisition. Phinney (1993, 75) notes that “during adolescence, many minority youth undergo a process of exploration and questioning about ethnicity in which they attempt to learn more about their culture and understand the implications of group membership. By exploring their culture, they can learn of its strengths and come to accept their culture and themselves.” There is an increasing tendency among researchers to use concepts such as British-Pakistanis, British-Caribbeans, British-Muslims, French-Muslims and Dutch-Muslims. This suggests that the country of settlement creates a hyphenated identity structure. As Table 2 shows, the majority of the respondents (68 per cent) were born and brought up in London. Therefore, one can suggest that young Turks in Britain are also developing a hyphenated identity (Kucukcan 2003, 47f.).
Talip Kucukcan
338
Table 2: Birthplace of respondents Male
%
Female
%
Turkey Cyprus London
17 6 19
41 14 45
3 4 44
6 8 86
Total
42
100
51
100
Among the male respondents, 41 per cent stated that they were born in Turkey and had moved to London with their parents or joined them at a later stage. Similarly, 14 per cent were born in Cyprus. Those among the male respondents who were born in London comprised 45 per cent. The percentage with regard to female respondents and their birthplace, however, appeared to be different. Only 6 per cent said that their birthplace was Turkey and 8 per cent said that they were born in Cyprus. The overwhelming majority of the female respondents (86 per cent) were born in London. The figures on birthplace in Table 2 indicate that the major part of the respondents’ upbringing and socialization is taking place in British society. It could be argued that the length of stay increases the symbolic meaning and influence of the birthplace. A prolonged length of stay in a multicultural society means a longer process of socialization and acculturation of the immigrants’ children in terms of educational processes, peer group relations and media influences. As presented in Table 3, 45 per cent of male and 86 per cent of female respondents had lived in London since their birth, which means that Turkish girls had a longer period of socialization in London.
Table 3: Length of living in London Male
%
Female
%
Since birth 1-5 years 6-10 years
19 8 15
45 19 36
44 4 3
86 8 6
Total
42
100
51
100
It appears that more than half of the male respondents (55 per cent) came to London at a later stage. Of these, 36 per cent who came with their families or joined them later had been living in London for 6 to 10 years. A smaller number of the male sample (19 per cent) had lived here for 1 to 5 years. As shown in Table 3, the female sample primarily consisted of those living in London since their birth (86 per cent). Only 6 per cent of this gender group had lived in London for 6 to 10 years. Those who had lived in London between 1 and 5 years were also a small proportion of the female sample.
Symbolic Religiosity among the Turkish Youth in Britain
339
As mentioned earlier, this research includes both mainland and TurkishCypriot. Therefore, it was expected that the respondents had different parental origins. Table 4 shows that parents of the respondents largely came from Cyprus and Turkey. It is clear in the following table that 30 per cent of the respondents’ mothers came from Turkey and 56 per cent came from Cyprus. There was a similar pattern of the fathers’ origins, i.e. 34 per cent of the fathers had migrated to England from Turkey and 54 per cent had migrated from Cyprus. Among the parents of non Turkish-Cypriot origin, there were one American and three English mothers, and one British-Italian father.
Table 4: Parental origins of the respondents %
Father
%
Turkey Cyprus Other No reply
Mother 28 53 4 8
30 56 5 9
32 51 2 8
34 54 3 9
Total
93
100
93
100
Table 4 also suggests that the marriage pattern among the Turkish community is largely confined to the country of origin. Although there are some marriages between Turks from mainland Turkey and Turks from Cyprus, it seems that the marriages of the first generation primarily took place in their own countries. It also appears that the respondents are the first Turkish young generation to be brought up in Britain because the majority of the mothers (88 per cent) and fathers (90 per cent) came from Cyprus or Turkey. This means that the parents of the respondents are still the first generation.
4. Young Turks and Religiosity As pointed out earlier, the core dimensions of a religious commitment include belief, knowledge, practice and experience. It should be pointed out that each dimension of a religious orientation may have numerous sub-dimensions because of the nature of religious experience. These dimensions are a useful means of identifying the general patterns. I will therefore analyse religious beliefs, attitudes and behaviour of Turkish young people within the framework of a multidimensional typology of religiosity.
Talip Kucukcan
340
4.1. Belief in God An overwhelming majority of the young Turks said that ‘they believe in God.’ Sixty-two per cent of the male and 43 per cent of the female respondents ‘absolutely believe in God.’
Table 5: ‘Which of the following statements comes closest to expressing what you believe about God?’ Male
%
I absolutely believe in God Despite having some doubts, I feel that I believe in God I don't believe in God I have no concern about belief in God No reply
26 8
62 19
Female % 22 24
43 47
6 2
14 5
2 2 1
4 4 2
Total
42
100
51
100
Nineteen per cent of the males and 47 per cent of the females, on the other hand, ‘have some doubts’ but still believe in God. Those who rejected a belief in God comprised six males (14 per cent) and two females (4 per cent). Only two females replied that ‘they have no concern about belief in God.’ Table 5 shows that ‘belief in God’ is significantly high. More than half of the respondents (52 per cent) have ‘absolute’ belief in God, and 32 respondents (34 per cent) also have belief in God but with some ‘doubt’ as a common characteristic of adolescent religiosity. When these two groups of respondents are counted under ‘believers’ category, one can see that as many as 86 per cent of the respondents believe in God. Van der Lans and Rooijakers (1996, 61) also found a high rate of belief in basic principles of Islam among young generation Turks in the Netherlands, where 67.6 per cent of the informants (total number: 65) expressed their belief in the tenets of Islam. Thirteen per cent, on the other hand, were found to have an ‘ambivalence’ attitude while 9.2 per cent were reported to be experiencing ‘scepticism’. The same research also indicates that 12.3 per cent ‘reject’ traditional ideas regarding Islam. In my London sample, atheists constituted 9 per cent of the respondents; agnostics, on the other hand, comprised a small proportion (2 per cent) of the total sample. As pointed out earlier, as many as 34 per cent expressed having ‘some doubt’ along with their belief in God. Such an attitude might be ascribed to the fact that adolescence and the early period of youth are characterised by intellectual questioning and critical thinking. Emotional and imaginative enthusiasm of childhood is replaced by doubt during the development process, which is a period marked by fluctuations
Symbolic Religiosity among the Turkish Youth in Britain
341
between idealism and realism. In his study of religious development of adolescents, Bradbury (1947) also found that religious doubt surfaced during adolescence and he attributed the origins of doubt to the development of critical reasoning at this period of the life cycle. It could be concluded from my findings that a high proportion of respondents who believe in God represents the intellectual/doctrinal dimension of religious commitment. During the interviews, only two respondents gave a reply when they were asked why they did not have a belief/interest in God. One girl based her agnosticism on the current events taking place in the name of religion. She explained how she became alienated from the idea of believing in an organized religion as: “Although I was born in a Muslim family, gradually I lost my interest in religion. I think extremism of some people and murders in the name of religion were effective on my attitude towards religion. In addition to that, when I was at the college, I began reading some atheist philosophers who shaped my thinking. I should mention one more reason which is the widespread indifference toward religion and particularly to Christianity in this country.”
During the interview, this particular respondent frequently made references to the media coverage of Islam and cited examples from Iran, Iraq and Libya to support her argument that religious belief produces violence. Thus, she rejected organized Islam and turned to practising meditation. It may be argued that media coverage of Islamic movements and portrayal of Islam as an extremist, violent, bloodthirsty and fanatical religion has created a negative image of Islam even for the children of Muslim Turkish families. It was a recurrent theme during the interviews on religion that some parents and young Turks used the word ‘aşırı dinci’, which literally means ‘extremist’. This term is frequently used by the media and soon picked up by people in this information age. The Turkish media also use such terms with negative connotations. When one makes references to religion or religious people by using the terminology as mentioned, it may be expected that especially young people in search of identity would not want to associate themselves with derogatory categories of religiousness. It appears that the media is gaining more powerful influence on the young generation as information technology and globalization are turning the world into a ‘small village’.
Talip Kucukcan
342
Table 6: ‘Which of the following factors played the most effective role on your decision about belief or disbelief in God?’ N
%
Family members Books read Friends Private experience No reply Religious Persons Teachers/tutors
61 7 7 6 5 4 3
65 8 8 7 5 4 3
Total
93
100
The findings in Table 6 show that parents play the primary role in their children’s belief in God. As presented in Table 6, 65 per cent of the respondents said that ‘family members’ had the most decisive impact on their religious beliefs. Books (8 per cent), friends (8 per cent) and some kind of private/personal experience (7 per cent) were also mentioned as having the most important influence. It is observed that parental influence is the most effective of the environmental and situational factors in the formation of religious attitudes. Argyle and Beit-Hallahmi (1975, 30) and Hyde (1990, 226) report that adolescent religious practice is strongly related to parental religiousness. Faulkner and De Jong (1966, 251) also support my argument about the influence of parental religious involvement on children. They carried out research on 362 college students about their religious commitments and found that parents’ religiosity influenced children’s attitudes towards religion. Faulkner and De Jong found a low ritualistic and consequential dimension correlation among students who came from homes where neither parent was a church member. However, they identified a high consequential dimension correlation among students who came from homes where one parent was a church member. If one takes into account the efforts of Turkish parents to teach their children Islamic values under the name of tradition, culture and heritage, either at home or by sending their children to supplementary schools, Mosques and on long holidays to Turkey/Cyprus, it becomes clearer that parental control and nurture assume a prominent role in the religious commitment of children and the young generation.
Symbolic Religiosity among the Turkish Youth in Britain
343
Table 7: ‘Have you ever had any religious education so far?’ Male
%
Female
%
Only my parents taught me religion I went to Mosque to learn from Imam I had a private religious education I did not have any religious education Other No reply
11 8 3 12 6 2
26 19 7 29 14 5
20 3 5 19 2 2
39 6 10 37 4 4
Total
42
100
51
100
There is no doubt that religious education in childhood and adolescence will also have some influence on the transmission of religious beliefs and values to the young generation. As shown above, most of the respondents were born and brought up in London and they are all students at the schools where there is no special provision for the teaching of their culture and religion. Therefore, some Turkish organizations have set up supplementary schools to fill this vacuum of information. More religiously oriented people, on the other hand, send their children to courses at the Mosques to teach their children principles of Islam. Similar studies on Turkish youth in Germany (YalcinHeckman 1998, 171) and on young Muslims of Pakistani origin in Britain (Vertovec 1998, 98) indicate that there is a wide spread trend among Muslim families to send their children to extracurricular courses outside the school context for religious education. Table 7 shows that 48 per cent of the respondents received some kind of religious education. This ranged from family and Mosque to private religious education. Thirty-three per cent, on the other hand, said that they had not received any religious education. Of those who received some kind of religious education, 33 per cent explained that their ‘parents taught’ them religion. This confirms the findings presented in Table 6 that parents play the most prominent role in the formation of religious beliefs. Twelve per cent of the respondents, on the other hand, said that they were sent to a Mosque by their parents to take courses on Islam. It appears that Mosques were not very successful in their appeal to a large number of Turkish young people. This may be attributed to the divisions among Islamic groups and to the teaching methods at the Mosques. However, it may be predicted that the number of students at the Mosques will increase because they are increasingly providing special education on a boarding basis at the weekends. The expected increase in the number of students may be even higher should the Mosque administrations modify their traditional teaching methods. It may be argued that the religious education of young people may determine their attitudes towards the religious education of their own children in the future. When the replies were analysed, 36 per cent of the respondents
Talip Kucukcan
344
appeared to have a positive attitude towards the religious education of their own children in the future whereas the majority of them were still ‘not sure’ about it. As presented in Table 8, 43 per cent of males and 31 per cent of females think that they would encourage their children to attend Islamic classes. In contrast, 14 per cent of males and 12 per cent of females said that they were not thinking of giving their children an Islamic education. When asked why they wanted their children to receive religious education in the future, similar replies were given which centred on ‘self perception’, ‘community’, ‘belonging to a religion’ and ‘having an identity’, of which Islam is seen as an indispensable component whether it is practised or nominally accepted.
Table 8: ‘Would you like your children to have a good Islamic religious education?’ Male
%
Female
%
Yes No Not sure No reply
18 6 16 2
43 14 38 5
16 6 27 2
31 12 53 4
Total
42
100
51
100
An 18-year-old male said: ‘All Turks are Muslims. Religion is important for us. Many of our families come from an Islamic background. I want my children to learn what Islam is.’ Another informant (female aged 17) said: ‘Being a Muslim is our identity. Sometimes we may ignore practical aspects of it, but we are still Muslims. I think the more we know about our religion the stronger identity we will have. And I want my children to have a strong Turkish-Muslim identity.’ Lack of Islamic knowledge as evidenced by the findings (see Tables 9 and 10) also seems to be a motivating factor for the young generation in providing their children with religious education. As one respondent (male aged 18) explained: ‘Personally I feel that I did not receive adequate religious education. When my friends ask me about Islam and its practices I feel ashamed because only then I realise that I know very little about Islam. I do not want my children to fall into same situation.’ Those who disapproved of giving their children a sound Islamic education mostly argued that religion should be a matter of their own ‘choice’. Therefore, they would allow their children to decide for themselves. One of the interesting findings in Table 8 is the high number of respondents who said that they were not sure about giving an Islamic education to their children in the future. As shown in the same table, 38 per cent of the male and 53 per cent of the female respondents were uncertain about the reli-
Symbolic Religiosity among the Turkish Youth in Britain
345
gious education of their children in the future. It may be suggested that this uncertainty of the young people will ultimately disappear. This means that the adoption of Islamic values taught by the family and the community will motivate young people to transmit these internalized values to future generations. Acculturation and assimilation, on the other hand, will have a reverse effect on the development of Islamic identity among young people.
4.2. Intellectual Dimension: Knowledge of the Basic Tenets of Islam The intellectual dimension of a religious commitment refers to the knowledge of the basic principles of a given religion. As Glock (1972, 40) explains, the intellectual dimension is constituted by the expectation that the religious person should have some knowledge of the basic tenets of his/her faith and religious scripts.
Table 9: Measuring religious knowledge: ‘What are the five pillars of Islam (İslam’ın şartları)?’ N
%
Identified Only 1 Identified Only 2 Identified Only 3 Identified Only 4 Identified All 5 Identified None
3 13 6 26 45
3 14 7 28 48
Total
93
100
A few basic Islamic concepts and rules were used in this survey as an index of measurement. I have not come across these in any previous surveys. As a first step to measuring the knowledge of the Turkish young people about their religion, the respondents were asked to write down the five pillars of Islam (İslam'ın şartları). As Table 9 shows, 28 per cent of the respondents correctly identified and named all the five pillars of Islam; 24 per cent identified between two and five items correctly. The majority (48 per cent) of the respondents, on the other hand, failed to identify any of the five pillars of Islam. The lack of knowledge of the basic principles of Islam may be attributed to different factors. The indifference of parents or their inability to teach the fundamentals of Islam to their children, failure of religious organizations to attract a large number of young clientele and a lack of information on Islam in schools are among the factors suggested as the sources of insufficient Islamic knowledge.
Talip Kucukcan
346
Findings in Table 10 also support the figures presented in Table 9, that most of the young Turkish people do not know the basic principles of Islam. The respondents were asked if the weekly Friday prayer (Cuma Namazı) was obligatory for male and female Muslims. The Friday prayer is held once a week on that day and its performance is obligatory for male Muslims who have reached puberty.
Table 10: Measuring religious knowledge: ‘Cuma prayer is obligatory (farz) for every Muslim regardless of age and gender’ N
%
True False I don't know No reply
17 19 53 4
18 21 57 4
Total
93
100
Table 10 shows that only 21 per cent of the respondents gave a correct answer to the question about the Friday prayer. The overwhelming majority (75 per cent), on the other hand, either gave a wrong answer (18 per cent) or said that they ‘do not know’ whether the Friday prayer is obligatory for male and female Muslims. These findings also suggest that the majority of the Turkish young people do not perform the Friday prayer simply because most of them do not even know that its performance is obligatory for male Muslims. A different picture emerged when a question was asked about the position of Islam towards issues such as alcohol, gambling, interest, witchcraft and consumption of pork meat.
Table 11: Measuring religious knowledge: ‘Alcohol, gambling, interest, witchcraft and eating pork are regarded as sins in Islam’ N
%
True False I don’t know No reply
59 13 17 4
64 14 18 4
Total
93
100
As presented in Table 11, 64 per cent of the respondents gave the correct answer when asked if these were allowed according to Islam. Fourteen per cent of the respondents, on the other hand, gave a wrong answer whereas 18 per cent reported that they ‘do not know.’ Table 11 shows that, in contrast to the
Symbolic Religiosity among the Turkish Youth in Britain
347
other issues concerning knowledge of the basic Islamic principles, a higher number of respondents appeared to have a correct idea about the above issues. These results might be attributed to the fact that drinking alcohol, gambling and eating pork, etc. are daily issues and children as well as youngsters are constantly reminded to avoid such things. Stark and Glock (1968, 147-155) used knowledge about the Bible as an index of religious knowledge. In a similar vein, the young Turks were asked if they had the opportunity of reading the holy scripture of Islam, the Qur’an. As Table 12 shows, only 5 per cent of the respondents claimed to have read all of the Qur’an; 16 per cent had read some parts of it and as much as 28 per cent said that they had tried to read the Qur’an but soon gave up reading it because they could not understand it. Forty-five per cent of the children, on the other hand, reported that they had never read the Qur’an. These findings suggest that Turkish young people do not have basic knowledge of the Qur’an.
Table 12: Familiarity with the holy book of Islam, the Qur’an: ‘Have you ever tried to read the translation of the Qur’an?’ N
%
I read all the Qur’an I read some parts of the Qur’an I gave up reading since I couldn’t understand I have never read it No reply
5 15 26 42 5
5.5 16 28 45 5.5
Total
93
100
The lack of young people’s understanding of the Qur’an may be attributed to the fact that the language used in its translation is beyond the comprehension of the young generation. This means that the young generation are not able to communicate in the language of the Islamic scripture effectively. In addition to such a shortcoming in the linguistic domain, there is a significant lacuna in introductory books written on Islam suitable for the level of intellectual capabilities of children and the young generation. This lack of literary sources not only deprives the young generation of direct knowledge of the Qur’an but also discourages them from reading the sacred scripture as they do not have adequate linguistic skills and basic knowledge of it. The teaching of the Qur’an in the Mosques supports my argument that the young generation do not learn much about the contents of the Qur’an. Imams and other personnel in the Mosques use mostly traditional and outdated methods of teaching. For example, children are always told to memorize the verses in the Qur’an without knowing what they mean. It may be expected that after a while young students of Islam may lose interest in some-
Talip Kucukcan
348
thing that not only they do not understand but also could not relate to their life. A study of young Muslims of Pakistani origin in Britain also suggests that despite memorizing the Qur’an, many of young Muslims feel that they have insufficient religious knowledge, which has ‘relevance” to their daily lives. (Vertovec 1998, 96) The findings suggesting that the intellectual dimension of Islam is little known by the Turkish young people are also confirmed by the findings presented in Table 13. The findings in Table 12 showed that knowledge of the respondents about the sacred scripture of Islam is very limited because many of them either cannot understand it or have not read it at all. Their knowledge of the Qur’an was further measured as shown in Table 13. When asked if the Qur’an consisted of ‘ayet’ and ‘sure’, only 25 per cent of the respondents gave the right answer, whereas 71 per cent either did not know or gave a wrong answer.
Table 13: Measuring religious knowledge: ‘The Qur’an consists of ayet and sure’ N
%
True False I don’t know No reply
23 9 57 4
25 10 61 4
Total
93
100
4.3. Ritualistic Dimension: Religious Practices The ritualistic dimension refers to specific religious practices expected of religious followers. Prayer, worship and fasting are examples of these religious practices. As in other religious traditions, Muslims are also required to perform specific practices. Daily prayers (namaz; five times a day), Friday prayers (Cuma Namazı), fasting (Oruç) during the month of Ramazan are among the obligatory religious practices that followers of Islam are expected to observe.
Symbolic Religiosity among the Turkish Youth in Britain
349
Table 14: ‘What is your idea about performing prayers such as Namaz (daily prayers) and Oruç (fasting)?’ N
%
I cannot pray because I don’t know how to pray I try to perform prayers such as Namaz and Oruc I find it very difficult to perform prayers I don’t pray to avoid criticism from my environment Other No reply
40 17 15 12 6 3
43 18 16 13 7 3
Total
93
100
It appears from the findings that most of the young Turks do not observe prescribed prayers, at least on a regular basis as required by the religious principles. Table 14 shows that only a small number of respondents ‘try to perform prayers such as Namaz and Oruç. It is clear from the findings in the above table that young Turks are not very interested in religious practices. Sixteen per cent of the respondents said that they found it very difficult to perform prescribed practices while 13 per cent said that they did not pray because of the environmental pressure, which discouraged them from observing religious practices. Only 18 per cent of the respondents claimed to carry out religious duties. The most interesting finding in Table 14 is the fact that 43 per cent of the respondents do not observe prayers, simply because they do not know how to pray. That lends support to my earlier observations that the intellectual dimension of religiosity of Turkish youth is weak because they are not equipped with the basic knowledge of how to perform prayers. Verbit (1970, 27) argues that components (dimensions) of religious commitment can be measured along with four dimensions: ‘content’, ‘frequency’, ‘intensity’ and ‘centrality’, of which ‘frequency’ refers to the constancy and prevalence of religious behaviour. A question was included in the questionnaire to find out the frequency of practising religious rituals observed by the young Turks. The findings suggest that regular fulfilment of prescribed Islamic practices in the daily lives of young adherents does not seem to be a salient devotional/ritualistic dimension of their religiosity. The respondents were asked about the frequency of their involvement in daily prayers, Cuma/Bayram prayers, fasting and reading prayers (dua).
Talip Kucukcan
350
Table 15: ‘How often do you perform the following religious duties?’ Daily Prayer N %
Friday-Eid Prayers N %
Fasting N %
Reading Dua N %
Always Sometimes Never No reply
2 26 57 8
2 28 61 9
3 18 17 4
7 43 40 10
8 45 31 9
9 48 33 10
11 53 21 8
12 57 22 9
Total
93
100
42
100
93
100
93
100
Depending on the nature of the prayers, respondents gave replies that indicate varying degrees of frequency in performing the practices. Daily prayers which are supposed to be observed five times a day received the least frequency as shown in Table 15. The findings presented in Table 15 show that 61 per cent of the respondents said that they ‘never observe daily prayers.’ Twenty-eight per cent, on the other hand, replied that they ‘sometimes’ fulfil this duty, whereas only two per cent seem to practise daily prayers (namaz) regularly. As pointed out earlier, one of the underlying reasons for not performing prescribed prayers was the lack of knowledge about how to pray. This may hold true for the daily prayers as well. However, one can suggest that the lack of prayer halls at the colleges, designed for the Muslim students, may be another discouraging factor along with the environmental pressure in the form of criticism of religious practice. A similar result emerged regarding the frequency of fulfilling Cuma and Bayram prayers, which are obligatory for male Muslims. However, as the figures in Table 15 show, fasting and reading prayers (dua) are observed more frequently. Those who ‘always’ observe these rituals are 9 and 12 per cent respectively. Those who replied that they ‘never’ observe fasting and reading dua constitute 33 and 22 per cent of the respondents respectively. A significant number of the respondents, on the other hand, is understood to observe fasting (48 per cent) and reading dua (57 per cent). The higher frequency of observation of fasting and reading prayer in contrast to daily Cuma and Bayram prayers may be attributed to the nature of these prayers. Fasting and reading prayer require less knowledge to observe them. More importantly, fasting and reading dua are personal experiences, which escape social pressure due to their private nature. Before moving further, a comparative remark is necessary to see the differences between different Muslim communities. In contrast to our findings on the frequency of performing Islamic rituals by the young Turks, Anwar’s (1994, 33) findings on the frequency of praying among the Pakistani Muslim community appear higher. However, Anwar’s findings also indicate that frequency rate is dropping among the young generation in contrast to the frequency of parental observance of religious practices.
Symbolic Religiosity among the Turkish Youth in Britain
351
There are several important events in the Islamic calendar that Muslims either celebrate or commemorate. Among them the birth of the Prophet Muhammad (Mevlid Kandili), the beginning of revelation, and the ascension of the Prophet Muhammad (Mirac Kandili) to heaven can be mentioned. The days on which these events are thought to have taken place in the Islamic calendar are called ‘Kandil’ days in Turkish society. Several religious celebrations and events are organized on these days.
Table 16: ‘What do you usually do during ‘Kandil’ days?’ N
%
I usually don’t remember Kandil days in this country I pray during these days I have no interest in Kandil days Other No reply
40 25 14 10 4
43 27 15 11 4
Total
93
100
To find out whether the young generation participate in these communal gatherings, the young people were asked what they usually do during Kandil days. As Table 16 shows, only 27 per cent of the respondents usually participate in and pray during Kandil days. Fifteen percent of the respondents, on the other hand, did not show interest in such ceremonies. Table 16 also shows that 43 per cent of the respondents do not remember these days of religious importance. These findings further confirm the earlier conclusion that young Turks do not have a sufficient knowledge of Islam. These findings also indicate that environmental and situational contexts influence the religious awareness of the young generation. Kandil days are neither celebrated by the larger society nor by most of the families of respondents. Therefore, there are no preparations or publicity for the celebrations. This means that there is no reminder of important events and special days in the Islamic calendar. In contrast to the indifference of British society to such Islamic events, in Turkey/Cyprus one cannot avoid coming across the celebration of Kandil days. At least live television programmes on these days remind large sections of society that some kind of religious celebration is taking place. It can be argued that the extent of publicity in educational establishments, in the neighbourhood and in the media leads to the creation of an atmosphere of awareness of special events of particular significance. It seems that the young Turks’ lack of knowledge about Islam is perpetuated by the depriving the young Muslims of an awareness-raising social and cultural atmosphere for religious values.
Talip Kucukcan
352
4.4. Experiential dimension I have discussed at the beginning of this article that religious commitment also has an experiential dimension. The experiential dimension of religiosity refers to the experience of religious emotions in the form of exaltation, fear, joyfulness and humility (Glock 1972, 40). In that sense, prayer (dua) is truly a personal religious experience, which encompasses emotional reactions and feelings of the individuals involved.
Table 17: ‘Which of the following statements best expresses your idea about prayer?’ N
%
I believe that prayer is beneficial I don’t believe that prayer is beneficial I have no idea No reply
45 6 40 2
48 7 43 2
Total
93
100
Table 17 shows that 48 per cent of the respondents said that ‘prayer is beneficial.’ Only 7 per cent thought that ‘prayer is not beneficial.’ Forty-three per cent, on the other hand, appeared to have no clear idea about this issue. The figures in Table 17 indicate that 48 per cent of the informants had a personal experience that had led them to a positive attitude toward prayer. According to the figures in Table 18, on the other hand, different reasons were given by the respondents as to why they pray. It appeared from the findings that many of the respondents tend to have an ‘extrinsic’ attitude towards praying.
Table 18: ‘Why do you pray?’ N
%
I pray for happiness in this world and in the hereafter I pray to be happy in the hereafter I pray because I want my worldly affairs to be realized Other No reply
44 10 7 15 17
47 11 8 16 18
Total
93
100
Table 18 shows that 47 per cent of the respondents pray for ‘happiness in both this world and in the hereafter’; 11 per cent pray ‘to be happy in the hereafter.' and 8 per cent pray to achieve their worldly goals. Some of the
Symbolic Religiosity among the Turkish Youth in Britain
353
respondents, for example, mentioned ‘being successful in the exams,’ ‘getting A levels,’ ‘happiness in the family,’ ‘finding a good job,’ ‘being in good mental and physical health’ as reasons for prayer. The high percentage of extrinsic attitude towards prayer may be attributed to the nature of Islam, according to which God accepts prayers from believers. One can find numerous references in the Qur’an and in the prophetic traditions related to the Prophet Muhammad, whose sayings and deeds are taken as an example to support our argument that Islam encourages its followers to pray and ask for worldly and heavenly favours from God. Thus, extrinsic orientation of young Turks is an expected result justified and encouraged by the religion itself. However, it should be noted here (Roof 1979, 20) that ‘extrinsic’ and ‘intrinsic’ orientations should not be seen as ‘separate and distinct orientations but, rather alternative ends of the same motivational continuum,’ Religious ceremonies also evoke various emotional reactions among young people. As shown in Table 19, emotional states they experience while performing religious practices or during their participation in religious ceremonies vary from happiness to disinterest.
Table 19: ‘How do you feel during religious ceremonies?’ N
%
I feel happy I don’t have any interest in such religious ceremonies I feel very bored and want it to finish soon I don’t like these ceremonies and don’t participate No reply
38 18 16 16 5
41 19 17 17 6
Total
93
100
The figures presented in Table 19 show that 41 per cent of the respondents claimed to have a ‘happy’ emotional state at the time of involvement in a religious ceremony. Religious ceremonies are boring occasions for 17 per cent of the respondents. The same proportion of the respondents does not like such ceremonies. Nineteen per cent of the respondents, on the other hand, do not seem to have any ‘interest’ in participating in religious ceremonies.
5. Conclusions I have argued earlier that religion is one of the significant markers of Turkish identity. Therefore, the first generation of the Turkish community established Islamic institutions as soon as they acquired sufficient resources in the
354
Talip Kucukcan
diaspora. These institutions were meant to facilitate the transmission of religious values to young Turks. Findings in this article suggest that attitudes of young people towards religion are changing. Although the majority of young Turks still believe in the basic principles of Islam, it seems that religion is increasingly becoming a symbolic attachment for many of them. The survey analysis of the intellectual dimension of religious commitment among young Turks clearly indicates that young people know very little about Islam. The lack of knowledge about the basic principles of Islam might be attributed to several factors. It can be argued, for example, that they do not learn much about their religion in the schools because there seem to be no special provisions for the teaching of Islam and Turkish culture. Another reason may be the failure of Islamic institutions to address a larger young audience because of their mostly out-dated teaching methods and irrelevant materials. Findings on the ritualistic dimension of religiosity, on the other hand, show that only a small number of young people perform prescribed Islamic practices. Young Turks know little about their religion and they generally do not fulfil the required religious duties. Yet, most of them still believe in it. Belonging to cultural Islam is increasing as a strategy to fortify personal and collective identity whereas the ritualistic approach to religion is declining. This means that a symbolic religiosity is developing among the Turkish youth, who seem to be increasingly feeling the tension generated by continuity and change. It appears that young Turks will experience this tension at least for the foreseeable future because as Hall (2003, 238) argues, difference persists alongside continuity in the diaspora. They incline to construct their own approach to Islam which suggests that ‘a process of self-consciousness’ is emerging. (Karakasoglu 2003, 109) Parents and religious organizations will continue to teach the young generation the importance of religion and will try to inculcate an Islamic belief in their sense of belonging to the Turkish-Muslim community. However, social and cultural effects of the British context will also influence the young generation throughout their lives, which will inevitably induce changes to a certain extent in the emergent Turkish identity among the young generation, enabling them to accommodate a sense of belonging to the multicultural community in Britain. In conclusion, despite the prophecy of the traditional secularization thesis, which predicts that religion will lose its influence in the face of modernization, this article shows that religion survives among the Turkish Muslim youth in a secular British society. Religion does not disappear but emerges as a source of cultural identity but not in the form traditional observation of Islamic rituals indicating that a new type of religious religiosity is emerging. Global rise of religion and transnational religious movements and networks provide powerful sense of belonging and solidarity despite the diffusion of modernity. As the findings in this paper suggest, construction of Islamic identity and its negotiation do not take only one universal form. Young Mus-
Symbolic Religiosity among the Turkish Youth in Britain
355
lims as shown by the Turkish youth do not subscribe to a stereotyped and monolith perception of Islam. The variety of approaches to Islam among young Muslims defies essentialist approaches to Muslims in Europe and elsewhere.
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Talip Kucukcan
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Susanne Schröter
Politisierung von Religion und Sakralisierung von Politik. Lokale und nationale Konflikte zwischen Moslems und Christen in Indonesien 1. Fundamentalistische Tendenzen in der säkularen Moderne Im Jahr 2000 publizierte der in Chicago lehrende Soziologe Martin Riesebrodt ein Buch mit dem Titel „Die Rückkehr der Religionen“, in der er der Auffassung einer fortschreitenden Säkularisierung als Kennzeichen der Moderne widerspricht. Anhand detaillierter Untersuchungen israelisch-jüdischer, iranisch-schiitischer und US-amerikanisch-protestantischer Fundamentalisten zeigt er auf, daß religiöses Empfinden, religiöse Doktrin und die Bedeutung von Religion für politische Prozesse keineswegs der Vergangenheit angehören, sondern daß in vielen Regionen der Welt eine religiöse Revitalisierung beobachtet werden kann. Seit dem Erscheinen von Riesebrodts Publikation ist es weltweit zu einer Fülle von Ereignissen gekommen, die sich wie eine nachträgliche Verifizierung seiner Thesen lesen. Der Anschlag auf das Welthandelszentrum in New York sowie die Kriege in Afghanistan und im Irak wurden mit religiöser Rhetorik gerechtfertigt, in Ländern wie Nigeria und Indien starben Tausende von Menschen, weil sie der „falschen“ Religion angehörten1, und in Palästina, Tschetschenien und Indonesien glauben Fanatiker, daß es möglich sei, durch Attentate als Märtyrer unmittelbar ins Paradies zu gelangen. In den Medien wird die Idee eines religiös begründeten Antagonismus von Orient und Okzident wiederbelebt, Politiker bemühten die Metaphern von jihad und Kreuzzug, und selbst im säkularen Europa wird vermehrt über christliche Werte als Grundlage der eigenen Kultur diskutiert.
1
In Nigeria handelt es sich um Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen, die vor allem seit der Einführung der šarĩ‛a in einigen Bundesstaaten seit mehreren Jahren zu Gewalttätigkeiten führen. Indien ist seit seiner Unabhängigkeit immer wieder Schauplatz schwerer Ausschreitung zwischen Hindus und Muslimen. Seit 1989 ist das Ayodhya-Heiligtum in Uttar Pradesh, das von beiden Religionsgemeinschaften gleichermaßen für sich beansprucht wird, ein wichtiges Zentrum der Konflikte.
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Susanne Schröter
Religionshistorisch betrachtet, ist das Phänomen der Revitalisierung von Religion nicht neu. Bereits im späten 19. Jahrhundert bildeten sich in den USA erste fundamentalistische Bewegungen, die angesichts unüberschaubarer moderner Entwicklungen eine Rückkehr zu biblischen Tugenden forderten und seitdem eine der einflußreichsten politischen Gruppierungen darstellen (vgl. u.a. Crapanzano 2000, Fuller 1995, Green 2000). Im Orient traten religiöse Reformer bereits hundert Jahre früher als Antwort auf den Zerfall des osmanischen Reiches und den europäischen Kolonialismus auf. Einer von ihnen war Muhammad Ibn Abd al Wahab (1703-1787), dessen Lehre (Wahabitismus) heute als Inbegriff des islamischen Fundamentalismus gilt. In beiden Fällen, dem christlichen und dem islamischen, erfolgte der Rückgriff auf die Idee einer verlorengegangenen Religiosität, die Riesebrodt einen „mythischen Regreß“ nennt, als Reaktion auf bedrohlich erlebte Entwicklungen. Fundamentalismus ist daher auch als Aufstand gegen die Moderne bezeichnet worden (vgl. Marty/Appleby 1996, Mernissi 1996, Meyer 1989, Riesebrodt 1990). Diese Aussage läßt sich allerdings nur mit großen Einschränkungen belegen, denn anders als traditionelle Gläubige, meint Riesebrodt, lehnen Fundamentalisten die Moderne nicht grundsätzlich ab, sondern akzentuieren sie lediglich in einer eigenen Weise. So ist es für protestantische Sekten in den USA beispielsweise kein Widerspruch, sich modernster Kommunikationsmittel zu bedienen, um Wahrheiten zu verkünden, die die Naturwissenschaften schon seit langen widerlegt haben. Riesebrodts Analyse wird durch die jüngsten Aktivitäten muslimischer Fundamentalisten, insbesondere durch das globale Netzwerk al-Qãida bestätigt, das sich ebenfalls durch Nutzung zeitgemäßer Nachrichtenübermittlung und eine profunde Kenntnis medialer Präsentationen auszeichnet. Bassam Tibi, der betont, Fundamentalisten seien keine Traditionalisten sondern Modernisten, unterscheidet daher zwischen technologischer und kultureller Moderne (vgl. Tibi 2001, 61ff.), wobei er annimmt, daß Fundamentalisten die erste für sich nutzen, die zweite aber ablehnen. Die Historikerin Roxanne Euben, die sich mit den Schriften des islamistischen Theoretikers Sayyid Qutbs auseinandergesetzt hat, die fundamentalistischen Terrorkommandos heute als philosophische Referenz dienen, bleibt nicht bei dieser Trennung stehen und interpretiert Qutbs’ Arbeit als „‘dialectical response’ to rationalism and Westernization, as a dynamic critique rather than a scripturalist reflex” (Euben 1999, 155). Lokale und globale Diskurse, großräumige und örtlich begrenzte sozio-politische Entwicklungen bilden die Basis für diese dialektische Beziehung zwischen Säkularismus und Religion und ihre wechselseitigen Funktionalisierungen. Dabei ist auffällig, daß religiöse Rhetorik zunehmend als Mobilisierungsstrategie in nicht primär religiös motivierten Konflikten eingesetzt wird und daß, umgekehrt, politische Vorhaben in einen religiösen oder quasi-religiösen Begründungszusammenhang eingebettet werden. Ich möchte diese nicht immer einfachen Vermengungen am Beispiel Indonesiens darstellen,
Politisierung von Religion und Sakralisierung von Politik
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das durch verschiedene terroristische Attentate seit einigen Jahren als Zentrum islamischer Radikalisierung gilt. Schon seit dem Rücktritt des Diktators Suharto im Jahr 1998 und der damit einhergehenden Demokratisierung erlebte Indonesien einen Aufschwung religiöser Argumentationen in vielfältigen sozialen, ökonomischen und politischen Kontexten. Wenngleich die These der Rückkehr der Religionen für den Archipel nicht ganz angemessen erscheint, da Religion in Indonesien immer eine wichtige politische Rolle spielte, so ist doch auffällig, daß ihre Bedeutung in lokalen sowie in nationalen Diskursen um die Zukunft des Landes zugenommen hat.
2. Religion und säkularer Staat bis zum Sturz Suhartos Indonesien ist ein kulturell heterogener Staat, in dem alle Weltreligionen vertreten sind. Der Islam erreichte den Archipel im 13. Jahrhundert,2 verband sich mit dem tradierten Glauben an Geister und Ahnen3 und konnte sich besonders in seiner mystisch orientierten schafitischen Form durchsetzen. Eine strengere, regelgenaue Version bekam erst im 19. Jahrhundert Gewicht, als eine größere Anzahl von Muslimen, begünstigt durch eine Phase kolonialer Liberalisierung, Pilgerfahrten nach Mekka machte und mit der fundamentalistischen Reformidee des Wahabitismus in Kontakt kam.4 Vom 16. Jahrhundert an, zunächst vermittelt durch die portugiesischen Kolonisatoren, und später im Gefolge der niederländischen Eroberungen, breitete sich das Christentum in den Gebieten aus, die nicht islamisiert waren. Das Verhältnis zwischen Kolonialregierung und Missionsgesellschaften war sowohl von Interessensdivergenzen als auch von -konvergenzen bestimmt. Einerseits wurden, um Schwierigkeiten mit den indonesischen Muslimen vorzubeugen, die evangelikalen Aktivitäten streng kontrolliert und reglementiert, andererseits übertrug die koloniale Verwaltung den Gesellschaften wichtige entwicklungspolitische Bereiche wie das Bildungs- und Gesund-
2
3 4
Im Jahr 1292 berichtete Marco Polo, die Einwohner des Ortes Perlak in Nordsumatra seien Muslime. Kontakte mit arabischen und persischen Kaufleuten sind bereits vor dieser Zeit verbürgt, blieben aber auf Händlersiedlungen beschränkt und führten nicht zu einer nennenswerten Islamisierung der lokalen Bevölkerung (vgl. auch: Muhammad 1999, 3ff.). Diese spezielle Ausprägung wird z. B. an den mythischen Beziehungen islamischer Herrscher mit der javanischen Meeresgöttin Ratu Kidul deutlich (vgl. dazu: Schlehe 1998). Vereinzelte Bestrebungen für eine strengere Beachtung islamischer Regeln können bereits für das 18. Jahrhundert dokumentiert werden, so z.B. eine Bewegung für die Einführung der šarĩ‛a in West-Sumatra zwischen 1784 und 1803, andere werden erst im 20. Jahrhundert relevant, wie die von Armeekreisen unterstützte Islamisierung Lomboks in den 1960er-Jahren (vgl. dazu Cederoth 1996).
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Susanne Schröter
heitswesen.5 Durch das missionarische Engagement bildete sich vielerorts eine über die ethnischen Gruppen hinausgehende, starke regionale Identität6 und eine christlich indigene Elite heraus. Letztere wurde von vielen Kolonialbeamten als natürliche Verbündete angesehen, profitierte von einem sich etablierenden westlich ausgerichteten Schulsystem7 und erhielt bevorzugte Anstellungen in Verwaltung und Armee. Aus dieser Privilegierung und der damit verknüpften Identifizierung von Christen mit dem kolonialen Regime resultieren bis heute Ressentiments auf seiten indonesischer Muslime. Anders als Christen, die auf vielfältige Weise in den kolonialen Apparat eingebunden waren, verstanden sich die indonesischen Muslime als primär unterdrückte, später auch als oppositionelle Kraft. Sie unternahmen eigene Anstrengungen, die Gesellschaft zu entwickeln, verbunden mit einer Organisierung in explizit islamischen Vereinigungen wie der 1912 gegründeten und dem „Reformislam“ zugerechneten Muhammadiyah8 oder der Nahdatul Ulama (Erwachen der Religionsgelehrten), die von konservativen Kräften im Jahr 1926 aufgebaut wurde. Muslimische Organisationen waren maßgeblich daran beteiligt, Indonesien in die Unabhängigkeit zu führen, konnten sich jedoch bei der Staatsgründung nicht auf einen gemeinsamen Modus zwischen Religion und säkularer nationaler Identität einigen.9 Die Schwäche der politischen Islamisten und das Unvermögen, ihre Ziele durchzusetzen, zeigte sich u.a. darin, daß anstelle einer angestrebten Privilegierung des Islam in den, Pancasila genannten, fünf Leitprinzipien des Staates10 lediglich der Glaube an einen Gott festgeschrieben wurde.11 Differenzen traten insbesondere bei der Ausarbeitung der Verfassung zutage. In einer im Juni 1945 diskutierten Prä5 6 7
8
9 10
11
Auf Flores wurde der Steyler Missionsgesellschaft des Göttlichen Wortes der Aufbau des Bildungswesens vollständig überlassen. Für Minahasa vgl. Henley (1993), für die Molukken Kreuzer (2000). Ein in den 1930er Jahren durchgeführter Zensus ergab, daß das christianisierte Minahasa die höchste Alphabetisierungsrate der gesamten Kolonie aufweisen konnte. Sie erreichte fast 40%, während sie in Jakarta und Surabaya bei ca. 12% und in ländlichen muslimischen Gebieten unter 10% lag (vgl. Buchholt 1994, 314f.). Zur Geschichte dieser Organisation in kolonialer Zeit siehe Alfian (1989), zum sozialen Engagement vgl. Muskens (1979, 77), dem zufolge die Muhammadiyah im Jahr 1966 4.700 Volksschulen, 600 höhere Schulen, 27 Krankenhäuser und 48 Waisenhäuser unterhalten haben soll. Um die Fragilität dieser neuen nationalen Gemeinschaft zu unterstreichen, verwendete Benedict Anderson den Begriff der „imagined community“ (vgl. Anderson 1991). Neben dem Glauben an einen Gott enthält die Pancasila die Prinzipien Menschlichkeit, nationale Einheit, Demokratie und Gerechtigkeit. Um die balinesische Religion (Agama Hindu Dharma) unter dem Prinzip des Monotheismus zu subsumieren, interpretierte man die verschiedenen Gottheiten nicht als eigenständige Wesen, sondern lediglich als unterschiedliche Manifestationen eines einzigen Gottes (Sanghyang Widdhi Waca). Dahm führt Sukarnos Eintreten für die Pancasila auf dessen Verwurzelung im javanischen Synkretismus zurück (Dahm 1966, 255ff.); ein anderer wichtiger Einfluß sind die katholischen Priester, mit denen er während seiner Verbannung nach Flores in den Jahren 1935-38 enge freundschaftliche Kontakte pflegte.
Politisierung von Religion und Sakralisierung von Politik
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ambel,12 war die Verpflichtung der Muslime aufgelistet, die islamische Pflichtenlehre (šarĩ‛a) zu befolgen, und Präsident Sukarno hatte versprochen, daß nur ein Muslim Präsident des Landes werden könne. Auf Druck weniger strenggläubiger Nationalisten und Christen nahm er jedoch schnell von der Festschreibung solcher Vorgaben Abstand und ersetzte auch das Wort Allah für Gott durch das neutralere Tuhan. Um die unterschiedlichsten Gruppen des Inselreiches zu integrieren hatte er das Leitmotiv der Einheit in der Vielfalt (bhinneka tunggal ika) ausgegeben, was sich vordergründig wie ein Idealtypus von Multikulturalität ausnahm, bei näherem Hinsehen aber die Priorisierung des Nationalismus bedeutete. Ein präsidialer Personenkult, elaborierte nationale Rituale und eine allgegenwärtige Indoktrination staatlicher Propaganda erhoben den Nationalismus Sukarnoscher Prägung, die sogenannte demokrasi terpimpin (gelenkte Demokratie), schließlich selbst in den Stand einer Staatsreligion. Verschiedene islamische Gruppierungen akzeptierten diese Wendung nicht. Sie sahen sich betrogen und opponierten, teils erfolglos im Parlament,13 teilweise auch mit Waffengewalt. In Südsulawesi, West- und Nordsumatra sowie in Westjava kam es zu gewalttätigen Rebellionen und zu Versuchen, Regionen aus dem indonesischen Staatsgebiet herauszulösen. Die Aufstände belasteten das ohnehin gespannte Verhältnis von Staat und Islamisten zunehmend, und die säkulare Ideologie der Pancasila erhielt mehr denn je den Status einer nationalen Doktrin. Die Einhaltung der fünf Prinzipien, die Zurückdrängung islamischer Ansprüche und die nationale Einheit wurden dabei weitgehend in die Hände der nationalen Streitkräfte (Tentara Nasional Indonesia, TNI) gelegt, die die Aufgabe übernahmen, die nationale Ordnung aufrechtzuerhalten und das Prinzip eines säkularen Staates gegen religiöse Eiferer zu verteidigen. Diese besondere Rolle der Armee, insbesondere des Heeres, resultiert aus ihrer Doppelrolle (dwifungsi), die sowohl die Landesverteidigung als auch die Garantie der inneren Sicherheit umfaßt. Das bedeutet eine dominante Position in politischen Entscheidungsprozessen, abgesichert durch einen Teil der Parlamentssitze, die dem Militär immer garantiert waren, und die Übertragung exekutiver Gewalt nach innen wie nach außen. Nach der Machtergreifung Suhartos (1966) im Anschluß an einen bis heute ungeklärten angeblichen Putschversuch kommunistischer Kreise konnte das Militär diese Position weiter ausbauen und zu der eigentlichen Macht im Staate werden. Wie sein Vorgänger Sukarno setzte Suharto auf die staatliche Leitlinie der Pancasila, und 1982 erklärte er in einer Aufsehen erregenden Rede, daß alle sozialen und politischen Organisationen die fünf Prinzipien als alleinige Grundlage (asas tunggal) in ihren Statuten ver12 13
Es handelt sich um die sogenannte „Dokument von Jakarta“ (Piagam Jakarta). Da sie nicht über Mehrheiten verfügten, konnten sie ihre Forderungen nach einer Islamisierung der Gesellschaft zwar vorbringen, aber nicht durchsetzen.
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ankern müßten. Diese Verordnung rief Proteste von Christen und Muslimen hervor,14 es kam zu Demonstrationen und Ausschreitungen und im September 1984 zu einem blutigen Zusammenstoß zwischen muslimischen Demonstranten und Militär im Norden Jakartas, am Tanjung Priok Hafen. Dabei wurden hunderte Muslime erschossen. Die Frage der Herrschaft im Staat war durch die Armee wieder einmal entschieden worden, und das Militär fühlte sich in seiner Rolle als Verteidiger des Nationalismus bestätigt. Als Ergebnis der dauerhaften Zurückdrängung begannen Muslime sich wie eine unterdrückte Minderheit zu fühlen, obgleich sie die Mehrheit der Bevölkerung darstellten (vgl. Schreiner 2001). Trotz dieser erschwerten Bedingungen vollzog sich in Indonesien im ausgehenden 20. Jahrhundert eine fortschreitende Islamisierung der Gesellschaft. Sie wurzelt im kulturellen und sozialen Engagement islamischer Gruppierungen, nicht zuletzt dem Aufbau von Schulen und Hochschulen. Während der politische Islam unterdrückt wurde, förderte Suharto den kulturellen, der in den 1980er Jahren begann, vereinzelte politische Forderungen zu stellen und darin auch Erfolge verzeichnen konnte. So wurde die staatliche Lotterie verboten, die Kompetenz islamischer Sozialgerichte gestärkt, muslimische Mädchen tragen seit 1990 ein Kopftuch (jilbab), wenn sie in die Schule gehen, 1991 wurde eine islamische Bank eröffnet, und in Aceh wurden im März 2003 šarĩ‛a -Gerichte eingeführt. Suharto selbst entdeckte den Islam als mögliche Stütze seiner Macht, als er Ende der 1980er Jahre unter Druck einiger seiner Generäle geriet, die seine Politik zunehmend zu kritisieren begannen. 1991 begab er sich sogar auf eine Pilgerreise nach Mekka. Die Werbung um neue Anhängerschaften stabilisierten das autoritäre Regime allerdings weniger als Suharto erhoffte, und 1998 wurde er zum Rücktritt gezwungen.
3. Religiöse Rhetorik in säkularen Konflikten Der Zusammenbruch fest gefügter Herrschaftsstrukturen setzte nicht nur einen umfassenden Prozeß der Demokratisierung in Gang, sondern führte auch zu einem Machtvakuum, in dem lokale und nationale Eliten um Einflußzonen kämpften, zu Ausschreitungen gegen religiös und ethnisch definierte Minderheiten15 und zu einem Aufschwung sezessionistischer Bewegungen auf In14 15
Christen argwöhnten, Suharto wolle die Pancasila auf diese Weise in den Stand einer säkularen Religion erheben (vgl. Muhammad 1999, 169; Ramage 1995, 37). Ausschreitungen richteten sich insbesondere gegen die chinesische Minorität und gegen Christen, hatten aber auch spezifisch lokale Konnotationen. Auf Kalimantan z.B. erhob sich eine Allianz aus Dajaks und Malayen im Jahr 1999 gegen als Eindringlinge empfundene
Politisierung von Religion und Sakralisierung von Politik
363
seln, die seit vielen Jahren eine Loslösung vom indonesischen Nationalstaat anstrebten, dabei insbesondere Papua, Ost-Timor und Aceh (vgl. Schreiner 2000, Schröter 2001). Auffällig ist dabei die Häufigkeit, in der sich Gruppen einer religiösen Rhetorik bedienen, um Gefolgschaft in nicht primär religiös begründeten Konflikten zu mobilisieren. Beispielhaft sollen an dieser Stelle zwei Spannungsherde analysiert werden,16 die sowohl die Schreckensvision einer Balkanisierung Indonesiens als auch die einer Fundamentalisierung von Religion nährten. Es handelt sich zum einen um die Poso-Region in Zentralsulawesi, die bereits seit der Gründung des Staates wiederholt Austragungsort gewaltförmiger Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen war, und die Molukken, die ebenfalls auf eine lange, bis in die Kolonialzeit hineinreichende, Geschichte interreligiöser Gewalt zurückblicken können. Diese historische Dimension hat seine Wirkung insbesondere bei den Auseinandersetzungen auf den Südmolukken mit seinem Zentrum Ambon entfaltet. Während der Kolonialzeit hatten christianisierte Südmolukker privilegierte Zugänge zu staatlichen Ämtern und stellten einen Teil der kolonialen Streitkräfte. In dieser Funktion hatten sie wiederholt Aufstände niedergeschlagen und waren im Archipel gefürchtet. Aus muslimischer Perspektive, so Peter Kreuzer, hatte die Kolonialmacht eine sozioökonomische Stratifizierung der Gesellschaft anhand religiöser Grenzen initiiert (vgl. Kreuzer 2000, 14). Ihre Loyalität zu Holland und die Angst vor dem Verlust ihrer Privilegien machte die südmolukkischen Christen auch nach der Unabhängigkeit zu willkommenen Werkzeugen niederländischer Machtstrategien, und im Jahr 1950 forderte eine von der ehemaligen Kolonialregierung unterstützte Sezessionsbewegung die Loslösung von Indonesien und die Ausrufung einer Republik der Südmolukken (Republik Maluku Selatan). Im Verlauf der Erhebungen kam es wiederholt zu antimuslimischen Ausschreitungen.17 Trotzdem galten die Inseln jahrelang als Vorbild für ein friedliches Miteinander von indigenen Muslimen und Christen.18 Ritueller Ausdruck dieser Beziehungen war das Pela-Allianz-System, ein im lokalen Ahnenkult
16 17 18
maduresische Migranten, massakrierte und vertrieb Tausende von ihnen. Zu den Vorkommnissen, die vielleicht die größte Verunsicherung auslösten, gehörten die sogenannten Ninja-Morde in Ostjava, bei der als Hexer denunzierte Personen von maskierten Banden exekutiert wurden. Weitere Unruhen, bei denen eine ethnisierende oder religiöse Rhetorik nachweisbar ist, ereigneten sich ab 1998 in Kupang, Westtimor, in Ende, Flores, in Waikabubak, Westsumba, in Makassar, Südsulawesi sowie auf den Singapur vorgelagerten Inseln Batam und Bintan. Zur Relevanz der hier angeführten Beispiele vgl. u.a. International Crisis Group (2002), Hefner (2002) und Kampschulte (2001). Waver berichtet von Erschießungen und von der öffentlichen Zweiteilung eines Imams in Ambon mit dem Schwert (vgl. Waver 1974, 148f.). Zwischen indigenen Molukkern, gleich ob sie sich zum Christentum oder dem Islam bekannten, und muslimischen Migranten bestanden dagegen schon immer erhebliche Spannungen.
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verankertes Netzwerk zwischen Dörfern, das ethnische und religiöse Grenzen überschritt. Das Pela-System wurde sowohl von muslimischen als auch von christlichen Reformern diskreditiert, die der als heidnisch empfundenen Tradition eine neue reine Lehre entgegensetzten und damit die Wirksamkeit der autochthonen Integrationsmittel deutlich reduzierten (vgl. Bartels 2000). Aufgrund einer starken Migrationsbewegung von Muslimen aus Sulawesi in den 1970er und 1980er Jahren wurde das sensible Gleichgewicht zwischen den Angehörigen der beiden Religionsgruppen und damit auch die ökonomische Balance zunehmend verändert (vgl. Jones 2002). Die Neuankömmlinge galten als aggressive Geschäftsleute, die insbesondere versuchten, Posten in der lokalen Verwaltung mit eigenen Leuten zu besetzen. Diese waren traditionell in der Hand von Christen. Da, nach Schätzungen von Gerry van Klinken, im Jahr 1999 25% der ambonesischen Bevölkerung von staatlichen Gehältern lebte (vgl. van Klinken 1999), mußten solche Verschiebungen der Klientelstruktur für extreme Spannungen sorgen. Beim Kampf um staatliche Pfründe setzten sowohl christliche wie auch muslimische Gruppen Netzwerke ein, die bis in die geschlossene Szene molukkischer Migranten in Jakarta reichten (vgl. Aditjondro 2000). 1992 wurde der Muslim Akib Latuconsina als Gouverneur eingesetzt. Sein Kontrahent war der Christ Freddy Latumahina, ein Mitglied der damals noch regierenden Golkar Partei. Latuconsina besetzte einige wichtige Posten der örtlichen Administration ebenfalls mit Muslimen. Nachdem ein Gerücht kursierte, daß Latuconsina alle mit administrativen Führungspositionen betrauten Christen durch Muslime ersetzt hätte, brachen 1999 blutige Unruhen zwischen Christen und Muslimen in Ambon aus (vgl. van Klinken 1999). Das in dieser Situation strukturell vorhandene Gewaltpotential wurde zusätzlich dadurch erhöht, daß sowohl die christlichen als auch die muslimischen Netzwerke von kriminellen Vereinigungen durchsetzt waren. Deren Mitglieder kontrollierten auf Java Einkaufszentren und Spielhallen, wurden aber auch von unterschiedlichen politischen Gruppierungen als schlagkräftige Security-Einheiten eingesetzt. Bewaffnete Konflikte untereinander waren nicht selten. 1999 wurde diese Form der Bandenkämpfe gewissermaßen auf die Molukken exportiert: Christliche und muslimische Gruppen verschanzten sich in ihren religiösen Heiligtümern – die Christen in der Maranatha Kirche, die Muslime in der Al-Fatah Moschee – und bereiteten sich auf die Auseinandersetzung mit den jeweils anderen vor, für die es nur mehr eines Vorwandes bedurfte. Im Jahr 2000 wurde der Konflikt zusätzlich durch eine Mobilisierung radikaler Muslime aufgeheizt, die von Java und anderen Inseln auf die Molukken übersetzten. Eine prominente Rolle spielte dabei die Gruppe Laskar Jihad, eine gewalttätig-fundamentalistische Organisation, die auf christlicher Seite in den sogenannten Laskar Kristen eine Entsprechung fand. Der zweite Konflikt, der den Molukken weltweite Aufmerksamkeit bescherte, fand Mitte August 1999 zwischen Migranten aus Makian und der einheimischen Bevölkerung des Kao-Subdistrikts statt. Auslöser war das Be-
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kanntwerden eines Planes, einen neuen Subdistrikt (Kecamatan) Makian Daratan in der südlichen Hälfte des Kao Distriktes zu errichten. Der neue Subdistrikt sollte alle Dörfer von Makia-Migranten umfassen, die 1975 von der indonesischen Regierung dort angesiedelt wurden, nachdem ein Vulkanausbruch in ihrer Heimat angekündigt worden war. Außerdem befanden sich aber auch einige Dörfer mit indigenen Pagu und Jailolo in der Region, die sich nicht von Makia regieren lassen wollten. Zwischen den muslimischen Migranten und den christlichen Kao schwelte ohnehin ein Streit um Ressourcen, nachdem eine Goldmine in Malifut entdeckt worden war. Die Migranten, von denen Alhadar meint, sie hätten durch die Umstände ihrer Vertreibung eine starke Arbeitsethik entwickelt, waren als Minenarbeiter offensichtlich sehr erfolgreich und schürten dadurch Neid bei den einheimischen Nachbarn (vgl. Alhadar 2000, 15). Im Oktober eskalierten die Gewalttätigkeiten so sehr, daß etwa 15.000 Makia nach Ternate und Tidore flohen. Was als vorwiegend ethisch geprägter Konflikt begann, obgleich der religiöse Aspekt nie gefehlt hatte, da die Makia vorwiegend Moslems und die Kao Christen waren, entwickelte sich jetzt zu einem expliziten Konflikt zwischen Muslimen und Christen. Nach einem Gerücht über von Christen geplante Angriffe19 verjagten die Makia etwa 13.000 Christen nach Nord-Halmahera und Nord-Sulawesi. Dort ermordeten im Dezember 1999 christliche Milizen Hunderte von Muslime. In Jakarta demonstrierten daraufhin am 7.1.2000 Zehntausende von Muslime und forderten einen jihad auf den Molukken. Zu den Organisatoren der Proteste gehörten auch der als gemäßigt geltende Führer der Muhammadiya Amien Rais und der derzeitige Vize-Präsident Hamzah Haz. Unter den radikaleren Teilnehmern befand sich der Prediger und frühere AfghanistanKämpfer Ja’far Umar Thalib, der für die Einführung der šarĩ‛a eintrat. Thalib stellte eine Gruppe von Männern mit dem Ziel zusammen, auf den Molukken gegen die Ungläubigen zu kämpfen. Ungehindert von Polizei und Militär konnten etwa 3.000 Angehörige des Laskar Jihad auf die Molukken reisen. Erst im Mai 2002 kündete der damalige Sicherheitsminister Susilo Bambang Yodhoyono20 eine staatliche Initiative zur Vertreibung dieser Milizen von den Molukken an. Sowohl Christen als auch Muslime operierten im Molukken-Konflikt mit einer religiösen Rhetorik, die ihren Kampf in einen größeren nationalen Kontext stellte. Während Christen die Aktivitäten von Laskar Jihad als Versuch der Islamisierung der indonesischen Gesellschaft verstanden, argumentierten Muslime mit einer christlichen Verschwörung zur Schwächung des Staates. Die Loslösung Osttimors wurde dabei als Anfang einer möglichen Kette von Sezessionen und der christliche Aufstand auf den Molukken als 19 20
Es kursierte ein gefälschtes Flugblatt, das zum heiligen Krieg gegen Muslime und zur Zwangstaufe aufrief. Yodhoyono ist seit der letzten Wahl Präsident Indonesiens.
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Fortführung der Republik der Südmolukken gedeutet (vgl. auch Hefner 2002, 755). Searle (2002) diagnostiziert als Ursachen der Konflikte, neben der andauernden nationalen Krise und den demographischen Veränderungen, eine zunehmende Politisierung des Islam, der weit über die nationalen Grenzen hinausweist und im gesamten südostasiatischen Raum relevant geworden ist.21 Aditjondro dagegen weist auf die Verantwortung der politischen und militärischen Eliten hin. Die Militärs benutzten den Konflikt, so der Soziologe, um ihre Demobilisierung zu verhindern, radikale muslimische Kreise suchten durch Destabilisierung der Regierung an Einfluß zu gewinnen, und die Familie Suhartos besäße Interesse am allgemeinen Chaos, um ihre Machenschaften zu verschleiern und Gelder ins Ausland zu transferieren (vgl. Aditjondro 2000). Auch im sogenannten Poso-Krieg zeigte sich die fatale Konsequenz von religiöser Rhetorik in einem sozio-ökonomischen Interessenskonflikt. Und ähnlich wie auf den Molukken existierte eine Geschichte interreligiöser Feindschaft, auf die einzelne der Konfliktparteien Bezug nehmen konnten. Holländische Missionare hatten Anfang des 19. Jahrhunderts erfolgreich damit begonnen, die animistische Bevölkerung Zentralsulawesis zu christianisieren, und die Kolonialregierung betrachtete diese Christen als potentielle Verbündete gegen die muslimischen Fürstentümer an der Küste. Christen erhielten eine gute Schulbildung, Unterstützung bei der Entwicklung moderner landwirtschaftlicher Verfahren und wurden bevorzugt in den Staatsdienst eingestellt. Als Folge davon, schreibt Aragon, seien nach dem 2. Weltkrieg die sozialen und ökonomischen Bindungen von Christen stärker auf die Mission und das koloniale Regime als auf die muslimische Küstenbevölkerung oder die städtischen Unabhängigkeitsbewegungen gerichtet gewesen (vgl. Aragon 2001, 52). Nach der Unabhängigkeit gerieten Teile der christlichen Bergregion für eine kurze Zeit unter den Einfluß des muslimischen Rebellen Kahar Muzakar. Plünderungen, Vertreibungen und Zwangsislamisierungen fanden statt (vgl. Aragon 2000, 149ff.). Die Dominanz des Christentums konnte dadurch aber nicht angetastet werden. Im Gegenteil: Durch das in der Pancasila enthaltene Gebot, einer der Weltreligionen anzugehören, wendeten sich in den folgenden Jahren auch die verbliebenen Anhänger lokaler Religionen einer der protestantischen Organisationen zu. Das Christentum wurde Bestandteil der lokalen Identität mehrerer ortsansässiger Gruppen, die sich in ihrer Gesamtheit als Pamona bezeichneten. Die relative Homogenität der Bevölkerung änderte sich 1973 mit dem Bau des Trans-Sulawesi-Highways, der eine Verkehrsverbindung für musli21
Dabei vergleicht er Laskar Jihad mit der philippinischen Abu Sayyaf und der thailändischen Pattani United Liberation Organisation (vgl. Searle 2002).
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mische Migranten aus Südsulawesi eröffnete. Parallel zu dieser Entwicklung fand eine Reorganisation der regionalen Administration mit einer sukzessiven Entmachtung lokaler Führer sowie einer Besetzung hoher Verwaltungsposten mit Muslimen statt. Im Zuge der Finanzkrise von 1997 kam es zu erneuten massiven Ansiedlungen von muslimischen Migranten, die Land für den Anbau von Kakao kauften und sich das Monopol im Handel mit gewinnbringenden cash crops erwarben. Die lokale Bevölkerung verlor an Einfluß und stellt mittlerweile in der Hauptstadt des Bezirks nicht mehr die Mehrheit der Einwohner. Vor diesem Hintergrund ereigneten sich folgende Auseinandersetzungen, die 1998 im Wahlkampf um das Amt des Gouverneurs begannen, das bis dahin von dem Moslem Arief Patanga bekleidet wurde, während sein Stellvertreter ein Christ war. Diese Form hierarchisierter Gewaltenteilung hatte ein Klima relativer Stabilität geschaffen, das mit dem Auslaufen der Amtszeit Arief Patangas zu Ende ging. Die lokalen Eliten, die ihre ökonomischen und politischen Positionen durch Zugänge zu den höchsten Verwaltungsämtern abzusichern suchten, brachten unterschiedliche Kandidaten ins Spiel, von denen jeweils einer, der religiösen Zugehörigkeit der Eliten entsprechend, Muslim und einer Christ war. Die Wahlkampagne wurde von beiden Seiten mit Hilfe von Denunziationen, Provokationen und gezielten Falschinformationen geführt, die zum Jahresende 1998 in blutigen Straßenschlachten mündeten. Mitte April 1999 – ein neuer muslimischer Gouverneur war bereits im Amt – sorgte ein Gerücht über einen von einem Christen verletzten Moslem für eine erneute Eruption der Gewalt, in deren Verlauf Tausende Christen zu Flüchtlingen wurden. Als Vergeltung überfielen christliche „Ninjas“22 muslimische Nachbardörfer und ermordeten am 3. Juni 2000 schließlich über Hundert javanische Muslime, die in eine Schule, das Pesantren Wali Songo, geflohen waren. Im Juli und August 2000 griffen sogenannte Laskar Jundullah23 auf seiten der Muslime in die Auseinandersetzungen ein, und Ende 2001 erschienen Tausende außerhalb Sulawesis rekrutierte und mit modernen Waffen ausgerüstete Laskar Jihad-Kämpfer. Spätestens jetzt wurde der regionale Konflikt zu einem national beachteten. Vertreter der indonesischen Regierung wie Sicherheitsminister Susilo Bambang Yudhoyono bemühten sich um vermittelnde Gespräche, Einheiten der Armee wurden stationiert und ein Friedensabkommen geschlossen.24
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Der Begriff „Ninja“ bezeichnete ursprünglich eine Kategorie von Kriegern im japanischen Feudalsystem. Heute ist er im gesamten ost- und südostasiatischen Raum ein Synonym für gewalttätig agierende Einzelpersonen und Gruppen, die, maskiert und bewaffnet, oft auch diverser Kampfkünste mächtig, Überfälle ausüben und Mordkommandos bilden. Eine genaue Analyse der in den Auseinandersetzungen beteiligten muslimischen Netzwerken findet sich in International Crisis Group (2002, 20ff.). Eine detaillierte Darstellung des Konflikts findet sich in Aragon (2001).
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In den drei genannten Konflikten zeichnet sich ein ähnliches Muster ab: Eine lokale Bevölkerung gerät durch die Ansiedlung von Migranten anderer Inseln unter ökonomischen und politischen Druck, und zwischen „Alteingesessenen“ und „Neuankömmlingen“ entbrennt ein Kampf um den Zugang zu knapper werdenden Ressourcen. Gehören die um Einfluß ringenden Gruppen unterschiedlichen Religionen an, kann die religiöse Zugehörigkeit als Mittel der Mobilisierung breiter Bevölkerungsgruppen für die Interessen der jeweiligen lokalen Eliten genutzt werden. Die Strategie der religiösen Rhetorik, die auf den Molukken und in Zentralsulawesi so wirksam war, setzt allerdings eine relativ homogene religiöse Zuordnung der jeweils aufzubietenden Menschenmassen voraus. Dort, wo dies nicht möglich war, wie im Fall der blutigen Vertreibung tausender Maduresen durch eine Allianz christlicher Dayaks und muslimischer Malaien, die im Jahr 1999 auf Kalimantan stattfand, (vgl. Human Rights Watch 1997, Schröter 2001, 47f.) verzichtete man auf solche Konstruktionen. Im Gegensatz zu einer rein lokalen Interpretation ökonomischer und politischer Konflikte überschreiten religiöse Diskurse zwangsläufig den jeweiligen örtlichen Rahmen und verorten das Eigene in einem umfassenderen Welterklärungsmodell. Lokales Geschehen wird mit nationalen oder globalen Ereignissen in Verbindung gebracht, was einerseits die Möglichkeit zusätzlicher Unterstützung der eigenen Anliegen eröffnet, andererseits aber auch Einflußnahmen mit sich bringt, die von lokalen Akteuren kaum durchschaut werden können. Hier begründet sich die Angst vor Provokateuren, die in allen Unruheherden seit 1998 geäußert wurde.
4. Religiöse Fanatiker, Demokraten und die staatliche Ordnung Die Gründung von Laskar Jihad wurde häufig mit Enttäuschung radikaler islamischer Kräfte nach dem Ende des Suharto-Regime begründet, die nicht nur ihren Förderer Suharto verloren, sondern auch hinnehmen mußten, daß muslimische Parteien bei den Wahlen im Jahr 1999 nicht den erwarteten Erfolg verzeichnen konnten (vgl. Davis 2002). Laskar Jihad trat erstmals im April 2000 auf, als ihre Mitglieder Säbel schwingend durch Jakarta auf den Präsidentenpalast zumarschierten. Kurz darauf machte sie in den eskalierten Konflikten auf den Molukken und Sulawesi von sich reden und trat als Unruhestifter in Papua in Erscheinung, wo sie durch Teile von Armee und Polizei sowie indonesientreue lokale Milizen, die Satgas Merah Putih, unterstützt wurde (vgl. Barr 2002). Ab Oktober 2001 liegen gesicherte Informationen über von ihr betriebene Trainingscamps vor, in denen islamische Unterweisungen und militärische Übungen durchgeführt wurden.
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Davis nimmt an, daß die Gruppe über Geldquellen in Indonesien verfüge, Laskar Jihad Führer Tahlib hingegen gibt an, von Saudi Arabien, Malaysia sowie Muslimen in Singapur und den USA finanziert zu werden (vgl. Davis 2002, 19). Unzweifelhaft ist die Verstrickung von Kräften des Militärs mit Laskar Jihad, die sich von einer Destabilisierung der Regierung Wahid ein Ende ihrer Entmachtung erhofften, weniger eindeutig ist dagegen die Zusammensetzung ihrer Mitglieder, von denen es manchmal heißt, sie seien mehrheitlich ehemalige Armeeangehörige, dann wieder, sie rekrutierten sich aus Absolventen von Islamschulen (pesantren) oder gar Ausländern. Ideologische und politische Unterstützung hat Laskar Jihad von Kräften des Reformislam erhalten, so z.B. durch den Vizepräsidenten Hamzah Haz. Unmittelbar nach dem Anschlag in Bali gab die Organisation ihre Auflösung bekannt.25 Eine zweite, in die Schlagzeilen geratene fundamentalistische Gruppe ist die Jemaah Islamiyah, die von der International Crisis Group auch „Ngruki Network“ genannt wird, nach der von Abu Bakar Ba’ashir 1973 gegründeten Islamschule Pondok Ngruki, die als Rekrutierungsbasis für terroristische Aktivisten fungiert. Abu Bakar ist Javaner jemenitischer Abstammung und war Mitte der 1950er Jahre Führer der Gerakan Pemuda Islam Indonesia (Islamischen Jugendbewegung Indonesiens GPII). Er vertritt einen modernen fundamentalistischen Islam in Anlehnung an die ägyptische Moslem-Bruderschaft Hassan al-Bannahs. Abu Bakar wurde 1978 verhaftet und 1982 wegen angeblicher Beziehung zur terroristischen Organisation „Komando Jihad“ zu einer Haftstrafe verurteilt. Nach seiner Freilassung gründete er die radikalislamische Usroh-Bewegung, die 1985 zerschlagen wurde. Er floh nach Malaysia und kehrte erst nach dem Sturz Suhartos nach Indonesien zurück. Abu Bakar war maßgeblich am Aufbau des Mudschaheddinrates Indonesiens (MMI – Majelis Mujahidin Indonesia) beteiligt, der die Errichtung eines Kalifatsstaates anstrebt. Die Jemaah Islamiyah steht im Verdacht, hinter den Attentaten auf christliche Kirchen und Priester zu stehen, die im Dezember 2000 in Java verübt wurden, sowie Drahtzieherin und Auftraggeberin der Anschläge auf Bali zu sein. Die Attentäter standen in Kontakt zu Abu Bakar Ba’ashir (der die Verwürfe allerdings bis heute bestreitet) und sollen einem südostasiatischen Netzwerk angehören, das von dem im August 2003 festgenommenen Riduan Isamuddin, alias Hambali, koordiniert wurde. Welche Form der Organisation hinter Jemaah Islamiyah steckt, bleibt aber weiterhin ebenso spekulativ wie die Frage nach al-Qãida. Nils Kadritzke vermutet in einem Artikel für „Le Monde Diplomatique“, es handele sich wahrscheinlich „eher um eine lose Koalition klandestiner Zellen als um eine feste Organisation“ (Kadritzke 2002). Verdächtigungen gegenüber dem Militär als Nutznießer, An25
Ufen (2002) vermutet dahinter eine Anordnung aus Saudi-Arabien.
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stifter oder Mittäter bei islamischen Gewalttaten werden von Aditjondro (2000), Ufen (2002), Davis (2002, 19ff.) und McDonald (2002) erhoben.26 Nach Ufen entstand das Netzwerk auf Betreiben des indonesischen Geheimdienstes Ende der 1970er Jahre als künstlich geschaffenes Bedrohungsszenario, um die Verfolgung islamischer Oppositioneller zu legitimieren, das sich mittlerweile verselbständigt habe (vgl. Ufen 2002). Nach einem Bericht der International Crisis Group vom August 2003 ist Jemaah Islamiyah eine länderübergreifende südostasiatische Organisation mit einer territorialen Kommandostruktur, die durch eine gemeinsame Ideologie, Heiratsbeziehungen und bestimmte pesantren zusammengehalten würde. Obgleich sich moderate islamische Führer in der Öffentlichkeit immer wieder von radikalen Kreisen distanziert haben, wird deren Argumentationslinie von breiten Teilen der Anhängerschaft des Reformislam geteilt. Sie unterstellen eine internationale Konspiration der USA, Australiens und der UN mit dem Ziel, Indonesien zu christianisieren und den Staat in seiner jetzigen Form aufzulösen. Ein erster Erfolg der Verschwörung sei die Unabhängigkeit Osttimors. Im Anschluß an den 11. September 2001 und insbesondere an den Kriegsbeginn in Afghanistan wurden diese radikalen Stimmen unüberhörbar, und die Rezitation eines globalen Antagonismus zwischen Muslimen und Westlern mobilisierte Hunderttausende. Auf Massendemonstrationen wurden anti-amerikanische Parolen skandiert, Fahnen verbrannt und westliche Botschaften attackiert. Laskar Jihad und eine Front zur Verteidigung des Islam forderten amerikanische Staatsangehörige auf, das Land zu verlassen. Am 25. September 2001 bezeichnete der Indonesische Rat der Rechtsgelehrten (Majelis Ulama Indonesia MUI) die Aggression gegen Afghanistan öffentlich als Akt des Terrors und als generelle anti-islamische Aggression, die die Muslime der Welt zum jihad herausfordere (vgl. The Jakarta Post vom 26.9.2001). Aufrufe zum Boykott amerikanischer Waren kursierten, und die Gerakan Pemuda Islam (Islamische Jugendbewegung), deren Mitglieder in die anti-amerikanischen Aktivitäten nach dem 11. September 2001 verwickelt waren, soll 300 Freiwillige für die militärische Unterstützung der Taliban rekrutiert haben (vgl. Sukma 2002, 275). Osama bin Laden wird mittlerweile von vielen Indonesiern als Pop-Ikone gefeiert. Osama bin cool hat Katie Brayne, eine Studentin der Gajah Madah Universität daher einen Aufsatz tituliert, in dem sie Gespräche mit Kommilitoninnen verarbeitet hat (vgl. 26
Indikatoren für eine eindeutige Parteinahme auf seiten der Muslime lassen sich für Indonesien allerdings nicht nachweisen. In Osttimor gingen christliche Armeeangehörige zusammen mit christlichen Milizen gegen christliche Sezessionisten vor, in den Konflikten zwischen christlichen Dajaks und muslimischen Maduresen auf Kalimantan griff die vor Ort anwesende Armee nicht ein und duldete die Massaker. Grundsätzlich gehört das Militär allerdings zu den Profiteuren aller lokalen oder regionalen Krisen, da ihnen mit der Verhängung des Notstandes eine nahezu unbegrenzte Macht übertragen wird.
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Brayne 2002), und sogar in Papua boomt der Verkauf von entsprechenden TShirts, CDs und Büchern (vgl. Barr 2002). Antiamerikanische und antiwestliche Ressentiments werden offener denn je artikuliert, wobei man sich nicht zuletzt auf Samuel Huntingtons These vom Zusammenprall der Zivilisationen beruft, wie Ulil Abshar-Abdalla bedauernd feststellt (Abshar-Abdalla 2002). Auch in Regierungskreisen wird z.T. offen Sympathie mit dem radikalen Islam und eine ebenso radikale Anti-Westlichkeit gezeigt. So hatte der frühere Vizepräsident Hamzah Haz amerikanische Warnungen vor Attentaten stets als Diffamierung denunziert und Protest dadurch hervorgerufen, daß er den inhaftierten Führer der Laskar Jihad, Jafar Umar Thalib, 2002 demonstrativ im Gefängnis besuchte. Grundsätzlich ist eine Radikalisierung islamischer Gruppen seit dem Ende der Suharto-Ära zu beobachten, die in Zusammenhang mit einem Aufschwung islamistischer Bewegungen in ganz Indonesien steht. Trotz ihrer Gegnerschaft gegen den Afghanistan-Feldzug blieb die Mehrheit der indonesischen Muslime aber weiterhin grundsätzlich moderat (Vgl. Abshar-Abdalla 2002). Auch bei der letzten Wahl im Jahr 2004 konnten islamisch orientierte Parteien die Wähler offensichtlich nicht überzeugen. Führer der größten muslimischen Organisationen Nahdatul Ulama und Muhammadiyah warben in den vergangenen Krisen für Besonnenheit und sprachen sich z.B. gegen den von den Taliban ausgerufenen jihad aus.27 Muslime wie der frühere Präsident Abdurahman Wahid gehören zu den stärksten Verfechtern eines multireligiösen Staates. Wahid hat sich stets für die Beibehaltung der Pancasila als wichtigstem staatlichem Prinzip ausgesprochen und war Versuchen, die Gesellschaft zu islamisieren, immer entschieden entgegen getreten. Seine neo-modernistischen (vgl. Barton 1995) Ideen zur Integration von Demokratie und Religion brachten ihm die erklärte Gegnerschaft radikalislamistischer Kreise ein, die seinen politischen Aktionsradius durch Denunziation und die Eskalierung von Unruhen zu beschneiden suchten. Das Spannungsfeld zwischen radikalisierten Islamisten, moderaten Muslimen, Nationalisten und Demokraten zwingt jede Regierung zu Balanceakten. So sah sich Präsidentin Megawati nach einer Welle anti-westlicher Ressentiments genötigt, die Politik der USA in Afghanistan zu kritisieren, um sich nicht im eigenen Land zu isolieren. Anak Agung Banyu Perwita spricht in diesem Zusammenhang von dem Wunsch der Muslime, bei außenpolitischen Entscheidungen stärker berücksichtigt zu werden (vgl. Perwita 2001, 378). Doch auch die internationale Gemeinschaft, potente Kreditgeber und die Angst vor militärischen Interventionen üben Druck aus. Um nach dem Anschlag von Bali nicht endgültig zur „Achse des Bösen“ oder zumindest zur 27
Eine Analyse verschiedener islamischer Positionen zum Afghanistan-Krieg findet sich in Sukma 2002.
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„weak link in the anti-terror chain“ (vgl. McBeth 2002) gerechnet zu werden und damit alle monetären Unterstützungen zu verlieren, mußte sich die politische Führungsschicht mehr als Lippenbekenntnisse abringen. Das erwarteten im übrigen auch die Balinesen, deren wichtigster ökonomischer Sektor, der Tourismus, über Nacht zum Erliegen kam. Neue Sicherheitsgesetze, eine Reihe von Verhaftungen, rasch durchgeführte Prozesse und harte Urteile für alle unmittelbar am Attentat Beteiligten waren die Folge. Eine neue Welle islamischer Radikalisierung läßt sich seit Mitte des Jahres 2005 beobachten. Wie schon bei vergangenen Ereignissen arbeiten religiös-politische Propagandisten und gewalttätige Akteure Hand in Hand. Als agitatorischer Hardliner tritt der schon mehrfach erwähnte Rat der Rechtsgelehrten Indonesiens in Erscheinung, der auf seinem siebten Kongreß im Juli 2005 elf Fatwas erließ, die sich gegen Liberalismus und Pluralismus richteten. Die Rolle des gewaltbereiten Akteurs spielt die so genannte Front zur Verteidigung des Islam, Front Pembela Islam (FPI), die schon vor den Erlassen des MUI durch die Verfolgung der Sekte der Ahmadiya aufgefallen war. FPI-Anhänger haben sich in der Vergangenheit einen Namen dadurch gemacht, daß sie Bars und Diskotheken verwüsteten und Besucher verprügelten. Jetzt scheint es, daß sie Häretiker und Andersgläubige zum Ziel erklärt haben. Weinata Sairin, der stellvertretende Generalsekretär der indonesischen Gemeinschaft christlicher Kirchen, beklagt, daß die FPI innerhalb eines Monats die Schließung von 23 Kirchen in Westjava durchsetzen konnte (Jakarta Post vom 25.8.2005). Seit den Publikationen des MUI wird in den indonesischen Medien eine breite Debatte um die Bedeutung von Toleranz und die Werte der Pancasila geführt, bei der insbesondere Politiker der Nahdatul Ulama sowie Wissenschaftler der Islamischen Universität von Jakarta und des Netzwerkes Jaringan Islam Liberal mit einem Bekenntnis zum Pluralismus an die Öffentlichkeit treten. Die Regierung verhält sich allerdings weitgehend indifferent und nährt Befürchtungen, daß einer Radikalisierung des Islam von dieser Seite wenig Widerstand entgegengebracht wird. Daher ist wieder einmal ungewiß, welchen Weg die größte islamische Nation der Welt in Zukunft gehen wird: den eines säkularen Staates mit freier Religionsausübung oder den einer zunehmenden Fundamentalisierung.
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The experience of Secularisation in modern Turkey: Secularisation from above 1. Introduction It has been observed that since the early 1990s the issue of secularisation has been at the heart of countless heated debates and the main cause of many major political crises. It can even be said that the recent political history of Turkey has revolved around the unprecedented rise of political Islam and consequently the question and the future of secularisation. Pro-Islamic parties have entered into the democratic electoral process and shown a considerable strength. This process began with the municipal elections (1994) in which the pro-Islamic Welfare Party (WP) gained control of several metropolitan municipalities including Istanbul and Ankara. One year later (1995) the same party formed the first Islamic-led government. Although the WP government was forced out of office in 1997, it produced the pro-Islamic AK Party (Justice and Development Party), which was founded by a group of WP’s young cadre and won a landslide victory in the 2002 general election by gaining two thirds of the seats (65 percent in parliament). This latest election result not only removed the old, corrupt political elites and all of the mainstream political parties from the political landscape, it also triggered yet another wave of crises over key issues such as the future of secularisation, the ban on headscarves in the public realm (in schools for example) and the future of religious schools. In this article, it will be argued that because the process of secularisation was political and at some point became a sacralised concept, it had longlasting significant impacts on the intellectual and political spheres. What I wish to explore in this article is the Turkish experience of secularisation, the troubles of this experience and its enduring strong influences over the country’s politics. I argue that the dominant perception of secularisation that is widespread among the country’s elite has been causing a lot of trouble in recent years in Turkish politics. Until the 1970s, the secularisation paradigm was rarely questioned. Following the positivist ‘grand narrative’, the majority of sociologists predicted that religion was declining, and it would not belong before it disappeared al-
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together from social life.1 Durkheim, Marx, and Weber all shared the view that religion was becoming more and more trivial to the modern world. They all agreed that secularisation was an inevitable process in modernising societies.2 They viewed the process of secularisation as an inevitable and straight path. It was believed that the trivialisation of religion was a direct consequence of the process of modernisation: differentiation, societalisation and rationalisation.3 For nearly two centuries, this process was considered to be a universal and inevitable outcome of modernisation and rationalisation.4 As a result of the decline of the power of religion in a particular society, they argued, religion might live on for a while but just in the private sphere. The logical conclusion of the secularisation discourse was simply this: religion was no longer considered of any social or political influence; therefore it was not going to be capable of providing ideological or political resources, or inspire any sort of social or political movement. However, throughout the 1990s one of the most important political developments was the rise of religious fundamentalist movements. Turkey as a predominantly Muslim country experienced an unprecedented rise of religious revivalism, too. Since then, political Islam has come to play an increasingly influential role in socioeconomic, political and cultural life.5 This unforeseen ascendancy of political Islam has created a very tense political atmosphere; it shook the 80-year-old political establishment to its foundations and caused a major political crisis in 1997. It has been observed that at the centre of this crisis was the politics of secularisation in Turkey. The process of secularisation is considered by the Kemalist elite as an inevitable and irreversible outcome of modernisation. Furthermore, secularisation − or in Turkish laiklik6 − became a core ideology of a modernist secularist elite in a country where religion, for centuries, played a central role in all aspects of social life.7 It seems the thriving religious movements not just in Turkey but all over the world have proven one of the pillars of the modernity paradigm wrong.
1 2 3 4 5 6 7
Cited in Haralambos/Holborn 1994, 679. Cited in Giddens 1993, 477. Wallis/Bruce 1992, 11f. Martin 1978. Ayata 1993, 65. A term derived from the French words laique and laicite. See Turan 1991, 31-35.
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2. Crisis of Secularisation As mentioned earlier, the 1990s witnessed an unprecedented rise of religious revivalism all around the world. This observation was true for Turkey, too. As Ayata (1993, 65) observed, since the early 1980s political Islam has begun to play an increasingly influential role in socio-economic, political and cultural life. Many argued that religious revivalism would change Turkey’s secular social structure in the near future (Şaylan 1992, 127). Clearly, all of this development contradicted the predictions of the modernist, secularist paradigm that envisaged secularisation as a process of utmost importance and the role of religion in political life diminished forever. What was more mysterious for many was that despite a century and a half of modernisation, westernisation, and strictly guided laiklik (secularisation) policies, political Islam became one of the main political forces in modern Turkey. The unprecedented rise of the pro-Islamist WP in the local elections of 1994 has created a siege atmosphere for modernised, westernised and secular strata of Turkish society. They felt an increased threat from rising Islamic fundamentalism, which has often been coupled with ‘extremism’ and ‘religious bigotry’. Some feared it would lead to an immediate segregation of men and women in the public sphere and the confinement of women in the home. Others saw the rise of the WP as heralding an approaching irtica (Sharia) while others were concerned about the loss of freedom, democracy, and respect for human rights. The general election of 24 December 1995 showed that the Islamic WP’s success was continuing.8 As expected, this result heightened the tension between laicists (secularists) and Islamists (fundamentalists) to such a degree that after less than two years in power, the Islamic-led government was forced to resign in 1997.
2.1. The process of 28 February: A Postmodern Coup The political crisis that caused the resignation of Necmettin Erbakan marked one of the most important turning points in recent Turkish political history. It came to be known as the process of 28 February (1997). For some commentators this process was, actually, what they called a postmodern coup that amounted to the fourth military intervention since 1960.9 8
9
For the result of the 1995 general election see Results of Elections of Representatives (Seçim Sonuçları) The Election Results State Institute of Statistics, Printing Division, November 1996, Ankara For the term ‘postmodern coup’ see Radikal Gazetesi, 15 January 2001, ‘Özkasnak: 28 Şubat post modern darbeydi (Özkasnak: 28 February was postmodern coup). Also
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Few issues in Turkish history other than the struggle against the irtica thehtidi (threat of Islamic extremism) could have united so many political parties, civil society organisations, military elite, trade unions, various pressure groups, women’s rights organisations, political commentators, and many others across the political spectrum. At this juncture, the military, which perceived itself as the ultimate guarantor of the secular establishment, stepped in by increasing its pressure upon the Islamic-led government to step down. The threat of Islamic fundamentalism reached a point where for the first time the military changed its perception of risk and put the internal threat before the external one. According to the daily newspaper Milliyet, the General Staff announced its new Concept of Defence, saying “We must be very careful: the internal threat is now ahead of the external one.”10 Undoubtedly, this was an historical turning point. The internal threat was, of course, the rise of political Islam, Sharia, namely the Welfare Party. After openly and directly designating the Islamist threat as the greatest to the secular republic, the military via the National Security Council increased its pressure on the government in order to implement a plan which included the preparation of new tougher laws to curb the fundamentalist groups, the closure of many Koran courses and main religious schools, the Imam-Hatips, and the reformation of the education system by increasing compulsory education for all from five to eight years. The largest party in the Turkish parliament, the WP, was closed down by the Supreme Court for its actions against the principles of the secular republic.11 Although the Islamist party was not a newcomer to Turkish politics, the election successes of the WP triggered a flood of suspicion, paranoia and anxiety among Turkey’s secularist elites. The WP’s narrow victory with 21.3 percent of the vote created shock waves not just at home but abroad too (Sayari 1996, 35). Irtica fobisi (phobia of fundamentalism) began to dominate the daily reports. Some of them urged immediate action against the şeriaçı yükseliş (rise of fundamentalism), others urged the military to intervene to restore the principles of the secular republic. Elizabeth Özdalga was one of the few to question whether this widespread fear of irtica (Islamic fundamentalism) was well founded or not. She asked: “Does the fact that this political movement scored little more than one fifth of the votes in the last elections (December 1995) constitute a threat to the very foundation of the secular republic?” (1997, 21)
10 11
according to Dr. Judith S. Yaphe of the Institute for National Strategic Studies, at the National Defense University, Washington D.C., the process of 28 February was the fourth intervention since 1960. For detail see full report “Year of Living Dangerously” http://www.ndu.edu/inss/strforum/forum155.html Milliyet 30 April 1997. Morris, The Guardian, 1998.
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The answer to this question is, as she puts it, very much related to “how the concept of secularism (is) defined.” The entire problem lies here. It is evident that it is the very definition of the concept of secularisation that really creates the problem. In other words, the definition of secularisation is responsible for a major share of the actual problem. In response to the rise of political Islam, the military needed to redefine its security concept. After fifteen years' fighting against the Kurdish separatist PKK, political Islam was elevated to the number one internal threat to the secularist republic. Since then virtually all of the monthly NSC meetings – designated the Şeriat tehdidi – the threat of Islamic fundamentalism – have assessed the latest fundamentalist (irticai) activities of various Islamic groups, and action plans for their eradication. “If necessary, our fight against the fundamentalist threat will continue one thousand years” declared one leading general in the army.12 The process of 28 February continues currently. As Judith S. Yaphe (1999) observed, generals consider political Islam as the greatest threat to national security and identity.13 The intervention that came with 28 February meant a breakdown of the normalisation and democratic process in the country. The general staff of the period issued the following statement: “[The] 28 February is a process which has been continuing since 1923. Whenever the threat of irtica (Islamic fundamentalism) became visible, this process showed itself. If the threat of fundamentalism (irtica) continues for one thousand years, the process of 28 February will last one thousand years too.”14
Although each time the military has returned power to civilians after a relatively short interval, the consequences for politics have lasted considerably longer (Hale 1993, 316). The political crisis that reached its climax in 1997 and resulted in a “postmodern coup” continues to this date. In some respects the fear and anxiety have been heightened because of the latest general election (2002), which saw a landslide electoral victory for the pro-Islamic AK Party (Justice and Development Party), the latest of the Islamic parties. But why has a party that gained little more than one-fifth (21 percent) of the total votes in 1995 caused this widespread reaction in such large sections of Turkish society? What is it that holds Turkey back from overcoming this paranoia, and becoming a fully operating democracy that plays by the rule of law, protects and respects human rights, expands the boundaries of freedom of expression and civil rights, recognises and respects ethnic and cultural dif12
13
14
See Milliyet Gazetesi, 29 June 2000, ‘Komutandan Savaş Uyarısı’ (Warning of War from Commandant) and Milliyet, 30 June 2000 ‘Askerden Iknici Çıkış’ (Military’s Second Warning). Judith S. Yaphe (1999) writes that: “they make no apparent distinction between Islamists with political agendas, Islamists with more radical leanings, Islamists with no political ambitions, and Muslims desiring more personal piety in their daily lives.” Selçuk, Cumhuriyet ‘28 Şubat Üstüne’ (About 28th February), 10 March 1998.
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ferences? More specifically, what are the root causes of such-deep seated fear and anxiety in relation to secularisation and political Islam? My hypothesis is that the “myth” created around secularisation in Turkey has been one of the main reasons for such widespread reaction against the pro-Islamic WP government. It is true that the WP was a pro-Islamic political party. However, the reaction against the WP-led coalition government was excessive and disproportionate to the threat they posed to the Turkish republic. So why was there such a high level of social mobilisation?15 Secularisation as one of the most valued founding principles of the republic has always had a very specific role and meaning throughout republican history. Since the foundation of the republic, the principle of secularisation has always been treated above and beyond every other principle of the republic. For this purpose it has been written into every constitution since 1924. However, with the unprecedented election success of the pro-Islamist WP, the whole confidence in secularisation amongst the secularist elite was shaken. It was a true and devastating shock, because the secularised elite had always learned and believed that firstly, Turkey is a secular country and so too the social life. In fact, they considered this process as being inevitable and irreversible in any modernising society. They believed secondly in the process of secularisation and in the decline of religion’s grip over politics. But with the unprecedented rise of pro-Islamist Welfare Party, these assumptions suddenly were called into question.
3. The Turkish Secularisation Experience: Secularisation From Above By the end of the seventeenth century, the Ottoman Empire was a declining power. The crucial turning point in this process was the second siege of Vienna in 1683 that ended with a great defeat.16 With this defeat Bernard Lewis argues: “…the Ottomans had suffered serious territorial losses. They had also been obliged to abandon old concepts and old ways of dealing with the outside world, and to learn a new science of diplomacy, negotiation, and mediation.” (2002, 18f.)
Ottomans as one of the old powers of the World found themselves threatened by the much more advanced Western military power. It was thought that Western superiority lay in the advanced armament technology and better 15 16
See The Guardian, 14 March 2003, ‘Is Turkey headed for military dictatorship again?’ www.guardian.co.uk/g2/story/0,3604,913792,00.html See Goodwin 1999: especially Chap. 19.
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training and disciplining methods of the army. Moreover, developments were not only in the military sphere but also economical, educational, bureaucratic and political. Therefore Muslim rulers in the Ottoman Empire, Egypt, and Iran looked to the West in order to modernise their military, politics and economy. It was believed that in order to emulate the strength of the West, reforms were necessary in the military training methods, bureaucratic structures, and also in education and science which would then become modern weapons (Esposito 1995, 54; Keyder 1987, 25f.). Also, because by and large the disintegration that the Empire was facing was brought about by the Western powers, the new elite who had been educated in Western-style schools sought to avoid this catastrophe by adopting Westernisation: modernisation, rationalisation, and secularisation. The adoption of modernisation and secular nationalism was a strategy in order to create a new nation that would develop as much as the Western nations had. When the victorious Kemalists gained power, after long and exhausting wars, they were ready to implement their long-awaited project for a modern and secularised society. It meant a series of revolutionary steps towards the building of a modern nation based on modernity, rationality, positivist science and secularisation. Kemalist elites were convinced that unless the people’s mentality, their beliefs, values, and the norm systems were radically changed, Westernisation and modernisation would not be possible. So they launched the task of secularisation of both public and private spheres. After naming the new regime a republic (29 October 1923), the battle between Caliphatists and Kemalists was further intensified. Mustafa Kemal was elected as the President of a republic that was an Islamic state because, according to the amended Constitution of 1921, the religion of the Turkish state was Islam. This was a success for the Caliphatists. The abolition of the Caliphate on 24th November 1924 was seen as the shortest way of destroying the power base of the opposition. The question of the Caliphate was an essential one because, as the most respected and holy leader of Islam the existence of the Sultanate and Caliphate posed a serious threat to the new regime. Removal of the debris of the ancient regime by the new one has always been complicated and open to many questions. Secularisation of the public and later private spheres meant for the Kemalists the eradication of the roots of the backwardist reactionary and religious conservatism and the end to the misuse of the people’s sentiments by some of the religious clergies. It should be recalled that throughout the six hundred years of the Ottoman Empire there had been extensive and complex networks of the religious elite: the ulema (religious clergies) preached in the mosques and religious orders (tariqats). So the new regime had to fight against an institution that was one of the most influential bases of the Ottoman legacy. The obstacles for the creation of a new society were discussed extensively by Mustafa Kemal and nationalist intellectual circles. The barriers that prevented society from borrowing, learning and adopting were found within
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the incompatible traditional institutions. Irrationality and the anti-secularist nature of these institutions were criticised by Mustafa Kemal as early as 1922. He addressed a delegation of teachers: “Ideas full of irrational superstition are morbid. Social life dominated by irrational, useless, and harmful beliefs is doomed to paralysis.... Our guide in political, social, and educational life will be science.... Progress is too difficult or even impossible for nations that insist on preserving their traditions and beliefs lacking in rational bases.” (Quoted in Berkes 1964, 465f.).
For Kemalists the major cause of the decline of the Ottoman Empire was the irrational traditionalism, religious and superstitious thought systems that were deeply rooted in the institutions of the country and in peoples’ minds throughout the centuries. It was not necessarily, however, religion that obscured the development but the backwardist values, norms and customs; static and dogmatic beliefs; hegemony of the irrational superstitions; and the lack of positive and progressive thinking. Following the abolition of the Caliphate, the religious courts, the religious schools (madreses) and all religious orders their meeting places or cloisters, titles and offices were abolished, too. The tombs (turbe) and shrines of saints were also closed down. In the public sphere the use of all kinds of religious terms and titles like haci, hafız and molla were prohibited. The legal dimensions of these implementations were not neglected. With these legal changes, the ruling Kemalist elite wanted to subordinate religion to the modern and secular institutions. In this way it was believed that the transformation of Turkish society into a modern and secular one was possible. Politicisation of religion was prohibited by the article 9 of the Law of Associations promulgated in 1938. In order to cut the opposition’s organic connections with religion, the same law prohibited politicians and political parties engaging in religious activities and religious propaganda. The very famous article 163 of the Panel Code adopted in 1926 also outlawed any kind of propaganda against the principle of secularism (Berkes 1964, 466). These and many other legal constraints on religion in relation with the political sphere amounted to an open suppression of religion. Şerif Mardin, one of the renowned students of Turkish modernisation, claimed that the republican revolution was primarily a change of values (Cited in Tapper 1991, 6). No doubt that the Kemalist revolution like many others had to create a system of values, norms and beliefs within which its own existence materialised and flourished. The education system, as an institution for the creation of positive behaviour, values and norms, had to be reorganised based upon western principles. Mustafa Kemal set great store by the modern and secular education system. In order to set up a united modern secular school system, the Unification of Education Law (Tevhid-i Tedrisat Kanunu) was accepted in 1924, and all education reorganised under the juris-
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diction of the Ministry of Education. As a result, all traditional religious schools (madreses) were closed. After two years of discussions, the new Civil Code, which was translated from the Swiss Civil Code, was accepted by the National Assembly on 16-17 February 1926 (Berkes 1964, 470). Parallel to these secularisation reforms there were many steps that aimed to westernise the nation. There was a complete system change ranging from the measurement system to the adoption of Gregorian calendar in 1926, from dress code (1925, the Law of Hat) to the replacement of Arabic script with the Latin alphabet (1928) and so on. As can be seen, the new regime wanted – by adopting Western norms, values, measurement systems – to get closer to the advanced Western civilisation or, as they called it, “the international civilisation.” By insisting on a rapid westernisation, modernisation and secularisation, they could not escape the trap of imitation of the West even though they were anti-West. For example, imposition of the western dress code, prohibiting traditional hat (fez) and the traditional women’s veil (turban) in official buildings, was clearly signalling the degree of exaggeration of the ‘western’. The Law of Hat, perhaps the most criticised practice of the early years of the republic, was not just about the changing the outfit of the people, but was forcing them to accept the whole secularisation project and show it by dressing like westerners. Wearing a hat considered the civilised way whereas wearing a fez was ridiculed and later became a criminal offence. Finally, two acts completed the secularisation of society and the state. One of them was deleting Islam from the Constitution in 1928, and the other was the official declaration of secularisation of the state in 1937 (Tapper 1991, 6; see also Lewis 2002, 271). Nothing was the same in Turkey by 1937. This development, also, marked the creation of the first constitutionally and legally secularised Islamic nation.
3.1. The Single Party Rule and Secularisation The Kemalist revolution of 1923 shaped the direction and characteristic of the modern Turkish political system.17 There is no doubt that the leadership of the secular nationalist movement was aware of the important role of the political parties in social mobilisation and nation building. In the first years of the national struggle Mustafa Kemal transformed the Association for the Defence of the Rights of Anatolia and Rumelia (which was formed years before the revolution), into a political party that became the Republican People’s Party (RPP). The RPP was the dominant, ruling political organisation in Turkey from 1923 to 1945 (Karpat 1991, 42). 17
See Ahmad 1977, 2.
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The foundation of the single-party rule under the RPP (1923) weakened the Grand National Assembly’s pluralist structure and the opposition. The party was a necessity because in the Assembly in 1923, the Kemalists were a minority. By forming the party, Mustafa Kemal moved the political struggle from the Assembly to the party that he dominated totally. Soon after its formation, the People’s Party and not the Assembly became the focus of political activity (Ahmad 1977, 53f.). The single-party era can be described as the absolute domination of the Kemalist military bureaucratic elite. During this period, the opposition was gradually forced out of politics. Major suppressive measures were triggered by a religious rebellion that took place in February 1925 in Southeast Turkey. The rebellion led by Şeyh Said was organised and carried out by the Kurds and for many it had the impetus of Kurdish nationalism, but its leadership launched it with religious claims such as the restoration of the Caliphate and religious laws (Sharia). For the new regime, this was an organised attempt to overthrow the secular republic by the religious backward-looking Caliphatist and contra-revolutionary opposition. Therefore, it had to be crushed swiftly. The government silenced the opponents by passing an extraordinary law – the Law of Maintenance of Order (Takriri Sükun Yasası) – and establishing special courts known as Independence Tribunals. Whereas this incident was one of the few which had a traumatic impact upon the Kemalist regime, the opposition’s several attempts to form a political party either failed or had to be abandoned due to pressure from the ruling authorities. Undoubtedly, through this extraordinary period the new regime had a very favourable environment in order to carry out its radical reforms.
3.2. How Secularisation Became a Social Myth In theory then, the state, its institutions and many aspects of social life were believed to be secularised. This was the victory of the Turkish nationalist elite. They often claimed that modernisation and secularisation were a victory of the Turkish people over the Western imperialist invaders and their collaborators, the Sultanate and Caliphate. However, for an objective assessment there is little recorded, written or first hand information about the true nature of all of these changes. It is not known to what extent ordinary people’s lives were affected by the abolishment of the Sultanate and Caliphate, the closing of the religious schools (madreses), the secularisation of constitution and legal system, and the replacement of Arabic script, which meant a dramatic break with centuries of history, literature and culture. Equally, there is not much reliable data about support for the new regime or resistance to the whole modernisation project, particularly the process of secularisation among the common Turkish people.
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The only written first-hand information was the one that the new regime allowed to be written. As it has been the case for many other revolutions, the history was written by the victorious and therefore its objectivity was, by its very nature, questionable. For more than half a century the foundation of the republican regime and its founding principles chiefly secularisation were untouchable, unquestioned by the majority of intellectuals. This kind of treatment soon led to the creation of a social myth about the secularisation process in Turkey. The single-party government had given priority to the principle of secularisation of public and private realms. In this process, the institution of education played a crucial role. Because the revolution lacked widespread public support, the ruling elite had to utilise education to disseminate the idea of secularisation across the country. The modern, nationalist rituals and slogans, the establishment of new public squares and sculptures, the introduction of western music, opera and ballet, special days to celebrate certain events in republican history or achievements of it, and so forth, were all part of the great secularising effort on the part of the new regime. They were for the large part designed and implemented from above by the state apparatus. In this process, the ruling elite did not tolerate anti-secularisation opposition, and the state’s power was in use when and if necessary. For instance, stories of villagers who were suspected of religious activities holding religious ceremonies, reading ezan (call to prayer) in Arabic instead of Turkish, running Koran courses for the village boys etc, being prosecuted, imprisoned or beaten by the police were fairly common among conservative sections of society until the 1950s. Although this kind of information is anecdotal, it is still indicative of the suppressive nature of the single-party rule that lasted until the 1950s. Since the early 1920s and 30s the Turkish official discourse of secularisation has been dominated by the separation approach to state and religion. According to Suna Killi: “Kemalist secularism did not merely mean separation of state and religion, but also the separation of religion from education, cultural, and legal affairs. It meant the realization of independence of thought and independence of institutions from the dominance of religious thinking and religious institutions.” (Killi 1969, 103)
The official separation theory implies that, until the establishment of the republic, everything (the state, education, cultural and legal affairs and the rest of the public sphere) had been dominated by the traditional, religious philosophy, and controlled for centuries by the religious clergyman (ulama), whom the Kemalist elite blamed for their obscurantism and held responsible for the decline of the empire. Starting from this point of view, it has been argued that, by separating religion from the state and the rest of public life, the state had done its duty and realised independence of thought and freedom of belief.
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Many Turkish as well as foreign scholars have supported the separation account. For instance, Lerner (1964, III) wrote: “Turkey is not yet a Modern society in our sense, but it is no longer a Traditional society in any sense.” The reason for this he argued was that the “Muslim institution has been separated from the secular state.” (Quoted in Davison 1998, 137) However, the separation account has been challenged by a number of scholars. Some of them, like Ahmad, Keyder, Rustow, and Toprak, argued that “the religious establishment has never been separated from the state,” (ibid, 135) but, it has rather been controlled by the state. What the historiography of secularisation in Turkey tells us is that the Turkish secularisation project, by and large, was a designed Kemalist project and was forced upon the people. As Davison (1998, 155) points out, the Kemalist vision was strongly influenced by Comteian positivism and this positivist outlook provided for the Kemalists the “vision that the theological stage of history was over, and that its remnants are a sign historical backwardness in need of enlightenment.” From this perspective they envisaged that the role of the new secular state was to “eliminate the power of religious ideas and laws, customs and arrangements” to bring the people to a higher rationality (ibid, 155). Serif Mardin argued that Kemalism was not successful providing a social ethos that would appeal to the hearts as well as the minds of the Muslim Turks (Cited in Davison 1998, 155). For him Kemalism had a program that was designed to alter the cultural dynamics of Muslim Turks in the image of the West. For this reason he argued, Kemalism “amounted to an assault on the integrity of Turkish society” (ibid, 155). Furthermore, Mardin identified the ‘idea of a secular state’ as the “foundation myth of the republic” (Cited in ibid, 158). It seems that mystification of secularisation as formulated by Glasner (1977, 12f.) has happened in the Turkish case too. If the historiography of the secularisation process in Turkey, especially from the 1920s to the 1950s and 60s, is analysed, it can be seen that the preconditions in which secularisation emerged in Western Europe were not as apparent as much as they were in the centre countries.18 The modernist nationalist movement was acting on the basis of popular sovereignty and carrying out all of these reforms in the name of Turkish people whom they didn’t know much about. The process of secularisation was the work of modernist secularist elites and was forced upon a nation that consisted of a largely rural, traditional population living in a pre-modern/feudal stage in the villages of rural Anatolia. Thus, no one can safely talk about secularisation of Turkish society in the western sense. But the myth of 18
See Martin 2003, 3. He used Edward Shil’s formulation of centre and periphery to illustrate the contrast between metropolitan secularity and provincial (peripheral) religiosity.
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secularisation in Turkey had long been established. This myth had a profound impact on the identity formation of military, bureaucratic elites and Turkish intellectuals, too. For half a century, Turkish intellectuals, instead of critically examining the process of secularisation and making empirical investigations to test the validity of the official claims, mostly focused their efforts of for the reaffirmation of the official secularist assumptions. As Hadden argued in his critical article “Towards Desacralizing Secularist Theory” “... secularisation theory has not been subjected to systematic scrutiny because it is a doctrine more than it is a theory. Its moorings are located in presuppositions that have gone unexamined because they represent a taken-for-granted ideology rather than a systematic set of interrelated propositions.” (Hadden 1987, 588)
Hadden’s critical essay focuses on two main issues. Firstly, he claims that the theory of secularisation is a doctrine, and secondly, that the idea of secularisation became sacralised. For him, “the theory of secularisation is very much a product of the social and cultural milieu from which it emerged” (ibid, 607). This thesis is true when we think of only a single theory of secularisation. But we know that there is more than one theory of secularisation. Nevertheless, especially until the 1970s and under the impact of modernist ideology, religion remained insignificant and secularisation was seen as an inescapable and irreversible process of evolution of society. This view was shared even more strongly by Turkish sociologists. Since secularism was an official ideology, an essential principal of Kemalism, intellectuals in general and sociologists in particular took it as an ideological inheritance from their modernist secularist ancestors. And reproduced this inherited ideological framework over generations.
3.3. Lack of Empirical Evidence One of the key questions about the study of secularisation in any country is to be able to have valid and reliable data about the religious attitudes of society (e.g. the numbers of church attendances, church membership and like). There are two main issues here: one is the lack of data, the other is more concerned with the way in which surveys are being done on secularisation. In other words, the question of how to study secularisation has not been solved yet. While this is the state of religious studies in Western European, the problem with data is worse in Turkey. Despite the fact that secularisation has been taken for granted by sociologists, there have been very few empirical studies regarding the extent of secularisation: the decline of religion across social life, decline in the number of mosque attendance, separation of religion and state, decline in peoples’ belief in God and belief in life after death, and so on.
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Empirical research on the process of secularisation has begun to appear since the 1960s. By the time the factual study of secularisation began, however, the myth of secularisation as the progressive ideology of the republic was already dominant. This situation was very likely to undermine the empirical studies of secularisation. Perhaps it was a very difficult task for scholars of secularisation to undertake a critical assessment of the process of secularisation, which has become the “ideology of order” since the foundation of the republic.19 Secularisation was the core ideology of the republic and this meant a historical confrontation between the traditional religious ruling elite (Sultan, the Caliphate and the ulama (doctors of religion) of the Ottoman Empire) and the modernist secularist Kemalists elites of the post-Ottoman period. Thus any scholarly engagement with the nature of secularisation was treated with caution, if not great suspicion, by the authorities. Until the 1990s the Turkish secularisation process was not critically examined from a sociological perspective but, as Hadden (1987, 588) argued in the Turkish the case too, it became a doctrine rather than a theory. Since secularisation was a doctrine, it needed to be believed in, protected and defended against anti-secularist doctrines or oppositions. This mood of Turkish modernism prevailed throughout republican history. In fact, distrust and suspicion over religion run so deep on the side of the modernist secularist elite that religion has always been kept under state control through the Directorate of Religious Affairs (Diyanet işleri Başkanlığı). The DRA gets the second largest share of the government budget after the ministry of Defence, runs eighty thousand mosques, and employs well over one hundred thousand preachers.
3.4. Undemocratic Secularisation The tension between secularism and democracy is a true reflection of the power struggle between traditional religious power bases and the ruling national secularist elite. Although the Islamist movements have not been a real challenge to the secular order, this tension has always been there in Turkish politics. Nilüfer Göle explains the reason for this unfounded fear: “In this embedded tension, the modernist elites fear that the democratic principle of popular sovereignty would pave the way to the public representation of Islamist values. These, once in the public sphere, would sooner or later end up threatening the principle of secularism. State authoritarianism, ’enlightened despotism’, or single-party regimes often become the only choice for secular westernised elites. Thus, there is a built-in vicious circle in the political systems of Muslim countries” (Göle 1996, 19).
19
I am using the term ‘ideology of order’ as Juergensmeyer 1994, 7; and Kastoryano 1997.
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Throughout the history of the Turkish republic, the principle of democracy has always been secondary to the principle of secularism. It is evident from the Kemalist Devrim’in Altı Ok (The Six Arrows of the Kemalist Revolution): the founding principles of the Turkish republic, among which the principle democracy does not feature. In a general sense, secularisation can be defined as separation of church from state. According to Kastoryano “The process has been associated with the neutrality of state towards religions, and neutrality has become synonymous with tolerance and ‘freedom of conscience’ in the private sphere” (1997, 17). Despite its problems, the process of secularisation developed as a social contract that provided rights of citizenship with ‘freedom of conscience’ to all individuals in Western Europe. It involved less force but more persuasion (ibid, 17). But in the Turkish case, secularisation was meant to be the subordination of religion by the state. In a sense, religion was taken under the control of state apparatus rather than the state becoming neutral towards religion. Perhaps the best indicator of the subordination of religion is the establishment of the Directorate of Religious Affairs under the Prime Minister’s office. By establishing such an institution, the Kemalist elite wanted to keep religious institutions: mosques, religious schools and Koran courses under the control of the secular establishment. Although the existence of the Directorate of Religious Affairs has been defended by the secularist authorities in the name of the state’s duty to provide freedom of religious beliefs and practices, in fact it has become an instrument of hegemony of the modernist secularist elites over religion and its political and social role in society. According to Göle, there are four phobias that have shaped Kemalist ideology throughout the republican history. They are namely Islamism, Kurdish identity, leftist ideology and liberalism (1996, 20). In fact, two of these ideologies, Islamism and Kurdish identity, challenged the new regime in the first years of the republic. But, it seems that this challenge was perceived disproportionately and responded to that fashion. Because of this suspicion about the religion’s position and potential in the political sphere, secularisation automatically became an ideological issue.
4. Summary and Conclusion Although the Turkish example demonstrates some similarities with some of the process undergone in the West20, there are many differences between the western secularisation experience and the Turkish one. Turkey as a predomi20
Martin 2003, 11.
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nantly Muslim country is one of the best example with which to test the general theories of secularisation outside mainstream Christian societies. Regarding the secularisation process, there have been different patterns of secularisation in various countries. Nevertheless, it seems we can classify two major patterns. The first group of countries are those Western European countries where secularisation emerged as a consequence of modernisation, social differentiation, societalisation and rationalisation.21 The second group consists of nonChristian, non-Western countries – mainly those former colonies where the new elite, while aspiring to independence, also borrowed secularisation from their colonial masters and combined it with a form of nationalism as a mean of legitimising their new rule. In this context, Turkey provides a unique example. Despite the weakness of the Ottoman Empire, it had never been a colony of the west, nor was it a nation state. These differences originate from the special conditions, found in the Ottoman Empire, which despite widespread assumptions was not governed by the Islamic Sharia. The reason for this was the empire’s peculiar multi-ethnic and multi-religious Millet system.22 As I pointed out earlier, the secularisation process has followed two very different patterns. They can be classified as secularisation from below and secularisation from above. The secularisation from below meant a soft democracy and neutrality of the state towards religions. In Western Europe, secularisation was led by the internal dynamics of the Western societies: the socio-economic, political and cultural developments driven by the Industrial Revolution, modernisation and the Enlightenment philosophy. In the case of secularisation from above, it was imposed by an educated, Westernised revolutionary elite group in the name of progress and development. More importantly, secular nationalism was chosen as the “ideology of order”. In this case, it is very clear that the ends and the means had changed position. The ends (secularisation) had become the means (of modernising and transforming a backward, feudal/traditional society into a modernised industrialised one). In the West European case, secularisation was a “natural” consequence of modernisation, industrialisation and urbanisation. But for the Turkish nationalist elite it was the means of creating the conditions, which would lead to the Industrial Revolution and modernisation: social differentiation, societalisation and rationalisation. Secularisation from above is characterised by a forceful transition. The lack of social consensus around the radical secularisation programs is one of the most criticised aspects of the Turkish secularisation experience. From the 21 22
Wallis/Bruce 1992, 11f. For some detail on the millet system see Shaw, S. J./Shaw, E. K. 1978; Goodwin 1999, 94f., 192; and Lewis 2002.
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1920s, radical steps were taken towards the secularisation of public and private spheres. The new regime introduced radical modernising and secularisation measures such as imposing western dress code, abolishing the hat (fez), scrapping the Arabic alphabet, etc. was totally alien to the dominant social fabric and lacked social consensus. As a result of these steps, the social and political functions of religion were reduced to the private sphere. Moreover, establishment of the Directorate of Religious Affairs (Diyanet) as a ministry for religious institutions indicated the state’s explicit desire to control and canalise religion into the service of the official ideology rather then take a neutral and tolerant attitude. Meantime it would be wrong to assume that the choice of radical secularization by secular nationalist governments that were established with decolonisation were entirely for the purpose of the power struggle. It is true that the ‘new elite’ used secular nationalism as means of legitimacy but there was something more than that. At least in the Turkish case, modernisation, rationalisation and secular nationalism were seen as the only way forward to an independent, prosperous future: they were the means of achieving rapid economic, social, political and cultural development. Turkey’s latest political crisis has shown how a ‘social myth’ can continue to distract from the development of a healthy, stable democracy. Perhaps the process of 28 February 1997 and the current political climate are the best examples of a process of mythicisation of a concept and its long-term consequences for social and political life. The mythicised perception of secularisation has been causing many social, cultural and political problems. More than anything else, it created an illusion of a “purely” secularised society. The unprecedented rise of political Islam throughout the 1990s has been perceived as an attack on this “purely” secularised society. As the masses from rural Anatolia have moved to the cities in their hundreds and thousands every year and seized the opportunity for political participation, the myth of secularisation has faced a challenge. It seems that the Kemalist elites’ perception of modernisation and specifically the perception of secularisation in general has been causing confusion, and creating much of the problem. All this anxiety confirms a deep confusion over a principal concept that has been used for so long. The political crisis is so deep that the process of 28 February (1997) has not been reversed. With few exceptions, commentators and columnists condemned the WP for its allegedly anti-secularist activities against the secular republic. They often did this without investigating the factual evidence, such as what secularisation meant, how secular the society was in the first place. We believe that they would have been better served by sociological investigations into the perception of secularisation which is accepted by the authorities and the perception that the people have in mind. I have used Glasner’s (1977) definition of secularisation as a social myth that offers an explanation of this row over secularisation in Turkey. The way
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in which secularisation is defined is the core of this phobia of religious fundamentalism among the secularist elite. It is argued that secularisation as one of the vital founding principles of the republic has, over the time, become a social myth in the minds of the country’s modernist secular elites. The lack of empirical data and studies of secularisation in Turkey has made this myth grow further. Because for a long time there was little contact between centre (the urban/elite) and periphery (countryside/peasantry), the secularist elites continued to believe that their ideology (secularisation) was dominant over the periphery too. The socioeconomic changes that have been taken place since the 1950s have brought centre and periphery closer in the metropolitan cities. Increasing peripheral impact on political life has increased the tension between secularists and Islamists. I have tried to develop a theoretical framework in order to explain the problems concerning the perceptions of secularisation in Turkey. As is frequently acknowledged, Turkey is a secular country and secularisation is rooted deep down in society. In fact, it is the only constitutionally secular country among other Muslim countries. Finally it can be said that: i) Religion will continue to play an important role not just in the private sphere but in the social and political arena too; ii) The meaning and scope of secularisation need to be re-examined and redefined, especially in the Turkish context; iii) Turkish society will continue to be a secularised one, and there is no Islamic fundamentalist threat in the perceptible future. With greater democratisation, this tension would fade away.
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Modernisierungspotentiale im Monotheismus und Modernisierungsblockaden im fundamentalistischen Islam1 1. Vorbemerkung Die folgenden Ausführungen kreisen unter dem Gesichtspunkt der Besonderheiten des Islam um die Begriffe Säkularisierung, Modernisierung und Fundamentalismus und den inneren Zusammenhang dessen, was sie bezeichnen. Dabei wird eine grobe analytische und zugleich historische Skizze entworfen2, die keineswegs den Anspruch erheben kann, auf eigenen religionsgeschichtlichen Recherchen zu beruhen. Sie soll vielmehr, wo religionswissenschaftliche Ansätze mir entweder zu vorsichtig, weil Bewertungen unbedingt vermeidend, oder zu deskriptiv erschienen, als Heuristik dienen, den islamischen Fundamentalismus analytisch zu verstehen und einzuordnen. Sie wird in vielen Hinsichten spekulativ und wenig abgesichert, grob und nicht ohne Stereotypien sein. Das ist auch darauf zurückzuführen, daß die angemessene Behandlung der mit dem Islam zusammenhängenden politischen Problemstellungen inzwischen zu einem schwierigen und vielfach belasteten Geschäft von Spezialisten sich entwickelt hat und ich mich keineswegs zu diesen zählen darf.
1
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Für die intensive kritische Diskussion des Manuskript-Entwurfs möchte ich mich bei den Herausgebern dieses Bandes, bei meiner Mitarbeiterin Anne Schäfers und meinen Mitarbeitern Dr. Oliver Schmidtke und Alexander Timme sowie bei den Teilnehmern an meinem Forschungskolloquium herzlich bedanken, bei Dr. Klaus Heinrich Kohrs ganz besonders für eine außerordentlich hilfreiche Manuskript-Durchsicht in „letzter Minute“. Sie geht auf Überlegungen zurück, die vor mehr als 10 Jahren in einem von Hansfried Kellner und mir an der Universität Frankfurt abgehaltenen ad-hoc Forschungskolloquium zu Phänomenen des damals virulent gewordenen islamischen Fundamentalismus angestellt wurden und deren Kern von Johannes Twardella in seiner Dissertation (1999) entscheidend weiterentwickelt worden ist.
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2. Allgemeine Annahmen über die Struktur von Religiosität und die Funktion von Religion Grob unterscheide ich die folgenden Funktionen und Stellenwerte von religiösen Glaubenssystemen und Praktiken: 1. Im engen Zusammenhang mit Magie die Manipulation und Kontrolle von als übernatürlich vorgestellten Kräften und Vorgängen zur Herbeiführung von Natureffekten (z.B. Regen machen oder Heilung von Krankheiten) oder zur Beseitigung von Ängsten und Befürchtungen. Zwar ist es wichtig, Magie analytisch von Religion zu trennen, aber gerade in den archaischen Religionen, allerdings nicht nur in ihnen, sind die Praktiken der Religion ohne Rückgriff auf die Magie letztlich gar nicht denkbar. Diese Funktion von Religion wird mit dem universalhistorischen Rationalisierungsprozeß immer hinfälliger. 2. Die Aktivierung religiöser Vorstellungen, Lehren und Praktiken zur Lösung akuter Krisen und in der Suche nach Schutz, quasi in der Anrufung symbiotischer Hilfe. Diese Religiosität kann sich auch spontan herstellen oder wieder geweckt werden gemäß der alten Volksweisheit „Not lehrt beten“. Auch diese Funktion von Religion ist durch Rationalisierung zunehmend substituierbar. 3. Das Erleben von Außeralltäglichkeit bzw. das Erleben des Numinosen. Diese Basis von Religiosität im Erleben ist, schaut man sich diesen Ansatz etwa bei Rudolf Otto genauer an, keine dauerhafte. Theoretisch wirft dieser Ansatz zudem ein schwerwiegendes Problem der Zirkularität auf: Indem dieses Numinose letztlich als das rational nicht Bestimmbare gefaßt wird, überträgt es sich auf die theoretische Bestimmung selbst, die gewissermaßen nur noch stummer Ausdruck davon ist. Es bleibt dadurch auch theoretisch residual unbestimmt. Auch diese Funktion von Religion, dem Erleben des Numinosen eine Gestalt und eine Form zu verleihen, ist mit der Rationalisierung, z.B. durch Leistungen des künstlerischen Ausdrucks, substituierbar. 4. Sehr häufig wird die Religion als die Quelle von Sittlichkeit, Ethik und Moral bzw. der Unterscheidung von Gut und Böse bestimmt. Auch in dieser Hinsicht wird Religion mit der universalhistorischen Rationalisierung ersetzbar. Gebote, Sittengesetze, Konzeptualisierungen von Gerechtigkeit bedürfen, wie wir spätestens seit der Naturrechtsdebatte wissen, keiner religiösen, nicht einmal einer metaphysischen Begründung, sondern sind der Praxis sozialer Kooperation immanent und können aus der soziologisch-erfahrungswissenschaftlichen Rekonstruktion der Strukturgesetzlichkeiten von Sozialität heraus immanent bestimmt werden. 5. Bleibt in dieser Aufzählung als letzter Punkt die eigentliche Funktion von Religion, für das aufgrund des Bewußtseins von der Endlichkeit des Lebens nicht stillstellbare Bewährungsproblem die Hoffnung auf eine Lösung in einem Jenseits zu entwerfen. In dieser Funktion: eine Antwort auf das Skan-
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dalon des Todes zu geben, ist das Religiöse – zwar nicht inhaltlich, aber strukturell – nicht substituierbar, wie ich zu zeigen versucht habe (Oevermann 1995).
3. Die Kulturbedeutsamkeit der monotheistischen Religionen und die ihnen immanente Säkularisierungstendenz Man kann nun zeigen, daß dieses Bewährungsproblem letztlich nur in den ihrerseits von der Voraussetzung der Schriftkultur abhängigen monotheistischen, d.h. letztlich den abrahamitischen Religionen dogmatisch explizit ausgearbeitet ist. Warum? Weil nur die monotheistischen Konstruktionen von Transzendenz i) das Anfangsproblem überzeugend lösen können, das darin besteht, die Schöpfung des Anfangs selbst in einem infiniten Regreß erschaffen lassen zu müssen, d.h. die Iteration der Frage, durch wen bzw. wodurch der Anfang erschaffen wurde, wirksam stillzustellen. Nur ein unbedingt allmächtiger einziger Gott kann als gültige Konstruktion einer transzendenten Macht gelten, die jenseits aller Zeitgrenzen schon immer da war und immer da sein wird. ii) Nur eine monotheistische Konstruktion von Transzendenz führt zwingend zum Problem der Theodizee, zur systematischen Frage nämlich, wie man erklären kann, daß ein allmächtiger und gütiger Gott es zulassen kann, daß so viel Leid und Unrecht geschieht, und hat damit zur Folge, daß komplementär zu dieser Frage das menschliche Leben in seiner praktischen Subjektivität als ein autonomiefähiges gelten muß, das selbst darüber zu entscheiden hat, ob es Gutes tut oder Böses, und das für das Böse, das geschieht, je auf seine Weise verantwortlich ist3. Damit wird das Bewährungsproblem elaboriert. Schließlich sind iii) nur die monotheistischen Religionen denkbar als Quelle und Triebfeder eines Säkularisierungsprozesses. Denn ihre Konstruktion eines einzigen allmächtigen Gottes hat zur Folge, daß die magischen Praktiken und Vorstellungen, ihn zu beeinflussen, mit einem Tabu belegt werden. Dieser Gott ist grundsätzlich sinnlich unberührbar und unerreichbar, sonst verlöre er schon in dieser Berührung seine Allmacht. 3
Damit wird die im früheren Christentum immer wieder sich einstellende Tendenz zu einem manichäischen Dualismus zusammenhängen, aus dem sich eine der Haupttendenzen christlicher Häresie entwickelte. Denn wenn der allmächtige Gott das Böse auf der Erde zuließ, dann ließ sich der bedingungslose Glaube an ihn am einfachsten aufrecherhalten, wenn man davon ausging, daß von vornherein alles Diesseitige hoffnungslos verderbt war. Der „Autonomisierungsauftrag“ verlagerte sich dann in die fundamentalistische Skepsis und Kritik allem Irdischen, vor allem aller irdischen Herrschaft gegenüber einerseits und die inbrünstige Hoffnung auf ein erlösendes Jenseits andererseits.
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Das hat zwei entscheidende Folgen: Zum einen wird damit zum Problem, wie man überhaupt von ihm und seinem Willen erfahren kann, also wie er sich offenbart. Über magische Praktiken darf das eigentlich nicht mehr geschehen, deshalb kann es nur über die Sprache, über den Logos erfolgen, also jenes generative Gebilde, das Gedanke und generative Kraft, Logik und Dynamik in einem ist und das erst zu sich selbst gekommen ist, wenn es als ursprünglich mündliche lautliche Äußerung eine verbindliche Notation, d.h. eine standardisierte Schriftlichkeit erfährt und damit jene entscheidende, zeitenthobene Kontextunabhängigkeit der Sinnerzeugung erlaubt, in der eine monotheistische Konstruktion einzig verbindlich denkbar wird. In der Schriftlichkeit wird das Wort zur Verkörperung von Göttlichkeit und transzendenter Geltung. Das aber hat des weiteren zur Folge, daß dieser so allmächtige Gott der Tendenz nach in dem Maße, in dem er der sinnlich-anschaulichen Vorstellung entzogen wird, schon in die Zone der Verdampfung, des Verschwindens gerät. Wir haben hier eine merkwürdige Dialektik der Erhöhung zur anscheinend grenzenlosen Mächtigkeit vor uns, die das Verschwinden im Sinne der zukünftigen Säkularisierung schon in sich birgt. Aber dieses Verschwinden bedeutet Fortführung der Elaboration der Struktur von Religiosität und nicht Rückfall in die Magie. Vor allem darauf führe ich zurück, daß die Säkularisierung im Sinne einer aufgeklärten Durchrationalisierung von letzten Sinnfragen eine Folge der monotheistischen Religionen ist; anders ausgedrückt: daß die Säkularisierung weltgeschichtlich einen Durchgang durch die monotheistische Religiosität erfordert. Zwei weitere Folgen dieser Beobachtung sind hier festzuhalten. Das im Monotheismus eröffnete Offenbarungsproblem zieht die Funktion des „ethischen Prophetentums“ (Weber 1966) nach sich, jene Instanz, die dazu da ist, als Medium der Offenbarung zu dienen, indem es gewissermaßen in der Restund Rückstandszone der Magie visionär vom Göttlichen sich beseelen läßt und diesem dann verkündend und sich ganz in seinen Dienst stellend die sprachliche Zunge leiht in der prophetischen Redepraxis: „Höret, was Er mir gesagt hat“. Der ethische Prophet ist charismatisch herausgehoben als dieses Medium der Offenbarung einerseits und zur radikalen Demut der Gottesknechtschaft bestimmt in vollständigem Verzicht auf alles Persönliche andererseits4. Er ist in dieser Hinsicht der Vorläufer des modernen Intellektuellen 4
In Franz von Assisi, diesem potentiell der mittelalterlichen Papstkirche des 13. Jahrhundert objektiv gefährlichen, weil tendenziell als wiedererstehendem Christus eine neue Religion stiftenden bzw. die alte christliche grundlegend erneuernden Heiligen, setzt sich diese Strukturlogik des ethischen Propheten in der Vorbereitung der Neuzeit auf spezifische und prägnante Weise fort: Franziskus verkörpert auf kaum überbietbare Weise die grundlegende Opposition von Herausgehobenheit und bedingungsloser Hingabe im paradoxalen Bedingungsverhältnis von Überbietung der Exklusivität durch nicht überbietbare Selbsterniedrigung.
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und Geistesaristokraten. Zugleich entsteht durch ihn die mit dem antiken Judentum in die Welt tretende grundsätzliche Dualität von Herrschaft: Einmal als tatsächliche weltliche Herrschaft, die universal sich im Namen von Gerechtigkeit legitimierend die Entscheidungen über divergierende Interessenlagen in der Logik des gerechten Kompromisses treffen muß, und zum anderen als die Macht oder Herrschaft des Geistes. Diese geistige Herrschaft konfrontiert gewissermaßen puristisch jene Legitimation mit der dem monotheistischen Gott entsprechenden universalistischen Ethik der Lebensführung. Sie begründet von daher eine ständige Instanz der Kritik in der Logik des besseren Argumentes und darf sich durch zu große Nähe zu weltlicher Herrschaft nicht korrumpieren. Diese Dualität von weltlicher und geistlicher Herrschaft, von politischer Macht und Macht des Geistes, hat seitdem die okzidentale Welt bestimmt. Bei Alvin Gouldner (1979) entspricht der Macht des Geistes der „kritische Diskurs“, bei Bourdieu (1979) das „kulturelle Kapital“, bei Max Weber (1988) das „Geistesaristokratentum“ oder „Kulturmenschentum“. Zugleich ergibt sich aus der mit der Konstruktion des monotheistischen Gottes notwendig verbundenen universalistischen Ethik die sinnlogische Folge einer Erwähltheit der ihm Gefolgschaft leistenden Menschen. Soziologisch gesehen haben sich freilich die Erwählten den erwählenden Gott selbst konstruiert, aber die Binnenperspektive dieser Konstruktion setzt die Annahme einer Erwähltheit notwendig voraus. Damit wird durch die monotheistischen Religionen in die religiöse Vergemeinschaftung eine InklusionsExklusions-Logik eingeführt, die weit über jene einfache Innen-Außen-Abgrenzung hinausgeht, die sich mit Vergemeinschaftungen strukturlogisch ohnehin verbinden muß. Denn nun muß die Glaubensgemeinschaft, die sich monotheistisch konstituiert hat, zwingend explizit in Anspruch nehmen, daß ihr Gott allen anderen Göttern überlegen ist und die Beziehung zu allen anderen Göttern letztlich eine Lästerung und blasphemische Schmähung dieses einzigen Gottes ist, dem man zu folgen hat. Diese gesteigerte Logik von Inklusion und Exklusion eröffnet also die in der heutigen Menschenrechts-Debatte sich mit anderen Inhalten reproduzierende eigentümliche Dialektik von universalistischen Geltungsansprüchen einerseits und ausschließenden Zugehörigkeiten andererseits. Die Auserwähltheit des Volkes Israel war davon die erste systematische Ausformung. Weil sie auf ethnischer Zuschreibung beruhte, eröffnete sie eine nicht stillstellbare Dynamik, die darin bestand, daß einerseits die universalistische Ethik eigentlich vorschrieb, daß man sich darum bemühen mußte, ihren kognitiv universalistischen Geltungsbereich auch partizipatorisch-sozial zu universalisieren, d.h. auf die ganze Menschheit auszudehnen, z.B. durch aktive Missionierung. Aber genau dann hätte man andererseits den Status der ethnisch zugeschriebenen Erwähltheit wieder verloren. Diese Erwähltheit zeigt sich gerade auch darin, daß das erwählte Volk für die Sünden seiner Mitglieder, vor allem in Gestalt der Verletzungen der Gebote der universalistischen Ethik, bestraft wurde, so daß jedes Ge-
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meinschaftsmitglied mit seiner Gesetzestreue für das Wohlergehen seines Volkes haftete. Ein Ausbleiben einer göttlichen negativen Sanktion auf eine Gesetzesübertretung wäre viel schlimmer als die Bestrafung selbst, denn es bedeutete, die Erwähltheit verloren zu haben. Diese Spannung zwischen universalistischer Gesetzesbindung und partikularistischer, ethnisch zugeschriebener Erwähltheit, also zwischen Inhalt und Struktur des Erwähltheitsglaubens wurde aufgebrochen in der Paulinischen Mission, in der an die Stelle der ethnisch zugeschriebenen Erwähltheit durch Gesetzestreue die individuelle Erwähltheit per Gnadenwahl und Glaubenstreue und auf einer erweiterten Stufenleiter eine Ausformung jener „eisernen“ Inklusions-ExklusionsDialektik trat, wie sie exemplarisch im puritanischen Sektenwesen zum Ausdruck kommt. Eine Vorbedingung und Begleiterscheinung dieser Dialektik ist also der Gesetzes-Universalismus. Beides bahnt gewissermaßen die Säkularisierung vor: Zum einen die Unberührbarkeit des monotheistischen Gottes, durch den man so erwählt worden ist, daß man ihn letztlich mit seinem Abstrakt-Werden verinnerlichen muß, und zum anderen die Konzeption eines universal gültigen Gesetzes, z.B. in Gestalt des Naturrechts oder der Menschenrechte, wie sie zur Voraussetzung der Säkularisierung von Herrschaft im bürgerlichen Nationalstaat der Französischen Revolution werden. Dieser Säkularisierung auf der Ebene des neuen Nationalstaates folgt die des individuellen Bewußtseins in der Bearbeitung des Bewährungsproblems nach.
4. Fundamentalismus als Gegenbewegung zur Säkularisierung Die Säkularisierung ist als die organische Folge der immanenten Transformationen von Religiosität ausgehend von der Stufe des Monotheismus anzusehen. Sie tritt von Anfang an notwendig und zwingend in Spannung zum Fundamentalismus, der ebenso wie die Säkularisierung nur auf dem Boden des Monotheismus wirklich entstehen kann. Denn der Fundamentalismus ist eine Tendenz, die dem Monotheismus aufgrund des ihm eigenen Rigorismus innewohnt, und sich deshalb auch beständig mit der Tendenz zur Häresie verbindet, die ja ihrerseits als Folge der Überbietung der Reinheit der Lehre in der Regel entsteht. Aber darüber hinaus ist er auch die zwingende gegenläufige Begleiterscheinung der Säkularisierung insofern, als jeder neue Schritt auf dem Wege zur Säkularisierung die fundamentalisierende Gegenreaktion der Rückbesinnung auf die wahre Buchlehre provozieren muß. Denn jeder Säkularisierungsschritt stellt tendenziell seine eigene religiös-dogmatische Ausgangskonstellation grundlegend, fundamental, in Frage und damit die verbliebenen Anhänger des religiösen Dogmas, von dem er seinen Aus-
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gang nahm, vor die Konsequenz, um so treuer und unverbrüchlicher an diesem Dogma festzuhalten – je mehr durch Säkularisierung provoziert, um so rigider und reiner. Säkularisierung und Fundamentalisierung, beides gleichermaßen dynamisch Abkömmlinge des Überganges zum religiösen Monotheismus, bedingen einander ihrerseits dynamisch in einer Art positiven Rückkopplungsprozesses. Dafür ist wiederum die Schriftlichkeit der Kultur eine minimale Voraussetzung bzw. notwendige Bedingung. Von daher gelange ich im Vergleich der drei abrahamitischen Religionsstränge zu der Annahme, daß der islamische Fundamentalismus, der zunächst in schwacher Form sich immanent gegen die dem Islam immanenten Tendenzen zu einer mystisch-intellektuellen Schriftauslegung ausbildet, die eine eigene Richtung der Säkularisierung einleitet, sich mächtig steigert in der Spannung zu jenen viel kräftigeren christlichen Säkularisierungserscheinungen, die sich innerhalb der christlichen Spannung von Säkularisierung und Fundamentalismus, verstärkt seit der Reformation, in Richtung einer wissenschaftlichen, wirtschaftlich kapitalistischen und rechtlichen Rationalisierung im Okzident und später in Nordamerika ergeben, so wie sie von Max Weber beschrieben worden ist. Daraus wiederum ergibt sich als Tendenz, daß der islamische und der christliche Fundamentalismus bei allen ihren Gemeinsamkeiten doch tendenziell von einer wichtigen Differenz geprägt sind. Der puritanische Fundamentalismus kann, auch wenn er zuweilen modernisierungshemmend sich manifestiert, dennoch immer auch, sofern er einerseits antiautoritär die weltliche Herrschaft grundsätzlich in Frage stellt und andererseits die religiös auf direktem Wege versperrte Suche nach Heilsgewißheit auf das Gleis innerweltlichen Berufserfolges umlenkt, modernisierungsfördernd, ja gar modernisierungsbeschleunigend sich auswirken. Hingegen wirkt der islamische Fundamentalismus in seiner Grundtendenz modernisierungshemmend5. Diese für viele ungeheuerliche These muß nun näher begründet werden.
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Im Fundamentalismus tritt neben die gehorsame Unterordnung unter die fünf allgemeinen „Hauptsäulen“ der islamischen Religiosität: das öffentliche Glaubensbekenntnis, die fünf täglichen Gebetsverrichtungen, die Entrichtung der Abgaben (10-20% und je nach Einkommen zusätzlicher Almosen), die Einhaltung des Ramadan und einmal im Leben die Pilgerfahrt nach Mekka, in seiner Fixierung auf die Wörtlichkeit seiner Schrifttradition, Koran und hadith, die anspruchsvolle Unterordnung unter die fünf „geheimen“ Prinzipien der Lebensführung: Strenggläubigkeit, strikter religiöser Gehorsam, Hinnahme des Exils, Verpflichtung zur Teilnahme am Heiligen Krieg (jihad) und bedingungslose Integration in die religiöse Gemeinschaft.
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5. Die spezifische historische Ausgangskonstellation für den Islam Dazu bedarf es zur historischen Ableitung des Argumentes einer kurzen groben Rückbesinnung auf die Konstellation der Entstehung des Islam bzw. seiner Stiftung durch Mohammed. Ich erlaube mir dabei eine für Gläubige ungebührliche Verkürzung. Zu Mohammeds Zeiten erlebten die handelskapitalistischen Städte am Küstenstreifen des Roten Meeres eine lange Phase der Prosperität. In ihr wurden die stammesgesellschaftlichen Fehden, die sich im Karawanenhandel austobten, immer dysfunktionaler und störender. Die vom magischen Ka’ba-Stein in der Haupthandelsstadt Mekka im Schoße der Religionen der Lokalgötter konstituierte Friedenspflicht reichte nicht mehr aus, diese störenden Folgen aufzufangen. In dieser krisenhaften Situation heiratete bekanntlich der Prophet aus einem armen Stamm der Quarisch die reiche Witwe Khadidja, älter als er. Er mußte sich also als Einheiratender durch eine wertschöpfende, innovative Leistung rechtfertigen und bewähren6. Es lag daher nahe, die von Mohammed selbst als am Karawanenhandel Beteiligtem gemachten Erfahrungen zu einer wirksamen Problemlösung zu verarbeiten. Zu diesen Erfahrungen gehörten eben zentral die Dysfunktionalität der Stammesfehden und der enorme Erfolg der Buchreligion bei den Juden und den oströmischen, byzantinischen Christen hinsichtlich des Zusammenhalts und der Überlebenskraft ihrer Kulturen trotz ständiger politischer Gefährdungen. Und auch die innere Systematik ihrer Schöpfungs- und Zukunftsmythen wird jeden intellektuell wachen Menschen, wenn er in Erzählungen davon vernahm, wie es für Mohammed auf seinen Handelsreisen sicher anzunehmen ist, bewegt und fasziniert haben. So lag es nahe und gewissermaßen in der Luft, auf der Suche nach einem integrativen, Frieden und Kohäsion stiftenden Band der Vereinigung der sich wechselseitig bekriegenden Stämme und Verwandtschaftsclans auf der Arabischen Halbinsel sich der schon vorliegenden Tatsache einer gemeinsamen arabischen Volkssprache, wie sie in den Volksdichtungen und verschiedenen literarischen Gattungen durchaus lebendig war und gerade auch in Mekka bei den messeartigen Zusammenkünften in öffentlichen Vorträgen und Vorführungen praktiziert wurde, systematisch zu bedienen und mit diesem Instrument ein eigenes, integratives arabisches religiöses Dogma nach dem Vorbild der jüdischen und der christlichen Schriftreligion zu stiften. Faktisch adaptierte Mohammed in seiner sukzessiven, auf visionäre göttliche Eingebungen 6
Für meine Argumentation ist es nicht zentral, ob die historisch überlieferten anekdotischen Angaben zu Mohammeds Lebensgeschichte den historischen Tatsachen entsprechen oder das Ergebnis einer Legendenbildung sind. Denn auch, wenn es sich um eine Legendenbildung handeln sollte, so ist sie sehr bald nach den prätendierten Ereignissen entstanden und Ausdruck eines Eindrucks, den Mohammeds Leben tatsächlich hinterlassen hat.
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zurückgeführten Schriftniederlegung wesentliche Inhalte des Alten, aber auch des Neuen Testamentes, von denen er offensichtlich gehört hatte. Das Arabische wurde sogar zum konstitutiven Moment des Korans erhoben, so daß er nur in dieser Sprache gültig und im Prinzip als geheiligte Schrift in andere Sprachen nicht übersetzbar ist. Statt dessen müssen nicht-arabische Gläubige, wenn sie es ernst meinen mit ihrer Religion, das Arabische erlernen, um so angemessen den Koran lesen und aus seinem Vorrat die Gebete beziehen zu können. Deshalb ist die strikte Befolgung der Schriften des Koran schon eine erste wichtige Bedingung für die Entstehung fundamentalistischer Tendenzen, sobald jedenfalls Lockerungen oder Verweltlichungen der Kultur sich bemerkbar machen, aus welchen Gründen auch immer.
6. Die Entschärfung der Rationalisierungsdynamik und der Autonomisierungsantriebe des jüdisch-christlichen Dogmas in dessen Assimilation durch den Koran Entscheidend sind aber, vorausgesetzt der Koran als Ganzes ist in seiner Wörtlichkeit von großer Verbindlichkeit, einige zentrale und charakteristische Veränderungen, die Mohammed in der Assimilation der Bibeltradition vorgenommen hat. Ich stelle davon sechs heraus, von denen ich annehme, daß sie im besonderen Maße eine zugleich fundamentalisierende und modernisierungshemmende Tendenz begünstigen, weil es genau die Momente in den Schriften der jüdisch-christlichen Buchreligion betrifft, die eine hinter der Freisetzung einer spezifischen Rationalisierungsdynamik stehende Autonomisierung des Subjekts bedingen. 1. Ich hatte schon herausgestellt, daß generell der Monotheismus ein ethisches Prophetentum aus sich heraustreibt, ohne das sich der monotheistisch konstruierte Gott nicht wirksam offenbaren könnte. Dieses ethische Prophetentum zeichnet sich durch eine spezifische Strukturlogik der charismatischen prophetischen Rede aus, wie sie sich exemplarisch im Buch des Jesaja findet und als Vorläufermodell einer später auch für den Alltagsmenschen verbindlichen Strukturlogik autonomer Lebenspraxis in ihrer widersprüchlichen Einheit von Entscheidungszwang und Begründungsverpflichtung gelten kann, die ihre Krisen autonom durch Selbstcharismatisierung bewältigt. In dieser Rede appelliert der Prophet zunächst an seine potentielle Gefolgschaft, das Alltagsgeschäft ruhen zu lassen und aufmerksam dem zu lauschen, was er, der Prophet, an Botschaften zu verkünden hat, die er von Gott als dessen Medium empfängt: „Höret, was Er mir gesagt hat“, ein bei genauer Betrachtung eigentlich ungeheuerliches Ansinnen. Denn zum einen präsupponiert es, daß der Sprecher von dem eigentlich unberührbaren und unsichtbaren allmächtigen und einzigen Gott eine Botschaft empfangen hat,
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also dessen außeralltäglicher und herausgehobener, dadurch charismatisierter Vermittler und Dolmetscher sei. Zum anderen verlangt er bedingungslos, gewissermaßen auf einen ungedeckten Wechsel der Relevanz hin, daß seine Umgebung ihm zuzuhören hat, daß es sich verlohnt, das Alltagsgeschäft zugunsten aufmerksamer Gefolgschaft ruhen zu lassen. Dies ist überdies eine äußerst riskante Unterstellung, denn die Aufforderung kann sehr leicht scheitern, und wenn sie scheitert, dann ist es für den prophetischen Sprecher sehr peinlich, jedenfalls peinlicher, als wenn er gar nicht erst den Versuch gemacht und geschwiegen hätte. Sodann fährt er im Wechsel der Ich-Perspektive fort und richtet die ihm von Gott verkündete Botschaft aus dessen Ich-Perspektive an seine Gefolgschaft, er referiert also nicht den Inhalt der Verkündigung, sondern er vollzieht diese, indem er in der Ich-Form Gottes Botschaft verkündet, als ob er dieser selbst sei (z.B. „Ich will einen Bund mit Euch schließen...“). In der prophetischen Rede vollzieht sich also dem Grundmuster nach die SelbstCharismatisierung als Prozeß mit seinen mindestens fünf Phasenelementen: i) Der Charismatiker beruft sich auf eine krisenhafte Außeralltäglichkeit, in der eine Botschaft von Gott krisendiagnostisch und krisenlösend bedeutsam wird. ii) Er fordert wie selbstverständlich die Gefolgschaft seiner Mitmenschen in der Teilung dieser Krisendefinition ein und erwartet Gehör. iii) Er bietet mit der Berufung darauf, im Besitz einer göttlichen Botschaft zu sein, eine Krisenlösung an, für die er ebenfalls eine Gefolgschaft wie selbstverständlich einfordert, ohne daß er Argumente der Begründung dafür anbieten könnte. Die Krisenlösung besteht schlicht im Vollzug der prophetischen Rede. iv) Die Krisenlösung muß sich in ihrem prophetischen Gehalt bewähren. Indem sie das tut, wird sie in den Kanon verbindlicher Routinen übernommen, andernfalls verworfen und mit ihr der Charismatiker selber. v) Auf diese Weise wird durch Selbst-Charismatisierung beständig Neues in die Welt gesetzt, das sich bewähren kann und muß. Diese Erzeugung des Neuen durch Bewährung besteht ihrerseits aus den Momenten (a) des Bildens einer Gefolgschaft für einen neuen Vorschlag, eine Krisenlösung; (b) der Eröffnung der Chance einer praktischen Erprobung und Bewährung des Neuen durch dessen praktisches Befolgen in der Gefolgschaft und schließlich (c) des Ergebnisses des praktischen Bewährungsprozesses in der Zeit. Dieses Ergebnis kann negativ, aber auch positiv ausfallen und dann zu neuen Routinen führen. Der praktische Bewährungsprozeß kommt einem materialen Versuch der systematischen Falsifizierung neuer Ideen mit negativem, d.h. verifizierendem Ausgang gleich. Diese Struktur prophetischer Rede durchzieht die Verkündigungstexte des Alten und Neuen Testaments. Sie gilt auch als pragmatischer Rahmen für die Bibeltexte insgesamt, so daß sie sich auf das Verhältnis zum Leser dieser Texte gefolgschaftsbildend überträgt. Obwohl Mohammed sich selbst als Prophet bezeichnete und als solcher wie selbstverständlich gilt, fehlt im Korantext die Struktur der prophetischen Rede gänzlich. Denn Mohammed referiert im Koran nur, was Allah ihm in
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seinen visionären Zuständen mitgeteilt hat. Und wo Mohammed in der IchForm an Stelle Allahs spricht, vollzieht er nicht eine Verkündigung wie Gott selbst gegenüber seinem erwählten Volk, sondern dort referiert er nur in wörtlicher Rede, was Gott ihm mitgeteilt hat. Mit diesem Fehlen des Vollzugscharakters der prophetischen Rede verbindet sich ein Glaubwürdigkeitsproblem, daß durch ständige Appelle an die Gehorsams- und Gefolgschaftspflicht gegenüber der Botschaft Allahs beruhigt werden muß. 2. Dem Koran fehlt die dem Alten und Neuen Testament immanente Systematik der Textgliederung, die es dem Leser ermöglicht, sich eigenständig bei der Lektüre zu organisieren und diese systematisch zusammenzustellen. Die Bibel ist in mindestens drei Hinsichten systematisch geordnet: (i) nach prophetischen Quellen mit je verschiedenen thematischen Akzentuierungen, (ii) nach einer narrativen und der Temporalität des Verkündigungsinhalts entsprechenden Verlaufsform und (iii) nach inhaltlichen und dogmatischen Gesichtspunkten. Der Leser kann daher die ihm heiligen Schriften selbständig als Offenbarungsquelle zu Rate ziehen. Diese Systematiken fehlen dem Koran. Seine Suren als größte Einteilungseinheiten sind nach ihrer Länge geordnet, nicht nach einer inhaltlichen Systematik. Deshalb finden sich im Koran auch so viele Wiederholungen. Es ist, als ob in jeder Sure ein Eindruck von der ganzen Botschaft des Koran enthalten sein müßte. Dem Gläubigen, der gehorsam die Schrift des Koran befolgen will, entstehen daraus erhebliche Probleme, sofern er dabei eine eigenständige Schriftinterpretation verfolgen will. Fragt man nach Gründen für diese „äußerliche“ Gliederung nach Länge, so erhält man darauf innerhalb der Islamwissenschaften keine wirklich befriedigenden Antworten. Die Anordnung nach Länge hat jedoch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil der praktischen Rationalität. Sie erlaubt es dem weniger an Erkenntnis als an gehorsamer Befolgung interessierten Gläubigen, sich mit der Schrift zeitökonomisch so zu beschäftigen, daß dabei Kollisionen mit lebenspraktisch wichtigen Zeit- und Terminzwängen, zum Beispiel in einer Existenz als Händler, wirksam vermieden werden können, indem das pflichtgemäße Lesen der Schrift von vornherein in zeitlich gut berechen- und planbare Einheiten eingeteilt werden kann. Dieser praktischen, auf den Alltag, vor allem von Händlern, Rücksicht nehmenden Rationalität der Schriftgliederung widerspricht keineswegs der dem Islam eigene Appell an Gehorsam und Unterwerfung des Gläubigen. Die fehlende innere Systematik des Koran hat jedoch zur Folge, daß der gläubige „Laie“ ihn entweder nur nach der äußeren, praktischen Rationalität der Längeneinteilung verwenden kann oder, um ihn tiefer zu verstehen, also als Offenbarungsquelle zur Verfügung zu haben, einer Anleitung durch einen Schriftgelehrten bedarf. 3. Am bedeutsamsten für unseren thematischen Zusammenhang der Tilgung der wesentlichen Elemente einer Bildung autonomer Lebenspraxis als Momente der Rationalisierungsdynamik innerhalb der jüdisch-christlichen Dogmatik sind jedoch die Umwandlungen, die der Herkunftsmythos und der Zukunftsmythos in der Assimilation durch den Koran erfahren. Zunächst zum
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Herkunfts- oder Schöpfungsmythos. Von der Erschaffung des Menschen und seinem Sündenfall bleibt in der dreimaligen Erwähnung dieses Stoffes im Koran nur eine Erzählung vom ursprünglichen Paradies, vom Ungehorsam des ersten Menschenpaares und von seiner als Bestrafung für diesen Ungehorsam erfolgenden Vertreibung aus dem Paradies übrig. Ohne Rest verschwunden ist damit im Koran die eigentümliche zentrale Dialektik des Sündenfalles, der zur Erkenntnis von Gut und Böse notwendig ist, und alles, was aus ihm folgt: Die Vertreibung aus dem Paradies als Chiffrierung für die Autonomisierung von Lebenspraxis, d.h. für die Dialektik von Freiheit und Notwendigkeit, und den dazu komplementären Verlust von Unsterblichkeit, für jene Bedingungen also, unter denen die Bewährung nicht, wie im Koran, durch bloßen Gehorsam, sondern durch Bewältigung jener Dialektik zu leisten ist7. Darin tut sich eine Kluft zwischen dem Islam und den beiden anderen abrahamitischen Religionssträngen auf. Denn die Dialektik von Sünden- und Befreiungsfall, zwei Lesarten, die sich in dem jüdischen Schöpfungsmythos vereinigen, ist die zentrale Basis für die Entfaltung einer Rationalisierungsdynamik durch das religiöse Dogma des Monotheismus. In der Auslegung der immanenten Sinnstruktur dieses Mythos ist nämlich der Ungehorsam, der von Eva und auf ihre Empfehlung auch von Adam – interpretiert als Sünde – begangen wird, zugleich eine notwendige Voraussetzung für die Erkenntnis von Gut und Böse, so wie in der Ontogenese die Ablösung von den Eltern notwendig ist, damit ein autonomes Subjekt sich bilden kann. Wäre das erste Menschenpaar gehorsam gewesen, dann wäre es nicht in die Erkenntnis von Gut und Böse gelangt; dann hätte es nicht wissen können, daß dieser Gehorsam die Befolgung eines sittlichen Gebotes bedeutet hätte. Deshalb muß dieser Gehorsam als dem Gehorsam eines dressierten Tieres entsprechend gelten und der berichtete Ungehorsam ebenfalls analog zum Unwillen eines Tieres, einer Dressur zu folgen, gedeutet werden. Der Ungehorsam, der in dem vom Schöpfergott verbotenen Essen der Frucht vom Baum der Erkenntnis besteht, ist also das im Schöpfungsmythos konstruierte notwendige Tor zur Sittlichkeit und zum Bewußtsein von Gut und Böse, d.h. zur zentralen Vorbedingung von Autonomie und der Entzweiung von Natur und Kultur. Es ist also die Schlange, das Symbol des vom Guten abgefallenen Bösen, die dynamisch die Transformation zur Sittlichkeit und zur Autonomie einleitet. Sie lügt auch nicht, wenn sie Eva ankündigt, sterben, wie Gott es als Strafe für den Ungehorsam angekündigt habe, müßten sie nicht. Denn tatsächlich fällt das erste Menschenpaar nach seiner Verköstigung vom Baum der Erkenntnis nicht tot um, sondern es versteckt sich, nunmehr im Besitz der Erkenntnis von Gut und Böse und damit im Bewußtsein seines Ungehorsams innerhalb der Logik von Sittlichkeit, d.h. der Logik der 7
Vgl. hierzu meine Interpretationen der alttestamentarischen Schöpfungsgeschichte in Oevermann (1995; 2001a; 2001b)
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Verletzung eines das Gute verkörpernden Prinzips, vor seinem Schöpfergott mit der Begründung, sich seiner Nacktheit zu schämen, lenkt also mit dieser Scham, als Verkörperung der Entzweiung von Sexuallust (=Natur) und Triebverdrängung (=Kultur), von der Schuld ab, die es, nunmehr in die Sittlichkeit gehoben, mit seinem ursprünglich nur dem Verhalten eines dressierten Tieres gleichkommenden Ungehorsam auf sich genommen hat. Und tatsächlich tötet der Schöpfergott das Menschenpaar nicht wie ein Henker den Verbrecher, den er zuvor mit der Todesstrafe bedroht hat, sondern er versorgt es ob dessen Scham mit notdürftiger Bekleidung und vertreibt es aus dem Paradies. Aber mit welcher Begründung? Die ist nicht so einfach wie im Koran in der Reduktion auf Bestrafung für den Ungehorsam. Wie kann nämlich Gott dem impliziten Vorwurf der Lüge durch die nicht so sehr verführende, sondern den Gang in die Befreiung eröffnende Schlange entgehen? Er kann sich nur darauf berufen, er habe mit seinem Diktum „wirst du sterben“ nicht eine unmittelbar folgende und zu vollziehendeTodesstrafe als Sanktion für den Ungehorsam gemeint, sondern etwas ganz anderes: nämlich die Sterblichkeit und den darin inbegriffenen Verlust einer ursprünglichen Unsterblichkeit. Aber worin soll diese ursprüngliche Unsterblichkeit bestanden haben? Denn faktisch kann sie für das irdische Leben, in welcher gattungsspezifischen Ausprägung auch immer, nie gegolten haben. Das einzelne, individuelle Leben muß ja sterben, damit die Gattung als Gattung überleben kann. In dieser Hinsicht könnte der Schöpfergott sich allenfalls, um nicht als Lügner gelten zu müssen, auf das fehlende Bewußtsein der Individuen der subhumanen Gattungen von der Endlichkeit ihres Lebens berufen, ein „Defizit“, das einem Eindruck, unsterblich zu sein, gewissermaßen „negativ“ dadurch gleichkommt, daß man den Tod nicht antezipieren kann, man also gewissermaßen in der Zeitlosigkeit der bloßen Gegenwärtigkeit des unmittelbaren Hier und Jetzt lebt. Aber das wäre eine schwache Verteidigungsbasis gegen den Vorwurf der Lüge. Und es widerspräche der Verkündigung, daß Gott den Menschen als Herrscher über die Schöpfung einsetzt und zu seinem Ebenbild erschaffen, also zumindest mit einer Art Potentialität von Unsterblichkeit versehen habe. Deshalb hat der Schöpfergott als genialer Didaktiker der Sozialisation des von ihm geschaffenen Menschen hier vorgesorgt, indem er noch einen zweiten Baum in den Garten Eden gesetzt hat, der für die Menschen mit einem Tabu belegt ist: den Baum des Lebens, genauer, ohne daß es in der Genesis offen ausgesprochen wird, den Baum des ewigen Lebens, also der Unsterblichkeit. Im Unterschied zum Baum von der Erkenntnis hat das erste Menschenpaar jedoch von diesem Baum und von dem Tabu, das auf ihm liegt, nichts erfahren. Aber objektiv – und für den aus der Perspektive des unbeteiligten Dritten Lesenden oder Hörenden – existiert er doch – mit der Folge, daß das Menschenpaar auch von ihm essen könnte. Genau diese Gefahr antezipiert der Schöpfergott für die Zeit nach dem Sündenfall, der – so-
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ziologisch gesehen – eigentlich ein Befreiungsfall ist. Der in die Erkenntnis gelangte Mensch könnte nun nämlich von diesem Baum des Lebens auch essen und könnte tatsächlich die Unsterblichkeit erlangen8, mit deren Verlust er gerade bestraft werden soll. Nur dadurch, daß der Schöpfergott von vornherein diesen Baum des Lebens als integralen Bestandteil des Paradieses vorgesehen hat, kann er dem logisch zwingenden Vorwurf der Lüge, der aus der wahren Aussage der Schlange Eva gegenüber sich ergibt, entgehen und seine Sanktionsandrohung für wahr und relevant ausgeben. Gott kann nun nämlich darauf pochen, daß tatsächlich, in diesem Baum symbolisiert, die Unsterblichkeit im Paradies ursprünglich vorhanden war. Allerdings müßte man sogleich einwenden: nur als Potenz, denn wirklich erlangen mußten diese die menschlichen Urbewohner des Paradieses immer noch durch den Vollzug des Essens. Aber indem sie von diesem Baum gar nichts wußten, war ihnen diese Vollzugsmöglichkeit nicht bewußt, worin tatsächlich das animalische Fehlen eines Bewußtseins von der Endlichkeit des Lebens, also der Sterblichkeit, und logisch korrelativ dazu der Unsterblichkeit, symbolisch zum Ausdruck kommt. Aber nun, nachdem das Menschenpaar das erste Tabu gebrochen hat und im Stande der Erkenntnis ist, könnte es tatsächlich den Baum des Lebens für sich entdecken. Um diese Gefahr, diese Möglichkeit zu verhindern, muß das Menschenpaar aus dem Paradies vertrieben, von der Möglichkeit der Unsterblichkeit endgültig getrennt werden. Was jedoch auf der Ebene des Bewußtseins, in der wörtlich für Adam und Eva begreifbaren Begründung, als Sanktion für den Ungehorsam des Essens von der Frucht der Erkenntnis erscheint, ist in Wirklichkeit, auf der Ebene des nur unbewußt Wirkenden, aber in der objektiven Bedeutungsstruktur des Schöpfungsmythos für den Leser jederzeit Rekonstruierbaren eine Vorkehrung dafür, das notwendig endliche, irdische Leben auch unter der Bedingung des Standes in der Erkenntnis von Gut und Böse durch ständige Bewährung zu gewinnen, nicht zu verlieren. Darin ist der zugleich materialistische und idealistische Kern der menschlichen Existenz als einer zugleich naturhaft-animalischen und einer kulturellgeistigen, d.h. sich selbst in hypothetischen Konstruktionen transzendierenden enthalten9. In dieser Interpretation des Sündenfalles hat Gott dem Menschen einerseits die Unsterblichkeit als ursprüngliche Möglichkeit gegeben, obwohl das faktisch eine für das irdische Leben niemals realisierbare Utopie darstellt, andererseits aber sie gleichzeitig als Ausdruck einer Strafe für die Erbsünde sogleich wieder genommen. Das Genie der Konstruktion des Schöpfungsmythos besteht darin, den Baum des Lebens als Potentialität ins Paradies ein8
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„Dann sprach Gott der Herr: Seht, der Mensch ist geworden wie wir; er erkennt Gut und Böse. Daß er jetzt nicht die Hand ausstreckt, auch vom Baum des Lebens nimmt, davon ißt und ewig lebt!“ (Genesis 3,22) Erst unter diesem Gesichtspunkt ist jede religiöse Konstruktion von Transzendenz deshalb in Wirklichkeit die Selbst-Transzendenz des Menschen in seiner Selbst-Konstitution.
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gebaut zu haben und damit zugleich über einen Vorwand für die Verweisung aus dem Paradies mit dem Ausgang in die bewußte lebendige Endlichkeit zu verfügen, so daß hiermit das Bewußtsein von der Endlichkeit des Lebens mit allen seinen bewährungsdynamischen Konsequenzen zum Dreh- und Angelpunkt der menschlichen Kultur werden kann. Aber dieses Zurücknehmen der möglichen Unsterblichkeit wird erst relevant, als die Gefahr des Eintretens des empirisch Unmöglichen in der Paradies-Erzählung immanent wirklich aufscheint und unbedingt verhindert werden muß, also die Unsterblichkeit statt Realität zu werden, Utopie bleiben muß. Die ursprüngliche Ebenbildnishaftigkeit bzw. abbildhafte Ähnlichkeit des Menschen im Verhältnis zu seinem Gott wird also, kaum daß sie in der von der kreatürlichen Schöpfung gesonderten, speziellen Erschaffung des Menschen Erwähnung gefunden hat, sofort wieder als durch das Verschulden des Menschen verwirkte genommen, zumindest jedoch eingeschränkt, aber so, daß kehrseitig zu dieser Einschränkung in Gestalt der Folgen der Vertreibung aus dem Paradies das irdische Leben des Menschen als ein kulturelles überhaupt erst möglich wird – allerdings nicht einfach gegeben, sondern durch Bewährung selber zu füllen und zu schaffen. Für die soziologisch-erfahrungswissenschaftliche Rekonstruktion dieses Zusammenhangs steht im Vordergrund, daß die Utopie der Unsterblichkeit sich aus der Vergegenwärtigung der Endlichkeit des Lebens, chiffriert in der Vertreibung aus dem Paradies, als irdisch nicht erfüllbare, aber dennoch nicht abstellbare Utopie ergibt, eine Utopie, die konstitutiv hinter der nicht stillstellbaren Bewährungsdynamik steht. Das bleibt von der Ebenbildnishaftigkeit übrig. Was sich in der ursprünglichen Erschaffung des Menschen mit der vom Schöpfergott gewollten göttlichen Ebenbildnishaftigkeit verband, wird einerseits durch die explizite Wegnahme der Unsterblichkeit, die im Grunde die Wegnahme der Illusion von Unsterblichkeit ist, entscheidend eingeschränkt. Es wird aber andererseits, in unauflöslicher Verknüpfung damit, durch das diese Wegnahme angeblich verschuldende Essen vom Baum der Erkenntnis in der Befähigung zur Erkenntnis von Gut und Böse überhaupt erst hergestellt und dann in der Befreiung von den Fesseln der Natur und zur Notwendigkeit der Bewährung in einem endlichen Leben zur Realität dynamisiert. In dieser Dialektik wird der Verlust zum Gewinn, aber zu einem Gewinn, dessen Inhalt desillusionierte autonome Auseinandersetzung mit der Realität ist und ein Leben bedeutet, für das die Entzweiung von Utopie und Wirklichkeit, von Natur und Kultur und damit die Schuldverstricktheit konstitutiv ist. Die Vertreibung aus dem Paradies ist für das menschliche Leben, also für die Kultur, nicht das Leben der Tiere, eine notwendige Voraussetzung. Mit ihr erst vollzieht sich endgültig die evolutive Transformation von der Natur in die Kultur. Deshalb ist in der Logik dieses Schöpfungsmythos die Erlangung des Bewußtseins von der Endlichkeit des Lebens der letzte Schritt der Person- und Kulturwerdung. Mit diesem Schritt konstituiert sich die nicht stillstellbare Bewährungsdynamik, der der zur Freiheit und Autonomie „ver-
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urteilte“ Mensch als autonome Lebenspraxis unterworfen ist, ob er will oder nicht. Würde er vom Baum des Lebens im Paradies essen, dann wäre er schon erlöst, bevor er überhaupt in diese Bewährungsdynamik hineingelangt wäre und sich wirklich bewährt hätte. Er wäre dann erlöst, ohne von der Erlösungsbedürftigkeit erfahren zu haben. Fragt man abschließend, warum von der Genesis-Erzählung im Alten Testament so hartnäckig einseitig sich die religiös-theologische Lesart des Sündenfalls im Kontrast zu der des Befreiungsfalles hält, dann drängt sich als Antwort auf, daß „didaktisch“ auch genau das in diesem Mythos vorgesehen ist. Denn als Befreiungsfall kann er nur aus der historischen Distanz des Menschen gelesen werden, der sich von einem mehr oder weniger ängstlichen Bedroht-Sein von einer ewigen Verdammnis durch Säkularisierung schon befreit hat, der also auf der Strecke der Rationalisierung, deren Dynamik von diesem Schöpfungsmythos durch Elaboration des Bewährungsproblems angestoßen wurde, historisch schon ein großes Stück zurückgelegt hat. Diese Distanz im Blick auf den „Sündenfall“ wird zu einer Gestaltung der Lesart des Befreiungsfalles ansatzweise erst in John Miltons „Paradise Lost“ und natürlich in Hegels These von der notwendigen Logik der Entzweiung in der Konstitution des Subjekts im Hervorgehen der Kultur aus der Natur in der „Phänomenologie des Geistes“ sowie in der Rechtsphilosophie geführt. Falsch ist die Lesart des Sündenfalles auch keineswegs, nur einseitig. Richtig an ihr ist, daß der zur Autonomie befreite und verurteilte, weil Verantwortung tragende Mensch tatsächlich nachträglich, nachdem er unter das befreiende Joch der Bewährung sittlich sich begeben hat, den ursprünglich notwendigen Ungehorsam als einen von ihm begangenen und – weil dem identischen Leib als positionaler Mitte der eigenen Lebenspraxis zuzurechnen – auch zu verantwortenden übernehmen und in sein Leben integrieren muß. Auch für den religiös indifferenten Menschen bleibt diese Spur als unhintergehbarer Zwang zur Bewährung erhalten. Ihm ist die ursprüngliche, konstitutive Schuldverstrickung, die von der Lesart des Sündenfalles ins Zentrum gestellt wird, im Bildungsprozeß des Subjekts eingeschrieben. Von dieser für die Stiftung des universalhistorischen Rationalisierungsprozesses im Sinne Max Webers zentralen Dialektik der Entzweiung, in der menschheitsgeschichtlich gesehen das universale Strukturproblem der nicht stillstellbaren Bewährungsdynamik auf geniale Weise eine elaborierte Deutung erfährt, ist in den drei Koranstellen zur Erschaffung des Menschen nur noch die Reduktion auf die Haltung des unbedingten Gehorsams dem allmächtigen Schöpfergott gegenüber geblieben. 4. Der Schöpfungsmythos des Alten Testamentes zeitigt in Richtung des Zukunftsmythos ein zentrales Folgeproblem. Wenn nämlich mit der Transformation von der Natürlichkeit in die Sittlichkeit der Verlust eines ursprünglichen Paradieses notwendig verbunden ist, dann ergibt sich daraus zwingend die Frage, wie dieses verlorene Paradies zurückgewonnen werden kann. Diese Frage stellt sich aber erst in aller Schärfe, wenn die Vertreibung
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aus dem Paradies nicht nur einfach platterdings als erwartbare Folge des ursprünglichen Ungehorsams im Essen von der Frucht der Erkenntnis gilt (wie im Koran), sondern unauflöslich sich mit dem Verlust einer möglichen Unsterblichkeit verbindet. Aus dem Verlust des Paradieses wird dann der Verlust der Unsterblichkeit und komplementär dazu mit der Sterblichkeit die Frage nach der Existenz nach dem irdischen Tode, in ausgearbeiteter Form: das Problem der nicht stillstellbaren Dynamik einer auf das Diesseits beschränkten Bewährung auf ein Jenseits hin, welchen Inhalts auch immer. Diese unvermeidbare Verknüpfung von Ursprungsschuld und Sterblichkeitsbewußtsein, auf die viele Mythen mit der Deutung der Selbstverschuldung des Unsterblichkeitsverlustes reagieren, führt zwingend in die existentielle Folgefrage nach dem möglichen Wiedergewinn von Paradies und Unsterblichkeit in der Zukunft und macht die Beantwortung dieser Folgefrage zum zentralen Inhalt eines zum Herkunftsmythos komplementären Zukunftsmythos. Dieser Zukunftsmythos fällt in den drei Hauptsträngen des abrahamitischen Monotheismus sehr verschieden aus. Der älteste Traditionsstrang, der altjüdische aus der Tora sich herleitende, hat mit seinem Zukunftsmythos für die schwere Bewährungslast, die dem Gläubigen von seinem Herkunftsmythos in der Genesis aufgebürdet wird, keine wirkliche Hoffnung auf Erlösung bzw. positive Stillstellung der Bewährungsdynamik in einem Jenseits bereit. Nach dem Tod erwartet den Menschen eine vage vorgestellte Unterwelt, aber nicht, wie für den wahrhaft gläubigen Christen, ein erlösendes Jenseits, in das dieser, sofern er sich um Befreiung von seinen Sünden durch im bedingungslosen Glauben erreichbare Gnadenwahl bemüht hat, leiblich auferstehen kann. Dem gläubigen Juden bleibt als Bewährungsinhalt nur, angelehnt an die schon an anderer Stelle erwähnte ethnische Zuschreibung von Erwähltheit und einer darin beinhalteten besonderen Verpflichtung auf eine universalistische Ethik, die Hoffnung, durch unbedingte Gesetzestreue, also durch bedingungsloses Befolgen der göttlichen ethischen und der rituellen Gebote, Schaden vom eigenen Volk abgewendet zu haben, sich also in seinem Beitrag zur Glaubensgemeinschaft bewährt zu haben. Die Hoffnung auf eine Rückgewinnung des Paradieses machte sich allenfalls in den stärker werdenden messianischen Utopien bemerkbar, deren historische Zunahme auch als Indikator für jene ausstehende Erlösungs- und Bewährungshoffnung in einem möglichen Zukunftsmythos gelesen werden kann. Die Ausweglosigkeit der monotheistischen Härte der mit dem Schöpfungsmythos auferlegten Bewährungsproblematik und eines im Verhältnis dazu schwachen Zukunftsmythos ließ sich auf die Dauer nicht aufrechterhalten. Eine systematisch einschneidende Beseitigung dieser Ausweglosigkeit bot der christliche Erlösungsmythos mit den folgenden zentralen Elementen. Wie in vielen anderen archaischen Mythen macht er sich zunächst den Grundgedanken der Rückgewinnung des Paradieses in Gestalt der Rückgewinnung der Unsterblichkeit bzw. eines Lebens nach dem Tode in einem Jen-
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seits zunutze. Die damit verknüpfte Hoffnung ist weitaus vielversprechender als die Aussicht auf irgendeine Form des Weiterexistierens in einer Unterwelt. Wenn aber die Vorstellung dieses Weiterlebens sich darauf beschränkte, eine irgendwie vom irdischen Körper ablösbare Seele als möglichen Teilhaber an diesem Jenseits und als Subjekt des Weiterlebens darin anzunehmen, dann wären zum einen die im Herkunftsmythos entfaltete Bewährungsdynamik und zum anderen die darin entscheidende Bindung der Schuld der Erbsünde an den konkreten irdischen Leib der diesseitigen Existenz wieder aufgegeben und jene zur Autonomie führende dialektische Dynamik nutzlos in sich zusammengesunken. Ohne die unauflösliche Einheit von Leib und Seele im diesseitigen Bildungsprozeß des Subjekts wäre nicht zwingend, warum der adamatische Mensch sich nachträglich den ursprünglich vor der Sittlichkeit begangenen Ungehorsam im Durchgang durch den Sündenfall als subjektiv zu verantwortende Schuld zurechnen muß, ähnlich wie Ödipus sich nach der Offenlegung seiner Bildungsgeschichte die ursprünglich geweissagte, aber im subjektiven Willen der Schuldvermeidung objektiv begangene Tat nachträglich als Schuld eben jener Einheit von Leib und Seele zurechnen muß. Und die Endlichkeit des Lebens sowie die aus ihr sich ergebende Bewährungsdynamik sind letztlich am Leib und nicht an der Seele festgemacht. Deshalb kann eine Erlösungsvorstellung, die sich in der bloßen Trennung der Seele vom Leib erschöpft, nicht viel Hoffnung bieten, und sie kann das um so weniger, je mehr die Bewährungsdynamik zur kulturellen Ausprägung einer Leistungsethik sich entwickelt hat. Denn dabei handelt es sich ja immer um eine Leistung, die der Trägheit des Leibes abzuringen ist. Deshalb muß das Jenseits einer wirklich greifenden Erlösungshoffnung auf dem Boden des jüdischen Herkunftsmythos an den konkreten Leib des irdischen Menschen gebunden bleiben, der sich in der diesseitigen Existenz der Bewährungsdynamik tätig ausgesetzt hat10. Anders ausgedrückt: Eine Erlösungshoffung auf ein Weiterexistieren in einem Jenseits muß mit dem Bewährungsauftrag vermittelt sein, der im Herkunftsmythos ausgearbeitet und an die unabweisbare Ursprungsschuld des autonom werdenden Menschen gebunden ist. Deshalb kann das im Erlösungsmythos Versprochene nicht ohne die Einhaltung der im Bewährungsmythos auferlegten Bedingungen und Möglichkeiten, also ohne die Voraussetzung der Dialektik von Freiheit und Notwendigkeit glaubwürdig und authentisch sein. In gewisser Weise muß ein Stück der im Schöpfungsmythos losgetretenen Säkularisierungsdynamik, wie sie mit der 10
Aus demselben sinnlogischen Grunde ist die Kremierung der zu bestattenden Toten in den abrahamitischen Religionen ein Tabu, das sich erst mit zunehmender Säkularisierung in den christlichen Strängen, also sehr spät, zu lockern begann. Ketzer und Hexen, also vor allem die Opfer der Inquisition, wurden dagegen komplementär dazu zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt, worin symbolisch ihre Unfähigkeit zur leiblichen Auferstehung veranschaulicht und zugleich die Teilhabe am Gut der kulturell universellen Bestattungsverpflichtung unterlaufen wurde.
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Vertreibung aus der Bewußtlosigkeit des Paradieses in die Bewußtheit der autonomen Lebenspraxis ihrerseits angestoßen wird, im Erlösungsmythos wieder zurückgenommen werden, indem die Hoffnung auf einen Rückgewinn der Unsterblichkeit nach dem unvermeidlichen Durchgang durch die diesseitige Bewährung glaubhaft gemacht wird. Allerdings wäre die Erlösung nach diesem Durchgang eine ganz andere Unsterblichkeit, eben eine für die zur Kultur erwachte menschliche Lebenspraxis und damit eine höchst wache im Gegensatz zu der der bewußtlosen Natur. Der Bewährungs- bzw. Erlösungsmythos, der von den im Glauben an den alttestamentarischen Gott befestigten Menschen dringend benötigt wird, muß demnach einerseits die schwere Bewährungspflicht im praktischen Leben festhalten und bewältigen, aber andererseits für die Beantwortung der Frage eines Lebens nach dem Tode mehr bieten als die Aussicht, mit einem Nachruf eines Lebens in Pflichterfüllung und Hingabe an die Gemeinschaft symbolisch in die Versammlung der Väter bzw. Ahnen einzugehen. Ein solcher Erlösungsmythos war fraglos am wirksamsten, wenn er die Hoffnung auf eine leibliche Auferstehung plausibel bieten konnte. Aber wie sollte das gehen können? Und vor allem: Welche Evidenz hätte dafür aufgeboten werden können. Zum einen (i) hätte ein entsprechendes Dogma von Gott selbst oder von einem besonders charismatisierten ethischen Propheten verkündet werden müssen, damit es glaubhaft wäre. Zum anderen (ii) hätte im irdischen Leben selbst als Ergänzung zu einem gesetzestreuen Leben, unter anderem, um es von dem immer drohenden Makel der Selbstgerechtigkeit und damit der Gefährdung einer Bewährung eben durch Selbstgerechtigkeit zu befreien, eine wirksame Operation der Vergebung der Sünden, die trotz aller Bemühungen um Bewährung begangen worden sind, zur Stärkung eben jener Bewährungshoffnung eingeführt werden müssen, die aber dennoch das Bewährungsproblem als solches nicht aus den Angeln höbe. Vor allem aber hätte – und das war das Schwierigste – (iii) die aus dem Sündenund Befreiungsfall resultierende Erbsünde als prinzipiell aufhebbar hingestellt werden müssen, damit überhaupt eine Rückkehr in die unmittelbare Annahme durch Gott und die Versöhnung mit ihm denkbar wäre, aber gleichzeitig die Nicht-Still-Stellbarkeit der Bewährungsdynamik für die gesamte diesseitige Existenz, die bis zum Tode unaufhörlich unter der Bewährungslast steht, aufrecht erhalten bliebe. Diese Desiderate erfüllt die christliche Erlösungsmythologie in ihrer Gesamtarchitektonik, zusammengesetzt aus den beiden Hauptsäulen der Logien, also der überlieferten Reden, Predigten und Gleichnisse Jesu, einerseits und des durch die Erzählungen der Evangelisten überlieferten vorbildlichen, als Modell wirkenden Leben Jesu einschließlich seiner Wundertaten als Paradigma der Erlösung mit der Leidensgeschichte und der leiblichen Auferstehung sowie der bezeugten Himmelfahrt als Kern andererseits in genialer Prägnanz. Hier können nur die wichtigsten Bausteine herausgekehrt werden.
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Entscheidend ist, daß Jesus als Erlöser sowohl Gott als auch Mensch in einem ist. Denn wäre er nicht Mensch gewesen, dann hätte er nicht realistisch in Versuchung geführt werden können, dann wäre er nicht auch dem Verhängnis der Erbsünde unterlegen gewesen, dann hätte er sich nicht auch bewähren müssen im irdischen Leben, dann hätte er vor allem nicht sich nicht dessen sicher sein können müssen, mit seinem Kreuzigungstod die Menschheit von ihren Sünden zu erlösen. Nur in seiner Eigenschaft als Mensch unter dem menschlichen Bewährungsdruck erscheinen seine leibliche Auferstehung und Himmelfahrt als Evidenz einer möglichen Erlösung im Jenseits auch und gerade unter den Bedingungen eines irdischen Lebens, das explizit in der bewußten Stellungnahme zur nicht stillstellbaren Bewährungsdynamik geführt wird. Aber genau diese Evidenz wäre auch nicht glaubwürdig gewesen, wenn Jesus nicht zugleich auch als Gott gegolten hätte und Göttlichkeit für sich in Anspruch hätte nehmen können. Denn ohne diese Eigenschaft, an deren Anerkennung sich dann auch die jüdische und die christlichen Religionstraditionen scheiden, mit der Folge, daß in den christlichen Traditionen neben die Gesetzestreue vor allem der bedingungslose Glaube an den Erlöser als ein nunmehr universalistisches, d.h. für alle Individuen der Gattung Mensch gleichermaßen zugängliches Erwähltheitskriterium tritt, hätte man Jesus jederzeit unter den Verdacht stellen können, einer von den vielen falschen Propheten zu sein. Allerdings war die Evidenz dafür, es nicht zu sein, nicht ohne den „self fulfilling prophecy“ Effekt des bedingungslosen Glaubens zu haben, d.h. eines Glaubens außerhalb der Logik des besseren Argumentes, also innerhalb einer anderen als der diskursiven Wahrheit, wahr gemacht eben durch vollziehende Gefolgschaftspraxis. Solange Jesus aber als Gottes Sohn bei seiner Gefolgschaft gelten konnte, hatte er zumindest bei dieser volle Glaubwürdigkeit und konnte die uneingeschränkte Gewähr für ein Charisma bieten, eben per verliehener göttlicher Allmacht, in die er durch die Himmelfahrt zurückkehrte, trotz aller Ungewißheit per menschlicher Existenz, nicht nur die Passion zu erdulden und dadurch ein gesteigertes Beispiel des Durchgangs durch eine Bewährungslast zu geben, sondern am Ende tatsächlich auch mit dem Tod zur Auferstehung hin, bezeugt durch das leere Grab, und zur nachfolgenden, durch eine erwählte und sich selbst durch bedingungslose Gefolgschaft erwählende Jüngerschaft bezeugten Himmelfahrt die mögliche Erlösung zu vollenden und zu bezeugen. Um nun Gott und Mensch in einem sein zu können, konnte Jesu Leben, wenn es in dieser Eigenschaft überzeugend sein sollte, nur eine ganz bestimmte Struktur annehmen. Er mußte menschlich geboren werden und menschlich sterben. Aber er mußte dennoch seine Göttlichkeit für irdische Menschen überzeugend offenbaren. Das geschah auf der Seite der Endlichkeit des irdischen Lebens durch die sinnliche Evidenz des leeren Grabes, die von Jüngern bezeugte leibliche Erscheinung Jesu danach und die von Jüngern bezeugte Auffahrt in den Himmel. Auf der Seite der Geburt war die Göttlich-
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keit zunächst bezeugt in den besonderen Himmelszeichen bei der Geburt, dem Charisma des Überlebens der herodischen Verfolgung und der himmlischen Verkündigung der Schwangerschaft Mariens. Später wurde diese Komponente durch das Dogma von der unbefleckten Empfängnis und die Ausarbeitung des Marienkultes verstärkt und ergänzt. Jesus konnte also nur Gott und Mensch zugleich sein, wenn er als göttlich empfangen und als göttlich aufgefahren gelten konnte und als menschlich geboren und menschlich gestorben. Die in seinem – gewissermaßen doppelexistenten – Leben und in seinen Worten verkörperte Erlösungsmythologie mußte nun ihrerseits als gelebte und praktizierte Vergemeinschaftung überliefert werden. Diese Praxis erfüllte sich im Kern im Vollzug der Bedingungslosigkeit des Glaubens. Diese wiederum besteht eben darin, daß hier zum ersten Mal religionsgeschichtlich frei von jeglicher Magie eine Wahrheit durch sich beständig reproduzierenden Glaubensvollzug für die Gläubigen in ihrer Gemeinschaft erzeugt wird, genauer: dadurch, daß man nicht in der Form eines nur schwachen Wissens, einer bloßen Vermutung wie in der Äußerung „ich glaube, daß es morgen regnet“ glaubt, sondern in der unerschütterlichen Überzeugung, die sich durch die Anmaßung und Zumutung eines expliziten Begründungsargumentes oder einer logischen Methode der Geltungsüberprüfung nur blasphemisch mißachtet fühlen kann. Diese Bedingungslosigkeit des Glaubens stiftet gewissermaßen eine Vollzugskraft. Jesus selbst aber konnte als historischer Mensch allenfalls bei einer kleinen, übersichtlichen und im ständigen engsten personalen Kontakt mit ihm lebenden Jüngerschaft sein Charisma überzeugend praktizieren. Damit es zum dynamischen Kern eines universalistischen Dogmas werden konnte, mußte es seinerseits wirksam und gemeinschaftsbildend bezeugt und verkündet werden. Das geschah durch Paulus, jenen Juden aus Tarsus, zugleich Subjekt des römischen Bürgerrechtes. Im Grunde ist er, nicht Jesus Christus selbst, der Stifter der christlichen Religion, indem er einen charismatisch einzigartigen Erlöser aus der Schar der in der Krise des antiken Judentums unter römischer Fremdherrschaft allenthalben auftretenden Propheten heraushebt und zum Kern einer neuen Verkündigung macht, die das Dauerproblem der Suche nach einem zum altjüdischen Schöpfungsmythos passenden Zukunftsmythos zu lösen verspricht. Dessen Architektonik ist genau deshalb überzeugend, weil der Erlöser nicht selbst, wie der Prophet Mohammed, zugleich als Religionsstifter propagandistisch, gewissermaßen in eigener Sache, auftritt, sondern unbeirrt als Erlöser ein sich vollziehendes Leben führt, über das vergemeinschaftend berichtet und in dessen Namen Glaubensvollzug praktiziert wird. In dieser „Arbeitsteilung“ kann der eigentliche Verkünder, nämlich Paulus, im „desinteressierten“ Hintergrund bleiben und als bloßer Diener an der Botschaft, die die eines ganz anderen ist, auftreten. Die Glaubwürdigkeit dieser Botschaft eines dramatisch vom Judentum zum neuen Erlösungsglauben Konvertierten wird noch dadurch erhöht, daß darin der Erlöser,
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Jesus Christus, nicht unvorbereitet aus dem Dunkel oder aus dem Nichts hervortritt, sondern seinerseits durch einen herausgehobenen Propheten der messianischen Übergangszeit, Johannes den Täufer, vorbereitet und angekündigt wird. Paulus stiftet dann, indem er den Erlöser Jesus Christus verkündet, die sich beständig durch Mission ausbreitende religiöse Glaubensgemeinschaft, die sich nicht um ihn, sondern um den von ihm bezeugten Erlöser versammelt in der Bedingungslosigkeit des Glaubens. Diese bringt vor allem auch die radikale Trennung von religiöser Vergemeinschaftung und der Mitgliedschaft in einer politischen Vergemeinschaftung mit sich: „Da sprach Jesus zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ (Markus 12,17). Die Bedingungslosigkeit des christlichen Glaubens wird gerade durch diese radikalisierte Weltabgeschiedenheit und den in ihr zentralthematischen Dualismus von Weltlichkeit und Geistlichkeit, von Diesseits- und von Jenseitsorientierung, zur dynamischen Quelle von Bewährung, Individuierung und Autonomisierung. Denn in jener Bedingungslosigkeit des Glaubens konstituiert sich eine bedingungslose Hingabe an das Gemeinwohl, an die Sache selbst, an das Allgemeingültige, an das zu Offenbarende. Dies aber nicht im Modus eines bedingungslosen Gehorsams und Sich-Unterwerfens, auch nicht eines Gehorsams im Modus der rigorosen Gesetzestreue, sondern einer Verpflichtung zum beständigen, tätigen, eigenverantwortlichen Ringen im inneren Glaubensgespräch mit der Göttlichkeit in ihrer dreifachen Gestaltung. Diese Bedingungslosigkeit, die auf die Logik des besseren Argumentes ebenso verzichten muß wie auf die Hilfsevidenz von Magie, wird so zum dynamischen Strukturkern einer autonomen Lebenspraxis, die sich in der widersprüchlichen Einheit von Entscheidungszwang und Begründungsverpflichtung in Gottvertrauen, gewissermaßen in strukturellem Optimismus der offenen Zukunft ihrer schicksalhaften Existenz stellt. Aus diesem Gottvertrauen wird im Zuge der Säkularisierung ein Selbstvertrauen. Zwischen beiden ist aber nur der Inhalt verschieden, nicht die Struktur von Lebenspraxis. Dieses Praxismodell wird durch das als exemplarisch verkündete Leben Jesu gesteigert vorgebildet: Hätte nämlich der menschliche, irdische Jesus vom Erfolg seiner Erlösungsmission durch seinen Kreuzigungstod im Sinne eines sicheren, bewährten Wissens wie dem, daß Gegenstände, läßt man sie los, immer lotrecht nach unten fallen, überzeugt sein können, dann wäre sein Tod nicht ein Opfertod, sondern ein Heldentod gewesen, ein Schicksal, um das sich alle Menschen im Grund genommen angesichts des unübersteigbaren Bewährungsgehaltes eines so endenden Lebens hätten reißen müssen. Aber gerade weil er als Mensch nur im Sinne eines bedingungslosen Glaubens, ohne jegliche außerhalb dessen beiziehbare Evidenz, also grundlos in eine ungewisse Zukunft hinein von seiner Mission überzeugt sein konnte, begab er sich für die nachkommenden Generationen glaubwürdig in einen qualvollen Opfertod hinein. Diese Ungewißheit wurde noch dadurch verstärkt, daß der Kreuzigungstod in der jüdischen Tradition die an Verächtlichkeit und in der Sym-
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bolisierung der Schändlichkeit des sanktionierten Verbrechens nicht zu überbietende Strafe für Gotteslästerung, also die stärkste öffentliche Bekundung von Nicht-Bewährtheit war. Die dieser Ungewißheit entsprechende innere Haltung wird durch die überlieferten Worte aus der Leidensgeschichte bezeugt: „Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!“ (Matthäus 26,39) als flehentliche Bitte am Abend vor der Kreuzigung und „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen“ (Mt 27,46) im Sterben am Kreuz. Auf dieser Folie ist der Vollzug der Passion das höchste Maß an Gott- und Selbstvertrauen, das sich denken läßt. Deshalb vollzieht sich für den Gläubigen mit dem Modell des jesuanischen Lebens die Transformation des ethischen Prophetentums des Alten Testaments in die Alltäglichkeit autonomer Lebenspraxis. Das ist im Islam ganz anders, weil dort ein Erlöser, der als Mensch und als Gottes Sohn zugleich gilt, nicht vorhanden ist und explizit abgelehnt wird. Mohammed überbietet einerseits den Erlöser der christlichen, aber auch die vorausgehenden ethischen Propheten der jüdischen Religion, indem er sich apodiktisch zum endgültigen, letzten Propheten in einer langen Reihe von Vorläufern erklärt, er unterläuft ihn jedoch andererseits, indem er nur als ein Berichterstatter einer göttlichen Eingebung auftritt, die Gottessohnschaft von Jesus rigoros leugnet und auch für sich keineswegs in Anspruch nimmt. Er hat weder einen Paulus, der über ihn als finalen Erlöser ein religionsstiftendes Verkündigungsgebäude errichtet, noch übernimmt er wirklich die Praxis eines Propheten. Vielmehr fordert er bedingungslosen Gehorsam für seine Botschaft, die durch keinerlei praktischen Vollzug Evidenz erhält als zum einen eben durch die Forderung eines bedingungslosen Gehorsams und zum anderen durch den politischen Erfolg der Friedensschlichtung in Medina mit anschließender Herrschaftserrichtung und militärischem Sieg über das den Gehorsam verweigernde Mekka. Der Koran reduziert also sowohl den jüdischen Herkunfts- wie den christlichen Zukunftsmythos um genau jene zentralen Elemente, die in ihrem Zusammenspiel nicht nur die Säkularisierung von Religiosität auf die Länge aus sich heraustreiben, sondern eine strukturelle Religiosität entstehen und selbst unter Säkularisierungsbedingungen bestehen lassen, die als Elaboration einer nicht stillstellbaren Bewährungsdynamik das sich bildende Subjekt zur Autonomisierung und Individuierung antreibt, ob es will oder nicht. Im Koran bleibt vom Monotheismus, der dazu den Boden bereitet hat, vor allem der bedingungslose Gehorsam gegenüber der göttlichen Allmacht übrig. Die sich daraus ergebende massive Differenz zu den beiden anderen abrahamitischen Religionen läßt sich exemplarisch an der unterschiedlichen Bedeutung des Märtyrertums ermessen. Im Christentum übernehmen die Märtyrer in den ersten drei Jahrhunderten nach Christi Geburt, bis das Christentum im römischen Reich zur Staatsreligion wird, die Funktion, für die religiöse Wahrheit des Erlösungsdogmas und die Bedingungslosigkeit des Glaubens mit ihrem Leben und ihrer aufs außerweltliche Heil gerichteten
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Standfestigkeit einzustehen und der von ihnen vertretenen Religion ein entsprechendes Charisma zu sichern. Der christliche Märtyrer opfert sich für seinen Glauben in der Position des verfolgten Opfers. Seine Bewährung besteht nicht im Heiligen Krieg11, sondern im standhaften Bezeugen der Unangreifbarkeit der religiösen Wahrheit. In der islamischen Tradition dagegen ist der Märtyrer jemand, der in der Position des im Heiligen Krieg, im Jihad, im bedingungslosen Gehorsam gegenüber Allah engagierten Rechtgeleiteten für seinen Gott kämpft und den Unglauben offensiv bekämpft. Er opfert sich zwar auch für seinen Glauben, aber er tut das in der irdischen Offensive gegen Andersgläubige. Sein Märtyrertum verschafft ihm die Gewißheit eines privilegierten Zugangs zum Paradies, der dem Kämpfer für die islamische Religion vorbehalten ist. Dieser Kämpfer symbolisiert den bedingungslosen religiösen Gehorsam idealtypisch. Aus diesem Dogma entsteht als Ableger in der heutigen Weltkonstellation der „Selbstmordattentäter“ des islamischen Fundamentalismus, der in der einseitigen Sicht des „Westens“ als Terrorist gilt. Er bildet aber ein, wenn auch auf Vereinseitigung beruhendes Kontinuum zum Märtyrertum der erobernden Kämpfer früherer, erfolgreicherer Zeiten der Geschichte des Islam. Im Christentum dagegen wäre der Typus des „Selbstmordattentäters“, der sich in dieser Praxis als Verkörperung eines religiösen Märtyrers fühlen kann, undenkbar, weil der aktive Selbstmord, für welchen Zweck auch immer, als Sünde und nicht als Leistung vor Gott und für ihn gelten würde. Der christliche Märtyrer opfert zwar auch sein Leben, aber dieses Opfer gilt ihm nicht als offensiver Selbstmord, auch nicht als Heldentod, sondern als konsequente Vermeidung einer opportunistischen Glaubensverleugnung unter Bedingungen weltlichen Herrschaftszwanges. Eine Verbindung mit dem Eintreten für eine zugleich weltliche Herrschaft, wie das im islamischen Fundamentalismus häufig der Fall ist, wäre ihm ganz und gar unmöglich. Die Bedingungslosigkeit des Glaubens an eine Erlösung durch den Glauben erzeugt dessen Evidenz durch seinen Vollzug. Aber trotz dieser Suggestivität behält der Glaube, bekräftigt durch die vergemeinschaftete religiöse Praxis, logisch den Status einer Hoffnung bzw. einer Gewißheit, die durch suggestive Bekräftigung beständig erneuert wird. Den Status der Gewißheit eines bewährten Wissens kann er nicht erreichen, wohingegen für den muslimischen Gläubigen die Existenz und die Allmacht Allahs eine fraglose Gewißheit darstellt, um die er nicht eigens in seinen Glaubenskrisen ringen 11
Dazu bilden die Kreuzzüge eine Ausnahme. Sie hatten, aus der historischen Distanz gesehen, objektiv auch die Funktion, der Idee des Universalfriedens der katholischen Kirche dadurch zum Durchbruch zu verhelfen, daß die gewohnheitsmäßig und standesgemäß mit der Durchführung von kriegerischen Aktionen und Fehden im eigenen Land beschäftigten Adeligen und Ritter diese Tätigkeiten zunächst einmal nach außen, in fremdes Land, verlegten. Die Kreuzritter waren typologisch etwas anderes als die muslimischen Reiter der Eroberung. Und sie waren vor allem keine Märtyrer, allenfalls Büßer.
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muß, sondern der er in treuem Gehorsam zu entsprechen hat. Komplementär dazu kann dann auch dieser Gehorsam in der Alltäglichkeit des Lebens in einer sozialen Existenzform außerhalb der religiösen Vergemeinschaftung oder islamischen Kultur, ohne innere Krisen, verblassen, oder aber in einer kollektiv erlittenen Marginalität, z.B. in der Migration, forciert zum Schutzschild der Selbstbehauptung paradoxal erhoben werden. 5. Den Tod muß der gläubige Muslim in dem Maße nicht fürchten, in dem er dieser Gehorsamsverpflichtung folgt. Der Jihad-Kämpfer ist für dieses Modell der Todesfurchtüberwindung durch bedingungslosen Gehorsam das gesteigerte Vorbild mit seinem Versprechen eines privilegierten Zugangs zum Paradies. Der gläubige Christ jedoch kann seiner Erlösung im Jenseits nie sicher sein. Der christliche Bewährungsmythos bietet eine starke Hoffnung der Errettung, aber eben nur eine Hoffnung und keine gesicherte Gewißheit. Um den Glauben und die Annahme durch Gott muß er beständig sich in Zwiesprache der Anrufung und des Gebetes oder in der heiligen Kommunion der Eucharistiefeier bemühen. Letztere hat im Grunde die Funktion, das Skandalon des Todes und die damit verbundene Bewährungssorge schon im irdischen Leben vorwegnehmend durch Teilhabe am Mysterium der einen Vorblick auf die Erlösung erlaubenden Sündenvergebung und Einheit mit dem Erlöser zu überwinden und darin Gottvertrauen zu entwickeln. Der Islam kennt ein Äquivalent eines solchen den Glauben durch Erleben stärkenden und befestigenden Mysteriums, von einigen Elementen im eher randständigen Sufismus abgesehen, nicht. Im Christentum bedeutet die Eucharistie als das Zentrum vergemeinschafteter religiöser Praxis nicht so sehr eine Teilhabe an einem traditionellen Ritus und eine dadurch gestärkte Verwurzelung in der Gemeinschaft als eine Ermutigung dazu, sich der nicht stillstellbaren Bewährungsdynamik in der Hinwendung an die offene Zukunft optimistisch zu stellen. Die Eucharistiefeier ist als Kern der religiösen christlichen Praxis die unmittelbar exemplarisch erfahrbare Einlösung der Möglichkeit des Gehaltes des Bewährungsdogmas, eine Erfahrung, die sich durch wiederholte Beteiligung an dem Ritus wiederholen läßt. Sie ist damit eine emotionale Gewißheitshilfe zum Durchstehen einer Autonomie- und Individuierungsverpflichtung, die dem Islam gänzlich fehlt. 6. Wie schon an anderer Stelle erwähnt, muß Mohammed zwingend der letzte Prophet sein, sonst kann er glaubwürdig nicht die Elemente der jüdischen und christlich-byzantinischen Religion adaptieren und dennoch behaupten, er habe eine dritte, letztgültige Religion gestiftet. Aus dieser endgültigen Schließung der Prophetensequenz folgen jedoch gravierende Schwierigkeiten für die Charismatisierung von möglichen Nachfolgern, die sich historisch auch sogleich manifestieren und sehr bald zum Schisma zwischen Sunniten und Schiiten führen, dem innerhalb der Schiiten, aber auch der Sunniten weitere Spaltungen folgen. Diese absolute Schließung einer Fortsetzung der Charismatisierungsquelle hat paradoxerweise aber auch zur
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Folge, daß es keine verbindliche Anstaltskirche oder einheitliche Verbandsförmigkeit in der weltlichen Organisation der Religion gibt, sondern nur die im Koran und im hadith, d.h. der Schriftüberlieferung festgelegten Verpflichtungen zum bedingungslosen Gehorsam, die die umma als weitestgreifende Vergemeinschaftung aller in diesem Sinne Gläubigen unabhängig von allen jeweils lokalen, regionalen oder anderen partikularistischen Vergemeinschaftungsgliederungen stiftet und umfaßt. Diese fügen sich in das Organisationsprinzip von Stammesgesellschaften mit einem Anführer oder obersten Verantwortlichen, der zugleich oft auch der Despot ist, ein – eine Organisationsform, die ihrerseits sehr wirksam und erfolgreich in der Gefolgschaftsbildung für außeralltägliche Operationen und Aktionen sein kann, die auch sehr geschmeidig in der Sicherung einer tradierten Ordnung operiert, die aber wenig Bereitschaft zur Selbsttransformation in Richtung einer formal-rationalen Organisation als Widerlager zur Ausdifferenzierung autonomer und individuierter Subjektformationen zeigt und die Tendenz hat, sich in der Klientelverantwortlichkeit zu perpetuieren. Es ergibt sich daraus aber auch für jeden einzelnen Gläubigen, daß die Schrift als eine je individuell auslegbare Offenbarungsquelle nicht mehr zur Verfügung steht. Statt dessen muß mehr oder weniger blind dem Leben und den Anweisungen des Propheten, so wie sie letztgültig in der Schrifttradition niedergelegt worden sind, getreu gefolgt und gehorsam Gefolgschaft geübt werden. Mit der Schließung der Offenbarungsquellen durch die Selbsternennung des Propheten, der zugleich Stifter der neuen Religion ist und politischer Herrscher in ihrem Namen, als des absolut letzten in der historischen Reihe der Prophetien, ist auch das Dogma der monotheistischen Religion als eine Quelle von Rationalisierungsdynamik und damit der Modernisierung stillgestellt. Von da an bleibt nur die Dynamik der Expansion durch Ausbreitung der umma, auf welche Weise auch immer: sowohl kriegerisch wie durch Suggestivität der islamischen Schriftkultur, die nach den Eroberungen vor allem vom 10. bis 13. Jahrhundert in Blüte stand und dem christlichen Okzident bis zu dieser Zeit überlegen war.
7. Schlußfolgerung Diese sechs bezeichnenden Veränderungen in der Übernahme des dogmatischen Ausgangsmaterials konvergieren allesamt in eine bestimmte Richtung: nämlich die des Verlustes der den monotheistischen Religionen innewohnenden Tendenzen, ja sogar Zwänge zur Autonomisierung und Individuierung einerseits und korrelativ dazu die des bedingungslosen Gehorsams als Grundform von muslimischer Religiosität andererseits. Dieser bedingungslose Gehorsam läßt nichts anderes zu als die ungeschiedene Einheit von politischer
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und religiöser Praxis. Ihr entspricht auch die Funktion der islamischen Religion als Herrschafts- und Beherrschungsreligion. Sie ist nicht die Religion der Diaspora, sondern der imperialen Herrschaft. Mohammed ist ebenso sehr Herrscher wie Prophet. So hat der endgültige Prophet des Monotheismus mit seiner Religionsstiftung die religiöse und politische Einigung der arabisch sprechenden Bevölkerung auf der Grundlage der kulturellen Integrationskraft einer einheitlichen Schriftkultur erreicht. Aufgrund der darin vollzogenen radikalen Umwandlung des dem Monotheismus innewohnenden Zentrismus in eine Gehorsamsreligion, in dem der Allmacht des einen und einzigen Gottes die in gehorsamer Unterordnung unter seine Gebote vereinigte Gemeinschaft derjenigen gegenübersteht, die sich aufgrund dieses Gehorsams zu den Erwählten zählen dürfen, deren Gehorsam mit der Aussicht auf eine Rückkehr in das verlorene Paradies entgolten zu werden verspricht, ist das ursprüngliche Ziel des Propheten: die Einigung der Stammesgesellschaften der Arabischen Halbinsel, religiös, politisch und kulturell sogar weit übertroffen worden. Eine entscheidende Steigerung erfuhr jener Gehorsam in der Verpflichtung einer Elite auf den jihad zur Durchsetzung dieser Gottesherrschaft. Fielen diese Kämpfer in der Bewährung durch den kriegerischen Einsatz für Allah als Märtyrer im Heiligen Krieg, dann war ihnen die privilegierte Aufnahme ins Paradies subjektiv sicher. Überlebten sie, dann war der Anspruch auf eine angemessene Teilhabe an der Kriegsbeute (durchschnittlich ein Fünftel) durch den Koran explizit legitimiert. Aber dieser enorme und sehr schnell nach Errichtung der politischen Herrschaft des Propheten in Medina sich einstellende Erfolg hatte auch einen hohen Preis. Er war erkauft durch das Abstreifen und systematische Weglassen aller der zentralen Bestandteile des jüdisch-christlichen Monotheismus, die die Erwähltheit der Gläubigen nicht primär auf deren bedingungslosen Gehorsam abstellten sondern auf die Basis einer in der Sündenfalltheologie abverlangten und geschärften unausweichlichen je individuellen Bewährung in der ständigen Auseinandersetzung mit Gott und mit der widrigen Realität individueller Leistungserbringung. Die Grundfrage der Theodizee ließ sich darin nicht durch mehr oder weniger blinden Gehorsam beantworten, die Antwort mußte vielmehr je autonom und individuell im konkreten Lebensvollzug gebildet werden. Der darin involvierte Interessenkampf mit anderen ließ sich nicht einfach durch die Solidarität der religiösen Vergemeinschaftung im gemeinsamen Gehorsam stillstellen, sondern mußte im Gegeneinander rational ausgetragen werden. Gerade weil der ethische Anspruch einer Gemeinwohlorientierung unter diesen Bedingungen einerseits mit aller Rigorosität erhoben, andererseits aber beständig strittig war, bedurfte es neben einer verbindlichen Aufstellung allgemeiner Prinzipien einer Gott wohlgefälligen Lebensführung auch einer pragmatischen, für die tägliche Lebenspraxis geeigneten Handlungslehre der persönlichen und der kollektiven Politik, die
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aber beständig von den Vertretern jener allgemeinen Prinzipien der Kritik unterzogen wurde. Der zugleich gestrenge und strafende wie auch liebende und annehmende Gott der Juden und Christen war in seiner Allmacht zugleich so unnahbar, daß es der vermittelnden Offenbarung durch ethische Propheten bedurfte. Durch sie, die in der Grundfrage der Theodizee die verbindlichen Deutungen allein geben konnten, wurden die Handlungslehren der Alltagspraxis, vor allem aber auch die Legitimationsgründe für politisches, herrschaftliches Handeln einer beständigen kompetenten Kritik unterzogen. Gleichzeitig aber war die Reinheit der Offenbarung gefährdet und unglaubwürdig, wenn diese Propheten selbst zu Herrschern sich aufgeschwungen hätten. Sofern nämlich den Gläubigen auch jene Autonomie, die zu entwickeln sie vom Dogma des Sündenfalls angehalten waren, ob sie wollten oder nicht, grundsätzlich zugebilligt werden mußte, konnte Herrschaft und Politik letztlich nicht allein in Despotie bestehen, sondern mußte der Logik des gerechten Kompromisses zwischen widerstreitenden Interessen, die als solche ernstzunehmen waren, folgen. Eine solches Grundgesetz des gerechten Kompromisses aber ließ sich mit der Reinheit der Offenbarung auf Dauer schlecht vereinbaren, so daß in der jüdisch-christlichen Tradition sehr bald sich ein systematischer Dualismus der geistlich-religiösen und der weltlichen Herrschaft ergab, der im Alten Testament mit dem Widerstreit zwischen den ethischen Propheten und dem davidischen Königtum beginnt und in der Moderne mit der strikten Trennung von Kirche und Staat im Gefolge der Französischen Revolution vorläufig endet. Dieser Dualismus ist auf die Dauer nur unter der Bedingung autonomer Bürger aufrechtzuerhalten und er begünstigt seinerseits ganz entscheidend die Autonomie einer Öffentlichkeit mündiger Bürger. Das dem Islam entsprechende Verhältnis von allmächtigem, vor allem Gehorsam verlangendem Gott und in diesem Gehorsam sich bildender Gemeinschaft eignet sich als Sozialform hervorragend für alle Varianten von despotischer Herrschaft. Genau aus diesem Grunde haben sich innerhalb der islamischen religiösen Kulturen, zumindest im arabischen Raum, die politischen Herrschafts- und Organisationsformen nur wenig in Richtung einer Modernisierung entwickelt und waren fremden Einflüssen und Kräften vergleichsweise widerstandslos ausgesetzt. Unter diesen Bedingungen tat die hanbalitische Richtung des Wahhabismus mit seiner strikten Bindung an die Wörtlichkeit der Schrifttradition sowie einer damit gut übereinstimmenden Forderung nach Einheit von Religion und politischer Herrschaft und in seiner engen Verquickung mit der saudischen Herrschaft ein Übriges. Daraus ist die Paradoxie der gegenwärtig virulenten Kombination einer engen Kooperation zwischen der saudischen Herrschaft und den USA einerseits und einem vom saudischen Herrschaftshaus geförderten und wesentlich in Saudi-Arabien ent-
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standenen aggressiven Fundamentalismus andererseits hervorgegangen12, auf den die westliche Öffentlichkeit nur hilflos mit dem Totschlag-Etikett des Terrorismus zu reagieren weiß. Die Modernisierungsblockade des islamischen Fundamentalismus läßt sich somit auf zwei Ebenen gleichzeitig konstatieren, auf denen die Traditionslinien zusammenwirken. Auf der individuellen Ebene wirken sich die spezifischen Eigenarten des tradierten religiösen Dogmas ungemindert aus. Ihre Wirkung geht – negativ – eigentümlicherweise auf Ausblendungen zurück, auf das Fehlen von etwas, was in der mohammedanischen Adaption des jüdisch-christlichen Dogmas interessiert und bewußt ausgelassen worden ist. Durch diese Auslassungen verwandelte sich der abrahamitische Monotheismus in eine reine Gehorsamsreligion. Diese Wirkung ist deshalb einerseits so massiv und andererseits so schwer zu fassen, weil sie wesentlich darauf beruht, daß erst durch die Auslassungen bzw. Tilgungen vor allem der sechs Komponenten, die ich herausgestellt habe, das dogmatische „Gehäuse“ des Monotheismus in seinem rigorosen Zentrismus sich voll zur Gehorsamsreligion wandeln konnte, während in den beiden übrigen Strängen des abrahamitischen Monotheismus, das, was im Islam getilgt wurde, sich umgekehrt in Richtung der Entfaltung ebenso strenger Prinzipien der Bewährung zum autonomen Subjekt mit einer daraus hervorgehenden Dynamik sich beschleunigender Rationalisierung auswirken konnte. Auf der kollektiven Ebene entsprach und entspricht dem – positiv – die unauflösliche Einheit von Religion und Staat bzw. Politik, die sich mit der herrschaftslegitimierenden Funktion des Islam paart, die er schon wesentlich in der ersten mohammedanischen Herrschaftsform in Medina annahm und seitdem beibehielt.
8. Schlußbetrachtung Verschiedentlich ist in neuerer Zeit die Rückführung der im islamischen Fundamentalismus prominenten Deutungen, insbesondere ihrer anti-westlichen Affekte, auf den Koran und den hadith als kulturalistische Verkürzung kritisiert worden. Sofern in dieser Kritik die direkten Auswirkungen des Imperialismus der entwickelten Industriestaaten im 19. und 20. Jahrhundert und der hegemonialen politischen Dominanz des „Westens“ in der Gegenwart herausgestrichen werden sollen, kann ich ihr folgen; nicht jedoch darin, daß mit diesem Verweis automatisch die Bedeutung der innerreligiösen Traditionslinien in dem komplexen Verursachungsprozeß, um den es hier geht, vollständig getilgt wird oder doch zumindest als vernachlässigenswert in den Hinter12
Höchst instruktiv dazu die verdienstvolle Dokumentensammlung in: Kepel/Milelli 2005.
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grund verschoben wird13. Es gehört ja gewissermaßen zum Wesen des Fundamentalismus, daß er sich explizit auf diese Traditionslinien beruft und von daher als solcher legitimiert. Das kann er nur, wenn er nicht selbst- oder strategisch täuschend ganz andere Absichten mit ihrer Hilfe maskiert, sondern sie glaubwürdig ernst nimmt und – in welcher konkreten Interpretation auch immer – sich mit ihnen identifiziert14. Der sinnlogische Konnex zwischen den in den Schriften der Tradition (Koran und Sunna) durchgängig suggerierten Haltungen und denen des Fundamentalismus, insbesondere was das Verhältnis von Religion und Politik und die Bedeutung der zentralen religiösen Inhalte für die Alltagspraxis betrifft, ist ja, so wie er hier als Deutungshypothese herausgestellt werden sollte, auch nicht primär, wie in jener Kritik am „Kulturalismus“ unterstellt, als auf der Ebene der bewußten Handlungsplanung und der strategischen Rechtfertigung von politischen Aktionen und Programmen operierend vorzustellen. Vielmehr wird hier auf dem Bewußtsein der Akteure weitgehend verborgene sinnlogische Verknüpfungen gegenwärtiger Dispositionen mit den Inhalten des religiösen Dogmas abgehoben – Verknüpfungen, die die Habitusformationen der Akteure und ihre im Sinne von Deutungsmustern operierenden, stillschweigend wirksamen Urteile der Angemessenheit im Alltag bestimmen. Diese sinnlogischen Verknüpfungen können auch über lange Zeiterstreckungen wirksam bleiben, wenn es nur – u.a. bedingt durch aktuelle Provokationen der Verteidigung der eigenen Kultur und der eigenen Traditionen aus einer Position der bedrängenden Fremdbestimmung heraus – hinreichende Anlässe zur Rückbesinnung auf das eigene Erbe gibt, die der Fundamentalismus entsprechend auch mehr oder weniger explizit sich auf die Fahnen geschrieben hat und von seinen Genossen abfordert. Dann kommt es zu beständigen Aktualisierungen der Bedeutsamkeit dieser Traditionen. Und es verfängt dann nicht mehr der Verweis darauf, daß von einer vor mehr als 1300 Jahren entstandenen Schrift keine aktuellen Verursachungen mehr ausgehen könnten. Im Gegenteil: Für den von den monotheistischen Religionen ausgehenden Fundamentalismus ist die Aktualisierung dieser Tradition für die gegenwärtige Alltagspraxis und damit die Revitalisierung der von ihr ausgehenden Habitusformation ja gerade charakteristisch. Gilles Kepel (1991) hat in seiner aufschlußreichen Schrift über den Fundamentalismus dafür schlagende Argumente geliefert. Er hat allerdings ver13
14
Dies häufig getreu einer bei Intellektuellen nicht selten immer noch fortwirkenden marxistischen Basis-Überbau-Dogmatik, in der kulturelle Transformationskräfte und Dynamiken, weil als dem Überbau zugerechnete Faktoren, selbst sozial verursacht sind und als von der Basis verursachte nicht den Status von Ursachen erhalten können. Es darf ja hier auch nicht vergessen werden, daß der Islamismus tatsächlich bestrebt ist, die Herrschaftsorganisation der umma zur Zeit der kulturellen Hochblüte des Islam im Mittelalter oder gar zur heroischen Zeit der frühen, von Mohammed selbst angeführten islamischen Staatlichkeit in Medina wiederherzustellen.
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säumt darauf hinzuweisen, daß dieser Fundamentalismus nicht einfach eine dogmatisierende Rückbesinnung auf eigene Traditionen, welchen Inhaltes und welcher Struktur auch immer, darstellt, sondern eben nur für die monotheistischen Religionen nachzuweisen ist, was seine eigenen Untersuchungen in aller wünschenswerten Klarheit belegen, weil darin nur von fundamentalistischen Strömungen die Rede ist, die auf dem Boden der Kulturen vorkommen, der durch die monotheistischen Religionen bereitet worden ist15. Daß es andere nicht gibt, ist aber kein Zufall, sondern folgt einer Systematik, die Kepel nicht gesehen hat. Entsprechend greift auch seine Erklärung der auch von ihm für wichtig gehaltenen Beobachtung zu kurz, daß der aus den protestantischen Religionstraditionen hervorgehende Fundamentalismus häufig sich stark modernisierend auswirkt, während das für den islamischen Fundamentalismus gerade nicht gilt. Ich habe hier zu zeigen versucht, daß im Koran die Tilgung genau jener spezifischen religionsdogmatischen Kerninhalte und Gestaltungsformen, die im Gefolge des jüdisch-christlichen Monotheismus zum einen die Autonomisierung von individueller Lebenspraxis und zum anderen die systematische, rationalisierungsfördernde Trennung von Religion und Politik auf der Ebene der Praxis der je souveränen politischen Vergemeinschaftung grundsätzlich autonomiefähiger Individuen hervorbringen, jene Modernisierung verhindert bzw. blockiert. Auf beiden elementaren Strukturierungsebenen wirkt sich die islamische Religion als Gehorsamsreligion aus. Auf der Ebene der Subjektformation bedeutet das zwar strenge Prinzipienorientierung, aber auch und vor allem Hemmung von Autonomisierung und Individuierung zugunsten der Konformität mit der Gemeinschaft, auf der Ebene der politischen Institutionen die Gleichschaltung und die Vermeidung der Pluralisierung von Interessen und von Wertprämissen. Eine Rationalität des organisierten und institutionalisierten Parteienstreites kann so nicht entstehen. Staatlichkeit dient primär der Ermöglichung der religiösen Vergemeinschaftung und die Religion als Gehorsam vor Gott ist die einzige Legitimationsquelle der staatlichen Ordnung. Diesem Charakter entspricht die Einrichtung eines theokratischen Herrschaftssystems im gegenwärtigen Iran mit seinen kräftigen Ablegern im schiitischen Irak, die fundamentalistische Bekämpfung der aus der ehemaligen Einheit mit Indien hervorgegangenen, am Westen sich orientierenden Herrschaftslegitimation in Pakistan und der politische Kampf gegen säkulare Herrschaftslegitimationen in vielen anderen Nationen mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung. 15
Was den angeblichen hinduistischen Fundamentalismus anbetrifft, so halte ich ihn weniger für einen genuin religiösen Fundamentalismus als vielmehr für eine politisch-nationalistische Strömung, die sich im Wege der prekären Nationalstaatsbildung Indiens und in Reaktion auf die Abtrennung des explizit auf den Islam sich berufenden Pakistans (1947) in der Dynamik der nationalen Identitätsbildung auf religiöse Inhalte beruft.
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Gehorsam jedes Einzelnen gegenüber der islamischen Tradition und die untrennbare Einheit von religiöser Vergemeinschaftung und Staatlichkeit, von Religion und Politik stützen sich gegenseitig. Grundsätzlich bedingen sich Säkularisierung und Fundamentalismus in den monotheistischen Religionen einander. Aber die von diesem dialektischen Bedingungsverhältnis freigesetzte, spiralförmig nach vorn sich drehende Dynamik der Modernisierung entfällt in den islamischen Ländern und Kulturen weitgehend, weil hier die – in sich schwachen – beobachtbaren Tendenzen der Säkularisierung weniger ein systematischer Abkömmling der eigenen Religion sind, sondern eher der religiös indifferenten, mehr oder weniger bewußtlosen, gewissermaßen alltagsrational suggestiven Übernahme von Errungenschaften des „westlichen“ Rationalisierungsprozesses, und hier vor allem aus den kulturindustriell durchherrschten Bereichen, geschuldet sind, auf die dann eine Art von religiöser Rückbesinnung auf das Eigene fundamentalisierend erfolgt. Dieser Fundamentalismus ist nicht so sehr, wie in den anderen monotheistischen Religionstraditionen, eine Reaktion auf die Säkularisierungsdynamik in der eigenen religiösen Tradition als vor allem auf die säkularisierungsbedeutsamen Modernisierungsformen eben dieser anderen, fremden Traditionen, denen sich der Islamismus religiös überlegen fühlt. Indem der islamische Fundamentalismus sich dogmatisierend nicht so sehr auf Säkularisierungstendenzen im eigenen „Lager“, sondern auf jene der Kulturen sich bezieht, von denen er sich nicht nur in religiöser, sondern auch in politischer Hinsicht bedroht und bedrängt fühlt, wird er in jenem allgemeinen dynamischen Bedingungsverhältnis von Säkularisierung und Fundamentalismus zum systematischen Widerlager der Modernisierung der Kulturen, die aus den anderen abrahamitischen Religionen hervorgegangen sind. In dieser die Grenzen zwischen den verschiedenen Abkömmlingen der abrahamitischen Religionstradition überschreitenden Kopplung von Säkularisierung und Fundamentalismus entsteht auf verhängnisvolle Weise eine Konstellation der doppelten Modernisierungsblockade durch den islamischen Fundamentalismus. Zum einen schotten sich die Kulturen, in denen der islamische Fundamentalismus, unter der besonderen Bedingung der wörtlichen Rückbesinnung auf die Schrifttraditionen, wie das im hanbalitischen Wahhabismus seit der Mitte des 18. Jahrhunderts exemplarisch der Fall ist16, sich ausbreitet und eine dominante Rolle übernimmt, gegen die universalistischen Rationalisierungstendenzen ab. Zum anderen kann sich der Fundamentalismus dabei gegenüber den kulturellen Quellen einer mit Säkularisierung einhergehenden Modernisierung – im Sinne jenes dynamischen Bedingungsverhältnisses von Säkularisierung und Fundamentalismus – als überlegen und als einem konkurrierenden, wahrhaft universalistischen religiösen Prinzip gehorsamer verpflichtet fühlen, denn in seinem Selbstbewußtsein rettet er die Basis 16
Vgl. dazu Meddeb 2002.
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menschheitlichen Zusammenlebens, die jene „feindlichen“ Kulturen in dem Maße, in dem sie sich modernisieren, „ersichtlich“ aufgegeben haben. Die Evidenz für diesen Niedergang erblickt der islamische Fundamentalismus – und nicht nur er – tagtäglich in den Auswüchsen der westlichen Kulturindustrie. Deshalb kann sich auch mit dieser doppelten Modernisierungsblockade das Bewußtsein verbinden, daß jene Feindschaft gegenüber den westlichen Kulturen, die sich in den terroristischen Auswüchsen des Fundamentalismus ausblüht, nicht nur einfach Feindschaft und Haß gegen Fremde bedeutet, sondern hinter ihr im Selbstbild des Fundamentalismus letztlich das Bemühen um eine Errettung im Namen der gemeinsamen monotheistischen Voraussetzungen zu sehen ist und beansprucht werden kann. Denn der Islamismus macht wörtlichen Ernst mit der Vorstellung, daß der bedingungslose Gehorsam des muslimischen Gläubigen vor Allah seine Rechtfertigung in der Überzeugung findet, die einzig gültige Weltordnung sei die vom Islam entwickelte. Sie als letztgültige umfassend zu etablieren, sei die heilige Pflicht eines jeden gläubigen Muslim. In diesem fundamentalistischen Moment der Letztgültigkeit des eigenen Glaubens und der auf strengem Gehorsam beruhenden Vermeidung von immer drohender Fehlleitung reproduziert sich analog die endgültige und nicht mehr zu überbietende Stellung des Propheten in der Reihe der zu ihm führenden Propheten und die Endgültigkeit der von ihm begründeten Buchreligion. Wie und ob diese doppelte Modernisierungsblockade sich auflösen läßt, ist für die Gegenwart eine zentrale Frage. Wie schwer sie zu beantworten ist, davon kann uns gegenwärtig der tägliche Blick in die Politikteile einer seriösen Tagespresse einen bedrängenden Eindruck verschaffen.
9. Bibliographie Bourdieu, Pierre (1979): « Les trois états du capital culturel. » in: Actes RSS, Nr. 30. 3-6. – Dt. Übers.: „Die drei Formen des kulturellen Kapitals.“ in: Bourdieu, Pierre (2001): Wie die Kultur zum Bauern kommt. Über Bildung, Klassen und Erziehung. VSAVerlag, Hamburg. 112-120. Gouldner, Alvin W. (1979): The Future of Intellectuals and the Rise of the New Class. Seabury Press, New York. – Dt. Übers.: Die Intelligenz als neue Klasse. Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York. Kepel, Gilles (1991): Die Rache Gottes: radikale Moslems, Christen und Juden auf dem Vormarsch. Pieper, München/Zürich. Kepel, Gilles / Milelli, Jean-Pierre (eds.) (2005): Al-Qaida dans le texte. P.U.F., Paris. Meddeb, Abdelwahab (2002): Die Krankheit des Islam. Wunderhorn, Heidelberg. Oevermann, Ulrich (1995): „Ein Modell der Struktur von Religiosität. Zugleich ein Strukturmodell von Lebenspraxis und von sozialer Zeit.” in: Wohlrab-Sahr, Monika (Hg.): Biographie und Religion. Zwischen Ritual und Selbstsuche. Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York. 27-102.
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Ulrich Oevermann
Oevermann, Ulrich (2001a): „Bewährungsdynamik und Jenseitskonzepte – Konstitutionsbedingungen von Lebenspraxis.“ in: Schweidler, W. (Hg.): Wiedergeburt und kulturelles Erbe. Academia, St. Augustin. 289-338. Oevermann, Ulrich (2001b): „Charismatisierung von Herrschaft und Geltungsquellen von Gerechtigkeit im Prooemium der Konstitutionen von Melfi (1231) des Kaisers Friedrich II. – Eine objektiv hermeneutische Sequenzanalyse des Dokumentes.“ Unveröff. Manuskript, Frankfurt am Main. 86 S. (erscheint in gekürzter Fassung demnächst in einem von Johannes Fried und Gundula Grebner herausgegebenen Tagungsband). Twardella, Johannes (1999): Autonomie, Gehorsam und Bewährung im Koran. Ein soziologischer Beitrag zum Religionsvergleich. Olms, Hildesheim/Zürich/New York. Weber, Max (1988 [1919]): „Wissenschaft als Beruf.“ in: Winckelmann, Johannes (Hg.): Max Weber. Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. UTB, Tübingen. Weber, Max (1966 [1920]): Das antike Judentum. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. III. Mohr (Siebeck), Tübingen.
Autorinnen und Autoren
Bock, Heike: Doktorandin im geschichtswissenschaftlichen Forschungsprojekt „Konfessionskulturen im Übergang zur Aufklärungszeit. Ein Vergleich von Zürich und Luzern unter Beizug von Utrecht“ an der Universität Luzern,
[email protected] Bruce, Steve: Professor für Soziologie an der ’University of Aberdeen’ in Schottland, Leiter der ’School of Social Sciences’, Fellow der ’British Academy’,
[email protected] Forschungsschwerpunkte: Religionssoziologie, politische Soziologie, insb. Säkularisierung, Religion und Politik, Religion und Terrorismus Neuere Publikationen: Fundamentalism, Cambridge 2001; God is Dead: Secularization in the West, Oxford 2002; Politics and Religion, Cambridge 2003; mit I. Paterson/M. Rosie/T. Glendinning: Sectarianism in Scotland, Edinburgh 2004; mit S. Yearley: The Sage Dictionary of Sociology, London 2006. Chambers, Paul: Soziologe (PhD), Research Fellow am ’Centre for Border Studies’ der ’University of Glamorgan’ in Wales,
[email protected]. co.uk Forschungsschwerpunkte: Religion und Identität, Religion und Ethnizität, Säkularisierung, Religion in der Öffentlichkeit und Politik, Islam in Wales, religiöse Gemeinden Neuere Publikationen: Religion, Secularization and Social Change in Wales, Cardiff 2005. Cipriani, Roberto: Professor für Soziologie an der ‘Università degli studi – Roma Tre’, Visiting Professor an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität von Buenos Aires und Lecturer in Qualitativer Methodologie,
[email protected] Forschungsschwerpunkte: Religionssoziologie, Methoden der empirischen Sozialforschung Neuere Publikationen: (Hg.): Sociology of Religion. An Historical Introduction, New York 2000; mit P. Eleta/A. Nesti (Hg.): Identidade e mudança na religiosidade latino-americana, Petròpolis 2000; Compendio di sociologia.
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Autorinnen und Autoren
Fondamenti, ambiti e temi, Rom 2002; mit G. Mura (Hg.): Il fenomeno religioso oggi, Roma 2002; mit C. Cipolla (Hg.): Pellegrini del giubileo, Milano 2002; (Hg.): Giubilanti nel 2000. Percorsi di vita, Milano 2003; Il pueblo solidale. Nahuatzen: dalla cultura purèpecha alla modernizzazione, Milano 2005. Delibas, Kayhan: Lecturer für Soziologie (PhD) der Adnan Menderes Universität, Aydin, Türkei,
[email protected] Forschungsschwerpunkte: Islamischer Fundamentalismus, Kulturanthropologie, Politische Soziologie, Sozialstrukturanalyse, Säkularisierung in der Türkei Neuere Publikationen: mit G. Rasuly-Paleczek: Social Processes in the History of the Turkish Republic, Canterbury 2004; Theories of Secularization: From ‘Positivist Certainty’ to a Mere Social Myth? Sekülerleúme Teorileri: Pozitivist Kesinlikten Sade bir Sosyal Mit’e Do÷ru? in: E÷itim Araútırmaları Dergisi, 21 (Güz) sayısında, 2005. Dungaciu, Dan: Lecturer und Assistant-Professor für Soziologie an der Universität von Bukarest, Rumänien,
[email protected] Forschungsschwerpunkte: Religionssoziologie, Balkan Studies, Soziologie der Nation und des Nationalismus Neuere Publikationen: East and West in the Mirror of nature. Nationalism in Western and Eastern Europe – essentially different? in: Focaal. Journal of Anthropology, 35, 2000, 171-192; Disenchantment of Sociology? Postmodernity, Sociology of Religion, and the Foundational Crisis of the Separation of Church and State, in: Religion: A scientific Journal for the Interdisciplinary Study of Religion, 1, 2, 2003, 169-179; Natiunea si provocarile (post) modernitatii, Bucuresti 2004. Findeis, Hagen: Diplom-Theologe und Doktor der Soziologie, Koordinator des Graduiertenzentrums „Asien und Afrika in globalen Bezugssystemen” an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Ethnologie,
[email protected] Forschungsschwerpunkte: Erfahrungsgeschichte des deutschen Protestantismus im 20. Jahrhundert, Geschichte politischen Protests in der DDR, Transformation Ostdeutschlands seit 1989 Neuere Publikationen: mit D. Pollack (Hg.): Selbstbewahrung oder Selbstverlust. Bischöfe und Repräsentanten der evangelischen Kirchen in der DDR über ihr Leben – 17 Interviews, Berlin 1999; Das Licht des Evangeliums und das Zwielicht der Politik. Kirchliche Karrieren in der DDR, Frankfurt am Main/New York 2002; Aufruhr in den Augen. Versuch über die politische Geschichtsfühligkeit hinter der Mauer, in: neue deutsche literatur (ndl), Zeitschrift für Literatur und Politik, Heft 558, Berlin August 2004, 58-69.
Autorinnen und Autoren
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Foresta, Patrizio: Wissenschaftlicher Mitarbeiter im geschichtswissenschaftlichen Forschungsprojekt „’Die Zeitliche Sachen mit und neben den religion sachen zusuchen’. Zum Verhältnis von protestantischem gelehrten Wissen und politisch-sozialem Wandel im 16. Jahrhundert“ im Forschungskolleg 435 „Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel“ der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main,
[email protected] Forschungsschwerpunkte: Mittlere, Neuere und Neueste Geschichte, Religions- und Kulturgeschichte Neuere Publikationen: I primi gesuiti e la corte. Alcune considerazioni a proposito di un luogo comune storiografico, in: Schifanoia. Notizie dell'Istituto di Studi Rinascimentali di Ferrara 26/27, 2004, 169-178 (im Erscheinen); Sicut Ezechiel Propheta… et alter Bonifatius. San Pietro Canisio ed il “totalitarismo cattolico” di Pio XI, in: Archivum Historicum Societatis Jesu 73, 2004, 277-325; Die „Missio in Germaniam”. Die Wahrnehmung des Apostolats durch den jungen Canisius“, in: J. Meier (Hg.) Sendung – Eroberung – Begegnung? Franz Xaver, die Gesellschaft Jesu und die katholische Weltkirche im Zeitalter des Barocks, Wiesbaden 2005, 31-66.
Franzmann, Manuel: Wissenschaftlicher Mitarbeiter im soziologischen Forschungsprojekt „Praxis als Erzeugungsquelle von Wissen“ im Forschungskolleg „Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel“ der Johann-Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main,
[email protected] Forschungsschwerpunkte: Säkularisierung, Generationenwandel, Krise der Erwerbsarbeitsethik und bedingungsloses Grundeinkommen, Professionalisierungsbedürftigkeit pädagogischen Handelns, Adoleszenzkrisenbewältigung Neuere Publikationen: mit S. Liebermann/C. Pawlytta: Die Solidarität der Bürger. Zur Bestimmung des Zusammenhangs von Solidarität und politischer Vergemeinschaftung, in: J. Allmendinger (Hg.) Entstaatlichung und soziale Sicherheit, Opladen 2003; mit S. Liebermann: ’Die Krise der Erwerbsarbeitsethik und der Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle Staatsbürger – Implikationen für die Autonomie der Lebenspraxis’ – Einleitung, in: J. Allmendinger (Hg.) Entstaatlichung und soziale Sicherheit, Opladen 2003; mit C. Pawlytta: Unterrichtsinteraktion in der Grundschule: Zur Frage der ungelösten Professionalisierung von Lehrern. Eine Fallrekonstruktion, in: Tagungsband des 32. Kongresses der DGS 2004 in München, Wiesbaden (im Erscheinen); Generation and Secularisation in Germany. The succession of generations up to the youngest adult generation and the advancing process of secularisation, in: Institute for State-Church Relations (ed.), Modern Religion, Bratislava (im Erscheinen).
Gärtner, Christel: Soziologin und Kulturanthropologin (Dr.), zur Zeit Lehrbeauftragte der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Mitherausgeberin der Reihen „Forschungsbeiträge aus der Objektiven
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Autorinnen und Autoren
Hermeneutik“ und der Sektion „Religionssoziologie“ der DGS, ch.gaertner@ soz.uni-frankfurt.de Forschungsschwerpunkte: Religionssoziologie (Säkularisierung und moderne Formen von Religiosität, religiöse Transformationsprozesse, Freiwilligenarbeit), Kultursoziologie (Deutungsmuster- und Generationenforschung, Sozialisations- und Biographieforschung, Geschlechterforschung), Hermeneutische und Historische Sozialforschung Neuere Publikationen: Eugen Drewermann und das gegenwärtige Problem der Sinnstiftung. Eine religionssoziologische Fallanalyse, Frankfurt am Main 2000; Sinnsuche und das Phänomen der neuen religiösen Bewegung, in: Sociologia Internationalis, Bd. 38, 2000, 87-113; mit K. Gabriel/M.-T. Münch/P. Schönhöffer: Solidarität mit Osteuropa. Praxis und Selbstverständnis christlicher Mittel- und Osteuropagruppen, (Forum Weltkirche, 2 Bde.), Mainz 2002; mit D. Pollack/M. Wohlrab-Sahr: Atheismus und religiöse Indifferenz, Opladen 2003; Moralische Integrität und mangelnde politische Urteilsfähigkeit: weibliche Adoleszenzkrisenbewältigung im Nationalsozialismus, in: IFF Zeitschrift des Interdisziplinären Zentrums für Frauen- und Geschlechterforschung, 21. Jg., Nr. 28, 2004, 7-22.
Geschwindner, Alexander: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitslehre der Johann Wolfgang Goethe-Universität,
[email protected] Forschungsschwerpunkte: Religionssoziologie, Professionalisierungstheorie und Organisationssoziologie
Höllinger, Franz: Außerordentlicher Professor am Institut für Soziologie der Karl-Franzens-Universität Graz,
[email protected] Forschungsschwerpunkte: International vergleichende Sozialforschung, Religionssoziologie, Familiensoziologie, Forschungsprojekt zum Thema Religion in Brasilien Neuere Publikationen: Volksreligion und Herrschaftskirche. Die Wurzeln religiösen Verhaltens in westlichen Gesellschaften, Opladen 1996; Gewalt in der Familie. Eine Untersuchung in Zusammenarbeit mit Sozialeinrichtungen, Polizei und Gericht, Graz 1998; Does the counter-cultural character of New Age persist? Investigating social and political attitudes of New Age followers, in: Journal of Contemporary Religion, Vol. 19, 2004 (in Vorbereitung).
Köck, Nicole: Soziologin (Dr.), Lehrbeauftragte am Institut für Sozialpsychologie und Sozialisationsforschung der Johann Wolfgang GoetheUniversität Frankfurt am Main,
[email protected] Forschungsschwerpunkte: Religionssoziologie, Literatursoziologie, Kultursoziologie, Biographieforschung Neuere Publikationen: mit J. Caspar/C. Heinrich/S. Krömmelbein/A. Schmid: Unternehmensvernetzung und Beschäftigung in der Region Rhein-Main, in: A. Schmid/S. Krömmelbein (Hg.) Region und Arbeitsmarktpolitik, Berlin
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2000; Autonome Lebensgestaltung und Vergnügen. Antworten aus der zeitgenössischen Literatur, in: J. Allmendinger (Hg.) Entstaatlichung und soziale Sicherheit, Opladen 2003; Romane als Datenmaterial für soziologische Analysen. Methodologische Präliminarien der Erschließung literarischer Kunstwerke und ihre Exemplifikation an Michel Houellebecqs Roman ‚Les particules elementaires’, in: T. Kron/U. Schimank (Hg.) Die Gesellschaft der Literatur, Opladen 2004.
Kucukcan, Talip: Associate-Professor für Soziologie am ‘ISAM’ bzw. ‘CIS’ (Center for Islamic Studies) in Istanbul, Türkei,
[email protected] Forschungsschwerpunkte: Diaspora-Gemeinschaften, hybride Identitäten, Staatsbürgerschaft und Repräsentation türkischer und anderer muslimischer Minderheiten in der Europäischen Öffentlichkeit Neuere Publikationen: State, Islam and Religious Liberty in Modern Turkey: Reconfiguration of Religion in the Public Sphere, in: Brigham Young University Law Review, Nr. 2, 2003, 475-507; The Making of Turkish-Muslim Diaspora in Britain: Religious Collective Identity in a Multicultural Public Sphere, in: Journal of Muslim Minority Affairs, Vol. 24, Nr. 1, 2004.
Martin, David: Emeritus-Professor für Soziologie an der ’London School of Economics’, Honorar-Professor im ’Department of Religious Studies’ an der ’Lancaster University’ in Großbritannien Forschungsschwerpunkte: Religionssoziologie, Soziologie und Theologie, Säkularisierung, Pfingstlerbewegung, ländervergleichende Säkularisierungstheorie Neuere Publikationen: Pentecostalism: The World Their Parish, Oxford 2001; Christian language and its mutations: essays in sociological understanding, Aldershot 2002; mit J. O. Mills/W. S. F. Pickering (Hg.) Sociology and theology: alliance and conflict, Leiden 2004; On Secularization. Towards a Revised General Theory, Aldershot 2005.
Oevermann, Ulrich: Professor für Soziologie und Sozialpsychologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, Leiter des Forschungsprojektes „Praxis als Erzeugungsquelle von Wissen“ im Forschungskolleg 435 „Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel“ an der Universität Frankfurt am Main,
[email protected] Neuere Publikationen: Die Struktur sozialer Deutungsmuster – Versuch einer Aktualisierung, in: Sozialer Sinn, H. 1, 2001, 35-82; Der Intellektuelle – Soziologische Strukturbestimmung des Komplementär zur Öffentlichkeit, in: A. Franzmann/S. Liebermann/J. Tykwer (Hg.) Die Macht des Geistes, Frankfurt am Main 2001, 13-75; Die Krise der Arbeitsgesellschaft und das Bewährungsproblem des modernen Subjekts, in: R. Becker/A. Franzmann/A. Jansen/S. Liebermann (Hg.) Eigeninteresse und Gemeinwohlbindung: Kulturspezifische Ausformungen in den USA und Deutschland, Konstanz 2001, 19-
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Autorinnen und Autoren
38; Strukturprobleme supervisorischer Praxis. Exemplarische objektiv-hermeneutische Sequenzanalyse des Sitzungsprotokolls der Supervision eines psychoanalytisch orientierten Stationsteams in einer psychosomatischen Klinik, Frankfurt am Main 2001; Strukturelle Religiosität und ihre Ausprägungen unter Bedingungen der vollständigen Säkularisierung des Bewußtseins, in: C. Gärtner/D. Pollack/M. Wohlrab-Sahr (Hg.) Atheismus und religiöse Indifferenz, Opladen 2003, 340-399; Die elementare Problematik der Datenlage in der quantifizierenden Bildungs- und Sozialforschung, in: Sozialer Sinn, H. 3, 2004, 413-476; Sozialisation als Prozess der Krisenbewältigung, in: D. Geulen/H. Veith (Hg.) Sozialisationstheorie interdisziplinär, Stuttgart 2004, 155-181; Adorno als empirischer Sozialforscher im Blickwinkel der heutigen Methodenlage, in: A. Gruschka /U. Oevermann (Hg.) Die Lebendigkeit der kritischen Gesellschaftstheorie, Wetzlar 2004, 189-234.
Peter, Frank: Islamwissenschaftler und Historiker (Dr.), Fellow am ‘Institute for the Study of Islam in the Modern World’ in Leiden,
[email protected] Forschungsschwerpunkte: moderne Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Syriens, religiöse Autoritäten im Islam in Frankreich Pollack, Detlef: Professor für vergleichende Kultursoziologie an der EuropaUniversität Viadrina in Frankfurt an der Oder,
[email protected] Forschungsschwerpunkte: Religionssoziologie, neue soziale Bewegungen, politische Kultur in Deutschland und in Osteuropa, Systemtheorie, DDRForschung Neuere Publikationen: Politischer Protest: Politisch alternative Gruppen in der DDR, Opladen 2000; mit J. Jacobs/O. Müller/G. Pickel (Hg.): Political Culture in Post-Communist Europe – Attitudes in New Democracies, Aldershot 2003; Säkularisierung – ein moderner Mythos? Tübingen 2003; mit C. Gärtner/M. Wohlrab-Sahr (Hg.): Atheismus und religiöse Indifferenz, Opladen 2003; Dissent and Opposition in Communist Eastern Europe: Origins of Civil Society and Democratic Transition, Aldershot 2004; Support for Democracy in Eastern and Western Germany: An Attempt to Explain the Differences, in: Archives européennes de sociologie, Nr. 45, 2004, 257-272.
Twardella, Johannes: Soziologe (Dr.), Lehrbeauftragter am Institut für Sozialpsychologie und Sozialisationsforschung der Johann Wolfgang GoetheUniversität Frankfurt am Main,
[email protected] Neuere Publikationen: Autonomie, Gehorsam und Bewährung im Koran. Ein soziologischer Beitrag zum Religionsvergleich, Hildesheim 1999; Moderner Islam. Fallstudien zur islamischen Religiosität in Deutschland, Hildesheim 2004.
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Weir, Todd: Historiker (PhD.), Dozent an der ’Seattle University’ in den USA, Visiting Scholar am ’Center for the Comparative History of Ideas’ der ’University of Washington’ Forschungsschwerpunkte: Freigeist-Bewegung in Berlin 1859-1924, internationaler Republikanismus, Antiklerikalismus und radikaler Humanismus in der zweiten Hälfte des 19. Jh. Neuere Publikationen: The Fourth Confession: Atheism, Monism and Politics in the ‘Freigeistig’ Movement in Berlin 1859-1924, New York 2005 (Dissertation).
Zusammenfassungen Im folgenden findet sich in alphabetischer Reihenfolge der Autorinnen und Autoren für jeden Aufsatz dieses Englisch–Deutschen Bandes eine kurze Zusammenfassung in der jeweils anderen Sprache.
Bock, Heike: Säkularisierung der modernen Lebensführung? Überlegungen zur Religiosität im modernen Europa der frühen Neuzeit Ausgehend von Arbeiten der beiden Religionssoziologen Steve Bruce und Rodney Stark wird im Artikel die aktuelle Säkularisierungsdebatte vom Standpunkt des Frühneuzeithistorikers beleuchtet. Die Grundthese ist, daß die Vitalisierung des Religiösen und ein beginnender Bedeutungsverlust des Religiösen (Säkularisierung) zwei parallele und einander nicht ausschließende Entwicklungen im frühneuzeitlichen Europa waren. Anhand von vier zentralen Aspekten frühneuzeitlicher Religiosität – Erfüllung eines umfassenden sozialen Bedürfnisspektrums, Koexistenz von christlichen und magischen Glaubensformen, Prozeß der Konfessionalisierung, allmähliches Auseinandertreten populärer und elitärer Glaubenspraxis – werden die inhärenten Potentiale für Säkularisierungs- bzw. Vitalisierungstendenzen von Religion in der Frühneuzeit untersucht. Das von Bruce vertretene Säkularisierungsmodell wird dabei als überzeugend auf der Mikroebene, das von Stark vorgestellte Modell religiöser Variation als fruchtbar auf der Makroebene betrachtet. Am Ende steht der Vorschlag, Starks Modell zu erweitern – von der Annahme eines universellen und stabilen menschlichen Bedürfnisses nach Religion zu einem derartigen Bedürfnis nach Welt- und Sinndeutung – womit auch temporäre Säkularisierungsphänomene erklärbar werden.
Bruce, Steve: Was das Säkularisierungsparadigma wirklich besagt Auf der Grundlage des Buches „God is dead“, in dem die Säkularisierungsthese als gerichteter und – sofern Säkularisierung nicht bloß staatlich dekretiert ist – unumkehrbarer Prozeß ausführlich entfaltet wird, stellt der Artikel eine knappe Zusammenfassung dieser These dar. Es wird argumentiert, daß Säkularisierung weder die intendierte Folge der Aufklärung ist, noch unvermeidlich entstehen muß, sondern ein Resultat nicht intendierter Folgen darstellt, die an eine Kombination von Umständen gebunden ist, wie sie in westlichen Gesellschaften seit der Reformation zusammentrafen. Dabei wird dargelegt, daß die gemeinschaftlich verbürgte Geltung von Religionen unter den genannten Bedingungen brüchig wird und daß sich dieser Erosionsprozeß kumulativ fortentwickelt. Von den komplexen Bedingungen, die zur Säkularisierung westlicher Gesellschaften führten, werden zwei Elemente herausgegriffen: die zunehmende Pluralisierung und Gleichheit der Individuen. Diese werden insofern als folgenreich betrachtet, als das religiöse Alltagsleben durch sie die soziale Unterstützung einer religiös homogenen Ge-
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sellschaft und damit seine Selbstverständlichkeit verliert, wodurch sich auch der Glaube selbst verändert. Eine solche Form der Säkularisierung, so die These, zieht das Verlangen nach Freiheit mit sich, insbesondere von Frauen, und entfaltet eine starke soziale Kraft, die konservative Religionen weltweit bedrohen kann und auf Dauer schwierig zu unterdrücken ist. In den europäischen Ländern, so wird zu zeigen versucht, hat der aktive Glaube im 20. Jahrhundert mit jeder Generation sichtbar abgenommen. Dieser Prozeß vollzog sich in zwei Stufen: Zunächst liberalisierte sich der Glaube von Erwachsenen, die dann ihre Kinder weniger religiös erziehen; dieses Muster verstärkte sich dort, wo die Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Religion nicht mehr das entscheidende Kriterium bei Eheschließungen war.
Chambers, Paul: Säkularisierung und walisische Religiosität Der Artikel geht von der Annahme aus, daß moderne Gesellschaften immer auch nationale Gesellschaften mit unterschiedlichen sozialen, kulturellen und politischen Eigenarten sind und daß von daher die jeweils historische Entwicklung im Hinblick auf die Säkularisierung länderspezifisch rekonstruiert werden muß. Es wird argumentiert, daß es zu ungenau ist, Säkularisierung pauschal mit Modernisierungs- und Industrialisierungsprozessen gleichzusetzen. Vielmehr sollte Säkularisierung jeweils als Produkt partikularer historischer Umstände empirisch untersucht werden. In einer nationalen Fallstudie über Wales wird gezeigt, wie die Walisische Religiosität vermittelt über die Sprache und in Opposition zur englischen Staatskirche entstand, aber erst unter Bedingungen der Modernisierung zur wichtigsten sozialen und kulturellen Kraft wurde, die die Walisische Gesellschaft einigte. Die Religion diente sowohl der Verteidigung der kulturellen Eigenart als auch der nationalen Abgrenzung gegen England. Während noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die walisische Identität mit der „Welsh Nonconformity“ gleichgesetzt werden konnte, begann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Säkularisierungsprozeß, der mit der rapiden Erosion dieser Religiosität einherging. Cipriani, Roberto: Säkularisierung oder „diffundierte Religion“? Der Autor diskutiert die in der Religionssoziologie strittigen theoretischen Deutungskonzepte einer fortschreitenden Säkularisierung einerseits und eines religiösen Revivals andererseits im Hinblick auf den religiösen Entwicklungstrend Italiens der letzten Jahrzehnte. Er knüpft dabei an das von ihm bereits 1983 entwickelte Konzept einer „diffused religion“ an, das er in Auseinandersetzung mit Luckmanns Theorie einer „unsichtbaren Religion“ entwickelt hat, und er führt es unter Rekurs auf neuere Untersuchungen und Daten weiter. Im Unterschied zum Konzept der „unsichtbaren Religion“, die einen Gegensatz zur kirchlichen Religiosität bilde, stünde die bei der Mehrheit der Italiener heute zu konstatierende „diffused religion“ in verschiedenen Graden der Kontinuität zur offiziellen Religion der katholischen Kirche. Sie
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sei in thematischer Hinsicht durch und durch von der katholischen Religion geprägt, auch wenn bei vielen die Lehre der katholischen Kirche nicht mehr einschränkungslos übernommen werde, sondern sich gegenüber der kirchlichen Lehrautorität eine kritische Distanz und religiöse Selbständigkeit und in der Folge verschiedene Grade von Abweichungen bemerkbar machten. Diese diffundierte, vom Katholizismus geprägte Religiosität und Wertbindung erscheine zwar einerseits als Kontrast zur Säkularisierung, bringe letztere aber andererseits zugleich auch zum Ausdruck. Der Autor entwickelt schließlich anhand von Umfragedaten eine Typologie der italienischen Religiosität der Gegenwart, in der sowohl die streng kirchliche Religiosität wie auch die vollständig säkularisierte „Religiosität“ zahlenmäßig die Minderheit bilde, im Unterschied zur „diffused religion“, die in ihren verschiedenen Varianten zusammengenommen die Mehrheit ausmache.
Delibas, Kayhan: Titel: Die Erfahrung der Säkularisierung in der modernen Türkei: Säkularisierung von oben Anders als viele andere islamisch dominierte Länder war die Türkei nie Kolonie einer westlichen Macht, und auch heutzutage ist die Türkei unter den islamisch dominierten Ländern die Nation, die in ihrer Verfaßtheit am deutlichsten die Werte der Aufklärung, insbesondere den Laizismus, vertritt. Der Beitrag nimmt die politischen Prozesse der 1990er Jahre in den Blick, bei denen pro-islamische Parteien in großem Maß erfolgreich waren. Nach einem historischen Abriß der nach-ottomanischen Periode und des Beginns des Kemalismus wird die Besonderheit des türkischen Säkularisierungsprozesses dargelegt: Die Säkularisierung in der Türkei wird nicht von der vielfach traditional geprägten Bevölkerung der ländlichen Gebiete der Peripherie getragen. Vielmehr setzen sich die Eliten und Intellektuelle für die Säkularisierung ein, weil sie sich davon den Anschluß an die Modernisierungsprozesse der westlichen Länder Europas erhoffen. In der Türkei ist durch die Kemalistische Revolution die Säkularisierung der Institutionen und des täglichen Lebens mehr oder weniger dekretiert worden, so daß die Säkularisierung nicht die Neutralisierung und gegenseitige Emanzipation von Staat und Religion bedeutet, sondern sich eher als Unterwerfung des Islam unter den Staat darstellt, als eine Säkularisierung von oben. Die Säkularisierung selbst ist zu einem nationalen Mythos geworden, dessen Sakralität durch die Wahlerfolge der pro-islamischen Wohlfahrtspartei in Frage gestellt wird. Die eigentliche Konsequenz dieses „postmodern coup“ aber liegt nicht in einem Rückschlag der religiösen Kräfte der Türkei, sondern in der Entmachtung alter bürokratischer Eliten und regimetreuer Intellektueller. Die Wahlerfolge müssen entsprechend als wichtiger Modernisierungsschritt gedeutet werden.
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Dungaciu, Dan: Moderne, Religion und Säkularisierung im orthodoxen Ländern. Der Fall Rumänien Die letzten Befragungen zur Religiosität in Rumänien haben gezeigt, daß 8090% der Rumänen sich als christlich-orthodoxe Gläubige verstehen. Rumänien gehört damit zu den „religiösesten“ Ländern Europas. Wie läßt sich dieser Befund angesichts der fünfzig jährigen Herrschaft des atheistischen Kommunismus erklären? Eine zunächst naheliegende Erklärung betrachtet die Religion als Ersatz für die kommunistische Ideologie. Diese Erklärung stellt sich bei genauerem Hinsehen allerdings als zu kurz greifend heraus. Die Begeisterung für den Kommunismus hat bereits in den achtziger Jahren stark nachgelassen, zu einem Zeitpunkt also, in dem der Kommunismus noch nicht durch den christlich-orthodoxen Glauben ersetzt werden konnte. Darüber hinaus gehören die Altersgruppen der Älteren und der Jugendlichen zu den besonders religiösen, sind aber am wenigsten durch kommunistische Indoktrination geprägt worden. Der Beitrag versucht den Weg der orthodoxen Kirche und ihre Verwobenheit mit Modernisierungsprozessen in Rumänien nachzuzeichnen. Eine zentrale These lautet, daß die Modernisierung in der Region Südeuropa, anders als in Europa, wo die Modernisierung mit einer Säkularisierung einhergeht, von keinem Bedeutungsverlust der Religion begleitet wird. Entsprechend kann die Europäische Moderne nicht als Maßstab für Modernität dienen, da im Hinblick auf Religion mindestens zwei Modelle von Moderne und Modernisierung existieren: ein westeuropäisches, wie es beispielsweise von Grace Davie beschrieben wurde, und ein südosteuropäisches, christlich-orthodoxes.
Findeis, Hagen: Secularization of Life Conduct. The Life Story of the Protestant Bishop Ingo Braecklein from the German Empire to the Unified Germany Because of the way in which his person is woven into the fabric of 20th century political history, bishop Ingo Braecklein’s life is a biographical concentration of the diverse problems of the transition from pre-modern to modern society. He represents two conflicting worlds. The pre-modern he represents by ideas such as tradition, order, duty, and discipline, while the modern he characterizes by those of self-realization, individuality, freedom, and search for accomplishment. In spite of the fact that his search for self-fulfilment hardly ever comes to the fore as a conscious aim, there are occurrences in Braecklein’s life which lead him to experience self-fulfilment. The deeper reasons for his search for accomplishment lie in the erosion of the plausibility of his system of values – an erosion brought about by his civil and nationalconservative ancestry and milieu, a religious and self-alienated background. An important reason of Baecklein’s self-alienation is that religion provides a code for the national.
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Foresta, Patrizio: The “Catholic Totalitarianism”. Catholicism and Modernity in the Pontificate of Pius XI. Pope Pius XI formulated the papal doctrine about the relation between the Catholic Church and modern secularized society in several official documents between 1922 and 1925. The publication of this doctrine occurred during a sensitive and controversial period in modern Church history, just after the First World War and just before the ascendancy of totalitarian systems throughout Europe. Interestingly, the Italian historian Francesco Malgeri has related the Quas primas and the idea of a “Catholic totalitarianism,” which is at the same time a suggestive but problematic interpretation of Pius XI’s pontificate. This article addresses historiogaphical questions central to the history of the Catholic Church in the 1920s and 30s.
Geschwindner, Alexander: The Success of Evangelical Sects in Latin America: The Case Oscar This paper deals with the phenomena of Pentecostal sects, which have become enormously successful in recent years. The question is why Pentecostal sects are so attractive for a large number of people, especially in developing countries, and it will be approached by analytically reconstructing the case of a young Mexican (Oscar) who wants to join one such sect. The analysis consists of three sections: The first section concentrates on the social and historical conditions which provide those objective possibilities for action from which a young person may select. Of particular interest are the following two conditions: the economic crisis in 1995/96 and the notorious weakness of Mexico as a Latin American nation. These two factors have lead to phenomena which are particularly characteristic for this region: mass emigration and high crime rates. The second section deals with Oscar’s biography. There is a convergence between Oscar’s personal crisis and the national crisis in so far as his possibilities of successfully dealing with his situation are bound to fail because of social and political circumstances. Pentecostal sects are attractive to Oscar, it is argued, because of societal as well as biographical constellations in his life. In the third section, parts of an interview with Oscar will be analyzed in detail, a procedure which helps confirm above assumptions. The origin of Oscar’s fascination for sects will become clearer. The author concludes that Pentecostal sects provide a possibility for bypassing social stagnation in Mexico by opening up avenues out of an immobile society. Adherents of sects assume a new attitude which enables them to overcome social stagnation by giving them hope for finding a way out. This is of particular relevance for those who seem to have no perspective in life. The success of Pentecostal sects in Latin America, therefore, does not just represent the biggest religious change in the last decades, but points to a fundamental social transformation in Latin American nations.
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Höllinger, Franz: Soziale und kulturelle Determinanten der Vitalität der Religion in Brasilien Im Unterschied zu Europa kam es in den meisten Regionen der Welt im Verlauf des 20. Jahrhunderts nicht zu einem Bedeutungsverlust religiöser Institutionen. Brasilien ist eines der Länder, in denen die Vitalität der Religion besonders stark ausgeprägt ist: Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere aber in den letzten Jahrzehnten bildeten sich zahlreiche neue religiöse Strömungen: spiritistische Gemeinschaften, afro-brasilianische Kulte, Pfingstkirchen, katholische Basisgemeinden, die charismatische katholische Erneuerungsbewegung sowie zahlreiche synkretistische esoterische Gruppen. Besonderen Anklang finden religiöse Gemeinschaften, die durch emotionale und körperbetonte Rituale intensive spirituelle Erfahrungen vermitteln und spirituelle Heilung praktizieren. Aber auch der katholische Heiligenkult, das Wallfahrtswesen und andere Formen der traditionellen katholischen Volksfrömmigkeit sind in Brasilien nach wie vor weit verbreitet. In diesem Beitrag wird argumentiert, daß die Empfänglichkeit der Brasilianer für diese Formen der Religiosität einerseits auf die historische Entwicklung der religiösen Kultur, andererseits auf die Lebensbedingungen in der Gegenwartsgesellschaft zurückzuführen ist. Infolge der Amalgamierung zwischen der indianischen Urbevölkerung, den portugiesischen Kolonisten und den afrikanischen Sklaven war die religiöse Kultur, die sich in der brasilianischen Kolonialgesellschaft ausformte, stark mit Elementen der magischen und spiritistischen Religiosität der indianischen und afrikanischen Stammeskulturen durchsetzt. Während in Europa durch die protestantische Reformation, die katholische Gegenreformation und die Aufklärung die traditionelle Volksreligiosität und Volksmagie nach und nach zurückgedrängt wurden, fand in Brasilien eine derartige Entwicklung kaum statt. Die katholische Kirche hatte zwar die Position einer Staatskirche inne, konnte jedoch aufgrund des chronischen Priestermangels nur einen geringen Einfluß auf die religiösen Verhaltensstandards nehmen. Zentrale Instanz für das religiöse Leben der Bevölkerung waren nicht die katholischen Geistlichen, sondern charismatische Laien, denen besondere spirituelle und magische Fähigkeiten zugeschrieben wurden. Die für archaische Gesellschaften charakteristische Verbindung von spiritistischer Religion, Magie und Heilkunde wurde zum Teil unter der Oberfläche des Katholizismus, zum Teil in Geheimkulten sowie in der Volksmagie und Hexerei weitergeführt. Der Erfolg der neuen Kirchen, Kulte und religiösen Bewegungen, die sich seit der Einführung der Religionsfreiheit am Ende des 19. Jahrhunderts bildeten, läßt sich zu einem erheblichen Teil dadurch erklären, daß es ihnen gelungen ist, die in der Bevölkerung nach wie vor sehr tief verwurzelten traditionellen Formen der brasilianischen Volksreligiosität aufzugreifen und an die Lebensformen der modernen städtischen Gesellschaft anzupassen. Die starke Präsenz der Religion in Brasilien ist aber auch auf die schwierigen Lebensbedingungen in
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diesem Land zurückzuführen. Im Vergleich zu den europäischen Wohlfahrtsstaaten ist das Leben der Menschen in Brasilien in viel höherem Maß von Risiken wie Armut, Krankheit und Kriminalität bedroht. Unter diesen Umständen spielt die Religion eine zentrale Rolle für die Lebensbewältigung und für die Lösung konkreter sozialer, psychischer und gesundheitlicher Probleme.
Kucukcan, Talip: Symbolische Religiosität türkischer Jugendlicher in Großbritannien In Europa leben schätzungsweise drei Millionen türkische Moslems. Die türkische Identität ist eng mit der Zugehörigkeit zum Islam verknüpft. Dieser Beitrag untersucht, wie sich die Zugehörigkeit zum Islam angesichts eines nicht-islamischen Umfeldes gestaltet und insbesondere welchen Stellenwert die Religion einnimmt. Dem Beitrag liegt eine Untersuchung mit qualitativen und quantitativen Elementen zugrunde, die bei Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren mit türkischem Migrationshintergrund in London durchgeführt wurde. Diese Jugendlichen wurden entsprechend den religiösen Dimensionen Glauben an Gott, religiöses Wissen, Glaubenspraxis und religiöse Erfahrung befragt. Während sie noch an basale Prinzipien des Islam glauben und sich diesem zugehörig fühlen, scheint ihnen doch die Religion nur oberflächlich bekannt zu sein. Das religiöse Unwissen ist, so wird argumentiert, die Folge davon, daß an den englischen Schulen wenig über den Islam unterrichtet wird und daß viele islamische Einrichtungen kein jüngeres Publikum aufgrund veralteter Lehrmethoden mehr binden können. Was bleibt, ist schließlich eine eher symbolische Religiosität als Bestandteil der Migrantenidentität in einem säkularisierten britischen Umfeld. Martin, David: Vergleichende Säkularisierung Nord und Süd In diesem Aufsatz liefert der Autor eine aktualisierte Version seiner General Theory of Secularisation (1978) durch eine ländervergleichende Analyse von Säkularisierungsprozessen. Der Vergleich erstreckt sich auf die Peripherien Europas und bewegt sich vom Nord-Westen zum Nord-Osten, um anschließend vom Süd-Westen zum Süd-Osten fortzuschreiten. Im Zuge dieses Vergleichs werden die grundlegenden analytischen Prinzipien expliziert, die der Autor bei einer länderbezogenen Ausdifferenzierung der Säkularisierungstheorie für wichtig erachtet. Ein Abschnitt zur relativ verwestlichten, islamischen Türkei dient der Erörterung der Frage, wie weit sich die Säkularisierung in den nicht-christlichen Bereich hinein erstreckt. Im Hauptteil werden zwei unterschiedliche Varianten des nordischen Protestantismus, Nord-Amerika und Nord-Europa, und zwei unterschiedliche Varianten des katholischen Südens, Lateinamerika und „Lateineuropa“, miteinander verglichen.
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Oevermann, Ulrich: Modernization Potentials in Monotheism and Modernization Blockades in Fundamentalist Islam Within a general model of the structure of religiosity, in which the consciousness of the finiteness of life leads to the universal human problem of a non-satiable dynamic of practical probation and therefore to the non-ending question of what will become of one’s life after death, the structure of religiosity has to be differentiated analytically from religion as an ensemble of belief-contents which are related to a non-empirical, transcendent world. In this model, the process of an unstoppable secularisation in terms of a disappearance of religious contents and obligations – and even a belief in an otherworldly life after clinical death – does not at all imply that religiosity disappears. If it is understood as the operation of a non-satiable dynamic of probation, it remains. Against this background, the process of secularisation (which is itself propelled by a religious dynamic) is seen as being restricted to the monotheistic religious traditions, and it is argued that secularisation and the rise of fundamentalism cause and stimulate one another. These arguments are developed with reference to the inner logic of monotheism. The author then discusses the specific historic constellation in which Islam was founded by Mohammed. Against this backdrop, the author seeks to explain in the main part of his paper why the Islamic dogma as fixed in the Koran and hadith closes both the monotheistic sources of the universal process of rationalization and secularisation, and, within these two, the sources of the autonomy of “life-practice” (Lebenspraxis) itself – processes which are of significance in the Hebraic and Christian traditions. It is suggested that there are six dimensions to this closure: 1. The structural logic of what Max Weber calls ‘ethical prophecy’ is absent from modes of proclamation and announcement of the dogma introduced by Mohammed in the Koran. Hence, an important model of autonomy is absent. 2. The inner composition and arrangement of the Koran – according mainly to the length of individual Suren – lacks a system and, therefore, an autonomous revelation for the individual believer. 3. In the Koran, the dialectic of freedom and necessity and the dialectic of the expulsion from paradise and the acquisition of a conscious cultural life (autonomy as a logical consequence of the Fall of Man) are reduced to a simple scheme of punishing disobedience. Therefore, that force is throttled which in monotheistic religions pushes toward autonomisation. 4. In the Koran, the possibility of a complementary myth of eternal salvation by the human death of a divinely received creature as well as the strong model of the ideal probation of Jesus Christ in his history of passion are reduced to the dogma of an eternal life in the future paradise – a paradise for which the believer qualifies by mere obedience to the five great obligations of Islam. 5. In Islam, earthly pre-experience of this salvation (such as it is opened up in the holy communion of the Eucharistic mass) does not exist; and 6.: by declaring himself the very last and final prophet in the series of prophets sent by God, Mohammed closes all sources for future charisma. (This is reflected in the
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conflicts about his succession which immediately followed his death.) He thereby prevents the foundation of a charismatic church. This also implies that the holy books are reduced from sources of revelation to standards of obedience. The author concludes that Islam is mainly a monotheistic dogma of individual obedience, not autonomy, and of the legitimisation of rule and political power, not its autonomous criticism. This leads to the observation that the Islamic tradition, grounded in the Koran and the hadith, contains an inner barrier against modernization and rationalization. Islamic fundamentalism is interpreted as a radical expression of this tendency, as a reaction to colonization and to the consequences of secularisation in the Jewish and especially in the Christian traditions. It is also shown why the political interpretation of extremist fundamentalism as “terrorism,” instead of bringing about a solution, provides this development with a serious and dangerous support.
Oevermann, Ulrich / Franzmann, Manuel: Structual Religiosity on the Way to Religious Indifference With reference to Ulrich Oevermann’s “structural model of religiosity,” this article starts with the assumption that in the context of the occidental process of rationalisation, secularisation is an inevitable transformation on the level of religious content and that this transformation does not dissolve the basic structure of religiosity. The authors try to identify which secularised “myths of provenance” and of “future probation” remain – for different cases on a graded scale of religious indifference – valid answers to the three basic questions: Who am I? Where do I come from? Where am I going? It is assumed that scientific rationality undermines the plausibility of religious belief-contents, but that this rationality cannot substitute them as a matter of principle. This leads to the question of how the modern individual fills the resultant vacuum. In tackling these issues, the authors introduce passages from several interviews, arranged by the degree to which a given case seems to be secularised. The analysis of these cases indicates that “curiosity” becomes a central theme for successfully answering the mythical questions in a secularised way. The “myths of probation” for these cases of religious indifference therefore are based on a general model of the constitution of aesthetic experience and aesthetic consistency.
Peter, Frank: Islamische Predigten, religiöse Autorität und die Individualisierung des Islams in Frankreich Der Artikel untersucht einen islamischen Prediger in Frankreich, Hassan Iquioussen, der über seine Tätigkeit als Prediger und als einer der Führer der islamischen Jugendorganisation Jeunes Musulmans de France in Frankreich eine zentrale Rolle in der Artikulation eines Islams spielt, der für die Muslime der sogenannten zweiten Generation spezifisch ist.
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Iquioussen repräsentiert einen neuen Typus einer religiösen Autoritätsperson, die nicht nur über ihre Äußerungen zur Bestimmung des Rahmens möglicher islamkonformer Positionen in Frankreich beiträgt, sondern auch als Rollenmodell für ihr Publikum fungiert. Die Herausbildung dieses Autoritätstypus’ ist Teil der Pluralisierung der islamischen Autoritätsstrukturen, die nicht zuletzt aus der Fragmentierung des Gemeindelebens in alters- und geschlechtsspezifische Gruppen herrührt. Iquioussen verkündigt einen Islam der Selbstermächtigung und Orientierung, der speziell auf junge marginalisierte Muslime in Frankreich ausgerichtet ist, dabei aber auch auf generelle Probleme der strukturellen Individualisierung zu antworten versucht. Er verläßt dabei nie die doktrinalen Grundlagen, wie sie von reformistischen Theologen im späten 19. Jahrhundert erarbeitet wurden, und ignoriert auch die Anfänge einer Europa-spezifischen Reflexion zum islamischen Recht. Jenseits aller gelehrten Debatten entwickelt Iquioussen den Islam zu einer Botschaft der Integration in die französische Gesellschaft, die einfach die Gegebenheit einer französischmuslimischen Identität voraussetzt und hiervon ausgehend die Modalitäten eines muslimischen Lebens in der französischen Gesellschaft definiert, wobei er auch, wie in seinen Ausführungen zur individuellen Autonomie, grundlegende Werte der französischen Gesellschaft kritisiert. In Passagen seiner Predigten, in denen er die ethische Disziplinierung des Selbst behandelt, ist diese Abgrenzung zur Mehrheitsgesellschaft allerdings nicht von Belang. Vielmehr nähert Iquioussen hier seine Botschaft durch die starke Betonung abstrakter ethischer Werte einer Selbstvervollkommnungsstrategie an, die unabhängig von jedweden religiösen Erwägungen von Interesse für das Individuum sein kann. Die stellenweise säkularisierende Transformation religiöser Gebote in individuelle Leitwerte steht hier in einem Spannungsverhältnis zur religiösen Gesellschaftskritik, das allerdings weder benannt noch aufgelöst wird. Iquioussens Predigten bestätigen grundsätzlich die Studien, die die Bedeutung der Rationalisierung und der individuellen Aneignung des Islam durch die jungen Muslime betonen. Die Analyse der Predigten Iquioussens deutet allerdings auch an, daß die religiöse Lebensführung junger Muslime nicht nur durch diese beiden Faktoren strukturiert wird. Zum einen wird die Rationalisierung des Islam durch den Anspruch begrenzt, den Verstand der göttlichen Botschaft unterzuordnen, zum anderen ist festzuhalten, daß Iquioussens Vision des Islam als einer Erziehung des Selbst sich neben dem Studium religiöser Texte auch auf eine körperliche Disziplinierung und die Herausbildung affektiver Dispositionen gründet, die den Gläubigen für die Befolgung der religiösen Botschaft empfänglicher machen sollen. Die Anbindung dieser verschiedenen Praktiken durch die jungen Muslime und der Einfluß religiöser Bricolage auf diesen Diskurs verdienen weitere Untersuchungen.
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Pollack, Detlef: Religiöse Vitalität erklären: Theoretische Betrachtungen und empirische Befunde in West- und Ost-Europa Die Bereitschaft der Religionssoziologen, den religiösen Wandel in modernen Gesellschaften mit Hilfe des Säkularisierungstheorems zu beschreiben, nimmt immer mehr ab. Statt der Säkularisierungstheorie, die zwischen Moderne und Religion ein spannungsvolles Verhältnis unterstellt, bedienen sich mehr und mehr Religionssoziologen des in der amerikanischen Religionssoziologie entwickelten ökonomischen Marktmodells, das von der Kompatibilität von Religion und modernen Gesellschaften ausgeht. Die soziale Relevanz von Religion bestimmt sich diesem Ansatz zufolge nicht durch den Grad der erreichten Modernisierung und ökonomischen Wohlfahrt, sondern durch das Ausmaβ der Konkurrenz zwischen Religionsgemeinschaften und den die Konkurrenz beeinflussenden Grad der Trennung von Staat und Kirche. Je deutlicher Kirche und Staat getrennt seien, desto wahrscheinlicher sei die Entstehung eines religiösen Marktes mit einer Vielzahl miteinander konkurrierender religiöser Gemeinschaften und Organisationen; je pluraler und kompetetiver das religiöse Feld, desto mehr nehme die Vitalität von Religion zu. Der Aufsatz untersucht den Einfluß des Modernisierungsgrades, des Grades der Trennung von Kirche und Staat und des Ausmaβes der religiösen Pluralisierung auf die Vitalität von Religion vergleichend in 17 ausgewählten Ländern Ost- und Westeuropas. Er greift dabei auf Daten aus dem International Social Survey Program, dem World Value Survey und auf eine in der Verantwortung des Autors im Jahr 2000 durchgeführte Repräsentativbefragung in 11 Ländern Osteuropas zurück. Religiöse Vitalität wird durch die Indikatoren Kirchgang, Vertrauen in die Kirche und Glaube an Gott gemessen. Als Indikatoren für Modernisierung dienen das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf sowie der Human Development Index. Das Kirche/Staat-Verhältnis wird durch ein neu entwickeltes Raster erfaßt, das von dem bekannten Modell von Chaves/Cann in einigen Punkten abweicht. Religiöse Pluralisierung wird anhand der Konzentration religiöser Gemeinschaften in den jeweiligen Ländern abgebildet. Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß ein fortgeschrittener Grad der Modernisierung die Vitalität von Religion in Westeuropa negativ beeinflußt, diese Effekte in Osteuropa dagegen nur partiell auftreten. Religiöser Pluralismus beeinflußt religiöse Vitalität nicht etwa positiv, sondern negativ, was Annahmen des Marktmodells widerspricht. Der Grad der Trennung von Staat und Kirche hat in der hier verwendeten Operationalisierung keine signifikanten Effekte auf die Vitalität von Religion. Verwendet man allerdings das Modell von Chaves/Cann, geht die Vitalität von Religion mit zunehmender Nähe von Kirche und Staat in der Tat zurück. Der Grund dafür scheint jedoch nicht darin zu liegen, daß die Nähe von Kirche und Staat religiösen Wettbewerb behindert. Religiöser Pluralismus wirkt sich ja negativ auf die Vitalität der Religion aus, so daß die Attraktivität der Religion aufgrund einer durch
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staatliche Regulierungen verminderten Konkurrenz zwischen den Religionsgemeinschaften nicht beeinträchtigt wird. Die negativen Effekte einer schwachen Trennung von Staat und Kirche dürften vielmehr darin begründet liegen, daß im Falle kirchlicher Staatsnähe die Kirche zunehmend als quasistaatliche Institution wahrgenommen wird, die den Bedürfnissen und Interessen der Bevölkerung fremd gegenübersteht. Unter den modernen Bedingungen funktionaler Differenzierung bedürfen Religion und Kirche offenbar einer gewissen Politik- und Staatsferne, um optimal operieren zu können.
Schröter, Susanne: Politicization of Religion and Sacralisation of Politics. Local and National Conflicts between Moslems and Christians During the 20th century secularisation has been considered to be a synonym for modernism within social and political sciences. Since the end of the 20th century this notion has been challenged by unexpected developments outside of Europe. Today, the world faces both a return of religion as a meaningful system and interdependencies between the religious and the political sphere. The author discusses the example of Indonesia’s postcolonial history Recent incidents and current debate shows that pluralism, liberalism, and the multicultural national doctrine are increasingly contested by Islamic fundamentalists who try to conquer the state and turn Indonesia into an Islamic republic. Twardella, Johannes: The Euro-Islam of the Islamic Intellectual Tariq Ramadan The present paper is concerned with the well-known Islamic intellectual Tariq Ramadan, who tries to re-define Islam for the 2nd and 3rd generation of Muslim immigrants to Europe. Ramadan starts with diagnosing a crisis of the West resulting from a tension, characteristic of the whole of western culture, between the sacred and the profane. This tension enabled scepticism, criticism and a revolt against the gods (viz., Prometheus). According to Ramadan, Islamic culture does not know a tension of this kind, and therefore is without scepticism. Instead, there is faith and obedience, mutually reinforced among the believers. In the Qur’an, faith is placed in each human being from the very beginning, from which Ramadan concludes the impossibility of a secularisation in Islam. At most, Muslims can overlook God, but will always be reminded of his existence by the signs he gives. Ramadan’s concept of Islam is truly flexible: religious demands must time and again be reconciled with the actual conditions of the present. For Ramadan, the cornerstone is spirituality, not abiding by the law. This spirituality should express itself as an engagement for justice. Such a renewed orientation by values is considered the right means to overcome the global crisis. Ramadan’s position proves to be deeply ambivalent: on the one hand, he demands extreme obedience and condemns all doubt. On the other hand, he
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conveys a nearly mystical piety and a pragmatic stance with regard to religious norms. Therefore we can interpret Ramadan as reacting to two different problems: first, doubts which a believer may actually entertain are portrayed as “Western” and non-islamic, and the demand for obedience is sharpened. Second, problems, which a Muslim might encounter by following religious norms in his everyday life, are bypassed. Additionally, Ramadan’s proposal enables Muslims to place themselves at a distance from the West while at the same time actively participating in the society. The final of this participation, it may be inferred, is the Islamization of Europe.
Weir, Todd: Die Säkularisierung religiöser Opposition: Antiklerikale Politik und die Freigeist-Bewegung in Deutschland 1844-1933 Dieser Beitrag geht von der Beobachtung aus, daß viele der modernen politischen Bewegungen Deutschlands, deren politische Programme eine utopische Zukunftsvision zu verwirklichen versprachen – wie z.B. Liberalismus, Sozialismus oder Faschismus – gleichzeitig die profiliertesten antiklerikalen Aktivisten in ihren Reihen zählten. Um dieses Phänomen zu erklären, wird zunächst das „Substituierungsmodell” von Säkularisierung skizziert, das der Literatur zur „politischen Religion” zugrundeliegt. Demzufolge führte die latente Säkularisierung zur Erosion des monotheistischen Glaubens und der Macht der Kirchen und ihrer Institutionen. Die radikalen politischen Bewegungen hätten alsdann die sinnstiftenden Funktionen der Kirchen und sogar ihre eschatologischen Strukturen übernommen. Dieses Modell von Substituierung setzt entweder eine genetische Bindung der politischen Bewegungen an die Kirchen oder eine funktionale Äquivalenz der beiden voraus. Antiklerikalismus ist demzufolge die Äußerung eines inneren Alleinherrschaftsanspruchs einer verkappten Religion. Dagegen wendet sich dieser Beitrag mit der These, daß Antiklerikalismus auch aus den jeweils aktuellen, antagonistischen Beziehungen zwischen dem halbsäkularen, halbautoritären Staat und seinen marginalen Oppositionen zu erklären sei. Überprüft wird diese These anhand des Beispiels der freigeistigen Bewegung, die sich aus den Weltanschauungsvereinen der Freireligiösen, Freidenker und Monisten zusammensetzte. Ausgehend von dem relationalen Modell Pierre Bourdieus, das die „invarianten” Haupteigenschaften von religiösen Sekten aus ihrer strukturellen Anfangsposition als „Nebenbuhler“ im religiösen Feld erklärt, wird argumentiert, daß die Konkurrenz mit den Staatskirchen konstitutiv für die Freigeistigkeit bis 1933 war, auch noch, nachdem sie weitgehend atheistisch geworden war. Mutatis mutandi gilt dasselbe für die radikale politische Opposition gegenüber dem autokratischen Staat. Das Streben der religiösen wie der politischen Opposition nach Macht und Autonomie drückte sich als Kritik an den Staatskirchen und dem Staat aus. Weil ihr Streben aber nicht in Erfüllung ging, blieben diese marginalen Gruppen von der stärkeren und von ihnen angefeindeten staatlichen und staatskirchlichen Ordnung abhängig.
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Zusammenfassungen
Diese Beziehung, die zum Teil verleugnet wird, wird „negative Abhängigkeit” genannt. Die negative Abhängigkeit wirkt sich auf jeder Ebene des Komplexes der Freigeistigkeit aus und erklärt zum Teil, wie sich die radikale Säkularisierung als Paradoxon der Entzauberung und der Substituierung (Umsakralisierung) niederschlagen kann. Rhetorisch begleitete die antiklerikale Kritik fast alle Kategorien, die einen Anschluß an die „immanente Transzendenz” boten, wie zum Beispiel „Menschheit”, „Kosmos” oder „Welt”. Soziologisch bot die Freigeistigkeit Gruppen in „uneindeutigen Zwischenpositionen” (Bourdieu) die epistemologischen und institutionellen Mittel, um das Bildungsmonopol der kirchlich-staatlichen Schulen und der bildungsbürgerlichen Eliten anzufechten. Parallel und zum Teil vor der Entstehung der ersten politischen Vereine im Vormärz, erlaubten es die freireligiösen Gemeinden vor allem dem städtischen Kleinbürgertum, kollektive Forderungen gegen den monarchischen Staat, die Staatskirchen und die liberalen Eliten zu erheben. Zum Schluß wird die These entwickelt, daß die Freigeistigkeit sich nicht entpolitisieren und die Politik sich nicht vollständig säkularisieren konnte, solange die politischen und religiösen Systeme, in denen und gegen die sie kämpften, nicht getrennt waren. Ihr halb-säkulares Umfeld war ein wesentlicher Grund, warum es zur paradoxen Halb-Säkularisierung der antiklerikalen Bewegungen in Deutschland kam. Der hohe Grad an Interpenetration zwischen Freigeistigkeit und anderen politischen und kulturellen Oppositionsgruppen, die den Antiklerikalismus teilten, war in vieler Hinsicht eine negative Widerspiegelung der Interpenetration des monarchischen Staates und der Staatskirchen.